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Full text of "Die forstinsekten Mitteleuropas. Ein lehr- und handbuch"

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ESCHERICH 

DIE  PORSTINSEKTEN 
MITTELEUROPAS 

DRITTER  BAND 


VERLAG  PAUL  PAREY  BERLIN 


ÜIIjp  ®.  1.  Bill  ICtbrarg 


^nrtlt  (Earoltua  ^late  (Toüpap 

SB761 

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V.3 


NORTH  CAROLINA  STATE  UNIVERSITYL 


This  book  is  due  on  the  date  indicated  below 
and  is  subject  to  a  fine  of  FIVE  CENTS  a 
day  thereafter. 


^^  1  8  ]qjr 


Die 

Forstinsekten  Mitteleuropas 

Ein  Lehr-  und  Handbuch 


K.  Escherich, 

Dr.  med.  et  phil.,  o.  ö.  Professor  an  der  Universität  München. 


Dritter     Band. 

Spezieller  Teil.    Zweite  Abteilung. 

Lepidopteroidea:  Die  „Schnabelhafte"  (Panorpa tae);  die  „Köcher- 
fliegen" (Trichoptera);  die  „Schmetterlinge"  I  (Lepidoptera  I): 
Allgemeines,    Kleinschmetterlinge,    Spanner    und    Eulen. 

Mit   605   Textabbildungen   und   14   Farbendrucktafeln. 


BERLIN 

Verlagsbuchhandlung  Paul  Parey 

Verlag  fUr  Landwirtschaft,  Gartenbau  und  Forstwesen 

SWll.  Hedemannstraße  28U.29 
193L 


Als  Neuauflage  von 

Judeich -Witsche, 
Lehrbuch  der  mitteleuropäischen  Forstinsektenkunde 

bearbeitet. 


ALLE  EECHTE,  AUCH  DAS  DER  L'BERSETZUNG,  VORBEHALTEN. 

PEINTED  m  GERMANY. 

COPYRIGHT  BY  PAUL  PAREY,  BERLIN  1981. 

ANHALTISCHE  BUCHDRUCKEEEI  GUTENBERG  GUSTAV  ZICHÄUS  G.  M.  B.  H.  DESSAU. 


Vorwort. 

Die  Bearbeitung  des  III.  Bandes  fiel  in  eine  Zeit  größter  Wandlungen 
in  unserer  Wissenschaft  und  Praxis  (1923 — 1930).  Unsere  Wissenschaft  ist 
heute  kausal-analytisch  eingestellt  und  steht  unter  dem  Zeichen  der  epide- 
miologischen Forschung.  Waren  vordem  die  einfache  Beobachtung  und  Be- 
schreibung der  Formen  und  Einzelerscheinungen  die  Hauptgrundlagen  der 
Forstentomologie,  so  werden  sie  heute  gebildet  durch  das  physiologische  Ex- 
periment im  Laboratorium  und  die  Erforschung  der  Wellenbewegungen  der 
Gesamtbiocönose  (in  freier  Natur)  und  ihrer  ursächlichen  Bedingtheit.  Hat 
man  vordem  mit  unbestimmten  Begriffen  und  mehr  oder  weniger  subjektiv 
gefärbten  Meinungen  operiert,  so  arbeitet  man  heute  mit  scharfen  und  klaren 
Definitionen  und  sucht  unter  Heranziehung  großen  Zahlenmaterials  Gesetz- 
mäßigkeiten der  epidemiologischen  Erscheinungen  zu  entdecken.  In  der 
kurzen  Zeit  seit  Bestehen  dieser  Richtung  sind  schon  sehr  erfreuliche  Fort- 
schritte erzielt  worden,  die  nicht  nur  für  die  Theorie,  sondern  auch  für  die 
Praxis  von  größter  Bedeutung  sind,  und  zu  hohen  Hoffnungen  für  die  Zu- 
kunft berechtigen. 

Diese  Umstellung  des  Geistes  bedeutet  ein  Heranreifen  der  an- 
g  e  \\'  a  n  d  t  e  n  Entomologie  zur  großen  Wissenschaft  vom  Range 
der  Chemie  und  Physik,  deren  Ergebnisse  ^\'eit  über  das 
eigene  Gebiet  hinaus  allgemeines  Interesse  finden  werden 
(z.  B.  Bevölkerungslehre).  Sie  stellt  andererseits  aber  auch  weit  höhere 
Forderungen  an  den  Forscher  und  die  Ausrüstung  der  forstentomologischen 
Institute  1)  (s.  S.  51 — 71).  Die  ausführliche  Behandlung,  die  verschiedene 
Abschnitte  im  allgemeinen  wie  im  speziellen  Teil  des  vorliegenden  Bandes 
erfahren  haben,  ist  durch  jene  Umstellung  genügend  gerechtfertigt. 

Was  die  Wandlungen  in  der  Praxis  betreffen,  so  beziehen  sich  diese 
vor  allem  auf  die  chemische  Bekämpfung.  War  diese,  als  ich  die  ersten 
Bände  dieses  Werkes  schrieb,  im  Forstschutz  so  gut  wie  unbekannt,  so 
steht  sie  heute  im  Mittelpunkt  des  Kampfes  gegen  unsere  Großschädlinge 
(s.  S.  82— 100). 

Zu  diesen  beiden  Momenten  kam  noch  ein  drittes:  In  der  Zeit  seit  Er- 
scheinen des  II.  Bandes  ereigneten  sich  mächtige  Waldkatastrophen  von 
bisher  unbekannter  Heftigkeit  und  Ausdehnung.  Sie  gaben  der  Wissenschaft 
seltene  Gelegenheit  zum  Studium  des  Ablaufs  der  Epidemien  und  zum 
Sammeln  von  praktischen  Erfahrungen.  In  dieser  Beziehung  ist  bei  der 
Auswertung  der  letzten  bayerischen  Kieferneulenkalamität  Vorbildliches  ge- 
leistet worden:  Mit  zielbewußter  Fragestellung  und  xA.rbeitsteilung  haben 
hier  Zoologen,  Botaniker  und  Praktiker  zusammengearbeitet,  und  so  in 
einem   Jahr   sowohl   bezüglich   der   wissenschaftlichen   Erkenntnis   als   auch 


1)  Das  während  des  Druckes  dieses  Bandes  erschienene  Werk  meines  Freundes 
K.  Friederichs  (Die  Grundfragen  und  Gesetzmäßigkeiten  der  land-  und  forst- 
wirtschaftlichen  Zoologie.    Berlin    1Q30.    Paul    Parey )    gibt    dem   beredten   Ausdruck. 


I\'^  \'or\\ort. 

deren  praktischen  Anwendung  große  Fortschritte  erzielt  (s.  den  Abschnitt 
über  die  Eule). 

Die  hier  angeführten  Umstände  haben  die  Bearbeitung  des  III.  Bandes 
wesentlich  beeinflußt.  So  hat  denn  der  vorliegende  Band  teilweise  auch 
schon  äußerlich  ein  verändertes  Gesicht  erhalten  gegenüber  den  bisherigen 
forstentomologischen   Darstellungen. 

Wie  bei  den  beiden  ersten  Bänden,  so  habe  ich  mich  auch  bei  diesem 
Band  um  die  Beschaffung  eines  möglichst  reichen  und  guten  Bildmate- 
rials bemüht.  Da  es  bei  der  Beschreibung  der  Schmetterlinge  und  Raupen 
sehr  viel  auf  die  Färbung  ankommt,  so  wurde  eine  Reihe  farbiger  Tafeln 
beigegeben,  die  die  wichtigsten  Typen  der  Schmetterlinge  und  Lar\en 
zeigen.  Der  größte  Teil  der  Schmetterlingstafeln  wurde  von  Prof.  Dr. 
J.  vonKennel  verfertigt i),  der  durch  sein  klassisches  und  monumentales 
Tortricidenwerk  sowohl  als  Kenner  und  Forscher  der  Kleinschmetterlinge 
als  auch  als  Künstler  Weltruf  genießt.  Ich  betrachte  es  als  eine  besonders 
glückliche  Fügung,  daß  Herr  von  Kennel  just  zur  rechten  Zeit  von 
Dorpat  nach  München  übersiedelte  und  sofort  bereitwilligst  die  nicht  leichte 
Aufgabe  trotz  seines  Alters  übernahm,  die  er  in  ausgezeichneter  Weise  ge- 
löst hat-). 

Außer  den  Schmetterlings-  und  Raupentafeln  wurden  noch  drei  nach 
Farbenphotographien  hergestellte  Tafeln  mit  Habitusbildern  von  Raupen- 
fraß beigegeben,  die  auch  demjenigen,  der  noch  keine  größere  Kalamität 
gesehen,  einen  guten  Begriff  vom  Aussehen  und  von  der  Größe  des 
Schadens  geben  werden.  Für  die  wichtigsten  Großschädlinge  ließ  ich  ferner 
Karten  anfertigen,  die  die  Schadgebiete  (nach  dem  Vorkommen  von  über 
ICO  Jahren)  im  Zusammenhang  mit  den  Jahresisothermen  und  Niederschlags- 
mengen zeigen;  ich  glaube,  daß  sie  Manchen  zum  Nachdenken  anregen 
werden  3). 

Auch  an  Textabbildungen  wurde  nicht  gespart,  ihre  Zahl  beträgt 
über  600,  wovon  ein  großer  Teil  Originale  sind.  Fast  alle  der  letzteren 
sind  nach  Photographien  reproduziert,  die  von  Herrn  Oberpräparator 
W.  Sei  ff  aufgenommen  wurden  und  die  in  bezug  auf  Klarheit  und  Schön- 
heit kaum  zu  übertreffen  sind.  Die  Originaizeichnungen  sind  zum 
großen  Teil  von   Dr.  E.O.Engel    (München)   mustergültig  gefertigt. 

Bezüglich  der  systematischen  Übersichtstabellen,  Beschreibungen,  der 
Nomenklatur  usw.  stützte  ich  mich  in  der  Hauptsache  auf  Spulers  großes 
Schmetterlings-Werk,  auf  Kenneis  „Paläarktische  Tortriciden"  und  der 
Pleringschen  Bearbeitung  der  Schmetterlinge  in  Brohmers  Tierwelt 
Mitteleuropas. 

Leider  mußte  davon  abgesehen  werden,  die  gesamten  Schmetterlinge, 
wie  ursprünglich  geplant,  in  den  III.  Band  aufzunehmen,  da  dadurch 
dessen  Umfang  zu  groß  geworden  wäre.  Die  Behandlung  der  Spinner, 
Schwärmer   und  Tagfalter  wird   daher   erst   im    IV.  Band   erfolgen,   der  als 


1)  Nur  zwei  Tafeln  (Spanner  und  Eulen"  sind  nach  farhcnpholographischen 
Aufnahmen  hergestellt. 

2)  Die  Kosten  zur  Anfertigung  der  farbigen  Bilder  wurden  aus  der  J  o  li. 
Christ.  Kl oepf ersehen  Forststiftung  bestritten. 

3)  Die  Karten  wurden  schon  vor  mehreren  Jahren  hergestellt.  Heute,  nach  den 
neuesten  Erkenntnissen  über  die  Zusammenhänge  von  Klima  und  Gradation,  würde 
ich  weniger  Wert  auf  die  J  ahr  e  s isothermen  legen. 


\'or\vort.  \ 

Schlußband  des  Werkes  neben  diesem  Rest  der  Schmetterlinge  noch  die 
übrigen  Insekten,  also  die  Hymenopteren,  Dipteren  und  Rhynchoten  ent- 
halten wird. 

Mit  einem  Gefühl  von  Genugtuung  kann  ich  feststellen,  daß  vieles,  ja 
sehr  vieles  von  dem  Neuen,  das  im  vorliegenden  Band  zur  Darstellung  ge- 
langt, auf  Arbeiten  beruht,  die  im  Münchener  Institut  entstanden  sind. 
Wenn  trotz  der  geringen  Mittel,  die  dem  Institut  zur  Verfügung  stehen,  so- 
viel geleistet  werden  konnte,  so  ist  dies  vor  allem  auf  die  selbstlose  Hingabe 
und  hohe  Begeisterung  zurückzuführen,  von  der  alle  meine  Mitarbeiter,  vom 
ersten  Assistenten  bis  zur  Hilfspräparatorin,  erfüllt  sind.  Ihnen  allen  möchte 
ich  hier  in  erster  Linie  herzlichst  danken  für  ihre  Treue  und  unentwegte 
Arbeit,  ohne  die  der  III.  Band  in  der  vorliegenden  Form  nicht  hätte  zustande 
kommen  können. 

Daß  aber  überhaupt  eine  Arbeit  größeren  Stiles  möglich  wurde,  ist  das 
Werk  des  Chefs  der  bayerischen  Forstverwaltung,  des  Staatsrates  Theodor 
Mantel,  der  die  hohe  Bedeutung  der  Forstentomologie  für  den  Forstbetrieb 
klar  erkennend  keinen  nur  irgendwie  gangbaren  Weg  unbenutzt  ließ,  unsere 
Bestrebung  zu  unterstützen.  Ihm  sei  hierfür  der  ergebenste  Dank  aus= 
gesprochen. 

Großen  Dank  schulde  ich  noch  Herrn  Ministerialdirektor  Streil  und 
Herrn  Oberregierungsrat  Schuster  (Reichsministerium  für  Ernäh- 
rung und  Landwirtschaft),  die  seit  einer  Reihe  von  Jahren  die  Ar- 
beiten unseres  Institutes  in  der  großzügigsten  Weise  gefördert  haben,  und 
durch  deren  Entgegenkommen  es  auch  ermöglicht  wurde,  den  vorliegenden 
Band  mit  bunten  Tafeln  zu  schmücken.  Ebenso  großen  Dank  schulde  ich 
auch  der  Notgemeinschaft  der  Deutschen  Wissenschaft,  die 
stets  helfend  eingegriffen  hat,  wenn  wir  am  Ende  unserer  Mittel  waren. 
Durch  ihre  Hilfe  wurden  wir  in  den  Stand  gesetzt,  das  für  die  wichtigen 
epidemiologischen  Forschungen  unentbehrliche  Instrumentarium  anzuschaffen. 

Groß  ist  die  Zahl  der  Kollegen,  die  mir  in  Einzelfragen  stets  in 
liebenswürdigster  Weise  Auskunft  gaben,  und  denen  ich  hierfür  auch  hier 
danken  möchte.  Ich  nenne  vor  allem:  W.  Berwig  (Sigmaringen), 
F.  Bodenheimer  (Jerusalem),  C.  Börner  (Naumburg),  G.  Cecconi 
(Florenz),  H.  Eidmann  (Hann. -Münden),  E.  O.  Engel  (München), 
J.  Fahringer  (Wien),  H.  Gasow  (Münster),  Anton  Handlir seh  (Wien), 
M.Hering  (Berlin),  N.A.  Kemner  (Stockholm),  E.  Malenotti  (Verona), 
Benno  A.  Marcus  (München),  S.  Mokrzecki  (Warschau),  K.  vonRosen 
(München),  E.  Schimitschek  (Wien),  O.  Schneider-Orelli  (Zürich), 
K.T.Schütze  (Rachlau),  M.  Seitner  (Wien),  Max  Sindersberger 
(Ansbach),  der  mir  die  Darstellung  über  die  Organisation  der  Eulen- 
bekämpfung zur  Verfügung  gestellt  hat,  P.  Spessivtseff  (Stockholm), 
L.  Sprengel  (Neustadt  a.  H.),  F.  Stellwaag  (Neustadt  a.  H.),  J.  Trä- 
gärdh  (Stockholm),  Aug.  Thienemann  (Plön),  H.  Thomann  (Lan- 
quardt),  K.  von  Tubeuf  (München)  und  A.  von  Vietinghoff  (Neschwitz), 
welch  letzterer  die  verschiedenen  xAbschnitte  über  die  Bedeutung  der  Vögel 
als  Vernichtungsfaktor  bearbeitet  hat. 

Ganz  besonderen  Dank  schulde  ich  endlich  W.Zwölfer,  der  mir 
bereitwilligst  die  Ergebnisse  seiner  im  Gang  befindlichen  Forschungen  über- 
lassen hat,  und  dem  auch  sonst  keine  x\rbeit  zuviel  wurde,  wo  es  sich  um 
den   Fortgang  und  die  Vollendung  des   III.  Bandes    handelte.    Welch  große 


VI  X'orwort. 

Förderung  durch  ihn  die  Epidemiologie  erfahren  hat.  wird  Jedem  klar 
werden,  der  den  Abschnitt  über  die  Kieferneule  studiert. 

Dr.  Zwölfer  hat  sich  auch  sehr  wesentlich  an  der  Korrektur  des 
Werkes  beteiligt.  Diese  wurde  außerdem  in  dankenswerter  Weise  noch  von 
Herrn  W.  Sei  ff  und  Fräulein  Berta  Führer  mitbesorgt;  ersterer  hat 
auch  das  Register  bearbeitet. 

Endlich  sei  noch  dem  Verleger  gedankt,  der  allen  meinen  Wünschen 
entgegengekommen  ist  und  keine  Mühe  und  Kosten  gescheut  hat,  dem 
III.  Band  eine  in  jeder  Beziehung  vorbildliche  .Ausstattung  zu  geben. 

München,  im  März  1931. 

K.  Escherich. 


Inhalt  des  dritten  Bandes. 

Seite 

Ordnungsgruppe  Lepidopteroidea i 

Ordnung  Panorpatae  (Schnabelhafte) i 

Ordnung  Trichoptera  (Köcherfliegen) 3 

Ordnung  Lepidoptera   (Schmetterlinge) 6 

I.  Allgemeiner  Teil 6 

1 .  Kurze   Übersicht  über  die   Morphologie   und   Anatomie   .  6 

A.  I  m  a  g  o 6 

Der    Kopf    und    seine    Anhänge 6 

Die    Brust    und    ihre    Anhänge 9 

Der    Hinterleib 13 

Die  weiblichen  Sexualorgane 15 

B.  Raupe 23 

C.  Puppe 32 

2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge   .  35 

A.  L  e  b  e  n  s  w  e  i  s  e    d  e  r    F  a  1 1  e  r 35 

Das    Schlüpfen 35 

Die    Ernährung 37 

Das    Geschlechtsleben 39 

B.  Lebensweise    der    Raupe 42 

Ernährung 43 

Verschiedenes 46 

Verpuppung 47 

3.  Die    Rh  um  blersc  he    Bioformel 48 

4.  Nutzen    und    Schaden    der    Schmetterlinge.     Forstliche 

Bedeutung 50 

5.  Epidemiologie         51 

A.  Verlauf  der  Raupenkalamitäten 51 

B.  Ätiologie 51 

Anhang:    Zur   Methodik 69 

6.  Raupenkrankheiten         71 

A.  Bakterienkrankheiten 72 

B.  Die   Mikrosporidienkrankheiten 72 

C.  Polyederkrankheiten 79 

7.  Die     chemische     Bekämpfung     mittels     Flugzeug     oder 

M  o  t  o  r  V  e  r  s  t  ä  u  b  e  r 82 

Flugzeugmethode 83 

Historisches 83 

Gegen    welche    forstliche    Schädlinge    kann    die    Arsenbestäubung    vor- 
genommen werden? 85 

Wann  ist  die   Flugzeugbestäubung  indiziert? 86 

Das    Gift r 87 

Motor-   und   Handverstäuber 96 

8.  DasSystemderLepidopteren loi 

System  nach  B  örner  (1925 — 1929) 102 

System  nach  H  and  lirsch    (1925) 107 


VIII  Inhalt  des  dritten  Bandes. 

Seite 

System  nach  Hering    (1926)       .      .      - no 

System  nach  H  e  y  m  o  n  s   (19131 112 

System  nach  Imms   (1924) 113 

System  nach  Wolf  f    und    Krauße    (1922) 114 

Das  hier  angewandte  System 115 

Tabelle 116 

9.  Abkürzungen 122 

A.  Lepidopteren- Autoren 122 

B.  Häufig    zitierte    forstliche    und    entomologische    Zeitschriften    und 
Handbücher 124 

IG.  Allgemeine   Literatur   über    Lepidopteren 

(Systematik  und  Biologie) 125 

II.  Spezieller  Teil         127 

I.  Unterordnung:  Microlepidoptera  oder  Kleinschmetterlinge          ...  127 

i.Tribus:Jugatae 127 

Familie:    Micropterygidae 127 

Unterfamilie  Micropteryginae 127 

Unterfamilie  Eriocraniinac 128 

Familie:Hepialidae 129 

2.  Tr  ib  u  s:   M  i  c  r  of  r  enatae 131 

Familie:  Tineidae  (s.  1  a  t. !   (Motten) 131 

Übersicht    (in   systematischer    Reihenfolge)    der   hier    behandelten 

Tineiden T35 

Übersicht   der  hier   behandelten   Tineiden   nach   ihrem   biologisch- 
forstlichen  Verhalten 137 

1.  Unterfamilie:  Nepticiiliiiac 138 

2.  Unterfamilie:  7'ischeriinae 143 

3.  Unterfamilie:  Incurvariinae  .      .             !45 

4.  Unterfamilie:  Tineinac     ...            147 

5.  Unterfamilie:  Hyponomeutinae 152 

6.  Unterfamilie:   Gracilariinae 177 

7.  Unterfamilie:  Coleophorinae 185 

8.  Unterfamilie:  Momphinae 19S 

9.  Unterfamilie:   GeLechiinae 199 

Literatur    über    die    Tineiden 208 

Familie:    Tortricidae    (Wickler) 211 

Übersicht   der   hier   behandelten   Arten   in   systematischer   Reihen- 
folge           215 

Übersicht  der  hier  behandelten  Arten  nach  ihrem  biologisch-forst- 
lichen   Verhalten 216 

1.  Unterfamilie:  Tortricidae 220 

Literatur    über    Tortriciden  I.    Torlricinae 268 

2.  Unterfamilie:  Phaloniinae 271 

3.  Unterfamilie:  Epibleminae 271 

Literatur  über  Tortriciden   II   (Epiblemittae) 277 

F  a  m  i  1  i  e :     C  o  s  s  i  d  a  e 381 

Literatur  über  Cossiden 394 

Familie:    Sesiidae    (=^^Aegeriidae) 395 

Systematische  Übersicht 395 

Bestimmungstabelle  der  forstlich  beachtenswerten  Arten  der  Gat- 
tung Sesia  L 399 

Bestimmungstabelle   der   wichtigsten   Sesiiden-Raupen     ....  399 


Inhalt  des  dritten  Bandes.  IX 

Seite 
Bestimmungstabelle   der  wichtigsten  Sesiiden-Puppen     ....  401 
Übersicht    der    forstlich    beachtenswerten    Arten   nach    den    Fraß- 
pflanzen         1"^ 

Bionomie  und  wirtschaftliche  Bedeutung  der  einzelnen  Arten  .      .  403 

Literatur    über    Sesiiden 4i9 

Familie:  Psychidae -^"^ 

Familie:  Limacodidae    (=   C  ochlidiidae) 422 

Familie:  Zygaenidae    (Antrocer idae) 4^5 

Familie:Pyralidae    (Zünsler) 426 

Unterfamilie:    Ph\citinae -42? 

Übersicht  über  die  hier  genannten  Phycitinen  in  systematischer 

Reihenfolge         •     '     •'   i,'  "^"^ 

Übersicht   der  hier   genannten   Zünsler   nach   ihrem   biologisch- 
forstlichen   Verhalten 428 

Literatur   über   Pyraliden 452 

Familie:  Pterophoridae    (  F  e  d  e  r  mo  1 1  en) 454 

Familie:  Orneodidae    (Geistchen) 454 

II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera  oder  „Großschmetterlinge"  ...  455 

I.  Tribus:    Macrofrenatae 457 

Familie:    Geometridae    (Spanner; 457 

Übersicht  der  hier  genannten  Arten  in  systematischer  Reihenfolge  460 

Übersicht  der  hier  genannten  Spanner  nach  ihrem  Vorkommen  .  461 

A.  Nadelholzspanner •      •      •      •  4 ^3 

Bupalus  piniarius  L.   (der  gemeine  Kiefernspanner)   ....  403 

Beschreibung 403 

Bionomie ''■"^ 

Epidemiologie         497 

Ätiologie 497 

Örtlicher    Verlauf 504 

Zeitlicher   Ablauf 5i" 

Symptome    der    Gradation 5^2 

Die    Krisis 5i6 

Geschichte    der    Spannergradationen 53^ 

Forstliche    Bedeutung 54^ 

Prognose    quoad    vitam    des    Waldes 54^ 

Bekämpfung 544 

Feststellung   der   Befallsstärke 544 

Hebung    des    Parasitenstandes 555 

Vertilgung    der    Puppen 557 

Vertilgung    der    Raupen 5^6 

Ellopia  prosapiaria  L.  (der  rote  Kiefernspanner) 569 

Semiothisa  liturata  Cl.   (der  veilgraue  Kiefernspanner)   ...  574 

Hematurga   aLomaria   L.    (der    Heidekrautspanner)      ....  575 

Zapfenschädlinge         577 

Weitere  Nadelholzspanner  ohne  größere  forstliche  Bedeutung  .  580 

Literatur  über  Nadelholzspanner 583 

ß.  Laubholzspanner 587 

Literatur    über    Laubholzspanner 608 

Familie:Noctuidae    (Eulen) 609 

Kurze   Charakteristik  der   hier  behandelten   Gattungen   .      .      .      .  612 
Übersicht  über  die  hier  behandelten  Eulen-Arten  in  systematischer 

Reihenfolge ^'^ 

Bionomie    und    forstliches    Verhalten    der    verschiedenen    Eulen- 
Arten        618 


X  Inhalt  des  dritten   Bandes. 

Seite 

1.  Bestandsschädlinge 6i8 

A.  An  Nadelholz 6i8 

Panolis    flainmea    Schiff,    (die    Kiefern-    oder    Forleulc  j    .      .  619 

Beschreibung 620 

Bionomie 624 

Fortpflanzung 624 

Bionomie   der   Raupe 643 

Epidemiologie         65S 

Zur   Theorie:   Die   Zwölf  er  sehe   Populationsgleichung   .      .  657 

Ätiologie   der  Gradation 666 

Örtliche   Disposition 666 

Klimatische    Einflüsse 670 

Zeitlicher   Ablauf   der    Gradation 682 

Örtlicher    Verlauf   ...            683 

Symptome  der  EuJengradation 685 

Regenerationserscheinungen   und   Prognose   quoad   \itam   des 

Waldes 689 

Die   Krisis 701 

Parasiten 702 

Krankheiten 717 

Räuberische   Tiere 721 

Beispiele    einer    Analyse    der    Hauptvernichtungsfaktoren 

während    eines    Krisenjahres 727 

Geschichte   und  forstliche   Bedeutung   der   Eulengradation   .      .  728 

Die   Bekämpfung 

Feststellung  der  Befallsstärke    (Virulenz) 734 

Vorbeugende   Maßnahmen 736 

Vertilgung  der  Eier yy] 

Vertilgung  der  Puppen 737 

Vertilgung  der  Raupen 739 

Bekämpfung  der  Sekundärschädlinge 745 

Organisation  der  Bekämpfung 746 

Literatur  über  die  Eulen  I   (Die  Kieferneule  l 758 

B.Eulen    am    Laubholz 762 

2.  Kulturschädlinge 'J-]':) 

Literatur  über  die   Eulen   II    (Eulen  an   Laubholz   und  in   Kul- 
turen)          795 

Autorenregister 801 

Sachregister 807 


Verzeichnis  der  Farbendrucktafeln. 

Tafel       I.  Tineiden   {Alotlen. nach  Seite  176 

II.  Tortriciden  (Wickler  1   I „  „224 

III.  Tortriciden   (Wickler)   II ,  „272 

IV.  Tortriciden   (Wickler  1    III 352 

,,           V.   Hepialiden,   Cossiden,   Sesien,   Pyraliden ,,     456 

„        VI.  Der   Kiefernspanner  und   seine   Bionomie „  „     464 

„      VII.   Spannerfraß  im  ersten  Eruptionsjahr.    Aussehen  des  Wal- 
des im  Oktober ,,  .,512 

,,    VIII.   Geometriden    (Spanner ,  .,     576 

„        IX.  Spannerraupen .,  ,,     592 

„          X.  Noctuiden  (Eulen) „  ;,     624 

„        XI.  Eulenfraß  im  Eruptionsjahr.    Aussehen  des  ^^'aldes   JNIitte 

Juni.  Im  Vordergrund  Brandfläche  mit  jungen  Kulturen        ,,  ,.     656 
„      XII.  Waldrand   von  der   Eule   befressen   (Eruptionsjahr  .    .Aus- 
sehen im  Juni ,,  .,     688 

Karte    12 „  „     752 

,.    XIII.  Eulenraupen         „  ,,     7^8 


Druckfehlerverzeichnis  zu  Bd.  III. 

S.  140  ZIe.  17  von  unten:   Lies   Tutt   statt   Taut. 

S.  215  Zle.  21   \on  unten:  \ylos/ea/ia  L.  gehört  zu  Cacoecia  und  ist  zwei  Zeilen  tiefer 

unter   Cacoecia  podana   Scop.   zu   setzen. 
S.231:   Im  Text  zu  den  .Abbildungen   192   und   193   lies   /nitriiiana  statt  mii.riana. 
S.  355  Zle.  I  :  var.  putaininana  ist   zu  streichen. 
S.  375  Abb.  322:  Die  Abbildung  der  Puppe  umkehren. 
S.  379  Zle.  6  von  oben:  lies  Enderlin  statt   Ender  lein. 
S.  379  Zle.  16  von  oben:   lies    Fank  hauser   statt    Fankhausen. 
S.  379  Zle.  4  von  unten:   lies  Land  mann  statt  Ladmann. 

S.  431    Zle.  5   ^-on  unten:    ist    zu    Hyphantidium    der    Autorname    Scott,    zu    setzen. 
S.  539  Zle.  IG  \o\\  unten:   lies   Osterheld   statt   Ost  erhold. 


Ordnungsgruppe  Lepidopteroidea. 

Mundteile  kauend  oder  saugend,  oft  stark  rückgebildet,  Prothorax  klein, 
frei  oder  mit  dem  Mesothorax  verwachsen,  dieser  meist  der  größte  Abschnitt 
der  Brust.  Flügel  meist  wohl  ausgebildet  (selten  reduziert),  gleichartig,  meist 
mit  typischem,  vollkommenem  Geäder,  häutig,  mit  oder  ohne  Schuppen. 
Larven  meist  raupenähnlich  (eruziform).  Holometabole  Entwicklung  mit 
freier  oder  bedeckter  Puppe. 

Die  Lepidopteroidea  enthalten  3  Ordnungen: 
Panorpatae  (Schnabelhafte), 
Trichoptera  (Köcherfliegen), 
Lepidoptera  (Schmetterlinge). 

Die  beiden  ersten  Ordnungen  werden  hier,  da  forstlich  kaum  von  Be- 
lang, nur  kurz  erwähnt,  während  die  Schmetterlinge,  denen  in  forstlicher  Be- 
ziehung die  größte  Bedeutung  unter  allen  Insekten  zukommt,  eine  ausführ- 
liche Darstellung  verlangen,  die  sowohl  diesen  ganzen  III.  Band,  als  auch 
noch  einen  Teil  des  \Y .  Bandes  einnehmen  wird. 


Ordnung  Panorpatae  (Schnabelhafte). 

Die  Schnabelhafte,  die  früher  wegen  ihres  netzartigen  Flügelgeäders  zu  den 
Netzflüglern  (Neuropteren,  s.  Bd.  II,  S.  29)  gestellt  wurden,  bilden  eine  kleine 
Gruppe  von  vorwiegend  mittelgroßen,  schlanken 
Insekten,  meist  mit  4  gleichartigen,  zarthäutigen, 
voneinander  unabhängigen  Flügeln,  die  in  der 
Ruhe  flach  über  dem  Abdomen  liegen. 

Die  Bezeichnung  „Schnabelhafte"  rührt  von 
dem  schnabelartig  nach  unten  verlängerten  Kopf 
her  (Abb.  i).  An  der  Spitze  des  Schnabels  be- 
finden sich  die  Mundwerkzeuge:  die  kleinen  Man- 
dibehi,  die  Mittelkiefer  ( i.  Maxillen)  mit  getrennten 
Laden  und  5  gliedrigen  Tastern  und  die  Hinter- 
kiefer (Labium)  mit  2—3  gliedrigenTastern.  Fühler 
vielgliedrig,  gleichartig  borstenförmig,  hoch  oben 
auf  der  Stirn  vor  oder  zwischen  den  großen 
Fazettenaugen  inserierend. 

Prothorax  klein,  frei,  Meso-  und  Metathorax 
groß.  Die  beiden  Flügelpaare  sowohl  in  Größe 
und  Form,  als  im  reich  entwickelten  Geäder  ein- 
ander sehr  ähnlich,  nicht  beschuppt  und  nicht 
auffallend  dicht  behaart,  oft  mit  Binden  oder 
Fleckenzeichnung.  Beine  schlank,  mit  freien, 
großen  Hüften  und  5  gliedrigen  Tarsen.  Ab- 
domen meist  schlank,  mit  oft  mehrgliedrigen  Cerci,  ^Männchen  oft  mit  großen  Gono- 
poden.  Darm  ohne  Saugmagen,  dagegen  mit  Kaumagen  (oder  behaartem  Pro- 
ventriculus). 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  1 


Abb.  I.     Schematische    Darstellung 
einer  Pa/iorpa.  Nach  Handlirsch. 


2  Ordnungsgruppe   Lepidopteroidea. 

Larven  raupenähnlich  mit  3  Brustfüßen  und  meist  auch  noch  mit  einer  Reihe 
von   mehr   oder   weniger   ausgebildeten   Bauchfüßen. 

Die  Imagines  wie  die  Larven  sind  Landtiere,  die  räuberisch  oder  von 
Aas  leben. 

Die  Ordnung  der  Panorpatae  hat  einen  ausgesprochenen  Reliktcharakter. 
Bei  uns  kommen  nur  wenige  Arten  vor  (Handlirsch  gibt  für  die  ganze 
paläarktische  Region  nur  26  Arten  an),  von  denen  wir  hier  nur  eine,  näm- 
lich die  bekannte  Skorpionfliege,  erwähnen  wollen. 

Panorpa   communis  L.   (Gemeine   Skorpionshaft,   Skorpionsfliege.) 

Ein  schlankes,  langbeiniges  Insekt  mit  4  großen  gescheckten  Flügeln 
(Abb.  2).     Eine    besondere    Eigentümlichkeit,    die    dem    Tier    den    Namen 

,, Skorpionsfliege"  eingetragen  hat,  besteht 
darin,  daß  das  Männchen  das  Hinterende 
seines  Abdomens,  das  von  dem  großen, 
blasig  aufgetriebenen  Klammerorgan  "g^- 
I?  i/^_      ^:-"'^     '  *  '^  bildet   wird,   ähnlich   wie   der   angreifende 

■*  *  t  •'^smXr^iA    m*.^  Skorpion    nach    oben    und    vorn    gehoben 

trägt  (Abb.  i). 

Die  Panorpcn  treiben  sich  an  Ge- 
büschen und  Hecken  umher,  an  Stellen, 
an  denen  der  Boden  nicht  zu  trocken  ist. 
Bisweilen    sieht    man,    wie    die    Tiere    ihre 

Flügel  langsam  wippend  auf  und  nieder 
Abb.    2.      Paiiorha     communis     L.,         ,  .      . 

Skorpionsfliege.  bewegen.    „Im    Flug   legen   sie   mimer   nur 

kurze  Strecken  zurück,  sie  suchen  sich 
regelmäßig  schon  bald  wieder  einen  Stützpunkt  und  sind  daher  im  allge- 
meinen nicht  schwer  zu  erbeuten"  (Heymons). 

Die  Skorpionsfliegen  galten  früher  allgemein  als  Räuber.  Neuere  Beob- 
achtungen zeigen  jedoch,  daß  nur  tote  Insekten  angefallen  werden  oder  nur 
solche  lebende,  die  verwundet  sind,  und  zwar  namentlich  dann,  wenn  Körper- 
säfte ausgetreten  sind.  Sowohl  der  japanische  Entomologe  Miyake,  als 
auch  der  Schweizer  Forscher  S  t  ä  g  e  r  sind  durch  eine  Reihe  von  Versuchen 
übereinstimmend  zu  diesem  Ergebnis  gelangt.  Völlig  gesunde  Insekten 
wurden  niemals  von  den  Panorpen  angegriffen  oder  auch  nur  gestört.  So 
scheinen  sie  also  die  Rolle  von  Aasgeiern  in  der  Insektenwelt  zu  spielen, 
die  mit  toten  und  verletzten  Tieren  aufräumen  (S  tag  er). 

Doch  nehmen  die  Skorpionsfliegen  auch  Honigtau  von  Blättern  auf,  so- 
wie Honig  aus  Blüten.  Sie  besuchen  dabei  manche  Blumen  mit  etwas  tiefer 
gelegenem  Honig  und  senken  dann  den  schnabelförmigen  Kopf  in  die  ein- 
zelnen Honigröhren.  „Man  könnte  sogar  geneigt  sein,  die  schnabelartige 
Kopfverlängerung  als  eine  Anpassung  an  die  Honiggewinnung  aus  diesen 
Blüten  zu  betrachten"    (Knuth,    Handbuch  der  Blütenbiologie). 

Die  Eier  (17 — 20  Stück)  werden  in  kleine  Erdspalten  und  Löcher  ab- 
gelegt. Die  jungen  Lärvchen  schlüpfen  in  8 — 11  Tagen.  Anfangs  leben  sie 
in  einem  engen  Knäuelchen  einige  Millimeter  tief  unter  der  Erde  beisammen, 
um  sich  erst  später  zu  trennen. 

Die  Larven  (Abb.  3)  sind  raupenartig,  besitzen  3  Brustfüße  und  8  kegel- 
förmige Bauchfüße,  außerdem  kann  am   10.  Hinterleibsring  ein  4  fingeriger 


Ordnung  Panorpatae  (Schnabelhafte) 


Fortsatz  (die  „Haftgabel"  Brauers)  vorgestülpt 
werden,  der  als  Haftorgan  dient  beim  Bohren  von 
Erdgängen.  Bezüglich  der  Nahrung  verhalten  sich 
die  Larven  wie  die  Imagines,  d.  h.  auch  sie  nehmen 
nur  tote  oder  verletzte  Insekten  auf,  während  sie 
unverletzte  Tiere  völlig  unbehelligt  lassen. 

Die  ausgewachsene  Larve  geht  tiefer  in  die 
Erde  und  verwandelt  sich  zur  freien  Puppe,  deren 
letzte  Hinterleibsringe  in  beiden  Geschlechtern 
nach  der  Rückenseite  hin  umgebogen  sind.  Kurz 
vor  dem  Ausschlüpfen  steigt  die  Puppe  bis  zur 
Oberfläche  vor. 

Literatur  über  Panorpatae. 

Brauer,  Fr.,  1863.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Pan- 
orpiden-Larven.   —  Vrhdl.   zool.-bot.   Ges.   Wien. 

Handlirsch,  A.,  Panorpatae.  In:  Schröders  Hand- 
buch der  Entomologie,   Bd.  IH,   S.  840  ff. 

Heymons,  R.,  191 5,  Panarpatae.  —  Brehms  Tierleben. 
Insektenband. 

Miyake,  1913,  The  Life-History  of  Panorpa  klugi 
M'Lachl.  —  Journ.  Coli.  Agr.  Imp.  Univers.  Tokvo. 
IV.  2. 

Stäger,   R.,    19 17,   Beitrag   zur   Biologie   der   Skorpionsfliege 


Abb.  3.     LcU\c     \uu     Pa- 
norpa communis  L.  Nach 
F.Brauer  (ausHand- 
1  i  r  s  c  h ) . 

Soc.  entom.  Jhrg.  32. 


Ordnung  Trichoptera  (Köcherfliegen). 

Kleinere  oder  mittelgroße,  schlanke,  an  gewisse  Schmetterlinge  erinnernde  Tiere 
(Abb.  4),  mit  freiem,  vertikal  stehendem,  nicht  schnabelartig  verlängertem  Kopf,  mit 
kauenden,   allerdings  mehr   oder   weniger   reduzierten   Mundteilen  und   gleichartigen, 


'"^:i;-\4t^  ,'*''*'^  r^^ 


Abb. 


4.     Imago   eines   Trichopteren. 
Nach  Handlirsch. 


Abb.    5.     Larven     von     Trichopteren, 

a    ,,eruciformer"    Typus,     Ij    ,,campo- 

deoider"   Typus.    Nach   Ulmer   (aus 

Handlirsch). 


meist  langen,  borstenförmigen  Fühlern.  Fazettenaugen  gut  entwickelt,  Ocellen  vor- 
handen oder  fehlend.  Mandibeln  rudimentär  oder  fehlend.  Mittelkiefer  (i.Maxille) 
klein,  meist  mit  5  gliedrigen  Tastern  (beim  Männchen  oft  4gliedrig),  Hinterkiefer 
(Labiumi    einen    eigenartigen    schaufeiförmigen    Schöpfrüssel    (Haustellum)    darstel- 

1* 


4  Ordnungsgruppe   Lepidopteroidea. 

lend,  mit  meist  3  gliedrigen  Tastern.  Prothorax  klein,  frei,  nur  einen  schmalen  Ring 
bildend,  Mesothorax  stark  entwickelt,  Metathorax  meist  etwas  kleiner.  Flügel  ziem- 
lich gleichartig,  zart,  häutig,  meist  dicht  behaart.  Hinterflügel  mit  den  Vorder- 
flügeln meist  durch  Haftapparate  verbunden  (wie  bei  den  Schmetterlingen).  In 
Ruhestellung  legen  sich  die  beiden  Flügelpaare  wie  bei  vielen  Schmetterlingen 
dachförmig  über  den  Leib.  Das  Längsgeäder  mäßig  verzweigt,  Queradern  nur 
einzeln  vorhanden.  Beine  schlank,  mit  großen,  frei  nach  unten  abstehenden  Hüften. 
Schienen  immer  mit  Sporen,  Tarsen  5  gliedrig.  Abdomen  mit  10  Segmenten,  10.  Seg- 
ment oft  mit   1—2  gliedrigen  Cerci.    Gesamtfärbung  meist   düster. 

Die  im  Wasser  lebenden  Larven  (Abb.  5)  sind  entweder  prognath  (campodeid) 
oder  hypognath,  d.h.  mit  vertikal  gestelltem  Kopf  und  raupenartigem  Habitus  (eruci- 
form).  Die  meisten  bauen  sich  kunstvolle  Röhren  oder  Köcher,  die  sie  mit  sich 
herumtragen.  Als  Material  benützen  die  einzelnen  Arten  die  verschiedensten  Mate- 
rialien: kleine,  kurze  Pflanzenstengelchen,  die  sie  quer  oder  schief  zusammenfügen, 
bald  Steinchen  oder  Muschelschalen  oder  Schneckengehäuse,  die  sie  miteinander 
fest  verkleben.  Die  Köcher  sind  charakteristisch  für  die  verschiedenen  Arten 
(Abb.  6). 

Die  Larve  lebt  im  Köcher  verborgen  und  streckt  nur  zum  Fressen  und 
Fortbewegen   den   Kopf   und   die   Beine   aus   der   vorderen   Öffnung   heraus. 


A  B  C  D  E 

Abb.  6.     Verschiedene   Köcherformen   von   Trichopterenlarven.    A   Li)>titol^hiliis   rliom- 

bicus   L.,   B — D   Limnophilus  flavicortiis    F.,   E   Limnop/ülus   vil/o/its    F.i). 

Sie  ist  meist  so  fest  im  Köcher  verankert,  daß  es  nicht  leicht  ist,  sie  aus 
demselben  herauszuziehen.  Die  Atmung  unter  Wasser  wird  durch  lange, 
dünne  Kiemenfäden,  die  am   Hinterleib  angebracht  sind,  ermöglicht. 

Die  Imagines  ruhen  gewöhnlich  am  Tage  träge  in  der  Nähe  eines  Ge- 
wässers. Es  gibt  aber  auch  Arten,  die  wahre  Tagtiere  sind;  man  sieht  sie 
„in  leichtem,  hüpfendem  Flug  über  den  Wasserspiegel  dahinschweben,  oder 
man  erblickt  sie  bei  warmem,  windstillem  Wetter  in  kleinen  Schwärmen  in 
der  klaren  Luft,  in  der  sie  nach  Art  der  Mücken  oder  Eintagsfliegen  tanzen'" 
(Heymons). 

Die  Eier  werden  fast  immer  ins  Wasser  abgelegt,  meist  ,,in  Form 
gallertiger  Laichmassen,  in  der  Regel  an  einen  Stein  oder  eine  Pflanze 
unterhalb  des  Wasserspiegels". 

Über  die  Nahrung  der  Imagines  ist  noch  wenig  bekannt,  ja  man  hat 
sogar  darüber  gestritten,  ob  sie  überhaupt  Nahrung  aufnehmen.  Doch  steht 
wohl  außer  Zweifel,  daß  sie  Flüssigkeiten  zu  sich  nehmen.  Der  finnische 
Forscher  S  i  1 1  a  1  a  sah  einige  Arten  an  Spiraeen  Honig  lecken.  Die  Larven 
leben  größtenteils  von  Wasserpflanzen.   Doch  ziehen  manche  Arten  „tierische 


1)   Die 


Bestimmung  der   Köcher  verdanke   ich   Herrn   Prof.   A.   Thiencman 


Ordnung   Trichoptera  (Köcherfliegen).  5 

Kost  vor  und  räumen  tüchtig  unter  den  kleinen  Flohkrebschen  und  ähn- 
lichem Süßwassergetier  auf". 

Es  gibt  auch  Holzzerstörer  unter  ihnen.  „Wie  S i  1 1 a  1  a  berichtet, 
wurde  in  Finnland  eine  Brücke  von  Köcherfliegenlarven  (Hydropsyche) 
schwer  beschädigt,  die  Tiere  hatten  die  unter  Wasser  befindlichen  Teile 
angenagt  und  in  das  Kiefernholz  Löcher  bis  zu  8  cm  Tiefe  gefressen" 
(H  eymons). 

Ist  die  Larve  ausgewachsen,  so  verwandelt  sie  sich  in  dem  Köcher  zu 
einer  freien  Puppe.  Der  Köcher  wird  vorher  an  einem  Stein  oder  einer 
Pflanze  befestigt  und  oft  vorn  und  hinten  mit  einem  siebartigen  Gespinst 
verschlossen.  Die  Puppe  verläßt  vor  dem  Schlüpfen  das  Gehäuse,  schwimmt 
zur  Wasseroberfläche  oder  an  das  Ufer,  um  dort  nach  Sprengung  der 
Puppenhaut  das  fertige  Insekt  zu  liefern. 

Köcherfliegen  kommen  in  allen  Erdteilen  vor,  am  reichsten  sind  sie  in 
den  kälteren  und  gemäßigten  Gebieten  vertreten.  Als  häufige  Arten  in 
unseren  Gegenden  seien  genannt:  Phryganea  grandis  L.  (die  große  Wasser- 
motte), deren  braune,  unregelmäßig  gefleckte  Flügel  bis  6  cm  spannen,  und 
deren  Larven  ,,in  tütenförmigen  Gehäusen  leben,  die  sie  aus  kleinen  Pflanzen- 
stengeln und  ähnlichen  Pflanzenteilen  in  Form  einer  linksgewundenen  Spi- 
rale zusammenfügen",  Limnophilus  rhombicus  L.,  deren  Köcher  aus  zahl- 
reichen kurzen  Pflanzenstückchen,  quer  und  schief  zusammengefügt,  und 
Limnophilus  flavicornis  F.,  deren  Larvengehäuse  meist  aus  allerlei  winzigen 
Schneckenschalen  und  kleinen   Muscheln  besteht. 

Forstlich  haben  die  Köcherfliegen  nur  durch  den  einen  oben  mit- 
geteilten Fall  von  der  Zerstörung  von  Brückenpfosten  durch  die  Larven 
einer  Hydropsyc/ie-\rX  einiges   Interesse. 

Literatur  über  Trichopteren. 

Handlirsch,    A.,    1925,    Ordnung    Trichoptera.     In:    Schröders    Handbuch    der 

Entomologie.   Bd.  III,    S.  84511. 
H  eymons,  R.,  1915,  Ordnung  Wassermotten,  Köcherfliegen  (Trichopteren).  Brehms 

Tierleben,  Insektenband,  S.  205  ff. 
Silfenius     (Siltala),     A.  J.,     1902    bis     1903,     Über    die     Metamorphose    einiger 

Phryganiden.  —  Acta  soc.  faun.  fenn.  XXI,  XXV  u.  XXVII. 
— ,   1903,  Über  die    Metamorphose   einiger   Hydropsychiden.   —  Ebenda. 
— ,   1906,  Über  den  Laich  der  Trichopteren.   Ebenda  XXVIII. 

Thienemann,  A.,  1908,  Trichopteren-Studien.  —  Zeitsch.  f.  wiss.  Insektenbiologie. 
Ulmer,  G.,   1901  — 1904,  Beiträge  zur  Metamorphose  der  deutschen  Trichopteren.  — 

Allg.  Zeit.  f.  Ent. 
— ,   1907,   Trichoptera.   —   In:    Genera    Insectorum. 


Ordnung  Lepidoptera. 

Die  Schmetterlinge,  Lepidoptera,  sind  charakterisiert  durch  saugende 
Mundwerkzeuge,  durch  Verwachsung  der  drei  Brustabschnitte  (von  denen 
die  Vorderbrust  sehr  klein,  ringförmig  ist),  durch  die  Beschuppung  der  vier 
Flügel  und  durch  eine  vollkommene  Verwandlung  (mit  echten  Raupen).  Sie 
stellen  eine  sehr  artenreiche,  aber  doch  relativ  recht  gleichartige  Insekten- 
gruppe dar,  „die  mehr  durch  die  Mannigfaltigkeit  und  Farbenpracht  der 
Flügelbeschuppung  als  durch  höhere  morphologische  Differenzierung  auf- 
fällt, obwohl  bei  näherer  Untersuchung  sich  natürlich  im  gesamten  Körper- 
bau allerlei  Modifikationen  nachweisen  lassen"   (Handli  r  seh). 

Die  Größe  und  Form  der  Schmetterlinge  ist  starken  Schwankungen 
unterworfen,  von  riesigen  Tieren  mit  27  cm  Spannweite  bis  zu  den  win- 
zigen Neptikulen  mit  nur  5  mm  Spannweite  finden  sich  alle  möglichen 
Zwischengrößen.  Ebenso  existieren  bezüglich  der  Form  eine  große  Reihe  von 
Übergängen,  an  deren  einem  Ende  die  breitflügeligen  Tagfalter,  am  anderen 
die  Motten  mit  ihren  schmalen,  lanzettlichen   Flügeln  stehen. 

I.  Allgemeiner  Teil. 

1.  Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie. 

A.  Imago. 
Der  Kopf  und  seine  Anhänge. 

Der  gewöhnlich  halbkugelige  Kopf  der  Schmetterlinge  ist  verhältnis- 
mäßig klein  und  sitzt  mit  breiter  Basis,  wenig  beweglich  und  vertikal  ge- 


Abb.  7.  Körper  eines  Tagfalters.  Seitenansicht,  schematisch.  Vergr.  Nach  Hand- 
lirsch.  ai  Fühler,  ;■  Rüssel- Außenladen  der  i.  Maxille,  w.r,  Taster  der  2.  Ma- 
xille,  T I  Prothorax,  TU  Mesothorax,  T III  Metathorax,  teg  Tegula,  sc  Scutum, 
sct  Scutellum,  ep  Episternum,  em  Epimerum,  5  //  Sternum  des  Mesothorax,  ex  Hüfte, 
/ — Q    die    Abdominalsegmente. 

Stellt,  am  Prothorax.  Die  seitlich  stehenden,  fast  kugeligen  Fazetten- 
augen  sind  durchgehends  sehr  gut  entwickelt.  Bei  vielen  Formen  sind  auch 
O  c  e  1 1  e  n  ,  stets  in  der  Zweizahl,  vorhanden,  die  auf  dem  Scheitel  zwischen 
den  Facettenaugen  stehen  (sie  fehlen  bei  den  Tagfaltern,  vielen  Spinnern, 
den  Spannern  und  anderen   Familien). 


Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie. 


Hinter  den  Ocellen  kann  noch  ein  weiteres  Sinnesorgan,  das  sog. 
Chaetosema,  liegen,  dessen  Funktion  noch  nicht  geklärt  ist.  Es  besteht 
aus  einer  halbkugelförmigen  Erhöhung,  von  der  radial  feine  Börstchen  ab- 
stehen  (Abb.  8). 

Die  Fühler  sind  bei  fast  allen  Schmetterlingen  gut  entwickelt.  Das 
erste  Glied  (Wurzelglied,  Scapus)  ist  meist  besonders  stark  ausgebildet,  auch 
das     zweite     (Pedicellus)     ist     gewöhnlich     noch  C/t 

stärker;  an  dieses  setzt  sich  der  meist  aus  sehr 
vielen  Gliedern  bestehende  Endteil  (Geißel)  an 
(Abb.  9  b).  Die  Gestaltung  der  Fühler  ist  ver- 
schieden und  mehr  oder  weniger  charakteristisch 
für  die  einzelnen  Gruppen.  So  sind  sie  bei  den 
Tagfaltern  gekeult,  bei  den  übrigen  Faltern 
meist  zugespitzt,  wobei  sie  borsten-  oder  faden- 
förmig, spindelförmig,  ferner  bewimpert,  gesägt, 
gekämmt,  einfach  oder  doppelt  gefiedert  usw. 
sein  können  (Abb.  9).  Nicht  selten  zeigen  die 
Fühler  einen  Sexualdimorphismus,  indem  die 
männlichen  Fühler  weit  stärker  ausgebildet  sind 
als  die  weiblichen  (besonders  auffällig  bei  den 
Spinnern,  z.  B.  Nonne). 

Die  Mund  teile  gehören  bei  fast  allen  Schmetterlingen  dem  saugen- 
den Typus  an.  nur  bei  einigen  wenigen,  sehr  primitiven  Formen  (Micro- 
pterygiden)    finden    wir    noch    ursprünglich    ..kauende"    Mundteile    mit    wohl 


Abb.  8.    Kopf  eines   Schmet- 
terlings      mit       Chaetosema 
(Ch).     Nach   Jordan    (aus 
H  a  n  d  1  i  r  s  c  h  ) . 


ab  c 

Abb.  9.     Verschiedene    Formen   von   Schmetterlingsfühlern:   a    „gekeult"    (Tagfalter), 
b  ,,borstenförmig""    (Spanner),   c   doppelt   gekämmt    (Psychide).    Nach   S  p  u  1  e  r. 

entwickelten   gezähnten    Mandibeln,    mit    2    Kauladen    und    gut    entwickelten 
Tastern  versehene  Mittelkiefer  und  eine  relativ  gut  erhaltene  Unterlippe. 

Den  Hauptteil  der  saugenden  Mundwerkzeuge  stellt  der  „Säug- 
rüssel'", auch  ,, Rollzunge"  genannt,  dar  (Abb.  10).  Er  wird  gebildet  von 
den  beiderseitigen,  in  die  Länge  gezogenen  Außenladen  der  i.  Maxillen,  die, 


I.  Allgemeiner  Teil. 


^4jtt. 


auf  der  Innenseite  rinnenförmig  ausgehöhlt,  sich  der  ganzen  Länge  nach 
aneinanderlegen  und  durch  einen  ungemein  regelmäßigen  und  feinen 
Borstenbesatz  an  den  scharfen  Rinnenrändern  zusammengehalten  werden. 
Sowohl  außen  an  der  Rüsselspitze  als  im  Innern  der  Röhre  sind  haarartige 
Sinnesorgane  vorhanden.  Bei  manchen  Formen  sind  an  der  Rüsselspitze  sog. 
„Saftbohrer"  vorhanden  (umgewandelte  Tastzäpfchen),  die  ein  Anritzen  der 
Nektarien  zum  Zwecke  leichterer  Honiggewinnung  gestatten.  Die  Ausbildung 
des  Rüssels  kann  sehr  verschieden  sein.  Bei  den  auf  den  Besuch  tiefkelchiger 
Blumen  angewiesenen  Schwärmern,  z.  B.  beim  großen  Windenschwärmer 
(Sphinx  convolvi/li  L.)  übertrifft  der  Rüssel  den 
Körper  bedeutend  an  Länge,  während  bei  anderen 
Formen  die  Reduktion  des  Rüssels  so  weit  gehen 
kann,  daß  nur  noch  je  ein  Knöpfchen  den  Rest 
einer  Rüsselhälfte   anzeigt  i). 

Die  übrigen  Komponenten  der  i.  Maxille 
sind  stark  rückgebildet,  so 
fehlt  die  Innenlade  ganz 
(mit  wenigen  Ausnahmen)  und 
die  Taster  („Nebenpal- 
pen") sind  meist  klein  (2 — 3- 
gliedrig)  und  fast  stets  von 
der  Beschuppung  des  Kopfes 
verdeckt,  nur  bei  manchen 
Kleinschmetterlingen  sind  sie 
stärker  entwickelt  und  lang. 
Stark  rückgebildet  sind  bei 
dem  Großteil  der  Schmetter- 
linge auch  die  Mandibeln 
(Vorderkiefer),  die  meist  nur 
noch  als  kleine,  funktionslose 
Spitzen  vorhanden  sind  (Abb.  10  Md.)  und  unter  den  Kopfschuppen  verborgen 
liegen,  ebenso  auch  die  Unterlippe  (Hinterkiefer),  wenigstens  in  ihren 
Stammteilen;  sie  stellt  eine  einheitliche  kleine  Platte  dar,  die  am  basalen 
Verschluß  der  Rüsselröhre  teilnimmt.  Gut  ausgebildet  sind  dagegen  in  den 
meisten  Fällen  die  meist  3  gliedrigen  Unterlippentaster,  die  als  „Lippen- 
taster"  oder  „Lippenpalpen"  oder  kurzweg  „Palpen"  bezeichnet  werden. 
Sie  sind  gewöhnlich  lang  beschuppt  und  stellen  neben  der  Rollzunge  die 
auffallendsten  Bestandteile  der  Schmetterlingsmundwerkzeuge  dar.  Die 
Basalglieder  sind  meist  einander  genähert,  die  Mittelglieder  gewöhnlich  nach 
oben  abgewinkelt  („aufsteigend"),  während  die  Endglieder  entweder  in  der 
Verlängerung  dieser  verlaufen  („vorgestreckt")  oder  wieder  nach  oben  („auf- 
gerichtet") oder  aber  nach  unten  („geneigt")  abgewinkelt  sind.  Selten  sind 
die  Mittelglieder  nach  unten  abgelenkt,  die  Palpen  erscheinen  dann  „hän- 
gend".   Die  Verschiedenheiten   in   der    Form   der   Palpen,   ihrer   Länge,   der 


Abb.  10. 
gesehen, 


A    Kopf   eines    Schmetterlings   von   vorne 
B    derselbe    von    der    Seite    (mit    einge- 
rolltem  Rüssel).     Ant    Fühler,    Md    Mandibelreste, 
Alx   Maxillartaster    („Nebenpalpen"),    Uli   Lippen- 
taster oder  kurzweg  ,, Palpen". 


1)  Das  Fehlen  des  Rüssels  kann  ein  primitives  Merkmal  sein  oder  aber 
auch  auf  sekundäre);  Reduktion  beruhen.  Nach  Petersen  besteht  eine  deutliche 
Relation  zwischen  Rüssel  und  Saugmagen.  Ist  letzterer  klein  bzw.  be- 
steht er  nur  aus  einer  kropfartigen  Anschwellung,  so  ist  das  Fehlen  des  Rüssels  ein 
primärer  Zustand,  wo  jedoch  der  Rüssel  bei  gut  ausgebildetem,  gestieltem  Saug- 
magen reduziert  ist,   liegt  eine  sekundäre  Rückbildung  vor. 


I.  Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie. 


9 


Richtung  ihrer  Glieder,  der  Art  der  Behaarung  oder  Beschuppung  werden 
systematisch  reichlich  ausgewertet. 

Wie  die  Unterlippe  an  dem  ventralen  Verschluß  der  Rüsselbasis  teilhat, 
so  wird  der  dorsale  Verschluß  von  der  Oberlippe  zusammen  mit  dem 
Epipharynx  besorgt. 

Die  Brust  und  ihre  Anhänge. 

An  der  Brust  sind  die  3  Segmente  fest  miteinander  verbunden.  Der 
größte  Abschnitt  ist  die  Mittelbrust  (Mesothorax)  als  Trägerin  der  Haupt- 
flugorgane, der  Vorderflügel.  Die  Hinterbrust  (Metathorax)  als  Trägerin 
der  Hinterflügel  ist  meist  schwächer  entwickelt, 
und  die  Vorderbrust  (Prothorax)  ist  am 
kleinsten,  schmal  ringförmig  (Abb.  11).  An  den 
hinteren  Seitenecken  der  letzteren  befinden  sich, 
wenigstens  bei  den  höheren  Formen,  meist  be- 
weglich eingelenkte,  flügelähnliche  Anhänge,  die 
sog.  Patagia  (Halskragen).  Auch  am  Meso- 
thorax können,  vor  den  Flügeln  eingelenkt, 
kleine,  muschelförmig  gewölbte,  häutige  Anhänge 
vorhanden  sein,  die  sog.  Tegula  (Abb.  7  teg 
und  II  t). 

Die  ventralen  Anhänge  der  Brust,  die 
Beine,  sind  bei  fast  allen  Schmetterlingen  in 
3  Paaren  gut  ausgebildet,  nur  bei  den  in  Säcken 
lebenden  Weibchen  der  Psychiden  sind  sie  voll- 
ständig verkümmert.  Meistens  sind  die  3  Paare 
gleichartig,  die  Hüften  groß,  genähert,  die 
Schienen,  wenigstens  an  den  Hinterbeinen,  ur- 
sprünglich mit  2  Sporenpaaren,  und  die  Tarsen 
fast  immer  5  gliedrig  mit  2  Klauen  (s.  Bd.  I, 
Abb.  32  A).  Bei  manchen  Tagfalterfamilien  sind 
die  Vorderbeine  unter  Verkümmerung  der  Tarsen 
und  Ausbildung  eines  Putzapparates  in  Putzbeine 
umgewandelt  (s.  Bd.  I,  Abb.  32  B). 

Die  dorsalen  Brustanhänge,  die  Flügel, 
zeigen  in  Form,  Färbung  und  Zeichnung  und  im 
Geäder  eine  große  Mannigfaltigkeit.  Sie  sind  es 
in  der  Hauptsache,  die  den  Habitus  eines 
Schmetterlings  bestimmen  und  auf  welche  die 
Schmetterlingssystematik  zum  großen  Teil  aufgebaut  ist.  Wi 
deshalb  hier  eingehender  mit  ihnen  beschäftigen. 

An  jedem  Flügel  unterscheidet  man  (Abb.  12)  den  Vorderrand  oder 
Costalrand  (A),  den  Innenrand,  auch  Dorsalrand  oder  Dorsum  genannt  (B) 
und  den  die  beiden  verbindenden  Saum  oder  Außenrand  (C).  Der  vom 
Vorderrand  und  Saum  gebildete  Winkel  (D)  heißt  der  Vorderwinkel, 
bei  den  Vorderflügeln  kurzweg  die  Spitze  (Apex),  der  Winkel  zwischen 
Saum  und  Innenrand  (E)  der  Innenwinkel  oder  Tornus,  bei  den 
Hinterflügeln  auch  der  Afterwinkel.  Bei  vielen  Schmetterlingen,  wie  den 
Motten,  verläuft  der  Saum  von  der  Spitze  gleichmäßig  gekrümmt,  ohne 
Winkel,   bis   zur   Wurzel. 


Abb.  II.  Dorsale  Ansicht 
von  Kopf  und  Brust  eines 
Schmetterlings,  ap  vorderer 
Flügelfortsatz,  /  Stirne,  oc 
Ocellus,  p  Patagium,  pp  hin- 
terer Flügelfortsatz,  s^  Me- 
soscutum,  sl^  Mesoscutellum, 
^2  Metascutum,  sU  Metascu- 
tellum,  /  Tegula  (auf  der 
linken  Seite  entfernt ),  v  Ver- 
tex.   Nach   Imms. 


müssen   uns 


10 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Aus  der  verschiedenen  Richtung  von  \"order-  und  Innenrand  (ob  mehr 
oder  weniger  parallel  oder  mehr  oder  weniger  divergierend),  aus  deren  ver- 
schiedenem Längenverhältnis  (ob  der  Innenrand  nur  wenig  oder  viel  kürzer 
als  der  Vorderrand),  ferner  aus  dem  Verlauf  des  \"orderrandes,  des  Saumes 
und  des  Innenrandes  (gerade,  gebogen  oder  geschwungen,  gewellt,  mit  Ein- 
schnitten usw.)  ergibt  sich  eine  schier  unerschöpfliche  Mannigfaltigkeit  der 
einzelnen  Flügelformen,  wozu  noch  die  Verschiedenheit  im  Verhältnis  der 
Vorderflügel  zu  den  Hinterflügeln  kommt. 

Von  ganz  besonderer  Bedeutung  für  die  Systematik  ist  das  Geäder. 
Wir  wollen  uns  hier  der  Bezeichnungsweise  von  Comstock  und  Neecl- 
ham  (s.  Bd.  I,  S.  35)  bedienen i).  Man  unterscheidet  in  jedem  Flügel  einen 
Spreiten-  und  Faltenteil,  die  durch  die  Analis  voneinander  getrennt  werden. 


Abb.  12.  Vorderflügel  einer  Eule  zur 
Erläuterung  der  Ränder  und  Zeich- 
nung. A  Vorderrand,  B  Innenrand, 
C  Außenrand  (Saum),  D  Vorder- 
winkel (Spitze),  E  Innenwinkel  (Tor- 
nus),  ab  Wurzelfeld,  am  Mittelfeld. 
al  Saumfeld,  md  Zapfenmakel.  ))w 
Ringmakel,  mr  Nierenmakel,  ms  Pfeil- 
flecke, sa  innere  Querlinie,  sp  äußere 
Querlinie  (sd  basale  halbe  Querlinie  1, 
um  Mittelschatten.  iv  Wellenlinie. 
Nach  von  H  e  i  n  e  m  a  n  n  (aus 
N  i  t  sehe  1. 


Abb.  13.  Flügelgeäder  eines  ,, Klein- 
schmetterlings", sc  subcosta,  r^ — A5  Ra- 
dius mit  seinen  Ästen,  m^ — W3  Mediana 
I — 3,  cu^ — r/Zo  Cubitus  i — 2.  an  Analis, 
ß.v,   und  ax.^  Axillaris   i   und  2. 


Im  Vorderflügel   zeigt   das   Geäder: 

1.  eine  vom  Costalrand  abgerückte  freie  Subcosta  (sc). 

2.  einen  Radius  (r).  dessen  Sektor  in  5  Aste  zerfällt  [r^ — r-j, 

3.  eine  Medialis  (oder  Mediana),  die  in  3  Äste  zerfällt  (in^ — >^''z)- 

4.  einen  Cubitus,   der  zweiästig  ist  (cii^ — €11.2). 

5.  eine,  die   Grenze   zwischen  dem  sog.   Spreitenteil  und    Faltenteil   des 

Flügels    einnehmende    Analis    (aifj.    die    aber    gewöhnlich    nur    bei 
primitiveren   Formen  gut  erhalten  ist. 


1)  Bei  Nitsche  und  anderen  sind  die  Adern  mit  arabischen  Zahlen  be- 
zeichnet, und  zwar  vom  Innenrand  beginnend  zum  Vorderrand,  beim  Vorderflügel 
durchgehend  von  i  — 11  und  beim  Hinterflügel  von  i — 8,  wo  mehrere  Innenrand- 
adern  vorhanden  sind,  mit  la — ic  (Abb.  14 Ai.  Bei  Spuler  sind  die  Adern  des 
Spreitenteiis  mit  römischen  Ziffern,  eventuell  mit  arabischen  Indices,  die  Adern  des 
Faltenteils   mit    griechischen    Buchstaben   bezeichnet    (Abb.  14  B. 


I.  Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie. 


11 


6.  zwei    Axillares    ((7.\\    und    ax.,).    die    häufig    bald   nach    ihrem    Ur- 
sprung verschmelzen  und  eine  kleine  Zelle,  die  sog.  „Wurzelschlinge" 
bilden. 
Die  letzten  3  Adern  werden  als  ,,I  nn  e  n  r  a  n  da  de  r  n"  bezeichnet.    Die 
Adern  r,  m  und  cu  sind  fast  immer  durch  Queradern  miteinander  verbunden. 
Dadurch  entsteht  die  sog.  ,,Mittelzelle",  auch  „Discoidalzelle",  Discus  oder 
einfach  „Zelle"  genannt,  die  in  den  meisten  Fällen  gegen  den  Saum  zu  ge- 
schlossen ist.   Bei  primitiveren  Formen  kann  die  Zelle  durch  Erhaltenbleiben 
des  Basalteiles  der  Medialis  geteilt  sein,  ja  die  Medialis  kann  innerhalb  der 
Zelle  sogar  noch  gegabelt  sein,  so  daß  innerhalb  der  Discoidalzelle  2 — 3  ge- 
schlossene Zellen  entstehen.    Außerdem  kann  an  der  Vorderecke  der  Zelle 
außerhalb  dieser  durch  Verbindung  einiger  Radialäste  durch  eine  Querader 
eine  weitere  Zelle  zustande  kommen,  die  als  ,,Anhangszel  le"  bezeichnet 
wird.    Die   meisten   Aderäste,   nämlich   r^—ciu,   entspringen   aus   der   Mittel- 
zelle, so  daß  also  nur  die  Subcosta  und  die  Innenrandadern  (die  Analis  und 


ffj  tit 


Abb. 


1«^    jl2 


Bezeichnung-   des    Geäders    bei    Nitsche    {A\   und    Spuler    {B). 


die  beiden  Axillares)  direkt  aus  der  Flügelwurzel  kommen.  Die  aus  der 
Zelle  kommenden  Adern  entspringen  entweder  getrennt,  oder  2  benachbarte 
Äste  entspringen  aus  einem  gemeinsamen  Punkt,  oder  aber  sie  verlaufen 
eine  Strecke  weit  gemeinsam,  um  sich  erst  später  zu  gabeln;  im  letzten  Fall 
bezeichnet  man  diese  Aste  als  ,,gestielt". 

An  der  Basis  des  Innenrandes  befindet  sich  bei  einigen  wenigen  primi- 
tiven Formen  ein  Fortsatz,  das  sog.  Jugum,  welches  dem  Zusammenhalt 
von  Vorder-  und  Hinterflügel  dient. 

Im  Hinterflügel  ist  das  Geäder  (abgesehen  von  einigen  Fällen  bei 
primitiven  Formen)  reduziert,  vor  allem  dadurch,  daß  von  den  5  Radial- 
ästen nur  einer,  den  wir  kurzweg  als  r  bezeichnen  oder  als  rr  (Radial- 
ramus),  bestehen  bleibt.  Die  übrigen  Bestandteile  verhalten  sich  ganz  ähn- 
lich wie  im  Vorderflügel  i). 

Am    \"orderrand    des    Hinterflügels    befinden    sich    an    der    Wurzel    auf 


1)  Untersucht  man  das  Geäder  im  Vorpuppenstadium  (also  kurz  nach  Ab- 
streifen der  letzten  Larxcnhaut  vor  der  Vollendung  der  bedeckten  Puppe),  so  enthält 
es  wesentlich  mehr  Adern  und  zeigt  deutliche  Anklänge  an  das  Geäder  altertüm- 
licher Insektentypen. 


12  I-  Allgemeiner  Teil. 

einer  Verdickung  der  Flügehvurzel,  dem  sog.  Basalsockel  aufsitzend,  die 
..Haf  tbo  r  Sien'"  (oder  das  Frenulum)  (Abb.  13  u.  14  B),  die  meist  in 
eine  Falte  der  Vorderflügel-Unterseite,  das  Retinaculum,  hineingreifen  und 
so  die  beiden  Flügel  verbinden.  Das  Frenulum  ist  häufig  .reduziert,  dann 
ist  der  Hinterflügel  an  der  Wurzel  oft  stark  nach  vorn  vorgebaucht  oder  es 
gehen  von  der  Subcosta  ein  oder  sogar  mehrere  kleine,  kurze  Äderchen  nach 
vorn,  die  Praecostaladern. 

Die  Mannigfaltigkeit  des  Geäders,  die  systematisch  so  reichlich  aus- 
gewertet ist,  beruht  einmal  auf  Reduktion  der  Zahl  der  Adern  (es  werden 
davon  vor  allem  die  Innenrandadern  betroffen),  auf  dem  Verlauf  der  ein- 
zelnen Aste,  auf  der  Stellung  der  Adern  zueinander,  auf  der  Lage  des  In- 
sertionspunktes  usw. 

Noch  mannigfaltiger  als  das  Geäder  ist  die  Zeichnung  der  Flügel, 
die  ja  bei  allen  Beschreibungen  in  erster  Linie  berücksichtigt  wird.  Vielfach 
liegt  der  Zeichnung  ein  bestimmtes  Schema  zu  Grunde,  das  besonders  deut- 
lich bei  den  Eulen  zu  erkennen  ist  (Abb.  12),  danach  kann  man  den  Flügel 
der  Länge  nach  in  3  Teile  teilen,  das  „Wurzel"-,  „Mittel"-  und  „Saumfeld", 
daneben  können  oft  auch  noch  am  Vorder-  und  Innenrand  besondere  Bezirke 
ausgezeichnet  sein,  die  dann  als  ,, Vorder"-  bzw.  ,,Innenrandfeld"  bezeichnet 
werden.  Gewöhnlich  sind  mehrere  Querlinien  vorhanden,  in  der  Reihenfolge  von 
der  Wurzel  zum  Saum:  die  „innere  Querlinie"  (^i•f^9,  die  „äußere  Querlinie"  (.y/);, 
die  „Wellenlinie"  (w)  und  schließlich  vor  oder  direkt  am  Saum  die  „Saum- 
linie". Zwischen  innerer  und  äußerer  Querlinie  liegen  oft  mehrere  charak- 
teristische Makeln,  die  als  „Zapfenmakel"  (j?id).  „Ringmakel"  (mo)  und 
,,Nierenmaker'  (nir)  oder  „Mittelfleck"  bezeichnet  werden.  Zwischen  den 
beiden  letzteren  kann  oft  noch  eine  undeutliche  Querlinie,  der  „Mittel - 
schatten"  (inn)  sein.  Endlich  können  die  Fransen  durch  andersfarbige  Linie 
„geteilt"  oder  hell  oder  dunkel  „durchschnitten"  sein.  Die  Zeichnungen 
können  auf  Vorderflügel  und  Hinterflügel  mehr  oder  weniger  gleich  sein 
(ursprünglicher  Zustand),  gewöhnlich  aber  weichen  sie  beträchtlich  vonein- 
ander ab.  ' 

Auch  die  Ober-  und  Unterseite  der  Flügel  weisen  meist  große  Ver- 
schiedenheiten in  Färbung  und  Zeichnung  auf.  Die  Tagfalter  zeigen  auf 
der  Oberseite  meist  eine  sehr  lebhafte  bunte  Zeichnung,  während  die  Unter- 
seite, die  in  der  Ruhestellung  nach  außen  gekehrt  ist,  unauffällig  gefärbt 
ist.  Bei  den  Nachtfaltern  und  überhaupt  denjenigen  Formen,  die  in  der 
Ruhe  nur  die  Oberseite  der  Vorderflügel  zeigen,  ist  diese  in  der  Regel  matt 
und  unauffällig  gezeichnet.  Wenn  hier  lebhafte  Farben  vorkommen,  so  sind 
sie  häufig  auf  die  in  der  Ruhestellung  nicht  sichtbaren  Hinterflügel  be- 
schränkt, wie  z.  B.  in  der  Gattung  Catocala  (Ordensbänder). 

Was  das  Größenverhältnis  der  beiden  Flügelpaare  betrifft,  so  sind  nur 
bei  den  primitivsten  Formen  Vorder-  und  Hinterflügel  annähernd  gleich, 
bei  der  Mehrzahl  der  Schmetterlinge  sind  aber  die  Hinterflügel  kleiner  als 
die  Vorderflügel;  der  Unterschied  kann  recht  bedeutend  sein. 

Die  Reduktion  der  Flügel  kann  auch  beide  Flügelpaare  betreffen;  es 
gibt  eine  ganze  Reihe  von  Formen,  deren  Weibchen  stark  verkümmerte 
Flügel  besitzen  oder  auch  ganz  flügellos  sind,  so  daß  die  Schmetterlings- 
natur nicht   ohne   weiteres  zu   erkennen  ist   (Psychiden,    Frostspanner   u.  a.). 

Die  Färbung  und  Zeichnung  der  Flügel  beruht  auf  dem  Vorhandensein 
von  Schuppen,  die  leicht  von  der   Flügelmembran  wie  Staub  abgerieben 


Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie. 


13 


werden  können.  Die  Schuppen  sind  ziemlich  komplizierte  Gebilde,  die  durch 
Ausstülpung  einer  Hypodermiszelle  entstanden  sind.  Jede  Schuppe  besteht 
nachSüffert  und  Zocheri)  aus  zwei  Lamellen,  einer  oberen  und  unteren, 
die  an  den  Seiten  miteinander  verbunden  sind.  Zwischen  ihnen  liegen  kleine 
Stützbälkchen,  die  vertikal  gerichtet  sind  und  die  beiden  Platten  verbinden. 
Die  Oberseite  der  Schuppen  ist  oft  mit  Längsleisten  versehen,  die  ihrerseits 
wieder  durch  Querleisten  verbunden  sein  können  usw.  Auch  die  Gestalt  der 
Schuppen  kann  sehr  verschieden  sein,  schmal  und  dünn,  haarförmig,  breit- 
oval, länglichoval,  mit  einfach  gerundetem,  gesägtem  oder  mit  Fortsätzen 
versehenem  Hinterrand  (Abb.  15).  An  der  Basis  besitzen  s'ie  ein  Stielchen, 
das  entweder  allmählich  in  den  Schuppenkörper  sich  verbreitert,  oder  aber  in 
einer  Ausbuchtung  (Sinus)  sich  befindet.  Das  Stielchen  sitzt  in  einem  Säckchen 
der  Flügelhaut,  die  Schuppen  an  dieser  befestigend.    Die  Schuppen  sind  auf 


Abb.  15.    Verschiedene     Schuppenformen 

von   Tagschmetterlingen,    i,   2   u.   8    ohne 

Sinus,     die     übrigen     mit     Sinus.      Nach 

Lampe  r  t. 


Abb.  16.   Flügelstückeines  Kohl- 
weißlings (Pieris  brassicae  L. ). 
Nach  La  mpe  r  t. 


den  Flügeln  reihenweise  und  dachziegelartig  gelagert,  indem  die  Wurzeln 
der  Schuppen  der  einen  Reihe  immer  von  den  Schuppen  der  dahinter- 
liegenden   Reihe  bedeckt   werden   (Abb.  i6j. 

Außer  den  Flügeln  trägt  auch  die  übrige  Körperoberfläche  Schuppen, 
die  recht  abweichend  gebildet  sein  können.  Über  die  sog.  Duftschuppen 
siehe  Seite  40. 

Der  Hinterleib. 

Der  Hinterleib  der  Schmetterlinge  sitzt  mit  breiter  Basis  dem  3.  Brust- 
ring an  und  besteht  normalerweise  aus  10  Segmenten.  Von  ihnen  sind  aber 
die  letzten  mehr  oder  weniger  modifiziert,  so  daß  gewöhnlich  nur  7 — 9  Seg- 
mente äußerlich  nachweisbar  bleiben  (s.  Abb.  7).  Bei  manchen  Formen 
liegt  an  der  Seite  des  i.  bzw.  2.  Hinterleibsringes  ein  großes,  leicht  wahr- 
zunehmendes  ,,T  y  m  p  a  n  a  1  o  r  g  a  n"  - ) . 

1)  Süffert,  F.,  u.  Zocher,  H.,  Morphologie  und  Optik  der  Schmetterlings- 
schuppen. —  Zeitschr.   f.  wiss.  Biol.    A.   Morphologie.    1924. 

-)  Das  „Tympanalorgan"  besteht  im  wesentlichen  aus  einer  seitlich  am  Ab- 
domen eingesenkten  Grube,  deren  Boden  sehr  dünn  ist  und  vielleicht  als  Trommel- 
fell wirkt.  An  den  Boden  setzt  sich  ein  fädiges  Organ  an,  das  als  Chordotonalorgan 


14 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Die  Form  des  Hinterleibes  kann  sehr  verschieden  sein,  dünn  und  schmal, 
oder  dick  und  plump,  nach  hinten  zugespitzt  oder  mehr  oder  weniger  parallel- 
seitig  usw.  Die  Verbindung  des  Abdomens  mit  der  Brust  wird  gewöhnlich 
durch  Haarbüschel  am  Hinterende  des  Thorax  verdeckt,  auch  der  Hinterleib 
selbst  ist  dicht  behaart  oder  beschuppt,  wobei  die  Behaarung  gewöhnlich 
die  Segmente  mehr  oder  weniger  deutlich  markiert.  Auf  der  Rückenmitte 
finden  sich  öfter  noch  besondere  Haarbüschel,  sog.  „Rückenschöpfe".  Bei 
den  Weibchen  mancher  Schmetterlinge  (Spinner)  finden  sich  ferner  auch  am 
Ende  auffallende,  dichte  Haarbüsche  (Afterwolle),  die  oft  besonders  gefärbt 
sind  und  bisweilen  zur  Bedeckung  der  Eier  dienen. 

Von  den  Segmentplatten  ist  das  i.  Sternit  meist  wenig  deutlich  aus- 
gebildet bzw.  mit  dem  2.  Sternit  verwachsen,  auch  Tergit  i  und  2  zeigen 
sich  gewöhnlich  inniger  vereinigt  als  die  folgenden.  Die  letzten  Segmente 
sind  in  Verbindung  mit  Geschlechtsorganen  mannigfaltig  ausgebildet. 

Die  männliche  Geschlechtsöffnung  liegt  im  9.  Segment,  das 
stark  modifiziert  ist;  es  stellt  ein  einheitliches  Chitinstück  von  der  Form 
eines    Siegelringes    dar,    dessen    Siegelplatte    dorsal    gelegen    ist.     An    der 


A  B 

Abb.  17.    Tympanalorgan.   A   einer   Eule,    B   eines   Spanners.     Nach   Hering. 


schmalen  Sternalregion  des  Ringes  befindet  sich  eine  oft  weit  nach  vorn 
reichende  taschenförmige  Einstülpung  (Saccus),  die  aus  der  Intersegmental- 
membran  entstanden  ist  und  als  Muskelansatz  dient.  An  die  Seitenteile  des 
Ringes  setzen  sich  jederseits  die  Valvae  (auch  Genital-  oder  Lateral- 
klappen) an,  die  den  auffallendsten  Teil  des  Kopulationsapparates  bilden.  Sie 
stellen  ein  Klammerorgan  zum  Festhalten  des  Weibchens  während  der 
Copula  dar  und  sind  infolgedessen  häufig  mit  nach  innen  gekrümmten  Fort- 
sätzen, Borstenfeldern  usw.  bewaffnet  (Abb.  18). 

Am  Hinterrand  des  Tergits  des  9.  Segmentes  (der  ,, Siegelplatte"')  ist 
ein  unpaarer,  gewöhnlich  ventral  gekrümmter  Fortsatz  mit  einfacher  oder  ge- 
gabelter Spitze  angeheftet,  der  sog.  Uncus  (Abkömmling  des  10.  Seg- 
mentes), unter  dem  bei  vielen  Formen  noch  ein  weiteres  Chitingebilde,  das 
„Scaphium",  das  ebenfalls  mehrere  Fortsätze  bilden  kann,  liegt.  Zwischen 
Uncus  und   Scaphium   mündet  der   Darm   (Abb.  19  A).    Unter  dem   Scaphium 


(s.  Bd.  I,  S.  97)  gedeutet  wird.  Tympanalorgane  kommen  durchaus  nicht  in  allen 
Familien  vor,  so  fehlen  sie  bei  den  Tagfaltern,  Sphingiden,  Bombyciden,  Cos- 
siden  usw.  Wo  sie  unter  der  Pleura  des  i.  Abdominalsegmentes  liegen  (Noctuiden, 
Arctiiden,  Lymantriiden),  sind  sie  von  der  Rückenseite  her  oft  recht  deutlich  als 
dickliche  Blasen  beiderseits  an  der  Basis  des  Abdomens  zu  erkennen,  der  Eingang 
zeigt  hier  nach  oben.  Wo  die  Tympanalorgane  unter  der  Pleura  des  2.  Abdominal- 
segmentes liegen  (Geometriden,  Pyraliden)  ist  diese  gewöhnlich  nicht  so  stark  an- 
geschwollen.   Die  Eingangsöffnung  zeigt  hier  nach  der  Seite  oder  unten. 


Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie. 


15 


befindet  sich  der  Penis  in  einer  Tasche  (Penistasche),  die  im  allgemeinen  die 
Gestalt  eines  zartrandigen  Trichters  hat  und  sich  aus  einer  Mulde  im  Bezirk  des 
g.     Segmentes    tief    in  ^        y^^ 

das  Abdomen  einsenkt. 
Wo  der  schlauchför- 
mige, proximale,  ein- 
gesenkte Teil  der 
Tasche  in  die  äußere 
Mulde  übergeht,  ist 
häufig  ein  „Ringwall" 
entwickelt,  von  dem 
gewöhnlich  nur  die 
Seitenteile  und  die 
ventrale  Hälfte  stärker 
chitinisiert  ist,  während 
die  dorsale  Hälfte 
meist  membranös  bleibt. 
Die  männlichen 
Kopulationso  rgane 
zeigen    einerseits    eine 

ungeheure  Mannigfaltigkeit  sowohl  bezüglich  der  Form  des  Uncus  als  der 
Lateralklappen  usw.,  wobei  die  kompliziertesten,  schwer  entzifferbaren  Bil- 
dungen entstehen  können,  —  andererseits  aber  eine  relativ  große  Beständigkeit 
bei  den  verschiedenen  Arten,  so  daß 
sie  in  der  Systematik,  besonders  bei 
Feststellung  nahverwandter  Arten  wert- 
volle Merkmale  darstellen.  Ihre 
Kenntnis  ist  daher  für  jeden  Systema- 
tiker unentbehrlich. 


Abb.  iS.  Männlicher  Genitalapparat  eines  Tagfalters 
(Apalura  iris  L.).  Seitenansicht.  P  Endteil  des  Penis, 
P/  Penistasche,  Rio  Ringwall,  Sc  Saccus,  Scaph  Sca- 
phium,  U/ic  Uncus,  T  Valva,  IX  das  einen  einheitlichen 
Ring  bildende  Segment  IX.  Nach  Zander  (aus 
S  p  u  1  e  r  ) . 


Die  weiblichen  Sexualorgane  i). 

Die  Kenntnis  der  weiblichen  Ge- 
schlechtsorgane ist  in  neuester  Zeit  be- 
sonders durch  Ei dmann^)  (1929)  wesent- 
lich gefördert  worden.  Wir  werden  hier 
hauptsächlich  seinen  Ausführungen  folgen. 

Am  weiblichen  Abdomen  ist  das 
7.  Segment  gewöhnlich  deutlich  verlängert 
und  in  dieses  sind  in  der  Ruhelage  die 
folgenden  stark  modifizierten  Segmente 
zurückgezogen  (Abb.  20).  Nur  wenige 
primitive  Formen  (Börners  Monotrysia) 
besitzen  eine  einzige,  im  9.  Segment  aus- 
mündende Genitalöffnung,  während  allen  übrigen  Schmetterlingen  2  ge- 
trennte Öffnungen  zukommen,  nämlich  die  in  der  Sternalregion  des  8.  Scg- 

1)  Vom  inneren  Bau  der  Schmetterlinge  erwähne  ich  hier  nur  die  weiblichen 
Geschlechtsorgane,  da  deren  Kenntnis  für  das  Verständnis  der  für  uns  so  wichtigen 
Fortpflanzungsbiologie    unentbehrlich    ist. 

äj   Eidmann,    H.,    Morphologische    und    physiologische    Untersuchungen    am 


Abb.  19.  Medianer  Längsschnitt 
durch  das  Hinterende  einer  männ- 
lichen Puppe.  AMi&r,  D.ej.  Duc- 
tus ejaculatorius,  .r  erste  Anlage 
des  Blindsackes.  VIII,  IX  u.  A' 
Segmente.  Die  übrigen  Bezeich- 
nungen wie  oben.  Nach  Zander 
(aus  S  p  u  1  e  r). 


weiblichen  Genitalapparat  der   Lepidopteren.    Zeit.  f.  ar 
S.  1—66. 


Entomol.   Bd.  XV   (1029), 


16 


I.  Allgemeiner  Teil. 


mentes  liegende  Mündung  der  Begattungstasche,  das  Ostium  bursae. 
und  die  im  9.  Segment  befindliche  Mündung  des  Oviductus  communis,  die 
„Scheidenöffnung",  Ostium  vaginae  oder  „Oviporus"  (Abb.  21). 
Das  Ostium  bursae  ist  in  vielen  Fällen  sehr  nahe  an  das  7.  Seg- 
ment herangerückt  oder  sogar  in  die  weiche  Intersegmentalhaut  zwischen 
diesen   beiden    Segmenten.    Die    Umgebung   des   Ostiums   ist   vielfach   stark 

2777^ 


3^5 


Abb.  20.   Abdomen  einer   Eule   (Panolis  flammea   Schiff.)    zur   Darstellung   der   Seg- 
mentverhältnisse.   Ob  Ostium  bursae,   ov  Oviporus,  i-  Sternite,  st  Stigmen,  t  Tergite. 
7 — 10  Abdominalsegmente   i  — 10.    Nach  Eidmann. 

chitinisiert  und  weist  oft  verschiedenartige  Bildungen,  Zacken,  Hörner  usw. 
auf.  Die  seitlichen  Partien  des  8.  Segmentes  laufen  kopfwärts  in  2  dünne 
Chitinstäbe  zum  Ansatz  der  Muskulatur  aus,  die  vorderen  Apophysen. 

Das  9.  und  10.  Segment,  bei  der  Puppe  noch  getrennt,  sind  beim  Falter 

miteinander  verbunden  und  bilden  die 
sog.  Endplatten  (Laminae  abdomi- 
nalis) von  verschiedener  Gestalt  und 
fast  immer  mit  Borsten  (Sinneshaaren) 
dicht  besetzt  (Abb.  22  ep).  Sie  hängen 
in  der  Regel  nur  auf  der  Rückenseite 
zusammen,  während  sie  nach  vorn  und 
unten  auseinanderklaffen  und  eine 
Furche  zwischen  sich  bilden.  Auch  die 
Endplatten  laufen  nach  vorn  in  dünne 
Stäbe  zum  Ansatz  der  Muskulatur  aus, 
die  „hinteren  Apophysen".  Durch  die 
an  ihnen  angreifenden  Muskeln  können 
die  Endplatten  ebenso  wie  das  8.  Seg- 
ment weit  nach  hinten  geschoben 
werden,  so  daß  der  Hinterteil  des  Ab- 
domens zu  einer  Legeröhre  gestaltet 
wird.  Durch  Verlängerung  des  8.  Seg- 
mentes sowie  der  Endplatten  und  der 
Apophysen  kann  die  Legeröhre  beinahe 
so  lang  werden  wie  der  ganze  übrige 
Teil  des  Abdomens  (z.  B.  bei  der 
Nonne). 

Oberhalb  des  Oviporus  mündet  der 


Abb.  21.  Schematische  Darstellung  der 
weiblichen  Genitalöffnungen.  A  bei  einer 
primitiven  Schmetterlingsform  (mit  einer 
Öffnung  im  9.  Segment),  B  bei  einer 
höher  entwickelten  Form  (mit  zwei  Öff- 
nungen, im  8.  und  9.  Segment),  a  Ostium 
vaginae,  a,^  Ostium  bursae,  bc  Bursa 
■copulatrix,  od  Oviduct,  r  Rectum.  Nach 
I  mms. 


Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie. 


17 


Darm.    After   und   Oviporus   liegen   so   nahe   beieinander,    daß    sie   von   den 
älteren  Autoren  für  eine  Öffnung  gehalten  wurden. 


A  B 

Abb.  22.  A  Genitalsegmente  einer  Eule  O  (Pano/is  flammea  Schiff.).  Ventralansicht. 
«1  Apophysen  des  8.  Segmentes  („vordere  Apophysen" ),  a.^  Apophysen  der  Endplatte 
(„hintere  Apophysen"),  db  Ductus  bursae,  ep  Endplatte,  ob  Ostium  bursae,  oc  Ovi- 
ductus   communis,  ov  0\iporus   und   After.     B   isolierte   Endplatte.   Nach   Eid  mann. 


2t\vj\ 


Abb.  23.  Weibliches  Abdomen  von  Lymantria  monacha  L.,  die  hinteren  Segmeiite  zu 
einer  Legeröhre  ausgezogen,  a^  Apophyse  des  8.  Segmentes,  ae  Apophyse  der  End- 
platte, ep  Endplatte,  ob  Ostium  bursae,   ov  Oviporus,  st  Stigmen.   Nach  Eidmann. 

Die  Ovarien  und  ihre  Aus  f  uh  rgänge. 
Die   Ovarien   der    Schmetterlinge   gehören   dem   polytrophen   Typus   an, 
d.  h.  jede  Eizelle  hat  noch  ein  Paket  Nährzellen  bei  sich,  durch  die  die  Er- 
nährung des  wachsenden   Eies  besorgt  wird   (Abb.  24).    Jedes   Ovar  besteht 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  2 


I.  Allgemeiner  Teil 


fast  stets  aus  4  büschelförmig  angeordneten  Eis chläucheni),  in  der  Regel 
von  beträchtlicher  Länge  und  eine  große  Zahl  von  Eiern  enthaltend  (Abb.  25). 
Sie  sitzen  meist  durch  Vermittlung  der  sog.  Eiröhrenstiele  dem  E  i  - 
kelch  auf,  der  sich  in  die  paarigen  Ovidukte  fortsetzt.  Diese  ver- 
einigen sich  nach  kurzem  oder  längerem  Verlauf  zu  dem  Oviductus  com- 
munis, einem  meist  gerade  gestreckten  Rohr,  dem  verschiedene  Anhangs- 
gebilde ansitzen.  Er  nimmt  den  Verbindungsgang  mit  der  Bursa  copulatri.x: 
auf,  um  dann  zwischen  den  beiden  Endplatten  nach  außen  zu  münden. 

An  dem  Oviductus  communis  lassen  sich  häufig  verschiedene  Regionen 
unterscheiden,  wie  das  erweiterte  Vestibulum  (früher  vielfach  als  Uterus 
bezeichnet)  und  die  den  Endabschnitt  bildende  Vagina 2),  die  meist  auch 


Abb.  24.  Zwei  Eianlagen  aus  dem 
Ovar  eines  frisch  geschlüpften 
Weibchens  von  Bupalus  piniarius 
L.  —  ef  Eifach,  eiv  Wand  der 
Eiröhre  (Peritonealepithel),  /  Fol- 
likelepithel des  Eifaches,  ke  Kern 
der  Eizelle,  knz  Kern  einer  Nähr- 
zelle, nf  Nährfach,  nz  Nährzelle, 
vsl  Verbindungsstiel  aus  Follikel- 
zellmaterial.       N  ach    E  i  d  m  a  n  n . 


05       OC 


Abb.  25.  Schema  des  weiblichen  Genitalapparates 
der  Lepidopteren.  ag  Ductus  sebaceus,  ar  Glan- 
dula receptaculi,  bc  Bursa  copulatrix,  ds  Ductus 
seminalis,  gs  Glandulae  sebaceae,  o  Ovarial- 
schläuche,  ob  Ostium  bursae,  oc  Oviductus  com- 
munis, op  Paarige  Oviducte,  os  Oviporus,  rg  Re- 
servoire der  Glandulae  sebaceae,  rs  Receptaculum 
seminis,    v  Vestibulum.       Nach    Eidmann. 


1)  Nur  bei  einigen  Kleinschmelterlingen  und  Psychiden  sind  mehr  Eischläuche 
(6 — 20)  gezählt  worden. 

2)  Eidmann  weist  mit  Recht  darauf  hin,  daß  die  Bezeichnung  Vagina  des- 
wegen nicht  ganz  einwandfrei  ist,  weil  dieser  Kanal  gewöhnlich  nicht  zur  Aufnahme 
des  männlichen  Begattungsgliedes  dient. 


I.  Kurze  Übersicht  über  die  Morphologie  und  Anatomie.  \Q 

histologisch  von  dem  vorhergehenden  Abschnitt  verschieden  ist.  Das  Vesti- 
bulum  ist  nicht  bei  allen  Arten  deutlich  ausgeprägt,  es  tritt  vielfach  nur 
dann  in  Erscheinung,  wenn  es  ein  Ei  enthält.  Die  Eier  machen  nämlich  auf 
ihrem  Weg  im  Vestibulum  eine  kurze  Rast,  um  vom  Receptaculum  seminis 
aus,  dessen  Ausführgang  in  das  Vestibulum  mündet,  besamt  zu  werden. 

Die  Eischläuche  der  Schmetterlinge  besitzen  im  allgemeinen  —  im 
Gegensatz  zu  den  meisten  übrigen  Insekten  —  keinen  Endfaden,  sondern 
sie  beginnen  mit  einem  blind  geschlossenen,  manchmal  etwas  verdicktem  Ab- 
schnitt, der  sog.  Endkammer.  Die  Endkammern  der  4  Eischläuche  eines 
Ovars  werden  durch  eine  Hülle  zusammengehalten,  während  diese  im  übrigen 
bis  zu  ihrer  Einmündung  in  den  Eikelch  getrennt  verlaufen.  Der  Inhalt  der 
Endkammern  besteht  gewöhnlich  bereits  aus  Oogonien,  aus  denen  sowohl  die 
Eizellen  wie  auch  die  Nährzellen  hervorgehen.  Die  letzteren  bilden  zu- 
sammen das  Nährfach,  die  Eizelle  das  Eifach  (Abb.  24).  Anfangs  von 
etwa  gleicher  Größe,  tritt  das  Nährfach  gegenüber  dem  immer  größer 
werdenden  Eifach  durch  Abgabe  von  Nährmaterial  immer  mehr  zurück,  wäh- 
rend zugleich  das  aus  Zylinderzellen  bestehende  Follikelepithel  das  Chorion 
bildet,  so  daß  die  Eiröhren  gegen  den  Eikelch  zu  meist  beschalte,  lege- 
reife i)  Eier  enthalten   (siehe  Abb.  26). 

So  übereinstimmend  die  Ovarien  der  Schmetterlinge  in  morphologischer 
Hinsicht  sind,  so  große  Unterschiede  bestehen  bei  den  verschiedenen  Arten 
hinsichtlich  des  Entwicklungszustandes  der  in  den  Eiröhren  enthaltenen  Eier 
unmittelbar  nach  dem  Schlüpfen. 

Während  man  in  den  Lehrbüchern  vielfach  die  Angabe  findet,  daß  bei 
Schmetterlingen  „die  Eier  schon  während  der  Puppenruhe  völlig  ausgebildet 
werden,  so  daß  bereits  bei  den  frisch  geschlüpften  Tieren  eine  große  Zahl 
fertiger  Eier  in  den  Eiröhren  enthalten  sind"  (siehe  auch  Bd.  I,  S.  108),  hat 
Eidmann  gezeigt,  daß  dies  nur  für  einen  Teil  der  Arten  zutrifft.  Nach 
Eidmann  können  wir  die  Schmetterlinge  hinsichtlich  des  Entwicklungs- 
zustandes der  Ovarien  in  zwei  große  Gruppen  teilen: 

1.  solche,  die  beim  Schlüpfen  noch  keine  oder  sehr  wenig  legereife  Eier 
in  den  Ovarien  haben,  und 

2.  solche,    die    beim    Schlüpfen    bereits    legereife    Eier    in    mehr    oder 
weniger  großer  Zahl  in  den  Eischläuchen  haben. 

Zur  I.  Gruppe  gehören  z.  B.  der  Baumweißling  (Apor/a  crataegi  L.),  die 
Ahorneule  (Acronycta  aceris  L.)  und  der  Kiefernspanner  (Abb.  26  A),  die  von 
der  Puppe  wohl  eine  große  Zahl  von  Eianlagen,  aber  keine  oder  nur  ganz 
wenig  legereife  Eier  mitbringen.  Hier  müssen  also  die  Ovarien  eine  aus- 
gedehnte postmetabole  Entwicklung  durchmachen,  worauf  auch  die  mäch- 
tige Fettkörperentwicklung  und  die  reiche  Tracheenversorgung  der  Ovarien 
hinweisen. 

Die  2.  Gruppe  läßt  sich  nochmals  in  zwei  Untergruppen  gliedern,  näm- 
lich I.  in  solche,  bei  denen  zwar  legereife  Eier  in  größerer  Zahl  vorhanden 
sind,    aber   außerdem    immer   noch    der   Anteil    der    Eianlagen    in    den    Ei- 


1)  Häufig  wird  bei  diesen  Eiern  kurzweg  der  Ausdruck  „reif  gebraucht. 
Eid  mann  macht  darauf  aufmerksam,  daß  dieser  Ausdruck  jedoch  nicht  korrekt 
ist,  da  cytologisch  nur  solche  Eier,  die  die  Reifeteilung  durchgemacht  haben,  als 
reif  bezeichnet  werden  dürfen.  Bei  den  Insekten  beginnt  die  Reifeteilung  aber  erst 
dann,  wenn  die   Samenfäden  in  das  Ei  eingedrungen  sind. 

2* 


20 


I.  Allgemeiner  Teil. 


schlauchen  weit  überwiegt  i),  und  2.  in  solche,  bei  denen  die  Ovarien  der 
geschlüpften  Weibchen  bereits  sehr  weit  entwickelt  sind  und  die  daher  den 
Eindruck  der  Vollreife  machen  (Abb.  26  C).  Die  Falter  dieser  Gruppe  bringen 
tatsächlich  ihren  gesamten  legereifen  Eivorrat  aus  der  Puppe  mit  und  be- 
ginnen auch  nach  erfolgter  Begattung  in  der  Regel  sofort  mit  der  Eiablage. 
Bei  diesen  Tieren  ist  der  Fettkörper  bereits  völlig  ver- 
braucht, und  das  Abdomen  ist  zum  größten  Teil  von  den 
Ovarien  ausgefüllt,  wenn  die  Tiere  aus  der  Puppe  schlüpfen. 
Außerdem  finden  sich  hier  stets  legereife  Eier  bereits  in  den 
Ausführgängen  der  Ovarien.   Eidmann  führt  als  Beispiele 


Abb.  26.  Beispiele  für  die  drei  Typen  in  der  Ausbildung  der  Ovarien  frisch  ge- 
schlüpfter Schmetterlinge.  A  Bu^ali/s  piniarius  L.,  Eischlauch  eines  frisch  ge- 
schlüpften Weibchens  ohne  legereife  Eier.  —  B  Patiolis  flammea  Schiff.  Eischlauch 
eines  frisch  geschlüpften  Weibchens,  mit  wenigen  legereifen  Eiern  und  zahlreichen 
Eianlagen  (e  Endkammer,  ez  Eizelle,  nz  Nährzellen).  —  C  Aglia  tau  L.,  Eischlauch 
eines    frisch    geschlüpften    Weibchens,    der    fast    nur    legereife    Eier    enthält     Nach 

E  i  d  m  a  n  n. 


für   diese   Gruppe  an:   Aglia   lau    L.,   Dicramira  vlnula   L.,   DasycJiira   pudi- 
biinda  L.,  Stilpiiolia  Salicis  L.  und  Deudrolimiis  pini  L.i). 


1)  Auch  hier  findet  sich  wie  bei  der  i.  Gruppe  noch  ein  gut  entwickelter  Fett- 
körper im  Abdomen  frisch  geschlüpfter  Weibchen,  vor  allem  an  der  Übergangsstelle 
der  legereifen  Eier  und  der  Eianlagen. 

1)  Nur  bei  dieser  Gruppe  läßt  sich  durch  Auszählen  der  beschälten  Ovarial- 
eier   frisch   geschlüpfter    Falter  die  Eizahl,  die  die  betreffenden  Weibchen  abzulegen 


Kurze  Übersicht  über  die   Morphologie   und   Anatomie. 


21 


Diese  Feststellungen  Eidmanns  sind  von  großer  Bedeutung  für  das 
Verständnis  der  Fortpflanzungsbiologie.  Daher  muß  auch  der  Forstentomo- 
loge mit  diesen  Verhältnissen  vertraut  sein. 


Die    Bursa    copulatrix. 

Die  Bursa  copulatrix  besteht  aus  2  Teilen,  dem  Corpus  bursae  oder 
Bursasack  und  dem  Cervix  bursae  oder  Bursahals,  welcher  durch  das  Ostium 
bursae  im  Bereich  des  8.  Sternits  nach  außen  mündet  (Abb.  27).  Hierzu 
kommt  der  Ductus  seminalis,  welcher  die  Verbindung  zwischen  Bursa  und 
dem  Oviductus  communis  herstellt.  Die  Bursa  ist  eine  Hauteinstülpung  und 
daher  von  einer  chitinösen  Intima  ausgekleidet,  die  alle  möglichen  Bildungen, 
wie  feine  Zähnchen  oder  ganze  Zahnplatten  oder  größere  Dornen  oder 
Stacheln  aufweisen  kann.  Bei  der  Co- 
pula  wird  der  Penis  in  den  Bursahals 
eingeführt  und  in  die  Bursa  eine  oder 
mehrere  Spermatophoren  abgegeben, 
die  meist  mit  einem  flaschenhalsartigen 
Anhang  versehen  sind,  dessen  Mün- 
dung sie  der  Einmündungssteile  des 
Ductus  seminalis  zuwenden.  Durch 
Druck  auf  die  Spermatophoren  wer- 
den die  Samenfäden  herausgepreßt 
und  gelangen  durch  den  Ductus  se- 
minalis in  den  Oviductus  communis 
(und  von  da  in  das  Receptaculum 
seminis,  siehe  unten),  während  die 
leere  Spermatophorenhülle  in  dem 
Bursasack  zurückbleibt. 

Die  Gestalt  der  Bursa  wie  auch 
des  Ductus  seminalis  und  der  Sperma- 
tophoren ist  von  der  denkbar  größten 
Mannigfaltigkeit,  aber  gleichzeitig  von 
großer  Konstanz  bei  den  verschiedenen 
Arten,  wie  vor  allem  Petersen  und 
auch  Eidmann  dargelegt  haben.  Ersterer  hat  die  morphologischen  \^er- 
schiedenheiten  der  Bursa  usw.  in  weitgehendem  Maße  für  die  Systematik 
auszuwerten  versucht.  Die  Unterschiede  betreffen  sämtliche  Einzelteile  der 
Bursa,  wie  die  Größe  und  Gestalt  des  Sackes,  die  Form  und  Lage  der  Zahn- 
platten, die  Länge,  Weite  und  Gestalt  des  Halses,  die  Ursprungsstelle  des 
Ductus  seminalis  und  vor  allem  auch  das  Ostium  und  seine  LImgebung.  Oft 
sind  bei  sich  sehr  nahestehenden  Arten  die  Unterschiede  der  Bursa  copu- 
latrix besonders  deutlich  ausgeprägt,  so  daß  sie,  ähnlich  wie  der  männ- 
liche Kopulationsapparat,  in  solchen  Fällen,  wo  die  Trennung  nach  äußeren 
Merkmalen  sehr  schwierig  ist,  systematisch  oft  sehr  gut  verwertbar  sind. 
Andererseits  finden  sich  auch  innerhalb  höherer  systematischer  Gruppen 
meistens  gemeinsame  charakteristische  Züge  im  Bau  der  Bursa,  so  daß  sie 


Abb.  27.  Schema  einer  hochspezialisier- 
ten Bursa  copulatrix;  bs  Bulla  seminalis, 
cb  Corpus  bursae,  ex  Cervix  bursae,  ds 
Ductus  seminalis,  e  Ausstülpung  des 
Bursasackes,  /  Fundus  bursae,  Id  La- 
mina  dentata,  ob  Ostium  bursae.  Nach 
E  i  cl  m  a  n  n. 


imstande  sind,  ermitteln.  Bei  den  übrigen  Schmetterlingen,  deren  Ovarien  noch  eine 
postmetabole  Entwicklung  durchmachen,  ist  es  dagegen  nicht  angängig,  von  der 
Zahl   der   Ovarialeier   auf  die   definitive  Eizahl   zu   schließen. 


22 


I.  Allgemeiner  Teil. 


auch  über  die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  höheren  systematischen  Kate- 
gorien Aufschluß  geben  kann. 

Das  Receptaculum  seminis. 
Das  Receptaculum  seminis  ist  ein  Reservoir  zur  Aufnahme  des  Spermas, 
das  hier  längere  Zeit  (bis  zu  mehreren  Monaten)  lebendig  erhalten  wird.  Es 
ist  ein  rundliches  oder  eiförmiges,  ziemlich  erweiterungsfähiges  Organ,  das 
fast  stets  mit  einer  gut  entwickelten,  verschieden  gestalteten  Anhangsdrüse, 
der  Glandula  receptaculi,  versehen  und  durch  einen  längeren  Kanal,  dem 
Ductus  receptaculi,  mit  dem  Oviductus  communis  verbunden  ist  (s.  Abb.  25). 
Die  Einmündungssteile  des  Ductus  receptaculi  liegt  (in  der  Regel  auf  der 
höchsten  Erhebung  des  Vestibulums  des  Oviductus  communis)  meist  dicht 
neben  der  Mündung  des  von  der  Bursa  copulatrix  kommenden  Ductus  semi- 

nalis,  so  daß  der  Samen 
beinahe  unmittelbar  von 
der  einen  Öffnung  in 
die  andere  übergeleitet 
wird.  Der  Ductus  re- 
ceptaculi läßt  gewöhn- 
lich verschiedene  Ab- 
schnitte erkennen,  die 
als  Canalis  receptaculi, 
Canalis  spiralis  und  Ca- 
nalis vestibuli  bezeichnet 
werden  (siehe  Abb.  28). 
E  i  d  m  a  n  n  entdeckte 
im  Ductus  einen  chiti- 
nösen  Binnenapparat, 
der  wahrscheinlich  als 
Verschluß  oder  Pumo- 
apparat  dient. 

Die  Anhangsdrüse 
(Glandula  receptaculi) 
stellt  in  den  meisten 
Fällen  ein  einfaches, 
blind  endigendes  Rohr  dar,  das  vor  seiner  Einmündung  in  den  Ductus 
receptaculi  zu  einem  Reservoir,  der  Lagena  receptaculi,  erweitert  wird. 
Die  Funktion  der  Anhangsdrüse  besteht  nach  E  i  d  m  a  n  n  wahrschein- 
lich darin,  ein  Sekret  zur  Lebendigerhaltung  des  Spermas  zu  liefern.  Wie 
die  Bursa,  so  ist  auch  das  Receptaculum  aus  einer  Einstülpung  der  äußeren 
Haut  entstanden  und  ist  daher  mit  einer  chitinösen  Intima  ausgekleidet. 

Der  Bau  des  Receptaculums  zeigt  eine  große,  der  Bursa  kaum  nach- 
stehende Mannigfaltigkeit,  die  sich  hauptsächlich  auf  die  Anhangsdrüse  und 
den  Ausfuhrgang  (Duct.  receptaculi)  bezieht.  Hinsichtlich  der  Größe  des 
Receptaculums,  das  übrigens  mit  der  Körpergröße  des  Schmetterlings  manch- 
mal in  auffallendem  Mißverhältnis  steht,  stellte  Eidmann  eine  unverkenn- 
bare Korrelation  mit  der  Größe  der  Bursa  copulatrix  fest,  insofern,  als  bei 
Arten  mit  kleiner  Bursa  das  Receptaculum  klein,  bei  solchen  mit  großer 
Bursa  das  Receptaculum  groß  ist  (was  vermutlich  mit  der  Samenmenge  der 
verschiedenen  Arten   zusammenhängt). 


Abb.  28.  Schema  eines  Receptaculum  seminis.  er  Ca 
nalis  receptaculi,  es  Canalis  spiralis,  cv  Canalis  vesti 
buli,  gr  Glandula  receptaculi,  Ir  Lagena  receptaculi 
r  Receptaculum  seminis,  v  Oviductus  communis  (\'esti 
bulum).     Nach  Eid  mann. 


Kurze  Übersicht  über  die   Morphologie   und  Anatomie. 


23 


Die  Kittdrüsen. 

Die  Kittdrüsen,  Glandulae  sebaceae,  gehören  zu  den  auffallendsten 
Teilen  des  weiblichen  Geschlechtsapparates,  ihr  Sekret  dient  zum  Ankleben 
der  Eier  an  die  Unterlage.  Sie  bestehen  gewöhnlich  aus  zwei  mächtig  langen 
Drüsenschläuchen,  die  im  Abdomen  vielfach  gewunden 
und  aufgeknäuelt  neben  und  zwischen  den  Ausfuhr- 
gängen des  Geschlechtsapparates  liegen,  und  sich  an  der 
Basis  zu  je  einem  geräumigen  Reservoir  (Saccus  sebaceus) 
erweitern,  in  dem  sich  meist  das  wasserklare  Sekret  schon 
während  der  Puppenruhe  ansammelt.  Der  gemeinsame 
Ausführgang,  Ductus  sebaceus,  mündet  in  der  Regel  kurz 
vor  dem  Oviporus  dorsal  in  den  Oviductus  communis. 
Auch  die  Kittdrüsen  zeigen,  wie  die  übrigen  Teile  des 
weiblichen  Geschlechtsapparates,  eine  große  Mannigfal- 
tigkeit, vor  allem  in  der  Ausbildung  der  Reservoire,  wo- 
bei Eidmann  verschiedene  Entwickkmgsrichtungen  fest- 
gestellt hat. 

B.  Raupe. 

Die  Larven  der  Schmetterlinge,  die  ,, Raupen",  sind 
habituell  gänzlich  verschieden  von  den  Imagines:  wurm- 
förmig  und  mehr  oder  weniger  gleichmäßig  gegliedert 
(Abb.  30).  Dem  hartschaligen  Kopf  folgt  ein  weich- 
häutiger Rumpf,  aus  14  Segmenten  bestehend,  von  denen 


-93- 


Abb.  29.  Schema 
einer  Kittdrüse,  ds 
Ductus  sebaceus,  ^j.- 
Glandulae  sebaceae, 
SS  Saccus  sebaceus, 
V  Oviductus  com- 
munis. Nach  E  i  d  - 
mann. 


Abb.  30.    Raupe  von  Cossus  cossus  L.    Aus  L  a  m  p  e  r  t. 

die  ersten  3,  mit  gegliederten  Beinpaaren  versehen,  die 
Brustregion,  und  die  übrigen  11  die  Hinterleibs-  oder 
i\bdominalregion  darstellen.  Die  letzten  3  Abdo- 
minalsegmente sind  meist  enger  verbunden,  den  Eindruck 
eines  einzigen  Segmentes  machend,  das  auch  als  „Aft er- 
ring" oder  ,,Anals  egmen  t'  bezeichnet  wird.  Vom 
10.  Segment  ist  in  der  Regel  nur  noch  der  dorsale  Teil, 
oft  als  hornige  Platte,  vorhanden.  Ein  Teil  der  Abdo- 
minalsegmente, meist  Segment  3 — 6  (oder  auch  nur  Seg- 
ment 6)  und  das  Analsegment,  ist  mit  sog.  „Bauch- 
füßen"  versehen,  ungegliederten  fleischigen  Ausstül- 
pungen. Der  Besitz  der  Bauch  fuße  stellt  eines 
der  wesentlichsten  Merkmale  der  Schmetter- 
lingsraupen dari).  Ihre  Zahl  schwankt,  inklusive  der 


M   Die  Raupen  teilen  dieses  Merkmal  (außer  mit  den   Larven 
der  Panorpaten,    s.  oben,   S.  1 1  mit    den    Larven    der    Blattwespen 


24 


I.  Allgemeiner  Teil. 


sogenannten    Nachschieber    (also    der    Bauchfüße    des    letzten    Segmentes), 
zwischen  2 — 5  Paaren  i). 

Der  Bau  der  Bauchfüße  kann  verschieden  sein,  vor  allem  bezüglich 
der  Gestaltung  und  Bewaffnung  der  Sohle.  Wir  unterscheiden  danach 
2  Hauptgruppen,  die  Kranzfüße  (Pedes  coronati)  und  die  Klammer- 
füße (Pedes  semicoronati).  Die  ersteren  besitzen  eine  ungegliederte,  kreis- 
förmige Sohle,  die  von  einem  geschlossenen  Kranz  von  oft  ungleich  langen 
Haken  besetzt  ist  (Abb.  31  d).  Die  Klammerfüße  dagegen  haben  meist  eine 
zweilappige  bewegliche  Sohle,  welche  nur  am  äußeren  Rand  mit  Häkchen, 
die  einwärts  gebogen  und  zum  Umfassen  von  Gegenständen  eingerichtet  sind, 
bewaffnet  sind  (Abb.  31c).  Kranzfüße  finden  sich  hauptsächlich  bei  solchen 
Schmetterlingsraupen,  die  im  Innern  der  Pflanzen  oder  in  Blattgehäusen,  Ge- 
spinsten usw.  leben,  während  Klammerfüße  hauptsächlich  solchen  zukommen, 
die  frei  auf  den  Nahrungspflanzen  leben.  In  der  Systematik  spielt  der  Bau 
der  Bauchfüße  eine  große  Rolle,  indem  viele  Autoren  alle  Schmetterlinge  mit 
kranzfüßigen    Raupen    als    sog.    „Klein-  .„..^.„.^ 

Schmetterlinge",   den  übrigen   Schmetter-  ?    'jr*-"V3fl^BB^  '        ^_- 

lingen  mit  klammerfüßigen  Raupen,  den  < 

sog.     „Großschmetterlingen"     gegenüber- 
stellen 2). 


Abb.  31.     Raupenbeine,     a    Thorakalbein,    b    abdominaler    Kranzfuß,    c  abdominaler 
Klammerfuß,  c/  Kranzfuß   (von  Cossus)  vergrößert.    <7— t:  nach   Handlirsch. 


Die  Zahl  der  Bauchfüße  drückt  sich  auch  in  der  Bewegungsform  der 
Raupen  aus.  Der  wellige  Gang  der  Eulenraupen  mit  verkümmerten  Bauch- 
fußpaaren am  6.  und  7.  Segment  leitet  über  zu  dem  eigenartigen  Gang  der 
Spanner,  die,  sich  krümmend,  die  Bauchfüße  an  die  Brustfüße  heranziehen, 
um  dann,  mit  ersteren  sich  haltend,  den  Leib  zu  strecken  und  mit  den  Brust- 
füßen einen  neuen  Halt  zu  suchen  (Spul  er). 

Die  Brustfüße  sind  im  Gegensatz  zu  den  Bauchfüßen  echte  Extremi- 


(„ Afterraupen"),  die  ja  auch  habituell  den  Schmetterlingsraupen  oft  recht  ähnlich  werden 
können.  Doch  ist  die  Unterscheidung  der  beiden  leicht:  bei  den  Afterraupen  ist  die 
Zahl  der  Bauchfüße  meist  größer  und  nur  das  i.  Abdominalsegment  beinlos,  während 
bei  den  Raupen  stets  mindestens  die  zwei  ersten  Abdominalsegmente  beinlos  bleiben, 
(s.  Bd.  I,   S.  164  u.  165). 

1)  Nur  bei  den  primitivsten  Schmetterlingen,  den  Micropterygiden,  ist  eine 
größere  Zahl  (8  Paar)  von  Bauchbeinen  vorhanden,  die  übrigens  auch  in  ihrem 
Bau  etwas  abweichen  und  mehr  den  Brustbeinen  gleichen. 

-)  Die  Klammer-  oder  Kranzfüßigkeit  ausschließlich  als  Einteilungs- 
prinzip zu  benutzen,  würde  zu  manchen  Irrtümern  führen,  da  es  auch  Ausnahmen 
gibt,  wie  z.  B.  auch  typische  „Kleinschmetterlinge"  keinen  geschlossenen  Haken- 
kranz an  der  Sohle  mehr  besitzen. 


[.  Kurze  Übersicht  über  die   Morphologie   und   Anatomie. 


25 


täten  und  bestehen  aus  3   freibeweglichen  zylindrischen   Gliedern  mit  einer 
Chitinklaue  am  Ende  (siehe  Abb.  31a). 

Besonders  starke  Abweichungen  von  der  Imago  zeigt  der  Kopf  der 
Raupe,  vor  allem  durch  den  Besitz  von  kauenden  Mundgliedmaßen.  Der 
durch  eine  harte  Chitinhülle  ausgezeichnete  Kopf  ist  meist  von  ansehnlicher 
Größe  und  gewöhnlich  rund,  flach  gewölbt.  Auf  seiner  Vorderseite  verläuft 
in  der  Mitte  eine  Längsnaht,  die  sich  nach  unten  in  2  Äste  teilt  und  daher 
als  G  a  b  e  1 1  i  n  i  e  bezeichnet  wird.  Durch  die  Längsnaht  wird  die  Kopf- 
kapsel in  zwei  gewölbte  Stücke  zerlegt,  die  „H  emisphae  r  en",  während 
durch  die  Gabeläste  das  ,,Sti  rndr  eieck"  (Clypeus)  begrenzt  wird  (Abb. 32). 
An  letzteres  reiht  sich  nach  vorn  bzw.  unten,  durch  eine  Quernaht  abgesetzt, 
die  Oberlippe  (Labrum)  mit  dem  Epipharynx.  Jede  ,,Hemisphaere" 
trägt  seitlich  unten  6  Punktaugen  (Ocelli),  als  glänzende  Pünktchen  er- 
kennbar 1).  Vor  bzw.  unterhalb  der 
Ocellen  sind  die  kurzen,  gewöhnlich 
3gliedrigen    Fühler   eingelenkt. 


Abb.  32.    Kopf  einer  Eulenraupe.    Links  von  vorn,   rechts  von  der  Seite.    .4  Antenne, 

C7     Clypeus,    5/»     Spindel,     //     Hemisphären,     Jh/     Mandibeln,     .11/     Maxillartaster, 

Z/    Lippentaster,    O    Ocellen.     Nach    S  p  u  1  e  r. 


Die  Mundgliedmaßen  der  Raupen  gehören,  wie  schon  gesagt,  dem 
kauenden  Typus  an,  sie  zeigen  jedoch  in  mehreren  Punkten  wesentliche  Ab- 
weichungen von  dem  Grundtypus,  als  deren  augenfälligsten  nach  den  von 
Engel  2)  im  hiesigen  Listitut  angestellten  Untersuchungen  folgende  zu 
nennen  sind: 

1.  Die  Stammglieder  der  Maxillen  (Cardo,  Stipes)  und  des  Labiums 
(Submentum,  Mentum)  sind  zu  einer  einheitlichen  Platte  verschmolzen. 

2.  Am  Labium  (Unterlippe)  sind  auch  die  beiden  Laden  (Innen-  und 
Außenlade)  in  einen  innigen  Zusammenhang  getreten  zur  Bildung  des  für 
das  Raupenleben  so  wichtigen  Spinnorgans,  das  Engel  kurz  als  Spindel  be- 
zeichnet, an  der  das  ,, Mittelstück"  und  zwei  ,, Außenstücke"  unterschieden 
werden. 


1)  Auch  hieran  sind  die  Schmetterlingsraupen  von  den  habituell  ähnlichen 
Raupen  der  Blattwespen,  die  jederseits  nur   i   Ocellus  besitzen,  zu  unterscheiden. 

-)  Engel,  H.,  Vergleichende  morphologische  Studien  über  die  Mundglied- 
maßen  von   Schmetterlingsraupen.    —   Zeitsch.   f.    ]\Iorph.    u.   Ökol.   der   Tiere.    Bd.  9 

(1927)    166 — 270. 


26 


I.  Allgemeiner  Teil. 


3.  Zwischen  den  Stammgliedern  und  sämtlichen  Anhängen  sind  stets 
Zwischenglieder  eingeschaltet:  zwischen  Stipes  und  den  Laden  der  Laden- 
träger (Lobarium),  zwi- 
schen Mentum  und  je- 
pml 1 1  dem  Palpus  labialis  der 
labiale  Palpenträger 
(Palparium  labiale). 

Die  Mandibeln 
sind  bei  fast  allen 
Raupen  kräftig  ent- 
wickelt, in  ihrer  Form 
und  Bezahnung  aber 
sehr  verschieden:  beim 
Kiefernspanner  z.  B. 
weist  der  Kaurand  7 — 8 
deutliche  Zähne  auf 
(siehe  auch  Bd. LS.  147. 
Abb.  143),  beim  Ringel- 
spinner noch  mehr 
(8 — 10),  bei  Cossus  5 
(Abb.  34 D),  ebenso  bei 
Abb.  33.  Mundwerkzeugplatte  einer  Raupe  (Kiefernspinner,,  der  Nonne  (wenigstens 
c  Cardo,  le  Lobus  e.\ternus,  li  Lobus  internus,  Me  Mentum,  ni  den  ersten  Sta- 
Pi    Palparium    labiale,    pl    Palpus    labialis,    Pni    Palparium    dien),    beim     Prozessi- 


maxillare,   pni   1 — ///    Glieder    i — 3   des   Palpus   maxillaris,  onsspinner  4  usw.    Bei 

Sh    Sinnesborsten,    Sm    Submentum,    spm    Mittelstück    der  u        d               c  ui^ 

c   •    ,  1        ^      ^    n       ,-  1      1        c   •    1  1      c.    c   ■    1  1.  ■■  manchen  Raupen  fehlt 

bpmdel,    spa    Aubenstuck    der    hpmdel,    bt    hpindellrager,  ^ 

Z  Zapfen.    Nach   Engel.  die     Bezahnung      und 

stellt  der  Kaurand  nur 
eine  einfache  scharf  e  Chitinkante  dar,  z.B.  bei  Phalera  biicephala  (Abb.  34  A). 
Zwischen  den  bezahnten  und  unbezahnten  Mandibeln  gibt  es  alle  möglichen 
Übergänge.    Nicht  selten  weisen  auch  die  verschiedenen  Entwicklungsstadien 


ABC  D 

Abb.  34.    Verschiedene   Raupen- Mandibeln.    A  von  Phalera  hucep/iala  L.,   B  von  Ly- 
mantria   monacha    L.    (jung,    Zweihäuter),    C   von   der    gleichen    (erwachsen),    D    von 
Cossus  cossus  L.      Nach  Engel. 

der  gleichen  Art  Unterschiede  auf,  meist  in  der  Richtung,  daß  die  jüngeren 
Stadien  eine  weit  deutlichere  Zähnelung  zeigen  als  die  erwachsenen  Raupen 
z.  B.  bei  der  Nonne  (Abb.  34 B  u.  C). 

Die  Maxillen  (Mittel-  oder  Unterkiefer)  lassen  als  Stammstücke  eine 
kleine  Cardo  und  einen  stark  ausgebildeten  großen  Stipes  erkennen  (Abb.  33), 
der  die  Cardo  von  oben  und  lateral  her  umfaßt  und  medianwärts  an  das 
Submentum  sich  anschließt.  Oben  wird  der  Stipes  von  dem  Palparium  maxil- 
lare,  das  einen  breiten,  stark  chitinisierten,  gürtelförmigen  Sockel  darstellt, 
abgegrenzt.    Das  Palparium  trägt  den  dreigliedrigen  Palpus  maxillaris, 


[.  Kurze  Übersicht  über  die   Morphologie   und  Anatomie. 


27 


Ek         pm  III 


piii  II 


dessen  kleines,  kegelförmiges  Endglied  kleine  Sinneskegel  trägt.  Zwischen 
dem  I.  und  2.  Palpenglied  entspringt  eine  kuppeiförmige  Vorwölbung,  das 
Lobarium,  auf  dem  die  beiden  Laden  aufsitzen.  Diese  bestehen  aus  einem 
stärkeren  Basalstück  und  einem  kleinen  kegelförmigen  Endstück.  Außer- 
dem trägt  das  Lobarium  noch  verschiedene  Sinneshaare  und  Sinneszapfen 
(Abb.  35)- 

Das  Lab  i  um  (Hinterkiefer  oder  Unterlippe)  besteht  aus  einem  sehr 
ausgedehnten  Submentum,  das  seitlich  von  den  beiden  Cardines  und  Stipites 
der  Maxillen  und  oben  durch  den  soliden 
Chitingürtel  des  Mentums  begrenzt  wird. 
Letzteres  stellt  die  Basis  für  die  labialen 
Anhänge  dar,  nämlich  die  Palparia  mit 
den  Palpen  und  die  Spindelträger  mit  der 
Spindel.  Die  Palparia  labiaha  sind  paa- 
rige, halbmondförmige,  chitinöse  Ringe, 
die  im  Halbkreis  unterhalb  der  Labial- 
palpen gelegen  sind  (s.  Abb.  33).  Die 
Palpen  selbst  bestehen  aus  einem  meist 
zylindrischen  Grundglied,  dem  meist 
2  starke  Haare  aufsitzen  (einem  medi- 
anen, auf  einem  kleinen  Zwischenstück 
stehenden  und  einem  lateralen,  direkt 
auf  dem  Grundglied  angehefteten).  Grund- 
glieder wie  Haare  können  sehr  verschieden 
gestaltet  sein  (Abb.  36). 

Zwischen    den     Palpenträgern     liegt 
der      Spindelträger,      ein      meist      ovaler 

Ring,    der   in    der    Regel    chitinisiert    erscheint,    manchmal    auch   nur 
durch    eine    Runzelung    der   membranösen    Unterfläche    markiert    ist. 
Die  Spindel  selbst  bildet  gewöhnlich  eine  röhrige,  konische  Warze, 
deren  Bestandteile  teils  membranös,  teils  chitinös  sind.    Die  chitinösen 
Teile  sind   ein   unpaares   mittleres    Stück    (verschmolzene   Innenladen 
des  Labiums)  und  die  paa- 
rigen Außenstücke  (entspre- 
chend    den     Außenladen). 
Das     Innenstück     ist     stets 
länger  als  die  Außenstücke. 
Der  Ausführgang  der  Spin- 
del durchsetzt  die    Spindel 
genau     in     der     Mitte     der 
Länge   nach. 

Auf  der  inneren  ovalen 
Fläche  des  Labiums  be- 
findet sich  der  H  y  p  o  - 
pharynx  als  eine  dop- 
pelte      Längsreihe       mehr 

oder  weniger   stark   ausge-  B  L  u 

bildeter,   unregelmäßig   ge-  Abb    36.    Verschiedene    Formen   der   Labialpalpen 

,.  ■  1°,         ,•         •   1  von  Schmetterlingsraupen.    A  von  Cossus  cossus  L., 

formier  Stacheln,  die  sich  g  ^.^^  Dendrolimus  pini  L.,  C  von  Phalern  buce- 
vom     obersten     vordersten,  phala   L.,    D    von   Hepialus.     Nach   Engel. 


Abb.  35.  Palpus  maxillaris  und  Lo- 
barium einer  Schmetterlingsraupe 
(Thaumelopoea  processionea  L.).  Ek 
Endkegel,  Sbm  modifizierte  Sinnes- 
borsten, L  Lobarium.  Die  übrigen 
Bezeichnungen  wie  in  Abb.  33.  Nach 
Engel. 


pm  I 


28  I-  Allgemeiner  Teil. 

hinter  der  Spindel  gelegenen  Teil  des  Labiums  aus  nach  abwärts  über  die 
innere  Fläche  des  Submentums  erstreckt. 

Das  Lab r um  (Oberlippe)  ist  meist  eine  herzförmig  gestaltete  gewölbte 
Platte,  die  sich  an  den  Clypeus  ansetzt.  Der  Einschnitt  zwischen  den  beiden 
Seitenflügeln,  der  sehr  verschieden  tief  sein  kann  (Abb.  37),  stellt  die 
Führungsnute  dar.  Auf  der  Innenfläche  der  Oberlippe  finden  sich  ganz 
ähnlich  wie  bei  der  Unterlippe  zwei  Längsreihen  von  kleinen  Stacheln,  die 
den  Epipharynx  darstellen. 

Die  vergleichenden  Untersuchungen  Engels  haben  dargetan,  daß  im 
Bau  der  Raupenmundwerkzeuge  doch  größere  Verschiedenheiten  vorkommen, 
als  man  bisher  angenommen  hat.  Diese  beziehen  sich  auf  alle  Teile,  sowohl 
die  Stammstücke  wie  die  Anhänge,  vor  allem  die  Palpen,  Laden  und  die  Spindel, 
ihre  Besetzung  mit  Sinneshaaren  usw.  Ich  gebe  hier  (Abb.  38)  eine  Reihe  von 
Abbildungen,  die  die  Verschiedenheiten  besser  als  viele  Worte  zeigen.  Ob 
Beziehungen  zwischen  der  Form  der  Mundteile  und  der  Lebensweise  be- 
stehen, diese  Frage  glaubt  Engel  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  bejahen 
zu  dürfen,  so  z.  B.  für  die  in  ihrer  Ernährung  so  einseitig  spezialisierten 
Cossiden  und  Sesiiden,  die  durch  besonders  kräftige  Mandibeln  und  eine 
lange  Spindel  ausgezeichnet  sind.    Im  übrigen  zeigen  systematisch  sich  nahe- 


Ö 


ABC 
Abb.  y] .     Verschiedene     Formen    des    Labrums    von    Schmetterlingsraupen.      A    von 
Agrolis  segetum  Schiff.,  B  von  Panolis  flammea  Schiff.,  C  von  Malacosoma  neust ria 
L.,    D    von   Lymantria  dispar   L.       Nach   Engel. 

stehende  Arten,  auch  wenn  sie  in  der  Ernährung  abweichen  (z.  B.  Nadel-  und 
Laubfresser),  meist  mehr  oder  weniger  weitgehende  Übereinstimmungen  im 
Bau  der  Mundwerkzeuge. 

Die  Rumpfsegmente  sind  im  Gegensatz  zum  Kopf  größtenteils 
weichhäutig,  nur  auf  dem  i.  Brustring  (mitunter  auch  auf  den  folgenden) 
findet  sich  häufig  eine  größere,  stärker  chitinisierte,  hornige  Platte  von  ver- 
schiedener Form,  der  Nackenschild  (oder  „Halsschild"),  ebenso  können 
auf  den  letzten  Abdominalsegmenten  (dem  sog.  „Analsegment")  größere 
hornige  Platten,  die  „Analklappe"  (oder  „Afterschild")  vorhanden  sein 
(siehe  Abb.  39).  Farbe  und  Form  dieser  Platten  stellen  oft  gute  Artmerk- 
male dar  und  finden  daher  bei  den  Beschreibungen  (besonders  bei  den 
Raupen  der  Kleinschmetterlinge)  häufig  besondere  Berücksichtigung.  Neben 
diesen  größeren  Platten  können  auch  noch  auf  anderen  Segmenten,  sowohl 
der  Brust-,  als  auch  der  Abdominalregion,  kleinere  Plättchen  auftreten. 

An  der  Seite  sieht  man  ferner  die  mit  einem  Chitinring  umgebenen 
Stigmenöffnungen;  es  sind  solche  am  i.  Brustsegment  und  am  i. — 8.  Ab- 
dominalsegment vorhanden,  während  die  beiden  letzten  Brustsegmente  sowie 
die   letzten  Abdominalsegmente   stigmenlos  bleiben   (siehe   Abb.  30). 

Außerdem  treten  vielfach  auf  allen  Segmenten  stärker  chitinisierte, 
borsten  besetzte    Warzen    oder    einfache    Borsten    auf,    die    in    ihrer 


I.  Kurze  Übersicht   über  die   Morphologie   und  Anatomie. 


29 


Pm 


Ale 


E  F 

Abb.    38.     Unterschiede    zwischen    den    INIund Werkzeugen    bei    verschiedenen    Raupen. 
A   Hepialiis  spec,   B   Cossus  cossus   L.,   C    Dioryctria   splendidella   H.  S.,    D    Panolis 
flammea    Schiff.,    E    Agrotis    segetum    Schiff.,    F    J'aiiessa    polychloros    L.     Bezeich- 
nungen  wie   oben.     Nach    Engel. 


30 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Ausbildung  und  vor  allem  in  ihrer  Stellung  sehr  charakteristisch  sind  und 
daher  auch  systematisch  ausgewertet  werden.  Im  allgemeinen  kann  man  eine 
Anzahl  Längsreihen  der  Warzen  oder  Borsten  am  Rumpfe  erkennen;  Wahl^) 
bezeichnet  die  der  Rückenmittellinie  zunächst  gelegene  Reihe  als  die  ,,para- 
dorsale"  (meist  aus  2  Borsten  in  jedem  Segment  bestehend),  die  lateral 
von  dieser,  zwischen  dieser  und  der  Stigmenlinie  gelegenen  als  die  ,,sub- 
dorsale"  (meist  aus  je  i  kräftigen  Borste  bestehend),  ferner  die  in  der 
Stigmenregion  gelegene  als  die  „laterale"  (aus  2  etwas  ventral  und  vor 
jedem  Stigma  befindlichen  kleinen  Borsten  bestehend),  sodann  die  zwischen 
der  lateralen  Reihe  und  den  Bauchfüßen  gelegene  als  die  ,,s  u  p  r  a  v  e  n  - 
trale",  und  endlich  noch  zwei  Reihen,  innerhalb  und  außerhalb  der  Beine 
gelegen,  als  „extra-"  und  „int  rap  odale"  Reihe. 


Abb.  39.  Zwei  Mottenraupen  mit  ver- 
schiedener Ausbildung  der  Nacken- 
und  Analschilde  und  der  Borsten- 
bekleidung. A  Raupe  von  Coleophora 
oritae  ZU.,  in  Säcken  lebend,  ohne 
Borstenbekleidung,  dagegen         mit 

Nackenschilden  auf  den  Thorakal- 
segmenten  und  kräftigem  Analschild. 
B  Raupe  von  Depressaria  parilrlla 
TAX.  mit  schwächerer  Plattenbeklei- 
dung (nur  auf  dem  i.  Thoraxsegment), 
dagegen  mit  starker  Borstenbewaff- 
nung: man  sieht  hier  deutlich  den 
Unterschied  zwischen  der  Beborstung 
der  Thorakal-  und  Abdominalsegmente, 
auf  den  letzteren  gehören  die  der 
Mitte  am  nächsten  stehenden  Borsten 
(2  auf  jedem  Segment  1  der  Parador- 
salreihe  und  die  seitlich  stehende 
Einzelborste  der  Subdorsalreihe  an. 
Nach  S  t  a  in  t  o  n. 


Die  Stellung  der  Borsten  zueinander  ist  gewöhnlich  auf  den  Thorax- 
segmenten eine  andere  als  auf  den  Abdominalsegmenten,  wo  die  Borsten  der 
Paradorsal-  und  Subdorsalreihe  meist  ein  Trapez  bilden  (s.  Abb.  39  B).  Auch 
sonst  finden  sich  nicht  selten  Abweichungen  an  einzelnen  Segmenten,  die  mit 
dem  Vorhandensein  oder  Fehlen  der  Stigmen,  der  Bauchfüße  usw.  zu- 
sammenhängen. Auch  in  den  größeren  systematischen  Kategorien  finden  sich 
bisweilen  charakteristische  Unterschiede  in  Zahl  und  Stellung  der  Borsten, 
wie  z.B.  Baer^)  für  die  Raupen  der  Pyraliden  und  Tortriciden  gezeigt  hat. 

Die   Rumpf  Segmente   sind   im   übrigen   sehr  verschiedenartig   bekleidet. 


1)  Wahl,  Bruno,  Zur  Kenntnis  schädlicher  Schmetterlingsraupen,  i.  Die 
Raupe  von  Plodia  interpunclella  Hw.  —  Zeitschr.  f.  d.  landw.  Versuchsw.  in  Öster- 
reich,   1905. 

-)  Baer,  W..  Ein  Fraß  von  Slegaiwpt .  iianaiia  nebst  Bemerkungen  über  ähn- 
lich lebende  Kleinfalter.  —  Nat.  Zeit.  f.  Land-  u.   Forstw.  4.   1906. 


I.  Kurze  Übersicht  über  die   Morphologie   und  Anatomie.  31 

Viele  Raupen  sind  mehr  oder  weniger  dicht  behaart  (gleichmäßig  oder  in 
Büscheln),  andere  sind  ohne  dichteres  Haarkleid  (,,nackt"),  oft  zeigen  sie 
verschiedenartige    Fortsätze,   Hörner,  Verdickungen  usw. 

Sehr  verschieden  sind  auch  Färbung  und  Zeichnung,  die  einer- 
seits das  bunteste  und  lebhafteste  Muster  zeigen  ^j;  andererseits  kann  die 
Färbung  unscheinbar  und  eintönig  und  ohne  jede  Zeichnung  sein;  letzteres 
trifft  vor  allem  für  solche  Raupen  zu,  die  im  Inneren  der  Nahrungspflanzen 
oder  in  besonderen  Schutzhüllen  leben. 

Die  Färbung  der  Raupen  setzt  sich  aus  zwei  Komponenten  zusammen: 
der  Färbung  des  Chitins,  also  der  äußeren  Haut  oder  Cuticula,  und  der 
Farbwirkung  der  unter  der  Cuticula  liegenden  Pigmentkörner.  Letztere  sollen 
pflanzlichen  Ursprungs  sein,  also  von  der  aufgenommenen  Nahrung  stammen 
und  auf  die  bei  der  Pflanze  vorhandenen  Farbkörner,  in  der  Hauptsache 
Chlorophyllkörner,  zurückzuführen  sein.  Das  Chlorophyll  würde  danach  im 
Darm  der  Raupe  eine  Veränderung  erfahren  in  der  Weise,  daß  einige  der  es 
zusammensetzenden  Stoffe  abgespalten  werden,  der  Rest  vom  Körper  auf- 
genommen und  mit  dem  Blut  der  Haut  zugeführt  wird,  wo  die  so  verein- 
fachten Chlorophyllkörner  als  ,, Pigment"  abgelagert  werden-).  ,,|e  nachdem, 
welche  Stoffe  und  wieviel  vom  pflanzlichen  Farbstoffträger  abgesondert 
werden,  verändert  sich  auch  die  Farbe  des  Pigmentes."  Endlich  wirkt  dann 
die  Chitinfarbe  mit  dem  Pigment  zusammen,  und  so  setzen  sich  die  oft  recht 
komplizierten  Zeichnungen  und  Färbungen  der  Raupe  zusammen  (Hering). 
Nach  Hering  erklärt  sich  auch  daraus,  daß  manche  Raupen  im  Herbst,  da 
sich  die  Blätter  bräunlich  färben,  bräunlich,  im  Frühjahr,  da  der  Raupe  aus 
frischem  Blattgrün  bestehendes  Futter  zur  Verfügung  steht,  grün  gefärbt  sind, 
wie  dies  z.  B.  bei  der  Raupe  von  Geometra  papilionaria  L.  der  Fall  ist.  Auch 
die  Färbungsänderung  der  Raupe  von  Dasychira  pudibimda  L.  ist  nach  dem 
gleichen  Autor  auf  diese  Ursache  zurückzuführen,  ebenso  die  Erscheinung, 
daß  die  Räupchen,  die  eben  aus  dem  Ei  geschlüpft  sind  und  noch  keine 
Nahrung  zu  sich  genommen  haben,  oft  anders  gefärbt  sind  als  nach  der  ersten 
Häutung,  da  ja  bei  der  Eiraupe  die  Färbungen  lediglich  auf  Chitinfarben 
beruhen.  Übrigens  können  auch  nach  späteren  Häutungen  die  verschiedenen 
Stadien  in  Färbung  und  Zeichnung  nicht  unwesentlich  voneinander  ab- 
weichen. 

Die  Zahl  der  Häutungen'')  ist  je  nach  den  Arten  recht  verschieden, 
die  Raupen  mancher  Arten  häuten  sich  nur  3  mal,  während  andere  7 — 8  Häu- 
tungen durchmachen  (z.  B.  Arctia  caja).  Am  häufigsten  sind  4 — 5  Häu- 
tungen. Es  gibt  Arten,  bei  denen  ein  Teil  der  Individuen  4  mal,  der  andere 
Teil  5  mal  sich  häutet,  und  zwar  ohne  Bezug  auf  das  Geschlecht  (z.  B.  Nonne). 

1)  Wo  ausgesprochene  Zeichnungen  vorhanden  sind,  handelt  es  sich  häufig  um 
über  den  ganzen  Rumpf  hinziehende  Längsstreifen,  die  als  Rückenlinie  (Dorsale), 
als  Nebenrückenlinien  (Subdorsale),  noch  weiter  seitlich  als  Seitenlinie  (Laterale 
oder  Stigmatale),  über  den  Füßen  als  Fußstreif  (Pedale),  in  der  Bauchmitte  als 
Bauchstreif  (Ventrale)  und  seitlich  am  Bauch  als  Nebenbauchlinie  (Supraventrale) 
bezeichnet  werden. 

2)  Nach  den  neuesten  Untersuchungen  von  P.  F.  Meyer  (Sitzungsber.  Nat.  Ges. 
Rostock,  Bd.  II,  1929)  werden  die  Pflanzenfarbstoffe  Chlorophyll  und  Xantophyll 
vom  Körper  der  Raupen  nicht  aufgenommen.  Die  Farbstoffe,  die  in  der  Lymphe  der 
Raupen  auftreten,  lassen  sich  auf  chemischem  Wege  nicht  mit  Chlorophyll  oder 
dessen  Derivaten  identifizieren;  es  handelt  sich  hierbei  wahrscheinlich  um  selb- 
ständig vom  Raupenkörper  gebildete  Farbstoffe. 

S)  Über  die  näheren  Vorgänge  bei  der  Häutung  s.  Bd.  I,  S.  145. 


32 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Bei  anderen  dagegen  hängen  die  Häutungsunterschiede  mit  dem  Geschlecht 
zusammen,  wie  z.  B.  bei  Orgyia,  bei  der  die  männlichen  Raupen  sich  3  mal, 
die  weiblichen  5  mal  häuten.  Durch  die  Häutungen  werden  die  einzelnen 
Stadien  begrenzt:  man  nennt  die  aus  dem  Ei  geschlüpfte  Raupe  bis  zur 
I.  Häutung  „Ei raupe",  von  der  i.  bis  zur  2.  Häutung  „Einbaut er",  von 
der  2.  bis  3.  Häutung  „Zweihäuter"  usw.  Wo  die  verschiedenen  Entwick- 
lungsstadien in  Färbung  usw.  gleichbleiben,  geben  am  besten  die  Maße  des 
Kopfes,  der  ja  seine  Größe  während  eines  Stadiums  nicht  mehr  ändert,  Auf- 
schluß über  das  Alter  der  Raupe. 

Bezüglich  der  inneren  Anatomie  der  Raupe  sei  nur  kurz  auf  den 
gewaltigen  Unterschied  gegenüber  der  Imago  im  Bau  des  Darmkanals  hin- 
gewiesen, begründet  in  der  völlig  verschiedenen  Ernährungsweise  der  beiden 
(s.  Bd.  I,  Abb.  61).  ferner  auf  das  Vorhandensein  paariger 
Spinndrüsen,  in  die  Spindel  mündend,  deren  Sekret  im 
Leben  der  Raupen  eine  wichtige  Rolle  spielt,  z.  B.  bei 
der  Fortbewegung,  zur  Herstellung  von  Gehäusen,  zum 
Spinnen  von  Kokons  vor  der  Verpuppung  usw. 

Da  das  Geschlecht  des  zukünftigen  Falters  schon  bei 
der  Befruchtung  festgelegt  wird,  so  sind  auch  die  Raupen 
schon  \'om  i.  Stadium  an  geschlechtlich  differenziert.  Im 
allgemeinen  besitzen  schon  die  jüngsten  Raupen  die  An- 
lagen der  Geschlechtsdrüsen  wie  auch  die  der  Ausführ- 
gänge, ohne  daß  aber  letztere  schon  ausmünden.  Die  An- 
lagen der  Keimdrüsen  stellen  ein  Paar  kleiner,  ovaler 
Körper  dar,  die  etwa  in  der  Gegend  des  4.  u.  5.  Abdominal- 
segmentes liegen  (Abb.  40).  Gewöhnlich  sind  die  weib- 
lichen Anlagen  etwas  größer  als  die  männlichen.  Außer 
diesen  primären  Sexualdifferenzen  kommen  bei  manchen 
Raupen  auch  sekundäre  Geschlechtsmerkmale 
vor,  die  die  Erkennung  des  Geschlechtes  ohne  weiteres  er- 
möglichen. Am  häufigsten  bestehen  diese  Differenzen  in 
einer  verschiedenen  Färbung  der  Blutflüssigkeit,  indem 
diese  z.  B.  beim  Männchen  gelb,  beim  Weibchen  grün  ist 
(wie  bei  Biston  hirtariits  GL).  Bei  manchen  Klein- 
schmetterlingen existieren  auch  morphologische  Unter- 
schiede, wie  z.  B.  bei  Chimabacche.  deren  männliche 
Vorderbeinen    merkwürdige    Anschwellungen    besitzen,    die 


Al)h.4o.  Raupe  eines 
KIriiisrhnu'tterlings 
{L  '/ysld  (inihiaiiella 
Hb.)  von  oben  ge- 
sehen, die  Hoden 
sichtbar.  Schema- 
tisch nach  Dewitz 
(aus     S  t  e  1 1  w  a  a  g). 


Raupen    an    den 

den  weiblichen  Raupen  fehlen. 

Eine  nachträgliche  Änderung  des  Geschlechtes  im  Rau- 
penstadium ist  also  unmöglich,  und  wenn  behauptet  wird,  daß  durch 
unzureichende  Ernährung  der  Raupen  der  Prozentsatz  der  Männchen  ge- 
hoben werden  kann,  so  liegt  hier  ein  Fehlschluß  vor,  darauf  beruhend,  daß 
das  männliche  Geschlecht  im  allgemeinen  gegen  ungenügende  Ernährung  viel 
widerstandsfähiger  ist  als   das  weibliche   (Hering). 

C.  Puppe. 

Die  meisten  Schmetterlingspuppen  gehören  dem  Typus  der  Pupa  ob- 
tecta  (s.  Bd.  I,  S.  165)  an,  d.  h.  die  Gliederhüllen  sind  fest  miteinander  ver- 
schmolzen, so  daß  beim  Auskriechen  des  Falters  die  Hülle  nur  in  einigen 
Stücken  aufbricht.    Nur  bei  den  primitivsten   Formen  (Micropterygiden  usw.) 


Kurze   Übersicht  über  die   Morphologie   und  Anatomie. 


33 


kommen  noch  Pupae  liberae  (Abb.  41  A)  vor.  Zwischen  diesen  beiden  Ex- 
tremen kennen  wir  eine  Reihe  von  Zwischenformen,  Pupae  semiliberae  (oder 
incompletae),  bei  denen  die  Verlötung  der  Chitinhüllen  der  einzelnen  Teile 
eine  so  lockere  ist.  daß  beim  Schlüpfen  die  einzelnen  Gliederhüllen  sich  weit- 
gehend voneinander  trennen;  die  hierher  gehörigen  Puppen  sind  durch  eine 
große  Beweglichkeit  ausgezeichnet,  die  noch  durch  besondere  Anhänge,  wie 
Dornenkränze  usw.  unterstützt  wird  (Cossiden,  Sesiiden,  Tineiden  u.  a.). 

Auch  die  Pupa  obtecta  macht  in  ihrer  Entwicklung  gewissermaßen  das 
Stadium  der  Pupa  libera  durch  (s.  Abb.  41  B),  indem  unmittelbar  nach  dem 
Abstreifen  der  letzten  Raupenhaut  die  Extremitäten  noch  deutlich  vom  Leib 


-   I 


'(AI)  Y 


II 
III 


A  B 

Abb.  41.  A  Puppe  eines  primitiven  Schmetterlings  ( Eriocrania),  Pupa  libera  mit 
großen  Mandibeln.  B  Puppe  eines  Schwärmers,  die  eben  die  Raupenhaut  abgestreift 
hat,  noch  mit  den  Merkmalen  einer  Pupa  libera.  —  Ä  Fühler,  E  Epipharynx,  Hfl 
Hinterflügel,  Z  Labialpalpus,  Md  Mandibeln,  Mrp  Maxillarpalpus,  O  Auge,  l'fl 
Vorderflügel,  /.  //,  ///  Vorder-,  Mittel-  und  Hinterbein,  l'—X/F  und  All— A  XI 
Ziffern  der  Leibesringe.    Nach  S  p  u  1  e  r. 


abstehen  und  auch  der  Hinterleib  noch  langgestreckt  erscheint  (s.  Bd.  I, 
Abb.  167).  Doch  sehr  rasch  schon  geht  dieses  Stadium  in  die  definitive  Form 
der  bedeckten  Puppe  über. 

In  Gestalt  und  Färbung  zeigen  die  Schmetterlingspuppen  eine  ziemliche 
Eintönigkeit  und  Übereinstimmung:  meist  sind  sie  walzenförmig,  nach  vorn 
und  hinten  mehr  oder  weniger  verschmälert  und  hellbraun  bis  schwarzbraun 
oder  schwarz  gefärbt,  auch  grünliche  Töne  sind  nicht  selten.  Verhältnismäßig 
wenige  sind  mit  Ecken  und  Vorsprüngen  versehen  und  zeigen  eine  bunte 
Färbung  (Tagfalter).  Bei  allen  Puppen  ist  die  Dreiteilung  des  Körpers  in 
Kopf,  Brust  und  Abdomen  deutlich  zu  erkennen,  wenn  auch  der  Kopf  wenig 
stark  abgetrennt  erscheint. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  3 


84 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Am  Kopf  sind  die  Augen,  Fühler  und  Mundgliedmaßen  gut  erkennbar. 
Mandibeln  sind  nur  bei  den  primitiven  Micropterygiden  gut  ausgebildet 
(Abb.  41  A),  bei  allen  übrigen  sind  sie  nur  noch  als  kleine  erhabene  Stellen 
sichtbar.  Der  Rüssel  ist  sehr  verschieden  entwickelt,  am  stärksten  bei  den 
Sphingiden  (s.  Bd.  I.  S.  166,  Abb.  166 B).  Die  Brustsegmente  sind  dorsal 
gut  sichtbar,  während  sie  ventral  von  den  Anhängen  (Beinen,  Fühlern  und 
Flügelscheiden)  verdeckt  sind.  Von  den  Flügelscheiden  sind  in  der  Regel 
nur  die  der  Vorderflügel  zu  sehen,  die  einen  großen  Teil  der  Ventralseite 

einnehmen,  sehr  verschieden  lang  sein 
und  sich  über  einen  großen  Teil  des 
Abdomens  erstrecken  können.  Zwischen 
ihnen  liegen  die  Fühler-  und  Bein- 
scheiden, die  bisweilen  noch  über  die 
Hinterenden  der  Flügelscheiden  ein 
Stück  weit  hinaus,  ja  bis  zum  Analende 
ragen  können  (Abb.  42).  Stigmen  sind 
an  der  Brust  nur  in  i  Paar  vorhanden. 
Am  Abdomen  lassen  sich  in  der  Regel 
10  Segmente  feststellen,  von  denen  der 
eine  Teil  unbeweglich  fixiert,  der  an- 
dere (meist  die  Segmente  4 — 6)  beweg- 
lich ist.  Besondere  Beachtung  verdienen 
die  letzten  Segmente,  die  die  Anlagen 
der  Geschlechtsöffnungen  tragen:  bei 
der  männlichen  Puppe  am  9.,  bei  der 
weiblichen  entweder  am  8.  oder,  und 
zwar  in  den  weitaus  meisten  Fällen,  am 
8.  und  9.  Segment,  am  8.  entsprechend 
dem  Ostium  bursae,  am  9.  dem  Ovi- 
porus  (Abb.  42  B).  Man  kann  an  die- 
sem Merkmal  das  Geschlecht 
der  Puppe  ohne  weiteres  er- 
kennen. Am  IG.  Segment  ist  die  An- 
lage der  Afteröffnung  gelegen,  außer- 
dem sitzt  demselben  meist  noch  ein  als 
Haftorgan  dienendes  Endstück  an,  der 
sog.  Cremaster,  der  wohl  als  Rest 
des  1 1 .  Segmentes  aufgefaßt  werden 
kann.  Er  zeigt  die  verschiedensten 
Formen,  ist  oft  mit  Dornen,  Haken- 
borsten usw.  bewaffnet  und  gibt  ein 
gutes  Merkmal  zur  Artbestimmung  der  Puppen  ab.  Stigmenanlagen  sind  an 
den  ersten  8  Abdominalsegmenten  vorhanden,  das  i.  Paar  ist  oft  von  den 
Flügelscheiden  bedeckt. 

Als  besondere  Puppenorgane  kommen  bei  den  stark  beweglichen  Puppen 
der  primitiveren  Formen  am  Hinterleib  segmental  angeordnet  querverlau- 
fende Dörnchen-  oder  Häkchenreihen  vor,  mit  deren  Hilfe  sie  sich  aktiv 
fortbewegen  können  (z.  B.  um  sich  vor  dem  Schlüpfen  mit  dem  Vorderteil 
aus  ihrer  Wiege  herauszuarbeiten),  ferner  bisweilen  auch  besondere  Vor- 
richtungen am   Kopf   zum   Durchbrechen  des   Kokons    (Kokonbrecher). 


Abb.  42.  A  Männliche  Puppe  von 
Tinea  pelionella,  B  Hinterende  der 
weiblichen  Puppe  von  Pieris  braasicae 
■ —  a  Fühler,  a  bc  Ostium  bursae, 
an  After,  a  o  Oviporus,  c  Clypeus, 
cx^ — cx^  Coxae  i — 3,  e  Augen,  /  Stirne, 
ga  männliche  Genitalöffnung,  If  La- 
bialpalpen, Ig^  Ig2  Beine,  md  Man- 
dibeln, tnp  Maxillarpalpen,  fc  Flügel, 
VIII— X  8.  bis  IG.  Abdominalseg- 
ment.    Nach    Imms. 


2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge.  35 

Über  den  Ort  der  Verpuppung.  über  die  Befestigung  der  Puppe,  über 
den  Schutz  der  Puppe  durch  Kokon  siehe  S.  47. 

D.  Ei. 

Das  Schmetterlingsei  besitzt  eine  Eischale  (das  Chorion),  die  entweder 
glatt  bzw.  eine  nur  mikroskopisch  wahrnehmbare  feine  Felderung  besitzt  oder 
mit  deutlicher  grober  Skulptur,  wie  Körnern,  Rippen  usw.  versehen  sein  kann. 
Die  Schale  ist  an  einer  Stelle  von  mehreren  Kanälen  durchsetzt  zum  Durch- 
tritt des  Spermatozoons,  es  ist  dies  die  sog.  Micropyle,  die  meist  schon  äußerlich 
erkennbar  ist  durch  die  sie  umgebende  besondere  Zeichnung  oder  Skulptur. 
Die  Lage  des  Micropylenfeldes  ist  verschieden,  entweder  am  oberen,  der  An- 
heftungsstelle  gegenüberliegenden  Pol  oder  an  der  Seite,  im  ersten  Fall 
spricht  man  von  „aufrechten",  im  letzteren  Fall  von  „liegenden"  Eiern. 

Die  Form  der  Eier  kann  sehr  verschieden  sein:  länglich  oval,  kugelig, 
halbkugelig,  birnförmig,  kugelig,  flachtellerförmig,  kuchenförmig  usw. 
(s.  Bd.  I,  Abb.  107). 

Auch  in  der  Färbung  existieren  nicht  geringe  Unterschiede  bei  den 
einzelnen  Arten,  wir  kennen  neben  den  gelblichen,  grünlichen  vmd  bräun- 
lichen Eiern  auch  solche  von  sattgelber  oder  roter  Farbe.  Übrigens  kann  die 
Eifärbung  bei  ein  und  derselben  x^rt  sich  mehrfach  ändern,  wofür  wir  im 
speziellen  Teil  zahlreiche  Beispiele  kennenlernen  werden. 

Über  den  Ort  und  die  Form  der  Gelege  siehe  S.  42. 

2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge. 

A.  Lebensweise  der  Falter. 

Das  Schlüpfen. 

Ist  der  Falter  in  der  Puppe  fertig  entwickelt,  so  sprengt  er  die  Puppen- 
hülle meist  am  Kopf  und  den  ersten  Thoraxsegmenten  (Bd.  T  Abb.  171)  und 
arbeitet  sich  durch  die  entstandene  Öffnung  heraus.  Er  macht  dabei  durch- 
aus noch  keinen  fertigen  Eindruck,  da  die  Flügel  noch  völlig  schlaff  als 
häutige  Säckchen  am  Leib  herabhängen.  Doch  in  kurzer  Zeit,  in  wenigen 
Minuten  bis  einer  halben  Stunde,  sind  diese  durch  Einpumpen  bzw.  Auf- 
saugen i)  von  Blut  entfaltet,  so  daß  sie  das  normale  Aussehen  erhalten. 
Es  bedarf  dann  aber  erst  noch  einiger  Zeit,  bis  die  Flügel  vollständig  er- 
härtet sind. 


1)  Nach  Hasebroek  (,, Neues  zur  Entwicklung  des  Schmetterlingsflügels, 
speziell  nach  dem  Schlüpfen  des  Falters  aus  der  Puppe"  in:  Pflügers  Arch.  f.  d. 
ges.  Physiol.  207.  Bd.,  1925,  S.  140 — 155)  ist  hierbei  die  (bisher  allgemein  herr- 
schende) Annahme  eines  aktiven  Einpressens  des  Blutes  von  Seiten  des  Falters  nicht 
nötig.  Als  Triebkräfte  für  das  Eindringen  des  Blutes  in  die  Flügel  kommt  nach 
Hasebroek  in  erster  Linie  eine  kapillare  Aufsaugung  in  Betracht,  sodann  tritt  zur 
restlosen  Einfüllung  des  Flügelinneren  in  der  Hängelage  der  noch  weichen  Flügel 
die  Wirkung  der  Schwere  hinzu,  wodurch  zugleich  die  letzte  Querfaltung  der  Mem- 
branen beseitigt  wird.  Die  Flügeladern  stellen  bis  zum  letzten  Sta- 
dium der  Entfaltung  nicht  geschlossene  Röhren,  sondern  Hohl- 
rinnen auf  der  unteren  Membran  dar,  die  erst  dann  zu  Röhren  werden, 
wenn  die  obere  Membran  sich  auf  die  untere  legt  und  mit  dieser  verklebt.  Das 
Eindringen  des  Blutes  in  das  Innere  des  Flügelsackes  erfolgt  dementsprechend  zu- 
nächst als  Ganzes,  während  der  Blutinhalt  in  den  Adern  im  fertigen  Flügel  auf  die 
nachträgliche  Einengung  des  Blutes  beim  Abschließen  der  Hohlrinnen  nach  oben 
durch  die  sich  darüberlegende  obere  Membran  zurückzuführen  ist. 

3* 


36  I-  Allgemeiner  Teil. 

Das  Schlüpfen  geht  meist  zu  ganz  bestimmten  Tagesstunden  vor  sich, 
oft  mit  erstaunlicher  Pünktlichkeit.  In  der  Regel  verlassen  die  Tagfalter  ihre 
Puppenhülle  in  den  frühen  Morgenstunden,  die  Nachtfalter  am  späten  Nach- 
mittag. Die  unmittelbare  Veranlassung  zum  Schlüpfen  soll  zum  Teil  in 
Witterungseinflüssen  gelegen  sein,  insofern,  als  das  Schlüpfen  vornehmlich 
bei  einem  barometrischen  Minimum  einsetzen  soll.  Zur  Zeit  des  niederen 
Luftdruckes  sei  der  Druck  der  in  der  Puppe  eingeschlossenen  Luft  stärker 
und  drücke  so  stark  auf  die  Puppenhülle,  daß  es  nur  einer  geringen  Nach- 
hilfe der  darin  eingeschlossenen  Imago  bedürfe,  um  ins  Freie  zu  gelangen, 
worüber  sehr  interessante  Beobachtungen  und  Experimente  von  Pictet-) 
vorliegen. 

Nach  Hering  dürfte  das  Sprengen  der  Puppenhülle  auch  auf  die  zu 
Zeiten  eines  geringen  Luftdruckes  gesteigerte  Lebenstätigkeit  des  einge- 
schlossenen Falters  zurückzuführen  sein.  Wir  wissen,  daß  bei  einem  baro- 
metrischen Tief  (z.  B.  in  schwülen  Nächten)  die  Falter  sehr  viel  lebhafter 
sind  als  sonst,  sowohl  bezüglich  des  Fluges  als  auch  des  Liebeslebens  usw. 
Möglicherweise  wirken  die  beiden  Faktoren  zusammen,  um  die  Sprengung 
zu  bewirken.  Daß  ein  hoher  Barometerstand  hemmend  auf  das  Schlüpfen 
wirkt,  wurde  mehrfach  beobachtet,  ja,  bei  längerer  Dauer  desselben  erfolgte 
vielfach  ein  Schlüpfen  überhaupt  nicht,  so  daß  der  Prozentsatz  der  Sterb- 
lichkeit der  Falter  in  der  Puppe  ein  recht  hoher  war. 

Auch  noch  andere  Faktoren  begünstigen  das  Schlüpfen.  So  scheint  bei 
Faltern,  die  sehr  lange  als  fertig  ausgebildete  Imagines  noch  in  der  Puppe 
verbleiben,  das  Einsetzen  von  Nachtfrösten  der  letzte  Anstoß  zum  Schlüpfen 
zu  sein.  Auch  durch  mechanische  Reize  kann  das  Schlüpfen  ausgelöst  werden, 
was  Ti tschack  bei  den  Puppen  der  Kleidermotte  gelang.  „Während  nor- 
malerweise jeden  Tag  eine  bestimmte  Anzahl  von  Puppen  auskroch,  erfolgte 
nach  einer  Erschütterung  das  Schlüpfen  explosionsartig,  so  daß  alle  schlüpf- 
reifen Falter  zur  selben  Zeit  die  Puppe  verließen  und  in  den  nächsten 
darauffolgenden  Tagen  keine  Imagines  mehr  erschienen."  Nach  Hering 
mag  in  diesem  Fall  die  Erschütterung  ähnlich  wie  der  niedere  Barometer- 
stand zu  einer  gesteigerten  Lebenstätigkeit  des  eingeschlossenen  Falters  ge- 
führt haben.  Auch  die  Luftfeuchtigkeit  dürfte  eine  gewisse  Rolle  beim 
Schlüpfen  spielen,  und  oft  ist  eine  Zeit  großer  Trockenheit  die  Ursache, 
daß  der  Falter  sich  nicht  seiner  Hülle  entledigen  kann. 

Bei  vielen  Schmetterlingen  ist  mit  dem  Sprengen  der  Puppenhülle  der 
Weg  in  den  Lebensraum  noch  nicht  frei  gemacht.  In  allen  Fällen,  in  denen 
die  Puppen  verborgen  sind,  sei  es  in  einem  Blattgehäuse  oder  in  einem 
Kokon,  muß  erst  auch  aus  diesem  Gefängnis  ein  Ausweg  geschaffen  werden. 
Vielfach  ist  diese  Arbeit  der  Puppe  selbst  übertragen,  die  stark  beweglich, 
mit  Dornenkränzen  an  den  Segmenten  und  vielfach  auch  noch  mit  scharfen 
Spitzen  am  Kopf  versehen,  die  entgegenstehenden  Hindernisse  durchbricht, 
so  daß  der  schlüpfende  Falter  unmittelbar  ins  Freie  gelangen  kann. 

Wo  jedoch  die  Puppe  nicht  aktiv  den  Kokon  verläßt,  sondern  in  ihm 
verbleibt,  wird  die  Befreiung  auf  verschiedene  Weise  ermöglicht.  In  den 
meisten  Fällen  treffen  schon  die  Raupen  beim  Spinnen  des  Kokons  Vorsorge 
für  das  Auskommen  des   Falters,  und  zwar  dadurch,  daß  der  Kokon  nur  an 


2)   Pictet,   A.,   Influence   de   la   pression  atmospherique   sur   le  developpement 
des  Lepidopteres.    Arch.  Sei.  Phys.  Hist.   Nat.  Geneve.  44.   1917. 


2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge.  37 

dem  einen  Ende  geschlossen  ist,  am  andern  dagegen  eine  Öffnung  besitzt, 
welche  das  Eindringen  von  außen  her  verhindert,  andererseits  aber  dem 
Druck  des  nach  außen  strebenden  Falters  durch  elastisches  Nachgeben 
keinen  ernsten   Widerstand   entgegensetzt    (Bd.  I,   Abb.  i68). 

Es  gibt  jedoch  auch  Kokons,  die  keine  präformierte  Öffnung  besitzen, 
sondern  einheitlich  gesponnen  und  also  völlig  geschlossen  sind.  Diese  müssen 
natürlich  von  dem  Falter  erst  geöffnet  werden.  In  vielen  Fällen  geschieht 
dies  dadurch,  daß  der  Falter  eine  Flüssigkeit  aus  den  Speicheldrüsen  aus- 
scheidet, durch  welche  die  Bindesubstanz  des  Gespinstes  (Sericin)  zur  Ver- 
quellung gebracht  und  so  das  Gefüge  des  Gespinstes  gelockert  wird.  Bei 
manchen  Kokons  ist  aber  die  Wand  durch  sekundäre  Inkrustierung  so  ver- 
härtet, daß  durch  Erweichen  allein  kein  Ausweg  geschaffen  werden  kann,  in 
solchen  Fällen  muß  die  Wand  richtig  mechanisch  zerstört  werden.  Es  ge- 
schieht durch  besondere  Kokonzähne,  wie  sie  z.  B.  auf  dem  Kopf  des 
Falters  von  Lasiocampa  quercus  L.  vorhanden  sind;  auch  die  hahnenkamm- 
artige  Stirnleiste  mancher  Prozessionsspinner  ist  nach  Prelis^)  Unter- 
suchungen nichts  anderes  als  ein  Kokonzahn 2). 

Wenn  der  Falter  geschlüpft  ist,  die  Flügel  entfaltet  und  die  Adern 
erhärtet  sind,  so  entledigt  er  sich  des  noch  vorhandenen  meist  rötlichen 
Darminhaltes  durch  den  After.  Wo  eine  Schmetterlingsart  in  großen  Mengen 
geschlüpft  ist,  kann  man  bisweilen  die  Blätter,  den  Boden  usw.  dicht  mit 
solchen  „Blutstropfen"  bedeckt  finden,  was  zur  Sage  vom  „Blutregen"  führte. 

Bezüglich  des  Zeitpunktes  des  Schlüpfens  zeigt  sich  oft  ein  deutlicher 
Unterschied  der  Geschlechter  insofern,  als  das  eine  Geschlecht,  entweder  das 
Männchen  oder  das  Weibchen,  früher  schlüpft  als  das  andere.  Im  ersteren 
Fall  spricht  man  von  Proterandrie,  im  letzteren  von  Protogynie.  Die 
Proterandrie  ist  weitaus  die  häufigere.  „Es  ist  dabei  zu  berücksichtigen,  daß 
das  Männchen  besser  zur  Nahrungsaufnahme  befähigt  ist  als  das  Weibchen; 
das  Geschlecht,  das  zuerst  erscheint,  muß  längere  Zeit  sein  Leben  fristen 
als  das  später  auf  den  Plan  tretende.  Das  Weibchen  besitzt  meist  geringere 
Flugtüchtigkeit,  darf  sich  auch  wegen  seines  wertvollen  Eiinhaltes  nicht  so 
sehr  exponieren  wie  das  Männchen,  kann  demzufolge  also  auch  die  Nahrung 
nicht  so  aufsuchen  wie  dieses"  (He  ring)  3).  Beide  Erscheinungen,  sowohl  die 
Proterandrie  wie  die  Protogynie  sind  als  Einrichtungen  zur  Verhütung  der 
Inzucht  anzusehen,  die  bei  Schmetterlingen  von  besonders  großen  Schädi- 
gungen begleitet  zu  sein  scheint. 

Die  Ernährung. 

Das  Ernährungsbedürfnis  der  Falter  ist  im  allgemeinen  recht  gering. 
Ja,  es  gibt  eine  ganze  Anzahl  von  Schmetterlingen,  die  als  Imagines  über- 
haupt keine  Nahrung  zu  sich  nehmen  und  bei  denen  infolgedessen  auch  die 
Mundwerkzeuge  mehr  oder  weniger  verkümmert  sind;  es  sind  dies  meist 
kurzlebige  Arten,  deren  Lebensdauer  auf  Tage  oder  Stunden  oder  gar  Mi- 
nuten (Psychiden)  beschränkt  ist.    Die  Ernährung,  wo  eine  solche  überhaupt 


^)  Prell,  H.,  Die  Kopfzierate  der  Prozessionsspinner  in  ihrer  biologischen 
Bedeutung.  —  Zeitsch.  f.  ang.  Ent.   1924  (X),  S.  400. 

2)  Daß  beim  nahverwandten  Eichenprozessionsspinner  der  Kamm  fehlt,  beruht 
(nach  Prell)  auf  der  viel  weicheren  Beschaffenheit  von  dessen  Kokon. 

•5)  Der  ganze  Fragenkomplex  bedarf  aber  wohl  noch  eingehender  Untersuchung. 


38  I.  Allgemeiner  Teil. 

nötig  ist,  erfolgt  in  diesen  Fällen  von  innen  heraus,  von  dem  von  der  Raupe 
übernommenen  Fettkörper ^ ). 

Die  meisten  Falter  aber  holen  die  Nahrung  von  außen.  Mit  Ausnahme 
der  primitivsten  Formen,  der  winzigen  Micropterygiden,  die  noch  funktions- 
fähige Mandibeln  besitzen,  und  mit  diesen  Pollenkörner  (von  Ranunciiltis 
oder  Caliha)  fressen,  sind  alle  übrigen  Schmetterlinge  auf  die  Aufnahme 
von  flüssiger  Nahrung  angewiesen.  Die  Aufnahme  geschieht  mit  Hilfe 
des  Rüssels,  der  zu  diesem  Zweck  ausgestreckt  und  mit  der  Spitze  in  die 
Flüssigkeit  getaucht  wird-).  Das  Emporziehen  der  Flüssigkeit  durch  den 
Hohlraum  des  Rüssels  geschieht  nicht  durch  den  sog.  ,, Saugmagen",  sondern 
durch  den  hinter  der  Mundöffnung  liegenden,  mit  starken  Muskeln  und  zwei 
Ventilen  ausgestatteten  Saugapparat  (Schlundkopf).  Will  der  Falter  Flüssig- 
keit einziehen,  wird  das  hintere  Ventil  geschlossen  und  der  Schlundkopf  aus- 
gedehnt, wodurch  ein  luftverdünnter  Raum  entsteht,  in  den  die  Flüssigkeit 
einströmt.  Ist  der  Schlundkopf  damit  gefüllt,  wird  das  vordere  Ventil  ge- 
schlossen, das  hintere  geöffnet  und  zugleich  der  Schlundkopf  verengt,  wo- 
durch die  Flüssigkeit  in  den  „Saugmagen"  gepreßt  wird.  Indem  sich  das 
Öffnen  und  Schließen  der  beiden  Ventile  mit  großer  Geschwindigkeit  voll- 
zieht, entsteht  ein  kontinuierliches  Strömen  der  Flüssigkeit  durch  den  Rüssel 
in  den  Darm  des  Schmetterlings  hinein  (Hering). 

Die  meisten  Schmetterlinge  sitzen  während  des  Saugens  ganz  ruhig  auf 
ihrer  Nahrungspflanze,  andere  klappen  dabei  langsam  die  Flügel  auf  und  zu, 
wieder  andere  laufen  eifrig  auf  den  Blüten  umher.  Viele  nehmen  „mit  den 
Flügeln  vibrierend"  ,,in  Bereitschaftsstellung"  die  Nahrung  auf,  während 
wieder  andere,  die  Sphingiden,  bei  ungeheuer  schnellem  Flügelschlag  in  der 
Luft  vor  der  Blüte  stehend  ihren  Rüssel  in  das  Innere  derselben  versenken. 
Die  Bewegung  erfolgt  dabei  so  schnell,  daß  man  meist  nur  den  Körper  des 
Tieres,  nicht  aber  die  schlagenden  Flügel  unterscheiden  kann  (z.  B.  beim 
„Taubenschwänzchen"). 

Es  ist  hauptsächlich  der  von  den  Pflanzen  abgesonderte  Honig  (Nek- 
tar), der  den  Faltern,  von  dessen  Geruch  angelockt 3),  zur  Nahrung  dient*). 
Doch  werden  auch  andere  Säfte  nicht  verschmäht,  so  der  süße  Fruchtsaft 
von  geplatzten  Birnen  oder  Äpfeln,  ferner  ausfließender  Baumsaft,  an  dem 

1)  Das  Fettgewebe  im  Schmetterlingskörper  ist  von  einer  dünnen  Bindegewebs- 
haut  umgeben.  Bei  manchen  Arten  pflegt  diese  Haut  leicht  zu  reißen,  sei  es  durch 
Verletzungen,  sei  es  durch  beim  Eintrocknen  des  in  die  Sainmlung  gebrachten 
Falters  entstehende  Schrumpfung.  Das  Fett  dringt  dann  in  alle  Teile  des  Körpers 
und  der   Flügel,   wodurch  diese  ein  „öliges"   Aussehen  bekommen  (Hering). 

2)  Bei  der  Nahrungsaufnahme  der  Schmetterlinge  spielen  nicht  nur  orale, 
sondern  auch  pedale  Geschmacksorgane  (d.  h.  solche,  die  an  den  Fußspitzen  sitzen j 
eine  bedeutsame  Rolle.  Sobald  die  Füße  eines  SchmetterUngs  mit  einer  Zucker- 
lösung in  Kontakt  kommen,  wird  der  Rüssel  vorgeschnellt,  wobei  er  auf  die  süße 
Unterlage  trifft.  Diese  pedalen  Geschmacksorgane  besitzen  eine  überaus  große 
Empfindlichkeit;  sie  reagieren  noch  auf  eine  Zuckerlösung,  die  etwa  2 50 mal  stärker 
verdünnt  ist  als  eine  für  den  Menschen  eben  merkliche  süße  Zuckerlösung. 
(K.  v.  Frisch,  Versuche  über  den  Geschmackssinn  der  Biene.  —  Die  Naturw., 
1930-) 

3)  In  der  Hauptsache  sind  es  die  ,,terpenoiden  Duftstoffe"  Kerner  von 
Marilauns,  die  als  Anlockungsmittel  dienen,  sie  beruhen  auf  dem  Gehalt  an  äthe- 
rischen Ölen  (s.   Hering,   S.   121). 

*)  Daß  durch  das  Holen  des  Nektars  aus  den  Blüten  durch  die  Schmetter- 
linge zugleich  die   Bestäubung  der  Blüten  vermittelt  wird,   ist  ja  allgemein  bekannt. 


2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge.  39 

sich  oft  Scharen  von  Schmetterlingen  ansammeln  i),  auch  Blattlauskolonien 
werden  aufgesucht,  um  die  von  den  Läusen  ausgeschwitzten  Exkrete  zu 
schlürfen.  Daß  der  Bienenhonig  eine  beliebte  Nahrung  des  Totenkopfes 
(Acherontia  atropos  L.)  darstellt,  ist  allen  Imkern  bekannt. 

Manchmal  scheint  sich  ein  unstillbarer  Durst  einzustellen,  vor  allem  bei 
gewissen  Eulen,  die  sich  von  den  „Naturkneipen",  die  durch  fließende  Bäume 
gebildet  werden,  oder  auch  von  den  „Kunstkneipen",  die  der  ködernde 
Sammler  2)  errichtet  hat,  kaum  mehr  trennen  können,  und  die  sich  bisweilen 
so  vollsaugen,  daß  sie  am  Flug  behindert  sind  (Spul  er)  3). 

Manche  Schmetterlinge  werden  durch  andere  Gerüche,  die  nichts 
weniger  als  süß  sind,  angezogen.  So  übt  der  menschliche  Schweiß  auf  viele 
Tagfalter  eine  große  Anziehungskraft  aus,  was  man  als  Bergsteiger  erfahren 
kann,  wenn  man  sich  nach  anstrengendem  Marsch  zur  Ruhe  hinsetzt  und  von 
Faltern  geradezu  überfallen  wird.  Auch  durch  noch  weniger  angenehm 
riechende  Düfte  werden  manche  Falter  zur  Nahrungsaufnahme  angelockt, 
wie  durch  zerfließenden  Käse  oder  frische  Exkremente. 
Das  Geschlechtsleben. 

Das  Geschlechtsleben  der  Schmetterlinge  drängt  sich  in  der  Regel  auf 
eine  kurze  Zeit  unmittelbar  oder  jedenfalls  bald  nach  dem  Ausschlüpfen  der 
Falter  zusammen.  Eine  über  längere  Perioden  sich  hinziehende  Geschlechts- 
tätigkeit oder  gar  öftere  Wiederholungen  nach  längerer  mit  Regenerations- 
vorgängen ausgefüllter  Unterbrechung,  wie  wir  sie  bei  vielen  Käfern  kennen- 
gelernt haben  (z.  B.  Hylobius,  Pissodes  usw.),  gibt  es  bei  den  Schmetter- 
lingen nicht. 

Die  Anziehung  der  beiden  Geschlechter  wird  in  den  weitaus  meisten 
Fällen  durch  den  Geruch  bewirkt  (nur  bei  den  Tagfaltern  spielt  auch  der 
Gesichtssinn  hierbei  eine  bedeutende  Rolle).  So  sind  besondere  Duft- 
organe  bei  den  Schmetterlingen  eine  häufige  Erscheinung.  Die  von  ihnen 
abgeschiedenen  Duftstoffe  sind  bei  Männchen  und  Weibchen  bezüglich  ihrer 
Reichweite  und  Wirkung  verschieden.  Beim  Weibchen  haben  die  Düfte  die 
Bedeutung  eines  Anlockungsmittels  für  das  Männchen,  sie  sollen  daher  mög- 
lichst weit  wirken.  Auf  welch  unglaubliche,  ja  für  uns  Menschen  unfaßbare 
Entfernungen  die  Wirkung  bisweilen  reicht,  zeigen  Beobachtungen,  wonach 
Männchen  viele  Kilometer  weit  geflogen  sind,  um  zu  einem  eingesperrten 
Weibchen  zu  gelangen.  ,,Es  werden  sogar  Fälle  berichtet,  wo  die  Männchen 
durch  den  Schornstein  in  ein  Zimmer  gelangten,  wo  ein  zu  ihrer  Art  ge- 
höriges Weibchen  sich  befand,  ja  es  ist  sogar  vorgekommen,  daß  ein  Anflug 
zu  einer  Schachtel  stattfand,  in  der  im  vorhergehenden  Jahr  ein  Weibchen 

1)  In  den  Baumsäften  sind  oft  Bakterien  und  andere  pathogene  Mikroben  ent- 
hahen.  So  können  durch  von  Baum  zu  Baum  fliegende  Falter  Krankheiten  ver- 
breitet  werden. 

2)  Als  Köder  werden  verschiedene  Substanzen  verwendet:  getrocknete  Apfel- 
schnitten mit  Zuckerwasser  getränkt,  oder  Honig  oder  Sirup  mit  Braunbier  und 
Zucker  versetzt  (zu  gebrauchen  erst  nach  einigen  Wochen,  wenn  die  Mischung  in 
Gärung  übergegangen  ist). 

3)  Über  die  ernährungsphysiologischen  Vorgänge  hat  in  neuerer  Zeit  \V.  K. 
Stober  Untersuchungen  angestellt  („Ernährungsphysiologische  Untersuchungen  bei 
Lepidopteren,"  Z.  f.  vergl.  Physiol.  Bd.  6,  1927).  Danach  war  bei  solchen  Faltern, 
die  Nahrung  zu  sich  nahmen,  nur  eine  Rohrzuckerspaltung  nachweisbar,  während 
eine  Stärke-,  Fett-  oder  Eiweißspaltung  oder  -resorption  nicht  festzustellen  war. 
Bei  Faltern,  die  keine  Nahrung  mehr  aufnehmen,  fehlt  jedes  Verdauungsferment. 
Der  Darm  fungiert  hier  lediglich  als  Reservoir  für  den  Puppenkot. 


40 


I.  Allgemeiner  Teil 


m 


gehalten  wurde"  (Hering).  Auch  ist  der  Anflug  oft  sehr  groß,  Fälle,  daß 
50  oder  100  und  mehr  Männchen  sich  in  kurzer  Zeit  um  ein  Weibchen 
scharten,  sind  nicht  selten  beobachtet  worden.  Das  Abgeben  von  Duftstoffen 
scheint  nur  von  begrenzter  Dauer  zu  sein,  und  in  der  Regel  aufzuhören,  so- 
bald die  Begattung  vollzogen  ist,  wenigstens  findet  dann  gewöhnlich  kein 
Anflug  von  Männchen  mehr  statt  (eine  Ausnahme  bilden  nur  die  Arten,  bei 
denen  eine  mehrmalige  Kopula  vollzogen  werden  muß,  siehe  unten). 
Hering  nimmt  an,  daß  irgendein  Zusammenhang  zwischen  den  Genital- 
bewegungen, die  das  zur  Begattung  geneigte  Weibchen  ausführt,  und  der 
Duftausstrahlung  besteht,  etwa  in  der  Weise,  daß  durch  jene  Bewegungen  ein 

Druck  auf  die  den  Duft- 
stoff erzeugenden  Drüsen 
ausgeübt  wird,  wodurch 
diese  ihren  Inhalt  nach 
außen  abgeben. 

Während  also  die 
weiblichen  Duftstoffe  zur 
Anlockung  des  Männ- 
chens dienen,  hat  der  vom 
Männchen  ausgehende 
Duft  hauptsächlich  den 
Zweck,  das  Weibchen 
sexuell  anzuregen,  um  es 
zur  Kopula  zu  treiben. 
Da  das  Männchen  den 
Duft  erst  dann  aus- 
strömen läßt,  wenn  es  ein 
Weibchen  gefunden  hat, 
so  braucht  dieser  nur  auf 
geringe  Entfernung  wirk- 
sam  zu    sein. 

Auch  bezüglich  der 
den  Duft  produzie- 
renden Organe  be- 
stehen große  Unterschiede 
in  beiden  Geschlechtern. 
Während  sie  beim  Weibchen  gewöhnlich  am  Ende  des  Abdomens,  zwischen 
dem  8.  und  9.  Abdominalsegment,  sitzen,  ist  ihreLage  beim  Männchen  außer- 
ordentlich verschieden,  sie  können  hier  fast  in  jeder  Körperregion  vor- 
kommen. Oft  finden  sie  sich  auf  den  Flügeln,  über  den  ganzen  Flügel  zer- 
streut oder  an  einzelnen  Stellen  auf  der  Ober-  oder  Unterseite  lokalisiert, 
oder  in  einem  Umschlag  („Costalumschlag")  oder  einer  Einrollung  des 
Flügelrandes,  oder  aber  an  den  Beinen,  und  zwar  meist  an  den  Hintertibien, 
oder  endlich  auch  am  Abdomen,  und  zwar  häufiger  in  der  vorderen  als  in 
der  hinteren  Region. 

Die  Duftorgane  bestehen  im  allgemeinen  aus  zwei  Hauptbestandteilen: 
dem  eigentlichen  Drüsenorgan,  das  die  Duftstoffe  sezerniert  und  den  meist 

1)  Kunike  (Zeit.  f.  ang.  Ent.  Bd.  XVI.  1930)  wies  nach,  daß  bei  der  kleinen 
Wachsmotte  (Achroea  geisella  F.)  die  cfcf  Duftstoffe  produzieren,  die  zur  An- 
lockung der  OQ  dienen.   Das  Verhältnis  ist  also  hier  umgekehrt. 


A  B  C 

Abb.    43.       Verschiedene      männliche      Duftschuppen. 

A  \on  Argynnis  paphia  L.,  B   von  Satyrus  semele  L., 

C   von   Pieris    brassicae   L.,    D   von   Lycaena   arion   L. 

Nach   Hering. 


2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge.  41 

darüber  sitzenden  Dufthaaren,  Duftschuppen  oder  dem  Duftpinsel,  die  durch 
möglichste  Oberflächenvergrößerung  eine  schnellere  Verdunstung  bewirken. 
Die  Duftschuppen  können  die  verschiedensten  Formen  zeigen,  wie  aus  den 
beigegebenen  Abbildungen  (xAbb.  43)  zu  ersehen  ist. 

Der  Begattungsakt  selbst  vollzieht  sich  in  verschiedener  Weise.  Bei 
den  Tagfaltern  kommt  das  Männchen  von  oben  herangeflogen  und  packt  das 
Hinterende  des  Weibchens  mit  seinen  Genitalanhängen.  Sobald  es  sich  daran 
verankert  hat,  dreht  es  sich  herum,  so  daß  es  jetzt  seinen  Kopf  vom  Weib- 
chen abgewendet  hat,  und  schlägt  nun  seine  Flügel  nach  oben  zusammen, 
worauf  das  Weibchen  dasselbe  tut;  es  kommen  dann  die  männlichen  Flügel 
zwischen  die  weiblichen  zu  liegen.  Bei  den  Nachtfaltern  kommt  das  Männ- 
chen unter  heftigen  Flügelschlägen  von  der  Seite  zu  dem  ruhig  mit  seinen 
dachförmig  an  den  Leib  gelegten  Flügeln  dasitzenden  Weibchen  und  sucht 
mit  seiner  Hinterleibsspitze  an  die  Genitalöffnung  des  Weibchens  zu  ge- 
langen, um  sich  dort  mit  seinen  Haftapparaten  zu  verankern.  Dann  dreht  es 
sich  gewöhnlich  ebenfalls  wie  das  Tagfalter-Männchen  um,  so  daß  es  wie 
dieses  vom  Weibchen  abgewandt  sitzt.  Dabei  sitzt  das  Weibchen,  wenn  die 
Kopula  z.  B.  an  einem  Baum  stattfindet,  gewöhnlich  oben,  während  das 
Männchen  herunterhängt  (Bd.  I,  Abb.  iioA  u.  B).  Doch  kommt  es  auch 
vor,  daß  die  verbundenen  Tiere  sich  nach  der  Seite  hin  abbiegen,  so  daß  die 
Längsachsen  der  Tiere  nicht  mehr  in  einer  Linie  liegen,  sondern  einen 
Winkel  bilden,  also  die  beiden  Tiere  mehr  oder  weniger  nebeneinander  sitzen 
(s.  Bd.  I,  Abb.  III). 

Die  Vereinigung  der  beiden  Geschlechter  ist  verschieden  lang  und  auch 
verschieden  fest.  Bei  manchen  Arten  dauert  sie  nur  wenige  Minuten  oder  gar 
Sekunden,  bei  andern  dagegen  stunden-,  ja  tagelang.  Manche  lassen  bei  der 
geringsten  Störung  voneinander  los,  andere  hängen  so  fest  zusammen,  daß 
man  sie  in  ein  Giftglas  stecken  oder  mit  einer  Nadel  durchbohren  kann,  ohne 
daß  sie  sich  voneinander  lösen   (Hering). 

Bei  den  meisten  Schmetterlingen  findet  nur  eine  einmalige  Begattung 
statt.  Bei  manchen  Arten  ist  aber  eine  mehrfache  Begattung  die  Regel. 
,,Bei  ihnen  scheint  eine  einmalige  Befruchtung  nicht  auszureichen,  den  ge- 
samten Eivorrat  des  Weibchens  zu  befruchten.  In  solchen  Fällen  unterbricht 
das  Weibchen  nach  einiger  Zeit  die  Eiablage,  um  sich  noch  ein  zweites  und 
später  eventuell  noch  ein  drittes  Mal  befruchten  zu  lassen.  Verhindert  man 
die  2.  oder  3.  Kopulation,  so  bleiben  die  zuletzt  abgelegten  Eier  unbefruchtet 
und  ergeben  auch  keine  Raupen  (z.  B.  bei  einigen  Orgyia- Arten).'' 

Über  die  Kopulationsorgane  ist  oben  im  xAbschnitt  über  Morphologie 
schon  das  Wesentliche  gesagt  (siehe  S.  14).  Wir  sahen  dort,  daß  es  sich  im 
allgemeinen  um  sehr  komplizierte  Organe  handelt,  die  einerseits  eine  un- 
geheure Mannigfaltigkeit,  andererseits  eine  große  Konstanz  bei  den  einzelnen 
Arten  aufweisen.  Eine  Einrichtung,  die  wohl  dazu  dient,  eine  Kopula 
zwischen  zwei  verschiedenen  Arten  mechanisch  möglichst  zu  ver- 
hindern. Es  erscheint  dies  besonders  nötig  bei  den  Nachtfaltern  (Hetero- 
ceren),  insofern,  als  bei  diesen  die  Paarungslust  der  Männchen  sehr  stark 
ausgeprägt  und  diese  durch  den  weiblichen  Duft  so  erregt  werden,  daß  sie 
keine  Unterscheidungsfähigkeiten  mehr  haben  und  dann  wahllos  in  der  Nähe 
befindliche  Weibchen  irgendeiner  anderen  Art  zu  begatten  suchen.  Daß  aber 
trotz  der  auf  dem  verschiedenen  Bau  der  Kopulationsorgane  beruhenden 
„Abriegelung"  bisweilen  eine  Kopulation  zwischen  artfremden  Tieren  statt- 


42  I.  Allgemeiner  Teil. 

finden  kann,  lehren  uns  zahlreiche  Beobachtungen  (siehe  Hering,  S.  170). 
Es  wurden  nicht  nur  verschiedene  Arten  einer  Gattung,  sondern  auch  An- 
gehörige verschiedener  Gattungen  in  Kopula  angetroffen.  Doch  bedeuten  solche 
Begattungen  durchaus  nicht  immer  auch  Befruchtung;  nur  relativ  selten  folgt 
der  Kopula  zwischen  den  Angehörigen  zweier  verschiedener  Gattungen  eine 
Befruchtung,  häufiger  ist  dies  der  Fall,  wenn  zwei  nahverwandte  Arten  mit- 
einander kopulieren.  Die  Bastarde,  die  aus  solchen  Kreuzungen  entstehen, 
sind  gewöhnlich  unter  sich  nicht  zu  weiterer  Fortpflanzung  fähig,  wohl  aber 
kann  eine  solche  durch  Rückkreuzung  mit  der  Stammart  erzielt  werden. 
Fortpflanzungsfähige  Nachkommen  von  Bastarden  gehören  zu  den  Selten- 
heiten (z.B.  Bislo/i  po?no/iarii/s  Yih.xB.  hirtarius  C\.).  Einer  interessanten  Er- 
scheinung ist  in  diesem  Zusammenhang  noch  Erwähnung  zu  tun,  daß  näm- 
lich bei  Kreuzungen  zweier  verschiedener  Arten  zwitterartige  Bildungen  auf- 
treten können  1). 

Die  meisten  Weibchen  schreiten  unmittelbar  nach  der  Kopula  zur  Ei- 
ablage. Die  Eier  werden  in  der  Regel  auf  der  zukünftigen  Nahrung  oder 
wenigstens  nicht  weit  davon  entfernt  deponiert,  meist  an  der  Oberfläche  an- 
geheftet oder  in  Ritzen  oder  unter  Schuppen  geschoben,  bisweilen  auch  etwas 
in  das  Gewebe  versenkt  (bei  gewissen  Blattminierern).  Es  ist  wohl  fast  aus- 
schließlich der  Geruch,  der  das  Weibchen  dabei  leitet. 

Das  Weibchen  dehnt  bei  der  Eiablage  die  letzten  x\bdominalsegmente 
aus,  oft  zu  einer  langen  Legeröhre,  und  preßt  dann  das  Ei  hindurch.  Die 
Eier  werden  nur  in  seltenen  Fällen  einzeln  lose  ausgestreut,  meist  werden 
sie  entweder  einzeln  oder  paarweise  oder  in  größeren  Gelegen  an  der  Unter- 
lage festgeklebt.  Die  Gelege  werden  nicht  selten  mit  der  Afterwolle  bedeckt 
(wie  beim  Schwammspinner,  dessen  Eier  unter  einer  schwammartigen  Decke 
verborgen  sind,  oder  beim  Goldafter  usw.)  oder  mit  einem  Schutzüberzug 
aus  einem  erstarrten  Sekret  überzogen  usw.  Bezüglich  der  Zahl,  des  Ortes 
und  der  Art  der  Eiablage  herrscht  eine  große  Mannigfaltigkeit  unter  den 
Schmetterlingen,  so  daß  in  vielen  Fällen  die  Schmetterlingsart,  von  der  die 
Eier  stammen,  daran  erkannt  werden  kann  (s.  Abb.  120,  122  u.  123  in  Bd.  I). 

Die  Zahl  der  Eier,  die  ein  Weibchen  ablegen  kann,  ist  sehr  verschieden, 
bei  manchen  Arten  bleibt  sie  unter  100,  bei  anderen  steigt  sie  bis  über  1000 
(z.  B.  ^Irctia  caja  L.)  und  sogar  bis  fast  3000  (Bep.  humuli  L.)^). 

Die  Eiablage  vollzieht  sich  nicht  immer  ununterbrochen,  auf  einmal. 
Bei  all  den  Arten,  bei  denen  die  Eier  nach  und  nach  reifen  (siehe  S.  19), 
vollzieht  sich  naturgemäß  auch  die  Ablage  in  verschiedenen  Zeitintervallen. 

B.  Lebensweise  der  Raupe. 
Ernährung. 

Weitaus  die  meisten  Raupen  sind  Pflanzenfresser.  Die  Art  der 
Pflanzennahrung  ist  ungemein  verschieden.   Es  gibt  wohl  kaum  irgendwelche 

1)  Verschiedentlich  kommt  auch  Parthenogenese  bei  den  Schmetterlingen 
vor,  und  zwar  sowohl  fakultative  als  auch  obligatorische.  Es  gibt  Arten,  die  sich 
ganz  ohne  Männchen  fortpflanzen  (verschiedene  Psychiden),  andererseits  können  wir 
nicht  selten  beobachten,  daß  Falter,  die  normalerweise  nur  befruchtete  Eier  ablegen, 
beim  Fehlen  von  Männchen  sich  ihrer  Eier  auch  in  unbefruchtetem  Zustand  ent- 
ledigen. Solche  Eier  gehen  allerdings  häufig  zugrunde,  doch  können  sie  sich  auch 
zu  normalen  Raupen  und   Faltern  entwickeln. 

2)  Die  Zahl  der  Eier  wird  auch  durch  äußere  Faktoren,  wie  Temperatur,  Luft- 
feuchtigkeit, Nahrungsmangel  usw.  stark  beeinflußt.  Näheres  wird  beim  Spanner 
und  der  Kieferneule  ausgeführt. 


2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge. 


43 


Stoffe  aus  dem  Pflanzenreich,  die  von  den  Raupen  nicht  gefressen  werden. 
Sowohl  die  Wurzeln  als  der  Stamm,  ferner  Blüten  oder  Blütenknospen  und 
Früchte  dienen  als  Nahrung,  am  meisten  aber  die  Blattorgane.  Die  Art 
und  Weise,  wie  die  Blätter  bzw.  Nadeln  angegriffen  werden,  ist  recht  ver- 
schieden. Meist  beginnt  der  Fraß  vom  Blattrand  her,  es  können  dabei  das 
ganze  Blatt  bzw.  die  ganzen  Nadeln  mit  Stumpf  und  Stiel  verzehrt  werden, 
oder  es  werden  nur  Stücke  herausgefressen.  Ist  im  letzten  Fall  der  Verlauf 
des  Fraßes  derart,  daß  der  größte  Teil  des  Blattes  abgeschnitten  wird  und 
unbenutzt  zu  Boden  fällt,  so  sprechen  wir  von  einem  „verschwenderischen 
Fraß",  der  natürlich  besonders  schädlich  wirkt  (z.  B.  Nonne).  Von  den 
vielen  Fraßarten  der  Raupen  seien  erwähnt,  der  „Löcherfraß",  „Skelettier- 
fraß",  ,, Schabefraß"  und  ,, Minenfraß"  (Gang-  oder  Blasenminen).  Bisweilen 
werden  durch  Raupenfraß  auch  An- 
schwellungen des  befallenen  Pflanzen- 
teiles erzeugt,  also  Gallen.  Übrigens 
kommt  es  nicht  selten  vor,  daß  ein 
und  dieselbe  Raupe  während  ihres 
Lebens  die  Fraßart  wechselt;  so  greift 
die  junge  Kiefernspannerraupe  die 
Nadel  von  der  Fläche  an  (Rinnen- 
fraß), während  die  älteren  Stadien 
die  Nadel  vom  Rand  her  befressen 
(Schartenfraß);  oder  die  Eschen- 
zwieselmotte (Prays  ciirtisclJus  Don.) 
miniert  zuerst  als  junge  Raupe  in  den 
Eschenblättern,  um  später  frei  an 
der  Oberseite  der  Blätter  zu  fressen 
usw.,  ähnliches  finden  wir  bei  vielen 
anderen  Motten.  Manche  Raupen  er- 
nähren sich  ausschließlich  von  Algen, 
so  daß  also  von  den  niedrigsten 
Pflanzen  bis  zu  den  höchstentwickelten 
Blütenpflanzen  kaum  eine  Pflanzen- 
familie vom  Raupenfraß  verschont 
bleibt. 

Von  den  gefressenen  Pflanzen- 
stoffen wird  die  Zellulose  in  den 
weitaus  meisten   Fällen  nicht  verdaut. 

Als  Hauptnährstoff  kommt  das  Eiweiß  in  Betracht,  daneben  werden  in  ge- 
ringerer Menge  noch  Fette  und  Öle  aufgenommen.  Alle  übrigen  Teile  der 
Pflanzensubstanz  werden  mit  den  Exkrementen  wieder  abgegeben.  Der 
Raupenkot  ist  verschieden  geformt  und  oft  sehr  charakteristisch  für  die  ein- 
zelnen Arten  (Abb.  44). 

Bezüglich  der  Auswahl  der  Pflanzen  verhalten  sich  die  Raupen  sehr 
verschieden.  Die  einen  sind  mono  p  ha g,  d.  h.  sie  fressen  nur  eine  einzige 
Pflanzenart  (oder  höchstens  nur  ganz  wenige  sehr  nah  verwandte  Pflanzen- 
arten). Andere  fressen  gleichmäßig  Pflanzen  von  einigen  verschiedenen  Gat- 
tungen (meist  aus  derselben  Familie,  bisweilen  aber  auch  aus  verschiedenen 
Familien):  oligophage  Raupen.  Wieder  andere  fressen  eine  große  An- 
zahl der  verschiedensten  Pflanzen  ohne  jede  Auswahl:  polyphage  Raupen. 


i  i  1  %% 


L 
Abb.  44.    Raui)cnkot.    A  von  S/'/ii/ix   f'i- 
iias/ri   L.,    B    \on   DeiidroUniiis  /^iiii   L. 
C    von    f.viiKinIria    i/ioiiac/ia    L.     Vergr 


44  I-  Allgemeiner  Teil. 

Die  polyphagen  Raupen  sind  stammesgeschichtlich  alte  Formen,  Monophagie 
ist  eine  Erwerbung  neueren  Datums  (Hering). 

Die  oligophagen  Raupen  verdienen  auch  vom  botanischen  Stand- 
punkt aus  besonderes  Interesse,  insofern,  als  durch  sie  bisweilen  schon  Ver- 
wandtschaften von  Pflanzenfamilien  festgestellt  wurden. 

Hering  erwähnt  folgendes  Beispiel:  „Unsere  Fliedermotte  (Xanthospilapteryx 
syringella  F.)  lebt  an  Flieder,  Liguster  und  Eiche.  Diese  drei  gehören  mit  dem  Öl- 
baum zur  Familie  der  Oleaceen.  Die  Fliedermotte  bezeugt  durch  den  Fraß  ihrer 
Raupe,  daß  diese  Zusammenfassung  zu  Recht  besteht.  Jn  solchen  Jahren  jedoch, 
wo  sie  sehr  häufig  auftritt  und  bald  Futtermangel  einsetzt,  findet  sie  sich  ausnahms- 
weise auch  an  der  Eisbeere  [Sytnphoricarpus),  die  zu  den  Caprifoliaceen  gehört. 
Eine  Verwandtschaft  zwischen  den  letzteren  und  den  Oleaceen  ist  erst  in  aller- 
jüngster  Zeit   durch    Serodiagnose   festgestellt   worden." 

Interessant  ist  ferner  die  Beobachtung  Herings,  daß  der  Übergang  der 
obigen  oligophagen  Raupe  auf  eine  so  gewöhnliche  Futterpflanze  nur  in  Jahren 
einer  Massenvermehrung  der  Raupe  gut  bekommen  ist,  indem  sie  mit  dem  fremden 
Futter  fertig  wurde,  während  sie  in  normalen  Jahren,  wenn  sie  auf  neues  Futter 
gesetzt,  zwar  Minen  verfertigte,  aber  bald  darin  zugrunde  ging.  Hering  wirft  da- 
her die  Frage  auf,  ob  nicht  in  Jahren  der  Massenvermehrung  einer  Art  die  einzelnen 
Individuen  eine  viel  größere  Zähigkeit  besitzen,  so  daß  sie  dann  der  Schwierigkeit 
der  Nahrungsausnutzung  Herr  würden. 

Bei  manchen  oligophagen  Raupen  besteht  eine  merkwürdige  Zweiteilung 
der  Geschmacksrichtung;  so  haben  viele  der  auf  Rosaceen  lebenden 
Raupen  (besonders  von  Kleinschmetterlingen)  eine  eigentümliche  Zuneigung  zur 
Birke,  d.  h.  sie  leben  außer  auf  Rosaceen  nur  noch  auf  Betula.  Bei  anderen, 
z.  B.  den  Arten  der  Tineidengattung  Tischeria,  bezieht  sich  die  Zweiteilung  des 
Geschmackes  auf  Rosaceen  und  Quercifloren  (Eichen).  Von  den  Botanikern 
werden  die  Betulaceen  und  Quercifloren  für  recht  spezialisierte  Pflanzenfamilien 
gehalten,  während  die  Rosifloren  als  ursprüngliche  Familie  gelten.  „Eine  nähere 
Verwandtschaft  zwischen  beiden  hat  man  nie  zu  konstruieren  versucht,  es  scheint 
aber,  daß  die  Raupen  hier  besser  Bescheid  wissen  und  eine  Verwandtschaft  erkannt 
haben,  die  vermutlich  erst  später  von  den  Botanikern  aufgefunden  werden  wird." 
„So  ist  das  Studium  der  Monophagie,  Oligophagie  und  Polyphagie  von  Wichtigkeit 
nicht  nur  für  den  Zoologen,  sondern  in  gleichem  Maße  auch  für  den  Botaniker" 
(Heringji). 

Die  Oligophagie  kann  auch  mit  dem  geographischen  Vorkommen  m 
Beziehung  stehen,  so  bevorzugt  der  graue  Lärchenwickler  (Semasia  diiiiaiia 
Gn.)  in  der  Schweiz  die  Lärche,  während  er  im  Norden  vor  allem  auf  Fichte 
und  Kiefer  vorkommt. 

Auch  ein  und  dieselbe  Raupe  kann  während  ihres  Lebens  die  Ge- 
schmacksrichtung ändern,  so  fressen  die  Raupen  von  den  Incurvariiden 
(aculeate  Tineiden)  zuerst  in  den  Blättern  von  Birke,  Weißbuche,  Haselnuß 
und  anderen  Bäumen,  in  späteren  Stadien  dagegen  am  Boden  nur  noch 
niedere  Pflanzen  2). 

1)  Gewiß  wird  man  nicht  selten  oligophage  Raupen  auch  auf  Pflanzen  an- 
treffen, bei  denen  eine  Verwandtschaft  gänzlich  ausgeschlossen  ist.  In  vielen  dieser 
Fälle  wird  man  aber  finden,  daß  die  in  Frage  kommenden  Gewächse  derselben 
Biocönose,  z.  B.  eines  Torfmoores  oder  Buchenwaldes  angehören.  „Da  liegt  dann 
der  Verdacht  nahe,  daß  hier  eine  Irritierung  des  Eier  ablegenden  Weibchens  statt- 
gefunden hat  dadurch,  daß  dieses  neue  Substrat  im  Dunstkreis  der  normalen  Futter- 
pflanze gestanden  hat."  Man  untersuche  also  in  solchen  Fällen  genau,  ob  „die 
Eiablage  nicht  im  Geruchsschatten  der  gewöhnlichen  Futterpflanze  stattgefunden 
hat;  erst  wenn  dies  unter  allen  Umständen  ausgeschlossen  ist,  darf  man  versuchen, 
auf '  verwandtschaftliche    Beziehungen   der   Pflanze   zu   schließen"    (Hering). 

2)  Man  kann  diese   Arten  in  der  Gefangenschaft  auch  zwingen,  ihr  Ursprung- 


2.  Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge.  45 

Auch  monophage  Raupen  können  unter  bestimmten  Bedingungen, 
nämlich  bei  Massenvermehrungen,  polyphag  werden;  so  ist  es  eine  bekannte 
Erscheinung,  daß  die  Raupen  der  „katastrophalen"  Forstschmetterlinge 
(Eule,  Spanner  usw.)  bei  Nahrungsmangel  abbaumen  und  alle  zur  Verfügung 
stehenden  Pflanzen  der  Waldbiocönose  fressen  und  dabei  normale  Falter 
ergeben.  Auffallend  ist  auch  hier,  daß  im  Zuchtkasten  die  betreffenden 
monophagen  Raupen  lieber  verhungern,  als  daß  sie  das  ihnen  gereichte 
fremde  Futter  annehmen. 

Manche  Raupen  sind  an  bestimmte  Stoffe  in  der  Pflanze  so  gewöhnt, 
daß  sie  dieselben  nicht  mehr  entbehren  können.  So  nehmen  Raupen,  die  an 
den  Gerbstoff  angepaßt  sind,  Blätter,  denen  man  künstlich  die  Gerbstoffe 
entzogen  hatte,  nicht  mehr  an,  dagegen  fressen  sie  Blätter,  die  sie  normaler- 
weise verschmähen,  wenn  man  sie  mit  Gerbstoff  bestreicht  i). 

Auch  parasitische  und  saprophytische  Pflanzen  haben  ihre  Liebhaber 
unter  den  Schmetterlingen,  wenn  auch  nur  in  sehr  beschränkter  Zahl.  So 
lebt  z.  B.  die  Raupe  eines  Kleinschmetterlings  auf  der  Mistel.  Manche 
Raupen  machen  ihre  Entwicklung  in  Pilzen  durch,  wie  die  Korkmotte 
(71/iea  cloacella  Hw.),  die  außer  im  Kork  auch  in  Baumschwämmen  (Poly- 
po/i/s)  vorkommt. 

Die  Pilzfresser  bilden  einen  gewissen  Übergang  zu  den  Formen,  die 
sich  hauptsächlich  von  tierischen  Stoffen  nähren,  wie  die  Kleidermotte, 
deren  Raupen  von  Wollhaaren,  Hörn,  Leder  usw.  leben,  oder  die  Wachs- 
motte, die  durch  Zerstörung  der  Wachswaben  oft  großen  Schaden  in  Bienen- 
stöcken anrichtet. 

Es  gibt  auch  Raupen,  die  von  lebenden  Tieren  sich  ernähren,  wie 
die  Coccidiphaga  scitula  Rbr.,  die  Schildläuse  frißt  (und  dadurch  nützlich 
werden  kann),  oder  die  sogenannten  Mordraupen,  die  neben  ihrer  Pflanzen- 
kost andere  Raupen  anfallen.  Es  gibt  eine  ganze  Anzahl  solcher  Mord- 
raupen (s.  Hering,  S.  72  u.  i'^),  zu  deren  bekanntesten  und  bösartigsten 
die  Eule  Calymnia  trapeziiia  L.  gehört;  sie  greift  alle  nackten  Raupen  an 
und  verschont  dabei  ihre  eigenen  Artgenossen  nicht.  Kannibalismus  ist  über- 
haupt ein  hervorstechender  Zug  aller  „Mordraupen";  ihm  verfallen  übrigens 
bisweilen  auch  andere  sonst  harmlose  Raupen,  wenn  sie  z.  B.  bei  Futter- 
mangel in  enger  Gefangenschaft  leben-). 

Die  Tageszeit,  während  der  die  Raupen  dem  Fraß  obliegen,  ist  bei 
den  einzelnen  Arten  verschieden:  viele  Raupen  fressen  nur  am  Tage,  andere 
nur  des   Nachts.    Von  den  ersteren  bevorzugen  manche  den  hellen  Sonnen- 


liches  Futter  beizubehahen,  erhäk  dann  aber  immer  nur  kümmerliche  Zuchtresultate 
(Hering). 

1)  Eingehende  Untersuchungen  über  die  Verarbeitung  von  tanninhaltigen  Sub- 
stanzen sind  bei  der  Raupe  des  Eichenwicklers  (Tort rix  viridaiia  L. )  gemacht 
worden.  Diese  und  andere  sich  von  Eichenblättern  nährenden  Raupen  besitzen  in 
den  kelchförmigen  Zellen  ihres  Mitteldarms  Kristalle  oder  kristallähnliche  Gebilde 
einer  tannoiden  Substanz  (wahrscheinlich  eine  Verbindung  mit  Proteinen).  Durch 
die  Bindung  in  den  kelchförmigen  Zellen  wird  verhindert,  daß  die  Tannine  in  das 
Blut   gelangen    (Hering). 

2)  Es  gibt  auch  einige  Coprophagen  (Kotfresser)  unter  den  Schmetterlings- 
raupen, die  aber  mehr  gelegentlicher  Natur  zu  sein  scheinen.  Das  bekannteste  Bei- 
spiel hierfür  ist  die  Kleidermotte  (Tineola  biselliella  Hmm.j.  „Wenn  man  einzelne 
Raupen  in  ein  fest  verschlossenes  Glas  bringt  und  ihnen  nur  eine  geringe  Menge 
Futter  dazu  reicht,  so  wird  das  gewöhnlich  bald  aufgefressen  sein;  die  aus  den 
Puppen    schlüpfenden    Falter    legen   ihre    Eier   an    den    Kot    der   ersten    Raupen    ab, 


46  I-  Allgemeiner  Teil. 

schein,  während  andere  im  tiefsten  Schatten  leben.  Während  der  Zeit,  da 
sie  nicht  fressen,  pflegen  manche  sich  zu  verbergen,  in  den  oberen  Erd- 
schichten, in  Rindenritzen  usw. 

Verschiedenes. 

Während  die  Mehrzahl  der  Raupen  solitär  leben,  zeigen  andere  einen 
ausgesprochenen  Geselligkeitstrieb.  Dieser  kann  sich  auf  das  ganze 
Raupenleben  erstrecken  oder  nur  auf  einzelne  Stadien.  So  leben  die  Raupen 
verschiedener  Spinner,  wie  die  des  Goldafters,  Ringelspinners,  Birkennest- 
spinners usw.  nur  in  der  Jugend  gesellig,  während  die  Raupen  des  Pro- 
zessionsspinners vom  Schlüpfen  bis  zur  Verpuppung  in  Gesellschaft  bei- 
sammen bleiben.  Vielfach  verfertigen  die  gesellig  lebenden  Raupen  große 
Gespinstnester,  in  denen  sie  dauernd  bleiben  und  unter  deren  Schutz  sie  auch 
fressen  und  sich  verpuppen  (Gespinstmotten),  oder  die  Raupen  verlassen 
die  Nester  regelmäßig  zur  Nahrungsaufnahme,  um  sie  ebenso  regelmäßig 
zur  Ruhe  oder  zum  Zwecke  der  Häutung  und  auch  zur  Verpuppung  wieder 
aufzusuchen    (Prozessionsspinner) . 

Auch  bei  den  solitär  lebenden  Raupen  gibt  es  viele,  die  sich  Gespinst- 
röhren  machen  oder  Blattgehäuse,  die  sie  durch  Einrollen  einzelner  Blatt- 
partien oder  auch  ganzer  Blätter  verfertigen.  Manche  Raupen  tragen  richtige 
Säcke  aus  Pflanzenteilen  oder  anderen  Stoffen  (Erdpartikelchen  usw.)  ge- 
fertigt mit  sich  herum,  gleich  wie  die  Schnecke  ihr  Schneckenhaus  (Coleo- 
phoriden  und  Psychiden). 

Über  die  Häutungen  der  Raupen,  ihre  Zahl  usw.  wurde  oben  schon 
berichtet;  hier  sei  nur  erwähnt,  daß  viele  Raupen  unmittelbar  vor  der 
Häutung  den  Fraßplatz  verlassen,  um  sich  an  geschützten  Orten  zu  ver- 
kriechen, weil  sie  in  diesem  Stadium,  bevor  die  neue  Haut  erhärtet  ist,  vielen 
Gefahren  ausgesetzt  sind.  Durch  die  Häutung  können  die  Raupen,  worauf 
auch  schon  oben  hingewiesen  wurde,  wesentliche  Veränderungen  erfahren, 
sowohl  bezüglich  Färbung,  Zeichnung,  Behaarung,  als  auch  bezüglich  der 
Mundgliedmaßen,  letzteres  ist  besonders  da  zu  beobachten,  wo  sich  die  Er- 
nährungsweise in  den  verschiedenen  Stadien  ändert. 

Die  Dauer  des  Raupenlebens  ist  ungemein  verschieden,  sie  kann 
von  wenigen  Tagen  (manche  Nepticula-Ar\.t.n)  bis  zu  mehreren  Jahren  (Cos- 
siden  usw.)  schwanken.  Sie  hängt  auch  von  verschiedenen  äußeren  Faktoren 
ab;  ob  die  Raupenentwicklung  in  das  Frühjahr  oder  in  den  Sommer  oder  in 
den  Herbst  fällt  und  eventuell  durch  den  Winter  unterbrochen  wird.  Ferner 
von  der  Temperatur  und  Feuchtigkeit;  warme  Witterung  beschleunigt,  kalte 
verzögert  im  allgemeinen  die  Entwicklungsdauer.  Deshalb  hat  die  gleiche  Art 
in  hohen  kalten  Gebirgslagen  oder  im  Norden  oft  nur  i,  in  warmen  Gegenden 
dagegen  2 — 3  Generationen  (siehe  darüber  auch  S.  57)  ^).  Des  weiteren  hat 
auch  die  Nahrung  einen  gewissen  Einfluß  auf  die  Dauer  der  Entwicklung. 


worauf  die  ganzen  nun  folgenden  Generationen  sich  nur  an  dem  Kot  der  vorigen  ent- 
wickeln, so  daß  man  mehrere  Jahre  hindurch  diese  Zucht  fortführen  kann,  ohne  daß 
die  Tiere  aussterben.  Jede  Generation  nährt  und  entwickelt  sich  an  den  Exkre- 
menten der  vorigen.  Doch  kann  man  beobachten,  daß  bei  den  späteren  Generationen 
die  Falter  immer  kleiner  und  kleiner  werden,  und  es  ist  zu  vermuten,  daß  diese 
Entwicklung  doch  zeitig  begrenzt  ist." 

1)   Über  die   Abhängigkeit  des  Larvenlebens   von  Temperatur  und   Luftfeuchtig- 
keit   siehe    auch   bei    der    Kieferneule. 


2.   Ausschnitte  aus  der  Lebensweise  der  Schmetterlinge.  47 

„Im  Frühjahr,  wenn  das  Futter  saftreich  und  wenig  verholzt  ist,  vollzieht 
sich  diese  wesentlich  schneller  als  im  Herbst,  wo  die  Nahrungssubstanzen 
viel  schwerer  aufgeschlossen  und  dem  Körper  der  Raupe  zugeführt  werden 
können."  „Manche  A'epü'cu/a- Arten  machen  in  der  i.  Generation,  wo  die 
Raupe  im  Frühjahr  lebt,  ihre  ganze  Entwicklung  vom  Ei  bis  zur  Ver- 
puppung in  2 — 3  Tagen  durch,  während  dieselben  Arten  in  der  Herbst- 
generation mehrere  Wochen,  bisweilen  sogar  Monate  dazu  benötigen."  Be- 
kannt ist  auch  das  langsame  Wachstum  der  im  Herbst  fressenden  Kiefern- 
spannerraupen (im  Gegensatz  zu  den  im  Frühjahr  fressenden  Kieferneulen- 
raupenj.  Hungernde  Raupen  brauchen  zu  ihrer  Entwicklung  sehr  viel  länger 
als  reichlich  mit  Nahrung  versehene.  Auch  Beengung  im  Raum  kann  ent- 
wicklungsverzögernd  wirken  ^j. 

Verpuppung. 

Ist  die  Raupe  ausgewachsen,  treten  Veränderungen  in  ihrer  Lebens- 
weise ein,  Vorbereitungen  zur  Verpuppung.  Bei  manchen  Raupen  macht  sich 
im  letzten  Stadium,  schon  längere  Zeit  vor  der  Verpuppung,  wenn  die  Raupe 
noch  frißt  und  an  Größe  zunimmt,  eine  Veränderung  der  Färbung  bemerk- 
bar: grüne  Raupen  werden  rot  oder  braun,  braune  manchmal  grün,  ,,ein 
Anzeichen  dafür,  daß  im  Innern  des  Raupenkörpers  sich  schon  bedeutsame 
Veränderungen  vollziehen".  Später,  kurze  Zeit  vor  der  Verpuppung,  hört 
die  Raupe  allgemein  zu  fressen  auf,  sie  wird  meist  unruhig,  läuft  viel  umher, 
bis  sie  einen  geeigneten  Platz  für  die  Verpuppung  gefunden  hat.  Gelingt  ihr 
dies  nicht,  so  kann  sie  durch  das  dauernde  Umherlaufen  so  geschwächt 
werden,  daß  sie  zugrunde  geht. 

Der  Ort  der  Verpupp  ung  kann  sehr  verschieden  sein.  Viele  Raupen 
(Tagfalter)  klettern  an  Baumstämmen,  Bretterzäunen  oder  Mauern  empor, 
um  dort  an  rauhen  Stellen  die  Verwandlung  durchzumachen,  während  andere 
(viele  Spinner,  Schwärmer,  Eulen,  Spanner  usw.)  sich  zu  diesem  Zweck  mehr 
oder  weniger  tief  in  die  Erde  eingraben  2).  Die  endophagen  Raupen  (wie 
Minierer,  Holzbohrer  usw.)  verpuppen  sich  zum  Teil  am  Ort  ihres  Fraßes 
in  der  Raupenwohnung.  Viele  von  ihnen,  wie  die  Holzbohrer,  führen  einen 
Fraßgang  bis  kurz  vor  die  äußerste  Schicht,  die  sie  von  der  Außenwelt 
trennt,  so  daß  nur  noch  eine  ganz  dünne  Lamelle  stehen  bleibt,  durch  die 
sich  die  Puppe  oder  der  Falter  leicht  einen  Weg  nach  außen  bahnen  kann. 
Zahlreiche  Minierer  verlassen  aber  auch  die  Minen,  um  sich  außerhalb  in 
einem  besonderen  Gespinst,  in  einem  Blattumschlag  oder  dergleichen  zu  ver- 
puppen. Bei  den  Sackträgern  findet  die  Verpuppung  gewöhnlich  im  Sack 
statt.  Da  dieser  von  der  Raupe  an  seinem  offenen  Vorderende  an  der  Unter- 
lage festgesponnen  wird,  so  muß  die  Raupe  vor  der  Verpuppung  noch  eine 
Umdrehung  machen. 

Ist  die  Raupe  am  Verpuppungsort  angelangt,  so  beginnt  sie  mit  den 
Arbeiten  zur  Befestigung  und  zum  Schutz  der  zukünftigen  Puppe,  was 


1)  Es  wurden  in  dieser  Hinsicht  im  hiesigen  Institut  interessante  Unter- 
suchungen angestellt  von  Chr.  Hof  mann.  Die  Ergebnisse  werden  demnächst 
veröffentlicht. 

-)  „Um  sich  die  Arbeit  des  Wiihlens  zu  erleichtern,  bestreichen  sich  \iele 
Schwärmerraupen  den  ganzen  Leib,  selbst  die  Sohle  der  Bauchfüße  mit  einer  ab- 
gesonderten Flüssigkeit,  um  sich  genügend  schlüpfrig  zu  erhalten.  Wahrscheinlich 
kommt  das  auch  bei  anderen  Familien,  die  sich  in  der  Erde  verpuppen,  vor" 
(Hering). 


48  I.  Allgemeiner  Teil. 

in  der  Hauptsache  durch  eine  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Spinntätig- 
keit geschieht.  Im  einfachsten  Fall  wird  nur  am  Hinterende  ein  kleines, 
aus  wenigen  Fäden  bestehendes  Gespinst  angelegt,  an  dem  die  Puppe  an  der 
Unterlage  aufgehängt  wird  (Sturzpuppe,  Pupa  suspensa),  oder  es  wird  ein  Ge- 
spinstfaden als  Gürtel  um  den  Leib  gelegt,  um  so  die  Puppe  an  der  Unter- 
lage zu  festigen  (Gürtelpuppe,  Pupa  cingulata)  usw. 

Bei  anderen  Schmetterlingen  (der  Mehrzahl)  findet  die  Verpuppung 
mehr  oder  weniger  verborgen  statt,  sei  es  in  zusammengesponnenen  Blättern 
(wie  viele  Wickler,  Zünsler  usw.)  oder  in  einer  mit  mehr  oder  weniger  losem 
Gespinst  ausgekleideten  Erdhöhle,  oder  in  einem  aus  Erd-  oder  Holzteilchen 
zusammengesponnenen  oder  lediglich  aus  Gespinstfäden  bestehendem  Kokon. 
Letzterer  kann  von  der  verschiedensten  Beschaffenheit  sein,  einerseits  ganz 
grobmaschig  und  durchsichtig,  andererseits  sehr  dicht  und  völlig  undurch- 
sichtig, mitunter  so  fest,  daß  man  ihn  kaum  zerdrücken  kann.  Auch  die  Farbe 
und  Struktur  der  Kokons  sind  sehr  verschieden.  Wir  kennen  weißliche, 
braune,  rote,  grünliche,  gelbliche,  violette  und  auch  marmorierte  Kokons, 
von  seidenartigem  Glanz,  rauhem,  wolligem  oder  schmelzartig  glasigem 
Aussehen;  zuweilen  wird  der  Kokon  mit  abgelagertem  Kot  überdeckt. 

Unmittelbar  vor  der  Verpuppung  gibt  die  Raupe  einen  großen  Kot- 
ballen  ab,  der  (bei  Saturnia)  bis  1/3  der  Größe  der  Raupe  betragen  kann. 
Nach  Hering  ist  der  Ballen  um  so  größer,  je  gesünder  die  Raupe  war, 
während  bei  kränklichen  Raupen  nur  eine  geringe  oder  gar  keine  Absonde- 
rung erfolgt.  Nach  Abgabe  des  Kotballens  sinkt  sie  deutlich  zusammen,  be- 
haarte Raupen  haben  dann  größtenteils  ihre  Haare  verloren,  und  die  Raupen 
der  Spanner  vermögen  dann  keine  spannenden  Bewegungen  mehr  auszuführen 
(Hering). 

Es  beginnt  nun  eine  Ruhezeit,  die  Tage,  Wochen  und  sogar  Monate 
dauern  kann,  und  in  der  eine  tiefgreifende  Umbildung  des  Tieres  stattfindet. 
Die  Raupe  wird  kürzer,  die  Brustringe  werden  aufgetrieben  usw.,  bis  nach 
vollendeter  Umbildung  auf  dem  Brustrücken  die  Haut  aufreißt  und  nach 
Abstreifen  derselben  die  noch  weiche,  von  durchsichtiger  Hülle  umgebene 
Puppe  entsteht.  Zunächst  noch  eine  Pupa  libera,  wird  sie  durch  die  unmittel- 
bar darauf  erfolgende  Absonderung  einer  Chitinhülle  in  die  definitive  Pupa 
obtecta  übergeführt. 

3.  Die  Rhumbler'sche  Bioformel. 

Zur  raschen  Übersicht  über  den  zeitlichen  Ablauf  der  verschiedenen 
Entwicklungsstadien  wollen  wir  uns  hier  an  Stelle  der  Nitscheschen  Tabellen 
(s.  Bd.  I,  S.  178)  der  von  Rhumbler  eingeführten  kürzeren  „Bioformeln" 
bedienen,  die  außer  der  Raumersparnis  den  Vorteil  haben,  daß  sie  sich  wie 
mathematische  Formeln  sprechen  und  lesen  lassen,  daß  sie  infolge  ihres  ge- 
ringen Raumverbrauches  auf  jeder  Sammlungsetikette  aufgeschrieben  oder 
aufgedruckt  werden  und  auch  in  kurzen  faunistischen  Kompendien  Ver- 
wendung finden  können  usw. 

Die  Formel  besteht  aus  einem  Bruch,  dessen  Zähler  in  der  mathematischen 
Schreibform  einer  Differenz,  dessen  Nenner  in  jener  einer  Summe  auftritt, 
und  der  als  solcher  ohne  weiteres  gelesen  werden  kann;  dabei  haben  die 
Monatszahlen  für  jedes  Stadium  eine  bestimmte  Stelle,  das  Eistadium  die  erste 
Stelle,  das  Larvenstadium  (durch  sein  Minuszeichen  besonders  kenntlich) 
die   zweite   Stelle   im   Zähler,   das   Puppenstadium   die   erste    Stelle   und   das 


3-  Die  Bioformel.  49 

Imaginalstadium  (durch  ein  Plusvorzeichen  besonders  kenntlich)  die  zweite 
Stelle  im  Nenner.  Ein  Irrtum  in  der  Deutung  der  Formel  ist,  sobald  man 
sich  dies  klar  gemacht  hat,  ausgeschlossen. 

Die  Grundformel  hat  also  folgende  Form  und  Bedeutung: 
Eizeit  — ■  Larvenzeit 
Puppenzeit  -f-  Imaginalzeit 

Fängt  die  Formel  mit  einem  Minuszeichen  an,  so  ist  die  Eizeit  in  der 
Formel  weggelassen,  und  diese  ist  dann  gleich  der  Imaginalzeit. 

Die  Zahlen  bedeuten  die  entsprechenden  Monate  nach  ihrer  Reihenfolge 
im  Jahresverlauf,  also  i  =  Januar,  2  =  Februar,  3  =  März  usw.,  sie  werden 
von  I  bis  9  ohne  Zwischenzeichen  aneinandergeschrieben,  von  10  (Oktober) 
bis  12  (Dezember)  aber  von  ihren  Vorgängern  durch  einen  Punkt  getrennt, 
damit  sie  letzterenfalls  nicht  mit  zwei  einfachen  Monatszahlen  verwechselt 
werden,  also  8.  12  =  August  bis  Dezember. 

Die  Buchstabenexponenten  (also  1^,5?  u.  dgl.)  bei  den  Monatszahlen 
bedeuten  a  (anterior)  =  erste  Hälfte  p  (posterior)  =^  letzte  Hälfte  des  be- 
treffenden Monats  1). 

Das  Komma  bedeutet  Überwinterung,  man  nenne  es  kurz  „Winter- 
komma", um  seine  Bedeutung  nicht  zu  vergessen.  Es  wird  jedesmal  dann  ge- 
setzt, wenn  die  Formel  die  Dezember-Januar-Grenze  aufeinanderfolgender 
Jahre  durchläuft.  Die  Anzahl  der  Kommas  in  einer  Formel  ergibt  hiernach 
die    Generationsdauer   des    Insekts,    z.  B.   heißt   in   dieser    Beziehung   Sp//i//x 

—  So 

pinastri  L.  =    überwintert   im   Puppenstadium,   weil   das   Winter- 

10,5  +  67 
komma  in  der  Puppenmonatszahl  im  Nenner  steht,  und  seine  Generation  ist 
einjährig,  weil  nur  ein  Komma  in  der   Formel  vorkommt. 

Jedes  A  (Annus)  bedeutet  ein  ganzes  Jahr,  mit  jedem  A  rückt  also 
die   Formel  um    12   Monate  weiter  in  das  folgende  Jahr  hinein,  z.  B.  Blau- 

X    A     /1 

sieb,  Zeiizera  pyriiia   L.   =       '- — ^ —  d.  h.    Ei    im    Juni- Juli,    Raupe    vom 

5  +  67 

August  an,  überwintert,  lebt  als  Raupe  das  folgende  (zweite)  Jahr  hin- 
durch (A),  überwintert  wieder  und  verpuppt  sich  im  Mai  des  dritten  Ka- 
lenderjahres, um  alsdann  im  Juni-Juli  als  Imago  aufzutreten.  Generation 
2  jährig  (vgl.  zwei  Winterkomma). 

Eine  eckige  Einklammerung  eines  Formelteiles  bedeutet,  daß  der  be- 
treffende Teil  der  Formel  für  eine  weitere  (2.,  3.  usw.)  Generation  im  Jahre 
gilt.  Die  Formel  wird  dann  entsprechend  kompliziert,  bleibt  aber  immer- 
hin einfacher  als  jede  andere  früher  übliche  Darstellungsweise.  So  würde 
z.  B.  die  Bioformel  für  die  Kiefernbuschhornblattwespe  Lophyrus  piiii  L. 
4—56 

zu    lauten    haben,    eine    Formel,    die    sich    immer    noch 


78-89 


7  +  78 

10,3  +  4 

rasch   herunterlesen   und   bei   einiger   Übung   auch   mit   dem    Lesen   zugleich 
ohne  weiteres  deuten  läßt. 

Die   ganze    Formulierung    läßt    sich    in    wenigen    Minuten    vollkommen 
sicher  erlernen.    Der   Beidruck   der    Formeln   zu  den   Namen   kann  die   Be- 


1)    Für  viele  Zwecke  wird  eine  Angabe  ganzer  Monate  genügen,  man  läßt  dann 
die   Exponenten   weg,    was   die    Formel   wesentlich   vereinfacht. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  * 


50  I.  Allgemeiner  Teil. 

Stimmung  von  Larven,  Puppen  und  Imagines  ungemein  erleichtern,  weil  man 
an  den  rasch  zu  überblickenden  Formeln  sofort  sieht,  ob  ein  zu  gewisser 
Jahreszeit  gefundenes  Stadium  an  der  ihm  zukommenden  Formelstelle  die 
betreffende  Zeit  enthält  oder  nicht.  Hat  man  z.  B.  eine  Raupe  im  Juli  ge- 
funden und  zu  bestimmen,  so  fallen  sofort  alle  Schmetterlinge  außer  Be- 
tracht, die  hinter  dem  Minuszeichen  im  Zähler  den  Monat  Juli,  d.  h.  die 
Zahl  7   in  nuce  nicht  eingeschlossen  enthalten  u.   dgl.   mehr   (Rhumbler). 

4.  Nutzen  und  Schaden  der  Schmetterlinge. 
Forstliche  Bedeutung. 

Wenn  wir  vom  Nutzen  der  Schmetterlinge  reden,  so  denken  wir  in 
erster  Linie  an  die  Seidenspinner,  von  denen  die  Seide  gewonnen  wird. 
Außer  verschiedenen  Saturniden  ist  der  Hauptseidenlieferant  der  gewöhn- 
liche Seidenspinner,  Bombyx  mori  L.,  der  schon  sehr  frühzeitig  aus  China 
bei  den  Römern  eingeführt  wurde  und  von  dessen  Zucht  heute  große  Be- 
völkerungsteile in  südeuropäischen  und  vielen  asiatischen  Ländern  ihr  Leben 
fristen.  Es  gibt  kein  anderes  Insekt,  das  dem  Menschen  soviel  Gewinn  bringt. 

Ein  weiterer  Nutzen  der  Schmetterlinge  ist  darin  zu  erblicken,  daß  sie 
als  Blütenbestäuber  eine  ziemliche  Rolle  spielen. 

Ungleich  umfangreicher  ist  das  Schade nkonto  der  Schmetterlinge, 
da  ja  weitaus  die  meisten  Raupen  von  lebender  Pflanzensubstanz  sich  er- 
nähren. Da  nun  gerade  bei  den  Schmetterlingen  die  Neigung  zu  Massen- 
vermehrung, w^enigstens  in  unserem  Klima,  ziemlich  verbreitet  ist,  so  können 
die  Schädigungen  der  Pflanzenwelt  oft  sehr  beträchtlich  werden  und  zu 
völligem  Kahlfraß  und  schließlich  zur  Vernichtung  großer  ausgedehnter 
Kulturen  führen.  Alle  Kulturen  können  davon  betroffen  werden;  Gemüse-, 
Wein-,  Obst-  und  Forstkulturen  leiden  in  gleicher  Weise  unter  Raupenfraß. 
Man  denke  an  die  Riesenschäden,  die  alljährlich  durch  den  Heu-  und 
Sauerwurm  dem  Weinbau  oder  durch  die  Obstmade  dem  Obstbau,  oder 
durch  den  Kohlweißling  dem  Gemüsebau  zugefügt  werden. 

Auch  die  größten  Insektenkatastrophen  in  unseren  Wäl- 
dern beruhen  auf  Raupenfraß.  Ich  erinnere  an  die  Eule  (Panolis 
flam?nea  Schiff.),  die  in  den  Jahren  1923 — 25  in  Norddeutschland  Hundert- 
tausende von  Hektar  Kiefernwald  befallen  hat,  oder  an  die  Nonne  (Lymantria 
monacJia  L.),  der  einige  Jahre  vorher  in  Böhmen  ebensoviel  Fichtenwald 
zum  Opfer  gefallen,  oder  an  den  Kiefernspanner  (Bupalus  piniarius  L.),  der 
fortwährend  unsere  Kiefernwälder  bald  da,  bald  dort  zerzaust. 

Was  bei  den  Schmetterlingskatastrophen  erschwerend  gegenüber  den 
Käferkatastrophen  hinzukommt,  ist  der  Umstand,  daß  jene  meist  primärer 
Natur  sind,  also  ganz  gesunde  Wälder  betreffen,  während  letztere  meist 
sekundär  auftreten. 

Neben  den  katastrophalen  Großschädlingen,  deren  Massenvermehrungen 
in  Intervallen  Orkanen  gleich  über  die  Wälder  dahinfegen,  gibt  es  ein  großes 
Heer  von  Schmetterlingen,  die  stets,  wenn  auch  in  geringerer  Zahl,  in 
unseren  Wäldern  hausen,  immerwährend  kleinere  Schäden  verursachend,  und 
so  die  Arbeit  des  Forstmanns  mehr  oder  weniger  erschwerend.  Zu  ihnen  ge- 
hören unter  anderen  viele  der  auf  Forstpflanzen  lebenden  „Kleinschmetter- 
linge" (Motten,  Wickler,  Zünsler,  Sesien  usw.),  die  oft  daran  mitwirken,  daß 
Kulturen    nicht    hochkommen,    daß    Mißbildungen    entstehen    oder    daß    die 


4-    Nutzen    und    Schaden   der    Schmetterlinge.     Forstliche    Bedeutung.  51 

Bäume  so  geschwächt  werden,  daß  sie  sekundären  Feinden  zum  Opfer  fallen; 
doch  können  manche  von  ihnen  bisweilen  auch  zu  so  starken  Massenvermeh- 
rungen gelangen,  daß  sie  ähnliche  Schadwirkungen  wie  jene  katastrophalen 
„Großschmetterlinge"  hervorrufen. 

Wir  sind  also  wohl  berechtigt,  die  forstliche  Bedeutung  der  Schmetter- 
linge sehr  hoch  anzuschlagen,  ja  die  Schmetterlinge  zu  den  schäd- 
lichsten  Forstinsekten  überhaupt  zu  rechnen. 

5.  Epidemiologie. 
A.  Verlauf  der  Raupenkalamitäten. 

In  der  Regel  nehmen  die  Kalamitäten  einen  für  jede  Art  mehr  oder 
weniger  charakteristischen  \'erlauf,  sowohl  bezüglich  des  Zeitraums  als  auch 
der  Art  des  Aufstiegs  und  des  Abfalls  (Krisis).  Im  allgemeinen  können  wir 
4  Phasen  unterscheiden: 

1.  Vorbereitungsjahr.  In  ihm  wird  der  erste  Anstoß  zur  Gradation 
gegeben.     Eine  Fraßbeschädigung  ist  noch  nicht  wahrzunehmen. 

2.  Prodromalstadium.  Fraß  meist  noch  sehr  gering,  wirtschaftlich 
noch  ohne  Belang.  Nur  durch  eingehende  Untersuchungen  (Zahl  der 
Puppen  usw.)  ist  der  Anstieg  der  Vermehrung  festzustellen. 

3.  Eruptionsstadium.  Die  Übervermehrung  hat  einen  hohen  Grad 
erreicht  und  zeitigt  heftige  Symptome  (starke  Fraßbeschädigungen  bis 
Kahlfraß). 

4.  Krisis.     Die  Cbervermehrung  bricht  zusammen. 

Je  nach  der  Dauer  der  Gradation,  des  Entwicklungstempos  der  ein- 
zelnen Stadien  kommen  für  die  einzelnen  Schädlinge  charakteristische  Kurven 
zustande,  die  an  die  Fieberkurven  menschlicher  Infektionskrankheiten  er- 
innern. Wie  diese  in  gewissen  Grenzen  variieren  können,  sind  auch  die  Gra- 
dationskurven nicht  immer  völlig  übereinstimmend,  sondern  können  auch 
einen  mehr  oder  weniger  atypischen  Verlauf  zeigen.  Oft  macht  die  Gradation 
schon  im  Prodromalstadium  halt,  ohne  daß  es  zur  Eruption  gekommen  ist, 
oder  es  kann  das  Prodromalstadium  verlängert  werden  usw. 

Der  heutige  Stand  unserer  epidemiologischen  Erkenntnis  erlaubt  es  uns 
in  den  meisten  Fällen  noch  nicht,  das  Typische  vom  Atypischen  zu  unter- 
scheiden. Nur  bei  der  Eulengradation  können  wir  dank  der  Arbeiten  Ber- 
wigs,  der  den  Verlauf  zahlreicher  Kalamitäten  der  letzten  hundert  Jahre 
durch  mühsames  i\ktenstudium  festgestellt  hat,  mit  einigem  Recht  von  einer 
typischen  Kurve  sprechen,  die  sich  im  allgemeinen  über  drei  Jahre  hinzieht. 
Die  Spanner-  und  Nonnenkurven  scheinen  in  ihren  Anfängen  der  Eulenkurve 
nicht  unähnlich,  dagegen  verharren  sie  gewöhnlich  längere  Zeit  auf  den 
hohen  Fraßstufen.  Auch  ist  der  Abfall  oft  nicht  so  steil  wie  bei  der  Eule. 
Doch  bedarf  es  zur  Aufstellung  typischer  Kurven  bei  den  meisten  Schmetter- 
lingen noch  eingehender  Untersuchungen. 

B.  Aetiologie. 

Im  Vorwort  des  im  Jahre  1914  erschienenen  I.  Bandes  dieses  Werkes 
schrieb  ich:  „Weit  mehr  als  damals  (d.  h.  zu  Nitsches  Zeiten)  trachtet  man 
heute  danach,  den  Ursachen  der  Schädlingsvermehrung  nachzuforschen  und 
die  bestehenden  Kausalzusammenhänge  aufzudecken".  „Es  genügt  nicht 
mehr,  daß   wir  über  die  Entwicklungsgeschichte  eines   Schädlings  Bescheid 

4* 


52 


I.  Allgemeiner  Teil. 


wissen,  sondern  wir  müssen  auch  alle  seine  Abhängigkeiten  von  der  Umwelt, 
der  organischen  wie  der  anorganischen,  genau  kennen.  Wir  müssen  wissen, 
wie  der  Schädling  resp.  jedes  einzelne  Stadium  desselben,  sich  gegen  die 
verschiedenen  klimatischen  Einflüsse,  wie  Hitze,  Kälte,  Feuchtigkeit. 
Trockenheit,  ferner  gegen  die  verschiedenen  Kulturformen,  Pflanzenrassen 
usw.  verhält,  welche  Feinde  er  hat  und  in  welchem  Verhältnis  die  verschie- 
Popuiafion  denen    Feinde    auf    ihn 

einwirken,  ferner  muß 
wieder  jeder  der  Feinde 
ebenso  genau  wie  der 
Schädling  selbst  studiert 
werden,  d.  h.  wir  müssen 
von  jedem  Feind  die 
Entwicklungsgeschichte 
sowie  seine  Abhängig- 
keiten von  der  gesamten 
Umwelt  zu  eruieren  su- 
chen." Was  ich  vor 
1 5  Jahren  als  Forde- 
rung aufstellte,  ist  heute 
zumselbstverständlichen 
Hauptinhalt  der  Forst- 
entomologie geworden. 
Die  epidemiologi- 
sche Forschung  be- 
herrscht jetzt  fast 
jede  forstentomolo- 
gischeUntersuchung 
größeren  Stils,  und 
so  kommt  denn  heute 
auch  den  meisten  Arbei- 
ten allgemeines  wissen- 
schaftliches Interesse  zu. 
In  ihrer  bisherigen  Ent- 
wicklung hat  die  epide- 
miologische Forschung 
verschiedene  Richtun- 
-£S  S^  -ö  e^  c:  "G  e;^  s-S't?  iS  q.=  s---  s^^  -  S^ri  eingeschlagen.  In 
I  I  ll^li^il^it^lllll  Sl  I  Sen  ersten  beide^Dezen- 
""^^      ,  "'^       ,  ,       „.    .        ""    -^^      ^        nien  dieses  Jahrhunderts 

Abb.  Ac.  A.    Gradationskurve  des   Kiefernspanners.  ■' 

^^  glaubte  man  unter  dem 

Einfluß  des  nordamerikanischen  Entomologen  Howard  und  seiner  Schule  i) 
stehend,  in  dem  schwankenden  Zahlenverhältnis  der  Parasiten  und  Räuber  zu 
den  Schädlingen  den  Schlüssel  zum  Verständnis  für  den  Massenwechsel  der 
letzteren  gefunden  zu  haben:  für  den  Beginn  einer  Kalamität  wurde  in  der 
Hauptsache  das  Versagen  der  Parasiten,  für  die  Beendigung  deren  Überhand- 
nähme verantwortlich  gemacht. 


1)   Siehe    Escherich,    K..    Die    angewandte    Entomologie    in    den    Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika.    Berlin   1913. 


5-  Epidemiologie. 


53 


Population 


Die  Hochkonjunktur  für  Tarasiten  ist  im  Schwinden  begriffen  und 
schickt  sich  an,  ins  Gegenteil  umzuschlagen,  um  von  einer  Hochkonjunktur 
für  den  zweiten  möglichen  Ursachenkomplex,  die  abiotischen  Faktoren,  ab- 
gelöst zu  werden.  Heute  besteht  die  höchste  Meinung  für  die  kli- 
matischen Faktoren.  Sie  sind  es  nach  der  gegenwärtig  immer  allge- 
meiner werdenden  Anschauung  ausschließlich  oder  fast  ausschließlich,  die 
den  Massenwechsel  beherr- 
schen und  die  also  die  Ur- 
sache sowohl  für  den  Beginn, 
als  für  die  Beendigung  einer 
Schädlingskalamität  darstel- 
len. Durch  experimentelle  und 
historisch-statistische  Arbeiten 
englischer  und  amerikanischer 
Forscher  (Hunter,  Pierce, 
Shelford,  Cook,  Kirkpa- 
trick)  und  auf  deutscher  Seite 
durch  Untersuchungen  von 
Berwig,  Blunck,  Bremer, 
Fr.  Eckstein,  Hase,  Ja- 
nisch u.a.*)  eingeleitet,  fand 
diese  Richtung  den  klarsten 
und  am  schärfsten  formulierten 
Ausdruck  in  der  im  Jahre  1928 
erschienenen  Arbeit  von  Fr. 
Bodenheimer:  ,, Welche 
Faktoren  regulieren  die  Indi- 
viduenzahl einer  Insektenart 
in  der  Natur?"  (Biol.  Zentrbl. 
Bd.  48,  1928),  eine  Arbeit,  die 
einen  Markstein  in  der  Ge- 
schichte der  Epidemiologie 
der  Schädlingskalamitäten  dar- 
stellt-). 

Bevor  ich  näher  auf  diese 
,, klimatische  Richtung"  in  der 


MO 

350 

\ 

'       > 

250 

150 
100 

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Abb.  45  B.    Gradationskurve    der    Kieferneule. 


1)  Eine  Übersicht  über  die 
neuere  epidemiologische  Literatur 
findet  sich  bei  Blunck  (1928, 
siehe  unten).  —  Es  sei  in  diesem 
Zusammenhang  auch  auf  die  aus- 
gezeichnete Übersicht  unserer  derzeitigen  Kenntnis  der  Beziehungen  zwischen  Klima 
und  Insektenleben  von  Uvarow  hingewiesen  (B.  P.  Uvarow,  Weather  and 
climate  in  their  relation  to  insects.  —  London  1929;  eine  deutsche  Übersetzung  findet 
sich  in  Band  XVII   der  Zeitschr.   f.  angew.   Entom.). 

-)  Die  Lektüre  dieser  Studie  hat  mich  derartig  gefesseh,  daß  ich  mich  sofort 
entschloß,  zu  Bodenheimer  nach  Palästina  zu  reisen,  um  seine  Arbeitsweise 
kennenzulernen  und  an  Ort  und  Stelle  den  Einfluß  des  dortigen  stark  abweichenden 
Klimas  auf  auch  bei  uns  vorkommende  Insekten  zu  beobachten.  Für  die  überaus 
liebenswürdige  Aufnahme,  die  ich  vom  Kollegen  Bodenheimer  während  meines 
fast  dreiwöchigen  Aufenthaltes  in  Palästina  erfahren  habe,  möchte  ich  an  dieser 
Stelle  herzlich  danken. 


54  I.  Allgemeiner  Teil. 

Epidemiologie  eingehe,  muß  aber  folgendes  bemerkt  werden:  Die  Anschauung,  daß 
die  Vermehrungsgröße  der  Insekten  wesentlich  durch  klimatische  Faktoren  beein- 
flußt wird,  ist  nicht  neu.  Sie  ist  im  Gegenteil  sehr  alt.  Wer  Ratzeburg 
aufmerksam  studiert,  wird  dies  in  vielen  Stellen  bestätigt  finden.  Klingt  es 
nicht  vollständig  neuzeitlich,  wenn  Ratzeburg  (in  seiner  „Waldverderbnis" 
Bd.  II,  S.  63)  bei  Gelegenheit  einer  Zurückweisung  von  Vogelschützlern,  die 
die  Massenvermehrungen  des  grauen  Lärchenwicklers  (^Semasia  diniana  Gn.) 
auf  den  Mangel  der  Vögel  zurückführen  möchten,  sagt:  „Allermeist  w-erden 
sich,  wenn  man  die  Ursachen  größerer  Insekteninvasionen  gründlich  unter- 
sucht, dieselben  mehr  als  klimatische  und  meteorologische  nachweisen  lassen." 
Wir  können  also  wohl  mit  Recht  die  „klimatische  Richtung"  überhaupt  als 
die  erste  epidemiologische  Richtung  ansehen,  die  dann  durch  die  Parasiten- 
Richtung  verdrängt  wurde,  um  nun  neuerdings  wieder  die  beherrschende 
Stellung  einzunehmen.  Übrigens  ist  auch  während  der  Zeit,  da  wir  den  Para- 
siten eine  überragende  Rolle  im  Geschehen  des  Massenwechsels  zuschrieben, 
die  Bedeutung  der  klimatischen  Faktoren  nicht  völlig  vernachlässigt  worden. 
Allenthalben  finden  wir  in  der  damaligen  Literatur  neben  der  Wirkung 
der  Parasiten  mehr  oder  weniger  auch  die  Wirkung  des  Klimas  zu  Erklä- 
rungsversuchen mit  herangezogen.  Ja,  Reh  hat  in  der  im  Jahre  1913  er- 
schienenen I.  Auflage  seiner  , .Tierischen  Feinde"  (in  Sorauers  Handbuch) 
ausdrücklich  betont:  „Von  nichts  aber  ist  die  Individuenzahl  einer  Tierart 
derart  abhängig  wie  von  der  Witterung.  Allerdings  wissen  wir  über  ihre 
Wirkung  sehr  wenig  Bestimmtes.  Einmal  ist  diese  ja  immer  eine  dreifache: 
eine  auf  die  Tiere  direkt,  eine  auf  deren  Feinde  und  eine  auf  die  Pflanze 
und  so  indirekt  auf  die  Tiere.  Dann  verhält  sich  auch  jede  Tierart  ver- 
schieden gegen  die  Wirkung  der  Witterung;  ja  selbst  die  verschiedenen 
Stadien  eines  Tieres  sind  verschieden  empfindlich." 

Was  heute  neu  ist  und  der  angewandten  Entomologie  ein 
verändertes  Gesicht  gibt,  sind  die  Versuche,  die  bisher  meist 
nur  vermuteten  oder  instinktiv  gefühlten  oder  nur  unzuläng- 
lich abgeleiteten  Beziehungen  zwischen  Klima  und  Massen- 
wechsel durch  immer  feiner  werdende  experimentelle  Me- 
thoden, durch  genaueste,  durch  mehrere  Jahre  ad  hoc  ange- 
stellte Beobachtungen  im  Freien  oder  durch  historisch- 
statistische Untersuchungen  über  große  Zeitabschnitte, 
diese  Zusammenhänge  scharf  zu  erfassen  und  womöglich  auf 
eine  mathematische    Formel   zu  bringen. 

Ich  gebe  nun  im  folgenden  eine  kurze  Übersicht  über  die  in  den  letzten 
Jahren  in  der  genannten  Richtung  erzielten  Ergebnisse,  wobei  ich  mich 
hauptsächlich  auf  Bodenheimers  Arbeiten  stütze i). 

Da  die  Insekten  zu  den  wechselwarmen  Tieren  gehören,  so  hängen  alle 
physiologischen  Vorgänge  stark  von  der  Außentemperatur  ab.  Der  Begriff 
Außentemperatur  deckt  sich  aber  (im  Zusammenhang  mit  deren  Einwirkung 
auf  die  Insekten)  durchaus  nicht  immer  und  überall  mit  der  Durchschnitts- 
temperatur eines  Ortes.    Wir  müssen  vielmehr  nach   Friederichs-)  unter- 


1)  Vor  allem  auf  die  ausgezeichnete  Zusammenstellung,  die  Boden  heimer 
in  der  Z.  f.  angew.  Entomologie  (Bd.  XVI,  H.  3)  gibt. 

^)  Friederichs,  K.,  Zur  Epidemiologie  des  Kiefernspanners.  Z.  f.  angew. 
Entomologie.  Bd.  XVI,  1930,  S.  197 — 205.  —  Inzwischen  ist  auch  das  große  zwei- 
bändige   Werk    von    Friederichs    „Grundfragen    der    land-    und    forstwirtschaft- 


5-  Epidemiologie.  55 

scheiden  i.  das  allgemeine  meteorologische  Klima,  2.  das  stand- 
örtliche  Klima  (eines  Waldes,  eines  Berghanges  usw.)  und  3.  das  Kleinklima 
oder  Mikroklima,  d.  i.  das  Klima  eines  Habitat,  einer  einzelnen  Stelle 
am  Standort,  wo  der  Schädling  lebti).  Beachten  wir  diese  Unterscheidung 
nicht,  so  eröffnen  sich  zahlreiche  Fehlerquellen,  während  andererseits  die 
genaue  Beachtung  derselben  viele  bisher  unverständliche  Erscheinungen  un- 
gleichen Auftretens  eines  Schädlings  in  verhältnismäßig  kleinen  Gebieten  uns 
einigermaßen  verständlich  erscheinen  läßt.  „Eine  Spannerraupe  z.B.,  die  sich 
unter  einer  Buche  oder  in  einer  kleinen  Senkung  verpuppt,  befindet  sich  in 
ganz  anderen  physiologischen  Verhältnissen  als  eine  andere,  die  nicht  weit 
davon  unter  oder  in  einer  dicken  Rohhumuslage  ruht.  Denn  nachdem  im 
Frühjahr  die  Buche  sich  belaubt  hat,  fängt  sie  die  Sonnenstrahlen  ab,  deren 
Wärme  für  die  Entwicklung  des  Spanners  zur  Imago  nicht  ohne  Bedeutung 
sein  kann,  zum  mindesten  den  Zeitpunkt  seines  Erscheinens  bestimmen  wird. 
Seine  Nachkommenschaft  erscheint  vermutlich  später  als  die  der  früher 
fliegenden  Spanner,  was  für  ihr  Gedeihen  nicht  unwesentlich  sein  kann"  2). 

Daß  die  Außentemperatur  einen  großen  Einfluß  auf  die  Entwick- 
lungsdauer der  Insekten  hat,  ist  eine  längst  bekannte  Tatsache.  Jeder 
Schmetterlingszüchter  weiß,  daß  bei  höheren  Temperaturen  die  Entwicklung 
schneller  abläuft  als  bei  niederen.  Auch  daß  die  oder  jene  Insektenart  in 
Gebieten  mit  wärmerem  Klima  oder  in  heißen  Jahren  zu  mehr  Generationen 
im  Jahr  gelangen  kann  als  in  kälteren  Gegenden  oder  in  kalten  Jahren,  ist 
jedem  Entomologen  geläufig.  Ich  habe  im  I.  Band  dieses  Werkes  (S.  172 
und  173)  einige  Beispiele  gebracht  und  im  Zusammenhang  damit  auch  den 
folgenden  Satz  Ratzeburgs  erwähnt:  „Schließlich  kommt  hier  alles,  wie 
bei  den  Pflanzen,  auf  die  „Wärmesumme"  in  Boden  und  Luft  an,  welche 
eine  Gattung  und  Art  zu  ihrer  Entwicklung  braucht."  Man  hat  auch  dann 
verschiedentlich  versucht,  die  Wärmesumme  für  einzelne  Schädlinge,  z.  B. 
Borkenkäfer,  festzustellen,  indem  man  einfach  die  Zahl  der  Tage,  die  die 
Entwicklung  braucht,  mit  den  Tagesmitteltemperaturen  multiplizierte'),  — 
ein  Weg,  der  aber  irreführend  war  und  falsche  Schlüsse  ergeben  mußte. 

Erst  durch  Bluncks  verbesserte  Wärmesummenregel*)  ist  eine  Basis 
geschaffen  worden,  auf  der  die  Vergleiche  mehr  Berechtigung  besitzen. 
„B 1  u  n  c  k  geht  von  der  Anschauung  aus,  daß  die  Entwicklung  jeder 
Art  bei  einem  gewissen  Kältegrad  (wohl  richtiger:  Temperaturgrad  —  K.  E.) 
aufhört  ä),  den  er  den  E  n  t  w  i  c  k  1  u  n  g  s  n  u  1 1  p  u  n  k  t  nennt.  Alle  Wärmegrade 
oberhalb  dieses  Entwicklungsnullpunktes  sind  effektive  Wärmegrade, 
und  nur  diese  werden  als  die  maßgebende  Entwicklungswärme  betrachtet. 
Die  effektive  Wärme   erhält  man  durch   Subtraktion  des   EntwicklungsnuU- 


lichen   Zoologie"   erschienen,   in   dem   alle   hier  berührten   epidemiologischen    Fragen 
ausführlich   behandelt   werden,   zum   Teil   allerdings    unter   anderen   Gesichtspunkten. 

1)  Siehe  hierüber  auch:  Geiger,  Das  Klima  der  bodennahen  Luftschicht. 
Braunschweig  1927. 

2)  Nach  Schwerdtf  eger  (Z.  f.  F.  u.  J.  1930)  ist  beim  Kiefernspanner  keine 
Beziehung  zwischen  Temperatur  und  Schlüpf  termin  festzustellen  (siehe  beim 
Spanner). 

3)  Siehe  Bd.  I,  Seite  173. 

*)  Blunck,  H.,  Die  Entwicklung  des  Dytiscus  margitialis  L.  vom  Ei  bis  zur 
Imago.    IL  Teil.  —  Zeit.  wiss.  Zool.  Bd.  121   (1923),  S.  173 — 391. 

5j  Neuerdings,  und  wohl  richtiger,  wird  der  Entwicklungsnullpunkt  als  jene 
Temperatur  definiert,  unterhalb  der  eine  Entwicklung  zum  Vollinsekt 
nicht  mehr  stattfindet. 


56 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Punktes  von  der  absoluten  Außenwärme.  Beträgt  also  die  Außenwärme 
20  0  C,  der  Entwicklungsnullpunkt  der  betreffenden  Art  12 »  C,  so  ist  die 
effektive  Wärme  20O— 12»  =  8»  C.  Das  Produkt  aus  effektiver  Tempe- 
ratur und  Entwicklungsdauer  ist  aber  konstant,  und  die  mathematische  Dar- 
stellung dieser  Abhängigkeit  entspricht  einer  gleichseitigen  Hyperbel 
von  der  Formel: 
Entwicklungsdauer  (Außentemperatur  —  Entwicklungsnullpunkt)  =  konstant. 


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Abb.46A.  Die    Entwicklungstemperaturkurve    von   SitoLroga   cerealel/a   Ul.    (_  Getreide- 
motte).   Entwicklungsnullpunkt  bei  16 0  C.      Nach  Bodenheimer. 

Die  Kurve  kann  gezeichnet  werden,  wenn  die  Entwicklungsdauer  bei  zwei 
verschiedenen,  im  Rahmen  der  biologischen  Grenzen  liegenden  Temperaturen 
bekannt  isf'i).    (Abb.  45.) 

„Die  Hyperbel  gestattet  unter  Berücksichtigung  der  begrenzenden 
Faktoren    die    Berechnung    der    Lebensgeschichte    eines    In- 


1)  Nach  Janisch,  der  sich  seit  Jahren  um  die  mathematische  Behandlung  der 
entwicklungsphysiologischen  Probleme  bemüht  und  sich  besondere  Verdienste  in 
dieser  Hinsicht  erworben  hat,  entspricht  auch  die  ,, verbesserte  Wärmesummenregel" 
den  theoretischen  Anforderungen  nicht,  sondern  bieten  nur  die  Exponentialfunk- 
tionen eine  ausreichende  mathematische  Behandlungsweise. 
Bodenheimer  erkennt  die  grundsätzliche  Bedeutung  der  Exponentialfunktion  an, 
zumal  nach  Anschauung  des  bekannten  Physiologen  P  u  e  1 1  e  r  ,,alle  bisher  in  der 
allgemeinen  und  vergleichenden  Physiologie  bekannten  Gesetzmäßigkeiten  Exponen- 
tialfunktionen seien".  Trotzdem  aber  schlägt  er,  den  praktischen  Bedenken  Mar- 
tinis (Zeit.  f.  ang.  Entom.,  XIV,  273)  folgend,  vor,  vorläufig  mit  der  Hyperbel  als 
Ausdruck  der  Temperaturabhängigkeit  der  Entwicklungsdauer  sich  zu  begnügen.  Von 
den  vielen  Arbeiten  von  Janisch  seien  hier  nur  erwähnt:  Über  die  Temperatur- 
abhängigkeit biologischer  Vorgänge  und  ihre  kurvenmäßige  Analyse.  Pflügers 
Archiv  1925.  —  Das  Exponentialgesetz.  Abhandig.  z.  Theorie  der  organ.  Entwick- 
lung 1927.  —  Die  Lebens-  und  Entwicklungsdauer  der  Insekten  als  Temperatur- 
funktion.   Z.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  132.  — 


5-  Epidemiologie. 


57 


Sektes,  dessen  allgemeine  Temperaturentwicklungskurve  uns  bekannt  ist, 
für  jeden  Ort  mit  bekanntem  Klima  mit  hinlänglicher  Ge- 
nauigkeit"   (Bodenheimer). 

Kennen  wir  dazu  ferner  auch  noch  die  Eizahl  des  betreffen- 
den Insekts,  die  übrigens  je  nach  der  Temperatur  ebenfalls  stark  variieren 
kann,  so  können  wir  ohne  weiteres  die  maximale  Vermehrungs- 
ziffer pro  Jahr  oder  das  „Entwicklungsp  o  t  ential"  berechnen. 
Das  von  Bodenheimer  angegebene  und  hier  aufgeführte  Beispiel,  das 
Entwicklungspotential  des  Weinschwärmers  Chaerocampa  celerio  L.  zeigt, 
welch  ungeheure  Unterschiede  in  der  Vermehrungsziffer  durch  die  Tempe- 
raturdifferenzen bzw.  durch  die  dadurch  bedingten  Schwankungen  in  der 
Entwicklungsdauer  und  dementsprechend  auch  in  der  Generationszahl  her- 
vorgerufen werden  können  i). 


Ort 


Errechnete 
Generationen- 
zahl 


Entwicklungspotential  von 
5   Männchen  und  5   Weib- 
chen im  Verlaufe  eines 
Jahres 


London  

Berlin 

Paris 

Nizza 

Rom 

Neapel 

Jaffa 

Jerusalem 

Tiberias 

Alexandria        

Cairo 

Sierra  Leone 

Kapstadt,  S. -Afrika  .  . 
Wellington,  S. -Afrika  .  . 
Kalkutta,  Indien  .  .  . 
Sidney,  N.  S.  W.  .  .  . 
Coolgardie,  W.  A.  .  .  . 
Honolulu,  Hawai  .  .  . 
Los  Angeles,  Kalifornien 
Fresno,   Kalifornien       .     . 


2 

6  250 

156250 

156250 

3  906  250 

156  250 

61  035  156  250 

97656250 

6 

2  441  406  250 

0 

953774316406250 

2 

6  250 

2 

6  250 

9 

38  150  972  656  250 

3 

156  250 

4 

3  906  250 

8 

I  525878906250 

-2 

6  250—156  250 

4 

3  906  250 

Das  so  festgestellte  Ent^^•icklungspotential  ist  die 
Grundlage  bz aw  der  Ausgangspunkt  jeder  epidemiologischen 
Betrachtung. 

Kennen  wir  das  Entwicklungspotential,  so  können  wir  den  für  die  Er- 
haltung des  Normalbestandes  notwendigen  Vernichtungsquotienten, 
d.  h.  diejenige  Zahl,  welche  angibt,  welcher  Anteil  der  Nachkommenschaft 
einer  Generation  normalerweise  ausgemerzt  werden  muß,  um  den  Bestand 
auf  gleicher  Höhe  zu  halten,  errechnen.  Bremer  (1928)2)  ermittelte  hierfür 
folgende  Formel: 

1)  Dieser  Berechnung  liegt  allerdings  die  Annahme  zugrunde,  daß  die  von 
einem  Weibchen  einer  jeden  Generation  produzierte  Eizahl  konstant  und  unabhängig 
von  den  jeweils  herrschenden  Temperaturverhältnissen  ist,  was  aber,  wie  ja  oben 
bereits  angedeutet,  durchaus  nicht  zutrifft.  Nach  unseren  Erfahrungen  ist  die  Ei- 
zahl  sehr   großen   Schwankungen   unterworfen. 

-)  Bremer,  Grundsätzliches  über  den  Massenwechsel  von  Insekten.  —  Z.  f. 
ang.  Ent.   1928. 


58  I-  Allgemeiner  Teil. 

loo    (a — b) 
loo  q  = 

wobei  a  die  durchschnittliche  Eizahl  und  b  den  reziproken  Wert  des  An- 
teiles der  CO  am  Gesamtbestand  der  zur  Fortpflanzung  gelangenden  Eltern- 
tiere bedeutet.  Bei  der  Rübenfliege  z.  B.  mit  einer  durchschnittlichen  Ei- 
produktion   von    50   beträgt   danach   also    der   normale   Vernichtungsquotient 

— =  q6oo,  d.  h.  es  müssen  960/0  der  Nachkommenschaft  einer  Gene- 

ration  den  ökologischen  Begrenzungsfaktoren  erliegen,  wenn  der  Bestand  sich 
nicht  vermehren  soll. 

Bei  einem  Insekt  mit  mehreren  Generationen  ist  der  normale  Vernich- 
tungsquotient (in  0/0  des  Entwicklungspotentials) 

(ac  — b<^)  100 

100  qc= ^ — 

Im  oben  durchgeführten  Beispiel  von  der  Rübenfliege  (50  Eier  je  o) 
würde  das  für  3  Generationen,  'die  sie  bei  uns  gewöhnlich  hat,  bedeuten,  daß 

f^O'* — 2^)  100 
im  Jahr  — =  99,990/0   der  Nachkommenschaft  von  eigener   Fort- 
pflanzung  jährlich   ausgemerzt   werden   muß,   wenn   der   Bestand   sich   nicht 
mehren  soll. 

Ähnlich  hohe  Werte  berechnete  Blunck  (1929)1)  für  die  Saateule, 
Agrotis  segetiim  Schiff.,  (bei  1500  Eiern  und  i  Generation)  mit  99,90/0,  für 
den  Rapsglanzkäfer,  Meligethes  aeneus  F.,  (bei  400  Eiern  und  i  Generation) 
mit  etwa  99,50/0,  für  den  Kohlweißling,  Pieris  brassicae  L.,  (bei  200  Eiern 
und  2  Generationen)  mit  99,990/0,  für  die  Nonne,  Ly7nantria  mofiacha  L.,  (bei 
250  Eiern  und  i  Generation)  mit  99,20/0,  und  selbst  beim  Maikäfer,  Melo- 
lontha  vulgaris  F.,  bei  24  Eiern  je  o  in  4  Jahren  etwa  92  0/0  (in  i  Jahr 
etwa  230/0). 

Wie  schon  aus  diesen  Beispielen  ersichtlich,  liegt  der  Vernichtungs- 
quotient um  so  niedriger,  je  kleiner  die  Nachkommenzahl  und 
je  länger  die  Ent\\'icklungsdauer  ist,  und  umgekehrt,  um  so 
höher,  je  größer  die  Nachkommenzahl  und  je  geringer  die 
Entwicklungsdauer  ist,  aber  selbst  beim  Maikäfer  mit  der  geringen 
Eizahl  (24)  beträgt  er,  bezogen  auf  die  Generation,  immer  noch  über  900/0 
der  Nachkommenschaft  2). 

Jedes  Absinken  des  Vernichtungsquotienten  unter  die 
Normalzahl  bedeutet  ein  naturgemäßes  Ansteigen  der 
S  c  h  ä  d  1  i  n  g  s  z  i  f  f  e  r  und  somit  eventuell  die  Einleitung  einer 
Kalamität. 

Welche  ökologischen  Begrcnzungsfaktorcn  sind  es  nun,  die  diesen  Ver- 
nichtungsquotienten zusammensetzen?  Dies  zu  ermitteln,  ist  die  Haupt- 
aufgabe der  epidemiologischen  Forschung. 

Nach  der  heutigen  Auffassung  kommen  hierfür,  wie  oben  betont,  weit 
mehr  die  abiotischen  als  die  biotischen   Faktoren  in  Betracht.    Immer  mehr 


1)  Blunck,  H.,  Die  Erforschung  epidemischer  Pflanzenkrankheiten  auf  Grund 
der  Arbeiten  über  die  Rübenfliege.  —  Z.  f.  Pflanzenkrankheiten  u.  Pflanzenschutz. 
39.  Jrg.,  1928.  (In  dieser  Arbeit  ist  ein  ausführliches  Schriftenverzeichnis  z.  Epide- 
miologie der   Insektengradationen  gegeben. ) 

2)  Schon  ,, darin  liegt  eine  Warnung  vor  der  Überschätzung  der  seuchen- 
dämpfenden Wirkung  an  sich  hoher  Vernichtungquotienten  einzelner  Begrenzungs- 
faktoren", wie   z.  B.   der  Parasiten   (Blunck). 


5-  Epidemiolog 


59 


Mittlere  relative  Feuchtigkeit 

10      20      30      W       50      60       70      80     90      100 


Abb.  46  B.    Graphische  Darstellung  des  Verhaltens  des  Bauniwollkapselkäfers  gegen- 
über   verschiedenen    Kombinationen    von    Temperatur    und    Luftfeuchtigkeit.      Nach 
Pierce    (aus    Friederichs  j. 


60 


I.  Allgemeiner  Teil. 


bricht  sich  heute  die  Anschauung  Bahn,  daß  es  vor  allem  klimatische 
Einflüsse  sind,  die  die  Sterblichkeit  oder  Mortalität  be- 
stimmen. Eine  Menge  von  Versuchen  in  multiplen  Thermostaten  über  Ein- 
wirkung verschiedener  Kombinationen  von  Temperatur  und  relativer  Luft- 
feuchtigkeit auf  das  Insektenleben  und  von  Beobachtungen  im  Freien,  die  in 
den  letzten  Jahren  von  verschiedenen  Seiten  gemacht  wurden,  sind  geeignet, 
diese  Anschauung  zu  unterstützen. 

Wie  lassen  sich  nun  die  beiden  an  der  Dezimierung  der  Nachkommen- 
schaft am  wirksamsten  beteiligten  Faktoren,  Temperatur  und  Luftfeuchtig- 
keit, am  besten  graphisch  darstellen?  Das  Diagramm  muß  eine  Kombination 
der  beiden  Faktoren  enthalten.  Bereits  1916  hat  Pierce^)  ein  solches 
Diagramm  errichtet,  und  zwar  für  die  Einwirkung  der  verschiedenen  Kombi- 
nationen von  Temperatur  und  Luftfeuchtigkeit  auf  die  Entwicklungsdauer 
des  Baumwollkapselkäfers  (A^ithonomus  grandis  Boh.).  Der  allgemeinen  Be- 
deutung wegen  gebe  ich  dasselbe  hier  (Abb.  46  B)  wieder  (und  zwar  in  der  von 
Friederichs  vereinfachten  Form):  Wir  sehen  hier  die  klimatischen  Zonen  in 

konzentrischen  Ellipsen  um  das  ex- 
perimentell ermittelte  Entwicklungs- 
daueroptimum von  83  0  F  und  650/0 
relative  Luftfeuchtigkeit  angeordnet. 
Die  Ordinate  dieses  Diagramms  gibt 
die  Darstellung  für  die  Temperatur, 
die  Abszisse  die  für  die  Luftfeuch- 
tigkeit. Den  inneren  Entwicklungs- 
zonen folgt  die  Starrzone  (stupor- 
zone),  die  Schlafzone  (dormancy- 
zone)  und  endlich  die  absolut  töd- 
liche Zone  (zone  of  absolute  fata- 
lity). 

Mit  entsprechenden  Diagrammen 
sucht  nun  Boden  heimer  in  seiner 
eingangs  erwähnten  Arbeit  (1928)  den 
Einfluß  der  beiden  Hauptklimafak- 
toren (Temperatur  und  Luftfeuchtig- 
keit) auf  die  Höhe  der  Mortalität 
darzustellen  (Abb.  46 C).  Nach  Bo- 
denheimer  hat  jede  Insektenart 
ihr  vitales  Optimum.  „Dies  ist  die 
Kombination  einer  bestimmten  Tem- 
peratur und  Luftfeuchtigkeit,  beider 
die  Individuen  einer  Insektenart 
unter  sonst  gleichen  Bedingungen 
eine  maximale  Lebensdauer  erreichen. 
Bei  jeder  anderen  Kombination  herrscht  eine  kürzere  Lebensdauer,  die  um  so 
kürzer  ist,  je  größer  der  Abstand  der  betreffenden  Temperatur/Luftfeuchtig- 
keitskombination von  der  des  vitalen  Optimums  ist.  Die  Linien  gleicher 
Sterblichkeit  umgeben  das  vitale  Optimum  in  der  Form  von  Ellipsen." 


Abb.  46  C.  Schema  der  Verteilung  eines 
vitalen  Optimums,  wobei  O  das  Opti- 
mum, die  Ellipsen  die  Grenze  der 
100 0/0 igen  Sterblichkeit  nach  verschieden 
langem  Aufenthalt  in  den  betreffenden 
Kombinationen  von  Temperatur  (Ab- 
szisse) und  Luftfeuchtigkeit  (Ordinate) 
bedeuten.    Aus   Bodenheimer. 


ij   Pierce,   W.  D.,   A   new  Interpretation  of  the   relationships   of   Temperature 
and  Humidity  to  Insect  Development.  —  Journ.  Agr.  Res.  Bd.  V,  1916,  S.  1183— 1191. 


5-  Epidemiologie. 


61 


Boden  heim  er  hat  vor  kurzem-)  eingehende  Studien  über  die  Eier- 
sterblichkeit der  afrikanischen  Wanderheuschrecke  (Schistocerca  gregraria 
Forsk.)  gemacht,  deren  Eier  nur  in  einem  verhältnismäßig  engbegrenzten 
Bereich  zur  Entwicklung  gelangen,  wobei  das  vitale  Optimum  bei  30*^  C  und 
looo/o  relativer  Luftfeuchtigkeit  liegt  (Abb.  46 D).  Die  absolute  Grenze, 
außerhalb  deren  kein  Ei  mehr  zum  Schlüpfen  gelangt,  liegt  bei  den  jüngeren 
Entwicklungsstadien  zwischen  80  und  60  0/0  relativer  Luftfeuchtigkeit  und 
20  und  39*^  C. 

Shelford  hat  für  die  Puppe  der  Apfelmade  (Carpocapsa  po?nonella 
L.)  äußerst  exakte  Untersuchungen  über  deren  Temperatur-  und  Luftfeuch- 
tigkeitsbedingungen angestellt  (siehe  Bodenheim  er,  1930),  Janisch 
ebensolche  für  den  ägyptischen  Baumwollwurm  (Prode/iia  littoralis  Boisd.) 
und  für  die  Kieferneule  ist  eben  Zwölfer  im  hiesigen  Institut  mit  gleichen 
Untersuchungen  beschäftigt. 


20VoRLrF 


Abb.  46  D.     Einfluß    der    Temperatur    und    Luftfeuchtigkeit    auf    die    Mortalität    der 

Eier  der   afrikanischen   Wanderheuschrecke   in   späteren   Entwicklungsstadien   (in    o'o 

der  schlüpfenden  Eier).   (Aus  B  o  d  e  n  h  e  im  e  r.) 

Es  ist  dies  natürlich  ein  sehr  mühsamer  Weg,  zumal  für  jedes  Ent- 
wicklungsstadium ein  besonderes  Diagramm  errichtet  werden  müßte.  xAller- 
dings  wird  für  die  Praxis  der  Weg  häufig  insofern  abgekürzt  werden  können, 
als  es  meist  genügen  wird,  nur  für  die  empfindlichsten  Entwicklungsstadien 
(in  der  Regel  Ei-  und  erstes  Larvenstadium)  Diagramme  zu  errichten. 

Haben  wir  nun  für  einen  Schädling  und  ein  bestimmtes  Gebiet 

1.  das  Entwicklungspotential  durch  die  xAnwendung  der  Blunck  sehen 
Wärmesummenregel  eruiert  und 

2.  das     Mortalitätsdiagramm     für     die     empfindlichsten     Entwicklungs- 
stadien errichtet. 


2)  Bodenheimer,  Fr.,  Studien  z.  Epidemiologie,  Ökologie  und  Physiologie 
der  afrikanischen  Wanderheuschrecke  (Sc/iislocerca  s.reoaria  Forsk.).  —  Zeit.  f.  ang. 
Ent.  XV.  1929. 


62 


I.  Allgemeiner  Teil. 


so  sind  wir  —  besteht  die  Auffassung  von  dem  Primat  der  klimatischen  Ein- 
flüsse zu  Recht  —  in  den  Stand  gesetzt  (natürlich  unter  Berücksichtigung  des 
Mikroklimas)  i)  „den  genauen  Verlauf  jeder  Massenbewegung  analytisch  und 
prognostisch  zu  erfassen".  „Damit  wird  dann  auch  die  Lehre  von  den  Gra- 
dationen der  Schadinsekten  zu  einer  theoretisch  begründeten  und  praktisch 
verwertbaren  Wissenschaft  geworden  sein"   (Bodenheimer,   1926). 

Die  große  Bedeutung  der  klimatischen  Verhältnisse  für  die  Vermeh- 
rung der  verschiedenen  Schädlinge  läßt  sich  auch  dadurch  deutlich  machen, 
daß  man  das  geographische  Vorkommen  derselben  kartographisch  festlegt, 
und  zwar  nach  den  von  Cook  und  Bremer  vorgeschlagenen  Zonen. 
Letzterer  unterscheidet 

1.  das  gesamte  Verbreitungsgebiet  der  betreffenden  Art, 

2.  das   Massenwech seigebiet,  in  dem  wohl  Gradationen  von  Zeit 
zu  Zeit  vorkommen  können,  und 


__.     yerbreitungsgebiet 
lÜH]    MaisePi^erbreiiungsgebiet 
Gebiet  der  Daueröchädigungen 


i/on  Pegomyia  hyoscyami  Pz. 


Abb.  47  A.   Verbreitungskarte  der  Rübenfliege  nach  der  Bremerschen  Einteilung  (ge- 
samtes  Verbreitungsgebiet,    Massenwechselgebiet    und   Gebiet   der   Dauerschädigung). 

Nach     Bremer. 


3.  das  Gebiet  der  Dauerschädigungen,  in  dem  sich  die  Massen- 
vermehrungen ständig  auf  einer  wirtschaftlich  schädlichen  Höhe 
halten  (s.  Abb.  47  A). 
Bringt  man  diese  Unterschiede  im  Vorkommen  mit  den  Unterschieden  in 
den  klimatischen  Verhältnissen  in  Beziehung,  so  wird  man  häufig  jede  dieser 
Zonen  von  bestimmten  Isothermen  und  Isohypsen  begrenzt  finden 2).  Im  spe- 
ziellen Teil  dieses  Bandes  werden  für  verschiedene  Großschädlinge  Grada- 


1)  Es  wird  anzustreben  sein,  durch  eingehende  Untersuchungen  bzw.  zahlreiche 
Messungen  der  klimatischen  Verhältnisse  in  unseren  Wäldern  die  Beziehungen  zwi- 
schen Makro-  und  Mikroklima  derart  festzustellen,  daß  wir  letzteres  aus  ersterem 
wenigstens  annähernd  ableiten  können. 

-j   Vergl.  auch  Schnauer,  W.,  Zeit.  f.   ang.   Entom.    Bd.  XV,    1929. 


5-  Epidemiologie. 


63 


tionskarten  gegeben,  die  solche  klimatische  Begrenzungen  erkennen  lassen. 
Noch  deutlicher  kommen  diese  Verhältnisse  durch  Vergleich  der  Verbreitung 
mit  den  Kli mogrammen  zum  Ausdruck,  wie  sie  von  Cook  in  die  Ento- 
mologie eingeführt  wurden  (Abb.  47  B).  Übrigens  haben  bereits  Zeder- 
bauer,  Zweigelt  u.  a.  und  verschiedene  meiner  Mitarbeiter  (F.  Eck- 
stein, Berwig)  auf  die  Beziehungen  zwischen  Massenvermehrungsgebieten 
und  bestimmten  klimatischen  Bezirken  hingewiesen. 

Ganz  eindeutig  ergeben  sich  diese  ferner  aus  den  neuesten  Forschungen 
Knochesi)  über  die  Abhängigkeit  der  Mortalität  der  Nonneneier  vom 
Klima  bzw.  von  der  Erhebung  der  einzelnen  Gebiete  über  den  Meeres- 
spiegel; 


Erhebung  über  den  Meeresspiegel 
Juli-Durchschnittstemperatur     .     . 
Mortalität  (7o  der  nicht  ge- 
schlüpften Eier) 


100 
18,5 


300 

17,7 


400 


500 

15-9 


700 
•4,7 


900   m 
13,600 


14  7o    21  7o    28  7„    42  7o    93  7o    ioo7„    .007, 


-t 

i 

i 

\i 

W 

IV 

8 

k- 



10 

\i 

7  6'^ 

5 

_^ 

11 

f\\ 

u 

3 

-^ 

■^ 

^ 

\ 

> 

\ 

77 

{ 

\ 

\ 

! 

\ 

\ 

o 

-2 

0      10     20     30    '^  0      70     20    30     W    SO    60     70    SO    90 

Miederschlag  in  yn  m 
Salt-  laife  City,  Ul-air  San  Franasco,  California 

Abb.  47  B.    Klimogramme  nach   Cook.    Die   Durchschnittswerte  der  Monate  sind  mit 
I  — 12   bezeichnet.       Aus   Bremer. 


Wir  ersehen  hieraus  ohne  weiteres,  warum  in  Höhenlagen  über 
6 — 700  m  Nonnenkalamitäten  nicht  mehr  zustande  kommen  können. 

Werden  derartige  Untersuchungen  weiter  fortgesetzt  und  auf  andere 
Forstschädlinge  ausgedehnt,  so  wird  uns  manches  über  die  örtliche  Begrenzt- 
heit der  Kalamitäten  verständlich  werden,  was  wir  bisher  nur  rein  empirisch 
als  Tatsache  feststellen  konnten. 

Daß  auch  die   Beendigung  von  Kalamitäten   (die   Krisis)   durch 


1)    Knoche,    E.,    Schädling,    Klima    und    Bekämpfung. 
Anst.   Bd.  XVI.    1929. 


Arb.    Biol.    Reichs- 


64  I.  Allgemeiner  Teil. 

klimatische  Einflüsse  verursacht  werden  kann,  steht  außer  Zweifel.  So 
konnte  ich  selbst  beobachten,  wie  im  Jahre  192 1  eine  bedenklich  ansetzende 
Nonnenkalamität  in  der  Oberpfalz  durch  die  große  Hitze  und  Trockenheit 
coupiert  wurde.  Millionen  von  eingetrockneten  Raupen  bedeckten  den  Boden, 
während  die  Kronen  völlig  raupenfrei  waren i).  Es  konnte  keinerlei  Krank- 
heit festgestellt  werden,  so  daß  nur  die  Trockenheit  für  das  Massensterben 
verantwortlich  gemacht  werden  konnte.  Auch  die  letzten  Spannerkalamitäten 
in  Bayern  brachen  vielfach  zusammen,  ohne  daß  ein  hoher  Parasitenstand 
oder  bestimmte  Krankheiten  beobachtet  werden  konnten. 

Ähnliches  beobachtete  Sachtleben-)  bei  einer  der  letzten  Eulenkala- 
mitäten, was  Bodenheimer  wie  folgt  zusammenfaßt:  ,,Ein  Probesammeln 
im  Zossener  Kiefernforst  im  Frühjahr  1925  ergab  auf  860  qm  (33  Probe- 
flächen): Von  7583  P(7nol/s -Fuppen  waren  5230  gesund,  1070  tot  und  1283 
parasitiert,  außerdem  fanden  sich  2249  Tönnchen  von  Eniestia  und  11 44  Ko- 
kons von  Banchus  und  37  von  Enicospilus." 

„Die  Prognose,  umgerechnet  pro  Kiefernstamm,  lautete:  pro  Stamm 
17,4  /^«/?<5'//i--Falter  =  8  Männchen  und  8  Weibchen  ä  500  Eier3)  =  4ooo  Eier 
—  800  Trichograrmna  (1/5)  —  800  sonst  nicht  schlüpfende  (1/5)  =  2400  Eier 
pro  Stamm.  Probezählungen  der  Eier  IV/V  ergaben  nur  250  Eier  pro  Stamm. 

„250  —  je  20 0/0  trichogrammierte  und  taube  Eier.  Prognose:  150  Raupen 
pro  Stamm.  Probezählungen  ergaben  aber  nur  8,4  Raupen  pro  Stamm  im 
Juni  und  1,1   Raupen  im  Juli. 

„Probezuchten  ergaben,  daß  von  463  A?/'/(?//j'- Raupen  82  starben.  20  sich 
verpuppten  und  361   parasitiert  waren. 

,, Resultat:  Die  tatsächliche  Eiablage  betrug  nur  i/^^j  der  vorhergesehenen. 
Von  den  tatsächlichen  250  Eiern  pro  Baum  gelangten  nur  8,4  in  ein  Raupen- 
stadium, nur  1,1  in  ein  fortgeschrittenes  Raupenstadium.  Die  großen  Raupen 
wurden  zu  78,90/0  parasitiert  (4,40/0  verpuppt,  17,70/0  tot).  Von  der  Gesamtzahl 
von  250  Eiern  waren  50  (T richo gramma')  und  8  (als  Raupe)  =  insgesamt 
23,30/0  parasitiert.  Ein  großer  Prozentsatz  der  50  trichogrammierten  Eier 
wäre  aber  i.  sonst  auch  als  Ei  vernichtet  worden  (mindestens  200/0),  2.  als 
I.  oder  2.  Raupenstadium  gestorben,  so  daß  die  tatsächlich  epidemiologisch 
belangreiche  Parasitierung  weit  geringer  zu  veranschlagen  ist. 

„Eine  Nachrechnung  ergibt,"  schreibt  Bodenheimer,  ,,daß  aus 
1000  Eiern  nur  10  Falter  schlüpften.  Bei  Anbringung  der  erforderlichen 
Korrekturen  bezüglich  derjenigen  trichogrammisierten  Eier,  die  der  späteren 
Mortalität  sowieso  zum  Opfer  gefallen  wären  und  die  daher  als  epidemiolo- 
gisch belanglos  ausgeschaltet  werden  müssen,  wurden  2 0/0  der  Eier,  60/0  der 
Raupen  und  17  0/0  der  Puppen  parasitiert  oder,  auf  die  ursprüngliche  Eizahl 
bezogen,   5,30/0    der   Gesamtzahl.    Diese   5,30/0   stellen  den   epidemiologischen 

1)  Bremer  spricht  in  solchen  Fällen  vom  Eintritt  außergewöhnlicher  klima- 
tischer Verhältnisse,  die  „ohne  erkennbare  wesentliche  Verknüpfung  mit  den  durch- 
schnittlichen ökologischen  Begrenzungsfaktoren"  stehen  (ungewöhnliche  Dürre,  Platz- 
regen, orkanartige  Winde),  als  „Schicksale".  Er  kommt  so  zu  einer  Einteilung 
in  ständige  und  gelegentliche  Begrenzungsfaktoren,  deren  Grenzen  allerdings 
fließend  seien.  „Das  Gebiet  der  ständigen  Faktoren  wird  sich  immer  mehr  er- 
weitern, je  genauer  wir  den  ökologischen  Bedingungskomple.x  einer  Art  kennen 
lernen." 

2)  Sacht  leben,  H.,  Die  Forleule  Panolis  flammea  Schiff.  —  Monograph. 
z.  Pflanzenschutz   Nr.  3.   —  Berlin   1929. 

3)  Die  Zahl  ist  erheblich  zu  hoch  gegriffen,  wie  Sachtleben  selbst  später 
mitteilt. 


5-  Epidemiologie.  65 

Anteil  der  Parasitengesamtwirkung  an  der  \^erminderung  der  Entwicklungs- 
potenzen dar,  während  ohne  Berücksichtigung  der  Parasiten  die  Verminde- 
rung durch  klimatische    Faktoren  93,70/0   ergibt"  i). 

Das  von  mir  im  I.  Band  dieses  Werkes  gegebene  Bild  von  der 
640'oigen  Parasitierung  der  Kieferneule  (Abb.  188,  Seite  242)  ist  insofern 
irreführend,  als  dieselbe  ohne  weiteres  dem  Gesamtvernichtungsquotienten 
gleichgesetzt  wird,  während  die  640/0  sich  nur  auf  einen  Ausschnitt  aus  der 
Gesamtentwicklung  einer  Generation  beziehen.  Den  gleichen  Fehler  machten 
alle  früheren  Autoren.  Wir  übersahen  eben,  daß  die  Eizahl  nicht  ohne 
weiteres  der  Zahl  der  erwachsenen  Raupen  mehr  oder  weniger  gleichgesetzt 
werden  darf,  während  wir  nach  dem,  was  wir  oben  von  der  hohen  Sterb- 
lichkeit der  ersten  Entwicklungsstadien  im  allgemeinen  und  von  der  Eule  im 
speziellen  gehört  haben,  annehmen  müssen,  daß  die  Eizahl  die  Zahl  der 
erwachsenen  Raupen  um  ein  Vielfaches  übertrifft-). 


Ich  habe  hier  mit  einigen  Strichen  die  wesentlichsten  Gedankengänge 
Bodenheime  rs,  als  des  aktivsten  \"ertreters  der  „klimatischen  Richtung" 
der  Epidemiologie,  wiedergegeben.  Zweifellos  hat  die  neue  Richtung  in  der 
kurzen  Zeit  ihres  Bestehens  die  epidemiologische  Einsicht  bezüglich  der  In- 
sektengradationen mächtig  gefördert,  und  ich  hege  die  größten  Hoffnungen, 
daß  durch  die  vielen  Arbeiten,  die  gegenwärtig  im  Gang  sind,  die  Lehre  der 
Insektengradationen  ein  festeres   Fundament  erhält,  als  sie  es  heute  besitzt. 

Andererseits  werden,  je  mehr  Objekte  wir  untersuchen,  sicherlich  auch 
die  Fälle  zunehmen,  bei  denen  auch  andere  ökologische  Begrenzungsfak- 
toren einen  wesentlichen,  die  klimatischen  Faktoren  vielleicht  übertreffenden 
Einfluß  auf  die  Regulierung  annehmen.  Ich  erinnere  an  die  Borkenkäfer  und 
andere  sekundäre  Schädlinge.  Das  Klima  hat  auf  die  Vermehrung  der 
Borkenkäfer  (wenigstens  auf  die  „Beeinflußbaren",  siehe  Bd.  I,  S.  174)  wohl 


1)  Daß  bei  den  Gradationskrisen  auch  uns  unbekannte  innere  Degenerations- 
erscheinungen mitspielen,  ist  möglich.  Die  geringe  Eizahl,  die  die  Eulenweibchen 
am  Ende  der  Gradationsperiode  produzierten,  spricht  jedenfalls  für  eine  solche 
konstitutionelle    Schwächung. 

2)  Das  Problem  des  für  die  Beendigung  der  Kalamitäten  in  Frage 
kommenden  Ursachenkomplexes  scheint  mir  noch  schwieriger  zu  sein  als  die  Er- 
forschung der  die  Gradation  auslösenden  Faktoren,  und  es  sind  auch  darüber  im 
Sinne  der  klimatischen  Richtung  der  Epidemiologie  bis  jetzt  noch  kaum  viele  greif- 
bare Feststellungen  gemacht.  Übrigens  sei  hier  ausdrücklich  darauf  hingewiesen,  daß 
Bodenheimer  den  Parasiten  durchaus  nicht  etwa  jeden  regulierenden  Wert  ab- 
spricht: ,,\Vas  die  Parasiten  betrifft,"  schreibt  Bodenheimer  in  seiner  anfangs 
zitierten  Arbeit  (1928),  so  bleibt  deren  tatsächliche  Bedeutung  voll  erhalten.  Es 
war  zunächst  von  theoretischem  Interesse,  festzustellen,  daß  die  10,  20,  30,  ....  So^'o 
Parasitierung,  mit  der  wir  bisher  rechneten,  unter  Bezugnahme  auf  die  Gesamtnach- 
kommenschaft einen  viel,  viel  kleineren  Prozentsatz  ausmacht.  Daß  die  eben  er- 
wähnten Prozentsätze  der  Parasitierung  der  tatsächlich  Überlebenden  entsprechen, 
wird  nun  von  Bedeutung.  Die  tatsächliche  Parasitierungszahl  genügt,  um  vielen 
„Schaden"  zu  verhüten,  den  die  Phytophagen  sonst  an  Kulturgewächsen  aller  Art 
angerichtet  hätten.  Es  ist  hier  durchaus  nicht  nebensächlich,  ob  die  tatsächliche 
Individuenzahl  eines  „Schädlings"  bei  durchschnittlich  5oOoigem  Parasitenbefall  um 
die  Hälfte  reduziert  wird.  In  der  Zunahme  der  Parasitenzahl  bei  längerer  Andauer 
der  Übervermehrung  eines  Phytophagen  haben  wir  ebenso  wie  in  der  in  vielen  Fällen 
beobachteten  verminderten  Resistenz  des  in  Vermehrung  befindlichen  Schädlings 
(Herabsetzung  der  Eizahl,  erhöhte  Mortalität  unter  gleichen  Bedingungen)  durch- 
aus eine  Bremsvorrichtung  der  Natur  zu  erblicken,  allerdings  eine  Bremsvorrichtimg 
sekundärer  Art. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  5 


66  I.  Allgemeiner  Teil. 

einen  deutlichen  Einfluß,  indem  z.  B.  die  Generationenzahl  durch  warme 
Witterung  vermehrt  werden  kann  { I ps  typographus!').  oder  indem  bei  gün- 
stigem Schwarmwetter  mehr  Weibchen  zur  Eiablage  kommen  als  bei  naß- 
kaltem usw.,  doch  Massenvermehrungen,  die  zu  wirtschaftlichen  Schäden 
führen,  können  nur  dort  entstehen,  wo  genügend  geeignetes  Brutmaterial  (im 
Saftstrom  geschwächte  Bäume!)  vorhanden  ist.  Fehlt  dieses,  so  werden  auch 
die  günstigsten  klimatischen  Bedingungen  keine  Gradation  in  Gang  bringen 
können,  und  so  ist  es  also  hier  vor  allem  die  vorhandene  Nahrungs- 
menge, die  die  Vermehrungsgröße  bestimmt. 

Ferner  sei  auf  jene  Schädlinge  hingewiesen,  die  nur  wenig  Parasiten 
besitzen.  Bodenheimer  meint  zwar,  daß  bei  diesen  der  Massenwechsel 
nach  den  gleichen  Gesetzen  verläuft  wie  bei  den  parasitenreichen  Insekten. 
Dies  ist  meines  Wissens  noch  nicht  bewiesen;  andererseits  können  wir  aber 
auf  Fälle  hinweisen,  die  für  eine  gegenteilige  Anschauung  zu  sprechen 
scheinen.  Ich  denke  dabei  z.  B.  an  die  Fichtenblattwespe,  Nematiis  abietinum 
Htg.,  die  nur  sehr  wenig  unter  Parasiten  zu  leiden  hat  und  die  im  Naunhofer 
Wald  (bei  Leipzig)  seit  Dezennien,  seitdem  der  Grundwasserspiegel  künstlich 
gesenkt  wurde,  zu  einem  Dauerschädling  geworden  ist.  Es  gibt  zwar  graduelle 
Schwankungen  im  Massenauftreten,  die,  wie  es  scheint,  in  der  Hauptsache 
mit  der  Menge  der  Niederschläge  zusammenhängen,  doch  gingen  diese  seit 
jener  Zeit  in  keinem  Jahr  bis  zu  einem  wirtschaftlich  bedeutungslosen  Auf- 
treten zurück.  ,,Mit  dem  Verschwinden  dieses  argen  Waldverderbers  ist  da- 
her unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  leider  nicht  oder  erst  dann  zu 
rechnen,  wenn  es  ihm  gelungen  sein  wird,  die  letzte  Fichte  hier  zum  Ab- 
sterben zu  bringen"  (Sinz).  Liegt  es  hier  nicht  nahe,  kausale  Beziehungen 
zwischen  Dauerkalamität   und   Parasitenmangel  anzunehmen? 

In  diesem  Zusammenhang  sei  auf  die  interessanten  Verhältnisse  des 
Massenwechsels  der  Rübenfliege  hingewiesen,  wie  sie  durch  die  langjährigen 
Untersuchungen  von  Blunck  und  Bremer  aufgedeckt  wurden,  und  die 
uns  „in  einfachster  Form  ein  Zusammenwirken  abiotischer  und  biotischer 
Faktoren  auf  den  Massenwechsel  eines  Insekts  zeigen  und  überdies  veran- 
schaulichen, wie  ein  dem  Schädling  an  und  für  sich  günstiges  Moment  sich 
in  das  Gegenteil  verkehren  kann,  wenn  es  gleichzeitig  die  Stoßkraft  eines  ihm 
abträglichen  Faktors  verstärkt".  ,,Die  Entwicklungsgeschwindigkeit  der 
Rübenfliege  steigt  mit  der  Temperatur.  Sie  bringt  es  in  Schweden  oft  nur 
auf  2,  bei  uns  aber  bis  auf  4  Generationen.  Wärme  ist  ihrem  Gedeihen  also 
an  sich  förderlich.  Trotzdem  liegt  das  Gebiet  der  Massen-  und 
Dauerschädigung  bei  und  in  den  Rübenbaugebieten  mit 
relativ  niedriger  Temperatur."  ,,Wir  standen  vor  einem  Rätsel," 
schreibt  Blunck,  „bis  wir  feststellten,  daß  die  in  Deutschland  häufigsten 
Parasiten  der  Rübenfliege  wärmebedürftiger  sind  als  ihr  Wirt.  Nur  bei 
höherer  Temperatur,  d.  h.  etwa  bei  18 — 20  0  Durchschnittstemperatur  können 
sie  in  der  Entwicklungsgeschwindigkeit  mit  der  Fliege  Schritt  halten.  Bei 
kühler  Witterung  schlüpfen  die  Wespen  erst,  wenn  die  von  ihnen  zu  be- 
legenden Fliegenlarven  schon  zur  Verpuppung  in  die  Erde  gegangen  sind. 
Ihr  Stoß  trifft  ins  Leere.  Kühle  Jahre  müssen  sich  danach  in  verstärkter  Ten- 
denz zur  Massenvermehrung  der  Rübenfliege  auswirken.  Im  Einklang  mit 
dieser  Folgerung  sehen  wir  in  der  Tat  die  Rübenfliegenjahre  nach  Sommern 
mit  unternormaler  Temperatur  einsetzen"  (und  nicht  nach  solchen  mit  über- 
normaler  Temperatur,   wie   man   a  priori   annehmen   sollte,    da    eben   warme 


5-  Epidemiologie.  67 

Jahre  die  Wirksamkeit  der  Parasiten  steigern).  „Tatsächlich  brachte  1925  als 
das  erste  (warme)  Normaljahr  nach  einer  längeren  kühlen  Periode  in  Pom- 
mern bereits  wieder  einen  Parasitenbefall  von  über  900/0,  und  im  Jahre  1926 
ging  die  Kalamität  dort  stark  zurück,  um  1927  vollständig  zu  erlöschen." 

Wir  sehen  aus  dieser  Feststellung,  daß  bei  der  Rübenfliege  im  Spiel 
der  regulierenden  Kräfte  die  Parasiten  einen  sehr  wesentlichen 
Faktor  ausmachen. 

Zum  Schluß  sei  noch  folgendes  fingierte  Beispiel  zur  Überlegung  angeführt : 

Es  handelt  sich  um  zwei  Kiefernwälder.  Der  Wald  A  trostlos,  schlech- 
teste Bonität,  kaum  Unterwuchs,  kaum  eine  Bodenflora,  außer  vielleicht 
Hungermoos  —  der  andere  Wald  B  im  besten  Wuchs,  erstklassiger  Boden, 
reicher  Unterwuchs,  reiche  Bodenflora.  Der  erste  Wald  extrem  faunenarm, 
kaum  irgendwelches  Tierleben  zu  entdecken  —  der  zweite  faunenreich,  zahl- 
reiche Insektenarten  und  -individuen  auf  der  Hauptholzart,  dem  Untervvuchs 
und  der  Bodenflora,  ein  reiches  Vogelleben  usw. 

Durch  Eintritt  optimaler,  klimatischer  Verhältnisse  wird  die  Mortalität 
eines  Schädlings  im  Wald  A  herabgesetzt  und  damit  eine  Gradation  ein- 
geleitet. Das  gleiche  tritt  (vielleicht  in  einem  andern  Jahr)  im  W^ald  B  ein, 
und  zwar  in  völlig  gleichem  Ausmaß.  Was  wird  nun  in  den  beiden  Wäldern 
geschehen?  Man  kann  wohl  annehmen,  daß  die  überzähligen  Nachkommen 
im  Wald  A  sich  in  größerer  Zahl  werden  behaupten  bzw.  in  die  nächste 
Generation  werden  eintreten  können  als  im  Wald  B,  da  im  ersteren  die  Ab- 
gänge durch  die  biotischen  Faktoren  weit  geringer  sein  werden  als  im 
Wald  B,  wo  ein  großes  Heer  von  Feinden  und  Parasiten  bereitsteht,  über  sie 
herzufallen.  Mit  anderen  Worten:  Im  tierarmen  Wald  A  haben  die  Schäd- 
linge einen  starken  Vorsprung  vor  den  Feinden  bekommen,  der  erst  nach 
Jahren  eingeholt  werden  kann  —  im  tierreichen  Wald  B  wird  der  Vorsprung 
sofort  wieder  mehr  oder  weniger  ausgeglichen.  Die  Folgen:  Im  Wald  A 
wird  die  eingeleitete  Gradation  —  vorausgesetzt,  daß  das  Klima  weiter 
günstig  bleibt  —  viel  rascher  sich  zur  Kalamität  entwickeln  können  als  im 
Wald  B,  in  dem  diese  Entwicklung  zum  mindesten  viel  langsamer  verlaufen 
dürfte. 

Ein  Zahlenbeispiel  möge  dies  verdeutlichen:  Angenommen,  das  Entwick- 
lungspotential der  in  Frage  kommenden  Schädlingsart  betrage  100  (wie  es 
etwa  für  den  Kiefernspanner  zutrifft).  In  ruhigen  Jahren  möge  die  normale 
Mortalität  als  Auswirkung  abiotischer  Faktoren  960/0  betragen,  jene  durch 
Parasiten,  Feinde,  Krankheiten  usw.  auf  die  Ausgangseizahl  umgerechnet  2  0/0. 
Die  Gesamtdezimierung  beträgt  dann  980/0,  wodurch  das  „Gleichgewicht"  — 
ein  Geschlechterverhältnis  von    i:i   vorausgesetzt  —  erhalten  bleibt i). 

Durch  günstige  Klimabedingungen  sei  nun  in  einem  Jahre  in  beiden 
Wäldern  die  abiotische  Mortalität  im  Ei-  und  Junglarvenstadium  auf  700/0 
gesunken.  Statt  4  Larven  wie  in  ruhigen  Zeiten,  erreichen  nunmehr  30  Larven 
von  der  Nachkommenschaft  eines  Weibchens  ein  vorgerücktes  Entwicklungs- 
stadium. Das  bedeutet,  daß  der  vorhandene  Bestand  an  Feinden  und  Para- 
siten, da  wo  er  vordem  4  Schädlinge  vorfand,  nunmehr  30  solchen  gegenüber- 
steht.  Die  durch  Parasiten  und  Feinde  zu  bewältigende  Schädlingspopulation 

1)  Der  Begriff  des  „Gleichgewichtszustandes"  ist  selbstverständlich  eine  Fik- 
tion. In  Wirklichkeit  liegen  die  Verhältnisse  so,  daß  in  aufeinanderfolgenden 
Jahren  ein  Fluktuieren  von  Zu-  und  Abnahme  der  Population  stattfindet,  wodurch 
der  Ausgleich  geschaffen  wird. 


68  I-  Allgemeiner  Teil. 

hat  sich  demnach  mehr  als  versiebenfacht.  Es  leuchtet  ein,  daß  im  faunen- 
armen Wald  A  die  Chancen  für  ein  Überleben  eines  Teiles  dieser  30  Nach- 
kommen wesentlich  günstiger  sein  werden  als  im  faunenreichen  Wald  B,  der 
dank  der  hier  vorhandenen  Zwischenwirte  usw.  auch  in  normalen  Zeiten  einen 
reicheren  Bestand  an  Parasiten  und  Feinden  beherbergen  wird.  Ein  Einholen 
des  Vorsprunges,  den  die  Schädlingspopulation  gegenüber  Feinden  und  Para- 
siten infolge  günstiger  Klimabedingungen  gewonnen  hat,  ist  hier  bedeutend 
aussichtsreicher  als  im  Wald  A.  Dasselbe  gilt  sinngemäß  für  alle  Mono- 
kulturen großen  Maßstabes. 

Ich  weiß  wohl,  daß,  wenn  dieser  fingierte  Fall  genau  so  eintreten  würde, 
wie  er  hier  angenommen  ist,  eingewendet  werden  kann:  Die  Verschiedenheit 
in  der  Entwicklung  der  Gradation  kann  ebensogut  durch  die  zweifellos  be- 
stehenden beträchtlichen  mikroklimatischen  Differenzen  in  den  beiden  Wäl- 
dern hervorgerufen  sein.  Doch  bevor  nicht  der  zwingende  Beweis  dafür  er- 
bracht ist,  daß  auch  in  diesem  Fall  die  Parasiten  gegenüber  dem  Klima 
nur  eine  sekundäre  Rolle  gespielt  haben,  möchte  ich  meinen  Erklärungs- 
versuch der  größeren  Immunität  der  Mischwälder  gegenüber  den  reinen 
Wäldern  durch  das  Vorhandensein  einer  reicheren  Parasitenfauna  vorerst 
noch  nicht  aufgeben.  Wenn  auch  die  Parasiten  an  der  Gesamt- 
entwicklung der  Nachkommenzahl  einer  Generation,  wie  wir 
oben  gesehen  haben,  meist  nur  einen  relativ  kleinen  Anteil 
haben,  so  ist  es  vielleicht  gerade  dieser  kleine  Anteil,  der 
die  Lücke  zwischen  der  Mortalität  durch  abiotische  Fak- 
toren und  der  zur  Erhaltung  des  eigenen  Bestandes  not- 
wendigen V  e  r  n  i  c  h  t  u  n  g  s  z  i  f  f  e  r  ausfüllt  und  für  den  Verlauf 
des   Massen  wechseis  ausschlaggebend  ist. 

Schließlich  sei  noch  auf  die  charakteristischen  Ablaufkurven 
mancher  Schädlinge  bei  den  Gradationen  aufmerksam  gemacht,  die  sowohl 
bezüglich  der  Gesamtdauer,  als  auch  der  Dauer  der  einzelnen  Phasen  (Vor- 
bereitungsjahr, Prodromaljahr,  Eruptionsstadium  und  Krisis)  mehr  oder 
weniger  fixiert  sind  (Abb.  45).  Auch  dieses  Moment  scheint  darauf  hinzu- 
deuten, daß  außer  den  klimatischen  Einflüssen  auch  noch  andere  Faktoren 
im  Spiele  sind. 

Probleme  über  Probleme  türmen  sich  vor  unseren  Blicken  auf.  Alles  ist 
noch  im  Fluß.  Ein  unendlich  weites  und  fruchtbares  Feld  für  die  Forscher- 
tätigkeit liegt  vor  der  jungen  Generation  ausgebreitet  da.  Möge  sie,  die 
Zeichen  der  Zeit  verstehend,  sich  nicht  in  Kleinigkeiten  verlieren,  sondern 
mit  frischem  Sinn  und  Begeisterung  an  die  Erforschung  der  großen  epide- 
miologischen Probleme  gehen.  Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  werden 
dann  weit  über  ihr  eigenes  Gebiet  hinauswirken  und  das  Ansehen  der  Forst- 
entomologie auch  in  den  Kreisen  der  theoretischen  Naturwissenschaften 
wesentlich  stärken.  Doch  auch  die  Praxis  wird  ihre  großen  Vorteile  davon 
haben,  denn  kennen  wir  einmal  die  Ursachen  der  Kalamitäten,  und  sind  wir 
imstande,  ihren  Verlauf  mit  einiger  Sicherheit  vorauszusagen,  so  ist  schon 
viel  gewonnen.  Man  möge  nicht  einwenden,  daß,  falls  die  Ursachen  in  der 
Hauptsache  klimatischer  Natur  seien,  die  Praxis  dem  machtlos  gegenüber 
stehe.  Denn  der  Praktiker  hat  es  sehr  wohl  in  der  Hand,  durch  waldbauliche 
Maßnahmen  auch  das  Mikroklima  wesentlich  zu  beeinflussen.  Siehe  auch 
Nachtrag. 


;.  Epidemiologie. 


69 


Anhang. 

Zur  Methodik. 
Die  neue  Richtung  der  epidemiologischen  Forschung  stellt  auch  er- 
höhte Forderungen  an  die  Ausrüstung  der  entomologischen  Laboratorien. 
Zum  wichtigsten  Rüstzeug  der  angewandt  entomologischen  Forschung  gehören 
heute  Thermostaten,  in  denen  die  Insekten  unter  verschiedenen  Kombina- 
tionen von  Temperatur  und  Luftfeuchtigkeit  gehalten  werden  können.  Bisher 
benutzte  man  hierzu  den  sog.  Reihenthermostaten  oder  den  multiplen  Ther- 
mostaten, wie  er  von  Williams  und  Kirkpatrik  beschrieben  wurde.  Um 
in  diesen  verschiedene  konstante  Feuchtigkeitsgrade  zu  erzielen,  bedient 
man  sich  entweder  Schwefelsäurelösungen  von  verschiedener  Konzentration 
(Boclenh  eime  r)  oder  konzentrierter  Lösungen  verschiedener  Salze  (Head- 


Abb.  48  A.   Der  neue  Arbeitsraum  des  Münchener  Institutes  für  angewandte  Zoologie. 
Links    ein    Reihenthennostat,    im    Hintergrund    der    neue    multiple    Thermohygrostat. 


lee.    Janisch;    Näheres    darüber    siehe    bei    Friederichs,    Die    Grund- 
fragen usw.  Bd.  I). 

Als  Beispiel  der  Technik  des  Arbeitens  mit  konzentrierten  Salzlösungen 
zur  Erzielung  konstanter  Luftfeuchtigkeit  sei  der  von  Zwölfer^)  benutzte 
einfache  Apparat  angeführt  (Abb.  48  C),  mit  dessen  Hilfe  ihm  bei  Mit- 
verwendung eines  Reihenthermostaten  die  Aufzucht  junger  Forleulenraupen 
unter  verschiedenen  Temperatur- Feuchtigkeitskombinationen  gelang.  Der 
Hygrostat  besteht  aus  einer  flachen  Doppelglasschale,  deren  Deckel  (F-^^)  zur 
Aufnahme  des  angefeuchteten  Salzes  (S)  dient.  Der  Zuchtraum  (Z),  der  von 
der  kleineren  Schalenhälfte  (F2)  gebildet  wird,  ist  vom  Salzraum  durch  ein 
Stück   Glasbatist  (B)  getrennt,   welches  mit    Hilfe   eines   Leukoplaststreifens 


^)   Zwölfer,  Experimentelle   Untersuchungen  zur  Epidemiologie   der  Kiefern- 
eule.  —  Z.  f.  ang.  Entom.    Bd.  XVI L 


70 


I.  Allgemeiner  Teil. 


(L)  an  die  Salzschale  (P^)  festgekittet  ist.  Um  bei  gewissen  leicht  zerfließ- 
lichen  Salzen  ein  Verschmutzen  des  Zuchtraumes  zu  vermeiden,  befinden  sich 
unterhalb  des  angefeuchteten  Salzes  mehrere  Lagen  Fließpapier  (F),  welche 
alle  zerfließenden  Bestandteile  aufsaugen.  Die  niedrige  Form  der  Zucht- 
und  Salzschale  bewirkt  einen  raschen  Ausgleich  von  Luftfeuchtigkeitsunter- 
schieden. Durch  den  seitlich  übergreifenden  Batistrand  (B)  der  Salzschale 
wird  eine  gewisse  Durchlüftung  des  Zuchtraumes  ermöglicht.  Da  die  von 
außen  eindringende  Luft  erst  über  die  feuchte  Salzmasse  streichen  muß, 
ehe  sie  in  den  Zuchtraum  gelangt,  ist  hierbei  eine  Störung  der  Feuchtigkeits- 
konstanz ausgeschaltet.  Diese  wird  auch  durch  das  Einbringen  von  Futter, 
welches  in  kleinen  Gaben  zu  reichen  ist,  nicht  merklich  gestört. 

In  jüngster  Zeit  ist  ein  Apparat  konstruiert  worden,  der  von  den  bis- 
herigen Thermostaten-Systemen  vollständig  abweicht  und  der  auf  einfachere 
Weise  das  Problem,  bestimmte  Luftfeuchtigkeitsgrade  zu  erzielen  und  kon- 
stant zu  erhalten,  zu  lösen  versucht,  und  der  außerdem  noch  den  Vorteil  der 
ständigen  Lufterneuerung  und  des  allseitigen  Lichtzutritts  besitzt.  Es  ist  dies 
der  von  Gustav  U.  Escherich  konstruierte  „Multiple  Thermo- 
hygros  tat "  1). 

Die  Grundlage  des  neuen  Thermostaten  beruht  darauf,  daß  die  Erwär- 
mung der  Zuchträume  durch  indirekte  Beheizung,  d.  h.  durch  Zufuhr 
erwärmter  Luftströme  bewirkt  wird.  Dadurch  ist  zugleich  die  Möglichkeit 
gegeben,  die  Luftfeuchtigkeit  in  den  einzelnen  Abteilungen  beliebig  zu 
regeln.  Man  verwendet  zweckmäßig  zwei  gleichtemperierte  Luftströme 
von   extrem  verschiedener   Luftfeuchtigkeit,   die   dem   jeweiligen   Bedarf   ent- 


Abb.  48B.    Tischplatte   des   multiplen   Thermohygrobtaten   mit    12    Zuchtgefäßen. 

sprechend  gemischt  werden  können.  Solange  die  beiden  Luftströme  in 
konstanter  Beschaffenheit  zugeführt  werden,  ist  es  ein  leichtes,  durch  Ein- 
stellen empirisch  geeichter  Luftdrosseln  jede  gewünschte  Feuchtigkeit  her- 
zustellen und  konstant  zu  erhalten.    Diese  Art  der  Luftfeuchtigkeitsregelung 


ij   Siehe  Anzeiger  für  Schädlingskunde.  VL  (930),  Heft  2. 


6.  Raupenkrankheiten. 


71 


Abb.  48  C.    Hygrostat   (Querschnitt 


natürl.  Größe. 


Erklärung  im  Text.    Nach   Zwölfer. 


auf  rein  physikalischem  Wege  gewährleistet  auch  eine  ständig  gleichmäßige 
Verteilung  des  betreffenden  Feuchtigkeitsgehaltes  im  ganzen  Räume  (was 
bei  den  chemischen  Methoden  kaum  zu  erreichen  sein  wird). 

Die  indirekte  Beheizung  der  Zuchträume  hat  ferner  den  Vorteil,  daß  in 
den  letzteren  überall  annähernd  die  gleiche  Temperatur  herrscht,  und  daß 
diese  (ebenso  wie  die  Luft- 
feuchtigkeit) nach  einem 
kurzen  Öffnen  der  Räume 
(zum  Futterwechsel  usw.) 
sich  in  kürzester  Zeit  wie- 
der auf  den  alten  Wert 
einstellt;  und  endlich,  daß 
damit  ein  ständiger  Luft- 
wechsel in  der  Kammer 
erzielt  wird. 

Das  System  der  Be- 
heizung von  innen  läßt  es 
fernerhin  ohne  weiteres  zu, 

die  Zuchträume  größtenteils  in  Glas  (oder  wenn  es  sein  muß  auch 
in  Ultraglas)  auszuführen  und  so  die  Absorption  der  von  außen  eindringen- 
den Strahlungen  auf  ein  Minimum  zu  reduzieren.  So  wird  den  natürlichen 
Lebensbedingungen  der  Objekte  in  weitgehendstem  Maße  Rechnung  ge- 
tragen i). 

Man  verwendet  als  Zuchträume  am  besten  unverspiegelte  Vakuum- 
Mantelgefäße,  die  bei  dünnster  Schichtdicke  des  Glases  einen  guten  Wärme- 
schutz bieten.  Der  Boden,  auf  dem  die  Zuchtgefäße  ruhen,  besteht  sowohl 
aus  Gründen  des  Wärmeschutzes  wie  der  Schonung  der  feinen  Glasgefäße 
aus  großen  Korkplatten,  durch  die  die  Leitungen  für  die  Luftzufuhr  sowie 
die  Abzüge  hindurchgehen. 

Die  Luftströme  werden  durch  ein  gemeinsames  Elektrogebläse  erzeugt, 
in  einem  Lufterhitzer  auf  die  gewünschte  Temperatur  und  in  einer  Befeuch- 
tungs-  bzw.  Trocknungskammer  auf  den  entsprechenden  Feuchtigkeitsgehalt 
gebracht.  Die  verschiedenen  Temperaturen  werden  durch  verschiedene  Ab- 
kühlung der  einzelnen,  zu  den  Zuchträumen  gehenden  Luftströme  erzielt. 


6.  Raupenkrankheiten "). 

Im  L  Band  (S.  258 — 306)  dieses  Werkes  sind  die  Raupenkrankheiten 
nach  dem  damaligen  Stand  eingehend  behandelt.  Wir  haben  dort  die 
Mykosen  (Verpilzungen),  Bakterienkrankheiten,  Nosemakrank- 
heiten  (Pebrine)  und  Polyederkrankheiten  besprochen.  Seit  dem 
Erscheinen  des  L  Bandes  sind  manche  neue  Entdeckungen  gemacht  und 
manche  Fortschritte  in  der  Erkenntnis  damals  noch  wenig  geklärter  Pro- 
bleme  erzielt   worden.    Sie   betreffen   sowohl   die   Bakterienkrankheiten,    die 


1)  Welch  großen  Einfluß  die  Ausschaltung  des  Lichtes  auf  die  Mortalität  der 
Insekten  ausüben  kann,  zeigen  aufs  deutlichste  die  vor  kurzem  veröffentlichten  Ver- 
suche von  Fried  erichs  und  Steiner  (Zentralblatt  für  Bakteriologie,  II.  Abt., 
1930,   Bd.  30). 

2)  Bei  der  Bearbeitung  dieses  Abschnittes  habe  ich  durch  Herrn  Dr. 
W.Zwölfer  wertvolle  Unterstützung  erfahren,  wofür  diesem  auch  hier  herzlich 
gedankt   sei. 


i'd^ 


I.  Alleemeiner  Teil. 


Nosema-Krankheiten,  die  wir  besser  mit  dem  weiteren  Begriff  Microspo- 
ridien-Krankheiten  bezeichnen  und  vor  allem  die  Polyederkrankheiten,  die 
ja  für  den   Forstentomologen  besondere  Bedeutung  besitzen  i). 

A.  Bakterienkrankheiten. 

Von  den  Bakteriosen  wurde  besonders  die  .,S  ch  1  af  f  s  u  cht"  der  Raupen 
der  Mehlmotte  (E.  kühniella  ZW.)  —  deren  Erreger  191 1  von  Berliner-)  als 
Bacillus  thuringensis  beschrieben  wurde  —  von  Mattes  (1927)  ■^)  ein- 
gehender studiert.  Äußerlich  fallen  die  ersten  Anzeichen  der  Erkrankung  erst 
im  fortgeschrittenen  Krankheitszustand  auf:  Die  Raupen  verlassen  ihren 
normalen  Aufenthaltsort  und  begeben  sich  —  ähnlich  wie  verpuppungsreife 
Larven  —  auf  die  ,, Wanderschaft".  Der  Krankheitsprozeß  schreitet  rasch 
vorwärts.  Im  vorgerückten  Stadium  fühlt  sich  die  Haut  erkrankter  Tiere 
schlaff  an.  Schließlich  findet  man  die  Tiere,  durch  die  Afterfüße  an  den 
Wänden  der   Gefäße   festgehalten,  kopfüber  tot  herabhängen. 

Der  Erreger  der  Krankheit,  ein  stäbchenförmiges,  peritrich  bewimpertes 
Bakterium  von  5  |li  Länge  und  1,8  |li  Dicke,  sowie  2x1  II*-  Sporengröße,  wird 

nach  Mattes  in  Spo- 
renform mit  der  Nah- 
rung aufgenommen.  Im 
Darmtraktus  des  Wirtes 
schlüpfen  die  Sporen 
und  beginnen  mit  einer 
starken  vegetativen  Ver- 
mehrung" im  vorderen 
Teil  des  Mitteldarms. 
Durch  ihre  Tätigkeit  soll 
die  chemische  Zusam- 
mensetzung des  Mittel- 
darmsaftes eine  für  die 
Zellen  des  Darmepithels 
schädigende  Änderung 
erfahren.  In  die  Darni- 
zellen  selbst  tritt  der  Pa- 
rasit nicht  ein.  Hingegen 
dringt  ein  Teil  der  Bak- 
terien in  einem  bestimm- 
tenEntwicklungszustand 
der  Krankheit  zwischen 
Zellen  des  Darmepithels  durch  (Abb.  49),  gelangt  in  die  Leibeshöhle  und 
damit  in  die  Blutflüssigkeit  des  Wirtes,  in  der  jetzt  die  Vermehrung  noch 

1)  Neuere  Beobachtungen  über  die  Taric/iiu/n-^l\'ko?,e  von  Agrotis  segeliim 
Schiff,  werden  dort  besprochen. 

-)  Berliner,  E.,  Über  die  Schlaffsucht  der  Mehlmottenraupen  (Epheslia 
kühniella  ZU.)  und  ihren  Erreger  Bacillus  Ihiiriugensis  n.  sp.  —  Zeitschr.  f.  ang. 
Entom.   191 5.  Bd.  II,  pp.  29 — 56. 

3)  Mattes,  O.,  Parasitäre  Krankheiten  der  Mehlmottenlarven  und  Versuche 
über  ihre  Verwendbarkeit  als  biologisches  Bekämpfungsmittel.  —  Sitz.-Ber.  d.  Gesell- 
schaft z.  Fördg.  d.  gesamten  Naturwiss.  zu  Marburg.  Bd.  62,  1927,  pp.  381 — 417.  — 
Derselbe,  Über  den  Entwicklungsgang  der  Microsporidie  Thelohania  ephestiae 
und  die  von  ihr  hervorgerufenen  Krankheitserscheinungen.  —  Zeitsch.  f.  wiss.  Zool. 
1928,  pp.  526—582. 


Abb.  49.     Schnitt  durch  den  Darm  einer  Mehlmottenlarve 

im    Stadium   der   Überwanderung   der    Bakterien   aus   dem 

Darmlumen  in  die   Leibeshöhle.     Vergr.  750  mal. 

Nach  Mattes. 


6.  Raupenkrankheiten.  73 

bedeutend  rascher  vor  sich  geht  als  im  Darmlumen.  Schließlich  wird  die 
Leibeshöhle  des  Wirtes  von  Bakterien  vollkommen  überschwemmt.  Auch  die 
übrigen  Organsysteme  werden  nicht  direkt  durch  die  Bakterien  befallen. 
Ihre  Zerstörung  findet  vielmehr  durch  eine  Art  Auflösungsprozeß  statt,  der 
an  ihrer  Oberfläche  beginnt  und  allmählich  die  gesamten  Organe  ergreift. 
Er  wird  ähnlich  wie  die  Zerstörung  des  Darmepithels  auf  eine  Wirkung  von 
Enzymen  zurückzuführen  sein,  die  von  den  Bakterien  ausgeschieden  werden. 
Im  Endstadium  der  Krankheit  ist  der  Körperinhalt  der  erkrankten  Raupe 
völlig  ver jaucht.  Die  Kadaver  vertrocknen  allmählich  zu  braunen  Mumien. 
Während  des  Austrocknungsprozesses  schreitet  die  Mehrzahl  der  Bakterien 
zur  Ausbildung  von  Sporen,  den  Dauerformen  des  Parasiten,  in  welchen  er 
über  6  Jahre  lebensfähig  bleiben  kann. 

Die  Infektion  der  Mehlmottenlarven  durch  Bacillus  tJiuringensis,  der 
sich  auf  künstlichen  Nährböden  leicht  züchten  läßt,  bereitet  keinerlei 
Schwierigkeiten.  Unter  günstigen  Temperaturverhältnissen  (25 — 30 0  C)  be- 
trägt die  Inkubationszeit  6  Tage  bei  100  0/0  Mortalität.  Eine  Steigerung  der 
Virulenz  durch  Passageimpfungen  konnte  nicht  erzielt  werden.  Angesichts 
der  ausgesprochen  pathogenen  Wirkung  des  Bacillus  Ihuringensis  wurden  von 
Mattes  mehrere  Versuche  über  seine  praktische  Verwendbarkeit  zur  Be- 
kämpfung der  Mehlmotte  durchgeführt.  Es  zeigte  sich  indessen,  daß  die 
Gespinste  der  Mehlmottenlarven,  in  denen  sich  diese  normalerweise  aufhalten, 
von  den  aufgespritzten  oder  aufgestäubten  Sporenmassen  des  Bacillus  thuri/i- 
gensis  nicht  durchdrungen  werden.  Die  im  Innern  der  Gespinste  befind- 
lichen Larven  sind  so  vor  einer  Infektion  ausgezeichnet  geschützt.  Mattes 
gelangte  auf  Grund  seiner  Versuche  zu  dem  Ergebnis,  daß  eine  Verwendung" 
des  Schlaffsuchterregers  für  die  Praxis  der  Mehlmottenbekämpfung  nicht  in 
Betracht  kommt. 

B.  Mikrosporidienkrankheiten. 

Die  Mikrosporidien  sind  eine  Gruppe  durchwegs  intrazellulär-parasitisch 
lebender  Protozoen,  die  systematisch  neuerdings  den  Amöbosporidien 
zugezählt  werden.  Kennzeichnend  für  sie  ist  die  Struktur  ihrer  Sporen, 
die  als  Endstadien  und  Dauerformen  im  Entwicklungsgang  der  Parasiten 
auftreten.  Sie  finden  sich  in  den  Geweben  der  erkrankten  Wirtstiere  zu- 
meist in  imponierenden  Massen.  Die  Gestalt  der  Sporen  ist  birn-bohnen- 
förmig  oder  ellipsoidisch.  Hinsichtlich  ihrer  Größendimension  liegen  sie 
an  der  Grenze  der  optischen  Sichtbarkeit.  Im  Aufbau  der  Sporen,  der  für 
die  Gruppe  der  Mikrosporidien  typisch  ist,  lassen  sich  3  Komponenten  unter- 
scheiden: die  stark  lichtbrechende,  einheitlich  gebaute,  chitinöse  Sporenhülle, 
der  ring-  oder  gürtelförmig  quer  zur  Sporenhauptachse  liegende  i-  oder 
2  kernige  Amöboidkeim  und  der  Polfadenapparat.  Der  Polfaden  —  ein  den 
Nesselfäden  der  Cnidarier  analoges  Gebilde  —  liegt  in  der  Ruhe  spiralig 
aufgerollt,  frei  in  einem  Hohlraum  der  Spore.  Im  allgemeinen  unter  dem 
Einfluß  der  Darmsäfte  des  Wirtes,  aber  auch  künstlich  bei  Einwirkung  ge- 
wisser Reagentien  wird  er  handschuhfingerartig  nach  außen  gestülpt.  Wahr- 
scheinlich dient  er  zur  Fixierung  der  Sporen  im  Darm  des  Wirtstieres  bei 
dessen  Infektion,  die  in  den  bisher  näher  untersuchten  Fällen  stets  ,,per  os" 
durch  Aufnahme  der  Sporen  mit  der  Nahrung  erfolgt.  Nach  dem  Aus- 
schnellen und  Abw^erfen  des  Polfadens  entweicht  der  Amöboidkeim  durch  die 
Micropyle,  eine  in  der  Sporenhülle  befindliche  präformierte  Stelle.    Bei  den 


74  I-  Allgemeiner  Teil. 

in  der  Darmwand  wohnenden  Arten  dringt  der  Keim  in  das  Darmepithel  ein. 
Im  weiteren  Entwicklungsgang  läßt  sich  bei  allen  Microsporidien  eine  Phase 
der  vegetativen  Vermehrung  (Schizogonie,  Merogonie  Abb.  50,  i — 9)  und  eine 
solche  der  Sporenbildung  (Sporogonie,  Abb.  50,9— 15)  unterscheiden.  Erstere 
dient  der  Vermehrung  und  Ausbreitung  des  Parasiten  im  Innern  des  Wirts- 
körpers, letztere  findet  in  der  Ausbildung  der  Sporen  ihren  Abschluß,  als 
derjenigen  Elemente,  die  der  Ausbreitung  des  Parasiten  außerhalb  des  Wirtes 
dienen.  Zwischen  beiden  Phasen  sind  wahrscheinlich  die  sexuellen  Vorgänge 
eingeschaltet,  die  jedoch  noch  der  Klärung  bedürfen.  Ausgangspunkt  der 
Sporogonie  sind  ein-  oder  mehrkernige  Plasmakörper  (Pansporoblasten).  Die 
Anzahl  der  in  ihnen  zur  Entwicklung  gelangenden  Sporen,  die  bei  den 
einzelnen  Arten  ziemlich  konstant  ist,  wdrd  zur  systematischen  Einteilung  der 
Gruppe  herangezogen. 

Das  Hauptkontingent  der  Wirtstiere  der  Microsporidien  wird  von  den 
Arthropoden  gestellt:  von  222  bekannten  Arten  leben  139  in  Arthropoden, 
und  hiervon  entfallen  1 1 1  Arten  auf  die  verschiedenen  Gruppen  der  Hexa- 
poden.  Sie  sind  weitgehend  an  bestimmte  Wirtsarten  angepaßt  und  mit 
wenigen  Ausnahmen  (Nosema  bombycis  Näg.)  Spezialisten  bestimmter  Ge- 
websarten.  Man  kennt  Formen  aus  der  Muskulatur,  den  Malpighischen  Ge- 
fäßen, dem  Nervensystem  und  dem  Fettkörper,  aus  Bindegewebszellen  und 
Darmepithelien.  Entsprechend  der  größeren  oder  geringeren  funktionellen  Be- 
deutung dieser  Gewebsarten  im  Haushalt  des  Wirtsorganismus  ist  natur- 
gemäß die  pathogene  Wirkung  der  einzelnen  Microsporidien-Arten  auf  das 
Leben  ihrer  Wirtstiere  sehr  verschieden.  Sie  ist  in  der  Regel  erheblich  bei  den 
Darmschmarotzern  (N .  bombycis  Näg.,  N .  apis  Zander,  Plistophora  schiibergi 
Zwölfer),  während  die  Spezialisten  der  Muskulatur,  des  Fettkörpers  und  der 
Malpighischen  Gefäße  im  allgemeinen  von  untergeordneter  Bedeutung  für 
das  Leben  ihrer  Wirtstiere  bleiben. 

Neben  Nose?na  bombycis  Näg.,  dem  Erreger  der  Pebrine  der  Seiden- 
raupen, und  N .  apis  Zander,  welche  die  Nosemaseuche  der  Honigbiene 
hervorruft,  beansprucht  Plistophora  schubergi  Zwölfer  nach  näheren  Unter- 
suchungen von  Zwölf  er  1)  besonderes  Interesse  für  uns.  Ganz  ähnlich  wie 
bei  den  beiden  erstgenannten  Krankheitserregern,  auf  die  schon  im  I.  Band 
näher  eingegangen  wurde,  liegen  die  Verhältnisse  auch  bei  dieser  Micro- 
sporidie,  die  seu che n artige  Erkrankungen  bei  Schwammspinner 
und  Goldafter  verursacht.  Die  bei  der  Untersuchung  dieser 
Raupenkrankheit  gewonnenen  Daten  lassen  vermuten,  daß 
die  Art  eine  erhebliche  Bedeutung  als  regulierender  Faktor 
besitzt. 

Die  äußeren  Symptome  der  Krankheit,  die  im  Raupen-, 
Puppen-  und  Imaginalstadium  auftreten  kann,  sind  wenig  charakteristisch. 
Die  an  ihr  erkrankten  Raupen  werden  freßunlustig,  kriechen  zunächst  un- 
ruhig umher,  um  schließlich  bewegungslos  im  Kontraktionszustand  oft 
wochenlang  bis  zum  Eintritt  des  Todes  zu  verharren.  Zuweilen  sieht  man 
sie  wie  „gebrochen"  von  den  Wänden  des  Zwingers  herabhängen  —  eine  Er- 
scheinung, die  ganz  ähnlich  auch  bei  Polyederseuchen  und  Bakteriosen  auf- 
tritt und   daher   nicht   als   typisches    Symptom   gewertet   werden   darf.    Zer- 


ij  Zwölfer,  W.,  Die  Pebrine  des  Schwammspinners  (Porthetria  dispar  L.) 
und  des  Goldafters  (Euproctis  chrysorrhoea  L. ),  eine  neue,  wirtschaftlich  be- 
deutungsvolle Infektionskrankheit.  —  Verhdl.  d.  D.  Ges.  f.  ang.  Ent.   1926. 


6.  Raupenkrankheiten.  75 

schneidet  man  eine  kranke  Raupe,  so  zeigt  der  Mitteldarni  ein  milchweißes, 
opakes  Aussehen.  Dies  Merkmal  ist  jedoch  kein  unbedingt  zuverlässiges 
Diagnostikum,    da    es   noch   bei   einer   anderen   Raupenkrankheit     festgestellt 


Abb.  50.    Plislopliora  scliiibergi  Zwölfer,  schematische  Darstellung  des  Entwicklunc 
zvklus.   Nach  Z  \vö  1  f  e  r. 


werden  konnte.  Das  sicherste,  allerdings  nur  mikroskopisch  wahrnehmbare 
Kennzeichen  sind  die  in  den  Epithelzellen  des  Mitteldarms  in  ungeheurer 
Zahl  auftretenden  winzigen  Sporen  des  Parasiten.  Sie  sind  stark  licht- 
brechend, von  Gestalt  bohnenförmig  bis  ellipsoidisch  und  besitzen  im  Durch- 


76 


I.  Allgemeiner  Teil. 


schnitt  einen  Längsdurchmesser  von  2,5   ^,  bei  einem  Querdurchmesser  von 
1,5    li. 

Bezüglich  des  Entwicklungsganges  von  F.  schiibergi  Zwölf.,  der  in  seinen 
wesentlichen  Zügen  klargestellt  ist,  sei  auf  Abb.  50  verwiesen.  Die  vegetative 
Vermehrung  (Abb.  50,  i — 9),  die  im  Heranwachsen  des  ursprünglich  ein- 
kernigen Amöboidkeimes  zu  vielkernigen  schlauchförmigen  Gebilden  im 
Innern  der  Darmzellen  besteht,  endet  mit  dem  Zerfall  der  Schlauchformen 


Abb.  51.    Mitteldarmepithelzellen  von   Malacosouia   nciislria   L.   mit   Stadien   aus   der 
Schizogonie     und     Sporogonie     von     PL    schiibergi     Zwölf.      Vergr.     800  mal.      Nach 

Zwölfer. 


in  zweikernige  Stücke.    Diese  sind  Ausgangspunkt  für  die  Phase  der  Sporen- 
bildung (9 — 15). 

Die  Sporen  sind  die  einzigen  Entwicklungsstaclien,  die  normalerweise 
für  eine  Übertragung  der  Krankheit  auf  gesunde  Wirtstiere  in  Frage 
kommen.  Diese  erfolgt  durch  Aufnahme  mit  Sporen  behafteter  Nahrung. 
Da  im  Puppen-  und  Falterzustand  der  Wirtstiere  keine  Nahrungsaufnahme 
stattfindet,  ist  das  Auftreten  der  Krankheit  in  diesen  Stadien  auf  eine  In- 
fektion im  voraufgehenden  Raupenzustand  zurückzuführen.  Eine  Über- 
tragung der  Seuche  durch  kranke  Elterntiere  auf  die  nächste  Generation, 
ähnlich  wie  dies  bei  der  Seidenraupenpebrine  der  Fall  ist,  kommt  nach 
den  histologischen  Untersuchungsergebnissen  der  Gonadcnanlagen  kranker 
Raupen,  die  sich  stets  parasitenfrei  erwiesen,  nicht  in   Frage. 


6.  Raupenkrankheiten. 


77 


Da  die  Sporen  keine  aktive  Bewegungsfähigkeit  besitzen,  werden  bei 
ihrer  Ausbreitung  in  der  freien  Natur  Atmosphärilien  die  wichtigste  Rolle 
als  Transportmittel  spielen.  Auch  kranke  Falter,  soweit  sie  ihr  Flugvermögen 
noch  besitzen,  dürften  zur  Verschleppung  des  Erregers  auf  geringere  Ent- 
fernungen befähigt  sein. 

In  der  Regel  endigt  die  Krankheit  mit  dem  Tode  der 
Wirtsraupe.  Das  durch  die  intrazellulär  lebenden  Parasiten  vollkommen 
zerstörte  Mitteldarmepithel  ist  zur  Aus- 
übung seiner  normalen  Funktionen  natur- 
gemäß nicht  mehr  befähigt.  Die  Nahrungs- 
resorption ist  unterbunden,  der  Wirt  dem 
Hungertode  ausgesetzt.  Seltener,  und  an 
scheinend  nur,  wenn  die  Infektion  im 
vorgerückten  Raupenalter  erfolgt,  wird 
die  Krankheit  bis  ins  Puppen-  und  Ima- 
ginalstadium  hinübergeschleppt. 

Hinsichtlich  der  Beurteilung  der  \v  i  r  t 
schaftlichen  Bedeutung  des  neuen 
Parasiten  ist  das  Ergebnis  einer  Aufzucht 
von  Goldafterraupen  von  Interesse.  Von 
rund  looo  Raupen,  die  aus  im  Freiland 
gesammelten  Winternestern  aufgezogen 
wurden,  gelangten  trotz  sorgfältiger  Pflege 
nur  6  zur  Verpuppung  und  hiervon  wieder- 
imi  nur  4  zum  Schlüpfen.  Die  Unter- 
suchung der  Raupenkadaver  zeigte,  daß 
940/0  der  Tiere  der  Mikrosporidienkrankheit 
zum  Opfer  fielen,  2  o/g  einer  Polyederseuche 
erlagen,  während  bei  den  restlichen  40/0 
eine  Doppelinfektion  der  Erreger  beider 
Krankheiten  die  Todesursache  bildete. 
Diese  Daten  lassen  zur  Genüge  eine  er- 
hebliche Überlegenheit  des  Parasiten  ge- 
genüber dem  Erreger  der  Polyederkrank- 
heit erkennen. 

Noch  wichtiger  für  die  Bewertung 
der  wirtschafthchen  Bedeutung  sind  na- 
türlich jene  Befunde,  die  an  den  im 
Freiland  gesammelten  Raupen  erhoben 
wurden.  Von  den  Ende  Juni  gesammelten 
Raupen  erwiesen  sich  70%  des  Schwamm- 
spinners und  840/0  der  Goldafterraupen  von 

der  Krankheit  befallen.  Polyederkranke  Tiere  waren  mit  Insektenparasiten 
verschiedener  Art,  20/0  mit  Tachinen  und  dem  Mikroparasiten,  gleichzeitig 
besetzt. 

Diese  Zahlen  zeigen  zunächst,  daß  PI.  schubergi  Zwölf,  in  seiner  Wir- 
kung den  Insektenparasiten  keineswegs  nachsteht,  ja  ihnen  sogar  überlegen 
zu  sein  scheint.  Berücksichtigt  man  gleichzeitig,  daß  Schwammspinner  und 
Goldafter  am  Fundort  selbst  Jahr  für  Jahr  in  annähernd  gleichbleibenden 
mäßigen   Grenzen   auftreten,    ohne   im   Laufe   der   letzten  Jahre   jemals  ver- 


Abb.  52.  Mit  Sporen  und  Pansporo- 
blasten  von  PI.  schubergi  Zwölf,  erfüllte 
Mitteldarmepithelzellen  von  Lym.  dispar 
L.     \'ergr.   800  mal.      Nach  Zwölfer. 


78  I-  Allgemeiner  Teil. 

beerend  überhand  genommen  zu  haben,  so  führt  dies  zum  Schluß,  daß  hier 
ein  regulierender  Faktor  vorliegt,  der  für  die  Erhaltung  des  ökologischen 
Gleichgewichtszustandes  in  der  Biocönose  jener  Gegend  von  großer  Be- 
deutung ist.  Im  Gegensatz  zu  Pilz-  und  Polyederseuchen  tritt  die  Plisto- 
phora-Seuche  nicht  erst  auf  dem  Höhepunkt  einer  Kalamität  in  Entfaltung, 
sondern  sie  trägt  vielmehr  dazu  bei,  deren  Zustandekommen  zu  verhincicrn. 
Letzteres  dürfte  für  eine  günstige  Beurteilung  seiner  wirtschaftlichen  Be- 
deutung ausschlaggebend  sein. 

Neben  Lymantria  dispar  L.  und  Euproctis  chrysorrlwea  L.  erwiesen  sich 
auch  die  Raupen  von  Malacosoma  neustria  L.  für  die  Krankheit  empfänglich, 
und  es  ist  möglich,  daß  noch  eine  Reihe  weiterer  Lepidopteren  als  Wirte  für 
PI.  schubergi  in  Frage  kommt.  Bombyx  mori  L.  und  Stilpnotia  Salicis  L. 
zeigten   sich  bei  künstlichen   Infektionsversuchen  stets   widerstandsfähig. 

Inwieweit  die  Mikrosporidie  Plistophora  schubergi  Zwölf,  zur  biolo- 
gischen Bekämpfung  des  Schwammspinners  und  Goldafters  herangezogen 
werden  kann,  darüber  sind  die  Akten  noch  nicht  geschlossen.  Nach  den  vor- 
liegenden Angaben  besteht  bei  ihr  hochgradige  Virulenz  und  pathogene  Wir- 
kung; auch  scheint  eine  gewisse  Unabhängigkeit  des  Krankheitsverlaufes 
von  klimatischen  Faktoren  zu  bestehen,  doch  bedarf  letzterer  Punkt  in  der 
Lebensgeschichte  des  Parasiten  noch  eingehender  Studien.  Seine  Züchtbar- 
keit  auf  künstlichen  Nährböden  in  großem  Maßstab  kommt  —  da  es  sich  um 
einen  Gewebsparasiten  handelt  —  mit  unseren  derzeitigen  Hilfsmitteln  nicht 
in  Frage.  Selbst  wenn  künftige  Forschungen  eine  weitgehende  Unabhängig- 
keit des  Krankheitsverlaufes  von  äußeren  Faktoren  erweisen  sollten,  so  ist 
durch  diesen  Umstand  doch  die  Verwendbarkeit  des  Parasiten  für  Groß- 
kampfzwecke stark  eingeschränkt. 

Eine  Reihe  weiterer  Microsporidien  sind  als  pathogene  Microorganismen  wirt- 
schaftlich wichtiger  Lepidopteren  bekannt  geworden,  ohne  indessen  größere  prak- 
tische Bedeutung  als  Krankheitserreger  zu  besitzen.  Sie  seien  im  folgenden  kurz 
genannt:  Thelohania  ephestiae  Mattes  aus  dem  Körper  der  Raupen  der  Mehlmotte 
(Ephes/ia  kühniella  ZIL),  Th.mesniU  Paillott  aus  dem  Fettkörper  der  Raupen  von 
Pieris  brassicae  L. ;  Perezia  mesnili  Paillott,  P .  leger iV^XWoil  und /*. />/em  Paillott  von 
verschiedenen  anderen  Organen  derselben  Wirtsart,  P.  pyraustae  Paillott  aus  den 
Malpighischen  Gefäßen  und  den  Spinndrüsen  der  Raupen  des  Maiszünslers  (Py- 
rausla  niibilalis  Hb.)  i). 

C.  Polyederkrankheiten. 

Bekanntlich  tritt  bei  dieser  Kategorie  von  Raupenkrankheiten  als  typi- 
sches Symptom  in  der  Leibeshöhlenflüssigkeit  befallener  Wirtstiere  eine 
L^nmenge  kleinster,  stark  lichtbrechender  Körperchen  auf,  die  zufolge  ihrer 
annähernd  polyederförmigen  Gestalt  zu  der  Bezeichnung  ,, Polyederkrank- 
heiten" oder  „Polyedrosen"  Anlaß  gaben  (Bd.  I,  S.  299 ff.).  Über  die  Natur 
dieser  Gebilde  und  ihre  Bedeutung  für  den  Krankheitsverlauf  gingen  die 
Meinungen  bisher  weit  auseinander.  Während  die  eine  Richtung  (v.  Prowa- 
zek) in  ihnen  Reaktionsprodukte  der  Kerne  des  erkrankten  Wirtsgewebes  auf 


1 )  Siehe  Paillott,  A.,  Sur  Thelohania  mesnili,  microsporidie  nouvelle,  parasite 
des  chenilles  de  Pieris  brassicae  L.  C.  R.  Soc.  a.  Biol.  VXC.  1924,  pp.  501  —  503. 
—  Derselbe,  Sur  Perezia  pieris,  microsporidie  nouvelle,  parasite  de  Pieris  bras- 
sicae L.  Ebenda,  pp.  1255 — 1257.  —  Derselbe,  Sur  deux  protozoaires  nou- 
veaux  parasites  des  chenilles  de  Pyrausta  nubilalis.  C.  R.  Acad.  Sei.  CLXXXV. 
1927,  pp.  673—675. 


6.  Raupenkrankheiten.  79 

ein  ultramikroskopisches  Mrus  erblickte,  vertrat  die  andere  Richtung 
(Bolle,  Knoche,  Escherich  und  Miyajimai)  die  Auffassung,  daß 
die  Polyeder  die  Träger  des  Krankheitserregers  selbst  vorstellten  (s.  Bd.  I, 
S.  302).  Klarheit  in  den  Widerstreit  der  Meinungen  haben  1924  die  ein- 
gehenden Studien  von  Komarek  und  Breindl-)  gebracht,  die  1926  durch 
PrelP)  und  Zwölfer  in  ihren  Hauptpunkten  bestätigt  worden  sind.  Dem- 
nach besitzen  die  bisher  als  homogene  Gebilde  angesehenen  polyedrischen 
Körperchen  einen  ziemlich  komplizierten  Bau,  der  nur  bei  Anwendung- 
spezieller   mikroskopischer    Färbemethoden  ^)    in    Erscheinung    tritt. 

Unter  einer  sehr  zarten  Hüllmembran  lassen  die  Polyeder  eine  je  nach 
der  Art  mehr  oder  minder  starke  ..Rindenschicht"  erkennen,  die  eine  zentral 
im  Polyederinnern  gelegene  lockere  Masse  umschließt.  In  letzterer  liegen  in 
größerer  oder  geringerer  Zahl  kleinste,  kokkenartige,  mit  bestimmten  Kern- 
farbstoffen intensiv  färbbare  Körnchen  (Abb.  53),  die  von  Komarek  und 
Breindl,  die  ihre  Untersuchungen  an  Nonnenpolyedern  ausführten,  mit  den 
Chlamydozoen  von  Prowazek  identifiziert  werden.  Prell  und  Zwölfer 
fanden  dieselben  Strukturen  außer  bei  Polyedern  der  Nonne  auch  noch  bei 
jenen  des  Seidenspinners,  des  Schwammspinners  und  Goldafters,  so  daß  an 
der  Einheitlichkeit  des  Baues  der  polyedrischen  Körper,  wie  sie  bei  den  ver- 
schiedenen  Lepidopteren-Larven  auftreten,   kaum  zu  zweifeln  ist. 

Auf  Grund  der  Ergebnisse  von  Infektionsversuchen  früherer  Autoren 
(Escherich  und  Miyajima)  und  jener  von  Komarek  und  Breindl,  in 
denen  der  Nachweis  erbracht  wurde,  daß  die  Krankheit  durch  Verfüttern 
oder  Überimpfen  von  reinem  Polyedermaterial  übertragen  werden  kann,  und 
nach  allem,  was  wir  von  anderen  Mikroorganismen  bereits  wissen,  dürfen  die 
kokkenartigen  Körnchen  im  Polyederinnern  als  ein  Entwicklungsstadium  des 
Krankheitserregers  angesprochen  werden.  Die  bislang  so  problematischen 
Polyeder  stellen  seine  Dauerformen  vor.  In  einem  Punkt,  der 
mehr  von  theoretischer  Bedeutung  ist,  gehen  allerdings  die  Ansichten  der 
Autoren  noch  auseinander.  Komarek  und  Breindl  erblicken  in  den 
Polyedern  ,, Cysten".  Ähnlich  wie  etwa  bei  einer  Galle  sollen  die  Hüll  Sub- 
stanzen der  Polyeder  ein  Reaktionsprodukt  des  Wirtsorganismus  sein,  welches 
das  Dauer-  und  Ruhestadium  des  Erregers,  die  Chlamydozoen,  im  Innern  der 
Polyeder  umscliließt.  Prell  vertritt  demgegenüber  die  Ansicht,  die  auch 
schon   früher   von    verschiedenen    Autoren   vermutuny-sweise    geäußert   wurde, 


1)  Escherich,  K.,  und  Miyajima,  M.,  Studien  über  die  Wipfelkrankheit 
der  Nonne.  —  Naturwiss.  Zeitsch.  f.  Land-  u.   Forstw.,   191 1,  Bd.  9,  pp.  381 — 402. 

2)  Komarek,  J.,  und  Breindl,  V.,  Die  Wipfelkrankheit  der  Nonne  und  der 
Erreger  derselben.  —  Zeitschr.  f.  ang.  Entom.    Bd.  X,   1924,  pp.  99 — 162. 

3)  Prell,  H.,  Die  Polyederkrankheiten  der  Insekten.  —  Verhdl.  III.  Intern. 
Ent.-Kongr.  Zürich   1925.   —  Weimar   1926.  pp.  145 — 168. 

^)  Für  diagnostische  Zwecke  sind  sie  unter  Umständen  von  Bedeutung  und 
sollten  in  allen  solchen  Fällen  zur  Anwendung  gelangen,  wo  Zweifel  an  der 
,, Polyedernatur"  der  zu  bestitnmenden  Gebilde  bestehen.  Am  einfachsten  werden  zu 
diesem  Zweck  die  fraglichen  Körperchen  in  einem  frischen  Präparat  der  Leibes- 
höhlenflüssigkeit auf  dem  Objektträger  durch  leichten  Druck  mit  der  Fingerbeere 
auf  das  Deckglas  zum  Platzen  gebracht.  Hierauf  wird  das  Deckglas  abgehoben,  der 
am  Objektträger  haftende  Blutaussttich  in  absolutem  Alkohol  fixiert,  nach  Giemsa 
gefärbt,  unter  mehrmaligem  Wechsel  der  Farblösung  und  anschließend  unter  gleich- 
zeitigem Differenzieren  und  Entwässern  in  Azeton  in  Zedernholzöl  überführt.  Man 
kann  die  Polyeder  auch  durch  24  stündige  Vorbehandlung  mit  Darmsaft  der  Raupen 
unter  Zuhilfenahme  des  Thermostaten  und  anschließende  Fixierung  in  geeigneter 
Weise  für  die   Färbung  vorbereiten. 


80 


I.  Allgemeiner  Teil. 


daß  der  gesamte  Polyeder  eine  parasitäre  Bildung  sei,  die  eine  Art  „Spore", 
die  Dauerform  des  Mikroorganismus,  vorstellt.  Soviel  steht  fest,  daß 
der  Erreger  befähigt  ist,  in  der  Polyeder  form  jahrelang 
Lebensfähigkeit  und  Virulenz  zu  erhalten. 

Die  Infektion  der  Raupen  erfolgt  normalerweise  durch  Aufnahme  von 
Nahrung,  die  mit  Polyedern  behaftet  ist.  Im  Darmsaft  des  Wirtstieres  lösen 
sich  deren  Hüllsubstanzen  auf  und  die  kokkenartigen  Inklusionen  werden  frei. 
Wahrscheinlich  wandern  sie  nunmehr  aktiv  durch  die  Darmwände  in  den 
Körperhohlraum  ein  —  den  exakten  Nachweis  hierfür  durch  mikroskopische 
Beobachtung  zu  erbringen,  erweist  sich  als  technich  undurchführbar  —  wo  sie 
zunächst  die  Kerne  der  Hypodermiszellen  und  der  Tracheenmatrix  befallen. 

Wenigstens  lassen  sich  in  die- 
sen Organsystemen  stets  die 
ersten  Anzeichen  der  Krankheit 
beobachten.  Sie  bestehen  in 
einem  Anschwellen  des  Lumens 
des  Wirtszellkernes,  in  dessen 
Inneren  ein  anfangs  kleiner, 
später  aber  sich  stark  ver- 
größernder eigentümlicher  Ein- 
schlußkörper auftritt.  Die  Natur 
dieses  Einschlußkörpers  ist 
noch  nicht  ganz  geklärt.  Ko- 
ma r  e  k  und  B  r  e  i  n  d  1  deuten 
ihn  ähnlich  wie  auch  schon 
v.  Prowazek  als  krankhaft 
vergrößerten  Nucleolus,  d.  h. 
als  einen  Bestandteil  des  Wirts- 
tieres. Er  soll  ein  Reaktions- 
produkt des  Wirtszellkernes  auf 
den  eingedrungenen  Parasiten 
vorstellen.  Prell  äußert  ver- 
mutungsweise, daß  es  sich  hier- 
bei um  eine  plasmodiumartige, 
vielkernige  Bildung  handelt, 
faßt  ihn  also  als  rein  para- 
sitäre Komponente  auf.  Dieser  Autor  nimmt  auch  auf  Grund  theoretischer 
Überlegungen  im  Entwicklungsgang  des  Parasiten  an  dieser  Stelle  eine  Art 
vegetativer  Vermehrung  an.  die  zu  einer  Ausbreitung  der  Krankheit  im 
Wirtsorganismus  führen  soll.  Doch  läßt  sich  diese  Annahme  vorerst  noch 
durch  keinerlei  Beobachtung  stützen.  Soviel  steht  fest,  daß  im  Innern  des 
„Einschlußkörpers"  zahlreiche  feinste  Chromatingranula  von  verschiedener 
Größe  wahrnehmbar  sind,  aus  denen  im  Laufe  des  Krankheitsprozesses  die 
Polyeder  hervorgehen.  Diese  Umbildungsprozesse  sind  noch  nicht  bis  ins 
einzelne  geklärt.  Die  Polyeder  treten  schließlich  aus  dem  Innern  der  „Ein- 
schlußkörper" aus  und  gelangen  in  das  Kernlumen,  das  sie  allmählich  in 
dichten  Massen  erfüllen.  Sie  werden  dabei  nur  noch  durch  die  Membran 
des  Wirtskerns  prall  zusammengehalten  und  täuschen  dann  Cysten  vor,  die 
früher  gelegentlich  für  Entwicklungsstadien  der  Erreger  angesehen  wurden. 
Zuweilen  werden  diese  „Pseudocysten"  aus  dem  Zellverband  abgestoßen  und 


Abb.  53.  Teil  eines  polyedrischen  Kernes  mit  großen 

Polyedern,   die  im   Innern  das  \'irus  enthalten. 

Nach  Komarek  und   B  rein  dl. 


6.  Raupenkrankheiten.  81 

sind  dann  frei  in  der  Blutflüssigkeit  anzutreffen.  Früher  oder  später  platzen 
sie  und  entleeren  ihren  Inhalt  in  die  Blutflüssigkeit,  die  schließlich  von  ihnen 
vollständig  erfüllt  ist.  Anfangs  ist  eine  bestimmte  Gruppe  von  Blutzellen 
befähigt,  einen  Teil  der  im  Blut  schwimmenden  Polyeder  aufzunehmen  und 
wahrscheinlich  zu  verdauen.  Späterhin,  wenn  die  Krankheit  auch  den  Fett- 
körper, das  Muskelsystem,  das  Nervengewebe  und  die  Gonaden  ergriffen  hat, 
tritt  eine  vollständige  Zersetzung  des  Gewebes  ein:  die  Raupe  ver jaucht,  der 
Tod  tritt  früher  oder  später  ein.  Seltsamerweise  scheint  das  Gewebe  des 
Darmapparates  sich  gegenüber  den  Angriffen  des  Krankheitserregers  bei  den 
einzelnen  Arten  verschieden  zu  verhalten.  So  ist  bei  Nonnenraupen  imd  auch 
beim  Seidenspinner  im  allgemeinen  der  Darm  polyederfrei,  während  anderer- 
seits beim  Kiefernspinner  und  Schwammspinner  gelegentlich  Darmpolye- 
drosen  beobachtet  worden  sind. 

Eigentümlicherweise  endigt  die  Krankheit  nicht  in  allen 
Fällen  mit  dem  Tode  des  Wirtstieres.  Die  näheren  Bedingungen 
für  diese  Erscheinung  kennt  man  noch  nicht.  Es  scheint  sich  hierbei  um 
Immunität  einzelner  Raupen  gegenüber  dem  Krankheitserreger  zu  handeln. 
Auch  sprechen  gewisse  Beobachtungen  dafür,  daß  die  Krankheit  bei 
manchen  Raupen  längere  Zeit  in  latentem  Zustand  bestehen 
kann,  um  erst  unter  dem  Einfluß  äußerer  ungünstiger  Bedingungen  akuten 
Verlauf  anzunehmen.  Überhaupt  haben  die  klimatischen  Voraussetzungen, 
was  schon  früher  bekannt  war  und  durch  Untersuchungen  von  Escherich 
und  M  i  y  a  j  i  m  a  und  K  o  m  a  r  e  k  und  B  r  e  i  n  d  1  wieder  bestätigt  wurde, 
einen  wichtigen,  wenn  nicht  gar  den  ausschlaggebenden  Einfluß  für  das 
Zustandekommen  der  Epidemie  in  freier  Natur.  Dies  gilt  speziell  für  die 
Wipfelkrankheit  der  Nonne,  deren  Verlauf  durch  anhaltendes  Regenwetter 
begünstigt  werden  soll. 

In  freier  Natur  werden  die  Polyeder  durch  die  Wirkung  der  Atmo- 
sphärilien aus  den  faulenden  Raupenkadavern  von  den  Bäumen  in  die  Boden- 
streu herabgeschwemmt,  wo  sie,  wie  Komärek  und  B  rein  dl  festgestellt 
haben,  längere  Zeit  erhalten  bleiben. 

Bemerkenswert  ist  eine  weitere  Mitteilung  von  Komärek,  derzufolge 
die  Virulenz  der  Polyeder  in  den  aufeinanderfolgenden  Jahren  einer  Nonnen- 
kalamität allmählich  steigt.  Er  schließt  dies  aus  der  Beobachtung,  daß  im 
ersten  Jahr  des  Auftretens  der  Wipfelkrankheit  Spiegelräupchen  und  Jung- 
raupen der  Nonne  stets  polyederfrei  sind,  während  in  den  folgenden  Jahren 
die  Zahl  erkrankter  Jungraupen  ständig  steigen  soll.  Glaser^)  will  sinn- 
gemäß durch  Passageimpfung  ebenfalls  Virulenzsteigerung  erzielt  haben. 

Was  die  „Vererbbarkeit"  der  Polyederkrankheit  anbetrifft,  d.  h.  die 
Übertragbarkeit  der  Seuche  von  einer  Generation  auf  die  folgende  durch 
Infektion  des  Eikeims  von  selten  der  Elterntiere,  so  scheint  sie  für  diese 
Kategorie  von  Krankheiten  nicht  in  Frage  zu  kommen.  Die  Möglichkeit 
einer  Infektion  junger  Nonnenraupen  durch  ein  erkranktes  Muttertier  besteht 
jedoch  insofern,  als  die  Eiräupchen  die  Gewohnheit  haben,  nach  dem 
Schlüpfen  ihre  Eischalen  zu  benagen.  Haften  diesen  vom  Muttertier  stam- 
mende Polyeder  an,  so  liegt  —  worauf  Prell  hinweist  —  durch  das  Ver- 


1)   Glaser,  R.  W.,   The   Polyhedrical   Virus  of   Insects   with  theoretical   Consi- 
derations  of  filtrable  Viruses  generally.  —  Science  V.   XLIV.    1918,  p.  301—302. 
Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  HI.  " 


82  I.  Allgemeiner  Teil. 

tilgen  der  Eischalen  eine  Übertragung  der  Krankheit  auf  die  Eiräupchen  im 
Bereich  des  Möglichen. 

Bezüglich  der  Verwendung  der  Polyederkrankheit  im 
Kampfe  gegen  die  verschiedenen  Forstschmetterlinge,  wie 
Nonne,  Schwammspinner  usw.,  brauche  ich  den  Standpunkt,  den  ich  im 
I.  Band  eingenommen  habe,  nicht  viel  zu  ändern,  d.  h.  es  ist  auch  heute  noch 
vor  übertriebenen  Hoffnungen  zu  warnen.  Wenn  auch  K  o  m  ä  r  e  k  und 
B  r  e  i  n  d  1  festgestellt  haben,  daß  in  Revieren,  in  denen  die  Polyederkrankheit 
geherrscht  hat,  die  oberflächlichen  Lagen  der  Bodenstreu  stark  mit  Polyeder 
durchsetzt  sind,  die  längere  Zeit  ihre  Virulenz  erhalten  können,  so  wird  die 
Überführung  solcher  polyederhaltiger  Bodenstreu  in  von  einer  frischen 
Nonnengradation  heimgesuchte  Wälder  nur  sehr  unsicheren  Erfolg  haben, 
einmal  wegen  der  starken  Abhängigkeit  des  Krankheitsverlaufes  von  äußeren 
Faktoren,  vor  allem  solchen  klimatischer  Natur,  auf  die  wir  keinen  Einfluß 
haben,  und  sodann  wegen  der  anfänglich  nur  geringen  Virulenz  des  Er- 
regers. Es  darf  eben  bei  derartigen  Dispositionskrankheiten  niemals  außer 
acht  gelassen  werden,  daß  die  Anwesenheit  des  Erregers  allein 
nicht  genügt,  die  Erkrankung  hervorzurufen,  zumal  in  unserem  Fall,  wie 
wir  oben  gehört  haben,  bei  manchen  Raupen  überhaupt  eine  gewisse  Immu- 
nität gegen  die  Polyederinfektion  vorzuliegen  scheint  i). 


7.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug 
oder  Motorverstäuber. 

Im  ersten  Band  dieses  W^erkes  (191 4)  mußte  ich  folgenden  Satz  über 
die  chemische  Bekämpfung  schreiben:  „Das  Bereich  der  chemischen  Be- 
kämpfung ist  in  der  Forstentomologie  ein  beschränktes:  es  bezieht  sich  vor- 
nehmlich auf  solche  Formen  des  Forstes,  die  dem  landwirtschaftlichen  oder 
gärtnerischen  Charakter  nahe  kommen,  also  Pflanzgärten  und  Kulturen." 

Kaum  irgendeine  andere  Anschauung  über  Forstschädlingsbekämpfung 
aus  der  damaligen  Zeit  hat  einen  größeren  Umschwung  erfahren  als  diese. 
Während  damals  die  chemische  Bekämpfung  im  Forstbetrieb  fast  unbekannt 
war,  stellt  sie  heute  das  Hauptkampfmittel  gegen  die  katastrophalen  Groß- 
schädlinge dar.  Es  ist  daher  notwendig,  in  diesem  Band  näher  auf  die  neue 
Kampfmethode  einzugehen.  Sie  besteht  darin,  ein  feines  Giftpulver  (Staub) 
in  die  Kronen  zu  bringen,  um  die  dort  fressenden  Raupen  zu  vergiften.  Dies 
kann  entweder  von  oben  her  geschehen,  von  einem  über  die  Kronen  fliegen- 
den Flugzeug  aus,  oder  vom  Boden  aus  durch  Gebläse-Apparate  (Motor- 
und  Handverstäuber)  2). 


1)  Selbst  Ruziöka,  der  der  Polyederkrankheit  große  Bedeutung  beimißt, 
warnt  davor,  sich  zuviel  von  der  Übertragung  polyederhaltiger  Stoffe  zu  erwarten. 
Er  ließ  einen  ganzen  Waggon  polyederhaltiger  Waldstreu  in  ein  noch  gesundes 
Nonnenrevier  schaffen,  ohne  einen  Erfolg  zu  erzielen,  d.  h.  das  Revier  wurde  trotz- 
dem kahlgefressen.  (Ruziöka,  Erfahrungen  über  die  Nonne  [Liparis  monacha]). 
Prag,   1927.) 

2|  Siehe  hierüber  meine  Flugschrift:  „Die  Flugzeugbestäubung  gegen  Forst- 
schädlinge." 60  S.  mit  22  Abb.,  Berlin,  Paul  Parey,  1929.  Hier  ist  auch  die  ein- 
schlägige Literatur  angegeben. 


7.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäuber. 


83 


Flugzeugmethode. 
Historisches. 

Der  Gedanke,  von  einem  Luftschiff  oder  Flugzeug  aus  Insektengifte  auf  die 
Wälder  zu  bringen,  wurde  schon  vor  dem  Kriege  gefaßt,  und  zwar  von  dein 
deutschen  Oberförster  Zimmermann,  der  sich  im  Jahre  191 1  sogar  ein  Patent 
auf  diese  Bekämpfungsart  geben  ließ.  Allerdings  stand  der  praktischen  Ausführung 
dieses  Planes  damals  der  Umstand  entgegen,  daß  man  in  jener  Zeit  noch  nicht 
über  die  staubförmigen  Mittel,  die  ja  eine  ,, conditio  sine  qua  non"  für  die  Flugzeug- 
bekämpfung sind,  verfügte.  Das  Zimmermannsche  Patent  geriet  in  Vergessenheit, 
und  erst  nach  dem  Krieg  nahmen  die  Amerikaner  den  Gedanken,  der  jetzt  infolge 
der  Vervollkommnung  der   Flugzeugtechnik   und  der  immer  stärkeren  Einbürgerung 


Abb.  54.    Das   Bestäuben   eines    Catalpa-Bestandes   mittels    Flugzeug   im    Staate   Ohio 

(U.S.A.).     Erstes,    in    einer    deutschen    Zeitschrift    (Zeitschr.    f.  ang.    Entomologie) 

erschienenes   Bild  einer  ,,Flugzeugbestäubung'". 


des  Bestäubens  (an  Stelle  des  Bespritzens  )  gewissermaßen  greifbar  nahegerückt  war, 
wieder  auf. 

Zuerst  wurde  er  im  Jahre  1921  praktisch  durchgeführt,  und  zwar  von 
CR.  Neillie  und  J.  S.  Houser,  die  einen  kleinen  Catalpa-Baumbestand,  der 
von  einer  Schwärmerraupe  befallen  war,  von  einem  Kriegsflugzeug  aus  mit  Blei- 
arseniat  bestäuben  ließen  (Abb.  54)1).  Der  Erfolg  dieses  ersten  Versuches  war 
derart  verblüffend,  daß  man  gar  nicht  recht  daran  glauben  wollte.    Daraufhin  ließ 


1)  Siehe  Uphof,  Die  moderne  Insektenbekämpfung  in  den  Vereinigten 
Staaten.  Zeitsch.  f.  ang.  Entom.  Bd.  IX,  1923;  und  A.  D.  Imms,  The  use  of  the 
airplane  for  applying  insecticides.  Journ.  Ministery  of  Agric.  Vol.  XXXIII,  Nr.  3, 
London,  June,   1926. 


84  I-  Allgemeiner  Teil. 

1922  Co  ad  vom  Delta-Laboratorium  in  Tallulah  (Louisiana)  Versuche  mit  Kalzium- 
arseniat  gegen  einen  Baumwollschädling  (eine  Schmetterlingsraupe)  unternehmen, 
die  bewiesen,  daß  auch  diese  Raupe  vom  Flugzeug  aus  wirksam  bekämpft  werden 
kann,  und  zwar  mit  geringeren  Giftmengen  und  in  weit  kürzerer  Zeit  als  mit  den 
gebräuchlichen  Bodenbestäubungsmaschinen.  1923  wurden  zum  erstenmal  auch  gegen 
den  Baumwollkapselkäfer  (Cotton  boU  weevil)  Flugzeugversuche  mit  gutem  Erfolg 
gemacht. 

Im  Jahre  1925  ging  man  zur  Großbekämpfung  des  schlimmsten  Baumwoll- 
schädlings, des  schon  genannten  Cotton  boU  weevil  (Kapselkäfer)  über.  Es  wurden 
in  Louisiana  allein  50000  Acres  gegen  diesen  Schädling  mit  Kalziumarseniat  be- 
handelt, und  zwar  mit  solchem  Erfolg,  daß  auf  den  bestäubten  Flächen  eine  etwa 
500/0   höhere   Ernte   erzielt   werden  konnte  als   auf   den   unbestäubten   Flächen. 

Die  Kosten  betrugen  rund  7  Dollar  je  Acre,  während  der  Gewinn  gegenüber 
den  unbestäubten  Flächen  33  Dollar  je  Acre  betrug.  Dazu  der  große  Vorteil  der 
Zeitersparnis.  Ein  Flugzeug  bewältigte  in  der  gleichen  Zeit  ebensoviel  wie 
75  Bodenverstäuber  (mit  einer  Bodenmaschine  können  bestenfalls  30  Acre  im  Tag 
bestäubt    werden    gegenüber    200 — 1000    Acres    je    Stunde    durch    das    Flugzeug). 

Außer  gegen  die  Baumwollschädlinge  verwandte  man  das  Flugzeug  in  Amerika 
neuerdings  auch  gegen  andere  Schädlinge:  in  Obst-  und  Citrus-Plantagen,  in  Tabak- 
feldern, in  Tomaten-  und  Erbsenfeldern,  überall  mit  befriedigendem  Erfolgt).  Ja, 
sogar  gegen  die  Anophelesbrut  wurde  das  Flugzeug  herangezogen,  um  von  ihm  aus 
die  großen  Wasserstellen  mit  Schweinfurtergrün  zu  bestäuben. 

Übrigens  wurden  nicht  nur  Arsenverbindungen  zum  Bestäuben  vom  Flugzeug 
aus  benutzt,  sondern  es  kamen  auch  Mischpulver  zur  Verwendung,  wie  z.  B.  Kalzium- 
arseniat (940/0)  und  Nikotinsulfat  (60/0),  eine  Mischung,  die  unter  dem  Namen 
„Kalarnik"  im  Handel  ist.  Durch  die  Beimischung  von  Nikotin  sollen  auch  die 
saugenden  Insekten,  vor  allem  die  Blattläuse,  vernichtet  werden.  Auch  Pilzgifte, 
wie  Kupferverbindungen,   Schwefelpulver   usw.,   hat  man  beigemischt. 

Inzwischen  hat  man  auch  in  anderen  Ländern  mit  Flugzeugen  Schädlings- 
bekämpfung getrieben,  vor  allem  in  Südafrika  2)  und  Rußland  3),  und  zwar  haupt- 
sächlich gegen  die  Heuschrecken.  Man  verwandte  hierzu  Natriumarsenit,  das  man 
auf  die  fliegenden  Heuschreckenschwärme  stäubte,  mit  dem  Erfolg,  daß  große 
Mengen  der  Heuschrecken  zugrunde  gingen.  Auch  auf  die  Brutplätze  der  Heu- 
schrecken, besonders  wo  es  sich  um  schwer  zugängliche,  mit  Schilfrohr  bestandene 
Flächen  handelte,  hat  man  durch  Bestäubung  mit  Natriumarsenit  vom  Flugzeug 
aus  gute  Erfolge   erzielt. 

In  Deutschland  gaben  die  ausgedehnten  forstlichen  Verheerungen  der  letzten 
Jahre  die  äußere  Veranlassung,  sich  die  amerikanischen  Erfolge  gegen  die  ver- 
schiedenen Fortschädlinge  nutzbar  zu  machen. 

Die  ersten  Versuche  wurden  am  22.  Mai  1925  durch  die  Firma  Stolze nberg 
im  Biesenthaler  Forst  bei  Eberswalde  gemacht,  die  erste  regelrechte  Bekämpfung 
wurde  einige  Tage  später  (24. — 29.  Mai)  auf  Veranlassung  von  Forstmeister  Ebert 
im  Sorauer  Forst  gegen  die  Nonne  durchgeführt.  Es  wurden  240  ha  starkbedrohten 
Waldes  behandelt,  und  zwar  durch  die  Firma  Güttler-Schärfe  (jetzt  Gut 1 1er 
&  Co.,  Hamburg),  die  dazu  ihr  für  den  Export  nach  Amerika  bestimmtes  400/oiges 


1)  Moril,  A.  W.,  Airplane  dusting  for  the  Control  of  Vegetable  Pests  on  the 
Mexican  West  Coast.    Journ.  Econ.  Ent.  Vol.  19,  Nr.  5   (1926). 

2)  Siehe  O.  W.  Mally,  Arsenite  of  Soda  as  a  Locust  Poison.  Journ.  of  the 
Dept.  Agric.  Marsch.  1923,  Pretoria,  S.-Africa. 

3)  A.  A.  Granowsky,  The  Control  of  Grasshoppers  by  Airplane  Dusting. 
Journ.  Econ.  Entom.  1926.  —  J.  A.  Par  f  ent  j  e  w,  Bekämpfung  der  Wanderheu- 
schrecken in  ihren  Brutplätzen.  Anz.  f.  Schädlingskunde,  1926,  S.  127.  —  Siehe 
ferner  die  Arbeiten  von  Korotkich,  Wyschelesskaja,  Vitkevitsch, 
Galachov,  Zarring  und  Sabin-Gus  in  der  russischen  Zeitschrift  „Defense 
des  Plantes"  V.  1928  (Ref.  in  Review  of  appl.  Ent.  1928,  S.  660  ff .  und  im  Anz.  f. 
Schädlingskunde   1929,   H.  i). 


7.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flügzeug  oder  Motorverstäuber.  85 

Kalziumarsenit-Präparat  „Silesia"  verwandte.  Die  Raupen  standen  zwischen  der 
zweiten  und  dritten  Häutung.  Die  Wirkung  war  durchschlagend,  die  ersten  toten 
Raupen  waren  bereits  nach  3  Tagen  festzustellen,  und  nach  5  Tagen  war  keine 
lebende  Raupe  mehr  auf  den  Bäumen.  Am  deutlichsten  konnte  man  die  Wirkung 
am  Kotfall  ablesen,  der  schon  nach>  2  Tagen  erheblich  nachließ,  um  nach  4—5  Tagen 
ganz  aufzuhören,  während  er  in  den  unbehandelten  Orten  weiter  zunahm  und  der 
Fraß  weitere  Fortschritte  machte.  Nach  Eberts  Bericht  wurde  in  dem  behandelten 
Bezirk  nach  der  Bestäubung  kaum  mehr  eine  Nadel  gefressen.  Noch  prompter  wirkte 
die  Bestäubung  auf  die  im  gleichen  Bezirk  fressenden  Eichenwickler.  Vier  Wochen 
später  wurden  weitere  100  ha  Wald  bei  Hohenbrück  in  Pommern  ebenfalls  gegen 
Nonne  von  der    Fa.   E.  Merck  in  Darmstadt  bestäubt. 


Abb.  55.    Bestäubungsflug  mit  Junkers  Limousine   F.  13   (Juli   1925   im   Forstamt  Ens- 

dorf  in  Bayern). 

Diese  beiden  \'ersuche  gaben  den  Auftakt  zu  weiteren  Arsenbekämpfungen, 
die  von  Jahr  zu  Jahr  größeren  Umfang  annahmen  und  bis  Ende  1929  sich  bereits 
auf  ca.  27000  ha  erstreckten.  Der  Kampf  richtete  sich  in  der  Folgezeit  außer  gegen 
die  Nonne  auch  noch  gegen  die  Kieferneule,  den  Kiefernspanner,  Frostspanner,  den 
Eichenwickler  und  die   Kiefernblattwespe   (Lophyrus). 

Gegen  welche  forstliche  Schädlinge  kann   die  Arsenbestäubung 
vorgenommen  werden? 

Arsen  gehört  zu  den  Fraßgiften,  also  kann  es  nur  gegen  ,, beißende"  In- 
sekten verwendet  werden,  welche  sich  von  Blattsubstanz  nähren  und  mit 
dieser  den  daran  haftenden  Giftstaub  ihrem  Darmkanal  einverleiben.  Da 
das  Flugzeug  nur  auf  größeren  Flächen  eingesetzt  werden  kann  und  hohe 
Kosten  verursacht,  so  kommen  vom  wirtschaftlichen  Standpunkt  aus  nur 
Groß-Schädlinge  in  Betracht,   deren   Massenvermehrung  schwere  v.irtschaft- 


86  I-  Allgemeiner  Teil. 

liehe  Schäden  verursachen  kann.  Unter  ihnen  scheiden  solche  aus,  die  arsen- 
bestäubtes Futter  sichtlich  meiden  bzw.  dieses  nur  in  der  Not,  vom  Hunger 
getrieben,  annehmen,  zumal  wenn  diese  Arsenscheu  mit  großer  Beweglichkeit 
(Flugvermögen)  verbunden  ist.  Zu  diesen  flüchtigen,  arsenscheuen  Schäd- 
lingen gehört  z.  B.  der  Maikäfer,  gegen  den  daher  die  Arsenbestäubung 
ziemlich  wirkungslos  ist. 

Als  nicht  oder  nur  in  geringem  Maße  arsenscheu  haben  sich  die  Raupen 
der  schlimmsten  forstschädlichen  Schmetterlinge  erwiesen  und  ferner  die 
Larven  (Afterraupen)  der  Blattwespen.  Von  den  ,,arsenfreundlichen"  Raupen 
scheiden  des  weiteren  solche  aus.  gegen  die  andere  und  billigere  und  dabei 
ebenso  wirksame  Bekämpfungsmethoden  angewendet  werden  können,  wie  der 
Kiefernspinner,  Dendrolimus  pini  L.,  gegen  den  der  billigere  Leimring, 
richtig  angewendet,  vollen  Erfolg  verspricht. 

So  bleiben  in  der  Hauptsache  als  Objekte  für  die  Methode  der  Arsen- 
bestäubung folgende  Groß-Schädlinge: 

Nonne,  Kieferneule,  Kiefernspanner,  Frostspanner,  Eichenwickler  und 
Kiefernblattwespe.  Des  weiteren  wäre  noch  zu  denken  an:  Prozessionsspinner, 
Schwammspinner  und  die   Fichtenblattwespe. 

Wann   ist  die  Flugzeugbestäubung  indiziert? 

Bedeutet  es  für  den  Revierverwalter  schon  eine  große  Verantwortung, 
wenn  die  Frage  auftaucht,  ob  geleimt  werden  soll  oder  nicht,  so  ist  diese  noch 
weit  größer  bei  der  Entscheidung,  ob  das  Flugzeug  eingesetzt  werden  soll 
oder  nicht. 

Vom  wirtschaftlichen  Standpunkt  aus  wird  sich  die  Flugzeugbekämp- 
fung nur  dann  lohnen,  wenn  das  Leben  wertvoller,  noch  im  Zuwachs  be- 
griffener Bestände  wirklich  in  Gefahr  ist.  Bei  haubaren  Altholzbeständen 
werden  sich  die  Kosten  nur  unter  bestimmten  Umständen  (z.  B.  Holzverwer- 
tungsfragen) rechtfertigen  lassen. 

Die  Entscheidung,  ob  bestäubt  werden  soll  oder  nicht,  kann  nur  auf 
Grund  eingehendster  und  gewissenhafter  Prüfung  aller  für  die  Beurteilung 
des  Verlaufes  der  Gradation  wesentlichen  Momente  gefällt  werden. 

Vor  allem  ist  das  Stadium  der  Gradation  festzustellen:  Befindet  sich 
dieselbe  im  Aufstieg  oder  bereits  im  Abstieg  (Retrogradation). 

Befindet  sich  die  Gradation  im  Aufstieg,  so  muß  vor  allem  versucht 
werden,  die  mutmaßliche  Zahl  der  Raupen  pro  Baumkrone  festzustellen. 
Kann  man  bei  vielen  Schädlingen  schon  durch  die  Untersuchung  der  Puppen- 
zahl im  Boden  während  des  Winters  bzw.  im  Herbst  und  Frühjahr  nützliche 
Vorarbeit  leisten,  so  gibt  die  Stärke  des  Falterfluges  und  die  darauf  zu  er- 
folgende Untersuchung  der  Ei-  und  Raupenzahl,  die  durch  vorsichtiges  Fällen 
einzelner  Stämme  auf  Tücher  zu  geschehen  hat,  und  vor  allem  auch  der  Kot- 
fall ein  annähernd  richtiges  Bild  von  der  Stärke  der  Gradation.  Die  Zahl 
der  Raupen,  in  Verbindung  gesetzt  mit  der  Größe  der  Krone,  lassen  einen 
einigermaßen  sicheren  Schluß  zu  auf  den  voraussichtlichen  Grad  der  Fraß- 
beschädigung. Natürlich  darf  bei  dieser  Kalkulation  der  Gesundheitszustand 
der  Raupen  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  wobei  auch  die  im  Vorjahre 
festgestellte   Stärke   des   Parasitenbefalls   Berücksichtigung   finden   muß. 

Ist  man  auf  diese  Weise  zur  Überzeugung  gelangt,  daß  es,  falls  man 
die  Gradation  sich  selbst  überläßt,  auf  größeren   Flächen  zu 


7.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäuber.  87 

Kahlfraß  kommt,  so  ist  die  Indikation  für  die  Flugzeug- 
bekämpfung gegeben. 

Es  kann  aber  auch  sehr  wohl  möglich  sein,  daß  durch  unvorhergesehene 
Umstände,  wie  naßkalte  Witterung,  Ausbruch  von  Raupenkrankheiten  usw. 
die  Gradation  vor  der  Zeit  von  selbst  zusammenbricht  und  daher  der  er- 
wartete Kahlfraß  nicht  eintritt  —  was  z.  B.  in  nichtbestäubten  Nächbar- 
revieren,  in  denen  die  Gradation  in  genau  dem  gleichen  Stadium  sich  be- 
funden hatte,  zu  ersehen  sein  könnte  — ,  so  war  der  Entschluß  zur  Vornahme 
der  Bestäubung  doch  der  richtige.  Sich  in  solchen  Fällen  auf  das  Eintreten 
eines  wenn  auch  nicht  wahrscheinlichen,  so  doch  immerhin  möglichen  gün- 
stigen Ereignisses  zu  verlassen,  würde  das  gleiche  bedeuten,  wie  wenn  ein 
Hausbesitzer  angesichts  seines  in  Flammen  stehenden  Hauses  von  der  Her- 
beirufung der  Feuerwehr  deswegen  absehen  würde,  weil  eventuell  ein  das 
Feuer  löschender  Wolkenbruch  eintreten  könnte. 

Ist  die  Gradation  bereits  auf  der  absteigenden  Kurve  (Retrogradation), 
so  wird  die  Entscheidung  noch  schwieriger  werden.  Läßt  der  Gesundheits- 
zustand des  Schädlings  und  die  Zahl  der  Parasiten  mit  großer  Wahrschein- 
lichkeit den  Zusammenbruch  der  Gradation  in  kurzer  Zeit  erwarten,  noch 
bevor  ein  zum  Tode  führender  Kahlfraß  eintritt,  so  wird  man  von  einer 
kostspieligen  Bestäubung  absehen.  Sind  dagegen  die  Parasiten  und  Krank- 
heiten noch  nicht  so  übermächtig  geworden,  daß  der  Zusammenbruch  un- 
mittelbar bevorsteht,  andererseits  aber  Kahl-  bzw.  Todfraß  zu  erwarten  ist, 
so  wird  trotz  Retrogradation  die  Bestäubung  indiziert  sein^). 

Das  Gift. 

Die   \^erschiedenen   Verstä  üb  ungs  mittel    und   ihre   Eigen- 
schaften. 

Das  wirksame  Agens  aller  bis  jetzt  in  Deutschland  im  forstlichen  Groß- 
kampf gebrauchten  Streugifte  ist  Arsen,  und  zwar  in  Form  von  Kalzium- 
arseniat  (Gag  [AsO^Ja  HoO).  Folgende  staubförmige  Präparate  kamen  bis  jetzt 
für  die  Begiftung  der  Wälder  in  Deutschland  zur  Verwendung: 

„Forstesturmit"  der  Firma  E.  M e r  c k -  Darmstadt.  Gehalt  an 
Arsensäure  (AS2O5)  11 0/0   (nach  Bedarf  bis  160/0).   Spez.  Gewicht  45. 

„Hercynia"  der  Firma  Gebr.  B  or  che  rs  -  Goslar.  Gehalt  an  AS2O5 
ca.  1 1  0/0 . 

„Meritol"  der  Firma  Schering-Kahlbaum,  Berlin,  Gehalt  an 
AS2O5  ca.  180/0. 

„Silesia"  -  Kalziumarsenia  t  der  Firma  Gut  t  le  r- S  c  h  ä  r  f  e  in 
Reichenstein.   Gehalt  an  AsoOj  ca.  40 0/0. 

Das  letztere  hochprozentige  Mittel  wurde  in  den  letzten  Jahren  nicht 
mehr  verwandt  (wegen  der  erhöhten  Gefahr  für  Warmblüter  usw.).  Die  Firma 


ij  Rhumbler  beschreibt  (Z.  f.  ang.  Ent.  XV.,  Heft  i)  eine  während  der 
Retrogradation  vorgenommene  Flugzeugbestäubung  gegen  den  Spanner  und  hebt  be- 
sonders hervor,  daß  die  Retrogradation  durch  die  Bestäubung  nicht  aufgehalten  und 
andererseits  durch  die  Begiftung  großer  Schaden  verhindert  wurde.  Daß  die  Be- 
stäubung auf  den  Verlauf  einer  gerade  ausbrechenden  Polyederkrankheit  (Wipfel- 
krankheit) retardierend  oder  gar  heilend  wirkt,  wie  man  nach  den  unten  mitgeteilten 
Beobachtungen  Speyers  vermuten  könnte  (die  sich  allerdings  nur  auf  schwach 
arsenhaltiges  Futter  beziehen),  scheint  nach  den  Beobachtungen  Komäreks  nicht 
der  Fall  zu  sein  (s.  Anz.  f.  Schädlingsk.    1928,   Heft  7). 


88  •  I-  Allgemeiner  Teil. 

(jetzt  Güttier  &  Co.  in  Hamburg)  hat  neuerdings  auch  ein  Präparat  mit 
geringerem  Arsengehalt  hergestellt  („Forst- Vermisil"),  das  aber  bei 
„Flugzeugbestäubungen"  bisher  noch  nicht  gebraucht  wurde. 

Außerdem  werden  in  Deutschland  noch  verschiedene  andere  staub- 
förmige Arsenmittel  hergestellt,  die  aber  ebenfalls  bisher  vom  Flugzeug  aus 
noch  nicht  verstäubt  wurden,  wie  „Grallit"  der  I.  G.  Farben  A.-G.,  „Du- 
sturan" der  Chemischen  Fabrik  in  Schweinfurt  u.  a.  m. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  aller  für  den  Pflanzenschutz  bestimmten 
Arsenstaubmittel  ist,  daß  die  Präparate  keine  oder  höchstens  nur  Spuren  von 
wasserlöslichen  Arsenverbindungen  enthalten  (wegen  Verbrennungsgefahr 
und  der  erhöhten  Giftigkeit  für  Mensch  und  Tier). 

Die  ersten  drei  der  oben  genannten  Mittel,  die  allein  in  den  letzten 
Jahren  zur  Verwendung  gekommen  sind,  weichen  in  bezug  auf  den  Gehalt  an 
dem  wirksamen  Agens  (Arsen)  nur  geringfügig  voneinander  ab  (ii  — 180/0). 
Dagegen  bestehen  einige  Unterschiede  bezüglich  der  beigegebenen  Trans- 
port- bzw.  Haftmittel  und  des  Verfahrens,  nach  dem  das  Präparat  hergestellt 
wird. 

Für  eine  praktische  Verwendbarkeit  sind  besonders  folgende  Eigen- 
schaften wichtig  1): 

1.  geringes  spezifisches  Gewicht, 

2.  gute    Haftfähigkeit   und   Regenbeständigkeit, 

3.  Feinkörnigkeit  und  leichte  Verstäubbarkeit  (keine  Zusammenballung) 
und  dadurch  bedingte  gleichmäßige  Verteilung, 

4.  Unentmischbarkeit, 

5.  das  Präparat  darf  von   Feuchtigkeit  nicht  beeinflußt  werden. 

Das  geringe  spezifische  Gewicht  ist  deshalb  von  Vorteil,  weil  die 
Staubwolke  sich  um  so  länger  in  den  Kronen  hält,  je  leichter  und  feiner  die 
Teilchen  sind.  Und  je  länger  die  Staubwolke  in  der  Kronenregion  verbleibt, 
desto  intensiver  wird  die  Einstäubung  der  Nadeln  sein.  „Die  einzelnen  Prä- 
parate zeigen  in  dieser  Beziehung  noch  ziemlich  große  Unterschiede,  Ver- 
suche über  das  optimale  Gewicht  stehen  noch  aus." 

Von  großer  Bedeutung  ist  die  Haftfähigkeit  und  Regenbestän- 
digkeit des  Staubes.  Was  nützt  das  beste  Gift,  wenn  es  schon  durch  kleine 
Erschütterungen,  durch  Wind  oder  leichten  Regen  wieder  aufgeworfen  oder 
abgewaschen  wird?  Niemand  wird  natürlich  eine  Haftfähigkeit  verlangen, 
die  einem  unmittelbar  nach  der  Bestäubung  ausbrechenden  Gewitter  mit 
wolkenbruchartigem  Platzregen  und  orkanartigen  Stürmen  standhält.  Man 
kann  jedoch  verlangen,  daß  das  Gift  durch  mäßige  Erschütterungen  und 
jiormalen  Regen  nicht  gleich  wieder  völlig  entfernt  wird.  Bei  einem  rasch 
und  gut  haftenden  Mittel  wird  „die  Dauer  der  Wirksamkeit  verlängert,  der 
Einfluß  ungünstiger  Witterung  herabgesetzt  und  infolgedessen  die  Menge 
des  Mittels  und  die  Zahl  der  Bestäubungen  verringert,  was  auf  die  Kosten 
der  Bekämpfung  ganz  beträchtlichen  Einfluß  hat". 

Die  Haftfähigkeit  ganz  exakt  zahlenmäßig  festzustellen,  ist  äußerst 
schwierig,  und  wird  wohl  kaum  ganz  ohne  Fehlerquellen  durchzuführen  sein. 


1)  Siehe  hierüber  die  Arbeit  von  Eidmann  und  Berwig,  Untersuchungen 
über  die  physikalischen  Eigenschaften,  insbesondere  die  Haftfähigkeit  von  Arsen- 
bestäubungsmitteln (Forstw.  Centralbl.  1928),  die  den  folgenden  Ausführungen  in 
der  Hauptsache  zugrunde  liegt. 


■j.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäuber.  89 

Es  sind  eine  Reihe  von  Verfahren  ausgearbeitet  worden,  zuerst  von  Gör- 
nitz,  dann  von  Eidmann  und  Berwig,  Stellwaag,  Völz  u.  a.,  die 
heute  wenigstens  ziemlich  genaue   Haftfähigkeitsbestimmungen  erlauben. 

Neben  der  Haftfähigkeit  (im  weiteren  Sinn)  spielt  auch  die  gleich- 
mäßige Verteilung  der  Mittel  eine  hervorragende  Rolle  für  die  prak- 
tische Wirkung.  Es  kommt  vor  allem  darauf  an,  daß  der  Giftstaub  möglichst 
fein  und  gleichmäßig  über  die  Nadel  oder  das  Blatt  verteilt  wird  (Abb.  56). 


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h  hl  i|  i|  i| 
Ü5  mm 


Abb.  56.  Beispiele  verschiedenartiger  Verteilung  des  Arsenstaubes  (Mikrophoto- 
gramme).  A  feinkörnig,  gleichmäßig  verteilt,  B  große  Menge,  stark  flockenbildend, 
C  geringe  Menge,  teilweise  flockig.  Präparat  A  kommt  den  Forderungen,  die  an 
einen    guten    Giftstaub     zu    stellen    sind,    am    nächsten.        Nach    E  i  d  m  a  n  n    und 


Es  ist  leicht  vorstellbar,  daß,  obwohl  eine  größere  Gewichtsmenge  Gift  auf 
dem  Blatt  oder  der  Nadel  haften  geblieben  ist,  die  Wirkung  eine  schwächere 
sein  kann  als  bei  geringer  Menge  —  wenn  nämlich  im  ersteren  Fall  das  Gift 
infolge  einer  zu  starken  „inneren  Haftfähigkeit"  zur  Zusammenballung  neigt 
und  infolgedessen  in  kleineren  oder  größeren  Klümpchen  haften  bleibt, 
zwischen  denen  arsenfreie  Stellen  auf  den  Blättern  oder  Nadeln  vorhanden 


90  I-  Allgemeiner  Teil. 

sind.  Wenn  andererseits  weniger  Arsen  haften  bleibt,  aber  dieses  Wenige 
die  Blattoberfläche  gleichmäßig  überzieht,  so  werden  die  Raupen  viel 
sicherer  mit  ihm  in  Berührung  kommen. 

Wirkung  des  Giftes  auf  die  Schädlinge. 
Arsen  hat  bis  jetzt  seinen  Platz  an  erster  Stelle  unter  den  Insektengiften 
(Fraßgiften)  behauptet.  Es  wird  allerdings  gegenwärtig  eifrig  daran  ge- 
arbeitet, es  durch  einen  anderen  (für  Warmblüter  weniger  giftigen)  Stoff  zu 
ersetzen.  Welch  starke  Wirkung  das  Arsen  auf  die  Insekten  hat,  geht  daraus 
hervor,  daß  im  allgemeinen  minimale  Spuren  genügen,  Raupen  zu  töten.  Be- 
trägt doch  die  letale  Dosis  Bruchteile  eines  Milligramms.  Analysen  arsen- 
vergifteter Raupen  ergaben  0,0003 — 0,02  mg  (i  mg  =-  g!).   Daraus  geht 

ohne  weiteres  hervor,  daß  erstens  hochprozentige  Präparate  (wie  das  anfangs 
gebrauchte  400/oige  Silesia)  verwenden  soviel  bedeutet  wie  mit  Kanonen  auf 
Spatzen  schießen  und  daß  zweitens  die  geringen  Schwankungen,  die  die  oben 
genannten  Präparate  in  bezug  auf  den  Gehalt  an  AsgOg  aufweisen,  in 
der  Endwirkung  auf  die  Insekten  sich  kaum  wesentlich  bemerkbar  machen. 

Die  Giftwirkung  tritt  zuerst  in  einer  Verringerung  des  Kotfalls 
und  Verkleinerung  des  Kotes,  also  Verringerung  und  allmählich  völligen  Ein- 
stellung der  Nahrungsaufnahme  in  Erscheinung.  Bei  nackten  Raupen  tritt 
zugleich  eine  Verfärbung  des  ganzen  Tieres  ein  (der  Spanner  z.  B.  nimmt 
einen  gelblichen  Farbenton,  der  vom  Kopf  beginnend  nach  hinten  fort- 
schreitet und  später  ins  Schwärzliche  übergeht,  an,  was  zum  Teil  auf  die  Ver- 
änderung des  durchscheinenden  Darms  zurückzuführen  ist,  der  beim  ge- 
sunden Tier  mit  grünem,  beim  kranken  mit  braunem  Inhalt  1)  erfüllt  ist).  Als 
weitere  Vergiftungssymptome  kommen  folgende  Erscheinungen  hinzu:  Die 
Raupen  werden  schlaff,  ähnlich  wie  bei  der  Polyederkrankheit,  und  fallen 
endlich  von  der  Fraßpflanze  ab,  oder  sie  verenden  in  verschiedenen  charak- 
teristischen Stellungen  an  der  Fraßpflanze:  entweder  hängen  sie  am  Ge- 
spinstfaden herunter  oder  sie  sind  mit  den  Bauchfüßen  festgeklammert,  so 
daß  Hinter-  und  Vorderende  hufeisenförmig  abgebogen  sind  (Abb.  57).  Nach 
dem  Tode  trocknen  sie  vom  Abdomenende  her  ein,  so  daß  das  Abdomen 
immer  spitzer  wird. 

Wenn  auch,  wie  oben  betont,  die  letale  Arsendosis  bei  Insekten  im  all- 
gemeinen nur  minimal  ist,  so  ist  doch  die  Art  der  Wirkung  des  xArsenstaubes 
auf  das  Befinden  der  Raupen  großen  Schwankungen  unterworfen,  vor  allem 
in  bezug  auf  die  Zeitdauer  des  Vergiftungsprozesses.  Die  Unterschiede  be- 
ziehen sich  nicht  nur  auf  die  verschiedenen  Arten  von  Insekten,  sondern  auf 
die  verschiedenen  Entwicklungsstadien  der  gleichen  Art.  So  gehen  z.  B.  die 
jungen  Eiräupchen  des  Spanners  schon  nach  i — 1V2  Tagen  zugrunde,  wäh- 
rend die  erwachsenen  Spannerraupen  bis  7  Tage,  unter  besonderen  Um- 
ständen sogar  noch  16 — 36  Tage  seit  Darreichung  arsenhaltigen  Futters  am 
Leben  bleiben  können  (Kalandadz  e).  Im  allgemeinen  kann  man  wohl 
sagen,  daß  die  Raupen  um  so  „widerstandsfähiger"  gegen  die  Arsenmittel 
werden,  je  älter  und  größer  sie  sind.  Ob  diese  Erscheinung  nur  darauf  be- 
ruht,   daß    die    minimale    tödliche    Dosis    mit    dem   Wachstum   der    Raupe    zu- 


1)   Übrigens  kann  man  auch  bei   Raupen,   die   durch  andere   Ursachen  erkrankt 
sind,  braune  Darmfärbung  beobachten. 


7.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäuber. 


91 


nimmt  oder  auf   physiologischen  Veränderungen  in  der  Raupe,   mag  dahin- 
gestellt bleiben. 

Was  die  „Empfindlichkeit"  der  verschiedenen  Insektenarten  gegen  den 
Giftstaub  betrifft,  so  hat  sich  von  den  bisher  bekämpften  Schädlingen  am 
hinfälligsten  die  Larve  (Afterraupe)  von  Lophyrus  pini  L.  erwiesen,  die 
durchschnittlich  schon  nach  2 — 4  Tagen  nach  der  Bestäubung  zugrunde  ging. 
Fast  ebenso  günstige  Resultate  wurden  bei  der  Nonne,  der  Eule  und 
dem  Eichenwickler  erzielt,  bei  denen  die  Abtötung  meist  auch  recht 
prompt  nach  wenigen   (3 — 5)  Tagen  eingetreten  ist.    Weniger  günstig  liegen 


A  Ji 

Abb.  57.    Charakteristische  Stellung  an  Arsenvergiftung  eingegangener  Raupen. 
A   Lymantria   dispar   L.,    B    Bupalus   piniarius   L.     Nach    Kalandadze. 


die  Verhältnisse  beim  Spanner,  dessen  Raupen,  wenigstens  in  den  älteren 
Stadien,  wie  schon  erwähnt,  wesentlich  schwieriger  zu  vergiften  sind  (siehe 
unten)  i). 

Die  Giftwirkung  kann,  wenn  sie  zur  Abtötung  der  Raupen  nicht  aus- 
reichte, auch  auf  die  nachfolgenden  Entwicklungsstadien  übergreifen,  so  daß 
der  Tod  erst  im  Puppenstadium  eintritt.  Ja,  sie  kann  sogar  noch  weiter- 
gehen. Es  ist  nämlich  verschiedentlich  beobachtet  (Speyer,  Kalan- 
dadze),   daß    schwach    vergiftete    Raupen    vom    Schwammspinner   und    der 


1)  Im  Walde  läßt  sich  die  Giftwirkung  nach  Bestäubungen  am  besten  durch 
Kot  fange  feststellen,  vt-orüber  unten  bei  der  Besprechung  der  Spannerbekämpfung 
nähere  Einzelheiten  angegeben  werden. 


92 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Nonne  sich  verpuppten  und  nach  der  normalen  Zeit  Falter  ergaben,  daß 
diese  Falter  auch  kopulierten  und  Eier  legten.  Erst  bei  den  Eiern  kam 
wieder  die  Giftwirkung  zur  Geltung,  in  dem  sämtliche  Eier,  die  von 
Faltern  aus  vergifteten  Raupen  stammten,  abstarben  und  eintrockneten 
(Abb.  58).  Analysen  haben  ergeben,  daß  wohl  noch  in  der  Puppe  Arsen  vor- 
handen, jedoch  weniger  als  in  der  letzten  Raupe  (z.  B.  0,004 — 0,0^  mg  pro 
Puppe  gegenüber  0,017 — 0,05  mg  pro  Raupe),  daß  dagegen  die  Imago 
völlig  arsenfrei  war^). 

Die  zeitliche  Verschiedenheit  in  der  Giftwirkung  kann  außer  auf  der  im 
Organismus  begründeten  verschiedenen  Empfindlichkeit  der  verschiedenen 
Arten  oder  Entwicklungsstadien  auch  noch  auf  anderen  Faktoren  beruhen, 
vor  allem  auf  zeitweiser  Freßunlust.  Diese  kann  hervorgerufen  werden,  ein- 
mal durch  tiefe  Temperaturen  und  schlechte  Witterung,  auf  die  die  ver- 
schiedenen   Raupen   verschieden   reagieren,    und   sodann    durch    den   \"organg 


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Abb.  58.     Arsenwirkung    auf    die    Eier    der    folgenden    Generation    (Nonnen-Eier). 

Links  normale,   gesunde   Eier,   rechts   Eier  von   Weibchen   aus   schwach   arsenisierten 

Raupen.    (Nach   Kalandadze.) 

der  Häutung  — •  Momente,  die  bei  der  Beurteilung  der  Giftwirkung  bzw.  bei 
der  Vornahme  der  Bestäubung  nicht  außer  acht  gelassen  werden  dürfen, 
wenn  anders  man  nicht  Gefahr  laufen  will,  zu  falschen  Schlüssen  zu  ge- 
langen. 

Wirkung  des  Giftes  auf  die  übrige  Tierwelt  des  Waldes. 

Einer  der  Hauptvorwürfe,  die  immer  wieder,  vor  allem  aus  den  Kreisen 
des  Naturschutzes  gegen  den  Arsenkampf  im  Walde  erhoben  wurden  und 
noch  erhoben  werden,  geht  dahin,  daß  unter  den  Arsenbestäubungen  nicht 
nur  die  Schädlinge,  sondern  auch  die  übrigen  Tiere,  wie  die  nützlichen  Kerb- 
tiere, und  besonders  auch  die  Warmblüter,  Vögel  und  Säugetiere,  zu  leiden 
haben. 

Bezüglich  der  Warmblüter  sind  nur  einmal,  nämlich  in  der  Ober- 
försterei   Haste,    Vergiftungen    in    größerem    Maßstabe    vorgekommen,    und 


1)  Eine  merkwürdige  Giftwirkung  stellte  Speyer  bei  polyederkranken 
Schwammspinnerraupen  fest,  indem  bei  diesen  durch  Aufnahme  von  schwach  arsen- 
haltigem Futter  die  Krankheit  unterdrückt  wurde. 


7-  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäuber.  93 

zwar  bei  Ve r w e n d u n g  eines  4 o  "o  i g e n  Präparates.  Es  sind  dort  eine 
Anzahl  Hasen,  Rehe,  Rinder  und  auch  einige  Vögel  erkrankt  bzw.  einge- 
gangen. Seitdem  man  von  den  hochprozentigen  Präparaten  Abstand  ge- 
nommen hat,  ist  die  Gefahr  wesentlich  geringer  geworden. 

Bei  der  feinen  Verteilung  des  Staubes,  in  dem  ja  das  eigentliche  Gift 
(Arsen)  nur  einen  Bruchteil  ausmacht,  ist  dies  ohne  weiteres  verständlich, 
zumal  ja  die  tödliche  Arsendosis  für  Warmblüter  eine  recht  beträchtliche  ist. 
Fro  ebner  (bei  Stellwaag)i)  gibt  folgende  tödliche  Durchschnitts- 
werte an: 

Rinder 15    —30       g 

Pferde,  Schafe,  Ziegen  ....       8    — 10       g 

Schweine 0,5 —   i        g 

Hühner 0,1—  0,15  g 

Daraus  geht  hervor,  daß  Hornvieh  eine  ganz  außerordentlich  große  Arsen- 
menge vertragen  kann.  Eine  Vergiftungsgefahr  ist  so  gut  wie  ausgeschlossen, 
wenn  das  Vieh  mehrere  Tage  von  der  in  der  Nähe  des  Bestäubungsgebietes 
gelegenen  Weide  ferngehalten  wird  2). 

Wenn  wir  uns  gar  die  minimalen  Spuren  Arsen  vorstellen,  die  in  ver- 
gifteten Raupen  gefunden  wurden,  die  teilweise  nur  wenige  Tausendstel  eines 
Milligramms  betrugen,  so  können  wir  von  vornherein  annehmen,  daß  auch 
nur  ganz  ausnahmsweise  ein  Vogel  durch  Fressen  von  vergifteten  Raupen 
zu  der  für  ihn  tödlichen  Dosis  gelangt. 

Die  Befürchtungen,  daß  durch  den  Arsenkampf  auch  die 
Vogel-  und  Säugetier  weit  in  unseren  Wäldern  ausgerottet 
oder  auch  nur  dezimiert  ^\•erden  könnte,  ist  also  nicht  be- 
rechtigt. 

Wie  steht  es  mit  der  nützlichen  Insektenwelt?  Wie  die  Parasiten  und 
Raubinsekten  auf  die  Arsenbestäubung  reagieren,  darüber  wissen  wir 
nicht  allzuviel.  Daß  manche  Imagines  von  Tachinen  und  Schlupfwespen 
durch  Aufnahme  von  Arsen  zugrunde  gehen,  ist  mehrfach  beobachtet  Avorden. 
Forstmeister  Reissig  teilte  mir  brieflich  mit,  daß  in  erster  Linie  Dip- 
teren dem  Arsen  zum  Opfer  fielen,  sodann  konnten  zahlreiche  kleine  Braco- 
niden  tot  auf  den  ausgelegten  Tüchern  gefunden  werden.  Dagegen  scheinen 
Tachinenlarven,  die  in  vergifteten  Raupen  leben,  nicht  unter  dem  Gift  zu 
leiden.  Wolff  beobachtete  wiederholt,  daß  aus  vergifteten  toten  Raupen 
gesunde  Tachinenmaden  schlüpften;  es  konnte  auch  in  den  letzteren  kein 
Arsen  festgestellt  werden.  Nach  dem  gleichen  Autor  bleiben  auch  die 
Schlupfwespenlarven  von  dem  vom  Wirtstier  aufgenommenen  Gift  un- 
berührt. Es  ist  dies  daraus  zu  erklären,  daß,  wie  die  chemischen  Analysen 
zeigen,  das  Gift  sich  fast  ausschließlich  im  Darmkanal  befindet,  während 
jene  Parasitenlarven  in  der  Leibeshöhle  leben,  von  deren  Säften  sich  nährend. 

1)  Stellwaag,  F.,  Der  Gebrauch  der  Arsemiiittel  im  deutschen  Pflanzen- 
schutzdienst.   Berlin  (P.  Parey)    1926. 

2)  In  Südafrika  kommt  der  Verfütterung  getöteter  Heuschrecken  eine  große 
Bedeutung  zu.  Es  war  daher  notwendig,  die  durch  Arsenköder  vergifteten  Tiere  auf 
ihren  Arsengehalt  zu  untersuchen.    Im  Durchschnitt  wurde  bei  50  Heuschrecken  i  mg 

(= g)    festgestellt:   ein   Pfund    Heuschrecken   enthielt    15    mg   As.,05.  So  konnte 

^       1000  °  * 

eine  Verfütterung  der  vergifteten   Heuschrecken  unbedenklich  vorgenommen  werden 

(Stellwaag). 


94  I-  Allgemeiner  Teil 

Bezüglich  der  Wirkung  des  Arsens  auf  Raubinsekten  teilt  Wolff  mit, 
daß  die  im  Bestäubungsgebiet  gesammelten  Puppenräuber  (Calosovia) 
keine  nachweisbaren  Arsenmengen  enthielten,  und  daß  an  den  Wa  1  d  - 
ameisen,  die  „schwer  zur  Aufnahme  des  Arsens  zu  bewegen"  seien,  nir- 
gends Schädigungen  eingetreten  sind.  Gerade  Gegenteiliges  bezüglich  der 
Ameisen  berichtet  mir  Forstmeister  Reissig.  Nach  ihm  war  die  Wirkung 
des  Arsens  auf  die  Ameisen  eine  sehr  starke.  Er  teilt  einen  Fall  mit,  in  dem 
2  Tage  nach  der  Betäubung  30  tote  Raupen,  45  tote  Baumläuse  (Lachnus) 
und  50  tote  Ameisen  auf  den  Probetüchern  (4  qm)  lagen. 

Als  weitere  Nützlinge,  die  durch  das  Arsen  getötet  wurden,  nennt 
Reissig:   Schildwanzen,   Spinnen  und  Coccinellidenlarven. 

Zweifellos  sind  auf  diesem  Gebiet  noch  viele  Fragen  zu  lösen,  und  es 
wird  sich  lohnen,  spezielle  UntersucTiungen  hierüber  anzustellen. 

Eine  unbestreitbare  Gefahr  bedeutet  die  Arsenbestäubung  für  die 
Bienen,  die  sehr  empfindlich  gegen  Arsen  sind;  liegt  doch  die  tödliche 
Dosis  schon  bei  etwa  0,0005  mg!  Bei  den  verschiedenen  Bestäubungen  sind 
denn  auch  Verluste  von  Bienenvölkern  zu  beklagen  gewesen,  wenn  auch 
manche  an  anderen  Krankheiten  eingegangene  Völker  'bei  den  Entschädi- 
gungsansprüchen mit  eingeschmuggelt  worden  sein  mögen.  Die  betroffenen 
Imker  sind  in  den  meisten  Fällen  mehr  als  reichlich  entschädigt  worden. 

Nachdem  die  Gefahr  für  Bienen  erkannt  ist,  sind  wir  aber  in  der  Lage, 
die  Bienenschäden  zu  vermeiden. 


Welche  Verbreitung  die  Flugzeugbekämpfung  in  den  wenigen  Jahren 
seit  der  ersten  Bestäubung,  also  in  etwa  5  Jahren,  genommen  hat,  geht  daraus 
hervor,  daß,  wie  oben  bereits  gesagt,  bis  Ende  1929  in  Deutschland  an- 
nähernd 27  000  ha  bestäubt  wurden,  und  zwar  hauptsächlich  gegen  Nonne  und 
Spanner,  vereinzelt  auch  gegen  die  Eichenwickler. 

Nach  den  dabei  gewonnenen  Erfahrungen  i)  ergibt  sich,  daß  wir  in  der 
Arsenbestäubung  mittels  Flugzeug  eine  sehr  aussichtsreiche 
Methode  besitzen,  den  unsere  Wälder  immer  mehr  bedrohen- 
den Schädlingskatastrophen  wirksam  entgegentreten  zu 
können. 

Glänzende  Erfolge  wurden  gegen  Nonne,  Frostspanner,  Lophyrus  und 
Eichenwickler  erzielt.  In  der  Spannerbekämpfung  liegen  die  Verhältnisse 
nicht  so  eindeutig  günstig,  und  man  wird  sich  heute  noch  zuweilen  mit  Teil- 
erfolgen begnügen  müssen. 

Mit  besonderem  Nachdruck  sei  hier  nochmals  betont,  daß  es  heute  nicht 
mehr  so  sehr  auf  die  Auswahl  der  Mittel  ankommt,  welche  dank  der  un- 
ermüdlichen Arbeit  unserer  Industrie  in  den  letzten  Jahren  auf  eine  sehr 
hohe  Stufe  in  ihrer  Wirkung  gebracht  wurden  und  sich  bezüglich  ihrer  Eig- 
nung nur  noch  unwesentlich  unterscheiden,  als  vielmehr  auf  die  Gewissen- 


1)  Über  die  technischen  Einzelheiten  bezüglich  der  Vorbereitung  und  Durch- 
führung der  Bestäubung,  wie  der  Herstellung  von  Beflugskarten,  der  Markierung 
der  zu  befliegenden  Flächen  mit  Flaggen  (Ausflaggung,  Abb.  59),  ferner  der  Tages- 
zeit und  Witterung,  bei  welcher  geflogen  werden  kann,  der  Menge  des  zu  stäubenden 
Giftes,  der  Höhe  und  Richtung  des  Fluges,  der  Tagesleistung  eines  Flugzeuges  (im 
Höchstfall  150  ha  bei  günstigsten  Bedingungen),  endlich  der  Beobachtung  des  Be- 
stäubens  und  Feststellung  der  Wirkung  kann  in  der  oben  (S.  82,  P\ißnote  2)  ge- 
nannten Flugschrift    Auskunft  erholt  werden. 


7.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäubei 


95 


96 


I.  Allgemeiner  Teil. 


haftigkeit  der  technischen  Ausführung  der  Bestäubung.  Die  Forstbehörde 
hat  deshalb  vor  allem  darauf  zu  sehen,  daß  der  Beflug  nur  dann  stattfindet, 
wenn  die  äußeren  Umstände  (Witterungsverhältnisse  usw.)  eine  günstige  Aus- 
sicht auf  Erfolg  bieten.  Es  ist  besser,  eine  geringere  Zahl  von  Hektar  gründ- 
lich bestäuben  zu  lassen,  als  eine  größere  Zahl  unter  Nichtbeachtung  elemen- 
tarer Bedingungen. 

Ein  Haupthindernis  für  die  Flugzeugmethode  besteht  in 
ungünstigen  Witterungsverhältnissen,  durch  sie  kann  der  Erfolg 
wesentlich  herabgedrückt  werden.  Ist  es  doch  die  Voraussetzung  einer  guten 
gleichmäßigen  Bestäubung,  daß  möglichst  Windstille  herrscht  oder  nur  ganz 
schwache  Winde  (2 — 3  sek./m)  vorhanden  sind.  Selbstverständlich  ist  auch 
bei  Regenwetter  ein  Beflug  völlig  nutzlos  i). 


Abb.    60.     Motorpulververstäuber    ,. Platz",    Modell    1928. 

Motor-  und  Handverstäuber. 

Als  technisches  Hilfsmittel  zum  Verstäuben  des  Giftstaubes  im  Walde 
kommt  außer  dem  Flugzeug  noch  der  Motorverstäuber  in  Betracht,  durch 
den  der  Giftstaub  vom  Boden  aus  in  die  Kronen  geblasen  wird. 

Die  Erfahrungen  über  die  Anwendung  des  Motorverstäubers  sind  noch 
geringer   als   die   Erfahrungen   über   die    Flugzeugmethode.    Doch    sind   die 


1)  Wie  sehr  die  Flugzeugbestäubung  durch  ungünstiges  Wetter  beeinflußt 
werden  kann,  haben  wir  selbst  bei  den  ersten  größeren  Bestäubungen  in  Bayern 
(Forstamt  Ensdorf)  erlebt,  wo  an  44  Tagen  nur  9  Tage  geeignet  waren  zum  Beflug. 
(s.  Escherich,  K.,  Die  Flugzeugbekämpfung  im  bayerischen  Forstamt  Ensdorf. — 
Forstwiss.  Centralbl.   1926). 


7.  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäuber. 


97 


meisten  V^ersuchsansteller  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  daß  die  Verwen- 
dung des  Motor  verstäubers  im  Forst  durchaus  aussichts- 
reich ist,  vor  allem  da,  wo  kleinere  Insektenherde  zu  be- 
kämpfen sind.  Somit  stellt  der  Motorverstäuber  eine  Ergänzung  zum 
Flugzeug  dar. 

Es  sind  heute  schon  eine  ganze  Reihe  von  Motorverstäubern  im  Ge- 
brauch i),  die  alle  im  Prinzip  mehr  oder  weniger  übereinstimmen:  Durch  einen 
Motor  wird  ein  Ventilator  betrieben,  in  dessen  Luftstrom  der  Giftstaub  von 
einem  zentrisch  darüber  angebrachten  zylindrischen  Tank  fällt.  Mit  Luft 
gemischt  wird  der  Staub  zunächst  durch  einen  dicken  Gummischlauch  und 
dann  eventuell  noch  durch  ein  längeres  oder  kürzeres  Aufsteckrohr  nach 
außen  geführt   (Abb.  60 — 63). 

Je  nach  der  Stärke  des  Motors  bzw.  des  durch  den  Ventilator  erzeugten 
Luftstroms  und  den  herrschenden  Windverhältnissen  schwankt  die  Reich- 


Abb.   61.    Holders    Motorpulververstäuber   ,,Sulfia"   auf  3  Rädern. 


weite  der  Giftwolke.  Durchschnittlich  wird  dieselbe  bei  den  heutigen  Appa- 
raten (mit  6  PS)  bei  20 — 25  m  Höhe  ihr  Ende  haben.  Nur  unter  ganz  besonders 
günstigen  Bedingungen  können  größere  Höhen  erreicht  werden.  Die  vertikale 
Reichweite    liegt    bei    günstigsten    Wind-    und    Waldverhältnissen    etwa    bei 


1)  Ich  nenne  hier  den  Pulververstäuber  ,, Platz"  (Modell  1929)  der  Firma  Carl 
Platz,  Rheinische  Maschinenfabrik,  Ludwigshafen  a.  Rhein,  ferner  Holders  Motor- 
Pulververstäuber  „Sulfia"  der  Firma  Gebr.  Holder  in  Metzingen  (Württemberg). 
Das  letztere  Modell  scheint  wegen  seiner  Leichtigkeit  und  großen  Wendigkeit  für 
den  Gebrauch  im  Walde  besonders  geeignet.  Endlich  haben  auch  einige  der  den 
Giftstaub  herstellenden  chemischen  Firmen  eigene  Motorverstäuber  bauen  lassen, 
wie  die  der  Firmen  Gebr.  Borchers  in  Goslar  und  Schering-Kahlbaum  in 
Berlin;  der  Scheringsche  Verstäuber  wird  durch  Motorkraft  fortbewegt. 
Es  che  rieh.  Forstinsekten,  Bd.  III.  7 


98  I-  Allgemeiner  Teil. 

30 — 40  m,  im  allgemeinen  ist  mit  15 — 20  m  zu  rechnen,  so  daß  man  also  in 
diesen  Abständen  den  Wald  zu  durchfahren  hat. 

Die  Durchschnittsleistung  eines  Motorverstäubers  liegt  bei  dem  Modell 
Platz  1929  etwa  bei  500  kg  Giftstaub  pro  Tag,  unter  besonders  günstigen  Be- 


Abb.  62.    Selbstfahrender   Motorverstäuber  der    Firma   Schering-Kahlbaum. 

dingungen  (oder  bei  Verbesserung  des  Verstäubers)  kann  dieselbe  noch 
gesteigert  werden,  etwa  auf  ca.  700 — 800  kg  pro  Tag^). 

Gegenüber  der  Flugzeugmethode  bietet  der  Motorverstäuber  eine 
Reihe  von  Vorzügen,  die  Schotte  folgendermaßen  zusammenfaßt:  ,,Bei 
der  Bestäubung  von  unten  mittels  Motorverstäuber  dringt  das  Pulver  von 
unten  in  die  Kronen  ein,  wird  normalerweise  in  den  Kronen  eine  Zeitlang 
gehalten  und  sinkt  dann  ab.  Es  passiert  also  die  Kronen  zweimal,  einmal 
beim  Aufstieg,  das  zweite  Mal  beim  Absinken.  Die  Flugzeugbestäubung 
kennt  nur  die  zweite  Phase.  Das  Passieren  der  Kronen  geschieht  aber  beim 
Motorzerstäuber  oft  noch  häufiger,  indem  das  absinkende  Pulver  dicht  utiter- 
halb  der  Kronen  häufig  nochmals  ein  auftreibendes  Moment  erhält." 

„Mit  dem  Motorzerstäuber  kann  man  bis  auf  die  Mittagszeit  praktisch 
den  ganzen  Tag  stäuben  (während  das  Flugzeug  gewöhnlich  nur  in  den 
Morgen-  und  Abendstunden  arbeiten  kann).  Man  kann  ferner  auch  bei  auf- 
steigenden und  relativ  lebhaften  horizontalen  Luftströmungen  arbeiten,  weil 
die  Massen  der  Kronen  die  Luftströmungen  bremsen.  Wenn  das  Pulver  erst 
einmal  in  den  Kronen  ist,  wird  es  von  diesen  festgehalten.  Oberhalb  des. 
Waldes  herrschen  viele  stärkere  Luftströmungen  als  in  dem  Walde,  deshalb 
muß  das  Flugzeug  schon  bei  geringeren  Windstärken  zu  arbeiten  aufhören 
als  der  Motorzerstäuber." 

„Die  Geschwindigkeit  des  Zerstäubers  beträgt  etwa  6  km  die  Stunde. 
Es  ist  verständlich,  daß  dadurch  die  Möglichkeit  sorgfältigen  Arbeitens  ge- 


1)  Schotte,  Herbert,  Bericht  über  die  Bekämpfung  des  Kiefernspanners  in 
den  Forsten  Lüderitz  und  Schnöggersburg  mittels  ,,]\Icritor'  durch  Pulverzerstäuber. 
Als  Manuskript  vervielfältigt.    Schering-Kahlbaum,  Berlin   1929. 


7-  Die  chemische  Bekämpfung  mittels  Flugzeug  oder  Motorverstäuber. 


99 


geben  ist.  Man  kann  \icl  kleinere  Komplexe  mit  dem  Motorzerstänber  be- 
streuen als  mit  dem  Flugzeug.  Die  Dosis  ist  leichter  zu  variieren,  und  stark 
befallene  Baumgruppen  können  stärker  belegt  werden.  Kurzum,  die  Motor- 
zerstäubertechnik gestattet  ein  individuelleres  Arbeiten  und  damit  bis  zu 
einem  bestimmten  Grade  eine  bessere  Ausnutzung  des  Streugutes.  Hinzu 
kommt  noch,  daß  bei  der  Flugzeugmethode  der  Erfolg  von  der  Geschick- 
lichkeit und  Gewissenhaftigkeit  des  Piloten  abhängt,  während  beim  Arbeiten 
mit  dem  Motorverstäuber  das  Forstpersonal  selbst  ,das  Geschick  in  der 
Hand  hat'." 

Vergleichen  wir  die  Durchschnittsleistungen  der  Flugzeuge  mit  denen 
der  Motorverstäuber,  so  berechnet  Schotte  nach  den  Erfahrungen,  die  bei 
den  Bestäubungen  in  Lüderitz  und  Schnöggersburg  mit  Motorverstäubern 
gemacht  wurden,  daß  die  Durchschnittsleistung  eines  Flugzeuges  etwa  der 
von  2  Zerstäubern,  und  nur  im  günstigsten  Fall  der  Leistung  von  5  Zer- 
stäubern entsprach. 

Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  daß  der  Motorverstäuber  das  Flugzeug 
zu  ersetzen  hat.  Das  Flugzeug  wird  bei  ausgedehnten  Flächen  nicht  zu  er- 
setzen sein.  Die  Parole  lautet  nicht:  ,,Mit  Flugzeug  oder  Motorverstäuber", 
sondern  ,,mit  Flugzeug  und  Motorverstäuber"  gegen  die  Zerstörer  unserer 
Wälder!  Je  nach  Größe,  Lage  und  Beschaffenheit  der  befallenen  Bestände 
ist  die  Entscheidung,  welches  der  beiden  Verfahren  einzusetzen  ist,  zu  fällen. 
Auch  können  in  ein  und  demselben  Gebiet  die  beiden  Verfahren  gleichzeitig 
eingesetzt  werden,  in  dem  Sinne,  daß  mit  dem   Motorverstäuber  die  für  das 


Abb.  63.     Der    Motorverstäuber    in    Tätigkeit.     Aus    detn    Film    Moderne    Schädlings- 
bekämpfung   (aufgen.   von   Gustav   Es  che  rieh'. 

7* 


100  I-  Allgemeiner  Teil. 

Flugzeug  schwer  zugänglichen  Orte  bearbeitet  oder  die  vom   Flugzeug  aus 
irgendwelchen  Gründen  nur  schwach  bestäubten  Stellen  nachgebessert  werden. 


Weniger  günstig  spricht  sich  Schwer  dt  feger  i)  über  die  Wirkung 
des  Motorverstäubers  aus.  „Zwischen  Flugzeugbestäubung  und  Bodenbestäu- 
bung besteht  ein  grundsätzlicher  Unterschied  hinsichtlich  der  Art  und  Weise, 
wie  das  Giftmittel  auf  die  Nadeln  gelangt.  Bei  der  Flugzeugbestäubung,  die 
im  Idealfall  bei  Windstille,  möglichst  aber  nur  bei  ganz  geringen  Wind- 
stärken in  den  frühen  Morgen-  und  Abendstunden  ausgeführt  wird,  sinkt  die 
Giftwolke  kraft  ihrer  Schwere  nach  unten,  die  einzelnen  Staubkörnchen 
legen  sich  auf  die  Nadeln.  Der  Motorverstäuber  kann  nur  bei  Wind  ar- 
beiten; der  Staub  wird  nach  oben  geblasen,  vom  Wind  erfaßt  und  seitwärts 
durch  die  Baumkronen  getrieben;  die  Staubkörnchen  wehen  gegen  die 
Nadeln.  In  dem  einen  Fall  ist  also  die  Schwerkraft,  im  andern  der  Wind 
das  Agens,  welche  das  Gift  den  Nadeln  zuführt. 

,,Es  scheint  nun,  daß  im  letzteren  Falle  häufig  Luftströmungen  und 
Wirbel  entstehen,  die  das  Gift  nicht  an  die  Nadeln  gelangen  lassen,  so  daß 
also  beim  Durchziehen  der  Wolke  durch  den  Bestand  Gift  sich  nicht  in 
nennenswertem  Maße  absetzen  kann.  Nur  die  Randbäume  an  den  vom  Ver- 
stäuber befahrenen  Wegen  werden  mit  genügend  Arsen  belegt  werden 
können,  da  hier  die  Teilchen  mit  einem  gewissen  Druck  aus  dem  Rohr 
gegen  die  Nadeln  geschleudert  und  angepreßt  werden."  Eine  Reihe  von  Ver- 
suchen zeigten,  daß  dem  Motorverstäuber  tatsächlich  eine  nur  geringe  Tiefen- 
wirkung zukommt,  und  Schwerdtfeger  glaubt  denn  auch  die  Mißerfolge 
der  Spannerbekämpfung  mit  dem  Motorverstäuber  in  der  Letzlinger  Heide 
hauptsächlich  auf  diesen  Umstand  zurückführen  zu  sollen."  Für  den  hohen 
Wald  dürften  die  Bedenken  Schwerdtfegers  wohl  gerechtfertigt  sein;  im 
niederen  Stangenholz  dagegen  wird  die  Staubwolke  meist  beträchtlich  über 
das  Kronendach  hinausgeblasen,  so  daß  sie  letzteres  zweimal  passiert,  worauf 
ja  oben  bereits  hingewiesen  wurde. 


Wir  stehen  in  der  GiftlDckämpfung  der  Forstschädlinge  noch  im  An- 
fangsstadium, und  es  ist  anzunehmen,  daß  die  nächste  Zeit  uns  noch  wesent- 
liche Fortschritte  bringen  wird,  nicht  nur  in  bezug  auf  die  Verbesserung  des 
Streuapparates,  sondern  vielleicht  auch  in  bezug  auf  das  Gift.  Vor  allem  ist 
anzustreben,  daß  das  Arsen  durch  ein  für  Warmblüter  weniger 
gefährliches  Präparat  ersetzt  wird.  In  dieser  Beziehung  scheint 
das  von  der  Firma  E.  Merck- Darmstadt  hergestellte  Kontaktgift  ,,Fore- 
stit"  einen  erfreulichen  Fortschritt  zu  bedeuten. 

8.  Das  System  der  Lepidopteren. 

„Einer  rationellen  phylogenetischen  Systematik  stellen  sich  ganz  enorme 
Schwierigkeiten  entgegen,  Schwierigkeiten  innerer  und  äußerer  Natur. 
Letztere  liegen  in  erster  Linie  in  der  meist  unzulänglichen,  oft  erstaunlich 
laienhaften   Bearbeitung  und   in   dem   Umstände,   daß   das   Material   infolge 


1)  In  einer  während  der  Korrektur  erschienenen  Arbeit:  „Beobachtungen  und 
Untersuchungen  zur  Biologie  und  Bekämpfung  des  Kiefernspanners  während  des 
Fraßjahres   1929  in  der  Letzlinger  Heide".    Zeit.  f.   Forst-   u.  Jagdw.    1930. 


8.  Das  System  der  Lepidopteren.  101 

seiner  , Schönheit'  und  des  hohen  Preises  vieler  Stücke  nur  schwer  für  gründ- 
liche morphologische  Untersuchung  zu  haben  ist.  Man  müßte  ja  viele  Stücke 
ihres  Schmuckes  berauben,  und  das  vermeiden  die  Sammler  ängstlich! 
Erstere  liegen  in  dem  Umstände,  daß  das  Gros  der  Lepidopteren  aus  (geo- 
logisch) jungen  Formen  besteht,  wo  Gruppen  höheren  Ranges  eben  noch 
nicht  scharf  geschieden  sind.  Die  Zwischenformen  sind  vielfach  noch  vor- 
handen. Wir  sehen  viele  Reihen  in  der  Entwicklung  irgendeines  Organes 
von  der  tiefen  Stufe  zur  höchsten  Spezialisation  (Mundteile,  Raupenform, 
Puppenform,  Flügelgeäder,  Beine,  Fühler  usw.)  aufsteigen.  Aber  diese 
Spezialisationen  ,kreuzen'  sich  so  mannigfaltig,  daß  es  sehr  schwer  ist,  Ver- 
wandtschaft und  Konvergenz  zu  scheiden.  Dazu  kommt  noch,  daß  die  Spe- 
zialisierung sehr  oft  in  einer  Reduktion  besteht.  Da  nun  die  meisten 
, Systeme'  nur  auf  Grund  eines  oder  des  anderen  Merkmales  errichtet  sind, 
kommt  es  natürlich  zu  sehr  verschiedenen  Systemen,  und  man  kann  gerade 
bei  dieser  scheinbar  so  gut  bekannten  Ordnung  mit  Heymons  behaupten: 
Es   gibt   noch   kein   allgemein   angenommenes   System"    (Handlirsch). 

Es  ist  deshalb  durchaus  nicht  verwunderlich,  daß  wir  in  der  entomolo- 
gischen Literatur  eine  ganze  Reihe  verschiedener  Systeme  finden,  ja,  daß 
beinahe  jeder  Autor  eines  größeren  systematischen  Werkes  sein  eigenes 
Schmetterlingssystem  hat.  Es  ist  jedoch  nicht  zu  bestreiten,  daß,  nachdem 
durch  Herrich-Schäfer,  Zeller,  Heinemann,  Wocke  u.  a.  um 
die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  eine  Abkehr  von  den  früheren  gänzlich 
unwissenschaftlichen  Einteilungsprinzipien  i)  eingeleitet  worden  war,  in  den 
letzten  Dezennien  durch  die  immer  mehr  die  gesamte  Morphologie  berück- 
sichtigenden Arbeiten  die  Schmetterlingssystematik  ganz  wesentliche  Fort- 
schritte im  Sinne  eines  phylogenetischen  Systems  gemacht  hat.  Wie  aus 
den  verschiedenen,  unten  angegebenen  Systemen  zu  ersehen  ist,  stimmen 
die  neueren  Autoren  einerseits  in  wesentlichen  Punkten  mehr  oder  weniger 
überein,  wie  über  die  Auffassung  der  sog.  ,, Kleinschmetterlinge",  die  heute 
nicht  mehr  wie  früher  nur  die  kleinen  Formen  enthalten;  andererseits 
aber  existieren  doch  auch  noch  recht  große  Meinungsverschiedenheiten,  wie 
z.  B.    bezüglich    der    Stellung    der    Hesperiiden    oder   über    die    Abgrenzung 

ij   Schon    die     Haupteinteilung    des    alten    Systems    nach    der    Größe    der 
Schmetterlinge    in    Klein-     und     Großschmetterlinge    konnte    keinen    Anspruch    auf 
wissenschaftliche   Begründung   machen.     Der   Weg,    der   durch   diese   Einteilung   ein- 
geschlagen  war,   führte   zu   ganz   unmöglichen   Kombinationen,   wie   der   Stellung  der 
Sesien  und  Cossiden  zu  den  Schwärmern  oder  Spinnern  usw.    Das  alte  System,   das 
bis  ins  letzte   Drittel  oder  teilweise  noch  bis  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  all- 
gemein in  den  Lehrbüchern  Geltung  hatte,  war  kurz  folgendes: 
L   Groß  Schmetterlinge    (Macrolepidopteren): 
Familie  Rhopalocera  (Tagfalter), 
,,         Sphi/igidae  (Schwärmer), 
,,         Bomhycidae  (Spinner), 
Noctuidae   (Eulen), 
Geometridae    (Spanner). 
IL   Kleinschmetterlinge     (Rlicrolepidopteren     oder     kurz     Mi- 
cro s ) : 

Familie  Pyralidae    (Zünsler), 
„         Tortricidae  (Wickler), 
„  Tineidae    (Motten), 

„         Micropterygidae   (Kleinflügel-Motten), 
„         Pterophoridae    (Geistchen), 
„         Alucitidae  (Federmotten). 


-[02  I-  Allgemeiner  Teil. 

einzelner  systematischer  Kategorien  usw.  Von  den  vielen  Autoren,  die  sich  in 
der  letzten  Zeit  mit  der  Schmetterlingssystematik  beschäftigt  und  zur  Auf- 
stellung eines  besonderen  Systems  gekommen  sind,  möchte  ich  hier  nur 
folgende  nennen:  Börner,  Handlirsch,  Hering,  Heymons  und 
S  p  ul  e  r. 

Von  allen  imaginalen  Merkmalen  kommt  den  Flügeln  die  wich- 
tigste Bedeutung  zu,  in  erster  Linie  der  Ausbildung  des  Flügel- 
geäders.  Je  größer  die  Zahl  der  Adern  und  je  mehr  das  Gcäder  der 
beiden  Flügel  übereinstimmt,  desto  altertümlicher  sind  die  Formen.  Sodann 
wird  der  Art  der  Verbindung  von  Vorder-  und  Hinterflügel  (ob 
dieselbe  durch  ein  vom  Vorderflügel  ausgehendes  Jugum  [„Jugatae"]  oder 
vom  Hinterflügel  ausgehendes  Frenulum  [„Frenatae"']  geschieht)  hoher 
systematischer  Wert  beigelegt;  ebenso  auch  dem  Vorhandensein  von  winzigen 
Stacheln  auf  der  Flügelmembran,  worin  ein  altertümliches  Merkmal  erblickt 
wird.  Das  gleiche  gilt  für  das  Vorhandensein  von  nur  einer  Geschlechts- 
öffnung im  weiblichen  Geschlecht;  Börner  gründet  darauf  die  Einteilung 
der  Schmetterlinge  in  2  große  Gruppen:  die  Monotrysia  (mit  i  Geschlechts- 
öffnung) und  die  Ditrysia  (mit  2  Geschlechtsöffnungen). 

Von  imaginalen  Charakteren  spielen  sonst  die  Fühler  (gekeult  oder 
nicht  gekeult)  eine  höhere  Rolle  in  der  Systematik,  in  der  neuesten  Zeit 
wurde  auch  (vor  allem  von  Börner)  das  Tympanalorgan  systematisch 
ausgewertet. 

Von  den  Raupenmerkmalen  ist  in  erster  Linie  die  verschiedene 
Bewaffnung  der  Bauchfüße  zu  nennen,  d.  h.  ob  Kranzfüße  oder  Klammer- 
füße vorhanden  sind.  Die  ersteren  stellen  zweifellos  ein  primitiveres  phylo- 
genetisches Merkmal  gegenüber  den  Klammerfüßen  dar.  Mit  wenigen  Aus- 
nahmen fällt  die  Kranzfüßigkeit  der  Raupen  mit  dem  Vorhandensein  eines 
reichen  Geäders  (vor  allem  das  Vorkommen  der  Analis)  der  Imagines  zu- 
sammen („Kleinschmetterlinge").  Wo  das  nicht  der  Fall  ist,  dürfen  wir 
wohl  die  abweichende  Fußbildung  als  sekundäre  Anpassungserscheinung 
betrachten  und  die  Entscheidung  über  die  systematische  Stellung  nach  dem 
Geäder  treffen  (z.  B.  bei  den  Zygaenen  oder  Hesperiiden).  Auch  noch  andere 
Raupenmerkmale,  wie  die  Art  der  Behaarung,  die  Stellung  der 
Borsten,  das  Vorkommen  eines  Endhornes  usw.  werden  systema- 
tisch berücksichtigt,  wenn  auch  in  engeren  Grenzen  als  die  Bildung  der 
Bauchfüße. 

Schließlich  finden  wir  auch  an  der  Puppe  Merkmale,  die  höhere  syste- 
matische Bedeutung- besitzen :  wo  die  Hinterleibsringe  mit  Dörnchenreihen 
besetzt  sind  (mit  deren  Hilfe  sich  die  Puppe  beim  Schlüpfen  aus  ihrer  Wiege 
herausarbeitet),  hegen  meist  altertümliche  Formen  vor   (Börner). 

Im  folgenden  gebe  ich  einige  der  neueren  Systeme  wieder,  aus  denen 
ohne  weiteres  hervorgeht,  wie  sehr  noch  alles  im  Fluß  ist. 

System  der  Lepidopteren  nach  Börner  1925^19291). 
1.  Unterordnung:  Monotrysia  Börner  1925 

Q  mit  einheillicher  Genito-Analot'fnung  im  9.  (bzw.  10.)  Abdominalring;  diese  führt 
sowohl  in  die  Bursa  copulatrix  wie  in  den  Ovidukt.  Puppen  stets  mit  Stachel- 
reihen, beim  Schlüpfen  aus   Kokon  hervortretend.    Keine  Gehörorgane. 


1)    Für   die    liebenswürdige    Überlassung    dieser    Übersicht    sei    Herrn    Kollegen 
Börner  auch  an  dieser   Stelle  herzlichst   gedankt. 


8.  Das  System  der  Lepidopteren.  103 

1.  Alle  3  Thorakaltergite  wohlentwickelt.  Mundteile  der  Imago  verkümmert,  vom 
mandibulaten  Typus  abzuleiten  (wie  bei  3).  Flügelgeäder  primitiv,  beide  Flügel- 
paare mit  Analis  und  fünfästigem  Radius.  Raupen  mit  kranzförmig  angeord- 
neten Bauchfußkrallen: 

1.  Familienreihe:  Hepioloidea  Börner. 

1 .  F  a  m. :   H  e  p  i  o  li  d  a  e. 
i'.   Pronotum  rudimentär. 

2.  Q  mit  freiliegenden  Analklappen  (zweiteiliges  Endsegment);  Eilegeapparat  kurz: 

2.  Familienreihe:  Micropterygoidea  Börner. 

3.  Mit  Kaumandibeln,  kein  Rüssel.  Flügelgeäder  ähnlich  1.  Raupen  freilebend,  mit 
abdominalen  Stiftbeinen: 

2.  Fam. :   M  i  c  r  o  p  t  e  r  y  gi  d  a  e. 

3'.  Mit  Saugrüssel.  Flügel  +  lanzettlich.  Flügelgeäder  spezialisiert,  Hinterflügel 
mit   ungeteiltem   Radius.     Raupen   minierend. 

4.  Flügelhaut  wie  bei  i  und  3  auf  ganzer  Fläche  mit  feinen  Stachelhärchen. 
Raupen  am  2.  und  3.  Brust-  und  2.-7.  Hinterleibsring  mit  krallenlosen  Bauch- 
fußstummeln: 

3.  Fam.:   N  e  p  t  i  c  u  1  i  d  a  e. 

4'.  Flügelhaut  nur  am  Vorderflügel  zwischen  Radius  und  Cubitus  unterseits  mit 
Stachelhärchen.     Raupen    16 füßig   mit   krallentragenden   Bauchfußstummeln: 

4.  Fam.:  Tischeridae. 

2'.  9  mit  heim-  oder  spießförmigem  Hinterleibsende  und  verdeckten  Analklappen; 
Eilegeapparat   verlängert,   tief  einziehbar: 

3.  Familienreihe:  Eriocranioidea  Börner. 

5.  7.  Abdominalsegment  bei  cf  und  9  normal,  Bauchplatte  des  8.  Segments  beim  9 
zugespitzt.    Flügel  ähnlich  3.    Raupen  minierend,  beinlos: 

5.  Fam.:  E  r  i  o  c  r  a  n  i  i  d  a  e. 

5'.  Bauchplatte  des  7.  Abdominalsegmentes  beim  9  stark  verlängert.  Flügeladerung 
wie  unter  3'  angegeben. 

6.  Rücken-  und  Bauchplatte  des  7.  Abdominalsegments  quergestutzt;  8.  Segment 
wie  bei  5.  Raupen  mit  krallentragenden  Bauchfüßen,  jung  minierend,  später 
in  Sack: 

6.  Fam.:   Incurvariidae. 

6'.  Rücken-  und  Bauchplatte  des  7.  Abdominalsegmentes  beim  9  lang  zugespitzt; 
8.   und   9.  Segment    versteckt. 

7.  Raupen  ähnlich  denen  von  6,  in  an  beiden  Enden  offenen  Säcken: 

7.  Fam.:   Adelidae. 
7'.  Raupen  beinlos,  minierend: 

8.  Fam.:   H  e  1  i  o  z  e  I  i  d  a  e. 

2.  Unterordnung:  Ditrysia  Börner  1925 

9  mit  getrennter  Öffnung  der  Bursa  copulatrix  im  8.  Abdominalsegment.  Bursa 
copulatrix  mit  Ovidukt  durch  einen  feinen  Samengang  verbunden.  Eileiter  und 
After   münden   im   9.    (bzw.    9.  -|-  10.)   Hinterleibsring. 

1.  Falter  ohne   Gehörorgane. 

2.  Hinterflügel  mehr  als  doppelt  so  lang  wie  breit  (wenn  breiter,  dann  fingerig 
geteilt  oder  es  sind  die  Raupen  „kranzfüßig"  und  zugleich  die  Puppen  mit  ab- 
dominalen Stachelreihen  versehen:  Nr.  6',  10',  17^.  Raupen  (mit  Ausnahme  von 
Nr.  17')   „kranzfüßig"    (K  1  e  i  n  s  c  h  m  e  1 1  e  r  1  i  ng  e). 


104  I.  Allgemeiner  Teil. 

3.  Puppen   mit    abdominalen    Stachel-    oder    Dörnchenreihen,    sich    beim    Schlüpfen 
aus  dem  Kokon  hervorschiebend   (wie  bei  den   Monotrysia): 

4.  Raupen   in   Säcken: 

4.  Familienreihe:  Psycheoidea  Börner. 

5.  Brustbeine   der   Raupen   getrennt.    Achselblatt    des    Vorderflügels    unterseits    mit 
Stachelkamm,    cf  und  9  geflügelt: 

9.   Fam. :  Teichobiidae. 
5'.  Brustbeine  der  Raupen  mit  paarweise  verwachsenen  Hüften. 

6.  Achselblatt  des  Vorderflügels  mit  Stachelkamm  (wie  bei  5).    9  zum  Teil  flügel- 
los.    Mesoscutellum   normal: 

IG.   Fam.:  Talaeporiidae    (inkl.   Lypusidae). 
6'.  Achselblatt  ohne  Stachelkamm.    9  stets  ungeflügelt.    Mesoscutellum  beim  (f  auf- 
fallend groß: 

11.  Fam.:  Psy  chidae. 

4'.  Raupen  nicht  in   Säcken;  bohrend,   minierend   oder  spinnend. 

7.  9    mit     verlängertem     Legeapparat.      Achselblatt     des     Vorderflügels     stets     mit 
Stachelkamm: 

5.  Familienreiiie:  Tineoidea  Börner. 

8.  Kopf  mit  Längsnaht   auf  der  Stirn: 

12.  Fam.:  Tineidae  (inkl.  Monopidae,  Oenophili- 
dae,  Ochsenheim  eriidae,  Acrolepidae,  Gly- 
phipterygidae). 

8'.  Kopf  ohne  Längsnaht. 

9.  Flügelfläche  ^b  gleichmäßig  beschuppt. 
IG.    Halskragen  schmal: 

13.  Fam.:  Orthotelidae    (inkl.    E  u  p  lo  c  a  mi  dae). 
ig'.   Halskragen  doppelt,  sehr  breit: 

14.  Fam.:   Cossidae. 

9'.   Flügelfläche  bis  auf  Rand  und  Adern  glasig  durchscheinend: 

15.  Fam.:  Aegeriidae   (Sesiidae). 
7'.   9  mit  kurzem  Legeapparat : 

6.  Familienreihe:  Gracilarioidea  Börner. 

11.  Achselblatt  des  Vorderflügels  unterseits  mit  Stachelkamm.    Flügel  lanzettlich. 

12.  Raupen   14 füßig: 

16.  Fam.:   Gracilariidae. 
12'.  Raupen  beinlos: 

17.  Fam.:   P  h  y  1 1  o  c  ni  s  t  i  d  a  e. 
11'.  Achsclblatt  ohne   Stachelkamm.    Raupen   16  füßig. 
13'.  Flügel  breit  oval: 

18.  Fam.:  Tortricidae. 
13'.   Flügel  schmal  lanzettlich: 

19.  Fam.:  B  u  c  c  u  1  a  t  r  i  g  i  d  a  e. 

3'.   Puppen  ohne  Stachelreihen,  -hülle  beim  Schlüpfen  im  Kokon  verbleibend: 


8.  Das  System  der  Lepidopteren.  105 

7.  Familienreihe:  Gelechioidea  Börner. 

14.  Achselblatt   des   Vorderflügels   unterseits   mit   normalem   Stachelkamm. 

15.  Kopf  mit   Scheitelnähten: 

20.  Fam.:   H  y  po  no  m  e  u  t  i  d  a  e       (inkl.      Elachistidae, 
Hello  dinidae,    Lyonitidae). 

15'.   Kopf  ohne  Scheitelnaht: 

21.  Fam.:   Gelee  hiidae    (inkl.   Momphidae). 
14'.  Achselblatt  ohne   (selten  mit  rudimentärem)   Stachelkamm. 

16.  Vorderflügel  an  der  Hinterkante  unterseits  mit  „Haftfeld"  (schinales  Feld  an- 
liegender Stachelchen).    Flügel  ^  lanzettlich,  ungeteilt: 

22.  Fam.:   S  c  y  t  h  r  i  d  i  i  d  a  e        (inkl.       Cemiostomidae, 
Coleophoridae). 

16'.  Vorderflügel  ohne  „Haftfeld",   Flügel  meist  ^  tief  eingeschnitten. 

17.  Beine  mittellang.  Vorder-  und  Hinterflügel  6  fingerig.  Raupen  erwachsen 
„kranzf  üßig" : 

23.  Fam.:  O  r  n  e  o  d  i  d  a  e. 

17'.  Beine  sehr  lang.  Hinterflügel  ungeteilt  oder  3  fingerig.  Raupen  „klammer- 
füßig": 

24.  Fam.:   P  t  e  r  o  pho  r  i  d  a  e. 

2'.  Hinterflügel  doppelt  so  lang  wie  breit  oder  breiter.  Puppen  meist  ohne  Stachel- 
reihen, andernfalls  Raupen  ,,klammerfüßig"  (nicht  kranzfüßig).  (Groß- 
schmetterlinge.) 

18.  Achselblatt  des  Vorderflügels  unterseits  mit  Stachelkamm.  Alle  Flügel  mit 
Analisader.  Puppen  mit  Dörnchenreihen  an  den  Hinterleibsringen,  beim 
Schlüpfen  aus  Kokon  hervortretend.  Krallen  der  Bauchfüße  der  Raupen,  wenn 
vorhanden,  einreihig  angeordnet  und  ziemlich  gleich  lang.  Kopf  der  Raupen  in 
Vorderbrust   rückziehbar: 

8.  Familienreihe:  Anthroceroidea  Börner. 

19.  Raupen  mit  bekrallten  Bauchfüßen.    Halskragen  des   Falters  doppelt: 

25.  Fam.:    Anthroceridae    (Zygaenidae)    (inkl.    He- 
terogynidae). 

19'.  Raupen  ohne  Bauchfüße,  am  i. — 7.  Hinterleibsring  mit  hufeisenförmiger  Saug- 
scheibe.   Halskragen  einfach: 

26.  Fam.:   Cochlidiidae. 

18'.  Achselblatt  des  Vorderflügels  ohne  Stachelkamm.  Flügel  ohne  oder  init  rudi- 
mentärer Analisader.  Krallen  der  Bauchfüße  der  Raupen  alternierend  kürzer 
und  länger.    Kopf  der  Raupe  nicht  einziehbar. 

20'.   Fühler  gekämmt  und  behaart,  nicht  keulig  endend : 

9.  Familienreihe:  Bombycoidea  Börner.    ^ 

21.  Puppen  mit  stumpfem  Hinterleibsende.  Falter  mit  walzlichem  Hinterleib,  oft 
dicht  pelzig.    Bombycina. 

22.  Vorderflügel  unterseits  an  der  Hinterkante  mit  „Haftfeld"  (vgl.  unter  16). 
Puppe  wie  bei  23': 

27.  Fam.:  L  a  s  i  o  c  a  m  p  i  d  a  e. 
22'.  Vorderflügel  ohne  „Haftfeld". 

23.  Puppen  wie  bei  18  mit  Dörnchenreihen,  aus  Kokon  beim  Schlüpfen  hervor- 
tretend: 


10(3  I-  Allgemeiner  Teil. 

28.  Farn.:  E  nd  r  o  mi  d  i  d  a  e. 

23'.  Puppe  ohne  Dörnchenreihen,  -hülle  im  Kokon  zurückbleibend. 

24.  Fühler  doppelt  gekämmt,  die  beiden  Kammzahnreihen  einander  zugeneigt: 

29.  Fam. :  Bombycidae   (Lemoniidae). 
24'.   Kammzahnreihen  der   Fühler  einander  gegenüberstehend: 

30.  Fam.:   Saturniidae. 

21'.  Puppen   und    Falter   mit    zugespitztem,    spindelförmigem    Hinterleib.     Sphingi- 
dina. 

25.  Bauchfüße  der  Raupen  mit  kranzförmig  angeordneten   Krallen: 

31.  Fam.:  T  h  y  r  i  d  i  d  a  e. 
25'.  Raupen  mit  „Klammerfüßen": 

32.  Fam.:   Sphingidae. 

20'.   Fühler  endwärts  keulenförmig  verdickt  oder  verbreitert,   unbehaart: 

10.  Familienreihe:  Papilionidea  Börner  (=  Rhopalocera). 

26.  Raupen  mit  kranzförmig  angeordneten  Bauchfußkrallen.    Kopf  des  Falters  hinter 
den  Augen  scharfkantig  gestutzt.    Hesperidina: 

^^.   Fam.:   Hesperidae. 
26'.  Raupen  mit  „Klammerfüßen".    Kopf  hinten  gerundet.    Papilionina. 

27.  Vorderschienen   des    Falters    mit    Schienblatt.     Stets    6    Laufbeine.     Hinterflügel 
ohne  ßXo-Ader: 

34.  Fam.:  P  a  pi  I  i  o  n  i  d  a  e. 

27'.  Vorderschienen  ohne  Schienblatt.    Hinterflügel  stets  mit  a.Vo-Ader. 

28.  (f   und   g   mit   6  Laufbeinen: 

35.  Fam.:  Pieridae. 

28'.  cf  nur  mit   4  Laufbeinen,   Vorderbeine  in  Putzpfoten  mit   i  gliedrigem   Fuß  ver- 
wandelt. 

29.  9  mit  6  Laufbeinen: 

36.  Fam.:  Lycaenidae    (inkl.   Erycinidae). 
29'.   9   wie  cf   nur  mit   4  Laufbeinen: 

^7.   Fam.:   Nymphalidae. 
i'.  Falter    mit    Gehörorganen    am    Grunde    des    Hinterleibes.     Puppen    stets    ohne 
Stachelreihen.    Analisader  im  Vorderflügel  fehlend  oder  rudimentär.   Achselblatt 
des  Vorderflügels  stets  ohne  Stachelkamm. 

30.  Gehörorgan  zum  2.   oder   i.   und  2.   Hinterleibsring  gehörig.    Krallen  der  Bauch- 
füße der  Raupen  alternierend  kürzer  oder  länger: 

11.  Familienreihe:  Pyraloidea  Börner. 

31.  Gehörorgan  in  der   Bauchplatte  des  2.  Hinterleibsringes,    i.  Hinterleibsring  nor- 
mal.   Pyralina. 

32.  Raupen     mit     kranzförmig     angeordneten     Bauchfußkrallen.      Hinterflügel     mit 
Analisader: 

38.  Fam.:   Pyralidae. 

32'.  Raupen  klammerfüßig.    Hinterflügel  ohne  Analisader: 

39.  Fam.:  Geometridae    (inkl.   Brephidae). 

31'.   Seitenteile    des     i.   Hinterleibsringes    aufgeblasen,  •  innenseits    das    Trommelfell 
tragend. 

33.  Raupen  „kranzfüßig",  ohne   Nachschieber: 


8.  Das  System  der  Lepidopteren.  107 

40.  F  a  m. :   D  r  e  p  a  n  i  d  a  e. 
2,2'.  Raupen  ,,klammerfüßig",  mit   Nachschiebern: 

41.  F  a  m. :  C  y  m  a  t  o  p  h  o  r  i  d  a  e. 

30'.  Gehörorgan  an  Grenze  von  Brust  und  Hinterleib,  mit  inneren  Schallhöhlen  im 
Diaphragma,  i.  Hinterleibsring  seitlich  mit  einem  Grübchen,  das  oft  im  Haar- 
pelz oder  hinter  einem  ,, Ohrläppchen"  versteckt  liegt.  Raupen,, klammerfüßig", 
mit  I  reihig  angeordneten,  meist  ziemlich  gleichlangen  Krallen.  Analisader 
fehlend  oder  rudimentär: 

12.  Familienreihe:  Noctuoidea  Börner. 

34.  Seitenwand  des  i.  Hinterleibsringes  aufgebläht,  darauf  freiliegend  das  Stigma. 
Analiswurzel  im  Vorderflügel  ohne  Stachelkamm.    Arctiina. 

35.  Vorderflügel  unterseits  an  der   Hinterkante  mit   „Haftfeld".    Hinterflügel  groß: 

42.  F  a  m. :   A  r  c  t  i  i  d  a  e   ( inkl.  N  o  1  i  d  a  e ). 
35'.   Vorderflügel  ohne  ,,Haftfekr",   Hinterflügel  sehr  klein: 

43.  F  a  m. :   S  y  n  t  o  m  i  d  a  e. 

34'.   I.  Hinterleibsstigma  in  der   äußeren   Gehörgrube,   nicht  freiliegend.   Noctuina. 

36.  2.  Medialast  im  Vorderflügel  inmitten  des  3.  und  i.  oder  letzterem  genähert  aus 
Mittelzelle  entspringend.  Gehörorgan  schwach  entwickelt.  Raupen  ohne  Haar- 
glättungsdrüsen: 

44.  Farn.:   Notodontidae    (inkl.    Th  a  u  m  a  t  o  po  e  i  d  ae). 
36'.  2.    Medialast    im    Vorderflügel    näher    dem    3.    als    dem    i.    aus    Mittelzelle    ent- 
springend.   Gehörorgan  stark  entwickelt. 

;27.    Analiswurzel  im  Vorderflügel  ohne   Stachelkamm. 

38.  Raupen  mit  je  i  trichterförmigen,  ausstülpbaren,  nackten  Warze  (Haarglättungs- 
drüse)  auf  dem  Rücken  des  5.   und  7.  Hinterleibsringes: 

45.  F  a  m. :   L  y  m  a  n  t  r  i  i  d  a  e. 
38'.   Raupen   ohne   Haarglättungsdrüsen: 

46.  F  a  m. :  H  y  p  e  n  i  d  a  e. 

27'.  Analiswurzel   im  Vorderflügel   unterseits  mit  Stachelkamm.    Raupen  wie  bei  38': 

47.  Fam.:   Noctuiclae    (inkl.    N  y  c  t  e  o  1  i  d  a  e). 

System  der  Lepidopteren  nach  Handlirsch  (1925). 

1.  Unterordnung:  Jugatae  Comstock. 

Radius  der  Hinterflügel  mehrästig,  Vorderflügel  mit  einem  Jugum,  Geschlechts- 
öffnung beim  Weibchen  einfach.  Mandibeln  manchmal  noch  vollkommen  entwickelt, 
meist  aber  schon  reduziert.  Saugrüssel  höchstens  in  den  Anfängen  vorhanden.  Puppe 
mit  fast  ganz  freien  Gliedern,  außerdem  mit  Dornen  an  den  Segmenten. 

Familie:  Micropterygidae  Comstock. 

Kleine  mottenartige  Tiere.  Bei  den  freilebenden  Raupen  alle  Abdominalseg- 
mente mit   Beinen. 

Familie:  Hepialidae  Steph. 

Mittelgroße  bis  große  Tiere.    Raupen  nur  mit  5   Abdominalbeinen. 

2.  Unterordnung:  Frenatae  Comstock. 

Radius  der  Hinterflügel  auf  eine  einzige  Ader  reduziert.  Das  Jugum  der 
Vorderflügel  fehlt.  Rüssel  mehr  oder  weniger  ausgebildet  oder  sekundär  rück- 
gebildet. Geschlechtsöffnung  beim  Weibchen  mit  wenigen  Ausnahmen  doppelt 
(Ostium  vaginae  und  Ostium  bursae). 


108  I.  Allgemeiner  Teil. 

1.  Überfamilie:  Tineoidea  Handl.  (Mottenartige). 
Familie:  Tineidae  Leach  (Motten). 

Vorwiegend  kleine  Tiere  mit  in  der  Regel  schmalen,  langen,  mehr  oder  weniger 
zugespitzten  oder   lanzettförmigen    Flügeln. 

Gruppe:    Tineidae   aculeatae    Steph. 
Kleine  fixe   Stacheln  auf  der   Flügelfläche.    Weibliche   Genitalöffnung  einfach. 
4  Unterfamilien. 

Gruppe:    Acanthopleona    (Börner)    Handl. 
Flügelmembran   ohne   fixe   Stacheln.    Weibchen  mit    2   Genitalöffnungen.    Zahl- 
reiche   Unterfamilien. 

Familie:  Tortricidae  Steph.  (Wickler). 

Im  allgemeinen  kleine  Tiere  mit  breiteren,  meist  nicht  zugespitzten  Flügeln. 
Hinterflügel  fast  immer  breit,   mit   3   Analadern.    (3    Unterfamilien). 

Familie:  Psychidae  Boisd.  (Sackträger). 

Weibchen  stark  modifiziert,  immer  flügellos  und  oft  auf  das  Larvenstadium 
reduziert.    Raupen  mit   Sack.    Raupen  mit   Kranzfüßen.    Puppen  mit   Dornreihen. 

Familie:  Cossidae  Walk.  (Holzbohrer). 

Mittelgroße  bis  große  Tiere.  Im  Vorderflügel  und  Hinterflügel  w-Stamm  fast 
immer  gut  erhalten.  Hinterflügel  mit  3  Analadern.  Raupe  mit  Kranzfüßen,  Puppe 
mit  Dornreihen. 

Familie:  Sesiidae  Steph.  (Glasflügler). 

Mittelgroße  Tiere  mit  schmalen  Flügeln,  diese  fast  stets  zum  großen  Teil 
durchsichtig.  w-Stamm  der  Vorderflügel  fehlt.  Hinterflügel  mit  3  Analadern. 
Raupe  mit  Kranzfüßen,  Puppe  mit  Dornreihen. 

Familie:  Limacodidae  Walk. 

Mittelgroße  Tiere,  stark  behaart  und  breitflügelig.  /«-Stamm  erhalten.  Raupen 
mit  stark  reduzierten  Abdominalbeinen,  mehr  oder  weniger  schneckenähnlich.  Puppe 
mit  kleinen  Dörnchen  besetzt. 

2.  Überfamilie:  Pyralidina  Meyr. 

Im  Flügelgeäder  ist  der  w-Stamm  erloschen,  Raupen  mit  Kranzfüßen,  Puppen 
meist   ohne    Dornen. 

Familie:  Pyralididae  Led.  (Zünsler). 

Kleinere  bis  mittelgroße  Tiere  mit  schlankem  Körper  und  relativ  großen 
Flügeln.  Hinterflügel  breit  mit  vergrößertem  Analteil,  in  dem  meist  alle  3  Adern 
erhalten    sind. 

Familie:  Pterophoridae  ZU.  (Geistchen). 

Flügel  in  der  Regel  in  schmale  Lappen  oder  „Federn"  geteilt.  Raupen  jalump, 
behaart,  freilebend,  mit  langen  Bauchfüßen,  deren  Krallen  im  Halbkreis  stehen, 
Puppen   mit    Längsreihen    großer    Dornfortsätze. 

Familie:  Orneodidae  Meyr.   (Federmotten). 

Kleine  Tiere  mit  breiten,  in  je  6  Federn  gespaltenen  Flügeln.  Raupen  mit 
Kranzfüßen.    Puppen  ohne   Dornen. 

3.  Überfamilie:  Zygaeninae  Comst. 

Der  »^-Stamm  des  Flügelgeäders  fast  immer  vorhanden,  Analis  in  beiden 
Flügeln   erhalten.    Raupe    mit    Klammerfüßen,    Puppen   mit    Dornreihen. 


8.  Das  System  der  Lepidopteren.  109 

Familie:  Zygaenidae  Leach. 

Meist  kleinere  bis  mittelgroße,  recht  bunte  Tiere.  Fühler  meist  schwach  keulig 
oder  beim   Männchen   gekämmt.    Puppe   mit   Dornen  in   steifem,   dichtem   Kokon. 

4.  Überfamilie:  Macrofrenatae  (Heym.)  Handl. 

In  diese  Überfamilie  vereinigt  H  a  n  d  1  i  r  s  c  h  alle  höheren  Heteroceren,  bei 
denen  die  Analis  fast  immer  reduziert  ist  und  zugleich  die  Raupen  Klammerfüße 
besitzen,   und  deren  Puppen  fast  immer   (Ausnahme:  Endromis)  unbedornt  sind. 

Familie:   Endromididae  Meyr.  (Birkenspinner). 

Giößere,  breitflügelige,  stark  behaarte  Tiere  mit  eigenartiger  Zeichnung.  Rüssel 
reduziert,  Taster  klein,  Fühler  beim  Männchen  und  Weibchen  gekämmt.  ?«-Stamm 
und  Analis  sehr  undeutlich.  Hinterflügel  mit  reduziertem  Frenulum.  Raupe  schwach 
behaart,  schwärmerähnlich,  mit  Höcker  auf  Segment  8.  Puppe  mit  mehreren  Reihen 
kurzer,  starker  Dornen. 

Familie:    Lasiocampidae    Waterh.    (Glucken). 

Meist  größere,  dickleibige  und  behaarte  breitflügelige  Tiere.  Rüssel  mehr  oder 
weniger  reduziert.  w;-Stamm  und  Analis  reduziert.  Hinterflügel  mit  reduziertem 
Frenulum.    Raupen  behaart,   mit   5   Paar  Klammerfüßen.    Puppe  hart. 

Familie:   Sphingidae   Comst.  (Schwärmer). 

Große,  kräftig  gebaute  Tiere,  mit  dickem  Thorax  und  schlanken,  dreieckigen 
Flügeln.  Rüssel  meist  sehr  lang,  immer  aber  gut  entwickelt,  Fühler  verschieden, 
im  Querschnitt  kreisförmig  und  dreieckig.  ;«-Stamm  und  Analis  reduziert.  Raupen 
nackt,  fast  immer  mit   Hörn  auf  Segment  8.    Puppe  frei,  hart. 

Familie:  Bombycidae  (Leach)  Handl.  (Spinner). 

Vorwiegend  große,  breitflügelige  Tiere,  meist  bunt  gezeichnet.  Rüssel  mehr 
oder  weniger  reduziert,  Fühler  beim  Männchen  immer,  beim  Weibchen  meist,  aber 
kürzer,  gekämmt.  Raupen  verschieden,  selten  stark  behaart,  oft  mit  borstigen  Höckern 
oder  Dornfortsätzen.    Puppe  fast  immer  im  Kokon. 

Mit  den  Unterfamilien:  Thaumatopoeinae  (Prozessionsspinner),  Bombycidae 
s.  Str.   (Seidenspinner)   und  Saturniinae   (Nachtpfauenaugen). 

Familie:   Notodontidae   Steph. 

Vorwiegend  mittelgroße,  einfach  gefärbte  Tiere,  mit  kurzem  Rüssel,  gekämmten 
Fühlern  (beim  Weibchen  manchmal  nur  bewimpert).  w-Stamm  selten  teilweise  er- 
halten, Analis  nicht  voll  entwickelt.  Hinterflügel  mit  Frenulum.  Raupen  mehr  oder 
weniger  kahl,  mit  Klammerfüßen,  von  denen  das  letzte  Paar  (Nachschieber)  oft  fehlt 
und  durch  eigenartige  Anhänge  ersetzt  ist.    Puppe  hart. 

Familie:  Noctuidae  (Steph.)  Handl.  (Eulenartige). 

In  dieser  Familie  faßt  Handlirsch  alle  Familien  zusammen,  die  mit  den 
„Eulen"  und  „Bären"  verwandt  sind.  Als  gemeinsame  Charaktere  werden  angegeben: 
Kein  Chaetosema,  m^  näher  »23  als  m^,  sc  der  Hinterflügel  nie  einfach  frei  vom  r 
divergent,  sondern  wenigstens  ein  Stück  angelagert  oder  mehr  oder  weniger  weit 
verschmolzen.     Frenulum   vorhanden,    Abdomen   mit    Tympanalorgan. 

Unterfamilie:   Arctiinae   Hdl.    (Bären'). 
Mittelgroße,   meist   bunte   Tiere,    sc  der    Hinterflügel   auf   weitere    Strecke   mit 
dem   r  anastomierend.    Raupen    fast   immer   stark   behaart. 

U  n  t  e  r  f  a  m  i  1  i  e  :  S  >'  n  t  o  m  i  n  a  e  S  w  i  n  h. 
Kleinere  bis  mittelgroße  bunte  Tiere  mit  oft  teilweise   unbeschuppten   Flügeln, 
sc  der  Hinterflügel  ganz  mit  r  verwachsen.    Raupen  mit   Haarbüscheln. 


110  I.  Allgemeiner  Teil. 

U  n  t  e  r  f  a  m  i  1  i  e  :  L  i  p  a  r  i  d  i  n  a  e  H  a  n  d  1 . 
Meist  mittelgroße  oder  größere  Tiere  mit  breiten,  einfach  gezeichneten  Flügeln 
und  oft  weitgehender  Geschlechtsverschiedenheit,  sc  der  Hinterflügel  im  Bereich 
der  Zelle  mit  r  anastomisierend,  proximal  davon  eine  deutliche  Zelle  bildend. 
Tympanalorgan  vorhanden  wie  bei  den  Arctiinen.  Raupen  oft  mit  Haarpinseln. 
Puppe   ziemlich   hart,   im   Kokon. 

Unterfamilie:  Noctuinae  Handl.  (Euleni. 
Mittelgroße  bis  große  Tiere  von  ziemlich  übereinstimmender  Form,  sc  der 
Hinterflügel  höchstens  an  der  Basis  mit  r  eine  kleine  Zelle  bildend,  dann  für  kurze 
Strecke  anastomisierend.  Tympanalorgan  am  Abdomen  vorhanden.  Raupen  nur  relativ 
selten  stärker  behaart,  meist  nackt  und  mit  5  Paar  Klammerfüßen  versehen,  manch- 
mal  die   ersten    i — 2    Paare   verkümmert. 

Familie:  Geometridae  Handl.  (Spanner). 

Mittelgroße  Tiere  mit  im  Verhältnis  zum  Leib  großen  Flügeln,  sc  der  Hinter- 
flügel meist  nur  an  der  Basis  durch  Brücke  mit  r  verbunden  oder  kurz  anastomi- 
sierend. Raupen  schlank,  nur  i  Paar  Bauchfüße  auf  Segment  7  und  die  Nach- 
schieber vorhanden. 

5.  Überfamilie:  Hesperioidea  Walk.  (Dickköpfe). 

Einzige   Familie : 

Familie:   Hesperiidae   Steph. 

Mittelgroße  Tiere  mit  kräftigem  Leib.  Fühler  gekeult.  ;«-Stamm  und  Analis 
fehlt.  Raupen  fein  behaart  oder  fast  kahl.  Bauchfüße  mit  in  Kreisen  oder  einer 
Ellipse  stehenden  Krallen   (Kranzfüße).    Puppe  etwas  dünnhäutig,  ohne   Dornreihen. 

6.  Überfamilie:   Rhopalocera  Spul.   (Tagfalter). 

Einzige   Familie : 

Familie:  Papilionidae  Leach. 

Mittelgroße  bis  große,  vorwiegend  bunte  Tagfalter  mit  im  Verhältnis  zum  Leib 
großen  Flügeln.  Fühler  stets  mit  Endkeule,  nie  gekämmt.  Raupen  verschieden,  kahl 
oder   behaart,    mit    Klammerfüßen.     Puppe    fest. 


System  der  Lepidopteren  nach  Hering  (1926). 
1.  Microlepidoptera  oder  „Kleinschmetterlinge". 

Decken  sich  zum  größten  Teil  mit  dem  Begriff  der  „Stemmatoncopoda"  (aus- 
genommen die  Megalopygiden  und  Zygaeniden).  Die  Analis  im  Hinterflügel  vor- 
handen, wenn  nicht  die  Flügel  so  außerordentlich  klein  sind,  daß  eine  weitgehende 
Reduktion  aller   Adern   vor  sich  gegangen  ist. 

Hepialidae  und  Micropterygidae.  Beide  Familien  im  Vorderflügel  und  Hinter- 
flügel  mit   annähernd   gleichem   Geäder,    Flügel   durch   ein  Jugum   verbunden. 

Akuleate  Tineiden.  Flügelmembran  mit  Stacheln  besetzt,  Weibchen  meist  mit 
einer   Genitalöffnung.    Mit    5    Familien. 

Nicht  akuleate  Tineiden.  Flügel  ohne  Stacheln.  Weibchen  mit  2  Genital- 
öffnungen.   Mit    IG    Familien. 

Tortricidae.  Geäder  vollständig.  Raupen  in  zusammengewickelten  Blättern. 
Wickler. 

Cossidae.  Geäder  dem  der  Tortriciden  recht  ähnlich,  weist  viele  ursprüngliche 
Merkmale   auf.    Raupen   xylotroph. 

Aegeriidae  (Sesien).  Media  basal  und  Vorderflügel-Analis  reduziert,  Flügel 
sehr  schmal.   Raupen   ebenfalls   Holzfresser. 

Psychidae.  Adern  relativ  vollständig,  sehr  mannigfaltig.  Weibchen  flügellos, 
oft  stark  rückgebildet.    Sackträger. 


8.  Das  System  der  Lepidoptercn. 


111 


Limacodidae.  Geäder  vollständig.  Raupen  freilebend,  modifiziert,  oft  Nackt- 
schnecken ähnlich. 

Pyralididae.  Geäder  ziemlich  vollständig,  basale  Media  erloschen.  Raupe  mit 
Kranzfüßen. 

Pterophoridae.  Vorderflügel  meist  in  zwei,  Hinterflügel  in  drei  Federn  zer- 
spalten.   Raupen  frei   lebend.     Federmotten  oder  Geistchen. 

Orneodidae.     Flügel   noch   mehr   zerspalten,    Raupen    endophag. 

Zygaenidae.    Geäder   vollständig.    Raupen   frei   lebend,   mit   Klammerfüßen. 


Zur  Veranschaulichung  der  stammesgeschichtlichen   Verhältnisse  gibt    Hering 
folgende 

Ü  ber  sich  t  s  -  Tab  e  1  le. 


Diopt. 

Notodont. 

Geometr. 


Noctuid. 

Arctiid. 

Lymantr. 

Lasioc. 

Endrom. 

Bombvcid. 


Sphingid. 


Satyrid. 

Nymphal. 

Libyth. 

Erycin. 

Lycaen. 

Papilion. 

Pierid. 


1 

.Saturn.                          He 

äper. 

1 

Heterogyn. 

Orneod. 

Zygaen. 

Pteroph. 

Psych. 

Thyrid. 

Megalop. 

Pvral. 

1 

Limacod. 

1 

Cemiost. 

Lyonet. 

Flach. 

Gelech. 

Aeger. 

Momph. 

Cossid. 

Coleophor. 

Castn. 

Hyponom. 

Tortric. 

1 

Nepticul. 

Gracilar. 

Tischer. 

Glyphipt. 

Heliozel. 

Teichob. 

Incurv. 

1 

Ochsenh. 

Hepialidae-Micropterygidae. 

Lj    Grenze   zwischen  „Groß"-   und   „Kleinschmetterlinsjen". 


112  I-  Allgemeiner  Teil. 

2.  Macrolepidoptera  oder  „Großschmetterlinge". 

Analis  im  Hinterflügel  (und  meist  auch  im  Vordcrflügel)  fehlend,  Raupen 
meist  mit  Klammerfüßen,  deckt  sich  zum  größten  Teil  mit  dem  Begriff  der 
,,Han>wncopoda" . 

Endromididae.    Media  basal  und  Analis  noch  angedeutet.    Birkenspinner. 

Lasiocampidae.  Analis  und  basale  Media  ganz  verschwunden,  Frenulum  wie 
bei   den  vorigen  rückgebildet.    Glucken. 

Noctuidae,  Arctiidae,  Lymantriidae  und  Syntomididae.  Analis  und  basale 
Media  fehlt,  zweiter  Media-Ast  näher  dem  dritten  als  dem  ersten,  also  relativ  hinten 
stehend. 

Geometridae.  Zweiter  Media-Ast  näher  dem  ersten  oder  in  der  Mitte,  Raupen 
mit  teilweise  verkümmerten  Bauchfüßen.    Spanner. 

Bombycidae.  Analis  spurweise  angedeutet.  Zweiter  Media-Ast  dem  ersten  ge- 
nähert.   Seidenspinner. 

Notodontidae,  Drepanidae.  Media  wie  bei  den  vorigen.  Analis  erloschen. 
Raupen  meist  mit  normalen  Bauchfüßen. 

Saturniidae.  Frenulum  primär  fehlend.  Zweiter  Media-Ast  wie  bei  den  vorigen. 
Nachtpfauenaugen. 

Sphingidae.  Flügel  schmal,  die  hinteren  stark  verkleinert.  Raupen  meist  mit 
Hörn  auf  Segment  8.    Schwärmer. 

Bei  den  folgenden  fehlt  stets  das   Frenulum: 

Hesperiidae.  Alle  Flügeladern  aus  der  Zelle.  Raupen  mit  Kranzfüßen.  Dick- 
köpfe. 

Rhopalocera.  Adern  zum  Teil  gestielt,  Fühler  keulenförmig.  Raupen  meist  mit 
Klammerfüßen.    Tagfalter. 


System   der  Lepidopteren   nach   Heymons  (1915). 

1.  Unterordnung:  Jugatae. 

Vorderflügel  mit  einem  Jugum. 
Mit  3  Familien: 

Familie  Micropterygidae. 

„        Eriocephalidae . 

„        HepiaJidae    ( Wurzelf  alter ). 

2.  Unterordnung:  Frenatae. 

Hierher  sämtliche  Schmetterlinge,  die  kein  Jugum  mehr  besitzen.    An  Stelle  des 
Jugum  meist  ein   Frenulum  an  den  Hinterflügeln. 

1.  Tribus:  Kleinschmetterlinge,  Microfrenatae,  Stemmatoncopoda. 

Raupen  mit  geschlossenen  Hakenkränzen  an  den  Bauchfüßen. 
Familie  Cossidae  (Holzbohrer). 

„        Aegeriidae   oder  Sesiidae    (Glasflügler). 

„        Limacodidae  oder  Cochlididae   (Schildmotten). 

„        Tineidae  (Echte  Motten). 

„        Psychidae  (Sackspinner). 

„         Orneodidae    (Geistchen). 

,,        Tortricidae  (Wickler). 

„        Pyralidae    (Zünsler). 

„        Hesperiidae   ( Dickkopf f alter). 

2.  Tribus:  Großschmetterlinge,  Macrofrenatae,  Harmoncopoda. 

Raupen    fast    stets    mit    Klammerfüßen    (nur    in    seltenen    Ausnahmefällen    mit 
Kranzfüßen). 


8.  Das  System  der  Lepidopteren.  113 

1.  Familienreihe:  Opisthoneura. 

Die   5-  Ader  (m^)  der  Vorderflügcl  steht  im  Zusammenhang  mit  der  hinter  ihr 
befindlichen  4.  Längsader,  oder  doch  wenigstens  in  ursprünglicher  Beziehung. 
Familie  Arctiidae  (Bärenspinner). 
„        Zygaenidae    (Widderchen). 
„        Lasiocampidae  (Glucken). 
„        Lymantriidae  (Trägspinner). 
„        Drepanidae   (Sichelf lügler). 
„        Endromüdae   (Birkenspinner). 
„        Noctuidae  (Eulen). 

„        Cyviatophoridae    (Wollrückenspinner). 
„        Syntomididae. 

2.  Familienreihe:  Enantioneura. 

Die   5.  Längsader   (m.-,)   der   Vordcrflügel   gehört    zum   System   der   vor  ihr   be- 
findlichen 6.  Längsader. 

A.  H  e  t  e  r  o  c  e  r  a. 
Familie  Xotodonlidae  (Zahnspinner). 

Thauinetopoeidae    oder   Cnethocampidae    (Prozessionsspinner). 

Pterophoridae   (Federmotten). 

Bombycidae  (Spinner). 

Saturniidae    (Nachtpfauenaugen). 

Geometridae   (Spanner). 

Sphingidae    ( Schwärmer) . 

B.  Rhopalocera,  Tagfalter. 
Familie  Nymphalididae. 
„        Papilionidae. 


System  der  Lepidopteren  bei  Imms  (A  general  Textbook  of  Entomology, 

1924). 

1.  Unterordnung:  Homoneura. 

Geäder  im  Vorderflügel  und  Hinterflügel  ziemlich  übereinstimmend,  in  beiden  r 
mit  mehreren  Ästen. 

Familie  Älicropterygidae. 
„        Hepialidae. 

2.  Unterordnung:  Heteroneura. 

Geäder  in   Vorderflügel    und    Hintcrflügel   verschieden,   im    Hinterflügel   r   auf 
i   Ast  reduziert. 

Überfamilie:  Tineina. 
Mit  den   Familien:  Sesiidae   und  Tineina  vera. 

Überfamilie:  Tortricina. 
Mit  den   Familien:   Cossidae  und  Tortricidae. 

Überfamilie:  Pyralidina. 
Mit  den   Familien:  Pyralidae,   Pterophoridae   und    Orneodidae. 

Überfamilie:  Psychina. 
Mit  den   Familien:  Psychidae,  Cochlidiidae  und  Zygaenidae. 

Überfamilie:  Lasiocampina. 
Mit  den   Familien:  Drepanidae,  Lasioca/npidae  und  Endromüdae. 

Überfamilie:  Papilionidae. 
Mit  den  Familien:  Xymphalidae,  Lycaenidae,  Pieridae,  Papilionidae  und  Hespe- 
riidae. 

Escherich,  Forstinsekten.  Bd.  III.  8 


114  I.  Allgemeiner  Teil. 

Uberfamilie:  Notodontinae. 

Mit   den    Familien:   Sphingidae,   Thaumetopoeidae ,  N otodontidae,   Geomelridae, 
Saturniidae  und  Bombycidae. 

Uberfamilie:  Noctuinae. 
Mit  den   Familien:   Syntomidae,  Arctiidae,  Noctuidae  und  Lytnantriidae. 


System  der  Lepidopteren  bei  Wolff  und  Krauße. 

(Die  forstlichen  Lepidopteren,   1922.) 

I.  Subordo:  Jugatae. 

Mit  den  Familien:  Micropterygidae,  Eriocratiiidae  und  Hepialidae. 

II.  Subordo:  Frenatae. 
I.  Sectio:  Coronofrenatae. 

1.  Tribus:  Tineaemorpha. 

Hierher  alle  Tineidae  (s.  lat.),  ferner  die  Aegeriidae  (Sesiidae)  und  Psychidae. 

2.  Tribus:  Tortricimorpha. 
Hierher  Tortricidae,  Cossidae. 

3.  Tribus:  Pyralimorpha. 

Hierher  Pyralidae,  Pteropiioridae  und   Orneodidae. 

11.  Sectio:  Nudifrenatae. 

4.  Tribus:  Cochlidimorpha. 

Hierher   i    Familie:   Cochlididae. 

III.  Sectio:  Semicoronofrenatae. 

5.  Tribus:  Zygaenomorphae. 

Mit  der   Familie:   Anthroceridae  (^  Zygaenidae). 

6.  Tribus:  Arctiaemorpha. 

Hierher  Arctiidae   (s.  1.),   TJthosiidae,  Syntomidae ,  N ycteolidae  (=  Cymbidae). 

7.  Tribus:  Geometraemorpha. 
Mit  der   Familie:    Geometridae. 

8.  Tribus:  Noctuaemorpha. 
Mit  der   Familie:  Noctuidae. 

9.  Tribus:  Bombycimorpha. 

Hierher:   Bombycidae,  Ly7nantriidae,  Thaumetopoeidae,  Lasiocampidae,  Endro- 
mididae,  Drepanidae,  Saturniidae  und  N otodontidae. 

10.  Tribus:  Sphingimorpha. 

Mit  der   Familie:  Sphingidae. 

11.  Tribus:  Grypoceromorpha. 

Mit  der  Familie:  Hesperiidae. 

12.  Tribus:  Rhopaloceromorpha. 

Mit    den     Familien:     Papilionidae,    Pieridae,    Satyridae,    Nymphalididae    und 
Lycaenidae. 


Das  hier  angewandte  System  der  Lepidopteren. 

Die  Frage,  zu  welchem  System  ich  mich  hier  entscheiden  sollte,  war 
nicht  leicht.  Einerseits  mußte  den  neueren  wissenschaftlichen  Erkenntnissen 
Rechnung    getragen,    andererseits    aber    auch    der    Umstand    berücksichtigt 


8.  Das  System  der  Lepidopteren. 


115 


werden,  daß  das  Buch  für  die  Praxis  bestimmt  ist  (was  zu  einer  möglichsten 
Einfachheit  des  Systems  drängt).  Der  ersteren  Forderung  suchte  ich  da- 
durch gerecht  zu  werden,  daß  ich  bei  der  Einteilung  in  Hauptgruppen  den 
Gesichtspunkten,  in  denen  die  meisten  Autoren  übereinstimmen,  folgte  (z.  B. 
bei  der  Definition  der  Begriffe  „Klein-"  und  ,, Großschmetterlinge"),  der 
zweiten  Forderung  dadurch,  daß  ich,  wo  irgend  angängig,  Zusammen- 
ziehungen vornahm,  z.  B.  mehrere  Gruppen,  die  in  den  neuen  Systemen  als 
Familien  gelten,  als  Unterfamilien  betrachtete  und  sie  zu  einer  Familie  ver- 
einigte. So  habe  ich  die  zahlreichen  Familien,  in  die  heute  die  „Motten" 
zerlegt  sind,  als  ebenso  viele  Unterfamilien  in  eine  Familie,  Tineidae,  zu- 
sammengezogen. Ich  glaubte  dies  um  so  leichteren  Herzens  tun  zu  können, 
als  auch  Handlirsch,  dem  als  Systematiker  eine  ungeheure  Erfahrung 
und  ein  feines  Gefühl  zur  Verfügung  steht,  das  gleiche  (wenn  auch  unter 
Vorbehalt)  getan  hat.  Andererseits  habe  ich  auch  (ebenfalls  aus  Rücksicht 
auf  die  Praxis)  verschiedentlich  Gruppen,  die  von  manchen  Autoren  als 
Unterfamilien  betrachtet  werden,  den  Rang  von  selbständigen  Familien  ge- 
geben (z.  B.  die  Noctuiden,  Lymantriiden  und  Arctiiden,  die  bei  Hand- 
lirsch und  anderen  als  Unterfamilien  der  Familie  Noctuidae  figurieren). 
So  kam  folgendes  System  zustande,  das  sich  sowohl  mit  den  heutigen 
wissenschaftlichen  Erkenntnissen,  als  auch  mit  den  Wünschen  der  Praxis 
wenigstens  einigermaßen  vereinbaren  lassen  dürfte. 


1.  Unterordnung:  Microlepidoptera  oder  „Kleinschmetterlinge" 
(Polyneura). 

Hinterflügel  mit  3  Innenrandadern  (an,  ax^  und  ax^),  selten  (bei  stark 
verschmälerten  Hinterflügeln  und  überhaupt  stark  reduziertem  Geäder) 
nur  mit  2;  an  der  Vorderflügel  meist  erhalten.  Wo  die  Raupen  nicht  mehr 
als  5  Paar  Bauchfüße  (inkl.  Nachschieber)  besitzen,  sind  diese  Kranzfüße 
(mit  ganz  wenig  Ausnahmen,  wie  die  Zygaeniden). 

Vorderflügel  mit   Jugum  f  Familie  Micropterygidac 


(fugalae ) 


Vorderflügel     ohne     Ju- 
gum,   Hinterflügel    meist 
mit      Frenulum     (Jlicro- 
frenatae) 


Hepialidae  (früher  bei  den  Großschmetterlingen). 

Tineidae  (s.  1.) 

Tortricidae 

Cossidae  \ 

Scsiidae  im  alten  System 

Fsychidae  J     bei    den    Groß- 

Limacodidae  Schmetterlingen 

Zygaenidae 

Pyralidae 

Pteroplioridae 

Omeodidae 


2.  Unterordnung:  Macrolepidoptera  oder  „Großschmetterlinge" 
(Oligoneura). 

Hinterflügel  mit  2,  seltener  nur  mit  i  Innenrandader,  an  im  Hintcr- 
flügel  immer  atrophiert  oder  höchstens  in  Spuren  erhalten,  ebenso  im 
Vordcrflügel.    Raupen   fast    immer   mit    Klammerfüßen    (2 — 5    Paare). 

8* 


116 


I.  Allgemeiner  Teil. 


Fühler  verschieden:  ein- 
fach borsten-  od.  faden- 
förmig, gesägt  oder  ge- 
kämmt, nur  selten 
schwach  keulenförmig, 
Hinterflügel  meist  mit 
Frenulum  (Macrojrena- 
/ae) 


Fühler     mit      ausgespro- 
chener Endkeule,  Hinter- 
flügel    stets     ohne     Fre- 
nulum 


Familie  Geofnetridae 
Noctuidae 
Arctiidae 
Lymantriidae 
Endromididae 
Lasiocampidae 
Bombycidae 
Notodontidae     (mit    Thau- 

metopoea) 
Cymatophoridae 
Drepanidae 
Saturnidae 
Sphingidae 

Hesperiidae  (Grypocera) 
Papilionidae  {Rhopalocera) 


im  alten  System 
als    Spinner,    Bom- 
bycidae, zusammen- 
gefaßt 


früher    auch 

Rhopalocera     zi 

sammengefaßt 


als 


In  folgendem  sei  eine  Bestimmungstabelle  der  hier  aufgeführten  Familien 
gegeben : 

Tabelle  der  hier  behandelten  Familien. 

1.  Im  Hinterflügel  r  mit  mehreren  freien  Ästen,  Vorderflügel  mit  Jugum 
(/tigutae)    (Abb.  64 A) 2 

—  Im  Hinterflügel  r  nur  einästig,  Vorderflügel  ohne  Jugum,   Hinterflügel 
meist  mit   Frenulum   (Abb.  64  B) 3 

2.  Falter  groß,   Länge   des  Vorderflügels  immer  über   10  mm.    Raupen 

mit  5  Paar  Bauchfüßen Hepialidae 

—  Falter  klein,  Länge  des  Vorderflügels  stets  weit  unter   10  mm.    Bei 
frei  lebenden  Raupen  alle  Abdominalsegmente  mit  Bauchfüßen,  bei 

den  minierenden  die   Bauchfüße   stark   reduziert Micropterygidae 

r± 
~"  ^ 


Abb.  64.  A  Flügel  eines  Hepialiden  (r  im  Hinterflügel  mehrästig,  Vorderflügel  mit  Jugum), 

B   Flügel  eines  Tineiden  {r  im   Hinterflügel  einästig,   Hinterflügel  mit  Frenulum). 

Nach   Handlirsch. 


3.  Fühler  mit  ausgesprochener  Endkeule.  Hinterflügel  stets  ohne  Fre- 
nulum.   Flügel  im  Verhältnis  zum  Leib  groß 4 

—  Fühler  verschieden,  einfach  borsten-  oder  fadenförmig,  gesägt  oder 
gekämmt,  nur  ganz  selten  schwach  gekeult,  dann  Hinterflügel  meist 
mit   Frenulum 5 


8.  Das  System  der  Lepidopteren. 


117 


4.  Alle  Adern  frei  aus  der  Zelle  entspringend  (Abb.  65  A)  .      .      .      .       Hesperiidae 

—  Im  Vorderflügel  eine  oder  mehrere  Adern  gestielt   (Abb.  65  B)    .      Papilionidae 

5.  Flügel  durch   tiefe   Einschnitte   in  eine   Anzahl   (2—6)   „Federn"   ge- 
teilt (Abb.  66) 6 

—  Flügel    ungeteilt 7 


Abb.  65.     A  Flügel  eines  Hesperiiden  (alle  Adern  entspringen  frei  aus  der  Zelle), 
B   Flügel  eines  Papilioniden  (einige  Adern  gestielt).     Nach  Handlirsch. 


A  B 

Abb.  66.     A  Flügel    eines    Pterophoriden   (Vorderflügel    in    2,   Hinterflügel    in    3  Federn 

gespalten),   B  Flügel  eines  Orneodiden  (beide  Flügel  in  je  6  Federn  gespalten). 

Nach   Handlirsch. 


6.  Jeder  Flügel  in  6  Federn  gespalten  (Abb.  66 B) Orneodidae 

—  Vorderflügel  in  2,  Hinterflügel  in  3   Federn  gespalten  (Abb.  66  A)  Plerophoridae 

7.  Hinterflügel  meist  mit  3  Innenrandadern.  Analis  der  Vorderflügel 
meist  erhalten  (Abb.  67  A),  Raupen  (mit  Ausnahme  der  Zygaeniden) 
meist  mit   Kranzfüßen  (Microfrenatae) 8 

—  Hinterflügel  mit  2,  seltener  nur  mit  i  Innenrandader,  an  stets  atro- 
phiert.  Ebenso  im  Vorderflügel  an  reduziert  (Abb.  67  B).  Raupen 
meist  mit  Klammerfüßen  (^iMacrofrenatae) 15 

8.  Flügelfläche  fast  stets  zum  größten  Teil  unbeschuppt.  /«-Stamm  der 
Vorderflügel  fehlt,  Frenulum  auffallend.    Raupen  Holzfresser.  Puppe 

mit  Dornreihen Sesiidae  (Aegeriidae) 


118 


I.  Allgemeiner  Teil. 


—  Flügel  fast   stets   auf  der  ganzen   Fläche  beschuppt   .      .     '.      .      .      .  9 
9.   Große    Formen    (mit    6 — 9    cm    Spannweite).     ;«-Stamm    der    Vorder- 
flügel meist  vorhanden.    Raupen  Holzfresser,  Puppe  mit  Dornreihen  .  Cossidae 

—  Mittelgroße  bis  kleinste    Formen 10 


ax2  axi 


Abb.  67.     A   Flügel   eines    Microfrenaten    (Tinea)    (Hinterflügel   mit   3    Innenrandadern 

an,  axi  und  ax^.  auch  im  Vorderflügel  die  an  erhalten),   B  Flügel   eines  Macrofrenaten 

(Las/ocampa)    (Hinterflügel   nur   mit    2    Innenrandadern,    ^.Vi  und   ax^.    im  Vorderflügel 

fehlt  die  an.      Nach   Handlirsch. 


).  Weibchen  ungeflügelt  und  vielfach  madenförmig,  Männchen  mit 
dünn  beschuppten  Flügeln,  zuweilen  mit  netzartiger  Gitterung  der 
Vorderflügel.  Mittlere  bis  kleine  Tier«  mit  fast  stets  einfarbig  gräu- 
lichen oder  bräunlichen  Flügeln  (Männchen).  Raupen  Sackträger, 
Puppen  mit  Dornreihen Psychidae 

-  Weibchen   geflügelt,    Flügel    stets    dicht    beschuppt 11 

i.  sc  und  rr  der  Hinterflügel  meist  frei  und  divergent  (Abb.  68  A)  oder 

nur  an   der   Basis   verschmolzen   (oder  wenigstens   so   dicht   genähert, 
daß  sie  wie  verschmolzen  aussehen)  oder  durch  Querader  verbunden    12 

-  sc  und  rr  der  Hinterflügel  zuerst  getrennt,  dann  distal  vom  Ende  der 
Zelle  verschmolzen  und  dann  weiterhin  wieder  getrennt  (Abb.  68  B). 
w-Stamm     der     Vorderflügel     erloschen,     Vorderflügel     gewöhnlich 

schmal   dreieckig,    Hinterflügel    sehr   breit Pyralididae 


A  B 

Abb.  68.     A  Flügel   eines  Tortriciden    (sc  und  rr   der   Hinterflügel    frei    und    divergent, 
Vorderflügel  geschultert),   B  Flügel  eines  Pyraliden  (sc  und  rr  der  Hinterflügel  getrennt, 
dann  verschmolzen  und  weiterhin  wieder  getrennt).     Nach  Handlirsch. 


8.  Das  System  der  Lepidopteren.  119 

Mittelgroße   Falter  mit  mehr  oder  weniger  plumpem  Leib,   ;//-Stamm 

der    Vorderflügel    vorhanden 13 

Kleine  bis  kleinste   Falter,  meist  mit  schlankem  Leib.    w-Stamm  der 

Vorderflügel   vorhanden   oder    fehlend 14 

Fühler  sehr  kurz,   Falter  stark  behaart,  breitflügelig,  nachts  fliegend. 

Grundfarbe    braun.      Raupen    asseiförmig Limacodidae 

Fühler  lang,  schwach  gekeult  (zuweilen  gekämmt),  Flügel  schmal, 
meist  sehr  bunt  gefärbt,  bläulich  oder  grünlich  und  rot  oder  einfach 
metallisch  grün.  Am  Tage  fliegend.  Raupe  mit  Klammerfüßen  .  .  Zygaenidae 
Flügel  meist  schmal,  lang,  mehr  oder  weniger  zugespitzt  oder 
lanzettförmig  (Abb.  67  A),  meist  mit  breitem  Fransensaum.  wz-Stamm 
oft  mehr  oder  weniger  deutlich  vorhanden,  gewöhnlich  innerhalb  der 
Zelle  in  einen  gegabelten  vorderen  und  einfachen  hinteren  Ast  zer- 
fallend (Abb.  67  A).  Flügelmembran  mit  kleinen  Dörnchen  besetzt 
oder  ohne  solche.    Taster  der  i.  Maxille  oft  noch  erhalten,  Taster  der 

2.  Maxille   fast   stets   gut   entwickelt Tineidae 

Flügel  meist  breiter,  geschultert,  nicht  zugespitzt  (Abb.  68  A),  nie- 
mals mit  kleinen  Stacheln  auf  der  Flügelmembran.  Fransen  der 
Hinterflügel  meist  kürzer  als  die  halbe  Flügelbreite.  »z-Stamm  der 
Vorderflügel  erloschen.  Taster  der  i.  Maxille  reduziert,  die  der 
2.  Maxille  gut  ausgebildet Tortricidae 


A  B 

Abb.  69.     A  Hinterflügel  von  Cymalhophora  (sc  im   Hinterflügel  jenseits  vom  Zellende 

heruntergebogen   und  rr  genähert),    B   Hinterflügel  einer  Saturnide    (sc  im  Hinterflügel 

von   rr  stark  divergierend). 

15.  Fühler  eigenartig,  dick,  nach  der  Basis  und  nach  dem  Ende  verjüngt, 
oft  kantig.  Meist  sehr  große  Formen  mit  dickem,  nach  hinten  zu- 
gespitztem Hinterleib,  Flügel  schlank,  Hinterflügel  viel  kürzer  als 
die  Vorderflügel.  Rüssel  und  Taster  vorhanden,  ebenso  Frenulum. 
Kein   Chaetosema   und   kein   Tympanalorgan.    Raupen  mit   Hörn   am 

8.  Abdominalsegment Sphingidae 

—  Fühler  einfach,  dünn,  gesägt  oder  gekämmt,  auch  in  der  Körper-  und 
Flügelform   von    der    vorigen   abweichend 16 

16.  ni^  der  Vorderflügel  ausgesprochen  näher  an  m-^  entspringend  als  an 

;«3  oder  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  letzteren  Adern  ....    17 

—  w,  der  Vorderflügel  näher  an  m^  entspringend   (Abb.  67  B )     .      .      .21 

17.  Im  Hinterflügel  sc  jenseits  vom  Zellende  heruntergebogen  und  an  rr 
genähert  (Abb.  69  A) Cymathophoridae 

—  Im  Hinterflügel  sc  höchstens  vor  dem  Zellende  an  den  Zellvorder- 
rand  genähert,  meist  mit  rr  stark  divergierend   (Abb.  69  B),  zuweilen 

ist  aber  rr  stark  an  sc  herangebogen 18 

18.  Haftborste  stets  ganz  fehlend,  auch  ihr  Basalsockel  fehlt  (Abb.  69  B), 
Wurzel  des  Vorderflügels  mit  stark  nach  vorn  vortretendem  Vorder- 
rand.   Flügel  immer  mit  Augenflecken Saturniidae 


120  I.  Allgemeiner  Teil. 

—  Am  Hinterflügel  befindet  sich  eine  Haftborste  oder  an  der  äußersten 
Wurzel  des  Vorderrandes  eine  stärker  chitinisierte  Stelle  (Basal- 
sockel);  Vorderrand  der  Vorderflügel  nicht  stärker  als  normal  an 
der  Wurzel  vortretend,  nicht  beide  Flügelpaare  mit  Augenfleck  auf 
der   Querader 19 

19.  Im  Hinterflügel  sc  an  der  Basis  sehr  stark  gebogen,  von  der  Basis 
geht  meist  ein  kleiner  Adersporn  zur  Basis  des  Frenulum,  Haftborste 
fast  stets  vorhanden,  Leib  meist  verhältnismäßig  dünn,  Flügel  weich 
und  zart.  Chaetosema  und  großes  Tympanalorgan  an  der  Abdomen- 
basis vorhanden.  Raupen  nur  mit  2  Paar  Bauchfüßen  (inkl.  Nach- 
schieber)      Geome/ridae 

—  Im  Hinterflügel  ist  sc  entweder  nur  wenig  an  der  Basis  gebogen,  ist 
sie  es  aber  stärker,  so  geht  doch  von  der  Basis  kein  Aderstück  nach 
dem  Frenulum  hin,  dieses  oftmals  reduziert,  so  daß  die  Borsten 
fehlen  können.  Auch  der  Rüssel  oft  reduziert.  Chaetosema  und 
Tympanalorgan  nie  gleichzeitig  vorhanden 20 


A  B 

Abb.  70.  A  Flügel  von  Bombyx  mori  L.  (r^  an  ihrem  Ursprung  weiter  von  m^ 
entfernt  als  an  der  Mündung,  daher  die  beiden  Adern  gegen  den  Saum  immer  kon- 
vergierend),  B  Flügel  eines  Notodontiden  (/-g  und  m^  stets  gegen  den  Saum  hin  parallel 

oder  divergent). 

20.  Im  Vorderflügel  ^5  immer  an  ihrem  Ursprung  weiter  von  m-^  entfernt 
als  an  der  Mündung,  die  beiden  genannten  Adern  daher  gegen  den 

Saum  immer  konvergierend  (Abb.  70  A )    .      .      .      Bombycidae  (nur  Bomb,  mori) 

—  Im  Vorderflügel  r^  und  m-^  stets  gegen  den  Saum  hin  parallel  oder 
divergent  (Abb.  70 B).  Teilweise  mit  sehr  eigenartig  geformten 
Raupen.     Im   Hinterflügel   sc   und   rr   vom   Zellende   an   in   normaler 

Weise   divergierend Notodontidae    (inkl.   Thaumelopoea) 

21.  Frenulum  fehlend,  Vorderrand  der  Hinterflügel  an  der  Wurzel 
stärker  nach  vorn  ausgebogen  (Abb.  67  B).  Tympanalorgan  und 
Chaetosema     fehlen 22 

—  Frenulum  vorhanden,  Tympanalorgan  gut  entwickelt,  dagegen  Chae- 
tosema fehlend  oder   höchstens  in   Spuren 23 

22.  /2— 5  gestielt,  sc  der  Hinterflügel  durch  Querader  mit  rr  verbunden 
(Abb.  71  A).  Größere,  breitflügelige,  stark  behaarte  Tiere  mit  eigen- 
artiger Zeichnung.  Chaetosema  fehlt.  i%-Stamm  der  Vorderflügel  un- 
deutlich erhalten,  ebenso  die  Analis.  Raupe  schwach  behaart, 
schwärmerähnlich,  mit   Höcker  auf  Segment  8.    Puppe  mit  mehreren 

Reihen    kurzer,    starker   Dornen Endromididae 


8.  Das  System  der  Lepidopteren. 


121 


Nur  r.2  und  r-^  gestielt,  sc  der  Hinterflügel  mit  rr  am  Ende  der  Zelle 
oder  distal  davon  verbunden  ( Abb.  67  B  u.  71  B  ).  Größere,  dickleibige 
behaarte,  breitflügelige  Tiere.  Ohne  Chaetosema  und  Tympanalorgan. 
?Ä-Stamm  und  Analis  der  Vorderflügel  erloschen.  Raupen  behaart, 
Puppe    meist    im    Kokon Lasiocampidae 


A  B 

Abb.  71.     A  Flügel  von  Efidromis  versicolora  L.  (Frenulum  fehlt,  /-g—j  gestielt,  sc  der 

Hinterflügel  durch  Querader   mit   r   verbunden),    B    Flügel   einer   Lasiocampide    (nur  r.^ 

und  Tg  gestielt,  sc  der  Hinterflügel  dem  rr  am  Ende  der  Zelle  genähert). 

23.  sc  der   Hinterflügel   frei,  nicht  anastomisierend,  höchstens  außerhalb 

der   Zelle   etwas   genähert    (Abb.  72  A) Drepanidae    pp. 

—  sc  der  Hinterflügel  nie  einfach  frei  vom  rr  divergierend,  sondern 
wenigstens  ein  Stück  weit  aneinandergelagert  oder  mehr  oder 
weniger  weit  verschmolzen  (und  dann  scheinbar  fehlend)  oder  (sehr 
selten)    durch    Querader    verbunden 24 

24.  sc  der  Hinterflügel  von  der  Basis  an  eine  weitere  Strecke  mit  rr 
anastomisierend,    an    der    Basis    keine    größere    Zelle    einschließend. 


A  B 

Abb.  72.     A    Flügel   einer   Drepanide    (sc   der  Hinterflügel   frei,    nicht   anastomisierend, 
distal  vom  Zellende  dem  rr  genähert),   B  Flügel  eines  Arctiiden  (sc  der  Hinterflügel  von 
der  Basis  an  eine  weitere  Strecke  mit  rr  anastomisierend). 


122 


I.  Allgemeiner  Teil. 


(Abb.  72  B).  Mittelgroße,  meist  sehr  bunte  Tiere,  Raupen  dicht  be- 
haart   Arctiidae  (inkl.  Syntornis) 

—  sc  der  Hinterflügel  mit  rr  eine  größere  oder  kleinere  Wurzelschlinge 
bildend   oder   vor   dem   Zellende   stark   genähert 25 

25.  sc  der  Hinterflügel  meist  erst  von  der  Mitte  der  Zelle  mit  rr  ver- 
bunden, ihr  genähert  oder  mit  Querader  verbunden,  so  daß  die 
Wurzelzelle  sehr  groß  ist  (Abb.  jt,  A).  Fühler,  wenigstens  beim 
Männchen,  stets  doppelt  gekämmt.  Rüssel  schwach  oder  verkümmert. 
m^  im  Hinterflügel  gleichstark  wie  die  benachbarten  Adern.  In  der 
Flügelfarbe  herrscht  als  Grundfarbe  weiß  oder  gelblich  vor  .      .      Lymantriidae 


A  B 

Abb.   J2,.     A  Flügel  von  Lymautria  tnonacha  L.    (sc  der  Hinterflügel   in  der  Mitte  der 

Zelle  mit  rr  verbunden,    eine    große  Wurzelzelle  bildend,   m.^  der  Hinterflügel   stark  wie 

Wj  und  OT3),   B   Flügel  einer  Eule    (sc  bald  nach  dem   Ursprung  mit  rr  verbunden,  nur 

eine  kleine  Wurzelzelle  bildend,  m.,  stets  schwächer  als  w,   und  m,. 


22.  sc  der  Hinterflügel  bald  nach  dem  Ursprung  mit  dem  Zellvorder- 
rand  verbunden,  so  daß  die  Wurzelschlinge  nur  klein  ist  (Abb.  73  Bj. 
Fühler  borstenförmig,  meist  mehr  oder  weniger  bewimpert,  nur  sehr 
selten  gekämmt.  Rüssel  nur  selten  ganz  verkümmert,  m^  der  Hinter- 
flügel meist  schwächer  als  die  übrigen  Adern.  Flügelfärbung  im  all- 
gemeinen düster.    Raupen  meist  nackt,  nur  selten  behaart  .... 


NocLuidae 


Bkh. 
Boisd. 

Bosc 

Cl. 

Comst. 

Curt. 

Dbld. 

Dup. 

Esp. 


9.  Abkürzungen. 

A.  Lepidopteren-Autoren  ^). 

Borkhausen,   M.  B.,   1760— 1806,  Herzogl.  Kammerrat  in  Darmstadt. 
Boisduval,   J.  B.  A.,    1801  — 1879,    Arzt    und    Konservator    des    Kabinetts 

des    Grafen    Dejean,    Paris. 
Bosc  d'Antic,  L.  Aug.  GuilL,   1759 — 1828,  Paris. 
Clerck,  Carl,  gest.   1765,  schwedischer  Maler  und  Entomologe. 
Comst  ock,  Professor  der  Entomologie  in  Ithaca.  U.  S.  A. 
Curtis,  J.  H.,  1761  — 1861,  englischer  Maler  und  Entomologe. 
Doubleday,   Edw.,  Englischer  Entomologe.    1810 — 1849. 
Duponchel,   Ph.  A.  J.,    1774 — 1846,    Präsident   der   Entom.    Gesellschaft 

zu  Paris. 
Esper,   E.  J.  Ch.,    1742 — 1810,   Professor   d.   Naturgeschichte   u.   Direktor 

d.    Naturalienkabinetts   zu   Erlangen. 


1}   Die  biographischen  Angaben  sind  meist  Wolff  und   Krauße,   Die  forst- 
lichen Lepidopteren,  und  Hagen,  Bibl.  entomoL,  entnommen. 


g.  Abkürzungen. 


123 


F.  =   Fabricius,    H.  Ch.,    1745 — 1808    (nach   Angabe   des    Sohnes    1810),    Pro- 

fessor d.  Naturgeschichte  u.  dänischer  Staatsrat  in  Kiel. 

F.V.W.  =  Fischer  von  Waldheim,  F.,  177 1  — 1853,  russischer  Staatsrat,  Pro- 
fessor, Direktor  d.  Kaiserl.  Museums  zu  Moskau  u.  Präsident  der 
Akademie   d.   Wissenschaften  daselbst. 

F.  R.      =  Fischer,  J.  E.,  Edler  von  Rößlerstamm,  schrieb    1727— 1843. 

Fourc.    =   Fourcroy,   A.  F.,   1755 — 1809,  Arzt  und  Professor  d.   Chemie.    Paris. 

Frey       =  Frey,   H.,   schrieb   1855 — 1860,   Professor  in  Zürich. 

Freyer  =   Frey  er,   C.  F.,  schrieb   1828 — 1860,   Stiftungskassier  in  Augsburg. 

Froel.     =   Fr ö  lieh,    G.  F.,   schrieb    1828   und    1829. 

Gm.        r=;  Gmelin,  J.  F.,   1748 — 1804,   Professor  in   Göttingen. 

Gn.         =  Guenee   (de  Chateaudun),  A.,   1809— 1880,  französischer  Lepidopterologe. 

Gz.  r^  Goeze,   J.  A.  E.,    1731  — 1793,    Pastor   u.    erster    Hofdiakonus   zu    Quedlin- 

burg. 

Handl.  =  Handlirsch,  Anton,  Hof  rat  in  Wien,  einer  der  umfassendsten  Ento- 
mologen   der    Jetztzeit. 

Hb.  =  Huebner,  Jakob,  1761  — 1826,  Zeichner  in  einer  Kattunfabrik  in 
Augsburg. 

Hbst.     =  Herbst,  J.  F.  W.,    1743 — 1807,   Garnisonprediger  in  Berlin. 

Hein.  =  Heinemann,  H.  von,  schrieb  1848 — 1859,  Zollinspektor  in  Braun- 
schweig. 

Hfn.       =  Hufnagel,  schrieb   1765 — 1768,  Prediger  in  oder  bei  Berlin. 

H.  S.  =  Herrich-Schäffer,  G.  A.  W.,  1799— 1874,  Kreis-  u.  Stadtgerichtsarzt 
in   Regensburg. 

Htg.  ^  Hart  ig,  Th.,  1801  —  18S0,  Forstrat  u.  Professor  d.  Forstwissenschaft 
am  Carolinum  zu  Braunschweig. 

Hum.  =  Hummel,  A.  D.,  gest.  1836  in  Ekenäs  in  Finnland,  Ministerialbeamter 
in  St.  Petersburg;  schrieb  von   1793   bis   1823. 

Hw.        =  Haworth,    A.  H.,    1767 — 1833,    englischer    Entomologe    u.    Botaniker. 

Koll.       =  Kollar,    V.,    1797 — 1860,    Direktor   des    K.    K.    Zool.    Kabinetts   in   Wien. 

L.  =  Linne,    C.    von,    geb.    24.   Mai     1707     zu    Roeshuld    in    Smaland,    gest. 

IG.  Januar    1778    zu    Hammarby    bei    Upsala,    Professor    d.    Botanik   in 
Upsala.     (Hieß  vor  seiner  Nobilitierung  Linnaeus.) 

Lasp.      =  Laspeyres,  J.  H.,   1769 — 1809,  Bürgermeister  von  Berlin. 

Latr.       =  Latreille,   P.   A.,    1762 — 1833,   französischer   Entomologe. 

Led.  =  Lederer,  Julius,  Kaufmann  und  Redakteur  der  Wiener  Entomolo- 
gischen  Monatsschrift,   Wien;   starb    1870,  40  Jahre  alt. 

Losch.    =  Loschge,   F.  H.,   1755 — 1840,  Professor  in  Erlangen. 

Meyr.     =   M  e  y  r  i  n  k ,  englischer  Entomologe,  Spezialist  für  Kleinschmetterlinge. 

Ochsh.   =  Ochsenheimer,   F.,   1767— 1822,   Dr.   phil.   u.    Hofschauspieler  in  Wien. 

Oliv.  =  Olivier,  A.  G.,  1756— 1814,  Professor  d.  Zoologie  an  d.  Tierarzneischule 
zu  Alfort  bei  Paris. 

Pall.  =  Pallas,  P.  S.,  1741  — 1811,  Mitglied  d.  Kaiserl.  Akademie  in  Peters- 
burg,  starb  in  Berlin. 

Poda      =  Poda   von   Neuhaus,    N. 
Graz. 

Pz.  =  Panzer,    G.  W.  F.,    1755— 

Nürnberg. 

Payk.  =  Paykull,  G.  von,  esthländ.  Edelmann,  Kgl.  schwed.  Kanzleirat  und 
Akademiker  zu  Stockholm,  schrieb   1785  bis   1809. 

Rag.  =  Ragonot,  Französischer  Entomologe,  Monograph  der  Phycideen.  1843 
bis    1895. 

Rtzb.  =  Ratzeburg,  J.  Th.  Chr.,  1801  — 1871,  Professor  d.  Naturwissenschaften 
an  d.  Forstakademie  in  Eberswalde. 

Rbl.        =  Rebel,   H.,  Direktor  am   Naturhistorischen   Hofmuseum  in  Wien. 


,    1723 — 1798,   Jesuit,    Professor   der   Physik   in 
1829,    Landgerichtsphysikus    zu    Hersbruck    bei 


124 


I.  Alleemeiner  Teil. 


Rbr. 
Rott. 
Schiff. 


Scop. 

Spul. 

Stgr. 

Stph. 

Stt. 

S.V. 

Tr. 

Thunb. 

Vill. 

Wck. 

Wlk. 

w.v. 
zu. 

Zett. 
Zinck. 


Rambur,  J.  Pierre,   Arzt  in   Fontainbleau,   schrieb   von   1828 — 1848. 

Rottenburg,   S.A.  von,   schrieb  von   1775   bis    1781. 

Schiffermiller,  J.  (vielfach  wohl  irrig  als  Schiffermüller  ge- 
schrieben), 1727^1809,  Professor  am  Theresianum  in  Wien.  Siehe 
auch  unter  S.  V.  u.  W.  V. 

Scopoli,  J.  A.,  1723—1788,  Arzt  in  Iclria,  zuletzt  Bergrat  u.  Professor 
d.   Chemie  u.   Botanik  in  Pavia. 

Spuler,   Arnold,  Professor  der   Anatomie  in  Erlangen. 

Staudinger,   O.,   Entomologe   in   Dresden. 

Stephens,  J.  F.,   1792—1852,  Entomologe  in  London. 

Stainton,    H.  T.,    1822—1892,    Mountsfield,    Lewisham    bei    London. 

Schiffermiller,   J.,  im  „Wiener   System.   Verzeichnis". 

Treitschke,    Fr.,    1776—1842,    Hoftheaterökonom   in   Wien. 

Thunberg,  C.  P.,  1775.  Linnes  Nachfolger  als  Professor  der  Natur- 
geschichte in  Upsala.   1743 — 1828. 

de  Villers,  Charles,  Joseph,  1724—1810,  Lyon,  der  Neubearbeiter 
von  Linne. 

Wocke,    M.  Ferd.,    1820 — 1906,   Arzt   in   Breslau. 

Walker,  J.  J-,  ehemaliger  Marinechefingenieur,  Sekretär  d.  Entomo- 
logical   Society  of   London,   lebte  in   Oxford. 

Schiffermiller   im  ,, Wiener   System.    Verzeichnis". 

Zeller,    Ph.  Chr.,    1808—1883,    Professor   in    Meseritz,    starb    in    Stettin. 

Zetterstedt,   J.  W.,    1785—1875,   Professor  in   Lund. 

Zincken,  J.  L.  Th.  Fr.,  genannt  Sommer,  1770—1856,  Hofmedikus  in 
Braunschweig. 


B.  Häufig  zitierte  forstliche  und    entomologische  Zeitschriften    und  Handbücher. 


Insekten.     2.  Aufl.    1881 


A.  f.  Schädlk.  =  Anzeiger  für  Schädlingskunde. 

Altum  (F.)  =  Altum,    B.,    Forstzoologie.     Band    3 

bis  1882. 

Allg.  F.  u.  J.  =  Allgemeine   Forst-  und  Jagdzeitung. 

A.  Biol.  R.  A.  =  Arbeiten  der  Biologischen  Reichsanstalt. 

Bl.  f.  d.  ges.  Fw.  =  Blätter  für  das  gesamte  Forstwesen. 

Ctrbl.  f.  d.  ges.  Fw.      =  Centralblatt  für  das  gesamte   Forstwesen. 

D.  D.  F.  =  Der  Deutsche  Forstwirt. 

D.  Ent.  Zeit.  Iris  =  Deutsche  Entomologische  Zeitschrift   Iris. 

13.  F.  Z.  =  Deutsche    Forstzeitung. 

Eckstein  (T.)  =  Eckstein,    Karl,   Die   Technik   des    Forstschutzes   gegen   Tiere. 

2.  Aufl.  Berlin  191 5. 

F.  Bl.  =  Forstliche  Blätter. 

F.  N.  Z.  =   Forstlich-Naturwissenschaftliche  Zeitschrift. 

Forstar.  =   Forstarchiv. 

Fw.  Ctrbl.  =   Forstwissenschaftliches   Centralblatt. 

Mitt.  Biol.  R.  A.  =  Mitteilungen  der  Biologischen  Reichsanstalt. 

Mitt.  d.  D.  L.  G.  =  Mitteilungen  der  Deutschen  Landwirtschaftsgesellschaft. 

N.  Z.  f.  F.  u.  L.  =  Naturwissenschaftliche    Zeitschrift    für    Forst-    u.    Landwirt- 

schaft. 

Nitsche  =  Judeich-Nitsche,  Lehrbuch  d.  mitteleuropäischen  Forstinsekten- 

kunde. 

Ratzeburg  (F. )  =  Ratzeburg,    J.  T.  C,    Die     Forstinsekten.     Zweiter    Teil,     Die 

Falter. 

Ratzeburg  (W.)  =  Ratzeburg,    J.  T.  C,    Die    Waldverderbnis.    Berlin, 

Reh  =  Tierische    Schädlinge    an    Nutzpflanzen.     Sorauers 

der  Pflanzenkrankheiten.    Bd.   IV.    Berlin   1925, 

Schw.  Z.  f.  F.  =  Schweizerische  Zeitschrift  für  das   Forstwesen. 


866—1869. 
Handbuch 


lo.    Allgemeine    Literatur    über    Lepidopteren.  \2b 

Stett.  ent.  Z.  =  Stettiner  Entomologische  Zeitung. 

Thar.  J.  =^  Tharandter  Forstliches  Jahrbuch. 

Z.  f.  ang.  Entom.  ^  Zeitschrift  für  angewandte  Entomologie. 

Z.  f.  wiss.  Insektb.  ^  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Insektenbiologie. 

Z.  f.  F.  u.  J.  =  Zeitschrift   für   Forst-   u.  Jagdwesen. 


10.  Allgemeine  Literatur  über  Lepidopteren. 

(Systematik   und  Biologie.) 

Bau,   Handbuch  für  Schmetterlingssammler.    Magdeburg   1886. 

Berge-Rebel,   Schmetterlingsbuch.    9.  Aufl.    Stuttgart    1910. 

Borkhausen,  Naturgeschichte  der  europäischen  Schmetterlinge.  5  Bde.  Frankfurt 
1788-1794. 

Brehms  Tierleben.    4.  Aufl.   Bd.  2:   siehe   Heymons. 

Dahl,  Fr.,  Die  Tierwelt  Deutschlands  und  der  angrenzenden  Meeresteile  nach 
ihren   Merkmalen  und  nach  ihrer   Lebensweise.    Jena   1929. 

Denis  u.  Schiffermiller,  Systematisches  Verzeichnis  der  Schmetterlinge  der 
Wiener   Gegend.    Wien    1776. 

Disque,  Verzeichnis  der  Kleinschmetterlinge  der  Umgebung  von  Speyer.  2  Teile. 
,,Iris",   Dresden  1901. 

Eckstein,  K.,  Die  Schmetterlinge  Deutschlands,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
ihrer  Biologie.  5  Bde.  Verlag  des  Deutschen  Lehrervereins  für  Naturkunde, 
E.  V.   Stuttgart   1914  ff. 

Esper,  E.  J.C,  Die  europäischen  Schmetterlinge  in  Abbildungen  nach  der  Natur, 
mit  Beschreibungen.  7  Bde.  Herausgeg.  von  Toussaint  v.  Charpentier. 
Erlangen   1829 — 1839. 

Fischer  von  Rößlerstamm,  J.  E.,  Abbildungen  zur  Berichtigung  und  Er- 
gänzung der  Schmetterlingskunde,  besonders  Microlepidopterologie.  Leipzig  1834. 

Frey,  Die  Schweizerischen  Microlepidopteren.  6  Teile.  Entomol.  Ges.  Schaffhausen 
1865— 1868. 

— ,  Die  Lepidopteren  der  Schweiz.  Mit  4  Nachträgen.  Leipzig  und  Schaffhausen 
1880— 1887. 

Frey  er,  Beiträge  zur  Geschichte  europäischer  Schmetterlinge.  3  Bde.  Nürnberg 
1828— 1831. 

— ,  Neuere  Beiträge  zur  Schmetterlingskunde.  7  Bde.  Augsburg  1831  — 1859. 

Hart  mann,  A.,  Die  Kleinschmetterlinge  des  europäischen  Faunengebiets.  Er- 
scheinungszeit der  Raupen  und  Falter,  Nahrung  und  biologische  Notizen. 
München   1880. 

Heinemann,  von,  Die  Schmetterlinge  Deutschlands  und  der  Schweiz.  3  Bde. 
Braunschweig   1850 — 1876.    Ein  grundlegendes  Werk. 

Hering,   Martin,   Biologie  der   Schmetterlinge.    Berlin   (J.Springer)    1926. 

Herrich-Schäffer,  Systematische  Bearbeitung  der  Schmetterlinge  von  Europa. 
Als  Text,  Revision  und  Supplement  zu  J.  Hübners  Sammlung  europäischer 
Schmetterlinge.  6  Bde.  Regensburg  1843 — 1856.  Grundlegend  für  die  wissen- 
schaftliche Systematik. 

Heymons,  R.,  Die  Schmetterlinge.    In:  Brehms  Tierleben.  4.  Aufl. 

Hof  mann,  E.,  Die  Raupen  der  Großschmetterlinge  Europas.  Verlag  der  C.  Hof- 
mannschen  Verlagsbuchhandlung,   Stuttgart    1893. 

Hübner,   Jacob,    Sammlung   europäischer    Schmetterlinge.     Augsburg    1805^1834. 

— ,  Geschichte   europäischer  Schmetterlinge   (Raupen).    Augsburg   1806— 1818. 

Junk,  W.,  Bibliographia  Lepidopterologica.    Berolini  1913. 

Kenne  1,  J.,  Die  paläarktischen  Tortriciden.  Mit  42  kolorierten  Tafeln.  Stuttgart 
1908— 1921. 


126  I-   Allgemeiner  Teil. 

Korb,   M.,  Die  Schmetterlinge  Europas.    Nürnberg   1893. 

Lamper  t,  K.,  Die  Großschmetterlinge  und  Raupen  Mitteleuropas,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Biologie.    Mit  58  Tafeln.    Eßlingen  u.  München  1907. 

Ochsenheimer  und  Treitschke,  Die  Schmetterlinge  von  Europa.  10  Bde. 
Leipzig    1807 — 1835. 

Pagenstecher,   Die  geographische   Verbreitung  der  Schmetterlinge.   Jena  190g. 

R  ü  h  1 ,  Heine  und  B  a  r  t  e  1 ,  Die  paläarktischen  Großschmetterlinge  und  ihre 
Naturgeschichte.   2  Bde.    (Mehr  nicht   erschienen.)    Leipzig    1895    ^^^'^    1^99 — 1902. 

Schreiber,  C,  Raupen-Kalender.  Nach  den  Futterpflanzen  geordnet  für  das 
mitteleuropäische   Faunengebiet.    2.  Aufl.   Langensalza   1908. 

Schütze,  K.  T.,  Die  Kleinschmetterlinge  der  sächsischen  Oberlausitz.  3  Teile. 
Dresden,  „Iris",   1899— 1902. 

Seitz,  A.,  Die  Großschmetterlinge  der  Erde.  Herausgeg.  in  Verbindung  mit  nam- 
haften Fachmännern.  I.  Abt.:  Die  Großschmetterlinge  des  paläarktischen 
Faunengebietes.  4  Bde.  Stuttgart  1909 — 191 5. 

Sorhagen,  Die  Kleinschmetterlinge  der  Mark  Brandenburg.  Berlin  1886. 

Spul  er,  A.,  Die  Schmetterlinge  und  Raupen  der  Schmetterlinge  Europas.  4  Bde. 
Stuttgart,  Schweizerbartsche  Verlagsbuchhandlung  (Nägele  u.  Sprösser),  1901 
bis  1910.    Jedem  ernsten  Schmetterlingssammler  zu  empfehlen. 

— ,  Die  sogenannten  Kleinschmetterlinge  Europas,  einschließlich  der  primitiven 
Familien  der  sogenannten  Großschmetterlinge  sowie  der  Nolidae,  Syntomidae, 
Nycteolidae  und  Arctiidae;  unter  Mitarbeit  von  mehreren  Gelehrten  heraus- 
gegeben.   Mit  22  bunten  Tafeln. 

Stainton,  Zeller,  Douglas  and  Frey,  The  natural  history  of  the  Tineina. 
13  vols.  London  1858 — 1873.  Mit  zahlreichen  handkolorierten  Tafeln.  In 
drei  Sprachen  (englisch,  deutsch,  französisch). 

Staudinger,  O.  und  Rebel,  H.,  Katalog  der  Lepidopteren  des  paläarktischen 
Faunengebietes.  3.  Aufl.  Berlin  1901.  (Hierin  ausführliche  Zitate  der  systema- 
tischen  Literatur.)     Unentbehrlich   für   jeden   Sammler. 

Wagner,  Lepidopterorum  Catalogus.  Berlin  (W.  Junk). 


IL  Spezieller  Teil. 
1.  Unterordnung;  Microlepidoptera  oder  „Kleinschmetterlinge". 

Wenn  wir  heute  von  Kleinschmetterlingen  reden,  so  dürfen  wir,  wie  oben 
bereits  betont,  diesen  Begriff  nicht  mehr  wörtlich  nehmen.  Die  ,,Klein- 
schmetterlinge"  in  unserem  Sinne  enthalten  nicht  nur  die  kleinen  Formen, 
sondern  wir  rechnen  heute  zu  ihnen,  ganz  unabhängig  von  der  Größe,  alle 
jene  Schmetterlinge, 

die  im  Hinterflügel  3  Innenrandadern  (an,  ax^  und  ax^) 
besitzen,  bei  denen  im  Vo rderflügel  meist  die  an  er- 
halten ist  und  deren  Bauchfüße  (wo  nicht  mehr  als 
5  Paare  vorhanden  sind)  typische  Kranzfüße  sind^). 
Wir  teilen  die  Microlepidopteren  in  2  Gruppen  ein: 

1.  die  Jugatae:  Vorderflügel  mit  Jugum,  im  Hinterflügel  r  mehr- 
ästig (siehe  Abb.  64  A). 

2.  die  Microfrenatae:  Vorderflügel  ohne  Jugum,  dagegen  die 
Hinterflügel  meist  mit  Frenulum,  r  im  Hinterflügel  stets  ein- 
ästig (siehe  Abb.  64  B). 


1.  Tribus:  Jugatae, 


Die  Jugatae  stellen  die  primitivsten  Schmetterlinge  dar,  deren  Mund- 
werkzeuge bei  einigen  Arten  sogar  noch  als  Beißwerkzeuge  benützt  werden 
können.  Die  Vorderflügel  und  Hinterflügel  stimmen  in  Größe  und  Form 
und  Geäder  mehr  oder  weniger  überein  (Radius  im  Hinterflügel  mehrästig). 
Die  Vorderflügel  tragen  einen  vom  Grunde  des  Innenrandes  entspringenden 
kleinen  lappenförmigen  Anhang  (Jugum),  der  den  Zusammenhalt  derVorder- 
und  Hinterflügel  während  des   Fluges  bewirkt   (s.  Abb.  64  A). 

Die  Jugaten  enthalten  nur  2  Familien:  die  Micropterygidae  und  Hepia- 
lidae. 

Familie:  Micropterygidae. 

Die  Micropterygiden  enthalten  wieder  2  Unterfamilien:  Microptery- 
ginae  und  Eriocraniinae. 

Unterf amilie :  Microptery ginae. 

Die  Micropteryginen  stellen  die  niedersten  Formen  der  Schmetterlinge 
mit  sehr  primitivem   Geäder   (Abb.  74)   dar.    Sie  besitzen  noch  zum  Kauen 


1)  Wir  kennen  nur  ganz  wenig  Ausnahmen;  so  sind  bei  einigen  ganz  schmal- 
flügeligen  Tineiden  mit  stark  reduziertem  Geäder  nur  2  Innenrandadern  vorhanden, 
und  so  besitzen  die  Zygaeniden  Klammerfüße  (im  letzten  Fall  entscheidet  das. 
Geäder  über  die   Zugehörigkeit   zu   den  Kleinschmetterlingen J. 


128 


II.  Spezieller  Teil. 


geeignete  gezähnte  Mandibeln  und  Außen-  und  Innenladen  an  den 
I.  Maxillen.  Sie  sind  durchwegs  sehr  kleine  Tiere  (ca.  lo  mm  Spannweite), 
die  sich  von  Blütenstaub  nähren.  Raupen  an  allen  Abdominalsegmenten  mit 
Bauchfüßen  (den  Brustbeinen  ähnlich).  Nur  eine  einzige  Gattung  (Micro- 
pteryx  Hb.);  forstlich  ohne  Bedeutung. 


3Xan 


ax-r  an       cu-j 


Abb.  74.   Flügelgeäder  von  y///r/-ö/'/6?/_)'X  Hb.     Abb.  75.     Flügelgeädei-  von  Ä>/or/-c?;//V7  ZU. 
Nach  Spuler.  Nach  S  p  u  1  e  r. 


Unterfamilie :  Eriocraniinae. 

Die  Eriocraniidae  unterscheiden  sich  von  der  vorigen  Familie  vor  allem 
durch  den  verschiedenen  Bau  der  Mundwerkzeuge:  Die  Mandibeln  sind  ver- 
kümmert, die  Innenladen  der  i.  Maxillen  fehlen.  Auf  den  Vorderflügeln 
Ader  sc  nahe  ihrem  distalen  Ende  häufig  mit  einem  Nebenast  zum  Vorder- 
rand (Abb.  75),  r^  am  Ende  häufig  gegabelt.  Die  fußlosen  Raupen  minieren  in 
Blättern.  Enthält  nur  die  einzige  Gattung  Eriocrania  ZU.  Forstlich  nur  von 
geringer  Bedeutung,  bis  jetzt  nur  eine  Art  in  der  forstlichen  Literatur  er- 
wähnt : 

Eriocrania  sparmanella  Bosc. 

Birkenminier  motte. 
Taf.  I,  Abb.  i. 

Der  winzige  Falter  (Spannweite  10 — 12  mm)  hat  breitlanzettliche  Flügel. 
Vorderflügel  goldgelb,  stahlblau  oder  purpurviolett  gegittert,  mit  i  Fleck  der 
Grundfarbe  am  Innenwinkel.  Fransen  gelbgrau,  undeutlich  gescheckt,  Fühler  unter 
halber  Vorderflügel-Länge   (Abb.  76). 

Raupe  gelblich  weiß,  Kopf  flach,  braun  mit  dunkelbraunem  Fleck  auf  jeder 
Seite,  Beine  rückgebildet. 

Die  Birkenminiermotte  ist  über  ganz  Mitteleuropa  verbreitet,  ihre  Fraß- 
pflanze ist  die  Birke. 

Der  Falter  erscheint  im  ersten  Frühjahr  und 
legt  seine  Eier  an  die  eben  ausbrechenden  Knospen. 
Die  Raupen  minieren  in  den  Blättern,  zuerst  kann 
man  die  Miniergänge  deutlich  erkennen,  später  wird 
das  ganze  Blatt  völlig  und  gleichmäßig  ausgefressen. 
Die  Blätter  bekommen  dann  ein  fahlbraunes  Aus- 
sehen, vertrocknen  und  fallen  ab.  Bei  durchscheinen- 
dem  Licht  kann  man  den  Kot  in  feinen  Strängen 
miniermotte,  ÄV/orW^  "^^  Häufchen  sehen.  Die  Raupen  lassen  sich  an- 
sparmanella  Bosc.  fangs   Juni   zur   Verpuppung   auf   den    Boden   herab. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Hepialidae.  ]^29 

Die  einzige  Notiz  über  ein  bemerkenswertes  Auftreten  der  Birkenminier- 
motte  als  Bestandsschädiger  stammt  von  Lade  (1904).  Danach  entblätterten 
sich  infolge  ihres  starken  Frasses  im  Jahre  1904  von  Ende  Mai  bis  Anfang 
Juni  die  ca.  38  jährigen  Birken  des  Schwanheimer  Gemeindewaldes  (Cron- 
berg)  auf  einer  Fläche  von  15  ha  in  auffälliger  Weise.  Die  Bäume  waren 
nahezu  kahl  und  der  ganze  Boden  war  —  gleich  wie  im  Herbst  —  mit 
dürren  Blättern  bedeckt.  Anfangs  Juli  haben  sich  die  Birken  wieder  ziemlich 
begrünt,  so  daß  von  einem  bemerkenswerten  Schaden  außer  einem  kleinen 
Zuwachsverlust  kaum  gesprochen  werden  konnte. 

Familie:  Hepialidae. 

Die  Hepialiden  (auch  Hepiolidenj  wurden  früher  zu  den  Spinnern 
gerechnet.  Sie  haben  aber  mit  diesen  außer  einer  oberflächlichen  Formähn- 
lichkeit nichts  gemein.  Es  sind  vielmehr  noch  sehr  primitive  Schmetter- 
lingsformen, die  morphologisch  den  Micropterygiden  nahe  stehen  (Vor- 
handensein eines  Jugums);  die  Raupenbauchfüße  sind  Kranzfüße. 

Mundteile  verkümmert  bzw.  sehr  klein,  Nebenaugen  fehlen,  Fühler  sehr 
kurz,  perlschnurförmig.  Kopf  und  Thorax  wellig  behaart.  Flügel  lang  und 
schmal,  hinten  ganz  flach  gerundet,  Vorderflügel  und  Hinterflügel  fast 
gleich.  Die  Raupen  16  füßig,  weißlich  oder  gelblich,  schlank  walzig,  mit 
einzelnen  dunklen  Haaren  auf  den  schwarzen  Wärzchen,  Kopf  rund,  glän- 
zend, mit  starken  Mundteilen. 

Die  Falter  sind  Dämmerungstiere,  die  abends  niedrig  fliegen,  tagsüber 
mit  dachförmig  liegenden  Flügeln  ruhen.  Sie  lassen  ihre  etwa  500  sehr 
kleinen  Eier  einzeln  fallen. 

Die  Raupen  leben  in  oder  an  Wurzeln  und  verwandeln  sich  in  der  Erde 
in  langen  röhrenförmigen  Gespinsten  in  schnell  bewegliche  Puppen  mit 
kurzen  Flügelscheiden  und  langem,  walzenförmigem,  an  den  Ringen  mit 
Stachel  rändern  versehenen  Hinterleib. 

Die  Hepialiden  sind  mittelgroße  bis  große  Tiere  (exotische  Formen 
nehmen  zum  Teil  riesige  Ausmaße  an,  bis  zu  24  cm  Spannweite). 

In  Europa  nur  i  Gattung,  Hepialus  F.  mit  13  Arten,  von  denen  nur 
eine  hier  zu  erwähnen  ist. 

Hepialus  humuli  L. 

Hopfen  Wurzelspinner. 
Taf.  V,  Abb.  i. 

Falter:  Männchen  silberweiß,  Weibchen  Vorderflügel  lehmgelb  mit  rötlicher 
Zeichnung,   Hinterflügel  rötlichgrau   (Abb.  ^f),   Spannweite  43—68   mm. 

Raupe  gelblich  beinfarbig,  mit  schwarzen  Borstenwärzchen  und  Stigmen. 
Kopf  dunkelbraun,  Nackenschild  und  je  2  hornartige  Flecken  auf  Ring  2  und  3 
hellbraun.    50  mm. 

Puppe  dunkel   gelbbraun.   —   Ei   anfangs   weiß,   später   glänzend   schwarz. 

Die  Raupe  des  über  ganz  Mitteleuropa  und  darüber  hinaus  verbreiteten 
Hopfenwurzelspinners  lebt  in  den  Wurzeln  der  verschiedensten 
krautartigen  Gewächse,  wie  vor  allem  Rumex,  dann  Petasites,  Leon- 
todon.  Solanum,  Urtica,  Spiraea  und  mehr,  ausnahmsweise  auch  Daucus 
carota.  Zuweilen  geht  sie  auch  auf  den  Hopfen  über  und  kann  dann  in  den 
Flopfengärten  großen  Schaden  anrichten. 

Escherich,  f orstinsekten,  Bd.  III.  ° 


130  II.  Spezieller  Teil. 

Baer  (1913)  hat  diesen  reichhaltigen  Speisezettel  um  eine  weitere 
Pflanze,  und  zwar  um  eine  forstliche,  vermehrt,  nämlich  Caryaalba  (Hickory), 
in  deren  Wurzeln  im  Pflanzgarten  von  Hubertusburg  die  Raupen  im  Jahre 
1912  mehrfach  angetroffen  wurden  (Abb.  78). 

Die  Raupe  frißt  hier  gewöhnlich  im  Mark  der  Wurzeln  einen  Kanal, 
der  sich  auf  eine  Länge  bis  zu  16 — 17  cm  erstrecken  kann.  Am  oberen  Ende 
des  Kanals  befindet  sich  das  kleine  Einbohrloch,  am  unteren  Ende  das  große 
Ausbohrloch.  Die  dünneren  Wurzelenden  können  hierbei  derartig  ausgehöhlt 
werden,  daß  sie  nur  noch  einen  aus  der  Rindenschicht  bestehenden  dünn- 
wandigen Schlauch  darstellen,  der  mit  Kotkrümeln  und  Erde  ausgefüllt  ist. 


Abb.   T].     Der  Hopfenwurzelspinner,   Hep/ali/s  IiudiuU  L. 
Links   Männchen,   rechts  Weibchen. 

Der  Befall  im  Hubertusburger  Garten  blieb  auf  etwa  20/0  der  Pflanzen 
beschränkt. 

Daß  gerade  die  Hickorypflanzen  vom  Hopfenwurzelspinner  angegangen 
werden,  erklärt  sich  ohne  weiteres  aus  der  Beschaffenheit  der  Wurzeln,  die 
eine  außerordentliche  Weichheit  des  Holzgewebes  und  Markes  aufweisen  und 
darin  den  Wurzeln  der  obengenannten  krautartigen  Pflanzen  kaum  nach- 
stehen. 


Von  den  übrigen  Hepialus-Krten  seien  noch  genannt : 
H .  lupiilinus  F.,  dessen  Raupe  unter  anderem  in  den  Wurzeln  der  Syringe  und  des 

Ligusters  gefunden  wird   (Marchai  et   Foex  1918),  und 
H.  heda  L.   (Heidekrautwurzelspinner),  dessen  Raupe   (glänzend  schmutziggrau,  mit 

dunklerem  Brustring  und  2  schwarzen   Flecken  auf  dem  Rücken  jedes  Ringes) 

in   den   Wurzeln    von    Heidekraut    (Calluna),    Adlerfarn    (Pleris    aquilina)    und 

anderer  Kräuter  lebt. 

Literatur    über   Jugatae. 

Baer,    W.,    1913,    Hepialus    humuU    an    Hickorypflanzen.     In:    Escherich    u.    Baer, 

Tharandter    zoolog.    Miscellen.     Vierte    Reihe.    —    Nat.    Zeitschr.    f.    Land-    u. 

Forstw.  XI.    121  — 122. 
Lade,    1904,   Schädliches   Auftreten   einer   Birken-Miniermotte.   —   Zeitsch.   f.    Forst- 

u.   Jagdwes.    XXXVI.    671. 
Marchai    et    Foex,    1918,    Rapport    Phytopathologique    pour    les    Annees    1916    et 

1917.  —  Ref.  in  Rev.  appl.  Ent.  Vol.  VII.   1919. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


131 


2.  Tribus:  Microfrenatae, 

Die  Microfrenaten  stellen  eine  sehr  umfangreiche  Gruppe  der  Unter- 
ordnung der  „Kleinschmetterlinge"  dar,  meist  kleine  bis  kleinste,  doch  auch 
eine  Anzahl  mittelgroßer  bis  großer  Formen,  die  sich  alle  übereinstimmend 
dadurch  von  den  Jugaten  unterscheiden,  daß  die  Vorderflügel  kein 
J  u  g  u  m  besitzen.  An  Stelle 
des  Jugums  ist  bei  der  Mehr- 
zahl ein  Frenulum  an  den 
Hinter  f  lügein  vorhanden. 
Flügelgeäder  im  Vorder-  und 
Hinterflügel  verschieden:  r  im 
Vorderflügel  stets  mehrästig, 
im  Hinterflügel  dagegen  stets 
einästig.  Wir  haben  oben  in 
unserer  Übersicht  (S.  115) 
10  Familien  von  Microfrenaten 
angeführt,  von  denen  aber  in 
forstlicher  Beziehung  nur  6  Be- 
rücksichtigung verdienen,  näm- 
lich: die  Tineidae  (s.  1.),  Tor- 
tricidae,  Cossidae,  Sesiidae,  Li- 
macodidae  und  Pyralidae.  Die 
übrigen,  die  Psychidae,  Zygae- 
nidae,  Pterophoridae  und  Or- 
neodidae  sind  forstlich  völlig 
indifferent  und  werden  hier 
nur  kurz  erwähnt. 

Familie:  Tineidae  (s.  lat.). 

Motte  n. 

Von  vielen  Systematikern 
sind  die  Tineiden,  die  ja  recht 
verschiedene  Formen  enthalten, 
in  eine  große  Anzahl  Familien 
aufgelöst  und  zum  Teil  auch 
auf  verschiedene  Gruppen  ver- 
teilt. So  stellt  Börner  die 
akuleaten  Tineiden  zusammen 
mit  den  Micropterygiden  und 
Hepialiden  zu  den  Monotrysia 

und  verteilt  die  übrigen  Gattungen  auf  die  drei  Familienreihen:  die 
Gracilarioidea  (mit  den  Gracilariiden  und  Tortriciden).  die  Tineoidea  (mit 
den  Tineiden,  Cossiden,  Sesiiden  und  Psychiden)  und  die  Gelechioidea  (mit 
den  Gelechiiden,  Hyponomeutiden,  Orneodiden  und  Pterophoriden).  Doch 
konnte  ich  mich  in  diesem,  vor  allem  der  Praxis  dienenden  Werk  nicht  zu 
dieser  Aufteilung  entschließen,  ohne  damit  die  mögliche  Berechtigung  des 
Börnerschen  Systems  bestreiten  zu  wollen.  Ich  behalte  also,  dem  Beispiel  von 
Handlirsch   und    Heymons   folgend,   die    Familie   der   Tineiden   in   der 

9* 


\l3b.   78.    Wurzeln   von   Hickoryheistern    (Carya 

alba)  mit  Fraß  von  Hepialus  hiimuU  L. 

Nach  B  aer. 


132 


IL  Spezieller  Teil. 


alten  weiten  Fassung  bei  und  teile  sie  in  eine  Anzahl  Unterfamilien  ein,  die 
den  von  Staudinger-Rebel,  Spuler,  Börner,  Hering  usw.  als 
Familien  betrachteten  Gruppen  entsprechen. 

Die  Motten  oder  Tineideii  sind  kleine,  oft  winzige,  zarte  Falter  mit  ge- 
streckten, oft  sehr  schmalen,  meist  zugespitzten  Flügeln  (Abb.  79).  Diese 
sind  gewöhnlich  mit  auffallend  langen  Fransen  besetzt,  die  fast  immer  gegen 

den  Innenwinkel  aller  Flügel  an  Länge 
bedeutend  zunehmen,  überhaupt  um  so 
länger  werden,  je  mehr  sich  der  eigent- 
liche Flügel  verschmälert  (wodurch  die 
Tragfähigkeit  erhöht  wird).  Die  großen 
Netzaugen  sind  nackt,  Ocellen  oft 
vorhanden,  aber  schwer  sichtbar.  Die 
Fühler  sind  borstenförmig  mit  ver- 
dicktem Wurzelglied,  das  sich  mitunter 
zu  einem  die  Augen  in  der  Ruhe  über- 
ragenden Deckel  erweitert,  gewöhnlich 
etwas  kürzer  oder  ebensolang  wie  die 
Vorderflügel,  mitunter  aber  ganz  auf- 
fallendverlängert. Die  sehr  verschieden 
gestalteten  Palpen  oder  Hinterkiefertaster  sind  3  gliedrig,  mit  auf- 
steigendem oder  in  der  Richtung  der  Mittelglieder  stehendem  Endglied. 
Nebenpalpen  oder  Mittelkiefertaster  sind  oft  vorhanden,  meist  2 — 3  gliedrig, 
mitunter  aber  auch  bis  6  gliedrig,  und  dann  von  der  Mitte  an  nach  abwärts 
taschenmesserartig  zusammengeklappt.  Die  Rollzunge  ist  meist  gut  ent- 
wickelt und  fest  chitinisiert,  mitunter  aber  weich  oder  verkümmert.  Die 
Beine  sind  gewöhnlich  dünn  und  lang,  die   Hinterschienen  nicht  über  dop- 

rji 


Abb.  79.    Typischer  Habitus  einer  Tineide 
Vergr.      Nach  Stainton. 


3^2  3X1     an     cu-j 


ax-f  an  cu^curi^ 


A  B 

Abb.  80.      Beispiele  verschiedener  Flügelformen    und   von  verschiedener  Ausbildung  des 

Geäders  bei  Tineiden:  A  von  Gelechia  (Geäder  vollkommen),   B  von  einer  Coleophoride 

(Geäder    reduziert).     Nach    S  p  u  1  e  r. 

pelt  so  lang  wie  die  Schenkel  und  meist  mit  2  Paar  Sporen.  Der  Hinterleib 
ist  schmächtig,  bei  den  Männchen  meist  mit  kleinem  Afterbusch,  bei  den 
Weibchen  oft  mit  hervortretender  Legescheide,  Genitalöffnung  einfach  oder 
doppelt. 

Die  gestreckten  Vorderflügel  sind  von  der  Wurzel  ab  nur  schwach 
erweitert  und  nach  hinten  wieder  verengt  oder  zugespitzt,  so  daß  der  stets 
wenigstens  abgerundete  Innenwinkel   oft  ganz  verflacht  und  der  Innenrand 


I.  Unterordnung;   jMicrolepidoptera,    Familie  Tineidae. 


133 


ganz  unmerklich  in  den  Saum  übergeht;  letzterer  fehlt  dann  eigentlich  ganz, 
und  es  ist  nur  ein  Innenrand  vorhanden,  der  in  der  Spitze  direkt  in  den 
Vorderrand  übergeht.  Die  Flügelfläche  ist  bei  den  ursprünglichen  Formen 
(mit  einfacher  Genitalöffnung  beim  Weibchen)  mit  fixen  Dörnchen  besetzt 
(akuleate  Tineiden).  Ihr  Flügelgeäder  ist  sehr  verschieden  und  vereinfacht 
sich  oft  bei  den  kleineren  Arten  (Abb.  80 B).  Die  beiden  Axillares  bilden  bei 
vielen  Arten  eine  große  Wurzelschlinge.  Die  Analis  meist  gut  ausgebildet. 
An  der  meist  langgestreckten  Mittelzelle  oft  eine  Anhangszelle. 

Die  Hinter flügel  haben  Haftborsten,  sind  manchmal  so  breit  oder 
noch  etwas  breiter  als  die  Vorderflügel,  meist  aber  ebenso  gestreckt  und 
schmal  oder  noch  viel  schmäler  als  diese.  Ihre  Mittelzelle  ist  oft  nicht  durch 
eine  Querader  abgeschlossen,  sondern  offen,  und  das  Flügelgeäder  ist  oft 
sehr  vereinfacht. 

Die  Färbung  der  Flügel  ist  häufig  unscheinbar,  aber  auch  lebhaft  und 
glänzend,  namentlich  die  kleineren  Arten  zeigen  oft  herrlichen  Metallglanz 
und  Silber-  und  goldfarbige  Zeichnungen.    Die   Haltung 
der   Flügel  in  der  Ruhe  ist  dachförmig,  selten  sind  sie 
flach  übereinandergeschoben  oder  um  den  Leib  gerollt. 
Es  sind  fast  durchweg  Dämmerungs-  oder  Nachttiere. 

Die  frei  lebenden  Raupen  haben  gut  entwickelte 
Thorakalbeine  und  meist  5  Paare  von  Kranzfüßen.  Bei 
den  minierenden  Arten  verkümmern  die  Füße  mitunter 
vollständig.  Auch  die  Bewaffnung  der  Segmente  mit 
Schildern  und  Borsten  ist  nach  der  Lebensweise  recht 
verschieden.  Die  frei  lebenden  Formen  besitzen  neben 
verschieden  geformten  Nacken-  und  Analschildern  eine 
mehr  oder  weniger  auffallende  Beborstung  in  der  oben 
(S.  30)  angegebenen  charakteristischen  Anordnung  (s. 
Abb.  39,  S.  30),  während  bei  den  minierenden  Raupen 
die  Beborstung  mehr  oder  weniger  zurückgebildet  ist. 

Die  Puppen  sind  durch  lange,  oft  bis  gegen  das 
Afterende  hin  reichende  Flügelscheiden  ausgezeichnet. 
Die  ursprünglichen  Puppenformen  haben  eine  noch  weit- 
gehende Freigliedrigkeit  und  viele  oder  reihenweise  an- 
geordnete Dornen  auf  den  i\bdominalsegmenten.  Die 
höher  entwickelten  zeigen  bereits  verkittete  Gliedmaßen, 
geringe  Beweglichkeit  und  keine  Dornen. 

Die  am  Tage  versteckt  lebenden,  bei  Störung  mitunter  schnell  fort- 
laufenden Falter  sind  meist  echte  Dämmerungs-  und  Nachttiere.  Wenige 
fliegen  auch  bei  Tage.  Die  Flugzeit  fällt  meist  in  den  Sommer.  Bei  den 
kleinen  Arten  kommt  häufig  eine  doppelte  Generation  und  demgemäß  auch 
ein  zweimaliger  Flug  vor.  Bei  manchen  Arten  haben  die  Weibchen  ver- 
kümmerte Flügel,  z.  B.  bei  Chimabacche  ZU. 

Nur  wenige  Raupen  leben  frei  an  ihren  Nahrungsgegenständen,  meist 
verspinnen  sie  Blätter  oder  Nadeln  oder  minieren  in  denselben,  oder  leben 
im  Innern  anderer  Pflanzenteile.  Manche  sind  Sackträger.  Einige,  darunter 
die  wirtschaftlich  so  wichtigen  Pelzmotten,  leben  von  tierischen  Substanzen. 

Die  Verpuppung  geschieht  meist  in  einem  Gespinst,  entweder  am  Fraß- 
ort der  Raupe  oder  außerhalb  desselben,  bei  den  Sackträgern  innerhalb  des 
Sackes. 


Abb.  81. 
Puppe  einer  Tineide 

(Argyreslhia). 
Nach    Trägärdh 


134  IL  Spezieller  Teil. 

Die  Tineiden  (s.  1.)  umfassen  ca.  20  Unterfamilien  i),  unter  denen  die 
sog.  akuleaten  (Flügelmembran  außer  mit  Schuppen  auch  mit  festsitzenden 
Chitinstacheln  besetzt)  eine  besondere  Stellung  einnehmen. 

Für  unsere  Belange  kommen  9  Unterfamilien  in  Betracht,  die  sich 
folgendermaßen  dichotomisch  darstellen  lassen  2): 

1.  Wurzelglied  der  Fühler  scheibenförmig  verbreitert,  einen  „Augen- 
deckel"   darstellend 2 

—  Wurzelglied  der  Fühler  nicht  scheibenförmig,  zuweilen  aber  keulen- 
förmig,    ein     „Augendeckel"     fehlt 3 

2.  Die  abstehende  Behaarung  des  Kopfes  reicht  in  Ansicht  von  vorn 
vom  Scheitel  nur  bis  zur  Verbindungslinie  der  Fühlerwurzeln;  die 
Stirn  darunter  ist  glattschuppig;  der  Augendeckel  ist  unten  vorn  mit 
einem    deutlichen    Borstenkamm    versehen    (deutlich    in    Ansicht    von 

vorn  und   etwas   von  unten  sichtbar)   ....      Gracilariinae  pp.   (Bucculatrix) 

—  Die  abstehende  Behaarung  des  Kopfes  befindet  sich  auf  Scheitel 
und  Stirn,  in  Ansicht  von  vorn  also  noch  unterhalb  der  Fühler- 
wurzelverbindungslinie: der  untere  Rand  des  Augendeckels  ist 
höchstens  mit  einigen  schwachen  Härchen,  nie  mit  einem  deutlichen 
Borstenkamm  besetzt Nepticulinae 

3.  Im  Vorderflügel  befindet  sich  an  der  Mitte  des  Vorderrandes  eine 
Trübung  oder  Verdickung  der  Membran  (Stigma),  die  besonders 
deutlich  wird,  wenn  man  den  Flügel  durch  etwas  Betupfen  der 
Unterseite  mit  Xylol  durchsichtig  macht;  im  durchfallenden  Lichte 
erscheint   dann   diese    Stelle   dunkler   als   der   übrige    Flügel    .      Hyponomeutinae 

—  Vorderflügel    ohne    solche    Verdickung    am    Vorderrande    ....      4 

4.  Kopf,    wenigstens    oben    auf    dem    Scheitel,    rauhhaarig    ....      9 

—  Kopf  glatt  seh  up  pig,  selten  etwas  aufgelockert,  dann  aber  die 
Schuppen  breit,  nicht  haarförmig 5 

5.  Palpen  parallel,  nicht  divergierend,  nach  oben  stark  aufgebogen, 
meist  bis  zur  Höhe  des  Scheitels  reichend  oder  diesen  überragend, 
selten  gerade  vorgestreckt  und  stark  buschig,  die  Hinterflügel  meist 
sehr  breit,  oft  unter  der  Spitze  etwas  konkav,  meist  breiter  als  die 
Vorderflügel,  Weibchen  zuweilen  mit   verkümmerten    Flügeln   .      .      Gelechünae 

—  Palpen  entweder  kurz  und  gerade,  wenn  lang  und  gebogen,  dann 
immer  etwas  gesenkt  oder  nach  den  Seiten  divergierend,  wenn 
parallel  und  aufgerichtet,  dann  Fühler  so  lang  wie  der  Vorderrand 
oder  die   Hinterflügel   sind   schmal  linealisch 6 

6.  Fühler  so   lang   wie   der   Vorderrand,   während  gleichzeitig   über  den 

Palpen    deutliche     Nebenpalpen     sichtbar     sind Gracilariinae 

—  Fühler  kürzer  als  der  Vorderrand  der  Vorderflügel,  wenn  ebenso 
lang,  dann  sind  Nebenpalpen  nicht  vorhanden  oder  praktisch  nicht 
sichtbar 7 

7.  Die  Kopfschuppen  sind  breit,  etwas  nach  vorn  aufgelockert,  be- 
sonders auf  dem  Scheitel;  kleinste  Arten  von  nicht  über  5  mm 
Vorderflügellänge,    Flügel   einfarbig   oder  nur   dunkler   gerandet   .      Tischeriinae 

—  Kopf  oben  angedrückt  beschuppt 8 

8.  Wurzelglied  der  Fühler  nackt  oder  nur  mit  einigen  abstehenden 
Borsten  an  der  L^nterseite  besetzt,  Fühler  in  der  Ruhe  nicht  vor- 
gestreckt   Momphinae 

—  Wurzelglied  der  Fühler  an  der  Unterseite  mit  dichter,  haarbuschähn- 

licher  Beschuppung,   Fühler  in  der  Ruhe  vorgestreckt  ....      Coleophorinae 


1)  In  der  ganzen  Welt  sind  ca.    12000  Arten  bekannt. 

2)  Ich  verdanke  diese  Tabelle  Herrn  Dr.   Hering,   Berlin. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  135 

9.  Hinterflügel  sehr  schmal,  ihre  Fransen  länger  als  der  Flügel  breit  ist 

Gracilariinae    p.p.    (Lithocolletis,    Ornix) 

—  Hmterflügel    breiter,    lanzettlich,    nicht    von    beiden    Seiten    her    zu- 
gespitzt,  Fransen  nicht   länger  als  der   Hinterflügel  breit   ....    10 

IG.   Mittelglied   der   Palpen    mit    langem   vorgestrecktem    Haarbusch,    aus 

dem   das   dünne    Endglied   aufsteigt         .      .      Byponomeufinae   p.p.   (Cerostoma) 

—  Mittelglied  der  Palpen   ohne  einen  solchen  vorstehenden  Busch   .      .     n 
II.   Die  Flügelfläche  ist  außer  mit  den  beweglich  eingelenkten  Schuppen 

noch  mit  mikroskopisch  kleinen  unbeweglichen  Stacheln  zwischen  den 
Schuppen  besetzt;  hierher  gehören  auch  Falter,  deren  Fühler  so  lang 
oder   länger   als    der    Vorderflügel   ist hicurvariinae 

—  Die  Flügelfläche  ist  nur  mit  den  gewöhnlichen  Schuppen  besetzt,  die 

Fühler  sind  immer  kürzer  als  der  Vorderrand  der  Vorderflügel'  .      .      Tine/inae 

Uebersicht  (in  systematischer  Reihenfolge) 
der  hier  behandelten  Tineiden. 

1.  Nepticulinae    (Zwergmotten). 
Nepticula  sericopeza  TAX. 

—  argyropeza  ZU. 

—  und   andere  Arten. 

2.  Tischeriinae    (Schopfstirnmotten). 
Tischeria  complanella    Hb. 

—  decidiia  Wck. 

3.  Incurvariinae    (Miniersackmotten). 
Incurvaria  koerneriella  ZU. 

—  muscalella    F. 
Adela  cuprella  Thunb. 

—  viridella  Scop. 

— •  ochsenheimerella   Hb. 

4.  Tineinae    (Echte    Motten). 
l'inea  pelionella   L. 

—  granella  L. 

—  cloacella  Hw. 
Trichophaga  tapeiiella  L. 
Tineola  biselliella  Hum. 

5.  H  y  ponome  u  t  inae     (GespinstmottenV 
Prays  curtisellus  Dup. 

Scythropia  crataegella  L. 

Hyponomeuta  padella  L.   (=  variabilis  ZU.). 

—  malinella  ZU. 

—  cognatella    Hb. 

—  evonymella  L.    (nee.    Scop.!). 
Argyresthia  fundella  F.  R. 

—  pygmaeella   Hb. 

—  goedarlella  L. 

—  glabraieUa  ZU. 

—  certelta  ZU. 

—  illuminatella  F.  R. 

—  laevigatella  H.  S. 

—  und  andere  Arten. 
Cedestis   gysselinella   Dup. 
Dyscedestis  farinatella  Dup. 
Ocnerosloma  piniariella  ZU. 

Cerostoma  parenthesellum    L.    (Judeichiella    Rtzb.). 


136  II.  Spezieller  Teil. 

6.  Gracilariinae    (Blatt-Tütenmotten). 
Gracilaria  rufipenella    Hb. 

—  (XanlhospilapteryxJ   syringella   F. 

—  (Eutrichocnemis)  simploniella  F.  R. 
Lithocolletis  faginella  ZU. 

—  alniella  ZU. 

—  platani  ZU. 

—  und  andere  Arten. 

7.  Coleophorinae    (Sackträgermotten). 
Coleophora  laricella  Hb. 

—  fuscedinella   ZU. 

—  luüpennella  7A\. 

—  binderella  KoU. 

8.  Momphinae    (Fransenmotten). 
Eustaintonia  pinicolella  Dup. 

Pancalia  leeuwenhoekella  L. 

Gelechiinae    (Palpenmotten). 
Chimabacche  fagella   F. 
Carcina  quercana   F. 
Borkhausenia  stipella   L. 

—  similella  Hb. 

—  cinnamomea  TAX. 

—  luctuosella  Dup. 

—  jourdheuillella  Rag. 
Stenolechia  gemmella  L. 
Heringia  dodecella  L. 
Teleia  proximella  Hb. 
Gelechia  electella  ZU. 
Sitotroga  ce  reale  IIa  Oliv. 

Uebersicht  über  die  hier  behandelten  Tineiden 

nach    ihrem    biologisch-forstlichen  Verhalten  '). 

A.  Nadelholz. 

An  Fichte. 

1.  In  den  Nadeln  minierend Eustaintonia  pinicolella  Dup.   (S.  198) 

—  In  den  Knospen  und  Trieben 2 

2.  Die  Raupen  höhlen  nur  die  Knospen  aus,  Ausflugsloch  an  der  Basis 

der  Knospe,  zusammengedrückt      ....        Argyresthia  certella  7A\.   (S.  166) 

—  Die   Raupen    fressen    die    Endknospen    aus    und    dringen    meist    noch 
mehr  oder   weniger   weit   in   den   Trieb   ein.     Ausflugsloch   meist    am 

Ende   des   Triebganges;    stets   rund      .      .       Argyresthia   glabratella   ZU.    (S.  166) 

An  Tanne. 
In   den    Nadeln    minierend,    Verpuppung   in   weißem    Kokon    an    den 

Nadeln Argyresthia    fundella    F.  R.   (S.  163) 

In   den   Knospen Argyresthia   illtaninatella    F.  R.   (S.  164) 

An  Kiefer. 
I.  Ausschließlich  in   den   Nadeln   minierend,    Verpuppung   zwischen   zu- 
sammengesponnenen   Nadeln 2 

1)   Diese  Übersicht  soll  zur  raschen  Orientierung  für  den  Praktiker  dienen. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  137 

—  Als  Junglarve  in  Nadeln,  in  späteren  Stadien  in  den  Knospen  lebend, 
meist  mehrere  Knospen  zerstörend  und  auch  noch  bis  in  den  Trieb 
vordringend;  Verpuppung  in  der  angefressenen  Knospe  oder  im  Trieb 

Heringia   dodecella   L.  (S.  204) 
2.  Mine  geht  von  der  Spitze  der  Nadel  zur  Basis 

Ocnerostoma  piniariella   ZU.    (S.    174),   copiosella    Frey    (an   Arve)  (S.  176) 

Dyscedestis  farinatella  ZU.  (S.  173) 

—  Mine  geht  von  der  Basis  zur  Spitze     .      .      .      Cedestis  gysselinella  Dup.  (S.  172) 

An  Lärche. 
In  den  Nadeln  minierend.  Raupe  in  Nadelsack  Coleophora  laricellaWo.   (S.  188) 
In  den  Längstrieben  minierend,  diese  zum  Absterben  bringend 

Argyresthia   laevigatella    H.  S.   (S.  169) 

An    Wacholder. 

In  den  Nadeln  minierend  Argyreslhia  abdominalis  L.  u.  aurulentella  Stt.  (S.  171) 

In  den  Triebspitzen Argyr.  arcenthina  ZU.  (S.  171) 

In  den  Beeren Argyr.  praecoceUa  ZU.  (S.  171) 

B.  Laubholz. 

1.  Raupen  gesellig  in  großen,  die  ganze  Pflanze  oder  wenigstens  Teile 
davon  überziehenden  Gespinsten   lebend;  hier  auch  die  Verpuppung: 

Gespinstmotten 
Gespinst  sehr  dicht.   Verpuppung  in  länglichen  Kokons  im  Gespinst; 
an  Eiche,   Faulbaum,   Schlehe,   Weißdorn     .      .      .      Hyponomeuta-^rten  (S.  156) 
Gespinstschleier  fein.  Verpuppung  in  äußerst  lichten,  kugelförmigen 
Kokons,  in  denen  die  dunkle  Puppe  lose  hängt.    An  Weißdorn. 

ScytJiropia  crataegella  L.   (S.  161) 

2.  Raupen  einzeln  (oder  höchstens  zu  8 — 10  Stück)  in  Minen,  Blatt- 
tüten, Blattrollen,  in  Trieben  usw.,   lebend,  frei  oder  mit   Sack. 

An  Eiche. 

a)  An  Blättern. 

Große  Blasenminen  (auch  an  Kastanie)  .  .  Tischeria  co}?ipla/iella  Hb.  (S.  144) 
Geschlängelte    Blattminen    mit    deutlicher    Kotlinie    (meist    auf    der 

Oberseite) Nepticula-Knen  (S.  142) 

Faltenminen,  meist  auf  der  Unterseite  ....  Lithocolletis-kx'i&w.  (S.  184) 
Raupe  auf  der  Unterseite  in  einem  flachen  Gespinst  Carcina  quercana  F.  (S.  202) 
In   Platzminen    meist    auf    der    Unterseite    der    Blätter.     Raupen    mit 

Sack Coleophora    lidipenneUa    ZU.   (S.  197) 

Raupen   schneiden,   nachdem  sie   in   dem   Blatt   miniert   haben,   runde 
Löcher  aus  der  Mine  heraus  (auch  an  Edelkastanie) 

Incurvaria  muscalella  F.   (S.  146) 

b)  An  Knospen. 

Raupe  zuerst  in  den  Knospen,  diese  zerstörend,  dann  in  einem  Sack 

an    den    Blättern Coleophora    liitipennella    ZU.   (S.  197) 

c)  In  den  Trieben. 

Die  jungen   Triebe    aushöhlend    (als    Folge   Vertrocknen   der   Blätter 

und  Abfallen  der  zerstörten  Triebenden)   .      .      Stenolechia  gemmella  L.   (S.  203) 

d)  In  der  Rinde. 

Geschlängelte,    äußerlich    sich    deutlich    abhebende     Minen    in    der 

jungen,   glatten  Rinde Gracilaria  simploniella   F.   (S.  181) 

An  Buche. 
In   zusammengesponnenen  Blättern   ....      Chimabacche  fagella    F.   (S.  200) 
Faltenminen    (meist   auf  der   Unterseite)    .       Lithocolletis  faginella   ZU.   (S.  184) 
Die  Plumulablätter  des   Aufschlags   skelettierend 

Cerostoma  parenlhesellum  L.   (S.  177) 


138  II.  Spezieller  Teil. 

Raupen  schneiden  aus  den  Blättern  kleine  kreisrunde  Löcher  aus 

Incurvaria  koerneriella  ZU.   (S.  146) 

In    den    Knospen Argyresthia  albisiria  Hw.   (S.  172) 

An   Birke   und   Erle. 
Zuerst  in  den  Kätzchen  fressend,  dann  an  der  Rinde 

Argyresthia  goedartella  L.   (S.  171) 
Platzminen  auf  der   Unterseite,  die  oft  die  ganzen   Blätter  bedecken 
und  zum  Abfallen  der  Blätter  führen 

Coleophora  fuscedinella  ZU.   (S.  193)  und  bindereUa  KoU.   (S.  197) 
Schmale,  geschlängelte  Minen  in  den  Blättern  mit  deutlicher  Kotlinie 

Ä'epticula-P^rt&n  (S.  143) 

In  zusammengerollten  Blättern Teleia  proximella  Hb.   (S.  206) 

In    den    Knospen Argyresthia  albisiria  Hw.   (S.  171) 

An  Ahorn. 
Raupe    zuerst    minierend    im    Blatt,    später    im    Innern    eines    tüten- 

förmig   aufgerollten   Blattes Gracilaria   rufipennella   Hb.   (S.  178) 

Schmale,   geschlängelte   Minen  in  den   Blättern     Nepticula  aceris   Frey.   (S.  143) 
Raupe  den  Samen  ausfressend Nepticula  sericopeca  ZU.   (S.  139) 

An    Esche    und    Sy  ringe    (Oleaceen). 
Raupen  gesellig    (zu   6 — 10   Stück)    zuerst   im   Blatt   minierend,   dann 
frei  in  einem  aufgerollten  Blatteil  den  Fraß  fortsetzend   (häufig  an 
Syringa,    doch    auch    an    Esche)       ....      Gracilaria    syringella    F.   (S.  179) 
Raupe  höhlt  die  Endknospe  und  bisweilen  noch  den  Trieb  aus 

Prays  curtisellus  Dup.   (S.  154) 
An  anderen  Laubbäumen   (Pappel,  Weide,   Ulme  usw.) 
Geschlängelte  Minen  in  den  Blättern,  meist  mit  deutlicher  Kotlinie 

Nepticula-Krten  (S.  142) 

In  den  Knospen Argyresthia  pygmaeella  Hb.   (S.  171) 

und  andere   Argyresthia-Krten   (S.  172) 

Anhang. 

Raupen  unter  Rinde,  in  faulem  Holz,  Mulm,  an  Flechten  usw.  lebend 

Borkhausenia- A.r\en  (S.  202) 
Raupen  (mit  Sack)  am  Boden,  an  abgefallenen  Blättern  oder  Nadeln 

fressend Adela-P^ntn  (S.  146) 

In  Hausvorräten. 
Raupe  zerstört  Wollstoffe,    Haare,    Federn,    Insektensammlungen  usw. 

Tineola  biseliella  Hum.    (S.  148),  Trichophaga  tapetiella  L.   (S.  152) 
Ebenfalls    Wollstoffe,     Federn,     Felle    usw.    zerstörend.     Vor    allem 
schädlich    in    Bettfedernlagern.     „Pelzmotte"    .      .      Tinea   peUionella  L.   (S.  151) 
In    Schwämmen    (Baumschwämmen,    getrockneten    Speisepilzen)    und 
in   Korken.    Vor    allem   schädlich   durch   die   Zerstörung   der    Korke. 

„Korkmotte" Tinea  cloacella  Hw.   (S.  151) 

In    Getreidevorräten    aller    Art 

Tinea  granella  L.  (S.  151  ),  Sitotroga  cerealella  Oliv.   (S.  208) 

1.  Unterfamilie:  Nepticulinae. 

Zwergmotten. 

Zu  den  akuleaten  Tineiden  gehörend,  deren  Flügelmembran  außer  mit 
Schuppen  auch  noch  mit  Stacheln   (mikroskopisch  klein)  besetzt  sind. 

Winzig  kleine  Falter  mit  teils  prächtiger  Färbung.  Flügelgeäder  stark 
modifiziert  (Abb.  82).  Die  Nepticulinae  enthalten  nur  4  Gattungen,  von 
denen  Nepticula  die  artenreichste  ist. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


139 


Abb.  82.     Flügelgeäder  \'on  Nep- 

ticula  (plagicoletta  Stt.) 

Nach  Spul  er. 


Nepticula  ZU. 

Fühler  von  V2  bis  Vi  der  Länge  der  Vorderflügel,  die  des  cT  meist  länger  als 
die  des  Q;  Kopfhaare  hinten  schopfig.  —  Vorderflügel  mit  rudimentärem  Discus, 
entweder  cu  sehr  kurz,  ganz  mit  m  verschmolzen,  an  und  ax^  lang,  bis  zum  Saum 
ziehend,  oder  cu  lang,  am  Ende  mit  ru  verbunden,  ax-^  nach  der  Flügelmitte  in  cu 
einmündend,  in  der  so  entstandenen  Schlinge  der  Rest  von  an;  Adern  m  und  cu 
der   Hinterflügel  ungeteilt   (Abb.  82). 

Die  Raupen  haben  18  ziemlich  gleichförmige,  manchmal  stark  rudimen- 
täre Fußstummel  an  Segment  2 — 10.  Sie  minieren  meist  in  Blättern,  dann 
auch  in  Samen.  Die  Minengänge  sind  zuerst 
meist  eng  und  besitzen  in  der  Mitte  eine  Kot- 
linie; sie  können  gerade,  gebogen  oder  selbst 
so  konzentrisch  aufgewunden  verlaufen,  daß 
sie  Platzminen  vortäuschen  i).  Einige  Arten 
machen  auch  wirkliche  Platzminen.  Die  Rau- 
pen verlassen  die  Minen  oberseitig  und  ver- 
puppen sich  außerhalb  in  ziemlich  festem 
Kokon  an  der  Rinde  usw.  Zum  Schlüpfen 
tritt  die  Puppe  aus  dem  stumpfen  Kokonpol 
hervor.    Die   Nepticulen  sind  ein-   oder   zwei- 

brütig;  manche  Arten  haben  mehrere  Generationen  hintereinander.  Bei 
einigen  Arten  ist  das  Raupenstadium  sehr  kurz  und  braucht  nicht  einmal 
2  Tage.  Die  Überwinterung  erfolgt  teils  als  Raupe  im  Puppenkokon,  teils 
wird  das  Wintergehäuse  im  Frühjahr  verlassen  und  dann  erst  der  Puppen- 
kokon gefertigt. 

Die  Gattung  enthält  weit  über  100  Arten,  deren  Minen  meist  in  den 
Blättern  der  verschiedenen  Laubbäume  vorkommen.  Als  forstlich  beachtens- 
wert ist  bis  jetzt  nur  eine  Art  (.V.  sericopeza  ZU.)  bekannt  geworden. 

Nepticula  sericopeza  ZU. 

A  h  o  r  n  m  i  n  i  e  r  m  o  1 1  e. 
Taf.  I,   Fig.  2. 

Falter:  Kopf  roströtlich  behaart,  Fühler  bräunlich.  Vorderflügel  schwarz- 
braun; die  Wurzel,  eine  schräge  Binde  vor  der  Mitte  und  zwei  Flecken  in  der  End- 
hälfte gelblich.  Hinterflügel  grau  mit  bräunlich  grauen  Fransen.  Thorax  dunkel, 
Hinterleib  braungrau.  Spannweite  6  mm.  Die  Raupe  ist  bernsteinfarbig;  bei  den 
jungen  Stadien  die  Beine  rückgebildet  (Abb.  83  A),  am  Hinterende  des  Abdomens 
mit  4  Chitinleisten,  2  seitlichen,  i  dorsalen  und  i  ventralen.  Puppe  kurz  und  breit; 
die  Einzelheiten  s.  Abb.  83  B  u.  C.  (Eine  ausführliche  Beschreibung  der  Larve  und 
Puppe  bei  Tragärdh). 

Die  Raupe  scheint  nur  an  Ahorn  vorzukommen;  die  Angabe  von 
Altum,  daß  sie  auch  in  Akaziensamen  vorkommt,  ist  mit  einem  Frage- 
zeichen zu  versehen. 

Die  Ahornminiermotte  wurde  schon  von  Hartig  (1870)  als  Zerstörerin 


1)  Manche  Nepticula-VixnavL  zeichnen  sich  dadurch  aus,  daß  sie  bzw.  der  von 
ihnen  eingenommene  Blatteil  bei  der  Herbstverfärbung  ihre  grüne  Färbung  behalten 
(„grüne  Inseln"  im  gelben  Blatt).  Man  hat  dabei  an  die  Wirkung  des  Sekretes  der 
jungen  Raupe  gedacht.  Tragärdh  (1913)  hat  aber  gezeigt,  daß  die  „Chlorophyll- 
konservierung" einfach  darin  besteht,  daß  durch  Abbeißen  der  Leitungsbahnen  der 
herbstliche  Abbau  der  Blattzellen  an  den  Stellen  der  Mine  verhindert  wird.  So 
findet  die  Raupe  auch  noch  im  Herbst  grüne  Blatteile  vor,  in  denen  sie  ihre  Fraß- 
tätiekeit  fortsetzen  kann. 


140 


II.  Spezieller  Teil. 


des  Ahornsamens  in  die  Forstentomologie  eingeführt.  Ihre  Biologie  wurde 
aber  erst  in  neuerer  Zeit  geklärt,  und  zwar  durch  Trägärdh  (1913c),  der 
sie  in  Schweden  bei  Stockholm  eingehend  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte. 
Doch  sind  auch  jetzt  noch  verschiedene  Lücken  in  unserer  Kenntnis;  so  vor 
allem  bezüglich  der  Zahl  der  Generationen.  Tutt  spricht  von  2 — 3  Gene- 
rationen im  Jahr   (Flug  des    Falters  April/Mai,  Juni  Juli   und  nochmals  im 


A 


B 


C 


Abb.  83.  A  Junge  Larve  von  Nepl.  sericopeza  ZU.  (Bauchseite),  B  und  C  Puppe,  dorsale 
und  ventrale  Ansicht,  a  Fühler,  ^1  und  b^  erstes  und  zweites  Beinpaar,  bv  Hinterflügel, 
cxy  erstes  Coxenpaar,  /?'  Vorderflügel,  Ib  Labrum,  //>  Labialpalpen,  ;//v  Mesothorax, 
mx  Maxille,  mxp  Maxillarpalpen,  p  Prothorax,  /  und  //  erstes  und  zweites  Abdominal- 
segment.   Nach  Tr  ä  gä  r  d  h. 


August  [Ende],  September).  Manche  Autoren  (Hartmann,  Nitsche, 
Nüßlin)  geben  ferner  an,  daß  die  Larve  der  ersten  Generation  in  den 
Blättern,   jene  der  zweiten   in  den    Früchten  miniere;   andere   dagegen,   wie 

^^^         Sorhagen  und  Taut,  stimmen 
il^^  g^t/tMBm         darin  überein,  daß  die  Larve  der 

^H^^  ^^^^^^m  ersten    Generation    nicht    bekannt 

^^^g    1^^  ^^^^11^^^^^^^  ^^i-       Wahrscheinlich     herrschen, 

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^  wenigstens    bezüglich    der    Gene- 

^^^^^^^^H^^^^^^  rationszahl,     wesentliche     Unter- 

^^^^^^^^r  schiede    je    nach    der    geographi- 

^^^^^  sehen    Breite.    Trägärdh    fand 

/  bei  Stockholm  Larven  zum  ersten- 

I  mal  Mitte  August  und  dann  noch- 

mals Mitte  Oktober. 

Die  Eier  werden  gewöhnlich 
an  die  Samenflügel  abgelegt;  das 
Räupchen  bohrt  sich  durch  die 
Eischale,  die  Epi-  und  Hypodermis  zum  Parenchymgewebe  durch.  Die 
Mine  verläuft  in  mehr  oder  weniger  gerader  Richtung  gegen  die  Samen- 
kammer   (Abb.   84),   in  die  sie   jedoch  nicht   an  der  nächstgelegenen   Stelle 


Abb.  84.    Anfangsmine  einer  Ä^ep/icu/a-Kaupe 

vom  rechten  ,, Flügel"  zur  Samenleiste. 

Nach  Trägärdh. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  X4j^ 

eindringt.  Die  Samenkammer  ist  nämlich  mit  einer  dichten  Lage  von 
Bastzellen  ausgekleidet,  die  augenscheinlich  ein  undurchdringliches  Hinder- 
nis für  die  junge  Larve  darstellt.  So  wandert  sie  bis  zu  der  Stelle,  wo 
diese  Schicht  fehlt,  d.  i.  die  Samenleiste  (in  der  Mitte  zwischen  den  beiden 
Flügeln),  und  wo  sie  ohne  Schwierigkeit  eindringen  kann.  Ist  die  Raupe 
in  der  Fruchtkammer  angelangt,  so  frißt  sie  den  größten  Teil  des  Samens 
aus  und  erfüllt  den  Raum  mit  ihren  Exkrementen  (Abb.  85).  Erwachsen  ist 
die  Raupe  kräftig  genug,  die  dichte  Faserschicht  zu  durchnagen;  sie  verläßt 
nun  die  Kammer,  um  in  einem  länglich-linsenförmigen  Gespinst  zu  über- 
wintern. Nach  manchen  Autoren  soll  letzteres  nur  provisorisch  sein  und  erst 
nach  der  Überwinterung  durch  einen  definitiven  Puppenkokon  ersetzt  werden, 
während  dies  nach  Trägärdh  nicht  immer  zutrifft.  Die  Verpuppung 
scheint  nach  den  verschiedenen  Angaben  in  der  Literatur  an  verschiedenen 
Stellen  stattzufinden,  an  der  Außenseite  der  ausgefressenen  Samen,  an  den 
Blättern   usw. 

Der  Kokon  besitzt  am  breiteren  Ende  einen  horizontalen  Spalt,  welcher 
sich  seitwärts  bis  zu  einem  Drittel  der  Länge  ausdehnt.    Die  Lippen  dieser 


Abb.  85.     Ahornsamen,   ausgefressen  von  der  Raupe  von  Xeplicula  sericopeza  ZU. 
Nach  Trägärdh. 

Spalte  sind  durch  die  Elastizität  ihrer  Gewebe  zusammengepreßt.  Durch 
diese  Spalte  nimmt  die  Puppe  ihren  Weg,  wenn  die  Motte  ausschlüpft 
(Abb.  86). 

Forstlich  macht  sich  der  Raupenfraß  durch  vorzeitiges  Ab- 
fallen der  Ahornsamen  bemerkbar.  Die  reichlich  am  Boden  liegenden 
Samen  zeigen  im  frischen  Zustand  unter  der  Oberhaut  der  grünen  Samen- 
hülle einen  zarten,  braunen,  geschlängelten  Gang  (H artig). 

Von  den  übrigen  zahlreichen  Nepticida-P^nen  leben  noch  viele  als  Minierer  in 
den  Blättern  von  Forstpflanzen,  ohne  jedoch  eine  wirtschaftliche  Bedeutung  zu  er- 
langen, wenn,  sie  auch  dem  aufmerksamen  Beobachter  durch  ihre  Minen  nicht  ent- 
gehen.   Vor  allem  findet  man  Nepticula-^iinen  häufig  an  Eiche,  dann  an  den  ver- 


142 


II.  Spezieller  Teil. 


schiedenen  Popuhis-  und  .S«//.v- Arten,  an  Birke,   Crataegus  usw.    Es  seien  nur  fol- 
gende genannt : 

An  Eiche. 

N .  atricapitella  Hw.  Mine  unregelmäßig  geschlängelt.  Nach  Werth  (1925) 
bisweilen  bei  Berlin  so  massenhaft  (auf  Quercus  sessiliflora),  daß  kaum  ein  Blatt 
zu  finden  ist,  auf  dem  nicht  eine  oder  mehrere   Minen  vorhanden  sind. 

N .  ruficapitella  Hw.    Ebenso. 

N .  basigutlella  Hein.    Mine  unregelmäßig,  dunkelbraun. 

N .  subbimaculella  Hw.  Raupe  erzeugt  zuerst  einen  feinen  Gang  in  dem  Winkel 
zwischen  der  Haupt-  und  einer  Nebenrippe,  dieser  erweitert  sich  später  zu  einem 
großen  Platz  in  diesem  Winkel,  und  die  Umgebung  desselben  ist  auch  am  schon 
vergilbten  Blatt  noch  frisch  grün  gefärbt  (Abb.  87). 
(Trägärdh   1913,   Hering   1927.)  // 

N .  quinqueJIa  Bedell,  Mine  schmal,  stark  ge- 
wunden,  (bis  72  in  einem   Blatt  beobachtet). 

A  n   P  o  p  u  1  u  s  -  A  r  t  e  n  : 

N .  lurbidella  ZU.  Erst  im  Stiel,  dann  in  rund- 
licher, brauner  Mine  im  Blatt.  Kot  in  zweizeiligen 
Reihen  angeordnet,  da  die  Raupe  in  den  Fraßpausen 
usw.   immer  wieder  in  den   Blattstiel   zurückkehrt. 


Abb.  86.    Zwei  Kokons  von  Neplicula  sericopeza  ZU. 

Bei  dem  rechten  Kokon  ist  die  Puppe  hervorgeschoben. 

Nach  Trägärdh. 


Abb.  87.  Eichenblatt  mit  4  Minen 
von  X  epticula  si/bbii/iaculella 
Hw.  Die  außerhalb  der  Minen  [m) 
gelegenen  Blattpartien  {g)  haben 
nach  der  Bräunung  des  übrigen 
Blattes  ihre  grüne  Farbe  behalten. 
Nach  Trägärdh. 

N.  irimaculella  Hw.  In  geschlängelter  Mine  an  der  Unterseite  (Ausnahme 
unter  den  Nepticulinen). 

N .  argyropeza  ZU.  Mine  wie  bei  tiirbideUa  zuerst  im  Stiel,  dann  im  Blatt.  Kot 
ebenfalls  wie  bei  turbidella  zweizeilig  angeordnet.  Die  Umgebung  der  Mine  bleibt 
im  Herbst  im  gelbgewordenen  Blatt  grün.  („Grüne  Insel.")  Über  die  Bedeutung 
dieser  Erscheinung  siehe  oben  S.  139,  Fußnote. 

An   Salix-Arten. 

N .  Salicis  Stt.  Mine  anfangs  schmal,  dann  fleckartig  verbreitert.  An  Salix 
caprea. 

N .  vimineticola  Frey.    Mine  ähnlich.    An  Salix  vim.  und  alba. 


[.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


143 


An  Birke. 

iV.  beiulicola  Stt.     Mine   geschlängelt;   Kot   als   schmaler   Streifen  in  der   Mitte. 
N .  luteella    Stt.     Mine    wenig    geschlängelt,    meist    winklig   gebrochen;    Kot    die 
ganze  Breite  des   Ganges  ausfüllend. 

An  Buche. 

N .  basalella  H.  S.    Mine  ziemlich  lang,   stark  gewunden   (Abb.  88  A). 
N .  turicella    H.  S.     Mine    lang,    unregelmäßig   gewunden.     Im    Herbst    1924   bei 
Berlin  sehr  häufig  (zugleich  mit  LithocoUetis  faginella  Zll.  s.  unten)   (Werth  1925). 

An   Ahorn. 
N.  aceris  Frey.    Mine  lang  geschlängelt   (Abb.  88  B). 


A  B  C 

Abb.  88.      \'erschiedene    .Vf^/)//r///(/- Blattminen :    A    Xept.   basalella    H.   S.    an    Buche, 
B  Nepl.  aceris  Frey  an  Ahorn,  C  Xept.  tnarghücoleUa  Stt.  an  Ulme.     Nach  Spul  er. 

An  Ulme. 

N .  marginicolella    Stt.     Lange,     geschlängelte     Mine    dem    Blattrand    folgend. 
(Abb.  88  C). 

N .  ulmivora  Fologne.    Unregelmäßig  geschlängelte  Mine. 

An  Erle. 

N .  alnetella  Stt.    In  langen,  geschlängelten  Minen. 

N .  rubescens  Hein.    Mine  lang,  geschlängelt,  ganz  mit  Kot  gefüllt. 


2.  Unterfamilie :  Tischeriinae. 

Schopfstirn  motten. 
Ebenfalls    zu    den    akuleaten    Tineiden    gehörend.     Nur    eine    einzige 


Gattung 


144 


IL  Spezieller  Teil. 


Gattung  Tischeria  ZU. 

Scheitel  mit  aufgerichteten,  breit  abgestutzten  Schuppen.  Fühler  lang,  beim  cf 
unten  mit  sehr  langen,  borstigen  Wimpern.  Discus  der  Vorderflügel  lang,  mit 
langer  Anhangszelle,  Basalteil  von  vi  vorhanden.  Äste  von  r  getrennt  in  den  VR, 
2  Saumäste  fehlen.  Ader  an  und  ax^  mehr  beieinander.  Analfeld  groß,  winklig.  Auf 
den  langen  schmalen  Hinterflügeln  t,  m  und  cii  getrennt,  m^,  2  angedeutet,  cu  un- 
geteilt   (Abb.  89). 

Die  Bauchfüße  der  Raupen  sind  wenig  entwickelt  und  oft  undeutlich;  sie 
minieren  in  großer,  flacher,  oberseitiger  Mine,  aus  welcher  sie  die  Exkremente  durch 
einen  Spalt  hinausschaffen;  Verpuppung  innerhalb  der  Mine  entweder  ohne  besonderes 
Gespinst  oder  in  einem  flachen,  tellerförmigen  Gespinst.  Die  meisten  Arten  haben 
nur  eine  Generation.  In  Europa  etwa  1/2  Dutzend  Arten,  von  denen  eine  Art 
(T.  complaneUa  Hb.)   forstlich  beachtenswert  ist. 


Abb.  89.   Flügelgeäder  von  Tischeria 
ZU.     Nach  Spuler. 


Abb.  90.   Raupe  von  Tischeria  com- 
planeUa Hb.    Nach  S  t  a  i  n  t  o  n. 


Abb.  91.  Eichenblatt  mit  Blasenmine 

von  Tischeria  complaneUa  Hb. 

Nach  Ratzeburg. 


Tischeria  complaneUa  Hb. 

Taf.  I,  Fig.  3. 

Falter:  Vorderflügel  matt  glänzend,  mehr  oder  weniger  hell  dottergelb,  am 
Vorder-  und  Hinterrande,  besonders  um  die  Flügelspitze  schwach  bräunlich  bestäubt. 
Hinterflügel  grau  mit  gelbgrauen,  am  Hinterrande  und  am  Ende  des  Vorderrandes 
an  der  Wurzel  gelblichen  Fransen.  Kopf,  Fühler  und  Brust  gelb,  Hinterleib  gelblich 
grau.    Spannweite   12  mm. 

Raupe  (Abb.  90)  stark  flachgedrückt,  gelb,  nur  Kopf  und  Afterring  etwas 
dunkler,    die   6  Ocellen   liegen   in   einer    Reihe,    Behaarung    äußerst    fein.     Nur    die 


[.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


145 


3  Paar  Brustfüße  angedeutet,  die  Afterfüße  verschwindend,  nur  das  letzte  Paar  als 
2  Wülste  unter  dem  letzten  Ringe  angedeutet.  Länge  6  mm.  Eine  eingehende  Be- 
schreibung der  Raupe  gibt   F  u  1  m  e  k  (1910). 

Puppe  gestreckt.  Flügelscheiden  lang  und  schmal.  Nahe  dem  Hinterrande 
der  Ringe  2 — 5  je  eine  Reihe  schwacher  Dörnchen.  Am  Afterende  zwei  kegelförmige 
Dornfortsätze. 

Der  kleine  Falter,  der  von  Frankreich  bis  Rußland  und  von  Schweden 
bis  in  die  Mittelmeerländer  verbreitet  ist,  fliegt  im  Mai  oder  Juni.  Das  Ei 
wird  wahrscheinlich  durch  einen  besonders  ausgebildeten  Legeapparat  in  das 
Blattgewebe  versenkt.  Die  Raupe,  deren  Tätigkeit  von  Juli  an  bemerkbar 
wird,  frißt  zwischen  den  Epidermisschichten  das  Blattfleisch  der  Eichen - 
blätter  aus  und  erzeugt  so  runde,  blasige  Minen  ungefähr  in  der  Größe 
eines  Zehnpfennigstückes,  die  aber  oft,  wenn  mehrere  Raupen  ein  Blatt  be- 
wohnen, zu  einer  großen,  fast  das  ganze  Blatt  einnehmenden  Blase  zusammen- 
fließen (Abb.  91).  Die  vertrocknende  Epidermis  erscheint  weißgelb.  Die 
Raupen  überwintern  in  den  Minen  der  abgefallenen  Blätter,  in  denen  sie  sich 
auch  verpuppen  1). 

Die  Motte  tritt  mitunter  so  zahlreich  auf,  daß  fast  jedes  Blatt  mit  Minen 
bedeckt  ist.  Schaal  (1879)  berichtet  von  einem  Massenvorkommen  in 
Olbernhau  (Riesengebirge),  bei  dem  die  Eichen  schon  im  Juni  eine  gelb- 
braune  Farbe  annahmen  und  im  September  völlig  kahl  dastanden. 

Außer  an  Eiche  kommt  coviplaiiella  auch  an  Kastanie  (Cas/a/iea  vesca) 
vor   (Hartmann,  Cecconi)^). 

3.  Unterfamilie:  Incurvariinae. 

M  i  n  i  e  r  s  a  c  k  m  o  1 1  e  n. 
Ebenfalls  zu  den  akuleaten  Tineiden  gehörig,   d.   h.    Flügel   außer  mit 
Schuppen   noch    mit    festsitzenden    Chitinstacheln    besetzt.     Flügel    oval,    zu- 
gespitzt, mit  wohlentwickeltem  Dis- 
cus.  Vorderflügel  mit  Anhangszelle 
und  erhaltenen  Teilen  von  w. 

Gattung  Incurvaria  Hw. 

Fühler  kürzer  als  der  VR,  beim  cf 
mit  oder  ohne  kolbige  Kammzähne.  Auf 
den  Vorderflügeln  rg  und  r^  nicht  ge- 
stielt,  /-g  in  den  VR  (Abb.  92). 

Die  ineisten  Raupen  leben  in 
der  frühesten  Jugend  in  Minen  an 
den  Blättern  der  verschiedenen  Laub- 
bäume. Nach  der  ersten  Häutung 
schneiden  sie  ein  kreisrundes  bis 
Flügelgeäder  von  Incurvaria.  elliptisches    Stück    aus    dem    ausge- 

Nach  Spuler.  höhlten  Blatt  heraus,  und  in  diesem 


Abb.  92. 


1)  Eine  andere  Tischeria-An,  T.  decidua  Wck.  (ebenfa 
aus  der  Mine  ein  kreisrundes  Stück  heraus,  benützt  dieses  als 
demselben  zur  Erde  fallen,  wo  sie  eine  geschützte  Stelle  zur 

2)  Hering  (1926,  S.  124)  macht  darauf  aufmerksam, 
der  T.  complanella  Hb.  auf  Eiche  und  Castanea  sehr  gut 
Verhalten  der  beiden  Pflanzen  übereinstimmt,  insofern,  als 
bei  serologischer  Prüfung  die  gleiche  Reaktion  geben,  also 
der  Eiweiße  ihrer   Gewebe  aufweisen. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III. 


[  an  Eiche)  schneidet 
Sack  und  läßt  sich  in 
Verpuppung  sucht, 
daß  die  Beschränkung 
mit  dem  serologischen 
Castanea  und  Quercus 
eine   große  Ähnlichkeit 

10 


146 


II.  Spezieller  Teil. 


flachen  Säckchen  lassen  sie  sich  zur  Erde  fallen,  wo  sie  dann  angewelkte 
Blätter  benagen.     Der  Fraß   ist   an  den  ausgeschnittenen   runden  oder  ovalen 

Löchern  leicht  zu  erkennen  (Abb.  93). 

Einige  Raupen  leben  in  Zweigan- 
schwellungen. 

Inc.koerneriellaZW.  (Grünlich  erzfarbig, 
Kopfhaare  hell  rostgelb.  Spann- 
weite 16,5  —  18,5  mm.)  An  Birke, 
Buche  und  Linde  (Abb.  93). 

I HC.  muscalella  F.  (Dunkelgelbbraun 
mit  2  weißlich  dreieckigen  IR- 
Flecken.  Kopfhaare  rostgelb.  Fühler 
beim  ^^  stark  und  gekämmt.  Spann- 
weite 14—16,5  mm.)  An  Eiche  und 
Castanea  vesca. 

Inc.  pectinea  Hw.  (Der  vorigen  ähnlich, 
V'orderflügel  grünlicher,  Flecken  un- 
deutlich.) An  Betula.  Corylus  und 
Alnus. 

Inc.  tenuicornis  Stt.  (Vorderflügel  dun- 
kelgraubraun, zeichnungslos.)  Von 
Baer  und  Schütze  aus  Zweig- 
anschwellungen an  Birke  gezogen; 
die  Raupe  lebt  vielleicht  auch  als 
Abb.  93.    Ein  Birkenblatt  mit  zahlreichen  von  Mitbewohner    der    Zweiggalle    von 

Inc.  körnerie//a  Kauften  ausgeschnittenen  Epiblema  tetraqiietrana  Hw.  (siehe 

Löchern.    Nach  T  r  ägä  r  d  h.  dort). 


Gattung  Adela  Ltr. 

Auffallend  metallisch  gefärbte  Motten  mit  langen  Fühlern.  Die  Augen  auch 
bei  den  cTcT  um  mehr  als  Augendurchmesser  voneinander  getrennt,  das  Gesicht 
breiter  als  hoch.  Fühler  sehr  lang,  bis  4  mal  so  lang  als  der  Vorderflügel  (Abb.  94 
und  Taf.  I,  Fig.  4). 

Die  auffallenden  Falter  findet  man  von  Mai  bis  August  häufig  auf 
Blättern    in    dachförmiger     Flügel  haltung    sitzend    oder    im    Sonnenschein 

fliegend.  Sie  tanzen  oft  in  großer  Ge- 
sellschaft, zu  Hunderten,  dicht  gedrängt, 
auf  und  nieder,  ,, wobei  sie  ihre  langen 
Fühler  senkrecht  in  die  Höhe  halten 
gleich    Silberfädchen,    getragen    von    den 

__  \  herrlich  glänzenden  Flügeln".    Es  ist  ent- 

^Mtjl^^    \y    ^ffiiflfiffy  schieden  eine  Art  Hochzeitsflug,  den  die 

^^^^«^A^^nSo^^  hübschen   Tierchen   da   aufführen.     Erst 

^^JUIPPr^^i^jjJIJPP^  gegen   Abend,   nach    dem    Scheiden   der 

V  Sonne,    löst    sich   der   Knäuel,    und    die 

f  einzelnen     Pärchen     verschwinden     dann 

zwischen    dem    Laube    (Taschenberg). 
Abb.  94.    Adela  ochsenheimerella  Hb.  Die     Raupen    leben    ganz    ähnhch 

^'2'^-  wie     die     Incurvaria-'Rsca^Q.n    (s.  oben); 

sie  machen  sich  aus  Blattstückchen  ein  flaches,  ovales,  oft  in  der  Mitte  ein- 
geschnürtes oder  birnförmiges,  an  beiden  Seiten  offenes   Säckchen,   in  dem 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


147 


sie   die   meiste    Zeit   ihres    Lebens    am    Boden   von   abgefallenem    Laub    und 
abgefallenen  Nadeln  leben. 

Forstlich    ohne    Bedeutung;     doch    eine    auffallende    Erscheinung    und 
außerdem  auch  waldbiozönotisch  nicht  ohne  Interesse  (Verarbeiter  der  Streu). 

Adela  ochsenheimerella   Hb.    (Taf.  I,    Fig.  4i.    Vorderflügel   goldgelb,   mit   violetten 

Binden.    An  abgefallenen  grünen  Nadeln. 
Adela  congruella    F.  R.     Kleiner,    Vorderflügel    goldgelb,    in   der    Wurzelhälfte    und 

vor    der    Spitze    mit    dunklen    Längslinien,    dazwischen    mit    einer    goldgelben, 

violett  eingefaßten  Querbinde.    Raupe  wie  die  vorige  lebend. 
Adela   viridella   TAX.    Dunkelgrün,   messingglänzend,   am   VR   kupferig,    Hinterflügel 

schwarz,     purpurblau     angeflogen.       Kopfhaare      schwarz.      An      Buchen-      und 

Eichenlaub. 


4.  Unterfamilie:  Tineinae. 

Kopf  ganz  oder  wenigstens  doch  auf  dem  Scheitel  rauhhaarig.  Fühler 
stets  kürzer  als  der  VR  der  Vorderflügel;  Wurzelglied  nicht  scheibenförmig; 
Augendeckel  fehlen.  Palpen  kurz, 
dünn,  hängend.  Vorderflügel  ge- 
streckt, vom  \'K  und  IR  her 
allmählich  zu  der  meist  gerun- 
deten Spitze  zulaufend.  Discus 
mit  mehr  oder  weniger  deutlich 
abgegrenzter  Anhangszelle.  Ader 
/"b  teüs  in  den  VR,  teils  in  die 
Spitze  oder  den  Saum  verlaufend; 
/•s  und  ci/i  nie  gestielt.  Hinter- 
flügel breit  lanzettlich,  nicht  von 
beiden  Seiten  her  zugespitzt, 
Fransen  nicht  länger  als  die 
Hinterflügel  breit. 

Raupen  in  ausgesponnenen 
Röhren;  Puppen  vor  dem  Schlüp- 
fen weit  aus  dem  Gehäuse  her- 
vortretend. 

Die  Tineinen  enthalten  ca. 
drei  nennen  wollen:  Tinea  ZU. 


Abb.  95. 


axf 


Flügelgeäder  einer  Tinea-Art. 
Nach  Spuler. 


17  europäische  Gattungen,  von  denen  wir  hier 
Tineola  H.  S.  und  Trichophaga  Rag.  Eine 
eigentliche  forstliche  Bedeutung  (Schädigung  von  Forstpflanzen)  kommt 
keiner  Art  dieser  Gruppe  zu.  Doch  machen  sich  einige  Arten  durch  Zer- 
störung von  Pelzwerk,  Hausvorräten  (wie  getrockneten  Pilzen,  Getreide,  In- 
sektensammlungen usw.)  recht  unangenehm  bemerkbar,  so  daß  sie  wohl  zu  den 
„populärsten"  Kleinschmetterlingen  gehören.  Wir  wollen  daher  die  häufigsten 
Arten  hier  behandeln,  da  sie  gewiß  auch  für  den  Forstmann  Interesse  be- 
sitzen. 

Die   drei   genannten    Gattungen,   denen   diese   „Hausmotten"   angehören, 
lassen  sich  wie  folgt  charakterisieren: 

I.   Mittelsporne  der   Hinterschienen  deutlich  vor  der  Mitte  der  Schiene 

(Abb.  96 A) 2 

—  Mittelsporne  an  oder  hinter  der  Mitte.  Im  Vorderflügcl  der  Abstand 
zwischen  r^  und  r^  an  ihrem  Ursprung  mehrmals  größer  als  der  Ab- 
stand zwischen  r^,  und  r^  (Abb.  96  B).    Fühler  unbewimpert  .      .       Tineola  H.  S. 

10* 


148 


II.  Spezieller  Teil 


2.   Im   Vorderflügel  r^   und   ro   normal  gegen  den   Vorderrand   gerichtet 

Fühler  beim  (f  kurz  und  fein  bewimpert Tinea  Zell. 

—  Im  Vorderflügel  r^  am  Ende  an  r«  herabgebogen  und  dort  mit  ihr 
vereinigt;  das  gleiche  gilt  für  /-j,  die  an  r^  gebogen  ist  (Abb.  96  C). 
Vorderflügel  mit  deutlicher  Zeichnung TrichopJiaga  Rag. 


Abb.  96.  A  Hinterbein  von  Tinea,   B  Vorderteil  des  Vorderflügels  von  Tineola  (r^  näher 
an  r^  als  an  r^),  C  Vorderteil  des  Vorderflügels  von  Trichophaga  (Radialäste  umgebogen). 

Nach  Hering. 


Tineola  biseliella  Hum. 

Die   Kleidermotte. 
Taf.  I,  Fig.  6. 
Vorderflügel  glänzend  hellockergelb,  der  VR  an  der  Wurzel  gebräimt;    Hinter- 
flügel gelblich  grau  mit  grauen  Fransen.  Kopfhaare  rostgelb.  Spannweite  12 — 16  mm. 
Die    Bionomie    dieser    allverbreiteten    und    gefürchteten    Motte    (sie    ist 
unter  den  Hausmotten  weitaus  die  schädlichste)  ist  in  letzter  Zeit  gründlich 
erforscht  worden,  vor  allem  durch  Ti tschak   (1922  und   1927). 

„Sogleich  nach  der  Kopulation  beginnt  das  Weibchen  mit  der  Eiablage, 
wozu  es  die  Legeröhre  unter  tastenden  Bewegungen  hervorstreckt  und  nach 
und  nach  einzeha  die  Eier  ablegt,  die  nicht  angeklebt,  sondern  lose  auf  den 
Stoff  gelegt  werden.  Je  nach  der  Wärme  kann  die  Eiablage  schon  nach 
2  oder  erst  nach  30  Tagen  beendet  sein.  Die  An- 
zahl der  Eier  ist  abhängig  von  der  Ernährung  des 
Muttertieres  im  Raupenstadiuin  und  kann  bis  220 
betragen.  Die  Eier  haben  etwas  unregelmäßig 
ellipsoide  Gestalt;  ihre  Länge  schwankt  von  0,4 
bis  0.7,  ihre  Breite  von  0,28 — 0,38  mm.  Unbefruch- 
tete Eier  gelangen  nicht  zur  Entwicklung.  Bei 
20  0  C  verlassen  die  Räupchen  die  Eihülle  nach 
12  Tagen.  Die  Raupen  spinnen  Seidenfäden,  die 
ihnen  einerseits  auf  glatten  Flächen  die  Fort- 
bewegung ermöglichen,  andererseits  zur  Herstel- 
lung ihrer  Fraß-  und  Verpuppungslöcher  dienen.  Erstere  sind  langgestreckte 
Gespinströhren,  die  die  Länge  der  Raupe  bis  zu  15  mal  übertreffen,  die 
Haarmassen  der  Felle,  die  Wollfäden  der  Gewebe  durchbohren,  sich  dabei 
oft  spiralig  winden  oder  geknickt,  oft  sogar  ganz  unregelmäßig  verlaufen 
(Abb.  98).  Sie  werden  um  so  länger,  je  ungünstiger  der  Nährboden  ist.  Die 
Raupe  frißt  an  beiden  Ausgängen  des  Köchers,  in  dem  sie  sich  umwenden 
kann.  Wenn  die  Raupe  genügend  gefressen  hat,  schreitet  sie  zur  Verpuppung. 


Abb.  97.   Die  Kleidermotte 

Tineola     biseliella    Hum. 

2V2  X. 


I.  Unterordnung:   INIicrolepidoptera,    Familie  Tineidae. 


149 


Die  Dauer  des  R  a  u p  e n  s  t  a  di  u  m  s  ist  also  von  Wärme  und  Nähr- 
stoff abhängig.  Auf  Rinder-  und  Kaninchenhaaren  verläuft  bei  20 — 25  "  C 
die  gesamte  Entwicklung  in  3^2 — 4  Monaten,  auf  Wollstoffen  dauert  sie  da- 


Abb.  98.      Fraßröhre  einer  Kleidermottenraupe  mit   Kokon.    Die  bereits  vom   Falter 

verlassene   Puppenhülle   ragt  aus  dem  Kokon  hervor.      Etwa  3  mal  vergrößert. 

Nach  Severin  aus  Zacher. 


gegen  bei  derselben  Temperatur  10  Monate!  Im  allgemeinen  kann  man  bei 
uns  mit  2 — 4  Brüten  im  Jahr  rechnen.  Die  Entwicklungsdauer  verkürzt  sich 
bei  höherer  Wärme.  Sie  beträgt  bei  15°  für  Männchen  durchschnittlich 
186,5  Tage,  für  Weibchen   195,5,  bei  30°  aber  nur  61,8  bzw.   72,5  Tage. 

Zur  Verpuppung  wandert  die  Raupe  häufig  aus  dem  Nährmaterial 
aus  und  klettert  an  höher  gelegene  Stellen,  wo  sie  sich  einen  Verpuppungs- 
köcher  baut,  der  stets  an  Stellen  an- 
gelegt wird,  wo  der  Falter  unbeschä- 
digt an  die  Oberfläche  gelangen  kann. 
Zur  Bekleidung  des  Verpuppungs- 
köchers  wird  immer  das  Material  aus 
der  unmittelbaren  Umgebung  genom- 
men, so  daß  der  Köcher  stets  in  der 
Farbe  sich  der  Umgebung  völlig  an- 
paßt. Dabei  werden  manchmal  Stoffe 
verwandt,  die  für  die  Ernährung  der 
Raupe  gar  nicht  in  Betracht  kommen, 
wie  Baumwolle,  Pappe,  Asbest,  Kork 
usw.  Der  Puppenköcher  ist  allseitig 
geschlossen  und  festgewebt,  so  daß  er 
der  Puppe  guten  Schutz  gewährt.  Die 
Puppenruhe  bis  zum  Schlüpfen  dauert 
14 — 44  Tage"  (Zacher  1927). 

Die  Kleidermotte  zerstört  nicht 
nur  wollene  Kleidungsstücke 
und  Kleidungstücke  aller  Art, 
sondern  geht  auch  an  Roßhaar  und 
andere  Tierhaare  (Bürsten),  so- 
wie an  Federn  (Abb.  99).  Auch  In- 
sekt e  n  s  a  m  m  1  u  n  g  e  n  können  ihr 
zum    Opfer    fallen.     Großen    Schaden 


Abb.  99.      Mottenfraß  an   Federn. 
Nach  Zacher. 


150  II.  Spezieller  Teil. 

richten  die  Kleidermotten  auch  in  Käsefabriken  an,  wo  sie  das  Kasein 
befallen.  Endlich  wurden  sie  auch  in  Pflanzenstoffen  angetroffen,  wie  in 
Peluschken  und  Grieß    (Zacher). 

Wie  groß  der  Schaden  zu  bewerten  ist,  geht  aus  einer  (allerdings  theore- 
tischen) Berechnung  Titsch aks  (1927)  hervor,  wonach  die  Nachkommen 
eines  einzigen  Weibchens  zu  ihrer  Ernährung  bei  20  Grad  im  Laufe  eines 
Jahres  rund  30  kg  Wolle  verbrauchen  (bei  dauernder  Wärme  von  30°  würde 
sich  der  entsprechende   Nahrungsbedarf  auf  das  6000 fache  erhöhen!). 

Bekämpfung  1):  Der  Fang  der  durch  die  Zimmer  fliegenden  Motten 
hat  nur  geringen  Wert,  da  die  fliegenden  Stücke  zumeist  cfcT  oder  alte, 
eierleere  Weibchen  sind.  Die  Beachtung  der  fliegenden  Motten  hat  nur  inso- 
fern Wert,  als  man  hierdurch  auf  die  Brutstätten  aufmerksam  gemacht 
werden  kann. 

Da  die  Eier  nur  lose  sitzen,  so  kann  die  mechanische  Behandlung  der 
Stoffe  von  guter  Wirkung  sein  (klopfen,  bürsten,  schütteln).  Aussetzen  der 
Stoffe  dem  Sonnenlicht  ist  zu  empfehlen;  bei  dunklen  Stoffen  tritt  die  töd- 
liche Wirkung  rascher  ein  als  bei  hellen.  Auch  tiefe  Temperaturen  wirken 
tödlich  (Kühlräume).  Dicht  schließende  Kästen  oder  Umhüllungen  aus 
Papier  usw.  halten  die  9  ab. 

Die  Zahl  der  Mottenmittel  ist  Legion;  die  wenigsten  davon  halten  das, 
was  deren  Hersteller  versprechen. 

,.Das  bekannteste  Mottenmittel  ist  Naphthalin,  dessen  Wirkung  je 
nach  Güte  des  Fabrikates  verschieden  ist.  Es  genügt  im  allgemeinen  i  Pfund 
auf  6—10  Kubikfuß  (450  g  auf  i/g  bis  1/4  cbm).  Kampfer  wirkt  schwächer  und 
weniger  zuverlässig.  Viel  gebraucht  wird  auch  Paradichlorbenzol,  das  unter 
dem  Namen  „Globol  fest"  im  Handel  ist.  Auch  frisches,  gutes  Insekten- 
pulver tötet  die  Mottenraupen,  wenn  man  die  Sachen  gut  damit  bestäubt  und 
dann  in  dicht  schließende  Behälter  bringt.  Als  langsam  wirkendes  Mittel  hat 
sich  Hexachloräthan  bewährt,  das  unter  dem  Namen  „Mottenhexe"  im 
Handel  ist.  Pfeffer  hat  keine  genügende  Wirksamkeit  und  kann  höchstens 
manchmal  die  Weibchen  von  der  Eiablage  abhalten. 

„Für  die  Bekämpfung  in  gewerblichen  Betrieben  kommt  die  Vergasung 
der  Lagerräume  mit  Schwefeldioxyd,  Schwefelkohlenstoff,  Areginal,  Tetra- 
chlorkohlenstoff oder  Blausäure  in  Frage  oder  für  Einzelstücke  und  kleine 
Posten  Anwendung  derselben  Gase  (besonders  Tetrachlorkohlenstoff  oder 
Areginal)  in  Vergasungskisten.  Blausäure  kommt  nur  für  Großbetriebe  in 
Frage,  da  die  Anwendung  nur  mit  behördlicher  Konzession  vorgenommen 
werden  darf"  (Zacher). 

„Einen  ganz  neuen  Weg  der  Bekämpfung  bietet  das  unter  dem  Namen  ,,Eulan" 
von  der  Firma  I.  G.  Farbenindustrie  (Farbenfabriken  vorm.  Friedr.  Bayer)  in 
den  Handel  gebrachte  Präparat.  Die  Grundlage  bildete  die  Beobachtung,  daß  ge- 
wisse grüne  Stoffe  nicht  von  Motten  gefressen  werden,  zu  deren  Färbung  ein  be- 
stimmter, heute  nicht  mehr  gebräuchlicher  Teerfarbstoff,  das  „Martiusgelb"  ver- 
wendet worden  war.  Hiervon  ausgehend,  ist  es  gelungen,  ein  färb-  und  geruchloses 
Mittel  herzustellen,  das  die  damit  durchtränkte  Wolle  vollkommen  ,, mottenecht" 
macht.  Die  Mottenraupen  fressen  die  mit  diesem  „Eulan"  genannten  Präparat  be- 
handelte Wolle  nicht,  und  soweit  sie  doch  kleine  Teilchen  davon  abbeißen,  zeigen 
sie  eine  hohe   Sterblichkeit,  die  durch  die  spezifische   Giftwirkung  des  „Eulans"  be- 


ll  Zacher,   Fr.,  Die  Vorrats-,  Speicher-  und   Materialschädlinge  und  ihre  Be- 
kämpfung.   Berlin  (P.  Parey)    1927. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  151 

wirkt  wird.    Die  Raupen  verlieren  jede  Freßlust,  wandern  unstet  umher  und  spinnen 
keine  Röhren  mehr. 

„Das  ,Eulan'- Verfahren  ist  mit  Erfolg  anwendbar,  sowohl  für  Garne,  lose  Wolle 
und  Kammzug  wie  für  Strickware,  ferner  auch  für  Federn,  Roßhaare  und  Borsten. 
Pelze  kann  man  bei  der  Gerbung  oder  Färbung,  nicht  mehr  aber  als  tragfertige 
Pelze  behandeln"    (Zacher). 

Tinea  pellionella  L. 

P  e  1  z  m  o  1 1  e. 

Kopf  gelb,  Augen  breiter  als  der  Zwischenraum  zwischen  ihnen.  Vorderflügel 
fettglänzend  hellgelb,  manchmal  mit  mehreren  deutlichen  dunklen  Punkten.  Flügel- 
saum gelblich.  Hinterflügel  so  breit  wie  die  Vorderflügel,  hellgrau.  Fühler  und 
Palpen  dunkel.  Spannweite  ii  — 17  mm.  Die  Raupen  unterscheiden  sich  von  denen 
der  vorigen  Art   durch  ihren  schwarzen  Kopf. 

Diese  kosmopolitische  Art  lebt  ähnlich  wie  die  Kleidermotte.  Doch 
unterscheiden  sich  die  Raupen  in  ihrer  Lebensweise  insofern  von  diesen,  als 
sie  nicht  in  festsitzenden  Gespinströhren  leben,  sondern  in  selbstgesponnenen 
Köchern,  die  sie  dauernd  mit  sich  herumtragen  und  entsprechend  ihrem 
Wachstum  vergrößern.  Erwachsen,  heften  sie  ihre  Köcher  mit  eigenen 
Seidenfäden  an  der   Unterlage  fest   (Zacher). 

Die  Pelzmottenraupe  frißt  an  allerlei  Wollstoffen,  Fellen, 
Federn  usw.  In  Haushaltungen  ist  sie  bei  uns  im  allgemeinen  nicht  häufig; 
dagegen  treten  sie  in  Bettfedernhandlimgen  oft  sehr  schädigend  auf 
(Zacher).    Bekämpfung  wie  bei  der  vorigen  Art. 

Tinea  cloacella  Hw. 

Schleusenmotte,  Kork  motte. 
Taf.  I,  Fig.  5. 

Falter:  Gelbbraun,  weißlich  gemischt ;  der  Schulterfleck  rundlich,  nicht  bis  zur 
Falte  reichend.  Hinterflügel  stumpfwinklig.  Kopfhaare  rostgelb.  Raupe  weißlichgelb, 
mit  feinen,  braunen  Wärzchen  und  hellbraunem  Nackenschild.   Spw.    15 — 18  mm. 

Die  Korkmotte  steht  sowohl  mor- 
phologisch als  auch  biologisch  der  in 
Getreidespeichern  so  sehr  gefürchteten 
Getreidemotte  (Tinea  granella  L.)  sehr 
nahe.  Biologisch  unterscheidet  sie  sich 
insofern  von  dieser,  als  sie  feuchte 
Nahrung  und  Aufenthaltsorte  bevor- 
zugt, während  die  Getreidemotte  nur 
an  trockene  Samen  geht. 

Der  Falter  fliegt  meist  von  Mai 
bis    Juli    (kann    aber    auch    schon    im 

April    und   noch    im    September    beob-  p^^^^  .^o.     Die  Korkmotte,  Tinea 

achtet   werden).    Die   Raupen   überwin-  cloacella  Hw.     2\'2  X- 

tern   und   verwandeln   sich   im   folgen- 
den Frühjahr  in  die  Puppe,  die  sich  aus  ihrem  Gespinst  herausschiebt. 

Über  den  Schaden  schreibt  Zacher  (S.  216):  So  lange  die  Raupen  nur 
Schiinmelpilze  fressen  oder  im  Freien  an  Baumschwämmen  vorkoinmen,  sind 
sie  ohne  Bedeutung.    In  Weinkellern   dagegen  können  die   Verluste  großen 


152 


IL  Spezieller  Teil. 


Umfang  annehmen.  Hunderte  von  Flaschen  wertvoller  Weine  sind  schon 
dadurch  vernichtet  worden,  daß  die  Raupen  die  Korken  zerfressen  haben 
(Abb.  loi).  Krausse  (191 6)  beobachtete  die  Raupen 
in  getrockneten  Steinpilzen,  die  sie  völlig  zer- 
störten bzw.  unbrauchbar  machten.  Die  zerfres- 
senen Pilze  bildeten  Klumpen,  bestehend  aus  durch 
Fäden  zusammengesponnenen  Pilzresten  und  Ex- 
krementen. Hartmann  gibt  als  Fraßorte  an: 
faulendes  Holz  von  Eichen,  Buchen,  Birken  und 
Weiden. 

Zur  Vorbeugung  gegen  Korkfraß  empfiehlt 
Stell waag  (1928,  S.  757)  Anwendung  von  Me- 
tallhülsen. Blausäureräucherungen  des  Kellers 
haben  guten  Erfolg  gezeitigt,  lassen  sich  aber  nur 
in  solchen  Kellern  durchführen,  die  ganz  dicht  ab- 
_  gedichtet    werden    können. 

Abb.  loi.  Kork  einer  Wein-  

flasche,    von    Tinea    cloa- 

cella  Hw.  l3enagt^  ^^^  cloacella  leben  noch  eine  ganze  Anzahl  anderer 

'=''  T^/V^^^-Arten  in  faulendem  Holz,  Baumschwämmen  usw.,  wie: 

2\parasitella   Hb.   (in   Holzschwämmen  und  faulem   Holz). 
T .corticella   Curt.    (in   Buchenschwämmen), 
T.  quercicolella   H.  S.    (in    Schwämmen   und   krebsartigen   Auswüchsen   alter   Eichen). 

In  Vogelnestern  lebt: 
T .  fusci punctella  Hw.  (in  Vogelnestern,  Taubenställen,  Mehlwurmtöpfen  usw.) 

Trichophaga  tapetiella  L. 

T  a  p  e  t  e  n  m  o  1 1  e. 

Eine  größere  Motte  (12 — 24  mm  i  mit  ausgesprochener  Vorderflügel-Zeichnung: 
Am  Grunde  sind  die  Vorderflügel  schwarzbraun,  die  übrigen  zwei  Drittel  gell:i]ich- 
weiß  mit  bräunlichem  Spitzenfleck.    Die  Kopfhaare  weiß. 

„Die  Larven,  die  wie  die  Kleidermottenlarven  Gänge  in  das  Nährmate- 
rial fressen  und  ihre  Seidenköcher  festspinnen  wie  diese,  oder  in  einem 
Säckchen  leben  wie  die  Pelzmotte,  erreichen  eine  Länge  von  13  mm.  Ver- 
breitung: Europa,  Westasien,  Japan,  Nordamerika.  Sie  bevorzugen  gröbere 
Gewebe,  schädigen  Fußboden-  und  Wandbespannung,  Möbelpolsterung, 
Teppiche,  Pferdedecken,  Felle,  Häute  und  Pelze  und  sollen  sogar  Papier- 
tapeten angegriffen  haben  (letzteres  wohl  Irrtum,  es  wird  Stoff tapete  ge- 
wesen sein).  Sie  ist  bei  uns  auch  im  Freien  vorhanden,  wo  sie  in  den  vor- 
wiegend aus  Mäusehaaren  bestehenden  Gewöllen  von  Schleiereulen  und 
anderen  Raubvögeln  gefunden  wurde.  Auch  in  Bettfederhandlungen  treten 
sie  zuweilen  stark  schädigend  auf.  Bekämpfung  wie  bei  der  Kleidermotte" 
(Zacher). 

5.  Unterfamilie:  Hyponomeutinae. 

Kopf  deutlich  abgegrenzt,  mit  breiter,  gewölbter  Stirn,  oben  dicht 
wollig  oder  etwas  anliegend  behaart.    Fühler  vorne  über  den  Augen  befestigt. 


oder  hängend,  ziemlich  klein.    Vorderflügel  bis  -/s  gleich  breit,  oder  wenn 
verbreitert,  dann  VR  abgebogen.   Zumeist  geht  r^  früh  ab  und  ist  eine  große 


.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


153 


Anhangszelle  vorhanden;  r^  und  r^  (trennen  sich  oft  erst  nach  dem  Discus) 
umfassen  die  Spitze.  Wenn  /-o — r^  um  die  Discusspitze  zusammengedrängt 
stehen,  so  fehlt  die  Anhangszelle.  Vor  r^  meist  die  Membran  getrübt 
(Stigma).  Ader  an  gegen  den  Saum  kräftig,  Wurzelschlinge  bisweilen  sehr 
groß.    Hinterflügel  bis  1/3  oder  1/2  mit  vorgebauchtem  Vorderrand. 

Raupen  sehr  verschieden  lebend,  viele  minierend  in  Blättern,  Nadeln, 
Knospen  oder  Früchten,  andere  gesellig  in  großen  Gespinsten  lebend.  Die 
Falter  ruhen  mit  dachförmigen  Flügeln. 

Ca.  20  Gattungen  und  ca.  120  europäische  Arten,  von  denen  nur  wenige 
forstlich  schädlich  bzw.  beachtenswert  sind. 

Die  hier  behandelten  Gattungen  lassen  sich  dichotomisch  folgender- 
maßen darstellen: 

1.  Im  Vorderflügel  gehen  5  Adern  in  den  VR  (Abb.  102) 2 

—  Im  Vorderflügel  gehen  nur  4  Adern  in  den  VR 7 

2.  Im  Hinterflügel  rr  und  ?n^,  also  die  die  Spitze  umgreifenden  Adern, 

lang  gestielt 8.  Cerosioma   Ltr. 

^^z^~~3)Cf^~"an  ^^  ^^^    ^^7    ^" 

Abb.  102.      Flügelgeäder   von    Hypono-  Abb.    103.      Flügelgeäder   von   Frais  curli- 

meula    Ltr.     Vorderflügel    mit    Stigma.  sellits  Dup.     Nach  Spul  er. 

Nach  S  p  u  1  e  r. 


—  Im    Hinterflügel    die    die    Spitze    umgreifenden    Adern    nicht    lang- 
gestielt    3 

3.  Im  Hinterflügel  gehen  von  den  aus  der  Zelle  entspringenden  Adern 
(also  m^  bis  cu^   5  in  den  Außenrand  des   Flügels 4 

—  Im  Hinterflügel  gehen  von  den  aus  der  Zelle  entspringenden  Adern 
nur    4  in    den    Außenrand 5 

4.  Im  Hinterflügel  m^  und  ?«,'  ^Iso  die  beiden  unterhalb  der  Spitze  in 

den   Saum  gehenden   Adern  gestielt    (Abb.  iio,    S.  162)    .      .      4.  ArgyreslJüa  Hb. 

—  Im   Hinterflügel  7n^   und   Wo  nicht   gestielt 2.  Scytliropia  Hb. 

5.  Hinterflügel    an    der    Wurzel    mit    einer    glasklaren,    schuppenlosen 
Stelle.     Vorderflügel   meist    grau   oder   weiß   mit   schwarzen   Punkten 

3.  Hypoiio/nc!i/a  Ltr. 

—  Hinterflügel    ohne    Glasfenster    an    der    Wurzel 6 

6.  Im  Vorderflügel  die  die  Spitze  umfassenden  Adern   {r^  und  r.J   ge- 
stielt  (Abb.   103),   Kopf  ziemlich  angedrückt  beschuppt,  Palpen  lang, 

den    Kopf    überragend i.  Prays  Hb. 

—  Im    Vorderflügel   die    die    Spitze    umfassenden    Adern    nicht    gestielt 
(Abb.  121,    S.  172),    Kopf,    wenigstens   oben,   abstehend,    Stigma   dick, 

groß    und    deutlich 5.  Cedestis  Hb. 


154  II.  Spezieller  Teil. 

7.   Im   Vorderflügel   die   die   Spitze   umgreifenden   Adern   nicht   gestielt 

6.  Dyscedestis  Spul. 
—  Im  Vorderflügel  die  betreffenden   Adern  gestielt    (Abb.  125,   S.  173) 

7.  Ocnerostoma  ZU. 


Gattung  Prays  Hb. 

Kopf  anliegend  behaart,  Wurzelglied  der  Fühler  verdickt,  nackt.  Palpen 
länger  als  der  Kopf.  Ohne  Nebenpalpen.  Vorderflügel  mit  sehr  langem  Discus 
und  großer  Wurzelschlinge,  r^  und  r^  gestielt.  Stigma  zwischen  r^  und  VR.  Hinter- 
flügel mit  scharfer  Spitze  und  stark  erweitertem  bzw.  gebauchtem  VR.  Ader  m^ 
und  cu-j^  verschmolzen  (Abb.  103). 

Raupen  zuerst  minierend,  dann  in  Knospen.  Nur  eine  Art  forstlich  be- 
achtenswert: P.  curtisellus  Dup. 

Prays  curtisellus  Dup. 

Eschenzwiesel  motte. 
(Taf.  I,   Fig.  7.) 

Falter  anliegend  dicht  behaart.  Augen  schwarz,  Thorax  weiß,  seitlich 
schwarz  gerandet,  Hinterleib  oben  braungrau,  unten  heller.  Vorderflügel  weiß  mit 
dunkel  braungrauen  Fransen.  Am  Vorderrande  nicht  weit  von  der  Wurzel  beginnend 
und  bis  zu  zwei  Drittel  der  Flügellänge  reichend  ein  grauer  Dreiecksfleck,  der  mit 
einer  bedeutend  dunkleren,  oft  schwarzen  Spitze  weit  in  die  Flügelfläche  hineinragt. 
Am  Vorderrande  in  demselben  mitunter  hellere  Fleckchen.  Nahe  der  Wurzel,  an  der 
Spitze  und  am  Innenwinkel  noch  mehrere  kleinere  dunkelbraune  oder  schwarze 
Flecken.    Hinterflügel  braungrau  mit  etwas  helleren  Fransen.  Spannweite  14 — 17  mm. 

Raupe  in  der  Jugend  honiggelb  mit  braunem  Kopfe  und  Nackenschilde; 
später  durchscheinend  schmutzig  grün,  auf  dem  Rücken  rotbraun  gewässert,  auf 
dem  Bauche  dunkelgrün;  der  Kopf,  das  geteilte  Nackenschild  und  die  Afterklappe 
schwarz.    Länge   7 — 10   mm. 

Puppe  in  lockerem  Gespinste,  anfänglich  grün  mit  braunem  Vorder-  und 
Hinterende;  die  verlassene  Hülle  ist  ledergelb. 

Verbreitung:  Von  England,  Schottland  und  Schweden  durch  Frankreich 
und  Deutschland  bis  Piemont  und  Rußland,  sowie  in  Armenien,  aber  immer  mehr 
lokal. 

Über  die  Bionomie  dieses  recht  lästigen  Eschenschädlings  hat  zuerst 
Kaltenbach  nähere  Angaben  gemacht;  besonders  eingehend  hat  sich  dann 
Borg  mann  mit  demselben  beschäftigt,  der  das  Tier  in  die  Forstentomologie 
eingeführt  und  mehrere  Arbeiten  darüber  veröffentlicht  hat  (1888,  1891  und 
1893).    Von  ihm  stammt  auch  die  Bezeichnung  „Eschenzwieselmotte". 

Wir  folgen  hier  in  der  Hauptsache  der  Darstellung  Borgmanns. 

Unsere  Motte  hat,  wenigstens  in  unserem  Gebiet,  eine  doppelte  Gene- 
ration mit  folgender  Bioformel: 

6P  — 7 


;a_[-8P 


8P  — 9,5 


6^-[-6P  \ 

Der  Falter  fliegt  zum  erstenmal  in  der  zweiten  Hälfte  des  Juni;  die 
Eier  werden  von  den  Weibchen  an  die  Blätter  abgelegt,  und  anfänglich 
minieren  die  jungen  Räupchen  in  denselben,  indem  sie  das  Blattfleisch 
zwischen  Ober-  und  Unterhaut  ausfressen.  Diese  mit  braunem  Kot  aus- 
gefüllten Minen  (Abb.  104  F)  haben  keine  besonders  charakteristische  Gestalt. 
Bald  verläßt  aber  die  wachsende  Raupe  die  Mine  und  frißt  nun  die  Ober- 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


155 


Seite  des  Blattes  und  das  Blattfleisch,  so  daß  nur  die  Unterhaut  des  Blattes 
stehen  bleibt  (Abb.  104  G).  Bei  weiterem  Wachstum  sucht  die  Raupe  zwischen 
aufeinanderliegenden  Blättern  Schutz,  spinnt  sie  zusammen  und  frißt  große 
Löcher,  welche  mit  einigen  Spinnfäden,  in  denen  Kotklümpchen  hängen, 
ijberzogen  werden  (Abb.  104  H).  Die  Verpuppung  findet  Ende  Juli,  Anfang 
August  meist  nicht  am  Fraßorte,  sondern  am  Boden  zwischen  dürren  Blättern 
statt.    Die  Puppenruhe  dauert  jetzt  ungefähr  nur  8  Tage. 

Zum  zweitenmal  fliegt  also  der  Falter  Mitte  und  Ende  August,  legt 
wieder  seine  Eier  an  die  Blätter,  und  die  jungen  Septemberräupchen  minieren 
diese  genau  so,  wie  es  die  Juliräupchen  zuerst  taten.  Anfang  Oktober,  wenn 
die  Blätter  abfallen,  verlassen  sie  aber  die  Minen  und  bohren  sich  nun  durch 
die   Knospendeckblätter  in   die  Terminalknospen   der  Eschentriebe   ein.    Ihr 


Abb.  104.  Die  Eschenzwieselmotte,  Prays  ctirlisellus  Dup.  und  ihr  Fraß. 
A  der  Falter  (2  mal  vergr.),  B  Herbstfraß  der  jungen  Raupe  in  der  Endknospe  (das 
Bohrloch  ist  durch  einen  schwarzen  Punkt  angedeutet,  die  punktierte  Linie  zeigt  den 
Schnitt  an,  durch  den  die  Zwieselbildung  vermieden  werden  kann).  C  die  junge  Raupe 
hatjdie  austreibende  Knospe  im  Frühjahr  verlassen  und  sitzt  äußerlich  zwischen  den 
Gespinstfäden.  D  und  E  Fraß  der  Frühjahrsraupe  im  Trieb,  F,  G,  H  Fraß  der  Sommer- 
raupen an  den  Blättern,  B  — H  1/2  n^^.  Größe. 
Nach    Borgmann    und    A  1 1  u  m    aus    N  i  t  s  c  h  e. 


Vorhandensein  wird  durch  leicht  zusammengesponnenes  Bohrmehl  um  das 
sehr  feine  Eingangsloch  angedeutet  (Abb.  104  C).  Hier  ruht  die  Raupe  im 
Winterlager.  Bei  Beginn  des  Frühjahres  wächst  sie  rasch,  frißt  nun  die  in- 
folge davon  nicht  austreibende  Terminalknospe  vollständig  aus,  gibt  dann 
ihre  versteckte  Lebensweise  auf  und  frißt  frei  an  den  eben  ausgebrochenen 
Eschenblättern.  Ist  der  Knospeninhalt  aufgezehrt,  ehe  der  Laubausbruch  er- 
folgt, so  erwartet  die  Raupe  diesen  mitunter  zwischen  einigen  äußerlich  an 


156  11.  Spezieller  Teil. 

die  Terminal-  und  die  eine  Seitenknospe  angesponnenen  Fäden  (Abb.  104 C). 
Mitunter  scheint  aber  die  Terminalknospe  nur  so  wenig  beschädigt  zu  werden, 
daß  sie  doch  noch  austreibt,  dann  steigt  die  Raupe  im  Triebe  nach  abwärts 
(Abb.  104  D  u.  E)  und  höhlt  ihn  auf  eine  Länge  von  i — 2  cm  aus,  worauf  der- 
selbe schwarz  wird  und  mitsamt  den  entwickelten  Blättern  abstirbt.  Mitunter 
scheint  aber  auch  letzteres  nicht  zu  geschehen,  vielmehr  entwickeln  sich  zwar 
oberhalb  der  Fraßstelle  End-  und  Seitenknospen,  doch  bleiben  sie  schwäch- 
lich, kümmern  und  sterben  später  wohl  auch  ab.  Bei  dem  Fraß  im  Triebe 
wird  der  Kot  durch  seitliche  Löcher  ausgeworfen.  In  diesem  Fall  scheint  ein 
äußerer  Fraß  an  den  Blättern  nicht  zu  folgen.  Aber  auch  dann  verläßt  die 
erwachsene  Raupe  ihre  Fraßstelle  und  verpuppt  sich  äußerlich  am  Zweige 
Anfang  Juni  in  einem  weitmaschigen,  hängemattenähnlichen,  nur  aus  wenig 
Fäden  bestehenden  Gespinste.  Der  Falter  erscheint  dann  im  Juni  nach  einer 
etwas  längeren  aber  höchstens  drei  Wochen  dauernden  Puppenruhe,  mitunter 
noch  im  Juli. 

Die  Raupe  scheint  monophag  zu  sein,  wenigstens  ist  sie  bis  jetzt  nur 
an  Esche  (Fraxifius  excelsior)  gefunden  worden.  Mit  Vorliebe  werden  junge 
Pflanzen  und  Heister  angegangen,  und  zwar  meist  die  überschatteten  und 
dichtstehenden  Stämmchen,  seltener  freistehende. 

Der  Fraß  der  Sommergeneration  ist  vollständig  gleichgültig,  dagegen 
kann  der  Fraß  der  Wintergeneration  recht  lästig  und  schädlich  werden.  Er 
ist  wohl  einer  der  Gründe  für  die  Zwieselbildung,  die  „bei  keiner  anderen 
einheimischen  Laubholzart  so  häufig  vorkommt  als  bei  der  Esche".  Nach 
Zerstörung  der  Terminalknospe  entwickeln  sich  nämlich  unter  derselben  die 
beiden  Seitenknospen,  so  daß  eine  Gabel  entsteht.  Der  von  Borgmann  ge- 
gebene Name  Eschenzwieselmotte  ist  daher  völlig  zutreffend. 

In  den  Beständen  dürfte  es  kaum  angehen,  diesen  Schädling  zu  be- 
kämpfen. Doch  kann  dies  in  den  Kämpen  wohl  geschehen.  Allerdings  ist  es 
schwer,  bereits  im  Herbst  die  angebohrten  Knospen  aufzufinden,  doch  ist 
dies  beim  zeitigen  Frühjahrsfraß  wohl  möglich,  wenn  man  auf  die  Triebe 
achtet,  an  denen  entweder  eine  Blattentwicklung  unterbleibt  oder  die  etwa 
entstandenen  noch  grünen  Blätter  herabhängen.  Dann  kann  man  durch  einen 
Schrägschnitt  die  Terminalknospe  nebst  einer  der  Seitenknospen  entfernen 
und  so  die  andere  Seitenknospe  veranlassen,  sich  zu  einem  Endtriebe  auszu- 
bilden. Ist  die  Knospe  noch  von  der  Raupe  bewohnt,  so  wird  diese  gleich- 
zeitig vernichtet;  war  die  Raupe  bereits  ausgewandert,  verhindert  man  wenig- 
stens die  Zwieselbildung  (Abb.  104 B). 

Die  zweite  europäische  Art  derselben  Gattung,  Prays  oleella  Farr.,  lebt  im 
Süden  an  der  Olive  und  hat  eine  dreifache  Generation:  Die  Frühlingsraupen 
minieren  die  Blätter,  die  der  folgenden  Generation  zerstören  die  noch  nicht  ge- 
öffneten Blüten  und  die  der  letzten  die  Früchte  selbst.    Sie  ist  daher  sehr  schädlich. 

Gattung  Hyponomeuta  Ltr. 

Gespinstmotten. 
Größere  Motten  mit  charakteristischer  Färbung:  Vorderflügel  weiß  mit 
schwarzen  Punkten,  Hinterflügel  grau.  Kopf  anliegend,  hinten  seitlich  in  die  Höhe 
gestrichen  behaart.  Palpen  von  i — 2  Kopflänge,  aufgebogen,  schlank,  Nebenpalpen 
meist  sehr  klein.  Vorderflügel  lang,  bis  Vs  der  Länge  verbreitert,  mit  deutlichem 
Innenwinkel    zwischen   cu^    und   cil^-     Spitze   abgerundet.     Basal    w    ziemlich   gut    er- 


[.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


157 


halten,  m^  und  c//^  nahe  beieinanderstehend.  Kurze  Wurzelschlinge,  ax^  lang,  nahe 
bei  an  mündend.  Hinterflügel  bis  zur  Mitte  verbreitert,  dann  der  VR  scharf  an- 
gezogen.   /«,  nahe  bei  m-^  entspringend,   W3  stets  mit  cu-^^  verschmolzen   (s.  Abb.  102). 

Die  meist  gelblichen,  dunkel  punktierten  Raupen  leben  gesellig  in 
großen  Gespinsten  auf  Sträuchern,  Bäumen.  An  Obstbäumen  oft  großen 
Schaden  machend.    In  Europa  ein  Dutzend  Arten. 

Die  Bionomie  aller  Gespinstmotten  ist  in  der  Hauptsache  die  gleiche, 
so  daß  wir  sie  hier  gemeinsam  (nach  H .  7nalinella)  behandeln  können.  Wir 
geben  hier  die  Schilderung  von  Reh  (S.307) 
wieder,  die  alles  Wissenswerte  enthält: 

„Der  Falter  fliegt  von  Ende  Juni  (im 
Süden)  bzw.  Mitte  Juli  (im  Norden)  an  bis 
August.  Das  Weibchen  legt  je  50 — 80  Eier 
dachziegelförmig  in  einem  Häufchen  an  die 
glatte  Rinde  der  jungen  Zweige  und  über- 
deckt sie  mit  einer  schleimigen,  rasch  er- 
härtenden, zuerst  gelblichen,  glatten,  später 
braunen,     runzeligen     Ausscheidung     seines 


et 


Abb.  105.    Hypo)ioiueiita  pade/la  L.    2i/j  X- 

Hinterleibes.  Nach  3 — 4  Wochen  schlüpfen 
die  Räupchen  aus,  die  aber  unter  ihrem 
durch  die  Eischalen  und  ein  dichtes  Ge- 
spinst verstärkten  Schilde  bleiben  und  über- 
wintern. Sie  scheinen  sich  dabei  vom  Baum- 
safte zu  ernähren,  wenigstens  bleibt  die 
Rinde  unter  ihnen  immer  grün  und  feucht. 
Von  Mitte  März  bis  Anfang  Mai  verlassen 
sie  den  Schild  durch  i — 2  nadelstichfeine 
Öffnungen  und  begeben  sich  zur  nächsten 
Knospe.  Ist  diese  noch  geschlossen,  so  wird 
sie  ausgehöhlt;  ist  sie  schon  geöffnet,  so 
bohren  sich  die  i  mm  langen,  schwarz- 
köpf igen    Räupchen    zu    je     10 — 12    in    die 

äußeren  Blättchen  von  der  Spitze  aus  ein  und  minieren  sie  nach  der 
Basis  zu  aus;  die  betreffenden  Blättchen  werden  von  der  Spitze  aus  zu- 
nächst rot,  dann  braun,  sterben  und  fallen  ab.  Wenn  die  Räupchen  derart 
eine  Anzahl  junger  Blätter  ausgefressen  haben,  gehen  sie  auf  das  nächste 
größere  Blatt  und  skelettieren  es  von  oben  unter  einer  schützenden  Gespinst- 


Abb.  106.      Gespinst  von   Hy[^uiio- 

mciita  cogiialeUa  Hb.  an  Pfaffen- 

käppchen    (Evony/ni/s).      a  einige 

Kokons.      Nach  Nitsche. 


158  II.  Spezieller  Teil. 

decke.  Nach  weiteren  lo  Tagen  sind  sie  etwa  5  mm  lang,  gelb  mit  schwarzen 
Schildern  und  Brustfüßen.  Nun  wandern  sie  nach  den  Astgipfeln  und  ver- 
fertigen das  erste  Nest  (Abb.  106).  Solange  möglich,  suchen  sie  dieses  durch 
Einspinnen  neuer  Blätter  zu  vergrößern;  nur  wenn  keine  Blätter  mehr  in  er- 
reichbarer Nähe  sind,  verlassen  sie  das  alte  und  spinnen  an  einem  neuen  Trieb 
ein  neues  Nest,  wobei  sich  oft  die  Insassen  verschiedener  Nester  vereinigen,  so 
daß  große,  bis  1000  Individuen  zählende  Sammelnester  entstehen  können. 
Auch  die  Rinde  junger  Zweige  wird  im  Notfalle  abgenagt.  Im  Juni  ver- 
puppen sie  sich  in  dem  Gespinst,  jede  in  einem  eigenen,  dichten,  weißen 
Kokon,  die  bei  H .  malinella  in  dichten  Klumpen  senkrecht  nebeneinander- 
stehen. 

In  manchen  Jahren,  nach  Schreiner  besonders  in  solchen  mit  trockenen, 
heißen  Sommern,  treten  die  Gespinstmotten  in  ungeheuren  Massen  auf  und 
können  dann  ganze  Bäume  unter  einem  scheinbar  zusammenhängenden  Neste 
entblättern.  Im  allgemeinen  ist  der  Schaden  nicht  besonders  groß,  da  der 
Fraß  so  früh  beendet  ist,  daß  die  Bäume  sich  später  wieder  belauben  können; 
so  kann  derselbe  Baum  oder  Strauch  fast  jahraus  jahrein  kahl  gefressen 
werden,  ohne  ernstlich  zu  leiden.  —  An  Obstbäumen  wird  selbstverständlich 
die  Ernte  durch  die  Zerstörung  des  Laubes  sehr  beeinflußt  und  kann  bei 
Kahlfraß  völlig  zunichte  werden i). 

„Auf  ein  starkes  Gfespinstmottenjahr  braucht  nicht  ein  gleiches  zu  folgen. 
Nicht  selten  bedecken  sich  Mitte  Mai  Bäume  und  Sträucher  dicht  mit  den 
Gespinsten,  die  Ende  des  Monats  oder  Anfang  Juni  wieder  ganz  verschwun- 
den oder  wenigstens  jämmerlich  mitgenommen  sind.  Ob  dieses  auf  tierische 
Feinde  oder  auf  ungünstige  Witterung,  namentlich  kalte  Regen  zurück- 
zuführen ist,  muß  dahingestellt  bleiben." 

Jedenfalls  werden  die  Gespinstmotten  von  einem  großen  Heer  von 
Parasiten  befallen,  denen  ein  wesentlicher  Anteil  an  den  Gradationskrisen  zu- 
fallen dürfte.  Durch  Ratzeburg,  Mokrzecki  (1913)  und  Schwangart 
(1915)2)  sind  die  Parasiten  eingehend  studiert.  Bei  einem  der  Hyponoineuta- 
Parasiten  (Ageniaspis  fuscicollis  Thom.)  kommt  Polyembryonie  vor,  durch 
die  eine  besonders  starke  und  schnelle  Vermehrung  ermöglicht  wird  (s.  Bd.  I, 
S.  128). 

Die  Gespinste  der  Hyponomeuten  können  große  Festigkeit  erlangen.  Besonders 
scheint  sich  in  dieser  Beziehung  das  Gespinst  von  evonymella  hervorzutun,  wie 
Nitsche  (S.  1065)  erwähnt  und  neuerdings  von  Sihler  (1920)  näher  erläutert 
wird.  Besonders  bei  Kahlfraß  schieiern  die  Raupen  dieser  Art  den  ganzen  befallenen 
Baum  von  der  Krone  herab  bis  zum  Fuß  mit  einem  dichten  Schutzgespinst  ein,  das 
eine  erstaunlich  große  Reißfestigkeit  aufweist.  Die  mikroskopische  Untersuchimg 
zeigt  deutlich  eine  Hauptrichtung  der  Gespinstfäden  und  das  gleichzeitige  Auftreten 
anderer  schief  und  senkrecht  zur  Hauptrichtung  laufender  und  lassen  somit  ganz  den 
Charakter  der  Kunstprodukte  des  heutigen  Maschinenpapiers  erkennen,  und  zwar  des 
allerfeinsten  Papiers  (feiner  und  leichter  als  japanisches  Seidenpapier  und  nur  i/^o  so 
schwer  als  gewöhnliches  Zigarettenpapier).  Die  große  Reißfestigkeit  und  Dehnbar- 
keit von  Garnen  aus  diesem  Raupengewebe  entspricht  dem  „optimalen  Drall"  der 
Papiergarne.    Es   wurden   denn   auch   schon  verschiedentlich   Versuche   unternommen, 


1)  Nach  Schreiner  beträgt  der  jährliche  Verlust  der  Apfelernte  bei  Saratow 
gegen  3  Millionen  Mark. 

2)  Schwangart    führt    10    Tachinen,    7    Braconiden,    ■^2)    Ichneumoniden    und 
19  Chalcididen  an. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  159 

die  evo/iymella-Ges'pinsie   technisch   zu   verwerten,   ohne  jedoch  zu   einem   Erfolg  ge- 
kommen  zu   sein. 

„Die  Unterscheidung  der  verschiedenen  Arten  ist  trotz  anscheinend  guter 
morphologischer  und  biologischer  Merkmale  schwierig,  da  die  Variabilität 
eine  recht  breite  ist;  die  Anschauung  Marchals,  daß  die  meisten  Arten 
nur  biologische,  an  die  verschiedenen  Nährpflanzen  angepaßte  Formen  seien, 
hat  manches  für  sich.  Dagegen  spricht  allerdings  die  große  Polyphagie  der 
meisten  Arten,  vorausgesetzt,  daß  die  betreffenden  Angaben  nicht  auf 
ungenaue  Bestimmung  beruhen"  (Reh).  Große  Verwirrung  herrscht  bezüg- 
lich der  Synonymie.  Wir  folgen  hier  der  im  Katalog  von  Staudinger- 
Rebe  1  angenommenen  Synonymik,  die  sich  mit  den  Angaben  Ratze burgs 
deckt.    Die  vier  häufigsten  Arten  sind: 

H.  padella   L.    (=  variabilis  ZIL).   (Taf.  I,  Fig.  8.) 

Vorderflügel  mit  ungefähr  30,  in  3  Längsreihen  stehenden,  ziemlich  großen 
Punkten.  Längs  des  Vorderrandes  ein  mehr  oder  weniger  breiter,  grauer  Anflug. 
Unterseite  der  Vorderflügel  und  Fransen  graubraun.  Spannweite  20 — 22  mm 
(Abb.  105). 

Raupe  16 füßig,  nach  vorn  und  hinten  auffallend  verschmälert,  mit  großem, 
hinten  ausgeschnittenem  dunklem  Kopfe  und  deutlichst  geteiltem  dunklem  Nacken- 
schilde. Leib  grau,  grünlich  oder  gelblich  mit  vier  dunkeln,  je  ein  langes  Haar 
tragenden  Warzen  auf  der  Oberseite  der  Ringe  4 — 12.  An  der  Seite  des  Leibes  zwei 
Reihen  weiterer  solcher  Wärzchen,  zu  je  einer  auf  jedem  Ringe.  Auf  den 
Ringen  i — 11  je  zwei  große,  dunkle,  nierenförmige  Chitinschilder,  die  auf  den 
Ringen  4 — 11  nach  außen  von  den  beiden  vorderen  Wärzchen  der  Oberseite  dicht  an 
denselben  stehen.  Letzter  Ring  mit  kleiner,  dunkler  Afterklappe.  Länge  ungefähr  2  cm. 

Puppe  an  Kopf,  Brust,  Flügelscheiden  und  Hinterleibsende  braun,  sonst  gelb- 
lich mit  6  hakigen  Borsten  am  Aflerende,  in  einem  spindelförmigen  durchsich- 
tigen Gespinste. 

Die  Raupe  lebt  hauptsächlich  auf  Eberesche,  Schlehe,  Schwarz-  und 
Weißdorn,  Mispel  und  Pyrus- Arten,  dann  außerdem  auch  (nach  Taschen- 
berg) auf  Weide  und  wildem  Kirschbaum. 

H.  cognatella  Hb.   {^  evonymella  Scop.). 

Kopf,  Brust  und  Vorderflügel  rein  weiß,  letztere  mit  ungefähr  je  einem 
Dutzend  größerer  schwarzer  Punkte  in  3  Längsreihen.  Außerdem  einige  kleine 
schwarze  Punkte  vor  der  Flügelspitze.  Fransen  auch  rein  weiß.  Unterseite  der 
Vorderflügel  grau,  die  hintere  Hälfte  des  Vorderrandes  und  die  Saumfransen  rein 
weiß.    Hinterflügel  grau,  gegen  die  Spitze  hin  mehr  weiß.    Spannweite   19 — 24  mm. 

Raupe  der  vorigen  fast  gleich,  aber  Farbe  des  Leibes  gelb.  Länge  un- 
gefähr 2  cm. 

Puppe  gleichmäßig  rötlich  gelb,  ebenfalls  mit  6  Borstenhaaren  am  Afterende. 

Die  Hauptfraßpflanze  ist  Evonymus  europaeus  (Pfaffenkäppchen) ;  die  Raupe 
frißt  aber  auch  auf  Rhamnus  Jrangula,  Eberesche  und  Eichen  (Berenger 
1855). 

H.  malinella  ZU. 

Der  vorigen  Art  äußerst  ähnlich,  aber  durch  die  etwas  mehr  graue  Färbung  der 
Fransen  auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  sowie  auf  den  Hinterflügeln  unter- 
schieden. 

Die  Raupe  lebt  hauptsächlich  auf  Apfelbaum  und  anderen  Pyrus-kxiftVL, 
ferner  auf  Weißdorn,  Traubenkirsche  usw.  Die  Art  ist  weit  verbreitet,  über 
ganz  Mitteleuropa,   Italien,   Kleinasien,  Japan,  seit   1909  auch  in  Nordamerika. 


160  II.  Spezieller  Teil. 

H.   evonymella    L.    (=   padi   ZU.). 

Kopf,  Brust  und  Oberseite  der  Vorderflügel  rein  weiß,  letztere  mit  weißen 
Fransen  und  je  über  40  feiner,  schwarzer  Punkte,  die  in  5  Längsreihen  und 
vor  dem  Saume  stehen.  Unterseite  grau,  hintere  Hälfte  des  Vorderrandes  und  die 
Fransen  des  Saumes  weiß.  Hinterflügel  grau,  Fransen  gegen  die' Spitze  hin  weiß- 
lich.   Spannweite  22 — 25   mm. 

Raupe  den  vorigen  ähnlich,  aber  Leib  gelb  und  auf  den  Ringen  4—  1 1  nicht 
je  2,  sondern  je  4  dunkle  Chitinschilder,  von  denen  das  hintere  Paar  kleiner  ist  als 
das  vordere.    Länge   ungefähr  2  cm. 

Puppe  durch  den  Mangel  der  Borstenhaare  am  Afterende  deutlich  unter- 
schieden, in  durchsichtigem,   spindelförmigem   Gespinste. 

Raupe  auf  Prunus  padus,  cerasus,  Sorbus,  Rhamnus  frangula  u.  a. 

In  welch  ungeheuren  Mengen  die  Gespinstmotten  auftreten  können,  darüber 
gibt  Reh  (1908)  eine  sehr  anschauliche  Schilderung,  die  ich  hier  wiedergebe: 
„Direkt  an  der  Bahnlinie  (Lüneburg — Lauenburg)  liegt  der  etwa  i  qkm  im  Geviert 
messende  „Große  Bruch",  bestehend  in  der  Hauptsache  aus  hohen,  starken  Erlen. 
Den  Boden  bedecken  nahezu  i^/g  m  hohe  Brennesseln,  Bärenklau,  Gräser  usw.  Das 
Unterholz  bilden  kräftige  Büsche  von  Prunus  padus,  stellenweise  dicht  umrankt 
von  wildem   Hopfen. 

„Diese  Prunus-Sträucher  waren  nun  bereits  am  14.  Juni  von  den  Raupen  von 
Hypono7neuta  padi  ZU.  (^evonymella  L. )  vollständig  kahlgefressen.  Wir  konnten  nur 
mit  Mühe  einige  wenige  Blätter  entdecken,  um  die  Identität  der  Holzart  sicher  fest- 
zustellen. Die  Raupen  saßen  zum  Teil  in  Klumpen  bis  zu  doppelter  Faustdicke  an 
geschützten  Stellen  (namentlich  unter  Astgabeln),  z.  T.  kletterten  sie  einzeln  an  den 
Büschen  herum  oder  hingen  an  losen  Gespinstteilen  von  den  Ästen  herab.  Überall 
fanden  sich  Mengen  von  bereits  verhungerten  Raupen.  An  den  Prunus-Büschen 
hatten  sie  nicht  nur  die  Blätter  verzehrt,  sondern  auch  die  Rinde  der  jungen  Triebe 
und  deren  Spitzen  selbst  abgenagt.  (Das  gleiche,  für  diese  Arten  ungewöhnliche 
Verhalten  habe  ich  auch  mehrfach  am   Spindelbaum  beobachtet.") 

„Von  Hunger  getrieben  müssen  die  Raupen  ruhelos  umhergewandert  sein.  Die 
ganzen  Zweige,  Äste  und  Stämme  der  Prunus-Büsche  waren  überzogen  von  einem 
festen,  dichten,  seidigen  Gespinste,  das  so  dicht  war,  daß  sogar  Schnecken  daran 
umherkletterten,  die  doch  sonst  klebrige,  faserige  Stoffe  ängstlich  meiden.  Der 
Anblick  eines  solchen  Padus-Gebüsches  war  nahezu  der  einer  Winterlandschaft:  Alles 
weiß,  in  der  Sonne  lebhaft  glänzend"    (Abb.  107). 

In  der  forstlichen  Literatur  sind  uns  nur  zwei  spezielle  Angaben  über 
größere  Gespinstmottenschäden  bekannt.  1854  hat  nach  v.  Berenger  (1855) 
cogfiatella  in  dem  Staatsforste  Romagno  in  Friaul  den  ganzen  Eichenbestand 
dieses  Hochwaldes  sowie  auch  alle  Hecken  und  Bäume  der  Umgegend  gänz- 
lich entblättert,  während  gleichzeitig  eine  Gespinstmotten-Art  in  den  Herzog- 
tümern Parma  und  Piacenza  die  Apfelbäume  entlaubte.  Ferner  hat  1881  im 
Baranyer  Komitat  und  in  Szegedin  H.padella  die  Weiden  vollkommen  kahl- 
gefressen und  die  Zweige  vollkommen  übersponnen.  Der  Schaden  in  diesen 
Weidenhegern  war  bedeutend  (Anonymus,  1882).  Im  Obstbau  stellen  die 
Gespinstniotten  schlimme  Schädlinge  dar,  da  hier  Kahlfraß  ein  Ausbleiben 
der  Früchte  zur   Folge  hat. 

Bei  mäßigem  Auftreten  ist  das  Ausschneiden  und  Verbrennen  der  Ge- 
spinste oder  das  vorsichtige  Abbrennen  der  Gespinste  am  Baum  mittels 
Raupenfackel  ein  einfaches  Gegenmittel.  Bei  stärkerem  Auftreten  erfolgt  die 
Bekämpfung  am  besten  durch  Spritzen  mit  Arsenmitteln  oder  mit  einer 
iV2%igen   Lysollösung  oder   Petroleum-Seifen-Brühe,   die  namentlich  gegen 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


161 


das  skelettierende  Raupenstadium  von  Wirkung  sind, 
diese  Brühen  nur  schwer  in  die  Gespinste  ein,  licsnnrlcr'; 
sind.  Wo  dies  der  Fall 
ist,  empfiehlt  es  sich,  die 
Lab ordsche  Brühe,  die 
durch  dichtere  Gespinste 
gut  durchdringt,  zu  neh- 
men. Dieselbe  wird  fol- 
gendermaßenhergestellt : 
Man  löse  loo  g  reines 
Ätznatron  in  3  1  Wasser 
auf,  gebe  1,5  kg  Fichten- 
harz hinzu  und  erhitze 
die  Mischung  über  ge- 
lindem Feuer  unter  Um- 
rühren. Dann  füge  man 
noch  3  1  Wasser  hinzu, 
gieße  das  Ganze  durch 
ein  Metallsieb,  um  die 
Unreinigkeiten  des  Har- 
zes zu  entfernen,  und 
setze  noch  i  1  22  gra- 
diges Ammoniak  hinzu. 
Zum  Gebrauch  verdünne 
man  endlich  diese  Brühe 
noch  bis  auf  100  1  mit 
Wasser  (W a h  1).  —  Kar- 
bolineum  im  Winter  ver- 
nichtet viele  der  Gelege. 
Mokrzecki  (1913) 
empfiehlt,  die  Kokons 
zu  sammeln  und  unter 
engmaschigem  Drahtver- 
schluß aufzuheben,  so 
daß  die  Parasiten  aus- 
kommen  können. 


Allerdings    dringen 
renn  sie  schon  dicht 


Abb.  107.   PrunusSträucher  von  Gespinstmotten  völlig  kahl- 
gefressen und  stark  mit  weißen  Gespinsten  überzogen  („an 
eine  Winterlandschaft  erinnernd").     Nach  Reh. 


Gattung  Scythropia  Hb. 

Kopf  überall  wollig  behaart.  Wurzelglied  der  Fühler  nur  schwach  verdickt. 
Nebenpalpen  sehr  klein.  Vorderflügel  länglich,  Stigma  erstreckt  sich  von  /-»  bis 
vor  sc.  Anhangszelle  klein.  Basal  m^,  ,  und  m.^  ziemlich  gut  erhalten.  Hinter flügel 
zugespitzt,  mit  spitzer  und  kurzer  Mittelzelle,  daher  die  Endäste  lang  (viel  länger 
als  bei  Prays)   (Abb.  108). 

Scythropia  crataegella  L. 

W  e  i  ß  d  o  r  n  m  o  1 1  e. 
Vorderflügel     weißlich     aschgrau,     mit     2     braunen     Querbinden     und     braunen 
Punkten   am   VR   und   Saum,    Kopfhaare    weiß    (Abb.  1091. 

Raupe  gelblich  grün,  mit  großen,  glänzenden,  behaarten  Warzen,  Kopf  und 
Nackenschild    glänzend   schwarzbraun. 

Die  Weißdornmotte  steht  biologisch  den  Gespinstmotten  sehr  nahe,  indem  die 
Raupen  ebenfalls  gesellig  in  Gespinsten  leben. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  11 


162 


II.  Spezieller  Teil 


„Man  findet  zuweilen,"  schreibt  AI  tum  (F.  205),  „einen  größeren  oder 
kleineren  Teil  von  Weißdornpflanzen,  ja  das  ganze  große  Gebüsch  mit  Ge- 
spinst wie  mit  einem  feinen  Schleier  behangen  und  den  Weißdorn  selbst 
gänzlich  kahl.  In  diesem  Schleier  befinden  sich  zahlreiche  kugelförmige 
Räume  von  etwa  2  cm  Durchmesser,  ebenfalls  aus  sehr  zartem  Gespinst  be- 

ri 


3Xi  an 


CUi 


Abb.  108.   Flügelgeäder  von  5n'//;AO/>/V/ c/-^//«?«?- 

ge/la  L.     Stigma  im  Vorderflügel  von    r^,  bis 

vor  sc  sich  erstreckend.     Nach  S  p  u  1  e  r. 


Abb.  109. 
Scy/hro/'i 


Die  Weißdornmotte 
cratnegella  L.   3  X- 


stehend.  Jedes  dieser  äußerst  lichten  Kugelgespinste  bildet  den  Verpup- 
pungsraum  einer  einzelnen  Raupe.  Die  schwarze  Puppe  hängt  später  an  einem 
Faden  lose  in  diesem  Raum." 

Gattung  Argyresthia  Hb. 

Kopf  abgesetzt,  oben  rauhhaarig,  im  Gesicht  glatt.  Fühler  von  ^4  Vorder- 
flügel-Länge. Vorderflügel  lang  lanzettenförmig  zugespitzt,  oft  stark  glänzend;  mit 
nach  x^  stärker  abgebogenem  VR,  ungleichmäßig  gebogenem  IR-Saum,  ohne  oder 
mit  schwach  angedeutetem  Innenwinkel,  manchmal  zur  Spitze  ausgeschwungen. 
Ader  sc  nicht  bis  zur  VR- Mitte  reichend.  Mit  allen  Endästen,  Discus  lang,  hinten 
meist    breit    quer    abgestutzt.     Große    Wurzelschlinge.     Hinterflügel    an    der    Wurzel 

deutlich  verbreitert,  etwas  vor  der  Mitte 
leicht  geschwungen  eingezogen.  Ader  /«i 
und  m^  erst  erheblich  nach  dem  Discus 
geteilt.  Ader  m^  unmittelbar  neben  cu-^ 
an  der  Discus  -  Hinterecke  entspringend 
(Abb.  iio). 

Die  Falter  in  der  Ruhe  mit  ab- 
wärts geneigtem  Kopf  und  aufwärts 
gerichtetem   Hinterleib  sitzend. 

Die  Gattung  enthält  zahlreiche 
Arten  (in  Europa  ca.  40),  von  denen 
einige  durch  Knospen  fraß  an 
Laub-  und  vor  allem  Nadel- 
hölzern   schädlich    werden    können. 


Abb.  I  IG.     Flug 
goedarteUa  L 


von  Argyresthia 
Nach  Spuler. 


Dichotomische  Uebersicht  nach  dem  Vorkommen. 

1.  Raupe  lebt  an  Nadelholz 2 

—  Raupe  lebt  an  Laubholz 6 

2.  Raupe  lebt  in  Nadeln  von  Tanne   (oder   Fichte) fundella  F.  R. 

—  Raupe  lebt  in  Knospen   und    Zweigspitzen •      •      3 


I.  Unterordnung:    INIicrolepidoptera,    Familie   Tineidae. 


163 


3.  An  Tanne i/tinHina/cUa  F.  R. 

—  An  anderen    Coniferen 4 

4.  An   Fichte 5 

—  An   Lärche,   in   den   Zweigspitzen laevigalella  H.  S. 

5.  Ausschließlich   in  den   Endknospen;    Schlupfloch  zusammengedrückt   cer/eUa   ZU. 

—  In  den  Endknospen  und   (meist)   auch  in  den  Zweigspitzen;  Schlupf- 
loch   rund glabralelln    ZU. 

6.  An   Birke,    anfänglich    in   den    Kätzchen,    später   in    der    Rinde        goedartella    L. 

—  An  Weide,  im   Herztrieb pygmaeella  Hb. 

Argyresthia  fundella  F.  R. 

T  a  n  n  e  n  n  a  d  e  1  m  o  1 1  e. 
Taf.  I,  Fig.  9. 

Vorclerflügel  des  Falters  weii3  glänzend,  mit  bräunlichen,  gegen  die  Spitze 
zu  gehäuften  Querstricheln  (Abb.  1 1 1  ),  Fühler  scharf  braun  geringelt.  Die 
Raupe  mattgrün,  Kopf  leuchtend  schwarz,  Nackenschild  dunkel  gekörnelt.  Spvv.  10 
bis    12  mm. 

Die   Art  wurde  durch   R.    Hart  ig    (1896)   in 

die   Forstentomologie  eingeführt,  der  in  den  neun-         ^SStf-**».-  ^^CilJÄ 

ziger  Jahren  einen   Massenfraß   in  30 — 40  jährigen  fr^'.i.jil?*^'"^"      vt*?^ 

Tannen- Fichten-Mischbeständen  im  Forstamt  Am-  ^^t**^'  - 

berg    (Bayern,    Oberpfalz)    beobachtete.     Befallen 

waren  fast  ausschließlich  die  Tannen. 

Die    Bioformel   stellt   sich   nach    Hartigs        .,,  r^.  ^ 

„      ,       ,^  ,.   ,  ,  „  1  Abb.  1 1 1.  Die  1  annennadel- 

Beobachtungen  folgendermaßen  dar:  ^^^^^^^  Argyresthia  fun- 

—  6P,4  ,lella   F.  R.   2V2  X- 

Der  Falter  schwärmt  von  Ende 
Mai  bis  Mitte  Juni  und  belegt  die 
Oberseite  der  Nadeln  (Tanne)  mit  je 
I  Ei.  Das  Räupchen  frißt  sich  in  das 
Pallisadenparenchym  der  Nadeln  ein, 
zuerst  bis  zur  Spitze  minierend,  um 
sich  dann  auf  die  andere  Seite  hini.iber 
und  nach  der  Nadelbasis  zu  weiterzu- 
fressen.  ,, Wahrscheinlich  bohrt  sich  in 
vielen  Fällen  die  Raupe  im  Herbst 
noch  einmal  in  eine  neue  Nadel  ein, 
in  der  sie  überwintert."  Im  nächsten 
Frühjahr  setzt  die  Raupe  ihren  Fraß 
in  anderen  Nadeln  fort,  bis  sie  er- 
wachsen ist.  Dann  verläßt  sie  den 
Fraßort,  um  sich  anfangs  Mai  auf  der 
Unterseite  einer  unversehrten  Nadel  in 
einem  schneeweißen,  spindelförmigen 
Gespinst  zu  verpuppen  (Abb.  112). 
Letzteres  ist  am  Kopfende  der  Raupe 
geschlossen,     am     Afterende     dagegen 

offen;  wo  es  der  Nadel  aufsitzt,  ist  der        ^^^B^t^S^^^^ä^ / 
Sack  fast  offen,  und  die  beiden  paral-  ^^^^^^^^mfS^^^^  • 

lelen     Seiten     sind     nur     durch     dünne         Abb.  112,     ArgYrcslhia  iiiiutella  Y.\<. 
Fäden   locker  verbunden.   Das   Puppen-  Tannennadeln  mit  den   Kokons. 

11* 


164 


IL  Spezieller  Teil. 


Stadium  dauert  ca.  3  Wochen.    Die  ausgefressenen  Nadeln  fallen  zum  größten 

Teil  ab  (Abb.  113). 

Die  Hauptnahrungspflanze  ist  die  Tanne;  gelangt  die  Raupe  jedoch  im 

2.  Jahr  zufällig  an  einen 
Fichtenzweig,  so  frißt 
1^^  sie    sich    auch    in    diese 

Nadeln  ein. 

FnndeUa  kann  forst- 
lich beachtenswert  wer- 
den; in  dem  oben  ge- 
nannten Beobachtungs- 
gebiet waren  die  Tannen 
im  mittleren  und  unteren 
Kronenteil  stark  durch- 
lichtet. 

Argyresthia 

illuminatella  (F.  R.) 

Schütze. 

T  a  n  n  e  n  k  n  o  s  p  e  n  m  o  1 1  e. 
Taf.  I,   Fig.  II. 

Diese  Art  wurde  bisher 
identifiziert  mit  Tinea  {Bla- 
stod ere)  Bergt eUa  Ratzb. 
Baer  (191 7)  und  Schütze 
(191 8)  haben  durch  ein- 
gehendeUntersuchungen  das 
Irrtümliche  dieser  Auffas- 
sung dargetan.  Die  echte 
illmninatella  F.  R.  ist  ein 
ausschließliches  Tannen- 
t  ie  r,  während  Bergiella  von 
Ratzeburg  als  Fichten- 
tier beschrieben  wird.  Letztere  Art  vereinigt  zwei  verschiedene  Arten  in  sich,  näm- 
lich glabrateUa  ZU.   und  cerlella  ZU.    (siehe   unten). 

Die  drei  hier  genannten  Arten  sind  habituell  sehr  ähnlich  und  als  Imagines 
nicht  leicht  zu  trennen,  so  einfach  die  Unterscheidung  nach  ihrem  biologischen  Ver- 
halten   ist. 

Schütze  führt  als  die  besten  Unterscheidungsmerkmale  der  Falter  die  Fär- 
bung der  Kopfhaare  und  der  Fühler  an:  erstere  sind  bei  illuminatella  stets  blaß- 
gelb oder  weißlich,  letztere  scharf  und  bis  in  die 
Spitze  hell  und  dunkel  geringelt,  während  bei  glabrateUa 
die  Kopfhaare  rostrot  bzw.  rötlichgelb,  niemals  aber 
blaßgelb  sind  und  die  Ringelung  der  Fühler  nicht  scharf 
ist  und  schon  vor  der  Spitze  aufhört.     Spw.  12 — 14  mm. 

Die  Raupe  ist  ca.  5  mm  lang,  wenig  glänzend,  der  Kopf 

schwarzbraun,  glänzend,  mit  tiefen  Teilungslinien,  beiderseits 

mit  einem  verloschenen  rotbraunen  Fleck,  der  auch  fehlen 

Abb   1 14    Tannenknospen-       kann.  Mundteile  rotbraun,  Nackenschild  klein,  glänzend  grau, 

motte,  Argyresthia  illumi-       hinten  schwarz;  Afterschild  klem,  rund,  glänzend  grau.  Brust- 

natella  F.  R.  27.^  X-  fuße  schwarz  geringt,   Bauchfüße  ziemlich  verkümmert. 


Abb. 


3.  Tannenzweig,  dessen  Nadeln  infolge  j  11  ml  eil  a- 
Fraßes  größtenteils  abgefallen  sind. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


165 


Die  Puppe  zeichnet  sich  nach  Schütze  von  allen  anderen  ArgyrcsUiia- 
Puppen  durch  einen  scharfen  Längswulst  auf  dem  Kojjf  aus,  welcher  sich  auch  auf 
den  Thorax  schwach  fortsetzt.  Auf3erdem  trägt  der  Kopf  4  hornige,  in  Querreihen 
stehende  Stacheln  an  der  Stirn. 

Über  die  Bionomie  finden  wir  bei  Schütze  eine  eingehende  Schilde- 
rung, die  hier  zum  Teil  wiedergegeben  sei.  „Die  Raupe  lebt  in  den  Zweig- 
spitzen der  Weißtanne,  Abies  alba,  in  der  Hauptsache  an  jungen  Bäumen,  die 
im  Laubgebüsch  eingesprengt  stehen,  doch  auch  auf  solchen,  die  im  hohen 
Nadelwalde  den  Unterwuchs  bilden.  Sie  kommt  aber  auch  auf  alten  Tannen 
im  Hochwalde  vor.  Doch  kommt  sie  durchaus  nicht  an  allen  Orten  vor,  wo 
Tannen  in  der  Mehrzahl  stehen.  Man  kann  sie  manchmal  stundenlang  ver- 
geblich suchen.  Auch  ist  es  eine  Regel  ohne  Ausnahme,  daß  sie  niemals 
an  Tannen  zu  finden  ist,  die  voll  von  der  Sonne  beschienen  werden;  sie  liebt 
Schatten  und   Halbschatten." 

„Die  bewohnten  Ästchen  kann  das  geübte  Auge  schon  im  Herbst  an  der 
schwach  gelblichgrünen  Farbe  der  Nadeln  erkennen;  letztere  werden  im 
Frühjahr  bei  zunehmender  Wärme  gelb  und  machen  sich  dann  auch  dem 
weniger  Geübten  leicht  bemerkbar. 
Das  Ei  wird  jedenfalls  an  die  End- 
knospe abgelegt,  welche  selbst  auch 
ausgefressen  wird,  und  von  hieraus 
höhlt  die  Raupe  das  Ästchen  aus, 
oft  in  einer  Länge  von  5 — 7  cm 
(Abb.  115).  Bewohnte  Ästchen  sind 
meist  daran  zu  erkennen,  daß  unter 
der  Endknospe  einige  Nadeln  feh- 
len, die  äußerste  Spitze  also  kahl 
erscheint  1).  Dieses  Merkmal  ist  in- 
des nicht  immer  vorhanden.  Von 
den  ausgefressenen  Ästchen  bleibt 
nur  die  äußerste  Rinde  stehen,  und 
der  P^raßgang  ist  dicht  mit  Kot  ge- 
füllt. Bei  den  Herbststürmen  und 
im  Winter  kommt  es  nun  sehr  oft 
vor,  daß  durch  die  Last  des  Schnees 
oder  Glatteises  ein  Teil  des  Äst- 
chens abbricht  und  zu  Boden  fällt. 
Beim  Suchen  muß  man  besonders 
auf  diese  Art  von  Fraßstücken  sein 
Augenmerk  richten,  weil  man  aus 
solchen  am  sichersten  den  Falter 
zieht.  Alle  Ästchen,  die  Ende  April 
nicht  abgebrochen  sind,  enthalten 
Schlupfwespen    oder    tote    Raupen. 

ebenso    alle    Ästchen,    die    an    der    Bruchstelle    zugesponnen    sind;    nur    aus 
den  nicht  zugesponnenen  erhält  man  den    Falter.    Ist  das  Ästchen  schon   im 


Abb. 


5.  Fraß  von  Aroyrcslliid  illiimhialella 
F .  R.  in  Tannenknospen. 


1)  Nicht  alle  sitzengebliebenen  Knospen  enthalten  /7///w///^//?//^-Raupen;  es 
kann  auch  eine  Wickler-Raupe,  EpibU-ma  nigricana  H.  S.  ^s.  unten),  die  Zerstörerin 
des  Knospeninhaltes  sein  oder  aber  die  Knospe  kann  aus  irgendeinem  anderen 
Grunde   abgestorben   sein. 


166 


II.  Spezieller  Teil. 


Herbste  abgefallen,  solange  die  Raupe  noch  beweglich  ist,  dann  wird  die 
Bruchstelle  sofort  zugesponnen.  Dadurch  will  sich  wohl  die  Raupe  gegen 
das  Eindringen  von  Feuchtigkeit  schützen.  Ist  sie  aber  im  Frühjahr  er- 
wachsen und  die  Zeit  der  Verpuppung  gekommen,  dann  zerstört  sie  das 
Gespinst  wieder,  um  für  den  ausschlüpfenden  Falter  den  Weg  freizumachen. 

Die  erwachsene  Raupe  reinigt  das  übriggebliebene  Zweigstück  von  allen 
Exkrementen,  fertigt  am  Grunde  der  Fraßröhre  eine  glatte  Puppenwohnung 
und  schließt  diese  oben  mit  einem  weißen  Gespinstdeckel  ab.  Hier  ver- 
wandelt sie  sich  in  eine  gelbliche  Puppe,  deren  Kopf  und  Flügelscheiden 
rotbraun  sind. 

Die  Raupen,  welche  teils  erwachsen,  teils  halbgroß  überwintern,  haben 
außer  von  Schlupfwespen  auch  von  Vögeln  zu  leiden,  welche  viele 
Ästchen  aufhacken." 

Argyresthia  glabratella  ZU.  und  certella  ZU. 

Fichtenknospen  motten. 
Taf.  I,  Fig.  IG. 
Ratzeburg:   Tinea  (Blastodere)   Bergiella   Rtzb.    —    Altum:    Argyresthia   illumi- 
nalella   ZU.    —    Nüßlin-Rhumbler,    Argyrestliia   iUumiiialeHa    TAX.    --    Wolff-Krauße: 
Argyresthia   ill iniiiiuitctla   ZU.    (=    l)ergiella    Rtzb.). 

Die  beiden  Arten  stehen  sich  sowohl  habituell,  als  auch  biologisch  (Vor- 
kommen in  Fichtenknospen)  sehr  nahe,  so  daß  Ratzeburg  sie  als  eine  Art 


A  ß 

Abb.   ii6.     Fraß  von  Argyresthia  certella  ZU.  in   Fichte. 

A  befallene  Fichtenknospe  mit  länglichem,  schmalem  Flugloch;  B  dieselbe  aufgeschnitten. 

(Bergiella)  beschrieben  hat.  Daß  die  Rat  z  eb  u  r  gsche  Bergiella  die  beiden 
Arten  umfaßt,  geht  daraus  hervor,  daß  er  ihr  sowohl  runde  als  zusammen- 
gedrückte Fluglöcher  zuschreibt,  während  nach  Schützes  sorgfältigen 
Untersuchungen  gerade  die  Form  des  Flugloches  das  sicherste 
(b  i  o  1  o  g  i  s  c  h  e )  U  n  t  e  r  s  c  h  e  i  d  u  n  g  s  m  e  r  k  m  a  1   der  beiden  Arten  darstellt. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


167 


Wie  illuminatella  gehören  auch  glabratella  und  certella  zu  den  Arten 
mit  einfarbigen  bzw.  ungezeichneten  Flügehi,  die  als  Falter  schwer  zu  unter- 
scheiden sind.    Über  die  Unterschiede  der  beiden  Arten  gegenüber  iUtimina- 


A  B 

Abb.  117.     Fraß  von   Argyresthia  glabrateUa  ZU.  in  Fichte. 

A  befallener  Fichtentrieb  mit  kreisrundem  Schlüpfloch;    B  derselbe  aufgeschnitten  (der 

Fraß  geht    von    der  Knospe    noch    eine    Strecke   weit    in    den  Markkanal    des   Triebes). 

tella  sind  oben  bereits  Merkmale  angegeben  (S.  164).  Was  die  Unterschiede 
der  beiden  Arten  glabratella  und  certella  betrifft,  so  sind  diese  sehr  gering- 
fügig.  Heinemann  gibt  folgende  Diagnosen: 

certella  TAX.   Vorderflügel  und  Thorax  glänzend,  hell  niessing  färben, 

die  Kopfhaare  rostgelb; 
glabratella   TAX.    Vorderflügel    und   Thorax   glänzend,    1  i  c  h  t  b  r  äun  1  i  ch - 
grau,  Kopfhaare  rostgelb. 
So  schwierig   danach   die    Falter   zu   trennen   sind,    so   sicher   ist   die    Unter- 
scheidung nach  dem  F  r  a  ß  b  i  1  d : 

Der  Certella-Yxz.'i>  beschränkt  sich  meist  auf  die  Knospe  oder  greift 
höchstens  ein  kleines  Stück  auf  den  Trieb  über;  das  an  der  Basis  gelegene 
Flugloch  ist  stets  zusammengedrückt  (Abb.  116A).  Der  Glabratella-Yxz& 
greift  meist  noch  eine  größere  Strecke  weit  auf  den  Trieb  über,  und 
das  stets  runde  Flugloch  befindet  sich  am  Ende  dieses  Triebganges 
(Abb.  117  A).  Handelt  es  sich  um  besonders  starke  Knospen,  so  kann  auch 
der  Glabratella-YxdL^  auf  die  Knospen  beschränkt  sein,  dann  aber  gibt 
die  runde  Form  des  Flugloches  ein  sicheres  Erkennungsmerkmal  ab. 

Im  übrigen  scheint  sich  der  Ablauf  der  Entwicklung  bei  beiden  Arten 
ziemlich  übereinstimmend  zu  verhalten  und  für  beide  folgende  Bioformel 
zu  gelten:  —  8,  4 

5  +  5IV 


168  II.  Spezieller  Teil. 

Trägärdhs  (191 5)  Arg.  illuminatella  TAX.  dürfte  sich  in  der  Hauptsache 
auf  glabraLella  beziehen,  da  er  sowohl  von  einem  in  den  Trieb  sich  fortsetzenden 
Fraß,  und  sodann  von  einem  runden  Flugloch  spricht  i).  In  einem  Punkt  weicht 
seine  Schilderung  des  Fraßbildes  von  der  von  Schütze  gegebenen  ab,  indem  nach 
ihm  der  Triebgang  ausschließlich  im  Bast  verläuft,  während  nach  Schütze  die 
Markröhre  ausgefressen  wird.  Trägärdhs  Angaben  stimmen  andererseits  mit 
Ratzeburg  (Bergiella  partim)  überein,  der  ebenfalls  den  Gang  im  Bast  (nie- 
mals in  der  Markröhre)  verlaufen  läßt.  Worauf  diese  Widersprüche  beruhen  (ob 
hier  vielleicht  wieder  eine  andere  Art  vorliegt),  müssen  erst  weitere  Beobachtungen 
ergeben. 

Die  Bioiiomie  von  glabratella  und  certella  läßt  sich  kurz  folgender- 
maßen darstellen: 

Die  Flugzeit  fällt  in  die  Monate  Mai  bis  Juli  (Trägärdh  gibt  als 
Schlupftermin  für  Schweden  14. — 27.  Juni  an).  Das  9  belegt  die  Triebe 
besonders  von  jüngeren  Fichten  (aber  auch  älteren)  dicht  unter  den  End- 
knospen mit  einzelnen  Eiern.  Das  auskommende  Räupchen  bohrt  sich  in  die 
Rinde  des  Triebes  ein.  Das  Bohrloch  ist  nicht  sichtbar,  wohl  aber  erkennt 
man  die  Stelle  des  Einbohrens  an  einem  Harztröpfchen,  welches  dort  aus- 
quillt und  verharzt.  Im  Bast  frißt  sich  die  Raupe  einen  gewöhnlich  spiraligen 
Gang  bis  zur  Spitze  des  Triebes,  um  hier  zuerst  das  Innere  der  Seiten-  und 
dann  der  Endknospen  auszufressen.  Der  leere  Raum  ist  zum  Teil  wieder 
durch  den  Kot  in  Form  eines  bräunlichen  oder  schwärzlichen  Pulvers  aus- 
gefüllt. Bei  certella  beschränkt  sich  der  Fraß  auf  die  Knospen;  bei  glabra- 
tella dagegen  frißt  die  Raupe,  wenn  die  Knospen  zur  Nahrung  nicht  aus- 
reichen, weiter  abwärts  einen  Gang  im  Bast  oder  nach  Schütze  in  der 
Markröhre  des  Triebes.  Die  Länge  des  Triebganges  scheint  in  Relation  zu 
stehen  zur  Größe  der  Knospe:  je  kleiner  diese,  desto  länger  jener.  Die  Raupe 
überwintert  in  der  Knospe  oder  im  Fraßgang  (glabratella^  um  sich,  nach- 
dem sie  das  Flugloch  genagt,  zu  verpuppen.  Die  Verpuppung  findet  ent- 
weder in  der  Knospe  (certella  und  glabratella')  oder  aber  im  Triebgang  ober- 
oder  unterhalb  des  Flugloches  (glabratella)  statt.  Die  Falter  verlassen  durch 
die  Fluglöcher  die  Fraßstelle 2). 

Das  Fraßbild  ist  charakterisiert  durch  vertrocknete  und  ausgehöhlte 
Knospen  bzw.  auch  die  abgefallenen  Nadeln  an  den  Endteilen  der  Triebe 
(glabratella').  „Beim  aufmerksamen  Absuchen  der  jungen  Fichten,"  schreibt 
Schütze,  „(sie  müssen  wenigstens  mannshoch  sein),  wird  man  bald  be- 
merken, daß  die  Nadeln  an  manchen  Zweigspitzen  vergilbt  sind  und  leicht 
abfallen,  manchmal  auf  einer  Länge  von  kaum  i  cm,  manchmal  bis  5  cm  und 
mehr,  das  richtet  sich  ganz  nach  der  Stärke  des  Ästchens.  Man  versuche 
diesen  nadellosen  Teil  zu  biegen,  knickt  er  leicht,  dann  ist  er  ausgefressen, 
also  bewohnt.  Bei  näherer  Untersuchung  sieht  man,  meist  an  der  Knickstelle, 
ein  kreisrundes  Löchlein:  das  Schlupfloch  von  Arg.  glabratella  TAX.  Es  ist 
manchmal  am  Grunde  der  Röhre,  meist  aber  mehr  in  der  Mitte;  zugesponnen 
ist  es  niemals.  Die  Puppe  liegt,  auch  ohne  jedes  Gespinst,  entweder  ober- 
oder  unterhalb  desselben,   manchmal  nahe  daran,  manchmal  weit  davon. 


1)  In  späteren  Arbeiten  hat  Trägärdh  selber  diese  Art  als  glabraleUa  TAX. 
bezeichnet. 

-)  Merkwürdigerweise  übernahm  Ratzeburg  ohne  weiteres  die  Angabe 
Saxesens,  wonach  die  Falter  an  der  Spitze  der  Knospen  ausschlüpfen  sollen,  so- 
bald sich  die  Schuppen  bei  der  Sonnenwärme  zurückbieg^n;  —  obwohl  er  die  Flug- 
löcher erwähnt.    Letztere  schrieb  er  der  Anwesenheit  anderer  Insekten  zu. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  169 

,,Um  certella  zu  finden,  richte  man  seine  Aufmerksamkeit  vor  allem  auf 
die  Endknospen.  Findet  man  im  Frühjahr  zwischen  den  Trieben  Knospen 
noch  völlig  kahl  stehen  mit  fest  anliegenden  Hüllschuppen,  so  sind  diese  in 
den  meisten  Fällen  bewohnt.  .,Wer  sie  aufbricht,  findet  sie  meist  mit  Kot 
gefüllt,  manchmal  mit  sehr  feinem,  dann  hat  eine  Cecidomyien-\.2iXv^  darin 
gelebt;  sie  verläßt  aber  vor  der  Verpuppung  die  Knospe.  Ist  der  Kot  gröber, 
und  sieht  man  beim  Aufbrechen  ein  graues  Räupchen  oder  eine  kleine  Puppe, 
dann  ist  es  eine  Argyresthia,  und  zeigt  sich  am  Grunde  der  Knospe  ein  läng- 
liches, zusammengedrücktes  Schlupfloch,  dann  ist  es  ganz  sicher  Arg. 
certella  ZU." 

Bei  vermehrtem  Auftreten  kann  der  Fraß  forstlich  bemerkenswert 
werden,  da  ja  durch  jede  Raupe  ein  ganzer  Trieb  zum  Absterben  gebracht 
werden  kann. 

Eine  Bekämpfung  ist  nicht  durchzuführen,  wird  aber  auch  kaum  wirt- 
schaftlich notwendig  werden. 

Nicht  selten  treten  die  beiden  Knospenmotten  gleichzeitig  mit  dem 
Wickler  Epiblema  ledella  Cl.  (s.  unten)  auf,  wodurch  der  Schaden  natürlich 
wesentlich  erhöht  wird. 

Argyresthia  laevigatella  H.  S. 

L  ä  r  c  h  e  n  t  r  i  e  b  m  o  1 1  e. 

Syn.  Arg.  Zelleriella  Htg. 

Taf.  I,  Fig.  12. 

Falter:  Vorderflügel  lebhaft  bleiglänzend,  mit  etwas  dunklerem  Vorderrande 
und  grauen  Fransen.  Hinterflügel  weniger  glänzend.  Gesicht  und  Wurzelglied  der 
dunkel  und  weiß  geringelten  Fühler  silberweiß.  Kopfhaare  etwas  aufgerichtet, 
bräunlichgrau.  (Die  Färbung  derselben  wird  verschieden  angegeben,  grau  [VVocke], 
gelblich    [AI  tum]    und   zinnoberrot    [Th.  H  artig].)     Spannweite    lo — 12   mm. 

Raupe  schwarzköpfig,  in  der  Jugend  hellgelb,  später  weißgrau,  ins  Rötliche 
spielend  mit  durchscheinender  dunkler  Mittellinie  auf  dem  Hinterkörper.  Länge 
6 — 7    mm. 

Puppe  dunkelbraun  mit  schwarzem  Kopfe,  nach  hinten  stark  zugespitzt. 

Der  kleine  Falter  fliegt  Ende  Mai,  Anfang  Juni  und  belegt  die  nun- 
mehr sich  bildenden  jungen  Langtriebe  in  ihrem  unteren  Drittel  oder  Viertel 
meist  nur  je  mit  einem  Ei,  das  w^ahrscheinlich 
in  die  Achsel  einer  Einzelnadel  zu  liegen 
kommt.  Selten  kommen  in  einem  Längstrieb 
zwei  oder  mehr  Räupchen  zur  Entwicklung;  in 
einem  Falle  (Loos  1898)  konnten  in  einem 
Trieb  vier  Räupchen  festgestellt  werden,  welche 
wahrscheinlich  von  verschiedenen  Weibchen 
stammten.  Äußerst  selten  erfolgt  die  Eiablage 
in  einem  vorjährigen  Trieb.  Abb.  118.  DieLärchentriebmotte, 

Das  junge  Räupchen  frißt  zunächst  in  Argyresthia  laevigatella  H.  S. 
der     Rinde     unter     der     Oberhaut     einen     un-  "  '' 

regelmäßigen,  geschlungenen  Gang  gegen  die  Spitze  des  Triebes  zu. 
Später  „ändert  es  die  Richtung  und  frißt  entgegengesetzt  tiefer  in  das  JJolz, 
bei  schwachen  Zweigen  bis  auf  das  IMark  eindringend,  entweder  in  ziemlich 
gerader  oder  gewundener  Richtung.  An  der  Stelle,  wo  im  Herbst  der  Fraß 
unterbrochen  wird,  überwintert  das  ungefähr  4  mm  lange  Räupchen,  in  ein 
ganz  dünnes  Gespinst  gehüllt,  um  nach  dem  Wiedererwachen  im  Frühjahr 
den  tiefer  im   Holz  verlaufenden  Gang  in  der  alten  Richtung  fortzusetzen. 


170 


II.  Spezieller  Teil 


Äußerlich  an  der  Rinde  eines  befallenen  Baumes  findet  man  kein  Merk- 
mal, welches  auf  das  überwinternde  Räupchen  im  nadellosen  Zweig  schließen 
läßt.  Will  man  die  Fraßstellen  auffinden,  so  kann  man  dies  am  einfachsten 
dadurch  erreichen,  daß  man  den  Zweig  biegt,  welcher 
an  der  Fraßstelle  leicht  abbricht. 

Im  ganzen  erreicht  der  Raupengang  eine  Länge 
von  etwa  4  cm.  Hat  das  Räupchen  den  Fraß  be- 
endet, so  wendet  sich  dasselbe  im  Gang  um  und  nagt, 
etwa  6 — 10  mm  vom  Ende  des  Ganges  entfernt,  ein 
rundes  Loch  von  i — i^/g  mm  Durchmesser,  das  es  aber 
wieder  verspinnt,  um  sich  dann  in  dessen  unmittel- 
barer Nähe  in  einer  mit  einem  Gespinst  ausgeklei- 
deten Puppenwiege,  mit  dem  Kopf  nach  oben,  zu  ver- 
puppen. Der  Falter  durchstößt  beim  Schlüpfen  das 
leichte  Gespinst  am  Flugloch,  während  die  Puppe 
unter  der  Rinde  zurückbleibt  (Loos  1898). 

Als  Folge  des  Fraßes  findet  man  im  2.  Früh- 
jahr den  größten  Teil  des  befallenen  vorjährigen 
Triebes  meist  ganz  ohne  Nadelentfaltung  (Abb.  119), 
selten  mit  ganz  wenig  angetriebenen,  bald  sich  röten- 
den Nadelbüscheln  im  Absterben  begriffen,  den  üb- 
rigen Teil  des  Triebes  unterhalb  der  Fraßstelle  da- 
gegen normal  begrünt.  Nicht  nur  vorjährige,  sondern 
auch  zweijährige  Zweige  können  mitunter  durch  den 
Fraß    getötet   werden. 

Der  Fraß  der  Raupe  wurde  zuerst  1872  durch  Gebbers 
in  Suderode  am  Harze  aufgefunden  und  von  ihm  (1872)  und 
Th.  Hartig  (1872)  beschrieben.  1874  erhielt  Altum  (F.  208) 
den  Fraß  aus  Schlesien  und  lernte  ihn  später  bei  Goslar  kennen. 
Bei  aufmerksamem  Suchen  kann  man  ihn  allent- 
halben nicht  selten  finden.  In  England  gilt  laevi- 
gatella  neben  Nematus  Erichsoni  Htg.  als  der  Haupt- 
schädling der  Lärche  (Green  1920). 

Wie  stark  die  Vermehrung  werden  kann,  zeigt 
die  von  Loos  (1919)  gegebene  Gradationsgeschichte 
von  laevigaiella  im  Schluckenauer  Domänengebiet: 
„Im  Frühjahr  1894  ließen  sich  an  einer  3  m  hohen  Lärche  20—30  ab- 
gestorbene Zweigenden  (darunter  ein  Stück  von  49  cm  Länge)  zählen;  im 
Jahre  1895  bereits  40 — 60  Stück  an  einem  etwa  1V2  i^i  hohen  Bäumchen,  weit 
über  100  Stück  an  3  m  hohen  und  höheren.  Das  Insekt  hat  sich  bis  1895 
stark  vermehrt,  besonders  an  Lärchen  einer  älteren  Lärchen- Fichtenmisch- 
kultur."  ' 

An  der  Beendigung  dieser  Gradation  haben  zahlreiche  Parasiten  mit- 
gewirkt; auch  scheinen  (wie  man  aus  langen,  schmalen  Öffnungen  schließen 
konnte)  räuberische  Tiere  eingedrungen  zu  sein  und  viele  überwinternde 
Räupchen  herausgeholt  zu  haben. 

Daß  die  Vernichtung  vieler  vorjähriger  Triebe  den  Lärchen  schadet, 
dürfte  unzweifelhaft  sein,  besonders  wenn  sich  noch  andere  Schädlinge  (wie 
Col.  laricella  Hb.)  und  Frost  dazu  gesellen. 


Abb.  119.     Durch  Arg 

laevigaiella    H.  S.    ge 

töteter  Lärchentrieb. 

Nach  N  itsche. 


1.  Unterordnung:   Micro] epidoptera,    Familie  Tineidae.  171 

Eine  Bekämpfung  ist  schwierig;  es  käme  höchstens  das  Abschneiden  und 
Verbrennen  der  befallenen  Triebe  zeitig  im  Frühjahr,  vor  dem  Schlüpfen  des 
Falters,  in  Betracht.    Gewöhnlich  wird  jedoch  der  Befall  zu  spät  entdeckt. 


Von  Nadelholz-Argyresthien  seien  noch  einige  an  Wacholder  vorkommende 
Arten  genannt,  die  aber  viel  zu  spärlich  auftreten,  um  schädlich  sein  zu  können. 
Es  sind:  A.  abdominalis  L.  und  aurulenfella  Stt.,  die  in  den  Nadeln  minieren  (erstere 
frißt  sich  von  Nadel  zu  Nadel  unter  der  Rinde  durch,  letztere  verläßt  jede  aus- 
gefressene Nadel);  ferner  A.  arcenthitia  ZU.,  die  Gänge  in  die  Triebspitzen  frißt, 
und  praecocella  ZIL,  die  in  den  Beeren  lebt  (Reh).  — 

Argyresthia  goedartella  L. 

E  r  1  e  n  b  1  ü  t  e  n  m  o  1 1  e. 

Falter:  Vorderflügel  stark  glänzend,  gelblichweiß,  mit  zwei  goldbraunen 
Binden,  die  2.  gegen  den  Vorderrand  breit  gegabelt,  am  Saum  goldbraun,  mit  zwei 
weißlichen  Flecken.  Kopf  gelblichweiß,  Thorax  goldgelb.  Spw.  13— 14  mm  (Abb.  120). 
—  Die  Raupe  nur  sehr  kurz  und  sparsam  behaart,  mit  kleinen  Warzen  besetzt,  ist 
entweder  mehr     rotbraun  oder  grünlich  mit  rötlichen  Einschnitten. 

Die  Raupen  dieser  schönen  Motte  leben,  wie  schon  Ratzeburg  im 
wesentlichen  bekannt  war,  in  den  männlichen  Blütenkätzchen  der 
Birke  und  Erle,  und  zwar  von  Herbst 
bis  Frühjahr,  um  dann  zur  Verpuppung 
auf  selbstgesponnenen  Wegen  herab- 
zuwandern. Meistens  verpuppen  sie  sich 
in  tieferen  Rindenritzen,  oder  sie  bohren 
sich  auch  selbst  etwas  in  die  Rinde 
ein,  ohne  aber  hierbei  nennenswerte  Ver- 
letzungen zu  verursachen,  oder  endlich, 
sie  wandern  tiefer  hinab  und  gehen  in 
den  Boden. 

Im  Jahre   19 12  erregte    diese  Art  in  ^bb,  120.     Die  Erlenblütenmotte, 

Sachsen   die  Aufmerksamkeit   des    Forst-  Argyreslhia  goedarlella  L. 

mannes,    als    auf   den    gegen    Nonne    ge-  3"2X- 

leimten  Birken  oberhalb   des  Leimringes 

größere  Mengen  der  grünlichen  bis  bräunlichen  Räupchen  sich  ansammelten, 
die  ähnlich  wie  die  Nonnenräupchen  dichte  Gespinste  anfertigten.  (Esche- 
rich und  Baer,  1913,  S.  125).  Meist  wurde  bei  den  Einsendungen,  die  von 
verschiedenen  Gegenden  Sachsens  zeitig  im  Frühjahr  nach  Tharandt  gemacht 
wurden,  die  Besorgnis  ausgesprochen,  daß  es  sich  um  einen  neuen  Feind  zu 
handeln  scheine.  Diese  Befürchtung  traf  glücklicherweise  nicht  zu,  denn 
goedartella  ist  forstlich  als  ein  harmloses  Tier  zu  bezeichnen. 

Argyresthia  pygmaeella  Hb. 

W  e  i  d  e  n  k  n  o  s  p  e  n  m  o  1 1  e. 

Falter:  Vorder flügel  stark  glänzend,  gelblichweiß,  am  IR  mit  einer  schrägen, 
vorne  abgekürzten  rotbraunen  Binde  in  der  Mitte  und  je  einem  goldbraunen  Fleck 
vor  oder  hinter  derselben.  —  Raupe  gelbgrün  mit  gelbbräunlichem  Kopf  und 
Afterschild. 

Raupe  im  April  und  Mai  in  Kätzchen  und  Knospen  von  Weiden,  dringt  auch 
in  das  Mark  der  Zweige  ein.  Puppe  Ende  Mai  an  den  Blättern  oder  am  Boden. 
Falter   im   Juni. 


172 


II.  Spezieller  Teil. 


Noch  eine  ganze  Reihe  anderer  Argyresthia-KxX^w.  leben  als  Raupen  in  den 
Knospen  von  Laubbäumen,  wie  A.  piilchella  ZU.  in  denen  von  Hasel  und  Eberesche, 
Cornelia  F.  von  Apfelbaum,  albistria  Hw.,  von  Hasel,  Buche,  Birke  usw.,  jedoch 
meist  nur   in   geringer,   unschädlicher   Zahl. 

Gattungen  Cedestis  ZU.  und  Dyscedestis  Spul. 

Cedestis  ZU.:  Palpen  kurz,  hängend,  plump,  locker  beschuppt.  Vorderflügel 
(Abb.  121)  in  der  Weise  zugespitzt,  daß  der  IR  hinter  der  Mitte  bis  zur  Spitze 
eine  etwas  schräge,  aber  ziemlich  gerade  Richtung  hat  und  der  VR  vor  der  Spitze 
stärker  gebogen  ist.  Vorderflügel  mit  2  Endästen  von  m.  Hinterflügel  mit  5  von 
dem   Discus   ausgehenden   Endästen   (r,   tn^,    m.^,   cu-y    und   cu.j)- 

Dyscedestis  Spul.:  Von  Cedestis  nur  durch  das  Geäder  unterschieden.  Im 
Vorderflügel  fehlen  die  zwei  Endäste  von  ?n  (vielleicht  m^  und  Wo  mit  cu^  ver- 
schmolzen)   und   im    Hinterflügel    Wj    näher   an    Wj,  o    verlaufend. 

Die  Raupen  der  beiden  Gattungen,  deren  jede  nur  je  eine  Art  enthält, 
minieren   in   Kiefernnadeln. 


'mJS 


/- 


Abb.   121.    Flügelgeäder  von:  A  Cedestis 
gysselinella  Dup.    Nach   S  p  u  1  e  r. 


Abb.  1: 


.  Cedestis  gysselinella  Dwp.  10  mal 
ergr.    Nach  T  r  ägä  r  d  h. 


Cedestis   gysselinella   Dup. 

Falter:  Vorderflügel  weißlich,  bräunlich  bestäubt,  mit  zwei  goldbräunlichen 
Binden  vor  der  Mitte  (Abb.  122).  —  Raupe  glänzend  blaugrün,  Kopf  gelb.  Sie  ändert 
im  letzten  Stadium  (freilebend)  ihre  Gestalt  ganz  wesentlich  gegenüber  der  in  den 
Nadeln  minierenden  Raupe.  Die  letztere  ist  gelbrot,  mit  winzigen  Spinulae  besetzt 
und  stark  chitinisiertem  Prothorakalschild,  während  die  erstere  olivgrün  gefärbt  ist 
und  kräftige  Borsten  auf  schwarzen  Flecken  besitzt  usw.   (Abb.  123  B   und  C). 

Die  Bionomie  ist  durch  Trägärdh  (1911  und  1915)  geklärt.  Die  Gene- 
ration ist  einjährig.  Der  Falter  fliegt  im  Juli  und  legt  seine  Eier,  je  i  Stück, 
an  die  Basis  einer  Kiefernnadel.  Die  Raupe  dringt  durch  die  Unterseite  des 
Eies  in  die  Nadel  ein  und  miniert  in  dieser  gegen  die  Spitze  zu  einen  Gang 
von  ca.  35  mm.  Derselbe  ist  beim  Beginn  sehr  schmal  und  erweitert  sich 
spitzenwärts  immer  mehr  und  mehr,  bis  er  das  ganze  Innere  der  Nadel  ein- 
nimmt. Der  ausgehöhlte  Raum  ist  dicht  mit  den  Exkrementen  angefüllt.  In 
manchen  Fällen  reicht  der  Gang  bis  zur  Spitze  der  Nadel,  in  anderen  hört  er 
schon  vorher  auf  (Abb.  123  A). 

Wenn  die  Raupe  erwachsen  ist,  verläßt  sie  den  Gang  durch  ein  rundes 
Loch  auf  der  konkaven  Seite  der  Nadel  und  verweilt  einige  Tage  außerhalb 
der  letzteren,  bis  sie  sich  zum  letztenmal  gehäutet.  Im  letzten  Stadium  nimmt 
sie  kaum  Nahrung  zu  sich;  nach  4 — 5  Tagen  beginnt  sie  einige  Nadeln  lose 
zusammenzuspinnen  und  sich  zwischen  ihnen  zu  verpuppen.  Die  Raupe  hat 
also   zwei   Perioden,   eine   endophyte   und   eine   freilebende,   was   sich  auch   in 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


173 


großen  morphologischen  \'erschiedenheiten  der  entsprechenden  Stadien  aus- 
drückt, wie  oben  bereits  erwähnt  (Abb.  123  B  u.  C).  Trägärdh  (1911)  gibt 
eine  ausführliche  Beschreibung  dieser  interessanten  Verhältnisse. 

Dyscedestis  farinatella  Dup. 

Vorderflügel  hellgrau,  dunkel  bestäubt,  in  der  Endhälfte  bräunlich  verdunkelt, 
mit  einer  bräunlichen,  hinten  weißlich  gesäumten  Binde  (Abb.  124). 

Die  Raupe  miniert  ebenfalls  in  Kiefernnadeln,  und  zwar,  wie  es  scheint 
(Trägärdh  191 5),  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  Ocnerostoma  piniariella 
ZU.,  nämlich  von  der  Spitze  der  Nadel  basalwärts  vordringend  (also  um- 
gekehrt wie  bei  der  vorigen  Art). 

Auch  in  bezug  auf  den  Ablauf  der  Entwicklung  scheinen  weitgehende 
Übereinstimmungen  der  beiden  genannten  Arten  zu  bestehen,  ebenso  in  bezusr 


ABC 
Abb.  123.  A  von  Cedeslis  gysselinella  Dup. 
minierte  Kiefernnadel  (im  oberen  Drittel 
das  Ausbohrloch),  B  junge  minierende  Raupe, 
C  vordere  Hälfte  der  erwachsenen  frei- 
lebenden Raupe.    Nach  Trägärdh. 


Abb.  124.  Dyscedestis  farinatella  Dup. 
7  mal    vergr.    Nach   Trägärdh. 


9^2  3Xi    an 


Abb.    125.     Flügelgeäcler   von    Ocnero- 
stoma  piniariella   ZU.    Nach   S  p  u  1  e  r. 


auf  die  Parasiten.  Trägärdh  (1914)  hat  bei  beiden  den  interessanten  poly- 
embryonal sich  entwickelnden  Chalcididen  Ageniaspis  fuscicollis  Dalm.  (siehe 
unten  bei  Ocnerostoma  piniariella )  beobachtet. 

Gattung  Ocnerostoma  ZU. 

Kopf  oben  rauhharig,  Gesicht  glatt,  Augen  sehr  klein.  Palpen  sehr  kurz, 
knospenförmig.  Vorderflügel  mit  sehr  großem  Stigma;  die  Endäste  (vom  Discus 
ausgehend)  auf  6  reduziert,  /•,  mit  z-^,  Wj  vielleicht  mit  r^  und  Wj  mit  ci/-^  ver- 
bunden.   Hinterflügel  breit  lanzettlich,  scharf  zugespitzt   (Abb.  125). 

Die  Gattung  enthält  zwei  Arten,  von  denen  die  eine  (O.  piniariella  ZU.) 
in  Kiefernnadeln  und  die  andere  (copiosella   Frey)  in  Arvennadeln  miniert. 


174 


IL  Spezieller  Teil. 


Ocnerostoma  piniariella  ZU. 

K  i  e  f  e  r  n  n  a  d  e  1  ni  o  t  t  e. 
Taf.  I,   Fig.   13. 

Falter:  Kopfhaare  weißlich,  Fühler  hellgrau,  einfarbig  oder  verloschen  ge- 
ringelt, Vorderflügel  glänzend,  entweder  weißlich  und  an  der  Wurzel  des  Vorder- 
randes und  am  Innenrande  mit  schwachem  grauen  Anfluge,  oder  heller  oder  dunkler 

bräunlich    grau    mit    einem     weißen,     unbe- 
stimmten   Längsstreifen.     Die     Fransen    des 
Saumes  grau  angeflogen.    Hinterflügel  grau, 
dunkler    gefranst.     Spannweite    4,5 — 5    mm. 
Raupe     schlank,     mit     sehr     kleinem, 
herzförmigem,    glänzend    schwarzem    Kopfe; 
Leib  graugrün,  glanzlos,  unbehaart;  Nacken- 
schild    dunkelbraun,     \  orn    gelappt;     After- 
klappe     mit      rundem,      schwarzem      Chitin- 
.\bb.  126.    Die  Kiefernnadelmotte,  Oc-       schilde,  Brustfüße  dunkel  chitinisiert. 
nerosloma  piniariella  ZU.    (7  mal   ver-  Puppe    auffallend    schmal    und    lang- 

größert).     Nach    Trägärdh.  gestreckt,  fettglänzend,  rötlich  gelb.   Flügel- 

scheiden    lang,     an     der     Spitze     frei     vor- 
ragend, Rücken  der  Segmente  glatt,  Hinterende  unbewehrt. 

Die  Bionomie  dieser  Motte  wurde  zuerst  von  v.  Hey  den  (1832),  dann 
von  AI  tum  (1887),  und  endlich  in  neuerer  Zeit  am  eingehendsten  von 
Trägärdh  (1915)  studiert. 

Das  9  belegt  einzeln  meist  ältere  Nadeln  nahe  der  Spitze  mit  je  i  Ei. 
Das  Räupchen  nagt  sich  hier  in  die  Nadel  ein,  zuerst  einen  schmalen  Gang 


Abb.  127.  Minenfraß  von  Ocnerostoma  piniariella 
ZU.  ä  Einbohrloch  des  Räupchens,  mg  schmaler 
Anfangsgang,  e  breite,  die  ganze  Nadel  einneh- 
mende Mine  mit  Kot  gefüllt,  m,  leerer  Minenteil, 
u  Ausbohrloch,  h  Harzkanal,  ex  Exkremente.  Nach 
Trägärdh. 


Abb.  128.  Raupe  von  Ocnero- 
stoma piniariella  ZU.,  gefüllt 
mit  den  Kokons  von  Agenias- 
pis "  fuscicollis  Dalm.  Nach 
Trägärdh. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  175 

minierend,  um  schon  nach  lo  oder  12  mm  das  ganze  Innere  der  Nadel  aus- 
zuhöhlen, lediglich  die  Hypodermis  und  Epidermis  übrig  lassend.  In  dieser 
Weise  miniert  es  nadelabwärts  bis  nahe  der  Nadelscheide.  Die  Mine  vom 
ersten  Beginn  an  erreicht  eine  Länge  von  ca.  40  mm,  der  distale  größte  Teil 
der  Mine  ist  dicht  mit  Exkrementen  angefüllt,  während  das  proximale  Ende 
in  einer  Länge  von  etwa  9 — 10  mm  völlig  leer  ist  (Abb.  127).  Es  ist  dies  der 
Platz  für  die  Larve,  bevor  sie  die  Nadel  verläßt  und  wo  sie  auch  überwintert. 
Übrigens  scheint  die  Winterruhe  nicht  sehr  tief  zu  sein,  denn  Trägärdh 
fand  die  Raupe  auch  im  Winter  fressend,  sobald  die  Temperatur  -|-4,5'>  C 
erreichte. 

Ausgewachsen  verläßt  die  Raupe  die  Brutnadel,  befestigt  sich  an  einer 
benachbarten,  wo  sie  sich  nochmals  häutet.  Im  letzten  Stadium  nimmt  sie 
keine  Nahrung  mehr  zu  sich,  sondern  beginnt  sogleich  damit,  die  Brutnadel 
und  verschiedene  benachbarte  (4 — 6)  zu  einer  Röhre  zusammenzuspinnen,  in 
welcher  die  Verpuppung  stattfindet. 

Die  Generations  Verhältnisse  sind  noch  nicht  völlig  geklärt; 
A 1 1  u  m  nimmt  eine  einjährige  Generation  an,  v.  H  e  y  d  e  n  dagegen  eine 
doppelte  mit  dem  ersten  Flug  im  Juni  und  dem  zweiten  Flug  im  August. 
Trägärdhs  Beobachtungen  sprechen  für  die  letztere  Annahme,  indem  er 
Mitte  Juli  ältere  Raupen  und  am  3.  August  an  der  gleichen  Lokalität  wieder 
frisch  geschlüpfte  Räupchen  fand.  Letztere  stellen  jedenfalls  eine  zweite 
Generation  dar,  die  überwintert  und  im  Juni  die  Falter  gibt,  von  denen  die 
im  Juli  beobachteten  Raupen  und  die  im  August  von  v.  Hey  den  u.  a.  beob- 
achteten Falter  stammen.    Die  Bioformel  wäre  danach 

6  —  67 


7  +  8 


ö  —  ö,5 

"5T6       , 


O.  piiiiariella  ZU.  ist  eine  über  einen  großen  Teil  von  Europa  verbreitete 
Motte,  die  sich  bisweilen  so  stark  vermehrt,  daß  die  Fraßerscheinungen  auf- 
fallend werden;  so  fand  bei  Eberswalde  in  den  80er  Jahren  in  einem 
schlechten  10 — 12  m  hohen  Kiefernbestand  ein  starker  Fraß  statt,  der  durch 
die  vielen  gelben  Nadeln  und  späterhin  durch  die  zahlreichen  zusammen- 
gesponnenen Nadelbüschel  die  Aufmerksamkeit  des  Forstmannes  erregte. 
Die  Raupe  ging  hier  von  den  untersten  Zweigen  bis  ungefähr  8  m  Höhe;  sie 
ist  eine  Genossin  des  Rüsselkäfers  Brachonyx  pineti  Payk  und  der  Gallmücke 
Cecidomyia  brachyntera  Schwaeg. 

Als  häufigsten  Parasiten  fand  Trägärdh  den  Chalciciden  Ageniaspis  jusci- 
collis  Dalm.  (wohl  die  var.  praysincola),  der  durch  seine  polyembryonale  Entwick- 
lung bekannt  geworden  ist.  Er  ist  bis  jetzt  nur  aus  Hyponomeutiden  gezogen 
worden,  und  zwar  außer  aus  Ocnerostoma  noch  aus  Hyp.  cognatella  Hb.  und  mali- 
nella  ZU.,  Prays  oleellus   F.  und  Dyscedestis  farinalella  Dup.   (s.  obeni. 

Trägärdh  nimmt  an,  daß  die  Wespe  ihre  Eier  in  die  Eier  von  phiiariella 
legt,  da  sie  die  Raupe  in  der  Nadel  infolge  deren  harten  Epidermis  nicht  erreichen 
kann.  Wenn  die  Raupe  erwachsen  ist  und  die  Nadel  verläßt,  ist  sie  vollkommen 
angefüllt  mit  den  Parasiten  (Abb.  128).  Sie  kann  sich  aber  trotzdem  noch  häuten 
und  ihren  Kokon  spinnen;  dann  erst  geht  sie  zugrunde.  Gewöhnlich  entwickeln  sich 
8 — 12  Parasiten  in  einer  Raupe.  Zuweilen  ist  der  Prozentsatz  der  parasitierten 
Raupen  sehr  groß,  bis  750/0    (Trägärdh,    1914). 


176  II.  Spezieller  Teil. 

Ocnerostoma  copiosella  Frey. 

Arvenmotte. 

Unterscheidet  sich  von  piniariella  nur  durch  die  etwas  größere  Gestalt,  die 
dunklere  graue  Färbung  und  die  breiteren,  an  der  Spitze  abgerundeten  Vorderflügel. 
Die  meisten  Autoren  sehen  sie  als  Lokalvarietät  von  piniariella  an^). 

„Streng  an  die  Arvenregion  gebunden,  bildet  copiosella  eine  markante 
Erscheinung  in  den  Hochgebirgswaldungen,  indem  sie  erst  bei  1600  m  Höhe 
auftritt,  ihre  stärkste  Entwicklung  jedoch  zwischen  1700  und  1900  m  erreicht" 
(Keller  1910). 

Bourgeois  (1894)  hat  copiosella  zuerst  in  die  Forstzoologie  ein- 
geführt und  auch  die  ersten  näheren  Angaben  über  die  Bionomie  gemacht, 
die  später  Keller  (1901  und  1910)  mehrfach  ergänzt  und  berichtigt  hat. 

Nach  den  Feststellungen  des  letzten  hat  die  Arvenmotte  doppelte  Gene- 
ration mit  annähernd  der  gleichen  Bioformel  wie  piniariella  (s.  auch  Stand- 
fuß 1894).  Die  erste  Flugzeit  fällt  in  die  erste  Hälfte  des  Juni,  die  zweite 
Mitte  bis  Ende  Juli.  Der  Hauptflug  fällt  in  die  ersten  Morgenstunden  von 
5 — 7  Uhr.  Um  diese  Zeit  umschwärmen  die  beweglichen  rfcf  die  Arven- 
zweige, während  die  99  gewöhnlich  auf  den  Nadeln  hin  und  her  laufen.  Um 
8  Uhr  läßt  das  Schwärmen  nach,  und  in  den  heißen  Mittagsstunden  tritt 
völlige  Ruhe  ein.  Die  Motten  sitzen  dann  trag  an  den  Nadeln,  gewöhnlich  in 
der  Nähe  der  Spitze.  Sie  lassen  sich  jetzt  ganz  bequem  abklopfen  und  zeigen 
gar  keine  Neigung  zu  fliegen.  Auch  während  des  Schwärmens  entfernen  sie 
sich  nicht  von  ihrem  Nährbaum.  In  welchen  Massen  die  Motten  auftreten 
können,  geht  aus  einer  Schätzung  Kellers  hervor,  wonach  eine  etwa  4  m 
hohe  Arve  von  mindestens  800 — ^1000  Exemplaren  umschwärmt  wurde. 

Bei  der  Begattung  sind  die  Paare  ziemlich  fest  verhängt  und  sitzen  dann 
meist  ruhig  am  Nadelende.  Die  gelbgrünen  Eier  werden  einzeln  oder  auch 
wohl  zu  zweien  an  die  Nadelenden  (dicht  an  der  Spitze)  gekittet.  Die 
dunklen  Räupchen  mit  glänzend  schwarzem  Kopf  bohren  sich  in  die  Nadel 
ein  und  minieren  in  derselben,  wie  oben  bei  piniariella  geschildert.  Auch  die 
Verpuppung  findet  in  gleicher  Weise  zwischen  zusammengesponnenen  Na- 
deln statt. 

Die  Arvenmotte  kommt  in  ihrem  Verbreitungsgebiet  oft  lokal  scharf 
begrenzt  vor.  Sonnige,  der  Insolation  stark  ausgesetzte  Hänge  scheinen  be- 
sonders bevorzugt,  schattige  Lagen  dagegen  gemieden  zu  werden.  Jedes  Alter 
der  Arven  wird  befallen,  doch  werden  frohwüchsige,  junge  Arven  entschieden 
vorgezogen.  Sie  ist  ein  hartnäckiger  und  lästiger  Schädling,  der  an  demselben 
Ort  Jahr  für  Jahr  in  starker  Vermehrung  auftreten  kann.  Nehmen  wir  dazu 
die  doppelte  Generation,  so  kann  zumindest  merklicher  Zuwachsverlust  nicht 
ausbleiben.  Ein  Absterben  von  Arven  ist  selbst  nach  langen  Fraßperioden 
nicht  beobachtet  worden.  Die  befallenen  Stellen  sind  schon  von  weitem  an 
einer  Verfärbung  des  Nadelwerkes  zu  erkennen,  die  dadurch  zu  einer  all- 
gemeinen wird,  daß  die  Beschädigung  sich  nicht  nur  auf  die  jeweils  be- 
fressene  Nadel  beschränkt,  sondern  auch  die  übrigen  vier  Nadeln  des 
Bündels  absterben. 

An  natürlichen  Feinden  sind  eine  Schlupfwespe  (f/'.e2:ö;;m<:////5-- Art), 


1)  Heinemann  (S.  660)  kann  copiosella  nicht  von  piniariella  trennen,  welch 
letztere  in  der  Form  der  Vorderflügel  etwas  veränderlich  sei.  Allerdings  sah  er  die 
Stücke  aus  dem  Engadin  (copiosella)  niemals  so  weiß  wie  die  hellen  Stücke  von 
piniariella. 


Eschench,  Forstiiisekttii.    III.  Bd. 


Tafel  I 


%^ju:.:^ß 


26 


20 


iäjte.. 


24 


'.^^ 


25 


Tineiden  <Motten> 


:v.  Kennel  del. 


lErioci-aniasparmanellaBosc.  2  N'epticula  sericopeza  7.11.  ;1  Tischeiia  complanella ///>.  4  Adela  ochscn- 
heimerella  i/^).  5  Tinea  cloacella //ir.  ö  Tineola  biselliella  '////».  ,  Pravs  curtisellus  Z)«/'.  S  Hvpo- 
nomeuta  padella  L.  (=  variabilis)  9  .Aravresthin  fundella  F  R  10  A.  certella  /JI.  U  A.  •.llumir.a- 
tella  /^.  A'  12  A.  Inevia-atella  H.S.  i:!  Öcm-rostoma  piniariella  Z//.  U  Gracilaria  ruiipcnn..lla  /^ö. 
15  Eutrichocnemis  simplonieila  F.  16  Coleophora  laricella  Hb  17  C.  fuscedinclla  ZU.  18  C.  luli- 
pemiella  ZU.  19  Eustaintonia  pinicolella  Diip  2U  u.  21  Chimabacche  fairella  F  22  Carcina  quercana  /<. 
23Borkhauseniastipeilai:.   24Stenolechia  gemclla  Z..   25  Teleia  proximella  il/ö.    26Gelechia  electella  Z//. 

Vergr.  2'  --mal. 


[.  Unterordnung:   Alicrolepidoptera,    Familie  Tineidae. 


177 


Abb. 


ferner  zahlreiche  Spinnen,  die  Jagd  auf  die  Raupen  machen  (Lyniphia, 
Theridiiim  usw.)  gefunden  worden.  „Die  Vogelwelt  scheint  ganz  untätig  zu 
sein."  Bisweilen  tritt  eine  Mykose  auf,  an  der  viele  Raupen  und  Puppen 
zugrunde  gehen. 

Als  Bekämpfungsmittel  empfiehlt  Keller  (1901)  das  Abklopfen  der 
Motten  in  den  heißen  Mittagsstunden  in  untergehaltene  Hamen. 

Gattung  Cerostoma  Ltr. 

Palpen  mit  breitem,  vorstehen- 
dem Haarbusch.  Vorderflügel  mit 
relativ  kleinem  Stigma  (kann  auch 
fehlen).  Basal  m  meist  gut  erhalten; 
9  Endsätze  vom  spitzenwärtigen  Teil 
des  Discus  ausgehend.  Lange,  kräf- 
tige Wurzelschlinge.  Hinterflügel  mit 
breitem  Faltenteil  und  vorgebauchtem 
Analfeld;  Adern  rr  und  m^  lang 
gestielt   (Abb.  129). 

Die  Raupen  auf  Laubholz,  die 
Puppen  in  kahnartigem  Gespinst. 

Enthält  ca.  zwei  Dutzend  teils 
recht  abweichende  Formen;  forstlich 
kaum  bemerkenswert. 

Cerostoma  parenthesellumij  L. 

Syn.  Tinea  costella  F.  und  Tinea  ] udeichiella  Rtzb. 

Falter:  Hellgelbbraun  bis  zimtfarben,  glänzend,  bisweilen  violett  schimmernd, 
unter  dem  VR  einen  breiten  weißen,  bis  gegen  die  Flügelmitte  reichenden  Längs- 
streifen, der  sich  oft  in  feiner  Linie  bis  zur  Spitze  fortsetzt.  Mitunter  fehlt  die 
weiße  Strieme  ganz  oder  ist  nur  als  feine  Linie  vorhanden.  Spannweite  17 — 19  mm. 
Raupe  gelbgrün,  mit   schwarzen  Wärzchen  und  gelbbraunem  Kopf. 

Kommt  in  Buchen  beständen  vor.  Die  Raupe  frißt  auf  der  Unter- 
seite der  Blätter  und  ist  wegen  ihrer  grünen  Färbung  schwer  zu  sehen.  Am 
meisten  schadet  sie  den  Keimlingen;  sie  kommt  aber  auch  auf  alten 
Buchen  vor,  an  welchen  man  sie  häufig  an  einem  Faden  hängen  sieht 
(Ratzeburg  W.  II.  418).  Auch  Altum  (1888a)  hat  parenthesellum  als 
Beschädigerin  des  Buchenaufschlages  gefunden.  Die  Raupe  frißt  die  Plu- 
mulablätter,  indem  sie  dieselben  namentlich  gegen  die  Spitze  zu  grob  skelet- 
tiert;  sie  spinnt  hierbei  und  an  diesen  Stellen  liegt  auch  die  Puppe. 

6.  Unterfamilie:   Gracilariinae. 

B  1  a  1 1  -  T  ü  t  e  n  m  o  1 1  e  n. 
Zierliche,  schlanke  Tierchen  mit  langem,  dünnem  Körper  und  meist  sehr 
schmalen    Flügeln.     Im    Vorderflügel    r-^    weit    zurückgezogen,    sc    kurz;    ??i2 


129.    Gcäder  von   Cerostotna  paretithe- 
sellnin    L.     Nach    S  p  u  1  e  r. 


1)  Ratzeburg  führt  in  seiner  Waldverderbnis  (II.  418)  zwei  Tineiden  unter 
dem  Namen  Tinea  costella  F.  und  Judeichiella  Rtzb.  an,  die  aber  nach  dem  Katalog 
von  Staudinger  und  R  e  b  e  1  Synonyme  von  Cerostoma  parenthesellum  L.  sind. 
Allerdings  gibt  Ratzeburg  für  seine  beiden  Arten  verschiedene  Fraßpflanzen  an: 
für  costella  die  Buche  und  für  /udeichiella  die  Tanne  (Knospen).  Das  letztere 
Vorkommen  scheint  aber  nicht  direkt  beobachtet  zu  sein,  sondern  wird  lediglich 
daraus  geschlossen,  daß  ,J udeichiella  der  knospenbewohnenden  Bergiella  (siehe 
oben  S.  164)  sehr  ähnlich  ist".  (W.  II.  S.  14.)  Altum  (F.  IL  313)  identifiziert 
irrtümlicherweise  Judeichiella  mit  coraciella  F.  R.,  die  der  parenthesellum  zwar  nahe- 
steht, aber  nach  Staudinger-Rebel,  Spuler  usw.  eine  eigene  Art  darstellt. 
Escherieh,  Forstinsekten.  Bd.  III.  12 


178 


II.  Spezieller  Teil 


manchmal  mit  m.^  verschmolzen;  an  bis  oder  bis  fast  an  den  Saum  deutlich. 
Hinterflügel  spitz  lanzettlich,  mit  nahe  an  der  Basis  vorgebauchtem  VR, 
m-^  an  cu^  angeschlossen;  au  stets  deutlich,  Faltenadern  verkümmert 
(Abb.  130). 

Die  Falter  fliegen  in  der  Dämmerung  und  nehmen  in  der  Ruhe  eine 
eigentümliche  Stellung  ein:  sie  halten  den  Vorderkörper  sehr  hoch,  indem  die 
Schienen  und  Füße  der  vier  vorderen  Beine  fast  senkrecht  auf  der  Fläche 
stehen,  die  Hinterbeine  den  Leib  entlang  ausgestreckt  und  die  steil  dach- 
förmigen Flügel  nach  hinten  abwärts  gerichtet  sind,  so  daß  sie  die  Sitzfläche 

berühren,  die  Fühler  sind  nach 
hinten  zurückgelegt.  Raupen  14- 
füßig,  da  das  4.  Paar  Bauch- 
füße fehlt.  In  der  Jugend  sind  alle 
Blattminierer,  ein  Teil  derselben 
bleibt  es  bis  zur  Verpuppung,  die 
meisten  verlassen  aber  die  Mi- 
nen und  leben  dann  in  einem 
auf  verschiedene  Weise  um- 
geschlagenen oder  zusammen- 
gerollten Blatt,  die  innere 
Seite  benagend. 


an 


Abb. 


130. 


Geäder  von  Gracilaria  TAX.   Nach 
Spul  er. 

Gattung  Gracilaria  ZU. 

Scheitel  und  Gesicht  glatt,  zwischen  den  Fühlern  vorgewölbt,  beschuppt. 
Fühler  dünn,  vor  den  Augen  eingelenkt.  Vorderflügel  an  der  Spitze  deutlich  ab- 
gebogen, mit  sehr  langem  Discus,  Ader  r^  bis  hinter  die  Discusmitte  zurückgezogen; 
(;«2  bis  zur  Abgangsstelle  von  r.2  zurückgezogen,  mit  cu^  nach  dem  Rand  zu  stark 
konvergierend.  Hinterflügel  spitz  lanzettlich  mit  nahe  der  Basis  vorgebauchtem  VR, 
m^,^   spät   geteilt,    m^,    an   cu^    angeschlossen,   an   deutlich,   ax-^    und    ax.^^    verkümmert. 

Die  Raupen  leben  später  in  tütenförmigen  Blattgehäusen. 

In  Europa  15  Arten,  von  denen  nur  eine  Art  in  der  forstlichen  Literatur 
Erwähnung  findet,  nämlich 

Gracilaria  rufipennella  Hb. 

A  h  o  r  n  m  o  1 1  e. 
Taf.  I,   Fig.  14. 
Falter:     Vorderflügel    zimtrot    oder    zimtgelb,    mit    ungezeichneten    Fransen, 
Schenkel  und  Schienen  der  4  Vorderbeine  schwärzlich  gefleckt,  Hinterschenkel  weiß- 
lich mit  dunklem  Mittelfleck.     Spw.  11  — 13  mm. 

Diese  vor  allem  in  Gebirgsgegenden  verbreitete  Gracilaria  wurde  unseres 
Wissens  bisher  nur  einmal  in  der  forstlichen  Literatur  erwähnt,  nämlich  von 
Fankhauser  (1904).  In  der  Schweiz  allenthalben 
nicht  selten,  trat  sie  1896  in  St.  Gallen  in  auf- 
fallender, starker  Vermehrung  auf,  und  zwar  vor 
allem  an  Bergahorn,  während  Spitz-  und  Feld- 
ahorn weniger  zu  leiden  hatten. 

Die  Flugzeit  fällt  in  die  Monate  Juli  bis  Sep- 
tember (doppelte  Generation?).  Der  Raupenfraß 
wurde   in   den    Monaten   Juni   und  Juli   beobachtet. 

^.     ,,  Das  ganze  Räupchen  miniert  zuerst  im  Blatt;  später 
Abb.  131.    Die  Ahornmotte,  ,..°  j-     iT^-  1  ,   ,      •       t  .  . 

Gracilaria  ruf ipennellaWh.  verlaßt  es  die  Mme  und  lebt  nn  Innern   enies  tuten- 

2i/j,X-  förmig   zu    einem    Kegel    eingerollten    Blattlappens 


Unterordnung:   Microle])idoptera,    Familie  Tineidae. 


179 


(Abb.  132).  Fankhauser  gibt  inter- 
essante Einzelheiten  an  über  die  Art 
und  Weise,  wie  das  Räupchen  die 
Tüte  fertigt  usw. 

Eine  nennenswerte  forstliche  Be- 
deutung kommt  rufipe)inella  kaum  zu. 

Gracilaria  (Xanthospilapteryx)i) 
syringella  F. 

P'  li  e  d  e  r  ni  o  1 1  e. 

Falter:  V^orderflügel  gelblich 
olivbraun,  durch  feine  weißliche  und 
dunkelbraune  Punkte  und  Flecken  mar- 
moriert, weißliche  Querbinden  bei  ^  j 
der  Mitte,  vor  der  Spitze  am  VP.  2 
häkchenartige  weiße  Fleckchen,  i  drei 
eckiges  Fleckchen  am  I -Winkel  und 
I  Häkchen  am  Saum  vor  der  Spitze 
Spannweite  12 — 14  mm  (Abb.  133).  — 
Raupe  im  i.  Stadium  glashell,  platt- 
gedrückt, ohne  Beine  und  Haare  (Abb 
134  A);  im  2.  Stadium  weiß  oder 
schwach  grünlich  mit  dunkelgrüner 
Rückenlinie,  mit  Borsten  besetzt  und 
schwach  gebräuntem  Kopf  (Abb.  134B). 

Die  Fliedermotte  gehört  zu  einem 
unserer  häufigsten  Kleinschmetter- 
linge, dessen  Verunstaltungen  an  Fliederblättern  fast  in  jedem  Garten  zu 
sehen  sind.  Sie  ist  denn  auch  schon  oft  Gegenstand  der  Beobachtung  gewesen 
und  hat  zu  einer  ziemlich  umfangreichen  Literatur  älteren  und  neueren  Da- 
tums Veranlassung  gegeben  (Amyot  1864,  Bail  1908,  Fulmek  1910, 
Trägärdh  191 1,  Stäger  1923).  Der  letztgenannte  Autor  gibt  eine  ausführ- 
liche Darstellung  der  Lebensweise  auf  Grund  eingehender  eigener  Unter- 
suchungen, durch  die  mit  manchen  falschen  Vorstellungen  Bails  aufgeräumt 
und  die  Angaben    F u  1  m e k s  und  Trägärdhs   mehrfach   ergänzt   wurden. 

Die  Motte  schwärmt  an  milden  Maiabenden  (bzw.  im  Juli)  um  Flieder- 
büsche, Eschen  usw.,  und  zwar  mit  Vorliebe  im  Schatten.  Die  Ablage  der 
Eier  findet  stets  an  der  Blattunterseite  statt,  meist  im  vorderen  Drittel  des 
völlig  entwickelten  Blattes.  Die  Eier  liegen  gewöhnlich  zu  6 — 20  Stück  in 
einer  Reihe  an  der  Seite  des  Haupt-  oder  eines  Nebennerves. 

Nach  8 — 10  Tagen  schlüpfen  die  winzigen,  glashellen  Räupchen,  die 
sofort  durch  den  Eiboden  hindurch  in  das  Gewebe  des  Blattes  eindringen. 
Die  Räupchen  bleiben  a^wg  aneinandergeschmiegt  in  einer  Kolonne  zusammen 


Abb.  132.    Fraß  von  Grac.  rufipeiineUa  Hb. 
an  Ahorn.   Nach   Fankhauser. 


-;  Spuler  trennt  Xanlhospilapteryx  als  besondere  Gattung  von  Gracilaria; 
wir  wollen  hier  Xanthospilapteryx  als  Untergattung  bei  Gracilaria  belassen.  Spul  er 
gibt  folgende  Merkmale  für  seine  Gattung  an:  Kopf  hinter  den  Augen  mit  einpor- 
gerichtetem  Haarschuppenschopf.  Fühler  vorne  über  den  Augen  eingelenkt.  Vorder- 
flügel gegen  die  Spitze  weniger  stark  abgebogen.  Discus  gegen  die  Spitze  stark  ver- 
breitert, mit  Andeutung  von  Anhangszelle.  Von  den  4  Adern,  die  hinter  der  Zell- 
mitte von  der  Zelle  in  den  Vorderrand  abgehen,  entspringen  die  ersten  beiden 
weniger  weit  voneinander  getrennt  als  die  letzten  beiden. 

12* 


180 


II.  Spezieller  Teil. 


.^** 


und  vollführen  in  dieser  Form  gemeinsam  ihren  Minierfraß.  Haben  die 
Raupen  eine  Mine  nach  allen  Richtungen  leergefressen,  so  daß  die  Mine  die 
größere  Hälfte  des  Blattes  oder  selbst  das  ganze  Blatt  einnimmt,  so  verlassen 
sie  diese  durch  eine  oder  mehrere  Öffnungen  und  begeben  sich  auf  die 
Unterseite  eines  frischen  Blattes,  um.  dieses  nach  unten  aufzurollen  und  zu- 
sammenzuspinnen  (Abb.  135).  Der  Platz-  und  Fraßwechsel  findet  nur  des  Nachts 

oder  in  den  ersten  Morgenstunden  statt.  Um 
das  Aufrollen  zu  erleichtern,  wird  zunächst  die 
Hauptrippe  des  Blattes  an  mehreren  Stellen 
durchgebissen  bzw.  eingekerbt.  Während 
I — 2  Raupen  mit  dieser  Arbeit  beschäftigt 
sind,  beginnen  andere  mit  dem  Einbiegen 
und  Aufrollen  des  Blattes.  Letzteres  ge- 
schieht mit  Hilfe  von  Spinnfäden,  und  zwar 
nicht  so,  daß  die  Raupen  aktiv  mit  den 
Fäden  die  Spitze  einziehen  und  das  Blatt  auf- 
rollen (wie  Amyot  meinte),  sondern  einzig 
durch  das  Eintrocknen  und  der  damit  ver- 
bundenen Verkürzung  der  Spinnfäden,  die 
am  richtigen  Ort  angebracht  worden  waren. 
Mit  dem  Aufrollen  geht  auch  der  Verschluß  der  seitlichen  Öffnungen  Hand 
in  Hand;  der  ganze  Vorgang  nimmt  etwa  i — i^/g  Stunden  in  Anspruch. 


Abb.  133.    Die  Fliedermotte  Gra- 
cilaria  syrhigella   F.   3  X- 


A  B 

Abb.  134.  Raupe  von  Gracilaria 
syringella  F.  A  junges  minie- 
rendes  Stadium,  B  erwachsenes, 
frei  lebendes  Stadium.  Nach 
Träsrärdh. 


Abb. 


35.    Fraß  von  Grac.  syringella  F.  im 
aufsrerollten    Fliederblatt. 


Die  ganze  Raupengesellschaft  befindet  sich  jetzt  wohlgeborgen  in  dem 
Wickel,  in  welchem  der  Fraß  fortgesetzt  wird  durch  Abnagen  der  Epidermis 
der  Blattoberseite.  Ist  der  erste  Wickel  ausgefressen,  so  begeben  sich  sämt- 
liche Raupen  auf  ein  neues  Blatt,  das  sie  in  der  gleichen  Weise  behandeln. 
Dies  wird   solange   wiederholt,   bis   sie  ausgewachsen   sind    (ca.   8  mm   lang). 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie   Tineidae.  181 

Dann  verlassen  sie  gewöhnlich  (nicht  immer)  ihre  bisherige  Wohnung  ent- 
weder mit  Hilfe  eines  Gespinstfadens  oder  durch  Kriechen,  um  sich  in 
Rindenspalten,  Zweigachseln  oder  sonstigen  kleinen  Schlupfwinkeln  oder  im 
Boden  einzuspinnen  bzw.  zu  verpuppen.  Die  Puppenruhe  dauert  ca.  drei 
Wochen;  die  ganze  Entwicklung  vom  Ei  bis  zum  Falter  ca.  sieben  Wochen, 
so  daß  mindestens  zwei  Generationen,  in  wärmeren  Gegenden 
sogar  drei  Generationen,  die  Regel  sind. 

Als  Fraßpflanze  kommt  außer  dem  Flieder  noch  die  Esche 
(Fraxinus  excelsior)  und  Liguster  CLigustru?n  vulgare)  in  Frage  (nicht  aber 
Evonymus,  wie  vielfach  in  der  Literatur  angegeben). 

Der  Fraß  wechselt  in  seiner  Intensität  nach  den  Jahren.  Oft  treten  die 
Raupen  sehr  zahlreich  auf,  daß  jedes  Blatt  befallen  ist;  dann  kommen  wieder 
Jahre,  in  denen  ein  Befall  kaum  zu  bemerken  ist.  Als  Parasiten  sind  gezogen 
die  Schlupfwespen:  Angitia  chrysosticta  Gmel.,  Apanteles  düectus  Hai., 
A.  fuliginostis  Wesm.,  A.  impurus  Nees,  A.  ruficornis  Nees  und  Ascogaster 
rujidens  Wesm.  Eine  Bekämpfung  kommt  wohl  hauptsächlich  in  Baum- 
schulen in  Frage:  Abpflücken  der  befallenen  Blätter  oder  Zerdrücken  der 
Raupen  in  den  Minen;  Spritzen  mit  Petroleumseifenbrühe. 

Gracilaria  (Eutrichocnemis)i)  simploniella  F.  R. 

E  i  c  h  e  n  r  i  n  d  e  n  m  i  n  i  e  r  m  o  1 1  c . 

Taf.  I,  Fig.  15. 

Die    Motte    (Abb.  136)    gleicht   in   Gestalt,    namentlich   der   langen    Fransen   der 

grauen    Hinterflügel,    der    bekannten    Lärchenininiermotte,    doch   ist    sie    beträchtlich 

größer  und  hat   prächtig  milchweiße   Vorderflügel,   die  besonders   in  ihrem  Spitzen- 


'^X^^J^^ 


B 
Abb.     136.     Die    Eichenrindenminier-      Abb.    137.     Hinterschiene:     A    von    Gracilaria 
motte      Gracilaria     (Eutrichocneiuis )      (Eiitric/wcnemis)    simploniella    F.  R.,    B    von 
simploniella   F.  R.   3  X-  einer  anderen  Gracilaria.    Nach   Hering. 

teil   noch   mit   bräunlich   gelben,    schwarz    geränderten   Binden   geziert    sind.     Hinter- 
schienen mit  2  Reihen  abstehender  Borsten  besetzt.    Spw.  10 — 11  mm     (Abb.  137). 

Die  Raupe  ist  eine  ausgeprägte  Minier- Anpassungsform  (Abb.  138).  Der  Körper 
der  erwachsenen  Raupe  ist  stark  deprimiert,  die  einzelnen  Segmente  springen 
seitlich  in  der  Mitte  winklig  stark  hervor.  Die  Stigmen  kommen  in  die  Mitte  der 
Vorderwände  dieser  Ausbuchtungen  zu  liegen.  Die  ventralen  und  dorsalen  Flächen 
der  Segmente  werden  zum  größten  Teil  von  stärker  chitinisierten,  rauhen  Platten 
eingenommen,  die  als  Kriechschwielen  dienen.  Die  Beine  (sowohl  die  Brust-  als  die 
Bauchfüße)  sind  fast  völlig  rückgebildet.  An  Stelle  der  Brustfüße  finden  sich  nur 
klauenlose,  winzige  Wärzchen,  und  anstatt  der  Bauchfüße  kranzförmige  Wülste. 
Auch  der  Kopf  ist  stark  deprimiert,  sein  Vorderrand  fast  schneidend. 


1)  Die  von  Spul  er  aufgestellte  Gattung  Eiitrichociieinis.  die  ich  hier  als 
Untergattung  bei  Gracilaria  belasse,  zeichnet  sich  lediglich  dadurch  aus,  daß  die 
Hinterschienen  mit  zwei  Reihen  abstehender  Börstchen  besetzt  sind,  während  sie  bei 
Gracilaria  anliegend  behaart  sind  (Abb.  137). 


182 


II.  Spezieller  Teil. 


Im  \-orletzlen  Stadium  ist  die  Raupe  noch  flacher,  die  rauhen  Chitinplatten 
noch  stärker  ausgebildet  und  zum  Teil  mit  starken  Zähnen  reibeisenartig  besetzt.  Die 
IMandibeln  sind  in  diesem  Stadium  fast  völlig  flach  und  gleichen  gerippten  Messer- 
klingen   (Baeri. 

Obwohl  die  Fraßerscheinungen,  die  geschlängelten  Rindenminen  an 
Eichen,  durchaus  nicht  selten  sind,  ist  der  Urheber  derselben  erst  im  Jahre 
1909  von  W.  Baer  (1909)  als  Grac.  simploniella  F.  R.  festgestellt  worden. 
Der  genannte  Forscher  gibt  eine  sehr  eingehende  Schilderung  der  Lebens- 
weise und  auch  der  Morphologie  der  Raupe,  die  durch  ihre  Anpassungsmerk- 
male allgemeines  Interesse  beansprucht. 

Wir  folgen  hier  in  der  Hauptsache  Baers  Ausführungen:  „Die  Mine," 
schreibt  dieser,  „fand  sich  an  der  glatten  Rinde  der  Stämmchen  und  Äste  in 
großer   Anzahl.    Äußerst    schmal    beginnend,    schlängelt   sie   sich   zuerst,    oft 

basalwärts,  auf  der  einen  Seite  des  Stämm- 
chens oder  Astes  hin,  kehrt  sodann  um 
und  verläuft  unter  mäandrischen  Windungen 
weiter,  die  sich  einander  parallel,  oft  eng 
aneinanderlegen,  in  einer  Breite  von  2 — 4 
und  zuletzt  sogar  5  mm;  schheßlich  endigt 
sie  als  große  Blasenmine,  die  etwa  einen  Platz 
von  5  qcm  bedeckt  (Abb.  139).  Je  nach  der 
Stärke  des  Materials  erstreckt  sich  die  Mine 
im  ganzen  an  demselben  i.iber  eine  Länge 
von  etwa  12 — 20  cm.  Die  mäandrischen 
Windungen  greifen  auch  an  stärkeren  Stämm- 
chen von  mehreren  Zentimetern  Durchmesser 
mehr  oder  weniger  weit  um  dasselbe  herum  und 
"J*:  ffftZ'  ^~"^'^y'  erinnern  in  ihrem  Verlauf  oft  sehr  an  die  Fraß- 

'-S^HIW!^  a*£"^Sä  gänge  der  Jgrili/s- Arien.     Die  unterhöhlten 

Partien  der  Rindenoberhaut  erscheinen  auf- 
getrieben und  treten  reliefartig  hervor.  Der 
nachwachsende  Wundkork  sprengt  schließlich 
die  Oberhaut  selbst,  namentlich  aber  platzt 
die  zarte  Decke  der  großen  Minenblase  alsbald 
beim  Eintrocknen  (Abb.  139).  Dieser  letzte 
Umstand  ist  wohl  nicht  ganz  ohne  Bedeutung 
für  das  auskommende  Falterchen.  Hier  in  der 
Blasenmine  schreitet  nämlich  das  erwachsene 
Räupchen  zur  Verpuppung,  indem  es  sich 
an  der  Decke  derselben  unter  einem  dichten  und  festen  Schleier  einspinnt. 
Durch  das  Gespinst  schiebt  sich  hier  wohl  die  reife  Puppe  hervor,  um  die 
zarte  Motte  zu  entlassen,  dagegen  durchbricht  dieselbe  die  abgelöste  Rinden- 
oberhaut nicht,  wodurch  der  Weg  ins  Freie  erst  gänzlich  gebahnt  wäre; 
wenigstens  nach  dem  Verhalten  bei  unserem  Zuchtmateriale  zu  schließen,  das 
freilich  vielleicht  nicht  vollkommen  maßgeblich  ist." 

„Die  Puppe  besitzt  dieselben  hochausgebildeten  Scheiden  der  Extremi- 
täten wie  die  übrigen  Gracilarien,  und  läßt  sich  kaum  noch  als  ,, Mumien- 
puppe", sondern  eher  als  „Freie  Puppe"  ansprechen.  Die  Flugzeit  von 
G.  simplojiiella  ist  in   Holland  das  Ende  des  Juni  und  der  Juli.    Sie  dürfte 


(4 
A  ] 

Abb.  138.  A  Räupchen  von  Graci- 
laria  simploniella  F.  R.  vor  der 
letzten  Häutung  (dorsale  Ansicht), 
B  erwachsenes  Räupchen  (ventrale 
Ansicht).    Nach  Baer. 


I.  Unterordnung:   JMicrolepidoptera,    Familie  Tineidae. 


183 


dort  wenigstens  nur  eine  Generation  im  Jahre  haben,  entgegen  den 
meisten  Gracilarien,  die  zweimal  im  Jahre  fliegen.  Die  Räupchen  zeigten  sich 
nach  der  Überwinterung  im  ersten  Frühjahre  kaum  halbwüchsig." 

GracUaria  siinploiüella  wurde 
zuerst  am  Fuß  des  Simplon  im  Ober- 
wallis aufgefunden.  Später  wurde  sie 
namentlich  in  Belgien  und  Holland, 
sowie  auch  verschiedentlich  in  Mittel- 
und  Süddeutschland,  Südfrankreich  und 
Ungarn  beobachtet. 

Daß  die  Eichenrindenminiermotte 
f o r s  1 1  i c h  r e c h t  unangenehm 
werden  kann,  geht  aus  einem  Bericht 
hervor,  der  dem  Verfasser  über  ihr 
Auftreten  im  ungarischen  Forstamt 
Sarvar  zugegangen  ist  ( E  s  c  h  e  r  i  c  h 
19251.  ,,Die  Beschädigung,"  heißt  es 
da,  , .tritt  im  ganzen  in  mehreren  30 
bis  40  km  voneinander  entfernten 
Waldungen  des  Forstamts  auf,  be- 
sonders stark  auf  einer  Brandfläche, 
wo  etwa  4Jährige  Eichen  auf  den  Stock 
gesetzt  wurden  und  üppiger  Ausschlag 
sich  gebildet  hat.  Sie  ist  besonders 
an  Zerreichen,  doch  auch  an  Trauben- 
und  Stieleichen,  vereinzelt  auch  an 
Weißbuchen,  meist  unmittelbar  über 
dem  Boden,  selten  in  i  — 1,20  m  Höhe 
wahrzunehmen".  Die  allenthalben  zu- 
tage tretende  Abschilferung  der  äu- 
ßeren Rindenschichten  ließ  den  Bericht- 
erstatter (Dr.  Graßmann)  zuerst  auf 
Sonnenbrand  schließen,  doch  brachte 
ihn  der  Umstand,  daß  die  Erscheinung 
sich  nicht  auf  die  Sonnenseite  be- 
schränkte und  außerdem  Kot  und 
Gespinste  an  den  beschädigten  Stellen 
gefunden  wurden,  bald  zur  rechten 
Erkenntnis,  daß  ein  tierischer  Schäd- 
hng  als  Urheber  der  Beschädigung 
anzunehmen  sei. 


Gattung  Lithocolletis  ZU. 


Abb.  139.  Abschnitt  von  Eichenstangen 
mit  Rindenminen  von  GracUaria  simplo- 
nieUa  F.  R.  Unten  deutlich  die  ver- 
schlungenen Minengänge,  oben  die  gro- 
ßen Minenblasen  oder  deren  Reste. 
Nach  B  a  er. 


Scheitel     abstehend    behaart,    Palpen 
kurz,  hängend.     Nebenpalpen  verkümmert. 

Im  Vorderflügel  r-^  fast  ganz  fehlend,  von  der  Zelle  gehen  höchstens  3  Adern  in  den 
Außenrand  (bei  Gracilaria  4 — 5).  Hinterflügel  schmal  lanzettlich,  Geäder  siehe 
Abb.  140. 

Die  Raupen  14 füßig,  mit  verdicktem  Brustring;  leben  in  faltigen  Flecken- 


184 


II.  Spezieller  Teil. 


minen,  Faltenminen  (Ptychonomien )  i)  unter  der  Ober-  oder  Unterhaut  von 
Blättern.  Verpuppung  meist  im  Gespinst  in  der  Mine.  Doppelte  Generation  die 
Regel. 

Zahlreiche  (in  Europa  96)  verschieden  gefärbte  Arten.  Forstlich  kaum  von 
Bedeutung.  Da  ihre  Minen  aber,  wo  sie  zahlreich  auftreten,  eine  recht  auffallende 
Erscheinung   werden   können,    so   seien   hier   einige   der   häufigsten   Arten   angeführt. 

Die  Lithocolletis-An&n  sind  winzige,  8—9  mm  spannende  Tierchen,  deren 
Vorderflügel  meist  silberweiß  oder  goldgrundiert  sind  und  mit  prächtigen  feinen 
Metallflecken  gezeichnet   sind. 

Z.  quercifoliella  ZU.  An  der  Unterseite  der  Eichenblätter,  in  gefleckter  Mine 
(Abb.  142). 

Z.  abnella  ZU.    An   Alnus  gliitinosa   (Unterseite). 

Z.  faginella  ZU.  An  Buche.  Larve  macht  auf  der  Unterseite  eine  längliche 
Mine  zwischen  zwei  Nerven  (Abb.  143). 

Nach  Lüstner  (1925)  trat  faginella  ZU.  bei  Wiesbaden  so  häufig  auf,  daß 
ihre  Minen  allenthalben  auffielen.  Befallen  werden  nur  die  Blätter  des  Unterholzes 
und  der  unteren  Äste  älterer  Bäume.  Bis  zu  5  Minen  in  einem  Blatt  sind  keine 
Seltenheit.  Sie  erstrecken  sich  meist  von  der  Mittelrippe  bis  in  die  Mitte  der  Blatt- 
hälfte, gehen  bisweilen  aber  auch  bis  zum  Blattrand.  Ihre  Farbe  ist  zumeist  grün- 
lich, später  bräunlich  und  zuletzt  dunkelbraun  oder  auch  weißlich.  Der  Kot  des 
Räupchens  liegt  als  schwarzes  Häufchen  in  dem  mittleren  Teil  der  Mine.  Die 
Verpuppung  erfolgt  in  der  Mine  in  einem  weißlichen  Gespinst.  Die  Puppe  über- 
wintert. Es  treten  zwei  Generationen  auf:  Flugzeit  April/Mai  und  August;  Raupen- 
Fraß  Juli  und  September/Oktober. 

Z.  spinicolella  ZU.  Wohl  identisch  mit  der  von  Ratzeburg  (F.  252)  ange- 
führten Tinea  pruniella  L.  Im  S  t  aud  inger-Reb  e  1  -  Katalog  ist  nur  eine 
priiniella  H.  S.  angeführt  als  Synonym  mit  spinicolella  St. 


j^^__     ^^r.f 


an  cu  ^2  ^ 


Abb.  140.    Geäder  von  Lithocoltetis 
ZU.     Nach  Spuler. 


Faltenmine  einer  Lithocollelis.  Nach 
Hering. 


Ratzeburg  gibt  an,  daß  die  Raupe  auf  mehreren  Pyrus-  und  Priinus-kxl^w. 
lebt  in  den  zusammengerollten  und  ausgesponnenen  Ecken  der  Blätter.  Hcine- 
mann  gibt  für  spinicolella  als  Fraßpflanze  Prunus  spinosa  und  dorne  st  ica  an. 

Z.  salictella  ZU.  Raupe  an  verschiedenen  Weidenarten  (viminalis,  petandra, 
alba  usw.). 


1)  Bei  der  Faltenmine  (Ptychonom)  wird  die  Aufwölbung  der  Minendecke 
(die  bei  der  Blasenmine  durch  Gase  bewirkt  wird)  von  der  Larve  dadurch  erzielt, 
daß  „unter  ihr  Gespinstfäden  gezogen  werden,  wobei  einzelne  Teile  der  Blatthaut 
ausgespart  werden,  die  sich  dann  durch  den  an  ihren  Seiten  angreifenden  Zug  der 
Gespinstfäden  aufwölben.  Indem  diese  Aussparung  bei  jedem  Querfaden  in  der 
gleichen  Längslinie  erfolgt,  entstehen  Längsfalten  in  der  Epidermis,  die  der  Mine 
das   charakteristische   Gepräge  geben"    (Abb.  141).    (Hering    1926,   S.  10.) 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


185 


Z.  lantanella    Schrk.    Raupe    an    Viburnuvi    und    Lantana. 

L.  platani  Stgr.    An   Platanus  orientalis    (Unterseite   der   Blätter).     In   manchen 
Jahren  so  häufig,  daß  man  an  einem  Blatt  bis  zu  lo  Minen  zählen  kann  (Cecconii. 
L.  millieriella  Stgr.    An  den  Blättern  von  Celtis  australis. 


Abb.  142.  Eichenblatt  mit  Lilhocolletis- 
Mine.    Nach   Trägärdh. 


Abb.  143.    Buchenblatt  mit  drei  Falten- 
minen  von   Lilhocolletis   faginella    ZU. 
Nach  Lüstner. 


7.  Unterfamilie:  Coleophorinae. 

S  a  c  k  t  r  ä  g  e  r  m  o  1 1  e  n. 
Eine  geschlossene  natürliche  Gruppe,  ausgezeichnet  durch  die  Lebens- 
weise der  Raupen,  die  zuerst  minieren  und  später  in   Säcken 
leben,    die   sie   aus   abgeschnittenen    Blattstücken    usw.    (siehe    Coleophora) 
verfertigen. 

Gattung   Coleophora   ZU. 

Kopf  rundlich  vortretend,  anliegend  beschuppt.  Fühler  mäßig  lang,  in  der 
Ruhe  vorgestreckt.  Vorderflügel  lang  und  schmal,  VR  nach  r^  zu  einer  scharfen 
Spitze  abgebogen,  r^  weniger  weit  von  ^2  entfernt  als  diese  von  r^;  von  m  stets  ein 
Endast  fehlend;  ^w,  manchmal  nur  als  Trachee  vorhanden  oder  sehr  schwach  ent- 
wickelt oder  auch  ganz  fehlend.  Wurzelschlinge  gut  ausgebildet  (Abb.  144).  Hinter- 
flügel schmal,  lanzettlich,  sehr  lange  gefranst,  wohl  selten  alle  Äste  von  m  vor- 
handen, meist  m^  und  m^  verschmolzen;  axy  und  a.Vo  verkümmert.  —  Die  Raupen 
16  füßig,  mit  verkümmerten  Bauchfüßen. 


186 


II.  Spezieller  Teil. 


Die  Raupen  leben  zuerst  miniere  nd  in  Blättern,  Nadeln, 
Samenkapseln  usw.,  später  mit  wenigen  Ausnahmen  in  einem 
Sack,  minierend  entweder  vom  Sack  aus  oder  auch  (seltener) 
ihn  zeitweise  verlassend.  Nur  wenig  Arten  bilden  keinen  Sack.  Die 
Verpuppung  findet  im  Sack  oder  Samen  statt. 

,,Die     Säcke     sind     von     sehr 

verschiedener  Bildung.     Oft  haben 

nahestehende      Arten     auch      ähn- 

^-^^-^vT'^i'  T'^        liehe    Säcke,    bisweilen    sind    aber 

dX^^^      ^  die     Säcke     der    nächstverwandten 

^2  Arten     ganz     abweichend     gebaut, 

Abb.  144.    Geäder  von  Coleophora.  und    zwar    nicht    allein   infolge   des 

Nach  Spul  er.  verschiedenen       von      der      Futter- 

pflanze entnommenen  Materials. 
Auch  nach  dem  Alter  sind  die  Säcke  oft  verschieden.  Vorn  haben  sie  meist 
eine  gerandete  rundliche  Mundöffnung,  aus  welcher  der  vordere  Teil  der 
Raupe  hervorkommt;  das  Afterende  aus  welchem  der  Schmetterling  aus- 
kriecht, hat  eine  Öffnung,  welche  entweder  aus  einer  einfachen  vertikalen, 
durch  zwei  seitliche  Klappen  geschlossenen  Spalte  besteht  oder  dreispaltig 
und  von  drei  gleichen  Klappen  geschlossen  ist  (Abb.  145),  welche  in  einer 
pyramidenartigen  Spitze  in  der  Weise  zusammentreten,  daß  die  eine  Klappe 
an  der  Bauchseite,  die  beiden  anderen  an  den  oberen  Seiten  sich  befinden. 
Am  Munde  sind  die  Säcke  entweder  gerade  oder  mehr  oder  weniger  schräg 
abgeschnitten,  und  dadurch  ist  auch  ihre  Richtung  in  Beziehung  auf  die  An- 
haftungsfläche  eine  verschiedene. 

„Innen  sind  die  Säcke  mehr  oder  weniger  mit  Seide  ausgesponnen, 
außen  bestehen  sie  entweder  aus  trockenen  Blattstücken,  die  aneinander- 
geheftet sind,  oder  aus  einer  gleichförmigen,  härteren,  oft  pergamentartigen 
Masse,  die  gleichfalls  das  Produkt  eines  Gespinstes  ist.  Bei  ersteren  sind  die 
Blatteile  deutlich  wahrzunehmen,  oft  in  flügelartigen  Ansätzen,  oder  sie  sind 
so  verarbeitet,  daß  sie  eine  homogene  Masse  bilden,  deren  Zusammensetzung 
nicht  mehr  zu  erkennen  ist.  Die  Sackröhre  selbst  ist  gleichmäßig  rund  oder 
seitlich  zusammengedrückt,  besonders  hinten,  oft  auf  dem  Rücken  und  am 
Bauche  mit  einer  Längskante  oder  einem  Kiel,  glatt  oder  rauh,  mitunter 
nadel rissig  oder  rundlich"    (Heinemann). 

Über  die  verschiedenen  Sackformen  gibt  Hering  (1926,  S.  TJ  ]  folgende  Über- 
sichtstabelle : 

1.  Analende   zweiklappig   (Abb.  145  Ab) 3 

—  Analende   des   Sackes   dreiklappig   (Abb.  145  Aa) 2 

2.  Sack    zylindrisch,    gerade,    pergamentartig Röhrensack 

—  Sack   unregelmäßig,    aus    Fruchtkapseln    bestehend    .      .      .      .  Samensack 

3.  Sack  aus  Einzelstücken  bestehend 5 

—  Sack  eine  homogene,   pergamentartige   Masse  bildend 4 

4.  Sack  stark  zusammengedrückt,   am   Ende  höchstens   schwach   abwärts 

gebogen    (Abb.  145  B) Scheidensack 

—  Sack    walzig-rund,    sein    Ende    stark    abwärts    gebogen    (Abb.  145  C) 

Pistolensack 

5.  Sack    aus   einzelnen   Teilen   der   Länge   nach   zusammengesetzt    (Abb. 

145  D   und   E) Blatt  sack 

—  Die   einzelnen   Teile    querliegend   aneinandergereiht 6 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


187 


6.   Die   Stücke,   aus   denen  der   Sack  zusammengesetzt   ist,   stehen   lappig 

ab  und  sind  alle  gleichmäßig  breit   (Abb.  145  F) Lappen  sack 

Die  einzelnen  Stücke  anliegend,  die  vorderen  am  Bauche  nach  hinten 

vortretend   (Abb.  145  G) Puppensack 

Das  Leben  der  Coleophoren  verläuft  nach  Reh  (S.  284)  im  allgemeinen 
folgendermaßen : 

„Die  Falter  fliegen  von  Mai  bis  Juli.  Aus  den  einzeln  an  Blätter  ge- 
legten Eiern  schlüpfen  nach  kurzer  Zeit  die  Räupchen,  die  sich  sofort  ins 
Innere  bohren  und  hier  bis  Ende  des  Sommers  unscheinbar  minieren.  Dann 
verlassen  sie  die  Blätter,  fressen  wohl  noch  etwas  außen  an  ihnen  herum  und 
verfertigen  den  ersten  Sack.  Mit  seiner  Mündung  spinnen  sie  sich  in  mög- 
lichster Nähe  der  Knospen  fest  und  überwintern.  Sie  sind  jetzt  noch  ganz 
klein  und  unscheinbar,  etwa  Kümmelkörnern  ähnlich.    Im  nächsten   Frühjahr 


Abb.  145.     Verschiedene    Säcke    von    Coleophora-KdiU\^ftn.     A    Schema    des    Analendes 
(a    dreiklappig,   b    zweiklappig),    B    Scheidensack,    C    Pistolensack,    D    und    E    Blatt- 
säcke,   F    Lappensack,    G    Puppensack.     Nach    Hering. 


begeben  sie  sich  an  die  sich  lockernden  Knospen  und  bohren  sich  an  deren 
weichster  Stelle  senkrecht  in  sie  ein,  aber  immer  so,  daß  ihr  Hinterende  noch 
im  Sack  bleibt.  Da  sie  hierbei  fast  alle  Knospenblätter  durchbohren  und, 
soweit  erreichbar,  zerfressen,  töten  sie  die  Knospen  häufig  ab.  Sind  die 
Blätter  entfaltet,  so  setzen  sie  sich  auf  deren  Unterseite  fest  und  minieren 
sie  aus,  soweit  sie  ohne  Verlassen  des  Sackes  und  ohne  stärkere  Nerven  zu 
verletzen  gelangen  können.  Dann  verlassen  sie  diese  Stelle,  um  an  einer 
anderen  dasselbe  zu  beginnen.  Mit  ihrem  Wachstum  nehmen  natürlich  auch 
die  Minen  an  Größe  zu.  An  dem  vollständigen  Ausweiden  des  Parenchyms 
zwischen  Ober-  und  Unterhaut  und  an  dem  in  letzterem  befindlichen 
kreisrunden  Lochet)  mit  aufgewulstetem  Rande  sind  die  völ- 


1)  An  dem  kreisrunden  Loch  sind  die  Coleop/iora-Minen  ohne  weiteres  zu  er- 
kennen, da  sonst  die  Öffnung  in  den  Minen  nie  vollständig  kreisrund  ist,  sondern 
meist    länglich    oder   halbbogenförmig. 


II.  Spezieller  Teil. 


lig  kotfreien,  zuerst  nur  weißen,  später  braunen  Coleo- 
phoren  Minen  sicher  zu  erkenn en^).  Im  Mai  bis  Juni  sind  sie  er- 
wachsen und  spinnen  sich  wieder  mit  der  Mundöffnung  zur  Verpuppung  an 

Zweigen  fest.  Dann  drehen 
sie  sich  im  Sacke  herum,  so 
daß  der  Falter  aus  dessen 
Hinterende  leicht  ins  Freie 
gelangen  kann. 

,,Der  Herbstfraß  ist  ohne 
Belang.  Im  Frühjahre  kann 
der  Fraß  in  Knospen  und 
Früchten  und  an  den  Stielen 
recht  merkbare  Schäden  be- 
wirken. Bei  stärkerem  Auf- 
treten kann  ersterer  zu 
völligem  Kahlfräße  durch 
Abtöten  aller  Frühjahrs- 
knospen führen.  Bei  sehr 
starkem  Auftreten  können 
aber  auch  die  Blätter  der- 
art ausgefressen  werden, 
daß  sie  verwelken  und  ab- 
fallen, so  daß  im  Juni 
die  Bäume  völlig  kahl  da- 
stehen." 

Die  Gattung  Coleophora 
enthält  zahlreiche  Arten 
(S  p  u  1  e  r  führt  für  Europa 
239  Arten  an!),  die  ein- 
ander oft  äußerst  ähnlich 
und  ohne  Kenntnis  der 
Säcke  und  der  Nahrungs- 
pflanze  oft  schwer  sicher 
Abb.  146.    Fraß  einer  ColeopJwra-^^w^a  zu   unterscheiden   sind, 

an  der  Unterseile  eines   Ulmenblattes.    Nach  Reh.  Forstlich  interessieren  nur 

einige  wenige  Arten,  darunter  wieder  nur  eine,  die  als  arger  Schädling  auf- 
tritt: es  ist  dies 


Coleophora  laricella  Hb. 

Lärchen  miniermotte. 
Taf.  I,  Fig.  16. 

Ratzeburg:  Tinea  (Ornyx)  laricinella  Bechst.  —  Altum:  Coleophora  laricella  H. 
—  Nitsche:  Tinea  (Coleophora)  laricella  Hbn.  —  Wolff-Krauße:  Coleophora  lari- 
cella Hb. 

Die  kleine,  kaum  10  mm  spannende  Motte  ist  eine  treue  Begleiterin  der 
Lärche;  überall,  wo  Lärchen  vorkommen,  ist  auch  sie,  bald  spärlicher,  bald 


1)  Die  Coleophora-M\n&  ist  eine  ,, Platzmine"  (Stigmatonom) ;  bei  ihr  behalten 
die  beiden  Epidermen  dieselbe  Entfernung  voneinander,  die  sie  im  unangegriffenen 
Blatt  haben. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae.  J  89 

in  Mengen  auftretend.  Sie  gehört  daher  zu  dem  Kreis  der  forstlich  all- 
bekannten Schädlinge  1). 

Falter:  Vorderflügel  bräunlich  grau,  schwach  glänzend,  ziemlich  breit, 
Fransen  ohne  Glanz.  Hinterflügel  dunkler  grau,  ihre  lanzettliche  Zuspitzung  beginnt 
von  der  Mitte.  Kopf,  Rücken  und  Halsschild  bräunlich  grau,  ebenso  die  einfarbigen 
Fühler  des  cT;  Fühler  des  Q  hell  und  dunkel  geringelt.  Wurzelglied  der  Fühler 
doppelt  so  lang  als  breit,  erstes  Glied  der  Geißel  schwach  verdickt.  Unterseite  ein- 
farbig, hell  bräunlich  grau.  9  gewöhnlich  etwas  kleiner  als  das  cf.  mit  kauin  vor- 
ragender Legeröhre.    Flügelspannung  9  mm   (Abb.  147). 

Raupe  dunkel  rotbraun  mit  dunklem  Kopfe,  geteiltem  großem    Nackenschilde 
auf   Ring  i,   kleinerem   auf   Ring  2,   und   großer   Afterklappe.     Kopf,   Brustfüße   und 
die  vier  vorderen   Afterfußpaare  sehr  klein,  letztes  Afterfußpaar,   die   Nachschieber, 
sehr     groß     mit     schwarzem      Hakenhalbkranze,     zur 
Fixierung  im  Sacke  dienend.     Länge  5  mm. 

Puppe  schmal,  braunschwarz,  im  Sacke  liegend. 

E  i  halbkugelförmig  mit  einem  kleinen  Wärzchen 
in*  der  Mitte,  von  dem  12  flache  Furchen  strahlig  ab- 
gehen, so  daß  die  Gestalt  eines  gerippten  Napfkuchens 
entsteht. 

Die  kleine  Motte,  die  durch  ganz  Mittel- 
europa von  Finnland  bis  auf  den  Südabhang  der 

Alpen  und  in  letzteren  bis  zu  1600  m  Meeres-  Abb.  147.  Die  Lärchenminicr- 
höhe  vorkommt  (Frey  1880,  Fankhauser  "^°"^'  ^hT^^X  ^"'''"''^'' 
1908),   fliegt   im  Mai  bis  Anfang  Juni^),   im  Ge-  '  " 

birge  erst  im  Juni,  und  zwar  bei  Tage.  Die  Eiablage  findet  an  den  Nadeln 
statt.  Nach  6 — 8  Tagen  verfärbt  sich  das  Ei  schon  in  Grau,  und  bald  darauf 
kriecht  das  Räupchen  aus,  um  sich  an  der  Stelle  des  Eies  in  die  Nadel  ein- 
zubohren. Es  fängt  hier  gleich  an  zu  minieren,  schreitet  aber  anfänglich  so 
langsam,  vor,  daß  erst  nach  mehreren  Wochen  die  heller  gefärbte  Mine  mit 
dem  durchschimmernden  Räupchen  die  ganze  Nadelbreite  einnimmt.  Die 
Eischale  schrumpft  etwas  ein,  und  auf  der  ihr  entgegengesetzten  Nadelseite 
kommt  ein  hellgrüner,  in  Weiß  verlaufender  Fleck  zum  Vorschein,  in  dessen 
Mitte  ein  bräunlicher  Punkt  die  Stelle  des  minierenden  Räupchens  bezeichnet. 
Erst  gegen  Mitte  September,  wenn  die  Nadeln  sich  schon  zum  Abfallen  vor- 
bereiten, erscheinen  sie  auf  4 — 7  mm  Länge  vollständig  ausgehöhlt  und  hier 
weißlich  (Nitsche). 

Nun  schreitet  das  Räupchen  zur  Anfertigung  des  Sackes.  Es  streckt 
sich  in  dem  ausgehöhlten  Teile  der  Nadel  lang  aus  und,  den  Kopf  nach 
unten  gerichtet,  schneidet  es  hier  die  Nadel,  welche  auch  an  der  Spitze  eine 
Öffnung  zum  Ausstoßen  des  Kotes  erhält,  ringsum  ab;  es  wandert  von  jetzt 
an,  aus  der  Schnittöffnung  mit  Kopf  und  Brustringen  hervorkommend,  frei 
umher.   Die  Räupchen  begeben  sich  unter  dem  Schutze  des  Sackes,  der  braun 


^)  C.  laricella  wurde  schon  sehr  frühzeitig  in  die  Forstentomologie  eingeführt 
durch  Blum  und  Bechstein  (1816).  Größere  Beachtung  wurde  ihr  aber  erst 
dann  geschenkt,  als  Anfang  der  50  er  Jahre  die  ,, Lärchenkrankheit"  sich  bemerkbar 
machte  und  man  die  Miniermotte  in  Zusammenhang  mit  dieser  brachte,  ja  sie  sogar 
direkt  als  die  Ursache  der  Lärchenkrankheit  ansah  (Borggreve).  Wir  wissen 
heute,  daß  die  „Lärchenkrankheif  durch  einen  Pilz  (Peziza  willkommii)  hervor- 
gerufen wird,  dessen  Eindringen  in  die  Pflanze  durch  den  Fraß  eines  anderen 
Kleinschmetterlings,  eines  Wicklers  (GraphoUta  zebeana  Rtzb.)  gefördert  wird. 

-)  Rhumbler,  F.  (S.  379)  beobachtete  1919  in  Holzminden  i.  W.  noch  am 
4.  Juni  und   1925   in  Münden  noch  am  5. — 8.  Juni  starkes  Schwärmen. 


190 


II.  Spezieller  Teil. 


geworden  ist  und  die  Größe  und  Form  eines  kleinen  Gerstenkornes  hat,  zu 
den  Über w intern ngsplätzen,  zu  den  mit  Flechten  bewachsenen  Ästen 
oder  zum  Stamm  (Reiß ig  1869),  aber  vor  allem  zu  den  Knospen  der 
Kurztriebe,  wo  sie  sich  mit  dem  Kopfende  des  Sackes  festspinnen 
(Abb.  148)  und  oft  dichtgedrängt  sitzen  (Marti  1880,  Loos  1891). 

Im  Frühjahre  regen  sich  die  Raupen  wieder  und  wandern  auf  die  Weide. 
Wenn  im  April  die  Nadeln  nur  eben  mit  ihren  Spitzen  aus  den  Knospen 
hervorgucken,  sieht  man  schon  die  kleinen  grauen  Säckchen,  die  man  eher 
für  angewehte  Streu  als  für  Raupenwohnungen  halten  würde,  an  ihnen  sitzen. 
Reißt  man  sie  los,  so  bemerkt  man  das  Loch,  welches  das  Räupchen  in  die 
Nadel  gefressen  hat,  oder  das  Tierchen  ist  auch  wohl  schon  teilweise  in  die 
minierte,   halb   weiße    Nadel  hineingekrochen  und  muß   mit   Gewalt  heraus- 

A  B  r 


Abb.  14S.  Coleophora  lariceUa  Hbn.  A  und  B  im  Sack  gehäuft  an  den  Endtrieben 
überwinternde  Raupen  nach  im  Februar  im  Tharandter  Forstgarten  gesammelten 
Exemplaren.  2/1  der  natürlichen  Größe.  C  an  den  ausbrechenden  jungen  Nadeln  im 
Frühjahr  fressende  Räupchen  in  ihren  Säcken.  Yi  ^1^^  natürlichen  Größe.  D  im 
späteren  Frühjahr  die  bereits  entwickelten  Nadeln  minierende  Räupchen.  Ein  Exem- 
plar   spinnt    sich    ab.     i/^    der    natürlichen    Größe.     A — C    nach    Nitsche,    D    nach 

R  a  t  z  e  b  u  r  g. 


gezogen  werden.  Die  Raupen  wandern  nach  Bedürfnis  von  Nadel  zu  Nadel, 
so  daß  eine  einzige  eine  ziemliche  Anzahl  Nadeln  beschädigt.  Auch  fressen 
sie  die  männlichen  und  weiblichen  Blüten  an  (Loos  1892,  S.  423),  dagegen 
werden  die  langen,  einzelstehenden  Triebnadeln  verschont.  „Um  die  Mitte 
April  hat  die  Larve  an  Größe  so  zugenommen,  daß  ein  größerer  Sack  not- 
wendig wird.  Diesem  Bedürfnis  wird  dann  auf  interessante  Weise  abge- 
holfen. Die  Larve  verbindet  das  vordere  Ende  des  alten  Säckchens  an  dem 
Eingangsloch  einer  eben  erst  rein  ausgehöhlten  Nadel  mit  dieser,  wobei  das 
erstere  auf  den  oberen  Teil  der  letzteren  zu  liegen  kommt.  Darauf  schneidet 
sie  von  ihrem  alten  Kleide  aus  die  neue  Nadel  rundum  ab  und  hat  nun  zu 
diesem  ein  gleich  großes,  neues  Haus  gewonnen.  Beide  sind  wie  zwei  Finger 
eines  Handschuhes  miteinander  verbunden,  und  es  bleibt  nur  übrig,  sie  der 
Länge  nach  aufzuschneiden   und  seitlich  miteinander  zu  verbinden,   um   sie 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tineidae.  191 

zu  einem  Sack  von  doppeltem  Umfange  zu  vereinigen,  ein  Geschäft,  welches 
die  Larve  mit  großer  Geschicklichkeit  nach  und  nach  bewerkstelligt.  Diese 
mühsame  Arbeit  nimmt  mehrere  Tage  in  Anspruch.  Während  derselben  sieht 
man  die  Larven  mit  zwei  teilweise  vereinigten  Säcken  das  Miniergeschäft 
nebenbei  verrichten,  und  man  glaubt  bei  oberflächlichem  Anblick,  jedesmal 
zwei  Larven  an  einer  Nadel  vor  sich  zu  haben"  (Reiß  ig).  Sind  zu  der  Zeit, 
wo  die  Erweiterung  des  Sackes  notwendig  wird,  die  Lärchennadeln  noch 
sehr  klein,  so  erfolgt  die  Ergänzung  ganz  oder  teilweise  durch  Gespinst 
(Loos  1892).  Wenn  in  der  Nähe  Nahrungsmangel  eintritt,  so  lassen  sich  die 
Räupchen  mitunter  an  Spinnfäden  auf  tiefere,  noch  unbefressene  Zweige 
herab,  merkwürdigerweise  mitunter  mehrere  an  einem  Faden  (Loos  1892). 
Dabei  werden  sie  öfters  vom  Winde   verweht    (Nitsche). 

Gegen  Ende  April,  bei  späten  Frühjahren  und  in  hohen  Lagen  erst  im 
Mai,  ist  die  Larve  völlig  erwachsen  und  sie  verpuppt  sich  im  Innern  des  an 
eine  Nadel  befestigten  Sackes.  Beim  Auskriechen  des  Falters,  welches  Mitte 
Mai,  nach  Witterung  und  Klima  früher  oder  später  erfolgt,  schiebt  sich  die 
Puppenhülse  ein  wenig  aus  dem  Säckchen  hervor.  Die  Generation  ist  also 
einjährig  und  läßt  sich  durchschnittlich  für  unsere  Gegenden  folgendermaßen 
darstellen: 

—  6,4^ 
4P  +  56 

Als  Fraßbaum  kommt  vor  allem  die  gemeine  Lärche  in  Betracht, 
doch  werden  auch  die  ausländischen  Lärchenarten  befallen,  was 
bei  der  nahen  Verwandtschaft  derselben  nicht  Wunder  nehmen  kann.  Aller- 
dings sollen  nach  verschiedenen  Autoren  einige  der  Ausländer,  wie  die  japa- 
nische Lärche  (Larix  leptolepis  Sieb.)  und  noch  mehr  die  sibirische 
Lärche  (Larix  sibirica  Led.)  mehr  oder  weniger  verschont  werden.  Doch 
wurde  nach  Rhumbler  (F.  380)  1925  die  japanische  Lärche  im  Mündener 
Revier  Gahrenberg  sogar  stärker  befallen  als  die  gemeine  Lärche  i). 

Der  Fraß  findet  am  stärksten  in  den  äußeren  Zweigen  und  an  der 
Krone  statt,  die  weiter  nach  innen  zu  gelegenen  Nadelbüschel  werden  ver- 
schont. Am  einzelnen  Baum  verbreitet  sich  der  Fraß  von  dem  Wipfel  nach 
abwärts,  besonders  durch  das  Abspinnen  der  Raupen  (Coaz  1880  und 
Loos  1892).  Sie  geht  an  alle  Altersklassen  von  etwa  3jährigen  Pflanzen 
(Rittmeyer  1889)  an  bis  zum  Altholz,  doch  sollen  jüngere  (Stangenholz) 
bevorzugt  werden.  Es  soll  keinen  Unterschied  ausmachen,  ob  die  Lärche  in 
reinen  oder  gemischten   Beständen  steht. 

Sonnige,  dürre,  flachgründige  Lagen  und  Hänge  werden  besonders  von 
dem  Falter  aufgesucht.  Die  Bestandsränder  (in  der  Schweiz  nach  Coaz 
[1880]  die  untersten  Waldränder)  werden  bevorzugt.  Auch  nach  Fank- 
hauser  (1908)  wird  im  Gebirge  die  Motte  in  den  tieferen  Lagen  verderb- 
licher als  in  den  höheren,  vermutlich  weil  dort  die  Nadelbüschel  sich  schon 
frühzeitig,  aber  langsam  entwickeln,  und  deshalb  das  Räupchen  Zeit  findet, 
eine  größere  Anzahl  von  Nadeln  zu  zerstören  als  im  Hochgebirge,  wo  deren 


1)  Boden  (1902)  meint,  daß  die  japanische  Lärche  nur  solange  immun  sei.  als 
„nicht  die  langen  Jungnadeln  in  ihren  Dimensionen  denen  unserer  Lärche  durch 
Kümmerstadium  etwa  gleichkommen".  In  Wilhelmshöhe  seien  einige  ältere  Z.  lepto- 
lepis furchtbar  von  der  Motte  heimgesucht  worden.  Besonders  da,  wo  die  japanische 
Lärche  mit  deutschen  Lärchen  gemischt  waren,  seien  jene  von  der  Motte  gern  befallen 
worden,   auch  wenn   sie   sich   noch   nicht   in   einem   Kümmerstadium  befunden   hätten. 


192  II.  Spezieller  Teil. 

Ausbildung  ungemein  rasch  vor  sich  geht.  Nach  Boden  (1902)  werden  voi 
allem  kümmernde,  kränkliche  (Krebs!)  Lärchen  befallen,  während  gesunde, 
kräftige  Pflanzen  viel  weniger  unter  der  Motte  zu  leiden  haben.  Oft  kann 
man  beobachten,  daß  von  zwei  benachbarten  auf  dem  gleichen  Boden 
stockenden  Lärchen  die  eine  überaus  stark  befressen,  die  andere  völlig  ver- 
schont ist.    Worauf  diese  Verschiedenheiten  beruhen,  ist  uns  nicht  bekannt. 

C.  laricella  ist  entschieden  zu  den  sehr  schädlichen  Forst- 
insekten zu  stellen,  zumal  sie  überaus  aufdringlich  und  hartnäckig  ist  und 
Jahr  für  Jahr  wiederkehrt,  allerdings  in  verschiedener  Stärke.  Die  Folgen 
des  Fraßes,  und  zwar  besonders  die  des  Frühlingsfraßes,  der  stets  schäd- 
licher ist  als  der  Herbstfraß,  bestehen  vor  allem  in  Zuwachsverlust.  Der 
Frühlingsfraß  geht  häufig  so  allmählich  in  den  Herbstfraß  über,  daß  eine 
volle  Wiederbegrünung  nicht  stattfinden  kann  und  die  befallenen  Pflanzen 
sich  nur  durch  die  Langtriebe,  deren  Nadeln  im  Frühjahr  immer  verschont 
bleiben,  sich  mehr  oder  weniger  grün  erhalten. 

Als  unmittelbare  Folge  des  Frühlingsfraßes  beobachtete  Marti  (1880) 
Saftausfluß  aus  den  unteren  Stammteilen.  Bei  länger  andauernden  Angriffen 
erfolgt  eine  Schwächung  des  ganzen  Baumes,  die  sich  in  Verspätung  der 
Nadelbildung  im  Frühjahr  und  geringerer  Ausbildung  der  Langtriebe,  in 
einer  gesteigerten  Disposition  für  andere  Feinde  ausspricht,  und  schließlich 
so  weit  gehen  kann,  daß  die  Pflanzen  eingehen.  Mußten  doch  in  Schluckenau 
(Nordböhmen)  im  Frühjahr  1892  über  12000  Stück  junge,  in  Fichten- 
kulturen eingesprengte  Lärchen  ausgehauen  werden  (Loos  1892). 

Die  Miniermotte  stellt  sich  zwar  wohl  überall,  wo  die  Lärche  vorkommt, 
ein,  doch  ist  ihr  Auftreten  an  den  einen  Orten  weniger  stark  und  ohne  wirt- 
schaftliche Bedeutung,  an  den  anderen  Orten  dagegen  sehr  stark  und  schäd- 
lich. Auch  an  den  letzteren  bevorzugten  Orten  wechselt  der  Grad  der  Ver- 
mehrung sehr  wesentlich  je  nach  den  Jahren;  periodenweise  folgen  An-  und 
Abschwellen,  je  nach  den  Witterungsverhältnissen  und  dem  Stande  der  ver- 
schiedenen Feinde.  Durch  feuchtes,  regnerisches  Wetter,  namentlich  starke 
Platzregen  zur  Flugzeit  werden  die  Motten  massenhaft  vernichtet;  auch 
rasche  Temperaturwechsel  sowie  Spätfröste  sollen  den  Raupen  schädlich  sein, 
während  kaltes  Winterwetter  ihnen  wenig  macht.  Unter  den  Vögeln  stellen 
nach  Loos  (1892)  und  Zimmermann  (1909)  vor  allem  die  Meisen,  der 
Buchfink  und  der  Fitislaubvogel  (Phyllopneuste  trochilus  L.)  den 
Larven  nach ;  sodann  Goldhähnchen,  Kleiber,  Grasmücken,  Gold- 
ammer u.a.m.  Außerdem  sind  eine  ganze  Anzahl  Parasiten  [aus  laricella 
gezogen,  wie:  Angiiia  nana  Grav.,  A.  virginalis  Grav.,  Bracon  guttigerWesvn.., 
Cirrospiliis  arcuatus  Nees,  C.  pictus  Nees,  Entedon  lactus  Rtzb.,  E.  lari- 
cinellae  Rtzb.,  Hejniteles  pulchellus  Grav.,  Microdus  pumihfs  Rtzb.,  Ojnorgus 
tiimidulus  Grav.,  Pimpla  examinator  F.,  P.  tiirionellae  L.,  Pteromali/s  larici- 
7iellae  Rtzb. 

Eine  durchgreifende  Bekämpfung  ist  sehr  schwierig.  Eine  Vor- 
beugung durch  waldbauliche  Maßnahmen,  wie  durch  Mischung  der  Holz- 
arten, kommt  kaum  in  Frage,  da  ja  laricella  die  Lärchen  in  gemischten  Be- 
ständen ebenso  befällt  wie  die  reinen.  Auch  die  technische  Bekämpfung  hat 
bisher  noch  keine  durchschlagenden  Erfolge  gezeitigt.  Loos  (1892)  hat  ver- 
sucht, durch  Abschütteln  von  den  Zweigen  der  Vermehrung  des  Schädlings 
entgegenzutreten;  er  hatte  insofern  Erfolg,  als  er  auf  diese  Weise  mit  ganz 
geringen   Mitteln   annähernd    i    Million    Räupchen   vernichten   konnte;    doch 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


193 


blieb  immer  noch  eine  so  große  Zahl  oben  auf  den  Bäumen,  daß  der  Fraß 
sich  fortsetzte.  Auch  Spritzen  mit  Nikotin-Seifenbrühe  oder  Schwefelkalk- 
brühe (bzw.  Solbar)  knapp  vor  dem  Austreiben  der  Knospen  wird  empfohlen. 

Coleophora  fuscedinella  ZU. 

Altum:   Tinea   (Coleof^liora)  coraci^eiinella    Hb.    (,,Rabenfederchen"). 
Taf.  I,   Fig.  17. 

Altum  hat  diese  Motte  als  E  r  1  e  n  s  c  h  ä  dl  ing  in  die  Forstento- 
mologie eingeführt,  und  zwar  irrtümlicherweise  unter  dem  Namen  corncipen- 
nella  Hb.  (■=  nigricella  Steph.),  obwohl  sie  ihm 
von  dem  bekannten  Spezialisten  Hering  als 
fuscedinella  TAX.  bestimmt  worden  war.  Die 
Beschreibung,  die  Altum  von  der  Motte  gibt, 
stimmt  denn  auch  vollständig  mit  fuscedinella 
überein.    (Vgl.  auch   Nitsche,   S.    125.) 

Falter:  Fühler  weißlich,  mit  gegen  die  Spitze 
verloschenen  dunklen  Ringen.  Wurzelglied  stark  und 
kurz,  1/3  länger  als  breit.  V'orderflügel  dunkel  braun- 
grau, etwas  ins  Gelbbraune  ziehend,  besonders  beim  (j', 
das  hierdurch  einen  bleich  messingfarbenen  Metall- 
glanz erhält.  Fransen  gleichfarbig.  Hinterflügel  dunkel- 
grau.    Flügelspanne:  ^f   10  mm,   $    12—13  "im. 

Raupe    (Abb.    151    u.    152)    mit    braunem    bis 
klappig,    auf   dem   Rücken   gekielt,   Jugendsack    gekrümmt,    späterer 
lang,   bräunlich,   runzelig,   dorsal   gekielt,   Afterende   dreiklappig. 

Puppe   (Abb.  150)   schwarz,   die   Decke  der   Gliedmaßen  bauchwärts   etwas  ab 
stehend  und  bis  nahe  an  das  stumpfe   Puppenende  reichend.    Länge   5   mm. 

Außer  Altum  haben  sich  neuerdings  K  e  m  n  e  r 
und  Keller  (1917)  eingehender  mit  dieser  Motte, 
die  in  der  Schweiz  ebenfalls  an  Erle  und  in 
Schweden  an  Birken  schädlich  auftrat,  be- 
schäftigt. 


Abb. 


149.   Coleophora  fuscedi- 
nella ZU.    2V2X. 


eibbraunem    Röhrensack,    drei- 
Sack    7—8    mm 


Abb.  1 50.  Puppe  von  Coleo-       Abb.  151.   Überwinterungs- 
phora  fuscedinella  ZU.  sack  von  Coleophora  fus- 

Nach  Kemner.  cedinella  ZU. 

Nach  Kemner. 
E  seherisch,  Forstinsekten,  Bd.  III. 


Abb.    152.      Sack    der    ausge- 
wachsenen Raupe  von  Coleo- 
phora fuscedinella  ZU. 
Nach  Kemner. 
13 


194 


II.  Spezieller  Teil 


Die  kleine  Motte  führt  während  der  kurzen  Schwärmzeit  (in  Schweden  Ende 
Juni,  anfangs  Juli)  im  Laub  eine  verborgene  Lebensweise.  Die  Eier  werden 
an  die  Zweigspitzen,  an  die  Knospen  oder  kleinen  Blättchen  abgelegt.  Sie 
sind  weiß  mit  charakteristischem  Mikropylenfeld  und  sitzen  isoliert  oder 
zu  2 — 3  zusammen;  nach  14  Tagen  kriecht  die  junge  Larve  aus  und  beginnt 
ihre  Wanderung  auf  den  Blättern.  Zunächst  miniert  sie  frei  in  den  Blättern 
und  geht  erst  nach  der  ersten  Häutung  an  die  Verfertigung  ihres  ersten 
Sackes.  Dieser  ist  anfangs  sehr  klein,  muschelförmig  und  wird  mit  dem 
Wachstum  der  Larve  durch  Anspinnen  von  Blätterteilen  an  der  Mündung 
und  der  Bauchnaht  vergrößert  und  wird  zuletzt  hornförmig   (Abb.  151). 

Nach  der  Überwinterung  wird  ein  neuer  Sack  verfertigt  in  der  Weise, 
daß  die  Larve  eine  Mine  aus  dem  Blatt  nagt  (Abb.  154  a  u.  b),  die  Ränder 
derselben  zusammenspinnt  und  sie  schließlich  ganz  aus  dem  Blatt  heraus- 
nagt. Je  nach  dem  Ort  des  Verfertigens  im  glatten  oder  gezähnten  Rand 
des  Blattes  oder  in  der  Fläche  desselben  fällt  der  Sack  verschieden  aus,  mit 
glatten  Rändern  oder  mit  einem  verschieden  gestaltigen  Kamm  versehen 
(Abb.  152). 

Der  Fraß  der  alten  Raupe  geschieht  nach  Art  der  Halbminierer:  durch 
ein  rundes  Loch,  meist  an  der  Unterseite  des  Blattes,  frißt  die  Raupe  rings- 
herum nach  allen  Seiten,  so  weit  sie  reichen  kann,  ohne  den  Sack  zu  ver- 
lassen, und  wenn  sie  die  eine  Stelle  ausgefressen  hat,  so  geht  sie  an  eine 
andere  Stelle.  So  können  die  Blätter  zuletzt  durch  zahlreiche  Minen  (Keller 
zählte  bis  60  Stück  in  einem  Blatt)  ganz  zerstört  werden,  so  daß  die  Blätter 
wie  versengt  oder  vertrocknet  erscheinen  und  abfallen  (Abb.  154  c). 

Ende  Juni  ist  die  Raupe  erwachsen  und  verpuppt  sich  dann  im  Sack, 
den  sie  entweder  an  den  Blättern  oder  an 
Zweigen  oder  am  Stamm  befestigt  (Abb. 
153),  macht  dann  eine  Wendung  in  dem 
Sack  und  geht  in  das  Puppenstadium  mit 
dem  Kopf  nach  der  Sackspitze  gerichtet 
über.  Anfangs  Juli  schwärmen  die  Motten 
aus.  Kemner  nimmt  für  Schweden  eine 
einfache  Generation  an,  desgleichen 
Keller  für  die  Schweiz,  während  nach 
AI  tum  in  Deutschland  eine  doppelte 
Generation  vorkommen  soll. 

Der  Fraß,  auf  den  sich  Alt  ums  Mit- 
teilungen beziehen,  wurde  1893  und  1894  in 
den  Erlenbrüchen  bei  Stralsund  beobachtet 
und  anfangs  für  Frostschaden  angesehen 
(die  Ähnlichkeit  des  ersten  Fraßes  mit 
Frostschaden  betont  auch  Kemner).  Er 
erstreckte  sich  auf  nicht  weniger  als  350  ha. 
Zunächst  wurde  die  Wipfeldürre  in  20- 
bis  30  jährigen  Brüchen  bemerkbar,  bald 
aber  fand  sich,  daß  auch  2 — 4  jährige 
Brüche  befallen  waren  und  die  5 — 8  jäh- 
rigen   Stockausschläge    am    meisten    litten. 


Abb.     153.     Verpuppungssäcke    von 

Coleophora  fuscedinella  ZU.    Nach 

Kemner. 


von  denen  im   Mai   etwa   ^/g 
waren. 


ohne   Blätter 


195 


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196 


IL  Spezieller  Teil 


Keller  (1917)  beobachtete  einen 
recht  auffallenden  Fraß  an  der  Gott- 
hardbahn  zwischen  Faido  und  Airolo, 
an  Grauerle  (Abius  incana).  In  den 
Jahren  1903  und  1904  konnte  man  dort 
von  der  Eisenbahn  aus  zahlreiche  insel- 
artig zerstreute  Fraßherde  bemerken; 
am  stärksten  waren  die  Erlenbestände 
bei  Rodi  und  Piatta  befressen,  die 
Kronen  der  Bäume  waren  wie  ver- 
sengt. Die  Erscheinung  trat  schon  Ende 
Mai  auf,  und  die  meisten  Fraßherde 
hatten  eine  Ausdehnung  von  2 — 3  Hek- 
taren. 

In  Schweden  ist  /iiscedinella'h^nYii- 
sächlich  als  Birkenschädling  auf- 
getreten, vor  allem  in  den  Jahren  191 5 
bis  191 7.  In  dieser  Periode  wurde  be- 
sonders in  Südschweden  über  starke  Gra- 
dationen berichtet,  doch  auch  hoch  im 
Norden  bei  Lulea  trat  die  Motte  schäd- 
lich auf.  Es  wurden  stellenweise  50  bis 
900/0  der  Birken  als  völlig  kahlgefressen 
gemeldet. 

Unsere  Motte  scheint  nur  von  Zeit 
zu  Zeit  zu  einer  stärkeren  Übervermeh- 
rung zu  gelangen,  die  nach  2 — 3  Jahren 
von  selbst  wieder  erlischt.  In  der 
Schweiz  werden  die  höheren  Lagen 
(800 — iioom)  bevorzugt;  außerdem  er- 
wähnten Fraß  bei  Airolo  fand  Keller 
größere  Fraßherde  auch  im  Norden  der 
Alpen,  auf  den  Kämmen  des  Albis  bei 
Zürich  (an  Ahnes  viridis). 
„Die  forstlichen  Schäden,  welche  der  Massenfraß  im  Gefolge  hat,  be- 
stehen in  der  Hauptsache  wohl  nur  in  Zuwachsverlusten.  Diese  dürften  er- 
heblich genug  sein,  da  der  Fraß  schon  während  des  Mai  sehr  ausgiebig  und 
den  größten  Teil  des  Juni  noch  in  Zunahme  begriffen  ist,  so  daß  die  assimi- 
latorische Fläche  während  der  günstigen  Wachstumsperiode  außerordentlich 
stark  verringert  wird."  ,,Wenn  das  Bild  der  Zerstörung  auch  beängstigend  er- 
scheint, so  kann  sich  der  Praktiker  insofern  beruhigen,  als  vom  Juli  an  der 
Fraß  sistiert  und  im  August  ein  allgemeines  Wiedergrünen  der  Erlen  ein- 
treten dürfte"  (Keller).  In  Schweden  allerdings  haben  sich  die  befressenen 
Birken  zum  Teil  nicht  wieder  begrünt,  so  daß  viele  von  ihnen  eingegangen 
sind  (Kemner). 

Zur  Bekämpfung  dürfte  das  von  AI  tum  empfohlene  Abschneiden 
und  Vernichten  der  befallenen  Zweige  wenig  Wert  haben,  ja  vielleicht  mehr 
Schaden  machen  als  die  Motten.  Bezüglich  der  chemischen  Bekämpfung  sei 
auf  das  bei  laricella  Gesagte  (S.  192)  verwiesen. 


Abb.  155.    Von   Coleophora   bind  ereil  a 

Koll.    zerfressener    Erlenzweig.     Nach 

Reh. 


[.  Unterordnung:   Wicrolepidoptera,   Familie  Tineidae. 


197 


Col.  fiiscedinella  scheint  übrigens  stark  polyphag  zu  sein;  außer  Erle 
und  Birke  werden  als  Fraßpflanzen  noch  angegeben :  Hainbuche, 
Ulme,  Weißdorn,   Hasel,  Eiche,  Obstbäume  und  andere. 


Stärkeren  Fraß  (bis  zu  Kahlfraß)  an  Erlen  kann  auch  Coleophora  binderella 
Koll.  machen,  wovon  Reh  (284  und  285)  instruktive  Abbildungen  gibt  (Abb.  155) 
und   156). 

Die  Art  steht  der  fuscedinella  sehr  nahe.  Vorderflügel  heller  oder  dunkler 
lehmgrau,  grobschuppig,  glanzlos,  Fransen  um  die  Spitze  lichter,  Hinterflügel  gelb- 
grau, Fühler  weiß  und  braungeringelt,  gegen  die  Spitze  verlöschend,  Wurzelglied 
verdickt.  Puppensack  braun,  kurz  und  dick,  zusammengedrückt,  mit  scharfer  Bauch- 
und  Rückenkante.    Raupe   lebt  an  Birke   und   Hasel. 


Abb.  156.    Von  Coleophora  binderella  Koll.  völlig  kahlgefressene  Erlen.    Nach  Reh. 

Coleophora  lutipennella  ZU. 

Eichenkn  OS  penmotte. 
Taf.  I,  Fig.  18. 

Falter:  Die  Fühler  weiß  und  dunkel  geringelt,  mit  kurzem,  dickem  Wurzel- 
glied, das  Endglied  der  Palpen  lang,  Vorderflügel  grobstaubig,  lehmig  ockergelb, 
oft  am  Vorderrande  lichter,  die  Fransen  gelblich  hellgrau,  die  Hinterflügel  grau. 
Spannweite   15  mm   (Abb.  157). 

Raupe  schwarzköpfig  mit  grauem,  unbehaartem  Leibe.  Sack  kurz,  ockergelb 
bis  braun.    Länge    10  mm. 

Der  einzige  bekannte  Fall  einer  Schädigung  durch  die  Raupe  dieser  von 
England  bis  Dalmatien  bekannten  Motte  ist  durch  R.  Hart  ig  bekannt  ge- 
worden (1870)1).    In  den  Jahren   1865,   1867  und   1869  blieben  in  der  Ober- 

ij  Die  Bestimmung  der  Motte  erfolgte  durch  v.  Heinemann,  der  übrigens 
unentschieden  ließ,  ob  es  sich  nicht  doch  vielleicht  um  Coleophora  milvipennis  ZU. 
handle,  einer  äußerst  nahe  verwandten  Art,  als  deren  Fraßpflanze  aber  gewöhnlich 
die  Birke  angegeben  wird,  an  der  übrigens  auch  lutipennella  TAX.  frißt. 


198  II.  Spezieller  Teil. 

försterei  Sonderburg  die  40-  bis  60-  und  100  jährigen  Eichenbestände  in  einer 
Ausdehnung  von  ungefähr  75  ha,  sowie  die  in  den  Buchenbeständen  ein- 
gesprengten Eichen  blattlos,  da  die  Räupchen  dieser  Motte  die  Knospen  an- 
gefressen hatten.  In  jeder  Knospe  war  nur  eine  Raupe,  die  sich  zwischen  den 
Schuppen  und  Blättern  eingezwängt  und  so  ohne  äußere  Beschädigung  den 
Knospenkegel  und  auch  die  jungen  Blättchen  angefressen  hatte.  Späterhin 
verließen  die  Raupen  die  Knospen,  spannen  sich  einen  Sack  und  wanderten 

mit  ihm  an  den  Zweigen  umher.  Die  Puppen- 
ruhe dauerte  einen  Monat,  die  Falter  er- 
schienen im  Juli.  Ob  die  Räupchen  bereits 
im  Spätsommer  auskommen  und  in  den 
Knospen  überwintern,  oder  ob  die  Eier  an 
den  Knospen  bis  zum  Frühjahr  liegen,  ist 
nicht  festgestellt.  Zur  Mittsommerzeit  er- 
folgte die  Wiederbegrünung,  wie  Hartig 
Abb.  157-  Die  Eichenknospen-  ^^^^  ^^^^^  Entwicklung  der  den  untersten 
motte,     Coieothora    lutipennella       r^      ,       ,  ,  ..         ,  -^^  ,       , 

ZU     2V  X  Deckschuppen      angehörenden      Blattachsel- 

knospen, also  aus  dem  erhalten  gebliebenen 
Teile  der  befressenen  Knospen.  Folgen  des  Fraßes  sind  Vernichtung  der 
'Mast  und  Zuwachsverlust.  An  eine  Abwehr  des  Schadens  ist  kaum  zu  denken. 

8.  Unterfamilie :  Momphinae. 

Fr  an  s  e  nm  o  1 1  e  n. 
Kopf    angedrückt    beschuppt.     Palpen    sehr    lang,    aufgebogen,    diver- 
gierend.  Hinterflügel  schmal  zugespitzt,  mit  Fransen,  die  mindestens  ebenso- 
lang sind  wie  der  Flügel  breit  ist.   In  Mitteleuropa  18  Gattungen,  von  denen 
hier  nur  zwei  genannt  seien: 

Gattung  Eustaintonia  Spul. 

Spul  er  hat  diese  Gattung  von  Batraclied  ra  getrennt  auf  Grund  der  Flügel- 
form und  des  Geäders  (Abb.  158).  Vorderflügel  mit  Andeutung  des  Innenwinkels 
(bei  Balrachedra  ohne  Spur  eines  Innenwinkels)  und  eines  geschwungenen  Saums. 
Adern  r-^  und  r^  stark  konvergierend,  r^,  5  ungegabelt,  nicht  mit  vt^  verbunden  (bei 
Balrachedra  r^,  5  bis  1/2  mit  ?n^  verschmolzen),  die  Adern  m^  bis  m^  einander  stark 
genähert.  Hinterflügel  sehr  schmal  und  spitz,  m.^  mit  m»  verbunden,  OTj  wohl  an  cu-^ 
angeschlossen,  cu^  sehr  kurz.  Die  Raupe  der  einzigen  Art  (pinicolella  Dup.j  miniert 
in   Fichtennadeln. 

Eustaintonia  pinicolella  Dup. 

Taf.  I,   Fig.  19. 

Falter:  Vorderflügel  bleichockergelb,  mit  schwarzen  Punkten  in  der  Falte 
und  vor  der  Spitze.    Spannweite   13 — 14  mm. 

Raupe  gelblich  braun,  Kopf  und  Nackenschild  schwarzbraun.  (Von  dem 
ebenfalls  in  Fichtennadeln  minierenden  Räupchen  von  Gelechia  electella  TAX.,  der  die 
pinicolella-^dJ\x^&  sonst  recht  ähnlich  ist,  unterscheidet  sie  sich  durch  das  Fehlen 
der   unter   der   Afterklappe   gelegenen   Afterborsten    [s.  Abb.  174,  S.  207]). 

Die  Puppe  (Abb.  159  A)  ist  lang  und  schmal,  besitzt  sehr  lange  Vorder- 
flügel-Scheiden, die  erst  auf  dem  6.  Abdominalsegment  enden.  Die  Hinterflügel- 
Scheiden  erreichen  kaum  das  2.  Abdominalsegment.  Abdominalringe  auf  der  Ventral- 
seite konkav;  der  ventrale  Teil  von  dem  dorsalen  durch  die  laterale  Kante  scharf 
abgesetzt.   An  der  Spitze  eine  größere  Anzahl  sehr  schwacher  Hakenborsten  (Baer). 

Die  einzigen  genaueren  Angaben  über  die  Bionomie  dieses  Nadel- 
minierers    verdanken    wir    Baer    (1906    und    19 10)).     Die    Lebensweise    von 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


199 


pinicoleUa  stimmt  ziemlich  genau  mit  der  von  Semasia  nanaiia  Tr. 
(S.  309)  und  Gelechia  electella  ZU.  (S.  207)  überein.  Die  Raupe  miniert  in 
Fichtennadeln,  in  die  sie  sich  am  Grunde  einbohrt.  Vordem  fertigt  sie  hier 
ein  Gespinst,  in  dem  sich  der  feine  Kot  in  zierlichen  Häufchen  oder  den 
Zweig  entlang  laufenden  Ketten  ansammelt,  und  das  auch  die  bald  austrock- 
nenden Nadeln  in  ihrer  Stellung  erhält.  Zur  Verpuppung  spinnt  sie  am 
Zweig  in  der  Nähe  der  Fraßstelle  ein  besonders  festes,  längeres,  beiderseits 
geschlossenes  Rohr  und  verwebt  dasselbe  mit  feinen,  abgenagten  Rindenteilchen, 
so  daß  es  nur  schwer  zu  bemerken  ist,  zumal  es  auch  von  Kot  bedeckt  ist. 
PinicoleUa  kommt  gewöhnlich  in  Gesellschaft  der  anderen  Fichtennadel - 
minierer  (Gr.  tedella  Gl.,  Sem.  nanana  Tr., 
Gel.  electella  ZU.)  vor  und  wird  in  forstlichen 
Kreisen  wohl  häufig  mit  diesen  verwechselt. 
So  erklärt  es  sich  vielleicht,  daß  dieser  Motte, 
außer  durch  B  a  e  r ,  in  der  forstentomologischen 
^/ 


^U  '"3  '"  A 

Abb.    158.     Flügelgeäder    von    Eustaintonia  Abb.  159.     A    Puppe    von    Eustain- 

finicolella   Dup.    Nach    S  p  u  1  e  r.  tonia   pinicoleUa    Dup.,    B    dieselbe 

von   Gelechia  electella   ZU. 

Literatur  kaum  Erwähnung  getan  wird.  Denn  ihr  Auftreten  ist  durchaus  nicht 
so  selten  und  unauffallend.  Baer  (1910)  berichtet  von  einem  stärkeren, 
über  I  ha  sich  erstreckenden  Befall  einer  Fichtenkultur  bei  Tharandt  mit 
ziemlich  auffallendem  Fraßbild,  und  Borries  (1895)  wundert  sich,  daß 
die  Art  trotz  ihres  mitunter  recht  häufigen  und  schädlichen  Vorkommens 
nirgends  unter  die  Forstschädlinge  aufgenommen  zu  finden  war. 

Als  Fraßpflanze  wird  in  der  Literatur  neben  der  Fichte  auch  die 
Kiefer  angegeben.  Doch  bezweifelt  Baer  (1906)  mit  Recht  die  Richtigkeit 
dieser  Angabe,  da  es  sehr  unwahrscheinlich  ist,  daß  ein  und  dasselbe 
Minierer-Räupchen  zwei  so  verschiedene  Gebilde,  wie  sie  die  Fichten-  und 
Kiefernnadeln  darstellen,  angreifen  kann. 


Ratzeburg  erwähnt  in  seinen  Forstinsekten  noch  eine  zweite  Momphide, 
nämlich  Pancalia  leeutvenhoekella  L.  (=  Schmidtella  Tr.),  die  aus  Lärchenrinde  er- 
zogen sein  soll.  Es  dürfte  hier  wohl  eine  Verwechslung  vorliegen;  Spuler  gibt  be- 
züglich des  Vorkommens  dieser  Art  an:  ,,in  röhrenförmigem  Gespinst  unter  Viola 
catiina  u.  a.".   Bei  Heinemann  ist  eine  Fraßpflanze  überhaupt  nicht  erwähnt. 

9.  Unterfamilie:   Gelechiinae. 

Die  Gruppe  enthält  eine  große  Anzahl  von  Gattungen  und  Arten,  die 
zum  Teil  recht  verschiedenartig  erscheinen.  Im  allgemeinen  (mit  nur  ganz 
wenig  Ausnahmen)  zeichnen  sie  sich  durch  die  stark  entwickelten  Palpen 
aus,  die  fast  parallel  sind  und  den  Scheitel  des  Kopfes  überragen.  Im  Vorder- 
flügel sind  r^  und  r^^  immer  gestielt  (Abb.  160).  Hinterflügel  breit,  nie  linearisch. 
Die  Raupen  leben  sehr  verschiedenartig,  an  Moosen,  Flechten,  versponnenen 


200 


II.  Spezieller  Teil. 


Abb.  i6o.     Flügelgeäder  einer  Gciec/tijde 
(Chimabacche  ZIL).  Nach  S  p  u  1  e  r. 


Blättern,  Trieben,  Blüten,  in  Stengeln, 
Gallen  oder  in  Minen. 

,,Eine  ungemein  große,  auch  in 
den  Tropen  reich  entwickelte  Familie, 
in  der  neben  recht  primitiven  hoch 
differenzierte  Formen  stehen,  die 
zu  den  Tortriciden  überleiten.  Als 
Hauptcharakteristikum  der  Gelechiinen 
kann  neben  den  Palpen  die  kräf- 
tige Entwicklung  von  Adersystem  m 
gelten,  das  den  größten  Teil  des 
Saumes  stützt." 

Enthält  über  ca.  70  europäische 
Gattungen,  von  denen  wir  hier  nur  die 
folgenden  acht  besprechen  wollen.  Die- 
selben lassen  sich  dichotomisch  fol- 
gendermaßen kennzeichnen: 

1.  Im  Vorderflügel  erreicht  die  Analis  den  Saum  nicht   (Abb.  167)   .      .      3 

—  Die   Analis  im   Vorderflügel  immer  deutlich   am   Saum    (Abb.   160)    .      2 

2.  Palpen  klein,   wenig  gebogen,   den   Scheitel   nicht   überragend.    9   mit 
reduzierten    Flügeln    (Abb.  161  B) Chimahaclie  ZU. 

—  Palpen    lang,    aufwärts    gebogen,    bis    zum    Scheitel    reichend    oder 

diesen  überragend Carcina  Hb.  und  Borkhausenia  Hb. 

3.  Nebenaugen    hinter    den    Fühlern    deutlich    vorhanden    ....      Gelechia  ZU. 

—  Nebenaugen  fehlend,  bei   2ofacher  Vergrößerung  nicht  sichtbar  .      .      4 

4.  Vorderflügel  mit  einigen  rauhen  Wülsten,   aus   aufrechten   Schuppen 
bestehend  (Abb.  168,  S.  204) Heringin  Spul. 

—  Vorderflügel  glatt,   ohne   Wülste 5 

5.  Im  Vorderflügel  ?n^  mit  r^-r,  gestielt,  Wj  stets  distalwärts  von  /-^  ent- 
springend      Sitotroga  Hein. 

—  Im  Vorderflügel  m^^  aus  der  Zelle  entspringend;  oder  wenn  mit  r^--^ 
gestielt,  so  stets  proximalwärts  von  r^  entspringend 6 

6.  Im  Hinterflügel  gehen  von  der  Zelle  6  Aderäste  aus  ( Normalzahl  1     Teleia  Hein. 

—  Im    Hinterflügel    gehen   nur    5  Äste    von    der    Zelle    aus       .        Sleiiolechia  JMeyr. 

Gattung  Chimabacche  ZU. 

Durch  die  kleinen  Palpen  von  den  übrigen  Gelechiinen  unterschieden;  Endglied 
der  Palpen  nackt  und  kurz.  Vorderflügel  mit  großem  Discus,  r^^  und  r^  gestielt 
(Abb.  160).  Hinterflügel  beim  cf  breit  eiförmig  (Abb.  161  A).  Weibchen  mit  ver- 
kümmerten Flügeln  (161  B). 

Chimabacche  fagella  (Schiff.)  F. 

Buchenmotte. 
Taf.  I,    Fig.  20  u.  21. 
Falter:    Vorderflügel   beim    cf    weißgrau,    schwärzlich    bestäubt    mit    schwärz- 
lichen   Querstreifen    und    schwarzen    Punkten   in    der    Mittelzelle,    beim    Q    grau    mit 
zwei  schwärzlichen  fleckigen  Querstreifen  (Abb.  161).  Spw.  cf  26 — 28,  9   18 — 20  mm. 
Die  Raupe  gelblich  weiß  mit  blaßgrünem  durchscheinendem  Darmkanal   und 
2  Reihen  weißer,  kaum  sichtbarer  Wärzchen.    Kopf  hellbraun.    Drittes  Brustfußpaar 
kolbig  verdickt  (diese  Verdickung  soll  nur  den  männlichen  Raupen  zukommen  )i). 


ij  Die  Frage,  ob  wirklich  nur  das  männliche  Geschlecht  diese  Auszeichnung 
besitzt,  bedarf  wohl  noch  der  Nachprüfung.  Die  einzigen  Angaben  darüber  fand 
ich   bei    Praun,    Spul  er    und    Hering,    welch    letzterer    sich    wahrscheinlich   auf 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tineidae. 


201 


Diese  interessante  Motte,  die  nicht  selten  mit  zusammengeschlagenen 
Flügeln  an  Buchenstämmen  angetroffen  wird,  wurde  zum  erstenmal  von 
Eckstein  (1910)  in  der  forstlichen  Literatur  kurz  erwähnt.  In  neuerer  Zeit 
wurden  von  v.  Butovitsch  (1929)  eingehendere  Mitteilungen  über  die 
Bionomie  gemacht.  Die  Raupe  verspinnt  zwei  übereinanderliegende  Blätter 
so,  daß  das  obere  mit  seiner  Unterseite  fest  auf  der  Oberseite  des  anderen 
liegt,  sie  decken  sich  meist  nur  etwa  zur  Hälfte,  indem  das  obere  Blatt  nach 
rechts,  das  untere  nach  links  oder  umgekehrt  zu  liegen  kommt.  In  solchen 
Blattnestern,  die  man  im  Unterwuchs,  aber  auch  an  anderen  Zweigen  älterer 
Buchen  findet,  wohnt  die  Raupe.  Wenn  man  derartige  Blätter  gegen  das 
Licht  hält,  erkennt  man  die  Raupe,  deren  eigentümlich  gebaute,  keulen- 
förmige Brustbeine  schon  bei  solcher  Betrachtung  auffallen  i). 

Zur  Nahrungsaufnahme  kriechen  die  Raupen  halb  oder  ganz  aus  ihrem 
Versteck  heraus  und  befressen  die  benachbarten  Blätter  von  der  Kante  aus 
so,  daß  größere  unregelmäßige  Fraßstellen  entstehen.  Oft  werden  auch  die 
zum  Nest  gehörenden  Blätter  nicht  verschont,  manchmal  befrißt  die  Raupe 
die  Nestblätter  so,  daß  sie  mit  einem  Teil  des  Nestes  zu  Boden  fällt.  Die 
Raupen  fressen  in  der  Hauptsache  abends  und  nachts,  seltener  am  Tag. 


Abb.  161 


Chhnabacche  jagella  F.   i^ /,  X. 
verdickten  Hinterbeinen) 


-  A  cf,  B  9,  C  Raupe  des  cS  (™it  keulig 
1 3  ' ^  X.    C  nach  S  p  u  1  e  r. 


Die  Hauptfraßpflanze  ist  die  Buche,  es  werden  aber  auch  andere 
Holzarten  angegangen,  wie   Hainbuche,  Eiche,  Birke  usw. 

Kurz  vor  der  Verpuppung  werden  die  Raupen  träge,  das  Zirpen  hört 
vollständig  auf,  sie  kommen  nicht  mehr  aus  ihrem  Versteck  heraus,  werden 

Spuler  stützte.  In  der  D  i  s  q  u  e  sehen  Sammlung  befinden  sich  über  ein  Dutzend 
Chimabacche-^?i\XY>en,  die  nach  einer  freundlichen  Mitteilung  von  v.  Rosen  sämt- 
lich  die   keulenförmige   Anschwellung  besitzen. 

1)  Die  Raupen  lassen  zeitweise  ein  sehr  deutlich  wahrnehmbares  Zirpen  er- 
tönen, ähnlich  wie  ein  leises  Grillenzirpen.  Der  Ton  wird  durch  Reiben  der  keulen- 
förmig verdickten  Hinterbeine  auf  der  Blattoberfläche  hervorgerufen,  wobei  die  nach 
hinten  gekrümmten  krallenförmigen  Klauen  wahrscheinlich  die  Hauptrolle  spielen 
(v.  Butovitsch). 


202 


II.  Spezieller  Teil 


immer  blasser  und  nehmen  endlich  eine  gelblichweiße,  wachsähnliche  Fär- 
bung an;  die  V^erpuppung  findet  in  einem  weißen,  lockeren  Gespinst  im 
Blattnest  statt,  und  zwar  im  Oktober. 

Man  findet  Chhnabacche  meist  in  Gesellschaft  anderer  Buchenschäd- 
linge, wie  Dasychira  pudibiinda  L.,  Hylophila  prasinatta  L.,  Cheimatobia  bo- 

reata  Hb.  usw.  x,  ^^         ^       .       ... 

Gattung  Carcina  Hb. 

Fühler  dick,  länger  als  die  Vorderflügel  (Abb.  162);  Palpen  lang,  aufgebogen. 
Vorderflügel  länglich  viereckig  (wicklerartig),  Anhangszelle  sehr  lang.  Hinter- 
flügel bis  Mitte  gleich  breit,  dahinter  allmählich  verengt,  die  Spitze  wenig  scharf, 
rr  und  in-^  gesondert  aus  der  Zelle  entspringend,  nicht  gestielt.  Die  Raupe  in  einem 
leichten  Gespinst  auf  der  Blattunterseite. 

Nur   eine   Art: 

Carcina  quercana  F. 

Taf.  I,  Fig.  22. 
Falter:    Vorderflügel    hellgraurot    mit    gelben    Flecken    an    der    Wurzel    und 
hinter  der  Mitte  des   VR,   die    Fransen  gelb   mit   purpurner   VVurzellinie,   am   Innen- 
winkel grau.    Spw.   18-^21  mm. 

Raupe  hellgrau  mit  weißumsäumter  dunkler  Rückenlinie;  Kopf  gelbbraun. 

Ratzeburg  (F.  II,  S.  237)  erwähnt  im 
Anhang  zu  den  Laubholz  wickl  ern  eine  Tor- 
trix  quercana  Schrk.  Da  die  Gattung  Carcina 
einen  wicklerähnlichen  Habitus  besitzt,  so  ist 
es  wahrscheinlich,  daß  Ratzeburg  damit 
unsere  Art  gemeint  hat.  Cecconi  führt  die 
Art  in  seinem  Manuale  Ent.  Forest  (S.  131)  als 
schädlich  an;  er  erhielt  sie  aus  Venedig  zu- 
sammen mit  Tortrix  viridana  L. 

Die  Raupe  lebt  in  einem  leichten  Gespinst 
Abb.  162.    Carcina   quer-         ^^^^     ^^^     Unterseite     der     Blätter     von     Eiche, 
cana    F.    2  X-  Buche   und  anderen   Laubbäumen. 

Gattung  Borkhausenia  Hb. 

Fühler  nicht  verdickt,  Basalglied  mit  Borstenkämmchen.  Vorderflügel  ge- 
streckt, zugespitzt,  Anhangszelle  meist  klein,  r^,  5  spät  geteilt,  Discus  lang,  seine 
Hinterecke  vorgezogen,  cu^  vor  ihr  entspringend.    Wurzelschlinge  klein.    Hinterflügel 


A  B 

Abb.  163.  Borkhausenia  stipellaY^.,  A  Falter  (2V2X),  B  Flügelgeäder  (B  nach  Spul  er). 

mit  gut  entwickeltem  Analfeld  (nicht  vorgebaucht),  Adern  7n^  und  cii^  von  der  vor- 
gezogenen Hinterecke  des  Discus  entspringend.  Spw.   16 — 19  mm. 

Die     Raupen     leben     unter     Rinde,     in     faulem    Holz,     Mulm,     an 
Flechten  usw. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


203 


Zahlreiche   Arten   (bei   Spuler  48),   die   aber  ohne   forstliche   Bedeutung   sind. 

B.stipella  L.  (Taf.  I,  Fig.  23).  Unter  der  Rinde  der  Kiefer  und  Fichte. 
Heinemann  vermutet,  daß   die  Raupe  zur  Verpuppung  in  die  Zapfen  geht. 

B.  similella  Hb.  An  Rinde  von  Kiefer  und  Fichte.  Disque  zog  die  Art 
auch  aus  Tannenkrebsen. 

B .  cinnamomea  ZU.  Raupe  in  morschen  Kiefernstrünken.  Wohl  auch 
in  morschem  Laubholz. 

B.  luciuosella  Dup.    Unter  der  Rinde  von  Kiefern,  auch  von  Laubholz. 

B.  jourdheuillella  Rag.  In  verdorrten  Kiefern  knospen  (Pimts  maritima'). 

Gattung  Stenolechia  Meyr. 

Kopf  gewölbt,  beschuppt,  Fühler  mit  sehr  dickem 
Basalglied,  Palpen  lang,  Mittelglied  wenig  aufgebogen. 
Hinterschienen  lang  behaart,  Mittelsporen  dicht  vor  72- 
Discus  der  Hinterflügel  offen,  daher  erscheinen  rr  und  m^ 
gestielt.  Im  Vorderflügel  Abstand  von  m^  und  m^  sehr 
groß,  m^  bis  cu.^  um  die  Hinterecke  des  Discus  zusammen- 
gedrängt. 

Die  Gattung  enthält  drei  europäische  Arten,  von 
denen  eine  in  der  forstlichen  Literatur  genannt  wird : 


ax-t  3n    cu-j 


Abb.  164.   Flügelgeäder  von 
Stenolechia  Meyr. 


Stenolechia  gemmella  L. 

E  i  c  h  e  n  t  r  i  c  b  m  o  1 1  c. 
(^Syn.   Poecilia  nivea   Hw.  1. 
Taf.  I,   Fig.  24. 
Falter:   Vorderflügel  weiß,   schwach  schwarzbraun  bestäubt,  vorne  unterbrochenes 
Schrägband   in   der    Mitte,    2    VR- Flecken   davor   und   2    IR- Flecken   an   der   Wurzel 
und  im  Innenwinkel   schwarz     Spw.  9 — 10 
mm.    (Abb.   165). 

Raupe  weißlich  mit  durchscheinen- 
dem Darmkanal  und  dunkelgrauen  Pünkt- 
chen; Kopf  und  der  breite  Afterschild  sind 
hellkastanienbraun;  Nackenschild  wenig 
ausgeprägt,  mit  grünen  Pünktchen  gerandet. 


"^i-. 


=^ 


Abb.   165.    Slenolechia  gemella  L.       3  X- 

Neb  lieh  hat  1906  zum  ersten- 
mal in  der  forstlichen  Literatur 
auf  diesen  Eichenschädling  auf- 
merksam gemacht,  nachdem  er  meh- 
rere Jahre  hindurch  in  den  Laub- 
holzwaldungen des  Haardt-Gebirges 
an  den  Eichen  jeden  Alters  und 
in  Beständen  der  verschiedensten 
Lagen,  an  Stockausschlägen  wie  an 
Kernwüchsen  aufgetreten  war.  Später 


A  B 

Abb.  166.  Fraß  von  Stenolechia  ge- 
mella L.  in  Eichentrieben.  A  Anschwel- 
lung des  Triebendes  nebst  Bohrloch, 
B  Fraßgang  angefüllt  mit  Exkrementen, 
a  Ausflugloch,  b  ausgehöhlter  und  mit 
Kot  gefüllter  Trieb.    Nach  Barbe  y. 


204 


II.  Spezieller  Teil. 


hat  Barbey  (1919)  noch  einige  Beobachtungen  über  die  Bionomie  ge- 
macht. 

Das  Auftreten  der  Eichentriebmotte  macht  sich  dadurch  bemerkbar,  daß 
in  den  Monaten  Mai  und  Juni  eine  Anzahl  Blätter,  besonders  an  den 
jüngsten  Trieben,  zuerst  fleckig  werden,  sich  aufrollen,  sodann  sich  gelb 
färben,  vertrocknen  und  schließlich  abfallen,  allein  oder  zumeist  mit  den 
obersten  Zweigspitzen. 

Die  Flugzeit  ist  nach  N  e  b  1  i  c  h  sehr  lang  und  dauert  von  Anfang  Juli 
bis  Ende  September,  auch  im  April  wurden  schon  Falter  gefunden.  Diese 
Angaben  deuten  zweifellos  auf  eine  doppelte  Generation  hin. 

Das  Räupchen  bohrt  sich  in  die  jungen  Triebe  der  Eichen  ein  und  frißt 
diese  zu  einer  Länge  von  6  cm  aus,  wobei  der  Trieb  etwas  anschwillt  i) 
(Gallenbildung)  (Abb.  166  A).  Die  Verpuppung  findet  entweder  in  dem 
ausgehöhlten  Trieb  statt  oder  nach  Verlassen  desselben  an  den  Stämmen 
zwischen  Moos  und  Flechten  in  einem  leichten  Gespinst. 

Nach  Neblichs  Angaben  bohrt  sich  das  Räupchen  von  der  Spitze 
des  Triebes  ein,  während  nach  Barbey  (1919)  das  kleine  Einbohrloch  mehr 
oder  weniger  weit  vor  der  Spitze  gelegen  ist.  Letzterer  fand  die  Spitze  des 
Triebes  stets  völlig  intakt  und  nimmt  deshalb  an,  daß  die  Raupe  nur  durch 
das  Einbohrloch,  das  sie  etwas  erweitert,  nach  außen  gelangen  kann. 

Der  durch  die  Triebmotte  verursachte  Schaden  ist  kein  bedeutender  und 
besteht  auch  dort,  wo  sie  sehr  verbreitet  ist  und  die  Blätter  und  Triebe  zu 
Tausenden  am  Boden  liegen,  wohl  nur  in  einem  Zuwachsverlust. 

Gattung  Heringia  Spul. 

Vorderflügel  mit  einigen  rauhen  Wülsten,  aus  aufrechten  Schuppen  bestehend. 
Die  Adern  ^«o  "rid  cu^  dicht  beieinander  an  der  Hinterecke  des  Discus  entspringend. 
Ader  an  erreicht  den  Saum  nicht.  Wurzelschlinge  groß.  Hinterflügel  unter  der 
Spitze  verschieden  stark  angezogen  (Abb.  167). 

Nur  eine  Art  (H .  dodeceUa   L.),  deren  Raupe  in  Kiefernknospen  lebt: 


Abb.      167.       Flügelgeäder 
Heringia     dodecella     L. 
Spul  er. 


von 

Nach 


Abb.  168.     Die    Kiefernknospentriebmotte,    He- 
ringia dodeceUa   L.    (8  mal   vergrößert).    Nach 
Trägärdh. 


Heringia  dodecella  L. 


Kiefernknospentriebmotte. 
Ratzeburg:  Tinea  Reussiella  Rtzb.  —  Nitsche:   Tinea  (Gelec/ua,  Teleia)  dode- 
cella   L.    —    Altum:    Gelechia    dodecella    L.    —    Nüßlin-Rhumbler :    Gelechia    dode- 
cella  L. 


ij  Eine  ganz  ähnliche  Erscheinung  ruft  der  Fraß  eines  mehr  in  Südeuropa  vor- 
kommenden Wicklers  (Pelalea  feslivana  Hb.)  an  Eichen  hervor  (Cecconi,  M., 
128). 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


205 


Falter:  Vorderflügel  graubraun  mit  zwei  breiten,  verwaschenen  hellgrauen 
Querbinden,  einer  gebogenen,  hellgrauen  hinteren  Querlinie  und  6  paarweise  über- 
einander stehenden,  aufgeworfenen  schwarzen  Punkten  im  [Mittelraum.  Spannweite 
IG — 12  mm. 

Raupe  rötlich  mit  schwarzem  Kopf,  Nackenschild  und  Brustfüßen.  Die  Be- 
borstung  des  Protoracal-   und   Analsegmentes   siehe   Abb.  169  A   und   B. 

Puppe  braun,  am  Hinterleib  heller  als  an  den  Flügelscheiden,  letztere  bis  zu 
2/3  der  Körperlänge.    Hinterende  mit  zahlreichen  Hakenborsten  besetzt   (Abb.  169  Cj. 


AB  C 

Abb.    169.     A    Beborstung    des    Thoracalschildes    von    H.    dodecella,    B    dieselbe    des 
Analschildes,     C     Hinterende     der     Puppe     mit     zahlreichen     Hakenborsten.      Nach 

T  r  ä  g  ä  r  d  h. 


Die  Art  wurde  von  Ratzeburg  (F.  240) 
schrieben  und  in  die  Forstentomo- 
logie eingeführt,  nachdem  er  sie  in 
größerer  Zahl  aus  Kieferntrieben  ge- 
zogen, welche  zum  Teil  mit  hnoliaiia 
besetzt  waren.  N  ü  ß  1  i  n  erweiterte 
die  Kenntnisse  nach  einer  Mitteilung 
von  Disque  dahin,  daß  die  Larve 
zuerst  in  den  Nadeln  miniert  und 
erst  nach  der  Überwinterung  in  der 
Nadel  im  folgenden  Frühjahr  in  die 
Knospen  geht.  Trägärdh  (1915), 
der  eingehende  Beobachtungen  über 
dodecella  gemacht  hat,  bestätigt  die 
Angaben  Nüßlins. 


als    Tinea    Reussiella    be- 


Bioformel: 


6,5 


5  +  6 


Flugzeit  Ende  Mai  bis  Juli. 
Die  junge  Raupe  findet  man  von 
Mitte  Juni  ab  minierend  im  Spitzen- 
teil der  Nadel.  Im  Herbst  ist  die 
Hälfte  der  Nadel  ausgehöhlt  (etwa 
7 — 15  mm).  Die  Exkremente  schei- 
nen zum  größten  Teil  entfernt  zu 
werden;  nur  im  äußersten  Spitzenteil 
findet  man  kleine  Mengen  (Abb.  170). 
Gewöhnlich  findet  man  zwei  Öff- 
nungen, eine  größere  am  proximalen 
Ende    der    Mine    gelegen,    die    wohl 


-i._^;Ü 


i 


Abb.  170.  Minenfraß  der  Raupe  von 
Heringia  dodecella  I..  in  einer  Kiefern- 
nadel. A  Schematische  Darstellung  einer 
befallenen  Kiefernnadel,  e  Exkremente, 
h  Mine  im  Sommer  und  Herbst  ge- 
fertigt, V  Mine  des  folgenden  Früh- 
jahrs, /  Einbohrloch,  u  Ausbohrloch. 
B  Querschnitt  durch  eine  minierte  Nadel. 
h  Harzgang,  p  Parenchym.  C  Spitzen- 
hälfte einer  befallenen  Nadel,  ex  Ex- 
kremente, /  Larve,  m  Mine. 
Nach  Trägärdh. 


206 


IL  Spezieller  Teil. 


zum  Auswerfen  der  Exkremente 
dient,  und  eine  mehr  distal  gelegene 
(das  Einbohrloch).  Die  Innenwände 
der  Mine  sind  mit  seidenartigem  Ge- 
spinst ausgekleidet.  Vor  der  Über- 
winterung wird  die  distal  gelegene 
Öffnung  (Einbohrloch)  geschlossen. 
Die  Larve  ruht  in  der  Mine  bis 
zum  nächsten  Frühjahr,  dann  begibt 
sie  sich,  von  Mitte  April  ab,  in  die 
Knospen,  wobei  sie  weiße  Gespinst- 
röhren spinnt,  höhlt  die  Knospe  aus 
(Abb.  171),  verläßt  auch  diese  wie- 
der, um  sich  in  eine  zweite  Knospe 
und  eventuell  auch  noch  in  einen 
jungen  Trieb  einzubohren. 

Die  Verpuppung  findet  am 
letzten  Fraßort  von  Mai  ab  statt. 

Dodecella  tritt  zuweilen  so  zahl- 
reich auf,  daß  ein  ähnlicher  Schaden 
wie  durch  buoUana  (mit  der  sie 
häufig  zusammen  vorkommt)  ent- 
steht.     1884 — -1887     ist     sie     in     der 

Rheinebene  in  starker  Vermehrung  und  sehr  schädlich,  bedeutungsvoller  als 

buoliana,  aufgetreten   (Nüßlin). 


Abb.    171.    Knospenfraß   der   Raupe   von 

Her.  dodecella  L.    Man  sieht  die   weiße 

Gespinströhre.  Nach  Trägärdh. 


Gattung  Teleia  Hein. 

Palpen  schwach  aufgebogen.  Mittelglied  unten  durch  dicke,  flach  angedrückte 
Beschuppung  verbreitert,   Endglied   pfriemförmig. 

Vorderflügel  mit  geradem  oder  schwach  geschwungenem  Saum  unter  der  Spitze. 
Hinterflügel  auf  ax^  etwas  eingezogen,  Innenwinkel  zwischen  w.,  und  cii^,  Saum  ge- 
schwungen mit  vorgezogener   Spitze. 

Die  Raupen  an  verschiedenen  Bäumen  in  zusammengesponnenen  Blättern.  In 
Europa   über   20   Arten.    Keine   erlangt    eine   größere   forstliche   Bedeutung. 

Teleia  proximella  Hb. 

Birkenmotte. 
TaL  I,   Fig.  25. 
Falter:    Vorderflügel    weißgrau    und    dunkelgrau    gemischt,    mit    schwarzem 
Fleck    an    der    Wurzel    des    VR    und    feinen    schwarzen    Punkten,    zwei    sehr    schräg 
stehenden   in   der  Mitte,    zwei   am  Querast   und  einigen 
nahe  der  Wurzel.     Spw.  13—16  mm.     (Abb.  172). 

Raupe  grün  mit  rötlichem,  nach  hinten  zunehmen- 
dem Anflug,  schwarzen  haartragenden  Wärzchen  und 
graugrünen  Längslinien.  Kopf  bräunlich,  Nackenschild 
mit  vielen  schwarzen  Pünktchen  und  Flecken. 

Raupe  lebt  oft  recht  zahlreich  in  zusammen- 
gerollten Blättern  an  Birken  und  Erlen.  Wohl 
doppelte  Generation.  Juni  und  September.  Bei 
Ratzeburg  (F.  II,  S.  252)  erwähnt. 


Abb.  172.  Die  Birkenmotte 

Teleia  proximella  Hb. 

2V2X. 


:.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Tineidae. 


207 


Gattung  Gelechia  ZU. 

Palpen  etwa  so  lang  als  der  Thorax,  verschieden  stark  aufgebogen.  Vorder- 
flügel gestreckt  mit  abgeflachtem  Innenwinkel  und  schrägem  Saum.  Hinter- 
flügel breiter  als  die  Vorderflügel,  unter  der  Spitze  schwach  eingezogen, 
Discus  geschlossen,  Wg  und  cu^  aus  einem 
Punkt  entspringend  (Abb.  173). 

Eine  große  Gattung  mit  zahlreichen 
Arten  (in  Europa  89  Arten). 

Die  Raupen  leben  in  Nadeln,  zu- 
sammengesponnenen Blättern,  Blüten, 
Kätzchen  usw.  Forstlich  kaum  beachtens- 
wert. 

Gelechia  electella  ZU. 

Taf.  I,  Fig.  26. 
Falter:  Kopf,Thorax  undVorderflügel  weiß- 
lich, diese  mit  schwarzen  Punkten  im  Mittelraum ; 
die  Wurzel,  2  Binden  vor  und  hinter  der  Mitte 
und  die  Spitze  wolkig  graubraun.  Spw.  13 — 14 
mm.    (Abb.  174A). 

Die  Raupe  ist  nach  Baer  (1906)  vor  allem  dadurch  charakterisiert,  daß  sie 
unter  der  Afterklappe  eine  Reihe  (6 — 7)  sehr  eigentümlicher  starker,  dunkel  ge- 
färbter Borsten  besitzt,  die  am  Grund  verdickt  und  gebogen  sind,  und  von  denen  die 
zwei  mittleren  so  lang  sind,  daß  sie  sich  kreuzen  (Abb.  174  B).  —  Die  Puppe 
(Abb.  159B,  S.  199)  ist  in  der  Mitte  deutlich  verdickt,  ihre  Flügelscheiden  reichen 
bis  zum  5.  Abdominalsegment.  An  der  Spitze  befinden  sich  15 — 20  Hakenborsten 
(Baer). 

Die  Raupe  lebt  nach  Baer  ganz  ähnlich  wie  Eustaiutonia  phiicolella 
Dup.  (S.  199)  und  Semasia  nanana  Tr.  (S.  309)  in  Fichtennadeln.  Von 
pinicolella  unterscheidet  sie  sich  nur  darin,  daß  sie  auch  in  der  Oberhaut  des 


Abb. 


^^^Z^XTs^-^^Uf 


.    Flügelgeäder  von  Gelechia 
ZU.    Nach   Spuler. 


i 


^ 


Abb.  174.    A  Gelechia  electella  7A\.  (2i/,X),  B  Afterborsten  der  Raupe  von  Gelechia 
electella   ZU.    (stark   vergr. ).    Nach   Baer. 

Zweiges  eine  flache,  geschlängelte  Rinne,  die  sie  mit  Gespinst  auskleidet, 
frißt.  In  der  Literatur  findet  sich  die  Angabe,  daß  das  electella- 
Räupchen  in  Holzknoten  an  Zweigen  und  Stämmen  verschiedener  Koniferen 
lebt,  was  entschieden  unrichtig  ist.  Vielleicht,  meint  Baer,  rührt  diese  Vor- 
stellung von  einem  Beobachter  her,  der  den  Falter  aus  älteren  verholzten 
Chermesgallen  erzog,  in  deren  unmittelbarer  Nähe  das  Räupchen  tatsächlich 
mit  Vorliebe  miniert,  und  dem  das  Wesen  dieser  Gallen  nicht  bekannt  war. 
Die  Verpuppung,  die  in  einem  dichten  Gespinst  sich  vollzieht,  findet  wohl 
meist  am  Boden  statt. 

Baer  berichtet  über   ein   stärkeres   Vorkommen    (1904)   gemeinsam   mit 
Se77i.   nanana   Tr.    und   Eustaintonia   pinicolella    Dup.    in   einer   über    1000   m 


208  II.  Spezieller  Teil. 

langen    Fichtenhecke    bei    Regensburg.     An   dem    Fraß,    der    fast    die   ganze 
Hecke  ergriff,  nahm  electella  etwa  mit  loo/o  Anteil. 

Gattung  Sitotroga  Hein. 

Vorderflügel  sehr  lang  gestreckt,  hinten  lang  zugespitzt;  m^  mit  ^4—5  gestielt, 
es  entspringen  also  die  beiden,  die  Flügelspitze  umfassenden  Adern  aus  demselben 
Stiel;  ?«i  hinter  ^4  entspringend.  Hinterflügel  lang  viereckig,  mit  sehr  langer,  vor- 
gezogener Spitze.  Die  die  Spitze  umfassenden  rr  und  m^  entspringen  auf  gemein- 
samem  Stiel. 

Die  Raupe  der  einzigen  Art: 

5.  cerealella  Oliv,  lebt  in  den  Körnern  aller  Getreidearten,  vom  Mais  herab 
bis  zur  Hirse  und  frißt  deren  Inhalt  aus.  Richtet  minunter  großen  Schaden  an 
(s.  Zacher,  Vorratsschädlinge,   S.  227). 

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Familie:  Tortricidae. 

Wickler. 
Obwohl  die  Tortriciden  den  Tineiden  sehr  nahe  stehen  und  von  diesen 
durch   keine   tiefgreifenden   morphologischen    Unterschiede   getrennt   sind^), 
folge  ich  auch  hier  Handlirsch,  der  „aus  praktischen  Gründen  vorläufig 
die  sehr  eingebürgerte  Scheidung  beibehalten  hat". 

ij  Handlirsch  stellt  die  Tortriciden  in  die  Überfamilie  der  Tineoidea,  und 
zwar  als  selbständige  Familie  neben  die  Tineiden,  B  ö  r  n  e  r  in  seine  Familienreihe 
der  Gracilarioidea  neben   die   Gracilariidae  und  Phyllocnistidae. 


Unterordnung:    Micro! epidoptera,   Familie  Tortricidae. 


211 


Die  Tortricideni)  sind  im  allgemeinen  wesentlich  größer  und  kräftiger 
gebaut  als  die  Tineiden  und  unterscheiden  sich  in  den  meisten  Fällen  auch 
durch  ihre  Flügclform  recht  deutlich  von  diesen:  Während  die  Vorder- 
flügel bei  den  Tineiden  gewöhnlich  schmal  und  zugespitzt  sind,  zeigen  diese 
bei  den  Wicklern  eine  fast  länglich-viereckige  bzw.  trapezoide  Gestalt,  da 
sowohl  der  Vorder-  (Costal-),  als  auch  der  Innenrand  (Dorsalrand)  schon 
gleich  nach  der  Basis  sich  stark  krümmen  und  dann  ziemlich  parallel  ver- 
laufen. Da  hierbei  der  Grund  des  Vorderrandes  stark  vorgewölbt  erscheint, 
bezeichnet  man  diese  Flügelform  auch  als  „geschultert"  (Abb.  175).  Bei  einer 
Anzahl  von  Arten  geht  allerdings  die  trapezoide  Flügelgestalt  mehr  in  die 
dreieckige  Form  über. 

Das  Flügelgeäder  der  Vorderflügel  ist  meist  vollständig;  bei  zwei  Unter- 
familier.  ist  die  Ader  an  nur  in  der  Nähe  des  Saumes  deutlich,  basalwärts 
dagegen  nur  als  Falte  angedeutet,  bei  der  Unterfamilie  der  Phaloniden  fehlt 
sie  ganz.  Die  Innenrandsader  ax^  vereinigt  sich  nahe  der  Basis  mit  ax^  zu 
einer  Wurzelschlinge  (Abb.  176).  Alle  Adern  ent- 
springen  gesondert,   nur  r^,  und  /s   mitunter  gestielt. 


Abb.    175.     Flügelform   A 

eines  Tortriciden,  B  eines 

Tineiden. 


Abb.  176.     Flügelgeäder 

eines  Tortriciden.    Nach 

Kenne  1. 


.\bb.  177.    Körper  eines  Tor- 
triciden ( Paiidenüs).  Seiten- 
ansicht.     Nach   Kenne!. 


Die  Färbung  und  Zeichnung  der  Vorderflügel  zeigen  manche  überein- 
stimmende Züge.  Die  \^orderflügel  sind  lebhafter  gefärbt,  nur  sehr  selten 
einfarbig,  meist  deutlich  marmoriert  gezeichnet.  Bei  vielen  Arten  stehen  am 
Vorderrand  paarweise  gestellte  helle  Häkchenzeichnungen,  die  Vorcler- 
randhäkchen,  von  denen  mitunter  helle  oder  metallfarbene  Linien  aus- 
gehen, die,  wenn  sie  metallfarbig  sind,  Bleilinien  genannt  werden.  Die 
Häkchen  werden  von  der  Flügelspitze  her  gezählt,  weil  sie  hier  am  deut- 
lichsten ausgesprochen  sind.  Die  aus  den  mittleren  Häkchenpaaren  ent- 
springenden Bleilinien  ziehen  zum  Innenwinkel  und  umschließen  hier  oft 
einen  abweichend  gefärbten,  mit  schwarzen  Punkten  oder  Längsstrichen  ge- 
zeichneten  Fleck,  den  „Spiegel". 

Die  Hinterflügel  sind  auch  häufiger  mehr  trapezoid  als  dreieckig.  Die 
Adern  a)t,  ax^  und  axc,  sind  gut  entwickelt  (Abb.   176),  ax^  an  der  Basis  ver- 


1)  Ein  Iclassisches  Werte  über  die  paläarlvtischen  Tortriciden  mit  prächtigen 
Icolorierlen  Abbildungen  fast  sämtlicher  besprochenen  Arten  verfaßte  J.v.  Kenne  1, 
dem  wir  !üer   in  der   Systematilc   usw.   in   der   Hauptsache  folgen. 

14* 


212 


II.  Spezieller  Teil. 


breitert,  scheinbar  gegabelt.  Ader  ^/Zg  und  cu^  können  getrennt  aus  der 
Querader  entspringen,  oder  aus  einem  Punkt,  oder  auch  verschieden  lang 
gestielt  sein,  ja  sie  können  in  ihrer  ganzen  Länge  zusammenfallen.  Bei  den 
Männchen  haben  die  Hinterflügel  eine  einzige  kräftige  Haftborste,  bei  den 
Weibchen  mehrere  feine. 

Auch  sonst  sind  sexuelle  Dimorphismen  vielfach  vorhanden,  zum 
Teil  in  Färbung  und  Zeichnung,  zum  Teil  in  besonderen  Bildungen:  bei  den 
Männchen  mancher  Gattungen  ein  Costalumschlag  von  der  Basis  der  Vorder- 
flügel aus  mit  oder  ohne  darunter  verborgenem  Haarbüschel,  oder  ein 
schwächerer  Costalumschlag  am  Hinterflügel  mit  längerer  Behaarung  oder 
einem  Haarpinsel  usw. 

Der  Kopf  ist  glatt  oder  auch  wollig  beschuppt.  Die  Fühler  sind  im 
allgemeinen  fadenförmig,  oft  fein  gewimpert,  im  männlichen  Geschlecht 
mitunter  stärker.  Der  Rüssel  ist  gut  entwickelt,  nur  in  einzelnen  Fällen  rudi- 
mentär, Maxillarpalpen  fehlen.  Die  Labialpalpen  sind  gut  ausgebildet,  drei- 
gliedrig, anliegend  oder  bärtig  beschuppt,  dem  Gesicht  anliegend  oder 
horizontal  vorgestreckt,  meist  nur  wenig  über  den  Kopf  vorstehend,  das  End- 
glied ist  kurz,  versteckt  oder  nur  wenig  vorragend,  nie  pfriemenförmig  oder 
zurückgebogen  wie  bei  den  Motten.  Die  Brust  ist  in  der  Regel  anliegend 
behaart,  die  Beine  sind  kräftig,  ziemlich  kurz,  die  Hinterschienen  tragen 
zwei  Paar  etwas  ungleich  lange  Sporen  (Abb.  177). 

„Die  Raupen  sind  walzenförmig  oder  an  beiden  Enden  etwas  dünner 
und  haben  5  Paar  mit  Hakenkranz  versehene  Bauchfüße.  Die  Stigmata  liegen 
ziemlich  genau  an  den  Seiten  des  Körpers,  sie  fehlen  dem  2.,  3.  und  letzten 
Segment.  Letzteres  trägt  oberseits  die  Analklappe,  die 
bisweilen  chitinig  verstärkt  und  durch  besondere  Fär- 
bung ausgezeichnet  ist.  Der  Kopf  und  Nackenschild 
sind  stark  chitinisiert  und  meist  durch  schwarze, 
schwarzbraune  oder  hellbraune  Färbung  von  der 
Körperfärbung  verschieden.  Die  Segmente  tragen 
feine,  meist  spärlich  behaarte  Punktwärzchen  in  cha- 
rakteristischer Anordnung,  und  man  kann  auf  jedem 
Segment,  abgesehen  vom  letzten,  vier  Rückenwärzchen, 
jederseits  zwei  Seitenwärzchen  und  ein  Beinwärzchen 
(Supraventrale)  unterscheiden.  Auf  dem  zweiten  und 
dritten  Segment  stehen  die  Rückenwärzchen  in  einer 
schwach  gebogenen  Querreihe,  die  Seitenwärzchen 
(Subdorsalia  und  Lateralia)  in  gleicher  Höhe  vor- 
einander, die  supraventralen  Wärzchen  oberhalb  des 
Beinansatzes.  Auf  den  übrigen  Segmenten  stehen  die 
paradorsalen  Wärzchen  wie  die  vier  Ecken  eines  Tra- 
pezes, die  beiden  vorderen  näher  beisammen  als  die 
beiden  hinteren,  die  subdorsalen  Wärzchen  unmittelbar 
über  dem  Stigma,  die  lateralen  kleineren  etwas  weiter 
entfernt  unter  dem  Stigma,  die  supraventralen  Wärz- 
chen, wie  vorher  angegeben,  in  den  beinlosen  Segmenten  an  gleicher  Stelle. 
Das  letzte  Segment  zeigt  nahe  an  seinem  Vorderrand  eine  Querreihe  von  vier 
Wärzchen  1).  Jedes  Wärzchen  trägt  ein  steifes,  meist  ziemlich  langes  Härchen, 

^)  Nach  Baer  (1906)  sind  viele  Tortriciclen-Raupen  dadurch  von  den  Pyra- 
liden-Raupen  unterschieden,   daß  bei  den  ersteren  die  Lateralwarzen  des   Prothorax, 


Abb.  178.  Raupe  eines 
V<!\c]s\Q.x's.(Ar  gyro  ploce), 
dorsale  und  seitUche  An- 
sicht p  Paradorsal  War- 
zen,   sd    Subdorsalwar- 

zen,   l  Lateralwarzen, 

SV  Supraventralwarzen 

Nach  Kennel. 


[.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


213 


seltener  mehrere  kleinere.  Bald  sind  die  Wärzchen  recht  groß  und  deutlich 
sichtbar,  bald  kleiner,  mitunter  so  winzig,  daß  sie  erst  bei  starker  Lupen- 
vergrößerung sichtbar  sind,  sie  fehlen  aber  wohl  nie  ganz.  Sie  sind  entweder 
dunkelbraun  oder  tief  schwarz,  oder  auch  von  Körperfarbe,  bei  lebhafter- 
oder  dunkelfarbigen  Raupen  auch  heller  als  die  Umgebung,  sogar  ganz  weiß. 
Die  Härchen  können  die  Farbe  der  Wärzchen  haben,  zuweilen  sind  sie  aber 
auch  auf  dunklen  Wärzchen  hell,  auf  hellen  dunkel." 


Abb.  179.  Schematische  Darstellung  von 
Kopf  und  Prothorax,  sowie  des  7.  und 
8.  Abdominalsegmentes,  A  einer  Pyra- 
liden-,  B  einer  Tortricidenraupe.  Am 
Prothorax  vor  dem  Stigma  die  Lateral- 
warze mit  2  (A)  bzw.  3  (B)  Borsten, 
ventral  davon  die  2  Borsten  der  supra- 
ventralen Reihe.  An  den  Abdominal- 
segmenten befindet  sich  dicht  bei  dem 
Stigma,  und  zwar  dorsal  bzw.  prooral, 
die  subdorsale  Borste,  weiter  dorsal  die 
2  Borsten  der  paradorsalen  und  ventral 
die  2  der  lateralen  Reihe.  (In  diesen 
beiden  Segmenten  sind  die  supraven- 
tralen weggelassen,  ferner  überall  die 
extra-  und  intrapodalen  Borsten,  um  die 
Deutlichkeit  nicht  zu  beeinflussen).  Nach 
Baer. 


„Die  allgemeine  Färbung  des  Körpers  kann  wechseln  zwischen 
völliger  Farblosigkeit  durch  gelblich,  gelblichgrün  bis  zum  dunkelsten 
Schwarzgrün  und  ist  nur  im  letzteren  Fall  durch  Pigment  der  Haut  be- 
einflußt, sonst  hängt  sie  hauptsächlich  ab  von  der  Färbung  der  Leibes- 
flüssigkeit und  dem  Inhalt  des  Darmes.  Selten  sind  besondere  Zeichnungen 
vorhanden,  die  als  einige  vom  Grund  mehr  oder  weniger  deutlich  ab- 
stechende, oft  verwaschene  Längsstreifen  auftreten,  ein  Dorsal-,  zwei  Sub- 
dorsal- und  zwei  Seitenstreifen. 

„Viele  der  zwischen  Blättern  lebenden  Raupen  verpuppen  sich  an 
Ort  und  Stelle,  ohne  einen  besonderen  Kokon  zu  spinnen,  andere  wählen  ein 
frisches  Blatt,  unter  dessen  umgebogenem  Rand  sie  sich  verwandeln,  noch 
andere  lassen  sich  an  einem  Faden  herab  und  verpuppen  sich  an  oder  in  der 
Erde,  in  Ritzen  von  Rinde,  an  altem  Holz  oder  in  diesem,  meist  in  einem 
lockeren  oder  dichten  Gespinst,  das  mitunter  mit  Fremdkörperchen  bedeckt 
wird.  Die  in  Früchten  und  Fruchtkapseln  lebenden  verlassen  meistens  ihre 
Wohnung  und  verpuppen  sich  am  oder  im  Boden  oder  in  Rindenspalten;  die 
in  Zweigen,  Stengeln,  Holz  und  Wurzeln  lebenden  nagen  sich  gewöhnlich  nur 
bis  zur  Oberfläche  durch,  wo  sie  ein  dünnes  Häutchen  unversehrt  lassen,  oder 
sie  nagen  eine  Öffnung,  die  sie  mit  Bohrmehl  und  Seidenfäden  schließen, 
und  verwandeln  sich  dahinter  in  die  Puppe.  Meist  schiebt  sich  diese  vor 
dem  Ausschlüpfen  des   Falters  ein  Stück  weit  aus  dem  Puppenlager  heraus. 

„Die  Puppen  bieten  wenig  Besonderheiten,  sie  sind  mehr  oder  minder 


die  vor  dem  Stigma  liegen,  3  Borsten  tragen,  bei  den  letzteren  dagegen  nur  2 
(Abb.  179).  Ob  dieses  Merkmal  allgemeine  Geltung  für  sämtliche  Tortriciden- 
Raupen  gegenüber  den  Pyraliden-  und  vielleicht  auch  den  Tineiden-Raupen  hat, 
muß  erst  noch  geprüft   werden. 


214 


II.  Spezieller  Teil. 


A 

Abb.  i8o.  Tortriciden-Puppen, 
A  von  Torlrix,  B  ^'on  Pkalonia 
(mit  Dörnchen  an  den  Abdomi- 
nalsegmenten).    Nach    Kenne  1. 


kegelförmig,  das  Hinterende  zugespitzt  oder  abgerundet,  im  ersteren  Fall 
oft  mit  feinen  Häkchen  am  Ende  zum  Festhalten  an  den  Gespinstfäden,  und 
dann   ziemlich  glatt,   im   anderen    Fall,   besonders   bei   den  in  Pflanzenteilen 

eingebetteten,  auf  der  Rückenhälfte  der  Ab- 
dominalsegmente mit  Querreihen  scharfer 
Dornen  besetzt,  auf  der  Ventralseite  mit  zer- 
streuteren Dornwärzchen,  die  beim  Heraus- 
drängen aus  dem  Puppenlager  zum  An- 
stemmen an  die  Wände  dienen  (Abb.  iSoB). 
Die  Färbung  der  Puppen  schwankt  zwischen 
blaßgelb,  gelbbraun,  dunkelbraun  bis  schwarz, 
bisweilen  sind  die  Flügelscheiden  lange  Zeit 
hindurch  heller,  durchscheinend  oder  grün- 
lich"   (Kennel). 

Die  Eier  der  Wickler  sind  flach,  bi- 
konvex oder  plankonvex,  von  rundem  oder 
ovalem  Umriß  und  meist  grünlich  oder  grün- 
lichgrau von  Farbe.  Sie  werden  meist  ein- 
zeln, selten  mehrere  zusammen  abgelegt,  ent- 
weder an  die  Nahrungspflanze  angeklebt  oder 
mit  Hilfe  einer  ausstreckbaren  Legeröhre  in  Ritzen  oder  Spalten  derselben 
eingeschoben. 

Die  Mehrzahl  der  Wickler  gehört  zu  den  Dämmerungstieren,  die  erst 
kurz  vor  und  nach  Sonnenuntergang  fliegen,  manche  aber  werden  viel  früher 
beweglich  und  fliegen  am  hellen  Tag  und  im  Sonnenschein.  Die  Weibchen 
vieler  Arten  fliegen  dagegen,  obwohl  sie  gut  geflügelt  sind,  wenig  oder  gar 
nicht  imd  werden  daher,  zumal  sie  sich  gern  zu  Boden  fallen  lassen,  selten 
gefangen.  In  der  Ruhe  tragen  die  Falter  die  Flügel  mehr  oder  weniger 
dachförmig,  manche  Arten  (wie  z.  B.  Acalla)  sehr  flach  (s.  Abb.  183  A, 
S.  221),  andere  steiler  und  manche  fast  um  den  Hinterleib  gerollt. 

Viele  Wickler  haben  eine  einjährige  Generation,  manche  auch  eine 
zweijährige;  auch  doppelte  und  (in  südlichen  Ländern)  dreifache  Generation 
kommt  vor.  Die  Überwinterung  kann  in  allen  Stadien  stattfinden,  als  Imago 
wie  als  Ei,  oder  als  Raupe,  die  sich  im  Frühjahr  gleich  verpuppt,  oder  auch 
als  Puppe. 

Die  Tortriciden  sind  sehr  artenreich;  Kennel  führt  für  die  palä- 
arktische  Region  ca.  1000  Arten  an.  Viele  von  ihnen  kommen  in  Wäldern 
bzw.  an  Laub-  oder  Nadelholz  vor.  Doch  nur  eine  verhältnismäßig  kleine 
Zahl  erlangt  eine  größere  forstliche  Bedeutung.  Wir  werden  im  folgenden  im 
ganzen  45  Arten  besprechen,  die  aber  in  forstlich-wirtschaftlicher  Hinsicht 
durchaus  nicht  alle  gleich  zu  werten  sind. 


Die  heutige  Systematik  der  Tortriciden  baut  sich  vor  allem  auf  dem 
Verlauf  des  Flügelgeäders  auf.  „Trotz  der  sehr  großen  Zahl  der  Arten," 
schreibt  Kennel,  „die  man,  wenn  auch  gewaltsam,  in  eine  beträchtliche 
Menge  von  Gattungen  geteilt  hat,  ist  doch  die  Übereinstimmung  so  groß,  daß 
man  nur  drei  Unterfamilien  mit  einiger  Berechtigung  aufstellen  kann, 
nämlich : 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  215 

Zeilhinterrand   der    Hinterflügel    auf   der   Oberseite   ohne   besondere 
Behaarung: 

a)  die  Ader  ati  der  Vorderflügel  erst  gegen  den  Saum  hin  deutlich, 
cu^  entspringt  aus  der  Mittelzelle  vor  deren  letztem  Viertel,  meist 
weiter  basalwärts   (Abb.  i8i  A) I.  Tortricinae 

b)  die  Ader  an  der  Vorderflügel  fehlt  ganz,  cu^  entspringt  aus  der 
Mittelzelle  hinter  deren  letztem  Viertel,  selten  vor  demselben 
(Abb.  i8i  B) IL  PhaloTiiinae 


A 

Abb.   i8i.     Flügelgeäder   A   einer   Tortricine    (Vfl    an   vorhanden,    CU2   entspringt   vor 

dem  letzten  Viertel  der  Mittelzelle),  B  einer  Phaloniine  (Vfl  an  fehlt,  cuo  entspringt 

hinter  dem   letzten   Viertel   der    Mittelzelle).    Nach   Kenne  1. 

2.  Zeilhinterrand  der   Hinterflügel  oberseits  mit  einem   Haarkamm  be- 
setzt (s.  Abb.  221),  Ader  an  der  Vorderflügel  vollständig  ausgebildet 

III.  Epibleminac 


Übersicht  der  hier  behandelten  Arten   in   systematischer  Reihenfolge. 

/.  Tortricinae. 

Acalla  ferrugana  Tr.,  Birkennestwickler. 

—  abietana  Hb. 

—  xylosteana  L. 

Cacoecia  podana  Scop.,  Eschenzwieselwickler. 

—  lecheana  L. 

—  piceana  L.,  Kiefernnadelwickler. 

—  histrionana  Froel.,   Fichtentriebwickler. 

—  murinana  Hb.,  Tannentriebwickler. 
Pandemis  ribeana  Hb. 

Tortrix  forskaleana  L.,   Ahornwickler. 
— ■  politana    Hw.,    Kiefernsämlingwickler. 

—  viridana  L.,   Grüner   Eichenwickler. 

—  loefflingiana  L. 

—  viburniana  Schiff. 
— •  wahlbotniana  L. 

//.  Phaloniinae. 
Diese    Unterfamilie    enthält    keine    forstlich    bemerkenswerten    Arten,    dagegen 
einen  der  schlimmsten  Weinbauschädlinge,  Clysia  ambiguella  Hb.   (Heu-  und  Sauer- 
wurm). 

///.  Epibletninae. 
Evelria  duplana  Hb.,   Kieferntriebwickler. 

—  turionana  Hb.,   Kiefernknospenvvickler. 

—  buoliana  Schiff.,   Kiefernknospentriebwickler. 


216  II.  Spezieller  Teil. 

—  sylvestrana  Curt. 

—  posticana  Zett. 

—  pinivorana  Zll. 

—  retiferana   Wocke. 

—  margaroiana  H.  S. 

—  resinella  L.,   Kiefernharzgallenwickler. 
Argyroploce  herzyniana  Tr.,   Großer   Fichtennadelwickler. 

—  lacunana  Dup. 

Cymolomia  hartigiana  Rtzb.    Gabelbindiger  Fichtenwickler. 
Semasia  rufitnitratta   H.  S.,    Rotköpf iger   Tannenwickler. 

—  ratzebiirgiana  (Sax.)   Rtzb.,   Rostroter   Fichtenwickler. 

—  tianana  Tr.,  Kleinster   Fichtennadelmarkwickler. 

—  diniana  Qu.,  Grauer  Lärchenwickler. 

—  vacciniana  TAX. 

— •  subsequana  Hw.,   Tannennadelwickler. 
Asihenia  pygmaeana  Hb.,    Fichtennadelmarkwickler. 
Tmetocera  laricana  (Zll.)   Hein.,  Lärchennadelwickler. 
Epiblema   nigricana    H.  S.,    Tannenknospenwickler. 

—  tetraqueirana    Hw.,    Birkengallenwickler. 

—  penkleriana    F.  R.,    Haselnußknospenwickler. 

—  tedella  Gl.,   Fichtennestwickler. 

—  proximana  H.  S. 

Laspeyresia  (Carpocapsa)  pomonella  L.,   Apfelwickler. 

—  —  var.  putaminana  Stgr. 

—  —  splendana  Hb.,  Eichelwickler. 

—  —  var.  reauinureana  Hw. 

—  —  grossana  Hw.,  Bucheinwickler. 

—  —  amplana  Hb.,   Haselnußwickler. 
Laspeyresia  zebeana  Rtzb.,  Lärchenrindenwickler. 

—  pactolana  TAX.,   Fichtenrindenwickler. 

—  grunertiana  Rtzb. 

^  duplicana   Ten.,   Dunkelbrauner    Fichtenrindenwickler. 

—  conijerana   Rtzb.,    Schwarzer    Nadelholzwickler. 
— ■  cosmophorana  Tr.,   Kiefernbeulenwickler. 

—  corollana  Hb.,  Aspenbockgallenwickler. 

—  strobilella  L.,    Fichtenzapfenwickler. 

—  illutana  H.  S. 
Pammene  fimbriana  Hw. 

—  gallicolana  Zll. 

—  juliarm  Curt. 

Übersicht  der  hier  behandelten  Tortriciden  nach  ihrem 

biologisch-forstlichen  Verhalten. 

A.  Nadelholz. 

An  Fichte. 

An    den    Nadeln, 
a.  Raupe  befrißt  die  Nadel  nur  äußerlich,   nicht  minieren d. 

Raupen  in  den  stark  benadelten  Zweigen  junger  Fichten  und  auch  an  den 
Wipfeln    stärkerer    Bäume,    wo    sie    sich    zwischen    den    Nadeln    ein    Gespinst 

machen Argyroploce  herzyniana   Tr.  (S.  301) 

Hierher  noch  Acalla  abietana  Hb.  (Biologie  noch  wenig  bekannt),  Cacoecia 
histrionana  Froel.  (siehe  unten,  S.  228),  Pandemis  ribeana  Hb.  (selten  an 
Fichte)  und  Semasia  diniana  Gu. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  217 

b.  Raupe    miniert    die    Nadeln,    wenigstens    zuerst,    und    spinnt    sie 
dann   zusammen. 

1.  Raupe  spinnt  eine  größere  Zahl  von  Nadeln  (bis  i6)  zu  einem  nestartigen  Ge- 
spinst zusammen,  in  dem  reichlich  Kot  hängen  bleibt.  Hauptfraßzeit  August, 
September.     Nadeln   meist    nur   ein   Loch    .      .      Epiblema    tedella    Cl.   (S.  345) 

2.  Raupe  spinnt  nur  wenige  Nadeln  (5—6)  zusammen,  Gespinst  meist  frei  von  Kot. 

a.  Hauptfraßzeit  Juni/Juli.  Nicht  selten  bleiben  die  Knospenschuppenhauben 
als  „Mützchen"  an  den  Trieben  hängen  .      Asthenia  pygmaeana  Hb.   (S.  333J 

b.  Fraß  Mai.  Nadel  nahe  der  Basis  ein  einziges  mit  Gespinst  ausgekleidetes 
Loch,  vor  dem  sich  ein  kleines  Kothäufchen  befindet.  Mit  Vorliebe  an 
Hecken Semasia    nanana    Tr.  (S.  309) 

Hierher  noch  die  seltenere  Cymolomia  harligiana  Rtzb.,  die  ebenfalls  in 
Nadeln  miniert  (mit  einem  Loch)  und  diese  zusammenspinnt.  Die  Knospen- 
schuppen bleiben  bisweilen  als  Mützchen  an  den  Trieben  hängen  (wie  bei 
Asthenia  pygmaeana  Hb.). 

An   Knospen   und   jungen   Trieben. 

Fraß  zunächst  in  einem  Gespinst  zwischen  vorjährigen  Nadeln,  später,  wenn  die 
neuen  Triebe  hervorbrechen,  fressen  die  Raupen  diese  an  (oft  noch  unter  den  an- 
hängenden Ausschlagschuppen,  so  daß  die  Triebe  oft  an  einer  Seite  bis  auf  den 
Stengel  abgefressen  werden  und  sich  krumm  biegen).  Die  Fraßstelle  immer  mit 
einem  röhrigen  Gespinst  ausgekleidet  .  .  .  Cacoecia  histrionana  Froel.  (S.228) 
Fraß  in  den  starken  Endknospen  der  Zweige  junger,  kräftiger  Fichten  von  20  bis 
50  Jahren  (auch  ältere),  wo  die  Raupe  an  der  einen  Seite  des  Triebes  gegen  die 
Spitze  hin  ein  tiefes  Loch  in  die  dichte,  weiche  Masse  der  zarten,  jungen  Nadeln 
frißt.  Die  Knospenschuppenhauben  bleiben  oft  noch  lange  an  dem  sich  weiter  ent- 
wickelnden Trieb  hängen  ....  Semasia  ratzeburgiana  (Sax.)  Rtzb.  (S.  307) 
Hierher  auch  Semasia  diniana  Gu.  (311),  im  Hochgebirge  ein  Lärctientier,  in 
Mittelgebirgen  und  in  der  Ebene  auf  Fichten  vorkommend,  die  Maitriebe  und 
junge  Zapfen  befressend. 

Am    Stamm   oder   an    den   Zweigen. 
Raupe  frißt  in  der  Rinde  der  Quirlgegend  vornehmlich  an  jungen   Fichten  im  Alter 
von   10—20  Jahren.     Fraßstelle  schwillt  gallenartig  an  und  ist  mit   Harztropfen  und 
schnupftabakähnlichen    Kothäufchen   bedeckt    .       Laspeyresia   factolana   ZU.   (S.  361) 
Raupe  lebt  in  den  verharzenden  Wundrändern  der  Sommerschälungen  des  Rotwildes 

(siehe  auch  bei  Tanne)         Laspeyresia  diiplicana  Zett.   (S.  370) 

In   ähnlicher    Weise    lebt    auch    Laspeyresia    coniferana    Rtzb.    (siehe    auch    bei 
Kiefer). 

In    Chermes-Gallen. 
Bisweilen,  aber  selten,  kommt  die  Raupe  von  LMSpeyresia  pactolana  ZU.  (siehe  oben) 
auch  in  Chermes-G^W^n   vor,   das   gleiche   soll   auch   für  Laspeyresia  illutana   H.  S. 
gelten. 

In   den   Zapfen. 
Zapfen   äußerlich   meist    nur   wenig    verändert,    höchstens    etwas    gekrümmt    und   mit 
Hai'zausscheidung.    Keine   Kotanhäufungen   an   den   Schuppenrändern 

Laspeyresia  strobilella  L.   (S.  374) 
Zapfen  auch  äußerlich   Fraßgänge   und   Kot   zeigend   (siehe  auch  bei   Lärche) 

Semasia  diniana  Gu.   (S.  311) 

An  Kiefer. 

An  den  Nadeln  älterer  Pflanzen. 

Raupe   miniert    zuerst    ( August/September)    die   Nadeln,    spinnt   dann   einige    Nadeln 

zusammen,    um    sie    von   innen   her   zu   benagen.     Nach   der   Überwinterung    Fraß    an 

den   jungen   Trieben Cacoecia   piceana   L.   (S.  225) 


218  II.  Spezieller  Teil. 

An  den   Nadeln  von  Sämlingen. 
Raupe  befrißt  die   Nadeln  unter  reichlicher  Spinntätigkeit,   wodurch  die   Pflänzchen 
alle   möglichen    Formen   annehmen Torf  rix  politana    Hw.   (S.239) 

In    Knospen   und   Trieben. 

Trieb  im  terminalen  Teil  ausgefressen,  der  sich  umbiegt  und  herunterknickt  und 
braun  wird,  während  der  basale  Teil  samt  seinen  Nadeln  in  bester  Entwicklung  be- 
griffen  ist.    Puppe   überwintert Evetria  duplana  Hb.   (S.  273) 

Ganz    ähnliche    Fraßbilder    kann    auch    Cacoecia    piceana    L.    machen,    doch 

findet   der  piceana-Yx^&   zum   Teil   auch   äußerlich  an   den   Nadeln   und   der 

Triebrinde  statt. 

Trieb  von   der   Basis   her   ausgehöhlt,   so   daß   er   meist   abstirbt.    Wo   nur   geringere 

Verletzung  durch   Naschfraß   stattfindet,   kommt   es  bisweilen   zu   Posthornbildungen 

Evetria  buoliana  Schiff.   (S.  283) 
Knospe  völlig  zerstört,  so  daß  sie  überhaupt  nicht  mehr  austreibt.    In  der  abgestor- 
benen Knospe  im  Frühjahr  die  Puppe    ...      .      .      .      Evetria  turionana  Hb.   (S.  276) 

Ähnlich  wie  turionana  leben  noch  die  selteneren  Ev.  sylvestrana  Curt.,  reti- 
ferana   Wocke,   posticana   Zett.    und   pinivorana    TAX.     (Die    beiden    letzteren 
mehr  in  den   Seitenknospen.) 
Maitriebe    miteinander    dicht    versponnen,    in    diesem    Gewirr    von    Nadeln    lebt    die 
Raupe.    In  Kulturen   und   Schonungen.    Nur  selten  beobachtet. 

Tort  rix  viburniana  Schiff.   (S.  267) 

Am    Stamm    oder    an    den    Zweigen. 

Raupe  frißt  unterhalb  des  Knospenquirls  in  der  Rinde  bis  ins  Mark,  wobei  sie  ein 
Zelt    aus    Harz    („Harzgalle")    errichtet.     Raupe    überwintert    zweimal   in   der    Galle. 

Hauptsächlich  an  6 — 10  jährigen  Kiefern Evetria  resinella  L.  (S.  294) 

Raupe  lebt  in  verlassenen  (und  auch  noch  besetzten)  Harzgallen  der  Ev.  resinella 
oder  in  anderen  Harzausflüssen  der  Kiefer  (z.  B.  nach  Hagelschlag),  vielleicht  auch 

in  Kiefernzapfen Laspeyresia  cosmophorana  Tr.   (S.  372) 

Raupe  lebt  in  verharzten,  pilzkranken  Teilen  der  Kiefer,  in  „Kienzöpfen"  usw.  (vor 
allem  von  Weimutskiefer,   siehe  auch  bei  Tanne) 

Laspeyresia  coniferana  Rtzb.   (S.  3711 

An  Tanne. 

An  den  Nadeln. 
Raupe  frißt  die  frischen  Nadeln  und  auch  die  Epidermis  der  jungen  Maitriebe, 
dabei  ein  Gespinst  machend.  Die  abgebissenen  Nadeln,  die  bald  eine  rote  Farbe 
annehmen,  bleiben  zunächst  noch  eine  Zeitlang  in  dem  Gespinst  hängen.  Später,  wenn 
das  Gespinst  herabgewaschen,  erscheinen  die  befressenen  Triebe  völlig  kahl.  Meist 
in  Alt-   und    Mittelhölzern. 

Kopf    der    Raupe    schwarz Cacoecia    murinana    Hb.   (S.230) 

Kopf  der  Raupe   licht  rostrot    ....   Semasia  rufimitrana  H.  S.   (S.  305) 

Hierher  auch  die  seltenere,  auch  an   Fichte  fressende  Acalla  abietana   Hb., 

Argyroploce  hercyniana  Tr.    (siehe  bei    Fichte)    und   Pandemis   ribeana   Hb. 

Raupe   miniert   die    Nadeln,   die  bald   rot   werden   und   zunächst   in   einem   Gespinst 

hängen  bleiben,  später  aber  abfallen. 

Hauptfraßzeit   Juni/Juli Semasia  subseqiiana  Yi^.  (S.  329) 

Hauptfraßzeit  August  bis  Oktober        .        Epiblema  proximana  H.  S.  (S.  353) 
Hierher  vielleicht  noch  Cymolomia  hartigiana  Rtzb.  (hauptsächlich  in  Fichte). 

In  den  Knospen. 
Raupe   frißt   in    den    Knospen,    gewöhnlich   junger    10— 30  jähriger    Tannen   mit    Vor- 
liebe an  den   Gipfeltrieben.    Die  ausgefressenen   Knospen  sind   mit   Kotkrümeln   und 
weißen   Gespinsten  bedeckt Epiblema  nigricana  H.  S.  (S.  342) 


1.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  219 

Am    Slam  m    und    an    Zweigen. 
Raupe    lebt    in    harzreichen    Astanschwellungen    der    Tanne,    vor    allem    in    den    sog. 
Tannenkrebsen 

Laspeyresia   iluplicana   Zett.    (S.  370)    und    (seltener)    conifercuia    Rtzb.   (S.  371). 

In   den   Zapfen. 

Evelria    i>iari;,ar(>laiia    H.  S.    (S.  294)    und    Laspeyresia    iUutana    H.  S.   (S.  377). 

An  Lärche. 

An   den   Nadeln. 

Raupen   fressen   die    Nadeln,    die    sie   vorher    zu    einem    Trichter   zusammenspinnen. 

Hauptsächlich  in  den  Tiroler  und  Schweizer  Alpen.  Semasia  diniana  Gu.  (S.  311) 
Hierher  noch  Tmetocera  laricana  (ZU.)  Hein.,  die  ganz  ähnlich  lebt,  aber 
bis  jetzt  nur  einmal   (im  Taunus)  in  stärkerer  Vermehrung  beobachtet  wurde. 

Am   Stamm   und   an   den   Zweigen. 
Vorzugsweise   an   jungen    4— 10  jährigen    Lärchen.    Raupe   frißt   in   der   Rinde,   meist 
an    Astwinkeln,    und    erzeugt    dadurch    Harzausfluß    und    Anschwellung    (Galle),    die 
im   2.  Jahr    (Generation   ist    zweijährig)    bis   zur   Kirschengröße   heranwächst 

Laspeyresia  zebeana  Rtzb.  (S.  358) 
Vorzugsweise  an  stärkeren,  etwa  30  jährigen  Stämmen.  Raupe  an  verletzten  Stellen 
des  Stammes  in  den  Überwallungen  der  Wundränder  oder  unter  der  Ansatzstelle  von 
abgestorbenen  Ästen Laspeyresia  grunertiana  Rtzb.   (S.  368) 

B.  Laubholz. 

An    Blättern    (und    Blattknospen). 
An  Eiche:     Tori  rix     viridana     L.     (S.     243),     Tort  rix     loefflingiana     L.     (südlich) 

(S.     266),    Acalla    ferrugana    Tr.     (nur    gelegentlich    an     Eiche)     (S.     220), 

Cacoecia  xylosteana  L.   (S.  224). 
An   Birke:   Acalla  ferrugana   Tr.    (Raupen   spinnen   kleine   Raupennester)    (S.  220), 

2"  ort  rix  ■waJdbo)nia]ia  L.    (S.  268). 
An   Buche:   Acalla  ferrugana  Tr.    (S.   220),   Cacoecia  podana   Scop.,   besonders   am 

Aufschlag    (S.    224),    Argyroploce    lacunana    Dup.,    am    Aufschlag    (S.    302), 

Tortrix  wahlbomiana  L.   (S.  268). 
An  Ahorn:  Tortrix  forskaleana  L.  (S.  238). 
An  Esche:  Cacoecia  podana  Scop.,   Raupen  zwischen  den   Blättern  des  Endtriebesy 

den   sie  vernichten   (S.   224). 
An  Haselnuß:  Epiblema  penkleriana  F.  R.   (S.  344). 

In  Blattgallen  und   Zweigan  Schwellungen. 
Raupe    erzeugt    durch    ihren    Fraß    Zweiganschwellungen    am    Grund    eines    Seiten- 
sprosses   von    Birke    und    Erle Epiblema    tetraquetrana    Hw.   (S.  343) 

Raupe  lebt  in  den  von  Saperda  populnea  erzeugten  Zweiggallen  an  Aspen 

Laspeyresia  corollana  Hb.   (S.  374) 
Raupe  lebt  in  Cynipidcn-Gallen  an  Eiche 

Pammeiie  gallicolana  ZU.   (S.  377)  und  fimbriaua  Hw.   (S.  377) 
In  den   Früchten. 
In  Eicheln:  Laspeyresia  splendana  Hb.   (S.  356)    und  am  plana  Hb.    (S.  358),  Lam- 
me ne  Julia  na  Gurt.  (S.377). 
In  Buchein:     Laspeyresia    grossana    Hw.    (S.    357)     und    amplana    Hb.    (S.    358), 

Pammene  juliana  Gurt.  (S.377). 
In  Haselnüssen:  Laspeyresia  grossana  Hw.   (S.  357)   und   amplana   Hb.    (S.  358). 
In  Walnüssen:  Laspeyresia  pomonella  var.  putaminana  Stgr.  (S.  356). 
In  Eßkastanien:    Laspeyresia   splendana    var.    reaumurana    Hb.    (S.    357  ,    Pam- 
mene juliana  Gurt.   (S.377)  und  fimbriana  Hw.  (S.377). 

An    Heidelbeere. 
Semasia  vacciniana  TAX.    (S.  328).    Raupe  befrißt   die   Blätter. 


220 


II.  Spezieller  Teil. 


1.  Unterfamilie:  Tortricinae. 

Wickler  ohne  Behaarung  der  hinteren  Mittelader  der  Hinterflügel.  — 
Vorderflügel  mit  einem  gegen  den  Saum  hin  deutlich  erhaltenen  Rest  von 
Ader  an.  Ader  cu2  entspringt  aus  der  Mittelzelle 
vor  deren  letztem  Viertel  (Abb.  182).  —  In 
der  Ruhe  tragen  die  Falter  die  Flügel  meist 
ganz  flach  übereinandergeschoben  (s.  Abb.  183  A); 
jedenfalls  am  wenigsten  steil  dachförmig  unter 
allen  Wicklern.  Die  Raupen  leben  gewöhnlich 
zwischen  zusammengerollten  oder  versponnenen 
Blättern  und  verpuppen  sich  meist  in  der  Raupen- 
vvohnung. 

Spul  er  führt  für  Europa  16  Gattungen  auf, 
von  denen  wir  hier  nur  vier  zu  berücksichtigen 
Abb.  182.    Flügelgeäder  von        haben:  Acalla  Hb.,  Cacoecia  Hb.,  Pandemis  Hb. 
Acalla.    Nach  Kenne  1.  und  Tortrix  L. 


Gattung  Acalla  Hb. 

Das  charakteristische  Merkmal  der  Gattung  Acalla  ist,  daß  auf  den  Vorder- 
flügeln alle  Äste  von  r,  auch  7-5,  in  die  Costa  ziehen,  was  bei  keiner  anderen  Gattung 
der  Fall  ist.  Hinterflügel  rr  und  m^  dicht  beisammen  aus  der  Ecke  der  Zelle  ent- 
springend, W3  und  cu  aus  einem  Punkt  oder  gestielt   (Abb.  182). 

Vorderflügel  auffallend  trapezoid,  Costa  an  der  Basis  gewöhnlich  stark  ge- 
bogen, weiterhin  gerade  oder  sogar  etwas  eingebogen,  selten  schwach  gekrümmt. 
Saum  ziemlich  steil,  geschwungen,  Spitze  gerundet  oder  spitz  vortretend;  auf  der 
Fläche  häufig  Büschelchen  aufgeworfener  Schuppen,  meist  die  Ränder  der  dunklen 
Zeichnung  begleitend  oder  andeutend.  Hinterflügel  stark  seidenglänzend,  durch- 
scheinend mit  langen    Fransen  gegen  den  Analwinkel  hin. 

Die  meisten  Acalla- Arten  treten  in  zwei  Generationen  auf,  einer  gewöhn- 
lich individuenarmen  Sommer-  und  einer  reichlichen  Herbstgeneration. 

Die  Gattung  Acalla  hat  eine  sehr  weite  Verbreitung,  vor  allem  in  den 
gemäßigten  und  nördlichen  Teilen  des  paläarktischen  Faunengebietes.  Bei 
Spul  er  sind  39  europäische  Arten  angeführt,  von  denen  nur  zwei  als  forst- 
lich interessierend  genannt  zu  sein  verdienen. 

Acalla  ferrugana  Tr. 

Birkennestwickler. 
Taf.  II,  Fig.  I. 

Falter:  Die  Färbung  der  Vorderflügel  bleich  ockergelb  bis  zimtbraun,  mit- 
unter dunkelbraun,  mit  feinen  dunklen  Querwellen.  Zeichnung  sehr  variabel,  bis- 
weilen 3  dunkle  Makeln  an  der  Costa  (v.  tripunctana  Hb.)  oder  an  deren  Stelle  eine 
einzige  rhomboide  Makel  (v.  rubidana  H.S.)   usw.    Spannweite   14 — 18  mm. 

Raupe:  Erwachsen  14  mm  lang  und  schön  hellgrün  gefärbt,  ohne  Zeichnung, 
höchstens  heben  sich  die  borstentragenden  glänzenden  Warzen  von  dem  matten 
Grund  als  helle  Pünktchen  etwas  ab.  Im  mittleren  Alter  ist  die  Färbung  mehr  grau- 
grün und  in  der  Jugend  ganz  unbestimmt  etwas  fahl  hellbräunlich.  Sämtliche  stark 
chitinisierten  Teile  glänzend  schwarz  (Baer). 

Puppe:  Länge  8  mm,  heller  oder  dunkler  braun,  Analsegment  in  2  kräftige, 
ventralwärts  gekrümmte  Haken  auslaufend. 

Willkomm  teilte  (1860)  Ratzeburg  mit  (siehe  W.  416),  daß  ferm- 
gana  im  Revier  Wermsdorf  (Sachsen)  einen  über  ca.  8  ha  sich  erstreckenden 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


221 


Kahlfraß  an  7  jährigen  Eichen  ausgeführt  habe  und  veröffentlichte  später 
(1863)  eine  Schilderung  darüber,  die  Nitsche  übernahm.  Baer  (1910)  wies 
nun  darauf  hin,  daß  hier  eine  Verwechslung  vorliegen  dürfte  und  daß  jener 
Fraß,  wenigstens  in  der  Hauptsache,  auf  einen  anderen  Schmetterling,  einen 
Zünsler,  Acrobasis  consociella  Hb.,  zurückzuführen  sein  dürfte i).  — •  Acalla 
jerrugana  ist  in  erster  Linie  ein  Birkenbewohner,  worauf  übrigens 
schon  AI  tum  hingewiesen  hat  (F.  176),  erst  in  zweiter  Linie  Eicheninsekt, 
und  kommt  außerdem  auch  noch  auf  anderen  Laubhölzern  vor  (Fagifs, 
Popidus  tremula,  Prunus  cerasus,  Pyrus  communis'). 

Die  Raupen  spinnen  die  Blätter  an  Birkenzweigen  zu  kleinen  Raupen- 
nestern zusammen,  ähnlich  denen  von  Acrobasis  oder  den  Winternestern  des 
Goldafters  an  Eiche.  „Bald  sind  nur  die  einzelnen  Blätter  ober-  oder  unter- 
seits  entweder  einfach  schotenförmig,  meist  aber  gleichzeitig  von  der  Spitze 
her  zusammengezogen,  seltener  auch  ganz  unregelmäßig  knäuelförmig,  bald 
sind  mehrere  Blätter  und  dann  in  der  letzteren  Weise  zusammengesponnen." 
Gegen  Ende  des  Fraßes  sind  die  Blätter  von  innen  her  so  ausgenagt,  daß 
sie  keine  Spur  von  Blattgrün  zeigen  und  die  Nester  fast  farblos  durch- 
scheinend sind  oder  bräunlich;  gewöhnlich  sind  sie  von  breiten  Gespinst- 
straßen überzogen,  die  besonders  in  den  Winkeln  der  Blattstiele  und  Zweige 


A  C 

Abb.    183.    Der  Birkennestwickler,  Acalla  jerrugana  Tr.    A  sitzend  an  einem  Birken- 
zweig,  B  und  C  verschiedene   Färbungstypen.  B   u.  C  2I  2X. 


1)  Baer  nimmt  an,  daß  Willkomm  (1863)  bei  der  Abfassung  der  Be- 
schreibung der  Raupe  die  von  Acrobasis  consociella  Hb.  vor  sich  hatte,  daß  er  aber 
andererseits  zweifellos  auch  Falter  von  ferrtigana  aus  den  Nestern  zog,  daß  also  in 
dem  von  ihm  beobachteten  Fraß  (in  Wermsdorf)  die  beiden,  Zünsler  und  Wickler, 
teilgenommen  haben.  Die  Blattnester  der  beiden  Arten  an  Eiche  dürften  wohl  große 
Ähnlichkeit  haben.  ,,Zwingerte  Willkomm  zur  Zucht  nur  Spätsommernester  ein, 
so  mußte  ihm  consociella  mit  ihrer  einfachen  Generation  entgehen,  und  es  bleibt  die 
Wahrscheinlichkeit  bestehen,  daß  der  Frühjahrsfraß  zu  Wermsdorf  in  der  Haupt- 
sache von  consociella  herrührte  und  nur  der  2.  Fraß  im  Jahr  auf  Rechnung  von 
ferrugatia  kommt,  deren  1 .  Generation  ja  fast  nie  in  erheblicher  Zahl  zu  erscheinen 
pflegt." 


222 


II.  Spezieller  Teil. 


Schleier  bilden.  Auch  das  Innere  der  Nester  ist  reichlich  mit  dem  Gespinst 
und  dem  Kot  der  Räupchen  erfüllt.  Letztere  finden  sich  gewöhnlich  zu  meh- 
reren, 2 — 5  Stück,  darin,  bewohnen  aber  ihre  besonderen  Gespinströhren,  von 


Abb.    184.    Birkenzweige   mit   Blattnestern   und   Gespinsten  von   Acalla  ferrugana  Tr. 

Nach   B  ae  r. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  223 

wo  aus  sie  die  Blätter  bis  auf  die  Epidermis  der  entgegengesetzten  Seite 
skelettieren. 

Es  treten  zwei  Generationen  im  Jahr  auf,  von  denen  die  erste  sich 
allerdings  meist  nur  wenig  bemerkbar  macht.  Die  Falter  der  zweiten  Gene- 
ration überwintern  unter  dürren  Blättern. 

Baer  (1.  c.)  berichtet  über  ein  starkes  Auftreten  von  A.  ferrugana  in 
der  Dresdener  Heide  im  Jahre  1909,  wo  ein  anscheinend  verheerender  Fraß 
an  den  jungen  Birken  bis  zur  Heisterstärke  sich  bemerkbar  machte.  „Von 
Woche  zu  Woche  schwand  an  ihnen  das  Blattgrün  mehr  und  mehr  und  es 
blieben  darauf  nur  mißfarbig  bräunliche,  von  Gespinsten  zusammengehaltene 
Blätterbüschel  zurück,  bis  schließlich  die  Bäumchen,  schon  weithin  sichtbar, 
fast  kahl  wie  Besenreiser  dastanden."  Zweifellos  kann  der  Fraß  bei  öfterer 
Wiederkehr,  zumal  auf  geringen,  dürren  Sandböden,  zum  Absterben  der 
Birken  führen.  AI  tum  (F.  176)  beobachtete  ferrugana  nicht  selten  an  den 
Birken  in  Eberswalde,  wo  die  Raupennester  als  „Knäuel  von  lose  zusammen- 
hängenden wie  zerriebenen  Blättern"  auffielen;  eine  wirtschaftliche  Be- 
deutung hat  jedoch  der  Fraß  dort  niemals  erlangt.  Im  bayerischen  Forst- 
amt Bodenwöhr  wurden  im  August  1928  sämtliche  Birken,  die  in  einer 
Kiefernkultur  eingesprengt  waren,  von  ferrugana  kahlgefressen  (Escherich  1 930). 

Als  Nadelholz-.-^c:«/^«  sei  angeführt : 

Acalla  abietana  Hb. 

Vorderflügel  braun  bis  dunkelbraun;  Wurzelfeld,  eine  Schrägbindc  und  einige 
Aderenden  vor  der  Spitze  dunkler.  Die  Zeichnung  stark  variabel,  nicht  selten  fehlt 
eine  solche  ganz. 

Die  Raupe  lebt  im  Juni  zwischen  den  Nadeln  von  Fichte  und  Tanne:  Falter 
fliegt  von  August  ab  und  überwintert.  Nähere  Beobachtungen  über  diese  Nadelholz- 
Acalla  sind   sehr   erwünscht. 

Gattung  Cacoecia  Hb. 

Die  Gattung  Cacoecia  ist  hauptsächlich  dadurch  charakterisiert,  daß  die  cfö^ 
einen  mehr  oder  weniger  großen  Umschlag  der  Costa  nach  oben  haben 
(Abb.  185).  Derselbe  beginnt  bald  unmittelbar  an  der  Basis,  bald  erst  in  einiger 
Entfernung  davon;  in  beiden  Fällen  kann  er  lang  sein  und  fast  bis  zur  Mitte  der 
Costa  reichen,  oder  bedeutend  kürzer,  breiter  oder  schmäler,  bis  er  sich  auf  eine  sehr 
schmale  Umrollung  einer  Strecke  der  Costa  reduziert.  Der  Costalumschlag  ist  öfter 
mit  Silberglanz  austapeziert  oder  mit  langen  Haarschuppen  (als  ausbreitbare  Pinsel 
usw.)  besetzt.  Ader  ^5  geht  in  den  Saum,  r^  und  r^  nahe  beisammen  entspringend, 
doch  meist  getrennt,  seltener  gestielt.  Die  Fühler  des 
cf  in  den  letzten  zwei  Dritteln  gesägt.  Flügelschnitt 
verschieden :  die  Spitze  kann  gerundet  vorgezogen,  der 
Saum  sehr  steil  und  bauchig  geschwungen  sein,  oder 
aber  schräg  und  flach  gebogen. 

Die  Raupen  leben  meist  zwischen  zusammen- 
gesponnenen oder  gerollten  Blättern  bzw.  Nadeln, 
wo  sie  sich  gewöhnlich  auch  verpuppen.  Die  meisten 
Arten  haben  i  Generation,  von  einigen  werden  2, 
selbst    3     Generationen     angegeben.       Bei    vielen 

Arten  überwintert  die  Raupe.  In  Europa  13  Arten.  ^""^^-S^^^^' 

Forsthch  sind  in  unserem  Faunengebiet  4  Arten  ^^,^  ^g.  ^j^geigeäder  von 
beachtenswert,  von  denen  i  auf  Laubholz  und  3  Cacoecia  pociana  (<.  x  Costal- 
auf Nadelholz  vorkommen.  Umschlag. 


224  II.  Spezieller  Teil. 

Cacoecia  podana  Scop. 

Eschenzwieselwickler. 
Nitsche:  Tortrix  podana  Scop.  —  Wolff-Krauße :  Cacoecia  podana  Scop. 

Taf.  II,  Fig.  2. 
Falter:  Vorderflügel  beim  cf  lebhaft  hell  kastanienbraun,  fast  ganz  ohne 
Querwellen,  mit  dunkler,  basalwärts  weiß  abgegrenzter  Schrägbinde,  im  Wurzelfeld 
mit  einem  dunklen  weißumsäumten  Schrägfleck,  beim  g  einfarbig,  graubraun,  stark 
quergewellt  und  durch  die  dunklen  Adern  im  Saumfeld  gegittert.  Spannweite 
19—26   mm    (Abb.  186). 

Raupe  grün  mit  rotbratmem  Kopf  und  Nackenschild,  letzteres  schwarz  ge- 
randet;  oder  auch  glänzend  grüngrau,  Kopf  schwarz,  Nackenschild  schwarzbraun, 
nach  vorne  mehr  blaßbraun,   Analklappe  schwarz. 

Eine  sehr  polyphage  Art,  die  an  den 
meisten  Laubhölzern  und  auch  an  Nadel- 
holz lebt.  In  der  forstentomologischen 
Literatur  wurde  sie  zum  erstenmal  von 
Altum  (1888)  genannt,  und  zwar  als 
Zerstörerin  des  Buchenaufschlages. 
Die  Raupe  befrißt  hierbei  nicht  die 
Spitzenblätter  der  Plumula,  sondern  die 
tiefer  untenstehenden,  die  sie  unregel- 
mäßig   zerfrißt    und    leicht     zusammen- 

,,,       Qo.     r^  ■     ^   j         o  zieht.      Auch     Ziegenmever     f'Verhdl. 

Abb.    186.    Cacoecia   podana    Scop.         tt-icii-        t       .i^       •       'o  c  \ 

(Eschenzwieselwickler).    2  X-  Hils-Sollmg- Forst- Verems     1890.     S.    29) 

hat  Ähnliches  beobachtet,  während  Borg- 
mann  (1893)  die  Raupe  an  Eschen  zwischen  den  Blättern  des  Endtriebes 
eingesponnen  fand,  den  sie  vernichtete.  Der  Fraß  führte  dadurch  zur  Zwiesel- 
bildung, weshalb  Borg  mann  die  Art  als  „Eschenzwiesel  wickle  r"  be- 
zeichnete. 

Neben  podana  fand  Borg  mann  an  Eschen  vereinzelt  noch  eine  andere 
Cacoecia-Art : 

C.  lecheana  L.  (Vorderflügel  goldbraun  mit  bleiglänzenden  Linien).  Die 
Raupe  beschreibt  Borgmann  wie  folgt:  „Schmutzig  grüngelb  mit  behaarten 
dunklen  Wärzchen.  Kopf  und  Nackenschild  schwarz,  letzteres  nach  vorne  hell 
von  der  Körperfarbe."  Nach  Kennel  sind  aber  die  Wärzchen  des  lecheana- 
Räupchens  weißlich,  und  ist  der  Kopf  gelbbraun  schwarz  gesäumt,  der  Nackenschild 
gelb,  seitlich  mit  schwarzem  Strich.  Danach  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  Borg- 
mann ein  anderes  Tier  vor  sich  hatte.  Die  von  diesem  beobachtete  Raupe  lebte  „im 
zusammengefalteten  Eschenblatt  in   einem   watte-  oder  seidenartigen  Gewebe". 

Cacoecia  xylosteana  L. 

Falter:  Die  Grundfarbe  der  Vorderflügel  (Abb.  186A)  beim  Männchen  gelb- 
lichbraun, die  dunklen  Zeichnungen  mit  schmaler  heller  Umrahmung.  Die  Zeich- 
nungen gelblich  kastanienbraun;  am  dunkelsten  ist  gewöhnlich  der  Dorsalfleck.  Die 
Schrägbinde  an  der  Costa  beginnend,  wurzelwärts  fast  gerade  begrenzt  und  nur 
saumwärts  verbreitert,  mit  einem  schwärzlichen  Zahn  an  der  Querader.  Praeapical- 
fleck  ziemlich  breit,  gegen  die  Verlängerung  nach  dem  Tornus  zu  stark  eingeengt, 
oder  als  rechteckiger  Fleck  ganz  abgetrennt.  Flügelspitze  am  Saum  entlang  ver- 
dunkelt. Die  Fransen  daselbst  ebenfalls  dunkler  mit  breiter  Teilungslinie.  Hinter- 
flügel braungrau  mit  graugelblichen  Fransen.  Beim  Weibchen  ist  die  Grundfarbe 
mehr  grau,  wodurch  die  braunen  Zeichnungen  schärfer  hervortreten,  ebenso  auch 
die   gelblichen   Umrandungen  derselben.    Spannweite    19 — 22   mm. 

Raupe  weißlichgrau  oder  blaß  grünlich  oder  dunkelgrüngrau.  Kopf,  Nacken- 
schild  und  Analklappe  schwarz  oder  schwarzbraun. 


EscJiericli,  Forstiiisckicii.    III.  Bd. 


Tafel  n 


Tortriciden  <WickIer>  I  ^  i^"^nel  del. 

1   Acalla  fcrrueana  Tr.     lau.  b  (S  u.  Q  Varietät      2a  u.  b  Cacoccia  podana  Sc.  ß  u.  cf.     /!a  u.  b  C. 

picoana  L-    Qv.    r^.    4   C.  histrionnna  Froel.  Q.     5   C.  murinana  Hb.  &;.   6   Pandemis  ribeana  Hb.  U- 

7  Torlrix  forskaleana  L.  &'.     8   T.  politnna  Hic.  £.     9   T.  viridana  L.  cf-      1"  T.  loefflingtana  L.  d- 

11  T.  viburniana  Schiff,  cf-     1'-'  T.  wahlbomiana  L.  ^.    Vergr.  2' jmal. 


[.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


225 


Der  über  den  größten  Teil  von  Europa  bis 
Ostasien  verbreitete  Falter  fliegt  bei  uns  von 
Ende  Juni  bis  Anfang  August.  Die  Eier  über- 
wintern, und  die  Raupe  frißt  im  Mai  und  Juni 
an  allen  möglichen  Pflanzen.  Zu  den  bevor- 
zugten Fraßpflanzen  gehört  die  Eiche;  sodann 
hat  man  die  Raupe  gefunden  auf  Sorbus  aucu- 
paria,  Primus,  Pyrus,  Lonicera,  Tilia,  Rubiis 
fructicosus,  Acer,  Salix  caprea,  Fraxinus,  Myrica 
und  selbst  an  Hypericum.  Die  der  viridana  täu- 
schend ähnliche  Raupe  verfertigt  gewöhnlich 
richtige  Wickel,  in  denen  sie  lebt,  frißt  und  sich 
auch  verpuppt. 

In  manchen  Gegenden  scheint  xylosteana 
immer  häufiger  zu  werden  und  Tortrix  viridana 
zu  verdrängen.  Die  Blattwickel  von  xylosteana 
an  Eiche  mögen  gelegentlich  mit  den  Wickeln 
von  viridana  verwechselt  werden.  Jedenfalls  ver- 
dient xylosteana  die  Aufmerksamkeit  der  Forst- 
entomologen. 


f 


Abb.     186A.      Oben    Männ- 
chen,   unten   Weibchen   von 
Cacoecia  xylosteana  L.  2^/2  X. 
Aus    Kennel. 


Abb.  186  B.     Blattwickel   der   Raupe    von   Cacoecia   xylosteana   L.     Links    von   Eiche, 
rechts    von    Linde. 


Cacoecia  piceana  L. 

Kiefernnadel  Wickler. 

Ratzeburg:    Tortrix   piceana    L.    ( Nadel wickler).    —    Altum:    Tortrix   piceana    L.    — 

Nitsche:  Tortrix  (Cacoecia)  piceana  L.  —  Wolff-Krauße:  Cacoecia  piceana  L. 

Taf.  II,   Fig.  3. 

Falter  in  beiden   Geschlechtern   sehr   verschieden.    Vorderflügel  am   Grunde 

verbreitert,  so  daß  Vorder-  und  Innenrand  fast  parallel  sind.    cT:  Grundfarbe  der 

Vorderflügel   bläulich   veilrot.    An   der   Wurzel   ein   rotbrauner,    veilgrau   gesäumter 

und  gegen  die   Costa  veilgrau  ausgefüllter   Innenrandfleck.    Dahinter  eine   schräge, 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  15 


226  11.  Spezieller  Teil. 

saumwärts  in  zwei  langen  Zacken  vorspringende,  rotbraune,  gesäumte  Schrägbinde. 
Am  Vorderrande  ein  langer  rotbrauner  Dreiecksfleck,  am  Saum  ein  unregelmäßig 
eckig  gestalteter,  großer,  rotbrauner  Fleck.  Fransen  gelbgrau,  nach  der  Flügelspitze 
zu  dunkler.    Hinterflügel  graubraun.    Spannweite  22  mm. 

Q  bedeutend  größer.  Vorderflügel  von  ockergelber  oder  bräunlicher  Grund- 
farbe, überall  stark,  aber  sparsam  rotbraun  gegittert,  meist  eine  schräge  Querbinde 
und  eine  Zeichnung  vor  dem  Saume  besonders  deutlich  rotbraun  ausgeprägt.  Hinter- 
flügel graubraun  mit  rostgelb  überflogener  Spitze.    Spannweite  25   mm. 

Raupe  mit  schwarzem  oder  rotbraunem  Kopf,  braunem,  geteiltem  Nacken- 
schilde und  gelblichgrüner  Afterklappe.  Leib  in  der  Jugend  hell  grasgrün,  hell 
rostrot  behaart,  ausgewachsen  schmutzig  bräunlichgrün.  Verteilung  der  haartragen- 
den Wärzchen  wie  gewöhnlich.    Länge  bis  22  mm. 

Puppe  hellgelb  mit  abgeplattetem  Aftergriffel  und  mit  Hakenborsten,  12 
beim  cT',   8   beim   9. 

Die  geographische  Verbreitung  ist  sehr  groß  und  erstreckt  sich 
über  Mitteleuropa,  Skandinavien,  Ostseeprovinzen  bis  Nordasien  (vielleicht 
bis  Japan),  Norditalien,  Sardinien. 

Als  Fraßpflanze  der  Raupe  werden  Kiefer,  Fichte,  Tanne 
(Wachtl  1882).  Lärche  und  Wacholder  angegeben.   Ratzeburg  führt 

außerdem  noch  die  Schimmel- 
fichte  (Picea  alba)  an.  Stark  be- 
vorzugt wird  aber  zweifellos  die 
Kiefer,  so  daß  wir  piceana  i  n  d  e  r 
Hauptsache  zu  den  Kiefern- 
insekten rechnen  dürfen. 

Über  die  Bionomie  von  piceana 
finden  sich  in  der  forstlichen  Lite- 
ratur verschiedene  Darstellungen: 
nach  den  einen  Autoren  lebt  die 
Raupe  in  den  Trieben  nach  Art  der 
Abb.  187.  Cacoecia  piceana  L.  (Kiefern-  Kieferntriebwickler,  nach  anderen 
nadelwickler)    cf  •   2'/«  X-  ist    sie    eine    Nadelf resserin,    wieder 

nach  anderen  ist  sie  beides,  Nadel- 
und  Triebfresserin,  Da  an  der  Genauigkeit  der  Beobachter  nicht  zu  zwei- 
feln ist,  so  scheint  sich  die  Lebensweise  tatsächlich  in  verschiedenen  Formen 
abzuspielen.  In  Schweden  lebt  die  jüngste  Raupe  minierend  in  Kiefern- 
nadeln (nach  Art  der  Coleophora-^z.\x^^x\),  jedoch  schon  bald  spinnt  sie 
zwei  oder  mehrere  Nadeln  zusammen,  um  diese  von  der  Innenseite  her  zu 
befressen.  Die  Larve  überwintert  in  einer  aus  6 — 8  Nadeln  gefertigten 
Röhre  und  greift  im  nächsten  Frühjahr  die  jungen  Nadeln  an  (Trägärdh 
191 5).  Das  andere  Extrem  stellen  die  Fälle  dar,  in  denen  die  Raupe  in 
dem  Mitteltrieb  junger  Kiefern  frißt,  der  sich  infolgedessen  nur  kümmer- 
lich entwickelt  und  gegen  Ende  des  Fraßes,  etwa  anfangs  Juni,  abstirbt 
(Altum). 

Der  gewöhnliche  Ablauf  der  Bionomie,  wenigstens  in  unseren  Gegenden, 
ist  nach  Ratzeburg,  Eckstein  und  vor  allem  Baer  (1909)  folgender: 

Bioformel:  67  —  8,5 

6-1-67 

Die  Flugzeit  erstreckt  sich  von  Mitte  Juni  bis  Ende  Juli;  die  Ei- 
ablage findet  an  den  Nadeln  statt.    Das  Jungräupchen  miniert  zuerst 


I.  Unterordnung:    Rlicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  227 

und  spinnt  dann  einige  Nadeln  zusammen,  um  sie  von  innen  her  zu  benagen; 
es  überwintert  auch  hier.  Im  Mai  und  Juni  des  nächsten  Jahres  sieht  man 
die  Raupe  in  einem  leichten  Gespinstrohr  an  den  noch  zarten,  jungen  Trieben, 
meist  mehrere  durch  Fäden  aneinander  heftend,  wie  sie  die  hervorbrechenden 
Nadeln  sowie  teilweise  auch  die  weiche  Triebachse  selbst  verzehrt  und 
eventuell  dabei  auch  in  dieselbe  sich  einbohrt.  Die  Verpuppung  findet  am 
letzten  Fraßort  statt,  und  zwar  Anfang  bis  Mitte  Juni. 

Die  Hauptfraßpflanze  der  pzceana-Rs-upe  ist,  wie  schon  betont,  die 
Kiefer,  nur  auf  ihr  erlangt  sie  auch  eine  forstliche  Bedeutung,  vor 
allem  durch  den  Triebfraß.  Dessen  Wirkungen  an  der  Kiefer  sind  sehr  auf- 
fallend und  erinnern  ganz  an  die  Wirkung  des  Fraßes  der  Raupe  von 
Evetria  diiplana  Hb.,  mit  dem  er  leicht  verwechselt  werden  kann  und  sicher- 


Abb.  i88.  Kiefernzweige  mit  dem  Fraß  von  Cacoecia  piceaiia  L.  Die  Enden  der 
jungen  Maitriebe  hängen  wie  abgeknickt  welk  und  gebräunt  herunter,  während  der 
basale   Teil  des   Triebes   samt   Nadeln   in  bester   Entwicklung   begriffen   sind.    Nach 

Baer. 

lieh  auch  oft  verwechselt  wird.  Die  Enden  der  jungen  Maitriebe,  deren 
Nadeln  kaum  aus  den  Scheiden  hervorgebrochen  waren,  hängen  wie  abge- 
knickt welk  und  gebräunt  herunter,  während  der  basale  Teil  der  Triebe  samt 
den  Nadeln  in  bester  Entwicklung  begriffen  sind  (Abb.  i88)i). 

ij  Zur  Differentialdiagnose  weist  Baer  (I.e.)  darauf  hin,  daß  ganz  ähnliche 
Bilder  auch  durch  Hagelschlag  hervorgerufen  werden  können.  Hier  führen  uns  das 
Fehlen  der  charakteristischen  Fraßspuren  sowie  andere  Hagelbeschädigungen  zur 
richtigen  Diagnose.  Bei  duplana-Yx'a&  ist  die  Achse  des  Endteiles  des  in  Entwick- 
lung begriffenen  Triebes  ausgefressen,  während  der  piceana-FraQ  wenigstens  teil- 
weise außen  an  den  Nadeln  und  der  Triebrinde  stattfindet. 

15* 


228 


II.  Spezieller  Teil. 


Cacoecia  histrionana  Froel. 

Fichtentrieb  Wickler. 
Taf.  II,  Fig.  4. 
Ratzeburg:    Tortrix    (Sciaphila)    histrionana    Fröl.    (partim!)    Ziegenmelkerfarbiger 
Fichtenwickler.   —   Altum:   Tortrix  histrionana    Frl.   —   Nitsche:   Tortrix  histrionana 
Fr.    —    Nüßlin-Rhumbler:    Tortrix    (Cacoecia )    histrionana    Fr.    —    Wolff-Krauße: 
Cacoecia  histrionana  Fr. 
Falter:    Grundfarbe  der  Vorderflügel  hell  weißlich  bis  gelblich  aschgrau  mit 
bräunlichen    Wellenlinien    und    dunkel    schwarzbraunen,    oft    rostfarbig    angelegten 
Zeichnungen.    Die    Schrägbinde   ist   hell    unterbrochen.    Saumlinie   dunkel    punktiert, 
die   Fransen  grau  oder  bräunlich.    Hinterflügel  dunkel  braungrau,   Fransen  weißlich 
mit  kräftiger  brauner  Teilungslinie.    Beim  (^  sind  die 
\'orderflügel  kürzer,  der  Saum  gerundeter,  der  Costal- 
umschlag  ist   schmal   und   reicht  von   der  Wurzel   bis 
beinahe  zur  Hälfte  der  Costa.    Spannweite  18— 22  mm. 
Raupe:   Die  junge,  eben  aus  dem  Ei  gekommene 
Raupe   ist  weißgelb,    der   dunkelbraune  Kopf    ist   ver- 
hältnismäßig sehr  groß,  indem  namentlich  die  beiden 
Hemisphären  sehr  stark  entwickelt,  aber  ziemlich  flach 
sind.      Der  Clypeus    ist    etwas    lichter  (braun)    als  die 
Hemisphären,    der    Nackenschild    ist    licht    (gelblich- 
braun), die  Brustfüße  sind  lichtbraun,   die  Bauchfüße 
von  Körperfarbe,  die  Afterklappe  fast  honiggelb.    Der 
Körper  ist  vom  dritten  Segment  an  mit  ziemlich  großen, 
hellen  Wärzchen  versehen,  von  welchen  jedes  ein  aufrechtstehendes,  verhältnismäßig 
langes  (V4  rnm)   Börstchen  trägt.    Die  erwachsene  Raupe  ist  nach  Spul  er  grasgrün, 


Abb.  189.   Cacoecia  histrionana 
Froel.  (Fichtentriebwickler).  2  X- 


Abb.  190  A.     Fraß   von    Cacoecia   histrionana    Froel.,    a    im    Gespinst    an    einem    vor- 
jährigen Trieb,  b  an  jungen  sich  krümmenden   Maitrieben.    Nach  Ratzeburg   (aus 

Nitsche). 


mit  gleichfarbigen  Wärzchen,  der  Kopf  lebhaft  braun,  Brustfüße  schwarz,  Nacken- 
schild braungrün,  hinten  dunkel  gerandet,  vorne  weiß.  Ratzeburg  (F.,  p.  228) 
beschreibt   die  über  1/,  Zoll  lange  erwachsene  Raupe  als  etwas  schmutziggrün  (in  der 


Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


229 


Jugend  oft  rein  und  lebhaft  grün,  doch  nie  braun)  mit  schwarzem,  großem  Kopf- 
und  Nackenschild.  Nach  Disque  (Tortriciden-Raupen  der  Pfalz,  Iris  1905,  p.  215) 
ist  die  aus  der  Lausitz  stammende  Raupe  hellgrün  mit  braunem,  manchmal  schwarz 
gestreiftem  Kopf,  gelblichgrünem,  unten  schwarz  gerandetem  Nackenschild  und  nicht 
angedeuteter  Afterklappe. 

*Puppe   einfarbig   rotbraun,    schlank   mit   8  gekrümmten   Hakenborsten   an   dem 
Aftergriffel. 

Die  Eier  sind  kuchenförmig,  breit  elliptisch  und  sehr  flach  gewölbt.  Ober- 
fläche weiß,  sehr  fein  punktiert  und  mit  netzartigen   Feldern. 

Ratzebu  rgs  histriotiana  umfaßt 
zwei  Arten,  von  denen  die  eine  ein  aus- 
gesprochenes Fichtentier,  die  andere  ein 
monophages  Tanneninsekt  ist.  Auf  die 
erstere  beziehen  sich  die  Angaben  in 
seinen  Forstinsekten  (Bd.  II,  S.  228  und 
229),  während  die  ausführliche  Darstel- 
lung in  der  Waldverderbnis  (S.  13 — 20) 
den  Tannenschädling  behandelt.  Das 
Fichtentier  ist  Cac.  histrio)iaiia  Froel., 
das  Tannentier  Cac.  muriiiana  Hb.  (siehe 
unten  S.  230). 

C.  hisirioiiana  ist  über  Deutschland, 
Österreich  und  Frankreich  verbreitet. 
Ihre  Hauptnährpflanze  ist  die 
Fichte,  wenn  sie  auch  gelegentlich  auf 
Tanne  vorkommen  mag  (Kenne  1)  und 
auch  einmal  (in  i  Exemplar)  von  Jud- 
eich von  Weimutskiefer  gezogen  wurde. 
Wo  verschiedene  Holzarten  gemischt 
stehen,  sind  solche  Abweichungen  nichts 
Außergewöhnliches. 

Der  Falter  fliegt  im  Juli.  Die  Ei- 
ablage findet  (nach  Wacht  1,  1882)  in 
ähnlicher  Weise  wie  bei  miirinana  statt, 
d.  h.  in  Doppelreihen  auf  der  Nadel 
oder  in  unregelmäßigen  Häufchen.  Ein- 
gehendere Beobachtungen  über  die  Ei- 
ablage (im  Zuchtkäfig)  und  die  Eientwicklung  teilt  Mitterberger 
(19 10)  mit:  „Die  Eier  wurden,  sämtlich  dicht  aneinandergereiht,  in  der  Mitte 
der  Glaswand  in  einer  Ausdehnung  von  beiläufig  ^/^  cm  zusammenhängend 
abgesetzt.  Bei  oberflächlicher  Betrachtung  erweckt  das  ganze  Gelege  den 
Eindruck,  als  ob  dasselbe  nur  ein  mit  zahlreichen  kleinen  Erhöhungen  und 
Vertiefungen  versehenes  schleimartiges,  grünes  Gebilde  oder  ein  an  der 
Glaswand  eingetrocknetes  Stückchen  einer  Meeresalge  od.  dgl.  (z.  B.  Phyco- 
seris  usw.)   sei. 

„Nach  acht  Tagen  verfärbt  sich  die  ganze  Masse,  indem  das  vorerst 
schöne  Grasgrün  allmählich  in  ein  Schmutziggrün  und  schließlich  in  ein  aus- 
gesprochenes Braungrün  übergeht.  Nach  Verfluß  weiterer  acht  Tage  kann 
man  mit  Hilfe  der  Lupe  bereits  in  jedem  einzelnen  Ei  einen  großen  dunklen 
Punkt,  den  Kopf  des  Räupchens,  erkennen,  der  fast  ein  Drittel  des  ganzen 


Abb.    190  B.    Deformation  eines 

Fichtentriebes    infolge    von    hislrio- 

nana-YxdXi. 


230  n.  Spezieller  Teil. 

Eies  einnimmt.  Nach  weiteren  drei  Tagen  zeigt  sich  unter  der  Lupe  bereits 
auch  der  Körper  der  Raupe.  Die  Raupe  liegt  jetzt  spiralig  eingerollt  im  Ei, 
und  zwar  derart,  daß  die  Bauchseite  des  Tieres  nach  innen  gewendet  ist  und 
der  Kopf  über  dem  Afterende  ruht.  Vom  ii. — 14- Juli  desselben  Jahres, 
und  zwar  stets  zeitlich  morgens,  schlüpften  die  Räupchen." 

Ob  auch  in  der  freien  Natur  das  Schlüpfen  schon  Mitte  Juli  stattfindet, 
und  ob  nicht  vielleicht  sogar  die  Eier  überwintern  können,  darüber  fehlen 
noch  Beobachtungen!).  Man  hat  bis  jetzt  die  Raupen  in  der  Natur  stets  erst 
im  Frühjahr  gefunden,  und  zwar  zunächst  in  einem  Gespinst  zwischen  den 
vorjährigen  Nadeln  fressend.  Später,  wenn  die  neuen  Triebe  hervorbrechen, 
fressen  sie  diese  oft  noch  unter  den  anhängenden  Ausschlagschuppen  an,  so 
daß  die  Triebe  oft  an  einer  Seite  bis  auf  den  Stengel  abgefressen  werden 
und  sich  krumm  biegen  (Abb.  190  A).  „Immer  setzen  sie  dabei  ihr  röhriges 
Gespinst  fort,  sowie  sie  weiterfressen"  (Ratzeburg).  Die  Verpuppung 
findet  am  Fraßort  in  dem  Gespinst  statt.  Befallen  wurden  vornehmlich 
jüngere  Pflanzen  im  Alter  von  10—30  Jahren;  als  Fraßfolge  können  post- 
hornähnliche Krümmungen  (ähnlich  wie  bei  bi/oliana-Yr2iü  an  Kiefer)  auf- 
treten (Abb.  190  B). 

Cacoecia  murinana  Hb. 

Ziegenmelker  farbiger    Tannen  trieb  wickler,     Weißtannentrieb- 

wickler,       Grüner       Tannenwickler,       Tannennadelnestwickler, 

Schwarz  köpfiger    Tannenwickler. 

Taf.  II,   Fig.  5. 

Ratzeburg:  Tor/ri.x  /üs/rio/iaitaKtzh.  (partim),  Tortrix  capruiiul  oanaY.oc\\  ??.  — Altum: 

Tortrix  fni/rinanaWa.  ~  Witsche:  Tortrix  (Lozo/aenia  U.S.)  w«;-/«ß//ß  Hbn.  —  Nüßlin- 

Rhumbler:    Tortrix    (Cacoecia)    murinana    Hbn.    --    Wolff-Krauße:    Cacoecia    miiri- 

tiana  Hb. 
Falter:  Kräftiger  als  die  vorige  Art  die  Flügelspitze  schärfer  und  etwas  auf- 
gestülpt. Der  Costalumschlag  des  o"  ist  sehr  schmal,  eigentlich  nur  eine  Ausstülpung 
der  Costa.  Die  Färbung  der  Vorderflügel  düsterer  als  bei  der  vorigen  Art,  bräunlich- 
grau, viel  verschwommener,  mehr  durch  eine  dichtere  Häufung  von  Querlinien  und 
brauner  Färbung  dazwischen  angedeutet,  im  Saumfeld  einige  stark  dunkle  Quer- 
linien.    Färbung    und    Zeichnung    sind    ungemein    variabel    bis    zum    fast    völligen 

Schwinden  der  dunklen  Zeichnung  (yar. 
i))iiuaciila)i(i  Wachtl).  —  Spannweite  bis 
24  mm. 

Raupe:  Kopf  schwarz,  glänzend, 
mit  seichten  Querrunzeln.  Leib  oberwärts 
licht  pistaziengrün,  mit  auf  dem  Rücken 
dunkel  durchscheinendem  Darme,  an  den 
Seiten,  unten  und  am  letzten  Ringe  etwas 
heller.  Nackenschild  geteilt,  braunschwarz, 
außerdem  am  Ring  i  seitlich  noch  einige 
Chitinplättchen.  Die  haartragenden  Wärz- 
chen in  gewöhnlicher  Anordnung,  ziemlich 

.,,  „  .  .  Tj,  dunkel  chitinsiert.    Letzter  Ring  mit  orange- 

Abb.    iQi.    Cacoecia   murinana    Hb.  „  ,         *r^     ,,  j-       •   • 

(Tannentriebwicklerj.    2  X-  ^^^^^'^  gerunzelter  Afterklappe,    die  emige 

Härchen  trägt.     Lange  bis  21   mm. 
Puppe  dunkelbraun  mit  langem  und  kräftigem,  8   lange  Hakenborsten  tragen- 
dem  Aftergriffel.    Länge    13    mm. 


1)   Mitterberger   ist    die    Winterzucht    der    im    Zwinger   im    Juli    erhaltenen 
Räupchen  nicht  geglückt. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


231 


Eier  niedergedrückt,  kuchenförmig  von  elliptischem  Umriß  mit  breitem,  hut- 
krempenähnlichem Rande.  Schale  mit  netzartiger  Skulptur.  Frisch  gelegte  Eier  von 
der  Farbe  der  jungen  Tannennadeln,  aber  mit  hellerem  Rande.  Länge  1,5  mm, 
Breite   1,2  mm   (Wachtl). 

Der  Tannentriebwickler  ist  über  Süddeutschland,  Niederösterreich,  die 
Tschechoslowakei    und    die    Schweiz    verbreitet;    in    seiner    vertikalen    Ver- 


Abb. 


[92.     A    Raupe,    B    und    C    Puppe    von   Cacoecia 
murUuKi  Hb.     Nach  Wachtl. 


Abb.    193.      Eigelege    von 

Cacoecia  muriaita  Hb. 

Nach  Wachtl. 


breitungsgrenze  fällt  er  mit  der  Tannengrenze  zusammen.  Er  ist  ein  mono- 
phages  Tanneninsekt,  das  vornehmlich  in  den  Kronen  von  Althölzern 
sich  aufhält!). 

Ratzeburg  beschäftigt  sich  in  seiner  Waldverderbnis  (S.  13 — 18)  ein- 
gehend mit  dem  Tannentriebwickler,  den  er  dort  mit  histrioiiaua  Froel.  iden- 
tifiziert (siehe  oben). 

Eine  ausführliche,  mit  vielen  Tafeln  und  Karten  ausgestattete  Mono- 
graphie verdanken  wir  Wachtl  (1882),  dessen  Darstellung  wir  hier  im  all- 
gemeinen folgen. 

Bioformel :  67,4  —  46 

6  +  7 

Die  Flugzeit  fällt  in  die  Monate  Juni  und  Juli.  Die  Begattung 
scheint  nachts  stattzufinden.  Die  kuchenförmigen  Eier  werden  (wenigstens 
wie  aus  Zwingerversuchen  zu  schließen  ist),  sich  dachziegelartig  deckend,  auf 
den  Nadeln  der  Tannen  in  Doppelreihen  (Abb.  193)  oder  auf  den  Zweigen  in 

1)  Nach  Rimsky-Korsakow  (1929)  wurden  im  Leningrader  Forstgarten 
Abtes  balsamica,  sacchalinensis  arizonia  und  fiobiiis  stark  befallen,  während  Abies 
pectinata,  nordmanniana  und  concolor  gar  nicht  zu  leiden  hatten. 


232 


II.  Spezieller  Teil. 


Häufchen  abgelegt.  Sie  verbleiben  daselbst,  bis  im  nächsten  Frühjahr  i) 
beim  Ausbruche  der  Maitriebe  die  jungen  Raupen  ausschlüpfen  und  nun  an 
den  jungen  Nadeln  zu  fressen  beginnen 2). 

Die  Raupen  bilden  nun  ein  röhrenförmiges,  lockeres  Gespinst,  das  sie 
mit  dem  Wachstum  des  Triebes  verlängern.  Bei  schwachem  Fräße  ist  ge- 
wöhnlich nur  eine  Raupe  an  jedem  Triebe.  Die  Nadeln  werden  meist  an  der 
Basis  abgebissen  und  gewöhnlich  nur  teilweise  verzehrt,  so  daß  ein  Teil  der- 


Abb.    194.    Älterer   Fraß  von  Cacoecia  murinana  Hb.    Die  Triebe  (Tanne)   der  drei 
letzten  Jahrgänge  sind  mehr  oder  weniger  kahlgefressen.    Nach  N  i  t  s  c  h  e. 

selben  in  dem   Gespinste   hängen  bleibt.    Doch  bleiben,   wie   sich   Nitsche 
überzeugte,   mitunter   auch    Nadelstummel   stehen.    Auch  die   Epidermis   der 

ij  Von  Buk  (siehe  Ratzeburg)  wurde  berichtet,  daß  einmal  ein  Ei- 
häufchen  bereits  im  Juli  ausgeschlüpft  sei.  Jedenfalls  ein  ganz  vereinzelt  dastehen- 
der Fall,  wenn  nicht  überhaupt  eine  Verwechslung  vorgelegen  hat. 

2)  Die  Angaben,  daß  anfänglich  die  Knospen  angefressen  werden,  beruht  wahr- 
scheinlich auf  einer  Verwechslung  mit  dem  Fräße  von  Epiblema  nigricana  H.  S. 
(siehe  weiter  unten). 


:.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


233 


jungen  Triebe  wird  häufig  benagt,  so  daß  diese,  je  nachdem  die  Beschädigung 
an  der  Basis  oder  an  der  Spitze  stattgefunden  hat,  entweder  sich  krümmen  oder 
oben  absterben  (Abb.  195  A).  Allmählich  (oft  auch  ganz  plötzlich)  nehmen  die 
abgebissenen  Nadeln  eine  intensiv  rote,  späterhin  braune  Farbe  an.  Die  Zweige 
erscheinen  dann  bei  starkem  Fräße  wie  mit  dünnen  Gardinen  überzogen,  in 
denen  die  trockenen  Nadeln  hängen.  Im  Laufe  des  Sommers  gehen  die  Ge- 
spinste durch  Witterungseinflüsse  verloren  und  die  betreffenden  Triebe 
erscheinen  kahl.  Da  diese  sich  nie  wieder  benadeln  und  auch  die  Raupen  nur 
junge  Nadeln  fressen,  so  kann  man  später  nach  der  Anzahl  der  entnadelten 
Triebe  bestimmen,  wieviel  Jahre  hintereinander  der  Fraß  gedauert  hat. 

Die  Verpuppung  erfolgt  nach  Wacht  1  ausschließlich  in  der  Boden- 
streu und  der  Moosdecke,  wohin  sich  die  Raupen  an  Gespinstfäden  herunter- 


A  B 

Abb.  195.  A  eine  durch  Cacoecia  muritiana  Hb.,  fast  ganz  entnadelte  Zweigspitze 
(Tanne;  mit  den  durch  den  Fraß  bewirkten  Krümmungen  und  den  noch  daran  durch 
Gespinstfäden  befestigten  Nadelresten.  Daneben  noch  ein  etwas  vergrößertes  Stück, 
an  welchem  man  die  durch  die  Raupe  in  die  Rinde  gefressenen  Stellen  sieht.  — 
ß  Stück  eines  von  C.  muri/ia/ia  Hb.  kahlgefressenen  Tannentriebes  mit  den  kurzen, 
stehengebliebenen   Nadelstumpen.    A  nach   Ratzeburg,   B   Original. 

lassen.  In  stark  befallenen  Orten  geht  dann  mitunter  ein  förmlicher  Raupen- 
regen nieder.  Andere  Autoren  geben  allerdings  an,  daß  die  Verpuppung  in 
den  Gespinsten  am  Fraßort  stattfindet;  so  bemerkt  Koch  (1859)  ausdrück- 
lich: „Diejenigen  Raupen,  welche  zur  Verpuppung  an  den  Zweigspitzen 
keine  passende  Unterkunft  finden,  verpuppen  sich  zwischen  den  Nadeln  der 
älteren  Triebe,  zwischen  welchen  man  Puppen  mit  der  Afterspitze  angeheftet 
findet."  Und  Fankhauser  (1893)  führt  an,  daß  die  Verpuppung  von 
murinana  bei  den  von  ihm  beobachteten  Kalamitäten  ausnahmslos  an  den 
Zweigen  stattfand    (im    Gegensatz   zu   riifi?}iitrana,   die   sich   stets   im   Boden 


234  I.  Unterordnung:    Microlepidoptera  oder   „Kleinschmetterlinge". 

verpuppte).  Fankhauser  hat  trotz  allen  Suchens  niemals  eine  uiurinana- 
Puppe  am  Boden  entdecken  können,  dagegen  aber  fand  er  „recht  zahlreich 
ganz  lose  eingesponnen  an  den  Zweigen  hoch  oben  in  der  Krone  befallener 
Tannen,  teils  an  den  befressenen  jüngsten  Trieben,  teils  zwischen  älteren 
Nadeln,  und  zwar  vorzugsweise  gesunde,  nicht  von  Schlupfwespen  ange- 
stochene Individuen"  i). 

Im  allgemeinen  werden  nur  Alt-  und  Mittelhölzer  befallen,  bei 
größerer  Vermehrung  und  der  damit  Hand  in  Hand  gehenden  größeren  Ver- 
breitung werden  jedoch  auch  die  Stangenhölzer  nicht  immer  verschont. 
Jungwüchse  und  der  im  Hochholz  zumeist  vorhandene  Unterwuchs  haben 
dagegen  weniger  zu  leiden,  indem  sie  direkt  von  den  Wicklern  nicht  an- 
gegangen werden.  Dagegen  können  herabgewehte  Raupen  auch  auf  den 
Jungwüchsen  ihren  Fraß  fortsetzen,  und  es  werden  daher  mitunter  auch  die 
Ränder  von  Schonungen,  die  an  befallene  Althölzer  grenzen,  angegangen. 

Die  Wickler  sind  also  normalerweise  Bestandsverderber.  Solange 
einzelne  Raupen  fressen,  beschränkt  sich  ihr  Angriff  nur  auf  die  Gipfel- 
partie der  Bäume,  und  zwar  hauptsächlich  auf  diejenigen  Äste,  welche  in  der 
Peripherie  derselben  gelegen  sind.  Bei  größerer  Vermehrung  der 
Raupen  befallen  sie  außerdem  auch  noch  die  mehr  im  Innern  der  Gipfel 
befindlichen  und  auch  tiefer  stehenden  Äste,  während  bei  massenhaftem 
Auftreten  der  Fraß  über  die  ganzen  Baumkronen  sich  ausdehnt  und  dann 
selbst  die  am  tiefsten  stehenden  Äste  davon  nicht  verschont  werden.  Daß 
auch  ältere  Nadeln  befressen  werden,  gehört  zu  den  seltenen  Ausnahmen 
(Ratzeburg,  W.  i8). 

Was  die  Folgen  des  Fraßes  betrifft,  so  stellten  frühere  Beobachter 
eine  düstere  Prognose  quoad  vitam  des  befallenen  Waldes;  meinten  doch 
Koch  (1863)  und  Schulze  (1862),  daß  der  Wicklerfraß  allein  genüge,  um 
ganze  Bestände  bei  mehrfacher  Wiederholung  zu  töten.  Doch  haben  die 
späteren  Beobachtungen  dies  nicht  erkennen  lassen.  Vielmehr  hat  der  Fraß 
in  den  siebziger  Jahren  bewiesen,  daß  ältere  Stämme  „auch  einen 
selbst  häufiger  wiederkehrenden  Fraß  zu  ertragen  ver- 
mögen, ohne  deshalb  einzugehen"  (Wachtl,  Fankhauser).  Da- 
gegen verursacht  die  Zerstörung  der  assimilierenden  Organe  einen  Zuwachs- 
verlust, der  recht  beträchtlich  werden  kann.  Hepp  (1883)  fand,  daß  in 
Württemberg  bei  länger  andauerndem  Fraß  die  letzten  sechs  Jahresringe 
nur    II    mm,   die   vorhergehenden   dagegen    19   mm   maßen-).    Ratzeburg 


1)  Fankhauser  glaubt  noch  aus  einer  anderen  Beobachtung  auf  die  regel- 
mäßige Verpuppung  oben  auf  den  Zweigen  schließen  zu  dürfen:  „Die  Annahme, 
daß  die  Verpuppung  von  murinana  nur  ausnahinsweise  im  Boden  erfolgte,  dürfte 
übrigens  durch  die  von  Wachtl  mitgeteilten  Beobachtungen  selbst  bestätigt  werden. 
Es  muß  nämlich  auffallen,  daß  bei  Untersuchungen  des  Kropf-  und  Mageninhaltes 
von  Zaunkönig,  Eichelhäher,  Buchfink  und  Ringeltaube  sich  zahlreiche  Puppen  von 
murinana,  nie  aber  solche  von  rufimitratta  vorfinden.  Warum  hätten  diese  Vögel, 
wenn  sie  jene  Puppen  wirklich  in  der  Bodendecke  oder  gar  in  der  obersten  Erd- 
schicht sammelten,  stets  nur  das  eine  Insekt  angenommen,  während  doch,  wie  die 
im  Kropf  und  Magen  des  Mönchs,  der  Tannenmeise,  der  Misteldrossel  usw.  vor- 
gefundenen Raupen  von   rufimitrana  beweisen,   auch  diese   Art   vorhanden  war?" 

2)  Nach  Fankhauser  (1893)  wird  Zuwachsverlust  nicht  nur  durch  die 
Minderung  der  Blattmenge  bedingt,  sondern  auch  durch  die  nachteilige  Einwirkung 
aut  die  Bodentätigkeit,  welche  die  Lichtung  des  Kronendachs  für  eine  Reihe  von 
Jahren  zur  Folge  haben  muß,  um  so  mehr,  als  ja  reichliche  Bodenfeuchtigkeit  eine 
Hauptbedingung  für  das   gute   Gedeihen  der  Tanne  ist. 


I.   Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  235 

(W.  S.  19)  allerdings  konnte,  wenigstens  im  Fraß  jähr  selbst,  nur  an  schwä- 
cheren Zweigen  eine  merkliche  Abnahme  feststellen,  während  er  an  den 
Stämmen  nirgends  eine  bedeutende  Ringschwächung  mit  Sicherheit  erkennen 
konnte;  er  führt  dies  „auf  die  wirksame  Tätigkeit  der  Altnadeln,  welche  ja 
nicht  angegriffen  werden",  zurück. 

Wo  die  Triebe  selbst  eingehen,  also  auch  die  Endknospen  abgetötet 
sind,  können  als  Fraßfolge  Verzweigungsstörungen  der  Krone  hin- 
zutreten. 

Aus  Wachtls  und  anderer  Beobachtungen  ergibt  sich,  daß  es  ein 
großer  wirtschaftlicher  Fehler  wäre,  allzu  schnell  mit  der  Axt  zur  Hand  zu 
sein.  Allerdings  werden  mehr  oder  weniger  ausgiebige  Durchforstungen  nach 
länger  dauerndem  Fraß  nicht  ausbleiben,  da  sich  dann  zweifellos  sekun- 
däre Insekten,  wie  Ips  curvidens,  Pissodes  piceae  und  andere  einstellen 
werden.  Auf  ihre  Bekämpfung  wird  das  Hauptaugenmerk  zu 
richten  sein. 

Die  Erkennung  des  miirinana-Yx-2i^Q.%  bietet  keine  Schwierigkeiten. 
Die  braune  Färbung  der  Endtriebe  bzw.  der  Kronen  redet  eine  deutliche 
Sprache.  Differenzialdiagnostisch  kommt  höchstens  noch  Frost  in  Frage; 
die  Unterscheidung  ergibt  sich  bei  näherer  Untersuchung  ohne  weiteres  i). 

Der  Tannentriebwickler  tritt  zuweilen  in  Massenvermehrungen  ein, 
die  sich  auf  große  Gebiete  erstrecken  (s.  unten)  und  verhältnismäßig  lange 
(bis  10  Jahre  und  mehr)  bestehen  bleiben.  Er  gehört  also  zu  den  hart- 
näckigen Schädlingen. 

In  epidemiologischer  Beziehung  sind  wir  noch  wenig  unter- 
richtet. Wir  haben  noch  keine  Anhaltspunkte  darüber,  durch  welche  Fak- 
toren die  Gradationen  veranlaßt  werden,  ebensowenig,  durch  welche  Faktoren 
deren  Ende,  die  Krisis,  herbeigeführt  wird.  Wachtls  Versuche,  Zusammen- 
hänge zwischen  dem  Verlauf  der  Gradationen  und  den  klimatischen  Kurven 
aufzudecken,  führten  zu  keinem  greifbaren  Ergebnis.  Bezüglich  der  Dis- 
position teilt  Ratzeburg  (W.  II,  17)  mit,  daß  der  Fraß  (nach  Koch)  in 
schwächlichen  Beständen  und  auf  schlechtem  Boden  beginnt,  daß  er  aber 
dann  bei  weiterer  Verbreitung  auch  auf  das  beste  Holz  geht.  Ähnlich 
schreibt  Wachtl,  daß,  wenn  eine  Massenvermehrung  eingetreten  ist,  gut- 
und  schlechtwüchsige,  reine  und  gemischte  Bestände,  in  der  Ebene  und  im 
Gebirge,  auf  gutem  oder  schlechtem  Boden  in  gleich  hohem  Grade  befallen 
werden.  Bezüglich  der  Dauer  der  Gradation  finden  sich  in  der  Literatur 
Angaben,  die  zwischen  4  und  12  Jahren  schwanken  (s.  Geschichtliches, 
S.  236). 

Ob  die  tierischen  Feinde  allein  mit  der  Massenvermehrung  fertig 
werden,  läßt  sich  nach  unseren  heutigen  Kenntnissen  schwer  beurteilen. 
Wachtl  führt  eine  Reihe  von  Vögel  als  Vertilger  von  murinana  an,  vor 
allem  Zaunkönig  (Troglodytes  parvidiis),  Mönch  (Sylvia  atricapilla), 
Tannenmeise  (Pariis  ater),  Misteldrossel  (Ttirdus  viscivorus), 
Eichelhäher  (Garndus  glandarius),  Buchfink  (Frmgilla  coelebs)  und 
die  Ringeltaube  (Col.  palumbns).  Besonderes  Interesse  erweckt  der  Be- 
fund des  Kropf  Inhaltes  einer  geschossenen  Ringeltaube,  der  aus  ca.  1000 
^zz/r/ÄÄZ/ß-Puppen  bestand. 


1)  Trotzdem  aber  ist  es  nach  Wachtl  häufig  vorgekommen,  daß  ,,aus  dem 
Grund  nichts  gegen  den  Wickler  geschehen  ist,  weil  man  durch  Jahre  hindurch  den 
FralSschaden   für    Frostschaden   gehalten   hat". 


236  11.  Spezieller  Teil. 

Außerdem  zog  W  a  c  h  1 1  noch  eine  Anzahl  von  T  a  c  h  i  n  e  n  und 
Schlupfwespen.  Leider  ist  die  darüber  angekündigte  Arbeit  niemals  er- 
schienen. 

Cac.  miirhiana  nimmt  unter  den  Tannen  Schädlingen  einen  hervor- 
ragenden Platz  ein,  und  zwar  in  erster  Linie  als  Bestandsverderber.  Sehr 
häufig  kommt  sie  zusammen  mit  dem  rotköpfigen  Tannenwickler  (Sejjtasia 
rufimitrana  H.  S.)  vor. 

Zur  Bekämpfung  werden  im  Laufe  der  Zeit  eine  Reihe  von  Mitteln 
empfohlen,  deren  Nützlichkeit  aber  mehr  als  fraglich  erscheint.  Weder  in 
Räuchern  mit  dem  aus  der  Durchforstung  stammenden  grünen  Reisig,  noch 
in  dem  von  W  a  c  h  1 1  empfohlenen  Streurechen  kann  ich  eine  rationelle  Be- 
kämpfungsmethode  erblicken.  Vielleicht  kann  mit  Arsenbestäubung  mehr 
erreicht  werden.  Nachdem  wir  wissen,  daß  selbst  längerer  Fraß  nicht  tödlich 
wirkt,  wird  vor  allem  darauf  zu  achten  sein,  daß  die  sekundären  Feinde 
(Borken-  und  Rüsselkäfer)  nicht  aufkommen  und  die  durch  den  Wickler  ge- 
schwächten Bäume  zum   Absterben  bringen. 

Geschichtliches^). 

Die  erste,  wohl  mit  Sicherheit,  trotz  der  völlig  verfehlten  Falterabbildung  und 
der  Bezeichnung  Tortrix  piceana  unzweifelhaft  auf  Tannentriebwicklerfraß  zu  be- 
ziehende Notiz  stammt  von  Sechste  in,  der  im  Tabarzer  Forst  im  Thüringer 
Walde  eine  größere  Verheerung  fand.  Er  berichtet,  daß  die  Raupen  sich  im  Boden 
verpuppten.  Erst  fast  50  Jahre  später  kommen  wieder  neue  Beobachtungen.  Im 
Jahre  1852  brach  im  Nordwesten  Böhmens,  in  den  Forsten  der  Bezirke  Karlsbad, 
Eger  und  Falkenau,  ein  Tannenwicklerfraß  aus,  der  anfänglich  für  Borkenkäferfraß 
gehalten  wurde  und  durch  12  Jahre  wütete.  Er  dehnte  sich  noch  auf  den  Bezirk 
Teplitz  aus,  also  über  einen  Flächenraum  von  197500  ha  (Wachtl).  An  Ort  und 
Stelle  wurde  er  beobachtet  und  ausführlicher  beschrieben  von  Koch,  Tramnitz 
(1859)  und  Schulz  (1862),  ferner  von  Gintl  und  Buk.  Diese  teilten  ihre  Beob- 
achtungen, ebenso  Judeich  seine  mit  Karlsbader  und  Teplitzer  Material  ange- 
stellten Zwingerbeobachtungen  an  Ratzeburg  mit,  der  sie  in  verschiedenen  Publi- 
kationen verwertete  (1861,  1862  und  1863,  sowie  W.  II,  S.  13—21).  Durch  Ratze- 
burg, der  sich  auf  verschiedene  von  ihm  konsultierte  Spezialkenner  der  Mikrolepi- 
dopteren  stützte,  wurde  die  falsche  Bestimmung  des  Hauptschädlings  als  Tor.  histrio- 
nana  verbreitet,  aber  auch  auf  Mitteilung  von  Oberförster  Schönbach  in  Herns- 
kretschen  und  von  J  u  d  e  i  c  h  zuerst  die  Mitwirkung  von  Tortrix  rufimitrana  festgestellt 
(1863).  1857  trat  letzterer  Wickler  auch  in  der  Gegend  von  Krakau  auf  (Ze- 
brawski,  1858).  Bereits  10  Jahre  später  brach  ein  neuer  Fraß  in  Mähren  aus. 
1875  dehnte  er  sich  nach  ZI  ick  (1875)  vom  Murker  Walde  bei  Neutitschein  in 
Nordmähren  durch  die  ganze  mittlere  Höhenregion  von  500 — 800  m  in  den  Mäh- 
rischen Karpathen  bis  nach  Österreichisch-Schlesien  über  eine  Fläche  von  29000 
bis  35000  ha  aus.  Von  1875  ab  verbreitete  sich  der  Fraß  nach  Niederösterreich,  er 
dauerte  an  einem  Orte  durchschnittlich  sechs  Jahre,  erreichte  seinen  Höhepunkt  1877 
und  erlosch  mit  dem  Jahrzehnt.  Von  den  auf  dem  befallenen  Bezirke  stockenden 
130000  ha  Tannenbeständen  wurden  70000  ha  befallen;  Absterben  der  Bestände  trat 
nirgends  ein,  jedoch  ein  Zuwachsverlust,  den  Wachtl  auf  790000  fl  berechnet. 

Kleinere  Tannenwicklerfraße  v/urden  wiederholt  beobachtet.  1877— 1881  wurden 
z.  B.  die  Tannenbestände  des  Königlich  Württembergischen  Revieres  Hirsau  sowie 
die  angrenzenden  Reviere  im  Nagold-  und  Enztale  stark  befressen.  1879  waren 
bereits  780  ha  befallen  (Hepp).    In  Sachsen  sind  unter  anderem  im  Gehringswalder 


1)  Bei  dieser  geschichtlichen  Übersicht  sind  die  beiden  Tannentriebwickler, 
Cac.miirittanaYxoftX.  und  Semasia  rufimitranaH.S.,  die  ja  in  ihrer  Lebensweise  und 
ihrem   Vorkommen   fast   völlig   übereinstimmen,   berücksichtigt. 


I.    Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  237 

Revier  1877  einigermaßen  bedeutendere  Schäden  der  Tannenwickler  aufgetreten.  Sie 
bezogen  sich  auf  ungefähr  20  ha.  Von  1888  an  hat  sich  ferner  der  Tannenwickler- 
fraß  im  badischen  Schwarzwald  (wo  ?nurinana  bis  dahin  auch  den  Entomologen 
ganz  unbekannt  war)  und  in  Polen  verbreitet,  und  zwar  besonders  in  der  Oberförsterei 
Bozentin,  Gouvernement  Kielce,  in  Höhenlagen  bis  zu  2200  m  (Guse).  1890  scheint 
hier  der  Höhepunkt  des  Fraßes  gewesen  zu  sein.  In  der  Schweiz,  wo  die  Tannen- 
wickler übrigens  bereits  früher  beobachtet  wurden,  hat  sich  seit  1890  wieder  eine 
stärkere  Vermehrung  dieses  Schädlings  gezeigt,  und  zwar  in  den  Kantonen  Solo- 
thurn,  Aargau  und  in  der  Nähe  des  Züricher  Sees  (Anonymus,  1891,  Bour- 
geois, 1892,  und  J.  H.,  1892).  Es  ließ  sich  konstatieren,  daß  im  ganzen  östlichen, 
nördlichen  und  zentralen  Teile  der  Hochebene  zwischen  Alpen  und  Jura  die  Tannen- 
bestände der  Flußniederungen  mehr  oder  minder  infiziert  waren  und  hier  Fraß- 
zentren vorkamen.  Das  wichtigste  war  „das  offene  Gebiet  des  Aartales  zwischen 
Langental  und  Aarau".  Auch  hier  wurde  meist  nur  haubares  Holz  in  den  Wipfeln 
befallen,  seltener  20— 30  jährige  Stämme.  An  Bestandsrändern  stieg  der  Fraß  mit- 
unter bis  zu  den  tiefsten  Ästen  herab.  Tortrix  rufimitrana  H.  S.  herrschte  bei  weitem 
vor    (Fankhauser,    1893). 

Gattung  Pandemis  Hb. 

Der   folgenden   Gattung   Tortrix   sehr  nahestehend;   von   dieser   lediglich   durch 
die  „Ausnagung"  an  der  Basis  der   Fühler  beim  cf  unterschieden   (Abb.  196  t. 


,^<f# 


^1^ 


Abb.  196.    Kopf  mit  den  Fühlerbasen  von         Abb.   197.    Pandemis  ribeana  Hb. 
Pandemis.    Das   i.   Fühlerglied  zeigt  eine  2  X- 

deutliche    Ausnagung.    Nach    Kennel. 

Von  den  vier  europäischen  Arten  hat  nur  eine  in  die  forstentomologische 
Literatur  Eingang  gefunden: 

Pandemis  ribeana  Hb. 

Taf.  II,  Fig.  6. 

Falter:  Vorderflügel  ledergelb,  kaum  gegittert,  Wurzel-,  Mittelbinde  und 
Costalfleck  braun,  dunkler  eingefaßt,  Hinterflügel  einfarbig  braungrau.  Spannweite 
15,5—22  mm  (Abb.  197). 

Raupe  schmutzig  graubräunlich,  Kopf  und  Nackenschild  grünlicher  oder 
dunkler  grün  oder  grünlichgrau  (Kopf  kann  auch  schwarz  sein  und  der  Nacken- 
schild  hinten   breit    schwarz   gesäumt). 

Puppe  einfarbig  bräunlichgelb  oder  auf  der  Rückenseite  stellenweise  schwarz. 
Auf  Hinterleibssegment  2—7  dorsal  mit  je  2  Knötchen-  bzw.  Dornreihen.  After- 
griffel   mit    8   Hakenborsten. 

Die  sehr  polyphag,  hauptsächlich  auf  Laubholz  (Acer,  Tilia.  Betida, 
Fraxinus,  Crataegus,  Pyrus,  Prunus,  Rhamnus  usw.)  vorkommende  Art  wurde 
einige  Male  auch  auf  Nadelholz  angetroffen.  Zum  erstenmal  von  Wachtl 
(1882),  der  sie   einmal  auf  Tanne  in  Gesellschaft  von  muriuana  gefunden 


238 


IL  Spezieller  Teil. 


hat,  und  zwar  in  einem  ganz  ähnlichen  Gespinst,  wie  es  die  murinana- 
Raupen  anfertigen.  Und  sodann  von  Trägärdh  (1915),  der  bei  Stockholm 
den  erwachsenen  Raupen  Mitte  Juni  an  jungen  Trieben  der  Fichte  be- 
gegnete, wo  sie  sowohl  die  Nadeln  als  auch  die  Rinde  fraßen  und  dadurch 
die  normale  Entwicklung  des  Triebes  störten  bzw.  zur  Deformation  des 
Triebes   führten. 

Gattung  Tortrix  L. 
Die  Gattung  Tortrix  im  Sinne   Meyricks  und  Kenneis  umfaßt  die 
im   Staudinger-Rebel-Katalog  angeführten  drei   Gattungen  EuUa    Hb.,   Tor- 
trix L.  und  Cnephasia  Gurt. 

Die  Palpen  kommen  in  allen  Abstufungen  vor,  von  sehr  kurz  bis  ungewöhnlich 
lang;  die  Fühler  des  cf  können  glatt  oder  kurz  gewimpert,  manchmal  sogar  leicht 
gezähnt  sein.  Vorderflügel  des  cf  stets  ohne  Costal- 
umschlag. Flügelschnitt  sehr  mannigfaltig:  bald 
ausgesprochen  dreieckig,  bald  gleich  breit,  vier- 
eckig, schmal  und  lang  mit  schrägem  Saum,  breiter 
und  kürzer  mit  steilem  Saum  usw.  Auf  den  Vorder- 
flügeln entspringen  alle  Adern  getrennt,  r^  meist 
in  den  Saum  ziehend,  mitunter  in  die  Spitze  (An- 
näherung an  Acallai).  Auf  den  Hinterflügeln  rr 
und  Wj  entweder  getrennt  oder  kurz  gestielt,  des- 
gleichen m^  und  cu^   (Abb.  198). 

Die  Raupen  leben  ektophytisch  in  Blatt- 
rollen oder  zwischen  zusammengeknäuelten  Blät- 
tern, Nadeln,  Blüten  und  Knospen  usw.  Meist 
einjährige  Generation,  selten  doppelte;  gewöhnhch 
im  Eistadium  überwinternd,  selten  als  Raupe 
oder  als  Puppe. 

In  Europa  33  Arten.    Forstliche  Bedeutung 
besitzen  nur  wenige  Arten,  von  denen  allerdings 
zu    den    Großschädlingen    gehört. 

Tortrix  forskaleana  L. 

Ahorn  Wickler. 
Taf.  II,  Fig.  7. 
Falter:    Durch  stumpfen   Apex   und   sehr    steilen   Saum   der   Vorderflügel   be- 
sonders ausgezeichnet.    Vorderflügel  bleich  gelb,  die  Adern  fein  dunkel  angelegt  urid 
durch    zahlreiche    orangegelbe    Querlinien    eine    Git- 
terung     erzeugend.       Saumlinie     und     ein     schmaler 
Schrägstrich  von  der  Costa  vor  ihrer  Mitte  zur  Mitte 
des    Flügels   tief   schwarzbraun.     In   der    Flügelmitte 
senkrecht    übereinander    2    schwarze    Fleckchen    auf- 
geworfener Schuppen.    Hier  ist  die   Flügelfläche  oft 
in      einem     breiten,      saumwärts     gerichteten    Wisch 
schwärzlich   oder  braun   verdunkelt,    und   in   Verbin- 
dung   damit    steht    dann   meist    auch    vor    der    Mitte 
des  Dorsums  ein  ähnlicher,  wurzelwärts  verwaschener 
2  X-       Schatten,  so  daß  dann  alles  zusammen  eine  geknickte 
Querbinde    bilden    kann.     Hinterflügel    blaß    ocker- 
gelb, Kopf  und  Thorax  goldgelb,  Abdomen  blaß  ockergelb.    Spannweite  12—15  mm. 
Raupe   gelblichweiß,    Nackenschild    und    Kopf    grünlich,    letzterer    beiderseits 
mit  einem  schwarzen  Fleck. 


Abb.  198.  Flügelgeäder  von 
Tortrix  löfflingiana  L.  (/'s  im 
Vfl.  geht  in  den  Saum,  /rund 
w^  im  Hfl  entspringen  ganz 
beieinander,  ebenso  Wg  und 
cu-^).     Nach    Kenne  1. 

eine,    T.    vi  ri  da  na 


Abb.  199. 
Tortrix  forskaleana  L. 


I.   Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


239 


Puppe    hellbraun,    Abdominalsegmente    auf    der    Dorsalseite    mit    Querreihen 
feiner  Dornen  besetzt. 

Forskaleajia    wurde    in    der    landwirtschaftlichen    Literatur    als    Rosen- 


Nördlin 


Trä^ä  rdh 


Schädling  angeführt  (Taschenberg, 
(1914)  bezweifelt  die  Richtigkeit  dieser 
Angaben.  Er  hat  die  Art  in  Schweden 
eingehend  studiert  und  sie  ausschließlich 
an  Ahorn  angetroffen.  Wir  folgen  hier 
seiner  Darstellung:  Flugzeit  (in  Schweden) 
im  Juli;  die  Eier  werden  wahrscheinlich  an 
die  Stiele  oder  an  die  Flügel  der  Samen 
abgelegt.  Die  Räupchen  kommen  schon 
nach  wenigen  Wochen,  im  August,  aus, 
fressen  am  Samen  bis  zum  Herbst,  über- 
wintern, um  im  nächsten  Mai  an  den 
Blättern  ihren  Fraß  fortzusetzen.  Sie 
fressen  zunächst  kleine  Löcher  nahe  bei- 
sammen, an  der  Basis  beginnend  und 
radiär  sich  ausdehnend  zwischen  den  3. 
und  4.  oder  4.  und  5.  Blattnerv.  Die 
Löcher  sind  von  zweierlei  Beschaffenheit: 
die  einen  klein  und  .'das  Blatt  nicht  ganz 
durchdringend,  die  anderen  größer  und  das 
Blatt  vollkommen  durchdringend.  Der  letztere  Fraß  allein  scheint  Ernährungs- 
fraß zu  sein,  während  der  erstere  dazu  zu  dienen  scheint,  das  Falten  des 
Blattes  an  diesen  Stellen  zu  erleichtern.  Das  Blatt  wird  durch  diese  Löcher- 
region in  zwei  Teile  geteilt,  von  denen  der  eine  etwa  zweimal  größer  ist  als 
der  andere  (Abb.  200).  Durch  Spinnen  wird  nun  zunächst  der  kleinere  Teil 
gegen  den  größeren  gefaltet,  sodann  das  Blatt  unter  Abbeißen  der  Nerven 
aufgerollt  (Abb.  201).  Innerhalb  dieser  Rolle  lebt  die  Larve  in  einem  Ge- 
spinst, von  dem  aus  sie  große  Teile  des  Blattes  befrißt.  Die  Verpuppung 
findet  in  einer  besonders  hergestellten  Puppenkammer  auf  einem  Blatt  statt. 
Die  Art,  die  über  ganz  Mitteleuropa  (mit  Ausnahme  von  Holland)  ver- 
breitet ist,  tritt  stellenweise  sehr  häufig  auf. 


Abb.  200.   Ahornblatt  mit  Anfangsfraß 

von     Torlrix     forskaleana     L.      Nach 

Trägärdh. 


Tortrix  (Eulia)  politana  Hw. 

K  i  e  f  e  r  n  s  ä  m  1  i  n  g  w  i  c  k  1  e  r. 
Taf.  II,  Fig.  8. 

Falter:  Vorderflügel  beim  cf  saumwärts  schwach  verbreitert,  beim  9  gleich 
breit.  Hinterflügel  dreieckig  spitz.  Grundfarbe  der  Vorderflügel  aschgrau  bis  ocker- 
gelblich, mit  braunrotem  Wurzelfeld,  Schrägband  und  eben  solchen  Flecken  vor  der 
Spitze.  Fransen  bräunlich.  Hinterflügel  bräunlichgrau,  gegen  die  Spitze  meist  heller, 
Fransen   weißlich,    mit    dunkler   Teilungslinie.     Spannweite    12 — 13   mm. 

Raupe  grün  mit  weißlichen  Wärzchen,  Kopf  bräunlichgrün,  Nackenschild 
gelblich. 

Nach  Kennel  hat  die  Art  zwei  Generationen,  und  lebt  die  Raupe  im 
Juni,  dann  wieder  im  Juli  bis  September  zwischen  versponnenen  Blättern  oder 
Blüten,  von  allen  möglichen  Kräutern,  von  denen  die  meisten  zur  Bodenflora 
des  Kiefernwaldes  gehören.  Als  Fraßpflanzen  werden  genannt:  CeiUaurca 
jacea,    Clinopodium,    Erica,    Calluna,    Ledion    palliistre.    Potentilla    fragaria. 


240 


II.  Spezieller  Teil. 


Ranunciclus   acris,    Senecio    jacobaea,    Vaccinium    myrüllus    und    nliginosunt, 
Genista   Prmius;  ferner  auf  R/ui7nmis,  Birke  usw. 

Neuerdings  ist  die  Raupe  mehrfach  auch  an  Kief ernsamlxngen, 
und  zwar  in  frheblicher  Menge,  angetroffen  worden,  so  d^^j.xrpohtana 
heute  "nter  die    Forstinsekten   einreihen  müssen i).     Fast  gleichzeitig  wurde 


Abb.  201.    Verschiedene  Stadien  des  A-^-ll-yV^r/r'^'fr dh"  ^""'^  """  """'' 
von  Tortrix  forskaleana  L.    Nach    1  r  a  g  a  r  d  n. 

^Ti^stein   hat    schon    früher,    im   Jahre    1892,    einen    Fraß    ^n    einjährigen 
politana-Yx2&. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  241 

der  Fraß  an  Kiefern  in  den  Jahren  1926  und  1927  von  verschiedenen  Orten 
Deutschlands  beobachtet  (Eckstein  1928,  Krauße  1928,  von  Vieting- 
hof f  1929).  Die  ausführlichste  Schilderung  hierüber  gibt  v.  Vietinghoff, 
dem  wir  hier  in  der  Hauptsache  folgen:  Er  beobachtete  den  politana-Yx^& 
auf  seinem  Besitz  bei  Neschwitz  (Sachsen)  zum  erstenmal  im  September  1926 
auf  einer  gedrillten  Kiefernsaat  von  etwa  2,5  ha  Größe,  wo  schätzungsweise 
60000  Sämlinge  befallen  waren.  Die  betroffenen  Pflänzchen  zeigten  ver- 
schiedene Typen,  hervorgerufen  durch  Verspinnen,  die  als  Schopf-,  Knopf- 
und  Kandelaberformen  bezeichnet  werden  (Abb.  203  A — C).  Der  Fraß  selbst 
macht  sich  durch  benagte  und  abgefressene  Nadeln,  durch  Krümmungen  usw. 
bemerkbar. 

Die  meisten  Raupen  besuchen  mehrere  Pflanzen,  die  sie  mehr  oder 
minder  stark  befressen;  daher  findet  man  vor  der  Verpuppung  eine  Menge 
versponnener  Pflänzchen  leer,  d.  h.  von  der  Raupe  verlassen. 

Die  Verpuppung  erfolgt  von  Ende  September  an  (v.  Vieting- 
hoff fand  die  erste  Puppe  am  23.  September),  und  zwar  im  Gespinst,  häufig 
in  der  Gespinstbrücke  zwischen  zwei  verspon- 
nenen Sämlingen  (Abb.  204).  ,, Übrigens  kommt 
es  auch  nicht  selten  vor,  daß  Ästchen  von 
Calluna  oder  Betiila,  manchmal  auch  einjährige 
Sorbus  ancuparia,  die  sich  auf  den  Kulturflächen 
finden,  mit  nahestehenden  Kiefernpflänzchen 
versponnen  werden  und  daß  dort  die  Raupe  zur 
Verpuppung  schreitet.  Am  5.  Oktober  konnten 
alle  Raupen  als  verpuppt  gelten." 

Von  der  ersten  Generation  des  folgenden         ^^b.  ^^o^.TortrLx^  (Eulia)  po- 
Jahres  (1927)  konnte  keine  Raupe  auf  Kiefern  ge- 
funden werden.  Wahrscheinlich  leben  die  Raupen 

der  Frühjahrsgeneration  auf  den  oben  angeführten  Pflanzen.  Die  Kiefer 
kommt  für  die  erste  Generation  wohl  deswegen  nicht  in  Betracht,  da  die 
nunmehr  etwas  über  i  Jahr  alte  Pflanze  ihre  2.  Nadeln  treibt,  die  für  die 
Raupe  viel  zu  hart  wären,  während  die  keimende  Kiefer  des  gleichen  Jahr- 
gangs noch  viel  zu  schwach  ist. 

Die  ersten  Räupchen  der  2.  Generation  1927  wurden  am  6.  August  ge- 
funden, und  zwar  wieder  auf  einer  gedrillten  Kiefernsaat,  aber  in  einem  ent- 
gegengesetzten Revierteil.  Im  Jahre  1928  war  der  polita/ia-J^Qi^W  so  gut  wie 
verschwunden. 

Das  Ende  der  Gradation  scheint  durch  Parasiten  verursacht  worden 
zu  sein.  v.  Vietinghoff  hat  außer  einigen  Chalcidiern  eine  Ichneu- 
monide, Pimpla  alternans  Grav.,  in  großer  Zahl  gezogen.  Krauße  nennt  als 
weitere  Parasiten  Pimpla  instigator  F.  und  die  Tachine  Nemorilla  floralis 
Fall,  (aus  verschiedenen  Wicklern  und  Zünslern  bekannt,  unter  anderem  aus 
dem  Birkentier  Acalla  ferrugana  Tr.). 

„Am  heftigsten  ist  der  Fraß  auf  Kulturflächen.  Weniger  stark  war  das 
Erscheinen  des  Wicklers  auf  einer  Schlagfläche,  die  noch  nicht  kultiviert 
war,  vom  Altholzrand  her  aber  einen  reichen  Anflug  aufwies.  Im  Altholz 
selbst  wurde  die  Raupe  trotz  starken  Anfluges  nur  ganz  selten  getroffen. 
Vielleicht  braucht  die  Raupe  eine  nur  durch  vollen  Lichtgenuß  ermöglichte 
gewisse  Konsistenz  der   Nadeln." 

Was  den   Wickler   veranlaßt   hat,   in   den  Jahren    1926  und    1927   in   so 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  16 


242 


II.  Spezieller  Teil. 


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I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  243 

großer  Zahl  und  gleichzeitig  in  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands  auf 
Kiefernsaaten  und  Kiefernanflug  überzuwandern,  auf  eine  Fraßpflanze,  die 
doch  nur  für  seine  2.  Generation  in  Frage  kommt,  bleibt  völlig  dunkel.  Der 
Auffassung,  daß  es  sich  um  Notfutter  gehandelt  hat,  hervorgerufen  durch 
außergewöhnliche  Lebensbedingungen,  steht  die  Tatsache  entgegen,  daß  die 
Hauptfraßpflanzen  in  den  befallenen  Revierteilen  auch  während  der  Zeit 
der  2.  Generation  genügend  zur  Verfügung  gestanden  haben. 

Was  die  forstliche  Bedeutung  von  politatia  betrifft,  so  treten  trotz 
des  starken  Befalls  und  des  bedenklichen  Aussehens  der  betroffenen  Pflanzen 
größere  Schäden  bzw.  Ausfall  an  Pflanzen  nicht  auf.  Weitaus  die  meisten 
Pflanzen  erholen  sich  wieder,  da  die  Terminalknospe  fast  stets  unbeschädigt 
bleibt.     „Betrachtet    man    heute    (d.  i.    i  Jahr    nach    dem    Befall),"    schreibt 


Abb.  204.    Geöffnetes  Puppengespinst  in  der  „Brücke""  zwischen  2  versponnenen  Säm- 
lingen.   Nach   V.   Vietinghoff. 

V.  Vietinghoff,  „die  Saaten,  die  durch  Tortrix  politana  Hw.  deformiert  und 
gebräunt  worden  waren,  so  sieht  man  ihnen  irgendwelche  Beschädigung  nicht 
im  geringsten  an."  Größere  Bekämpfungsaktionen,  die  Zeit  und  Geld  kosten 
(wie  Bestäuben  mit  Esturmit  oder  Zerdrücken  der  Raupen  in  den  Ge- 
spinsten), hält  dementsprechend  v.  Vietinghoff  für  „eine  überflüssige 
Ausgabe,  die  der  mit  der  Biologie  des  Wicklers  vertraute  Forstmann  nicht 
rechtfertigen   kann". 

Tortrix  viridana  L. 

E  i  c  h  c  n  w  i  c  k  1  e  r    oder    Grüner    E  i  c  h  e  n  w  i  c  k  1  e  r. 

Taf.  II,   Fig.  9. 

Auch  Kahncichenwickler,  Grünwickler,  ganz  grüner  Eichenwickler,  Weißgrünwickler, 

Grüne   Eichenmotte   usw.   —    Französisch:   La  verte,   La   chape   verte,   Tordeuse   verte, 

Tordeuse  du  ebene.  —  Italienisch:  Tortrice  della  Quercia. 

Falter:   Kopf  gelblich,  gelblichweiß  oder  grün,   Thorax  und  Vorderflügel  auf 

der    Oberseite    schön    hellgrün.     Costa    deutlich    gelblich    weiß.     Fransen    weißlich. 

16* 


244 


II.  Spezieller  Teil. 


Hinterflügel  zartgrau  (bei  Earias  chlorana  L.,  die  verschiedentlich  in  der  Praxis 
mit  viridana  verwechselt  wird,  sind  die  Hinterflügel  weiß!).  Abdomen  mehr  oder 
weniger  grau,  zuweilen  grünlich  überhaucht.  Als  Geschlechtsunterschiede  gibt 
Gasow  an:  Beim  9  Vorderflügel  meist  (nicht  immer)  länger  und  breiter;  Fühler 
des  cT  stärker  bewimpert  als  die  des  Q  (mikroskopisch 
festzustellen!);  Hinterleibsende  des  cf  durch  die  bei- 
den, init  grauen  Schuppen  besetzten  Lateralklappen  ge- 
^^^^  kennzeichnet;   beim   Q    fehlen   diese   ganz,    und    ist    die 

^^UÄl  ganze    Partie   braun   gefärbt. 

"^Wjl  'IHe.^^^  -^^^  Farbe  der  Vorderflügel  variiert  bis  zu  grün- 

^|S  ^SBftk.        lichgelb   und   sogar    (sehr   selten)    rein   gelb    (ab.   sult- 

rWlu/^  \^^IB      neriana   Schiff,  i).    Spannweite    18—23   n"»™- 

^^^^^k  jg^^l  Raupe:  Grün,  Kopf  schwarzbraun  (in  den  jungen 

jJI^H^^L         ^^^^H      Stadien    schwarz),    Nackenschild    mehr    oder    weniger 

J^^^^^^^.JPM^B      bräunlich    oder   grünlichgelb,    hinten   mit    2    schwarzen 

^^II^P1Br'Ä.'<mH      Flecken.    Warzen  schwarz,   breit   und   deutlich   wahrzu- 

Brustbeine    schwarz.     Länge     (ausgewachsen) 


K 


nehmen. 

18   mm. 

Puppe:      Länge     9 — 10     mm;     schwarz     (selten 

braun),   langgestreckt.    Kopf  schmäler  als   der   Rumpf. 

Beim  o  das  8.  und  9.  Abdominalsegment  zusammen 
glatter  und  gläijzender  als  beim  cf,  woran  man  die  cf  und  Q  Puppen  leicht  unter- 
scheiden kann,  cf  Puppe  mit  deutlichen  Geschlechtshöckern  auf  Segment  9   (Abb.  208). 


Abb.    205.     l'or/r/.x   i'iridana 

L.     an    einem    Eichenzweig 

sitzend.    Nach  Cecconi. 

2V2X. 


"    ^^a^. 


III 


A  B 

Abb.  206.  Einzelne  Segmente  einer  er- 
wachsenen Raupe  von  Tortrix  viridana 
L.  A  Ansicht  von  oben,  B  Ansicht  von 
der  Seite.  I  Pro-  und  Mcsothorax,  II  3.  Ab- 
dominalsegment, III  8. — g.  Abdominal- 
segment. Auf  der  ersten  Reihe  (A)  sind 
die  Paradorsalwarzen  zu  sehen,  auf  der 
zweiten  Reihe  (B)  die  Subdorsal-,  Late- 
ral-   und    Suprapedalwarzen.    Nach    S  i  1  - 

ves  t  r  i. 


A  B  C 

Abb.  207.    Puppe  von  Tori  rix  viridana  L. 
A    dorsale,    B    laterale,    C    ventrale    An- 
sicht.   Nach   Sil  ves  tri. 


E  i  scheibenförmig,  oben  und  unten  abgeplattet  bei  mehr  oder  weniger  rund- 
licher Umrißlinie  (Abb.  209).  Färbung  zunächst  blaßgelb,  später  braun.  Skulptur 
nur  schwach  ausgebildet,  an  gehämmertes  Kupfer  erinnernd. 

Der  Kot  ist  grobem  Schießpulver  ähnlich. 

Die  geographische  Verbreitung  von  T.  virida?ia  L.  ist  sehr  groß 
und   erstreckt   sich   von   England   und    Frankreich   durch   ganz    Mitteleuropa 


1)   Die   ab.   suttneriana    Schiff,    scheinen   fast   ausnahmslos   dem   weiblichen    Ge- 
schlecht  anzugehören   (Gasow,    1926). 


Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


245 


A  B 

Hinterende,  A  einer  männlichen 
Puppe  (deutliche  Höcker  auf  dem  9.  Seg- 
ment ),   B   einer  weiblichen   Puppe  von   T .  viri- 

(/aiia    L.     Nach    G  a  s  o  w. 


südlich  bis  nach  Italien,  Spanien  und  der  Krim,  nördlich  bis  in  die  russischen 
Ostseeprovinzen,  sowie  östlich  bis  in  das  Gouvernement  Tula.  In  der  Schweiz 
geht  die  Art  bis  ungefähr  iioo  m  Meereshöhe;  im  allgemeinen  ist  sie  aber 
mehr  ein  Tier  der  Ebene. 

Der  Eichenwickler  ist  ein  ausgesprochenes  Eicheninsekt,  das 
verschiedene  Arten  der  Gattung  Quercus  mit  Bevorzugung  der  Stieleiche 
(Quercus  pedunculata)  bewohnt.  In  der  Not  nehmen  die  Raupen,  wenigstens 
die  älteren  Stadien,  auch  einige 
andere  Pflanzen  (Laubbäume)  an 
(s.  unten,  S.  249). 

Über  virida?ia  existiert  eine 
sehr  umfangreiche  Literatur.  Eine 
monographische  Bearbeitung  hat 
das  Tier  in  der  letzten  Zeit  durch 
Gasow  gefunden  (1925),  dem  wir 
hier  in  der  Hauptsache  folgen 
werden : 

B  i  o  n  o  m  i  e. 

Die  hauptsächlichste  Flug- 
zeit fällt  in  die  zweite  Hälfte  Abb.  208. 
des  Juni;  verspätete  Falter  kann 
man  noch  im  Juli,  ja  sogar  ver- 
einzelt im  August  antreffen.  In 
Südeuropa  ist  der  Flug  entsprechend  den  höheren  Temperaturen  mehrere 
Wochen  früher  (Mai).  Das  Schwärmen  findet  sowohl  tags  im  hellen  Sonnen- 
schein, als  auch  abends  in  der  Dämmerung  statt,  und  zwar  gewöhnlich  in 
größerer  Höhe  an  bestimmten  Teilen  der  Baumkrone,  wo  man  ihr  mücken- 
artiges Hin-  und  Hergaukeln  an  einer  verhältnismäßig  eng  begrenzten  Stelle 
im  Kronenbereich  des  Baumes  beobachten  kann.  Weite  Flüge  scheinen 
nicht  vorzukommen;  wenigstens  konnte  Gasow  Massenüberflüge  niemals 
feststellen. 

In  dei  Ruhe  halten  sich  die  Falter  zwischen  dem  Blattwerk  der  Eichen 
auf  (Abb.  205),  wo  man  sie  sowohl  auf  der  Oberfläche  der  Eichenblätter 
sitzen,  als  auch  unter  den  Blättern  hängen  sieht.  Auch  an  Zweigen  und 
Borke  findet  man  mitunter  vereinzelte  Schmetterlinge.  An  den  Blättern  sind 
sie  infolge  ihrer  übereinstimmenden  grünen  Färbung  schwer  zu  sehen. 

Das  zahlenmäßige  Verhältnis  zwischen  den  beiden  Geschlechtern  betrug 
in  den  Zuchten  Gasow s  52,70/0  cfcf  und  47,30/0  99.  Es  konnte  also  ein  ge- 
ringes Überwiegen  der  cfcf  festgestellt  werden. 

Die  Einleitung  zur  Kopulation  gibt  sich  in  einem  lebhaften  Umher- 
laufen und  Flattern  kund,  wobei  die  cTcf  durch  schwirrende  Bewegungen  der 
Flügel  auffallen.  Die  Kopula  selbst  findet  in  der  Normalstellung,  Hinterleib 
zu  Hinterleib,  statt,  seltener  bilden  die  Abdomina  einen  stumpfen  Winkel 
miteinander.  Beide  Partner  können  die  Begattung  mit  anderen  wiederholen. 
Die  Dauer  der  Kopula,  die  meist  des  Abends  oder  nachts  vollzogen  wird, 
beträgt  bis  zu  2  Stunden.  Die  kopulierenden  Tiere  findet  man  gewöhnlich 
zwischen  dem  Blattwerk,  auf  und  unter  den  Blättern  und  an  den  Zweigen, 
mitunter  auch  an  der  Borke  und  auf  dem  Unterholz. 

Die  Lebensdauer  beträgt  5 — 7  Tage,  beim  9  etwas  mehr  als  beim  cf. 


246  n.  Spezieller  Teil. 

Die   Art   der   Eiablage   von  viridana   stellt   eine,   wenigstens   bei   den 
Spannern,  „ganz  singulare  Erscheinung"  dar  (Gasow).    Es  werden  nämlich 
immer  zwei  Eier  nebeneinander  abgelegt,  und  zwar  so,  daß  der  Rand 
des  einen  Eies  den  angrenzenden  Rand  des  anderen  überdeckt   (Abb.  209). 
Dieses   paarige   Eigelege   wird   in   eine   gummi-   bzw.    kittartige    Masse   ein- 
gebettet.   Die  Eier  liegen  dann  wie  zwei  Plättchen  in  einer  Kammer  der  er- 
härteten Masse;  auch  an  der  der  Unterlage  aufliegenden  Seite  des  Geleges 
befindet  sich  eine  ganz  dünne  Lage  der  gummiartigen  Masse.   Ein  besonderer 
Schutz  wird  den  Eiern  noch  dadurch  zuteil,  daß  sich  auf  der  Einbettmasse 
Schuppen,  Staubteilchen,  Algen  usw.  vorfinden.   Die  Schuppen  werden  durch 
die  Imago  richtig  auf  die  Gelege  gebürstet. 

Als    Ort    der    Eiablage    werden    gewöhnlich    rauhe    oder    vertiefte 
Stellen  gewählt.    Man   findet  die   Gelege  meist  an   den   Zweigen,   und  zwar 
vorwiegend  an  oder  unter  den  Befestigungsstellen  der  Blätter,  ferner  an  den 
Abgangsstellen  junger  Zweige  und  an  Zweiggabelungen.   An  den  ehemaligen 
Befestigungsstellen  der  Blätter  sowie  an  den  Abgangsstellen  junger  Zweige 
kann  man  die   Gelege  noch  am  ehesten  auffinden,   da  sich  die   Kontur  des 
Geleges  von  der  meist  ebenen,  leicht  vorgewölbten  Unterlage  deutlicher  ab- 
hebt als  von  den  eingeschnürten  Stellen  der  Zweiggabelungen,  wo  sich  die 
Gelege  oft  völlig  zwischen  ihrer  dunklen  und  gleichsinnig 
Vy^^^CZr^  gefärbten  Umgebung  verlieren.   Die  Knospen  scheinen  von 

1  (_l  ,  j  der  Eiablage  stets  frei  zu  bleiben.    Über  die  Verteilung  der 

L______J  Gelege  gibt  Abb.  210  Auskunft.    Es  finden  sich  hier  über 

den  Zweig  verteilt  1 5  Eiablagestellen  mit  meist  nur  je  2  Eiern; 


Abb.  209.   Zwei  Eier      ^^j-  ^n  einigen  Stellen  liegen  2  Gelege  (also  4  Eier)  dicht 
Tori  rix  virid 
L.      Nach    Si 


von  Toririx  virida-      nebeneinander.      Das    ?    sorgt   also   dafür,    daß    „die   etwa 


V  e  s  1 1- 1  60  Eier,  über  die  es  verfügt,  über  ein  verhältnismäßig  großes 

Gebiet  verteilt  werden,  so  daß  die  frisch  geschlüpften 
Räupchen  sich  im  allgemeinen  nicht  hinderlich  sind  beim  Aufsuchen  der 
Knospen.  Letzteres  wird  dadurch  noch  erleichtert,  daß  die  Gelege  gewöhn- 
lich nicht  weit  von  den  Knospen  entfernt  sind." 

Ende  April  bis  Mitte  Mai  schlüpfen  die  Räupchen,  indem  sie 
eine  länglichrunde  Öffnung  in  die  Eischale  und  die  Schutzhülle  fressen.  Die 
Lage  der  Schlupföffnung  ist  meist  eine  seitliche,  dem  zweiten  Ei  des  Geleges 
abgekehrt. 

Unmittelbar  nach  dem  Schlüpfen  begeben  sich  die  kleinen  Räupchen  zu 
den  Knospen,  auf  denen  sie  eine  Zeitlang  umherkriechen.  Nach  einiger  Zeit, 
wenn  die  Knospen  schon  einen  so  starken  Grad  der  Schwellung  erreicht 
haben,  daß  die  Schuppen,  die  ja  bekanntlich  recht  hart  sind,  nicht  mehr  allzu 
fest  anliegen,  dann  kriechen  die  Räupchen  unter  eine  Knospen- 
schuppe und  beginnen  erst  unter  der  Schuppe  mit  dem  Fraß, 
der  sie  ein  Stück  weiter  in  das  Knospeninnere  hineinführt.  Man  kann  daher 
nicht  eigentlich  sagen,  daß  die  Raupe  sich  in  die  Knospe  einfrißt;  sie  schiebt 
sich  vielmehr  hinein,  was  für  die  Bekämpfung  insofern  von  Bedeutung  ist, 
als  danach  ein  Begiften  der  Knospen  ohne  Wirkung  sein  müßte.  Die  Zahl 
der  Raupen  in  einer  Knospe  ist  verschieden;  gewöhnlich  befindet  sich  wohl 
nur  I  Räupchen  darin,  doch  konnte  Gasow  gar  nicht  selten  auch  mehrere, 
bis  6,  antreffen  1). 


1)   Ratzeburg    (F.  233)    hat    den    Fraß    unter    den    Knospenschuppen    richtig 
beobachtet;   allerdings   nahm   er   an,   daß    die   Raupen   unter   den   Ausschlagschuppen 


(.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


247 


Wo  die  Knospen  noch  so  fest  geschlossen  sind,  daß  die  Räupchen  nicht 
eindringen  können,  suchen  diese  durch  Gespinste  an  einen  anderen  Ort 
zu  gelangen,  um  dort  etwa  besser  geeignete  Knospen  zu  finden.  Überall  kann 
man  Räupchen  an  langen  Gespinstfäden  hängen  sehen;  sie  können  so  durch 
Luftströmungen  weit  verweht  werden. 

Im  ersten  Stadium  scheint  das  ziiridana-Räupchen  streng  mono- 
phag  zu  sein,  d.h.  nur  Quercus-Arten  anzunehmen. 

Die  Erkennung  des 
Befalls  einer  Knospe  ist 
nicht  immer  leicht.  Zu- 
weilen findet  sich  zwischen 
den  befallenen  Knospen 
und  in  der  Nähe  befind- 
lichen anderen  ein  leichtes 
Gespinst;  nicht  selten  ist 
die  befallene  Knospe  etwas 
,, verzogen"  (Ratzeburg); 
dabei  schließen  die  Schup- 
pen der  befallenen  Knospen 
oft  nicht  so  fest  wie  die 
viridana  -  freien ;  endlich 
kann  man  bei  längerem 
Fraß  mitunter  auch  außen 
an  den  Schuppen  eine 
schmutzige  Öffnung  er- 
kennen, die  von  innen  her 
durchbohrt  sein  dürfte.  Die 
Häutung  des  ersten  Sta- 
diums findet  in  der  Knospe 
statt,  und  zwar  etwa  4  Tage 
nach  dem  Einkriechen. 

Im  zweiten  Sta- 
dium bleibt  die  Raupe  an 
dem  gleichen  Ort;  je  nach- 
dem nun  die  Knospe  in  ihrer 
Entwicklung  fortgeschrit- 
ten ist,  hat  man  es  bei  diesem 
Stadium  mit  einem  Knos- 
penzerstörer oder  mit  einem 
Schädling  an  den  jungen 
Blättern  zu  tun.  Im  letzten 
Fall   hält   sich    die    Raupe 

meist  zwischen  den  bräunlichgrünen,  noch  nicht  entfalteten  Blättchen  auf, 
die  durch  Gespinstfäden  zusammengezogen  werden;  bevorzugt  als  Fraßstelle 
wird  die  Spitze  der  kleinen  Blättchen,  jedoch  geht  sie  auch  an  die  Inflo- 
reszenzen. 


Abb.    210. 
da/ia    L. 


Verteilung    der    Eigelege    von    T.  viri- 
über    einen    Zweig.     Nach    Gasow. 


auskommen.  Nitsche  (S.  1054)  bezweifelt  die  Richtigkeit  der  Ratzeburgschen 
Angaben  und  vermutet,  daß  hier  eine  Verwechslung  mit  einem  andern  Schmetterling, 
\ielleicht  Coleoph.  lulipenella  ZU.  (s.  S.  197  I,  vorliege. 


248 


II.  Spezieller  Teil. 


Nach  2 — 3  Tagen  findet  die  zweite  Häutung  statt,  nach  ebensoviel 
Tagen  die  dritte,  und  nach  weiteren  4 — 5  Tagen  die  vierte  und  letzte 
Häutung;  die  Dauer  des  letzten  Stadiums  beträgt  etwa  7 — 8  Tage. 

Nach  der  zweiten  Häutung,  also  vom  dritten  Stadium  ab,  beginnen  die 
Raupen  mit  dem  Wickeln  der  Blätter,  um  sich  dadurch  eine  Behausung  zu 

schaffen.  Nach  Gasow  handelt 
es  sich  dabei  mehr  um  ein  Falten 
als  um  ein  Rollen,  wenngleich 
auch  einfach  gerollte  Blätter  vor- 
kommen. ,,Die  Blätter  werden 
einmal  der  Länge  nach  gefaltet, 
so  daß  die  Blattunterseite  nach 
außen  gekehrt  ist;  gern  faltet  die 
Raupe  auch  irgendeinen  Zipfel 
gegen  die  Blattspreite  zu,  wobei 
zuweilen  die  Unterseite  des  Blattes 

t'^tK^^K' Md^'        ^"^^^Ä»  nach  außen  gekehrt  ist,  mitunter 

v'r^^Hi^^K  ^  aber    auch    die    Oberseite    diese 

^j^^jPKt/Hm  *  Stellung    einnimmt.      Auch    von 

^  ^^^HL^V^fip  j*  der  Spitze  her  werden  die  Blätter 

gefaltet,  wobei  die  hinderliche 
Mittelrippe  angenagt  werden 
kann.  Die  Faltung  geschieht  in 
der  Hauptsache  mit  Hilfe  von 
Gespinstfäden  (worüber  schon 
Abb.  211.  Ein  Eichenzweig,  von  T.vnidanal..  Reaumur  eine  sehr  gute  Schil- 
bef allen.  Nach  Cecconi.  derung     gibt).       Die     Innenseite 

der  Blattfalte  oder  Rolle  ist 
dann  dicht  mit  Gespinstfäden  ausgekleidet  wie  mit  einer  seidenen  Tapete. 
In  den  letzten  Stadien  zeigt  die  Raupe  eine  überaus  große  Beweg- 
lichkeit, wie  sie  wohl  nur  wenigen  anderen  Raupen  zukommt.  Bei  der  ge- 
ringsten Störung  läßt  sich  die  Raupe  schnellstens  an  einem  Faden  herab, 
an  dem  sie  sich  übrigens  auch  wieder  zu  ihrem  Versteck  hinaufarbeiten  kann. 
Der  Fraß  an  den  Blättern  ergibt  Fraßbilder  verschiedener  Art. 
Manche  Blätter  weisen  auf  der  Blattspreite  überhaupt  keine  Löcher  auf, 
dafür  ist  aber  der  Blattrand  stark  ausgefressen.  Andere  Blätter  dagegen  sind 
stark  durchlöchert.  Die  Raupe  macht  meist  an  den  stärkeren  Rippen  halt, 
doch  werden  auch  diese  zuweilen  angefressen.  Wieder  andere  Blätter  haben 
nur  ganz  kümmerliche  Reste  einer  Blattspreite  und  bestehen  fast  nur  noch 
aus  der  starken  Mittelrippe  mit  kleinen  Fetzen  der  Blattspreite  daran.  Auch 
die  Blütenkätzchen  werden  bisweilen  befressen;  es  kann  dann  in  Jahren 
heftigeren  Fraßes  der  Boden  mit  Blütenkätzchen  besät  sein.  Der  Nahrungs- 
bedarf wird  natürlich  mit  jedem  Stadium  größer,  um  in  der  etwa  7 — 8  Tage 
währenden  Periode  des  letzten  Stadiums  sich  aufs  höchste  zu  steigern  (Sich 
191 5).  In  diese  fällt,  wie  bei  den  meisten  schädlichen  Raupen,  der  wirtschaft- 
lich entscheidende  Fraß. 

Der  Kreis  der  Fraßpflanzen  ist  in  den  älteren  Stadien  bedeutend 
weiter  als  im  i.  Stadium,  das  nur  Eichen  anzunehmen  scheint  i).  InGasows 


^)   Möglicherweise  ist   es   der  hohe   Gerbstoffgehalt   der  Eichenblätter,   der  den 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


249 


Zwingerversuchen  nahmen  die  Raupen  im  5.  Stadium  außer  Eiche  noch 
Erle,  Birke,  Hainbuche,  Hasel  und  Rotbuche  an,  während  Roß- 
kastanie, Kornelkirsche,  Hopfen,  Besenginster,  Heidelbeeren  u.  a.  gemieden 
wurden.  Nitsche  (S.  1056)  nennt  außerdem  als  gelegentliche  Fraßpflanzen 
noch:  Linde,  Esche,  Saal  weide,  Eberesche  und  Mispel.  Reh 
(1907)  beobachtete  bei  starkem  Kahlfraß  die  Wicklerraupen  auch  an  Kir- 
schen und  sogar  an  Fichten-  und  Tannenunt erwuchs,  wo  sie  unter 
dicht  gesponnenen  Netzen  die  jungen,  zarten  Nadeln  benagten.  In  den 
meisten  dieser  Fälle  handelt  es  sich  wohl  um  Notnahrung,  die  nur  bei 
Mangel  an  Normalnahrung  angegangen  wird. 

Der  Gattung  Quercus  gegenüber  verhält  sich  die  z^/>/ö?c7//c7- Raupe  ver- 
schieden: Die  Hauptfraßpflanze  ist  die  Stieleiche,  Quercus  pediDicidata, 
doch  wird  auch  die  Traubeneiche,  Quercus  sessiliflora,  befallen  (siehe 
unten,  S.  252),  wenn  auch  meist  geringer  (stellenweise  sogar  überhaupt 
nicht)!).     Die   nordamerikanischen    Eichen    werden    immer    viel    ge- 


Abb. 


212.    Eichenwald,  von  T.  virhlana  L.  völlig  kahlgefressen.    Nach  Cecconi. 


ringer   befallen    als    unsere    einheimischen    Arten;    die    österreichische    oder 
burgundische   Eiche  (Quercus  cerris')   soll   ganz   verschont  werden;   dagegen 


t7>/^a;/,7-Raupen  besonders  zusagt,  und  gehört  viridana  zu  den  ,, Gerbstoffspezialisten" 
(Grevillius,   1905). 

1)  Der  geringere  Befall  der  Traubeneiche  hängt  vielleicht  mit  dem  späteren 
Austreiben  derselben  zusammen.  Auch  einige  morphologische  Merkmale  können  viel- 
leicht zur  Erklärung  herangezogen  werden,  wie  die  stärker  bewimperten  Schuppen- 
ränder, die  das  Eindringen  in  die  Knospen  erschweren,  oder  die  Büschelhaare  auf 
der  Unterseite  der  Traubeneichcnblätler,  die  der  Stieleiche  fehlen  und  die  mög- 
licherweise einen  Schutz  gegen  Tierfraß  darstellen. 


250  II.  Spezieller  Teil. 

wurden  Quercus  pubescens  auf  der  Krim  und  die  immergrünen  Eichen 
Spaniens  und  Italiens  stark  mitgenommen  i). 

Die  Spinntätigkeit  der  Raupen  bleibt  bis  zuletzt  bestehen.  Bei 
Kahlfraß  hängen  die  Spinnfäden  häufig  wie  Schleier  von  den  Bäumen  und 
umhüllen  auch  mitunter  den  Stamm  völlig,  oder  es  wehen  die  Gespinste  bei 
starkem  Fraß  wie   Fahnen  im  Wind  (Taschenberg). 

Reh  (1907)  erzählt,  daß  die  Räupchen  im  kahlgefressenen  Wald  sich 
in  solchen  Mengen  an  Fäden  herabließen,  daß  „der  Wald  einige  Tage  mit 
einem  dichten  Schleier  erfüllt  war,  der  unwillkürlich  an  die  Schleier  er- 
innerte, die  etwa  im  Tannhäuser  im  Theater  den  Venusberg  halb  verhüllen." 
Und  Wiese  (1861)  berichtet,  daß  Tausende  von  Raupen  an  Fäden  vom 
Blattschirm  der  Eichen  herunterhingen;  wer  durchging,  mußte  beständig  die 
Hände  rühren,  um  Augen  und  Gesicht  von  dem  Gespinst  zu  befreien.  ,;Aber 
nicht  nur  unten  war  dieses  Gespinst,  sondern  der  ganze  Baum  war  mit  einem 
dichten  Gespinst  überzogen,  so  daß  man  anfangs  kaum  glauben  mochte,  daß 
dieses  von  den  kleinen  Raupen  herrühren  konnte." 

Besonders  bevorzugt  werden  freistehende  Althölzer  und  Randbäume  an 
der  Sonnenseite.  Der  Fraß  beginnt  entsprechend  der  Eiablage  in  den  höheren 
und  höchsten  Partien  der  Krone  und  schreitet  von  da  nach  unten  fort,  meist 
durch  Abspinnen  der  Raupen  aus  den  kahlgefressenen  Teilen  auf  die  noch 
belaubten  unteren  Partien  des  Baumes. 

Der  Kot  der  Raupen  wird  von  den  verschiedenen  Autoren  mit  „grobem 
Schießpulver"  verglichen  (Ratzeburg  spricht  von  ausgestreutem  Pirsch- 
pulver.) Eine  eingehende  Beschreibung  des  Kotes  nach  den  verschiedenen 
Raupenstadien  gibt  Gasow;  danach  ist  der  Kot  schwarz  und  zeigt  die  Form 
unregelmäßiger,  länglicher  oder  walziger  Ballen.  Der  Kot  des  letzten 
Stadiums  ist  durch  eine  völlig  rauhe  Oberfläche  und  eine  Einschnürung  in 
der  Mitte  gekennzeichnet.  Die  Größe  der  einzelnen  Kotballen  beträgt  im 
ersten  Stadium  0,08x0,05  mm,  im  letzten  durchschnittlich  0,5x2,5  mm. 
Bei  Massenvermehrungen  kann  man  des  Nachts  das  Kotrieseln,  besonders 
gegen  das  Ende  des   Fraßes  zu,  deutlich  hören. 

Die  Verpuppung  erfolgt  normalerweise  an  der  Stelle  des  letzten 
Fraßes,  also  unter  einem  umgeschlagenen  Zipfel  des  zuletzt  befressenen 
Blattes.  Die  Puppe  ist  dabei  vermittelst  ihres  Kremasters  in  der  seidigen 
Tapete,  die  den  Wickel  von  innen  auskleidet,  verankert,  so  daß  man  beim 
Einsammeln  von  Puppen  oft  ganze  Fetzen  der  Tapete  aus  dem  Wickel 
herauszieht.  Bei  Kahlfraß  findet  die  Verpuppung  zum  Teil  in  den  Rinden- 
ritzen des  Stammes  statt,  wobei  letzterer  wie  „mit  einem  weißen  Filz  über- 
zogen werden  kann"  (Baumgarten,  1924),  oder  auch  am  Unterwuchs,  an 
dem  die  Raupe  selbst  nicht  frißt,  wie  an  Brennessel,  Faulbeere  usw. 
(Krieg   1927). 

Die  junge  Puppe  ist  zunächst  von  der  gleichen  „krassen  Grünfärbung", 
die  die  Raupe  kurz  vor  der  Verpuppung  zeigt.  Vom  Rücken  her  tritt  dann 
allmählich  die  Verfärbung  in  Braun,  meist  bis  zum  satten  Schwarz  ein, 
wobei  die   Flügel  am  längsten  ihre  anfängliche  Grünfärbung  behalten. 


^)  Smits  von  Bürgst  (1926)  macht  darauf  aufmerksam,  daß  man  bisweilen 
mitten  unter  kahlgefressenen  einzelne  völlig  verschonte  Individuen  der  gleichen  Art 
finden  kann,  so  daß  wohl  auch  individuelle  Verschiedenheiten  bezüglich  der  An- 
fälligkeit vorkommen. 


I.  Unterordnung:    Micro) epidoptera,   Familie  Tortricidae.  251 

Die  Verpuppung  findet  in  Deutschland  im  allgemeinen  von  Ende  Mai 
bis  Mitte  Juni  statt  i).  Die  Dauer  der  Puppenruhe  beträgt  14  Tage  bis 
3  Wochen;  bei  Gasow  finden  sich  folgende  Angaben  über  die  Zeit  der 
Puppenruhe:  einerseits  2.  Juni  bis  24.  Juni,  also  22  Tage,  andererseits  23.  Juni 
bis  8.  Juli,  also  15  Tage. 

Die  Schlüpfzeit  hängt  wesentlich  von  den  Witterungsverhältnissen  im 
Mai  und  Juni  ab:  Ist  während  dieser  Zeit  die  Zahl  der  Regentage  unter  dem 
Normalwert,  die  Sonnenscheindauer  dagegen  über  demselben,  so  liegt  der 
Höhepunkt  der  Schlüpfzeit  bedeutend  früher  als  in  Jahren  mit  regenreichem 
und  sonnenarmem  Juni  (Gasow  1926). 

Die  Gesamtentwicklung  des  Eichenwicklers  beträgt  also  ca.  12  Monate 
nach   der   Bioformel: 

6P,4  — 5 

5a       -]_6P  7a 

Von  verschiedenen  Autoren,  angefangen  von  Rösel  von  Rosenhof 
(1746)  und  Bechstein  (1805)  bis  Kaltenbach  (1874)  wird  das  Vor- 
kommen einer  2.  Generation  angegeben  (mit  Flug  im  Mai  und  September). 
Auch  noch  in  neuerer  Zeit  behauptet  Baumgartner  (1912),  daß  er  Ende 
September  und  im  Oktober  frischgeschlüpfte  vir/dana-Räupchen  in  großer 
Zahl,  teils  sich  abspinnende,  teils  an  Stämmen  hinauf  kriechende,  beobachten 
konnte;  er  meint,  daß  der  abnorm  heiße  und  trockene  Sommer  die  Entwick- 
lung des  Embryos  so  gefördert  habe,  daß  die  Räupchen  ausnahmsweise  be- 
reits im  Herbst  ausgefallen  seien. 

Die  meisten  Autoren  (darunter  Ratzeburg,  Nitsche,  Alt  um)  be- 
streiten aber  das  Vorkommen  einer  2.  Generation;  bezüglich  der  im  Herbst 
beobachteten  Räupchen  dürfte  eine  Verwechslung  mit  einer  anderen  Wickler- 
art vorgelegen  haben. 

Gasow  kommt  auch  durch  ein  eingehendes  Studium  der  Embryonal- 
entwicklung und  durch  Versuche,  diese  experimentell  zu  beeinflussen,  zur 
strikten  Ablehnung  einer  2.  Generation.  Die  Embryonalentwicklung  kommt 
während  der  Wintermonate  (im  Gegensatz  zu  anderen  überwinternden  Eiern) 
nicht  zum  Stillstand,  macht  also  keine  Latenz  durch,  sondern  schreitet  stetig, 
wenn  auch  zeitweise  sehr  langsam  („Pseudolatenz")  vorwärts.  Andererseits 
läßt  sie  sich  durch  Einwirkung  hoher  Temperaturen  nicht  oder  nur  un- 
wesentlich beschleunigen,  so  daß  eine  durch  besonders  heiße  Sommer  ver- 
anlaßte  2.  Generation  so  gut  wie  ausgeschlossen  erscheint. 

Epidemiologie  und  forstliche  Bedeutung. 
Nach  Gasow  wurden  in  Westfalen,  „der  klassischen  Gegend  für 
Eichenwicklerfraße,"  die  reinen  oder  fast  reinen  Bestände  weitaus 
stärker  befallen  als  gemischte  Bestände.  Ferner  sind  dort  die  Stieleichen 
deutlich  bevorzugt  worden,  wenngleich  „auch  die  Traubeneiche  nicht  ver- 
schont wurde".   Auch  andere  Autoren  heben  diese  Bevorzugung  der  Stieleiche 


1)  Die  Verpuppungszeit  kann  selbst  im  gleichen  Jahr  und  in  gleicher  Gegend 
starken  Schwankungen  unterworfen  sein,  je  nach  Lage  der  einzelnen  Reviere.  Nach 
Krieg  (1927)  waren  in  Westfalen  im  Jahre  1927  die  Raupen  Ende  Mai  in  fast 
sämtlichen  Revieren  ausgewachsen  und  begannen  sich  zu  verpuppen,  während  in  dem 
durch  kühle  und  feuchte  Lage  ausgezeichneten  Revier  Brand  die  Raupen  oft  noch 
nicht  einmal  die  4.  Häutung  hinter  sich  hatten  und  am  7.  Juni  noch  keine  Puppe  zu 
finden  war. 


252 


II.  Spezieller  Teil. 


hervor.  Andererseits  kennen  wir  auch  Fälle,  in  denen  große,  fast  ausschließ- 
lich aus  Traubeneichen  bestehende  Bestände  vom  Eichenwickler  kahl- 
gefressen wurden,  wie  im  Spessart  und  in  der  Rheinpfalz,  wo  1926  der  Kahl- 
fraß sich  über  große  Flächen  erstreckte.  Im  Süden  leiden  besonders  die 
immergrünen  Eichen  unter  viridana-Yx-&.^. 

Bevorzugt  werden  zunächst  ältere  und  einzeln  stehende  Bäume  und 
kleinere  Baumgruppen  i),  ferner  sonnige  Ränder  und  warme  Lagen.  Bei 
starker  Vermehrung  werden  alle  Altersklassen  bis  zur  Dickimg  mitgenommen. 
Ratzeburg  erwähnt  einen  Fraß  in  dem  bei  Wittenberg  gelegenen  Revier 
Garbe,  der  einen  20  jährigen  Stangenort  betraf. 

Die  Bodenverhältnisse  scheinen  keinen  allzu  großen  Einfluß  auf  die 
Wicklergradationen  zu  haben,  wenigstens  hat  die  verschiedene  Azidität  des 


Cenh-afürfeuchHalfe 
Perioden 
mr  und  17tO 


ct^rs.um  19iS 

oder  ■J9?0 

1919 


Centrafürtrockenwarmt 
Perioden  vor  und  um 


Abb. 


213.     Schematische    Darstellung    der    Klimaschwankungen    und    Eichenwickler- 
kalamitäten.   Nach   Gasow. 


Bodens  nicht  die  geringste   Einwirkung  auf  den  Grad  der  Befallsstärke  er- 
kennen lassen. 

Über  die  Beziehungen  zwischen  Gradation,  Witterung  und 
Klima  hat  Gasow  eingehende  Untersuchungen  angestellt,  die  aber  zu  wenig 
greifbaren  positiven  Ergebnissen  geführt  haben.  Er  glaubt  zwar  zwischen 
den  großen  Klimaschwankungen  (Brückner!)  und  den  Eichenwickler- 
gradationen insofern  einen  Zusammenhang  annehmen  zu  können,  als  die 
Mehrzahl  der  letzteren  in  die  „trockenwarmen  Perioden"  fallen,  ohne  daß  sie 
allerdings  mit  dem  Zentrum  derselben  zusammenfallen.  „Sie  können  viel- 
mehr vorher  oder  nachher  liegen,  auch  als  Periode  von  einem  Zeitpunkt  vor 
dem  trocken-warmen  Zentrum  sich  über  dasselbe  hinweg  bis  zu  einem  Zeit- 
punkt nach  demselben  hinziehen."  „Wir  müssen  eine  Beeinträchtigung  der 
Massenvermehrung  des  Eichenwicklers  durch  eine  eintretende  naßkalte  Pe- 


1)   Backe   (1925)  berichtet,   daß  auch  einzelne,  inmitten  ausgedehnter   Kiefern- 
bestände stockende  Eichen  und  Eichengruppen  befallen  werden. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  253 

riodc  annehmen,  wenn  auch  einmal  eine  Fraßperiode  (1879 — 1888)  in  die 
naßkalte  Periode  gefallen  ist;  auch  bei  jener  lag  allerdings  der  Höhepunkt 
jenseits  von  deren  Zentrum"  (x'Ybb.  213). 

Von  bedonderer  Bedeutung  scheint  die  Witterung  zur 
Zeit  kurz  nach  dem  Schlüpfen  der  Räupchen  zu  sein,  also  Ende 
April  bis  anfangs  Mai.  Geringe  Niederschläge  um  diese  Zeit  sind  als  be- 
günstigende Faktoren  zu  werten,  da  heftige  Niederschläge  die  jungen  Ei- 
räupchen  daran  hindern  dürften,  in  die  Schuppen  einzudringen.  „Einmal  in 
den  Knospen  befindlich  oder  hernach  in  dem  jungen  Laub,  ist  das  Räupchen 
gegen  die  Unbilden  der  Witterung  in  hohem  Maße  geschützt.  Selbst  heftige 
Spätfröste  dürften  dem  Schädling  nur  dann  verderblich  werden,  wenn  das 
Laub  erfriert,  so  daß  er  verhungern  muß."  Auch  die  älteren  Raupenstadien, 
die  Puppen  und  Falter,  sind  recht  widerstandsfähig  gegen  Witterungsein- 
flüsse, worauf  schon  Ratzeburg  hingewiesen  hat.  Nur  länger  dauernde 
starke  Regen  können  den  Flug  und  die  Eiablage  vermindern.  „Es  müssen 
schon  ganz  katastrophale  Witterungsverhältnisse  sein,"  schreibt  Gasow,  „die 
eine  radikale  Vernichtung  der  Imagines  zur  Folge  haben  können  bzw.  sehr 
wesentlich   in   das    Fortpflanzungsgeschäft    einzugreifen   vermögen". 

Die  Dauer  der  z>ir/da/ia-Gra.dationen  ist  sehr  verschieden  lang.  Virt- 
dana  gehört  zu  den  hartnäckigen  Schädlingen,  deren  Fraß  an  besonders 
disponierten  Orten  sich  über  mehrere  Dezennien  hintereinander  mit  kurzen 
Unterbrechungen  und  abwechselnder  Stärke  erstrecken  kann.  In  Reck- 
linghausen (Westfalen)  dauerte  eine  Fraßperiode  11  Jahre  (1878— 1888);  in 
der  Oberförsterei  Haste  (Kreis  Minden)  traten  in  einem  Zeitraum  von  über 
20  Jahren  fortwährend  Schädigungen  durch  den  Eichenwickler  auf.  Durch- 
schnittlich sind  die  Gradationen  allerdings  von  kürzerer  Dauer,  und  eine 
Fraßdauer  von  3 — 4  Jahren  dürfte  das  Gewöhnliche  sein.  Volz  (1926)  gibt 
folgende  Angaben  über  das  Auf  und  Ab  der  Gradationen  in  dem  Württem- 
berger Revier  Herrenberg:  „Erstmaliges  Massenauftreten  (seit  seinem  Amts- 
antritt 1900)  im  Jahre  1905,  dauerte  bis  191  o,  besonders  stark  in  den 
Jahren  1907  und  1908,  191 1  Abflauen,  1912  nur  noch  wenig  und  an  ein- 
zelnen, zerstreuten  Orten,  mit  Ausnahme  des  Herrenberger  Spitalwaldes 
(Muschelkalkrücken),  der  überhaupt  immer  am  reizbarsten  war.  191 3  und  14 
(Eichelmastjahr)  frei,  191 5 — 18  unbekannt,  1919 — 21  frei.  1922  leicht,  zer- 
streut, vereinzelt  (Eichelmast  jähr).  1923  erhebliches  Fraß  jähr,  da  und  dort 
Kahlfraß.  1925  Kahlfraß  selten,  Auftreten  immer  noch  erheblich,  jedoch 
einzeln  und  gruppenweise  zerstreut  über  das  ganze  Revier.  1926  starkes 
Abflauen,  große  Strecken  ganz  frei,  dagegen  Spätfrost  am  9. /lo.  Mai.  Ferner 
1926  ungeheuer  starkes  Auftreten  des  Mehltaus,  der  bis  in  die  Gipfel  der 
höchsten  Eichen  hinaufsteigt.  Die  Traubeneiche  1926  allenthalben  ganz  frei, 
gut  austreibend  und  nachher  schön  belaubt.  Sie  war  auch  in  den  früheren 
Jahren  immer  weniger  befallen  als  die  Stieleiche." 

Die  Krisis  der  Gradation  wird,  wie  oben  ausgeführt,  nur  selten 
durch  Witterungsverhältnisse  herbeigeführt,  dagegen  sind  meist  zahlreiche 
Feinde  dabei  beteiligt. 

In  erster  Linie  stehen  wieder  die  Parasiten^),  von  denen  ein  ganzes 
Heer  aus  viridana  gezogen  wurde. 

1)  Zahlreich  sind  die  Arbeiten  über  die  evA/V/iJ/zß-Parasiten;  ich  nenne  von  ihnen 
neben  Ratzeburg  vor  allem  Silvestri  (19231,  Scott  (1922)  und  Han- 
cock (1926L 


254 


II.  Spezieller  Teil. 


Von  Schlupfwespen  seien  hier  genannt : 

Ichneumonidae :  Livnn-r'Kini  olbidum  Gm.,  Exochus  globuUpcs  Desv.,  Canif^o- 
■plex  intcrnieijiiis  Rtzb.,  Gly pl<i  runl ricosa'R.x.i^a.,  flavolineataGx2j\-.,Phaeogenesstimu- 
lator  Gr.,  Diadromus  caiulUlalus  Gr.,  Pezomachus  rusticus  Frst.,  PJiyiodiaeius  cory- 
phaeus  Gr.,  polygoniiis  Forst.,  segmenlator  Gr.,  Omorgus  difformis  Gm.,  Pimpla 
brassicariae  Poda,  flavicans  L.,  flavipes  Gr.,  turionella  L.,  scanica  Gr.,  calobata  Gr., 
eyaininator  F.,  insligator  F.,  flavicoxis  Th.,  graminellae  Schrk.,  nigriscaposa  Th., 
quadridentata  Th.,  i/u/itisitor  Sc,  maculator  F.,  pictipes  Gr.,  rufata  Gm.,  luicitm 
Rtzb.,  Theronia  aialantae  Poda,  Lissonota  sternalis  Costa,  dubia  Hlmgr.,  Hei)iileles 
areator  Pz.,  scabriusculus  Th.,  Labrorliyclins  uigricornis  Wesm.     Braconidae:  Eulxi- 


C  D 

Abb.    214.     Verschiedene    Schlupfwespen   von   Torlrix    viridana    L.     A    Pi/upla    macu- 
lator F.,  B  Pimpla  rufata  Gm.,   C  Phaeogenes  stimulator  Gr.,  D  Meteorus  cinctelliis 
Nees.    Nach   Silvestri. 


dizon  extensor  L.,  Macrocentrus  thoracicus  Nees.,  abdominalis  F.,  Meteorus  cinc- 
tellus  Nees.,  Oncophanes  lanceolator  Nees.,  Microdus  rufipes  Nees.  Chalcididae: 
Comedo  larvarum  L.,  longicornis  Th.,  Chalcis  intermedia  Nees.,  Elac/iistus  obscu- 
ripes  Rtzb.,  Monodontomerus  aereiis  v.  viridattae  Mayr.,  detitipes  Boh.,  Eulelus  tibi- 
alis  Wlk.,  Pteromalus  cupreus  Nees.   und  deplanatus  Nees. 

Die  meisten  der  hier  aufgeführten  Arten  sind  Raupenparasiten,  die 
in  die  Puppe  übergehen.  Als  häufigste  und  wirksamste  Schlupfwespen  wer- 
den von  verschiedenen  Autoren  und  aus  verschiedenen  Gegenden  Pimpla 
maculator  F.  und  rufata  Gm.  (Abb.  214A  u.  B)  bezeichnet.  Bordas  (1917) 
nennt  die  letztere  „le  sauveur  denos  vieilles  forets  des  ebenes  et  Tun  des  plus 
precieux  auxiliaires  de  I'agriculture".  Gasow  erhielt  aus  seinen  zahlreichen 
Zuchten   in   Westfalen   meist   Pimpla   maculator    F.,    quadridentata   Th.   und 


Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


255 


ruf  ata  Gm.,  wobei  die  erstere  Art  meist  stark  überragte  i).  Silvestri  (1923) 
stellte  in  Italien  als  wichtigsten  Parasiten  Phaeogenes  stimulator  Gr.  (Abb. 
214  C)  fest  (570/0  Parasitierung). 

Von  Tachinen  nennt  W.  Baer  in  seiner  Monographie  drei  Arten  als 
viridana-VdiX'Ä.sil^n:  Actia  pilipennis  Fall.  (Abb.  215),  crassicornis  Meig.  und 
Prosopaea  fugax  Rond.,  sämtliche  typische  Kleinschmetterlingsschmarotzer 2). 

Diesen  fügt  Silvestri  (1923)  noch  folgende  Arten  hinzu:  Nemorilla 
maculosa  Meig.  (kommt  noch  in  verschiedenen  Tortriciden  vor,  wie  Acalla 
ferrugana  Tr.,  Cacoecia  murinana  Hb.  usw.),  Zenillia  roscanae  B.  B.,  Compsilura 
concinnata  Meig.  (eine  sehr  polyphage  Tachine,  die  vor  allem  in  zahlreichen 
Spinnern  und  Eulen  parasitiert  und  von  Kleinschmetterlingen  bisher  nur  aus 
Gespinstmotten  gezogen  wurde),  Pales  pavida  Meig.  (ebenfalls  sehr  polyphag 
in  Spinnern  und  Eulen,  ferner  aus  Acalla  ferrugana  Tr.  gezogen),  Phytomy- 
ptera  nitidiventris  Rond  (als  Traubenwicklerparasit  bekannt,  Verpuppung  im 
Wirt)  und  Dischochaeta  evonymellae  Rtzb.  (bisher  hauptsächlich  aus  Gespinst- 
motten gezogen).  Hierzu  nennt  G  a  s  o  w 
noch :  Lydella  angelicae  Meig.  und 
Plesina  maculata  Fall.  (Rhinophorine). 

Von  räuberischen  Arthro- 
poden werden  als  Feinde  von  e^//'/ö'c7//(^/ 
vor  allem  genannt  die  beiden  Puppen- 
räuber (Calosoma  sycophanta  L. 
und  Inquisitor  L.)  und  Silpha  quadri- 
puiictata  L.  (W ahnschaffe  1 864, 
Lüstner  1909,  Schuster  1906); 
sodann  Ameisen  (Silvestri  führt 
besonders  Forinica  gagates  Latr.  an), 
und  endlich  ,,  B  a  u  m  w  a  n  z  e  n  "  und 
Spinnen.  Auf  letztere  hat  schon 
Rösel  von  Rosenhof  hingewiesen, 
ebenso  Wahnschaffe  (1864),  Taschenberg 
(1908). 

Unter  den  Verteb  raten  spielen  die  Vögel  als  evV/ö'.rwrz- Vernichter 
zweifellos  die  wichtigste  Rolle,  die  in  zahlreichen  Arbeiten  behandelt  wird, 
am  ausführlichsten  von  Gasow,  der  alle  einschlägigen  Angaben  in  der 
Literatur  herangezogen  hat.  Es  werden  da  etwa  40  Vogelarten  als  viridana- 
Vertilger  aufgeführt.  Auf  der  Zusammenstellung  Gasows  fußend  gibt 
A.  von  Vietinghoff  (1929)  eine  sehr  anschauliche  Schilderung  von  den 
Beziehungen  zwischen  Vogelwelt  und  ?7/>/ö'«/'/c?-Vermehrung,  der  wir  folgende 
Stellen  entnehmen: 

„Ins  Auge  fallend  ist  die  Erregung,  die  sich  fast  der  gesamten  ende- 
mischen   und    nichtendemischen    Vogelwelt    bei     Massenvermehrungen    des 


Abb.   215. 


Actia   pilipennis    Fall. 
Silvestri. 


Nach 


(F.  J.)     und    Walther 


1)  Unter  den  267  Stück  Schlupfwespen,  die  Gasow  aus  1328  Wicklerpuppen 
erzog,  waren  189  Pimpla  maculator  F.,  48  Pimpla  quadridentata  Th.  und  21  Pi?npla 
ruf  ata  Gm. 

-j  Prosopaea  fugax  Rond.,  die  ein  wichtiger  Parasit  des  ,,Springvvurms"  ist 
(Weinschädling),  hat  zwei  Generationen,  von  denen  die  erste  vswiridana.  in  Gespinst- 
motten usw.  lebt  und  die  zweite  in  den  Springwurm  übergeht.  Schwangart  hat 
daher  zur  Bekämpfung  des  letzteren  empfohlen,  Gespinstmottenraupen  durch  Anbau 
von  Pfaflenkäppchen  usw.  in  die  Weinberge   zu  bringen. 


256  II.  Spezieller  Teil. 

Eichenwicklers  mitteilt,  auf  jeden  Fall.  Der  durch  menschliche  Kultur 
massenweise  gezüchtete  Star  fällt  in  riesigen  Scharen  in  die  Befallsherde 
ein.  Auf  die  Krähen  und  Dohlen  übt  die  Gradation  geradezu  eine 
saugende  Wirkung  aus,  die  Schwalben  streichen  an  den  Waldrändern 
entlang  und  schnappen  die  Falter  auf  oder  fangen  die  sich  an  Fäden  herab- 
lassenden Raupen  auf.  Von  den  Finkenvögeln  sind  es  allein  acht  Arten, 
die  dem  Eichenwickler  nachstellen,  bei  manchen  macht  sich  sogar  eine  voll- 
ständige Umschaltung  aller  ökologischen  und  nahrungsbiologischen  Ten- 
denzen bemerkbar. 

„Das  sind  auf  jeden  Fall  Vögel,  deren  Besiedlung  und  Vermehrung 
gerade  die  Kultur  direkt  Vorschub  geleistet  hat.  Aber  unter  den  etwa 
40  Arten  umfassenden  Vögeln,  die  wir  bisher  als  Vertilger  des  Eichenwicklers 
kennen,  sind  auch  viele,  denen  die  Kultur  Abbruch  getan  hat,  nur  scheinen 
sie  gerade  dort,  wo  der  Wickler  zur  Massenvermehrung  schreitet,  noch  in 
einer  Dichte  vorhanden  zu  sein,  die  dem  Ausgleichsprinzip  der  Natur  ent- 
spricht. Buntspechte  sind  oft  so  vertieft  in  ihre  Vertilgungsarbeit,  daß 
sie  sich  nicht  einmal  durch  Schüsse  stören  lassen.  Im  Magen  des  Grün- 
spechts wurden  schon  über  30  Raupen  und  12  Puppen  gefunden.  Pirole 
durchstreifen  gemeinsam  die  Eichenkronen.  Ansammlungen  von  Kuckucken 
in  den  befallenen  Beständen  bilden  eine  fast  regelmäßige  Erscheinung  der 
mrida//a-Kala.mitäten.  Im  Magen  der  Nachtschwalben  werden  Reste 
von  Eichenwicklern  wohl  kaum  mehr  zu  identifizieren  sein.  Trotzdem  liegt 
die  Vermutung  nahe,  daß  sie  Jagd  auf  die  schwärmenden  Falter  machen, 
dagegen  ist  nachgewiesen,  daß  sich  Mengen  von  Raupen  des  Eichenwicklers 
im   Magen  von  Ringeltauben  gefunden  haben. 

,,Sehr  wichtig  scheint  die  Rolle  der  Meisen,  Laubvögel  und  Gras- 
mücken. Schwanzmeisen  schleppten  innerhalb  8  Tagen  2000  Raupen 
des  Eichenwicklers  in  ihr  Nest  zum  Füttern  der  Jungen.  Die  Blaumeise 
erwähnt  schon  Alt  um  als  hervorragenden  Vertilger,  weil  sie  die  Kronen  der 
höchsten  Waldbäume  absucht;  Nonnen meise  und  Kohlmeise  werden 
ihr  kaum  nachstehen,  auch  der  Kleiber.  Wie  die  Blaumeise  unter  den 
Paridae,  so  übertrifft  der  Weidenlaubvogel  unter  den  Muscicapidae  seine 
Gattungsverwandten.  Auch  ihm  singt  schon  AI  tum  ein  Loblied  wegen  der 
Baumhöhen,  die  seine  Wirksamkeit  erreicht  und  seines  nie  gestillten  Hungers. 
Aber  auch  Fitis-  und  Waldlaubvogel  sind  zu  den  Vertilgern  zu 
rechnen,  von  den  übrigen  Singvögeln  Zaungrasmücke,  Gartengras- 
mücke, Nachtigall  und  Baumpieper.  Zu  versagen  scheinen  die 
Drosseln,  trotzdem  gerade  sie  dem  Biotyp  der  Wicklerkalamität  angehören. 
Als  einziger  Vertilger  ist  die  Amsel  nachgewiesen.  Hier  müssen  aber  noch 
weitere   Untersuchungen  einsetzen. 

„Trotz  der  eben  skizzierten,  oft  geradezu  fieberhaften  Tätigkeit  der 
Vogelwelt,  trotzdem  viele  von  ihnen,  nicht  selten  die  Hauptvertilger,  von  der 
Natur  begünstigt  werden,  steht  folgendes  fest:  die  Wicklerkalamitäten  haben 
nicht  abgenommen,  eher  zugenommen,  und  zwar  nach  Ausbreitung  und  In- 
tensität. 

„Um  es  vorwegzunehmen:  wir  sind  der  Ansicht,  daß  in  dem  Befalls- 
gebiete von  Tortrix  viridana  L.  die  Vogelwelt  wahrscheinlich  einer  durch- 
aus normalen  Besiedlungsdichte  entspricht,  wobei  nicht  ausgesprochen  werden 
soll,  daß  diese  Dichte  nicht  gesteigert  werden  kann.  Aber  einmal  kann  die 
künstliche  Steigerung  der  Brutgelegenheit  und  Reduzierung  der  von  außen 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  257 

drohenden  Gefahr  eine  vorübergehende  sein  (Rückschläge  durch  zu  dichte 
Besiedlung  erleben  wir  im  Wald  allenthalben).  Zum  andern  kennen  wir  noch 
nicht  die  Auswirkung  einer  zu  dichten  Besiedlung  auf  lange  Sicht.  Zum 
dritten:  Wie  sollen  wir  die  dichtere  Besiedlung  vornehmen?  Sollen  wir  nur 
die  kleineren  Vögel  ansiedeln  oder  auch  die  ihnen  zwar  im  Moment  der 
Katastrophe  assoziierten,  unter  normalen  Bedingungen  ihnen  selbst  schäd- 
lichen Corviden? 

„In  der  Besiedlung  der  Höhlenbewohner:  Spechte,  Hohltauben,  Trauer- 
fliegenschnäpper, Wendehals,  Meisen  und  auch  bedingt  der  Stare,  scheint 
uns  ein  Weg  offen,  die  Lücke,  die  durch  Rationalisierung  der  Baumzucht 
vorhanden  ist,  auszufüllen.  Ausschlaggebend  im  Sinne  der  Aufhebung  der 
Wicklergefahr  halten  wir  diese  Maßnahmen  dennoch  nicht.  Daß  sie  aber 
lokal  • —  und  sei  es  durch  anormale  Besiedlungsdichte!  —  helfen  können, 
beweisen  die  Erfolge  des  Freiherrn  von  B  e  r  1  e  p  s  c  h  in  Seebach  und  des 
Oberamtmanns  Behr. 

„Trotzdem  es  uns  vielleicht  lokal  und  zeitlich  begrenzt  gelingen  wird, 
durch  Vogelschutz  eine  Gradation  des  Wicklers  zu  verhüten,  sprechen  die 
Tatsachen  nicht  dafür,  daß  diese  Maßnahmen  als  Allheilmittel  zu  betrachten 
sind.  Dagegen  spricht  vor  allem  die  Geschichte  der  Kalamitäten,  dagegen 
auch,  daß  die  Kalamitäten  sich  in  denjenigen  Biotypen  ereignen,  deren  so- 
genannte „Schutzwirkung"  im  Sinne  der  Mischwaldtheorie  eine  ideale  ge- 
nannt werden  muß." 

Eine  nur  sehr  untergeordnete  Rolle  spielen  andere  Vertcbraten:  Hugo 
Otto  (1916)  gibt  an,  daß  in  feuchten  Wäldern  die  Grasfrösche  an  der  Ver- 
tilgung der  zn'rida/m-Raupen  sich  beteiligt  hätten.  Nach  Nördlinger  hat  die 
Zauneidechse  (Lacerta  agilis  L. )  in  der  Bretagne  auf  den  Büschen  sitzend  Jagd  nach 
dem  Eichenwickler  gemacht,  und  Jordan  hat  einmal  Eichhörnchen  beob- 
achtet, wie  sie  viridana-^VM^ftn  aus  den  Verstecken  hervorgeholt  und  gefressen  haben 
(Escherich  F.  Bd.  I,   227). 

Folgen  des  Fraßes,  forstliche  Bedeutung. 
Die  nächste  Folge  des  Fraßes  ist  gewöhnlich  eine  Verfrühung  des 
Johannistriebes,  der  dann  ungefähr  14  Tage  vor  dem  regelmäßigen  Zeit- 
punkte eintritt.  Da  die  Eiche  sehr  reproduktionskräftig  ist,  und  da  der  Fraß 
früh  erfolgt,  so  schimmern  an  nicht  zu  alten  Stämmen  die  Kronen  zuerst  im 
äußersten  Wipfel  schon  Ende  Mai  wieder  grün,  und  prangen  im  Juni  im 
schönsten  hellen,  anfangs  etwas  rötelnden  Frühjahrsgrün.  Am  meisten  treiben 
die  Knospen  des  i — 2  jährigen  Holzes  und  die  Spitzenknospen  der  Maitriebe, 
auch  Blattachselknospen  der  letzteren,  wenn  sie  recht  kräftig  sind.  Dies  neue 
Grün  bleibt  oft  bis  zum  Schneefall  (Wiese  1861,  495).  Feuchte  Witterung 
begünstigt  das  Wiedergrünen.  In  den  Jahren,  in  welchen  der  Wickler  nicht 
massenhaft  erscheint  und  die  Bäume  nur  etwas  durchfressen  sind,  leidet 
wenigstens  die  Mast,  wodurch  die  Verwaltungen,  welche  Saateicheln 
brauchen,  oft  viele  Jahre  hintereinander  in  Verlegenheit  kommen.  Noch 
größer  ist  die  Beeinträchtigung  der  Mast  natürlich  bei  Kahlfraß,  und  der 
Ausfall  wird  namentlich  dort  empfindlich,  wo  sie  eine  wichtige  Nebennutzung 
bildet,  also  im  Osten  und  Süden  i). 

1)  Krichler  (1890)  berichtet  aus  Guadalupe  in  Spanien,  daß  fünf  Jahre 
hintereinander  dort  die  Mast  der  immergrünen  Eichen  durch  den  Eichenwickler 
vernichtet  worden  sei,  so  daß  im  Jahre  1889  ein  räumdiger  Bestand  von  70000  alten 
immergrünen  Eichen,  der  normalerweise  1200  Schweine  mästen  konnte,  nur  für 
120   Futter   lieferte. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  17 


258  II.  Spezieller  Teil. 

Ein  weiterer  Verlust  besteht  in  der  Verringerung  des  Zuwachses. 
Die  Bäume  werden,  da  durch  die  starke  Ausbildung  des  Johannistriebes  viel 
Reservenahrung  verbraucht  wird,  und  überhaupt  der  ganze  Ernährungsprozeß 
abnorm  verläuft,  sehr  erschöpft.  Eichen,  welche  oft  angegriffen  werden  und 
nicht  absterben,  erreichen  nie  eine  bedeutende  Höhe,  indem,  wie  namentlich 
Ratzeburg  genauer  ausführt  (F.  II,  S.  153 — 158),  bedeutende  Störungen 
in  der  normalen  Triebausbildung  erfolgen.  Allgemein  wird  ferner 
hervorgehoben,  daß  infolge  wiederholten  Kahlfraßes  oft  Zweigspitzen 
und  Äste  in  den  Kronen  alter  Eichen  dürr  werden  und  so  eine 
Rückbildung  der  Kronen  erfolgt,  die  nach  und  nach  ganz  üble  Mißgestalten 
annehmen  können   (Volz    1926). 

Ein  Absterben  der  Bäume  als  direkte  und  alleinige  Folge 
des  Wicklerfraßes  ist  nur  selten  beobachtet  worden.  Solches  wird  aus  West- 
falen einmal  gelegentlich  für  einzelne  Bäume  in  jüngerem  Stangenholzalter 
berichtet,  ebenso  aus  dem  Rheinland. 

Dagegen  spielt  der  Wickler  als  Glied  in  einer  Kette  schädigender  Ein- 
wirkungen in  der  Ätiologie  des  in  der  neueren  Zeit  in  verschiedenen  Gegen- 
den (vor  allem  Westfalen)  immer  mehr  um  sich  greifenden  Eichen - 
Sterbens  zweifellos  eine  nicht  unwesentliche  Rolle.  Falck  (1920)  unter- 
scheidet für  den  Verlauf  der  tödlichen  Eichenerkrankungen  drei  Phasen: 

1.  physiologische     Schwächung     (Durstperiode,     Raupenfraß,     Spät- 
fröste usw.), 

2.  parasitäre  Vorerkrankung  (Mehltau,  Buprestiden)  und 

3.  parasitäre  Enderkrankung  (Rindenpilz,  Hallimasch). 

Wenn  auch  nicht  alle  diese  Phasen  überall  festzustellen  waren,  so  war  doch 
meist  Wicklerfraß  vorhanden. 

Bezüglich  der  Bedeutung  des  Wicklerfraßes  als  dispositionsschaffend 
für  Mehltau  macht  Falck  darauf  aufmerksam,  daß  für  gewöhnlich  nur  ein- 
bis  zweijährige  Sämlinge  und  junge  Loden  durch  den  Eichenmehltau  total 
befallen  und  getötet  werden,  ältere  Pflanzen  dagegen  nur  dann,  wenn  sie  sich 
bei  besonderer  physiologischer  Disposition,  d.  h.  in  geschwächtem  Zustand 
befinden.  Ein  solcher  wird  aber  durch  wiederholten  Kahlfraß  durch  den 
Wickler  herbeigeführt,  in  besonders  verstärktem  Maß  natürlich,  wenn  der 
Fraß  in  Dürrjahre  fällt.  Die  Annahme  eines  Zusammenhanges  zwischen 
Wicklerfraß  und  Mehltau  scheint  auch  dadurch  eine  Bestätigung  zu  erfahren, 
daß,  wie  Falck  mehrfach  feststellte,  dem  Grad  des  ersteren  auch  der  Grad 
der  Pilzinfektion  entsprach.  Nach  Baltz  (1918)  ist  die  2.  der  Falckschen 
Phasen,  die  parasitäre  Vorerkrankung  (Mehltau,  Buprestiden)  durchaus  nicht 
notwendig,  um  zur  Enderkrankung  zu  führen;  es  kann  diese  (Hallimasch) 
auch  direkt  auf  den  Wicklerfraß  und  Durstperioden  folgen.  Endlich  kann  aber 
das  Absterben  auch  schon  in  der  2.  Phase  erfolgen,  wie  Gasow  speziell  in 
den  auf  besten  und  feuchtesten  Böden  stockenden  Beständen  zu  beobachten 
Gelegenheit  hatte.  Hier  mußte  der  starke  Wicklerfraß  eine  besonders  tief- 
greifende physiologische  Wirkung  auf  die  Bäume  ausgeübt  haben  (vor  allem 
in  dem  Dürr  jähr  1921);  das  Eichensterben  trat  ohne  Dazukommen  von 
Mehltau  als  Folge  von  Buprestidenfraß  ein.  Wir  haben  demnach  ver- 
schiedene Wege,  die  zum  Eichensterben  führen,  deren  Ausgangspunkt  aber 
stets  der  Wicklerfraß  ist,  nämlich: 

Wicklerfraß  (bzw.  Dürrjahre)  —  Mehltau  (oder  Buprestiden)  —  Halli- 
masch oder  Rindenpilz. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  259 

Wicklerfraß   (bzw.  Dürrjahr)  —   Hallimasch. 

Wicklerfraß   (bzw.  Dürrjahr)  —  Buprestiden. 

Es  braucht  natürlich  nicht  immer  der  Wickler  allein  zu  sein,  der  den 
ersten  Anstoß  gibt,  sehr  häufig  helfen  andere  Raupen  beim  Kahlfraß  mit, 
wie  Goldafter,  Schwammspinner  i). 

Welchen  Umfang  das  Eichensterben  infolge  der  angeführten  Schädi- 
gungen in  Westfalen  stellenweise  angenommen  hat,  geht  aus  folgendem  Bei- 
spiel hervor:  Im  Gräflich  von  Stolbergschen  Forstrevier  Diersfordt  (Wesel) 
mußten  in  zusammen  3,04  ha  130  jährigem,  frohwüchsigem,  lichtem  Eichen- 
bestand wegen  Absterbens   ausgehauen  werden: 

1921:     90  Stämme  mit  Sa.  122  fm 
1922:      54  „  ,,     ,,    100    „ 

Sa.   144  Stämme  mit  Sa.  222  fm. 

Geschichtliches-). 

Übersicht   über   die    wichtigsten   Virida na-Kalamitäten   in 
Deutschland. 

1744  Thüringen    (Bechstein,    1805). 

1798  Thüringen    (Bechstein,    1805). 

1826 — 1836  Magdeburger  Eibforsten  (Mey erinck,  1836). 

1827 — 30  Hannover-Braunschweig. 

1854  Pommern    (Heß -Beck). 

1856  Hessen. 

1858  Odenwald    (Gasow). 

1858/59  Pommern  (Wiese,   1861). 

1862— 1864  Berliner   Tiergarten    (Israel,    1906,    Wahnschaffe, 

1864). 

1867 — 69  Berliner  Tiergarten   (Israel,   I.e.). 

1869 — 72  Thüringen   (Werneburg,   1873). 

1880 — 90 2)  Westfalen    (Renne,    1890,     Herwig,    1913,     Gasow, 

1925). 

1884  Pommern  (Allg.   F.  und  Jagdztg.   1887.  S.  68). 

1888  Ganze  westliche  Hälfte  Westfalens,  durch  das  Ruhrtal 

hinauf  bis  zu  1200  Fuß.    (Forstl.  Bl.  1889.) 

1889  Hessen   (Heß -Beck). 

1889  Bayern  (Heß -Beck). 

1890  Pommern  (Renne,   1890). 

1890  Thüringen   (Nitsche). 

1891  Brandenburg  (Heß -Beck). 
1902  Schlesien  (Eckstein,  1907). 

1902  Hannover-Braunschweig   (Eckstein,    1907). 

1903  Posen  (Eckstein,  1.  c). 


1)  Oft  sind  es  die  letzteren  allein,  die  den  Kahlfraß  bewirken  und  so  den 
Ausgangspunkt  für  die  verschiedenen  zum  Eichensterben  führenden  Erkrankungen 
bilden   (s.   hierüber   Kliniesch,    1924). 

")  Bei  der  Bearbeitung  der  geschichtlichen  Übersicht  und  vor  allem  der  Ver- 
breitungskarte fand  ich  weitgehende  Unterstützung  durch  Herrn  Dr.  Gasow,  wofür 
ich  auch  an  dieser  Stelle  danken  möchte. 

3;    In  Westfalen  fand  schon  Dezennien  vor   1875   starker  Wicklerfraß  statt. 

17* 


260 


IL  Spezieller  Teil. 


[903 


1904 

1904/05 

1904 — 08 

1905 

1905 

1905 

1905 


Das  Jahr  1903:  Beginn  einer  langjährigen  Fraßperiode 
im  westlichen  Teil  Westfalens  (Baum garten, 
1912). 

Ostpreußen  und  Westpreußen   (Eckstein,   I.e.). 

Schlesien  (Heß-Beck,  Rockstroh,   1906). 

Ostthüringen   (Gasow). 

Sachsen   (Ende   1905). 

Saarbrücken  (Schneider,   1905). 

Anhalt,  Ballenstedt,  Gernrode   (Prediger,  1905). 

Hessen-Nassau   (Gasow). 


Karte 
Gradationskarte  des  Eichenwicklers:  Schadgebiet  und  Jahresisothermen. 


13 


1905 

1905 

1906 

1906 

1906 — 12 

1907 

1907 

1907 

1908 

1908 


Württemberg,  Herrenberger  Revier  (Volz,  1926). 
Westfalen  (D.F.Z.  1912,  S.  835,   Herwig,   1913). 
Mackenzell  bei   Kassel    (Eberts,    1906). 
Gonsenheimer  Wald  bei  Mainz  (Schuster,  1906). 
Rheingebiet  von  Koblenz  bis  Basel  (Wild,  191 6). 
Odertal  (Schlesien)   (Großer,   1908). 
Wetterau,  Hessen  (Reh,  1907). 
Brandenburg  (Gasow). 
Rheinpfalz   (Lynker,   1908). 
Geisenheim  (Lüstner,  1909). 


[.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


261 


1908  Württemberg  (Gasow). 

191 5  Westfalen    (Wolff). 

1916  Rheinland-Westfalen  (Otto,  1916,  Eicke,  1916). 
1916— 18         Hannover   (s.  Ritter). 

191 8  Sachsen    (Gasow). 

1920  Südliches  Oldenburg. 

1920/21  Hannover-Braunschweig  (s.  Ritter). 

1921  Ostpreußen,    Schlesien    (besonders    in    der    Oderniede- 

rung).    Ferner    Baden    (Gengenbach)    und    Braun- 
schweig  (Lehre). 


Karte  2. 
Gradationskarte   des  Eichenwicklers:   Schadgebiet   und   Jahresniederschlagsmenge. 


1923—25 
1923 — 26 
1922 — 24 
1924—27 


1925 


Württemberg,    Herrenberger  Revier  (Volz,   1924). 

Westfalen,  Lippe  (Baumgarten,  1924). 

Hannover    (Stotel),    Brandenburg,    Schlesien    (Oppeln). 

Bayern.  Im  Spessart  teilweise  Lichtfraß.  In  Mittel- 
franken vielfach  der  reiche  Blütenansatz  durch 
Kahlfraß  vernichtet.  Auch  in  Oberfranken  stär- 
kerer Fraß. 

Zahlreiches  Vorkommen,  hauptsächlich  im  Nordwesten 
und  Westen.  ,, Besonders  hatten  Hannover,  Bremen, 
Oldenburg  und  Teile  von  Westfalen  und  Rheinland 


262  II.  Spezieller  Teil. 

unter  der  Kalamität  zu  leiden.  Vereinzelt  starkes 
Auftreten  wurde  südlich  bis  zur  Donau,  östlich  bis 
zur  Oder  beobachtet.  Aus  Hannover  meldeten  die 
Kreise  Bentheim,  Weener,  Diesholz  und  Northeim 
fast  völligen  Kahlfraß.  In  Osnabrück  und  Lingen 
wurden  70 — 80  0/0  der  Eichen  befallen.  Über  stär- 
keren Kahlfraß  berichteten  die  Kreise  Celle,  Fal- 
lingbostel,  Hameln,  Lüneburg,  Rotenburg  und 
Winsen.  In  Westfalen  kam  es  in  den  Kreisen 
Tecklenburg,  Borken  und  im  Landkreis  Münster 
zu  erheblichem  Fraß.  Sogar  im  Sauerland,  in  bis- 
her gemiedenen  Stellen,  hat  der  Wickler  gefressen. 
Auch  aus  dem  Bergischen  Land  wurde  zum  großen 
Teil  Kahlfraß  gemeldet,  so  besonders  aus  den 
Kreisen  Wipperfürth,  Gummersbach,  Waldbröl, 
Altenkirchen  und  dem  Landkreis  Mülheim  a.  Rh. 
Örtlich  begrenzte  Schäden  mit  teilweise  erheblichem 
Kahlfraß  traten  in  Bismark  (Kr.  Stendal),  Sarg- 
stest (Kr.  Halberstadt),  Saalkreis,  Querfurt,  Werni- 
gerode (in  den  Eichenwaldungen  des  Harzrandes), 
Schleusingen,  Neuhaldensleben,  Genthin  (Kr.  Jeri- 
chow  II),  Steinau  (Kr.  Schlüchtern)  und  in  Ober- 
hessen, ferner  in  Nenkersdorf,  Swepnitz,  Auerbach 
i.  V.  und  Oppitz  (Freistaat  Sachsen)  und  Schmölln 
(Thüringen)  zutage"   (Goffart,   1927). 

1927  Hessen-Nassau,     Rheinprovinz     Oldenburg     vereinzelt. 

(Nachrichtenblatt  für  D.  Pfl.  1927,  S.  82.) 

1928  Auffallend  stark  in  den  Mittel-  und  Auewaldungen  des 

mittleren  Rheintales,  namentlich  in  der  Gegend  von 
Offenburg.  (Nachrichtenblatt  f.  D.  Pflanzenschutz- 
dienst 1928,  S.  68.) 

Viridana-Kalamitäten  in  außerdeutschen  Ländern. 

Der  Engländer  Rennie  (1836)  beschreibt  einen  Kahlfraß  in  Kent  vom 
Jahre  1827  und  Nördlinger  (1856)  ein  Massenvorkommen  des  Eichen- 
wicklers in  der  Bretagne  (1843 — 45)-  Necola  (1855)  berichtet  über  einen 
Kahlfraß  an  Eichen  im  Jahre  1854  auf  vorzüglichem  Eichenboden  in  Böhmen 
(Domäne  Pürglitz).  In  den  60  er  Jahren  ist  der  Eichenwickler  wieder  in 
Frankreich  und  1895  wieder  in  England  in  starker  Massenvermehrung  auf- 
getreten (Girard,  1895,  Barret  1896). 

Koppen  (1880)  berichtet  einiges  über  die  Eichenwickler-Kalamitäten  in 
Rußland:  an  der  Südküste  der  Krim  1853,  64  und  75  im  Gouvernement 
Lomza  (1869  30  Deßjatinen  völlig  kahlgefressen),  in  den  vierziger  Jahren  in 
Kurland  („wie  verheerendes  Wipfelfeuer"),  auf  der  Insel  Ösel  und  im 
Gouvernement  Tula. 

In  den  Anfangsjahren  unseres  Jahrhunderts  fand  in  Schweden  im  Tier- 
garten zu  Stockholm  ein  stärkerer  Fraß  statt,  1903  wieder  in  Frankreich,  und 
zwar  zu  gleicher  Zeit  in  weit  voneinander  entfernten  Gegenden  (Henry, 
1903).  In  den  Eichenwäldern  von  Chassagne  bei  Orbe  hat  sich  der  Fraß 
bis  1908  ausgedehnt  (Barbey,   1906/07).    Auch  der  Waadtländer  Jura  hatte 


1.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  263 

nach  demselben  Autor  seit  1903  stark  unter  viridana-Yra.ü  zu  leiden,  der  sich 
gleichzeitig  über  Savoyen  ausdehnte.  Auch  in  Belgien  trat  1904  eine  all- 
gemeine Vermehrung  ein,  die  1905  ihren  Höhepunkt  erreichte  (Poskin, 
1905).  Um  die  gleiche  Zeit  hat  auch  England  wieder  schwere  Kalamitäten 
erlebt,  die  die  Landwirtschaftsgesellschaft  Großbritanniens  veranlaßte,  einen 
Preis  für  die  Bekämpfung  auszusetzen. 

In  Italien  machten  sich  nach  Cecconi  größere  Schäden  erst  seit  dem 
Jahre  191 1  bemerkbar,  und  zwar  in  den  Provinzen  Venedig,  Piemont,  Tos- 
cana,  Emilie  und  auch  in  den  südlichen  Teilen  des  Landes.  Vielfach  führte 
der  Fraß  zum  Absterben  von  kleineren  und  größeren  Beständen,  so  z.  B.  in 
der  Provinz  Venedig,  wo  von  700  befallenen  Hektar  ca.  350  abstarben  (in- 
folge LIinzutretens  sekundärer  Schädigungen,  wie  Chermes  roboris,  Mehl- 
tau usw.).  In  den  Jahren  1915/16  trat  der  Eichenwickler  im  Osten  Frank- 
reichs „als  furchtbare  Geißel  der  Eichenwälder  auf",  wo  er  große  Ver- 
wüstungen anrichtete.  Endlich  weiß  1919  Sedlaczek  über  ein  starkes 
F/>/^(?//«- Auftreten  in  der  Wiener  Gegend  zu  berichten. 

Bekämpfung. 

Die  Erkenntnis,  daß  der  Eichenwickler  in  der  Ätiologie  des  Eichen- 
sterbens eine  wesentliche  Rolle  spielt  (insofern,  als  sein  Fraß  zur  Grundlage 
weiterer  Erkrankungen  werden  kann),  führt  uns  dazu,  heute  den  Eichen- 
wickler unter  die  schlimmen  forstlichen  Großschädlinge  ein- 
zureihen und  dementsprechend  uns  auch  mit  den  Bekämpfungs maß- 
nahmen einzustellen,  d.  h.  mit  allen  uns  zur  Verfügung  stehenden  Mitteln, 
soweit  sie  wirtschaftlich  tragbar,  gegen  den  Schädling  vorzugehen. 

Zur  Erzielung  einer  größeren  Widerstandsfähigkeit  der  Eichenbestände 
schlägt  G a s o w  die  Aufzucht  gemischter  Bestände  vor,  wie  sie  ja 
auch  gegen  andere  Schädlinge  heute  allgemein  gefordert  werden.  „Vielleicht 
ist  es  auch  möglich,  stellenweise  systematisch  nur  eine  Verjüngung  der  am 
spätesten  austreibenden   Eichen    (eventuell   Traubeneichen)   zu  begünstigen." 

Daß  in  Eichenwicklergegenden  durch  weitgehendsten  Vogelschutz 
zur  Vorbeugung  beizutragen  ist,  braucht  kaum  besonders  betont  zu  werden. 

Bei  bedrohlichem  Auftreten  wird  man  heute  aber  nicht  zögern  dürfen, 
zur  chemischen  Bekämpfung  zu  greifen  und  die  befallenen  Eichen- 
bestände mit  einem  gebräuchlichen  Arsenpräparat  zu  bestäuben,  sei  es  vom 
Flugzeug  aus,  sei  es  vom  Boden  aus  mit  Hilfe  eines  Motorverstäubers.  Eine 
über  ca.  1900  ha  sich  erstreckende  „Flugzeugbekämpfung"  wurde  im  Jahre 
1926  in  den  Oberförstereien  Haste  und  Bischofswalde  ausgeführt,  und  zwar 
durch  die  Firma  Güttier  (Hamburg),  die  das  400/oige  Kalziumarseniat- 
präparat  Silesia  dazu  verwandte.  Krieg  (1927)  gibt  über  diese  Bekämp- 
fungsaktion eine  anschauliche  Schilderung,  aus  der  einige  Stellen  wieder- 
gegeben seien: 

„Am  Abend  des  7.  und  am  Vormittag  des  8.  Mai  wurden  über  100  ha  der 
Försterei  Hödingen  (Bischofswald)  behandelt.  Auf  den  Hektar  kamen  hier  bei 
diesen  sowie  den  folgenden  Behandlungen  ca.  20  kg  eines  Kalziumarsenpräparates 
mit  einem  Mindestgehalt  von  700/0  Trikalziumarseniat,  das  sind  40 0/0  Arsensäure 
oder  240/0  Arsen.  In  der  Zeit  bis  zum  9.  schwankte  die  Temperatur  zwischen  2,4 
und  14,60  C.  Vom  9.  auf  10.  fiel  ein  stärkerer  Regen,  der  das  Gift  fast  völlig 
von  den  Bäumen  abwusch.  Kontrollen  am  10.  und  11.  ergaben  in  den  behandelten 
Parzellen  gegen  800/0  tote  z7>/ö^^;/ß-Raupen  in  den  Wickeln  (aus  163  Wickeln;  die 
Zahl  der  tot  zu  Boden  gefallenen  Tiere  war  nur  gering,  wie  aus  den  Zählungen  auf 


2\U 


II.  Spezieller  Teil. 


untergelegten  Papieren  hervorging,  und  betrug  höchstens  wenige  Prozent).  In  den 
Randgebieten  der  befallenen  Zonen  verringerte  sich  der  Prozentsatz  der  toten 
Raupen  zusehends,  während  in  den  unbehandelten  Gebieten  keine  toten  in  den 
Wickeln  gefunden  wurden.  Dieses  Ergebnis  steht  im  Gegensatz  zu  meinen  eigenen 
Beobachtungen  des  Vorjahres  in  Sorau.  Dort  war  die  Wirkung  gegen  die  Wickler- 
raupen nach  zweitägigem  Liegen  des  Giftes  eine  vollkommene.  Allerdings  war  die 
Temperatur  hier  25— 30"  C  und  die  Raupen,  die  fast  ausgewachsen  waren,  in 
stärkster  Fraßtätigkeit.  In  Hödingen  dagegen  saßen  die  Raupen  (2. — 3.  Häutungs- 
stadien l  bei  der  Kälte  ruhig  in  ihren  Wickeln  und  fraßen  wenig  oder  gar  nicht. 
Die  wenige  Nahrung  entnahmen  sie  zudem  noch  dem  Innern  des  Wickels,  das  von 
dem  Gift  nicht  oder  kaum  getroffen  war.  Es  ist  ferner  anzunehmen,  daß  sich  die 
Häutung  der  Raupe  bei  kühlerer  Temperatur  länger  hinzieht  und  dadurch  der 
Schädling  längere  Zeit  nicht  zum  Fressen  kommt.  Die  niedergehenden  Regen 
machten  eine  längere  Einwirkung  unmöglich.  Bei  Versuchen  in  Gläsern  unter  den 
selben  Temperaturverhältnissen  blieben  von  den  eingesetzten  Tieren  ebenfalls 
10 — 200/0  am  Leben,  wenn  man  die  Räupchen  in  den  bestäubten  Wickeln  beließ  und 
nach  drei  Tagen  in  frisches,   unbehandeltes   Laub  setzte. 

Die  Arbeiten  wurden  am  14.  fortgesetzt.  Der  Erfolg  vergrößerte  sich  mit 
steigernder  Temperatur.  So  betrug  die  Abtötung  in  dem  Revier  Bischofswald  schon 
nahezu  looo/o.  Der  Kotfall,  der  hier  vor  der  Behandlung  zwischen  0,25  und  1,25  ccm 
pro  Quadratmeter  geschwankt  hatte,  ging  auf  V4>  ^/ö'  V»  Vis  und  sogar  Vino  zurück, 
während  er  in  den  unbehandelten  Teilen  in  derselben  Zeit  auf  das  Vier-  bis  Zehn- 
fache stieg. 

In  Haste  entfalteten  die  Raupen  vor  dem  Beginn  der  Bestreuung  eine  lebhafte 
Fraßtätigkeit,  nur  in  den  kühlen  Morgenstunden  hörten  Fraß  und  Kotfall  auf.  Der 
Kot  bedeckte  Pirschpfade  und  Wege.  Die  Behandlung  fand  hier  zwischen  dem  22. 
und   31.    Mai    und   am   7.    Juni    statt.     Die   Temperatur   schwankte    zwischen    5,5    und 


Abb. 


216  A.    Mit  Calciumarseniat  (mit  Motorverstäuber)  bestäubter  Eichenwald,  vol 
kommen  begrünt.    Nach   Gasow. 


Unterordnung:    ]\Iicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  265 


Abb.  216  B.    Nicht  behandelter,  von  T.  viridana  L.  kahlgefressener  Eichenwald.  Nach 

Gaso  w. 


21,5  Grad  und  war  meist  hoch.  Mindestens  alle  zwei  Tage  gingen  Regengüsse  nieder, 
oft  wurde  das  Mittel  schon  nach  einigen  Stunden  abgewaschen.  Trotzdem  war  der 
Erfolg  ein  guter.  Es  zeigte  sich  hier,  daß  bei  genügender  Wärme  eine  volle  Wirkung 
eintritt,  selbst  wenn  das  Mittel  nicht  länger  als  einen  Tag  liegen  bleibt.  Schon  in 
den  ersten  Tagen  nach  der  Behandlung  ließ  der  Kotfall  deutlich  nach  und  hörte 
nach  2 — 3  Tagen  gänzlich  auf.  In  den  bestäubten  Gebieten  gingen  die  Raupen  sämt- 
lich ein,  während  sie  sich  in  den  unbehandelten  Gebieten  normal  entwickelten  und 
ihr  Zerstörungswerk  fortsetzten. 

Bei  Versuchen  in  Gläsern  zeigte  sich  hier,  daß  die  Tiere  in  normal  bestäubten 
Wickeln  unter  Freilandtemperatur  sämtlich  eingingen,  selbst  wenn  man  sie  nach 
drei  Tagen  an  unbehandeltes  Futter  setzte.  Auch  von  Bischofswald  mitgebrachte 
Tiere  verhielten  sich  ebenso.  Die  Kontrolltiere  dagegen  entwickelten  sich  größten- 
teils schnellstens,  verpuppten  sich  und  lieferten  normale  Schmetterlinge. 

Es  war  für  den  vollen  Erfolg  natürlich  von  größter  Wichtigkeit,  daß  die 
Arbeiten  trotz  ungünstiger  Witterung  beendet  werden  konnten,  ehe  die  Verpuppung 
begann.  Nur  in  kleinen  Teilen  des  Reviers  Auhagen  kam  ein  geringer  Prozentsatz 
der  Raupen  zur  Verpuppung." 

Allerdings  ist  darauf  zu  achten,  daß  die  Bestäubung  bei  hinreichender 
Wärme,  am  besten  bei  15  0  und  mehr  auszuführen  ist,  da  nur  dann  die 
Raupen  eine  lebhafte  Fraßtätigkeit  entfalten  und  in  kurzer  Zeit  dem  Gift 
zum  Opfer  fallen. 

Infolge  der  unerwünschten  Nebenwirkung  der  400/oigen  Präparate  auf 
warmblütige  Tiere  aller  Art  (Rehe,  Hasen,  Kaninchen,  Vieh  usw.)  verwendet 
man,  wie  oben  schon  gesagt,  heute  nur  noch  schwächere  Präparate,  die  nach 
Gaso  WS  Versuchen  ebenfalls  sehr  rasch  tödlich  auf  die  Eichenwickler- 
raupen wirken. 


266 


II.  Spezieller  Teil. 


G  a  s  o  w  (1926)  hat  mit  einem  140  eigen  Calciumarseniatpräparat 
(Stoltzenberg)  gearbeitet,  das  von  unten  mit  einem  Motorverstäuber  ver- 
stäubt wurde.  Der  Erfolg  war  ein  augenfälliger:  Nach  zwei  Wochen  wurde 
festgestellt,  daß  der  bestäubte  Teil  des  Bestandes  (70— 80  jährige,  durch- 
schnittlich 20  m  hohe  Eichen)  sich  begrünt  hatte,  während  der  unbestäubte 
kahlgefressen  wurde  und  erst  durch  den  Johannistrieb  zur  Begrünung  ge- 
langte." „Das  sich  darbietende  Bild  (Abb.  216A.  u.  B)  erregte  bei  einer  Be- 
sichtigung und  Vorführung  des  Motorverstäubers  vor  zahlreichen  Wald- 
besitzern und  Sachverständigen  großes  Aufsehen  und  lebhaftes  Interesse." 
Neben  der  Bekämpfung  der  Raupen  hat  Gasow  auch  eine  Winter- 
bekämpfung der  Eier  durch  Bespritzen  mit  verschiedenen  Spritz- 
mitteln in  Betracht  gezogen.  Wenn  dabei  auch  mit  verschiedenen  Mitteln,  wie 
Antisual  und  dem  wasserlöslichen  Baumkarbolineum  Florium  (10  Teile  der 
Ausgangslösung  auf  100  Teile  des  spritzfertigen  Mittels),  gute  Erfolge  er- 
zielt wurden,  so  dürfte  diese  Bekämpfungsart  in  der  großen  Praxis  nicht  in 
Frage  kommen  bzw.  der  Bestäubung  gegen  die  Raupen  wirtschaftlich  weit 
unterlegen  sein. 

Tortrix  loefflingiana  L. 
Taf.  II,  Fig.  10. 
Falter:  Vorderflügel  heller  oder  dunkler  ockergelb  bis  hellgelb,  mehr  oder 
weniger  reichlich  fein  braun  quergerieselt,  besonders  im  Saumfeld.  In  der  Zeich- 
nung sehr  variabel.  Gewöhnlich  mehrere  dunkel- 
braune Schräglinien,  von  denen  die  basale  nur 
schmal  und  kurz,  die  beiden  anderen  viel  breiter 
sind  (Abb.  217).  Die  var.  ectypana  Hb.  entbehrt 
diese  dunklen  Zeichnungen  bis  auf  einige  Quer- 
wellen.   Spannweite   14 — 18   mm. 

Raupe  (Abb.  218  A)  blaßgrün  bis  bräunlich- 
grün, Kopf,  Nackenschild  und  Warzen,  die  etwas 
größer  sind  als  bei  viridana  L.,  schwarz.  Länge 
erwachsen   8  mm. 

Puppe  ziegelrot,  am  Kopf  und  Thorax  ins 
bräunliche  gehend.  Hinterleibssegmente  mit  feinen 
Borsten  und  Dornen  (Abb.  218  B).  Länge  6,5 
bis    7  mm. 

Eier  (Abb.  218  C)  elliptisch,  flach,  gelb.    Länge  0,8,  Breite  0,65   (Silvestri). 

Die  über  Mittel-  und  Südeuropa,  Livland,  Schweden,  den  Kaukasus  und 

Kleinasien  verbreitete  Art  wurde  von  Silvestri  (1923)  in  Italien  als  Eichen- 


Abb.   217. 
Tortrix  loefjtingiana  L.  2  V2  X 


B  C 

Abb.   218.    Tortrix  loefflingiana  L.    A   einzelne   Raupensegmente   (I  _Pro-   und   Meso- 
thorax,    II    3.,    III    8. — 10.    Abdominalsegment),    B    Puppe, 

Silvestri. 


C    ein    Eigelege.     Nach 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  267 

Schädling  beobachtet  und  eingehend  beschrieben  nach  seinen  Entwicklungs- 
stadien, seiner  Bionomie  usw. 

Der  Falter  fliegt  von  Juni  bis  August,  legt  seine  Eier  an  die  Rinde 
kleiner  Zweige  und  bedeckt  sie  mit  Detritus,  mit  Schuppen,  jedoch  nicht  so 
vollständig  wie  bei  viridafia.  Die  Raupe  lebt  in  zusammengesponnenen  und 
gerollten  Blättern  (Mai — Juni). 

Befallen  werden  verschiedene  Eichenarten.  Bei  starker  Vermehrung 
kann  es  zu  Kahlfraß  kommen;  Silvestri  vermutet,  daß  mancher  Kahlfraß 
von  loefflingiana  auf  viridana  geschoben  wird.  Da  loefflingiana  auch  bei 
uns  nicht  selten  vorkommt,  sei  auf  diese  Form  aufmerksam  gemacht.  Siehe 
auch  Cacoecia  xylosteana  L.  (S.  224). 

Tortrix  viburniana  Schiff. 

Taf.  II,  Fig.  II. 

Falter:  Die  Vorderflügel  des  cf  breiter  als  die  des  9,  Costa  gleichmäßig 
gebogen,  Saum  wenig  schräg;  Vorderflügel  des  Q  schmäler,  Costa  geschwungen, 
Saum  viel  schräger.  Färbung  der  Vor- 
derflügel beim  cf  lehmgelblich  bis 
dunkelgrau,  mit  dunkleren  (braunen 
oder  rostfarbigen;  Wellenlinien,  mit- 
unter auch  noch  mit  dunklerem  Schräg- 
band und  verdunkelter  Flügelspitze. 
Beim  o  Vorderflügel  lebhafter  ocker- 
gelb bis  zimtbraun,  im  Mittelteil  auf- 
gehellt; Wellenlinien  können  ganz 
fehlen,    können   aber   auch   kräftig   ent-  ^ 

wickelt  sein.  Schrägbinde  bald  komplett, 
bald  nur  bis  zur  Hälfte  reichend. 
Hinterflügel  grau,   Fransen  heller.  Abb.    219.     Tortrix    viburniana    Schiff. 

Raupe  dunkel  blaugrau  oder  oliv-  272  X- 

grün,  seitlich  gelblich  mit  hellen  Börst- 

chen,  Kopf  hellbraun,  hinten  fein  schwarz  gerandet,  Nackenschild  von  Körperfarbe 
mit  feinen,  schwarzen  Punkten,   Analschild  gelblich,   schwarz  gestrichelt. 

Puppe  am  Hinterrand  der  Hinterleibssegmente  mit  auffallend  langen  Haaren. 

Die  für  gewöhnlich  an  Heidekräutern  (Vaccinium,  Calltma,  Atidrotneda, 
Lediim,  Lysimachia  usw.)  lebende  Raupe  geht  zuweilen  auch  Koniferen  an. 

Den  ersten  Fall  in  dieser  Beziehung  teilt  Ratzeburg  (1861)  mit:  Im 
Danziger  Regierungsbezirk,  und  zwar  im  Revier  Darszlub,  trat  im  Jahre  1856 
der  genannte  Wickler  i)  sehr  häufig  auf  einer  ca.  50  Morgen  großen  Scho- 
nung an  den  Maitrieben  der  Kiefern  auf.  „Letztere  waren  von  der 
Raupe  auf  die  sonderbarste  Weise  versponnen,  zopfförmig,  d.  h.  die  Quirl- 
triebe waren  mit  dem  Kronentrieb  zu  einer  Masse,  einem  langen  Federbusch 
ähnlich,  verklebt,  und  in  diesem  Gewirr  von  Nadeln  lebte  die  Raupe.  Gegen 
Ende  Juli  gab  es  noch  Raupen,  jedoch  auch  schon  Puppen.  Die  Schmetter- 
linge flogen  etwa  in  der  Mitte  des  Juli."  „Im  nächsten  Jahr  wurde  das 
Insekt  nicht  mehr  bemerkt;  die  Maitriebe  blieben  verbogen,  hatten  sich  sonst 
aber  entwickelt." 

Später,  in  den  70  er  Jahren  (1876— 1880),  wurde  noch  einmal  ein  Massen- 
auftreten von  viburniana  an  Koniferen  beobachtet,   und  zwar  in  den  forst- 


1)   Die    Falter    waren    von    Zeller   bestimmt,    so    daß    an    der    Richtigkeit    der 
Bestimmung  nicht  zu  zweifeln  ist. 


268  II.  Spezieller  Teil. 

liehen  Baumschulen  der  südlichsten  Küstendistrikte  Norwegens.  Befallen 
wurden  hier  junge  Fichten  und  Kiefernpflanzen  (Pinus  sylvestris  und  mon- 
ta?ia)  und  auch  Lärchen.  Die  Raupen  gingen  vom  Heidekraut  auf  die 
Koniferen  über,  an  deren  Jahrestrieben  sie  sowohl  die  Nadeln,  als  teilweise 
auch  die  zarte  Rinde  verzehrten.  Außerdem  „scheinen  sie  gleichzeitig  auch 
verschiedene  Laubbäume  angegangen  zu  haben."   (Schöyen  1893). 

Tortrix  wahlbomiana  L. 

Taf.  II,  Fig.  12. 
Falter  (Abb.  220)  in  Größe,   Flügelschnitt  und  Zeichnung  ungeheuer  variabel. 
Grundfarbe   von   weiß   bis    dunkelgrau    und    bräunlichgrau.     Zeichnungen   mehr   oder 

weniger  abstechend,  schärfer  oder  \er- 
schwommen,  hellbräunlich  bis  schwärzlich, 
mehr  oder  weniger  mit  schwarzen  Punkten 
durchsetzt.    Spannweite    16 — 23   mm. 

Raupe  gleichfalls  stark  abändernd, 
weißlich,  weißgrün,  grasgrün,  oliv, 
schwarzgrün;  die  helleren  Formen  auch 
auf  den  einzelnen  Segmenten  schwärzlich 
bewölkt.  Wärzchen  kräftig,  schwarz,  der 
Kopf  hellbraun,  Nackenschild  bei  heller 
Körperfarbe  gelblich,  braun  gefleckt  oder 
Abb.  220.     Tor/rixwaMboniiana    L.  gesäumt,  bis  ganz  schwarzbraun,  fein  weiß 

'  *  geteilt.      Analschild    von     Körperfarbe     bis 

schwarzbraun.  Die  Raupe  hat  die  für  Wickler  seltene  Gewohnheit,  sich  bei  Be- 
rührung  zusainmenzurollen. 

Diese  weitverbreitete  und  nirgends  seltene  Art  wurde  von  Ratzeburg 
(1861)  in  die  Forstentomologie  eingeführt  auf  Grund  einer  Mitteilung,  wo- 
nach die  Raupen  in  der  Gegend  von  Karlsbad  einen  Fraß  an  „Hänge- 
buchen"  verursacht  haben.  In  seinen  „Waldverderbern"  führt  er  zvahl- 
bomiana  als  Birkenfeind  an.  Für  gewöhnlich  lebt  die  Raupe  an  den  ver- 
schiedensten niedern   Pflanzen  i). 

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1)  Im  Jum  1930  wurden  uns  vom  bayerischen  Forstamt  Absberg  junge  einjährige 
Kiefernpflanzen  zugesandt,  deren  Nadeln  versponnen  und  deren  Triebe  zum  Teil 
ausgefressen  waren.  Wir  dachten  zunächst  an  Tortrix  politana  Hw.,  doch  stimmte 
hiermit  weder  die  Jahreszeit,  noch  auch  das  Fraßbild  überein.  Die  wenigen  aus- 
gekommenen Weibchen  ließen  uns  dann  auch  erkennen,  daß  hier  ein  anderer  Wickler 
tätig  war,  nämlich  höchstwahrscheinlich  Tortrix  ivatilbomiana  L.  Bei  der  großen 
Variabilität  der  Flügelzeichnung  dieser  Art  ist  jedoch  eine  sichere  Bestimmung  nur 
durch  Untersuchung  der  männlichen  Genitalien  möglich,  die  aber  leider  in  diesem 
Fall  aus  Mangel  an  Männchen  nicht  ausgeführt  werden  konnte.  Es  ist  daher  auch 
möglich,  daß  es  sich  um  die  nahverwandte  incertana  Tr.,  die  auch  stark  polyphag 
und  allenthalben  recht  häufig  ist,  handelte. 


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Steganoptycha  rufimitrana   H.  S.   und  ihr  Auftreten  in  den   Forsten  von  Nieder- 

österreich,    Mähren    und    Schlesien    während    des    letztabgelaufenen    Dezenniums. 

Mit  2  Taf.  u.  5    Tabellen.  Wien  1882. 
Wahnschaffe,     Max,     1864,     Der     Fraß    des     Kahneichenwicklers    im     Berliner 

Tiergarten  vom  Jahre    1863.    Berl.   Ent.   Z.   Bd.  8. 
Walt  her,  1908,  Eichenwickler  und  Traubeneiche.  N.  Z.  f.  F.  u.  L. 
Werneburg,   1873,  Tortrix  viridana.  Z.  f.  F.  u.  J. 
Vietinghoff,  A.   von,    1929a,   Über  das   Auftreten   von   Eulia  (Tortrix)  politnna 

Hw.  an  Kiefernsämlingen.  Z.  f.  ang.  Entom.   Bd.  XIV. 
— ,   1929  b,  Tortrix  viridana  L.  u.  die  Vögel.    A.  f.  Schädlk.   V. 
Wiese,  1861,  Kahneichenwickler.  AUg.  F.  u.  J. 
—    1886.  Ebenda. 

Wild,  1916,  Ursachen  und  Wirkung.  Forstw.  Centralbl.  Bd.  38. 

Willkomm,  1863,  Tortrix  ferrugana,  der  rostgelbe  Eichenwickler,  ein  neues  Forst- 
insekt. Thar.  Jahrb.  245 — 249. 
Wolff,    M.,    1915,    Zur  Praxis    der  Frostspannerbekämpfung   in  Eichenholzbeständen. 

D.  F.  Z.   S.  1023—27. 
Zebrasoski,     Th.,     1858,     Der     Tannentriebwickler    in     den     Forsten     Galiziens. 

Jahresschr.  d.  westgaliz.   Forstvereins  VIII.  S.  31 — 37. 
Zeußner  und  Märtens,  1874,  Mitteilungen  über  Tortrix  viridana.  Z.i.  F.  u.  J. 
Zlick,     1875,     Korrespondenz     aus     Nordmähren     I.      Centralbl.     f.     d.     g.     Forstw. 

S.  492—494. 

2.  Unterfamilie:  Phaloniinae. 

Die  2.  Unterfamilie  der  Tortriciden,  Phaloniinae,  ist  dadurch  charakte- 
risiert, daß  in  den  Vorderflügeln  die  Analis  fehlt  und  cu^  an  oder  hinter 
3/4  der  Mittelzelle  entspringt  (Abb.  181  B,  S.  215).  Im  Hinterflügel  cu  ober- 
seits  ohne  Haarkamm.  In  der  Ruhe  liegen  die  Flügel  steil  dachförmig,  den 
Körper  umgebend. 

Die  Raupen  leben   fast  ausnahmslos  im   Innern  von  Pflanzenteilen. 

Die  Unterfamilie  der  Phaloniinen  stellt  eine  kleine  Gruppe  dar  mit  nur 
wenig  Gattungen.  Keine  der  hierzu  gehörenden  Gattungen  hat  bis  jetzt  forst- 
lich eine  Bedeutung  erlangt.  Dagegen  rechnet  eine  Art,  Clysia  ambiguella 
Hb.,  zu  den  schlimmsten  landwirtschaftlichen  Großschädlingen  („Heu-  und 
Sauerwurm"  der  Winzer).  Siehe  Stellwaag,  Die  Weinbauinsekten  der 
Kulturländer,   1928. 

3.  Unterfamilie:  Epibleminae. 

In  der  Unterfamilie  der  Epibleminae  sind  alle  jene  Wickler  vereinigt, 
bei  denen  auf  den  Hinterflügeln  der  Zeilhinterrand  auf  der  Ober- 


272 


II.  Spezieller  Teil. 


Seite  mit  straffen  Härchen  besetzt  ist  (Abb.  221).  —  Auf  den 
Vorderflügeln  entspringt  Ader  ciu  vor  (basalwärts)  ^'^  der  Mittelzelle,  Ader 
an  saumwärts  deutlich  ausgebildet. 

Eine  sehr  umfangreiche  Unterfamilie,  deren  Einteilung  in  Gattungen 
wegen  des  gleichmäßigen  Habitus  und  der  oft  innerhalb  einer  Art  wechseln- 
den Aderung  der  Flügel  sehr  schwierig  ist.  Eine  sehr  weitverbreitete  Zeich- 
nung ist  der  sog.  „Spiegel",  ein  oft  von  glänzenden  Linien  umsäumter  heller 
Fleck  über  dem  Analwinkel  der  Vorderflügel  mit  schwarzen  Längsstricheln 
oder  Punkten,  ferner  die  Costalhäkchen,  dunkle  Strichel  in  der  2.  Hälfte 
der  Costa  usw. 


Abb.  221.    Hinterflügel  einer  Epibleminc, 

Basis  des  Zellenhinterrandes  mit  straffen 

Härchen  besetzt.    Nach  Hering. 


A  B 
Abb.  222.  A  Kopf  und  Thorax  (Seiten- 
ansicht), B  Flügelgeäder  von  Evetria 
buoliatia  Schiff.  (Vfl  m^  und  m^  auf 
einem  Punkt,  Hfl  rr  und  m-^  dicht  bei- 
sammen entspringend,  m^  und  cu^^  ge- 
stielt.   NachKennel. 


Gattung  Evetria  Hb. 

Syn.  Relinia  Gu.  —  Rhyacionia  Hb.   (in  der  amerikanisch-englischen  Literatur). 

Das  Hauptmerkmal  dieser  Gattung  liegt  darin,  daß  auf  den  Vorder- 
flügeln Ader  m^  und  m^  auf  einem  Punkt  entspringen.  Dabei  liegt  ihr  Ur- 
sprung ganz  nahe  an  der  oberen  Ecke  der  Mittelzelle,  und  die  Wurzel  von 
cu^  liegt  nahe  dabei.  Auf  den  Hinterflügeln  entspringen  Ader  rr  und  m^ 
dicht  beisammen,  manchmal  gestielt;  m^  und  cu^  gestielt  (Abb.  222  B). 

Antennen  des  cT  kurz  gewimpert,  Palpen  mäßig  lang,  gerade  vor- 
gestreckt, Thorax  glatt  oder  geschöpft.  Saum  der  Vorderflügel  schräg,  nicht 
geschwungen. 

Mehr  noch  als  durch  morphologische  Merkmale  der  Imagines  wird  die 
Gattung  durch  die  Lebensweise  der  Raupen  zusammengehalten.  „Diese  er- 
nähren sich  ausnahmslos  von  Früchten,  Knospen,  Trieben  oder  Bast  von 
Nadelhölzern  und  bedingen  daselbst  Verkrümmungen,  Verkümmerung,  Harz- 
ausflüsse; sie  überwintern  meist  als  Raupe,  seltener  als  Puppe,  einzelne  meh- 
rere  Male  und  verpuppen  sich  gewöhnlich  in  ihrer   Fraßstelle"    (Kennel). 

Die  Gattung  ist  hauptsächlich  in  Europa  vertreten,  in  einigen  Arten 
auch  weit  in  den  Osten  (bis  Japan)  verbreitet.  Neuerdings  ist  eine  Art  nach 
Amerika  verschleppt  und  hat  sich  dort  akklimatisiert. 

Alle  europäischen  Arten  haben  forstentomologisches  Interesse;  größere 
wirtschaftliche  Bedeutung  haben  jedoch  bis  jetzt  nur  4  Arten  erlangt: 
duplana  Hb.,  turionana  Hb.,  buoUana  Schiff,  und  resinella  L. 


Escherich,  Forstiiisckteii.    111.  Bd. 


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77 


Kennelidel. 


Tortriciden  <WickIer>  II 

1  Evetria  duplana //6.  &.  2  E.  turionana  Hb.  cf-  :^  E.  buolinna  S,///;^-.  Q.  4  E.  sylvestrana  Curt.  Q, 
5  E.  posticana  Ztt.  ^'.  6  E.  pinivorana  ;?//.  d-  "  E.  retiferana  H'oc/je  Q..  8  E.  margarotana  H.  S.  C,, 
9  E.  resinella  L.  10  Ar2;vi-oploce  herzvniana  7>.  c?.  11  Cymolomia  hartigiana  ci .  12  Semasia  rufimi- 
trana  H.  S.  rf.  13  S^  ratzebargrianä  (Sax)  i?/s&.  Q.  U  S.  nanana  Tr.  &.  lo  S.  diniara  rw/.  cj. 
16  S.  vacciniana  ZU.  Q.     17  S.  subsequana  Htv.  d-     1^  Asthenia  pygmacana  Hb.  d-     \  ergr.  2'  2mal. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


273 


Evetria  duplana  Hb. 

K  i  e  f  e  r  n  t  r  i  e  b  w  i  c  k  1  e  r  ,     K  i  e  f  e  r  n  q  u  i  r  1  w  i  c  k  1  e  r. 

Taf.  III,  Fig.  I. 

Ratzeburg:    Tori  rix    (Coccyx)    duplana    Hb.    —    Altum:    Retinia    duplana    Hb.    — 

Nitsche:  Torlrix  (Relinia)  duplana   Hb.   —   Nüßlin-Rhumbler :   Grapholita  (Evetria) 

duplana.  —  Wolff-Krauße:  Evetria  duplana  Hb. 

Falter;  Kopf,  Fühler,  Brust  und  Hinterleib  braungrau.  Vorderflügel  sehr 
gestreckt  mit  schrägem  Saumrande,  dunkelbraun-grau  mit  einigen  Bleizeichnungen 
im  Wurzelfelde.  Letzteres  durch  eine  breite,  weißgraue  Doppelbinde  saumwärts  be- 
grenzt, dahinter  eine  weitere,  in  der  Mitte  winklig  vorspringende,  doppelte  Mittel- 
binde. Flügelspitze  rostgelb  angeflogen  und  dadurch  meist  bei  ganz  guter  Aus- 
prägung eine  dritte  in  den  Innenwinkel  verlaufende  Doppelbinde,  sowie  eine  vierte 
die  Mitte  des  Saumes  vom  Vorderrande  auslaufende  weißgraue  Binde  völlig  ver- 
löscht. Fransen  grau  mit  dunkler  Teilungslinie.  Hinterflügel  braungrau  mit  helleren, 
dunkel  geteilten  Fransen.    Spannweite  15  mm. 

Raupe  hellgelbbraun,  wachsfarben,  oft  etwas  rötlich  durchscheinend,  Kopf 
dunkelbraun,  Nackenschild  blasser  braun.    Länge  9  mm. 

Puppe  in  den  ersten  Wochen  hellgelbbraun,  später  dunkler,  durch  lange 
Flügelscheiden,  einen  langen  Stirnzapfen  und  die  sehr  langen  Hakenborsten  des 
stark  bedornten  Afterringes  ausgezeichnet   (Abb.  2241. 


Abb.   223.     Evetria  duplana   Hb. 
I  Kieferntriebwickler). 

2'/3X. 


Abb.   224.      Puppe    von    Ev.   duplana    Hb. 
Ventralseite  (links   Hinterende  stärker  ver- 
größert).    Nach  Ratzeburg. 


Der  über  Spanien,  Frankreich,  Mitteleuropa,  Skandinavien,  Westrußland 
bis  Japan  und  Nordamerika  (eingeschleppt!)  verbreitete  Wickler  hat  als 
Wirtspflanze  ausschließlich  die  Kiefer.  Er  tritt  in  Kiefernkulturen  oft 
recht  häufig  auf,  durch  den  Triebfraß  der  Raupe  empfindlichen  Schaden 
\  erursachend.  Er  hat  daher  schon  seit  langem  die  Beachtung  von  selten  der 
Forstentomologen  und  Entomobiologen  gefunden;  in  neuerer  Zeit  haben  sich 
besonders  Baer  (1909)   und  Thomann   (191 4)   mit  ihm  beschäftigt. 

Die  Bionomie  bedarf  noch  mancher  Klärung.    Die  Bioformel  ist: 

34  —  47 


7,4  +  34 
Der  Falter  fliegt  am  zeitigsten  von  seinen  Verwandten, 
nämlich  schon  im  März,  April.  ,,Kaum  daß  ausgangs  Winter  die  ersten 
warmen  Föhnstürme  mit  den  letzten  Schneeresten  aufräumen,  beginnt  es  sich 
in  den  jungen  Kiefernbeständen  zu  regen.  Aus  grauweißen,  etwa  weizen- 
kornlangen,  ovalen  Gespinsten,  gut  versteckt  in  den  Astwinkeln  oder  ein- 
gesponnen in   den   von   der   Raupe   im   Vorsommer  ausgefressenen   und   nun 

Eseherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  18 


274  II.  Spezieller  Teil. 

abgestorbenen  Zweigstücken,  entwickelt  sich  der  zarte,  schmalflügelige  Falter. 
Tagsüber  an  Stämmen,  Zweigen  und  Knospen  sitzend  und  durch  sein  grau 
und  rotbraun  gestreiftes  Kleid  hier  vortrefflich  geschützt,  verläßt  das  Tier 
seinen  Standort  erst   kurze  Zeit  vor  Sonnenuntergang"    (Thomann,    191 4). 

„Das  Weibchen  legt  seine  Eier  zweifelsohne  zwischen  die  Deck- 
schuppen an  die  Spitze  der  Winterknospen,  denn  die  jungen  Raupen  findet 
man  stets  im  Endteil  der  jungen  Triebe,  die  sich  bis  zum  Schlüpfen  der 
Raupen  aus  den  Knospen  entwickelt  haben.  Die  ersten  Fraßspuren  sind  in 
der  zweiten  Hälfte  Mai  wahrzunehmen,  die  Hauptfraßzeit  ist  der  Monat 
Juni."  Die  Raupen  fressen  von  der  Triebspitze  gegen  die  Basis, 
also  abwärts,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  im  Innern  der  Zweige  nur  die 
Gefäßstränge  übrig  bleiben.  Der  ausgefressene  Endteil  trocknet  rasch  ein, 
verfärbt  sich,  wird  sehr  brüchig  und  hinfällig,  neigt  sich  zur  Seite,  um  sich 
endlich  umzubiegen  und  herunterzuknicken.  Zur  Fraßzeit  der  Raupe  sind 
die  Triebe  im  stärksten  Wachstum  begriffen,  sie  haben  meist  eine  Länge 
zwischen  10  und  20  cm,  ihr  Gewebe  ist  noch  weich  und  nährstoffreich. 

Da  die  Raupe  von  der  Spitze  her  abwärts  frißt,  steht  ihr  stets  frische 
Nahrung  zur  Verfügung.  Sie  entwickelt  sich  demgemäß  sehr  rasch.  Von 
Mitte  Juni  an  ist  sie  erwachsen  (Thomann).  Der  Fraß  einer  Raupe  be- 
schränkt sich  nicht  auf  einen  Trieb,  sondern  sie  wandert,  wenn  sie  einen 
Trieb  ausgehöhlt  hat,  sofort  zu  einem  neuen  Trieb,  um  dort  den  gleichen  Fraß 
zu  machen.  So  werden  also  von  einer  Raupe  mehrere  Triebe  zerstört.  Nach 
Thomann  sollen  übrigens  gewöhnlich  mehrere  Raupen  (2 — 4)  gleichzeitig 
in  einem  Trieb  fressen. 

„Zur  Puppe  selbst  verwandelt  sich  die  Raupe  erst  nach  mehreren  Wochen 
(Ende  Juni,  Anfang  Juli),  und  bis  zum  Herbst  bildet  sich  der  Schmetterling 
darin  vollständig  aus.  Farbe  und  Zeichnung  der  Flügel  sind  durch  die  hell- 
braune Puppenhülle  hindurch  bereits  deutlich  sichtbar.  Das  Tierchen  sprengt 
seine  Puppe  erst  nach  überstandener  Winterszeit,  wo  die  lauen  Märzwinde  es. 
zu  neuem  Leben  erwecken." 

Die  Verpuppung  findet,  wie  schon  bemerkt,  in  einem  grauweißen 
Kokon  statt,  am  Fraßort  in  den  ausgefressenen  und  abgestorbenen  Zweig- 
stücken oder  in  Astwinkeln  (Nitsche,  Thomann),  an  der  ,, schon  ver- 
holzten Basis  eines  ziemlich  starken  Seitentriebes"  (Ratzeburg);  nach 
Nüßlin  meist  nahe  der  Basis  der  Fraßpflanze.  Die  Puppe  überwintert  und 
gibt  im  April  oder  schon  Ende  März  den  Falter. 

Bevorzugt  werden  2 — 6  jährige  Pflanzen,  „besonders  kränkelnde  oder 
frisch  umgepflanzte"  (Ratzeburg,  F.  210).  AI  tum  (F.  184)  traf  die  Falter 
am  häufigsten  in  „lückigen  bis  10  jährigen  Kulturen",  wesentlich  seltener  in 
Schonungen.  Nach  Joly  (1906)  traten  sie  im  westfälischen  Münsterland  haupt- 
sächlich ,,in  solchen  Kiefernkulturen  und  -dickungen  auf,  welche  auf  früheren 
Acker-  und  Ödländereien  angelegt  worden  waren  und  isoliert  inmitten  der 
Felder  lagen.  In  derartigen  Kulturen,  welche  anfangs  sehr  üppigen  und 
schlanken  Wuchs  gezeigt  hatten,  fand  sich  kaum  eine  einzige  verschonte 
Kiefer." 

Nach  Thomann  tritt  di/ plana  „nester-  oder  kolonieartig"  auf,  was  dar- 
auf hindeute,  daß  ,,die  zarten  Falter  keine  geübten  Flieger  sind  und  daß  ihre 
Eiablage  mit  Vorliebe  in  nächster  Umgebung  ihrer  Geburtsstätte  stattfindet. 
Man  beobachtet  denn  auch,  daß  die  gleichen  Pflanzen  oft  jahrelang  von  der 
Art  heimgesucht  werden." 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  275 

Die  Erkennung  des  vollendeten  Fraßes  ist  nicht  schwierig:  Gewöhn- 
lich hängt  das  Ende  des  jungen  Maitriebes,  dessen  Nadeln  kaum  aus  den 
Scheiden  hervorgebrochen  sind,  welk  und  gebräunt  herab,  während  der 
basale  Teil  der  Triebe  samt  seinen  Nadeln  in  bester  Entwicklung  begriffen 
ist  (Abb.  225  A).  Dazu  kommt,  daß  die  Achse  des  welken  Endteiles  aus- 
gehöhlt ist.  Allerdings  können  auch  noch  durch  andere  Ursachen  Bilder 
hervorgerufen  werden,  die  dem  ä/fplaua-FraßhUd  wenigstens  äußerlich 
ähneln,  worauf  Baer  (1909)  aufmerksam  gemacht  hat:  So  durch  Hagel - 
schlag;  hier  ist  auf  das  Fehlen  des  Achsenfraßes  und  anderweitige  Hagel- 
spuren  zu  achten    (Abb.  225  B   u.   C).     Ferner  durch   den    Fraß   von   Cacoecia 


A  B  C 

junger  Kieferntrieb  von  E.  dupliDia  Hb.   befalleii. 


Abb.  225.    A  junger  Kieferntrieb  von  E.diiplana  Hb.   befallen.    B   und  C    (zum  Ver- 
gleich)   durch    Hagelschlag    verletzte    Kieferntriebe.     Nach    Baer. 


piceana  (s.  oben,  S.  225);  hier  kommt  differentialdiagnostisch  vor  allem 
der  Umstand  in  Betracht,  daß  der  piceana-Yx'dL^  zum  Teil  auch  äußerlich  an 
den  Nadeln  und  der  Triebrinde  stattfindet.  Endlich  kann  ausnahmsweise 
auch  der  Fraß  von  biioliana  ähnliche  Bilder  erzeugen,  doch  führt  in  diesen 
Fällen  ein  Kanal  von  der  Knickungsstelle  aus  (nicht  von  oben  her) 
in  das  Triebinnere.  (Für  gewöhnlich  findet  der  biioUaiin-Yx?i^  an  der  Basis 
des  Triebes  statt,  so  daß  die  Unterscheidung  von  diiplana  keine  Schwierig- 
keiten macht  (s.  unten,  S.  292). 

Wird  ein  und  dieselbe  Pflanze  des  öfteren  befallen,  so  sehen  sie  wie 
,, durch  Ziegen  oder  andere  Wiederkäuer  verbissen  aus.  An  Stelle  der  zer- 
störten Leittriebe  bildet  die  Pflanze  im  folgenden  Jahr  einen  ganzen  Büschel 
gleichartiger  Zweige,  die  in  der  Regel  wieder  befallen  werden.   So  schreitet 

18* 


276 


IL  Spezieller  Teil. 


der  Prozeß  der  Schädigung  und  Reaktion  der  Pflanze  durch  Vervielfältigung 
ihrer  Triebe  immer  weiter,  bis  die  Föhre  schließlich  ein  krüppelhaftes, 
Aussehen  erhält  (Abb.  226)  und,  sofern  der  Befall  fortdauert,  die  Pflanze 
von  der  Spitze  her  abzusterben  beginnt   (Thomann). 

Duplaua    ist    zweifellos    häufiger    und    schädlicher,    als    man 

früher  angenommen  hat. 
AI  tum  nennt  sie  nächst 
biioliana  die  häufigste  Art 
auf  den  Kiefernkulturen 
Norddeutschlands.  Nach 
Eckstein  (1906)  trat  sie 
1906  in  weiter  Verbrei- 
tung von  Ostpreußen  bis 
Sachsen,  Schlesien,  auch 
in  Westpreußen  und 
Polen  auf;  nach  J  o  1  y 
(1925)  in  der  gleichen 
Zeit  in  den  Kiefern- 
gegenden des  westfäli- 
schen Münsterlandes,  wo 
sie  sehr  erhebliche  Schä- 
digungen anrichtete,  und 
nach  N  ü  ß  1  i  n  ist  sie 
auch  in  Baden  ,,in  ein- 
zelnen Jahren  wohl  die 
schädlichstej£"^'e//-/«-Art". 
,,Im  Anfang  der  80  er 
Jahre  trat  sie  mehrere 
Jahre  hindurch  gemein 
und  sehr  schädlich  an 
jungen  Kulturen  auf,  so 
daß  ständig  Ausbesse- 
rungen nötig  wurden  und 
einzelne  Kulturen  nur 
langsam  in  die  Höhe 
kamen."      Auch     in     der 

.     T'-  r        •   r  1     ,      1         I  j       T.  r  11  Schwciz  ist  sic  vcrschie- 

Abb.  226.    Kielerngipiel,  durch  andauernden  Belail  von     ,        ,.   ,  ,  i^-ji-   -u 

Evelria    duplaita    Hb.    im    Absterben    begriffen.     Nach    dentlicli    recht    scüadiicn 

Thomann.  geworden     (Thomann, 

1914). 
Als  Gegenmittel  kann  zeitiges  Abbrechen  und  Vernichten  der  befallenen 
Triebe,  Mitte  bis  Ende  Mai,  empfohlen  werden. 

Evetria  turionana  Hb. 

Kiefernknospen  Wickler. 
Taf.  II,   Fig.  2. 
Ratzeburg:    Tortrix    (Coccyx)    turionana    L.    —    Altum:    Retinia    turionana    Hb.    — 
Nitsche:     Grapholita    (Evetria)    turionana     Hb.     —     Wolff-Krauße:     Evetria    turio- 
nana Hb. 
Falter:   Kopf  und   Fühler  gelbbraun,  desgleichen  die  Brust.    Grundfarbe  der 
Vorderflügel  braungelb,  im  Saumfelde  rostgelb,  in  der  Wurzelhälfte  mit  vielen  blei- 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


277 


grauen,  unregelmäßigen  Querwellen  durchzogen,  so  daß  hier  mitunter  die  Grund- 
farbe stark  zurücktritt.  Am  Vorderrande  vier  bleigraue  Häkchenpaare  oder  Einzel- 
häkchen, von  denen  über  das  Saumfeld  unregelmäßige,  bleigraue  Querbinden  ver- 
laufen. Fransen  dunkel  bleigrau  mit  dunkelgrauer  Teilungslinie.  Hinterflügel  beim 
Cf  weißlich,  mit  grauer  Spitze,  beim  Q  mehr  grau,  an  der  Spitze  rostgelb  bestäubt; 
Fransen  hellbraun.  Die  alpine  var.  miighiana  ZU.  zeichnet  sich  durch  dunkles 
Braun  der  Vorderflügel  (an  Stelle  des  Rostgelb)  und  durch  dunkleres  Bleigrau  des 
Grundes  aus.    Spannweite   i8 — 20  mm. 

Raupe  hell  schmutzigbraun,  Kopf  schwarz,  Nackenschild  klein.  Auf  der 
Oberseite  der  Ringe  quer  über  jeden  derselben  mit  zwei  parallelen,  dünnen,  etwas 
dunkleren,   mehr   rötelnden    Gürteln.     Länge   9—10   mm. 


Abb.   227.    Eveiria   turionana   Hb.        Abb.    228.    Puppe   von   Evetria   iiirionana    Hb. 
(Kiefernknospenwickler).  2X.  Venlralseite    (rechts    Hinterende    stärker    ver- 

größert).   Nach  Ra  t  zeburg. 


Puppe  durch  das  Fehlen  jeglicher  Stirnfortsätze  und  den  fast  gänzlichen 
Mangel  eines  Stachelkranzes  über  dem  After  von  den  verwandten  Arten  leicht  zu 
unterscheiden    (Abb.  228). 

Die  Art  ist  über  Deutschland,  Schweiz,  Österreich  und  Nachfolgestaaten, 
Ungarn,  Belgien,  Holland,  England,  Westrußland,  Finnland  und  Skandi- 
navien verbreitet  und  kommt  auch  in  Japan  vor.  In  vertikaler  Verbreitung 
steigt  sie  bis  zu  einer  Meereshöhe  von  1200  m  auf. 

Ihre  Hauptfraßpflanze  ist  die  gemeine  Kiefer  (Pinus  sil- 
vestris);  außerdem  kommt  sie  auch  an  Bergkiefer  vor,  ferner  an  der  drei- 
nadeligen  Pinus  poiiderosa  Dougl.  (Frey,  1880)  und  der  fünf  nadeligen 
Pinus  strobus  L. 

Der  Falter  fliegt  etwa  4  Wochen  später  als  du  plana,  im  Mai 
(bis  Juni).  Er  hat  so  große  Übereinstimmung  mit  der  rotbraunen  Farbe 
der  Ausschlagschuppen,  die  um  diese  Zeit  die  Knospen  noch  bedecken,  daß 
man  den  Schmetterling  nicht  eher  zu  Gesicht  bekommt,  als  bis  man  ihn  ab- 
schüttelt. Er  legt  seine  Eier  einzeln  hauptsächlich  an  die  Mittelknospe  eines 
Quirls  ab  (bei  starker  Vermehrung  jedoch  an  sämtliche  Knospen),  meist  des 
Kronentriebes  von  jungen  6 — 15  jährigen  Kiefern  (wahrscheinlich  an  die  Spitze 
der  Knospe  zwischen  die  Schuppen). 

Die  Entwicklung  vollzieht  sich  nach  der  Bioformel: 

56  —  67,4 

45  +  56 
Das  Ende  Juni,  anfangs  Juli  schlüpfende  Räupchcn  bohrt  sich  in  die  Spitze 
der  Knospe,  höhlt  diese  bis  zum  Winter  vollständig  aus  und  dringt  oft  auch 
noch  etwas  weiter  abwärts  in  den  Trieb  ein,  wo  sie  überwintert.    Im  nächsten 


278 


II.  Spezieller  Teil. 


Frühjahr  setzt  sie  noch  kurze  Zeit  (von  Mitte  März  bis  Mitte  April)  den 
Fraß  fort  und  verpuppt  sich  dann  in  der  mit  feinen  Fäden  ausgesponnenen 
Knospe,  und  zwar  mit  dem  Kopf  nach  unten  (in  sehr  seltenen  Fällen  auch 
nach  oben)  gerichtet  (Ratzeburg  F.,  S.  208). 

Im  Mai  „dringt  die  Puppe  mit  dem  Kopf  voran  an  der  Basis  der  Harz- 
beule, welche  am  Fuß  der  Knospe  zwischen  den  gesunden  liegt,  hervor,  der 
Falter  kommt  aus  der  kleinen  bleibenden  Hülse  und  sitzt  noch  einige  Zeit 
an  den  Nadeln"  (R.).  Der  Harzaustritt,  der  sich  schon  im  Herbst  be- 
merkbar macht  und  im  Frühjahr  durch  den  zweiten  Fraß  noch  verstärkt 
wird,  stellt  ein  Erkennungsmerkmal  des  t/(rio//aiia-Yr3.[iiCs  dar.  Dazu 
kommt  die  Verfärbung  der  Knospe,  die  nicht  die  gewöhnlich  braune, 
sondern   eine   grauschwarze    Farbe   hat   und   endlich   das    Zurückbleiben 

der  befallenen  Knospe  im  Wachs- 
tum (s.  unten),  das  schon  im   März  er- 
kenntlich ist  und  im  April  so  merklich 
kl      B  A  ^  M  ^    fi^«  a      wird,  daß  es  von  weitem  zu  sehen  ist 
VI  "      •    *  '     "  "iS       (Abb.     229);     im     Mai     vollends     ver- 

V  ^j  ?/        schwindet     die    tote     Mittelknospe    im 

^^  ä  J^  Kranz  der  gesunden.    So  bietet  die  Er- 

L    ^iM    n  kennung    des    li/rionaiia-¥reiües    keine 

k     ^    B  Schwierigkeiten  dar;  durch  Aufschnei- 

^    Wk  ^"  den  oder  Aufbrechen  der  Knospe  wird 

m    ™  .'.,..  die  Diagnose  bestätigt.    Beschränkt  sich 

der  Befall  nicht  auf  die  Mittelknospe, 
sondern  werden  auch  die  Seitenknospen 
zerstört,  so  kann  es  durch  Austreiben 
zahlreicher  ,, Scheidentriebe"  zu  dichten, 
,, besenartigen"  Bildungen  kommen,  wie 
bei  der  nachfolgenden  buoliana  Schiff. 
(Abb.  230). 

Die  forstliche  Bedeutung 
unseres  Wicklers  wird  im  allgemeinen 
unterschätzt,  wohl  aus  dem  Grunde, 
daß  man  „seine  Wirkungen  mit  denen 
anderer  Wickler  zusammengeworfen 
hat".  Ratzeburg  ist  überzeugt,  daß 
tiirio>iaiia  „hier  und  da  merklich  schäd- 
lich werden  kann".  „Er  verletzt  die 
Kiefer  recht  empfindlich,  indem  er  ihr  die  Knospe  des  Höhentriebes  raubt 
und  eine  Seitenknospe  zwingt,  deren  Stelle  zu  vertreten.  Er  ist  ferner  in 
keinem  Jahr  ganz  selten  und  vermehrt  sich  in  manchen  Jahren  ziemlich  be- 
deutend." 

Ein  besonders  starker  und  verderblicher  Fraß  fand  am  Ende  des 
vorigen  Jahrhunderts  (1895 — 1897)  in  Holland  statt,  worüber  Ritzema- 
Bos  folgende  interessante  Mitteilungen  macht:  ,,Die  starke  Vermehrung  in 
den  Kieferschonungen  Hollands  zeigte  sich  zuerst  vor  etwa  12  Jahren,  sie 
fand  hier  bald  in  fast  allen  auf  diluvialem  Boden  wachsenden  Kiefern- 
wäldern von  4 — 16  jährigem  Lebensalter  statt,  und  turionana  wurde  bald  das 
schädlichste  Insekt  unserer  Kiefernkulturen.  Bei  der  stattfin- 
denden Massenvermehrung  wurden  nicht  bloß  die  Endknospen  angegriffen, 


Abb.  229.    Fraß  von  li-j'ciria  htrin)iana 
Hb.     In    der    zerstörten    Mittelknospe 
sieht   man  die   Puppe.     Nach   Ratze- 
bure;. 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  279 

wie  dies  nach  Ratzebu  rgs  Mitteilung  gewöhnlich  geschehen  soll,  sondern 
bisweilen  fast  sämtliche  Knospen  der  jungen  Kiefern,  und  es  entwickelten 
sich,  wie  ich  schon  oben  sagte,  ganze  Besen  von  ,, Scheidentrieben",  von 
denen  nur  ausnahmsweise  dieser  oder  jener  sich  zu  einem  normalen  Zweig 
entwickelte,  während  gewöhnlich  alle  klein  blieben  und  starben. 

„Weil  die  Scheidentriebe  gewöhnlich  kurz  bleiben,  tragen  sie  ihre  Nadel- 
paare dicht  nebeneinander.  Diese  Nadeln  sind  oft  abnorm  breit  und  dick, 
bisweilen  hin-  und  hergebogen.  Manchmal  finden  sich  3  Nadeln  statt  2  in 
einer  Scheide  zusammengefügt. 

„Es  versteht  sich,  daß  die  angegriffenen  jungen  Bäume  bei  starkem  Fraß 
klein  bleiben,  denn  wenn  auch  einige  Triebe  zu  normaler  Entwicklung  ge- 
langen, so  werden  diese  doch  im  nächsten  Jahre  angegriffen.  Und  wenn 
ausnahmsweise  einige  Äste  kräftig  auswachsen,  so  wachsen  diese  in  die 
Höhe,  der  junge  Baum  bekommt  keinen  Hauptstamm,  sondern  mehrere 
Stämme,  wird  also  strauchförmig.  Von  der  turionana  angegriffene  junge 
Kiefernschonungen  sind  schon  in  weiter  Entfernung  an  ihrem  eigentümlichen 
Aussehen  kenntlich.  Bisweilen  sterben  ganze  Besen  ab,  ausnahmsweise 
sterben  auch  ganze  Bäumchen,  es  wird  der  ganze  junge  Wald  gewöhnlich 
völlig  wertlos.  Wenn  später  der  Fraß  aufhört,  können  bloß  die  relativ  wenig 
angegriffenen  Kiefern  einigermaßen  sich  erholen." 

„Nur  die  Kiefern,  welche  jahrelang  hintereinander  in  dem  Grade  an- 
gegriffen werden,  daß  fast  keine  Knospe  übrig  bleibt,  sterben  an  Mangel 
von  Nadeln  ab.  Die  vorjährigen  Zweige  verlieren  schon  im  Sommer  ihre 
Nadeln,  also  schon  mehr  als  ein  Jahr  zu  früh,  und  diese  Zweige  verlieren 
ihre  Festigkeit,  sie  werden  schlaff  und  nehmen  eine  abnormale  Farbe  an." 

„Zwar  werden  hauptsächlich  Kiefern  im  Alter  von  6 — 12  Jahren  an- 
gegriffen, es  bleiben  aber  etwas  jüngere  und  etwas  ältere  auch  nicht  frei. 
Am  meisten  zeigt  sich  die  turionana  in  jungen  Schonungen.  Wo  die  Kiefern 
eine  sehr  verschiedene  Größe  haben,  werden  diejenigen,  welche  am 
meisten  zwischen  den  anderen  Bäumchen  emporragen,  zu- 
erst angegriffen  und  bilden  Infektion  scentra,  von  denen 
aus  das  Übel  sich  in  folgenden  Jahren  verbreitet.  Also  werden  in  erster 
Reihe  solche  jungen  Kiefernwälder  heimgesucht,  wo  infolge  unzweckmäßiger 
Behandlung  des  Bodens,  infolge  ungünstigen  Bodenzustandes  usw.  das 
Wachstum  der  jungen  Kiefern  ein  ungleichmäßiges  ist,  auch  auf  Böden,  wo 
stellenweise  die  ausgesäten  Kiefern  nicht  zur  Entwicklung  gelangt  sind,  so 
daß  man  später  junge  Kiefern  hat  einpflanzen  müssen.  Allein  es  werden 
auch  junge  Kiefernwälder  angegriffen,  die  regelmäßig  gewachsen  sind." 

„Es  geht  mit  dem  turionana-Yx-d,^^  wie  mit  jedem  Insektenfraße  im 
Walde.  Nach  einer  kürzeren  oder  längeren  Zeit  wird  ihm  oft  durch  die 
starke  Vermehrung  der  Parasiten  des  betreffenden  Insektes  ein  Ende  ge- 
macht. So  ging  es  in  den  jungen  Kiefernwäldern  Hollands.  Wenn  irgend- 
welche Gegend  von  turionana  befallen  wurde,  kam  das  Insekt  in  jedem  fol- 
genden Jahre  zu  stärkerer  Vermehrung  und  Verbreitung,  bis  oft  nach 
4 — 5  Jahren  sich  die  Parasiten  (hauptsächlich  Glypta  resinanae  Htg.,  weiter 
auch  eine  Pimpla-kxt,  Tryphon  impressus  Grav.,  Entodon  turionum  Htg.)  in  dem 
Maße  vermehrt  hatten,  daß  dem  Turionana-Yx'A&^  ein  Ende  gemacht  wurde." 

„Im  Frühling  1897  hielt  ich,"  schreibt  Ritzema-Bos,  ,,in  meinem 
Laboratorium  mehrere  Hundert  angegriffene  Kiefernknospen,  welche  mir 
von    Herrn    H.J.  Lovink,    damals    Direktor    der    niederländischen    Heide- 


580 


II.  Spezieller  Teil. 


kulturgesellschaft,  aus  Bakel  (Provinz  Nordbrabant)  zugesandt  wurden.  Ich 
erhielt  aus  sämtlichen  Knospen  bloß  35  Stück  lurtouana-Schmetterlmge., 
gegen  371  Glypta  resinatiae^)  und  18  andere  Schlupfwespen.  (Alle  diese  Ima- 
gincs  entwickelten  sich  zwischen  25.  April   und  29.  Mai.l    Es  ergab  sich  also, 


Abb.  230  A.     Folgen    eines    starken    ti/rionana-7xa.ües.     Bildung    von    abnorm    langen 
Nadeln    aus     Scheidentrieben     nach     Zerstörung     aller     Knospen     („Besen").      Nach 

R  i  t  z  e  m  a  -  B  o  s. 

1)  Auch  Ratzeburg  hat  als  häufigsten  Parasiten  die  Schlupf wespe  Glypta 
resinanae  Htg.  gezogen.  „Die  weniger  stark  ausgefressenen  Knospen,  aus  denen  fast 
zur  Flugzeit  des  Falters  ein  Ichneumon  (Gl.  resinanae  Htg.)  in  großer  Menge 
kommt,  der  vor  dem  Auskommen  die  Knospe  mit  einem  Kokon  völlig  austapeziert 
und  die  Überreste  der  Raupe  ausgesperrt  hatte,  zeigen  bloß  ein  (von  der  Raupe 
vor  ihrem  Tode  gefressenes)  Loch  ohne  Puppenhülse." 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


281 


daß  920/0  der  angegebenen  Knospen  keine  turiottana,  sondern  eine  Schlupf- 
wespe enthielten,  woraus  erhellte,  daß  im  nächstfolgenden  Jahr  der  junge 
Kiefernwald,  aus  dem  die  Knospen  stammten,  keinen  Fraß  mehr  zeigen 
konnte. 


Abb.  230  B.    Folgen  eines  starken  /iirioiia/iu-Vxix?iCs.    Die  meisten  Scheideniriebe  sind 
abgestorben.     Nach    Ritzema-Bos. 

„Eine  solche  Schlupfwespenvermehrung  scheint  sich  auf  den  meisten  mit 
jungen  Kiefern  bedeckten  diluvialen  Böden  Hollands  in  den  Jahren  1897 
bis  1899  gezeigt  zu  haben,  denn  in  diesen  Gegenden  nahm  die  Bedeutung 
des  turionana-  Fraßes  allmählich  ab,  und  es  erholten  sich  sogar  mehrere  junge 
Kiefernwälder.  Später  aber  sind  die  Knospenwickler  in  mehreren  Gegenden 
wieder  zu  stärkerer  Vermehrung  gelangt,  und  jetzt  hat  der  Fraß  dieser  In- 


282  II.  Spezieller  Teil. 

Sekten  zwar  noch  bei  weitem  nicht  die  Ausdehnung  bekommen,  welche  er  um 
1895 — 1897  hatte,  aber  in  mehreren  Gegenden  Hollands  ist  er  jedenfalls  jetzt 
wieder  gar  nicht  ohne  große  Bedeutung." 

Zur  Verhütung  der  Weiterverbreitung  kann  man  die  ausgefressenen 
Knospen  ausbrechen  und  die  Raupe  oder  Puppe  zerstören.  Am  besten 
geschieht  diese  Arbeit  gegen  Ende  April,  wo  sich  die  toten  Knospen  von  den 
schon  bedeutend  getriebenen  lebenden  leicht  unterscheiden  lassen. 

Bei  der  oben  genannten  holländischen  Kalamität  wurde  diese  Methode  im 
großen  durchgeführt,  und  zwar  mit  gutem  Erfolg,  worüber  Ritzema-Bos  (I.e.) 
wie  folgt  berichtet:  „In  der  Nähe  von  Bakel  (Nordbrabant)  wurde  die  lurionana 
in  Kiefernwäldern  in  5 — 12  jährigem  Alter  entdeckt.  Das  tjbel  hatte  durch  die  große 
Oberfläche,  welche  mit  Kiefern  desselben  Alters  bewachsen  war,  sich  so  schnell  ver- 
breitet, daß  von  dem  Fangen  auf  dem  ganzen  angegriffenen  Terrain  keine  Rede 
mehr  sein  konnte.  Unmittelbar  an  diese  12  jährigen,  stark  angegriffenen  Scho- 
nungen grenzte  eine  60  ha  große  3  jährige  Kiefernschonung,  so  daß,  wenn  nicht 
gleich  kräftig  aufgetreten  wurde,  das  Übel  sich  bald  auch  über  diese  verbreiten 
mußte,  denn  in  der  jungen  Anpflanzung  waren  schon  viele  Knospen  angegriffen. 
Die  junge  Schonung  sowie  der  Teil  des  12  jährigen  Kiefernwaldes,  welcher  an  die- 
selbe grenzte,  wurde  daher  genau  untersucht,  und  die  angegriffenen  Knospen  wurden 
ausgebrochen. 

Im  ersten  Jahr  wurden  für  diese  Arbeit,  soweit  sie  sich  über  die  16  ha  alte 
Bepflanzung  erstreckte,  122,25  fl.  (=  etwa  204  M.)  bezahlt,  während  für  die  junge 
Bepflanzung  von  60  ha  82,00  fl.  {=  etwa  137  M.)  bezahlt  wurden.  Schon  im  nächst- 
folgenden Jahr  ließen  sich  die  günstigen  Erfolge  der  Bekämpfung  nachweisen.  Es 
wurde  diese  aber  im  nächsten  Jahre  fortgesetzt.  Die  Resultate  waren  sehr  günstige, 
denn  in  den  jungen  Pflanzungen  kam  die  turionana  gar  nicht  mehr  vor,  und  auch 
die  behandelten  12  jährigen  Pflanzungen  erholten  sich  zum  größten  Teil,  sie  bil- 
deten neue  Haupttriebe,  deren  Knospen  nicht  wieder  angegriffen  wurden.  Die  nicht 
behandelten  Teile  der  12  jährigen  Pflanzung  aber  waren  gänzlich  vernichtet  und 
mußten  abgebrannt  werden.  —  Hätte  das  Abbrechen  der  Knospen  nicht  statt- 
gefunden, so  wären  zweifellos  die  60  ha  der  jungen  Anpflanzung  zum  größten  Teil 
von  turionana  vernichtet  worden.  Die  Kosten  betrugen  in  der  alten  Anpflanzung 
7,60  fl.  (=  13  M.)  pro  Hektar,  in  der  jungen  Anpflanzung  1,30 — 2,00  fl. 
{^=  2,20 — 3,30  M.)   pro   Hektar." 

„Ein  anderes  wirksames  Bekämpfungsmittel  ist  das  Entfernen  der 
stark  angegriffenen  Kiefern,  das  sind  gewöhnlich  diejeni- 
gen, welche  höher  aufgewachsen  sind  als  die  anderen,  wie 
solches  namentlich  in  angesäten  jungen  Kiefernkulturen  vorkommt.  Diese 
höher  emporgewachsenen  Bäumchen  treten,  wie  schon  oben  betont  wurde, 
gewöhnlich  als  Infektionszentra  auf.  Allein  das  Aufräumen  derselben  muß 
geschehen,  sobald  der  Fraß  sich  zu  zeigen  anfängt,  also  wenn  noch  bloß 
oder  fast  ausnahmsweise  diese  Bäumchen  befallen  sind.  Daß  dies  im  Winter 
geschehen  muß,  wenn  die  Räupchen  noch  in  den  Knospen  sitzen,  versteht  sich 
von  selbst,  auch  daß  die  umgehauenen  Kiefern  entweder  verbrannt  oder  weit 
entfernt  werden  müssen. 

„Sehr  stark  angegriffene  Kiefernkulturen  müssen  abgebrannt  werden, 
denn  aus  ihnen  wird  doch  nichts,  und  sie  sind  eine  Gefahr  für  die  Um- 
gebung. 

„Je  besser  die  Existenzbedingungen  der  Kiefern  auf  einem  gewissen 
Terrain  sind,  desto  besser  können  dieselben  dem  Angriff  der  Knospen- 
wickler Widerstand  leisten. 

„Wo  der  Boden  die  Kultur  von  Laubhölzern  erlaubt,  müssen  auf  Heide- 


I.  Unterordnung:   IMicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


283 


Abb.  231. 

Evetria  buoliana  Schiff. 

(Kieferntriebwickler ).   2  X. 


flächen  und  sonstigen  unbebauten  diluvialen  Sandböden,  die  man  für  den 
Waldbau  benutzen  will,  nicht  ausschließlich  Kiefernwälder  angelegt  werden, 
wenigstens  umsäume  man  die  Kiefernwälder  mit  Laubholz.  Wo  der  Boden 
sich  für  die  Fichte  eignet,  könnte  man  diesen  Baum  mit  der  Kiefer  ab- 
wechseln lassen."  ^  ^  .  .  ,-  c  ^^'is 
Evetria  buoliana  Schiff. 

Kieferntriebwickler,    Kiefernknospen  triebwickle  r. 

Taf.  III,  Fig.  3. 

Ratzeburg:   Tort  rix   (Coccyx)    buoliana    Fabr.   —   Altum:   Retinia   buoliana   W.  V.   — 

Nitsche:   Tortrix  (Retifiia)   buoliana  Schiff.   —   Nüßlin-Rhumbler :   Grapholitha  (Re- 

iinia)   buoliana   Schiff.   —   Wolff-Krauße:    Evetria   buoliana   Schiff. 

Der   Falter  ist   durch   die   ziegelroten   Vorderflügel  mit   silberigen   Querlinien 
auffallend  und  ohne  weiteres  von  seinen  Verwandten  zu  unterscheiden.    Hinterflügel 
einfarbig,    bräunlichgrau    mit    gelblichen    Fransen    und 
dunkler     Teilungslinie.       Spannweite      iS    bis     23     mm 
(Abb.  231). 

Färbung  und  Zeichnung  der  Vorderflügel  sind 
recht  variabel.  Bei  der  im  südlichen  Teil  des  Ver- 
breitungsgebietes vorkommenden  var.  thurificana  Led. 
ist  der  ganze  Flügel  stark  aufgehellt  (mit  Ausnahme 
dei  Mitte,  die  dunkler  bleibt).  Bei  der  var.  fini- 
colana  Dbld.,  die  mehr  im  nördlichen  Teil  des  Ver- 
breitungsgebietes (England)  vorkommt,  wird  der  ganze 
Flügel  dunkler,  die  metallisch  silberglänzenden  Strei- 
fen treten  sehr  scharf  hervor,  die  ganze  Wurzel  oft 
einfarbig  rot  ohne  Silberzeichnung. 

Das  Ei  wurde  erst  in  neuester  Zeit  entdeckt  von  Gasow  (1925),  der  eine 
ausführliche  Beschreibung  davon  gibt:  von  länglich  rundem  Umriß,  Unterseite  eben, 
Oberseite  dagegen  leicht  gewölbt.  Die  Farbe  der  frisch  gelegten  und  unbefruchteten 
Eier   ist   hellgelb.    Die   befruchteten   Eier   neh-  ^ 

men  eine  bräunliche  Farbe  an,  etwa  überein- 
stimmend mit  der  Farbe  der  Terminalknospe 
im  Juli;  sie  sind  daher  hier  schwer  zu  ent- 
decken, auch  von  den  Nadelscheiden  heben  sie 
sich  nicht  besonders  ab  (auffälliger  sind  da- 
gegen die  weißlich  perlmutterglänzenden  Ei- 
schalen). Das  Aussehen  der  Eier  erfährt  bei 
tortgeschrittener  Embryonalentwicklung  eine 
leichte  Veränderung  dadurch,  daf3  dann  Kopf 
und  Nackenschild  der  Raupe  durch  die  Ei- 
schale hindurchschimmern;  auch  sind  die  äl- 
teren Eier  etwas  dunkler  als  die  jüngeren. 
Als  Längenmaße  gibt  Gasow  an:  0,9 — 1,3, 
als   Breitenmaße  0,65 — 0,85   mm. 

Raupe.  Für  die  Jungraupe  gibt 
Gasow  (1.  c.)  folgende  Merkmale  an:  hell- 
braun mit  einem  Stich  ins  Rötliche,  Kopf 
schwarz,  Nacken-  und  Afterklappenschild 
schwarzbräunlich,  letzteres  etwas  heller,  Kopf- 
breite  etwa  0,26  mm,  Länge  der  Raupe  ca.  2,2  mm 
Segment  durch  helle,  kleine  Borsten  ausgezeichnet,  die  auf  dem  Afterklappenschild 
besonders  lang  sind.  Die  Wärzchen,  auf  denen  die  Haare  aufsitzen,  haben  keine 
besondere  Färbung.  Die  ganze  Raupenhaut  ist  mit  mikroskopisch  kleinen,  spitzen 
Stacheln  dicht  besetzt."  Die  relativ  dicke  und  plumpe,  fettigglänzende,  erwachsene 
Raupe  wird  bis  21   mm  lang. 


A 

Abb.  232.  Puppe  von  Evetria  buo- 
liana Schiff.  A  seitliche,  B  ventrale 
Ansicht.  C  Hinterende  g  (stärker 
vergr. ),  D  Hinterende  o"-  Nach 
Ratzeburg. 

Die  kleine  Raupe  ist  auf  jedem 


284  II.  Spezieller  Teil. 

Puppe  gelbbraun,  auf  dem  Hinterleibsrücken  mit  feinen  Stachelreihen.  Stirn 
etwas  gehöhlt  mit  ansehnlicher,  nach  oben  vortretender,  kammförmig  bis  zum  Hinter- 
kopf verlaufender  Hervorragung.  Am  letzten  Ring  ein  halber,  den  After  von  hinten 
umgebender  Stachelkranz  (Abb.  232). 

Die  geographische  Verbreitung  erstreckt  sich  von  England  bis 
Rußland  und  weiter  östlich  bis  Zentralsibirien,  und  von  Schweden  bis  nach 
Südeuropa  und  Syrien;  neuerdings  auch  in  Nordamerika  eingeschleppt  und 
heimisch  geworden. 

Als  Fraßpflanze  kommt  nur  die  Kiefer  in  Betracht,  bei  uns  vor 
allem  die  gemeine  Kiefer  (Piniis  silvestris  L.),  sodann  die  korsische 
Schwarzkiefer  (Pinus  laricio  Poir),  die  Seekiefer  (Pinus  pinaster 
Sol.),  die  Weimutskiefer  (Pinus  strobus  L.)  und  verschiedene  auslän- 
dische Kiefern  1).  Bevorzugt  werden  6 — 12jährige  Pflanzen;  Stangen  über 
30  Jahre  scheinen  nicht  mehr  befallen  zu  werden. 

Bionomie.  —  Obwohl  buoliana  zu  den  häufigsten  Kieferninsekten 
gehört,  wiesen  unsere  Kenntnisse  über  die  Bionomie  bis  vor  kurzem  noch 
recht  empfindliche  Lücken  auf,  die  erst  in  den  letzten  Jahren  G  a  s  o  w 
(1925a  und  b)  auszufüllen  gelang.  Die  Generation  ist  in  Mittel-  und 
Südeuropa  (bis  nach  Sizilien)  eine  einfache,  während  sie  in  noch  südlicheren 
Ländern  (Palästina)  nach  Bodenheimer  (1927)  eine  doppelte  ist-). 

Die  Entwicklung  vollzieht  sich  nach  der  Bioformel: 

7  —  7,5 
5  +  76 
Die  Flugzeit  fällt  in  der  Hauptsache  in  den  Monat  Juli,  mit  Schwan- 
kungen einerseits  zum  Juni,  andererseits  zum  August.  Die  Falter  fliegen  vor- 
nehmlich des  Abends  in  den  jungen  Orten  und  Kiefernsaaten  oft  in  großer 
Menge  umher.  Am  Tage  sitzen  sie  in  der  Gegend  des  neuen  Knospenquirls 
still  und  sind  dann  infolge  der  übereinstimmenden  Färbung  des  Falters  und 
der  Knospen  schwer  zu  sehen.    Die  Lebensdauer  der  Falter  beträgt  (bei  22 '^j 


1)  Im  Arboretum  der  Wiener  Hochschule  für  Bodenkultur  wurden  am  meisten 
befallen  die  Schwarzkiefer  und  Pinus  ponderosa  Dougl.  (Gelbkiefer),  während  Pinus 
pumilio  nur  wenig  zu  leiden  hatte  und  Pinus  leucodermis  Ant.  ganz  verschont  wurde 
(Wilhelm,  1918). 

2)  Bodenheimer  berechnete  die  für  die  Entwicklung  einer  Generation  not- 
wendige Wärmesumme  auf  3635 — 3675  Grad.  Eine  Gegenüberstellung  der  effektiven 
Wärmesumme  und  Generationszahl  von  buoliana  aus  \erschiedenen  Orten  ihres  Ver- 
breitungsgebietes ergibt  folgendes  Bild: 

Ort  Wärmesumme     Generation 

London  2ßl2) "      \ 

Berlin  3960         I 

Paris  4077         ;      einfach 

Rom  5832 

Palermo  6435 

Haifa  7287         \       .^,^_,. 

Jaffa  7262         r      ^°PP^'^ 

„Wir  sehen  daraus,  daß  von  den  dargestellten  Punkten  Haifa  und  Jaffa  die 
einzigen  sind,  deren  Wärmesumme  das  Doppelte  der  einfachen  Entwicklungswärme 
beträgt."  Wahrscheinlich  wird  auch  in  Südspanien  und  Cypern,  die  ein  nahezu 
identisches  Klima  besitzen,  die  doppelte  Generation  die  Regel  sein.  Die  hier  ge- 
nannten Plätze  umschließen  das  Verbreitungsgebiet  der  helleren  Var.  thurificana, 
und  es  dürfte  sich  daher  dieses  mit  dem  der  doppelten  Generation  decken.  Nach 
Bodenheimer  ist  danach  die  Möglichkeit  einer  2jährigen  Entwicklungsdauer  in 
den  nördlichen  Teilen  des  Z'«ö/m//ö- Verbreitungsgebietes  nicht  ausgeschlossen. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


285 


für  die  o'o''  im  Durchschnitt  3,6  Tage,  für  die  Weibchen  7,7  Tage  (Boden- 
heim  e  r). 

Über  die  Eiablage  waren  wir  bis  vor  kurzem  in  Unkenntnis,  und  die 
einzehien  Autoren  machten  sich  daher  ihre  verschiedenen  Vorstellungen  dar- 
über. So  meinte  Ratzeburg  (F.  204):  „Es  ist  nicht  dem  geringsten 
Zweifel  unterworfen,  daß  das  9  die  Eier  zwischen  die  Knospen  hineinschiebt, 
weil  man  das  noch  außerordentlich  kleine  Räupchen  schon  im  Flerbst  findet 
und    es    in    diesem    Zustand    nicht 

einen  Zoll  gewandert  sein  könnte."  *'** 

Erst  neuerdings  ist  es  Gasow  (1925) 
gelungen,  die  Art  der  Eiablage  fest- 
zustellen. Danach  werden  die  Eier 
einzeln  in  größerer  oder  kleinerer 
Entfernung  voneinander  (als  die 
geringsten  Entfernungen  wurden 
2 — 5  mm  gemessen)  abgelegt,  und 
zwar  sowohl  an  die  Terminalknospe, 
als  an  die  Quirlknospen,  als  auch, 
und  zwar,  wie  es  scheint,  am  häu- 
figsten, an  oder  in  unmittelbarer 
Nähe  der  Nadelscheiden,  ganz  selten 
(nur  in  einem  Fall  beobachtet)  an 
der  Xadel.  Als  die  weiteste  Ent- 
fernung der  Eier  von  den  Quirl- 
knospen wurde  3,5  cm  festgestellt. 
Als  Höchstzahl  erzielte  Gasow 
von  einem  Weibchen  im  Zwinger 
82  Eier. 

Das  Schlüpfen  der  Räupchen 
findet  nach  Gasow  in  der  Haupt- 
zahl gewöhnlich  noch  im  Monat 
Juli  statt  (die  Angaben  in  der 
Literatur  lauten  meist  unbestimmt 
oder  bezeichnen  den  August  als 
Hauptschlüpfmonat).  Die  Schlupf- 
öffnung liegt  an  der  Seite  des  Eies. 

Die  kleinen  Räupchen  be- 
geben sich  spinnend  zu  der  nächsten 
Knospe.  Gasow  fand  anfangs 
August  eine  Raupe  zwischen  der 
Quirlknospe  und  einer  benachbarten 
Nadelscheide:  der  Zwischenraum 
war  leicht  übersponnen.  ,,Ende 
Oktober  fand  sich  in  einer  Quirl- 
knospe, und  zwar  an  der  der 
benachbarten  Quirlknospe  zuge- 
kehrten Seite,  ein  rundes  Loch. 
Durch  Druck  auf  die  Knospe  wurde 
die  schon  gänzlich  darin  befind- 
liche  kleine   rotbraune   Raupe    zum 


Abb.  233.  Gipfel  einer  jungen  Kiefer  mit 
Fraß  von  E.  buoliaiia  Schiff.  Die  Maitriebe 
werden  von  der  Basis  aus  angegangen.  Man 
sieht  rechts  einen  in  der  basalen  Hälfte  aus- 
gefressenen frischen  Trieb.  Nach  Ratze- 
b  u  r  g. 


286 


II.  Spezieller  Teil. 


Auskriechen    veranlaßt.       Sie    war     3,5 — 4   mm    lang    und    hatte    eine    Kopf- 
breite von  0,6  mm  (Kopf breite  der  Eiraupe  0,26  mm,  siehe  oben).    Bis  zum 
Januarende  scheint  das  Wachstum  nur  langsam  fortzuschreiten  und  wohl  nur 
eine  einmalige  Häutung   stattzufinden,   da   eine   am 
30.  Januar    gemessene    Raupe    nur    0,5    cm    Lange 
erreicht  hatte. 

„Dem  entspricht  auch,  daß  die  Fraßbeschä- 

\Ym  m       ■  .  "W       digungen     erst    im    Frühjahr    anfangen    auffällig 

^  vB^J  iVl       ^^    werden."      Trotzdem    konnte    Gasow    mitunter 

m.  \  XBI^^Llfl  schon  im  Herbst,  ja  sogar  schon  im  September  von 
l?i/olia//a-Kä.upchen  ausgehöhlte  Quirlknospen  be- 
obachten. ,, Zuweilen  ist  der  Befall  der  Knospen 
durch  größeren  Harzausfluß  gekennzeichnet,  jedoch 
ist  dies  durchaus  nicht  immer  der  Fall  und  somit 
kein  diagnostisches  Merkmal.  In  und  unter  der 
Harzmasse  kann  man  Kopfkapseln  von  früheren 
Häutungen  finden."  Meist  scheinen  die  befallenen 
Knospen  etwas  gebräunt  und  sind  mit  mehr  oder 
weniger  deutlichem  Gespinst  miteinander  verbunden. 
Der  Herbstfraß  ist  gewöhnlich  auf  die  Quirlknospen 
beschränkt.  Nur  ganz  selten  wird  um  diese  Zeit 
auch  einmal  eine  Terminalknospe  angegriffen. 

Die  Hauptwachstumsperiode  der  Raupe 
fällt  in  die  Frühjahrszeit.  Der  Fraß  findet 
nun  in  den  treibenden  Knospen  statt.  Die  Triebe 
werden  an  der  Basis  angegangen  und  hier 
entweder  ein  Stück  weit  in  der  Markröhre  aus- 
gehöhlt (Abb.  233)  oder  von  außen  her  rinnenartig 
unter  dem  Schutz  einer  aus  Harz  und  Gespinst  be- 
stehenden Decke  befressen.  Meist  wird  der  Trieb  so 
stark  verletzt,  daß  er  vertrocknet  und  abstirbt,  und  oft 
gehen  auf  diese  Weise  alle  Knospen  eines  Quirls  zugrunde,  indem  die  Raupe 
von  einer  zur  andern  übergeht.  Mitunter  reicht  der  Fraß  bis  ins  Holz,  auf 
dem  der  Maitrieb  aufsitzt.  Baer  (1909)  beobachtete  mehrfach  Fälle,  in 
denen  ältere,  schon  herangewachsene  Raupen,  die  ihren  früheren  Fraßort  ver- 
lassen hatten  (Abb.  234),  sich  in  der  Mitte  oder  oberhalb  der  Mitte  in  den 
Trieb  eingebohrt  haben,  um  hier  noch  ein  wenig  zu  fressen,  was  zu  ganz  ähn- 
lichen Fraßbildern  führte,  wie  sie  du  plana  erzeugt  (s.  oben  S.  275).  Wo  der 
Fraß  nicht  tödlich  wirkt,  knickt  der  betreffende  Trieb  meist  um  und  wächst 
weiter,  allerdings  in  gekrümmter   Form  („Posthorn",  s.  unten). 

Die  Verpuppung  findet  im  Juni  und  Juli  (in  ganz  seltenen  Fällen 
auch  schon  Ende  Mai)  im  basalen  Teil  eines  Maitriebes  statt,  und  zwar,  wie 
es  scheint,  sowohl  in  aufgerichteter,  als  auch  in  gestürzter  Lage.  Oft  steckt 
die  Puppe  zur  Hälfte  in  dem  Holzkörper  des  vorjährigen  Triebes,  bis  in  den 
hinein  die  Raupe  gefressen  hatte,  so  daß  beim  Abbrechen  der  ausgefressenen 
Knospen  und  Maitriebe  die  Puppe  in  dem  Holzkörper  stecken  bleibt,  aus  dem 
das  Kopfende  ein  Stückchen  hervorragt  (Gasow)  i).  Die  Puppenruhe  dauert 
ca.  3  Wochen;  die  Puppe  schiebt  sich  vor  dem  Ausflug  des  Falters  etwas  vor. 


Abb.   234.    Von  E.  biwliana 
Schiff,    teilweise   ausgefres- 
sener   Trieb    mit    Ausbohr- 
loch der  Raupe. 


1)   Ausnahmsweise   kommt   es    vor,    daß   die   Verpuppung   nicht   am   eigentlichen 
Fraßort  stattfindet,   sondern   unter  einer  dünnen   Harz-  und   Gespinstdecke  in  einem 


I.  Unterordnung:   IVIicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  287 

Die  Folgen  des  Fraßes  bestehen,  allgemein  gesagt,  in  Störungen  der 
Triebbildung.  Dieselben  können  einen  verschiedenen  Grad  annehmen.  Es 
können  sämtliche  Knospen  und  Triebe  zerstört  sein:  Dann  entstehen  durch 
Bildung  zahlreicher  Kurztriebe  mit  Riesennadeln  dicke,  hexenbesenartige 
„Bürsten"  oder  „Besen"  (Abb.  235),  die  den  Gipfeltrieb  krönen  (wie  bei 
turionana  Hb.).  Die  meisten  Autoren  sehen  in  der  Bürstenbildung  die  Wir- 
kung  von   mehrjährigem,    wiederholtem    Fraß,    während    Nechleba    (1926) 


Abb.  235.    Büschelbildung  infolge  Zerstörung  fast  aller  normaler  Knospen  und  Triebe 
durch  Evelria  buoliana  Schiff. 

sie  als  die  Folge  eines  einmaligen  Fraßes  erklärt.  „Wurden  alle  vorjährigen 
Knospen  zerstört,  so  stirbt  das  Gipfelende  ab  und  beim  Safttrieb  häufen  sich 
in  der  obersten  lebenden  Gipfelpartie  so  viele  Nahrungsstoffe  an,  daß  da- 

Winkel  zwischen  Stamm  und  Seitentrieben,  wo  die  Raupe  zuvor  die  cäußere  Rinde 
etwas  benagt   hatte    (Altum,    F.  S.  187). 


288 


II.  Spezieller  Teil. 


selbst  eine  starke  Überernährung  und  Bildung  zahlreicher  Kurztriebe  aus 
Zwischennadelknospen  erfolgt."  Nechleba  bildet  einen  Gipfeltrieb  ab,  der 
(nach  der  Entnadelung  der  ,, Bürste")  „über  60  Kurztriebe  zeigte,  alle  im 
Spätherbst  noch  unverholzt"  (Abb.  236).  Die  Bürstenbildung  ist  eines  der 
häufigsten  und  auffallendsten  Merkmale  der  stark  von  hiioUatia  befallenen 
Kulturen. 

Daneben  kommen  bisweilen  (durchaus  nicht  immer)  die  sogenannten 
Posthornbildungen  vor.  Sie  treten  auf,  wo  die  Verletzungen  durch  den 
Raupenfraß  nicht  tödlich  waren  (bei  Rinnenfraß).  In  diesem  Fall  knickt  wohl 
der  Trieb  an  der  verletzten  Fraßstelle  um  (im  Juni),  doch  „bewirkt  der  zu  dieser 
Zeit  sehr  tätige  Saftlauf  bald  einen  starken  Zufluß  von  Bildungssaft  nach 
dem  Knick,  so  daß  dieser  verholzt  und  der  Trieb  im  Bogen  wieder  die  Höhe 
zu  gewinnen  sucht"  (Ratzeburg).  „Die  Krümmungen  verwachsen  nie 
wieder  ganz.  In  den  ersten  Jahren  erkennt  man  sie  in  weiter  Ferne,  später 
aber  wird  der  Absatz  immer  geringer  und  ist  nur  noch  für  ein  geübtes  Auge 
kenntlich."  Die  Posthörner  können  einen  verschiedenen  Krümmungsgrad 
aufweisen  (Abb.  237  u.  238);  es  können  auch  mehrere  Triebe  zur  Posthorn- 
bildung gelangen,  so  daß  eine  Lyra-  oder  Kandelaberform  entsteht  usw. 
(s.  Ratzeburg,  W.,  Taf.  14  u.  15). 

Die  hier  beschriebenen  Bürsten-  und  Posthornbildungen  stellen  die  Ex- 
treme dar  der  verschiedenen  durch  biioliana-Yx2i&  verursachten  Wachstums- 


A  B 

Abb.  236.    A  Kieferntrieb  mit  Bürstenbildung  infolge  bi/o/iaiia-Yra.{j.  B  derselbe  ent- 
nadelt.   Nach  Nechleba. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


289 


Störungen;  zwischen  ihnen  liegen  alle  möglichen  Übergänge,  so  daß  die 
di/olia/m-Fra.Q)hi\dex  eine  große  Mannigfaltigkeit  aufweisen  können  (siehe 
Borggreve    1895,   Taf.  XIX— XXI). 

Die  forstliche  Bedeutung  ergibt  sich  ohne  weiteres  aus  dem  hier 
über  die  Fraßwirkung  Gesagten:  Wer  einmal  eine  richtige  duol/a/ia-Ku\tuv 
gesehen,  in  der  kaum  ein  gesunder  Wipfel  zu  finden 
ist,  wird  über  die  große  Schädlichkeit  des  Wick- 
lers   nicht    mehr    im     Zweifel    sein    und    wird    Ratze- 


Abb.  237.     Doppelte  „Posthornbildung"  (Lyraform) 

nach  duol/afia-Fraß. 

(Sammlung  des  Münchener  Institutes.) 


Abb.  238.  Zwei  überein- 
ander liegende  Posthör- 
ner als  Folge  von  zeitlich 
getrenntem  buoliana- 
Fraß.     Nach  Nitsche. 


bürg  recht  geben,  der  ihn  zu  den  sehr  schädlichen  Forstinsekten 
zählt.  Je  schlechter  der  Boden,  auf  denen  die  Kulturen  stocken,  je  schwächer 
das  Wachstum,  desto  schlimmer  und  nachhaltiger  die  Folgen!  An  und  für 
sich  schlechtwüchsige  Kulturen  auf  dürftigen  Böden  können  durch  ständig 
sich  wiederholenden  Wicklerfraß  völlig  ruiniert  werden.  Wo  Posthörner  ent- 
stehen, wird  der  Wert  des  Holzes  als  Schnittwaren  stark  gemindert,  wenn 
sich  die  Krümmung  auch  äußerlich  mit  der  Zeit  verwächst. 

Besonders  leiden  unter  dem  Befall  ausgedehnte,  frei  und  sonnig 
gelegene  Kulturen  im  Alter  von  6 — 12  Jahren  auf  schlechtem, 
dürftigem  Boden;  doch  werden  auch  frohwüchsige  Kulturen  auf  Stand- 
orten erster  Bonität  nicht  verschont.  So  führt  Ratzeburg  (F.  203)  eine 
Mitteilung  an,  wonach   buoliana  gerade   ,, diejenigen  kleinen   Stellen  vorzog. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  19 


290  II.  Spezieller  Teil. 

wo  sich  die  Pflanzen  durch  vorzüglichen,  üppigen  und  kräftigen  Wuchs  aus- 
zeichneten". Von  Berg  hat  beobachtet  (auf  einem  Revier  auf  dem  Gorisch), 
daß  eine  geschlossene  und  vordem  im  üppigsten  Wuchs  stehende  Kultur  stark 
befallen  wurde;  und  Nitsche  teilt  mit,  daß  in  dem  Revier  Pillnitz 
(Sachsen)  1883 — 1885  „eine  30  ha  große  Kultur  aus  dem  Jahre  1878  ange- 
gangen wurde,  welche  auf  einem  guten  Felde  des  Kammergutes  Graixpe,  also 
auf  einem  Standort  I.  Bonität  ausgeführt  worden  war  und  bis  dahin  ein 
geradezu  mustergültiges  Wachstum  gezeigt  hatte"  (vgl.  dazu  das  oben  über 
duplaiia  Gesagte  (S.  274).  ,,Der  Fraß  griff  so  schnell  um  sich,  daß  1884 
bereits  kein  Trieb  verschont  war,  eine  Abwehr  durchaus  unmöglich  wurde,  die 
Kultur  in  den  Folgejahren  ein  erschreckend  krüppeliges  Wachstum  zeigte 
und  Posthornbildungen  massenhaft  auftraten." 

Zugige  Lagen  scheint  buoliana  zu  meiden;  Bodenheimer  (1927)  fand 
an  den  dem  Winde  stark  exponierten  Stellen  den  Befall  viel  schwächer  als 
an  den  geschützt  gelegenen  im  Talkessel. 

In  epidemiologischer  Beziehung  sind  wir  noch  recht  schlecht 
unterrichtet;  wir  wissen  nur,  daß  eine  erhöhte  Disposition  bei  schlechtwüch- 
sigen  Kulturen  vorhanden  ist,  dagegen  sind  wir  über  andere  wichtige  Fragen, 
vor  allem  über  die  Beziehungen  zwischen  Gradation  und  Klima,  noch  ganz 
im  unklaren,  und  es  wäre  zweifellos  recht  interessant,  Untersuchungen  in 
dieser  Richtung  anzustellen. 

Die  Erkennung  des  buoliana-Yxdi^&s  ist,  wo  es  sich  um  einen  An- 
fangsfraß handelt,  in  den  meisten  Fällen  leicht.  Bei  tiirionana  ist  im  Spät- 
herbst die  Knospe  völlig  ausgefressen,  so  daß  sie  im  nächsten  Frühjahr  über- 
haupt nicht  mehr  austreibt,  und  bei  duplana  ist  der  Endteil  des  Triebes  aus- 
gehöhlt (der  welk  herabhängt),  während  der  Basalteil  unverletzt  ist,  und  bei 
biioUaiia  ist  der  Basalteil  des  Triebes  ausgehöhlt  und  angefressen,  während 
der  Endteil  unverletzt  bleibt  (Abb.  240)1).  Wo  ein  älterer  Fraß  vorliegt,  kann 
die  Unterscheidung  schwieriger  werden:  ,, Bürsten"  oder  „Besen"  kommen  bei 
buoliana  und  bei  Lurionana  vor,  es  können  auch  beide  Arten  gleichzeitig 
daran  beteiligt  sein;  „Posthörner"  dagegen  sind  stets  auf  buoliana  zurück- 
zuführen. 

Das  Heer  der  natürlichen  Feinde  ist  groß;  man  braucht  nur  be- 
fallene Triebe  einzuzwingern,  um  zahlreiche  Parasiten  zu  erhalten.  Baer 
(Tach.)  führt  4  Tac h i n en  -  A r  t  e n  als  buoliana -V-3iX2i%\X^M  an:  Phryxe  vul- 
garis Fall.,  ,[ctia  pilipeiiuis  Fall,  und  crassicornis  Meig.  und  Leskia  aurea 
Fall. 

Actia  pilipenuis  Fall,  und  crassicornis  Fall,  haben  zwei  Generationen 
im  Jahr,  deren  erste  in  Evetria  resinella  L.  und  deren  zweite  in  E.  buoliana 
Schiff,  sich  entwickelt.  „Die  Fliegen  der  ersten  Generation  verlassen  die 
Harzgallen  im  Mai  und  anfangs  Juni  und  belegen  die  ziemlich  erwachsenen 
Räupchen  von  E.  buoliana  in  den  austreibenden  Kiefernknospen.  Die  hier 
sich  entwickelnden  Maden  erlangen  ihre  Reife  im  Juli,  so  daß  die  Fliegen  der 
zweiten  Generation  im  Juli  und  August  erscheinen.  Bei  der  2  jährigen  Gene- 
ration von  E.  resinella  (s.  S.  294)  finden  diese  jedoch  meist  nur  ein  Jahr  um  das 
andere  wiederum  genügend  herangewachsene  Räupchen  der  letzteren  vor,  so 
daß  sie  jahrweise  weiterer  Zwischenwirte  bedürfen.    Damit  hängt  wohl  teil- 


1)  Nur  selten  ergibt  auch  der  buoliaua-¥r3,ü  äußerlich  ähnliche  Bilder  wie 
der  duplana-Yx3&,  doch  führt  in  diesen  Ausnahmefällen,  wie  oben  schon  bemerkt 
(S.  275),  der  Fraßkanal  von  der  Knickungsstelle  aus  in  das  Triebinnere. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


291 


weise  das  vielseitige  Vorkommen  der  Art  (in  vielen  anderen  Tortricidcn  und 
Tineiden)  zusammen"  (Baer,  Tach.). 

An  Schlupfwespen  sind  zahlreiche  Arten  gezogen  worden.  Schon 
Hart  ig  führt  14  aus  der  Puppe  gezogene  Ichneumonen  auf.  Am  häufigsten 
erhielt  Ratzeburg  ( F.  205 )  (und  auch  Hartig)  Pristome  nis  vubicralor 
l'z..    Cre//ias/its    i/i/ern/p/or    Graw    und    Eubadizoii    lepfocep/iah/s    Htg.     Die 


Sil' 


,    /  H. 


:«r^V^fF'^^       .M/ 


:^ 


Abb.    239.     Auch    a 
buoliana-YxdiVd    m e i 


ufern    läßt    sich    ein    \or    langer    Zeit    überstandener 
ilich    erkennen.     Im    Hintergrund    eine    Lyra.     Nach 
R  a  t  2  e  b  u  r  g. 


beiden  ersten  Arten  wurden  auch  von  Gasow  (1925b)  gezogen;  außerdem 
erhielt  dieser  aus  seinen  Zuchten  noch  Pimpla  (Scambi/s)  sagax  Htg.  und  den 
Braconiden  Orgilus  obscurator  Nees.  Besonders  zahlreich  ist  die  Gattung 
Pimpla  vertreten,  von  der  außer  der  genannten  sagax  noch  7  Arten  gezogen 
wurden:  buoliana  Htg.,  examinator  F.,  inqiiistor  Scop.,  orbitalis  Rtzb.,  riiji- 
coUis  Gr..  li/rioiicllae  L.  und  variegata  Rtzb. 

19* 


292 


II.  Spezieller  Teil. 


Als  weitere  I  chneumoniden  seien  genannt:  Cremastiis  biioüanus 
Curt.,  confluens  Grav.,  Glypta  flavolineata  Grav.,  Lampronota  7nelaiichoUca 
Grav.,  Liinneriu7n  albidtcm  Grav.,  lineolatiini  Bche.,  iiiriomim  Htg.,  Lissonoia 
biiolianae  Htg.,  robicsta  Rtzb.,  nigra  Brischke,  Pimpla  brevicornis  Grav., 
li?iearis  Rtzb.,  riificollis  Grav.,  0?norgus  diffonnis  Grav.,  Scambus  planatiis 
Htg.,  Pezomachus  agilis  F.,  instabilis  Forst. 

Von  Braconiden  wurde  aus  buoliana  außer  dem  genannten  Orgilus 
gezogen:  Chelonus  siilcatus  Jur. 

Von  Chalcididen  werden  als  <^/^ö//«/^a-Parasiten  angeführt:  Entedon 
turionmn  Htg.,  Habritys  brevicornis  Rtzb.,  Perilampus  levifro?zs  Dalm.,  tristis 
Mayr.,  Pteromaliis  roborator  F.,  variabilis  Rtzb. 

Als  räuberische  Feinde  sind  noch  zu  nennen:  der  Ohrwurm  (Forfi- 
cula  aiiricularia  L.),  der  des  öfteren  „neben  bereits  getöteten,  ausgesogenen 
oder  eben  erst  erbeuteten  Raupen  und  Puppen  emsig  beschäftigt"  beobachtet 


A  B  C- 

Abb.  240.    Schematische  Darstellung  des  Fraßes  von  A  Evelria  turionana  Hb.   (Frab 

beschränkt  sich  aut  die  Knospe,  die  getötet  wird),  B  Evetria  buoliana  Schiff.   (Fraß 

von  der  Basis   des  Triebes   aus)    und   C   Evetria  duplana  Hb.    (Fraß   von  der   Spitze 

des    Triebes    her). 

wurde   (Ratzeburg,   F.  205)  und  Spinnen,  in  deren  Netzen  nicht  selten 
Falter  gefangen  werden. 

Eine  durchgreifende  Bekämpfung  auf  ausgedehnten  Flächen  bietet 
große  Schwierigkeiten.  Gasow  schlägt,  nachdem  er  die  Art  der  Eiablage 
entdeckt  hat,  vor,  gegen  die  Eier  mit  einem  Berührungsgift  zu 
spritzen.  Vielleicht  bringt  auch  ein  Bestäuben  gegen  die  aus  dem  Ei  ge- 
schlüpften Räupchen  vor  ihrem  Eindringen  in  die  Knospe  Erfolg.  Versuche 
in  dieser  Richtung  sind  jedenfalls  angezeigt. 


In  Knospen  und  Trieben  von  Kiefern  kommen  noch  verschiedene  andere 
Evelria-hri&n  vor,  die  jedoch  meist  vereinzelt,  nur  ganz  ausnahmsweise  häufiger 
auftreten  1).    Es   sind   dies: 


Möglicherweise  werden  sie  oft  auch  nicht  erkannt  und  mit  den  vorigen  ver- 


wechselt. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


293 


E.  sylveslrana  Curt.  (Abb.  241  und  Taf.  III,  Fig.  4).  Vorderflügel  schwarz- 
grau, bis  zur  Mitte  dunkelbleigrau  gewellt,  das  Spitzendrittel  rostgelb  mit  Blei- 
linien, die  Hinterflügel  schwärzlich  grau,  der  Kopf  und  der  Thorax  vorn  rostgell^. 
Spw.  12 — 15  mm.  —  Raupe  violettbraun,  Kopf  schwarz,  Nackenschild  braun,  hinten 
schwarz  gerandet.  Lebt  von  August  bis  April  in  Knospen  (ähnlich  wie  turionana), 
jedoch   viel   seltener.     Mehr   in    Norddeutschland. 

E.  posticana  Zett.  (Abb.  242  und  Taf.  III,  Fig.  8).  Vorderflügel  graubraun, 
bleigrau  gewellt,  im  Saumfeld  rostgelb,  mit  zwei  Bleilinien,  die  Hinterflügel  bräun- 
lich  grau,   Kopf   und   Thorax   rostgelb.    Die   kleinste   Eveiria-Kxt.     Spw.    12 — 15    mm. 


m 


Abb.  241.  Evetria  sylves/raua  Curt.  2i/,X.       Abb.  242.  Evetria  pos/icanaZen.    2i/2> 


Abb.  243.    EvelriapinivoranaZW.   2V2X.        Abb.  24/     ETc/ria  rr/iferaiiaV\^ock&.   2V2X. 


Abb.  245.    Eveiria   margarolana   H.  S.   2^/2  X. 


Zur  Flugzeit  der  du  plana  hat  man  ihre  Raupen  zu  suchen.  —  Raupe  rotbraun, 
violett  schimmernd,  Kopf  und  Nackenschild  schwarz,  Analklappe  schwärzlich.  Lebt 
wie  die  vorige  vom  Juli,  August  bis  April  in  den  Knospen  (meist  Seitenknospen, 
selten  in  der  Mittelknospe)  schwachwüchsiger,  junger  Kiefern  und  verpuppt  sich 
auch  da   (s.   T  ho  mann,    19 14). 

E.  pinivorana  ZU.  (Abb.  243  und  Taf.  III,  Fig.  6).  Vorderflügel  hell  rostbraun 
mit  sparsamen,  dicken,  grauen,  kaum  glänzenden  Wellenlinien,  Kopf  und  Thorax 
rostbraun  und  grau  gemischt.  Spw.  16 — 19  mm.  —  Raupe  ähnelt  derjenigen  von 
poslicana,  jedoch  etwas  heller  rötlichbraun  als  die  vorige,  Kopf  schwarz,  Nacken- 
schild  dunkelbraun,  Analklappe  braun.    Lebt   März  bis   Mai  in  Seitenknospen  junger 


294  II-  Spezieller  Teil. 

Kiefern.  Nach  Nüßlin  in  manchen  Jahren  (Karlsruhe  1893)  sehr  häufig  (s.  auch 
Thomann,    1914). 

E.  reliferana  Wocke  (=  margarolana  Hein.,  nee.  H.  S.!)  (Abb.  244  und 
Taf.  III,  Fig.  7).  In  Größe  und  Form  der  lurionana  ähnlich.  Vorderflügel  glänzend 
rötlich  grau  mit  einer  Anzahl  schmäleren,  fein  schwarz  gerandeten,  gelbbraunen,  un- 
regelmäßigen Querbändern,  vor  der  Spitze  einige  weiße  Costalflecken.  Hinterflügel 
braun.  Spw.  16 — 20  mm.  Bei  Ratzeburg  als  margarolana  H.  S.  —  Mit  bitoliana 
und  lurionana  aus  den  Quirlknospen  einer  12  jährigen  Kiefernschonung  erzogen,  in 
welcher   sämtliche   Quirlknospen  befallen   waren    (Ratzeburg,   W.  II  410). 

E.  margarolana  H.  S.  (Abb.  245  und  Taf.  III,  Fig.  8j.  Vorderflügel  braunrot 
mit  dicken,  fein  schwarz  gesäumten,  veilgrauen  Bleilinien,  der  Kopf  und  die  langen 
Palpen  rostbraun.  Spw.  19 — 22  mm.  —  Raupe  walzenförmig,  kaum  merkbar  flach- 
gedrückt, gegen  beide  Enden  schwach  verjüngt,  Ober-  und  Unterseite  einfach 
hyazinthrot.  kurz  weißlich  grau  behaart.  Kopf  und  Nackenschild  glänzend,  braun- 
schwarz, ersterer  mit  tief  eingebuchtetem  Hinterrand   (Wachtl,    1882). 

Die  \-on  Ratzeburg  (W.  II.  410)  als  margarolana  bezeichnete  Art  stimmt 
nicht  mit  der  H  e  r  ri  c  h  -  S  c  h  ä  ff  e  r  sehen  Art  überein,  sondern  ist  mit  der  von 
Wocke  später  beschriebenen  relijerana  identisch.  Auch  Wachtl  (1878J  sind 
mehrfache  Verwechslungen  unterlaufen:  Die  von  ihm  1878  beschriebene  Raupe  ge- 
hört Dioryclria  abielella  und  die  von  ihm  zitierte  von  H  ei  nem  annsche  Be- 
schreibung des   Falters  der  reliferana  Wocke  an. 

Nach  späteren  Angaben  Wacht  Is  (1882)  lebt  die  Raupe  von  margarolana  W.?,. 
in  Tannenzapfen,  der  Angriff  erfolgt  zumeist  nahe  der  Ansatzstelle  des  jungen 
Zapfens.    Die   Verpuppung   erfolgt   im   Juli,    August;   die    Puppe   überwintert. 

Evetria    resinella    L. 

K  i  e  f  e  r  n  h  a  r  z  g  a  1 1  e  n  w  i  c  k  1  c  r. 

Taf.  III,  Fig.  9. 

Ratzeburg:  Tori  rix  (Coccyx)  resinana  L.  —  Altum:  Relinia  resinella  L.  —   Nitsche: 
Tori  rix  (Relinia)  resinella  L.  —  Wolff-Krauße:  Evetria  resinella  L. 

Falter:  Kopf,  Fühler,  Brust  und  Hinterleib  dunkelbraun  mit  hellgrauer  Be- 
stäubung. Vorderflügel  dunkel  schwarzbraun  mit  stark  glänzenden  bleigrauen 
Wellenlinien,  die  aus  mehr  oder  weniger  deutlichen  weißen  Häkchen  am  Vorder- 
rande entspringen.  Die  Bleilinien  sind  entweder  deutlich  und  bestimmt,  gleichmäßig 
abgesetzt  über  den  ganzen  Flügel  verteilt  oder  mehr  oder  weniger  zusammenfließend 
und  nur  schmale  Linien  der  Grundfarbe  übrig  lassend.  Fransen  meist  dunkelgrau. 
Hinterflügel  braungrau  mit  sehr  hellgrauen  Fransen,  die  am  Grunde  eine  breite, 
dunkle  Teilungslinie  haben.    Spannweite   16—21   mm,   Größe  also  sehr  wechselnd. 

Das  Ei  beschreibt  Büsgen  (1898)  „hellgelb,  \on  der  Gestalt  eines  Schildes 
einer  nur  wenig  konvexen  Schildlaus".  Es  sitzt  ,,mit  einer  nicht  ganz  kreisrunden, 
ebenen  Fläche  dem  Substrat  auf  und  ist  auf  der  Gegenseite  schwach  gewölbt". 
Breite  ca.  i  mm.  Etwa  8  Tage  nach  der  Ablage  nehmen  die  Eier  eine  dunkelgelbe 
Farbe  an,  und  nach  weiteren  8  Tagen  etwa  wird  in  ihnen  der  Kopf  der  jungen 
Larve  als  schwarzes  Pünktchen  sichtbar."  Nach  Gasow,  der  diese  Beschreibung 
Büsgens  nach  beinahe  30  Jahren  in  einigem  ergänzt,  ist  das  resinella-YÄ  „plankonvex 
und  von  länglich-rundem,  mehr  oder  weniger  völlig  elliptischem  Grundriß  und  da- 
durch dem  buoliana-YÄ  (siehe  oben,  S.  283)  sehr  ähnlich.  Als  Größenmaße  gibt 
Gasow    1,1X0,8    (bis   0,9)    mm  an. 

Raupe  großköpfig,  gelbbraun  (bis  gelb)  mit  kleinen  dunklen  Wärzchen, 
Kopf  dunkelbraun,  Nackenschild  und  Analklappe  heller  braun  (oder  bisweilen  auch 
ockergelb). 

Puppe  am  Vorderteil  dunkel,  fast  schwarz  gefärbt,  von  ziemlich  gedrungener 
Form,    mit    etwas    gehöhlter    Stirne    und    einer    ähnlichen     Hervorragung    wie    bei 


Unterordnung:   Micro] epidoptera,   Familie  Tortricidae. 


295 


buolidiia.     Stachelkranz   hinten    um    den    After    nicht    sehr    stark,    vorne    und    an    den 
Seiten  nur  durch  einige   haartragende   Höckerchen   angedeutet    (Abb.  247  t. 

Die  geographische  Verbreitung  erstreckt  sich  über  ganz  Europa, 
von  England  bis  Rußland  und  von  Lappland  bis  Spanien.  Als  Fraß- 
pflanze  ist  bis  jetzt  nur  die  Kiefer  bekannt,  und  zwar  die  gemeine 
Kiefer  und  die   Krummholzkiefer  (Piniis   /nontana   Mill.). 


Abb.  246.     Evelria    resinella    L.     (Harz- 
gallenwickler  1.    2^  oX. 


A  B 

Abb.    247.      A    Puppe    (Ventralansicht  1, 

B   Hinterende  (stärker  vergrößert)  von 

Ei'elria  resinella  L. 

Nach   Ratzeburg. 


B  ionomie. 

Der  Harzgallenwickler  gehört  zu  den  gemeinsten  und  (infolge  der  auf- 
fallenden Harzgallenbildung)  zu  den  bekanntesten  Wicklern,  so  daß  schon 
in  der  alten  Literatur  eingehend  darüber  berichtet  wird  (Rösel  v.  Rosen- 
hof u.  a.).  Trotzdem  sind  manche  wesentliche  Züge  seiner  Bionomie  erst  in 
den  letzten  Dezennien  geklärt  worden,  und  sind  auch  heute  noch  einige  un- 
gelöste Fragen  vorhanden. 

Im  Gegensatz  zu  den  Triebwicklern  hat  resiiiella  eine  zweijährige 
Generation  nach  der  Bioformel: 

56  —  6,  A,  4 
45  +  56 

Die  Flugzeit  fällt  in  die  Monate  Mai  und  Juni,  die  meisten  Autoren 
stimmen  hierin  überein.  Bus  gen  erhielt  seine  Falter  zu  Beginn  des  Juni, 
Gasow  Ende  Mai  (der  erste  Falter  schlüpfte  am  23.  Mai,  die  weiteren  er- 
schienen in  den  folgenden  Tagen).  Schon  am  nächsten  Tag  nach  dem  Aus- 
schlüpfen findet  die  Kopula  statt.  Nach  Baer  (Escherich  und  Baer, 
1908)  hat  resinella  nur  alle  zwei  Jahre  ein  Flug  jähr,  und  zwar  in  den  Jahren 
mit  gerader  Zahl,  also  1900,  1902,  1904  usw.  (ebenso  wie  Saperda  populnea, 
s.  Bd.  II,  263).  „Dies  trifft  nicht  nur  für  ganz  Mitteldeutschland  und  Hol- 
land, sondern  ebenso  auch  für  Dänemark  zu,  worauf  —  wenigstens  für  die 
Jahre  1890,  1892,  1894  —  schon  Boas'  Landsmann  Borries  aufmerksam 
macht." 

Die  Eiablage  ist  im  Freien  noch  nicht  beobachtet  worden.  Im 
Zwinger  strebten  die  Weibchen  nicht  zu  den  Kiefernzweigen,  sondern  zu  den 
hellsten  Stellen  des  Zwingers,  hier  legten  sie  die  Eier  einzeln  oder  in  un- 
regelmäßigen Gruppen  ab.  Nach  den  Beobachtungen  an  biioliana  (s.  oben, 
S.  285)   nimmt  Gasow   (1925)  an,  daß   die  Eier  an  den  Langtrieb  des  dem 


296  II-  Spezieller  Teil. 

endständigen  Knospenquirl  zugekehrten  Zweigendes  und  eventuell  an  seine 
Nadelscheiden  abgelegt  werden.  Das  Eistadium  dauert  nach  Büsgen 
2 — 3  Wochen. 

Die  frisch  geschlüpften  Räupchen  streben  im  allgemeinen  den  Spitzen 
der  eben  in  der  Entwicklung  begriffenen  Sprosse  zu  und  beginnen,  „bald  sich 
dicht  unterhalb  des  Knospenquirls  heimisch  zu  machen"  (Büsgen).  Wäh- 
rend des  nun  folgenden  Fraßes  des  Räupchens  in  der  Triebrinde  entsteht 
die  bekannte  Harzgalle  i).  Über  die  Art  der  Entstehung  war  man  lange  im 
unklaren,  die  meisten  Autoren  (Ratzeburg,  Altum,  Nitsche,  Eck- 
stein u.  a.)  sprechen  kurzweg  von  „Harzausfluß"  oder  ,, gallenartigem  Aus- 
treten des  Harzes"  (Altum)  als  Folge  des  Rindenfraßes.  So  schreibt 
Ratzeburg  (F.  2ii):  „Ich  habe  die  Gegenwart  des  Räupchens  immer  erst 
im  Herbst  in  dem  Harzausfluß  unterhalb  des  Knospenquirls  entdecken 
können.  Diese  kleine  Harzgalle  hat  die  Größe  einer  Erbse.  Daß  sie  nicht 
zwischen  den  Knospen  ihre  Entstehung  gehabt  hat  wie  die  Harzausflüsse 
bei  btiolia?ia  und  turionana,  geht  daraus  hervor,  daß  zwischen  ihr  und  dem 
Knospenquirl  immer  noch  einige  Nadelpaare  stehen.  Diese  Galle  führt  schon 
bis  auf  das  Mark  des  Triebes,  welches  hier  mißfarbig  erscheint  und  eine 
längere  Rinne  von  6 — 8  mm  neben  sich  hat.  Im  nächsten  Frühjahr  arbeitet 
die  innerhalb  dieser  Galle  und  im  Innern  des  Triebes  hausende  Larve  weiter 
und  veranlaßt  dadurch  einen  neuen  und  stärkeren  Harzausfluß,  welcher  sich 
im  Mai  noch  durch  seine  hellere  (gelblich  weiße)  Farbe  und  seine  Weiche 
von  dem  vorjährigen  unterscheidet.  Diese  Galle  ist  anfangs  noch  ganz  dünn 
wie  ein  Kartenblatt,  wird  aber  durch  den  stets  erneuten  Harzzufluß  immer 
dicker  und  dicker,  bis  ihre  Wände  am  Ende  des  Sommers  eine  Dicke  von 
2  mm  erlangt  haben.  Die  vorjährige  kleine  Galle  ist  dann  von  außen  nur 
noch  durch  eine  kleine  Einschnürung  zu  unterscheiden.  Beide  sind  zu  einer 
etwa  kirschgroßen,  länglichen,  schmutzigweißen  Galle  verschmolzen,  die  den 
Zweig  dicht  unter  dem  Quirl  der  diesjährigen,  schon  mit  Knospenquirlen 
besetzten  Triebe  zuweilen  fast  ganz  oder  doch  bis  zwei  Drittel  umgibt.  Im 
Innern  derselben  hat  sich  eine  vertikale  Wand  gebildet.  Links  von  derselben 
ist  die  mit  Harz  ausgegossene,  12 — 16  mm  lange  Hauptröhre  der  Raupe  im 
Innern  des  Zweiges  und  rechts  von  derselben  befindet  sich  noch  ein  Kanal, 
welcher  sich  dicht  unter  der  äußeren  Wand  fortzieht,  mit  der  Hauptröhre 
kommuniziert  und  dadurch  entstanden  ist,  daß  sich  die  diesjährige  Galle  an 
die  vorjährige  anlegt.  In  dieser  Nebenkammer  findet  man  den  meisten  Kot, 
sie  scheint  der  Raupe  also  nur  als  eine  Art  Abtritt  zu  dienen.  Oft  hat  aber 
auch  die  Hauptröhre  die  Nebenkammer  zu  beiden  Seiten.  Der  Teil  des 
Zweiges,  welcher  nicht  von  der  Galle  besetzt  ist,  erscheint  infolge  des  unter- 
halb des  Quirls  zerstörten  Saftlaufes  dick  und  aufgetrieben."  So  genau  und 
zutreffend  in  allen  sonstigen  Angaben  die  Ratzeburgsche  Schilderung  ist,  so 
gibt  sie  über  einen  Punkt  nur  ungenügende  Auskunft,  nämlich  über  die  Art 
der  Entstehung  der  Harzgalle. 

Die  Lücke  wurde  erst  60  Jahre  später  durch  Büsgen  (1898)  ausgefüllt, 
der  den  Gang  der  Entstehung  der  Galle  genau  beobachtete  und  feststellte, 
daß  es  sich  dabei  nicht  um  einen  einfachen  Harzausfluß,  sondern  um  einen 
richtigen   mühsamen   Aufbau    durch   die    Raupe   handelt,   die    gewissermaßen 


1)    Nach   Trägärdh    (191 5)    frißt    die   junge    Raupe    zuerst    an   der    Basis    der 
Nadeln. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


297 


Stein  für  Stein  herbeischafft.  Die  Schilderung  ist  so  interessant,  daß  ich  sie 
hier  wörtlich  folgen  lasse: 

„Zuerst  wurde  ein  dünnes  Gespinst  angelegt,"  schreibt  Bus  gen,  „welches  sich 
zwischen  der  Sproßachse  und  den  unteren  Teilen  einiger  nahestehender  Nadelpaare 
ausspannte  und  der  Raupe  ein  zeltartiges  Ohdach  bot.  Dann  begann  das  Abnagen 
der  Sproßrinde  und  gleichzeitig  eine  höchst  eigentümliche  Verbesserung  des  Zelt- 
daches. Ganz  deutlich  war  mit  der  Lupe  zu  beobachten,  wie  von  Zeit  zu  Zeit  der 
Raupenkopf  sich  dem  Gespinst  zuwandte  und  dort  einen  glänzenden  Tropfen  aus- 
schied, der  in  Alkohol  löslich,  also  doch  wohl  Harz  war.  In  ziemlich  kurzer  Zeit 
wurde  so  das  ganze  Gespinst  mit  Harz  imprägniert  und  so  zu  einer  wasserdichten 
Decke  gemacht. 

Auf  welche  Weise  das  Tier  das  Harz  an  das  Gespinst  heranbrachte,  war  nicht 
genau  zu  sehen.    Dem  Anscheine  nach  spuckte  es  die   Harztröpfchen  aus,  es  ist  aber 


A  B  ..       . 

Abb.  248.     Fraß    von    Evetria    resineUa    L.    an    Kiefer.     A    einjährige,    B    zweijährige 
Galle,  aufgeschnitten.    Nach  Ratzeburg  (aus  Nitsche). 


auch  nicht  ausgeschlossen,  daß  es  dieselben  zwischen  seinen  Kiefern  und  nicht  im 
Schlünde  herbeitransportierte.  Die  Herkunft  des  Harzes  kann  nicht  zweifelhaft  sein. 
Kiefernsprosse  des  betreffenden  Alters  —  also  von  zwei  bis  drei  Monaten  —  führen 
nicht  allzu  tief  unter  ihrer  Oberfläche  einen  Ring  von  Harzkanälen,  welche  bis  in 
die  Gipfelknospen  hinaufreichen  und  Seitenkanäle  in  die  Nadeln  hineinsenden.  Aus 
diesen  Kanälen  tritt,  wenn  die  Raupe  sie  anbeißt,  Harz  hervor,  aber  nicht  so  rasch 
und  massenhaft,  daß  sie  desselben  nicht  Herr  werden  könnte.  Erst  an  den  älteren 
Teilen  der  heurigen  Sprosse  erfolgt  beim  Öffnen  eines  Harzganges  momentan  ein 
stärkerer   Ausfluß. 

Mit  der  Herstellung  des  mit  Harz  imprägnierten  Daches  ist  übrigens  die  Bau- 
tätigkeit der  Raupe  noch  nicht  abgeschlossen.  Das  dünne  Zelt  reicht  durchaus  noch 
nicht  hin,  sie  gegen  Angriffe  von  außen  zu  schützen.-  Die  Raupe  beginnt  alsbald 
an  seiner  Verstärkung  zu  arbeiten.    Wie  so  viele   Pflanzenschädlinge  benutzt  sie  als 


298  II-  Spezieller  Teil. 

Material  zu  weiterer  Bedeckung  die  unverdaut  ausgeschiedenen  Reste  ihrer  Nahrung. 
Diese  letztere  besteht  aus  den  Zellen  der  Oberhaut,  der  Rinde  und  des  Holzes  der 
besiedelten  Kieferntriebe.  Von  den  kräftigen  Mundwerkzeugen  abgenagt,  durch- 
wandern dieselben  den  Verdauungskanal  der  Raupe  und  werden  dabei  ihrer  stick- 
stoffhaltigen Substanzen  und  ihrer  Stärke  beraubt,  wie  durch  mikroskopische  Unter- 
suchung der  Exkremente  sich  feststellen  läßt.  Die  Zellulosezellwände  und  die  aus 
Holzsubstanz  bestehenden  Stücke  der  zerkauten  Tracheiden  sind  darin  noch  gut  er- 
kennbar, speziell  geben  die  ersteren  noch  die  charakteristische  Reaktion  mit  Chlor- 
zinkjodlösung. Zu  kleinen  rundlichen  Klumpen  zusammengeballt  liefern  die  Reste 
ein  vortreffliches  Baumaterial.  Auch  an  Mörtel  zum  Bau  fehlt  es  nicht.  Als  solcher 
dient  wieder  das  langsam  aus  den  angebissenen  Kanälen  sich  ergießende  Harz.  Da 
es  unter  dem  Schutze  des  Zeltdaches  lange  flüssig  bleibt,  breitet  es  sich  auf  dem 
Boden  der  Fraßstelle  aus  und  wird  von  den  beschriebenen  Exkrementen  wie  von 
kleinen  Schwämmen  aufgesaugt.  Diese  harzdurchtränkten  Bröckchen  aber  erfaßt  die 
Raupe  mit  ihren  Kiefern,  um  sie  mit  großer  Gewandtheit  dem  Zeltdache  anzukleben 
und  außerdem  noch  gründlich  festzuspinnen.  Im  Laufe  der  Zeit  erfährt  übrigens  das 
Gebäude  noch  eine  Vergrößerung.  Während  der  Bau  fortschreitet,  wird  noch  ein 
Stück  angeflickt,  das  als  blasenförmige  Erweiterung  an  der  Seite  des  ursprünglichen 
Zeltes  hervortritt.  Auch  der  Innenraum  der  Wohnung  erfährt  eine  Ausgestaltung. 
Durch  den  Fraß  der  Raupe  wird  eine  Triebstrecke  von  etwa  2  cm  Länge  auf  ihrer 
Oberseite  der  Rinde  beraubt.  Auch  der  Holzkörper  wird  ausgehöhlt  und  von  der 
offenen  Stelle  aus  sowohl  nach  der  Basis,  als  nach  der  Spitze  des  befallenen  Triebes 
hin  ein  kurzer  Kanal  ausgefressen.  Vom  Rande  der  Wundöffnung  her  beginnt  nun 
schon  im  ersten  Fraßjahre  sich  ein  aus  Harz  und  viel  Gespinstmasse  mit  verhältnis- 
mäßig wenig  Exkrementbröckchen  erbautes  Tonnengewölbe  zu  erheben,  welches  oben 
mit  einem  Längsschlitze  gegen  den  übrigen  Zeltraum  geöffnet  bleibt.  Es  ist  dies  der 
Teil  der  Wohnung,  welcher  später,  auf  der  Innenseite  mit  neuen  Gespinstmassen  aus- 
tapeziert, als  Puppenwiege  dienen  wird.  Vom  Fraßgang  aus  schief  aufsteigend, 
reicht  er  bis  an  das  Zeltdach  heran,  dessen  weitere  Verdickung  an  der  Berührungs- 
und späteren  Durchbruchsstelle  nun  unterbleibt.  Der  übrige  Raum  zwischen  Puppen- 
wiege und  Zeltdach  füllt  unter  Erweiterung  sich  allmählich  mit  Exkrementbröckchen, 
welche  bald  mehr,  bald  weniger  von  Gespinstfäden  und  Harz  durchsetzt  sind. 

,,So  stellt  die  ganze  Harzgalle  ein  ziemlich  kompliziertes  Ge- 
bäude dar,  welches  einer  eigentümlichen  Bautätigkeit  des 
G  a  11  e  n  t  i  e  r  e  s  sein  Dasein  \-  e  r  d  a  n  k  t  und  durchaus  nicht  zu  ver- 
gleichen ist  mit  den  H  a  r  z  a  u  s  f  1  ü  s  s  e  n  ,  welche  sonst  bei  V  e  r  - 
wundungen  der  Nadelhölzer  sich  bilden.  Daß  die  Harzansamm- 
lung so  bedeutend  wird,  erklärt  sich  daraus,  daß  der  dauernde  Fraß  der 
Raupe  keine  völlige  Vernarbung  der  Wunde  zuläßt.  Wenn  solche,  wie  es 
wirklich  geschieht,  an  einer  Stelle  eintritt,  ist  anderswo  wieder  ein  Harzgang 
angebissen,  so  daß  es  dem  Baumeister  nie  an  Mörtel  fehlt.  Übrigens  ist 
der  Harzgehalt  der  Galle  gar  nicht  so  groß,  wie  es  den  Anschein  hat.  Bringt 
man  Gallen  in  Spiritus,  welcher  ihr  Harz  löst,  so  sieht  man  überrascht,  daß 
sie  nicht  viel  von  ihrer  Größe  einbüßen.  So  lange  das  Präparat  in  der 
Flüssigkeit  weilt,  zeigt  es  sogar  so  ziemlich  dieselbe  Form  wie  vor  der  Weg- 
lösung des  Harzes.  Man  erkennt  jetzt,  wie  groß  der  Anteil  von  Gespinstmasse 
an  dem  Ganzen  ist.  Nimmt  man  freilich  die  harzfrei  gewordene  Galle  her- 
aus, so  fallen  ihre  nicht  mehr  durch  das  hartgewordene  Harz  gesteiften 
Wände  zusammen  und  man  hat  nur  einen  mehr  oder  weniger  formlosen 
Exkrementklumpen  vor  sich,  der  aber  immer  noch  beträchtliche  Größe 
besitzt"!). 

1)  Danach  hätte  der  von  Krauße  während  der  Zeit  der  Harznot  im  Kriege 
gemachte   Vorschlag,   die   res/nella-Gallen  zur   Harzgewinnung   heranzuziehen,   keinen 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,    Familie  Tortricidae.  299 

Interessant  ist  auch  die  Beobachtung  Büsgens,  daß  die  Raupen  unter 
Umständen  (wenn  z.  B.  die  Triebspitzen  frühzeitig  eintrocknen)  ihren  bereits 
begonnenen  Bau  verlassen  (indem  sie  das  Zeltdach  durchnagen),  um  sich 
näher  an  der  Basis  des  betreffenden  Zweiges  anzusiedeln  i). 

Die  Verpuppung  findet  nach  zweimaliger  Überwinterung  der  Raupe, 
also  im  3.  Kalenderjahre  statt,  und  zwar  in  den  Monaten  April,  Mai 
(Gasow).  \'erschiedentlich  wird  der  März  als  Verpuppungsmonat  ange- 
geben, doch  dürfte  es  sich  hier,  wenigstens  im  Freiland,  um  Ausnahmen 
handeln. 

Das  Schlüpfen  der  Falter  findet  nach  etwa  vierwöchiger  Puppen- 
ruhe im  Mai  und  Juni  statt  (s.  oben  S.  295).  Wie  die  Puppe  sich  aus  der 
Harzgalle  herausarbeitet,  hat  Büsgen  (1898)  sehr  anschaulich  beschrieben: 
„Die  bei  niedriger  Temperatur  fast  steinharte  Harzmasse  zu  durchbrechen, 
würde  ihr  wohl  unmöglich  sein,  sobald  aber  das  Harz  in  der  Morgensonne 
erweicht,  sieht  man  an  einem,  gewöhnlich  dem  Vorderende  der  Galle  benach- 
barten Punkte  eine  Anschwellung  auftreten.  Dieselbe  vergrößert  sich  rasch, 
und  bald  wird  in  ihrem  Zentrum,  noch  von  Harz  bedeckt,  das  Kopfende  der 
Puppe  sichtbar.  Immer  wieder  taucht  das  Tier  aus  der  Harzmasse  empor, 
immer  dünner  wird  die  es  bedeckende  Harzschicht,  bis  sie  endlich  zerreißt 
und  die  Puppe  frei  zutage  tritt.  Keine  Spur  von  Harz  bleibt  dabei  an  ihr 
hängen.  So  glatt  und  unbenetzt  kommt  sie  zum  Vorschein  wie  etwa  ein  Glas- 
stab, welchen  man  in  Quecksilber  eingetaucht  hat.  Die  fortschreitende  Be- 
wegung der  Puppe  im  Harze  ist  eine  Folge  vom  Drängen  des  eingeschlos- 
senen Schmetterlings  nach  ihrem  Vorderende  hin.  Dieses  Drängen  dauert 
fort,  nachdem  sie  das  Harz  durchbrochen  hat,  und  führt  nun  zur  Sprengung 
der  Hülle  und  zum  Ausschlüpfen  der  Imago.  Die  Puppenhülle  bleibt  dabei 
etwa  bis  zur  Hälfte  im  Harze  stecken,  hier  noch  schwach  festgehalten  durch 
doppelte  Querreihen  kurzer,  rückwärts  gerichteter  Borsten  auf  den  Hinter- 
leibsringen, welche  bei  der  Schiebung  oder  Wanderung  vom  Puppenlager 
ans  Tageslicht  eine  nützliche  Rolle  gespielt  haben.  Eine  Viertelstunde  etwa 
dauert  der  ganze  Vorgang  der  Befreiung  des  Schmetterlings,  worauf  dessen 
erste  Sorge  ist,  sich  an  eine  benachbarte  Kiefernadel  anzuklammern,  um  dort 
seine  Flügel  sich  entfalten  zu  lassen." 

Befallen  werden  meist  junge  Kiefern  (6 — i  o  j  ä  h  r  i  g  e )  auf 
kümmerlichen,  dürftigen  Böden.  Doch  kann  man  die  Gallen  nicht 
selten  vereinzelt  auch  an  den  Seitenzweigen  älterer  Bäume  (Stangenholz  und 
Altkiefern)  finden.  Weitaus  in  den  meisten  Fällen  werden  auch  an  den 
jungen  Kiefern  lediglich  die  Seitenzweige  angegangen,  ganz  ausnahmsweise 
auch  die  Höhentriebe  (AI tum,   F.  186). 

Der  Befall  wechselt  übrigens  stark  nach  den  Jahren;  in  manchen  Jahren 
sind  kaum  frische  Gallen  zu  finden,  in  anderen  hinwiederum  treten  sie  un- 
gemein zahlreich  auf.  Klimatische  Verhältnisse  in  Verbindung  mit  stärkerer 
oder  schwächerer  Parasitenentwicklung  (s.  unten)  werden  an  diesen  Schwan- 
kungen den  Hauptanteil  haben. 


allzu  großen  Erfolg  versprochen.  Übrigens  wurde  auch  schon  von  Treitschke, 
dem  sich  Ratzeburg  anschließt,  eine  technische  Verwertung  der  Harzgallen  emp- 
fohlen, nämlich  ,,zur  Gewinnung  von  Kienruß". 

1;   Bei   künstlichen   Verletzungen   der   Gallen   blieben  bei   Büsgens   Versuchen 
die  Raupen  in  ihrem  alten  Bau,  letzterer  wurde  rasch  repariert. 


300  II.  Spezieller  Teil. 

Die  Folgen  des  Fraßes  sind  nach  dem  oben  Gesagten  im  allge- 
meinen weit  geringer  als  bei  den  Triebwicklern,  zumal  noch  dazu 
kommt,  daß  die  Knospen  der  befallenen  Zweige  für  gewöhnlich  nicht  ein- 
gehen, sondern  sich  normal  weiterentwickeln,  so  daß  dann  die  zweijährige 
Galle  an  dem  vorjährigen  Trieb  liegt. 

Allerdings  kann  es  unter  ungünstigen  klimatischen  und  schlechten 
Standortsverhältnissen  auch  zu  einem  Absterben  der  Knospen  kommen,  so 
daß  also  in  solchen  Fällen,  wo  es  sich  z.  B.  um  Dünenaufforstungen  han- 
delt, resmella  forstlich  doch  auch  recht  unangenehm  werden 
kann  (zumal  wenn  sie,  was  sehr  häufig  vorkommt,  mit  den  verschiedenen 
Triebwicklern  zusammen  auftritt). 

Die  Erkennung  des  resinella-YrSi&QS  wird  durch  die  charakteristische, 
weithin  sichtbare  Harzgalle  so  gesichert,  daß  eine  Verwechslung  mit  anderen 
Kiefernschädlingen  ausgeschlossen  ist.  Selbst  die  kleine,  eben  erst  im  Ent- 
stehen begriffene  Galle  ist  an  ihrer  Lage  sofort  zu  erkennen  und  von  durch 
andere  Schädlinge,  vor  allem  die  Triebwickler,  verursachten  Harzausfluß 
leicht  zu  unterscheiden. 

Eine  Bekämpfung  wird  sich  nur  bei  starkem  Befall  und  wo  be- 
sonders ungünstige  forstliche  Verhältnisse  vorliegen,  lohnen;  sie  kann  nur  in 
einer  mechanischen  Vernichtung  der  Harzgallen  bestehen,  durch  Abbrechen 
derselben  oder  Abschneiden  des  Triebes  unterhalb  der  Galle.  Eine  Ver- 
wertung der  Gallen  wird  unter  normalen  wirtschaftlichen  Verhältnissen  nicht 
in  Frage  kommen  (s.  auch  oben  S.  298  Anm.). 

Der  Vermehrung  von  resinella  steht  ein  großes  Heer  von  natür- 
lichen Feinden  gegenüber.  Werden  schon  vom  Buntspecht  viele  Gallen 
aufgehackt,  so  stellen  Dutzende  von  verschiedenen  Parasiten -Arten  den 
verschiedenen  Entwicklungsstadien  des   Harzgallenwicklers  nach. 

Von  Tachinen  wurden  außer  den  beiden  schon  oben  bei  biioliana 
genannten  Actia  pilipejinis  Fall  und  crassicornis  Fall  noch  Actia  iiifa/i/,i/la 
Zett.  und  Zenillia  resinellae  Girsch.  gezogen  (Baer). 

An  Schlupfwespen  sind  mehrere  Dutzend  Arten  als  resinella- 
Parasiten  bekannt,  von  denen  folgende  genannt  seien:  Ichnemoniden: 
Angitia  chysostica  Grav.,  vestigialis  Rtzb.,  Clistopyga  incitator  F.,  Ephialtes 
brischkei  D.T.,  strobilorum  Rtzb.,  Glypta  incisa  Grav.,  resinana  Htg.,  tenui- 
cornis  Thoms.,  Hemiteles  coriarius  Taschb.,  Limiterium  assimile  Grav.,  rami- 
dulum  Brischke,  Lissonota  hortorum  Grav.,  parallela  Grav.,  variabilis  Holmgr., 
Pimpla  brevicornis  Grav.,  diluta  Rtzb.,  graminella  Sehr.,  inquisitor  Scop., 
H/warisKtzb.,  maculatorY.,  orbitalis  Ktzh.,  ptmctulata  Ktzh.,  resinellae'L.,  n//i- 
collis  Grav.,  terebrans  Rtzb.,  variegata  Rtzb.,  Polyblastiis  calcator  Müll.,  Scam- 
bus  sagax  Htg.,  Thero?iia  atala?itae  Poda,  Tryphon  integrator  Müll.  —  Bra- 
coniden:  Apanteles  octonarius  Rtzb.,  Aphidius  inclusiis  Rtzb.,  Orgilus  ob- 
scurator  Nees,  Rhogas  interstitialis  Rtzb.  — ■  Chalcidier:  Entedon  geni- 
ciilatifs  Htg.,  Pteromalus  guttala  Rtzb.,  Torymtis  resinanae  Rtzb.  —  Procto- 
trupiden:  Platygaster  miccrouatus  Rtzb. 

Gattung  Argyroploce  Hb. 

Syn.   Olethreutes  Hb. 
Besonders   charakteristisch   für    die    Gattung   Argyroploce   sind   zwei    sekundäre 
Sexualcharaktere;   beim    Männchen    tragen   die    Hinterschienen   einen   ausspreizbaren 


[.  Unterordnung:   Micro! epidoptera,   Familie  Tortricidae. 


301 


Haarbüschel,  allerdings  von  verschiedener  Länge  (Abb.  249  B ) ;  außerdem  sind  die 
Hinterflügel  des  Männchens  am  Dorsalrand  mehr  oder  weniger  stark  eingerollt  und 
die  kleine  Rolle  wieder  nach  der  Dorsalseite  geschoben,  oft  mit  verdickter  Leiste 
darin  (Abb.  249  D). 

Alle  anderen  Merkmale  sind  weniger  von  Bedeutung.  Thorax  geschöpft 
(Abb.  249).  Auf  den  Hinterflügeln  sind  Adern  rr  und  m^  basalwärts  stark  ge- 
nähert, nio,  und  cuy  entspringen  dicht  beisammen  oder  aus  einem  Punkt,  //?.>  ist 
basalwärts  m^  angenähert   (Abb.  249  C). 

Die  Gattung  Argyroploce  enthält  zahlreiche  Arten  (Spuler  führt 
59  europäische  auf). 

.,Die  Raupen  leben  teils  ektophytisch  als  Blattroller,  , .Wickler"  im 
engsten  Sinn  des  Wortes,  andere  dagegen  ebenfalls  äußerlich  zwischen  un- 
regelmäßig versponnenen  Pflanzenteilen,  sehr  zahlreich  endlich  endophytisch 


AB  C 

249.    Argyroploce   cf,   A   Kopf    und   Thorax 


^-\ 


D 


Abb.   249.    Argyroploce   cf,   A   Kopf    und   Thorax    (Seitenansicht),    B    Hinterbein   mit 
kleinem  Haarpinsel,  C  Flügelgeäder  (Hinterflügel  rr  und  Wj,  Wj  und  (^//^  entspringen 
stark  genähert,  bzw.  aus  einem  Punkt,  x  Dorsalumrollung),  D  Umrollung  des  Dorsal- 
randes der  Hinterflügel.    Nach  Kenne  1. 


in  Samenkapseln,  Stengeln  und  Wurzeln.  Während  die  i.  und  2.  Gruppe  in 
der  Regel  in  kurzer  Zeit  im  Frühling  und  Sommer  ihr  Wachstum  vollenden 
und  teilweise  in  zwei  Generationen  auftreten,  brauchen  die  endophytischen  in 
der  Regel  längere  Zeit,  und  überwintern  als  Raupen,  um  sich  im  Frühling 
zu  verpuppen"  (Kenne  1). 

Forstlich  kommt  der  Gattung  Argyroploce  nur  geringe  Bedeutung  zu, 
es  sind  nur  zwei  Arten  (hercyniafia  Tr.  und  lacunana  Dup.)  in  der  forst- 
entomologischen  Literatur  erwähnt,  dagegen  enthält  sie  einige  landwirtschaft- 
lich sehr  schädliche  Arten,  wie  Arg.  variegana  Hb.  (Grauer  Knospenwickler), 
der  durch  Zerstören  der  Knospen  dem  Obstbau  empfindlichen  Schaden  zufügt'). 


Argyroploce  hercyniana  Tr. 

Großer    Fichtennadel  wickler. 

Taf.  III,   Fig.  10. 

Ratzeburg:    Tor  (rix    (Coccyx)    Clausthaliana    Rtzb.    —    Nitsche:    Tortrix    (Penlhina) 

hercyniana   Tr.    —    Nüßlin-Rhumbler:    Grapholilha   (Olethreules)   hercyniana   Tr.    — 

Wolff-Krauße:   Argyroploce  hercyniana  Tr. 

Falter:    Kopf,    Fühler,    Brust    und    Leib    sowie    Grundfarbe    der   Vorderflügel 

sepiabraun,    letztere   mit    feinen,    weißlichen    Flecken,    die    unregelmäßig   bindenartig 


1)   In    den    Tropen    gibt    es    eine    ganze    Reihe    sehr    schädlicher    Argyroploce- 
Arten,  z.  B.  im  Zuckerrohr,  in  Früchten  usw. 


302 


II.  Spezieller  Teil. 


Abb.  250.    Argyroploce  hercyniaiia 

Tr.  (=  clausthaliana  Rtzb.),    Großer 

Fichtennadelwickler.     2 1/2  X- 


vereint   den    Flügeln    ein   feingegittertes    Aussehen   geben.     Sie    entspringen   teilweise 
aus   den    Häkchen    des    Vorderrandes,    von   denen   bei    guter    Ausbildung   die    beiden 

ersten  einfach,  die  beiden  folgenden  doppelt  und 
das  letzte,  am  weitesten  wurzelwärts  stehende, 
dreifach  geteilt  ist.  Fransen  hellbraun  mit  ein- 
zelnen weißen  Fleckchen.  Hinterflügel  graubraun 
mit  helleren,  dunkler  geteilten  Fransen.  Spann- 
weite  13 — 16  mm  (Abb.  250). 

Raupe  schmutzig  braunrötlich,  Kopf,  Brust- 
füße und  der  Hinterrand  des  Xackenschildes 
schwarz. 

P  u  p  p  e  dunkel,   fast   schw  ärzlich  braun. 
Hercyiiiaiia  wurde  von  Ratzeburg  im 
Harz  beobachtet  in  Höhen  von  400 — 700  m, 
sie  kommt  auch  sonst  in  Mittel-  und  Nord- 
deutschland vor,  ferner  in  Österreich,  Ungarn, 
der    Schweiz,    in    Holland,    Finnland,  West- 
rußland und   Lappland.    Als    Fraßpflanze   gibt   Ratze  bürg   die    Fichte   an, 
S  p  u  1  e  r  nennt  Fichte,  Tanne  und  Kiefer. 

Sie  fliegt  von  Mitte  Juni  bis  Ende  Juli.  Die  Raupe  lebt  in  den  stark 
benadelten  Zweigen  junger  Fichten  und  auch  an  den  Wipfeln  stärkerer 
Bäume,  wo  sie  sich  zwischen  den  Nadeln  ein  Gespinst  machen  und  die 
Nadeln  außen  anfrißt.  Zur  \^erpuppung  zieht  sie  6 — 8  Nadeln  zu  einer  Röhre 
zusammen,  die  inwendig  mit  weißem  Gespinst  ausgekleidet  ist.  Vor  dem 
Ausschlüpfen  schiebt  sich  die  Puppe  zur  Hälfte  aus  dem  Gespinst  her\or 
(Ratzeburg,    F.  224). 

Die  forstliche  Bedeutung  ist  nur  gering,  da  //ercy/iia/ia  nicht  zur 
Massenvermehrung  zu  kommen  scheint. 

Argyroploce  lacunana  Dup. 

Falter:  Vorderflügel  olivgrün,  Wurzelfeld  schwarz  gewellt,  das  folgende  helle 
Querband   etwas  gebogen,   am   Vorderrand   breiter  als   am   Innenrand,   grünlich  weiß 
mit  bleiglänzenden  und  schwärzlichen  Wellenlinien.   Die  dunkle  Mittelbinde  nur  wurzel- 
wärts scharf  begrenzt,   olivgrün    mit   schwarzen   Querwellen 
und  großen  Bleiflecken.     Auf   die   Mittelbinde   folgt  saum- 
wärts   ein    gebogener    Bleistreif.      An   der   Costa   3    dunkle 
W^_^..  I|i?i|  Häkchen.     Saumstreif  olivgrün,  mit  dem  3.  Costalhäkchen 

iKnrJm^^^^l^ft^  sich   verbindend,    spitzenwärts    von    einem  Silberstreif   und 

dieser  von  einem  dunklen  Schrägstreifchen  aus  dem  i.  Costal- 
häkchen gefolgt.  Apex  mit  schwarzem  Fleckchen.  Fransen 
gelblich,  nach  außen  bräunlich,  an  der  Stelle  des  Saum- 
streifs sowie  am  Tornus  dunkel.  Hinterflügel  schwarzbraun, 
Spannweite   18  mm  (Abb.  251). 

Die  Färbung  und  Zeichnung  ungemein  variabel,  was 
zur  Aufstellung  einer  Reihe  von  Varietäten  geführt  hat. 
Auch   die    Raupe    sehr   variabel,   von   schwarz   oder 
dunkelbraun  bis  grauweiß,    gelblich   oder   grün,  Kopf,   Nacken-  und  Analschild  schwarz 
oder  hellbraun.     Länge   10  mm. 

Die  Art,  die  mehrere  Generationen  hat,  ist  den  ganzen  Sommer  über 
einer  der  häufigsten  Wickler.  Die  Raupe  lebt  polyphag  zwischen  versponnenen 
Blättern  und  Blüten  aller  möglichen  Laubpflanzen  und  Kräuter.  Ding  1er 
(1929)  berichtet  von  ihrem  Vorkommen  auf  Buchensaat,  und  zwar  zwischen 
den  von  ihr  zusammengesponnenen   Cotyledonen.    „Sie  frißt  in  der   Haupt- 


Abb.    251.     Argyroploce 
lacunana  Dup.    i^  oX. 


Unterordnung:   Micro] epidoptera,   Familie  Tortricidae. 


H03 


Sache  an  den  chlorophyllhaltigen  Bestandteilen  der  Cotyledonen,  die  daher 
auch  an  ihrer  Basis  zu  kleineren  oder  größeren  weißen  Inseln  skelettiert 
erscheinen."  Der  Sproß  zwischen  den  zusammengesponnenen  Blättern  war 
verkümmert,  ob  die  Raupe  sich  von  ihm  ernährt,  war  nicht  mit  Sicherheit 
festzustellen.  Eine  größere  forstliche  Bedeutung  scheint  lacunana  Dup.  nicht 
zuzukommen. 

Gattung  Cymolomia  Led. 

Der  Hauptunterschied  gegenüber  der  vorigen  Gattung  besteht  darin,  daß  der 
stark  umgerollte  Dorsalrand  am  Hinterflügel  des  Männchens  zipfelförmig  vortritt 
(Abb.  252). 

Eine  kleine  Gattung  mit  nur  zwei  europäischen  Arten,  von  denen  die 
eine  an  Baumstämmen  (Laubholz),  in  faulendem  Holz  oder  im  Moos  in 
röhrenförmigen  Gespinsten  lebt,  die  andere  in  und  an  den  Nadeln  von 
Koniferen.  Nur  die  letztere  Art  (hartigiana  Rtzb.)  hat  Eingang  in  die  forst- 
entomologische  Literatur  gefunden. 


Abb.  252.     Cymolo)riia.     Umrollung  des 

Dorsalrandes    der    Hinterflügel    beim   cf. 

Nach  Kennel. 


Abb.  253.     Cymolomia  hartigiatia  Rtzb. 

(Gabelbindiger  Fichtenwickler). 

2'/,X. 


Cymolomia  hartigiana  Rtzb. 

Tat.  III,   Fig.  iK 

Ratzeburg:    Tori  rix    (Sciaf^hila)    liarligiana    Sxs.    —    Nitsche:    Tori  rix    (Gra  [^holilJin, 

Cymolomia  Led.)  Jiarligiana  Rtzb. 

Falter:  Kopf,  Fühler,  Brust  und  Hinterleib  sowie  Grundfarbe  der  Vorder- 
flügel dunkelbraun.  Im  kleinen  Wurzelfelde  eine  bleifarbene  Querlinie,  dann  ein 
mittleres  braungelbes  Feld,  das  durch  eine  bleigraue  Querlinie  in  zwei  Teile  geteilt 
ist.  Saumfeld  groß,  von  dunkler  Grundfarbe,  durch  einige  aus  den  bleigrauen 
Häkchen  des  Vorderrandes  entspringende  und  nach  dem  Innenrande  zu  zusammen- 
fließende breite  Querbinden  durchsetzt.  Die  ganze  Zeichnung  ist  oft  sehr  undeut- 
lich. Hinterflügel  blaugrau  mit  etwas  helleren,  dunkel  geteilten  Fransen.  Spann- 
weite   13  mm  (Abb.  2531. 

Raupe  mit  hellbraunem  Kopfe,  der  jederseits  hinter  den  Ocellen  einen 
schwarzen  Fleck  trägt,  und  grünlich  braunem  Nackenschilde.    Letzter  Ring  ganz  grün. 

Puppe  mit  einem  gezähnten  hakenborstigen  Aftergriffel  und  mit  stark  her- 
vorragender, nach  hinten  in  einen  breiten  Kamm  auslaufender  Stirn   (Abb.  254^. 

Der  in  Norddeutschland,  Livland  bis  Petersburg  vorkommende  Wickler 
wurde  von  Hart  ig  bei  Berlin  gefunden  und  von  Ratzeburg  beschrieben. 
Als  Fraßpflanze  gibt  Ratzeburg  die  Fichte  an.  Spul  er  die  Fichte 
und  Tanne. 

Der  Falter  schwärmt  von  Mai  bis  Juli  (nach  Kennel  „von  Mitte  Juni 
bis  in  den  August,  besonders  um  Fichtenhecken"),  die  Raupe  miniert  zu- 
nächst in  den  Nadeln,  wobei  sie  wie  tedella  (s.  unten  S.  348)  nur  ein  Loch 
in  dieselben  macht  und  eine  Anzahl  Nadeln  zusammenspinnt.    Später  lebt  sie 


304 


II.  Spezieller  Teil. 


äußerlich  in  dem  Gespinst  und  frißt  die  Nadeln  von  außen  ab.  Bisweilen 
bleiben  die  Knospenschuppenhauben  als  „Mützchen"  durch  Spinnfäden  be- 
festigt an  den  Trieben  hängen  wie  bei  Semasia  ratzebi/rgia/ia  Rtzb.,  Asfhenia 
pyg77taeana  Hb.  u.  a. 

Nach  Spuler  dauert  das  Raupenstadium  von  August  bis  April.  Nach 
Ratzeburg  soll  die  Verpuppung  größtenteils  schon  im  Herbst  im  Boden 
stattfinden,  ,,doch  müssen  auch  einzelne  Raupen  überwintern,  da  man  aus- 
gewachsene Exemplare  während  der  Schwärmzeit  im  Frühjahr  vorfindet,  die 
sich  im  Juli  zwischen  den  Nadeln  verpuppten"   (F.  230). 

Wenn  hartigiafia  bis  jetzt  auch  noch  nicht  als  forstlicher  Schädling  auf- 
getreten ist,  so  verdient  sie  doch  als  Nadelminierer  unser  Interesse.  Die 
Bionomie  bedarf  noch  in  manchen  Punkten  der  Aufklärung. 


Abb.  254.     Puppe   von    Cymoloiniit    liarli- 
gia/ia    Rtz.  (\'entralseite).     Rechts    Hinter- 
ende vergrößert.     Nach  Ratzeburg. 


Abb.  255.   Flügelgeäder  einer  Se>?i(isia-Art 

(Hinterflügel  rr   und  w,   dicht  beisammen, 

eine  Strecke   weit   parallel   verlaufend,    m^ 

und  cu^  gestielt).     Nach  Kennel. 


Gattung  Semasia  Kenn. 

Syn.  Steganopiycha  Stph.,  Epinotia  Hb. 

Kennel  hat  in  der  Gattung  Semasia  alle  diejenigen  Epibleminae  zusammen- 
gefaßt, welche  weder  am  Körper  noch  an  den  Beinen,  noch  an  den  Flügeln  be- 
sonders bemerkenswerte  Auszeichnungen  haben.  Es  fehlen  also  jede  Art  von  Um- 
schlägen an  Costa  oder  Dorsum  der  Flügel,  jede  ungewöhnliche  Ausbildung  irgend- 
einer Art,  jede  Modifikation  der  Flügelmembran,  Haarpinsel  an  den  Beinen  oder 
Flügeln,  besondere  Auszeichnungen  an   Fühlern,  Palpen  oder  Abdomen. 

Die  mannigfaltigen  Verschiedenheiten  im  Verlauf  der  Adern  auf  den  Hinter- 
flügeln können  nicht  zur  Abtrennung  von  Gattungen  benützt  werden,  da  dieselben 
auch  innerhalb  der  bisher  aufgestellten  Gattungen  sogar  bei  ein  und  derselben  Art 
vorkommen. 

Fühler  fadenförmig,  fein  bis  mittelstark  bewimpert,  Thorax  meist  glatt,  nur  in 
wenigen  Fällen  mit  kleinem  Schopf.  Auf  den  Vorderflügeln  entspringen  alle  Adern 
getrennt  voneinander,  ^4  und  r^  umfassen  die  Spitze.  Auf  den  Hinterflügeln  ent- 
springen die  Adern  rr  und  m^  dicht  beisammen  und  ziehen  eine  Strecke  weit 
parallel,  in  einigen  Fällen  gestielt.  Adern  W3  und  cu-^  entspringen  entweder  dicht 
beisammen  oder  aus  einem  Punkt  oder  auch  verschieden  lang  gestielt,  oder  sie 
fallen  in  ganzer  Länge  zusammen  (hierin  kommen  alle  Übergänge  vor  zwischen 
kurzem  und  sehr  langem  Stiel,  so  daß  nur  eine  ganz  kleine  Gabelung  vorhanden 
ist).  Ader  m^  ist  an  ihrer  Basis  stets  mehr  oder  weniger  gebogen  und  dadurch  in 
ihrem  Ursprung  an  Ader  m.^  angenähert. 

Die  Gattung  Semasia  enthält  über  50  europäische  Arten,  die  biologisch 
sich  recht  verschieden  verhalten. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


305 


Semasia  rufimitrana  H.S. 

R  o  t  k  ö  p  f  i  g  e  r    T  a  n  n  e  n  \v  i  c  k  1  e  r. 

Taf.  III,   Fig.  12. 

Ralzeburg:    Tori  rix   rufimitrana    H.S.    —    Altum:    GraphoUUia    rufiinilrana    H.S.    — 

Nitsche:     Tortrix    (Grapholitha,     Coccyx.    Steganoptycha)    rufimitrana     H.  Seh.     — 

Nüßlin-Rhumbler:  Grapholitha  (Steganoptycha)  rufimitrana  H.  Seh.  —  Wolff-Krauße: 

Epinotia  rufimitrana  H.  Seh. 

Falter  (Abb.  256)  recht  veränderlieh.  Kopf  und  Brust  rostgelb.  Vorderflügel 
gelbgrau  oder  graubraun,  oft  init  vielen  hellen  Bleilinien  durchzogen.  Wurzelfeld 
dunkel,  in  der  Mitte  saumwärts  scharfwinklig  vorspringend,  mit  verschiedenen  hel- 
leren Querzeichnungen.  Im  Mittelfelde  eine  dunkelbraune,  schräge  Querbinde,  die 
oft  rostgelb  ausgefüllt  und  von  Bleilinien  eingefaßt  ist.  Mittelfeld  wurzelwärts  von 
derselben,  wenigstens  am  Innenrande,  oft  rostgelb  überflogen.  Im  Vorderwinkel, 
über  dem  rostgelben  Spiegel,  eine  dunkelbraune,  verschieden  gestaltete  Zeichnung. 
Vorderrand  dunkelbraun,  von  den  hellen  Häkchen  unterbrochen,  Saumrand  dunkel. 
Hinterflügel  einfarbig  graubraun  mit  helleren,  von  einer  dunkleren  Teilungslinie 
durchschnittenen   Fransen.    Spannweite    12 — 16  mm    (Nitsche). 

Eier  (Abb.  257)  länglich  oval  mit  netzartiger  Skulptur  aus  unregelmäßigen, 
länglichen   Maschen  bestehend,   im  frischen  Zustande  gelblich  grau. 


Abb.    256.     Semasia     rufimitrana     H.    S. 
(Rotköpfiger   Tannenwickler).    2i,2X. 


Abb.  257.    Eier  von  Semasia  rufimitrana 
H.  S.   A  ein  Ei  stark  vergrößert,  B  Eier- 
haufen weniger  stark  vergrößert.    Nach 
W  a  c  h  1 1. 


Raupe  (Abb.  258  A):  Kopf  (im  Gegensatz  zu  der  schwarzköpfigen  mtirinana- 
Raupe)  licht  rostrot  mit  zwei  dunkleren  Wischen  hinter  den  Punktaugen.  Leib  matt, 
chagrinartig  gekörnt,  schmutzig  grünlichgelb.  Ring  i  rein  gelb  mit  geteiltem 
Nackenschilde.  Die  haartragenden  Wärzchen  in  gewöhnlicher  Verteilung,  Haare 
gelblich.    Afterklappe  klein,  mit  einigen  Haaren.    Länge  bis  9  mm. 

Puppe  (Abb.  258  B)  glänzend,  gelblich  rostrot.  Kopf  mit  2  langen  Haaren. 
Hinterende  abgestutzt  mit  6—9  kurzen  Afterdornen  auf  der  Oberseite  und  8  dünnen, 
langen   Hakenborsten.    Länge  bis   6  mm. 

Als  Verbreitungsgebiet  gibt  Kennel  an:  Mitteleuropa  (mit  x\us- 
nahme  von  Holland),  Nordwestrußland.  Rufimitrana  scheint  (wie  Cac.  miiri- 
nana  Hb.)  ein  ausgesprochenes  Tanneninsekt  zu  sein;  außer  der  Weiß- 
tanne  (Abies  pectiuata  D.  C.)  wird  noch  die  Griechische  Tanne  (Abies 
cepfialotiica  Link.)  als  Fraßpflanze  genannt. 

Die  B  i  o  n  o  m  i  e  ist  in  den  meisten  Punkten  übereinstimmend  mit  der 
des  schwarzköpfigen  Tannenwicklers  (Cac.  murinana  Hb.,  s.  oben  S.  230), 
so  daß  auch  die  Bioformel  der  dort  angegebenen  mehr  oder  weniger  gleichen 
dürfte. 

Über  die  Flugzeit  finden  sich  verschiedene  Angaben.  Nach  Altum 
(F.  198)   erscheint  der    Falter  wohl   schon   Mitte   Mai.   zumeist  erst  im  Juni, 

E scherlich,   Forstinsekten,  Bd.  UI.  20 


306 


II.  Spezieller  Teil. 


und  schwärmt  fast  bis  Ende  Juli.  Die  meisten  anderen  Autoren  lassen  die 
Flugzeit  14  Tage  später  als  bei  miirinana  fallen. 

Die  Eier  werden  in  kleinen  Häufchen  abgelegt  (s.  Abb.  257),  wahr- 
scheinlich (worauf  der  schlank  gebaute,  lang  vorstreckbare  Ovipositor  des 
Weibchens  sowie  Zwingerbeobachtungen  schließen  lassen)  in  den  Rinden- 
ritzen der  stärkeren  Äste  und  des  Stammes. 

Die  Eier  überwintern  und  die  Räupchen  kommen  im  nächsten 
Frühjahr  mit  der  Entwicklung  der  Maitriebe  aus.  Die  Fraßart  scheint  ganz 
ähnlich  zu  sein  wie  bei  Cac.  murinana  Hb.  (s.  dort,  S.  232).  Nur  ist  nach 
Ratzeburg  (W.  II.  21)  das  Gespinst  noch  fester,  auch  „stecken  die  Raupen 
darin  fester  und  lassen  sich  nur  schwer  unversehrt  herausziehen". 

Die  erwachsenen  Raupen  lassen  sich  (Ende  bis  Mitte  Juni)  an  Fäden 
herab  und  verpuppen  sich  in  der  Bodenstreu  und  in  der  Moosdecke  in  einem 
mit  Erde  vermischten  Kokon. 

Rujimitrana  kommt  häufig  in  Gemeinschaft  von  Cac.  murinana  Hb.  vor, 
wobei  bald  die  erstere  (wie  z.  B.  bei  dem  großen  böhmischen  Fraß),  bald 
die  letztere  Art  (wie  beim  Schweizer  Fraß)  die  häufigere  ist. 

Gewöhnlich  werden  Alt-  und  Mittelhölzer  befallen,  doch  teilt 
Schimitschek  (1909)  einen   Fall  aus  den  Kleinen  Karpathen  mit,  in  dem 


Abb.  258.    A  Raupe  (Vorderteil  und   Hinterende),  B  Puppe  von  Semasia  rufimitrana 
H.  S.   (a  Ventralseite,  b  Seitenansicht,  c   Hinterende).    Nach  Wacht  1. 


nur  Junghölzer  im  Alter  von  15 — 30  Jahren  angegangen  wurden,  wäh- 
rend auf  den  Mittel-  und  Althölzern  der  Umgebung  nicht  eine  Raupe  ge- 
funden werden  konnte.  Das  Fraßgebiet  erstreckte  sich  auf  drei  räumlich 
getrennte   Unterabteilungen  von   zusammen   ungefähr   200  ha,   meist    Misch- 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  307 


vorhanden,  daß  man  im  Juni  nur  mit  quer  vor  das  Gesicht  gehaltenem  Stock 
durch  diese  Bestände  gehen  konnte,  um  sich  der  herabspinnenden  Raupen 
und  Fäden  zu  erwehren. 

Der  Fraß  selbst  ist  ungefähr  der  gleiche  wie  der  von  murinana,  daher 
gilt    bezüglich    der    Erkennung    und    der    Folgen    des     Fraßes,    der 


Abb.    259.     Frischer    Fraß    mit    Gespinsten    von    Semasia    riifimitrana    H.  S.     Nach 

N  it  sehe. 

forstlichen  Bedeutung,  Bekämpfung  usw.  das  oben  bei  murinana 
Gesagte.  Bei  der  Anwesenheit  von  Raupen  ist  die  Unterscheidung  von 
murinana  durch  den  hellroten  Kopf  ohne  weiteres  gegeben.  —  Über  die  Ge- 
schichte der  bisher  beobachteten  Gradationen  siehe  oben  bei  murinana 
(S.  236). 

Semasia  ratzeburgiana  (Sax.)  Rtzb. 

Rostroter   Fichtenwickler. 

Taf.  III,   Fig.  14. 

Ratzeburg:  Torlrix  (Coccyx)  Ratzeburgiana  Sxs.  —  Nitsche;  Tortrix  CSteganoptycha) 

Ratzeburgiana  (Sxs.)  Ratz.  —  Wolff-Krauße:  Epinotia  Ratzeburgiana  Rtz. 

Falter:  Kopf  mit  Brust  gelblich  braun,  Leib  etwas  dunkler,  Vorderflügel  von 
rotgelber  Grundfarbe,  die  in  dem  großen,  saumwärts  spitzwinklig  vorspringenden 
Wurzelfelde,  besonders  an  dessen  Hinterrande,  dunkelbraun  bestäubt  ist.  Ober-  und 
unterhalb  von  der  vorspringenden  Spitze  des  Wurzelfeldes  ein  hellerer,  weißgelber 
Dreiecksfleck  am  Vorder-  und  Innenrand.  Beide  stoßen  in  der  Mitte  zusammen 
und  werden  saumwärts  von  einem  breiten,  aus  der  Mitte  des  Vorderrandes  ent- 
springenden, schräg  nach  dem  Innenwinkel  verlaufenden  Band  von  Grundfarbe  be- 
grenzt. Diese  Binde  ist  besonders  in  der  Mitte  dunkelbraun  bestäubt.  Saumwärts  von 
letzterer  wieder  weißgelbe  Zeichnungen,  die  teilweise  aus  hellen  Häkchen  des  dunkel 
bestäubten  Vorderrandes  entspringen.    Saum  dunkel  bestäubt  und  hell   unterbrochen. 

20* 


308 


II.  Spezieller  Teil. 


Fransen  hell  graubraun.  Hinterflügel  mit  helleren,  dunkel 
geteilten  Fransen.  Spannweite  12 — 15  mm  (Abb.  260}. 
Raupe  (Abb.  261  A)  schmutzig  weißgrau,  Kopf 
klein,  hellbraun,  Nackenschild  geteilt,  fast  von  Körper- 
farbe. 

Puppe  (Abb.  261  B  und  C)  ausgezeichnet  durch 
lange  Fühler,  durch  abgestutzte  Stacheln  des  letzten 
Ringes    und    den    Mangel    von    Hakenborsten. 

K  e  n  n  e  1  gibt  als  Verbreitungsgebiet  an: 
Mittel-  und  Nordeuropa,  Nordamerika.    Die  Haupt- 
fraßpflanze  ist   die    Fichte    (Ratzeburg), 
gibt    Tanne    und   andere    Nadelbäume    an,    S  p  u  1  e  r    Fichte    und 


Abb.  260.    Semasid   rotze- 
biirgiana    (Sax.)    Rtzb.    $. 

2V2X. 


Kenne ] 
Kiefer. 

Der  Falter  fliegt  ziemlich  spät,  im  Juli  und  August.  „Den  Fraß  be- 
merkt man  in  den  starken  Endknospen  der  Zweige  junger,  kräftiger  Fichten 
von  20 — 50  Jahren,  auch  wohl  älterer  Bäume,  wo  die  Raupe  an  der  einen 
Seite  des  Triebes  gegen  die  Spitze  hin  ein  tiefes  Loch  in  die  dichte,  weiche 
Masse  der  zarten,  jungen  Nadeln  frißt.  Wenn  der  junge  Trieb  sich  ent- 
wickelt und  die  Ausschlagschuppen  abschiebt,  spinnt  sie  diese  an  der  Spitze 
derselben  fest,  so  daß  die  Knospenschuppenhauben  als  „Mützchen"  an  dem 
sich  weiter  entwickelnden  Trieb  oft  bis  spät  in  den  Sommer  hängen  bleiben  i) 


Abb.  261.      Seniasia    ralzeburgiana    Rtzb.       Abb.  262.    Junger  Fichtentrieb  mit  von  der 
A  Raupe  (Vorder- und  Hinterende),  B  Puppe       Raupe   von   Semasia    ratzeburgiana    Rtzb. 
(^  (Ventralseite),    C  Hinterende  der  Puppe.       an  der  Spitze   festgesponnenen   Ausschlag- 
N ach  Ratzeburg.  schuppen. 

Nach  Ratzeburg. 

(Abb.  262  B).  Untersucht  man  die  Fraßstelle  näher,  so  ergibt  sich  folgendes 
Bild:  Der  junge  Trieb  ist  stets  stark  gekrümmt,  die  Vegetationsspitze  stets 
stark  beschädigt,  so  daß  hier  keine  Knospenanlagen  entstehen  können,  Nadeln 
nicht  miniert,  sondern  in  einem  Längsstreifen  auf  der  Triebunterseite  ganz 
abgefressen,  Triebachse  selbst  ebenfalls  angegriffen."    Der  Fraß  findet  sehr 


1)   Das   Vorhandensein   der  „Mützchen"   kommt   auch  bei   anderem   Wicklerfraß 
^'or,  wie  auch  bei  der  folgenden  Art  (nanana). 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


309 


frühzeitig   statt.    Anfangs   Juni   ist   die    Fraßstelle   bereits   von   den    Raupen 
\-erlassen  (Baer,   1910). 

Forstlich    nur    unmerklich    schädlich,    da    die    Art    nicht    zu 
Massenvermehrung  zu  kommen  scheint. 

Semasia  nanana  Tr. 

Kleinster     Fichtennadel  markwickler. 

Taf.  III,   Fig.  14. 

Ratzeburg:  Tortrix  (Coccyx)  nanana  Kuhlw.  —  Altum:  Grapholitha  (Steganoplycha) 

jianana     Kuhlw.     —     Nitsche:     Tortrix     (Steganopiycha)     nanana     Tr.     —     Nüßlin- 

Rhumbler:    Grapholitha    (Steganoptycha)    nanana    Tr.    —    Wolff-Krauße:    Epinotia 

nanana  Tr. 
Falter:  Vorderflügel  dunkel  graubraun,  rötlich  schimmernd,  mit  drei  breiten, 
hellen  Querbinden,  die  von  dunkleren  Linien  mehrfach  durchzogen  sind.    Kopf  oben 
bräunlich  grau,   Gesicht  weißgrau.    Spannweite  9 — 10  mm   (Abb.  263). 

Raupe:  Färbung  meist  schmutzig  grünlich  weiß,  zuweilen  hell, 
seltener  dunkelbraun  (bei  jüngeren  Exemplaren).  Kopf  schwarz,  der  in 
der   Mitte  geteilte   Nackenschild  ebenfalls  dunkel,   wie  auch  mehr  oder 


Abb.  263.     Semasia  nanana  Tr.      3  X- 


Abb.  264. 
Puppe  von 


weniger  die  übrigen  stark  chitinisierten  Teile.    Ohne  Borstenkamm  über 
dem  After.    Länge  8 — 9  mm. 

Puppe    (Abb.  264):     Vorderflügelscheiden   kurz,    auf   dem   4.  Ab- 
dominalsegment   endend.     Auf    den    Abdominalsegmenten    mit    dorsalen    Semasia  nä- 
Dornenkränzen.     Mit    nur    6    apicalen    Hakenborsten    (und    zwar   4  sehr       ;/^//^  Tr. 
starken   am   Dornenkranz   des    10.    und    2  ventralen   am    Hinterrand   des    Nach  Baer. 
9.   Segmentes). 

Der  kleine  Wickler  ist  über  Mittel-  und  Nordeuropa  verbreitet.  Seine 
Fraßpflanze  ist  die   Fichte   (besonders  niedere   Hecken). 

Die  Bionomie  von  nanana  ist  besonders  durch  Borries  (1895), 
W.  Baer  (1906)  und  Trägärdh  (1915)  aufgeklärt  worden.  Wir  folgen 
hier  in  der  Hauptsache  der  sehr  gründlichen  Darstellung  Baers,  wonach 
die  Bioformel  sich  etwa  folgendermaßen  gestaltet: 

67-8,4 
56  +  67 

Flugzeit  Ende  Mai  bis  Juli  (in  Dänemark  nach  Borries  Ende  Juni 
und  Juli),  das  stärkste  Schwärmen  von  Mitte  Juni  bis  Mitte  Juli.  Baer 
beobachtet  um  diese  Zeit  „unzählbare  Massen  der  winzigen  Falter  zu  Beginn 
der  Abenddämmerung  um  eine  Hecke  schwärmen". 

Die  Eiablage  findet  vermutlich  ähnlich  der  von  tedella  statt,  d.  h. 
einzeln  an  Nadeln.  Die  Raupen  kommen  noch  im  Herbst  aus  und  machen 
einen    ganz    charakteristischen    Herbstfraß  i):     Einzelne    Nadeln    werden 

1)   Trägärdh   (191 5)   nimmt   an,   daß   nanana  auch  im   Eistadium  überwintert. 


310  II-  Spezieller  Teil. 

durch  ein  kleines  Loch  fast  völlig  ausgehöhlt  und  zeigen  infolgedessen  ein 
bleiches  und  wenig  gebräuntes  Aussehen.  Es  scheint,  daß  der  gesamte 
Herbstfraß  einer  Raupe  sich  auf  eine  einzige  Nadel  beschränkt. 

Die  Überwinterung  der  Raupen  geschieht  in  feinen,  länglichen,  weißen 
Gespinsten  am  Grunde  von  unverletzten  Nadeln  (Baer,  Borries)  oder 
auch  in  der  ausgehöhlten  Nadel  selbst,  den  Kopf  basalwärts  gerichtet 
(Pomerantzew).  Beim  Früh jahrsf  raß  werden  5,  seltener  6 — 8  Nadeln 
zusammengesponnen  (zu  „Nestern")  wie  bei  tedella.  Die  einzelnen  Nadeln 
zeigen  wie  bei  letzterer  fast  ausnahmslos  nur  ein  einziges  mit  Gespinst  aus- 
gekleidetes Loch  nahe  der  Basis,  vor  dem  sich  das  zierliche  Kothäufchen 
befindet.    Meist  wird  die  besser  besonnte  Oberseite  bevorzugt. 

Die  Verpuppung  findet  gewöhnlich  an  der  Fraßstelle  an  den  Zweigen 
statt.  Die  Puppen  befinden  sich  in  feinen,  weißen,  ziemlich  dichten,  läng- 
lichen Gespinsten,  die,  öfter  mit  Kotkrümchen  oder  feinen  Rindenteilchen 
verklebt,  zwischen  einigen  Nadeln  meist  an  deren  Grund  angebracht  sind,  öfter 
auch  in  Astwinkeln  und  mit  einer  gewissen  Vorliebe  in  den  Höhlungen  älterer 
Chermesgallen.  „Aus  einer  einzigen  der  letzteren  schoben  sich  in  einem  Falle 
nicht  weniger  als  7  Puppen  hervor,  so  daß  dieselbe  mit  den  leeren  Hülsen 
gleichsam  gespickt  ein  zierliches  Präparat  lieferte"  (Baer).  —  Ob  die  Ver- 
puppung auch,  wie  Ratzeburg  vermutete,  im  Boden  stattfindet,  bleibt 
dahingestellt  (man  findet  bisweilen  um  die  Verpuppungszeit  die  Fraßstelle 
verlassen  und  auch  nicht  selten  die  Räupchen  an  Spinnfäden  sich  herab- 
lassend). Baer  und  Schütze  fanden  bisweilen  nanana-V\x\^'^QXv  in  zu  kleinen 
Klumpen  versponnenen  jungen  Nadeln  an  eben  sich  entwickelnden  Fichten- 
maitrieben,  weitab  von  der  Fraßstelle. 

Die  Dauer  der  Puppenruhe  beträgt  ca.  14  Tage.  Die  Puppe  schiebt 
sich  mit  Hilfe  der  dorsalen  Dornenkränze  vor  dem  Schlüpfen  aus  dem  Ge- 
spinst hervor. 

Wenn  nanana  auch  im  allgemeinen  mehr  vereinzelt  auftritt,  so  gelangt 
sie  doch  hier  und  da  zur  Massenvermehrung  und  zu  schädlichem  Fraß. 
Baer  (1906)  berichtet  von  einem  solchen  aus  dem  Jahre  1904  an  einer 
ca.  1000  m  langen  15  jährigen  Fichtenhecke  bei  Regensburg.  Ende  Mai 
hatten  „große  Teile  der  Hecke  ein  nahezu  braunes  Gewand  angelegt,  da  auch 
der  frische  Maitrieb  abgewelkt  war,  und  schienen  dem  gänzlichen  Ver- 
trocknen nahe  zu  sein,  zumal  von  den  obersten  Zweigen  die  Nadeln  abfielen 
und  diese  nun  wie  dürre  Reiser  emporstarrten".  Als  Folge  des  Fraßes 
starben  außer  dem  Maitrieb  samt  den  zukünftigen  Winterknospen  namentlich 
im  oberen  Teil  der  Hecke  auch  noch  die  Triebe  der  letzten  2 — 3  Jahrgänge 
vielfach  bald  ab,  und  eine  größere  Zahl  von  Stämmchen  hatte  schließlich 
überhaupt  nur  noch  in  der  unteren  Hälfte  oder  im  unteren  Teil  lebende 
Zweige  sich  erhalten.  „Wo  der  Maitrieb  noch  zur  Ausbildung  gelangte,  ge- 
schah es  vielfach  nur  in  der  kümmerlichsten  Weise."  Der  Fraß  wiederholte 
sich  1905  und  erst  1906  ließ  er  etwas  nach.  Die  am  stärksten  heim- 
gesuchten Pflanzen  starrten  schon  nach  der  2.  Fraßperiode  wie  dürre  Besen 
in  die  Luft,  offenbar  dem  Eingehen  nahe. 

In  Gesellschaft  von  nanatia  fraßen  noch  zwei  andere  Nadelminierer, 
nämlich  Eustainlonia  pinicolella  Dup.  (s.  S.  198)  und  Gelechia  electella  TAX. 
(s.  S.  207),  jedoch  traten  diese  zahlenmäßig  stark  gegen  naiiana  zurück. 
Biologisch    stimmten    die    drei    Arten    ziemlich    miteinander    überein,    doch 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  311 

lassen  sich  ihre  Raupen  und  Puppen  gut  voneinander  unterscheiden  (s.  oben 
S.  199  und  S.  207).  Bezüglich  der  Differentialdiagnose  gegenüber  dem  Fraß 
der  übrigen  Nadelminierer  wie  Epiblema  tedella  Cl.  und  Asthenia  pygviaeana 
Hb.  siehe  unten  S.  334  und  S.  338. 

Nach  Trägärdh  trat  nanana  (im  Jahre  1913)  auch  in  Schweden  und 
Norwegen  recht  schädlich  auf.  Viele  Fichten  wurden  gänzlich  entnadelt, 
doch  bildeten  sich  die  Triebe  trotzdem  normal  aus. 

Als  natürliche  Feinde  nennt  Baer  verschiedene  Vögel,  wie  Amsel, 
Buchfink,  Sperling,  Tannenmeisen  und  Goldhähnchen.  Bei  ähnlichem  Vor- 
kommen wie  dem  obigen  (an  Hecken)  würde  man  durch  Bespritzen  mit  einem 
Arsenmittel  gewiß  gute  Erfolge  erzielen. 

Semasia  diniana  Gu. 

Taf.  III,  Fig.  15  (cf). 

Syn.   pinicolana   TAX. 

Grauer   L  ä  r  c  h  e  n  w  i  c  k  1  e  r. 

Ratzeburg:  Tort  rix  phiicohma  ZU.  —  Altum:  Grapholitha  pinicolana  ZU.  —  Nitsche: 

Tortrix    (Stegauop/yr/ia  1    pinicolana    ZU.    —    Nüßlin-Rhumbler :    Grapholitha    (Sle- 

ga/ioptycha  1  diiiiana  Gu.  —  Wolf  f -Krauße :  Epinotia  diniana  Gu. 

Falter:   Vorderflügel   langgestreckt,   glänzend  hellgrau,  braun  gegittert.    Der 

in    der    Flügelmitte    in    spitzem    Winkel    vortretende    Rand    des    Wurzelfeldes,    eine 


Abb.  265.  Semasia  diniana  Gu.   (Grauer  Lärchenwickler  K  2  X-  Rechts  in  Ruhestellung. 

schräge  Binde  aus  der  Mitte  des  Vorderrandes  und  ein  unbestimmter  Fleck  vor  der 
Spitze  dunkelbraun.  Fransen  grau  mit  2  unbestimmten  Augenpunkten.  Färbung 
übrigens  sehr  veränderlich,  bisweilen  stark  weiß  gemischt,  bisweilen  ziemlich  gleich- 
mäßig grau  bestäubt,  auch  die  Zeichnung  variiert.  Hinterflügel  ziemlich  breit  und 
etwas  zugespitzt,  bräunlich  grau  mit  hellgrauen  Fransen,  die  eine  dunklere  Teilungs- 
linie haben.    Spannweite   18 — 20  mm,  Länge  9 — 10  mm. 

Raupe  mit  schwarzem  Kopf  und  Nackenschild,  Leib  in  der  Jugend  schwärz- 
lich, je  jünger,  desto  dunkler,  ausgewachsen  in  das  Grüne  spielend,  mit  schwarz- 
grünen Streifen  auf  dem  Rücken  und  den  beiden  Seiten.  Über  und  unter  den 
letzteren  zwei  hellere  Streifen  von  derselben  grünlichen  Färbung  wie  der  Bauch. 
Auf  jedem  der  Hinterleibsringe  oben  vier  runde,  rauhe,  punktierte  und  verhältnis- 
mäßig ziemlich  große,  je  ein  Haar  tragende  Wärzchen,  von  denen  die  beiden 
vorderen  näher  aneinanderstehen  als  die  beiden  hinteren.  Ober-  und  unterhalb  der 
Luftlöcher  jederseits  ein  weiteres  solches  Wärzchen,  auf  dem  11.  Ring  oben  nur  drei 
im  Dreieck  gestellte  Wärzchen,  von  denen  das  hinterste  das  größte  ist.  Afterklappe 
mit  4  oder   5  kurzen,  schwarzen  Haaren.    Länge  10 — 12  mm. 

Dieser  Beschreibung  Nitsches  (die  größtenteils  Herrich-Schäffer  ent- 
nommen  ist)    ist    noch    hinzuzufügen,    daß    die    Färbung    der    Raupe    recht    variabel 


312  n.  Spezieller  Teil. 

zu  sein  scheint.  Die  von  uns  (Escherich,  1909 1  beobachteten  erwachsenen 
Raupen  waren  einfarbig  schwärzlich  grün.  Nach  Schernthaner  (1892)  wechseln 
die  Raupen  8 — 10  Tage  vor  ihrer  Verpuppung  sehr  häufig  die  Farbe  zwischen 
„schwarz,  schwarzgrün,  schwarzgraugrün,  schmutzig  grün  und  bräunlich  grün." 

Puppe  braun,  auf  dem  Rücken  der  Hinterleibsringe  mit  Querreihen  kleiner, 
rückwärts  gerichteter  Stacheln  zum  Hervorschieben  aus  dem  Gespinst.    Länge  8  mm. 

Die  ovalen  Eier  besitzen  nach  N  ä  g  e  1  i  eine  Länge  von  0,6 — 0,7  mm.  Sie  sind 
leicht  abgeplattet,  so  daß  der  Querschnitt  ebenfalls  ovale  Gestalt  aufweist,  mit 
einem  größten  Durchmesser  von  ca.  0,5  und  einem  kleinsten  von  ca.  0,4  mm.  Durch 
die  Aneinanderlagerung  mehrerer  Eier  oder  durch  Quetschung  seitens  des  Flechten- 
thallus  kann  jedoch  diese  normale  Form,  ohne  Schädigung  des  Ei-Inhaltes,  oft  be- 
deutend verändert  werden.  Die  Oberfläche  erscheint  unter  der  Lupe  fein  gekörnt, 
was  von  einer  Fältelung  derselben  herrührt.  Eine  Besonderheit  der  Struktur  um  die 
Mikropyle  ist  nicht  zu  bemerken.  Die  Farbe  des  frisch  abgelegten  Eies  ist  ein 
blasses,   leicht    ins    Grünliche   spielende    Gelb    (nach   T  ho  mann   orangegelb). 

Die  geographische  Verbreitung  des  grauen  Lärchenwicklers  er- 
streckt sich  über  ganz  Nordeuropa,  Norddeutschland,  Skandi- 
navien bis  Nordrußland  und  von  hier  ostwärts  bis  weit  nach  Sibirien, 
ferner  über  die  gesamten  Alpen,  auch  aus  England  und  Nord- 
amerika ist  die  Art  gemeldet.  Frey  bezeichnet  diniana  Gu.  als  eine  nor- 
dische, Thomann  als  eine  nordisch-sibirische  Art.  Zu  mehr  oder 
weniger  periodischen  Massenvermehrungen  gelangt  sie  vor  allem  in  den 
Schweizer,  italienischen  und  französischen  Alpen,  doch  auch  in  deutschen 
Mittelgebirgen  ist  sie  in  neuerer  Zeit  recht  schädlich  aufgetreten. 

Der  graue  Lärchenwickler  ist  ziemlich  polyphag.  Wenn  er  auch  in 
den  Alpenländern  vornehmlich  die  Lärche  befällt,  so  findet  man  seine 
Larve  hier  nicht  selten  auch  auf  der  Arve  und  Kiefer  und  auch  auf 
Fichte,  und  zwar  auch  primär.  Im  Norden  seines  Verbreitungsgebietes 
findet  man  die  Raupe  auch  da,  wo  Lärchen  vorhanden  sind,  hauptsächlich  auf 
Kiefer,  in  Mitteldeutschland  vornehmlich  auf  Fichte  (und  sogar  auf 
Laubholz  nach  brieflicher  Mitteilung  von  Prell).  Mittelberger  nennt  als 
Fraßpflanze  in  Salzburg  Lärche,  Weißtanne,  Fichte,  Arve  und 
Legföhre. 

Bionomie. 
Die  Bionomie  des  nicht  selten  bestandsverderbend  auftretenden  Wick- 
lers   ist    schon    von    verschiedenen    Seiten    studiert    worden,    vor    allem    von 
Coaz  und   Schernthaner,   sodann  von   Escherich,    Fuchs,   Nägeli, 
Thomann  u.  a.i). 

Die  Entwicklung  vollzieht  sich  nach  der  Bioformel: 
8,6-67 
78  +  7P9a 

Die  Flugzeit  des  Lärchenwicklers  fällt  in  die  Monate  Juli  bis  Sep- 
tember, je  nach  der  geographischen  Lage  und  dem  herrschenden  Klima. 
Nach  brieflicher  Mitteilung  von  Forstmeister  Koch  schwärmte  er  im  Erz- 
gebirge von  Mitte  August  bis  Mitte  September,  und  zwar  am  Tage,  , .teil- 
weise in  dichten  Wolken,   wie   Schneeflockengestöber".    Nach   Nägeli   war 


1)  Während  der  Korrektur  ist  über  die  in  den  letzten  Jahren  aufgetretene 
dm/ana-Kalamhät  in  den  böhmischen  und  sächsischen  Fichtenwäldern  eine  größere 
Arbeit  von  Prell  (1930J  erschienen;  doch  enthält  dieselbe  gegenüber  der  hier  ge- 
gebenen Schilderung  nur  wenig  grundsätzlich  Neues  (s.  die  verschiedenen  Fußnoten). 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  313 

im  Engadin  das  Schwärmen  namentlich  in  den  Mittagstunden  sehr 
intensiv,  besonders  um  die  von  der  Sonne  beschienenen  Gipfel  alter  Lärchen. 
Im  Unterstand  waren  die  Fichten  und  namentlich  die  Arven  ebenso  stark 
umflogen  wie  die  Lärchen.  Beim  x\nschlagen  kleinerer  Stämmchen  wurden 
meist  eine  Menge  ruhender  Falter  aufgescheucht,  wobei  in  der  Regel  die 
schwereren  Weibchen  nach  kurzer  Zeit  in  schiefer  Richtung  zur  Erde 
flatterten,  während  sich  die  leichteren  Männchen  in  die  Luft  erhoben.  Auf 
dem  Boden  erwiesen  sich  die  Tierchen  als  sehr  behende  im  Entschlüpfen, 
indem  sie  sich  durch  Grashalme,  Moos  und  Streu  hindurch  in  tiefere 
Schichten  der  Bodendecke  hinabwanden.  Ein  großer  Teil  der  Schmetterlinge 
hatte  (anfangs  September)  bereits  ein  stark  abgeflogenes  Aussehen,  was  nicht 
weiter  verwunderlich  war,  da  dem  sonnigen  Septemberbeginn  einige  Tage 
mit  heftigen  Regengüssen  vorangingen. 

Im  Gegensatz  hierzu  berichtet  Thomann  (ebenfalls  aus  dem  Engadin): 
„Die  Falter  ruhen  tagsüber  im  Geäst  der  Bäume,  mit  Vorliebe  an  den  be- 
laubten Zweigen  —  selten  an  den  Stämmen.  Ihr  rindenfarbenes  Kleid  macht 
sie  fast  unsichtbar.  Doch  werden  sie  schon  durch  leichte  Erschütterung  der 
Äste  aus  ihren  Verstecken  aufgescheucht  und  fliegen  dann  auf  benachbarte 
Bäume  oder  suchen  alsbald  wieder  auf  denselben  Baum  zu  gelangen. 
Starken  Luftströmungen  setzen  die  aufgescheuchten  Falter  nur  geringen 
Widerstand  entgegen.  Manche  fallen  rasch  auf  den  Boden,  andere  lassen 
sich  dagegen  vom  Wind  oft  auf  w-eite  Strecken  abtreiben." 

„Wie  die  Mehrzahl  der  Wickler  gehört  auch  der  Lärchenwickler  zu  den 
Dämmerungstieren;  bei  ihm  hebt  erst  mit  sinkender  Sonne  (zwischen 
5  und  7  Uhr  abends)  ein  lebhaftes  Schw^ärmen  der  Männchen  um  die  Baum- 
kronen an,  es  wird  der  Hochzeitsreigen  aufgeführt.  Das  wichtige  Geschäft 
der  Eiablage  durch  die  Weibchen  dürfte  hauptsächlich  während  der  Nacht 
besorgt  werden"  i). 

Über  die  Eiablage  war  man  lange  im  unklaren;  es  fanden  sich  zwar 
verschiedentliche  Angaben,  wonach  die  Eiablage  im  Herbst  an  Kurztrieben 
oder  in  den  Nadelwinkeln  usw.  stattfinden  soll,  doch  handelte  es  sich  hierbei 
nur  um  Vermutungen,  da  die  Eiablage  in  der  freien  Natur  nicht  beobachtet 
werden  konnte 2).  Wohl  hat  Baer  (s.  Escherich,  1909)  anfangs  Sep- 
tember im  Zuchtkasten  „drei  ziemlich  große  gelbliche  Eier"  am  Grunde  eines 
Kurztriebes  gefunden,  die  nur  von  dem  darin  befindlichen  Weibchen  stammen 
konnten,  doch  ließ  diese  Beobachtung  keinen  zwingenden  Schluß  für  die 
Verhältnisse  im  Freien  zu,  um  so  weniger,  als  die  anderen  Weibchen,  die 
gleichzeitig  in  Zwingern  gehalten  wurden,  keine  Eier  legten,  sondern  ab- 
starben. Auch  gelang  es  mir  nicht,  in  einem  stark  befallenen  Gebiet  (Iffigen- 
alp,  Simmenthai)  trotz  eingehendster  Lupenuntersuchung  von  Hunderten  von 
Lärchenzweigen  kurz  nach  Beendigung  der  Flugzeit  auch  nur  ein  Ei  zu 
finden,  ebenso  wenig  an  Zweigen,  die  uns  anfangs  des  Winters  aus  der 
gleichen  Gegend  zugesandt  wurden.   Alle  diese  Umstände  führten  uns  zu  der 

1)  Ganz  ähnliches  berichtet  Prell.  Nach  ihm  beginnen  die  Falter  „freiwillig 
erst  nach  Beginn  der  Dämmerung  zu  schwärmen,  um  zur  Kopulation  und  Eiablage 
zu  schreiten;  wegen  ihrer  großen  Zahl  können  sie  dann  in  dichten  Scharen  ins- 
besondere die  Wipfel  der  Bäume  umfliegen  und  sich  an  starken  Lichtquellen  ge- 
radezu in  Wolken  ansammeln". 

2)  Davall  gibt  an,  daß  die  Eier  im  Monat  .\ugust  innerhalb  der  Nadel- 
büschel abgelegt  werden,  doch  erschien  dies,  worauf  schon  Ratzeburg  (W. 
II.  62'  hingewiesen,  von  vornherein  wenig  wahrscheinlich,  da  ja  die  Nadeln  abfallen. 


314 


II.  Spezieller  Teil. 


Vermutung,  daß  die  Eiablage  normalerweise  erst  im  nächsten  Frühjahr,  nach 
Überwinterung  der  Falter,  stattfinden  könnte.  Diese  Anschauung  erwies  sich 
indessen  als  Irrtum:  Standfuß  fand  im  September  191 1  im  Engadin  zahl- 
reiche kopulierende  Pärchen,  meist  im  Gras  unter  stark  befressenen  Lärchen. 
In  Gazebeutel  gesetzt,  die  über  die  Zweigenden  älterer  Lärchen  gezogen 
wurden,  legten  die  Weibchen  bald  ihre  Eier  ab:  mit  Hilfe  ihrer  Legeröhre 
schoben  sie  die  Eier  unter  Rindenschuppen  und  in  Rindenrisse, 
und  zwar  in  kleinen  Gruppen  von  je  5  bis  etwa  15  Stück.  Auch  zwischen  den 
Schuppen  der  miteingebundenen  Lärchenzapfen  fanden  sich  solche  Ei- 
häufchen  eingeschoben.  Die  anatomische  Untersuchung  einiger  frisch  ge- 
paarter Weibchen  ergab  eine  Eizahl  von  150 — 300  Stück  in  beiden  Ovarien 
(s.  Coaz,  1917). 

Die  Standfuß  sehe  Beobachtung  fand  neuerdings  eine  Bestätigung 
durch  zwei  Autoren:  Nägeli  (1929)  und  Thomann  (1929),  die,  unabhängig 
voneinander,  zu  den  gleichen  Resultaten  gekommen  sind.  Nägeli  gelang  es 
am  20.  September,  Augenzeuge   der  Eiablage  zu  sein:    „An  einer  ca.    10  m 


Abb.   266.    Eigelege   des   Lärchenwicklers   (Semasia  diniana  Gu.).    a  frei,   b   auf   der 
natürlichen     Unterlage,    d.    h.     einer     umgelegten     Flechtenschuppe.     Vergr.      Nach 

Thomann. 


hohen  Lärche,"  berichtet  dieser,  „setzte  sich  ein  Lärchenwicklerweibchen  auf 
einen  in  Augenhöhe  befindlichen  Zweigt).  Derselbe  zeigte  einen  leichten 
olivgrünen  Flechtenbesatz,  insbesondere  waren  die  Kurztriebe  an  dieser 
Stelle  von  einem  solchen  wie  von  einem  Futteral  umhüllt.  Nachdem  das 
Weibchen  etwa  2  Minuten  geruht  hatte,  begann  es  auf  dem  Zweig  herum- 
zukriechen, wobei  es  mit  dem  lang  vorgestreckten  Ovipositor  tastende  Be- 
wegungen ausführte.  An  zwei  Stellen,  die  ich  mir  während  des  Vorganges 
genau  merkte,  nämlich  an  der  Seite  eines  Kurztriebes  und  auf  der  Oberseite 
des  Zweiges,  zwischen  zwei  Kurztrieben,  verharrte  der  Falter  besonders  lange, 
d.  h.  je  ungefähr  10  Minuten.  Kurz  nachher  flog  er  davon.  Der  ganze  Vor- 
gang spielte  sich  zwischen  16  und  17  Uhr  ab  und  dauerte  vom  An-  bis  zum 


1)  Im  allgemeinen  wählen  die  schwärmenden  Lärchenwicklerfalter  als  Ruhe- 
punkte nicht  den  Stamm  oder  die  Zweige,  sondern  lassen  sich  bei  den  Arven  in  der 
Längsrichtung  auf  eine  einzelne  Nadel  nieder,  bei  der  Lärche  in  beliebiger  Stel- 
lung auf  ein   Nadelbüschel. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


315 


Abflug  etwa  40  Minuten.  Bei  näherer  Untersuchung  des  Zweiges  zeigte  sich 
äußerlich  gar  nichts  Auffallendes.  Nach  sorgfältigem  Aufheben  der  Flechten- 
decke jedoch  kamen  auf  dem  Kurztriebe 
vier,  an  der  anderen  Stelle  drei  gelbliche 
kleine  Eier  zum  Vorschein"  (Abb.  266b). 
,,Von  diesem  Moment  an  war  es  durch- 
aus nicht  mehr  schwer,  solche  Eier  zu 
sammeln,  und  zwar  in  allen  Teilen  der 
Krone  an  alten  sowohl  als  auch  an  jungen 
Lärchen.    Wie  an  einer  im  März  1929  von  \^^\ 

Herrn  Oberförster  Guidon  erhaltenen 
Sendung  von  Lärchen-  und  Arvenzweigen 
aus  den  Beständen  von  Chuoz  festgestellt 
werden  konnte,  blieb  auch  die  letztere 
Holzart   durchaus   nicht  von   der  Eiablage 


Abb.  267.    Legeröhre  von  Se/nasia  diuiana  Gu. 
jNach  N  ägel  i. 

verschont.  Sie  schien  im  vergangenen 
Sommer  sogar  stärker  belegt  zu  sein  als 
die  Lärche.  So  fanden  sich  an  einem  ein- 
zigen, ca.  7  mm  starken  Arvenästchen  auf 
einer  Länge  von  11  cm  39  Eier  in  kleineren 
Gruppen. 

,, Bevorzugt  zur  Eiablage  werden  blei- 
stift-  bis  fingerdicke  Zweige  und  Äste,  und 
zwar  meistens  nur  deren  äußeres  Ende.  Wenn 
sich  auch  die  meisten  Eier,  wie  ja  längst  ver- 
mutet wurde,  bei  der  Lärche  an  der  Basis 
der  Kurztriebe  befinden,  so  sind  doch  auch 
Fälle,   in  denen  die  Ablage   zwischen  den- 


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Abb.  268.  Lärchenzweig  mit  Fraß 
von  Semasia  diniana  Gn.  In  der 
unteren  Hälfte  des  Triebes  mehrere 
„Trichter"    sichtbar.     Nach    Coaz. 


316  II.  Spezieller  Teil. 

selben  auf  den  Langtrieb  erfolgt,  durchaus  nicht  selten.  Bei  der  Arve  ist  die 
Ablage  auf  dem  Langtrieb  vollends  von  den  Kurztrieben  unabhängig.  Von 
ausschlaggebender  Bedeutung  ist  bei  beiden  Holzarten 
lediglich  das  Vorhandensein  von  Flechten.  Nirgends  konnten 
frei  an  der  T  r  i  e  b  o  b  e  r  f  1  ä  ch  e  Eier  beobachtet  werden"i). 

Der  Ovipositor  des  Lärchenwicklerweibchens  eignet  sich  für  diese  ver- 
steckte Ablage  der  Eier  außerordentlich  gut,  da  er  bis  etwa  2  mm  über  das 
Hinterleibsende  hinaus  vorgestreckt  und  sehr  weit  herumgebogen  werden 
kann  (Abb.  267). 

In  der  Regel  werden  die  Eier  in  Haufen  von  3 — 6  Stück  abgelegt.  Hier 
und  da  kommt  auch  Einzelablage  vor,  und  das  Maximum  der  Eizahl  in  der 
Natur  beobachteter  Gelege  betrug  14  Stück  auf  der  Lärche  und  11  Stück 
auf  der  Arve. 

Diese  Beobachtungen  Nägelis  finden  eine  vollkommene  Bestätigung 
durch  Thomann  (1929),  nur  fand  dieser  häufig  die  Eier  einzeln  abgelegt 
oder  in  Gelegen  von  5 — 10  Stück. 

Nach  der  Eiablage  sterben  die  Weibchen  ab,  so  daß  also  kein  Falter 
den  Winter  überdauert;  die  Lebensdauer  beträgt  durchschnittlich  3  Wochen. 

Über  das  Raupenleben  und  den  Fraß  an  Lärchen  hat  Schern- 
thaner  (1892)  eingehende  Beobachtungen  gemacht,  die  wir  der  folgenden 
Schilderung  zu  Grunde  legen.  „Bis  zur  ersten  Häutung  lebt  das  junge 
Räupchen  in  einem  Gespinstsäckchen  in  der  Mitte  des  Nadelbüschels  eines 
eben  aufbrechenden  Kurztriebes,  dessen  „fleischiges  Herz  und  Mark"  es  aus- 
frißt. Im  Säckchen  macht  es  seine  Häutung  durch.  Erst  nach  der  zweiten 
Häutung,  die  es  in  einem  ähnlichen  Säckchen  durchmacht,  sucht  das  Räup- 
chen ein  neues  Nadelbüschel  auf,  verspinnt  die  inneren  Nadeln  desselben  zu 
einer  Art  „Trichter"  (Abb.  268)  und  beginnt  nun  außer  dem  Parenchym  des 
Vegetationskegels  die  versponnenen  Nadeln  von  ihrer  Innenfläche  zu  be- 
nagen, so  daß  nur  die  Epidermis  der  Außenfläche  erhalten  bleibt.  Hier 
macht  es  seine  dritte  Häutung  durch,  frißt  nun  das  obere  Drittel  des 
Trichters  ab,  wandert  zu  einem  neuen  Kurztrieb,  spinnt  in  dessen  Innern  die 
Nadeln  zu  einem  neuen  größeren  Trichter  zusammen  und  benagt  sie  wieder 
von  der  Fläche.  Erst  nach  der  vierten  Häutung  benagt  die  Raupe  die  Nadeln 
des  neu  bezogenen  Kurztriebes  von  der  einen  Seite  her,  so  daß  nur  der  ent- 
gegengesetzte Nadelrand  als  feiner  Faden  stehen  bleibt,  an  dem  die  öfters 
unbefressenen  Endteile  der  Nadeln  hängen.  Einen  solchen  Fraß  scheint  die 
(hier  wiedergegebene)  Abbildung,  welche  Coaz  gibt  (1894),  darzustellen.  Nun 
verläßt  die  Raupe  ihren  Trichter  und  macht  am  Zweige  selbst  ein  röhren- 
artiges   Gespinst,   in   das   sie   abgebissene    Nadeln   hineinzieht   und   verzehrt. 


1)  Während  der  sächsischen  Kalamität  konnte  auch  die  Eiablage  an  Fichte 
beobachtet  werden.  Die  QQ  legten  in  den  von  W.  Baer  durchgeführten  Zuchten  die 
Eier  „bald  einzeln  oder  in  kleinen  Gruppen  von  2 — 4  Stück,  bald  in  größeren,  ver- 
klebten Häufchen  von  bis  zu  10  Stück  oder  wenig  darüber  unter  alten  Knospen- 
schuppen ab,  wo  sie  nur  ganz  locker  befestigt  waren".  „Bevorzugt  wurden  dabei  die 
Knospenschuppen  des  vorjährigen  Maitriebes,  also  der  zweite  Schuppenkranz  unter- 
halb der  Knospe  am  Triebende."  „Auch  an  Freilandzweigen  konnte  die  Eiablage  an 
den  gleichen  Stellen  in  beliebigem  Umfange  immer  wieder  bestätigt  werden."  Daß 
die  Eiablage  an  Flechtenbesatz  gebunden  sei,  konnte  in  Sachsen  nicht  nachgewiesen 
werden;  „da  mit  Flechten  besetzte  dünnere  Fichtenzweige  in  dem  Befallsgebiet  nicht 
leicht  erhältlich  waren,  können  sie  sicher  keine  nennenswerte  Rolle  als  bevorzugte  Ei- 
ablageplätze  spielen"   (Prell,    1930). 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


317 


Während  der  Fraß  bis  zur  dritten  Häutung  den  Nadeln  nur  ein  weißliches 
Aussehen  gibt,  röten  sich  nach  dem  geschilderten  stärkeren  Fräße  der  er- 
wachsenen Raupe  die  Kronen.  Sind  viele  Raupen  vorhanden,  so  machen  sie 
gar  keine  Röhre,  sondern  fressen  direkt  die  Nadeln,  gewöhnlich  einen  feinen 
Randfaden  übrig  lassend.  Die  in  den  Gespinsten  sich  häufenden  Kotmassen, 
der  herabfallende  Kot  und  die  Nadelreste  sowie  die  Gespinstfäden  der  sich 


Abb.  269.  Abb.  270. 

Abb.   269.    Arvengiptehrieb,   durch  Raupen  des   Lärchenwicklers   vollständig   zerstört. 

Nach    T  ho  mann. 

Abb.  270.  Ein  durch  5.  diniana  Gu.  kahlgefressener  Lärchenzweig.    Die  Kurztriebe  (b) 

sind  kahlgefressen,  die  eingetrockneten  (roten)  Nadelreste  am  Zweig  festgesponnen  (^«9- 

Nach  Tho  m  ann. 

häufig  abspinnenden  Raupen,  welche  die  Wipfel  oft  wie  mit  einem  Schleier 
umkleiden,  und  zwar  sowohl  an  älteren  wie  an  ganz  jungen  Pflanzen  (Coaz), 
geben  den  Beständen  ein  höchst  widerliches  Ansehen  (Abb.  270).  Der  Fraß 
beginnt  meist  an  den  unteren  .\sten  und  schreitet  von  da  nach  oben  fort." 


318 


II.  Spezieller  Teil. 


Der  Fraß  an  anderen  Nadelhölzern  vollzieht  sich  in  wesentlich 
anderer  Form. 

Auf  den  Arven  bewohnen  nach  T  ho  mann  die  Raupen  ausschließlich 
die  Knospenquirle,  meist  in  einer  Anzahl  und  sehr  verborgen  im  Innern  der- 
selben, indem  sie  die  einzelnen  Knospen  fest  zusammenspinnen.  Die  vor- 
jährigen Nadeln  bleiben  unberührt.  So  bleibt  der  Arve  trotz  starken  Befalls 
das  grüne  Nadelkleid  erhalten  und  der  Fraß  wird  weniger  augenfällig,  doch 
ist  der  forstliche  Schaden  gleichwohl  bedeutend.  Die  Raupen  verzehren  das 
saftige  Parenchymgewebe,  und  die  befallenen  Knospenquirle  trocknen  später 
am  Baume  ein,  beredte  Zeugen  der  verursachten  Verwüstung  (Abb.  269). 

An  Fichten  werden,  wie  mir  Herr  Forstmeister  Koch  (Neudorf 
i.  Erzgeb.)  mitteilte  und  wie  aus  den  zahlreichen  von  ihm  eingesandten  Fraß- 


Abb.  27] 


Endteil  eines  Fichtentriebes  mit  von  Semasia  diniana  Gu.  kahlgefressenen 
Maitrieben. 


stücken  zu  ersehen  ist,  in  erster  Linie  die  Nadeln  der  jungen  Triebe  voll- 
kommen gefressen;  die  stehen-  oder  hängenbleibenden  Nadelreste  bekommen 
ein  rotbraunes  Aussehen,  so  daß  das  Fraßbild  sehr  an  das  von  Nematus 
abieium  Htg.  (der  Fichtenblattwespe)  erinnert  (Abb.  271,  272,  273).  Vielfach 
treten  auch  Krümmungen  der  befallenen  Triebe  ein.  Außerdem  werden  an 
Fichte  auch  die  jungen  Zapfen  befressen,  und  zwar  vor  allem  äußerlich, 
so  daß  die  Oberfläche  ein  stark  angenagtes  Aussehen  erhält  mit  Fraß- 
gängen  usw.  (Abb.  273  und  274  A),  doch  dringt  die  Raupe  auch  in  den 
Zapfen  ein,  um  dort  ihren   Fraß  fortzusetzen   (Abb.  274 B). 

Die  Verpuppung  findet  „ausnahmsweise  am  Fraßort  statt,  seltener 
auf  Lärchen,  häufiger  auf  der  Arve.  Die  große  Mehrzahl  läßt  sich  an  einem 
Seidenfaden  zur  Erde  nieder,  ein  Teil  mag  auch  dem  Stamm  nach  hinunter- 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


319 


kriechen.  Die  Verpuppung  findet  mit  Vorliebe  in  der  Nadeldecke  am  Fuße 
der  Lärchen  statt.  Bevorzugte  Örtlichkeiten  sind  insbesondere  die  am  Grunde 
der  Stämme  zwischen  die  Rindenspalten  eingeklemmten  trockenen  Nadel- 
büschel, wo  die  Puppenlager  oft  in  Mehrzahl  eng  nebeneinander  zu  finden 
sind.  Die  Raupe  verfertigt  sich  einen  ziemlich  dichten,  wenn  auch  nicht  sehr 
festen,  an  der  Außenseite  mit  Nadeln  belegten  Seidenkokon,  in  welchem  sie 
sich  nach  wenig  Tagen  in  die   rotbraune   Puppe  verwandelt"    (T  ho  mann). 


Abb. 


272.     Fichtenzweig   mit    von   Se/nasia    diniana    Gu.    kahlgefressenen    Maitrieben 
und  benagten  jungen  Zapfen. 


Die  Fraßzeit  der  einzelnen  Raupe  dauert  ca.  3—4  Wochen,  das  Puppen- 
stadium nicht  ganz  3  Wochen.  Die  Gesamtfraßzeit  der  Raupenmassen  dauerte 
in  Windisch-Matrei,  wo  S ehern t haner  seine  Beobachtungen  machte,  von 
Mitte  Mai  bis  Mitte  Juli,  die  Puppenruhe  von  Mitte  Juli  bis  Mitte  August, 
der  Flug  von  Mitte  August  bis  Mitte  Oktober.  Je  nach  Klima  und  Witterung 
können  diese  Zeiten  mehr  oder  weniger  verschoben,  verlängert  oder  verkürzt 
werden. 


320 


II.  Spezieller  Teil. 


Epidemiologie,    forstliche    Bedeutung,    Bekämpfung. 

Wir  müssen  hier  unterscheiden  zwischen  dem  Vorkommen  in  den  Alpen- 
ländern an  Lärchen  und  dem  Vorkommen  im  übrigen  Verbreitungsgebiet  an 
anderen  Koniferen. 

Bisher  am  eingehendsten  untersucht  ist  der  L  ä  r  c  h  e  n  b  e  f  a  1 1  in  den 
Alpen,  da  der  Wickler  hier  seit  langem  bestands verderbend  auftritt 
und  so  in  der  Fraßwirkung  den  schädlichen  Großschmetterlingen  an  die 
Seite  gestellt  werden  kann. 

Besonders  disponiert  sind  im  allgemeinen  lichte,  ältere 
Lärchenbestände  mit  flachgründigem,  magerem  Boden  in 
sonniger,  warmer,  trockener  Lage,  und  zwar  vornehmlich  die 
reinen  Bestände,  wenn  auch  mit  anderen  Holzarten  gemischte  Bestände 
keineswegs    verschont   bleiben.     Daher   ist    der    Befall    an    den    Sonnenseiten 


Abb.    273.     Fichtenzweig   mit    von   S.  diniaiia    Gu.    benagten   jungen    Zapfen   und   zer- 
störten Maitrieben. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


321 


der  Täler  meist  viel  stärker  als  an  den  Schattenseiten i).  Bei  starker  Massen- 
vermehrung bzw.  bei  längerer  Dauer  gleichen  sich  diese  Unterschiede  meist 
etwas  aus.  Es  fehlt  übrigens  auch  nicht  an  Meldungen,  daß  die  Nord- 
seite schlimmer  befallen  war  als  die  Südseite. 

Bei  starkem  Massenvorkommen  gehen 
die  Raupen  auch  auf  untergepflanzte  junge 
Fichten  und  Arven,  deren  Höhen-  und 
obere  Seitentriebe  nicht  selten  unter 
starker  Gespinstbildung  kahlgefressen 
werden;  auch  benachbarte  ältere  Fichten 
und  Arven  werden  in  solchen  Fällen  an- 
gegangen  (Davall)-). 


A  B 

Abb.  274.    A  stark   von  S.  dJHiaua  Gu.   befressener   Zapfen  mit   Einbohrloch,   B   der- 
selbe  durchschnitten   mit    Raupe. 


Bezüglich  der  bevorzugten  Höhenlage  lauten  die  meisten  Berichte 
dahin,  daß  vornehmlich  ein  bestimmter  Gürtel,  der  in  den  einen  Gegenden 
etwa  zwischen  1600  und  1800  m,  in  anderen  zwischen  1900  und  2000  oder 
2200  m  gelegen  ist,  befallen  wird,  während  die  darüber  und  die  darunter 
liegenden  Waldstreifen  mehr  oder  weniger  verschont  bleiben   (siehe  Coaz, 


1)  Abweichend  hiervon  waren  im  Jahre  1913  im  Tessin,  im  Valle  di  Malvaglia, 
15— 25  jährige  Bestände  in  westlicher  Lage  und  etwa  1700  m  ü.  M.  gebräunt,  und  in 
der  „Riviera"  sämtliche  reinen  und  gemischten  Lärchenwaldungen  jeglicher  Lage 
nach  den  Himmelsrichtungen  bis  zu  einer  Höhe  von  ca.  1800  m  ü.  M.  befallen  (nur 
die  obersten  und   untersten  Waldungen  blieben  verschont). 

2)  Nach  Badoux  (1922)  wurden  übrigens  in  der  Schweiz  auch  unabhängig 
von  Massenvermehrungen,  also  primär,  sowohl  die  Arve,  als  auch  die  Legeföhre 
(Pinus  pumilio)  angegangen,  wobei  sogar  benachbarte  Lärchen  verschont  blieben. 

Escherich,  Eorstinsekten,  Bd.  III.  ^1 


322  II-  Spezieller  Teil. 

191 7,  Enderlin,  1913,  Badoux,  1922).  Doch  kommen  auch  hierin  Aus- 
nahmen davon  und  Unregelmäßigkeiten  vor,  insofern,  als  nicht  selten  auch 
die  ganzen  Hänge  von  oben  bis  unten  befallen  werden. 

Ausgelöst  scheinen  die  Gradationen  durch  klimatische  Ein- 
flüsse zu  werden,  worauf  schon  Ratzeburg  (W.  II.  64)  hingewiesen  hat^). 
Thomann  nimmt,  zweifellos  mit  Recht,  an,  daß  hauptsächlich  die  Witte- 
rung des  Frühjahrs  ausschlaggebend  für  die  Entwicklung 
von  di?iiana  ist.  Wenn  im  Frühjahr  die  Schneeschmelze  über  Gebühr  früh 
eintritt  und  unter  dem  Einfluß  von  Sonne,  Föhn  und  milden  Nächten  das 
Leben  im  Ei  zur  Unzeit  erwacht,  so  kann  durch  nachfolgende  schwere 
Temperaturstürze,  wie  sie  im  Gebirge  nicht  selten  vorkommen  und  die  länger 
anhaltenden  Frost  im  Gefolge  haben,  die  Brut  sicherlich  schwere  Einbußen 
erleiden.  Die  Mortalität  würde  danach  vor  allem  durch  spät  einsetzende 
Schneeschmelze  mit  nachfolgender,  gleichmäßig  ansteigender  Temperatur 
verringert  und  dadurch  würde  ein  Anstoß  zur  Gradation  gegeben  sein. 
Natürlich  werden  auch  noch  später  günstige  Momente  hinzutreten  müssen, 
wie  trockene,  warme  Witterung  während  der  Entwicklungs-  und  Flugzeit. 

„Die  Vielgestaltigkeit  der  Topographie  des  Gebirges  bringt  es  mit  sich, 
daß  bei  einer  Wetterkatastrophe  die  Tiere  in  ein  und  derselben  Talschaft, 
je  nach  Lokalität,  ungleich  betroffen  werden  können.  In  einem  Jahr  kann  es 
die  Sonnenseite  sein,  auf  welcher  die  Insekten  intensiver  zu  leiden  haben,  in 
einem  anderen  die  Schattenlage.  In  ganz  besonders  windgeschützten  und 
sonnigen  Orten  vermag  das  Ungeziefer  möglicherweise  bis  zum  Eintritt 
manchen  Wetterumschlages  auch  bereits  so  weit  erstarkt  sein,  daß  es  die 
Schlechtwetterperiode  ohne  Schaden  überdauert. 

„Im  Oberengadin,  wo  die  Talsohle  schon  relativ  nahe  der  oberen  Wald- 
grenze liegt,  finden  sich  daher  fast  immer  einzelne  inselartig  verteilte  Ört- 
lichkeiten auf  annähernd  gleicher  Höhenlage,  die  sich  in  Perioden  zunehmen- 
der Frequenz  des  Lärchenwicklers  durch  besonders  rasches  Überhandnehmen 
desselben  in  unangenehmer  Weise  bemerkbar  machen.  Im  Unterengadin,  wo 
zufolge  des  tiefer  liegenden  Talgrundes  der  Waldgürtel  eine  ungleich 
größere  vertikale  Ausdehnung  besitzt,  ist  das  Bild  oft  ein  anderes. 

„In  den  tieferen  Lagen  ist  nicht  selten  vom  Wickler  überhaupt  wenig  zu 
spüren.  Hoch  oben  an  den  Hängen  und  in  den  schluchtenartigen  Seiten- 
tälern, wo  der  Winter  nur  langsam  dem  Frühling  weicht,  kann  man  dagegen 
häufig  im  Sommer  starken  Wicklerfraß  feststellen.  Nicht  selten  treten  auch 
nur  Streifen  stärkeren  Befalles  an  den  Hängen  auf,  oberhalb  und  unterhalb 
intakte  Bestände!  Auch  diese  an  sich  recht  befremdliche  Erscheinung  dürfte 
wenigstens  teilweise  mit  den  unberechenbaren  Launen  des  alpinen  Klimas  im 
Zusammenhang  stehen." 

Daß  die  Verbreitung  der  diniana  auch  durch  Wind  und  aktive 
Wanderung  geschehen  kann,  geht  aus  verschiedenen  Beobachtungen 
hervor.  So  schreibt  Fuchs  (1913)  das  Abwärtsschreiten  der  Massenvermeh- 
rung vom  Oberengadin  ins  Unterengadin  dem  sog.  Engadiner  Wind  zu,  und 
Thomann  (1929)  läßt  sich  über  die  Art  der  Verbreitung  folgendermaßen 
aus:    „Standfuß  hat  angenommen,   daß   der   Geruch  der  an  den   Bäumen 


1)  Die  in  der  Schweizer  Literatur  mehrfach  geäußerte  Anschauung,  daß  die 
Massenvermehrung  der  diniana  eine  Folge  der  Verminderung  kleiner  Vögel  durch 
den  Massenmord  in  Oberitalien  sei,  hat  Ratzeburg  (ebenda)  gebührend  zurück- 
gewiesen.   Siehe  auch  oben  S.  54. 


I.  Unterordnung:   Jilicrolepicloptera,   Familie  Tortricidac.  323 

hängenden  dürren  Nadeln  (und  Kotmassen)  die  Weibchen  des  Lärchen- 
wicklers veranlasse,  zur  Eiablage  weniger  frequentierte  Gebiete  aufzusuchen. 
Thomann  vermutet,  daß  auch  die  Unmasse  von  gleichzeitig  anwesen- 
den Faltern  dazu  treiben  werde.  So  schreitet  die  Verheerung  im  Ober- 
cngadin  öfters,  in  den  unteren  Lagen  beginnend,  im  Verlauf  von  2 — 3  Jahren 
bis  an  die  obere  Waldgrenze  fort.  In  diesem  Stadium  ist  nun  der  Waldgürtel 
so  ziemlich  in  seiner  ganzen  vertikalen  Ausdehnung  —  mehr  oder  weniger  — 
infiziert,  wie  wir  das  im  vergangenen  Sommer  genugsam  Gelegenheit  hatten 
zu  konstatieren. 

„Wir  können  uns  nun  leicht  vorstellen,  daß  jetzt  ein  Teil  der  Weibchen 
in  der  Sorge  um  ihre  Nachkommenschaft  auch  über  den  an  der  oberen 
Grenze  in  kleinere  Gruppen  und  einzelstehende  Bäume  sich  auflösenden 
Lärchenwald  hinausfliegen  und  so  die  Fahrt  ins  Ungewisse  antreten.  Ein 
eigentlicher  Dauerflieger  ist  der  Lärchenwickler  auf  keinen  Fall,  auch  kein 
besonders  rascher  Flieger.  Vermag  er  den  nächsten  Bergrücken  zu  über- 
wältigen, und  finden  sich  auf  dessen  Rückseite  noch  unversehrte  Lärchen- 
bestände, so  ist  das  Experiment  als  gelungen  zu  bezeichnen. 

„Wie  leicht  ist  aber  der  Fall  denkbar,  daß  das  Ziel  nicht  erreicht  wird, 
sei  es  durch  Ermüdung  oder  durch  kältere  Luftschichten  in  größerer  Höhe 
oder  durch  widrige  Windströmungen,  die  die  Flieger  in  die  Fels-  und  Eis- 
wüsten verschlagen!"  Standfuß,  Fuchs,  v.  Etzel  und  Escherich 
haben  auf  Gletscherwanderungen  öfters  Lärchenwickler  in  großer  Zahl  im 
Eis  eingefroren  aufgefunden. 

Die  Dauer  der  Gradationen  beträgt  gewöhnlich  nicht  mehr  als 
drei  Jahre,  im  Engadin  erstreckten  sich  die  Fraßperioden  über  folgende 
Jahre:  1855 — 57,  1863—65,  1878—80,  1886—88,  191 1  — 13,  1919— 21  und 
1926 — 28.  Die  fraßfreie  Zwischenperiode  zwischen  den  letzten  Gradationen 
betrug  also  nur  einmal  (1888 — ^1911)  längere  Zeit,  nämlich  23  Jahre,  während 
die  früheren  und  späteren  Massenvermehrungen  durch  weit  kürzere  Inter- 
valle, nämlich  acht,  dreizehn  und  meist  sechs  Jahre  voneinander  getrennt 
waren.  Auch  Marchand  (1869)  betont,  daß  in  den  Basses-Alpes  der 
Lärchenwickler  nie  länger  als  drei  Jahre  in  Massenvermehrung  beobachtet 
wurde  und  daß  zwischen  zwei  Fraßperioden  meist  ein  Zeitraum  von  9  bis 
IG  Jahren  lag. 

Ein  sehr  plastisches  Bild  über  den  Verlauf  einer  Fraßperiode  bietet 
folgende  Darstellung,  die  Coaz  (191 7)  nach  Berichten  vom  Forstinspek- 
torat  des  Kantons  Graubünden  gibt: 

„Der  graue  Lärchenwickler  hat  sich  im  Oberengadin,  gleich  wie  bei 
seinem  früheren  massenhaften  Erscheinen,  zuerst  anfangs  Juni  191 1  in  den 
Lärchenwaldungen  der  sonnseitigen,  warmen  Hänge  des  Silser  Sees  in  einem 
jungen  bis  mittelalten  Bestände,  in  einer  Ausdehnung  von  etwa  10  ha  bemerk- 
bar gemacht.  Der  Fraß  erreichte  um  den  21.  Juli  herum  sein  Maximum. 
Der  Boden  daselbst  ist  felsig,  meist  schwachgründig,  hier  und  da  steinig  und 
sehr  trocken,  Grundgebirge  kristallinisch.  Nachdem  die  Raupe  ihren  Fraß 
vollendet  und  sich  an  ihren  Fäden  vom  Baum  zum  Boden  heruntergesponnen 
hatte,  fingen  die  Lärchen  wieder  an  zu  grünen. 

,,Im  folgenden  Jahr,  19 12,  zeigten  sich  fast  sämtliche  Lärchenwaldungen 
des  Oberengadins  vom  Wickler  befallen,  am  stärksten  die  reinen  Lärchen- 
bestände der  Sonnenseiten  und  längs  Gewässern  in  einem  Höhenstreifen 
zwischen  1900  und  2200  m  ü.  M.    Unter  und  über  diesem  Streifen  verlor  sich 

21* 


324  II-  Spezieller  Teil. 

der  Fraß  allmählich.  In  den  mit  Fichten  nach  unten,  mit  Arven  nach  oben 
gemischten  Lärchenwaldungen  war  der  Schaden  geringer,  verbreitete  sich 
aber  hier  und  da  aus  Mangel  an  Lärchenwaldungen  auch  auf  Fichten  und 
Arven.  Der  am  Silser  See  191 1  vom  Insekt  befallen  gewesene  Bestand  blieb 
191 2  verschont,  wohl  deshalb,  weil  die  Benadelung  noch  kümmerlich  war,  er 
erschien  als  eine  grüne  Oase  mitten  in  den  vom  Wickler  ringsum  gebräunten 
Lärchenwaldungen.    ' 

,,Die  größte  Verbreitung  hatte  der  Fraß  191 2  bereits  Ende  Juni  er- 
reicht. Die  ersten  Puppen  wurden  unter  der  trockenen  Nadeldecke  des 
Bodens  am  11.  Juni  gefunden  und  die  ersten  Falter  anfangs  August  beob- 
achtet, gleichzeitig  aber  auch  noch  Raupen  verschiedener  Entwicklung.  Die 
stärkste  Flugzeit  des  Falters  fiel  in  die  ersten  Septembertage,  doch  wurden 
auch  noch  Ende  November  einzelne  Exemplare  gesehen. 

„Im  folgenden  Jahre,  1913,  waren  die  Lärchen  nochmals  stark  vom 
Wickler  befallen,  aber  nicht  so  allgemein  verbreitet  wie  im  vorausgegangenen. 
Beim  Grünen  der  Lärchen  fanden  sich  in  den  frischen,  zarten  Nadelbüscheln 
auch  wieder  die  kleinen  Räupchen  dieses  Insektes,  von  welchen  sich  aber  ein 
Teil  nur  langsam  entwickelte  und  dann  abstarb.  Auch  die  übrigen,  die  eine 
normale  Größe  erreichten,  hatten  ein  kränkliches  Aussehen,  waren  matt  und 
reagierten  kaum  beim  Berühren.  Die  Puppen  dieses  Jahrganges  waren  zum 
Teil  leer,  zum  Teil  abgestorben,  so  daß  zur  Flugzeit  des  Falters  nur  wenige 
Exemplare  beobachtet  werden  konnten. 

,, Befallen  waren  191 3  wieder  am  stärksten  die  sonnseitigen  Lärchen- 
waldungen, so  ein  Bestand  ob  dem  Dorfe  Samaden,  der  bereits  1912  sehr 
gelitten  hatte,  ferner  die  Lärchen  am  rechtsseitigen  Hang  des  Flazbaches, 
unterhalb  Pontresina,  und  diejenigen  zwischen  St.  Moritz  und  Silvaplana. 

„Im  Frühling  191 4  war  die  Belaubung  der  Lärchen  des  Oberengadins 
wieder  normal  frischgrün,  mit  Ausnahme  einiger  alter  Baumgruppen  und 
Einzelstämme  an  der  Julierstraße,  oberhalb  Silvaplana,  die  durch  ihre 
schmutzigbraune  Färbung  an  den  früheren  Fraß  des  Lärchenwicklers  er- 
innerten. Letzterem  erlagen  in  den  Jahren  191 1,  1912  und  1913  nur  wenige 
alte  und  kränkliche  Stämme  sofort,  besonders  auf  schwachgründigem, 
trockenem,  humusarmem  Boden,  eine  größere  Zahl  wird  aber  allmählich 
noch  folgen." 

Mit  dem  letzten,  also  dritten  Jahr  der  Fraßperiode  bricht 
die  Gradation  meist  dermaßen  plötzlich  ab,  daß  im  folgenden 
Jahr  gewöhnlich  nur  noch  ganz  selten   Falter  oder  Raupen  zu  finden  sind^). 

Wodurch  diese  plötzliche  Krisis  nach  einer  bestimmten  Dauer  ver- 
ursacht wird,  wäre  spezieller  eingehender  Untersuchungen  wert. 

Mehrfach  finden  sich  in  der  Literatur  Andeutungen  über  den  Ausbruch 
einer  Raupe  nkrankheit  im  dritten  Fraß  jähr,  so  in  der  eben  angeführten 
Gradationsgeschichte  von  191 1  — 13.  Auch  im  letzten  Jahr  der  Gradation, 
1886 — 88  trat  nach  Coaz  (1894)  eine  Art  Wipfelkrankheit  unter  den  Raupen 
auf.  Daneben  wurden  auch  zahlreiche  Parasiten  und  Pilzkrank- 
heiten beobachtet.  Nach  Standfuß  (bei  Coaz,  1917)  schlüpften  1911 
aus  352  g  Nadelstreu  aus  dem  Befallsgebiet  107  Falter  und  24  Schlupf- 
wespen,  191 2  hatten  die  Schmarotzer  schon  so  zugenommen,  daß  etwa  9oi^yo 


1)   Dieser   Gradationsverlauf,   vor   allem   der   plötzliche   Abfall   im   dritten   Jahr, 
roße  Ähnlichkeit  mit  der  Kurve  der  Eulenarradatron   (siehe  Seite  53). 


hat  große  Ähnlichkeit  mit  der  Kurve  der  Eulengrad. 


I.  Unterordnung:   .Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  325 

der  Raupen  parasitiert  waren  und  an  Pilzkrankheiten  starben  i).  Außer 
Schlupfwespen  wurden  häufig  auch  Tachinen  beobachtet  (Coaz,  Ender- 
lin),  sodann  scheinen  auch  die  Ameisen  dem  Wickler  nachzustellen.  Nach 
Thomann  kümmern  sich  die  Ameisen  weder  um  die  Eier,  noch  um  die 
Raupen  in  den  Nadelbüscheln,  um  so  mehr  aber  fallen  sie  die  Raupen  an, 
wenn  sie  die  schützenden  Trichter  verlassen,  um  sich  auf  dem  Boden  zur 
Verpuppung  niederzulassen.  In  diesem  Moment  schleppen  die  Ameisen  die 
fetten  Bissen  in  großer  Zahl  in  ihre  Bauten.  Die  Untersuchungen  des  Bodens 
in  der  Nähe  der  Ameisenhaufen  ergaben  denn  auch  nur  2 — 3  Puppen  im  Um- 
kreis des  Stammes  (i  m  Radius),  während  abseits  der  Ameisenhaufen 
Dutzende  von  Puppen  gefunden  wurden. 

Endlich  w^erden  in  den  verschiedenen  Berichten  noch  eine  Anzahl  von 
Vögeln  als  eifrige  Vertilger  des  Lärchenwicklers  genannt.  Fuchs  (1913J 
sah  ganze  Schwärme  von  Meisen  und  Finken  die  Bäume  im  Befallsgebiet 
Ast  für  Ast  absuchen,  und  am  Boden  konnte  er  in  großer  Anzahl  Tannenhäher 
(Nucifraga  caryocatactes  L.)  beobachten,  die  zweifellos  die  Puppen  des 
Wicklers  suchten.  Daneben  nennt  Coaz  noch  verschiedene  Spechte,  das 
Goldhähnchen  u.a.  Der  Oberförster  Court  in  sah,  wie  Alpenlerchen  und 
Alpenflühvögel  auf  dem  Fexgletscher  wacker  unter  den  Faltern  aufräumten, 
die  auf  einem  Überflug  begriffen  waren  (v.  Etzel,  1S80).  Doch  darf  die 
Rolle  der  Vögel,  schreibt  Thomann  mit  Recht,  in  der  Bekämpfung  des 
Lärchenwicklers  nicht  überschätzt   werden. 

Zweifellos  gehört  der  graue  Lärchenwickler,  soweit  es  sein  Vorkommen 
in  den  Alpen  betrifft,  zu  den  sehr  schädlichen  Forstinsekten;  stellt 
er  doch  dort  das  gefährlichste  Lärcheninsekt  dar. 

In  seiner  ersten  Arbeit  von  1894  spricht  sich  Coaz  sehr  pessimistisch 
über  die  Folgen  des  ö'/;//«//«- Fraßes  aus:  ,,So  viel  ist  sicher,  daß  die 
Lärchenwaldungen  des  Oberengadins  unter  dem  Fraß  des  Lärchenwicklers, 
namentlich  1887  und  88,  schwer  gelitten,  daß  durch  denselben  Tausende  von 
Stämmen  eingegangen  sind  und  die  Bestände,  hauptsächlich  der  Südseite  des 
Tals,  sich  bedenklich  gelichtet  haben."  ,,Im  Val  Bevers  sind  900/0  der  Stämme 
eines  4  ha  großen  reinen  Lärchenwaldes  eingegangen,  auf  dieser  Fläche  und 
in  ihrer  nächsten  Umgebung  kamen  2000  Stämme  zum  Hiebe."  ,,Der  Fort- 
bestand der  Waldungen  des  Oberengadins,  die  fast  auschließlich  aus  Lärchen 
bestehen,  ist  durch  den  Lärchenwdckler  ernstlich  bedroht."  Etwas  weniger 
pessimistisch  klingen  seine  Ausführungen  in  der  letzten  Arbeit  von  19 17.  Es 
heißt  dort:  Der  Schaden,  den  der  Fraß  des  Lärchemvicklers  zur  Folge  hat, 
besteht  in  Störung  der  Wirtschaftspläne  durch  den  über  die  Waldungen 
mehr  oder  weniger  zerstreuten  Eingang  von  Stämmen  und  in  einer  mate- 
riellen Einbuße  durch  Zuwachsverlust  an  den  betreffenden  Stämmen."  Zu 
optimistisch  scheint  mir  Fuchs  die  Folgen  des  diniana-Yx^&(t%  einzu- 
schätzen, wenn  er  sagt:  ,,So  bedrohlich  und  übel  die  äußerliche  Wirkung  des 
Fraßes  des  Lärchenwicklers  erscheint,  dürfte  sie,  abgesehen  von  einigen 
Schäden  und  Zuwachsverlust,  keine  Folgen  nach  sich  ziehen,  da  die  Lärche 
sehr  widerstandsfähig  ist  und  im  August  bereits  begann,  sich  frisch  zu  be- 
grünen."   Denn   nach   übereinstimmenden   Berichten   verschiedener   Praktiker 


1)  Thomann  führt  folgende  Schlupfwespen  an:  Phytodistes  obscurus  Dew. 
(selten),  TricUstus  palUdipes  Hol.  (selten),  Limneriiim  turioimm  Rtz.  (selten), 
Dioctes  exareotalus  Rtz.  (gemein»,  Rhogas  circumscriptus  Nees.,  Phaeogenes  liscivus 
Wsm.,  Leplocrypliis  claviger  Taschbrg.,  Plectocryptus  arrogans  Grav. 


326  II.  Spezieller  Teil. 

können  trotz  des  Wiederbegrünens  im  Fraßjahre  wiederholte  Angriffe  die 
Bäume   zum   Absterben   bringen. 

Die  Diagnose  des  äi//ia/m-Fra.ßes  in  den  Alpen  bietet  gar  keine 
Schwierigkeiten.  Schon  von  weitem  fällt  die  rote  Färbung  der  befallenen 
Lärchenbestände  auf.  Bei  näherer  Besichtigung  geben  die  noch  vorhandenen 
Nadeltrichter,  die  Raupen,  die  sich  teilweise  an  Gespinsten  herablassen,  und 
der  Kot,  der  die  Baumscheibe  bedeckt,  sichere  diagnostische  Merkmale  ab, 
so  daß  eine  Verwechslung  mit  anderen  Erkrankungen  ausgeschlossen  ist. 

Die  direkte  Bekämpfung  des  Schädlings  ist  sehr  schwierig.  In  der 
Schweiz  wurde  bei  der  letzten  Kalamität  mehrfach  das  Sammeln  der  Puppen 
durchgeführt,  meist  durch  Schulkinder  unter  Aufsicht  der  Lehrer:  an  einer 
Stelle  wurden  108000  Puppen  zusammengebracht,  in  St.  Moritz  20000  für 
115  Fr.,  in  Ponte  Campovasto  60000  Stück  für  300  Fr.  Eine  große  Bedeutung 
für  die  Beendigung  der  Kalamität  dürfte  dem  Puppensammeln  kaum  bei- 
zumessen sein,  zudem  der  Boden  in  jenen  Gegenden  meist  uneben  ist,  steinig, 
geröllig,  oft  auch  mit  Rasen  und  niedrigem  Gesträuch  bewachsen. 

Auch  Leuchtfeuer,  die  verschiedentlich  vorgeschlagen,  und  Rauchent- 
wicklung wird  zu  keinem  durchgreifenden  Erfolg  führen. 

Dagegen  wäre  es  angezeigt,  einmal  Versuche  mit  Arsenbestäu- 
bung  zu  unternehmen,  bei  den  lichtstehenden  Beständen  dürften  wenigstens 
in  manchen  Gegenden  mit  den  leichten,  tragbaren  Motorverstäubern,  wie  sie 
neuerdings  gebaut  werden,  möglicherweise  Erfolge  zu  erzielen  sein^). 

Zur  Vorbeugung  ist  neben  Vogelschutz  vor  allem  die  Umwand- 
lung der  reinen  Lärchen  Waldungen  in  tunlichst  geschlossene 
gemischte  Waldungen  mit  schwacher  Verbreitung  der  Lärche.  Als 
Mischhölzer  eignen  sich  nach  Coaz  bis  zu  einer  Höhe  von  1800  m  ü.  M.  die 
Fichte  und  Arve.  Für  noch  größere  Höhen  (bis  2300  m)  werden  folgende 
ausländischen  Holzarten  empfohlen:  Ficea  puuge)is  Eglm.,  EugebnaJirii'Kglvn. 
und  sitcheiisis  Frautr.  et  Meyer. 


Was  das  Vorkommen  im  Norden  seines  Verbreitungsgebietes-)  be- 
trifft, so  wurde  ein  stärkeres  Auf  treten  des  Lärchenwicklers  an  Fichte  erstmalig 
186S  auf  der  Insel  Ösel  und  in  den  baltischen  Ländern  beobachtet  (Koppen, 
1880).  Neuerdings  (1928)  wird  eine  ö'/z/m//«- Kalamität  an  Fichte  aus  Böhmen 
und  dem  sächsischen  Erzgebirge  gemeldet  3).  Forstmeister  Koch  f Neudorf 
i.  Erzgeb.)  teilte  mir  hierüber  brieflich  folgendes  mit:  ,,Ende  Mai  1928 
wurde  im  sächsischen  Staatsforstrevier  Neudorf  im  Erzgebirge  in  den  süd- 
östlichen Partien  bis  zu  900  m  ü.  M.  starker  Fraß  an  jungen  Fichtennadeln 
beobachtet.    Der  Schaden  besteht  in  vollständigem    Fraß   junger   Nadeln  — 

1)  Gelegentlich  des  schädlichen  Auftretens  von  diiiiaiia  in  den  sächsischen 
Fichtenwaldungen  wurden,  wie  mir  Herr  Forstmeister  Koch  (Neudorf  i.  Erzgeb.) 
mitteilte.  Versuche  mit  Forstestur  mit  und  Meritol  (Arsenpräparate)  ge- 
macht,  und   zwar   mit   gutem   Erfolg. 

2j  Im  Norden  wird,  wie  oben  schon  betont,  hauptsächlich  die  Fichte  befallen 
(die  Lärche  dagegen  verschont),  dann  auch  die  Kiefer  (erstere  nach  Standfuß 
in  den  norddeutschen  Mittelgebirgen,  letztere  mehr  im  norddeutschen  Flachland). 

3j  Durch  Vermittlung  von  Prof.  Schneider-Orelli  (Zürich)  erhielt  ich 
lebende  diniana-Yzliev  aus  der  Schweiz.  Ein  Vergleich  dieser  Exemplare  mit  den 
aus  dem  sächsischen  Material  gezüchteten  ergab  eine  völlige  Übereinstimmung.  Auch 
die  Untersuchung  der  männlichen  Genitalien,  die  Prof.  v.  Kenne  1  vorgenommen 
hat,  ließ  keine  morphologischen  Unterschiede  zwischen  den  Schweizer  und  säch- 
sischen  Exemplaren    erkennen. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  327 

vorzüglich  der  obersten  — ,  die  von  der  Spitze  aus  befressen  wurden.  Es 
wurden  Bestände  aller  Altersstufen  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Die  Nadel- 
reste, sofern  solche  übrig  blieben,  bekamen  ein  rotbraunes  Aussehen  und 
ließen  auch  die  Bestände  rotbraun  erscheinen,  in  gleicher  Weise  wie  bei 
Befall  durch  Nematus  abiettun  Htg.  Der  starke  Fraß  hat  zweifelsfrei  eine 
Minderung  der  Jahrestrieblänge  zur  Folge  gehabt,  wie  der  Vergleich  mit  nicht 
befallenen  Fichten  ergibt.  Eine  weitere  schädliche  Nachwirkung  wird  der 
diesjährige  Fraß  kaum  zur  Folge  haben,  da  die  Knospen  allgemein  gesund 
geblieben  sind"  i). 

„Der  Befall  ist  von  den  böhmischen  Fichtenrevieren  her  erfolgt,  die 
augenscheinlich  noch  stärker  betroffen  sind.  In  gleicher  Weise  wie  das  Neu- 
dorfer  Staatsforstrevier  sind  auch  die  sächsischen  Staatsforstreviere  Ober- 
und  Unterwiesenthal  betroffen,  hier  reicht  der  Befall  in  noch  höhere  Lagen." 

Geschichtliches. 

Die  ersten  Nachrichten  über  verheerendes  Auftreten  des  Lärchenwicklers  in 
den  Alpen  stammen  aus  den  Jahren  1820  und  28,  in  denen  sein  Fraß  in  verschie- 
denen Tälern  des  Wallis  beobachtet  wurde.  Dann  fanden  größere  Kalamitäten  in 
den  Lärchenwäldern  durch  diese  Wicklerraupe  statt:  1855  in  der  Schweiz  bei  Zernez 
und  Fettan,  sowie  1856  und  1857  in  Frankreich  in  dem  Departement  des  Basses 
Alpes,  in  der  Schweiz  im  Wallis  und  auch  in  Graubünden.  Im  Wallis  waren  damals 
die  Wälder  des  Rhonetales  von  Sitten  aufwärts,  sowie  die  der  Seitentäler  in  einem 
300  m  breiten  Gürtel,  der  300 — 400  m  über  der  Sohle  des  Haupttales  begann,  an- 
gegriffen (Davall).  In  den  Jahren  1864  und  1865  waren  die  Waldungen  des 
Engadin,  Samnaum  und  des  Münstertales  stark  befallen.  Der  Fraß  verbreitete  sich 
aus  dem  Oberengadin  in  das  Unterengadin.  Wallis  wurde  ebenfalls  stark  heim- 
gesucht, 1878  und  1879  wurden  wiederum  das  Unter-  und  Oberengadin,  das  Münster- 
tal, Samnaun  und  Puschlav  auf  einer  Gesamtfläche  von  7000  ha  stark  verheert.  Nur 
ein  etwa  80  m  breiter  Streifen  an  der  oberen  Baumgrenze  blieb  verschont  (v.  Etzel). 
Der  Fraß  verbreitete  sich  1879  in  die  Tiroler  Grenzwaldungen  und  griff  dann  1880 
auch  in  dem  Inntale  und  seinen  Seitentälern  um  sich.  Auch  diesmal  blieben  die 
Waldungen  zunächst  der  Talsohle  und  ein  Streifen  an  der  oberen  Holzgrenze  ver- 
schont (Maresch).  Später  hat  sich  der  Lärchenwickler  wieder  in  Tirol  bei 
Windisch-Matrei  unangenehm  bemerkbar  gemacht  (S  eher  n  t  h  aner).  Die  letzten 
größeren  Kalamitäten  in  den  Alpen  fallen  in  die  Jahre  191 1  — 13,  1919— 21,  1926—28, 
wo  wiederum  hauptsächlich  das  Ober-  und  Unterengadin  betroffen  waren.  Seit  1924 
bis  heute  herrscht  eine  große  Kalamität  in  den  Fichtenwäldern  Böhmens  und 
Sachsens  2). 


1)  Nach  Prell  (1930)  hängt  die  Gefährlichkeit  des  Lärchenwicklers  in  erster 
Linie  von  der  Dauer  des  Fraßes  ab.  „In  Preßnitz  (Böhmen)  mit  seiner  länger  an- 
dauernden Schädigung  ist  es  bereits  soweit  gekommen,  daß  Althölzer  dürr  werden 
und  abgetrieben  werden  müssen,  und  daß  darüber  hinaus  viele  Bäume  durch  die 
alljährliche  Entfernung  des  Maitriebes  ganz  bedenklich  licht  geworden  sind."  Eine 
entsprechende  Gefahr  droht  auch  den  sächsischen  befallenen  Wäldern.  Prell  sieht 
denn  auch  „die  allgemeine  Situation  bei  der  sächsisch-böhmischen  Lärchenwickler- 
kalamität  sehr  ernst  und  wenig  hoffnungsvoll  an".  Nur  die  sehr  langsame  Aus- 
wirkung der  Schädigungen  läßt  mit  der  Möglichkeit  einer  unvorhergesehenen  Wen- 
dung der  Dinge  vor  dem  Eintritt   einer  Katastrophe  rechnen." 

2  I  Nach  Prell  ging  die  Ausbreitung  der  sächsisch-böhmischen  Kalamität  sehr 
rasch  vor  sich.  Im  Jahre  1924  wurde  der  Fraß  in  Böhmen  auf  einer  Fläche  von 
80—100  ha  festgestellt,  1925  erweiterte  sich  die  Fläche  auf  2000  ha,  1926  27  auf 
6000  ha  und  1928  auf  9000  ha.  Im  Jahr  1929  wurde  das  Gesamtausbreitungsgebiet 
des  Schädlings  auf  500  qkm  geschätzt.  In  Sachsen  wurde  im  Jahr  1929  der  Befall 
von  21   Forstämtern  gemeldet. 


328  11.  Spezieller  Teil. 

Semasia  vacciniana  Z. 

Tat".  III,    Fig.  i6q. 
H  e  i  d  e  1  b  e  e  r  w  i  c  k  1  e  r. 
Falter:     Ein   kleiner   Wickler   von   ca.    ii    mm    Spannweite    und   graubraunem 
Kolorit,  der  bei   flüchtiger  Betrachtung  Ähnlichkeit  mit  pactolana  hat.    Am  Vorder- 
flügel Wurzelfeld  aschgrau  mit  dunkler,  schmaler  Querlinie,  weiter  folgt  eine  gleich- 
mäßig breite,  hell  aschgraue  Querbinde  (von  einigen  feinen 
,  dunkleren  Linien  geteilt).     Auch  der  Spitzenteil  der  Vorder- 

v^lÜJ^^/ft.^^^'X^'  flügel    aschgrau,    mit    verschiedenen    dunklen    Zeichnungen. 

J^^»!^^^'  Hinterflügel  braun. 

^^^■^'^^m^^  Raupe  weißlich  mit  blassen  Punkten,  Kopf  und  Nacken- 

schild schwarz,   Analplatte  blaß  gelblich. 

Die  Raupe  des  über  Mittel-  und  Nordeuropa  ver- 
Abb.  275  Semasia  vac-  breiteten  Wicklers  lebt  an  verschiedenen  Pflanzen, 
Liniana    L.    (Heidelbeer-  •       n      ,       •        r-     /  , 

Wickler).     2'/,  X-  "^'^^  Berbern,    bediiin   palustre.   Com.  sanguniea   und 

rarri//ii///i   myrliUus. 

Wenn   die   Art   hier  aufgeführt   wird,   so   geschieht   es   deshalb,   weil   sie 

bisweilen   zu   großen    Massenvermehrungen   gelangt   und    dadurch   zu    einem 

Heidelbeerschädling  werden  kann.    Baer   (1909)   hat   eingehend  über 

einen  solchen  Fall  berichtet. 

Der  Falter  fliegt  Mai  und  Juni.  Die  Räupchen  beginnen  im  Juli 
mit  ihrem  Fraß,  der  bis  in  den  September  sich  fortsetzt.  Zur  Verpuppung 
begeben  sie  sich  in  den  Boden,  um  sich  hier  in  einem  dichten  weißen  Ge- 
spinst zu  verwandeln,  aus  dem  sich  nach  der  Überwinterung  die  Puppe  her- 
vorschiebt. 

Das  einzelne  Fraßbild  beschreibt  Baer  (1919,  S.  196)  folgender- 
maßen: „Die  Blätter  der  Heidelbeere  waren  zierlich  skelettiert  und  an  die 
Triebachsen  sowohl  angesponnen,  als  miteinander  mehr  oder  weniger  durch 
Fäden  verklebt.  Die  dichtesten  Blattbüschel  waren  zuweilen  von  einem 
äußerst  feinen  Gespinst  derartig  überzogen,  daß  auf  ihnen  ein  eigenartiger 
Schein,  wie  von  einer  milchigen  Trübung  herrührend,  lag.  Wo  die  Abstände 
der  wechselständigen  Blätter  voneinander  nicht  zu  groß  waren,  waren  sie 
meist  paarweise  mit  ihren  Oberseiten  flach  aneinandergeheftet.  Anhäufungen 
von  Kotkrümeln  waren  zwischen  den  versponnenen  Blättern  kaum  zu  finden, 
so  daß  solche  jedenfalls  an  dem  charakteristischen  Aussehen  des  Fraßes 
keinen  Anteil  hatten.  Die  Blätter  zeigten  sich  stets  von  der  Oberseite  her, 
also  der  Innenseite  bei  den  versponnenen  Blattpaaren,  skelettiert,  und  zwar 
so,  daß  die  Rippen  und  die  Oberhaut  der  Blattunterseite  verschont  geblieben 
waren."  —  „Der  Fraß  betrifft  offenbar  in  erster  Linie  die  Spitzen  der 
Ästchen.  Denn  wo  wir  noch  ganz  oder  teilweise  verschonte  Blätter  vorfanden, 
waren  es  am  ehesten  noch  die  untersten." 

Der  in  der  Muskauer  Heide  beobachtete  Fraß  erstreckte  sich  1901  über 
Hunderte  von  Hektaren.  „Hier  gewahrte  das  Auge  am  Waldboden  kaum  eine 
grünende  Stelle,  sondern  statt  dessen  nur  ein  Meer  von  bald  leuchtenden, 
bald  fahlen  Blättchen." 

Der  jahrelange  Ausfall  der  Beerenernte  wurde  mancherorts  bitter  emp- 
funden, und  auch  dem  Waidmann  machte  sich  der  Mangel  an  Äsung  für  das 
Wild  bemerkbar.  Auf  größeren  Flächen  hat  der  Fraß  auch  zum  völligen  Ab- 
sterben der  Heidelbeere  geführt. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


329 


Bei  der  Ausbreitung  des  Fraßes'  traten  sehr  auffallend  zunächst  einige 
kleinere  Herde  hervor,  die  sich  allmählich  konzentrisch  vergrößerten,  bis 
sie  schließlich  zusammenflössen. 


Abb.  276.    Fraß  von  Semasia  vacciniana  Z.  an  Heidelbeere  (Vaccinium  myrtiUus'L.). 

Das  Räupchen  hat  die  Blätter  miteinander  und  mit  den  Ästchen  versponnen  und  von 

oben  her  skelettiert.    Nach  B  a  e  r. 

Semasia  subsequana  Hw. 

Taf.  III,   Fig.  179. 

Syn.  abiegaiia  Dup. 

Tannennadel  Wickler. 

Falter:     Vorderflügel    etwas   glänzend,    grau    mit    braunen,    gegen    die    Spitze 

etwas  mehr  rostbräunlichen  Zeichnungen.    Das  Wurzelfeld  ist  nach  außen  von  einem 

winkelig  gebrochenen  dunklen   Wisch  begrenzt.    Etwas  hinter  der    Flügelmitte   liegt 

eine    ziemlich    schmale,    schräge    Binde,    welche   vom    Vorderrande    ausgeht    und    vor 

dem  Hinterrande  endigt.    Das  rostbräunliche  Spiegelfeld  hat  4—5  parallele  schwarze 

Längslinien   und   ist   gegen   die   vorhergehende   Binde    sowie    gegen   den   Außenrand 

glänzend    silberweiß    eingefaßt.     Von    der    Binde    bis    an    die    Flügelspitze    ist    der 


330 


II.  Spezieller  Teil. 


Vorderrand  schmal,  weißlich  und  durch  drei  kleinere  schwarze  Fleckchen  und  da- 
zwischen durch  drei  feine  schwarze  Strichelchen  unterbrochen.  Von  der  ocellen- 
ähnlich  braunen  Flügelspitze  herab  ist  der  Raum  zwischen  dem  Spiegelfelde  und 
dem  Außenrande  rostbräunlich  ausgefüllt.  Die  schwarz- 
braune Außenrandlinie  ist  innen  sehr  fein  grauweiß  ge- 
säumt. Die  Fransen  sind  grau,  an  der  Basis  weiß, 
Hinterflügel  schmutzig  weiß,  gegen  die  Spitze  graulich 
verdunkelt,  die  Fransen  weißlich  (x\bb.  277).  Spann- 
weite   12 — 13   mm. 

Raupe  grasgrün  bis  gelblichgrün  mit  spärlichen 
grauweißen  Haaren  besetzt.  Kopf  nach  Horväth  hell 
bräunlichgelb  (nach  Kenne  1  schwarz).  Länge  6  bis 
7   mm. 

Puppe  4 — 43/4  mm  lang,  spindelförmig,  nach  hinten 
zu    etwas    stärker    verjüngt,    glänzend    rostbraun,    auf    der 
Dorsalseite  der  Abdominalsegmente  je  2  Querreihen  kur- 
zer   Dörnchen.     Analsegment    mit    6    kurzen,    dreieckigen 
Analdornen  und  mit  4  stärkeren  und  längeren  gekrümmten  Börsen   (Abb.  27S;. 

Das  Ei  (Abb.  279)  ist  flach,  kuchenförmig,  breit  elliptisch,  ca.  ^/^  mm  lang  und 
V2  mm  breit,  anfangs  beinahe  wasserhell,  später  weißlich  und  endlich  schmutziggelb. 
Oberfläche   unregelmäßig  gefeldert. 

Der  über  Mitteleuropa  verbreitete  Wickler  scheint  ein  monophages 
Tanneninsekt  zu  sein.  Er  wurde  von  Horväth  (1896)  als  Tannenschäd- 
ling  in  die  Forstentomologie  eingeführt. 

Die  Bionomie  ist  von  Horväth  eingehend  beschrieben i):  „Der 
Falter  fliegt  von  Ende  April  bis  Mitte  Mai.  Die  Hauptschwärmzeit  ist 
Mitte  Mai.  Am  zahlreichsten  fliegen  die  Falter  bei  hellem  Sonnenschein. 
Bei  bewölktem  Himmel  fliegen  verhältnismäßig  nur  wenige;  in  dieser  Hin- 


Abb.  277.    Semasia  sub- 
sequana  W^n  \=  abie  gana 
Dup.),  Tannennadel- 
wickler.      2  X- 


Abb.  278.    Puppe  von  Set?iasia  subseqiiaiia 

H\v.     A  Ventrale,   B  seitliche  Ansicht. 

Nach   Horväth. 


A  B 

Abb.  279.    A  jVier  Eier  von  S.  subsequana 

Hm.  auf  der  Oberfläche  einer  Tannennadel, 

B    zwei   Eier   ebenda  (stärker   vergrößert). 

Nach   Horväth. 


sieht  sind  sie  so  empfindlich,  daß,  sobald  die  Sonne  durch  eine  Wolke  ver- 
deckt wird,  der  größte  Teil  der  schwärmenden  Falter  sich  sogleich  zwi- 
schen die  Tannenzweige  flüchtet  und  unter  den  Nadeln  verbirgt.   Wenn  man 


1)  Die  Angaben  beziehen  sich  auf  die  klimatischen  Verhältnisse  des  Karst- 
Gebirges,  790 — 1140  m  ü.  M.  (bei  Novi),  wo  1893  der  Wickler  schädlich  in  den 
Tannenwäldern   auftrat. 


[.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


331 


einen  solchen  Tannenzweig  schüttelt,  so  schwärmen  die  aufgescheuchten 
Falter  wie  kleine  Rauchwolken  empor,  begeben  sich  aber  gleich  wieder  zur 
Ruhe.  Die  meisten  Falter  halten  sich  an  den  oberen  und  äußeren  Partien  der 
Tannen,  die  an  Wegrändern,  Waldblößen  stehen,  und  überhaupt  an  solchen 
Bäumen  auf,  welche  dem  Licht  und  der  Sonne  am  meisten  ausgesetzt  sind. 
In  den  geschlossenen  Beständen  sind  sie  nur  in  den  Baumkronen  häufiger. 


Abb.  280.  A  Von  S.  subsequana  Hw.  aus- 
gefressene   Nadeln    mit    Ein-    bzw.    Aus- 
gangsloch,   B   zusammengesponnene   aus- 
gefressene Nadeln.    Nach  Horväth. 


Abb.  281.  Von  Botrytis  befallene  und  ge- 
tötete Puppen  von  Semasia  subsequana 
Hw.  in  der  Bodenstreu.    Nach  Horväth. 


,,Die  Eier  werden  im  Mai  an  die  Oberseite  der  vorjährigen  Nadeln  ab- 
gelegt, und  zwar  gewöhnlich  4 — 5  (höchstens  10 — 12J  an  je  einer  Nadel,  meist 
an  deren  Basalhälfte,  am  zahlreichsten  an  den  oberen  und  äußeren  Zweigen 
und  Zweigspitzen,  die  der  Sonne  und  dem  Licht  am  meisten  ausgesetzt  sind. 

„Die  Räupchen  schlüpfen  anfangs  Juni,  gehen  sogleich  an  die  Mai- 
triebe und  bohren  sich  in  deren  junge  Nadeln  hinein.  Sobald  sie  eine  Nadel 
mehr  oder  weniger  ausgefressen  haben,  spinnen  sie  eine  nächstliegende  Nadel 
dazu  und  dringen  in  das  Innere  dieser  letzteren.  Das  geht  dann  so  fort,  etwa 
bis  zum  Ende  ihrer  zweiten  Häutung.  Nach  der  zweiten  Häutung  greifen  sie 
schon  die  alten  Nadeln  an,  und  erst  jetzt  beginnt  eigentlich  der  durch  sie 
bewirkte  Schaden  größere  und  auffallendere  Dimensionen  zu  erlangen. 

„Die  Tannennadehi  wurden  fast  ohne  Ausnahme  an  der  Unterseite  in  der 
einen  oder  anderen  Längsrinne  angegriffen  und  ein  mehr  oder  weniger  läng- 
liches, selten  kreisrundes  kleines  Loch  verrät  dort  die  Stelle,  wo  die  Raupe 
in  das  Innere  der  Nadeln  eingedrungen  ist.  Dieses  Loch  ist  1/0 — ^/s  mm 
lang  und  1/3 — 1/2  "^^n  breit  und  liegt  gewöhnlich  im  ersten  (basal)  oder  im 
mittleren  Drittel  der  Nadel. 

„Die  Raupe  dringt  in  derselben  Hälfte  der  Nadel,  in  welcher  das  kleine 
Loch  liegt,  immer  zuerst  gegen  die  Spitze  der  Nadel,  biegt  dann  plötzlich 
in  die  andere  Nadelhälfte  hinüber,  um  dort  den  Fraß  in  der  Richtung  gegen 
die  Basis  der  Nadel  fortzusetzen.  Die  Nadeln  werden  entweder  ganz  oder 
nur  zum  Teil  ausgefressen,  aber  der  Fraß  erstreckt  sich  in  beiden  Nadel- 
hälften immer  auf  dieselbe  Länge.  Die  Raupe  verläßt  die  ausgefressene 
Nadel  gewöhnlich  durch  dasselbe  Loch,  durch  welche  sie  in  die  Nadel  ge- 


332  II-  Spezieller  Teil. 

drungen  ist.  Ausnahmsweise  macht  sie  sich  aber  zu  diesem  Zwecke  im  End- 
drittel der  Nadel  ein  zweites  Loch. 

„Wenn  die  Raupe  eine  Nadel  verläßt,  so  greift  sie  eine  zunächstliegende 
Nadel  an  und  spinnt  diese  mit  2 — 3  anderen  Nadeln  vor  allem  an  die  soeben 
verlassene  an,  oder  sie  läßt  sich  an  einem  Gespinstfaden  auf  einen  anderen 
Zweig  hinunter  und  sucht  sich  dort  eine  passende  Nadel  aus. 

„Ende  Juli  sind  die  Raupen  ganz  ausgewachsen.  Sie  verlassen  nun  defi- 
nitiv die  Nadeln,  lassen  sich  an  Gespinstfäden  von  den  Bäumen  herab  und 
gehen  zur  Verwandlung  in  die  Bodendecke.  Dort  bereiten  sie  sich  einen 
weißen  Kokon  und  verwandeln  sich  darin  zur  Puppe.  Der  Kokon  liegt 
nicht  frei  in  der  Bodenstreu,  sondern  es  sind  daran  wenigstens  einige  trockene 
Nadeln,  Erdklümpchen,  Moosteile  u.  dgl.  angeheftet. 

„Die  Puppen  bleiben  dann  in  der  Bodenstreu  bis  zum  nächsten  Frühjahr, 
bis  aus  ihnen  die   Falter  in  der  zweiten  Hälfte  vom  April  ausfliegen." 

Die  Entwicklung  von  si/bseqi/ana  verläuft  also  nach  der  Bioformal : 

45  —  67 
8,4  +  45 

Forstliches  Verhalten.  ,,S.  siibsequaua  kommt  nur  an  Tannen 
(Abies  pecänata)  vor,  und  zwar  sowohl  in  reinen,  als  auch  in  gemischten  Be- 
ständen. Alt-  und  Mittelhölzer  werden  von  ihr  besonders  bevorzugt.  Jung- 
wüchse sowie  auch  Unterwuchs  und  unterdrückte  Bäume  werden  von  ihr 
direkt  nicht  angegangen,  sondern  nur  indirekt,  und  zwar  so,  daß  einzelne 
Raupen  durch  Wind,  Regen  oder  andere  Ursachen  vom  Hochholze  herab- 
geworfen werden  und  dann  den  Fraß  auf  den  niedrigeren  Pflanzen  fort- 
setzen. Am  stärksten  werden  solche  lichte  Bestände  beschädigt,  in  welche 
Licht  und  Sonne  gut  eindringen  können. 

,,Die  Fraßzeit  der  Raupen  fällt  in  die  Monate  Juni  und  Juli.  Sie  greifen 
zuerst  die  jungen  Nadeln  der  frischen  Maitriebe  an.  Die  inwendig  aus- 
gefressenen jungen  Nadeln  schrumpfen  bald  zusammen,  vertrocknen  und 
werden  braun.  Der  dadurch  verursachte  Schaden  pflegt  gewöhnlich  weder 
groß  noch  auffallend  zu  sein.  Die  Sache  wird  nur  von  Mitte  Juni  an  bedenk- 
licher, wenn  die  Raupen  nach  ihrer  zweiten  Häutung  die  alten  Nadeln  an- 
greifen. Die  ausgehöhlten  Nadeln  verlieren  ihre  normale  grüne  Farbe, 
werden  anfangs  bleich,  dann  gräulich,  endlich  rötlichbraun  und  vertrocknen. 
Die  so  beschädigten  roten  und  trockenen  Nadeln  sind  an  den  Gipfelpartien 
und  an  den  äußeren  Zweigen  am  zahlreichsten,  ihre  Zahl  wird  mit  dem 
Wachstum  der  Raupen  immer  größer.  Bei  intensivem  Fraß  erscheinen  die 
betreffenden  Bäume  oder  ganze  Bestände  anfangs  Juli  schon  von  fern  gelb- 
lichgrau, nach  Mitte  Juli  aber  ganz  rostrot. 

„Gegen  Ende  Juli  hört  das  Rotwerden  und  Vertrocknen  der  Nadeln  auf, 
es  beginnt  das  Herabfallen  der  kranken  Nadeln,  das  dann  bis  in  den  Herbst 
hinein  dauert.  Die  Nadeln  werden  durch  Wind  und  Wetter  teils  einzeln,  teils 
durch  Gespinstfäden  zusammengehalten,  gruppenweise  herabgeworfen.  Die 
Gipfelpartien  und  äußeren  Zweige  der  Bäume  w^erden  infolgedessen  immer 
mehr  entnadelt  und  zeigen  bei  starkem  Raupenfraß  ein  recht  trauriges  Bild" 
(Horväth).  Trotzdem  aber  scheint  selbst  eine  mehrjährige  Wie- 
derholung des  Fraßes  keine  ernsten  Folgen  für  das  Leben  der 
Bäume  nach  sich  zu  ziehen.  Nirgends  konnte  man  die  Beobachtung  machen, 
daß   die  betroffenen   Bäume,   selbst   wenn  sie   1/3   oder  gar   die    Hälfte   der 


I.  Unterordnung:   ISIicroIepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


333 


Nadeln  verloren  hatten,  kränkelten  oder  gar  eingegangen  wären.  So  dürfte 
also  der   Hauptschaden  im  Zuwachsverlust  bestehen. 

Die  von  Horväth  beschriebene  Gradation  im  Karst  scheint  drei  Jahre 
gedauert  zu  haben.  Tierische  Parasiten  wurden  keine  beobachtet,  dagegen 
verschiedene  Vögel  (Buchfinken  und  Hänflinge),  die  den  zur  Verpuppung  in 
den  Boden  gegangenen  Raupen  nachstellten. 

Die  Beendigung  der  Gradation  scheint  allerwärts  durch  eine  Mykose, 
von  der  die  Puppen  im  Winterlager  befallen  wurden,  herbeigeführt  worden 
zu  sein.  Ende  August  wurden  die  ersten  Puppenerkrankungen  festgestellt, 
zehn  Tage  später  waren  schon  ca.  70  o/o  der  Puppen  getötet,  und  bald  war  die 
Bodenstreu  ganz  durchsetzt  von  den  weißen  Fäden  und  den  linsen-  bis- 
bohnengroßen  Sporenmassen  des  Pilzes,  welche  je  eine  tote  mumifizierte 
Puppe  umhüllten  (Abb.  281).  Nach  Giards  Untersuchungen  handelte  es  sich 
um  einen  in  die  Verwandtschaft  von  Botrytis  Bassiaiia  gehörigen  Pilz. 


Gattung  Asthenia  (Hb.)  Meyr. 

Von  der  Gattung  Semasia  lediglich  durch 
die  Fühler  des  Männchens  unterschieden,  die 
beiderseits  mit  Büscheln  langer  Härchen  besetzt 
sind,  so  daß  sie  wie  doppelt  gefiedert  aussehen i). 
Auf  den  Hinterflügeln  entspringen  Ader  rr  und 
ni^  dicht  beisammen,  eine  Strecke  weit  parallel 
verlaufend,  Wg  und  cii^  gestielt,  w,  deren  Ur- 
sprung   genähert. 

Die  Gattung  enthält  nur  eine  einzige  Art, 
die  als   Fichtenschädling  unser   Interesse   verdient. 


A  B 

Abb.  282.   A  Stück  eines  F'ühlers 

von  Asthenia  pygmaeana  Hb.  (^, 

B  Geäder  von  derselben. 

Nach  Kennel. 


Asthenia  pygmaeana  Hb. 

Taf.  III,   Fig.  iS. 

Der  kleine   Fichtennadelma  rk  wickle  r. 

Ratzeburg:   Tort  rix   (Coccyx)   pygmaea/ia    Hb.    —    Nitsche:   Tort  rix   (Steganoptycha) 

pygmaeana    Hb.    —    Nüßlin-Rhumbler :    Grapliolitha    (Asthenia)    pyg?naeana    Hb.    — 

Wolff-Krauße :   Asthenia  pygmaeana   Hb. 

Falter  (Abb.  283)  mit  bräunlich  grauem  Kopf  und  Thorax,  Abdomen  reiner 
grau.  Vorderflügel  mit  graubraunem  Wurzelfeld,  saumwärts  scharfwinklig  vor- 
springend. Die  darauffolgende  bleigraue  Querbinde  ist 
in  der  Mitte  durch  die  vortretende  Spitze  des  Wurzel- 
feldes fast  unterbrochen.  Das  Saumfeld  mehr  rotbräun- 
lich, zart  glänzend,  nur  Costa  mit  3  scharfen,  schwarzen 
Häkchen,  die  durch  weiße  Zwischenräume  getrennt  sind. 
Vor  der  Spitze  meist  noch  eine  hellere,  gegen  den 
Hinterrand  zu  schmäler  werdende  Querbinde.  Hinter- 
flügel weiß,  an  der  Spitze  allmählich  schwarzgrau  wer- 
dend.   Spannweite   14  mm   (Abb.  283). 

Das  Ei  (Abb.  284)  ist  oval,  Oberseite  flach  ge- 
wölbt, runzlig  gefeldert,  Unterseite  völlig  eben,  Länge  0,8, 
Breite   0,5   mm. 

Die  Raupe  ist   im  Jugendstadium  farblos,   wird  später  blaßgrün  oder  gelblich, 
und  nimmt   schließlich   in  den  älteren   Stadien   eine   lebhaft   grüne    Färbung   an. 


Abb.  283. 

Asthenia  pygmaeana  Hb. 

(Kleiner  Fichtennadel- 

mark- Wickler).    2  X- 


1)  Kennel  ist  der  Meinung,  daß  dieses  Merkmal  kaum  dazu  ausreicht,  die 
Abtrennung  von  Semasia  zu  rechtfertigen,  zumal  es  sich  nur  um  eine  einzige 
Spezies  handelt,   die   davon  betroffen  wird. 


334 


II.  Spezieller  Teil. 


Abb.284.  Eivon 
Asthenia  pyg- 
maeanaKh.am 
Grunde      einer 

Fichtennadel. 

Stark   vergr. 

Nach   Baer. 


Abb. 285. Raupe 
(Vorderteil  und 

Hinterende) 
von      Astlienia 
pygmaeanaYLh. 
Nach    Ratze- 

.     bürg. 


Kopf    hellbraun    oder    schwarz,    Nackenschild    grünlich    oder    gelblich     (oder    auch 
dunkelbraun).    Unter  der  Afterklappe  mit  einem  zierlichen,  aus  5 — 7  geraden,  steifen 

Borsten  bestehenden  Kamm.  Warzen  verhältnis- 
mäßig sehr  groß,  auf  dem  9.  Segment  einreihig 
(Abb.  285).    Länge  ca.    10  mm. 

Die  Puppe  gleicht  der  von  Semasia  inii/ana 
Tr.  (siehe  oben,  S.  309)  außerordentlich,  ist  aber 
etwas  größer,  die  Dornen  der  dorsalen  Kränze  und 
Erhebungen  des  Analsegmentes  sind  kräftiger  und 
die  apikalen  Borsten  entbehren  der  hakenförmigen 
Krümmung  am  Ende.  Sie  schiebt  sich  vor  dem 
Auskriechen   aus   dem   Kokon   hervor. 

Asthenia  pygmaeaua  Hb.  ist  über  Mittel- 
europa, mittleres  Westrußland  und  Skandinavien 
verbreitet.  Ihre  Fraßpflanze  scheint  aus- 
schließlich die  Fichte  zu  sein  (Kennel  gibt 
zwar  auch  die  Kiefer  an). 

Die    B  i  o  n  o  m  i  e    des    in    der    forstlichen 

Literatur  wenig  genannten  Wicklers  —  außer 

Ratzeburg   (F.  IL  S.  226)  und  Nitsche,   der 

Ratzeburgs  Angaben    übernommen  hat,  'findet 

sich  noch  einiges  bei  Borries   (1895)  --  wurde  erst  in  neuerer  Zeit  eingehend 

studiert  durch  W.  Baer   (1910): 

Die  Flugzeit  fällt  im  wesentlichen  in  die  erste  Hälfte  des  Mai 
(nach  Ratzeburg  schon  von  „Ende  März  an,  wenn  der  Schnee  kaum  an- 
fängt zu  schwinden"),  der  Falter  schwärmt  bei  warmem,  sonnigem  Wetter 
vornehmlich  in  den  späteren  Morgen-  und  den  Nachmittagsstunden  bis  gegen 

4  Uhr,  bisweilen  auch  noch  später,  sogar 
bis  Sonnenuntergang. 

Die  Eier  werden  einzeln  abgelegt, 
und  zwar  an  vorjährige  Nadeln,  ge- 
wöhnlich an  die  Unterseite  ^der  Zweige, 
und  auch  an  die  Unterseite  der  Nadeln, 
meist  an  deren  Grund  (Abb.  284),  selten 
mehr  spitzenwärts  oder  an  die  Oberseite. 
Das  junge  Räupchen  verläßt  sofort  nach 
dem  Auskriechen  seinen  Geburtsort,  um 
auf  den  Maitrieb  überzuwandern  und  dort 
sich  in  eine  der  jungen  Nadeln  einzubohren. 
Wenn  es  größer  geworden  und  keinen 
%'  "V!!^^  Platz  mehr  in  der  Nadel  hat,  so  spinnt  es 

"^^1^^^^  mehrere    Nadeln   eng   und   fest   zusammen 

^   M^.        mm^  ^j-^(j  befrißt  in  der  so  hergestellten  Röhre 

die  einzelnen  Nadeln  von  einer  der  Flächen 
her,  bis  schließlich  fast  nur  noch  die 
Oberhaut  der  gegenüberliegenden  Fläche 
stehen  bleibt.  Dabei  bleibt  nur  wenig  Kot 
in  dem  Gespinst  hängen  —  im  Gegensatz 
zum  tedella-YrdiiS  (siehe  unten,  S.  348). 
Ratzeburg  gibt  als  Charakteristikum  des 
pyg??jaea)ia-¥rdi&&s   an,   daß   die   minierten 


Abb.  286.   Fichtennadeln  von  Asthe- 
nia   pygmaeana    Hb.    ausgefressen, 
meist     mit     zwei     Löchern. 
Ratzeburg. 


Nach 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


335 


Nadeln  zwei  Löcher  »zeigen,  ein  Ein-  und  ein  Ausgangsloch  (Abb.  286). 
Solche  Nadeln  kommen  wohl  vor,  jedoch  nicht  gerade  häufig,  können  daher 
nicht  als  charakteristisch  für  pygmaeana  bezeichnet  werden.  Auch  die  weitere 
Angabe  Ratzebu  rgs,  daß  die  Jungraupen  vorjährige  Nadeln  angreifen, 
bezieht    sich    auf    Ausnahmen;    der    Hauptfraß    betrifft    stets    den 


Abb.    287.     Starker    Fraß    von    Asthenia    pygmaeana    Hb.    an    den    Maitrieben    eines. 
Fichtenwipfels,  der  schon  im  Vorjahr  teilweise  entnadelt  worden  war.    Nach  B  a  c  r. 


jungen  Maitrieb.  Vorjährige  Nadeln  werden  wohl  nur  als  Notnahrung 
angenommen,  und  dann  meist  nur  von  älteren  Raupen,  die,  vom  Maitrieb 
herkommend,  zu  den  vorjährigen  Nadeln  gewandert  sind.  Wenn  auch,  wie 
oben  bemerkt,  die  älteren  Raupen  in  der  Regel  nicht  mehr  minieren,  so 
kommt  es  doch  auch  vor,  daß  diese  die  dicken,  fleischigen  Nadeln  an  den 


336  II.  Spezieller  Teil. 

saftigen  und  buschigen  Maitrieben  noch  richtig  aushöhlen  (wie  tedella),  wo- 
bei die  betreffenden  Nadeha  allerdings  oft  stark  verlängerte  Löcher  zeigen. 

Als  bemerkenswerte  Erscheinung  des  pygmaeana-Yx-A&^%  hebt  Baer 
noch  hervor,  daß  sehr  häufig  an  den  befallenen  Maitrieben  die  Knospen- 
schuppenhauben  angesponnen  werden  und  daß  der  Fraß  zunächst 
nur  die  darunter  befindlichen  Nadeln  betrifft.  Wir  haben  oben  schon  die 
gleiche  Erscheinung  bei  ratzeburgiana  und  nanana  kennengelernt  i). 

Die  Verpuppung  findet  im  August  statt,  und  zwar  mehr  oder  weniger 
tief  im  Boden.  Vor  der  Verpuppung  spinnt  sich  das  Räupchen  einen  weißen 
Kokon,  welcher  mit  Teilchen  der  Bodenstreu  verklebt  und  bedeckt  und  in- 
folgedessen nicht  ohne  weiteres  zu  sehen  ist.  Die  Puppen  überwintern  und 
geben  im  nächsten  Frühjahr  den  Falter. 

Die  Entwicklung  ist  also  eine  einjährige,  nach  der  Bioformel: 

5-67 
8,4  +  5 

Pygmaeana  kommt  lediglich  als  Fichtenschädling  in  Betracht.  Be- 
vorzugt werden  Stangen-  und  Althölzer  (bis  100 jährige),  wenn  auch 
die  Kulturen  keineswegs  ganz  verschont  werden  (Ratzeburg  fand  sie  im 
Harz  sowohl  an  jungen  12 — 20  jährigen  als  auch  an  älteren,  selbst  starken 
Beständen,  und  Borries  hat  in  Dänemark  den  Fraß  sogar  hauptsäch- 
lich an  9 — 15  jährigen  Kulturen  beobachtet). 

Während  an  den  Stangen-  und  Althölzern  die  Wipfel  gegenüber  den 
Seitenzweigen  entschieden  bevorzugt  zu  sein  scheinen,  waren  in  dem  von 
Baer  beobachteten  Fall  in  den  Kulturen  hauptsächlich  die  Seitenzweige 
befallen,  die  Wipfel  dagegen  verschont,  wenigstens  im  ersten  Fraßjahr,  im 
zweiten  Fraßjahr  ging  der  Fraß  auch  bei  Althölzern  vielfach  auch  auf  die 
mittleren  und  unteren  überhängenden  Zweige  herab.  „Oft  hatte  es  den  An- 
schein, daß  der  Falter  die  am  schlimmsten  mitgenommenen  Wipfel  mit 
ihren  verspätet  und  kümmerlich  austreibenden  Maitrieben  mit  wiederholter 
Eiablage  überhaupt  verschonte,  denn  die  bürstenartigen  Maitriebe  waren  hier 
oft  nur  schwach,  gewöhnlich  aber  gar  nicht  befressen. 

Auch  sonstige  Beobachtungen  deuten  darauf  hin,  daß  „der  Schäd- 
ling durchaus  primär  ist:  nicht  nur,  daß  im  zweiten  und  dritten  Jahr 
die  bereits  geschädigten  Bestände  verhältnismäßig  viel  schwächer  befallen 
wurden,  als  zu  erwarten  gewesen  wäre,  waren  es  auch  regelmäßig  die  kräf- 
tigsten und  dominierendsten  Stämme,  die  am  meisten  angegriffen  wurden". 

Zu  welch  starker  Massenvermehrung  pygmaeana  neigt,  geht  aus  der  von 
Baer  beschriebenen  Gradation  in  der  Fürstl.  Pleßschen  Forstinspektion 
Waidenburg  hervor,  wo  in  den  Jahren  1906 — 1909  ein  über  die  drei  Ober- 
förstereien Wüstegiersdorf,  Langwaltersdorf  und  Waidenburg  sich  erstrecken- 
der Massenfraß  von  überraschender  Ausdehnung  stattfand.  Ich  gebe  hier 
einen  Auszug  aus   dem   Bericht: 

1906  wurde  in  Wüstegiersdorf  (im  Juni)  zum  erstenmal  eine  intensive 
Braunfärbung  zahlreicher  Fichtenwipfel  bemerkt,  jedoch  nicht  als  Insekten- 
fraß,  sondern  als    Frosterscheinung  angesprochen. 


1)  Nach  Schütze  kommen  solche  ,, Mützchen"  auch  noch  bei  dem  Fraß 
anderer  Arten  vor:  so  z.  B.  bei  Dioryclria  schülzeella  Fuchs,  Cymol.  hartigiana  Rtzb., 
Torlrix  ficeana  L.  und  /lisfrionana  Froel. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


387 


1907  wurden  die  grünen  pygmaeami-Räupchen  als  Urheber  der  Ver- 
färbung entdeckt.  Letztere  gewann  bedeutend  an  Ausdehnung:  Von  den 
ca.  6480  ha  Fichtenwald  der  drei  oben  genannten  Oberförstereien  waren 
ca.  834  ha  befallen,  und  zwar  502  ha  stark  und  332  ha  nur  teilweise  (4o''/'o). 
Am  stärksten  waren  die  30— 70  jährigen  Bestände  befallen,  weniger  die7ojäh- 


Abb.   288.    Fichtenzweig  mit   beginnendem    Fraß   von   Asthenia  pygmaeana   Hb.    Die 

jungen  Raupen  Jiaben  an  den  Enden   der    Maitriebe   die   „Knospenschuppenhauben" 

versponnen.    Nach  B  a  e  r. 


rigen  und  am  wenigsten  die  jüngeren,  bis  30  jährigen  Orte.  Der  Fraß  be- 
schränkte sich  in  der  Hauptsache  auf  die  Hang-  und  Tallagen,  während  die 
Hochebenen  durchwegs  davon  verschont  blieben.  Beginn  des  Fraßes  anfangs 
Juni,  Ende  in  der  zweiten   Hälfte  des  Juli,  nur  ganz  vereinzelte   Räupchen 

Escherich,  Forstinsekten,  Bei.  III.  -    22 


338  II-  Spezieller  Teil. 

wurden  noch  Mitte  August  gefunden.  Der  Fraß  betraf  fast  ausschließlich  die 
Maitriebe  der  Fichtenwipfel,  wobei  freiwüchsige  besonders  bevorzugt  Avaren. 
Von  den  befressenen  Trieben  zeigten  die  meisten  saftige,  grüne  Winter- 
knospen, während  nur  wenige  eingegangen  erschienen. 

1908  wurde  zum  erstenmal  der  Falterflug  beobachtet  (im  wesentlichen 
in  der  ersten  Hälfte  des  Mai).  Das  Fraßgebiet  hat  sich  gegen  1907  weiter 
ausgebreitet  und  mit  Ausnahme  eines  einzigen  nun  sämtliche  Reviere  der 
drei  Oberförstereien  ergriffen.  Als  stark  befressen  erscheinen  jetzt  600  bis 
700  ha.  Im  allgemeinen  zeigte  der  Einzelbaum  eine  geringere  Verfärbung 
als  1907,  was  teilweise  darauf  zurückzuführen  war,  daß  die  zahlreichen 
Regengüsse  des  Sommers  1908  die  roten  Nadelreste  größtenteils  herab- 
gespült haben.  Der  Befall  betraf  wieder  hauptsächlich  über  30  jährige  Orte 
(bis  100  jährige),  und  zwar  mit  merklicher  Bevorzugung  der  Ränder.  Die  im 
Vorjahr  befressenen  Wipfel  blieben  vielfach  verschont,  und  der  Fraß  rückte 
dann  abwärts  auf  die  tieferen  Äste.  In  erster  Linie  wurden  —  wie  auch  in 
den  Vorjahren  —  junge  Nadeln  befressen,  sodann  teilweise  auch  vorjährige 
und  nur  selten  (aus  Not)  ältere;  die  jungen  Triebe  waren  oft  schon  unmittel- 
bar unter  den  Knospenschuppen  befallen.  Die  Hauptfraßzeit  fiel  in  die 
zweite  Hälfte  des  Juni,  die  letzten  abspinnenden  Raupen  wurden  Ende  Juni 
beobachtet. 

1909  ist  der  Fraß  wesentlich  zurückgegangen.  Einzelfraß  macht  sich 
allerdings  noch  überall  bemerkbar,  besonders  an  den  freistehenden  Bäumen, 
doch  konnte  nirgends  mehr  die  Verfärbung  größerer  Komplexe  oder  ganzer 
Bestände  beobachtet  werden.  Die  Kalamität  hat  offenbar  den  Höhepunkt 
überschritten  und  ist  im  Verlöschen  begriffen. 

Worauf  der  Zusammenbruch  der  Gradation  zurückzuführen  war,  konnte 
nicht  ermittelt  werden.  Parasiten  scheinen  kaum  einen  Anteil  an  der  Krisis 
gehabt  zu  haben,  da  aus  den  zahlreichen  Puppen,  die  1908  eingezwingert 
wurden,  nicht  ein  einziger  Parasit  auskam. 

Der  forstliche  Schaden  besteht  wohl  hauptsächlich  im  Zuwachs- 
verlust. Ein  Absterben  von  Beständen  oder  auch  von  Einzelbäumen  wurde 
nirgends  beobachtet. 

Differentialdiagnostisch  kommt  vor  allem  der  Fichtennest- 
wickler,  Epiblema  tedella  GL,  in  Betracht,  dessen  Fraßbild  große  Ähnlich- 
keit mit  dem  von  pygmaeana  hat.  Doch  gibt  hier  die  zeitliche  Verschieden- 
heit des  Auftretens  einen  guten  Anhaltspunkt:  Der  Fraß  von  pygmaeana 
findet  viel  früher  statt  (Juni  und  Juli)  als  der  von  tedella,  der  erst  im 
August  und  September  in  sein  Hauptstadium  tritt.  Dann  werden  bei  tedella 
meist  eine  größere  Anzahl  (10—16)  Nadeln  zu  einem  Nest  versponnen,  in 
dem  sich  der  Raupenkot  ansammelt,  während  die  wenigen  von  pyginaeana 
zusammengesponnenen  Nadeln  meist  frei  von  Kot  sind.  Die  tedella-V<2i.^&\w. 
sind  in  der  Mehrzahl  ausgehöhlt  und  besitzen  ein  Loch  in  der  Nähe  der 
Basis,  die  pygmaeana-^2^<\€\xv  sind  weniger  miniert  als  von  der  einen  Fläche 
her  befressen,  und  wo  Minierfraß  vorhanden,  sind  nicht  selten  zwei  Löcher 
zu  finden. 

Des  weiteren  kommt  differential-diagnostisch  Semasia  natiana  Tr.  in 
Betracht,  deren  Raupe  ebenfalls  die  Nadeln  miniert  und  zusammenspinnt, 
doch  fällt  bei  dieser  die  Hauptfraßzeit  in  den  Mai  (bei  pygmaeana  in  den 
Juni/Juli),  ferner  zeigen  die  Nadeln  nahe  der  Basis  ein  einziges  mit  Gespinst 
ausgekleidetes  Loch,  vor  dem  sich  das  zierliche  Kothäufchen  befindet.    End- 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


339 


lieh  könnte  noch  eine  Verwechslung  mit  Seinasia  ratzeburgiaiia  Rtzb.  möglich 
sein  wegen  der  angesponnenen  ,, Mützchen"'  an  den  Trieben.  Nach  Baer 
läßt  sich  der   Fraß  der  beiden  folgendermaßen  auseinanderhalten: 

Ratzebiirgiana:  der  junge  Trieb  stets  stark  gekrümmt,  die  Vegetations- 
spitze stets  stark  beschädigt,  so  daß  hier  keine  Knospenanlagen  entstehen 
können,  Nadeln  nicht  miniert.  sondern  in  einem  Längsstreifen  auf  der  Trieb- 
unterseite ganz  abgefressen,  Triebachse  stets  ebenfalls  angegriffen.  Fraß 
sehr  frühzeitig,  anfangs  Juni  Fraßstelle  von  der  Raupe  bereits  verlassen. 

Pygmaeana:  der  junge  Trieb  weniger  oder  gar  nicht  gekrümmt,  Trieb- 
achse und  Vegetationsspitze  stets  unverletzt,  Nadeln  wenigstens  zum  Teil 
miniert  (unter  der  Schuppenhaube  von  der  Spitze  her).  Fraß  später;  an- 
fangs Juni  die  Raupen  höchstens  halbwüchsig. 


Gattung  Tmetocera  Led. 

Auch  diese  Gattung  unterscheidet  sich  wie  die 
einen  sekundären  Sexualcharakter  von  Semasia:  Die 
haben  in  der  Nähe  ihrer  Wurzel  eine  Ausnagung 
Hinterflügeln  sind  die  Adern  Wg  und  cii^  gestielt. 
;äo  entspringt  mit  diesem  Stiel  aus  einem  Punkt,  rr 
und  Wj^  entspringen  getrennt,  aber  dicht  beisammen 
und  ziehen  eine  Strecke  parallel. 

Die  Gattung  enthält  zwei  europäische  Arten, 
die  allerdings  von  einer  Anzahl  von  Autoren  als 
zwei  verschiedene  Formen  einer  Art  (ocellana)  an- 
gesehen werden.  Ich  glaube  aber  hier  in  diesem 
der  Praxis  dienenden  Buch  die  Trennung  in  zwei 
verschiedene  Arten  wohl  verantworten  zu  können, 
zumal  neben  den  wesentlichen  Unterschieden  in 
Form  und  Färbung  des  Falters  wie  der  Raupe  auch 
beträchtliche  Unterschiede  in  der  Bionomie  der 
beiden  Formen  bestehen: 

Die  eine  Form,  7V;/.  ocellana  F.,  ist  ein  Laub- 
holztier (als  Schädling  an  Obstbäumen  unter  dem 
Namen  „Roter  Knospenwickler"  den  Obstzüchtern 
allgemein  bekannt),  die  andere  Form,  Tm.  laricana 
Hein.,   ein   Nadelholztier   (auf   Lärche). 


vorige  lediglich  durch 
Fühler  des  Männchens 
(Abb.  289  A).    Auf   den 


Abb.  289.  A  Kopf  und  Fühler 
von  Tmetocera  ocellana  F. 
Fühler  an  der  Basis  mit 
„.\usnagung"  ((j'),  B  Flügel- 
geäder  von  derselben. 
Nach   Kennel. 


Tmetocera  laricana  (ZU.)  Hein.^) 

Taf.  IV,   Fig.  I. 
Syn.  T)n.  zellerana  H.  Borgm. 
L  ä  r  c  h  e  n  n  a  d  e  1  w  i  c  k  1  e  r. 
Falter:    H.    Borg  mann    gibt    folgende    Unterscheidungsmerkmale    zwischen 
ocellana  und  laricana  an  (s.  Abb.  290):  Laricana  ist  etwas  kleiner  als  ocellana,  ihre 
Vorderflügel   im   ganzen   deutlich   schmäler   und   gestreckter.    Bei   ocellana   erstreckt 
sich  das  helle  Mittelfeld  der  Vorderflügel  bis  fast  an  die  Flügelspitze,  das  dunklere 
Saumfeld    ist    gegen    das    vorige    meist    scharf    begrenzt,    schräge    und    gerade    ab- 
geschnitten,  während   bei    laricana   das    Mittelfeld   überall   dunkel   gewellt   ist,    und 
wenn  sich  das  dunklere  Saumfeld  überhaupt  abhebt,  letzteres  mehr  gleich  breit  und 
niemals   gerade   nach   der    Flügelspitze   abgeschnitten.     Bei   ocellana   \%\.   der   Spiegel 


1)   Spätere  Autoren  schreiben  meist:  lariciana. 


22* 


340 


II.  Spezieller  Teil. 


einseitig    bleigrau   eingefaßt,    während    bei    laricana    die    Bleilinien    gänzlich    fehlen. 
Spannweite    14 — 15   mm. 

Raupe  schmutzig  grau  bis  graubraun  (ocellana  rötlich  braun),  runzlig,  ziem- 
lich gleich  dick  (ocellana  in  der  Mitte  etwas  verdickt),  mit  wenigen  einzelnen  feinen 
Haaren  besetzt.  Kopf,  Nackenschild  und  Afterklappe  sowie  die  Brustbeine  schwarz, 
Nackenschild  durch  eine  helle  Linie  halbiert.    Länge  7  mm. 

Puppe  rotbraun  mit  zuerst  dunkelgrünen  Flügelscheiden.  Die  Hinterleibsringe 
mit  feinen  Borsten  besetzt,  Kremaster  stumpf  abgerundet. 

Die  Hauptfraßpflanze  von  laricana  ist  die  Lärche.  Nach  Borgmann 
(1895)  ist  die  Raupe  monophag,  nach  Kennel 
geht  sie  auch  an  Laubholz. 

T.  laricana  wurde  von  H.  Borgmann  (der 
ihr  den  Namen  Zellerana  gab)  in  die  Forst- 
entomologie eingeführt : 

Über  die  Bionomie  teilt  derselbe  folgen- 
des mit:  Der  Falter  fliegt  im  Juni,  die  Über- 
winterung scheint  im  Eistadium  zu  geschehen. 
Die  Raupe  spinnt  die  inneren  Nadeln  in 
ihrem  unteren  Teil  zur  Hälfte  bis  drei  Viertel 
längs  zusammen  (Abb.  291  A).  Zieht  man  anfangs  Mai  die  einzelnen  Nadeln 
eines  solchen  Gespinstes  behutsam  von  oben  nach  unten  herunter,  so  sieht 
man  zuletzt  ein  weißgraues,  mattglänzendes  Seidengewebe,  durch  welches 
das  Räupchen  etwas  hindurchscheint  (Abb.  291  B).   „Zur  Nahrung  dient  dem 


Abb.  290.   Tmetocera  laricana 
ZU.  (Lärchennadehvickler). 

2V2  X. 


A  B 

Abb.    291.     Fraß    von   Tmetocera    laricana    TAX.    an    Lärche.     A    zusammengesponnene 
Nadeln,    B    dieselben    auseinandergezogen,    Gespinst    und    Räupchen    sichtbar.     Nach 

B  o  r  g  m  a  n  n. 


Räupchen  in  erster  Linie  das  Parenchym  der  Oberseite  der  zusammen- 
gesponnenen Lärchennadeln.  Mit  dem  Heranwachsen  wird  aber  auch  die 
ganze  Nadel  von  der  Spitze  her  durchfressen,  so  daß  oft  nur  die  Mittelrippe 
und  die  Nadelränder  stehen  bleiben.  Der  Fraß  erstreckt  sich  hauptsächlich 
auf  die   innersten    Herznadeln,   welche  bis  tief  in   die   Sprosse  hinein   weg- 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  341 

gefressen  werden,  infolgedessen  die  letztere  verödet.  Da  man  öfters  auch 
verlassene  Röhren  findet,  in  denen  nur  wenig  Kot  vorhanden  ist,  so  ist  an- 
zunehmen, daß  das  Räupchen  öfters  seine  Wohnung  verläßt  und  eine  neue 
anfertigt,  sobald  ihm  die  erstere  zu  klein  wird  und  die  innersten  Nadeln 
verzehrt  sind.  Hierdurch  kann  der  Fraß  bei  einigermaßen  starkem  Auf- 
treten der  Raupe  besonders  schädlich  werden." 

Die  Verpuppung  geschieht  am  Fraßort,  wo  die  Puppe  aufrecht  in 
dem  röhrenförmigen  Gespinst  steht. 

Größere  Schäden  sind  bis  jetzt  nicht  aufgetreten,  doch  war  der 
Wickler  1891  im  Taunus  in  stärkerer  Zunahme  begriffen,  so  daß  Borg- 
mann  die  Praktiker  auf  ihn  aufmerksam  machen  zu  müssen  glaubte. 

Gattung  Epiblema  Hb. 

Auch  die  Gattung  Epiblema  Hb.  ist  hauptsächlich  auf  einem  sekundären  Se.xual- 
charakter  basiert :  Die  Vorderflügel  des  Männchens  besitzen  an  der  basalen  Hälfte 
einen  Costalumschlag,  der  verschieden  lang  und  breit  sein  kann,  meist  aber 
breit  und  bis  zur  Flügelhälfte  reichend  ist  und  einen  meist  kräftigen  Haarpinsel 
verborgen  enthält.  Letzterer,  der  an  der  Flügelwurzel  angewachsen  ist,  kann  aus- 
gebreitet   (Abb.  292  B)    und   her\orgeschnellt    werden    (was   hauptsächlich   beim    Flug 


A  B 

Abb.  292.     .A   Flügel  von   Epiblema  focuella  L.   (^   (c  Costalumschlag),    B  \'orderflügel 
von  derselben  mit  ausgebreitetem   Haarpinsel.      Nach  Kennet. 

vorzukommen  scheint,  was  aber  auch  künstlich  durch  Blasen  auf  den  Flügeln  be- 
wirkt werden  kann).  Wenn  der  Umschlag  schmal  ist,  kann  der  Haarpinsel  auch 
fehlen,  zwischen  den  beiden  Extremen  gibt  es  zahlreiche  Übergänge. 

Das  Geäder  zeigt  keine  besonderen  Merkmale;  auf  den  Hinterflügeln  sind 
Ader  m^  und  cu^  kurz  oder  länger,  mitunter  sehr  lang  gestielt,  so  daß  sie  erst  in 
der  Nähe  des  Saumes  eine  kurze  Gabel  bilden,  sie  können  auch  in  ihrer  ganzen 
Länge  zusammenfallen.  Ader  rr  und  m^  entspringen  ganz  nahe  beisammen  und 
divergieren   erst   gegen   den   Saum  hin. 

Die  Raupen  leben  größtenteils  im  Innern  von  Pflanzenteilen  (Wurzeln, 
Stengeln,  Nadeln,  Knospen,  Früchten  usw.).  Häufig  überwintern  die  Raupen, 
erwachsen  in  ihrer  Wohnung  oder  in  einem  Gespinst,  um  sich  im  nächsten 
Frühjahr  zu  verpuppen.  Die  Falter  ruhen  mit  eng  an  den  Körper  gelegten 
Flügeln. 

Die  Gattung  Epiblema  enthält  zahlreiche  Arten  (Spul  er  führt  71  euro- 
päische Arten  an),  nur  wenige  kommen  für  uns  in  Betracht,  nämlich: 

Epible?na  nigricana  H.  S.   (Raupe  in  Tannenknospen). 

—  tetraquetrana  Hw.   (=  fruletana  Hb.)   (Raupe  an  Laubholz). 

—  penkleriana   F.  R.   (Raupe   an   Laubholz). 

—  tedella  Cl.   (Raupe   in   Fichtennadeln  1. 

—  proximana  H.  S.  (Raupe  in  Tannennadeln). 


342  II.  Spezieller  Teil. 

Epiblema  nigricana  H.  S. 

Taf.  IV,  Fig.  2. 
T  a  n  n  e  n  k  n  o  s  p  e  n  w  i  c  k  1  e  r. 
Ratzeburg:  Tort  rix  nigricana  H.  Seh.  —  Altum:  GrapholitJia  nigricana  H.  Seh.  — 
Nitsche:  Tortrix  (Grapholitha,  Paedisca)  nigricana  H.  Seh.  —  Nüßlin-Rhumbler : 
Grapholitha  nigricana  H.  Seh.  —  Wolff-Krauße:  Epiblema  nigricana  H.  Seh. 
Falter  (Abb. 293)  braunköpf  ig.  Vorderflügel  dunkel  braungrau,  das  Wurzel- 
feld ziemlich  lang,  quer  bleigrau  gewellt,  dahinter  ein  helleres  Band  aus  zwei 
schrägen,  bleigrau  und  weißlich  gemischten  Linien,  das  von  einem  Paar  feiner 
Doppelhäkchen  am  Vorderrande  entspringt.  Dahinter  ein  nicht  sehr  breites  Schräg- 
band der  dunklen  Grundfarbe,  das  in  der  Mitte  mit  einer  Ecke  saumwärts  vortritt. 
Hier  wird  es  wieder  von  helleren,  bleigrauen  Linien  begrenzt,  die  aus  dem  /weiten 
und  dritten  Häkchenpaar  des  Vorderrandes  entspringen  und  konvergierend  nach  dem 
Innenwinkel  ziehen.  Am  Vorderrand  zwei  weitere  Häkchenpaare.  Flügelspitze  meist 
ganz  von  Grundfarbe  oder  mit  einer  helleren  Linie,  die  aus  dem  äußersten  Häkchen- 
paar entspringt.  Die  Fransen  dunkel  braungrau  mit  scharfer,  dunkler  Teilungslinie. 
Hinterflügel  dunkelgrau  mit   etwas  helleren   Fransen.    Spannweite   11  — 13  mm. 

Rau])e  schwarzköpfig  mit  schwarzem  Nackenschilde,  auffallend  behaart;  in 
der  Jugend  hellbraun  bis  rötlich  braun.  Länge  un- 
gefähr 8  mm. 

Als  Verbreitungsgebiet  gibt  K e n n e  1 
an:  Mitteleuropa,  Schweden,  Oberitalien,  Dalma- 
tien,  Griechenland,  Taurus.  Die  Hauptfraß- 
pflanze  ist  die  Tanne,  verschiedene  Autoren 
(Herrich -Schäffer,  Hartmann,  Heine- 
niann)    geben   auch    Fichte   an. 

Die   Bionomie   dieses   Tannenwicklers   ist 
Abb.  293.  Epiblema  nigricana       hauptsächlich      durch       Ratzeburg       (W.     11, 
H.S.(Tannenkn^spenwickler.)       ^^^_,^^    bekannt    geworden;    seit    dieser    Zeit    ist 
^     '  nicht  viel  Neues  dazu  gekommen. 

Danach  verläuft  die  Entwicklung  nach  der  Bioformel: 

67-7,5 
56  +  67 

Die  Flugzeit  fällt  in  die  Monate  Juni,  Juli.  Das  Weibchen  legt  die 
Eier  einzeln  an  die  Knospen  junger  Tannen,  mit  Vorliebe  an  die  Gipfel- 
triebe. Das  Räupchen  beginnt  bald  mit  seinem  Knospenfraß;  wenn  es  eine 
Knospe  ausgefressen  hat,  wandert  es  unter  dem  Schutze  einer  Gespinstdecke 
zur  Nachbarknospe,  die  es  ebenfalls  ausfrißt  (Abb.  294).  Bis  zur  Über- 
winterung, die  in  der  Knospe  stattfindet,  erreichen  die  Räupchen  etwa  ihre 
halbe  Größe.  Im  Frühjahr  wird  der  Fraß  in  der  gleichen  Weise  fort- 
gesetzt, der  sich  nun  durch  vermehrten  Harz-  und  Kotaustritt  auch  äußer- 
lich deutlich  bemerkbar  macht.  Zur  Verpuppung  spinnt  sich  die  Raupe  zum 
Boden  herab,  eine  Verpuppung  am  Fraßort  gehört  zu  den  Ausnahmen. 

Befallen  werden  vornehmlich  jüngere  10 — 30  jährige  Tannen,  doch  liegt 
auch  ein  Bericht  über  Knospenfraß  an  älteren  50 — 90  jährigen  Tannen  vor 
(Czech,   1880). 

Von  Ratzeburg,  Altum  u.a.  wird  nigrica/m  zu  den  ,, merklich 
schädlichen"  Tanneninsekten  gerechnet.  Nach  Hochhäuslers  Beobach- 
tungen in  Schlesien,  die  der  Schilderung  Ratzeburgs  hauptsächlich  zu- 
grunde liegen,  kommt  der  Wickler  „durchgängig  auf  allen  Bodenklassen  vor 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  343 

und  nimmt  gutgeschlossene  wie  raumbestandene  Tannen  gleich  gern  an,  am 
liebsten  aber  die  Altersklassen  von  lo — 30  Jahren."  Wenn  alle  drei  Knospen 
zerstört  werden  und  der  Fraß  sich  mehrere  Jahre  hintereinander  wiederholt, 
so  kann  die  weitere  Verzweigung  krüppelhaft  werden,  indem  die  Zweige  häß- 
liche Krümmungen  annehmen  und  auch  der  normale  Höhenwuchs  gefährdet 
werden  kann.  Ratzeburg  glaubt,  daß  der  nigricana- Fraß  auch  eine  der 
Ursachen  für  die  Entstehung  der  sogenannten  „Leuchterwipfel"  ist.  Von 
den  8 — 10  jährigen  Tannen  des  Eberswalder  Forstgartens  haben  verschiedene 
eine  besenartige  Form  angenommen.  Besonders  schädlich  kann  nigricana  in 
Verbindung  mit  dem  Fraß  der  beiden  Tannentriebwickler  (Cac.  murinana 
Hb.  und  Semasia  nifimitrana  H.  S.)  werden,  da  hier  die  Erhaltung  der 
Knospen  besonders  wichtig  ist. 

Die  Erkennung  des  nigricana-Yx^&&%  ist  nicht  schwierig.  Das  Nicht- 
austreiben  der  Knospen  in  Verbindung  mit  deren  Aushöhlung,  mit  Kot- 
krümeln und  weißen  Gespinsten  geben  gute  Erkennungsmerkmale  ab.  Diffe- 
rential-diagnostisch kommt  vor  allem  die  „Tannenknospenmotte"  ( Argy- 
resthia  iUiiniiiialeUa    F.  R.)   in   Betracht,   doch  geht  hier  der    Fraß   von   der 


Abb.   294.     Von    der    Raupe    von    Epiblema    nigricana    H.  S.    ausgefressene    Tannen- 
knospen. 

Knospe  aus  noch  ziemlich  tief  in  das  Ästchen,  das  auf  eine  Strecke  von 
5 — 7  cm  ausgehöhlt  wird.  Infolgedessen  werden  auch  einige  Nadeln  unter 
der  Endknospe  gelb  und  fallen  schließlich  ab  (siehe  oben,  S.  165).  Auch 
Dioryctria  abietella  Schiff.,  die  ebenfalls,  allerdings  nur  ausnahmsweise,  in 
den  Knospen  der  Tannentriebe  vorkommt,  frißt  den  Trieb  abwärts  weithin  aus 
und  greift  außerdem  die  Basis  der  Knospen  oder  vielmehr  die  Spitze  des 
Triebes  von  außen  her  an  (siehe  S.  444).  Endlich  verwechsle  man  nicht  aus 
anderen  Ursachen  ausgetrocknete  Knospen  mit  nigricana-Yx2&;  die  nähere 
Untersuchung  der  Knospen  gibt  hier  ohne  weiteres  Aufschluß. 

Eine    wirksame    Bekämpfung    ist    nicht    durchzuführen,    sie    wird    aber 
kaum  nötig  werden. 

Epiblema  tetraquetrana  Hw. 

Taf.  IV,  Fig.  3. 
•    Syn.   fruletana   Hb.    (bei   Ratzeburg). 
Birkengallenwickler. 
Falter:     Kopf    und    Thorax    graugelb.     Vorderflügel    gelbbraun,    dunkelbraun 
gewellt,  mit  hellgrauer,  gegen  den  Vorderrand  undeutlicher  Mittelbinde  und  einem 


344  II.  Spezieller  Teil. 

schwarzen    Fleck   vor    dem   mit   dicken   Bleilinien   umzogenen    Spiegel.     Hinterflügel 
hellgrau  mit  weißlichen  Fransen.    Spannweite  15 — 16  mm. 

Raupe  grünlichgelb  bis  hellgrün,  die  Wärzchen  grau  bis  schwärzlich,  Kopf- 
und   Nackenschild   gelbbraun. 

Die  Bionomie  dieses  Wicklers  ist  vor  allem  von  Baer  (1910)  klar- 
gestellt worden: 

,,Der  Falter  fliegt  im  wesentlichen  im  Juni.   Das  kleine  Räupchen  findet 
man  von  August  ab  in  einer  zunächst  noch  kleinen  Zweiganschwellung,  die 
sich   wohl   ausnahmslos   am    Grund   eines   Seitensprosses   befindet,   und   zwar 
ebensowohl  an  Birke  wie  an   Schwarz-   und 
Weiß  er  le.    Später  wird  die  Gallenbildung  auf- 
fälliger und  erscheint  als  ein  bald  mehr  kuge- 
liger,   bald    mehr    eiförmiger    Zweigknoten    von 
etwa   I  cm  Länge,  selten  aber  ebensoviel  Breite. 
Im   Innern  derselben  befindet  sich  ein  mit   Ge- 
spinst ausgekleideter   Markröhrenkanal,   der  das 
Räupchen  enthält.    Der  Fraßkanal  erstreckt  sich 
Abb.  ic)^   Epiblema  tetraque-       spitzenwärts  noch  über  die  Ansatzstelle  des  Seiten- 
trana  Hw.  (Birkengallen-  .         ,  .  i      ■•     i   ^  i  •       •       a    ^     •    1     1         ^ 

Wickler^     2V  X  zweiges  hinaus  und  mundet  hier  im  Astwinkel  nach 

außen,  wo  ihm  gewöhnlich  versponnene  Kotkrümel 
vorgelagert  sind.  Ihre  volle  Reife  erlangt  die  Raupe  indessen  nicht  in  der 
Galle,  sondern  die  Raupe  geht  später  im  Herbst  noch  zu  einem  Fraß  an  den 
Blättern  über.  Hier  lebt  sie  unter  einem  umgeschlagenen  Blattrand  oder  in 
einer  Blattrolle  und  frißt  ähnlich  skelettierend  wie  Acalla  ferrugana  Tr., 
bis  sie  wohl  schließlich  mit  dem  Blatt  abfällt,  um  im  Boden  ihre  Weiter- 
verwandlung zu  bestehen." 

Die  Zweiganschwellungen  an  Birken  usw.  waren  den  Entomologen  schon  lange 
bekannt;  so  hat  Rübsaamen  in  den  Heubergen  des  Siegner  Landes  an  Birken 
Zweiganschwellungen  an  den  Astgabeln  gefunden,  in  deren  Markröhren  im  Sommer 
eine  graugrüne  Raupe  war.  Bei  Zimmerzuchten  kamen  die  Raupen  heraus  und 
nährten  sich  noch  eine  Zeitlang  von  den  Blättern,  zwischen  denen  sie  in  dichtem 
Gespinst  saßen,  hier  fand  auch  die  Verpuppung  statt.  Der  auskommende  Schmetter- 
ling wurde  fälschlicherweise  als  Ac.  ferrugana  Tr.  bestimmt  (s.  Nitsche,  S.  1059). 
Auch  V.  Schlechtendal  und  Kieffer  erwähnen  die  Galle,  ersterer  nennt  die 
Eiche  als  Wirtspflanze,  was  aber  wohl  auf  einem  Versehen  beruht. 

Als  Folge  des  Fraßes  bzw.  der  Gallbildung  stirbt  ,,zwar  selten  der 
Hauptzweig,  oft  aber  der  von  der  Galle  ausgehende  Nebenzweig  ab" 
(v.  Schlechtendal,  i8gi).  Die  tetraqiietrana-G^AX^n  sind  stellenweise  ,,so 
häufig  und  verunstalten  oft  derartig  die  Bäume,  daß  man  sich  wundern  muß, 
daß  sie  den  Forstentomologen  nicht  eher  aufgefallen  sind"  (Baer). 

Eine  Bekämpfung  kommt   nicht   in    Frage. 

Epiblema  penkleriana  F.  R. 

Taf.  IV,  Fig.  4. 

Syn.  millerpacheriana  Tr.  (bei  Ratzeburg). 

H  a  s  e  1  n  u  ß  w  i  c  k  1  e  r. 

Falter:    Vorderflügel   rostgelb   bis   rostbraun.    Ein   dunkles   Wurzelfeld   meist 

deutlich   stumpfwinklig    abgeschnitten.     Darauf    folgt    eine    ebenso    gebrochene    helle 

Querbinde,    die    sich    am    Dorsum    zu    einem    viereckigen    weißen    Fleck    erweitert. 

Spiegel  breit,  von  deutlichen  Bleilinien  eingefaßt.    Am  Vorderrand   (Costa)    von  der 

Spitze  bis  zur  Mitte  5  feine,  scharfe,  weiße  Häkchenpaare,  aus  dem  4.  und  5.  ziehen 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  345 

die  Bleilinien  gegen  den  Spiegel,  aus  dem  2.  und  3.  zwei  sich  vereinigende  unter  den 
Augenpunkt.    Fransen  gelbbraun  bis  rötlichbraun,  mit  scharfer  Teilungslinie.   Hinter- 
flügel graubraun  bis   reiner  braun,   wurzelwärts  heller,   Fransen  blasser,  mit  brauner 
Teilungslinie.     Variiert    stark    in    Färbung    und    Zeich- 
nung: es  kommen  auch  Stücke  vor,  deren  Vorderflügel 
fast    einfarbig    rostgelb    sind,    als    Zeichnung    nur    die 
Einfassung    des    Spiegels    und    die    Vorderrandhäkchen 
haben.    Spannweite   14 — 15   mm. 

Raupe  blaß  gräulich,  mit  dunklen  Wärzchen 
(nur  auf  dem  i.  Segment  deutlich),  Kopf  braun, 
Nackenschild  schmal,  heller  und  dunkler  braun,  hinten 
mit  2  schwarzen  Punkten. 

Puppe  mehr  oder  weniger  dunkel  gelbbraun,  mit  Abb.  296.  Epiblema  penk- 
schwarzen   Dornen.    Hinterende  breit   abgestutzt,   mit  leriana    F.  R.    (Haselnuß- 

6  hakenförmig  gekrümmten  Borsten   (4  ventral,   2  clor-  wickler).  2X. 

sal).    Länge  5  mm. 

Ei  strohgelb,  breitoval,  nur  wenig  länger  als  breit,  schwach  gewölbt.  Länge 
0,60 — 0,65  mm;  Breite  0,52 — 0,58  mm. 

Geographische  V^erbreitung:  Mittel-  und  Nordeuropa,  Nord- 
spanien, Piemont,   Mittel-   und  Süditalien,   Dalmatien,  Kaukasus. 

Fraß  pflanzen:  Ahn/s.  Betiila,  Corylus  und  Ulmiis. 

Nähere  Angaben  über  die  B  i  o  n  o  m  i  e  verdanken  wir  S  i  1  v  e  s  t  r  i 
(1922),  der  eingehende  Beobachtungen  in  Italien  über  das  Vorkommen  an 
Haselnuß  angestellt  hat: 

Danach  erscheinen  die  ersten  Falter  im  Mai^),  im  Juni  wurden  die 
ersten  Pärchen  in  Kopula  gesehen.  Die  Weibchen  leben  durchschnittlich 
ca.  5 — 6  Monate,  die  Männchen  nur  2 — 3  Monate.  Die  Eier  reifen  sehr 
langsam  heran:  im  August  sind  sie  noch  sehr  klein  (ca.  0,26  mm),  und  erst 
im  September,  also  vier  Monate  nach  dem  Schlüpfen,  erreichen 
sie  ihre  normale  Größe.  Die  Eiablage  setzt  etwa  Mitte  September  ein 
und  zieht  sich  bis  Mitte  Oktober  hin.  Die  Eier  werden  einzeln  oder  zu 
zweien  oder  dreien  auf  die  Knospen  gelegt. 

Die  Raupen  schlüpfen  nach  vier  Wochen  und  dringen  in  die  Blatt- 
knospen ein,  die  sie  ausfressen.  Wenn  sie  eine  ausgefressen  haben,  gehen  sie 
in  eine  andere  oder  auch  in  eine  weibliche  Blüte.  Die  Verpuppung  findet 
in  weißem  Gespinst  in  der  Umgebung  der  Knospen  oder  im  Boden  statt. 
Die  Puppenruhe  dauert  ca.  vier  Wochen. 

Der  Schaden,  den  die  Raupe  durch  ihren  Fraß  an  Haselnuß  ver- 
ursacht, kann  recht  empfindlich  werden,  wie  Silvestri  verschiedentlich 
in  Italien  beobachtete. 

Epiblema  tedella  Cl. 

Taf.  IV,   Fig.  5. 

Fichtenn  est  Wickler,    Hohlnadel  wickler. 

Syn. :   taedella  L.,   comitana  Schiff.,    (Heinemann!),   piceana   Hb.,   hercyniana    Froel., 

hyrciniana  Willk.,  pinetana  Hb.  (bei  Bechstein). 
Ratzeburg:  Tori  rix  (Coccyx)  hercyniana  Usl.  —  Altum:  Grapholitha  comitana  W.  V. 
(Toririx  hercyniana  Rtzb.)  —  Nitsche:  Tortrix  tedella  Cl.  —  Nüßlin-Rhumbler : 
Grapholitha  (Epiblema)  tedella  Clerck.  —  Wolff-Krauße:  Epiblema  tedella  Clerck. 
Falter:  Vorderflügel  dunkelbraun  mit  silberweißen,  mehr  oder  weniger  in 
unregelmäßigen     Querbändern     zusammengeflossenen     Querlinien:     meist     nahe     der 


Die  hier  angegebenen  Entwicklungsdaten  beziehen  sich  auf  Süditalien. 


346 


II.  Spezieller  Tei 


Abb.  297.    Epiblet/ia  tedella  Cl. 
( Fichtennestwickler).  3  X. 


Wurzel  eine  weiße,  oft  fein  geteilte  breitere  Linie  etwas  geschwungen  quer  durch 
den  Flügel,  vor  der  halben  Länge  eine  zweite  breite,  in  der  Mitte  saumwärts  vor- 
springende, noch  einmal  fein  geteilte  Mittelbinde,  eine  aus  einem  Häkchenpaar 
hinter  der  Mitte  des  Vorderrandes  entspringende,  dem  Innenwinkel  zulaufende 
Schrägbinde    und    ein    vor    der    Flügelspitze    stehendes    Häkchenpaar,    das    eine    Art 

Dreiecksfleck  darstellt.  Die  hellgrauen,  ein- 
mal oder  zweimal  durchbrochenen  Fransen  mit 
dunkler  Teilungslinie.  Hinterflügel  ziemlich 
schmal  und  spitz,  graubräunlich  mit  weißen 
Fransen,   Spannweite   13 — 14  mm   (Abb.  297  ). 

Raupe  licht  gelbbraun  mit   2  braunroten 
Rückenstreifen  oder  auch  grünlich  mit  helleren 
oder  schmutzigeren  Linien.   Kopf,  Nackenschild 
und  Brustfüße  braunschwarz.    Afterklappe  wol- 
kig,   schwarzgrau   verlaufend.     Bis   g  mm    lang. 
Puppe     (Abb.    298  B)     ca.    6    mm     lang, 
dunkelbraun  (Abdomen  etwas  heller),  mit  „dor- 
nigem  Afterwulst";   9    Fühler   kürzer   als    beim 
Cf    (Ratzeburg). 
Die   Eier  messen   in   der   Länge  0,56 — 0,70  mm,   in   der   Breite   0,48 — 0,50  mm. 
Sie  sind  zuerst  perlmutterglänzend,  später  fleischrot. 

Die  geographische  Verbreitung  erstreckt  sich  über  ganz  Mittel- 
und  Südeuropa  bis  nach  Südfrankreich  und  Piemont  sowie  Südostrußland. 
Sowohl  in  der  Ebene  wie  im  Gebirge,  in  den  Alpen  bis  1800  m. 

Die  Hauptfraßpflanze  ist  die  Fichte,  doch  geben  manche  Au- 
toren auch  die  Tanne  an  (Nördlinger,  L.  F. 
52,  Henry,  1892,  Keller  u.  a.).  Nitsche 
glaubte  zunächst,  daß  die  Mitteilungen  über  das 
Vorkommen  auf  Tannen  auf  Verwechshmgen  mit 
Ep.  proximana  H.  S.  beruhten,  gab  aber  später 
(ebenda  S.  1352)  diese  Annahme  wieder  auf. 
Wolff-Krauße  nennen  als  Fraßpflanzen  von 
tedella  außer  Tanne  und  Fichte  auch  noch  Kie- 
fer und  Wacholder.  Nach  AI  tum  wurde  im 
Eberswalder  Forstgarten  auch  die  Schimmel- 
fichte  (Picea albaXlv^.)  befallen,  undjentsch 
(1899)  berichtet  von  einem  ziemlich  starken 
tedella-Yx2i&  an  der  Sitkafichte  (Picea  sit- 
chensis  Traut,  et  Meyer)  bei  Hann.- Münden  i). 


A  B 

Abb.    298.     A   Raupe    (Vor- 


derteil   und    Analsegment) 
B    Puppe    (q)    von    Ep.   te- 
della    Cl.      Nach     Ratze 
bürg. 


B  i  o  n  o  m  i  e. 

Da   tedella   ein  weitverbreitetes   und  überall 

vorkommendes   Insekt  ist,   das  nicht   selten  auch 

zu    Massenvermehrung    gelangt    und    auffallende 

Erscheinungen   verursacht,   so   liegen   in  der   forstlichen   und   forstentomolo- 

gischen   Literatur  eine  Reihe  von   Mitteilungen  über  seine   Bionomie  vor: 


ij  Der  bekannte  Mikrolepidopterologe  K.  T.  Schütze  hat,  wie  er  mir  brief- 
lich mitteilte,  tedella  stets  nur  an  Fichte  gefunden  und  vermutet  (wie  früher  auch 
Nitsche),  daß  bei  den  Angaben  über  das  Vorkommen  auf  Tanne  Verwechslungen 
mit  Epiblema  proximana  H.  S.  vorliegen,  die  ausschließlich  auf  Tanne  vorkommt 
und  die  der  tedella  so  nahe  steht,  daß  sie  von  manchen  als  Var.  von  dieser  ge- 
halten wurde. 


I.  Unterordnung:   ]\Iicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  34  ( 

Ratze  bürg    widmet   dem    Fichtennestwickler   eine   eingehende    Schilderung 
(F.    220    bis    223),    die    später    mehrfach    ergänzt    wurde,    vor    allem    chirch 
Dolles  (1893),  Baer  (1903),  Trägärdh  (1915)  u.  a. 
Die  Entwicklung  vollzieht  sich  nach  der  Bioformel 
6  —  6,4 


5  +  6 

Die  Hauptflugzeit  fällt  in  die  Monate  Juni  und  Juli,  doch  kann  der 
Beginn  schon  in  den  Mai  fallen  und  das  Ende  sich  bis  in  den  August  fort- 
setzen, die  Höhenlage  und  die  klimatischen  Verhältnisse  wirken  sich  dabei 
merklich  aus^). 

Die  Falter  sitzen  tagsüber  mit  dachförmig  gefalteten  Flügeln  im  Geäste 
der  Fichten,  vor  allem  der  Randbäume.  Ein  leises  Berühren  der  Zweige 
genügt  aber,  um  die  Tiere  aufzuscheuchen  und  (bei  Gradationen)  „ganze 
Wolken  derselben  rege  zu  machen",  gewöhn- 
lich fallen  aber  die  so  aufgescheuchten 
Tiere  in  nächster  Nähe  wieder  ein.  Baer 
teilt  eine  Beobachtung  mit,  wonach  die 
kleinen  Wickler  besonders  die  mit  der 
Fichtenquirlschildlaus  (Lecanium  heinicry- 
phinii  Dalm.)  besetzten  Stellen  aufsuchten, 
um  dort  die  zuckerreichen  Ausscheidungen 
der  Läuse  aufzusaugen.  Auch  Keller 
(1885)  glaubt  einen  gewissen  Zusammenhang 
zwischen  Zea^w/V/w-Befall  und  tedeUa-\ox- 
kommen  annehmen  zu  dürfen:  „Der Wickler 
scheint,"  schreibt  er,  „mit  einer  gewissen 
Vorliebe  seine  Eier  an  die  von  Chermes 
und  Schildläusen  befallenen  Fichten  abzu- 
legen"-). 

Die  Eiablage  findet  meist  auf  der  Abb.  299.  Fichtennadeln  mit  je 
Oberseite  der  Nadeln  statt,  und  zwar  wird  i  Ei  von  Epiblema  tedella  Cl. 
gewöhnlich  die  einzelne  Nadel  mit  nur   i  Ei  h&\&%t.   Nach  Baer. 

belegt  (Abb.  299),  seltener  mit  2 — 3,  in  letz- 
terem   Fall   liegen  sie  nicht   nahe   beisammen,   sondern   stets   durch  größere 
Zwischenräume  getrennt.   Die  Eiproduktion  scheint  eine  geringe  zu  sein,  nach 
V.  Berg   (1834)   legt  ein  Weibchen  nur  18 — 25   Eier. 

Nach  14  Tagen  schlüpfen  die  Räupchen  aus,  die  „vor  Beginn  des 
Fraßes  eine  Zeitlang  sich  in  aalartigen  Windungen  um  die  Nadel  bewegen". 
Sie  sind  Minierer  und  bringen  den  größten  Teil  ihres  Lebens  in  den  Nadeln 
zu.  Jedes  Räupchen  „sichert  sich  an  den  Zweigen  einen  begrenzten  Rayon, 
selten  finden  sich  mehrere  Räupchen  im  engen  Raum  beisammen".    LTnweit 


1)  Bemerkenswert  ist  die  Beobachtung  von  Dolles  (1893),  wonach  bei  mehr- 
jähriger Dauer  die  Flugzeit  sukzessive  sich  gegen  das  Frühjahr  zu  verschoben  hat :  1890 
fiel  dieselbe  (bei  500  m  Meereshöhe  1  in  den  Anfang  des  Monats  Juli,  1891  in  die 
zweite  Hälfte  des  Monats  Juni  und  1892  mehr  um  die  Mitte  dieses  Monats,  ja 
einige   Falter  waren  in  diesem  Jahr  bereits  am   10.  Mai  zu  sehen. 

2|  Keller  führt  tedella  unter  den  Feinden  von  Lecanium  auf:  durch  Aus- 
höhlen der  Nadeln  durch  tedella  „wird  den  Lecanium-'L^rxexx  die  Nahrung  entzogen 
und   sie   gehen   zugrunde". 


348 


II.  Spezieller  Teil. 


am  Grunde  der  Nadel 
bohrt  sie  sich  durch  eine 
länglich  runde  Öffnung 
in  dieselbe  ein  und  höhlt 
sie  bis  zur  Spitze  aus, 
so  daß  nur  ihre  äußere 
Hülle  übrig  bleibt.  Meist 
verläßt  die  Raupe  die 
ausgehöhlte  Nadel  durch 
das  Einbohrloch,  doch 
zuweilen  frißt  sich  die 
Raupe  durch  ein  zwei- 
tes Loch  an  der  Spitze 
der  Nadel  nach  außen. 
Teilweise  bohrt  sich  das 
Räupchen  auch  in  der 
Mitte  oder  nahe  der 
Mitte  der  Nadel  ein. 
Die  Raupen  wachsen  an- 
fänglich nur  sehr  lang- 
sam, weshalb  auch  der 
Fraß  in  dieser  Zeit 
kaum  zu  bemerken  ist 
und  sich  nur  auf  weni- 
ge Nadeln  beschränkt. 
Später  wird  das  Nah- 
rungsbedürfnis größer, 
so  daß  die  Zahl  der  aus- 
gehöhlten Nadeln  rasch 
wächst  und  die  Fraß- 
erscheinungen auffällig 
werden  i).  Sind  die 
Raupen  beinahe  ausge- 
wachsen, so  kriechen  sie  nicht  mehr  mit  dem  ganzen  Körper,  sondern 
nur  noch  mit  dem  Vorderteil  hinein  oder  sie  weiden  die  Nadel  von 
außen  her  ab  (Lüstner,  1926).  ,,Lidem  sie  zugleich  eine  Menge  unregel- 
mäßig sich  kreuzender  Fäden  spinnen,  in  welchen  die  bald  trocknenden  und 
vom  Winde  abgeworfenen  Nadeln  hängen  bleiben,  ebenso  wie  der  während 
des  Fraßes  ausgestoßene  Kot,  so  bilden  sich  größere  oder  kleinere  Klumpen 
an  den  Bäumen,  in  welchen  Nadeln,  Kot  und  Gespinst  verworren  durchein- 
andersitzen (Abb.  300)  und  an  der  braunen  und  weißlichen  Farbe  schon  den 
Fraß  von  weitem  verraten"  (Ratzeburg)  2).  Die  Zahl  der  Nadeln,  die  in 
einem  Nest  versponnen  sind,  beträgt  gewöhnlich  12 — 16. 


Abb.    300.     Fichtenzweig   mit    zahlreichen    Nadelnestern 
\"on  Epibleuia   tedella   Cl. 


^)  Die  Nestchen,  oder  wenigstens  Teile  \on  ihnen,  bleiben  oft  noch  jahrelang 
am  Zweig  haften,  wobei  die  Nadeln  allmählich  ein  schmutziggelbes  Aussehen  er- 
langen. Neue  Nester  unterscheiden  sich  von  solchen  durch  die  Frische  der  weiß  und 
grün  gescheckten  Nadeln. 

~)  Baer  (1903)  berichtet  auch  von  einer  gelegentlichen  S  c  h  1  e  i  e  r  b  i  1  d  un  g. 
,,Im  Oktober  kam  bei  einem  Fraß  in  Sachsen  noch  eine  auffallende  Erscheinung 
hinzu,  die  anderwärts  in  den  gleichen  Fällen  weniger  hervorgetreten  zu  sein  scheint. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


349 


Im  Oktober,  teilweise  schon  im  September,  sind  die  Raupen  ausge- 
wachsen; sie  verbleiben  noch  eine  Zeitlang  in  den  Nestern,  um  sich  dann  zum 
Boden  abzuspinnen.  Nach  Dolles  fand  das  Abspinnen  am  häufigsten  von 
Ende  Oktober  bis  Ende  November  statt,  aber  auch  im  Dezember  bei  sehr 
starker  Kälte  und  dem  Vorhandensein  einer  Schneedecke,  in  einem  Fall  auch 
noch  am  lo.  Januar  an  einem  sonnenklaren  Wintertag  bei  grimmiger  Kälte, 
wurden  abspinnende  Räupchen  wahrgenommen  i).  Nach  Baers  Angaben, 
die  im  wesentlichen  hiermit  übereinstimmen,  wurde  das  Abspinnen  sogar 
noch  im  Februar  und  März  bemerkt.  Nach  Keller  (1885)  findet  in  der 
Schweiz  die  Überwinte- 
rung der  Wicklerraupe 
stets  im  Nadelwerk  der 
Fichte  statt.  ,.Zu  An- 
fang April  erkennt  man 
überall  zwischen  den  zu- 
sammengesponnenen Na- 
deln frische  Exkremente 
und  zahlreiche  Räupchen, 
welche  um  die  Mitte 
April  ^'on  den  Bäumen 
herabsteigen." 

Die  im  Herbst  und 
Winter  in  den  Boden 
gelangten  Raupen  über- 
wintern als  solche  unter 
oder  auch  in  der  Boden- 
decke. Die  Verpup- 
pung findet  hier  im 
April  (mitunter  auch  erst 
im  Mai)  statt,  und  zwar 
ohne  jegliches  Gespinst. 
Die  Puppenruhe  dauert 
5 — 6  Wochen,  so  daß  also 
eine  einjährige  Genera- 
tion vorliegt. 

Epidemiologie, forst- 
liche Bedeutung,  Be- 
kämpfung. 
Aus   den  vielen   Be- 
richten, die  über  tedella-         ^bb.  soi.    Junge  Fichte,  zum  größten  Teil  von  EMhL 
Gradationen  m  der  forst-  tedella  Cl.  kahlgefressen. 


In  den  stärker  befressenen  Kulturen  und  angehenden  Dickungen  zeigten  sich  nämlich 
plötzlich  zahlreiche  Stämmchen  mit  dichten  Gespinstschleiern,  die  in  den  Wipfeln 
gardinenartig  von  Quirl  zu  Quirl  herabhingen,  mehr  oder  weniger  vollständig  be- 
deckt." Der  Schleierbildung  war  naßkaltes  Wetter  vorhergegangen,  so  daß  man  in 
den  Schleiern  Schutz  gegen  die  Witterungsunbilden  erblicken  zu  können  glaubte. 

1)  Nach  Ilse  (1926)  wurden  im  Winter  1925  im  Südharz  bei  2  Grad  Kälte  und 
Schneetreiben  (nach  vorhergegangenem  sehr  kaltem  November)  zahlreiche  Raupen 
beobachtet,  die  teils  auf  den  Schnee  herabgeschleudert  waren,  teils  sich  an  Fäden 
von  den  Kronen  herabspannen,   ohne   daß  ihnen  der   Frost   etwas   schadete. 


350  II-  Spezieller  Teil. 

liehen  Literatur  vorliegen,  unter  denen  ich  den  von  Baer  (1903)  als  be- 
sonders wertvoll  hervorheben  möchte,  geht  hervor,  daß  die  „wärmeren  Süd- 
und  Südwesthänge,  überhaupt  die  geschützteren  Hänge,  namentlich  Talzüge, 
Mulden  und  windstille  Einsenkungen"  zur  Eiablage  besonders  bevorzugt 
werden,  ebenso  Bestände,  die  auf  ärmeren  Böden  stocken,  ferner  rauch- 
beschädigte und  ebenso  die  unter  Druck  aufgewachsenen  kümmerlichen 
Fichten.  Dabei  scheinen  gebirgige  Gegenden  bevorzugt  zu  werden, 
wenn  auch  die  Grenzen  seiner  vertikalen  Verbreitung,  wie  oben  angegeben, 
sehr  weit  auseinanderliegen.  Bezüglich  des  Alters  stimmen  die  meisten  An- 
gaben darin  überein,  daß  Bestände  im  Alter  von  10 — 30  Jahren,  also 
Dickungen  und  Stangenhölzer  am  anfälligsten  sind.  Doch  wird 
kein  Alter  ganz  verschont,  werden  doch  einerseits  selbst  3  jährige  Pflanzen 
befressen  (Anonymus,  1892),  andererseits  auch  Altholz  heimgesucht  und 
auch  Fichtenhecken  befallen.  An  jungen  Pflanzen  werden  die  Gipfeltriebe 
bevorzugt,  an  älterem  Stangenholz  die  unteren  und  äußeren  Zweige.  Bei  dem 
großen  sächsischen  Fraß  (1897 — 99)  hatten  „lichte  Bestände  stets  am  meisten 
zu  leiden,  je  besser  die  Bestände  geschlossen  waren,  um  so  weniger  wurden 
sie  angegriffen.  Sehr  gut  geschlossene  Orte  wurden  zuweilen  inmitten  ver- 
heerenden Fraßes  vollständig  verschont."  Ähnliches  berichtete  D  olles  (1893) 
und  Sproßmann  (1926).  Jedenfalls  werden  die  Ränder,  soweit  sie  dem 
Luftzug  nicht  sehr  ausgesetzt  sind,  gewöhnlich  zuerst  am  meisten  befallen. 
Von  Berg  (1834)  berichtet  im  Gegensatz  hierzu,  daß  gerade  die  nicht 
durchforsteten  Orte  deutlich  mehr  zu  leiden  hatten  als  die  durchforsteten. 
„Ganz  dasselbe  beobachtete  der  aufmerksame  Förtsch,  der  die  Raupen 
am  häufigsten  in  den  geschlossensten  Beständen  auf  gutem  Boden,  wo  es 
etwas  feucht  und  dumpfig  war,  antraf"  (Ratzeburg).  Wo  Fichte  mit 
Tanne  gemischt  stehen,  wird  gewöhnlich  die  erstere  bevorzugt,  wenn  auch  in 
einzelnen  Fällen  die  Tanne  ebenso  stark  oder  sogar  noch  stärker  befallen 
wurde  als  die  Fichte  (Henry)  i).  Bei  starker  Massenvermehrung  fallen  die 
meisten  der  hier  angeführten  Unterschiede  fort,  und  der  Fraß  erstreckt  sich 
dann  mehr  oder  weniger  gleich  über  alle  Revierteile. 

Die  Dauer  einer  leäella-GrsLda.tion  ist  regelmäßig  nur  kurz,  im 
dritten,  mitunter  schon  im  zweiten,  spätestens  aber  im  vierten  Jahr  bricht  sie 
von  selbst  zusammen. 

Der  erste  in  der  Forstliteratur  genannte  große  Fraß,  der  sich  über  alle 
Fichtenreviere  des  Harzes  erstreckte,  dauerte  zwei  Jahre,  1795 — 1796  (v.  Uslar, 
1798).  Eine  weitere  starke  Gradation  trat  wiederum  im  Harz  (Andreasberg)  im 
Jahre  1831  auf  (an  „jungen  rauchgeschädigten  Fichtenkulturen"),  1832  zeigten  sich 
die  Raupen  noch  ebenso  tätig,  desgleichen  1833.  „Mit  dem  Jahre  1834  aber  war  das 
Insekt  ohne  weiteres  menschliches  Zutun  fast  spurlos  verschwunden"  (Beling,  1865). 
Auch  die  später  folgende  Massenvermehrung  (Clausthal  und  Lautenthal  in  50 — 60- 
jährigen  Beständen)  war  nur  von  kurzer  Dauer:  1845 — 4^-  Ebenso  erstreckte  sich 
die  Gradation  im  Braunschweigischen  nur  über  2  Jahre  (Beling,  1865).  Der  von 
Dolles  (1893)  beschriebene  Fraß  in  Wondreb  (Oberpfalz,  Bayern)  dauerte  von 
i8go — 92.  Bei  der  großen  sächsischen  Gradation,  die  sich  über  95  Forstreviere  aus- 
breitete, trat  der  Fraß  nirgends  2  Jahre  hintereinander  in  gleicher  Stärke  auf 
(Baer). 

Über  die  äußeren  Faktoren,  die  die  Gradation  begünstigen,  wissen 
wir  noch  sehr   wenig.    Es   wird  sich   empfehlen,   bei   künftigen   Gradationen 


1)   Bezüglich  des  Vorkommens  auf  Tanne  siehe  oben  S.  346  Anm. 


I.  Unterordnung:   Älicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  351 

auf  die  klimatischen  Verhältnisse  in  den  Sommer-  und  Herbstmonaten  (Flug- 
zeit und  Zeit  der  Raupenentwicklung)  zu  achten.  Jentsch  (1899)  meint, 
daß  langdauernder  Herbst  und  danach  ein  milder  Winter  günstig  auf  die 
Entwicklung  des  Insekts  wirken,  wie  umgekehrt,  nasser  Herbst,  zeitiger 
Kälteeintritt  und  strenger  Winter  ihm  verderblich  werden.  Nach  dem,  was 
wir  oben  über  das  Abspinnen  der  Raupen  bei  grimmiger  Kälte  gehört  haben, 
scheinen  aber  die  Raupen  sehr  widerstandsfähig  gegen  Kälte  zu  sein. 

Über  die  Art  der  Ausbreitung  finden  sich  verschiedentliche  An- 
gaben, wonach  der  Fraß  an  den  Rändern  oder  in  geschützten  Lagen  be- 
gonnen und  von  da  sich  ins  Innere  ausgebreitet  hatte.  Eine  sehr  interessante 
Schilderung  über  die  allmähliche  Ausdehnung  der  großen  sächsischen  Kala- 
mität gibt  Baer;  danach  ist  die  Gradation  im  Osten  und  Norden  von 
Sachsen  zuerst  bemerkt  worden,  von  da  ist  sie  nach  dem  Süden  und  Westen 
„gewandert". 

„Seinen  Anfang  hat  der  Fraß  offenbar  in  den  tieferen  Lagen  des  Ostens  und 
Nordens  von  Sachsen  genommen  und  sich  von  da  erst  über  den  höher  gelegenen 
Süden  und  Westen  des  Landes  verbreitet.  Denn  auf  den  im  Osten  gelegenen  Re- 
vieren Rohrsdorf  und  Fischbach  war  der  Höhepunkt  des  Fraßes  1897,  als  er  sich 
anderwärts  fühlbar  machte,  bereits  vorüber.  Für  den  Bezirk  Grimma,  den  Tharandter 
Wald,  Hohenstein  und  Königstein  in  der  Sächsischen  Schweiz  war  1897  das  Haupt- 
fraßjahr und  1898  bereits  ein  merklicher  Rückgang  zu  verspüren,  Hohenstein  und 
Königstein  erlebten  zwar  1898  noch  einen  starken  Falterflug,  aber  keinen  erheb- 
lichen Fraß  mehr.  Sämtliche  übrigen  Reviere,  also  die  meisten  der  Sächsischen 
Schweiz,  diejenigen  des  Erzgebirges,  des  Zellwaldes,  des  Forstbezirks  Zschopau  und 
die  im  Westen  gelegenen,  Pansa,  Langenbernsdorf  und  Neudeck,  wurden  jedoch 
überhaupt  erst   1898  ernstlicher  bedroht." 

Wodurch  die  rasche  Krisis  der  Gradation  eingeleitet  wird,  dar- 
über wissen  wir  noch  sehr  wenig.  Es  ist  hier  die  Mitteilung  von  D  o  1 1  e  s 
anzuführen,  daß  durch  wolkenbruchartige  Gewitterregen  während  der 
Hauptflugzeit  „die  Wirkung  des  Insekts  stark  dezimiert  wurde".  ,,Doch 
scheinen  an  der  Dezimierung  noch  andere  auf  die  Raupen  wirkende  Einflüsse 
beteiligt  gewesen  zu  sein,  da  sich  bereits  Ende  August,  also  lange  bevor  das 
Abspinnen  begonnen  hatte,  sich  viele  leere  Raupennester  fanden.  Es  müssen 
daher  eine  Anzahl  Räupchen  bereits  in  ihren  Fraßstätten  zugrunde  gegangen 
sein." 

Bei  der  sächsischen  Kalamität  wurde  eine  unter  den  Räupchen  ver- 
heerend wirkende  Mykose  beobachtet.  Im  November  wurden  sowohl  an 
der  Unterseite  der  Zweige  sowie  am  und  im  Boden  zahlreiche  weiße  Klümp- 
chen  gefunden,  die,  aus  der  Ferne  und  oberflächlich  betrachtet,  das  Aussehen 
von  Vogelkot  hatten,  bei  näherem  Zusehen  sich  aber  als  schwammige  Gebilde 
erwiesen,  die  sämtlich  ein  winziges  schwarzes  Fleckchen,  die  fest  chitinisierte 
Kopfkapsel  einer  kleinen  Raupe,  zeigten.  Stellenweise  waren  die  Klümpchen 
so  häufig,  daß  der  Waldboden  wie  mit  Kalk  bespritzt  aussah.  Es  handelte 
sich  um  verpilzte  /edel/a -Räupchen,  die  der  Infektion  von  Entotnophthora 
radicans  Er.  zum  Opfer  gefallen  waren.  Die  Mykose  wurde  in  fast  allen 
befallenen  Revieren  Sachsens  festgestellt. 

Die  Hoffnungen  aber,  daß  dadurch  die  Kalamität  mit  einem  Schlage 
beendet  würde,  haben  sich  nicht  erfüllt.  Ja,  es  trat  im  folgenden  Jahre 
stellenweise  eher  noch  ein  stärkeres  Schwärmen  ein  als  zuvor,  so  daß  man 
sich  auf  eine  ungeschwächte  Wiederholung  des  Fraßes  gefaßt  machen 
mußte.   Diese  Befürchtungen  traten  aber  nicht  ein,  auf  das  starke  Schwärmen 


352  II.  Spezieller  Teil. 

folgte  nur  ein  ganz  unbedeutender  und  in  keinem  Verhältnis  zu  diesem 
stehender  Fraß.  Der  Zusammenbruch  muß  also  hier  durch  andere  Faktoren 
herbeigeführt  worden  sein,  man  kann  an  starke  Reduktion  der  Eiproduktion 
denken,  oder  an  eine  starke  Mortalität  der  Eier  oder  Jungraupen.  —  Über  die 
Rolle  der  tierischen  Feinde  (Parasiten  usw.)  bei  der  Beendigung  von  tedella- 
Gradationen  liegen  noch  keine  Beobachtungen  vori). 

Bei  der  Beurteilung  der  forstlichen  Bedeutung  ist  vor  allem 
zu  berücksichtigen,  daß  der  Fraß  sehr  spät  im  Jahre  stattfindet,  wenn  die 
Kambialtätigkeit  des  Baumes  bereits  ihrem  Ende  naht  und  daß  ferner  die 
Knospen  verschont  bleiben  2).  Nehmen  wir  zu  diesem  günstigen  Moment  noch 
die  kurze  Dauer  der  Gradationen  und  endlich  den  Umstand,  daß  einmal 
kahlgefressene  Bäume  nur  ungern  zum  zweitenmal  angenommen  werden 
(Baer,  1903,  Sartorius,  1926),  so  verstehen  wir,  daß  trotz  des  trostlosen 
Aussehens,  das  die  kahlgefressenen  Bäume  und  Bestände  im  Herbst  zeigen 
können,  ein  Absterben  ganzer  Bestände  bis  jetzt  noch  nirgends  beobachtet 
worden  ist.  Mögen  auch  einzelne  unterdrückte  Stämmchen  bei  wiederholtem 
Fraß  zugrunde  gehen  (s.  Abb.  301),  so  fällt  dies  wirtschaftlich  im  allge- 
meinen kaum  ins  Gewicht. 

Wirtschaftlich  fühlbar  und  berechenbar  wird  bei  tedella-Yx2&  stets  nur 
der  Zuwachsverlust  sein.  Baer  teilt  einige  vergleichsweise  Messungen 
des  Höhenzuwachses  in  12 — 16  jährigen  Kulturen  mit.  Danach  fand  im  Fraß- 
jahr, wie  nicht  anders  zu  erwarten  war,  nirgends  eine  auffallende  Verminde- 
rung desselben  gegenüber  dem  Vorjahr  statt,  wohl  aber  in  dem  Nachjahr  an 
ziemlich  kahlgefressenen  Orten  eine  solche  bis  zu  540/0  vom  Zuwachs  des 
Vorjahres.  Nach  v.  Uslar  „trieben  die  Fichten  nach  dem  großen  Fraß  im 
Harz  (1796)  sehr  spät  und  langsam,  die  Vegetation  war  ungeachtet  eines  sehr 
fruchtbaren  Sommers  gering,  die  Jahresschüsse  kurz,  und  der  Wald  erhielt 
nicht  das  fröhliche,  üppige  Aussehen  des  blühenden  Wachstums,  eine  Folge 
der  vorangegangenen  Entnadelung". 

Bedenklicher  wird  die  Lage,  wenn  in  Begleitung  von  tedella,  was  nicht 
selten  vorkommt,  andere  Schädlinge  auftreten,  wie  vor  allem  pactolana  und 
glabratella  oder  certella   (Beling,   1864,  Baer,   1903). 

Nach  Baer  sind  beim  sächsischen  Fraß  ernste  Beschädigungen  nur  da  vor- 
gekommen, wo  ,,alle  3  Genossen  zusammen  gewirkt  haben".  Namentlich,  wo  sich  ab- 
gestorbene Wipfel  in  den  Kulturen  und  Dickungen  zeigten,  ergab  die  nähere  Be- 
sichtigung stets,  daß  hier  pactolana  die  saftleitenden  Rindenschichten  vollständig 
zerstört  hatte.  Auch  der  Prozentsatz,  der  durch  glabratella  und  certella  vernichteten 
Knospen  war  in  den  am  schlimmsten  aussehenden  Orten  ein  so  hoher,  daß  ihre  Mit- 
wirkung nicht  niedrig  veranschlagt  werden  durfte.  Es  standen  daher  einige  Aus- 
besserungen in  Kulturen  allenthalben  in  den  Folgejahren  zu  erwarten,  namentlich 
auf  der  1,15  ha  großen  kahlgefressenen  Fläche  des  Sosaer  Revieres  und  auf  dem 
Lengefelder  Reviere,  wo  man  1899  mehrere  Hunderte  eingegangener  Stämmchen 
zählte.   Am  ärgsten  war  die  Verwüstung  im  Georgswalde  zu  Thum,  wo  sich  die  Ober- 


1 )  Die  Zahl  der  Schlupfwespen  ist  verhältnismäßig  gering.  T  a  c  h  i  n  e  n 
sind  überhaupt  keine  aus  tedella  bekannt.  —  Nach  Sproßmann  (1926) 
scheint  das  Schwarzwild  sich  an  der  Vernichtung  der  im  Boden  befindlichen 
Raupen  und  Puppen  wesentlich  zu  beteiligen;  bei  der  letzten  tedella-VexTaiiSxxwn^ 
im  Harz  (1924 — 1926)  haben  die  Sauen  in  den  Hauptfraßbeständen,  zumal  am  Rand, 
stark  gebrochen. 

")  Sproßmann  (1926)  berichtet  allerdings,  daß  die  Endknospe  des  be- 
fressenen  Zweiges  häufig  abtrocknet".  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  hierbei  um 
gleichzeitigen   Fraß  von  Arg.  certella  ZU.   oder  glabratella  TAX.   (siehe  oben  S.  166}. 


Escitcrich,  Forsiinscktoi.  III.  Bd. 


Tafel  I  V 


^^^ 

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13  ▼    /^  16 

7<^ 


Tortriciden  <WickIer>  III 


r.  Kenncl  del. 


1  Tmctocera  laricana  ZU.  Q.  2  Epiblema  nisrricana  H.  S.  ^.  3  E.  teiraquetrana  IIic.  Q.  4  E.  penk- 
leriana  i^.  i?.  5.  5  E.  tedella  C7.  C^'.  6  E.  proximana  i/  S.  ^.  7  Laspeyresia  (Caipocapsa)  splendana 
Hb.  0.  8  L.  ijrossana  ///>.  i.  9  L.  amplana  Hö.  Q.  10  l^.  zeheana.  jRtsb.  ^.  11  L.  pactolana  Z//.  C^. 
12  L.  duplicana  /^//.  ^.  1:5  L.  coniferana  i?/äö.  Q.  U  L.  cosmophorana  T;-.  Q.  l^i  L-  corollana  ^/).  (^. 
16  L.  strobileila  Z.  ^'.     17  Pammene  fitnbriana  Hu\  c^.    Vergr.  2' jmal. 


I.  Unterordnung;   .Alicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  353 

forstmeisterei  zu  Ende  des  Jahres  1899  dazu  entschließen  mußte,  den  baldigen  Ab- 
trieb der  zusammen  2  ha  haltenden,  kahlgefressenen  15  jährigen  Kulturen  vorzu- 
schlagen.   Sonst   aber    kam   es   nirgends   bis    zu   einem   derartigen   Vorgehen." 

Die  Diagnose  des  tedella-Yxz&Q.%  ist  nicht  schwer:  Die  „Nester",  die 
aus  10 — 16  mit  einem  Loche  versehenen  ausgehöhlten,  zuerst  weißen,  dann 
braunen  Nadeln  bestehen  und  auch  Kot  enthalten,  sind  ein  untrügliches 
Kennzeichen.  Bei  starkem  Fraß  verdichten  sich  diese  Nester  zu  einem  auf- 
fallenden, weithin  sichtbaren  Bild,  indem  dann  im  Spätherbst  , .ganze  Wald- 
mäntel wie  verbrannt  aussehen"   (Baer). 

Differentialdiagnostisch  kommt  vor  allem  der  Fraß  von  Astlienia  pyg- 
maeafia  Hb.  in  Betracht  und  sodann  auch  Semasia  nanana  Tr.  Über  die 
Unterscheidungsmerkmale  ist  oben  bei  A.  pvgmaeana  Hb.  Näheres  angeführt 
(S.  337). 

Eine  Bekämpfung  läßt  sich  schwer  durchführen  und  würde  sich 
nach  dem  Ablauf  der  Gradation  und  den  verhältnismäßig  geringen 
Folgen  des  Fraßes  wirtschaftlich  kaum  rechtfertigen  lassen.  Die  Versuche 
einer  künstlichen  Verbreitung  der  Entomophthoramykose,  die  auf  Veranlas- 
sung Nitsches  in  Sachsen  ausgeführt  wurden,  zeigten  gar  keinen  Erfolg 
(Baer).  Ebenso  erfolglos  waren  die  anderen  Mittel,  die  da  und  dort  an- 
gewandt wurden,  wie  Ausschneiden  und  Verbrennen  der  befallenen  Zweige, 
Durchträtiken  des  Bodens  mit  Kalkmilch,  Abfangen  der  Falter  in  Lichtfallen 
usw.  Vielleicht  ließe  sich  am  ehesten  mit  Arsenverstäubung  mittels  Hand- 
und  Motorverstäuber  ein  Erfolg  erzielen.  Doch  Avürde  sich  nur  in  besonders 
dringlichen  Fällen  diese  Methode  empfehlen. 

Epiblema  proximana  H.  S. 

Taf.  IV,   Fig.  6. 

Falter  von  der  vorigen  Art  (tedella)  ,,kaum  zu  unterscheiden"  (Spuler), 
von  manchen  Autoren  als  Var.  von  tedella  betrachtet.  Vorderflügel  ockergelb,  im 
Mittel-  und  Saumfeld  mehr  oder  weniger  schwarz  bepudert.  Wurzelfeld  gegen  den 
Rand  hin  schwarz  quergewellt,  darauf  folgt  eine  schmale  weiße,  fein  schwarz  geteilte 
Querbinde,  die  dann  kommende  Querbinde  ist  breit,  fein  schwarz  gemischt,  dann 
folgt  wieder  eine  schmale,  zusammenhängende  weiße  Querbinde,  hierauf  zwei  weiße, 
feine,  dunkel  geteilte  Costalhäkchen  vor  dem  Apex.  Die  Fransen  haben  eine  starke, 
schwarze  Teilungslinie,  sind  hinter  dieser  fein  hell,  im  übrigen  dunkelgrau.  Hinter- 
flügel graubräunlich,  nach  außen  etwas  dunkler,  Fransen  blasser  bräunlichgrau  mit 
dunklerer  Teilungslinie.    Spannweite    12 — 13   mm. 

Raupe  einfarbig  blaßgrün  (im  Gegensatz  zu  tedella),  Kopf  hellbraun,  Nacken- 
schild klein,  bräunlich. 

Der  in  Mitteleuropa  (und  auch  in  Griechenland)  vorkommende 
Wickler  scheint  ein  ausschließliches  Tanneninsekt 
zu  sein.  Nach  Wood  lebt  die  Raupe  wie  tedella  in 
den  Nadeln  der  Tanne  1),  und  da  auch  die  Ent- 
wicklung der  proxitnana  zeitlich  annähernd  mit  der 
von  tedella  übereinstimmt  (Flugzeit  von  proximana 
Ende  Mai  bis  Juli,  Raupenfraß  August  bis  Ende  Ok- 
tober), so  sind  V'erwechslungen  der  beiden  nahe- 
liegend. Ob  allerdings  die  anfänglich  von  Nitsche  ^^b  .^^  Epiblema 
vertretene  Meinung,  daß  die  Angaben  über  das  Vor-         proximana  H.  S.  2X. 


1)   Bei   Kennel  heißt   es:  zwischen  den  Nadeln,   und  bei   Spul  er:   an  den 
Nadeln. 

Escherich,  Forstinsekten.  Bd.  III.  23 


354  II-  Spezieller  Teil. 

kommen  der  tedella  an  Tanne  samt  und  sonders  auf  proximana  zu  beziehen 
sind,  mag  dahingestellt  bleiben.  Die  Frage  verdient  weiter  studiert  zu 
werden,  wobei  vor  allem  auf  die  Unterschiede  der  Raupenzeichnung  zu 
achten  ist  (s.  oben  S.  346). 

Gattung  Laspeyresia  (Hb.)  Kenn. 

GraphoUtha  Tr.  (p.p.),  Carpocapsa  Tr.  (p.). 
Kennel  charakterisiert  die  Gattung  folgendermaßen:  Vorderflügel  ohne  be- 
sondere Auszeichnung,  Geäder  normal.  Auf  den  Hinterflügeln  entspringen  die 
Adern  rr  und  Wj  dicht  beisammen  aus  der  vorderen  Ecke  der  Mittelzelle  und  di- 
vergieren erst  später,  Wg  und  cu^  entspringen  aus  einem  Punkt,  oder  mit  gemein- 
samem Stiel  aus  der  hinteren  Ecke  der  Mittelzelle,  m^  entfernt  davon  aus  der 
Querader,  verläuft  gerade  und  ist  an  ihrem  Ursprung  gegen  den  Ursprung  von  m^ 
und  cui  gebogen  (Abb.  303). 

Bei  vielen  Arten  ist  beim  Männchen  der  Dorsalrand  der  Hinterflügel  verdickt 
und  samt  seinen  Fransen  etwas  aufwärts  gebogen,  Ader  an  verdickt  und  verbreitert, 
sogar  rinnenförmig  ausgehöhlt  und  mit  eigenartigen  Schuppen  besetzt,  der  Raum 
zwischen  ihr  und  dem  Dorsalrand  mehr  oder  weniger  muldenförmig  vertieft  und 
mit  kleinen  glatten  Schüppchen  tapeziert.  Diese  Eigentümlichkeit  kommt  indessen 
in  den  verschiedensten  Abstufungen  vor,  so  daß  sie  nicht  als  Gattungsmerkmal 
benutzt  werden  kann.  Auch  die  Gattung  Carpocapsa  kann  daher  nicht  abgetrennt 
bleiben.  Die  Palpen  liegen  dem  Gesicht  gekrümmt  an.  Das  Abdomen  des  Männ- 
chens hat  am  Ende  keinen  Haarbusch.  Hinsichtlich  der  Flügelzeichnung  kann  im 
allgemeinen  gesagt  werden,  daß  fast  überall  ein  wohlausgeprägter  ,, Spiegel"  vor- 
handen ist,   meist   von  metallisch   glänzenden   Linien   umsäumt. 

Die  Raupen  leben  zum  großen  Teil  in 
Früchten  und  Samenkapseln,  manche  auch  in 
Zweigen,  unter  der  Rinde  in  Anschwellungen,  nur 
wenige  zwischen  versponnenen  Blättern.  Meist 
überwintern  die  Raupen  eingesponnen  in  einem 
Versteck  und  verpuppen  sich  darin  erst  im  Früh- 
jahr. 

Die  Gattung  Laspeyresia  in  der  von  Kennel 

^  g  erweiterten   Fassung  enthält  eine  große  Zahl  von 

Abb.    303.    A    Seitenansicht     Arten,    von    denen    einige    als    erhebliche     Forst- 

des   Leibes   (o),   B    Flügel-     Schädlinge    in    Betracht    kommen,    auch    landwirt- 

geäder     einer    Laspeyresia-     schaftlich   spielen  mehrere   Arten   eine   recht   ver- 

Art.     Nach   kennel.  ...         .        ,,        ,-.    n  •  1      ■  ±         1 

hangnisvolle    Rolle,    wie    zvoebenana,    funebrana, 

pof/iöjiella  usw.,   letztere  gehört  sogar  zu  den  schlimmsten  Obstschädlingen. 
Wir  behandeln  hier  folgende  Arten: 
Lasp.  (Carpocapsa)  pomonella  L.   (in  Äpfeln), 
var.  putaminana  Stand,  (in  Walnüssen). 

—  —  splendana  Hb.   (nee.  Rtzb. !)    (in  Eicheln  und  Walnüssen). 

—  —  var.  reaumureana  Hein,    (in  Edelkastanien). 

—  —  grossana  Hw.   (in  Buchein  und  Haselnüssen). 

—  —  amplana   Hb.    (in   Eicheln,    Nüssen,    Buchein,    Edelkastanien). 
Laspeyresia  zebeana  Rtzb.   (in  Lärchenrinde). 

—  pactolana  ZU.   (in  Fichtenrinde). 

—  grunertiana  Rtzb.  (in  Lärchenrinde). 

—  strobilella  L.  (in  Fichtenzapfen). 

—  corollana  Hb.   (an  Aspe,  in  den  Gallen  von  Saperda  popuhiea  L.). 

—  cosmophorana   Tr.    (an   Kiefer,   in   verlassenen   resinella-GctW^xv   und    an   son- 

stigen harzigen  Rindenstellen,   auch  in  Zapfen). 


I.  Unterordnung:   IMicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  355 

—  var.  putcuiiiiiaiia  Stand,   (in  Walnüssen). 

—  dupUcana  TAX.  (in   Fichtenrinde). 

—  coniferana  Rtzb.   {\\\\   Tannenkrebs   und  in   Harzflüssen  der  Weimutskiefer). 

Laspeyresia  (Carpocapsa)  pomonella  L.  i) 

A  p  f  e  1  w  i  c  k  1  e  r ,    O  b  s  t  m  a  d  e. 
Ratzeburg:   Tori  rix  (Carpocapsa)  pomonana  L. 

Falter:  Groß,  mit  14 — 18  mm  Spannweite.  Vorderflügel  aschgrau,  mit 
dunklen,  schwärzlichen  oder  schwarzbraunen  Querwellen  im  Wurzel  und  Mittelfeld. 
Spiegel  rötlich  dunkelbraun,  wurzelwärts  tiefschwarz  begrenzt.  Hinterflügel  dunkel- 
braun,   Fransen  gelblich   graubraun,   mit   schwarzer   Teilungslinie. 

Bei  der  var.  putaminana  Stgr.  sind  die  Vorderflügel  bleicher  grau,  gegen  die 
Wurzel  hin  allmählich  dunkler,  die  Wellenlinien  blasser  und  verwaschener.  Hiuter- 
flügel  heller  braun,   Fraiisen  weißlich  mit  brauner  Teilungslinie. 

Raupe  weißlich  mit  rötlichem  Anflug,  mit  verschiedenen  deutlichen  Punkten, 
Kopf  heller  oder  dunkler  braun,  Nackenschild  ebenso,  manchmal  auch  von 
Körperfarbe. 

Ei  länglich  oval  0,96 — i  X  1,17 — 1.32  mm,  zuerst  weißlich,  später  gelblich. 

Puppe  gelblichbraun  bis  braun,  an  den  Hinterleibsringen  mit  Dornen  be- 
setzt, mit  deren  Hilfe  sie  sich  aus  dem  Kokon  herausschiebt.  Am  Hinterleibsende 
ein  Kreis  von  hakenförmig  gekrümmten  Borsten.    Länge  9 — 10  mm. 

L.  pomonella  ist  über  ganz  Europa  verbreitet,  ferner  über  Nordafrika  und 
Nordamerika,  die  var.  putaminana  kommt 
mehr  in  Südeuropa  vor  und  Kleinasien. 

Überall,  wo  Äpfel  (und  Birnen)  ge- 
zogen werden,  ist  po?nonella  als  einer  der 
schlimmsten  Schädlinge  unter  dem  Namen 
„Apfelwickler",  „Obstmade"  bekannt  und 
gefürchtet.  Die  „Wurmstichigkeit"  der 
Äpfel  und  das  vorzeitige  Abfallen  der- 
selben ist  zum  weitaus  größten  Teil  auf 
den  Fraß  der  pomonella -Ks^mpe  zurückzu- 
führen. Der  Schaden,  den  die  obstbau-  ^bb.  304.  Laspeyresia  (Carpocap- 
treibenden  Länder  dadurch  erleiden,  geht  sa)  pomonella  L.  (Apfelwickler, 
in     die     Hunderte     von     Millionen     Mark  Obstmade).  21  2X. 

im  Jahr. 

Die  Lebensweise  des  Apfelwicklers  ist  in  Deutschland  hauptsächlich  von 
H.  Lehmann  (1922)  studiert  worden 2);  ein  sehr  brauchbares  Flugblatt  ist 
von  Speyer  (1925)  herausgegeben. 

Flugzeit  Ende  Mai  bis  Juli.  Die  Falter  schlafen  am  Tage  mit  dach- 
förmig zusammengelegten  Flügeln,  dem  Stamm  oder  Ast  dicht  angeschmiegt, 
wo  sie  dank  ihrer  dunklen  Färbung  kaum  zu  entdecken  sind.  Beim  Eintreten 
der  Dämmerung  umschwärmen  die  Falter  die  Apfel-  und  Birnbäume,  die 
Weibchen  legen  ihre  kleinen,  abgeflachten  Eier  an  die  jungen  Früchte,  auf 
Blätter  und  Zweige.    Nach  8 — 14  Tagen  schlüpfen  die  jungen  Räupchen,  die 


1)  Wenn  hier  poi/ionc/la  besprochen  wird,  so  geschieht  dies  deshalb,  weil  sie 
die  beste  erforschte  Art  der  Untergattung  Carpocapsa  ist  und  die  übrigen  Carpo- 
capsa-Avien  sich  bionomisch  mehr  oder  weniger  übereinstimmend  zu  verhalten 
scheinen. 

~)  In  dieser  Schrift  finden  sich  auch  sehr  umfangreiche  Literaturangaben. 
Einen  ganz  ungeheuren  Umfang  hat  die  pomo//e//a-Lher^\.ur  in  Nordamerika  ange- 
nommen (Coldling  moth). 

23* 


356  II.  Spezieller  Teil. 

alsbald  in  die  Fri.ichte  einzudringen  suchen.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle 
wählen  sie  den  Fruchtkelch  als  Eingangspforte,  wo  sie  sich  von  den  bereits 
vertrockneten  Staubgefäßen  ernähren.  Dann  erst  bohren  sie  sich  weiter  ein 
und  streben  dem  Kernhaus  zu.  Mit  zunehmender  Größe  muß  die  Raupe  den 
angesammelten  Kot  aus  einem  eigens  zu  diesem  Zweck  genagten  Bohrloch 
entfernen,  wodurch  der  Schaden  offenbar  wird,  wenn  die  Früchte  nicht 
schon  vorher  zu  Boden  gefallen  sind. 

Die  erwachsenen  Raupen  verlassen  die  Frucht,  indem  sie  sich  entweder 
an  einem  Faden  zur  Erde  herunterlassen  oder  längs  eines  Zweiges  dem 
Stamm  zustreben.  Aus  den  abgefallenen  Früchten  wandern  die  Raupen  sehr 
bald  aus,  um  je  nach  der  Reife  entweder  den  Baum  wieder  zu  ersteigen  und 
eine  neue  Frucht  anzubohren  oder  einen  geeigneten  Platz  zur  Winterruhe  auf- 
zusuchen, wie  rauhe  Borke,  enge  Ritzen  zwischen  Brettern,  Baumpfählen  oder 
dergl.  Hier  spinnt  die  Raupe  einen  pergamentartigen,  mit  abgenagten  Teilen 
verfilzten  Kokon,  in  dem  sie  den  Winter  zubringt.  Im  Mai  des  nächsten 
Jahres  (frühestens  im  April)  findet  die  Verpuppung  statt.  Die  Bioformel 
ist  also  57  —  7,4 

5  +  57    _ 

In  wärmeren  Gegenden  können  allerdings  zwei  Generationen  auftreten, 
in  Amerika  kommen  sogar  drei  und  mehr  Generationen  im  Jahr  vor. 

Die  Zahl  der  natürlichen  Feinde  ist  eine  sehr  große  (Vögel,  Para- 
siten usw.),  trotzdem  genügen  sie  nicht,  die  Vermehrung  auf  ein  wirtschaft- 
lich erträgliches  Maß  niederzudrücken,  so  daß  eine  energische  Bekämpfung 
Jahr  für  Jahr  durchzuführen  ist,  wenn  nicht  ein  großer  Teil  des  Ertrages 
verloren  gehen  soll. 

Die  wirksamste  Bekämpfung  besteht  in  dem  rechtzeitigen  Be- 
spritzen mit  Arsenbrühen,  d.  h.  unmittelbar  nach  Abfallen  der  Blüten- 
blätter, damit  die  Raupe  noch  vor  ihrem  Eindringen  in  die  Frucht  vergiftet 
wird.  Daneben  leisten  (neben  sauberer  Stammpflege)  auch  Madenfallen  (aus 
Wellpappe  und  wasserdichtem  Deckpapier  gefertigte  Fanggürtel)  gute 
Dienste.  Auch  regelmäßiges  Aufsammeln  des  Fallobstes  kann  die  Be- 
kämpfungsaktion etwas  unterstützen,  wenn  auch  gewöhnlich  die  Mehrzahl 
der  am  Boden  liegenden    Früchte  keine  „Maden"  mehr  enthalten. 

Die  var.  putainhiaiia  Stgr.  entwickelt  sich  in  Walnüssen  bei  sonst 
gleicher  Bionomie. 

Laspeyresia  (Carpocapsa)  splendana  Hb.  (nee.  Ratzb.), 

Taf.  IV,  Fig.  7. 
Eichel  Wickler. 

Falter:  Vorderflügel  hell  aschgrau  bis  bräunlichgrau,  bräunlich  gewässert, 
Wurzel feld  etwas  dunkler,  eckig  vortretend,  Spiegel  gelb  mit  schwarzen  Strichen, 
Wurzel  wärts   tief  schwarz   begrenzt.     Hinterflügel   braungrau.    Spannweite    18 — 20   mm. 

Die  var.  reaiimurana  Hein,  ist  in  ausgesprochener  Form  fast  einfarbig  dunkel- 
braun.   Der  Spiegel  bleibt  im  Innern  ockergelbbraun.    Hinterflügel  ebenfalls  dunkler. 

Die  Raupe  ist  weißlich  mit  ebensolchen  Wärzchen,  Kopf  blaßbraun,  Nacken- 
und   Anal  Schild  von  Körperfarbe. 

Die  geographische  Verbreitung  erstreckt  sich  über  den  größten  Teil  von 
Europa.    Im  Süden  mehr  die  var.  reaumurana   Hein. 

Die  Raupe  lebt  in  den   Früchten  von  Quercus  und  Castanea  vesca. 

Die  Flugzeit  fällt  in  den  Juni.  Über  die  Stelle,  an  der  das  Ei  ab- 
gelegt wird,  kennen  wir  nur  die  Beobachtung  von  Reaumur,  wonach  die 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  357 

Narbe,  welche  den  ersten  Angriff  des  Räupchens  auf  die  Eichel  bezeichnet, 
nicht  nur  an  dieser,  sondern  sowohl  äußerlich  wie  innerlich  an  der  Cupula 
zu  sehen  ist.  Der  Fraß  der  Raupe  zerstört  ganz  oder  teilweise  das  Innere 
des  Samens,  das  alsdann  mit  Kotkrümeln  angefüllt  ist.  Die  angegriffenen 
Früchte  fallen  meist  vorzeitig  ab  und  die 
Raupe  bohrt  sich  dann  aus  den  am  Boden 
liegenden  Früchten  heraus.  Seltener  verlassen 
sie  die  Früchte,  solange  diese  noch  am 
Baum  sitzen.  Die  Überwinterung  geschieht 
in  einem  weißen  Kokon,  in  dem  die  Raupe 
bis  zum  Frühjahr  liegt.  Der  Kokon  befindet 
sich  entweder  in  Rindenritzen  oder  im 
Boden.    Die  Verpuppung  geschieht  erst  im 

Frühjahr,   einige  Wochen  vor  der   Flugzeit.  ^i,,,     .q.      Laspeyresia    (Car/^o- 

Die    Entwicklung    vollzieht    sich    also    ganz         cafisa)   spl'.'iidana   Hb.     (Eichel- 
ähnlich wie  bei  pomonella.  Wickler).  2X. 

Die  var.  reaumurana  Hein,  macht  ihre 
Entwicklung  in  Eßkastanien  durch  und  verursacht  in  südlichen  Ländern, 
wie  in  Italien,  mitunter  empfindlichen  Schaden  (Cecconi). 

Forstlich  nur  selten  von  Bedeutung.  Nach  AI  tum  (1876)  fand  1875 
ein  größerer  Fraß  von  splendaua  in  der  Oberförsterei  Grünheide  (Posen) 
statt:  95C^'o  der  Eicheln  wurden  von  dieser  Raupe  (allerdings  im  Verein  mit 
Balamniis)  zerstört.    Auch  Walnüsse  werden  von  splendaua  befallen i). 

Laspeyresia  (Carpocapsa)  grossana  Hw. 

Taf.  IV,  Fig.  8. 
B  u  c  h  e  1  n  w  i  c  k  1  e  r. 
Syn. :  annulala   Htg.,   splendaua  Rtzb.,   /ai;ii;laitdaiia  ZU. 
Falter    dem    vorigen    ähnlich,    Vorderflügel    bläulich    aschgrau,    dunkler    ge- 
wässert mit  scharfer  Ausprägung  der  hellen  Linien.    Spiegel  braungrau,  schwarz  ge- 
strichelt,  wurzelwärts  von  einem  braunen,   dreieckigen    Fleck  begrenzt.    Hinterflügel 
dunkel  graubraun.    Spannweite  bis  20  mm   (Abb.  306). 

Raupe  weißlich,  auf  jedem  Segment  karminrot  gesattelt,  mit  roten  Wärzchen. 
Kopf  hellbraun,   Nackenschild  von  Körperfarbe. 


üac-r  „-,t^^ 


Abb.  306.    Lasp'yrrsid  {(' ar  pocapsa  )  Abb.  307.    Laspeyresia  {Carpocapsa) 

qrossana  Hw.    1^  BuchL'hvirkler  ■.  amplaiia    Hb.    (  Haselnußwickler  1. 
2V4X.  2V,iX. 

1)   Dufrenoy    (1923)    beobachtete,    daß  die   von  splelldana-^?^\x•^QVi.   Ijefallcncn 

Walnüsse  stets  mit  einem  Pilz  infiziert  waren,  dessen  Sporen  im  Darm  der  Raupen 
festgestellt  werden  konnten. 


358  n.  Spezieller  Teil. 

Die   Bionomie  entspricht  im  allgemeinen   ganz   der  vorigen   Art.    Doch 

-e  Raupe  vornehmlich  in  Buch  ein,  zuweilen  auch  in  Haselnüssen. 
Nur  selten  forstlich  schädlich.    A 1 1  u  ni  berichtet   einen    Fall   aus   dem 
ahre  1875,  in  dem  „Tausende  von  ausgefressenen  Buchein  zu  finden  waren". 

Laspeyresia  (Carpocapsa)  amplana  Hb. 

Taf.  IV,  Fig.  9. 
Haselnußwickler. 

Falter:  Von  der  \origen  Art  durch  die  hellere  Färbung  verschieden.  Vorder- 
flügel hell  zimtfarben,  mit  grauen  Querwellen  und  mit  großem,  lichtem,  auf  beiden 
Seiten   braun   beschattetem    Innenrandfleck.     Spannweite    18    mm    (Abb.  307). 

Raupe  heller  oder  dunkler  ziegelrot,  Kopf  hellbraun,  Nackenschild  von 
Körperfarbe. 

Die  Raupe  scheint  ziemlich  polyphag  zu  sein.  S  p  u  1  e  r  gibt  als  Fraß- 
objekt an:  die  Früchte  von  Quercus,  Corylus,  Juglans,  Fagus,  Castanea.  Die 
Raupe  frißt  von  August  bis  Oktober,  der  Falter  fliegt  im  Juni  und  Juli. 
Die  Generation  soll  zuweilen  zweijährig  sein   (Kennel)i). 

Laspeyresia  zebeana  Rtzb. 

Taf.  IV,   Fig.  IG. 

Lärchenrindenwickler,    Lärchengallenwickler. 

Ratzeburg:  Tori  rix  (Coccyx)  zebeana  Rtzb.  —  Altum:   Grapholitha  zebeana  Rtzb.  — 

Nitsche:  Tort  rix  (Grapholitha,  Semasia)  zebeana  Rtzb.  —  Nüßlin-Rhumbler :  Grapho- 

litlia    zebeana    Rtzb.    —    Wolff-Krauße:    Laspeyresia    zebeana    Rtzb. 

Falter:  Vorderflügel  breit  und  verhältnismäßig  kurz,  nach  außen  wenig  ver- 
breitert, Costa  leicht  gebogen.  Saum  steil,  geschwungen,  dunkel  olivgrün  bis  dunkel 
schwärzlichgrau,  mit  einein  tiefschwarzen  Fleck  vor  dem  großen  schwarz  ge- 
strichelten, von  einer  veilblauen  Metall-Linie  eingefaßten  Spiegel.  Hinterflügel  breit, 
trapezoid,  dunkelbraun,  Fransen  gelblich  mit  dunkelbrauner  Teilungslinie.  Spann- 
weite  16  mm. 

Raupe  einfarbig  hellgrau  oder  schmutzig  gelbgrün.  Kopf  dunkelbraun  oder 
schwarz,   Nacken-  und  Analschild  bräunlich.    Länge   bis    16  mm. 

Puppe  glänzend  schwarzbraun  mit  abgestumpftem  Hinterende.    Länge  8  mm. 

Der  Lärchenrindenwickler  wurde  von  Ratzeburg  beschrieben  und 
nach  dem  Oberförster  Zebe  benannt,  von  dem  er  die  ersten  Exemplare  aus 
Jägerndorf  (im  ehemaligen  Österreichisch-Schlesien)  zugesandt  erhielt.  In 
der  Folgezeit  wurde  zebeana  an  vielen  Plätzen  in  Deutschland,  der  Tschecho- 
slowakei, Österreich  und  der  Schweiz  (bis  zu  einer  Meereshöhe  von  1800  m) 
festgestellt.  Als  Fraßpflanze  kommt  ausschließlich  die  Lärche  in  Be- 
tracht. 

Die  Entwicklung  ist  zweijährig  und  verläuft  nach  der  Bioformel 

5-6,  A,3 

4+5 

Der  Falter  belegt  im  Mai  bis  Anfang  Juni  die  Stämmchen  und  Äste  der 
jüngeren  und  die  Zweige  der  älteren  Lärchen  mit  vereinzelten  Eiern,  am 
liebsten  die  Astwinkel  der  zweijährigen  Triebe,  da,  wo  von  ihnen  ein  ein- 
jähriger Trieb  abgeht.    Der  Fraß  der  auskommenden  und  in  die  Rinde  sich 


^)  Außer  den  hier  genannten  Carpocapsen  kommen  auch  noch  verschiedene 
Pammene-Pi.r\.en  in  Laubholzsamen  vor,  unter  anderen  P.  jiiliana  Curt.,  die  bei 
Spul  er  unter  Carpocapsa  angeführt  ist  (s.  unten,  S.  ■^77). 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


359 


3 


Abb.  308.    Laspeyresia  zebeana 
Rtzb.    (Lärchenrindenwickler). 

2V4X. 


Man  kann 


einbohrenden  Räupchen  verursacht  Harzaus- 
fluß und  Anschwellung  des  Holzkörpers,  also 
eine  Galle,  die  entweder  als  eine  einfache  Ver- 
dickung des  Haupttriebes  erscheint  oder,  wenn 
sie  in  einem  Astwinkel  steht,  auch  teilweise  die 
Basis  des  Seitentriebes  umfaßt.  In  ihr  frißt 
die  Raupe  unter  der  Rinde  einen  Hohlraum 
aus,  der  seitlich  gangartig  verlängert  wird  und 
oft  in  den  Splint  eingreift,  die  angegriffene 
Stelle  mehr  oder  weniger  umfassend.  Das 
Innere  der  Raupenwohnung  ist  mit  Spinn- 
fäden ausgekleidet.  Durch  eine  untere  Öffnung  wird  ein  Teil  des  Kotes  aus- 
gestoßen. Auf  der  Galle  sammelt  sich  Harz  an,  das  auch  oft  in  großen, 
weißen  Tropfen  weit  am  Stamme  herabläuft.  Bis  zum  Winter  wird  die  Galle 
erbsengroß,  und  in  ihr  ruht  die  Raupe  nach  Verspinnung  der  Öffnung,  die 
sie  aber  bei  mildem  Wetter  wieder  öffnet,  um  Kot  auszustoßen  (Torge). 
Im  nächsten  Jahr  setzt  die  Raupe  im  März  oder  April  ihren  Fraß  fort,  wobei 
die  Galle  bis  zur  Größe  einer  Kirsche  heranwächst  (Abb.  309) 
den  älteren,  bräunlichen  Harz- 
ausfluß von  dem  neuen,  wei- 
ßen, oft  in  großen  Tropfen 
herabhängenden  unterschei- 
den. Das  Harz  bleibt  lange 
ziemlich  weich.  Vor  der  Ver- 
puppung wird  die  Kotöff- 
nung wieder  versponnen. 
Nach  vierwöchiger  Ruhe 
schiebt  sich  die  Puppe  etwas 
vor  und  entläßt  den  Falter. 
Die  Generation  ist  also  zwei- 
jährig. 

Ursprünglich  kannte  man 
diese  Gallen  nur  an  jungen 
Lärchen,  allmählich  lernte 
man  sie  aber  auch  an  älteren 
kennen.  Z  e  b  e  fand  sie  an 
4 — IG  jährigen,  Henschel  an 
4 — 16jährigen,  Hochhäusler 
(Ratzeburg,  W.  I.  69)  an 
18jährigen,  Altum(i886)  an 
4 — 35  jährigen  und  B  o  r  g  - 
mann   (1882)  an  40jährigen. 

An  den  jüngeren  Bäumen 
finden  sich  die  Gallen  über- 
all, am  Stamm  sowohl  wie  an 
den  Zweigen,  häufig  mehrere 
hintereinander  an  demselben 
Stamm  oder  Ast.  Henschel 
zählte  an  einem  Bäumchen 
43   Gallen.    An  etwas  älteren 


Abb.     309.      Lärchenzweige     mit 

(Gallen),    verursacht   durch   den 

zebeana  Rtzb. 


Anschwellungen 
Fraß    von   Lasp. 


360  n.  Spezieller  Teil. 

Bäumen  von  7 — 8  m  Höhe  fand  sie  Torge  hauptsächlich  an  den  oberen 
Ästen  bis  in  die  Spitze  hinauf,  und  B  o  r  g  m  a  n  n  hebt  hervor,  daß 
das  Vorkommen  der  Gallen  an  den  höheren,  nicht  direkt  erreichbaren  Ästen 
älterer  Lärchen  weit  häufiger  ist,  als  man  nach  den  durchschnittlichen  An- 
gaben der  Lehrbücher  bisher  annehmen  konnte.  Nitsche  fand  dies  gleich- 
falls, als  er,  um  zu  sehen,  wie  hoch  die  Lärchengallmücke  an  den  Stämmen 
geht,  von  einigen  Lärchen  im  Tharandter  Forstgarten  in  verschiedener  Höhe 
Zweige  entnehmen  ließ.  Bei  einer  im  Februar  1893  wiederholten  Entnahme 
solcher  Zweige  fanden  sich  Wicklergallen  in  10  m  Höhe  an  einer  etwa  40  jäh- 
rigen Lärche. 

Je  nach  der  Ausdehnung,  den  die  Zerstörung  der  saftleitenden  Schichten 
durch  den  Wicklerfraß  erfährt,  ist  der  Einfluß  der  Galle  auf  den  Zweig 
oder  das  Stämmchen  ein  verschiedener.  Ist  sie  gering,  so  entsteht  nur  eine 
Deformierung  durch  die  Galle,  deren  Harz  späterhin  vertrocknet  oder  ab- 
bröckelt, und  welche  häufig  Risse  bekommt.  Ist  die  Zerstörung  stärker, 
so  geht  entweder  der  Seitentrieb  oder  auch  der  Haupttrieb  ein,  und  es  ent- 
stehen Verzweigungsfehler,  die  bei  jungen  Lärchen,  an  denen  viele  Gallen, 
namentlich  an  dem  Stämmchen  selbst  vorhanden  sind,  dazu  führen  können, 
daß  die  Pflanze  Strauchform  annimmt.  An  älteren  Lärchen  ist,  wie  Borg- 
mann durch  Zählung  der  Gallen  und  Messung  der  abgestorbenen  Astteile 
an  zwei  35-  und  40  jährigen  Lärchen  nachweist,  ein  großer  Teil  der  ver- 
trockneten Äste  durch  die  Wicklerraupe  getötet  worden.  Er  ist  geneigt  an- 
zunehmen, daß  bei  starkem  Auftreten  der  Wickler  allein  imstande  sei,  selbst 
40  jährige   Lärchen  zum  Absterben  zu  bringen. 

Zu  dieser  direkten  Schädigung  kommt  noch  eine  indirekte,  indem  die 
Verwundungen,  die  der  Lärche  durch  den  Fraß  zugefügt  werden,  den 
Sporen  des  den  Lärchenkrebs  verursachenden  Pilzes,  Peziza  Willkommii 
(=  Dasyscypha  calycina  Fuck.)  „Tür  und  Tor"  öffnen,  wie  Borgmann  und 
Hartig  festgestellt  haben.  So  wird  die  Ausbreitung  des  Lärchenkrebses 
durch  zebeana  wesentlich  gefördert. 

Wir  haben  also  allen  Grund,  den  Lärchenrindenwickler  als  ein  sehr 
schädliches  Forstinsekt  anzusprechen.  Als  milderndes  Moment  kommt 
in  Betracht,  daß  zebeana  nicht  überall,  wo  die  Lärche  wächst,  Schaden  stiftet, 
sondern  daß  ihr  schädliches  Auftreten  mehr  sporadisch  ist.  Welche  Faktoren 
es  sind,  die  die  2e^e«;z«-Vermehrung  begünstigen  und  fördern,  darüber 
wissen  wir  noch  gar  nichts,  wie  überhaupt  die  ganze  Epidemiologie  (auch 
die  natürlichen   Feinde)  zum  großen  Teil  noch  in  Dunkel  gehüllt  ist. 

Bezüglich  der  Bekämpfung  kann  nach  dem  heutigen  Stand  unserer 
Kenntnisse,  nur  die  direkte  Vernichtung  des  Schädlings  in  Be- 
tracht kommen,  sei  es  durch  Abschneiden  und  Verbrennen  der  Gallen  oder 
Bestreichen  derselben  mit  Raupenleim  zur  Verhinderung  des  Schlüpfens. 
Beide  Maßnahmen  müssen  vor  dem  Abschluß  der  Entwicklung,  also  späte- 
stens im  März  oder  April  des  dritten  Jahres  ausgeführt  werden.  Natürlich 
kann  diese  Methode  nur  da,  wo  die  Gallen  in  erreichbarer  Höhe  sitzen,  zur 
Anwendung  kommen.  An  höheren  Stämmen  rät  Borgmann  durch  Auf- 
astung  des  Stammes  wenigstens  die  an  den  unteren  Zweigen  sitzenden  Gallen, 
die  oft  die  Hauptmasse  ausmachen,  zu  vernichten.  Die  Schnittflächen  sind 
gegen  das  Eindringen  von  Z'^s/s«- Sporen  durch  Teeren  zu  schützen. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


3G1 


Laspeyresia  pactolana  ZU. 

Taf.  IV,  Fig.  II. 
Fichtenrinden  Wickler. 
Ratzeburg:    Toririx    (GraphoUtha)    dorsana    Hb.    —    Altum:    Grapholitha    pactolana 
Kuhlm.  —  Nitsche:  Toririx  (Grapholitha,  Semasia)  pactolatta  ZW..  —  Nüßlin-Rhumblcr : 
Grapholitha  pactolana  ZU.  —  Wolff-Krauße:  Laspeyresia  pactolana  ZU. 
Falter:    Vorderflügel    kurz    und    breit,    nach    außen    etwas    verbreitert,    Costa 
gebogen,    Saum   steil;   olivbraun   bis   hellrötlichbraun   mit   einem   Stich   ins   Olivgrün- 
liche mit  einer  glänzend  weißlichen,  in  scharfer  Ecke  saumwärts  vortretenden  dop- 
pelten Querlinie  in  der  Mitte,   Spiegel   wenig  auffallend,  oben  und  unten  offen,   so 
lareit    wie    hoch,    saumwärts    von    einer    feinen    Bleilinie    eingefaßt,    dicht    an    dieser 
3—4  schwarze  Punkte,  in  der  2.  Hälfte  der  Costa  5   schwarze  Häkchen  mit  einfachen 


Abb.    310.   Laspeyresia  pactolana   ZU. 
(Fichtenrindenwickler ).   3  X. 


A  B 

Abb.  311.    A  Raupe  ( Vorderteil 

und    Analsegment),    B    Puppe 

von  Lasp.  pactolana  ZU.  Nach 

R  a  t  z  e  b  u  r  g. 


hellgelblichen  oder  weißlichen  Zwischenräumen,  Fransen  graubraun,  Teilungslinie 
fein  schwarz.  Hinterflügel  heller  braun  bis  schwarzbraun,  Fransen  gelblichweiß  bis 
grauweiß  mit  dunkler  Teilungslinie.    Spannweite    14 — 15   mm   (Abb.  310). 

Raupe:  Weißlich  oder  blaßrötlich,  Kopf,  Nackenschild  und  Analklappe  hell- 
braun, auf  der  Mitte  des  letzten  Segmentes  eine  Reihe  paariger  Wärzchen  (Abb. 
311  A).    Länge  bis  11  mm. 

Puppe:  Schmutzigbraun,  der  stumpf  abgerundete  Aftergriffel  mit  einigen 
kurzen   Borstenhärchen   (Abb.  311  B).     Länge   6   mm. 

Die  von  den  Engländern  als  cognata  Barr,  als  selbständige  Art  aufgeführte 
Form,  die  nur  in  England  stellenweise  vorkommt  und  die  von  M  e  y  r  i  c  k  mit 
LMSp.  conijerana  Rtzb.  verglichen  wird,  hält  Kennel  nur  für  eine  dunkle  Rasse 
von  pactolana  ZU. 

Die  geographische  Verbreitung  erstreckt  sich  über  ganz  Mittel- 
europa, Südschweden,  Lappland,  sowohl  in  der  Ebene  als  im  Mittelgebirge. 
Die  Hauptfraßpflanze  ist  die  Fichte,  auch  Blaufichte  (Müller- 
Thurgau  und  eigene  Beobachtung). 

Die  Bionomie  ist  besonders  durch  Ratzeburg,  Altum,  Nitsche, 
Judeich  und  Baer^)  aufgeklärt  worden.  Die  Entwicklung  verläuft  nach 
der  Bioformel  56  —  6,4 

5+56 

1)  Letzterer  hat  das  Verdienst,  eine  reinliche  Scheidung  der  bis  dahin  biono- 
misch  mit  pactolana  zusammengeworfenen  Arten  dnplicana,  coniferana  und  cosmo- 
phorana  durchgeführt  zu  haben. 


362 


II.  Spezieller  Teil 


Die  Flugzeit  fällt  in  die  Zeit  von  Ende  Mai  bis  Mitte  oder  Ende 
Juni.  Zur  Eiablage  werden  junge  Fichten  im  Alter  von  lo — 20  Jahren  be- 
vorzugt, doch  werden  auch  jüngere  Kulturen,  bis  zu  5  jährigen  (J  u  d  e  i  c  h 
1869)  und  bei  stärkerer  Vermehrung  auch  Stangenhölzer  angegangen.  Die 
Ablage  erfolgt  an  die  Stämme,  und  zwar  meist  zwischen  die  Quirl  und 
Zwischenquirlzweige  oder  unter,  selten  über  dieselben  i).  Bei  jüngeren 
Pflanzen  werden  meist  nur  die  2 — 3  letzten  Quirle  und  die  Wipfel  verschont, 
bei  älteren  auch  die  untersten  Quirle  ungefähr  bis  zum  6. 

„Die  Rinde,"  meint  AI  tum,  „muß  zum  Wohlbefinden  der  Raupe  wohl 
gerade  diese  mittlere  Konsistenz  und  Dicke  haben."    „Da  der  Falter  nicht  in 

größerer  Höhe  schwärmt,  so  sind  ältere 
Fichten  seinem  Angriff  entwachsen,  der 
untere  Stammteil  ist  bereits  zu  borkig,  der 
passende  zu  hoch"   (AI tum,   F.  194). 

Die  auskommenden  Räupchen  boh- 
ren sich  unter  die  Rinde  ein  und  fressen 
hier  kurze,  2 — 4  cm  lange,  unregelmäßige 
Gänge,  die  sie  mit  feinem  Gespinste  aus- 
kleiden. Mitunter  gehen  die  Gänge  von 
einer  größeren  Höhlung  aus,  steigen  aber 
auch  nach  oben  oder  unten  oder  ver- 
laufen mehr  horizontal  (Abb  312).  In  das 
Holz  dringen  sie  kaum.  Ganz  frischer 
Fraß  verrät  sich  zunächst  durch  die 
hellen  Harztränen,  die,  oft  weit  am 
Stamme  herablaufend,  weiße  Streifen 
bilden.  Später  treten  auch  die  äußerst 
charakteristischen  Kothäufchen  auf,  die 
wie  kleine  Klümpchen  Schnupftabak  aus- 
sehen. Der  Fraß  wird  fortgesetzt,  so- 
lange keine  sehr  kalte  Witterung  eintritt 
und  auch  im  Winter  bei  milder  Witte- 
rung wieder  aufgenommen.  Im  Frühjahr 
beginnt  er  jedenfalls  mit  voller  Stärke 
aufs  neue.  In  dem  Fraßgang,  in  der 
Kotauswurföffnung,  erfolgt  dann  vom 
Mai  ab  die  Verpuppung.  Die  befallene 
Stelle  zeigt  eine  deutliche  Anschwellung 
(Abb.  313). 

Vor  dem  Ausschlüpfen  des  Falters 
schiebt  sich  die  Puppe  aus  der  Rinde 
hervor,  und  zwar  meist  durch  das  Kothäufchen  hindurch  oder  hart  an  dessen 
Seite,  selten  aus  dem  ausgefressenen  Harz.  Die  Hülle  ist  dann  nur  noch  lose 
mit  den  letzten  Hinterleibsringen  am  Stamm  befestigt,  so  daß  sie  bei  leichter 
Berührung,  durch  Regen,  Wind  usw.  herabfällt. 

Epidemiologisch  scheint  das  eine  festzustehen,  daß  schlechtwüch- 
sige,   vor   allem   in    Frostlöchern   stehende   oder   unter   Wildverbiß    leidende 


Abb.  312.  Fraß  von  Laspeyresia  fac- 
tolana  Zll.  an  Fichte,  a  Kotklümp- 
chen,  b  ein  bloßgelegter  Gang, 
c  Harztränen,  d  die  aus  dem  Kot- 
klümpchen  vorragende  Puppenhülle. 
Nach  Ratzeburg  (aus  Nitsche). 


1)  Ausnahmsweise  auch  an  nah  dem  Stamm  stehenden  Chermes-Gallen  (Ratze 
bürg). 


Unterordnung:   Alicrolepidoptera,    Familie  Tortricidae. 


363 


Fichten  besonders  anfällig  gegen  pactolana  sind.  Im  Ebersberger  Park  bei 
Mi-inchen  gibt  es  auf  der  großen  „Nonnenfläche"  (vom  Nonnenfraß  1890 
bis  1892),  die  ein  klassisches  Frostgebiet  darstellt,  kaum  eine  Fichte,  die 
nicht  stark  von  pactolana  befallen  ist.  Auch  in  den  vielen  anderen  Frost- 
löchern, an  denen  die  oberbayerische  Hochebene  so  reich  ist,  fehlt  pactolana 
nie ;  ja  letztere  gehört  geradezu  zu  den  charakteristischen  Symptomen  von  Frost- 
gebieten. Wachtel  (bei  Ratzeburg  1852)  beobachtete,  daß  bei  Neuhaus  (in 
Böhmen)  auf  der  dortigen 
Hochebene  Flachgründig 
keit  des  Bodens  am  meisten 
disponiert  habe  und  Fichten- 
horste auf  großen  Blößen 
am  meisten  befallen  gewesen 
seien.  Als  Gelegenheitsur- 
sache erwähnt  der  gleiche 
Autoi  noch  starken  Hagel- 
schlag,  der  die  Pflanzen 
verletzte  und  reichen  Harz- 
ausfluß bewirkte.  Auch  Bü- 
schelpflanzungen sollen 
für  pactolana-V>^i2\\  dispo- 
nieren (Wachtel),  ebenso 
geschnittene  Hecken 
wie  überhaupt  buschiger 
W  u  c  h  s  ,  der  ja  auch  bei 
Spätfrösten  und  Wildverbiß 
eintritt.  Nach  Baer  (1917) 
„zeigt  pactolana,  abgesehen 
von  Zeiten  sehr  starker  Ver- 
mehrung, eine  Vorliebe  für 
unterdrücktes,  schwächliches 
oder  kränkelndes  Material"  ^ ). 
Andererseits  fehlt  es 
nicht  an  Berichten,  daß  auch 
die  gesündesten  und 
kräftigsten  Kulturen 
nicht  verschont  A\erden 
(Schier,  1S74,  Jude  ich, 
1869).  Auch  Nitsche  hat 
auf  dem  sächsischen  Revier 
Lößnitz  1890  „eine  im 
besten  Wachstum  befindliche,  auf  sehr  gutem  Boden  stockende,  fast  meter- 
hohe Gipfeltriebe  zeigende   Fichtenkultur  von  doppelter  Mannshöhe  so  stark 


Abb.  313.    Ein  von  Lasp.  pac/o/aiia  ZU.   stark  be- 

tallener    Fichtenquirl,    an   dem   dunklen    Kot    und 

der    Anschwellunsr    leicht    zu    erkennen. 


1)  Baer  schreibt  1.  c:  ,, Charakteristisch  für  die  ganze  Gruppe  (pactolana. 
conifejana,  duplicana  und  cosmophorana)  dürfte  sein,  daß  sie  wenigstens  ursprüng- 
lich von  dem  irgendwie  krankhaft  veränderten  Bastgewebe  der  Nadelhölzer  und 
dessen  Umgebung  lebt,  wie  solches  Wund-Korkbildungen  aller  Art,  die  Verkienungen 
infolge  Wucherungen  von  Pilzmyzelien  u.  clgl.  mehr  bieten.  Nur  die  ja  hinlänglich 
beobachtete  pactolana  hat  sich  zu  einem  Parasiten  weiter  entwickelt,  jedoch  verrät 
auch  sie  den  Weg,  den  sie  zurückgelegt  hat,  noch  durch  ihre  V^orliebe  für  unter- 
drücktes usw.  Material." 


364 


II.  Spezieller  Teil. 


mit  pactolaiia  besetzt  gefunden,  daß  fast  jeder  Quirl  mehrere  Harztränen 
zeigte."  Im  allgemeinen  scheinen  die  Ränder  der  Kulturen,  ferner 
besonders  einzelstehende  Horste  auf  großen  Blößen  sowie  in 
weiterem  Verband  ausgeführte  Pflanzungen  stärker  angegangen  zu  werden 
als  das  Innere  von  gut  schließenden  Kulturen  i). 

Über  die  klimatischen  Einflüsse  auf  die  Vermehrungsintensität 
der  pactolana  wissen  wir  leider  noch  sehr  wenig. 

Landmann  (1905)  bringt  das  Massenauftreten  in  Böhmen  mit  der 
großen  Dürre  im  Sommer  1904  in  Zusammenhang,  was  Sedlaczek 
(1906)  dahin  modifiziert,  daß  nicht  die  Dürre  an  und  für  sich,  sondern  der 
gesamte  Witterungscharakter  von  1903  und  1904  zur  starken  Vermehrung 
beigetragen  habe.    Denn  man  konnte  schon  im  Winter    1903/04  überall  die 


/ 


A  B 

Abb.   314.    A   Längsschnitt,   B    Querschnitte   durch    Fichtcnstämmchen,   die   von   Lasp. 
pactolana  Zll.  befallen  waren. 


ij   Nach    Ebermayer    (1880)    „verschwindet    das    Insekt,    sobald    die    Pflan- 
zungen sich  schließen." 


1.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


365 


Kotklümpchen  finden,  und  im  Mai 
1904  flogen  die  Falter  in  den  Kul- 
turen wie  die  Mücken  in  Schwärmen 
herum. 

Die  forstliche  Bedeutung 
ist  durchaus  n  i  c  h  t  g  e  r  i  n  g  anzu- 
schlagen. 

Die  Folgen  des  Fraßes 
auf  das  Leben  der  einzelnen  Pflanze 
richten  sich  in  erster  Linie  nach  der 
Stärke  des  Befalls  und  sodann  nach 
dem  Zustand  der  Pflanze.  Handelt  es 
sich  nur  um  vereinzelten  Befall  an 
gesunden  Pflanzen,  so  wird  der  Fraß 
leicht  überwunden.  Wo  der  Befall 
aber  sehr  stark  und  hartnäckig  ist 
und  zudem  die  Pflanze  durch  andere 
vorhergegangene  Einflüsse  oder 
schlechten  Standort  geschwächt  ist, 
so  wird  die  Prognose  wesentlich  un- 
günstiger. Wie  stark  der  Befall  an 
der  einzelnen  Pflanze  werden  kann, 
zeigt  eine  von  Wachtel  herrührende 
Beschreibung  eines  13  jährigen,,  un- 
gefähr 4  m  hohen  Stämmchens,  an 
dem  sich  von  unten  bis  zum  elften 
Jahrestrieb  neben  50  alten  55  neue 
Gänge  vorfanden,  von  denen  13  auch 
wieder  verlassen  waren.  R  a  t  z  e  b  u  r  g 
(W.  I  264)  konnte  an  5  Quirlen  wenig- 
stens 40  braune  Kothäufchen  unter- 
scheiden. Wenn  an  einem  Quirl  meh- 
rere Raupen,  sechs  und  mehr,  fressen  und  die  Gänge  das  ganze  Stämmchen 
,, umklammern",  d.  h.  das  saftleitende  Gewebe  im  ganzen  Umkreis  des 
Stämmchens  ringeln,  so  stirbt  der  oberhalb  dieser  Gänge  liegende  Teil  des- 
selben ab  (Abb.  316).  Ratzeburg  bildet  in  seinen  Waldverderbern,  Taf.  30, 
Fig.  S  und  9,  zwei  derartige  Fälle  ab^). 


Abb.  315.  Stück  einer  Fichtenpflanze, 
die  unter  Wildverbiß  und  dem  Fraß  von 
Lasp.  pactolafta  TAX.  stark  zu  leiden  hatte. 


1)  Anfang  dieses  Jahrhunderts  fand  ein  langer  Streit  über  die  Ursachen  der  in 
Oberbayern  häufig  aufgetretenen  ,,G  i  p  f  e  1  d  ü  r  r  e  der  Fichten"  statt.  Es  waren 
um  diese  Zeit  zahlreiche  Fichten,  besonders  in  Ahholzbeständen,  ferner  vereinzelte 
Fichten,  oft  alte,  kurze,  bis  zum  Boden  beastete  Bäume,  aber  auch  höhere  Stangen 
in  Jungholzforsten  zu  beobachten,  deren  Gipfel  völlig  dürr  waren,  mitunter  weit 
herab,  so  daß  -j^  des  Baumes  abgestorben  war.  v.  Tubeuf  (1903)  erklärte  diese 
Erscheinung  als  eine  Blitzbeschädigung,  als  eine  Folge  von  „elektrischen  Aus- 
gleichungen". Von  anderer  Seite,  ^•or  allem  von  Möller  (1903  und  1904),  wurde 
dieser  Anschauung  widersprochen  und  die  Gipfeldürre  auf  paciolana-Yrai)  zurück- 
geführt. Wer  die  paclolana-Jiionomie  kennt  und  die  von  v.  Tubeuf  gegebenen 
Bilder  sieht,  wird  letztere  Anschauung  von  vornherein  ablehnen.  Abgesehen  davon 
erstreckte  sich,  wie  v.  Tubeuf  mitteilte,  die  Gipfeldürre  auch  auf  andere  Nadel- 
hölzer, wie  die  Kiefer  und  Lärche,  und  endlich  wurden  viele  gipfeldürre  Fichten 
ohne  jede  Spur  von  pacLolana-Yx2&  festgestellt   (Schoepf,   1904,  u.  a.i. 


366  n.  Spezieller  Teil. 

In  solchen  Fällen  ist  die  ganze  Rinde  der  Befallsstellen  so  verharzt, 
daß  ,,oft  das  schärfste  Messer  nur  mühsam  durchdringen  kann." 

Sehr  schlimm  wird  die  Prognose  quoad  vitam,  wenn  sich  zu  pactolaiia 
noch  sekundäre  Schädlinge  hinzugesellen,  was  häufig  der  Fall  ist,  da  der 
pactola7ia-Yx2&  die  Pflanze  für  letztere  zugänglich  macht.  In  solchen  Fällen 
ist  die  Fichte  wohl  sicher  verloren.  Als  sekundäre  Schädlinge  kommen  vor 
allem  die  kleinen  Fichtenborkenkäfer  (chalcographus  usw.)  in  Betracht,  und 
sodann  die  Blaurüßler  Magdalis  violacea  L.  (Jude ich,  1876,  S.  ']^),  dupli- 
cala  Grm.  und  phlegmatica  Hbst.  Die  letzteren  beiden  fand  Czech  (1879) 
„in  Böhmen  als  stete  Begleiter  von  pactolai/a,  sie  verursachen  das  völlige 
Absterben  vieler  von  diesem  befallenen  Fichten,  die  sich  ohne  ihre  Da- 
zwischenkunft  wieder  erholt  hätten"   (s.  Bd.  II,   S.  414  und  415). 

Außer  diesen  sekundären  Insekten  stellt  sich,  wie  Hart  ig  nachwies, 
auch  ein  Pilz  als  Folgeerscheinung"  (ähnlich  wie  bei  zebeafia-Yxdi^  an 
Lärche)  ein,  nämlich  Nectria  ciiciirbitula  Fr.  Die  Sporen  und  Conidien  dieses 
den  Fichtenrindenkrebs  erzeugenden  Pilzes  können  nämlich  nur  an  Wund- 
stellen ihre  Keimschläuche  in  das  Innere  der  Pflanze  senden,  und  daher  sind 
es,  außer  Hagelschlagwunden,  gerade  die  Gänge  der  Fichtenrindenwickler, 
von  denen  die  Pilzinfektion  ausgeht.  R.  Hart  ig  fand  dies  1879  häufig  im 
südlichen  Bayern. 

Aber  auch  in  den  leichteren  Fällen,  in  denen  der  Befall  nicht  so  stark 
ist,  keine  Nachkrankheiten  sich  einstellen  und  also  die  Pflanze  den  Angriff 
übersteht,  macht  der  pactolana-Yx^&  sich  meist  recht  unangenehm  bemerk- 
bar: Die  Wuchsfreudigkeit  und  die  Wuchsform  werden  stark  beeinträchtigt 
(Verwallungs-  und  Verzweigungsfehler,  gestauchter  Wuchs)  und  der  Zuwachs 
stark  herabgemindert,  und  also  die  Aufforstungsarbeit  in  jeder  Beziehung 
wesentlich  erschwert,  vor  allem  wenn  pactolana  in  Verbindung  mit  Frost  und 
Wildverbiß  auftritt  (Abb.  315)  oder  die  Pflanzen  auf  geringen  Böden  stehen. 
In  solchen  Fällen  kränkeln  die  befallenen  Pflanzen  lange,  ehe  sich  die  Fraß- 
stellen durch  Überwallung  ausheilen.  „Immer  bleiben  dann  aber  häßliche, 
rauhe,  von  Rissen  durchsetzte  Knoten  am  Stamm  übrig."  Die  Bilder  im 
Ebersberger  Park  usw.  stellen  ein  beredtes  Zeugnis  dafür  dar. 

Welche  Ausdehnung  der  pactolana -Yx^A  und  -Schaden  nehmen  kann, 
geht  aus  einer  bei  Ratzeburg  (1.  c.)  wiedergegebenen  Schilderung  Wach- 
tels  über  das  Auftreten  unseres  Insekts  bei  Neuhaus  (Böhmen)  hervor:  ,,Es 
ist  dort  in  den  ausgedehnten  Pflanzungen  das  schädlichste  Insekt  und,  wenn 
man  nicht  ununterbrochen  durch  aufmerksame  Untersuchung  und  durch  Aus- 
hauen der  angegangenen  Fichten  entgegenarbeitet,  so  würde  auf  ganze 
Strecken  kaum  mehr  etwas  dastehen."  Czech  berichtet  im  Jahr  1879  eben- 
falls aus  Böhmen,  daß  im  oberen  Egerland  im  nordwestlichen  Böhmen  der 
Rindenwickler  sich  seit  10  Jahren  so  ausgebreitet  habe,  daß  in  meilenweitem 
Umkreis  keine  Fichtenkulturen  zwischen  5  und  15  Jahren  bestehen,  in  der 
nicht  die  Mehrzahl  der  Stämmchen  mehr  oder  weniger  stark  befallen  war. 
Im  Badi-Gebiet  (Mittelböhmen)  wurden  1904  sämtliche  2-(?)  bis  5  jährigen 
Kulturen  ganz,  die  6 — 15  jährigen  Kulturen  zu  20 — 500/0  auf  einer  Gesamt- 
fläche von  ca.  190  Joch  vernichtet  (Landmann,  1905).  Auf  die  große  Aus- 
dehnung des  pactola>ia-Yx?ii^ts  in  den  Nonnenflächen  im  oberbayerischen 
Frostgebiet  wurde  oben  schon  hingewiesen. 

Über  die  natürlichen  Feinde  wissen  wir  nur  wenig,  wir  kennen 
zwar    eine    Reihe    von    Schlupfwespen,    die    aus    pactolana    gezogen    wurden, 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


367 


doch  über  die  Rolle  bzw.  Bedeutung,  die  den  einzelnen  Arten  bei  der  Ver- 
mebrungsregulierung  zukommt,  sind  wir  noch  wenig  unterrichtet  (siehe  auch 
Ratzeburg,  1852,  S.  137).  Nach  Sedlaczek  (1906)  waren  bei  der  böh- 
mischen Kalamität  1904  die  Puppen  zu  300/0  parasitiert  (von  Schlupfwespen). 
Als  weitere  Krisenanzeichen  nennt  Sedlaczek  die  ungleiche  Entwicklungs- 
dauer der  einzelnen  Individuen  und  als  Folge  davon  eine  verlängerte  Flugzeit. 

Die  Erkennung  des  pactola/ia-'Beia.lls  ist  leicht:  Die  kurzen  Höhen- 
triebe, die  Anschwellungen  und  Dunkelfärbung  der  Quirlgegend  mit  Harz- 
ausfluß und  den  braunen, 

schnupftabakähnlichen 
Kothäufchen,  eventuell  in 
Verbindung  mit  Dürrwer- 
den einzelner  Zweige  oder 
des  Wipfels,  lassen  eine 
Verwechslung  mit  einem 
anderen  Schädling  nicht  zu. 

Die  Bekämpfung 
bietet  große  Schwierig- 
keiten. 

Als  Vo  r  b  e  u  g  u  n  g  s  - 
maßregcl  ist  die  Er- 
ziehung der  Fichten  im 
engen  Verband,  eventuell 
unter  dem  Schutze  von 
Kiefern,  Birken,  Erlen 
und  anderen  Weichhölzern 
zu  em.pfehlen.  „Mit  dem 
Aushauen  der  befallenen 
Stämmchen  und  insbeson- 
dere der  Schutzpflanzen 
soll  höchst  vorsichtig  und 
dann  weitergegangen  wer- 
den, wenn  die  Pflanzung 
sich  bereits  so  ziemlich 
geschlossen  hat"  (E  b  e  r  - 
mayer  1880).  Einmal  ent- 
standene Löcher  in  den 
Kulturen  sollen  womög- 
lich mit  Kiefernballen- 
pflanzen,  die  dem  Schäd- 
ling keine  neue  Entwick- 
lungsstätte geben,  ausge- 
pflanzt werden  (Schier, 

Die  direkte  Bekämpfung  kann  da,  wo  es  sich  um  ausgedehnte 
Befallsgebiete  handelt,  nur  darin  bestehen,  die  schwer  erkrankten  Stämmchen, 
deren  Absterben  mit  Sicherheit  zu  erwarten  ist,  vor  allem  also  solche,  die 
auch  von  sekundären  Schädlingen  oder  der  Nectria  befallen  sind,  möglichst 
bald  zu  entfernen  und  zu  vernichten.  Wo  es  sich  um  kleinere  Verhältnisse 
oder  nur  einzelne  Pflanzen  (in  Gärten  usw.)  handelt,  kann  man  durch  An- 
teeren  oder  Leimen  der  besetzten   Quirlstellen   das  Vorschieben  der   Puppe 


Abb.   316.    Ein  durch  den   Fraß   von  Lasp.  pac/olatia 
ZU.    abgetöteter    Gipfel    (Planegg    bei    München). 

1874)- 


368  n.  Spezieller  Teil. 

und  das  Schlüpfen  der  Falter  verhindern  (AI  tum).  Auch  das  Auskratzen 
der  besetzten  Stellen,  das  Wachtel  empfohlen  hat,  dürfte  nur  im  kleinen 
durchzuführen  sein,  abgesehen  davon,  daß  bei  , .nicht  ganz  sorgfältiger  Aus- 
führung dieser  Operation  durch  neue  Verwundungen  mehr  geschadet  als  ge- 
nützt würde",  besonders,  da  nun  von  neuem  den  Pilzsporen  Eingangstore 
geöffnet  wej'den. 

Laspeyresia  grunertiana  Rtzb. 

Diese  Art  hat  eine  merkwürdige  Geschichte.  Thomann  (1914)  spricht 
daher  auch  von  einem  „beinahe  sagenhaften  Tierchen". 

Ratzeburg  hat  in  seiner  Waldverderbnis  (II.  414  u.  Taf.  V9)  unter 
dem  Namen  Tortrix  Grunertiana  einen  der  vorigen  Art  pactolana  sehr  nahe- 
stehenden Wickler  beschrieben,  den  er  einmal  aus  schlesischen  Lärchen- 
stangen gezogen  hat.  Da  in  der  Folge  während  Jahrzehnte  jede  Nachricht 
von  diesem  Tier  fehlte,  wurde  dessen  Existenz  ernsthaft  in  Zweifel  gezogen. 

Im  Staudinger-Rebel-  Katalog  wird  grunertiana  lediglich  als  Syno- 
nym von  pactolana  aufgeführt,  und  auch  N  i  t  s  c  h  e  setzt  Zweifel  in  die  Exi- 
stenz der  grunertiana  mit  den  Worten:  „Was  eigentlich  die  von  Ratzeburg 
auf  ein  einzelnes  Exemplar  hin  aufgestellte,  in  Lärchenstangen  wie  Tortrix 
pactolana  lebende  Tortrix  grunertiana  ist,  steht  dahin."  Er  vermutet,  daß 
es  eine  dunkle  Form  von  T .  coniferana  sei.  Ebensowenig  glaubte  von 
K  e  n  n  e  1  an  die  Artberechtigung  der  grunertiana,  führt  er  sie  doch  in  seiner 
Bearbeitung  der  Wickler  in  Spulers  Werk  überhaupt  gar  nicht  an,  und  in 
seinem  Hauptwerk  stellt  er  sie  als  Synonym  zu  pactolana. 

Andererseits  hat  sich  Rebel  schon  1907  dahin  ausgesprochen,  daß 
grunertiana  existiere  und  möglicherweise  eine  eigene  Art  sei. 

Im  Jahre  191 1  ist  sie  nun  auch  plötzlich  in  der  Literatur  wieder  auf- 
getaucht. Der  bekannte  Microlepidopterologe  Schütze  (191 1)  hat  sie  in 
größerer  Zahl  aus  jungen  Lärchenstämmen  in  Schlesien  gezogen,  glaubte 
aber,  daß  die  Unterschiede  kaum  genügten,  um  grunertiana  als  besondere 
Art  aufzufassen.  Baer,  der  191 7  über  diese  Funde  Schützes  berichtet, 
ist  der  Meinung,  daß  die  Lärchenexemplare  mit  pactolana  morphologisch 
identisch  seien,  wohl  aber  sei  grunertiana  als  „biologische  Varietät"  von 
pactolana  aufzufassen,  d.  h.  es  handle  sich  bei  ihr  offenbar  nicht  um  ein  nur 
gelegentliches  und  vorübergehendes  Übergehen  von  pactolana  von  Fichte  auf 
Lärche,  sondern  um  eine  besondere  Abzweigung,  die  sich  dauernd  an  die 
letztere  Holzart  gewöhnt  und  angepaßt  hat.  So  konnte  Schütze  die  Gruner- 
iia7ia  in  einem  isolierten  Lärchenbestand  nicht  wiederum  von  neuem  erstehen 
sehen,  nachdem  er  sie  in  demselben  einmal  ausgerottet  hatte,  trotzdem  in 
den  Fichtenorten  ringsumher  pactolana  überaus  häufig  war.  Zudem  sei  auch 
die  Lebensweise  an  den  beiden  Llolzarten  keineswegs  die  gleiche.  Gru)!er- 
tiana  wählt  nicht  wie  pactolana  junge  Bäume,  sondern  findet  sich  vorzugs- 
weise an  stärkeren,  etwa  30  jährigen  Stämmen,  und  hier  auch  nicht  am 
Grunde  der  lebenden  Äste,  sondern  an  verletzten  Stellen  des  Stammes  in  den 
Überwallungen  der  Wundränder  und  besonders  gern  unter  der  Ansatzstelle 
von  abgestorbenen  Ästen.  Auch  Baer  konnte  im  Tharandter  Walde  das 
gleiche  Vorkommen  kennenlernen,  indessen  gelang  ihm  die  Erziehung  von 
Faltern  nicht. 

Inzwischen,  d.  h.  2  Jahre  nach  der  Schütz  eschen  Veröffentlichung, 
war  auch  von  dem  Schweizer  Entomologen  Thomann  grunertiana  in  Grau- 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  369 

bünden  gezogen  worden.  Er  berichtet  in  einer  im  Jahre  1914  erschienenen 
Arbeit,  die  Baer  unbekannt  geblieben  ist,  ausführlich  über  die  Bionomie  und 
systematische  Stellung  von  grüne rtiana  und  kommt  durch  eingehenden  Ver- 
gleich zu  dem  Ergebnis,  daß  pactolana  und  grunertiana  zwar  zwei  ein- 
ander nahestehende,  aber  doch  gut  getrennte  Arten  sind.  Diese  Unter- 
scheidung fand  durch  die  Untersuchung  des  männlichen  Genitalapparates  der 
beiden  Formen  eine  vollkommene  Bestätigung.  So  ist  also  nun  die 
Ratzeburgsche  gricnertiana  als  gut  begründete,  selbständige  Art 
wieder  auferstanden. 

Bezüglich  der  Beschreibung  von  grunertiana  sei  die  Schilderung  von 
Thomann  hier  wiedergegeben: 

Falter:  Ein  Vergleich  der  beiden  Arten  (pactolana  und  grunertiana)  sagt 
uns  auf  den  ersten  Blick,  daß  wir  hier  zwei  durchaus  verschiedene  Tiere  vor  uns 
haben.  Der  auffälligste  Unterschied  liegt  in  der  Grundfarbe,  grauschwarz  bei 
grunertiana  Rtzb.,  hellgraubraun  bei  pactolana  TAX.  Das  Wurzelfeld  ist  bei  gruner- 
tiana meist  etwas  heller,  mehr  schiefergrau  abgetönt  als  der  übrige  Teil  der  Vorder- 
flügel, und  auch  bei  pactolana  erhält  die  Färbung  hier  etwelchen  Schein  ins  Graue. 
Letztere  Art  zeigt  ferner  im  Saumdrittel  eine  äußerst  feine  gelbe  Punktierirag,  her- 
rührend von  zweifarbigen  Schuppen,  die  an  der  Spitze  gelb,  im  übrigen  die  Grund- 
farbe (graubraun)  tragen,  was  grunertiana  stets  fehlt.  Die  helle  Zeichnung  ist  bei 
beiden  Arten  ziemlich  dieselbe  und  bei  beiden  meist  deutlicher  im  weiblichen  als 
im  männlichen  Geschlecht.  Bei  grunertiana  ist  sie  jedoch  viel  auffälliger,  erstens 
ist  der  Kontrast  größer  gegenüber  der  Grundfarbe,  und  sodann  ist  die  Zeichnung 
an  sich  heller  als  bei  pactolana,  wo  sie  mit  gelblichen  Schuppen  überdeckt  ist.  Bei 
weiblichen  Exemplaren  der  grunertiana  sind  die  Linien  meist  rein  weiß  und  scharf 
abgegrenzt  gegen  die  Grundfarbe,  während  sie  im  Mittelfeld  beim  Männchen  etwas 
verschwommen  hell  bläulichgrau  erscheinen.  Rein  weiß  und  scharf  akzentuiert 
bleiben  jedoch  auch  hier  die  Vorderrandshäkchen.  Die  Metall-Linien  des  Saum- 
feldes sind  bei  grunertiana  schön  blau  oder  violett,  dagegen  hell  bleigrau  bei 
pactolana,  höchstens  mit  schwach  violettem  Glänze.  Die  Zeichnung  im  Spiegel  be- 
schränkt sich  bei  dieser  Art  meist  auf  einige  schwarze  randständige  Punkte,  selten 
sind  komplette  Linien  vorhanden,  bei  grunertiana  ist  der  Spiegel  durch  dicke 
schwarze  Längsstriche  ausgefüllt,  die  höchstens  durch  einige  weiße  oder  violette 
Schuppen  voneinander  getrennt  werden. 

Die  Augenpunkte  vor  dem  Saume  sind  bei  grunertiana  in  der  Regel  schärfer 
ausgeprägt,  und  während  bei  dieser  Art  auch  der  dem  Innenwinkel  näher  gelegene 
Punkt  Saumlinie  und  Fransen  weiß  durchschneidet,  und  zwar  auf  der  Ober-  wie  auf 
der  Unterseite,  trifft  dies  für  pactolana  in  der  Regel  nur  für  den  vorderen  Punkt  zu, 
während  der  hintere  Saumlinie  und  Fransen  nicht  mehr  tangiert,  meist  schwächer 
entwickelt  ist  und  namentlich  auf  der  Unterseite  öfters  fehlt.  Grtmertiana  ist  durch- 
schnittlich etwas  größer  und  kräftiger  gebaut  als  pactolana. 

Raupe  rötlich-hellgrau,  mit  durchscheinendem  dunklerem  Darm  und  bräun- 
lichem Kopf-  und  Nackenschild. 

Puppe  glänzend  hellbraun. 

Als  Fraßpflanze  scheint  ausschließlich  die  Lärche  in  Betracht  zu 
kommen,  und  zwar  im  Stangenholzalter.  An  jungen  Lärchen  braucht  man 
nach  Schütze  die  Raupe  ebensowenig  zu  suchen  als  an  alten;  man  findet 
sie  am  sichersten  an  30jährigen  Stämmen.  Thomann  konnte  ihre  Gegen- 
wart nur  an  Bäumen  von  ca.  8 — 15  cm  Stammdurchmesser  (ca.  i  m  über  dem 
Boden  gemessen)  feststellen. 

Die  von  der  Raupe  bewohnten  Stellen  fand  Thomann  von  nur 
wenigen  Dezimetern  über  dem  Boden  bis  zu  Mannshöhe,  öfters  unmittelbar 
unter  den  etwas  rissigen  Ansatzstellen  von  grünen  oder  auch  an  solchen  be- 

E  sehe  rieh,  Forstinsekten,  Bd.  III.  24 


370  II.  Spezieller  Teil. 

reits  toter,  abgebrochener  Äste.  Mehrere  Infektionsstellen  wurden  an  Lärchen 
beobachtet,  welche  i  oder  2  Jahre  vorher  mit  der  Axt  gezeichnet  worden 
waien.  Die  Lasp.  grunertiana  darf  daher  als  ein  Wundparasit  jüngerer 
Lärchen  angesehen  werden.  Das  Weibchen  legt  seine  Eier  zweifellos  mit 
Vorliebe  an  Stellen,  wo  die  Rinde  gespalten  oder  rissig  ist,  sowie  direkt  an 
die  Ränder  offener  Wunden. 

„Die  Raupe  lebt  zwischen  Rinde  und  Holz  im  Bast,  von  diesem  und  dem 
Cambium  sich  nährend.  Sie  frißt  einen  kurzen,  breiten  Hauptgang  aus,  von 
welchem  sich  öfters  einige  kurze  seitliche  Fraßgänge  nach  oben  oder  schräg 
seitwärts  abzweigen." 

„Die  glänzend  hellbraunen  Puppen  findet  man  von  Ende  Mai  ab.  Sie 
liegen  in  einer  aus  schneeweißer  Seide  gefertigten  Wiege,  deren  vorderes 
Ende  dicht  unter  dem  Kotklumpen  liegt,  der  uns  die  Anwesenheit  der 
grunertiana  im  Lärchenstamm  verrät."  Die  Falter  erscheinen  anfangs  bis 
Mitte  Juni. 

Laspeyresia  duplicana  Zett. 

Taf.  IV,  Fig.  12. 
Dunkelbrauner     Fichtenrinden  wickler. 
Ratzeburg:  Tortrix  (Grapholitha)  dorsana  Hb.  —   Altum:  Tort  rix  duplicaun  Zett. — 
Nitsche:   Tortrix  duplicana   Zett.   —   Nüßlin-Rhumbler :    Grapholitha  duplicana   Zett. 
—   Wolf f-Krauße :   Laspeyresia  duplicana  Zett. 
Falter:    Der  pactolana  sehr  ähnlich.    Vorderflügel   dunkelbraun,  mit   schwarz 
gestricheltem    und    glänzend    bleigrau    eingefaßtem    Spiegel.     In    der    Mitte    des 
Dorsums   (Innenrand)   ein  weißer,   saumwärts  gebogener,   durch   eine   feine   dunkle 
Linie    geteilter    Dorsalfleck  i).     Außerdem    4  Häkchenpaare    hinter     und    ein     sehr 
großes  vor  der  Mitte  des  Vorderrandes  weiß.    Hinterflügel  dunkel  graubraun.  Spann- 
weite  15  mm   (Abb.  317). 

Raupe  schmutzig  weißlich,  Kopf  braun,  Nackenschild  schwärzlich  braun. 
Analschild  ohne  Auszeichnung. 

Die  weit  über  Mittel-  und  Nordeuropa  (von  Italien  bis  Lappland)  ver- 
breitete Art  ist  bisher  in  allen  forstentomologischen   Lehrbüchern  in  biolo- 
gischer und  forstlicher   Hinsicht  der  pactolana  gleichgestellt  und  meist  mit 
dieser  gemeinsam  abgehandelt.  Erst  Baer  (1917) 
hat  auf  das  Irrtümliche  dieser  Anschauung  hin- 
gewiesen und  gezeigt,  daß  duplicana  eine  von 
pactolana  gänzlich  verschiedene  Lebens- 
weise   führt:    sie    lebt    in    Harz    bzw.    harz- 
reichen   Bildungen    an    Nadelholz.     Bis 
"?  jetzt  wurde  sie  vor  allem  gezogen  aus  den  harz- 

reichen Anschwellungen  der  Tanne,  die  durch 
., ,  die  Aecidienform  (Aecidium  elatinum)  der  Ale- 

LaspevresiaduplicanaZtt.  2X-  lamspora  cerastii  Schrot,  hervorgerufen  werden, 
also  aus  den  sogenannten  Tannenkrebsen,  so- 
wie aus  den  ebenfalls  von  Rostpilzen,  und  zwar  den  Gymnosporangienarten  her- 
rührenden Zweigverdickungen  der  /iiniperus-\rte.n.  Baer  fand  sie  ferner  im 
Tharandter  Wald  als  eine  regelmäßige,  wenn  auch  nicht  häufige  Bewohnerin 
der    verharzenden    Wundränder    der     Sommerschälungen    des     Rot- 


1)   Ratzebu  rgs  Abbildung  (W.  IL,  Taf.  V,   Fig.  10)  zeigt  diesen  Dorsalfleck 
sehr  deutlich;   sie   stellt   zweifellos  duplicana  dar. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  371 

wildes  an  Stämmen  und  Stangen  der  Fichte  (in  Gesellschaft  von  Dioryctria 
spJendidella  H.S.).  ,.Der  Fraß  verrät  sich  hier  nicht  nur  durch  Häufchen  von 
braunem(  zuweilen  auch  weißlichem)  Kot,  die  denen  von  pactolana  gleichen, 
sondern  vor  allem  durch  auffallende,  zierliche,  in  der  Gestalt  an  Korallen 
erinnernde  Harzkrusten.  Den  mit  Gespinst  ausgekleideten  Fraßkanal  selbst 
findet  man  darunter  in  der  Überwallung  des  Wundrandes."  Übrigens  findet 
sich  auch  bei  Ratzeburg  (F.  II,  217)  eine  Bemerkung,  die  sich  auf  ein 
solches  Vorkommen  bezieht:  , .Außer  diesem  gewöhnlichen  Aufenthaltsort" 
(d.  h.  der  Rinde  an  den  Quirlen),  heißt  es  da,  ,, findet  sich  die  Raupe  (seiner 
dorsana)  in  den  trockenen  Harzklumpen,  die  sich  an  Stämmen  und  Zweigen 
größerer  und  kleinerer  Bäume,  meist  beschädigter,  finden."  Meist  handle 
es  sich  dabei  um  die  helle  Varietät  (seiner  dorsanaX  und  das  ist  eben  diipli- 
cana.  An  Kiefer  ist  die  Art  bisher  noch  nicht  gefunden  worden.  Gegenüber 
diesem  Vorkommen  in  Harzgebilden  aller  Art  hebt  Baer  besonders  hervor, 
daß  weder  ihm  noch  dem  an  Erfahrung  so  reichen  Züchter  wie  Schütze 
bei  ihren  vielen  paclola  na -Zuchten  jemals  ein  dup/ira/nf-Faltev  mit  partohuia 
zugleich  aus  demselben  Material  ausgekommen  sei,  wie  es  nach  den  bis- 
herigen Angaben  in  der  forstentomologischen  Literatur  zu  erwarten  ge- 
wesen wäre. 

Auch  bezüglich  der  Flugzeit  konnten  die  beiden  Forscher  die  bis- 
herigen Angaben,  daß  dieselbe  etwa  4  Wochen  später  stattfindet  als  von 
pactolana,  nicht  bestätigen.  Baer  hat  im  Gegenteil  di/plica  na -hei  Tharandt 
schon  am  17.,  18.  und  24.  Mai  erbeutet,  zu  einer  Zeit,  in  der  von  pactolana 
noch  kaum  die  ersten  Falter  erscheinen. 

Forstlich  ist  duplicana  ihrem  hier  beschriebenen  Vorkommen  nach 
ohne  wirtschaftliche  Bedeutung.  Dazu  kommt,  daß  sie  durchaus 
nicht  häufig  ist,  ja  in  vielen  Gegenden  als  eine  Seltenheit  gilt.  ,,Dies  braucht 
jedoch,"  schreibt  Baer,  ,, durchaus  nicht  immer  der  Fall  gewesen  zu  sein, 
da  gegenwärtig  die  ,, reine  Wirtschaft  im  Walde"  der  Vermehrung  des  In- 
sekts keineswegs  günstig  ist,  namentlich  aber  haben  früher  zeitweise  die  Rot- 
wildschälungen  einen  viel  größeren  Umfang  angenommen  oder  —  was  dem 
gleichkommt  —  die  Harzgewinnung  unserer  Fichte  mit  ihrem  Lachen- 
verfahren hat  (ehedem)  der  Art  Brutstätten  viel  reichlicher  geboten." 

Laspeyresia  coniferana  Rtzb. 

Taf.  IV,   Fig.  13. 
Schwarzer    N  adelholz  wickler,    Tannenkrebs  wickle  r. 
Ratzeburg:  Tortrix  {GraphoUtha)  coniferana  Saxs.  —  Nitsche:  Tortrix  (Grapholit/m. 
Semasia)    coniferana    Rtzb.    —    Nüßlin-Rhumbler :    Grapholitha    coniferana    Rtzb.    — 
Wolff-Krauße:  Laspeyresia  coniferana  Rtzb. 
Falter:  Vorderflügel  braungrau,  Wurzelfeld  durch  eine  saumwärts  scharf  ge- 
brochene, doppelt  weißliche  Querlinie  begrenzt,  deren  beide  Hälften  am  Hinterende 
weiter  auseinanderstehen  als  am  Vorderrande.   Am  Vorderrande  zwei  weiße  Häkchen- 
paare,  dazwischen  ein  oder   zwei   einfache   weiße    Häkchen.    Aus   dem   am   weitesten 
wurzelwärts    stehenden    Häkchenpaare    eine    undeutliche,    doppelte,    an    dem    Spiegel 
vorbeiziehende   helle   Linie.    Spiegel   dreieckig,   scharf   schwarz   gestrichelt,   von   Blei- 
linien eingefaßt.    Fransen  etwas   heller  als   der  Grund,   mit   dunklerer  Teilungslinie. 
Hinterflügel    braungrau   mit    hellgrauen    Fransen    und    dunklerer    Teilungslinie.     Oft 
werden    die    Exemplare    viel    dunkler,    und    die    Zeichnung    tritt    dann    \iel    weniger 
scharf  auf.    Spannweite  9 — 13  mm   (Abb.  318). 

24* 


372  II-  Spezieller  Teil. 

Raupe  weißlich,  Kopf  hellbraun,  Nackenschild  noch  heller,  schmal,  die  Anal- 
klappe kaum  angedeutet. 

Die  geographische  Verbreitung  dieser  Art  erstreckt  sich  über 
Mitteleuropa  (bis  Norwegen).  Sie  lebt  wie  die  vorige  in  harzreichen 
Bildungen  a-  o  n  Nadelhölzern. 

Colli feraiia  wurde  von  Ratzeburg  aus  Fichte  gezogen,  und  zwar  aus 
dem  übrig  gebliebenen  unteren  Ende  eines  durch  Sturm  splittrig  abgebro- 
chenen Fichtenstammes,  wo  die  Raupe  senkrechte 
Gänge  in  den  Bast  gefressen  hatte,  besonders  in 
aL||,  aÄfi  *-^^^  Nähe  der  Ränder."    Außerdem  teilt  Ratze- 

nQfe^^^g^^Ul  bürg    auch    noch    das    (von    Zebe    beobachtete) 

I^^^HH^KSr^  \"orkornmen  in  Kiefer  mit  (zusammen  mit  Pis- 

^mPra^fllU^  sodes    iiotatiis    F.    in    jungen    Kiefernstämmchen). 

^  Jude  ich  (1S76)  berichtet  eine  Beobachtung 

F  r  i  t  s  c  h  e  s  ,     der     conijerana     aus     Tharandter 

Fichten  gezogen  hat,  und  zwar  in  Gesellschaft 
Abb.  s'o.    Laspevresia    com-  ^      _,    ,  r^ii^j-        r  •n.u 

ü'raiia  Rtzb '    ''V  X  "^'*^'"^  pactolaiia.    Doch  bestand  nisofern  eni   Unter- 

schied zwischen  beiden,  als  letztere  an  den  Ast- 
quirlen sich  fand,  während  conijerana  entfernt  davon,  an  anderen  Stellen  des 
Stämmchens  sich  entwickelte.  Nitsche  vergleicht  coniferana  biologisch  mit 
pactolana.  doch  sei  conijerana  nicht  so  monophag. 

Nach  Baer  (191 7)  ist  conijerana,  die  im  allgemeinen  zahlreicher  als 
diiplicaiia  auftritt,  hauptsächlich  eine  Bewohnerin  von  verharzten,  pilz- 
kranken Teilen  der  Kiefer.  „Regelmäßig  trifft  man  sie  daher,  meist  in 
Gesellschaft  von  Dioryctria,  in  den  durch  Peridermium  pini  (Kiefernrinden- 
blasenrost)  verursachten  Astanschwellungen  sowie  den  von  diesem  herrühren- 
den bekannten  „Kienzöpfen".  Ganz  besonders  zahlreich  pflegt  sie  sich  an 
Weimutskiefern  einzustellen,  die  von  dem  entsprechenden  Blasenrost, 
der  Aecidienform  (Peridermium  slrobi)  ^•on  Cronartinm  ribicolion  Dietr., 
befallen  sind^).  In  Dänemark  wurde  sie  auch  an  S  chwa  r  z  kief  e  rn  an- 
scheinend unter  ähnlichen  Verhältnissen  beobachtet.  Kaum  weniger  bevor- 
zugt sie  ferner  die  verharzende  Rinde  der  von  Agaricus  melleus  Vahl  befal- 
lenen Stämme,  und  auch  in  einfachen  Schälwundrändern  fehlt  sie  nicht." 
Auch  aus  Tann  enk  r  eb  s  en  wurde  sie  öfter  gezogen. 

Laspeyresia  cosmophorana  Tr. 

Taf.  IV,   Flg.   14. 
K  i  e  f  e  r  n  b  e  u  1  e  n  w  i  c  k  1  e  r. 
Ratzeburg:    Tortrix   (Coccyx)   cosmophorana    Tr.    —    Nitsche:    Tor/ rix    (Grapholilhn. 
Semasia)   cosmophorana  Tr.    —   Wolff-Krauße :    Laspeyresia   cos7nophoraiia   Tr. 
Falter:     Vorderflügel    dunkel    olivenbraun,     die    hinteren    zwei     Drittel     von 
feinen,    in   Querlinien   stehenden,    goldgelben    Stäubchen   bedeckt.    Wurzelfeld    saum- 
wärts   begrenzt   durch   eine    ziemlich    breite,    in    der    Mitte    manchmal    unterbrochene 
Bleilinie.     In   ihm   mitunter    zwei    kleine    silberne    Pünktchen.     Mittelfeld    saumwärts 
begrenzt    durch    eine    etwas    geknickte    helle    Bleilinie,    die    in    der    Mitte    manch- 
mal   bläulich    bestäubt    ist    und    dicht    an    dem    Spiegel    vorüberzieht,    der    schwarz 


1)  Auch  von  Butovitsch  (1930)  fand  die  Raupe  von  coniferana  an  \er- 
harzlen  Stellen  von  Weimutskiefern.  „Die  Raupe  frißt  unregelmäßige,  mit  Ge- 
spinstfäden umkleidete  und  durchzogene  Gänge  und  Höhlen,  die  stark  \crharzt  und 
zum  Teil  mit  Kot  erfüllt  sind." 


I.  Unterordnung:   Alicrolepicloptera,   Familie  Tortricidae.  373 

gestrichelt  und  glänzend  bleigrau  eingefaßt  ist.  Die  hintere  Bleilinie  entspringt  aus 
dem  vierten  einfachen  Häkchen  des  Vorderrandes,  hinter  dem  noch  drei  weitere  ein- 
fache Häkchen  stehen.  Das  erste  Häkchen  verbindet  sich  mehr  oder  weniger  mit 
einem  etwas  unter  der  Spitze  an  'dem  Saum  stehenden  hellen  Fleckchen,  so  daß  die 
Grundfarbe  an  der  Flügelspitze  hell  eingefaßt  wird.  Fransen  grau,  mit  scharfer, 
schwarzer  Teilungslinie.  Hinterflügel  dunkelbraun,  Fransen  hell  mit  dunklerer 
Teilungslinie.    Spannweite   10—13   mni   (Abb.  319). 

Raupe   fast   weiß,   Kopf   hellbraun,   Nacken   und   Analschild   von   Körperfarbe. 

Puppe   durch   den    Mangel   an   Dornen   leicht   kenntlich. 

Die  über  Mittel-  und  Nordeuropa  verbreitete  Art  lebt  als  Raupe  in 
den  Harzgallen  der  Evetria  resinella  \^.  und  anderen  Harzaus- 
flüssen der  Kiefer. 

Die  ersten  Beobachtungen  über  das  Vorkommen  dieser  Art  in  Harz- 
gallen  stammen  von  Hart  ig  (1834).  Ratzeburg  schrieb  ihr  eine  ähnliche 
Lebensweise  wie  resiiiella  zu:  ,,Sie  stimmt  so  vollkommen  in  ihrer  Ökonomie 
mit  dem.  Harzgallenwickler  überein,  daß  man  wenig  zur  Unterscheidung 
beider  anführen  kann."  Nur  seien  ihre  Harzgallen  „kleiner  und  nähmen  nur 
die  eine  Seite  des  Astes  ein,  dessen  andere  Seite  sehr  stark  aufgetrieben  er- 
scheine". 

Baer  (191 7)  hat  auch  hier  wieder  Klarheit  geschaffen.  Ich  gebe  hier 
seine  Schilderungen  wieder:  „Für  Sammlungen  wird  cosinophoraiia  fast  nur 
durch  Zucht  aus  den  Harzgallen  von  Eveiria  resineUa  L.  an  Kiefer  erlangt. 
Hier  lebt  das  Räupchen  im  wesentlichen  in  der  eigentlichen  Gallbildung, 
d.  h.  in  der  am  Grunde  des  Harzgehäuses  befindlichen  Zweiganschwellung, 
und  zwar  von  dem  hier  durch  den  resiiiella-Yx2i&  entstandenen  Wundgewebe, 
also  ganz  entsprechend  den  sich  ebenfalls  daselbst  zuweilen  findenden 
Raupen  von  Dioryctria  abietella  Schiff.  Gleichwohl  zeigt  sich  später  nach 
der  Entwicklung  die  vorgeschobene  Puppenhülse  ebensowohl  an  diesem  hol- 
zigen, wie  an  dem  harzigen  Teile  des  ganzen  Gallengebildes.  Man  nimmt 
allgemein  an,  daß  nur  die  von  ihrem  Erzeuger  wenn  auch  soeben  erst,  so 
doch  bereits  verlassenen  Gallen,  die  sogenannten  „alten",  von  L.  cosmo- 
phorana  belegt  werden.  Bevorzugt  hierbei  werden  die  an  den  Stämmchen 
befindlichen  Gallen,  bei  denen  die  Kallusbildung  sich  kräftiger  und 
saftreicher  zu  erweisen  und  länger  anzudauern  pflegt  als  an  den  Enden  der 
Zweige.  Ich  selbst  habe  indessen  cosrjiophorcuia 
auch  zugleich  mit  resinella,  also  als  eine  Art  von 

Einmieterin,  aus  deren  Galle  gezogen.    Diese  Vor-  t^fc^  ^Nk^* 

kommnisse  sind  wohl  sozusagen  als  eine  Zufluchts-  »..^Jj^y|g|^j^<*f' 

Stätte  für  den  „eisernen  Bestand",  die  sich  jederzeit 
bietet,  anzusehen,  gewiß  ist  aber  die  Art  auf  sie 
nicht  beschränkt,  sondern  tritt  auch  im  Gefolge 
der  verschiedensten  mechanischen  Beschädigungen, 

z.B.    auch   durch    Hagelschlag   an    Kiefern-  Abb.  3 1  g.    Lasf^eyresia 

stämmchenund-zw  eigen  auf.  Auch  erscheint  cosmof^horuna  Tr.  2  V,  X. 

ihr  angebliches  Vorkommen   in   K  i  c  f  e  r  n  z  a  p  f  e  n 

ihrer  sonst  mit  Dioryctria  abietella  übereinstimmenden  Geschmacksrichtung 
nicht  unglaublich,  zumal  in  solchen,  die  durch  den  Angriff  der  letzteren  ver- 
bildet werden  und  verharzen.  Außer  an  Kiefer  scheint  cosi/H)p/?oraiia  bis- 
her nur  an  Wacholder  beobachtet  worden  zu  sein,  an  welchem  Zweig- 
knoten als  die  Wohnstätte  des  Räupchens  angegeben  werden." 


^toii^' 


374  11.  Spezieller  Teil. 

Laspeyresia  corollana  Hb. 

Taf.  IV,  Fig.  159. 
Falter:  Vorderflügel  schwarzbraun,  mit  einer  aus  mehreren  hellen  (weißlich- 
gelblich-rötlichen) Strichen  bestehenden,  in  der  Mitte  fast  rechtwinklig  geknickten 
Querbinde.  Spiegel  ockergelb,  mit  mehreren  schwarzen  Strichen,  von  dunklen  Blei- 
linien eingefaßt.  Fransen  grau  glänzend,  mit  schwarzer  Teilungslinie.  Hinterflügel 
beim  Männchen  gewöhnlich  weiß  mit  brauner  Spitze,  beim  Weibchen  immer  dunkel- 
braun.   Spannweite    12 — 13   mm    (Abb.  320). 

Raupe  weiß,  mit  blassen,  nur  bei  Vergrößerung  sichtbaren  Punkten,  Kopf 
hellbraun,    Nackenschild   gelblichbraun,   Analplatte   kaum   angedeutet. 

Der  über  Mitteleuropa  verbreitete  Wickler  hat  dadurch  einiges  forst- 
entomologisches  Interesse,  daß  sich  seine  Raupe  in  den  Gallen  des  kleinen 
Aspenbockes,  Sa  per  da  popiilnea  L.  (s.  Bd.  II, 
S.  260 ff.)  entwickelt.  Sie  „benagt  die  Rinde 
der  Astanschwellungen  vom  Aspenböckchen  im 
Schutze  einer  von  Exkrementen  und  Genagsei 
erfüllten  Gespinstdecke  und  zieht  sich  da- 
zwischen mehr  oder  weniger  auch  in  die  meist 
verlassene  Gallenwohnung  zurück".  Wenn  es 
auch  meist  verlassene  Gallen  sind,  in  denen  die 
Raupe  lebt,  so  wurde  sie  von  Baer  (1908)  doch 
Abb.  320  mehrfach   auch  an   „noch   besetzten,    erst   zwei- 

2I/..X.  jahngen    Gallen     beobachtet,   in   welchem    tall 

,,sie  also  als  eine  Art  Einmieterin  bei  der  zum 
zweiten  Male  überwinternden  Bockkäferlarve  lebt".  Die  Flugzeit  des  Falter- 
chens   fällt    in    den    Monat    Mai. 

Der  Befall  der  popi/l/iea-GdA\en  mit  corolla/ia  ist  an  dem  Kot  zu  er- 
kennen, der  an  den  Gallen  äußerlich  anklebt. 

Laspeyresia  strobilella  L. 

Taf.  IV,   Fig.  160. 

Fichtenzapfenwickler. 

Ratzeburg:     Tor/ rix    fCocry.xi    slrobilana     L.     (Tannenzapfenwickler).     —     Nitsche: 

Tort  rix  {Gra  f^Iiolilha .  Soiui'^iin  sirobilella   L.    {slrobilana   L.).   —   Nüßlin-Rhumbler: 

GrapJiolilJia  slrobilclla  L.  —  Wolff-Krauße :  Laspeyresia  strobilella  L. 

Falter:  Vorderflügel  olivbraun,  gegen  den  Saum  zu  etwas  heller,  Wurzelfeld 
dunkler,  von  2  schwach  gebogenen,  dunklen  Bleilinien  begrenzt,  Vorderrand  mit 
6  weißen  Häkchen.  Spiegel  undeutlich,  nur  selten  mit  einer  Spur  schwarzer  Punkte 
an  der  Saumseite.  Hinterflügel  graubraun  oder  schwarzgrau  mit  weißlichen  Fransen. 
Spannweite   13  mm   (Abb.  321). 

Raupe  einfarbig  weißlich  oder  gelblichweiß,  Nackenschild  kaum  dunkler, 
Kopf  hellbraun.  Segmente  mit  hellbräunlichen,  nicht  von  Wärzchen  entspringenden 
Härchen   besetzt. 

Puppe  mit  vorspringender   Stirn,   Afterwulst  mit   4  Hakenborsten. 

Die  Art  ist  über  ganz  Mittel-  und  Nordeuropa  verbreitet  und  scheint 
überall  häufig  zu  sein.  Als  Fraßpflanze  ist  bis  jetzt  nur  die  Fichte 
(Zapfen)  beobachtet  worden.  Bechstein  führt  zwar  auch  die  Weißtanne 
an,  doch  bedarf  diese  Angabe  noch  der  Bestätigung. 

Die  Bionomie  ist  von  Ratzeburg  (F.  218 — 220),  Gericke  (1S89), 
Nitsche,  Trägärdh  (1915),   Holste  (1922)  u.  a.  geschildert  worden. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae. 


37; 


Die  Entwicklung  ist  meiste)  einjährig  und  vollzieht  sich  nach  der 
Bioformel 

45  —  6,4 
4  +  45 

Die  Flugzeit  erstreckt  sich  in  der  Hauptsache  von  Ende  April  bis  Ende 
Mai,  anfangs  Juni.    Holste  erhielt  die  ersten  Falter  in  den  Freilandzuchten 
sogar     schon     am     30.    März,     in     der     Mehrzahl 
schlüpften  sie  aber  von  Mitte  April  bis  Mitte  Mai. 
Nach  dem  15.  Mai  erschien  kein  Exemplar  mehr  2). 

Der  Falter  fliegt  am  Tage,  sowohl  vor-  wie 
nachmittags,  anfangs  mehr  unten,  später  mehr  in 
der  Nähe  der  Wipfel.  In  geschlossenen  Beständen 
liebt  er  die  besonnten  Stellen.  Die  weißen  Eier 
werden  äußerlich  an  einer  beliebigen  Stelle  der 
jungen,  grünen  Zapfen  abgelegt.  AM.32.^    ^"'(^S^:. 

Die    Raup  chen,   von   denen   öfters   mehrere.  zapfenwickler).    2  X- 

bis  zu  10  und  mehr,  einen  Zapfen  befallen,  bohren 

sich  ein  und  fressen  das  Mark  der  Spindel  aus,  bald  von  dem  einen,  bald 
von  dem  anderen  Ende  anfangend.  Erst  wenn  die  Raupen  fast  aus- 
gewachsen sind,  werden  die  Zapfenschuppen  und  auch  die  Samen  angegangen 
(Abb.  323).  In  den  Gängen  der  Raupen  liegt  krümeliger  brauner  Kot.  Bis- 
weilen krümmen  sich  die  Zapfen,  zeigen  Harzaus- 
fluß oder  bleiben  überhaupt  verkümmert,  doch  be- 
wahren sie  oft  ein  völlig  normales  Aussehen,  selbst 
bei  starkem  Befall.  Holste  zog  aus  Zapfen,  die  /'l/' 
„ganz  normal  gebildet  waren  und  weder  eine  ivi 
Krümmung  noch  Harztropfen  zeigten",  bis  zu  ]^CliL''>^ 
10   Falter. 

Im  Herbst  sind  die  Raupen  erwachsen,  über- 
wintern in  den  Zapfen  und  verpuppen  sich,  mit- 
unter schon  im  Februar  oder  März,  nach  Ger  icke 
(1889),  der  die  Generation  am  genauesten  beobach- 
tete, meist  erst  gegen  Ende  April.  Die  Puppen  V^t-tv^ 
schieben  sich  dann  zwischen  den  Zapfenschuppen  ^r?^ 
vor  und  entlassen  den  Falter.  An  den  leeren 
Puppenhülsen,  die  halb  hervorragend  zwischen  den 

Zapfenschuppen  hängen  bleiben,  läßt  sich  der  vor-    ^^b.    322.    A   Raupe    (Vor- 
,      ^  r>    r   11    1    •   -u.   r     .  .  ii  derteil     und    Analsegment), 

hergegangene  Befall  leicht  feststellen.  B   p^ppe  ^^^^  i^^^p    ^f^obi- 

Einige  Beobachtungen  von  Ratzeburg  weisen  lella  L.  A  nach  Ratze- 
darauf  hin,  daß  auch  ein  Ü  b  e  r  1  i  e  g  e  n  d  e  r  b  u  r  g ;  B  nach  Trägärdh. 
Raupen  bis  in  das  zweite  Jahr  vorkommen  kann, 

so   daß   also  die   Generation   zweijährig   wird.    Holste  konnte   diese   Beob- 
achtung allerdings  nur  für  einen  geringen  Prozentsatz  der  Raupen  bestätigen. 

Ratzeburg  stellt  strobilella  zu  den  merklich  schädlichen  Forst- 
insekten. Wie  stark  verbreitet  der  Wickler  ist,  ergab  sich  aus  den  Unter- 
suchungen, die  im  hiesigen  Institut  von  Holste  ausgeführt  wurden  und  bei 


1)   Über  das  Überliegen  siehe  unten. 

-]   Im  geheizten  Zimmer  schlüpfte  die   ]\Iehrzahl   der   Falter  schon   Mitte   März, 
also  vier  Wochen  früher. 


376 


II.  Spezieller  Teil. 


denen    sämtliche    sehr    zahlreiche    Zapfenproben    aus    ganz    Oberbayern    den 
Wickler   enthielten. 

Die   Folgen  des   Fraßes  sind  mehrfacher  Art: 

I.  Die  befallenen  Zapfen,  mögen  sie  auf  dem  Baum  bleiben  oder  ab- 
fallen,   öffnen   sich   nicht   vollständig,    so    daß    der    Samen   zwischen 
den  Schuppen  hängen  bleibt.   Dadurch  kann 
auch    in    sehr    günstigen    Samenjahren    die 
■     ';  natürliche    Besamung    verhindert    und    die 

Samenernte  beeinträchtigt  werden. 
2.  Durch   den    Fraß   wird   die   Keimkraft   der 
Samen    stark    verringert.      Nach    Ger  icke 


A  B 

Abb.  323.  A  Durchschnittener  Fichtenzapfen,  in  welchem  mehrere  Raupen  in  der 
Markröhre  sitzen  und  von  hier  aus  die  Früchte  anfressen.  Nach  Ratzeburg. 
B  Stück  eines  durchschnittenen  Fichtenzapfens  mit  fast  erwachsener  Raupe  von 
L.  sirobilella  L.    Links  in  der  Höhe  des  Raupenkopfes  sieht  man  Kot  zwischen  den 

Samen. 


(1889),    der    eingehende    LTntersuchungen    in    dieser    Richtung    vor- 
genommen, gingen  von  den   Samen  von  7  Zapfen,  die  besetzt  waren 

mit        123456  Stück   Raupen 

auf:   26  7o     I  5  7o     1 8  u.  I  5  7o   23  7o        6  7n         o  7o 
3.  Werden    in    vielen    Fällen    auch    beträchtliche    Zerstörungen    in    den 
Samen  selbst  verursacht.    So  ergab   i  hl  befallene  Zapfen  statt  600  g 
nur   350   g    Samen.     „Lagern    die    Zapfen   im    Winter   über   warm,    so 
werden  allmählich  alle  Samen  verzehrt"   (Rehj. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Tortricidae.  377 

Über  den  Schaden  von  strobilella  wird  zwar  vielfach  geklagt,  schon  vom  Ende 
des  vorvorigen  Jahrhunderts  an  (v.  Linker  1798),  doch  sind  Literaturangaben 
über  größere  Verwüstungen  selten.  1860  waren  die  Raupen  im  Schönbusch  bei 
Aschaffenburg  in  den  Zapfen  so  häufig,  daß  das  Sammeln  der  Fichtenzapfen  zur 
Samengewinnung  eingestellt  werden  mußte  (Döbner,  1862).  1886  und  1888 
wurden  in  den  niederbayrischen  Waldungen  fast  die  gesamten  Zapfen  zerstört 
(v.  Raesfeld,  1889).  Am  Ende  der  achtziger  Jahre,  namentlich  1888,  ist  die 
Samenproduktion  in  den  preußischen  Oberförstereien  Glatz,  Carlsberg,  Reinerz, 
Nesselgrund  usf.  schwer  geschädigt  worden  (Ger icke,    1889). 

In  epidemiologischer  Beziehung,  vor  allem  über  die  Zusammen- 
hänge zwischen  Klima  und  Gradation,  herrscht  noch  völliges  Dunkel.  Wir 
wissen  nur,  daß  der  strobilella-W ^xvix^^xMn'g  ein  großes  Heer  von  Parasiten 
entgegensteht,  mit  denen  sich  vor  allem  Trägärdh  (1915)  eingehend  be- 
schäftigt hat.  In  Schweden  wurden  als  die  wichtigsten  Parasiten  Neineritis 
cremastoides  Hgn.  und  eine  Bracon- Art  (anthracinus  Nees?)  festgestellt,  von 
denen  in  manchen  Gegenden  300/0  der  strobilella  hesfitzt  waren;  weit  weniger 
wirkungsvoll  erwies  sich  Ephialtes  glabratus  Rtzb.,  der  es  meist  nur  auf  50/0, 
nur  in  Ausnahmefällen  auf  20 — 30 0/0  brachte. 

Eine  Bekämpfung  könnte  höchstens  darin  bestehen,  die  unreif  ab- 
gefallenen Zapfen  einzusammeln  und  zu  vernichten. 

Als  weitere  Laspeyresia- Art  sei  hier  noch  genannt: 

Laspeyresia  illiilana  H.  S.,  die  in  der  Zeichnung  der  co/ii/erana  ähnelt.  Sie  lebt 
nach  Kenne  1  als  Raupe  im  August  in  den  Zapfen  der  Weißtanne,  nach 
Wolff-Krauße  ,,von  Juli  bis  September  in  Gallen  von  Chermes  viridis  auf 
Fichte,  zusammen  mit  Dioryctria  abietella  Rtzb.  und  EiipitJiecia  abietaria  Gz.". 


Anhangsweise   sei   noch  die   Wickler-Gattung 

Pammene  Hb.  kurz  erwähnt,  die  hauptsächlich  durch  Eigentümlichkeiten 
des  männlichen  Geschlechtes  betreffend  das  Geäder  der  Hinterflügel  und  das  Ab- 
domen (die  Tergite  6  und  7  sind  in  der  Ruhelage  so  nach  oben  und  unter  das 
5.  Tergit  geschoben,  daß  von  oben  gesehen  auf  das  5.  Tergit  gleich  das  8.  folgt) 
von  Laspeyresia  unterschieden  ist,  sonst  aber,  besonders  in  Färbung  und  Zeichnung, 
sich  letzterer  eng  anschließt. 

Die  Raupen  leben  teils  in  Zweigen  oder  in  zusammengesponnenen  Blättern, 
teils  in  Früchten  oder  Cynips-G'dW^w.  „Zur  Überwinterung  und  Verpuppung  gehen 
viele  von  ihnen  unter  die  Rinde  von  Bäumen  oder  in  morsches  Holz,  wo  sie  häufiger 
und  leichter  zu  finden  sind  als  an  ihrer  Nahrungsquelle"   (Kennel). 

Es  seien  hier  genannt : 

Pammene  fimbriana  Hw.  (Taf.  IV,  Fig.  17  Q).  Raupe  von  Juni  bis  August  in 
Eichengallen.  Überwinterung  in  morschen  Eichenzweigen.  D  i  s  q  u  e  fand  sie 
einmal  in  der  Frucht  von  Castanea  vesca. 

Pammene  splendidulana  Gu.  —  Raupe  (weißlich  mit  schwarzen  Punkten)  lebt 
an  Eichen  zwischen  zusammengesponnenen  Blättern,  die  sie  skelettiert;  zur  Ver- 
puppung frißt  sie  sich  in  dürres   Holz  ein   (Neblich,    1906). 

Pammene  juliana  Gurt.  —  Raupe  von  August  bis  Oktober  in  den  Früchten 
von  Eichen,  Buchen,  Edelkastanien,  auch  Ahorn,  geht  dann  unter 
die  Rinde  und  in  das  Moos  der  Stämme,  wo  sie  überwintert  und  sich  dann  verpuppt. 

Literatur  über  Tortriciden  IL 
Epibleminae. 

Gattung   Evetria    bis    Pammene. 
Allers,   1927,  Vom  diesjährigen  Auftreten  des   Fichtennestwicklers  (Tor/rix  ledeUa) 

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378  11.  Spezieller  Teil. 

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I.  Unterordnung:   Alicrolepidoptera,   Familie  Tortricidae.  379 

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380  II.  Spezieller  Teil. 

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XVII. 

Familie:  Cossidae. 

Die  Cossideu  wurden  wegen  ihrer  Größe  früher  zu  den  Großschmetter- 
lingen gestellt,  und  zwar  wegen  ihres  Spinnerhabitus  zu  den  Spinnern 
(Bombycidae).  Sie  erweisen  sich  aber  wie  die  Sesien  (siehe  unten)  durch  ihr 
primitives  Flügelgeäder  (Vorhandensein  der  Analader  usw.)  und  den  Bau 
der  Bauchfüße  der  Raupen  als  echte  „Kleinschmetterlinge",  unter 
denen  sie  die  größten  Formen  darstellen.  In  ihrer  Lebensweise  und  forst- 
lichen Bedeutung  stehen  sie  den  Sesien  (siehe  dort,  S.  395)  sehr  nahe,  von 
denen  sie  sicli  durch  die  beträchtlichere  Größe  und  die  vollkommene  Be- 
schuppung der  Flügel  unterscheiden. 

Körper  plump,  Kopf  klein,  Hinterleib  sehr  lang,  o  weit  größer  als 
das  cf-  Fühler  meist  ziemlich  kurz,  mit  kurzen  Gliedern,  beim  cS  unten  mit 
Lamellen,  Kammzähnen  oder  stark  seitlich  erweitert,  beim  9  ähnlich  oder 
einfach.  Augen  nackt,  Palpen  kurz,  mit  kugeligem  Endglied.  Rüssel  ver- 
kümmert. Beine  kurz  und  plump.  Hinterschienen  mit  2  Sporenpaaren  oder 
nur  mit  kurzen  Endsporen.  Flügelgeäder:  Die  Ader  an  auf  Vorder-  und 
Hinterflügel  deutlich  vorhanden,  die  Vorderflügel  mit  Wurzelschlinge  ax^ 
und  (7.Vo.  auch  die  basalen  Teile  /•,  m^.  o  und  meist  auch  m^  mehr  oder  weniger 
stark  vorhanden.    Dadurch  wird  das   Discoidalfeld  in  3  Zellen  zerteilt  und 


H82 


II.  Spezieller  Teil. 


eine  Anhangszelle  auf  den  Vorderflügeln  zwischen  den  Adern  von  r  (bis- 
weilen auch  von  m^  gebildet  (Abb.  324). 

Die  Raupen  sind  16  füßig,  nackt  mit  einzelnen  kurzen  Börstchen  besetzt, 
die   Bauchfüße   sind   Kranzfüße    (Abb.  325 ).     Kopf   groß,   abgeplattet, 


A  B 

Abb.  324.    Flügelgeäder  von:   A  Cossus  cossus  L.,   B   Zeuzera  pyrina  L.    (Mittelzelle 
durch   die   Basalteile   von   m   in   3   Zellen   geteilt,    außerdem   eine   Anhangszelle   vor- 
handen, an  im  Vorderflügel  und  Hinterflügel  deutlich.) 


Abb.  325.    Bauchfüße  der 

Raupe  von  Cossus  cossus 

L.    (Kranzfüße). 


mit  sehr  kräftigen  Mandibeln;  Nackenschild  stark 
entwickelt. 

Die  Puppen  gehören  zu  den  „halb  freien 
Puppen"  (pupae  semiliberae),  und  sind  mit 
Stachelgürteln  auf  den  Hinterleibsringen  besetzt, 
mit  Hilfe  deren  sie  sich  auch  aus  der  Puppenwiege 
oder  dem  Kokon  herausarbeiten  1). 

Die  Falter  fliegen  des  Nachts,  am  Tage 
sitzen  sie  ruhig  mit  um  den  Leib  gelegten  Flügeln 
an  den  Stämmen.  Sie  legen  mittels  langer  Lege- 
röhre die  Eier  in  Rindenritzen  usw.  entweder  in 
kleinen  und  größeren  Häufchen  (Cossus)  oder  ein- 
zeln [Zeuzera').  Die  Raupen,  deren  Mandibeln  so 
kräftig  sind,  daß  sie  sogar  Blei  durchfressen 
können,  nagen  zunächst  platzend  unter  der  Rinde 
und  gehen  dann  in  den  Stamm,  um  hier  längere 
oder  kürzere  Gänge  zu  fressen.  Sie  überwintern  in 
unserem  Klima  zweimal  und  verpuppen  sich  also 
erst  im  3.  Kalenderjahr.  Die  Verpuppung  findet 
entweder  im  Stamm  am  Ende  eines  besonderen  bis 
zur  Rindenoberfläche  genagten  Ganges  oder  in  der 
Nähe    der    Einnagestelle    (Kotauswurfstelle)    oder 


1)  AI  tum  (F.  III.  2,  S.  31)  hat  bereits  die  Frage  aufgeworfen,  ob  die  Xylo- 
Iropha  (Sesien  +  Cossiden)  „nicht  besser  von  den  Macrolepidopteren  zu  trennen  und 
trotz  ihrer  oft  so  bedeutenden  Größe  den  Kleinschmetterlingen  einzureihen  wären". 
Er  bezieht  sich  hierbei  vor  allem  auf  die  Gestalt  der  Raupen  und  Puppen. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Cossidae. 


383 


außerhalb  des  Fraßobjektes  in  der  Erde  statt.  Im  letzteren  Fall  wird  stets 
ein  Kokon  (aus  Holzspänenj  gefertigt,  im  ersteren  Fall  kann  ein  Kokon 
fehlen. 

Vor  dem  Schlüpfen  schiebt  sich  die  Puppe  aus  dem  Stamm  bzw.  dem 
Kokon  hervor  (s.  Abb.  334);  beim  Schlüpfen  trennen  sich  die  Scheiden  der 
einzelnen  Kopf-  und  Thoraxanhänge  (Abb.  326). 

Wirtschaftlich  sind  die  Cossiden  recht  beachtenswert  und  ver- 
ursachen besonders  im  Obstbau  oft  schwerste  Verluste  (vgl.  Boden- 
heimer,  1927).  Auch  forstlich  können  sie  recht 
schädlich  werden,  vor  allem  in  Baumschulen,  wo  die 
befallenen  Pflanzen  leicht  vom  Wind  gebrochen  werden. 
Der  physiologische  Schaden  an  älteren  Bäumen  ist  weniger 
bedeutend,  abgesehen  davon,  daß  sie  Baumflüsse  über- 
tragen können  (Ludwig,  1909,  und  Annal.  Epiphyties  IX, 
1923);  dagegen  werden  die  befallenen  Stämme  technisch 
stark  entwertet. 

Als  natürliche  Feinde  sind  vor  allem  Fleder- 
mäuse, Eulen,  Nachtschwalben  usw.  zu  nennen, 
die  die  nächtlich  fliegenden  Falter  schnappen.  Den  Raupen 
stellen  die  Spechte  nach,  und  die  Eier  werden  von 
Meisen  gefressen.  Parasiten  sind  nicht  allzu  viele  be- 
kannt. Baer  nennt  drei  Tachinenarten,  und  an  Schlupf- 
wespen sind  bis  jetzt  etwa  ein  halbes  Dutzend  aus  Cos- 
siden gezogen  worden.  Zur  Vernichtung  der  Raupen  tragen 
auch  die  eigenen  Artgenossen  durch  ihren  Kannibalis- 
mus bei. 

Forstlich    kommen    nur    zwei    Arten    in    Betracht, 
nämlich  Cossi/s  cossiis   L.  und  Zeuzera  pyrina   L.,   die  so- 
wohl habituell  als  auch  in  der   Färbung  der   Falter  und  der  Raupen  grund- 
verschieden sind,  so  daß  ihre  Erkennung  keine  Schwierigkeiten  bereitet. 


Abb.  326.  Puppen- 
hülle   von    Cossus 
cossiis  L.  nach  dem 
Schlüpfen   des 
Falters. 


Cossus  cossus  L. 

Taf.  V,  Fig.  2. 

Weidenbohrer. 

Ralzeburg:   Bombyx  Cossus   L.   —   Altum:    Cossus   ligniperda    F.   —   Nitsche:   Cossus 

ligniperda  F.  —  Wolff-Krauße:  Cossus  cossus  L. 

Ein  großer  plumper  Falter,  der  durch  seine  Färbung  mit  keinem  an- 
deren Schmetterling  verwechselt  werden  kann,  ebenso  wie  die  fingerlange, 
schön  rosenrote  bis  braunrote  Raupe  nicht  ihresgleichen  unter  den  Schmetter- 
lingsraupen findet. 

Falter:  Vorderflügel  braungrau,  in  der  Mitte  und  gegen  die  Spitze  zu  weiß- 
grau gewässert;  von  den  vielen  die  Vorderflügel  quer  durchziehenden  dunklen 
Wellenlinien  treten  einige  hervor,  besonders  im  äußeren  Flügeldrittel.  Hinterflügel 
braungrau,  mit  matten,  dunklen  Wellenlinien.  Scheitel  und  Halskragen  gelblich; 
Rücken  des  Thorax  dunkel,  nach  hinten  zu  weiß,  mit  abschließendem  schwarzem 
Kragen.  Hinterleib  dunkel  mit  hellen  Ringen,  Q  bedeutend  größer  (  Flügelspannung 
bis  95  mm)   als  das  cf. 

Raupe  (Abb.  328)  etwas  abgeflacht,  in  der  Jugend  fleischfarbig  oder  dunkel- 
rot mit  schwarzem  Kopf  und  Nackenschild.  Erwachsen  gelblich  fleischfarben  mit 
rotbraunem  Rücken,  oben  und   an  den   Seiten  mit   einzelnen  grauen   Haaren  besetzt. 


384 


II.  Spezieller  Teil. 


Nackenschild  gelblich  mit  2  schwarzen  Flecken.  Stigmen  braun.  Sehr  groß.  Weib- 
liche Raupe  bis  10  cm.  Die  Raupen  riechen  so  stark  nach  Holzessig,  daß  ein  mit 
feiner  Nase  begabter  Sammler  deren  Anwesenheit  schon  auf  ziemliche  Entfernung 
bemerken  kann. 

Puppe   (Abb.  329  j   groß,   braun,  gedrungen.    Flügelscheiden   bis   zur   Mitte  des 
Körpers  reichend;  Hinterleibsringe  mit  i  oder  2  Reihen  kurzer,  meist  dunkler  Dornen. 


Abb.  r. 


Cossi/s  cosst/s  L. 


(Weidenbohrer  1. 
starken  unc 


Afterende  mit  einem  Dornenkranz,  jederseits  aus  je  i  starken  und  2 — 3  schwächeren 
Dornen  bestehend. 

Eier  länglichoval,  1,2  mm,  hellbraun  schwarzgestreift,  mit  gegitterter  Ober- 
flächenstruktur;  werden  mit   bräunlicher   Kittsubstanz   an   der   Unterlage   festgeklebt. 

Kot  groß,  walzig,  ohne  Längsfurchen,  also  von  rundem,  nicht  sternförmigem 
Querschnitt. 

Die  geographische  Verbreitung  ist  sehr  groß  und  erstreckt  sich 
südlich  von  60  0  nördlicher  Breite  durch  ganz   Europa  und  Asien. 


Abb.  328.    Die  verschiedenen  Stadien   der   Raupe 

\on  Cossi/s  cossus  L.   (die  vorletzte   helle   Raupe 

frisch   gehäutet). 


Abb.  329. 
Puppe  von  Cossus 
cossjish.  ( Dorsal- 
ansicht). 


Als  Fraßpflanze  kommen  unsere  meisten  Laubbäume  in  Betracht, 
vor  allem  Weiden  und  Pappeln,  dann  Obstbäume,  Walnuß, 
Traubenkirsche,    Ulme,    Erle,    Birke,    Eiche,    Linde,    Esche, 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Cossidae. 


385 


Buche,    Ahorn    usw.     Israel    (1920)    fand    die    Coss/fs -Larve    außer    in 
Maulbeere  auch  in  Lärche. 
Bioformel 

—  8,  A,  4 

5  +  67 
Die  Flugzeit  fällt  in  die  Monate  Juni  (Ende)  und  Juli.  Der  Falter 
ist  sehr  träge  und  sitzt  am  Tage  ruhig  an  den  Stämmen,  meist  tief  unten;  er 
zeigt  dabei  eine  ganz  charakteristische  Haltung,  indem  er,  sich  mit  den 
hinteren  Beinen  festhaltend  und  auf  die  Ränder  der  Flügel  stützend,  vorn  vom 
Stamm  absteht,  dadurch  etwa  einem  abgestutzten  Ast  ähnelnd  (Abb.  330  A). 
Das  9  legt  mit  seiner  „lang  aus  dem  Leib  herausgestreckten"  Legeröhre  die 
Eier  in  Häufchen  von  15 — 50  Stück  in  Rindenritzen  ab,  mit  Vorliebe  an  den 
unteren  Stammpartien,  den  Wurzelhals,  seltener  höher.  Die  Eier  werden  mit 
einem  klebrigen  braunen  Saft  benetzt, 
der   zusehends   trocken   wird    und   zur 


A  B 

Abb.  330.  Cossus  cossus  L.  an  einem  Stamm  sitzend.  A  von  der  Seite  gesehen 
(Vorderkörper  abstehend),  B  von  der  Rückenseite  gesehen  (seine  Färbung  stimmt 
mit    der   Rinde    mehr   oder   weniger    überein,    so    daß    er   schwer    zu    entdecken    ist). 


Befestigung  und  dem  Schutz  der  Eier  dient  (Ratzeburg,  nach  Rösel). 
Die  Gesamtzahl  der  Eier  eines  Weibchens  ist  sehr  groß  und  wird  auf  700 
angegeben.  Bevorzugt  werden  ältere,  stärkere,  einzeln  stehende  freie  Bäume, 
Alleebäume  usw. 

Nach  ca.  14  Tagen  schlüpfen  die  jungen  Raupen,  die  sich  sogleich 
in  die  Rinde  einbohren  und  hier  zunächst  gemeinsam  platzend  fressen.  Nach 
der  ersten  Überwinterung  gehen  sie  tiefer  ins  Holz,  immer  noch  nahe  bei- 
sammen, doch  jede  einen  besonderen  Gang  fressend.  Die  Gänge  verlaufen 
sehr  unregelmäßig,  zeigen  aber  allgemein  eine  aufsteigende  Tendenz.  Der 
Querschnitt  der  Gänge  ist  oval,  oft  von  großer  Breite,  die  Wandungen  sind 
gewöhnlich  braun  bis  schwarz   (Abb.  332).    Wird  die  aufsteigende  Richtung 

E  s  c  h  e  r  i  c  h ,  Forstinsekten.  Bd.  III.  25 


886 


II.  Spezieller  Teil. 


beibehalten,  so  können  die  Gänge  eine 
Länge  bis  zu  i  Meter  und  mehr  erreichen 
(Abb.  333).  Mitunter  beschränkt  sich  der 
Fraß  lediglich  auf  die  unteren  Stamm- 
partien und  verläuft  in  die  größeren 
Wurzeln.  Wenn  der  Fraß  vielleicht  auch 
an  anbrüchigen  Stellen  beginnt,  so  ver- 
laufen die  meisten  Gänge  doch  in  ganz 
gesunden  Stammteilen.  Die  Gänge  wer- 
den in  der  Regel  rein  gehalten;  die 
Nagespäne  und  der  Kot  werden  durch 
eine  untere  Öffnung  (Abb.  331)  hinaus- 
^^^  ^^  geschafft.     Letztere    kann    so    groß    sein, 

/    B^B^^K     |1    .    Im  daß    man    leicht    einen     Finger    hinein- 

*     j^Mßfm        1         '  I  stecken  kann ;  sie  muß  wohl  von  Zeit  zu  Zeit 

wieder  erweitert  werden,  da  sie  sonst  vom 
Cambium  ganz  überwallt  werden  würde. 
Die  Raupen  verlassen  bisweilen  ihren 
ersten  Fraßbaum  und  unternehmen  grö- 
ßere Wanderungen,  wobei  sie  ,, emsig 
über  die  Erde  wegkriechen"  (Ratze- 
burg,  F.  86).  Ob  sie  sich  dann  in  andere 
Bäume  zur  Fortsetzung  des  Fraßes  ein- 
bohren oder  aber  zur  Verpuppung  in  die 
Erde  gehen,  darüber  liegen  keine  Beob- 
achtungen vor.  Ratzeburg  nimmt  das 
erstere  an  in  solchen  Fällen,  in  denen 
die  Raupen  in  zu  schwaches  Material  ge- 
raten sind,  das  ihnen  zu  wenig  Ernäh- 
rungsmöglichkeit geboten  hat  —  also  eine 
Auswanderung   aus    Nahrungsmangel. 

Nach  der  2.  Überwinterung  frißt  die 
Raupe  im  3.  Kalenderjahr  noch  ganz 
kurze  Zeit  und  schreitet  dann  im  Mai 
zur  Verpuppung. 
„Einen  merkwürdigen  Zug  der  Raupen,  welcher  die  Gefräßigkeit  der- 
selben besonders  bezeichnet,  führt  uns  Rösel  an"  —  nämlich  den  Kanni- 
balismus. „Nachdem  das  ihnen  dargereichte  Futter  verzehrt  war,  machte 
sie  der  Hunger  so  rasend,  daß  sie  einander  selbst  anfielen  und  die  stärkeren 
nicht  nur  die  schwächeren  erwürgten,  sondern  auch  mit  Haut  und  Haar,  bis 
auf  die  Köpfe  auffraßen.  Auch  eine,  die  schon  verpuppt  war,  wurde  so  ver- 
zehrt" (Ratzeburg,  F.  S.  87).  Eine  weitere  bemerkenswerte  Eigenschaft 
der  C OS s US -RsLupen  ist  die  große  Kraft,  die  sie  mit  ihren  Kiefern 
entwickeln  können;  sie  können  damit  nicht  nur  das  härteste  Holz,  sondern 
sogar  Bleiplatten  durchfressen,  was  sonst  nur  noch  (wenigstens  von  mittel- 
europäischen Insekten)  von  einigen  Käfern  und  von  den  Holzwespen  be- 
kannt isti). 


Abb.    331.       Fr.iljyaiiyc     \  un     Coi^^/zs 

cossus     L.     (rechts     unten     Auswurf- 

öffnung). 


1)  Nach  Varrichon  (1925)  haben  Cossus-'Larven  dadurch  großen  Schaden  in 
einer  Schwefelsäurefabrik  gemacht. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Cossidae. 


387 


Die  Raupe  hat,  wie  oben  (S.  3S4)  schon  erwähnt,  einen  eigenartigen 
sehr  charakteristischen  Geruch  (nach  Holzessig)  i).  Sie  scheidet  aus 
dem  Munde  eine  ölartige  Substanz  aus,  die  nach  Ratzebu  rgs 
Meinung  zur  Erweichung  der  Holzfaser  dienen  soll  (F.  S.86),  was  aber  nach 
Henseval  (La  Cellule  T.  12.   1897)  nicht  zutrifft. 

Die  Verpuppung  findet  meist  in  dem  peripheren  Ende  eines  Ganges 
statt,  den  die  Raupe  bis  an  die  Außenfläche  fortführt  und  wieder  mit  Holz- 
spänchen  verstopft;  sie  kann  aber  auch  im  Boden  stattfinden  in  der  Nähe 
ihres  Fraßbaumes.  Im  letzteren  Fall  ist  stets  ein  aus  Holzspänen  gefertigter 
Kokon  vorhanden,  der  mitunter  eine  ansehnliche  Größe  erreichen  kann,  an 
der  Außenseite  rauh,  uneben  und  meist  dunkel  gefärbt  erscheint,  innen  aber 
schön  weiß  und  zart  ausgesponnen  ist.  Bei  der  Verpuppung  im  Stamm  kann 
der  Kokon  auch  fehlen,  besonders  in  schwachen  Sortimenten.  Die  Puppen- 
ruhe dauert  3 — 4,  mitunter  auch  6  Wochen.  Vor  dem  Ausschlüpfen  arbeitet 
sich  „die  unruhige  Puppe  mittels  der  gegen  die  Gespinstwand  angestemmten 
Hinterleibsstacheln  halb  aus  dem  Kokon  heraus",  worauf  der  Falter  die 
Puppenhülle  in  der  oben  angegebenen  Weise  sprengt  (Abb.  334). 

Die  Erkennung  des  Befalls  ist  nicht  schwierig:  Der  geformte  Kot 
und  die  Bohrspäne,  die  an  der  Stammbasis  um  eine  große  Öffnung  an- 
gesammelt sind,  verbunden  mit  dem  eigentümlichen  Raupengeruch,  lassen 
eine  Fehldiagnose  kaum 
zu.  Der  differentialdia- 
gnostisch  noch  in  Frage 
kommende  Fraß  ver- 
schiedener Cerambyciden, 
wie  Saperda  carchariiis 
L.  oder  Aromia  moschata 
L.  ist  an  dem  Fehlen  des 
Raupenkotes  und  des  Ge- 
ruches leicht  vom  Cos- 
i-//5--Fraß  zu  unterschei- 
den; letzteres  gilt  auch 
für  die  Sesie  TrochHiiim 
api forme  (s.  unten  403). 
Die  forstliche  Be- 
deutung des  Weiden- 
bohrers ist  keineswegs 
gering  und  man  kann  ihn 
getrost  zu  den  merk- 
lich schädlichen  In- 
sekten rechnen.  Da  die 
Raupen  oft  in  großer 
Zahl  vorkommen  —  man 
kann  200  Stück  und  mehr 
in  einem  Stamm  finden-  — , 

so  werden  die  befallenen         ^^b.  332.    Querschnitt  durch  einen  von  C^..//.- Fraß- 
Partien      technisch      voll-  gangen    durchsetzten    Stamm. 


1)    Die    englische    Bezeichnung    „Goat    Moth' 
zurückzuführen  (Goat  =  Ziegenbock). 


ist    wohl    auf    diese    Eigenschaft 


25=* 


388  II.  Spezieller  Teil. 

kommen  entwertet;  außerdem  aber  besteht  für  solche  Stämme  erhöhte  Wind- 
bruchgefahr. Die  Angabe  Ratzeburgs,  daß  auch  ganz  schwaches  Material 
befallen  und  durch  den  Fraß  zum  Absterben  gebracht  würde,  hat  durch 
spätere  Beobachtungen  keine  Bestätigung  gefunden. 

Der  Schaden  macht  sich  vor  allem  in  Alleen,  Gärten  usw.  fühlbar, 
wo  schöne  Zierbäume  (Trauerweiden  usw.)  den  Cossus-LsLYven  nicht  selten 
zum  Opfer  fallen.  Vor  wenigen  Jahren  (1926)  wurde  eine  Eschenallee  auf  der 
Landstraße  zwischen  Kempten  und  Pfronten    (Allgäu)    so   stark   von   Coss//s 


Abb.  333.  Gespaltener,  \on  ^cavs/z-Ijc- 
fallener  Stamm.  Die  FralJ-iMir^i'  kön- 
nen  bis   zu    I   m    lang    werden.      Ant- 
genommen  im  Allgäu.  1 


Abb.  334.  Kokon  \  on  Cos- 
s/r9  ross/fs  L.  mit  her\-or- 
geschobener    Puppenhülle. 


befallen,  daß  eine  größere  Anzahl  der  Bäume  gefällt  werden  mußte. 
Kutter  (1901)  meldet  ähnliches  von  einer  Allee  bei  Biberach  (Ober- 
schwaben). 

An  n  a  t  ü  r  1  i  c  h  en  Feinden  sind  außer  den  oben  erwähnten  Vögeln 
und  Säugetieren  bis  jetzt  noch  eine  Anzahl  von  Parasiten  bekannt  geworden, 
von  denen  folgende  genannt  seien: 

Tachinen:  Zenillia  fauna  Rond.,  Lydella  ambuhmis  Rond.  (=  S/i/nnia 
[Xylotachina]  ligniperdae  B.B.)  und  Phorocera  assimilis  Fall.  (Baer). 

Schlupfwespen:  Die  Ichneumoniden  Mesostenus  gladiator  Scop., 
Meniscus  setosiis  Frcr.  und  Herpestomus  xcniUiops  Gr.  (=  I chnciiDinii  pi/sil- 
lator  Gr.). 

Keiner  dieser  Schmarotzer  scheint  besonders  häufig  zu  sein.  Wenn 
trotzdem  die  Vermehrung  von  Cossus  bei  der  hohen  Eizahl  in  erträglichen 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Fanulic   Cossidae.  389 

Grenzen  bleibt,  so  fehlt  uns  heute  noch  die  Einsicht  in  die  Ursachen. 
Möglicherweise  spielt  der  stark  ausgeprägte  Kannibalismus  der  Raupen 
dabei  eine  wesentliche  Rolle  (Reh).  Nach  P  et  seh  (1925)  gehen  die  Cossiis- 
Larven  bisweilen  an  einer  Mykose  (Spicaria  cossi/s  Petsch)  zugrunde.  In 
unserem  Institut  gingen  mehrere  Cossus-Vn\>Y>ftn  durch  Cordyceps  miliiaris 
(künstliche  Infektion!)   ein. 

Zur  Bekämpfung  empfiehlt  es  sich,  die  basalen  Stammpartien  mit 
Raupenleim  oder  einem  Baumkarbolineum  zu  bestreichen.  Bei  sehr  starkem 
Befall  wird  es  wohl  das  beste  sein,  die  betreffenden  Stämme  zu  fällen  und 
zu  zerklüften,  um  alle  darin  befindlichen  Raupen  vernichten  zu  können. 
E^'entuell  wäre  auch  die  unten  S.  406  bei  Trochiliitm  apiforme  angegebene 
Methode  mit  gepulvertem  Cyannatrium  zu  versuchen. 

Es  gibt  noch  eine  zweite  Cossus-hxt  in  Deutschland,  Cossiis  terebra  F.  (Pappel- 
bohrer), deren  Falter  etwas  kleiner  und  dunkler  gefärbt  ist  als  Cossus  cossus  L.  und 
deren  Raupe  schmutzigweiß  ist  mit  gelblichen  Ringen  und  dunkelbraunem  Kopf. 
Ratzeburg  erwähnt  diese  Art  in  seinen  „Forstinsekten",  doch  kommt  sie  so  selten 
vor,  daß  sie  kaum  forstliches  Interesse  besitzt.  Die  Larve  lebt  vornehmlich  in 
Pappeln. 

Zeuzera  pyrina  L. 

Taf.  V.   Fig.  3. 

Blau  sieb,    Roßkastanienbohrer. 

Ratzeburg:  Bombyx  aesculi  L.  (blaupunktierter  Holzbohrer).  —  Nitsche:  Cossus 
aescidi   L.   —   Altum:   Cossus  aesculi   L.   —   Wolff-Krauße:   Zeuzera  pyrina   Latr.    — 

Wesentlich  kleiner  als  Cossus  und  durch  die  auffallende  Färbung  des 
Falters  (weiß  und  stahlblaue  Flecken)  sowie  der  Raupe  (gelb  mit  dunkel- 
braunen  Punkten)   leicht  kenntlich i). 

Falter  :  Flügel  weiß  mit  kleinen,  runden,  stahlblauen  Flecken,  die  auf  der 
Flügelfläche  zwischen  den  Adern,  am  Rande  auf  den  Enden  der  Adern  stehen  und 
auf  den  Hinterflügeln  blasser  als  auf  den  Vorderflügeln  sind.  Kopf,  Brust  und 
Hinlerleib  weiß  behaart,  mit  6  blauen  Flecken  auf  dem  Rücken  des  Thorax  und 
blauen  Querbinden  auf  dem  Hinterleib.  Fühler  stahlblau,  kurz  und  dünn,  nur  beim 
Cf  in  der  unteren  Hälfte  lang  doppelt  gekämmt.  Das  bedeutend  größere  o  mit 
langer  Legröhre.  Länge:  cf  25  mm,  G  53  mm,  Flügelspannung:  cT  50  mm,  9  60  bis 
70  mm  (Abb.  335). 

Puppe  hellbraun,  bauchwärts  etwas  eingekrümmt,  mit  kurz  schnabelförmigem 
Kopfende,  kurzen  Flügelscheiden,  zwei  nach  hinten  gerichteten  Reihen  kurzer 
Stacheln,  einer  vorderen  längeren  und  einer  hinteren  kürzeren  auf  den  mittleren  und 
einer  Reihe  solcher  auf  den  letzten  Hinterleibsringen.  Hinterende  abgestutzt,  mit 
kleinem  Dornenkranz.    Länge  4  cm. 

Raupe  (Abb.  336)  drehrund,  16 füßig,  mit  geschlossenem  Hakenkranz  an  den 
Afterfüßen.  Kopf  dunkelbraun,  Mundwerkzeuge  und  ein  ankerförmiger  Fleck 
auf  dem  Scheitel  gelb.  Leib  wachsgelb  mit  einem  großen,  in  der  Mitte  längs- 
gefurchten, am  Hinterrande  warzigen,  dunkelbraunen  Nackenschilde,  zwei  großen 
in  der  Mitte  gleichfalls  längsgefurchten,  dunklen  Chitinschildern  und  zwei 
seitlichen  Flecken  auf  dem  letzten  Segment  und  einer  Querreihe  kleiner,  flacher, 
dunkler,  je  ein  kurzes  Chitinhaar  tragenden  Warzen  auf  Ring  2— 11.  Länge  bis  un- 
gefähr 5  cm. 


ij  Bei  der  Gattung  Zeuzera  Latr.  Vorderflügel  r^  und  r-^  erst  spät  geteilt  und 
im  Hinterflügel  sc  mit  rr  durch  eine  kleine  Querader  verbunden,  die  saumwärts 
von  der  Zelle,  also  in  den  freien  Ast  rr  mündet   (Abb.  324 B). 


390 


II.  Spezieller  Teil. 


Kot  ziemlich  groß,  walzig  mit  meist  abgerundeten  Enden  und  einigen  unregel- 
mäßigen Querfurchen,  ohne  Sterneindrücke  und  Längsfurchen,  faserig,  uneben, 
glänzend  wie  lackiert,  rötlich  oder  bräunlich  gelb   (Abb.  337). 

Ei  walzenförmig,  an  beiden  Seiten  flach  gerundet,  weich,  fleischfarben. 
Das    Blausieb    besitzt    wie    der    Weidenbohrer    eine    weite    geogra- 
phische Ve  rbreitung  über  Europa,  Kleinasien,  Palästina,  Cypern,  Korea, 

Japan  und  ist  außerdem  nach  Süd- 
afrika und  Nordamerika  (in  Nord- 
amerika zum  erstenmal  1882  erwähnt) 
verschleppt  und  dort  heimisch  ge- 
worden. 

Die  Polyphagie  der  Zeuzera- 
Raupe  ist  noch  weit  größer  als  die  des 
Weidenbohrers;  sie  kommt  wohl  in  den 
meisten  Laubholzarten  vor, 
allerdings  Harthölzer  bevorzugend. 
Außerdem  in  der  Rebe,  schwarzen 
Johannisbeere,  Spiraee  und 
Schneeball.  Altum  nennt  ferner 
die  Mistel  und  die  Fichte,  und 
zwar  letztere  unter  den  häufiger  be- 
fallenen Pflanzen.  Bei  dieser  Poly- 
phagie des  Blausiebs  ist  es  besonders 
auffallend,  daß  sie  in  einigen  Fällen 
Unterschiede  zwischen  Rassen  der  glei- 
chen Pflanzenart  macht.  So  werden 
nach  Bodenheim  er  (1927)  in  Palä- 
stina die  einheimischen  Olivenbäume 
nicht  oder  viel  weniger  befallen  als 
gewisse  eingeführte  Rassen,  die  stellen- 
weise völlig  vernichtet  wurden;  ähn- 
lich verhält  es  sich  dort  mit  verschie- 
denen Obstbäumen.  Durchschnittlich 
verhält  sich  dort  der  Befall  der  ein- 
heimischen zu  den  fremden  Rassen 
nach  den  Bohrlöchern  gemessen  wie  2,25  :  20,65.  Es  ist  hierbei  allerdings  die 
Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht  eher  der  physiologische  Zustand  der  betreffen- 
den Pflanzen  ausschlaggebend  war  als  die  Rasseneigenschaften  (s.  unten). 


Abb.    335.     Zeuzera   pyrina    L.    (Blau- 
sieb)  auf  einem  Stamm  sitzend,  unten 
die   verlassene   Puppenhülle. 


Abb.  336.    Raupe  von  Zeuzera  f^yrii/a  L.    Nach  Ritze  ma-Bos   (aus   Stellwaag). 

Im  Gegensatz  zu  Cossi/s  werden  dünnere  Stämme  oder  Äste  bevor- 
zugt. Ein  weiterer  Gegensatz  besteht  darin,  daß  es  sich  bei  Zeuzera  meist 
um  einen  solitären  Befall  handelt,  während  die  Cöi-i-z/^T- Raupen  gewöhnlich 
in  großer  Zahl  gemeinsam  eine  Stammpartie  bewohnen. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Cossidae.  391 

Bioformel: 

-  7,  A,  5 


5  +  67 

Die  Bionomie  ist  in  den  letzten  Jahren  wesentlich  gefördert  worden 
durch  Bodenheimer  (1927),  und  vor  allem  durch  Ciopkalo  (1928),  der 
in  der  Ukraine  Gelegenheit  hatte,  das  forstliche  Verhalten  der  Zeitzera  zu 
studieren. 

Die  Flugzeit  fällt  in  unserem  Faunengebiet  in  der  Hauptsache  in  den 
Monat  Julii).  Das  9,  das  wesentlich  lebhafter  ist  als  das  Cossi(.s-(^,  legt  seine 
Eier  meist  einzeln  an  verschiedene  Stellen  der  Fraßpflanze  ab,  nach  Ciop- 
kalo (1928)  hauptsächlich  an  die  Blattstiele  oder  in  die  Blattstielwinkel, 
auf  Knospen  oder  auf  die  Wipfel  junger  Schößlinge,  selten  auf  dickere  Äste. 

„Nach  IG — 14  Tagen  schlüpfen  die  Räupchen  aus,  bohren  sich  in  das 
Mark  der  Zweige  oder  Blätter  ein  und  nähren  sich  zunächst  nur  von  diesem 
zarten    Futter,   so   daß   die   Beschädigung 

vorerst    unbemerkt    bleibt.     Jedoch    nach  ^ 

einiger    Zeit    fangen    die    Räupchen    an,  <|||^         ^ 

auch    die    leitenden    Gefäße    anzugreifen,  ^|    ^^        ^      J|| 

und  indem  sie  diese  durchnagen,  be- 
wirken sie  das  Absterben  des  ganzen 
oberen  Teiles  des  Schößlings  oder  der 
Blätter,  welche  an  der  Stelle  des  Ein- 
bohrens    knicken    und    schnell    abfallen. 

Von    hier    aus    ziehen    sie    allmählich    in  ^p^    ^"^  ^        ^^» 

dickere    Baumteile   über,    indem   sie   eine  ^^ok.      ^B    t^  Q^ft 

ganze   Reihe   von    provisorischen    Gängen  ^^^       ^     ^P  ^** 

nagen.     Den    letzten    Gang    bereiten    sie  ^1^        ^^    ^^ 

gewöhnlich     im     Stamm     vor"      (Ciop-  ^P        ^ 

kalo).    Er  beginnt  mit  einem  Plätzgang 

von    ansehnlichen    Dimensionen    (AI tum       ,,,  „  ,  „ 

.  _,  ^  .         Abb.    337.    Exkremente   von   /.euzera 

spricht   von   emem    Raum   von   7 — 9    cm),  pyrina  L 

von  wo  aus  gewöhnlich  ein  ziemlich  aus- 
gedehnter Längsgang  nach  oben  führt  (Abb.  338  und  339). 

Der  Rindenfraß  ist  sehr  unregelmäßig,  der  Gang  im  Holz  in  stärkerem 
Material  stets  völlig  drehrund  (Abb.  340),  ungefähr  10  mm  im  Durchmesser; 
im  schwächeren  Material  dagegen  zeigt  er  oft  große  Unregelmäßigkeiten,  wie 
verschiedene  Ausbuchtungen,  die  bis  an  die  Peripherie  heranreichen  können, 
Quergänge  usw.  2). 

Die  Plätzgänge  können  um  die  Peripherie  des  Stammes  laufen  und  fast 
alle  saftleitenden  Gefäße  durchschneiden.  Bei  starkem  Befall  kann  ein  der- 
artiges Ringeln  des  Stammes  auch  dadurch  Zustandekommen,  daß  sich  meh- 
rere auf  gleicher  Höhe  befindliche  Plätzgänge  gegenseitig  berühren. 

„Die  Raupe  überwintert  zweimal,  gewöhnlich  im  Sackende  des  Ganges, 
indem  sie  sich  durch  einen  Verschlag  von  Nagespänen  und  Kot,  versponnen 
mit  Gespinstfäden,  absondert." 


1)  In  Palästina,  wo  einjährige  Generation  die  Regel  ist,  fällt  die   Flugzeit  nach 
Bodenheimer   (1927)   in  die   Monate  August   bis  Oktober. 

2)  Wie    ungeheuer    variabel    das    Gangsystem    von    Zeuzera    ist,    geht    aus    den 
Zeichnungen  von  Bodenheimer  (1927)  hervor. 


392 


II.  Spezieller  Teil. 


Der  Kot  (seine  Form  siehe  oben  S.  391)  wird  von  Zeit  zu  .Zeit  aus- 
gestoßen, und  zwar  durch  eine  am  oberen  Rand  der  geplatzten  Stelle  befind- 
liche ziemlich  enge  Öffnung;  letztere  ist  aber  nicht  leicht  zu  finden,  da  sie 
fast  immer  mit  einem  der  Rinde  gleichsehenden  Gespinst  geschlossen  ist. 
Dieses  nagt  die  Raupe  von  Zeit  zu  Zeit  durch,  um  den  angesammelten  Kot 
und  die  Späne  hinauszuschaffen,  und  es  aber  dann  gleich  wieder  zu 
schließen. 

Nach  der  2.  Überwinterung,  also  im  Frühjahr  des  3.  Kalenderjahres, 
steigt  die  Raupe  herab,  um  sich  in  der  Nähe  der  Kotauswurföffnung  zu  ver- 
puppen, nachdem  die  letztere  vorher  mit  Nagespänen  verstopft  wurde.  Kurz 
vor  dem  Schlüpfen  des  Falters  schiebt  sich  die  Puppe  wie  bei  Cossus , und  den 
Sesien  etwas  über  die  Rindenoberfläche  vor. 


V 


Abb.  338.  Fraßgang  von  Z.euzera 

pyrina     L.,     am     unteren     Ende 

ausgedehnter  Plätzfraß. 


Abb.  339. 


Dünne    Zweige    mit 
Zeuzera  pyrit 


Fraßgängen  von 
a  L. 


:.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Cossidae. 


898 


Abb.  340.  Querschnitt  durch 
einen  Stamm  mit  zentralem 
Fraßgang  von  Zeuzera  pyrina 


Ob  die  Raupe  auch  wandert  (wie  die 
Co Ji'Zifi' -Raupe),  ist  noch  nicht  bestimmt  beob- 
achtet, jedoch  schließt  dies  Henschel  (1895) 
aus  einem  Fund  von  voll  erwachsenen  Raupen 
in  den  jüngsten  Trieben  von  Bandweiden.  Da 
der  Fraßgang  nur  sehr  kurz  war,  so  meint 
Henschel,  daß  die  Raupen  hier  erst  sekundär 
eingewandert  sind,  vielleicht  veranlaßt  durch 
Vertrocknen  ihrer  früheren  Wohnstätte. 

Der  Schaden  ist  im  Obstbau  usw.  bis- 
weilen sehr  schlimm  (vgl.  Bodenheimer, 
1927);  forstlich  können  wir  das  Blausieb  zum 
mindesten  zu  den  „merklich  schädlichen 
Insekten"  stellen.  Da  im  allgemeinen  nur  ein- 
zelne Raupen  den  Stamm  bewohnen,  so  bleibt 
bei  älteren  Stämmen  der  Fraß  physiolo- 
gisch ziemlich  gleichgültig,  abgesehen  davon, 
daß  die  Verwundungen  den  Ausgangspunkt  für  ^' 

Fäulnisstellen  bilden  können;  dagegen  werden  die  befallenen  Stämme  natür- 
lich technisch  entwertet.  Handelt  es  sich  um  dünnere  Äste,  so  werden 
diese  zum  Absterben  gebracht;  dasselbe  gilt  für  schwächere  Stämmchen,  die 
meist  eingehen,  wenn  sie  nicht  schon  vorher  an  der  Angriffsstelle  durch 
Wind  usw.  abgebrochen  werden.  Von  ernsteren  Schäden  werden  daher  vor 
allem  Baumschulen  und  Heisterpflanzungen  betroffen.  Ratzeburg  be- 
richtet von  empfindlichen  Verlusten  im  Eberswalder  Forstgarten,  wo  1835/36 
zahlreiche  junge  Birken,  Ebereschen,  Buchen  usw.  durch  Zeuzera  getötet 
wurden.   Auch  AI  tum  führt  mehrere  ähnliche  Schäden  an. 

Einen  Fall  von  Massenvermehrung  und  bestandsverderbendem  Auf- 
treten teilt  Ciopkalo  (1928)  aus  der  Ukraine  mit.  Befallen  wurden  Laub- 
holzbestände (Esche,  Ulme,  Eiche,  Ahorn),  die  in  der  2.  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  auf  den  südlichen  Steppen  der  Ukraine  angelegt  worden 
waren.  Die  Wälder  befinden  sich  heute  in  wenig  guter  Verfassung,  weder 
der  Boden  noch  das  Klima  bieten  gute  Wachstumsbedingungen.  Dieser  Um- 
stand mag  die  Vermehrung  der  Zeuzera  gefördert  habend).  Durch  genaue 
Aufnahme  stellte  Ciopkalo  fest,  daß  mit  der  Zunahme  des  Stammdurch- 
messers auch  die  Besetzung  mit  Zeuzera-^dcvi^^^  zunimmt  (bei  einer 
Diameterzunahme  von  i  cm  beinahe  um  9 0/0).  Ferner  konnte  eine  deut- 
liche Vorliebe  von  Zeuzera  für  Esche  gegenüber  Ulme,  Eiche  und 
Ahorn  beobachtet  werden  und  endlich  auch  eine  unverkennbare  Abhängigkeit 
des  Befallsgrades  vom  Bestandstypus.  Der  größte  Unterschied  in  dieser 
Beziehung  herrschte  zwischen  reinen  Baumpflanzungen  und  solchen  mit 
dichtem  Buchenunterwuchs. 

x\n  natürlichen  Feinden  scheint  Zeuzera  pyrina  noch  ärmer  zu 
sein  als  Cossus.    Parasiten   sind  bis   jetzt  nur  ganz  wenig  Arten   bekannt^). 


1)  Auch  Bodenheimer  berichtete  mir  bei  einem  Besuch  in  Palästina,  daf3  vor 
allem  solche  Bäume  von  Zeuzera  befallen  werden,  die  schon  etwas  geschwächt  sind. 

2)  Ciopkalo  nennt  einen  Ichneumon  (I .  abeillei  Berth.)  aus  der  Puppe  und 
zwei  Chalcididen  (Enderus  sp.  und  Elasmus  sp.U  Fahringer  den  Chalcididen 
Lithomastix  truncatella  Dalm. 


394  11.  Spezieller  Teil. 

An  Vögeln  kommt  vor  allem  der  große  Buntspecht  in  Betracht,  der  sich 
ab  und  zu  eine  Raupe  aus  dem  Holz  meißelt.  Dabei  sind  Fehlhiebe  nicht 
selten,  wie  aus  Altums  Bericht  und  Abbildung  (F.  S.35)  hervorgeht  und  wie 
ich  selbst  in  Tharandt  an  einem  Eschenstamm  in  völlig  übereinstimmender 
Weise  mit  der  genannten  Abbildung  beobachtet  habe.  —  Jedoch  stellt  sich 
der  Specht  durchaus  nicht  so  regelmäßig  ein,  daß  wir  ihm  allein  die  Regu- 
lierung der  Vermehrung  zuschreiben  können  i). 

Entdeckt  man  den  Fraß  an  jüngeren  Stämmchen  frühzeitig,  so  kann 
man  durch  Abtöten  der  Raupe  die  befallene  Pflanze  noch  retten.  Das  Ab- 
töten kann  durch  einen  starken  Draht  geschehen,  den  man  in  das  Auswurfs- 
loch so  weit  einführt,  bis  man  die  Raupe  damit  trifft;  oder  aber  man  bringt 
eine  rasch  verdampfende  Flüssigkeit  in  das  Loch  ein  und  verstopft  nachher 
das  Loch  mit  Baumwachs.  Bodenheimer  hat  sehr  gute  Erfolge  mit 
Paradichlorbenzol  erzielt;  mit  einer  Dosis  von  0,15 — 0,25  g  pro  Loch 
wurde  eine  icoo/oige  Abtötung  erzielt.  Auch  Calcium  Cyanid  hatte  eine 
gute  Wirkung. 

Ist  der  Fraß  schon  weit  fortgeschritten  (im  2.  Jahr),  so  daß  das  Leben 
des  Baumes  gefährdet  ist,  so  ist  bei  jungen  Stämmchen  und  Zweigen  die 
radikale  Entfernung  vor  dem  Auskommen  des  Falters  die  richtigste  Be- 
kämpfungsart. An  starken  Stämmen  kann  auch  nach  Vollendung  des  auf- 
steigenden Ganges  die  Draht-  oder  Paradichlorbenzinbekämpfung  vorge- 
nommen werden. 

Tritt  Zeuzera  als  Bestandsverderber  auf,  so  ist  mit  dem  Abholzen  nicht 
allzu  lange  zu  zögern,  da  bei  Vergrößerung  des  Diameters  auch  die  Blaü- 
siebzahl  im  Bestände  wächst.  Zur  Vorbeugung  empfiehlt  Ciopkalo  in  ge- 
fährdeten Gegenden,  die  Aufforstung  von  reinen  Eschenbeständen  zu  ver- 
meiden und  neue  Bestände  nur  mit  dichtem  Buchenunterholz  anzulegen. 

Literatur  über  Cossiden. 

AI  tum,    1880,  Cossiis  aesciili  L.  in   Mistel.    Z.  f.  F.  u.  J.   S.  380. 

Bodenheimer,    F.  S.,   und   Klein,    H.  Z.,    1927,    Studies  on   the   Life-History   and 

the   Control   of   Zeuzera  pyrina.   —   Agr.   Rec.    Nr.  i.    P.  Z.  E.  Inst.  Agr.  Tel-Aviv, 

Palästina. 
Bongini,  V.,   1920,  II  Perdilegno  rosso  (Cossiis  cossus  L.j.  —  R.  Oss.   Fitopatolog. 

Turin,  Taglio  d.'Istruzioni.  3. 
Ciopkalo,    W.,    1928,    Das    Blausieb    (Zeuzera    pyrina)   in    den    südlichen    Steppen- 

forstre\ieren.    Mitt.  Forstl.  Vers.  Ukraine.   Heft  IX. 
Del    Guercia,    G.,    19 13,    Nuova    contribuzione    alla    conoscenza    dei    nemici    dell' 

Olivo.     II.    Intorno    ad    un    trascurato    o    pur    grave    nemico    dell'  Olivo    (Zeuzera 

pyrina   L.j. 
Feit,    E.  P.,    1905,    Insects    affecting    Parkland    and    Woodland    Trees.     New    York 

State  Museum,   Memoir  8.  S.  75 — 79. 
Gleisberg,  W.,   1924,  Zur  Madenfallenfauna.  —  Dtsche.   Obst-  u.   Gemüsebau-Ztg. 
Israel,    W.,    1920,    Dendrologische    Notizen.   —    Mitt.    d.    Deutsch.    Dendrologischen 

Ges.   1920,  p.  301. 


1)  AI  tum  (F.  S.  38)  glaubt  in  der  relativen  Seltenheit  der  cfcf  einen  wich- 
tigen regulierenden  Faktor  sehen  zu  dürfen.  Die  cfcf  sind  so  spärlich  und  werden 
(da  sie  wesentlich  kleiner  sind  und  sich  daher  wohl  auch  wesentlich  rascher  ent- 
wickeln) so  trüh  erscheinen,  daß  „von  den  später  sich  entwickelten  99  nur  selten 
eines  befruchtet  wird".  „Dieses  durchstreift  dann  des  Nachts  die  Gegend,  um  in 
weiten  Abständen  hier  und  dort  einem  Stamm  oder  Zweig  mit  seinem  langen  Lege- 
bohrer ein  Ei  tief  in  eine   feine  Rindenritze  beizubringen." 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidae) 


39f 


Kutter,    1901,   Schaden   durch   den   Weidenbohrer   (Cossks  liginperda).   —   AUg.  F. 

u.J.   S.  155. 
Ludwig,    1909,   Fünfter  Phytopath.    Bericht  d.   Biol.   Centralstelle   f.   cl.    Fürstentum 

Reuß  alt.  u.  jg.  Linie. 
Petsch,    F.,    1925,    Studies    in    Entomogenous    Fungi    IIL     Cambridge.     (Ref.    Rev. 

appl.  Ent.   1926.   S.  644. 1 
Schuster,   L.,    1905,   Zur   Biologie   der   Raupe   des   Weidenbohrers   (Cossiis  cossus). 

Allg.  F.  u.  J.   S.  68. 
Stichel,    1918,    Einiges    über   Zei/zera   pyrina    L.    —    Z.  f.  wiss.   Insektb.    Bd.  XIV. 

S.  198 — 200. 
Trägärdh,    Ivar,    192 1,    Bjorksplintborrer    och    trädödaren    tva    fiender    tili    vara 

björkdungar.    Lustgarden.    Arsskr.  f.  Dendrol.   och     Parkvard.   S.  119 — 127. 
Varrichon,    M.,    1925,    Degats    causes    par    des    insects    aux    chambres    de    plomb, 

dans    les    usines    procluctrices    d'acid    sulfurique.     —     Bull,    bi-mens.     Soc.     Lin. 


Lyon.  IV. 


Familie:  Sesiidae  (=  Aegeriidae). 


G  1  a  s  s  c  h  w  ä  r  m  e  r. 
Allgemeines. 

Die  Sesien  sind  meist  mittelgroße  bis  kleine  Falter  mit  Schwärmer- 
habitus, weshalb  man  sie  ja  auch  früher  zu  den  Schwärmern  gestellt  hat.  Sie 
sind  vor  allem  durch  die  wenig  beschuppten,  größtenteils  glashellen  Flügel 
auffallend  charakterisiert.  Die  Fühler 
sind  spindelförmig,  d.  h.  hinter  der  Mitte 
allmählich  verdickt  und  am  Ende  zu- 
gespitzt. Leib  meist  schmächtig  und  am 
Ende  einen  Afterbusch  tragend.  Neben- 
augen sehr  groß,  Augen  nackt,  Palpen 
wohlentwickelt,  Maxillarpalpen  verküm- 
mert, Zunge  meist  kräftig,  spiralig. 
Mesothorax  mächtig  entwickelt. 

Flügel  schmal;  Vorderflügel  ohne 
Anhangszelle,  r^,  5  erst  spät  geteilt. 
Basale  Teile  von  m  öfter  deutlich  er- 
halten; Hinterflügel  stets  mit  nur  zwei 
Ästen  von  m,  basale  Teile  von  ;;/  nur 
ausnahmsweise  erhalten.  a)i  fast  stets 
bis     zum     Saum     entwickelt,     von     den 

gabelten,  meist  eine  deutliche  Tasche  umgreifenden  Ader  a\ 
vordere,  bald  der  hintere  bis  zum  Saum 
reichend.  Haftborste  stets  vorhanden.  Hinter- 
flügel fast  ausnahmslos  großenteils,  Vorder- 
flügel meist  auf  Teilen  des  Discoidalfeldes 
(„Keilfeld"),  im  basalen  Teil  der  Saumzellen 
(„äußeres  Glasfeld")  und  basal  zwischen  cii 
und  ax  („Längsfeld")  spärlich  durchsichtig 
beschuppt,  so  daß  diese  Flügelpartien  durch- 
sichtig erscheinen. 

Die  Raupen  sind  nur  mit  wenigen 
Härchen  besetzt,  gelblich  oder  schmutzig 
weiß,  mit  dunklem  Kopf  und  Nackenschild, 
und    starken    Mundteilen.      An    Augen    sind 


Abb.  341.  Flügelgeäder  einer  Sesie, 
Trochilium  api forme  Cl.  (Vfl  r^  und 
^5  gestielt,  OT-Stamm  erhalten.  Hfl 
nur  2  ?;?-Äste,  axc,  am  Grunde  ge- 
gabelt!. 


beiden     Endästen     der 


basal     ge- 
bald    der 


Abb.  342.   Raupe  einer  Sesie. 
.A  Unterseite,   B  Oberseite. 


396 


II.  Spezieller  Teil. 


jederseits  6  Ocellen  vorhanden,  die  in  ihrer  Stellung  verschieden  sind  und  ein 
gutes  Unterscheidungsmerkmal  abgeben  (s.  Tabelle).  Von  Bauchfüßen 
sind  in  der  Regel  nur  die  ersten  4kranzfüßig;  das  letzte  Paar  hat 
nur  einen  vorderen  Häkchenbogen.  Die  Häkchen  der  Kränze  sind  übrigens 
verschieden  stark  ausgebildet  bei  den  verschiedenen  Gattungen  (am  stärksten 
bei  Sesia  und  Sciapteron,  schwächer  bei  Trochilium  und  am  schwächsten  bei 
Bembecia').  —  Die  Segmente  sind  ein  wenig  dorsoventral  abgeplattet,  die 
Chitinisierung  ist  schwach,  nur  beim  Pronotum  und  letzten  Tergit  meist 
etwas  stärker.  Letzteres  ist  mit  einigen  steifen  Borsten  versehen  und  bei 
einigen  Gattungen  außerdem  noch  mit  Chitinhaken  (bei  Trochiliinn  mit  i, 
bei  Sciapteron  mit  2)1)  (Abb.  349). 

Die  Puppen  der  Sesiiden  (Abb.  343)  sind  sog.  halbfreie  Puppen 
(„pupae  semiliberae"),  d.  h.  die  Verlötung  der  einzelnen  Teile  ist  eine  sehr 
lockere,  so  daß  die  Puppenhülle  beim  Schlüpfen  derart  gesprengt  wird,  daß 
die  einzelnen  Gliedhüllen  sich  weitgehend  voneinander  trennen.  Sie  sind 
stark  beweglich,  was  sie  dazu  befähigt,  mit  Hilfe  der  Abdominaldornen  aus 
ihren  Spankokons  sich  herauszuarbeiten  (wie  die  Cossidenpuppen).  —  Die 
Dornenreihen  auf  den  Hinterleibssegmenten  kommen  in  verschiedener  Aus- 
bildung vor;  auf  den  meisten  Segmenten  befinden  sich  2  Reihen  (Abb.  344);  auf 
dem  2.  jedoch  nur  i,  desgleichen  bei  den  cfcf  auf  dem  8.  und  9.,  bei  den  99 
auf  dem  7. — 9.  Segment.  Männliche  und  weibliche  Puppen  können  also  an 
der  Zahl  der  Dornenreihen  auf  dem  7.  Segment  ohne  weiteres  unterschieden 
werden:  wo  2  Reihen  vorhanden  sind,  handelt  es  sich  um  cfcf,  bei  1  Reihe 
dagegen  um  99  (s.  Abb.  350 B  u.  D).  —  Die  Hinterleibsspitze  ist  mit 
einem  Kranz  von  Dornen  ausgerüstet,  deren  Zahl  und  Größe  je  nach  Art  ver- 
schieden sein  kann.  Die  Flügelscheiden  sind  kurz  und  reichen  selten 
über  das  4.  Abdominalsegment  hinaus.   Beine,  Antennen  und  M  a  x  i  1 1  e  n 

haben  verschiedene  Längen  und  bieten  gute 
Unterscheidungsmerkmale  (siehe  Tabelle).  — 
An  dem  Vorderende  der  Puppen  befindet 
sich  der  sog.  „Fron  talf  o  r  t  satz",  der  zum 
Herausarbeiten  aus  den  Puppenwiegen  dient 
und  verschieden  geformt  sein  kann  (Abb. 
350),  je  nach  den  Funktionen:  die  in  ge- 
sponnenen Kokons  ruhenden  Puppen  brau- 
chen diesen  Fortsatz  zum  Zerschneiden  ihrer 
Hülle;  die  in  nackten  oder  fast  nackten 
Holzgängen  ruhenden  brauchen  ihn,  um  da- 
mit das  Flugloch  zu  öffnen.  Die  hinter 
einem  Holz-  oder  Rindendeckel  ruhenden 
Puppen  scheinen  in  den  meisten  Fällen  höhere 
und  schärfere  Frontalausrüstung  zu  haben 
als  die,  welche  hinter  einem  offenen  Flug- 
loch in  einem  Kokon  ruhen.  —  Eine  weitere 
auffallende  Bildung  des  Puppenkopfes  sind  die  verschiedenen  Chitin- 
spitzen    unter    dem    Frontalfortsatz.     Die    Oberlippe    ist    bei    meh- 


A  B 

Abb.     343.     A     Puppe,     B     leere 
Puppenhülle  einer  Sesie  (Trochi- 
lium api forme  Cl.). 


1)  Derartige  Haken  sind  bei  im  Holz  lebenden  Larven  häufig  anzutreffen,  be- 
sonders bei  Käferlarven,  und  spielen  eine  lokomotorische  Rolle  in  der  Weise,  daß 
sie,  mit  den  Bauchfüßen  zusammenwirkend,  die  Hinterleibsspitze  bei  der  Bewegung 
rückwärts    fixieren. 


[.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidae) 


397 


reren  Arten  mit  2  nach  vorne  gerichteten  Spitzen  versehen,  bei  anderen  Arten 
unbewaffnet,  dagegen  finden  sich  dann  ähnliche  Bildungen  an  anderen 
Organen  (auf  dem  Clypeus  usw.). 

Die  Eier  sind  durch  ihre  harte,  feste  Schale  charakterisiert;  Oberfläche 
mehr  oder  weniger  deutlich  netzartig  skulpiert.  Die  Form  ist  meist  kugelig, 
an  den  Seiten  ein  wenig  abgeplattet;  bisweilen  auch  oval.  Ihre  Größe 
schwankt  sehr,  von  0,6x0,4  mm  bis  1,0X0,75  mm  (BeTubecia).  Die  Farbe  ist 
meist  gelbbraun,  ausnahmsweise  (bei  Sciapteron)  schwarz. 

Die  Sesien  sind  mit  wenigen  Ausnahmen 
Tagestiere  und  schwärmen  mit  Vorliebe  bei 
Sonnenschein.  Sie  legen  ihre  Eier  gewöhnlich 
oberflächlich  an  den  Pflanzen  ab,  in  Ritzen,  an 
Unebenheiten  usw.  Man  findet  die  Eier  hier  mit 
einer  ihrer  Breitseiten  ziemlich  lose  befestigt, 
meist  einzeln,  in  einiger  Entfernung  voneinander. 
Manche  Arten  lassen  ihre  Eier  einfach  zu  Boden 
fallen  (Kemner,  1922;  Schulze,  1926). 

Was  die  Zahl  der  Eier  betrifft,  so  steht 
diese  in  direkter  Proportion  zu  deren  Größe. 
T/ochiliion  mit  seinen  kleinen  Eiern  legt  nach 
Staudinger  bis  1200,  nach  Schulze  sogar  bis 
1800  ab.  Sesia  scoUiformis  Bkh.  ca.  400,  Beul- 
te da  mit  ihren  großen  Eiern  nur  ca.  100. 

Die  Raupen  dringen  nach  dem  Schlüpfen 
durch  Ritzen,  Wunden  usw.  in  die  Rinde  ein, 
nagen  zunächst  an  der  Grenze  zwischen  Rinde 
und  Splint  eine  Höhlung,  aus  der  sie  ihren  Kot 
durch  eine  besondere  Auswurfsöffnung  ent- 
fernen.    Ein    Teil    der    Raupen    bleibt    in    der 

Rinde,  wobei  sie  die  Höhlung  erweitern,  andere  dagegen  gehen  in  das  Holz 
und  nagen  hier  besondere  Gänge.  Nicht  selten  reagiert  die  Pflanze  auf  den 
Fraß  mit  einer  leichten  Anschwellung  (Gallbildung). 

Die  Nahrung  besteht  vornehmlich  aus  Pflanzensaft;  Holzteile  finden 
sich  nur  verhältnismäßig  wenig  im  Darm.  Daß  die  Säfte  die  Hauptnahrung 
darstellen,  geht  u.  a.  auch  aus  einer  Beobachtung  Kemners  hervor,  der 
drei  erwachsene  Sc.  tabaiii /ornie-harxen  zusammen  in  einem  kleinen  Stamm- 
stück von  7  >;  1,5  cm  fand. 

Sind  die  Raupen  ausgewachsen,  so  verlassen  sie  entweder  den  Fraßort, 
um  sich  in  der  Erde  in  einem  Kokon  zu  verpuppen,  oder  sie  nagen  sich  bis 
dicht  unter  die  äußerste  Rindenschicht  durch,  letztere  nur  als  papierdünnes 
Häutchen  stehen  lassend,  wenn  anders  sie  nicht  auch  noch  dieses  durch- 
fressen, so  daß  das  Flugloch  offen  bleibt.  Die  Verpuppung  geschieht  auch 
in  den  letzteren  beiden  Fällen  meist  in  einem  Kokon,  der  häufig  noch  mit 
einem  Gespinst  ausgekleidet  ist  oder  aber  nur  in  einem  Gespinst. 

Vor  dem  Schlüpfen  bohrt  sich  die  Puppe  durch  rotierende  Bewegungen 
mit  Hilfe  der  Dornenreihen  durch  die  etwa  stehengebliebene  dünne  Rinden- 
schicht durch,  bis  sie  etwa  zu  ihrer  halben  Länge  aus  dem  Flugloch  heraus- 
ragt und  es  so  dem  Schmetterling  ermöglicht  wird,  in  die  Freiheit  zu  ge- 
langen. Die  \olle  Entfaltung  desselben  geht  ungemein  rasch  vor  sich.  „So- 
bald  sich   die    Puppe   aus   ihrem   verborgenen    Lager    bis    über   die    Flügel- 


Abb.  344.  Stück  einer  Sc- 
sienpuppe  (Trorhiliufn  api- 
forme Cl. )  mit  Dornenreihen 
auf  den  Hinterleibssegmen- 
ten,  stark   vergr. 


398 


IL  Spezieller  Teil. 


scheiden   ins    Freie   hinausgeschoben   hat,   platzt   der   vordere   Teil,   und   der 

langbeinige   Falter  rennt  häufig  sogleich  eine  ziemliche  Strecke  fort,  ehe  er 

zur    Ruhe   kommt.     Hier   wachsen   seine    Flügel   so    schnell,    wie   es   nur   bei 

Microlepidopteren  bekannt  ist.    In   einer  oder  wenigen 

Minuten  ist  er  völlig  entwickelt"  (AI tum,  F.,  S.  40). 

rDie  Entwicklungsdauer  ist  nach  K  e  m  n  e  r  bei  den 
meisten  Arten  einjährig;  doch  kann  sie  durch  äußere 
Faktoren  stark  beeinflußt  werden.  Bei  manchen  Arten 
ist  eine  zweijährige  Generation  die  Regel,  und  auch 
dreijährige  Generation  soll  zuweilen  in  einzelnen  Fällen 
(Trochilium)  vorkommen. 
An  natürlichen  Feinden  stehen  den  Sesien 
außer  den  Spechten,  vor  allem  dem  großen  Bunt- 
specht (s.  Bd.  I,  S.  234),  noch  ein  ganzes  Heer  von 
Parasiten  gegenüber. 
Von  Tachinen  ist  vor  allem  zu  nennen  Leskia 
aurea  Fall.,  die  in  fast  allen  Arten  schmarotzt,  ferner 
Pelatachina  übialis  Fall,  (in  Sesia  tipuliformis  Gl.)  und 
Sesiaphaga  glivina  Rond.  (in  , .nicht  forstlichen"  Sesien- 

Abb.  345.  Spankokon       Arten)  i).  

von  Trochilium  api-  Weit  größer  ist  die  Zahl  der   Schlupfwespen, 

forme   Cl.   mit   her-       die  aus  Sesien  gezogen  wurde  2),  ich  werde  dieselben  bei 

ausgeschobener  ^^^  einzelnen  Arten  nach  einer  Liste  anführen,  die  mir 

uppe.  Herr  Dr.  Fahr inge r ,  Wien,  in  liebenswürdigerweise 

zur  Verfügung  gestellt  hat. 

Die  forstliche  Bedeutung  der  Glasschwärmer  kann  recht  beträchtlich 

werden,  besonders  an  jungen  Stämmchen,  die  dem   Fraß  direkt  zum  Opfer 

fallen  können,  so  daß  die  Sesien  in  der  Hauptsache  als  Kulturverderber 

zu  werten  sind.    Auch  sollen  einige  Arten  an  der  Übertragung  bakterieller 

Erkrankungen  der  Pappel  beteiligt  sein   (Ann.   Epiphyties   1923,   Nr.  6). 

Systematische  Übersicht. 

Die  Familie  der  Sesiiden  ist  verhältnismäßig  klein  und  enthält  nur 
ca.  65  europäische  Arten  auf  8  Gattungen  verteilt.  Die  forstlich  beachtens- 
werten Arten  gehören  den  drei  GzXXMxv^QwTrochilium  Scop.  (Aegeria  F.),  Scia- 
pteron  Stgr.  und  Sesia  F.  an,  die  sich  folgendermaßen  unterscheiden  lassen: 

1.  Vorderflügel     fast    völlig    beschuppt,     nur     wenig     Stellen     glashell. 

Große  Form.    Flügelspanne  bis  35  mm Sciapieron  Stgr. 

—  Vorderflügel   größtenteils   unbeschuppt 2 

2.  Vorderflügel  fast  ganz  glashell,  nur  der  Vorderrand  trägt  dicht- 
stehende Schuppen,  ebenso  die  Rippen.    Größte   Form.    Flügelspanne 

40  mm Trochilium  Cl. 

—  Vorderflügel  teilweise  beschuppt,  hinter  der  Mitte  mit  einer  dicht- 
beschuppten Querbinde,  wodurch  3  glashelle  Felder  entstehen:  das 
„Längsfeld",  über  dem  Hinterrand  hinziehend,  das  zweite,  das  „Keil- 
feld", die  Mittelzelle  einnehmend,  und  das  dritte,  das  „äußere  Glas- 
feld",   zwischen    der    Querbinde    und    dem    Saum    liegend.     Kleinere 

Formen.    Flügelspanne  bis  30  mm.   Zahlreiche  Arten Sesia  F. 

1)  S.  Baer,  W.,  Die  Tachinen  als  Schmarotzer  der  schädl.  Insekten.  Z.  f .  ang. 
Entom.  Bd.  7   (S.  405). 

^j   S.  auch  Sitowski,   1927. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidae  i 


399 


Die  meisten  Arten  gehören  der  Gattung  Sesia  an,  während  auf  2'roclü- 
Viuiu  nur  3  und  auf  Sciapfero//  gar  nur   i   Spezies  entfallen. 

Bestimmungstabelle  der  forstlich  beachtenswerten  Arten 
der  Gattung  Sesia  F. 

1.  Hinterleib  gelb  oder  weißlich  geringelt 2 

—  Hinterleib  rot   geringelt         6 

2.  Fühler  schwarz,  oben  vor  der  Spitze  breit  weißlich  oder  gelblich  .      .      3 

—  Fühler   oben   einfarbig   schwarzblau 4 

3.  Augen   oben   weiß    umrandet,    Hinterleibsring    2    und    4    hinten    gelb. 
Afterbusch   rotockerfarben.    Raupe   in   Erle   und    Birke   .      .      .    scoliiforinis  Bkh. 

—  Augen  oben  nicht   weiß   umrandet,   nur   Hinterleibsring  2   hinten   mit 
schmaler  gelber  Querbinde.    Afterbusch  schwarzblau.   Raupe   in  Erle 

und    Birke spheciformis  Gern. 

4.  Metathorax  ohne  gelben  Querfleck.    Afterbüschel  bei   cf   i-mcl   9   ein- 
farbig  schwarzblau.    Raupe   in  Johannisbeere tipiiliformis  Gl. 

—  Metathorax    mit    gelbem    Querfleck 5 

5.  Afterbusch  beim  cf  schwarz,  in  der   Mitte  unten  gelb  gemischt,  beim 

Q  goldgelb.    Raupe  im  Tannenkrebs cepliifoniiis  Ochsh. 

—  Afterbusch  bei  cf  und  9  blauschwarz.    Raupe  in  Eiche  .      .      .  coiiopiforinis  Esp. 

6.  Brust    seitlich   ohne    farbigen    Fleck.     Mittelbinde    der    Vorderflügel 
und    der    Vorderrand    blauschwarz,     Saumbinde    lebhaft    mennigrot. 

Raupe   in   Weide formicaejorinis  Esp. 

—  Brust   seitlich  mit   farbigem  oder  weißem    Fleck 7 

7.  Vorderflügel    an    der    Wurzel    gelblichrot,     Palpen    rotgelb,     außen 

schwarz.    Hinterleibsring  4  rot.    Raupe  in  Erle  und  Birke     .      .        culicijormis  L. 

—  Vorderflügel   oben   ohne    Rot    an   der    Wurzel,    der    rote    Ring    (Seg- 
ment 4)  unten  nicht  geschlossen.    Palpen  des  cT  weiß,  außen  schwarz, 

die  der  9  grauschwarz.    Raupe  in  Johannisbeere myopiformis  Bkh.- 

Bestimmungstabelle  der  wichtigsten  Sesiiden-Raupen. 

Durch  Kemners  (1922)  eingehende  Untersuchungen  sind  wir  heute  in 
der  Lage,  die  bei  oberflächlicher  Betrachtung  so  einförmig  erscheinenden 
Sesien-Raupen  zu  unterscheiden.  Es  ist  dabei  hauptsächlich  auf  folgende 
Merkmale  zu  achten:  die  Stellung  der  Ocellen  zueinander  und  zu  den 
Borsten;  die  4  oberen  Ocellen  bilden  eine  Gruppe,  ebenso  die  2  unteren  eine. 
Bei  Bembecia  steht  die  obere  Gruppe  unter  der  oberen  Augenborste  (Abb. 
346  A),  bei  IWochilinm  steht  letztere  zwischen  den  zwei  oberen  Augen  dieser 


ABC 

Abb.  346.      Augenstellung    einiger    Sesienraupen.      A    Bembecia    hyaeliformis    Lasp., 
B    TrocJiUium   apiforme   Gl.,    C   Sesia    tipiiliformis   GL,    a   obere   Augenborste.     Nach 

K  e  m  n  e  r. 


400 


II.  Spezieller  Teil. 


Gruppe   (Abb.  346  B),  bei  Sesia  und  Sciapteron   in  der   Mitte  dieser  Vierer- 
gruppe (Abb.  346 C). 

Systematisch  wichtig  ist  auch  die  „Frontalplatte"  (Abb.  347  Fr  u.  348), 
die  bei  den  verschiedenen  Gattungen  und  Arten  abweichende  Formen  zeigt 
(herzförmig,  keilförmig  usw.).  Des  weiteren  bietet  auch  die  Bewaffnung  des 
letzten  Tergits  gute  Unterscheidungsmerkmale  dar,  ob  i  oder  2  Chitinhaken 
vorhanden  sind  (Abb.  349).   Endlich  zeigen  auch  die  Bauchfüße  in  ihrem  Bau 


Abb.    347.    Raupenkopf   \-on:    A   TrocJüUiim    af^i forme    CL,    B    Sciaf>leroii   lahaiiifonue 
Rott.,  Fr   Frontalplatte.     Nach  K  e  m  n  e  r. 

gewisse  Verschiedenheiten,  vor  allem  in  der  mehr  oder  minder  starken  Aus- 
bildung der  Hakenkränze. 

Unter  Benützung  dieser   Merkmale   lassen   sich   die   Sesien-Raupen   fol- 
gendermaßen dichotomisch  übersichtlich  darstellen: 

1.  5  Paar   Bauchfüße  mit   Häkchen 2 

—  Nur  die  3  ersten  Bauchfußpaare  haben  Häkchen.  Die  obere  Augen- 
gruppe   unter    der    oberen    Augenborste    (Abb.  346  A).     In    Himbeere 

Bembecia  /iy/aei/or//iis  Lasp. 

2.  Tergit  des  9.  Segmentes  ohne  Häkchen.  Die  obere  Augengruppe  mit 
einer  deutlichen  großen  Borste  zwischen  den  Augen  (Abb.  346  C) 
(Gattung  Sesia) 4 

—  Tergit   des   9.  Segmentes   mit    Häkchen 3 


ABC 

Abb.   348.     Frontalplatte    von:     A    Sesia 

myopiformis    Bkh.,    B   Sesia   scoliijormis 

Bkh.,   C  Sesia  spheciformis  Gern.    Nach 

Kemne  r. 


A  B 

Abb.    349.     Hinterleibsende    (mit    Haken 

auf  9.  Segment)  der  Raupen  von:  A.Tro- 

chilium.   apiforme   Gl.,    B   Sciapt.   labani- 

forme  Rott.    Nach   K  e  m  n  e  r. 


3.  Tergit  des  9.  Segmentes  mit  i  Häkchen  (Abb.  349  A).  Frontalplatte 
breit  mit  winkelig  hervortretenden  Seiten  (Abb.  347  A).  In  Pappeln 
(Weiden,   Linde,   Birke) Trochiliuin  apiforme   Gl. 

—  Tergit  des  9.  Segmentes  mit   2  Häkchen   (Abb.  349  B).     Frontalplatte 

keilförmig   (Abb.  347  B).    In   Pappeln   und   Weiden   Sciapteron  tabaniforme  Rott. 


Unterordnung:   jMicrolepidoplera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegerüdae ). 


401 


4.  Frontalplatte    hinten    abgestumpft     (Abb.  348  A )  5 

—  Frontalplatte    in   eine    gleichförmige    Spitze    auslaufend,    nicht    abge- 
stumpft   (Abb.  348   B   und   C) 6 

5.  Frontalplatte  breit  abgestuinpft,  vor  der  Spitze  breiter  als  die  Hälfte 

ihrer  größten  Breite  (Abb.  348  Ai.    In  Apfelbäumen  .         Sesia  myopiiormis  Bkh. 

—  Frontalplatte   länger,   vor   der   Spitze   schmäler    als   die    Hälfte   ihrer 

größten    Breite.     In    Johannisbeere Sesia  ti piiJijormis  Cl. 

6.  Labrum   vorne   schwach   ausgeschnitten.     Frontalplatle   an   den   Seiten 
des  vorderen  Drittels  ein  wenig  winkelig  hervortretend   (Abb.  348  Ci. 

In  Erlen  und  Birken Sesia  sphecifonnis  Gern. 

—  Labrum  nicht  ausgeschnitten.  Frontalplatte  vorne  nicht  winklig  hervor- 
tretend     7 

7.  Seiten    der    Frontalplatte    fast    gerade    (Abb.  348  B).     In    Erlen    und 

Birken Sesia  scoliijormis  Bkh. 

—  Seiten   der    Frontalplatte   geschweift.    Die   zwei    dorsalen   Augen   der 
oberen  Gruppe  stehen  einander  näher  als  die  zwei  unteren.    In  Erlen 

und    Birken Sesia  culiciformis  L. 


AB  CD  E  F 

Abb.  350.    Verschiedene  Sesien-Puppen:  A  u.  B  Bembecia  hyaeliforinis  Lasp.,  C  u.  D 
Sesia    lipuiiformis    CL,    E    Sesia    formicaeformis    Esp.,    F    Troc/iiNi/i/i    apiforme    CI. 

Nach  K  e  m  n  e  r. 

Bestimmungstabelle  der  wichtigsten  Sesiiden-Puppen. 

Wie  die  Raupen,  so  lehrte  uns  Kemner  aucli  die  wichtigsten  Sesien- 
Puppen  unterscheiden.  Die  Verschiedenheiten  bestehen  in  der  Zahl  der 
Dorne  an  dem  Puppenhinterende,  in  der  Länge  der  Maxillen,  Beine  und 
iVntennen  und  in  der  Form  des  Frontalfortsatzes  und  der  verschiedenen 
Chitinspitzen  unter  dem   Frontalfortsatz   (auf  der  Oberlippe  usw.). 

1.  Maxillen    kiirz,    nicht    oder    nur    unbedeutend    über    die    Tarsen    des 

I.  Beinpaares  hervorragend  (Abb.  350A  u.  F) 2 

—  Maxillen  länger,   bis   zur   Spitze   der    Flügel  oder  über   diese   hinaus- 
reichend   (Abb.    350  C) 4 

2.  Das  2.  sichtbare  Abdominalsegment  mit  2   Dornenreihen.    Frontalfort- 
satz  gerundet 3 

—  Das  2.  sichtbare  Abclominalsegment  mit    i   Dornenreihe.     Frontalfort- 
satz spitz,  dreieckig.    Clypeus  mit   i   Chitinspitze   .      Bembecia  hylaeijormis  Lasp. 

3.  Maxillen  sehr  kurz,  reichen  nicht  über  die  Tarsen  des   i.  Beinpaares 
hinaus,    ihre   Basalpartie   jederseits   winklig   vorgezogen    (Abb.  350  Fl 

Trochilium  apiforme  Cl. 
Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  26 


402  II.  Spezieller  Teil. 

— •  Maxillen    länger,    über    die    Tarsen    des    i.  Beinpaares    hinausragend, 

ihre  Basalpartie  nicht  vorgezogen Sciaf)teron  tabaniforme  Rott. 

4.  Oberlippe  unbewaffnet,  Frontalfortsatz  hoch  herausstehend,  mit  einer 
zungenförmigen  mittleren  Partie Sesia  spheciformis  Gern. 

—  Oberlippe  vorne  mit  2  Chitinspitzen  (Abb.  350  Dj 5 

5.  Frontalfortsatz  mit  einer  verlängerten  Mittelpartie  über  den  Scheitel 
hinausstehend 6 

—  Frontalfortsatz   ohne  verlängerte   Mittelpartie 7 

6.  Spitze  des   Frontalfortsatzes  geteilt,  zweispitzig   (Abb.  350  C).    Puppe 

klein,  7 — 8  mm  lang Sesia  tipiiliforinis  Cl. 

—  Spitze  des  Frontalfortsatzes  quer  abgeschnitten  (Abb.  330  Ei.    Puppen 

größer,   14 — 15  mm Sesia  formicaeformis  Esp. 

7.  Frontalfortsatz  ein  stumpfer,   ventralwärts  gerichteter   Kegel,   in  eine 
eckige    Spitze   auslaufend.    Bewaffnung   der   Oberlippe    sehr   schwach 

Sesia  cuUcijonuis  L. 

—  Fronlall'ortsatz  ganz  ohne  Spitze,  eine  scharfe  Kante  bildend  ...      8 

8.  Scheitel    hinter    dem     Frontal fortsatz    an    den    Seiten    der    erhöhten 
^littellinie    tief   eingedrückt Sesia  myopiforniis  Bkh. 

—  Scheitel  hinter  dem   Frontalfortsatz  nicht  tief   eingedrückt;   Maxillen 

kürzer   als   die   .\ntenncn Sesia  scoliifonnis  Bkh. 

Übersicht  der  forstlich  beachtenswerten  Arten 
(nach   den  Fraßpflanzen). 

In    Pappeln. 

Troclnliiiiii  (/pi/or/ne  Cl.  (auch  an  Weide,  Linde  und  Birke). 

—  iiK  hiiioi'c piliala  Dalm. 

Sciapleroii  labaniforme  Rott.  (auch  an  Weide). 

In  Weiden. 
TrochiliiiJii  crabronijorme  L. 
Sesia  joniiicaeformis  Esp. 

Gelegentlich  auch: 
Trochilium  apiforme  Cl. 
Sciapieroit  tabaniforme  Rott. 

In    Erlen    und    Birken. 

Sesia  spfieciformis  Gern.  (Erle). 

—  cidiciformis  L.  (Erle  und  Birke). 

—  scoUifonnis  Bkh.   (Birke). 

Gelegentlich  auch: 
Sesia   myopifoniiis  Bkh. 

In  Eichen: 

Sesia  vespijormis  L.  (=  asiliformis   Rott.,   cynipiformis  Esp.)    (auch   in 
Buche,  Castanea  sativa  Thill.  und  Tamarix  gallica  L.). 

—  conopiformis  Esp.  (=  uojnadaeformis  Lasp.). 

In  Tannen. 
Sesia  cepJiijortnis  Ochsh. 

In   Obstbäumen   usw. 
Sesia   myofi/ormis  Bkh.    (Apfelbaum). 

—  tipulifonnis    Cl.     (Johannisbeere,    auch    in    Junipenis,    Coryliis,    Evonyinits). 
Bembecia  Iiylaeiformis  Lasp.    (Himbeere). 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidac; 


403 


Bionomie  und  wirtschaftliche  Bedeutung  der  einzelnen  Arten. 

Wir  behandeln  die   für  uns   in   Betracht   kommenden   Sesien  nach  ihren 
Fraßpflanzen : 

In  Pappeln. 

Trochilium  apiforme  Cl. 

Taf.  V,  Fig.  4. 
Hornissen  schwärm  er. 
Ratzeburg:  Sfs/a  upijorDiis  L.   (,, Wespenschwärmer" ).  —  Altum:  Sesia  apijonnis  L., 
(„Bienenschwärmer").    —    Nitsche:    Sesia    apifortnis    L.    (,, Hornissenschwärmer").    — 
Wolff-Krauiie:  Aegerio  apiforinis  Clerck   („Großer  Pappelglasflügler"). 
Der    Hornissenschwärmer,   so   genannt   wegen   seiner   täuschenden   habi- 
tuellen Ähnlichkeit  mit  einer  Hornisse,  ist  die  größte  Sesiide  Europas;  er  ist 
weit    verbreitet    über    den    größten    Teil 
dieses  Gebietes  und  überall  häufig  oder 
wenigstens  nicht  selten. 


A  B 

Abb.  351.   A  Troc/ii/ium  apifonne  Cl.   (Hornissenschwärmer)   (1V2X).    B  Ein  an  einer 

horizontalen   Fläche  hängendes  Weibchen  von  Trocli.  apifonne  Cl.   bei   der  Eiablage 

(die  Eier  fallen  frei  aus  der  Legeröhre  zu  Boden).    B   nach  Schulze. 

Falter:  Kopf  gelb,  Fühler  oben  schwarz,  unten  rostfarben.  Halskragen  blau, 
Rücken  des  übrigen  Thorax  schwarzbraun  mit  2  großen,  gelben,  eckigen  Flecken  vor 
der  Flügelwurzel.  Hinterleib  gelb,  Ring  i  und  4  ganz  und  der  Hinterrand  der 
übrigen  Ringe  in  wechselnder  Ausdehnung  stahlblau  oder  braun,  cf  mit  einem  sehr 
kurzen,  lamellenartigen  Fortsatze  an  jedem  Fühlergliede.  Länge  16  mm,  Flügel- 
spannung bis  45  mm. 

Raupe  am  Bauch  flach,  mit  einzelnen  Härchen  besetzt;  weißlichgelb  mit 
dunkler  durchscheinendem  Rückengefäß.  Luftlöcher  braun  gesäumt,  Nackenschild 
gelblich,  Kopf  groß,  schwarzbraun,  4 — 5  cm. 

Puppe  dunkelrotbraun,  in  einem  aus  Holzspänen  oder  Erdkrümchen  ge- 
fertigten Kokon. 

Die  Flugzeit  fällt  bei  uns  in  die  Monate  Juni,  Juli  (in  Italien  von 
Mai  bis  Anfang  Juli).  Die  Falter  sind  ziemlich  träge  und  schwerfällig. 
Wenn  sie  sitzen,  lassen  sie  sich  leicht  mit  der  Hand  vom  Stamm  abnehmen; 
beimx  Schütteln  des  Stammes  fallen  sie  schwerfällig  zu  Boden.  Ratzeburg 
sah  sie  niemals  am  Tage  schwärmen,  auch  Cecconi  nennt  apiforme  ein 
nächtliches  Tier,  während  nach  anderen  Autoren  der  Falter  nur  im  Sonnen- 
schein schwärmt.    Die  Kopula  findet  in  der  für  Schmetterlinge  charakteristi- 


404 


II.  Spezieller  Teil. 


sehen  Stellung  statt  (s.  Bd.  I,  Abb.  iioA).  Das  9  legt  seine  Eier  einzeln, 
gewöhnlich  ganz  unten  am  Stamm,  am  Wurzelknoten  oder  auch  an  starken 
Wurzeln,  selten  höher  am  Stamm  bis  Brusthöhe  ab  —  vorzugsweise  in 
Rindenritzen.  Übrigens  scheinen  die  apifor??ie-\\[ft\\:)c\ien  auch  gelegentlich 
die  Eier  während  des  Fluges  einfach  auf  den  Boden  fallen  zu  lassen  (Har- 
wood,  1911).  Ja,  nach  Hanna  Schulze  (1926)  scheint  das  „Fallenlassen" 
der  Eier  bei  Troch.  apiforme  die  Regel  zu  sein.  ,,Zur  Eiablage,"  schreibt  die 
Genannte,  „setzt  sich  das  Weibchen  gewöhnlich  in  senkrechter  Stellung,  d.  h. 
mit  dem  Kopf  nach  oben,  an  irgendeiner  Unterlage  an.  Der  Hinterleib  wird 
ein  wenig  durch  die  Flügel  durchgedrückt,  und  nun  fällt  ein  Ei  nach 
dem  anderen  aus  der  Legeröhre  frei  heraus.  Bleibt  einmal  das 
Ei  an  den  Härchen  hängen,  so  schnellt  es  das  Weibchen  durch  eine  ruck- 
artige Bewegung  des  Hinterleibes  fort.  Irgendwelche  Flüssigkeit  wird 
während  der  Eiablage  nicht  abgesondert.  Auch  treten  die  Eier  immer  voll- 
kommen trocken  aus,  so  daß  gar  kein  Ankleben  an  der  Rinde  statt- 
finden kann."  ,,Sehr  gerne  nehmen  die  Weibchen  auch  eine  hängende  Stel- 
lung an  einer  horizontalen  Fläche  ein,  so  daß  der  schwere  Hinterleib  einen 
rechten  Winkel  mit  den   Flügeln  bildet  (Abb.  351  B).    Diese  Stellung  scheint 

den  Tieren  sehr  angenehm  zu  sein, 
denn  sie  ließen  sich  auch  durch  mäßige 
Erschütterungen  nicht  aus  der  einmal 
eingenommenen  Stellung  bringen."  — 
Die  braunen  Eier  sind  sehr  klein 
(0,74  X  0,60  mm) ;  dementsprechend  (s. 
oben  S.  397)  die  Zahl  sehr  groß,  sie 
soll  nach  Staudinger  bis  1200,  nach 
Schulze  bis   1800  betragen. 

Die  nach  etwa  4  Wochen  erschei- 
nenden Raup  che n  bohren  sich  so- 
gleich in  die  Rinde  ein,  fressen  die 
erste  Zeit  platzend  unter  der  Rinde, 
wo  sie  überwintern.  Im  2.  Jahr  gehen 
sie  ins  Holz  der  Wurzeln  oder  der 
Stämme  (ähnlich  denen  des  großen 
Pappelbockes,  Saperda  carcharias  L., 
siehe  Bd.  II,  S.  257),  wo  sie  lange 
Gänge  ausfressen.  Der  grobe,  säge- 
späneähnliche Kot  wird  durch  eine 
meist  tief  unten  am  Stamm  liegende 
Öffnung   ausgestoßen. 

Die  2.  Überwinterung  erfolgt  in 
den  Gängen.  Auch  im  3.  Jahr  soll  die 
Raupe  noch  eine  kurze  Zeit  fressen 
(bis  zum  April).  In  der  2.  Hälfte  dieses 
Monats  oder  im  Mai  findet  gewöhnlich 
die  Verpuppung  statt.  In  der  Regel 
nagt  die  Raupe  vor  der  Verpuppung 
das  Flugloch  vollständig  aus,  ist  also 
Abb.  352.  Fraß  von  Trochilium  api-  vollkommen  offen  (Abb.  353).  So 
forme  Cl.  in  Pappel.  ist    erklärlich,    daß    die    Puppe    einen 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera.    Familie  Sesiidae  (^  Aegeriidae 


405 


Abb.  353. 
Flugloch 
für  »IC    Cl. 


Offen  stehendes 
\on  Troch.  api- 
Nach    Kemner. 


Kokon  für  ihre  Sicherheit  Ijraucht  (Kemner. 
1922).  Der  Kokon  ist  sehr  fest  aus  braunen, 
groben  Nagespänen  gefertigt.  Er  liegt  meist 
dicht  an  der  Ausflugöffnung  im  vordersten 
Teile  des  Fraßganges.  Nicht  selten  findet  man  ihn 
auch  außerhalb  in  der  Bodendecke  in  unmittel- 
barer Nähe  der  Wurzel  i).  V'or  dem  Schlüpfen 
schiebt  sich  die  Puppe  aus  dem  Kokon  heraus 
(s.  Abb.  345). 

Die  Generation  ist  bei  uns  in  der  Regel 
zweijährig  mit  folgender  Bioformel: 
—  8,  A4 
5  +  67 
Nach  Kemner  kommt  bisweilen  (in  Schweden) 
auch  dreijährige  Generation  vor. 

Als  Fraßpflanzen  kommen  in  erster 
Linie  alle  Pappelarten  in  Betracht;  aus- 
nahmsweise werden  auch  andere  Laubhölzer  be- 
legt (Weiden,  Linden,  Birken,  Eschen). 

Die  Erkennung  ist  nicht  schwierig.  Die 
Verwundungen  am  unteren  Stammteil,  die  mehr 

oder  weniger  deutliche  Anschwellung  dieser  Stammpartie  und  die  Bohrspäne 
sind  auffällige  Merkmale.  Allerdings  finden  wir  ganz  ähnliche  Symptome 
auch  beim  Fraß  eines  anderen  Pappelschädlings,  des 
großen  Pappelbockes,  Saperda  carcharias  L.  (s.  Bd.  II 
S.  257  ff.).  Auch  er  belegt  den  Stamm  mit  \^orliebe  am 
Ijasalen  Teil,  auch  er  macht  den  gleichen  Anfangsfraß 
unter  der  Rinde  und  später  die  gleichen  Gänge  im  Holz. 
Hier  kann  differentialdiagnostisch  die  Anwesenheit  des 
charakteristischen  Raupenkotes  bei  TrocliiUiiin-Yx3&  gute 
Dienste  leisten;  bei  älterem  Fraß  können  uns  Puppenreste 
gute  Anhaltspunkte  geben.  Auch  sind  die  Nagespäne  der 
7><9dV/////'//;/- Raupen  kleiner  als  die  von  carcharias.  Häu- 
fig kommen  die  beiden  Schädlinge  zusammen  in  den- 
selben Stämmen  vor. 

Der  Schaden  kann  in  Baumschulen  und 
Alleen  recht  beträchtlich  werden.  Stark  be- 
fallene junge  Stämme  können  infolge  des  Fraßes  ein- 
gehen,   wenn    anders    sie    nicht    durch    Wind    gebrochen         ,,,  ..  , 

1  TTT-1TT-  !••  ,  1  Abb.     ^;4.     Kokon 

werden.    In  Italien  ist  der  Hornissenschwarmer  besonders        ,^-qj^     Troch      api- 

in    Großkulturen    der    Canadischen    Pappel    sehr    schäd-  iorinc    Cl. 


^]  Kemner  meint,  daß  die  Raupen  in  solchen  Fällen  aus  den  manchmal  sehr 
weit  offenstehenden  Gängen  herausgefallen  seien.  Nach  anderen  Autoren  dagegen  \er- 
lassen  die  Raupen  aktiv  den  Gang,  um  sich  im  Boden  zu  verpuppen.  Ratzeburg 
(F.  80)  sah  die  Raupen  „stets  dicht  über  der  Erde  hervorkommen,  gewöhnlich  ver- 
weilen sie  noch  einige  Zeit  in  den  anbrüchigen  Stellen  der  Rinde  und  gehen  dann 
erst  in  die  Erde,  um  sich  zu  verpuppen"'.  Um  einen  kräftigen  8  jährigen  Silber- 
pappelstamm fand  er  dicht  an  den  oberen  Teil  der  Pfahlwurzel  angedrückt  8  Puppen 
von  ihrem  Kokon  umschlossen.  Die  in  der  Erde  ruhenden  Kokons  bestehen  zum  Teil 
auch   aus   Erdpartikclchen. 


406  II.  Spezieller  Teil. 

lieh    geworden,    zumal    wenn    er    in    Gesellschaft    des    großen    Pappelbockes 
auftritt. 

Zur  Vorbeugung  kann  man  zur  Zeit  der  Eiablage  die  bevorzugten 
Stammpartien  mit  einer  Ölemulsion  oder  Nikotinlösung  (20/0)  bestreichen 
(Cecconi).  Sind  die  Raupen  schon  eingedrungen,  so  kann  man  durch  Ein- 
führen von  Watte,  die  mit  Schwefelkohlenstoff,  Benzin  oder  dergl.  getränkt 
ist,  in  die  Auswurföffnung  und  nachherigem  Verschließen  derselben  mit 
Lehm  oder  Baumwachs  die  Raupen  töten.  Auch  das  Bestreichen  mit  Raupen- 
leim zur  Verhinderung  des  Auskommens  der  Schmetterlinge  wird  empfohlen. 
In  Amerika  wird  auch  folgende  Methode  angewendet:  Die  Erde  um  die 
Stammbasis  aufgraben,  dann  einen  Ring  gepulverten  Cyannatriums  oder 
Paradichlorbenzols  um  den  Stamm  legen,  ohne  diesen  damit  zu  berühren,  und 
dann  die  Erde  aufhäufeln  und  festdrücken.  Handelt  es  sich  um  einen  starken 
und  schon  weit  vorgeschrittenen  Fraß,  der  voraussichtlich  an  und  für  sich 
zum  Tode  führen  würde,  so  ist  die  radikale  rechtzeitige  Entfernung  der  be- 
fallenen Stämmchen  das  einzige  Mittel,  um  eine  Weiterverbreitung  zu  ver- 
hindern. Endlich  kann  auch  das  Fangen  der  trägen  Falter  durch  Absuchen 
oder  Abschütteln  Erleichterung  schaffen. 

Über  die  natürlichen  Feinde  ist  oben  schon  einiges  gesagt:  An  Schlupf- 
wespen ist  nach  Fahringer  nur  eine  Art  gezogen :  Cryptus  pseudonymus  Tschck. 
(=  spofisor  F.). 


Trochilium  melanocephala  Dalm. 

Z  i  1 1  e  r  p  a  p  p  e  1  s  c  h  w  ä  r  m  c  r. 
Ratzeburg:   5.  lap/triaefonnis    Hb. 

Falter:  Wesentlich  kleiner  als  die  vorige  Art.  Fühler  gelbbraun  'bei  api- 
forme  oben  schwarz!).  Der  ganze  Körper  blauschwarz,  Halskragen  und  Scliulter- 
decken  nur  gelb  gerandet,  auch  an  den  Hinterleibsringen  nur  die  Ränder  gelb. 
Beine  gelb.    Spannweite  35  mm. 

Raupe  beinfarben  mit  dunkelbraunem  Kopf,  rotgelbem  Nackenschild  und 
gelber   Afterklappe. 

Puppe   ohne   Gespinst,   hellrotbraun. 

Diese  Art  wurde  von  Ratzeburg  (W.  II.  396)  in  die  Forstentomologie 
eingeführt.  Er  schreibt  hierüber:  „Die  Herren  Ka lisch  und  Tieffen- 
bach  haben  diese  Species  wiederholt  aus  Aspen  erzogen,  wo  die  Raupe  so- 
wohl in  den  Stämmen,  wie  auch  in  stärkeren  und  schwächeren  Zweigen  lebt, 
nach  dem  Auskommen  ein  auffallend  großes  Flugloch  hinterläßt  usf.  Herr 
Tieffenbach  glaubt  sogar  dreijährige  Verwandlung  beobachtet  zu  haben. 
Ob  das  Vorkommen  im  Weinstock,  wie  v.  H  e  i  n  e  m  a  n  n  angibt,  nicht 
auf  einem  Irrtume  beruht?  Der  verstorbene  Kirchner,  welcher,  soviel 
ich  mich  aus  seinen  mündlichen  Mitteilungen  erinnere,  die  Species  auch 
aus  Aspen  erzog,  fand  sie  sogar  bei  Berlin  sehr  häufig;  auch  ich  muß  Zweig- 
störungen an  Aspen  —  die  man  immer  leicht  von  denen  der  allerdings 
viel  häufigeren  Cerambyx  popidneus  unterscheidet  — ,  die  ich  bei  Neu- 
stadt und  anderswo  fand,  auf  diese  Spezies  beziehen.  Schädlich  ist  sie 
also  jedenfalls,  wenn  auch  die  lebenszähe  Aspe  nicht  so  leicht  dadurch  ge- 
tötet wird." 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidae ; 


407 


Sciapteron  tabaniforme  Rott. 

Tat".  V,   Fig.  5. 

Kleiner    P  a  p  p  e  1  s  c  h  w  ä  r  m  e  r. 

Syn.    asili forme    Schiff. 

Ratzeburg:  Sesia  asili fonnis  Y.  (nee.  Rott.!).  —  Ahum:  Sesia  asili /ormis  F.  —  Nitsche: 

Sesia  tabanijorrnis  Rott.  —  Wolff-Krauße:  Sciapteron  tabanifor7ne  Rott. 

Nimmt  durch  die  fast  vollkommene  Beschuppung  der  Vorderflügel  eine 
Ausnahmestellung  unter  den  Sesien  ein. 

Falter:  Vorderflügel  mit  Ausnahme  eines  schmalen  Längsstreifens  braun, 
ebenso  die  Adern  und  Fransen  der  sonst  glashellen  Hinterflügel,  Körper  stahlblau. 
Einige  feine  Zeichnungen  an  Kopf  und  Brust,  Hinterrand  von  Hinterleibsring  2,  4 
und  6  beim  9,  sowie  Ring  2,  4,  6  und  7  beim  cf  hellgelb.  Länge  12  mm,  Flügel- 
spannweite bis  35  mm. 

Raupe  weißlichgelb  mit  dunkler  Rückenlinie  und  einzelnen  dunklen  Härchen, 
Kopf  und  Nackenschild  schwarzbraun.    (Siehe  Tabelle   S.  400.) 

Puppe  gelbbraun.  Spitze  mit  5  großen  Dornen  jederseits,  Frontalfortsatz 
niedrig,  eine  runde,  scharfe  Kante  bildend.    (Siehe  Tabelle  S.  402.) 

Eier   besonders   grob   und   rauh   skulptiert,   0,8X0,5    mm   groß. 

Das  Q  legt  seine  Eier  an 
die  verschiedenen  Pappel- 
xArten  ab,  mit  Vorliebe  an  Po- 
piilits  treiniila  und  canadeusis. 
dann  aber  auch  an  Schwarz- 
pappeln und  ausnahmsweise 
auch  an  Weiden.  Bevorzugt 
werden  die  unteren  Stammpar- 
tien, in  I — 2  m  Höhe;  an  der 
Aspe  trifft  man  die  Raupe  zu- 


Abb.   355.    Sciapteron  tabaiiiforme 

Rott.     (Kleiner   Pappelschwärmeri. 

Wenig   vergrößert. 


Abb.  356.    Anschwellungen   (Gallenbildungeni 

an     Pappelstämmchen,     hervorgerufen     durch 

den     Anfangsfraß     von     Sciapt.     tabaniforme 

Rott. 


meist  nur  in  fingerdicken  Stämmchen  an.  Verwundete  Stellen  (welche 
z.  B.  durch  Reiben  der  Stämmchen  an  Baumpfählen  entstanden  sind)  scheinen 
bei  der  Eiablage  bevorzugt  zu  werden;  AI  tum  fand  solche  Stellen  an 
jungen  Chausseepappeln  so  dicht  von  Raupen  besetzt,  daß  später  oft  „eine 
Puppenhülse  neben  der  andern  aus  dem  freigelegten  Splint  oder  der  rauhen 
Rinde  hervorragte"'.    An  unverwundeten,  glatten  Rindenstellen  fand  sich  die 


408 


II.  Spezieller  Tel 


Raupe  nur  vereinzelt.  Die  Raupe  macht  nach  AI  tum  (1885J  zuerst  einen 
platzenden  Fraß  unter  der  Rinde,  um  dann  in  den  Holzkörper  einzudringen 
und  einen  aufsteigenden  Gang  zu  fressen,  der  durchschnittlich  24  cm  lang 
wird,  oben  blind  endigt  und  nunmehr  von  der  sich  umkehrenden  Raupe  etwas 


Abb.  357.    Durchschnittene  Pappelstämm-  Abb.  358.    Pappelstämmchen,  ^•on  Sc/np/. 

chen   mit   den    Fraßplätzen   und   -gangen  labaiii/ortne  Rott.  befallen.    An  den  bei- 

von   Sciapt.   tabaniforme   Rott.    Die    An-  den  Anschwellungen  sieht  man  die  vorge- 

schwellungen    bedeuten    die    Stellen    des  schobenen  Puppenhüllen,  etwas  unterhalb 

Anfangsfraßes  (i.  Jahr),  im  2.  Jahr  erst  der  Mitte  sitzt  ein  trischgeschlüpfter 
werden     die     Gänge     genagt,     an     deren  Falter, 

oberen    Enden    sieht    man    die    Puppen- 
wiegen   (besonders    deutlich    am    linken 
Fraßstück). 

unterhalb  seines  oberen  Endes  seitlich  bis  zur  Peripherie  des  Stammes  fort- 
geführt wird.  Hier  ruht  die  Raupe  den  2.  Winter  ihres  Lebens  in  einem  aus 
Nagespänen  gefertigten  Kokon,  in  dem  sie  sich  schließlich  im  Frühjahr  ver- 
puppt. In  einigen  Punkten  hiervon  abweichend  sind  die  Angaben  Kemners 
(1922):  ,,Die  junge  Larve  geht  von  ihrem  Eingangspunkt  erst  oberflächlich  in 
den  Stamm,  der  durch  diesen  Fraß  leicht  anschwillt  (Gal  1  en  b  i  1  düng) 
(Abb.  356).     In   ihrem   zarten    Gespinst   eingesponnen   überw  intert   die    Larve 


I.  Unterordnung:    Microlepidoptera,    Familie  Scsiiclac   {=  Aegeriidaei.        409 

(in  Schweden)  das  erstemal  in  diesem  Gang  und  dringt  erst  im  nächsten 
Sommer  tiefer  ins  Holz  ein"  i).  ,,In  der  höchsten  Spitze  des  Ganges  baut 
sie  ihre  Wiege,  kehrt  sich  vor  der  Verpuppung  um  und  ruht  mit  dem  Kopf 
nach  unten.  Das  Flugloch  wird  nicht  ganz  vollständig  von  der  Raupe  aus- 
genagt und  ist  gewöhnlich  von  Rindenstücken  zugedeckt.  Die  Puppe  liegt 
in  einem  Kokon  von  weißem  Gespinst  mit  wenigen  Pflanzenfasern  verstärkt. 

In  unseren  Fraßbildern  (Abb.  357)  sind  die  Gänge  wesentlich  kürzer 
(als  bei  Alt  um  angegeben),  nämlich  etwa  6 — 10  cm;  auch  finden  wir  keine 
besonders  genagten  Gänge  für  das  Schlüpfen,  sondern  dieses  geschieht  durch- 
gehends   an   der   angeschwollenen    Stelle   des    Anfangsfraßes    (x\bb.  358). 

Die  Generation  ist  zweijährig  2).  Man  erkennt  die  Anwesenheit  der 
Raupen  an  den  mittelfeinen  Nagespänen  (nebst  Saftausfluß),  welche  aus  einer 
kleinen  Rindenöffnung  austreten. 

Der  Schaden  durch  iabaniforme  ist  ähnlich  zu  werten  wie  der  von 
apiforme.  Der  kleine  Pappelschwärmer  kommt  ebenfalls  nicht  selten  mit 
Saper  da  carcharias  zusammen  vor;  er  tritt  bisweilen  in  auffallender  Menge 
auf.  Die  befallenen  Pappeln  werden  durch  den  jahrelang  anhaltenden  Fraß, 
der  die  Wundstellen  nicht  zum  Verwallungsschluß  kommen  läßt,  sondern  im 
Gegenteil  dieselben  fortwährend  vergrößert,  sowie  durch  den  Holzfraß,  durch 
den  zahlreiche  Schadstellen  bleiben,  nicht  unerheblich  entwertet.  In  Italien 
bisweilen  großer  Schaden;  viele  junge  Pflanzen  sind  durch  den  Fraß  zum 
Absterben  gebracht.  Die  aus  der  Wunde  ausfließenden  Säfte  bilden  den 
Nährboden  schädlicher  Pilze  (Cecconi). 

Die  Bekämpfung  geschieht  in  gleicher  Weise  wie  bei  api/oniie  (s.  dort'. 

An  Parasiten  wurde  die  Schlupfwespe  Pa/iisci/s  leslaceiis  Grav.  gezogen 
(Fall  ringe  r). 


In  Weiden. 
Sesia  formicaeformis  Esp. 

Kleiner   W  e  i  d  c  n  g  I  a  s  s  c  h  w  ä  r  m  c  r. 
Syn. :  Sesia  /loi/iadaefon/iis   FIb.    (nee.   Lasp.li. 

Dieser  kleine  Glasschwärmer,  der  gleichfalls  im  Mai,  Juni  und  Juli  fliegt, 
ist  durch  die  schön  bräunlichrote,  von  schwarzen  Adern  durchzogene  Saum- 
binde der  Vorderflügel  und  den  breiten,  roten  Hinterleibsring  gekenn- 
zeichnet (s.  Tabelle  S.  399).  Er  ist  im  allgemeinen  selten  und  scheint  im 
südöstlichen  Deutschland  zu  fehlen. 

Falter  blauschwarz,  Unterseite  der  Palpen,  Hinterleibsring  4  ganz  und  Unter- 
seite von  Hinterleibsring  5,  beim  o"  oft  auch  \on  Ring  6,  sowie  Saum  der  Vorder- 
flügel rot.  Ein  Strich  vor  den  Augen  rein  weiß,  Teile  der  Schienen  und  Fül.'ie 
gelblich.  Hinterleib  oben  auf  Ring  2  und  3  gelb  bestäubt,  Seiten  des  Afterbusches 
gelb.    Länge   10  mm,   Spannweite  ungefähr  20  mm. 

Die  Raupe  dieser  Art  lebt  in  Stämmen  und  Ästen  der  Hegerweiden, 
namentlich  in  Salix  7'i//ii//(ilis  L..  6'.  Iriaiidra  L.  und  auch  S.  alba  L.,  caprea  L. 
und  aurita  L.    Der  Fraß  wird  am  genauesten  von  AI  tum  (1885)  geschildert. 


1)  Kemner  (1922)  fand  einmal  ,,3  erwachsene  Raupen  zusammen  in  einem 
Stammstück  von  einem  Raum  von  nur  7X  1,5  cm.  Der  eine  Gang  war  nur  37X6  mm. 
was  sehr  wenig  für  eine  Raupe  ist,  die  selbst  erwachsen  30X4,5  mm  groß  ist". 

2)  Cecconi  (Man.  entom.  for.  S.  88-  gibt  für  Italien  einjährige  Gene- 
ration an. 


410 


II.  Spezieller  Teil. 


welcher  angibt,  daß  bei  dieser  Art  die 
Raupe  gleich  in  das  Holz  geht,  hier 
eine  größere  Höhlung  ausfrißt  und 
dann  erst  aufwärts  steigend  die  Mark- 
röhre anfangs  stärker,  dann  schw^ächer 
ausfrißt.  Der  nur  lo  cm  lange  Gang 
wendet  sich  schließlich  der  Peripherie 
zui).  An  seinem  Ende  ruht  ohne 
eigentlichen  Kokon  die  Puppe,  die, 
um  sich  herauszuschieben,  nur  ein 
dünnstes     Rindcnhäutchcn     zu     durch- 


Abb.  359.   Sesia  formicaeformis  Esp. 
( Kleiner  Weidenglasschwärmer  1 .  2  X. 


Abb.  361.    Weidenstamm  mit  herxorgescho- 
bener   Puppenhüllc   \on  Sesia  formicaefor- 
mis  Esp.,   an   der   Basis   das    aufgestoßene 
Deckelchen.    Nach   K  e  m  n  e  r. 


Abb.  360.  Durchschnittene  Weiden- 
stämmchen  mit  Fraßplätzen  und 
-gangen    \-on  Sesia  formicaeformis  Esp. 


stoßen  braucht  (Abb.  361).  Weiden- 
heger, in  denen  die  Ruten  zu  hoch  ab- 
geschnitten werden,  bilden  gute  Ent- 
wicklungsstätten für  diese  Art,  weil 
die  stehenbleibenden  Rutenstummel 
gern  mit  Eiern  belegt  werden.  Dieses 
Tier  wird  also  im  Verein  mit  Cryptor- 
rJiyiicJius  lapatlü  L.  hier  erheblichen 
Schaden   tun  können.     Fälle   eines   sol- 


1)    Nach   Kemner    (1922)    geht   die   Raupe    (wol 
ins   Holz,  sondern  lebt  nur  in  der  Rinde. 


in   dickeren   Stämmen)    nicht 


Unterordnung:   Microlepiclopteia,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidae' 


411 


chen  sind  aber  bis  jetzt  nicht  bekannt  geworden,  obgleich  Alt  um  wohl  mit 
Recht  vermutet,  daß  die  Schäden  in  Weidenhegern,  welche  bisweilen  dem 
Trochilitim  apiforme  Cl.  zugeschoben  werden,  von  dieser  Art  herrühren.  Nach 
Sorhagen  (Spuler)  ,,lebt  die  Raupe  besonders  auch  in  kropfigen  Aus- 
wüchsen   (,, Wirrzöpfen")    der   jüngeren    Stämme 

und   Zweige  von  Salix   capreae   L.   an   sonnigen  .      :       7:pi 

Plätzen".    Den  gleichen   Fundort  gibt  Schütze 
(1918)  an. 

Als  Abwehr  ist  tiefes,  richtiges  Schneiden 
der  Ruten,  Entfernen  und  Verbrennen  noch  be- 
wohnten Materials  zu  empfehlen. 

Sesia  formicaeformis  Esp.  ist  der  Wirt  zahl- 
reicher Parasiten;  Fahringer  (i.  1.)  zählt  fol- 
gende Arten  auf:  Proxus  sesiae  Phoes.,  Phaenolobus 
arator  Rossi,  Gambrus  ornatus  Grav.,  Hemiteles  ornala 
Brisch.,  Ferosis  annulata  Brisch.,  Theniscus  bilineatus 
Grav.  und  impressor  Grav.,  Anilaslus  longicornis 
Brisch.,  Ophioii  luteus  L.  und  obscurus  F.,  Pitnpla 
roborator  L.,  ferner  den  Braconiden  Macroceittrus 
marginator  Nees.  und  den  Chalcididen  Elaclüslus 
leiicogramma   Rott. 

Außerdem  kommt  in  \\>iden  noch  vor: 

Trochiiiuin  crabroiii forme  Lew.  Zweijährig,  in 
Wurzeln  und  Stamm  der  Salweide  (Salix  caprea  L., 
Abb.  362);  ferner  gelegentlich  Troclüliiim  a pi forme 
Cl.   (Salweide)   und  Sciapleroii  /abaui forme  Rott. 


In  Erlen  und  Birken. 

Wir  behandeln  die  Erlen-  und  Birken- 
bewohner der  Glasschwärmer  gemeinsam,  weil 
die  praktisch  wichtigeren  Formen  beide  Holz- 
arten bewohnen. 

Sesia  spheciformis  Gerning. 

Taf.  V,   Fig.  6. 

E  r  1  c  n  g  1  a  s  s  c  h  w  ä  r  m  e  r. 

Ratzeburg:  Sesia  sphegiformis   F. 

Von  allen  Sesien  die  forstlich  beachtenswer- 
teste Art,  die  in  Erlenpflanzungen  beträchtlichen 
Schaden  anrichten  kann. 

Falter:  Blauschwarz,  Unterseite  der  Palpen,  ein  großer  Seitenfleck  unter- 
halb der  Flügelbasis  an  der  Brust,  zwei  Längsstriche  oben  auf  den  Seiten  des 
Thorax,  der  Rückenrand  von  Hinterleibsring  2,  der  Bauchrand  von  Hinterleibs- 
ring 4  und  Unterseite  der  Flügel  an  dem  Vorderrande  gelb.  Ein  Fleck  vor  der 
Fühlerspitze,  Schienensporen  und  Unterseite  der  Füße  weißlich.  Länge  15 — 17  mm, 
Spannweite  25—30  mm   (siehe  Tabelle  S.  399). 

Raupe  nach  beiden  Seiten  etwas  abgeflacht,  gelblichweiß,  mit  braungelb 
durchscheinendem  Rückengefäß,  braunrotem  Kopf  und  gelblichem  Nackenschild. 
30 — 40  mm   (siehe  Tabelle  S.  401). 

Puppe  hellgelb.    Frontalfortsatz  hoch  herausstehend  (siehe  Tabelle  S.  402). 


Abb.  362.  Stück  eines  Weiden- 
stammes mit  Fraß  von  7'ro- 
cliiiium    crabroni  forme    Lew. 


412 


II.  Spezieller  Teil. 


Der  Er  1  en  -  G  lasschwä  rmer  fliegt  Ende  Mai.  Anfang  Juni  und  ist 
wohl  über  ganz  Europa  als  gemeinere  Art  verbreitet.  Er  legt  seine  Eier  am 
liebsten  an  junge  Erlenstämmchen  von  2 — 5  cm  Durchmesser  tief  unten  am 
Wurzelknoten,  und  zwar  gewöhnlich  einzeln  oder  nur  zu  wenig  Stücken,  aus- 
nahmsweise auch  in  größeren  Partien  (AI tum).  Die  Raupe  frißt  zunächst 
unter  der  Rinde  platzend  einen  größeren  Hohlraum  und  steigt  dann  inner- 
halb des  Holzes  in  einem  kurzen,  geraden,  meist  kaum  10  cm  langen  Gange 
in  die  Höhe  (Abb.  364 j.  Der  mit  Nagespänen  gemischte  Kot  tritt  wurst- 
förmig  durch  eine  Öffnung  in  der  Rinde  über  dem  Anfangsfraße  hervor, 
und  ist  daher  zwischen  dem  Graswuchse  meist  nur  schwer  rechtzeitig  zu 
erkennen.  Der  Fraß  dauert  zwei  Sommer  hindurch,  die  Verpuppung  tritt 
im  Frühjahre  des  dritten  Kalenderjahres  in  einem  dünnen,  aus  lockerem  Ge- 
spinste und  feinsten  kurzen  Nagespänen  bestehenden  Kokon  ein.  Die  Puppe 
schiebt  sich  gewöhnlich  durch  eine  am  oberen  Ende  des  Ganges  von  der 
Raupe  unter  Belassung  einer  dünnsten  Deckschicht  hergestellten  Öffnung 
\or  (Abb.  365),  kann  dies  aber  auch  ausnahmsweise  an  der  Auswurfsöffnung 
für  den  Kot  tun.  Auch  frische  Stöcke 
älterer  Erlen  werden  von  dieser  Raupe  be- 
wohnt (AI  tum,  1885)  und  desgleichen  Stock- 
aus seh  läge   von   Birken. 

Der  Schaden  ist  vielfach  nicht  unbeträcht- 
lich. Es  werden  häufig  sehr  gutwüchsige  Erlcn- 
pflanzungen  durch  dieses  Tier,  dessen  Fraß  er- 
fahrungsgemäß von  den  Forstleuten  ge\\öhnlich 
mit  dem  von  i' ryplorrhyiic/ius  l</p(i///i  L.  (siehe 
Bd.  n,  S.  406)  verwechselt  wird,  sehr  stark  ge- 
lichtet, oder  wohl  auch  ganz  zerstört,  desgleichen 
brechen  zu  Besenreisig  bestimmte  befallene 
Birkenausschläge  am  Stock  ab. 

,,Der  Forstmann  wird  meist  zuerst  durch 
hervorragende  klaffende  Puppenhüllen  (Abb.  365  i 
auf  den  Befall  aufmerksam.  Er  möge  alsdann 
nicht  versäumen,  sämtliche  jungen  Erlen  der 
Umgebung  tief  unten  nach  dem  gewöhnlich 
durch  Gras  und  Kräuter  verdeckten  Nagemehl,  feinen  ilol/späiirlu'n  /u 
untersuchen.  Auch  die  Anzeichen  früheren  Fraßes,  nämlich  die  offenen 
Fluglöcher  und  das  Aufspringen  der  Rinde  über  der  Fraßstelle  mögen  ihn 
zu  einer  genauen  Revision  veranlassen.  Auch  sollen  diejenigen  jüngeren  Be- 
stände, bei  denen  man  die  Sesien  stets  auf  den  Blättern  sitzend  oder  niedrig 
umherschwärmend  beobachtet  hat,  später  gründlich  nach  den  Bohrspänen 
untersucht  werden.  Die  besetzten  Stämme  gehen  allmählich  zurück,  werden 
zopf trocken,  treiben  Wasserreiser,  werden  bald  unterdrückt  und  gehen  end- 
lich ganz  ein"   ( A  1 1  u  m  .   F.  44). 

In  der  forstlichen  Literatur  wird  mehrfach  über  größere  Schäden,  \oy 
allem  in  Erlenpflanzungen,  dann  auch  an  Stockausschlägen  von  Birke  be- 
richtet  (Ratzeburg  W.,  Altum   F.  und   1885,   Nitsche). 

Die  Bekämpfung  geschieht  am  besten  durch  radikale  Entfernung 
(tiefes  Abhauen)  und  Vernichtung  der  befallenen  Pflanzen  vor  der  Flug- 
zeit. Bei  Stöcken  empfiehlt  sich  das  Anteeren  der  Schnittflächen  an  der 
Grenze  von  Holz  und  Rinde,  um  so  die  Brutstätten  möglic^hst  einzuschränken. 


Abb.    363.     Falter,    Pupi)e    und 

Raupe  \-on  Sesia  s/^Ivci joriuis 

Gerninsr.     Nach    Nitsche. 


I.  Unterordnung;   Microlepicloplera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidac).        413 

Auch  der  Erlenglasschwärmer  hat  zahlreiche  Parasiten;  Fahringer  zählt 
folgende  Schlupfwespen  auf:  C ralocryplus  leiicof^sis  Gr.  und  \ar.  a/pi/ia  Strobl., 
Theniscus  bilineatus  Gr.  und  impressor  Gr.,  Perosis  annulnla  Brisch.,  Ef>/iia//es  maiii- 
jesiator  L.  und  liiberculatiis  Fousor.,  Pini/^la  rohoralor  F..  Lissoiiota  nigra  Br. ;  ferner 
die    Braconiden    Macroceutnis    mariiiiKilor    Nees.    und    )iiluIiilalor    Nees. 


Abb.    363.    Erlenstamni   mit    Ausfluglöchern    und 

hervorgeschobenen  Puppenhüllen  von  Sesia  sflie- 

cifor?nis  Gerning. 


^- 


Abb.  364.  Durchschnittener  Erlen- 
stamm mit  Fraßgängen  von  Sesia 
spheciformis  Gerning.  Auf  der 
rechten  Seite  unten  und  auf  der 
linken  unter  der  Mitte  der  plat- 
zende  Anfan2;sfraß. 


Abb.   366.    Querschnitt   durch   einen   Erlenstamm 
mit  Fraßgängen  \o\\  Sesia  spheci jorniis  Gerning. 


Sesia  culiciformis  L. 

Taf.  V,   Fig.  8. 
Kleiner    Birken  glasschwärm  er. 
An  der  breiten  roten  Querbinde  des   Hinterleibes  leicht  kenntlich  (siehe 
Tabelle  S.  399).    Gehört  wie  die  vorige  x-\rt  zu  den  gemeineren,  durcli  ganz 
Europa  verbreiteten  Arten. 


414 


II.  Spezieller  Teil. 


Falter  blauschwarz,  die  Wurzel  der  Vorderflügel  und  der  Saum  braunrot 
bestäubt.  Die  Unterseite  der  Palpen  und  der  ganze  Hinterleibsring  4  braunrot.  Ein 
Strich  vor  den  Augen  weiß,  Schenkel  und  Schienen  innen  weißgelb.  Länge  10  mm, 
Spannweite  22  (cf)  — 28  mm  (9). 

Raupe  weißgrau  oder  weißlichgelb,  mit  goldbraunem  Nackenschild  und  hell- 
braunem Kopf;  20  mm   lang   (siehe   Tabelle   S.  401). 

Puppe  ockergelb,  mit  nur  schwachen,  mit  freiem  Auge  kaum  sichtbaren 
Dornenkränzen  auf  den  Hinterleibssegmenten.  Länge  12  mm  (siehe  Tabelle  S.  4021. 
Dieser  Schmetterling  ist  ursprünglich  ein  echtes  Birken  -  Insekt,  dessen 
Raupe  die  starke  Birkenrinde  und  Birkenmasern  bewohnt,  also  Stellen,  wo 
der  Falter  seine  Eier  leicht  unterbringen  kann.  Namentlich  werden  frische 
Stöcke  von  dem  Ende  Mai,  Anfang  Juni  schwärmenden  Weibchen  gern  an 
der  Grenze  von  Rinde  und  Splint  mit  Eier  belegt,  ebenso  auch  Aststümpfe, 
die  an  älteren  Birken  durch  Aufasten,  an  jüngeren  durch  Schneidein  ent- 
stehen. Die  Raupe  frißt  zunächst  platzend  unter  der  Rinde  und  macht  später 
aufsteigende  Gänge,  die  bei  stärkerem  Material  oft  bloß  den  Splint  tief 
furchen,  bei  schwächerem  vollständig  im  Holze  verlaufen.  Sie  bleiben  kurz, 
sind  gewöhnlich  nur  ungefähr  6  cm  lang  und  werden  mit  feinen,  bis  i  cm 
langen,  durch  Gespinstfasern  verbundenen  Holzfasern  ausgelegt,  welche  auch 
eine  Art  Puppenwiege  bilden.  Auch  hier  wird  der  Kot  durch  eine  Auswurfs- 
öffnung an  der  Anfangsstelle  des  Fraßes  entfernt. 

Die   Art   kommt    in   gleicher   Weise    an   frischen    E  r  1  e  n  s  t  ö  c  k  e  n    und 
jüngeren  Erlen  pflanzen  vor. 
Die  Generation  ist  einjährig. 

Der  Schaden  ist  an  den  Stöcken  verschwindend,  desgleichen  an  den 
Aufastungsstellen  älterer  Stämme.    An  Stöcken  hat  er  sogar  das  Gute,  einen 

tieferen  Ausschlag  zu  erzeugen. 
Dagegen  gehen  jüngere,  geschnei- 
delte  Stämmchen  bis  5  cm  Stärke, 
wenn  ihre  Rinde  von  den  Schnitt- 
stellen aus  unterwühlt  wird,  viel- 
fach ein.  Auch  ist  neuerdings 
dieses  Tier  in  Erlenpflanzungen 
bis  Heisterstärke  verheerend  auf- 
getreten. 

Wenn  auch  bereits  Ratze- 
burg  (W.,  S.  397  u.  398)  den  Fraß 
dieses  Tieres  in  Birke  und  Erle 
kannte,  so  verdanken  wir  ausge- 
dehntere Mitteilungen  hierüber  erst 
AI  tum.  Er  berichtet  (1885}  über 
einen  größeren  Fraß  in  Uhrmann- 
dorf bei  Horka,  Regierungsbezirk 
Liegnitz,  bei  welchem  zunächst 
starke,  1881  auf  geastete  Allee- 
birken 1S82  von  dem  Falter  be- 
fallen worden  waren,  von  denen  er 
dann  1883  auf  junge,  in  der  Nähe 
--^  befindliche  geschneidelte  Birken 
Abb.  367.  Ein  von  Srs/n  cdinionnh  L.  Überging  und  diese  zum  großen 
stark  befallener  Birkenstock.  Teile  tötete.    Desgleichen  berichtet 


I.  Unterordnung:   ^Nlicrolepidoptera.    Familie  Sesiidae  (=  Aegcriidae;.        415 

er  über  einen  \crhecrenden  Fraß  an  Erlen  bis  Heisterstärke  zu  Cladow, 
Regierungsbezirk  Frankfurt  a.  d.  O.  (1885).  Bei  den  Erlen  scheint  der  Fraß 
nicht  immer  von  einer  Wundfläche  auszugehen  (Nitsche). 


A 


B 


C 


Abb.    368.    A    Birkenstamm   mit    zahlreichen    Fraßgängen   von   Sesia   culicifonnis    L., 

B   Stück  eines  Birkenstammes  mit  einer  aus  langen  Spänen  errichteten  Puppenwiege 

und   her\  orgeschobener   Puppenhülle,    C   Puppenwiege   isoliert. 


Außer  an  Erle  und  Birke  kommt  cidici/or/nis  auch  an  Linde  und 
Obstbäumen   (Apfel-,  Birn-,  Pflaumenbäumen)   vor. 

Unter  den  Ab  w  eh  r  -  Maßregeln  ist  zunächst  als  Vorbeugung  ein 
Anteeren  der  frischen  Erlen-  und  Birkenstöcke  besonders  an  der  Grenze  von 
Rinde  und  Holz  zu  erwähnen,  da  auf  solche  Weise  keine  Brutstätten  für  die 
Vermehrung  dieser  Schädlinge  entstehen,  von  denen  aus  sie  auf  benachbarte 
jüngere  Stämmchen  übergehen  können.  Teert  man  Birkenstöcke  nicht,  so 
muß  man  in  dem  nächsten  Jahre  wenigstens  das  Schneidein  der  jungen 
Birken  in  der  Nähe  unterlassen.  Bereits  befallenes  junges  Material  ist  am 
besten  vor  der  Flugzeit  tief  abzuschneiden  und  zu  verbrennen.  An  befallenen 
Stämmchen  kann  man  das  Ausschlüpfen  der  Falter  durch  Bestreichen  der 
am  Kotaustritt  erkannten  Fraßstellen  mit  Teer  verhindern.  An  Erlen,  wo 
der  Fraß  meist  sehr  tief  ist,  geht  das  allerdings  schwer,  wie  denn  überhaupt 
hier  der  Schaden  meist  erst  erkannt  wird,  wenn  die  Bäumchen  kränkeln  und 
eingehen  (Nitsche). 

Als  Parasiten  gibt  F  ah  ringe  r  nur  den  Braconiden  Macrocentrus 
marginator  Nees.  an. 


416 


II.  Spezieller  Teil. 


Sesia  scoliiformis  Bkh. 

Taf.  V,   Fig.  7. 
Ratzeburg:  scoliaeformis  Lasp. 

An  den  vor  der  Spitze  oben  weißlich  gefärbten  Fühlern  und  dem  ocker- 
gelben Afterbusch  leicht  kenntlich  (s.  Tabelle  S.  399).  Nach  Ratzeburg 
(Waldverderbnis  11.  398)  lebt  die  Raupe  (s.  Tabelle  S.  401)  in  Birken, 
vorwiegend  auf  feuchtem  Gelände,  in  alten,  mit  starker  Rinde  bedeckten 
Stämmen  am  unteren  Teil  zwischen  Holz  und  Rinde  in  unregelmäßig  ge- 
fressenen Gängen,  er  fand  sie  „an  mittleren  Stämmen,  die  aber  unten  schon 
fingerdicke  Rinde  hatten;  entweder  waren  nur  Risse  vorhanden  oder  es 
fehlten  schon  Rindenstücke,  welche  die  Natur  durch  Verwallung  zu  ersetzen 
suchte".  ,,Die  braunen  Gänge  sind  nicht  lang,  die  Raupe  frißt  mehr  plätzig 
und  macht  vor  dem  Ausflug  des  Falters  einen  holzbraunen  Kokon  von  Größe 
(und  Farbe)  einer  Mandel,  wenn  man  sich  diese  walzig  und  nicht  flach 
denkt."    Die  Generation  ist  zweijährig. 

Von  einem  Schaden  kann  kaum  gesprochen  werden. 


In  Eichen. 
Sesia  vespiformis  L. 

Syn.:   S.  asilijoDuis  Rott.    (nee.    Schiff.  !i,   S.   cyni  [^ijonnis   Esp.    (bei   Ratzeburi;   . 

Falter:  Die  mondförmige  Mittelbinde  der  Vorderflügel  lebhaft  rot  gef:ärln, 
Saumbinde  schwarz.  Afterbusch  beim  o  fast  ganz  gelb,  beim  cf  dagegen  mit  nur 
wenig  Gelb.  Körper  blauschwarz,  am  Hinterrand  des  Thorax  ein  gelber  Doppelfleck. 
Fühler  blauschwarz.    Spannweite  20  mm. 

Raupe  schmutzigweiß  mit  dunkelbraunem,  \orne  schwarz  eingefaßtem  Kojjf 
und  braungelbem,  mit   braunen  Reihen  versehenem   Nackenschild. 

Bei  Ratzeburg  (W.  II,  398)  finden  sich  folgende  forstlich-biolo- 
gischen Angaben  über  diese  Art:  ,,In  stehenden  Stämmen  erscheint  die  Raupe 
nicht,  sondern  nur  in  frisch  ge- 
hauenen Stöcken,  am  liebsten  im 
Mittelwald,  weil  die  stehenbleiben- 
den Oberständer  und  Lasreidel  die 
Stöcke  so  beschatten,  daß  ihre  Saft- 
haut noch  frisch  genug  für  die  An- 


Abb.  369.   Sesia  vespijormis  L.  Abb.    370.     Ein    Stück    Eichenrinde    mit 

i^/iX-  vorgeschobener    Puppe    und    Falter    von 

Sesia  vespiformis  L. 

griffe  der  Sesien  bleiben.  Der  Falter  legt  dann  seine  Eier  (gewöhnlich  Juni, 
Juli)  in  die  Cambialschicht,  und  die  Räupchen  fressen  sich  nach  ihrem  Aus- 
kriechen in  die  Rinde  abwärts.   Solange  sie  gesondert  bleiben,  kann  man  ihre 


Esche ncli,  Forstinsekten.    111.  Bd. 


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Hepialiden,  Cossiden,  Sesien  und  Pyraliden 

I  Hep.  huniuli  /..  (links  cf.  rechts  L)  L'  Coss.  cossus  /,.  ;!  /euz  pyrina  i.  (rechts  £.,  links  rf) 
4  Trochilium  apiforme  Cl.  5  Sciaptcron  tabanilürme  ffo//.  0  Sesia  spheciformis  Gcniiiig 
7  S.  scoliiforme  5/c/7.         8  S.  culiciformis  L.         9  S.  mvopiformis  Bk//.         10a  u.  b  .s.  tipuliformis  C/ 

II  Ephestia  elutella  Hb.  12  Hvphnntidium  terebrcllum  Zck.  V,  Dioryctria  splendidella  //.  S 
14  D.  abictella  Sclii/f.      15  D.  schiitzeella  Fuchs.      16  D.  mondacella  Stgr.      1/  Acrobasis  zelleri  Fag 

18  A.  consociella  Hb.       Sämtliche  Figuren  schwach  vergrößert. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoplcra,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidae  j.        417 

Gänge  unterscheiden;  kommen  aber  mehrere  zusammen,  so  bilden  sich  auch 
Plätze.  Einmal  wurden  15 — 20  Puppen  aus  einem  und  noch  dazu  schwachen 
Stock  gelöst;  sie  lagen  unter  einer  sehr  schwachen  Rindendecke.  Zur  Flugzeit 
schieben  sie  sich  nach  Sprengung  der  Rinde  daraus  hervor  und  entlassen  den 
Schmetterling.  Können  die  Raupen  den  Stock  ganz  umspannen,  so  ist  er 
verloren.  Befressen  sie  denselben  an  einer  Seite,  so  geht  nur  der  Stock- 
ausschlag zugrunde"  1). 

Die  Generation  ist  zweijährig. 

An  Parasiten  nennt  Fahringer:  The  ruscus  bilineatiis  Gr.  und  Syceuc- 
tus  irisorius  Rossi. 

Sesia  conopiformis  Esp. 

Syn. :  S.  nomadaeformis  Lasp.   (nee.  Hb.!)   (bei  Ratzeburg). 

Falter:  Die  breite  Querbinde  der  Vorderflügel  blauschwarz,  Saumbinde  mit 
dem  Vorderrand  der  Vorderflügel  intensiv  goldglänzend.  Afterbusch  bei  cf  und  o 
blauschwarz.  Metathorax  mit  gelbem  Querfleck,  Hinterleib  mit  3  gelben  Ringen. 
Fühler  oben  einfarbig  schwarzblau.    Spannweite  20  mm. 

Raupe  weißlich  mit  dunkel  durchscheinendem  Rückengefäß,  schwarzen  Stig- 
men und  einem  gelblichen  verwischten  Längsstreifen  darunter.  Nackenschild  hell- 
braun,  Kopf  braun,  vorne  schwarz. 

Generation  zweijährig.  Unter  der  Rinde  und  im  Holz  von  Kropfbil- 
dungen in  weiten  Gängen  in  alten,  kranken  Eichen  und  Eichenstümpfen. 
Verpuppung  in  mit  Holzspänen  vermischtem  Gespinst  von  Mai  bis  Juli 
(Spuler).  Ratze  bürg  (W.  II.  397)  führt  die  Meinung  eines  Beobachters 
an,  wonach  die  Raupe  ziemlich  schädlich  werden  könne  (was  aber  kaum 
zutreffen  dürfte). 

In  Nadelholz. 
Sesia  cephiformis  Ochsh. 

Tannenkrebsglasschwärmer. 
In  seinen  ,,Forstinsekten""  hat  Ratzeburg  diese  Art  (s.  Tab.  S.  399),  ob- 
wohl sie  ihm  als  Tannenbewohner  bekannt  war,  nicht  erwähnt,  da  sie  als  große 
Seltenheit  galt.  Dagegen  hat  er  ihr  in  der  „Wald- 
verderbnis"   (IL    S.  29ff.)    eine    ausführliche 
Darstellung  gewidmet,  da  ihm  inzwischen  ein 
häufigeres   Auftreten  bekannt  geworden  war. 
und  zwar  stets  in  Verbindung  mit  Anschwel- 
lungen und   „Beulen"   an   Weißtanne.    Dieser 
letztere    Umstand   brachte   ihn   zu   der   Über- 
zeugung, daß  die  Sesien  die  Verursacher  der 
Beulenbildung  seien.    Die  Überzeugung  stand 
so    fest   bei    ihm,    daß    auch    die    Einsendung 

von  anscheinend  nicht  bewohnten  Beulen  ihn  ^-^  ^^^  Sesia  cephUorinh 
davon  nicht  abzubringen  vermochte.    Wenn  er  Ochsh.    (Tannenkrebs'glas- 

in  ihnen  auch  keine  solchen  Gänge  wie  an  den  Schwärmer).    21  «X. 


ij  Kemner  (1922,  S.  50)  berichtet  von  einem  Sesienfraß  an  jungen  Eichen- 
trieben, die  durch  einen  quergestellten  Gang  angegriffen  und  dort  gallenartig  an- 
geschwollen waren.  Nielsen  hat  die  Sesie  als  vespiformis  bestimmt  (nach  einer 
Larve) ;  da  diese  aber  bis  jetzt  nur  in  der  Borke  alter  Eichen  gefunden  wurde,  so 
hält  es  Kemner  für  wahrscheinlich,  daß  es  sich  hier  um  eine  andere  .Art  ge- 
handelt  habe. 

E  scher  ich.  Forstinsekten,  Bd.  III.  27 


418  11.  Spezieller  Teil. 

mit  fressenden  Raupen  versehenen  Exemplaren  fand,  so  glaubte  er  dennoch 
auch  hier  überall  „feine  Höhlungen  zu  entdecken,  welche  auf  Gänge  deuteten, 
in  denen  wahrscheinlich  die  noch  kleinen  Räupchen  gestorben  waren". 

Seitdem  aber  de  Bary  (1869)  als  wirkliche  Ursache  dieser  Anschwel- 
lungen das  Mycel  derselben  Pilzspecies  erkannt  hatte,  welches  auch  die 
Hexenbesen  der  Weißtanne  erzeugt,  des  Aecidium  elatimmi,  muß  man  diese 
Sesie  lediglich  als  sekundären  Bewohner  dieser  Bildungen  ansehen.  Wahr- 
scheinlich ist  es  die  rissige  Oberfläche  der  Masern,  welche  das  Weibchen 
veranlaßt,  gerade  hier  vorzugsweise  seine  Eier  abzulegen.  Der  Fraß  schadet 
nur  dadurch,  daß  er  ein  Abfallen  der  Rinde  verursacht  und  nun  der  Holz- 
körper von  der  bloßgelegten  Stelle  an  morsch  und  faul  wird.  Man  kann 
diesem  Schaden  durch  Anstreichen  der  Anschwellungen  mit  Raupenleim 
begegnen,  wodurch  sowohl  das  Ausschlüpfen  der  Falter  als  das  Ablegen  der 
Eier  verhindert  wird. 

Übrigens  ist  cephiformis  keineswegs  auf  die  Tanne  beschränkt,  sondern 
sein  Vorkommen  ist  ein  weit  allgemeineres  innerhalb  der  Nadel- 
hölzer. Wurde  er  doch  auch  je  einmal  aus  Wacholder i)  (Hartmann), 
Fichte,  Lärche  (Spuler)  und  Kiefer  (Baer)  gezogen-).  Doch  über- 
all beschränkt  sich  das  Vorkommen  auf  krankhafte  Stellen,  die  besondere 
Ernährungsverhältnisse  bieten.  Der  Kiefernast,  der  die  Sesie  lieferte,  war 
durch  Peridermium  pi/ii  Will,  verunstaltet;  die  „Wülste  und  Anschwel- 
lungen" der  Wacholderzweige,  aus  denen  Hartmann  seine  Exemplare  zog, 
lassen  unschwer  die  Wirkungen  einer  Gymnosporangium-hxX  erkennen,  und 
das  aus  der  Fichte  erhaltene  Exemplar  stammt  aus  einem  „Knollen,  bei  dem 
es  nahe  genug  liegt,  ähnliche  Bildungsverhältnisse  anzunehmen".  „Also 
überall,  wo  wir  die  Sesienraupen  sich  einnistend  finden,  üppige  Rinden- 
wucherung und  eiweißreiches  Pilzmycel"  (Baer,  1908).  Von  allen  diesen 
Hypertrophien  scheint  der  Tannenkrebs  die  größte  Anziehungskraft  auf 
unsere  Sesie  auszuüben.  Wurden  doch  aus  einer  einzigen  derartigen  Beule 
einmal  67  Falter  gezogen,  und  nicht  selten  erhält  man  Schilderungen,  wo- 
nach die  Beulen  so  dicht  mit  den  hervorgeschobenen  Puppenhülsen  bedeckt 
waren,  daß  sie  an  Igel  erinnerten  (Baer). 

Der  Falter  fliegt  im  Juni,  und  zwar  im  schattigen  Wald  (Schütze, 
1918).    Die  Generation  wird  übereinstimmend  als  zweijährig  angegeben. 


An  Obstbäumen. 


Anhangsweise  seien  hier  noch  einige  an  Obst  schädliche  Sesien  genannt.  Die 
häufigsten   sind : 

Sesia  myopiformis  Bkh.  („Apfelbaum-Glasflügler).  (Taf.  V,  Fig.  9).  Gehört 
zu  den  kleineren  Sesien  mit  rotgeringeltem  Hinterleib  (siehe  Tabelle).  Eiablage 
von  Mai  bis  August  in  Rindenritzen,  lieber  noch  in  schlecht  verheilenden  Wund- 
rändern, absterbenden  Knospen  usw.,  an  Apfel-,  seltener  Birn-,  Pflaumen- 
und   Aprikosenbäumen,   auch   an   Weißdorn.    Der    Raupenfraß,   der   teils   im 


i>  Schütze  (1918)  bezweifelt,  daß  cephiformis  am  Wacholder  und  überhaupt 
an   anderen  Nadelhölzern  außer   der   Tanne   vorkommt. 

2)  Daß  cephiformis  auch  in  Evonym.us-?)\.d,\x^&xv  vorkommt,  wie  Tomala  in  der 
D.  Ent.  Zeit.  Iris   Bd.  18   (1890)   angibt,   dürfte  auf  einem   Irrtum  beruhen. 


Unterordnung:   Microlepidoptera,    Familie  Sesiidae  (=  Aegeriidae  i 


419 


Splint,  teils  im  Holz  stattfindet,  erzeugt   Krebswunden,  oft  in  großer  Zahl  an  einem 
Baum  (Abb.  372). 

Sesia  tipuliformis  Cl.  (,,Johannisbeer-Glasflügler"' ).  (Taf.  V,  Fig.  loaundb.) 
Gehört  zu  den  gelbgeringelten  Arten  mit  oben  einfarbig  schwarzblauen  Fühlern 
's.  Tabelle).  Besitzt  eine  sehr  große  geographische  Verbreitung  über  Europa  und 
Asien;   außerdem   auch   in    Nordamerika,    Tasmanien    und    Neuseeland    vorkommend. 

Eiablage  im  Juli,  August.  Etwa  60  Eier  einzeln  dicht  an 
Knospen,  durch  die  die  Raupe  eindringt;  den  Sommer  über  in 
den  dünnen  Spitzenzweigen,  erst  zur  Überwinterung  in  den 
Stamm  gehend.  Ihre  Gänge  haben  stets  schwarze  Wände  (Abb. 
373).  Folgen  des  Fraßes:  welkende  und  absterbende  Zweige. 
Kommt  vornehmlich  in  Johannisbeere  vor,  dann  aber  auch  in 
Stachelbeere;  auch  in  Hasel  beobachtet.  .A.bschneiden  und 
Vernichten  der  welkenden  Zweige. 

Bembecia  hylaei form/s  Lasp. 
(„Himbeer-  Glasflügler").  Eine 
durch  besonders  schmale  Flügel 
ausgezeichnete  Art.  Fühler  ohne 
Haarpinsel  am  Ende  (im  Gegen- 
satz zu  Sesin).  Das  äußere  Glas- 
feld scharf  begrenzt.  Körper 
blauschwarz.  Hinterleibsscgmente 
4,  5,  6,  beim  rj'  auch  7  hinten 
gelb  begrenzt.  Bezüglich  Raupe 
und  Puppe,  die  in  mehreren 
Punkten  von  Sesia  abweichen, 
siehe   Tabellen. 

Die  Eier  (ca.  looi  werden 
einfach  während  des  Fluges  fallen 
gelassen.  Die  jungen  Raupen 
bohren  sich  in  die  unterirdischen 
Teile  der  Himbeer-  oder  Brom- 
beerpflanze ein  und  minieren  liier 
zunächst  oberflächlich,  oft  rin- 
gelnd, so  daß  eine  Galle  ent- 
steht ;  erst  später  geht  die  größere 
Larve  in  den  Stamm  ( K  e  m  n  e  r  ) . 
Puppe  im  Mark  vorjähriger  Sten- 
gel.    Generation   einjährig. 

Unter  den  natürlichen  Fein- 
den nennt  Kemner  (1919)  eine 
Cordyceps-kxX,  die  an  den  Raupen 


Abb.  372.  Krebswunde  an 
einem  Apfelbaum,  hervor- 
gerufen durch  Sesia  »ly- 
opiformis  Bkh.  Nach 
Reichelt  (aus  Reh). 


Abb.    373. 

Ein      Johannisbeer- 

stämmchen  mitFraß- 

gang  von  Sesia   li- 

piiUfoDuis  Cl. 


lebt   und  die   einige  Zenlimetcr  lange,   graue,   mit 


hornartigen   Fortsätzen  \erschene   Fruchtkörper  bildet. 


Literatur  über  Sesiiden. 


AI  tum,   1861,  Lepidopterologisches  aus 
— ,   1885,  Über  forstlich  wichtige  Sesien. 


dem  Münsterlande   IIL  Stett.  ent.  Zeit.  p.  84. 
Z.  f.  F.  u.  J.  S.  1  —  12. 
— ,   1887,  Sesia  culiciformis  in  Erle.    Ebenda.  S.  114— 115. 
Baer,   W.,    1908,   siehe   Escherich  und   B  a  e  r. 
Barger,    A.,    1911/12,    Das    Sammeln    der    Raupen    und    die    Weiterzucht    aus    der 

Gruppe  der  Sesiiden.    Ent.  Rundschau. 
De  Bary,   1869,   Über  den   Krebs   und   die    Hexenbesen  der  Weißtanne.    Bot.   Zeitg. 

257—264. 
Escherich    und    Baer,    1908,    Tharandter   Zoologische    IMiscellen.    L  Reihe,    Xr.  3. 

Sesia  cep/iifor/fiis.  —   N.  Z.  f.  F.  u.  L.   6.  Jahrg.   S.  513. 


420  II.  Spezieller  Teil. 

Harwood,  W.  H.,   1911,   Ovipositing  of  Sesia  a/^i/onnis.   The  Entomologist.  Bd.  44. 

S.  362. 
Kemner,    N.  A.,     1919,    Ballon    och    Vinbärsglasvingarna    (Bembecia    hylaeiformis 

Lasp.  och  Sesia  tipuUformis  Cl.)   Medd.  Nr.  181   Centralanst.  Entom.  avdel.  Nr.  32. 

Linkoping. 
— ,   1922,    Zur    Kenntnis    der    Entwicklungsstadien    einiger    Sesiiden.     Entom.    Tidskr. 

S.  41-57- 
Lambillion,    L.  J..    1912    Quelque    remarque    sur    la    Sesie    du    Grosseillier   (Sesia 

tipuUformis ).     Rev.    See.    Namur   Ann.  12. 
Oehme,   E.,    1908,   Daten   der   Larvenzustände   der   in   Sachsen   einheimischen   Arten 

der   Familie  Sesiidae.    Z.  f.  wiss.  Insektb. 
Ragusa,   E.,    1922,    Le   Aegeridae    (Sesiidae)    della    Sicilia.     Bull.    Lab.    Zool.    Gen. 

Agr.  R.  Scuola  Sup.  Agric.  Portici. 
Reh,   L.,    1920,   Die   Wespenmimikry   der    Sesien.    Verhdlg.  Zool.  Bot.  Ges.  Wien. 
Schütze,    K.P.,     1918,    Beitrag    zur    Kenntnis    einiger    Sesien.     D.  Ent.  Zeit.  „Iris" 

XXXI,   S.  116^119. 
Schulze,    Hanna,    1926,    Über   die    Eiablage    des    Schmetterlings    Trochilium   api- 
forme L.    —  Zool.  Anzeiger  LXVIII. 
Sitowski,   Ludwik,    1927,   Pimplinae  und  Braconidae   als   Scsicn-Parasiten.    Bull. 

Ent.  Pologne.  T.  V  i. 
S  t  a  u  d  i  n  g  e  r  ,  O.,   1854,  De  Sesiis  agri  beroUiiensis.    Berlin. 
— ,   1856,   Beitrag   zur    Feststellung   der   bisher   bekannten   Sesien-Arten   Europas    und 

der  angrenzenden  Länder.    Stett.  ent.  Z.   1856. 
Zukowsky,    B.,    1910/11,    Die    deutschen    Sesien.     Genaues    über    die    Sammelweise 

derselben.    Int.  Ent.  Zeit. 


Familie:  Psychidae  Boisd. 

S  a  c  k  t  r  ä  g  e  r. 

Die  Psychiden  sind  unansehnliche  Schmetterlinge  von  geringer  Größe 
und  mit  düster  gefärbten,  oft  nur  unvollkommen  beschuppten  Flügeln.  Die 
Raupen  besitzen  die  Kunst  des  Sackspinnens,  die  ja  verschiedenen  Klein- 
schmetterlingen zukommt,  in  ganz  besonders  hohem  Maße.  Das  auffallendste 
Merkmal  dieser  Familie  ist  der  starke  Sexualdimorphismus.  Die  Weibchen 
sind  durchweg  stark  modifiziert  und  oft  auf  das  Larvenstadium  reduziert.  Es 
sind  stets  flügellose,  vielfach  (infolge  des  stark  vergrößerten  Hinterleibes) 
madenförmige,  plumpe  Tiere,  bei  denen  oft  die  Augen,  Fühler  und  Beine 
stark  rückgebildet  sind  und  die  in  der  Regel  den  von  der  Raupe  verfertigten 
Sack  nicht  verlassen.  Nur  in  wenigen  Fällen  hat  das  Weibchen  gegliederte 
Beine  und  Fühler  und  normal  ausgebildete  Fazettenaugen;  es  kriecht  dann 
aus  dem  Sack  heraus,  um  sich  an  diesem  anzuklammern  und  auf  das  Heran- 
kommen eines  Männchens  zu  warten  (Fumea  Stph.). 

Die  zottig  behaarten  Männchen  dagegen  besitzen  wohlausgebildete,  mehr 
oder  weniger  breite  Flügel,  die  wenigstens  bei  den  höheren  Formen  zeich- 
nungslos und  dünn  beschuppt  (häufig  mit  Haarschuppen  durchsetzt)  sind. 
Wo  eine  Zeichnung  vorhanden  ist,  hat  sie  einen  netzförmigen  Charakter.  Das 
Geäder  entspricht  einem  niederen  Typus  und  ist  häufig  durch  den  Mangel 
oder  die  Überzahl  einzelner  Adern  auffallend.  Die  Analis  neigt  am  meisten 
zur  Rückbildung;  stets  ist  auf  den  Vorder-  und  Hinterflügeln  der  Stamm 
der  Mediana  erhalten.  Adern  r^  und  r^  im  Vorderflügel  stets  näher  bei- 
einander entspringend  als  iii^  bei  cu^^;  bisweilen  /o  und  r^  gestielt  (Abb.  375). 


Unterordnung":   Mirrolepidoptera,   Familie  Psychidae  Boisd. 


421 


Die  Fühler  sind  im  männlichen  Geschlecht  bewimpert  oder  doppelt- 
kammzähnig.  Die  Augen  klein,  oft  unter  der  stets  rauhen  Kopfbehaarung 
verborgen.  Taster  sind  meist  ganz  rückgebildet.  Mandibeln  rückgebildet, 
ebenso   fehlt   ein   Rüssel   überall. 

Die  Raupen  leben  in  selbst  angefertigten  Säckchen.  Sie  besitzen  stets 
gut  entwickelte  Thorakalbeine,  aber  meist  nur  rudimentäre  Bauchfüße  mit 
Hakenkränzen    („Kranzfüße").    Alle   Teile,    die   aus    dem    Sack   hervortreten 


Itfcliilllf 


B  D 

.\bb.    374.     Imagines    und    Säcke    mit    vorgeschobener    Puppe    von:    A    und    B    Ps] 
eckst  eint   Led.,  C   und  U  Psyche  ( Pochylelia  )  i/nico/or  L.    Falter   1^  4X,   Säcke   i^ 


(zum  Fressen  und  Fortbewegen),  also  Kopf  und  Thorax,  sind  kräftig  chiti- 
nisiert,  während  der  dauernd  im  Sack  verborgene  Hinterleib  nackt  und  weich 
bleibt.  Zur  Verpuppung  spinnen  sich  die  Raupen  mit  ihrem  Sack  gewöhn- 
lich an  einem  Baumstamm  oder  ähnlichen  Gegenständen  fest.  Die  mit 
Borstenkränzen  bewaffnete  männliche  Puppe  schiebt  sich  vor  dem  Aus- 
schlüpfen des  Schmetterlings  bis  zur  Hälfte  aus  dem  Sack  hervor,  während 
die  weibliche  Puppe  gewöhnlich  im  Gehäuse  stecken  bleibt.  Bei  manchen 
Arten  (Gattung  Psyche  u.  a.)   schlüpft  das  Weibchen  überhaupt  nicht  mehr 


422 


IL  Spezieller  Teil. 


aus  der  Puppenhülle,  sondern  begnügt  sich  damit,  seinen  Körper  aus  letzterer 
etwas  herauszustrecken. 

Die    Begattung    erfolgt    gewöhnlich    in    der    Weise,    daß    das    Männchen 

seinen   lang  ausdehnbaren    Hinterleib   in   den   Sack  bzw.   in   die   Puppenhülle 

einschiebt.    Die    Dauer   der    Begattung    ist   in    der 

Regel   sehr  kurz.    Die   Lebensdauer   der   Imagines 

währt  oft  nur  wenige  Stunden. 

Die  Eier  gehören  der  Flachform  an  und  sind 
in  der  Regel  glatt  und  oval.  Sie  werden  in  großer 
Zahl  (200 — 500)  immer  in  den  Sack  bzw.  in  die 
Puppenhülle  abgelegt.  Die  frisch  geschlüpften 
Räupchen  fertigen  sich  gleich  nach  dem  Verlassen 
der  Eihülle,  meist  aus  den  Fragmenten  des  mütter- 
lichen Sackes,  ein  kleines  Säckchen  an. 

Ein    weiterer    interessanter    biologischer    Zug 
ist  das  Vorkommen  der  Parthenogenese.   Beim  Aus- 
bleiben des   Männchens  können  die  Weibchen   bei 
verschiedenen    Arten    trotzdem    entwicklungsfähige 
Eier  ablegen.    Bei   einigen   Psychiden   ist   die   Par- 
thenogenese sogar  zur  Regel  geworden,  wenigstens 
in  bestimmten  Regionen  ihres  Verbreitungsgebietes. 
Die   Familie  enthält  ca.   100  europäische  Arten, 
die  auf  annähernd  20  Gattungen  verteilt  sind. 
Forstlich    sind    sie    ohne    Bedeutung,    jedoch    begegnet    der    Forstmann 
nicht  selten  ihren  Gehäusen  an  Baumstämmen,  besonders  unter  Leimringen, 
wo   z.   B.   verschiedene   Arten   der    Gattung   Sole/io/>i(i   ZU.   sich   häufig   ein- 
stellen. 


Abb.    375.     FlügelgeäcliT 

einer     Psychide     (Pu'c/ic 

viciella  Schiff,  o").  Nach 

Spul  er. 


Familie :  Limacodidae  (=  Cochlidiidae). 

S  c  h  i  1  d  m  o  1 1  e  n. 

Über  die  systematische  Stellung  der  Limacodidae  herrscht  eine  recht 
verschiedene  Auffassung:  die  einen  Autoren  rechnen  sie  zu  den  ,, Groß- 
schmetterlingen" (Börner  stellt  sie  zusammen  mit  den  Zygaeniden  in  die 
Familienreihe  der  Anthroceroidea  (Zygaeuina'),  die  anderen  (Heymons. 
Handlirsch  usw.)  zu  den  „Kleinschmetterlingen",  in  die  Nähe  der  Se- 
siiden  (Flügelgeäder!).    Letzterem  Vorschlag  schließen  wir  uns  hier  an. 

Was  die  Limacodiden  besonders  auszeichnet,  ist  ein  Larvenmerkmal. 
Die  Raupen  (Abb.  376)  gleichen  bei  oberflächlicher  Betrachtung  eher  einer 
Nacktschnecke  als  einer  Schmetterlingsraupe;  sie  sind  kurz,  eirund,  oben 
hochgewölbt,  unten  stark  abgeplattet,  mit  kantig  abgeschrägten  Seiten.  Die 
Bauchfüße  sind  stark  reduziert  bzw.  zu  Langwülsten  umgewandelt,  mit  denen 
sie  sich  nur  langsam,  schneckenartig  fortbewegen  können.  Meist  sind  sie 
grünlich  gefärbt  und  daher  auf  den  Blättern  schwer  zu  sehen  i).  Sie  leben 
auf  Laubholzbäumen  und  fertigen  im  Herbst  feste,  tonnenförmige  Kokons 
an,  in  denen  sie  überwintern,  um  sich  erst  im  nächsten  Frühjahr  zu  ver- 
puppen. 


ij   Bei  einer  Reihe   von  tropischen   Formen  besitzen   die   Raupen   , .Brennhaare", 
die  starke  Hautentzündungen  hervorrufen. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Limacodidae  (=  Cochlidiidae ).    423 

Die  Puppe  ist  ursprünglich  mehr  oder  weniger  weich,  ihre  Anhängsel 
sind  frei  und  der  ganze  Hinterleib  ist  frei  beweglich. 

Die  Falter  sind  mittelgroße  Tiere,  stark  behaart,  breitflügelig  (siehe 
Abb.  378).  Fühler  relativ  kurz  (etwas  über  halb  so  lang  wie  der  V^orderrand 
der  Vorderflügel),  dicht  beschuppt,  beim  Männchen  gezähnt.  Augen  nackt, 
Nebenaugen  fehlen.  Palpen  mäßig  lang,  ihr  Mittelglied  am  längsten.  Rüssel 
rudimentär  oder  fehlend.  Die  Flügel  mit  wohlerhaltenem  Stamm  der  Me- 
diana, die  Analis  kräftig  in  beiden  Flügeln,  die  Axillaris  in  den  Vorder- 
flügeln mit  deutlicher  Wurzelschlinge  (Abb.  377).  In  der  Ruhestellung 
werden  die  Flügel  dachförmig  getragen.  Beide  Geschlechter  fliegen  nachts, 
die  Männchen  auch  nachmittags  in  der  Sonne. 

Die  Schildmotten  haben  ihre  Hauptentwicklung  in  den  Tropen,  in  der 
indo-australischen  und  äthiopischen  Region,  von  wo  etwa  800  Arten  bekannt 
sind,  während  sie  in  unserem  Faunengebiet  nur  mit  2  Arten  vertreten  sind: 
CocJdidioji  liinacodes  Hfn.   und  Heterogenea  asella   Schiff. 


Abb.  376.    Raupe  einer  Limacodide  (Codi-  .Abb.  377.    Flügelgeäder  einer  Limaco- 

Udion   Umacodes    Htn.).  dide     (Cochlidion     litnacodes     Hfn.). 

Nach   Krauße.  Nach   S  p  u  1  e  r. 

Cochlidion  limacodes  Hfn. 

(j  r  o  ß  e    S  c  h  i  1  d  m  o  1 1  e. 

Ratzeburg:   Tori  rix  lesliidinaiia   Hb.    (Schildmotte,   Erdschneckenmotte,   Zwergeichen- 
spinner). 

Der  Falter  (Ratzeburg  nennt  ihn  ,,den  merkwürdigsten  Falter")  ist  beim 
Männchen  von  rotgelber  Grundfarbe  (die  bei  starker  schwarzbrauner  Bestäubung 
in  Form  heller  Flecken,  namentlich  im.  Innenwinkel  hervortritt),  beim  Weibchen 
gewöhnlich  ockergelb,  manchmal  gelbgrau  oder  auch  rotockerig.  Die  Zeichnung 
besteht  aus  2  nach  hinten  gebogenen  dunklen  Bindenstreifen  auf  den  Vorderflügeln. 
Das  Männchen  ist  wesentlich  kleiner  als  das  Weibchen.    Spannweite  20 — 25  mm. 

Die  Raupe  (Abb.  376)  ist  gelblichgrün  mit  drei  Reihen  weißlicher  und  gelber 
glänzender  Knopfwärzchen  auf  dem  Rücken,  dessen  Seiten  kantig  vorstehend  und 
rot  und  gelb  punktiert  sind.  Stigmen  schwarz,  weißlich  gesäumt.  Kopf  klein,  braun. 
Länge    15 — 18  mm. 

Als  Flugzeit  des  über  ganz  Europa  verbreiteten  und  in  unseren  Eichen- 
und  Buchenwaldungen  durchaus  nicht  seltenen  Falters  gibt  Ratzeburg 
(F.  11.  237)  Mai  bis  Juni,  Spul  er  Mai  bis  Juli  an.    Die  Raupen  fressen  im 


424  11.  Spezieller  Teil. 

September/Oktober  an  den  Blättern  verschiedener  Laubbäume,  vor  allem  von 
Buche  und  Eiche,  sodann  auch  an  Weißdorn,  Schwarzdorn,  Kastanie, 
Nußbaum  u.a.  Der  Fraß  erinnert  nach  Krauße  (1915)  etwas  an  den  der 
Nonne  (Abb.  379).  Die  erwachsenen  Raupen  fallen  im  Herbst  zu  Boden, 
spinnen  an  der  Erde  zwischen  abgefallenen  Blättern  einen  harten,  braunen, 
tönnchenartigen  Kokon,  in  dem  sie  überwintern  und  im  nächsten  Frühjahr 
sich  verpuppen. 

Über  ein  stärkeres  Auftreten  der  Schildmotte  (im  \'erein  mit  dem  fol- 
genden Asselspinner)  wird  in  der  Literatur  nur  einmal  berichtet,  und  zwar 
von  Kraußei)  (s.  auch  unten  bei  der  folgenden  Art). 


X 


B 

Abb.  378.    A  Coclilidioii  liiHdcodes   Hfn.,   rechts  9,   links  cf    (i^AX);  B   Heterogenea 
asella   Schiff.   2X. 

Feinde  und  Parasiten  sind  nur  wenige  bekannt.  Als  Parasit  zog  Ratze - 
bürg  eine  sehr  interessante  vSchlupfwespe:  Sphiiietiis  serotinus  Grav.  (lehn. 
IL  1848  und  in.  1852).  Krauße  fand  im  Blut  der  Raupen  die  Sporen 
eines  Pilzes. 

Heterogenea  asella  Schiff. 

Asselspinner. 

Falter  (Abb.  378B):  Wesentlich  kleiner  als  die  vorige  Art.  Auch  hier  ist  das 
Männchen  dunkler  gefärbt  und  kleiner  als  das  Weibchen.  Das  Männchen  kann 
sehr  dunkel  sein  bis  rotschwarz,  das  Weibchen  rotbraun,  manchmal  ockergelb. 
Spannweite   15 — 17  mm. 

Die  Raupe  ist  zuerst  wie  die  der  vorigen  Art  mit  ausgestülpten  Dornen 
versehen.  Erwachsen  ist  sie  grünlich  oder  gelblich  mit  heller  Rückenlinie  und  einem 
breiten,  sehr  wechselnden,  olivgrün,  bräunlich  oder  rot  gefärbten  Streifen  über  den 
Rücken. 


1)    Krauße,    A.,    191 5,    Die    Limacodiden    und    ihr    Fraß    bei    Eberswalde. 
Arch.  f.  Naturgeschichte.  81.  Jahrg.  Abt.  A.  Heft  8. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Zygaenidae  ( Anthroceridae 


425 


Der    Asselspinncr    ist    über    ganz    Europa    (bis    Korea)    verbreitet.     Der 
Falter   findet   sich   im   Juni   und   Juli,   vornehmlich    in    Buchenwäldern.     Die 
Raupe    zieht    nach    Krauße    allerdings    die    Hainbuche    vor,    sie    kommt 
außerdem     noch     an     Eiche,      Pappel, 
Ahorn   und    Hasel   vor. 

Krauße  fand  einmal  (im  Jahre 
191 5)  die  Raupe  zusammen  mit  der  der 
vorigen  Art  im  Herbst  (September  Ok- 
tober) bei  Eberswalde  in  großer  An- 
zahl: „Besonders  ins  Auge  fiel  der 
Fraß  an  CarpitiKS  betulus  L.,  doch 
wurde  auch  Fagus  silvaüca  L.  und 
Eiche  befressen.  Zuerst  tauchte  die 
Raupe  der  kleinen  Art,  Heterogeiia 
asella  Schiff.,  auf,  erst  etwas  später 
die  der  größeren  Art,  Cochlidion  lima- 
codes  Hfn.  Die  größere  Art  war  an- 
fangs weniger  häufig  als  die  kleinere. 
Letztere  verschwand  schon  anfangs 
Oktober,  die  größere  war  dann  Mitte 
Oktober  in  Mengen  vorhanden.  Auf 
allen  Wegen  bei  Eberswalde  fand  ich 
zertretene  Raupen.  Bei  Sommerfeld, 
Eberswalde  und  Spechtshausen  waren 
fast  alle  Hainbuchen  befressen.  Er- 
freulicherweise hatte  dieser  ausgedehnte 

Spätfraß  keine  große  praktische   Bedeutung"    (Krauße,   1.  c).    Es  handelt 
sich  also  jedenfalls  um  ,, unmerklich  schädliche    Forstinsekten"  \). 


Abb.    379.     Fraß    von    CochlUlioii    Uiiu. 
Codes    Hfn.    Nach   Krauße. 


Familie:   Zygaenidae  (Anthroceridae). 

\V  i  d  d  e  r  c  h  e  n. 

Die  Zygaeniden  wurden  früher  ganz  allgemein  zu  den  Großschmetter- 
lingen gestellt  und  auch  heute  noch  haben  sie  bei  manchen  Autoren  ihren 
Platz  dort  beibehalten.  Die  Dornenbewaffnung  der  Bauchfüße  (Klammer- 
füße) spricht  denn  auch  dafür.  Doch  zeigt  das  Flügelgeäder  so  primitive 
Merkmale,  daß  die  Einreihung  der  Zygaeniden  bei  den  „Kleinschmetter- 
lingen" wohl  gerechtfertigt  ist. 

Es  sind  im  allgemeinen  plumpe  Tiere  mit  allmählich  keulig  verdickten 
oder  mit  gefiederten  (cf)  bzw.  gesägten  (g)  Fühlern  und  meist  gut  ent- 
wickelter Rollzunge.   Das  Flügelgeäder  im  Vorderflügel  und  Hinterflügel  be- 


1)  In  den  Tropen  sind  die  Cochlidiiden  durch  den  Raupenfraß  oft  recht  schäd- 
lich, fast  mehr  aber  noch  ihrer  Brennhaare  wegen  gefürchtet.  In  der  indischen 
Region  kommen  viele  Arten  oft  in  großer  Menge  auf  Tee,  Kakao,  Kaffee  usw.  vor. 
Sie  schaden  nicht  nur  durch  ihren  Fraß  an  den  Blättern,  der  nicht  selten  bis  zum 
Kahlfraß  führen  kann,  sondern  fast  noch  mehr  dadurch,  daß  sie  zur  Verpuppung 
in  die  Erde  gehen  und  diese  dabei  dermaßen  mit  ihren  Brennhaaren  spicken,  daß 
die  barfüßigen  Kulis  nicht  in  den  Pflanzungen  arbeiten  können   (Reh). 


426 


II.  Spezieller  Teil. 


^K 


sitzt  eine  kräftige  Analis,  der 
///-Stamm  deutlich  erhalten.  — 
Die  Raupen  sind  dick,  auf  dem 
Rücken  gewölbt,  meist  lichtgelb, 
reihenweise  schwarz  gefleckt, 
fein  behaart,  mit  kleinem,  run- 
dem, stark  einziehbarem  Kopf. 
Die  Bauchfüße  sind  Klammer- 
füße, d.  h.  sie  tragen  einen 
inneren  Halbkreis  von  Haken. 
Die  Verpuppung  findet  in 
einem  seidenglänzenden,  festen, 
weißen  oder  gelben  Gespinst 
statt.  Die  Puppen,  deren  Hin- 
terleibssegmente 3 — 6  beim  o 
und  3 — 7  beim  cf  (wohl  auch 
das  I.  und  2.)  frei  beweglich, 
und  deren  Fühler-,  Bein-  und 
Flügelscheiden  nur  lose  mitein- 
ander verklebt  sind,  arbeiten 
sich  vor  dem  Ausschlüpfen  weit 
aus  dem  Gespinst  heraus. 

Die  meist  buntgefärbten 
Tiere  (Vorderflügel  oft  bläu- 
lich, grünlich  mit  dunkelroten 
Flecken  oder  einfarbig  grün) 
sind  eifrige  Blütenbesucher,  die 
häufig  im  Sonnenschein  zu  mehreren  auf  einem  Blütenkopf  saugen  und  ziem- 
lich schwerfällig  schwirrend  davonfliegen,  wenn  sie  nichts  mehr  finden.  Sie 
sitzen  auf  den  Blüten  so  harmlos,  oft  in  Kopula,  daß  sie  sich  immer  ohne 
Mühe  erhaschen  lassen.  Die  Raupen,  die  auf  allen  möglichen  Blütenpflanzen 
leben,  überwintern  in  ziemlich  erwachsenem  Zustand,  um  im  Frühjahr  ihren 
Fraß  noch  einige  Wochen  fortzusetzen  und  dann  endlich  zur  Verpuppung  an 
einem  Stengel  in  die  Höhe  zu  kriechen  (Heymons). 

Man  findet  die  Zygaenen  in  den  Sommermonaten  auf  Wiesen,  in  lichten 
Waldungen,  besonders  auf  den  Kalkbergen  oft  in  großer  Anzahl,  so  daß  der 
Forstmann  ihnen  oft  begegnet. 

Als  die  häufigsten  Arten  seien  genannt:  Zygaeiia  fUipendiilae  L.,  sca- 
biosae  Schew.,  trifolii  Esp. 


Abb.  380.    Zygaena  (AnHirocera)  filipendidae 
L.    auf    Distelköpf  eil.     (Aus    Brehms    Tier- 
leben.    Bd.  II.  > 


Familie:  Pyralidae. 


Zünsler. 


Die  Zünsler  sind  im  allgemeinen  größer  als  die  Tortriciden  und  durch 
die  schmal  dreieckigen  Vorderflügel  und  die  breit  dreieckigen,  faltbaren 
Hinterflügel  habituell  gut  gekennzeichnet.  Im  Vorderflügel  fehlt  die  Analis 
stets,  m^  entspringt  nahe  dem  Zellenwinkel,  in  der  Regel  stark  an  7n^  ge- 
nähert.   Ader  r^  und  r-^  fast  immer  gestielt.    Hinterflügel  mit  3  Hinterrands- 


[.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae. 


427 


ädern  (an.  ax^  und  ax.^),  /n^  entspringt  in  der  Regel  aus  dem  unteren  Winkel 
der  Mittelzelle,  //i-^  weit  getrennt  von  m^,  nahe  bei  rr  (Abb.  381). 

Die  Fühler  sind  verschieden  gestaltet,  beim  Männchen  häufig  stärker 
gewimpert,  bei  vielen  Arten  mit  besonderer  Auszeichnung  der  Basalglieder 
(Ausschnitte.  Knoten  usw.).  Rüssel  gut  entwickelt,  ebenso  die  Maxillar- 
palpen,  Labialpalpen  sehr  verschieden  geformt,  in  mehreren  Gruppen  lang, 
schnabelförmig.  Körper  in  der  Regel  schlank, 
mit  langen,  dünnen  Beinen. 

Das  E  i  gehört  der  Flachform  (wie  das 
der  Tortriciden)  an.  Die  Raupen  sind  meist 
gestreckt,  schwach  behaart,  mit  5  Paaren  mit 
Hakenkränzen  besetzten  Bauchbeinen.  Nach 
Baer  (1906)  besitzen  die  ersten  Lateralwarzen 
des  Prothorax,  die  vor  dem  Stigma  liegen,  nur 
2  Borsten  im  Gegensatz  zu  den  Tortriciden.  bei 
denen  die  betreffenden  Warzen  3  Borsten  tragen 
(s.  Abb.  179.  S.  213).  Sie  leben  meist  in  Ge- 
spinstgängen (Galerien)  an  sehr  verschiedenen 
Pflanzen  und  Pflanzenteilen  oder  an  toten  orga- 
nischen Stoffen.  Manche  Formen  zeigen  sogar 
eine  weitgehende  Anpassung  an  das  Wasserleben. 

Die  zahlreichen  Arten  der  Pyraliden  (ca. 
500  europäische  Arten)  werden  von  Rebel  (in 
Spul  er)  hauptsächlich  nach  dem  Flügelgeäder 
in  II  Unterfamilien  eingeteilt:  Galleriinae ,  Cram- 
biiiae,  Anerastiinae,  Phycitinae,  Epipaschiinae, 
Endolrichinae .  Pyralinae,  Hydrocampinae.  Sco- 
pariinae  und  Pyraustiiiae. 

Forstlich  besitzen  die  Pyraliden  bei  weitem  nicht  die  große  Be- 
deutung wie  die  Tortriciden;  für  die  Forstentomologie  kommt  überhaupt  nur 
eine  Unterfamilie  in  Betracht,  die  Phycitinae,  während  die  Vertreter  der 
übrigen  Unterfamilien  forstlich  ohne  Interesse  sind.  Dagegen  stellen  eine 
ganze  Reihe  von  ihnen  landwirtschaftliche  Schädlinge,  teils  schlimmster 
Natur,  vor;  diese  gehören  in  der  Mehrzahl  den  Pyraustinen  an^),  dann  auch 
den  Galleriinen  (Wachsmotten). 


Abb.  381.  Flügelgeäder  einer 
VyxdiMde  (Crambus)  (Vfl  stets 
ohne  an,  m<,  nahe  dem  Zellen- 
winkel entspringend,  stark  ge- 
nähert an  771^,  Hfl  Wo  ^us 
dem  unteren  Winkel  der  Zelle 
entspringend,  m-^  weit  ge- 
trennt von  Wo  ).  Nach  S  p  u  l  e  r. 


Unterfamilie :  Phycitinae, 

Die  Phycitinen  gehören  in  die  i.  Gruppe  der  Zünsler,  bei  denen  die 
Ader  cii  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  mit  einem  Haarkamm  besetzt  xmd 
bei  denen  auf  den  schmalen  und  langgestreckten  Vorderflügeln  die  Ader  /■- 
stets  fehlt  (Abb.  382). 

Die  männlichen  Fühler  sehr  verschieden  gestaltet,  häufig  mit  knotiger, 
ausgehöhlter  und  einseitig  beschuppter  Verdickung  im  Basalteil,  zuweilen 
auch  mit  starker  Ausrandung  daselbst,  meist  kurz  bewimpert.  Palpen  ver- 
schieden gestaltet. 


1)  Unter  ihnen  macht  in  der  letzten  Zeit  vor  allem  Pyrausla  Huhilalis  Hb. 
(European  corn-borer)  von  sich  reden,  der  vor  etwa  16  Jahren  in  Nordamerika  ein- 
geschleppt wurde  und  durch  seine  Vermehrung  dem  dortigen  Maisbau  schwerste 
Schäden  zufügt,  ja,  den  Maisbau  in  manchen  Gegenden  geradezu  in  Frage  stellt. 


428  II.  Spezieller  Teil. 

Die  Raupen  sind  in  der  Regel  gestreckt,  schwach  behaart  mit  einem 
deutlichen  Augenfleck  am  Metathorax.  Sie  leben  meist  in  schlauchartigen 
Gängen,  zum  Teil  auch  im  Innern  ihrer  Nährpflanzen. 

Von  den  50  europäischen  Gattungen  der  Phycitinen  sind  hier  6  zu  be- 
rücksichtigen, und  auch  unter  diesen  kommt  nur  wenigen  eine  größere  wirt- 
schaftliche Bedeutung  zu,  wie  vor  allem  der  Gattung  Dioryctria  ZU. 


Übersicht  über  die  hier  genannten  Phycitinen 

in  systematischer  Reihenfolge. 

Ephestia  elutella  Hb. 
Plodia  interpuncteUa   Hb. 
Hyphantidium   terebreUiim   Zinck. 

—  conicolellum  Comst. 
Dioryctria  splendidella  H.  S. 

—  abietella  Schiff. 

—  Schützeella  Fuchs. 

—  mendacella  Stgr. 

—  pineae  Stgr. 
Acrobasis  tumidana   Schiff. 

—  zelleri  Rag. 

—  consociella  Hb. 
Myelois  ceratoniae  ZU. 

Übersicht  der  hier  genannten  Zünsler  nach  ihrem  biologisch- 
forstlichen Verhalten. 

In    Same  n. 

Raupe     lebt     in     Kiefernsamen     (außer     in     getrockneten     Früchten. 

Kräutern  usw.) Ephestia  elutella  Hb.   (S.  429) 

Raupe  lebt  in  Samen  von  Robinia,  Castanea  vesca  usw. 

Myelois    ceratoniae    ZU.    (S.  452) 

In   Zapfen. 

Raupe    lebt    in    den    Zapfen    von    Fichte,    Tanne,    Kiefer    oder    Lärche 

Hyphantidium  terebrellum  Zinck.   und  conicolellum  Comst.    (S.  432),   Dioryctria 
abietella  Schiff.  (S.  440),  mendacella  Stgr.   (S.  449),   pineae   Stgr.   (S.  450) 

An   Kiefer. 

Raupe  lebt  in  verpilzten  und  verharzten  Stellen  der  Stämme 
und  Zweige  der  verschiedenen  Kiefernarten,  bes.  Weimuts- 
kiefer, starke  Harzflüsse  erzeugend,  die  durch  Ver- 
mischung des  Harzes  mit  den  Nage-  und  Kotkrümeln  ein  mörtelähn- 
liches   Aussehen   bekommen    ....      Dioryctria    splendidella    H.  S.   (S.  434) 

Raupe  lebt  ähnlich  wie  die  vorige  an  verharzten  Stamm-  oder 
Zweigstellen  der  Kiefer,  besonders  Weimutskiefer,  jedoch 
selbst  keine  Harzflüsse  erzeugend,  sondern  nur  durch  den 
Austritt   des  braunen   Kotes   bemerkbar    .      Dioryctria  abietella   Schiff.   (S.  4401 

Raupe  lebt  an  durch  Agaricus  befallenen  jungen  Kiefern 
(hier   dicht   über   dem   Erdboden,   mehr   an   dem   Wurzelhals) 

Dioryctria  splendidella  H.  S.   (S.  434) 

Raupe    lebt   in   den    Harzrändern   von    Schälwunden 

Dioryctria  splendidella  H.  S.   (S.434) 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae. 


429 


Raupe  lebt  in  den  durch  E^'elria  resiiiella  L.  verursachten  Anschwellungen 

am  Grunde  der  Harzgallen Dioryctria  abietella  Schiff.   (S.440) 

Raupe  lebt  in  den  Wipfeltrieben,  die  jüngsten  verholzten  Triebe  aus- 
höhlend      Dioryclria  abietella  Schiff.    (S.  440) 

An   Fichte. 

Raupe    lebt    an    den    Schälwunden    (Sommerschälung    des    Rotwildes)    in 

den  verharzenden  Wundrändern      .      .         Dioryclria  splendid ella  H.  S.   (S.  434! 

Raupe  lebt  an  den  Wipfeltrieben  der  Fichte,  diese  meist  zum  Ab- 
sterben  bringend Dioryclria  abietella  Schiff.   (S.  4401 

Raupe  lebt  zwischen  den  Nadeln  der   Fichte,  die  sie  mit  wenigen  Fäden 

zusammenspinnt Dioryclria  sc/ii/tze:dla  Fuchs.   (S.  448) 

Raupe  lebt  in  Chermes-Gallen Dioryctria  abietella  Schiff.      S.  440, 

An   Tanne    und   Lärche. 
Raupe    lebt    an    den    Wipfeltrieben    ....      Dioryctria  abietella  Sch.\ii.   (8.442) 

An  Eichen. 
Raupe  lebt  an  Eichen,  wo  sie  ein  größeres  Blattnest  herstellt   und  die 

Blätter   skelettiert Icrobasis  zelleri  Rag.   (S.  451) 

Außerdem    an    Eiche    noch    die    Raupen    von    Acrobasis    coiisociella    Hb. 

(S.4511    und    turnidaiia    Schiff.   (S.  451) 

Gattung  Ephestia  Gn. 

Flügelgeäder  (Abb.  382)  reduziert.  Auf  dem  Vorderflügel  fehlen  die  Adern 
m^  und  rj,  auf  dem  Hinterflügel  sind  Ader  cu^  und  W3  oft  gestielt,  m.^  fehlt, 
rr  anastomisiert  mit  sc  nach  der  Mitte.  Das  Gesicht  ist  glatt, 
Palpen  aufgebogen  mit  aufgerichtetem  Endglied,  Neben- 
palpen deutlich.                                                                                                      .^===-^- .;A-^__7/77j 

Die  Raupen  sind  wachsartig,   mit  feinen  dunklen  Punkt-  "^T^T" — — .^^    ~y(^7 
Warzen.     Die  \'erpuppung  erfolgt  meist  in  einem  Kokon. 

Die   meisten   Ep/iesfia-Anen   sind   Begleiter   des  i\\\->v_       ^^y 

menschlichen    Haushaltes,  ihre   Ranpen   leben   in   der  \\  \\~^^^V^«7  ' 

Regel    in    getrockneten     Früchten;     eine    Art,     Ep/t.  M~^.:^Ji^-->^'^/ 

kuehtiieUa    ZU.    (die    Mehlmotte),    ist    ein    schlimmer  Abb.  382.  Flügelgeäder 

Mühlenschädling,    der   durch    Verspinnen   des    Mehls      y°/^   Fjll''"'''    ""'"'fi^ 

r,         T,,    °  ,  T^       •   1        •■  Hb.    (VfL  /-.,  u.  nio  feh- 

zu   großen   Klumpen   schwere    Betriebsstörungen   ver-       ^en.    Hfl /«     u.   cu     ge- 

ursachfi).  stielt,   Wo  fehlt).    Nach 

Forstlich     kommt     nur     eine     Art     in     Betracht.  Spul  er. 

nämlich 

Ephestia  elutella  Hb. 

Taf.  V,   Fig.  II. 
Kiefernsa  menzünsler,    Dörrobstschabe,    Heu-    oder    Kakaomotte. 
Ratzeburg:    Tinea   hageniella    Rtzb.    (Kiefernsamenmotte).    —    Altum:    Ephestia    elu- 
tella   Hb.   —    Nitsche:   Phycis  (Ephestia)   elutella    Hb.    —   Nüßlin-Rhunibler :   Phycis 
(Ephestia)    elutella    Hb. 
Ratzeburg  beschrieb  diese  Art  in  seiner  Waldverderbnis  (II.  419)  als 
Tiiieci   haoetüella.     Es   fiel    ihm   zwar   die   Ähnlichkeit   mit   Ephestia   elutella 
Hb.   auf.   doch   schien  ihm   weder   die   Zeichnung    (nach  der   Beschreibung), 
noch  auch  die  Lebensweise  („Raupe  in  trockenem  Obst"  usw.)  die  Identifi- 
zierung zu  rechtfertigen.    Die  Unterschiede  aber,  die  Ratzeburg  bezüglich 

1)    Die    Bekämpfung    dieses    Schädlings    geschieht    am    wirkungsvollsten    durch 
Blausäuredurchgasung    (nach    dem    Zyklonverfahren)    der   befallenen    Mühlen. 


430  II.  Spezieller  Teil. 

der  Flügelzeichnung  angibt,  sind  unwesentlich,  und  bezüglich  der  Lebens- 
weise hat  sich  elutella  Hb.  als  ungemein  polyphag  erwiesen  (darauf  deuten 
schon   die  verschiedenen   deutschen   Namen   des   Tieres   hin). 

Falter:  Vorderflügel  bräunlich  aschgrau,  am  Innenrand  rötlichgrau,  gewöhn- 
lich mit  dunkler  Schrägbinde  nach  i/o,  zwei  verloschenen  Doppelpunkten  am  Quer- 
ast und  feiner  dunkel  gesäumter  hinterer  Querlinie,  nicht  selten  ist  diese  Zeichnung 
mehr  oder  weniger  undeutlich.  Hinterflügel  staubgrau  oder  weißlichgrau,  Fransen 
etwas  heller  mit  dunkler  Saumlinie.    Spannweite  ca.   15  mm. 

Raupe  verschieden  gefärbt,  weißlich  bis  bräunlich,  Kopf  hellbraun,  Nacken- 
schild dunkelbraun,  in  der  Mitte  durch  einen  Strich  geteilt;  mit  gelbbraunen,  je  ein 
Borstenhaar  tragenden  Wärzchen  und  dunkler  Afterklappe.    Länge   1 1   mm. 

Eier  oval,  plattgedrückt. 

Die  Verbreitung  von  elutella  ist  eine  sehr  große;  sie  erstreckt  sich  nicht 
nur   über  ganz   Europa  von  den   südlichsten  Teilen   bis   nach   Skandinavien, 
sondern  auch  über  außereuropäische  Länder,  wie  ganz 
Nordamerika    und    auch    viele    tropische    Länder.     Bei 
der   leichtenVerschleppbarkeit   des   Tieres   mit   Waren- 
transporten ist  diese  weite  Verbreitung  leicht  erklärlich. 
Die  Raupe  lebt  von  Vegetabilien  aller  Art.  Zacher 
(1927)  führt  als  Nahrung  an:  Heu,  getrocknete  Kräuter 
.  .      „  und     Früchte,    Graupen,    Getreide,    Keks,    altes    Brot, 

Ephestia  elutella  Hb.     ferner    Reis,    Rhabarberwurzeln,    Sesamkuchen,    Kokos- 
(Kiefernsamen-  preßkuchen,    Zitronenschalen    und    Rohkakao.     Andere 

Zünsler).  1^/2 X.  Autoren  nennen  außerdem  noch  als  gelegentliche  Nah- 

rung trockene  Insekten. 
Das    Vorkommen   in    Kiefernsamen    wurde    zuerst    \on    Ratze- 
burg mitgeteilt  und  später  noch  mehrfach  beobachtet  i). 

Die  Ratzeburgsche  Mitteilung  bezieht  sich  auf  einen  Bericht  und 
verschiedene  Sendungen  des  damaligen  Oberförsters  Greulich  zu  Taber- 
brück  (Reg.-Bez.  Königsberg).  „Die  Samen,"  schreibt  Ratzeburg,  ,, bil- 
deten Klümpchen  von  ca.  15 — 20  Körnern,  welche  das  darin  sitzende  Räup- 
chen  versponnen  und  mit  Kotstückchen  durchwebt  hatte.  Die  Samen  hatten 
ein  Loch  von  1/3  der  Samengröße  und  waren  ausgefressen.  Nur  wenn  die 
Raupe  gestört  wurde,  kroch  sie  hervor,  war  dann  aber  träge  und  schien  sehr 
wesentlich  in  ihrer  Lebensordnung  gestört."  Nach  dem  Bericht  Greulichs 
trat  die  Erscheinung  bei  den  aufbewahrten  Samen  regelmäßig  alljährlich 
in  den  Monaten  August  und  September  auf.  Weitere  Fälle  über  schädliches 
Vorkommen  der  elutella  in  Samendarren  teilt  AI  tum  (F.  IL  173)  mit;  er 
macht  dabei  darauf  aufmerksam,  daß  hauptsächlich  die  oberen  Schichten  des 
Samens  leiden. 

Die  Haup  tf  lugzei  t  in  den  Lagerräumen  fällt  nach  Zacher  (1927) 
in  die   Monate   Mai   bis   September.    Einzelne    Falter   sind   aber   in   einiger- 


1)  Eine  ähnliche  Lebensweise  führt  eine  andere,  sehr  auffällig  gefärbte  Pyra- 
lide,  Plodia  interpunctella  Hb.,  die  „kupferfarbige  Dörrobstmade"  (Vorderflügel 
sind  zu  2/3  rotbraun-kupferfarben,  während  das  wurzelwärts  gelegene  Drittel  hellgrau 
gefärbt  ist).  Die  Raupen  (weiß,  hellrosa,  gelblich  oder  grünlich  gefärbt,  Kopf  und 
Nackenschild  bräunlich)  fressen  neben  allen  möglichen  Vegetabilien  (Gewürze  ver- 
schiedener Art,  getrocknete  Rinden  und  Wurzeln,  Klec;amen,  Hülsenfrüchte,  Eß- 
kastanien,  Erdnüsse,    Mehl   und    Mehlwaren,    Getreide)    auch    Pinien  samen. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae.  431 

maßen  warmen  Räumen  das  ganze  Jahr  hindurch  zu  finden.  Aus  den 
kleinen,  fast  kugelrunden  Eiern  schlüpfen  die  Raupen  je  nach  der  Tempe- 
ratur schneller  oder  langsamer,  und  zwar  nach  Zache rs  Beobachtungen  bei 
28IA.  OC  nach  drei,  bei  25 — 27  ^  nach  vier,  bei  19^  9 — 24"  nach  sechs  Tagen  aus. 
Es  ist  sicher,  daß  die  Temperatur  für  die  Entwicklungsdauer  ein  maß- 
gebender Faktor  ist,  jedoch  wirken  darauf  auch  Schwankungen  der  Feuchtig- 
keit und  vor  allen  Dingen  die  Ernährung  stark  ein.  Als  kürzeste  Entwick- 
lungsdauer der  Heumottenraupe  vom  Ei  bis  zur  Verpuppung  beobachtete 
Zacher  im  Sommer  1925  die  Zeit  von  25  Tagen;  wenn  angegeben  wird, 
daß  sie  im  Hochsommer  schon  nach  2 — 3  Wochen  erwachsen  sein  können, 
so  fand  er  dafür  in  seinen  Versuchen  keine  Bestätigung.  Dagegen  waren 
andere  Raupen,  die  im  gleichen  Raum,  aber  mit  anderem  Futter  aufgezogen 
wurden,  noch  nicht  einmal  nach  194  Tagen  verpuppt.  Diese  Unterschiede 
müssen  in  erster  Linie  durch  die  Ernährung  bedingt  worden  sein,  was 
Zacher  durch  verschiedene  Versuche  erhärten  konnte.  Die  kürzeste  Ent- 
wicklungsdauer mit  58  Tagen  erzielte  er  bei  Darreichung  von  Nougat,  in 
Erdnüssen  dauerte  die  Entwicklung  64  Tage,  in  Haselnußmasse  72,  in  Bitter- 
schokolade 81,  in  süßen  Mandeln  84  Tage,  während  andererseits  die  längste 
Entwicklungsdauer  in  einer  Nougatmasse  182,  in  süßen  Mandeln  169  Tage  be- 
trug. Wodurch  die  großen  Schwankungen  bei  Tieren  zu  erklären  sind,  die 
unter  den  gleichen  Bedingungen  von  Temperatur,  Feuchtigkeit  und  Er- 
nährung aufgezogen  wurden,  kann  noch  nicht  erklärt  werden.  Weitere 
Untersuchungen  über  die  Entwicklung  der  Heumotte  werden  vielleicht  dar- 
über Aufschluß  geben. 

Die  Dauer  der  Puppenruhe  betrug  bei  30 — 31  0  etwa  4,  bei  Zimmer- 
temperatur 16 — 19  Tage,  während  im  Winter  nach  Angabe  von  Reh  die 
Puppe  5 — 6  Monate  lang  liegen  bleiben  kann.  Die  Latenzperiode  der  Raupen 
scheint  im  Winter  sich  noch  länger  ausdehnen  zu  können.  Auf  Grund  dieser 
Beobachtungen  kann  man  die  kürzeste  Entwicklungsdauer  der  Heumotte  bei 
Zimmertemperatur  von  der  Eiablage  bis  zum  Schlüpfen  des  Falters  auf 
etwa  82,  die  längste  auf  etwa  200  Tage  berechnen.  Das  würde  für  den  ersten 
Fall  4,  für  den  zweiten  dagegen  nicht  einmal  2  Brüten  im  Jahr  ergeben, 
während  van  Emden  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  in  Halle  bei  der 
Heumotte  i — 2  Generationen  im  Jahr  annimmt.  Als  höchste  Zahl  der  von 
einem  Weibchen  abgelegten  Eier  stellte  Zacher  137  Stück  fest,  während 
Reh  nur  50 — 60  annimmt. 

Zur  Bekämpfung  empfiehlt  AI  tum,  die  am  meisten  befallenen  oberen 
Schichten  zu  entfernen.  Ferner  wird  häufiges  Umstechen  der  Haufen  störend 
auf  die  Entwicklung  des  Schädlings  wirken  und  diesen  allmählich  ver- 
schwinden  lassen. 

Eine  radicale  \'ernichtung  wird  sich  indessen  wohl  nur  durch  Aus- 
räucherung mit  giftigen  Gasen  (Blausäure,  Areginal  u.  dgl.)  erreichen  lassen. 

Gattung  Hyphantidium. 

Auf  den  Vorderflügeln  Wo  vorhanden,  /-_i  und  a,  gestielt,  auf  den  Hinter- 
flügeln W3  und  r//i  kurz  gestielt,  in^  fehlend,  rr  stark  an  sc  genähert. 

Die  Gattung  enthält  zwei  europäische  Arten,  die  in  den  Zapfen  von 
Nadelhölzern  leben. 


432 


II.  Spezieller  Teil. 


Hyphantidium  terebrellum  Zinck. 

Taf.  V,  Fig.  12. 

Falter:  Vorderflügel  schwarzbraun  mit  2  weißen  Querstreifen  und  2  schwarzen 
Mittelpunkten  innerhalb  eines  großen  weißen  Vorderrandfleckes.  Hinterflügel  dunkel - 
grau.    Spannweite   20  mm. 

Raupe  weißlich  oder  gelblich  weiß  mit  dunklen  haartragenden  Punktwarzen: 
Kopf,  Nacken-  und  Afterschild  braun. 

Der  über  ganz  Mitteleuropa  bis  Rußland  und  Mittelitalien  verbreitete  Falter 
fliegt  bei  uns  in  den  Monaten  Juni  und  Juli.  Die  Raupe  findet  man  im  Sep- 
tember/Oktober in  am  Boden  liegenden  verkümmerten  Fichten-  und  Tannenzapfen 
(und  auch  in  Kiefernzapfen,  nach  Disque),  die  gewöhnlich  noch  grün  und  durch 
den  daran  haftenden  Kot  kenntlich  sind.  —  Die  Verpuppung  erfolgt  im  Zapfen  oder 
in  der  Erde. 

Holste  (1922)  zog  die  Art  „aus  alten,  schon  lange  im  Boden  liegenden,  zum 
Teil  kümmerlichen  und  halbwüchsigen  Zapfen",  die  er  am  22.  Februar  bei  München 
sammelte.  Am  12.  April  fand  er  noch  3  große  und  2  kleine  Raupen.  Eine  von  diesen 
lebte  noch  am  26.  Mai  als  Raupe  und  war  erst  am  24.  Juni  verpuppt.  Von  den 
Faltern  schlüpfte  i  Exemplar  bereits  am  19.  Mai,  die  übrigen  14  Exemplare  vom 
19.  Juni  bis   16.  Juli. 

Außerdem  sei  noch  erwähnt : 

Hyphantidium  conicolellum  Const. 
Falter   mit   einfarbig   schwärzlichbraunen,   glanzlosen   Vorderflügeln    und    weiß- 
lichgrauen Hinterflügeln.    Die  fast  pigmentlose  Raupe  lebt  in  den  Zapfen  von  Piiii/s 
Jialepcnsis   Mill.    (Südfrankreich). 

Gattung  Dioryctria  ZU. 

Flügelgeäder  (Abb.  384)  vollständig,  auf  den 
Vorderflügeln  sind  Ader  /-j  und  r^  sowie  m.^  und  m.^  ge- 
stielt, auf  den  Hinterflügeln  sitzen  m^,  m^  und  cu^  auf  ge- 
meinschaftlichem Stiel.  In  der  Vorderflügelzeichnung 
ist  charakteristisch,  daß  sich  ein  mehr  oder  weniger 
heller,  meist  weißlicher  Mittelfleck  an  der  Querader 
befindet,  von  dem  aus  ein  schwärzlicher  Schatten 
zum   Innenrand  geht. 

Die  Fühler  beim  Männchen  über  dem  Wurzel- 
glied gebogen  mit  einem  Schuppenwulst  in  der 
Biegung,  die  Geißel  gesägt  und  gewimpert  oder  ein- 
seitig kammzähnig.  Labialpalpen  mäßig  lang,  auf- 
gebogen, mit  kurzem,  spitzem  Endglied. 

Die  Dioryctrien  gehören  zu  den  größten 
Abb.  384.    Flügelgeäder  einer  Zünslern.    Es  gibt   ein  halbes   Dutzend   euro- 

Dioryclria-P^xK.    (Vfl   ^3   u.    a^  päischer    Arten,    deren    Raupen    sämtlich    an 

ferner   m^   u.   m,   gestielt.    Hfl  xr     ,    ,,     ,      ,    ,  ,  ^   •^    r       ^t   t,  -^^ 

„,      „,     -;,     ,.,.     °,+    rro,i-,o;T.  Nadelholz  leben  und  zum  Teil  forstlich  recht 

-///o,     rri--^     u.     cuy     auT     genieiii- 

schaftlichem    Stiel.)  schädlich  werden  können. 


Übersicht  über  die  europäischen  Dioryctria-Arten. 

Die    Querstreifen   und    der    Mittel  fleck    auf    den    Vorderflügeln    weiß    und    daher 

sich  deutlich  vom  Grund  abhebend. 

A.  Falter  groß,  Spannweite  31 — 34  mm.  Ein  fahlroter  Innenrandfleck  wurzcl- 
wärts  von  der  vorderen  Querbinde.  —  Raupe  mehr  oder  weniger  einfarbig, 
mit  sehr  großen,  dunklen,  haartragenden  Warzen  (Abb.  385  A  u.  B),  Stigma  i 
und  9  von  den  übrigen  Stigmen  in  der  Größe  nicht  auffallend  verschieden. 
Die  beiden  Borsten  auf  dem  Chitinschild  \or  dem  i.  Stigma  mehr  in  der  Mitte 


Unterordnung:   Micro] epidoptera,   Familie  Pyralida 


433 


stehend  (Abb.  387  A).  —  Puppe:  Hakenborsten  des  letzten  Segmentes  auf 
einem  deutlichen  Kamm  inseriert.  Endsegment  auf  der  Dorsalseite  sehr  grob 
gefurcht  (Abb.  388  A).  Verpuppung  an  der  Fraßstelle.  —  Raupe  lebt  in  ver- 
harzten   Stellen   der    Kiefer    (und   auch    der    Fichte) 

Splendidella  H.  S.  (sylvestrella  Rtzb.) 
Falter  kleiner,  Spannweite  25 — 28  mm.  Der  rote  Innenranclfleck  fehlt  ganz 
oder  ist  nur  angedeutet.  —  Raupe  mehr  oder  weniger  deutlich  längsgestreift. 


B 


Abb.   385.     Raupen   von:    A   Dioryctria   Splendidella   H.  S.,    B    dieselbe    (stärker   ver- 
größert),  Vorderteil   von   Seite    (Warzen   sehr   groß),   C   Dioryctria   abietella   Schiff. 
(Warzen   wenig   sichtbar),   D    Dioryctria  schützeella    Fuchs    (Warzen   wenig   sichtbar, 
deutliche   Streifenzeichnung). 


die  haartragenden  Warzen  klein  und  nur  undeutlich  sichtbar  (Abb.  385CU.  D). 
Stigma  I  und  9   um  vieles  größer  als   die   übrigen   Stigmen. 

a)  Querstreifen  auf  den  Vorderflügeln,  vor  allem  die  hinteren  stark  gezackt 
und  scharf  liniert.  Raupe  lebt  in  Zapfen  und  Wipfeltrieben  von  Fichte, 
Tanne,  Kiefer  und  Lärche,  ferner  in  verharzten  Stellen  an  Kiefernstämmen 
und    Ästen abietella    Schiff. 

b)  Querstreifen  auf  den  Vorderflügeln  weniger  stark  gezackt  und  breiter, 
weniger  scharf  liniert.  Raupe  deutlich  längsgestreift,  lebt  an  Fichte 
zwischen  den  jungen  Nadeln schützeella  Fuchs. 

II.  Die  lichten  Querstreifen  und  der  Mittelfleck  auf  den  Vorderflügeln  kaum  heller 
als  der  Grund  und  daher  sich  kaum  von  diesem  abhebend.    Südliche  Arten. 

A.  Falter   sehr   groß,    Spannweite   bis   38    mm.    Raupe    in   den   Zapfen   von    Pinus 
halepensis pineae    Stgr. 

B.  Falter  klein,   Spannweite  ca.   24 — 28  mm.    Raupe   wie  bei   der  vorigen  Art. 

mendacella  Stgr. 
Escherich,  Forstiiif^ekten,  Bd.  III.  28 


434 


II.  Spezieller  Teil. 


Unter  den  zahlreichen  Autoren,  die  sich  mit  der  Erforschung  der 
Dioryctria- \rt&n  beschäftigen,  seien  genannt:  Ratzeburg,  Altum,  Ra- 
gonot,  Schütze,  Borries,  und  vor  allem  W.  Baer,  dem  wir  die  ein- 
gehendsten Untersuchungen  über  die  beiden  wichtigsten  Arten  (splendidella 
und  abietella)  verdanken  und  der  uns  diese  präzis  zu  unterscheiden  lehrte. 

Dioryctria  splendidella  H.  S. 

Taf.  V,  Fig.  13. 
Harz-Zünsler. 
Ratzeburg:   T.   (Phycis)  sylvestrella   Rtzb.  i)    (Kiefernmotte).    —   Altum:    Phycis  syl- 
vestrella   Rtzb.    (Harzbeulenzünsler).   —   Nitsche:   Phycis   (Dioryctria)  abietella   Zck. 
(partifn).    —    Nüßlin-Rhumbler :    Phycis    (Dioryctria)    splendidella    H.  S.    —    Wolff- 
Krauße:   Dioryctria  splendidella   H.  S. 
„Seit  länger  als  einem  Dezennium  hat  mich  Ratzeburgs  Tinea  sylve- 
strella wie  ein  unfaßbares   Schemen   geneckt,"   damit  beginnt    1894  Altum 
einen  seiner  Aufsätze  über  Dioryctria  splendidella,  die  unter  Ratzeburgs 
sylvestrella   zu   verstehen   ist    (Baer,    1906).     Und    lange    noch    mußten   die 
Forstentomologen  ähnliches  empfinden,  bis  W.  Baer  durch  seine  eingehen- 
den Studien  Klarheit  über  dieses  Tier  gebracht  hat.   Zwar  wurde  schon  1893 
Ragonot   in  seiner   „Monographie   des   Phycitinae   et   des    Galleriinae"    (in 
Romanoffs  Mem.  sur  les  Lepidopteres)  die  Unterschiede  der  beiden  Arten 


A  B  C 

Abb.  386.    Dioryctria  splendidella  H.  S.  (Harz-Zünsler);  A  Falter,  B  Raupe,  C  Puppe. 
A   Original,   B    und   C   nach   Eid  mann. 


(splendidella  und  abietella)  eingehend  behandelt,  doch  blieb  diese  Literatur 
den  deutschen  Forstentomologen  so  gut  wie  unbekannt.  Außerdem  ist  es 
Baer  gelungen,  das  Artrecht  der  splendidella  noch  über  Ragonot  hinaus 


1)  Disque  (1908)  führt  sylvestrella  Rtzb.  als  besondere  Art  auf,  doch 
zweifellos  zu  Unrecht.  Der  einzige  als  sylvestrella  Rtzb.  bezeichnete  Falter  in  der 
Disqueschen  Sammlung  läßt  sich  nicht  von  splendidella  H.  S.  unterscheiden.  Das- 
selbe gilt  von  der  dort  enthaltenen  Raupe;  diese  zeigt  die  großen  schwarzen  Warzen, 
wie   sie   für   die   splendidella-B.?i\x^e.n  charakteristisch   sind. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,  Familie  Pyralidae.  435 

sehr  wesentlich  zu  erhärten  und  auch  biologisch  zu  begründen,  so  daß  die 
Möglichkeit  der  sicheren  Unterscheidung  von  spleiididella  und  abietella  erst 
durch  Baers  Arbeiten  der  deutschen   Forstentomologie  gegeben  wurde. 

Falter  (Abb.  386  A)  groß,  Spannweite  31 — 34  mm.  Vorderflügel  aschgrau,  mit 
2  weißlichen,  schwarz  eingefaßten,  zackigen  Querbinden  und  weißlichem  Mittelfleck, 
der  saumwärts  schwarz  beschattet  ist.  Am  Innenrand  vor  (wurzelwärts)  der  vorderen 
Querbinde  ein  rotbrauner  breiter  Fleck.  Schuppen,  die  den  Kamm  auf  dem  Hinter- 
rand des  Scheitels  bilden,  bei  den  Männchen  sehr  lang  und  dünn,  bei  den  Weibchen 
zwar  weniger  dünn,  aber  immerhin  nicht  so  kurz  und  breit  wie  bei  abielella.  Die 
haarförmigen  Duftschuppen  der  Männchen,  die  in  der  Spalte  zwischen  dem  Meso- 
und  Metathorax  beiderseits  zu  einem  Bündel  vereinigt  liegen,  nach  der  Spitze  zu 
kaum  merklich  verdickt    (im   Gegensatz   zu   abietella  siehe   unten)  i). 


A  B 

Abb.  387.  Erstes  Stigma  mit  dem  davor  gelegenen  Hornschild.  A  von  Dior,  splendi- 
della  H.  S.  (die  Borsten  stehen  etwa  in  der  Mitte  des  Schildes);  B  von  Dior,  abie- 
tella Schiff,   (die  Borsten  stehen  nahe  dem  Vorderrand  des   Schildes).    Nach  Baer. 

Raupe  meist  farblos,  höchstens  zart  grünlichgrau  oder  rosafarbig,  „wie 
glasiert  aussehend",  meist  ohne  jegliche  Längsstreifung.  Höchstens  treten  kurz  vor 
der  Häutung,  zu  welchem  Zeitpunkt  die  Raupe  gewöhnlich  dunkler,  schmutzig  grau- 
grün erscheint,  zuweilen  Spuren  einer  Längsstreifung  auf.  Die  haartragenden 
Warzen  sehr  groß,  stark  chitinisiert  und  schwarzbraun,  so  daß  sie  wie  zahl- 
reiche schwarze  Punkte  auf  dem  hellen  Körper  erscheinen.  Stigma  i  und  9  (letztes 
am  II.  Körperring)  in  der  Größe  nicht  auffallend  verschieden  von  den  übrigen 
Stigmen.  Die  beiden  Borsten  auf  dem  Chitinschild  vor  dem  i.  Stigma  stehen  etwa 
in  der  Mitte  (Abb.  387  A). 

Puppe  (Abb.  386  C)  hellbraun;  Endsegment  beiderseits  nur  schwach  gewölbt, 
auf  der  Ventralseite  runzlig  gefurcht,  dorsal  sehr  grob  gerunzelt  (Abb.  388  A).  Die 
6  Hakenborsten  auf  einem,  den  Endsegmenten  aufgesetzten  deutlichen  Kamm  stehend 
(Abb.  388  A).    Länge  15 — 17  mm  (abietella  nur  9— 11   mm!). 

Der  über  Europa  verbreitete  Zünsler  kommt  hauptsächlich  auf  der 
Kiefer  vor,  und  zwar  ist  er  auf  den  verschiedensten  Arten  gefunden  worden, 
vor  allem  auf  der  Weimutskiefer  und  der  gemeinen  Kiefer,  dann 
auf  der  Seekiefer  (P.pinasler  ^q\.)  und  der  Tränenkiefer  (P.excelsa 
Wall.).  Geeignetenfalls  mag  er  überhaupt  wohl  an  jeder  Kieferart  auftreten 
(Baer).    In  zweiter  Linie  kommt  er  auch  auf  Fichte  vor. 

Die  Bionomie  ist  vor  allem  durch  Baer  klargestellt  worden,  dessen 
Beobachtungen  durch  Eidmann  ergänzt  wurden. 

Die  Generation  dürfte  in  Mitteldeutschland  im  großen  und  ganzen  eine 
einjährige  sein:  Falterflug  Ende  Juli  bis  anfangs  August,  Raupe  überwintert 
erwachsen  in  der  Puppenwiege  und  verpuppt  sich  im  nächsten  Frühjahr,  ohne 
noch  einmal  gefressen  zu  haben. 

Die  Entwicklung  läuft  in  diesem  Fall  nach  folgender  Bioformel  ab: 
78  —  8,6 


1)  Außerdem  sind  die  lateral-dorsal  gelegenen  ,, Klappen"'  des  männlichen  Geni- 
talapparates anders  geformt  als  bei  abietella,  wie  die  von  Baer  (1907,  Fig.  3)  ge- 
gebene Abbildung  deutlich  zeigt. 


436 


II.  Spezieller  Teil. 


Ventralansicht. 


Dorsalansicht. 


Doch  scheint  sich  in  klimatisch  günstigen  Jahren  noch  eine  2.  Generation 
einschieben  zu  können.    Die  Nachkommen  dieser  2.  Generation  würden  dann 

im  nächsten  Frühjahr  nach  der  Überwinte- 
rung nochmals  fressen.  In  diesem  Falle 
kann  man  unter  Umständen  zu  allen  Jahres- 
zeiten Raupen  des  verschiedensten  Alters 
finden,  was  Baer  auch  tatsächlich  beob- 
achtet hat.  In  südlichen  Ländern,  wo  der 
Falter  (nach  Ragono  t)  bereits  in  der 
ersten  Julihälfte  gefangen  wird,  wird  Avohl 
eine  doppelte  Generation  die  Regel  sein. 
Die  Raupe  lebt  vornehmlich  in  ver- 
harzten Stellen  am  Stamm  oder  an 
den  Zweigen  in  erster  Linie  an  Kiefer, 
besonders  Weimutskiefer.  Bei  letzterer  ist 
es  meist  der  Rindenblasenrost  (Peridermium 
sirobi),  der  den  Boden  für  den  Befall  vor- 
bereitet. Letzterer  stellt  sich  hier  fast  stets 
in  der  Nähe  bzw.  unmittelbar  unter  den 
Astquirlen  ein. 

„Das  augenfälligste  Merkmal  des  Be- 
falls sind  die  starken  Harzflüsse.  Wo  sie, 
wie  gewöhnlich,  senkrecht  am  Stamm  her- 
ablaufen, bilden  sie  bald  einzelne  kleinere, 
bald  zusammenfließend  größere  Krusten 
oder  Decken  (Abb.  389)  und  seltener  auch, 
v.'o  sie  von  geneigten  Ästen  abtropfen  kön- 
nen, stalaktitenartige  Formen  (Abb.  390). 
Infolge  der  Vermischung  des  Harzes  mit 
Nage-  und  Kotkrümeln  haben  sie  ein  mörtel- 
artiges, dabei  oft  schön  bunt,  besonders  rötlich  gefärbtes  Aussehen  und 
ähneln  dadurch  manchen  Harztrichtern  von  Dendroctonus  micans  Kug.  (siehe 
Bd.  II,  S.  560)  zuweilen  so  sehr,  daß  man  beide,  namentlich  wenn  alt  und 
verwittert,  nicht  ohne  weiteres  unterscheiden  kann.  Besonders  nach  dem  Aus- 
flug des  Falters  zeigen  sie  ein  deutliches,  im  Durchmesser  3 — 4  mm  großes 
Flugloch,  das  übrigens  schon  die  erwachsene  Raupe  angefertigt,  nur  mit 
einem  leichten  Gewebe  wieder  versponnen  hat." 

Das  Flugloch  befindet  sich  meist  auf  dem  Gipfel  des  Harztrichters, 
was  biologisch  insofern  von  Vorteil  ist,  als  das  frische  und  vielfach  noch 
klebrige  Harz  zweifellos  ein  unüberwindbares  Hindernis  gegen  das  Ein- 
dringen von  Raubinsekten  usw.  bildet. 

„Öffnet  man  eine  der  Harzkrusten,  so  findet  man  darin  einen  Gang  oder 
eine  Höhle,  die  meist  bis  in  den  Splint  des  Baumes  hineingreift  und  mit 
einem  weißen,  seidenpapierartigen  Gespinstrohr  ausgekleidet  ist,  das  je 
nachdem  die  verlassene  Puppenhülse,  die  Puppe  oder  die  erwachsene  Raupe 
enthält.  Ist  die  Raupe  jünger,  so  muß  man  oft  noch  weiter  zu  ihr  vor- 
dringen; sie  befindet  sich  dann  im  Bast  in  einem  zu  dem  Harzausfluß  hin- 
führenden, mit  harzigen  Kotkrümeln  erfüllten  (nach  Eidmann  bleibt  fast 
stets  ein  größerer  oder  kleinerer  Hohlraum  frei  von  Kot,  s.  Abb.  391h)  län- 
geren Gang,  der  dem  Lotgang  des  großen  Waldgärtners  gleichen  kann,  oder 


Seitliche  Ansicht. 
A  B 

Abb.    388.    Die   zwei   letzten   Ab- 
dominalsegmente   der    Puppe:    A 
von    Dior,    splendid  eil  a     H.     S., 
B   von  Dior,  abielella  Schiff. 
Nach  Baer. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae. 


437 


in  einem  mehr  unregelmäßig  ausgenagten  Platz  von  etwa  4 — 5  cm  Länge  und 
2  cm  Breite.  Räupchen  des  allerjüngsten  Alters  findet  man  einfach  unter  der 
Rinde  eingebohrt,  sie  verraten  sich  nur  durch  einige  dunkelbraune  Kotkrümel 
(im  Gegensatz  zu  den  hellbraunroten  von  D.  abieiella),  ohne  bereits  einen 
nennenswerten  Harzausfluß  erzeugt  zu  haben.  Später  zeigen  sich  über  der 
Fraßstelle  korallenähnliche  Harzgebilde,  aber  schon  ehe  die  Raupe  halb- 
wüchsig ist,  die  eigentlichen  Harzkrusten." 

Die  Puppenwiege,  die  mit  einem  dünnen,  seidenpapierartigen  Ge- 
spinst ausgekleidet  ist,  liegt  oberhalb  des  Flugloches  und  in  der  Regel 
parallel  zur  Längsachse  des  Stammes  (Abb.  391),  die  Puppe  ist  mit  dem 
Kopfende  nach  unten  gerichtet. 

„Als  die  eigentliche  Heimstätte  des  Harzzünslers  gelten  in  Deutschland 
zweifellos  mit  Recht  die  sog.  Kienzöpfe,  d.  h.  jene  verkienenden  Wipfel- 
partien der  Wa  1  d  k  i  e  f  e  r ,  die  von  dem  Rindenblasenrost,  Peridermiiun  pini, 
befallen  sind.  Hier  fressen  oft  6  Raupen  und  wohl  auch  noch  mehr  dicht 
beieinander,  so  daß  ihre  Harzbehausungen  oft  zu  großen  Decken  zusammen- 
fließen. Gefunden  wird  freilich  hier  aus  naheliegenden  Gründen  von  dem 
sammelnden  Entomologen  der  Fraß  verhältnismäßig  am  seltensten  und  wird 
auch  wohl  sonst  wenig  be- 
achtet, da  er  bei  der  Fäl- 
lung der  Kiefern  oft  schon 
alt  und  wenig  mehr  auf- 
fällig ist.  Eher  noch  be- 
gegnet der  Interessierte 
dem  Fräße,  wenn  auch 
einem  viel  spärlicheren,  in 
erreichbarer  Höhe  an  jün- 
geren peridermiumkranken 
Kiefernstämmchen,  sowie 
sonstigen  terpentinausschei- 
denden Stammteilen,  z.  B. 
den  Wundrändern  von  me- 
chanischen Verletzungen, 
wie  AI  tum  dies  an  sol- 
chen beobachtete,  die  von 
Wagenrädern  herrührten." 
Gegenwärtig  tritt  spleit- 
didella  am  auffälligsten  an 
der  Weimutskiefer  auf. 
Einmal  lenkt  letztere  wohl 
„als  Zierbaum  und  als  sel- 
tene Erscheinung  im  forst- 
lichen Großbetrieb  die  Auf- 
merksamkeit im  besonderen 
Maße  auf  sich"  und  sodann 
aber  „wird  sie  verhältnis- 
mäßig   viel    mehr    als    die 

gemeine  Kiefer  vom  Rin-  ^^^-  3^*^-  Befall  von  Dior,  splendidella  H.  S.  an 
c\exyU\^^e^^rc.^\iPr>rhh>ruih,u,  '^^'^^"^  Astquirl  einer  50  jährigen  Weimutskiefer. 
denblasenrost(/^v/r/^'/-w.'//w  Harztrichter  und  starker  Harzfluß  Nach  Eid- 
strobi)    und   auch    Agaricus  mann. 


438 


II.  Spezieller  Tel 


melleus  angegriffen,  und  zwar  von  erstereni  vorzugsweise  in  noch  jugend- 
lichem Alter  und  daher  auch  in  erreichbarer  Höhe"   (Baer). 

In  den  von  Agaricus  befallenen  Stämmen  fand  Baer  Splendidella  dicht 
über  dem  Erdboden  nahe  dem  verharzenden  Wurzelhalse.  Auch  in  den  Harz- 
rändern der  vom  Rotwild  geschälten  Stellen  konnte  er  splendidella-'K^.w^ftw 
feststellen,  und  zwar  sowohl  an  Kiefer  als  auch  an   Fichte. 

Wenn  auch  das  Vorkommen  an  Fichte  im  Verhältnis  zu  den  zahl- 
losen Schälwunden  nicht  häufig  ist,  so  stellt  es  doch  nicht  etwa  Ausnahme- 
erscheinungen dar.  Baer  beobachtete  den  Fraß  an  Fichte  ausschließlich  in 
den  verharzenden  Wundrändern  der  Sommerschälungen.  Infolge  des  verti- 
kalen Verlaufes  dieser  bilden  die  Harzflüsse  hier  meist  lange,  schmale 
Krusten,  unterscheiden  sich  sonst  nicht  irgendwie  wesentlich  von  den  an  den 
verschiedenen  Kiefernarten  auftretenden  i). 

Wie  zahlreich  der  Harzzünsler  auftreten  kann,  zeigt  ein  an  Baer  ein- 
gesandter Astzwiesel  einer  Weimutskiefer  von  30  cm  Länge  und  12  cm 
Durchmesser,  der  außer  einigen  Raupen  2,7  Puppenhülsen  enthielt. 

Bei  der  Beurteilung  der  forstlichen  Bedeutung  des  Harzzünslers 
ist  zunächst  zu  berücksichtigen,  daß  sich  die  Raupen  an  Kiefer  wie  an  Fichte 
nur  an  verharzenden  Stellen  einfinden,  gleichviel,  ob  Pilzmycel  oder  Ver- 
wundungen dabei  im  Spiel  sind. 

Wo  es  sich  um  Verpilzungen  handelt,  ist  der  spleiidideUa-Yx'A.\S  ohne 
Bedeutung.  Es  wird  durch  ihn  höchstens  das  Zerstörungswerk  des  Pilzes  und 
verschiedener    anderer   sekundärer    Schädlinge,    die    durch    den    Krankheits- 


Abb.  390.    Harzstalaktiten  an  einem  peridermiumkranken  Weimutskieferast,  hervorgerufen 
durch  den  Raupenfraß  von   Dioryclria  s feiend idellu   H.  S.      Nach   Baer. 

zustand  der  Pflanze  angezogen   wurden,   noch  gefördert   und   zum   baldigen 
Abschluß  gebracht,  w^as  in  forstlicher  Hinsicht  nur  von  Vorteil  sein  kann. 

Anders   beim    Fraß    in    Schälwunden.    „Für   deren   Verheilung   kann   es 


ij  In  Gesellschaft  der  splendidella  fand  Baer  häufig  noch  die  Räupchen  des 
Wicklers  L.duplicana  Zett.  (s.  oben,  S.  370!,  außerdem  zahlreiche  Fliegenmaden, 
eine  CheUosia-kx\.  (Ch.  viorio  Zett.Pi. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,  Familie  Pyralidae. 


439 


nicht  gleichgültig  sein,  ob  sie  ungestört  vor  sich  gehen  kann  oder  ob  Jahre 
hindurch  immer  aufs  neue  die  frischen  Wundränder  von  den  Raupen  durch- 
wühlt werden  und  damit  zugleich  ungleich  größere  Harzmassen  zum  Ausfluß 
gelangen,   als   dies   an   sich  der    Heilungsvorgang   mit   sich  bringen  würde." 


ABC 
Abb.   391.    Fraßbilder   (schematisch)   von  Dioryciria  splendidella   H.  S.    A  mit   senk- 
recht, B  mit  wagrecht   liegender  Puppenwiege,   C  von  einer  tachinierten  Raupe.    Die 
schraffierten  Partien  bezeichnen  die  mit  Kot  und  Harz  ausgefüllten  Teile  des  Gang- 
systems,     a  Flugloch,    p  Puppenwiege,    h  fiohlraum,    s   Scheidewand.      Nach    Eid- 

m  a  n  n. 

„Damit  entbehrt  also  D.  splendidella  nicht  jeglicher  forstlichen  Bedeutung, 
zumal  gerade  ihre  Gänge  die  Schälwundenränder  oft  ihrer  ganzen  Länge 
nach  tief  furchen.  Umgekehrt  erweist  sich  unser  Zünsler  da  auch  wiederum 
nützlich,  wo  die  Terpentingewinnung  eine  wichtige  forstliche  Nutzung  bildet 
und  er,  wie  an  den  Lachen  der  Seekiefern,  den  Harzfluß  steigert"   (Baer). 

Eine  Bekämpfung  kann  höchstens  beim  Auftreten  im  Gefolge  von 
mechanischen  Verletzungen  in  Frage  kommen:  Hier  kann  das  Überteeren 
der  befallenen  Stellen  ein  Auskommen  der  Falter  wie  auch  eine  Neu- 
belegung verhüten  und  so  zur  glatten  Verheilung  der  Wunden  beitragen. 

Unter  den  natürlichen  Feinden  scheinen  die  Parasiten  eine  nicht 
geringe  Rolle  zu  spielen,  und  zwar  vor  allem  eine  Tachine,  Actia  (Gymno- 
pareia)  pilipennis  FIL,  die  auch  bei  den  verschiedenen  Evetria- Arten  und 
vielen  anderen  Kleinfaltern  schmarotzt.  Nach  Eidmann  (1925)  erfolgt 
die  Infektion  der  Raupe  schon  sehr  frühzeitig,  vielleicht  beim  Einbohren 
der  jungen  Raupe  in  die  Rinde.  Eine  spätere  Infektion  ist  aus  dem  Grunde 
nicht  anzunehmen,  weil  das  Fraßbild  tachinierter  Raupen  schon  gewisse  Ver- 
änderungen aufweist,  so  fehlt  der  „Hohlraum",  der  sonst  stets  vorhanden 
ist,  und  auch  der  Harztrichter  wird  vermißt,  so  daß  das  Flugloch  direkt  auf 
der  Rinde  mündet.  „Es  ist  eine  höchst  bemerkenswerte  Tatsache,  daß  tachi- 
nierte  Raupen  wohl  das  Flugloch  anfertigen,  daß  aber  weder  das  Gespinst 
in  der  Puppenwiege,  noch  die  Scheidewand  im  Ausfluggang  hergestellt  wird. 


440 


II.  Spezieller  Teil. 


Die  Raupe  ist  gewissermaßen  ihrem  schlimmsten  Feind  bei  seiner  Entwick- 
lung in  jeder  Weise  behilflich,  denn  die  ausschlüpfende  Tachine  findet  so 
den  Weg  ins  Freie  offen,  während  sie  unter  normalen  Umständen  aus  ihrem 
Gefängnis  nicht  heraus  könnte  und  elend  umkommen  müßte." 

Als  Parasiten  hat  Baer  außerdem  noch  gezogen:  Pimpla  examinafor  F. 
und  inquisitor  Scop.  und  Macrocentrus  thoracicus  Nees. 

Dioryctria  abietella  Schiff. 

Taf.  V,   Fig.  14. 
Fichtenzapfen-Zü  nsler. 
Var.   mutatella    Fuchs. 
Ratzeburg:    Tinea    (Phycis)    abietella    Fbr.    —    Altum:    Phycis    abietella    W.  V.    — 
Nitsche:    Phycis   (Dioryctria')    abietella    Zck.    —    Nüßlin-Rhumbler :    Phycis    (Dioryc- 
tria)   abietella    S.V.    —    Wolff-Krauße:    Dioryctria    abietella    Schiff. 
Wie  oben  schon  bemerkt,  wurde  in  der  forstentomologischen  Literatur 
abietella  lange  Zeit  mit  Splendidella  bzw.  sylvestrella  vermengt,  obwohl  so- 
wohl die    Falter  als  besonders  auch  die   Raupen  der  beiden  sehr  deutliche 
Unterschiede  aufweisen  i). 

Der    Falter    (Abb.  392  A)    unterscheidet    sich    von    Splendidella    schon    durch 
seine    viel   geringere    Spannweite:    25 — 30   mm.     Auch   in    der   Zeichnung    lassen    sich 


A  B  C 

Abb.  392.  Dioryctria  abietella  Schiff.  (Fichtenzapfenzünsler),  A  Falter  (i^/2X), 
B    Schuppen   aus   dem    Scheitelkamm,    C    Duftschuppen    vom    Mesothorax.     B    und    C 

nach  Baer. 

Unterschiede  feststellen,  so  fehlt  der  braunrote  Innenrandfleck  der  Vorderflügel, 
auch  ist  der  Verlauf  der  hinteren  Querbinde  mehr  winklig.  Mittelfleck  schmal, 
nach  außen  nur  schwach  dunkel  beschattet.  Die  Grundfarbe  ist  schmutzigweiß  bis 
gelblich-  oder  bräunlichweiß  2).  Bei  den  Männchen  sind  die  Schuppen  auf  dem 
Hinterrand  des  Scheitels  kurz  und  breit  (Abb.  392  B)  und  die  Duftschuppen 
(zwischen  Meso-  und  Metathorax)  zur  Spitze  auffallend  zum  Teil  keulenförmig 
verdickt.  Die  Klappen  des  männlichen  Genitalapparates  sind  viel  breiter  als  die 
der  Splendidella. 

Raupe  deutlich  längsgestreift,  beiderseits  der  dunklen  Rückenmitte  je  einen 
ziemlich  schmalen,  hellen  Längsstreifen,  so  daß  die  dunklen,  braunroten  Körperseiten 
abermals  ein  breites  Längsband  bilden.  Ein  weiteres  sehr  deutliches  Unterschei- 
dungsmerkmal   bilden    die    Warzen,    die    nur    schwach    chitinisiert    sind 

1)  Wenn  Ratzeburg  ,, nicht  imstande  war,  an  den  Raupen  und  Puppen  (von 
abietella  und  sylvestrella)  irgendeinen  Unterschied  zu  finden",  so  kann  dies,  wie 
Baer  mit  Recht  bemerkt,  nur  daher  rühren,  daß  er  die  echte  Splendidella-  (bzw. 
sylvestrella-)  Raupe  niemals  mit  eigenen  Augen  gesehen  hat. 

2)  Die  von  Fuchs  aufgestellte  var.  mutatella  zeichnet  sich  durch  stumpfere 
eintönigere  Zeichnung  und  blaugraue  Grundfarbe  aus.  Thomann  (1914)  hält 
mutatella  für  eine  eigene  Art.  Er  gibt  eine  Reihe  minutiöser  Unterschiede  in  der 
Zeichnung  und   Färbung  an. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae.  441 

und  nur  bei  ganz  hellen  Raupen  sich  deutlicher  abheben  (Abb.  385C). 
Stigmen  i  und  9  um  vieles  größer  als  die  übrigen  Stigmen,  besonders  das  letzte. 
Die  beiden  Borsten  auf  dem  vor  dem  i.  Stigma  gelegenen  Chitinschild  am  Vorder- 
rand  stehend   (Abb.  387  B). 

Puppe  9 — II  mm;  die  6  Hakenborsten  der  letzten  Segmente  nicht  auf  einem 
besonderen  Kamm,  sondern  auf  einer  feinen  Kante  aufsitzend.  Endsegment  dorsal 
und  ventral  gleichmäßig  halbkugelig  gewölbt,  ohne  Skulptur  (Abb.  388  B). 

Bei  der  Schilderung  der  Bionomie  folgen  wir  wie  bei  spletididella  in  der 
Hauptsache  wiederum  Baer.  Als  ein  auffallender  bionomischer  Unter- 
schied gegenüber  sple/ididella  sei  gleich  vorweg  betont,  daß  die  erwach- 
sene Raupe  von  abietella  ihren  Fraßplatz  verläßt,  um  sich  im 
Boden  zu  verpuppen,  während  die  sple/ididella-R.din'^^  sich  am  Fraßort 
verpuppt.  Wenn  sie  schon  im  Herbst  erwachsen  ist,  überwintert  sie  zunächst 
in  einem  weißen,  scheibenförmigen  Ge- 
spinst, um  sich  im  nächsten  Frühjahr 
in  einem  neuen,  mit  Erde  und  Pflanzen- 
teilen verklebten  Kokon  zu  verpuppen. 

Was  ferner  die  abietella -KdiU])^ 
ganz  besonders  auszeichnet,  ist  ihre 
erstaunliche  Polyphagie: 

I.  Fraß  in  Zapfen.  Am  häu- 
figsten trifft  man  bei  uns  die  Raupe 
in  den  Zapfen  der  Fichte  (Baer 
fand  sie  im  Tharandter  Forstgarten 
häufig  auch  in  den  Zapfen  der  Schim- 
melfichte, Picea  alba  Lk.),  wo  sie  oft 
zu  mehreren  in  einem  Zapfen  (Baer 
hat  bis  zu  9  Stück  gefunden)  leben. 
Sie  fressen  hier  die  Samen  und  Samen- 
lagen sowie  die  Zapfenschuppen,  letz- 
tere ankerförmig,  aus  (Abb.  393), 
während  sie  die  Spindel  verschonen 
(im  Gegensatz  zu  der  Raupe  von  Lasp. 
strobilella  L.,  die  in  der  Spindel  lebt, 
s.  S.  374.  Die  Hohlräume  sind  meist 
dicht  mit  Kot  angefüllt,  der  sich  auch 
außen  zwischen  den  Schuppenrändern 
zeigt  (Abb.  394)  und  den   Fraß  verrät 

(ebenfalls  im  Gegensatz  zu  den  mit  Abb.  393.  Fraß  Aon  Dioryctria  abielella 
strobilella      besetzten      Zapfen).       Die  Schiff,  an   Fichtenzapfenschuppen. 

Zapfen  fallen,  früh  sich  bräunend  und 

oft  gekrümmt,  zeitig  ab.  Die  Raupen  verlassen  im  Oktober  durch  eine 
runde  Öffnung  die  Zapfen  und  gehen  in  die  Bodendecke,  um  hier  in  rund- 
lichem Gespinst  zu  überwintern  und  sich  im  nächsten  Frühjahr  zu  verpuppen. 

Außer  in  den  Zapfen  von  Fichte  wurde  die  abietella-K^iXvpQ  auch  in  den 
Zapfen  der  Weißtanne  festgestellt  (Wachtl,  Ragonot,  Schütze, 
Borries  u.  a.)  und  in  Nordmannstanne  (Abies  nordmanniana  Lk.) 
(Boas)  und  der  Lärche  (Baer).  Auch  die  Zapfen  der  Kiefer  werden 
nicht  verschont.  ,,ln  denen  von  P.  silvestris,"'  schreibt  Baer,  ,,und  zwar  den 
vorjährigen,   zur   Zeit   des    Fraßes   also    i  —  i^'o   Jahre   alten,    findet   man   die 


442 


II.  Spezieller  Teil. 


Raupe  meist  ungleich  seltener  als 
in  den  Fichtenzapfen  und  auch 
kaum  mehr  als  eine  einzige  in 
einem  solchen,  zudem  vielfach 
auch  noch  in  vorgerückterer 
Jahreszeit,  wenn  jene  sich  bereits 
an  den  Boden  begeben,  ja  sogar 
den  Winter  über.  Zapfen  von  noch 
jugendlicherem  Alter  scheinen 
höchstens  äußerlich  etwas  be- 
fressen  zu  werden,  wenigstens  be- 
gegnet man  zuweilen  solchen  mit 
allerhand  Aushöhlungen,  die  mit 
den  kaum  verkennbaren  Exkre- 
menten der  Dioryctria-^diVi'^^  er- 
füllt sind.  Abbildungen  dieser 
Vorkommnisse  verdanken  ^\■ir 
Eckstein.  Fast  stärker  als  an 
der  Waldkiefer  scheint  der  Fraß 
bisher  an  der  Bergkiefer  aufge- 
getreten  zu  sein,  denn  Borries 
fand  in  den  jütischen  Heidekul- 
turen die  Zapfen  dieser  bis  zu 
50  o/o  angegriffen.  Auch  den  Fraß 
in  den  Zapfen  der  südfranzösi- 
schen Seekiefern  bezieht  Nörd- 
linger  jedenfalls  mit  vollem 
Recht  auf  unsere  Art,  wiewohl  in 
diesen  Gegenden  bereits  die  süd- 
licheren Arten  mit  gekämmten 
Fühlern  im  männlichen  Ge- 
schlechte auftreten,  D.  mendacella 
Stgr.  und  die  große  D.  pineae 
Stgr.,  die  Staudinger  beide 
aus  andalusischen  Zapfen  von  Pinus  halepeiisis  Mill.  zog.  Schließlich  fand 
Borries  auch  die  Zapfen  der  aus  dem  Himalaja  stammenden  P.  excelsa 
Wall.,  nach  Ragonot  von  Hornig  die  von  P.  laricio  Poir.  var.  austriaca  und 
ich  (Baer)  die  von  P.  strobus  in  der  entsprechenden  Weise  befallen" 
(Baer). 

2.  Fraß  in  Chermes-Gallen.  Wie  verschiedene  Wickler  (Las- 
peyresia  pactolaua  ZU.  und  illiitatia  H.  S.)  kommt  auch  die  abief.ella-'R.din^G 
bisweilen  von  Juli  bis  September  sehr  zahlreich  in  den  frischen  Gallen  von 
Chermes  viridis  vor   (Abb.  396). 

3.  Fraß  in  Wipfeltrieben.  Baer  schreibt  hierüber:  „Der  Fraß 
des  Zapfenzünslers  in  dem  Wipfeltriebe  jüngerer  Fichten  ist  schon  von 
Ratze  bürg  gut  beschrieben  und  abgebildet.  Er  konnte  aber  die  Erschei- 
nung, trotzdem  sie  ihn  stark  interessierte  und  er  sich  sehr  darum  bemühte, 
niemals  selbst  in  der  Natur  studieren,  sondern  lernte  sie  nur  durch  Ein- 
sendungen kennen,  die  aber  auch  spärlich  genug  blieben.  Nicht  anders 
scheint  es  den  meisten  übrigen  Forstentomologen  nach  ihm  ergangen  zu  sein. 


Abb.  394.  Von  Dioryctria  abieiella  Schiff, 
befallene  Fichtenzapfen.  (Man  sieht  hier 
zahlreiche  Kothäufchen  zwischen  den  Zapfen- 
schuppen hervortreten  im  Gegensatz  zu  dem 
Befall  von  Laspeyresia  strobilella  L.,  dem 
Fichtenzapfenwickler,  bei  dem  äußerlich 
kein    Kot    sichtbar   ist.) 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  P\ralidae. 


443 


Nur  bei  den  umfangreichen  Aufforstungen  in  Dänemark  sind  ausgedehnte 
Schädigungen  dieser  Art  durch  den  Zapfenzünsler  vorgekommen,  so  daß 
sich  dort  reichliche  Gelegenheit  zu  Beobachtungen  bot.  Dieselbe  ist  von  den 
dortigen   Entomologen  Borries   und   Boas  auch  trefflich  benutzt  worden. 

,, Diese  Umstände  weisen  jedenfalls  darauf  hin,  daß  das  Auftreten  des 
Zünslers  in  Trieben  ein  ganz  unregelmäßiges,  gelegentliches  oder  mehr  oder 
weniger  ausnahmsweises  ist.  Es  liegt  dies  ja  auch  nahe  genug,  da  das  Insekt 
doch  in  erster  Linie  Zapfenbewohner  ist.  Auch  für  den  Tharandter  Wald 
trifft  dies  sicherlich  zu,  denn  sonst  hätte  über  das  Vorkommen  hier  un- 
bedingt etwas  bekannt  werden  müssen,  da  in  einer  Reihe  von  Jahren  auf  das 
eifrigste  danach  geforscht  wurde. 

„Erst  1907  gelang  es  uns,  zum  erstenmal  hier  diesen  eigentümlichen 
Fraß  des  Zapfenzünslers  vereinzelt  zu  entdecken.  1908  zeigte  er  sich  bereits 
über  die  ganze  Gegend  verbreitet,  wenigstens  fiel  er  uns,  einmal  auf  ihn  auf- 
merksam geworden,  überall  auf,  wenn  auch  oft  nur  spärlich  vorkommend. 
Stellenweise  allerdings  dürften  die  Schädigungen  im  Tharandter  Wald  denen 
in  Dänemark  kaum  nachstehen,  denn  in  älteren  Kulturen  ließ  der  Fraß  sich 
an  ca.    10 — 1500   der  Wipfelenden   finden.    Dazu  verschonte   er  nicht   einmal 


Abb.  395.  Kiefernzapfen,  von  der  Raupe 
von  Diuryciria  abietella  Schiff,  befallen. 
Rechts  unten  am  Zapfen  ist  ein  deut- 
licher Kothaufen  zu  sehen,  mit  dem 
einige  Nadeln  verbunden  sind.  Nach 
N  i  t  s  c  h  e. 


Abb.  396.  Fraß  von  Dioryctria  abielslln 
Schiff,  in  Chermes-Gallen,  die  zum  Teil 
ausgefressen    und   mit    Kot    gefüllt    sind. 


Stangenhölzer,  und  selbst  10  m  hohe  Fichten  zeigten  zuweilen  die  charakte- 
ristischen Spuren  des  Fraßes.  In  den  Kulturen  sind  es  namentlich  die 
kräftigsten  vorwüchsigen  Stämmchen,  deren  Wipfel  verunstaltet  wurden,  was 
die    ganze    Erscheinung    noch    auffälliger    macht.     Besonders    traurig    ist    in 


444 


II.  Spezieller  Teil. 


dieser  Hinsicht  der  Anblick  der  gegatterten  Kulturen,  die  wohl  gegen  den 
Verbiß  durch  das  Rotwild  geschützt  werden  konnten,  nicht  aber  gegen  die 
Angriffe  des  Zünslers." 

„Die  Beschädigungen  können  ein  verschiedenes  Bild  zeigen.  Entweder 
ist  nur  das  äußerste  Ende  des  Wipfelsprosses  beschädigt;  dies  ist  der  Fall, 
wenn  die  Raupe  hauptsächlich  nur  die  Endknospen  ausgefressen  und  den 
Trieb  nur  wenig  basalwärts  ausgehöhlt  hat.    Hat  sich  aber  die  Raupe  unter- 


Abb.  397.    Wipfeltriebe  (Fichte),  ausgehöhlt  von  der  Raupe  von  Dioryctria  ableiella 
Schiff,    (die    beiden    ersten    mit    den    charakteristischen    Krünimuno:en). 


halb  der  Spitze,  in  größerer  oder  geringerer  Entfernung  davon,  in  den  Trieb 
eingebohrt  und  von  da  aus  den  Trieb  eine  Strecke  weit  ausgehöhlt,  so  zeigt 
sich  der  Endteil  des  Triebes  in  größerer  oder  geringerer  Ausdehnung  ver- 
trocknet, gebräunt,  geschrumpft  und  in  der  verschiedenartigsten  Weise  ge- 
krümmt oder  verbogen"  (Abb.  397).  Der  gekrümmte  Endteil  kann  aber  noch 
bedeutend  länger  sein,  als  auf  den  Abbildungen  dargestellt  ist  (besonders 
bei  den  schlanken  Wipfeln  von  vorwüchsigen  Stämmchen)  und  beträgt  bei- 
spielsweise bei  einem  von  Baer  gesammelten  Stücke  22  cm! 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae.  445 

„Bei  einer  Art  von  so  vielseitiger  Lebensweise  kann  es  nicht  auffallen, 
daß  sie  sich  auch  in  ihren  Triebzerstörungen  durch  keine  Regel  beschränken 
läßt.  So  kommt  es  vor,  daß  eine  Raupe  ihren  ursprünglichen  Trieb  resp. 
den  darin  angelegten  Fraßkanal  verläßt,  um  sich  von  neuem  anderswo  ein- 
zubohren oder  eventuell  auch  nur  durch  äußerliches  Benagen  anderer  Triebe 
ihren  Fraß  fortzusetzen.  Mehrfach  fanden  wir  sie  unter  groben  Kot- 
anhäufungen im  obersten  Quirl  am  Grunde  der  Maitriebe  fressend,  wo  sie 
unter  teilweiser  Verschonung  der  Rindendecke  hauptsächlich  die  Bastschicht 
benagte. 

„Nicht  selten  begegnet  man  auch  Trieben,  die  zwar  deutlich  die  Spuren 
des  Zünslerfraßes  aufweisen,  sich  aber  wieder  gut  erholt  haben.  Sie  sind 
allerdings  etwas  gekrümmt  oder  sonstwie  deformiert  (klumpig  verdickt)  und 
zeigen  meist  auf  der  Innenseite  der  Krümmung  den  Rest  einer  verheilten 
Rinne.  Hier  mag  die  Raupe  nur  einen  ganz  oberflächlichen  Kanal  unter  der 
Rinde  oder  überhaupt  nur  äußerlich  gefressen  haben  und  vielleicht  durch 
üppiges  Wachstum  des  Triebes  wieder  vertrieben  worden  sein. 

„In  der  Regel  ist  es  der  Wipfelsproß,  der  „Kronast"  Ratze burgs, 
der  von  dem  Zünsler  befallen  wird.  Doch  kommt  der  Fraß  auch  in  den 
übrigen  Trieben  des  obersten  Quirls,  sowie  schließlich  auch  noch  in  weiteren, 
besonders  kräftigen  Maitrieben  vor. 

„Ratzeburg  und  AI  tum  führen  den  Triebfraß  des  Zapfenzünslers 
auf  Zapfenmangel  zurück  („Surrogat-Nahrung").  Borries  betont  dem- 
gegenüber, daß  der  Triebfraß  keineswegs  nur  in  der  Nähe  älterer,  bereits 
samentragender  Bestände  vorkomme,  sondern  auch  eine  längere  Reihe  von 
Jahren  hindurch  in  jüngeren  Beständen  auftrete.  Bei  dem  Triebfraß  im 
Tharandter  Wald  lag  es  nahe,  denselben  mit  dem  außergewöhnlichen 
Zapfenreichtum  von  1906  und  der  unmittelbar  darauffolgenden  großen 
Zapfenarmut  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Mit  dem  ersteren  mögen  sich 
wohl  zugleich  die  Zapfenzünsler  stark  vermehrt  haben,  im  folgenden  Jahre 
nun,  da  Zapfenmangel  herrschte,  mußten  viele  derselben  sich  um  andere 
Nahrung  umsehen  und  versuchten  es  mit  den  Trieben.  Ihr  Gedeihen  daselbst 
mag  dann  den  stärkeren  Fraß  von  1908  herbeigeführt  haben." 

Was  die  Richtung  des  Fraßes  betrifft,  so  haben  Ratzeburg,  Bor- 
ries und  Baer  beobachtet,  daß  die  Raupe  von  der  Spitze  nach  der  Basis 
frißt.  Wenn  Boas  die  Raupe  spitzenwärts  fressen  läßt,  so  handelt  es  sich 
zweifellos  um  Ausnahmefälle.  Möglicherweise  hat  Boas  auch,  so  vermutet 
Baer,  das  Ein-  und  Ausbohrloch  miteinander  verwechselt,  bzw.  das  einzige, 
an  dem  basalen  Ende  des  Fraßkanals  befindliche  ziemlich  große  Loch  für 
das  Einbohrloch  gehalten.  ,, Dasselbe  ist  aber  zweifellos  das  Ausbohrloch, 
während  das  Einbohrloch  bei  der  Kleinheit  der  aus  dem  Ei  komm.enden 
Raupe  jedenfalls  so  winzig  ist,  daß  es  kaum  und  später  wohl  überhaupt  gar 
nicht  mehr  sichtbar  sein  dürfte." 

Der  Triebfraß  beschränkt  sich  nicht  nur  auf  die  Picea  excelsa  Lk.,  son- 
dern wurde  von  Baer  vielfach  auch  an  der  Sitkafichte  beobachtet,  ferner 
an  Tanne,  Kiefer  und  sogar  an  der  Lärche. 

Der  Triebfraß  an  Tanne  wurde  zuerst  von  Ratzeburg  beschrieben 
und  abgebildet  (W.  IL  S.  24,  Taf.  35,  Fig  4— 6)  und  dann  auch  von  Boas 
beobachtet.  In  dem  von  Ratzeburg  beschriebenen  Fall  handelte  es  sich 
„um  IG — 20jährige  Tannenbestände,  und  zwar  in  verschiedenen  Expositionen, 
sowohl    auf    der    Mittags-    wie    auf    der    Mitternachtsseite".     Die    befallenen 


446  II.  Spezieller  Teil. 

kräftigsten  Kronäste  waren  auf  doppelte  Art  zerstört:  bei  den  einen  waren  die 
Knospen  vertrocknet,  ohne  Triebe  gemacht  zu  haben,  bei  den  anderen  waren 
die  Triebe  halb  entwickelt  und  dann  vertrocknet,  teils  hingen  sie  noch  mit 
ihren  roten  Nadeln  am  Ast  herab,  teils  waren  sie  schon  soweit  abgefallen, 
daß  nur  die  Spindel  samt  der  Schuppenhülle  stehengeblieben  war. 

Der  Triebfraß  an  Kiefer  vollzieht  sich  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie 
der  Fraß  in  Wipfeltrieben  der  Fichte,  indem  auch  hier  die  jüngsten  ver- 
holzten Triebe  ausgehöhlt  werden.  Nur  scheint  der  Fraß  hauptsächlich  zu 
einer  anderen  Jahreszeit  stattzufinden,  da  im  Frühjahr  halbwüchsige  Raupen 
fressend  beobachtet  wurden.  „Stange  (1869),  Atmore  (1888)  und 
Schütze  und  Thomann  (1914)1)  stellten  dieses  Vorkommen  für  P.  sil- 
vestris  L.,  Nördlinger  und  Ragono t  für  P.  pinaster  Sol.  und  Borries 
für  P.  motitatia  Mill.  und  P.  laricis  Poir.  fest.  Ein  Fraß  an  dem  später  er- 
scheinenden jungen  Maitrieb  ist  fast  nie  bemerkt  worden,  nur  einmal  von 
Borries  an  Bergkiefern,  und  zwar  nach  der  Art  und  Weise  von  Evelria 
biiolia?ta''   (Baer). 

Der  Triebfraß  an  Lärche  wurde  von  Schütze  beobachtet,  der  die 
Raupe  im  Höhentrieb  in  der  gleichen  W^eise  wie  an  den  Fichtentrieben 
fressend  angetroffen  hat. 

4.  Fraß  an  verharzten  und  pilzkranken  Stamm  teilen  und 
Ästen.  Eine  der  überraschendsten  Feststellungen  B  a  e  r  s  ist  das  Vor- 
kommen der  abietella-^^xv^exv  in  2i\\Peridermiu7n-  und  auch  sonstwie  kranken 
Stellen  an  der  Kiefer  ganz  nach  Art  der  splendidella-Kdin^e,  ja  sogar  in 
deren  unmittelbarer  Gesellschaft.  „Wäre  Splendidella  nicht  so  völlig  aus- 
reichend morphologisch  gekennzeichnet,  man  könnte  diesem  Vorkommnisse 
gegenüber  an  den  Artrechten  der  beiden  geradezu  noch  einmal  irre  werden. 
Indessen  fehlt  es  auch  an  einem  auffallenden  biologischen  Unterschied  hier- 
bei nicht,  indem  die  a biete lla-KdiU^e  keinen  jener  eigenartig  gestalteten  Harz- 
flüsse erzeugt,  die  wir  bei  Splendidella  kennen  lernten.  Sie  verrät  vielmehr 
auch  hier  ihre  Anwesenheit  allein  durch  den  Austritt  von  lebhaft  braunroten 
Kotmassen,  genau  wie  bei  dem  Fräße  in  den  verschiedenen  Zapfen  usw., 
wobei  es  naturgemäß  an  dem  Ausfluß  einzelner  Harztröpfchen  und  wohl 
auch  einmal  größerer,  aber  ungeformter  und  unregelmäßiger  Harzmengen 
nicht  fehlt,  in  die  aber  niemals  wie  bei  Splendidella  die  Exkremente  gleich- 
sam hineingeschmolzen  sind.  Auch  hat  sie  dabei,  wenigstens  an  P.  strobus, 
meist  die  Gewohnheit,  ihr  Versteck  unter  der  Rinde  vorübergehend  zu  ver- 
lassen und,  oberflächlich  in  einem  Gespinstrohre  lebend,  die  Rinde  von 
außen  platzweise  zu  benagen.  Wohl  möglich,  daß  der  im  Vergleich  zu 
Splendidella  bei  abietella  so  spärliche  Harzaustritt  mit  der  schon  ein- 
getretenen Erschöpfung  der  befallenen  Baumteile  zusammenhängt,  denn  ich 


ij  Die  aus  Kielerntrieben  gezogenen  Tiere  weichen  in  Größe  und  Färbung 
etwas  von  der  typischen  abietella  ab,  was  Fuchs  veranlaßt,  eine  besondere  Varietät 
mutatella  aufzustellen.  Thomann  hält,  wie  oben  schon  betont,  mutatella  für  eine 
besondere  Art,  deren  Bionomie  er  folgendermaßen  charakterisiert:  ,,Die  junge  Raupe 
lebt  im  Herbst  in  einjährigen  Föhrenzweigen,  wo  sie  im  halberwachsenen  Zustand 
überwintert.  Nach  vollzogener  letzter  Häutung  im  folgenden  Frühling  (Ende  März 
oder  anfangs  April)  begibt  sie  sich  an  den  Grund  der  Knospen  von  neuen  Zweigen, 
bohrt  sich  zwischen  Holz  und  Rinde  ein  und  höhlt  von  hier  die  Knospen  aus.  In 
kurzer  Zeit  ist  sie  erwachsen  und  die  Verpuppung  findet  im  Laufe  der  Monate  April 
oder  Mai  flach  unter  der  Erde  statt.  Puppenruhe  7 — 8  Wochen.  Hauptflugzeit  der 
Monat  Juni.    Diese  Entwicklung  scheint  bei  mutatella  die  Regel." 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae.  447 

(Baer)  fand  den  abietella-Yrsiü  oftmals,  bei  P.strobus  sogar  stets  an  den 
Stellen,  die  auch  Splendidella  in  früheren  Jahren  aufgesucht,  aber  bereits 
verlassen  hatte,  und,  wo  beide  Raupen  nebeneinander  vorkommen,  schien 
abietella  doch  die  der  Austrocknung  mehr  ausgesetzte  Stelle  gewählt  zu 
haben.  Derartiger  Fraß  ist  schon  von  den  dänischen  Forstentomologen  beob- 
achtet und  namentlich  von  Boas  ein  solcher  an  einem  kränkelnden  Weimuts- 
kieferstämmchen  unverkennbar  abgebildet  worden  (Dansk  Forstzool.,  S.300)." 

„Ein  mannshohes  Weimutskieferstämmchen  bei  Niesky  war  stellenweise 
unter  der  Rinde  fast  zerwühlt  von  den  abietella-^zxv^^w  und  äußerlich  fast 
bedeckt  mit  den  weithin  leuchtenden  Exkrementen.  Aber  auch  in  unseren 
Waldkieferndickungen,  in  denen  Peridermiiojt  pini  so  gern  haust,  bildet  dieser 
Fraß  eine  charakteristische  Erscheinung.  Sieht  man  hier  die  durch  die  Pilz- 
wucherung und  Saftstauung  aufgetriebenen  Zweigpartien  durch,  so  wird  man 
zwischen  den  grindigen  Rindenschuppen  und  Resten  der  Aecidienhäufchen 
auch  selten  vergeblich  nach  den  charakteristischen  Kotkrümeln  suchen  und 
die  Raupe  darunter  in  dem  verkienenden  Baste  und  Splinte  finden  i)." 

Was  die  Generation  betrifft,  so  scheinen  bei  abietella  ähnliche  Ver- 
hältnisse vorzuliegen  wie  bei  Splendidella,  d.  h.  in  der  Regel  dürfte  sie  ein- 
jährig sein,  etwa  nach  der  Bioformel: 

67-8,5 
56  +  67 

Daneben  kommt,  wenigstens  in  den  heißen  Sommern,  teilweise  auch  eine 
doppelte  Generation  vor,  die  sich  mehr  oder  weniger  vollständig  einschiebt. 
Dafür  sprechen  die  verschiedenen  Funde  von  erwachsenen  Raupen  bereits 
im  Juli,  ferner  von  noch  halbwüchsigen  Raupen  im  Winter  und  Frühjahr. 
„Bedenkt  man,"  schreibt  Baer,  „daß  die  Raupe  bei  höheren  Wärmegraden 
und  geeigneter  Nahrungsquelle,  wie  im  ZuchtlDehälter  leicht  zu  beobachten 
ist,  außerordentlich  schnell  heranwächst,  so  ist  es  wohl  das  Wahrscheinlichste, 
daß  der  ganze  Entwicklungsgang  der  Art  lediglich  von  der  Temperatur  und 
der  Güte  des  Brutmaterials  abhängig  und  wenig  an  den  Lauf  der  Jahres- 
zeiten gebunden  ist.  Das  heißt:  es  entwickeln  sich  Falter,  so  lange  die  Tempe- 
ratur über  einer  gewissen  Grenze  sich  hält,  unbekümmert  um  ihre  Nach- 
kommenschaft, die  als  Raupe  in  jedem  Altersstadium  zu  überwintern  be- 
fähigt ist,  sei  es  erwachsen  in  dem  scheibenförmigen  Gespinst  am  Boden,  sei 
es  noch  jung  an  der  Fraßstelle  selbst.  Allein  die  Puppenruhe,  für  die  wohl 
ausschließlich  der  Boden  gewählt  wird,  fällt  stets  in  die  warme  Jahreszeit, 
nimmt  aber  hier  einen  so  kurzen  Zeitraum  vor  dem  Falterflug  in  Anspruch, 
daß  sie  fast  als  mit  demselben  zusammenfallend  zu  betrachten  ist.  Eine  teil- 
weise Regelung  des  Entwicklungsganges  liegt  allerdings  in  der  Natur  des 
Jahreszeitenwechsel  selbst,  wie  auch  in  der  teilweise  so  abweichenden  Be- 
schaffenheit des  verschiedenartigen  Brutmaterials  begründet.    So  erklärt  sich 


1)  „Außer  der  a^/W^/Zi^-Raupe  bewohnt  diese  eigentümlichen  Gebilde  noch 
Grapholitha  conijerana  Rtzb.  und  Pissodes  piniphUus  Hbst.,  und  in  den  abgestorbenen 
Zweigenden  jenseits  der  Infektionsstelle  findet  man  regelmäßig  PityophtJwnis  oJabratus 
Eichh.  und  auch  Magdalis  frontalis  Gyllh.,  wenn  das  Material  noch  die  für  diesen 
erforderliche  Stärke  hat.  An  stärkeren  Ästen  oder  kranken  Stammteilen  begegnet 
man  ebenso  häufig  oder  vorwiegend,  und  zwar  abietella  meist  vorausgehend,  splendi- 
della.  Diese  einander  so  nahe  berührenden  Vorkommnisse  der  beiden  Arten  dürften 
es  auch  hauptsächlich  gewesen  sein,  die  Ratzeburg  irre  gemacht  haben,  von  dem 
letztlich  die  Unklarheiten  über  sie  in  der   Forstentomologie  herrühren"   (Baer). 


448  n.  Spezieller  Teil. 

wenigstens  am  ungezwungensten  der  Flug  des  Falters  während  des  größten 
Teiles  der  warmen  Jahreszeit  und  das  Vorkommen  junger  wie  alter  Raupen 
fast  zu  jeder  Zeit,  während  sich  sonst  das  Durcheinander  höchstens  durch 
künstliche  Annahmen  entwirren  läßt,  wie  es  die  Versuche  von  Borries 
und  Ragonot  zeigen." 

Forstlich  ist  der  Fraß  an  den  Wipfeltrieben  vor  allem  an 
jungen  Fichten  in  Kulturen  und  Stangenhölzern  zweifellos  der  bedeu- 
tungsvollste. Infolge  des  Fraßes  stirbt  immer  ein  Teil  des  Kronenastes 
bzw.  des  befallenen  Triebes  ab.  „Die  Spitzenknospen  vertrocknen  und  anstatt 
deren  entstehen  im  nächsten  Jahr  neue  Triebe  entweder  nahe  der  trockenen 
Spitze  oder  sehr  tief  unten."  In  zweiter  Linie  ist  der  Zapfenfraß  zu 
nennen,  durch  den  die  Samenernte  mehr  oder  weniger  stark  geschmälert  wird. 

In  der  forstlichen  Literatur  wird  verschiedentlich  von  Ratzeburg  (W.), 
Altum,  Borries,  Baer  u.  a.  über  ein  stärkeres  schädliches  Auftreten  be- 
richtet, vor  allem  in  den  Wipfeltrieben,  von  denen  in  manchen  Fällen  lo  bis 
150/0  durch  abietella-Yx^&  vernichtet  wurden. 

Eine  Bekämpfung  könnte  höchstens  durch  rechtzeitiges  Aufsammeln 
und  Vernichten  der  abgefallenen  Zapfen  oder  durch  Abschneiden  der  sich 
bräunenden  befallenen  Triebe  ausgeführt  werden. 

LTnter  den  natürlichen  Feinden  des  Zapfenzünslers  spielen  die  Schlupf- 
wespen (zum  Teil  die  gleichen  Arten  wie  bei  Splendidella)  eine  Hauptrolle, 
sodann  sind  auch  2  Tachinen  daraus  gezogen:  Acüa  pilipennis  Fall,  (eben- 
falls splendidella-V^X2A\X)  und  Digonochaeto  setipennis  Fall. 

Dioryctria  schützeella  Fuchs. 

Taf.  V,  Fig.  15. 

Diese  der  abietella  nahestehende  Art  wurde  erst  vor  drei  Dezennien  ent- 
deckt, und  zwar  von  dem  verdienstvollen  Kleinschmetterlingsforscher 
Schütze,  nach  dem  Fuchs  (1899)  die  Art  benannt  hat.  Sie  unterscheidet  sich 
von  abietella  durch  die  etwas  kleinere  Gestalt  des  Falters  sowie  verschiedene 
geringe  Abweichungen  in  Färbung  und  Zeichnung  der  Vorderflügel,  dann 
auch  durch  die  deutlich  abweichende  Raupenzeichnung  und  endlich  durch  die 
gänzlich  verschiedene  Lebensweise,  die  in  der  Gattung  Dioryctria 
vereinzelt  dasteht. 

Falter:  Vorderflügel  von  der  Wurzel  bis  zur  Spitze  11  mm  gegen  14—15  der 
verwandten  abietella,  silbergrau,  sehr  fein  und  sparsam  braun  bestäubt,  mit  zwei 
breiteren  lichtweißlichen  Querstreifen  und  kräftigem,  lichtem  Mittelfleck;  die  etwas 
veränderlichen  Querstreifen  wie  bei  abietella  auf  den  zugekehrten  Seiten  schwarz 
angelegt,  doch  nur  ausnahmsweise  so  scharf  liniert  und  gewinkelt  wie  bei  dieser 
Art,  die  Rippen  im  Mittelfelde  mehr  oder  weniger  schwärzlich,  strichartig,  bisweilen 
das  Mittelfeld  braun  verdunkelt,  so  daß  außer  dem  weißlichen  Mondfleck  nur 
zwischen  den  Rippen  etwas  lichtere  Stellen  bleiben,  oder  diese  Verdunkelung  fehlt, 
dafür  führt  es,  vom  Innenrande  ausgehend,  einen  Mittelschatten,  der  bis  zur  Flügel- 
mitte reicht  und  oben  von  der  schwarzen  Rippe  strichartig  durchschnitten  wird. 
Zwischen  dem  vorderen  Querstreif  und  der  Wurzel  eine  schrägstreifenartige  Ver- 
dunkelung, die  nur  undeutlich  ist  und  auch  ganz  fehlen  kann,  wurzelwärts  liegt  vor 
ihr  auf  dem  Innenrand  ein  undeutlicher  lichter  Fleck.  Die  schwarze  Saumlinie  ist 
auf  allen  Flügeln  deutlich,  auf  den  vorderen  schärfer  als  auf  den  hinteren.  Die 
grauen,  an  der  Wurzel  nicht  lichteren  Hinterflügel  führen  vor  dem  Saume  einen 
verwaschenen  lichten  Bogenstreif,  welcher  an  zwei  Stellen  etwas  wie  einen  lichten 
Fleck  bildet,   am   Vorderrand   und   jenseits    der    Flügelmitte,    ein   wenig   gegen   den 


I.  Unterordnung:   Microlepidoj3tera,   Familie  Pyralidae.  449 

Hinterrand  gerückt.  Unten  zeigen  die  Hinterflügel  vor  dem  Saume  eine  breite, 
lichte  Binde,  die  zuweilen  gegen  die  graue  Wurzel  abgegrenzt  ist,  bei  dem  einen 
Exemplar  deutlicher  als  bei  dem  anderen,  und  auch  auf  den  Vorderflügeln  etwas 
zur  Gellung  kommt,  selten  ist  sie  nur  verwaschen. 

..Die  Raupe  (Abb.  385  D)  mißt  (ausgeblasen!)  231/2  mm.  sie  ist  dunkelrot  bis 
braunrot,  Kopf  glänzend  schwarz,  Nackenschild  gelbbraun,  Afterschild  gelblich.  Auf 
dem  Rücken  ein  breiter  Streif  der  Grundfarbe,  durch  zwei  gelbliche  zerrissene 
Längslinien  geteilt,  zu  beiden  Seiten  des  Rückenstreifs  ein  rotbrauner  Streifen,  der 
nur  bis  zum  drittletzten  Segment  geht,  beiderseits  von  einer  gelblichen  zerrissenen 
Linie  eingefaßt  und  durch  eine  ebensolche,  in  einzelne  unregelmäßige  Fleckchen 
aufgelöste  Linie  geteilt  ist.  Die  Seiten  und  der  Bauch  von  der  Grundfarbe,  erstere 
mit  zwei  unbestimmten  zerrissenen  gelblichen  Längslinien,  letzterer  auf  den  drei 
ersten  Segmenten  schwärzlich  angehaucht.  Brustfüße  glänzend  schwarz,  auf  der 
Innenseite  zweimal  licht  geringt,  am  Grunde  glänzend  schwarz  eingefaßt.  Doch  ist 
diese  Einfassung  auf  der  Außenseite  breit  unterbrochen,  Bauchfüße  und  Nach- 
schieber nicht  ausgezeichnet.  Wärzchen  undeutlich,  nur  mit  der  Lupe  zu  sehen."  (Eine 
eingehende  Schilderung  der  Raupe  gibt  Trägärdh  191 5.) 
Die  Puppe  ist  rotbraun  bis  dunkelbraun." 

D.  Schützeella  wurde  zuerst  in  den  Fichtenwäldern  Sachsens  (in  Rachlau 
bei  Bautzen)  gefunden.  Daß  sie  aber  eine  weitere  Verbreitung  hat,  geht  schon 
daraus  hervor,  daß  sie  von  Trägärdh  bei 
Stockholm  festgestellt  wurde.  Auch  die  Angabe 
Wockes  (1874),  daß  die  abietella-^ZM^^  „im 
Mai  bis  anfangs  Juni  zwischen  den  zusammen- 
gesponnenen Nadeln  lebe",  bezieht  sich  wohl  auch 
auf  schützeeUa.  Als  Fraßpflanze  scheint  nur  die 
Fichte  in  Betracht  zu  kommen. 

Die   Raupe  lebt  nach   Schütze   „bis   Mitte 
Juni    zwischen    den    Nadeln    von    Fichten,    Picea 

excelsa.      Den     röhrenförmigen     Fraßgang     spinnt         Abb.   398.     Dioryclria 
sie   nur  mit   wenigen    Fäden   aus.     Die   den   Gang      schütze  eil  aYvxc\^^.  1V2X. 
bedeckenden     äußeren     Nadeln     sind     etwas     ge- 
krümmt,  mit  den   Spitzen  gegeneinander  gebogen,   und  das   ist  das   einzige 
leitende  Merkmal  beim  Suchen  der  Raupen.    Ob  sie  klein  oder  gar  noch  im 
Ei   überwintern,   konnte   noch   nicht    festgestellt    werden,    doch    scheint   eher 
letzteres  der  Fall  zu  sein,  da  die  Raupe  gegen  Ende  Mai  immer  noch  sehr 
klein  ist,  während  andere  zwischen  den  Nadeln  lebende  überwinterte  Raupen 
zu  dieser  Zeit  schon  erwachsen  waren.    Der   Falter  erscheint  in  der  zweiten 
Hälfte    des    Juli."     Nach    Trägärdh    (1915)    ,, ähnelt    der    Fraß    dem    von 
Pande??iis  ribeana  Hb.   (s.  S.  237);  die  schützeella-'R.di\x^&  greift  jedoch  nicht 
die  Rinde  an,  sondern  verzehrt  nur  den  Basalteil  der  Nadeln,  während  die 
übrig    bleibenden     Nadelreste    zu     einer    Art     Tunnel    zusammengesponnen 
werden". 


Im  Süden  (Südfrankreich,  Andalusien,  Mittelitalien  usw.)  kommen  noch  zwei 
weitere  Dioryctria-A.xttn  vor:  D.  mendacella  Stgr.  (Taf.  V,  Fig.  15)  und  pineaeSl<gx. 
Sie  unterscheiden  sich  von  den  obigen  Arten  einmal  dadurch,  daß  die  lichte  Zeich- 
nung der  Vorderflügel  (Querstreifen  und  Mittelfleck)  kaum  heller  ist  als  der 
Grund  und  sich  daher  nur  wenig  deutlich  von  diesen  abhebt,  und  sodann,  daß  die 
männlichen  Fühler  zum  Teil  oder  in  der  ganzen  Länge  mit  Kammzähnen  besetzt  sind. 
Eseherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  29 


450  11.  Spezieller  Teil. 

Die  beiden  Arten  unterscheiden  sich  voneinander  außer  durch  verschiedene 
kleine  Zeichnungsabweichungen  vor  allem  durch  die  Größe:  D.  tnendacella  Stgr. 
ist  klein,  die  Spannweite  beträgt  24 — 28  mm,  während  pineae  Stgr.  die  größte 
Art  der  Gattung  darstellt  mit  einer  Spannweite  bis  zu  38  mm  (Abb.  399  A  u.  B).  In 
der  Lebensweise  stimmen  beide  Arten  insofern  überein,  als  ihre  Raupen  in  den 
Zapfen  von  Pinus  halepensis  leben  (von  März  bis  Juni)  und  die  Verpuppung  außer- 
halb des  Zapfens  stattfindet.  Eine  gute  Abbildung  vom  Fraß  der  mendacella  gibt 
Barbe  y   (Traite  d'Entomologie    Forestiere,    S.  336,    Fig.  239). 


A  B 

Abb.  399.   A  Dioryctria  pineae   Stgr.,   B   Dioryctria  mendacella  Stgr.     Schwach  vergr. 

Gattung  Acrobasis  ZU. 

Im  Vorderflügel  r^  und  r^  nur  genähert  (nicht  gestielt),  cu^  näher  cu<^  als  ;/?3, 
oder  etwa  in  der  Mitte  zwischen  beiden  gelegen.  Auf  den  Hinterflügeln  reicht  die 
Mittelzelle  etwa  bis  1/2-  ^i^  männlichen  Fühler  mit  einem  spitzen  Schuppenzahn  am 
Wurzelglied,  die  Palpen  stark  zurückgebogen,   das  Endglied  fast  vertikal. 

Die  Raupen  leben  auf  Laubbäumen,  und  zwar  meist  gesellig  in  röhrigen, 
kotbekleideten  Gespinsten,  von  denen  sie  nachts  auf  den  Fraß  ausgehen. 

Von  den  9  europäischen  Arten  wollen  wir  hier  4  nennen,  die  sämtlich  auf  der 
Eiche  vorkommen  und  die  sowohl  in  ihrer  Färbung  und  Zeichnung  als  auch  in 
ihren  Lebensg-ewohnheiten  (die  Raupen  spinnen  die  Blätter  zu  kleinen  Nestern  zu- 
sammen)   sich   recht   nahe   stehen.    Sie   lassen   sich   folgendermaßen   unterscheiden  i) : 

Imagines: 

1.  Wurzelfeld  der  Vorderflügel  bis  zum  vorderen  (inneren)  Querstreif 
mehr   oder   weniger   deutlich   rot    oder    rotbraun 2 

—  Wurzelfeld  der  Vorderflügel  bis  zum  vorderen  (inneren)  Querstreif 
nicht  mit  rot  gemischt,  einfach  grau  oder  graubraun 3 

2.  Die  rotbraune  Färbung  im  Wurzelfeld  der  Vorderflügel  intensiv  und 
deutlich  ausgeprägt,   Kopf  beim   Männchen  auffallend   hell,   weißlich 

gefärbt.    Spannweite   18—20  mm zeller i  Rag.   {=  (umidella  Zck.j 

—  Die  rotbraune  Färbung  des  Wurzelfeldes  wie  auch  die  übrigen 
Zeichnungen  weniger  deutlich  ausgeprägt;  Kopf  beim  Männchen  in 
der  Färbung  kaum  von  der  Färbung  der  Brust  unterschieden. 
Spannweite    18 — 20  mm tumhlana   Schiff. 

3.  Gesamtkolorit  der  Vorderflügel  mehr  blaugrau,  die  hellen  Zeich- 
nungen sehr  deutlich  hervortretend.    Spannweite  20 — 21   mm      .      .     sodalella  ZU. 

—  Gesamtkolorit  der  Vorderflügel  mehr  braungrau,  die  hellen  Zeich- 
nungen weniger  ausgesprochen.  Kleiner  als  die  vorige  Art.  Spann- 
weite  15—16  mm consociella  Hb. 


■)   Nach  dem  reichen   Material  in  der  D  i  s  q  u  e  sehen   Sammlung  bearbeitet. 


I.  Unterordnung:   Microlepidoptera,   Familie  Pyralidae.  i  451 

Raupen: 

1.  Kopf  ohne  dunkle  Zeichnung,  einfarbig  hell,  gelblich  grün  oder 
gelblich    braun 2 

—  Kopf  mit   dunkler   Zeichnung 3 

2.  Rumpf  gelblich  grün  mit  5  dunklen  Längsstreifen,  Nackenschild  ein- 
farbig hell consociella  Hb. 

—  Rumpf  gelblich  grün  bis  grün,  nur  mit  3  dunklen  Längsstreifen, 
Nackenschild  mit  einigen  schwarzen   Punkten zelleri  Rag. 

3.  Kopf  nur  an  der  Basis  mit  dunkler,  fast  schwarzer  Zeichnung; 
Nackenschild  einfarbig  hell;  Rumpf  bräunlich  gelb  mit  5  dunklen 
Längsstreifen tumidana    Schiff. 

—  Die  schwarze  Zeichnung  bedeckt  den  größten  Teil  des  Kopfes, 
Nackenschild  schwarz,  die  5  dunklen  Längsstreifen  des  Rumpfes 
so  breit,   daß   die   ganze   Raupe   einen  dunklen   graugrünen   Eindruck 

macht sodal<'lla  ZU. 

Wie  Baer  (1910)  auseinandergesetzt  hat  (s.  oben  S.  221),  liegen  sowohl  bei 
Nitsche  als  bei  AI  tum  verschiedene  Irrtümer  und  Verwechslungen  bezüglich  der 
Beschreibung  von  Acrobasis  tumidella  Zck.  (=  zelleri  Rag.)  vor.  Ja,  nach  dem 
Studium  der  Disque  sehen  Sammlung  scheinen  die  Irrtümer  noch  weiter  zu  gehen, 
als  Baer  angenommen  hat.  Zunächst  hat  Nitsche  (S.  1058)  die  Raupe  von 
Acrobasis  consociella  Hb.  oder  zelleri  Rag.  als  die  von  Acalla  ferrugana  Tr.  be- 
schrieben, dann  hat  er  kurz  danach  (S.  1060)  eine  Raupe  als  die  von  zelleri  Rag. 
(tumidella  Zck.)  beschrieben,  die  ganz  gewiß  nicht  dieser  Art,  sondern  höchstwahr- 
scheinlich sodalella  angehört  (,,dunkelköpfig,  Leib  graugrün  usw."),  während  die 
Falterbeschreibung  sehr  gut  mit  zelleri  übereinstimmt.  Dieser  Irrtum  Nitsches  be- 
ruht zweifellos  auf  den  Angaben  A 1 1  u  m  s ,  bei  dem  auch  die  Falterbeschreibung 
auf  zelleri  paßt,  während  die  Raupenbeschreibung  auf  sodalella  hinweist.  Baers 
Meinung,  daß  A  1 1  u  m  s  tumidella  der  cotisociella  Hb.  entspricht,  kann  ich  nach  dem 
Studium  der  Disque  sehen  Stücke  nicht  zustimmen.  Sowohl  die  Größenangabe 
(2  cm)  als  die  Erwähnung  der  violettroten  Wurzel  der  Vorderflügel  sprechen  dafür, 
daß  AI  tum  wirklich  die  echte  tumidella  Zck.   (=  zelleri  Rag.)   vorgelegen  hat. 

Ich  begnüge  mich,  hier  eine  Art,  nämlich  zelleri  Rag.,  nach  den  An- 
gaben Altums  näher  zu  behandeln,  mit  dem  Bemerken,  daß  diese  Angaben, 
wenigstens  soweit  es  sich  nach  den  Fraßstücken  der  Disque  sehen  Samm- 
lung beurteilen  läßt,  auch  für  die  Bionomie  der  übrigen  oben  genannten 
Arten  Geltung  haben  dürften. 

Acrobasis  zelleri  Rag. 

Taf.  V,   Fig.  17. 
Eichentriebzünsler. 
Altum:    Phycis    tumidella    Zck.    —    Nitsche:    Phycis    (Acrobasis)    tumidella    Zck.    — 
Wolff-Krauße:   Acrobasis  zelleri   Ragusa   (!!). 
Falter:  Vorderflügel  rötlich  aschgrau,  an  der  Wurzel  rostrot,  mit  2  schwarzen 
Mittelpunkten,   der  vordere   Querstreif   weiß   mit   schwarzer   Einfassung   und   dunkel- 
rotem  Fleck  dahinter,  der  hintere  Querstreifen  grau.    Die  beiden   Mittelflecken  ver- 
einigen sich  bisweilen  zu  einem   Mondfleck.    Der  vordere   Querstreif  geradlinig  und 
schräg    verlaufend.     Kopf    beim    Männchen    oben    weißlich,    die    Vorderbeine    außen 
braungrau,  die  Mittelschienen  rotbraun,  ihr  Enddrittel  und  die  Hinterbeine  gelbweiß. 
Spannweite   18 — 20  mm. 

Raupe  hell  gelblich  grün  bis  grünlich.  Kopf  glänzend  braun.  Nackenschild 
mit  4  schwarzen   Punkten.    Rumpf  mit   3  dunklen   Längslinien. 

Die  Flugzeit  des  Falters  fällt  nach  Altum  in  den  Monat  Juli.  Die 
Eier  werden  einzeln  an  die  Knospen  der  Spitze  junger  Eichen  bis  zu  Heister- 

29* 


452 


II.  Spezieller  Teil. 


stärke  gelegt.  Der  Fraß  der  Raupe  beginnt  im  Mai,  sie  fertigt  sich  ein  röh- 
riges, mit  Kot  und  kleinen  abgestorbenen  Blatteilchen  vermischtes  Gespinst 
an,  in  welchem  sie  sich  über  Tag  aufzuhalten  pflegt.  Des  Nachts  begibt  sie 
sich  zum  Fraß,  wobei  die  Blätter  nur  auf  der  Oberseite  benagt,  also  unvoll- 
ständig skelettiert  werden.  Durch  diese  Beschädigung  krümmen  sich  bald 
die  dürren,  weißgrauen  Blätter  zu  einem  unordentlichen,  lockeren  Ballen, 
der  von  der  Ferne  den  Blattnestern  des  Goldafters  nicht  unähnlich  ist, 
jedoch  zeigen  die  zeileri-Nester  Gespinstfäden  nur  im  Inneren  für  die 
Wohnung  der  Raupe.  Der  Fraß  dauert  bis  Juni  und  geht  auch  noch  auf  die 
Johannistriebe  über.  Die  Verpuppung  geschieht  gegen  Ende  Juni  in  einem 
mit  Erde  vermischten  Gespinst  am  Boden. 

Die  Generation  ist  also  einjährig  und  verläuft  nach  der  Bioformel: 

7,4  —  56 

6  +  7 

Wenn  zelleri  auch  zuweilen  zahlreich  auftritt,  ist  die  forstliche  Be- 
deutung doch  nicht  groß.  Immerhin  wird  der  Spitzenfraß  bei  mehrjähriger 
Wiederholung  nicht  ohne  schädliche  Wir- 
kung" bleiben,  besonders  wenn  ungünstige 
Witterungsverhältnisse  den  nachteiligen 
Fraß  verschärfen.    Durch  AlDschneiden  und 


V 


Abb.   400.    Acrobasjs  ze//er/  Rag.     (  = 
Zck.)    1V2X. 


iirmidella 


Verbrennen    der    weithin    sichtbaren    Blatt- 
nester  kann    man,    wenn    eine    Bekämpfung 
überhaupt  notwendig  werden  sollte,  die  Ver-      ^^b.     401.     Nest     von     Acrobasis 
mehrung  eindämmen.  zeUeri     Rag.     an     Eiche.      Nach 

N  i  t  s  c  h  e. 

Gattung  Myelois  Hb. 

Im   Vorderflügel   7;?o    und   m.^   gestielt,    ebenso   /-,    und    /-j,    und   im    Hinterflügel 
;;/o   und  Wj   und  sc  und   rr. 

Eine    kleine    Gattung    mit    nur   6  europäischen    Arten,    \"on    denen   eine    hier    er- 
wähnenswert  ist,   nämlich 

M.  ceratoniae  ZIL,  die  Johannisbrotmotte,  eine  bei  uns  eingeschleppte  Art,  deren 
rosenrote  Raupe  zuweilen  im  Samen  von  Robinia,  Casianea  vesca  u.  a.  ange- 
troffen  wird. 

Literatur  über  Pyralidae. 
Altum,  B.,  1875,  Tinea  abietella.    Z.  f.  F.  u.  J.  Bd.  7,  S.  371. 
— ,   1884  a,  Wipfeldürre  der  Kiefernüberständer.    Ebenda.  Bd.  16,  21 — 29. 
—,   1884  b,  Phycis  sylvesirella  Rtzb.  Ebenda.  Bd.  16.  710— 711. 


I.  l'nterordnung:   Microlepidoptera,  Familie   Pyralidae.  453 

Altmore,    E.  A.,    1888,    Contribution   to    the    Life-history   of   NepJiopteryx   abieteüa 

S.  V.  with  a  descript.  of  its   larva.    Ent.   Month.   Magaz.,  v.  24,  p.  221— 224. 
Baer,  W.,  1906,  Beobachtungen  und  Studien  über  Dioryctria  splendidella  H.  S.  und 

abietella  S.  V.   —  Thar.    Forstl.   Jahrb.    Bd.  56   (S.  63—85). 
— ,    1909,    Die    Beschädigungen    der    Fichtenwipfel    durch    Dioryctria    abietella    S.  V. 

(In:  Escherich  und  Baer,   Tharandter  zoolog.   Miszellen.)   —   N.  Z.  f.  L.  u.  F. 

VII.  S.  200—204. 
-r-,   1910,    Acalla    ferrugana    Tr.    (In:    Escherich    und    Baer,    Tharandt.    zoolog. 

Miscellen.)    —   N.  Z.  f.  L.  u.  F.  VIII.   S.  169. 
Barrett,  C.  G.,   1891,  Dioryctria  splendidella  Rag.  in  Suffolk.    Ent.  Month.  Magaz. 

V.  27,   p.  220—221. 
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Borries,   H.,    1889,   Om   Forekomst   og   Udbredelse   af   skadelige   Insekter  i  danske 

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— ,   1891,   Nogle  nye  Jagttagelser  o^•er  danske   Naaletrae-Insekter.   —   Ebenda,   v.  12, 

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454  n.  Spezieller  Teil. 

Im  Anschluß  an  die  Pyraliden  sei  noch  kurz  auf  zwei  Familien  hingewiesen, 
denen  zwar  forstlich  keine  Bedeutung  zukommt,  die  aber  durch  ihre  eigenartige 
zerschlissene  Flügelform  mit  zu  den  auffallendsten  Kleinschmetterlingen  gehören, 
nämlich  die  Pterophoriden  (Federmotten)  und  die  Orneodiden  („Geist- 
chen"). 

Familie:  Pterophoridae  (Federmotten). 

Die  Pterophoriden  sind  kleinere,  schlanke  Tiere,  deren  Flügel  in  der 
Regel  in  schmale  Lappen  oder  „Federn"  geteilt  sind,  und  zwar  die  Vorderflügel 
in  2  (—3),  Hinterflügel  in  3  (—4)  Lappen  (s.  S.  117,  Abb.  66 A).  In  der  Ruhe 
werden  beide  Flügel  zusammengefaltet  und  vom  Körper  meist  rechtwinklig  ab- 
stehend getragen,  die  Hinterbeine  neben  dem  sehr  langen  und  schlanken  Hinterleib 
ausgestreckt,  eventuell  über  diesem  gekreuzt  —  eine  Haltung,  die  den  kleinen  Fal- 
tern fast  das  Aussehen  einer  Schnake  geben.  Die  freilebenden  Raupen  sind  16  füßig, 
meist  plump,  behaart  und  besitzen  lange  Bauchfüße  mit  Hakenkränzen  (oder  auch 
nur  mit  im  Halbkreis  stehenden  Krallen).  Puppen  mit  Rückenkielen,  die  sich  vom 
Thorax  auf  das  Abdomen  fortsetzen,  und  am  letzteren  mit  je  i  Seitenkiel  unterhalb 
der  Stigmen  und  oft  mit  Längsreihen  großer  Dornfortsätze. 

In  Europa  80  Arten,   deren  Raupen  meist   auf  krautartigen   Pflanzen  leben. 

Familie:  Orneodidae  (Geistchen). 

Die  O  rneodiden  (Geistchenj  haben  eine  äußere  Ähnlichkeit  i)  mit  den  Feder- 
motten, indem  auch  bei  ihnen  die  Flügel  in  eine  Anzahl  „Federn"  geschlitzt  sind. 
Die  Flügel  sind  aber  bei  den  Geistchen  bedeutend  breiter  und  die  Zahl  der  Federn 
größer,  gewöhnlich  sind  die  Vorderflügel  und  Hinterflügel  in  je  6  Federn  ge- 
spalten (S.   117,  Abb.  66 B). 

Die  Raupen  sind  in  der  Regel  weißlich,  ohne  Zeichnung,  gewölbt,  mit  starken 
Einschnürungen,  Haut  mit  feinen  Spitzenkörnern.  Bauchfüße,  wenigstens  bei  den 
älteren  Raupen  mit  Hakenkränzen.  Sie  leben  meist  im  Innern  von  Pflanzen,  z.  B.  in 
Stengelgallen  von  Scabiosen  usw. 

Es  gibt  nur  wenige  Arten,  in  ganz  Europa  nur  9,  die  der  einzigen  Gattung 
Orneodes  Ltr.  angehören. 


1)  Über  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  beiden  Familien  herrschen 
verschiedene  Anschauungen:  während  Börner  und  Handlirsch  die  beiden  zu- 
sammen in  eine  Familienreihe  stellen  (Börner  in  die  Familienreihe  der  Gele- 
chiiden,  Handlirsch  in  die  Überfamilie  der  Pyralidinae'),  sind  sie  bei  Heymons 
völlig  getrennt  behandelt,  die  Orneodiden  bei  den  Microfrenaten  im  Anschluß  an  die 
Psychiden,  die  Pterophoriden  bei  den  Macrofrenaten  zwischen  Cnethocampiden  und 
Bombyciden.  Bei  S  p  u  1  e  r  werden  die  beiden  Familien  wohl  direkt  nacheinander 
behandelt,  jedoch  mit  der  ausdrücklichen  Bemerkung,  daß  die  Orneodiden  „keine 
Verwandtschaft  mit  den  Pterophoriden  haben,  wohl   aber  mit   den  Pyraliden." 


II.  Unterordnung: 
Macrolepidoptera  oder  „Großschmetterlinge". 

Die  „Großschmetterlinge"  enthalten  überwiegend  mittelgroße  bis  große 
Formen,  wenn  auch  kleine  durchaus  nicht  fehlen.  ,,Sie  können  als  die  höheren 
und  vollkommeneren  Vertreter  der  ganzen  Ordnung  gelten."  Die  Raupen, 
die  meist  frei  an  den  Nährpflanzen  leben,  haben  in  der  Regel  „Klammer- 
füße". Im  Geäder  ist  (mit  wenig  Ausnahmen)  die  Analis  sowohl  im  Vorder- 
flügel als  im  Hinterflügel  rückgebildet  (Abb.  402), 
höchstens  ist  sie  zuweilen  als  Falte  noch  spurweise 
vorhanden.  Hinterflügel  nie  mehr  als  doppelt  so 
lang  wie  breit. 

Die  „Großschmetterlinge"  umfassen  die  all- 
gemein als  S  p  a  n  n  e  r  (Geometridae),  Eulen  (Noc- 
tutdae),  Spinner  (Bo?nbicidae),  Schwärmer 
(Sphingidae)  und  Tagfalter  (Rhopaloceren)  be- 
zeichneten Gruppen.  Von  diesen  stellten  sich  aber 
mit  dem  Fortschreiten  der  systematischen  Erkennt- 
nis manche  als  recht  ungleichwertig  heraus,  so  daß 
verschiedentlich,  vor  allem  bei  den  Spinnern,  eine 
weitgehende  Aufteilung  notwendig  wurde.  Über  den 
Grad  der  Aufteilung  und  über  die  Art  der  Unter- 
teilung der  „Großschmetterlinge"  herrscht  bei  den 
einzelnen  Systematikern  eine  verschiedene  Auf- 
fassung. 

Heymons  teilt  die  Macrolepidopteren  nach 
dem    Flügelgeäder    in    zwei    Familienreihen:    die 

Opisthoneura  und  die  Enantioneura,  letztere  wiederum  in  die  Hete- 
rocera  und  Rhopalocera.  Handlirsch  stellt  neben  den  „M  acrofrenate  n", 
in  die  er  die  Mehrzahl  der  Nachtschmetterlinge  einreiht,  als  gleichwertige 
Gruppen  (Überfamilien)  die  Hesperiden  und  Rhopaloceren.  Börner 
verteilt  die  Großschmetterlinge  auf  5  Familienreihen,  wobei  er  die  Geome- 
tridae mit  den  von  uns  zu  den  Microfrenaten  gestellten  Pyraliden  in  der 
Familienreihe  der  Pyralidinen  zusammenfaßt.  Auch  die  Limacodiden,  die 
wir  als  „Kleinschmetterlinge"  betrachten,  werden  von  Börner  mit  den 
Zygaeniden  als  Familienreihe  der  Anthroceroidea  vereinigt.  Als  weitere 
Familienreihen  stellt  Börner  auf:  die  Noctuoidea  (Syntomidae,  Arcfii- 
dae,  Notodontidae,  Ly^nantriidae,  H ypenidae  und  Noctuidae'),  die  B  o m b y - 
coidea  (Sphingidae,  Endromiidae,  Lasiocampidae,  Bombycidae  und  Satur- 
nidae)  und  die  Papilionidae  (Hesperidae,  Papilionidae,  Pieridae,  lYym- 
phalidae,  Erycinidae  und  Lycaejiidae). 

Wolff-Krauße  stellen  für  die  Großschmetterlinge  8  Tribus  auf: 
i.Zygaenaeomorpha,  2.Arctiimorpha,  3.Geometraemorpha  (mit 
I  Familie:  Geo?neiridae),  4.  Noctuaemorpha  (mit  i  Familie:  Noctuidae), 
5.  Bombycimorpha  (mit  8  Familien:  Bombycidae,  Lymantriidae ,  Thau- 
metopoeidae,    Lasiocampidae ,    Endromididae.    Drepaiiidae,    Sattirnidae    und 


Abb.   402.    Flügelgeäder 

eines       Großschmetterlings. 

(Analis    fehlt    im    Vfl    und 

Hfl). 


456  II.  Spezieller  Teil. 

N otodo}ttidaeX  6.  Sphingimorpha  (mit  i  Familie:  Sphingidae),  7.  Gry- 
poceromorpha  (mit  i  Familie:  Heperiidae)  und  Rhopaloceromor- 
pha  (mit  6  Familien). 

In  den  meisten  übrigen  bekannten  systematischen  Werken  über 
Schmetterlinge,  wie  denen  von  Staudin ger-Rebel,  Spuler,  Eckstein, 
Hering  usw.  werden  die  Familien,  die  den  oben  angeführten  ungefähr  ent- 
sprechen, ohne  Zusammenfassung  in  Kategorien  höherer  Ordnung  in  ver- 
schiedener Reihenfolge  aneinandergereiht. 

Wir  wollen  hier  unter  Anlehnung  an  Handlirsch  die  „Großschmetter- 
linge" in  drei  Tribus  einteilen: 

1 .  Tribus:  Macrofre/iaiae, 

2.  Tribus:  Grypocera, 

3.  Tribus:  Rhopalocera. 

1.  Tribus:  Macrofrenatae. 

Fühler  verschieden:  einfach  borstenförmig  oder  fadenförmig  gesägt  oder 
gekämmt,  selten  schwach  keulenförmig,  dann  aber  Hinterflügel  stets  mit 
Frenulum. 

Familie:  GeoDietridae,   Spanner. 

Noctuidae,  Eulen. 

Arctiidae,  Bären. 

Lym.a)itriidae,  Wollspinner. 

Endromididae,   Birkenspinner. 

Lasiocampidae,    Glucken. 

Bombycidae,  Echte  Spinner. 

Notodontidae    (mit   Thaiimelopoea'),    Zahnspinner. 

Cymatophoridae ,    Wollrückenspinner. 

Drepanidae,   Sichelspinner. 

Saturnidae.    Pfauenspinner. 

Sphingidae,  Schwärmer. 

2.  Tribus:  Grypocera. 

Fühler  gegen  das  Ende  verdickt,  oft  mit  Endhaken,  Hinterflügel  nur 
selten  noch  mit  Frenulum,  meist  nur  mit  verdicktem  Basalteil.  Hinter- 
schienen meist  mit  2  Paar  Spornen. 

Familie:  Besperiidae,    Dickkopf f alter. 

3.  Tribus:  Rhopalocera. 

Fühler  stets  mit  deutlicher  Endkeule.  Hinterflügel  stets  ohne  Frenulum, 
dagegen  mit  großer  Schulterecke.    Hinterschienen  ohne   Mittelsporne. 

Familie:  Papilionidae.  Tagfalter. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        457 

1.  Tribus:  Macrofrenatae. 

Familie:  Geometridae  (Spanner). 

Die  Spanner  stellen  eine  sehr  umfangreiche  Familie  dar,  die  ziemlich 
einförmig  gestaltete,  mittelgroße  bis  kleine,  schlank  und  schmächtig  gebaute, 
im  Flügelumriß  den  Tagfaltern  ähnelnde  Formen  enthält  (Abb.  403).  Kopf 
klein,  meist  ohne  Nebenaugen;  Fühler  sehr  verschieden  gestaltet,  beim  cf  meist 
gewimpert  oder  kammzähnig.  Rüssel  gewöhnlich  gut  entwickelt,  Maxillar- 
taster  rückgebildet,  Labialtaster  schlank  vorgestreckt,  fast  immer  das  Gesicht 
überragend.  Brust  mittelkräftig,  nicht  geschöpft.  Hinterleib  meist  lang  und 
schmächtig,  gewöhnlich  glatt  beschuppt  mit  einem  Analbüschel  versehen. 
Beine  schlank  mit  langen  Tarsen.  Die  gewöhnlich  ganzrandigen  Vorderflügel 
haben  meist  die  Gestalt  eines  kurzen,  rechtwinkligen  Dreieckes  mit  abge- 
rundeten Ecken,  und  nur  eine  freie  Innenrandader  (Axillaris).  Die  etwas 
kleineren  Hinterflügel,  mit  höchstens  zwei  freien  Innenrandadern  ax^  und 
ax^  und  einer  Haftborste,  ähneln  einem  etwas  langgezogenen  Kreisausschnitte. 
Nur  seltener  ist  der   Saum  bei  beiden  gezackt  oder  gewellt.    Färbung  und 


A  B 

Abb.  403.    Männchen   (Ai   und  Weibchen   (B)   eines  Spanners  (Bupahis  piniariiis  L.). 

Zeichnung  ist  bei  \"order-  und  Hinterflügeln  meist  ähnlich,  viel  ähnlicher  als 
z.B.  bei  den  Eulen  oder  Kleinschmetterlingen.  Durchschnittlich  ist  die  Fär- 
bung matt  und  unscheinbar.  Bei  der  lebhafter  gefärbten  Minderzahl  sind 
zarte  grüne  und  gelbe  Töne  vorherrschend;  grelle  Zeichnungen  sind  selten. 
Bei  den  Weibchen  werden  bisweilen  die  Flügel  rudimentär  oder  fehlen  ganz. 

Vorderflügel  (s.  Abb.  404)  mit  an  der  Basis  gegabelten  ax-^  und  0X9, 
oder  ax<i  fehlt  ganz;  an  fehlt  stets,  m^  aus  der  Mitte  des  Querastes  oder 
oberhalb  der  Mitte  desselben  entspringend,  also  mit  der  Tendenz,  näher  an 
m-^  als  an  7110,;  ^5  und  /"^  entspringen  von  r..  r.^  und  i\  häufig  anastomisierend 
mit  dem  gemeinsamen  Stamm  von  /g  und  /^  und  dadurch  eine  Nebenzelle 
bildend.  Hinterflügel  mit  2  Axillaradern  ax^  und  axc,,  wovon  ax.^  meist  nur 
sehr  kurz  ist  und  ax^  schon  in  den  Analwinkel  geht,  oder  ax.^  ist  rückgebildet; 
an  fehlt,  m^  entfernt  von  m-^  entspringend,  bei  den  Boarminen  rückgebildet 
(Abb.  404  C);  }ny  und  rr  gestielt  (Abb.  404  B)  oder  an  der- Basis  einander 
recht  genähert;  rr  und  sc  nahe  der  Basis  anastomisierend  oder  wenigstens 
stark  genähert  oder  durch  einen  kurzen  Querast  verbunden. 

Die  sekundären  Geschlechtsmerkmale  des  o"  können  außer  den  Fühlern 
auch    noch    in    der    verschiedenen    Zeichnung    oder    Ausbildung    der    Flügel 


458 


II.  Spezieller  Teil. 


liegen.  Bei  den  Boarminen  findet  sich  an  der  Unterseite  der  Vorderflügel 
nahe  der  Basis  beim  cT  eine  kahle  Grube.  Beim  9  tritt  zuweilen  (Frost- 
spanner)   Flügelrückbildung  bis  zum  völligen  Verlust  derselben  ein. 

Die  Eier  sind  meist  kugelrund  oder  oval,  glatt  oder  gerippt. 

Die  Raupen,  die  der  Familie  Namen  und  Charakter  geben,  sind  dreh- 
rund und  meist  nackt,  selten  mit  Fleischzapfen  versehen.  Von  den  Bauch- 
füßen ist  in  der  Regel  nur  das  letzte  Paar  erhalten,  außerdem  sind  die  Nach- 
schieber als  kräftige  Klammerorgane  entwickelt. 

Die  Puppen  sind  einfach,  walzenförmig,  hinten  zugespitzt,  teils  ohne 
Kokons,  teils  auch  mit  solchen.  Sie  besitzen  meist  einen  gut  entwickelten 
Kremaster. 

Die  Falter  sind  meist  Nacht-  oder  Dämmerungstiere,  welche 
Blumen  und  Blüten  nur  selten  besuchen.  Nur  wenige  sieht  man  auch  am 
Tage  umherflattern,  darunter  allerdings  die  für  uns  wichtigste  Form,  den 
gemeinen  Kiefernspanner.  Die  meisten  ruhen  am  Tage  niedrig  an  vor  Luft- 
zug geschützten  Stellen  mit  flach  ausgebreiteten  Flügeln,  die  Vorderflügel 
nur  ganz  wenig  oder  gar  nicht  zurückgenommen,  dicht  an  die  Unterlage  an- 
geschmiegt. Diejenigen,  die  frei  ruhen,  haben  oft  eine  unscheinbare,  der 
Unterlage  ähnelnde  Färbung  der  Flügeloberseite;  die  etwas  lebhafter  ge- 
färbten begeben  sich  meist  auf  die  Unterseite  der  Blätter.  Nur  wenige 
wickeln  die  Flügel  um  den  Leib  zusammen,  z.  B.  Geo?7ietra  (Chesias)  spar- 
tiata  Füsl.,  welche  so  der  Fruchthülse  der  Besenpfrieme,  an  dem  die  Raupe 
lebt,  ähnlich  wird.  Gleichfalls  nur  ausnahmsweise  werden  die  Flügel  ge- 
hoben, zusammengeklappt  wie  bei  den  Tagfaltern  getragen,  z.  B.  beim 
Kiefernspanner. 

Die  Eier  werden  meist  einzeln  abgelegt,  doch  bilden  hierbei  gerade 
einige  forstschädliche  Arten  Ausnahmen,  wo  wie  z.  B.  beim  Kiefernspanner 
Eizeilen  oder  bei  einem  Frostspanner  Eiringel  vorkommen. 

Die  Raupen  sind  ungesellig.  Ihr  „spannendes"  Fortschreiten  ge- 
schieht so,  daß  der  von  den  Afterfüßen  festgehaltene  Körper  zunächst  lang 


ABC 

Abb.   404.     Flügelgeäder:   A   einer   Geometrine   (Geome/ra  papilio/iaria   L. ),    B   einer 
Larentiine    (Larentia    variata    Schiff.),    C    einer    Boarmiine    (^Boannia    crepiiscularia 

Schiff.). 


II.  Unterordnung:  Rlacrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        459 

vorgestreckt,  dann  mit  den  Brustfüßen 
fixiert  wird;  jetzt  lassen  die  Afterfüße 
los,  und  der  Körper  wird  unter  bogen- 
förmiger Krümmung  so  nachgezogen,  daß 
die  Afterfüße  dicht  hinter  den  Brustfüßen 
angreifen  können  und  der  Leib  eine  enge, 
hohe  Schleife  bildet  (Abb.  405).  Nun 
lassen  die  Brustfüße  wieder  los,  und  der 
Körper  wird  wiederum  nach  vorn  gestreckt 
usf.  In  der  Ruhe,  namentlich  auch  bei 
Störung,  halten  sich  die  meisten  Raupen 
nur  mit  den  Afterfüßen  fest  und  strecken 
den  Körper  schräg  in  die   Höhe,   so  daß 

sie    so   bei    ihrer    unscheinbaren    Färbung  Abb.    405.     Raupe    des    Kiefern- 

sehr    einem    trockenen    Zweige    gleichen.  Spanners    beim   „Spannen". 

Viele   Spannerraupen  sind  in    Farbe  und 

Zeichnung  der  Unterlage  so  ähnlich,  daß  sie  nur  schwer  zu  finden  sind.  Aus- 
wüchse am  Körper  unterstützen  bisweilen  die  Ähnlichkeit  mit  Zweigstückchen. 
Viele  spinnen  sich  bei  Beunruhigung  an  Fäden  herab.  Auch  bei  den  Formen, 
die,  was  allerdings  nur  selten  vorkommt,  drei  oder  vier  Afterfußpaare  haben, 
sind  die  spannenden  Bewegungen  deutlich,  da  die  vorderen  Paare  stets  ver- 
kürzt sind.  Die  Raupen  leben  meist  äußerlich  auf  ihren  Nährpflanzen.  Nur 
wenige  fressen  sich  in  Blütenkätzchen  oder  Samenkapseln  ein.  Eigentliche 
Bohrraupen  kommen  bei  den  Spannern  nicht  vor.  Als  Nährpflanzen  werden 
die  Laubhölzer  bevorzugt,  namentlich  die  strauchartigen.  Eine  Minderzahl 
ist  auf  krautartige  Pflanzen  und  Flechten  angewiesen;  nur  verhältnismäßig 
wenige  leben  auf  Nadelhölzern. 

Die  Verpuppung  erfolgt  teils  ohne,  teils  mit  Gespinst  in  der  Erde 
oder  oberirdisch  in  lockeren  Gespinsten,  selten  ganz  frei  und  ohne  Schutz- 
hülle. 

Die  Flugzeit  der  Spanner  fällt  durchschnittlich  in  die  warmen  Mo- 
nate, und  zwar  meist  in  die  Mittsommerzeit.  Doch  kommen  auch  viele  Aus- 
nahmen vor,  wie  die  Frostspanner,  die  zu  den  spätest  und  frühest  im  Jahre 
fliegenden  Schmetterlingen  gehören. 

Viele  haben  eine  doppelte  Generation,  namentlich  die  als  Puppen  über- 
winternden Arten.  Diese  fliegen  dann  einmal  im  Frühjahr  und  einmal  im 
Sommer.  Nach  Werneburg  überwintern  von  den  einheimischen  Arten 
580/0  als  Puppe,  350/0  als  Raupe,  6,50/0  als  Ei  und  nur  0,50/0  als  Falter. 

Die  Spanner  sind  in  ca.  10  000  Arten  über  die  ganze  Welt  verbreitet, 
wovon  ca.  700  Arten  auf  Europa  entfallen. 

Wirtschaftlich  kommen  nur  wenige  Arten  in  Betracht,  doch 
diese  können  großen  Schaden  verursachen,  sowohl  in  der  Land-  wie  in 
der  Forstwirtschaft.  Es  sei  nur  an  die  Frostspanner  erinnert,  die  jahr- 
aus, jahrein  dem  Obstbau  schwere  Verluste  bringen  und  den  Obstfarmer  all- 
jährlich zu  energischen  Abwehrmaßnahmen  zwingen,  und  sodann  vor  allem 
an  den  Kiefernspanner,  der  unter  den  forstlichen  Großschädlingen  eine 
hervorragende  Rolle  einnimmt  und  durch  dessen  Gradationen  schon  große 
Waldkatastrophen  verursacht  wurden.  Die  anderen  auf  unseren  Waldbäumen 
vorkommenden  Spanner  sind  diesem  gegenüber  forstlich  nur  von  untergeord- 
neter Bedeutung. 


^60  II.  Spezieller  Teil. 

In  systematischer  Beziehung  folgen  wir  hier  Spuler,  der  die 
Familie  der  Geometriden  auf  Grund  des  Flügelgeäders  in  5  Unterfamilien 
einteilt  1),  wie  folgt: 

1.  Hinterflügel  mit  gut  ausgebildeter  m^ 2 

—  Hinterflügel  mit  rückgebildeter   m^   (Abb.  404  C)    ....     Boarmii7iae 

2.  711.2  der  Hinterflügel  entspringt  aus  der  Mitte  des  Querastes.      .     3 

—  m.2  der  Hinterflügel  entspringt  viel  näher  an  Ader   in^  als  an 

W3    (Abb.   404  A) Geometrinae 

3.  sc  der  Hinterflügel  anastomisiert  mit  rr 4 

—  sc  der  Hinterflügel  ist  mit  rr  nahe  der  Basis  durch  einen  kur- 
zen Querast  verbunden OrtIwslixi)iae 

4.  sc  der  Hinterflügel  entfernt  sich  nach  der  Anastomose  sofort 

weiter   von   rr icidaliiiiae 

—  sc  der  Hinterflügel  ist  wenigstens  bis  zur  Zellenmitte  mit  rr 
verbunden    (Abb.  404  B) Lareiitiiiiae 

Die  meisten  der  wirtschaftlich  in  Betracht  kommenden  oder  der  hier 
genannten  Arten  gehören  den  Larentiinen  und  Boarmiinen  an,  nur 
wenige  den  Geometrinen  und  Acidaliinen,  während  die  Orthostixinen  für  uns 
ganz  ausscheiden. 

Übersicht    der   hier   genannten   Arten    in    systematischer   Reihenfolge. 

Geometrinae. 
Geomelra  papilioiiaria  L.     Großer   Birkenspanner.    Laubh. 

Laren  tiinae. 
Cheimatobia  (Operophthera)   boreata    Hb.     Buchenfrostspanner.     Laubh. 

—  —  brumata   L.    Gemeiner    Frostspanner.    Laubh. 
Larenlia  variata  Schiff.    Nadelh. 

—  V    obeliscala  Hb.    Nadelh. 

—  juniperala  L.    Nadelh. 

—  cognala  Thunb.    Nadelh. 

—  hastaia  L.    Laubh. 

—  dilutata   Bkh.    Laubh. 

Eupithecia  (Tephroclystia )  abietaria  Goeze.    Nadelh. 
strobilata  Hb.    Nadelh. 

—  —  lariciaia  Freyer.    Nadelh. 
pusillata   Schiff.    Nadelh. 

—  —  indigata  Hb.    Nadelh. 

—  —  lanceata   Hb.    Nadelh. 

A  c  i  d  a  1  i  i  n  a  e. 
Ephyra  (Codonia)  pendularia  Cl.    Laubh. 

—  —  ptinctaria   L.    Laubh. 

B  o  a  r  m  i  i  n  a  e. 
Abraxas  grossulariala  L.    Stachelbeerspanner.    Laubh. 

—  sylvaia   Scop.    Laubh. 
Deilinia  pusaria  L.    Laubh. 

1)  Die  Spanner  werden  von  Linne,  bei  dem  sie  eine  Abteilung  seiner  Riesen- 
gattung „Phalaena"  bilden,  in  zwei  Abteilungen  gebracht,  je  nachdem  die  Fühler  der 
Männchen  doppelt  gekämmt  sind  oder  nicht.  Er  bezeichnete  diese  Gruppen  aber 
nicht  durch  besondere  Namen,  sondern  gab  den  Artnamen  der  Gruppe  mit  ge- 
kämmten Fühlern  die  Endung  -aria.  denen  der  Gruppe  mit  einfachen  Fühlern,  die 
Endung  -ata.    Diese  Regel   ist   aber  in   der   Folge  vielfach   unbeachtet   geblieben. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        461 

Ellopia  prosapiaria  L.    Nadelh. 

—  V.  prasinaria  Hb.    Nadelh. 
Metrocampa  mar  gart  ta/a  L.    Laubh. 

—  honoraria  Schiff.   Laubh. 
Ennomos  quercinaria  Hfn.    Laubh. 

—  alniaria  L.    Laubh. 

—  erosaria  Hb.    Laubh. 

—  quercaria   Hb.    Laubh. 
Selenia  bilunaria  Esp.    Laubh. 

—  lunaria  Schiff.    Laubh. 

— ■  tetralunaria  Hfn.    Laubh. 

Gonodontis  bidentata  Cl.    Laubh.  und  Nadelh. 

Hinter a  pennaria  L.    Hagebuchenspanner.    Laubh. 

Semiothisa  liturata  Cl.    Veilgrauer  Kiefernspanner.    Nadelh. 

—  notata  L.    Laubh. 

—  alternaria  Hb.    Laubh.  und  Nadelh.  (?). 

—  Signaria   Hb.    Nadelh. 

Hibernia  defoliaria  Cl.    Großer   Frostspanner.    Laubh. 

—  aurantiaria  Esp.    Orangegelber   Frostspanner.    Laubh. 

—  bajaria  Schiff.    Laubh. 

—  marginoria  Bkh.  Laubh. 

—  leucophaearia  Schiff.    Laubh. 

Anisopteryx  aescularia  Schiff.    Roßkastanien-Winterspanner.    Laubh. 

—  aceraria  Schiff.  Laubh. 
Phigalia  pedaria  F.  Laubh. 
Biston  hirtarius  Cl.    Laubh. 

—  pomonarius  Hb.    Laubh. 
Amphidasis  betularia  L.    Laubh. 
Boarmia  ribeata  Cl.    Nadelh.  und  Laubh. 

—  crepttsciilaria  Schiff.    Laubh.  und  Nadelh. 

—  secundaria   Schiff.    Nadelh. 

—  consortaria  F.    Laubh. 

Hematurga  atomaria  L.     Heidekrautspanner.     Heidekraut. 
Bupalus  piniariiis  L.    Gemeiner   Kiefernspanner.    Nadelh. 

Übersicht  der  hier  genannten  Spanner  nach  ihrem  Vorkommen. 
An  Nadelholz. 

An     Nadeln. 
Bupalus  piniarius  L.   (S.  463).    Kiefer   (Fichte,  Wacholder  usw.). 
Ellopia  prosapiaria  L.   (S.  570).    Kiefer,   Fichte   (Tanne,  Wacholder). 
Semiothisa   liturata   Cl.    (S.  575).     Kiefer. 
Laretttia   variata   Schiff.    (S.  582).    Fichte,   Kiefer. 

—  var.  obeliscata   Hb.   (S.  582).    Fichte,   Kiefer. 

—  juniperata   L.    (S.  582).    Wacholder,    Kiefer    (Tanne). 

—  cognata  Thunb.   (S.  582).  Wacholder. 

Eupithecia   lariciata   Freyer.    (S.  583).    Lärche,  Wacholder. 

—  pusillata  Schiff.   (S.  583).    Fichte,   Lärche  und  an  anderen  Koniferen. 

—  indigata  Hb.   (S.  583).    Kiefer,   Lärche. 

—  lanceata   Hb.    (S.  583).    Fichte,   Tanne,   Lärche. 
Semiothisa  signaria  Hb.   (S.  583).   Fichte  u.  and. 
Boarmia  secundaria  Esp.   (S.  583).    Fichte,  Wacholder. 

—  ribeata  Cl.   (S.  583).    Fichte,   Tanne   (auch  auf  Laubholz). 

—  crepuscularia   Schiff.    (S.  583).    Gelegentlich   am    Nadelholz    (Kiefer,    Fichte, 

Tanne),   sonst  Laubholztier. 

—  consortaria  F.  (S.  5831.    Wie  die  vorige. 


462  II.  Spezieller  Teil. 

In  Zapfen. 
Eupithecia  abietaria  Goeze  (S.  577).  Fichte. 
~  strobilata   Hb.    (S.  5771.    Fichte. 

An  Laubholz. 

Cheimatobia   brumata  L.    (S.  589).     Fast   alle   Laubholzarten. 

—  boreata  Hb.  (S.  589).    Buche,  Birke. 

Hibernia  dejoliaria  L.    (L.  597).    An  den  meisten   Laubholzarten. 

—  aurantiaria  Esp.  (S.  597).    Birke. 

—  marginaria  Bkh.   (S.  597).    Eiche,   Birke,  Pappel. 

—  bajaria  Schiff.  (S.  597).    Liguster,  Weißdorn,  Schlehe. 

—  leucophaearia  Schiff.   (S.  597).    Eiche  und  Espe. 
Anisopteryx  aescularia  Schiff.   (S.  597,).    Polyphag  an  Laubholz. 

—  aceraria  Schiff.   (S.  599).    An  verschiedenen  Laubhölzern. 
Phigalia  pedaria  F.  (S.  599).   Wie  der  vorige. 

Larentia  dilutata  Bkh.   (S.  599).    Birke. 

—  hasiala  L.  (S.  607).    Birke. 

Deilinia  pusaria  L.   (S.  601).    Birke,  Erle,  Weide,  Buche,  Eiche,  Aspe. 
Ennomos    quercinaria     Hfn.     (S.  602).      Buche,     Linde,     Hainbuche,     Salweide, 
Obstbäume. 

—  alniaria  L.   (S.  603  1.    Birke,  Linde,  Weide. 

—  erosaria  Hb.   (S.  603).    Birke,  Eiche,  Linde,   Buche. 

—  quercaria  Hb.  (S.  603).    Eiche. 

Selenia   bilunaria  Esp.    (S.  603).    Erle,   Weide,   Linde. 

—  lunaria  Schiff.   (S.  603).    Schlehe,   Linde. 

—  telralunaria  Hfn.  (S.  603).  Hasel,  Erle,  Eiche,  Birke  u.  and. 
Gonodontis  bidentata  Cl.  (S.  603).  Pappel,  Schlehe,  Eiche,  Erle. 
Himeria  pennaria  L.   (S.  603 j.    Polyphag  an  Laubholz. 

Bision  Jiirtarius   Cl.    (S.  604).    Eiche,    Ulme,   Weide,    Pappel,    Obstbäume. 

—  pomonarius    Hb.    (S.  605).     Eiche,    Obstbäume. 

Amphidasis  betularia  L.   (S.  606).    Polyphag  auf  zahlreichen  Laubhölzern. 

Älelroca?npa   margaritota   L.    (S.  607).    Eiche   und   Buche. 

Semiolhisa   nolata  L.    (S.  607).    Birke. 

Boarmia  crepuscularia  Schiff.   (S.  607).    Polyphag  an  Laub-   und   Nadelholz. 

—  ribeata  Cl.   (S.  607).    Wie   der  vorige. 

Ephyra  (Codonia)  pendularia  Cl.   (S.  607).    Birke,   Erle,  Eiche. 

—  punctaria  L.  (S.  607).    Eiche. 

Geometra  papilionaria  L.    (S.  607).    Birke,   Erle,   Buche,   Hasel. 
Abraxas  grossulariata  L.  (S.  607).    Stachelbeere,  Traubenkirsche. 

—  sylvata  Scop.   (S.  608).    LTlme. 

Von  den  hier  angeführten  53  Arten  kommt  nur  wenigen  (im  ganzen  10) 
forstlich  eine  größere  oder  geringere  Bedeutung  zu,  während  die  übrigen  nur 
ganz  gelegentlich  einmal  durch  einen  stärkeren  Fraß  sich  bemerkbar  machen 
oder  nur  als  Begleiterscheinungen  beachtenswert  sind.  Ich  habe  mich 
bei  Auswahl  der  wirtschaftlich  unbedeutenden  Spanner,  die  in  der  Haupt- 
sache Laubholztiere  sind,  vor  allem  an  Ratzeburg  angelehnt.  Die  Liste 
der  auf  forstlichen  Laubbäumen  vereinzelt  vorkommenden  Spanner  hätte  noch 
wesentlich  vergrößert  werden  können;  doch  gehört  dies  nicht  zu  den  Auf- 
gaben eines  forstentomologischen   Lehrbuches. 

Der  folgenden  Besprechung  soll  die  Einteilung  in:  Nadelholz-  und 
Laubholz-Spanner  zugrunde  gelegt  werden.  Wenn  es  auch  einige  Arten 
gibt,  die  von  Laubholz  auch  auf  Nadelholz  übergehen  können,  so  sind  dies 
Ausnahmen.  Die  wirtschaftlich  wirklich  bedeutsamen  Arten  sind  entweder 
ausgesprochene  Nadelholz-  oder  ausgesprochene  Laubholztiere. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (SpannerJ.        463 

A.  Nadelholz-Spanner. 

Hier  kommt  vor  allem  eine  Art  als  Großschädling  in  Betracht:  der 
Kiefernspanner  (Bupalus  piniarius  L.),  dem  auch  weitaus  der  meiste  Raum 
in  dem  Spannerkapitel  gewidmet  ist.  In  Gesellschaft  mit  ihm  treten  bis- 
weilen noch  einige  andere  Spanner  in  den  Kiefernwäldern  auf,  wie  Ellopia 
prosapiaria  L.  und  Semiothisa  liturata  Gl.,  die  aber  bei  weitem  nicht  jene 
Bedeutung  erlangen.  Gegen  den  Kiefernspanner  treten  die  verschiedenen 
anderen  in  Nadelwäldern  noch  anzutreffenden  Arten  in  wirtschaftlicher  Be- 
ziehung ganz  in  den  Hintergrund.  Höchstens  machen  sich  noch  die  beiden 
Zapfenverderber,  Eupithecia  abietaria  Goeze  und  strobilata  Hb.,  auf 
die  erst  in  den  letzten  Jahren  durch  den  Schweden  Spessivtseff  unsere 
Aufmerksamkeit  gelenkt  wurde,  bisweilen  als  recht  schädlich  bemerkbar. 
Endlich  ist  noch  der  Heidekrautspanner,  Hematurga  atomaria  L., 
zu  nennen,  der  indirekt,  als  Parasitenquelle,  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Rolle  im  nützlichen   Sinne  spielt. 

Bupalus  piniarius  L. 

Taf.  VI,  Taf.   VIII,  i  — 12,  Taf.   IX,   Fig.  26. 

Der   gemeine    Kiefernspanner. 

Ratzeburg:  Phalaetta,  Geotnetra  (Fido/iia)  piniaria  L.   —   Nitsche:   Geometra  (Bufa- 

li/s,    Fidonia)    piniaria    L.    —    Altum:    Fidonia    piniaria    L.    —    Nüßlin-Rhumbler : 

Geometra  (Bupalus)  piniaria  L.  —  Wolff-Krauße:  Bupalus  piniarius  L. 

Beschreibung. 
Die  Gattung. 

Die  Gattung  Bupalus  Leach  gehört  zu  den  Boarmiinen,  die  haupt- 
sächlich durch  die  Rückbildung  der  Ader  m2  der  Hinterflügel  charakteri- 
siert sind  (Abb.  406).  Eine  besondere  Eigentümlichkeit  besteht  darin,  daß 
das  cT  an  den  Vorderflügeln,  und  zwar  auf  der  Unterseite  dicht  an  der 
Flügelwurzel,  eine  nackte  Basalgrube  besitzt,  die  zuweilen  etwas  von  der 
Behaarung  der  Flügelwurzel  bedeckt  wirdi);  sie  teilt  dieses  Merkmal  aller- 
dings noch  mit  einigen  anderen  Gattungen  der  Boarmiinen  (wie  z.  B.  mit 
Fidonia  Tr.)2). 

Außerdem  seien  noch  folgende  Gattungsmerkmale  für  Bupalus  an- 
gegeben: Fühler  des  cT  mit  federartig  ausgebreiteten  Kammzähnen,  jene  des 
9  borstenförmig.  Körper,  Beine  und  Palpen  anliegend  beschuppt,  letztere 
ungemein    kurz    und    schwach.     Rüssel    normal.     Hinterschiene    mit    2   Paar 


ij  Über  die  Bedeutung  der  Basalgrube  sagt  Wolf  f:  „Diese  kahle  Basalgrube, 
deren  biologische  Bedeutung  (falls  ihr  eine  solche  überhaupt  zukommt),  noch  ganz 
unklar  ist,  haben  auch  die  Fidonia-IKn&n.  Man  könnte  daran  denken,  daß  die  er- 
wähnte kahle  Grube  eine  Beziehung  zu  der  beim  Kiefernspanner  wohlausgebildeten 
Haftborste  hätte,  indem  dieses  Organ  des  Hinterflügelvorderrandes  sich  dieser 
Grube  anschmiegen  könnte.  Es  ist  aber  nicht  einzusehen,  weshalb  nur  bei  der  Gat- 
tung Fidonia  und  Bupalus  diese  Gabe  entstanden  ist  und  nicht  auch  bei  der 
großen  Zahl  der  übrigen  Spanner,  bei  denen  wir  nur  relativ  selten  diese  Haftborste 
vermissen."  Darum  hält  es  Wolff  nicht  für  wahrscheinlich,  daß  die  Grube  bloß  und 
in  erster  Linie  die  mechanische  Bedeutung  haben  sollte,  der  besseren  Verankerung 
der   Haftborste  zu  dienen." 

")  Fidonia  Tr.  ist  nicht  synonym  mit  Bupalus,  sondern  stellt  eine  eigene  Gat- 
tung dar,  die  sich  unter  anderen  durch  folgende  Merkmale  von  Bupalus  unter- 
scheidet: die  Fühler  des  cT  mit  kurzen  Kammzähnen,  beim  9  schwach  sägeförmig. 
Die  spitzen  Palpen  grobborstig,  hängend,  in  Kopfeslänge  vorstehend,  Rüssel  kräftig. 


464 


II.  Spezieller  Teil. 


Sporne.    Über  das  Flügelgeäder  bringt  Wolff  (S.   14)  eine  sehr  eingehende 
Schilderung,  die  ich  hier  wiedergebe: 

„Vorderf  lügel  (Abb  406):  Ader  sc  weit  hinter  dessen  Mitte,  am 
Anfang  des  äußeren  Drittels  des  Vorderrandes  mündend.  Ein  kurzer  Schräg- 
ast, der  aus  der  Verästelung  des  zweiten  Aderstammes  abbiegt,  tritt  dicht 
vor  dem  Eintritt  von  sc  in  den  Vorderrand  in  diese  ein  und  vertritt  (ganz 
wie  bei  der  Gattung  Hematurga  L.)  den  fehlenden  i.  Ast  des  /•-Aderstammes. 
Vorher,  etwa  der  Mitte  des  Vorderrandes  gegenüber,  eine  ziemlich  breite  Ver- 
schmelzung von  sc  und  dem  Stamm  von  /"o  +  ■''3  +  r^.  Diese  Verhältnisse  sind 
jedoch  sehr  variabel.  Die  Ader  /-g  durch  einen  kurzen  Schrägast  mit  ^5  ver- 
bunden,   /-g   und  r^  mit   langem    Stiel  aus   /g   entspringend."    „Die   Ader   m-^ 

durch  einen  Schrägstrich  mit  /-^  verbunden. 
Die  Stammader  m  rudimentär.  Aus  der 
Hauptader  cu  entspringt  der  cii^  sehr  nahe 
Wg,  mit  dem  er  durch  einen  kurzen  Schräg- 
ast verbunden  ist,  cu^  zeigt  keine  Besonder- 
heiten." Die  Ader  an  ist,  wie  bei  allen 
Spannern,  rudimentär,  c^.v^  ist  gut  ausge- 
bildet, ax.2  dagegen  fast  ganz  rudimentär." 
Hinterflügel:  Die  Ader  sc  nimmt 
dicht  an  ihrem  Ursprung  aus  der  Flügel- 
wurzel den  I.  Ast  der  gegabelt  entspringen- 
den /■- Hauptader  auf."  „Der  andere  Ast 
des  /■- Hauptstammes  nähert  sich  unweit  da- 
von der  Ader  sc  bis  zur  scheinbaren  Be- 
rührung, jedoch  nur  auf  eine  kurze  Strecke 
(Gegensatz  zu  Hematurga  atomaria).  Jen- 
seits der  Querader  entspringt  (am  ausgebil- 
deten Flügel)  aus  der  r- Hauptader  7n^.  Der 
w- Hauptstamm  und  die  als  in  seiner  Ver- 
längerung laufend  zu  denkende  m^  sind  nur 
als  eine  Falte  angedeutet.  Ader  7?i^  liegt 
dieser  Falte  näher  als  diese  der  Ader  m^.  Die  cn^  und  ck^  ohne  Besonder- 
heiten; a/i  sowie  die  kürzere  Innenrandader  ax^  fehlen.  Ihr  Verlauf  wird 
durch  die  Trachee,  die  erhalten  geblieben  ist,  angedeutet." 

Die  Art. 

Taf.  VI,  8    u.    Taf.  VIII,   i  — 12. 

Falter.    Auffallender  Geschlechtsdimorphismus  in   Färbung  und   Fühlerbildung. 

Männchen:  Oberseite  der  Flügel  schwarzbraun  mit  hellen  weißen  oder 
weißlich  gelben  Flecken.  Auf  den  Vo  r  d  e  r  f  1  ü  g  e  In  ist  hell  außer  den  kleinen 
Fransenflecken  am  Außenrand  vor  allem  der  Wurzelteil,  wo  sich  ein  großer  weiß- 
lichgelber, annähernd  dreieckiger  Fleck  befindet.  Dieser  ist  vom  Vorderrand  durch 
einen  schmalen,  vom  Hinterrand  durch  einen  breiteren  dunklen  Saum  getrennt, 
außerdem  durchzogen  von  dunklen  Adern,  die  ihn  in  mehrere  Teile  zerlegen.  Die 
Hinterflügel  zeigen  einen  ganz  ähnlichen  Färbungs-  und  Zeichnungscharakter. 
Nur  ist  der  helle  Wurzelteil  außer  von  den  dunkel  gefärbten  Adern  auch  noch  von 
ganz  dunklen  Querlinien  durchzogen,  so  daß  die  helle  Farbe  weit  mehr  verändert  ist 
als  auf  den  Vorderflügeln.  Die  Unterseite  ist  ähnlich  gezeichnet,  nur  ist  die 
dunkle  Färbung  mehr  braun  als  schwarz,  ferner  sind  die  Spitzen  der  Flügel  mehr 
oder  weniger  hell  beschuppt.  Flügelspanne  30—38  mm.  Fühler  lang,  doppelt 
gekämmt,  dunkel.    Brust  und  Leib  schmal,  dunkel  und  hell  gemischt. 


Abb.  406.    Flügelgeäder  von  Bnpa- 
li/s  piniarius  L.   rf. 


Eschericil,  Foi-stiiisckteii.    lll.  Bd. 


Tafel  17 


Der  Kiefernspanner  und  seine  Bionomie 

1  Ei.  2  Eizelle  an  einer  Kietcrnnadel.  3  Eiräupchen.  4  Raupe  im  driitcn  Siadium.  5  Raupe  im 
fünften  Stadium,  spannend.  6  Puppe.  7  Puppenhülle,  vom  Falter  verlassen.  8a  Männchen. 
Sb  Weibchen  und  8c  Pärchen  in  Kopula.  <)  Fraß  der  Eiraupe  (Kinnenfraßi.  10  Fraß  des  dritten 
bis  fünften  Raupenstadiums  iSrhnrionrrnß).  11  Xadelstiunpf  bei  Kahlfraß.  VI  Stark  befre>^sener 
kiefernzweiff.  1",  Die  Schl';pi  \-,  ,-p>  llcteropclma  calcaior  TIVs///.  14  IDie  Rav,per,flie£rc  Lvdella 
nigripes  Fall.  15  Die  Schlupi  w  lsiv-  Ichneumon  iiig:ritarius  ürav..  Ilauptparasit  des  Kiefernspanners. 
16  Von  einem  Parasiten  befallene  Kielernspannerpuppe.  17  Puppe  vom  Parasiten  verlassen,  mit 
abg^ehobenem  DecUelchen. 
(Nacli  der  Tafel:  Der  Kiefernspanner.   Von  Escherich  und  Ei  d  mann) 


II.  llnterordnung:  Macrolepicloptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        465 

Weibchen:  Färbung  ein  dunkleres  und  helles  Rostbraun.  Die  helleren  Töne 
entsprechen  ungefähr  der  weißlich  gelben  Zeichnung  beim  cf,  und  die  dunkleren 
Töne  der  dunklen  Zeichnung,  doch  tritt  letztere  mehr  zurück,  die  Abgrenzungen  der 
Zeichnung  sind  weniger  scharf,  so  daß  die  Oberseite  im  allgemeinen  rötlich  braun 
erscheint,  mit  Ausnahme  der  Fransen,  die  auch  hier  dunkel  und  weiß  gefleckt  sind. 
Auf  der  Unterseite  zeigen  die  Vorderflügel  die  gleiche  verwaschene  rötlich- 
braune Zeichnung  wie  auf  der  Oberseite,  während  die  Hinterflügel  denen  der  cf  in 
Färbung  und  Zeichnung  annähernd  gleich  sind.  Flügelspanne  32 — 40  mm. 
Fühler  borstenförmig,  gelbbraun,  Brust  und  Leib  etwas  stärker  und  heller. 


Abb.   407.     Stück   einer   Kiefernnadel   mit   Eiern   und   frisch  geschlüpften   Eiräupchen 
\on    ßii flatus   l^iuiariiis    L. 

Färbung  und  Z  e  i  c  h  n  u  n  g  ist  in  beiden  Geschlechtern,  vor  allem  aber 
beim  cT,  ungemein  variabel,  was  zur  Aufstellung  zahlreicher  Aberrationen  ge- 
führt hat.  Letztere  beruhen  einmal  in  der  verschiedenen  Tönung  der  hellen  Farbe 
'weiß,  gelblich,  bräunlich)  und  sodann  in  der  verschiedenen  Verteilung  der  dunklen 
und  hellen  Färbung,  die  einerseits  zur  fast  völligen  oder  völligen  Verdrängung  der 
hellen  Färbung  (ab.  nigricaria  Backh. ),  andererseits  zur  starken  Ausdehnung  der- 
selben führen  kann  (ab.  albidaria  Dziurz.).  Eine  ausführliche  Darstellung  der  euro- 
päischen Formen  des  Kiefernspanners  gibt  Dziurzynski  (1912),  der  17  Varie- 
täten beschreibt   und  abbildet   (s.  Wolff,    1913,   Taf.  I). 

Verschiedentlich  sind  auch  Zwitter  beschrieben,  die  auf  der  einen  Seite 
Fühler  und  Flügelzeichnung  des  cf.  auf  der  anderen  die  entsprechenden  Charaktere 
des  9  zeigen,  was  bei  dem  großen  Geschlechtsdimorphismus  sehr  auffallende  Formen 
ergibt    (vgl.   Wolff,    1913). 

Ei  (Taf.  VI,  Fig.  I.  u.  2).  Hellspangrün  gefärbt,  ohne  auffallende  Skulptur.  Oval 
geformt    (Größe    i  :  1/2  :  V4  mm),   auf  der   Oberseite  dallenförmig   eingedrückt.    Die 


Abb.   408  A.    Raupe,   Zweihäuter,    von   Bupalus  piiiiaritis   L. 

Eier  werden  zellenförmig  aneinandergereiht,  und  zwar  so,  daß  ihre  längste  Achse 
der  Längsachse  der  Nadel  parallel  läuft  (Abb.  407).  Über  die  Veränderung  des 
Eies  während  der  Embryonalentwicklung  s.  unten  S.  477. 

Raupe  (Taf.  VI,  Fig. 3 — 5).  Das  frisch  geschlüpfte  Eiräupchen  ist  3 — 4  mm 
lang,  ungleichmäßig  hellspangrün  gefärbt.  Die  beiden  Bauchfußpaare  fallen  durch 
ihre  kräftige  Entwicklung  auf  (Abb.  407).  Mit  dem  weiteren  Wachstum  geht  die  Farbe 
mehr  in  ein  gelbliches  oder  gräuliches  Grün  über,  während  die  charakteristische 
Längszeichnung  immer  deutlicher  wird.  K.Eckstein  (1893)  liefert  eine  sehr  gute 
Beschreibung  einer  nahezu  ausgewachsenen  (26  mm  langen)  Raupe.  ..Die  Raupe  ist 
Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  30 


466 


II.  Spezieller  Teil. 


blaugrün  (genauer  graugrün  mit  grauer  Schlangenzeichnung,  Nachschieber  etwas 
gelblich  grün).  Der  Kopf  flach,  wird  mit  dem  Untergesicht  vorgestreckt,  also  sehr 
flach  getragen,  blaugrün  mit  drei  breiten  blaßweißen  Streifen,  die  sich 
auf  den  Körper  fortsetzen  (Abb.  408  A),  der  mittlere  wird  auf  dem  etwas  festeren, 
hornigen  ersten  Segment  leuchtend  weiß,  etwas  später  matter,  bekommt  einen  Stich  ins 
Gelbliche  und  wird  nach  hinten  immer  mehr  gelblichweiß,  er  verjüngt  sich  auf  der 
Nachschieberplatte.  Die  beiden  seitlichen  Rückenstreifen  sind  sehr  schmal  gelblichweiß 
und  verlieren  sich  dicht  vor  dem  Nachschieber;  zu  beiden  Seiten  eines  jeden  dieser 
Nachschieber  hat  die  Haut  einen  blauen  Anflug.  Stigmen  rot;  darunter  eine  breite 
gelbe  Binde.  Diese  vor  den  Augen  intensiv  beginnende,  dann  blasse  Binde  setzt  am 
ersten  Brustsegment  mit  leuchtender  Farbe  ein,  ist  auf  den  Brustsegmenten  nach 
Falten  getrennt  gelb  oder  weiß,  am  Abdomen  gelb,  und  setzt  sich  auf  die  Nach- 
schieber fort;  Beine  grün;  Krallen  der  Brustbeine  braun.  Unterseite  weißlich  grün- 
grau mit  drei  gelben  Längsstreifen.  Körper  einzeln  behaart,  z.  B.  jedes  Abdominal- 
segment auf  dem  Rücken  mit  4,  über  dem  Stigma  mit  i  und  unterseits  mit  etwa 
6  schwarzen  Börstchen;  Kopf,  Brust,  Nachschieber  und  Beine  ebenfalls  behaart.  Die 
ruhende  Raupe  legt  die  Haut  in  der  hinteren  Hälfte  der  Segmente  in  unregelmäßige 
Falten." 

Das   auffallendste   Merkmal   der   Kiefernspannerraupe   ist   das    Übergreifen   der 
Längsstreifen  auf  den  Kopf,  wodurch  eine   Unterscheidung  von  der  jungen  Kiefern- 

eulenraupe    ohne    weiteres    gegeben 
ist  (Abb.  408  B  u.  Cj. 

Der  Kot  (Abb.  409)  ist  klein 
und  eckig,  jedes  einzelne  Klümp- 
chcn  aus  noch  deutlich  erkenn- 
baren, fast  unveränderten  kurzen 
Nadelabbissen  unregelmäßig  zu- 
sammengesetzt. 

Puppe.  Die  Größe  der  Spanner- 
puppe schwankt  sehr  stark,  zwi- 
schen II  und  15  mm  (ohne  After- 
griffel gemessen).  Die  Mehrzahl 
mißt  II  — 12  mm,  unter  10  mm 
lange  sind  zu  den  Kümmerformen 
zu  rechnen.  Die  weiblichen  Puppen 
sind  meist  deutlich  größer  als  die 
männlichen.  Die  Geschlechter  lassen 
sich  außerdem  noch  dadurch  unter- 
scheiden, daß  die  Fühlerscheiden 
beim  cf  breiter  sind  als  beim  Q 
und  vor  allem  an  der  .abweichen- 
den Lage  der  Geschlechtsöffnung: 
beim  cf  stellt  dieselbe,  resp.  die 
sie  markierende  Skulptur,  einen 
kürzeren,  auf  einem  mehr  oder 
weniger  deutlichen  Wulst  liegenden 
Spalt  dar,  der  etwa  in  der 
Mitte  zwischen  Segmentgrenze  7/8 
und  der  Afteröffnung  sich  be- 
findet,   beim   9    ist    der    Spalt    viel 

, ,  ,  o  n      T.  7,        ,  T  länger  und  liegt  viel  näher  an  der 

Abb.    408  B.    Raupe    von   Bupuliis    hiiiuiniis    L.  „    '^  ,0  1      ^ 

am   Ki^fernzweig     Man  beachte,   daß   hi^r   die  Segmentgrenze     7/8     uncl     dement- 

Streifenzeichnung    auf    den    Kopf     übergreift,  sprechend    weiter    von    der    Atter- 

im    Gegensatz    zu    der    daneben    abgebildeten  Öffnung   entfernt    (Abb.  410). 

Eulenraupe    Nach  S  e  i  f  f .  Die    Form   der   Puppe    ist    ge- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner j.        467 


drungen,  in  der  Mitte  am  brei- 
testen, nach  dem  Kopf  etwas 
schmäler,  Hinterleib  konisch  zu- 
laufend. A  f  t  e  r  g  r  i  f  f  e  1  kurz, 
p  1  u  m  p  ,  s  t  u  m  p  f  kegelför- 
mig", der  glatte  E  n  d  t  e  i  1 
kürzer  als  die  grob  s  k  u 1 p - 
tierte  Basis  (Abb.  411  Bi. 
Flügelscheiden  bis  über  die  Mitte 
des  Körpers  reichend,  ziemlich 
deutlich  gerippt.  Fühlerscheiden 
deutlich  gegliedert.  beim  n' 
breiter  als  beim  9,  nicht  ganz  bis 
zur  Spitze  der  dicht  zusammen- 
stoßenden Flügel  reichend.  Das 
2.  Fußpaar  überall  der  Rüssel- 
scheide dicht  anliegend,  ohne 
sichtbare  Hüften.  Scheitel  ge- 
rundet. Halsschild  mit  einer  mehr 
oder  weniger  deutlichen  Mittel- 
leiste, vorne  mit  6  Härchen. 

F  ä  r  b  u  n  g  a  n  f  a  n  g  s 
d  u  r  c  h  g  e  h  e  n  d  s  grün;  später 
beschränkt  sich  die  grüne  Fär- 
bung (meist  etwas  dunkler  )  mehr 
und  mehr  auf  die  Flügelscheiden. 
Differentialdiagno- 
stisch sind  noch  einige  andere 
Spannerpuppen  zu  berücksichti- 
gen, die  bisweilen  ebenfalls  in 
größerer  Zahl  im  Kiefernwald 
auftreten  können  und  dann  zu 
Verw^echslungen  mit  der  Kiefern- 
spannerpuppe  Anlaß  geben  können. 

In  erster  Linie  kommt  in  dieser  Beziehung  der  Heidekrautspanner,  Hemalurga 
alomaria  L.  in  Betracht.  Bei  der  letzten  oberpfälzischen  Kalamität  wurde  uns  der- 
selbe massenweise  zusammen  mit  Kiefernspannerpuppen  zugesandt  und  von  den 
Forstbeamten  auch  als  solche  bewertet,  was  mitunter  zu  unnötiger  Besorgnis  Ver- 
anlassung gegeben  hat. 

Die  Unterscheidung  der  beiden  ist  nicht  schwer:  Abgesehen  davon,  daß  Hewa- 
//(V.^tf-Puppen  durchschnittlich  klei- 
ner, nämlich  8 — 12  mm,  sind  (was 
aber  bei  den  starken  Größenschwan- 
kungen der  Bupalus-V\xp\)&  nicht 
viel  zu  sagen  hat),  weichen  sie  in  der 
Gestalt  des  Aftergriffels 
wesentlich  ^•oneinander  ab.  Wäh- 
rend der  glatte  Endteil  des  Kre- 
masters  \on  Bu/^aius.  wie  eben  er- 
wähnt, kurz  und  stumpf  ist,  ist 
derselbe  bei  der  Hema/urga-'PuYipe 
lang,  d  ü  n  n  ,  mehr  cl  o  r  n  f  ö  r  m  i  g 
und  am  Ende  gespalten. 
Außerdem  besitzt  der  rauhe  Basal- 
teil eine  viel  geringere  Ausdehnung 
30* 


Abb.     408  C.      Kieferneulenraupen.      Die     Län^ 
streifen   greifen   nicht   auf   den   Kopf   über. 
Nach   Sei  ff. 


Abb.  409.    Raupenkot  \on  Bi/f^alus  f^i/üarius  L. 


468 


II.  Spezieller  Teil. 


(er  beträgt  etwa  Vf.  des  glatten  Teils),  so  daß  auch  in  solchen  Fällen,  in  denen  der 
lange  Kremaster  abgebrochen  ist,  eine  sichere  Erkennung  der  Heinaturga-V\x^^& 
möglich  ist.  Eidmann  (1925)  bringt  eine  sehr  instrukti\e  Abbildung  dieser 
Unterschiede,   die  ich  hier  wiedergebe   (Abb.  41  n. 

Neben    dem    Heidekrautspanner    werden    nicht    selten    noch    die     Puppen    von 
anderen  Spannerarten  neben  den  i?/('/'«/«.f-Puppen  gefunden,  wie  Ellopia  prosapiarjn  L.. 


?/ 


=^ 

H 

Mter-y^ 
Cremaster 

9    . 
10' 

^After 
Cremaster 

k^9 
10 

A  B 

Abb.  410.     A    Puppe    von    Bupalus    piniarius    L.     B    Hinterhälfte    (Ventralseite  1    der 
Puppe  von  Bup.  piniarius  L.,  a  männlich,  b  weiblich.    Nach  E  i  d  m  a  n  n. 

SemioiJüsa  liturala  Cl.  (blaugrauer  Kiefernspanner)  oder  Boarinia  crepiisciilaria 
Schiff.  Diese  sind  durch  ihre  braune  oder  rotbraune  Farbe  und  ebenfalls  durch 
die  Kremasterform  zu  unterscheiden  (Kremaster  bei  liturata:  höckerig  mit  stumpf - 
gabiiger  Spitze,  bei  crepuscularia:  kegelförmig,gabelspitzig ). 


A  B 

Abb.    411.     Abdominalgriffel    der    Puppe    von:    A    Hematurga    atomaria    L.    (Heide- 
krautspanner),  B   Bupalus  piniarius   L.    Nach   Eidmann. 

Über    das    Aussehen    der    parasitierten    oder    verpilzten    Kiefernspannerpuppen 
siehe  unten  S.  537  und   551. 

Bionomie. 

Fortpflanzung. 

Das   Schlüpfen   der   Falter.    Nach   Schwerdtfeger   (1930)   vollzieht 

sich  das  Schlüpfen  des    Falters  ziemlich  unabhängig  von  der  herrschenden 

Temperatur   und  auch   von    der    Niederschlagsmenge,    wie   aus    beistehender 

Kurve    (Abb.    412)    zu    ersehen    ist^).     Dieselbe    zeigt    gleichzeitig,    daß    die 

1)   Allerdings  hat  es  bei  der  Betrachtung  derselben  zunächst  den  Anschein,  als 
ob  der  jähe  Absturz,  der  nach  dem  Höhepunkt   der  Kurve  folgt,  im  Zusammenhang 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner 


469 


Schlüpf  kurve  von  Männchen  und  Weibchen  sich  verschieden  verhält:  Bei  den 
Männchen,  die  auch  früher  erscheinen,  steigt  die  Kurve  nach  einiger  Zeit 
schwächeren  Schlüpfens  plötzlich  stark  an,  bleibt  einige  Zeit  auf  der  er- 
langten Höhe,  um  ebenso  plötzlich  wieder  abzufallen,  während  die  Schwan- 
kungen beim  Weibchen  bei  weitem  nicht  so  groß  sind  und  das  Schlüpfen 
also   viel  gleichmäßiger  erfolgt 2). 

Falterflug.  Die  Flugzeit  des  Spanners  ist  von  auffallend  langer  Dauer. 
Sie  beginnt  gewöhnlich  im  Mai  —  vereinzelte  Falter  fliegen  (bei  entsprechen- 
der Witterung)  schon  im  April  —  erreicht  im  Juni  den  Höhepunkt,  dauert 
bis  tief  in  den  Juli  hinein,  um  im  August  zu  enden,  mitunter  kann  man  sogar 
noch  im  September  die  letzten   Falter  beobachten. 

Hier  spielen  die  Witterungsverhältnisse  eine  bestimmende  Rolle,  worauf 
alle  Autoren  hinweisen.  In  der  neueren  Zeit  wurden  diese  Zusammenhänge 
vonM.Wolff  (191 2)  und  besonders  eingehend 
von  F.  Eckstein  (1923)  behandelt.  Natürlich 
ist  für  den  Flugtermin  der  Beginn  und  die 
Dauer  des  Puppenstadiums  von  aus- 
schlaggebender Bedeutung.  Ratzeburg  führt 
das  außerordentliche  Schwanken  des  Flug- 
termins auf  die  frühere  oder  spätere  Beendi- 
gung des  Fraßes  und  auf  die  A'erschiebungen 
der  Verpuppung  im  vorhergehenden  Herbst 
zurück.  Nach  Wolff  (1912)  ist  es  vor  allem 
„die  intensivere  oder  geringere  Durchwärmung 
der  Puppen  im  Winterlager",  durch  die  die 
Schwärmzeit  beeinflußt  wird.  „Böden  mit  ge- 
ringer Schneedecke  tauen  früher  auf,  werden 
im  Frühjahr  intensiver  durchwärmt  als  solche 
mit  stärkerer  Schneedecke.  Auch  die  Schwan- 
kungen in  der  Bestandesdichte  wirken  in  die- 
sem Sinne.  So  berichtet  die  Oberförsterei  Reh- 
berg: ,,In  lichten  Beständen,  wo  die  Schneedecke  entfernt  war,  flog  der 
Spanner  zuerst,  es  folgten  die  beharkten  dichteren  Abteilungen,  später  zeigte 
sich  der  Flug  auf  den  nicht  beharkten  Flächen,  und  zwar  hiervon  besonders 
spät  in  Beständen  mit  dichtem  Wacholderunterwuchs.  Zuletzt  flog  der 
Spanner  in  dichten  jungen  Stangenorten"  (Wolff). 

Auch  kaltes,  regnerisches  Wetter  kann  den  Beginn  der 
Flugzeit  hinausschieben,  indem  dadurch  die  ausgeschlüpften  Falter 
am  Flug  verhindert  werden.  Der  Falter  scheint  überhaupt  recht  empfindlich 
gegen  Witterungseinflüsse  zu  sein,  indem  plötzlich  eintretende  niedere  Tem- 
peraturen während  der  Flugzeit  das  Schwärmen  unterbrechen,  ja  zuweilen 
sogar  coupieren  können.  Ebenso  schwarmunterbrechend  können  starke  Regen- 
güsse wirken.  Nach  zahlreichen  Berichten  sind  verschiedentlich  durch  starke 
Gewitterregen  große  Faltermengen  vernichtet  worden,  so  daß  das  Schwärmen 


30.1.        5. 
Juli 

Abb.   412.    Schlüpfkurve.   Nach 
S  c  h  w  e  r  d  t  f  e  g;  e  r. 


stünde  mit  dem  Abfall  der  Temperatur.  Das  ist  jedoch  nicht  der  Fall,  denn  die 
Abnahme  im  Ausschlüpfen  beginnt  schon  am  20.  Juni,  während  die  Temperatur  am 
gleichen  Tage  noch  steigt   und  erst   am  21.   erheblich  sinkt. 

-)  Die  hier  angegebene  Temperaturkurve  bezieht  sich  nicht  auf  die  Boden- 
temperaturen, worauf  ich  besonders  hinweisen  möchte  im  Hinblick  auf  die  unten 
angegebene  Schlüpf  kurve  der  Eule. 


470  II.  Spezieller  Teil. 

aufhörte  und  Kalamitäten  ihr  vorzeitiges  Ende  fanden.  So  erklärt  auch 
Trägärdh  (1919b)  die  geringe  Eizahl  nach  vorhergegangenen  ungeheuren 
Schwärmen  im  Jahre  191 6  damit,  daß  während  der  Schwärmzeit  mehrere 
Wolkenbrüche  (bei  einem  einzigen  Schauer  fielen  62  mm  Regen)  nieder- 
gegangen sind,  durch  die  die   Falter  massenhaft  getötet  wurden. 

Allerdings  sind  solche  Fälle  nicht  die  Regel,  und  es  wäre  ein  schwerer 
Fehler,  wenn  der  Praktiker  sich  auf  die  Hilfe  derartiger  Naturereignisse 
verlassen  wollte.  Es  gibt  mindestens  ebenso  viele  Berichte,  die  ein  Weiter- 
gehen der  Kalamität  trotz  heftigster  Gewitterregen  während  der  Flugzeit 
melden.  (F.  Eckstein,  1923,  S.  266.)  ,,Die  Falter,  die  durch  Regen 
heruntergeschlagen  worden  waren  und  in  großer  Zahl  scheinbar  als  tote 
Tiere  den  Boden  bedeckten,  haben  sich  nach  einiger  Zeit  wieder  erholt"  — 
oder  ,, trotz  fortwährender  heftiger  Gewitterregen  und  trotzdem  diese  starke 
Verheerungen  unter  den  schwärmenden  Faltern  angerichtet  zu  haben  schienen, 
haben  die  nachfolgenden  Untersuchungen  einen  überaus  starken  Eibelag  er- 
geben". Solche  und  ähnliche  Bemerkungen  kann  man  immer  wieder  in  der 
Literatur  oder  den  Akten  finden. 

Jucht  (1.  c.)  berichtet  hierüber  folgendes: 

„Am  30.  Mai,  2.  und  3.  Juni  1913  gingen  abends  heftige  Gewitter-  und  Platz- 
regen über  den  Forst;  die  Hoffnung,  sie  möchten  den  Faltern  geschadet  haben,  hat 
sich  nicht  erfüllt.  Am  sonnigen  Vormittag  des  4.  Juni  (10 — 12  Uhr)  schwärmte  der 
Falter   ungewöhnlich  stark." 

„Beschädigte  Falter  wurden  in  bemerkenswerter  Anzahl  nicht  gefunden.  Es 
mag  sein,  daß  auf  baumkronenfreien,  ungeschützten  Wegflächen  Schmetterlinge 
durch  den  Niederprall  starker  Regengüsse  zu  Boden  gequetscht  werden.  Im  Innern 
der  Bestände  aber  schwächt  das  Kronendach  und  etwa  vorhandener  Unterwuchs  die 
Wucht  des  Regens  zu  sehr  ab,  als  daß  die  Schmetterlinge  auf  weichem  Streupolster 
oder  gar  in  schützendem  Beerenkraut-  oder  Heidewuchs  in  Massen  vernichtet  würden. 
Zudem  ist  der  Schmetterling  sehr  zählebig.  Er  erholt  sich  selbst  von  starken  Quet- 
schungen des   Thorax  wieder." 

,,Vom  6.  Juni  1913  abends  10  Uhr  bis  zum  Abend  des  nächsten  Tages  regnete 
es  im  Dürrnbucher  Forst  unaufhörlich.  Die  Falter  krochen  am  Boden  umher,  nahm.en 
aber  keinen  sichtlichen  Schaden." 

„Am  14.  Juni  1914  trat  zur  Hauptflugstuncle,  etwa  3  Uhr  nachmittags,  ein 
starker  Gewitterregen  ein.  Große  Mengen  von  Faltern  wurden  zu  Boden  gedrückt, 
ein  Teil  kam  in  Pfützen  um.  Es  wurden  jedoch  QQ^/o  Männchen  und  nur  1 0/0  Weib- 
chen  gezählt." 

Der  Kiefernspanner  ist  ausgesprochen  protandrisch,  d.h.  zuerst  er- 
scheinen die  cf  cf,  die  also  das  Schwärmen  einleiten;  erst  einige  Tage 
später  die  99,  anfangs  vereinzelt,  dann  allmählich  immer  mehr  an  Zahl  zu- 
nehmend, doch  in  der  Regel  die  Zahl  der  cfcf  nicht  erreichend.  Das  Ve  r  - 
hältnis  der  beiden  Geschlechter  scheint  stark  zu  schwanken,  wenig- 
stens lauten  die  Angaben  der  verschiedenen  Autoren  sehr  ungleich:  Nach 
Bernas  wurden  aus  200  Puppen  nur  18  weibliche  und  182  männliche  Falter 
gezogen,  des  weiteren  aus  7  Proben  von  je  100  Puppen  durchschnittlich 
230/0  99;  Wolff  beobachtete  60 — 700/0  cfcf;  nach  F.  Eckstein  und 
Nitsche  (1896)  ergaben  verschiedene  Zuchten  ein  annähernd  gleiches 
Zahlenverhältnis  (43  cTcT  und  40  99,  oder  37  cfcf  und  32  09  usw.).  Nach 
Schwerdtfeger  (1930)  betrug  das  Zahlenverhältnis  von  cfcf  zu  99  36:37. 

Der  Spanner  ist  ein  Tagtier,  sein  Hauptflug  fällt  in  die  Vormittags- 
stunden zwischen  9 — 11   Uhr;  auch  nachmittags  zwischen  2  und  6  Uhr  kann 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoplera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        471 

man  oft  wieder  zahlreiche  Falter  schwärmen  sehen.  Nach  Jucht  (1925) 
dauert  die  Flugzeit  täglich  gewöhnlich  etwa  3  Stunden.  „Bei  heiteren, 
sonnigen  Vormittagen  begann  der  Flug  etwa  um  9 — 10  Uhr  und  dauerte  bis 
12— I  Uhr.  Kühle  Morgentemperatur,  Regen  oder  sonstige  Wetterungunst 
verzögerte  den  Vormittagsflug,  dann  sah  man  noch  tief  in  den  Nachmittag 
hinein  schwärmende  Falter."  „Nach  etwa  3  stündigem  Fluge  setzte  sich  der 
Falter,  auch  das  lebhafteste  cf,  zur  Ruhe."  Die  stärksten  Schwärme 
finden  an  sonnigen  Tagen  statt.  „Tage  mit  schwachem  Wind  bei  gleich- 
zeitigem Sonnenschein  brachten  die  stärksten  Flüge  in  dichten  Schwärmen 
über  weite  Bestandsflächen  hin."  An  warmen  und  schwülen  Tagen,  besonders 
auch  vor  Regen,  flogen  die  Falter  truppweise,  anfänglich  am  Boden  und 
erhoben  sich  allmählich  zur  Höhe  der  Schäfte  und  Kronen,  diese  besonders 
an  der  besonnten  Seite  umtanzend." 

Es  sind  in  der  weitaus  größten  Mehrzahl  die  Männchen,  die  sich  an 
diesen  Tagesflügen  beteiligen,  während  die  gg,  wenigstens  tagsüber,  viel 
träger  sind  und  meist  ruhig  in  den  Baumkronen  oder  auch  im  Unterwuchs 
sitzen. 

Die  Flugart  ist  unruhig  und  rasch  und  wird  von  verschiedenen  Autoren 
a]3,,taume  Ind"  bezeichnet,  d.  h.  die  Flugbahn  folgt  nicht  einer  bestimmten 
Richtung  in  gerader  Linie,  sondern  gaukelt  unruhig  hin  und  her,  auf  und 
nieder.  Doch  sind  die  Tiere,  wie  Wolf  f  bemerkt,  in  ihrem  taumelnden  Flug 
durchaus  nicht  „steuerlos",  sie  können  vielmehr  Hindernissen  recht  gut  aus- 
weichen und  sind  daher  auch  gar  nicht  so  leicht  mit  dem  Netz  zu  fangen. 
Beim  Aufsteigen  vom  Boden  in  die  Krone  sollen  die  Falter  gewöhnlich  in 
Spirallinien  um  den  Stamm  fliegen  (Spul er). 

Das  Schwärmen  findet  meist  ziemlich  hoch  in  der  Kronen- 
r  e  g  i  o  n  statt  oder  auch  unterhalb  derselben  (wohl  in  Abhängigkeit  von  der 
Witterung,  Bewölkung  usw.).  Wenn  in  der  Literatur  des  öfteren  von  einem 
Schwärmen  der  Falter  dicht  über  der  Bodendecke  berichtet  wird,  so  liegen 
wohl  auch  Verwechslungen  mit  anderen  Spannerarten  (Heidekrautspanner 
usw.)  vor.  Und  wenn  Knauth  berichtet,  daß  zwischen  j^/.^ — S^/,  vormittags 
eine  große  Anzahl  der  cfcf  und  wahrscheinlich  fast  alle  99  an  den  Gräsern 
und  Forstunkräutern  oder  auf  und  in  der  losen  Streudecke  sitzen,  um  etwa 
von  9  Uhr  ab  sich  vom  Boden  zu  erheben,  anfangs  in  etwas  schwerfälliger 
Weise,  dann  aber  in  raschem,  taumelndem  Fluge  der  Baumkrone  zueilen,  um 
das  Schwärmen  zu  beginnen,  so  meint  Wolff,  daß  es  sich  „sicherlich  um 
eben  in  den  frühesten  Morgenstunden  ausgeschlüpfte  und  schon  zur  Flügel- 
entfaltung gelangte  Falter  handelte".  Es  kommt  allerdings  auch  vor,  daß  die 
cfcf  von  der  Krone  herunterkommen,  um  mit  eben  ausgeschlüpften  09  zur 
Kopula  zu  schreiten.  Auch  durch  regnerisches  Wetter  werden  die  Falter  zu 
Boden  gedrückt;  sie  halten  sich  dann  auf  den  Gräsern  und  Beerenkräutern 
auf.  „Mitunter  ballen  sich,  namentlich  gegen  Abend,  die  Männchen  auf  dem 
Boden  zu  förmlichen  Klumpen  zusammen"  (Nitsche).  „Sonst  bemerkt  man 
nur  noch  dann  den  Kiefernspannerfalter  am  Boden,  wenn  das  altersschwache 
Tier,  gewöhnlich  kurze  Zeit  nach  Beendigung  seiner  geschlechtlichen  Auf- 
gaben, matt  und  dem  Tode  nahe,  unfähig  ist,  sich  im  gewohnten,  lebhaften 
Fluge  noch  in  der  Luft  zu  halten"   (Wolff). 

Der  Spanner  meidet  für  gewöhnlich  zugige  Bestandsränder  und 
der  Wetterseite  zu  liegende  Gestellgrenzen.  „So  lebhaft  bei  schönem  Wetter 
sein  Flug  ist,  ein  Bild  der  Unrast,  so  wenig  ist  er,  wie  alle  seine  gleichfalls 


47: 


II.  Spezieller  Teil 


fast  immer  sehr  grazil  gebauten  P'amiliengenossen,  imstande,  einem  auch  nur 
mäßigen  Luftzug  Trotz  zu  bieten"  (Wolff).  Daher  findet  das  Schwärmen 
in  der  Hauptsache  im  geschützten  Innern  geschlossener  Bestände  statt; 
vielleicht  läßt  sich  darauf  (außer  auf  Bodenverhältnisse)  auch  die  häufig 
gemachte  Beobachtung  zurückführen,  daß  in  den  lichteren,  viele  Bestands- 
abwechslungen zeigenden  kleinen  bäuerlichen  Waldungen  meist  weit  weniger 
Falter  schwärmen  als  in  den  geschlossenen  Waldteilen  der  Staatswaldungen. 
Ausnahmen  kommen  auch  hier  vor,  wie  z.  B.  F.  Eckstein  (1923,  S.  267; 
aus  Kosbach  berichtet,  wo  „die  Falter  auch  an  ungeschützten,  selbst  vom 
Wind  stark  bestrichenen  Waldsäumen  und  isolierten  kleinen  Feldgehölzen 
flogen,  während  sie  im  Jahr  vorher  nur  im  Innern  der  geschlossenen  Wal- 
dungen sich  hielten"  —  allerdings  handelte  es  sich  hier  wie  auch  bei  anderen 
derartigen  Beobachtungen  fast  stets  um  spätere  Jahre  einer  Kalamität.  Der- 
selbe Autor  macht  uns  mit  einer  anderen  Beobachtung  (des  Forstamtes  Bam- 
berg) bekannt,  wonach  der  Falter 
an  windigen  Tagen  die  durch  Unter- 

/M^  wuchs      geschützten      Bestandesteile 

-^BRfc  aufsuchte  und  zahlreich  den  Fichten- 

unterstand umschwärmte  1).  Daß  die 
Falter      Wälder      mit      reichlichem 

/£^     ^RQI^Bl  Unterwuchs     meiden,     wie     manche 

mK     si^^Swfl^  Autoren  angeben,  trifft  in  der  Regel 

Mr^^I^J^^^^^^         ^^  nicht  zu^). 

Daß  Lichtquellen  die  Span- 
ner, die  mit  Vorliebe  in  hellem 
Sonnenschein  fliegen,  am  Abend 
weniger  anziehen  als  z.  B.  die  Noni:ie 
und  andere  nächtlich  fliegende 
Falter,  kann  nicht  sonderlich  wun- 
dernehmen. Dennoch  bleiben  auch 
die  Spanner  auf  sehr  starke  Licht- 
quellen nicht  vollkommen  reaktions- 
los, was  die  Mitteilungen  N  i  t  s  c  h  e  s 
(1896)  beweisen,  daß  am  Bahnhof 
Nürnberg  am  g.  Juni  ein  starkes  Schwärmen  des  Spanners  um  die  elek- 
trischen Lampen  bemerkt  wurde  und  daß  er  selbst  „am  18.  Juni  an  einer 
elektrischen  Bogenlampe  auf  dem  Balkon  des  Hotels  Kaiserhof,  also  mitten 
in  der  alten  Stadt,  eine  große  Ansammlung  von  Kiefernspannern,  und  zwar 
vorzugsweise  Weibchen  beobachtet  hat".  Auch  F.  Eckstein  !!923. 
S.  258)  berichtet  einen  ähnlichen  Fall:  ,,In  der  Stadt  Erlangen,  3 — 4  km  vom 
Staatswald   entfernt,   zeigten   sich   in   der    Zeit   vom    18. — 20.   Juni    1895    auf- 


Abb.  413.    Ein  Pärchen  des  Kiefernspanners 
in    Kopula.     Nach    S  e  i  f  f . 


1)  Daß  durch  starke  Winde  während  der  Flugzeit  kleine  Verwehungen  statt- 
finden können,  scheint  außer  Zweifel,  „doch  betreffen  diese  meist  nur  die  o^cT»  tla 
die  (^r:^  an  windigen  Tagen  mehr  im  Innern  der  Krone  sich  aufhalten".  Scliwcrdt- 
fcger  berichtet  von  Verwehungen  bis  zu  3  km. 

-)  Eine  merkwürdige  gegenteilige  Beobachtung,  deren  Erklärung- bis  heute  aus- 
steht, machte  Wolff  bezüglich  Wacholderunterwuchs:  ,,Von  zwei  ganz  vereinzelt 
dastehenden  Fraßherden  abgesehen,  waren  Bestände  mit  dichtem  Wacholderuntcr- 
wuchs  vom  Spanner  überhaupt  nicht  befallen,  so  daß  sie  für  das  Puppcnsammeln 
ganz  ausscheiden  konnten." 


II.  Umerordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        473 


fallend  viele  und  namentlich  weibliche  Falter,  welche  des  nachts  die  elek- 
trischen  Bogenlampen   und   Gaslaternen  umschwärmten." 

Begattung,  Eiablage  und  Eientwicklung.  Die  Kopula  findet  bald  nach 
dem  Schlüpfen  (nach  Seh  we  r  dt  feger  nach  24  Stunden)  statt,  und  zwar 
am  Tage  auf  den  Nadeln  oder  Zweigen  sitzend.  Die  Köpfe  sehen  dabei  in 
direkt  entgegengesetzter  Richtung,  die  Flügel  wie  in  der  Ruhestellung  auf- 
gerichtet bzw.  nach  oben  zusammengeklappt  (Abb.  413).  Die  Dauer  der 
Kopula  beträgt  mehrere  Stunden. 

Innerhalb  weiterer  48  Stunden  nach  der  Kopula  (Seh wer dtf eger) 
findet  die  Eiablage  statt,  normalerweise  in  der  Krone.  Die  Frage,  ob 
hierbei  besondere  Partien  bevor- 


It 


zugt  werden,  findet  in  der  Lite-  *     '\^.    '•  * 

ratur  eine  recht  verschiedene  Be-  ^ 

antwortung.  Nach  Wolff  findet 
die  Eiablage  gewöhnlich  nur  in 
den  höchsten  Teilen  der  Krone 
statt.  Kolster  (1927)  fand  die 
größte  Zahl  der  Eier  in  der 
Kronenmitte ;  nach  Seh  w  e  r  d  t  - 
feger  findet  die  Eiablage  ohne 
erkennbare  Regel  statt  (nur  den 
unteren  Teil  der  Krone  scheinen 
die  Weibchen  bei  der  Eiablage 
etwas  zu  meiden).  Ähnliches  be- 
richtet Heß  (1S64),  der  die  Ei- 
ablage diffus  über  die  ganze 
Krone  verteilt  an  fast  sämtlichen 
Nadeln  stattfinden  läßt,  wogegen 
Knauth  (1895)  die  Hauptmasse 
der  Eier  im  unteren  geschützten 
Teil  der  Krone,  hin  und  wieder 
in  dem  inneren  Kronenraum  fest- 
gestellt hat.  Ob  hier  äußere 
Faktoren  (Witterungsverhältnissc, 
Alter  der  Bäume,  Lage  und  Form 
der  Bestände)  einen  Einfluß  auf 
die  Verteilung  der  Eier  in  der 
Krone  ausüben,  muß  in  Zukunft 
noch  geklärt  werden.  Der  Um- 
stand, dafi  der  Fraß  häufig  von 
oben  nach  unten  fortschreitet, 
spricht  dafür,  daß  auch  die  Eier, 
wenigstens  zu  Anfang  einer 
Gradation,  gewöhnlich  in  den  obersten  Kronenpartien  abgelegt  werden i). 
Bezüglich  der  diffusen  Verteilung  ist  an  die  ganz  allgemein  zu  beob- 
achtende Erscheinung  zu  erinnern,  daß  bei  fortschreitenden  Massenvermeh- 


Abb 


414- 


Eiablage    an    einer    jungen    Nadel 
eines   frischen   Triebes. 


')  Seeling  (Ratzeburg,  \V.  166!  berichtet  wieder  das  Gegenteil;  nach 
ihm  „beginnt  der  Fraß  auf  den  unteren  und  inneren  Ästen  und  erweitert  sich  all- 
mählich nach  den  äußeren  Rändern  der  Krone,  um  in  der  Spitze  zu  enden,  welche 
am  längsten  grün  bleibt". 


474 


IL  Spezieller  Teil. 


Abb.  415.    Eiablagen  an  befressenen  Nadeln:   sowohl   an   den   unbefressenen,   grünen, 
basalen   Hälften,   als   auch   an   den  befressenen,    braunen    Hälften.     Im    Freiland   ge- 
sammelt. 


rungen  die  gg  ihre  Eier  mehr  oder  weniger  walillos  überall  ablegen,  wo  Platz 
ist.  Daß  ungünstige  Witterung  auf  die  Wahl  des  Ortes  der  Eiablage  ein- 
wirken kann,  scheint  aus  den  Angaben  Ratzebu rgs  (W.  I,  167)  hervor- 
zugehen, wonach  im  Gefolge  eines  durch  unnatürliche  Witterung  veranlaßten 
Fluges  Eier  auch  auf  Unterholz  abgelegt  waren.  Ja,  nach  Nitsche 
(1896)  wurden  ,,im  Forstamt  Allersberg  bei  regnerischem  Wetter  auch  an 
dem  Beerenkraut  und  an  der  Rinde  der  unteren  Stamm  teile 
abgelegte  Eier  bemerkt". 

Daß  die  Weibchen  bei  der  Eiablage  ein  bestimmtes  Alter  der  Bäume 
bevorzugen,  trifft  nicht  zu;  sie  belegen  ebensowohl  Stangenholz  wie  Altholz 
und,  wenigstens  bei  Massenvermehrungen,  auch  Schonungen. 

Die  Eiablage  findet  an  die  Nadeln,  und  zwar  deren  Unterseite 
statt.  In  der  Regel  werden  nur  die  alten  Nadeln  belegt.  Ganz  selten 
konnten  wir  an  jungen  Nadeln  frischer  Triebe  Eier  finden  (Abb.  414),  es 
handelte  sich  in  diesen  Fällen  stets  um  wiederbegrünte,  im  vergangenen  Jahr 
kahlgefressene  Kiefern.  Ähnliches  hat  schon  Nitsche  (1896)  beobachtet. 
An  befressenen  Nadeln  werden  meist  die  stehengebliebenen  basalen  Stumpfe 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        475 


belegt,  doch  konnten  wir  auch  an  den  braunen  Endstücken  Eizellen  entdecken 
(Abb.  415). 

Das  9  nimmt  Ijei  der  Eiablage  (nach  Beobachtungen  im  hiesigen  In- 
stitut) in  der  Regel  verschiedene  Stellungen  ein:  entweder  sitzt  es  auf  der 
Nadel  oder  aber  es  hängt  an  der  Nadel,  die  Beine  nach  oben,  das  Abdomen 
nach  unten  gerichtet.  Im  ersteren  Fall  biegt  es  das  Abdomen  um  die  Nadel 
herum,  um  mit  dessen  Spitze  auf  die  Unterseite  der  Nadel  zu  gelangen,  im 
letzten  Fall  wird  dies,  wo  die  Nadel  eine  normale  Stellung  hat,  durch  ein 
einfaches  Aufwärtsbiegen  des  Abdomens  erreicht;  wo  die  Nadel  da- 
gegen gedreht  ist,  so  daß  die  Unterseite  nach  oben  gekehrt  ist,  so 
wird  das  Abdomen  in  gleicher  Weise  wie  im  ersten  Fall,  hier  aber  natür- 
lich nach  oben  um  die  Nadel  gebogen,  um  die  Eier  auf  die  nach  oben 
liegende  Unterseite  zu 
bringen  1). 

Die  einzelnen  Eier 
Averden  in  Pausen  von 
iS — 30,  im  Durchschnitt 
von  25  Sekunden  abge- 
legt. Es  wird  damit  am 
Spitzenteil  der  Nadel 
begonnen.  Nach  der  Be- 
festigung des  ersten  Eies 
geht  das  9  in  die  Ruhe- 
stellung zurück,  um  nach 
einer  kurzen  Pause  in 
der  gleichen  Weise  das 
zweite  Ei  abzulegen.  Die 
Abdomenspitze  berührt 
beim  Austritt  desselben 
die  Nadel  meist  i — 2  mm 
vom  ersten  Ei  entfernt, 
rutscht  dann  mit  dem 
deutlich  sichtbaren  Ei 
die  Nadel  entlang,  bis 
dieses  am  ersten  Ei  an- 
stößt, wo  es  befestigt 
wird.  Nun  geht  das  o 
wieder  in  die  alte  Stel- 
lung zurück  und  es  wie- 
derholt sich  der  gleiche 
Vorgang  wie  beim  zwei- 
ten Ei  bei  allen  weiteren 
Eiern.  Während  des 
Eierlegens  ist  beim  o 
eine  deutliche  Unruhe 
(Zittern)  zu  merken 
(Seiff,  1928). 


Abb.   416.     Kiefernspanner-Weibchen   bei    der   Eiablage 
(in  Gefangenschaft).    Die  große  Zahl  der  Eier  in  den 
Eizellen  ist  eine  Folge  der  Beengung 
Schaft. 


in  der  Gefangen- 


i|    Nach   Kolstcr    (1927)    saßen   25« 
und   75 o/o    an   der    Unterseite. 


der   Eier   an   der   Oberseite    der    Nadel 


476  II.  Spezieller  Teil. 

Die  ,,Zeilen"  können  von  verschiedener  Größe  sein;  man  hat  solche  mit 
nur  3,  andererseits  aber  solche  mit  30  Eiern  beobachtet.  Letztere  Zahl  dürfte 
allerdings  die  oberste  Grenze  darstellen,  in  der  Regel  bestehen  die  Zeilen  aus 
5 — 12  Eiern.  Schwerdtfeger  (1930a)  fand  i — 26  Eier  auf  einer  Nadel 
und  errechnete  als  Durchschnitt  7  Eier.  Die  Eizellen  zeigen  bisweilen  Unter- 
brechungen in  der  Weise,  daß  einige  (2 — 6)  Eier  mit  leeren  Zwischenräumen 
abwechseln.  Aus  solchen  Fällen  gleich  ohne  weiteres  auf  Degenerations- 
erscheinungen schließen  zu  wollen,  ist  unberechtigt  i).  Es  können  für  die 
normale  Fortpflanzung  völlig  belanglose  Faktoren  (Witterungsverhältnisse 
während  der  Eiablage!)  Ursache  der  Unterbrechung  sein,  wenn  nicht  die 
Lücken  einfach  durch  Abspringen  einzelner  Eier  aus  der  Reihe  ent- 
standen sind.  Der  Kitt,  mit  dem  die  Eier  an  der  Nadel  befestigt  werden, 
wird  sehr  schnell  „in  einem  solchen  Maße  glasartig  spröde,  daß  die  Eier  bei 
einer  einigermaßen  unvorsichtigen  Berührung  von  der  Nadel  abspringen" 
(Wolff)-).  Auch  Jucht  sucht  das  starke  Mißverhältnis,  das  oft  zwischen 
der  festgestellten  geringen  Eizahl  und  der  später  \orhanclenen  überraschend 
großen  Raupenzahl  besteht,  zum  Teil  damit  zu  erklären,  daß  ,, infolge  reg- 
nerischen Wetters  zur  Zeit  der  Eiablage  die  Nadeln  befeuchtet  waren,  die 
Eier  nur  schlecht  daran  klebten  und  bei  der  Erschütterung  durch  den  Auf- 
schlag der  Krone  des  gefällten  Untersuchungsbaumes  absprangen"  3). 

Für  gewöhnlich  findet  man  nur  eine  Eizelle  an  einer  Nadel;  doch 
kommen  auch  zuweilen,  mitunter  auch  häufiger  (Kolster  1927),  zwei  Ei- 
zellen an  der  gleichen  Nadel  vor,  die  wohl  von  verschiedenen  gg  herrühren 
(Nitsche).  In  solchen  Fällen  konnte  Kolster  als  Höchstzahl  75  Eier  an 
I   Nadel  feststellen. 

Was  die  Fruchtbarkeit  des  Spanners  anbetrifft,  so  steht  diese  den 
anderen  Großschädlingen  (Eule,  Nonne  usw.)  wesentlich  nach.  Die  Angaben 
über  die  Zahl  der  von  einem  o  abgelegten  oder  im  geöffneten  Hinterleib  in 
den  Ovarien  vorhandenen  Eier  gehen  stark  auseinander.  Wolff  teilt  eine 
Reihe  Untersuchungsergebnisse  vom  Spannerfraß  in  der  Tuchler  Heide  mit. 
wonach  die  Zahl  der  „im  Abdomen  erkenn-  und  zählbaren  Eier  z\Aischen  30 
und  160  schwankte."  Wolff  selbst  hat  im  Zwinger  als  Höchstzahl  von  i  g 
156  Eier  erhalten.  Nitsche  (1896)  gibt  die  Eizahl  eines  o  auf  ungefähr 
90 — 120,  Knauth  auf  durchschnittlich  107  an.  Im  hiesigen  Institut  wurde 
im  Zwinger  als  Höchstzahl  von  i  g  189  Eier  erreicht,  andere  go  legten  119. 
114,  106,  88  und  80  Eier  ab.  Nach  Eidmann  (1929)  gehört  der  Kiefern- 
spanner zu  der  Gruppe  von  Schmetterlingen,  die  beim  Schlüpfen  noch  keine 
evtl.  sehr  wenig  legereife  Eier  in  den  Ovarien  haben,  bei  denen  also  die 
Ovarien  noch  eine  ausgedehnte  postembryonale  Entwicklung  durchmachen 
müssen  (Abb.  418,  s.  ferner  Abb.  24  S.  18  und  Abb.  26  A  S.  20). 

Was  die  Dauer  des  Eistadiums  betrifft,  so  ist  diese  je  nach  der 
herrschenden  Witterung  starken  Schwankungen  unterworfen.    Bei  den  Labo- 


^1  Wenn  allerdings  die  Eier  allgemein  nur  \'ereinzelt  (in  Gruppen  \on 
2  oder  3)  abgelegt  sind,  so  kann  hieraus  wohl  auf  eine  Abnahme  der  Gradations- 
stärke geschlossen  werden.  Schon  Ratzeburg  (W.  177)  hat  au±  die  Erscheinung 
hingewiesen:  „Liegen  diese  nicht  mehr  in  langen  Reihen,  sondern  vereinzelt,  so  hat 
man  starken  Fraß  nicht  mehr  zu  befürchten." 

-)  Untersucht  man  die  Lücken  der  Eireihen  näher  mit  der  Lupe,  so  lassen  sich 
olt   deutlich   die   Reste    der   Kittsubstanz   als   zarter,    lackartiger   Überzug   feststellen. 

3;  Das  Zählen  der  Eier  an  gefällten  Bäumen  zur  Feststellung  der  ßetallb- 
stärke  hat  daher  nur  bedingten  Wert. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner 


ratoriumsversuchen    Schwerdt  f  eg  e  r  s    (1930CJ    ergaben   sich 


bei   einer   mittleren   Temperatur 


von    ca.    22 


0   C    eine   Eidauer 


von    13 — 14  Tagen,   bei   einer  solchen   von    iS^   C   eine   Eidauer 


von    etwa    18    Tagen,    bei 


17  0    C    eine    Eidauer    von    ca. 


19    Tagen,    bei    16  0    C    eine    Eidauer    von    ca.    22    Tagen,    bei 

14  0  C  eine  Eidauer  von  31   Tagen.    Man  ersieht  hier,  daß  bei 

der    tieferen    Temperatur    die    Unterschiede    sich    weit    stärker 

auswirken    auf   den    Ablauf    der 

Embryonalentwicklung    als    bei 

den       höheren       Temperaturen. 

Starke  Temperaturabschläge  im 

Juni  w^erden  also  die  Dauer  des 

Eistadiums  noch  wesentlich  ver-  PV  ^~ 

längern  können. 

Seh  w  e  r  d  t  f  e  g  e  r     stellt 


des  Spanners  von  der  Tempe- 
ratur nach  der  B  1  u  n  c  k  sehen 
Gleichung  in  Form  einer  Hy- 
perbel (Abb.  419)  dar 

T  (t  —  to)  =  konstant, 
wobei  t  die  Temperatur  (in  " 
Celsius),  T  die  Entwicklungs- 
dauei  und  t^  eine  zu  berech- 
nende Konstante  (Entwicklungs- 
nullpunkt) bedeutet  (s.  S.  56). 
Er  kam  dabei  zu  folgendem 
Ergebnis: 

T(t  — 7,95)  =  179.77 
oder  abgerundet 

T(t  — 8)  =  180. 

Während  der  Embryonalent- 
wicklung zeigen  die  Eier  äußer- 
lich kaum  Veränderungen;  erst 
gegen  das  Ende  zu,  kurz  vor 
dem  Ausschlüpfen,  werden  die 
Eier  glasartig  durchscheinend. 
„Man  kann  bei  stärkerer  Ver- 
größerung dann  deutlich  das  dar- 
in liegende  Räupchen  erkennen. 
Der  gelblich  gefärbte  Kopf  liegt 
über  den  ebenso  gefärbten  letzten 
Abdominalsegmenten  (von  oben 
gesehen).  Meist  ist  auch  das 
erste  Brustsegment  gelblich  ge- 
färbt. Der  ganze  übrige  Körper 
schimmert  orünlich  durch"  M. 


Abb.  417.    Eine  ,, Eizelle" 

des   Kiefernspanners. 

(Stärker  vergröß. )    Nach 

S  e  i  f  f . 


1)  Unbefruchtete  Eier  oder  solche, 
die  zu  Beginn  der  Embryonalentwick- 


Abb.    418.    Ovarialschlauch   eines   frisch   ge- 
schlüpften   Kiefernspanner-O.       (Nur    die    2 
untersten    Eier   sind    legereif.  1     Nach   Eid- 
mann. 


478 


II.  Spezieller  Teil. 


Das  Ausschlüpfen  der  Räupchen  erfolgt  entsprechend  der  langen 
Flugzeit  zu  recht  verschiedenen  Terminen,  schwankend  zwischen  der  ersten 
Juliwoche  und  Mitte  August.  Das  junge  Räupchen  nagt  in  die  seitliche 
Eiwand  ein  Loch,  durch  das  es  das  Ei  verläßt.  Nach  Wolff  zeigen  sämt- 
liche Eier  einer  Nadelreihe  auf  ein  und  derselben  Seite  die  Ausgangsöffnung, 
nach  Seh werdt feger  dagegen  liegen  die  Schlüpf löcher  der  gleichen  Ei- 
zelle wohl  sämtlich  in  der  gleichen  Richtung,  entweder  der  Nadelspitze  oder 
der  Nadelbasis  zugewandt,  jedoch  unregelmäßig  teils  auf  der  einen,  teils 
auf  der  anderen  Seite  (s.  Abb.  407).  Die  Eischale  wird  später  nicht  mehr 
weiter  benagt,  weshalb  Bernas  geradezu  von  einer  ,, Deckelöffnung  spricht. 
die  sämtliche  Eier  auf  einer  Seite  hätten".  Das  Ausschlüpfen  dauert  nach 
Bernas  einen  halben  Tag.  während  Wolff  hierfür  6 — 7  Stunden  angibt. 
Die  leeren  und  normalerweise  von  den  Räupchen  verlassenen  Eischalen  sind 


25°C 


10  15  20  25  30  asTage 

Abb.   419.     Kurve   für   die    Dauer   des   Eistadiums.    Nach   S  c  h  w  e  r  d  t  f  e  g  e  r. 


leicht  daran  zu  erkennen,  daß  sie  „beim  Wenden  der  Nadeln  schwach  in 
Rosa  „changieren"'  —  ä  la  changeant-Stoff  —  bzw.  perlmuttcrartig  glänzen" 
(Knauth). 

Bionomie  der  Raupe. 

Lebensdauer  und  Häutungen.  —  Nach  Beobachtungen  im  hiesigen 
Institut  (Kalandadze,  1927  bj  macht  die  Spannerraupe  normalerweise  vier 
Häutungen  durch.  Die  I.  Häutung  fand  (im  Laboratorium)  frühestens  nach 
10  Tagen  statt,  sie  kann  sich  aber  auch  noch  um  mehrere  Tage  verschieben. 
Ungefähr  ebenso  lange  wie  das  Eiräupchenstadium  dauert  das  IL  Stadium, 
während  des  III.  Stadium  etwas  längere  Zeit,  bis  14  Tage,  beansprucht. 
Noch  länger,  nämlich  bis   16  Tage,  währt  das  IV.  Stadium,  und  endlich  am 


hing  abgestorben  sind,  werden  sehr  bald  an  ihrem  veränderten  Äußeren  kennt- 
lich. Ihre  Färbung  wird  schmutziggrau  oder  gelbgrün,  und  ihre  Wandung  fällt 
alsbald,  da  der  Inhalt  vertrocknet,  unter  Faltenbildung  ein,  so  daß  die  Eier  schon 
mit  bloßem  Auge  unregelmäßig  eingedellt  erscheinen.  Bei  fortschreitendem  Ein- 
trocknen berühren  sich  die  Schalenwände  in  der  Mitte  der  Delle.  Das  Ei  erscheint 
dann   hier   vollkommen   durchsichtig. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidopttra.    Familie  Geometridae  (Spanner).        479 

längsten  das  V.  Stadium,  in  dem  die  Raupen  bis  zur  W-rpuppung  34  und  je 
nach  Witterung  noch  viel  länger  lebend). 

Danach  betrug  also  die  Raupenzeit  vom  Ausschlüpfen  bis  zur  Ver- 
puppung  im  kürzesten  Fall  84  Tage.  Im  Freien  fressen  die  allen  Witte- 
rungsverhältnissen ausgesetzten  Raupen  im  Durchschnitt  über  3  Monate. 
Doch  kann  die  Dauer  des  Raupenstadiums  noch  weit  länger  sein;  können 
doch  die  Raupen  den  ganzen  Winter  über  in  der  Streudecke  verbringen,  um 
sich  erst  im  nächsten  Frühjahr  zu  verpuppen. 

Das  Wachstum  der  Spannerraupe  von  3  mm  Länge  (Eiräupchen)  bis  zu 
30  mm  (erwachsene  Raupe)  vollzieht  sich  also  im  Verhältnis  zu  anderen 
Raupen  außergewöhnlich  langsam.  Eingehende  Studien  über  das 
Längenwachstum  hat  Schwerdtf eger  angestellt;  er  legt  den  Verlauf  des 
Längenwachstums  an  Hand  einer  graphischen  Darstellung  dar.  Die  Kurve 
der  Abb.  420  hat  ungefähr  den  ^"crlauf  einer  Geraden;  die  Schwankung  nach 

30  mm 


^ ^ ^ , , , .Alher 

"t  10  20  30  W  50  60  Wage 

Tag  des  Schlüpfens 

xA.bb.   420.    Kurve   für   das   Längenwachstum   der   Raupen.     Nach   S  c  h  w  e  r  d  t  f  e  g  e  r. 

unten  um  den  50.  Tag  dürfte  die  Folge  mangelhafter  Versuchsdurchführung 
sein,  da  die  Raupen  einige  Zeit  gehungert  und  darauf  anscheinend  durch 
Verzögerung  des  Längenwachstums  reagiert  haben.  Wenn  man  sich  das  durch 
Hungern  verursachte  Absinken  wegdenkt,  läßt  sich  die  Kurve  auch  als  sehr 
flache  S-Kurve  im  Sinne  der  von  Janisch  (Das  Exponentialgesetz,  Berlin 
1927,  Abb.  136/138)  gegebenen  Wachstumskurven  deuten.  Gleichgültig,  ob  man 
die  Kurve  als  Gerade  oder  als  sehr  flache  S-Linie  ansieht:  das  Wachstum 
der  Spannerraupen  verläuft  bei  konstanter  Temperatur  und 
ausreichender  Nahrung  außerordentlich  gleichmäßig  und 
I1  et  ragt  in  Zimmerwärme  rund  0,4  mm  je  Tag. 

Fraßpflanzen.  Die  normale  Fraßpflanze  ist  die  Kiefer,  vor  allem 
unsere  gemeine  Kiefer,  doch  werden  auch  andere  Kiefernarten,  z.  B.  Wei- 
mutskiefern, nicht  verschont.  Bei  Massenvermehrungen  und  Nahrungs- 
mangel werden  auch  Fi  c  h  t  e  n  un  t  e  r  wuc  hs  und  Wacholder  angegangen 


1)  Das  5.  Stadium  kann  ganz  fehlen,  so  daß  die  Raupen  schon  im  4.  Stadium 
zur  Verpuppung  gelangen.  Doch  liegen  dann  stets  ungewöhnliche  Verhältnisse 
(Nahrungsmangel,  frühe   Fröste  usw.  1   vor,  die   zur   Notverpuppung  führen. 


480 


II.  Spezieller  Teil. 


und  nicht  selten  völlig  entnadelt.  Nach  Nitsche  (1896)  wurden  im  Reichs- 
wald (bei  Nürnberg)  auch  ältere  eingesprengte  Fichten  gänzlich  kahl- 
gefressen, während  größere  eingesprengte  Fichtenhorste  meist  verschont  blie- 
ben. Ratzeburg  (F.  II.  183)  nennt  auch  noch  die  Tanne  als  Nahrungs- 
pflanze. Zur  praktischen  Bedeutung  dürfte  jedoch  nur  der  Fraß 
auf  der  Kiefer  gelangen.  Allerdings  erwähnt  Guth  (nach  Wolff  1913) 
einen  Fall  von  einem  schädlichen  Kiefernspannerfraß  an  Fichte,  und  nennt 
Kaltenbach  als  Fraßpflanzen  der  schädlichen  Raupe  in  einem  Atem 
Kiefer  und  Fichte;  doch  dürften  diese  Angaben  auf  seltenen  Ausnahmefällen 
beruhen,  da  bei  den  großen  Kalamitäten  der  späteren  und  neuesten  Zeit  nie- 


Abb. 


A  B 

421.     A   zwei    Kiefernnadeln   mit    dem   Rinnenfraß    der   E 


aupen   des    Kiefern- 
spanners,  B   charakteristischer    Fraß   alter   Raupen. 


mals  von  einem  verderblichen  Fraß  an  Fichte,  etwa  gleichbedeutend  mit 
dem  an  Kiefer,  berichtet  wurde. 

Fraßart.  Was  die  Fraßart  betrifft,  so  ist  diese  bei  den  Eiräupchen 
eine  andere  als  bei  den  späteren  Stadien.  Gemeinsam  ist  jedoch  allen 
Stadien,  daß  sie  mit  Vorliebe  alte  Nadeln  befressen  (siehe  oben  S.  474 
das  über  die  Eiablage  Gesagte). 

Das  Eiräupchen  begibt  sich,  sowie  es  die  Eischale  verlassen,  an  eine 
alte  Nadel,  um  nicht  weit  von  der  Spitze  derselben  entfernt  den  Fraß  zu  be- 
ginnen. Es  greift  dabei  die  Nadel  nicht  vom  Rande  her  an,  sondern  von  der 
Fläche,  in  die  es  kleine  Streifen  oder  Rinnen  frißt,  anfänglich  nur 
oberflächliche,  später  tiefergehende,  harzende.  Zuerst  werden  die  Seiten  der 
Rinne  benagt  und   sodann   die   Mitte   ausgefressen,   bis   die   Rinne  etwa   die 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner;.        481 

Breite  des  Raupenkopfes  erreicht  hat.  Ist  sie  so  tief  ausgefressen,  daß  der 
Kopf  fast  in  der  Rinne  versenkt  werden  kann,  so  kriecht  die  Raupe  etwas 
zurück,  um  den  Fraß  in  der  gleichen  Weise  fortzusetzen.  Die  Nadeln  ver- 
färben sich  an  den  Fraßstellen  und  bekommen  ein  gelbgeflecktes  Aussehen 
(Taf.  VI,  Fig.  9). 

Der  Einhäuter  dagegen  geht  zum  Sc  harten  fraß  der  Nadel- 
ränder über,  der  dann  charakteristisch  für  alle  weiteren  Stadien 
bleibt.  Der  Fraß  beginnt,  wie  beim  Rinnenfraß  des  Einhäuters,  stets  nahe 
der  Spitze  der  Nadel  und  setzt  sich  bis  etwa  zur  Mitte  fort.  Die  Raupe 
frißt  zunächst  ein  meist  dreieckiges  oder  halbbogenförmiges  Stück  aus  dem 
Nadel rand  heraus,  kriecht  dann  rückwärts,  um  direkt  dahinter  wieder  ein 
Dreieck  herauszunagen,  und  wiederholt  dies  so  oft,  bis  sie  etwa  in  der  Mitte 
oder  beim  letzten  Drittel  der  Nadel  angelangt  ist.  So  entstehen  mehr  oder 
weniger  scharfe  Scharten,  die  zum  Teil  ein  treppenförmiges  Aussehen  zeigen. 
Bei  stärkerem  Fraß  wird  auch  der  andere  Rand  in  der  gleichen  Weise  be- 
fressen,  so  daß  dann  nur  die  Mittelrippe  mit  spärlichen  zackigen  Nadelresten 
übrig  bleibt  (Abb.  421  B).  An  ihnen  befinden  sich  meist  kleine  Harz- 
tröpfchen, die  schnell  vertrocknen  und  weiß  werden,  und  die  geradezu 
charakteristisch  für  Spannerfraß  sind.  Der  befressene  Nadelteil  bräunt  sich 
rasch,  während  der  unversehrte  Basalteil  zunächst  noch  grün  bleibt.  Bei  star- 
kem Fraß  wird  jedoch  auch  hier  angegriffen  und  der  Zackenfraß  bis  zur 
Scheide  fortgesetzt,  so  daß  dann  die  ganzen  Nadeln  bzw.  Nadelreste  braun 
werden.  Die  so  befressenen  Nadeln  fallen,  besonders  wenn  die  beiden  Nadeln 
eines  Paares  betroffen  sind,  meist  ab,  so  daß  die  Zweige  völlig  kahl  er- 
scheinen. Im  günstigeren  Fall  jedoch,  wenn  die  Nadelbasen  unversehrt  und 
grün  sind,  bleiben  die  Nadeln  aufrecht  und  dicht  stehen,  den  Zweigen  ein 
grob  borstenförmiges  Aussehen  verleihend  i).  Ausnahmsweise  wird  von 
älteren  Raupen  die  Mittelrippe  durchbissen  und  der  basale  Stumpf  von  oben 
her  völlig  verzehrt. 

Der  geschilderte  einseitige  oder  doppelseitige  Scharten-  oder  Treppen- 
fraß der  Nadelendhälfte,  die  Bräunung  dieser,  die  kleinen  Harztröpfchen  an 
den  Scharten,  verbunden  mit  dem  Grünbleiben  der  unversehrten  Nadelbasen 
bei  mäßigem  Fräße  erzielen  ein  sehr  charakteristisches  Fraßbild,  das  kaum 
zu  \^erwechslungen  Anlaß  geben  kann. 

Wann  fressen  die  Raupen?  Diese  Frage  wurde  zuerst  durch  Rhumb- 
1er  (1929)  exakt  zu  lösen  versucht,  und  zwar  durch  zeitlich  bestimmt  be- 
grenzte Kotsammlungen  in  den  befallenen  Revierteilen.  Es  stellte  sich  dabei 
heraus,  daß  die  bei  Nacht  abgegebene  Kotmenge  die  bei  Tag  abgegebene 
wesentlich  überwiegt,  und  zwar  in  einem  Verhältnis  von  5:1.  Davon  machte 
die  in  der  ersten  Nachthälfte  (19 — i  Uhr)  gefallene  Menge  den  größeren 
Teil  aus,  sie  verhielt  sich  zu  der  in  der  2.  Hälfte  (i — 7  Uhr)  wie  100:64. 
Nach  Fütterungsversuchen  mit  gefärbter  Nahrung  beträgt  die  zwischen  Fraß 
und  Kotabgabe  liegende  ,, Darmzeit"  durchschnittlich  6  Stunden.  Ziehen  wir 
diese  von  der  Zeit  des  Hauptkotfalles  (19 — i  Uhr)  ab,  so  erhält  man  als 
Hauptfraßzeit  13 — 19  Uhr. 


1)  Das  langsame  Wachstum  der  Raupen  und  das  daraus  resultierende  lang- 
same Fortschreiten  des  Fraßbildes,  verbunden  mit  dem  Stehenbleiben  der  befres- 
senen Nadeln,  macht  es  ohne  weiteres  verständlich,  claf5  der  Spannerfraß  oft  erst 
spät   (im  September  oder  noch  später;   entdeckt  wird. 

Escherich.  Forstinsekten,  Bd.  III.  31 


482  II.  Spezieller  Teil. 

Zu  ähnlichen  Resultaten  gelangten  Friederichs  und  Steiner  (1930), 
auch  sie  beobachteten  bei  Nacht  einen  weit  stärkeren  Kotfall  als  bei  Tag 
(etwa  wie  3:1).  Allerdings  läßt  dies  nach  den  beiden  Autoren  keinen  zwin- 
genden Schluß  auf  die  Hauptfraßzeit  zu.  Nach  ihren  Beobachtungen  began- 
nen die  Raupen  (im  erwachsenen  Stadium)  erst  bei  Einbruch  der  Dunkelheit 
mit  dem  Fraß,  während  sie  tagsüber  in  ihrer  charakteristischen  Ruhestellung 
verharrten.  ,,Wird  nicht  wahrscheinlich  die  starke  Nahrungsaufnahme  bei 
Beginn  der  Dämmerung  den  Darm  zu  erhöhter  Peristaltik  anregen  und  dem- 
nach auch  bald  eine  beträchtliche  Kotabgabe  zur  Folge  haben?"  „Der 
, Darmzeit'  wäre  dann  für  die  Berechnung  der  Hauptfraßzeit  keine  große 
Bedeutung  beizumessen." 

Nahrungsmenge,  Stoff wechselquotient.  über  die  Nahrungsmenge, 
die  eine  Raupe  verzehrt,  wurden  im  hiesigen  Institut  durch  Kalandadze 
(1927b)  eingehende  Untersuchungen  gemacht  und  folgende  Zahlen  gefunden: 

Die  Eiräupchen  fressen  nur  sehr  wenig,  so  verzehrte  ein  Räupchen  an 
I  Tag  0,71  qmm  der  Nadelfläche.  Im  II.  Stadium  steigt  mit  dem  Wachstum 
der  Raupe  auch  die  Freßlust.  Eine  frisch  gehäutete  Raupe  brauchte  hier  an 
I  Tag  schon  1,71  qmm.  Besonders  auffallend  vergrößert  sich  die  Fraßmenge 
im  III.  Stadium.  In  diesem  Fall  frißt  eine  Raupe  an  i  Tag  sogar  14,4  qmm 
der  Nadelfläche.  Diese  Erscheinung  wird  dadurch  erklärt,  daß  zu  Ende  des 
IL  Stadiums  (in  der  Natur  schon  kurz  nach  der  Häutung!)  der  Schartenfraß 
beginnt,  bei  welchem  selbstverständlich  die  Fraßflächen  viel  größer  werden. 
Hier  ist  außerdem  zu  beobachten,  daß  die  Zahl  der  befressenen  Nadeln 
im  Vergleich  mit  dem  II.  Stadium  2 — 3 mal  größer  geworden  ist.  Im 
IV.  Stadium  vermehrt  sich  der  Futterverbrauch  ums  Doppelte:  eine  Raupe 
frißt  in  i  Tag  28,6  qmm  der  Nadelfläche,  obwohl  die  Zahl  der  befres- 
senen Nadeln  nur  wenig  gestiegen  ist.  Diese  Tatsache  aber  wird  leicht 
verständlich,  wenn  man  berücksichtigt,  daß  die  Raupen  von  jeder  Nadel 
mehr  fressen  als  die  Raupen  im  III.  Stadium.  Im  letzten  Raupenstadium 
entwickelt  sich  die  größte  Freßlust.  Die  Zahl  der  befressenen  Nadeln 
und  die  Fraßfläche  wächst  2 — 3  mal  (bei  gleicher  Zeit  und  Zahl  der 
Raupen)  gegenüber  den  Raupen  im  IV.  Stadium:  jetzt  frißt  eine  Raupe  in 
I  Tag  schon  74,3  qmm  der  Nadelfläche.  Bei  diesem  Stadium  werden  bei 
Futtermangel  die  Nadeln  bis  zum  Stumpf  verzehrt i). 

„Die  Untersuchungen  Kalandadzes  geben  ein  deutliches  Bild  von 
dem  Anwachsen  der  Fraßintensität  mit  zunehmender  Raupengröße,  sie 
hatten  aber  insofern  keine  genauen  Ergebnisse  erfahren,  als  bei  der  zwei- 
dimensionalen Ermittlung  der  Fraßmenge  durch  Ausmessen  von  Länge 
und  Breite  der  Nagespur  die  dritte  Dimension,  die  Tiefe,  unberücksichtigt 
bleibt,  wobei  zu  bedenken  ist,  daß  die  älteren  Raupen  erheblich  tiefer  nagen 
als  die  jüngeren.  Ferner  ist  die  Nahrungsaufnahme  nicht  während  des 
ganzen  Raupenlebens,  sondern  nur  an  einigen  typischen,  durch  das  Raupen- 
stadiuni  gekennzeichneten  Vertretern  beobachtet  worden,  selbst  innerhalb  des 
gleichen  Stadiums  ist  die  Fraßintensität  der  Raupen  aber  sehr  unter- 
schiedlich: zu  Anfang  z.  B.  des  III.  Stadiums  frißt  die  Raupe  erheblich 
weniger  als  zu  Ende,  nach  einer  Zeit  beachtlichen  Längenwachstums.  Zur 
Kennzeichnung    einer    Raupe   genügt   also    Angabe    des    Stadiums    nicht,    die 


1)    Bei   Hunger   fressen   die   Raupen   selbst   die   trockenen  braunen   Nadeln,   wie 
sich  aus  der  braunen    Farbe   des   Kotes   erkennen   läßt    (Schwerdtfeger). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        483 

genaue  1)  Länge  muß  gleichfalls  mitgeteilt  werden"  (S  ch  \v  e  r  d  t  f  ege  r , 
1930  c). 

Diesen  Mangel  suchte  Schw  e  reit  fege  r  chirch  eine  andere  Unter- 
suchungsmethode zu  beheben,  wobei  zugleich  auch  der  Stoffwechsel- 
quotient  ermittelt  wurde.  Der  allgemeinen  Bedeutung  wegen  gebe  ich 
diese  Untersuchungen  hier  ausführlich  wieder: 

Es  wurden  drei  Gläser  (a,  b  und  c)  benutzt.  Jeweilig  bei  Einbringung  frischer 
Zweige  wurde  auf  einer  Apothekerwage  deren  Gewicht  festgestellt,  durch  Wägen 
der  gleichen  Zweige  bei  der  nach  einigen  Tagen  stattfindenden  Futtererneuerung 
ergab  sich  ein  Gewichtsverlust,  der  sich  zusammensetzt  aus  der  Minderung  durch  den 
Fraß  der  Raupen  und  durch  Verdunstung.  Der  Verdunstungsverlust,  prozentual  aus- 
gedrückt und  Anfangsgewicht  des  Zweiges,  wurde  in  einem  Kontrollversuch  er- 
mittelt, indem  ein  Zweig  in  genau  der  gleichen  Weise  wie  die  Zweige  a,  b  und  c  in 
ein  Glas  gebracht,  aber  nicht  mit  Raupen  belegt  wurde.  Durch  Abzug  des  Ver- 
dunstungsprozentes von  der  Gesamtgewichtsminderung  gelangt  man  zu  dem  durch 
den  Raupenfraß  verursachten  Gewichtsverlust,  mit  anderen  Worten  zu  der  Nadel- 
menge, welche  die  auf  den  Zweigen  sitzenden  Raupen  innerhalb  der  Versuchsdauer 
aufgenommen  hatten.  Durch  Division  durch  die  Zahl  der  Raupen  und  Versuchstage 
erhält  man  die  von  einer  Raupe  innerhalb  24  Stunden  aufgenommene  Nahrungs- 
menge. 

Ferner  wurde  bei  jeder  Zweigerneuerung  der  seit  der  letzten  Futterdarreichung 
gefallene  Kot  gewogen,  nachdem  er  vorher  durch  längeres  Stehenlassen  in  flachen 
Petrischalen  zimmerlufttrocken  gemacht  war.  Die  von  einer  Raupe  in  24  Sttmden 
abgeschiedene  Kotmenge  wurde  wiederum  durch  Division  des  Kotgewichtes  durch 
die  Versuchstage  und   Raupen  ermittelt. 

In  den  Tabellen  a — c  sind  die  gefundenen  Nahrungs-  und  Kotmengen  in  Be- 
ziehung zu  der  Länge  der  Raupen  gesetzt  worden.  Es  wurde  nicht  das  Alter  der 
Raupen  als  Vergleichsmaßstab  gewählt,  da  jederzeit  die  Länge,  aber  nicht  das  Alter 
einer  Raupe  festzustellen  ist.  Die  Raupengröße  wurde  wie  oben  geschildert  ermittelt. 
Die  angegebene  Länge  ist  nicht  die  bei  Wägung  des  befressenen  Zweiges  bzw.  der 
Kotmenge  gemessene,  sondern  das  Mittel  aus  den  Längen  bei  Einbringung  des 
Zweiges  und  bei  seiner  Herausnahme.  Beispiel:  Die  unmittelbar  nach  dem  Aus- 
schlüpfen an  die  Zweige  gesetzten  Eiräupchen  waren  1,9  mm  lang;  nach  4  Tagen 
wurde  der  Zweig  gewogen  und  eine  aufgenommene  Nahrungsmenge  von  2,3  mg  und 
eine  Kotmenge  von  0,1  mg  festgestellt  (Tab.  a,  erste  Reihe);  die  Raupenlänge  war 
zu  diesem  Zeitpunkt  3,6  mm.  Aus  den  Größen  1,9  und  3,6  wurde  das  arithmetische 
Mittel  gezogen  und  es  ergab  sich  die  in  der  ersten  Reihe  der  Tabelle  a  mitgeteilte 
Länge  von  2,8  mm.  Dieses  Verfahren  mußte  eingeschlagen  werden,  da  sich  innerhalb 
des  genannten  Zeitraums  Raupen  in  den  Größen  von  1,9  bis  3,6  mm  an  der  Aus- 
scheidung der  schließlich  ermittelten  Kotmenge  bzw.  an  der  Aufnahme  der  Nahrung 
beteiligen;  es  ist  daher  richtiger,  die  Wägeergebnisse  auf  die  mittlere  Größe  zu 
beziehen,  nicht  auf  die   Endgröße-). 


1)  Allerdings  läßt  sich  die  ,, genaue"  Länge  der  Raupen  nach  der  Schwerdt- 
feger  sehen  Methode  auch  nicht  völlig  einwandfrei  ermitteln,  da  dabei  Verschieden- 
heiten des  jeweiligen  Kontraktionszustandes  nicht  berücksichtigt  werden.  Doch 
können  diese  Ungenauigkeiten  durch  Verwendung  von  Mittelwerten  aus  zahlreichen 
Messungen  einigermaßen  ausgeglichen  werden. 

_-,)  Die  Beziehung  auf  die  mittlere  Größe  bringt  nur  eine  Annäherung  an  die 
wirklichen  Verhältnisse,  da  die  Nahrungsaufnahme  ("und  in  gleicher  Weise  die  Kot- 
abscheidung)  nicht  in  einfacher  Proportion  zum  Wachstum  steht,  sondern  die 
größeren  Raupen  ungleich  mehr  fressen.  In  dein  angeführten  Beispiel  würde  die 
Nahrungsmenge  von  2,3  mg  also  nicht  genau  einer  Raupe  von  2,8  mm  entsprechen, 
sondern  einer  solchen,  deren  Länge  zwischen  2,8  und  3,6  mm,  jedoch  sehr  nahe  nach 
2,8  mm  hin  läge.  Der  bei  der  Mittelberechnung  gemachte  Fehler  wird  um  so  kleiner, 
je  kürzer  die  Zeiträume  gewählt  werden. 

31* 


484 


II.  Spezieller  Teil. 


In  der  letzten  Spalte  ist  das  Verhältnis  der  Nahrungsmenge  zur  Kotmenge 
aufgezeichnet;   über  seine  Bedeutung  wird  später  gesprochen. 

Hin  und  wieder  wurden  Raupen  aus  Freiland  unter  den  gleichen  Bedingungen 
wie  die  in  den  Gläsern  gezogenen  Raupen  eingezwingert  und  ihre  Nahrungs-  bzw. 
Kotmengen  gemessen.  Es  sollte  damit  kontrolliert  werden,  ob  sich  die  Zuchtraupen 
nicht  etwa  anders  verhielten  als  Freilandraupen.  Säintliche  Kontrollen  fielen  zur 
Zufriedenheit  aus:  die  Wägungsergebnisse  der  Freilandraupen  stimmten  mit  denen 
entsprechender   Zuchtraupen  überein. 

Tabelle  für  Zuchtglas  a. 


Gewicht  der  von   i    Raupe 

in  24  Stunden 

Länge 

Stoffwechsel- 

der Raupen 

aufgenommenen 

abgegebenen 

quotient 

in  mm 

N  a  h  ru  n  gs  m  enge 

Kotmenge 

in   mg 

in  mg 

2.8 

2,3 

0,1 

23,0 

4,3 

1,7 

0,1 

17,0 

6,0 

3,8 

0,4 

9,0 

8,6 

4,7 

0,7 

6,7 

10,4 

6.6 

1,3 

5,1 

10,8 

5.2 

0,9 

5,8 

10,9 

6,8 

1,4 

4,9 

12,9 

9,1 

1,5 

6,1 

13,8 

11.0 

2,8 

3,9 

14,2 

9,1 

2,4 

3,8 

14,6 

11,3 

3,3 

3,4 

16,8 

14,0 

3,8 

3,7 

17,6 

20,1 

5,6 

3,6 

18,2 

18,5 

4,6 

4,0 

18,5 

13.8 

3,9 

3,9 

18,7 

12.6 

3,6 

3,5 

20,5 

24^8 

8,1 

3,1 

22,0 

37,7 

12.9 

2.9 

22,4 

47,5 

18,1 

2,6 

23,1 

39,7 

13,9 

2,8 

23,8 

35,7 

13,7 

2,6 

24,1 

52,0 

20,4 

2,5 

26,4 

34,8 

13,2 

2,6 

28,0 

35,9 

13,2 

2,7 

29,0 

27,5 

15.0 

1,8 

29,3 

26,1 

12,2 

2.1 

Tabelle  für  Zuchtglas  b. 

2,9 

1,4 

0,1 

14,0 

4,2 

2,1 

0,2 

10,5 

6,4 

3.0 

0,3 

10,0 

7,4 

3,0 

0,4 

7,5 

8,6 

6,4 

0,9 

7,1 

10,3 

6,8 

1,1 

6,2 

11,2 

7,5 

0,9 

8,3 

11,2 

8,2 

1,3 

6,3 

12,2 

10,9 

2,4 

4,5 

14,5 

10,0 

3,0 

3,3 

15,6 

14,5 

3,8 

3,8 

16,2 

15,0 

3,8 

3,9 

17,1 

10,0 

2,4 

4,2 

17,7 

12,4 

3,3 

3,6 

II.  Unterordnung:  Macrolepidoplcra.    Familie  Geometridae  (Spannei 
Tabelle  für  Zuchtglas  c. 


485 


Gewicht  der  von    i    Raupe 

in  24  Stunden 

Länge 

Stoffwechsel- 

der  Raupen 

aufgenommenen 

abgegebenen 

quotient 

in   mm 

Nahrungsmenge 

Kotmenge 

in   mg 

in  mg 

2,6 

0,7 

0,1 

7,0 

4,1 

2,5 

0,1 

25,0 

7,0 

4,0 

0,4 

10,0 

8,0 

3,1 

0,5 

6,2 

9,2 

7,2 

1.4 

5,1 

11,3 

6,3 

1,4 

4,5 

11,9 

7,8 

1,7 

4,6 

12,4 

9,6 

2,8 

3,4 

14,5 

12,6 

3,9 

3,2 

14,9 

11,1 

4,6 

2,4 

15,5 

13,5 

4,1 

3,3 

17.4 

15,1 

4,3 

3,5 

17,7 

12,3 

4,5 

2,7 

18,0 

12,7 

4,1 

3.1 

18,4 

13,2 

4,4 

3,0 

18,5 

26,9 

10,2 

2,6 

22.1 

37,1 

12,3 

3,0 

23,0 

45,6 

17,3 

2,6 

23,7 

57.1 

20,6 

2,8 

25.1 

47,6 

17,1 

2.8 

25,3 

36,0 

14,2 

2,5 

25,7 

41,6 

16,2 

2,6 

27,4 

38,4 

15,0 

2,6 

In  Abb.  422  sind  die  Zahlen  der  ersten  Spalte  der  Tabellen  a— c  graphisch 
dargestellt;  auf  der  Abszisse  sind  die  Raupenlängen  in  Millimeter,  auf  der  Ordinate 
die  von  einer  Raupe  täglich  verzehrte  Nadelmenge  in  Milligramm  aufgezeichnet.  Die 
Punkte  liegen  anfangs  dicht  beieinander,  streuen  aber  mit  zunehmender  Raupen- 
größe sehr. 

Um  zu  einer  der  Punktelagc  gerechtwerdenden  Durchschnittskurve  zu  ge- 
langen, wurden  die  Längen  dreimal  zu  Klassen  verschiedener  Größe  und  Anordnung 
zusammengefaßt  und  für  diese  Klassen  das  Mittel  der  aufgenommenen  Nahrungs- 
menge berechnet.  Die  so  gewonnene  Tabelle  —  nicht  nur  für  die  Nahrungsmenge, 
sondern  auch  für  Kotmenge  und  Stoffwechselquotienten  —  ist  hier  der  Raum- 
ersparnis halber  nicht  wiedergegeben.  Durch  Übertragung  ihrer  Zahlen  in  die 
Abb.  422  kommt  man  zu  Punkten,  die  miteinander  verbunden  die  dünn  ausgezeich- 
neten Kurven  ergeben.  Unter  Benutzung  dieser  drei  Hilfskurven  wurde  dann  die 
dick  ausgezogene  Durchschnittskurve  gezeichnet. 

„Wir  sehen,  daß  bei  konstanten  Temperaturverhältnissen  die  Menge 
der  von  einer  Raupe  täglich  aufgenommenen  Nahrung  mit  zunehmender 
Größe  der  Raupe  anwächst,  zunächst  schwach,  dann  iminer  stärker,  einen 
Höhepunkt  erreicht  und  schließlich  ziemlich  rasch  absinkt."  i) 


1)  Die  Kurve  (Abb.  422)  ähnelt  außerordentlich  der  von  Janisch  gebrachten 
Abbildung  über  die  täglich  durchschnittlich  gefressene  Nahrungsmenge  der  Stabheu- 
schrecke. Durch  Häutung  hervorgerufene  Unterbrechungen  des  Fraßes,  wie  sie  auf 
der  Heuschreckenkurve  zu  finden  sind,  lassen  sich  in  unserer  Abbildung  nicht  er- 
kennen, da  sie  nicht  wie  jene  die  Fraßmenge  eines  einzigen  Tieres  darstellt,  sondern 


486 


II.  Spezieller  Teil. 


„Die   Gesamtmenge   der   von   einer   Raupe 
zehrten.  Nadelsubstanz  betrug 

in  Glas  a      1,23  ; 

„       „     b      1,17  , 

,,     c     1,26  , 


während   ihres    Daseins   ver- 


im  Durchschnitt  1,22  g 
Frischgewicht.  Nach  einer  auf  Anregung  Ecksteins  in  der  Letzlinger 
Heide  durchgeführten  Zählung,  über  deren  Ergebnis  Angaben  in  den  Akten 
der  Regierung  zu  Magdeburg  stehen,  besaß  eine  mittlere  Kiefer  in  60  jähri- 
gem Bestände  rund  450000  Nadeln;  100  Nadeln  wogen  3,2  g.  Unter 
Zugrundelegung  dieser  Zahlen  frißt  eine  Spannerraupe  in 
ihrem  Leben  rund  38  Nadeln;  zur  völligen  Entnadelung 
einer  60jährigen  Kiefer  sind  dann  theoretisch  i  i  8  4  2  (5  d  e  r 
rund   12000  Raupen  er  f  o  r  de  r  lieh."  i) 


60rmg/2<^S/-unden 


1    2    3    f    5 
Länge  der  Raupen 

Abb.    422.     Kurve    für   die    von    einer    Raupe    aufgenommene    Nahrungsmenge.     Nach 
S  c  h  w  e  r  d  t  f  e  g  e  r. 


die  einer  Population,  aber  auf  ein  Tier  reduziert,  ein  Verfahren,  welches  die  Unwäg- 
barkeit der  von  einem  Tiere  namentlich  in  den  jüngeren  Stadien  aufgenommenen 
Fraßmenge  notwendig  macht,  das  aber  individuelle  Schwankungen  in  der  Fraßinten- 
sität infolge  der  zeitlichen  Ungleichmäßigkeit  der  Häutungen  verschwinden  läßt. 

1)  In  praxi  ist  diese  Zahl  wesentlich  zu  verringern,  vielleicht  auf  die  Hälfte 
oder  gar  ein  Viertel;  denn  einmal  werden  Nadelstücke  abgebissen  und  fallen  zur 
Erde,  kommen  also  als  Nahrung  für  die  Raupen  nicht  mehr  in   Frage,   zum  andern 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoplera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        487 

Abb.  423  gibt  die  Kurve  der  täglichen  Kotmenge  in  Beziehung  zur 
Raupengröße  wieder.  Sie  ist  in  genau  derselben  Weise  entstanden  wie  Ab- 
bildung 422.  Der  Verlauf  der  Kotabgabe  ähnelt  außerordentlich  der 
Nahrungsaufnahme. 

20^mg/2tSf-unden 

18 


1    2    3    f    5  10  15  20  25  30mm 

Länge  der  Raupen 

Abb.  423.    Kurve  für  die  von  einer  Raupe  abgegebene  Kotmenge.    Nach  S  c  h  w  c  r  d  t - 

feger. 

„Die   Gesamtmenge  des  von   einer   Raupe  vom   Schlüpfen  bis  zur  Ver- 
puppung ausgeschiedenen  Kotes  betrug 

in  Glas  a     0,43  g 
„       ,.     b     0,47  ,, 
„       ,,     c     0,60  ,, 
im  Durchschnitt  0,48  g  Lufttrockengewicht. 
Wenn  wir  von  den  im  Verhältnis  zur  Kotmenge  geringfügigen  Exkreten 
absehen,  die  nicht  durch  den  Anus  den  Körper  verlassen,  gibt  uns  das  Ver- 
hältnis zwischen  aufgenommener  Nahrungsmenge  und  ausgeschiedener  Kot- 
menge ein  gutes  Bild  über  die  Ausnutzung  der  Nahrung,  über  den  zum  Auf- 
bau und  Betrieb  des  Individuums  verwandten  Nahrungsanteil.  Wenn  wir  z.  B. 

dieses    Verhältnis        a   rungsmengj?    .^.g^^^j-^gg   jj-^-^  folgenden  kurz   als   Stoff- 

Kotmenge 
w  e  c  h  s  e  1  q  u  o  t  i  e  n  t  Q  bezeichnet  wird,  in  der  ersten  Reihe  der  vierten  Spalte 
von  Tabelle  a  mit  23,0  angegeben   finden,  so  heißt  dies,  daß   die  von  den 


werden  auch  die  stark,  aber  nur  zum  Teil  befressenen  Nadeln  braun  und  sterben  ab. 
Die  Erfahrung  der  Praxis  gibt  an,  daß  Kahlfraß,  d.  h.  Verlust  von  mehr  als  750/0 
der  Nadelmasse,  zu  erwarten  ist  bei  einem  Besatz  von  mehr  als  3000  Raupen  (z.  B. 
Heß-Beck,   Kolster  u.  a.). 


488  n.  Spezieller  Teil. 

Eiräupchen  aufgenommene  Nahrungsmenge  23  mal  so  groß  wie  die  ab- 
gegebene Kotmenge  war,  daß  umgekehrt  nur  1/93  der  abgefressenen  Nadeln 
den  Darm  als  Kot  verließ,  daß  also  —jo^  für  Aufbau  und  Betrieb  des  Raupen- 
körpers verwandt  wurden. 

„Die  Größe  von  Q  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkt  sagt  uns  nicht  viel; 
außerdem    stimmen    die    in    Tabelle    a — c    angegebenen   Werte    für    Q    nicht 

a 

25 


1    2    3    ¥    5  10  15  20  25  30  mm 

Länge  der  Raupen 

Abb.    424.     Kurve    für    den    Stoffwechselquotienten.     Nach    S  c  h  w  e  r  cl  t  f  e  ge  r. 

mit  dem  wirklichen  Quotienten  überein,  da  die  Berechnung  des  Quotienten 
einen  Fehler  enthält:  die  Nahrungsmenge  ist  mit  ihrem  Frischgewicht,  die 
Kotmenge  mit  ihrem  Lufttrockengewicht  eingesetzt,  ein  Fehler,  der  zwar  die 
absolute  Größe,  aber  kaum  die  uns  hier  interessierende,  mit  zunehmender 
Raupengröße  eintretende  Änderung  des  Stoffwechselquotienten  beeinträch- 
tigen dürfte. 

„Die  in  der  gleichen  Weise  wie  die  Kurven  422  und  423  entstandene 
Kurve  424  stellt  den  Stoffwechselquotienten  in  Beziehung  zur  Raupen- 
länge dar.  An  sich  könnte  erwartet  werden,  daß  das  Verhältnis  zwischen  auf- 
genommener Nahrung  und  abgegebener  Kotmenge  während  des  ganzen 
Raupenlebens  konstant  bleibe.  Das  ist  nicht  der  Fall:  Q  nimmt  mit  zu- 
nehmendem Längenwachstum  der  Raupen  beständig  ab,  und  zwar  zunächst 
stark,  dann  schwächer;  die  Kurve  ähnelt  einer  Hyperbel.  Das  Eiräupchen 
nutzt  am  l^esten  die  Nahrung  aus;  je  größer  die  Raupe  wird, 
um  so  schlechter  wird  die  N a h r u n g s a u s n u t z u n g ,  um  so  größer 
wird,  wahrscheinlich  durch  Zunahme  des  den  Darm  unver- 
ändert passierenden  Anteils,  im  Verhältnis  zur  Fraßmenge 
die  Kotabgabe.  Das  gewaltige  Anwachsen  der  Fraßstärke 
gegen  Ende  des  Raupenlebens  ist  also  nicht  nur  eine  Folge 
des  durch  das  Wachstum  bedingten  Mehrbedarfs,  sondern 
wird  weiterhin  auch  verursacht  durch  die  mit  zunehmendem 
Alter  beständig  schlechter  werdende  Ausnutzung  der  auf- 
genommenen  Nahrung"    (Schwerdtfeger,    1930c). 

Der  oben  mitgeteilten  Kotkurve  der  einzelnen  Raupe  entspricht  auch  der 
allgemeine  Gang  des  Fraßes  in  den  Beständen.  Schwerdtfeger  stellt  hier- 
von verschiedene  Kotkurven  auf,  von  denen  ich  hier  zwei  wiedergebe  (Abb.  425 
u.  426).  Auf  der  Ordinate  sind  die  täglich  je  qm  gesammelten  Kotmengen, 
auf  der  Abszisse  die  einzelnen  Tage  der  Versuchszeit  angegeben.  „Der  Gang 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoplera.    Familie  Geometridae  (Spanner;.        489 


des  Kotfalls  und  damit  des  Fraßes  verläuft  in  allen  Beständen  völlig  parallel, 
unterschiedlich  ist  nur  die  Menge  des  Kotes,  also  die  Zahl  der  fressenden 
Raupen;  bis  Ende  September  steigen  die  Kurven  ganz  langsam  und  all- 
mählich an,  dann  verlaufen  sie  steiler,  erreichen  in  14  Tagen  (gegen  Mitte 
Oktober)  ihren  Kulminationspunkt  und  fallen  darauf  bis  Ende  Oktober 
ziemlich  steil  ab.  Am  25.  Oktober  setzte  kaltes,  regnerisches  Wetter  ein, 
das  bis  zur  Verpuppung  der  Mehrzahl  der  Raupen  andauerte.  Die  Raupen 
saßen  während  dieser  Zeit  regungslos  an  den  Nadeln,  am  Stamm  und  auf 
dem  Boden  und  nahmen  keine  Nahrung  zu  sich.  So  dürften  die  Kurven  im 
wesentlichen  die  ganze  Fraßzeit  umfassen." 

„In  die  Biologie  der  Raupen  übersetzt  sagen  die  Kurven  folgendes: 
die  abgegebene  Kotmenge  und  somit  auch  die  aufgenommene  Nahrungs- 
menge steigt  stetig  entsprechend  dem  Wachstum  der  Raupen  bis  Mitte 
Oktober  an.  Unterbrechungen  des  Fraßes  durch  Witterungseinflüsse  oder 
den  Vorgang  der  Häutung  sind  aus  der  Kurve  nicht  herauszulesen.  Der 
Fraß  erreicht  seinen  Höhepunkt  Mitte  Oktober,  einzelne  Raupen  beginnen 
sich  zu  verpuppen,  die  Zahl  der  fressenden  Individuen  wird  ständig  geringer. 
Die  Fraßintensität  nimmt  gewaltig  ab;  obwohl  noch  bis  weit  in  den  Novem- 
ber hinein  große  Mengen  von  Raupen  in  den  Kronen  und  an  den  Stämmen 
saßen,  war  die  ab  Ende  Oktober  fallende  Kotmenge  nahezu  gleich  Null^). 

2.0  \ ^ 


-^  ^- / 


2.    5 
/lug. 


10.      15      20.     85     30.1      5. 
Sepf 


15     20     25    30.1.      5 
Okf 


10      15.      20     25. 


Abb. 


425.     Kotkurve    im    Bestand    (Alter    75    Jahre).     Raupenzahl    je    qm:     124, 
Stamm:   1430.    Nach  Schwerdtfeger. 


„Die  Menge  des  gefallenen  Kotes  läßt  sich  durch  Berechnung  des 
Inhalts  des  von  der  Abszisse,  der  Ordinate  und  der  Kurve  gebildeten 
Polygons  ermitteln.  Die  absolute  Gesamtmenge  hat  für  uns  wenig  Inter- 
esse, da  sie  in  direkter  Abhängigkeit  zur  Raupenzahl  und  zur  vorhan- 
denen Nahrungsmenge  steht,  wohl  aber  das  Verhältnis  der  Kotmengen  in  den 
einzelnen  Abschnitten  der  Fraßzeit.  Es  fand  sich  weitgehende  Überein- 
stimmung in  den  Kurven.    Es  fielen 

im   I.  2.  3.  4.  Viertel  der  Fraßzeit 

(5.bis  25.VIII.      26.  VIII.  bis  15.  IX.      i6.IX.bis  5.x.         5.bis25.X.) 
7  16  26  5i°/o 


ij  Einen  ganz  anderen  Verlaut  nimmt  die  Kotkurve  bei  einer  zum  Hunger- 
tod verurteilten  Spannerpopulation.  Nachdem  die  Raupen  eine  Zeit- 
lang trockene,  braune  Nadeln  gefressen  hatten,  begann  gegen  Ende  September  das 
große  Sterben;  die  Kotmengen  wurden  allmählich  geringer.  Das  ganz  langsame, 
durch  den  Hungertod  der  Raupen  verursachte  Absinken  der  Kotkurve  steht  in 
charakteristischem  Gegensatz  zu  dem  in  den  obigen  Kurven  sich  findenden  schroffen 
Absinken  als  Folge  der  Verpuppungsreife  (s.  Abb.  427). 


490 


II.  Spezieller  Teil. 


der  Gesamtkotmenge.  Im  letzten  Viertel  der  Fraßzeit  fraßen  die  Raupen 
also  mehr  als  in  der  gesamten  vorhergegangenen  Zeit.  In  den  Monaten 
fielen:    August    iC/o,    September    300/0,    Oktober    6on/o    der    Gesamtkotmenge. 


2.    5.      10.      15.     20.     25.      30.1     5.      10.      15.     20     25.     30.1     5. 
Aug.  Sept.  Okt. 


15.     20.    25. 


Abb.    426.     Kotkurve    im    Bestand    (Alter    45    Jahre).     Raupenzahl    je    qm:    600,    je 
Stamm  2430.    Nach  S  c  h  w  e  r  d  t  f  e  g  e  r. 


2.    5.       10      15.     20.     25.      30  1.      5. 
^ug.  Sept 


70      15      20      25.     301     5. 
Okt 


Abb.  427.    Kotkurve  im  Bestand   (Alter  45  Jahre)   einer  an  Hunger  zugrunde  gehen- 
den  Spannerpopulation.     Nach    Schwer  dtfeger. 


Eine  zahlenmäßige  Erklärung  für  die  bekannte  Erscheinung,  daß  sich  die 
durch  den  Spanner  verursachten  Schäden  spät,  meist  erst  im  Oktober 
bemerkbar   machen!" 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridac  (Spanner). 


491 


Was  den  Einfluß  der  Witterung  auf  die  F  r  e  ß  1  u  s  t  betrifft, 
so  wird  derselbe  von  manchen  Autoren  (Borchers  1929,  Methner  1929) 
als  besonders  hoch  eingeschätzt  insofern,  als  l^ei  kaltem,  regnerischem  Wetter 
die  Freßlust  der  Raupen  bis  auf  den 
Nullpunkt  sinken  solH).  Schwerdt- 
feger,  der  auch  darüber  Untersuchun- 
gen mit  Kotfängen  anstellte,  kommt 
dagegen  zu  einem  anderen  Resultat: 
„Auch  bei  Regen  fand  sich  Kot  auf 
den  Papierflächen,  so  daß  von  einem 
völligen  Abdrosseln  des  Fraßes  durch 
Regenwetter  nicht  die  Rede  sein  kann. 
Die  übrigen  Witterungsverhältnisse 
haben,  wie  sämtliche  Kurven  überein- 
stimmend zeigen,  nur  geringen  Einfluß. 
Die  täglichen  Schwankungen  mögen 
zum  Teil  eine  Folge  von  Sammel- 
fehlern, zum  Teil  auf  das  Konto  von 
Witterungsverhältnissen  zu  setzen  sein, 
für  die  Tendenz  der  Kurve,  für  das 
stete  langsame  Ansteigen  ist  in  über- 
ragender Weise  maßgebend  das  Wachs- 
tum  der  Raupen"   (Abb.  428). 

Beweglichkeit  der  Raupen.  — 
N  i  t  s  c  h  e  (1 896 )  spricht  mit  Recht  von 
geringer  Beweglichkeit  und 
großer  Trägheit  der  Spannerraupen. 
Sie  verlassen  den  Ort  ihrer  Fraßtätig- 
keit nur  sehr  ungern  und  bleiben, 
wenn  irgend  möglich,  während  ihres 
ganzen  Lebens  in  der  Krone,  die  sie 
erst  zur  Verpuppung  verlassen.  Die 
jungen  Raupen  lassen  sich  selbst  durch 
starke  Erschütterung  des  Fraßbaumes 
nicht  herunterbringen.    Sie  stellen  sich 

bei  Erschütterungen  vielmehr  „tot",  ein  Schutzreflex,  den  sie  später  verlieren. 
Die  älteren  Raupen  dagegen  lassen  sich  mehr  oder  weniger  prompt  bei 
Erschütterungen  des  Baumes  an  einem  Gespinstfaden  herunter,  um  sich  aber 
dann  meist  bald  wieder  an  demselben  hinaufzuhaspeln.  Ratzeburg  (F.  IL 
183)  hat  diese  eigentümliche  Erscheinung  zuerst  beschrieben  und  auch  ab- 
gebildet. „Die  Raupen  lassen  sich  auch  wohl  an  langen  Fäden  herunter,  an 
denen  man  sie  aber  schon  während  des  ganzen  Herbstes  hie  und  da  hängen 
sieht.  Wenn  sie  bis  zu  einer  Höhe  von  5 — 7  Fuß  über  der  Erde  .sich 
herabgelassen  haben,  fangen  sie  öfters  mit  einemmal  wieder  an,  sich  an  dem 
Faden  hinaufzuhaspeln,  indem  sie  denselben  um  ihre  Brustfüße  wickeln  und 
hin  und  her  schaukeln." 

Bei  großen  Massenvermehrungen  werden  die  Raupen  oft  durch  Nahrungs- 


5,0 


W 


3.5 


3.0 


2.5 


20 


15 


0.5 


k 

^  1       A 

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1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 

25.      30. 1.     5. 
Aug.      Sept. 


10.      15     20.     85.    SO 


Abb.     428.       Temperatur     und     Fraß- 
tätigkeit    der     Spannerraupen.      Oben 
Temperaturkurve,       unten       Kotkurve. 
Nach    Seh  werdt  feger. 


1)  Man  glaubte  hierin  auch  eine  Erklärung  für  verschiedentliche  Mißerfolge 
bei  der  Spannerbekämpfung  mittels  Arsenbestäubung  gefunden  zu  haben  (siehe  auch 
Esche  rieh,    1929  l. 


492 


II.  Spezieller  Teil. 


mange]  bzw.  Hunger  veranlaßt  ihren  Geburtsbaum  zu  verlassen  entweder 
durch  Abspinnen  oder  durch  Abwärtskriechen.  Viele  gelangen  dabei  auf 
Unterwuchs  1),  auf  dem  sie  ihren  Fraß  fortsetzen,  die  andern,  die  auf  den 
Boden  gelangen,  unternehmen  hier  keineswegs  weite  Wanderungen, 
sondern  streben  an  dem  nächstbesten  erreichbaren  Stamm  wieder  nach  oben, 
„ohne  Gefühl  dafür,  ob  derselbe  noch  benadelt  ist  oder  nicht"  (Nitsche 
1896).    Fast  alle  Autoren  stimmen  darüber   übercin,   daß   die   Spannerraupen 

keine  Wanderungen  z.  B. 
in  noch  unbefallene  Re- 
vierteile zwecks  besserer 
Nahrungsversorgung  ma- 
chen; zahlreiche  Versuche 
mit  Leimstangen  und 
Fanggräben  lieferten  ein- 
wandfreie Beweise  hierfür 
(Nitsche,  1896,  Wolff, 
S.  70  u.  a.)  2). 

Normale,  d.  h.  in  der 
Biologie  der  Raupe  be- 
gründete größere  Ortsver- 
änderungen finden  nur  im 
Herbst  zum  Zweck  der 
Verpuppung  statt,  wobei 
sie  ebenfalls  entweder 
sich  abspinnen  oder  den 
Stamm  herabkriechen. 

Das  Spinnvermögen 
ist  bei  den  Jungraupen 
nur  wenig  ausgebildet  und 
nimmt  bei  den  älteren 
immer  mehr  zu,  schlägt 
also  gerade  die  gegentei- 
lige Entwicklungsrichtung 
wie  bei  der  Eule  ein,  bei 
der  das  Eiräupchen  das 
höchst  ausgebildete  Spinn- 
vernKigen  besitzt. 

Empfindlichkeit  bzw. 
Widerstandsf  ähigi<eit  der 
Raupen  gegen  äußere 
Einflüsse.  —  Wie  das 
langsame  Wachstum,  so 
ist  auch  die  große  Widerstandsfähigkeit  gegen  die  Witterungs- 
einflüsse,   vor    allem     Frost,    eine    besondere    Eigentümlichkeit    des 


Abb.    429.     Dichte    Gespinste    auf    Fichtenunterwuch^ 
herrührend   von   Kiefernspannerraupen. 


1)  Die  Raupen  sammeln  sich  hier  bisweilen  so  massenhaft  an,  daß  die  Spinn- 
fäden eine  Art  lockeren  Gespinstes  bilden.  Bernas  (1889)  hat  bereits  auf  diese 
Erscheinung  hingewiesen,  die  wir  bei  der  Geisenf eider  Kalamität  1926  mehrfach 
beobachten   konnten   (Abb.   429). 

2)  Lediglich  der  Schwede  Holmers  berichtet  über  ausgedehnte  Wanderungen 
der  Spannerraupen. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spannen.        493 

Spanners,  die  mit  dem  bis  in  die  rauhe  und  kalte  Jahreszeit  reichenden 
Spätfraß  zusammenhängt. 

Nur  Jung  raupen  scheinen  etwas  mehr  empfindlich  zu  sein  und  durch 
starke  Gewitterregen  usw.  geschädigt  zu  werden,  wie  F.  Eckstein  (1923) 
aus  verschiedenen  Berichten  der  Praxis  schließt.  Wir  selbst  allerdings  haben 
beim  Ensdorfer  Fraß  1925  keine  Verminderung  der  Jungraupen  durch 
die  zahlreichen  Gewitterregen  im  Juli  und  August  konstatieren  können. 

Die  älteren  Raupen  dagegen  sind  geradezu  erstaunlich  unempfindlich 
gegen  Witterungseinflüsse  i),  vor  allem  gegen  Frost.  Wohl  mögen  naßkalte 
Witterung  und  Frost  die  Freßlust  für  kurze  Zeit  herabdrücken,  doch 
vermögen  sie  nur  selten  die  Raupen  direkt  zu  schädigen  oder  gar  zu 
vernichten,  und  es  kann  nicht  eindringlich  genug  gewarnt  werden,  auf  der- 
artige Einflüsse  ohne  weiteres  eine  günstige  Prognose  aufbauen  zu  wollen. 
Im  günstigsten  Fall  kann  durch  langandauernde  oder  immer  wiederkehrende 
Regen  oder  Fröste  die  Nahrungsaufnahme  vermindert  werden,  so  daß 
das  Wachstum  noch  mehr  verlangsamt  wird  und  die  Raupen  ihre  Normal- 
größe nicht  mehr  erreichen,  sondern  zur  Notverpuppung  schreiten  (wodurch 
natürlich  die  nächste  Generation  geschwächt  wird). 

Wie  gering  die  direkte  Einwirkung  von  heftigen  Regen 
und  A' o  r  allem  Frösten  auf  das  Leben  der  Raupen  in  den 
Kronen  ist,  darüber  liegen  zahlreiche  Berichte  vor.  Schon  bei  Ratze - 
bürg  (W.  L167)  finden  wir  Angaben,  wonach  Fröste  (in  der  Zeit  vom 
6. — 18.  Dezember)  von  — 2  bis  — 5°  R  die  Raupen  nicht  zu  töten  vermochten. 
„Die  Tausende  lebender  Raupen  waren  unverändert  grün,  aber  sie  saßen 
sämtliche  mit  dem  Kopf  nach  unten  gegen  den  Zweig  oder  längs  einer 
Nadel  gegen  die  Scheide  derselben  gekehrt...  Am  8.,  als  gegen  Mittag  die 
Sonne  einige  wärmende  Strahlen  entsandte,  sah  ich  einige  träge  an  den 
Nadeln  fressen,  auch  an  den  Fäden  hängend.  Am  10.,  als  draußen  wieder 
alles  erstarrt  war,  brachte  ich  mehrere  Raupen  in  die  warme  Stube,  wo  sie 
sogleich  beweglich  wurden  und  nach  2  Tagen  fraßen,  ...um  sich  schon  nach 
4  Tagen  zu  verpuppen."    ,,Am  18.  Dezember  (Temperatur  mindestens  — 6  bis 

—  80  R)  änderte  sich  plötzlich  die  Szene.  Ich  erkannte  bei  der  Revision 
gleich  an  der  Mißfarbigkeit  der  Raupen  das  Absterben,  obgleich  letztere 
noch  in  ihrer  alten  Stellung  an  den  Zweigen  und  Nadeln  verharrten..." 
„Nur  wenige  waren  noch  grün,  aber  auch  diese  blieben  in  der  Wärme 
regungslos."  Nach  anderen  Beobachtungen  können  die  Raupen  noch  wesent- 
lich tiefere  Temperaturen  ertragen.  In  einem  Bericht  der  Regierung  in 
Marienwerder  vom  21. XII.  1908  (s.  Wolff  S.82)  heißt  es:  „Der  Ende 
Oktober  plötzlich  eintretende  Frost  (bis  — i6'J  C)  schien  uns  von  dem  Span- 
ner zum  größten  Teil  befreien  zu  wollen,  da  die  Raupen  in  großer  Menge 
an  den  Stämmen  herabwanderten  und  dabei  erfroren  zu  sein  schienen.  Leider 
ist  der  Tod  nur  bei  einem  kleinen  Teile  von  ihnen  eingetreten,  die  große 
Mehrzahl  war  nur  verklammt  und  ist  bei  Eintritt  wärmeren  Wetters  zunächst 
wieder  aufgebäumt  und  nachher  zur  Verpuppung  gelangt."  Ähnliches  be- 
richtet Gieseler  (1904)  aus  der  Letzlinger  Heide:  „Ende  November  1902, 
als   die   Raupe   noch   auf   den    Bäumen   fraß,    trat   plötzliche   Kälte   ein,   die 

—  15  0  C  erreichte.    Die  Raupen  schienen  erfroren  zu  sein,  so  steif  lagen  sie 


1)    Mit    .Ausnahme    vielleicht    der    letzten    Raupenzeit    (des    Vorpuppenstadiums) 
unten  S.  494. 


494  II.  Spezieller  Teil. 

massenhaft  am  Boden  und  hingen  sie  an  den  Bäumen.  Doch  kaum  wurde  die 
Witterung  wieder  gelinder,  so  waren  sie  alle  wieder  mobil,  fraßen  zum  Teil 
noch  weiter  und  zum  Teil  suchten  sie  ihr  Winterlager  auf." 

Die  hohe  Wetter-  und  Frostfestigkeil  der  in  den  Kronen  befindlichen  Spanner- 
raupen geht  auch  aus  folgendem  Bericht  Knauths  (1896,  S.  49)  deutlich  hervor: 
„Am  21. — 24.  Oktober  war  ziemlich  empfindlicher  Frost  und  Reif  eingetreten, 
welcher  gemäß  der  Ergebnisse  des  Probesuchens  vom  28.  Oktober  keinen  Einfluß 
auf  die  Spannerraupen  gehabt  hat,  während  ein  Teil  der  Blattwespen-Afterraupcn 
die  Verspätung  ihrer  bereits  unterm  15.  Oktober  begonnenen  Verpuppung  mit  dem 
Tode  gebüßt  hat.  Der  29.  Oktober  brachte  dann  leichten  Neuschnee,  welcher  wohl 
6—8  Stunden  ziemlich  ausgiebig  in  den  Wipfeln  hängen  geblieben  war,  dann  am 
selbigen  Tage  abschmolz  und  gleichfalls  den  Spannerraupen  nur  ganz  geringen  Ab- 
bruch zu  tun  vermochte.  Man  mußte  die  wenigen,  allerdings  erstarrten  Raupen  am 
Boden  förmlich  suchen.  In  kurzem  Wechsel  erfolgte  am  i.  November  abermals 
empfindlicher  Frost,  so  daß  die  Wege  selbst  in  den  geschlossenen  Beständen  hart 
gefroren  waren.  Mit  diesem  Froste  war  den  noch  lebenden  Blattwespen  der  Rest 
gegeben;  die  ganzen  Klumpen  wurden,  wie  sie  beim  Fressen  ineinander  verschlungen 
waren,  erfroren  und  nach  einigen  Tagen  verdorrt  gefunden,  während  die  in  ver- 
hältnismäßiger Höhenlage,  im  Innern  der  Bestände  und  in  den  Baumkronen  ar- 
beitenden Spannerraupen  durch  denselben  abermals  nicht  belästigt  worden  sind.  Es 
waren  in  jenen  Tagen  gleichfalls  nur  vereinzelte  Exemplare  zu  finden,  die  erstarrt 
und  leblos  am  Boden  lagen,  während  der  Hauptbestand  in  den  Baumkronen  ge- 
blieben ist  und  notorisch  weiter  gefressen  hat  bis  gegen  Ende  des  Monats  November 
bzw.   sogar  Anfang  Dezember." 

Auch  den  in  der  S  t  r  e  u  d  e  c  k  e  befindlichen,  vor  der  Ver- 
puppung stehenden  Raupen  vermag  der  Frost  nichts  anzu- 
haben. Wolff  (S.83)  führt  einen  Fall  aus  dem  Tuchler  Fraßgebiet  an, 
in  dem  die  Raupen  den  ganzen  Winter  über  in  der  gefrorenen  Streudecke 
lagen,  um  sich  erst  im  Frühjahr  zu  verpuppen.  Dagegen  scheint  allzu 
große  Feuchtigkeit  den  Raupen  im  Vorpuppenstadium  recht 
schädlich  werden  zu  können,  so  daß  dieselben  nicht  mehr  zur  Verpuppung 
gelangen   (Laboratoriumsversuclie  von  Wolff,   S.  108). 

Aus  allen  diesen  Beobachtungen  und  Angaben,  die  noch  um  ein  Viel- 
faches vermehrt  werden  könnten,  geht  das  Eine  zweifellos  hervor,  daß  die 
Spann  er  raupe  (mit  Ausnahme  vielleicht  der  allerersten  und  der  allcr- 
1  etzten  Lebenszeit)  durch  eine  ganz  a  u  ß  e  r  g  e  w  ö  h  n  1  i  c  h  e  Wider- 
standsfähigkeit gegen  W  i  1 1  e  r  u  n  g  s  e  i  n  f  1  ü  s  s  e ,  vor  allem  gegen 
Kälte,  ausgezeichnet  ist. 

Andererseits  fehlt  es  auch  nicht  an  Berichterstattern,  die  Gegenteiliges,  nämlich 
massenhaftes  Eingehen  der  Raupen  nach  Frösten  usw.  festgestellt  haben  wollen. 
Nach  den  obigen  positiven  Beobachtungsergebnissen  kann  jedoch  diesen  Angaben 
wenig  Wert  beigemessen  werden,  zumal  nirgends  ein  Beweis  erbracht  ist,  daß  das 
Aufhören  des  Fraßes  bzw.  das  Eingehen  der  Raupen  nicht  auf  andere  Ursachen 
(Parasiten,  Krankheiten)  zurückzuführen  war.  Außerdem  ist  auch  zu  bedenken,  daß 
ein  Steif  frieren  nicht,  wie  es  häufig  geschieht,  mit  tot  gleichzusetzen  ist,  sondern  daß 
vielmehr  steifgefrorene  Raupen  nach  langer  Zeit  wieder  zum  Leben  erwachen  können 
(vgl.   das  im   I.  Bd.   des  Werkes   über   ..Ana  bi  ose"   Gesagte). 

Die  Bionomie  der  Puppe. 

Die  Raupen  suchen  zur  Verpuppung  den  Boden  auf,  sei  es  durch  Ab- 
spinnen oder  auf  dem  Wege  über  den  Stamm.  Unten  angekommen,  wandern 
wohl  die  meisten  Raupen  erst  kleinere  Strecken  über  den  Boden  hin,  bevor 
sie  sich  einbohren.    Daher  findet  auch  die  Verpuppung  durchaus  nicht  vor- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner;.        495 

nehmiich  in  der  Niihe  des  Stammes  oder  unter  dem  Schirm  der  Fraßbaume 
statt,  sondern  meist  über  den  ganzen  Bestand  zerstreut  (siehe  auch  A 1 1  u  m 
1890).  Die  Raupen  bohren  sich  mehr  oder  weniger  tief,  meist  4 — 5  cm,  in  die 
Bodendecke  ein,  um  entweder  an  der  Grenze  des  Mineralbodens  oder 
bei  dünner  Decke  und  in  Orten,  in  denen  die  Streu  regehnäßig  entfernt  wird, 
auch  im  Mineralboden  selbst  sich  zur  Verpuppung  einzurichten.  Sie 
lileiben  hier  längere  Zeit,  in  der  Längsrichtung  zusammengezogen,  liegen,  ehe 
sie  sich  verpuppen.  Dieses  Vorpuppenstadium  (Abb.  430)  kann  von  2  Wochen 
bis  zu  mehreren  Monaten  dauern.  In  der  Regel  bei  einigermaßen  günstigen 
Witterungsverhältnissen  erfolgt  die  Verpuppung  frühestens  Mitte  bis 
Ende  Oktober  bis  anfangs  November,  um  aber  im  gegenteiligen 
Extrem  bis  zum  Januar,  ja  in  einzelnen  Fällen  sogar  bis  zum  März  und 
April  hinausgeschoben  zu  werden.  „Es  hat  den  Anschein,"  schreibt  F.Eck- 
stein (1923,  S.  279),  ,,als  ob  stets  dann,  wenn  eine  anormal  späte  Verpup- 
pung der  Raupe  nach  ihrem  Eindringen  in  den  Boden  festzustellen  ist,  eine 
Beschädigung  derselben  stattgefunden  hat.  Eine  lang  ausgedehnte  , Boden- 
ruhe" der  Raupen  finden  wir  daher  fast  stets  bei  einer  allmählich  ausklingen- 
den Massenvermehrung  einer  zu  Ende  gehenden  Kalamität."    Daß  die  Witte- 


Abb.    430.     Verschiedene    Phasen    des    Vorpuppenstadiums    von   Buf^oltis    piiiiaritis    L. 

rungsverhältnisse  dabei  eine  wichtige  Rolle  spielen,  geht  aus  einem  \>rgleich 
der  Kalamitätenjahre  191 1  und  1912  deutlich  hervor;  191 1  niederschlagsarm, 
hohe  Temperaturen,  Verpuppung  Oktober  bis  November  —  19 12  nieder- 
schlagsreich, niedere  Temperaturen,  Verpuppung  meist  erst  im  folgenden 
Kalenderjahr  bis  in  den  Februar  und  März  hinein. 

Die  Verpuppung  geschieht  ohne  jegliche  G  e  s  p  ins  t  b  i  1  d  un  g  ,  die 
Puppe  liegt  völlig  nackt  im  Boden,  auf  höhere  oder  tiefere  Schichten 
verteilt!). 

Knauth  (1895)  ü^ß  über  die  Verteilung  genaue  Untersuchungen  beim 
Oberpfälzischen  Fraß  anstellen,  wonach 

in  der  Moos-  und  Nadeldecke  350/0   der  Puppen, 
in  der  eigentlichen   Humusschicht  60  0/0   der  Puppen, 
im  Mineralboden  50/0   der  Puppen 
lagen.     Leythäuser    (1897,    S.  455)    gibt    die    entsprechenden    Zahlen    mit 
25 — 30O0,  600/0  und  10 — 1500  an.    In  anderen  Böden,  z.  B.  mit  geringer  Strcu- 

1)  Nach  Bernas  (1889/90)  können  sich  auch  die  Puppen  selbst  aktiv 
in  den  Boden  einbohren:  In  Waldsteinruh  wurde  beobachtet,  daß  ,,von  den 
durch  die  Entfernung  der  Moosdecke  auf  der  sandigen  Erdoberfläche  freigelegten 
Puppen  nur  die  matten  von  der  kalten  Regenzeit  getötet  wurden,  die  Irischeren 
sich  durch  Bewegung  ihres  Hinterleibes  in  che  Erde  einzubohren  suchten,  was 
manchen   bis   auf    i^/o    Zoll    Tiefe    gelang". 


496  n.  Spezieller  Teil. 

decke,  werden  sich  natürlich  andere  Zahlen  ergeben;  Jucht  (1925)  fand  bei 
geringer  Streudecke  40 0/0  der  Puppen  im  Sand,  bei  schwacher  reiner  Nadel- 
decke 620/0,  bis  bei  Böden,  die  der  Streu  fast  völlig  entblößt  sind,  bis  100 0/0 
der  Puppen  auf  den  Mineralboden  entfallen.  Letzteres  hatten  wir  selbst  bei 
der  jüngsten  Spannerkalamität  in  der  Oberpfalz  (1926/27)  in  manchen  der- 
artigen vollgerechten  Forstorten  zu  beobachten  Gelegenheit.  Ratzeburg  (W.) 
zitiert  übrigens  einen  Bericht,  Avonach  auch  an  solchen  Orten,  die  eine  sehr 
starke  Moosdecke  hatten,  Spannerpuppen  in  dem  Mineralboden  gefunden 
wurden  1). 

Es  scheint,  daß  auch  die  Art  der  lebenden  Bodendecke  nicht  ohne 
Einfluß  auf  die  Verpuppung  bleibt.  Wolff  gibt  an,  daß  „unter  starken 
Beerkrautdecken  oder  unter  hohem  und  dichtem  Heidekraut,  ebenso  unter 
den  Polstern  des  den  Boden  stark  durchwurzelnden  Polytrichiim  formosiim 
auffallend  wenig  Puppen  gefunden  wurden 2).  Laboratoriumsversuche  zeig- 
ten dann  auch,  daß  die  Spannerraupe  nicht  kräftig  genug  ist,  um  tiefer  in 
den  dichten  Wurzelfilz  einzudringen;  sie  bohrten  sich  nur  da  weiter  ein,  wo 
Risse  ihr  das  möglich  machten.  Jucht  (1925  S.  220)  dagegen  fand  unter 
starken  Beerkrautdecken  ebenso  viele  Puppen  wie  in  beerkrautfreien  Orten. 

Wie  die  Raupe,  so  ist  auch  die  Puppe  sehr  widerstandsfähig  gegen 
Witterungseinflüsse.  „Gegen  Frost  sind  die  Puppen  praktisch  als  ganz  vm- 
empfindlich  anzusehen.  In  Junkenhof  hatten  die  Puppen  den  Aufenthalt  in 
der  fest  gefrorenen  Humusschicht  ausgezeichnet  vertragen"  (Wolff  S.97). 
Allerdings  scheint  dem  eine  Beobachtung,  die  Eidmann  (1926  a)  mitteilt, 
zu  widersprechen:  „Auf  den  Versuchsflächen  der  Forstämter  Burglengenfeld, 
wo  durch  Umhacken  der  Streu  decke  die  Puppen  freigelegt  waren,  gingen 
bei  einem  Nachtfrost  von  — 70C  am  22/23.  April  sämtliche  freiliegenden 
Puppen  zugrunde,  wobei  die  bloßliegenden  olivgrünen  Partien  sich  deutlich 
verfärbten."  Durch  kaltes,  regnerisches  Frühjahrswetter  wird  das  Tempo  der 
Entwicklung  des  Schmetterlings  in  der  Puppe  wesentlich  verlangsamt  (bis 
eben  die  nötige  Wärmesumme  erreicht  ist).  Die  Verzögerung  kann  mehrere 
Wochen  betragen   (Leythäuser,    1897;  Wolff,   1913). 

Auch  gegen  Vertrocknen  scheint  die  Spannerpuppe  nicht  so  emp- 
findlich zu  sein,  wie  vielfach  in  der  Praxis  angenommen  wird  (im  Gegensatz 
zur  Eulenpuppe,  s.  unten).  Das  Freilegen  der  Puppen  z.  B.  durch  Streurechen 
oder  Beharken  bedeutet  durchaus  nicht  ohne  weiteres  deren  Eingehen;  die 
Puppen  können  vielmehr  das  Freiliegen,  ebenso  die  damit  verbundene  inten- 
sive „Belichtung"  im  allgemeinen  recht  gut  vertragen,  wie  sowohl  aus  vielen 
Berichten,  als  auch  aus  verschiedenen  Versuchen  Wolffs  und  Juchts  her- 
vorgeht   (Wolff,  S.  103—106,   Jucht,    S.  227)3). 


1)  Bei  Wolff  (S.  92)  findet  sich  eine  Mitteilung  aus  Danzig  vom  Jalire 
1908,  daß  die  etwa  zu  gleichen  Teilen  vorhandenen  Raupen  und  Puppen  klumpen- 
weise und  tief  im  Sande  unter  der  Humusschicht  zusammengelegen  haben.  Wolff 
hält  dies  für  einen  rein  zufälligen  Befund,  vielleicht  zum  Teil  für  das  Werk  der 
Waldmaus,  die  ja  gelegentlich  ihre  Beutetiere  in  der  beobachteten  Art  in  ihren 
Gängen    zusammenbringt. 

2)  Vergleiche  unten  die  Angaben  von  Vietingshoffs  über  den  Einfluß 
der  Bodenflora  auf  die  Verpuppung  der  Eule. 

3)  Des  allgemeinen  Interesses  halber  sei  noch  die  große  Unempfind- 
lichkeit  der  Spannerpuppen  —  die  sie  vielleicht  mit  allen  Puppen  teilt  —  gegen 
Röntgenstrahlen  erwähnt,  wie  sich  gelegentlich  von  Versuchen,  die  Herr 
Dr.  Wallnöfer  hier  anstellte,  erwies. 


II.  Unterordnung:  INIacrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spannen.        497 

Endlich  sei  noch  erwähnt,  daß  sich  die  Spannerpuppen  (wie  wohl  die 
meisten  Schmetterlingspuppen)  gegen  eine  Reihe  v^on  cliemischen  Stoffen 
(Kalisalze,  Petroleum  usw.),  mit  denen  wir  draußen  im  Freien  Versuche 
machten,  völlig  unempfindlich  erwiesen  haben,  und  daß  sie  auch  manch  kräf- 
tige mechanische  Einwirkung  ohne   Schaden  vertragen  können i). 

Die  Zeit  der  P  u  p  p  e  n  r  u  h  e  ist,  wie  aus  den  sehr  verschiedenen 
Verpuppungsterminen  (siehe  oben)  hervorgeht,  sehr  ungleich  lang.  Normaler- 
weise beträgt  sie  annähernd  öi/, — 7  Monate;  sie  kann  jedoch,  wenn  die  Ver- 
puppung erst  im  März  stattfindet,  auf  etwa  4 — 5  Monate  verkürzt  werden 
(die  Wärmesumme  wird  ja  in  dieser  Jahreszeit  auch  viel  schneller  erreicht). 

Das  Ausschlüpfen  der  Falter  vollzieht  sich  gewöhnlich  in  den 
frühen  Morgenstunden,  in  denen  man  die  frischgeschlüpften  Tiere  mit  noch 
unentfalteten  Flügeln  am  Boden,  an  Gräsern  oder  Forstunkräutern  sitzend 
finden  kann.  Daß  der  Falter  beim  Emporkriechen  vom  Puppenlager  an  die 
Oberfläche  stets  den  Gang  benützt,  der  von  der  sich  einbohrenden  Raupe  ge- 
fertigt wurde,  und  daß  andernfalls,  d.  h.  wenn  dieser  Gang  nicht  mehr 
besteht,  der  Schmetterling  nicht  nach  oben  gelangen  könne,  sondern  zugrunde 
gehen  müsse  —  diese  Meinung,  die  in  manchen  Berichten  aus  der  Praxis 
aufgestellt  wurde,  trifft  nicht  zu,  wie  ja  jeder  Züchter  ohne  weiteres  fest- 
stellen kann  (s.  auch  Wo!  ff  S.  90). 

Epidemiologie. 

Ätiologie. 

Zederbauer  (1911)  kommt  Ijci  seinen  eingehenden  Untersuchungen 
ü])er  die  Zusammenhänge  von  Klima  und  Gradation  zu  dem  Ergebnis,  daß 
der  Spanner  (gleich  wie  der  Spinner,  die  Eule  und  die  Nonne)  sein 
PI  a u  p  t  g  r  a  cl  a  t  i  o  n  s  g  e  b  i  e  t  in  r  e  g  c  n  a  r  m  e  n  Landstrichen  mit  400 
bis  800  mm  Niederschlagsmenge  hat.  Nach  unseren  über  mehr 
als  hundert  Jahre  sich  erstreckenden  Erhebungen  fallen  weitaus  die  mei- 
sten Gradationen  in  Gebiete  mit  500  —  600mm  Niederschlags- 
menge, nur  ein  verhältnismäßig  geringer  Prozentsatz  in  Gebiete  mit  600 
bis  700  mm,  und  diese  sind  mit  wenigen  Ausnahmen  auf  die  südliche  Hälfte 
Deutschlands  beschränkt  (siehe  Karte  4).  Die  Jahresdurchschnitts- 
temperaturen der  Hauptspannergebiete  liegen  (mit  einer  Aus- 
nahme) über  70,  meist  über  8°  (Karte  3)-),  und  was  die  Höhenlagen 
betrifft,  so  dürfte  in  Deutschland  die  oberste  Grenze  bei  600m  zu 
suchen  sein. 

Wolff  und  F.  Eckstein  sind  bezüglich  der  klimatischen  Verhältnisse 
zu  ganz  ähnlichen  Resultaten  gekommen  —  Wolff  bezeichnet  „als  die 
Standorte     für     die    Entwicklung    der    Spanncrkalamitäten     ausgesprochene 


1 )  Die  Angaben  von  der  Oberförsterei  Hagen,  daß  die  Spannerpuppen  so 
empfindlich  seien,  daß  von  mit  der  Hand  gesammelten  Puppen  nur  7 — 120/0  zur 
Entwicklung  kamen,  beruhen,  wie  auch  Wolff  S.  96  bemerkt,  aui  völlig  irriger 
Auslegung.  Die  vielen  Tausenden  von  Puppen,  die  wir  oft  recht  schlecht  verpackt 
erhielten  und  die  infolgedessen  während  des  Transportes  stark  durcheinandergeschüt- 
telt worden  waren,  ergaben  zum  größten  Teil  (soweit  sie  nicht  parasitiert  waren}  ge- 
sunde  Falter. 

2)  Allerdings  wäre  hierbei  noch  zu  berücksichtigen,  daß  die  jahreszeitliche 
Verteilung  von  Niederschlag  und  Temperatur  den  ausschlaggebenden  Einfluß 
auf  den  Gang  der  Gradationen  ausüben  dürfte  (vgl.  Ecksteins  Angaben  auf 
S.  503). 

Escherich.  Foistinsekten,  Bd.  III.  32 


498 


II.  Spezieller  Teil. 


Trockengebiete  und  hier  wieder  sonnige  Kuppen"  —  und  auch  für  Schweden 
scheinen  dieselben  Gesetzmäßigkeiten  Geltung  zu  haben,  indem  nach  Trä- 
gärdh  (1919)  Spannergradationen  „nur  im  östlichen  Schweden  vorkommen, 
wo  die  jährliche  Niederschlagsmenge  geringer  als  550  mm  ist." 

Vergleichen  wir  die  Gradationskarte  des  Spanners  mit  der  der  Eule  (s.  unten), 
so  sehen  wir  einerseits,  daß  sich  die  Gradationsgebiete  der  beiden  Schädlinge 
vielfach  decken,  andererseits  können  wir  aber  auch  Unterschiede  feststellen: 
einmal  umfassen  die  Eulengebiete  größere  zusammenhängende  Flächen 
als  die  Spannergebiete  und  sodann  geht  der  Spanner  wenigstens  in  Nord- 
und  Mitteldeutschland  mehr  nach  dem  Westen  (Elbegebiet)  und  auch  weiter 


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Karte  3. 
Gradationskarte  des   Kiefernspanners:  Schadgebiete  und  Jahresisothermen. 

nach  Süden.  So  sind  südlich  der  Donau  nennenswerte  Eulengradationen  noch 
nicht  vorgekommen,  während  der  Spanner  in  der  Ingolstädter  Gegend  die 
Donau  nach  Süden  überschreitet  und  dort  schon  zu  wiederholten  Malen  um 
Geisenfeld  herum  zu  schweren  Kalamitäten  geführt  hat  (Karte  3  und  4). 
Danach  scheinen  also  beim  Spanner  die  Bindungen  (durch  Klima  usw.) 
etwas  weniger  eng  zu  sein  als  bei  der  Eule. 

Nicht  alle  Kiefernwälder  in  dem  hier  aufgezeichneten,  durch  Nieder- 
schlagsmengen und  Jahresisothermen  umgrenzten  Gebiet  sind  den  Spanner- 
angriffen in  gleicher  Weise  ausgesetzt,  sondern  es  sind  meist  bestimmte 
Alter,  Lagen  und  Waldtypen,  die  befallen  werden  und  denen  also 
eine  besondere  Disposition  für  Spannergradation  innewohnt. 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Gcometridae  (Spanner 


499 


Was  ist  die  Ursache,  daß  bestimmte  Lagen  und  gerade  ein  bestimmtes 
Alter  der  Wälder  vom  Spanner  bevorzugt  wird?  ..Warum",  fragt  Frie- 
derichs. ..wird  ein  Bestand  kahlgefressen  und  ein  benachbarter  verschont?" 
„Warum  sind  es  meist  nur  gewisse  , Lagen',  in  denen  der  Spanner  kata- 
strophal auftritt,  während  benachbarte  Bestände  grün  bleiben?"  Als  aus- 
geschlossen darf  es  gelten,  daß  die  betreffenden  Bäume  den  Raupen  als 
Nahrung  nicht  zusagen.  ,,Sie  bleiben  vielmehr  deshalb  verschont,  weil  in 
ihnen  auch  in  den  Spannerjahren  Verhältnisse  vorliegen,  die  in  den  gefähr- 
deten Beständen  nur  in  den  gewöhnlichen  Jahren  obwalten.  Was  unter- 
scheidet nun  die  gefährdeten  Lagen  von  anderen?    Offenbar  das,  was  in  der 


Karte  4. 
Gradationsgebiete    des    Kiefernspanners:    Schadgebiete    und    Niederschlagsmengen. 

epidemiologischen  Literatur  als  .örtliches  Klima'  nicht  sehr  genau  bezeichnet 
wird." 

Für  die  zur  Erörterung  stehenden  Fragen  müssen  wir,  wie  im  all- 
gemeinen Teil  bereits  angeführt  ist,  unterscheiden:  ,,i.  Das  allgemeine  meteo- 
rologische Klima,  2.  das  standörtliche  Klima  (eines  Waldes,  eines  Berg- 
hanges), 3.  das  Kleinklima,  die  Verhältnisse  eines  Habitat,  einer  einzelnen 
Stelle  im  Standort,  wo  unser  Schädling  lebt.  Eine  Spannerpuppe,  die  sich 
unter  einer  Buche  oder  in  einer  kleinen  Senkung  verpuppt,  befindet  sich  in 
ganz  anderen  physiographischen  Verhältnissen  als  eine  andere,  die  nicht  weit 
davon  unter  oder  in  einer  dicken  Rohhumusschicht  ruht.  Denn  nachdem  im 
Frühjahr  die  Buche  sich  belaubt  hat,  fängt  sie  die  Sonnenstrahlen  ab,  deren 

32* 


500  II.  Spezieller  Teil. 

Wärme  für  die  Entwicklung  des  Spanners  zur  Imago  nicht  ohne  Bedeutung 
sein  kann,  zum  mindesten  den  Zeitpunkt  seines  Erscheinens  bestimmen  wird. 
Seine  Nachkommenschaft  erscheint  vermutlich  später  als  die  der  früher  flie- 
genden Spanner,  was  für  ihr  Gedeihen  nicht  unwesentlich  sein  kann,  denn  die 
Sonnenwärme  (Mecklenburgs)  reicht  ohnehin  nur  aus  zu  einer  sehr  späten, 
vielfach  erst  zu  Winteranfang  erfolgenden  Beendigung  der  Raupenentwick- 
lung. Leben  mehrere  Generationen  von  Spannern  unter  solchen  Verhält- 
nissen, so  ist  diese  SpanncrbcvöJkerung  schwer  benachteiligt  und  mag 
schließlich  da,  wo  entsprechende  Verhältnisse  vorherrschen,  fast  erlöschen. 
Diese  Verhältnisse  bedürfen  selbstverständlich  w^eiterer  experimenteller  Auf- 
klärung." 

,,Die  Ökologen  versuchen  die  klimatischen  Verhältnisse  zu  2  und  3  zu 
erfassen  und  begegnen  dabei  nicht  geringen  Schwierigkeiten.  Der  umfas- 
sendste Ausdruck  dieser  Verhältnisse  ist  die  Verdunstung.  Aber  wenn  diese 
gemessen  wird,  zeigt  sich,  daß  sie  ganz  verschieden  ist  an  verschiedenen 
Stellen  ein  und  desselben  Standortes,  etwa  einer  schattigen  und  einer  son- 
nigen Stelle,  und  H.  Walter  kommt  gar  zu  dem  Schluß,  daß  es  , .allgemeine 
Standortsbedingungen"  für  ein  größeres  Gebiet  nicht  gibt.  Harris  u.a.  ver- 
suchen mit  biometrischen  Methoden  gleichwohl  die  Verdunstung  in  gewissen 
Waldtypen  mit  der  in  anderen  zu  vergleichen.  Wir  werden  in  der  gleichen 
Richtung  arbeiten  müssen,  um  epidemiologisch  voranzukommen,  dazu  Raupen 
unter  verschiedenen  Verhältnissen  von  Temperatur,  Feuchtigkeit  und  Licht 
aufzüchten  und  die  Mortalität  feststellen  müssen.  Es  kann  schon  heute  als 
sehr  wahrscheinlich  bezeichnet  werden,  daß  wir  auf  diesen  beiden  Wegen 
zusammen  zum  Ziel  gelangen  werden,  denn  mit  der  Möglichkeit,  daß  innere, 
in  der  Raupe  liegende  Faktoren  zuzeiten  eine  stärkere  Vermehrung  herbei- 
führen, brauchen  wir  vorerst  gar  nicht  zu  rechnen." 

„Wodurch  ist  nun  das  .Bestandesklima'  bedingt?  Erstens  durch  die 
Lage  im  Gelände.  Zweitens  durch  die  Bodenbeschaffenheit  einschließlich 
der  Streudecke.  Drittens  durch  die  Pflanzendecke.  Viertens  unter  Umstän- 
den auch  durch  Tiere,  etwa  durch  einen  großen  Wildstand,  der  jeglichen 
Unterwuchs  vernichtet.  Die  Verhältnisse  zu  i.  und  2.  entziehen  sich  unserer 
Einwirkung,  wir  wollen  nur  bei  dem  dritten  Punkt  verweilen.  Es  ist  selbst- 
verständlich, daß  in  verschieden  alten,  in  sich  aber  gleichalterigen  Bestän- 
den ein  verschiedenes  Bestandesklima  herrscht.  In  der  Dickung  ist  Wind- 
stille und  Schatten;  der  Boden  ist  daher  kühl;  seine  Feuchtigkeit  wird 
durch  die  geringe  Dicke  der  Streudecke  beeinflußt.  In  hohen  fast  schlag- 
reifen Beständen  gelangt  mehr  Sonne  zum  Boden  als  in  jüngeren;  dieser 
muß  daher  wärmer,  und  soweit  nicht  eine  starke  Streudecke  etwa  viel  Roh- 
humus modifiziert,  trockener  sein.  Jedenfalls  wechselt  das  Bestandesklima 
mit  dem  Alter  und  der  damit  erfolgenden  Auflichtung  der  Bestände:  eine 
Selbstverständlichkeit,  aber  der  springende  Punkt,  welcher  den  verschiedenen 
Grad  des  Befalls  der  Altersstufen  hypothetisch  zu  erklären  geeignet  ist.  Wir 
dürfen  annehmen,  daß  für  die  Raupe  oder  für  die  Puppe  oder  für  beide 
oder  für  die  Imago  nur  bestimmte  Altersstufen  des  Bestandes  zusagende  Ver- 
hältnisse des  Bestandesklimas  gewähren,  und  daß  daher  in  jungen  Beständen 
immer  das  eine  oder  das  andere  Entwicklungsstadium  des  Spanners  nicht 
gut  gedeihen  kann,  daß  andererseits  in  älteren  Beständen  bei  günstigem 
Wetter  das  betreffende  Stadium  sich  in  so  günstigen  klimatischen  Verhält- 
nissen   befindet,    daß    die    Mortalität    bis    zu    dem    Grade    herabgedrückt    ist, 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoplcra.    Familie  Geometridac  (Spanner).        501 

welche  Gradation  bedeutet.  Man  muß  mit  der  Möglichkeit  rechnen,  daß 
diese  günstigen  Wetterverhältnisse  ziemlich  komplizierter  Art  sein  mögen, 
daß  ihnen  ein  Rhythmus  des  Wetters  zugrunde  liegen  kann  und  daß  dieser 
nicht  allein  die  Mortalität  der  Eier,  Raupen  und  Puppen  beeinflussen  mag, 
sondern  auch  die  Vermehrungsenergie  des  Falters,  sei  es,  daß  es  sich  um 
Wetterverhältnisse  handelt,  die  ihn  als  solchen  treffen  oder  die  er  während 
seiner  Entwicklung  erlebt  hat.  Außerdem  wird  natürlich  der  Massen- 
wechsel der  Parasiten  beeinflußt." 

„Versuchen  wir  uns  eine  genauere  Vorstellung  von  den  Verhältnissen 
zu  machen,  die  die  verschiedenen  Grade  der  Eignung  verschiedener  Alters- 
stufen der  Bestände  für  den  Spanner  bedingen,  so  kann  folgendes  gesagt 
werden:  Wenn  die  Dickung  zum  Stangenholz  heranwächst,  beginnt  die  Auf- 
lichtung des  Bestandes.  Die  Sonne  beginnt  den  Boden  stärker  zu  erwärmen 
und  die  Erwärmung  steigert  sich  im  Verhältnis  der  Auflichtung;  es  wird  ein 
Grad  derselben  erreicht,  der  für  die  Spannerpuppe  günstig  ist,  indem  er  die 
zu  ihrer  Entwicklung  im  Frühjahr  erforderliche  Wärmesumme  darstellt,  so 
daß  mehr  Spanner  als  vorher  zu  rechtzeitiger  Entwicklung  oder  zur  Ent- 
wicklung überhaupt  gelangen;  und  jetzt  ist  das  Alter  des  Bestandes  heran- 
gekommen, in  dem  bei  günstigen  Wetterverhältnissen  Massenvermehrung  zu 
erwarten  ist.  Welches  Alter  oder  was  dasselbe  heißt,  welcher  Grad  der  Auf- 
lichtung hierfür  erforderlich  ist,  das  hängt  offenbar  von  dem  allgemeinen 
Klima  ab;  von  den  in  verschiedenen  Klimazonen  sehr  unterschiedlichen  mitt- 
leren und  maximalen  Temperaturen  der  in  Betracht  kommenden  Monate, 
indem  diese  Temperaturen  zusammen  mit  anderen  Verhältnissen  einen 
rascheren  oder  langsameren  Wuchs  der  Bestände  bedingen,  deren  Auf- 
lichtung demgemäß  nicht  überall  gleich  schnell  vonstatten  geht.  Mit  anderen 
Worten,  auch  bei  gleichem  Grad  der  Auflichtung  wird  die  Erwärmung  des 
Bodens  je  nach  Klima  und  Wetter  verschieden  stark  sein;  sie  wird  in  der 
einen  Gegend  und  in  dem  einen  Jahre  stärker  sein  als  anderswo  bzw.  in 
einem  anderen  Jahre,  und  so  sehen  wir,  soweit  die  Wärmeansprüche  der 
Puppe  in  Frage  stehen,  die  epidemiologischen  Voraussetzungen  der  Spanner- 
kalamität in  großen  Zügen  vor  uns,  haben  aber  die  „ökologische  Valenz"  in 
dieser  wie  in  anderen  Hinsichten  noch  experimentell  zu  untersuchen,  um  die 
erforderliche  Wärme  (und  Feuchtigkeit)  genau  zu  kennen.  Kaum  nötig  zu 
sagen,  daß  auch  die  Art  der  forstlichen  Bewirtschaftung  diese  Verhältnisse 
beeinflußt  und  daß  sie  in  dieser  typischen  Form  nur  dann  sich  entwickeln, 
wenn  die  Bäume  des  Bestandes  von  gleichem  x\lter  sind." 

„Gefolgert  werden  kann  aus  dem  Vorstehenden,  daß  in  einem  kühlen 
Klima  die  Altersgrenze  der  Gefährdung  der  Kiefer  durch  den  Spanner  nach 
oben  sich  verschieben  muß,  und  tatsächlich  sind  in  Mecklenburg-Schwerin, 
das  größtenteils  zum  nordatlantischen  Klimabezirk  gehört,  Dickungen  und 
jüngere  Stangenhölzer  weniger  gefährdet  als  höhere  Altersstufen,  während 
in  dem  zum  subsarmatischen  Bezirk  gehörigen  Mecklcnburg-Strclitz  die 
Dinge  schon  etwas  anders  liegen"  (Friederic hsV 

Im  allgemeinen  sind  es  vor  allem  dürftige,  s  ch  1  ech  t  w  ü  c  hs  ig  e, 
auf  magerem  Boden  stockende  Bestände  von  25  —  70  Jahren, 
die  dem  Spanner  zum  Opfer  fallen.  In  den  meisten  Berichten  kehren  die 
Angaben  immer  wieder,  daß  derartige  Wälder  in  den  „Spannerjahren" 
zuerst   und  am   stärksten  l^efallen  waren. 


502  n.  Spezieller  Teil. 

Eine  besondere  Bedeutung  scheint  der  Trockenheit  bzw.  Feuch- 
tigkeit des  Bodens  zuzukommen.  Bei  dem  großen  Spannerfraß  in 
der  Tucheier  Heide  standen  die  feuchten  Senken  und  Mulden  mit  ihren 
unversehrten  Bäumen  „als  fast  vollendete  Oasen  inmitten  der  stark  gelich- 
teten Wipfel  des  übrigen  Bestandes"  (Wolff  S.  254).  Auch  anderwärts 
wurden  ähnliche  Beobachtungen  gemacht  (s.  F.  Eckstein  S.  254).  Es  ist 
jedoch  zu  weit  gegangen,  wenn  Wolff  Kiefernbestände,  die  auf  feuchten 
Lagen  stocken,  direkt  als  immun  ansieht  (S.  109),  denn  es  liegen  auch 
gegenteilige  Beobachtungen  vor.  So  berichtet  das  Forstamt  Schrobenhausen 
(Oberbayern),  daß  gerade  die  Hauptfraßstellen  „sehr  zu  Nässe  neigen",  und 
aus  den  Forstämtern  Nürnberg  und  Erlangen  sind  Fraßbeschädigungen  aus 
anmoorigen  bzw.  moorigen  Böden  bekannt  geworden  (F.  Eckstein,  S.255, 
und  Nitsche,  1895).  Es  mag  sich  hier  um  Ausnahmen  handeln;  doch  geht 
aus  diesen  hervor,  daß  unter  gewissen  Umständen  (die  uns  noch  nicht  näher 
bekannt  sind)  eine  ,, Immunität"  nasser  Böden  nicht  besteht. 

Daß  die  Bodendecke  nicht  ohne  Bedeutung  auf  die  Spannerver- 
mehrung sein  kann,  geht  aus  dem  eben  über  Feuchtigkeit  Gesagten  ohne 
weiteres  hervor.  Hängt  doch  der  Feuchtigkeitsgehalt  sehr  wesentlich  von 
der  Art  der  Bodendecke  ab.  Eine  Moosdecke  z.  B.  besitzt  ein  weit  höheres 
Speicherungsvermögen  an  Feuchtigkeit  als  eine  Grasnarbe  oder  ein  grob- 
maschiges Wurzelgeflecht  von   Heide  und  Beerkraut. 

Fried crichs  äußert  sich  in  seiner  epidemiologischen  Studie  nach 
Angaben  Völkers  in  ähnlichem  Sinn  über  den  Einfluß  der  Bodendecke:  „Im 
Gegensatz  zu  den  stark  wandelbaren  Einflüssen  des  Baumbestandes  wirken 
Boden  und  Bodendecke  stets  gleichsinnig,  und  zwar  dahin,  daß  sie  die 
Folgen  der  Auflichtung  für  die  Puppe  stark  modifizieren.  „Betrachten  wir 
auf  der  einen  Seite  Verhältnisse,  wie  sie  in  der  Letzlinger  Heide  vorliegen: 
im  allgemeinen  nur  eine  schwache  Bodendecke,  oft  nur  eine  dünne  Nadel- 
decke mit  sehr  schwacher  Rohhumusschicht,  die  Puppen  liegen  mehr  im 
wasserdurchlässigen,  gleichmäßig  trockenen  Sand.  Auf  der  anderen  Seite 
unsere  mecklenburgischen  Verhältnisse:  bis  in  das  höhere  Bestandcsalter 
hinein  mäßige  H  y  p  n  u  m  -  und  D  i  c  r  a  n  u  m  -  Decken  mit  starker  Rohhumus- 
unterlage, die  später  mehr  oder  weniger  von  Gräsern  durchsetzt  werden. 
Moos  und  Rohhumus  sind  beträchtliche  Wasserspeicher,  die  namentlich  im 
atlantischen  Klimagebiet  (Winterniederschläge  reichlicher  und  meist  als 
Regen!)  oft  längere  Zeit  hindurch  erhebliche  Feuchtigkeitsmengen  in  sich 
bergen.  Die  Puppen  dürften  unter  letzterem  zu  leiden  haben.  Erhebliche 
Verluste  treten  ein.  Dazu  kommen  die  im  gleichen  Sinne  wirkenden,  an  den 
Rohhumus  gebundenen  stärkeren  Grade  von  Azidität.  Daraus  folgt  aber, 
daß  der  zunächst  in  der  Auflichtung  begründete  Beginn  des  durch  Gradation 
gefährdeten  Alters  hinausgeschoben  wird." 

Dazu  kommt  vielleicht  noch  das  mechanische  Hindernis,  das  den 
in  den  Boden  eindringenden  Raupen  durch  gewisse  Bodendecken,  z.  B. 
durch  ein  sehr  dichtes  Wurzelgeflecht,  entgegengesetzt  wird  und  die 
Raupen  an  der  Verpuppung  hindert.  Daß  das  völlige  Fehlen  einer 
Streudecke  (in  streuberechten  Wäldern)  gradationshemmend  wirkt  oder  gar 
Immunität  bedeutet,  ist,  wie  oben  schon  betont,  nicht  richtig,  da  die  Raupen 
sich  dann  in  den  mineralischen  Boden  zur  Verpuppung  einbohren.  Zudem 
ist  die  Trockenheit,  die  hier  herrscht,  ein  direkt  günstiges,  förderndes 
Moment  für  die   Spannerentwicklung    (gesunde   fJberwinterung),   wie   man   ja 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Gcometridae  (Spanner).        503 

auch  immer  wieder  beobachten  kann,  daß  die  sonnigen,  wärmeren  und 
trockenen  Orte,  wie  Südabhänge  von  Kuppen  usw.,  besonders 
stark   befallen  sind. 

Ob  außer  den  hier  behandelten  Faktoren  auch  dem  Ernährungs- 
zustand des  Baumes  selbst  eine  gewisse  Bedeutung  für  die  Entwick- 
lungsbedingungen des  Spanners  zukommt,  diese  Frage,  die  Wolff  auf- 
geworfen hat,  möchte  ich  vorerst  mit  F.  Eckstein  verneinen.  Wenig- 
stens gibt  uns  die  Biologie  des  Spanners,  soweit  sie  uns  bekannt  ist,  keine 
Anhaltspunkte  dafür,  während  wir  aber  andererseits  wissen,  daß  die  Boden- 
verhältnisse, die  die  Ursache  der  Schlechtwüchsigkeit  sind,  die  Entwicklung 
des  Spanners  stark  begünstigen.  Der  schlechte  Ernährungszustand  der  Bäume 
und  die  Spannergradation  hängen  also  wohl  nur  insofern  zusammen,  als 
beiden  die  gleiche  Ursache  (trockene,  arme  Böden)  zugrunde  liegen. 

Als  gradationsaus  lösende  Faktoren  kommen  wohl  auch  beim 
Spanner  in  erster  Linie  die  meteorologischen  Verhältnisse  in  Be- 
tracht. ,, Trockene,  warme  Jahre"  sind  es,  die  die  Entwicklung  einer  Spanner- 
kalamität begünstigen,  schreibt  Nitsche.  ,,Die  trockenen,  für  Insekten- 
vermehrung so  günstigen  Sommer  der  Vorjahre  und  günstiges  Wetter  zur 
Flugzeit  des  Schmetterlings  in  den  nachfolgenden  Jahren  dürften  wohl  als 
erster  Grund  der  Massenvermehrung  anzusehen  sein,"  meint  Leythäuser, 
während  in  einem  Bericht  der  Oberförsterei  Warlubien  (aus  dem  Jahre  1908) 
„dem  auffallend  warmen  und  trockenen  Herbst"  besondere  Bedeutung  für 
die  Zunahme  des  Spanners  zugeschrieben  wird. 

F.  Eckstein,  der  sich  eingehend  mit  dieser  Frage  beschäftigt  hat, 
schreibt:  ,,in  letzter  Linie  scheint  jedoch  stets  die  Witterung  derjenige 
Faktor  zu  sein,  der  durch  hervorgerufene  Störungen  in  den  wechselseitigen 
Beziehungen  der  Organismenmengen  zueinander  das  treibende  Moment  für 
das  Zustandekommen  des  Mißverhältnisses  zwischen  dem  Schädling  und 
seinen  Feinden  bildet,  und  zwar  besonders  dann  und  dort,  wo  die  geringen 
Niederschlagsmengen  im  Trockengebiet  einen  besonders  niedrigen  Stand  er- 
reichen." Zum  Beleg  dieser  Anschauung  gibt  er  eine  Tabelle  über  die 
Jahres-Niederschlagsmengen  von  40  Jahren  (1897 — 1918),  aus  der  deutlich 
ersichtlich  ist,  daß  der  Beginn  der  Spannerperioden  stets  in  besonders 
niederschlagsarme  Zeiträume  fällt.  Trägärdh  gibt  an,  daß  in  den  der 
Spannervermehrung  vorhergehenden  Jahren  die  jährliche  Niederschlagsmenge 
allmählich  um   15 — 270/0   herabgesunken  war. 

Wie  die  Witterungsverhältnisse  im  einzelnen  wirken,  cl.  h. 
auf  welche  Zeit  im  Jahre  bzw.  auf  welche  Entwicklungsstadien  des  Spanners 
sie  besonderen  Einfluß  ausüben,  darüber  wissen  wir  noch  recht  wenig. 
F.  Eckstein  hat  auch  über  diese  Frage  aus  den  Akten  Aufschluß  zu  erhal- 
ten versucht.  Er  kam  durch  Vergleich  der  Temperatursummen  einmal 
während  der  Raupenperiode  (August  bis  November)  und  sodann  während  der 
Puppenperiode  (Dezember  bis  Mai)  im  Ablauf  einer  Kalamität  zu  dem 
Ergebnis,  daß  der  Beginn  einer  Gradation  durch  hohe  Tem- 
per a  t  u  r  s  u  m  m  e  n  w  ä  h  r  e  n  cl  der  R  a  u  p  e  n  p  e  r  i  o  cl  e  und  niedere 
Temperatursummen  während  der  Puppe  nperiode  charak- 
terisiert wird;  und  umgekehrt,  daß  mit  allmählich  abklingender  Kala- 
mität die  Temperaturen  während  des  Raupenstacliums  sich  erniedrigen, 
dagegen    während   der   Puppenruhe    stark    in    die    Höhe    gehen.    Andererseits 


504  II.  Spezieller  Teil. 

wirkt  die  Niederschlagsmenge  gleichsinnig  auf  das  Raupen- 
und  Puppenstadium,  indem  der  Beginn  der  Gradation  durch  niedere 
und  das  Ende  durch  hohe  Niederschlagsmengen  sowohl  während  der  Raupen- 
ais auch  der  Puppenzeit  gekennzeichnet  ist.  Nach  F.  Eckstein  scheint 
ferner  die  März-April- Witterung  eine  ganz  besondere  Bedeutung  zu 
besitzen,  „so  zeigt  sich  für  Nürnberg,  Bamberg,  Amberg,  Cham,  Regensburg 
und  Ingolstadt  im  Jahre  der  größten  Ausbreitung  des  Spanners  gleichzeitig, 
daß  dort  die  geringste  Niederschlagsmenge  im  April  eines  Zeitraumes 
von  40  Jahren  gefallen  ist,  während  im  Jahre  1896  in  Nürnberg,  also  im  letz- 
ten Jahr  der  Kalamität,  die  höchste  Niederschlagsmenge  im  April  fiel." 
Es  sind  allererste  Anfänge,  die  in  dieser  Frage  gemacht  sind.  Es  wird 
eine  Hauptaufgabe  der  zukünftigen  Forschung  sein,  genaue  Untersuchungen 
über  den  Einfluß  verschiedener  Temperaturen  und  Feuchtigkeitsgrade  auf 
das  Leben  bzw.  die  Mortalität  der  verschiedenen  Entwicklungsstadien  des 
Spanners  vorzunehmen,  so  wie  sie  Zwölfer  für  die  Eule  angestellt  hat 
(s.  unten). 

Örtlicher  Verlauf. 

Über  die  Frage  der  örtlichen  Ausbreitung  des  Spannerbefalls  ist  schon 
sehr  viel  geschrieben  und  diskutiert  worden.  Besonders  ausführlich  hat  sich 
Wolff  damit  beschäftigt.  In  der  Mehrzahl  der  Berichte  über  den  Ablauf 
von  Kalamitäten  finden  wir  die  Angabe,  daß  der  Fraß  sich  zunächst  nur 
in  einzelnen  Horsten  oder  gar  nur  stammweise  bemerkbar  macht,  und  daß 
dann  von  diesen  „Fraßherden"  aus  in  den  folgenden  Jahren  der  Befall 
sich  weiter  ausbreitet,  meist  so,  daß  die  Herde  sich  konzentrisch  erweitern, 
bis  sie  mit  den  Nachbarherden  zu  einem  größeren,  zusammenhängenden 
Befallsgebiet  zusammenfließen. 

Daß  in  größeren  Kieferngebieten  die  einen  Orte  mehr,  die  anderen 
weniger  disponiert  sind  zu  Spannergradationen,  ist  aus  dem  oben  (über  die 
Disposition)  Gesagten,  ohne  weiteres  klar:  denn  die  Beschaffenheit  des 
Bodens,  sein  Feuchtigkeitsgehalt,  die  Bodendecke  usw.,  kurz  alle  Faktoren, 
die  das  Mikroklima  bestimmen,  zeigen  in  jedem  größeren  Kiefernwald  je 
nach  den  Orten  Unterschiede.  Es  wird  dementsprechend  in  solchen  Ge- 
bieten auch  der  eiserne  Bestand  in  Normalzeiten  ein  wechselnder  sein.  Die 
mikroklimatisch  der  Entwicklung  besonders  günstigen  Orte  werden  natürlich 
beim  Einsetzen  der  gradationsauslösenden  Faktoren  zuerst  in  Bewegung 
geraten,  und  es  wird  hier  auch  zuerst  eine  Fraßwirkung  bemerkbar  werden 
in  Form  jener  Horste  oder  „Fraßherde".  Wenn  nun  im  folgenden  Jahr 
—  vorausgesetzt,  daß  die  gleichen  gradationsfördernden  Verhältnisse  fort- 
dauern —  das  Fraßbild  sich  erweitert  und  auch  die  zwischen  denselben 
gelegenen  Gebiete  sich  zu  verfärben  beginnen,  schließt  man  hieraus  gewöhn- 
lich ohne  weiteres:  die  Gradation  breitet  sich  von  den  „Fraßherden"  oder 
„Fraßzentren"  aus.  Und  zwar  in  dem  Sinne,  daß  diese  die  Ursache  des 
allgemeinen  Befalls  darstellen,  indem  von  ihnen  aus  die  hier  geborenen 
Falter  die  noch  gesunden  Waldteile  massenweise  zur  Eiablage  überschwem- 
men oder  die  Raupen  infolge  Nahrungsmangel  aus  den  kahlgefressenen 
Orten  in  die  noch  grüne  Umgebung  auswandern. 

Die  tatsächlichen  Beobachtungen  über  die  Bionomie  des  Spanners 
sprechen  jedoch  gegen  eine  solche  Anschauung.  Wir  haben  oben  (S.  472) 
gehört,    daß   die    Falter   in   der    Regel   keine   weiten    Flüge   machen,    sondern 


II.  Unterordnung:  INIacrolepidoptera.    Familie  Geonietridae  (Spanner:.        505 

beim  Schwärmen  gewöhnlich  am  Ort  ihrer  Geburt  verbleiben  i)  und  ebenso, 
daß  die  Raupen  keine  Wanderungen  in  unbefallene  Revierteile  zum  Zweck 
besserer  Nahrungsversorgung  unternehmen.  Abgesehen  davon  ist  es  auch 
a  priori  nicht  zu  verstehen,  wie  durch  allmähliche  Ausbreitung  von  einzelnen 
Zentren  aus  schon  im  2.  Jahr  der  Befall  eine  das  Vielfache  erreichende 
Ausdehnung  erlangen  kann.  Im  Nürnberger  Reichswald  betrug  z.  B.  die 
Kahlfraßfläche  im  Jahr  1893  etwa  284  ha,  um  im  folgenden  Jahr  bereits 
auf  10882  ha,  d.h.  auf  das  38  fache  hinaufzuschnellen.  Derartige  Erschei- 
nungen lassen  sich  —  besonders  wenn  wir  die  geringe  Beweglichkeit  des 
Spanners  mitberücksichtigen  —  viel  besser  durch  die  Annahme  erklären,  daß 
der  Spanner  von  vornherein  überall,  wenn  auch  in  ungleicher  Verteilung,  im 
Wald  vorhanden  war,  daß  aber  in  den  weniger  gradationsgünstigen  Orten 
mit  geringerem  eisernen  Bestand  die  Gradation  langsamer  zur  Entwicklung 
kam  als  an  den  prädisponierten  Stellen  mit  höherem  eisernen  Bestand,  und 
daher  dort  erst  im  2.  Jahr  zur  Kahlfraßstärke  anwuchs,  so  daß  dann  das 
Bild  eines  allgemeinen  Befalls  entstand. 

Auch  die  Ausbreitung  der  letzten  Spannerkalamität  in  der  Ober- 
pfalz  von  1924 — 1927  ist  auf  ähnliche  Weise  zu  erklären.  Hier  spielt  aller- 
dings auch  die  Verschiedenheit  der  Makroklimas  zweifellos  eine  wichtige 
Rolle  insofern,  als  in  den  Gegenden,  in  denen  die  Kalamität  zuerst  ein- 
setzte, ein  milderes  allgemeines  Klima  herrscht  als  in  den  Gegenden,  wo  die 
Kalamität  schließlich  auslief.  Ich  gebe  hier  4  Karten  und  eine  tabellarische 
Übersicht,  die  ich  nach  den  Aufzeichnungen  des  Herrn  Oberregierungsrat 
Hellwig2)  (Regensburg)  herstellen  ließ  (Escherich,  1929),  aus  denen 
deutlich  zu  ersehen  ist,  wie  die  Spannervermehrung  im  Jahre  1924  in  der 
Gegend  von  Ensdorf,  Amberg,  Freudenberg  einsetzend  in  der  ganzen  Ober- 
pfalz herumzog,  ein  Fortschreiten  von  Süden  nach  Norden  zeigend.  Während 
in  den  Jahren  1924  und  1925  die  Vermehrungskurve  in  der  südlichen  Hälfte 
der  Oberpfalz  den  höchsten  Gipfel  erreicht,  beginnt  sie  von  1926  hier  stark 
abzufallen,  um  so  mehr  aber  in  den  nördlichen  Gebieten  anzusteigen  und 
1927  ihren  Höhepunkt  zu  erreichen 3). 

Andererseits  soll  nicht  bestritten  werden,  daß  auch  Verbreiterungen 
kleinerer  Herde  vorkommen  dadurch,  daß  die  99,  die  in  kahlgefressenen 
Horsten  auskommen,  die  Randbäume  belegen.  Ebenso  scheinen  verschiedene 
Beobachtungen  dafür  zu  sprechen,  daß  vereinzelt  auch  in  entfernteren  Wäl- 
dern Neuinfektionen  vom  Befallsgebiet  aus  erfolgen  können.  So  teilt  F.Eck- 
stein (S.  258)  einen  Fall  vom  Forstamt  Kosbach  (Oberfranken)  mit,  wo 
„selbst  isoliert  in  der  Feldflur,  jedoch  unweit  des  Staatswaldes  gelegene,  im 


1)  Es  kommen  allerdings,  wie  oben  bereits  erwähnt,  gelegentlich  Verwehungen 
(bis  zu  3   km)   vor. 

2)  Demselben  sei  für  seine  liebenswürdige  und  tatkräftige  Unterstützung  aller 
meiner  Untersuchungen  auch  hier  herzlich  gedankt. 

3)  Außerdem  bietet  die  Tabelle  einen  Einblick  in  den  jeweiligen  Verlauf  der 
Gradationen;  er  erstreckt  sich  (ohne  Vorbereitungsjahr  1  im  allgemeinen  auf  3  bis 
4  Jahre,  wobei  zu  berücksichtigen  ist,  daß  an  vielen  Gegenden  Abwehrmaßregeln  er- 
griffen wurden,  durch  die  der  natürliche  Ablauf  etwas  abgebogen  wurde.  Endlich  ist 
aus  der  Tabelle  noch  zu  ersehen,  daß  aus  der  Höhe  des  Puppenbelages  durchaus 
nicht  immer  auf  die  Stärke  des  Falterfluges  oder  des  Fraßes  zu  schließen  ist;  in 
Waldsassen  z.  B.  folgte  im  Jahre  1926  auf  20  Puppen  starker  Falterflug  und  Kahl- 
fraß, während  andererseits  in  Burglengenfeld  1926  auf  100  Puppen  (Höchstzahl!) 
nur  ein  mäßiger   Falterflug  und  Lichtfraß  folgte. 


506 


II.  Spezieller  Teil. 


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II.  Untcrordnunt 


Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  ( Spanner; .        507 


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508 


IL  Spezieller  Teil. 


Übersicht  über  den  Verlauf  der  Spannergradation  in   der  Oberpfalz 
in  den  Jahren  1924—1927  % 


Forstamt 


1924 


1925 


1926 


1927 


BemerkiiiiP-en 


Fiele  nhofen 
Fuppenbelag    .  .  . 

Falterflug- 

Fraßbeschädignng 

B  e  i  1  n  g  r  i  e  s 
Pnppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

Burglengenfeld 
Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

Teublitz 
Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädiguug 

Nittenau 
Puppenbelag    .  .  . 
Falterflug  ....  . 
Fraßbeschädigung 

R  0  d  i  n  g 
Puppenbelag    .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

N  e  u  m  a  r  k  t 
Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

Pf af f enhof en 
l'uppenbelag    .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

E  n  s  d  0  r  f 
Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

A  m  b  e  r  g 
Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraß  b  eschädigung 


Lichtfraß 


20 


20 


Halbfraß 


über  100 


Halbfraß 


über  100 

mäßig 
Lichtfraß 


50 

mäßig 

Lichtfraß 


über  100 

stark 
Lichtfraß 


100 
mäßig 


über  100 

mäßig 
Lichtfraß 


20 
schwach 


20 
schwach 


über  100 

stark 
Kahlfraß 


100 
schwach 
Naschfraß 


50 
schwach 


über  100 

mäßig 

Lichtfraß 


100 
schwach 
Hall^fraß 


100 
schwach 


50 

schwach 


20 


über  100 

mäßig 
Naschfraß 


20 
Ende  der  Gradation 


keine  weiteren  Folgen 


100 
Ende  der  Kalamität 


über  100 
Ende  der  Kalamität 


20 
Ende  der  Kalamität 


20 
Ende  der  Kalamität 


Bodenbearbeitung- 
im  Jahre  1926 


Bodenbearbeitun 
im  Jahre  1926 


Bodenbearbeitung 
192Ö. 


20 
Ende  der  Kalamität 


Flug-zeug-bekämpf. 
1925  und  Boden- 
bearbeitung' 


1)    Die    Reihenfolge    der    Forstämter    ist    nach    ihrer    geogra]ihischen    Lage    von 
Süden  nach  Norden  aufgestellt.    Die   Zahlen  stellen   Hüchstzahlen   je   qm  dar. 


II.  Unterordnung:  INIacrolepidoptera.    Familie  Gcometridae  (Spanner).        509 


Forstamt 

1924            1925 

1926 

1927 

Bemerkungen 

F  r  e  u  (1  e  n  b  e  r  g 
Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädiguiig 

Lichtfraß 

über  100 

mäßig 

Lichtfraß 

über  100 

stark 
Lichtfraß 

20 

Schweineeintrieb 
1926 

Pfreimd 

Puppenbelag   .  .  . 
Falterflug  ..... 
Fraßbeschädigung 

- 

50 

schwach 

20 

20 

Bodenbearbeitung- 

Neu  haus  a.  E. 

Puppenbelag    .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 



50 

mäßig 

Naschfraß 

50 
schwach 

20 

Yilseck 

Puppenbelag    .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

Lichtfraß 

über  100 

stark 
Kahlfraß 

100 
schwach 

20 

E  t  z  e  n  r  i  c  h  t 

Puppeubelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

Halbfraß 

über  100 

mäßig 

Kahlfraß 

20 

20 

Bodenbearbeitung- 
1925 

K  i  r  c  h  e  n  t  h  u  ni  - 
b  a  c  h 

Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

Lichtfraß 

100 

mäßig 

Naschfraß 

50 

20 

P  r  e  s  s  a  t  h 

Puppenbelag    .  .  . 

Falterflug 

Fraßbesehädigung 

Naschfraß 

50 

mäßig 

Lichtfraß 

über  100 

mäßig 

Kahlfraß 

50 

mäßig 

Kahlfraß 

F  a  1  k  e  n  b  e  r  g 

Puppenbelag   .  .  . 
Falterflug.".  .  .  . 
Fraßbesehädigung 

Naschfraß 

20 
schwach 

schwach 

50 
schwach 

Tirschenreuth 
Puppenbelag    .  .  . 

Falterflug 

Fraßbesehädigung 

Naschfraß 

50 

mäßig 

Lichtfraß 

über  100 

mäßig 
Kahlfraß 

über  100 

mäßig 
Kahlfraß 

Bodenbearbeitung- 
1Ö27/28 

Wondreb 

Puppenbelag   .  .  . 

Falterflug 

Fraßbeschädigung 

E 

50 

mäßig 

Lichtfraß 

über  100 

mäßig 
Kahlfraß 

ül)er  100 

mäßig 
Kahlfraß 

W  a  1  d  s  a  s  s  e  n 

Puppenbelag   .  .  . 
Falterflug  ."".... 
Fraßbeschädigung 

- 

20 
schwach 
Naschfraß 

20 

stark 

Kahlfraß 

100 

stark 

Kahlfraß 

Bodenbearbeitung- 

1927;28 

510  n.  Spezieller  Teil. 

Innern  nur  schwach  befallene  Privatwaldungen  plötzlich  an  den  Grenzen 
einen  lebhaften  Falterflug  zeigten  und  meist  auch  an  den  Rändern  (ent- 
gegen der  normalen  Spannerbionomie)  kahlgefressen  wurden".  ,,Daß  hier 
Falterflug  nur  aus  den  benachbarten,  bereits  im  Vorjahr  teilweise  kahl- 
gefressenen Staatswaldungen  erfolgt  sein  konnte,  ist  um  so  weniger  zu  be- 
zweifeln, als  derselbe  in  einigen  Fällen  am  Tage  durch  das  Lokalpersonal 
beobachtet  wurde." 

Doch  wir  können  diese  Fälle  nur  als  Ausnahmen  ansehen,  und  es  fehlt 
uns  jede  Berechtigung,  auf  ihnen  die  These  von  dem  Entstehen  großer 
Spannergradationen  von  einzelnen  Fraßzentren  aus  (Ausbreitung  per  con- 
fluentiam)  aufzubauen,  zumal  ja,  wie  schon  gesagt,  auch  die  bionomischen 
Tatsachen  dagegen  sprechen.  Die  verschiedenen  Angaben  über  ein  „plötz- 
liches Verschwinden  der  Falter",  über  das  große  Mißverhältnis  zwischen 
der  Stärke  des  Falterfluges  und  der  Eiablage,  der  Raupenzahl  oder  des 
Puppenbelages  sind  durchaus  keine  zwingenden  Beweise  für  die  Fraßzentren- 
theorie; sie  können  auch  auf  andere  Weise  erklärt  werden  (s.  Wolff ,  S.  119 
bis  145). 

Zeitlicher  Ablauf. 

Als  Dauer  der  Spannerfraßperioden  wird  in  den  Berichten  aus  der 
Praxis  meist  3 — 4  Jahre  angegeben:  im  i.  und  2.  Jahr  Nasch-  bis  Lichtfraß, 
im  3.  Jahr  Kahlfraß  und  im  4.  Jahr  nochmaliger  Kahlfraß  nach  teilweiser 
Wiederbegrünung.  Zu  diesen  Jahren  augenfälligen  und  wirtschaftlich  in  Be- 
tracht kommenden  Fraßes  müssen  wir  noch  ein  oder  zwei  Vorjahre  mit 
einer  dem  Praktiker  nicht  auffallenden  Übervermehrung  rechnen,  die  mit 
demi  Einsetzen  der  gradationsauslösenden  Faktoren  (bestimmter  klima- 
tischer Verhältnisse)  beginnt.  Wir  kommen  somit  im  ganzen  mindestens  auf 
5 — 6  Jahre  (siehe  die  Gradationskurve,  Abb.  431). 

Bei  dem  Spannerfraß  in  der  Tucheier  Heide  ließen  „die  Beobachtungen 
des  Bestandes  an  forstschädlichen  Insekten  schon  im  Jahre  1907,  in  der  Ober- 
försterei Hagenort  sogar  noch  früher,  während  der  Flugzeit  des  Spanners  hie 
und  da  auf  eine  Vermehrung  des  Schädlings  schließen".  1908  setzte  bereits 
starker  Fraß  ein,  der  sich  im  folgenden  Jahr  fortsetzte  und  erst  19 10  sein 
Ende  fand.  Demnach  würde  hier  eine  Gradationsdauer  von  4,  oder  wenn 
wir  die  Vorbereitungszeit  hinzurechnen,  von  5  Jahren  vorliegen,  nämlich: 

1906  Vorbereitungsjahr, 

1907  Prodromaljahr, 

1908  I.  Eruptionsjahr, 

1909  2.  „ 

1910  Krisis. 

Bei  der  großen  Spannergradation  im  Nürnberger  Reichswald  zeigten  sich 

1892  die  „ersten  Anfänge  eines  Fraßes"; 

1893  brachte  noch  keine  bedenklichen  Beschädigungen  für  den  Wald 
(die  im  Spätherbst  stark  befressenen  Flächen,  284  ha,  begrünten 
sich  im   Frühjahr   1894  wieder); 

1894  brachte  Kahlfraß  auf  großen   Flächen  (12000  ha); 

1895  weitere  Ausdehnung  des  Kahlfraßes,  Zahl  der  Raupen  bis  zu 
10 000  pro  Stamm; 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        511 


Population 


1896  Starker  Rückgang,  Zahl  der  Raupen  nur  noch  50—100  pro  Stamm, 
die  im  Spätherbst  fast  auf  Null  herunterging. 

In  diesem  Fall  können  wir  von  einer  5jährigen,  und  rechnen  wir  das 
„Vorbereitungsjahr"  hinzu,  sogar  von  einer  6jährigen  Dauer  der 
Spannergradation  reden. 

Bei  der  letzten 
Kalamität  in  der  Letz- 
linger  Heide  wurden 
nach  S  c  h  w  e  r  d  t  - 
feg  er  (1930a;  fol- 
gende Durchschnitts- 
puppenzahlen festge- 
stellt: 

1924  0,14  je  qm 

1925  0,92    ,, 

1926  1,1 1    „     „ 

1927  8,71    „     „ 

1928  33.04   „     „ 
Im  Jahre  1924  war 

noch  der  eiserne  Be- 
stand vorhanden,  1925 
setzt  die  Vermehrung 
ein  (um  fast  das  7- 
fache!),  die  dann  1927 
und  namentlich  1928 
weiter  in  die  Höhe  ging. 
,,Den  gefundenen 
Puppenzahlen  entspra- 
chen die  gefundenen 
Schäden.  1926  wurde 
von  sämtlichen  Ober- 
förstereien gemeldet, 
das  Auftreten  des 
Spanners  gebe  vorläu- 
fig noch  keinen  Anlaß 
zu  Bedenken,  nur  ein- 
zelne Stämme  zeigten 
Fraßspuren.  Auch  1927 
war  der  Fraß  noch 
sehr  gering.  Die  Ober- 
försterei Colbitz  mel- 
dete horstweisen  Lichtfraß  auf  15  ha.  Planken  Nasch-  und  Lichtfraß  auf 
etwa  100  ha,  Burgstall  berichtete,  daß  nur  an  einigen  auf  Verjüngungen 
stehenden    Überhältern    die     Spitzen    kahlgefressen  i).    und     Letzlingen    und 

1)  Die  Regierungsforstabteilung  unterschied  bei  ihrer  Zusammenstellung  Fraß- 
flächen mit  einem  Nadelverlust  \on  mehr  als  500/0  der  vorhanden  gewesenen  Nadel- 
masse und  solche  mit  einem  Nadelverlust  von  weniger  als  5oO'o.  Die  erstgenannte 
Fraßstärke  entspricht  den  üblichen  Bezeichnungen  ,, Kahlfraß"  oder  „starker  Licht- 
fraß", die  andere  etwa  „schwacher  Lichtfraß"  und  ..Naschfraß".  Die  Bestände  mit 
einem  Nadelverlust  von  mehr  als  500/0  können  als  gefährdet  angesehen  werden 
(Schwerdtfeger). 


Abb.  43 


a)~ti 


II 

g||    5,=^  cgi'        ^^ 


E 
Gradationskarte    des    Kiefernspanners. 


512  II.  Spezieller  Teil. 

Jävenitz  meldeten  gar  keine  Schäden.  1928  erfolgte  der  erste  starke  Fraß." 
Im  Jahre  1929  setzte  sich  der  Fraß  fort  und  die  Kahlfraßfläche  wuchs  von 
2315  ha  im  Jahr  1928  auf  3476  ha.    Erst  1930  war  die  Kalamität  beendet. 

Danach  haben  wir  das  i.  Vorbereitungsjahr  in  dem  Jahr  1925  zu  er- 
blicken: bei  der  prozentual  stärksten  Vermehrung  der  Puppenzahl  (von  0,14 
auf  0,92)  ist  noch  kein  Fraß  zu  bemerken.  1926  stellt  das  2.  Vorbereitungs- 
jahr dar,  1927  das  Prodromal  jähr,  1928  und  1929  die  Eruptionsperiode  und 
1930  die  Krise.  Der  Verlauf  (6  Jahre)  entspricht  also  der  aufgestellten 
Gradationskurve. 

Andererseits  kennen  wir  auch  viele  Fälle  kürzeren  Ablaufs,  in  denen  die 
Gradation  bereits  nach  i  Jahr  auffallenden  Fraßes  wieder  abflaute,  infolge 
eines  Umschlags  der  Witterung  oder  dem  Vorhandensein  zahlreicher  Para- 
siten (z.  B.  an  Orten,  wo  vorher  die  Nonne  gefressen  oder  aus  unbekannten 
Ursachen). 

Symptome  der  Spannergradation  (Fraßbild). 

Regenerationserscheinungen. 

Ein  überaus  charakteristisches  diagnostisches  Merkmal  ist  die  späte 
Jahreszeit  des  Spannerfraßes,  die  dieser  noch  mit  dem  Lophynis-Yxdi& 
(II.  Generation)  gemein  hat.  Doch  sind  die  Einzelheiten  der  beiden  Fraß- 
bilder so  verschieden,  daß  eine  Verwechslung  ausgeschlossen  ist.  Über  die 
Symptome  des  Anfangsfraßes  vom  Spanner  gibt  AI  tum  (1890)  eine  aus- 
gezeichnete Beschreibung,  die  ich  hier  im  Wortlaut  wiedergebe: 

„Die  Eigentümlichkeiten  dieses  Fraßbildes  beruhen,  dem  des  Kiefern- 
spinners und  der  Forleule  gegenüber,  in  der  späteren  Jahreszeit  des 
Fraßes  und  in  der  Schwäche  und  den  Aufenthaltsstellen  der  fressenden 
Spannerraupen." 

„Der  späte  Fraß  findet  die  neuen  Triebe  mit  ihren  Nadeln  bereits  ent- 
wickelt, die  schwache  Raupe  vermag  diese  Nadeln,  geschweige  die  vor- 
jährigen, nicht  auf  dem  Stumpfe  abzufressen,  sondern  wie  in  ihrer  ersten 
Jugend  auch  die  kräftigeren  anderen  Kiefernraupen  nur  der  Länge  nach  an 
den  Seiten  zu  benagen.  Sie  dringt  dabei  jedoch  nicht  auf  längere,  solide 
Strecken  bis  auf  die  Mittelrippe,  sondern  läßt  beider-  oder  einerseits  einen 
zackigen,  unbestimmten  Saum  der  Nadelf  lache  stehen  (Abb.  432  B).  Ihre  Auf- 
enthaltstellen sind  schließlich  vorwiegend  die  äußersten  Triebe.  Da  sie  ferner 
die  Nadeln  von  oben  nach  unten  befrißt,  so  bilden  etwaige  nicht  angegriffene 
Nadelteile  die  Basis  der  Nadeln  und  können  so  das  Charakteristische  des 
Fraßbildes  nicht  verwischen." 

„Da  die  so  angenagten  Nadeln  nicht  wie  die  bis  auf  die  nackte  Mittel- 
rippe beim  Blattwespenfraß  verzehrten  Nadeln  sofort  vertrocknen  und  völlig 
dürr  werden  und  somit  durch  Einwirkung  von  Regen  und  Wind  rasch  ab- 
fallen, sondern  bis  in  den  Spätsommer  hinein  aufrecht,  wenn  auch  in  der 
Längsrichtung  etwas  gedreht,  und  dicht  dastehen,  so  erhalten  die  befal- 
lenen Triebe  ein  grob  borsten-,  besen-  oder  bürstenartiges 
Aussehen  (Abb.  432 A  u.  B).  Dieses  Fraßbild  ist,  in  der  Nähe  gesehen 
oder  in  größerer  Höhe  mit  bewaffnetem  Auge  betrachtet,  ein  so  spezifisch 
eigentümliches,  daß  eine  Verwechslung  mit  einer  anderen  Fraßbeschädigung 
kaum  möglich  erscheint.  Sogar  dem  unbewaffneten  Auge  fällt  an  den 
spannerfräßigen  Wipfelspitzen  des  Stangen-,  sogar  noch  des  Altholzes  das 
faserige  Aussehen  der  benadelten  Triebe  auf." 


Escherich,  Forstinsekttn.    III.  Bd. 


Tafel  VII 


II.  Unterordnung:  INIacrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        513 

Ein  weiteres  von  A 1 1  u  m  zuerst  beachtetes  Merkmal  ist  die  eigentüm- 
liche hellbräun  lieh  graue  Färbung  der  einzelnen  Nadeln.  Dieser 
graue  Farbton  breitet  sich  in  dem  Maße  wie  der  Fraß  fortschreitet  über  den 
Zweig  und  schließlich  über  die  Krone  aus. 

„Bald  tritt  dieser  charakteristische  Farbton  nur  an  einzelnen  Nadeln 
inmitten  normal  grüner,  doch  von  diesen  sich  schon  scharf  abhebend,  bald 


~N§ 


Abb.  432  A.     Habitusbild   des   Spannerfraßes  im   September. 


stark  mit  diesen  gemischt,  bald  vorwiegend,  schließlich  allein  herrschend  auf. 
Ein  bräunlich  grauer  Schimmer  hat  sich  mehr  oder  weniger  stark  und  rein 
über  einen  Teil  der  Krone  verbreitet,  ja  die  ganzen  Kronen  können  von 
diesem  Tone  eingenommen  sein." 

Die  anfänglich  wenig  aufdringlichen  Symptome,  die  zudem  erst  in  so 
später  Jahreszeit  sichtbar  werden,  ferner  der  Umstand,  daß  die  Raupen  die 
Krone  nur  ungern  verlassen,  machen  es  verständlich,  daß  schwache  Vermeh- 
rungen im  Beginn  einer  Gradation  häufig  übersehen  werden,  so  daß  das  fol- 

Eschericli,  Forstinsekten,  Bd.  III.  33 


514 


]I.  Spezieller  Tei 


gende  Jahr,  das  vielleicht  schon  aus- 
gedehnte Kahlfraßflächen  bringt,  für 
den  Revierbeamten  oft  eine  große 
Überraschung  bedeutet.  Die  Sym- 
ptome sind  jetzt  so  aufdringlich,  daß 
sie  nicht  mehr  übersehen  werden  k<')n- 
nen.  Von  September  an  beginnen  sich 
die  Kronen  immer  mehr  zu  verfärben; 
der  graue  Ton  geht  in  ein  inten- 
sives Rotbraun  über.  Von  der 
Ferne  betrachtet  heben  sich  diese 
braunen  Fraßstellen  sehr  deutlich  von 
den  gesunden  Waldteilen  ab,  wobei  die 
braune  Farbe  an  den  Rändern  der 
Fraßflächen  allerdings  gewöhnlich  all- 
mählich in  die  grüne  Farbe  übergeht, 
wie  auf  der  Farbenphotographie  auf 
Tafel  VII  zu  ersehen  ist.  Später,  im 
nächsten  Frühjahr,  fallen  die  braunen 
Nadeln  meist  ab,  so  daß  dann  die 
Kronen  völlig  nackt  werden.  Beim 
Fortschreiten  der  Kalamität  wird  auch 
der  Fichtenunterwuchs  angegriffen  und 
mehr  oder  weniger  kahlgefressen  (Abb. 
433).  Wie  bei  anderen  Gradationen 
bleiben  auch  beim  Spanner  bisweilen 
einzelne  Baumindividuen  oder  Baum- 
gruppen grün,  die  dann  wie  Oasen  in 
der  braunen  Wüste  erscheinen. 

Der  Einzelfraß  beziehungsweise 
das  charakteristische  Aussehen  der  be- 
fressenen  einzelnen  Nadeln  ist  oben 
bei  der  Raupenbionomie  ausführlich 
beschrieben  (s.  S.  481). 
Der  erste  Kahlfraß  bedeutet  durchaus  nicht  den  Tod  des  Baumes,  da  ja 
die  Knospen  erhalten  geblieben  sind  bzw.  schon  vor  dem  Fraß  völlig  aus- 
gebildet waren.  Und  so  kommt  es  im  nächsten  Jahr  auf  ganz  normalem 
Wege,  d.  h.  durch  Austreiben  der  Knospen  gewöhnlich  zu  einer  Wie  de  r- 
begrünung  (Abb.  435),  allerdings  erfolgt  das  Wiederergrünen 
der  Maitriebe  viel  später  und  auch  wesentlich  langsamer, 
und  die  Nadeln  bleiben  kurz.  Noch  im  Juli  machen  sie  sich  oft  so  wenig 
bemerkbar,  daß  der  Bestand  von  weitem  mehr  braun  als  grün  aussieht.  Die 
gleiche  Erscheinung  wiederholt  sich  im  zweiten  Nachfraßjahr.  Nicht  alle 
Spitzenknospen  kommen  zur  Entwicklung;  und  die  sich  entwickelnden  er- 
langen vielfach  nicht  einmal  vor  Eintritt  der  ersten  Herbstfröste  ihre  volle 
Ausbildung,  so  daß  sie  Frostschaden  erleiden  und  rostspitzig  werden.  Die 
Holzbildung  im  Innern  ist  im  i.  Fraß  jähr  weniger  gestört  als  bei 
anderem  Raupenfraß  und  zeigt  erst  im  Nachfraßjahr  auffallende  Abnahme. 
Doch  tritt  natürlich  auf  die  Dauer  stets  merklicher  Zuwachsverlust  ein. 

Als   ein  charakteristisches   Merkmal   zweimal   be  fressener   Triebe 


Abb.  432  B.  Besenartiges  Aussehen  eines 
vom  Spanner  befressenen  Kiefernzweiges. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geomelridac  (Spanner).        515 

gibt  Ratzeburg  (W.  171)  ,,die  mehr  schwarzen  als  roten  und  an  der  Basis 
stark  verharzten  Knospenschuppen"  an.  Ferner  wird  nach  Ratzeburg 
(W.  172)  auch  die  Zapfenbildung  durch  Spannerfraß  beeinträchtigt, 
indem  sie  für  einige  Jahre  zurücktritt.  Auch  .^werden  die  Zapfen,  die  sclion 
vor  dem  Fraß  angelegt  waren,  nicht  reif  und  zeigen  zuweilen  an  mehr 
kugeliger  Form  oder  schwärzlicher  Farbe  die  mangelhafte  Ernährung  an; 
oft  lassen  sich  die  jährigen  wie  Pulver  zerreiben".  Auch  Nitsche  (1896) 
hat  das  Zapfensymptom  im  Nürnberger  Reichswald  beobachtet:  an  gesunden 
Stämmen  hatten  die  vorjährigen  Zapfen  Mitte  Juni  ,, bereits  annähernd  die 
noimale  Größe  erlangt,  während  sie  an  entnadelten  Kiefern  unterhalb  der 
neuen  Triebe  höchstens  erst  haselnußgroß  waren." 

Der  Wipfel  ist  in  den  meisten  Fällen  erhalten,  auch  wenn  viele 
untere  Zweige  abgestorben  sein  können.  Andererseits  kann  man  auch  nicht 
selten  schon  im  i.  Jahr  Spieße  am  Kronenast  bemerken  (x\bb.  436).  „Im 
ganzen  macht  jedoch  der  reproduzierte  Wald  nach  Spannerfraß  nicht  den 
jSpießigen'  Eindruck  wie  nach  Eulenfraß"   (Ratzeburg,  W.  172). 

„Rosetten-  und  Scheidentriebe,"  die  im  eulenfräßigen  Wald 
eine  so  hervorragende  Rolle  spielen  (s.  unten),  kommen  bei  der  Regeneration 
des  „Spannerwaldes"  so  gut  wie  gar  nicht  in  Betracht.  Ratzeburg  hat 
hierauf  sein  besonderes  Augeninerk  gerichtet  und  keine  Spur  von  solchen 
Ersatztrieben  (als  Folge  von  Spannerfraß)  entdecken  können.  Wohl  fand  er 
bisweilen  bei  eifrigem  Suchen  im  Spannerwald  vereinzelt  Scheidenknospen, 
doch    ließen    sich    für    diese    stets  eine    andere    Ursache    bzw.    andere    Ver- 


Abb.  433.    Spannerfraß  an  Fichte,  auch  hier  sind  nur  die  Endhälften  der  Nadeln  bc- 
fressen,   während  die  basalen   Hälften  unversehrt  bleiben. 

33* 


516 


II.  Spezieller  Teil 


letzungen  nachweisen.  .„Die  Abwesenheit  dieser  Nebenknospen  läßt  sich 
leicht  erklären,  wenn  man  den  Grund  ihrer  Anwesenheit  bei  Spinner  und 
Eule  erwägt"  (Ratzeburg,  W.  173). 

Die  Krisis. 

Werden  die  Spanner-Gradationen  sich  selbst  überlassen,  so  brechen  sie 
nach  3 — 4  Jahren  nach  den  ersten  Anzeichen  des  Beginns  von  selbst  zu- 
sammen. Sie  können  auch  schon  eher  ihr  natürliches  Ende  finden  bzw.  in 
ihrer  Entwicklung  abgeschnitten  werden,  wenn  für  den  Spanner  besonders 
ungünstige   Verhältnisse   eintreten. 

Der  Zusammenbruch  kann  durch  verschiedene  Faktoren  vollendet  wer- 
den: durch  ungünstige  Witterungsverhältnisse,  z.  B.  einen  naß- 
kalten Sommer,  der  eine  hohe  Raupenmortalität  zur  Folge  hat,  oder  einfach 

durch  Verhungern  der 
Raupen,  oder  durch  natür- 
liche Feinde,  Mykosen 
oder  aber  aus  unbekannten 
Ursachen. 

Daß  es  durchaus  nicht 
immer  allein  die  Parasiten 
sind,  durch  die  die  Krisis  be- 
wirkt wird,  konnte  bei  den 
letzten  Kalamitäten  mehrfach 
(durch  R  h  u  m  b  1  e  r ,  mich 
selbst,  S  c  h  w  e  r  d  t  f  e  g  e  r , 
Steiner  u.  a.)  festgestellt 
werden;  betrug  doch  nicht 
selten  die  Parasitierung  beim 
Zusammenbruch  kaum  mehr 
als    20  0/0. 

Parasiten. 

Die  Artenzahl  der  Span- 
nerparasiten ist  nicht  allzu 
groß,  jedenfalls  wesentlich 
geringer  als  die  Zahl  z.  B. 
der  Eulen-  und  Spinnerpara- 
siten. Doch  ihre  Wirksamkeit 
kann  in  kurzer  Zeit  einen  so 
hohen  Grad  annehmen,  daß 
der  Ablauf  der  Gradation 
wesentlich  beeinflußt  wird. 

Meist  handelt  es  sich  um 
Raupen  Parasiten,  deren 
Entwicklung  erst  in  der 
Spannerpuppe  zum  Abschluß 
gelangt.  Manche  von  ihnen, 
z.  B.  Anomal  Oll  big ///tat!/ zu 
.'\bb.  434.  Ein  Kiefernzweig,  durch  Spanner  an-  ^rav.  und  verschiedene  Ta- 
nähernd  kahlgefressen.  chinen,     belegen     erst     altere 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptcra.    Familie  Geometridae  (Spanner).        517 

Raupen,  so  daß  sie  noch  wenig  entwickelt  in  die  Puppe  gelangen,  also  die 
Hauptentwicklung  in  der  Puppe  durchmachen.  Die  von  diesen  Parasiten  be- 
setzten Puppen  behalten  dann  infolgedessen  noch  mehr  oder  weniger  lang  ihr 


Abb.  435.     Wiederbegrünter    Kiefernwipfel,    der    im    vorhergegangenen    Jahr    durch 
Spanner   kahlgefressen   worden   war. 

normales  iYussehen;  so  weisen  z.  B.  die  von  Anomalon  bigiiltatiim  befallenen 
Spannerpuppen  ,,bis  tief  in  den  Monat  Juni  hinein  noch  dunkelgrüne  Flügel - 
scheiden  und  ihre  volle  Beweglichkeit  auf"  (Seitner),  während  dagegen 
solche  Puppen,  in  denen  die  Parasitenentwicklung  schon  frühzeitig  beendet 
ist,  schon  im  Winter  sich  wesentlich  verändern  und  ihr  ganz  charakteristi- 
sches Aussehen  erhalten  (s.  Tafel  VI,  Fig.  16).  Es  wird  darüber  unten  bei 
Besprechung  der  Feststellung  des  Parasitenprozentes  noch  Näheres  mit- 
geteilt werden  (s.  S.  551).  Die  Eiparasiten  treten  beim  Spanner  in  bezug 
auf  allgemeine  Bedeutung  wesentlich  hinter  die  Raupenparasiten  zurück. 

Die    zwei     Hauptparasitengruppen     Ichneumonen    und    Tachinen 


518 


II.  Spezieller  Teil. 


haben  annähernd  gleichen  Anteil,  jedoch  nicht  etwa  in  dem  Sinne, 
daß  zu  gleicher  Zeit  und  an  gleichen  Orten  Tachinen  und  Ichneumonen  zu 
je  50  o/o  wirksam  sind,  sondern  insofern,  als  bei  der  einen  Kalamität  die 
Ichneumonen,  bei  einer  anderen  die  Tachinen  die  Hauptarbeit  besorgen.  So 
berichtet  Wolff ,  daß  bei  dem  großen  Fraß  in  der  Tucheier  Heide  in  einem 
Revier  fast  ausschließlich  ichneumonierte  Puppen  (950/0)  gefunden  wur- 
den, während  ein  anderes   Revier  800/0    tachinierte  Puppen  aufwies   (das 

Neustädter  Material 
war  eine  Reinkultur" 
von  Tachinen,  dasWil- 
dunger  eine  solche  von 
Ichneumonen).  Auch 
Seitner  (1921)  beob- 
achtete beimgalizischen 
Spannerfraß  (191 5  bis 
\  f  ;  19 17)    bald    ein    Über- 

.«  •;        ;■  wiegen    der    Tachinen, 

bald    ein    solches    der 
;  Ichneumonen,  ,.,wie 

überhaupt  ein  oft  auf- 
fallender Wechsel  im 
numerischen  Verhalten 
zwischen  den  beiden 
Parasitengruppen  fest- 
stellbarwar". Und  ähn- 
liche Angaben  finden 
sich  bei  F.  Eckstein 
(1923),  Eidmann  und 
anderen  Autoren.  Auch 
die  Arten  der  Haupt- 
parasiten können  je 
nach  dem  Gradations- 
gebiet verschiedene  sein 
(s.  unten). 

Des  weiteren  ist 
die  in  vielen  Berichten 
betonte  Tatsache  zu 
berücksichtigen,  daß 
die  Parasiten  selbst  im 
einzelnen  Revier  sehr 
ungleich  verteilt  sein 
können.  ,,Oft  ist  ein  einzelner  Jagen  stark  von  ihnen  besetzt,  im  benach- 
barten fehlt  jede  Spur,  und  alle  Puppen  des  Schädlings  erweisen  sich  als 
vollkommen  gesund"'  (Wolff,  S.  138).  F.Eckstein  (1923,  S.  298)  gibt 
eine  Übersicht  über  den  Parasitenbefall  von  24  Forstämtern  beim  ober- 
pfälzischen Spannerfraß  1895,  aus  der  diese  Ungleichheit  besonders  deut- 
lich hervorgeht.  Die  Prozentzahlen  schwanken  zwischen  o  und  71 0/0.  Wenn 
hier  auch  die  Verschiedenheit  der  Untersuchung  mit  in  Rechnung  gestellt 
werden  muß,  so  spiegeln  die  großen  Unterschiede  doch  zweifellos  im 
großen  und  ganzen  die  tatsächlichen  Verhältnisse  wieder. 


Abb.  436.    „Spießbildung"  bei   Spannerfraß. 
Phot.  Schotte. 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        519 

Worauf  beruhen  die  mitunter  so  gewaltigen  Ungleichheiten  des  Para- 
sitenbestandes in  oft  ganz  nahe  gelegenen  Revierteilen?  Zum  Teil  wohl  auf 
den  Verschiedenheiten  in  der  gesamten  Struktur  der  einzelnen  Waldgebiete, 
des  Mikroklimas  usw.,  insofern,  als  diese  Faktoren  an  den  einen  Forstorten 
der  Bionomie  der  verschiedenen  Parasiten  mehr  förderlich  sind  als  an 
anderen  (vielleicht  beruht  hierauf  das  wechselnde  Überwiegen  von  Tachinen 
oder  Ichneumonen^). 

Oder  der  höhere  Parasitenstand  ist  die  Folge  der  vorhergegangenen 
Gradation  eines  anderen  Insektes.  Da  die  wichtigsten  Spannerparasiten 
mehr  oder  weniger  polyphag  sind,  so  ist  eine  solche  Erklärung  nahe- 
liegend. Wolff  und  auch  Eidmann  (1926)  weisen  mit  besonderem  Nach- 
druck auf  diesen  Zusammenhang  hin.  Ersterer  betont  als  „unleugbares 
Faktum,  daß  dort,  wo  vor  dem  Spanner  die  Nonne  oder  die  Eule  gefressen 
hat,  bisweilen  ein  späterer  Spannerfraß  auffallend  plötzlich  erlischt".  Und 
Eidmann  hat  festgestellt,  daß  „in  den  Revieren,  wo  ein  hoher  Prozentsatz 
der  Kiefernspannerpuppen  parasitiert  war,  der  Heidekrautspanner  Hema- 
lurga  atoinaria  L.  sehr  stark  geschwärmt  hatte".  Da  hier  als  Hauptparasit 
des  Spanners  Ichneumon  nigritarius  Grav.  aufgetreten  war,  der  auch  als 
häufiger  i7e/Ä(?/«/-^«- Schmarotzer  beobachtet  wurde,  so  ist  dieser  Zusammen- 
hang wohl  kaum  von  der   Hand  zu  weisen. 

F.  Eckstein  hat  noch  auf  einen  Punkt  hingewiesen,  der  noch  kurz 
berührt  werden  soll,  nämlich  auf  die  Schwankungen  der  Parasiten- 
vermehrung  in  den  verschiedenen  Jahren.  Er  schiebt  diese  zum  Teil  auf 
den  Einfluß  der  Witterungs Verhältnisse.  Er  sucht  aus  dem  Ver- 
gleich von  Parasitenvermehrung  und  Klima  Schlüsse  auf  die  optimalen  Ent- 
wicklungsbedingungen der  Parasiten  zu  ziehen  und  glaubt  in  manchen  Fällen 
konstatieren  zu  können,  daß  dieselben  denen  des  Wirtstieres  ent- 
gegengesetzt seien,  insofern,  daß  warmes,  trockenes  Wetter  den  Para- 
siten abträglich  sei,  reichliche  Niederschläge  dagegen  die  Parasitenentwick- 
lung förderte  (1923,  S.  294  und  295).  Damit  sucht  F.  Eckstein,  zum  Teil 
wenigstens,  die  verschiedentlich  beobachtete  Erscheinung  zu  erklären,  daß 
die  Parasitenvermehrung  während  einer  Spannergradation  durchaus  nicht 
immer  in  gerader  Linie  aufsteigend  ist  bis  zum  Zusammenbruch,  sondern  daß 
dieselbe  bisweilen  nach  einem  erfreulichen  Ansatz  durch  einen  empfindlichen 
Rückschlag  unterbrochen  wurde.  So  ist  der  Zusammenbruch  des 
Spannerfraßes  in  Boden  wöhr  (Oberpfalz)  im  Jahre  1806 
scheinbar  ohne  Beteiligung  von  Parasiten  erfolgt,  während  im 
Frühjahr  1894  dort  32 — 440/0  der  Puppen  von  Parasiten  befallen  waren. 
Ebenso  wurde  in  Oberfranken  ein  zeitweises  Zurückgehen  des  Parasiten- 
befalls beobachtet,  dem  allerdings  ein  rascher  Aufstieg  folgte.  ,,Die  Unter- 
suchung der  im  Frühjahr  1894  aus  verschiedenen  Bezirken  gesammelten 
Puppen  hat  nicht,  wie  erwartet  werden  durfte,  einen  höheren,  sondern  einen 
geringeren  Prozentsatz  von  Schmarotzern  ergeben  als  im  Vorjahr,  und  es 
vermochte  demnach  die  Vermehrung  der  Schmarotzer  mit  denen  der  Schäd- 
lingsraupen wohl  aus  dem  Grunde  nicht  gleichen  Schritt  zu  halten,  weil  die 
außerordentliche    Trockenheit    während   des    Frühjahres    und    Sommers    1893 


1 )  Vergleiche  hierzu  die  Beobachtung  Pernedes',  wonach  der  Parasiten- 
belall  (beim  Kiefernspinner)  an  der  Sonnenseite  ein  wesentlich  höherer  war  als  im 
Innern   des   Bestandes. 


520 


II.  Spezieller  Teil. 


auf  die  Entwicklung  des  Spanners  einen  überaus  günstigen,  auf  jene  der 
Schmarotzer  aber  einen  höchst  nachteiligen  Einfluß  ausübte  i)." 

Endlich  kann  der  Rückgang  des  Parasitenstandes  während  der 
Spannergradation  auch  durch  Hyperparasiten  verursacht  werden.  So 
wurde  als  Hyperparasit  von  Lydella  nigripes  Fall.,  der  wichtigsten  Spanner- 
tachine,  von  S  i  t  o  w  s  k  i  und  Steiner  ein  Ophionine,  Mesochonis  poliü/s 
Grav.,  gezogen. 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  wichtigsten  Parasiten  des  Spanners 
zusammengestellt  -) : 

Parasiten  folge  des  Kiefernspanners. 


Schmarotzt  im 

Name  des  Parasiten 

Ei 
Juni,  Juli 

Raupenstadium 

Juni  bis  November, 

Dezember 

Puppenstadium 

November  bis  Mai, 

Juni 

Hymenoptera. 

Ichneumonidae. 

„             pachymeriis  Rtzb. 
Heteropelma  calcator  Wesm 

Anomalon   biguttalum    Grav. 

Chalcididae. 

Trichogra>?i>na  evanescens 
Westw 

Prototrnpidae. 

Teleno/nus  spec 

Diptera. 

Tachinidae. 

Carcelia  rutilla  B  B 

Lydella  nigripes  Fall 

Zenillia  libalrix  Pz 

1)  Die  hier  mitgeteilte  Schlußfolgerung  Ecksteins  würde  meiner  Ansicht 
nach  nur  dann  zwingend  sein,  wenn  die  absoluten  Zahlen  der  Parasiten  und 
Wirte  in  den  aufeinanderfolgenden  Generationen  verglichen  worden  wären. 

2)  Außer  den  hier  angegebenen  sind  noch  eine  Reihe  anderer  Parasiten  aus 
dem  Spanner  gezogen,  die  aber  wenigstens  in  unserem  Gebiet  bisher  noch  keine 
größere  wirtschaftliche  Bedeutung  erlangt  haben.  Wolff  gibt  noch  über  ein 
Dutzend  weiterer  Schlupfwespen  an.  Eidmann  (1926)  erhielt  aus  seinen  Zuchten 
noch:  Ic/weumott  ruficeps  Grav.,  albicinctus  Grav.,  Pimpla  instigator  F.,  ßleiopius 
fuscipentns  Wesm.  und  Lamachus  lophyrorum  Htg.  (die  letzteren  beiden  sonst  als 
Parasiten  von  Lophyrus  pinl  bekannt).  Baer  nennt  von  Tachinen  noch  Carcelia 
excisa  Fall.  —  Plotnikow  (1914)  beobachtete  in  Rußland  noch  folgende  Arten: 
Campoplex  oxyacanihae  (erreicht  dort  die  höchste  Prozentzahl,  verläßt  den  Wirt 
vor  der  Verpuppung,  die  in  einem  Kokon  stattfindet),  Platylabus  cothurnalus  Grav. 
Ichneumoft  dissimilis  Grav.  —  Trägärdh  (1914)  züchtete  in  Schweden  noch 
Ichneumon  locutor  Thunb.  und  Pleclocryptiis  arrogans  Grav.  —  Fahringer  führt 
(i.  lit.)  außer  diesen  noch  folgende  Arten  an:  Banchus  falcatorius  Rtzb.,  Aphanistes 
xanlhopus  Schrk.,  Polysphincla  velata  Htg.,  Glypta  longicauda  Htg.,  Platylabus 
daemon  Wesm.,  nigrocyaneus  Grav.,  orbilatus  Grav.,  Ichneumon  annulator  F.,  cotni- 
tator  L.,  fabricator  F.,  procerus  Grav.,  sicarius  Grav.,  Apanteles  immunis  Marsh., 
und  Steiner  fügt  nach  Cryp/its  dianae  Grav.  und  Platylabus  vibicariae  Krchb,  hinzu. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        521 

Von  den  genannten  /chnen7?ion- Arten  ist  Ichneumon  nigritarius  Grav.  (in 
Bayern)  der  wichtigste.  Auch  Ratzeburg  bezeichnet  ihn  als  den  Hauptpara- 
siten des  Spanners,  und  Eidmann  erzielte  bei  seinen  Zuchten  gelegentlich 
der  letzten  oberpfälzischen  Kalamität  unter  3378  Schlupfwespen  nicht  weniger 
als  2947  oder  87,20/0  Ichneumon  nigritarius  Grav.  Nach  Steiner  (1931) 
stand  dagegen  bei  der  letzten  mecklenburgischen  Kalamität  (1927 — 30)  Ano- 
malon  biguttalum  Grav.  als  Hauptparasit  an  der  Spitze,  dem  allerdings  im 
nahen  Abstand  lehn,  nigritarius  folgte,  während  in  Galizien  nach  Seitner 
Anomalon  biguttatum  Grav.  an  Individuenzahl  allen  anderen  weit  überlegen 
und  ihm  in  erster  Reihe  das  rasche  Zusammenbrechen  der  Kalamität  zuzu- 
schreiben war.  Unter  den  Tachinen  trat  sowohl  bei  der  letzten  bayerischen 
als  auch  bei  der  mecklenburgischen  Kalamität  Lydella  nigripes  Fall,  weit  in 
den  Vordergrund;  sie  übertraf  an  Zahl  die  beiden  anderen  Arten  zusammen. 
Bei  der  Spannerkalamität  in  Polen  (1927 — 29)  traten  nach  Czerwinski  und 
Kuntze  (1930)  als  wirksamste  Parasiten  Lydella  nigripes,  Heteropebna 
calcator  und  Ichneumon  nigritarius  auf,  während  Anomalon  weniger  häu- 
fig war.  I 

Im  einzelnen  sei  noch  folgendes  über  die  verschiedenen  Parasiten 
bemerkt: 

Die   S  c  h  1  u  p  f  \\-  e  s  p  e  n. 

Ichneumon  nigritarius  Grav.  (Abb.  437  A),  einer  der  wichtigsten  Spanner- 
parasiten (in  Deutschland),  Raupen-  und  Puppenparasit  (s.  auch  bei  den 
Eulenparasiten).  Eingehende 
Untersuchungen  über  diese  Art 
verdanken  wir  E  i  d  m  a  n  n 
(1926)  und  Steiner  (1931). 
Ersterer  schildert  nach  seinen 
an  großem  Material  in  Bayern 
gemachten  genauen  Beobach- 
tungen den  Lebensverlauf  von 
nigritarius  folgendermaßen : 
„Der  Parasit  legt  im  Herbst 
seine  Eier  in  die  Raupen  des 
Kiefernspanners.  Durch  die  Pa- 
rasitierung werden  diese  zu  vor- 
zeitiger Verpuppung  veranlaßt. 
Sie  übernehmen  dabei  die  Pa- 
rasitenlarven auf  ziemlich  vor- 
gerücktem Stadium  mit  in  die 
Puppe.  Hier  zehrt  der  Parasit 
die  letzten  Reste  der  Körper- 
substanzen seines  Wirtes  auf 
und   ruht  in  der   Spannerpuppe  -^^b.  437  A.   Ichneumon  nigri/arias  Grav.  cT-   4X. 

•    j     .j       tTT-  -i        1  •  Nach  Eidmann, 

unverändert  den  Winter  über  bis 

zum  Eintritt  der  warmen  Jahreszeit.  Dann  wandelt  sich  die  Schlupf  wespenlarve 
in  die  Pseudonymphe  um,  ein  Vorgang,  bei  dem  der  gesamte  Darminhalt 
entleert,  das  Körpervolumen  beträchtlich  verkleinert  und  die  Larvenform 
stark  verändert  wird.  Dann  erfolgt  nach  einigen  Tagen  die  Häutung  zur 
Puppe  (Abb.  437  B).    Das  Puppenstadium  dauert  bei  Zimmertemperatur  etwa 


522 


II.  Spezieller  Teil. 


i6  Tage;  dann  schlüpft  die  Imago  aus,  indem  sie  am  Vorderende  der  Wirts- 
puppe ein  kleines  kreisrundes  Deckelchen  abschneidet  (Abb.  438)  und  durch 
die  entstandene  Öffnung  die  Freiheit  gewinnt.  Die  Schlupfwespen  erscheinen 
etwa  8  Wochen  früher  als  der  Falter." 

„/.  7iigritarius  Grav.  ist  ausgesprochen  protandrisch,  Männchen  luid 
Weibchen  sind  in  ungefähr  gleicher  Zahl  vorhanden.  Die  Kopulation  erfolgt 
sehr  bald  nach  dem  Schlüpfen,  ebenso  finden  sich  schon  beim  Ausschlüpfen 
oder  doch  wenige  Tage  später  reife  Eier  in  den  Ovarien.  Daraus  scheint 
hervorzugehen,  daß  die  Weibchen  sehr  bald  nach  dem  Schlüpfen  mit  der 
Eiablage  beginnen  können.  Versuche  über  die  Lebensdauer  der  Parasiten 
sowie  über  den  Entwicklungsgang  der  Ovarien  zeigen,  daß  die  Zahl  der  ab- 
gelegten Eier  sehr  groß  sein  und  die  Eiablage  sich  über  eine  lange  Zeit  hin 
erstrecken  kann.  Spannerpuppen  werden  von  den  Schlupfwespen  nicht  an- 
gestochen. Mit  großer  Wahrscheinlichkeit  ist  anzunehmen,  daß 
der  Parasit  einen  Wirtswechsel  durchmacht,  daß  also  die  im 
Frühjahr  aus  den  Kiefernspannerpuppen  schlüpfenden  Individuen  ihre  Eier 
in  einen  anderen  Wirt  ablegen,  und  daß  dann  erst  die  zweite  Generation 
wieder  auf  den  Kiefernspanner  übergeht."  Als  Zwischenwirt  kommt  vielleicht 
der  Heidekrautspanner  Hematiirga  atomaria  L.  in  Betracht  (s.  unten,  S.  528). 

Anders  wie  in  der  Oberpfalz,  wo  Eidmann  seine  Untersuchungen 
anstellte,  verhält  sich  lehn,  nigritarius  nach  Steiner  (1921)  in  Mecklenburg. 
Hier  liegen  die  Höhepunkte  der  Schlüpfkurven  der  99  von  lehn,  nigritnriits 
und  des  Kiefernspanners  nur  10 — 14  Tage  auseinander  (s.  phänologische 
Kurve  Abb.  443,  S.  530).  Zur  Zeit,  wo  hier  die  ersten  jungen  Kiefernspanner- 
räupchcn  schlüpfen,  haben  die  nigritarius-^:,}  etwa  ein  Alter  von  4  Wochen. 


ySh 


Abb.    437  B.     Entwicklung    von    Ichneumon    nigrilarius    Grav.    in    der    Spannerpuppe: 

a  erwachsene  Larve,  b  Semipupa  mit   abgeschiedenem   Kot,   c  Parasitenpuppe  in  der 

Puppenhülle    des    Spanners,    am    Hinterleib    der    Kotbecher.     Nach    Eidmann. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spannen.        523 

Da  aber  die  /ligriiarius-QQ,  sofern  sie  nicht  zur  Eiablage  gelangen,  ein  Alter 
von  S  Wochen  erreichen  können,  so  brauchen  sie  keinen  Zwischenwirt,  um 
ihre  Generationcnfolge  zu  sichern.    Steiner  nimmt  daher  als  sicher  an,  daß 


a  b  c 

Abb.  438.    Leere  Puppenhülsen  des  Kie-  Abb.  439.    Heteropelma  calcalor  Wesm., 

f ernspanners :   a  vom  Schmetterling,   b  u.  ein   sehr  häufiger   Parasit   des   Kief ern- 

c  von  Ichneumon  iiigrilarius  Grav.  ver-  Spanners, 

lassen.    Nach  Eidmann. 

im  mecklenburgischen  Klimabezirk  IcJm.  nigritarius  nur  eine  Jahresgene- 
ration hat  und  in  direkter  Folge  von  einer  Spannergradation  in  die  andere 
übergeht.  Übrigens  ist  in  Mecklenburg  auch  der  Heidekrautspanner,  der  in 
Bayern  sehr  häufig  ist  und  als  Zwischenwirt  angesehen  wird,  recht  selten. 

Ichneumon  bilunulatus  Grav.  Näheres  siehe  unten  bei  den  Eulen- 
parasiten. 

Ichneumon  pachymerus  Rtzb.  Tritt  beim  Spanner  stark  zurück,  während 
er  bei  der  Eule  zu  den  häufigsten  Schlupfwespen  gehört  (s.  dort). 

Heteropelma  calcator  Wesm.  (Abb.  439  u.  440).  Unter  den  von  Eid- 
mann  gezüchteten  Schlupfwespen  war  neben  I chfieumon  nigritarius  Grav. 
diese  Art  zahlenmäßig  am  stärksten  vertreten.  Sie  schlüpft  wesentlich  später 
als  nigritarius.  Seitner  (1921)  gibt  für  Galizien  als  Flugzeit  die  2.  Hälfte 
Juni  an.  „Kommt  fast  ebenso  lange  nach  dem  Falter  aus  als  jener  vorher, 
so  daß  wir  hier  kaum  von  einer  doppelten  Generation  reden  können."  „Die  99 
werden  vielmehr  gleich  genügend  Spannerraupen  vorfinden,  in  denen  sie  ihre 
Eier  unterbringen  können."  Über  die  Kopula  von  Heteropelma  (Abb.  440) 
berichtet  E.  O.  Engel  (1928).  Auch  diese  Schlupfwespe  ist  ausgesprochen 
protandrisch  (Steiner). 

Anomalon  biguttatum  Grav.')  Nach  Steiner  (1930)  war  diese  Schlupf - 
wespe  der  Hauptparasit  bei  der  letzten  mecklenburgischen  Kalamität,  und 
nach  Seitner  (1921)  war  ihr  in  erster  Reihe  das  rasche  Zusammenbrechen 
der  Kalamität  in  Galizien  zuzuschreiben.  Seitner  hat  dieses  häufige  Vor- 
kommen zu  eingehenden  Studien  benützt,  die  zu  folgenden  Ergebnissen 
führten : 

1)  Anomalon  bigutlulum  Grav.  wird  nicht  selten  mit  der  vorigen  Art  Helpro- 
pelma  calcator  Wesm.  verwechselt.  Auch  unter  dem  Eidmann  sehen  bayerischen 
„Heteropelma"-M7i.ter\^\  fanden  wir  bei  einer  nachträglichen  Prüfung  eine  große  An- 
zahl Anomalon.  Man  kann  jedoch  letzteren  „leicht  an  dem  gelben  Schildchen  er- 
kennen gegenüber  dem  mattschwarzen  Thorax  bei  Heteropelma.  Außerdem  unter- 
scheidet sich  Heteropehna  von  Anomalon  durch  den  auffallend  verlängerten  Meta- 
tarsus  der  hinteren  Beinpaare,  welcher  4—5  mal  so  lang  als  das  folgende  Tarsal- 
glied  ist"   (Steiner). 


524  II.  Spezieller  Teil. 

Besonders  auffallend  ist  das  späte  Schlüpfen.  Die  von  ^inomalon 
bigiittatum  befallenen  Spannerpuppen  weisen  noch  bis  tief  in  den 
Monat  Juni  hinein  ihr  normales  Aussehen,  d.  h.  noch  dunkelgrüne 
Flügelscheiden  auf  und  bewahren  auch  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  ihre  volle 
Beweglichkeit.  Erst  gegen  Ende  Juni  „verändern  sie  allmählich  ihr  äußeres 
Ansehen,  machen  einen  gelinden  Erhärtungsprozeß  durch  und  entlassen  den 
Parasiten  am  Kopfteil.  Auch  bei  dieser  Art  scheint  Protandrie  die  Regel  zu 
seini).  Die  cTcT  sterben  bald  nach  der  Kopula  ab,  während  die  99  bis  in  den 
Oktober  hinein  schwärmend  angetroffen  wurden.  Die  Untersuchung  der 
Ovarien  legereifer  <:i<^  hat  annähernd  90  Stück  Eier  für  eine  Wespe  ergeben, 
deren  Zahl  sich  jedenfalls  durch  weiter  vor  sich  gehende  Neubildungen  noch 
um  etwas  erhöhen  dürfte."  Vom  20.  Juli  ab  konnte  im  Zwinger  die  Copula 
(Abb.  441  B)  wiederholt  beobachtet  werden;  sie  dauert  sehr  lange.  15  Stunden 
und  mehr. 

„Die  Eiablage  vollzieht  sich  an  der  wie  hingegossen  an  der  Nadel  ruhen- 
den unbeweglichen  Spannerraupe  in  der  Art,  daß  die  Wespe  letztere  direkt  in 


Abb.  440.   Ein  Pärchen  von  Heteropeliua  calcator  Wesm.  in  Kopula.   Nach   F..  O.  Enge  1. 

der  äußersten  Hinterleibsspitze  oder  im  Kopfe  selbst  ansticht  (Abb.  441  C). 
Die  Raupe  läßt  sich  durch  die  langwierigen  und  umständlichen  Vorberei- 
tungen der  Wespe  kaum  jemals  stören."  Sobald  die  Wespe  die  richtige  Stel- 
lung angenommen  hat,  schnellt  auch  schon  der  Bohrer  pfeilgeschwind  vor. 
In  der  Regel  sitzt  der  i.  Stich  gut,  die  Raupe  schlägt  heftig  mit  dem  Vorder- 
oder Hinterleib  und  läßt  sich  auch  oft  an  einem  Gespinstfaden  nach  unten 
fallen.  War  die  Ortsveränderung  der  Raupe  nach  dem  i.  Stich  nur  eine 
kurze,  dann  kriecht  die  Wespe  derselben  vorsichtig  nach,  um  dem  Opfer 
noch  einen  2.  Stich  zu  versetzen.  Seitner  fand  in  einer  Spannerpuppe  oft 
eine  größere  Anzahl  A}io??talo?i-'Ldir\en,  so  einmal  deren  10,  noch  dazu  ]ieben 
I  Tachinen-Larve.  Von  diesen  vermag  sich  nur  eine  einzige  zu  behaupten, 
während  alle  anderen  eingehen  müssen.  Daß  die  10  A/iomalon-'L^rvQn  nicht 
von  einem,  sondern  von  mehreren  99  herrühren,  hält  Seitner  für  fest- 
stehend. 

Die  Embryonalentwicklung  dauert  nur  etwa  8 — 10  Tage;  um  so  längere 


1)  Nach  Steiner  trifft  dies  jedoch  nicht  zu. 


II.  Unterordnung:  Maciolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner' 


525 


Zeit  beansprucht  die  Larvenentwicklung,  bei  der  fünf  Stadien  unterschieden 
werden  können.  Das  I.  Stadium  ist  von  sehr  kurzer  Dauer  und  dürfte  nur 
wenige  Tage  anhalten.  Das  IL  Stadium  umgibt  sich  mit  dem  sog.  Bildungs- 
sack (Sackstadium),  geht  in  die  Puppe  über,  um  hier  bald  in  das  IIL  Stadium 


D  E 

Abb.  441.   Anomalon  biguttatum  Grav.   A  im  Flug,  B  ein  Pärchen  in  Kopula,  C  ein  o 
beim  Anstechen  einer  Spannerraupe,  D  Larve  im  III.   Stadium.  E  erwachsene  Larve. 

Nach    Seitner. 


sich  zu  verwandeln  (Abb.  441  D).  Dieses  dauert  am  längsten,  etwa  bis  Mitte 
Juni.  Beim  Übergang  in  das  IV.  Stadium  beginnen  die  ersten  äußerlich 
wahrnehmbaren  Veränderungen  der  Spannerpuppe  (s.  oben).  Mit  dem  er- 
reichten  IV.  Stadium   erfolgt   das   weitere  Wachstum   außerordentlich   rasch, 


526  II.  Spezieller  Teil. 

bis  schließlich  das  V.  Stadium  (Abb.  441  E)  den  Innenraum  der  Spanner- 
puppe vollkommen  ausfüllt.  Die  Stadien  I — IV  besitzen  am  Hinterleib  ein 
wohl  zur  Fortbewegung  dienendes  schwanzartiges  Organ,  das  im  V.  Stadium 
verschwindet.  Die  drei  ersten  Stadien  können  wohl  nur  flüssige  Nahrung 
aufnehmen,  während  im  IV.  und  V.  Stadium  außerordentlich  kräftig  ent- 
wickelte Mandibeln  auftreten,  die  für  die  Aufnahme  fester  Nahrung  geeignet 
sind.  Dafür  spricht  auch  das  mit  dem  IV.  Stadium  beginnende  über- 
raschend schnelle  Wachstum  der  Larven,  und  nunmehr  wird  auch  mit  dem 
Wirtskörper  in  allerkürzester  Zeit  vollständig  aufgeräumt. 

In  Mecklenburg  schlüpften  nach  Steiner  die  ersten  Exemplare  am 
7.  Juli,  und  noch  Mitte  September  wurden  außerordentlich  starke  Massen- 
flüge von  Afioinaloji  biguttatmn  beobachtet,  welche  zum  Teil  in  den  Kronen 
stark  befressener  Kiefern  schwärmten,  zum  Teil  auch  über  der  Bodendecke 
des  Waldes  flogen.  Die  letzteren  Tiere  waren  ausnahmslos  Männchen,  v.elche 
vermutlich  auf  noch  schlüpfende  Weibchen  warteten.  Welch  ungeheure 
Mengen  hier  noch  in  dieser  späten  Jahreszeit  vorhanden  waren,  geht  daraus 
hervor,  daß  mit  wenigen  Netzschlägen  leicht  Hunderte  von  Parasiten  er- 
beutet werden  konnten. 

Trichogramma  evanescens  Westw.  und  Telenomus  spec.  Bei  der  letzten 
mecklenburgischen  Kalamität  konnte  Steiner  die  beiden  Eiparasiten  fest- 
stellen, und  zwar  erstere  im  allgemeinen  in  der  Mehrzahl.  Doch  traten  auch 
hier  lokal  bedingte  Verschiedenheiten  auf  und  es  herrschte  bald  die  eine, 
bald  die  andere  Art  vor.  Das  allgemeine  Überwiegen  der  Trichogramma 
dürfte  in  deren  überaus  kurzer  Entwicklungsdauer  (10 — 14  Tage)  gegenüber 
der  viel  längeren  von  Telenomus  begründet  seini). 

In  einem  Bericht  aus  der  Oberpfalz  vom  Jahre  1S96  (siehe  F.  E  c  k - 
stein,  1923,  S.  289)  ist  von  einem  häufigen  Vorkommen  von  Teleas  die 
Rede;  die  Gattung  Teleas  ist  jedoch  von  Kief  f  er  (Tierreich,  1926)-  in  eine 
Anzahl  Genera  zerlegt  worden,  so  daß  keine  Art  bei  jener  Gattung  geblieben 
ist,  die  Eiparasit  von  Lepidopteren  ist.  Die  Arten  der  Kiefferschen  Gattung 
Teleas  schmarotzen  bei  Ipiden  und  Hemipteren.  Die  in  Schmetterlingseiern 
parasitierenden  Arten  gehören  nunmehr  größtenteils  der  Gattung  Teletiomus 
an.  Nach  den  dortigen  Beobachtungen  waren  durchschnittlich  60 0/0  der  Eier 
parasitiert.  „Die  besetzten  Eier  nahmen  eine  dunkle,  fast  schwarze  Färbung 
an.  Die  Belegung  der  Spannereier  wurde  im  Inspektionsweg  auch  in  den 
übrigen  Spannerfraßgebieten  in  ausgedehntem  Maße  beobachtet,  und  ist 
daher  ohne  Zweifel  diese  Insektengattung  bei  dem  starken  Rückgang  der 
Spannerentwicklung  im  Jahre   1896  erfolgreich  tätig  gewesen." 

Besonders  interessant  sind  die  Beobachtungen  Steiners  über  den  Unter- 
schied in  der  Stärke  der  Eiparasitierung  in  reinen  und  gemischten  Beständen. 
Danach  verhielten  sich  die  Prozentzahlen  der  Eiparasitierung  in  reinen 
Kiefernwäldern,  in  Kiefernwäldern  mit  Fichtenunterwuchs  und  in  Kiefern- 
wäldern mit  Buchenunterbau  zueinander  wie  17,66:  37,62  :  49.2.  Diese  Zahlen 
reden  eine  deutliche  Sprache  für  den  pa  rasi  ten  f  ö  r  de  r  nden  Einfluß 
der  Mischwälder  gegenüber  den  Monokulturen.  Sie  bringen  zu- 
gleich eine  Bestätigung  der  Angaben  des  Japaners  Yano,  der  bei  seinen 
Untersuchungen    über    die    Eiparasitierung    beim    Kiefernspinner    ebenfalls 


1)  Über  die  Bionomie  von  Trichogramma  werden  unten  (bei  der  Eule)  ausführ- 
lichere Angaben  gemacht. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        527 

wesentliche   Differenzen  in  der   Stärke   der   Parasitierung   in   reinen  und  ge- 
mischten Beständen  fand. 


Die  Tachinen. 

Die  Tachinenmaden  gehen  meist  in  sehr  frühen  Entwicklungsstadien  in 
die  Spannerpuppe  über,  so  daß  es  am  Anfang  nicht  ohne  weiteres  möglich  ist, 
die  tachinösen  Puppen  zu  erkennen.  Die  Maden  überwintern  wohl  meist  in 
den  Wirtspuppen  und  verlassen  dieselben  gewöhnlich  erst  im  Frühjahr,  um 
sich  im  Boden  zum  Tönnchen  zu  verwandeln.  Über  die  Biologie  der  drei 
unten  genannten  Arten  sind  wir  noch  wenig  unterrichtet  i);  einige  Angaben 
finden  wir  bei  W.  Baer.(i92i),  neuerdings  bei  Steiner  (1931). 

Carcelia  rutilla  B.  B.  Von  Baer  und  von  Eidmann  bei  mehreren 
Spannerkalamitäten  in  großer  Zahl  gezogen.  Überwintert  als  winzige  Larve 
in  der  Puppe  des  Wirtes,  verläßt  den  letzteren  im  Frühjahr  und  schwärmt 
einige  Zeit  nach  dem  Auskommen  des  Spanners. 

Lydella  nigripes  Fall.  (Abb.  442).  Die  weitaus  häufigste  Art  ihrer  Gat- 
tung, durch  große  Polyphagie  ausgezeichnet  und  vom  Frühjahr  bis  zum 
Spätherbst  fliegend.  Die  qq  werden  in  3 — 4  Tagen  geschlechtsreif,  die 
Puppenruhe  währt  nur  7 — 10  Tage,  und  die  Dauer 
des  Larvenlebens  beträgt  nur  2  Wochen.  Nach 
To  w  n  s  e  n  d  soll  uigripes  in  einem  Jahr  wenigstens 
3  Generationen  haben.  Ihrer  Fortpflanzung  nach 
gehört  sie  zur  Compsilura-Gxw^'i^Q,  das  sind  ovo- 
vivipare  Arten,  welche  nach  voraufgegangener 
Verwundung  des  Wirtes  durch  einen  besonderen 
Dorn  ihre  Brut  in  denselben  hineinbefördern.  Be- 
sonders zahlreich  wird  Z.  ?tigripes  Fall,  aus  dem 
Kiefernspanner  gezogen 2).  Sie  überwintert  als 
Larve  in  dessen  Puppen,  verläßt  die  letzteren  An- 
fang Mai,  so  daß  die  Tönnchen  im  Boden  zu 
suchen  sind,  und  schwärmt  zugleich  mit  dem 
Falter.  Eidmann  erhielt  in  seinen  Kulturen  diese 
Tachine  erst  mehrere  Wochen  nach  dem  Falter, 
etwa  zu  gleicher  Zeit  mit  H eteropelma  calcator 
und  noch  nach  diesem.  Baer  gibt  eine  lange  Liste 
von  Wirten  dieser  Tachine  aus  allen  möglichen 
Schmetterlingsfamilien  und  sogar  aus  Blattwespen. 
Eidmann  zog  sie  auch  aus  Hematurga  atoinaria  L..  die  somit  der  Ba  er- 
sehen Liste  noch  beizufügen  wäre. 

Aus  der  von  Steiner  aufgestellten  phänologischen  Kurve  (Abb.  443, 
S.  530)  kann  man  deutlich  ersehen,  welche  überragende  Stellung  Lydella  nigripes 
unter  den  Spannerparasiten  einnimmt.  „Die  Kurve  von  Lydella  kommt  an 
Höhe  fast  der  ihres  Wirtes  gleich  und  übertrifft  sie  noch  an  Breite.  Die 
ersten  Lydella  erscheinen  in  den  Zuchten  bereits  mit  den  letzten  Spannern 
(Mitte  Juni).    Der    Höhepunkt   ihrer    Flugzeit    liegt   Ende   Juni   und   anfangs 


Abb.  442. 
Lydella  nigripes   Fall., 
die    häufigste    Tachine 
des  Kiefernspanners.  4X. 


1)  Ein  eingehendes  Studium  der  Spannertachincn  ist  dringend  erforderlich. 

2)  Die  Made  lebt  zuerst  im  Mitteldarm  des  Wirtes;  erst  später  bohrt  sie  sich 
durch  die  Darmwand  durch,  um  in  der  Leibeshöhle  des  Wirtes  ihre  Entwicklung  zu 
vollenden    (Steiner). 


528  II.  Spezieller  Teil. 

Juli.  Im  letzten  Drittel  des  Monats  Juli  sind  die  letzten  Exemplare  ge- 
schlüpft." Lydella  nigripes  Fall,  ist  ausgesprochen  protandrisch.  Der  Höhe- 
punkt der  Männchenkurve  lag  bei  Steiners  Zuchten  in  der  Zeit  vom 
20. — 28.  Juni,  derjenige  der  Weibchenkurve  in  der  Zeit  vom  29.  Juni  bis 
9.  Juli. 

Die  Lebensdauer  der  Zvö^^/Zö'-Imagines  beträgt  nach  Steiner  über 
4  Wochen.  Da  die  beiden  Geschlechter  das  Puppentönnchen  vollständig  ge- 
schlechtsreif verlassen,  findet  die  Kopula  kurz  nach  dem  Ausschlüpfen  statt. 
Da  die  ersten  Räupchen  des  Spanners  gleichzeitig  mit  den  Tachinenweibchen 
schlüpfen,  so  werden  auch  diese  wohl  von  den  Tachinen  infiziert  werden. 

Zenillia  libatrix  Pz.  Gleichfalls  eine  stark  polyphage  Form.  Sie  gehört 
hinsichtlich  ihrer  Fortpflanzung  zur  Co;//«- Gruppe,  -d.  h.  sie  legt  ihre  abnorm 
kleinen  Eier  auf  die  Nadeln  in  die  Nähe  der  weidenden  Raupen,  die  sie  mit 
der  Nahrung  in  den  Darmkanal  aufnehmen.  Dort  schlüpfen  die  Larven 
aus  und  bohren  sich  durch  die  Darmwand  hindurch,  um  dann  die  gleichen 
Bedingungen  zur  Weiterentwicklung  zu  finden  wie  die  übrigen  Tachinen- 
maden.  Die  Art  wurde  von  Eidmann  bei  der  letzten  bayerischen  Kalamität 
häufig  gezogen,  bei  der  letzten  mecklenburgischen  Kalamität  dagegen  fehlte 
sie  nach  Steiner  ganz. 

Die  Polyphagie  ist  „von  großer  Bedeutung  für  die  Vermehrung  der 
Tachinen  und  vor  allem  für  die  Erhaltung  eines  eisernen  Bestandes  derselben 
in  einem  Revier.  Kennen  wir  doch  für  C.  rutilla  B.  B.  bereits  24,  für 
Z.  libatrix  Pz.  deren  18  und  für  L.  nigripes  sogar  30  Wirte.  Und  diese 
Zahlen  werden  sich  durch  weiter  fortgesetzte  Beobachtungen  noch  vermehren 
lassen." 

Die   Bedeutung  des    Heidekrautspanners    [Heviaiurga  atomaria   L.) 
für  die  Parasiten  Vermehrung. 

Wir  haben  oben  betont,  daß  die  Ungleichheit  des  Parasitenstandes  inner- 
halb eines  Waldgebietes  möglicherweise  zum  Teil  darauf  zurückzuführen 
ist,  daß  vorher  die  Vermehrung  anderer  Insekten,  die  den  meist  stark  poly- 
phagen  Spannerparasiten  als  Wirtstiere  gedient  haben,  stattgefunden  hat.  Zu 
diesen  Wirtstieren  gehört  der  Heidekrautspanner,  der  mitunter  in 
großer  Zahl  auf  dem  Heidekraut  in  Kiefernwäldern  auftritt.  Eidmann 
(1926)  hat  die  wichtige  Frage  nach  diesen  Zusammenhängen  studiert  und  ist 
dabei  zu  folgenden  Resultaten  gekommen: 

„Aus  den  Heidekrautspannerpuppen  (die  bei  der  oberpfälzischen 
Spannerkalamität  1924 — 26  mit  Kiefernspannerpuppen  massenweise  an  das 
Münchener  Institut  eingesandt  wurden)  kamen  zahlreiche  Parasiten  aus,  die 
sich  auf  folgende  Arten  verteilten: 

1.  Ichneumon  nigritarius  Grav.,  etwas  kleinere  Stücke  als  aus  dem 
Kiefernspanner. 

2.  1  chneumon  biliiniilatus  Grav.,  ebenfalls  kleiner  als  sonst  und  mit  roten 
statt  dunklen  Hinterschenkeln.  Diese  Variation  war  seither  nur  für  das 
Männchen  beschrieben. 

3.  Ichneumon  bilunulatus  var.  derivator  Wesm.,  auch  aus  Kiefernspanner 
gezüchtet. 

4.  Plectocryptus  arrogans  Grav.,  ebenfalls  ein  beim  Kiefernspanner  vor- 
kommender Parasit.  Aber  auch  hier  stimmen  die  Stücke  nicht  ganz  überein, 
sie   sind  kleiner  und  mit   stärkerem   Zahn   am    Medialsegment. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        529 

5.  Plectocryptus  perspicillator  Grav. 

6.  Pimpla  turionellae  L. 

7.  Anonialon  cerinops  Grav. 

Dazu  kommt  noch  die  Tachine  Lydella  (Ceromasia)  nigripes  Fall.  (det. 
Dr.  E.  O.  Engel),  die  auch  in  großer  Menge  aus  dem  Kiefernspanner  ge- 
züchtet wurde  und  Ramphomia  marginata  (=  platyptera   Fall.)." 

„Ein  Vergleich  dieser  Parasiten  mit  den  aus  dem  Kiefernspanner  ge- 
züchteten zeigt  sofort,  daß  in  der  Tat  eine  große  Anzahl  — •  nicht  weniger 
als  5  —  auch  im  Kiefernspanner  vorkommen.  Das  vielfach  ganz  andere  Aus- 
sehen der  Parasiten  aus  Hematurga  atomaria  L.  gegenüber  den  gleichen 
Arten  aus  dem  Kiefernspanner  ließ  zunächst  Zweifel  an  der  Identität  auf- 
kommen, die  aber  durch  die  Bearbeitung  Ruschkas  sichergestellt  wurde." 
„Jedenfalls  ist  die  Tatsache  von  großem  Interesse,  daß  der  Phänotyp  der- 
selben Parasitenart  durch  den  Übergang  in  eine  andere  Wirtsspezies  so  stark 
beeinflußt  und  abgeändert  wird.  Nicht  nur  die  Systematiker,  die  ihre  Be- 
arbeitung fast  nur  auf  gefangenes  Material  gründen  und  die  Färbungsunter- 
schiede viel  zu  hoch  einschätzen,  worunter  natürlich  die  genaue  Determina- 
tion der  Ichneumoniden  sehr  leidet,  können  hieraus  ein  lehrreiches  Beispiel 
ziehen,  auch  für  den  Physiologen  böte  sich  hier  ein  dankbares  und  sicher  er- 
folgreiches Arbeitsfeld." 

,, Zahlenmäßig  war  unter  den  Heidekrautspannerparasiten  Ichneumon 
bilu)iulatiis  Grav.  am  stärksten  vertreten,  also  auch  ein  Parasit  des  Kiefern- 
spanners, während  /.  nigritarius  Grav.  in  weit  geringerer  Zahl  als  beim 
Kiefernspanner  gezüchtet  wurde.  Wir  können  daher  nach  alledem  mit  Recht 
annehmen,  daß  ein  starker  Heidekrautspannerbestand  ein  Para- 
sitenreservoir darstellt,  das  unter  Umständen  bei  der  Vor- 
beugung und  auch  bei  der  biologischen  Bekämpfung  einer 
Kiefernspannerkalamität  vorzügliche  Dienste  leisten 
kann"  i). 

„Nun  bliebe  noch  eine  andere  interessante  Frage,  nämlich  die,  ob 
H .  atomaria  L.  vielleicht  als  Wirt  der  Sommergeneration  von  /.  nigritarius 
Grav.  in  Betracht  kommen  könnte.  Wenn  dies  der  Fall  wäre,  würde  nämlich 
der  Heidekrautspanner  noch  wesentlich  bedeutungsvoller  für  die  Vermeh- 
rung des  Hauptkiefernspannerparasiten  sein.  Ausschlaggebend  für  die  Be- 
antwortung dieser  Frage  ist  natürlich  der  Generationsverlauf  von  H .  ato- 
maria L." 

„Aus  der  Literatur  (Spuler,  Berge,  Blaschke)  läßt  sich  entnehmen, 
daß  der  Heidekrautspanner  zwei  Generationen  hat,  von  denen  die  erste  im 
April  und  Mai,  die  zweite  im  Juli  bis  September  fliegt.  Die  Raupe  frißt 
dementsprechend  im  Mai — Juni  und  September — Oktober.  Sie  wird  an 
Heidekraut,  Ginster,  Birke,  Beifuß  und  ähnlichen  Gewächsen  angetroffen. 
Der  Flug  der  im  Frühjahr  ausschlüpfenden  Falter  findet  also  i — 2  Monate 
früher  als  der  des  Kiefernspanners  statt,  und  dementsprechend  früher  trifft 
man  auch  die  Raupen  an.  Es  trifft  sich  also  zeitlich  so,  daß  die  im  Früh- 
jahr aus  den  Kiefernspannerpuppen  schlüpfende  Generation 
von  I .  nigritarius  Grav.  gerade  recht  kommt,  um  die  Raupen  der 
zweiten  Generation  des  Heidekrautspanners  anstechen  zu 
können.    Wenn  dann  die  zweite  Parasiten generation  aus  den  infi- 


1)    Vom  Verfasser  gesperrt. 
Escherieh,  Forstinsekten,  Bd.  HI.  34 


530 


II.  Spezieller  Teil. 


zierten  alomaria -Fuppen  im  Sommer  ausschlüpft,  kommt  es  wiederum 
gerade  recht,  um  die  inzwischen  fressenden  Raupen  des  Kie- 
fernspanners infizieren  zu  können,  in  deren  Puppen  sie  dann  als 
Larve  überwintert." 

„Damit  wäre  der  Kreislauf  geschlossen,  und  es  ist  höchst  wahrscheinlich, 
daß  //.  atomaria  L.  (vermutlich  neben  anderen  Wirten)  als  ein  wichtiger 
Träger  der  zweiten  Generation  von  /.  nigritarius  Grav.  anzusehen  ist.  Damit 
ist  die  große  Bedeutung  des  Heidekrautspanners  für  die  Vermehrung  unseres 
wichtigsten  Kiefernspannerparasiten  zum  mindesten  in  hohem  Maße  wahr- 
scheinlich geworden."  Daß  diese  Verhältnisse  nicht  für  alle  Klimabezirke 
des  Spannervorkommens  (wie  z.  B.  für  Mecklenburg)  Geltung  haben,  ist  oben 
des  näheren  ausgeführt. 

Kontinuität  der  Parasitier ung. 
Steiner  stellte  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  in  Mecklenburg  eine 
phänologische  Kurve  der  Flugzeit  des  Spanners  und  seiner  Hauptparasiten 
auf,  die  hier  wiedergegeben  ist  (Abb.  443).  Aus  ihr  ist  ohne  weiteres  zu  ent- 
nehmen, daß  der  Ablauf  einer  Spannergeneration  von  einer  kontinuierlichen 
Reihe  von  Parasiten  begleitet  wird.  Schon  die  Ichneumoniden  allein  bilden  in 
ihrer   xA.ufeinanderfolge    eine    fast    geschlossene    Linie,    die    im    Frühjahr   mit 


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Anomalon  biguttal-um  Gray. 

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August- 

Abb.   443.    Phänologische   Kurve   für  die    Flugzeiten   des    Kiefernspanners   und   seine 
Hauptparasiten.    Nach   Steiner. 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        531 

lehn,  nigritarius  beginnt,  von  Heteropelma  calcator  weitergeführt  und  \o\\ 
Ano7nalon  biguttatum  zu  Ende  gebracht  wird.  Vervollständigt  wird  die  Kon- 
tinuität noch  durch  die  beiden  Tachinen,  deren  Schlüpfkur\c  ziemlich 
synchron  verläuft. 

Ist  die  Zunahme  des  P  a  r  a  s  i  t  e  n  s  t  a  n  d  e  s  im  \^e  r  1  a  u  f  einer  G  r  a  - 
dationsperiode  stets  Ursache  der  Krisis? 
Steiner  hat  während  der  letzten  mecklenburgischen  Spannerkalamität 
eingehende  Untersuchungen  über  die  Beziehungen  zwischen  Massenwechsel 
des  Spanners  und  dem  seiner  Parasiten  angestellt,  um  vor  allem  darüber  Auf- 
schluß zu  erhalten,  inwieweit  die  Vermehrung  der  Parasiten  für  den  Zu- 
sammenbruch der  Kalamität  verantwortlich  gemacht  werden  kann.  Es  er- 
gaben sich  dabei  kurz  zusammengefaßt  für  die  letzten  drei  Jahre  der  Gra- 
dation nach  den  Resultaten  der  Puppenzuchten  folgende  Zahlen  i): 

Gesamt-         Parasitierung     Parasitierung 
Jahr  para-  durch  durch 

sitierung  Tachinen         Ichneumonen 

1928  (Eruption)   ....     27,007«  9,88  7o  i7.i27o 

1929  (Kulmination).     .     .     41,9470  31,62%  10,32  7n 

1930  (Krisis) 62,6470  45-58  7o  I7-O5  7o 

Im  Eruptionsjahr  betrug  also  die  Parasitierung  27 Oo,  im  Kulminations- 
jahr  ca.  42 0/0  und  im  Jahr  des  Zusammenbruches  ca.  63 Oo,  d.  h.  der  Para- 
sitenstand hat  im  Laufe  der  Gradation  Jahr  für  Jahr  eine  erhebliche  Zu- 
nahme erfahren,  wobei  die  Tachinen  führend  waren 2).  Aber  trotzdem  reicht 
die  Parasitier  ung  nicht  aus,  der  Kalamität  ein  Ende  zu 
machen,  denn  das  Krisenjahr  1930  brachte  immer  noch  37 "d  parasitenfreie 
Puppen. 

So  mußte  also  die  Ursache  für  den  Zusammenbruch  anderswo  gelegen 
sein.  Steiner  glaubte  dieselbe  in  einer  in  den  letzten  Gradationsjahren  auf- 
getretenen auffallend  starken  Mortalität  der  Spannerpuppen 
(Mykosen  und  Bakterien)  erblicken  zu  dürfen  (s.  unten).  Die  Sterblichkeit 
betrug  im  Jahre  1930  ca.  640/0.  „Es  scheint  demnach,  als  ob  die  in  der  Gra- 
dation sich  auswirkende  anormale  V^ermehrungstendenz  des  Spanners  die 
Disposition  schafft  für  eine  erhöhte  Krankheitsanfälligkeit  gegen  Pilze  und 
Bakterien."  In  diesem  Umstand  ist  nach  Steiners  Meinung  ,, einer  der 
wichtigsten  Faktoren  zu  suchen,  der  in  die  Massenvermehrung  des  Schäd- 
lings regelnd  eingreift"  3). 


1)  Über  die  Methoden  der  Feststellung  des  Parasitenbefalls  siehe  unten  S.  551  ff. 

2)  Nach  Ziegler  (1922)  stieg  die  Parasitierung  während  der  Spannerkalamität 
(1916 — 1918)  in  den  Wäldern  von  Sandomiercz  von  250/0  (1917)  bis  zu  720b 
(1918),  wobei  500/0  auf  Anomalon  bigutlaiiim,  I20b  auf  Heteropelma  calcator  und 
loo/o   auf  andere  /chneumon-.\nen  und  Lydella  nigripes  entfielen   (s.   Steiner). 

3)  Durch  Erkrankung  der  Puppen  werden  natürlich  auch  die  darin  befindlichen 
Parasitenstadien  schädlich  beeinflußt,  und  zwar  um  so  mehr,  je  länger  die  Parasiten- 
larven in  der  Spannerpuppe  verweilen.  So  wurden  auch  nach  Steiners  Beobach- 
tungen am  meisten  die  sich  so  langsam  entwickelnden  Heteropelma  und  Anomalon 
betroffen,  während  die  frühzeitig  die  Spannerpuppe  verlassenden  Parasiten,  wie  lehn, 
nigritarius  und  vor  allem  die  Tachinen,  weit  weniger  zu  leiden  hatten. 

Auch  durch  Konkurrenz  bzw.  Überparasitismus  kann  die  Vermeh- 
rung der  Parasiten  Einbuße  erfahren,  was  Steiner  vor  allem  im  Krisenjahr  be- 
sonders   häufig    beobachten    konnte.     Dabei    war    eine    zweifache    Parasitierung    die 

34* 


532  II.  Spezieller  Teil. 

Räuberische  Arthropoden. 

Unter  den  räuberischen  Arthropoden  des  Spanners  spielen  die  Ameisen, 
vor  allem  Fonnica  rufa  L.,  eine  hervorragende  Rolle.  Schon  Ratzeburg 
(W.  176)  weist  darauf  hin  mit  den  Worten:  „Vor  allem  zeichneten  sich  wieder 
die  Ameisen  aus,  welche  ganze  Oasen  wie  beim  Spinner  grün  erhielten.  Auf 
einer  solchen  von  ca.  150  Quadratruten  fanden  sich  5 — 6  große  Haufen.  Die 
Ameisen  bekriegten  sogar  Falter,  wenn  sie  in  ihr  Reich  kamen."  Eingehender 
hat  sich  in  neuer  Zeit  Eidmann  mit  der  Rolle  der  Ameisen  bei  Spanner- 
kalamitäten befaßt.  „Die  rote  Waldameise  jagt  auf  den  Bäumen  und  ver- 
nichtet deren  Raupen."  „Die  Puppen  dagegen  sind  vor  den  Ameisen 
sicher.  Offenbar  erkennen  die  Ameisen  die  Puppen  überhaupt  nicht  als 
lebende  Wesen."  Auch  Jucht  kam  bezüglich  der  Puppen  zu  dem  gleichen 
Ergebnis,  und  zwar  auf  Grund  von  Versuchen,  in  denen  die  Ameisen  ge- 
sunde i)  Puppen  niemals  berührten.  Dagegen  werden  die  frisch  ge- 
schlüpften Falter  von  den  Ameisen  massenhaft  getötet.  „Ich 
sah,"  berichtet  Eidmann,  „während  des  Falterfluges  in  Roding  (Oberpfalz) 
an  einem  riesigen  Waldameisenhaufen,  wie  auf  einer  breiten,  verkehrsreichen 
Ameisenstraße  Dutzende  von  Faltern  eingetragen  wurden.  Häufig  trug  eine 
Ameise  ganz  allein  einen  Falter,  dessen  Flügel  wie  eine  hocherhobene  Stan- 
darte über  dem  Ameisenzug  schwebten.  Die  Untersuchung  derartiger  Falter 
zeigte,  daß  fast  alle  Weibchen  waren,  die  ihren  gesamten  Eiervorrat  noch  bei 
sich  hatten.  Der  Grund  dafür,  daß  gerade  die  Weibchen  so  häufig  den 
Ameisen  zur  Beute  fallen,  liegt  wohl  darin,  daß  diese  mit  ihrem  eier- 
beschwerten Hinterleib  viel  schwerfälliger  sind  als  die  Männchen  und  daher 
leichter  erbeutet  werden,  zumal  dann,  wenn  sie  frisch  geschlüpft  sind.  Daß 
frisch  geschlüpfte  Schmetterlinge  und  auch  andere  Insekten  sehr  häufig  den 
Ameisen  zur  Beute  fallen,  konnte  ich  bereits  durch  frühere  Beobachtungen 
feststellen.  Wir  werden  daher  nicht  fehlgehen,  die  rote  Waldameise  als  eines 
der  wichtigsten  Raubinsekten  zu  bezeichnen." 

Außer  Ameisen  beobachtete  Eidmann  (1926)  beim  letzten  oberpfälzi- 
schen Fraß  noch  Raphidien  in  großer  Zahl,  sowohl  Imagines  als  Larven, 
die  in  den  Kronen  sich  aufhielten,  um  dort  zweifellos  Jagd  auf  Spannereier 
zu  machen,  und  endlich  eine  auffallend  große  Zahl  kleiner  Spinnen,  eben- 
falls in  den  Kronen,  wo  sie  wohl  den  Raupen,  vor  allem  den  kleinen  Ei- 
räupchen  nachstellen. 


Regel,  doch  kamen  auch  dreifache  und  vereinzelt  sogar  siebenfache  Parasitierung 
vor.  Da  aus  den  überparasitierten  Puppen  gewöhnlich  nur  e  i  n  normaler  Parasit 
schlüpft,  so  bedeutet  die  Überparasitierung  eine  Hemmung  in  der  Vermehrung  des 
Parasitenstandes.  Welcher  Parasit  sich  im  Kampf  gegen  seine  Mitparasiten  be- 
haupten wird,  hängt  von  der  Entwicklungsgeschwindigkeit  der  Konkurrenten  ab. 
So  sind  die  Tachinen  gegenüber  Heieropelma  und  Anomalon  im  Vorteil,  da  die 
Larven  der  ersteren  sich  viel  rascher  entwickeln  und  dann  die  noch  kleinen  Schlupf- 
wespenlarven leicht  verdrängen.  Wo  mehrere  spät  sich  entwickelnde  Ichneumoniden- 
larven  in  einer  Puppe  sind,  suchen  sich  diese  auf  einem  möglichst  frühen  Entwick- 
lungsstadium durch  gegenseitiges  Anbeißen  unschädlich  zu  machen. 

ij  Einen  von  Wolff  (S.  140)  wiedergegebenen  Bericht  der  Oberförsterei 
Rehberg  von  1909,  wonach  dort  „viele  kleine  gelbe  Ameisen  die  Puppen  zer- 
störten", möchte  ich  mit  einem  Fragezeichen  versehen.  —  Nach  einem  Bericht  aus 
einem  oberpfälzischen  Forstamt  (F.Eckstein,  1923)  wurde  ein  auffallend  starkes 
Auftreten  der  kleinen  roten  und  rotbraunen  Ameisen  (wohl  Myrmica?)  beobachtet, 
welche  die  beim  Werfen  von  Probestämmen  herunterfallenden  Spannerraupen  er- 
griffen und  forttrugen   (?j. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        533 

Neben  den  hier  genannten  Räubern  werden  in  den  verschiedenen  Be- 
richten noch  viele  andere  räuberische  Arthropoden  genannt.  So  erwähnt  ein 
Bericht  des  Forstamtes  Forchheim  (Oberpfalz),  daß  beim  Fraß  1893  „Laub- 
heuschrecken"  an  der  Verminderung  teil  hatten  (Barbiästes?  s.  Bd.  II, 
S.  12).  Ein  späterer  Bericht  (1912)  des  gleichen  Forstamtes  nennt  ,, Laub- 
und Raubkäfer",  Co  ccin  e  1 1  iden  ,  Sy  rphidenlarven,  neben  Wan- 
zen und  Spinnen,  welch  letztere  sich  in  einem  bisher  noch  nicht  beobach- 
teten Maße  vermehrt  hatten  und  .,den  Spannerraupen  ganz  gewaltig  zu  Leibe 
rückten"   (F.Eckstein). 

Auch  Elateridenlarven  wurden  als  Vernichter  der  Puppen  fest- 
gestellt; in  einem  Fall  (Forstamt  Bodenwöhr,  1894)  sollen  450/0  der  Puppen 
von  ihnen  befallen  bzw.  ausgefressen  gewesen  sein. 

Vögel  M. 

Bei  der  Bewertung  der  Vögel  als  Vertilger  des  Kiefernspanners  müssen 
wir  die  normale  Tätigkeit  der  endemischen  Vogelpopulation  von  der  Tätig- 
keit zugezogener  Massen  unterscheiden.  Erstere  führt  den  stillen  Kampf, 
dessen  Enderfolg  oft  nicht  unmittelbar  in  das  Gesichtsfeld  des  Wirtschafters 
fällt,  letztere  richten  durch  geräuschvolles  Gebaren  und  offenbar  große  Ver- 
tilgungsziffern die  Aufmerksamkeit  auf  sich  und  können  leicht  zu  einer 
Überschätzung  ihrer  zur  Zeit  der  Kulmination  des  Fraßes  einsetzenden 
Tätigkeit  führen.  Wirtschaftlich  beachtenswert  sind  beide  Vertilgungsmoda- 
litäten. 

In  die  Biozönose  des  Kiefernwaldes  gehören  vor  allem  die  Meisen  und 
Goldhähnchen,  von  denen  5  Arten  erwähnt  werden.  Unter  ihnen  ist  die 
Blaumeise  am  seltensten  vertreten,  da  ihre  sozialen  Tendenzen  am 
schwächsten  sind  und  oft  nur  saisonweise  ausgelöst  zu  werden  scheinen  (im 
Winter).  Meisen  verzehren  Raupen,  Falter,  Puppen  und  Eier.  Sie  fressen 
zwar  etwas  langsamer  als  andere  Vögel,  doch  verzehrte  nach  Juchts  Beob- 
achtungen (1925)  eine  Haubenmeise  in  3  Minuten  17  Puppen.  In  Etzenricht 
(Oberpfalz)  traten  die  Meisen  in  großen  Schwärmen  von  etwa  200 — 300  Stück 
auf,  die  von  Baumkrone  zu  Baumkrone  flogen  und  dabei  zahlreiche  Spanner- 
raupen verzehrten.  Durch  Fütterungsversuche  erhärtete  Rörig-)  die  An- 
nahme, daß  die  Vertilgung  des  Kiefernspanners  auch  durch  Sumpf-  und 
Seh wanzm eisen  dort  erfolgen  kann,  wo  die  Biotope  der  Arten  sich 
berühren. 

Bei  den  Buchfinken  findet  eine  Zuwanderung  zum  Ort  der  Nah- 
rungsfülle im  allgemeinen  leichter  statt  als  bei  den  Meisen.  Jucht  nennt 
sie  deshalb  die  „tätigen  Helfer".  Nach  Ratzeburg  (W.  I.  178)  blieben 
auch  Bergfinken  den  Sommer  über  am  Fraßherd  angezogen  durch  die 
Fülle  des  Nahrungsobjektes.  Hänel  (briefliche  Mitteilung)  schätzt  die 
Tagesleistung  eines  einzigen  Buchfinken  vorsichtig  auf  100,  die  von  Meisen 
auf  200  Raupen.  Er  konnte  außerdem  die  Ausschließlichkeit  der  Ernährung 
durch  Spanner  während  des  Wütens  einer  Kalamität  bei  beiden  Vogelgat- 
tungen feststellen.  Wichtig  ist,  daß  der  Buchfink  auch  noch  im  Herbst,  zu 
einer  Zeit  also,  wo  der  soziale  Instinkt  ihn  meist  zu  einer  Ernährung  durch 


1)  Bearbeitet   von  Dr.   A.   von   Vie  tinghoff. 

2)  Mitteilungen  der  Biol.  Reichsanst.    IV.  Bd.    1905.   S.  40. 


534  IL  Spezieller  Teil. 

Unkrautsamen  treibt,  in  Schwärmen  in  den  befallenen  Beständen  blieb.  An- 
scheinend haben  auch  Leinfinken  und  Zeisige  anfangs  der  60 er  Jahre 
im  Dresdner  Bezirk  Puppen  des  Kiefernspanners  vertilgt  (Tharandt.  Forstl. 
Jahrb.   1887,  301). 

Über  die  Tätigkeit  der  Drosseln  bei  Spannergradationen  berichtet 
Ratzeburg  (W.  L  178)  folgendes:  „In  höchst  auffallender  Weise  haben 
sich  beim  letzten  Fraß  die  Drosseln  (besonders  Zippe  und  Schnarre) 
nützlich  gezeigt:  nach  Kohli  verfahren  die  Drosseln  weit  gründlicher  als 
das  Schwein  und  lassen  da,  wo  sie  einfallen,  selten  eine  Puppe  liegen.  Wenn 
Tausende  aufflogen,  sagt  Hr.  Seeling,  glaubt  man  einen  fernen  Donner 
zu  hören.  Ich  sah  noch  im  Juli  die  Plätze,  wo  sie  nach  Puppen  stechend  das 
Moos  aufgedeckt  hatten.  Der  Ziemer  (2\  pilaris),  welcher  lieber  Ränder 
und  Alleebäume  besucht,  zeigt  sich  dabei  nicht.  Herr  von  Kamptz  sah 
in  seinen  Forsten  große  Flüge  von  Drosseln  .  .  ."  Die  Amsel  beobachtete 
Eidmann  (1926a)  in  Mittelfranken  als  Vertilger  der  Puppe. 

Fast  regelmäßig  erscheinen  die  Corviden  in  den  befallenen  Gebieten. 
So  zogen  im  November  1894  bei  Fürstenwalde  große  Scharen  „schwarzer 
und  grauer"  Krähen  und  Hunderte  von  Dohlen  zu  den  Fraßstellen, 
rissen  das  Moos  auf  und  holten  darunter  solange  alltäglich  Raupen  und 
Puppen  hervor,  bis  der  am  Ende  des  Monats  einsetzende  Frost  ihrem  Eifer 
ein  Ende  setzte.  (Deutsche  Forstzeitung  1895,  S.  226.)  In  einem  anderen 
Revier  fielen  Hunderte  von  Nebel-  und  Saatkrähen  wochenlang  täglich 
bei  Sonnenaufgang  an  den  Stellen  des  Befalls  ein  und  suchten  von  den 
äußersten  Zweigspitzen  „emsig  ihren  Morgenimbiß";  es  erfolgt  dann  eine 
Ruhepause  bis  gegen  11  Uhr,  wonach  „die  ganze  Gesellschaft  wieder  er- 
schien, und  zwar  am  Boden,  wo  sie  in  Linie  die  von  der  Sonne  beschienenen 
Südhänge  der  Berge  absuchte  und  bei  emsiger  Suche  oft  die  größten  Kämpfe 
entstanden"  (Deutsche  Jägerzeitung  1895/96,  S.  344).  —  Trägärdh  (Forstw. 
Centralbl.  1924,  S.  440)  kennt  die  Krähe  als  Vertilger  der  Puppe  aus 
Schweden. 

Der  Eichelhäher  wird  von  Loos^),  Baer-)  und  HäneL^)  als  Ver- 
tilger von  Raupe  und  Puppe  angeführt.  Loos  erzählt  von  147  Raupen  in 
einem  Magen.  Bei  einem  sächsischen  Fraß  (1892/93)  wurde  auch  die  Elster 
als  Vertilger  beobachtet.  Um  welches  Entwicklungsstadium  des  Insekts  es 
sich  handelte,  geht  aber  aus  den  Angaben  nicht  hervor. 

Eigentümlich  ist  die  Häufigkeit,  mit  der  gerade  der  Tannenhäher, 
und  zwar  der  nordische,  aber  auch  gegebenenfalls  der  einheimische  (Ober- 
franken 1892 — 96)  bei  starken  Gradationen  erscheint  (F.Eckstein,  1923, 
287).  Soziale  Ansammlungen,  die  der  Vertilgung  von  Raupe  und  Puppe 
galten,  beobachtete  Hänel  (191 4)  in  der  Rheinpfalz.  —  Von  den  oberpfäl- 
zischen Kalamitäten  heißt  es:  „Er  verminderte  .  .  .  hauptsächlich  die  Zahl 
der  schon  im  Boden  befindlichen,  kurz  vor  der  Verpuppung  stehenden 
Raupen.  So  hatte  ein  geschossenes  Exemplar  noch  470  unverdaute  Raupen 
im  Magen."  ,, Weite  Flächen  bieten  durch  die  Arbeit  desselben  den  Anblick, 
als  wäre  der  Boden  von  Schweinen  durchwühlt."  Von  einem  Fraß  im  Fichtel- 
gebirge wird  berichtet:    nur   wo   hohes    Beerenkraut   sie   nicht   durchließ. 


1)   Ornitholog.   Monatsschr.   1902,   S.  15. 

^)    Aus   der   Natur.    19 13.    Siehe   auch   Bd.  ]    dieses   Werkes   S.  230. 

3)   Zeit.  f.  ang.  Entom.    I.  Bd.    1914.  218. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        535 

war  der  Boden  nicht  durchgearbeitet.  Die  bei  weitem  größte  Fläche  konnte 
jedoch  von  Tannenhähern  durchsucht  werden,  und  ihre  Arbeit  dauerte  bis 
zum  Winter.  Auf  der  durchgehackten  Fläche  konnten  nur  wenige  Puppen 
gefunden  werden"   (Fw.  Ctrbl.   1912,  232). 

Stare  werden  hier  und  da  als  Vertilger  des  Kiefernspanners  erwähnt, 
wenn  auch  nicht  so  häufig  wie  gelegentlich  der  Forleulenkalamitäten  (wofür 
ein  ersichtlicher  Grund  nicht  vorliegt).  Nach  F.Eckstein  (1923,  288)  ist 
1895  im  Forstamt  Herrenhütte  den  Staren  das  größte  Verdienst  an  der 
Spannervertilgung  im  Puppen-  und  Raupenstadium  zugefallen.  Sie  sollen 
sich  allerdings  dort  ebenso  wie  die  Krähen  nur  an  den  Waldrändern  gezeigt 
haben.  Auch  aus  Oberfranken  ist  die  Mitwirkung  der  Stare  bekannt  ge- 
worden. 

Gegenüber  den  Hauptvertilgern  spielen  die  Gelegenheitsvertilger 
eine  untergeordnete  Rolle.  Einzelne  treten  so  sporadisch  auf  (Wendehals, 
Baumläufer,  Kleiber,  Rotkehlchen,  Rotschw^änzchen,  Wa  1  d - 
kauz,  Wespenbussard  1)  und  Ringeltaube  wurden  als  Vertilger  nach- 
gewiesen), daß  ihre  Tätigkeit  wirtschaftlich  kaum  fühlbar  sein  wird.  Anderen 
Vögeln  wieder,  die  systematisch  ihre  Nahrung  am  Boden  suchen  oder  sich 
in  Flügen  am  Befallsherd  einfinden,  kommt  eine  gewisse  Bedeutung  doch  zu. 
So  beteiligten  sich  in  Mittelfranken  Auer-  und  Birkwild  an  der  Puppen- 
vertilgung, die  nach  den  Berichten  verschiedener  Forstämter  der  Vogelwelt 
gemeinsam  mit  Fuchs  und  Dachs  restlos  gelungen  sein  soll  (Eidmann, 
1926a).  Öfters  finden  sich  Kuckucke,  sogar  in  großer  Zahl,  am  Fraßort 
ein  und  vergessen  vor  Gier  alle  Vorsicht  vor  dem  Menschen. 

Erwähnen  wir  die  Spechte  als  Vertilger  des  Kiefernspanners,  so  mit 
der  Einschränkung,  daß  im  allgemeinen  nur  der  große  Buntspecht  in 
Frage  kommen  wird  (s.  Baer)-).  Zwar  wurde  auch  der  Schwarzspecht 
im  Boden  nach  Puppen  suchend  betroffen,  jedoch  dürfte  dieser  Fall  als  eine 
Ausnahme  zu  betrachten  sein.  Besonders  viel  Spechte  wurden  bei  dem  schon 
erw^ähnten  Fraß  in  der  Nähe  von  Fürstenwalde  zusammen  mit  Kleibern  beob- 
achtet (Deutsche  Forstzeitung  1895,  S.  226). 

Fällt  die  Vertilgung  des  Falters  in  erster  Linie  den  Kleinvögeln  zu 
(Kohlmeisen,  Finken),  so  können  sich  natürlich  die  Schwirrflieger  unter 
ihnen  nur  auf  die  Vertilgung  des  Imaginalstadiums  spezialisieren.  Gelegent- 
lich des  Fraßes  im  sächsischen  Staatsforst  (1892 — 96)  sah  man  Schwalben 
in  den  Mittagsstunden  fleißig  an  den  Bestandesrändern  hin-  und  herstreichen 
und  die  Falter  in  großer  Anzahl  wegfangen  3).  Von  einem  Oberlausitzer  Fraß 
(18 18)  wird  berichtet,  daß  der  Mauersegler  als  Vertilger  des  größten 
Schutzes  bedürfe  (die  Anmerkung,  der  Mauersegler  brüte  in  der  Heide,  läßt 
allerdings  den  Argwohn  aufkommen,  der  Beobachter  sei  ornithologisch  nicht 
ganz  sattelfest  gewesen*).  Auch  Trägärdh  wurde  bei  einem  Fraß  in 
Schweden  auf  die  Bedeutung  der  Schwalben  aufmerksam-^). 

So  ist  also  auch  bei  Kiefernspannergradationen  die  Beteiligung  der 
Vögel  an  der  Vernichtung  eine  erhebliche.    Mindestens  32  Arten  kann  man 


1)  In    dem    Magen   eines    Wespenbussards    wurden    einmal    1400    Spannerraupen 
gefunden  (s.  Bd.  I  dieses  Werkes  S.  235). 

2)  Aus  der  Natur.   1913  (s.  auch  Bd.  I  dieses  Werkes  S.  234). 

3)  Bericht   der  43.  Versammlung  d.    sächsischen    Forstvereins    1898. 
^)    Forst-  und  Jagdarchiv  von  und  für  Preußen   18 18.  S.  53. 

5)    Forstw.  Centralbl.  1924.  440. 


536  II.  Spezieller  Teil. 

heute  schon  als  typische  und  gelegentliche  Vertilger  gelten  lassen.  Unter 
ihnen  vertilgen  z.  B.  die  Meisen  sämtliche  Entwicklungsstadien  des  Schäd- 
lings. In  jedem  Falle  über  die  unmittelbare  ökonomische  Wirkung  Rechen- 
schaft abzulegen,  ist  freilich  nicht  möglich  i). 

Säugetiere. 

Unter  den  Säugern  scheint  den  Spitzmäusen  und  Mäusen  eine  her- 
vorragende Bedeutung  bei  der  Vernichtung  des  Spanners  im  Puppenstadium 
zuzukommen,  wie  aus  verschiedenen  Berichten  hervorgeht.  Am  eingehendsten 
hat  sich  Jucht  (1925)  mit  dieser  Frage  beschäftigt,  und  zwar  auch  experi- 
mentell. Er  legte  eine  große  Anzahl  Spannerpuppen  auf  bestimmten  Plätzen 
aus,  die  derart  mit  Reisig  überdeckt  wurden,  daß  sie  dem  Zutritt  von  Vögeln 
verschlossen  waren.  Auf  diesen  Stellen  wurden  vom  2.  bis  30.  April  20  5 10  Puppen 
aufgezehrt,  hiervon  hatten  4709  die  Spitze  verloren,  15  801  fehlten  ganz.  Vor- 
handener Mäusekot  ließ  auf  Mäuse  schließen;  der  Mageninhalt  gefangener 
Mäuse  bestand  fast  ganz  aus  Puppenresten.  Eingezwingerte  Mäuse  ver- 
zehrten die  Puppen  anfänglich  ganz,  „nach  einiger  Sättigung  nahmen  sie, 
nach  Eichhörnchenart  aufsitzend,  die  Puppen  zwischen  die  Vorderpfötchen, 
bissen  die  Spitze  ab  und  saugten  den  Inhalt  aus".  Eine  Maus  verzehrte  in 
I  Minute  1 1  Puppen  auf  diese  Weise.  „Schon  bei  der  Puppensuche  im  Jahre 
191 2  fielen  Stellen,  die  aus  Durchhöhlungen  der  Humus-  und  Moos- 
schichten auf  die  Anwesenheit  von  Mäusen  schließen  ließen,  durch  ihre  ge- 
ringe Anzahl  von  Puppen  auf.  Die  gleiche  Wahrnehmung  ließ  sich  in  fast 
noch  höherem  Grade  im  Jahre  19 13  machen  und  gab  der  Floffnung  Raum, 
daß  die  Massenvermehrung  der  Mäuse  im  Jahre  1913  durch  eine  Massen- 
verminderung der  Spannerpuppen  nützlich  werden  möchte."  „Von  allen 
Puppenfeinden  scheinen  die  Mäuse  die  meiste  Beachtung 
zu  verdienen.  Sie  suchen  die  Puppen  in  ihren  Lagern  auf  und  verlangen 
nicht,  wie  die  Vögel,  daß  man  sie  ihnen  durch  Streuentfernung  besonders 
darbietet." 

Nächst  den  Spitzmäusen  und  Mäusen  kommen  noch  Maulwurf, 
Wildschwein  und  Dachs  in  Betracht.  Der  Dachs  hat  sich  bei  der 
letzten  Spannergradation  in  der  Oberpfalz  als  ausgezeichneter  Puppen- 
vertilger  gezeigt.  Eidmann  (1926)  hat  in  Ensdorf  „Hunderte  von  Quadrat- 
metern gesehen,  die  vom  Dachs  systematisch  nach  Puppen  abgesucht  waren". 
Gefundene  und  eingesandte  Dachslosungen  waren  „derartig  mit  Spanner- 
puppen gespickt,  daß  man  unbedingt  den  Eindruck  bekam,  daß  die  Nahrung 
des  Dachses  in  diesem  Falle  fast  nur  aus  Spannerpuppen  bestanden  haben 
mußte"  (Abb.  444).  Trotzdem  aber  dürfte  der  Dachs  bei  seiner  leider  relativ 
großen  Seltenheit  kaum  eine  größere  Rolle  bei  der  Bekämpfung  des  Spanners 
spielen.  Auch  Oberförster  Kolster  (1927)  konnte  in  der  Oberförsterei  Hers- 


1)  Jucht  (1925)  rät,  daß  man  ,, seine  Hoffnungen  auf  die  Tätigkeit  der 
Vögel  nicht  überspannen  soll,  auch  wenn  man  Scharen  von  ihnen  noch  so  fleißig 
Raupen,  Puppen  und  Falter  aufnehmen  sieht.  Ihre  Tätigkeit  ist  Kleinarbeit". 
„Gegenüber  einer  katastrophalen  Massenvermehrung  ist  schon  die  Zahl  der  in  Be- 
tracht kommenden  Vögel  viel  zu  gering,  als  daß  ihnen  eine  besondere  Stoßkraft  bei 
der  Bekämpfung  zukommen  könnte."  ,, Zudem  ist  nicht  anzunehmen,  daß  die  Vögel 
bei  dem  reich  und  mannigfach  gedeckten  Tisch  des  Waldes  sich  für  längere  Zeit 
auf  die  einseitige  Kost  einer  Insektenart  so  beschränken,  daß  einer  Massenvermeh- 
rung eine  entsprechende   Massenvernichtung   gegenüberstünde." 


II.  Unterordnung:  iMacrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner;.        537 

feld-Ost  die  nützliche  Tätigkeit  des  Dachses  beobachten;  er  kam  zu  dem  Er- 
gebnis, daß  an  den  Plätzen,  wo  der  Dachs  gestochen  hatte,  etwa  50  o/o  weniger 
Spannerpuppen  waren  als  da,  wo  er  nicht  gestochen  hatte.  Noch  bedeutender 
kann  die  vernichtende  Rolle  des  Schwarzwildes  werden,  wo  dieses  in  größerer 
Zahl  vorhanden.  K  o  1  s  t  e  r  berichtet,  daß  in  den  Revieren,  in  denen  kein 
Schwarzwild  vorkommt  (Hersfeld-Ost,  Heringen),  starker  Spannerfraß  auf- 
getreten ist,  während  ein  solcher  in  den  Revieren  Hersfelcl-West  usw.,  die 
einen  großen  Schwarzwäldstand  haben,  nicht  auftrat. 


Abb.  444.    Dachslosung,  fast  ausschließlich  aus  Spannerpuppen  bestehend. 

Polyederkrankheit. 

Wolff  (1910)  stellte  die  Polyederkrankheit  bei  Spannerpuppen  fest. 
„Die  Puppen  machen  etwa  Ende  Dezember  einen  vertrockneten  Eindruck." 
„Man  braucht  nur  etwas  von  dem  verjauchten  und  meist  zu  einer  mißfarbigen 
(nicht  spangrünen)  Masse  eingetrockneten  Inhalt  in  einem  Tropfen  Wasser 
aufzuschwemmen,  so  wird  man  die  Polyeder  leicht  feststellen  können." 
Wolff  nimmt  ferner  an,  daß  die  ,,schwarzf leckigen"  oder  „ver jauchten" 
Raupen,  von  denen  in  verschiedenen  Berichten  aus  der  Praxis  die  Rede  ist, 
von  der  Polyederkrankheit  befallen  waren.  Welche  Bedeutung  der  letzteren 
für  die  Beendigung  der  Spannerkalamitäten  zukommt,  ist  noch  fraglich; 
Wolff  scheint  sie  nicht  allzu  hoch  einzuschätzen.  Die  Frage  der  Polyeder- 
krankheit beim  Spanner  bedarf  noch  eingehender  Prüfung. 

Mykosen  und  Bakterien. 

Im  Jahre  1858  beschrieb  Lebert  eine  „Pilzkrankheit  der  Fidonia  piiii- 
aria  Tr.,  hervorgebracht  durch  ]'  erticillinm  corymbosinn  Leb.".  Die  Beobach- 
tungen wurden  in  Schlesien  (Glogau)  gemacht:  Schon  einige  Tage  nach  der 
Verpuppung  „bekamen  die  Luftlöcher  an  den  Seiten  des  Körpers  zwischen 
den  Artikulationen  einen  eigentümlichen  weißen  Schimmer;  bald  bedeckten 
sie  sich  mit  einem  feinen,  weißen,  schimmelartigen  Anflug.  Dabei  wurden 
die  Puppen  auf  Druck  träge,  allmählich  dehnte  sich  der  Schimmel  über 
einen  großen  Teil  der  ganzen  Oberfläche  der  Puppe  aus  und  die  Tiere 
starben".     Fast   alle    Spannerpuppen    der    dortigen    Gegend    erkrankten    und 


538  II.  Spezieller  Teil. 

gingen  zugrunde.  „Der  weiße  Schimmelanflug  fing  alsdann  an,  kleine 
Hervorragungen  auf  der  Oberfläche  der  Puppe  zu  bilden,  welche  einen 
ziemlich  mannigfaltigen  Anblick  darboten.  Die  einen  hatten  ein  mehr  läng- 
liches, stielartiges  Aussehen  und  waren  einfach  oder  unregelmäßig  verzweigt; 
andere  bildeten  etwas  regelmäßigere  Auswüchse  mit  knöpf  artiger  oder  keulen- 
förmiger Endanschwellung.  Die  größten  hatten  bis  auf  i  cm  Länge,  auf 
I — 3  mm  Dicke.  Zwischen  diesen  Hervorragungen  findet  man  ein  mehr 
plattes,  weiches  wie  flockiges  Netz,  ein  gewissermaßes  verfilztes  Netz.  Die 
größten  Hervorragungen  stehen  unregelmäßig  gruppiert  beisammen  oder  sind 
mehr  verzweigt."  Leber t  beschreibt  den  Pilz  als  VerticilUum  corymbosum. 
Lakon  gibt  eine  kurze  Beschreibung  der  Art  in  seiner  Bearbeitung  „der  in- 
sektentötenden Pilze"  im  I.  Band  dieses  Werkes  (S.  280),  wo  sie  unter  den 
,,Fuiigi  imperfekti"  eingereiht  ist,  und  bemerkt  hierzu,  daß  dieser  Pilz  viel- 
fach mit  Botrytis  Bassiana  verwechselt  und  auch  als  Konidienform  eines 
Cordiceps  angesehen  wird.  Wahrscheinlich  ist  die  von  Hart  ig  (1869)  in  der 
Oberförsterei  Biesental  1868  beobachtete  Verpilzung  der  Spannerpuppen  auf 
den  gleichen  Pilz  zurückzuführen.  Hart  ig  fand  im  Sommer  eine  große 
Zahl  von  Puppen,  die  nicht  ausgekommen  waren,  aber  „im  Innern  und  zum 
Teil  auch  außerhalb  die  weiße  Pilzmasse  des  Cordiceps  zeigten".  „Schön 
entwickelte  Isarien  fanden  sich  dagegen  erst  im  folgenden  Jahr,  anfangs 
Februar  in  reicher  Anzahl  in  diesen  Beständen."  Es  dürfte  somit,  meint 
Hartig,  „die  Verminderung  und  das  fast  gänzliche  Verschwinden  des 
Spanners  (im  Jahre  1868)  einer  schon  1867  herrschenden  Pilzepidemie  zu- 
zuschreiben sein,  welche  vielleicht  schon  einen  großen  Teil  der  Spanner- 
raupen im  Jahre  1867  getötet  hat,  als  Ursache  der  auffallend  späten  Ver- 
puppung im  Januar  zu  betrachten  ist  und  erwiesenermaßen  einen  sehr  großen 
Teil  der  Puppen  tötete."  Nach  Steiner  stellten  auch  bei  der  letzten 
mecklenburgischen  Spannerkalamität  (1927 — 1930)  „Mykosen  und  Bakte- 
riosen"  die  Hauptursache  des  Zusammenbruchs  dar.  Dieselben  äußerten  sich 
„einerseits  in  einem  frühzeitigen  Verfärben  und  Vertrocknen  der  Puppen,  aus 
denen  nachher  der  Pilzkörper  hervorbricht,  und  andererseits  in  einem  Weich- 
werden und  darauf  folgendem  Verjauchen  der  Puppen"  (s.  auch  unten  S.  555). 
Mit  den  Angaben  von  Lebert,  Hartig  und  Steiner  erschöpfen  sich 
unsere  Kenntnisse  über  die  Mykosen  und  Bakteriosen  des  Spanners,  denen 
man  in  Zukunft  doch  etwas  mehr  Beachtung  schenken  sollte. 


Geschichte  der  Spannergradationen. 

(Siehe  die  beiden  Karten  S.  498  und  499.) 

Eine  große  Reihe  von  Spannergradationen  sind  in  den  letzten  150  Jahren 
über  die  deutschen  Kiefernwälder  dahingegangen,  wie  aus  der  folgenden,  mit 
dem  Jahre  1780  beginnenden  historischen  Übersicht  zu  ersehen  ist.  Bald  im 
Norden,  bald  im  Süden  trat  der  Spanner  periodenweise  in  eine  Übervermeh- 
rung ein,  zuweilen  Kalamitäten  von  großem  Umfang  erzeugend.  Oft  sind  es 
die  gleichen  Gebiete,  die  wiederholt  befallen  werden,  wie  z.  B.  in  Bayern 
die  mittelfränkischen  und  oberpfälzischen  Kieferngebiete  und  in  Mittel- 
deutschland die  Gegend  zwischen  Elbe  und   Spree. 

Die  folgende  Übersicht,  die  zum  Teil  auf  Wolffs  und  Becks  An- 
gaben und  zum  Teil  auf  einem  eingehenden  Studium  der  bayerischen  Akten 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        539 

(durch  Dr.  Berwig)  beruht,  dürfte  ein  ziemlich  vollkommenes  Bild  der 
Spannerkalamitäten,  wenigstens  soweit  sie  sich  auf  Deutschland  beziehen, 
geben. 

Übersicht  über  die  Spannergradationen  seit   1780. 

1780  Kursachsen    (Werda)    und    Pommern    (s.    Krebel,    1S02). 

1783/84       Oberpfalz. 

1787/88       Oberpfalz. 

1796/97        Oberpfalz.     100 000  fm   junges   und   älteres    Stangenholz    starben   ab. 

1797  Weimar   (Rev.  Tannroda  1,   wahrscheinlich   auch   noch   Herrschaft   Blanken- 

hain. 

1799  Bamberg. 

1813/15  F.  Saalfeldsche  Heideforste,  zwischen  Saalfeld  und  Pößneck  (s.  Ano- 
nymus,   1821). 

1815/16  Oberlausitz  und  Schlesien  (Klitschdorf,  Aluskau,  Bunzlau,  Görlitz)  ca. 
400   Magdeburgische   Morgen   (s.   v.   Spangenberg,    18 18). 

1822/23        Oberpfalz  (Pyrbaum). 

1831/32        Lieper  Reviere. 

1832/35        Oberfranken   (Pegnitz). 

1S32/33  Böhmen  (Eger)  (s.  Mühlwenzel,  1833);  Bayern  (Obermainkreis)  (s. 
Anonymus,  1839):  F.  Hohenlohesche  Forste  der  Herrschaft  Op- 
purg.  Mittelfranken  (Nürnberg-O.,  Altdorf,  Feucht,  Nürnberg-S., 
Fischbach),    Oberpfalz    (Etzenricht,    Pressath,    Weiden). 

1838/39        Mittelfranken  (Allersberg). 

1840/42       Oberbayern   (Geisenfeld  Kahlfraß  60  ha). 

1850  Niederösterreich    (Theimwald:    F.  Liechtensteinsche    Forste    (s.    Baumer, 

1850,  und  Krätzl,  1880). 

1852/53  Oberpfalz  (Etzenricht  25  ha  Kahlfraß  auf  550  ha  Fraßgebiet),  Mittel- 
franken   (Laufamholz),    Oberfranken    (Pegnitz). 

1862/64  Sachsen-Gotha  (Wölfiser  Forst),  Mittelfranken  (Dinkelsbühl,  Peters- 
gmünd),  Regierungsbezirk  Köslin  (Kreis  Bütow,  Stolp,  Rummels- 
burg), Mecklenburg,  Mark  (Schwerin,  Strelitz,  Uckermünde,  An- 
klam,  Wolgast,  Boitzenburg).  Ausdehnung  100  Quadratmeilen  (s. 
Ratzeburg,   W.). 

1860/70        Mecklenburg. 

1870/71  F.  Hohenlohesche  Waldungen  der  Herrschaft  Oppurg,  Pößneck,  600  bis 
700  ha  25 — 60jährige  Kiefern  befallen;  kein  Kahlschlag  erforder- 
lich  (s.  Roethel,    1875). 

1872  Oberbayern   (Geisenfeld,   Schrobenhausen),   Oberfranken   (Bamberg-O.). 

1874/75        Borntuchener    Revier,    Kreis    Bütow,    Stolp,    Rummelsburg. 

1877/78       Rheinpfalz   (Albersweiler). 

1878  F.  Isenburgsche   Waldungen.    Bei   Offenbach   a.  M.,   kein   Kahlfraß. 

1878/79  Mittelfranken  (Triesdorf,  Erlangen,  Nürnberg-O.,  Laufamholz,  Fischbach, 
Lengenfeld),   Oberfranken   (Pegnitz)    (s.  O  s  t  er  ho  1  d,    1881). 

1881/84  Forstinspektion  Stettin-Torgelow  (15000  ha:  Falkenwalde,  Ziegenort,  Tor- 
gelow,  Rothemühl,  Jädkemühl)  (s.  AI  tum,  1885,  und  Wagner, 
1884). 

1881/84        Mecklenburg. 

1887  Böhmen    (Herrschaft    Waldsteinruh ).     Von   402    ha    wurden   95    total    kahl, 

106  ha  stark  und  201  merklich  licht  gefressen. 

18S9  Reg. -Bez.    Potsdam    (Potsdam,    Lehnin),    Reg. -Bez.    Magdeburg    (Planken), 

Reg. -Bez.  Frankfurt  a.  d.  Oder  (Müllrose);  der  Spinnerfraß  wurde 
durch   das  Auftreten   des   Spanners   erheblich   verstärkt. 


540 


II.  Spezieller  Teil. 


1892/94 

1892/95 
1892/96 


[895/96 


1900 


1902 — 05 


1903 
1905 
1907/10 


I9I2 

I9II/1 

f4 

I9I3 

I9I4 

I9I6/1 

[8 

I9I5/1 

7 

I9I7/1 

[8 

1924/26 

Forstbezirk  Dresden  (Dresden  900  ha),  Moritzburg  (Kreyern,  Moritzburg 
230  ha,  Grimma  1200  ha). 

(Mannheim,   Schwetzingen   1050  hal,  hessische  Rheinebene. 

Mittelfranken  (Nürnberger  T^eichswald:  Altdorf,  Behringersdorf,  Engel- 
thal, Erlangen,  Feucht,  Fischbach,  Heroldsberg,  Herrenhütte,  Lauf- 
amholz, Nürnberg-Ost  und  -Süd,  Heideck,  Allersberg,  Triesclorf, 
Petersgmünd,  Cadolsburg,  Gunzenhausen,  Heilsbronn,  Schw.abach) ; 
Oberpfalz  (Amberg,  Bodenwöhr,  Burglengenfeld,  Ensdorf,  Etzen- 
richt,  Freudenberg,  Grafenwöhr,  Hannesreuth,  Kirchenthumbach, 
Neuhaus  a.  P.,  Neumarkt,  Nittenau,  Pressath,  Pyrbaum,  Rocling, 
Teublitz,  Vilseck,  Weiden,  Wernberg);  Oberfranken  (Kosbach, 
Forchheim,  Pegnitz,  Bamberg-O).  (Siehe  Nitsche,  1896,  Leyt- 
häuser,    1897,  u.   and.) 

Unterfranken  (Erlenbach,  Hain,  Heigenbrücken,  Rothenbuch,  Schill- 
krippen); Mittelfranken  (Ansbach,  Feuchtwangen,  Ipsheim,  Kinding, 
Kipfenberg,  Lellenfeld,  Dombühl,  Neustadt  a.  A.,  Schernfeld),  in 
Mittelfranken  nur  Naschfraß.  —  Insgesamt  waren  1892 — 96  40000  ha 
bayrischer  Staatswald  und  10  000  ha  Gemeinde-  und  Privat wald 
stark  befallen.  Die  beiden  Waldgärtner  spielten  nachher  eine  große 
Rolle.    1800000  fm  Anfall. 

Bez.  Danzig  (Kielau,  Neustadt,  Gohra,  Darslubj;  Bez.  Marienwerder, 
Bromberg,  Breslau  (Schöneiche),  Brandenburg  (Woltersdorf,  Zinna, 
Kunersdorf,  Lehnin,  Dippmannsdorf ),  Magdeburg  (Kolbitz,  Letz- 
linger  Heide,  Weiße  Warthe),  Merseburg  (Rosenfeld,  Liebenwerda, 
Annaburg,  Tornau,  Hohenbucko,  Elsterwerda,  Falkenberg,  Dober- 
schütz,    Rotehaus,    Sitzenroda,    Tiergarten,    Zöckeritz). 

Bez.  Danzig  (Rulau),  Frankfurt  a.  d.  Oder  (Landsberg,  Lübben,  Küstrin, 
Hochzeit,  Marienwalde,  Hammerheide,  Lubiathfließ,  Kunersdorf, 
Dippmannsdorf,  Lehnin,  Altplacht,  Neuthymen,  Regenthin  1,  Bez. 
Stralsund  (in  vielen  Revieren  vereinzelt),  Bromberg,  Liegnitz, 
Magdeburg  (Lödderitz,  Bergstall,  Magdeburgerforth,  Schwcinitz), 
Merseburg    (Tornau). 

Gumbinnen    (Kullik),   Potsdam   (Neuendorf). 

Stettin    (Balster),    Stralsund    (Schuenhagen),    Oppeln    (Proskau). 

Tucheier  Heide  (Königsbruch,  Rehberg,  Taubenfließ,  Junkerhof,  Char- 
lottental, Osche).  1908  war  das  Hauptfraßjahr:  der  Spanner  ver- 
mehrte sich  auch  in  Lindenbusch,  Schüttenwald,  Hagen,  Warlubien. 
1909  wurde  der  Spannerfraßschaden  nicht  so  groß  wie  man  be- 
fürchtet hatte.  1910  war  kein  nennenswerter  Fraß  mehr,  191 1 
und    19 12   keine    Spur  mehr   zu   finden. 

Kurland   (Turkum). 

Schweden. 

Oberbayern    (Münchsmünsler,    Geisenfeld),    Oberpfalz. 

Böhmen   (zusammen  mit  der  Eule). 

Holland    (Rhenen),    Hessen-Nassau    (Saalmünster). 

Schweden   (Thuna  und  Sorby). 

Galizien  (Sau-Weichsel-Winkel,  und  zwar  in  den  Bezirkshauptmannschaften 
Tarnobrzeg,  Nisko,  Kolbscowa),  an  manchen  Orten,  „die  sonst  nach 
menschlichem  Ermessen  zu  erhalten  gewesen  wären,  zusammen  mit 
der  Buschhornblattwespe". 

Polen   (Sandomiercz),   Brandenburg. 

Oberpfalz  (Ensdorf,  Amberg,  Freudenberg  [200  und  mehr  Puppen  pro 
Quadratmeter  im  Herbst  1925],  Roding,  Teublitz,  Weiden,  Vielseck, 
[100— 200  Puppen  pro  Quadratmeter],  Bodenwöhr,  Neuhaus,  Kirchen- 
thumbach);      Oberfranken      (Schnabelwaid,      Glashütten,      Waidach, 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        541 

Mönchsröden;  Oberbayern   (Geisenfeld) ;   Pfalz   (Kandel-Süd,   50  bis 
100   Puppen  pro   Quadratmeter,   Erlenbrunn). 
1926/28        Unterfranken    (Klingenberg). 

Forstliche  Bedeutung. 

Der  stärkste  bisher  bekannt  gewordene  Fraß  (wenigstens  bezüglich  des 
effektiven  Schadens)  hat  in  den  Jahren  1892 — 96  in  Bayern  geherrscht,  wo 
hauptsächlich  in  Mittelfranken  und  der  Oberpfalz  insgesamt  ca.  40000  ha 
Wald  befallen  wurden  und  als  Folge  davon  i  800000  fm  Holz  zum  Ein- 
schlag gebracht  werden  mußten.  Wenn  auch  bei  den  anderen  in  der  Über- 
sicht aufgezählten  Gradationen  die  Schäden  meist  wesentlich  geringer  waren 
und  trotz  großer  Ausdehnung  des  Befalls  oft  nur  ein  verhältnismäßig  ge- 
ringer Einschlag  notwendig  wurde,  so  müssen  wir  den  Spanner  doch  zu 
den  schlimmsten  forstlichen  Großschädlingen  zählen,  der 
als  Kiefern  fei  nd  in  bezug  auf  Gefährlichkeit  der  Eule  un- 
gefähr gleichkommt. 

Ratzeburg  (W.,  S.  165)  sagt  denn  auch  über  die  forstliche  Bedeutung 
des  Spanners:  „Wenn  er  auch  in  Schädlichkeit  dem  Spinner  und  der  Eule 
in  Kiefern  nachsteht,  so  kostet  er  doch  immer  noch  viel  Holz:  teils  stirbt 
dies  wirklich  nach  dem  Fraß  oder  es  wird  durch  den  nachfolgenden  Käfer 
getötet  und  muß  geschlagen  werden,  teils,  und  noch  viel  öfter  besteht  der 
Schaden  darin,  daß  man  ohne  Not  haut."  Nach  Nitsche  ist  der  Spanner- 
fraß deshalb  besonders  verhängnisvoll,  weil  vor  allem  auch  jüngeres  und 
minderwertiges  Holz  zum  Einschlag  gebracht  wird.  Ebenso  betont  Beck 
(1909),  daß  der  Spanner  „zum  Waldfeind  allerersten  Ranges  zu  werden  ver- 
mag, um  so  mehr,  als  er  vielfach  jugendliche  Bestände  der  Axt  zuführt, 
deren  Einschlag  selbst  im  Zeitalter  großen  Grubenholzbedarfes  noch  emp- 
findliche Verluste  zur  Folge  hat". 

Prognose  quoad  vitam  des  Waldes. 

Als  günstiges  Moment  gegenüber  der  Eule  ist  beim  Spannerfraß  zu 
werten,  daß  er  so  spät  im  Jahr  stattfindet  und  daher  „die  Knospen  Zeit  zu 
ihrer  Entwicklung"  haben,  so  daß  im  folgenden  Jahr  die  Wiederbegrünung 
durch  normale  Triebentwicklung  stattfinden  kann.  Ein  einmaliger  Kahl- 
fraß bedeutet  nur  selten  eine  dauernde  Schädigung  oder  gar 
Tod  der  befallenen  Bestände.  Die  Kiefer  übersteht  einen  solchen  gewöhnlich 
ohne  sonderliche  äußere  Folgen,  und  es  muß  daher  beim  Spannerfraß  mehr 
wie  bei  jedem  anderen  vor  übereiltem  Abtrieb  gewarnt  werden  i). 

Anders   bei  wiederholtem   Kahlfraß:    Die   Zweifräßigkeit 

1)  Bei  dem  Zusammentreffen  besonders  ungünstiger  Witterungsverhältnisse  kann 
allerdings  auch  ein  einmaliger  Kahlfraß  recht  verhängnisvoll  wer- 
den. So  ist  im  Nürnberger  Reichswald  nach  Hart  ig  (1895)  von  11  000  ha  im 
Jahre  1894  kahlgefressenen  Beständen  der  weitaus  größte  Teil  „wider  alles  Er- 
warten", d.  h.  trotzdem  nur  270  ha  schon  einmal  entnadelt  worden  waren,  zugrunde 
gegangen,  weil  der  naßkalte  Sommer  1894  die  Entwicklung  der  Kiefer  in  abnormer 
Weise  zurückhielt,  so  daß  „insbesondere  die  Gewebe  der  Safthaut  nicht  zum  Zu- 
stande der  vollen  Winterruhe"  kamen,  nicht  voll  ausgereift  waren.  Außerdem  trat 
die  Entnadelung  auf  etwa  8000  ha  ungewöhnlich  früh  ein  und  war  hier  schon  Ende 
September  beendet.  „Endlich  war  der  folgende  W^inter  ungewöhnlich  hart  und  lange 
dauernd.  Die  Kälte  sank  nach  H  a  r  t  i  g  auf  —  30  0  C.  So  sind  dann  die  ent- 
nadelten Kiefern  einfach  erfroren."  ,,Wäre  der  Winter  ein  milder  gewesen,  so 
würden  sich  die  meisten  Bäume  wieder  begrünt  und  erholt  haben." 


542  II.  Spezieller  Teil. 

bedeutet  eine  wesentliche  Verschlechterung  der  Prognose 
für  die  Zukunft  des  Waldes;  jedoch  darf  man  auch  dann  nicht  ohne 
weiteres  alles  verloren  geben. 

Ratzeburg  (W.  177)  faßt  die  für  die  Prognose  wichtigen  Symptome 
folgendermaßen  zusammen:  ,,Im  Äußeren:  Die  günstigsten  Anzeichen  sind 
vollständiges  Wiederergrünen  im  Nachfraß  jähre,  selbst  wenn  dies  nicht  zur 
rechten  Zeit  eintritt.  Nach  der  Rinde  usw.,  die  dann  gewiß  in  Ordnung  ist, 
braucht  man  unter  so  günstigen  Umständen  gar  nicht  zu  sehen.  Im  Fraßjahre 
müssen,  wenn  auch  alte  Nadeln  ganz  fehlen,  die  Knospen  gesund  und  wenig- 
stens so  stark  sein  wie  Knospen  an  nicht  befressenen  Bäumen,  und  es  müssen 
sich  hier  und  da  auch  Nebenknospen  zeigen.  Je  mehr  alte  Nadeln  noch 
grünend  übrig  geblieben  sind,  desto  besser  die  Vorhersage.  Werden  im  Ver- 
laufe des  Nachfraßjahres  oder  im  nächsten  die  Triebe,  namentlich  des 
Nächstnachjahres,  kürzer  anstatt  länger,  sind  Bürstennadeln  an  denselben, 
oder  tritt  an  unterdrückten  oder  fast  kränklichen  Stämmen  unerwartet 
Trocknen  oder  Verkümmerung  von  Zweigen,  schon  von  weitem  durch  Schwin- 
den des  Grünen  bemerkbar,  ein  —  was  auch  durch  Zweigbohren  des 
Hylesinus  verursacht  sein  kann  — ,  so  ist  die  Prognose  schlechter;  wenn  sich 
aber  das  Trocknen  bloß  auf  einige  Quirle  des  Wipfels  beschränkt,  also 
Spieße  entstehen,  so  kann  sich  der  Baum  dennoch  erholen.  Es  ist  dann 
besser,  wenn  der  Spieß  schon  im  zweiten  Jahre  ganz  trocken  wird,  als  wenn 
er  sich  länger  mit  zerstreuten  Nadelbüscheln  quält,  die  den  unteren  grünen- 
den Quirlzweigen  die  so  notwendige   Nahrung   entziehen." 

„Innere  bedenkliche  Symptome  äußern  sich  am  augenfälligsten  durch 
Erkranken  der  ganzen  Rinde.  Wenn  Holzsammler  im  Walde,  die  ein  feines 
Auge  haben,  hier  an  der  Rinde  probieren,  oder  gar  der  Specht  schon  hackt, 
so  sind  das  schlechte  Zeichen,  auch  wenn  die  Knospen  noch  grün  sind.  Auch 
kann  man  in  den  Orten,  deren  Gesundheitszustand  am  bedenklichsten  ist,  mit 
dem  „Fenstern"  hier  und  da  an  einzelnen  Stämmen  den  Versuch  machen. 
Treten  auf  der  nackten  Splintfläche  die  kleinen  Tröpfchen  langsam  hervor, 
sind  sie  nur  sandkorngroß  und  nicht  mehr  als  20—30  pro  Quadratzoll,  so  ist 
das  auch  ein  schlechtes  Zeugnis  für  den  Zustand  des  Holzes.  In  dem  Falle 
wird  man  selbst  im  Winter  des  Fraßjahres,  viel  mehr  aber  noch  im  Nach- 
fraßjahre  ein  Zurückbleiben,  halbes  oder  gänzliches  Fehlen  des  Zuwachses 
und  mehrere  Jahre  Zapfenmangel  bemerken.  Dicht  gedrängte  Harzkanäle, 
noch  dazu  in  schmalen  Ringen,  ist  ein  schlechtes  Zeichen,  auch  zu  schwam- 
mige Rinde  mit  zu  großen  Harzbehältern  erschwert  die  Reproduktion.  Die 
junge  Rinde  muß,  wenn  man  mit  dem  Nagel  von  außen  daran  kratzt,  mäßig 
viel  Harz  geben  und  angenehm  riechen." 

Die  Angaben  Ratzeburgs  finden  eine  wertvolle  Ergänzung  in  den 
Untersuchungen,  die  Hart  ig  (1895)  gelegentlich  des  großen  Nürnberger 
Fraßes  über  die  Prognose  zweifräßiger  Wälder  angestellt  hat.  Ich  lasse  hier 
seine  Ausführungen,  die  für  die  Praxis  von  großer  Bedeutung  sind,  wörtlich 
folgen:  „Im  Gegensatz  zum  Nonnenfraß,"  schreibt  Hartig,  „tritt  bei  dem 
Kiefernspanner  die  völlige  Entnadelung  in  der  Regel  erst  im  Herbste  ein." 
„War  ein  Bestand  bisher  noch  unbeschädigt,  so  dürfte  wohl  nur  selten  die 
völlige  Entnadelung  vor  Anfang  Oktober  eintreten.  Dann  aber  kann  mit 
Gewißheit  darauf  gerechnet  werden,  daß  der  Bestand  im  nächsten  Jahre  sich 
in  befriedigender  Weise  wieder  begrünt  und  auch  wieder  bald  erholt,  falls 
er  nicht  nochmals  entnadelt  wird." 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        543 

„Die  jungen  Triebe  mit  ihren  Knospen  sind  ja  völlig  entwickelt  und 
enthalten  eine  genügende  Menge  von  Reservestoffen,  um  letztere  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  zur  Triebbildung  zu  befähigen.  Allerdings  erreichen 
die  neuen  Triebe,  da  ihnen  aus  den  älteren  Nadeln  keine  Nahrung  zugeführt 
wird,  keine  große  Länge  und  auch  die  Nadeln  bleiben  kurz,  doch  wird  schon 
im  zweiten  Jahre  wieder  eine  nahezu  normale  Triebbildung  eintreten." 

„Die  Erfahrung  lehrt  deshalb  auch,  daß  in  der  Regel  nach  einem  (ein- 
maligen) Spannerfraße  nur  die  schwächeren  Bäume  zugrunde  gehen,  und 
zwar  mehr  noch  infolge  des  nachträglichen  Auftretens  von  11  ylesi/ii/s  usw., 
als  infolge  ausbleibender  Wiederbegrünung." 

„Anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse,  wenn  ein  Bestand  zwei  Jahre 
hintereinander  kahlgefressen  wurde  oder  wenn  einem  Lichtfraße  ein  Kahl- 
fraß folgt.  In  diesen  Fällen  werden  die  jungen  Triebe  schon  so  frühzeitig 
an  den  neuen  Nadeln  und  an  der  Oberfläche  der  Triebachsen  benagt, 
daß  eine  allgemeine  Bräunung  der  stehengebliebenen  Nadelreste  oft  schon 
Ende  Juli  oder  Anfang  August  hervortritt.  Die  neuen,  noch  zarten  Triebe 
welken  und  vertrocknen  und  besitzen  nicht  einmal  mehr  die  Kraft,  durch 
Korkbildung  die  abgestorbenen  Nadelbüschel  abzustoßen.  Letztere  bleiben 
bis  zum  nächsten  Frühjahre  an  den  toten  Trieben  sitzen,  und  als  ich  Anfang 
April  in  Begleitung  des  Herrn  Forstrat  Braza  die  Kahlfraßbestände  des 
Reichswaldes  durchging,  da  konnte  man  mit  Sicherheit  erkennen,  daß  die 
mit  abgestorbenen  Nadeln  besetzten  Bäume  nur  tote  Endtriebe  besaßen." 

„Wenn  aber  die  letzten  Triebe  mit  ihren  End-  und  Quirlknospen  tot 
sind,  so  ist  ja  die  entnadelte  Kiefer  dem  sicheren  Untergange  geweiht,  weil 
ihr  keine  entwicklungsfähigen  schlafenden  Knospen  zur  Verfügung  stehen. 
Zwar  befinden  sich  in  jedem  Quirl  ein  oder  wenige  kaum  sichtbare 
schlafende  Augen,  die  bei  einem  Frühfraße,  z.  B.  durch  Kiefernspinner, 
zur  Entwicklung  von  „Rosettentrieben"  gelangen,  doch  ist  es  bekannt,  daß 
diese  embryonalen  Knospen  nicht  so  entwicklungsfähig  sind,  um  eine  Neu- 
benadelung der  Bäume  zu  bewirken." 

„Beim  Spannerfraße  scheinen  sich  die  schlafenden  Augen  überhaupt 
nicht  zu  entwickeln,  da  die  Entnadelung  erst  zu  einer  Jahreszeit  eintritt,  in 
welcher  die  Knospen  nicht  mehr  austreiben  können." 

„Ich  glaube,"  resümiert  Hart  ig,  ,,daß  man  mit  einiger  Sicherheit  die 
Behauptung  aufstellen  kann,  daß  ein  doppelter  Kahlfraß  den  Tod 
des. Kiefernbestandes  zur  Folge  hat,  A\'enn  die  zweite  Ent- 
nadelung schon  im  August  vollzogen  ist.  Wäre  der  Besatz  mit 
Raupen  im  zweiten  Jahre  dagegen  ein  so  geringer,  daß  erst  im  Oktober 
wieder  volle  Entnadelung  eintritt,  so  wäre  die  Erhaltung  eines  Bestandes 
dann  zu  erwarten,  wenn  ein  sehr  milder  Winter  folgt.  Es  wird  deshalb  beim 
Eintritt  eines  zweiten  Kahlfraßes  darauf  zu  achten  sein,  in  welchem  Monate 
die  Entnadelung  im  wesentlichen  vollendet  ist.  Probefällungen  geben  darüber 
leicht   Aufschluß!)." 


1)  Über  das  frühe  Rotwerden  beim  zweiten  Fraß  berichtet  Nitsche  (1896): 
„Es  wurden  an  verschiedensten  Stellen  im  Jahre  1893  kahlgefressene  Bestände,  wie 
ich  schon  erwähnt,  doch  massenhaft  mit  Eiern  belegt.  Der  Fraß  der  jungen  Raupen 
betraf  hier  notgedrungen  die  neuen  Irischen  Nadeln,  die  von  unzähligen  kleinen 
Bissen  an  der  Fläche  und  an  den  Rändern  getroffen,  schon  Ende  Juli  und  Anfang 
August  bis  Mitte  September  hin  vertrockneten,  so  daß  die  noch  benadelten  Bestände 
schon  damals  völlig  gerötet  dastanden." 


544  11.  Spezieller  Teil. 

Wie  die.  Frage,  ob  ein  wiederholter  Fraß  zu  erwarten  ist,  beantwortet 
werden  kann,  darüber  ist  unten  (Feststellung  des  Befalls)  Näheres  an- 
gegeben. 

Von  wesentlicher  Bedeutung  für  das  Schicksal  der  spannerfräßigen  Wäl- 
der sind  (natürlich  neben  den  Witterungsverhältnissen,  der  Bodengüte  usw.) 
auch  die  Nachkrankheiten,  d.  h.  die  Stärke  des  Auftretens  von  sekun- 
dären Schädlingen.  Als  solche  kommen  in  erster  Linie  die  beiden 
Waldgärtner  (M.  piniperda  L.  und  ??tinor  Htg.)  und  der  Stangen- 
rüßler,  Pissodes  piniphilus  Hbst.,  in  Betracht. 

Daneben  werden  natürlich  noch  eine  Reihe  anderer  Borken-,  Rüssel- 
und  Bockkäfer  in  Erscheinung  treten.  Doch  ist  in  den  meisten  Berichten 
hauptsächlich  von  den  obigen  drei  Arten  die  Rede,  und  wir  haben  in  ihnen 
zweifellos  die  am  regelmäßigsten  sich  einstellenden  und  gefährlichsten  Nach- 
krankheiten zu  erblicken.  Nachdem  der  große  Fraß  im  Nürnberger  Reichs- 
wald beendet  war,  stellte  sich  (1896)  in  den  Befallsflächen  der  große  Wald- 
gärtner in  ungeheuren  Mengen  ein,  so  daß  „nicht  nur  die  zahlreich  gewor- 
fenen Fangbäume,  sondern  auch  eine  ungeheure  Anzahl  des  schwach  be- 
grünten Materials  in  den  Beständen  befallen  wurde"  (Leythäuser,  1895, 
S.  466).  Ebenso  fielen  nach  dem  Dresdener  Fraß  (1894)  und  dem  Fraß  in 
der  Colbitz-Letzlinger  Heide  noch  eine  große  Zahl  Stämme,  die  sich  sonst 
wohl  wieder  erholt  hätten,  den  Bastkäfern  und  Pissodes  zum  Opfer.  „Die 
gewaltigen  Holzmassen  der  Colbitz-Letzlinger  Heide,  die  dem  Spanner  zum 
Opfer  gefallen  waren,  wurden  durch  den  Fraß  von  Hylesinus  piniperda  L. 
in  erschreckender  Weise  vermehrt,  da  es  nicht  möglich  war,  alle  befallenen 
Stämme  zu  schälen"  (Badermann,  1908). 

Bekämpfung. 

Feststellung  der  Befallsstärke  (Gradationsvirulenz). 

Da  Spannergradationen  oft  nach  besonders  niederschlagsarmen  Jahren 
eintreten,  so  ist  in  solchen  Zeiten  erhöhte  Aufmerksamkeit  notwendig,  be- 
sonders in  spannerdisponierten  Gebieten. 

Stärke  des   Falterfluges. 

Die  Untersuchung  hat  sich  zunächst  auf  die  Stärke  des  Falterfluges 
zu  richten.  „Nicht  oft  genug  kann  den  Beamten  eingeschärft  werden, 
während  der  gewöhnlichen  Flugzeit,  und  dann  wieder  vor  allem  an  sonnigen 
Tagen  in  den  frühen  Vormittagsstunden  die  Stangenholzdichtungen  zu 
durchgehen  und  dort  nach  etwa  fliegenden  Faltern,  die  besonders  um  die 
M^ipfel  dominierender  Stämme  sich  tummeln  und  hier  am  leichtesten  zur 
Beobachtung  gelangen,  Ausschau  zu  halten"  (Wolff,  S.  195).  „Selbst  ein- 
zelne Exemplare  können  einem  wachsamen  Beobachter  nicht  entgehen.  Sucht 
man  deshalb  während  der  Flugzeit  nach  dem  Spanner,  so  wird  man  ihn, 
wenn  er  überhaupt  da  ist,  auch  finden.  Es  ist  dabei  zu  beachten,  daß  er  auf- 
gescheucht nach  einer  der  nahestehenden  Kiefern  hinfliegt,  einen  Zweig 
kurze  Zeit  umflattert  und  plötzlich  verschwunden  ist:  er  hat  sich  mit  auf- 
wärts zusammengeschlagenen  Flügeln  an  einer  Nadel  niedergelassen,  eine 
Erschütterung  des  Zweiges  scheucht  ihn  wieder  auf.  In  Stangenorten  emp- 
fiehlt es  sich,  schwächere,  in  der   Krone  etwas   freistehende   Stämme  durch 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        545 

einen  Schlag,  Fußtritt  oder  Stoß  zu  erschüttern,  wodurch  die  im  Wipfel 
sitzenden  Spanner  aufgescheucht  werden"  (Eckstein,  Forstschutz,  S.  201). 
Auf  das  beim  Falterbeobachten  etwa  geschätzte  Zahlenverhältnis  zwi- 
schen Männchen  und  Weibchen  größeren  prognostischen  Wert  zu  legen,  wie 
es  zuweilen,  besonders  in  vorgeschrittenen  Stadien  der  Gradation,  versucht 
wird,  würde  zu  Irrtümern  führen,  da  ja  die  qq  sich  nur  in  geringem  Maße 
an  dem  Tagesflug  beteiligen.  Es  wäre  z.  B.  nichts  verkehrter,  als  auf  ein  bei 
dieser  Gelegenheit  festgestelltes  starkes  Überwiegen  der  cfcT  auf  eine  Degene- 
ration  schließen   zu   wollen. 

Eizah  1. 

Ist  der  Flug  vorüber,  so  können  Untersuchungen  über  die 
Stärke  der  Eiablage  durch  Probefällungen  vorgenommen  werden.  Solche 
sind  vor  allem  während  des  späteren  Verlaufes  der  Gradation  (Eruption) 
zu  empfehlen.  Aus  der  Zahl  der  Eier  und  auch  aus  der  Form  der  Ei- 
gelege  kann  man  zuweilen  einige  Anhaltspunkte  für  den  Weiterverlauf  einer 
Gradation  erhalten.  Es  deutet,  worauf  schon  Ratzeburg  hingewiesen  hat, 
entschieden  auf  eine  Abnahme  der  Gradationsvirulenz  hin,  wenn  die  Eier 
nicht  mehr  in  langen  Reihen,  sondern  mehr  vereinzelt  (etwa  nur  2 — 3  zu- 
sammen) abgelegt  werden  (s.  auch  Wolff,  S.  199).  Dabei  ist  allerdings 
daran  zu  denken,  daß  beim  Fällen  der  Bäume  zahlreiche  Eier  aus  den 
Reihen  abspringen  können  (s.  oben  S.  476).  Bei  den  Eiuntersuchungen  ist 
auch  auf  den  Gesundheitszustand  der  Eier  zu  achten,  ob  sie  unbefruchtet 
(s.  oben  S.  477)  oder  von  Parasiten  besetzt  sind. 

Zahl    und    Gesundheitszustand    der    Raupen,    Fraßbild. 

Es  folgt  die  Beobachtung  der  Raupen  und  des  sich  allmählich  ent- 
wickelnden Fraßbildes.  Mit  einem  einigermaßen  guten  Glas  lassen  sich 
die  Fraßbeschädigungen  auch  im  Anfangsstadium  selbst  „an  60 — 70  jährigen 
Kiefern  sehr  gut  erkennen".  „Die  meisten  Beamten  waren  erstaunt,"  schreibt 
Wolff  (S.  198),  „wieviel  sich  über  die  Vorgänge  in  der  Krone,  speziell  über 
den  Charakter  der  Beschädigung,  von  unten  her  bei  genauer  Durchmusterung 
aussagen  läßt."  „Gerade  das  für  den  Spannerfraß  charakteristische  grob 
Borsten-  oder  Bürstenförmige  ist  von  unten  her,  selbst  wenn  erst  einzelne 
Zweige  befressen  sind,  sehr  gut  mit  dem  Glas  zu  erkennen."  Die  Unter- 
suchung mit  bewaffnetem  Auge  kann  durch  einige  Probefällungen  unterstützt 
werden. 

Da  die  Krone  noch  bis  zum  Spätherbst  unberührt  und  nicht  gelichtet  er- 
scheint, so  wird  der  erste  Fraß  von  Beamten,  die  nicht  auf  die  Spannergrada- 
tion eingestellt  sind,  meist  übersehen,  was  als  ein  nicht  wieder  gutzumachendes 
Versäumnis  zu  werten  ist.  Ihm  folgt  dann  meist  die  Unterlassung  der 
Puppensuche  im  Winter  und  die  große  Überraschung  eines  „plötzlichen  Kahl- 
fraßes" im  nächsten  Jahr. 

Mit  der  Untersuchung  des  Fraßbildes  kann  zugleich  die  Feststellung 
der  Raupen  zahl  erfolgen.  Diese  kann  an  auf  Tücher  gefällten  Bäumen 
vorgenommen  werden.  Es  ist  auf  diese  Weise  nicht  schwer,  sich  wenigstens 
ein  ungefähres  Bild  von  der  Raupenmenge  zu  verschaffen.  Wie  die  so  ge- 
wonnenen Zahlen  prognostisch  zu  werten  sind,  ist  nicht  generell  zu  ent- 
scheiden. Bei  dem  großen  Nürnberger  Fraß  ist  man  auf  Grund  zahlreicher 
Zählungen  zu  der  Annahme  gelangt,  daß  „in  noch  gut  benadelten  Kiefern- 

Escherieh,  i-'orstinsekten,  Bd.  III.  35 


546  11.  Spezieller  Teil. 

beständen  mittleren  Alters  bis  zu  looo  Raupen  pro  Krone  Naschfraß,  bis  zu 
2000  Halb-,  bis  zu  3000  Licht-  und  mehr  als  3000  Kahlfraß  bewirken".  Doch 
sind  das  nur  sehr  relative  Zahlen. 

Wiederholte  Feststellungen  der  Raupenzahlen  in  den  folgenden  Jahren 
können  über  den  Verlauf  der  Gradation  (Zu-  und  Abnahme  der  Virulenz) 
wertvolle  Anhaltspunkte  geben,  vor  allem,  wenn  damit  auch  Untersuchungen 
über  das  Wachstum  und  über  den  Gesundheitszustand  der  Raupen 
verbunden  werden.  Massenweises  Abwandern  der  Raupen  in  nicht  erwach- 
senem Zustand  in  kahlgefressenen  Beständen  deuten  auf  Hungerzustand, 
Verjauchung  und  Verfärbung  der  Raupen  auf  den  Ausbruch  von  Krankheiten 
hin  und  geben  Berechtigung  zu  einer  guten  Prognose  bezüglich  des  Endes 
der  Gradation.  Das  gleiche  gilt  natürlich,  wenn  ein  starkes  Parasitenvorkom- 
men in  den  Raupen  festgestellt  werden  konnte. 

Neben  der  direkten  Beobachtung  und  Zählung  der  Raupen  ist  aus- 
giebigst Gebrauch  von  Kotfängen  zu  machen.  Die  Kotmengen  geben  ein 
treues  Bild  von  der  Fraßtätigkeit  der  Raupen,  außerdem  kann  man  an  Hand 
der  oben  (S.  487)  gegebenen  Kotkurven  die  Raupenzahl,  die  in  einem  Be- 
stand vorhanden  ist,  ermitteln.  „Kennt  man  die  in  einem  Bestand  fallende 
Kotmenge  je  Quadratmeter  und  die  durchschnittliche  Größe,  die  man  ja 
durch  Messen  von  30 — 40  Raupen  erhalten  kann,  so  braucht  man  nur  auf  der 
Kurve  die  tägliche  Kotmenge  einer  Raupe  von  dieser  Größe  abzulesen,  um 
durch  Division  der  im  Bestand  gefundenen  Kotmenge  durch  die  tägliche 
Kotmenge  einer  Raupe  die  Anzahl  der  fressenden  Raupen  je  Quadratmeter, 
Ar,  Hektar  usw.  zu  erhalten.  „Wünscht  man  nun  noch  den  durchschnittlichen 
Belag  einer  Krone  zu  erfahren,  so  dividiert  man  die  je  Hektar  gefundene 
Raupenzahl  durch  die  Anzahl  der  Stämme,  die  man  entweder  durch  Ab- 
zählen auf  Probeflächen  oder  an  Hand  von  Ertragstafeln  ermitteln  kann. 
Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  daß  die  aus  der  Kotmenge  gefundene  Raupen- 
zahl für  den  geschlossenen  Bestand  gilt  (da  der  Kot  nur  unter  1,0  geschlos- 
senem Kronendach  gesammelt  wurde);  die  in  der  Ertragstafel  angegebene 
Anzahl  der  Stämme  kann  also  ohne  weiteres  genommen  werden,  dagegen  muß 
die  auf  Probeflächen  gefundene  Stammzahl  auf  den  Schluß  1,0  zurückgeführt 
werden"   (Schwerdt feger). 

Schon  seit  langem  hat  man  sich  der  Kotfänge  zur  Feststellung  des 
Raupenfraßes  bedient.  Schon  in  der  alten  Auflage  von  Heß-Beck,  Forst- 
schutz, werden  sie  als  zuverlässigstes  Kontrollmittel  (bei  der  Nonne)  emp- 
fohlen. Früher  begnügte  man  sich  aber  meist  einfach  damit,  daß  man  die 
Streu  auf  mehreren  Quadratmetern  entfernte  und  den  mineralischen  Boden 
freilegte.  Neuerdings,  vor  allem  veranlaßt  durch  die  Arsenbekämpfung,  hat 
man  die  Methode  verbessert  durch  Auslegen  von  Ceresinpapier.  Es  wird  zu- 
nächst der  Boden  auf  einer  der  Größe  des  Papiers  entsprechenden  Fläche 
von  Streu  und  Unebenheiten  befreit.  Man  kann  dann  das  Papier  direkt  dar- 
auf legen  und  mit  Steinen  beschweren,  oder  aber,  was  Schwerdtfeger 
empfiehlt,  an  Stangen,  die  um  die  Fläche  gelegt  sind,  mit  Reißnägeln  fest- 
heften.   Im  letzteren  Fall  bildet  die  Papierfläche  eine  leichte  Mulde. 

Der  Kot  wird  in  24 stündigem  Abstand  gesammelt,  am  besten  mit  einer 
Gänsefeder,  mit  der  er  auf  ein  kleineres  Papier  gefegt  und  von  hier  aus  in 
ein  Reagenzglas  geschüttet  wird.  Nunmehr  muß  der  Kot  von  Unreinigkeiten 
gesäubert  und  getrocknet  werden.  Letzteres  kann  entweder  über  einer 
Flamme  geschehen,  oder  einfach  durch  Austrocknen  an  der   Luft,  oder  im 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridac  (Spanner).        547 

Trockenschrank,  oder  aber  am  zuverlässigsten  chemisch  durch  konzentrierte 
Schwefelsäure  oder  Phosphorpentoxyd.  Der  so  getrocknete  Kot  ist  dann  zu 
wiegen  und  die  auf  diese  Weise  gewonnenen  Zahlen  können  zu  Vergleichen 
benutzt  werden. 

Friederichs  und  Steiner  benützen  als  Kotauffangvorrichtung  nicht 
Ceresinpapier  („da  darauf  zuviel  Fremdkörper  festkleben"),  sondern  feine 
Gaze,  die  den  Regen  nicht  durchläßt.  Die  Gazestreifen  sind  mit  Ringen 
versehen,  durch  die  das  zum  Spannen  dienende  Band  läuft.  Auch  an  den 
Flächen  befinden  sich  unten  2  Ringe,  durch  die  ein  Band  geht.  Dvirch 
Straff  ziehen  desselben  entsteht  eine  Mulde  in  der  Mitte,  in  der  sich  aller  Kot 
ansammelt  und  nicht  verweht  wird  (Abb.  445). 

Um  die  störende  Wirkung  des  Windes  auszuschalten,  konstruierte 
Rhumbler  einen  besonderen  Kotsammler  (Abb.  446).  Derselbe  ,, besteht 
aus  einem  niedrigen,  topf  artigen  Blechgefäß  mit  ganz  leicht  nach  dem  Boden 
niedergewölbten  Boden,  in  dessen  Zentrum  eine  durch  einen  Korkpfropfen 
verschließbare  Ausflußtülle  angebracht  ist.  Auf  diesem  Boden  wird  der,  ent- 
sprechend dem  Bodenumfang  (aber  etwas  größer),  kreisförmig  zugeschnittene 
Ceresinbogen  mit  einem  aufgelegten  Ringreifen  (von  ungefährem,  aber  etwas 
kleinerem  Umfang  des  Bodens)  festgeklemmt.  Der  aus-  und  einschiebbare 
Ringreifen  ist  aus  einem  horizontalen  Blechring  von  3  cm  Breite  und  einem 
senkrecht  nach  unten  abfallenden  blechernen  Randreifen  von  3  cm  Höhe  fest 
zusammengefügt.  In  das  Gefäß  wird  nun  außer  dem  Ringreifen  noch  ein 
frei  beweglicher,  als  oberer  Abschluß  in  der  Abb.  446  sichtbarer  Einsatz  von 
oben  eingesetzt,  der  aus  schachbrettartig  zusammengruppierten  quadratischen 
Schächten  von  je  5  cm  Seitenlange  und  10  cm  Tiefe  (unter  mehreren  Va- 
rianten ausgeprobte  Maße!)  besteht,  durch  die  der  Kot  hindurchfällt,  um 
alsdann  durch  die  Wände  der  Schächte  vor  nachträglichen  Windverwehungen 


Abb.  445.    Kotfang   nach    Friederichs   und   Steiner. 


35=» 


548  IL  Spezieller  Teil. 

geschützt  zu  sein."  Wegen  seiner  hohen  Herstellungskosten  (65  RM.j  kann 
dieser  Apparat  jedoch  nur  als  Kontrollapparat  zu  Stichprobenfängen  zu  mög- 
lichst   zahlreichen    anderen    Ceresinbogensammlungen    bei    wissenschaftlichen 


Abb.  446.    Der  Mündener  Kotsammeiapparat.    Nach  R  h  u  m  b  1  e  r. 

Untersuchungen  in  Frage  kommen.  Im  übrigen  empfiehlt  Rhumbler,  die 
ausgelegten  Ceresinbogen  durch  billige  Windschirme  (wie  Latten,  dichtes 
Reisig  usw.)  zu  schützen.  Übrigens  ist  nach  Schwerdtfeger  (1930a)  die 
Windwirkung  gar  nicht  so  störend,  als  man  im  allgemeinen  annimmt.  Aus 
seinen  in  dieser  Richtung  gemachten  Versuchen  geht  jedenfalls  hervor,  daß 
„die  Tendenz  der  Kotkurve  durch  den  W^ind  nicht,  die  Höhe  der  Kurve  nur 
unwesentlich  beeinflußt  wird." 

Zahl  und  Gesundheitszustand  der  Puppen. 

Weitaus  am  wichtigsten  für  die  Diagnose  und  Prognose  ist  die 
Untersuchung  der  Puppen  im  Winterlager.  Sie  hat  gleich  nach 
den  ersten  Anzeichen  einer  beginnenden  Spannergradation  einzusetzen  und 
ist  bis  zum  Ende  der  Gradation  fortzuführen,  und  zwar  mit  dem  größten 
Ernst  und  der  größten  Genauigkeit. 

Zunächst  ist  die  jeweilige  Zahl  festzustellen.  Von  wesentlicher  Be- 
deutung für  ein  möglichst  fehlerfreies  Arbeiten  ist  hierbei  der  Zeitpunkt. 
Wir  haben  oben  gehört,  daß  gerade  in  bezug  auf  den  Zeitpunkt  der  Ver- 
puppung beim  Spanner  starke  Schwankungen  vorkommen  können.  Die  ersten 
Verpuppungen  erfolgen  unter  Umständen  schon  im  Oktober,  während  anderer- 
seits noch  im  Dezember,  ja  noch  viel  später  unverpuppte  Raupen  sich  finden 
können.  Zu  früh  vorgenommene  Untersuchungen  können  daher  eventuell 
ein  ganz  falsches  Bild  ergeben.  Wolff  schlägt  deshalb  vor,  besonders  wenn 
Beobachtungen  über  die  Zeit  des  Falterfluges  usw.  fehlen  und  man  über  den 
Ablauf  der  Raupenentwicklung  keine  genaueren  Anhaltspunkte  hat,  das 
Puppensuchen     zweimal    vorzunehmen:    das    erstemal    nach    Eintritt 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    F'amilie  Geometridae  (Spanner).        549 

der  ersten  stärkeren  Fröste,  das  zweitemal  gegen  Winterende,  wenn  die 
Schneeverhältnisse  es  irgend  gestatten. 

Die  Technik  des  Puppensuchens  ist  die  gleiche  wie  bei  der  Eule 
(s.  unten):  „Abzählen  der  auf  abgesteckten  größeren  Streif eni) 
gefundenen  Puppen  und  nachherige  Berechnung  pro  Stamm. 
Natürlich  sind  die  Streifen  (1x5  m)  über  den  ganzen  Bestand  zu  verteilen,  wo- 
bei aber  solchen  Stellen,  die  infolge  ihrer  Lage,  Bodenbeschaffenheit  usw. 
besonders  disponiert  erscheinen,  erhöhte  Aufmerksamkeit  zu  schenken  ist." 

Jucht  ließ  die  Bestände  mit  einem  gleichmäßigen  Netz  von  Probeflächen  über- 
ziehen, so  daß  auf  je  1  4  ha  eine  Probefläche  von  i  qm  traf.  ,,Die  Arbeiter  hatten 
quadratmetergroße  Lattenvierecke,  die,  auf  den  Boden  gelegt,  die  Probeflächen  um- 
grenzten. Die  Belagziffern  wurden  in  Handrisse  eingetragen,  die  durch  die  Ergeb- 
nisse der  verschiedenartigen  anderen  Untersuchungen  während  der  ganzen  Zeit  des 
Spannerauftretens  fortlaufend  ergänzt  wurden  und  so  stets  wertvolle  Aufschlüsse 
über  den  Verlauf  des  Auftretens  und  die  Wirkung  der  Maßnahmen  geben  konnten." 
Oberförster  Teich  mann  ließ  die  Jagen  kreuzweise  in  den  Diagonalen  nach  Puppen 
durchsuchen,  und  Forstmeister  Ehlert  rät,  3—4  m  lange  und  8 — 10  m  breite 
Streifen  abzusuchen  (Wolff  1. 

Was  nun  die  Auswertung  der  Puppenzahl  für  die  Feststellung  der  \'iru- 
lenz  der  Gradation  bzw.  Gefahr  für  den  Wald  betrifft,  so  hat  man  früher  die 
gefahrdrohende  Zahl  meist  viel  zu  hoch  angenommen.  So  meint  Jucht,  daß 
„schon  bei  20 — 30  Puppen  je  Quadratmeter  unter  Umständen  sehr  erheb- 
licher Fraßschaden  und  starke  Spannerzunahme  drohen  kann". 

Demgegenüber  stellt  S  c  h  w  e  r  d  t  f  eg  e  r  (iQ3oa'l  durch  umfangreiche 
Zählungen  fest,  daß  bereits  die  Zahl  6  je  Quadratmeter  als  die  kritische 
Puppenmenge  für  sämtliche  Altersklassen  anzusehen  ist. 

„Selbstverständlich  ist  zu  beachten,  daß  die  einen  Bestand  gefährdende 
Puppenzahl  sehr  variabel  ist:  1928  w^urden  Bestände  sehr  stark  befressen,  in 
denen  2  Puppen  gefunden  worden  waren,  andere  mit  20  Puppen  blieben  grün. 
Die  Gründe  für  diese  Erscheinung  können  mannigfaltiger  Art  sein:  fehler- 
haftes Puppensuchen,  Verwehen  der  Falter  während  der  Flugzeit,  geringe 
Eiablage,  besondere  Bestandsbeschaffenheit  u.  a.  Trotzdem  ist  die  kritische 
Zahl  6  als  Warnungssignal  für  den  Wirtschafter  wertvoll:  sie  kündet  einen 
wahrscheinlichen  Nadelverlust  von  mehr  als  50110  der  Nadelmasse  an,  tritt 
solch  umfangreicher  Fraß  nicht  ein,  um  so  besser! 

„Ferner  ist  zu  berücksichtigen,  daß  obige  Zusammenstellung  aus  Be- 
ständen gewonnen  ist,  die  dicht  benadelt  waren  und  noch  keinen  Fraß  er- 
litten hatten.  In  Beständen,  die  der  Spanner  im  Wjrjahr  kahlgefressen  hat 
und  die  jetzt  wdeder  grün  geworden  sind,  aber  nur  die  fJälfte  oder  ein  Drittel 
der  normalen  Nadelmenge  besitzen,  ist  die  kritische  Zahl  entsprechend  der 
Benadelungsdichte  zu  reduzieren,  etwa  auf  3  oder  2." 

Die  Feststellung  der  Zahl  allein  genügt  jedoch  nicht  zu  einer  einiger- 
maßen gesicherten  Prognosestellung  bezüglich  des  Gradationsverlaufcs.  Eben- 
so wichtig  ist  die  Untersuchung  des  Gesundheitszustandes  der  Puppen. 
Wird  dieses  Moment  nicht  berücksichtigt  und  lediglich  die  gefundene  Zahl 
in  Rechnung  gestellt,  so  sind  Fehldiagnosen  unausbleiblich.  Wenn  man  in 
so  manchen   Berichten   liest,   daß   trotz   starken   Puppenbelages   im  folgenden 


1)  Kreisförmige  Flächen  um  den  Stamm  herum  mit  1  oder  2  m  Radius  würden, 
da  die  Raupen  sich  durchaus  nicht  vornehmlich  in  der  Stammnähe  verpuppen,  zu 
keinem  zuxerlässigen  Ergebnis  führen. 


550 


II.  Spezieller  Teil. 


Jahr  kaum  ein  nennenswerter  Flug  und  Fraß  stattgefunden  hat,  so  war  dies 
wohl  meist,  meint  Wolff,  auf  starke  Parasitierung,  Verpilzung  usw.  zurück- 
zuführen, jedenfalls  weit  eher,  als,  wie  mehrere  Berichterstatter  annahmen, 
auf  eine  Abwanderung  der  Falter. 

Die  Parasitierung  erzeugt  im  Endstadium  ganz  charakteristische  Ver- 
änderungen der  Puppe,  wodurch  es  jedem  Laien  bei  einiger  Übung 
leicht  sein  wird,  die  parasitierten  Puppen  von  den  normalen  zu  unter- 
scheiden. Besonders  trifft  dies  bei  der  Ichneumonierung  zu,  worüber  Eid- 
raann  folgende  klare  Darstellung,  die  allerdings  in  der  Hauptsache 
nur  für  Ich7i.  jiigrilariiis  gilt,  gibt: 

„Schon  die  Gestalt  parasitierter  Puppen  ist  von  der  normalen  ganz 
wesentlich  verschieden.  Abb.  447  zeigt  links  eine  normale,  rechts  eine  para- 
sitierte Puppe  des  Kiefernspanners  in  charakteristischer  Ausbildung.  Beide 
sind  bei  gleicher  Vergrößerung  dargestellt,  und  es  läßt  sich  unschwer  er- 
kennen,   daß    die   normale    Puppe    eine   viel    gedrungenere,    kompaktere    Ge- 


A  B 

Abb.   447.    Gesunde   (A)    und  ichneumonierte    (B)    Puppe   des   Kiefernspanners.    Nach 

Eidmann. 


stalt  hat  als  die  parasitierte,  die  wesentlich  schlanker  und  gestreckter  er- 
scheint. Ganz  besonders  stark  ist  der  Unterschied  in  der  Ausbildung  des 
Abdomens.  Während  bei  der  gesunden  Puppe  die  Segmente  des  Hinterleibes 
stark  eingezogen  sind  und  fernrohrartig  ineinanderstecken,  sind  sie  bei  der 
parasitierten  weit  auseinandergezogen  und  lassen  tiefe  Einkerbungen  zwischen 
sich  erkennen,  durch  die  die  glatten  Intersegmentalhäute  sichtbar  werden." 
„Dann  ist  es  vor  allem  auch  die  Färbung,  die  deutliche,  sofort  in  die 
Augen  springende  Differenzen  erkennen  läßt.  Die  parasitierte  Puppe  ist  im 
Endstadium  ausgesprochen  rotbraun  und  wesentlich  heller  gefärbt  als  die 
gesunde.  Diese  Braunfärbung  ist  besonders  im  Vorderteil  deutlich,  während 
das  Abdomen  dunkler,  bis  fast  schwarz  erscheinen  kann.  Dieser  auffallende 
Unterschied  rührt  daher,  daß  die  Blutflüssigkeit  der  Puppe  grün  ist,  während 
bei  parasitierten  Puppen  der  Puppeninhalt  schon  von  der  Schlupfwespen- 
larve mehr  oder  weniger  aufgezehrt  wurde,  so  daß  die  braune  Puppenhülse  in 
der  Färbung  überwiegt.  Öffnet  man  eine  normale  Puppe,  so  fließt  auch  so- 
fort  die   grüne    Hämolymphe   heraus,    während   bei    einer   parasitierten,    die 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        551 

weiße  Schlupfvvespenlarve  zum  Vorschein  kommt,  an  der  der  grüne  Darm- 
inhalt deutlich  durchschimmert." 

„Die  olivgrüne  Farbe,"  fährt  Eidmann  fort,  „verschwindet  erst  wenige 
Tage  vor  dem  Ausschlüpfen  des  Falters  und  macht  einer  helleren,  besonders 
an  den  Flügelscheiden  blaßgelben  Färbung  Platz.  Diese  Wandlung  erklärt 
sich  daraus,  daß  in  der  letzten  Zeit  vor  dem  Auskommen  des  Schmetterlings 
das  gelbe  Schuppenkleid  zur  Entwicklung  kommt  und  durch  die  Puppenhülse 
durchschimmert." 

„Außer  Form  und  Farbe  stellt  noch  die  verschiedene  Beweglichkeit 
des  Abdomens  ein  schon  lange  bekanntes  und  wichtiges  Unterscheidungs- 
merkmal parasitierter  von  nicht  parasitierten  Puppen  dar.  Es  ist  ja  eine  be- 
kannte Tatsache,  daß  gesunde  Schmetterlingspuppen  ihr  Abdomen  aktiv  be- 
wegen können.  Nimmt  man  z.  B.  eine  normale  Puppe  zwischen  Daumen  und 
Zeigefinger,  so  beginnt  sie,  durch  die  Wärme  der  Hand  angeregt,  in  der 
Regel  nach  kurzer  Zeit,  lebhaft  mit  dem  Abdomen  hin  und  her  zu  schlagen. 
Dieses  Verhalten  wurde  auch  seither  beim  Aussuchen  gesunder  Puppen  all- 
gemein in  Anwendung  gebracht,  und  es  ist  zweifellos  richtig,  daß  eine  Puppe, 
die  sich  bewegt,  dann,  wenn  man  die  Untersuchung  zur  richtigen  Zeit  vor- 
nimmt, keine  I c/ineufnoJi-'LdiXve.  enthält.  Ichneumonierte  Puppen  können  sich 
nur  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Verpuppung  noch  schwach  bewegen.  Bald  je- 
doch schwindet  diese  Beweglichkeit,  indem  durch  die  Tätigkeit  des  Parasiten 
die  lebenden  Gewebe  mehr  und  mehr  aufgezehrt  werden.  Es  läßt  sich  wohl 
sagen,  daß  im  Februar  und  März  alle  (von  nigritarius)  parasitierten  Spanner- 
puppen ihre  Beweglichkeit  eingebüßt  habend). 

„Umgekehrt  ist  jedoch  die  Unbeweglichkeit  kein  unbedingt  sicheres 
Zeichen  für  die  Parasitierung,  denn  es  kann  sehr  wohl  sein,  daß  auch  eine 
gesunde  Puppe  nicht  sofort  durch  Bewegung  reagiert.  In  solchen  Fällen  ent- 
scheidet ein  weiteres,  unbedingt  zuverlässiges  Hilfsmittel,  nämlich  die 
Durchleuchtung.  Hält  man  eine  gesunde  Spannerpuppe  vor  das  Licht 
einer  Lampe,  so  bekommt  man  ein  Bild,  wie  es  auf  Abb.  448  A  dargestellt  ist. 
Man  sieht  auf  der  Ventralseite,  etwa  in  der  Mitte  des  Puppenkörpers,  eine 
eiförmige,  durchscheinende  Stelle,  einen  Hohlraum,  der  schräg  nach  vorn  in 
das  Innere  vorspringt.  Der  ganze  übrige  Teil  der  Puppe  erscheint  schwarz, 
d.  h.  er  ist  undurchsichtig.  Der  beschriebene  Hohlraum  ist  so  charakteri- 
stisch, daß  er  ein  absolut  zuverlässiges  Kriterium  für  Nichtparasitierung  dar- 
stellt. Auch  tote  und  eingetrocknete,  gesund  gewesene  Puppen  zeigen  ihn 
noch,  wenn  auch  durch  die  Eintrocknung  und  dadurch  bedingte  Schrumpfung 
der  Gewebe  unregelmäßige  Hohlräume  an  anderen  Stellen  des  Puppenkörpers 
hinzukommen.  Der  Hohlraum  verschwindet  erst  wenige  Tage  vor  dem 
Schlüpfen  des   Falters  ebenso  wie  die  schon  oben  erwähnte  grüne   Färbung. 

„Ein  wesentlich  anderes  Bild  bieten  ichneumonierte  Puppen  bei  der 
Durchleuchtung  dar.  Man  sieht  in  ihnen  deutlich  die  Schlupf wespen- 
larve  liegen  (Abb.  448  B),  den  Kopf  nach  vorn  gewandt  und  stark  ventral- 
wärts   eingekrümmt.    Besonders   bemerkenswert   ist   noch    ein   kleiner    Hohl- 


1)  Es  wäre  ein  großer  Irrtum,  alle  im  Februar/März  noch  gesund  aussehenden, 
also  am  Kopf  und  an  den  Flügelteilen  grünen,  mit  dem  Hinterleib  sich  bewegenden 
Puppen  als  frei  von  Parasiten  zu  betrachten.  Denn  in  solchen  können  sich  sehr  wohl 
junge,  noch  kleine  Parasitenlarven  aufhalten;  es  handelt  sich  dabei  von  den  wich- 
tigeren Parasiten  um  Lydella  nigripes  Fall.,  Anomalon  biguttatum  Grav.  und 
Hcteropelma  calcalor  Wesm.    (Czerwinski   und   Kuntze,    1930). 


552 


II.  Spezieller  Teil. 


räum  am  Schwänzende  der  Puppe.  Ist  dieser  vorhanden,  so  ist  das  immer 
ein  Zeichen  dafür,  daß  die  Schlupfwespenlarve  noch  nicht  verpuppt  ist, 
sondern  noch  als  Larve  in  der  Wirtspuppe  lebt.  x\ußerdem  sind  in  diesem 
Falle  die  Abdominalsegmente  der  Spannerpuppe  passiv  beweglich,  d.  h.  sie 
lassen  sich  mit  dem  Finger  hin  und  her  bewegen. 


AB  C 

Abb.  448.    Kiefernspannerpuppen  bei  durchfallendem  Licht.  A  gesunde  Puppe,  B  und 

C  ichneumonierte  Puppen  (bei  B  ist  der  Parasit  im  Larven-,  bei  C  im  Puppenstadium). 

Nach    Eidmann. 


,,Wenn  der  Parasit  sich  verpuppt  hat,  wenn  also  die  Parasitenpuppe  in 
der  Schmetterlingspuppe  eingeschachtelt  ist  (Abb.  449),  so  schwinden  die  bei- 
den letztgenannten  Merkmale.  Das  Abdomen  wird  vollkommen  schwarz  und 
undurchsichtig  (Abb.  448  C)  und  ist  auch  passiv  nicht  mehr 
beweglich,  sondern  fest  und  starr  wie  bei  einer  toten,  ver- 
trockneten Puppe.  Dies  kommt  daher,  daß  die  Parasiten- 
larve vor  ihrer  Verwandlung  in  die  Puppe  große  Kot- 
mengen entleert,  die  sich  am  Hinterende  ablagern  und 
dieses  ganz  einhüllen.  Dadurch  wird  die  L^ndurchsichtig- 
keit  und  wahrscheinlich  auch  die  Unbeweglichkeit  des  Ab- 
domens der  Wirtspuppe  verursacht.  Endlich  wird  das 
Vorderteil  der  Spannerpuppe  heller  und  durchscheinender 
und  die  darin  lagernde  Parasitenpuppe  ist  nur  undeutlich 
zu  erkennen,  was  mit  ihrer  viel  helleren  und  grazileren 
Beschaffenheit  gegenüber  der  Larve  zusammenhängen  mag" 
(Eidmann). 

Wie  schon  erwähnt,  läßt  sich  die  Eidmannsche  Be- 
leuchtungsmethode nur  für  gewisse  Ichneumonen,  vor  allem 
für  lehn,  iiigritarius.  der  ja  in  Bayern  und  auch  anderwärts 
als  Hauptparasit  des  Spanners  in  Frage  kommt,  anwenden. 
Die   Veränderungen   der   parasitierten   Spannerpuppen 
vollziehen    sich    je    nach    der    Parasitenart    in    verschieden 
langen  Zeiträumen,  am  spätesten  bei  Heteropelma  calcator  Wesm.  und  A)io- 
malou  bigiiiiatinn  Grav.,  bei  welch  letzterem  nach  Seitner  die  Puppe  bis  in 
den  Juni  hinein  ihre  normale  Form  und  Farbe  behält. 


Abb.  449.  Puppe 
von  lehn,  nigrita- 
ris  Grav. in  geöffne- 
ter Spannerpuppe. 
Nach  Eidmann. 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.    Familie  Geomelridae  (Spanner).        553 

Die  Larven  der  beiden  letzten  sind  zu  Beginn  des  Frühjahrs,  wo  die 
Puppenuntersuchungen  in  der  Hauptsache  vorgenommen  werden,  noch  so 
klein  (ca.  i  mm),  daß  sie  in  dem  Gewirr  von  lappigen  Fettkörpermassen  in  der 
Puppe  noch  kaum  zu  sehen  sind.  Nach  Steiner  scheinen  aber  die  kleinen 
Parasiten  einen  stark  entwicklungshemmenden  Einfluß  auf  ihren  Wirt  aus- 
zuüben, da  die  betreffenden  Puppen  über  das  Stadium,  das  sie  bereits  im 
Winter  besitzen,  nicht  hinauskommen.  „Die  frei  in  der  Leibeshöhle  und  m.eist 
im  Abdomen  flottierende  Larve  schont  zunächst  alle  lebenswichtigen  Organe 
ihres  Wirtes  und  begnügt  sich  damit,  nachdem  sie  in  der  ersten  Lebenszeit 
von  der  Hämolymphe  des  Wirtes  gelebt  hat,  dessen  Vorrat  von  Reserve- 
stoffen anzugreifen.  Lhid  zwar  löst  sie  zunächst  die  einzelnen  Fettzellcn  aus 
ihren  festen,  klumpigen  Verbänden,  so  daß  diese  zu  Tausenden  als  kleine 
gelbe  Kügelchen  die  Leibeshöhle  der  Puppe  anfüllen.  Schneidet  man  eine 
von  Anomalon  parasitierte  Puppe  unter  Wasser  auf  und  schwenkt  sie  darin 
ein  wenig  hin  und  her,  so  treten  als  sicheres  Zeichen  der  Parasitierung  durch 
die  genannte  Art  die  einzelnen  Fettzellen  aus  dem  Puppenkörper  hervor 
und  trüben  das  Wasser  in  der  Umgebung  der  Puppe  bis  zur  Undurchsichtig- 
keit.  Bei  gesunden  Puppen,  die  in  derselben  Weise  behandelt  werden, 
schwimmen  nur  größere  Teile  des  lappigen  Fettkörpers  im  Wasser.  Aller- 
dings ist  die  Stärke  der  Lösung  des  Fettkörpers  abhängig  von  dem  Ent- 
wicklungszustand der  Parasiten;  solange  sich  letztere  bei  der  Nahrungsauf- 
nahme noch  mit  der  Hämolymphe  begnügen,  ist  die  Auflösung  des  Fett- 
körpers nur  minimal. 

„Bei  der  Untersuchung  unter  Wasser  muß  man  besonders  darauf  achten, 
daß  auch  der  Inhalt  der  Abdominalspitze  und  des  Kopfendes  genügend 
durchspült  wird,  denn  gerade  hier  pflegen  sich  die  kleinen  Anomalon  mit 
Vorliebe  aufzuhalten.  Sehr  oft  konnte  festgestellt  werden,  daß  die  genannten 
Larven  die  Eigenschaft  haben,  bei  der  Öffnung  der  Puppe,  vermutlich  wegen 
ihres  geringen  spezifischen  Gewichtes,  an  die  Wasseroberfläche  zu  steigen. 
Dieses  allerdings  nicht  bei  allen  Larven  beobachtete  Verhalten  erleichtert  das 
Auffinden  derselben,  besonders  wenn  man  flach  über  die  Wasseroberfläche 
hinwegsieht,  ungemein. 

,, Ebenso  lassen  sich  die  frei  in  der  Leibeshöhle  des  Wirtes  lebenden 
Tachinenlarven  auf  diese  Weise  leicht  finden.  Schwieriger  ist  die  Fest- 
stellung der  im  Darm  der  Spannerpuppe  lebenden  Tachinenlarven,  besonders 
wenn  diese  noch  sehr  klein  sind.  Hier  kann  man  durch  Herausnahme  des 
Puppendarms  zum  Ziel  gelangen." 

Für  die  große  Praxis  kommen  jedoch  diese  Methoden  nur  wenig  in  Be- 
tracht; hierfür  eignet  sich  wohl  am  besten  die  von  K.  Eckstein  empfohlene 
Methode,  worauf  auch  Steiner  neuerdings  hinweist.  „Im  Prinzip  besteht  die 
Methode  darin,  daß  man  den  Inhalt  des  Puppenkörpers  auf  einer  Glas- 
scheibe ausdrückt,  ihn  dann  mit  einer  Glasscheibe  beschwert  und  das  so  er- 
haltene Präparat  im  durchfallenden  Licht  betrachtet.  Man  erhält  also  ein 
„Quetschpräparat",  ohne  jedoch  noch  einen  besonderen  Druck  mit  der  Hand 
auf  das  Glas  auszuüben.  Die  Schwere  der  Deckglasscheibe  genügt  allein 
schon,  den  Körperinhalt  dünn  genug  auseinanderzudrücken.  In  einem  der- 
artigen Präparat  sind  die  Parasiten,  die  kleinen  Tachinen  im  Darm  wie  auch 
die  Anomalon-  bzw.  B eteropelma-'LarwQn  mit  Leichtigkeit  infolge  ihres  be- 
sonders starken  Lichtbrechungsvermögens  zu  erkennen.  Bei  der  Präparation 
verfährt  man  derart,  daß  man  die  Puppe  mit  den   Fingerspitzen  festhält,  ihr 


554  II.  Spezieller  Teil. 

dann  mit  einer  feinen  Schere  die  äußerste  Kalotte  des  Kopfendes  abschneidet, 
dann  mit  den  Fingerspitzen  auf  die  Puppe  einen  vom  Abdomen  zum  Kopf 
fortschreitenden  Druck  ausübt,  den  Inhalt  der  Puppe  auf  eine  Glasscheibe 
entleert  und  etwa  noch  an  der  Puppenhülle  hängenbleibende  Körperteile 
(Darm  oder  Fettkörper)  mit  einer  Pinzette  oder  Nadel  dem  auf  der  Platte 
befindlichen  Körperinhalt  hinzufügt.  —  Als  Glasplatten  eignen  sich  zur  Prä- 
paration vorzüglich  alte,  von  ihrer  Gelatineschicht  befreite  photographische 
Platten  von  Format  9:  12  bzw.  13  :  18  cm,  auf  denen  man  ohne  die  Über- 
sicht zu  verlieren  10  bzw.  20  Puppen  gleichzeitig  untersuchen  kann.  Es  emp- 
fiehlt sich,  das  Präparat  bei  der  Durchsicht  wagerecht  zu  halten,  da  sonst 
die  Bestandteile  verschiedener  Puppenkörper  ineinanderlaufen  können.  Als 
Untergrund  für  die  Glasscheiben  verwendet  man  helles  Papier  oder 
besser  noch  einen  schräg  gestellten  Spiegel,  der  das  Tageslicht  gegen  die 
Glasscheiben  reflektiert.  Bei  einiger  Übung  und  genügendem  Vorrat  an 
Glasscheiben  fällt  es  nicht  schwer,  100  Puppen  pro  Stunde  zu  unter- 
suchen" 1). 

Einen  ganz  anderen  Weg  hat  neuerdings  Görnitz  (Anz.  f.  Schäd- 
lingskde. 1930)  zur  Feststellung  des  Parasitenbefalls  eingeschlagen.  Nach 
seinem  Verfahren  werden  die  zu  untersuchenden  Puppen  zuerst  im  Thermo- 
staten getrocknet,  dann  aufgeschnitten  und  in  loo/oiger  Kalilauge  kurz  auf- 
gekocht, wobei  außer  den  Puppenhüllen  nur  noch  die  Chitinhäute  der  Para- 
siten erhalten  bleiben.  „Der  Vorteil  dieser  Methode  besteht  darin,  daß  man 
wirklich  alle  Parasiten  leicht  findet  und  ferner  auch  bei  abgestorbenen 
Puppen  noch  den  Grad  der  Parasitierung   feststellen  kann"    (Steiner). 

Auch  an  verlassenen  Puppenhülsen  kann  man,  worauf  oben  schon 
hingewiesen,  mit  Sicherheit  entscheiden,  ob  sie  von  normalen  oder  ichneumo- 
nierten  Tieren  herstammen,  und  zwar  durch  die  Form  der  Schlüpföffnung, 
da  im  ersteren  Fall  die  Puppenhülle  im  Bereich  der  Flügelnähte  gesprengt, 
während  im  letzteren  Fall  gewöhnlich  ein  kleiner  Deckel  am  Vorderende  der 
Puppe  abgeschnitten  ist  (s.  Abb.  438,  S.  523). 

Endlich  sei  noch  erwähnt,  daß  „sich  parasitierte  und  gesunde  Spanner- 
puppen auch  durch  ihr  Gewicht  ganz  wesentlich  unterscheiden,  indem 
erstere  durchschnittlich  20 — 30 0/0  leichter  als  letztere  sind.  Dieses  Merkmal 
ist  für  den  Praktiker  bedeutungslos,  denn  um  Puppen  auszusuchen,  ist  es 
natürlich  nicht  möglich,  sie  alle  einzeln  zu  wiegen"  (Eidmann). 

„Außer  parasitierten  und  gesunden  Puppen  wird  man  bei  der  Unter- 
suchung auch  noch  abgestorbene  in  größerer  oder  geringerer  Anzahl  vor- 
finden. Unter  diesen  sind  die  ver jauchten  Puppen  leicht  daran  kenntlich, 
daß  sie  sich  sowohl  von  parasitierten  wie  gesunden  durch  ihre  dunkle,  fast 
schwarze  Färbung  unterscheiden.  Bei  der  Durchleuchtung  lassen  sich  keiner- 
lei durchscheinende  Stellen  finden,  was  daher  rührt,  daß  der  Inhalt  durch 
Fäulnis  in  eine  jauchige,  halbflüssige  Masse  übergegangen  ist.  Sie  besitzen 
außerdem  eine  ganz  außergewöhnlich  dünne  Hülse,  wodurch  sie  in  der  Hand 
bei  dem  geringsten  Druck  zerbrechen  und  der  übelriechende  Inhalt  ausfließt" 
(Eidmann). 

Eidmann  nimmt  an,  daß  es  „sich  hier  um  einen  Fäulnisvorgang  han- 
delt,  der  erst   sekundär  an  bereits   toten   Puppen   eingetreten  ist.    Die  Ver- 


1)    Czerwinski   und    Kuntze    (1930)    wollen    die    Methode    noch    vereinfachen, 
indem  sie  den  Puppeninhalt  anstatt  auf  einer  Glasscheibe  auf  dem  Zeigefinger  ausdrücken. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        555 

jauchung  von  Puppen,  die  besonders  häufig  bei  im  Boden  lagernden 
Schmetterlingspuppen  vorkommt,  wäre  also  so  entstanden  zu  denken,  daß  die 
Puppen  aus  irgendeiner  Ursaclie  (Sauerstoffmangel,  zu  große  Feuchtigkeit) 
absterben  und  dann  in  Fäulnis  geraten.  Ob  dabei  die  Fäulnisbakterien  von 
außen  her  in  den  Puppenkörper  eindringen  oder  aus  dem  Darmkanal  der 
sich  verpuppenden  Raupe  herstammen,  muß  dahingestellt  bleiben.  Letztere 
Annahme  scheint  jedoch  bei  der  großen  Widerstandsfähigkeit  und  Undurch- 
lässigkeit  des  Chitins  mehr  Wahrscheinlichkeit  zu  besitzen.  Auch  ver- 
trocknete Puppen  findet  man  hie  und  da,  wenn  auch  relativ  selten"  i). 

,,Vielfach  finden  sich  auch  durch  tierische  Feinde  zerstörte  Puppen,  die 
entweder  angefressen  oder  ganz  ausgefressen  und  hohl  sind.  Als  Feinde  der 
Puppen,  die  in  der  Bodenstreu  liegen,  kommen  Vögel  und  Mäuse  in  Frage; 
unter  den  Raubinsekten  vor  allem  Elateridenlarven,  die  ja  nach  den  Unter- 
suchungen des  hiesigen  Instituts  mit  zu  den  Charaktertieren  der  Kiefernstreu 
zählen.  Angefressene  Puppen  sind  ohne  weiteres  an  den  Fraßspuren  zu  er- 
kennen. 

„Zum  Schluß  seien  auch  noch  verpilzte  Puppen  erwähnt,  die  durch 
die  hellen  Fruchtkörper  der  Pilze,  die  aus  ihnen  hervorsprossen,  und  die 
Myzelien,  die  das  Innere  als  weißliche,  kompakte  Masse  ausfüllen,  deutlich 
genug  charakterisiert  sind"  (s.  auch  oben  S.  538). 

Als  günstigsten  Zeitpunkt  für  die  Untersuchung  der  Spanner- 
puppen auf  ihren  Parasitenbefall  gibt  Eidmann  die  Monate  Februar  bis 
Mitte  April  an  (Scheidter  empfiehlt  „als  besten  Termin  die  Zeit  im  Früh- 
jahr nach  Abgang  des  Schnees").  „Würde  man  die  Puppenuntersuchungen 
erst  Ende  April  oder  im  Mai  vornehmen,  so  könnte  man  einen  großen  Teil 
der  parasitierten  Puppen  nicht  mehr  erfassen."  „Eine  frühere  Untersuchung 
ist  gleichfalls  nicht  ratsam,  da  manche  Ichneumonidenlarven  im  Januar  noch 
zu  klein  sind,  um  sicher  erkannt  zu  werden"  (Eidmann). 

Eine  noch  frühere  Untersuchung,  etwa  Ende  Oktober  oder  November,  könnte 
zu  ganz  bedenklichen  Irrtümern  Veranlassung  geben:  Da  nämlich  parasitierte  Raupen 
sehr  wahrscheinlich  sich  früher  verpuppen  als  gesunde  (wie  ja  auch  hungernde  oder 
sonst  geschwächte  Raupen  sich  vorzeitig  verpuppen),  so  würden  zu  frühe  Unter- 
suchungen anfangs  viel  höhere  Parasitenprozente  ergeben  als  zu  einem  späteren 
Termin  vorgenommene,  da  inzwischen  auch  die  gesunden  Raupen  zur  Verpuppung 
gelangten.  Man  könnte  dann  den  Eindruck  gewinnen,  daß  der  Parasitenbefall  seit 
der  ersten  Untersuchung  zurückgegangen  ist  (tatsächlich  sind  uns  während  der 
letzten  bayerischen  Kalamität  derartig  lautende  Berichte  zugegangen). 

Je  höher  der  Prozentsatz  der  parasitierten  oder  sonst  erkrankten  Puppen 
ist,  desto  günstiger  ist  natürlich  die  Prognose.  Nach  Wolff  (S.  202)  kann 
„eine  günstige  Prognose  gestellt  werden,  wenn  über  500/0  der  Puppen  krank 
sind."  Dabei  darf  aber  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  daß  der 
Parasitenbefall  nach  einer  anfänglichen  Steigerung  auch  wieder  zurückgehen 
kann.  F.  Eckstein  berichtet,  wie  bereits  betont,  über  mehrere  derartige 
Fälle;  zum  Teil  mögen  Hyperparasiten  die  Ursache  dieser  Erscheinung  sein. 

Hebung  des  Parasitenstandes. 

Vom  waldhygienischen  bzw.  prophylaktischen  Standpunkt  aus  ist  eines 
der    erstrebenswertesten    Ziele,    den    eisernen    Bestand    an    Spanner- 


1)    Nach  Wolfl    (1910)    führt   auch   Polyeder-Krankheit   zur   Vertrocknung   der 
Puppen. 


556 


II.  Spezieller  Teil. 


Parasiten  möglichst  zu  heben.  Eidmann  hat  sich  mit  dieser  Frage 
eingehend  beschäftigt:  ,,Die  Parasiten  des  Spanners  sind  meist  stark  poly- 
phag.  I chneumon  nigritarius  Grav.  z.  B.,  einer  der  wichtigsten  Parasiten  des 
Spanners,  kommt  neben  vielen  anderen  auch  im  Heidekrautspanner  vor.  In 
Beständen  mit  starkem  Heidekrautwuchs  wird  er  diesen  Wirt  in  großer  Zahl 
vorfinden  und  sich  in  ihm  so  stark  vermehren  können,  daß  er  im  Herbst 
Unmengen  von  Kiefernspannerraupen  anstechen  und  so  vielleicht  schon  im 
nächsten  Jahr  die  drohende  Kalamität  zum  Zusammenbruch  bringen  kann." 

,,Noch  drastischer  ist  das  Beispiel  der  Tachinen,  deren  Wirte  wir  durch 
die  Baersche  Zusammenstellung  besser  kennen  als  die  der  Schlupfwespen. 


10.      15.       20.    25.     30.1      5       10      15     20.     25.    30.1     5      10      15     20.     25 
Aug.  Sept.  Okt. 

Abb.  ^50.     Kolkurven   im    Mischwald    ( ohne, mit    Unterwuchs ) 

loi   Jahre.    Nach  Schwercltfeger^). 


Alter 


Von  Lydella  iiigripes  Fall,  kennen  wir  nicht  weniger  als  30  Wirte,  die  sich 
aus  allen  möglichen  Arten  von  Schmetterlingen  und  selbst  Blattwespen  rekru- 
tieren. Würden  wir  die  Futterpflanzen  dieser  Wirte  zusammenstellen,  so  be- 
kämen wir  eine  endlose  Liste  von  Gewächsen,  die  wir  im  reinen  Bestand  ver- 
geblich suchen,  die  aber  im  Mischwald  mit  viel  größerer  Wahrscheinlichkeit 
anzutreffen  sind.  Meist  sind  es  nicht  einmal  die  Laubbäume  selbst,  von  deren 
Blättern  sich  die  Raupen  jener  Wirte  ernähren,  sondern  hauptsächlich  kraut- 
und  strauchartige  Pflanzen  aller  Art.    Es   ist  daher  auch  nicht  so  sehr  der 


1)  Nicht  in  allen  von  S  c  h  w  e  r  d  t  f  e  g  e  r  untersuchten  Fällen  war  der  Unter- 
schied in  der  Kotkurve  zwischen  gemischtem  und  reinem  Bestand  so  auffallend 
wie  hier. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner;.        557 

Mischwald  selbst,  als  vor  allem  ein  möglichst  artenreicher  Unter- 
vvuchs,  eine  reichhaltige  Bodenflora,  die  wir  erstreben  müssen. 
Jede  kleine  Waldwiese,  jedes  pflanzenreiche  Bachufer,  jede  Hecke  am  Wald- 
rand bildet  durch  die  reiche  Raupenfauna,  die  sie  beherbergt,  geradezu  einen 
Tachinenherd,  von  dem  aus  jene  nützlichen  Helfer,  sobald  sich  die  Gelegen- 
heit bietet,  auf  die  Schädlinge  übergehen  können.  Es  ist  sehr  wohl  denkbar, 
durch  eigens  zu  diesem  Zweck  getroffene  Maßnahmen  den  Tachinen-  und 
Schlupfwespenbestand  zu  pflegen  und  zu  steigern.  Die  Erhaltung  eines 
üppigen  Pflanzenwuchses  an  Waldrändern,  Rainen  und  Böschungen,  ciie  An- 
lage lebendiger  Zäune  um  Pflanzgärten  und  Kulturen,  die  Schaffung  von 
Waldwiesen  und  vor  allem  auch  die  Verhinderung  der  Streuentnahme,  durch 
die  eine  ganze  Reihe  der  verschiedenartigsten  Bodengewächse  mit  entfernt 
wird,  sowie  die  Ansiedlung  eines  reichen  Unterwuchses  wird  hier  überaus 
günstig  einwirken.  Dann  werden  viele  Bestände,  um  auch  einmal  die  ästhe- 
tische Seite  zur  Sprache  kommen  zu  lassen,  die  ja  der  praktische  Entomologe 
leider  viel  zu  sehr  in  den  Hintergrund  stellen  muß,  das  traurige  Aussehen 
eines   , lebendigen   Holzlagers'   verlieren." 

„Nicht  allein  Rückkehr  zum  Mischwald  wird  uns  daher  dem  ersehnten 
Ziel  näher  bringen,  sondern  vor  allem  auch  die  Ansiedlung  einer 
möglichst  vielgestaltigen  Kleinflora  in  der  oben  angedeviteten 
Weise.  Rückkehr  zum  Mischw^ald  erfordert  viele  Jahrzehnte,  wenn  nicht 
Jahrhunderte,  während  wenige  Jahre  genügen  dürften,  bereits  in  hinreichen- 
der Weise  die  Kleinflora  zum  Wohle  unseres  Waldes  entscheidend  zu  be- 
einflussen. Wir  werden  dann  den  Schlupfwespen  und  Tachinen  forstlich 
indifferente  Wirte  und  Zwischenwirte  in  großer  Zahl  bieten  und  dadurch 
ihren  Bestand  in  hinreichendem  Maße  heben  können.  Wir  werden  mit 
anderen  Worten  die  Gefahr  einer  Schädlingskalamität  auf  ein  Minimum 
reduzieren  1)". 

Vertilgung  der  Puppen. 

Bis  vor  kurzem  richteten  sich  die  Bekämpfungsmaßnahmen  gegen  den 
Spanner  fast  ausschließlich  gegen  die  Puppe.  Einmal  nimmt  ja  das  Puppen- 
stadium den  längsten  Zeitraum  in  der  Entwicklung  des  Spanners  ein,  und  so- 
dann ist  ihm  infolge  der  Lagerung  in  der  Bodendecke  am  leichtesten  bei- 
zukommen.   Man  hat  hierbei  verschiedene  Methoden  angewandt: 

Schweineeintrieb.  —  über  die  Wirtschaftlichkeit  und  den  Wert  des 
,,Sch\\cineeintriebes"2)  sind  in  den  Berichten  und  in  der  Literatur  die  wider- 
sprechendsten /\nsichten  geäußert  worden  (siehe  hierüber  Wolff,  209 ff.). 
Die  Meinungsverschiedenheiten  beruhen  in  der  Hauptsache  auf  der  Ver- 
schiedenheit der  Voraussetzungen:  die  einen  hatten  hochgezüchtete,  kurz- 
köpf ige  englische  Rassen  verwendet,  die  anderen  langköpf  ige  Landschweine, 
in  den  einen  Gegenden  waren  die  Schweine  schwer  aufzutreiben,  in 
anderen  Gegenden  standen  eine  genügende  Zahl  zu  billigen  Bedingungen  zur 
Verfügung. 

Daß  kräftige  Landschweine  gute  Arbeit  in  Spannerrevieren  leisten,  steht 
außer    ZweifeP).     Auf    Veranlassung    des    hiesigen    Institutes    wurden    beim 


^)   Über  die   Möglichkeit   einer  künstlichen   T  r  i  c  h  o  g  r  a  m  m  i  s  i  e  r  u  ng  ist   bei 
der   Eule  einiges   erwähnt    (s.  unten). 

2)   Über  die  Technik  des  Schweineeintriebes  s.  Eckstein  (T)   u.   Flos   (1929). 
^)   Siehe   hierüber  auch    Flos    (1929). 


i58 


IL  Spezieller  Teil. 


letzten  oberpfälzischen  Fraß  Versuche  in  dieser  Richtung  unternommen,  über 
deren  Resultate  Eidmann  (1926)  folgendes  mitteilt:  „In  einigen  stark  be- 
fallenen Distrikten  wurden  vom  10.  April  bis  2.  Juni  an  den  Wochentagen 
nachmittags  15 — 20  Schweine  eingetrieben.  Die  Schweine  hielten  sich  auf  den 
stark  belegten  Plätzen  gut  zusammen,  wühlten  fleißig  und  verzehrten  sichtlich 
viel  Puppen.  Zuerst  arbeiteten  sie  etwas  flüchtig,  bald  jedoch  bemerkten  sie 
die  reichliche  Puppenmast  und  schürften  nun  eingehender  und  mit  großem 


#i:.. 


Abb.  451.    SchweineliL-uiL-    b 


Nach    Flos. 


Eifer.  Sie  überliefen  nur  die  gering  belegten  Bestandsteile.  Die  vorgenom- 
menen Zählungen  hatten  folgendes  Ergebnis:  In  dem  einen  Fall  belief  sich 
der  Puppenbelag  vor  dem  Eintrieb  auf  40  Stück  pro  Quadratmeter,  nachher 
auf  durchschnittlich  10  Stück.  In  einem  anderen  Distrikt,  wo  der  Durch- 
schnittsbelag 80  Stück  pro  Quadratmeter  (an  einzelnen  Plätzen  bis  130  Stück) 
betragen  hatte,  waren  nach  dem  Schweineeintrieb  nur  noch  durchschnittlich 
13  Stück  pro  Quadratmeter  zu  zählen.  Im  ersten  Falle  waren  750/0,  im 
zweiten  Falle  830/0  der  Puppen,  also  im  Durchschnitt  79O0,  d.  i.  mehr  als  -V.i, 
durch  die  Schweine  vernichtet  worden." 

Eingehende  Versuche  hat  auch  Wen  dt  (1928)  in  Pommern  gemacht 
und  ist  dabei  zu  ganz  ähnlichen  Resultaten  gekommen,  nämlich  70 — 8oo/oige 
Vernichtung.  55  Schweine  haben  auf  einer  eingedrahteten  Fläche  von  0,176  ha 
in  I  Stunde  15  Minuten  die  Puppen  von  76  pro  Quadratmeter  auf  14  herab- 
gedrückt, bzw.  von  der  errechneten  Gesamtzahl  von  130260  Puppen  106680 
oder  820/0  vernichtet.  Jedes  Schwein  hat  demnach  pro  Stunde  1554  Puppen 
gefressen.  Es  wurden  im  Durchschnitt  täglich  an  90  Tagen  50  Schweine  ein- 
getrieben, die  in  dieser  Zeit  eine   Fläche  von  ca.   100  ha  durchv/ühlt  haben. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        559 

Es  wird  damit  zu  rechnen  sein,  daß  eine  Herde  von  50  Hausschweinen  täg- 
lich etwa  I  ha  durchwühlt  i). 

Nach  diesen  Ergebnissen  kann  der  Schweineeintrieb  unter  der  Voraus- 
setzung, daß  geeignete  Rassen  in  genügender  Zahl  zur  Verfügung  stehen, 
wohl  empfohlen  werden-). 

Hühnereintrieb.  —  Die  Methode  wird  besonders  von  K.  Eckstein 
(T.  d.  F.  202)  empfohlen,  der  auch  eine  ausführliche  Anleitung  hierzu  gibt. 
„Haushühner  und  Puten  sind  imstande,  große  Mengen  von  Spannerpuppen  zu 
vertilgen.  Erstere  suchen  freilaufend  und  scharrend  allein  die  Puppen, 
letztere  haben  den  Vorzug,  sich  als  Herde  treiben  zu  lassen  und  an  ganz 
bestimmten  Stellen  zu  arbeiten,  wenn  dort  die  Bodendecke  gelockert  wird." 
Die  Tagesleistung  eines  Huhnes  beträgt  zwischen  ^/^ — i  Liter,  d.  h.  zwischen 
4500  und  6000  Puppen,  vorausgesetzt,  daß  ein  entsprechend  dichter  Belag 
vorhanden  ist  und  daß  die  Streudecke  derart  ist,  daß  sie  von  den  Hühnern 
leicht  entfernt  werden  kann.  Die  Hühner  suchen  sehr  sorgfältig  und  lassen 
bei  einer  günstigen  Bodendecke  nur  ganz  wenig  Puppen  liegen. 


Abb.  452.  Wärterin  beim  Auflockern  der  Streu  und  ihr  gieriges  Gefolge.  Nach  F  1  o  s. 

Trotzdem  wird  aber  bei  ausgedehnten  Massenvermehrungen  der  Hühner- 
eintrieb   niemals    ein    geeignetes    Kampfmittel    darstellen,    sondern    nur    in 


1)  Mehrfach  wurde  darüber  geklagt,  daß  die  eingetriebenen  Schweine  infolge 
des  Raupengenusses  erkrankt  seien;  auch  uns  gingen  solche  Klagen  zu.  Doch  dürften 
diesen  Erkrankungen  andere  Ursachen  zugrunde  gelegen  haben.  Bei  den  Fällen  in 
Pommern  wurde  auch  bei  verschiedenen  der  erkrankten  Tiere  Rotlauf  festgestellt 
(s.   Wandt,    1928). 

2)  Schwerdtfeger  ist  allerdings  zu  einer  wesentlich  ungünstigeren  Auf- 
fassung bezüglich  der  Zweckmäßigkeit  gelangt;  doch  gibt  er  selbst  zu,  daß  seine 
Versuche  an  verschiedenen  Mängeln  gelitten  haben. 


560  n.  Spezieller  Teil. 

kleineren  Verhältnissen,  bei  begrenztem  Vorkommen  oder  als  Unterstützung 
des  Streurechens  (s.  d.)  mit  Aussicht  auf  Erfolg  anzuwenden  sein^). 

Chemische  Mittel.  —  Bei  der  letzten  größeren  oberpfälzischen  Gra- 
dation wurden  in  den  Forstämtern  Ensdorf  und  Roding  Versuche  in  der 
Richtung  unternommen,  durch  Aufstreuen  ätzender  Mittel  die  Puppen  zu 
vernichten,  ohne  die  Streu  zu  entnehmen.  Man  verwandte  hierzu  At/kalk, 
Chlorkalk,  Kainit,  Kali-Ammonsalpeter,  Kalkstickstoff,  Superphosphat,  Tho- 
masmehl. Die  Versuche  fielen  so  gut  wie  negativ  aus  (s.  Eidmann,  1926  a, 
S.  58,  und  Seiff,  1926).  Auch  später  von  uns  unternommene  Versuche  mit 
Calciumcyanit,  Petroleumderivaten  usw.  verliefen  erfolglos. 

Dagegen  hatte  Schwerdt feger  (1930b)  gute  Wirkung  mit  Kainit  auf 
die  vor  der  Verpuppung  stehenden,  in  der  Bodendecke  ruhenden  Raupen  er- 
zielt. Bei  einer  Menge  von  30  Ztr.  je  Hektar  konnte  im  Laboratorium  in  vielen 
Fällen  eine  looo/oige  Wirkung  erzielt  werden.  Ob  aber  der  Laboratoriums- 
versuch sich  ohne  weiteres  auf  die  Praxis  übertragen  läßt,  hält  Schwerdt- 
feger  durchaus  nicht  für  sicher.  Vor  allem  dürfte  die  über  einen  langen 
Zeitraum  sich  hinziehende  Dauer  des  Raupenabstieges  (oft  von  Mitte  Oktober 
bis  Ende  November,  anfangs  Dezember)  ungünstig  für  die  Kainitmethode 
sein,  da  in  dieser  langen  Zeit  das  mit  dem  Beginn  des  Abstieges  ausgestreute 
Kainit  sicherlich  in  den  Boden  gewaschen  wird,  so  daß  zumindest  die  zweite 
Hälfte  der  absteigenden  Raupen  unbehelligt  bleiben  würde.  Immerhin  dürfte 
es  angezeigt  sein,  bei  gegebener  Gelegenheit  Freilandversuche  mit  genau 
dosierten  Kainitmengen  zu  machen. 

Mechanische  Bearbeitung  der  Streu.  —  Der  Streuabzug  war  bis  vor 
kurzem  als  die  einzig  wirklich  „rationelle"  Bekämpfungsmethode  des  Spa- 
ners bekannt.  Sie  wirkt  dadurch,  daß  mit  der  Streu  die  in  ihr  enthaltenen" 
Puppen  entfernt  werden.  Die  Bodendecke  muß,  soll  ein  voller  Erfolg  erzielt 
werden,  restlos  bis  auf  den  mineralischen  Boden  abgeschürft  werden,  damit 
auch  die  in  der  Rohhumusschicht  wohnenden,  besonders  zahlreichen  Puppen 
vernichtet  werden. 

Die  von  der  Streuentnahme  nicht  erfaßten  Puppen  sind  ihres  natürlichen 
Schutzes  beraubt  und  fallen  zum  großen  Teil  nachträglich  ihren  Feinden  zum 
Opfer.  Zahlreiche  Berichte  aus  der  Praxis  machen  auf  die  Mithilfe  der 
Vögel  in  diesem  Zusammenhang  aufmerksam,  wie:  „Die  Drosseln  folgen 
direkt  den  Arbeitern,  auch  Meisen  haben  sich  in  Menge  eingestellt,"  oder: 
„es  ließ  sich  (nach  der  Streuabgabe)  ein  größerer  Drosselzug  im  Revier 
nieder  und  hielt  gründliche  Nachlese"  (s.  Wolff,  S.  219).  Daß  die  durch 
die  Streuentnahme  freigelegten  Puppen  durch  Vertrocknen  eingehen,  wie 
mehrfach  angenommen  wurde,  scheint,  wie  oben  schon  bemerkt  (S.  496), 
nicht  zuzutreffen. 

Die  mit  der  Streu  erfaßten  Puppen  werden,  wo  es  sich  um  Streuabgabe 
handelt,  aus  dem  Walde  entfernt,  oder  wo  die  Streu  auf  Haufen  gesetzt  wird, 
in  diesen  zum  größten  Teil  unschädlich  gemacht.  Entweder  dadurch,  daß 
durch  Selbsterhitzung  der  Haufen  die  Puppen  getötet  werden,  oder 
aber  dadurch,  daß  die  in  den  Haufen  auskommenden  Falter  rein  mecha- 
nisch durch  die  festsitzenden  Streu massen  gehindert  werden, 
ins  Freie  zu  gelangen.  Kann  sich  doch  im  allgemeinen  ein  Falter  durch 
eine  feste  Streuschicht,  die  dicker  als  10  cm  ist,  schon  nicht  mehr  hindurch- 


1;   Siehe  hierüber  auch  Flos  (1929). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner 


561 


arbeiten.  Die  Beantwortung  der  Frage,  ob  die  Streu  durch  Abgabe  völlig 
aus  dem  Walde  entfernt  oder  ob  sie  auf  Haufen  gesetzt  werden  soll,  um 
später  wieder  ausgebreitet  zu  werden,  richtet  sich  einmal  nach  den  wirtschaft- 
lichen Verhältnissen  und  sodann  nach  der  Beschaffenheit  des  Bestandes. 
Wo  es  sich  um  dürftige  und  an  und  für  sich  unter  ständiger  Streunutzung 
leidende  Bestände  handelt,  wird  man,  wenn  irgend  möglich,  den  2.  Modus 
wählen,  während  andererseits  auf  guten  Standorten  stockende  Bestände  mit 
geschonter  Streudecke  eine  einmalige  Entnahme  ohne  Schaden  ertragen 
können. 

Exakte  Untersuchungen  über  die  Wirkung  des  Streuharkens  auf  die 
Spannerpopulation  verdanken  wir  wieder  Schwerdtfeger.  Sie  führen  zu 
dem  Schluß,  daß  das  Streuharken  zwar  kein  absolut  durchschlagendes  Radi- 
kalmittel darstellt,  daß  es  jedoch  in  allen  Fällen  eine  deutliche  Verminde- 
rung des  Schädlingsbefalls  zur  Folge  hat.  Die  Wirkung  ist  um  so  größer, 
je  früher  das   Harken  geschieht,   wie   aus   den  beiden   Kotkurven   (Abb.   453 

¥5 


75.      20.     25.     30.1.      5       10.      15.     20.     25.    30.7.      5.       10.     15.     20. 
Aug.  Sept.  Okt. 

Abb.   453.    Kotkurven   im   ungeharkten    ( )    und   geharkten    ( 

harkt  22. — 27.  April.    Nach  Schwerdtfeger 


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)   Wald.    Ge- 


und  454)  hervorgeht;  im  ersteren  Fall  wurde  das  Harken  Ende  April,  im 
letzteren  schon  Ende  März  begonnen.  Das  Wirkungsprozent  schwankte  in 
den  Versuchen  Schwerdtfegers  zwischen  29  und  72. 

„Grundverkehrt  ist  es,  in  allen  gefährdeten  Beständen  kurzweg  das 
Streuharken  durchführen  zu  wollen,  ohne  sich  über  den  voraussichtlichen  Er- 
folg klar  zu  sein." 

Nach  Schwerdtfeger  sind  folgende  drei  Zahlen  miteinander  in 
Beziehung  zu  bringen:  i.  die  Anzahl  der  je  Quadratmeter  gefundenen  ge- 
sunden Puppen,  2.  das  voraussichtliche  Wirkungsprozent  der  Bekämpfungs- 
maßnahme, 3.  die  kritische  Puppenzahl.  Ein  Beispiel  mag  das  erläutern: 
I.  In  einem  Bestände  sind  13  gesunde  Puppen  je  Quadratmeter  gefunden 
worden,  der  Bestand  ist  also  gefährdet.  2.  Das  Streuharken  kann  voraus- 
sichtlich Anfang  April  durchgeführt  werden,  es  ist  mithin  mit  einer  Ab- 
tötung  von  700/0  zu  rechnen.  3.  Der  Bestand  ist  voll  benadelt;  die  kritische 
Puppenzahl    beträgt   6.     Demnach    ist    die    Bekämpfung    durchzuführen:    bei 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  KI.  36 


562 


II.  Spezieller  Teil. 


einer  Abtötungsziffer  von  70 o/o  bleiben  4  Puppen  je  Quadratmeter  übrig, 
eine  Zahl,  die  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  den  Bestand  nicht  gefährden 
wird. 

„Ein  weiteres  Beispiel:    i.   Gefundene  Puppenzahl   je  Quadratmeter  30. 

2.  Zeitpunkt    des  Harkens    Mitte    April,   voraussichtliches  Wirkungsprozent    50. 

3.  Der  Bestand  ist  schon  im  Vorjahr  stark  lichtgefressen;  er  besitzt  jetzt  etwa 
die  Hälfte  der  normalen  Nadelmasse;  kritische  Puppenzahl  also  3.  Die  Be- 
kämpfung wird  Kahlfraß  des  Bestandes  voraussichtlich  nicht  verhindern 
können,  da  15  Puppen,  das  Fünffache  der  kritischen  Zahl,  übrig  bleiben 
werden." 


Abb.  454.    Kotkurven   im   ungeharkten    ( 


und   geharkten    (- 


harkt   25.  März   bis   25.  April.    Nach   Schwerdtfeger. 


)    Wald.    Ge- 


Es  handelt  sich  also  vor  allem  darum,  festzustellen,  ob  durch  das  Streu- 
harken die  Puppenmenge  unter  die  kritische  Zahl  herabgedrückt  werden 
kann;  ist  dies  der  Fall,  so  ist  ihre  Ausführung  ohne  weiteres  am  Platze. 

„Nicht  so  einfach  ist  die  Lage,  wenn  trotz  Bekämpfung  mit  starkem 
Fraß  gerechnet  werden  muß;  denn  auch  in  diesem  Falle  kann  zuweilen  das 
Streuharken  gerechtfertigt  sein. 

„Die  beharkten  Bestände  werden  bei  nicht  allzu  starkem  Befall  im  all- 
gemeinen später  kahlgefressen  werden  als  die  unbehandelten;  es  besteht  also 
für  sie  die  Möglichkeit,  Knospen  für  das  nächste  Jahr  anzusetzen,  während 
in  den  ungeharkten  Beständen  die  Knospenbildung  infolge  früh  einsetzenden 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        563 

Kahlfraßes  nicht  zu  Ende  kommt.  Gesetzt  den  Fall,  die  Gradation  stünde 
auf  ihrem  Höhepunkt,  im  nächsten  Jahr  sei  mit  einem  wesentlichen  Fraß 
nicht  mehr  zu  rechnen,  dann  wäre  der  Bestand  mit  wahrscheinlich  geringen 
Verlusten  gerettet,  da  erfahrungsgemäß  die  Kiefer  einmaligen  Spannerkahl- 
fraß auszuhalten  vermag. 

„Verkehrt  wird  in  der  Regel  das  Streuharken  in  schon  einmal  kahl-  oder 
starkbefressenen  Beständen  sein.  Die  Puppenzahl  ist  meist  derart  groß  und 
die  Nadelmenge  so  gering,  daß  auch  bei  großem  Wirkungsprozent  Kahlfraß 
innerhalb  kürzester  Zeit  eintreten  wird. 

„Der  Einblick  in  die  Wirkungsweise  der  Bekämpfung,  den  uns  die 
Untersuchungen  geliefert  haben,  vereinfacht  also  keineswegs  die  Ausführung 
der  Bekämpfung,  indem  etwa  ein  Rezept  gegeben  wird:  bei  soundso  viel 
Puppen  mußt  du  Streu  kratzen,  bei  mehr  und  weniger  nicht.  Er  gibt  uns  aber 
ein  Hilfsmittel,  die  Bekämpfung  nur  dort  anzuwenden,  wo  sie  unter  Be- 
rücksichtigung der  örtlichen  Umstände  Erfolg  verspricht,  und  nicht,  wie 
bisher,  in  sämtlichen  gefährdeten  Beständen." 

Über  die  Art  der  Wirkung  der  Streuhaufen  auf  die  frisch 
auskommenden  Falter  hat  Jucht  (1925)  eine  Reihe  exakter  Unter- 
suchungen angestellt,  die  vor  allem  Aufschluß  über  die  rationellste  Form 
und  Größe  der  Haufen  geben  sollten.  Die  Höhe  der  Erhitzung  richtet  sich 
nach  dem  Material,  nach  der  Art  der  Anhäufung  (locker  oder  fest),  nach  der 
Größe  der  Haufen  und  nach  klimatischen  Außenfaktoren.  Ein  i  m  hoher 
Haufen  festgetretener  reiner  Moos-  und  Nadelstreu  erhitzte  sich  im  Jahre 
191 3  in  36  und  38  Tagen  auf  36 — 58  Grad  Celsius,  im  Jahre  191 4  in 
40  Tagen  nur  auf  26  Grad;  dagegen  Moos  mit  viel  Beerenkraut  im  Jahre  191 3 
in  34 — 43  Tagen  nur  auf  28 — 33  Grad,  und  1914  gar  nur  auf  21   Grad. 

Aus  den  Jucht  sehen  Versuchen  ergeben  sich  folgende  allgemeine  Ge- 
sichtspunkte: „Reine  Moos-  und  Nadelstreu  erhitzt  sich  rascher  und  stärker 
als  Streu  mit  Beimischung  von  sperrigem  Beeren-  und  Heidekraut,  das,  den 
Streuhaufen  mit  leeren  Zwischenräumen  durchsetzend,  einen  ständigen  Aus- 
gleich der  Innen-  und  Außenluft  ermöglicht.  Daher  hat  auch  die  Außen- 
temperatur auf  die  Erhitzung  um  so  mehr  Einfluß,  je  lockerer  die  Streu 
zusammengesetzt  ist.  Die  Erhitzung  des  Kernes  eines  festgeschichteten 
Haufens  wird  von  der  Außentemperatur  nicht  oder  nur  sehr  wenig  beeinflußt. 
Sandbeimischung  ist  der  Erhitzung  abträglich.  Je  größer  und  umfangreicher 
der  Streuhaufen  ist,  desto  rascher  und  stärker  entwickelt  sich  Wärme.  Bei 
warmer  Nässe  geschichtete  Streu  erhitzt  sich  stärker  als  trocken  oder  bei 
kalter  Nässe  und  Schnee  aufgesetzte,  ebenso  festgetretene  stärker  als  locker 
aufgeworfene." 

Bezüglich  der  mechanischen  Hinderung  der  Streuhaufen  für  die  aus- 
kommenden Falter  kam  Jucht  zu  dem  Ergebnis,  daß,  wie  oben  schon  be- 
tont, die  letzteren  mehr  als  10  cm  sich  nicht  durch  die  Streuschicht  durch- 
arbeiten können,  während  Ichneumoniden  und  Tachinen  noch  aus  30  cm 
Tiefe  ins  Freie  gelangen  konnten.  „Natürlich  darf  dabei  die  Dichtig- 
keit der  Haufen  nicht  außer  acht  gelassen  werden.  Wo  viel  Aste  von 
Beerenkraut  vorhanden  sind,  wird  die  Struktur  des  Haufens  zu  räumig,  als 
daß  sie  das  Durchkriechen  der  Falter  verhindern  könnten,"  daher  müssen  die 
Haufen  entweder  festgetreten  werden  oder,  wenn  man  diese  Arbeit  sparen 
will,  eine  gewisse  Mindesthöhe  haben,  und  dann  endlich  spätestens  4  bis 
5  Wochen   vor   dem   Beginn   der    Flugzeit    fertiggestellt   werden,    damit   ge- 

36* 


564  II.  Spezieller  Teil. 

nügend  Zeit  zum  selbsttätigen  Senken  und  Setzen  der  aufgehäuften  Streu  zur 
Verfijgung  steht. 

„Die  Entscheidung  der  Frage,  ob  man  l^ei  Bekämpfung  de5  Kiefern- 
spanners die  Maßnahme  der  Streuaufhäufung  unter  dem  Leitgedanken  der 
Tötung  oder  Schädigung  der  Puppen  und  Falter  durch  Selbsterhitzung  der 
Haufen  stellen  oder  nur  die  Absicht  der  Unschädlichmachung  durch  mecha- 
nische Behinderung  des  Auskommens  verfolgen  soll,  wird  nach  den  Ver- 
suchsergebnissen letzterem  zuneigen.  Es  ist  nicht  nötig,  den  Haufen  die 
großen  Ausmaße  zu  geben,  die  für  eine  puppentötende  Selbsterhitzung  nötig 
sind,  denn  der  Schichtkern,  der  diese  Hitze  zu  erzeugen  vermag,  liegt  tiefer 
als  die  Schicht,  in  der  das  Insekt  ohnehin  schon  durch  mechanisches  Hinder- 
nis den  Tod  findet.  Insektentötende  Hitzeentwicklung  sollte  sogar  vermieden 
werden,  um  nicht  die  im  Innern  der  Haufen  eingeschlossenen  Spannerfeinde, 
Ichneumoniden,  Tachinen  u.  dgl.  zu  töten. 

„Schließlich  und  besonders  gewichtig  spricht  der  geringe  Aufwand  an 
Arbeit  und  Geld  dafür,  den  Haufen  keine  größere  Ausdehnung  zu  geben,  als 


Abb.  455.    Der   Kranoldsche    Streurechen. 

der  Zweck  der  Maßnahme,  die  Unschädlichmachung  des  Spanners  und  die 
Verhinderung  weiterer  Massenvermehrung,  unbedingt  gebietet." 

Als  unterste  Grenze  (die  man  nur  bei  geringem  Streubelag  einhalten 
wird)  gibt  Jucht  i  qm  Grundfläche  und  30  cm  Höhe  an.  Wo  aber  ein 
starker  Streubelag  vorhanden  ist,  ist  dringend  zu  empfehlen,  die  Haufen  bei 
dichtem  Streugefüge  mindestens  50  cm,  bei  sperrigen  Streuarten  dagegen 
noch  höher,  75,  100,  ja  bis  zu  125  cm  hoch  zu  machen. 

Die  Maßnahme  des  Streurechens  kann  natürlich  nur  da  stattfinden,  wo 
eine  Streudecke  vorhanden  ist.  Fehlt  eine  solche  infolge  fortwährender  rück- 
sichtsloser Streunutzung,  dann  geht  der  Spanner  in  den  Mineralboden  und 
entzieht  sich  der  Bekämpfung  durch  diese  Methode.  „Die  Streudecke 
ist  Fangmaterial."  Schon  aus  diesem  Grunde  sollten  wir  besonders 
disponierte  Spannerorte  von  der  Streunutzung  weitgehendst  verschonen,  damit 
wir  dem  Spanner  in  einem  dichten  Bodenüberzug  Wohnstätten  bieten,  in 
denen  wir  ihn  aufsuchen  und  vernichten  können  (Jucht). 

Was  die  Ausführung  des  Streurechens  betrifft,  so  kann  diese 
mit  verschiedenen  Werkzeugen  ausgeführt  werden:   mit   der  hölzernen  oder 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        565 

eisernen  Harke,  der  Plaggenhacke,  der  Ehlertschen  Moos  egge 
oder  endlich  dem  K  r  a  n  o  1  d  sehen  S  t  r  e  u  r  e  c  h  e  n.  Welche  von  diesen  je- 
weils am  besten  angewendet  werden,  richtet  sich  nach  verschiedenen  Um- 
ständen: nach  der  Beschaffenheit  der  Lage  der  Bestände,  nach  der  Aus- 
dehnung des  zu  bearbeitenden  Gebietes,  nach  der  Zahl  der  zur  Verfügung 
stehenden  Arbeiter,  nach  deren  Anstelligkeit,  nach  den  Löhnen  usw.  Im  all- 
gemeinen wird  man  bei  ausgedehnten  Flächen  zu  den  beiden  letzten  Instru- 
menten greifen,  die  sich  beim  Spannerfraß  der  Tucheier  Heide  sehr  gut 
bewährt  haben. 

Von  der  E  h  1  e  r  t  sehen  Egge  werden  zwei  verschiedene  Modelle  gefertigt : 
das  große  Modell,  im  breit,  von  i  Pferden  gezogen,  für  Altholz,  und 
das  kleine  Modell,  6o  cm  breit,  von  i  Pferd  gezogen,  für  Stangenholz.  Der 
Vorteil  der  Egge  liegt  vor  allem  darin,  daß  sie  den  Rohhumus  gründlich  durch- 
wühlt und  die  Moosdecke  so  zusammenrollt,  daß  ein  Auskriechen  des  Insekts  un- 
möglich wird;  zudem  ersetzt  sie  eine  Menge  Arbeitskräfte.  Mit  7 — 8  Eggen  konnte 
I  Jagen  in  3 — 4  Tagen  streufrei  gemacht  werden.  Bei  starkem  Beerenkrautwuchs 
arbeitet  die  Egge  nicht,  während  sie  mäßigen  Heidekrautwuchs  mit  fortnimmt. 

Der  E  h  1  e  r  t  sehen  Egge  noch  wesentlich  überlegen  ist  der  Kranoldsche 
Streurechen  (Abb.  455).  Er  bewältigt  mit  einem  Pferd  als  Bespannung  spielend 
die  stärkste  Streudecke  und  „führt  auch  das  Aufrollen  derselben  in  so  vollendeter 
Weise  durch,  daß  die  entstandenen  Wälle  durch  die  sorgfältigste  Handarbeit  nicht 
hätten  übertroffen  werden  können"  (Wolff).  ,, Natürlich  kann  man  nicht  ver- 
langen, daß  der  Rechen  in  Heidelbeerkraut,  Heide,  Gras  usw.  oder  im  Unterwuchs 
von  Fichten  einwandfrei  arbeitet." 

Nach  Jucht  (1925)  hat  sich  der  Kranoldsche  Rechen  im  Dürrnbucher 
Forst  (bei  Ingolstadt)  ,,nicht  als  arbeitsfördernd  erwiesen,  nicht  nur  im 
Fichtenunterwuchs  und  in  engbestandenen  Stangenhölzern,  sondern  auch  auf 
unterwuchsfreien  Flächen  fiel  seine  Anwendung  den  Arbeitern  schwerer,  als 
man  erwartete.  Man  kehrte  deshalb  dort  zu  einfacher  Handarbeit  mit  Breit- 
haue und  Eisenrechen  zurück." 

Die  Durchführung  geschah  dort  in  folgender  Weise:  „Dicht  nebeneinander 
standen  20—25  Männer  in  gerader  Linie.  Auf  Ruf  begannen  sie  gleichzeitig  die 
Streu  vor  sich  her,  stets  fortschreitend,  bis  zum  Mineralboden  abzuziehen.  Auf 
„Halt"  blieben  sie  stehen,  Zurückgebliebene  suchten  mit  den  Rascheren  auf  gleiche 
Linie  zu  kommen,  und  wenn  das  erreicht  war.  forderte  ein  Ruf  des  Vorarbeiters  zur 
Fortsetzung  in  gleicher  Weise  auf.  Ein  Gang  erstreckte  sich  je  nach  Art  und  Mäch- 
tigkeit der  Streudecke  auf  einen  Streifen  von  3—5  m  Breite.  Der  Hackerreihe 
folgte  unmittelbar  eine  Schar  Frauen  und  Jugendlicher,  die  die  Streu  zusammen- 
rechten, andere  formten  Haufen  und  traten  sie  fest." 

Bei  der  letzten  bayerischen  Kalamität  wurde  versuchsweise  mehrerenorts 
die  Streu  nur  umgehackt  (ohne  auf  Haufen  gesetzt  zu  werden;.  Die  Berichte 
über  die  Erfolge  lauteten  recht  verschieden,  so  daß  heute  kein  eindeutiges 
LTrteil  darüber  gefällt  werden  kann.  Nach  Hellwig  (1929)  waren  die  Er- 
folge in  Waldsassen  sehr  gut. 

Nach  Flos  kann  auch  durch  gründliches  Igeln  der  Spanner  flächen 
ein  guter  Erfolg  erzielt  werden  (Kosten  10  RM.  je  Hektar).  ,,Ob  in  lichten 
Beständen  auch  die  Bodenfräse  anzuwenden  ist,  bedarf  noch  der  prak- 
tischen Erfahrung." 

Durch  Abbrennen  der  Bodendecke.  —  Untersuchungen  über  die  Wir- 
kung des  Abbrcnncns  der  Boclendeckc  auf  die  Spanner  sind  in  der  letzten 
Zeit  verschiedentlich  gemacht  worden,  teils  unfreiwillig,  teils  mit  Absicht 
(Seh  WC  rdt  feger,     1930  a,    Guderian,     1929).     Danach    betrug    das    Ab- 


566  II.  Spezieller  Teil. 

tötungsprozent  meist  über  75  und  erreichte  in  einem  Fall  sogar  92.  ,, Trotz- 
dem aber  wird  sich  eine  Anwendung  dieser  Bekämpfungsmaßnahme  in 
größerem  Umfang  von  selbst  verbieten,  da  die  Ausführungsniöglichkeit  in 
der  Regel  sich  nur  auf  kurze  Zeit  und  geeignete  Örtlichkeit  beschränkt 
und  die  Gefahr  eines  Waldbrandes  immer  vorhanden  ist"  (Schwerdt- 
feger). 

Vertilgung  der  Raupen. 

Gegen  die  Spannerraupe  kannten  wir  bis  vor  kurzem  keine  wirksame 
Bekämpfungsmethode;  der  Leimring,  der  gegen  den  Spinner  durch- 
schlagenden und  gegen  die  Nonne  unter  Umständen  recht  guten  Erfolg  zeitigen 
kann,  versagte  beim  Spanner  praktisch  vollkommen,  was  bei 
der  Bionomie  der  Spannerraupe  nicht  anders  zu  erwarten  war.  Erst  die 
neueste  Zeit  gab  uns  ein  Mittel  gegen  die  Spannerraupe  in  die  Hand:  die 
Arsenbestäubung  vom  Flugzeug  aus  oder  mittelst  Motor- 
verstäuber. Die  Erfolge,  die  bisher  mit  dieser  Methode  gegen  den 
Spanner  erzielt  sind,  können  allerdings  noch  nicht  voll  befriedigen,  doch 
werden  die  Mängel  zweifellos  behoben  werden  können. 

Wenn  gerade  die  Spannerraupe  heute  noch  einige  Schwierigkeiten  bietet, 
so  beruht  dies  darin,  daß  die  Spannerraupen,  wenigstens  die  äl- 
teren Stadien,  auffallend  langsam  auf  Arsen  bzw.  die  heute  ge- 
bräuchlichen Arsenpräparate  reagieren.  Ich  selbst  und  mein  Schüler  L.  Ka- 
landadze  haben  eine  Reihe  von  Versuchen  darüber  gemacht;  außerdem 
konnte  ich  bei  den  Ensdorfer  Versuchen  auch  draußen  Beobachtungen  an- 
stellen (s.  Escherich,  Kalandadze,   1927,  und  Eidmann,   1926). 

Die  Ergebnisse  dieser  Versuche  und  Beobachtungen  bezüglich  der  heute 
gebräuchlichen  Arsenmittel  auf  die  Spannerraupe  lassen  sich  folgender- 
maßen zusammenfassen: 

Auf  die  Eiräupchen,  besonders  die  frisch  geschlüpften,  wirken 
alle  Arsenmittel  vortrefflich;  bei  schwacher  wie  bei  starker  Be- 
stäubung gingen  die  ersten  durchschnittlich  schon  nach  1,05 — 2,3  Tagen,  im 
Maximum  nach  2 — 6  Tagen  zugrunde.  Bei  älteren  Eiräupchen  brauchte  das 
Gift  schon  länger,  um  tödlich  zu  wirken,  nämlich  2,9—4,4,  im  Maximum  so- 
gar bis  13  Tage. 

Die  Raupen  des  II.  Stadiums  reagieren  schon  wesentlich 
langsamer;  sie  gehen  bei  starker  Bestäubung  nach  3,6 — 7,6  und  bei 
schwacher  Betäubung  erst  nach  8,1 — 33,4  Tagen  zugrunde.  Ahnlich  verhalten 
sich  die  Raupen  des  III.  Stadiums,  während  die  Raupen  des  IV.  und 
V.  Stadiums  sich  als  besonders  unempfindlich  erwiesen.  So- 
gar bei  starker  Bestäubung  hat  sich  ein  Teil  der  Raupen  verpuppt,  während 
bei  schwacher  Bestäubung  die  Hälfte  und  mehr  zur  Verpuppung  gelangten. 

Die  vergifteten  Raupen  zeigten  ganz  charakteristische  Erscheinungen: 
Die  Giftwirkung  äußert  sich  darin,  daß  die  Raupen  zuerst  immer  weniger 
fressen  und  immer  träger  werden,  bis  sie  schließlich  mit  dem  Fressen  ganz 
aufhörten.  Sie  hingen  dann  meist  an  ihrem  Spinnfaden,  den  Kopf  nach  ab- 
wärts, und  gehen  in  dieser  Stellung  zugrunde  (s.  Abb.  57  B,  S.  91);  manche 
blieben  auch  auf  den  Nadeln  und  starben  dort. 

Nach  diesen  Erfahrungen  wird  eine  möglichst  frühzeitige  Be- 
stäubung am  zweckmäßigsten  sein.  Allerdings  ist  dabei  zu  berück- 
sichtigen, daß  die   Flugzeit,  Eiablage  und  dementsprechend  auch  das  Aus- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        567 

kommen  der  Eiräupchen  sich  beim  Spanner  außergewöhnlich  lang  (über 
2  Monate)  hinziehen  und  daß  daher  eine  zu  früh  vorgenommene  Bestäubung 
nur  einen  Teil  der  Raupen  treffen  würde;  es  wird  daher  nicht  möglich  sein, 
ausschließlich  gegen  das  empfindlichste  Stadium,  die  junge  Eiraupe,  vor- 
zugehen. Als  frühesten  Zeitpunkt  einer  Bestäubung  gegen 
Spanner  möchte  ich  durchschnittlich  anfangs  bis  Mitte 
August  ansehen.  Es  sind  dann  wohl  die  meisten  Raupen  ausgekommen, 
ein  Teil  derselben  wird  noch  im  I.  Stadium  und  der  größte  Teil  im  II.  Stadium, 
das  ja  auch  noch  recht  empfindlich  ist,  stehen. 

In  Geisenfeld,  wo  im  Jahre  1926  gestäubt  wurde,  haben  wir  die  Er- 
fahrung gemacht,  daß  an  solchen  Orten,  die  vom  Flugzeug  des  öfteren  über- 
flogen wurden,  ein  voller  Erfolg  erzielt  wurde,  während  bei  einmaliger  Be- 
stäubung (mit  dem  iio/oigen  Esturmit)  die  Wirkung  nicht  so  augenfällig  war. 
Diese  Erfahrungen  lehren  uns,  daß  wir  auch  den  Spanner  trotz  seiner 
größeren  Widerstandsfähigkeit  gegen  Arsen  wirksam  bekämpfen  können, 
wenn  wir  eventuell  eine  Wiederholung  der  Bestäubung  nach  8  oder  14  Tagen 
vornehmen  lassen.  Das  Verfahren  wird  natürlich  dadurch  nicht  unbeträcht- 
lich verteuert!). 

In  dem  Vorschlag  Voelkels  (1929),  „sofort  nach  Feststellung  des 
Schlüpfens  der  ersten  Räupchen  das  gesamte  Befallsgebiet  zunächst  mit  einer 
dünnen  Arsenschicht  (20  kg  je  Hektar)  zu  belegen,  um  die  sehr  empfindliche 
frisch  geschlüpfte  Spannerraupe  abzutöten,  und  dann  dieses  Verfahren  später, 
wenn  neue  Räupchen  geschlüpft  sind,  zu  wiederholen,"  kann  ich  keine 
brauchbare  Lösung  der  Arsen-Spannerbekämpfung  erblicken,  da  bei  der  ge- 
ringen Menge  des  Giftes  die  Bestäubung  viel  zu  dünn  ausfallen  würde,  so 
daß  den  Eiräupchen  reichlich  arsenfreie  Nahrung  zur  Verfügung  stehen 
würde.  Außerdem  ist  „der  Schlüpftermin  gar  nicht  so  einfach  zu  erfassen, 
und  kann  auch  eine  Schlechtwetterperiode  von  einigen  Tagen  zu  Beginn  der 
Bestäubung  den  Erfolg  der  Voelkelschen  Methode  fraglich  machen" 
(Schwerdtf  eger). 

Schwerdtfeger  empfiehlt  an  Stelle  des  mehrfachen  Befluges  einen 
einmaligen  Beflug  mit  einem  stärkeren  Arsenpräparat.  Nach  den  Erfah- 
rungen, die  mit  hochprozentigem  Arsenstaub  bezüglich  der  Nebenwirkungen 
auf  Warmblüter  gemacht  wurden  (s.  oben),  möchte  ich  aber  diesem  Vor- 
schlag nicht  das  Wort  reden.  . 

In  den  letzten  Jahren  sind  Tausende  von  Hektar  sowohl  in  Deutschland 
(Mecklenburg,  Hannover,  Pommern,  Sachsen)  als  auch  in  Polen  mit  Arsen- 
staub bekämpft  worden,  teils  vom  Flugzeug  aus,  teils  mit  Motorverstäuber. 
Ganz  eindeutige  volle  Erfolge  sind  aber  bis  jetzt  meines  Wissens  nur  ver- 
einzelt erzielt  worden.  Dagegen  sind  vielerorts  zweifellos  beachtenswerte 
Erfolge  zu  verzeichnen  gewesen.  Es  sei  hier  das  Urteil  des  Landforstmeisters 
A.  vonBülow  (1930)  angeführt,  das  wohl  für  alle  bisher  ausgeführten  Arsen- 
Spannerbekämpfungen  mehr  oder  weniger  gültig  sein  dürfte:  „Mit  dem  Er- 
folg der  Arsenbestäubung  sind  wir  im  großen  und  ganzen  zufrieden.  Wir 
wußten  vorher,  daß  ein  solcher  Totalerfolg,  wie  bei  der  Bekämpfung  der 
Nonne,  unwahrscheinlich  war.  Aber  was  wir  erhofften,  haben  wir  auch  er- 
halten.   Die  bestäubten  Bestände  sind  grün  geblieben  und  heben  sich  ange- 

1)  Nach  Schotte  (1930)  gelangen  bei  Anwendung  von  50  kg  Meritol  auf  den 
Hektar  bei  idealer  Verteilung  etwa  800  Körnchen  auf  jede  Nadel,  von  denen  2  bis 
32  zur  Abtötung  der  jungen  Spannerraupe  ausreichen. 


568  II.  Spezieller  Teil. 

nehm  ab  von  den  danebenliegenden,  nicht  bestäubten  Beständen,  die  doch 
weit  geringere  Puppenmengen  und  weit  geringere  Eierzahlen  hatten.  Be- 
stände, die  heute  absolut  kahl  sein  müßten,  sind  so  grün  und  frisch,  daß  man 
gar  nicht  glaubt,  daß  hier  der  Spanner  mit  5000  bis  10000  Exemplaren  pro 
Stamm  vertreten  war.  Dazwischen  sind  natürlich  kleine  Partien  nicht  ganz  so 
gut  weggekommen.  Aber  gerettet  sind  alle  Bestände,  die  wir  im  Sommer  1929 
mit  Arsen  bestäubt  habend).  Ein  Unterschied  ist  allerdings  zu  spüren  zwi- 
schen den  zuerst  bestäubten  Beständen,  die  unter  optimalsten  Bedingungen 
behandelt  wurden,  und  denen,  wo  Wetterlage  und  Raupengröße  nicht 
mehr  optimal  waren.  Daß  bei  jeder  Bestäubung  kleine  Teilflächen  weniger 
mit  Arsenstaub  versehen  werden,  ist  ja  selbstverständlich.  Dies  zeigt  sich 
naturgemäß  auch  bei  den  später  bestäubten  Flächen,  besonders  bei  den  ver- 
regneten Flächen  krasser  2)." 

Bei  der  letzten  pfälzischen  Spannerkalamität  (1926)  wurde  auch  ein 
von  Merck  hergestelltes  Kontaktgift  „Rimex"  zum  Verstäuben  verwandt.  Die 
Erfolge  waren  nach  Reiß  ig  (1927)  derart,  daß  sich  weitere  Versuche  in 
dieser  Richtung  lohnen  dürften.  Versuche  mit  einem  neuen,  von  E.  Merck 
herausgebrachten  Kontaktgift  (P.  27),  das  auf  Lophyrus-\^a.rYen  eine  aus- 
gezeichnete Wirkung  ausübte,  blieb  auf  Spannerraupen,  wie  \'^ersuche  in 
unserem  Institut  zeigten,  ziemlich  wirkungslos. 

Ganz  ausgezeichnete  Erfolge  scheint  dagegen  das  Merck  sehe  Kontakt- 
gift „Forestit"  zu  zeitigen.  In  Mecklenburg  wurden  1929  ca.  27  ha  Spanner- 
fläche damit  bestäubt,  und  zwar  mit  60  kg  je  Hektar.  Schon  nach  zwei 
Stunden  fand  man  tote  Raupen,  24  Stunden  später  lagen  sehr  viele  Raupen 
teils  tot,  teils  sich  krampfhaft  krümmend,  auf  den  Papieren.  Nach  48  Stun- 
den wurden  auf  den  Papieren  viele  hunderte  tote  Raupen  pro  Quadratmeter 
gezählt.  „Wir  hatten  den  Eindruck,"  schreibt  A.  von  Bülow,  „daß  der 
Versuch  vollständig  geglückt  ist.  Er  hat  eine  vollständige  Vernichtung 
des  Spanners  auf  allen  Stellen  herbeigeführt,  wo  das  Kontaktgift  in  aus- 
reichender Menge  hinkam 3)."  Von  Bülow  spricht  dann  auch  die  Ansicht 
aus,  daß  die  Zukunft  der  Spannerbekämpfung  nicht  beim  Arsen  liegt,  son- 
dern beim  Kontaktgift,  das  unabhängig  von  der  Freßlust  viel  schneller  wirkt 
und  auch  wesentlich  unabhängiger  vom  Wetter  sei  als  die  nur  durch  Auf- 
nahme in  den  Darm  wirkenden  Arsenmittel.    Siehe  auch   Meyer   (1930). 

In  Gesellschaft  mit  dem  gemeinen  Kiefernspanner  fressen  mitunter  noch 


1)  Bezüglich  der  Wirkung  des  Giftes  auf  die  Nützlinge,  vor  allem  die  Para- 
siten des  Spanners,  sind  Friederichs  und  Steiner  (1930)  zu  dem  Ergebnis  ge- 
kommen, daß  „weder  Eiparasiten  noch  Raupenparasiten  durch  die 
einmaliger  Begiftung  eines  Jahres  in  ihrer  Existenz  bedroht  wer- 
den, so  daß  kein  Grund  vorliegt,  ihretwegen  bezüglich  der  Anwendung  der  Be- 
giftung Bedenken  zu  hegen". 

2j  Während  der  Korrektur  ist  eine  größere  Arbeit  von  Borchers  und  May 
erschienen  („Erfahrungen  bei  der  Arsenbekämpfung  des  Kiefernspanners  in  biolo- 
gischer und  technischer  Hinsicht."  Fw.  Ctrbl.  1930,  Heft  16 — 18).  Die  zahlreichen 
Versuche  und  Beobachtungen  der  genannten  Autoren  bestätigen  zum  größten  Teil  die 
obigen  Angaben.  Vor  allem  legen  auch  sie  größten  Wert  auf  eine  möglichst  frühe 
Bestäubung,  die  die  Eiräupchen  erfaßt.  Interessant  ist  die  Feststellung,  daß  durch 
Feuchtigkeit  die  Fraßtätigkeit  der  Räupchen  angeregt  wird  und  damit  auch  die 
Wirkung  der  Bestäubung  steigt. 

^ )  Das  F  o  r  e  s  t  i  t  wirkt  allerdings  nur  auf  die  jüngsten  Stadien,  während 
es  auf  die  älteren  Stadien  voin  Dreihäuter  aufwärts  kaum  mehr  eine  Wirkung  aus- 
übt (s.  unten  bei  der  Eule). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        5ö9 

andere  Spannerarten,  die  aber  an  Wichtigkeit  hinter  ihm  bedeutend  zurück- 
stehen. 

Es  sind  dies  vor  allem  die  folgenden  zwei  Arten. 

Ellopia  prosapiaria  L.  (=  fasciaria  Schiff.). 

Der  rote  oder  gebänderte   Kiefernspanner. 

Taf.  VIII,   Fig.  27. 

Var.  prasinaria  Hb.    (Taf.  VIII,   Fig.  28). 

Es  ist  dies  ein  dem  gemeinen  Kiefernspanner  an  Größe  annähernd 
gleichkommender  Falter,  welcher  durch  seine  rötlichgraue  oder  lauchgrüne 
Grundfarbe  leicht  zu  erkennen  ist.  Ebenso  deutlich  unterscheidet  sich  die 
rötliche  Farbe  der  Eier  und  Raupen  von  der  von  piniarius. 

Falter:  Normale  Färbung  rötlich  grau  mit  zwei  schmalen,  weißlichen, 
wurzelwärts  rötlich  angelegten  Querstreifen  auf  den  Vorderflügeln  und  einem  solchen 
Querstreif  auf  den  etwas  helleren  Hinterflügeln;  var.  prasinaria  Hb.  Flügel  lauch- 
grün mit  rötlichem  Vorderrande  und  weißen  Querstreifen,  Mittelfeld  meist  etwas 
dunkler.  Unterseite  der  Flügel  einfarbig  hell  und  ebenso  wie  Brust  und  Leib  von 
der  Grundfarbe  der  Flügel,  cf  mit  lang  doppelt  gekämmten  Fühlern.  Flügelspan- 
nung 31 — 38  mm. 

Eier  etwas  plattgedrückt,  perlschnurartig  gereiht  an  Nadeln  und  Zweigen,  an- 
fänglich grün,  bald  hellrot,  vor  dem  Auskriechen  rötlich  braun  (Borgmann,  1890). 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  10)  deutlich  I2füßig,  aber  das  erste  Afterfuß- 
paar auf  Ring  8  bedeutend  kleiner  als  das  zweite  auf  Ring  9.  Färbung  sehr 
veränderlich.  Kopf  gewöhnlich  gelbbraun  zu  beiden  Seiten  des  Stirndreieckes  und 
vor  demselben  je  ein  weißer  Fleck.  Leib  gelb-  oder  graubraun  oder  weißlichgrau. 
Bei  gelbbraunem  Grunde  Rückenmitte  mit  dunkler,  aus  Flecken  bestehender,  also 
unterbrochener  Linie,  links  und  rechts  davon  eine  weiße  Fleckenbinde.  Bei  grauem 
Grunde  mit  einer  gelblichen,  mehr  oder  minder  breiten,  mitunter  nur  als  Pimkte 
wahrnehmbaren  Längslinie  zu  beiden  Seiten  des  Rückens,  so  daß  eine  braune  Mittel- 
binde entsteht;  in  dieser  noch  auf  jedem  Ringe  zwei  dunklere,  vorn  und  hinten 
etwas  auseinanderweichende  Linien,  die  den  dunklen  Rückenflecken  der  gelbbraunen 
Varietät  entsprechen.  Auf  Ring  2  und  3  eine  Querreihe  von  4  je  ein  Haar  tragenden 
Wärzchen,  auf  den  Ringen  4 — 11  je  zwei  größere  ein  Haar  tragende  Warzen,  die  auf 
Ring  II  besonders  hervortreten,  außerdem  noch  einige  kleinere  Warzen,  namentlich 
um  jedes  Luftloch  drei  solche.  Die  ganz  jungen  Räupchen  rötlich.  Länge  ungefähr 
25 — 30  mm. 

Puppe  ist  ziemlich  schlank  gebaut  (Abb.  456  A),  der  vordere  Teil  dunkelrot- 
braun, während  das  Abdomen  etwas  heller  gefärbt  ist.  Die  Länge  desselben  beträgt 
ca.  15  mm.  Die  ersten  drei  Abdominalsegmente  sind  unten  mit  einem  dunkleren, 
nur  beim  3.  Segment  etwas  helleren  Gürtel,  von  erhabenen,  sehr  feinen,  gleichmäßig 
angeordneten  Pünktchen  umgeben.  Besonders  auffallend  gestaltet  ist  der  Cremaster 
(Abb.  456).  Dieser  läuft  an  der  Spitze  in  zwei  ziemlich  kräftige,  zuerst  parallel 
laufende  Dornen  aus,  die  sich  an  den  Enden  zu  gemskrückelartigen  Haken  nach 
außen  biegen  (Abb.  456 B).  Mit  diesen  Haken  hängt  sich  nach  Nitsche  die  Puppe 
der  Sommergeneration  in  ihrem  Gespinst  auf.  Am  Cremasterkörper  selbst,  der 
dunkel  und  im  unteren  Teil  stark  gerunzelt  ist,  sitzen  jederseits  drei,  an  den  Spitzen 
stark  spiralig  eingedrehte  kleine  Häkchen.  An  den  Seiten  zeigt  sich  eine  kräftige, 
leicht  geschwungene  Furche,  der  obere  Teil  dagegen  ist  glatt,  etwas  wulstig  auf- 
getrieben und  am  Rande  mehrmals  fortlaufend  eingebuchtet   (Sei  ff). 

Fraßpflanze  der  Raupe  ist  zunächst  die  gemeine  Kiefer,  es  wird  aber 
auch  ebenso  gern  Fichte  angenommen.  Auch  an  Tanne  (Bechstein,  1804, 
S.  610)  und  Wacholder  ist  sie  gefunden.  Die  Angaben  von  AI  tum,  die  grüne 
var.  prasinaria  Hb.  sei  die  Fichtenform,  scheint  nicht  richtig  zu  sein,  diese  soll  viel- 
mehr  eine   montane    Varietät    sein    (Borgmann,    iSgo,    S.  144).     Siehe   auch   S.  574. 


570 


II.  Spezieller  Teil. 


Dieser  gemeine  Spanner,  welcher  mit  Ausnahme  der  Polargegenden 
schon  von  Südlappland  an  durch  ganz  Europa  bis  Piemont  und  östlich  über 
den  Ural  und  Altai  bis  Sibirien  verbreitet  ist,  gehört  zu  den  Arten  mit  dop- 
pelter Generation  und  kann  als  Ei,  Raupe  oder  Puppe  überwintern,  doch  ist 
die  Überwinterung  der  Raupe  das  gewöhnliche.  Sie  geht  hierzu  aber  nicht  in 
den  Boden,  sondern  sitzt  frei  an  den  Zweigen,  Ästen  oder  am  Stamm  (Borg- 
mann,  1890)1).  Die  Verpuppung  der  Herbstgeneration  erfolgt  meist  am 
Boden  unter  der  Streudecke,  die  der  Sommergeneration  frei  am  Stamm  oder 


A  B 

Abb.  456.    A   Puppe   von   Ellopia   prosapiaria   L.    (Ventralseite).     B    Cremasterkörper 
derselben   (Dorsalseite).    Nach   Sei  ff. 

zwischen  den  Nadeln  in  einem  lockeren  Gespinste  hängend.  Der  Falter 
erscheint  im  späteren  Frühjahre,  legt  seine  Eier  an  Nadeln  und  Zweige,  und 
die  nunmehr  auskommenden  Sommerraupen  liefern  bereits  im  August  neue 
Schmetterlinge,  deren  Nachkommen  die  Herbstraupen  sind,  welche  als  solche 
überwintern.  Die  Entwicklung  verläuft  also  in  der  Regel  nach  der  Bioformel: 

56-67 


8P 


9-5 


5  +  56 

Seit  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts,  wo  Henner t  zuerst  den 
Falter  in  die  Forstentomologie  einführte,  erscheint  er  immer  wieder  einmal 
in  den  Büchern.  Da  Ratzeburg  ihn  nur  kurz  erwähnt,  verschwand  er  all- 
mählich aus  der  Literatur  und  taucht  erst  wieder  auf,  seitdem  es  1875  i^  der 
preußischen  Oberförsterei  Borntuchen,  Reg. -Bez.  Köslin,  auffiel,  daß  im 
Januar  viele  Raupen  dieser  Art  auf  dem  Schnee  lagen.  AI  tum  veranlaßte 
dieses  Vorkommen,  den  „gebänderten  Kiefernspanner"  in  seine  ,,  Forst- 
zoologie" aufzunehmen.  Nachdem  Ende  der  80  er  Jahre  gelegentlich  einer 
Kiefernspinnerkalamität  wieder  zahlreiche  prosapiaria-KdiW^ch.e.n  eingesandt 
wurden,  hat  sich  AI  tum  (1889)  eingehender  mit  dieser  Art  beschäftigt.  Des 
weiteren   hat,    durch   Altums    Mitteilungen   veranlaßt,    Borgmann    (1890) 

geringere  Vermehrung  gegen- 


1)   Borgmann  führt  auf  diese  Gewohnheit  die 
über  dem  gemeinen  Kiefernspanner  zurück. 


II.  Unterordnung:  jNIacrolepidoinera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        571 

einiges  veröffentlicht,  besonders  über  die  Überwinterung  der  Raupen.  Neuer- 
dings hat  endlich  Seif  f  (1930)  die  Lebensweise,  vor  allem  die  Fraßgewohn- 
heiten der  Raupe,  genauer  beobachtet  und  eine  Beschreibung  darüber  ge- 
geben, die  wir  hier  folgen  lassen: 

„Einige  Tage,  bevor  das  Räupchen  das  Ei  verläßt,  kann  man  dieses  im 
Ei  genau  erkennen,  sowohl  die  rötliche  Farbe  als  auch  die  Zeichnung  sind 
mit  einer  einigermaßen  guten  Lupe  zu  sehen.  Ähnlich  wie  der  Kiefern- 
spanner verläßt  auch  das  prosapiaria-Kdi\iY>che^n  das  Ei  durch  ein  seitlich 
herausgefressenes  Loch.  Das  Herausbeißen  des  Ausgangsloches  erfolgt  je- 
doch nicht  ununterbrochen,  sondern  nach  einigen  Minuten  Arbeit  tritt  eine 
kürzere  oder  auch  stundenlange  Pause  ein,  und  erst  nach  dieser  Zeit  frißt 
das  Räupchen  an  der  Eischale  weiter.  Das  vom  Räupchen  verlassene  Ei  ist 
hell  perlmutterglänzend,  durchsichtig  und  ist  kaum  mehr  von  den  leeren 
Kiefernspannereiern  zu  unterscheiden.  Nachdem  das  Räupchen  ins  Freie 
gelangt  ist,  werden  die  Eischalen  nicht  mehr  berührt,  sondern  nach  kurzer 
Zeit  begeben  sich  die  Tiere  an  die  Nadeln  und  beginnen  zu  fressen.  Dabei 
werden  ganz  entschieden  die  alten  Nadeln  bevorzugt  und,  solange  solche 
vorhanden  sind,  die  Nadeln  der  heurigen  Triebe  kaum  angenommen. 

„Das  Eiräupchen  ist  nach  dem  Ausschlüpfen  2,5  mm  lang,  erreicht 
aber  schon  nach  einigen  Tagen  eine  Länge  von  3 — 3,5  mm.  Die  Kopfbreite 
beträgt  0,55  mm,  so  daß  der  Kopf  des  jungen  Räupchens  ziemlich  groß  er- 
scheint (Abb.  457  A).  Die  Hautfarbe  dieser  Räupchen  ist  ein  gelbliches  Rot, 
welches  sich  über  den  Rücken  und  die  Seiten  hinzieht.  Den  Rücken  entlang 
laufen  zwei  kräftige,  grünlichgelbe  Längsstreifen,  desgleichen  ein  solcher  an 
jeder  Seite;  dieser  ist  jedoch  bedeutend  feiner  und  des  öfteren  etwas  ver- 
waschen. So  wie  die  Längsstreifen  ist  auch  die  Bauchseite  gefärbt.  Der 
Kopf  ist  gelblichbraun  mit  einigen  hellen  Flecken  an  der  Stirn  und  mit 
wenigen  einzelnen  Haaren  besetzt.  Die  Ocellen  sind  schwarz.  Jedes  Seg- 
ment trägt  am  Rücken  4  und  an  den  Seiten  je  3  helle,  kleine  Wärzchen,  die 
mit  einem  kräftigen,  schwarzen  Haar  versehen  sind.  Die  Brustbeine  sowie  die 
Bauchfüße  sind  grünlichgelb,  die  Nachschieber  dagegen  ein  klein  wenig 
dunkler. 

„Die  Raupe  gehört,  wie  schon  gesagt,  zu  den  12  füßigen  Spannerraupen; 
schon  bei  dem  Eiräupchen  ist  das  kürzere  Bauchfußpaar  am  8.  Segment 
leicht  angedeutet,  aber  dennoch  sicher  festzustellen.  Weder  bei  der  Eiraupe 
noch  in  älteren  Stadien  wird  dieses  kürzere  Bauchfußpaar  bei  der  Fort- 
bewegung benützt.  In  der  Ruhe  ist  das  Eiräupchen  ausgestreckt  und  sitzt 
auch  mit  den  Brustbeinen  an  der  Nadel.  Bei  leichter  Berührung  des  Räup- 
chens mit  einem  Pinsel  nimmt  dieses  auf  kurze  Zeit  eine  Schreckstellung  ein. 
Es  sitzt  dann  mit  Nachschieber  und  Bauchfüßen  an  der  Nadel,  der  Körper 
wird  katzenbuckelartig  gewölbt  und  ist  vorn  etwas  nach  aufwärts  gehoben, 
aber  schon  nach  einigen  Sekunden  streckt  das  Räupchen  den  Körper  und 
setzt  sich  wieder  mit  den  Brustbeinen  an  die  Nadel.  Die  späteren  Stadien 
schlagen  bei  einem  Reiz  ein-  oder  zweimal  nach  rückwärts  oder  seitwärts, 
nehmen  dann  die  typische  Spannerstellung  ein,  d.  h.  sie  setzen  Brust-  und 
Bauchfüße  nah  zusammen,  so  daß  der  Körper  hoch  gewölbt  ist;  nach  ganz 
kurzer  Zeit  setzen  sie  sich  wieder  ausgestreckt  zur  Ruhe.  Die  Eiräupchen 
können  spinnen,  machen  aber  sehr  wenig  Gebrauch  davon,  auch  sind  sie  sehr 
beweglich  und  lebhaft,  besonders  wenn  sie  eine  für  sie  entsprechende  Fraß- 
stelle suchen. 


572 


II.  Spezieller  Teil. 


„Der  Fraß  des  prosapiaria-'Eirä.upch.ens  unterscheidet  sich  wesentlich 
von  dem  des  Kiefernspanner-Eiräupchens.  Man  kann  den  Fraß  des  ersteren 
als  einen  Plätzfraß  an  den  Nadelflächen  bezeichnen.  Es  werden  die  Nadeln 
ganz  wahllos  an  der  Ober-  wie  an  der  Unterseite  angegriffen,  in  der  Nähe 
der  Spitze  wie  auch  bei  den  Nadelscheiden,  desgleichen  in  der  Mitte  der 
Nadelfläche  oder  nahe  am  Nadelrand.  Das  Räupchen  frißt  zuerst  eine  ganz 
kurze  Rinne,  die  aber  bald  erweitert  und  dann  wieder  verlängert  wird.  Dieses 
Manöver  wird  fortgesetzt,  bis  schließlich  eine  Fläche  von  i — 5  mm  Länge 
und  I — 2  mm  Breite  befressen  ist.  Für  gewöhnlich  sind  die  Flächen  meist 
mehr  lang  als  breit,  die  Fraßränder  sehr  unregelmäßig,  so  daß  das  Fraßbild 
bald  breiter  und  dann  wieder  schmäler  wird  (Abb.  457  A  u.  B).  Ist  der   Fraß 


1  1 


AB  C 

Abb.  457.    A  Eiräupchen  von  FAlopia  prosapiaria  L.  an  einer  Kiefernnadel  fressend, 
B  Kiefernnadeln  mit  dem  Anfangsfraß  des  Eiräupchens,  C  Schartenfraß  der  älteren 
Raupen.   Nach  Sei  ff. 


in  der  Mitte  der  Nadelfläche,  so  erreicht  die  Tiefe  desselben  kaum  die  Quer- 
schnittmitte der  Nadel;  in  der  Nähe  der  Nadelränder  jedoch  frißt  das 
Räupchen  fast  bis  zur  gegenüberliegenden  Epidermis  in  die  Nadel  hinein. 
„Der  Fraß  des  Einbaut ers  wird  nun  schon  dem  des  gemeinen 
Kiefernspanners  ähnlich.  Die  Raupen  greifen  jetzt  die  Nadeln  von  der 
Seite  an,  jedoch  wird  nur  die  Spitzenhälfte  derselben  befressen.  Nicht  nur 
die  eine,  sondern  beide  Seiten  können  angenommen  werden;  letzteres  be- 
sonders, wenn  aus  irgendeinem  Grund  einmal  etwas  Futtermangel  eingetreten 
war.  Da  der  Fraß  nicht  bis  zur  Längsmitte  der  Nadel  reicht,  so  bleiben  die 
oberen  Nadelreste  stehen,  und  man  hat  das  gleiche  Bild  wie  beim  Naschfraß 


II.  Unterordnung:  Macrolepidopvera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        573 


des  Kiefernspanners.  Die  Fraßränder  sind  stets  schartig  und  uneben.  Die 
Länge  dieses  Fraßes  ist  sehr  verschieden;  oft  ist  nur  von  der  Spitze  aus  ein 
kurzes  Stück  nach  abwärts  befressen,  manchmal  aber  geht  derselbe  ununter- 
brochen bis  fast  zur  Nadelhälfte;  weiter  nach  unten  befrißt  der  Einhäuter 
die  Nadeln  nicht,  doch  kommt  es  seltener  vor,  daß  das  Räupchen  zuerst  nahe 
der  Nadelspitze  einen  kurzen  Fraß  macht,  nun  ein  kurzes  Stück  der  Nadel 
nicht  annimmt  und  dann  etwas  weiter  unten  weiterfrißt,  so  daß  zwischen  zwei 
Fraßstellen  an  einer  Nadelseite  ein  unberührtes  Stück  zu  sehen  ist. 

„Die  weiteren  Stadien  befressen  die  Nadeln  bedeutend  stärker, 
doch  stets  in  der  gleichen  Weise  wie  der  gemeine  Kiefernspanner.  Die 
Nadeln  sind  nicht  nur  seitlich  leicht  benagt,  sondern  der  Fraß  geht  weit  über 
die  Längsmitte  derselben.  Öfter  wird  die  Nadel  so  weit  durchgefressen,  daß 
der  obere  Teil  herabfällt,  so  daß  abgebissene  Nadelreste  am  Boden  liegen. 
Auch  geht  der  Fraß  bis  weit  über  die  Nadelhälfte  herunter,  doch  niemals 
bis  in  die  Nadelscheiden;  ca.  i  cm  über  denselben  bleiben  die  Nadelstümpfe 
unberührt.  Manche  Nadeln  werden  von  den  größeren  Raupen  bis  zum 
untersten  Drittel  ganz  gefressen,  auch  wenn  noch  genügend  andere  ganze 
Nadeln  zur  Verfügung  standen;  doch  ist  diese  Fraßart  seltener  zu  beob- 
achten. Wir  können  im  Fraß  dieser  Raupen  alle  Formen  beobachten,  die 
wir  beim  Kiefernspanner  antreffen.  Die  Abb.  457  C  zeigt  einige,  von  erwach- 
senen Raupen  mehr  oder  weniger  stark  befressene  Nadeln. 

„Die  älteren  Raupen  fressen  nur  des  Nachts,  während  sie  tagsüber  in 
der  erwähnten  Ruhestellung  unbeweglich  an  der  Nadel  sitzen;  lediglich  die 
Eiraupen  konnten  auch  bei  Tag  beim    Fraß  beobachtet  werden. 

„Der  Kot  der  prosapiaria-Ra.upen  ist  ebenfalls  dem  der  Kiefernspanner- 
raupen sehr  ähnlich.  Er  besteht  in  der  Hauptsache  aus  deutlich  erkennbaren 
Nadelresten,  die  zu  kleinen,  unregelmäßigen, 
eckigen  Klümpchen  zusammengeklebt  sind. 
Die  Größe  jedes  Stückchens  (erwachsene 
Raupe)  schwankt  zwischen  0,75 — 1,5  mm  in 
der  Länge  und  etwa  in  derselben  oder  etwas 
geringeren  Breite  und  Höhe.  Die  Farbe 
bleibt  auch  nach  dem  Trocknen  grün. 

„Am  3.  Februar  hat  sich  nun  die  erste 
Raupe  eingesponnen.  Dieselbe  umzog  einige 
am  Boden  liegende  Nadeln  und  Kot  mit 
ihren  Fäden,  und  unter  diesem  Gespinst 
(Abb.  458),  das  ziemlich  locker  war  und 
durch  das  man  auch  die  Raupe  beobachten 
konnte,  blieb  die  Raupe  zunächst  ruhig  sitzen. 
Die  geringste  Berührung  des  Gespinstes  je- 
doch beantwortete  die  Raupe  mit  nervösen, 
schlagenden  Bewegungen.  Nach  9  Tagen, 
also  am  11.  Februar,  lag  des  Morgens  die 
Puppe  statt  der  Raupe  im  Gespinst,  welche 
die  gleichen  Bewegungen  wie  die  Raupe  nach 
einer  Berührung  machte,  vielleicht  sogar  in 
noch  größerem  Maße.  Als  zum  Zweck  der  ,,,  „  t. 
genaueren  Besichtigung  die  Puppe  aus  dem  ,r'^/4-<.T-"?S?'=S"h 
Gespinst  herausgenommen  und  auf  den  Tisch  S  e  i  f  f . 


574  II.  Spezieller  Teil. 

auf  Löschpapier  gelegt  wurde,  schlug  diese  so  kräftig  und  rasch  mit  dem 
Abdomen,  daß  sie  dadurch  4 — 5  cm  von  der  Stelle  rollte.  Der  gleiche  Vor- 
gang zeigte  sich  bei  jeder  leichten  Berührung  der  nackten  Puppe  mit  einem 
Haarpinsel." 

Die  forstliche  Bedeutung  des  „gebänderten  Kiefernspanners"  be- 
steht nach  den  bisherigen  Erfahrungen  nur  darin,  daß  er  häufig  in  größerer 
Zahl  mit  dem  gemeinen  Kiefernspanner  (und  auch  dem  Spinner)  auftritt  und 
so  zur  Verstärkung  des  Schadens  beiträgt.  Das  Vorkommen  an  anderen 
Nadelholzarten  (Fichte  usw.)  scheint  ohne  jede  praktische  Bedeutung  zu  sein. 

Die  Ansicht,  daß  die  auf  Fichte  (und  Tanne)  lebende  Raupe  stets  den  grünen 
Falter  (var.  prasinaria  Hb.)  ergeben  soll,  ist,  wie  oben  schon  betont,  nicht  zu- 
treffend. Können  doch  aus  den  Eiern  eines  Weibchens  beide  Formen  gezogen 
werden.  Wehrli  (Mitt.  d.  Münchener  Ent.  Ges.  1929.  S.  317)  hat  in  den  Pyrenäen 
in  den  geschlossenen  Föhrenbeständen  ausschließlich  die  var.  prasinaria  Hb. 
gefangen,  und  Heydemann  berichtet  das  gleiche  von  der  Nordseeinsel  Amrum 
(a.  a.  O.  1930,  S.  96). 

Semiothisa  liturata  Cl. 

Taf.  VIII,  Fig.  15. 

Der  veilgraue  Kiefernspanner. 

Ratzeburg:   Phalaena,   Geometra  (Ennomos)  lituraria   L.,   veilgrauer  Kiefernspanner. 

—  Judeich-Nitsche:  Geometra  (Macaria  Curt.)  liturata  Cl.  (lituraria  Hb.).  —  Wolff- 

Krauße:  Macaria  liturata  Clerck. 

Die  Gattung  Semiothisa  Hb.  läßt  sich  folgendermaßen  charakterisieren 
(Spul  er):  Fühler  der  cf  borstenförmig,  gewimpert  oder  sägezähnig.  Palpen  schräg 
aufgebogen,  etwas  über  die  Stirne  vortretend.  Hinterschienen  mit  2  Paar  Sporen. 
Vorderflügel  beim  cT  mit  einer  Basalgrube,  Ader  cu-^  entspringt  aus  dem  unteren 
Zellenwinkel,  r^,  r^  und  r^  gestielt,  r^  und  sc  verlaufen  frei.  Hinterflügel  auf  Ader 
nio,  geeckt.    Ader  cu^  aus  dem  unteren  Zellenwinkel  (Abb.  459). 

Der  Falter  ist  an  seiner  veilgrauen  Färbung,  die  wie  piniarius 
grüne  und  hellgestreifte  Raupe  an  ihrem  roten  Kopf  leicht  zu  erkennen. 

Falter:  Vorderflügel  unter  der  Spitze  seicht  ausgeschnitten;  Hinterflügel  mit 
vorspringendem  Zahn  auf  Ader  m.y  Grundfarbe  der  Flügel  veilgrau  (Taf.  VIII, 
Fig.  15).  Die  Querstreifen  und  der  halbe  Querstreifen  höchstens  durch  dunkle 
Punkte  angedeutet,  die  zunächst  dem  gelblichen  Vorderrande  der  Vorderflügel  am 
deutlichsten  sind.  Gewässerte  Binde  nicht  sehr  scharf  ausgeprägt,  rostgelb,  an  dem 
Vorderrande  außen  mit  einem  dunkelbraunen,  wurzelwärts  verlöschenden  Flecke  be- 
beginnend. Fransen  mit  dunklerer  Randlinie  und  dunkleren  Flecken  an  den  Adern. 
Kopf  und  Halskragen  rostgelb.  Fühler  des  cf  nur  ganz  kurz  doppelt  gesägt.  Hinter- 
schienen verdickt,  mit  Haarpinsel.  Länge  ungefähr  12—15  mm,  Flügelspannung 
25—33  mm. 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  15)  10 füßig,  Kopf  rotbraun,  mit  hellgrünlichem  Stirn- 
dreieck. Grundfarbe  des  Leibes  gelbgrünlich  mit  dunkelgrüner,  schmaler  Rücken- 
binde und  jederseits  zwei  weißlichen  Längsbinden,  einer  oberen  und  einer  durch  die 
Luftlöcher  gehenden.  Zwischen  je  zweien  dieser  5  stärkeren  Längszeichnungen  immer 
2  feine,  dunkelgrüne  Linien.  Unterhalb  der  Binde  durch  die  Luftlöcher  jederseits 
drei  dunkelgrüne,  feine  Linien  und  in  der  Mitte  der  Bauchseite  ein  grüngelbes 
Mittelband.    Brustfüße  braun  chitinisiert.    Länge  bis  30  mm. 

Puppe  braun,  schlank,  mit  einem  höckerigen,  mit  einer  stumpfgabeligen  Spitze 
besetzten  Aftergriffel. 

Dieser  an  Größe  den  Kiefernspanner  nicht  ganz  erreichende  Falter  ist 
durch  ganz  Mittel-  und  Südeuropa  bis  Spanien,  Südrußland,  Armenien  und 
Sibirien  verbreitet. 

Über    seine    Lebensweise    herrscht    keine    Einstimmigkeit    bei    den    ver- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        575 

schiedenen  Autoren.  Ratzeburg  (S.  i86)  gibt  an,  daß  er  genau  wie  der  ge- 
meine Kiefernspanner  lebt.  Dagegen  stimmen  Wilde,  A.  Speyer  und 
Borgmann  überein,  daß  er  eine  doppelte  Generation  habe  und  der  Falter 
im  Mai  und  Juli  fliege.  Auf  jeden  Fall  scheint  die  Puppe  zu  über- 
wintern. Genauere  Angaben  über  Fraß  usf.  fehlen  vorläufig,  und  wir 
können  nur  die  Angaben  von  Ratzeburg  wiederholen,  „daß  bei  einem 
ziemlich  bedeutenden  Spannerfraße  in  den  Jahren  1837  und  1838  fast  die 
Hälfte  oder  wenigstens  ein  Drittel"  der  Raupen  dieser  Art  angehörte. 

Als   Parasiten   zog   Ratzeburg   sehr   häufig   Ichneumon   nigritarius 
Grav.,  der  ja  auch  beim  Bupalus  piniarius  L.  der  wichtigste  Parasit  ist. 


Als  Anhang  zu  den  verschiedenen  Kiefernspannern  sei  der  Heide - 
krautspanner  Hematurga  ato^naria  L.  erwähnt,  der  mit  jenen  insofern  zu- 
sammenhängt, als  er  häufig  in  großer  Zahl  in  den  gleichen  Waldtypen  auf- 
tritt und  sodann  dadurch,  daß  er  vielfach  von  den  gleichen  Parasiten  v/ie 
jene  befallen  wird  und  so  für  manche  Schlupfwespen  der  letzteren  als 
Zwischenwirt  dienen  und  überhaupt  eine  ergiebige  Parasitenquelle  darstellen 
kann  (s.  oben  S.  528). 


Abb.    459.     Flügelgeäder    von 
Semiothisa    Hb. 


Abb.   460.      Flügelgeäder    von 
Hematurga  atomaria  L. 


Hematurga  atomaria  L. 

Taf.  VIII,  Fig.  13  und  14. 
Der    Heidekrautspanner. 

Die  Gattung  Hematurga  Led.  steht  der  Gattung  Bupalus  Leach  nahe,  doch  fehlt 
die  nackte  Basalgrube  der  Vorderflügel  beim  cf  (s.  oben  S.  463).  Die  Palpen  sind 
grobborstig.  Der  Rüssel  stark.  Flügelgeäder  ähnlich  wie  bei  Bupalus;  im  Vorder- 
flügel fehlt  r^,  dafür  sind  r.^  und  sc  durch  einen  Schrägast  verbunden.  Im  Hinter- 
flügel verläuft  sc  eine  längere  Strecke,  bis  über  die  Mitte,  parallel  mit  dem  Zell- 
vorderrand  (Abb.  460). 

Die  einzige  Art  dieser  Gattung,  atomaria  L.,  ist  an  ihrer  Färbung  leicht  zu 
erkennen:  Flügel  beim  cf  ockergelb,  beim  Q  weißlich  mit  brauner  Sprenkelung, 
Vorderflügel  mit  3,  Hinterflügel  mit  2  braunen  Querbinden,  Fransen  braun,  hell 
gescheckt  (Abb.  461).   Spannweite  25—30  mm. 


576 


II.  Spezieller  Teil. 


Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  25)  gelbbraun  oder  braun,  meist  mit  einer  in  Flecke 
aufgelösten  dunklen  Rückenlinie  und  hellgelben  Seitenstreifen. 

Puppe  durch  den  langen,  dünnen,  am  Ende  gegabelten  Kremaster  unschwer 
von  der  Kiefernspannerpuppe  zu  unterscheiden  (s.  oben  S.  468). 

Der  Falter  fliegt  bei  Tage.  Zwei  Generationen;  Flugzeit  im  April/Mai 
vnicl  im  August/September.  Raupe  lebt  hauptsächlich  auf  Heidekraut, 
dann  auch  auf  Hauhechel  (Ononis),  Ampfer  (Rianex),  Besenginster  usw. 

Über  die  Parasiten  des  Heidekrautspanners  und  seine  Bedeutung  für  die 
Kiefernspanner-Gradationen  siehe  oben  S.  528. 

*  * 

Zapfenschädlinge. 

Als   Zapfenschädlinge   treten   in   Nadelwäldern   auf: 
Eupithecia  abietaria  Goeze  (Taf.  VIII,  17)  und  strobilata  Hb.i). 

Die    Zapfenspanner. 
Eup.  strobilata  Hb.  wird  mehrfach  von  Ratzeburg  erwähnt,  zuerst  in 
den  ,, Forstinsekten"  (S.  188),  wo  sie  auch  als  Zapfenschädling  genannt  wird 
(nach   einer  Beobachtung   De   Geers,   der  „sie  zu   Ende  Juli  in   den   noch 


Abb.  461.  Hemafurgaatomaria'L.{Y{.&\dftkra.\i\.?,^2inntx).  A  Männchen,  B  Weibchen.  i^/^X. 

grünen  Tannenzapfen  —  wahrscheinlich  ist  die  Fichte  gemeint  — ■  fand,  welche 
eine  Öffnung  zum  Hinausschaffen  des  Kotes  haben"),  sodann  noch  einmal  in 
der  „Waldverderbnis",  wo  er  an  der  Richtigkeit  der  De  Geer sehen  Beob- 
achtung zweifelhaft  wird  und  als  Hauptfraßort  nur  die  Chermesgallen  angibt. 

Daß  die  De  Geer  sehe  Beobachtung  aber  dennoch  richtig  war,  wird 
durch  die  neuen  eingehenden  Untersuchungen  des  schwedischen  Entomologen 
Spessivtseff  bestätigt. 

Die  Gattung  Eupithecia  Curt.,  die  zu  den  Larentiinen  gehörig  ist,  enthält  zahl- 
reiche Arten  meist  kleiner  Spanner,  deren  Unterscheidung  oft  große  Schwierigkeiten 
macht.  Als  Gattungsmerkmale  führt  Spul  er  an:  die  cf  Fühler  gewimpert.  Palpen 
gut  entwickelt,  das  rauh  beschuppte  Gesicht  überragend.  Ader  cu^  der  Vorderflügel 
nahe  dem  unteren  Zellwinkel  entspringend,  m.2  aus  der  Mitte  des  Querastes,  To  ana- 
stomisiert  mit  r^  bis  ^5.  Auch  an  den  Hinterflügeln  entspringt  Ader  cu^  nahe  dem 
Zellwinkel,  Wg  aus  der  Mitte  des  Querastes,  w^  und  rr  sind  in  wechselnder  Länge 
gestielt. 


1)  Als  Synonyme  kommen  folgende  Namen  in  Betracht:  Eupithecia  abie- 
taria Goeze  1781  =  pini  Retz.  1783  =  strobilata  Bkh.  1794  =  togata  Hb.  1796;  Eup. 
strobilata  Hb.  1796  =  bilunulata  Zett.   1840. 


Eschericil,  Forstiiisektcii.    III.  Bd. 


Tafel  VIII 


^^^^7  ^^i^9  ^^M^^   ^k^^ 

wm  WrP  wf^  WS^ 


^  ^t^   ^^1^  ^^^ 

-^    Wv^     W^    wf9 

^Ȋ0    IIm^   ^:'-r'*  ^^^^  V^ 

i3  14 


m^ 


18 


T 


27 


25  ^"^  27  28 


Geomctriden  ^Spanner) 

t— 8  Bup.  piniarius  Z.  c^.  9  — 12  Bup.  piiiiarius /,.  ü.  13  Hematurga  alomaria  Z.  cf.  14  Hcmaturga  ato- 
maria  L.  ^'.  15  Semiothisa  liturata  C/.  16  Semiothisa  signaria  Hl^.  1-  Eupithecia  abietaria  Goes. 
ISSelcnia  bilunaria  Esp  19  Selenia  tetralunaria  i///;.  20  Biston  hirtaria  (7.  21  Hibernia  aurantiaria  l//\ 
22  Hibernia  ilefoliaria  /..£..  23  Hibernia  defoliaria  /,.  cf.  24  Himera  pennaria  L  25  Boarmia  ribeata  Cl. 
26  Boarmia  secundaria  E'ip.    27  Ellopia  prosapiaria  L.    28  EUopia  prasinaria  Hb.    ^,'4  nat.  Größe. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        577 

Die  Eupithecien-Raupen  führen  eine  recht  verschiedene  Lebensweise, 
was  sich  auch  in  der  Gestalt  ausprägt.  Leben  sie  frei,  so  sind  sie  schlank  ge- 
baut, leben  sie  jedoch  verborgen  oder  gar  im  Innern  von  Blütenständen, 
Zapfen  usw.,  so  werden  sie  kurz  und  gedrungen  und  nehmen  bisweilen 
sogar  einen  kriechenden  Gang  an  (an  Stelle  des  ,, spannenden"). 


Abb.  462 


Flügelgeäder  \on  Eupithecia      Abb.    463.     Eupilhecia    abiPtaria    Goeze. 
Curt.  Nach   S  pe  s  s  i  v  t  s  e  f  f.     2  X- 


Die  beiden  Arten  sind  als  Imago  kaum  voneinander  zu  unterscheiden.  Sie  sind 
beide  von  kleiner  Gestalt  (Spannweite  20 — 22  mm).  Vorderflügel  hellgrau  mit 
großem,  schwarzem  Mittelf  leck ;  Mittelfeld  von  bräunlich  roten  Querbinden  ein- 
gefaßt, Wellenlinie  hell  gezackt.  Hinterflügel  bräunlichgrau  mit  zwei  dunklen  Quer- 
linien.   Ein  gutes  Unterscheidungsmerkmal  der  beiden  Arten  sind  die  Palpen,  die  bei 


A  B  Abb.  465.      Puppe    von   Eupithecia 

Abb.  464.    A  Raupe  von  Eupithecia  abietaria  abietaria  Goeze. 

Goeze.      B    Raupe   von    Eup.    strobihUa    Hb.  Nach  S  p  es  s  iv  t  s  ef  f. 

Nach  Spessivtseff. 

abietaria  kurz  sind  und  den  Kopf  nur  wenig  überragen,  bei  sirobilata  dagegen  lang 
und  den  Kopf  weit  überragen.  Außerdem  existieren  noch  wesentliche  Unterschiede 
im  Bau  der  Bursa  copulatrix. 

Die  Puppen  unterscheiden  sich  kaum  voneinander.  Sie  sind  braungelb,  fast 
nackt,  mit  selbst  unter  dem  Mikroskop  kaum  bemerkbaren  sparsamen  kurzen  Haaren. 
Auf  dem  vorletzten  Abdominalsegment  tragen  sie  5  Paar  hakenförmige  Borsten 
(Abb.  465). 

Escherich,  Eorstinsekten,  Bd.  III.  37 


578 


II.  Spezieller  Teil. 


Die  Raupen  (Taf.  IX,  Fig.  5  und  Abb.  464  A  und  B)  unterscheiden  sich  von- 
einander durch  folgende  Merkmale:  i.  Bei  abietaria  ist  der  Rücken  schmutzig- 
fleischrot  ohne  Zeichnung,  die  Bauchseite  schmutzig-weiß;  bei  strobilata  ist  die 
Raupe  von  derselben  Farbe,  aber  auf  dem  Rücken  finden  sich  5  helle  Längsstreifen. 
2.  Bei  abietaria  sind  Kopf,  Prothorax-  und  Analschild  dunkelbraun,  fast  schwarz: 
bei  strobilata  sind  sie  braungelb.  3.  Bei  abietaria  stehen  auf  dem  Analschild  5  Paar 
Borsten,  bei  strobilata  dagegen  4  Paar.  4.  Bei  abietaria  ist  die  Haut  an  der  Basis 
jeder  Borste  dunkel,  fast  schwarz  gefärbt;  bei  strobilata  fehlen  diese  dunklen 
Flecke.    5.  Bei  abietaria  wird  die  Raupe  etwa  15  mm,  bei  strobilata  nur  12  mm  lang. 

Die  Biologie  der  beiden  Arten  wurde  von  Spessivtseff  eingehend 
studiert,  und  zwar  anläßlich  eines  Massenauftretens  derselben  im  Jahre  1924 


A  B 

Abb.  466.    Fichtenzapfen:  A  von  Eupithecia  abietaria  Goeze  (nur  wenig  Kothäufchen  1 
B  von  Eiipilliecia  strobilata  Hb.  (zahlreiche  Kothäufchen)  befallen.    Nach  Spessiv 

t  s  e  f  f. 


im  Versuchspark  von  Siljansfors,  der  in  der  schwedischen  Provinz  Dar- 
lekarlien  liegt.  Sein  Bericht  hierüber  sei  im  folgenden  wörtlich  wieder- 
gegeben: 

EupitJiecia  strobilata  Hb.  Ende  Juli  war  fast  an  jeder  Fichte  ein  Teil 
der  jungen  Zapfen  durch  Raupen  von  strobilata  beschädigt.  Derartige  Zapfen 
zeigten  einen  Belag  von  braunroten  Körnern,  den  Exkrementen  der  Larven, 
wodurch  sie  leicht  von  gesunden  zu  unterscheiden  waren.  Im  Anfang  waren 
die  kleinen  Exkrementkörnchen  in  regelmäßigen  Halbkreisen  längs  den 
Rändern  der  meisten  Schuppen  angeordnet,  mit  dem  Wachstum  der  Raupen 
aber  bedeckten  sie  nach  und  nach  fast  die  ganze  Oberfläche  des  Zapfens 
mehr  oder  weniger  gleichmäßig  (Abb.  466  B).  Ein  jeder  angegriffene  Zapfen 
enthielt  20 — 30  Raupen. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        579 

Nach  den  eben  beginnenden  Fraßspuren  junger  Raupen  zu  urteilen, 
legt  der  Falter  je  ein  Ei  auf  jede  Schuppe.  Die  aus  dem  Ei  ausschlüpfende 
Raupe  benagt  auf  der  äußeren  Oberfläche  der  Schuppe  eine  Stelle  von  un- 
regelmäßiger Form.  Nachdem  sie  sich  hier  gehäutet,  durchnagt  sie  die  erste 
Schuppe,  um  zur  zweiten  zu  gelangen,  die  sie  in  eben  derselben  Weise  be- 
nagt. Hier  zu  einer  bedeutenden  Größe  herangewachsen,  geht  sie  auf  die 
nächsten  Schuppen  über,  welche  sie  in  der  auf  Abb.  467  dargestellten  Weise 
befrißt.  Die  herangewachsene  Raupe  nährt  sich  hauptsächlich  von  den  saf- 
tigeren und  dickeren  Basalteilen  der  Schuppen,  die  sie  nicht  selten  ganz  auf- 
frißt. Wenn  sie  dabei  saftigen  Samen  begegnet,  werden  auch  diese  gefressen, 
jedoch  nur  so  nebenbei.  Schließlich  trocknet  der  befallene  Zapfen  rasch  ein 
und  fällt  meistens  ab,  ohne  daß  die  Samen  zur  Reife  kommen. 

Die  Raupen  wachsen  sehr  schnell,  und  ungefähr  ein  Monat  nach  dem 
Ausschlüpfen  aus  dem  Ei  erreichen  sie  ihre  volle  Größe.  Die  ersten  Puppen 
zeigen  sich  schon  Mitte  August,  wenn  auch  die  Massenverpuppung  erst  von 
Ende  August  bis  Mitte  September  stattfindet.    Die  Verpuppung  geschieht  in 


Abb.    467.     Drei     Fichtenzapfens(-hu])ijen,  Abb.  468.    Zwei  Puppenkokons  von  Eupi- 

\on  einer  jungen  Raupe  von  Eii pilh.  siro-  thecia  strobilata  Hb.  Nach  .Spessiv- 
bilala    Hb.    befressen.     Nach    Spessiv-  t  s  e  f  f . 

t  s  e  f  f . 

einem  lockeren  Kokon,  iK-deckt  mit  den  Exkrementkörnern  der  Raupe 
(Abb.  468)  und  meist  außerhalb  des  Zapfens.  Indessen  ist  es  bisweilen  ge- 
lungen, Puppen  zwischen  den  Schuppen  solcher  Zapfen  zu  finden,  die  aus 
irgendwelchem  Grunde  am  Baume  hängen  geblieben  waren. 

In  der  entomologischen  Literatur  finden  sich  Hinweise  darauf,  daß  diese 
Art  ihre  Eier  auf  die  Gallen  von  Chermes-hxt&n  abgelegt  und  nur  in  seltenen 
Fällen  sich  der  Fichtenzapfen  bedient.  Die  Beobachtungen  Spesivtseffs 
bestätigen  diese  Angabe  nicht.  Obgleich  in  Siljansfors  nicht  selten  Gallen  mit 
Raupen  von  strobilata  vorkommen,  so  war  doch  die  Zahl  dieser  Gallen  sehr 
unbedeutend  im  Vergleich  mit  den  angegriffenen  Zapfen.  In  einer  solchen 
Galle  fanden  sich  nur  2 — 4  Raupen,  und  diese  waren  älter  als  die  Raupen 
in  den  Zapfen.  Augenscheinlich  legten  die  ersten  schwärmenden  Falter  ihre 
Eier  auf  Gallen,  und  erst  später  erscheinende  wählten  zu  diesem  Zweck 
Zapfen.  Die  Verpuppung  geschah  außerhalb  der  Galle,  nicht  selten  in  ihrer 
unmittelbaren  Nähe  am  Zweige. 

Eupitheciaabietaria  GoQze.    Diese  Art  beginnt  zu  schwärmen  und  PLier  zu 

37* 


580  n.  Spezieller  Teil. 

legen  etwa  /  —  lo  Tage  später  als  die  vorige.  Erst  gegen  Ende  Juli  und 
Anfang  August  wurden  Zapfen  gefunden,  die  von  diesem  Schmetterling  an- 
gegriffen waren.  In  jedem  solchen  Zapfen  konnten  gewöhnlich  2 — 4  Raupen 
gefunden  werden.  Entsprechend  dieser  Zahl  fanden  sich  auf  der  Oberfläche 
des  Zapfens  die  Exkremente  nur  in  2 — 4  Häufchen  (Abb.  466  A).  Diese 
Häufchen  erreichen  selbst  bei  erwachsenen  Raupen  keine  bedeutende  Größe 
und  unterscheiden  sich  hierdurch  von  den  großen  Exkrementhaufen  der 
Raupen  von  Dioryctria  abietella  Schiff.  Die  durch  die  Raupen  den  unreifen 
Fichtenzapfen  zugefügte  Beschädigung  trägt  denselben  Charakter  wie  bei 
der  vorigen  Art,  jedoch  mit  dem  Unterschied,  daß  die  junge  Raupe  sich 
nicht  lange  auf  der  Oberfläche  der  zuerst  angegriffenen  Schuppe  aufhält, 
sondern  bald  nach  dem  Verlassen  des  Eies  sich  in  die  2.  und  3.  unter  der 
ersten  liegenden  Schuppe  hindurchnagt. 

Die  Verpuppung  geschieht  wie  bei  der  vorigen  Art  in  einem  lockeren 
Kokon,  bisweilen  im  Zapfen,  sonst  außerhalb  desselben,  und  beginnt  etwa 
1I/2  Wochen  später.  Während  des  ganzen  Septembers  finden  sich  in  den 
kranken  Zapfen  hauptsächlich  Raupen.  Hinsichtlich  der  Dauer  des  Puppen- 
stadiums bei  abietaria  sind  schon  früher  Beobachtungen  gemacht  worden. 
1921  erhielt  die  schwedische  forstliche  Versuchsanstalt  aus  verschiedenen 
Gegenden  in  Schweden  junge  Fichtenzapfen  zu  näherer  Untersuchung,  die 
im  Laufe  des  Septembers  von  den  Bäumen  gepflückt  waren.  Aus  vielen 
dieser  Zapfen  gelang  es.  Raupen  von  abietaria  zu  ziehen  und  sie  bis  zur  Ver- 
puppung zu  halten.  Die  Puppen  wurden  in  offenen  Insektarien  im  Garten  der 
Versuchsanstalt  untergebracht.  Erst  nach  zwei  Jahren  schlüpften  aus  ihnen 
die  ersten  Falter  von  abietaria  aus. 

Beide  Arten  sind  in  Europa,  im  europäischen  Rußland  und  im  öst- 
lichen Sibirien  im  Bereich  der  Fichtenwälder  sehr  verbreitet. 

Die  von  den  Raupen  von  abietaria  und  strobilata  angegriffenen  Zapfen 
vertrocknen  vor  der  Reife  und  fallen  meistens  ab.  Ihre  Samen,  auch  wenn 
sie  nicht  von  den  Raupen  gefressen  werden,  werden  nicht  reif  und  verlieren 
die  Keimkraft.  Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  welche  von  beiden  Arten  den 
Waldbau  mehr  schädigt,  weil  eine  Zählung  der  angegriffenen  und  beschädigt 
abgefallenen  Zapfen  nicht  tunlich  ist  und  in  den  infizierten  Zapfen  gewöhn- 
lich Raupen  beider  Arten  sich  vorfinden. 

Wenn  trotz  der  forstlichen  Bedeutung,  die  Eupithecia  abietaria  Goeze 
und  strobilata  Hb.  nach  diesen  Untersuchungen  Spessivtseffs  haben,  die 
beiden  Arten  bisher  in  der  forstentomologischen  Literatur  so  wenig  Berück- 
sichtigung gefunden  haben,  so  liegt  der  Hauptgrund  wohl  darin,  daß  man 
bisher  den  von  ihnen  den  Zapfen  zugefügten  Schaden  gewöhnlich  ohne 
weiteres  dem  Zapfe nzünsler  Dioryctria  abietella  Schiff,  zugeschrieben 
hat,  dessen  Biologie  ja  auch  in  vieler  Hinsicht  derjenigen  der  beiden  er- 
wähnten Eupithecia- Axt&n  ähnelt  (s.  oben  S.  440). 


Weitere  Nadelholzspanner  ohne  größere  forstliche  Bedeutung. 

Wenn  ich  im  folgenden  noch  eine  Reihe  forstlich  unbedeutender  Spanner 
anführe,  so  geschieht  dies  deshalb,  weil  dieselben  bisweilen  die  Aufmerksam- 
keit des  Forstmannes  erregen,  vor  allem  wenn  die  eine  oder  andere  Art  ein- 
mal etwas  häufiger  auftritt.  Zu  merklichen  Schäden  ist  es  bis  jetzt  noch  bei 
keiner  der  folgenden  Arten  gekommen. 


II.  Unterordnung:  Macrolcpidoptera.    Familie  Geomctridae  (Spanner).        581 


Larentia  variata  Schiff,  und 


obeliscata  Hb. 


Ratzeburg:  Phalaena,  Gcoiitelra  (Chcsias  ,  lulvala  F.  (ubeliscala  Hb.,  pinetata  Bkh.). 

Falter:  Vorderflügel  sehr  \eränderlich  (daher  der  Name  variata),  hell  bis 
dunkel  aschgrau,  mit  3  hellen  Querlinien;  Wurzel  und  Mittelfeld  dunkelgrau. 
Wellenlinie  hell  beschattet.  Hinterflügel  hellgrau,  mit  undeutlicher  Schattenbinde. 
Flügelgeäder  siehe  Abb.  404  B,   S.  458.    Spannweite  26 — 32  mm. 

Raupe:  Schmutziggrün,  mit  dunkler  (brauner),  weiß  gesäumter  Mittellinie 
und  breiten  weißen  seitlichen  Linien.  Stigmenlinie  schmal  weiß.  Auch  mit  schmaler 
weißer    Mittellinie. 

Puppe:  Nach  Spul  er  ,,grün  mit  weißen  Seitenlinien,  glatt,  Cremaster  kurz 
kegelig,  mit  einem  Büschel  von  Häkchen  an  der  Spitze  und  mit  einem  Kranz  von 
6  unterhalb  derselben.    Verpuppung  in  der  Erde." 

„Lebt  im  April  und  Juli  auf  Fichten  und  Föhren  (var.  obeliscata  Hb.)" 
(Spul  er).  „Raupen  manchmal  recht  häufig,  ohne  jedoch  merklichen  Schaden  zu 
tun"    (Ratzeburg,    F.  187). 

Larentia  juniperata  L. 

Falter:  Den  grauen  Stücken  der  vorigen  Art  (variata)  sehr  ähnlich,  aber 
kleiner.  Spannweite  23  mm.  Die  Mittelbinde  ist  oft  vor  dem  Innenrande  unter- 
brochen und  ihre  Zacken  ändern  vielfältig  ab   (Abb.  469  .A.). 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  4):  Grün,  mit  dunkler,  weiß  gesäumter  Rückenlinie, 
Seiten  und  Stigmenlinien  zitronengelb,  letztere  oben  breit  graurot  gesäumt.  Bauch- 
füße  mit   ziemlich   langen    Horizontalfortsätzen. 

Puppe:  Schlank,  graubraun  oder  grünlich,  Cremaster  kurz,  kegelförmig,  mit 
6  büschelig  stehenden,  am  Ende  stark  umgebogenen  Häkchen.  Verpuppung  in 
leichtem  Gespinst  zwischen  den  Nadeln  der   Futterpflanze. 


Abb.  469.     A    Larciilia   jn/ii/^f 


B 

Eiif^ilJircia    f^usillala    Schiff. 


Lebt  nach  Spuler  im  Juni  und  August  auf  Wacholder,  nach  Ratze- 
burg  „im  September,  Oktober  auf  Wacholder  und  Kiefern".  „Soll  nach 
Zinke  (D.  Besorgte  Forstm.,  S.  1921  auch  auf  Rottannen  leben  und  junge  Triebe 
zerstören"   (Ratzeburg,   F.  1871. 

An  Wacholder  kommt  außerdem  noch  die  nahverwandte  Larentia  cognala 
Thunb.  vor,  die  sowohl  in  der  Färbung  und  Zeichnung  des  Falters,  als  auch  in  der 
Färbung  der  Raupe  der  juiiif)erata  L.  sehr  ähnlich  ist.  Verpuppung  am  Boden 
zwischen  Moos  oder  abgefallenen  Nadeln  der  Futterpflanze.  „Puppe  glatt,  dunkel 
grasgrün  mit  helleren  Segmenten,  das  vorletzte  oben  mit  einer  Reihe  brauner, 
stumpfer  Zähne.  Cremaster  walzig,  gekörnt,  braun  mit  gebüschelten  End-  und  je 
2   seitlichen  Häkchen." 


582  II.  Spezieller  Teil. 

Eupithecia  (Tephrociystia)  lariciata  Freyer,  pusillata  Schiff.,  indigata  Hb. 
und  lanceata  Hb. 

Die  hier  genannten  E!//)/7/iec/a- Arten,  die  zu  den  kleinsten  Spannern  (von 
ca.   20  mm  Spannweite )   gehören,  sind  ausgesprochene  Nadelholztiere. 

E.  lariciata  Freyer:  Haupe  grün  oder  braun  mit  dunkler  Rückenlinie,  gelben 
Subdorsalen  und  ebensolchen  breiten  Seitenstreifen,  lebt  im  August  auf  Lärche 
und  W  a  c  h  o  1  d  e  r. 

E.  pusillata  Schiff.:  Falter  siehe  Abb.  469  B.  Raupe  mit  verdickten  Thorax- 
segmenten, braungelb  mit  dunkler  Rückenlinie,  —  lebt  im  Juli,  August  auf  Fichten, 
Lärchen  und  anderem  Nadelholz. 

E.  indigata  Hb.:  Raupe  schlank,  gelblich  bräunlich  mit  rotbrauner  Rücken- 
linie, hellgelben  Subdorsalen  und  ebensolchen  Seitenstreifen  —  lebt  bis  August  auf 
Kiefern  (erst  in  den  Blüten,  dann  an  den  Nadeln),  auch  auf  Lärchen. 

E.  lanceata  Hb.:  Raupe  sehr  schlank,  ockerfarben  bis  schwärzlichbraun,  mit 
dunkler  Rückenlinie  mit  rötlichen  feinen  Subdorsalen  (Taf.  IX,  Fig.  6).  ,,Eine  sehr 
charakteristische  Nadelholzart,  die  im  Mai  und  Juni  fliegt."  Raupe  im  Juni  an  den 
frischen  Trieben  der    Fichte,   seltener   auf   Tanne   oder   Lärche. 

Semiothisa  signaria  Hb. 

Taf.  VIII,  Fig.  16. 

Falter:  Wesentlich  kleiner  (Spannweite  25  mm)  als  S.liliirala  Cl.  (s.  oben 
S.  574),  sonst  dieser  nahestehend.  Flügel  grauweiß  mit  brauner  Bestäubung,  Vorder- 
flügel mit  3  grauen,  dunkel  beschatteten  Querstreifen,  die  von  dunkelgrauen  Flecken 
am  Vorderrand  ausgehen.  Das  Eck  der  Hinterflügel  kurz,  die  Spitze  nur  wenig 
hervortretend. 

Raupe  grün  mit  weißlichen  Rückenlinien  und  breiten,  weißen,  gelb  gefleckten 
Seitenlinien;  Kopf  dick,  gelbbraun. 

Fliegt  von  Mai  bis  Juni.  Raupe  im  August  auf  Nadelholz,  namentlich  auf 
Fichte. 

Boarmia  secundaria  Schiff.,  ribeata  Cl.,  crepuscularia  Schiff. 
und   consortaria   F. 

Von  den  hier  genannten  Boarmia-ArXen  ist  nur  die  erste  ein  ausgesprochenes 
Nadelholztier,  während  die  anderen  auch  auf  Laubholz  vorkommen;  ja  die  letzteren 
beiden  (crepuscularia  Schiff,  und  consortaria  F.)  sind  in  erster  Linie  Laubholztiere 
und  gehen  nur  gelegentlich  auch  auf  Nadelholz  über. 

B.  secundaria  Schiff.  (Taf.  VIII,  26) :  Ein  ziemlich  großer  Spanner  (Spann- 
weite 32—34  mm).  Flügel  mit  rostbrauner  Mischung  und  dunkler  Bestäubung; 
Vorderflügel  mit  2  dunkelbraunen  Querlinien,  von  denen  die  äußere  scharf  ge- 
zeichnet ist. 

Raupe  braungrau  mit  schwarz  gesäumten  Rautenflecken  und  gelblichen 
Seitenflecken. 

Puppe  rotbraun,  in  leichtem  Gespinst  in  der  Erde. 

Flugzeit  Juli,  August.  Raupe  lebt  im  Mai,  Juni  auf  Fichte  und  Wacho  Ide  r. 

B. ribeata  Cl.  (Taf.  VIII,  25):  Etwas  größer  als  der  vorige  (Spannweite 
33— 36  mm  1  und  wesentlich  dunkler  gefärbt.  Flügel  dunkelbraun,  mit  schwarzbrauner 
Bestäubung.    Vorderflügel  mit  2  schwarzbraunen  Querlinien. 

Raupe  rötlichbraun  mit  hellen  Rückenflecken,  weißgelben  Seitenlinien  und 
dunklen   Schrägstrichen. 

Puppe   glänzend  gelbbraun,   in   der   Erde. 

Flugzeit  Juni,  Juli.  Raupe  im  April  und  Mai  auf  Tannen  und  Fichten, 
aber  auch  an  Eichen  und  Weiden. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner  i.        583 

B.  crepuscularia  Schiff.  (Abb.  470):  Ein  großer  (Spannweite  34 — 40  mm)   hell 
gefärbter    Spanner;    Flügel    weißgrau    mit    brauner    Bestäubung.     Vorderflügel    mit 
2  braunen,  auf  den   Rijjpen    schwarz   gefleckten  und 
gezähnten   Q)uerlinien    auf    einer    weißlichen,    dunkel 
beschatteten,  ebenfalls  zackigen  Wellenlinie.     Hinter- 
flügel mit  einer  Quer-  und  Wellenlinie. 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  23)  hellgrau  oder  bräunlich- 
grün, mit  doppelter  dunkler  Rücken-  und  rötlich- 
gelben Seitenlinien. 

Puppe  matt  rotbraun,  mit  weichem  Gespinst  in 
der  Erde. 

Der  Falter  fliegt  zweimal,  im  Frühjahr  und  im 
Hochsommer.      Die    Puppe    überwintert    im    Boden. 

Ist    in    erster    Linie    Laubholztier.      Die    Raupe  ,,,  ,. 

II.  T7-  u  ü      u  c  ui  u  r.u  .u-  Abb.  470.     Boarmta    crepus- 

lebt    an     Eichen,    Buchen,    Schlehen,     Obstbäumen,  cularia  Schiff 

Weiden,   Pappeln,    Erlen,   Ulmen,    sodann  auf   Birke 

und   Heidelbeere.    Der  einzige  bisher  beobachtete   einigermaßen  stärkere   Fraß  fand 

nach  Bachstein  (1878)  im  Jahre  1876  in  der  Dresdener  Heide  statt  und  erstreckte 

sich    außer    auf    Laubholz    und    Heidelbeere    auch    auf    Kiefern,    Fichten    und 

Tannen. 

B.  consortariaF.'.  Noch  größer  als  die  vorige  Art  (Spannweite  ca.  5  cm).  In 
Färbung  und  Zeichnung  der  crepuscularia  Schiff,  ähnlich.  Flügel  aschgrau,  dunkel- 
braun bestäubt,  mit  schwarzen,  scharf  gezähnten  äußeren  und  erloschenen  inneren 
Querstreifen. 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  24)  grau  mit  braunen  Flecken  und  Warzen  und  dunkler 
[Mittellinie. 

Zwei  Generationen.  Raupe  im  Mai  und  Juli,  gewöhnlich  an  Laub  holz,  wie 
Pappeln,  Weiden,  Eichen  und  Schlehen.  Ausnahmsweise  auch  an  Nadel- 
holz. Borgmann  (1891)  berichtet  über  einen  größeren  Kahlfraß  an 
Fichten,   die   unter   Kiefern   untergebaut   waren. 


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B.  Laubholz-Spanner. 

Obwohl  die  Zahl  der  Laubholzspanner  die  der  Nadelholzspanner  weit 
übertrifft,  so  tritt  ihre  forstliche  Bedeutung  doch  stark  in  den  Hintergrund 
gegenüber  den  ersteren.  Sind  die  Laubholzschädlinge  wegen  der  größeren 
Regenerationskraft  der  Laubbäume  schon  an  und  für  sich  selten  so  gefährlich 
wie  die  Nadelholztiere,  so  kommt  hier  noch  hinzu,  daß  keiner  der  Laubholz- 
spanner zu  solchen  großen,  ausgedehnten  Massenvermehrungen,  geschweige 
denn  zu  solchen  Riesengradationen  gelangt,  wie  wir  sie  oben  beim  Kiefern- 
spanner kennengelernt  haben.  Der  Spannerschaden  an  älteren  Laubbäumen 
ist  nur  ausnahmsweise  so  stark,  daß  er  sich  wirtschaftlich  auswirkt.  Dagegen 
kann  die  Nachzucht  durch  A'ernichtung  von  jungem  Aufschlag 
empfindlich  gestört  werden.  Anders  verhält  es  sich  natürlich  in  der  Land- 
wirtschaft, besonders  im  Obstbau.  Wenn  hier  im  Frühjahr  die  Blätter  völlig 
zusammengefressen  werden,  so  bedeutet  dies  für  das  betreffende  Jahr  einen 
Ausfall  der  Ernte. 

Für  uns  kommen  in  der  Hauptsache  die 
Frostspanner 
in  Betracht,  die  systematisch  durchaus  keine  einheitliche  Gruppe  darstellen. 
Die  unter  die  Bezeichnung  Frostspanner  fallenden  Gattungen  und  Arten 
stehen  vielmehr  zum  Teil  im  System  weit  voneinander  entfernt  (so  z.  B.  ge- 
hört die  Gattung  Clieiinatobia  Stph.  zu  den  Larentiinen,  während  die  Gattung 
Uibernia  Latr.  und  Aiüsopteryx  Stph.  typische  Boarmiinen  sind),  dagegen 
stimmen  sie  in  einer  biologischen  Eigentümlichkeit,  die  den  üb- 
rigen Spannern,  ja  wohl  den  meisten  sonstigen  Schmetterlingen  fremd  ist, 
vollkommen  überein:  ihre  Flugzeit  fällt  in  eine  Zeit,  in  der  die 
meisten  übrigen  Insekten  sich  bereits  zur  Überwinterung 
eingerichtet  haben  bzw.  noch  im  Winterschlaf  sich  befinden, 
also  ganz  spät  im  Herbst  oder  ganz  zeitig  im  Frühjahr.  Diese 
biologische  Eigentümlichkeit  hat  zu  dem  Namen  „Frostspanner"  geführt.  Zu 
dieser  biologischen  Eigentümlichkeit  kommt  noch  eine  morphologische  Kon- 
vergenzerscheinung, nämlich  die  Rückbildung  der  Flügel  beim  o  (die 
allerdings  auch  noch  bei  anderen  Gattungen  vorkommt). 

Wir  wollen  im  folgenden  die  wichtigsten  Frostspanner,  die  sich  haupt- 
sächlich auf  die  drei  Gattungen  Cheimatobia  Stph.  (Operoplühera  Hb.),  Hi- 
benüa  Latr.  und  Aiüsopteryx  Stgr.  verteilen,  eingehender  behandeln. 


II.  Spezieller  Tel 


Cheimatobia  (Operophthera)  brumata  L.  und  boreata  Hb. 

Die  kleinen  F  r  o  s  t  s  p  a  n  n  e  r. 
Die  Gattung  Cheii)uitobia  Stph.  besitzt  im  männlichen  Geschlecht  gut 
ausgebildete  Flügel,  im  weiblichen  jedoch  sind  die  Flügel  stark  rückgebildet 
zu  kurzen  Stummeln.  Die  Fühler  des  cT  kurz,  nur 
Vs  der  Vorderrandslänge  erreichend.  Rüssel  und 
Palpen  sehr  schwach  und  kurz.  Im  Vorderflügel 
/;?o  aus  der  unteren  Hälfte  des  scharf  gebro- 
chenen Querastes  entspringend,  m^  aus  der  vor- 
deren Hälfte  des  Innenrandes  der  Anhangszelle, 
aus  deren  Spitze  )\  und  r^  aus  einem  Punkt;  /g 
entspringt  ungefähr  in  der  gleichen  Höhe  wie  )\, 
/•g  aus  z"^.  Auf  den  Hinterflügeln  geht  axy  sehr 
nahe  am  Innenrand  in  den  Innenwinkel,  cu^  und 
;//3  weit  gesondert,  niy  und  rr  lang  gestielt 
(Abb.  471). 

Ch.    brumata    L.,    der    gemeine    Frost- 
spanne r. 

P'alter:  Vorderflügeides  J  gelbgrau  mit  verloschenen 
dunklen    Wellenlinien,     Hinterflügel    heller.      Spannweite 
23—25  mm  (Abb.  472 A).    $   mit  sehr  kurzen,  bräunlich- 
oder  grünlichgrauen    Flügelstummeln,    kaum    die    Hälfte 
des  Hinterleibes  erreichend  (Abb.  472  B). 
Raupe    (Taf.  IX,    Fig.  3)    erwachsen   gelbgrün,    mit    dunkler   Rückenlinie    und 
jederseits    mit    3  weißen    Seitenlinien;    Kopf    grün.     (Beim    Eiräupchrn    sdiwarz.) 
Eier   oval,   von   Mohnkorngröße,   anfangs  blaßgrün,    später,   bis   vor   dem   Aus- 
kriechen, rotgelb. 

Puppe   hellbraun  mit   2   kurzen   Häkchen   am   abgerundeten   Cremastcr. 


Abb.  471.    Flügelgeäder  von 
Cheimalobia    boreata    Hb. 


>v 


Abb.   472.    Cheimalobia   bniDuihi   L.,   der         .Ablx  473.    Ein  Pärchen  von  Cheimalobia 
gemeine      Frostspanner.       A      Männchen,         bruiiiala    L.    in    Kopula.     Nach    Thiem. 
B   Weibchen.   1^/3  X. 

Ch.  boreata  Hb.,  Buchen-  Frostspanner. 

Falter  dem  vorigen  sehr  ähnlich,  nur  etwas  größer  (Spannweite:  o"  28  bis 
30  mm  I ;  beim  o"'  die  Vorderflügel  weißgrau,  mit  braungelbem  Anflug  und  ver- 
waschener Querbinde,  Hinterflügel  weißlich,  nur  selten  mit  einem  verloschenen  duiik- 


II.  Unterordnung:  INIacroIepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spannen.        589 

leren  Querstreifen  durch  das  Ende  der  r^Iittelzelle.  o  mit  längeren  Flügelstummeln, 
nur  wenig  kürzer  als  der  Hinterleib.  Vorderflügel  gelbgrau  mit  2  dunklen  Quer- 
streifen. 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  2  )  von  der  vorigen  Art  hauptsächlich  durch  den 
schwarzen  Kopf  (auch  der  älteren  Stadien  1    unterschieden. 

Puppe   rotbraun. 

Die  Bionomie  der  beiden  Arten,  die  auch  als  die  „kleinen  Frost- 
spanner" zusammengefaßt  werden,  scheint  in  den  meisten  Zügen  übereinzu- 
stimmen. So  dürfte  die  im  folgenden  dargestellte  Bionomie  der  Ch.  britinata 
L.  auch  für  boreata  Hb.  im  wesentlichen  Gültigkeit  haben. 

Obgleich  der  „gemeine  Frostspanner"'  zu  den  längst  bekannten  und  all- 
gemein verbreiteten  schlimmen  Schädlingen  des  Obstbaus  gehört,  ist  seine 
Bionomie  erst  in  dem  letzten  Dezennium  einigermaßen  geklärt  worden,  vor 
allem  durch  die  Arbeiten  von  Schneider-Orelli  (191 6)  und  Thiem 
(1922),  auf  die  sich  die  folgenden  Schilderungen  in  der  Hauptsache  stützen. 

Die  cfcf  eröffnen  und  beschließen  die  Flugzeit  im  Herbst,  gewöhnlich 
wird  Ende  Oktober  als  Beginn  angegeben.  Erst  vereinzelt  erscheinend, 
mehren  sich  die  Falter  von  Tag  zu  Tag;  ,,in  ausgesprochenen  Seuchengebieten 
glaubt  man  an  milden  ruhigen  Abenden  in  der  Nähe  von  Bäumen  förmlich 
ein  Schneetreiben  vor  sich  zu  haben".  Die  og  erscheinen  einige  Tage  später. 
Der  Flug  der  cTo''  setzt  überraschend  pünktlich  mit  beginnender  Dämmerung 
ein.  „Im  unsicheren,  unruhigen  Flug  suchen  die  cfcf  zunächst  den  Boden  ab. 
umkreisen  den  unteren  Stammteil  der  Bäume  und  erheben  sich  zuweilen  mit 
zunehmender  Sicherheit  des  Fluges  zur  Zeit  eintretender  Dunkelheit  in  Höhe 
der  Baumkrone.  Sie  durchsuchen  nur  einige  Bäume  und  entfernen  sich  nie 
weit  von  ihnen.  Finden  sie  keine  qq,  so  lassen  sie  sich  im  Gras  oder  zumeist 
an  den  unteren  Baumteilen  nieder,  laufen  den  Stamm  ab  oder  sitzen,  die 
Flügel  über  dem  Rücken  zusammengeklappt,  still"  (Thiem).  Ebenso  halten 
sie  sich  im  Tag  unter  Blättern,  Brettern,  in  geschützten  Baumwinkeln  usw.  auf. 

Die  QQ  laufen,  ebenfalls  mit  Beginn  der  Dämmerung  und  Dunkelheit,  am 
Stamm  empor,  wobei  sie  bei  windiger  oder  regnerischer  Witterung  die  ge- 
schützte Seite  desselben  benützen.  Glatte  Flächen  überschreiten  sie  schneller 
als  rauhe  und  zerrissene.  Die  Behendigkeit  der  $$  ist  groß.  Bei  anhalten- 
dem Laufen  können  sie  den  Gipfel  eines  3  m  hohen  Baumes  in  5  Minuten 
erreichen.  Auch  während  der  Begattung  sucht  das  g  seinen  Weg  stammauf- 
wärts  fortzusetzen,  wobei  das  (J  sich  völlig  passiv  verhält.  Natürlich  wird 
durch  das  daranhängende  o"  das  Marschtempo  verlangsamt.  Ein  kopulieren- 
des Paar  vermag  40 — 50  cm  etwa  innerhalb  i/g  Stunde  zurückzulegen. 

Die  Kopula  findet  in  der  Regel  gegen  Abend  in  der  Dämmerung  statt. 
Dabei  sitzt  das  cf  unten,  den  Kopf  nach  unten  gerichtet,  die  Flügel  gewöhn- 
lich tagfalterartig  aufgerichtet  (Abb.  473).  Eine  umgekehrte  Stellung  (o  nach 
unten  gerichtet)  kommt  nur  ganz  ausnahmsweise  vor.  Die  Angaben,  daß  das 
o"  das  Q  in  einer  Art  Hochzeitsflug  nach  oben  in  die  Baumkrone  tragen  soll, 
gehören  nach  Thiem  in  das  Reich  der  Fabel.  Die  Dauer  der  Kopula  währt 
mehrere  Stunden.  Der  Ort  der  Kopula  wechselt  sehr;  kopulierende  Tiere 
wurden  meist  an  Baumstämmen  (bis  3  m  Höhe)  gefunden,  dann  auch,  aber 
ganz  selten,  auf  der  Erde.  Wenige  Tage  nach  der  Kopulation  gehen  die  Tiere 
zugrunde,  die  cfcf  nach  etwa  2 — 3,  manchmal  auch  erst  nach  8  Tagen,  die  QO 
dagegen  scheinen  im  allgemeinen  etwas  länger  zu  leben.  8 — 9  Tage.    Die  ge- 


590  11.  Spezieller  Teil. 

samte  Lebensdauer  beträgt  bei  den  q'ö'  bis  zu  17,  bei  den  qq  bis  zu 
24  Tagen. 

Die  Eiablage  beginnt  zumeist  unmittelbar  nach  der  Begattung.  Die 
bevorzugten  Stellen  sind  die  letzten  Verzweigungen  der  Äste  der 
Baumkrone,  gewöhnlich  in  der  Nähe  von  Knospen,  in  Rinden- 
spalten, Narben,  an  Aststümpfen  oder  auch  direkt  an  den  Knospen.  Die  Zahl 
der  Eier  beträgt  nach  Schneider-Orelli  ca.  200 — 300 1).  Die  Ablage  er- 
folgt einzeln  oder  in  ganz  kleinen  Partien  von  2 — 3,  selten  (bei  besonders 
günstigen  Ablagestellen)  mehr,  bis  20.  Die  Eiablage  eines  o  kann  sich  auch 
über  mehrere  Bäume  verteilen.  Die  00  lassen  sich  nämlich  nicht  selten  von 
den  Zweigen  herunterfallen  (wobei  sie  die  ausgespannten  Flügelstummel  als 
Fallschirm  benutzen),  um  dann  an  einem  anderen  Baum  wieder  aufzusteigen 
(Schneider-Orelli).  Höchstwahrscheinlich  erstreckt  sich  die  Ablage 
des  Gesamteivorrates  über  mehrere  Tage. 

Die  anfänglich  hellgrünen  Eier  nehmen  schon  bald  (2 — 14  Tage)  nach 
der  Ablage  eine  rotgelbe  Färbung  an.  um  kurz  \or  dem  Auskriechen  auch 
diese  Färbung  zu  verlieren  und  „unansehnlich  und  l^ald  darauf  dunkel 
metallisch-blävüich  und  grünlich  glänzend  zu  werden."  Die  unbefruchtet  ab- 
gelegten Eier  verändern  ihre  grüne  Anfangsfarbe  nicht  und  schrumpfen  ein. 
Der  Eizustand  dauert  ca.  5I/0 — 6  Monate,  kann  aber  durch  höhere  Tempe- 
raturen wesentlich  (bis  auf  beinahe  den  fünften  Teil)  verkürzt  werden 
(Schneider-Orelli). 

Die  ersten  Räupchen  kommen  durchschnittlich  Ende  April,  T,\enn  die 
Knospen  aufzubrechen  beginnen,  heraus.  Sie  laufen  alsbald  unruhig  umher, 
wie  gewissermaßen  auf  Nahrungssuche.  Unter  natürlichen  Verhältnissen  in 
der  Nähe  von  Knospen  geschlüpft,  haben  sie  letztere  bald  gefunden.  Das  Ei- 
räupchen  ist  1,5  mm  lang  und  hat  ein  dunkelgraues,  mattes  Aussehen,  einen 
tief  schwarz  glänzenden  Kopf,  ein  dunkel  graues  Nackenschild  und  zwischen 
diesem  und  dem  Kopf  eine  weißliche  Binde.  Schon  nach  der  i.,  spätestens 
nach  der  2.  Häutung  treten  deutliche  Färbungsveränderungen  auf.  Die  graue 
Farbe  geht  allmählich  in  ein  gelbliches  Grün  über  und  es  bilden  sich  außer 
einem  dunkelgrünen  Mittelstreifen  jederseits  drei  weiße  oder  gelbliche 
Längsstreifen  aus,  von  denen  der  mittlere  am  schwächsten  ausgebildet  und 
sehr  oft  unterbrochen  ist.  Auch  der  Kopf  verliert  die  schwarze  Farbe.  Im 
ganzen  macht  die  Raupe  4  Häutungen  durch,  die  i.  zwischen  dem  4.  und 
6.  Tage  nach  dem  Schlüpfen  der  Räupchen,  die  2.  zwischen  dem  S.  und 
II.  Tage,  die  3.  zwischen  dem  14. — 16.  und  die  4.  zwischen  dem  22. — 26.  Tage. 
Die  Gesamtentwicklung  der  Raupe  nimmt  ca.  35 — 40  Tage,  in  sehr  günstigen 
(warmen)  Jahren  noch  weniger  in  Anspruch. 

Die  Bewegungen  der  Raupen  sind  sehr  rasch;  auch  besitzen  sie  ein  gut 
ausgebildetes  Sp  i  nn  ve  rmögen.  ,, Bereits  die  frisch  gehäuteten  Räupchen 
können  sich  an  einem  Spinnfaden,  den  sie  während  des  Umherkriechens  an 
der  Unterlage  festkleben  und  den  sie  sehr  schnell  verlängern  können,  fallen 
lassen.  Indem  sie  den  Faden  unter  Zuhilfenahme  der  Oberkiefer  und  unter 
schlängelnden  Bewegungen  des  ganzen  Körpers  auf  die  Brustbeine  auf- 
wickeln und  von  hier  mit  den  hochgeschlagenen  letzten  Bauchbeinen  ab- 
nehmen, erreichen  sie  wieder  die  Unterlage.    Zwischen  den  Ästchen  spinnen 


Die   Angabe    Uff  eins   von   50   Eiern   beruht    auf   einem    Irrtum. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner). 


591 


sie  zuweilen  Fäden,  auf  denen 
sie  sich  entlang  bewegen  kön- 
nen" (Thiem).  Die  Räup- 
chen  sind  ausgesprochen  posi- 
tiv lichtempfindlich. 

Der  erste  Fraß  des  Ei- 
räupchens  geschieht  meist  an 
aufbrechenden  Blatt-  even- 
tuell Blütenknospen.  Knospen 
mit  noch  dicht  anliegenden 
Schuppen  vermögen  die  klei- 
nen Räupchen  nicht  anzu- 
bohren und  auszufressen.  Der 
Fraß  ist  stets  von  einer 
reichlichen  S  p  i  n  n  t  ä  t  i  g  - 
keit  begleitet.  Die  kleinen 
Raupen  spinnen  die  sich  ent- 
wickelnden Blätter  der  aus- 
treibenden Knospen  zusammen 
und  auch  in  den  späteren 
Raupenstadien  wird  diese  Ge- 
wohnheit beibehalten,  so  daß 
der  Fraß  fast  stets  in  zu- 
sammengesponnenen Blättern 
stattfindet.  Die  Jungräupchen 
fressen  meist  nur  des  Nachts, 
während  die  älteren  Raupen 
in  ihren  Fraßgewohnheiten  an 
keine  bestimmte  Zeit  gebun- 
den   sind. 

Das  F  r  a  ß  b  i  1  d  zeigt  in 
der     Hauptsache     Löcher- 

fraß,  der  zunächst  durch  das  Einfressen  in  die  noch  zusammengefalteten 
Blattflächen  (in  den  sich  entfaltenden  Knospen)  entsteht.  Späterhin  werden 
diese  Löcher  erweitert,  bis  sie  zusam_menfließen  und  der  größte  Teil  der 
Blattfläche  verschwunden  ist  (Abb.  474).  Schließlich  werden  in  der  Not 
auch  noch  die  etwa  stehengebliebenen  gröberen  Nerven  verzehrt,  so  daß  also 
völliger  Kahlfraß  eintreten  kann.  Viele  Blattstücke  fallen  dabei  auch  un- 
benutzt zu  Boden.  Wo  Früchte  vorhanden  sind,  werden  auch  diese  an- 
gefressen, entweder  nur  äußerlich  oder  es  werden  auch  die  Kerne  ausgehöhlt 
(bei  Kirschen),  so  daß  die  Frucht  abstirbt. 

Die  Zahl  der  Fraß  pflanzen  von  bniiiiata  ist  Legion:  Thiem  zählt 
annähernd  deren  100  auf.  Obstbäume  scheinen  besonders  bevorzugt  zu 
werden,  daneben  werden  aber  auch  fast  alle  anderen  Laubholzarten  an- 
gegangen, wie  Eiche,  Hainbuche,  Buchet),  Roßkastanie,  Ahorn, 
Faulbaum.    Eberesche.    Weide.    Hasel.    Linde    usw. 


Fral.'i     (le>     gemeinen 
briDuald     L.  I     an     Hainbuche 
N  ü  ß  1  i  n  -  R  h  u  m  b  1  e  r. 


nners 
Nach 


1)  In  den  meisten  forstentomologischen  Lehrbüchern  wird  angegeben,  daß  die 
Buche  \"on  hruiuula  nicht  angenommen  wird:  letzteres  soll  ein  Reser\at  für  boreala 
sein.    Dies  trifft   nach  neuen  Beobachtungen  nicht  zu   (vgl.  Thiemi. 


592  II.  Spezieller  Teil. 

Die  Verpuppung,  zu  der  sich  die  Raupe  an  einem  Faden  herabspinnt, 
findet  Ende  Mai  anfangs  Juni  statt,  und  zwar  in  und  auf  der  Erde,  mit  und 
ohne  Gespinst.  Freie  Puppen  liegen  oberflächlich,  während  die  sich  im 
Boden  eingrabenden  Raupen  ein  dünnes  Gespinst  herstellen,  das  sie  an 
größere  Gegenstände  anheften  und  mit  Quarzsteinchen,  Erdklümpchen,  Geäst, 
Stroh,  dünnen  Blättern  verkleben  (Abb.  475).  Sie  erscheinen  auf  diese 
Weise  verschieden  groß  und  lassen  sich  schwer  auffinden.  Die  Lage  der 
Puppe  im  Boden  ist  verschieden  tief,  in  lockerem  Boden  tiefer  (bis  14  cm) 
als  in  mittelschwerem  vind  schwerem  (bis  10  cm).  Die  Dauer  der  Puppenruhe 
schwankt  in  Deutschland  zwischen  4I/2 — 5  Monaten,  während  sie  in  höheren 
Gebirgslagen  wesentlich  kürzer  ist  (3 1/2  Monate).  Durch  höhere  Tempe- 
raturen kann  nach  Thiem  die  Puppenruhe  verlängert  werden,  ebenso  wie 
durch  anhaltend  künstliche  Einwirkung  von  tieferen  Temperaturen.  Dagegen 
ist  es  noch  nicht  gelungen,  eine  Verkürzung  der  Puppendauer  auf  künst- 
lichem Wege,  sei  es  durch  hohe  oder  niedere  Temperaturen,  hervorzurufen. 

In  epidemiologischer  Beziehung  spielen  die  Witterungsverhältnisse 
nach    Thiem    zweifellos    eine    nicht    unbedeutende    Rolle.     ,,Nach    starkem 


ABC  D 

Abb.   475.     A    Freie    Puppe   von   Cliciinalobia    bnimaia   L.    (rechts   Cremaster   vergr.  i, 
B   Erdgehäuse   derselben  nat.   Gr.,   C   und   D   dasselbe  \ergr.    Nach  Thiem. 

Raupenfraß  im  Frühjahr  ist,  wenn  die  Raupen  sich  bei  günstiger  Witterung 
verpuppt  haben,  auch  ein  starker  Frostspannerflug  zu  erwarten.  Herrscht  je- 
doch zur  Zeit  der  Verpuppung  anhaltend  feuchte  Witterung  und  zeichnet  sich 
auch  der  Herbst  durch  starke,  längere  Niederschläge  oder  gar  durch  längere 
und  häufige  Frostperioden  aus,  dann  steht  trotz  des  starken  Raupenfraßes 
kein  entsprechender  Flug  in  Aussicht  und  demzufolge  auch  kein  starker 
Frostspannerfraß  im  nächsten  Frühjahr."  Ätiologisch  wäre  auch  noch  der 
Umstand  heranzuziehen,  daß  es  scheinbar  zu  den  notwendigen  Entwicklungs- 
bedingungen des  Frostspanners  gehört,  daß  die  kleine  Raupe  bereits  auf- 
brechende Knospen  findet,  und  daß,  wenn  solche  nicht  rechtzeitig  vor- 
handen sind,  die  Eiraupen  wohl  zugrunde  gehen  müssen.  Im  letzteren  Fall 
würde  der  Vermehrung  starker  Abbruch  geschehen  (ähnliches  liegt  bei  der 
Kieferneule  vor,  s.  unten).  Die  Gradationsperioden  können  mehrere  Jahre 
dauern. 

Der  Schaden  durch  den  Frostspanner  kann,  wie  oben  schon  betont, 
im  Obstbau  ungeheure  Dimensionen  annehmen.  Bedeutet  doch 
hier  Kahlfraß  einen  vollkommenen  Ausfall  der  Ernte.  Dagegen  ist  seine 
Bedeutung  in  der  Forstwirtschaft  geringer  zu  veranschlagen.  Wieder- 


Escherich,  Forstinsekteii.   III.  Bd. 


Tajel  IX 


Spannerraupen 

1  Geometra  pnpilionnria  L.  2  Chcimatobia  (Opeiüpluhera)  borenta  ///'.  3  Ch.  hrumata  L.  4  Larcntia 
juniperata  L-  3  Eupiihecia  (Thcphrochsiiai  strobilata  ///'.  6  E.  lanceata  Nö.  7  Ephyra  (Codonia) 
pendulaiia  (_'/.  s  Abraxas  srossulariata'  L.  9  A.  svlvata  L.  10  EUopia  prosapiaiMa  L.  11  Ennomos 
quercinaria  I/i/fii.  l'J  Sclcnia  1-iiliinaiia  Esp.  V,  Gonodontis  bidcntata  C/.  14  Himera  pcnnaria  L. 
15  Semioihisa  litiiiaui  f  7.  In  Hihernia  detoliaria  C/.  17  11.  auramaria  Zisy.  li^  Anisoptervx  aescularia 
Schiß.  \9  Phicaliii  ji.  daiiii  F.  20  Biston  hirtnrius  (7.  '-'1  Amphidasis  betiilaria  L.  '2'1  Boannia 
ribeata  Cl.    _;  IS.  cropuscularia  Schiß.    -4  B.  consortaria  F.    125  Hemaiurga  atomaria  L. 


II.  Unterordnung:   Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (S])anncr).         593 

holter  starker  Fraß  kann  aber  auch  zu  empfindlichem  Schaden,  \or  allem 
zum  Ausfall  der  Mast  und  zu  Zuwachsverlust  führen.  Nach  Hart  ig  (1875) 
ist  in  solchen  Jahren  bei  Eichen  die  Breite  des  Jahrringes  auf  1/2 — ^'3  ^^^^  nor- 
malen Breite  reduziert,  und  auch  in  den  Folgejahren  bleibt  sie  noch  gegen 
normale  Verhältnisse  zurück.  Einzelne  Zweige  an  alten  Eichen  können  auch 
dürr  werden.  Besonders  scheinen  Heisterpflanzungen  zu  leiden,  und 
auch  beim  Befressen  des  Aufschlags  kann  bnimata  beteiligt  sein  (siehe 
bei   boreola.   S.    595). 

In  den  jähren  1872  und  1873  trat  der  Frostspanner  am  Nordrande  des  Harzes 
bis  in  die  Gegend  von  Hannover  so  stark  auf,  daß  größere  Eichen-  und  Hainbuchen- 
bestände bis  zum  Juni  laublos  blieben,  in  einem  Mittelwalde  z.  B.  ungefähr  der 
dritte  Teil  des  Eichenoberholzes.  Diese  Eichen  belaubten  sich  erst  wieder  im  Juli 
langsam  aus  Blattachselknospen  (Hart  ig).  Die  Fraßperiode  dauerte  drei  Jahre. 
Ende  der  70  er  und  Anfang  der  80  er  Jahre  sind  mehrere  Jahre  hindurch  die  Eichen 
in  Neuvorpommern  und  Rügen,  namentlich  aber  in  den  Forsten  der  Universität 
Greifswald  so  stark  befressen  worden,  daß  schließlich  zur  Abwehr  geschritten  wer- 
den mußte  (Wiese,  1873  und  1882'..  Im  Jahre  1905  war  starker  Fraß  (Kahlfraß) 
am  Unterharz  (Prediger,  1905)  und  1914  15  Kahlfraß  in  80— 100 jährigen  Eichen- 
beständen eines  westfälischen  Schutzbezirkes.  In  den  meisten  Fällen  war  auch  der 
Eichenwickler  {Tortrix  viridaiia  L.  i   an  dem   Fraß  beteiligt. 

An  natürlichen  Feinden  scheint  es  dem  Frostspanner  nicht  zu 
fehlen,  w^enn  dieselben  vielleicht  auch  bei  der  Verminderung  der  überhand 
genommenen  Individuenzahl  keine  so  erhebliche  Rolle  spielen  wie  bei  an- 
deren Schmetterlingen  (dem  Kiefernspanner,  der  Eule  usw.).  „Der  späte 
Flug  der  Falter  im  Herbst,  der  frühzeitige  Fraß  der  Raupen  im  Frühjahr  sind 
Anpassungserscheinungen  des  Frostspanners  an  insektenarme  Jahreszeiten, 
ein  Schutz  gegen  Schmarotzerinsekten."  Die  Regulierung  erfolgt  beim  Frost- 
spanner wohl  mehr  durch  abiotische  (klimatische)    Faktoren  (siehe  oben». 

Als  Feinde  des  F  r  o  s  t  s  p  an  n  e  r  s  werden  genannt: 
von  Vögeln:  Stare,  Saatkrähen,  Spechte,  Kleiber,  Grasmücken,  Meisen.  Gold- 
hähnchen, Finken,  Sperlinge; 
von  Insekten:  Silpha  qiiadri punctata  L.,  Calosoiua  inc/uisilor  L.  (s.  Bd.  II, 
S.  44),  Ameisen,  Florfliegenlarven,  Panorpa  communis  L.  (Eid- 
mann), Wanzen  und  Spinnen.  Die  beiden  letzteren  setzen  auch  den 
Faltern  mit  Erfolg  nach  (Thiem). 

Als  Parasiten  von  Ch.  l^ruDuitti  führt  Thiem  (nach  Stell  waag) 
folgende  Arten  an: 

a)  von  I  chn  e  u  mon  icl  en:  Ca/upDplc.x  pugi Ilator  Grav.,  Crypt//s  poeci- 
lops  Krchb.,  Pezo»uulnis  audax  Forst.,  Phygadeuoii  brumatae  Rd\\-.,  IcJineu- 
moii  jabricator  L.,   /J lu/icriui/i  spectabile  D.  T.   und  unici/ictum   Grav.; 

h)  \on  Braconiden:  Apanteles  all)i peuiiis  Nees.,  carbonarius  Wesm., 
iiniuuuis  Marsh.,  ju/ii peratae  Bouchc,  Meteorus  irlcricus  Nees.,  paUidus  Nees. 
und  pulcJiriconiis  Wesm. 

Auch  Mykosen  scheinen  hie  und  da  aufzutreten,  jedoch  ohne  prak- 
tische Bedeutung  (Reh). 

Die  Bekämpfung  des  Frostspanners  ist  beim  Obstbau  sehr  wirksam 
durchzuführen  durch  rechtzeitiges  (vor  den  ersten  Frösten!)  Anlegen  von 
Leimringen  in  i  — 1,5  m  Höhe.  Sie  müssen  bis  Ende  Mai  fängisch  bleiben 
bzw.  erneuert  oder  angerauht  werden.  Auch  durch  Bespritzen  oder  Bestäuben 
mit  einem  Arsenpräparat  im   Frühjahr  können  gute  Erfolge  erzielt  w^erden. 

Escherich.  Forstinsekten,  Bd.  III.  38 


594 


IL  Spezieller  Tel 


Im  Forst  wird  man  wohl  kaum  jemals  oder  nur  ganz  selten  in  die  Lage 
kommen,  zum  Leimring  zu  greifen  (s.  Wiese,  1882,  Wolf  f,  191 5).  Dagegen 
kann  bei  besonders  hartnäckigem  Fraß  Arsenbestäubung  angezeigt  sein. 
Eidmann  (1930)  berichtet  über  einen  solchen  Fall  von  der  preußischen 
Oberförsterei  Kottwitz  (bei  Breslau),  wo  seit  einer  Reihe  von  Jahren  Laub- 
holzaltbestände derart  von  Cheimatobia  briimata  L.  (in  Verbindung  mit 
Tortrix  viridafia'L.)  befressen  wurden,  daß  eine  Arsenbekämpf ung  notwendig 
erschien.  Die  Bestäubung  wurde  vom  Boden  aus  mit  Motorverstäuber  (von 
der  Firma  Schering)  ausgeführt  und  brachte  einen  vollen  Erfolg.  Bereits  un- 
mittelbar nach  der  Bestäubung  ließ  der  Fraß  sehr  stark  nach  und  nahm  dann 
rasch  bis  zu  fast  völligem  Stillstand  ab.    „Die  Wirkung  des  Giftes  steigerte 


Abb.   476. 


Buchenaufschlag   von   Cheimatobia    boreata    Hb.    zerfressen, 
stein   (aus  Nüßlin-Rhumbler). 


Nach   Eck- 


sich  nach  3  Tagen  zu  tödlicher  Wirkung.  Der  Frostspanner  wurde  durch  die 
Bestäubung  nahezu  völlig  vernichtet  und  die  befallenen  Bestände  vor  wei- 
terem  Fraß  gerettet." 

Die  Bionomie  der  an  der  schwarzköpfigen  Raupe  unschwer  zu  er- 
kennenden Cheimatobia  boreata  Hb.  (bei  Wolff  und  Krauße:  Opero- 
phthera  fagata  Scharf b.),  des  „Buchenf  rost spann e  rs",  stimmt  in  den 
wesentlichen  Punkten  mit  der  von  brii^nata  überein;  so  in  bezug  auf  die  Flug- 
zeit, die  Dauer  der  einzelnen  Entwicklungsstadien,  den  ganzen  Ablauf  der 
Entwicklung  usw.  Auch  die  Art  des  Raupenfraßes  (Löcherfraß),  die  Ge- 
wohnheit, die  Blätter  zu  verspinnen,  hat  boreata  mit  bnimata  gemeinsam.  Wo 
die  Eiablage  von  boreata  stattfindet,  ist  nicht  näher  bekannt. 

Die  geographische  Verbreitung  von  boreata  scheint  etwas  enger  zu  sein 
als  die  von  brumata  und  in  England  und  der  Nord-  und  OstseeküsLe  seine 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner).        595 

nördlichste,  in  der  Schweiz  und  Mittelfrankreich  seine  südlichste  Grenze  zu 
erreichen.  Bezüglich  der  F  r  a  ß  p  f  1  a  n  z  e  n  ist  boreata  weit  wählerischer  als 
brumala.  Er  scheint  vor  allem  Birke  und  ganz  besonders  Buche  zu 
lieben  1). 

Ch.  boreata  Hb.  ist  forstlich  weit  beachtenswerter  als  bnnnala, 
vor  allem  deshalb,  weil  durch  sie  der  Buche naufschlag  nicht  selten 
völlig  vernichtet  wird  (Abb.  476).  Der  junge  Aufschlag  geht  meist 
gleich  zugrunde;  der  ältere  Aufschlag  begrünt  sich  allerdings  aus  Blatt- 
achselknospen wieder,  jedoch  bleiben  die  Blätter  schwach  und  die  Knospen 
für  das  nächste  Jahr  kommen  nicht  zur  Ausbildung.  Es  beteiligen  sich  zwar 
daran  auch  noch  andere  Spanner,  wie  Hibenna  defoliaria  L.  (der  große 
P^rostspanner)  und  nach  Thiem  auch  brumata  L.;  doch  als  Hauptmissetäter 
kommt  in  solchen  Fällen  stets  boreata  Hb.  in  Betracht.  Auch  durch  Kahl- 
fraß in  älteren  Buchenbeständen  kann  boreata  Hb.  recht  lästig  werden  (vor 
allem  durch  den  Ausfall  der  Buchelmast),  doch  tritt  dieser  Schaden  gegen- 
über dem  erstgenannten  an  nachhaltiger  Bedeutung  wesentlich  zurück. 

In  der  Literatur  (Borgmann,  1886,  Ebermayer,  1883)  und  in  den 
Akten  finden  sich  zahlreiche  Berichte  über  Vernichtung  des  Buchenauf- 
schlages, so  daß  man  boreata  als  einen  sehr  schädlichen  Buchen- 
k  u  1 1  u  r  V  e  r  d  e  r  b  e  r  bezeichnen  muß-). 

Bezüglich   der    Bekämpfung   gilt   das   bei    brumata   Gesagte    (s.    S.    593). 

Hibernia  defoliaria  L. 

(Taf.  VIII.   Fig.  22  u.  23). 
Großer  Frostspanner. 

Durch  seine  größere  Gestalt  des  o',  die  gelbliche  Färbung  der  Vorder- 
flügel, durch  die  gänzliche  Flügellosigkeit  des  q,  durch  die  Färbung  der 
Raupe  ohne  weiteres  von  den  beiden  vorigen  C hei matobia- Arien  zu  unter- 
scheiden. Außerdem  zeigt  auch  das  Flügelgeäder  von  Hibernia  Latr.  wesent- 
liche Unterschiede;  gehört  doch  diese  Gattung  zu  den  Boarmiinen,  Cheinia- 
tobia  Stph.  dagegen  zu  den  Larentiinen  (s.  oben  S.  460). 

Forstlich  nicht  unwichtig;  kommt  nicht  selten  mit  den  beiden  vorigen 
zusammen  vor. 

Falter:  cf  gelb  und  braunrot  mit  grobem,  rostbraunem  Staube.  Vorderflügel 
mit  geschwungenem  Saume,  gewöhnlich  mit  zwei  schwarzen,  stark  geschwungenen, 
auf  den  abgekehrten  Seiten  breit  rostbraun  oder  schwarz  gefärbten  Querstreicen, 
deren  hinterer  auf  Ader  5  mit  abgerundeter  Spitze  weit  saumwärts  tritt.  Auf  diese 
Weise  entsteht  dann  häufig  eine  breite  hintere  Querbinde.  Wellenlinie  durch  dunkle 
Flecken  angedeutet;  Fransen  auf  den  Adern  dunkel  gefleckt.  Alle  Flügel  mit 
dunkelbraunem  Mittelfleck.  Nicht  selten  fehlt  alle  Zeichnung.  Hinterflügel  mit  un- 
gefleckten Fransen  und  ohne  Bogenlinie.    Flügelspannung  reichlich  40  mm  (Abb.  477  A). 

Q    flügellos,   gelb,   schwarz   gefleckt. 

Eier  merklich  größer  als  die  des  kleinen  Frostspanners,  länglich,  gelbweiß, 
später  pomeranzenfarbig. 


1)  In  der  Literatur  ist  auch  noch  Hainbuche  und  Eiche  angegeben,  doch 
dürften  die  Angaben  betr.  dieser  beiden  Pflanzen  auf  Verwechslungen  beruhen 
(Borgmann,   1886). 

2j  Früher  wurde  allgemein  brumata  für  die  Schäden  verantwortlich  gemacht, 
bis  Borgmann  (1886)  auf  die  Unterschiede  zwischen  beiden  Arten  aufmerksam 
machte  und  boreata  als  das  hauptsächliche   Buchentier  feststellte. 

38* 


596 


IL  Spezieller  Teil. 


Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  i6).  Rotbraun  mit  doppelter  dunkler  Rückenlinie  und 
gelben  Seitenstrcit'en.  Stigmenlöcher  weiß,  \on  einem  schwarzen  Ring  umgeben, 
Kopf  rotbraun. 

Puppe    hellbraun,    am    Kopfende    neben    den    Augendecken    2   Knotenspitzchen, 
mit  langer  Cremasterspitze. 
Die  Bioformel  ist: 

94  —  46 
79  +  910 

Der  über  Nord-  und  Mitteleuropa,  mit  Ausnahme  der  Polargegenden, 
verbreitete  Falter  fliegt  etwas  früher  als  der  gemeine  Frost- 
spanner, nach  AI  tum  (18S9)  bereits  Ende  September  und  im  Oktober. 
Der  cf  Falter  hält  sich  gern  niedrig  auf  und  versteckt  sich  oft  am  Boden  auf 
ihm  in  Färbung  sehr  gleichenden  abgefallenem  Laub.  Die  Eier  werden 
einzeln  oder  in  kleinen  Gruppen  in  der  Krone  in  der  Nähe  der  Knospen  ab- 
gelegt. Die  Raupe  sitzt  frei  auf  ihren  Fraßpflanzen,  nicht  zwischen  zu- 
sammengesponnenen Blättern,  und  geht  erst  im  Juli  zur  \>rpuppung 
in  die  Erde.   Sonst  ist  die  Lebensweise  der  der  kleinen  Frostspanner  ähnlich. 

Als  Fraß  pflanzen  werden  die  verschiedensten  Obstbäume  an- 
gegeben, auch  Nußbäume,  sowie  Eiche,  Linde,  Ulme,  Hainbuche, 
Birke,  Buche,  Sorhits.  und  zwar  sowohl  Eisbeere  als  \^ogelbeere, 
B  e  r  g  m  i  s  p  e  1 ,  C  'o/o/irds/cr.  W  e  i  ß  d  o  rn  ,  S  (  h  w  a  r  z  d  o  r  n  ,  Rosen- 
strauch  usf. 

Der  Haupt  schaden  wird  an  Obstl)äumen  \crursacht,  an  denen  die 
Raupe   auch   die    Früchte   angeht,    z.  B.    die   unreifen    Kirschen    seitlich   aus- 


^ 


B  C 

en   (oben   Männchen,   unten  Weibchen 


Abb.   477.    Verschiedene   llil>criii(i-\ 

dejolinria  L.,  B   Hib.  leiicopliaedria   Schiff.,   C   H ib.  iiiori^iiiiiria   F 


A   Hib. 
Etwas  verkleinert. 


höhlt.  Forstlich  wird  sie  namentlich  an  Eiche  schädlich.  Bei  dem  oben  er- 
wähnten Fräße  von  C/i.  bnimata  L.  in  den  Greifswalder  Forsten  war  nach 
Wiese  der  große  Frostspanner  stark  beteiligt.  1853  fand  im  Spessart  nach 
Döbner  an  Eiche  und  Buche  und  nach  Heß  wiederum  im  Jahre  1883  an 
Eiche  ein  Fraß  dieser  Art  daselbst  statt.  Ratzeburg  berichtet  nach 
Werneburg  von  einem  starken  Fräße  in  den  Mittelwaldbeständen  des 
Viernauer  Schutzbezirkes  der  preußischen  Oberförsterei  Schwarza  (Erfurt) 
im  Jahre  1835,  und  in  demselben  Jahre  fand  er  die  Raupe  mit  einer  grünen 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptcra.    Familie  Geometridae  (Spanner).        597 

Spannerraupe,  also  wahrscheinlich  Cli .  borcata  Hb.  an  dem  zweijährigen 
Buchenaufschlage  bei  Eberswalde.  Ein  solcher  gemeinsamer  Fraß  scheint 
sehr  häufig  vorzukommen.  Im  Frühjahr  1929  fand  ein  Kahlfraß  eines 
großen  Teiles  der  Eichen  im  Bienwald  (Rheinpfalz)  statt,  an  dem  haupt- 
sächlich dejoliaria  beteiligt  war.  Auch  Buchein  und  U hnenfrüchte  werden 
durch  die  Raupe  häufig  zerstört. 

Außer  defoliaria  seien  noch  folgende  Hibernia-ts.x\.<iw  genannt,  die  alle  in  ihrer 
Lebensweise  mehr  oder  weniger  übereinstimmen,  ohne  jedoch  bis  jetzt  zu  wirtschaft- 
licher Bedeutung  gelangt   zu  sein. 

H.  aurantiaria  Esp.  O  r  a  n  g  e  g  e  1  b  e  r  F  r  o  s  t  s  p  a  n n e  r.  (Abb.  478  und 
Taf.  VIII,  21),  —  Männchen  (Spannweite  40  mm)  an  seinen  orangegelben,  \ftx- 
loschenen,  veilgrauen  Flügeln  leichr  zu  erkennen. 
o  braun  und  gelb  gefleckt,  mit  kurzen,  hellgrauen, 
etwas  bräunlich  gefleckten,  langbehaarten  Flügelstum- 
meln. Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  17)  braun  oder  grau,  mit 
dunkler  Rückenlinie  und  dunkler,  weiß  gesäumten 
Seitenlinie.  Sie  lebt  an  zahlreichen  Laubhölzern.  Forst- 
lich bisher  noch  kaum  merklich  hervorgetreten.  Bei 
Ratzeburg  findet  sich  die  Bemerkung,  daß  die 
Raupe  „stark  an  Birke  fresse". 

H.    marginaria    F.    (bei    Ratzeburg:    prugem-  ^a^ 

maria    Hb.,    capreolaria    Esp.).     (Abb.  477  C).    —    Flug-  ^»T' 

zeit    Oktober   bis    März,     cf    Vorderflügel    rotgelb,    mit  f 

gelblich-grauer    Mischung    und    schwarzer    Bestäubung. 

Spannweite  36—40  mm.  0  Vorderflügel  zwei  Drittel,  '■^'^'^;  ^T».  Hibernin  auran- 
Tj.         j.,..      ,'        ^,^.         ,   ^     ,  .     '-,       .,..  ,,  liana    Lsp.     f orangegelber 

Hmterflugel  drei  Viertel  so  lang  wie  der  Rorper.  Vor-  Frostspanner).     Oben 

clerflügel  mit  3,  Hinterflügel  mit  2  schwarzen  Quer-  Männchen  unten  Weibchen 
streifen.  —  Raupe  braungelb,  auf  den  vorderen  Ringen  ca    :./ 

mit    braunen,    hell    eingef atzten    Längsstreifen,    auf    den 

hinteren  zwei  Dritteln  mit  braunen  x-förmigen  Rückenflecken.  Lebt  im  Juni  auf 
Eichen,  Birken,  Pappeln,  wilden  Rosen  usw.  Bei  Ratzeburg  findet  sich 
eine  Beobachtung  Saxesens  wiedergegeben,  wonach  die  Raupen  in  Thüringen  ,,den 
Birken  arg  zusetzten". 

H.  bajaria  Schiff.  —  Flugzeit  Oktober,  November,  r?  Vorderflügel  dunkelgrau 
mit  rotbrauner  Mischung,  mit  2  undeutlichen  schwärzlichen  (^uerlinien  und  weiß- 
licher Wellenlinie.  Spannweite  30 — 36  mm.  :■  flügellos,  grau,  am  After  mit  gelb- 
grauen Haarbüscheln.  —  Raupe  grün  oder  braun,  auf  den  ersten  3  Segmenten  eine 
dunkle  Längslinie,  auf  den  übrigen  Ringen  helle,  schwarz  gesäumte  Rückenflecke. 
Lebt  im  Juni   an   Liguster,   Weißdorn,   Schlehe. 

H.  leucophaearia  Schiff.  (Abb.  477  B).  Fliegt  Februar,  März,  n"  Vorderflügel 
grau,  blaugrau  gesprenkelt  und  weißlich  gemischt,  mit  2  schwärzlichen  Querlinien. 
Spannweite  30 — 36  mm.  9  hellgrau,  kleiner  als  bei  der  \origen  Art,  mit  ganz 
kurzen,  haarförmig  gefransten  Flügelstummeln.  —  Raupe  rötlich  oder  schmutzig 
grün,  mit  2  dunklen  Punkten  auf  jedem  Ring,  2  weißlichen  Kücken-  und  2  braunen 
Seitenlinien.    Lebt   auf   E  i  c  h  e  n   und   Espe  n. 

Anisopteryx  aescularia  Schiff. 

R  o  I.')  k  a  s  t  a  n  i  e  n  -  F  r  o  s  t  s  p  a  n  n  e  r. 
Ratzeburg:  PIi.  C .  { Fidonia )  aescularia  Schiff.  —  Judeich-Nitsche :  Geomelra  (Anixo- 
■pleryx)  aescularia  Schiff.  —  Nüßlin-Rhumbler :  Geomelra  (A/iisopleryx.  Alsop/iila) 
aescularia  Schiff.  —  Wolff-Krauße :  Alsophila  aescularia  Schiff. 
Die  Gattung  Auisopleryx.  ebenfalls  zu  den  Boarmiinen  gehörig,  steht  der 
vorigen  Gattung  Hiberuia  nahe.  Das  Geäcler  durch  die  sehr  lange,  bis  zwei  Drittel 
der    Flügellänge   reichende    Miitclzelle   ausgezeichnet    (Abb.  479).     Die    00    mit    ganz 


598 


II.  Spezieller  Teil. 


kurzen    Flügelrudimenten,    breitem,    wolligem    After.     Raupen    am    9.  Segment    mit 
einem   stark   rückgebildeten   Bauchfußpaar. 

Falter:  0^  sehr  kurzleibig  mit  kurz  doppelt  gekämmten  Fühlern,  normal  ge- 
flügelt, mit  langgestreckten  Vorderflügeln.  Diese  weißgrau,  braun  bestäubt,  nament- 
lich am  Vorderrande  und  im  Wurzelfelde.  Vorderer 
Querstreif  sehr  undeutlich,  nur  auf  den  Flügel- 
rändern und  den  Adern  deutlicher;  hinterer  Querstreif 
sehr  weit  spitzenwärts  gerückt,  meist  nur  durch  kurze, 
dunkle  Striche  auf  den  Adern  angedeutet,  spitzen- 
wärts hell  angelegt.  Ein  dunkler  Mittelfleck  vor- 
handen. Flügelspitze  durch  einen  braunen  Schräg- 
strich geteilt.  Saumlinie  dunkel,  auf  jeder  Ader  zu 
einem  Punkte  verdickt.  Randhälfte  der  Fransen 
dunkler.  Hinterflügel  heller  mit  dunkler  Saumlinie 
und  Punkten  auf  den  Adern,  mit  deutlichem,  braunem 
Mittelfleck.  Länge  kaum  10  mm,  Flügelspannung 
35—40  mm  (Abb.  480). 

9  flügellos,  einfach  hellgrau;  P'ühler  borsten- 
förmig,  nicht  geringelt.  Am  Afterende  ein  langer 
Haarbusch. 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  18;:  Gelbgrün,  mit  un- 
deutlicher, dunkler,  hellgesäumter  Mittellinie  und 
weißlichen  Seitenlinien. 

Eier:     Glänzend,    olivbraun,    tonnenförmig    (in 
ringeiförmigen  Eigelegen). 
Puppe:    Kurz   gedrungen,    Cremaster   knöpf  förmig   mit    2   stark   divergierenden 
kurzen  Dornen. 
Bioformel: 

24  —  47 

7-2  +  24 

Biologisch   zeigt  aesciilaria   mehrere   Eigentümlichkeiten   gegenüber   den 

bisher    besprochenen    Frostspannern:    einmal    fällt    die     Flugzeit    in    die 

Monate  Februar  bis  April,  und  sodann  werden  die  Eier  nicht  vereinzelt, 


Abb.  479.    Flügelgeäder  von 
Anisopteryx  aesciilaria  Schiff. 


Abb.  480.  Anisopteryx  aescularia  Schiff.  Roßkastanien- Frostspanner.  Links  rf,  rechts  9. 


sondern  in  Ringen  um  etwa  blcistiftstarke  Zweige  (ähnlich  wie  beim 
Ringelspinner)  abgelegt  (Abb.  481).  Die  Zahl  der  Eier  schwankt  zwischen  50 
und  200.  Die  Ringel  werden  mit  etwas  Afterwolle  bedeckt.  Bei  Massen- 
vermehrungen folgen  sich  manchmal  mehrere  solcher  Ringel  mit  kurzer 
Unterbrechung  an  demselben  Zweig,  der  dann  mehrere  Tausend  Eier  trägt. 
Nach  Danilow  (1893)  sitzen  die  09  auf  den  Eiringeln  einige  Wochen  bis 
zum  Ausschlüpfen  der  Raupen. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner, 


599 


Die  Raupe  ist  polyphag  an  zahlreichen  Laubbä 
Eiche,  Ahorn,  Buche,  Birke,  Erle,  Hasel,  Ulme.  I 
hauptsächlich  auf  austreibende  Knospen  und  Blätter 
spinnt.  Die  Blätter  werden  von  unten  durchlöchert, 
bis  endlich  nur  die  Blattrippen  übrig  bleiben. 

Die  Verpuppung  findet  Ende  Juni,  anfangs  Juli 
in  der  Bodendecke  in  einem  lockeren  Gespinst  statt. 

A.  aescidaria  kommt  nicht  selten  in  stär- 
kerer Vermehrung  zusammen  mit  Ch  bnnnala  L.  vor 
(Ratzeburg).  Schon  mehrfach  schädlich  auf- 
getreten; so  fand  1887  ein  starker  Fraß  in  Westfalen 
statt,  der  sich  1888  bis  zum  Kahlfräße  steigerte; 
gleichzeitig  flog  hier  auch  noch  Hibernia  lei/co- 
pkaearia  Schiff,  (s.  oben).  Nach  Danilow  (1S93) 
und  Z wierizomb-Zubko wski  (1918)  tritt  aescii- 
laria  im  Don-Gebiet  besonders  an  Ulmen  in  Baum- 
schulen oft  recht  schädlich  auf.  Nach  D  a  n  i  1  o  w 
war  der  Schaden  in  den  Jahren  1887/88  (also  in  den 
gleichen  Jahren   wie   in  Westfalen)   besonders   groß. 

Die  Bekämpfung  kann  in  Baumschulen  durch 
Abschneiden  der  Eiringel  geschehen.  Allerdings 
stehen  hierfür  (im  Gegensatz  zum  Ringelspinner) 
nur  wenige  Wochen  zur  Verfügung. 

Die  zweite  Anisopteryx- \ri.  A.  aceraria  Schiff.,  hat 
sich   wirtschaftlich  bisher   noch   nicht   bemerkbar   gemacht. 

Als  letzter  Frostspanner  sei  genannt:  Phigalia  fedaria 
F.  (x^bb.  483),  deren  9  fast  flügellos  und  deren  cf  groß 
ist  (Spannweite  40 — 45  mm)  und  durch  den  spinnerartigen 
Habitus  schon  etwas  an  die  Gattung  j^/jt/ö//  (s.  unten  S.  604 ) 
erinnert.  Raupe  sehr  auffällig  durch  die  bunte  Färbun 
gelb  gefleckt)  und  durch  die  spitzen  behaarten  Warzen, 
sonders  gut  ausgebildet  sind  (Taf.  IX,  Fig.  19). 

In  Rußland  in  Gemeinschaft  mit  verschiedenen  Bi. 
getreten  (s.  unten  S.  6051. 


umen,  wie  Roßkastanie, 

hr    Fraß    erstreckt   sich 

die  sie  ausgiebig  ver- 


Abb.  481.    Eiringel  von 

Anisoptervx  nescularia 

Schiff.     Nach   Reh. 


g    (grünlich,    schwarz    und 
die    am    5. — 11.  Ring   be- 

y/ö/z-Arten    schädlich    auf- 


Von  den  übrigen  genannten  Laubholzspannern  seien  nur  noch  fol- 
gende Arten  als  forstlich  erwähnenswert  hier  besprochen: 


Larentia  dilutata  Bkh. 

Falter  (Abb.  482):  Vorderflüge]  weiß  oder  braungrau  mit  dunkler  Be- 
stäubung; Querlinie  braun,  gewellt,  Wellenlinie  verwaschen.  Hinterflügel  weißlich 
mit  2  dunklen  Querbinden,  Saunilinie  braun,  undeutlich  (Spannweite  ca.  34  mm).  — 
Raupe  grasgrün,  mit  sehr  feinen  weißlichen  Längslinien  imd  zuweilen  mit  purpur- 
braunen Zeichnungen  auf  den  Ringen. 

Der  bei  uns  polyphag  an  verschiedenen  Laubhölzern  (Eiche,  Buche, 
Ulme,  Erle,  Weide  usw.)  fressende  und  bis  jetzt  harmlos  gebliebene  Spanner 
scheint  in  Norwegen  und  Schweden  fast  ausschließlich  oder  wenig- 
stens als  Hauptfraßpflanze  die  Birke  zu  haben  und  dort  auch  stark  zu 
Massenvermehr ungen  zu  neigen. 

Schöyen  (1893)  teilt  über  das  norwegische  \'orkommen  folgendes  niit: 
„Die  Art  findet  sich  über  ganz  Norw-egen  ausgebreitet  und  wird  sow^ohl  nord- 


600 


II.  Spezieller  Teil. 


wärts  als  mit  steigender  Elevation  in  den  Gebirgen  immer  häufiger,  überall, 
wo  sein  Lieblingsfutter,  Betida  odorata,  Wälder  bildet;  dort  fliegen  im 
Herbst  die  Schmetterlinge,  immer  in  beträchtlicher  Anzahl,  in  einigen 
Jahren  so  massenhaft,  daß  ihre  Schwärme  ein  wolkenartiges  Aussehen  dar- 
bieten. Wie  die  Birkenwälder  unter  solchen  Umständen  von  den  Raupen 
verwüstet  werden  können,  davon  kann  man  sich  durch  die  folgende  Korre- 
spondenz aus  der  Bergstadt  Röros  (24.  i.  1884)  von  der  Hand  eines  Forst- 
mannes eine  Idee  machen:  „In  den  beiden  Jahren  1882 — 83  war  im  Monat 
Juni  der  Wald  wie  belebt,  es  war  überall  ein  Kriechen  und  Krabbeln  sowohl 
an  den  Bäumen  als  auf  der  Erde;  ging  man  unter  den  Bäumen  umher,  so 
wurde  man  in  einem  Augenblick  ganz  grün  an  seinen  Kleidern  von  den 
herunterfallenden  Raupen,  und  schlug  man  mit  einem  Stock  an  einen 
Birkenbaum,  so  rieselten  die  Raupen  wie  Regentropfen  nach  einem  starken 
Regen.  Sich  im  Walde  zur  Ruhe  zu  setzen,  war  unmöglich;  man  wurde 
nirgends  in  Frieden  gelassen,  und  die  Wald-  und  Wegearbeiter  wurden  arg 
geplagt."  ,,Als  ein  Beispiel  dafür,  in  welchen  Massen  diese  Raupen  sich 
vorfanden,  kann  genannt  Sv-erden,  daß  die  Wege  über  lange  Strecken  so  dicht 
davon   bedeckt   waren,   daß   sie   ganz   grün  aussahen,   ganz   wie  mit   Gras   be- 


Abb.  482.    Larenlia  diliilnla   Bkh. 


Abb.  483.    Fliigalia   f-edar'.n    F. 


wachsen.  Nach  den  Wagenrädern  zeigten  sich  hellgrüne  Streifen  von  den 
zerquetschten  Raupen;  gleich  nach  einem  starken  Regenschauer  fanden  sich 
in  den  Weggräben  solche  Raupenmassen,  daß  sie  dicke  Lagen  bildeten,  die 
mit  den  Händen  aufgeschöpft  werden  konnten,  —  sie  waren  in  Milliarden 
vorhanden." 

„Im  Laufe  des  Monats  juIi  \erpuppten  sich  die  Raupen,  und  im  August 
erschien  das  ausgebildete  Insekt  in  so  großen  Massen,  daß  man,  wenn  man 
durch  einen  Birkenwald  fuhr,  denken  konnte,  es  wäre  Winter  und  Schnee- 
wetter, indem  die  Schmetterlinge  große  und  dichte  weiße  Wolken  bildeten. 
Kam  man  in  eine  solche  Wolke  hinein,  mußte  man  unaufhörlich  mit  den 
Händen   herumschlagen,    um   das    Gesicht    und    die    Augen    frei    zu    halLcn." 

Trägärdh  (1921)  stellte  in  Schweden  eingehende  epidemiolo- 
gische Untersuchungen  an,  und  zwar  vor  allem  über  die  Zusamm.en- 
hänge  von  Gradation,  Parasitenvorkommen  und  Klima,  deren  Ergebnisse  des 
allgemeinen  Interesses  halber  hier  auszugsweise  mitgeteilt  seien: 

„Die  eigentümliche  Erscheinung,  daß  L.  dilutata  Bkh.  nur  in  gewissen 
Gegenden  periodisch  zu  Gradation  gelangt,  kann  ,,nur  durch  die  Annahme 
erklärt  werden,  daß  gerade  in  diesen  Gegenden  gewisse  Hemmungsfaktoren 
ausgeschaltet  worden  sind.    Erstens  die  rote  Waldameise  (Formica  rufa  L.), 


II.  Unterordnung:  RIacrolepidoptera.    Familie  Gcometridae  (Spanner).        601 

welche  sonst  den  Schmettcrlingsraupen  in  den  Birken  sehr  eifrig  nachstellt, 
aber  in  diesen  Gegenden  sehr  spärlich  vorkommt.  Weiterhin  sind  in  dieser 
Beziehung  auch  die  Parasiten  zu  erwähnen.  Es  wurden  zwei  Arten,  Rhogas 
circitmscriptiis  Nees  und  Itopleclis  alleniaiis  var.  KoUhoffi  Auriv.,  gezüchtet. 
Beide  sind  ausgesprochen  polyhag  und  dürften  demnach  in  den  Gegenden, 
wo  immer  mehrere  Wirtstiere  vorhanden  sind,  ziemlich  zahlreich  vorhanden 
sein.  Wenn  wir  aber  annehmen,  daß  in  der  Birkenzone  unserer  Gebirgs- 
gegenden Cidaria  (=  Larentia)  dilutala  das  einzige  Wirtstier  ist,  so  folgt 
daraus,  daß  die  betreffenden  Parasiten  gewöhnlich  außerordentlich  selten 
sein  müssen,  weshalb  sie  nicht  von  Anfang  an  in  genügender  Zahl  vorhanden 
sind,  um  die  Zunahme  von  Cidaria  zu  verhindern.  Es  dauert  dies  ein 
paar    Jahre. 

„Es  ist  also  wahrscheinlich,  daß  die  Abwesenheit  der  Waldameise  so- 
wie anderer  Wirtstiere  als  Cidaria  dilutata  zu  den  beiden  Schlupfwespen 
Rhogas  circiimscri ptiis  und  Itoplectis  alteriiaiis  die  ersten  Bedingungen  zu 
der  Massenvermchrung  des  Schmetterlings  in  der  Birkenzone  der  schwedi- 
schen  Hochgebirge  darstellen. 

,, Außerdem  müssen  auch  klimatische  Einflüsse  einwirken.  Es  zeigt  sich, 
daß  im  Jahre  19 17,  d.  h.  im  Jahre  vor  der  hauptsächlichen  Verheerung 
zwei  außergewöhnlich  warme  Perioden  vorkommen.  Erstens 
Ende  Mai  bis  Ende  Juni  35  Tage  mit  einer  Mitteltemperatur  von  14,8  Grad 
Celsius,  während  die  entsprechenden  Zahlen  für  1916  und  1918  nur  10,6  Grad 
Celsius  resp.  10,2  Grad  Celsius  waren.  Außerdem  war  im  August  1917  die 
Mitteltemperatur  14,5,  während  die  entsprechenden  Zahlen  für  1916  und  191S 
nur  10,9  resp.  12,4  waren.  Es  scheint  also,  als  ob  ein  warmer  Frühling  und 
ein  warmer  Herbst  die  Massenvermehrung  von  L.  diliilala  Bkh.  begünstigen. 

,,Die  Parasiten  von  Ijireiitia  dilutata  Bkh.  konnten  erst  im  Jahre  19(9 
studiert  werden.  Die  l^ntersuchung  wurde  Anfang  Juli  bei  Medstugan  in 
Jämtland  vorgenommen.  Sämtliche  Larven,  die  allerdings  dort  zu  dieser  Zeit 
sehr  spärlich  vorkamen,  waren  parasitiert,  und  zwar  wurden  aus  30  Larven 
folgende  Parasiten  gezüchtet:  Rhogas  circumscri ptiis  Nees.  27  Exemplare, 
Itoplectis  altenians  Grav.  \ar.  Koltho/fi  Auri\-.  i  Exemplar,  Gclis  alternaiis 
Thnbg.  var.  petutaiis   Forst,    i    Exemplar,   Cjclis  i//stat)i/is   Forst,    i    Exemplar. 

„Von  diesen  Arten  sind  die  beiden  Gelis-iKrttn  unzweifelhaft  Hyper- 
parasiten.  Die  beiden  ersteren  Arten  haben  eine  große  Verbreitung  und 
sind   polyhag. 

., Rhogas  befestigt  die  leere  Larvenhaut  der  Larentia  in  sehr  charakte- 
ristischer Weise  auf  dem  Blatt.  Ehe  die  Larve  stirbt,  sind  ihre  Bauchfüße 
fest  in  einigen  Spinnfäden  auf  dem  Blatt  befestigt.  Nachdem  der  Parasit 
den  Vorderteil  der  Larve  entleert,  biegt  er  den  Kopf  und  den  Thorax  durch 
rhythmische  Bewegungen  nach  unten  um,  bis  schließlich  die  Larvenhaut  das 
Blatt  berührt.  In  demselben  Augenblick,  wenn  dies  geschieht,  bohrt  der 
Parasit  ein  Loch  durch  die  Haut;  aus  diesem  tritt  ein  wasserklarer  Tropfen 
einer  Flüssigkeit  heraus,  welche  rasch  koaguliert,  wodurch  die  Larveiihaut 
an  dem  Blatt  befestigt  wird.  Die  Larvenhaut  wird  nachher  ganz  starr  und 
braun  gefärbt.  Diese  Methode  scheint  den  Rhogas-r^xX.QX\  eigen  zu  sein,  ist 
aber  offenbar  von  den  Forschern  nicht  genügend  berücksichtigt  worden. 

„Trotzdem  in  diesem  Falle  looo'o  der  Lar^'en  parasitiert  waren,  ist  es 
doch   wahrscheinlich,    daß   viele    Larven,    und   zwar   die   gesunden,    zu   dieser 


602 


II.  Spezieller  Teil. 


Zeit  bereits  die  Birken  zwecks  Verpuppung  verlassen  hatten,  also  diese  Zahl 
zu  hoch  ist.    Diese  Frage  konnte  aber  nicht  studiert  werden." 

Deilinia  pusaria  L. 

Birkenspanner. 
Ratzeburg:   Ph.  B.  (Cabera)  pusaria  L. 
Falter:    Flügel  weiß,   fein   grau  bestäubt,   auf   den   Vorderflügeln   3,   auf   den 
Hinterflügeln  2  bräunlich  graue  Querbinden  (Abb.  484). 

Raupe  grün,  auf  dem  Rücken  breite,  rotbraune  Flecken  mit  weißer  Um- 
säumung, oder  die  ganze  Raupe  dunkelbraun  mit  breitem,  hellerem  Rückenstreifen. 
Puppe  glänzend  dunkelbraun,  Ci-emaster  einfach,  stumpf. 
Die  Raupe  lebt  vorzugsweise  an  Birken  und  Erlen,  dann  aber  auch 
an  Weiden,  Buchen,  Eichen  und  Aspen.  Besonders  stark  ist  der  Fraß 
auf  jungen  Pflanzen  (Heistern).  Verpuppung  im  Boden.  Zwei  Generationen, 
im  Mai  und  August. 

Ennomos  quercinaria   Hfn. 

Die  Gattung  Ennomos  Tr.  enthält  ziemlich  plumpe  Falter  mit  scharfer  Vorder- 
flügelspitze und  wenigstens  auf  m.^  geeckten  Flügeln;  letztere  werden  in  Ruhelage 
aufgestellt  getragen  (wie  bei  Bupalus).  Raupen  langgestreckt,  10 füßig  mit  Quer- 
wülsten und  kleinen  Höckern  und  scharf  abgesetztem,  großem  Kopf. 

Von  den  durch  ihre  stark  gezackten  breiten  Flügel  ausgezeichneten 
,, Zackenrandspannern"  ist  lediglich  quercinaria  bis  jetzt  als  Schädling  be- 
obachtet worden   (Krauße,    1919). 

Falter  (Abb.  485):  Die  Färbung  von  E.  quercinaria  ist  bleich,  ockergelb; 
Vorderflügel  mit  2  braunen,   beschatteten  Querlinien,  von  denen  sich  die  äußere  auf 


Abb.  484. 
Deilinia   pusaria   L.    (Birkenspanner 


Abb.  485.    Ennomos  quercinaria   Hfn. 


die  Hinterflügel  fortsetzt.  Unterseite  der  Vorderflügel  mit  violettbrauner  Spitze,  die 
der  Hinterflügel  ganz  violettbraun.  Spannweite  35 — 38  mm.  —  Raupe  (Taf.  IX, 
Fig.  II)  rotbraun  (es  kommen  auch  grüne  vor),  mit  Wülsten  auf  dem  5.,  6.  imd  8. 
und  zwei  Warzen  auf  dem  11.  Ring.  Die  Puppe  ist  (Krauße,  19 19)  an  dem 
Cremaster  leicht  zu  erkennen:  er  besteht  aus  8  Haken,  von  denen  4  an  der  Spitze 
und  4  kleinere  mehr  kopfwärts  stehen. 

Nach  Forstmeister  Terstesse  zeigte  sich  (Krauße,  1919)  der  Fraß  in 
Saarbrücken  „Ende  Mai  zuerst  an  unterdrückten  Buchen,  dehnte  sich  aber 
bald  auf  dominierende  Bäume  aus,  so  daß  Mitte  Juni  in  den  befallenen  Di- 
strikten Kahlfraßstellen  von  i  bis  4  ha  festgestellt  wurden.  Befallen  waren 
80 — 1 00jährige  Buchen.  Das  Fraßgebiet  liegt  auf  einem  flachen  Bergrücken 
von  etwa  3  km  Länge  und  i  km  Breite  aus  Buntsandstein  und  zwar  mitten 
in    einem    2500  ha   großen   geschlossenen   Waldkomplex."     Mitte    Juni    waren 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner;. 


603 


die  Stämme  mit  den  Raupen  (sowohl  der  grünen  als  der  braunen  Form) 
reich  besetzt.  Die  Puppen  wurden  an  den  Stämmen,  etwa  in  Brusthöhe, 
hinter  Rindenstücken,  besonders  aber  in  den  Astwinkeln  unterdrückter 
Buchen    leicht    eingesponnen   und   meist    zu    mehreren    zusammen    gefunden. 

Außer  auf  Buche  lebt  die  Raupe  auch  noch  auf  Eiche,  Birke, 
Linde,  Hainbuche,  an  Salweiden  und  Obstbäumen  (l:)esonders 
Apfelbäumen). 

Die  Art  ist  sehr  weit  verbreitet  über  Zentraleuropa,  Südskandinavien, 
Livland,    Norditalien,    Dalmatien,   im   Taurus   und  in   Armenien. 

Krauße  zog  als  Parasiten  Phnpla  examinalor  F. 

Von  den  übrigen  Eii/iomos-IKnen,  wie  oliiinria  L.  (Raupe  braun,  mit  dunkler, 
fleckiger  Zeichnung,  auf  dem  5.  und  9.  Ring  je  einen  Doppelhöcker,  auf  dem 
II.  Ring  2  Spitzen:  lebt  Mai,  Juni  auf  Birke,  Linde  und  Weide),  erosarin  Hb. 
(Raupe  hell  graubraun,  auf  dem  2.,  5.,  6.  und  8.  Ring  wulstige  Erhöhungen,  auf  dem 
II.  Ring  2  Spitzen:  lebt  auf  Birken,  Eichen,  Linden  und  Buchen),  und 
quercaria  Hb.  (Raupe  ähnlich  wie  die  von  erosaria,  aber  blässer:  lebt  nur  auf 
Eichen)  —  ist  bis  jetzt  noch  kein  größerer,  wirtschaftlich  bedeutungsvoller  Fraß 
beobachtet. 


Das  gleiche  trifft  zu  für  die  naheverwandte  Gattung  Selenia  Hb.,  deren  eckige 
Flügelform  ganz  an  Enitonios  erinnert  (Abb.  486);  auch  die  Raupen  haben  durch 
ihre   wulstigen   Erhöhungen   und    Fortsätze   eine   unverkennbare   Ähnlichkeit   mit    den 

Raupen  der  vorigen  Gattung.  Die  3  Arten 
leben  an  Laubholz,  ohne  daß  aber  bis 
jetzt   ein  stärkerer   Fraß  bemerkt  wurde. 


Abb.  486.    Flügelgeäder  von  Selenia 
tetralunaria  Hfn. 


Abb.  487.    Sei e nid  liinaria  Schiff. 


Sei.     bilunaria     Esp.     (Taf.     VIII, 
Fig.    18).    Raupe   dick,   rindenartig   grau 
oder    braun,    mit    zweispitzigem    Höcker 
auf    dem    8.     und    9.    Ring     (Taf.     IX, 
Fig.  12).     Lebt  Juni   bis   September   auf   Erlen,   Weiden,   Linden. 

Sei.  lunaria  Schiff.  (Abb.  487).  Raupe  bräunlich,  dunkel  gefleckt,  mit  Er- 
höhungen auf  dem  5.,  6.,  9.  und  10.  Ring.  Juni  bis  September  auf  Schlehen, 
Linden  und  Rosen. 

Sei.  tetralunaria  Hfn.  Raupe  rindenartig  grau  mit  hellen  uitcI  dunklen  Flecken; 
auf  dem  5.,  6.,  8.  und  9.  Ring  Erhöhungen.  Juni  bis  September  auf  Hasel,  Erle, 
Eiche,    Birke,   We  i  d  e  n   usw. 

Zu  den  Spannern  mit  gezacktrandigen  Flügeln  gehört  auch  noch  die  Gattung 
Gonodoniis  Hb.  mit  der  einzigen  Art  bidenlala  Gl.  (Abb.  488),  deren  Raupe  —  grau 
braun  oder  schwärzlich,  mit  unregehnäßigen  dunklen  Flecken,  auf  dem  11.  Ring  ein 
kleiner  Höcker  (Taf.  IX,  Fig.  13)  —  nicht  selten  auf  Pappeln,  Schlehen, 
Eichen  und  Erlen  lebt. 


604 


II.  Spezieller  Tel 


Himera  pennaria  L. 

(Taf.  VIII,  Fig.  24.1 
Hagebuchen  Spanner. 

Falter:  Flügel  nicht  gezackt,  nur  mit  einigen  flachen  Ausbuchtungen.  Fühler 
des  cf  sehr  lang,  doppelt  gefiedert.  Vorderflügel  hell  rotbraun,  mit  2  braungelben. 
dunkelbraun  beschatteten  Querlinien,  braunem  Mittelfleck  und  einem  weißen,  schwarz 
geränderten  Fleck  vor  der  Spitze.  Rippen  gelblich  bestäubt.  Hinterflügel  lichter, 
mit  doppeltem,  dunklem   Mittelstreif.    Spannweite  42 — 44  mm. 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  141  fein  behaart,  graubraun,  fleckenartig  dunkelbraune 
Zeichnung  an  den  Seiten,  rindenfarbig;  oder  grau  mit  gelben  Längslinien  und 
Seitenflecken:   auf  dem    11.  Ring   mit   2  Spitzen. 

Nitsclie  berichtet  über  einen  star- 
ken Fraß  des  Hagcljuchenspanners  in 
Ihigarn  in  den  Jahren  1891   und  92. 

.,Die  Raupe  entwickelte  sich  beveit.s 
\or  Ausbruch  des  Laubes  und  fraß  die 
Knospen  aus,  so  daß  ganze  Bestands- 
partien zunächst  kahl  blieben.  Nach  dem 
Laubausbruche  verbreitete  sie  sich  in  die 
angrenzenden  Bestände  und  entlaubte 
dieselben,  indem  sie  Knospen  und  Blät- 
ter bis  auf  den  Ilolzkörper  verzclirte, 
und  zwar  auf  ..Hunderten  v(^n  Jochen". 
l)is  Mitte  Mai. 
Erd-  itnd 
Kokon  im  Boden.  Die  Flugzeit  des  Spanners  fiel 
und  in  den  Anfang  des  Novembers. 

,,Die  auf  Laubhölzern  durchaus  polyphage  Raupe,  die  sogar  den 
Nußbaum  nicht  verschmähte,  bevorzugte  die  Trauben  eiche  ttnd  die 
Weißbuche.  Mittelhölzer  von  20 — 40  Jahren  und  lichtgestellte  Eichen- 
besamungsschläge wurden  besonders  geschädigt.  Obgleich  sich  die  Kahl- 
fraßgebiete im  Laufe  des  Sommers  wieder  begrünten,  fand  doch  überall  ein 
erheblicher  Zuwachsverlust  statt,  und  die  erwartete  reichliche  Eichelmast 
blieb  aus." 

Biston  hirtarius  CK 

(Taf.  VIII,  201. 

Die  Gattung  Bis  ton  ist  vor  allem 
durch  den  spinnerartigen  Habitus  des  cT 
ausgezeichnet.  Bei  manchen  Arten  haben 
die    CO    rudimentäre    Flügeni. 

B.  Jiirlarius  CT.  besitzt  auch  im  weiblichen 
Geschlecht  vollständige  Flügel,  nur  sind  sie 
dünner  beschuppt  als  beim  o\  Vorderflügel 
weißlich,  dicht  schwarzgrau  bestäubt,  mit  3 
breiten  schwarzbraunen  Querbinden.  Leib  sehr 
dick,  nach  hinten  \erjüngt.  Spannweite  44  mm 
Abb.  48g  I. 


Abb.  488.    GoiKxionlis  hiileiihila  C 


Der   Fraß  dauerte  \on  Ende  März  bi::^ 
puppung   in   einem   aus   versponnenen 


.\lsdann  erfolgt'-  die  \^er- 
llolzteilcheir"  \  erfertigten 
in  das  Ende  des  Oktobers 


Abb.  489.    ßislnii  Jiirhiriiis  C. 


1)    Sie  stimmen   hierin   mit   den   ,, Frostspannern"   überein.    Auch   ihr   Erscheinen 
ist  meist  sehr  frühzeitig,   wenn  auch  nicht  so  frühzeitig  wie  das  von  A/iisopfery.x. 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.    Familie  Geometridae  ( Spanner j.        605 

Raupe  (Taf.  IX,  Fig.  201  aschgrau  oder  braun,  mit  gelben  Warzen,  gelbem 
Halsband  und  dunklen  Längslinien;  auf  jedem  Ring  2  gelbe  Fleckchen,  auf  dem 
]  I .  Ring   2  schwärzliche   Spitzwarzen. 

Raupe  lebt  Juni  bis  September  polyphag  auf  Eichen,  Ulmen,  Wei- 
den, Pappeln  und  Obstbäumen.  In  Rußland  in  Ulmenpflanzungen  und 
-beständen  schädlich  aufgetreten  (Schewyreuw  und  Ssacharow);  hat 
auch  verschiedentlich  an  Steinobstbäumen  und  an  Hopfen  (Bayern)  Kahl- 
fraß  verursacht. 

Biston   stratarius   Hfn. 

P  a  p  p  e  I  s  p  a  n  n  e  r. 

Falter:  c  wie  beim  vorigen,  mit  vollkommenen  P^lügeln.  Vorderflügel  grün- 
lich w^eiß,  schwarz  gesprenkelt,  mit  zwei  schwarzen,  stark  gezackten  Querstreifen,  die 
ein  helles  Mittelfeld  einfassen.  Hinterflügel  hell,  aber  mit  dichter,  dunkelbrauner 
Bestäubung  und  einer  breiten,  dunklen  Querbinde. 

Raupe  rostbraun  oder  aschgrau,  mit  feinen  \\'arzen  und  seitlichen  Höckern 
auf  dem   i.,  7.  und  8.  Ring,  und  auf  dem   11.  mit  einem  Querwulst. 

Die  Flugzeit  des  Pappelspanners  fällt  in  die  Monate  März  bis  An- 
fang Mai.  Die  Falter  kopulieren  am  Stamm;  die  Weibchen  kriechen  sodann 
Stammauf wärts,  um  in  den  Kronen  ihre  Eier  (bis  2000!)  abzulegen.  Die 
Verpuppung  findet  wenige  Zentimeter  tief  im  Boden  statt.  Als  Fraß- 
pflanze  werden  Pappel,   Linde  und  Eiche  angegeben. 

Dieser  Spanner  wurde  erst  vor  kurzem  von  dem  russischen  Entomologen 
S  tschelkano  vzcf  f  (1928)  in  die  Forstentomologie  eingeführt,  und  zwar 
auf  Grund  eines  schädlichen  Auftretens  in  den  Eichenbeständen  des 
Schipower  Waldes.  Der  Fraß  begann  während  der  Dürre  1920 — 1924  und 
hielt  bis  1928  an.  Die  regnerischen  Jahre  1926 — 1928  mit  naßkaltem 
Frühjahr  bereiteten  das  Ende  der  Gradation  vor.  Die  Raupen  starben  in 
Massen  wahrscheinlich  an  Bakteriosen.  Die  Folgen  des  Fraßes  waren  sehr 
empfindliche;  gingen  doch  30  "n,  ja  stellenweise  70 — 80 '»'0  der  befallenen 
Bäume    ein. 

Von  den  übrigen  Biston-\new  sei  noch  B.  pomonarius  Hb.  genannt:  Kleiner  als 
hirlarius.  (^  noch  mehr  spinnerartig  wie  bei  der  vorigen  Art.  Flügel  schmal,  durch- 
scheinend; Vorderflügel  weißgrau,  mit  4  verwaschenen,  dunklen  Querlinien,  Hinter- 
flügel mit  2  sehr  undeutlichen.  Der  wollige,  schwarze  Hinterleib  mit  rotgelben 
Rückenstreifen,  Q  mit  kurzen  Flügelstummeln.  Raupe  hellgrau  mit  gelben  Längs- 
linien, rotgelbem  Halsring  und  braunen,  spitzigen  Warzen,  die  auf  gelben  Flecken 
stehen.    Lebt   Mai  bis   Juli   auf  Eichen   und   Obstbäumen. 

Neuerdings  berichtet  Ssacharow  (19251  über  größere  Beschädigungen  durch 
^■erschiedene  Biston-.\x\.Q\i  {B .  hirtarius  Cl.,  lüspidarius  F.  und  pomonarius  Hb.)  in 
Gemeinschaft  mit  anderen  Spannern,  wie  PhigaUa  pedaria  F.  (Abb.  483  und  Taf.  IX, 
Fig.  19),  Anisopteryx  aescularia  Schiff,  und  dem  Ulmenspinner  Exaereta  iilini 
Schiff,  in  Rußland.  Die  genannten  Schmetterlinge  traten  1921  in  einigen  Wald- 
clistrikten  des  Gouvernements  Saratow  in  ungeheuren  Mengen  auf  und  richteten  in 
den  Wäldern  und  Gärten  großen  Schaden  an.  Die  Gradation  dauerte  mehrere  Jahre, 
so  daß  zahlreiche  Bäume  eingingen  bzw.  sekundären  Schädlingen  zum  Opfer  fielen. 

Die  Bision- kx\.QVi  kommen  nach  Ssacharow^  bei  sehr  niedrigen  Temperaturen 
aus  den  überwinterten  Puppen  (bei  einer  Temperatur  der  oberen  Erdschicht  von 
-[-1,8  0  C  und  einer  Lufttemperatur  von  -|~  8  bis  -|-I2  0  C)i). 


1)  Bei  dem  Roßkastanien- Frostspanner  Anisopteryx  aescularia  Schiff,  geht  das 
Ausschlüpfen  schon  bei  einer  Bodentemperatur  von  0,7  ''  C  und  einer  Lufttemperatur 
A-on  1,4°  vor  sich. 


606 


II.  Spezieller  Teil. 


Die  Zahl  der  Eier  schwankt  nach  Ssacharow  zwischen  500  und  i  ^oo.  Die 
Eier  werden  in  Rindenritzen  usw.  abgelegt.  Die  Raupenentwicklung  nimmt  30  bis 
55  Tage  in  Anspruch. 

Amphidasis  betularia  L. 

Astspanner,  Großer  Birkenspanner. 
Gehört  zu  den  größten  Spannern  unseres  Faunengebietes  und  erinnert 
durch  den  spinnerähnlichen  Habitus  an  die  Gattung  Biston  Leach,  von  der 
sich  die  Gattung  Amphidasis  Tr.  durch  etwas  schlankeren  Bau,  anliegender 
beschuppten  Körper,  ausgebildeten  Rüssel,  Mittel-  und  Endsporen  der 
Hinterschienen  und  schwach  behaarte  Augen  unterscheidet. 

Falter  (Abb.  490):  Flügel  (auch  das  9  hat  vollständige  Flügel)  kreideweiß, 
schwarz  punktiert  und  mit  5  schwarzen  Vorderrandflecken  sowie  2  schwarzen,  zuweilen 
undeutlichen,  stark  gebrochenen  Querlinien,  deren  äußere  sich  auf  die  Hinterflügel 
fortsetzen.  Die  Grundfarbe  der  Flügel  ist  stark  variabel.  Von  der  typischen  Form 
kommen  alle  möglichen  Übergänge  vor  bis  zur  vollständig  schwarzen  var.  double- 
dayaria  Mill.,  welch  letztere,  zuerst  in  England  festgestellt,  zur  Zeit  auch  bei  uns 
in  auffallender  Zunahme  begriffen  ist,  bei  einem  gleichzeitigen  Rückgang  der  hellen 
typischen  Stücke.    Spannweite  44 — 52  mm. 

Raupe  braun,  gelblichgrün  oder  grau,  mit  dunkler,  zuweilen  fehlender  Rücken- 
linie und  großen,  weißen  Warzen  auf  dem  8.  und  11.  Ring  und  rostroten  Luft- 
löchern (Taf.  IX,  Fig.  21).  Auch  sie  ist  bezüglich  der  Färbung  und  Zeichnung  stark 
variabel. 

Die  Raupe  lebt  polyphag  auf  allen  möglichen  Laubhölzern,  wie  Rüster, 
Weide,   Pappel,    Birke,   Eiche,    Esche,    Eberesche,   Akazie   und 

nach  Eckstein  (1930)  auch  an  Lär- 
che. Ratzeburg  (F.  196)  fand  die 
Raupe  am  häufigsten  auf  den  beiden 
letztgenannten  Laubbäumen,  besonders 
„auf  jungen  Pflanzen  und  Sträuchern, 
deren  Blätter  sie  des  öfteren  gänzlich 
kahl  abfraß".  Die  Raupen  stehen  so 
steif  wie  ein  Ast  von  dem  Zweig  ab 
und  täuschen  dadurch  den  Vorüber- 
gehenden, noch  dazu,  da  sie  die  Farbe 
der  Zweige  haben,  an  denen  sie  sitzen 
„(Astspanner").  Man  findet  sie  im  Sep- 
tember, Oktober  ausgewachsen.  Sie  geht 
dann  in  die  Erde  und  liegt  in  einer  kleinen  glatten,  geformten  Höhle  über 
Winter.  Der  Schmetterling  kommt  im  nächsten  Mai  oder  Juni  aus  und 
schwärmt  dann  oft  häufig  genug  herum."  Ratzeburg  berichtet,  daß  durch 
betularia  schon  ganze  Birkenwälder  kahlgefressen  worden  seien.  Nach 
Aigner-Abafi  (1900)  kommt  die  Raupe  in  Ungarn  sehr  häufig  an 
Pappeln,  Weiden,  Eschen  und  Apfelbäumen  vor.  „Im  Jahre  1895 
entblätterte  sie  im  Afener  Gebirge  sämtliche  gepflanzten  jungen  Eschen." 
In  späteren  Jahren  fand  er  sie  mehr  an  Akazien,  die  sie,  namentlich  die 
im  Schatten  stehenden  jüngeren  Sträucher,  aber  auch  Bäume,  zum  Teil  so 
kahl  fraß,  daß  nur  die  Blattstengel  übrig  blieben. 

K.  Eckstein  (1930)  konnte  neuerdings  auch  das  Vorkommen  an 
Nadelholz  feststellen.  Im  Oktober  1929  hat  die  Raupe  des  Birkenspanners 
bei    Eberswalde    die    etwa    i  m    hohen    europäischen    Lärchen    kahlgefressen. 


Abb.  490.   AmpJüdasis  betularia  L. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Geometridae  (Spanner) 


607 


„Um  einen  Saatkamp  waren  Lärchen  angepflanzt,  einige  derselben  waren 
entnadelt,  wie  es  die  beigegebene  Abbildung  (Abb.  491)  zeigt.  An  jeder 
Pflanze  befand  sich  eine  erwachsene  Raupe,  nur  an  einem  Stämmchen  deren 
zwei.  Die  Eier  werden  also  einzeln  abgelegt.  Die  Raupen  waren  erwachsen; 
wenige  Tage  nach  dem  Eintragen  haben  sie  sich  verpuppt." 

Findet  sich  die  Raupe  in  Pflanzschulen,  so  kann  sie  durch  Absammeln 
oder  durch  Bespritzen  oder  Bestäuben  mit  einem   Fraßgift  bekämpft  werden. 


Als  weitere  Laubholzspanner  werden  verschiedentlich  in  der  forstentomo- 
logischen   Literatur  außer   den  oben   (S.    582)    bei   den   Nadelholzspannern   schon  ge- 
nannten    Boartnia     crepuscularia      Schiff., 
ribeata    Cl.    und    Boarmia    consorlaria     F. 
noch  folgende  Arten  genannt : 

Metrocampa  fnargarilata  L.  (Boar- 
miine),  deren  Raupe  auf  Eichen.  Buchen 
und   Hainbuchen  lebt. 


Abb.  492.    Larentia   hast  ata    L. 


aut 


Abb.  491.   Fraß  der  Raupe  von  AmpJi 

betularia   L.   an    Lärche.     Nach   Eck 

stein. 


Semiothisa     not  ata     L.      (Raupe 
Weiden,   Birken  und  Eichen  1,   ferner 

Larentia  hastata  L.,  ein  durch  seine 
Zeichnung  sehr  auffälliger  Spanner  (Abb. 
492),  dessen  Raupe  vornehmlich  auf  jungen 
Birken  lebt  in  bauchig  zusammengehef- 
teten Blättern,  deren  Innenfläche  benagend, 
und  endlich 
Ephyra  (Codonia)  pendularia  Cl.  (Taf.  IX,  Fig.  7)  (auf  Birke.  Erle  und  Eiche) 
und  puHctaria  L.,  auf  Eiche   (zu  den  Acidaliinen  gehörig). 

Keiner  von  diesen  Spannern  hat  bis  heute  eine  größere  forstliche  Bedeutung 
erlangt,  doch  machte  der  eine  oder  der  andere  sich  gelegentlich  durch  stärkeren 
Flug  oder  stärkeren  Fraß  an  einzelnen  Bäumen  bemerkbar;  besonders  trifft  dies  für 
Larentia  hastata  L.  zu,  die  des  öfteren  massenhaft  beobachtet  wurde  (Ratzeburg, 
W.  II.  408). 


Endlich  seien  noch  genannt: 

Geometra  papilionaria  L.  (Großer  Birkenspanner.  Grünes  Blatt \  ein  großer, 
lebhaft  grün  gefärbter  Falter  (Abb.  493),  dessen  Raupe  (Taf.  IX.  Fig.  i)  (grün  mit 
gelblicher  Seitenlinie,  auf  dem  2.  und  5.  bis  8.  Ring  je  2  kleine  warzige  Er- 
höhungen, Kopf  und  Afterklappe  braun)  auf  Birken,  Erlen,  Buchen  und 
Hasel  zu  treffen  ist. 

Abraxas  grossulariata  L.  (Stachelbeerspanner,  Harlekin  1,  deren  weißschwarze 
und   gelbe    Färbung    sowohl    der    Falter    (Abb.  494),    als    auch    der    Raupen   überaus 


608  n.  Spezieller  Teil. 

charakteristisch  ist.  Die  Raupe  ist  ein  großer  Schädling  an  Stachel-  und  Jo- 
hannisbeere, kommt  auch  an  Traubenkirsche  (Prunus  padus}  vor.  Forst- 
lich ohne  Bedeutung. 


Abb.   493.    Geo/uefra  papHioiuiriu   L.  Abb.  494.    Abra.xas  grossu/ariu/a   L. 

(Großer  Birkenspanner  1.  Etw.  verkl.  (Stachelbeerspanner  1.    Schwach  vergr. 

Abraxas  syli'ala  Scop.  (^  uliitaria  Hb.  i,  die  eine  ähnliche  Flcckenzeichnung 
aufweist  wie  grossulariata  (nur  sind  die  Flecken  hellgrau  gefärbt),  kommt  auf 
Ulme   vor,   jedoch  meist   nur  vereinzelt  i). 

Literatur  über  Laubholzspanner. 

Aigne  r- Abaf  i,  \- o  n ,  1900,  Zur  Biologie  der  Lejndopteren  V.  111.  Ztschr.  f. 
Entom.   S.  385. 

AI  tum,  B.,  1S84,  r'raß  der  Raupe  der  CJiriiiialobia  horen/a  an  jungem  Buchenauf- 
schlag. Z.  f.  F.  u.  J.  XVI.   S.  63. 

— ,  1886,  Das  Streurechen  zur  Vertilgung  forstschädlichcr  Insekten.  Ebenda  XVIII. 
S. 220 — 227. 

— ,    1889,   Waldbeschädigungen  durch  Tiere   und   Gegenmittel.    Berlin. 

— ,   1889,  Die   VVinterspanner.   Z.  f.  F.  u.  J.  XXI.   S.  641 — 647. 

Borgmann,  1886,  Cheimatobia  brumata  L.  und  boreata  Hb.  Verhandig.  der  XL, 
XII.  und  XIII.  Versammig.  d.   Hess.   Forstver.  Hanau,   1886,   S.  30 — 47. 

Ebermayer,  A.,  1883,  Beschädigung  des  heurigen  Buchenaufschlages  durch  den 
gemeinen   Frostspanner.    Fw.  (trbl.  XXII 1.   S.  534. 

Eckstein,  K.,  1930,  Der  Birkenspanncr  {  Am pindas'n  Ix'lularia).  A.  f.  Schädlk.  VT. 
S.  59. 

Eidmann,  1930,  Die  Bekämpfung  von  Frostspanner  und  Eichenwickler  durch 
Arsenbestäubung  mittels  Motorverstäuber.  Mitt.  Forstwirtschaft  und  Forstwissen- 
schaft V.  Preuß.   Minist,  f.  Landw.,  Dom.  u.   Forsten.    355—386. 

Hart  ig,  Th.,  1875,  Verminderung  des  Stärkenzuwachses  infolge  des  Raupenfraßes 
von  Geometra  brumata.  Verhdl.   Harz.   Forstv.  S.  35 — 2)1  ■ 

Heß,  R.,  1878,  Vertilgung  des  Frostspanners  durch  den  Brumata-Leim.  Ctrbl.  f . 
d.  ges.  Fw.  IV.    134—136. 

— ,  1879,  Nochmals  über  die  Vertilgung  des  Frostspanners  durch  Leimringe.  Eben- 
da V.   231. 


1)  Im  bayerischen  Forstamt  Danncnfels  ist  Abraxas  sylvala  Scop.  neuerdings 
(1930)  zur  Massenvermehrung  gelangt,  so  daß  es  zu  Kahlfraß  gekommen  ist.  Forst- 
meister Reif  berichtet,  daß  nur  Ulmen  bef ressen,  und  zwar  nur  solche  von  über 
120  Jahren,  während  junge  Ulmen  und  andere  beigemischte  Laubhölzer  (Buche, 
Ahorn,  Eschej  nicht  befallen  wurden.  ,,Ende  September  waren  die  unteren  zwei 
Drittel  der  Kronen  derart  kahl  gefressen,  daß  vielfach  nur  noch  die  mittlere  ßlatt- 
rippe  vorhanden  war,  während  das  obere  Kroncndrittel  noch  Begrünung  zeigte,  aber 
auch  bereits  stark   befallen   war." 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen).  609 

— ,   1880,   Fang   des   Frostspanners.   Ebenda   VI.    123. 

Krauße,    A.,     1919,    Ennomos    quercinaria    Hfn.    als    Waldverderber.     Z.  f.  F.  u.  J. 

Si.Jhrg.   S.  153- 
Ssacharow,  1925,  A  few  Words  on  the  Injurious  Moth  of  the  Genus  Biston  Leach. 

La  Defense  des   Plantes.    Leningrad    1925.    (Referat   in  Rev.   appl.  Entom.  XIII. 

1925.  S.  473.) 
Schnei  der-Orelli,     1916,     Temperaturversuche    mit     Frostspannerpuppen,     Ope- 

rophihera  hrumata.    Mitt.   Schweiz.   Ent.   Ges.  Bd.  12,    133 — 152. 
Schewyreuw,    Iwan,    1893,    Die    schädlichen    Forstinsekten    Südrußlands.     1891. 

(Ref.  Forst.  Nat.Z.  1893.) 
Stschelkanovzeff,    I.,     1928,    Der    Pappelspanner    {Biston    strataria    Hfn.)     im 

Schipower    Wald   des    Gouvernements    Woronesch.     Defense    des    Plantes.    Bd.  V. 

S.  487 — 503.    (Referat  von  v.  Butovitsch  in  der  Z.  f.  ang.  Entom.  XVII.  S.  216.) 
Thiem,    H.,    1922,    Die    Frostspannerplage    im    Niederungsgebiet    der    Weichsel    bei 

Marienwerder    (Wstpr.)    und    Beiträge    zur    Biologie    des    kleinen    Frostspanners. 

Arb.  Biol.  R.-A.  Bd.  XI.  Heft  i.  S.  1—94. 
Trägärdh,    Ivar,    1921,   Skogsinsekternas   Skadegörelse   under    1918.     Medd.    Stat. 

Skogsförs.  Hafte  18,  No.  6,   1921.   (Hierin  über  Cidaria  dilutata). 
Uff  ein,   R.,   Beobachtungen   über   die   Eiablage   von   Cheimatobia   brumata    L.    und 

andere  Herbstspanner.  Z.  f.  wiss.  Insektb.  Bd.  12. 
Wiese,    1873,   Die   Frostschmetterlinge.   Allg.  F.  u.  J.  XLIX,  41 1 — 415. 
— ,   1887,  Das    Fangen   der    Frostschmetterlinge    (Geometra    brumata    und    defolinria) 

im  Jahre  1882.    Ebenda  LXIII.  68—69. 
Wolff,     M.,     1915,     Zur     Praxis     der     Frostspannerbekämpfung     in     Eichenaltholz- 
beständen. D.  F.  Z.  Band  30.  S.  1023— 1027. 

Familie :  Noctuidae  (Eulen)  '. 

Die  Eulen  bilden  eine  ungemein  artenreiche  Familie,  meist  mittelgroßer 
Falter,  von  ziemlich  übereinstimmender  Form  und  Färbung,  an  der  sie  mit 
wenigen  Ausnahmen  leicht  zu  erkennen  sind.  Ihr  Körper  ist  gewöhnlich  von 
kräftigem,  jedoch  nicht  plumpem  Bau.  Fühler  borstenf örmig,  etwas  länger 
als  der  halbe  Rand  der  Vorderflügel,  das  Wurzelglied  verdickt.  Fast  immer 
fein  gewimpert,  bei  den  Männchen  bisweilen  mit  Kammzähnen  oder  pinsel- 
artig gewimperten  Sägezähnen,  in  der  Regel  jedoch  ungezähnt  mit  Wimper- 
pinseln oder  zwei  gegenüberstehenden  stärkeren  Borsten  am  Ende  jeden 
Gliedes.  Augen  nackt  oder  behaart,  Nebenaugen  fast  stets  vorhanden. 
Palpen  (der  Hinterkiefer)  behaart,  kurz,  meist  mäßig  aufsteigend.  Zunge 
meist  lang,  kräftig  gerollt,  nur  selten  verkümmert.  Brust  lang  behaart, 
Beine  kräftig,  die  Vorderschienen  mit  Schienenblatt,  die  Hinterschienen 
mit  vier  verschieden  entwickelten  Sporen. 

Die  in  der  Ruhe  steil  dachförmig  getragenen  Flügel  im  Verhältnis 
zum  Körper  klein,  mit  meist  ganzrandigem,  nur  selten  gewelltem  oder  ge- 
lapptem Saum.  Vorderflügel  länglich  dreieckig,  mit  meist  düsterer,  wenig 
lebhafter  Färbung  und  einer  charakteristischen  Zeichnung  („Eulenzeich- 
nung"), bestehend  gewöhnlich  aus  2  Querstreifen  (Abb.  495  sa  und  sp), 
3  Makeln  (;//;•,  mo  und  md)  und  einer  nahe  dem  Saum  gelegenen  Wellen- 
linie [wv).    Hinterflügel  schwächer  als  die  Vorderflügel,  faltbar,  mit  Haft- 


1)     Handlirsch    und    andere    geben    der     Familie    Noctuidae    viel     weitere 
Grenzen   und   schließen   auch   die    Arctiiden    und    Lymantriiden    (als    Unterfamilien) 
mit  ein.    Wenn  ich  hier  die  Noctuidae  in  ihrer  engeren  Begrenzung,  wie  sie  bisher 
üblich  war,  beibehalte,  so  tue  ich  dies  auch  mit  aus  Rücksicht  auf  die  Praxis. 
Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  B9 


610 


IL  Spezieller  Teil. 


börste  versehen,  meist  heller  einfarbig,  mit  dunklerem  Saum  (nur  bei  einigen 
Gattungen  leuchtend  rot,  gelb  oder  blau  gefärbt). 

Im  Flügelgeäder  (Abb.  496)  der  i^-Stamm  und  die  Analis  meist  ganz 
reduziert,  im  Vorderflügel  ax^  meist  als  deutliche  kurze  Ader  erhalten,  eine 
mehr  oder  weniger  geschlossene  oder  offene  Wurzelschlinge  bildend,  vi^ 
immer  näher  an  m^,  als  an  y/z^;  meist  eine  geschlossene  /--Zelle  vorhanden.  Im 

Hinterflügel  sc  nahe  der  Basis  mit  dem  Zell- 
vorderrand  verbunden,  so  daß  die  Wurzel- 
schlinge nur  klein  ist;  1112  meist  schwächer  als 
die  übrigen  Adern;  meist  ax^^  und  ax^  gut 
entwickelt. 

Hinterleib  kurz  behaart,  mitunter  auf 
der  Oberseite  in  der  Mitte  mit  Haarschöp- 
fen versehen.  Sekundäre  Geschlechtsmerkmale 
wenig  auffallend. 

Die  Eier  sind  gewöhnlich  rund,  gerippt 
und  oben  eingedrückt. 

Die  Raupen  (s.  Tafel  XIII)  sind  mit 
verhältnismäßig  wenig  Ausnahmen  (Acronycta 
usw.)  nackt,  meist  löfüßig,  manche  jedoch 
(dauernd  oder  wenigstens  in  der  Jugend)  auch 
nur  14-  oder  12  füßig,  indem  das  erste  oder 
die  beiden  ersten  Bauchfußpaare  mehr  oder 
weniger  rückgebildet  sind  oder  auch  ganz 
fehlen  können  (der  Gang  ist  dann  auch 
,, spannerartig"). 

Die  Falter  fliegen  gewöhnlich  des 
Nachts  oder  in  der  Dämmerung,  (nur  wenige 
auch  bei  Tage),  um  den  Saft  von  Blumen 
oder  Bäumen  oder  auch  Honigtau  zu  saugen 
(sie  können  daher  auch  leicht  mit  Köder  er- 
beutet werden).  Die  nachtfliegenden  Eulen  sitzen  tagsüber  gewöhnlich  ruhig 
in  der  Nähe  des  Bodens,  durch  ihre  unscheinbare  bzw.  „sympathische" 
Färbung  geschützt;  gestört  fliegen  sie  aber  lebhaft  fort. 

Die  Eier  werden  vereinzelt  oder  in  Zeilenform  meist  dort  abgelegt,  wo 
die  Raupen  ihre  Nahrung  finden,  also  direkt  an  die  Blätter,  die  Nadeln  usw. 
Die  Raupen  verhalten  sich  biologisch  recht  verschiedenartig.  Die 
meisten  sind  nächtliche  Tiere  d.  h.  sie  obliegen  dem  Hauptfraß  des  Nachts 
und  sind  bei  Tag  unter  Steinen  oder  an  der  Futterpflanze  verborgen,  andere 
fressen  tagsüber  unterirdisch  und  kommen  des  Nachts  an  die  Oberfläche, 
um  ihren  Fraß  an  den  oberirdischen  Pflanzenteilen  fortzusetzen;  wieder 
andere  bohren  sich  in  die  Pflanzen  (Stengel,  Blütenköpfchen)  ein  usw. 

Die  Verpuppung  erfolgt  nur  bei  wenigen  Arten  über  der  Erde  in 
Gespinsten,  bei  den  meisten  im  Boden,  in  Erdkokons  mit  oder  ohne  Gespinst. 
Die  Generation  ist  bei  den  meisten  Eulen  einjährig.  Die  Über- 
winterung findet  entweder  als  Raupe  statt  oder  als  Puppe,  selten  als  Ei 
oder  Falter.  Die  Flugzeit  fällt  meist  in  den  Sommer  und  Herbst,  selten, 
wie  z.  B.  bei  der  forstlich  so  überaus  wichtigen  Forleule,  in  die  Frühjahrs- 
monate. 


Abb.  495.  Vorderflügel  einer 
Eule  mit  der  charakteristi- 
schen Eulenzeichnung.  A  Vor- 
derrand, B  Innenrand,  C 
Saum  oder  Außenrand,  D  Vor- 
derwinkel (Spitze),  E  Hinter- 
winkel, ab  „Wurzelfeld",  mn 
„Mittelfeld",  al  „Saumfeld", 
zwischen  Wurzel-  und  Mittel- 
feld der  „vordere  Querstreif" 
(ySa),  zwischen  Mittel-  und 
Saumfeld  der  „hintere  Quer- 
streif" {sp],  im  Saumfeld  die 
„Wellenlinie"  {w — v)  mit 
pfeilartigen  Vorsprüngen  zur 
Wurzel  {ms),  im  Mittelfeld 
die  3  Makeln:  mr  Nieren- 
makel, mo  Ringmakel,  md 
Zapf  enmakel.    Aus   N  i  t  s  c  h  e. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen^ 


611 


Die  geographische  Verbreitung"  der  Noctuiden  erstreckt  sich  (in  tau- 
senden  von  Arten)  über  die  ganze  Erde  bis  in  die  Polarregion. 

Wirtschaftlich  kommt  den  Eulen  eine  sehr  bedeutende  Rolle 
zu  sowohl  in  der  Land-  als  in  der  Forstwirtschaft.  Es  sind  zwar  verhältnis- 
mäßig nur  wenig  Arten,  die  als  Schädlinge  in  Betracht  kommen,  doch  diese 
gehören  zum  Teil  in  die  Reihe  der  schlimmsten  Großschädlinge.  Es 
sei  nur  erinnert  an  die  Saateulen 
(Erdraupen),  die  der  Landwirtschaft 
in  manchen  Jahren  Millionenverluste 
verursachen,  oder  an  die  Forleule, 
die  vor  wenigen  Jahren  die  größte 
Waldkatastrophe,  die  Deutschland  je 
erlebte,    herbeigeführt    hat. 

Systematisch  bieten  die 
Eulen  infolge  ihrer  Gleichförmigkeit 
ziemliche  Schwierigkeiten  und  es  ist 
daher  verständlich,  daß  von  den 
verschiedenen  Autoren  verschiedene 
Gruppierungen     aufgestellt     werden. 

Im  Staudinger-Rebel- Kata- 
log werden  die  Eulen  in  4  Unterfamilien 
eingeteilt:  Acronyctinae,  Trifinae,  Sco- 
leopteryginae  und  Quadrifinae.  S  p  u  1  e  r 
behält  die  Vierteilung  bei,  aber  mehr 
aus  praktischen  Gründen  (um  mit  dem 
Staudinger-  Katalog  konform  zu 
gehen),  als  aus  Gründen  persönlicher 
Überzeugung.  Handlirsch  teilt  die 
Eulen  (Nocluinaej  auf  Grund  des  Flü- 
gclgeäders  und  der  Taster  und  Beine  in 
3  Triben  ein  (Hypetiini .  Pliisiini  und 
Noctuini). 

N  i  t  s  c  h  e  behält  aus  praktischen 
Gründen  die  alte  Gerstäckersche  Grup- 
pierung bei,  die  die  Eulen  in  i.  „spin- 
nerartige Eulen  (Noctuinae  bomby- 

ciformes'),  2.  „eigentliche  Eulen"  (^Noctuinae  genuinae)  und  3.  „spanne  r- 
artige  Eulen"  (Noctuinae  geometriformes)  einteilt,  und  zwar  auf  Grund  des 
Habitus  der   Falter  und  Raupen  und  ihrer   Lebensweise. 

1.  Noctuinae  bombycifor)nes:  Habitus  des  Falters  deutlich  an  Spinner  er- 
innernd, Fühler  der  Männchen  nicht  selten  wie  bei  den  Spinnern  doppelt  gekämmt, 
Raupen  meist  lang  behaart,  zur  Verpuppung  oberirdische  Kokons  spinnend.  Hierher 
folgende  Gattungen:  Acronycta  Ochsh.,  Panthea  Hb.,  Colocasia  Oohih..  (=  Demos 
Stph. )   und  Biloba  Stph. 

2.  Noctuinae  genuinae:  Typischer  Eulenhabitus.  Raupen  nackt,  meist  16 füßig. 
Hierher  gehört  die  größte  Zahl  der  Eulen.  Nitsche  nennt  folgende  Gattungen: 
Agrotis  Ochsh.,  Mamestra  Tr.,  Dic/ionia  Hb.,  Gortyna  Ochsh.,  Taeniocampa  Gn., 
Panolis  Hb.,  Calymnia  Hb.,  Scopelosoma  Gurt.,   Calocampa  Stph. 

3.  Noctuinae  geometriformes:  Meist  deutlicher  Spannerhabitus.  Raupen  nicht 
selten  nur  12  füßig.      Hierher  folgende  Gattungen:  Plusia  Ochsh.  und  Catocala  Schrk. 

Hering     teilt     die     Noctuiden     in     7  Unterfamilien     ein:      i.     Sarrothripinae, 
2.  Chloephorinae,    3.  Acronyctinae,    4 
7.  Hypeninae. 


Abb.  496.  Flügelgeäder  einer  Eule,  Plu- 
sia gamma  L.  {sc  im  Hinterflügel  nahe 
der  Basis  mit  dem  Zellvorderrand  ver- 
bunden, eine  kurze  Wurzelschlinge  bil- 
dend ). 


m     7   Untertamiuen     em: 
Trifinae,    5.  Gonopterinae,    6.  Quadrifinae  und 


39* 


612  II.  Spezieller  Teil. 

Die  uns  interessierenden  Unterfamilien  lassen  sich  unter  Anlehnung  an 
Hering  folgendermaßen  dichotomisch  darstellen: 

1.  Vorderflügel   niemals   einfarbig   grün 2 

—  Grundfarbe    der    Vorderflügel    stets    grün ChloepJiorinae'^) 

2.  Im  Hinterflügel  Ader  Wg  meist  schwächer  als  die  übrigen  Adern  oder 
wenigstens  an  ihrem  Ursprung  rückgebildet,  oder  wenn  gleich  stark, 
dann  die  Vorderflügel  schwarz  mit  weißen  Querlinien,  oder  die  Fühler 
beim    cT    stark    gekämmt 3 

—  Im  Hinterflügel  Ader  Wj  normal  entwickelt,  Hinterleib  gegen  das 
Ende  zugespitzt 4 

3-  Schienen  stets  ohne  Dornen,  Augen  immer  nackt.  Raupen  stets  behaart, 
Falter  von  deutlichem  Spinnerhabitus,  Fühler  beim  cf  nicht 
selten  doppelt  gekämmt.  Raupen  meist  lang  behaart Acronycünae 

—  Schienen    oft    mit    Dornenborsten,    Augen    manchmal    behaart,    Raupen 

immer   nackt.     Falter   von    typischem   Eulenhabitus Trifinae 

4.  Im  Hinterflügel  w,  am  Ursprung  an  m^  genähert;  Palpen  nicht  auf- 
fallend groß,  Körper  gedrungen,  Hinterleib  gegen  das  Ende  zugespitzt 

Ouadrifinae 

—  Im  Hinterflügel  m.^  fast  parallel  Wg,  Palpen  sehr  lang,  den  Kopf  über- 
ragend,   sehr   schlanker   Körper Hypeninae 

Von  diesen  Unterfamilien  entsprechen  die  Acronyctinae  ungefähr  den  Noc- 
tuinae  bombyciformes  Gerstäckers,  die  Trifinae  ungefähr  den  Nocluinae  ge- 
nuinae  und  die  Quadrifinae  etwa  den  Nocluinae  geomeiriformes ;  nur  ist  bei 
Plering  die  Gattung  Biloba  zu  den  Trifinae  gestellt,  während  sie  bei  Nitsche 
unter  den  Acronyctinae  (bzw.  den  Nocluinae  bombyciformes)  eingereiht  ist.  Ferner 
erscheint  bei  Hering  die  Gattung  Earias  bei  den  Eulen  (Chloephoritiae),  wäh- 
rend sie  bei  Nitsche  zu  den  Spinnern,  bei  Nüßlin-Rhumbler  und  anderen 
in  eine  besondere  Familie,  die  Kahnspinner  (Cymbidae),  und  bei  Handlirsch  zu 
dem  Arctiinen-Tribus  Nycleolini  gestellt   wird. 

Kurze  Charakteristik  der  hier  behandelten  Gattungen. 

Chloephorinae. 

Gattung  Earias  Hb.   {=  Hatias  Tr.). 

Ader  r^  im  Vorderflügel  entspringt  mit  r^  und  r^  gestielt;  im  Hinterflügel  fehlt 
7n.2  (Abb.  497). 

Kleine  Falter,  deren  Vorderflügel  grün  gefärbt  sind  und  die  dadurch  sowie 
durch  ihren  Habitus  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  dem  grünen  Eichenwickler  be- 
sitzen. Hinterflügel  gerundet,  breit,  bis  fast  an  den  After  reichend.  Raupen  grün- 
lich, behaart;  die  heimischen  Arten  leben  an  Weiden  und  Pappeln. 

Gattung  Bylophila  Hb. 

Ader  ^5  im  Vorderflügel  entspringt  aus  der  Zelle,  im  Hinterflügel  f>h,  vor- 
handen. 

Vorderflügel  breit,  dreieckig,  grün  mit  weißlicher  Querzeichnung.  Hinterflügcl 
kurz  und  schmal,  das  Ende  des  Hinterleibes  nicht  erreichend.  Palpen  lang,  mit 
dünnem,  langem  Endglied,  das  die  Stirn  ganz  überragt.  Fühler  borstenförmig,  be- 
wimpert. Raupen  glatthäutig,  nach  vorne  verdickt,  leben  an  Laubhölzern  (Buchen 
und  Eichen). 

Acronyctinae. 
1.   Im  Hinterflügel  in.^  annähernd  so  stark  wie  in^  und  jji.^,  Fühler  des  rf 
kammzähnig 2 


1 )  Die  Angabe  Herings,  daß  bei  den  Chloephorinae  im  Vorderflügel  die  ax^ 
fehlt,  beruht  auf  einem  Irrtum  (s.  Abb.  497). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


613 


—  Im  Hinterflügel  w.>  deutlich  schwächer  als  die  anderen  Adern 
(Abb.     498)     ..." 3 

2.  Vorderflügel  schwarz  mit  weißen  Zackenbinden,  Fühler  des  (f  kurz 
kammzähnig.  Im  Vorderflügel  die  Anhangszelle  breit  auf  der  Mittel- 
zelle sitzend,  Augen  bewimpert,  Nebenaugen  und  Palpen  sehr  klein. 
Raupe  ziemlich  lang  behaart,  mit  ringförmigem  Haarbesatz  an  den  Ein- 
schnitten der  Brustringe  und  mit  Haarbüscheln  auf  dem  4.  und  11.  Ring 

Paiilhea  Hb. 

—  Im  Vorderflügel  herrschen  graue  oder  braune  Töne  vor,  Fühler  des  cf 
lang,  kammzähnig.  Im  Vorderflügel  Anhangszelle  auf  einem  Stiel  aus 
der  Mittelzelle  entspringend;  im  Hinterflügel  ?/?2  stark  m.^  genähert. 
Raupe   stark  behaart   mit   längeren   Haarpinseln   am    i.,   4.,    5.   und   am 

II.  Ring  (Taf.  XIII,  6) Colocasia  Ochsh.   {^=  Demas  Stph.) 

3.  Hinterleib  mit  einer  Reihe  von  Rückenschöpfen,  Fransen  der  Hinter- 
flügel mehr  oder  weniger  schwarz  und  weiß  gescheckt.  Palpen  nicht  ab- 
stehend behaart.    Im  Vorderflügel  entspringt  r^  aus  der  Anhangszelle. 

Raupe  nur  wenig  behaart CraniopJiora  Snell. 


Abb.  497.    Flügelgeäder  von  Earias  chlo- 
rana   (Vorderflügel  ro,—r-^  gestielt,   Hin- 
terflügel  ohne  mj). 


.\bb.  498.     Flügelgeäder    von    Acronycta 

aceris  L.  (Hinterflügel  m<,  schwächer  als 

die  übrigen  Adern). 


Hinterleib  höchstens  auf  dem  Basalsegment  mit  einem  Rückenschopf, 
Fransen  der  Hinterflügel  meist  ungescheckt.  Palpen  kurz  und  grob 
behaart  mit  kurzem  Endglied.  Fühler  einfach  borstenförmig.  Vorder- 
flügel meist  weißgrau  mit  dunklen  Zeichnungen.  Raupen  meist  lang 
und    dicht    behaart    (Taf.  XIII,  2) Acronycta  Ochsh. 


Trifinae. 

Augen  auf  ihrer  Oberfläche  kurz  behaart  (man  verwechsle  nicht  damit 

die   um  das   Auge   herumstehenden  Wimpern!) 2 

Augen  ganz  nackt,  höchstens  von  Wimpern  umgeben 4 

Hinterleib  mit  aufrechtstehenden  Rückenschöpfen.  Saugrüssel  lang 
und  stark.  Thorax  grob  haarschuppig,  mit  geteilten  Vorder-  und  Hinter- 
schöpfen. Hinterleib  kegelförmig,  beim  Q  am  Ende  abgestutzt,  ohne 
vorstehenden  Legebohrer.  Im  Vorderflügel  cu^  und  m-^  gestielt;  im 
Hinterflügel  m^  schwächer  als  die  übrigen  (Abb.  499).  Raupen  walzig, 
nach  hinten  oft  etwas  dicker,  mit  einzelnen  Härchen  auf  Punktwarzen 

besetzt Mamestralx. 

Hinterleib    ohne    Rückenschopf 3 


614 


II.  Spezieller  Teil. 


Palpen  verkümmert,  trotz  der  langen  Behaarung  kaum  bis  zum  Stirn- 
schopf reichend,  Endglied  ganz  undeutlich.  Saugrüssel  spiralig.  Fühler 
beim  cf  mit  sehr  kurzen,  pinselartig  bewimperten  Zähnen  (Abb.  504 A). 
Im  Vorderflügel  m^^  und  m.^  kurz  gestielt,  im  Hinterflügel  m^  nur  an- 
gedeutet, ?«3  und  CU]^  kurz  gestielt  (Abb.  500).  Vorderflügel  lebhaft 
bunt,  heller  oder  dunkler  rotbraun.  Raupe  nackt,  grün,  hellgestreift; 
an  Nadelholz  (Kiefer) Panolis  IIb. 


Abb.    499.     Flügelgeäder    von    Ulameslra 
pisi    L.    (Vorderflügel    W3    und    ci/-^    ge- 
stielt, Hinterflügel  ;«,  schwächer  als  die 
übrigen  Adern). 


Abb.    500.       Flügelgeäder     von     Panolis 
flamtttea    Schiff.    (Vorderflügel    m,^    und 
W3    gestielt,    Hinterflügel    m^    nur   ange- 
deutet). 


—  Palpen  länger  als  die  Stirnbehaarung,  nach  unten  hängend  oder  schräg 
nach  vorn  unten  gerichtet,  Endglied  deutlich.  Thorax  breit,  dicht- 
wollig, ohne  Kamm,  Beine  und  Hinterleib  kurz.  Flügel  klein.  Raupen 
nackt  oder  mit  einzelnen  Härchen,  walzig,  nach  dem  11.  Ring  hin  etwas 
verdickt  (Taf.  XIII,  12);  meist  an  Laubhölzern TaeTiiocampa  Gn. 

4.  Mittelschienen  immer,  oft  auch  alle  Schienen  mit  Dornborsten.  —  Meist 
düster,  braun  oder  grau  gefärbte  Eulen,  seltener  mit  lebhaft  gelb  ge- 
färbten und  schwarz  bebänderten  Hinterflügeln.  Stirn  unter  der  Be- 
haarung flach.  Palpen  aufsteigend,  das  Endglied  geneigt.  Thorax 
robust  ohne  schneidigen  Längskamm.  Hinterleib  ohne  Schöpfe.  Im 
Hinterflügel  »Zg  erheblich  schwächer  als  die  übrigen;  m^  und  cu^ 
kurz   gestielt    (Abb.  501).    Raupen   nackt,   meist    plump    (Taf.  XIII,  7), 

leben   an  niederen   Pflanzen   oder   an   Wurzeln Agrotis  Ochsh. 

—  Mittel-  und  Hinterschienen  stets  ohne  Dornborsten 5 

5.  Vorderschenkel  keulenartig  verdickt,  innen  mit  einer  Rinne  zur  Auf- 
nahme der  Schiene.  Kopf  und  Thorax  grob  und  flach  behaart, 
mit  ausgeschnittenem  Halskragen  und  eckig  vortretendem  Vorder- 
winkel der  Schulterdecken.  Hinterleib  mit  flachen  Rückenschöpfen. 
Fühler    des    cT    büschelweise    kurz    bewimpert.     Raupen    dick,    walzig, 

nackt,   mit    ausgesprochenen   Zeichnungen,    leben    an    Laubholz    .        Dichonia  Hb. 

—  Vorderschenkel    nicht    verdickt 6 

6.  Thorax  trägt  hinter  dem  Halskragen  (Patagia)  eine  kämm-  oder 
gratartige    Erhebung 7 

—  Thorax  hinter  den  Patagia  ohne  Längskamm,  aber  oft  mit  vereinzelten 
Schöpfen 9 

7.  Saum  der  Vorderflügel  gezähnt.  Palpen  sehr  kurz,  hängend,  bis  zur 
Spitze  lang  wellig  behaart,  das  Endglied  sehr  klein  versteckt,  Thorax 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


615 


breit,  viereckig  gewölbt.  Hinterleib  flachgedrückt.  Raupe  schwarz  mit 
heller  Zeichnung,  mit  einzelnen  feinen  Haaren  besetzt  (Taf.  XIII,  15); 
lebt   an   Laubholz    (Mordraupe) Scopelosomn  Curt. 

—  Saum  der  Vorderflügel  glatt  (wenn  eine  Andeutung  von  Zähnen  vor- 
handen  ist,   ist   der   Apex   scharf,   fast   sichelartig   vorgezogen)    ...    8 

8.  Augen  an  den  Rändern  mit  langen  Wimperborsten.  Vorderflügel  von 
lebhaft  gelber  Grundfarbe,  mit  scharfer  Spitze,  Hinterflügel  hell. 
Raupen  schlank,  nackt,  leben  an  Laubbäumen,  Sträuchern  und  niederen 
Pflanzen Xanthia  Tr. 

—  Augen  ohne  lange  Randwimpern.  Hinterleib  sehr  lang,  den  Analwinkel 
der  Hinterflügel  so  weit  überragend,  daß  der  vor  demselben  gelegene 
Teil  ebenso  lang  ist  wie  der  dahinterliegende  Teil.  Vorderflügel  breit, 
dreieckig,  mit  schwach  geschwungenem  Saum.  Palpen  aufsteigend, 
wollhaarig,  mit  einem  kurzen,  dicken,  geneigten  Endglied.  Thorax  ge- 
wölbt, quadratisch,  vorn  mit  einem  Längskamm,  hinten  schwach  ge- 
schöpft. Raupe  dickwalzig,  mit  schwarzen  Punktwarzen  und  hornigem 
Nackenschild  (Taf.  XIII,  13) ;  lebt  in  den  Stengeln  verschiedener 
Pflanzen Gortyna  Hb. 

9.  Rüssel  verkümmert,  kurz  und  weich.  Plumper  Falter  von  ausgesprochen 
spinnerartigem  Habitus.  Fühler  des  cf  stark  gekämmt,  beim  9  säge- 
zähnig.  Die  ersten  Glieder  der  Palpen  vorn  abstehend  behaart,  das 
lineare  Endglied  beschuppt.  Thorax  kurz  und  breit,  wollig  behaart, 
ebenso  der  Hinterleib,  jedoch  ohne  Schöpfe.  Im  Hinterflügel  rr  und 
m-^  gestielt,  m^  nahe  bei  cu^  entspringend  (Abb.  502).  Raupe  dick, 
walzig,  mit  borstentragenden  Punktwärzchen  (Taf.  XIII,  9),  lebt  an 
Laubbäumen Diloba  Boisd. 

—  Rüssel  normal,  hornig,   meist   lang 10 


Abb.   501.    Flügelgeäder  von  Agrolis  se- 

getum   Schiff.    ( Hinter flügel    771   und   cu-^ 

kurz  gestielt,  w,  erheblich  schwächer  als 

die  übrigen). 


Abb.  502.  Flügelgeäder  von  Diloba  coeru- 
leocephala  L.  (Hinterflügel  rr  und  rrt^ 
gestielt,   ?«3  nahe   bei  cu-^  entspringend). 


Kleinere  Eulen  von  25 — 30  mm  Spannweite.  Vorderflügel  von  deutlicher 
Querzeichnung  beherrscht.  Palpen,  Stirn  und  Beine  anliegend  behaart, 
erstere  aufwärts  gekrümmt,  mit  emporstehendem,  zylindrischem  End- 
glied. Thorax  gerundet,  fein  anliegend  behaart.  Hinterleib  schlank. 
Vorderflügel  kurz,  mit  rechtwinkliger  Spitze.  Raupen  dickwalzig,  nach 
vorn  etwas  verdünnt,  mit  einzelnen  Härchen  auf  Punktwarzen;  leben  an 
Laubbäumen    (Mordraupen) Calyiniiia  Hb. 


616  II.  Spezieller  Teil. 

—  Große  Eulen  von  50— 60  mm  Spannweite;  Vorderflügel  mit  längsgerich- 
teter Zeichnung.  Flügel  schmal.  Palpen  dicht  am  Kopf  anliegend, 
bis  an  das  Ende  dicht  filzig  behaart.  Vorderschopf  des  breiten  Thorax 
flach.  Die  Falter  tragen  in  der  Ruhe  die  Flügel  der  Länge  nach  ge- 
faltet und  dem  Leib  angeschmiegt,  so  daß  sie  dürrem  Holz  ähnlich 
sehen.    Raupen  nackt,   gestreckt,  mit  bunter   Färbung   (Taf.  XIII,  14); 

leben   vorwiegend   an   niederen   Pflanzen Calocamf>a  Stph. 

Quadrifinae. 

1.  Hinterflügel  bunt,  mit  roten,  gelben  oder  blauen  Zeichnungen;  Falter 
groß.  Vorderflügel  mindestens  20  mm  lang,  oben  unansehnlich  grau, 
unten  mit  scharfen,  grellen  Zeichnungen.  Stirn  und  Palpen  anliegend 
behaart,  letztere  stark  entwickelt.  Saugrüssel  lang  und  stark.  Augen 
nackt,  groß  und  kugelig.  Fühler  dünn,  beim  cf  büschelweise  be- 
wimpert. Brust  und  Beine  fein  wollig  behaart.  Vorderschienen  un- 
bewehrt,    Mittelschienen   mit   Dornborsten.     ,, Ordensbänder"    .      .    Catocala  Schrk. 

—  Hinterflügel  nicht  mit  roter,  gelber  oder  blauer  Zeichnung  (wenn  doch 
gelb,  dann  die  Vorderflügel  unter  20  mm  lang) 2 

2.  Augen  am  Rande  mit  langen  Wimpern;  Augen  selbst  nackt.  Mittel- 
große, ziemlich  schlanke,  metallglänzende  Eulen.  Fühler  borsten- 
förmig,  beim  cf  kurz  und  dicht  bewimpert.  Stirn  und  Palpen  fein  und 
anliegend  wollig  behaart,  Halskragen  gewölbt.  Rücken  kurz,  mit  sehr 
feiner,  glatter  Behaarung,  die  hinter  dem  Halskragen  sattelförmig  auf- 
steigt und  hinten  steil  abgestutzt  ist.  Hinterleib  schlank,  mit  starken 
Haarschöpfen  über  der  Mitte.  Vorderflügel  scharf  zugespitzt,  am 
Hinterwinkel  meist  eckig  vortretend.  Hinterflügel  einfarbig  oder  gelb- 
lich mit  schwarzer   Saumbinde,   ca.  50  Arten Plusia  Ochsh. 

■ —  Augenrand  unbewimpert.  Kräftig  gebaute,  große  Eulen.  Endglied  der 
Palpen  linear.  Thorax  breit,  dicht  wollig  behaart.  Die  kräftigen  Beine 
mit    bedornten    Mittel-    und    Hinterschienen Pseudophia  Gn. 

Hypeninae. 

Gattung  Hypena  Schrk. 
Vorderflügel  gestreckt,  mit  scharfer  Spitze  und  bauchig  geschwungenem  Saum. 
Palpen  mit  sehr  langem,  schneidig  beschupptem  Mittelglied  und  kleinem,  etwas 
aufgerichtetem  Endglied.  Fühler  borstenförmig,  bei  den  cfcf  länger  oder  kürzer 
gleichmäßig  bewimpert.  Augen  nackt,  unbewimpert.  Stirn  mit  horizontal  vorstehen- 
der grober  Beschuppung,  die  zwischen  den  Fühlern  einen  spitzen  Schopf  bildet. 
Hinterflügel  breit  und  verhältnismäßig  kurz.  Raupen  nur  I4füßig  (i.  Bauchfußpaar 
fehlt).  Forstlich  indifferent,  dagegen  landwirtschaftlich  als  Hopfenschädling  von 
Bedeutung   (Z'.  rostralis  L.). 

Übersicht  über  die  hier  behandelten  Eulen-Arten 
in  systematischer  Reihenfolge. 

I.  Chloephorinae. 
Earias  (Halias)  chlorana  L.,  Weidenkahneule  (S.  762). 
Hylophila  prashtana  L.,  Buchenkahneule  (S.  765). 

2.  Acronyctinae. 
Acronycia  aceris  L.,  Ahorneule  (S.  767). 

—  leporina  L.,  Wolleule  (S.  768). 

—  megacephala  F.,  Großkopf   (S.  768). 

—  alni  L.,  Erleneule  (S.  769). 

—  tridens  Schiff.,  Dreizackeneule  (S.  769). 

—  psi  L.,  Pfeileule  (S.  769). 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen).  617 

—  cuspis  Hb.,  Gabeleule  (S.  770). 

—  auricoma  F.,  Schleheneule   (S.  770). 
Craniophora  ligustri  F.,  Ligustereule   (S.  770). 
Panthea  coenobita  Esp.,  Klosterfrau  (S.  618). 
Colocasia  (De?nas)  coryli  L.,  Graue  Eicheneule  (S.  770). 

3.  Trifinae. 
Agrotis  vestigialis  Rott.,   Kiefernsaateule   (S.  776). 

—  segetum  Schiff.,  Wintersaateule   (S.  780). 

—  tritici  L.,  Weizeneule  (S.  786). 

—  exclamationis  L.,  Graseule  (S.  787). 

—  nigricans  L.  (S.  788). 

—  coriicea  Hb.,  Graue  Erdeule  (S.  788). 
Mamestra  pisi  L.,  Erbseneule  (S.  789). 
Biloba  coeruleocephala  L.,  Blaukopf  (S.  771). 
Dichonia  aprilina  L.,  Aprileule  (S.  773). 

Panolis  flammea  Schiff.,   Fori-  oder  Kieferneule  (S.  619). 
Taeniocampa  iiicerta  Hfn.   (S.  7741. 

—  pulverulenta  Esp.  (S.  774). 
Xanthia  ciirago  L.  (S.  772). 

Gortyna  ochracea  Hb.,   Gemeine   Markeule   (S.  772). 
Calocampa  exoleta  L.,  Moderholzeule  (S.  794). 

—  vetusta  L.   (S.  794). 

Calymnia  trapezina  L.,  Ulmeneule  (S.  774). 
Scopelosoma  satellitium  L.,  Mordraupeneule  (S.  788). 

4.  Quadrifinae. 
Plusia  gamma  L.,  Gammaeule  (S.  791). 

Pseudophia  lunaris  Schiff.,   Braunes  Ordensband   (S.  790). 
Catocala  fraxini  L.,   Blaues   Ordensband    (S.  775). 

—  nupta  L.,  Rotes  Ordensband  (S.  775). 

—  elocata  Esp.,  Pappelordensband   (S.  775). 

—  sponsa  L.,  Mittleres  Eichenkarmin  (S.  775). 

—  promissa  Esp.,  Kleines  Eichenkarmin   (S.  775). 

—  paranympha  L.   {fulminea   Scop.),   Gelbes   Ordensband    (S.  775). 
und  andere. 

5.   Hypeninae. 
Hypeiia  roslralis  L.,   Hopfeneule   (S.  616). 

Übersicht  der  hier  behandelten  Eulen  nach  ihrem  biologisch- 
forstlichen Verhalten. 
I.  Bestandsschädlinge. 

A.  Nadelholz. 

Nur  eine  Art : 
Panolis  flatmnea  Schiff.    An   Kiefer   (S.  619). 

Als  „täuschendes"   Forstinsekt: 
Panthea  coenobita  Esp.    (S.  618). 

B.  Laubholz. 
Earias  chlorana  L.    An  Weide   (S.  762). 
Hylophila  prasinana  L.    An  Buche  und  Eiche   (S.  765). 
Acronycta  aceris  L.    An  Ahorn,  Roßkastanie,  Pappel  u.  and.   (S.  767) 

und  verschiedenen  anderen   AcroHycta-hx\.&Ci.   (S.  768). 
Craniophora  ligustri   F.    An   Liguster   und   Syringe    (S.  770). 
Colocasia  (Demos)  coryli  l^.  .An  Hasel  und  Buche,  Eiche,  Birke,  Pappel  (S.  770). 


618  II.  Spezieller  Teil. 

Biloba  coeruleocephala  L.    An  Obstbäumen,   Schlehe,   Weißdorn   (S.  771). 
Xanthia  citrago  L.    An  Linde  (S.  772). 

Gortyna  ochracea  Hb.    An   Holunder,   Weide   usw.    (S.  772). 
Dichonia  aprilina  L.    An  Eichen,  Obstbäumen  (S.  773). 

Taeniocampa    incerta    Hfn.     An    Eiche,    Birke,    Pappel    u.    and.     (Mordraupe) 
(S.774). 

—  pulverulenta  Esp.    An   Eiche,   Ahorn   u.   and.    (S.  774). 

Calytnnia   trapezina   L.     An   Eiche,    Birke,    Ulme,    Weide,    Pappel    (Mordraupe) 

(S.774). 
Catocala  fraxini  L.    An  Pappel,  Esche,  Ulme,  Ahorn  (S.  775). 

—  nupta  L.    An  Weide  und  Pappel  (S.  775). 

—  elocata  Esp.    An  Weide  und  Pappel   (S.  775). 

—  sponsa  L.    An  Eiche  (S.  775). 

— •  promissa  Esp.   An  Eiche  (S.  775). 

—  paranynipha  L.    An   Schlehe,   Weißdorn,   Pflaume    (S.  775). 

II.  Kulturschädlinge. 

Agrotis  vestigialis  Rott.    In  Kiefern-  und   Fichtenkulturen   (S.  776). 

—  segetum    Schiff.    Sehr   polyphag,    auch   in    Forstkämpen    (Nadelholz,    Buche) 

(S.780). 
und  verschiedene  andere  Agrotis- A.rxen  (S.  786). 
Scopelosema    satelUtium    L.      An    Eiche,    Buche,    Ahorn,    Weide     (Mordraupe) 

(S.778). 
Plusia  gamma  L.    Sehr  polyphag,  auch  in  Kiefernkulturen  (S.  791). 
Pseudophia  lunaris  Schiff.    In  Eichenkulturen  (S.  790). 
Mamestra  pisi  L.    Polyphag,  auch  in  Nadelholzkulturen  (Fichte,  Kiefer,  Lärche) 

(S.789). 
Calocampa  exoleta  L.    Polyphag  an  Laubholz  (S.  794). 

—  vetusta  L.    Polyphag  an  Laubholz  (S.  794). 

Unter   den   genannten   Eulen   spielt   die   Kieferneule,    Panolis    flammea 

Schiff.,  die  größte  forstliche  Rolle,  sie  gehört  zu  den  schlimmsten  Forst- 
schädlingen überhaupt.  Unter  den  Kulturschädlingen  sind  die  beiden  Saat- 
eulen {Agrotis  vestigialis  Rott.  und  segetum  Schiff.)  als  forstlich  besonders 
beachtenswert  hervorzuheben.  Die  übrigen  hier  genannten  Eulen  spielen 
forstlich  im  allgemeinen  nur  eine  recht  untergeordnete  Rolle  und  sind  nur 
ausnahmsweise  als   Schädlinge  hervorgetreten. 

Bionomie   und   forstliches  Verhalten   der  verschiedenen  Eulen -Arten. 

Wie  bei  den  Spannern  werden  wir  auch  bei  den  Eulen  die  Be- 
sprechungen der  einzelnen  Arten  nicht  in  systematischer  Reihenfolge  vor- 
nehmen, sondern  nach  ihrem  forstlichen  Verhalten,  und  zwar  je  nachdem 
es  sich  um  Bestands-  oder  Kultur-,  Nadel-  oder  Laubholzschädlinge  handelt. 

I.  Bestandsschädlinge. 

A.  An  Nadelholz. 
Als    Schädling    in    Nadelwäldern    kommt    für    unser    Faunengebiet    nur 
eine  Art  in  Betracht i). 

1)  An  Fichte  kommt  die  zu  den  spinnerartigen  Eulen  gehörende  Patithea  coeno- 
bi/a'E?,Y>-  (Taf.  X,  Fig.  10)  vor,  welche  deshalb  besonders  erwähnenswert  ist,  weil  sie  bis 
auf  die  mangelnde  rote  Zeichnung  des  Hinterleibs  der  Nonne  täuschend  ähn- 
lich sieht  und  mit  ihr  nicht  selten  verwechselt  wird.  Auch  die  Raupe  entbehrt 
nicht  einer  gewissen  Ähnlichkeit  mit  der  Nonnenraupe,  ebenso  wie  auch  mit  der 
Kiefernspinnerraupe  (vgl.  auch  Nitsche,  1896).  Panthea  coenobita  kommt  als 
Schädling  nicht  in  Betracht,  sie  stellt  lediglich  ein  sog.  täuschendes  Forstinsekt  dar. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


619 


Panolis   flammea   Schiff. 

(Taf.  X,  Fig.  1  —  5.) 
Kiefern-    oder    Forleule. 
Ratzeburg:   Noctua  (Trachea)   piniperda    Esp.    —    Altum:    Trachea   piniperda    L.    — 
Nitsche:   Noctua  (Panolis,  Trachea)  piitiperda  Pz.   —   Wolff-Krauße:   Panolis  flam- 
mea  Schiff.  —   Nüßlin-Rhumbler:   Noctua  (Panolis)  griseovariegata  Goeze.   —   Son- 
stige  Synonyme:   Noctua   piniperda   Loeschke,   telifera   Payk,   spreta    F.,   pini   Vill.i). 

Die  Eule  gehört  zu  den 
schlimmsten  Forstschädlingen. 
Wissenschaft  und  Praxis  haben 
sich  daher  von  jeher  schon  ein- 
gehend mit  ihr  beschäftigt,  so 
daß  eine  umfangreiche  Literatur 
über  sie  besteht.  Besonders  die 
Kalamitäten  des  letzten  Dezen- 
niums in  Preußen  und  Bayern, 
die  riesige,  vorher  nicht  gekannte 
Dimensionen  angenommen  haben, 
haben  unsere  Kenntnisse  mächtig 
gefördert.  Sachtlebens  Mono- 
graphie gibt  einen  guten  Über- 
blick über  den  Stand  unseres 
Wissens  von  der  Zeit  nach  Been- 
digung der  großen  norddeutschen 
Katastrophe  (1923 — 1925).  Seit- 
dem haben  unsere  Kenntnisse 
noch  eine  ganz  wesentliche  Er- 
weiterung erfahren,  durch  die 
zielbewußten  Forschungen  und 
Arbeiten,  die  während  der  eben 
abgelaufenen  bayerischen  Kala- 
mität von  Seiten  des  zoologischen 
und  botanischen  Institutes  der 
Forstlichen  Versuchsanstalt  wie 
von  Seiten  der  Forstverwaltung 
durchgeführt  worden  sind.  Von 
den  zoologischen  Arbeiten  seien 
vor  allem  die  grundlegenden  Un- 
tersuchungen Zwölfers  ge- 
nannt, sodann  die  Studien  von 
Meyer,  B  e  r  w  i  g  und  Weis. 
Von  botanischer  Seite  hat  v.  T  u  - 
beuf  das  außerordentlich  wich- 
tige Problem  der  Wiederbe- 
grünung nach  Eulenfraß  sehr 
erfolgreich  bearbeitet,  und  end- 
lich ist  auch  noch  Mustergül- 
tiges     auf      dem      Gebiete      der 


B 

Abb.  503.    Die  Kiefern-  oder  Forleule,  Pano- 
lis flammea  Schiff.,  A  an  der  Rinde  sitzend, 
B   gespannt.     Nach   Sei  ff. 


Über  die   Synonymie  siehe  Sachtleben   (1929,   S.  9). 


620 


II.  Spezieller  Teil. 


Organisation  der  Bekämpfung  durch  Forstmeister  Sindersbergcr  ge- 
leistet worden  1).  So  ist  die  Kieferneule  heute  wohl  das  nach 
den  neuesten  wissenschaftlichen  Gesichtspunkten  am  besten 
durchgearbeitete  Forstinsekt.  Ich  betrachte  es  als  eine  glückliche 
Schicksalsfügung,  daß  ich  die  Ergebnisse  dieser  wertvollen  Arbeiten  in 
letzter  Stunde  noch  in  diesen  Band  aufnehmen  konnte. 


Beschreibung. 

Der  Falter.  Kopf  und  Brust  lang  rötlich  grau  behaart  mit  weißlichem  Rande 
des  Halskragens.  Hinterleib  kurz  gelbgrau  behaart,  mit  hellen,  feinen  Querstreifen 
und  dunkler  Seitenrandbehaarung.  Übrigens  variiert  die  Färbung  dieser  Körperteile 
sehr  stark,  ebenso  wie  die  der  Flügel,  bei  denen  die  Grundfarbe  leberrot  (ab. 
lomnickü  Mokr.),  ziegelrot,  rötlich-gelbbraun  (forma  typica),  gelblich,  gelblichgrau, 
grau  bis  graugrün  (var.  griseovariegata  Goeze)  sein  kann.  Dieser  Veränderlichkeit 
ist  auch  die  Zeichnung  mehr  oder  weniger  unterworfen. 
Für  gewöhnlich  stellt  sich  die  Zeichnung  folgender- 
maßen dar:  Die  nach  vorne  stark  auseinanderlaufen- 
den, dunkelrotbraunen,  gezackten,  heller  gerandeten 
Querstreifen  der  Vorderflügel  stoßen  am  Hinterrande 
fast  zusammen.  Wellenlinie  weißlich,  sehr  verloschen, 
der  Raum  zwischen  ihr  und  dem  hinteren  Querstreifen 
durch  ovale,  gelbrote  Flecke  ausgefüllt.  Nierenmakel 
hellgrau,  weiß  und  dunkel  gerandet.  Ringmakel  schnee- 
weiß, saumwärts  unten  spitz  ausgezogen,  mitunter  auch 
dunkel  gerandet,  Adern  am  Saum  schwarz,  Fransen 
dunkelgrau,  den  Adern  entsprechend  weiß  durch- 
schnitten. Hinterflügel  dunkelgrau  mit  weißen  Fransen. 
Fühler  des  Männchens  mit  kurzen  Wimperpinseln  (Abb. 
504).    Spannweite   30 — 35   mm. 

Das  Ei.  Die  Farbe  des  frisch  abgelegten  Eies  ist 
hellgelblich  oder  weißlich  grün.  In  der  Form  gleicht 
es  einem  Napfkuchen,  d.  h.  es  ist  oben  in  der  Mitte  mit 
einer  näpfchenartigen  Vertiefung  versehen,  von  deren 
Grund  sich  eine  kleine  Warze  abhebt.  Die  gegenüber- 
liegende Seite  ist  abgeflacht,  mit  ihr  sitzt  sie  der  Nadel 
auf.  Von  der  Vertiefung  bzw.  von  der  Ringfurche  am 
oberen  Pol  ziehen  zahlreiche  Rillen  oder  Riefen,  die  sich  hier  und  da  verzweigen, 
nach  abwärts  (Abb.  505).  Am  Grunde  der  Rillen  ist  eine  seichte  Grübchenreihe  be- 
merkbar (ähnlich  wie  auf  den  Flügeldecken  mancher  Borkenkäfer).  Die  Eier  sind 
sowohl  mit  den  benachbarten,  als  auch  mit  der  Unterlage  durch  einen  Kitt  fest  ver- 
bunden. Die  Größe  des  frisch  gelegten  Eies  beträgt  0,6X0,8  mm.  Über  die  Form 
der  Eigelege  siehe   unten  S.  637   und   Abb.  523. 

Während  der  Embryonalentwicklung  erfährt  das  Ei  manche 
Veränderungen.  Nach  einigen  Tagen,  bei  Zimmertemperatur  gewöhnlich  vom 
4.  Tag  an,  vollzieht  sich  eine  deutliche  Umfärbung,  indem  die  Eier  eine  mehr 
braune  oder  vielmehr  rosabräunliche  (nach  Sachtleben  violettbraune)  Farbe 
zeigen,  die  wiederum  nach  Verlauf  von  mehreren  Tagen,  makroskopisch  betrachtet, 
in    eine    graublaue,    bis    zum    Ende    der    Eiperiode    in    eine    dunkler    werdende 

1)  Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  versäumen,  den  Herren  der  Praxis, 
unter  ihnen  insbesondere  Herrn  Forstmeister  Dr.  Kuhn  in  Heideck,  der  stets  mit 
dem  größten  Entgegenkommen  unsere  wissenschaftlichen  Forschungen  unterstützt 
hat,  ferner  Herrn  Oberforstmeister  Sinn  er,  der  uns  Gelegenheit  gegeben  hat  zur 
Aufnahme  der  auf  Taf.  XI  und  XII  wiedergegebenen  Farbenphotographien,  auch 
hier   meinen  verbindlichsten   Dank   abzustatten. 


Abb.  504.  Einige  Fühler- 
glieder von  Panolis  flam- 
mea  Schiff.  A  Männchen 

(mit  Wimperpinseln), 
B  Weibchen.  Stark  vergr. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen).  621 

violette  Tönung  übergeht.  Mit  der  Lupe  betrachtet  sehen  die  Eier  in  diesem 
Stadium  mehr  rosa-bläulichgrau  aus  und  zeigen  je  nach  der  Stellung  des  Beob- 
achters mehr  oder  weniger  schönen  Goldglanz. 

Die  Rillen,  die  anfänglich  sich  nur  wenig  abheben,  werden  mit  der  Zeit 
deutlich  sichtbar,  und  auch  die  Umrißform  des  Eies  erfährt  am  Ende  der  Eiperiode 
dadurch  eine  Veränderung,  daß  die  dellenartige  Vertiefung  am  oberen  Pol  ver- 
schwindet, d.  h.  der  eingedrückte  Teil  sich  hebt  und  so  das  Ei  höher  wird.  Die  Größe 
beträgt  jetzt  0,7X0,8  mm. 

Erfolgen  die  hier  genannten  Veränderungen  nicht  oder  weicht  die  Farbände- 
rung von  der  gegebenen  Schilderung  ab,  so  deutet  dies  darauf  hin,  daß  die  Eier 
abgestorben  sind,  sei  es  infolge  Parasitierung  oder  anderer  Ursachen. 

Die  Raupe.  I.  Stadium.  (Eiraupe.)  (Abb.  506.)  Kopf  auffallend  groß,  honig- 
farben,  Kopf  breite  0,40  mm  i).  Färbung  der  Raupe  mit  Ausnahme  des  i.  und  letzten  Seg- 
mentes blau-  bzw.  graugrün.  Bindenzeichnung  noch  wenig  ausgesprochen.  Dagegen 
treten  die  Insertionsstellen  der  feinen  Borsten  deutlich  als  schwarze  Pünktchen  her- 
vor. Die  Bauchfüße  von  hinten  nach  vorn  an  Größe  merklich  abnehmend;  das 
I.  Paar  fast  rudimentär.  Daher  geschieht  die  Fortbewegung  durch  Spannen.  (Ach- 
tung vor  Verwechslung  mit   Spannerraupen!)    Siehe  S.  6432). 


Abb.  505.   Ei   \'on  Pa/iolis  flai>u//c'a  Schiii.         Alib.   506.    Eiraupe  von  Panolls  flanimca 
(Stark  vergr.  1.    Nach  Mokrzecki.  Schiff,    (i.   Bauchfußpaar   fast   rudimen- 

tär).  6X. 

II.  Stadium.  (Ein  haut  er.)  Kopf  breite  0,69  mm.  Kopf  mit  spärlicher, 
heller  Behaarung  versehen,  stark  glänzend,  hinten  gelbbraun,  vorne  heller  mit  ver- 
tiefter Scheitellinie;  beiderseits  je  ein  halbkreisförmiger,  schwarzbrauner  Fleck. 
Mundwerkzeuge  hell  graugrün.  Nackenschild  auf  dem  i.  Segment  glasig  grün,  an 
den  Seiten  schwach  aufgebogen,  mit  undeutlicher,  heller  Mittellinie  und  8  schwarzen 
Flecken,  aus  deren  Mitte  schwarze,  nach  vorn  oder  aufwärts  gerichtete  Haare  her- 
vorragen. Grundfarbe  der  Raupe  dunkel  mattgrün  (unter  der  Lupe  mehr  blau- 
graugrün't,  nach  dem  Körperende  zu  heller,  letztes  Segment  leuchtend  glasig  grün, 
ähnlich  wie  der  Nackenschild.  Über  die  Rückenmitte  der  Raupe  zieht  sich,  am 
I.  Segment  schmal  beginnend  und  dann  sich  verbreiternd,  eine  weiße  Binde,  beider- 


1)  Die  Kopfkapselbreite  der  verschiedenen  Stadien  ist  übrigens  durchaus  nicht 
konstant,  sondern,  wie  aus  Zwölfers  Messungen  hervorgeht,  sogar  ziemlich 
variabel;  die  hier  angegebenen  Zahlen  stellen  den  Durchschnitt  dar  (siehe  unten 
S.  623). 

2)  In  der  Praxis  unterläuft  zuweilen  eine  Verwechslung  der  Eiraupe  mit  jungen 
Lophyrus-\^zx\&\\.  Uns  wurden  mehrfach  solche  gebracht  unter  der  Angabe,  daß  die 
Eiraupen  der  Eule  doch  auch  alte  Nadeln  fressen.  Die  Lop/iyrus-'LdiWen  sind  aber 
ohne  weiteres  an  ihrer  dunklen  Kopffarbe  und  der  Zahl  der  Bauchfüße  zu  erkennen. 


622 


II.  Spezieller  Teil. 


seits  begleitet  von  zwei  weiteren  hellen  Längsstreifen,  von  denen  der  innere  dunkel 
gesäumt  erscheint.  Endlich  verläuft  oberhalb  der  Stigmen  noch  eine  leuchtend 
schwefelgelbe  Längsbinde,  die  in  der  Mitte  des  letzten  Segmentes  endigt.  Im 
ganzen  sind  also   7  Längsbinden  vorhanden  i). 

Außerdem  stehen  auf  jedem  Segment  dorsal  4,  weiter  seitlich  2  oder  3  schwarze 
Haare  inmitten  schwarzer  Flecken,  die  von  einem  helleren  Hof  umgeben  sind.  Die 
4  dorsalen  sind  auf  dem  2.  und  3.  Segment  in  einer  Querreihe,  auf  den  übrigen 
Segmenten  wieder  trapezförmig  angeordnet. 

Bauchseite  in  der  Mitte  heller.  Brustfüße  glasig  graugrün,  nach  dem  Ende  zu 
schwarz  chitinisiert  und  mit  kurzen,  hellen  Haaren  besetzt.  Bauchfüße  heller,  das 
I.  Paar  noch  deutlich  kürzer  als  die  übrigen,  daher  noch  Spannbewegung.  Auch 
das  Spinn  vermögen  noch  stark  ausgebildet.  Körperlänge  vor  der  2.  Häutung  12  mm. 


Abb.     507.     Zweihäuter-Raupe     von         .A.bb    508.    Vierhäuter-Raupe  von  Panolis  flani- 
Panolis  flammea  Schiff,   (das  erste  mea    Schiff.    Nat.  Gr. 

Bauchfußpaar     ist     fast     voll     ent- 
wickelt). 2I/2X. 

III.  Stadium.  (Z  w  e  i  hä  u  t  e  r. )  (Abb.  507.)  Kopfbreite  1,42  mm.  Kopf  nach 
der  Häutung  hellrotbraun  mit  weißer,  netzartiger  Zeichnung;  bald  dunkelt  die 
Färbung  nach. 

Färbung  und  Zeichnung  der  Raupe  wie  beim  Einhäuter,  nur  zeigt  die  über  den 
Stigmen  gelegene  breite  Längsbinde  einen  mehr  orangefarbenen  Ton  und  tritt  noch 
deutlicher  hervor.  Nach  Sachtleben  soll  auch  der  dunkle  Saum  über  dem 
obersten  hellen  Seitenstreifen  für  dieses  Stadium  charakteristisch  sein.  Brustfüße 
rotbraun,  Bauchfüße  grünlich.  Das  i.  Bauchfußpaar  ist  nun  fast  voll 
entwickelt  und  den  übrigen  Bauchfüßen  gleichwertig  (daher  kein  „Spannen" 
mehr).    Spinnvermögen  geringer.    Körperlänge  vor  der  Häutung  19  mm. 

IV.  Stadium.  (D  r  eihäut  e  r.)  Kopfbreite  2,08  mm.  Der  Kopf  ist  meist 
glänzend  schwarzbraun  gefärbt.  Gelegentlich  zeigen  einzelne  Raupen  jedoch  die  gelb- 
lich-rötliche Kopffärbung  des  folgenden  Stadiums.  Die  direkt  nach  der  Häutung  auf- 
tretende netzartige  Zeichnung  verliert  sich  allmählich.  Die  Färbung  der  Raupe  ist  im 
allgemeinen  dieselbe  wie  beim  vorigen  Stadium,  nur  die  orangegelbe  Seitenlinie  be- 

1)  Zur  Unterscheidung  der  Eulen-  und  Spannerraupe  sei  darauf  hingewiesen, 
daß  bei  der  letzteren  die  Streifenzeichnung  auf  den  Kopf  übergreift  (s.  oben  S.  466 
und  467,  Abb.  408  B  und  C). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


623 


kommt  dorsalwärts  eine  weißliche  Einfassung.  Es  kommen  allerdings  von  diesem 
Stadium  an  auch  viel  dunklere  Exemplare  vor,  die  ,,ganz  dunkelgrüne,  fast  schwarze 

Grundfarben    haben"    (Ratzeburg).     Spinnt    nicht    mehr.     Körperlänge    vor 

der   Häutung  29  mm. 

V.Stadium.  ( V  i  e  r  hä  u  t  e  r.)  (Abb.  508.)  Kopfbreite  3,04  mm.  Kopf  fast 
stets  gelblich  rot,  sonstige  Färbung  im  allgemeinen  wie  beim  Dreihäuter. 
Stigmenbinde  dunkel  orangefarben.  Mittelbinde  breit  und  sehr  deutlich  hervor- 
tretend, Seitenbinden  im  Verhältnis  dazu  schmäler  erscheinend  und  weniger  leuch- 
tend  weiß.    Körperlänge   vor   der   Verpuppung  yj — 40  mm. 

Wie  oben  schon  erwähnt,  sind  die  hier  angegebenen  Maße  für  die  K  o  p  f  - 
kapselbreite  der  verschiedenen  Häutungsstadien  Durchschnittszahlen,  denn  nach 
Zwölfer  (1931)  können  die  Maße  „für  jedes  einzelne  Stadium  erheblich  variieren. 
Besonders  zwischen  dem  3.  und  4.  Stadium  (Zwei-  und  Dreihäuter)  können  auf  der 
einen  Seite  gelegentlich  Maximal-,  auf  der  anderen  Seite  Minimalgrößen  auftreten, 
die  fast  ineinander  übergehen  und  eine  sichere  Unterscheidung  dieser  Entwicklungs- 
stufen zuweilen  erschweren.  Genauere  Messungsergebnisse  unter  Berücksichtigung 
der  Variationsbreite  sind  in  der  folgenden  Zusammenstellung  enthalten." 

Kopfkapselbreite  der  Raupen  von  P .  fla?n??iea  Schiff. 


Häutungsstadium 

Zahl  der 

Minimum 

Mittel 

Maximum 

Messungen 

mm 

mm 

mm 

I. 

(Eiraupe) 

20 

0,39 

0,40 

0,43 

11. 

(Einhäuter) 

20 

0,66 

0,69 

0,76 

111. 

(Zweihäuter) 

23 

1,1 1 

1,42 

1,82 

IV. 

(Dreihäuter) 

57 

1.95 

2,08 

2,27 

V. 

(Vierhäuter) 

66 

2,61 

3,04 

3,20 

Vor  jeder  Häutung  wird  die  Färbung  der  Raupen  dunkler 
grün,  der  Kopf  schwärzlich.  Übrigens  variiert  vom  III.  oder  IV.  Stadium 
an,  wie  oben  schon  bemerkt,  die  Grundfarbe  nicht  unwesentlich;  von  hell  bis  dunkel- 
grün, ja  fast  bis  schwarz. 


Abb.  509.    Raupenkot  der   Kieferneule.    4X. 


ABC 
.\bb.    510.      Puppe     der     Kieferneule. 
A    seitliche,    B    ventrale,    C    dorsale 
Ansicht.    Schwach  vergr. 


Der  Raupenkot  ist  lang  und  dünn,  walzenförmig,  aus  3  deutlich  getrennten 
semmelförmigen  Stücken  zusammengesetzt   (Abb.  509). 

Puppe.  Die  Puppe  (Abb.  510)  hat  eine  Länge  bis  18  mm;  es  gibt  auch  weit 
kleinere  Formen  (Kümmerformen)  von  15  mm  und  darunter.  Sie  ist  glänzend  braun, 
auf  der  Oberseite  meist  etwas  dunkler.  Von  den  anderen  Eulenpuppen  ist  sie 
daran  leicht  zu  unterscheiden,  daß  dorsal  am  Vor  der  ende  des  4.  Hinter- 
leib s  segment  e  s  ein  dreieckiges  oder  nie r enf ö r  m  i  ge s  Grübchen 
sich     befindet,     das     von     einem     dunklen,     quergestreiften     Wall     umgeben     ist 


624 


II.  Spezieller  Teil 


(Abb.  511  A).  Der  Aftergriffel  ist  oben  gewölbt,  unten  etwas  eingedrückt  und  endet 
mit  2  langen,  geraden  Dornen,  deren  Spitzen  entweder  einfach  oder  gegabelt 
sind  (Abb.  511  B).  Außerdem  befinden  sich  an  ihm  jederseits  noch  2  hellbraune 
Borsten,  die  allerdings  häufig  abgebrochen  sind. 

Bezüglich  der  Skulptur  ist  vor  allem  auffallend,  daß  es  2  verschiedene 
Formen  von  Eulenpuppen  gibt:  bei  der  einen  ist  die  Ventralseite  des  Thorax- 
abschnittes grübchenartig  punktiert  (Fingerhutskulptur)  (Abb.  512),  bei  der  anderen 
ist  sie  glatt.  Diese  Erscheinung  hängt  nicht  mit  sexuellen  Differenzen  zusammen 
(Krauße,  1925;  Sachtleben,  1929).  Die  beiden  Geschlechter  lassen  sich  im 
übrigen  an  der  Lage  der  Geschlechtsöffnungen  (s.  oben  S.  34)  leicht  unterscheiden 
(s.  Abb.  511  B). 

Geographische  Verbreitung. 

Die  geographische  Verbreitung  der  Kieferneule  ist  eine  sehr  große  und 
erstreckt  sich  über  „das  nichtpolare  Nord-  und  Mitteleuropa,  südlich  bis 
Katalonien,  Südfrankreich,  Mittelitalien,  Südwestrußland  und  bis  ins  Wolga- 


A  B 

Abb.  511.  Puppe  der  Kieferneule.  A  Rückengrübchen  am  4.  Hinterleibssegment, 
B  Hinterende  vom  Männchen  und  Weibchen  (Ventralseite).  C  die  letzten  Segmente 
(dorsale    und   seitliche    Ansicht).     B    und    C    nach    Ljungdahl   aus    Sacht  leben. 

gebiet  (auch  in  Japan,  wohl  weiter  verbreitet  in  Asien)"  (Spul er).  Ihr 
Verbreitungsgebiet  fällt  wohl  im  großen  und  ganzen  zusammen  mit  dem 
Verbreitungsgebiet  der  gemeinen  Kiefer.  „Doch  scheint  es,  als  ob  sich 
klimatische  Bedingungen  in  der  Ausdehnung  der  Forleule  nach  Norden  und 
Süden,  wo  sie  nicht  bis  zur  Kieferngrenze  reicht,  geltend  machten:  In  Nord- 
europa geht  die  Kiefer  bis  etwa  70  ^  nördlicher  Breite,  die  Forleule  nur  bis 
63  0;  in  Spanien  erreicht  die  Südgrenze  der  Kiefer  die  Sierra  Nevada,  die 
Forleule  soll,  wenn  die  bisherigen  Angaben  in  der  Literatur  vollständig  sind, 
nur   bis    Katalonien    reichen"    (Sacht  leben    1929). 


Bionomie. 
Fortpflanzung. 
Schlüpfen  der  Falter.  Im  Wald  beginnt  das  Schlüpfen  der  Falter 
Ende  März  und  kann  bis  Anfang  Juni  andauern.  Es  liegen  sogar 
Beobachtungen  vor,  die  von  einem  Auskommen  der  Falter  Mitte  Februar 
berichten  (Brettmann,  1925).  Die  genannten  Zeitpunkte  sind  Extreme. 
Die   Hauptschlüpfzeit  kann  bald  früher,   bald  später  liegen  —  je  nach  den 


Esclieiich,  Forstitisektcii.    III  Bd. 


Tafel  X 


W^     ^^0     ^^V      ^^# 
^|W        ^fV       ^1^        ^f^ 

1  2 


W' 


22 

Noctuiden  <Eukn> 

1—5  Panolis  Elammea  Sf///^.  6  Asjrotis  vestisialis  i?o«.  7  Agrotis  segetum  Sc///^'.  8  Agrotis  exclama- 
tionis  L.  9  Acronycta  aceri-;  L.  10  Panthea  coenohita  £'--^.  11  Taeriiocampa  incerta  H/n. 
12  Scopelosoma  satellitia  L.  in  Catocala  paranvmpha  L.  14  Plus'a  gamma  L.  15  Diloba  caeruleo- 
cephalaZ.  16  Fseu  iophia  lunaris  Sl///;/^'.  17  Demas  corvli  £.  18  Calvmnia  trapezina  L.  19  Calocampa 
vetusta  H/>.  20  Gortyna  ochracea  H/i.  21  Mamestra'pisi  L.  22  Dichonia  aprilina.  23  Acronvcta 
leporina  Z.    3,4  nat.  Größe. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen).  625 

Witterungsverhältnissen,  die  in  den  einzelnen  Jahrgängen  herrschen,  und 
unter  denen  die  Temperaturen  den  Haupteinfluß  auszuüben  scheinen.  So 
begann  z.  B.  bei  der  letzten  Kalamität  in  Heideck  das  Schlüpfen  Ende 
März,  erreichte  zwischen  27.  April  und  5.  Mai  seinen  Höhepunkt,  zu  welchem 
Termin  ca.  80 0/0  der  Puppen  geschlüpft  waren,  um  dann  immer  mehr  ab- 
zuflauen und  am  i.  Juni  zu  enden  (Abb.  513). 

Experimentelle  Untersuchungsergebnisse  über  die  Temperaturabhängig- 
keit   des     Schlüpf  ens    teilt     Zwölfer     (1931)     mit.      Nach     ihm    müssen 
die     Puppen     der     Kieferneule,       die     bereits     im     Herbst     den     äußerlich 
fertig    ausgebildeten    Falter    enthalten,      im    Frühjahr   im    Anschluß    an   die 
Überwinterung    noch    eine    weitere    Entwicklung    durchlaufen,    die    sich    auf 
innere  Organe,  zum  mindesten  auf  das  generative  System  bezieht.   Die  Er- 
reichung  eines   bestimmten   Entwicklungszustandes   des   letzteren   ist   —   wie 
dies   an   QQ   Puppen   gezeigt   werden   konnte   —   Voraussetzung   für   die   Er- 
langung    der     Schlüpfreife.     Zu     diesen     Entwick- 
lungsvorgängen „bedürfen  überwinternde  Forleulen- 
puppen    im    Frühjahr    einer    gewissen    Temperatur- 
summe.  Als  wirksam  erwiesen  sich  hierbei  nur  Tem- 
peraturen oberhalb  eines  Grenzwertes,  der  zwischen 
40  bis  80  C  liegt.  Beobachtungen  über  den  Zeitraum, 
den    das    Schlüpfen    der    Puppen    in    verschiedenen 
konstanten    Temperaturen    beansprucht,    und    theo- 
retische   Überlegungen   sprechen   dafür,    daß    dieser 
Grenzwert  annähernd  bei  6^  C  liegt,  —  eine  Tem- 
peraturstufe, die  auch  sonst  im  Leben  der  Kiefern- 
eule als  Entwicklungsnullpunkt  eine  ausgezeichnete 
Rolle     spielt".      Die     Wärmesumme     (Thermalkon- 
stante^),  die  zu  diesen  Entwicklungsvorgängen  not- 
wendig  ist,    wird   von   Zwölfer   annäherungsweise 
mit    160    angegeben.     So    war    das    Schlüpfen    dem         Abb.   512.    Puppe  der 
Winterlager  im  Dezember   entnommener   Puppen  in      Kieferneule.      Fingerhut- 
seinen   Versuchen  bei   einer  konstanten   Temperatur        skulptur  der  Thorax- 
von   22  0  C   in    10   Tagen   beendigt,   während   es   bei 
8  0  C  rund  2 V2  Monate  währte. 

„Der  Vorgang  des  Schlüpfens  selbst  ist  von  der  Temperatur  des  Ent- 
wicklungsnullpunktes unabhängig:  Puppen,  die  die  Schlüpf  reife  einmal  er- 
langt haben,  vermögen  auch  bei  Temperaturen  unterhalb  des  Entwicklungs- 
grenzwertes von  ö^C  zu  schlüpfen",  wie  auch  Meyer  berichtet,  daß  bei 
5  0  C  das  Schlüpfen  einiger  Falter  stattfand.  Für  die  untere  Temperatur- 
grenze des  Schlüpfaktes  ist  vermutlich  der  Aktivitätsnullpunkt  maßgebend, 
d.  h.  jene  Temperatur,  bei  der  die  Kältestarre  der  Falter  eintritt.  Für 
letztere  werden  auf  Grund  orientierender  Messungen  Temperaturen  zwischen 
—  20  bis  +  40  C  angegeben.  Doch  liegen  in  der  Literatur  Beobachtungen 
vor,  wonach  die  Falter  noch  bei  Lufttemperaturen  von  —  5  0  C  in  Bewegung 
angetroffen   worden   sein   sollen   (T heuerkauf,    1925). 

Theoretisch  ist  nach  Zwölfer  aus  diesen  Erwägungen  zu  folgern,  daß 
jene  Puppen,  die  an  Plätzen  mit  geringem  Wärmeschutz  liegen,  welche  im 
Frühjahr   der   raschesten    Erwärmung   ausgesetzt   sind,   im   allgemeinen   ihre 


1)   Siehe  hierüber  oben  S.   56. 
;scherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  40 


626 


Schlüpfen  derFalher 


19  20  2122  23  24  25  26  27  28  29  30  1   2  3   4  5  6  7  8  9   10  11  12  13  1f  15  16  17  18  19  20 

^Pril  Mai 


geschlüpfte  Fa/ter TemperaturCMittel  aus  Abendmessung  i  ftegen 

desl/ortages  u.  Morgenniessung  des 
Schlüpfl-ages) 

Abb.  513.  Diagramme  des  Schlüpf  ens  der  Falter,  in:  in  28  jährigem  Stangenholz, 
Streutyp  i,  obere  (unzersetzte)  Streuschicht  =  6,4  cm,  Rohhumus  =  2,4  cm,  Boden: 
Sand.  —  ib:  ungefähr  40 jähriges  Stangenholz,  Streutyp  i,  obere  (unzersetzte)  Streu- 
schicht  =  4,8  cm,  Rohhumus  =  6,2  cm,  Boden:  Sand,  stellenweise  anmoorig.  — 
2.  83  jähriges  Altholz,  Streutyp  2,  obere  (unzersetzte)  Streuschicht  =  2  cm,  Humus 
=  2  cm.   Nach  Meyer. 


II.  Unterordnung:  jMacroIepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen) 


627 


Schlüpf  reife  früher  erlangen  werden  als  solche,  die  an  Orten  mit  gutem 
Wärmeschutz  überwinterten.  Dies  gilt  allerdings  nur  dann,,  wenn  sowohl  an 
den  Plätzen  mit  geringem  als  auch  an  jenen  mit  starkem  Wärmeschutz  die 
Abkühlung  während  kalter  Zwischenperioden  unter  den  Entwicklungsnull- 
punkt von  60  C  sinkt.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  oder  sinkt  nur  an  den  schlecht 
wärmegeschützten  Orten  die  Temperatur  unter  den  genannten  Grenzwert, 
während  sie  an  gut  geschützten  gleichzeitig  auch  während  der  kühlen  Peri- 
oden (nächtliche  Abkühlung!)  oberhalb  des  Grenzwertes  verbleibt,  dann  kann 
ein  Ausgleich  erfolgen:  Der  etwa  vorhandene  Entwicklungsvorsprung  der 
Puppen  an  Orten  mit  rascher  Erwärmungsmöglichkeit  würde  in  diesem  Fall 
von  Puppen,  die  an  gut  geschützten  Orten  liegen,  wieder  ausgeglichen 
werden.  Die  Abb.  514  a  und  b  erläutern  diese  Verhältnisse  schematisch:  die 


1/    V 

- 
/       \  Entmcklungs- 

\^'lpunkt 

1'Temp.  -Verlauf in  lyp  1 

2-   "  "       "    "   2 

2 


/\  Enhvicklungs- 


nullpunkf- 


Abb.   514.    Temperaturverlauf  im  Puppenlager  mit   verschiedenem  Wärmeschutz 
(schematisch).    Nach  Meyer. 


flache  Kurve  stellt  den  Temperaturgang  in  wärmegeschützten  Puppenlagern 
vor,  die  Kurve  mit  großer  Amplitude  würde  dem  Temperaturgang  an  schlecht 
wärmegeschützten  Plätzen  entsprechen.  Wirksam  sind  in  beiden  Fällen  theo- 
retisch nur  die  über  dem  Entwicklungsnullpunkt  liegenden  Wärmegrade, 
welch  letzterer  durch  die  Gerade  dargestellt  ist. 

„Als  Überwinterungsplätze  mit  geringem  Wärmeschutz  im  obigen  Sinn 
haben  Böden  mit  dünner  Streudecke  und  dünnem  Humusbelag  zu  gelten 
(welche  dem  Meyerschen  Typ  2  entsprechen),  insbesondere  wenn  sie  der  Inso- 
lation ausgesetzt  sind.  Auch  streuberechte  Flächen  wären  hierher  zu  zählen. 
Guten  Wärmeschutz  bieten  demgegenüber  Böden  mit  dicker  Humusschicht, 
mit  hohem  Moosbelag,  dichter  Beerkrautdecke  usw.  (Meyers  Typ  i  1)". 

Es  dürfte  hiermit  zusammenhängen,  daß  Beobachtungen  aus  dem  Frei- 
land vorliegen,  die  sowohl  von  einem  zeitigeren  Schlüpfen  der  Puppen  bei 
dünnem  Streubelag  sprechen  (streuberechte  Flächen;  vergl.  Sachtleben, 
1929,  S.  24,  Judeich- Nitsche,  S.  930)  als  auch  andere,  nach  denen  ein 
Unterschied  der  Schlüpfintensität  bei  gut  wärmegeschützten  Böden  und 
solchen  mit  geringem  Wärmeschutz  nicht  in  Erscheinung  trat.  Letzteres  geht 
deutlich  aus  den  Beobachtungen  Meyers  hervor,  deren  Einzelheiten  aus  den 
beigegebenen  Diagrammen  (Abb.   513)  ohne  weiteres  zu  ersehen  sind. 

Da  die  beiden  erörterten  Fälle  stets  in  der  Natur  vorkommen, 
da  ferner  die  Beschaffenheit  der  Bodendecke  überall  großen  Schwan- 
kungen unterliegt,  und  da  endlich  die  Puppen  selbst  unter  gleichen  Boden- 
verhältnissen   in    verschiedenen     Horizonten    der    Bodendecke    überwintern. 


1)  Über  die  Meyerschen  Typen  wird  bei  der  Epidemiologie  Näheres  mitgeteilt. 

40* 


628  II.  Spezieller  Teil. 

so  erscheint  es  verständlich,  daß  die  gesamte  Schlüpfperiode  sich  immer 
über  einen  längeren  Zeitraum  erstreckt:  jeder  Lage  entsprechen  die  ver- 
schiedenartigsten Wärmeschutzverhältnisse. 

Falterflug.  Das  eigentliche  Schwärmen  setzt  unmittelbar  nach 
Sonnenuntergang  ein  und  dauert  etwa  eine  halbe  bis  dreiviertel  Stunden  in 
voller  Stärke  1).  Die  Eule  umschwärmt  dann  bei  Massenvermehrung  in 
dichten  Wolken  unter  einem  deutlich  hörbaren  Summen  die  Wipfelregion. 
Entgegen  mehrfachen  Angaben  in  der  Literatur,  wonach  die  Witterung 
wenig  Einfluß  mehr  auf  das  einmal  im  Gange  befindliche  Schwärmen  haben 
soll,  und  weder  Regen  noch  auch  niedere  Temperaturen  die  Tiere  vom  Schwär- 
men abzuhalten  vermöchten  (Eckstein),  liegen  von  der  letzten  Kieferneu] en- 
kalamität  in  Mittelfranken  und  der  Oberpfalz  Beobachtungen  verschiedener 
Forstämter  vor,  die  von  einem  schlagartigen  Abbrechen  des  Schwärmens 
beim  Einsetzen  einer  kühlen,  regnerischen,  rund  lo  Tage  andauernden 
Witterungsperiode  im  Mai  1930  berichten  (siehe  auch  Meyer,  1931).  La- 
boratoriumsversuche von  Zwölfer  (1931)  zeigten,  „daß  die  Falter  bei  sämt- 
lichen Versuchstemperaturen  (8  0  bis  28  ^C),  die  konstant  mit  extrem  hohen 
Luftfeuchtigkeitswerten  von  100 0/0  kombiniert  waren,  im  allgemeinen  nur 
wenige  und  schwerfällige  Bewegungen  ausführten.  Sie  hingen  größtenteils 
bis  zu  ihrem  Tode  in  einer  Art  Starrezustand  an  den  Nadeln  der  Kiefern- 
zweige." .,In  den  Temperaturstufen,  die  mit  80 — 90 0/0  r.  L.  F.  verbunden 
waren,  zeigten  die  Falter  bei  18 — 28*^  lebhafte  bis  sehr  starke  Beweglichkeit, 
bei  der  140-Stufe  war  diese  mäßig,  bei  der  8  0-Stufe  endlich  wiesen  die 
Versuchstiere  zumeist  ein  schwerfälliges,  an  Starrezustand  erinnerndes  Ver- 
halten auf." 

Die  Eule  scheint  ein  seßhaftes  Insekt  zu  sein,  und  beim 
Schwärmen  in  der  Regel  sich  nicht  weit  vom  Geburtsort  zu 
entfernen.  Doch  sind  auch  Ausnahmen  bekannt  geworden.  Abgesehen 
davon,  daß  die  Falter  durch  Winde  verweht  und  durch  Licht  auf  weitere 
Strecken  angezogen  werden  können,  sind  auch  Fälle  berichtet,  in  denen 
ein  Überfliegen  der  Falter  auf  längere  Strecken  beobachtet  wurde  (siehe 
unten  S.  684). 

Das  Verhältnis  der  beiden  Geschlechter  beträgt  nach  Eckstein  (1923), 
Sachtleben  (1929)  und  Zwölfer  (1931)  durchschnittlich  1:1,  während 
nach  Wolff-Krauße  (1924a)  regelmäßig  auf  2  Männchen  i  Weibchen 
kommt. 

Lebensdauer.  Was  die  Lebensdauer  der  Falter  angeht,  so  weisen 
Beobachtungen  von  Eckstein  darauf  hin,  daß  sie  von  der  Temperatur  der 
LTmgebung  abhängig  ist:  Im  ungeheizten  Raum  betrug  sie  im  Januar  im 
Mittel  beim  9  32  Tage,  beim  cf  28  Tage,  im  Februar  entsprechend  29  und 
24  Tage,  im  März  28  und  24  Tage,  im  geheizten  Zimmer  dagegen  nur 
5 — 15,  im  Mittel  9  Tage.  Sachtleben  (1929)  gibt  an,  „daß  der  Forleulen- 
Falter  im  Wald  bis  zu  4  Wochen  leben  kann." 


1)  Nach  Meyer  (1931)  setzte  das  Schwärmen  (anfangs  Mai)  gewöhnlich  gegen 
19,45  Uhr  ein.  Nur  an  einem  Tag  (12.  Mai)  begann  das  Schwärmen  schon  um 
19  Uhr,  zu  welcher  Zeit  sich  der  Himmel  infolge  Aufziehens  einer  schweren  Kiesel- 
wolke verfinsterte.  Der  bald  darauf  einsetzende  Kieselschauer  vertrieb  die  Tiere 
bald  wieder,  so  daß,  als  es  wieder  hell  geworden,  keine  schwärmenden  Falter  mehr 
zu  sehen  waren.  Erst  um  19,45  Uhr,  als  die  wirkliche  Dämmerung  einsetzte,  begann 
dann  wieder  der  Flu^,  der  bald  seine  alte  Stärke  erreichte. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


629 


Genauere  experimentelle  Untersuchungsbefunde  über  die  Abhängigkeit 
der  Lebensdauer  der  Imaginalstadien  von  Temperatur  und  Luftfeuchtigkeit 
der  Umgebung  teilt  Zwölfer  mit.  Darnach  wird  die  Lebensdauer  der 
Falter  sowohl  von  der  Temperatur  wie  auch  von  der  Luftfeuchtigkeit  der 
Umgebung  beeinflußt.  Im  besonderen  übt  eine  konstant  extrem  hohe 
Luftfeuchtigkeit  von  ioqo/o  eine  erheblich  lebens verkürzende 
Wirkung  aus.  Die  folgenden  Zusammenstellungen  enthalten  die  beob- 
achteten Minimal-,  Maximal-  und  Mittelwerte  der  Lebensdauer  bei  ver- 
schieden konstanten  Temperatur-  und  Luftfeuchtigkeitsverhältnissen: 

Lebensdauer    der    Kieferneulenfalter    in    Tagen: 


Temperatur 

80C 

14«  c 

18 

a  C 

22 

'C 

27—280  C 

d 

2 

6 

? 

d 

9 

d 

? 

c^ 

9 

bei          j    Minimum    .   . 

80—90  %     '    Mittel     .... 

L.  F.         ^   Maximum  .  . 

,    .          ni     (   Minimum    .   . 

L  °F    ^"  \    ^^i«^'    •  ■  •   • 
^^  Maximum  .   . 

31 

32,4 
38 

10,2 

31 

44.5 

21 

8 

13,6 
24 

4 
8,4 

9 
14.8 

4 

10,1 
19 

4 

8,2 
16 

6,2 

5 

8,8 

6,1 
9 

4 

6,8 
12 

4 

4 
9 

4.2 
6 

3 

5>3 
10 

3 

8 

3-4 
4 

Übersichtlich  sind  die  Verhältnisse  in  Abb.  515  und  516  dargestellt.  Als 
längste  Lebensdauer  wurden  in  einem  Fall  bei  i  9  51  Tage  beobachtet  (bei 
8°  und  80 — 900/0  L.  F.).  Die  Männchen  zeigen  im  allgemeinen  kürzere 
Lebensdauer  als  die  Weibchen,  doch  verschwinden  diese  Unterschiede  bei 
höheren  Temperaturen.  Begattete  und  unbegattete  Weibchen  ließen  keine 
bemerkenswerten   Unterschiede   der   Lebensdauer   erkennen.    Die   Kenntnisse 


6     8     10    12    n   16    18  20  22  2f  26  28   30  32  3¥  36  38  W  f?   iff  % 

mitt/.  Lebensdauer  bei  80-9Ö^Lf 

Abb.  515.    Mittlere  Lebensdauer  von  Männchen  und  Weibchen  bei  80— 90O0  rel.  Luft- 
feuchtigkeit und  verschiedenen  Temperaturen.    Nach  Zwölfer. 


630 


II.  Spezieller  Teil. 


der  letzteren  geben  im  übrigen  gewisse  Anhaltspunkte  zur  Beurteilung,  in- 
wieweit ungünstige  Witterungsverhältnisse  die  Eiablage  der  Falter  zu  beein- 
trächtigen vermögen.  Hierauf  wird  weiter  unten  noch  eingegangen  werden. 
Begattung,  Eiablage  und  Eientwicklung.  Die  Begattung  findet  an- 
scheinend meistens  des  Nachts  statt.  Ratzeburg  (F.)  beobachtete  im 
Zwinger,  daß  die  Schmetterlinge,  sowie  es  dunkel  wurde,  in  die  größte  Be- 


23 
26 

2f 

n 

~^ 

\ 

22 
20 
18 
16 

12 

\ 

\ 

\ 

L 

\ 

\ 

8 
6 
¥ 
2 
0 

\ 

_J 

J 

0    2     ¥     6     8    10    12    n    16    18  20  22  2¥   26  28  30  32  3¥  36  38   W    K    ¥f   \ 

milH. Lebensdauer  bei  100%  L.F 

Abb.    516.    Mittlere   Lebensdauer   von   Männchen   und   Weibchen   bei    iooi>ü    rel.   Luft- 
feuchtigkeit und  verschiedenen  Temperaturen.    Nach  Zwölfer. 


wegung  gerieten  und  sich  zur  Begattung  anschickten.  „Sie  nähern  sich  ein- 
ander rückwärts,  bringen  die  Leiber  zusammen  und  bleiben  so  aneinander 
hängen.  Am  anderen  Morgen  war  nichts  mehr  davon  zu  sehen;  viele  trugen 
die  Flügel  aufgerichtet."  Doch  hat  Eckstein  (1924)  auch  am  Tage  kopu- 
lierende Tiere  angetroffen:  „Am  8.  März  waren  2  cfcT  mit  i  9  zusammen- 
gebracht worden,  am  11.  März  wurde  die  Copula  bei  Tage  festgestellt,  des- 
gleichen am  19.  März.  Es  kommt  also  wiederholte  Copula  des  Weib- 
chens vor.  Eine  solche  beobachtete  auch  Jazentkowski  (1915),  der  in 
einer  Bursa  copulatrix  einmal  6  Spermatophoren  gefunden  hat.  Nach  Zwöl- 
fers Beobachtungen  hat  es  den  Anschein,  als  ob  im  Freien  eine  mehrmalige 
Copula  sogar  die  Regel  ist:  Von  6  im  Wald  natürlich  verendeten  Weibchen 
wiesen   4  Exemplare   2   und   3  Spermatophore   in   der   Bursa   copulatrix   auf. 

Die  Copula  vollzieht  sich  in  verschiedenen  Stellungen:  entweder  mit 
von  einander  abgewandten  Köpfen  oder  mit  gleichgerichteten  Köpfen; 
im  letzten  Fall  liegt  die  Nadel  zwischen  beiden  Tieren,  deren  Hinterenden 
sich  seitlich  von  ihr  vereinigen  (Eckstein). 

Meyer  beobachtete  von  seinen  Kanzeln  in  den  Kronen  aus  des  öfteren 
im  Freien  kopulierende  Tiere  und  zwar  stets  vor  Einbruch  der  Dämmerung: 
„Der  eine  Falter,  jedenfalls  das  Weibchen,  saß,  die  Flügel  bewegend,  an 
einem  Zweig  oder  einer   Nadel,   oder  lief  auch  unruhig   daran  herum,   um- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen^ 


631 


schwärmt  von  einer  Anzahl  Männchen.  Sobald  der  Partner  die  entsprechende 
Stellung  eingenommen  hatte,  verharrte  das  Pärchen  in  seiner  Stellung  und 
blieb  unbeweglich,  solange  das  schwindende  Licht  die  Beobachtung  erlaubte." 

Eingehende  Untersuchungsergebnisse  über  die  geschlechtliche  Aktivität 
teilt  Zwölfer  mit.  Wird  für  diese  als  Maßstab  der  Prozentsatz  zustande 
gekommener  Kopulationen  benutzt,  so  ergeben  sich  als  optimaler  Bereich  für 
die  geschlechtliche  Aktivität  der  Kieferneulenfalter  Temperaturen  zwischen 
12 — i6o  C  und  Werte  der  relativen  Luftfeuchtigkeit  kleiner  als  90 o/o.  Extrem 
hohe  Luftfeuchtigkeitswerte  von  100  0/0  zeigen  auch  hier  —  wenn  sie  während 
der  ganzen  Lebensdauer  konstant  gehalten  werden  —  schädigenden  Einfluß: 
Der  Prozentsatz  zustande  gekommener  Kopulationen  sinkt  bei  diesen,  gleich- 
viel ob  sie  mit  niederen,  mittleren  oder  höheren  Temperaturstufen  kombiniert 
werden,  auf  ein  Minimum  herab.  Im  übrigen  ist  als  untere  Temperaturgrenze 
der  geschlechtlichen  Aktivität  ein  Wert  anzusehen,  der  zwischen  4 — 8°  C 
liegt.  Die  diesbezügliche  obere  Grenze  liegt  bei  etwa  30  *'  C.  Anschaulich 
sind  diese  Verhältnisse  im  Diagramm  Abb.  517  dargestellt,  das  die  Ünter- 
suchungsergebnisse  für  2  Feuchtigkeitsstufen  und  5  verschiedene  Tempera- 
turen umfaßt.  Die  den  durch  Kreise  markierten  Punkten  zugeordneten 
Zahlen  geben  die  Prozente  zustande  gekommener  Kopulationen  an. 

Abweichende  Beobachtungen  hiervon  Tp 
teilt  Eckstein  mit;  darnach  sollen  die  %^ 
Falter  durch  ungünstige  Witterung,  wie 
Regen  usw.  weder  im  Schwärmen  noch  in 
der  Begattung  gestört  werden.  Dabei  ist 
aber  zu  berücksichtigen,  daß  seine  Beob- 
achtungen in  einem  im  Freien  stehenden 
Zwinger  gemacht  wurden.  Die  in  dessen 
Inneren  herrschenden  Temperaturen  usw. 
können  nicht  ohne  weiteres  mit  den 
äußeren  Witterungsverhältnissen  verglichen 
werden. 

Was  die  Eiablage  bzw.  die  Zahl 
der  Eier  betrifft,  die  ein  Eulenweibchen 
ablegt,  finden  wir  in  der  Literatur  die  ver- 
schiedensten Angaben,  die  zwischen  90  und 
vielen  Hundert  schwanken.  Baer  (1910) 
hat  von  3  99  im  Zwinger  189,  202  und 
228  Eier  abgelegt  erhalten.  In  Eck- 
steins Versuchen  (1924)  betrug  „die 
geringste  Gesamtzahl  abgelegter  Eier 
eines  Weibchens  8,  die  höchste  291,  im 
Mittel  150.  Die  Eier  reifen  in  den 
8  Eischnüren  des  Eistocks  allmählich 
heran."  Das  9  hat  bald  (nach  Eckstein) 
nach  dem  Schlüpfen  in  den  einzelnen  Eischnüren  durchschnittlich  12 — 16 
legereife  und  36 — 79  unreife  Eier  bzw.  Eianlagen;  im  ganzen  Ovarium 
wurden  gezählt  28 — 92,  im  Mittel  56  reife  und  348 — 544,  im  Mittel  433  An- 
lagen, so  daß  nach  diesem  Autor  unter  günstigsten  Bedingungen  das  9  483 
bis  636,  rund  500  Eier  produzieren  kann.  Sprengel  (1928)  fand  in  den 
Ovarien   eines   eine    Stunde   alten   Weibchens   78    reife   und   250   unreife,   im 


Abb.  517.    Diagramm  der  geschlecht- 
lichen    Aktivität     zur     Bestimmung 
ihres     optimalen     Temperatur-Luft- 
feuchtigkeitsbereiches.    Nach 
Zwölfer. 


632 


II.  Spezieller  Teil. 


ganzen  331  Eier,  bei  einem  12  Stunden  alten  Weibchen  253  reife  und  198 
unreife,  im  ganzen  457  Eier,  und  bei  einem  24  Stunden  alten  Weibchen  439 
reife  und  266  unreife,  im  ganzen  712  Eier.  Auf  eine  viel  geringere  Zahl  kommt 
Sachtleben  (1927),  der  von  20  Weibchen  durchschnittlich  je  90  Eier 
erhielt. 

Zu  einem  von  Sachtleben  nicht  viel  abweichenden  Resultat  ist  Eid- 
mann   (1928    und    29)    auf    Grund    eingehender    anatomischer    Studien    ge- 


A  B  C  D  E 

Abb.  518.    Eiröhren  von  Kieferneulen  verschiedenen  Alters  (am  Eikelch  abgetrennt); 
A  frisch  geschlüpft,  B  3  Tage  alt,  C  7  Tage  alt,  D  Eier  zum  größten  Teil  abgelegt, 
E   Eier   sämtlich   abgelegt.    Nach   Eid  mann. 


kommen.  Darnach  ist  es,  wie  auch  aus  Sprengeis  Untersuchungen 
hervorgeht,  bei  der  Eule  durchaus  nicht  erlaubt,  aus  der  Zahl  der  in  den 
Ovarialschläuchen  befindlichen  Eier  und  Eianlagen  ohne  weiteres  auf  die 
Produktionsziffer  zu  schließen.  Bei  frisch  geschlüpften  Weibchen  geht  die 
'Reifezone  ganz  allmählich  und  ohne  scharfe  Grenze  in  die  Zone  der  unreifen 
Eier  über,  „so  daß  eine  Eiröhre  wie  eine  Perlschnur  aussieht,  deren  ein- 
zelne Perlen  nach  dem  dünnen  Ende  hin  ganz  gleichmäßig  an  Größe  ab- 
nehmen". „Schon  nach  3  Tagen  dagegen  setzt  sich  die  Reifezone  ganz 
scharf  gegen  den  Endabschnitt  der  Eiröhre  ab,  so  daß  auf  das  letzte  Reifei 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen).  633 

ganz  plötzlich  und  ohne  Übergang  ein  viel  dünnerer  Abschnitt  folgt,  der  wie 
ein  Rattenschwanz  dem  prall  gefüllten  Basalteil  der  Eiröhre  anhängt"  (Abb. 
518).  „Man  hat  den  Eindruck,  daß  die  Eier  sich  nur  von  einem  bestimmten 
Punkt  ab  fertig  entwickeln,  der  Rest  aber  auf  der  Entwicklungsstufe  stehen 
bleibt,   wie   er  beim  Ausschlüpfen  des    Falters  gegeben  ist." 

„Zählt  man  die  Eier  (bzw.  Eianlagen)  in  den  Eiröhren  aus,  so  findet 
man,  daß  die  Gesamteizahl  frisch  geschlüpfter  Forleulen  in  beiden  Ovarien 
durchschnittlich  580  beträgt.  Von  diesen  gelangen  jedoch  nur  etwa  ^5  zur 
völligen  Reifung  und  Ablage;  der  Rest  bleibt  unentwickelt  im  Ovar  zurück." 

Darnach  wäre  also  mit  E  i  d  m  a  n  n  die  Fortpflanzungsziffer  eines 
Eulenweibchens  durchschnittlich  mit  etwa   120  Eier  zu  veranschlagen. 

Einen  etwas  anderen  Weg  als  die  genannten  Autoren  hat  Zwölfer 
eingeschlagen,  um  die  Durchschnittseizahl  eines  Weibchens  zu  bestimmen, 
die  es  im  Optimum  sämtlicher  maßgebender  Bedingungen  ablegen  kann. 
Er  sezierte  die  Weibchen,  nachdem  sie  unter  verschiedenen  Versuchsbedin- 
gungen ihre  Eiablage  beendigt  hatten  und  natürlich  verendet  waren  und 
bestimmte  die  Zahl  legereifer  Eier,  die  in  ihren  Ovarien  zurückblieb.  In- 
dem er  diese  Zahl  zu  jener  hinzuzählt,  welche  die  betreffenden  Weibchen 
während  ihres  ganzen  Lebens  abgelegt  hatten,  gelangt  er  zu  der  Anzahl  lege- 
reifer Eier,  die  ein  Weibchen  im  ganzen  produzieren  und  —  optimale  Be- 
dingungen  vorausgesetzt   —   auch   ablegen   kann. 

Dabei  ergab  sich,  daß  Temperaturen  von  8 — 28  0  C  mit  einer  Luft- 
feuchtigkeit von  80 — 90 0/0  kombiniert,  ohne  Einfluß  auf  die  Gesamtzahlen 
legereifer  Eier  sind,  die  ein  Weibchen  im  Durchschnitt  seines  ganzen  Lebens 
erzeugt.  Lediglich  eine  Verzögerung  der  Entwicklungsdauer  in  den  niederen 
Temperaturstufen  ist  feststellbar.  Im  Mittel  von  48  Versuchstieren  ergab  sich 
auf  diese  Weise  als  durchschnittliche  Zahl  legereifer  Eier  pro  Weibchen  190. 
Sie  wäre  nach  dem  genannten  Autor  als  die  ideale  oder  „absolute 
Eizahl"  der  Forleule  anzusehen,  während  den  unter  ver- 
schiedenen Versuchsbedingungen  oder  auch  in  freier  Natur 
abgelegten  Durchschnittseimengen  in  den  meisten  Fällen  nur 
relative  Bedeutung  zukommt. 

Im  Gegensatz  zu  den  Luftfeuchtigkeitsverhältnissen  von  80 — 90 0/0  zeigte 
es  sich  ferner,  daß  extrem  hohe  konstante  Luftfeuchtigkeit  von 
100 0/0,  gleichviel  mit  welcher  Temperatur  sie  kombiniert  wird,  die  durch- 
schnittliche Erzeugung  legereifer  Eier  beträchtlich  herabsetzt.  Bei  dieser 
Versuchsreihe  betrug  sie  im  Mittel  von  44  Weibchen  nur  150  Eier  je  Weib- 
chen. Im  übrigen  sind  nach  Zwölfer  außer  den  Luftfeuchtigkeitsverhält- 
nissen während  des  Imaginallebens  besonders  die  Ernährung  der  Generation, 
welcher  die  untersuchten  Weibchen  entstammten  und  alle  Umstände,  die  auf 
dieselbe  einwirkten,  für  die  Produktion  legereifer  Eier  von  Bedeutung:  die 
Reservestoffe  (Fettkörper),  welche  die  Weibchen  aus  ihrer  larvalen  Lebens- 
periode mitbringen,  dienen  in  erster  Linie  dem  Aufbau  legereifer  Eier  aus 
den  vorhandenen  Eianlagen.  Je  umfangreicher  die  ersteren,  desto  größer 
kann  naturgemäß  der  Anteil  an  Eianlagen  werden,  der  zu  legereifen  Eiern 
umgebildet  wird  —  vorausgesetzt  allerdings,  daß  während  des  Falterlebens 
keine  schädigenden  Einflüsse  vorliegen,  die  diesen  Entwicklungsgang  hem- 
men. So  ergab  sich  bei  den  Z  w  ö  1  f  e  r'schen  Beobachtungen  in  den  Tem- 
peraturstufen von  8° — 28  0,  die  mit  80 — 900/0  Luftfeuchtigkeit  kombiniert 
waren,  ein  Verbrauch  des   Fettkörpers  bis  auf  minimalste  Reste,  während  in 


634 


II.  Spezieller  Teil. 


den  entsprechenden  mit  looo/o  L.  F.  verknüpften  Versuchen  bei  den  ver- 
endeten Weibchen  meist  noch  größere  oder  geringere  Mengen  an  Fett- 
körpersubstanz vorhanden  waren.  Wie  schon  die  lebensverkürzende  Wirkung 
der  extrem  hohen  Luftfeuchtigkeit,  so  weist  auch  diese  Erscheinung  auf 
schädigende  Einflüsse  hoher  Luftfeuchtigkeit  für  das  Imaginalstadiu'm  der 
Kieferneule  hin. 

Ob  und  inwieweit  die  Zahl  der  von  einem  Weibchen  erzeugten  Eier 
zur  Ablage  gelangt,  ist  eine  Frage  für  sich,  auf  die  weiter  unten  eingegangen 
werden  wird.  Im  folgenden  seien  noch  2  Zusammenstellungen  der  Versuchs- 
ergebnisse Zwölfers  mitgeteilt,  die  das  Gesagte  zahlenmäßig  belegen. 


Produktion  legereifer  Eier  während  der  gesamten  Lebensdauer. 

r.  L.  F. 

Tempe- 
ratur- 
stufe 
0  (■ 

Zahl  der 
Versuchs- 
tiere 

?? 

Gesamtzahl 

abgelegter 

Eier 

Gesamtzahl 
legereifer 
Eier  in  ver- 
endeten 

22 

Abgelegte 
-|-  legereife 

Eier 
zusammen 

Durchschnitt 
pro  1   $ 

80 

5 

56 

1040 

1096 

219 

-90  7o    ' 

14« 

15 

1260 

1511 

2771 

185 

80 

180 

9 

786 

825 

1611 

179 

220 

8 

580 

1043 

1623 

203 

27° 

II 

265 

1917 

2182 

198 

z 

usammen 

48 

- 

- 

9283 

193 

( 

80 

9 

88 

1438 

1526 

169 

14« 

9 

8 

1344 

1352 

150 

100% 

180 

9 

196 

1413 

1609 

179 

220 

8 

22 

1199 

1221 

153 

( 

270 

9 

0 

763 

763 

85 

z 

usammen 

44 

- 

6471 

147 

Der  Beginn  der  Eiablage  fällt  nach  Eckstein  auf  den  2. — 9.  Tag 
nach  der  Begattung,  meist  auf  den  4.,  selten  erst  auf  den  8.  und  9.,  im 
Mittel  auf  den  5.  Tag.  In  verschiedenen  Zuchten  Sachtlebens  fand  die 
erste  Eiablage  immer  erst  am  11.,  12.  oder  13.  Tag  nach  dem  Schlüpfen 
statt.  Die  Zeit,  die  ein  Weibchen  braucht,  um  die  Gesamteimenge  abzulegen, 
ist  nach  dem  gleichen  Autor  durchschnittlich  etwa  14  Tage,  kann  jedoch 
bis  zu  20  Tagen  betragen.  Nach  Zwölfer  dagegen  beginnt  innerhalb 
eines  vitalen  Temperaturbereichs  (io[?] — 27°)  die  Eiablage  ziemlich  unab- 
hängig von  den  jeweiligen  Temperaturbedingungen  am  3.  bis  4.  Tage  nach 
dem  Schlüpfen  der  Weibchen.  Auch  die  Begattung  fällt  in  diese  Zeitspanne. 
Hingegen  wird  die  Dauer  der  Legeperiode  wesentlich  von  der 
herrschenden  Temperatur  beeinflußt:  „So  erfolgte  die  Beendigung 
der  Eiablage  bei  80 — 90 0/0  Luftfeuchtigkeit  in  der  140-Temperaturstufe 
nach  dem  15.  bzw.  17.  Tage  (vom  Schlüpfen  der  Weibchen  an  gerechnet), 
bei  18  0  nach  8  und  13  Tagen,  bei  22  0  nach  7  bzw.  9  Tagen,  in  der  27 — 28°- 
Temperaturstufe  endlich  nach  6  bzw.  8  Tagen.  Diese  Verhältnisse  sind  im 
Diagramm  Abb.  519  anschaulich  dargestellt.  (Die  Linien  verbinden  die  Mittel- 
werte   der   Versuchsergebnisse.    Dick    ausgezogen    ist    die    Variationsbreite.)" 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


63^ 


In  den  Zwingerversuchen  Ecksteins  legte: 


ein  Weibchen 

ein  anderes 

ein 

drittes   $ 

21.  Februar  6  Eier 

10. 

März 

58  Eier 

15- 

März    18  Eier 

28 

29     „ 

1 1. 

36     ,. 

18. 

19      - 

I 

März 

55     '■ 

1 2. 

8     „ 

19. 

13      - 

2 

,, 

12     ,, 

13- 

34     -' 

20. 

35     " 

3 

15     -. 

14. 

27     „ 

21. 

20     ,, 

s 

26     „ 

15- 

44     " 

22. 

79     ,• 

6 

37 

20. 

7 

23- 

25     „ 

9 

,, 

27     ,. 

26. 

7     ,- 

24. 

42     „ 

II 

,, 

6     „ 

26. 

10     „ 

15 

5     " 

10  Legetage  219  Eier     8  Legetage  291  Eier     9  Legetage  261  Eier. 


:^=- 


6      "J     8     9     fO     f1     12    13     n    15     16     1f    18Tage 


Abb.   519.    Zeitdauer  der  Gesamteiablage  der   Forleule  vom  Schlüpfen  der  Weibchen 
an  gerechnet.    Nach   Zwölfer. 


Die  tägliche  durchschnittliche  Eiablage  eines  Weibchens  beträgt  nach 
diesen  und  anderen  Beobachtungen  ca.  24 — 29  Eier,  dabei  soll  die  Witterung 
nach  Eckstein  auf  die  Eiablage  ebenso  wenig  Einfluß  haben  als  auf  das 
Schwärmen  und  die  Kopula;  bei  seinen  Versuchen  wurde  weder  durch  Regen, 
noch  Schnee,  noch  auch  durch  geringe  Minustemperaturen  das  Eierlegen 
unterbrochen.  Hierbei  ist  jedoch  wie  oben  darauf  hinzuweisen,  daß  diese 
Beobachtungen  in  einem  im  Freien  stehenden  Zwinger  gemacht  wurden. 

So  geben  denn  auch  die  experimentellen  Untersuchungsergebnisse 
Zwölfers,  die  bei  konstanten  Temperatur-  und  Luftfeuchtigkeitswerten  ge- 
wonnen wurden,  ein  wesentlich  anderes  Bild  dieser  Verhältnisse.  Darnach 
wird  die  Eiablage  bei  anhaltend  extrem  hoher  Luftfeuchtig- 
keit von  100  0/0  außerordentlich  beeinträchtigt,  gleichviel  mit 
welcher  Temperaturstufe  zwischen  8— 2  7  «  C  die  Luftfeuchtig- 
keit kombiniert  wird.  Bei  Luftfeuchtigkeitswerten  unter  90  0/0  übten 
Temperaturen   von   8°   auf   der   einen   und   27—28°   auf   der   anderen    Seite 


636 


II.  Spezieller  Teil. 


80 


70 


50  %rl.L.F 


einen  erheblich  vermindernden  Einfluß  auf  die  Gesamtzahl  abgelegter 
Eier  aus.  Die  untere  Grenze  für  die  Eiablage  würde  nach  Zwölfer  bei 
Temperaturen  zwischen  4O— 8»  C  liegen.  Der  optimale  Bereich  für  die  Ei- 
ablage  der   Kieferneulenweibchen   liegt   im   übrigen   zwischen   Temperaturen 

von  14  0 — 19  0  C  und  Luftfeuchtigkeits- 
werten von  90  0/0  bis  schätzungsweise  60  0/0. 
Das  Diagramm  Abb.  520  veranschaulicht 
diese  Verhältnisse.  Die  den  einzelnen 
Kreisen  zugeordneten  Zahlen  geben  die 
Durchschnittszahl  von  einem  Weibchen  in 
der  betreffenden  Temperatur- Luftfeuch- 
tigkeitskombination während  seiner  ge- 
samten Lebensdauer  abgesetzten  Eier  an. 
Es  darf  hieraus  noch  nicht  gefol- 
gert werden,  daß  ein  vorübergehen- 
der Aufenthalt  der  Falter  in  ungünstigen 
Witterungsverhältnissen  die  Eiablage  gänz- 
lich verhindert.  5  Versuchspärchen,  die 
25  Tage  lang  einer  Temperatur  von  8  0, 
verbunden  mit  80 — 90  0/0  Luftfeuchtigkeit, 
ausgesetzt  waren  und  in  dieser  Zeit  nur 
2  Eier  ablegten,  setzten,  anschließend  un- 
ter optimale  Bedingungen  verbracht,  in  den 
folgenden  7  Tagen  rund  340  Eier  ab.  Die 
Weibchen  verlieren  demnach  ihre  Lege- 
fähigkeit trotz  relativ  langen  Aufenthaltes  in 
ungünstigen  Bedingungen  keineswegs.  Im 
Zusammenhang  hiermit  ist  die  Kenntnis  der  Lebensdauer  der  Falter  praktisch 
von  großer  Bedeutung,  worauf  oben  schon  hingewiesen  worden  ist.  Danach 
müßte  unmittelbar  im  Anschluß  an  das  Schlüpfen  der  Hauptmasse  der  Falter 
eine  trockene  Witterungsperiode,  verbunden  mit  anhaltend  niederen  Tem- 
peraturen (unter  8  ^),  von  mindestens  3 — 4wöchentlicher  Dauer  einsetzen, 
wenn  diese  einen  erheblichenEinflußauf  den  Gang  der  Eiablage  gewinnen  soll. 
Regenwetter,  verbunden  mit  niederen  Temperaturen  müßte  dement- 
sprechend mindestens  2  Wochen  ununterbrochen  anhalten,  um  größere  Wir- 
kung zu  zeigen.  „Würde  das  Schlüpfen  der  Falter"  —  so  folgert  Zwöl- 
fer —  „in  freier  Natur  gleichmäßig  erfolgen  und  sich  auf  eine  kurze 
Zeitspanne  von  wenigen  Tagen  beschränken,  so  wäre  die  Gefahr  einer 
Ausschaltung  des  größten  Teils  der  Eulenpopulation  vom  Fortpflanzungs- 
geschäft durch  ungünstige  Witterungsverhältnisse  wesentlich  größer  als  bei 
einer  Verzettelung  des  Schlüpfens  über  einen  längeren  Zeitraum.  Letzteres 
wird  in  der  Tat  bei  der  Kieferneule  als  Regel  beobachtet.  Unter  den  obigen 
Gesichtspunkten  betrachtet,  stellt  diese  zeitliche  Verzettelung  des  Schlüpfens 
gleichsam  eine  Sicherung  vor,  die  selbst  in  ganz  ungünstigen  Jahrgängen 
zum  mindesten  einem  Teile  der  Population  noch  die  Ausübung  seines  Fort- 
pflanzungsgeschäftes ermöglichen  wird.  Es  trägt  damit  zur  Sicherung  des 
Bestandes  der  Art  bei." 

Zu  ähnlichen  Resultaten,  wie  sie  Zwölfer  im  Laboratorium  erzielte,  ist 
Meyer  durch  Beobachtungen  im  Freien  gelangt.  Nach  ihm  ist  „die  Kurve 
der  Eiablage  im  wesentlichen  ein  Abbild  der  Schlüpfkurve  (Abb.  521).  Tempe- 


Abb.  520.  Diagramm  der  Gesamt- 
eiablage der  Forleule  zur  Bestim- 
mung ihres  optimalen  Temperatur- 
Luftfeuchtigkeitsbereiches.  Nach 
Zwölfer. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen) 


637 


ratur  und  Feuchtigkeit  vermögen  sie  zu  modifizieren.  Namentlich  übt  sehr 
hohe  relative  Luftfeuchtigkeit  einen  hemmenden  Einfluß  auf  die  Eiablage  aus." 

Der  Vorgang  der  Eiablage  spielt  sich  gewöhnlich  folgendermaßen 
ab:  Die  eierlegenden  qq  wenden  gewöhnlich  den  Kopf  der  Nadelbasis  zu, 
(nur  selten  nehmen  sie  eine  umgekehrte  Stellung  ein)  und  klettern  an  der 
Nadel  von  der  Spitze  bis  zur  Basis  fort,  ein  Ei  nach  dem  andern  an  dieselbe 
andrückend  (Abb.  .522).  Daher  befinden  sich  die  meisten  Eigelege  auf  der 
distalen  Hälfte  der  Nadel,  mehr  oder  weniger  der  Nadelspitze  genähert. 
Zum  Ablegen  eines  einzelnen  Eies  bedarf  das  Weibchen  ca.  5  Sekunden 
(Eckstein).   Die  Ablage  findet  gewöhnlich  an  vorjährige  Nadeln  statt. 

Die  Eigelege  zeigen  in  der  Regel  Zeilenform  (Abb.  523).  Allerdings 
kommen  auch  Einzeleiablagen  vor,  doch  wohl  mehr  als  Ausnahmen,  nicht  als 
Regel,  wie  Kob^),  AI  tum  u.a.  annahmen.  Die  Zahl  der  Eier  in  den  einzelnen 
Zeilen  ist  sehr  verschieden  und  schwankt  zwischen  2  und  25;  am  häufigsten 
sind  nach  Sachtleben  Gelege  von  2 — 7  Eiern;  Walter  gibt  als  Durch- 
schnittszahl 9 — IG  Eier  an.  Die  meisten  Eier  liegen  an  der  Unterseite  der 
Nadeln,  doch  kommen  auch  Eizeilen  auf  der  Oberseite  vor.  Verschiedentlich 
haben   wir  beobachtet,   daß   Eizeilen   von   der   Unterseite   zur   Oberseite   der 


Eiablage  in  2 

100 

\ 

A 

/ 

\ 

A 

\  j 

\ 

/ 

N 

/ 

90 

ber 

j 

\  1 

A 

\/ 

'  \ 

/ 

1    / 

'\ 

\  / 

\ 

/ 

\ 

j 

vo 

V 

\ 

1 

\ 

-.  / 

y 

\ 

1 

70 

1 

\ 

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\ 

1 

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1 

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50 

A 

A 

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^ 

, 

, 

L 

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/ 

\^ 

y. 

AbgelegteEier, 

verteilt 


I  11  .,0  «.,/,  -ff  .,  U .0  »  ^^K.,^^,.  ^  -,J^  00^9  on^  ^J 


/abgelegte  Eier 


20     22     2f      2S      28      30 

-Kronentemperatur 
(zur  Flugstunde) 


3  ^  S 

-ßelat Feuchtigkeit 
im  Kronen  bereich 


Abb.  521.    Eiablage  der  Forleule  in  83  jährigem  Altholz,  Streutyp  2,  gesunde  Puppen 
pro  qm  2,7,   Nadelmasse  der  täglich  kontrollierten  Äste  62  500,  Eizahl  pro   1000  Na- 
deln insgesamt  25.    Nach  Meyer. 


1)  Kobs  Angaben  beruhen,  wie  Nitsche  ausgeführt  hat,  nach  den  Ab- 
bildungen zu  schließen,  wohl  auf  einer  Verwechslung  mit  den  Eiern  von  Lyda 
Stella  ta. 


638 


IL  Spezieller  Teil. 


Nadeln  umbiegen i).  Die  Eier  der  einzelnen  Zeilen  sind  fest  aneinander- 
geklebt,  ebenso  wie  sie  an  der  Nadel  festgekittet  sind.  Der  Kitt  tritt  oft 
an  der  Basis  des  Eies  wasserhell  glänzend  hervor. 

Ganz  abnorme  Gelege,  die 
teils  in  unregelmäßigen  Klumpen, 
teils  in  säulenartigen  Zeilen  auf  die 
Nadeln  abgesetzt  wurden,  beobach- 
tete Zwölfer  bei  Weibchen,  die  an- 
haltend hoher  Luftfeuchtigkeit  von 
IOC  o/o  ausgesetzt  waren,  —  einem 
Feuchtigkeitsgrad,  der  sich  auch 
sonst  für  die  Eiablage  sehr  ungün- 
stig erwies.  Nach  der  Deutung  des 
Genannten  sind  diese  Gelege  (Abb. 
524)  unter  dem  Einfluß  der  schä- 
digenden Bedingungen  wohl  im 
Todeskampf  von  den  betreffenden 
Weibchen    abgestoßen    worden. 

Betreff  der  Verteilung 
der  Eier  in  der  Krone  fin- 
den sich  in  der  Literatur  rnehr- 
fach  Angaben,  daß  die  Haupt- 
masse der  Eier  meistens  in  den 
oberen  Teilen  der  Krone  ab- 
gelegt wird,  andererseits  aber 
auch,  daß  die  Eiablage  gleich- 
mäßig verteilt  über  die  ganze 
Krone  stattfinden  kann.  Nach 
Meyers  Beobachtungen  werden 
die  verschiedenenKronen- 
zonen  gleich  stark  be- 
legt. Er  ließ  bei  der  Fällung 
von  Probestämmen  die  Krone 
in  drei  Abschnitte  zerlegen  und  die  Eizahl  getrennt  feststellen:  dabei  ergab 
sich,  daß  die  nachträglich  ermittelte  Nadelzahl  und  die  Eizahl 
stets  proportional  waren,  z.  B. 

Eier 


Abb. 


522.     Kieferneulen-Weibchen    bei    der    Ei- 
ablage.    Nach    Sei  ff. 


1007 


145  000  Nadeln 

320000 

121  000 


Gipfel 

Mitte     .  .  .  2143 

Unterstück   1069 

wobei    sich    also    sowohl    die    Eizahlen    als    auch    die    Nadelzahlen    wie    rund 
1:2:1    verhalten. 

Zwischen    Stangen-    und   Altholz   scheinen    die   Weibchen   bei   der 
Eiablage  keinen  Unterschied  zu  machen.   Dagegen  meiden  sie  junge 


1)  „Daß  sich  die  Eiablage  nicht  ausschließlich  auf  die  morphologische  Unter- 
seite der  Nadel  beschränkt  —  wie  an  manchen  Stellen  in  der  Literatur  behauptet 
wird  —  kann  man  der  Tatsache  entnehmen,  daß  zahlreiche  Eiablagen  der  Eule  auf 
der  durch  Wuchsverkrümmung  dem  Erdboden  in  der  Wachstumsperiode  des  Vor- 
jahres nachträglich  zugewendeten  Nadeloberfläche  gefunden  wurden"  (Walter). 
Bevorzugung  der  runden  oder  der  flachen  Seite  der  Nadel  bei  der  Ablage  der  Eier 
konnte  auch  Sachtleben  nicht  feststellen.  Von  436  Eigelegen  fand  er  222  aut 
der  runden,  215  auf  der  flachen  Nadelseite. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


639 


Kulturen  vollständig,  auch  wenn  ringsherum  alles  kahlgefressen  ist. 
Sie  legen  dann  ihre  Eier  lieber  an  die  kahlen  Stangen-  und  Althölzer  als 
an  benachbarte  grüne  Kusseln  oder  junge  Kulturen  (Wolf  f- Krau ß  e). 

Abgesehen  von  anhaltend  extrem  hoher  Luftfeuchtigkeit  (ioqo/o)  sind 
die  Eier  gegen  sonstige  Witterungseinflüsse  sehr  wider- 
standsfähig. Im  Einzelnen  wird  hierauf  im  epidemiologischen  Teil  noch 
eingegangen  werden. 

Auf  die  Dauer  des  Eistadiums  haben  die  klimatischen  Faktoren 
ganz  wesentlichen  Einfluß.  Schon  Ratzeburg  (F.  172)  berichtet,  daß  die 
Räupchen   im   Zimmer   4  Wochen  früher   schlüpften   als   im    Freien,   da  der 


A  B 

Abb.    523.    Zellenförmige    Eigelege    der    Kieferneule    (B    stark    vergr.),    erhalten   im 
Zwinger    (in    der    Natur    sind    die    Eizellen    meist    wesentlich   kleiner). 

April   und  zum  Teil  auch  noch  der   Mai  des   betreffenden  Jahres   sehr  un- 
freundlich gewesen  waren. 

Von  K.  Eckstein  (I.e.)  liegen  folgende  Beobachtungen  über  die  Dauer 
der  Embryonal entwicklung  vor: 

1.  Aus  32  Eiablagen,  erhalten  in  der  Zeit  vom  i.  April  bis  7.  Mai,  schlüpften 
die  ersten  Räupchen  nach  11 — 28  Tagen,  im  Mittel  nach  20  Tagen.  Auffallenderweise 
benötigten  die  im  Mai  abgelegten  Eier  mit  22,  24  und  26  Entwicklungstagen  etwa 
ebensoviel  Zeit  wie  die  Eier  aus  den  ersten  Apriltagen  mit  28-,  27-,  26-  und  25tägiget 
Entwicklungsdauer,  während  die  Eier  vom  20. — 23.  April  nur  11  — 13  Tage  brauchten, 
um  Raupen  zu  liefern. 

2.  58  Eiablagen  von  je  i  Tag,  die  in  der  Zeit  vom  i.  bis  7.  April  gewonnen 
wurden,  lieferten  die  ersten  Räupchen  frühestens  nach  14,  spätestens  nach  31  Tagen, 
im  Mittel  nach  28  Tagen. 


640 


II.  Spezieller  Teil. 


Die  hier  mitgeteilten  Zahlen  bezüglich  der  Entwicklungsdauer  lassen  sich  im 
allgemeinen  gut  mit  den  damals  herrschenden  Temperaturverhältnissen  in  Einklang 
bringen:  i. — 7.  April  hohe  Temperatur  (von  4,6  bis  11  "j,  vom  8. — 17.  April  tiefe 
Temperatur  ( — 1,5  bis  3,9°),  vom  18.  April  bis  5.  Mai  wieder  hohe  Temperatur  (von 
4,5  bis  19,20),  dann  wieder  eine  längere  Periode  von  relativ  tiefen  Temperaturen. 
Am  2.  Mai  (16,6"),  dem  8  Tage  mit  hohen  und  sehr  hohen  Temperaturen  voraus- 
gegangen waren,  setzte  aus  den  vom  4. — 20.  April  abgesetzten  Eiablagen  ein  Massen- 
schlüpfen  ein.    Es  scheint  danach,  daß  die  Embryonalentwicklung  der  in  der  ersten 

Hälfte  des  Monats  April  (bzw. 
4. — 16.  April)  gelegten  Eier  durch 
die  niederen  Temperaturen  (teil- 
weise sogar  Minus)  zurückgehal- 
ten wurde,  so  daß  sie  nicht  eher 
beendet  war,  als  bei  den  14  Tage 
später  abgesetzten  Eiern.  Mög- 
licherweise bleibt  auch  das  Räup- 
chen  bei  niederen  Temperaturen 
vollkommen  entwickelt  in  der  Ei- 
schale, bis  es,  durch  günstige  Wit- 
terung beeinflußt,  die  Eischale 
durchnagt. 

Auffallend      ist      allerdings, 

daß      verschiedentlich      auch      die 

Eier    ein    und    desselben    Geleges 

^  ma  beträchtliche       Differenzen       auf- 

"«^IHH^  W  weisen    können.     So    ist    im    E  c  k  - 

ÄOTa^Pr  mt  st  einschen    Versuch    von    einem 

•*MK^  fjE  Eigelege  das  i.  Räupchen  nach  14, 

das  2.  nach  19,  das  3.  nach  23, 
das  4.  nach  24  und  das  5.  gar  erst 
nach  27  Tagen  ausgekommen.  Wor- 
auf diese  Unterschiede  beruhen, 
wissen  wir  nicht. 

In  Sachtlebens  Zuchten 
(im  Freien)  schwankte  die 
Dauer  der  Embryonalentwick- 
lung von  26 — 27  Tagen  (bei 
Eiern  vom  16.  April),  bis  zu 
9  Tagen  (Eier  vom  14.  Mai). 
Genauere  Daten  über  die  Abhängigkeit  der  Entwicklungs- 
dauer des  Eies  von  den  Hauptwitterungsfaktoren,  der  Tem- 
peratur und  Luftfeuchtigkeit,  sind  Zwölfers  Untersuchungsergebnissen  zu 
entnehmen.  Seine  Resultate  beziehen  sich  zwar  auf  Versuche  über  die  Ei- 
entwicklungsdauer  bei  konstanten  Temperaturen,  doch  wurden  die  hieraus 
abgeleiteten  Schlußfolgerungen,  denen  rund  2700  Einzelbeobachtungen  zu- 
grunde liegen,  durch  einen  Kontrollversuch  mit  wechselnden  Temperaturen, 
ebenso  durch   Freilandbeobachtungen  von  Meyer  weitgehend  bestätigt. 

Aus  diesen  Versuchen  geht  zunächst  hervor,  daß  die  untere  Grenze 
der  für  die  Eientwicklung  wirksamen  Temperaturen  bei 
einem  Wert  zwischen  40 — 8^  C  liegt  —  ähnlich  wie  dies  auch  schon 
für  die  früher  geschilderten  Lebensäußerungen  der  Kieferneule  gilt:  kon- 
stanter Aufenthalt  der  Eier  durch  4I/2  Monate  hindurch  bei  einer  Tem- 
peratur von  40  hat  —  gleichviel  mit  welcher  Luftfeuchtigkeit  sie  kombiniert 


Abb.  524.    Abnorme  Eiablagen  der  Forleule  bei 
feuchtigkeitsgesättigter      Atmosphäre      abgesetzt. 
Nach   Zwölfer. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  ( Eulen j. 


641 


wird  —  deren  allmähliches  Absterben  zur  Folge,  ohne  daß  ein  einziges  Ei 
zum  Schlüpfen  gelangt.  Demgegenüber  schlüpfte  bei  Temperaturen  von  8  '^ 
ein  relativ  hoher,  von  den  betreffenden  Feuchtigkeitskombinationen  ab- 
hängiger Prozentsatz  im  Durchschnitt  nach  47,8  Tagen. 

Die  relative  Luftfeuchtigkeit  hat  mit  verschiedenen  Tempera- 
turen verbunden,  nur  auf  die  Lebensfähigkeit  der  Eier  einen  er- 
heblichen Einfluß,  dagegen  konnte  eine  auffällige  Wirkung  derselben 
auf  die  Entwicklungsdauer  der  Eier,  wie  das  bei  einigen  anderen 
Insekten  beobachtet  worden  ist,  für  das  Kieferneulenei  nicht  festgestellt 
werden.  Seine  Entwicklungsdauer  scheint  allein  durch  die  Temperatur 
ausschlaggebend  bestimmt  zu  werden.  Im  übrigen  zeigen  die  Versuche,  daß 
die  Variationsbreite  der  Entwicklungsdauer  bei  den  tieferen  Temperaturen 
(8  0)  erheblich  größer  ist  als  bei  den  höheren  (22 — 28  o).  Dies  gilt  selbst 
für  ein  und  dasselbe  Gelege,  also  für  Geschwistereier:  Während  in  den 
oberen  Temperaturstufen  das  Schlüpfen  der  Eier  eines  Geleges  fast  stets 
innerhalb  eines  Tages  erfolgte,  lag  es  bei  der  Temperatur  von  8  0  C  häufig 
mehrere  Tage  auseinander.  (Vergleiche  hierzu  die  oben  mitgeteilte  Beob- 
achtung von  Eckstein.)  Nach  Zwölfer  hängt  diese  Erscheinung  ver- 
mutlich mit  der  sehr  verminderten  x^ktivität  der  Eiraupen  bei  niederen 
Temperaturen  zusammen. 

Die  folgende  Tabelle  enthält  die  Minimal-,  Mittel-  und  Maximalwerte 
für  die  Entwicklungsdauer  des  Forleuleneies  bei  verschiedenen  Tempera- 
turen zwischen  40 — 28  0  C.  Da  sich  kein  nennenswerter  Einfluß  der  Luft- 
feuchtigkeitsverhältnisse auf  die  Entwicklungsdauer  der  Eier  feststellen  ließ, 
sind  in  derselben  die  Beobachtungen  bei  verschiedener  r.  L.  F.  und  gleicher 
Temperatur  zusammengefaßt.  Als  kürzeste  Entwicklungsdauer  ergab  sich 
im  übrigen  bei  28  0  5  Tage,  als  längste  wurden  bei  8°  50,5  Tage  beobachtet. 

Entwicklungsdauer  des  Eies  von  P.  flammen  Schiff,  in  Tae;en. 


Teniperaturstufe  in  »  C 

4" 

8» 

140 

18« 

22" 

26  0 

28  0 

- 

41,5 
47,8 
50,5 

145 
17,0 

19,5 

9,5 
II, I 

12,5 

6,5 
7,5 
9,5 

6,5 
6,8 

8,5 

5 

5,7 

7,5 

Mittel 

Maximum 

Beobachtete  Anzahl  geschlüpfter  Eier 

— 

572 

698 

870 

623 

18 

49 

Eine  rechnerische  Verknüpfung  der  Mittelwerte  dieser  Zahlen  unter 
Zugrundelegung  der  Blunck-Bodenheimerschen Wärmesummenregel^) 
für  die  Entwicklungsdauer  und  der  Formel  T  (t — to)  =  k,  in  welch  letzterer 
T  die  Entwicklungszeit,  t  die  jeweils  herrschende  Temperatur,  to  und  k  zwei 
artspezifische  Konstanten  vorstellen,  ergibt  für  die  letzteren  Werte  von 
to  =  6,i  und  k  =  i25.  to  wird  in  der  obigen  Formel  als  Entwicklungsnull- 
punkt definiert.  Er  wäre  demnach  6,1  0  C.  Die  Konstante  k=  125  stellt  die 
Thermalkonstante,  gleichsam  die  zur  Entwicklung  erforderliche  Wärme- 
summe vor.  Die  Blunck-Bodenheimersche  Gleichung  zur  Berechnung  der 
Entwicklungsdauer  des  Kieferneuleneies  bei  konstanten  Temperaturen  würde 
demnach  die  Form  haben: 
T(t-6,i)  =  i25. 

ij  Vgl.  hierzu  S.  55  ff. 
Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  41 


642 


II.  Spezieller  Teil. 


Die  Hyperbel  Abb.  525  gibt  die  bildliche  Darstellung  dieser  Gleichung. 
In  ihr  sind  gleichzeitig  die  beobachteten  Mittelwerte  der  Entwicklungs- 
zeiten (Kreise)  und  die  festgestellten  Variationsbreiten  (dick  ausgezogen) 
eingezeichnet.  Mit  Hilfe  der  Hyperbel  ist  es  möglich  für  bestimmte  Tem- 
peraturen die  zugehörige  Entwicklungsdauer  des  Eies  in  Tagen  einigermaßen 


25 


55 


60  65         70  rage 

Entwick/ungsdauer 

Abb.    525.    Beobachtete   Entwicklungsdauer  der  Eier  der    Forleule   bei   verschiedenen 
Temperaturen  und  theoretische  Entwicklungsdauerhyperbel.    Nach  Zwölfer. 

genau  der  Abbildung  zu  entnehmen.  Rechnerisch  kann  dies  mit  der  oben 
mitgeteilten  Formel  geschehen.  Gröbere  Fehler  ergeben  sich  dabei  nur  für 
die  extrem  niederen  Temperaturen  (und  wohl  auch  für  extrem  hohe  über 
28  f')  —  ein  Umstand,  der  mit  einer  gev/issen  UnvoUkommenheit  der  Hy- 
perbelgleichung als  mathematischer  Ausdruck  der  Entwicklungsdauer  von 
Insekten  zusammenhängt.  Immerhin  nähern  sich  innerhalb  eines  vitalen 
Temperaturbereiches  die  errechneten  bzw.  graphisch  bestimmten  Werte  recht 
gut  den  beobachteten  und  sind  praktisch  verwendbar,  wie  dies  auch  die 
folgende  Zusammenstellung  erkennen  läßt: 

Errechnete  und  beobachtete  Entwicklungsdauer  des  Eies 
von  P.  flammea  Schiff,  in  Tagen. 


Temperatur 


8" 


26  o        28 0 


errechnet  für  to  =  6,l  und  k 
beobachteter  Mittelwert   .     . 


I25 


66 
47,8 


5,8 
7,0 


10-5 


7,8 

7,5 


6,2 
6,8 


5,7 
5,7 


Ein  Kontrollversuch,  in  welchem  die  Eier  bis  zum  Schlüpfen  ab- 
wechselnd Temperaturen  von  14  0  und  22 '^  C  ausgesetzt  wurden,  gibt  eine 
gewisse  Bestätigung  der  Richtigkeit  der  Wärmesummenregel,  —  zum  min- 
desten für  diesen  Temperaturbereich.  Die  bei  dem  betreffenden  Versuch 
beobachteten  Entwicklungszeiten  lieferten  bei  Berücksichtigung  der  wech- 
selnden Temperaturen  für  die  Gesamtentwicklung  einen  Wert  der  Thermal- 
konstante  von  k  ==  117.    Derselbe  nähert  sich  gut  dem  oben  mitgeteilten  aus 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen'i. 


643 


einer  großen  Zahl  von  Beobachtungen  errechneten  Mittelwert  von  k  =  125. 
Allerdings  ist  dabei  eine  auf  die  Stunde  genaue  Bestimmung  der  Wirkungs- 
dauer der  beiden  Temperaturstufen  in  Rechnung  gestellt.  Wollte  man,  so 
folgert  Zwölfer  in  Übereinstimmung  mit  Shelford,  im  Freiland  mit 
seinen  stark  schwankenden  Wärmeverhältnissen  die  Entwicklungsdauer  ge- 
nau bestimmen,  dann  müßten  die  Temperaturablesungen  am  Aufenthaltsort 
der  Eier  sich  im  Abstand  von  wenigen  Stunden  ununterbrochen  folgen. 
Die  einfachen  Mittelwerte  der  Tagestemperaturen  geben  —  auch  wenn  sie 
aus  täglichem  Maximum  und  Minimum  berechnet  sind  — ■  keine  richtige 
Vorstellung  der  wirksamen  Wärmegrade,  wie  sie  für  eine  genaue  Bestim- 
m.ung  oder  Voraussage  der  Entwicklungsdauer  erforderlich  wäre.  Immerhin 
kann  mit  Hilfe  der  Tagesmittel,  sofern  sie  am  Aufenthaltsort  der  Eier  be- 
stimmt sind,  in  einem  für  praktische  Zwecke  voraussichtlich  genügenden 
Genauigkeitsgrad  die  Dauer  der  Eientwicklung  ermittelt  werden.  Letzteres 
zeigt  sich  beim  Vergleich  der  Zwölferschen  Ergebnisse  mit  den  Frei- 
landbeobachtungen von  Meyer,  nach  denen  die  Eier  im  Freien  bei 
einer  Mitteltemperatur  von  16,1  *^  C  rund  13  Tage  und  bei  einer  Mitteltem- 
peratur von    10,50  c   rund   20  Tage   zur   Entwicklung   brauchten. 


Bionomie  der  Raupe. 

I.  Stadium  (Eiraupe).  Das  Eiräupchen  verläßt  das  Ei  durch  ein 
Schlüpfloch,  das  sowohl  in  Form  und  Größe  wie  auch  in  der  Lage  außer- 
ordentlich verschieden  ist.  Das  kleine  Räupchen  überrascht  vor  allem  durch 
sein  „Spannen"  (siehe  oben  bei  der  Beschreibung).  ,,Wäre  ich  nicht  fest 
überzeugt  gewesen",  schreibt  Ratzeburg,  „daß  nur  Eulenpuppen  in  den 
Kasten  gekommen  waren,  so  hätte  ich  geglaubt,  junge  Raupen  des  Kiefern- 
spanners vor  mir  zu  haben."  Ferner  zeichnen  sich  die  jungen  Raupen  auch 
noch  durch  ihr  großes  Spinn  vermögen  aus,  das  ihnen  ermöglicht,  bei 
Beunruhigung  sich  schleunigst  an  den  Spinnfäden  aus  der  Krone  herabzu- 
lassen auf  untere  Äste  oder  auf  den  Boden.  Im  letz- 
ten Fall  versuchen  sie  sofort  wieder  aufzubäumen, 
wobei  allerdings  viele  ihr  Ziel  nicht  mehr  erreichen 
mögen  und  zugrunde  gehen.  Ratzeburg  schreibt 
der  jungen  Eulenraupe  eine  „nicht  gerade  große 
Beweglichkeit"  zu,  ja,  er  zählt  sie  sogar  zu  den 
„trägsten  Raupen",  die  „nur  von  den  Spannern  und 
den  kleinsten  Raupen  übertroffen  werden",  was 
aber    nach    unseren    Beobachtungen    nicht    zutrifft. 

Auffallend  ist  die  große  Empfindlichkeit 
der  Eiraupe;  geht  sie  doch  oft  schon  nach  einer 
leisen  Berührung  mit  der  Hand  zugrunde.  Auf 
diese  große  Hinfälligkeit  der  Eiraupe  wird  im 
einzelnen  im  epidemiologischen  Teil  noch  näher  ein- 
gegangen werden  1). 

Häufig  beobachten  wir  eine  eigentümliche  Be-  ,,  ,  ^      -c-  , 

,         -r^.   ..         ,  ,.        ,      .       ,  1  ,    n  •■^hb.     s26.     Eiraupe    der 

wegung    des    Eiraupchens,    die    dann    besteht,    daß  Forleule    in    Kältestarre 
es  sich  mit  den  Nachschiebern  und  den  drei  letzten  Nach  Zwölfer. 


i)   Mit  auf  dieser  Hinfälligkeit  beruht  auch  die  Schwierigkeit  der  Zucht  der  Ei- 
raupen,  worauf  schon  Kob   (17861   und  viele  spätere  Autoren  hingewiesen  haben. 

41* 


644  II.  Spezieller  Teil. 

Fußpaaren  festhält  und  mit  dem  Vorderteil  lebhaft  in  der  Luft  herum- 
schlägt (wohl  Suchreflex).  Eine  ähnliche  Stellung  nimmt  das  Eiräupchen 
vielfach  im  Zustande  der  Kältestarre  ein  (Abb.  526):  Es  haftet  mit  den  Nach- 
schiebern an  der  Unterlage,  auf  welche  auch  die  letzten  Abdominalsegmente 
eng  angeschmiegt  sind,  während  der  Vorderkörper  schräg  nach  vorne  er- 
hoben in  bewegungslosem  Zustande  verharrt   (Zwölfer). 

Das  junge  Räupchen,  das  außerordentlich  photophil  ist  und  schon  auf 
die  schwächsten  Lichtreize  positiv  reagiert  (Zwölfer),  wandert  bald  zu 
dem  Maitrieb,  wo  es  seine  Nahrung  findet,  denn  als  solche  dienen 
ihm  vor  allem  die  jungen  Nadeln i).  Schon  Ratzeburg  (F.  172)  hat  darauf 
aufmerksam  gemacht,  daß  die  Ernährungsweise  der  Eiraupe  von  der  der 
älteren  Stadien  wesentlich  abweicht,  indem  sich  die  Eiräupchen  „durch  die 
roten  Ausschlagschuppen  bis  zur  Scheide  der  jungen  Nadeln  durchfressen 
und  oft  so  tief  darinstecken,  daß  man  sie  gar  nicht  mehr  bemerkt",  während 
die  älteren  Raupen  die  alten  Nadeln  von  außen  her  befressen.  i\uch  nachher 
(W.  154)  weist  er  wieder  darauf  hin,  daß  „das  Wichtigste  und  Eigentüm- 
lichste immer  das  Einbohren  der  jungen  Räupchen  in  die  weichen  Maitriebe 
bleibt".  Während  spätere  Autoren  diese  Beobachtung  Ratzebu rgs  be- 
stritten haben  (Altum,  Nitsche),  wurden  sie  durch  Beobachtungen  in 
neuerer  Zeit  in  vollem  Umfang  bestätigt.  Alle  neueren  Autoren  stim- 
men darin  überein,  daß  das  Eiräupchen  bis  zur  ersten  Häu- 
tung auf  den   jungen   Maitrieb   als   Nahrung  angewiesen   ist 2). 

Wolff  und  Krauße  geben  an,  daß  mindestens  der  Spitzenteil  der 
jungen  Nadel,  eventuell  noch  mit  der  umgebenden  Scheide  schon  frei  stehen 
muß ;  dagegen  zeigten  die  Zwingerversuche  Sachtlebens,  daß  das  Ei- 
räupchen befähigt  ist,  die  Maitriebe  schon  im  früheren  Zustand,  in  dem  die 
jungen  Nadeln  mit  ihrer  Scheide  sich  noch  kaum  von  den  Knospen  abheben, 
anzunehmen.  Die  Räupchen  bohren  sich  in  solche  Knospen  ein  und  fressen 
diese  von  innen  her  mehr  oder  weniger  aus.  Bisweilen  werden  zuerst  die 
Hüllblätter  und  dann  erst  die  jungen  Nadeln  gefressen.  Die  Einbohrlöcher 
sitzen  bald  an  der  Spitze  bald  der  Basis  genähert;  die  Zahl  derselben  kann 
bis  drei  betragen.  Meist  wird  die  untere  zarte  Hälfte  der  Nadel  ausge- 
fressen, so  daß  die  Spitzenhälfte  in  der  Scheide  stecken  bleibt  und  später 
abfällt  (Abb.  527). 

Wenn  der  Maitrieb  sich  streckt,  wird  auch  dessen  grüne  saftige 
Rinde  angegangen,  aus  der  größere  oder  kleinere  Plätze  herausgefressen 
werden.  Die  befressenen  Stellen  werden  grindig  (ähnlich  wie  bei  Hyiobius- 
fraß)  und  bald  verwelken  die  ganzen  Triebe.  Das  Absterben  der  Triebe 
kann  übrigens  schon  allein  durch  das  Anbohren  der  jungen  Nadeln  herbei- 


1)  Die  verlassene  Eischale  wird  von  den  frischgeschlüpften  Raupen  nur  dann 
befressen,  wenn  keine  andere  Nahrung  zur  Verfügung  steht  (Zwingerversuch  Sacht- 
lebens). 

2)  Nach  Sachtleben  vermögen  ältere  Eiräupchen  allerdings  kurz  vor  der 
ersten  Häutung  in  vereinzelten  Fällen  vorjährige  Kiefernnadeln  zu  befressen.  Doch 
erreichten  von  den  578  Eiraupen,  die,  nachdem  sie  zuerst  mit  Knospen  gefüttert 
waren,  vorjährige  Nadeln  erhielten,  nur  noch  15  das  III.  Stadium,  und  auch  diese 
starben  sämtlich  vor  der  3.  Häutung  ab.  Nach  Hilf  und  Witt  ich  (1924)  sollen  die 
Eiräupchen  überhaupt  auch  vorjährige  Nadeln  befressen,  wenn  die  Maitriebe  noch 
nicht  genügend  entwickelt  sind;  mit  dieser  Anschauung  stehen  die  beiden  letzteren 
Autoren  aber  ziemlich  isoliert  da. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen; 


645 


geführt    werden,    da    auch    bei    diesen    Verletzungen    der    Saft    tropfenweise 
austritt  1). 

Auch  Zwölfer  erwähnt,  daß  sowohl  das  I.  wie  das  II.  Raupenstadium 
in   seiner   Ernährung   auf    Maitriebe   angewiesen   ist   und   zwar   „dürfen   die- 


D  E  F 

Abb.  527.  Triebentwicklung  und  Fraß  junger  Kieferneulenraupen.  Die  Knospen  im 
Zustand  A  werden  von  den  Räupchen  noch  nicht  angenommen,  dagegen  werden  sie 
bereits  im  Zustand,  wie  er  unter  B  und  C  abgebildet  ist,  befallen.  Bei  D  hat  die 
Raupe  die  Hüllblätter  aufgerissen,  um  zu  den  darunter  liegenden  Nadeln  zu  ge- 
langen. E  und  F  zeigen  die  Einbohrlöcher  zum  Minierfraß,  C  Längsschnitt,  auf 
dem  der   Fraß   im   Innern   zu   sehen  ist.    Nach   Sacht  leben. 

1)  Eckstein  und  Sachtleben  haben  beobachtet,  daß  die  Eiräupchen  auch 
für  männliche  Blüten  große  Vorliebe  zeigen,  ja,  letzterer  hat  in  Zwinger- 
versuchen sogar  festgestellt,  daß  bei  gleichzeitiger  Darreichung  von  Blüten  und  Mai- 
trieben stets  die  ersteren  stark  bevorzugt  wurden.  Eckstein  wirft  die  Frage  auf, 
ob  die  Eiräupchen  vielleicht  zuerst  an  die  männlichen  Blüten  und  dann  erst  an  die 
Maitriebe  gehen?  Demgegenüber  betont  Sachtleben,  daß  die  Maitriebe  wohl 
meist  früher  einen  dem  Räupchen  zusagenden  Zustand  erreichen  als  die  männlichen 
Blüten. 


646 


II.  Spezieller  Teil. 


selben  einen  gewissen  Entwicklungszustand  nicht  überschritten  haben.  Wenn 
die  Achse  der  Maitriebe  zu  verholzen  beginnt  und  die  Nadeln  von  der  Basis 
an  gemessen,  eine  Länge  von  ungefähr  i8 — 20  mm  erreicht  haben,  kommen 
sie  zum  mindesten  für  die  Eiraupe  als  Futter  kaum  noch  in  Frage":  In 
Zuchtversuchen  bei  konstanten  Temperatur-  und  Luftfeuchtigkeitsverhält- 
nissen konnten  im  Mai  mit  jungen  Trieben  bzw.  geschälten  Knospen  60 — 70 0/0 
und  darüber  von  den  schlüpfenden  Raupen  bis  zur  ersten  Häutung  gebracht 
werden,  Avährend  unter  ähnlich  günstigen  Temperatur- Feuchtigkeitsbedin- 
gungen im  Juni  mit  einem  Futter,  das  aus  Maitrieben  in  einem  fortge- 
schrittenen Entwicklungszustand  bestand,  die  Sterblichkeit  der  Eiraupen 
80— 100  0/0  erreichte. 

Tp. 

28 

26 

2t 

22 

20 

18 

16 

12 
10 


'\ 

\ 

•.  V 

^\ 

••.\    \ 

\ 

\ 

x' 

\ 

v\ 

^ 

\ 

\ 

^^^^ 

^^ 

^ 

\ 

\ 

\ 

\^ 

' 

\ 

\ 

V) 

012396678  97äge 

m/W.  Lebensdauer 

Abb.     528.      Mittlere     Lebensdauer    frisch    geschlüpfter    Eiraupen    der     Forleule    im 

Hungerversuch.    ( :    bei    looo'o    rel.    Luftfeuchtigkeit; :    bei    "j^ — 78o'o    rel. 

Luftfeuchtigkeit; :  bei  ca.   50/0   rel.   Luftfeuchtigkeit).    Nach  Zwölfer. 

Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  vermutet  Zwölfer,  daß  in  der  Natur 
bei  rascher  Entwicklung  der  Maitriebe  ein  Teil  derselben  den  Eiraupen 
„entwächst"  und  diese,  soweit  es  sich  um  spätgeborene  Exemplare  handelt, 
die  von  Faltern  abstammen,  welche  Ende  Mai  bis  Anfang  Juni  schlüpften, 
schwerlich  ihr  erstes  Häutungsstadium  erreichen  werden.  Es  ist  nach  dem 
genannten  Autor  sehr  wohl  denkbar,  daß  „das  unterschiedliche  Verhalten 
der  Kiefernstangen-  und  Althölzer  i),  von  denen  die  ersteren  zu  Beginn  einer 
Kalamität  meist  einen  erheblich  stärkeren  Befall  aufweisen,  zum  Teil  mit 
dieser  Erscheinung  in  Zusammenhang  steht".    Allerdings  müßte  hierzu  noch 

1)  Näheres  hierüber  S.  666  ff. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


647 


der   Nachweis  erbracht  werden,   daß   die   Maitriebe  der  Althölzer  normaler- 
weise  rascher   „ausreifen"   als   jene  der   Stangenhölzer. 

Im  Zusammenhang  mit  all  diesen  Fragen  ist  auch  das  Hungerver- 
mögen der  Eiraupen  von  großer  Bedeutung.  Nach  Wolff-Krauße 
können  die  Eiräupchen  höchstens  3 — 4,  nach  Sachtleben  (1927  S.  469)  nur 
in  seltenen  Ausnahmefällen  bis  6  Tage  hungern.  Zwölfer  stellte  auch  hier- 
über eine  Reihe  von  Versuchen  an,  deren  Ergebnisse  erkennen  lassen,  daß 
sowohl  Temperatur  als  auch  Luftfeuchtigkeit  einen  erheblichen  Einfluß  auf 
die  Lebensdauer  frisch  geschlüpfter,  hungernder  Eiraupen  besitzen.  Die 
folgende  Zahlenzusammenstellung  ist  seinen  Angaben  entnommen.  Jedem 
Einzelversuch  liegen  die  Beobachtungen  von  50  frischgeschlüpften  Eiraupen 
zugrunde.  Abb.  528  stellt  die  ermittelten  Lebensdauerwerte  hungernder  Ei- 
raupen graphisch  dar. 

Lebensdauer    frisch    geschlüpfter    hungernder    Eiraupen    in    Tagen 
bei    verschiedenen    Temperaturluftfeuchtigkeitskombinationen: 


Temperatur 


80 


R.  Luftfeuchtigkeit 


[oo7„ 


787o       S% 


ioo7o 


787o 


5  7„ 


100»/,  I   767o 


57o 


Minimum 
Mittel  . 
Maximum 


4 
8,2 

[3 


3 

7,1 


4 

4,9 

9 


2 

3,0 
6 


2 
4,5 


1,5 

3,5 
4 


2,1 

4 


Temperatur 

180 

22» 

28" 

R.  Luftfeuchtigkeit  .     . 

ioo7„ 

757o 

57o 

ioo7o 

757o 

5% 

lOoVn 

737o 

57o 

Minimum 

Mittel 

Maximum 

1,5 

2,5 

5 

1,5 
2,2 
4 

0,5 
0,7 
1,5 

1,0 

2,4 
3 

0,5 
1,4 

2,5 

0,5 
1,2 

0,5 
0,9 
1,5 

0,5 
0,6 

1,5 

0,5 
0,5 
1,5 

Tabelle  und  Abbildung  lassen  eine  deutliche  lebensverkürzende  Wir- 
kung höherer  Temperaturen  und  niederer  Luftfeuchtigkeitsgrade  erkennen. 
Stets  sind  es  Luftfeuchtigkeitswerte  von  100 0/0,  welche  in  den  einzelnen 
Temperaturstufen  mit  der  längsten  Lebensdauer  Hand  in  Hand  gehen.  Die 
Raupen  sind  gegenüber  hoher  Luftfeuchtigkeit  im  übrigen  weniger  empfind- 
lich als  das  Ei  und  Imaginal Stadium,  worauf  im  epidemiologischen  Teil 
noch  näher  eingegangen  werden  wird.  Als  längste  Lebensdauer  wurden 
13  Tage  bei  einer  Temperatur  von  40  C  beobachtet. 

„Berücksichtigt  man",  so  schließt  Zwölfer,  „daß  es  im  Freien  gerade 
niedrige  Temperaturen  sind,  die  einen  hemmenden  Einfluß  auf  das  Wachs- 
tum der  Kiefernknospen  ausüben,  daß  ferner  eben  diese  Temperaturstufen 
auch  das  Schlüpfen  der  Falter,  die  Eiablage  sowie  die  Entwicklungsdauer 
der  Eier  außerordentlich  verzögern,  und  stellt  man  endlich  noch  das  relativ 
lange  Hungervermögen  geschlüpfter  Eiraupen  bei  niederen  Temperaturen  in 
Rechnung,  dann  erscheint  die  Annahme  von  W  o  1  f  f  und  K  r  a  u  ß  e  äußerst  un- 
wahrscheinlich, derzufolge  in  „normalen"  Jahren  die  Mehrzahl  der  Eiraupen 
durch  vorzeitiges  Schlüpfen  dem  Hungertod  erliegen  sollen.  Für  vereinzelte 
Exemplare  mag  dies  immerhin  zutreffen.  Im  großen  und  ganzen  aber  dürfte 
die  Entwicklung  der  Kiefernknospe  auf  der  einen,  die  Eiablage  und  Eient- 
wicklung    auf    der    anderen    Seite    weitgehend    parallel    laufen,"    wie    dies 


648  II.  Spezieller  Teil. 

übrigens  auch  aus  Meyers  Beobachtungen  zu  entnehmen  ist.  Auch  letzterer 
bemerkt,  daß  in  seinem  Beobachtungsgebiet  die  Triebentwicklung  und  das 
Schlüpfen  der  Räupchen  günstig  zusammengetroffen  sind. 

II.  bis  V.  Stadium.  In  Ecksteins  Zuchten  verlief  die  Weiterentwick- 
lung der  Raupen  folgendermaßen:  Die  erste  Häutung  erfolgt  frühestens 
am  5.,  spätestens  am  10.,  im  Mittel  am  7.  Lebenstag.  Die  feste,  kapselartige 
Kopfhaut  bricht  von  der  Haut  ab,  letztere  wird  nach  hinten  abgestreift;  fällt 
die  Kopfkapsel  nicht  ab  und  kann  sich  das  Räupchen  nicht  von  ihr  befreien, 
dann  stirbt  es.    Die  abgestreifte   Haut  wird  zuweilen  verzehrt. 

Vor  der  ersten  Häutung  ist  die  Raupe  fast  6mm  lang  geworden; 
kurz  vor  dieser  zieht  sie  sich  etwas  zusammen  ohne  zu  fressen.  Am  Tage 
nach  derselben  hat  sie  sich  gestreckt  und  mißt  8  mm.  Der  Fraß  wird 
stärker:  typischer  Löcherfraß,  der  die  Hüllblätter  durchbohrt  oder  die 
länger  gewordenen  grünen  Spitzen  erfaßt:  Zwischen  2  und  11  Löcher,  im 
Mittel  6  Löcher,  frißt  die  Raupe  bis  zur  zweiten  Häutung,  manche  versucht 
sich  auch  an  der  Kante  einer  jungen  Nadel,  andere  zehren  sie  auf,  oder  drin- 
gen in  den  Trieb  ein,  der  vielleicht  noch  von  den  kurzen,  dicht  stehenden 
Nadeln  überlagert  ist.  Auch  die  braunen  Hüllblätter  werden  befressen; 
Nadelspitzen  werden  abgebissen.  Doch  ist  der  ältere  Einhäuter  nach  Sacht - 
leben   ausnahmsweise   auch   imstande,   vorjährige    Nadeln   zu   befressen. 

Die  zweite  Häutung  geht  in  seltenen  Fällen  schon  nach  3  Tagen 
vor  sich,  zieht  sich  auch  bis  zum  9.  Tage  hin;  im  Mittel  wurden  6  Tage 
festgestellt.  Vorher  waren  die  Raupen  8 — 13,  im  Mittel  10,4  mm  lang  ge- 
worden, nachher  sind  sie  zwischen  11  und  14,5,  im  Mittel  12,5  mm  lang.  In 
diesem  Alter  beginnt  allgemein  der  Fraß  an  der  Nadelkante  vorjähriger 
Nadeln    (manche  fressen  auch  noch  Löcher). 

Die  dritte  Häutung  erfolgt  am  4.  oder  5.  Tage  nach  der  zweiten. 
Die  Raupe  ist  von  12,5  auf  19  mm  herangewachsen.  Der  Nadelfraß  beginnt 
allgemein.  Die  alten  Nadeln  werden  von  der  Spitze  mehr  oder  weniger 
weiti),  oft  bis  in  die  Scheide  aufgefressen.  An  den  Nadelstümpfen  fällt  der 
glatte,  scharfe  Schnitt  auf,  ferner  ein  starker  Harzausfluß,  der  das  Stumpf- 
ende bedeckt. 

Die  vierte  Häutung  erfolgt  am  5.  oder  6.  Tage,  manchmal  schon 
am  4.  oder  erst  am  7.  Tage  nach  der  dritten.  Die  Raupe  ist  nun  27  bis 
35  mm,  im  Mittel  29  mm  lang. 

Nach  der  vierten  Häutung  dauert  es  im  Mittel  noch  11  Tage  bis  sie 
zur  Verpuppung  in  den  Boden  geht;  sie  nimmt  in  dieser  Zeit  bedeutend  zu 
und  erreicht  im  Mittel  eine  Länge  von  40  mm.  Unter  der  Bodenstreu  dauert 
es  noch  3 — 5  Tage,  bis  sie  sich  zur  Puppe  häutet". 

Ausnahmsweise  kommt  auch  eine  fünfte  Häutung  vor,  wenn  nämlich 
nach  Zurückbleiben  im  Wachstum  infolge  irgend  welcher  Störungen  des 
Gesundheitszustandes  die  wiedergesundete  Raupe  längere  Zeit  braucht,  sich 
zur  Verpuppung  vorzubereiten,  und  bei  nun  wieder  stärkerer  Körperzunahme 
die  Haut  zu  eng  wird  (Eckstein). 

Gesamtentwicklung.  Die  Raupenzeit  vom  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei 
bis  zur  Verpuppung  betrug  also  nach  diesen  Zwingerzuchten  im  Durchschnitt 


^)  In  seltenen  Fällen  beginnt  die  Raupe  mit  ihrem  Fraß  in  der  Mitte  der 
Nadel,  diese  von  der  Kante  her  anfressend,  bis  die  Nadel  an  dieser  Stelle  durch- 
nagt ist;  der  Spitzenteil  fällt  dann  zu  Boden,  der  basale  Teil  wird  nach  dem  Ast 
zu  wie  üblich  aufgefressen. 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen). 


649 


39  Tage,  wovon  auf  das  letzte  Stadium   (nach  der  4.   Häutung)   die   längste 
Zeit   entfiel. 

Wie  sehr  aber  die  Entwicklungsdauer  der  Eule  von  dem  Klimafaktor 
Temperatur  abhängig  ist,  zeigen  uns  deutlich  die  eingehenden  experi- 
mentellen Untersuchungen,  die  Zwölfer  außer  für  das  Eistadium 
auch  für  die  Larvenstadien  der  Kieferneule  mit  konstanten  Versuchs- 
bedingungen durchgeführt  hat.  Seine  Ergebnisse,  die  auf  rund  3700 
Einzelbeobachtungen  fußen,  sind  in  der  folgenden  Zusammenstellung  ent- 
halten. Gut  studiert  sind  darin  die  Daten  für  Ei,  Larve  I,  Larve  II  und 
Larve  IIL  Für  Larve  IV  und  V  beruhen  die  Angaben  auf  Beobachtungen 
an  einigen  wenigen  Tieren.  Diese  Werte  sind  nach  Angabe  des  genannten 
Autors  revisionsbedürftig.  (Doch  sie  sind  in  dieser  Zusammenstellung  auf- 
genommen und  in  der  Kurvenschar  Abb.  529  mit  benutzt,  da  sie  immerhin 
.gewisse  Anhaltspunkte  geben.) 

Entwicklungsdauer    der    Kieferneule 
von  der  Ablage  des  Eies  bis  zum  verpuppungsreif  en  Larvenstadium  in  Tagen. 


Gesamtentwicklun 
dauer 

gs- 

8«  C 

10"  C 

i4"C 

i6«C 

180C 

20OC 

22°  C 

24  »C 

28°C 

Ei 

Larve   I 

47,8 

25>5 

32 
20,8 

17,6 
12,2 

12,6 
10,3 

II, I 
9,8 

9,0 

7,7 

7,5 
6,3 

7,0 
6,1 

5-7 
4,8 

Ei  +  Larve    I  .      ,      .     . 
Larve  II      . 

73,5 
20 

52,8 
13,5 

29,8 
8,3 

22,9 
6,3 

20,9 
5,8 

16,7 

5,2 

13,8 

4,5 

13,1 

4,2 

10,5 

3,7 

Ei  +  Larve   I  +  L 
Larve  III    .     .     . 

II   . 

93,3 
15,3 

66,3 
10,9 

38,1 
6,9 

29,2 
5,9 

26,7 
4,9 

21,9 
4,6 

18,3 
4,1 

^7,3 
3,7 

14,2 
3,0 

Ei  .   LI-f-LII  +  I 
Larve   IV     . 

III 

108,6 
15,3 

77,2 
10,9 

45,0 
6,9 

35,1 
5,9 

31,6 
4,9 

26,5 
4,6 

22,4 
4,1 

21,0 

3,7 

3,0 

Ei  +  LI-^LII-f  L 

+  L  IV  .     .     . 
Larve  V      .     .     . 

III 

1 23,9 
23,0 

88,1 
15,3 

51,9 

9,2 

41,0 

7}7 

36,5 
6,6 

31,1 

5,8 

26,5 
5,0 

24-7 
4,6 

20,2 
3,8 

Ei  +  LI-f-LII  +  L 
-f  L  IV  +  L  \- 

III 

146,9 

103,4 

61,1 

48,7 

43,1 

36,9 

31,5 

29,3 

24,0 

Werden  die  Gesamtentwicklungsdauerwerte  dieser  Tabelle,  die  teils 
empirisch  festgestellte  Mittelwerte  sind,  teils  durch  Interpolation  gefunden 
wurden^),  in  ein  Koordinatensystem  eingetragen,  dessen  Abszisse  die  Ent- 
wicklungsdauer, dessen  Ordinate  ferner  die  jeweilige  Temperatur  angibt,  und 
verbindet  man  zwanglos  die  zueinandergehörigen  Punkte,  so  erhält  man  eine 
Kurvenschar,  wie  sie  in  Abb.  529  dargestellt  ist.  Die  Einzelkurven,  die  an 
flache  logarithmische  Kurven  erinnern,  weisen  in  ihrer  zwanglosen  Verlänge- 
rung sämtlich  auf  einen  Wert  hin,  der  zwischen  40 — S*^  C,  genauer  zwischen 
40 — 60  C  liegt.  Eine  entsprechende  Parallele  zur  Abszisse  würde  als  Asymp- 
tote der  Kurvenschar  in  Erscheinung  treten.  Letzteres  bedeutet,  daß  bei 
diesen  Temperaturen  die  Entwicklungsdauer  unendlich  lang  währt,  mit 
anderen  Worten,  daß  auch  für  die  Larvenentwicklung  der  entsprechende 
Temperaturgrenzwert   als   Entwicklungsnullpunkt   anzusehen   ist. 


1)    Über  Einzelheiten   der  hierbei   angewendeten   Methode   sei   auf  die   Original- 
arbeit verwiesen. 


650 


II.  Spezieller  Teil. 


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II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.    Familie  Noctuidae  (Eulen).  651 

Natürlich  ließe  sich  wie  für  die  Eientwicklung  die  Wärmesummenregel 
auch  für  die  Entwicklungsdauer  der  Larven  in  Anwendung  bringen.  Werden 
beispielsweise  die  oben  mitgeteilten  Werte  der  Gesamtentwicklungsdauer  von 
der  Ablage  des  Eies  bis  zur  Erreichung  des  verpuppungsreifen  Larven- 
zustandes  nach  der  Formel  T  (t  —  tg)  =  k  rechnerisch  verknüpft,  so  ergibt 
sich  für  k  ein  Wert  von  rund  565,  für  den  Entwicklungsnullpunkt  to  ein 
solcher  von  rund  4,6°.  Die  Formel  für  die  Gesamtentwicklung  der  Kiefern- 
eule von  der  Ablage  des  Eies  bis  zur  verpuppungsreifen  Larve  würde  dem- 
nach lauten:  T  (t  — •  4,6)  =  565.  In  der  Tat  sind  auch  die  mit  Hilfe  dieser 
Formel  errechneten  Gesamtentwicklungszeiten  praktisch  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  brauchbar.  In  entsprechender  Weise  kann  für  die  Entwick- 
lungsdauer von  Ei  +  Larve  I,  Ei -]- Larve  I -|- 1 1  usw.  eine  Hyperbelgleichung 
aufgestellt  werden.  Doch  ergeben  sich  hierbei  für  die  niederen  Temperaturen 
stets  merkliche  Abweichungen  von  den  beobachteten  Entwicklungsdauer- 
werten, so  daß  im  ganzen  die  in  Abb.  529  niedergelegte,  empirisch  gewonnene 
Kurvenschar  eine  bessere  Möglichkeit  darstellt,  die  Entwicklungszeiten  der 
einzelnen  Stadien  bei  verschiedenen  Temperaturen  auf  graphischem  Wege 
näherungsweise   zu   bestimmen. 

Auffallend  ist,  daß  die  Gesamtentwicklungsdauer  bis  zur  verpuppungs- 
reifen Larve  für  den  Entwicklungsnullpunkt  einen  Wert  für  to  von  4,6°  C 
lieferte,  während  die  Eientwicklung  allein  einen  solchen  von  6,1  0  C  ergab. 
Ob  dieser  geringen  Verschiedenheit  des  Entwicklungsnullpunktes  eine  grund- 
sätzliche Bedeutung  zukommt,  ob  sie  die  Folge  einer  gewissen  ünvoll- 
kommenheit  der  Hyperbelgleichungen  als  mathematischen  Ausdruck  der  Ent- 
wicklungsdauer bei  Insekten  ist,  oder  ob  unvermeidliche  Fehler  der  Ver- 
suchstechnik an  ihr  schuld  sind,  läßt  sich  einstweilen  noch  nicht  entscheiden. 

Zur  praktischen  Benutzung  der  Abb.  529  ist  kurz  folgendes  zu  sagen:  E  be- 
deutet in  ihr  die  Entwicklungsdauerkurve  des  Eies;  E -|- I  jene  von  der  Ablage  des 
Eies  bis  zur  ersten  Häutung;  E-j-I-f-H  entsprechend  bis  zur  zweiten  Häutung  usw... 
E-|-I-|-II-j-  Ill-f  IV-j-V  endlich  stellt  die  Kurve  der  Entwicklungsdauer  von  der 
Ablage  des  Eies  bis  zum  verpuppungsreifen  Zustand  der  Larve  vor.  —  Soll  bei- 
spielsweise die  Dauer  der  Entwicklung  bei  einer  bestimmten  Temperatur  von  der 
Ablage  des  Eies  bis  zur  II.  Häutung  festgestellt  werden,  dann  ist  lediglich  erforder- 
lich, vom  betreffenden  Temperaturpunkt  der  Ordinate  aus  eine  Parallele  zur  Abszisse 
bis  zum  Schnittpunkt  mit  der  Kurve  E-|-I-|-II  zu  ziehen.  Der  Schnittpunkt,  auf 
die  Abszisse  projeziert,  ermöglicht  die  unmittelbare  Ablesung  der  gesuchten  Ent- 
wicklungszeit. Wird  statt  dessen  die  Entwicklungsdauer  eines  bestimmten  Larven- 
stadiums allein  bei  einer  gegebenen  Temperatur  gewünscht,  etwa  die  Zeitdauer  von 
der  I.  bis  zur  II.  Häutung  bei  16"  C,  dann  ist  entsprechend  zu  verfahren,  lediglich 
mit  dem  Unterschied,  daß  nunmehr  die  Entfernung  der  beiden  Schnittpunkte  der 
Parallele   mit   den   Kurven   E  -j-  I    sowie   E  -(-  I  -|-  II    den   gewünschten   Wert   ergibt. 

Auf  diese  Weise  läßt  sich  auf  graphischem  Wege  die  Entwicklungsdauer  für  jedes 
beliebige  Stadium  von  der  Ablage  des  Eies  bis  zur  Erreichung  der  Verpuppungs- 
reife  annähernd  feststellen,  mit  einer  für  praktische  Zwecke  ausreichenden  Genauig- 
keit. Die  Abweichungen  von  den  beobachteten  Werten  betreffen  in  den  allermeisten 
Fällen  nur  Bruchteile  eines  Tages.  Ausdrücklich  sei  darauf  hingewiesen,  daß  die 
Kurvenschar  auf  Grund  von  Mittelwerten  aufgestellt  worden  ist.  Die  Variations- 
breiten der  Entwicklungszeit,  die  im  übrigen  bei  niederen  Temperaturen  nicht  nur 
für  das  Ei,  sondern  auch  für  die  Larven  erheblich  zunehmen,  sind  der  Übersichtlich- 
keit wegen  aus  dem  Bild  fortgelassen.  Die  Kurvenschar  gibt  also  das  Verhalten 
der  Hauptmasse  der  Eier  bzw.  Larven  bezüglich  der  Entwicklungsdauer  wieder, 
auf  die  es  ja  in  der  Praxis  allein  ankommt. 


652 


II.  Spezieller  Teil. 


Wie  schon  erwähnt,  fußen  die  hier  mitgeteilten  Beobachtungen  auf 
Untersuchungen  bei  konstanter  Temperatur.  Ihre  Übertragung  auf  die 
schwankenden    Wärmeverhältnisse    des    Freilandes    ist    nur    bedingt    zulässig. 


11  12  13  Tage 

Ehtwick/ungsdauer 

Abb.  530.    Einfluß  der  Luftfeuchtigkeit  auf  die  Entwicklungsdauer  der  Lar\  e  I  bei 
verschiedenen   Temperaturen.    Nach   Zwölfer. 


Tägliche  Kot  menge 

in  mg  bei 

22  °C 

18°C 


Eiraupen       iHäuter-      2Mäuter- 
Kotmenge  bei  8  °C 


OHäuter^ 


¥ftäuter= 
Stadium 


"  22°» 


Abb.    531 


Graphische    Darstellung    für    die    Abhängigkeit    der    Fraßtätigkeit    ( Kot- 
menge j   von  der  Temperatur.    Nach   B  e  r  w  i  g. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


653 


Im  einzelnen  gelten  hierfür  die  bereits  oben  bei  Besprechung  der  Eient- 
wicklung  ausgeführten  Überlegungen. 

Was  die  Einwirkung  der  Luftfeuchtigkeit  auf  die  Entwicklungsdauer 
der  Larven  anbetrifft,  so  ergaben  die  Versuche  Zwölfers  eine  geringe  Be- 
schleunigung mit  zunehmender  relativer  Luftfeuchtigkeit.  Die  kürzeste  Ent- 
wicklungszeit wurde  bei  ein  und  derselben  Temperatur  stets  beim  Luft- 
feuchtigkeitsextrem von  loo  o/o  festgestellt  (Abb.  530).  Indessen  kommt  dieser 
Erscheinung  bei  der  Kieferneule  keine  grundsätzliche  Bedeutung  zu;  sie  be- 
ruht sehr  wahrscheinlich  auf  unvermeidlichen  Fehlern  der  Versuchstechnik: 
Der  bessere  Erhaltungszustand  des  Futters  der  Versuchstiere  in  der  looo/o 
Feuchtigkeitsstufe  dürfte  nach  Ansicht  des  Genannten  Anlaß  zu  der  ge- 
ringen Verkürzung  der  Entwicklungszeit  in  höheren  Feuchtigkeitsstufen  sein. 

Nahrung,  Verdauung  usw.  Über  die  Nahrungsmengen,  die  eine 
Raupe  verzehrt,  hat  K.  Eckstein  eine  Reihe  von  Zählungen  vorgenommen, 
wonach  der  Bedarf  in  den  5  Tagen  zwischen  der  3.  und  4.  Häutung  31  Na- 
deln, pro  Tag  also  6  Nadeln  beträgt.  Der  Bedarf  nimmt  im  letzten  Stadium 
(nach  der  4.  Häutung)  wie  bei  allen  Raupen  beträchtlich  zu  und  steigt  bis 
auf  18  Nadeln  täglich.  Während  des  ganzen  Stadiums  verzehrt  sie  durch- 
schnittlich 192  Stück  oder  5,38  m  Nadeln  (25—28  Nadeln  entsprechen  i  m). 

Über  die  Kotmengen,  die  eine  Eulenraupe  im  Lauf  ihres  Lebens  täg- 
lich produziert,  hat  Berwig  (1931)  genaue  Angaben  gemacht.  Er  hat 
jedes  einzelne  Stadium  studiert,  und  zwar  unter  verschiedenen  Temperaturen, 
nämlich  bei  8^,   18  0  und  22  0  C.    Danach  betrug 


Die 

tägliche   Kotmenge    einer 

Eulenraupe. 

Stadium 

bei  80C 

bei   180C 

bei  22  »C 

Eiraupe     . 
Einhäuter 

mg 
nicht  wägbar 
0,186 
1,300 
2,913 
5,813 

mg 

nicht  wägbar 

0,582 

4,500 

16,100 

79,000 

mg 

nicht  wägbar 

0,896 

6,850 

28,020 

Vierhäuter 

85,070 

Man  sieht  aus  dieser  Tabelle  und  der  gegebenen  Kurve  (Abb.  531), 
welch  ungeheueren  Einfluß  die  Temperatur  auf  die  Fraßtätigkeit  der  Raupe 
ausübt.  Die  Berwigschen  Resultate  stehen  damit  in  vollkommener  Über- 
einstimmung mit  den  oben  mitgeteilten  Ergebnissen  Zwölfers  über  die 
ungemein  starke  Entwicklungsbeschleunigung  der  Eulenraupe  durch  erhöhte 
Temperaturen. 

Nicht  nur  in  dem  Kotgewiclit,  sondern  auch  in  der  Kotballengröße 
drückt  sich  der  Einfluß  der  verschiedenen  Temperaturen  sehr  deutlich  aus. 
Die  Kotballen  der  unter  8°  C  gehaltenen  Raupen  sind  wesentlich  kleiner 
wie  die  unter  22  0  C  gehaltenen,  wie  aus  Abb.  532  deutlich  hervorgeht. 

Berwig  hat  auch  eine  Reihe  von  Versuchen  über  die  sog.  „Darm- 
zeit"  angestellt,  d.  h.  darüber,  wie  lange  die  Nadeln  im  Darm  der  Eulen- 
raupe verweilen.  Er  hat  hierzu  (mit  Brillantcresylblau)  gefärbtes  Futter  ver- 
wandt und  ebenfalls  wieder  mit  verschiedenen  Temperaturen  gearbeitet;  als 
Versuchsobjekt  dienten  ältere  Raupen   (Vierhäuter). 


654  n.  Spezieller  Teil. 

Bei  24  "C  betrug  die  Darmzeit  im  Durchschnitt  1^30 

22  "C        „  „  „  „  „  2  h 

,!      18  "C       '!  l  l  l  l  2  h 

.      iS^C        .,  ,,  „  „  „  2h  30 

,.       8"C „  6h 

Also  auch  in  der  Verdauungsgeschwindigkeit  macht  sich  ein  deutlicher 
Einfluß  der  Temperatur  bemerkbar.  Wenn  wir  die  „Darmzeit"  anderer 
Raupen  mit  den  Berwigschen  Zahlen  vergleichen,  so  kommt  der 
Eulen  raupe  bez.  der  Schnelligkeit  des  Verdauungsprozesses 
ein  gewaltiger  Vorsprung  zu  mit  einer  durchschnittlichen  ..Darmzeit" 
von  2  Stunden  gegenüber  z.  B.  dem  Spanner,  dessen  Darmzeit  nach 
Rhumbler  5—7  Stunden,  und  der  Nonne,  deren  Darmzeit  nach  Berwig 
im  Durchschnitt  ca.  4  Stunden  beträgt. 

Zu  welcher  Tages-  oder  Nachtzeit  üben  die  Eulen  raupen 
ihren  Hauptfraß  aus?  Auch  darüber  hat  Berwig  Versuche  angestellt, 
indem  er  alle  2  Stunden  (auch  während  der  Nacht)  Kotsammlungen  gemacht 
und  nach  Trocknung  gewogen  hat.  Durch  Abzug  der  „Darmzeit"  konnte 
dann  die  Hauptfraßzeit  ermittelt  werden  (Abb.  533).  Danach  scheint  die 
Eule  ziemlich  gleichmäßig  bei  Tag  und  bei  Nacht  zu  fressen, 


^ 

«.    «* 
%   ^      g 


i 


•  i 


Abb.    532.     Kotballen    der    Forleulen-Raupe    als    Ein-,    Zwei-,    Drei-    und    Vierhäuter. 
Oben  bei  8  "  C,  unten  bei  22°  C.    Nach  Berwig. 

im  Gegensatz  zum  Spanner  und  zu  der  Nonne,  deren  Hauptfraßzeit  in  die 
Nacht  fällt.  Als  Hauptfraßstunden  konnte  Berwig  (in  Zimmerzuchten)  bei 
der  Eule  die  Zeit  von  lo^o — iS^o  und  von  22^0 — 430  feststellen,  während  bei 
der  Nonne  in  den  unter  gleichen  Bedingungen  gehaltenen  Zuchten  die 
Hauptfraßzeit  zwischen    16 — 24   Uhr  lag. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Euk 


65r 


Eine  Bestätigung  des  Berwigschen  Ergebnisses  liefert  auch  der  Frei- 
landversuch Meyers,  nach  dem  „zwischen  den  während  der  Nacht  und  des 
Tages  aufgenommenen  Nahrungsmengen  kein  wesentlicher  Unterschied  be- 
steht", und  selbst  „durch  erhebliche  Temperaturschwankungen  (29,9'^  bis 
17,20  c)  die   Fraßtätigkeit  nicht  wesentlich  beeinflußt  wird". 

Kohin 
mg 

100 


o30 

Zeil-  1030 


630 
bis 
830Uhr 


/Co /-mengen  in  mg  am  t  l^ersuc/is/sg 
Ko/'m engen  in  mg  am  2.  ^ersuc/istag 


Abb.    533.     Graphische    Darstellung   der   Hauptfraßstunden   der    Forleule   durch   Kot- 
messung.   Nach   Berwig. 

Nahrungspflanzen.  Die  normale  Nahrungspflanze  ist  die  gemeine 
Kiefer  (P.  silvestris).  In  Zeiten  der  Massenvermehrung  geht  die  Raupe 
auch  auf  andere  Pflanzen,  die  eingestreut  oder  als  Unterwuchs  in  den 
Kiefernbeständen  vorhanden  sind.  So  wurden  Weymutskiefern  völlig 
kahlgefressen,  ebenso  Fichten-  und  Wacholderunterwuchs.  Wolff 
(1924c)  berichtet  einen  Fall,  in  dem  20 — 3ojälirige  Tannen  als  Unterholz 
in  einem  etwa  83jährigen  Kiefernbestand  stark  von  der  Eulenraupe  be- 
fressen  wurden;  es  blieb  kaum  ein  Exemplar  vom  Fraß  verschont.  Das 
Fraßbild  ist  typisch  folgendes:  Die  Kurztriebe  des  diesjährigen  Triebes  sind 
überall  restlos  aufgefressen,  ebenso  meist  die  vorjährige  Benadelung.  Der 
Fraß  nimmt  dann  mit  dem  Alter  der  Nadeln  ab.  Dadurch  kommt  es.  daß 
die  Tannen  in  der  oberen  Kronenhälfte  lichtgefressen  aussehen,  während  der 
untere  Kronenteil  infolge  seiner  vorwiegend  älteren  Benadelung  weniger  mit- 
genommen, meist  sogar  bis  auf  die  Triebe  der  letzten  zwei  Jahre  verschont 
ist.    Bemerkenswert  war  in  diesem  Falle,  daß  in  diesem  Revier  der  Fichten- 


656  II.  Spezieller  Teil. 

unterwuchs  völlig  verschont  geblieben  ist,  so  daß  also  die  Tanne  der  Fichte 
deutlich  vorgezogen  wird;  das  gleiche  scheint  auch  für  die  Weymutskiefer 
der  Fall  zu  sein.  Bouvier  (1926)  nennt  ferner  noch  Lärche,  Banks- 
kiefer, Douglasie  und  Sitkafichte  als  gelegentliche  Fraßpflanze 
der  Eulenraupen;  im  Zwinger  nehmen  sie  auch  Piniis  laricio  Poir.,  und 
P.  montana  an  (Sacht leben). 

Außer  Coniferen  werden  auch  Laubhölzer  von  der  Eulenraupe  ange- 
nommen :  So  können  Eichen  und  Weiden  stark  bef ressen  werden  (bis  zum 
Kahlfraß!);  auch  an  Birke  ist  die  Raupe  bei  der  letzten  norddeutschen  Kala- 
mität nicht  selten  beobachtet  worden,  wobei  der  Fraß  sich  folgendermaßen 
vollzog:  Die  Raupe  beißt  die  Blattstiele  dicht  am  Ansatz  der  Blattspreite  durch, 
so  daß  das  Blatt  zu  Boden  fällt.  Die  Blattstiele  befrißt  die  Raupe  dann 
vom  Stumpfende  her  ganz  nach  Art  an  den  Kiefernnadeln.  Ähnlich  frißt  die 
Raupe  auch  am  Graswuchs:  auch  hier  beißt  die  Raupe  den  Halm  in  der 
Nähe  der  Spitze  durch  und  frißt  ihn  nun  mit  über  die  Schnittstelle  ge- 
beugtem Kopf  — •  also  in  der  Fraßstellung,  die  sie  auch  an  der  Kiefer  ein- 
zunehmen pflegt  —  ein  Stück  herunter.  (Wolf  f,  1924.)  Endlich  wurde  auch 
Adlerfarn  mehrfach  bef  ressen.    (Nitsche.) 

„Unverträglichkeit",  Kannibalismus.  Über  die  „Unverträglichkeit"  der 
Eulenraupen  gibt  Kob  (1786)  (zitiert  nach  Sachtleben)  folgende  sehr  an- 
sprechende Beschreibung:  „Die  Forlraupen  sind  nicht  gesellschaftlich  und 
wenn  man  auch  bisweilen,  besonders  junge  noch  beysamen  sah,  so  war  doch 
unter  ihnen  beym  geringsten  Anlaß  ein  Schlagen  mit  dem  halben  Vorderleib 
gegeneinander  und  die  den  stärksten  Schlag  bekam,  fiel  gleich  ab.  Die 
größern,  altern  Raupen  aber  sind  sehr  empfindlich,  und  so  zu  sagen  böß, 
hauptsächlich  im  Walde,  und  nicht  so  sehr  im  Zimmer,  wo  sie  bald  zahmer 
werden.  Wenn  zwoo  Raupen  ungefähr  im  hurtigen,  muntern  Gang  zu- 
sammentreffen, so  schlagen  sie  gleich  hefftig  gegeneinander,  bleiben  so 
dann  beyde  in  einer  entschlossenen,  drohenden  erwartenden  Positur  mit  dem 
halben  Leib  in  der  Höhe  sitzen,  und  ein  guter  Physiognomist  würde  viel- 
leicht manches  in  ihren  Augen  alsdann  lesen,  die  ich  selbst  oft  mit  Ver- 
wunderung betrachtete.  Gemeiniglich  giebt  eine  oder  die  andere  Raupe  nach, 
und  fällt  oder  spinnt  sich  herab,  und  räumt  so  fliehend  das  Feld.  Wenn 
die  Raupen  von  Mucken,  Spinnen,  Ameissen,  Ichneumons,  Schlupffwespen 
angegriffen  werden,  so  wehren  sie  sich  besonders  gegen  Ameissen  und 
Spinnen  recht  verzweiffeit,  und  wälzen  sich  mit  dem  Feind  viertelstunden- 
lang auf  der  Erde  herum,  wobey  dieser  offt  verstümmelt  und  an  Gliedern 
gelähmt  unterliegt." 

Nicht  nur  bei  der  Abwehr  von  Parasiten,  sondern  auch  im  Verhalten  der 
Raupen  eines  Zuchtgefäßes  untereinander  hat  Sachtleben  ähnliche  Kämpf e 
wie  Kob  beobachten  können.  In  zwei  Fällen  wurde  sogar  eine  (lebende!) 
Raupe  von  einem  Zwingergenossen  angefallen  und  zur   Hälfte  angefressen. 

Auch  wir  haben  die  heftige  Kampfeslust  der  Eulenraupen  bei  der  Ab- 
wehr von  Calosoma  beobachtet  und  die  Kämpfe  auch  im  Film  festgehalten. 
Zwölfer  hat  bei  seinen  Versuchen  verschiedentlich  wahrgenommen,  daß 
die  Eiraupen,  denen  kein  Futter  zur  Verfügung  stand,  schlupfreife  Eier  aus- 
fraßen und  selbst  die  eigenen  bereits  geschlüpften  Artgenossen  gelegentlich 
nicht  verschonten.  Dies  war  vor  allem  in  Versuchen  mit  geringer  Luft- 
feuchtigkeit der  Fall,  so  daß  die  Vermutung  nicht  unberechtigt  ist,  diesen 
Kannibalismus   auf   das   Bedürfnis   nach    Feuchtigkeit   zurückzuführen. 


Escherich,  Forstiiisektoi.   III.  Bd. 


Tnfd  XI 


J 


II.  Unterordnung;   JMacrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  657 

Verpuppung.  Wenn  die  Raupen  ausgewachsen  sind,  durchschnittlich 
II  Tage  nach  der  4.  Häutung  (Ende  Juni  bis  Ende  Juli),  begeben  sie  sich 
von  der  Fraßpflanze  herab  in  den  Boden,  um  sich  da  zu  verpuppen.  Die 
Art  und  Weise  dieser  Ortsveränderung  ist  verschieden:  entweder  wandern 
die  Raupen  am  Stamm  herab  oder  sie  lassen  sich  von  den  Ästen  herabfallen, 
oder  sie  gelangen  spinnend  auf  den  Boden.  Meist  unternehmen  nach 
Nitsche,  Wolf f -Krau ße  u.  a.  die  am  Boden  angekommenen  Raupen 
noch  eine  kurze  Wanderung,  bevor  sie  sich  einbohren  (wohl  um  besonders 
geeignete  Verpuppungsplätze  aufzusuchen).  Es  erklärt  sich  daraus  ohne 
weiteres,  daß  die  Puppen  durchaus  nicht  immer  nur  im  Umkreis  des 
Stammes  oder  im  Bereich  der  Krone,  sondern  über  den  ganzen  Bestand  ver- 
streut zu  finden  sind.  Bando  (1850)  beobachtete,  daß  sich  die  Raupen 
vorzugsweise  an  solchen  Stellen  zusammenziehen,  „an  denen  sich  eine  Schicht 
Mulm  aus  noch  nicht  völlig  verwesten,  aber  schon  fast  erdig  gewordenen 
vegetabilischen  Substanzen,  namentlich  aus  Holz  und  Nadeln  gebildet  hatte". 
,,Hier  lagen  die  Puppen  dicht  zusammengedrängt,  nesterweise,  während  da- 
neben, da  wo  Sand,  selbst  mit  einer  starken  Moosschicht  überzogen,  sich 
fand,  wenig  oder  gar  keine  Puppen  sich  zeigten."  Ähnliches  wurde  auch  von 
anderer  Seite  (Wo  1  f  f  -  K  rau  ß  e,  Ratzeburg)  beobachtet.  Bando  erklärt 
die  Vorliebe  für  Mulm  aus  dem  größeren  Wärmeschutz,  den  der  Ilolzmulm 
bietet  1). 

Die  verpuppungsreife  Raupe  wird  fast  überall  gleichmäßig  schmutzig-, 
aber  dunkler  grün,  so  daß  die  weißen  Streifen  immer  undeutlicher  werden 
und  nur  noch  die  schwarze  Zeichnung  deutlicher  erhalten  bleibt.  ,,Sie  zieht 
sich  etwas  zusammen  und  liegt  (im  Zwinger)  wurmförmig  gekrümmt  da.  In 
diesem  Stadium  kann  die  Raupe  nicht  mehr  kriechen,  sondern  bewegt  sich, 
besonders  wenn  sie  berührt  wird,  schnellend  und  schlängelnd  fort."  „Wurden 
solche  Raupen  in  Zuchtgefäßen,  die  mit  Erde  und  auf  dieser  mit  einer 
dicken  Streulage  gefüllt  waren,  auf  die  Streu  gelegt,  so  bohrten  sie  sich 
meist  augenblicklich  in  die  Streu  ein;  nur  wenige  verweilten  noch  kurze 
Zeit  an  der   Streuoberfläche"    (Sac  ht  leb  en). 

Während  von  einem  Teil  der  Autoren  angegeben  wird,  daß  die  Forl- 
eule sich  völlig  ohne  Gespinst  im  Boden  verpuppt,  sprechen  andere 
Autoren  von  einem,  wenn  auch  schwachen  Gespinst,  das  die  Raupe  vor  der 
Verpuppung  fertigt,  wie  Kob  („das  lose  dünne  Gespinst,  welches  ganz  zu 
-Anfang  über  den  Puppen  gefunden  wird"),  Hennert  (1798)  („hiezu  macht 
sie  ein  dünnes  Gespinst,  in  welches  sie  Kiehnnadeln  und  Moos  verwebet"), 
Zinke  (1798),  („hier  bereiten  sie  sich  ein  längliches  Gewölbe  und  befestigen 
es  von  innen  mit  einigen  Seidenfäden"),  Hartig  (1838)  („verbindet,  an  der 
Stelle,  wo  sie  sich  verpuppen  will,  die  zunächst  liegende  Erdkrume  mit 
wenigen  Seidenfäden  zu  einem  lockeren  Gespinste")  und  in  ihrer  neuesten 
Darstellung  auch  Wolff  und  Krauße  (,,Die  Verpuppung  geht  in  einer 
nur  mit  wenigen,  später  kaum  nachweisbaren  Spinnfäden  versehenen  Höhle 
vor  sich").  Eingehend  hat  Eckstein  (1924a)  nach  Zwingerversuchen  solche 
Puppenhöhlen  aus  Moos  und  Kotkrümeln,  die  durch  Spinnfäden  verbunden 
waren,  beschrieben:  ,,Auch  in  meinen  Zwingerzuchten  stellten  die  zur 
Verpuppung  schreitenden  Raupen  Puppenhöhlen  her  (Abb.  534),  die  teils  aus 
Kotkrümeln,  teils  aus  den  zur  Nahrung  gereichten  Kiefernnadeln,  teils  aus 

it  Bei  dem  Bedürfnis  der  Puppen  nach  feuchter  Umgebung  dürfte  auch  der 
Schutz  vor  Austrocknung  derartiger  Plätze  hierbei  eine  Rolle  spielen. 

Es  che  rieh,  Forstinsekten,  Bd.  III.  42 


658 


II.  Spezieller  Teil. 


Streunadeln  und  -teilchen  —  je  nach  dem  Material,  das  den  Raupen  im 
Zuchtgefäß  zur  Verfügung  stand  —  bestanden.  Die  einzelnen  Teile  waren 
durch  feine  Spinnfäden  miteinander  verbunden."  ,,Von  den  Gespinstfäden 
bemerkt  man  wenigstens  im  Winter  und  zum  Frühjahr  hin  kaum  noch 
etwas,  da  sie  wohl  nach  einiger  Zeit  durch  atmosphärische  Einflüsse  zerstört 
werden." 

Die  Zeit,  die  vom  Verschwinden  der  Raupe  im  Boden  bis  zur  Ver- 
puppung verstreicht,  beträgt  durchschnittlich   5  Tage. 

/  Die     Lage     der    Puppe 

richtet  sich  nach  der  Beschaf- 
fenheit des  Bodens.  Ist  eine 
unversehrte  Streudecke  vorhan- 
den, so  sind  die  meisten  Puppen 
im  dichtesten  Wurzelfilz  unmit- 
telbar über  dem  mineralischen 
Boden  zu  finden.  Wo  die  Streu- 
decke fehlt,  gräbt  sich  die 
Raupe  zur  Verpuppung  mehr 
oder  weniger  tief  (mehrere 
Zentimeter)  in  den  minerali- 
schen Boden  ein.  Übrigens  ist 
auch  der  Gesundheitszustand  der 
Raupen  nicht  ganz  ohne  Ein- 
fluß auf  die  Lage  der  Puppe 
im  Boden,  insofern  als  kranke 
oder  parasitierte  Raupen  ge- 
wöhnlich nicht  mehr  so  tief  in  den  Boden  einzudringen  vermögen  wie 
gesunde,  und  infolgedessen  auch  die  Puppen  von  kranken  Raupen  meist 
oberflächlicher  liegen  als  die  von  gesunden.  Es  sei  hier  auch  auf  die  An- 
gaben V.  Vietinghoffs  auf  den  Einfluß  der  Bodendecke  auf  die  Ver- 
puppung verwiesen  (S.  666). 

Was  die  Dauer  der  Puppen  ruhe  anbelangt,  so  währt  diese  im  all- 
gemeinen 9I/2  bis  10  Monate,  im  Mittel  300  Tage.  Wie  die  Puppenzeit  durch 
verschiedene  klimatische  Verhältnisse  beeinflußt  werden  kann,  darüber  ist 
oben  beim  Abschnitt  über  das  Schlüpfen  der  Falter  Näheres  ausgeführt 
(S.  624). 

Epidemiologie. 

Zur  Theorie:  Die  Zwölfersche  Populationsgleichung. 

Bevor  wir  auf  die  Epidemiologie  der  Kieferneule  im  speziellen  ein- 
gehen, müssen  noch  —  als  Ergänzung  der  im  Allgemeinen  Teil  dieses  Bandes 
gegebenen  Darstellung  der  neueren  epidemiologischen  Anschauungen  (S.  51  ff). 
—  einige  Erörterungen  allgemeiner  theoretischer  Art  vorausgeschickt  werden, 
die  sich  auf  die  vor  kurzem  aufgestellte  Zwölfersche  Populations- 
gleichung beziehen  1).  Letztere  bildet  einen  Versuch,  die  Erscheinungen 
des  Massenwechsels  der  Insekten  einer  allgemeinen  quantitativen  Behandlung 
zugänglich  zu  machen,  und  ist  daher  auch  für  die  Praxis  von  größter 
Bedeutung. 


Abb.    534     Von    der    Raupe    vor    der    Verpup- 
pung  gefertigte   Puppenhöhle.    Nach    Sacht- 
1  ehe  n. 


^)  Zwölfer,  W.,  Biol.  Zentralblatt   1930  und  Z.  f.  ang.  Entom.  1931. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Xoctuidae  (Eulen).  659 

Quantitative  Forschungsmethoden  setzen  Meßbarkeit  der  untersuchten 
Erscheinungen  voraus.  Ist  diese  Voraussetzung  erfüllt  und  sind  die  Er- 
scheinungen gesetzmäßig  verknüpft,  dann  muß  auch  eine  mathematische 
Formulierung   ihrer   gegenseitigen   Beziehungen   möglich   sein. 

Ausgangspunkt  der  Überlegungen  Zwölfers  ist  das  „organische  Gleich- 
gewicht". In  der  Natur  wird  es  durch  das  Gegeneinanderwirken  zweier 
Kräfte  geregelt:  „der  Zeugungskraft  der  Organismen  auf  der  einen  —  des 
Widerstandes  der  Umwelt  auf  der  anderen  Seite.  Das  Resultat  des  Spieles 
dieser  Kräfte  ist  die  Populationsdichte  der  einzelnen  Organismenarten,  d.  h. 
die  Zahl  der  Individuen  einer  Art  auf  irgendeine  Einheit  ihres  Lebens- 
raumes bezogen". 

Theoretisch  sind  die  genannten  drei  Größen  mit  beliebiger  Genauigkeit 
meßbar:  die  „Zeugungskraft"  durch  die  von  einem  Weibchen  durchschnitt- 
lich produzierte  Nachkommenzahl,  der  Widerstand  der  Umwelt  durch  den 
Anteil  vernichteter  Individuen,  am  zweckmäßigsten  in  Prozenten  der  vor- 
handenen bzw.  erzeugten  Nachkommen  ausgedrückt,  die  Populationsdichte 
endlich  durch  die  auf  irgendeine  Lebensraumeinheit  reduzierte  Individuen- 
zahl der  Art. 

Änderungen  eines  im  Gleichgewicht  befindlichen  Systems  setzen  Ände- 
rungen der  wirkenden  Kräfte  voraus:  jede  Mehrung  oder  Minderung  des 
Widerstandes  der  Umwelt  und  ebenso  jede  Mehrung  oder  Minderung  der 
Zeugungskraft  kann  theoretisch  eine  Verschiebung  des  Systems  bedingen. 
Ausdruck  dieser  Verschiebung  sind  die  von  Generation  zu  Generation  beob- 
achtbaren Schwankungen  der  Populationsdichte  einer  Art  an  einem  be- 
stimmten Biotop.  Verschiebungen  in  der  einen  Richtung  während  einer  oder 
mehrerer  Generationen  werden  in  den  folgenden  erfahrungsgemäß  durch 
Verschiebungen  in  entgegengesetzter  Richtung  ausgeglichen.  Unter  der  Vor- 
aussetzung, daß  innerhalb  einer  gegebenen  Population  keine  grundsätzliche 
vmd  dauernde  Änderung  einer  der  beiden  wirkenden  Kräfte  eintritt,  wird 
daher  im  Laufe  zahlreicher  Generationen  ein  Gleichgewichtszustand  ange- 
strebt.  Seiner  wahren  Natur  nach  stellt  er  ein  dynamisches  System  vor. 

Epidemien  sind  zeitweilige  Verschiebungen  dieses  dynamischen  Systems 
im  Sinne  einer  erheblichen  Zunahme  der  Populationsdichte.  Aus  dem  Ge- 
sagten folgt,  daß  sie  durch  Änderung  einer  der  beiden  wirkenden  Kräfte 
(Zeugung  und  Widerstand)  oder  durch  eine  gleichsinnige  Änderung 
beider  zusammen  bedingt  sein  können. 

Durchschnittliche  Nachkommenzalil  einer  Art  und  Widerstand  der  Um- 
welt sind  von  Art  zu  Art  und  Ort  zu  Ort  verschieden.  Auch  von  Generation 
zu  Generation  sind  sie  innerhalb  gewisser  Grenzen  Schwankungen  unter- 
worfen. Letzteres  ist  für  den  Widerstand  der  Umwelt  hinlänglich  bekannt  i). 
Was  die  Nachkommenzahl  angeht,  so  mehren  sich  in  neuer  Zeit  Beobach- 
tungen, die  für  die  Richtigkeit  des  Satzes  sprechen.  Neben  artspezifischen 
Eigenschaften  hat  Einfluß  auf  sie  das  Geschlechterverhältnis,  der  Ernäh- 
rungszustand der  Elterntiere,  klimatische  Einwirkungen  am  Aufenthaltsort 
der  Tiere  während  der  Zeugungsperiode,  ja  sogar  biotische  Faktoren,  wie 
Sterilität  der  Weibchen  infolge  Parasitierung. 

Streng  genommen  mußte  demnach  bei  mathematischer  Formulierung 
der  Beziehungen  zwischen  Zeugungskraft  und  Widerstand  der  Umwelt  mit 
der  Möglichkeit  einer  Änderung  beider  Kräfte  von  Generation  zu  Generation 

1)  Vergleiche  hierzu  das  im  .Mlgemeinen  Teil  dieses  Bandes  (S.  51  ff.)  Gesagte. 

42* 


660  n.  Spezieller  Teil. 

gerechnet  werden.  Indessen  erweist  es  sich  als  zweckmäßig  und  läßt  sich 
auch  theoretisch  begründen,  die  eine  der  beiden  wirkenden  Kräfte,  die 
,, Zeugungskraft",  als  konstant  und  artspezifisch  anzusehen,  wie  das  bisher  in 
der  Regel  auch  schon  geschehen  ist.  Danach  würde  jeder  Insektenart  eine 
ideale  oder  ,,absolute"  Zeugungskraft  zukommen,  der  gegenüber  die 
in  freier  Natur  oder  unter  wechselnden  Versuchsbedingungen  erzielten  Werte 
der  Durchschnittsnachkommenzahl  je  Weibchen  nur  relative  Bedeutung  be- 
sitzen. Der  Wert  der  relativen  Durchschnittsnachkommenzahl  ist  von  den 
oben  genannten  und  vielleicht  auch  noch  von  anderen  Umweltseinflüssen 
abhängig.  Die  ,, absolute  Zeugungskraft"  einer  Art  kommt  demgegenüber  nur 
unter  dem  Optimum  sämtlicher  maßgebender  Bedingungen  zur  vollen  Aus- 
wirkung. 

Die  Differenz  der  Werte  der  ,, absoluten  Zeugungskraft"  und  der  rela- 
tiven Durchschnittsnachkommenzahl  läßt  sich  als  eine  Reduktion  der  art- 
spezifischen Zeugungsfähigkeit  auffassen,  die  durch  Umwelteinflüsse  bedingt 
ist.  Damit  erfährt  der  oben  definierte  Begriff  des  Widerstandes  der  Umwelt 
eine  Erweiterung:  „Neben  dem  Anteil  vernichteter  Individuen  der  Gene- 
ration einer  Art  umfaßt  er  auch  die  Reduktion  ihrer  idealen  Naclikommen- 
zahl.  Mißt  man  die  Reduktion  in  Prozenten  der  absoluten  Zeugungskraft 
der  Art,  dann  kann  dieser  Wert  rechnerisch  in  derselben  Weise  behandelt 
werden,  wie  der  Umweltswiderstand,  der  in  Prozenten  vernichteter  Indi- 
viduen einer  Generation  gemessen  wurde. 

So  ist  beispielsweise  die  absolute  Zeugungskraft  der  Kieferneule  mit 
190  anzusetzen  1).  An  Hand  von  E.  Meyers  Freilandbeobachtungen,  die 
durch  Untersuchungen  von  Zwölfer  eine  gewisse  Bestätigung  fanden,  war 
in  Heideck  im  Eruptionsjahr  1930  die  durchschnittlich  von  einem  Weibchen 
abgelegte  Eizahl  130.  Der  Umweltswiderstand,  der  eine  Reduktion  der  ab- 
soluten Zeugungskraft  von  190  auf  130  zur  Folge  hatte,  war  demnach  im 
vorliegenden  Fall  gleich  60  Eier  je  Weibchen  oder  in  Prozenten  der  ab- 
soluten Zeugungskraft  der  Art  gemessen  =  31.  —  Sachtlebens  Beobach- 
tungen an  der  Kieferneule  im  Zossener  Revier  ergaben  1925  eine  durch- 
schnittliche Eiablage  je  Weibchen  von  30  Eiern.  In  diesem  Fall  war  der 
Widerstand,  der  die  Reduktion  der  idealen  Eizahl  \'on  190  auf  30  bedingte, 
in  Prozenten  gemessen  =  84.  Die  beiden  Beispiele  zeigen  gleichzeitig,  welch 
erheblichen  Schwankungen  die  Umwelts\\iderstände  unterliegen,  die  die 
ideale  Eizahl  in  den  einzelnen  Generationen  reduzieren. 

Die  Beziehungen,  die  zwischen  ,, Zeugungskraft"  und  , .Widerstand  der 
Umwelt"  bestehen,  wenn  der  Gleichgewichtszustand  der  Art  in  aufeinander- 
folgenden Generationen  gewahrt  bleiben  soll,  sind  bereits  von  Bremer  all- 
gemein formuliert  worden  2).  In  der  von  Zwölfer  benutzten  Fassung  lautet 
der  Ausdruck: 

m  4-f\ 


W„=— i 


„Hierin    stellt    Wf,    den    Prozentsatz    vor,    welcher    von    der    theoretisch 
im    Optimum   aller    Bedingungen    möglichen    Nachkommenschaft    durch    den 


1)  Vergleiche  S.  633. 

2)  Vergleiche  den  Allgemeinen   Teil  des   Bandes.    Wegen  der  Ableitung  dieser 
und  der  folgenden   Formeln  muß  auf  die   Originalarbeiten  verwiesen  werden. 


II.  Unterordnung:   Macrolepidoptera.    Familie  Noctuidae     Eulem.  (361 

Widerstand  der  Umwelt  ausgemerzt  werden  muß,  um  den  Gleichgewichts- 
zustand zu  erhalten,  e  ist  der  Wert  der  absoluten  Zeugungskraft  der  Art, 
m:f  deren  Geschlechterverhältnis.  Nach  den  obigen  Erläuterungen  umfaßt 
somit  der  Widerstandswert  Wq  nicht  nur  den  Anteil  direkt  vernichteter 
Nachkommen,  sondern  auch  die  Reduktion  der  absoluten  Zeugungskraft 
der  Art." 

Dieser  der  obigen  Gleichung  entsprechende  Widerstandswert  Wq,  der 
für  den  Fall  der  Erhaltung  des  organischen  Gleichgewichtes  besteht,  wird 
von  Zwölfer  als  „Gleichgewichtswiderstand"  bezeichnet.  Ihm  kommt  bis 
zu  einem  gewissen  Grad  ebenso  wie  der  „absoluten  Zeugungskraft"  art- 
spezifische  Bedeutung   zu. 

Für  die  Kieferneule  beispielsweise  mit  einem  Geschlechterverhältnis  von 
rund  i:i  und  einer  idealen  Eizahl  von  190  ist  der  Wert  des  Gleichgewichts- 
widerstandes 

1 00     1 90  — 

Wo ^ '—  =  98,95 

190  V"'V3 

Mit  anderen  Worten:  98,950/0  von  der  theoretisch  im  Optimum  aller  Bedin- 
gungen möglichen  Nachkommenschaft  der  Kieferneule  müssen  von  eigener 
Fortpflanzung  ausgeschaltet  werden,  wenn  der  Gleichgewichtszustand  er- 
halten bleiben  soll.  Dabei  kann  dieser  Prozentsatz  teils  durch  Reduktion 
der  idealen  Eizahl,  teils  durch  direkte  Vernichtung  der  Nachkommenschaft 
als  Auswirkung  abiotischer  und  biotischer  Widerstandskomponenten  erreicht 
werden. 

In  derselben  Weise  läßt  sich  für  jede  Art,  deren  „absolute  Zeugungs- 
kraft" und  deren  Geschlechterverhältnis  bekannt  sind,  der  Wert  ihres  Gleich- 
gewichtswiderstandes ermitteln.  Zunächst  nur  von  theoretischem  Interesse, 
erlangt    er,    im    weiteren    Zusammenhang    betrachtet,    praktische    Bedeutung. 

Für  die  Berechnung  des  gesamten  Um  welts  widerstand  es,  der 
auf  irgendeine  Generation  einer  Insektenart  einwirkte,  leitet  Z  a\  ö  1  f  e  r 
2  Gleichungen  ab,  die  im  folgenden  mitgeteilt  seien. 

Bezeichnet  man  mit  P^  die  Populationsdichte  einer  Insektenart  an  einem 
gegebenen  Biotop  zu  Beginn  einer  Generation,  mit  Pg  die  Populationsdichte 
zu  Ende  der  Generation,  nennt  man  ferner  die  „absolute  Zeugungskraft 
einer  Art"  e,  und  ihr  Geschlechterverhältnis  cf o^  :  Qo  =  m  :  f,  dann  gilt  für 
den  Gesamtwiderstand  Wx,  der  auf  die  betreffende  Generation  einwirkte, 
die    Formel : 

Hiernach  ist  der  Gesamtwiderstand  W^,  der  auf  die  Generation  wirkte, 
bestimmbar,  wenn  Anfangs-  und  Endpopulationsdichte  der  Generation  durch 
Beobachtung  ermittelt  worden,  und  die  ideale  Nachkommenzahl  sowie  das 
Geschlechterverhältnis  der  Art  bekannt  sind.  Nach  diesem  Ausdruck  be- 
rechnet gibt  Wx  denjenigen  Prozentsatz  an,  der  von  der  im 
Optimum  aller  Bedingungen  möglichen  Nachkommenschaft 
der  Ausgangspopulation  in  der  betreffenden  Generation 
vernichtet  wurde. 


662 


II.  Spezieller  Teil. 


Wx 


Für  die  praktische  Anwendung  ist  eine  Modifikation  des  obigen  Aus- 
druckes zur  Bestimmung  des  Gesamtwiderstandes  vorteilhaft.  Sie  kann  durch 
algebraische   Umformung  aus   der   Gleichung  abgeleitet  werden   und   lautet: 

ioo.(P-P,)  +  W,.P, 
Fl 

Hiernach  ist  der  Gesamtwiderstand  Wx  in  gleicher  Weise  wie  oben  be- 
stimmbar, wenn  bekannt  bzw.  durch  Beobachtung  ermittelt  worden  sind 
Ausgangs-  und  Endpopulationsdichte  der  Generation,  sowie  der  „Gleich- 
gewichtswiderstand" Wq  der  betreffenden  Art. 

Ein  Beispiel  möge  die  praktische  Anwendung  des  Gesagten  erläutern: 
Schwerdtfeger,  der  den  Kiefernspanner  in  der  Letzlinger  Heide  unter- 
suchte, gibt  eine  Zusammenstellung  der  Durchschnittspuppenzahlen,  die  bei 
Probesammlungen  in  einzelnen  aufeinanderfolgenden  Jahrgängen  je  qm 
Bodenstreu  festgestellt  wurden.  In  der  nachfolgenden  Tabelle  sind  seine 
Werte  zusammengestellt: 

Herbst,  Jahrgang 1924     1925     1926     1927     1928     1929 

Puppenzahl  je  qm  (im  Gesamtdurchschnitt)   0,14     0,92      1,1 1      8,71      33,04     30 

Wie  groß  war  in  den  einzelnen  Generationen  der  Gesamtwiderstand  der 
Umwelt?  —  Das  Geschlechterverhältnis  in  der  Generation  1927/28  betrug 
nach  Schwerdtfeger  m:f  =  63  -.y] ,  also  rund  m  :  f  =  2  :  i .  Da  auch  ander- 
weitig gleichlautende  Literaturangaben  vorliegen,  kann  es  für  die  ver- 
schiedenen Generationen  als  konstant  angenommen  werden.  Die  Durch- 
schnittseizahl pro  Weibchen  (, .absolute  Zeugungskraft")  sei  nach  Nüßlin 
mit  e=i20  angesetzt.  Der  Gleichgewichtswiderstand  beträgt  dann  in  diesem 
Fall 

/                  2+l\ 
100    I  120  — I 

Wo  = ^-— ^- —  =  97^5 


Für   die  Generation    1924/25    war  P^  =  0.14    und  Po  =  0,92.    Mithin    betru^ 
der  Gesamtwiderstand  Wx  für  diese  Generation: 


W.= 


100  .  (0,14 — 0,92)  -[-  97,5  .  0,92 
äl4 


83^57 


Mit  anderen  Worten:  83,570/0  der  theoretisch  im  günstigsten  Fall  möglichen 
Nachkommenschaft  der  Ausgangspopulation  fiel  im  Laufe  der  Generation 
1924/25  teils  durch  Reduktion  der  Eizahl,  teils  durch  direkte  Einwirkung 
der  Umwelt  auf  die  gezeugte  Nachkommenschaft  der  Vernichtung  anheim. 
In  entsprechender  Weise  lassen  sich  für  die  übrigen  Generationen  die  Werte 
der  Gesamtwiderstände  berechnen.  In  der  folgenden  Tabelle  sind  sie  zu- 
sammengestellt, wobei  gleichzeitig  die  einzelnen  Jahrgänge  mit  den  oben 
gebrauchten  Bezeichnungen  belegt  sind: 


I.  Vor- 
bereitung« 


2.  Vor- 

bereitungs 

jähr 


Prodromal- 
jahr 


Eruptions- 
jahr 


2.  Eruptions- 
jahr,  Beginn 
der  Krise 


Generation  . 
Gesamtwiderstand 


1924/25 
83>57  7o 


1925/26 

96,98  7o 


1926/27 
80,38  7o 


1927/28 
90,5270 


1928/29 
97,73  7o 


IL  Unterordnung:  jNIacrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen  i.  663 

Der  Widerstand  der  Umwelt  war  demnach  im  i.  Vorbereitungsjahr  und 
im  Prodromaljahr  am  geringsten  und  dementsprechend  die  Zunahme  der 
Populationsdichte  in  diesen   Generationen  am  größten. 

Während  in  den  Jahrgängen  1924 — 1928  die  Werte  des  Gesamtwider- 
standes unterhalb  des  Gleichgewichtswiderstandes  lagen,  was  den  Ausbruch 
einer  Kalamität  bedingte,  übertraf  er  ihn  im  Jahrgang  1928/29  um  0,230/0. 
Damit  war  die  Krise  der  Gradation  eingeleitet. 

Welche  Folgerungen  ergeben  sich  hieraus?  —  Die  mitgeteilten  Werte 
für  den  Gesamtwiderstand  in  den  einzelnen  Jahrgängen  lassen  erkennen,  in 
welchem  Ausmaß  dieser  schwanken  kann.  Sie  zeigen  ferner  zahlenmäßig, 
daß  der  Anstoß  zu  der  Gradation  in  eine  Zeit  fällt,  in  der  die  Zunahme 
der  Population  des  Schädlings  sich  noch  in  keiner  Weise  durch  auffallend 
vermehrten  Fraß  bemerkbar  machte.  Des  weiteren  ist  ihnen  zu  entnehmen, 
daß  die  größte  Zunahme  der  Schädlingspopulation  keineswegs 
im  Eruptionsjahr  einer  Kalamität  liegt,  wie  vielfach  irrig  ange- 
nommen wird,  sondern  in  den  vorhergehenden  Jahrgängen.  End- 
lich geht  aus  den  mitgeteilten  Widerstandswerten  noch  hervor,  daß,  um 
eine  Eruption  zu  erzielen,  stets  mehrere  Generationen  auf- 
einanderfolgen müssen,  in  denen  der  Gesamtwiderstand 
unterhalb  des  Gleichgewichts  Widerstandes  für  die  betref- 
fende Art  liegt. 

Weitere  systematisch  durch  Jahre  hindurch  fortgeführte  Freilandunter- 
suchungen in  dieser  Richtung  würden  zu  einer  Kenntnis  der  niedersten  und 
höchsten  Widerstandswerte  sowie  ihrer  sämtlichen  Zwischenstufen  führen, 
die  innerhalb  eines  Biotops  für  einen  bestimmten  Schädling  herrschen.  Der 
Vergleich  der  gefundenen  Werte  mit  den  jeweiligen  Klimaverhältnissen  der 
zugehörigen  Jahrgänge  würde  vermutlich  ergeben,  daß  einer  bestimmten 
Klimakonstellation  ein  bestimmter  Wert  des  Gesamtwiderstandes  zugeordnet 
ist.  Ist  noch  die  Populationsdichte  der  betreff  enden  Schädlingsart  für  normale 
Jahre  bekannt,  dann  läßt  sich  die  Steigerung  oder  Verminderung  der  Population 
von  Jahr  zu  Jahr  rein  rechnerisch  mit  Hilfe  der  Widerstandswerte  und  der 
meteorologischen  Daten  verfolgen,  ohne  daß  dazu  weiterhin  umständliche 
Einzeluntersuchungen  notwendig  wären.  Überraschungen  für  die  Praxis 
wären  auf  diese  Weise  ausgeschlossen. 

Die  Richtigkeit  dieser  Überlegungen  wird  bis  zu  einem  gewissen  Grad 
bestätigt  durch  die  Untersuchungen  von  B  e  r  w  i  g  über  Klima  und  Kief  ern- 
eulengradation  und  entsprechend  von  F.  Eckstein  über  den  Kiefernspanner. 
Beide  Untersuchungen  lassen  die  klimatische  Bedingtheit  der  Gradationen 
erkennen,  beide  zeigen,  daß  das  erste  Jahr  mit  klimatischen  Besonderheiten 
der  Eruption  um  mehrere  Jahre  vorausgeht,  aus  der  Arbeit  des  letzt- 
genannten Autors  geht  ferner  hervor,  daß  mehrere  Jahre  mit  güi:istigen 
Klimabedingungen  einander  folgen  müssen,  ehe  das  Eruptionsjahr  erreicht 
wird.  Unter  Berücksichtigung  obiger  Überlegungen  würden  derartige  Unter- 
suchungen   eine    noch    präzisere    Fassung    dieser    Verhältnisse    gestatten.    — 

In  seiner  Gesamtheit  erscheint  der  Widerstand  der  Umwelt  als  Resul- 
tante eines  Systems  von  Widerstandskomponenten  oder  Einzelwiderständen. 
So  werden  bekanntlich  unter  den  Einflüssen  der  Umwelt,  die  auf  das  Leben 
der  Insekten  einwirken,  solche  abiotischer  und  biotischer  Art  unterschieden. 
Erstere  umfassen  —  um  nur  einige  der  wesentlichen  zu  nennen  —  Klima, 
Boden    usw.,    letztere    jene    der    Ernährung,    Krankheiten,    Feinde,    Parasiten 


664  n.  Spezieller  Teil. 

USW.  Wie  aus  der  Zusammenstellung  hervorgeht,  sind  diese  Widerstands- 
komponenten ihrem  Wesen  nach  außerordentlich  mannigfaltig.  In  ihrer 
Wirkung  indessen  —  sofern  man  diese  in  der  Vernichtung  lebender  Indi- 
viduen erblickt  —  stimmen  sie  überein.  Wie  der  Gesamtwiderstand  in  Pro- 
zent der  theoretisch  möglichen  Nachkommenschaft  gemessen  wurde,  so  sind 
die  Einzelwiderstände  in  Prozent  des  jeweils  vernichteten  Individuenanteils 
einer  Population  meßbar. 

Neben  diesen  direkt  wirkenden  Einzelwiderständen  müssen  noch  solche 
unterschieden  werden,  welche  eine  gegebene  Insektenpopulation  indirekt 
beeinflussen,  indem  sie  deren  Zeugungsfähigkeit  beeinträchtigen.  Deren 
Wesen  wurde  bereits  oben  kurz  angedeutet.  Ihr  Wirkungsgrad  kommt  in 
der  Reduktion  der  absoluten  Eizahl  der  betreffenden  Insektenart  zum  Aus- 
druck. Mißt  man  diese  Reduktion  in  Prozent  der  absoluten  Eizahl,  dann 
lassen  sich  auch  die  indirekt  wirkenden  Widerstandskomponenten  mit  den 
direkt  wirkenden  vergleichen.  Beide  können  alsdann  in  gleicher  Weise 
rechnerisch  behandelt   werden. 

Unter  Berücksichtigung  dieser  Überlegungen  ist  es  möglich  einen  all- 
gemeinen Ausdruck  aufzustellen,  der  alle  für  die  Schwankungen  der  Popu- 
lationsdichte einer  Art  unmittelbar  maßgebenden  Glieder  vereinigt.  Er  gestattet 
die  Berechnung  der  Populationsdichte  zu  Ende  einer  Generation  (Px),  wenn 
bekannt  sind  die  Ausgangspopulationsdichte  (P^)  der  Art,  ihr  Geschlechter- 
verhältnis (m:f),  ihre  absolute  Eizahl  (e),  sowie  sämtliche  Widerstands- 
komponenten (w^,  Wg,  W3  usw.),  die  auf  die  betreffende  Generation  ein- 
wirkten. Dabei  ist  vorausgesetzt,  daß  die  direkt  wirkenden  Einzelwiderstände 
in  Prozent  des  jeweils  vernichteten  Individuenanteils  der  Population  ge- 
messen wurden,  die  indirekt  wirkenden  in  Prozent  der  Reduktion,  welche 
die  absolute  Eizahl  in  der  betreffenden  Generation  erfuhr.  Hiernach  lautet 
die  Formel  zur  Bestimmung  der  Endpopulationsdichte  (Px)  unter  Berück- 
sichtigung der  Einzel  widerstände: 

p^  =  — CT  (■--)(■--)  f'--^ (■-- 

m  +  f    \         1 00/   \         1 00/  \  1 00  \  1 00 

Die  theoretischen  Folgerungen,  die  sich  aus  der  Diskussion  dieser 
Gleichung  ergeben,  seien  im  folgenden  zusammenfassend  mitgeteilt: 

Im  Laufe  mehrerer  Generationen  betrachtet,  lassen  sich  unter  den  Wider- 
standskomponenten „unabhängig  veränderliche"  und  ,,abhängig 
veränderliche"  unterscheiden.  Erstere  besitzen  auf  die  Dauer  größeren 
Einfluß  auf  Änderungen  der  Populationsdichte  als  letztere.  In  diesem 
Sinn  kann  von  Widerstandskomponenten  mit  primärer  und  se- 
kundärer  epidemiologischer   Bedeutung   gesprochen   werden. 

Zu  den  Einzelwiderständen  mit  sekundärer  epidemiologischer  Bedeu- 
tung gehören  solche,  die  durch  den  Einfluß  von  Parasiten,  Feinden,  Krank- 
heiten usw.  bedingt  sind.  Diese  sind  in  der  Stärke  ihres  Auftretens  wesent- 
lich von  der  jeweiligen  Populationsdichte  des  Wirtstieres  abhängig. 

Primäre  epidemiologische  Bedeutung  besitzen  demgegenüber  in  der  un- 
berührten Natur  Klima  und  physiographische  Änderungen  geologischer  Art, 
soweit  sie  direkt  oder  indirekt  an  der  Dezimierung  der  Population  eines  In- 
sekts beteiligt  sind.  Im  Gegensatz  zu  den  sekundären  Widerstandskompo- 
nenten (siehe  oben)  ist  ihre  Wirkungsgröße  von  der  Populationsdichte  des 
Schädlings  gänzlich  unabhängig.    Unter  den  Verhältnissen  des  Kulturlandes 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen'.  665 

kommen  eine  Reihe  weiterer,  durch  die  Tätigkeit  des  Menschen  bedingte 
Widerstandskomponenten  mit  primärer  epidemiologischer  Bedeutung  hinzu: 
wie  jene  der  Ernährung  (Fruchtwechsel  in  der  Landwirtschaft  und  wald- 
bauliche Eingriffe  in  der  Forstwirtschaft),  der  Beeinflussung  des  Lebens- 
raums durch  Kulturmaßnahmen  (Trockenlegung  von  Sümpfen,  Änderungen 
des  Grundwasserhorizontes,  Bodenbearbeitung  usw.),  der  Bekämpfung  mit 
technischen  oder  biologischen  Hilfsmitteln.  Hier  sind  sie  im  Einzelnen  oder 
in  ihrer  Gesamtheit  für  die  Schwankungen  der  Populationsdichte  einer  In- 
sektenart von  Generation  zu  Generation  verantwortlich.  In  der  unberührten 
Natur  ist   dies  in   der    Hauptsache  das   Klima. 

Was  den  praktischen  Anwendungsbereich  der  Populationsgleichung  an- 
geht i),  so  vereinfacht  sie  das  in  entsprechenden  Fällen  bisher  gebräuchliche 
direkte  Rechenverfahren.  Im  übrigen  ist  sie  hinsichtlich  Beginn  und  Ende 
einer  Generation  zeitlich  nicht  begrenzt:  jedes  Entwicklungsstadium,  gleich- 
viel ob  Larve,  Puppe  oder  Vollkerf,  kann  in  ihr  als  Anfang  bzw.  Ende  einer 
Generation  angenommen,  und  diese  dementsprechend  vom  Ei  bis  zum  Ei, 
von  Larve  bis  zur  Larve  usw.  gerechnet  werden. 

Auch  die  Populationsdichte  der  Art  zu  irgendeinem  beliebigen  Zeitpunkt 
der  Generation  —  also  beispielsweise  für  irgendein  Entwicklungsstadivim,  das 
praktisch  besonders  bedeutvmgsvoll  ist  —  kann  nach  ihr  ermittelt  werden, 
wenn  x^usgangspopulationsdichte,  ideale  Eizahl,  Geschlechterverhältnis  vmd 
diejenigen  W^iderstände  bekannt  sind,  die  bis  zu  dem  betreffenden  Zeitpunkt 
gewirkt  haben.    Letzteres  ist  für  Prognosestellungen  von  Wichtigkeit. 

Bei  quantitativ  analytischen  Untersuchungen  von  Massenwechselerschei- 
nungen  gibt  die  Populationsgleichung  die  Möglichkeit  sich  rasch  über  die 
Vollständigkeit  und  Richtigkeit  der  empirisch  gefundenen  Daten  zu  ver- 
gewissern. Sind  nämlich  bei  einer  solchen  Untersuchung  Ausgangs-  und 
Endpopulationsdichte  der  Generation  festgestellt  worden,  und  sämtliche 
wesentliche  Einzelwiderstände  ihrer  Wirkungsgröße  nach  empirisch  ermittelt, 
dann  müssen  die  gefundenen  Werte,  in  die  Populationsgleichung  eingesetzt, 
diese  befriedigen.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  und  weicht  der  berechnete  Wert 
der  Endpopulationsdichte  P^  erheblich  vom  beobachteten  Wert  ab,  so  zeigt 
dies,  daß  ein  oder  mehrere  wichtige  Umweltseinflüsse,  die  auf  die  betref- 
fende Generation  wirkten,  der  Beobachtung  entgangen  sind. 

Endlich  gestattet  die  Populationsgleichung,  wenn  bei  einer  quantitativ 
analytischen  Untersuchung  alle  wesentlichen  Einzelwiderstände  bis  auf  einen 
empirisch  ermittelt  werden  konnte,  die  Wirkungsgröße  dieses  einen  unbe- 
kannt gebliebenen  in  einfacher  Weise  zu  bestimmen.  Es  ist  hierzu  lediglich 
erforderlich,  in  der  Gleichung  die  gesuchte  Widerstandskomponente  (wx)  als 
„Unbekannte"  zu  behandeln,  und  die  Gleichung  entsprechend  nach  Wx  auf- 
zulösen. 

So  betrachtet,  ist  die  Populationsgleichung  ein  einfaches  Hilfsmittel  für 
quantitativ  analytische  Massenwechseluntersuchungen.  Bei  den  empirisch  er- 
mittelten Daten  können  naturgemäß  nur  Durchschnittswerte  berücksichtigt 
werden.  Dementsprechend  stellen  auch  die  mit  Hilfe  der  Gleichung  gefun- 
denen  Ergebnisse  nur   Mittelwerte   vor,   die  allerdings   den   wirklichen   Ver- 


1)  Bezüglich  weiterer  Einzelheiten  und  praktischer  Beispiele  über  die  An- 
wendung der  Formel  muß  auf  die  Originalarbeiten  \erwiesen  werden.  Im  übrigen 
vergleiche  die  Beispiele    (S.  727  ff.   u.   735ff. '. 


666  n.  Spezieller  Teil. 

hältnissen  um  so  näher  kommen  werden,  je  umfangreicher  das  Material  ist, 
auf  dem  die  empirischen  Daten  fußen. 

Die  Anwendung  der  Formel  für  Prognosezwecke  im  besonderen  setzt 
voraus,  daß  die  Wirkungsgröße  der  wesentlichen  Einzelwiderstände  bis  zu 
dem  Zeitpunkt  zuverlässig  vorausgeschätzt  werden  kann,  für  den  die  Pro- 
gnose gestellt  werden  soll.  Wie  Zwölfer  im  einzelnen  näher  ausführt,  kann 
dieser  Zeitpunkt  sich  selbst  über  mehrere  Generationen  erstrecken.  Ist  eine 
derartige  Schätzung  der  Einzelwiderstände  möglich,  —  und  die  neuere  epi- 
demiologische Untersuchungsmethodik  gibt  hierfür  eine  Handhabe  — ■  dann 
ist   künftig   auch   eine   praktisch   brauchbare   Prognosestellung   durchführbar. 

Ätiologie  der  Gradation. 

örtliche    Disposition. 

Als  Seuchen  gebiete  kommen  in  Betracht  trockene,  mit  ausgedehnten 
reinen  Kiefernwäldern  bedeckte  Gegenden,  deren  jährliche  Niederschlags- 
menge zwischen  400  und  800  mm  beträgt  und  deren  Meereshöhe  500, 
höchstens  600  m,  nicht  übersteigt  (Berwig,  1925).  Eine  besondere  Dispo- 
sition für  die  Eulengradation  zeigen  Kiefernwälder  imStangen  holz- 
alt er  von  25 — 50  Jahren^).  Nach  den  meisten  älteren  Autoren  sind  es  Wälder 
auf  dürftigen  Sandböden  („armselige  Kiefernheiden,  die  auf  sterilen  Sauden 
stocken"),  in  denen  sich  die  Eule  am  stärksten  vermehrt  und  die  in  Gra- 
dationsperioden ihr  zuerst  zum  Opfer  fallen.  Nach  neueren  Beobach- 
tungen bei  den  letzten  Kalamitäten  scheint  aber  diese  Annahme  nicht  allgemein 
gültig  zu  sein.  So  wurden  nach  Hilff-Wittich  (1924a)  beim  letzten  Fraß 
gerade  die  schlechtesten  Standortsklassen  (neben  der  Mischwaldzone)  auf- 
fallend gemieden.  Ganz  ähnliches  berichten  Lehn  er  und  Berwig:  Im 
Geißeler  Bezirk  trat  der  Fraß  am  stärksten  auf  den  besten  Böden  (I.  und 
II.  Klasse)  auf;  etwas  weniger  befressen  wurde  die  III.  und  IV.  Bonität, 
während  die  V.  Bodenklasse  und  die  ganz  geringen  Standorte  unter  V. 
Bonität  und  Sanddünen  fast  ganz  verschont  blieben. 

A.  von  Vietinghoff  glaubte  diese  Widersprüche  durch  die  Ver- 
schiedenartigkeit der  Bodendecke,  bzw.  die  damit  zusammenhängende  mecha- 
nische Behinderung  der  zur  Verpuppung  schreitenden  Raupe  erklären  zu 
können.    Er  äußert  sich  (1925  a)  darüber  wie  folgt: 

,,Die  abgebaumte  Raupe  ist  beweglich  und  sucht  sich  die  ihr  zusagenden  Ört- 
lichkeiten, die  ihr  Schutz  vor  Vertrocknung  oder  Nässe  gewähren  und  ihr  ein  leichtes 
Einbohren  unter  die  Streudecke  erlauben.  Wir  können  in  unseren  Kiefernwäldern 
nur  selten  von  einer  Reinheit  der  Bodenflora  im  bestandsbildenden  Sinn  sprechen, 
sondern  meist  nur  von  dominierenden  Typen  bzw.  deren  Durchsetzung  mit  anderen 
Typen  in  gewissen  prozentualischen  Verhältnissen.  Doch  auch  dieses  Mischungs- 
verhältnis gibt  immerhin  ein  gutes  Bild  und  scheint  für  das  quantitative  Vorkommen 
der  Eulenpuppen  ausschlaggebend  zu  sein." 

„Für  die  fünfte  Bestandsbonität  kommen  in  Frage: 

a)  Kohliger  Humus:  eine  Verpuppung  findet  nicht  statt,  da  jede 
Feuchtigkeit  durch  den  Wachsüberzug  fern  gehalten  wird,  die  Insolation  eine  be- 
sonders starke  ist  und  eine  Streudecke  sich  nicht  bilden  kann.  Der  Typ  ist  innerhalb 
der  Bestände  selten,  öfter  dagegen  an  deren  Peripherie  zu  finden. 


ij  Nach  Müller  (1925)  ist  ,,kein  Ort  im  Walde  in  seinen  Temperaturverhält- 
nissen ausgeglichener  als  der  gleichförmige  Stangenort,  so  daß  hier  den  Puppen 
die  günstigsten  Überwinterungsmöglichkeiten  geboten  seien". 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen\  667 

b)  Der  C  1  ad  o  nia  -  Ty  p:  die  Flechte  Cladonia  raiigijeri>ia  und  Verwandte 
bieten  der  Raupe  alle  Vorteile  leichter  Durchdringung  neben  Schutz  vor  Ver- 
trocknung. 

c)  Der  H  y  p  n  u  m  -  S  ehr  eb  e  r  i  -  Ty  p:  neben  Dicraneen  Scleropodium  puriim, 
Stereodon  cupressifori/ie  u.  a.  ist  er  vorzüglich  für  die  Verpuppung  der  Forleule  ge- 
eignet. 

d)  H  y  p  n  u  m  -  S  c  h  r  e  b  e  r  i  X  Cladonia  r  a  n  g  i  f  e  r  i  n  a :   wie  b  und  c. 

e)  Cladonia  XCalluna-  Typ:  Hier  sei  vorweggenommen,  daß  ältere  Cal- 
luna  ganz  ungeeignet  für  die  Verpuppung  ist  wegen  der  mechanischen  Flindernisse, 
die  ihr  starkes  Wurzelsystem  darstellen.  Die  Durchwachsung  von  CaUuna  mit 
Cladonia  kann  alle  Stadien  zeigen.  Cladonia  als  Dominante  wird  noch  gute  Ver- 
puppungsmöglichkeiten  bieten. 

ij  CladoniaXMyrtillus-T\'p:  /  accinium  Myrlillus  ist  nicht  mehr  der 
Anzeiger  schlechtester  Bonität.  Myrlillus  bildet  ein  im  allgemeinen  geringeres  Ver- 
puppungshemmnis  als  Calluna.  besonders  dort,  wo  Cladonia  nur  leicht  durch- 
wachsen ist. 

g )    C  1  a  d  o  n  i  a  X  H  y  p  n  u  m  -  S  c  h  r  e  b  e  r  i   X    Calluna. 

h)  C  1  a  d  o  n  i  a  X  H  y  p  n  u  m  -  S  c  h  r  e  b  e  r  i  X  C  a  1 1  u  n  a  X  M  )•  r  t  i  1 1  u  s  :  g  und 
h  sind  auf  ihre  mechanische  Struktur  hin  zu  prüfen  und  daraus  das  Ergebnis  zu 
ziehen,  ob  die  Eule  ein  ihr  zusagendes  Lager  erreichen  kann,  oder  ob  die  Ver- 
wurzelung des  Rohhumus  ein  Hemmnis  bildet.  Ebenso  weitere  mögliche  Kombi- 
nationen, z.  B.  mit   V accinium   Vilis  idaea  (Heidelbeere). 

i)   Der  reine  Calluna-Typ:   Er  wird  bei  der  Verpuppung  gemieden. 

k )    Der  reine   M  y  r  t  i  1 1  u  s  -  T  y  p   wird   fast   ebenso   gemieden." 

,,Die  Typen  a — k  sind  Anzeiger  einer  schlechten  Bonität,  Cladonia  der  schlech- 
testen. Soweit  Calluna  in  ihnen  nicht  dominiert,  sind  sie  zur  Verpuppung  geeignet: 
besonders  tritt  das  im  Stangenholzalter  hervor,  wo  Calluna  wenig  Raum  einnimmt." 

„Bodenflora  von  Molinia  coerulea,  Pleris  aquilina  und  Ledum  falustre,  starke 
Polylnchum-Vo\?,Xer  an  vernäßten  Stellen,  Sp/iagnuni-BlüXen  auf  Moor  oder  Funaria 
hygrometica  deuten  schon  auf  eine  so  starke  Verhärtung  des  Oberbodens  hin  und 
sind  so  innig  mit  ihm  verwachsen,  daß  die  Puppe  eine  Horizontalschicht  zwischen 
Flora  (bzw.  Streu)  und  Boden  gar  nicht  vorfinden  würde.  Dagegen  schiebt  sich  die 
Raupe  gern  unter  die  Polster  von  Leucobryum  glaucum,  durch  die  sie  aber  nicht  von 
oben,  sondern  von  der  Seite  dringt.  Es  wäre  interessant,  den  Einfluß  anderer 
Moose  auf  die  Verpuppung  zu  studieren." 

„Wie   verhält   sich  nun   das   Alter  der   Bestände   zu   diesen   Typen? 

„I.  In  ganz  schlechten  Bonitäten  bleibt  die  Bodenflora  oft  von  Anfang  bis 
Ende  —  mit  Ausnahme  von  kurzen  Dickungsperioden  —  die  gleiche.  Hier  kann  man 
aber  von  Altholzbeständen  nur  im  physiologischen,  nicht  im  forstlichen  Sinne 
sprechen  (Abtriebsnutzung  höchstens  150  fm  pro  ha).  Das  Altholz  wird  hier  das 
Aussehen  von  lückigem   Stangenholz  haben. 

„2.  In  Beständen,  die  man  \om  forstlichen  Gesichtspunkt  aus  in  Kultur-, 
Dickungs-,  Stangenholz-  und  Altholzbestände  einteilt,  ist  der  Beschattungskoeffizient 
je  nach  dem  Alter  ein  verschiedener.  Zuerst  gering  (Ansiedlung  von  CaUuna  oder 
weiterwuchernde  Calluna-'E>\.'6z\i&  aus  der  letzten  Abtriebsepoche),  dann  stärker,  als 
Folge  davon  ein  Zurücktreten  der  Calluna  bis  zum  vollständigen  Verschwinden, 
doch  häufig  auch  ein  Verbleiben;  im  Stangenholzalter  wird  Calluna  meistens  wenig- 
stens insular  zurückgedrängt,  sie  geht  dann  die  oben  unter  e,  g  und  h  genannten 
Mischungen  ein.  In  Altholzbeständen,  besonders,  je  mehr  sie  die  finanzielle  Um- 
triebszeit  überschritten  haben,  werden  Calluna  und  Vaccinien  (inyrlillus  und  Vitis 
ideae)  wieder  bestandsbildend  und  halten,  je  mehr  sie  sich  ausbreiten,  desto  stärker 
die   Eule  vor  der   Verpuppung   zurück." 

„Auf  etwas  anmoorigen  Stellen  oder  feuchterem  Sand  treten  als  Rohhumus 
bildende  und  vcrpuppungshemmende  Bodenpflanzen  Leduni  paluslre.  Pleris  aquilina 
und   V accinium   l'itis  ideae  auf." 


668  II.  Spezieller  Teil. 

„Die  autochtone  Vermehrung  der  Kieferneule  wird  also,  der  typischen  Zu- 
sammensetzung der  Bodenflora  entsprechend,  in  Stangenhölzern  geringerer  Boni- 
täten eher  vor  sich  gehen  als  in  Althölzern  mit  Beerkrautüberzug,  Sumpfporst, 
Pfeifenkraut   (Molinia  coerulea)   oder    Adlerfarn." 

Vietinghoff  hat  gewiß  ein  Verdienst,  auf  die  bis  dahin  zu  wenig 
gewürdigte  Bedeutung  der  Bodendeckenstruktur  für  die  Verpuppung  der 
Eule  hingewiesen  zu  haben,  doch  kommt  er,  da  er  das  Hauptgewicht  auf 
mechanische  Hinderung  legt,  mehrfach  zu  irrigen  Schlußfolgerungen. 
So  ist  es  nicht  richtig,  daß  Molinia-  usw.  Bodendecken  puppenfrei  sind: 
hex  der  letzten  mittelfränkischen  Kalamität  waren  die  Jlolin/a-One  sogar 
sehr  reichlich  mit  Puppen  belegt. 

Demgegenüber  spielt  zweifellos  der  Feuchtigkeitsgrad  des  Bodens 
bzw.  der  Bodendecke  für  das  Leben  der  Puppe  eine  große  Rolle:  leichte, 
durchlässige  Böden  sind,  wenn  sie  eine  hohe  Streudecke  besitzen  (s.  unten), 
für  die  Überwinterung  der  Puppe  weit  günstiger  als  schwere,  undurchlässige. 

Die  Disposition  für  Eulengradation  wird  noch  erhöht,  wenn  die  Be- 
stände in  großer  Ausdehnung  völlig  gleichaltrig  sind  und  keine  Unter- 
brechung des  Schlusses  zeigen,  vielleicht  neben  anderem  auch  eine 
Folge  geringerer  Luftströmungen  („Waldluft").  Braza  sagt  in 
einem  Ministerialbericht  (siehe  Berwig,  1926),  daß  die  Privatwaldungen 
wegen  ihrer  isolierten  und  parzellierten  Lage  viel  mehr  von  der  Eule  ver- 
schont geblieben  sind  als  die  zusammenhängenden  Staatswaldungen.  Auch 
L  e  h  n  e  r  und  Berwig  führen  an,  daß  die  sogenannten  Kulissenbestänclc, 
in  denen  in  Abständen  von  40 — 50  m  Streifen  von  8 — 10  m  Breite  herein- 
gehauen waren,  mitten  im  Fraßgebiet  lange  nicht  so  geschädigt  wurden  als 
unmittelbar  angrenzende  geschlossene.  Den  Grund  hierfür  glauben  die 
l^eiden  darin  suchen  zu  dürfen,  daß  die  Falter  vom  Wind  abgeweht  wurden 
und  daher  hier  nicht  zur  Eiablage  kamen  (siehe  dagegen  die  unten  gegebene 
Erklärung  Zwölfers). 

Zur  Klärung  der  Dispositions- Frage  lieferten  die  experimentellen  Unter- 
suchungen Zwölfers  (193 1)  und  die  Freilandbeobachtungen  von  E.  Meyer 
(1931)  wertvolle  Beiträge. 

Nach  dem  Erstgenannten  liegt  das  Optimum  der  Kleinklimabedin- 
gungen für  die  überwinternde  Puppe  bei  Temperaturen  unter- 
halb 6°  C  und  bei  looo/o  rel.  Luftfeuchtigkeit  (Abb. 535).  Die  untere 
Grenze  des  Temperatur-Optimums,  die  aus  versuchstechnischen  Gründen 
noch  nicht  ermittelt  werden  konnte,  wird  schätzungsweise  bei  0°  C  liegen. 
Bemerkenswert  ist  die  auffallend  große  Empfindlichkeit  der  Puppe  gegen 
Feuchtigkeitsgrade  kleiner  als  100  0/0.  4— 5wöchentlicher  Aufenthalt  der 
Puppen  beispielsweise  in  einer  Temperatur-Luftfeuchtigkeitskombination  von 
4^'  C  und  930/0  L.  F.  hatte  820/oige  Sterblichkeit  der  Puppen  zur  Folge. 
Dieselbe  Temperatur  mit  780/0  Luftfeuchtigkeit  verbunden,  bewirkt  in  der 
nämlichen  Zeit  eine  980/oige  Mortalität  und  bei  noch  niederen  Luftfeuchtig- 
keitsgraden endlich  wurde  durchweg  looobige  Puppensterblichkeit  fest- 
gestellt. Demgegenüber  hatte  die  Kombination  40  C/iooob  L.  F.  relativ  die 
geringste   Puppensterblichkeit   (10 — 320/0)   zur    Folge. 

Es  ist  hieraus  zu  entnehmen,  daß  diejenigen  Ü  b  e  r  w  i  n  t  e  r  u  n  g  s  - 
platze  den  Puppen  besonders  verhängnisvoll  werden,  also  gradationshem- 
mend  wirken  können,  die  der  Gefahr  vorübergehender  Austrock- 
nung am  ehesten  ausgesetzt  sind.   Im  Gegensatz  zu  Böden  mit  dickem 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


669 


Moos-  und  Beerkrautbelag,  wie  sie  vorwiegend  in  Stangenhölzern  gefunden 
werden,  wird  dies  namentlich  für  Sandböden  mit  dünner  Hunius- 
u  n  d  V  e  g  e  t  a  t  i  o  n  s  d  e  c  k  e  gelten,  insbesondere  dann,  wenn  sie 
bei  lockerem  Baumstand  (Altholz!)  und  in  stark  parzellierten 
Beständen  der  austrocknenden  Wirkung  bewegter  Luft 
(Windverhältnisse!)  und  der  Insolation  stark  ausgesetzt  sind. 
Was  die  Wärmeverhältnisse  der  Überwinterungsplätze  angeht,  so  sind 
diejenigen  Orte  als  die  günstigsten  anzusprechen,  in  denen  eine  vorüber- 
gehende Steigerung  der  Temperatur  über  den  kritischen  Wert  von  ca.  6"  C 
während  der  Wintermonate  ausgeschlossen  ist.  Sie  hätte  —  wie  das  früher 
bereits  ausgeführt  wurde  —  die  Gefahr  eines  vorzeitigen  Schlüpfens  der 
Falter  zur  Folge,  was  für  das  Fortpflanzungsgeschäft  und  die  Nachkommen- 
schaft verhängnisvoll  werden  könnte.  „Theoretisch  bieten  auch  in  dieser 
Hinsicht  Standorte  mit  dicker  Bodendecke  (hohem  Humus-  und  Vegetations- 
belag)   für    die    Puppe    die    günstigsten    Überwinterungsplätze"    (Zwölfer). 

Tp 

12 


y 

1 

1 

w% 


90% 


80% 


70% 


60%rL/r 


Abb.  535.    Theoretisches   vitales   Optimum   der   überwinternden   Puppe. 
Nach  Zwölfer. 


Diese  hier  mitgeteilten  Zwölfer  sehen  Versuchsergebnisse  finden  wieder 
ihre  Bestätigung  durch  die  Freilandbeobachtungen  Meyers.  Letzterer  unter- 
scheidet (im  Gegensatz  zu  v.  Vi  e  tingho  f  f  : )  nur  2  Typen  von  Boden- 
decken: 

1.  den  Rohhumus-,  Moos-Beerenkraut-Typ  (hohe  Streu),  den 
er  als  Typ  i  bezeichnet  und 

2.  den  Nadel-Heide-Cladonia-Typ   (niedere  Streu)  =  Typ  2. 

Typ  I  überwiegt  in  Stangenhölzern,  Typ  2,  der  in  seiner  Zusammen- 
setzung jenem  von  berechten  Beständen  nahekommt,  in  Althölzern.  Meyer 
fand  durchgehend  die  größten  Puppen  zahlen  in  Typ  i  auf  durch- 
lässigen Böden,  wo  nach  seinen  kleinklimatischen  Messungen  die  re- 
lative Luftfeuchtigkeit  im  Puppenlager  niemals  unter  looob  sinkt,  die 
geringsten  Puppen  mengen  dagegen  in  Beständen  des  Typs 
2  mit  sehr  dünner  Streu-  und  Humusschicht  auf  ebenfalls 
durchlässigen    Böden,    wo    die    relati\e    Luftfeuchtigkeit   bei   Trocken- 


670  II.  Spezieller  Teil. 

Perioden  unter  loooo  sinken  kann.  Völlig  übereinstimmend  mit  obigen  ex- 
perimentellen Untersuchungsresultaten  Zwölfers  konnte  Meyer  feststel- 
len, daß  in  der  Tat  die  größere  Mortalität  zumeist  an  Stand- 
orten   mit    niederer    Streu    (Typ    2)    angetroffen    wird,  i) 

Sind  die  gradationsfördernden  Faktoren  von  besonderer  Wucht  und 
längerer  Dauer,  wie  bei  der  letzten  Riesenkalamität  in  Norddeutschland,  so 
sind  keine  Unterschiede  mehr  zu  bemerken  zwischen  den  verschiedenen 
Altersklassen,  Bestandsformen  usw.  Selbst  in  Mischwäldern  wurden  dann 
vielfach  die  Kiefern  zwischen  den  Laubhölzern  kahlgefressen.  Einer  solchen 
elementaren  Sturmflut  wie  sie  in  den  Jahren  1923/24  über  die  preußischen 
Kieferngebiete  dahinbrauste,  mußten  auch  die  gesündesten  bzw.  widerstands- 
fähigsten Wälder,  wenn  sie  nicht  von  genügend  großer  Ausdehnung  waren, 
zum  Opfer  fallen.  Es  kann  darin  kein  Beweis  gegen  das  Vorhandensein 
von  Unterschieden  in  der  Disposition  der  verschiedenen  Waldtypen  erblickt 
werden. 

Klimatische   Einflüsse. 

Klima  als  auslösender  Faktor.  —  Als  auslösende  Momente  für  die 
Eulengradation  scheinen,  wie  für  die  meisten  übrigen  Übervermehrungen 
klimatische  Verhältnisse  in  Betracht  zu  kommen.  Schon  Ratze- 
burg  (W.  153J  widmet  der  Frage  ,,  des  Zusammenhangs  der  Eulenent- 
wicklung mit  Witterung  (und  Böden)"  ein  ganzes  Kapitel.  Er  kommt  dabei 
zu  dem  Resultat,  daß  als  „begünstigende  Momente  für  schnelles  Ein- 
treten von  besorglicher  Vermehrung  sind:  i.  ein  milder,  schneearmer  Winter 
(besonders  auf  Waldböden,  wo  die  Puppen  sich  nicht  einwühlen  können), 
2.  mildes,  stilles  Wetter  während  der  Flugzeit,  3.  gleichmäßige,  trockene 
Witterung  während  der  letzten  Häutung  (Mitte  Juni)."  „Es  scheint, 
als  wenn  gute  Wein  jähre  auch  Eulen  jähre  wären."  Auch  Zeder- 
bauer  (191 1)  weist  darauf  hin,  daß  die  Massenvermehrung  der  Forleule 
gewöhnlich  in  den  trockenen,   warmen  Klimaperioden  stattfindet. 

Ebenso  ist  Berwig  (1926)  durch  seine  über  100  Jahre  sich  erstrecken- 
den statistischen  Untersuchungen  über  die  Eulengradation  in  Bayern  zu 
dem  Ergebnis  gekommen,  daß  deutliche  Beziehungen  zwischen  Wein-  und 
Eulenjahren  bestehen.  Nach  Berwig  stellen  die  „Weinjahre"  meist  die 
Vorbereitungsjahre  dar,  auf  die  dann  gewöhnlich  in  2  Jahren  nach  einem 
Prodromal  jähr  die  Eruption  folgt,  z.  B.  191 1  Weinjahr  —  1913  Eruption, 
1921  Wein  jähr  —  1923  Eruption.  Die  Weinjahre,  d.  h.  solche  Jahre,  in  denen 
nicht  unbedingt  sehr  viel  Wein,  aber  ein  ausgezeichneter  Tropfen  gedeiht, 
brauchen  nach  einem  meist  strengen  Winter  viel  Sonne  von  der 
Weinblüte  im  Frühjahr  bis  zur  Weinlese  im  Herbst,  zeichnen 
sich  also  durch  „hohe  Wärmesumme  und  geringen  Niederschlag" 
aus,  wobei  auf  letzteren  noch  mehr  Gewicht  als  auf  ersteren  zu  legen  ist. 
(Abb.   536). 


1)  Die  Annahme,  daß  die  Unterschiede  des  Puppenbelages  auf  Verschiedenheit 
der  Parasitierung  zurückzuführen  seien,  läßt  sich  auf  Grund  der  Meyer  sehen 
Untersuchungen  nicht  bestätigen.  Wenn  auch  ein  gewisser  Zusammenhang  zwischen 
Parasitenbefall  und  Streuhöhe  besteht,  so  finden  sich  gerade  in  den  hohen  Streu- 
lagen, die  die  meisten  Eulenpuppen  enthalten,  auch  die  meisten  Parasiten.  Dagegen 
kann  die  geringe  Junglarven-Sterblichkeit,  die  Meyer  im  Stangenholz  gegenüber 
dem  Altholz  festgestellt  hat,  auch  zu  einer  Erklärung  des  höheren  Puppenbelags  im 
ersteren  mit  herangezogen  werden. 


II.  Unterordnung:  Alacrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


671 


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672  II.  Spezieller  Teil. 

Zu  ganz  ähnlichen  Resultaten  wie  Berwig  ist  Hesse  link  (1928)  ge- 
kommen, indem  er  ebenfalls  deutliche  Zusammenhänge  zwischen  Eulenver- 
mehrung und  erhöhten  Temperaturen  feststellen  konnte. 

Wolff  und  Krauße  (1924  Flugblatt)  sehen  die  Hauptursache  der 
Eulengradation  in  dem  ebenfalls  auf  klimatischen  Verhältnissen  beruhenden 
zeitlichen  Mißverhältnis  zwischen  Entwicklung  der  Triebe  und 
dem  Ausschlüpfen  der  Raupen:  Da  die  Eiraupen  ausschließlich  in 
der  sich  streckenden  Knospe  und  dem  jungen  Triebe  die  ihnen  zusagende 
Nahrung  finden,  werden  nur  solche  Raupen  zur  Entwicklung  gelangen 
können,  welche  zu  der  Zeit  ausschlüpfen,  da  sich  die  Knospe  streckt.  Alle 
Raupen,  die  früher  auskommen,  müssen  nach  den  genannten  Autoren  ver- 
hungern, da  sie  nur  alte  Nadeln  vorfinden. 

Demgegenüber  weist  Zwölfer  darauf  hin,  daß  jene  Witterungsverhält- 
nisse, die  eine  zeitliche  Verzögerung  der  Eiablage  und  des  Eischlüpfens 
bedingen,  auch  auf  die  Entwicklung  der  Kiefernknospe  im  gleichen  Sinn 
einwirken.  Darnach  würde  zeitlich  —  wie  dies  auch  aus  den  Untersuchungen 
Meyers  hervorgeht  —  das  Schlüpfen  der  Hauptmasse  der  Eier  mit  dem 
Austreiben  der  Knospen  zusammenfallen.  Gegenteilige  Freilandbeobach- 
tungen  sind   —   zum   mindesten   bis   jetzt   —    noch   nicht   bekannt    geworden. 

Nach  der  obigen  Wolff  sehen  Theorie  \\  ürde  eine  Verspätung  des 
Falterflugs  und  der  Eiablage,  oder  auch  eine  durch  Kälte- 
rückfälle verursachte  Verzögerung  der  Embryonalentwick- 
lung die  Gradation  der  Eule  stark  begünstigen,  ja  eine  solche 
überhaupt  erst  ermöglichen.  In  der  Tat  war  der  Flug  in  den  beiden 
schlimmsten  Jahren  der  letzten  Katastrophe  auffallend  spät  (Hilf f- Wit- 
tich und  König),  und  auch  in  der  älteren  Literatur  finden  sich  ver- 
schiedentlich Angaben,  nach  denen  ein  später  Flug  und  ein  spätes  Aus- 
schlüpfen der  Raupen  in  den  Hauptfraß  jähren  zu  beobachten  war.  Ratze - 
bürg  (W.  151  und  152)  gibt  mehrere  derartige  Fälle  an,  wo,  nachdem  durch 
Temperaturrückschläge  im  Frühjahr  Verzögerungen  im  Ablauf  der  Eulen- 
biologie eingetreten  waren,  ein  starker  Fraß  einsetzte ij. 

Eine  andere  Erklärung  des  gradationsfördernden  Einflusses  eines  ver- 
späteten Falterfluges  als  Wolff  gibt  Zwölfer  auf  Grund  seiner  experi- 
mentellen Untersuchungen,  auf  deren  epidemiologische  Ergebnisse  noch 
näher  eingegangen  werden  wird.  Hiernach  ist  die  in  unseren  Breiten  nor- 
malerweise sehr  unbeständige  Witterung  im  März  und  April  mit  Kälte rück- 
schlägen  und  häufigen  Regenperioden  für  die  Eiablage  und  alle  Lebens- 
äußerungen, die  mit  ihr  zusammenhängen,  desgleichen  für  die  Eientwicklung 
recht  ungünstig.  Optimal  wären  nach  den  Versuchen  des  Genannten  längere 
Witterungsperioden  mit  niederschlagsfreiem  warmem  Wetter.  Eine  derartige 
Wetterlage  ist  in  der  Regel  im  Mai  häufiger  anzutreffen  als  in  den  vorher- 
gehenden Monaten.    Dementsprechend  wird  eine  in  den  Mai  fallende  „ver- 


1)  Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  daß  die  Verspätung  des  Falterfluges  jedesmal 
eine  Gradation  zur  Folge  hat.  Letztere  kann  durch  verschiedene  Faktoren  unter- 
bunden werden,  so  z.  B.  durch  starke  Parasitierung  der  Eier  durch  Trichogramma 
(bis  igqo/o),  durch  ungünstiges  Wetter  während  der  Flugzeit  oder  während  cler  Zeit 
der  Eiraupe.  In  der  älteren  Literatur  finden  sich  übrigens  auch  Angaben  über 
frühere  Flugzeittermine  in  Kalamitätenjahren.  So  wird  z.  B.  als  Hauptschwarmzeit 
bei  der  Kalamität  in  der  Oberförsterei  Grimnitz  (im  Jahre  1821)  10.  bis  17.  April 
angegeben  (Hausendorf,  1924a  u.bi. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  673 

spätete  Flugzeit"  ganz  allgemein  günstigere  Witterungsbedingungen  für  die 
Eiablage  und  Eientvvicklung  antreffen  als  eine  solche,  die  im  April  oder  gar 
im  März  stattfindet.  Hierbei  liegt  somit  ein  direkter  Einfluß  der  Witte- 
rung vor,  und  es  ist  keineswegs  notwendig  eine  indirekte  Wirkung  der 
Witterung  zur  Erklärung  des  gradationsfördernden  Einflusses  verspäteten 
Falterfluges  heranzuziehen  (Zusammentreffen  von  Knospenentwicklung  und 
Erscheinen  der  Jungraupen  als   Folge  verspäteten   Fluges). 

Einen  wesentlichen  Fortschritt  in  der  Erkenntnis  dieser  Zusammen- 
hänge zwischen  Klima  und  Eulengradation  bedeuten  die  auf  dem 
Wege  des  physiologischen  Experiments  gewonnenen  Ergebnisse  Zwölfers. 
Die  Resultate  dieser  vorbildlichen  Untersuchungen  seien  hier  ausführlich 
wiedergegeben,  da  sie  nicht  nur  für  die  Theorie,  sondern  auch  für  die  Praxis 
von  grundlegender  Bedeutung  sind.  Zwölfer  untersuchte  einmal  die  Ab- 
hängigkeit der  Eiproduktion  und  einiger  damit  zusammenhängender  Er- 
scheinungen von  den  ökologisch  wichtigen  Klimafaktoren,  Temperatur  und 
Luftfeuchtigkeit,  und  sodann  auch  den  Einfluß  dieser  abiotischen  Fak- 
toren auf  die  Lebensfähigkeit  (Vitalität)  der  Jugendstadien  der  Kieferneule. 

Klima  und  Eiproduktion.  Bezüglich  der  Abhängigkeit  der  Eierzeu- 
gung von  Temperatur  und  Luftfeuchtigkeit  wurde  bereits  im  bionomischen 
Abschnitt  das  Wesentlichste  der  Zwölferschen  Ergebnisse  mitgeteilt :  unter 
epidemiologischem  Gesichtspunkt  zusammengefaßt,  hat  anhaltend  extrem  hohe 
Luf  t  feucht  igkeit  (loo  o/o)  mit  den  verschiedensten  Temperaturen  kombi- 
niert, auf  die  Falter  erheblich  lebensverkürzenden  Einfluß,  sie  hat  ferner  eine 
beträchtliche  Herabsetzung  ihrer  geschlechtlichen  Aktivität,  eine  Hemmung  der 
Eireif  ungsprozesse  in  den  Ovarien  der  Weibchen,  und  endlich  eine  Reduktion 
der  Eiablage  selbst  bis  auf  ein  Minimum  zur  Folge.  Auf  Freilandver- 
hältnisse  übertragen,  bedeutet  dies,  daß  anhaltendes  Regenwetter 
während  der  Flugzeit  der  Falter  die  unter  günstigen  Ver- 
hältnissen mögliche  Zahl  von  einer  Population  abgelegter 
Eier  mehr  oder  weniger  herabsetzen  kann.  Letzteres  richtet  sich 
nach  Dauer  und  Intensität  der  Regenperioden.  In  der  Tat  hat  B  e  r  - 
w  i  g  auf  statistischem  Wege  festgestellt,  daß  die  dem  Eruptionsjahr  einer 
Kieferneulenkalamität  vorausgehenden  Jahre  durch  unternormale  Regen- 
mengen während  der  Monate  März  bis  Mai  —  der  Eiablageperiode  der 
Kieferneule  —  ausgezeichnet  sind.  Die  auf  experimentellem  Weg  gefundenen 
Ergebnisse  bestätigen  dies  und  zeigen  gleichzeitig,  worin  die  gradations- 
fördcrnde  und  hemmende  Wirkung  unter-  oder  übernormaler  Regenmengen 
während  der  angegebenen  Zeit  besteht. 

Daß  auch  im  natürlichen  Biotop  der  Kieferneule  die  höchstmögliche  Ei- 
produktion wohl  nur  ausnahmsweise  erreicht  wird,  ergaben  die  bereits  früher 
erwähnten  Untersuchungen  Meyers  :  Nach  denselben  betrug  im  Forstamt 
Heideck  während  des  Eruptionsjahres  1930  die  durchschnittliche  Zahl  von 
einem  Weibchen  abgelegter  Eier  rund  130  Stück.  Mit  Zwölfers  experi- 
mentellen Befunden  verglichen,  dürfte  diese  300/oige  Reduktion  der  absoluten 
Eizahl  (190)  in  erster  Linie  der  lotägigen  Regenperiode  zuzuschreiben  sein, 
die  dort  im  Mai  während  der  Hauptflugzeit  der  Falter  eintrat.  —  Ob  die 
von  Sachtleben  im  Jahr  1925  ihi  Zossener  Revier  ermittelte  Durchschnittsei- 
zahl von  rund  30  Stück,  die  einer  Reduktion  der  idealen  Eizahl  um  840/0  gleich- 
kommt, ebenfalls  auf  klimatischen  Einwirkungen  beruht,  läßt  sich  mangels 
näherer   Angaben   über   die   Witterungsverhältnisse   während   der   fraglichen 

Eseherieh,  Forstinsekten,  Bd.  III.  43 


674  II.  Spezieller  Teil. 

Zeit  nicht  entscheiden.  Da  das  Jahr  1925  das  Krisenjahr  der  Kalamität 
bildete,  ist  möglicherweise  die  damalige  Reduktion  mit  das  Resultat  unzu- 
reichenden  Ernährungszustandes  der    Falter  i).   — 

Was  die  Wirkung  der  Temperaturverhält nisse  auf  die  Eiproduk- 
tion  angeht,  so  sind  auch  hierüber  im  bionomischen  Teil  alle  wesentlichen 
Einzelheiten  bereits  mitgeteilt.  Darnach  ist  ihre  epidemiologische  Bedeutung 
besonders  durch  die  Temperaturbedingtheit  des  Zeitpunktes  des  Schlüpfens 
der  Falter  gegeben.  Dieser  kann,  wie  oben  näher  ausgeführt,  unter  Um- 
ständen auf  die  Höhe  der  Eiproduktion  indirekt  Einfluß  gewinnen:  Dabei  gilt, 
daß  später  Schlüpf termin  (Mai)  der  Hauptmasse  der  Falter 
für  die  Eiproduktion  im  allgemeinen  günstiger  ist  als  früh- 
zeitiger. Ersterer  bietet  mit  größerer  Wahrscheinlichkeit  Aussicht  auf  eine 
günstigere  Wetterlage  während  der  Zeit  des  Fortpflanzungsgeschäftes  als 
letzterer. 

Klima  und  Eimortalität.  Wohl  noch  größere  Bedeutung  für  die  Ver- 
minderung der  Nachkommenschaft  einer  Eulenpopulation  als  durch  die 
Reduktion  der  Eierzeugung  besitzen  die  klimatischen  Faktoren  durch  die 
direkte  Vernichtung  eines  Teiles  der  gezeugten  Nachkom- 
menschaft. Daß  eine  derartige  direkte  Wirkung  tatsächlich  stattfindet, 
geht  aus  Zwölfers  ausgedehnten  Untersuchungen,  die  mit  rund  12  000  Eiern 
und  6600   Eiraupen  angestellt  wurden,   deutlich   hervor. 

Was  zunächst  die  Eier  anbetrifft,  so  ist  ihr  vitales  Optimum,  d.h. 
diejenige  Temperatur- Feuchtigkeitskombination,  in  welcher  die  geringste  Ei- 
sterblichkeit  auftritt,  relativ  weit  begrenzt.  Das  Eimortalitätsdiagramm 
Abb.  537,  welches  die  diesbezüglichen  Versuchsergebnisse  umfaßt,  läßt  dies 
gut  erkennen.  Den  einzelnen  Punkten  des  Diagramms,  die  jeweils  bestimmte 
Temperatur- Feuchtigkeitskombinationen  anzeigen,  sind  die  im  Durchschnitt 
mehrerer  Versuche  festgestellten  Eisterblichkeitsprozente  in  Zahlen  bei- 
gefügt. Die  etwas  unregelmäßig  verlaufenden  Kurven  des  Bildes  sind  Hilfs- 
linien, welche  schätzungsweise  die  Lage  der  10 0/0-,  20  0/0-,  50  0/0-  und  1 00  0/0- 
Mortalitätsgrenze  veranschaulichen. 

Darnach  liegt  das  vitale  Optimum  für  das  Eulenei  zwischen 
12^ — 22°  C  und  zwischen  Luftfeuchtigkeitsgraden  von  650/0  bis 
850/0.  Es  umfaßt  also  eine  ziemlich  weite  Temperatur-  und  Luftfeuchtig- 
keitszone. (Die  in  der  Abb.  537  in  diesem  Bereich  angegebenen  Mortalitäts- 
prozente von  3  und  4  sind  auf  unvermeidliche  Versuchsfehler  zurückzu- 
führen, wie  sie  durch  unbefruchtete  Eier  entstehen.)  Hierin  kommt  die 
relativ  große  Widerstandsfähigkeit  des  Euleneies  gegen  klimatische  Ein- 
flüsse zum  Ausdruck. 

Absolut  tödlich  wirkt  dauernder  Aufenthalt  der  Eier  in  Temperaturen 
unterhalb  6»  C,  gleichviel  mit  welcher  Luftfeuchtigkeit  sie  kombiniert 
werden.  Die  obere  tödliche  Temperaturgrenze  liegt  für  Luftfeuchtigkeits- 
werte von  60 — 100 0/0  bei  etwa  29 — 30°  C.  In  Verbindung  mit  geringeren 
Luftfeuchtigkeitsgraden  sinkt  sie  auf  rund  24  0  C  herab.  Letzteres  hängt  mit 
der  größeren  Verdunstungskraft  zusammen,  welche  die  entsprechenden  Tem- 


1)  Nebenbei  sei  in  diesem  Zusammenhang  daran  erinnert,  daß  eine  Reduktion 
der  höchstmöglichen  Eiproduktion  um  beispielsweise  30  0/0  für  die  Verminderung  der 
Nachkommenschaft  der  betreffenden  Generation  dieselbe  Bedeutung  hat  wie  eine 
etwa  300/oige  Eiparasitierung  bei  optimaler  Eiabage  (vgl.  die  obigen  Ausführungen 
im   theoretischen   Abschnitt). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


675 


peratur- Feuchtigkeitskombinationen  besitzen.  Innerhalb  eines  vitalen  Tem- 
peraturbereiches ist  im  übrigen  die  verhältnismäßig  geringe  Sterblichkeit 
bemerkenswert,  welche  die  Eier  bei  niederen  Luftfeuchtigkeitsgraden  von 
2o_6oo/o  zeigen.  Es  erhellt  hieraus,  daß  die  Eier  der  Kieferneule  gegen 
übermäßige  Verdunstung  im  großen  und  ganzen  gut  geschützt  sind,  was 
wiederum  mit   ihrer   relativ  derben   Eischale  zusammenhängen  dürfte. 

Auffallend  ist  demgegenüber  die  große  Eisterblichkeit  von  fast  durch- 
weg 90— looo/o,  die  in  gesättigter  Luftfeuchtigkeit  (looo/o  L.  F.)  bei  allen 
Temperaturen  festgestellt  werden  konnte.  Diese  Empfindlichkeit  der  Eulen- 
eier   gegen    konstant    extrem    hohe    Luftfeuchtigkeit    macht    das    früher    er- 

Tp 
T 
32 


^100  ^'fOO 

ogg  o.. 


100% 
Abb.  537. 


90%       80%         70%        60%        50%        W%        30%        20%        10%         0%rL.F 
Ei-Mortalitätsdiagramm   (die  den  Kreisen  zugeordneten  Zahlen  geben  die 
Sterblichkeitsprozente  an).    Nach  Zwölfer. 


wähnte  Verhalten  der  weiblichen  Falter  in  feuchtigkeitsgesättigter  Atmo- 
sphäre verständlich,  bei  welcher  die  Eiablage  auf  ein  Minimum  redu- 
ziert   wird. 

Es  darf  aber  hieraus  noch  nicht  geschlossen  werden,  daß  vor- 
übergehende kurze  Regenperioden  im  natürlichen  Biotop  der  Kieferneule 
während  der  Entwicklungszeit  der  Eier  einen  hohen  Prozentsatz  derselben 
vernichten.  Die  oben  mitgeteilten  Ergebnisse  beziehen  sich  auf  das  Verhalten 
der  Eier  bei  dauerndem  Aufenthalt  während  ihrer  gesamten  Entwicklung  in 
feuchtigkeitsgesättigter  Atmosphäre.  Vorübergehender  Aufenthalt  hat  keines- 
wegs dieselbe  große  Sterblichkeit  zur  Folge.  Im  einzelnen  geht  dies  aus 
einigen  orientierenden  Versuchen  Zwölfers  mit  wechselnden  Temperatur- 
und  Feuchtigkeitsbedingungen  hervor. 

43* 


67(3 


II.  Spezieller  Teil. 


Unter  diesen  ist  eine  Versuchsreihe  praktisch  von  besonderem  Interesse, 
die  bezweckte,  festzustellen,  wie  lange  kühle  regnerische  Witterung  nach  der 
Ablage  der  Hauptmasse  der  Eier  anhalten  muß,  um  einen  nennenswerten 
Prozentsatz  derselben  abzutöten.  Es  wurden  frisch  abgelegte  Eier  zunächst 
verschieden  lange  Zeit  ungünstigen  Bedingungen  von  8°  C  und  looo/o  L.  F. 
ausgesetzt  und  anschließend  in  optimale  Bedingungen  von  i8o  C  und  750/0 
L.  F.  überführt.  Die  dabei  gefundenen  Sterblichkeitsprozente  der  Eier  sind 
in  der  folgenden  Zusammenstellung  enthalten.  Anschaulich  gibt  diese  Ver- 
hältnisse das  Diagramm  Abb.   538  wieder. 

Mortalität 


100% 
90% 
80% 
70^ 

1 

1 

1 

fidl 

/ 

' 

50% 
WSk. 

/ 

y 

/ 

30% 
20% 

m 

,^ 

^^ 

-' 

-^ 



^— 

■^ 

r-^ 

;2 

0     2     f     6     8     iO    12    n    16    18  20    22   2¥    26   28  30  32  3f   ^    38    fO    f2    ¥¥   ' 

Einwirkungsc/auen^on6°C/loo°/oLf: 

Abb.     538.      Ei-Mortalität     bei     vorübergehend     wirkenden     schädlichen     Einflüssen. 
(80/1000/0   r.  L.  F.)   und  anschließende  Verbringung-  des  Versuchsmaterials  unter  op- 
timale  Bedingungen.    Nach  Zwölfer. 


Sterblichkeit  der  Kieferneuleneier  bei  vorübergehend  wirkenden  ungünstigen 
Bedingungen  und  anschließende  Überführung  in  das  vitale  Optimum: 


Einwirkungsdauer  von  8  "  C 

und  100  7o  L.  F.  in  Tagen 

Zahl  der  Versuchseier      .     . 

Mortalität  in  "/„       .     .     .     . 


0 

2 

6 

12 

17 

19 

24 

29 

36 

150 

134 

131 

145 

131 

102 

137 

136 

207 

3 

5 

II 

15 

20 

41 

i?) 

39 

100 

48 

137 

100 


Eine  Eisterblichkeit  von  looo/o  wird  demnach  erst  bei  einem  Aufenthalt 
der  Eier  in  8°  C  und  looo/o  L.  F.  von  36  Tagen  erreicht.  Anhaltende  Regen- 
perioden verbunden  mit  niedern  Temperaturen  müßten  dementsprechend 
lang  im  Anschluß  an  die  Ablage  der  Hauptmasse  der  Eier  währen.  Unter 
unseren  Breiten  sind  solche  Wetterlagen  während  der  Entwicklungszeit  der 
Eier  (Mai)  wohl  kaum  möglich  oder  doch  außerordentlich  selten.  Kürzere 
Dauer  ungünstiger  Einflüsse  der  genannten  Art  hat  aber  bereits  einen 
erheblichen  Rückgang  der  Eisterblichkeit  zur  Folge.  So  würde  beispiels- 
weise 17  Tage  anhaltendes  kaltes  Regenwetter  rund  20 0/0  der  Eier  vernichten 
und  eine  ötägige  Periode  dieser  Art  nur  etwa  8—100/0.  Weitere  Werte  können 
näherungsweise  durch  graphische  Interpolation  aus  Abb.  538  entnommen 
werden.  Sie  gibt  für  die  Praxis  Anhaltspunkte,  um  im  einzelnen  Fall  die 
Wirkung  einer  derartigen  ungünstigen  Witterungsperiode  auf  die  Höhe  der 
Eisterblichkeit   schätzungsweise   zu   ermitteln. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  677 

Zusammenfassend  läßt  sich  über  die  Abhängigkeit  der  Lebensfähigkeit 
des  Euleneies  von  klimatischen  Einflüssen  auf  Grund  der  Versuche  fest- 
stellen, daß  dieses  gegen  Witterungseinflüsse  im  großen  und 
ganzen  recht  widerstandsfähig  ist.  Selbst  große  Schwankungen  der 
Wetterlage  werden  von  der  Mehrzahl  der  Eier  ohne  Schaden  überstanden 
werden.  Empfindlichkeit  besteht  in  der  Hauptsache  gegen  hohe  Luft- 
feuchtigkeit, wie  sie  bei  Regenwetter  gegeben  ist.  Doch  müssen  kalte  Regen- 
perioden ununterbrochen  über  einen  Monat  währen,  um  eine  erhebliche  Ei- 
aterblichkeit  zur  Folge  zu  haben. 

In  der  Tat  liegen  auch  in  der  Literatur  keinerlei  Angaben  über  Frei- 
landbeobachtungen vor,  aus  denen  eine  große  Sterblichkeit  der  Euleneier 
durch  abiotische  Faktoren  zu  entnehmen  wäre.  Sachtleben  stellte  bei- 
spielsweise 1925  bei  seinen  Untersuchungen  eine  nichtparasitäre  Eisterblich- 
keit  von  rund  200/0  fest.  Meyer  fand  1930  im  Forstamt  Heideck  neben 
einer  o — 2,60/oigen  Eiparasitierung  ein  Absterben  der  Eier  durch  ander- 
weitige Ursachen  in  Höhe  von  1,4 — 7,40/0.  Von  rund  5000  Euleneier  aus  dem 
Forstamt  Schwabach  (Mittelfranken),  die  Zwölfer  Ende  Mai  1930  unter- 
suchte, waren  2,80/0  durch  Parasiten  vernichtet,  1,40/0  durch  Raubinsekten 
ausgefressen,  0,40/0  erwiesen  sich  als  taub,  während  2,30/0  im  Laufe  ihrer 
Entwicklung  abgestorben  waren;  letzteres  wohl  infolge  klimatischer  Einflüsse. 

Klima  und  Raupenmortalität.  Bezüglich  der  Lebensfähigkeit  der  Ei- 
raupen  (Larve  I)  gibt  das  Mortalitätsdiagramm  Abb.  539  die  Ergebnisse 
der  Zwölferschen  Untersuchungen  wieder.  Die  Lage  der  Hilfskurven, 
welche  hier  etwa  ellipsenförmig  sind,  und  schätzungsweise  den  Verlauf 
der  20,  40,  50,  70,  80  und  looo/o  Mortalitätsgrenze  veranschaulichen,  zeigt 
auf  den  ersten  Blick,  daß  die  Verhältnisse  bei  der  Eiraupe  wesentlich 
anders  liegen  als  beim  Ei. 

Der  optimale  Temperatur- Feuchtigkeitsb  e  reich  —  die  ge- 
strichelte Linie  in  Abb.  539  gibt  die  wahrscheinliche  200/0 -Mortalitätsgrenze 
wiederi)  —  ist  für  die  Eiraupe  außerordentlich  eng  begrenzt. 
Auf  Grund  des  Diagramms  liegt  er  zwischen  17 — 18°  C  und  80 — 900/0  r.  L.  F. 
Die  tödliche  obere  Temperaturgrenze  ist  bei  rund  32  0  C  (also  etwas  höher 
als  beim  Ei),  die  entsprechende  untere  Grenze  bei  6°  C  zu  suchen.  Was  die 
Luftfeuchtigkeit  angeht,  so  erweist  sich  der  Feuchtigkeitsbereich  von  o — 40  0/0 
innerhalb  sämtlicher  Temperaturen  bei  Daueraufenthalt  ebenfalls  als  ab- 
solut tödlich. 

Vergleicht  man  letzteres  mit  dem  Verhalten  des  Eies,  welches  sich 
innerhalb  vitaler  Temperaturen  gegen  niedere  Feuchtigkeitsgrade  recht 
widerstandsfähig  erwies,  und  berücksichtigt  man,  daß  die  schädigenden 
Einflüsse  geringer  Luftfeuchtigkeit  auf  deren  großer  Verdunstungskraft 
beruhen,  so  folgt,  daß  der  Verdunstungsschutz  der  Eiraupe  bedeutend 
geringer  ist  als  jener  des  Eies.  Dies  hängt  einerseits  mit  der  Gestalt  des 
Eies  zusammen,  die  der  Halbkugelform  genähert  ist,  während  die  Raupe 
mehr  Zylinderform  besitzt  —  bei  gleichem  Volumen  zweier  entsprechender 


1)  Die  im  Diagramm  innerhalb  dieses  Bereiches  eingezeichnete  Mortalität  von 
310/0  ist  auf  Fehler  zurückzuführen,  die  bei  der  außerordentlichen  Schwierigkeit 
der  exakten  Durchführung  derartiger  Versuche  nicht  zu  vermeiden  sind.  Die  Be- 
deutung des  Diagramms  für  den  vorliegenden  Zweck  wird  dadurch  nicht  vermindert: 
aus  dem  Verlaut  der  Ellipsen  geht  deutlich  die  Lage  des  vitalen  Optimums  hervor, 
welche  theoretisch  im  zentralen  Bereich  der  kleinsten  Ellipse  liegen  muß. 


678 


II.  Spezieller  Teil. 


Körper  hat  bekanntlich  der  kugelförmige  die  kleinste  Oberfläche  und  damit 
die  geringste  Verdunstungsmöglichkeit  — ,  andererseits  spielt  auch  die  ver- 
gleichsweise gegenüber  dem  Integument  der  Raupe  wesentlich  derbere  Ei- 
hülle  in  dieser  Hinsicht  eine  Rolle. 

Gegenüber  feuchtigkeitsgesättigter  Luft  zeigt  auch  die  Eiraupe  ver- 
gleichsweise größere  Empfindlichkeit  als  gegenüber  Feuchtigkeitsgraden  von 
60 — 90 0/0.  Dies  kommt  graphisch  im  Zusammenlaufen  der  Ellipsen  im  Be- 
reich der  looo/o  L.  F.  Ordinate  (Temperatur  Achse)  des  Diagramms  Abb.  539 
zum  Ausdruck.  Allerdings  ist  diese  Empfindlichkeit  nicht  so  ausgesprochen 
wie  beim  Ei.  Während  dort  die  Sterblichkeit  für  feuchtigkeitsgesättigte 
Atmosphäre  durchweg  zwischen  90 — 100  0/0  liegt,  weist  sie  hier  Avenigstens 
im  Bereich  von  16 0 — 20°  C  nur  rund  30 — 400/0  auf. 


90%         80%  70%  60%  S0%  W%  30%  20%  ^0%  0%^! 


Abb.    539.     Mortalitätsdiagramm   der   Larve    I.     (Die   den   Kreispunkten   zugeordneten 
Zahlen   geben   die   Sterblichkeitsprozente   an.)     Nacli   Zwölfer. 


Die  Unterschiede  der  Vitalität  von  Ei  und  Larve  I  gegenüber  Tem- 
peratur und  Luftfeuchtigkeit  treten  anschaulich  hervor  bei  Zusammenstel- 
lung gleicher  Mortalitätsgrenzen  beider  Stadien.  So  gibt  Abb.  540  die 
200/0 -Mortalitätsgrenze  (auf  gleichen  Maßstab  gebracht)  für  Ei  und  Larve 
wieder.  Die  500/0-  und  100 0/0 -Grenzen  sind  entsprechend  in  Abb.  541  und 
Abb.  542  zusammengestellt.  Aus  allen  3  Diagrammen  ist  ohne  weiteres 
zu  ersehen,  daß  die  „ökologische  Valenz"  (Hesse)  der  I.  Lar- 
ven stufe  gegenüber  klimatischen  Einflüssen  bedeutend  ge- 
ringer ist  als  jene  des  Eies. 

Für  das  IL — V.  Larvenstadium  konnten  leider  bislang  derartig  ein- 
gehende Untersuchungen  in  dieser  Richtung  nicht  angestellt  werden.  Doch 
teilt  Zwölfer  das  Resultat  eines  orientierenden  Versuches  mit  dem  IL 
Larvenstadium  mit,  aus  denen  hervorgeht,  daß  dieses  erheblich  widerstandsfä- 
higer gegen  entsprechende  Temperatur- Feuchtigkeitskombinationen  ist  als  die 


Tl.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  '(Eulen J. 


679 


Eiraupe  (Larve  I).  Hiernach  erscheint  die  Annahme  berechtigt,  daß  auch  die 
Larven  III — V  der  Kieferneule  größere  Widerstandsfähigkeit  in  diesem  Sinn 
besitzen  und  daß  unter  den  verschiedenen  Larvenstadien  dieses 
Insektes  die  Eiraupe  die  geringste  ökologische  Valenz  ge- 
genüber klimatischen   Faktoren  aufweist. 


10%       ^5         m%        S%        10%        *Ö%        ^*        S*        V%        Ö%rLF        no%      90%       80%        v% 


30%      10%      10%      0%rL.F 


Abb.  540.    20 0/0 ige  Mortalitätsgrenze  von 
Ei    (ausgezogen)    und    Larve  I     (gestri- 
chelt).    Nach   Zwölfer. 


Abb.  541.    500/oige  Mortalitätsgrenze  von 
Ei    (ausgezogen)    und    Larve  I     (gestri- 
chelt).   Nach  Zwölfer. 


Das   kritische   Stadium.   — ■  Welche    Folgerungen  in  epidemiologischer 
Hinsicht  ergeben  sich  aus  diesen  Befunden? 

Das  gesetzmäßige  Eingreifen  der  ökologischen  Valenz  in  die  Verbreitung  der 
Tiere  hat  R.  Hesse^)  folgendermaßen  ausgedrückt:  „Das  dauernde  Vorkommen 
einer  Tierart  in  einem  Lebens- 
raum hängt  von  jener  Entwick- 
lungsstufe des  Tieres  ab,  die 
die  geringste  ökologische  Valenz 
hat."  Dies  bezieht  sich  zunächst 
nur  auf  die  geographische  Ver- 
breitung der  Tiere.  Doch  läßt 
sich  der  Satz  auch  auf  das 
zahlenmäßige  Vorkommen  einer 
Tierart  erweitern :  für  die  Be- 
völkerungsdichte einer 
Art  in  aufeinanderfol- 
genden Generationen  ist 
dasjenige  ihrer  Entwick- 
lungsstadien von  größter 
Bedeutung,  welches  rela- 
tiv die  geringste  ökolo- 
gische    Valenz     besitzt^). 

Handelt  es  sich  im  besonderen  um  die   Beurteilung  klimatischer   Einflüsse 
auf  den  Wechsel  der  Populationsdichte   einer  Art  in  einer  aufeinanderfol- 


?o%      v% 


100%    90%     so%      ■m%     soh      so%      »a 

Abb.     542.     looo/oige     Mortalitätsgrenze    von    Ei 

(ausgezogen)    und    Larve  I    (gestrichelt).     Nach 

Zwölfer. 


1)  Hesse,   R.,   Tiergeographie   auf   ökologischer   Grundlage.    Jena    1924. 

2)  Ähnlich  äußert   sich    Friedrichs    (Grundfragen  usw.    1930). 


680  II.  Spezieller  Teil. 

genden  Generation,  so  ist  hierfür  die  geringste  ökologische  Valenz  gegen- 
über Klimafaktoren  maßgebend. 

Die  Entwicklungsstufe  mit  geringster  ökologischer  Va- 
lenz gegenüber  Klimafaktoren  stellt  epidemiologisch  be- 
trachtet das  kritische  Stadium  im  Entwicklungsgang  einer 
Art  vor.  Die  Zeitspanne,  in  welcher  es  hauptsächlich  in  Erscheinung  tritt, 
ist  die  kritische  Zeit  für  die  betreffende  Generation  der  Art.  Auf  deren 
Schicksal  muß  im  übrigen  die  Witterungskonstellation  während  der  kriti- 
schen Zeit  entscheidenden  Einfluß  haben. 

Die  vorstehend  mitgeteilten  theoretischen  Erörterungen  lassen  eines 
der  Ziele  der  neueren  epidemiologischen  Arbeitsmethodik  erkennen,  wie  sie 
Zwölfer  bei  seinen  Untersuchungen  über  die  Kieferneule  anwendete.  Sie 
gestattet  auf  experimentellem  Wege  das  kritische  Stadium 
bzw.  die  kritischen  Stadien  einer  Insektenart  zu  ermitteln. 
Sind  die  phänologischen  Daten  für  die  betreffende  Art  hinreichend  bekannt, 
so  gibt  der  Vergleich  der  Witterungsverhältnisse  während  der  kritischen  Zeit 
aufeinander  folgender  Generationen  Aufschluß  über  die  Bedingungen  des 
Großklimas,  die  eine  Gradation  der  Art  zur  Folge  haben. 

Was  nun  die  ökologische  Valenz  der  verschiedenen  Stadien  der  Kiefern- 
eulc  anbetrifft,  so  geben  Zwölfers  Untersuchungen  ein  Bild  von  der 
Abhängigkeit  der  Vitalität  des  Eies,  der  Eiraupe,  der  Puppe  und  der 
Imago  von  den  Klimafaktoren  Temperatur  und  rel.  Luftfeuchtigkeit.  Für 
das  Raupenstadium  II — V  wurde  bereits  auf  die  Berechtigung  der  Annahme 
hingewiesen,  daß  die  ökologische  Valenz  dieser  Stufen  größer  ist  als  jene 
der  Eiraupe.  Zur  Feststellung,  welche  der  erstgenannten  Entwicklungsstufen 
das  kritische  Stadium  der  Kieferneule  vorstellen,  sind  demnach  die  Dia- 
gramme   dieser    Stufen    (Abb.    520,    535,    537    u.    539—542)    zu    vergleichen. 

Bezüglich  des  Imaginalstadiums  läßt  sich  zunächst  einwenden,  daß  ein 
Diagramm,  aus  dem  das  Optimum  der  Eiablage  hervorgeht,  nicht  mit  den 
Mortalitätsdiagrammen  der  übrigen  Entwicklungsstufen  verglichen  werden 
kann.  Demgegenüber  sei  daran  erinnert,  daß  das  vitale  Optimum  als  die- 
jenige Temperatur- Feuchtigkeitskombination  definiert  wurde,  in  welcher  die 
geringste  Sterblichkeit  auftritt  oder,  was  gleichbedeutend  ist,  der  größte 
Prozentsatz  des  betreffenden  Stadiums  die  nächste  Entwicklungsstufe  er- 
reicht. Die  auf  das  Imaginalstadium  folgende  Entwicklungsstufe  ist  das 
Ei.  Die  größtmögliche  Eizahl  entspricht  hier  der  größten  Zahl  Über- 
lebender, die  geringste  Reduktion  der  absoluten  Eizahl  entsprechend  der 
geringsten  Mortalität!  Unter  diesem  Gesichtspunkt  betrachtet  stellt  das 
Optimum  für  die  Eiablage  der  Falter  gleichzeitig  das  vitale  Optimum  des 
Imaginalstadiums  vor. 

Noch  ein  weiterer  Umstand  muß  in  diesem  Zusammenhang  erörtert 
werden:  ein  Vergleich  der  ökologischen  Valenzen  verschiedener  Entwick- 
lungsstufen einer  Art  ist  nur  dann  zulässig,  wenn  dieselben  annähernd  ein 
und  denselben  Wohnort  innerhalb  des  Biotops  der  Art  einnehmen.  Ver- 
gleicht man  nämlich  im  Falle  der  Kieferneule  den  Bereich  des  vitalen 
Optimums  für  Ei,  Larve  I,  Puppe  und  Imago,  so  zeigt  derjenige  der  Puppe 
(Abb.  535)  sehr  enge  Grenzen.  Doch  ergibt  eine  einfache  Überlegung, 
daß  diese  im  vorliegenden  Fall  aus  der  Gegenüberstellung  auszuscheiden 
hat:  die  Puppe  der  Kieferneule  ist  dank  ihrer  Überwinterung  in  der  Boden- 
streu den  direkten  Einflüssen  der  Witterung  ziemlich  entzogen.  Jedenfalls 


"II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  XEulen).  681 

sind  die  Schwankungen  des  Kleinklimas  am  normalen  Verpuppungsort  relativ 
außerordentlich  gering.  Hierdurch  ist  ein  Ausgleich  für  die  geringe 
ökologische  Valenz  der  Puppe  geschaffen.  Würde  dieselbe  im  Freien 
oder  unzureichend  geschützt  in  Rindenritzen  usw.  überwintern,  wie  etwa  jene 
des  Kohlweißlings  (P.brassicae  L.)  oder  der  Tra.\\hQn\Nic^\&r  (P .  botrana  Schi f f . 
und  C.  ambigiiella  Hb.),  dann  wäre  eine  Gegenüberstellung  im  obigen  Sinn 
mit  den  anderen  Entwicklungsstufen  zulässig.  So  ergibt  sich,  daß  die  Puppe 
der  Kieferneule  trotz  ihrer  geringen  ökologischen  Valenz  zufolge  der  ihr 
eigentümlichen  Gewohnheit  an  gut  geschützten  Plätzen  zu  überwintern,  nicht 
als  das  kritische  Stadium  der  Kieferneule  bezeichnet  werden  kann.  Ihre 
Eigenart  ist  für  lokale  Unterschiede  des  Massenwechsels  von  Bedeut\mg, 
nicht  aber  für  die  Auslösung  einer  Gradation  entscheidend. 

Demgegenüber  sind  Ei,  Eiraupe  und  Imago  der  Kieferneule  den 
Witterungseinflüssen  unmittelbar  und  annähernd  in  gleicher  Weise  aus- 
gesetzt. Unter  diesen  3  Entwicklungsstufen  besitzt  das  vitale  Optimum  der 
Eiraupe  (Abb.  539)  engste  Begrenzung.  Dasjenige  des  Eies  (Abb.  537)  ist 
am  weitesten,  während  das  vitale  Optimum  der  Falter  (Abb.  520)  eine 
mittlere  Stellung  einnimmt.  Dementsprechend  stellt  die  Eiraupe  das 
kritische  Stadium  der  Kieferneule  im  epidemiologischen  Sinn  vor.  Eine 
gewisse  Bedeutung  in  dieser  Hinsicht  wird  auch  dem  Imaginalstadium  noch 
zugesprochen  werden  müssen,  während  das  Ei  infolge  seines  weitbegrenzten 
vitalen  Optimums   epidemiologisch  weniger  bedeutungsvoll   ist. 

Exakte  phänologische  Daten  über  das  Auftreten  der  Hauptmasse  der 
Eiraupen,  die  in  diesem  Zusammenhang  von  besonderem  Interesse  sind, 
fehlen  in  der  älteren  Kieferneulenliteratur.  Aus  den  vorhandenen  Unterlagen 
ist  lediglich  zu  entnehmen,  daß  die  Hauptzeit  für  das  Auftreten  der  Eiraupe 
etwa  von  Mitte  Mai  bis  Mitte  Juni  fällt.  Dies  wäre  demnach  die 
„kritische  Zeit"  in  der  Entwicklung  der  Kieferneule.  Entsprechend  liegt 
die  Hauptzeit  für  den  Falterflug  (Eiablageperiode),  der  nach  obigem  epi- 
demiologisch ebenfalls  eine  gewisse  Bedeutung  zugesprochen  werden  muß, 
ungefähr  zwischen  Mitte  April  bis   Mitte   Mai. 

Nach  dem  ganzen  Gang  der  Überlegungen  müssen  die  im  Kiefern- 
eulenbiotop  während  dieser  Zeit  herrschenden  Kleinklimaverhältnisse  ent- 
scheidenden Einfluß  auf  Entstehung  und  Verlauf  einer  Kieferneulenkalami- 
tät  ausüben.  Nun  ist  das  Kleinklima  in  seinen  Schwankungen  wesentlich  vom 
Großklima  abhängig.  Dieselben  müssen  dementsprechend  in  den  meteoro- 
logischen Daten  für  das  Großklima  zum  Ausdruck  kommen.  In  der  Tat 
ergaben  Berwigs  statistisch-klimatologische  Studien,  die  auf  Großklima- 
werten aufgebaut  sind,  für  die  fragliche  Zeitspanne  jener  Jahre,  die  einer 
Eruption  vorausgehen,  ein  von  der  Norm  abweichendes,  durch  unternormale 
Niederschlagsmengen  ausgezeichnetes  Verhalten.  Dasselbe  macht  sich  nament- 
lich in  den  „Vorbereitungsjahren"  übereinstimmend  bemerkbar. 

Noch  präziser  ließen  sich  diese  Verhältnisse  fassen,  wenn  lediglich  die 
Großklimadaten  für  die  „kritische  Zeit"  des  Eiraupenstadiums  verglichen 
werden  würden.  Ein  derartiges  Studium  setzt  allerdings  langjährige  exakte 
phänologische  Daten  über  die  Kieferneule  voraus.  Ein  von  Zwölfer  unter 
Zugrundelegung  von  Meyers  phänologischen  Beobachtungen  in  dieser 
Richtung  durchgeführter  Vergleich,  deutet  im  vollen  Einklang  mit  obigen 
Erörterungen  darauf  hin,  daß  die  Niederschlagsmenge  während  der  kri- 
tischen Zeit  im  epidemiologischen  Sinn  für  das  Schicksal  einer  Eulen- 


682 


II.  Spezieller  Teil. 


generation  ausschlaggebend  ist.  Danach  würden  im  mittelfränkischen 
Eulengebiet  beispielsweise  Niederschlagsmengen  von  o  bis  ca.  5  mm  während 
einer  meist  in  das  i.  Junidrittel  fallenden  Dekade  optimale  Bedingungen 
schaffen  und  dergestalt  gradationsfördernd  wirken,  höhere  hingegen  von 
ca.  15 — 20  mm  an  aufwärts  gradationshemmenden  Einfluß  ausüben,  der  je 
nach  der  Niederschlagsmenge  graduell  verschieden  sein  kann.  Aufeinander- 
folgende Eulengenerationen  mit  gleichsinnig  günstiger  Wetterlage  während 
der  „kritischen  Zeit"  führen  je  nach  der  Höhe  der  Ausgangspopulations- 
dichte des  Schädlings  früher  oder  später  zur  Eruption.  Auch  durch  gra- 
duelle Unterschiede  der  „günstigen  Wetterlage"  während  der  kritischen 
Zeit  aufeinanderfolgender  Generationen  kann  Zeitpunkt  und  Ausmaß  der 
Eruption  bestimmend  beeinflußt  werden. 

Zeitlicher  Ablauf  der  Gradation. 

Bei  keinem  der  „katastrophalen"  Schmetterlinge  vollzieht  sich  die 
Gradation  in  so  regelmäßigen  Formen  wie  bei  der  Eule.  Natürlich  gibt  es 
auch  hier  Schwankungen,  doch  weniger  häufig  und  weniger  ausgreifend  als 

bei  anderen  wie  z.  B.  der 
Nonne.  Im  allgemeinen  zieht 
sich  die  Gradation  über 
3 — 4  Jahre  hin,  wovon 
gewöhnlich  i  Jahr  auf 
die  Vorbereitung  und  2 
(bis  höchstens  3)  Jahre 
auf  das  Prodromal-  und 
Eruptionsstadium  ent- 
fallen. Ein  länger  als 
2  Jahre  währendes  Erup- 
tionsstadium ist  noch 
nirgends  beobachtet  (siehe 
Berwig,  1925);  zumeist  ist 
es  nur  von  i  jähriger  Dauer 
und  bricht  die  Kalamität 
schon  im  Sommer  des  i.  Erup- 
tionsjahres völlig  in  sich 
zusammen. 

Das  Vorbereitungs- 
jahr  ist,  wie  wir  oben  aus- 
führten, durch  geringe  Nieder- 
schlagsmenge und  hohe  Tem- 
peraturen in  den  Sommer- 
monaten gekennzeichnet.  Ir- 
gendwelche Symptome  am 
Waldbild  sind  noch  nicht  zu 
erkennen.  In  dem  darauffol- 
genden Prodromal  jähr 
können  die  Symptome  auch 
noch  sehr  geringfügig,  ja 
kaum  wahrnehmbar  sein.  Es 
kann    allerdings    auch    schon 


tso 
wo 

350 
300 
250 
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1 

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1 

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I. 


Abb.   543.    Gradationsverlauf   der   Kieferneule. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  683 

zu    einem    schwachen    und    stellenweise    sogar    zu    einem    starken    Lichtfraß 
kommen. 

Nun  setzt  auf  einmal  im  3.  Jahr  ziemlich  unvermittelt  die  Eruption 
mit  großer  Heftigkeit  ein,  die  schnell  zum  Kahlfraß,  gewöhnlich  direkt 
daran  anschließend  zur  Krisis  d.  h.  zum  Zusammenbruch  der  Gradation 
führt  (Abb.  543)^).  In  anderen  Fällen  erstreckt  sich  der  Kahlfraß  noch  auf 
ein  weiteres  Jahr  und  dann  erfolgt  also  der  Zusammenbruch  erst  im  Sommer 
des  4.  Jahres.  Endlich  kann  aber  auch  das  Prodromalstadium  sich  über 
2  Jahre  erstrecken,  so  daß  die  Eruption  erst  im  4.  Jahr  eintritt.  Durch 
welche  Faktoren  diese  Schwankungen  verursacht  werden,  darüber  geben  die 
im  aetiologischen  Teil  besprochenen  Untersuchungen  Zwölfers  gewisse 
Anhaltspunkte. 

Allers  gibt  einen  interessanten  Vergleich  über  den  verschiedenen  Ver- 
lauf der  Gradation  in  Ostpreußen  und  in  der  Neumark. 

/    191 1  Sommer  mit  besonderer   Hitze  in  Ostpreußen  und  Neumark, 
I  ]    1913/14  Eulenfraß  in  Ostpreußen  (Johannisburger  Heide),  nicht  aber 
{  in  der  Neumark. 

(   1921   Sommer  mit  besonderer  Hitze  in  Ostpreußen  und  in  der  Neumark, 
11  J    1923  Eulenfraß  in  Ostpreußen   (und  Neumark  teilweise), 

l   1924  Eulenfraß  in  Neumark  (dagegen  in  Ostpreußen  beendet). 

Die  Verschiedenartigkeit  des  Verlaufes  der  beiden  Gradationsperioden 
in  Ostpreußen  und  in  der  Neumark  läßt  sich  durch  das  im  theoretischen 
und  aetiologischen  Teil   Gesagte  einigermaßen  befriedigend  erklären: 

Aus  dem  Verlauf  der  Kalamität  192 1 — 24  muß  zunächst  geschlossen 
werden,  daß  in  der  Neumark  der  Umweltswiderstand  in  den  einzelnen 
Jahren  relativ  größer  ist  als  in  Ostpreußen.  Es  bedurfte  dort  4  Generationen 
mit  günstiger  Wetterlage  während  der  kritischen  Zeit,  ehe  es  zum  Ausbruch 
einer  Eruption  kam,  während  in  Ostpreußen  wie  auch  in  den  meisten 
anderen  näherbekannten  Fällen  dieses  Stadium  schon  in  der  3.  Generation 
erreicht  wurde. 

Demgegenüber  hatte  in  der  Gradationsperiode  191 1  — 14  der  relativ 
größere  Umweltswiderstand  in  der  Neumark  zur  Folge,  daß  hier  das  Erup- 
tionsstadium überhaupt  nicht  in  Erscheinung  trat,  während  es  in  Ostpreußen 
mit  seinen  geringeren  Widerstandswerten  noch  zur  Eruption  kam. 

Worin  die  Verschiedenartigkeit  der  Widerstandswerte  in  den  beiden 
Gebieten  liegt,  läßt  sich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden:  vermutlich  sind 
graduelle  Unterschiede  der  Wetterlage  während  der  kritischen  Zeit  der 
Eulenentwicklung  ihre   Ursache. 

Ganz  ausnahmsweise  scheint  die  Gradation  im  Beginn  sich  auch  noch 
rascher  entwickeln  zu  können,  indem  das  Prodromalstadium  ganz  ausfällt 
und  die  Eruption  direkt  auf  das  Vorbereitungsjahr  folgt  (siehe  Conrad, 
1925).  Ein  derartiger  auf  2  Generationen  verteilter  Entwicklungsgang  würde 
entsprechend  geringe  Widerstandswerte  voraussetzen. 

Örtlicher  Verlauf. 

Wie  oben  erwähnt,  macht  sich  die  Eulengradation  gewöhnlich  zuerst 
in   25 — 50jährigen   Beständen  bemerkbar,   bei   besonderer   Stärke  aber,   bzw. 

1)  Bei  keinem  anderen  Forstinsekt  verläuft  die  Gradation  derartig  „explo- 
sionsartig" wie  bei  der  Kieferneule.  Man  ist  jedesmal  wieder  erstaunt  über  die 
ungeheuren  Raupenmassen,  die  plötzlich  „wie  aus  dem  Boden  gestampft"  die  Wälder 
überschwemmen.  ' 


684  II.  Spezieller  Teil. 

längerer  Dauer  flammt  sie  in  allen  Kiefernwäldern  auf,  gleichgültig,  ob  Alt- 
holzbestände, Dickungen  oder  Mischwälder. 

Es  erhebt  sich  die  Frage:  Wie  kommt  die  über  große  Gebiete 
sich  erstreckende  Massenvermehrung  zustande?  Von  einzelnen 
Herden  aus  durch  Ausbreiten  und  endlichem  Zusammenfließen  dieser,  oder 
durch  mehr  oder  weniger  gleichzeitiges,  bzw.  zeitlich  rasch  aufeinander- 
folgendes autochtones  Ansteigen  der  Vermehrung  über  das  ganze  Gebiet  hin? 

Die  rasche  Entwicklung  der  Gradation  über  große  Gebiete  hin  spricht 
für  die  letzte  Entstehungsart.  Wenn,  wie  oben  erwähnt,  zuerst  die  Stangen- 
hölzer und  dann  erst  die  Althölzer  ergriffen  werden,  so  kann  der  Grund 
sehr  wohl  darin  liegen,  daß  in  jenen  infolge  der  besseren  Bedin- 
gungen für  die  Eulenentwicklung  die  gradationsfördernden 
Faktoren  schneller  und  stärker  zur  Wirkung  kommen  als  in 
diesen,  so  daß  das  Eruptionsstadium  hier  erst  ein  Jahr  später 
erreicht  wird  als  dort  —  eine  Auffassung,  die  in  voller  Übereinstim- 
mung steht  mit  den  Schlußfolgerungen,  die  sich  aus  Zwölfers  und 
Meyers  Untersuchungen  ergeben.  Letzterer  bemerkt  zu  dieser  Frage:  „In 
normalen  Zeiten  wird  infolge  geringerer  Puppenmortalität  in  Beständen  des 
Typ  I  ein  höherer  eiserner  Puppenbelag  vorhanden  sein  als  in  Beständen 
des  Typs  2.  Die  Massenvermehrung  wird  in  den  Beständen  der  beiden  Typen 
in  gleicher  Weise  angebahnt,  jedoch  wird  sie  sich  in  den  günstigeren  Orten 
zuerst  bemerkbar  machen,  also  nach  dem  oben  Gesagten  in  den  Stangen- 
hölzern des  Typs  i  auf  trockenen  oder  nicht  zu  feuchten  Standorten  und 
innerhalb  dieser  besonders  auf   Sandhügeln  mit  mächtiger   Streudecke." 

Viele,  ja  wohl  die  meisten  der  in  der  forstlichen  Literatur  auftretenden 
Angaben,  wonach  eine  Ausbreitung  der  Kalamität  von  Herden  aus  erfolgt 
(Infektion),  lassen  sich  zwanglos  auf  diese  Weise  erklären.  Andererseits  soll 
nicht  bestritten  werden,  daß  zum  mindesten  im  Eruptionsjahr  ein  Ab- 
wandern von  Faltern  in  angrenzende  Bestände  erfolgt.  So  be- 
obachtete Meyer  in  Beständen  mit  ganz  geringem  Puppenbelag  durchweg 
eine  fast  ebenso  hohe  Eiablage  wie  in  benachbarten  puppenreichen  Be- 
ständen, eine  Erscheinung,  die  zwanglos  nur  durch  Überwandern  der  Falter 
zu  erklären  isti). 

Daß  Überhälter  in  Kulturen  gerne  von  schwärmenden  Weibchen 
aufgesucht  werden,  ist  schon  mehrfach  beobachtet  worden.  Auch  bei  der 
letzten  bayerischen  Kalamität  konnten  diese  Beobachtungen  bestätigt  werden. 
Meyer  berichtet  von  starkem  Beflug  und  späterem  Kahlfraß  von  Über- 
hältern,  die  in  einer  Kultur  vom  nächsten  Bestand   1 50  m  entfernt  standen. 

Die  verschiedenen  Angaben  in  der  Literatur  über  Überflüge  der 
Eule  auf  weite  Entfernungen  (Adler,  Hausendorff,  Conrad 
usw.)  fallen  so  sehr  aus  dem  Rahmen  der  sonstigen  diesbezüglichen  Beob- 
achtungen heraus,  daß  sie  nur  als  seltene  Ausnahmen  zu  bezeichnen  sind 
und  ihnen  auch  kaum  praktische  Bedeutung  beizumessen  ist. 

Es  wäre  noch  die  Frage  zu  erörtern,  ob  vielleicht  durch  ein  weiteres 
Wandern  der  Raupen  eine  Ausbreitung  des  Fraßgebietes  stattfinden 
könne.  Dazu  ist  zu  bemerken,  daß  das  Wandern  in  erster  Linie  durch 
Nahrungsmangel,   wie   er  bei   Kahlfraß   eintritt,  veranlaßt  wird.    In   solchen 


1)    Nach    Oudemans    (1921)    ziehen    die    Eulenweibchen    zur    Eiablage    unbe- 
fressene  Bestände  befressenen  vor. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


685 


Fällen  kann  man  oft  massenhaftes  Abwandern  aus  Beständen  in  Kulturen 
beobachten.  Diese  Wanderungen  erstrecken  sich  aber  einmal  gewöhnlich  nur 
auf  ganz  kurze  Entfernungen  und  sodann  finden  sie  meist  im  Zusammenhang 
mit  der  Krisis  statt,  so  daß  ihnen  also  im  oben  erörterten  Sinne  keine 
nennenswerte  Rolle  zukommt.  Daß  die  Raupen  zum  Aufsuchen  geeigneter 
Verpuppungsplätze  weitere  Wanderungen  unternehmen  (von  Vietinghoff) 
konnte  durch  die  neueren  Beobachtungen  bei  der  mittelfränkischen  Kalamität 
nicht  bestätigt  werden  (Meyer). 

Symptome  der  Eulengradation. 

Ist  für  den  Spannerfraß  die  späte  Zeit  im  Jahr  (August,  Oktober, 
November)  und  das  langsame  Werden  des  Fraßbildes  charakteristisch,  so 
für    die    Eule    die    frühe    Jahreszeit    (Mai,    Juni)    und    die    überaus 

rasche  Entwicklung 

des  Fraßbildes.  '"^  m^.       ffSfmBK^«^'^^  ^     'W"' 

Während  im  Pro- 
dromalstadium die  Sym- 
ptome (wenn  auch  stellen- 
weise bereits  Lichtfraß 
eintreten  kann  imd  so- 
gar auch  beschränkte 
Kahlfraßhorste  vorhan- 
den sein  können)  im 
allgemeinen  so  \mauf- 
fällig  sind,  daß  sie  voji 
der  Praxis  oft  übersehen 
werden,  gestalten  sie 
sich  im  Eruptionsjahr 
in  kurzer  Zeit  geradezu 
überwältigend. 

Ungeheure  Raupen- 
massen bevölkern  jetzt 
„wie  aus  dem  Boden 
gestampft"  die  Baum- 
kronen. „Der  Wald  ist 
erfüllt  von  dem  Ge- 
räusch des  herabrieseln- 
den Kotes  und  der 
herabfallenden  Raupen, 
die  Stämme  der  Kiefern 
erscheinen  grün  infolge 
der  sie  einem  bunten 
Mosaik  gleich  bis  hinauf 
zum  Beginn  der  Spiegel- 
rinde bedeckenden,  wie- 
deraufbaumenden  Rau- 
penmassen     (Abb.    544). 

Dort,    wo    die    Spiegel-  ^^,  t.-    •        ^r  u  j       ü 

.     ,        ,       .  ri  A.bb.    544.    Riesige    Massen    hungernder   Raupen,    am 

rmde  beginnt,  pflegen  Stamm  auf-  und  ablaufend.  Aufgenommen  im  Sommer 
sich  guirlandenartige  bis  1930  in  Heideck   (Mittelfranken)   von  Eliescu. 


686  II.  Spezieller  Teil. 

faustdicke  Wülste  zu  bilden,  die  aus  teils  ermatteten,  teils  durch  Parasiten- 
befall, teils  durch  beginnende  Pilz-  oder  Bakterienkrankheit  geschwächten 
Raupen  bestehen.  Der  Unterwuchs  ist  in  solchen  Beständen,  soweit  er  aus  Fich- 
ten und  Wacholder  besteht,  mehr  oder  weniger  entnadelt.  Ist  dies  beim  Wa- 
cholder noch  nicht  der  Fall,  so  findet  man  die  Büsche  über  und  über  bedeckt 
mit  Raupen,  die  sich  beim  Herabfallen  aus  der  Krone  an  den  scharfen 
Nadeln  aufgespießt  haben.  Der  Raupenkot  und  die  massenhaft,  besonders 
dicht  in  der  Nähe  der  Stammbasis,  überall  im  Bestand  angehäuften  Kadaver- 
massen von  verhungerten  oder  durch  Krankheiten  oder  Parasiten  getöteten 
Raupen  erzeugen,  sobald  ein  leichter  Regen  fällt,  einen  charakteristischen, 
unangenehmen  Geruch"   (Wolf f- Krau ße,   1922,  S.   159). 

Was  das  Fraßbild  des  eulenfräßigen  Waldes  betrifft,  so  fallen 
als  charakteristische  Erscheinung  vor  allem  die  vielen  verwelkten  und 
vertrockneten,  oft  auch  mit  grindigen  Wundstellen  bedeck- 
ten Maitriebe  auf,  die  oft  gekrümmt  sind  oder  schlaff  herabhängen,  teil- 
weise auch  abbrechen,  so  daß  die  stehengebliebenen  kahlen  Stümpfe  noch 
lange  sichtbar  sind  (Abb.  545).  Dieses  Absterben  der  jungen  Triebe  wird 
durch  die  oben  geschilderten  Fraßgewohnheiten  des  Eiräupchens  verursacht. 
Von  den  älteren  Nadeln  sind  bei  starkem  Fräße  meistens  nur  noch  längere 
oder  kürzere  Stümpfe  vorhanden,  da  die  späteren  Raupenstadien  die  Nadeln 
von  oben  bzw.  dem  Spitzenteil  her  meist  bis  zur  Scheide  oder  noch  in  diese 
hinein  aufzehren.  Wir  haben  hier  also  ein  ganz  anderes  Fraßbild  als  beim 
Spannerfraß,  bei  dem  die  Knospen  und  meist  auch  die  basale  Hälfte  der 
Nadeln  erhalten  bleiben. 

Die  Fraßbeschädigung  schreitet  von  den  äußersten  Zweigspitzen  be- 
ginnend nach  dem  Inneren  der  Krone  zu  und  außerdem  von  unten  nach 
oben.  Letzteres  nicht  etwa  infolge  einer  ungleichen  Verteilung  der  Eier 
über  die  Krone,  sondern  deshalb,  weil  die  jungen  Räupchen,  die  sich  fallen 
lassen,  bzw.  sich  abspinnen,  von  den  unteren  Zweigen  der  Krone  wieder 
aufgefangen  werden,   so  daß  hier  ein  stärkerer    Fraß   stattfindet. 

Geht  man  auf  Einzelheiten  in  einem  Kahlfraßgebiet  ein,  so  gewahrt  man 
oft  recht  vmterschiedliche  Bilder  sowohl  in  Bezug  auf  die  Benadelung, 
die  ganz  fehlen,  oder  teilweise  noch  in  unversehrten  Nadeln  oder  mehr  oder 
weniger  langen  Stümpfen  erhalten  sein  kann,  als  auch  in  Bezug  auf  die 
Knospen,  die  noch  unversehrt  und  frisch  oder  abgestorben  sein  können 
(s.   unten). 

Zwischen  den  teilweise  oder  ganz  kahlgefressenen  Bäumen  können  nicht 
selten  einzelne  Baumindividuen  oder  auch  kleinere  Baumgruppen  mit  völlig 
oder  wenigstens  ziemlich  intakten  Kronen  stehen,  ohne  daß  äußere  Ursachen, 
wie  das  Vorhandensein  von  Ameisen  und  dergleichen,  zu  erkennen  sind.  Auf- 
gefallen ist  mir  ferner  beim  Besuch  eines  Kahlfraßgebietes  das  völlige  Ver- 
schontbleiben einiger  großer  Hexenbesen  an  sonst  gänzlich  kahlgefressenen 
Bäumen. 

Als  weiteres  besonders  charakteristisches  Symptom  der  Eulengradation 
ist,  wie  schon  gesagt,  die  überaus  große  Schnelligkeit  zu  nennen,  mit 
der  der  Kahlfraß  bzw.  das  Braun  werden  der  Kronen  erfolgt  (siehe 
Taf.  XI  und  XII. 

Bereits  Ende  Juni,  Anfangs  Juli  tritt  im  Eruptionsjahr  die  Verfärbung 
ein  (während  dieselbe  beim  Spanner  erst  viel  später,  im  September,  Oktober, 
sich  bemerkbar  macht).    Immer  kehrt  in  den  Berichten  aus  der  Praxis  die 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


687 


Überraschung  wieder,  daß  schon  wenige  Wochen,  nachdem  der  Fraß  über- 
haupt entdeckt  wurde,  die  Bestände  völlig  braun  waren.  Dies  hangt  mit  der 
außerordentlich  raschen  Entwicklung  der  Forleulenraupe  bei  höheren  Tem- 
peraturen zusammen,  welche  eine  Verarbeitung  großer  Nahrungsmengen  m 
kurzen  Zeiträumen  bedingt  (vgl.  Berwig  und  Zwölfer). 


Abb.  545.    Kahlgefressener  Kiefernzweig  mit  abgestorbenen  Maitrieben. 

Der  braungewordene  Wald  kann  aber  unter  günstigen  Verhältnissen 
ebenso  schnell  noch  im  gleichen  Jahr  sein  Aussehen  wieder  andern,  indem 
sich  ein  grünlicher  Schimmer  über  ihn  legt,  so  daß  der  Wald  nunmehr  eine 
graugrüne  Färbung  erhält  (Sedlaczek  hat  diese  Änderung  im  Aussehen 
eines  Eulenwaldes  durch  2  bunte  Tafeln  illustriert).  Dieses  Wiederbegrünen 
des   kahlgefressenen   Waldes   im    Herbst   des   Eruptions Jahres   ist   aber 


688 


IL  Spezieller  Teil. 


durchaus  nicht  gleichbedeutend  mit  Wiedergesundung  oder  Rekonvaleszenz 
des  Eulenwaldes.  Der  grüne  Schimmer,  der  vielfach  auf  der  Bildung  von 
Rosettentrieben  beruht,  ist  in  den  meisten  Fällen  Trug;  gewöhnlich  schwindet 
derselbe  wieder  entweder  noch  im  gleichen  Jahr,  oder  aber  erst  im  nächsten 
Frühjahr,  wie  gleich  noch  des  näheren  ausgeführt  werden  wird. 

War  der  Wald  vom  Eulenfraß  nicht  tödlich  getroffen,  waren  noch  ge- 
nügend alte  Nadeln  übriggeblieben,  so  daß  sich  die  Bäume  wieder  erholen 
konnten,  so  werden  gewöhnlich  in  einigen  Jahren  die   Schäden  wieder  aus- 


Abb.    546.     „Spießbildungen":     Bei    den    im    Vordergrund    stehenden    Bäumen    sind 
Kronenast  und  einige  obere  Quirle  abgestorben.    Phot.  Berwig. 


geglichen  sein.  Dann  deuten  nur  noch  eventuelle  Formänderungen  der 
Krone,  vor  allem  die  sog.  „Spieße"  auf  die  überstandene  Krankheit  hin. 
Diese  „Spieße",  die  Ratzeburg  so  eingehend  geschildert  hat,  entstehen 
durch  Absterben  des  Kronenastes  und  einiger  der  oberen  Quirle  (Abb.  546). 
Sie  sind  in  der  Regel  noch  mehrere  Jahre  zu  sehen;  aber  auch  dann,  wenn 
sie  abgestoßen  sind  und  die  Quirläste  sich  ausgebreitet  haben  und  ein  beson- 
ders frohwüchsiger  durch  Einlotung  die  Stelle  des  Wipfelastes  übernommen 
hat,  unterscheiden  sich  solche  Wipfel  meist  deutlich  durch  ihre   Form  vom 


Escherich,  Forstiitsckteii.    III.  Bd. 


Tafel  XII 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.  Tamilie  Noctuidae  (Eulenj.  689 

Normahvipfel.  Auch  an  „wunderlichen  Krümmungen  der  Ersatzzweige,  kol- 
bigen  Verdickungen,  Herabhangen  derselben"  usw.  kann  der  Kundige  an 
völlig  wiederhergestellten  Eulenwäldern  die  längst  überstandene  Krankheit 
oft   noch  erkennen. 

Regenerationserscheinungen  und  Prognose  quoad  vitam  des  Waldes. 

Ist  die  Eulengradation  zusammengebrochen,  so  erheben  sich  als  die 
wichtigsten  Fragen  für  die  Praxis: 

„W as  wird  aus  dem  Wald?  Ist  er  ganz  oder  teilweise  ver- 
loren," und  im  letzteren  Fall:  „Welche  Bestände  oder  Bäume  sind 
dem  Tode  geweiht  und  welche  werden  sich  voraussichtlich 
wieder  erholen?  Nach  welchen  Merkmalen  kann  die  Prog- 
nose  gestellt  werden?  Und  endlich  in  welcher  Weise  findet 
die  Wiederbegrünung  statt? 

In  Erkenntnis  der  großen  praktischen  Bedeutung  dieser  Fragen  sind 
dieselben  schon  des  öfteren  behandelt  worden.  So  hat  sich  bereits  Ratze- 
burg eingehend  mit  dem  Studium  dieses  Problems  beschäftigt  und  eine  be- 
sondere Broschüre  darüber  verfaßt.  Später  wurde  von  Liese  (1924  a  und  b) 
einiges  darüber  im  Anschluß  an  die  große  norddeutsche  Kalamität  veröffent- 
licht. Und  endlich  hat  (veranlaßt  durch  die  letzte  bayerische  Kalamität 
1929/30)  neuerdings  C.  von  Tubeuf  diese  wichtige  Frage  studiert  und  die 
Ergebnisse  seiner  umfangreichen  Untersuchungen  in  einer  soeben  erschie- 
nenen mit  zahlreichen  Abbildungen  und  Tafeln  versehenen  größeren  Arbeit 
niedergelegt  (1930).  Wir  werden  hier  in  der  Hauptsache  den  v.  Tubeuf- 
schen  Ausführungen  folgen: 

Die  Prognosestellung  eines  eulenfräßigen  Waldes  hat  in  erster  Linie 
davon  auszugehen,  ob  noch  ein  größerer  oder  kleinerer  Teil  der  alten 
Nadelmasse  vorhanden  ist  oder  nicht.  Sind  sämtliche  Nadeln  abgefressen 
(ganz  oder  bis  auf  vereinzelte  Stümpfe),  liegt  also  vollkommener  Kahlfraß 
vor,  so  stirbt  der  Baum  zweifellos  ab  (auch  wenn  ein  größerer  Teil  der 
Knospen  erhalten  sein  sollte).  Ist  dagegen  noch  ein  Teil  der  alten  Nadel- 
masse vorhanden,  so  liegt  die  Möglichkeit  der  Erholung  des  Baumes  vor, 
und  zwar  in  um  so  stärkerem  Maße  je  größer  die  verschonte  Nadelmasse  ist. 

K.  von  Tubeuf  teilt  die  befressenen  Bäume  nach  dem  Grad  der  Er- 
holungsmöglichkeit in  3  Gruppen  ein: 

1.  Gruppe:  Hoffnungsvolle  Bäume  mit  Erhaltung  eines  beträcht- 
lichen Teiles  der  alten   Nadelkrone   (Klasse   I). 

2.  Gruppe:  Zweifelhafte  Bäume,  die  zwar  die  meisten,  aber  nicht 
alle  Nadeln  verloren  haben,  ihre  Triebe  und  Knospen  abgeschlossen  oder 
durch  Neubildungen  ersetzt  haben.  (Diese  letzteren  werden  nur  bei  feucht- 
mildem Winter  Aussicht  auf  Erholung  geben)   (Klasse  II). 

3.  Gruppe:  Hoffnungslose  Bäume,  die  alle  oder  fast  alle  alten 
Nadeln  verloren  haben.   Sie  zeigen  Kahlfraß  (Klasse  III). 

Will  man  danach  die  Bestände  bonitieren,  so  hat  dies  nach  der  Anzahl 
dieser  hier  unterschiedenen  3  Baumgruppen  pro  Bestand  zu  geschehen. 
(Siehe  unten  bei   der   Bekämpfung   S.  749  ff.)  ^) 


1)   Hierzu  ist  es,   wenigstens   anfänglich,   unbedingt   notwendig,   einzelne   Bäume 

zu  fällen,  um  Vergleiche  des  tatsächlichen  Zustandes  mit   dem   Aussehen  der  Krone 

bei  der  Beobachtung  von   unten  zu  erhalten.    ,,Ein  kahlgefressener   Kiefernbestand," 

schreibt   König   (1925),   ,,ist   namentlich  gleich  nach  dem    Fraß   eine   Sphinx,   deren 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  44 


690 


II.  Spezieller  Teil. 


Abb.  547  A.    Kahlfraß   an   alten  Jahrgängen    (Stangenholz),   kaum   nennenswerte   Be- 
grünungsversuche.   Hoffnungslos    (Klasse  III).    Nach   v.  Tubeuf. 


Antlitz  je  nach  der  Beleuchtung  wechselt;  auffallendes  Sonnenlicht  läßt  noch  am 
ersten,  zumal  bei  Benutzung  eines  Glases,  die  kümmerlichen  Reste  der  früheren  Be- 
grünung erkennen." 


II.  Unterordnung":   Macrolepidoptera.  "Familie  Noctuidae   (Eulen' 


691 


Unmittelbar  nach  dem  Fraß  und  nach  dem  Zusammenbruch  der 
Kalamität  erscheint  die  Gruppierung  nicht  schwierig,  soweit  es  sich  um 
Extreme  handelt:  auf  der  einen  Seite  völliger  Kahlfraß  (Abb.  547,  A  u.  B), 
auf  der  anderen  Seite  noch  gute  Benadelung  (Abb.  548).  Andererseits  gibt  es 
aber  soviele  Übergangsstufen  (Abb.  549),  daß  die  Klassifizierung  schwieriger 


Abb.    547  B.    Völliger    Kahlfraß,    mit   sog.    Todeskrallen    der   Altkiefernkrone, 
nungslos    (Klasse  III).     Nach    v.  T  u  b  e  u  f . 


Hoff- 


und  unsicherer  werden  kann  —  um  so  mehr  dann,  wenn  die  Beurteilung- 
einige  Wochen  später,  im  September,  Oktober,  vorgenommen  wird  und  sich 
inzwischen  Regenerationserscheinungen  eingestellt  haben,  die  den  Beobachter 
oft  über  den  wirklichen  Zustand  des  Baumes  hinwegtäuschen  können. 

Dies  führt  uns  zur  Frage  der  verschiedenen  Erscheinungen 
der  Wiederbegrünung  nach  Eulenfraß.  Zunächst  sei  darauf  hingewiesen, 
daß  „zur  Bildung  der  Triebe  beim  Nadelholz  die  Organe  (Nadeln)  zu 
ihrer  Erzeugung  überwintert  werden,  beim  Laubholz  dagegen  die  Reserve- 

44* 


692 


II.  Spezieller  Teil. 


Abb.    548.     Kahlgefressene    Maitriebe,    zum    Teil    abgestorben    und    vertrocknet.     Die 
2  jährigen    Triebe    noch    ziemlich    gut    erhalten,    besonders    links    (Klasse  I).     Nach 

V.  T  u  b  e  u  f . 


II.  Unterordnung:   Alacrolepidoptera.  T"amilie  Noctuidae   ('Eulen).  693 

Stoffe"    (H  artig,    Münch).     Daraus    erklärt   sich   die   große    Be- 
deutung der  A  1 1  n  a  d  e  1  n  der  zweijährigen  K  i  e  f  e  r  n  z  \v  e  i  g  e  nach 


Abb.   549.    Starker   Fraß  in  beiden  Jahrgängen   (Stangenholz).    Erholung  zweifelhaft 
(Klasse    II).     Nach   v.  T  u  b  e  u  f . 


Fraß  der  Maitriebe,  und  dementsprechend  auch  der  große  Unterschied 
der  üppigen  Reproduktionen,  wie  sie  nach  Verletzungen  voll  benadelt  blei- 
bender   Sproßsysteme    eintreten,    gegenüber    der    schwächlichen    Bemühung 


694  II.  Spezieller  Teil. 

nach  Raupenfraß,  bei  der  auch  die  Reserven  der  benadelten  2  jährigen 
Sprosse  ganz  oder  großenteils  verloren  gingen. 

„Die  Kiefer  hat  nach  Entfaltung  des  Maitriebes  3  benadelte  Triebe,  also 
für  die  Vegetationszeit  3  „assimilierende"  Jahrgänge,  während  der  Vege- 
tationsruhe aber  nur  noch  2  ,, verdunstende"  Nadel  Jahrgänge.  Es  wird  also 
zur  Zeit  des  Wachstums  die  Produktion  verstärkt,  zur  Zeit  der  Pro- 
duktions-Ruhe auch  der  Wasserverbrauch  (durch  Verdunstung)  ver- 
mindert."   (Siehe  Abb.  550,  la  und  b.) 

„Diese  Einrichtung  der  2I/2  jährigen  Lebensdauer  der  Nadeln  von  Pinus  sil- 
vestris  ist  eine  sehr  sinnvolle  Ökonomie,  die  ihre  Existenz  auf  armen  und  trockenen 
Böden  noch  ermöglicht.  Die  unter  anderen  Vegetationsverhältnissen  lebende  Pinus 
montana  hat  viel  langlebigere  Benadelung,  und  auch  bei  Pinus  silvestris  ändern 
klimatische  Verhältnisse  die  Lebensdauer  ihrer  Nadeln." 

Zum  besseren  Verständnis  dieser  Verhältnisse  sei  das  ausgezeichnete 
Schema  v.   Tubcufs   wiedergegeben   (Abb.    550). 

^  ^  Z  1 


a 


III 


II 


b <— — ^f:{^}tfmi^rf(yki(*     h.w. 

c (- ^t^^!5%^^^;4,^>^?#«^^*s*^  5. 

d ^ ^ ^mm^mm^  H.W. 

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1   b  ^- 4, ^ .  H.W. 

'    h { iVP.'-  ;f^=;^  H.W. 

Abb.  550.    Schema  zur  Wiederbegrünungsfrage  der  Kiefer.    Nach  v.  T  u  b  e  u  f . 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  695 

Erläuterungen  zu  nebenstehendem  Schema. 

I   a  b — c  d  normaler  Zweig,   und   zwar: 

a  Zweig   im   Sommer:   3  Jahrgänge   normal   benadelt. 

b  Zweig  im  Herbst  und  Winter:  2  Jahrgänge  normal  bcnadelt. 

c  Derselbe  Zweig  im  folgenden  Jahre  im  Sommer  mit  dem  neuen  Maitriebc, 
also   wieder  mit  3  benadelten  Jahrgängen. 

d  Im  Herbst  und  Winter:  der  3  jähr.  Jahrgang  entnadelt,  also  wieder  2  be- 
nadelte Jahrgänge. 

II   a  b— c  d   Maitrieb  allein  kahl  gefressen,  und  zwar: 

a  Zweig  mit  dem  kahlen  Maitriebe  und  den  ganz  oder  teilweise  benadelten 
2-  und  3  jähr.  Sprossen  im  Sommer. 

b  Im  Herbst  und  Winter:  nur  der  2  jähr.  Sproß  ist  benadelt,  der  3  jähr,  normal 
entnadelt,  der   i  jähr,  kahl  gefressen. 

c  Im  folgenden  Jahre: 

Der  neue  Maitrieb  ist  entwickelt,  da  sein  Muttertrieb  zwar  kahl  gefressen 
war,  aber  mit  normalen  Knospen  abschloß  und  vom  benadelten  Großmutter- 
sproß ernährt  werden  konnte.  Die  Bildungsstoffe  wanderten  in  den  Siebröhren 
durch  den  kahlen  Muttersproß  zu  ihm  und  das  Wasser  durch  den  Holzkörper 
ebenso.  Da  eigene  Benadelung  fehlt  und  hierdurch  die  Bildungsstoffzufuhr 
sehr  vermindert  ist,  hat  er  nur  halbe  Größe  erreicht  und  oft  nur  mit  i  Knospe 
abgeschlossen. 

d  Im  Herbst  und  Winter  ist  er  der  einzige  benadelte  Sproß,  so  daß  auch  sein 
Folgesproß  nur  schwach  werden  kann. 

III  a  b  Der  Maitrieb  und  sein  Muttersproß  werden  kahl  gefressen.  Benadelt  bleibt 
nur  der  3  jähr.  Sproß  (a),  der  aber  im  Herbste  (b)  seine  Nadeln  verliert.  Das 
ganze  Sproßsystem  ist  kahl,  der  Maitrieb  schwach,  oft  mit  noch  grüner  Rinde 
(unfertig)  und  oft  ohne  oder  mit  nur  kümmerlicher  Knospe.  Der  Sproß  stirbt  ab. 

IV  a  b  Der  Maitrieb  wird  fast  kahl  gefressen,  sein  Muttertrieb  trägt  keine  oder  nur 
wenige  Nadeln,  aber  Nadelstummel,  der  3  jähr.  Sproß  verkahlt  im  Herbste. 
Die  Stummel  des  2  jähr.  Sprosses  bilden  zum  Teil  Scheidenknospen.  Der  i  jähr. 
(Mai-)  Trieb  ist  schien  im  Sommer  (a)  meist  verkrümmt  und  von  der  Spitze 
herein  soweit  abgestorben,  als  er  seine  Kurztriebe  ganz  verloren  hatte.  Wo 
solche,  wenn  auch  die  Stümpfe  in  den  die  Scheide  bildenden  häutigen  Schuppen 
—  weil  tief  abgefressen  —  verborgen  waren,  noch  am  Leben  blieben  und  Rege- 
nerationsbemühungen machten,  blieb  auch  der  Sproß  am  Leben.  (Das  ist  immer 
so;  auch  ein  abgeschnittener  Laubholzzweig  stirbt  nur  bis  zur  letzten  Laubknospe 
herunter  ab  und  diese  treibt  aus.) 

Diese  Regeneration  besteht  zunächst  darin,  daß  die  noch  wachstumsfähigen 
Nadelreste  (die  Wachstumszone  der  Nadel  liegt  am  Nadelgrunde)  sich  ver- 
längern, ja  nicht  nur  das,  sondern  sogar  länger  und  breiter  und  dicker  werden, 
weil  sie  nicht  nur  einem  starken  Wachstumsreiz  unterliegen,  sondern  auch 
größere  Mengen  von  Bildungsstoffen  zugeführt  erhalten,  da  sie  nur  noch  ver- 
einzelte Sproßbewohner  sind  und  die  Konkurrenz  ihrer  Nachbarn  nicht  mehr 
fühlen;  sie  kommen  auch  oft  noch  dazu,  eine  Scheidenknöspe  zu  bilden,  die 
ruhend  überwintert,  oder  auch,  diese  nicht  abzuschließen,  sondern  gleich  ein 
Scheidenbüschel  aus  Primärblättchen  zu  treiben.  Nur  in  günstigen  Fällen  ent- 
stehen auch  noch  in  der  Achsel  einzelner  dieser  Primärblättchen  Kurztriebe  mit 
ihren   2  Folgeblättern   (den   typ.  Nadeln). 


696 


II.  Spezieller  Teil. 


Die  Entfaltung  der  Reproduktionsknospen,  sowohl  der  schlafenden 
Quirlknospen  als  der  Scheidenknospen  und  der  Endknospen  infolge  vor- 
jährigen Fraßes  kurz  gebliebener  Quirläste,  erfolgt  in  Büschelform,  d.  h. 
in  Form  gestauchter  Sprosse  und  besteht  —  wenigstens  zunächst  — 
nur  aus  grünen  Primärblättchen. 

Ihrer  Herkunft  nach  benennt  von  Tubeuf  sie 

I.  Quirlrosetten:  Diese  entstehen  aus  schlafenden  Quirlknospen, 
bilden  meist  überhaupt  nur  Primärblätter  (Abb.  551)  und  haben  daher  keine 

wesentliche  Bedeutung  für  die  Er- 
holung kahlgefressener  Beastung  und 
somit  für  die  der  Bäume. 

2.  Kurztriebbüschel:  Diese  ent- 
stehen aus  Scheiden  knospen  und 
bilden  zunächst  Primärblätter,  bei  ge- 
nügender Ernährung  auch  Kurztriebe 
und  können  sich  bei  ^uter  Ernährung 
durch  alte  Nadeln  auch  zu  Langtrieben 
strecken.  Letzteres  geschieht  stets  bei 
Gipfelverlust  normal  benadelt  bleiben- 
der Sprosse,  nicht  aber  oder  nur  selten 
nach  Kahlfraß.  Man  spricht  hier  auch 
von  Scheidenbüscheln  bzw.  Scheiden- 
sprossen (wegen  der  Ähnlichkeit  mit 
den  Quirlrosetten  könnte  man  sie  auch 
Scheidenrosetten  heißen,  was  aber  wegen 
eventueller  Verwechslungen  nicht  zweck- 
mäßig wäre).  Da  sie  stets  alte  Kurz- 
triebe krönen,  stehen  sie  horizontal  vom 
Sproß  ab  und  breiten  ihre  Büschel 
flach  aus. 

3.  Pinselbüschel:  Treiben  End- 
knospen oder  Quirlastknospen  nur  zu 
eng  zusammenhängenden  Büscheln  aus, 
so  entstehen  die  Pinselbüschel.  Auch 
diesen  Fall  findet  man  an  Kahlfraß- 
sprossen. 

Außer  durch  Entfaltung  neuer  Knos- 
pen, kann  die  Wiederbegrünung  auch 
durch  Auswachsen  der  stehen- 
gebliebenen Nadelstümpfe  un- 
terstützt Averden,  wobei  gewöhnlich 
zwei  große,  breite,  hell-  und  mattgrüne 
Nadeln  (mit  Verkrümmungen  zur  Halb- 
kreisform) erscheinen  (Abb.  553  B). 

Zur  Beantwortung  der  eingangs 
gestellten  Fragen  betr.  Beurteilung  des 
Zustandes  befressener  Kiefernzweige 
hat  man  also  nach  v.  T  u  b  e  u  f  s  An- 
gaben auf  folgende  Punkte  zvt  achten: 


Abb.  551.  Typische  ,, Rosettentriebe" 
(Quirlrosetten),  d.h.  gestauchte  Triebe 
mit  Büscheln  von  Primärblättern.  Sie 
sitzen  im  Knospenquirl  und  sind  aus 
sonst  schlafenden  Quirlknospen  ent- 
standen. Nach  Ratzeburg.  Aus 
V.  Tubeuf. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  697 

Beurteilung. 
I.  Nadeln  (alte  Nadeln). 

1.  Unbefressen. 

2.  Befressen. 

a)  Teilfraß. 

1/4,  V2J  V4  abgefressen.  (Im  letzteren  Falle  sind  die  grünen  Nadel - 
Stümpfe  noch  sichtbar.) 

b)  Totalfraß.  (Stümpfe  nicht  mehr  sichtbar,  oft  aber  versteckt  in 
der  Scheide  noch  vorhanden.) 

II.  Kur z triebe. 

a)  mit   Reproduktionserscheinungen. 

b)  ohne  Reproduktionserscheinungen. 

c)  abgeworfen. 

III.  Sproß  (einjähr.  Sproß). 

A.  Maisproß. 

a)  Nadeln  abgefressen. 

b)  Kurztriebe  verloren. 

c)  Rinde  benagt. 

d)  Teilweise  abgestorben. 

e)  Ganz  abgestorben. 

f)  Im  lebenden  Teile  Reproduktionserscheinungen. 
[Rinde,  a)  Braun  mit  Korkhaut,  Knospen  normal. 

b)  Rinde  im   Herbste  noch  grün.    Knospen  gut. 

c)  Knospen  schwach. 

b)  und  c)  ist  gefährdet,   durch   Frost  und  Trocknis  abzusterben.] 

B.  Vorletzter  (2  jähr.)  Trieb. 

a)  Nicht  befressen. 

b)  Befressen  (nach  Schema  I). 

c)  Gute  Scheidenknospen  infolge  der  Verluste  am  Maitriebe  vor- 
handen. 

C.  Dreijähriger  Trieb. 

a)  Nicht  befressen. 

b)  Befressen  (wie  ?). 

c)  Normal  entnadelt  (ab  Okt.). 

IV.  Bäume. 

A.  Stangenholz. 

a)  Oberstes  Astwerk  mit  Gipfelsproß  (oft  kahl  gefressen),  untere 
Partien  oft  noch  benadelt,  so  entstehen  die  zentralen,  toten 
„Spieße",  die  später  von  tieferen  Ästen  überwachsen  werden. 

b)  Mittleres  Astwerk   (bei  engem  Schluß  schwach). 

a)  Kahl,    ß)  Nur  mit  Rosetten,  dann  schlechte  Aussichten,   y)  Mit 
alten  Nadeln,  dann  bessere  Aussichten. 

B.  Altholz. 

a)  Obere  Krone. 

b)  Mittlere  Krone. 

c)  Untere  Krone. 

Die  untere  Krone  ist  oft  ganz  oder  fast  ganz  kahl  und  macht, 
von  unten  betrachtet,   einen   schlechten   Kroneneindruck. 

Mittlere  Krone  oft  nur  Rosetten,  obere  Krone  oft  erholungs- 


698 


II.  Spezieller  Teil 


fähig.  Zuweilen  ist  die  ganze  Krone  kahl,  d.  h.  ohne  alte  Nadeln 
und  ohne  oder  mit  wenig  Reproduktionen.   Der  Baum  ist  verloren. 

Für  die  Praxis  ergeben  sich  aus  dem  Gesagten  folgende  Hauptgesichts- 
punkte: 

Das  Erscheinen  lediglich  von  Q  ui  r  1  r  ose  t  ten  im  Herbst  des  Fraß- 
jahres an  völlig  kahlgefressenen  Bäumen,  ändert  nichts  an  der  unmittelbar 
nach  dem  Kahlfraß  gestellten  hoffnungslosen  Prognose  auf  einen  Exodus 
letalis  (Abb.  554).  Die  Primärblätter  werden  teils  schon  im  Winter  durch 
Frost  abgetötet,  teils  sterben  sie  im  Frühjahr  ab,  so  daß  der  Baum  dann 
wieder  ebenso  kahl  dasteht  wie  im  Sommer.  Die  Bildung  der  Quirlrosetten 
stellt  eben  eine  letzte  Kraftanstrengung,  eine  unnütze  Verausgabung  der 
letzten  Reserven  des  Baumes  dar,  —  also  ein  sehr  schlechtes  prognostisches 
Zeichen,  was  Ratzeburg  bereits  völlig  richtig  erkannt  hat. 


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Abb.    552. 


Kurztriebbüschel     mit    daraus    gebildeten    Nadel 
Sachtleben). 


Nach     Liese     (aus 


Wo  Kurztriebbüschel  auftreten,  wird  die  Prognose  um  so  günstiger 
je  mehr  alte  Nadeln  vorhanden  sind,  da  sich  aus  jenen  dann  Kurztriebe 
bilden  können. 

Was  die  Mai  triebe  betrifft,  so  ist  deren  Erhaltungszustand  durch- 
aus nicht  entscheidend  für  das  Leben  der  Bäume.  Der  Verlust  des  Mai- 
triebes an  und  für  sich  hat  keine  Bedeutung  für  das  Leben  des  Baumes, 
wenn  nur  genügend  Nadeln  der  zweijährigen  Sprosse  erhalten  geblieben 
sind.  Auf  diese  kommt  es  in  erster  Linie  an!  Sie  sind  es  ja  allein,  welche 
nach  Verlust  des  Maitriebes  im  nächsten  Jahr  noch  vorhanden  sein  können, 
da  ja  der  dreijährige  Sproß  im  Winter  nicht  mehr  belaubt  ist  (s.  Schema 
Abb.  550,11b). 

Übrigens  bedeutet  eine  Erholung  durchaus  nicht  immer  eine  völlige 
Wiederherstellung,   sondern   sehr  häufig  nur   eine   Bewährungsfrist 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


699 


von  kürzerer  oder  längerer  Zeit   (womit  aber  vom   Standpunkt  der   Holzver- 
wertung aus  schon  viel  gewonnen  ist). 

Der  Grad  der  Erholung  hängt  außer  natürlich  von  dem  Erhaltungs- 
zustand des  befressenen  Baumes  auch  noch  sehr  viel  von  äußeren  Um- 
ständen ab,  vor  allem  von  Witterung  und  Boden.  Ein  feuchter,  regen- 
reicher Sommer  und  Herbst  wird  der  Erholung  weit  günstiger  sein  als 
Trockenheit.  Andererseits  werden  auf  trockenen  Böden  stockende  Bestände 
sich    leichter    erholen    als    solche 

auf    nassen    Böden,    wie    sowohl  ^ 

bei  der  letzten  norddeutschen 
als  auch  bei  der  jetzigen  bayeri- 
schen Kalamität  vielfach  beob- 
achtet werden  konnte.  (W  o  1  f  f  , 
H  i  1  f  -  W  i  t  t  i  c  h  ,  Wagner 
usw.)  ,,Auf  reinem,  trockenem 
Kiefernstandort",  schreibt  Wag- 
ner, ,, gehören  die  wenigen 
Bäume,  die  abgestorben  sind, 
fast  ausschließlich  den  unter- 
drückten an.  die  an  sich  nicht 
viel  Lebenskraft  mehr  haben. 
Etwas  stärkeren  Abgang  erwar- 
ten wir  auf  nassen  Böden,  ins- 
besondere auf  Moor.  Die  Erfah- 
rung machten  wir  schon  bei  dem 
großen  Nonnenfraß  1907/08,  daß 
die  Kiefer  auf  nassen  Böden 
viel  anfälliger  ist.  Diese  Er- 
scheinung beruht  wohl  darauf, 
daß  die  Bäume  auf  trockenen 
Böden  durch  ihren  xerophilen 
Charakter  auf  weit  geringere 
Transpiration  eingestellt  sind  als 
die  Kiefern  auf  feuchteren  Stand- 
orten." 

Endlich  darf  bei  der  I'rog- 
nosestellung  auch  das  A  u  f  - 
treten  sekundärer  Schäd- 
linge nicht  außer  acht  gelassen 
werden. 

Der  letzte  Faktor  ist  für  die  Prognose  quoad  vitam  von  besonders 
großer  Bedeutung.  Die  schönsten  Ansätze  zur  Wiedererholung  eines  Eulen- 
waldes können  durch  die  verschiedenen  Sekundärschädlinge  zunichte  ge- 
macht werden.  Bei  allen  Eulenkalamitäten  hat  man  in  dieser  Beziehung 
manche  bittere  Erfahrungen  machen  müssen. 

Als  sekundäre  Schädlinge  kommen  hauptsächlich  in  Betracht  die 
beiden  Waldgärtner  {Myelophilus  piuiperda  L.  und  minor  Htg.),  ferner 
die  verschiedenen  Pissodes-\xt(t\\  vor  allem  pinip/iiliis  Hbst.  und  notatiis  F. 
Dazu  kommen  noch  der  Zimmer  bock  (Ac.  aedilis  L.)  und  der  Blau- 
rüßler   {Aiagdalis  frontalis  Gyll.),  welche  beide  bei  der  letzten  norddeut- 


Abb.   553  A.    Zahlreiche   Nadelpaare   aus  Kurz- 
triebbüscheln entstanden. 


700 


II.  Spezieller  Teil. 


sehen  Kalamität  teilweise  in  großer  Zahl  aufgetreten  sind  (siehe  Esche- 
rich, 1925,  S.  14).  Die  Vermehrung  und  Wirkung  der  Sekundärschädlinge 
ist  um  so  größer,  je  trockener  und  heißer  der  Sommer  ist. 


Abb.   553  B.    Nachgeschobene   Nadelstümpfe. 


Zusammenfassend  können  wir  sagen,  daß  wir  heute  dank  der  sehr  er- 
folgreichen wissenschaftlichen  Forschungen  und  der  vielen  praktischen  Er- 
fahrungen der  letzten  Jahre  nicht  mehr  so  sehr  im  Dunklen  tappen  wie 
früher.  Der  Praktiker  ist  heute  in  den  Stand  gesetzt  recht- 
zeitig und  mit  ziemlicher  Sicherheit  Vorhersagen  einmal 
bezüglich  des  Verlaufs  der  Kalamität  und  sodann  bezüglicli 
des  Schicksals  des  eulen  fräßigen  Waldes  zu  machen.  Er  kann 
daher  heute  bereits  recht  feine  Unterschiede  zwischen  hoffnungslosen  und 
hoffnungsvollen    Beständen    machen    und    damit    vieles,    was    früher    ohne 


II.  Unterordnung:   Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


701 


weiteres   der   Axt   ausgeliefert   wurde,   erhalten    (näheres   siehe   unten   bei  der 
Bekämpfung  S.  749  ff.). 

Die  Krisis. 

Bei  keinem  der  anderen  Forstschmetterlinge  tritt  der  Zusammenbruch 
der  Gradation  mit  solcher  Sicherheit,  Wucht  und  Vollkommenheit  ein  wie 
bei  der  Eule.  Diese  Erscheinung  ist  von  Alters  her  bekannt  und  in  der 
Literatur  hundertfach  erwähnt.  Immer  wieder  wird  da  die  Plötzlichkeit  des 
Erlöschens  der  Kalamität  betont.  Beispielsweise  hatte  „das  Forstamt  Gunzen- 
hausen  noch  für  den  4.  Juli    1808  ein  Aufgebot  von  tausend  Arbeitern  zum 


Abb.   554.    Wiederbegrünung  nach  Kahlfraß,  fast  ausschließlich  durch   Quirlrosetten. 

Hoffnungslos. 


702  11.  Spezieller  Teil. 

Anprellen  in  der  Schwaningerhaide  angeordnet,  bereits  am  12.  Juli  war  aber 
dort  keine  lebende,  gesunde  Raupe  mehr  aufzufinden;  dagegen  lagen  un- 
zählige tot  auf  dem  Boden  oder  klebten  halb  vermodert  auf  den  Bäumen". 
Bei  Berwig  (1926)  finden  sich  zahlreiche  ähnliche  Fälle  zusammengestellt, 
und  auch  bei  der  jüngsten  bayerischen  Kalamität  war  vielerorts  die  Plötz- 
lichkeit des  Zusammenbruchs  auffallend. 

Als  Ursachen  dieser  heftigen  Krisen  werden  in  früheren  Zeiten  , .un- 
günstige Witterungsverhältnisse",  „starke  Gewitterregen",  „Hagelschlag  und 
Regengüsse",  „kühle  Witterung  nach  schweren  Gewittern",  „kühle  Nächte" 
usw.  angegeben.  Einmal  wird  sogar  auch  „die  Hitze"  genannt,  „durch  die 
die    Raupen   verbrannt   seien"    (vergl.    Berwig). 

In  späteren  Zeiten  mehren  sich  die  Berichte,  in  welchen  für  die  natür- 
liche Beendigung  der  Gradationen  Krankheiten  der  Raupen  im  Zusammen- 
wirken mit  Parasiten  und  anderen  tierischen  Feinden  verantwortlich  gemacht 
werden.  Die  naßkalte  Witterung,  die  in  früheren  Angaben  als  die  direkte 
Ursache  angesehen  wurde  —  und  nach  den  neueren  Untersuchungen  zum 
Teil  sicher  mit  vollem  Recht  — ,  wird  nunmehr  als  indirekte  Ursache 
angesprochen,  insofern  als  durch  sie  die  verschiedenen  Mykosen  gefördert 
werden. 

Wir  wissen  heute,  daß  neben  ,, inneren  Erschöpfungszuständen"  (z.  B. 
Rückgang  der  Zeugungsfähigkeit)  hauptsächlich  folgende  Faktoren  an  dem 
Zusammenbruch  beteiligt  sein  können:  Parasiten,  Pilzkrankheiten 
(Mykosen)  und  andere  Krankheiten  (B  akteriosen).  Von  diesen 
treten  manchmal  die  Parasiten  mehr  in  den  Vordergrund,  manchmal  die 
Mykosen  und  Bakteriosen,  häufig  aber  wirken  ^lle  drei  Faktoren  zusammen. 
Daneben  helfen  noch  zahlreiche  räuberische  Tiere  an  der  Vernich- 
tung mit. 

Parasiten. 

Die  Zahl  der  in  den  verschiedenen  Entwicklungsstadien  der  Forleule 
lebenden  Schlupfwespen  und  Raupenfliegen  ist  sehr  groß  und 
wird  höchstens  noch  durch  die  Zahl  der  Kiefernspinnerparasiten  über- 
treffen!). Sie  stellen  sich  sehr  schnell  ein,  so  daß  gewöhnlich  schon  im 
Prodromalstadium  ein  hoher  Parasitenstand  vorhanden  ist.  So  ergab  eine 
Zucht  im  Tharandter  Institut  (ausgeführt  von  W.  Baer)  am  Ende  des 
Prodromal  Jahres  bereits  einen  Parasitenstand  von  64  0/0  (460/0  Tachinen  und 
180/0  Ichneumonen)  (Abb.  555).  Dieses  rasche  Anwachsen  der  Parasitenfauna 
hängt  wohl  mit  der  großen  Polyphagie  zusammen,  die  die  meisten  Eulen- 
parasiten auszeichnet.  Dazu  kommt,  daß  alle  Entwicklungsstadien,  also  Ei, 
Raupe  und  Puppe  von  Parasiten  befallen  werden,  was  natürlich  für  die 
Gesamtwirkung  von  großer  Bedeutung  ist. 

Baer  (1925)  teilt  die  Forleulenparasiten  in  drei  Kategorien:  i.  Haupt- 
schmarotzer,  2.   wichtigere   Schmarotzer   und   3.   bedeutungslose   Schmarotzer. 


1)  Es  existiert  daher  auch  eine  große  Literatur  über  die  Forleulenparasiten. 
Besondere  Verdienste  um  die  Kenntnisse  der  letzteren  haben  sich  W.  Baer  (1925) 
und  H.  Sachtleben  (1927  und  1929)  erworben.  Baer  hat  als  erster  eine  kri- 
tische und  epidemiologisch  brauchbare  Liste  der  Eulenparasiten,  geordnet  nach  ihrer 
wirtschaftlichen  Bedeutung,  aufgestellt.  Sachtleben  hat  durch  eingehendes  Stu- 
dium der  umfangreichen  Literatur,  vor  allem  auch  der  cälteren,  eine  Klärung  der 
teilweise  recht  verworrenen  Synonymie  herbeigeführt  und  sodann  auch  im  einzelnen 
die  Kenntnisse  der  Bionomie  wesentlich  erweitert. 


II.  Unterordnung:   Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  703 

Zu  den  Hauptschmarotzern  stellt  er  folgende  9  Arten :  Trichogramma 
evanescens  Westw.  Meteorus  albidiiarsis  Curt.,  Banchus  fe?noralis  Thoms., 
Aphanistes  armatus  Wesw.,  Exochilum  circumflexum  L.,  Enicospüus  rami- 
dulus  L.,  Ichneumon  bilunulatus  Grav.,  pachymerus  Htg.,  Ernestia  rndis  Fall. 

Als  wichtigere  Schmarotzer  erwähnt  er  ferner:  Pteromalus  albo- 
anmilatus  Rtzb..  Tyloconmus  scaber  Grav.,  Anomalon  bigiittatmn  Grav., 
Amblyteles  rubroater  Rtzb.,  Ichneumon  comitator  L.,  fabricator  L.,  nigri- 
tarius  Grav.,  Eudoromyia  magnicornis  Zett.,  Winthemia  amoena  Mg.  und 
Afithrax  hottentottus  L. 

Sachtleben  (1929)  ändert  nach  seinen  Beobachtungen  dieses 
Baersche  Verzeichnis  in  einigen  Punkten  ab  und  kommt  zur  folgenden 
Aufstellung: 


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Abb.    555.    Durchschnittliches    Ergebnis   einer   Aufzucht   von    100   Kieferneulenpuppen 
im  Prodromaljahr  einer  Eulengradation. 

1.  Hauptschmarotzer:  Banchus  femoralis  Thoms.,  Ichneurnou.  pachy- 
merus   Htg.,  Meteorus  albidiiarsis  Curt.,  Ernestia  rudis   Fall. 

2.  Wichtige  Schmarotzer:  Aphanistes  armatus  Wesm.,  ExochiUiui 
circumflextwi  L.,  Enicospilus  merdarius  Grav.,  Ichneumon  bilunulatus  Grav., 
Trichogramma  evanescens  Westw.,  Pteromalus  alboannulatus  Rtzb. 

3.  Häufige  Schmarotzer:  Anomalon  biguttatum  Grav.,  Tyloco?nnus 
scaber  Grav..  Amblyteles  rubroater  Rtzb.,  Ichneumon  comitator  L.,  fabricator 
F..  uigritarius  Grav.,  Echiuomyia  inagnicornis  Ztt.,  JVinthe?7iia  amoena  Meig. 
und  Anthrax  hottentottus  L. 

4.  Seltene  Schmarotzer:  Zahlreiche  Arten  1). 


1)  Die  seltenen  bzw.  wirtschaftlich  bedeutungslosen  Parasiten  sind  bei  Baer 
und  Sachtleben  aufgeführt.  Übrigens  kann  es  sehr  wohl  vorkommen,  daß  einer 
dieser  seltenen  Parasiten  einmal  zu  einem  wichtigen  Parasiten  wird. 


704 


II.  Spezieller  Teil. 


In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  wichtigsten  Eulen-Schmarotzer  nach 
der  Art  ihres  Vorkommens  in  den  verschiedenen  Entwicklungsstadien  der 
Eule  dargestellt: 

Parasitenreihe  der  Kieferneule. 


Name  des  Parasiten 


Ei 
April,  Mai 


Schmarotzt  im 


Raupenstadium 


Puppenstadiui 


Hymenopteren. 
Ichneumon  idae. 

I cIiiieuiHOii  hilKiiiilaliis  Grav. ' 
pacJiymerus   Ht 
comilalor  I,.     . 
fabricalor  F.   . 
nigrilarius  Grav.  2) 

Aphanistes  armalus  Wesm. 

Anomalon  higuttaium  Grav. 

Exochiliou  ci rciiniflexum  L 

Enicospil US  ra//i/(/iilus  L. 

Banchus  fciiiora/is  Thoms. 

Tylocottuim  seither  Grav.  ^) 

Braconidae. 

Meteorus  all)'uiilarsis  Gurt.  ^) 

Chaicididae. 

Pteromalus    (Dirhicnus),    ulbo- 
annulalus  Rtzb 

Trichogramma  evanescens 

Westw 


Dipteren. 
Bombxjlidae. 

Anthrax  holleiilolliis   L.      .     . 

Tachinidae. 

Ernestia  rudis  Fall 

Echinomyia  magniconüs  Zett. 

W'iiiHiemia  amoena   Mg.     . 

Im    einzelnen   sei   über   die    Bionomie    der   hier   genannten    Parasiten 
folgendes   angeführt*): 

Die  Schlupf  w  e  s  p  e  n. 

Ichneumon  pachymer US  Htg.{ Abb.  556).  Einer  der  häufigsten  Eulenparasiten; 
verläßt  Ende  Mai  die   Forleulenpuppe,  in  der  er  den  Winter  verbracht  hat. 

1)  Die   Doppelstriche   bedeuten,    daß   das   Schlüpfen   teils   im    Herbst,   teils   erst 
nach   Überwinterung   erfolgt. 

2)  Nach  Pfankuch  auch   Hyperparasit   von  Banchus  femoralis  Thoms. 

3)  Auch  Hyperparasit  von  Banchus  femoralis  Thoms. 

*j   Die  bionomischen  Angaben  beruhen  in  der  Hauptsache  auf  den  Arbeiten  von 
Sachtleben  und  B  a  e  r. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Euleni 


705 


Die  Flugzeit  dauert  bis  Mitte  oder  Ende  Juni.  Nach  Sachtleben  beträgt 
die  mittlere  Lebensdauer  der  Weibchen  23  Tage,  die  der  Männchen  ca. 
6  Tage.  Die  parasitierte  Eulenraupe  schreitet  noch  zur  Verpuppung  und  die 
Schmarotzerlarve  geht  in  die  Eulenpuppe  über,  in  der  sie  überwintert.  Forl- 
eulenpuppen  aus  dem  November  enthalten  den  Parasiten  in  einem  Stadium, 
das  man  als  Präpupa  bezeichnen  kann,  da  die  Imaginalanlagen  zu  diesem 
Zeitpunkt  bereits  sichtbar  sind.  In  der  ersten  Maihälfte  verpuppt  sich 
pachyincnis  in  der  Forlculenpuppe,  schlüpft  nach  einigen  Tagen  aus  seiner 
Puppenhülle  und  verläßt  kurze  Zeit  darauf  die   Forleulenpuppe. 

In  Holland  scheint  pachymerus  nach  Smits  van  Bürgst  in  zwei 
Generationen  aufzutreten.  Auch  in  Deutschland  scheint  dies  bisweilen  vor- 
zukommen, da  nach  Baers  Beobachtungen  die  Wespe  zum  kleinen  Teil 
schon  vor  der  Überwinterung  auskommen  kann.  In  solchen  Fällen  könnte 
vielleicht  der  Kiefernspanner  als  Wirt  der  zweiten  Generation  in  Frage 
kommen    (s.   oben    S.    523)1).    Beim   Ausschlüpfen   schneidet   die   Wespe  am 


Abb.  556.    Ich?wu?nofi  pachymerus  Yilg.-g.  Abb.  557.    Kieferneulenpuppen,  aus  denen 

Eine  der  häufigsten  Schlupfwespen  der  Ichneu?non  pachymerus  Htg.  ausgekom- 
Eulenraupe     (in    die    Eulenpuppe    über-  men   sind.     Nach   Sachtleben, 

gehend*.    3  X. 

Vorderende  der  Eulenpuppe  einen  Deckel  ab,  dessen  rund  um  die  Puppe 
verlaufende  Schnittfläche  etwas  ausgezackt  ist  (Abb.  557).  In  der  Regel 
wird  der  Deckel  ganz  abgeschnitten  oder  bleibt  nur  noch  an  einer  schmalen 
Stelle  mit  der  Eulenpuppe  in  Verbindung.  In  solchen  Fällen,  in  denen  der 
Deckel  nicht  genügend  abgeschnitten  ist,  wird  die  Schnittfläche  an  einer 
Stelle  nach  unten  durch  Ausnagen  eines  Loches  erweitert  (s.  Abb.  557 
rechts).  Von  der  Größe  des  Parasiten  und  seiner  Lage  hängt  es  ab,  in 
welcher  Höhe  die  Schnittfläche  gelegen  ist. 

Ichneumon  bilunulatus  Grav.  Solitärer  Raupenparasit,  wie  die  vorige 
Art  in  die  Puppe  übergehend.  Entwickelt  sich  ebenfalls  teilweise  schon  vor 
der  Überwinterung  (etwa  im  September)  zur  Imago,  die  größere  Hälfte 
jedoch  erst  im  Frühjahr  zur  Flugzeit  der  Eule  (Baer).  Die  im  Herbst 
geschlüpften  Tiere  befallen  wahrscheinlich  wie  pachymerus  die  Spanner- 
raupen als  Zwischenwirt   (siehe  auch  Anm.    i). 

Ichneumon    nigritarius    Grav.       Ebenfalls    Raupenparasit,    in    die    Puppe 

1)  Allerdings  haben  wir  bei  der  letzten  bayerischen  Kalamität  während  der 
Wintermonate  häufig  Imagines  von  pachymerus  und  bilunulatus  in  der  Bodenstreu 
angetroffen,  wo  sie  also  zum  Teil  in  diesem  Zustand  überwintern. 

Esc  he  rieh,  Forstinsekten,  Bd.  111.  45 


706 


II.  Spezieller  Teil. 


übergehend!).  Ein  häufiger  Eulen-  (wie  auch  Spanner-)  Parasit.  In  Tharandt 
ausnahmsweise  auch  als  Hyperparasit  aus  den  Kokons  von  Banchiis  femo- 
ralis  Thoms.  gezogen  (Baer).  Schlüpft  zum  Teil  schon  im  Frühherbst. 
Krauße  hat  im  Eulenjahr  1924  schon  am  11.  August  massenweise  (er  zählte 
bis  14  Stück  pro  qm)  frischgeschlüpfte  nigritarius  auf  der  Bodenstreu 
herumlaufen  sehen,  v.  Geyr  hat  im  Laboratoriumsversuch  beobachtet,  daß 
die  frischgeschlüpften  Weibchen  gleich  wieder  die  Eulenpuppen  anstechen. 
Wolff  und  Krauße  (1925)  schließen  daraus  auf  eine  zweite  Generation 
innerhalb  ein  und  derselben  Wirtgeneration,  wodurch  die  wirtschaftliche 
Bedeutung  dieses  Schmarotzers  wesentlich  erhöht  würde.  Demgegenüber 
weist  Prell  (1925)  mit  Recht  darauf  hin,  daß  dieser  Schluß  nicht  zwingend 
sei,  da  i.  überhaupt  noch  nicht  erwiesen  sei,  daß  das  Anstechen  tatsächlich 
auch  Eiablage  bedeutet  (s.  unten  bei  Trichogramtna)  und  2.  die  Bestätigung 
aus  der  freien  Natur  mangle.  „Es  ist  durchaus  unwahrscheinlich,  daß  die 
Schlupfwespen  sich  in  die  Erde  wühlen  und  dort  Eulenraupen  suchen,  statt 
daß  sie  an  den  Bäumen  die  Raupen  des  Kiefernspanners  suchen,  als  dessen 
regelmäßiger  Parasit  nigritarius  längst  bekannt  ist."  Es  sind  jedenfalls 
noch  weitere  Beobachtungen  zu  dieser   Frage  notwendig. 

Exochilum  circumflexum  L.  (Abb.  558).  Raupenparasit  in  die  Puppe 
übergehend.    Daß   dieser  wichtige   Kiefernspinnerparasit  auch  bei   der   Eule 

einen  wesentlichen  Vernichtungsfaktor  aus- 
macht, darauf  ist  vor  allem  durch  Baer 
(s.  Escherich  und  Baer,  1910)  hingewie- 
sen worden.  „Bedenkt  man",  schreibt  dieser, 
„die  so  abweichende  Lebensweise  des  Spin- 
ners, dessen  Räupchen  im  Herbst  von  der 
Schlupfwespe  belegt  werden,  während  dieses 
bei  der  Eulenraupe  im  Frühjahr  geschehen 
muß,  so  muß  ein  solches  Vorkommen  bei 
den  beiden  Arten  wohl  sehr  überraschen." 
Allerdings  erweisen  sich  die  Eulen-^a-ö- 
chilu?n  als  deutlich  kleiner,  so  daß  man  an 
eine  besondere,  biologisch  mehr  oder  weniger 
fixierte  Art  denken  könnte  2).  Die  erwach- 
sene i5'xö6V?////;;;z-Larve  füllt  die  Eulenraupe  prall  aus.  Die  befallenen  Puppen 
sind  von  den  gesunden  ohne  weiteres  an  der  lebhaft  rotbraunen  Färbung  zu 
unterscheiden. 

Enicospilus  ramidulus  L.  (=  merdarius  Grav.  3)  (Abb.  559).  Reiner 
Raupenparasit.  Fliegt  Mitte  Mai  bis  Mitte  Juni.  „Das  parasitäre  Leben  in 
der  Forleulenraupe  dauert  etwa  20  Tage.  Die  ausgewachsene  E.  ramidulus- 
Larve  verläßt  wie  Banchus  fenwralis  Thoms.  die  Forleulenraupe,  die  zum 
Teil  noch  das  Stadium  der  Verpuppungsreife  erreicht  und  fertigt  wie 
Banchus  fenioralis  Thoms.  einen  Kokon  an.  Der  Kokon  wird  von  Ratze- 
burg  treffend  beschrieben:  „Ich  habe  die  Tönnchen  häufig  zur  Zeit  eines 
Eulenfraßes  im  Winter  unterm  Moose  getunden,  wiewohl  immer  seltener  als 


Abb.  558. 
flexum  L 
ebenfalls 


Exochilum  circiDu- 
.,  ein  Raupenparasit, 
in  die  Puppe  über- 
ehend.   i^/g  X- 


1)  Eine   ausführliche    Schilderung   von   /.  tiigritarius,   der   ein    Hauptparasit   des 
Spanners  ist,  gibt   Eidmann   (s.  oben  S.  521). 

2)  Ausführlich   geht   auf   diese    Frage   Sachtleben    (1929,    S.  64)    ein. 

3j    Baer   faßt    merdarius   Grav.   als    Synonym    von   ramidulus   L.   auf;    Sacht- 
leben   möchte   die   beiden   als   Rassen   einer    Form   ansehen.     Ich   folge   hier   Baer. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Xoctuidae  (Eulen). 


707 


die  von  Banchus.  Die  Tönnchen  beider  haben  viel  Ähnlichkeit  miteinander,  die 
<lcsOph/ou(=Emcospiliis)  sind  aber  stumpfer  und  sehexwNiQ  Lophyri/s -Tönn- 
chen aus,  nur  daß  sie  noch  größer  als  die  größten  von  Z.«^;;2ö/-«^/;x  sind  (6 — 7'" 
lang  und  2I/2'"  breit)  und  auf  dem  dunklen  braun-schwarzen  Grunde  eine,  das 
mittlere  Drittheil  einnehmende  hellere  Zone  haben.  Sie  bestehen  aus  meh- 
reren Gespinstlagen,  und  diese  lassen 
sich  wegen  ihrer  Trockenheit  und 
Sprödigkeit  mit  einem  starken  Silber- 
schaume vergleichen."  ,Jn  diesem  Ko- 
kon liegt  E.  merdariiis  Grav.  den  Winter 
über    und    schlüpft    zur    oben     ange- 


•  • 

Abb.    560.    Kokon   von  Eiiicospilus  raini- 
dulus    L.     B    von    der    Image    verlassen. 
(Am    Pol    ein    kreisrunder    Deckel    abge- 
schnitten.)   Nach  Sacht  1  eben.   2X. 


Abb.    559.    Eiiicospilus    nuniduLus   L., 

Reiner  Raupenparasit,  der  die  erwachsene 

Eulenraupe   verläßt,   um   sich   außerhalb 

in  Kokons  zu  verpuppen.  3  X. 

gebenen  Flugzeit.  Wie  bereits  Ratzeburg  beschrieben  hat,  benimmt  sich 
E.  merdariiis  Grav.  auch  hierbei  ganz  anders  wie  Banchus  jemoralis  Thoms. 
Er  nagt  nicht  wie  dieser  an  der  Seite  des  Kokons  eine  unregelmäßige  Öff- 
nung aus,  sondern  schneidet  an  dem  einen  Pol  des  Kokons  einen  kreisrunden 
Deckel  ab  und  ähnelt  auch  hierin  den  Lophyrusarten,  die  den  Kokondeckel 
nur  etwas  tiefer  als  E.  merdarius  Grav.  abschneiden."  (Sachtleben,  1927.) 
Banchus  femoralis  Thoms.  (Abb.  561).  Reiner  Raupenparasit.  Neben  der 
Tachine  Eniestia  rndis  in  Deutschland  stellen w eise i)  der  wich- 
tigste Eulenparasit.  Die  Kokons  im  Winterlager  neben  den  Puppen  des 
Wirtes.  Auch  bei  den  polnischen  Kalamitäten  spielte  dieser  Parasit  eine  her- 
vorragende   Rolle    (Sitowski,    1924,    Bledowski    und    Krainska,    1926, 


Abb.     561.     Banchus    jemoralis    Thoms., 

einer    der   wichtigsten    Eulenraupenpara- 

siten   (verpuppt  sich  meistens   außerhalb 

des  Wirtes).    3X. 


Abb. 


Ein    Weibchen    von    Banckiis 


fetnoralis   Thoms.   beim   Anstechen   einer 
jungen    Kieferneulenraupe.     Nach    Ble- 
dowski  und    Krainska. 


1)   Bei  der  letzten  bayerischen   Kalamität   trat   Banchus  stark  zurück  gegenüber 
anderen  Schlupfwespen. 

45* 


708  n.  Spezieller  Teil. 

Sachtleben,  1927).  Nach  Bledowski  und  Krainska  legt  B.  fe/noralis 
seine  Eier  in  die  jungen  Raupen,  Ein-  bzw.  Zweihäuter  oder  Dreihäuter 
(Abb.  562).  Die  i5'(7;/c://?/i-- Weibchen  sind  gleich  nach  dem  Ausschlüpfen 
geschlechtsreif  und  stechen  die  Eulenraupen  zu  jeder  Tageszeit  an,  wobei 
die  Witterungsverhältnisse  keine  Rolle  spielen.  In  eine  /'«;z<7//i--Raupe 
können  mehrere   (bis   17  wurden  beobachtet)  Eier 

•  abgelegt    werden,    doch    entwickelt    sich    in    der 

Regel  nur  eine  Banchus-\jdiXv^.  Die  ganze  Ent- 
wicklungszeit des  Banchus  dauert  i  Jahr,  deckt 
sich  also  mit  der  Entwicklung  des  Wirtes.  Die 
Entwicklung  vom  Ei  bis  zur  Kokonlarve  (also  bis 
zum  Auswandern  aus  dem  Wirtstier)  vollzieht  sich 
binnen    30 — 50    Tagen.     ,,Die    parasitierte    Raupe 

. , ,       ,       .,,  ,  „  häutet  sich  während  dieser  Zeit  ein-  oder  zweimal 

Abb.   563.    Kokon  von  Bau-      ,.  .      ,  o      t  •  i   1 

chus  femoralis  Thoms.  mit  (l^  nach  dem  Stadium,  m  welchem  sie  parasitiert 
seitlichem  Schlüpfloch.  wurde),  erreicht  noch  das  verpuppungsreife  Sta- 
Nach  Sacht  leben.  2  X.  dium  und  begibt  sich  wie  zur  Verpuppung  in  den 
Bodenbelag.  Hier  fertigt  sie  mitunter  noch  eine 
Puppenhöhle  an,  geht  jedoch  wohl  in  der  Regel,  bevor  noch  die  Verpuppung 
eingetreten  ist,  zugrunde.  Kurz  darauf  verläßt  die  B.  femoralis A/axvc  die 
tote  Eulenraupe  und  beginnt  meist  sogleich  ihren  Kokon  zu  spinnen i).  Der 
II V2  bis  141/0  mm  lange  Kokon  wird  noch  am  gleichen  oder  am  nächsten 
Tage  fertig.  Er  ist  anfangs  grünlich-weiß  und  pergamentartig  weich,  ver- 
färbt sich  aber  in  wenigen  Stunden,  wird  schwarz  und  hart.  In  diesem 
Kokon  verbringt  die  B.  ]emoraUs-\.-dJt\Q:  den  folgenden  Herbst  und  Winter 
bis  zum  nächsten  Frühjahr,  im  ganzen  etwa  10  Monate.  Anfang  April  ver- 
puppt sich  die  Praepupa  in  ihrem  Kokon;  das  Ausschlüpfen  aus  der  Puppe 
erfolgt  etwa  Mitte  Mai,  das  Verlassen  des  Kokons  einige  Tage  später." 
„Aus  dem  spindelförmigen  schwarzen  Kokon  wird  an  einem  Ende  seitlich 
eine  ovale,  unregelmäßige,  in  ihrer  Größe  wechselnde  Öffnung  ausgenagt 
(Abb.  563).  Die  Flugzeit  dauert  wahrscheinlich  bis  Mitte  Juni  (Sacht- 
leben,   1927). 

Tylocomnus  scaber  Grav.  Wurde  im  Tharandter  Institut  in  großer 
Zahl  aus  oberschlcsischcn  /'c7//<9//5--Puppen  gezogen,  einige  wenige  auch  als 
Hyperparasiten  aus  den  Kokons  von  Banchus  femoralis   (Baer). 

Meteorus  albiditarsis  Curt.  Reiner  Raupenparasit.  Trat  in  Holland  bei 
der  letzten  Eulenkalamität  neben  der  Tachine  Erfi.  riidis  Fall,  als  der  wichtigste 
Parasit  auf.  In  Deutschland  dagegen  bisher  nur  wenig  beachtet.  Beider  letzten 
bayerischen  Kalamität  trat  er  in  einzelnen  Forstämtern  etwa  in  derselben 
Häufigkeit  wie  B.  femoralis,  gelegentlich  sogar  noch  zahlreicher  auf.  ,,Nach 
Smits  van  Bürgst  findet  die  Infektion  durch  diese  Braconide  statt,  bevor 
die  junge  Forleulenraupe  halb  erwachsen  ist.  Die  Parasitenlarve  ist  kurz  vor 
der  Verpuppung  der  Forleulenraupe  erwachsen,  verläßt  ihren  Wirt  und  spinnt 
kurz  darauf  ihren  Kokon,  in  dem  sie  im  Larvenzustand  bis  zum  nächsten  Früh- 


1)  Bisweilen  verpuppt  sich  die  Banc/ius-'La.rye  in  der  Eulenpuppe,  was  auch 
bereits  Ratzeburg  mehrfach  beobachtet  hat:  Er  fand  verschiedentlich  „Tönnchen, 
an  welchen  nur  noch  kleine  Stückchen  der  Eulenpuppe  hafteten,  so  daß  man  anfangs 
nicht  recht  wußte,  ob  man  eine  Puppe  oder  einen  Kokon  vor  sich  hatte.  Immer 
waren  die  Puppenreste  sehr  dünn  und  zart."  Bei  der  letzten  bayerischen  Kalamität 
konnten  wir  solche   Fälle  ziemlich  häufig  beobachten. 


II.  Unterordnung:  Rlacrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


709 


jähr  verbleibt.  Erst  14  Tage  vor  dem  Schlüpfen  verpuppt  sich  die  Larve. 
Der  gelblich  gefärbte  wollige  Kokon  von  JI.  albiditarsis  findet  sich  während 
einer  Kalamität  in  großen  Mengen  in  Streu  und  Moos  zwischen  den  Eulen- 
puppen" (Sacht  1  eb  en)  1). 

Trichogramma  evanescens  Westw.  (Abb.  564).  Eiparasit;  gehört  zu  den 
kleinsten  bekannten  Hymenopteren,  ja  Insekten  i.iberhaupt  (,, staubförmig 
klein"  nennt  sie  Ratzeburg).  Ihre  Größe  ist  sehr  schwankend  und  richtet 
sich  wohl  nach  den  Ernährungsbedingungen.  Hase,  dem  wir  eingehende 
Studien  über  diesen  wichtigen  Parasiten  verdanken,  unterscheidet  Groß- 
formen von  ca.  0,9  mm  und  Kleinformen  von  ca.  0,3  mm;  beide  sind  durch 
Übergänge  miteinander  verbunden.  Die  Kleinformen  entstehen,  wenn  das 
Wirtsei  eine  größere  Anzahl  Schmarotzer  enthält,  die  Großformen  dann, 
wenn   das   Wirtsei   nur  mit   einem   einzigen  Trichogramnia-YÄ  belegt   wurde. 

Tr.  evanescens  ist  ungeheuer  polyphag  bzw.  pantophag.  Hase  nennt 
65  verschiedene  Insektenarten,  darunter  53  Lepidopteren.  in  deren  Eier 
unsere  Schlupfwespe  angetroffen  wurde.  Zu  ihnen  gehört  auch  die  Forleule, 
deren  Eier  oft  in  großer  Anzahl  den  Trichogramma-Xn'gxiii^w  zum  Opfer 
fallen.  Nach  Wolff  (1915  und  1925)  waren  im  Jahre  1914  in  der  Oloer- 
försterei  Kittel  l^is  zu  600/0  der  abgelegten  Euleneier  durch  diese  Schma- 
rotzer vernichtet  worden.  Selbst  sehr  große  Eigelege  von  10  und  mehr 
Stück  waren  Ei  für  Ei  von  der  Schmarotzerwespe  belegt-). 

Die  trichogrammierten  Eier  sind  unschwer  \on  den  gesunden  zu  untcr- 


Abb.    564.    Weibchen   \on   Trichogramma 

e-<'anescens    Westw.    in    Ruhestellung. 

ca.  50  X.    Nach   H  i  n  t  z  e  1  m  a  n  n. 


Abb.    365.     Paarung    \  on    T richogra?nma, 

links     o,     rechts     cf     (halbschematisch). 

ca.  30X.     Nach    Hase. 


1)  Hier  sei  noch  ein  anderer  Braconide  erwähnt,  der  zwar  keine  große  wirt- 
schaftliche Rolle  zu  spielen  scheint,  jedoch  durch  seinen  grünen  Kokon  schon  seit 
Ratzeburg  das  Interesse  der  Forstentomologen  erweckt  hat.  Es  ist  eine  Micro- 
[^lilis-.\x\,  die  von  Prell  (1925a  u.  b)  vor  wenigen  Jahren  als  Micr.  decipiens  be- 
schrieben wurde.  Der  leuchtend  grüne  Kokon  besitzt  die  Form  eines  Gerstenkornes 
und  ist  sowohl  an  den  Nadeln,  als  am  Stamm  und  auch  am  Boden  zu  finden.  Die 
Larve  ruht  in  dem  Kokon  bis  zum  Frühjahr  und  verpuppt  sich  erst  dann.  Ende 
April  schlüpft  die  junge  Wespe  aus,  indem  sie  durch  einen  ringförmigen  Schnitt  ein 
Deckelchen  vom  Kokon  abtrennt;  Micro plitis  decipiens  ist  nach  Prell  ein  Jung- 
raupentöter,  der  die  Raupen  vor  Beginn  der  schlimmsten  Fraß- 
periode, wenn  sie  etwa  halbwüchsig  erscheinen,  zugrunde  richtet. 
Wenn  der  Parasit  trotz  dieses  günstigen  Momentes  keine  größere  wirtschaftliche  Be- 
deutung erlangt,  so  liegt  dies  zum  Teil  daran,  daß  er  verhältnismäßig  selten  ist, 
was  wiederum  auf  den  starken  Hyperparasitismus,  dem  Microplilis  ausgesetzt  ist, 
zurückzuführen  ist.  Prell  führt  3  Hyperparasiten  an,  unter  ihnen  Mesochoriis  brevi- 
petiolatus  Rtzb.,  den  Ratze  bürg  für  den  Verfertiger  der  grünen  Kokons  und  da- 
mit für  einen  Primärparasiten  der  Eule  hielt. 

2)  Unter  1195  i™  Freien  gesammelten  Kohlwcißlingsciern  zählte  Hase  1177 
trichogrammierte,   also  980/0. 


710 


II.  Spezieller  Teil. 


scheiden.  Wie  oben  berichtet,  verfärbt  sich  das  Eulenei  im  Verlauf  von 
ca.  12  Tagen  von  hellgrün  (frisch  gelegtes  Ei)  bis  zu  schwarzblau.  Dieses 
schwarzblaue  Endstadium  dauert  beim  normalen  Forleulenei  i,  höchstens 
2  Tage.  Wenn  es  länger  anhält,  so  kann  man  in  der  Praxis  sicher  annehmen, 
daß  das  Ei  trichogrammiert  ist.  Auch  an  den  leeren  Eiern  kann  man  statt- 
gehabte Trichogrammierung  noch  gut  erkennen  und  zwar  an  den  Schlupf- 
löchern, die  viel  l^leiner  sind,  als  die  Öffnungen,  die  die  Räupchen  durch 
die  Schale  nagen  (Abb.  566).  Außerdem  zeigen  die  leeren  Eier  charakte- 
ristische Färbungsdifferenzen,  indem  die  von  Parasiten  besetzt  gewesenen 
die  schwarze  Färbung  beibehalten,  während  die  normalen  durchscheinend 
perlmutterfarbig  aussehen.  Die  Zahl  der  Trichogra7nma-'L'6c\i&r  in  einem 
Ei   ist   meist   viel    geringer   als   die    Zahl    der   im   Ei   vorhanden   gewesenen 

Wespen,  da  die  später  schlüpfenden  ge- 
wöhnlich die  von  der  ersten  Wespe  genagte 
Öffnung  als  Ausweg  benutzen.  In  i  Eulenei 
wurden  bis  8  Wespen  gezählt. 

Sofort  nach  dem  Schlüpfen  findet  die 
Begattung  statt.  Die  Weibchen  werden 
gegebenenfalls  mehrfach  begattet,  die  Männ- 
chen paaren  sich  ebenfalls  mehrmals.  Bei 
der  Paarung  hängt  das  Männchen  am  Weib- 
chen in  charakteristischer  Stellung  (Abb.  565). 
Auch  Parthenogenese  kann  auftreten,  und 
zwar  stets  in  der  Form  der  Arhenotokie, 
d.  h.  aus  den  unbefruchteten  Eiern  entstehen 
stets  Männchen. 

Die  Lebensdauer  von  gefütterten 
Trichogramma-V^eihc\\&\  kann  bei  Zimmer- 
temperatur und  guter  Pflege  13 — 30  Tage 
betragen  (H.  Schulze,  1926,  Hase,  1925). 
So  leicht  die  Tiere  mechanischen  Verletzun- 
gen erliegen,  so  widerstandsfähig  sind  sie 
gegen  die  physikalischen  Bedingungen  der 
Umwelt  (Hase). 

Dem  Stechakt  geht  wie  bei  allen  Schlupfwespen  ein  längeres  Be- 
trillern  und  Betasten  der  Eier  mit  den  Fühlern  und  der  Hinterleibsspitze 
voraus.  Darauf  wird  der  Bohrer  tief  ins  Ei  versenkt,  worin  er  nach  Hase 
ca.  I — 5  Minuten  verbleibt.  (Wolff  gibt  als  Dauer  des  ganzen  Legeaktes 
durchschnittlich  ca.  15  Minuten  an.)  Die  Einstiche  sind  nicht  immer  mit 
Eiablage  gleichbedeutend,  sondern  es  gibt  auch  viele  „Fehlstiche"  ohne  Ei- 
ablage (die  die  erfolgreichen  an  Zahl  sogar  übertreffen  können),  an  denen 
aber  trotzdem  die  Wirtseier  zugrunde  gehen.  Es  scheint,  daß  die  Stiche  oft 
auch   Ernährungszwecken   dienen    (austretende    Eiflüssigkeit!). 

Das  gleiche  Wirtsei  wird  nicht  selten  von  mehreren  Weibchen  ange- 
stochen (ebenso  wie  es  auch  von  dem  gleichen  Weibchen  mehrmals  belegt 
werden  kann).  Daher  sind  die  in  einem  Ei  befindlichen  Schmarotzer 
durchaus  nicht  immer  im  gleichen  Alter  bzw.  im  gleichen  Entwicklungs- 
stadium; auch  können  wir  in  solchen  Fällen  nicht  immer  kurzweg  von  ,,Ei- 
geschwistern"  reden. 


A  B 

Abb.  566.  A  Euleneier  mit  den 
Schlupföffnungen  der  Räupchen. 
B  Euleneier  mit  den  kleineren 
Schlupföffnungen  des  Eipara- 
siten  Trichogramma  evnnescens 
Westw.     Nach    Sachtleben. 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  711 

Die  Entwicklung  ist  eine  sehr  rasche  und  beträgt  bei  sommerlicher 
Temperatur  nur  lo — 14  Tage,  bei  tieferen  Temperaturen  kann  sie  sich  je- 
doch wesentlich  verlangsamen  (z.  B.  bei  10  0  C  bis  zu  40  Tagen).  Es  können 
also  unter  günstigen  Witterungs-  und  Wirtsverhältnissen  eine  ganze  An- 
zahl von   Generationen  in  einem  Sommer  aufeinander  folgen. 

Was  endlich  die  Fruchtbarkeit  von  Trichograni7na  betrifft,  so  gibt 
H.  Schulze  als  Durchschnittszahl  35,6  Nachkommen  pro  Weibchen  an. 
Die  Höchstzahl  der  abgelegten  Eier  fällt  stets  auf  den  ersten  Tag,  an  dem 
das  Weibchen  mit  den  Wirtseiern  in  Berührung  kommt  (also  normalerweise 
am  ersten  Lebenstag).  Die  unbefruchteten  Weibchen  bringen  gewöhnlich 
noch  mehr  Eier  hervor  als  die  befruchteten,  nämlich  durchschnittlich  41,6, 
doch  ergeben  diese  nur  Männchen. 

Nach  dem  Gesagten  kommt  der  Trichogramma  in  der  Epi- 
demiologie der  Eule  jedenfalls  eine  bedeutende  Rolle  zu.  Da 
sie  sich  auch  zur  künstlichen  Massenzucht  wie  kaum  eine  zweite  Schlupf- 
wespe eignet,  so  kommt  sie  eventuell  auch  für  eine  biologische  Bekämpfung 
in  Betracht.    (Vgl.  Voelkel,   1925,   Hase,  1925  und  H.Schulze,   1926.J 

Pteromalus  alboannulatus  Rtzb.  (Abb.  567).  Ein  häufiger  Puppen- 
parasit. Sachtleben  faßt  seine  Beobachtungen  über  die  Bionomie 
folgendermaßen  zusammen:  „Lebensdauer  der  9  8  bis  24  (im  Mittel  15,8) 
Tage,  der  cT  3  bis  7  (im  Mittel  5)  Tage;  das  Anstechen  der  Forleulenpuppe 
erfolgt  am  dritten  bis  zwölften  Tage  nach  dem  Schlüpfen  des  FL  albo- 
annidatifS-Q;  die  Entwicklungsdauer  vom  Ei  bis  zur  Imago  beträgt  in 
Zwingerzuchten  25  bis  39  Tage;  im  Walde  dürften  wahrscheinlich  bei  gün- 
stiger Temperatur  mehrere  Generationen  auftreten,  doch  schiebt  sich  hier 
eine  längere  Zwischenperiode,  in  der  sich  Pt.  alboannulatus  Ratz,  als  Larve 
in  der  Forleulenpuppe  befindet,  vom  Herbst  bis  zum  Frühjahre  ein;  die 
Zahl  der  aus  einer  Wirtspuppe  schlüpfenden  Nachkommen  eines  9  schwankt 

zwischen  21  und  68;  die  Zahl  der  cf 
in  seiner  Brut  ist  sehr  gering  (2  bis  6)  ; 
Parthenogenese  ist  bei  Pt.  alboannula- 
tus Ratz,  möglich,  und  zwar  entwik- 


Abb.  567.  Abb.  568.   Eine  Eulenpuppe  mit  mehreren 

Pteromalus  alboannidalus  Rtzb. -9.  ein  Schlupflöchern  des  Puppenparasiten  Pte- 
häufiger  Parasit  der   Kieferneulenpuppe.  romalus  alboan?tulaius  Rtzb.    Nach 

ca.  15X.  Sacht  leben. 

kein  sich  aus  unbefruchteten  Eiern  nur  cf-  —  Die  Forleule  wird  im  Puppen- 
stadium von  Pt.  alboannulatus  Ratz,  parasitiert.  Im  Zwinger  lassen  sich 
mehrere  Generationen  von  Pt.  alboannulatus  Ratz,  ohne  Schwierigkeit  in 
Forleulenpuppen  züchten.  — ■  Puppen  von  Lepidopteren,  die  der  gleichen 
Biocönose  wie  die   Forleule  angehören,  die  mit  der   Forleulenpuppe  gleiche 


712  II.  Spezieller  Teil. 

Lage  in  der  Bodenbedeckung  und  ähnliche  morphologische  Beschaffenheit 
der  Puppe  teilen  (Bupalus  piniarius  L.  und  Sphinx  piiiastri  L.)  werden  von 
Pt.  alboannulatus  Ratz,  ohne  weiteres  parasitiert." 

Das  Anstechen  dauert  in  der  Regel  30 — 45  Minuten.  Die  Weibchen 
sitzen  sehr  häufig  auf  den  Forleulenpuppen,  ohne  daß  ein  Anstechen  erfolgt. 
Oft  halten  sie  sich  stundenlang  auf  den  Puppen  auf,  von  Zeit  zu  Zeit  auf 
diesen  umherlaufend  und  sie  mit  den  Fühlern  betastend.  Sachtleben 
hat  in  Zwingerversuchen  festgestellt,  daß  Pt.  alboajinulaius  ohne  Schwierig- 
keit völlig  erhärtete,  mehrere  Monate  alte  Puppen  anzustechen  vermag.  So 
wird  auch  im  Walde  das  Anstechen  nicht  nur  auf  die  kurze  Zeit  vom  Be- 
ginn der  Verpuppung  der  Eule  bis  zur  Erhärtung  der  Puppe  beschränkt 
sein,  wie  Wolff  vermutete. 

Die  von  alboannulatus  angestochene  Eulenpuppe  wird  nach  wenigen 
Tagen  aktiv  unbeweglich,  späterhin  auch  passiv  unbeweglich,  d.  h.  die  Puppe 
wird  völlig  starr  und  bildet  eine  einzige  Masse,  die  nicht  mehr  innerhalb 
der  einzelnen  Abschnitte  bewegt  werden  kann.  Bei  einem  Teil  der  Puppen 
ziehen  sich  die  Segmente  zusammen,  so  daß  die  Puppe  kürzer  wird,  bei 
einem  anderen  Teil  dagegen  erscheint  die   Puppe  mehr  gestreckt. 

Das  Schlüpfen  des  Schmarotzers  erfolgt  meist  nachts.  Die  Wespen 
nagen  durch  die  Puppenhaut  der  Eulenpuppe  ein  oder  mehrere  runde  Löcher 
mit  schwach  ausgerandeten  Rändern  (Abb.  568).  Die  Lage  dieser  Löcher  ist 
sehr  verschieden,  irgendeine  Regelmäßigkeit  oder  Bevorzugung  bestimmter 
Teile  der  Eulenpuppe  konnte  nicht  festgestellt  werden,  ebensowenig  steht 
die  Zahl  der  Löcher  in  Beziehung  zur  Zahl  der  geschlüpften  Wespen 
(Sa  cht  leben,    1927). 

Die  Tachinen. 

Ernestia  (Panzeria)  rudis  Fall.  (Abb.  569).  Diese  Tachine,  deren 
Biologie  von  Prell  (1915)  eingehend  studiert  wurde,  ist  der  wichtigste 
Parasit  der  Kieferneule,  der  bei  allen  Eulenkalamitäten  den  übrigen  Schma- 
rotzern weit  überlegen  ist.  Man  sieht  sie  denn  auch  massenweise  in  den 
Eulenwäldern  schwärmen. 

E.  rudis  ist  in  ihrer  Flugzeit  und  einfachen  Generation  dem  Jahreslauf 
der  Eule  vollkommen  angepaßt.  Wie  aber  aus  ihrer  Häufigkeit  auch  in 
anderen  Wäldern  hervorgeht,  ist  sie  jedenfalls  nicht  auf  die  Eule  beschränkt, 
sondern  kommt  auch  in  anderen  Wirten  vor^). 

E.  rudis  gehört  zu  der  P an t eischen  Fortpflanzungsgruppe  4;  d.  h.  die 
Weibchen  setzen  ihre  Nachkommen  frei  auf  den  Nahrungspflanzen  ab  und 
zwar  normalerweise  als  geschlüpfte  Maden,  welche  in  der  beim  Legen  napf- 
artig zusammengestauchten  Eihülle  sitzen  (Abb.  570).  Werden  die  unver- 
sehrten Eier  abgesetzt,  so  können  sich  die  Maden  nicht  frei  machen  und 
gehen  zugrunde. 

Die  Fliege  sucht  zur  Eiablage  solche  Nadeln,  an  welchen  Raupen 
fressen  oder  auf  denen  ein  feiner  Kriechfaden  der  Eulenraupe  ausgespannt 
ist,  wo  also  die  Möglichkeit,  einen  Wirt  zu  finden  besonders  groß  ist.  Die 
jungen  Lärvchen  fallen  durch  ihre  dunkle  Färbung  auf,  die  daher  rührt, 
daß  die  Haut  mit  großen,  schwarzgefärbten  Dornen  dicht  besetzt  ist  (siehe 


1)    Sie  wurde  denn  auch  schon  aus   Doulrol.  pini  L.   und   Taeniocaiiipa  s/a/^ilis 
View,  von  Eiche  gezogen. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen  i 


13 


Abb.  570a)  (ein  Schutz  der  freilebenden  Larve  gegen  Vertrocknen  usw.).  Im 
allgemeinen  halten  sich  die  in  Lauerstellung  wartenden  Larven  ruhig;  die 
kleinste  Erschütterung  jedoch  genügt,  um  sie  aus  ihrer  scheinbaren  Letargie 
aufzuwecken.  Sie  fangen  nun  an,  mit  ihrem  Vorderkörper  um  sich  zu 
schlagen,  kreisförmig  sich  zu  bewegen  oder  nach  vorne  und  hinten  zu 
pendeln.  Rührt  die  Erschütterung  von  einer  ankommenden  Eulenraupe  her, 
so  heftet  sich  die  Made  mit  einem 
klebrigen  Speichelsekret  an  derselben 
fest  und  bohrt  sich  entweder  auf  der 
Stelle  ein  oder  sie  wandert  auf  der 


Abb.  56g.   Ernestia  (Paiizcria)  riidis  Fall., 

der  wirksamste   Parasit   der   Kieferneule. 

ca.  3X. 


Abb.  570.  Frisch  abgesetzte  Brut  von 
Ernestia  rudis  Fall,  a  Junglarve  mit  dem 
zum  Becher  zusammengestauchten  Cho- 
rion, b  unversehrt  abgesetztes  Ei  mit  der 
Larve  darin.  Pfeil:  Bewegungsrichtung- 
der  brutabsetzenden  Fliege,  ca.  65  X- 
Nach   Prell. 


Raupe  eine  Zeitlang  umher,  um  eine 
geeignete  Einbohrstelle  zu  finden. 
Das  Einbohren  selbst  dauert  ver- 
schieden lang;  je  nach  der  Einbohr- 
stelle durchschnittlich  ca.  15  Minuten. 

Die  Fruchtbarkeit  der  Tachine  übertrifft  die  des  Wirtes  bei 
weitem.  Die  entwickelten  Eier  treten  in  die  Vagina,  die  dadurch  eine  immer 
größere  Ausdehnung  annimmt  und  sich  schließlich  schneckenartig  windet, 
den  größten  Teil  des  Hinterleibes  des  Weibchens  ausfüllend  (Abb.  571  \ 
Die  Vagina  stellt  in  diesem   Fall  also  einen   Fruchthälter  dar. 

Die  E  i  n  b  o  h  r  s  t  e  1 1  e  n  der  jungen  Maden  sind  an  den  Eulenraupen 
meist  als  dunkelbraune  Flecken  leicht  zu  erkennen.  In  jeder  Raupe  kann 
nur  I  Tachinenlarve  zur  Entwicklung  gelangen.  Die  Tachinenlarve  ist  in 
der  Regel  zur  Verpuppungszeit  der  parasitierten  Forleulenraupe  ausge- 
wachsen. Die  von  E.  rudis  parasitierte  Forleulenraupe  begibt  sich  meist 
noch  wie  eine  gesunde  Raupe  zur  Verpuppung  in  die  Bodenstreu  und 
stirbt  hier  kurz   darauf.    Die   Anfertigung  einer  Puppenhöhle  findet  in  der 


714 


II.  Spezieller  Teil. 


II.  Untei-ordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


715 


Regel  nicht  mehr  statt.  Die  parasitierte  Forleulenraupe  ist  kurz  vor  dem 
Tode  aufgedunsen  und  gelbbräunlich  gefärbt.  Die  Zeichnung  ist  fast  ganz 
verschwunden.  Die  Tachinenlarve  verläßt  die  tote  Eulenraupe  und  geht  in 
den  Boden.  Das  Ausbohren  der  Tachinenlarve  aus  der  Forleulenraupe  er- 
folgt am  I.,  häufig  auch  erst  am  2.  Tag  nach  dem  Tode  der  Eulenraupe. 
Die  Tönnchen  sind  in  ihrer  Größe  je  nach  der  Ernährung  der  Made 
sehr  verschieden.  Die  normale  Länge  beträgt  ca.  9 — 10  mm,  daneben  kommen 
aber  auch  größere  (bis  10,8)  und  auch  kleinere  bis  herunter  zu  5,2  mm 
vor.    Die  Färbung  ist  anfänglich  gelblich,  dann  gelbrot  und  wird  schließlich 

rotbraun  oder  schwarzbraun, 
die  der  kleineren  heller  bis  zu 
rotbraun.  Ihre  Oberfläche  zeiart 


vst 


vst 


a 

Abb.  572.  Tönnchen  von  Ernesliu  ri/dis. 
a  besonders  großes,  b  besonders  kleines 
Exemplar  bei  gleicher  Vergrößerung,  hst 
hinteres,  vsl  vorderes  Stigmenpaar.  ca.  6x 
Nach  Pre^ll. 


Abb.   •ijT).     Echino7tiyin   magnicoruis 
Zett.     ca.  3X. 


einen    starken    Glanz,    die    Vor- 
derstigmen   treten    als    körnige 
Höcker  stark  hervor  (Abb.  572). 
In   diesen   Tönnchen   verbringt   die   anfangs   August   bereits   völlig  aus- 
gebildete Tachinenpuppe  den  Herbst  und  Winter  bis  zum  nächsten  Frühjahr. 
In  ihrer  zeitlichen  Entwicklung  ist  somit  Ernestia  nidis   Fall,  völlig  ihrem 
Wirt,  der   Forleule,  angepaßt.   (Nach  Prell   aus  Sa  cht  leben.) 

Echinomyia  magnicornis  Zett.^)  (Abb.  573).  Gehört  der  gleichen  Fort- 
pflanzungsgruppe an,  wie  die  vorige  Art,  ist  also  ovovivipar  und  sehr  frucht- 
iDar.  Fliegt  von  Mai  bis  Oktober.  Nach  B  a  e  r  scheinen  2  Generationen  vor- 
zukommen. Als  biologische  Eigentümlichkeit  dieser  Tachine  ist  hervorzu- 
heben,   daß    die    Verpuppung    (wohl    nicht    immer?)    innerhalb    der    leeren 


1)  Nach  P.Stein  (Die  verbreitetsten  Tachiniden  Mitteleuropas,  Archiv  für 
Nat.  90.  Jhrg.,  1924,  S.  44)  sind  die  beiden  kaum  zu  unterscheidenden  Arten, 
magnicornis  Zett.  und  fera  Meig.  zur  Gattung  Echinoinyia  Dum.  zu  stellen,  da  das 
Hauptmerkmal,  durch  welches  die  beiden  Arten  getrennt  und  auf  welches  die  Gat- 
tung Eudora  {Etidoroinyia  Bezzi)  gegründet  wurde,  nämlich  das  Vorhandensein  von 
Orbitalborsten  beim  Männchen  (von  ifiagtticornis  Zett.),  nicht  konstant  ist.  Diese 
Auffassung  wird  auch  von  Dr.   Villeneuve   (laut  brieflicher   Mitteilung)    geteilt. 


716 


II.  Spezieller  Teil. 

■efundenen  Tönnchcn  sind  ziemlich  dünn- 


Raupenhaut  stattfindet.    Die  hier 
liäutig  und  hell  gefärbt  (Baer). 

E.  magnicornis  ist  ziemlich  polyphag  und  wurde  schon  aus  einer  ganzen 
Anzahl  Spinner  (Lymantria  monacha  L.,  Z.  dispar  L.,  Eupr.  chrysorrhoca  L. 
usw.)   und   Eulen   [Agrolis- Porten,   Mamestra  pisi  L.   usw.)   gezogen^). 


.\bb. 


574.    A   Anllirax  Jwlleiiloltus   L.,   ein   Primärparasit   der   Kiefcrneule,  B   AnlJirax 
i/ior/o    L.,    ein    häufiger    Hyperparasit    \on    J-lnieslia    und    Bcniclius.    2^/2  X- 


Anthrax  hottentottus  L.  (Abb.  574).  Wurde  im  Tharandter  Institut  in 
nicht  unbeträchtlicher  Zahl  als  primärer  Parasit  aus  sächsischen  Pa/zolis- 
Puppen  gezogen  (Baer). 

Außer  den  hier  genannten  Dipteren  wurde  noch  eine  Reihe  anderer  Tachinen 
gezogen,  wie  Pliryxc  vulgaris  Fall..  W iiillteiiüii  amoeiia  Meig.,  S/i/r/iiia  bimacuhila 
Htg.,  Goiiia  /ascia/a  Meig.  usw.  (siehe  Baer,  1921,  S.  182,  und  Sachtleben, 
1929,   S.  70),   die  aber  bis  jetzt   nirgends   eine   größere   Bedeutung  erlangt  haben. 


siten 
doch 
initer 


Hy  per  Parasiten. 
Die    genannten    Primärparasiten    werden    nicht    selten    von    Hyperpara- 
heimgesucht  und  so  in  ihrer  Wirkung  oft  stark  beeinträchtigt.    ]>Nennt 
Baer   (1925,   S.   28)  deren   15  und  Sachtleben  gar  deren  32   Arten, 
denen  folgende  genannt  seien :  Mesochoriis  brevipetiolatiis  Rtzb.,  Asti- 
phromiua  sculcfhitiim  Grav.  und  slrenmim  Holmg. 
Angilhi     li'iiuipes     Thoms.,     Tyloroni/ius     sci/hcr 
Gra\-.,    C/yp///s   (ihiiuu'    Grav.,    verschiedene    //c- 
/////cVf^^s-- Arten,  6  P]iyg(ulciioii-\xiQ\\,  Microcypdis 
hcisicoiiiis    Grav.,    abdoDiiiialor    Grav.    und    h  la- 
ch yplents    Grav.,     mehrere    Pleclocryptiis-\\\Q\\. 
I  chiiciinioii      iiigrilariiis      Grav.      und      pircolor 
Thunb.,     Melconis     üll)idil(irsis     Gurt,     und     die 
Dipteren    Aul h nix    jiiorio    L.    (Abb.    574  B)    und 
iiutiirns  L. 

Die  meisten   Hyperparasiten  wurden  aus  den 

beiden    wichtigsten    Primärparasiten    der    Eule, 

Baiic/iKS    jenioralis    Thoms.    und    Er/ies/ia    riidis 

Fall.,  gezogen.  Vielfach  werden  die  beiden  von  den  gleichen  Hyperparasiten 

befallen.  So  wurde  die  Fliege  Aiitlirax  iiwrio  L.  sowohl  aus  y?(?//r////5'-Kok'ins 


II 


Abb 


.  575.  Tachinentönncht 
t    Schlupflöchern    von 
Hyperparasiten. 


1)  IJber  die  Stellung  der  Echhionty. 
leben   (1927,476—478). 


zu  iiKigiiir 


7.c{{ 


iehe  S  a  c  h 


II.  Unterordnung:  ^lacrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  717 

als  auch  aus  Ernesl/a-Tönnchen  gezogen;  das  gleiche  gilt  für  die  Schlupf- 
wespen Hemiteles  caslaiieus  Taschb.  und  Plectocryphis  arrogans  Grav. 
(welch  letzterer  auch  als  Primärparasit  bei  der  Eule  vorkommt)  und  vielen 
anderen.  Die  Phygadeuon-Arten  sind  wohl  mehr  Parasiten  von  Ernestia, 
^^•ährend  Cryptus  dianae  Gra\".  und  spinosiis  Gra\'.  \'orwiegend  aus  Banchus 
gezogen  wurden  i). 

Krankheiten. 

Sowohl  die  Raupen  als  auch  die  Puppen  der  Eule  werden  von  ver- 
schiedenen Krankheiten  befallen,  von  denen  noch  nicht  näher  untersuchte 
Bakterienkrankheiten    und   2  Mykosen    die    Hauptrolle   spielen. 

Daneben  tritt  auch  die  Polyederkrankheit  bei  der  Kieferneulcn- 
raupe  auf.  Doch  scheint  sie  im  Gegensatz  zu  den  Angaben  W  o  1  f  f  s  bei 
dieser  Art  keine  allzu  große  Rolle  zu  spielen.  So  berichtet  Zwölfer,  daß 
er  unter  ca.  500  aus  verschiedenen  mittel  fränkischen  und  oberpfälzischen 
Forstämtern  stammenden,  an  Krankheiten  zugrunde  gegangenen  Raupen- 
kadavern, die  einzeln  untersucht  wurden,  nur  bei  2  Stück  das  Vorliegen 
einer  Polyederkrankheit  mit  Sicherheit  feststellen  konnte.  Demgegenüber 
trat  diese  Krankheit  in  seinen  Zuchten  etwas  stärker  auf,  ohne  aber  auch 
hier  im  Gegensatz  zu  Bakteriosen  epidemische   Formen  anzunehmen. 

B  a  k  t  e  r  i  e  n  -  K  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n. 

Bei  den  meisten  großen  Eulengradationen  tritt  im  Eruptionsjahr  eine 
Seuche  unter  den  Raupen  auf,  deren  äußere  Symptome  zwar  denen  der 
Polyederkrankheit  ähneln,  bei  denen  aber  keine  Polyeder  im  Blut  festzu- 
stellen sind.  Wir  fassen  sie  vorläufig  als  Bakteriosen  auf.  Die  Raupen 
verfärben  sich  und  werden  freßunlustig;  im  vorgeschrittenen  Stadium  hängen 
sie  massenweise  nur  mit  einem  Paar  Afterfüße  am  Stamm  oder  an  den 
Zweigen  fest,  während  ihre  beiden  Hälften  schlaff  herabhängen.  Ihr  Inhalt 
besteht  aus  einer  milchkaffeeartig  jauchigen  Flüssigkeit.  Die  meisten  Raupen 
gehen  vor  der  Verpuppung  zugrunde. 

Eine  sehr  lebendige  Schilderung  des  Verlaufs  einer  derartigen  Bakteriose  gibt 
von  Kessel  (1924):  ,,Bis  zum  18.  Juli,"  heißt  es  da.  ,, spannen  die  Eulen  sich 
noch  am  Faden  zur  Erde.  Am  ig.  Juli  wurde  im  Südteil  beobachtet,  wie  sich  die 
Eulen  zu  Tausenden  oder  noch  zahlreicher  an  einzelnen,  besonders  nach  Süden  ge- 
legenen Randstämmen  sammelten.  Sie  krochen  die  Stämme  matt  und  langsam  etwa 
5 — 8  m  in  die  Höhe,  und  zwar  bis  zu  der  Stelle,  wo  die  Borke  in  die  Spiegelrinde 
übergeht.  Dort  blieben  sie  wie  schwärmende  Bienen  sitzen.  Oft  konnte  man  an 
solchen  Stämmen  die  Rinde  nicht  mehr  sehen.  Auf  der  Spiegelrinde  oben  aber 
waren  auch  mit  einem  Zeißglase  nur  ganz  wenige  Eulen  zu  entdecken.  Diese  Er- 
scheinung breitete  sich  von  diesem  Tage  an  innerhalb  von  8 — 10  Tagen  über  das 
ganze  Revier  aus,  zuerst  im  Südteil,  wo  der  Fraß  auch  etwa  14  Tage  eher  begonnen 
hatte.  Sichtbar  wurden  die  Raupen  Stunde  für  Stunde  kränker.  In  Beständen,  die 
Förster  Kühne  rt  oder  ich  am  Vormittag  untersucht  hatten,  waren  am  Nachmittag 
die  Bilder  schon  oft  ganz  andere,  und  die  Eulen  inzwischen  schon  wieder  viel 
kränker   geworden.    Das    Ende    der    Raupen   ging    so    vor    sich,    daß    die   Raupen   in 


1)  Fuchs  bezeichnet  Cryptus  diafiae  Grav.  als  Eulenschmarotzer  im.  mittel- 
fränkischen Fraßgebiet  1902;  Habermehl  zog  ihn  sowohl  als  ,, primären  Para- 
siten" aus  der  Eule,  als  auch  als  ,, sekundären  Parasiten"  aus  Banchus  jemoralis 
Thoms.,   Sachtleben   (1927)    zog  ihn  als   Primärparasiten   aus   Eulenpuppen. 


718  II.  Spezieller  Teil. 

ihrer  großen  Mehrzahl  das  Innere  der  Bestände  verließen,  sich  an  der  Sonnenseite 
der  Bestände  sammelten,  und  dort,  in  dem  Bestreben,  wieder  auf  die  Bäume  herauf- 
zukriechen,  an  deren  Fuß  nach  Millionen  zählende,  wimmelnde,  ekelhafte  Haufen 
bildeten.  Die  wenigen  Exemplare,  denen  es  gelang,  wieder  an  einen  Stamm  heran- 
zukommen, waren  so  matt,  daß  sie  sich  bei  der  kleinsten  Berührung  gegenseitig 
herunterrissen.  Bei  den  Bäumen,  bei  denen  eine  Beobachtung  der  Krone  möglich 
war  (Förster  Kühne  rt  hat  mehrere  Stämme  in  80  jährigem  Bestände  erklettert), 
konnte  festgestellt  werden,  daß  die  Raupen,  denen  es  schließlich  gelungen  war,  bis 
zu  den  Nadeln  zu  gelangen,  den  Fraß  nicht  mehr  aufnahmen,  sondern  matt  in  den 
grünen  Nadeln  hingen.  Nach  wenigen  Stunden  oder  Tagen  waren  sie  tot,  wie  von 
innen  heraus  verfault.  Bei  den  zum  Glück  im  ganzen  ja  nicht  sehr  stark  befallenen 
Schonungen  konnte  man  beobachten,  wie  die  Raupen  sich  im  Bestreben,  immer 
höher  heraufzukommen,  in  Mengen  auf  der  obersten  Spitze  sammelten,  so  daß  diese 
sich  infolge  des  Gewichts  manchmal  bog;  dort  hingen  sie,  ohne  zu  fressen,  in  den 
grünen  Nadeln  und  starben  bald  in  der  geschilderten  Weise  ab." 

Bei  Berwig  (1926)  finden  sich  eine  Reihe  von  Angaben  aus  früheren 
Zeiten,  die  auf  die  Beendigung  der  Kalamität  durch  Ausbruch  derartiger 
Krankheiten  schließen  lassen.  Wenn  von  „Ruhr"  gesprochen  wird  oder  wenn 
berichtet  wird,  daß  die  Raupen  „in  eine  jauchige  Masse  verwandelt  wurden", 
oder  daß  sie  „braun  und  schwarz  werden  und  am  Gipfel  und  Zweigstücken 
in  3 — 4  Tagen  verenden",  oder,  daß  „Schlaffsucht  eingetreten  sei  und  dabei 
auch  Wipfeln  beobachtet  werden  konnte"  usw.,  so  deuten  diese  Angaben 
zweifellos   auf   Bakterienkrankheiten  hin. 

Mykosen. 

Bei  der  Eule  sind  hauptsächlich  2  Pilzkrankheiten  zu  erwähnen,  von 
denen  die  eine  die  Raupe,  die  andere  die  Puppe  befällt. 

Die  Raupenmykose,  die  durch  den  Pilz  Einpiisa  aulicae  Reich,  her- 
vorgerufen wird,  ist  wohl  die  häufigste  bei  Eulengradationen  zu  beob- 
achtende Krankheit,  die  sehr  oft  die  Beendigung  der  Kalamität  bedeutet. 
Der  Pilz  sowie  die  Krankheitserscheinungen  sind  zum  erstenmal  von  Bail 
beschrieben  und  sodann  von  v.  Tubeuf  (1893)  ausführlich  dargestellt. 
(Siehe  auch  Band  I  dieses  Werkes  S.  262.)  Die  keimende  Spore  sendet 
durch  die  Haut  des  Tieres  einen  Schlauch  in  das  Tierinnere  hinein.  Hier 
wuchert  der  Pilz  durch  das  Tier  hindurch,  alle  Weichteile  desselben  auf- 
zehrend. Die  befallenen  Raupen,  die  zuerst  eine  mißfarbig  blaßgrüne  Fär- 
bung und  ein  aufgedunsenes  Aussehen  zeigen,  hören  zu  fressen  auf  und 
sterben  ab,  wobei  sie  meist  mit  den  hinteren  Beinpaaren  an  den  Kiefern- 
nadeln festgeklammert  sind,  die  verschiedensten  Stellungen  einnehmend, 
mit  erhobenem  Vorderkörper,  oder  gerade  gestreckt  usw.  (Abb.  576).  Auf 
der  ganzen  Körperoberfläche  erheben  sich  in  dichtem  Rasen  Conidien- 
träger,  so  daß  die  Raupe  wie  von  einem  gelbgrünen  Mehl  eingestäubt  er- 
scheint. Die  Unterlage  zeigt  ebenfalls  in  der  Nähe  der  verendeten  Raupen 
eine  feine  Mehlbestäubung,  die  von  den  abgeschleuderten  Conidien  herrührt. 
Ist  der  Staub  durch  Regen  von  der  Raupe  abgewaschen,  so  erscheint  diese 
schwarzbraun,  seltener  gelblich  mit  dunkleren  Streifen.  Die  Raupen  sind 
brüchig  wie  Holundermark.  Die  abgestorbenen  Raupen  trocknen  an  den 
Zweigen  und  Nadeln  gewöhnlich  fest  an,  so  daß  sie  dort  oft  noch  mehrere 
Monate  nach  dem  Fraßende  nachzuweisen  sind.  Sehr  häufig  findet  man 
größere  Ansammlungen  von  Empusa-y[x\m\^VL  an  den  Wipfeln.  Außer  an 
den    Zweigen    findet    man    auch    am    Boden    ausgestreckte    verpilzte,    einge- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  719 

trocknete  Raupen,  d.  s.  solche,  die  bei  Beginn  der  Erkrankung  vom  Baum 
gefallen  waren  und  nicht  mehr  hochkommen  konnten. 

Die  Überwinterung  der  Empiisa  geschieht  durch  Dauersporen  und  zwar 
Azygosporen,  die  sich  in  den  Raupen-Kadavern  im  Boden  oder  auf  den 
Zweigen  entwickeln.  Durch  sie  werden  im  folgenden  Jahr  die  jungen 
Raupen  infiziert. 

Die  wirtschaftliche  Bedeutung  der  Einpusa  -Mykose  ist 
sehr  groß;   wird   doch   sehr   häufig   durch   sie   allein   eine   plötzliche   Krisis 


Abb.   576.    Fichtenwipfel    (Unterholz',  bedeckt  mit   zahlreichen  Empusa-V\-Ax\k.(t\\   Forl- 

eulenraupen. 

der  Gradation  herbeigeführt.  Es  sind  eine  ganze  Anzahl  solcher  Fälle  in 
der  Literatur  verzeichnet  (siehe  von  Tubeuf,  1893  und  Berwig,  1925) 
und  auch  bei  der  jüngsten  bayerischen  Kalamität  wurde  stellenweise  der 
Zusammenbruch  durch  Einpusa  herbeigeführt.  Andererseits  sind  auch  Fälle 
bekannt,  in  denen  die  Empifsa-Mykose  erst  im  zweiten  Jahr  zur  vollen 
Wirkung  gelangte,  z.  B.  in  Grafenwöhr,  wo,  trotzdem  der  Pilz  im  Jahre 
1891  eine  allgemeine  Erkrankung  verursachte,  noch  so  viele  Puppen  gesund 
ins   Jahr    1892    kamen,    daß    abermals   heftigster    Fraß    eintrat,    der    erst   im 


720 


II.  Spezieller  Teil. 


Sommer     1892     durch    den    Pilz    völlig    beendet    wurde,      (von    Tubeuf, 
1893  b)i). 

Die  Puppenmykose  wird  durch  den  zu  den  Fungi  imperfecti  gehören- 
den Pilz  Isaria  farinosa  Fries,  verursacht  (siehe  Lakon  im  I.  Band  dieses 
Werkes  S.  281  ff.).  Eingehende  Angaben  über  das  Auftreten  dieses  Pilzes 
bei  Eulengradationen  finden  sich  bei  Wolff-Krauße  (1925).  Die  In- 
fektion findet  meist  um  die  Zeit  der  Verwandlung  der  Raupe  in  die  Puppe 
statt  (ausnahmsweise  werden  abgebaumte  Raupen  noch  vor  der  Verpuppung 
durch  den  Pilz  abgetötet).  Die  frischinfizierten  Puppen  (etwa  im  August) 
unterscheiden  sich  von  den  normalen  dadurch,   daß  sie  eine  eigentümliche, 

runzelige  und  auch  meist 
hellfarbigere  Haut  haben 
als  gesunde  und  sich  natür- 
lich auch  nicht  m.ehr  be- 
wegen. Es  kann  um  diese 
Zeit  auch  schon  das  erste 
Hindurchbrechen  der  Pilz- 
hyphen  nach  außen  erfolgt 
sein  (Abb.  579  A). 

Im  Innern  sind  die 
Puppen  von  einer  gelblich 
weißen,  holundermarkarti- 
gen  Masse  erfüllt.  Später 
werden  sie  in  sklerotien- 
artige  Körper  verwandelt, 
aus  denen  die  Fruchtträger 
(Coremien)  des  Pilzes  her- 
auswachsen (Abb.  579  B). 
Wenn  man  im  November 
die  Streudecke  abhebt,  fin- 
det man  nicht  selten  aus 
jeder  Puppe  einen  Pilz 
hervorwuchern,  „gleichsam 
das  Bild  einer  mit  wei- 
ßen Blumen  übersäten  Wiese  darbietend".  Die  „weißen  Blumen"  werden 
von  den  phantastisch  verzweigten,  nicht  selten  mehrere  Zentimeter  langen 
Fruchtträgern  dargestellt,  die  auf  einem  scheinbar  nur  aus  Hyphenmasse 
bestehenden  Körper  aufsitzen.  In  diesem  Zustand  werden  die  Puppen  von 
den  mit  Probesammeln  beschäftigten  Personen  leicht  übersehen  bzw.  nicht 
als   solche   erkannt. 

Die  /.ff^r/ß- Infektion  kann  bei  entsprechend  günstiger  Witterung  eine 
große  Verbreitung  erlangen.  Doch  kann  die  Ausbreitung  durch  zeitig  ein- 
setzende, sehr  strenge  und  langandauernde  Winter  schwer  gehemmt  werden. 
Wolff-Krauße  nehmen  an,  daß  durch  den  Frost  im  Boden  die  zahl- 
losen tierischen  Organismen,  die  sonst  wohl  zum  größten  Teil  die  Ver- 
breitung der  Sporen  von  Puppe  zu  Puppe  besorgen,  in  Erstarrung  geraten, 
wodurch   der   Hauptverbreitungsfaktor  ausgeschaltet   wird. 


Abb.   577.    Von  Empusa  aulicae  befallene  Kiefern- 

eulenraupen,  die  tot  an  den  Nadeln  hängen.   Nach 

Wo  I  f  f   und   K  r  a  u  ß  e. 


1)  Auch  bei  der  jetzigen  mittelfränkischen  Kalamität  sind  an  vielen  Orten  trotz 
der  allenthalben  aufgetretenen  j5'm/'«J-rt-Erkrankungen  noch  zahlreiche  Raupen  in  den 
Boden  gegangen  und  haben  da  gesunde  Puppen  ergeben. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen) 


721 


Räuberische  Tiere. 

Gegenüber  den  Parasiten  und  Krankheiten  treten  die  räuberischen  Tiere 
in  ihrer  Krisen-Wirkung  beträchtlich  in  den  Hintergrund.  Sie  wirken  zwar, 
oft  sogar  recht  augenfällig,  an  der  Vernichtung  der  Eule  mit,  doch  sie 
allein  würden  wohl  schwerlich  mit  einer  großen  Eulengradation  fertig 
Averden,  während  die  erstgenannten  Faktoren  auch  ohne  Mithilfe  der  Räuber 
die  Krisis  der  Epidemie  herbeiführen  können.  Der  Grund  für  die  schwächere 
Wirkung  der  Räuber  liegt  in  dem 
Mißverhältnis  der  Vermehrungs- 
ziffer des  Schädlings  zu  der  des 
Feindes,  worauf  ja  oben  schon 
mehrfach  hingewiesen  wurde.  Lokal 
(horstweise)  allerdings  können  von 
einzelnen  Räubern  größere  Wir- 
kungen, ja  sogar  Vollwirkungen  er- 
zielt werden  (Ameisen),  doch  im 
allgemeinen  können  wir  in  den 
Räubern  nur  vorbeugende  Fak- 
toren sehen. 


Räuberische   Arthropoden.        ,,,        ,,    .,       ,.  ,.        i-,   ■  i 

'■  Abb.  i/cS.    Von  J-^inpusu  aulicae  Reich,  ge- 

Unter     diesen     spielt     die     rote  "    tötete    Kieferneulenraupen. 

Waldameise    {Fonnica    riifa    L. ) 

die  Hauptrolle.    Sie  ist  imstande,  selbst  bei  heftigsten  Gradationen  ihre  Um- 
gebung gesund  zu  erhalten,  wie  die  grünen  „Ameisenhorste"   im  Kahlfraß- 
meer beweisen,  die  besonders  deutlich  da  hervortreten,  wo  die  kahlgefressenen 
Bestände    abgeholzt    wurden    und 
jene  als  kleine  grüne  Gehölze  auf 
den    weiten    Kahlflächen    stehen- 
geblieben sind   (Abb.  580).     Ber- 
w  i  g   schreibt   darüber   bei    E  i  cl  - 


A  B 

Abb.  579:     Von  Isaria  farinosa    Fries   licfallcne   Kieferneulenpuppen  (A),   mit   heraus- 
gewachsenen   Fruchtträgern    (Bi. 

mann,  1927):  ,,Als  ich  im  Frühjahr  1925,  also  nach  dem  schlimmsten 
Fraßjahr,  nach  der  Oberförsterei  Griesel  (Neumark)  kam,  bot  sich  mir  über- 
all ein  Bild  der  Verwüstung.  In  der  ganzen  Oberförsterei  von  7000  ha  war 
fast  überall  Kahlfraß.  Grün  waren  nur  noch  die  jungen  Schonungen  und 
als  grüne  Inseln  in  diesem  toten  Wald  sah  man  gewissermaßen  als  einzigen 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  HI.  46 


722 


II.  Spezieller  Teil 


Lichtblick  nur  hie  und  da  kleine  Flächen,  die  durch  Ameisen  nicht  nur 
gerettet,  sondern  restlos  grün  geblieben  waren.  Jetzt  nach  Beendigung  des 
Hiebes,  der  eine  halbe  Million  fm  Holz  ergab  und  zu  einer  Kahlfläche  von 
2000  ha  und  einer  stark  gelichteten  von  weiteren  looo  ha  führte,  ist  man 
dankbar  für  diese  „Ameisenhorste",  die  meist  isoliert  in  weiten  Kahl-  und 
Lichtungsflächen  liegen." 

,,Zwar  bedeutet  die  gerettete  Fläche  nur  einen  Tropfen  auf  den  heißen 
Stein  gegenüber  der  großen  verwüsteten  Fläche,  aber  diese  durch  die 
A.meisen  erhaltenen  Bestände  haben  den  Vorzug,  daß  sie  meist  vollkommen 
unversehrt  sind,  ihre  Gipfeltriebe  noch  haben  und  gesunde  lange  Benadclung 
im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  Beständen,  die  man  nur  mit  sehr  vieler  Mühe 


Abb.    580.    ,,Ameisenhorsl"    auf    einer   großen    Kühlfläche.     Nach    E  i  cl  m  a  n  n    (phot. 

B  e  r  w  i  g  ) . 


retten  konnte,  die  jahrelang  im  Wuchs  zurückbleiben  werden  und  deren 
Höhenwuchs  abgeschlossen  ist."  „Ameisenhaufen,  die  nicht  in  mehr 
oder  minder  großem  Lim  kreis  den  Bestand  gerettet  haben,  gibt 
es  nicht." 

Auch  bei  der  eben  beendeten  und  teils  noch  im  Gang  befindlichen 
Eulenkalamität  in  Bayern  sind  die  Beziehungen  zwischen  Ameisenhaufen 
und  grünen  Inseln  mit  völlig  unversehrten  Kronen  so  konstant  und  auffällig. 
daß  sie  niemandem  entgehen  konnten. 

Daß  tatsächlich  die  Ameisen  durch  ununterbrochenes  Töten  frisch  ge- 
schlüpfter Falter  und  Einholen  der  Raupen  die  Bäume  in  der  Umgebung 
ihrer  Nester  raupenfrei  halten,  und  daß  nicht  etwa  irgendwelche  andere 
Beziehungen  unbekannter  Art  zwischen  den  Amciseninscln  und  den  Ameisen 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  723 

bestehen,  dürfte  nach  den  zahlreichen  Beobachtungen  und  Untersuchungen 
Eidmanns,  Meyers  und  Wel  lenst  eins^)  keinem  Zweifel  mehr  unter- 
liegen (siehe  auch  Escherich,  1925  S.  15).  Meyer  beobachtete  in  Heideck 
an  einem  Maivormittag  bei  etwa  20'^  C  Ameisen  {For/iiica  rufa  L.),  die  in  der 
Hauptsache  Eulenfalter  oder  Teile  von  solchen  zu  ihren  Haufen  schleppten, 
der  etwa  1,50  m  Durchmesser  und  ^/2  m  Höhe  hatte.  In  einem  Achtel  der 
Peripherie  wurden  in  einer  halben  Stunde  gezählt:  i  Leib  mit  Kopf,  8  Leiber 
ohne  Kopf,  5  Köpfe  und  i  Flügel  mit  Kopf,  zusammen  9  Falter.  Daraus  würde 
sich  die  Stundenmenge,  die  die  Bewohner  des  Haufens  zusammenbringen,  auf 
150  Falter  berechnen  lassen.  Oft  konnte  Meyer  späterhin  auch  interessante 
Beobachtungen  über  Kämpfe  zwischen  Eulenraupen  und  Ameisen  machen. 
Er  sah  Raupen,  die  mehrere  tote  fest  in  die  Raupenhaut  verbissene  Ameisen 
mit  sich  herumschleppten.  Wenn  sich  die  Ameise  an  einem  Körperteil  der 
Raupe  festbeißt,  den  diese  mit  ihren  Mandibeln  erreichen  kann,  so  gerät 
die  Ameise  in  große  Gefahr:  sie  verliert  ein  Glied  nach  dem  andern  und 
wird  oft  getötet.  Die  ermattete  Raupe  fällt  aber  letzten  Endes  der  Über- 
macht doch  zum  Opfer,  namentlich  wenn  es  einer  Ameise  gelingt,  die  Raupe 
an  einer  Stelle  zu  fassen,  die  für  die  Mundwerkzeuge  unerreichbar  ist. 
(Meyer,    1931.) 

Nächst  den  Ameisen  ist  der  Puppen  raub  er  [CuIoso/zki  sycop'/anfa  l^.) 
zu  nennen,  der  bei  Eulengradationen  oft  zahlreich  auftritt.  Altum  (Z.  55) 
zählt  unter  seinen  Lieblingsraupen  auch  die  Eulenraupen  auf,  und  bei  B  e  r  - 
w'ig  (1926)  finden  wir  mehrfach  Angaben  über  die  nützliche  Rolle  der 
Sycophanten.  Auch  bei  der  letzten  mittelfränkischen  Katastrophe  konnte 
man  zahlreiche  Calosomen  zwischen  den  massenhaft  an  den  Stämmen  auf 
und  ab  laufenden  hungerigen  Eulenraupen  herumjagen  sehen,  um  bald  da 
und  dort  einen  fetten  Bissen  herauszuholen.  Übrigens  ergeben  sich  die 
Raupen  durchaus  nicht  ohne  weiteres  in  ihr  Schicksal,  sondern  sie  suchen 
durch  erregtes  Hin-  und  Herschlagen  des  Vorderkörpers  ihren  Feind  abzvi- 
wehren,  was  ihnen  auch  nicht  selten  gelingt.  Wie  gierig  die  Calosomen  auf 
die  Eulenraupen  sind,  geht  aus  einer  Schilderung  Pfeils  hervor,  wonach 
.,ein  Puppenräuber  mit  der  Raupe  von  Noctua  piniperda  herabgestürzt  sei, 
die  Raupe  gewürgt,  verlassen,  den  Stamm  wieder  erklettert  habe,  wieder  mit 
einer  solchen  herabgefallen  sei  und  dieses  Spiel  10 — I5mal  eiligst  nachein- 
ander wiederholt  habe"   (Altum,   S.  55). 

Neben  den  kletternden  Calosomen,  die  als  Imagines  und  als  Larven  den 
Raupen  auf  den  Bäumen  nachstellen,  machen  zahlreiche  andere  (nicht  klet- 
ternde) Caraben  und  Cicindelen  Jagd  auf  die  herabgefallenen  Raupen. 
Ebenso  verzehren  Staphylinen  und  andere  räuberische  Käfer  gelegent- 
lich Eulenraupen  oder  Puppen.  So  beteiligen  sich  zweifellos  die  zahlreichen 
Coccinelliden  (Halyzia,  Attatis),  die  bei  der  letzten  mittelfränkischen 
Kalamität  oft  in  großer  Zahl  zu  sehen  waren,  an  der  Vertilgung  der  Eule. 
Eine  beträchtliche  Bedeutung  bei  der  Vertilgung  der  Puppen  kommt  nach 
freundlicher  Mitteilung  von  Herrn  Oberregierungsrat  Fuchs  (Bayreuth) 
den  Helops -'LTirwcn  (Tenebrioniden,  siehe  Bd.  IL  205)  zu.  Genannter  Ge- 
währsmann hat  häufig  eine  Helops-\.?i.Y\Q  in  einer  frischen  Eulenpuppe 
steckend  gefunden.    In  welcher  Zahl   die  //("/c/>5--Larven  \orkommen  können. 


1)   Wellensteins  überaus  gründliche    Uniersuchungen  werden  demnächst  \er- 
öff entlieht   werden. 


'24 


IL  Spezieller  Teil. 


Abb.   581 


Hinterende  einer  I/elops- 
Larve. 


zeigt  ein  Befund  aus  dem  Forstamt  Forchheim,  wonach  auf  408  c[m  330  Larven 
gefunden  wurden.  In  Berücksichtigung  der  Größe  der  Helops -l^iiwen  dürfen 
wir  wohl   annehmen,   daß   jede   Larve   eine   ganze   Anzahl   von   Eulenpuppen 

ausfrißt;  dann  ist  ohne  weiteres  klar, 
daß  bei  den  genannten  Zahlen  die 
Helops-'L2irven  einen  nicht  zu  unter- 
schätzenden Vernichtungsfaktor  dar- 
stellen i). 

Ratzeburg  nennt  auch  noch 
Scolopender  als  eifrigen  Puppen- 
vertilger;  neuere  Beobachtungen  hier- 
über liegen  nicht  vor.  Auch  Wanzen 
(Ratzeburg  [F.  175]  führt  Cimex 
(Mesocerus)  viarginatus  L.  und  Peiita- 
toma  rufipes  L.  an,  und  ^\^  o  I  f  f  - 
Krauße  nennen  Troilus  luridus  F. i 
wurden  des  öfteren  beim  Anstechen 
von  Eulenraupen  beobachtet. 

Von  Fliegen  werden  Laphria 
gilva  L.  und  Leplis  scolopacea  L.  als  Eulenfeinde  erwähnt  (Sedlaczek), 
und  von  Hymenopteren  Vespa  crabro  L.  (Koppen)  und  Ammophila 
sabulosa  L.  (Sedlaczek,  Ritzema-Bos,  Eidmann,  1930).  Die  letztere, 

die  Sandwespe,  trat  bei  der  mittelfrän- 
kischen Kalamität  an  manchen  Orten  un- 
gemein häufig  auf.  Allenthalben  sah  man 
dort  die  langbeinigen  Wespen,  unter  sich 
eine  Raupe,  viel  länger  als  sie  selbst, 
tragend,  mit  großer  Geschwindigkeit 
clahinjagen  —  von  der  Ferne  mußte  man 
glauben,  die  Wespen  fuhren  auf  eiligen 
Schlitten  dahin  — ,  um  ihr  Nest  aufzu- 
suchen und  mit  der  Beute  in  dessen  Ein- 
gangsöffnung zu  verschwinden.  In  großer 
Zahl  konnte  man  solche  Nesteingänge 
besonders  an  den  sandigen  Wegrändern 
finden;  „öffnete  man  ein  solches  Nest, 
so  gelangte  man  durch  einen  wenige  Zen- 
timeter langen,  schräg  abwärts  führenden 
Gang  in  eine  kleine  Kammer,  in  der  man  regelmäßig  eine  Eulenraupe  fand, 
die  durch  den  Stich  der  Wespe  gelähmt,  fast  zu  einem  Kreisbogen  zu- 
sammengekrümmt, regungslos  hier  lag.  Das  große  langgestreckte  Ei  der 
Sandwespe  war  auf  der  Seite,  etwa  in  der  Mitte  des  Raupenkörpers  ange- 
klebt (Abb.  582).  Die  aus  dem  Ei  herauskommende  Sandwespenlarve  frißt 
die  gelähmte  Eulenraupe  bei  lebendigem  Leibe  auf,  um  sich  dann  in  der 
Nesthöhle  zu  verpuppen"    (Eidmann,    1930). 


Abb.    582.    Eulenraupe   mit   dem   Ei 

der  Sandwespe  belegt.   Nach  E  i  d  - 

mann. 


1)  Schon  Redtenbacher  (Fauna  austr.  II.  S.  125)  vermutet,  daß  die  Helops 
Jagd  auf  andere  Insekten  machen;  er  stand  aber  mit  dieser  Meinung  bis  jetzt  ziem- 
lich vereinzelt  da.  Eine  eingehende  Untersuchung  der  epidemiologischen  Bedeutung 
der  Helops-\.2iXv&n  ist  sehr  erwünscht.  Die  Larven  sind  durch  starke,  aufwärts  ge- 
richtete Haken  ausgezeichnet   (Abb.  581). 


II.  Unterordnung:   Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  725 

Daß  auch  Spinnen  an  der  Vertilgung  der  Eulenraupen  beteiligt  sind, 
wird  in  der  Literatur  mehrfach  erwähnt  (Sedlaczek,  1915,  Wolff- 
Krauße,  1925).  Auch  bei  der  gegenwärtigen  bayrischen  Kalamität  wurde 
von  verschiedenen  Praktikern  das  häufige  Auftreten  von  Spinnen  erwähnt; 
doch  wissen  wir  noch  gar  nichts  über  die  Rolle,  die  sie  als  Krisenfaktor 
spielen  1). 

Vögel. 

Über  die  Beteiligung  der  Vogelwelt  an  der  Eulenvernichtung  stellt  mir 
A.  V.  Vietinghof  f 2)  folgende  Schilderung  zur  Verfügung: 

Alle  Entwicklungsstadien  der  Forleule  wirken  reizausübend  auf  die 
Fraßlust  der  Vögel  des  Biotops  ein.  So  ist  die  Zahl  der  eulenvertilgenden 
Vögel  sehr  groß.  —  Die  unsichtbarste  und  doch  wichtigste  Rolle  fällt  der 
endemischen  Vogelwelt  in  der  Ausübung  der  Prophylaxe  zu.  An  ihr  be- 
teiligen sich  fast  sämtliche  Vögel,  deren  Nahrung  ganz  oder  teilweise  aus  In- 
sekten besteht.  Wahrscheinlich  bilden  nur  Schwarzspecht  und  Waldbaum- 
läufer eine  Ausnahme.  Die  Wirkung  der  Prophylaxe  läßt  sich  experimentell 
kaum  nachweisen,  sie  wird  aber  jedem  klar,  der  je  beobachtet  hat,  wie 
schnell  jeder  Infektionsherd  im  Walde  von  den  umherstreifenden  Vögeln 
aufgesucht  Avird  und  wie  gründlich  er  gereinigt  wird.  Meisen,  besonders 
Hauben-  und  Tannenmeisen,  sind  die  konstanten  Träger  der  prophy- 
1  aktisch en   Wirkung,   ebenso   Buchfink   und   Eichelhäher. 

Tritt  eine  plötzliche  Übervermehrung  der  Forleulc  lokal  begrenzt  auf, 
so  ändert  sich  das  Bild.  Jetzt  tritt  die  saugende,  assoziationsbildende  Wir- 
kung der  Nahrungsfülle  in  Erscheinung,  welche  allen  Beobachtern  der  Erup- 
tion aufgefallen  ist.  Ein  Teil  der  insektenfressenden  Vogelwelt  des  Biotops 
konzentriert  sich:  Haubenmeisen,  Tannenmeisen,  Kohlmeisen, 
Goldhähnchen,  Buchfinken,  Große  Buntspechte  durchstreifen 
das  Gebiet,  Eichelhäher^)  halten  sich  in  ihm  mit  Vorliebe  auf.  Fast 
immer  ist  die  scheue  Misteldrossel  zu  sehen.  Die  artlich  zahlreicheren, 
cjuantitativ  dagegen  kaum  wirkungsvoll  werdenden  sporadischen  Bewohner 
des  Kiefernwaldes  wie  Singdrossel,  Amsel,  Grauer-  und  Trauer- 
fliegenschnäpper,  Fitis-  und  Weide nlaubvo gel.  Dorn-  und 
Klappergrasmücke,  Haus-  und  Garten  rotschw  an  z,  Fleide- 
1  e  r  c  h  e  ,  Baumpieper,  Steinschmätzer  zeigen  dagegen  kaum  eine 
Änderung  ihrer  normalen  biologischen  Gewohnheiten.  Nur  die  letzten  drei 
Vogelarten,  deren  Aufenthaltsorte  seltener  der  geschlossene  Kiefernwald  als 
große  Heideflächen  und  räumdige  Stellen  bilden,  zeigen  eine  Tendenz  zum 
Ortswechsel.  Goldammern  scheinen  nach  Untersuchungen  ganz  auf  ani- 
malische Nahrung  —  die  Forleulc  —  überzugehen. 

In  anderen  Vogelarten  —  vornehmlich  den  sozialen  —  tritt  dagegen 
eine  wesentliche  ,, Störung",  ein  Umschlagen  aller  Gewohnheiten,  ein.  Die 
dem  geschlossenen  Kiefernwald  wesensfremden  Stare  fallen  in  ungeheuren 
Massen  in  den  befallenen  Beständen  ein.  Besonders  nach  der  ersten  und 
zweiten  Brut  waren  diese  Massen  oft  unübersehbar.    Sie  übernachteten  sogar 


1)  Eine  eingehende  Untersuchung  der  Rolle  der  Spinnen  im  Wald  wäre  sehr 
erwünscht. 

"')   Siehe  auch  v.   Vi  e  tinghoff,    1925  b  u.c. 

^)  Bei  der  letzten  bayerischen  Kalamität  konnte  man  allenthalben  im  Boden 
massenhaft  Suchlöcher,  herrührend  hauptsächlich  vom  Eichelhäher  und  der 
Drossel,  sehen;  oft   erschien  der  Boden  siebartig   durchlöchert. 


726  II.  Spezieller  Teil. 

am  Befallsherd.  —  Weindrosseln  werden  \'on  ihren  normalen  Zugwegen 
abgelenkt  und  nähren  sich  im  Frtihjahr  wochenlang  von  Eulenraupen. 
Dohlen,  Nebelkrähen  (bzw.  Rabenkrähe  oder  deren  Bastarde),  sogar 
Kraniche  und  Bergfinken  beteiligten  sich  in  Scharen  oder  truppweise 
an  der  Vertilgung.  Nur  der  Fraß  des  Kiefernspanners  und  des  Eichen- 
wicklers bringt  in  Mitteleuropa  ähnliche  Bilder  großer  Vogelkonzentrationen, 
hervorgerufen  durch  Nahrungsfülle,  nur  die  Heuschreckeninvasionen  im 
Süden  zaubern  noch  grandiosere  Bilder  hervor. 

An  ökologisch  geeigneten  Stellen  wird  die  Puppe  der  Forlculc  von 
Auerwild^),  Birkwild,  Großem  Brachvogel,  Ringeltaube, 
Mandelkrähe  und  Wiedehopf,  die  Raupe  von  Elster,  Pirol  und 
wahrscheinlich  noch  anderen  Bewohnern  der  artenreicheren  Peripherie 
vei  tilgt. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  auch  die  Parasiten  —  nicht  aber  Calosoma 
—  von  allen  Vertilgern  der  Forleule  mitgefressen  werden.  Fliegen- 
schnäpper und  Laubvögel  scheinen  Parasiten  direkt  zu  bevorzugen.  Die 
Tönnchen  der  Tachinen  werden  von  scharrenden  Vögeln  natürlich  ebenso 
aufgenommen  wie  die  Eulenpuppen   (s.  dagegen  die  Anmerkung). 

Zusammenfassend  läßt  sich  sagen: 

1.  Im  Stadium  der  Eruption  kann  die  Vogelwelt  auf  großer  zusammen- 
hängender Fläche  als  Faktor  im  Kampf  gegen  die  Forleule  nicht  in  Betracht 
gezogen  werden. 

2.  Die  prophylaktische  Mitwirkung  der  Vogelwelt  muß  anerkannt 
werden,  obgleich  sie  sich  mathematisch  nicht  nachweisen  läßt. 

3.  Die  Bedeutung  der  Vogelwelt  bei  kleinen  Gradationen  ist  um  so 
größer  als 

a)  die  Parasitenwirkung  verspätet  eintreten  würde. 

b)  die  Vertilgung  restlos  erfolgen  kann. 

c)  der  Forstmann  durch  das  lebhafte  Treiben  der  Vögel  auf  die  Gefahr 
aufmerksam  gemacht  wird. 

d)  (auch  auf  größeren  Flächen)  durch  Nachlese,  etwa  nach  dem  Aus- 
bruch von  Empiisa.  die  sich  noch  verpuppenden  gesunden  Raupen 
vertilgt  werden. 

Säugetiere. 

Von  den  Säugetieren  ist  in  erster  Linie  das  Wildschwein  (Stis 
scrofa  L.)  zu  nennen,  das  bei  seinem  Erdmahl  massenweise  die  Eulenpuppen 
verzehrt,  und  zwar  nicht  nur  die  oberflächlichen,  sondern  auch  die  tiefer 
gelegenen.  Das  Verschwinden  des  Wildschweins  bedeutet,  wie  schon  bei  den 
anderen  Schädlingen  betont,  zweifellos  eine  Begünstigung  der  Eulengra- 
dation. Berwig  (1926)  berichtet,  daß  beim  letzten  Eulenfraß  in  Nord- 
deutschland „die  verpönten  Schwarzkittel  dort,  wo  sie  die  neuzeitliche  Kultur 
wegen  des  Wildschadens  noch  nicht  ausgerottet  hat,  hervorragendes  ge- 
leistet" haben.  Ähnliche  Bemerkungen  finden  sich  auch  sonst  noch  häufig 
in  der  forstlichen  Eulenliteratur. 


1)  Daß  auch  das  Auerwild  lokal  sehr  günstig  wirken  kann,  konnten  wir 
bei  der  letzten  bayerischen  Kalamität  im  Forstaint  Erlangen-West  feststellen,  wo 
große  Scharrplätze  und  -Straßen  zu  sehen  waren;  in  ihnen  waren  die  Eulenpuppen 
zum  großen  Teil  verschwunden,  während  auffallenderweise  und  im  Gegensatz  zu  der 
obigen  Darstellung  v.  V  i  e  t  i  n  g  ho  f  f  s  die  Tachinen-Tönnchen  noch  zahlreich  \ox- 
handen  waren. 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  727 

Ähnlich  wie  das  Schwarzwild  macht  sich  der  Dachs  stellenweise  durch 
Puppenvertilgung  oft  recht  nützlich.  Endlich  werden  auch  Spitzmäuse. 
Igel,  Waldmäuse  und  Fuchs  als  Eulenvertilger  genannt.  Bei  der 
letzten  bayerischen  Kalamität  wurden  die  Mäuse  mehrfach  als  starke 
Puppenvertilger  gerühmt. 


Beispiel    einer    Analyse    der    Hauptvernichtungsfaktoren    während    eines 

Krisenjahres. 

Das  folgende  der  Zwölferschen  Eulenarbeit  entnommene  Beispiel  ver- 
anschaulicht den  Wirkungsgrad  jener  Umweltseinflüsse,  die  das  Schicksal 
einer  Kieferneulengeneration  während  des  Eruptionsjahres  einer  Kalamität 
bestimmten  und  zeigt  gleichzeitig  eine  der  Anwendungsmöglichkeiten  der 
Populationsgleichung  bei  quantitativen  Massenwechseluntersuchungen: 

An  Hand  von  Meyers  Beobachtungen  läßt  sich  eine  Vorstellung  von 
der  Wirkungsgröße  derjenigen  Widerstandskomponenten  gewinnen,  die 
während  der  Eulengeneration  1930  im  mittelfränkischen  Fraßgebiet  lokal 
in  Erscheinung  getreten  sind.  Die  Daten  beziehen  sich  auf  einen  näher 
untersuchten  Stangenholzbestand  des  Forstamts  Heideck,  der  schon  während 
der  Generation  1929  stark  befressen  worden  war  und  1930  nicht  der  Arsen- 
bekämpfung unterlag. 

Im  März  1930  wurden  hier  durchschnittlich  174  Puppen  auf  5  qm  ge- 
funden. Die  Ausgangspopulationsdichte  war  mithin  34,8  Puppen  je  qm;  dem- 
nach Pi  =  34,8.  Insgesamt  gingen  rund  500/0  dieser  Puppen  an  Parasitierung 
(Schlupfwespen)  und  Verjauchung  (Bakteriosen?)  und  Mykosen  zugrunde. 
\\as  einer  Widerstandskomponente  w^  =  50  entspricht. 

Die  in  der  Folgezeit  von  einem  Weibchen  dieser  Eulengeneration  durch- 
schnittlich abgelegte  Eizahl  betrug  130.  Nach  früheren  Erörterungen  ist 
dies  bei  der  Kieferneule  gleichbedeutend  mit  einer  Reduktion  der  idealen 
Eizahl   von  31  Oo;  mithin  W2  =  3i. 

2,6oo  der  in  diesem  Bestand  abgelegten  Eier  wurden  parasitiert  (Tricho- 
iiramma).  7,600  gingen  hier  während  der  Entwicklung  wahrscheinlich  infolge 
abiotischer  Einflüsse  zugrunde.  Weitere  5.600  der  ständig  kontrollierten 
p:ier  verschwanden  spurlos.  \'ermut]ich  sind  die  letzteren  der  räuberischen 
Tätigkeit  von  Vögeln  und  von  Feinden  aus  dem  Insektenreich  zum  Opfer 
gefallen.  Diese  entspricht  im  ganzen  einer  Widerstandskomponente  W3=-2,6 
-r  7,4 +5-6=  15,6. 

Im  Junglarvenstadium  wurden  nach  Meyers  Ermittlungen  mi  Stangen- 
holz rund  200,0  des  vorhandenen  Raupenbestandes  vernichtet,  wohl  größten- 
teils infolge  abiotischer  Einwirkungen.    Demnach   \\\  =  20. 

Im  Altlarvenstadium  wurde  auf  Grund  äußerer  Merkmale  der  Raupen 
eine  Tachinierung  von  rund  550b  festgestellt.  Die  durch  Krankheiten  (Bak- 
teriosen,  Empusa  und  vielleicht  auch  direkte  klimatische  Einflüsse)  ver- 
ursachte Verminderung  des  Altraupenbestandes  läßt  sich  nur  schätzlmgs- 
weise  ermitteln.  Ein  Vergleich  der  auf  einer  Kotfangfläche  in  dieser  Ab- 
teikmg  sich  ansammelnden  Raupenkadaver  mit  den  bei  Probezählungen 
ursprünglich  in  der  Krone  festgestellten  Raupenzahlen,  führt  —  wie  das 
von  Zwölfer  genauer  erläutert  wird  —  auf  ca.  350/0  durch  Krankheiten 
vernichteter    Altraupen.     Durch    Tachinierung    und    Krankheiten    zusammen 


728  II.  Spezieller  Teil. 

wären    demnach    550/0  +  350/0  =  900/0     des    Altraupenbestandes    ausgemerzt 
worden.    Mithin  ergibt  sich  ein  weiterer  Widerstandswert  W5  =  90." 

Noch  schwieriger  gestaltet  sich  die  Schätzung  der  in  diesem  kahl- 
gefressenen Bestand  durch  Hunger  zugrunde  gegangenen  Raupenmengen. 
Vorausgesetzt,  daß  sie  derjenigen  Zahl  entspricht,  die  aus  dem  untersuchten 
Bestand  in  benachbarte  Schläge  abzuwandern  versuchte,  und  hierbei  in  die 
allseitig  angelegten  Fanggräben  geriet,  wäre  dieser  Anteil  schätzungsweise 
mit  980/0  des  Restes  der  Altraupen  zu  veranschlagen,  wie  das  Zwölfer  im 
einzelnen  nachzuweisen  versucht.  Es  würde  dies  einer  durch  Nahrungsmangel 
bedingten  Widerstandskomponente  Wg  =  98   entsprechen. 

Im  vorstehenden  ist  nur  die  Wirkung  der  hauptsächlichen  Einzelwider- 
stände berücksichtigt,  denen  gegenüber  Umweltseinflüsse  von  epidemiologisch 
untergeordneter  Bedeutung  kaum  ins  Gewicht  fallen,  wie  beispielsweise  jene, 
die  durch  die  Tätigkeit  der  Puppenräuber,  Grabwespen,  Vögel  usw.  bedingt 
sind.  Da  bei  der  Kieferneule  die  Wirkung  der  wichtigsten  Hymenoptercn- 
Parasiten  sich  bekanntlich  erst  während  des  folgenden  Puppenstadiums 
äußert,  welches  in  die  gegebene  Analyse  nicht  mehr  mit  einbezogen  werden 
konnte,  so  mußte  auch  die  durch  diese  späterhin  verursachte  Verminderung 
gesunder   Puppen   unberücksichtigt   bleiben. 

Wenn  diese  Überlegungen  zutreffen  und  die  wesentlichen  Widerstands- 
komponenten richtig  erfaßt  bzw.  geschätzt  worden  sind,  müssen  nach  früheren 
Erörterungen  die  gefundenen  Werte  in  die  Populationsgleichung  eingesetzt 
eine  Endpopulationsdichte  ergeben,  die  mit  der  zu  Ende  der  aktiven  Lebens- 
periode dieser  Generation  an  Ort  und  Stelle  ermittelten  überein- 
stimmt. Über  letztere  teilt  Meyer  mit,  daß  im  fraglichen  Bestand  Anfang 
Juli  auf  10  qm  8  verpuppungsreife  Raupen  und  6  Puppen  gefunden  wurden. 
Mithin  ist  dort  die  beobachtete  Endpopulationsdichte  1,4  Individuen  pro 
qm  gewesen. 

Zur  rechnerischen  Ermittlung  der  Endpopulationsdichte  Px  mit 
Hilfe  der  Populationsgleichung  stehen  nach  obigem  folgende  Werte  zur 
Verfügung : 

Pi  =  34j8;  Wi  =  50;  Wo  =  31;  W3  =  15,6;  W4  =  20;  W5  =  90;  Wfj  =  98. 
Ferner  sind  zu  berücksichtigen  die  absolute  Eizahl  der  Kieferneule  mit  e-- ico 
und  das   Geschlechterverhältnis  m:  f  =  i :  i,  somit  m  +  f  =  2;  f  =  i.    Hieraus 
folgt  für  Px: 

=  34.8  ■  -9°  ■■  .  /    _i5  W,  _11U,  _i5,6\    ,  _io^  /    ^goX  /    _^  , 

2         \     100'  \     100/  \      100/       100/  \     100/  \     100/ 

=  17,4  ■  190-0,5  •  0,69  •  0,844  •  0'8  •  0,1  •  0,02 

=  1,540. 

„Die  weitgehende  Übereinstimmung  des  errechneten  Wertes  für  die  End- 
populationsdichte von  rund  1,5  Individuen  je  qm  mit  der  beobachteten  von 
1,4  Individuen  je  qm  bestätigt  die  Richtigkeit  der  obigen  Analyse  und  zeigt 
gleichzeitig,  daß  die  Wirkungsgröße  der  Hauptwiderstandskomponenten  gut 
erfaßt  bzw.   zuverlässig  geschätzt  worden  ist." 

Geschichte  und  forstliche  Bedeutung  der  Eulengradationen. 

Wer  im  August  1924  von  Berlin  aus  ostwärts  fuhr,  wird  die  trostlosen 
Waldbilder,  die  sich  stundenlang  auf  beiden  Seiten  der  Bahnlinie  darboten, 
nicht   vergessen   können.    Soweit   das   Auge   reichte,   kahlgefressene   Kiefern, 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


'29 


deren    Kronen   nur   noch   als    nacktes,    jeglichen    Grün    entbehrendes    dunkles 
Astwerk  gegen  den  Himmel  starrten:  Eulenwald! 

In  bisher  noch  nicht  gekannter  Ausdehnung  war  der  deutsche  Kiefern- 
wald von  einem  Schädling,  der  Eule,  zerzaust  und  vernichtet.  Wurden 
doch  während  der  letzten  Fraßperiode  (1922 — 24)  in  den  norddeutschen 
Kieferngebieten  nicht  weniger  als  ca.  500000  ha  befallen,  davon  170000  ha 
kahlgefressen  (Lemmel).  Der  Mittelpunkt  des  Hauptfraßgebietes  lag  in 
der  Neumark,  dem  Regierungsbezirk  Frankfurt  a.  Oder,  von  dessen  43  Staats- 
oberförstereien 39  betroffen  und  stark  mitgenommen  wurden.  Es  schlössen 
sich  im  Osten  an  die  Grenzmark,  angrenzende  Teile  von  Hinterpommern,  im 


Karle  9.    Übersicht  über  das  Eulentraßgebiet   in   Norddeutschland,   Sommer   1924. 


Süden  Niederschlesien  bis  weit  südlich  Sagan  und  Sprottau,  im  Westen  der 
nördliche  Teil  des  Regierungsbezirkes  Potsdam  bis  etwa  zum  Meridian  von 
Berlin.  Außer  diesem  Hauptgebiet  trat  die  Eule  in  denselben  Jahren  noch 
im  südlichen  Ostpreußen  (Masuren),  in  der  Johannisburger  Heide  (die  schon 
191 2/14  von  dem  gleichen  Schädling  befallen  war)  und  endlich  in  Pommern 
im  Dreieck  Alt-Damm  und  Stargard,  Gollnow  und  (links  der  Oden  in  der 
Ukermünder  Heide  auf  (König,   1925)   (Karte  9). 

Sachtleben  (1927  und  29)  gibt  eine  detaillierte  Übersicht  über  die 
einzelnen  Fraßorte  mit  Angaben  über  die  Ausdehnung  des  Kahlfraßes  bzw. 
Totfraßes  in  denselben,  über  den  zeitlichen  Verlauf  usw.  Wir  entnehmen 
dieser    Zusammenstellung,    daß    in    den    preußischen    Staatsforsten    etwa 


730  II.  Spezieller  Teil. 

20  000  ha  (bei  einem  Befall  von  200000  ha)  abgetrieben  werden  mußten. 
Der  Gesamteinschlag  in  Staats-  und  Privatwald  infolge  Eulenfraß  wurde  auf 
12  Millionen  fm  Derbholz  (mit  einer  Nutzholzausbeute  von  ca.  8  Millionen 
fm)  geschätzt. 

Aus  diesen  Ziffern  geht  hervor,  daß  die  Eule  in  Deutschland  zu 
einem  der  gefährlichsten  Forstschädlinge  und  zum  schlimm- 
sten Kiefernschädling  überhaupt  geworden  ist.  War  doch  die  ge- 
nannte Eulenkalamität  die  größte  Insektenkatastrophe,  von  der 
Deutschlands  Waldungen  je  heimgesucht  wurden. 

Es  gab  auch  in  früheren  Zeiten  zahlreiche  Eulengradationen  in  Deutsch- 
land. Für  den  Zeitraum  vom  15.  bis  zum  18.  Jahrhundert  findet  sich  eine 
Übersicht  bei  J.  F.  Krebel  (1802).  Für  den  Zeitraum  von  1725 — 1892 
finden  wir  historische  Angaben  über  die  Eulengradationen  und  ihren  Zu- 
sammenbruch bei  v.  Tubeuf  (1893).  Für  das  19.  und  20.  Jahrhundert  gibt 
Berwig  eine  Übersicht  über  die  Eulengradationen  in  Bayern.  Die  Orte 
der  Gradationen  liegen  in  der  Hauptsache  im  mittelfränkischen,  ober- 
pfälzischen und  pfälzischen  Kieferngebiet,  während  es  südlich  der  Donau  bis 
jetzt  noch  zu  keiner  zur  Eruption  gelangten  Massenvermehrung  gekommen 
ist.  Vielfach  wurden  die  gleichen  Forstämter  in  den  verschiedenen  Gra- 
clationsperioden  wiederholt  befallen.  Für  Nord-  und  Mitteldeutschland  fin- 
den wir  Zusammenstellungen  früherer  Eulenkalamitäten  bei  Beck  (1909), 
Wolff-Krauße  (1925)  und  König  (1925),  aus  denen  hervorgeht,  daß 
auch  hier  die  Eulengradationen  nicht  selten  waren.  Auch  in  den  Grenz- 
ländern traten  verschiedentlich  Eulenkalamitäten  auf,  wie  in  Holland, 
Polen  und  vor  allem  in  Böhmen.  Eine  wohl  vollständige  Übersicht  aller 
bekannt  gewordenen  Eulenkalamitäten  gibt  neuerdings  Sa  cht  leben  in 
seiner  Monographie. 

Im  folgenden  gebe  ich  eine  Zusammenstellung  der  Eulenkalamitäten  seit 
Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  die  ich  Herrn  Dr.  Berwig  verdanke  (ver- 
schiedentlich ergänzt  durch  Angaben  aus  Sachtleben). 

Übersicht  über  die  Eulengradationen  seit   1725. 

1725  Nürnberger  Reichswaldungen,  Ansbach  und  Schwandt. 

1760  Nürnberger    Reichswaldungen. 

^77^i77  Brandenburg    (Groß-Schönebeck,   Rgbz.  Potsdam). 

1779  Görlitzer   Forste   (nach  König). 

1780  In   Württemberg    (Wolff). 

1781  In  Vorpommern. 

1783  Görlitzer     Heide,      Mittelfranken     (Ansbach,      Schwandt,      Wendelstein, 

Raubersried),   Oberpfalz   (Pyrbaum). 
1792  Görlitzer   Forsten   (König). 

1801  Zerbst   i.  Anhalt    (König). 

1802  Meininger   Unterland   (König). 

1806/08  Lausitz  mit  gewaltigen  Waldgärtner-Schäden   (König). 

1807/08  Mittelfranken     (Forst,     Forsthof,     Schwabach,     Allersberg,     Lichtenhof, 

Lellenfeld,    Triesdorf,   Ansbach,    Gunzenhausen ) :    wahrscheinlich   auch 

in   Holland. 
1809/10  Oberpfalz    (Amberg,   Etzenricht,   Teublitz,    Weiden). 

1809/12  Lausitz    mit    gewaltigen    Waldgärtner-Schäden    (König). 

18 15  Mittelfranken    (Dinkelsbühl,    Forsthof,    Lichtenhof,    Feucht,    Triesdorf), 

Ostpreußen   (Wolff). 
]8i5/i6  Schlochauer    Forst    (König),    Rgbz.  Marienwerder. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


731 


1817/18  Oberfranken   (Pegnitz). 

1818/19  Mittelfranken     (Schwabach,     Erlangen,     Forsthof,     Lichtenhof,     Feucht, 

Heideck). 
1819/22  Bamberg-Ost     (Kosbach),    Oberfranken. 

1820  In  der  Mark. 

1S26  Hohenfinower  und  Tramper   Forsten,   Oberbarnim. 

1827  Mittelfranken    (Feucht),    Rußland    (Kurland,    Witebsk). 

1S27/28  Mittelfranken   (Lauf  a.   Holz),   Hannoversches   Flachland   (König). 

1828  Unterfranken    (Heigenbrücken),    Mittelfranken    (Schwabach,    Allersberg, 

Heideck). 
1830  Lingen,     Rgbz.     Osnabrück,     Pommern,     Mecklenburg,     Uckermark,     bei 

Berlin,  bei  Eberswalde   (Wolff). 
1836/39  Mittelfranken    (Schwabach),   Oberfranken   und    Oberpfalz    (Amberg). 

1837  Tucheier   Heide,   Aschaffenburg. 

1837/39  Eberswalde,    Charlottenburg    (Wolff),    Mittelfranken    (Erlangen,    He- 

roldsberg,   Nürnberg-Süd,    Nürnberg-Ost,    Lauf    a.    Holz,     Fischbach, 
Feucht,  Altdorf,  Kadolzburg,  Neustadt  a.  A.,  Ansbach,  Allersberg). 
1838/39  Oberpfalz   (Pressath,   Grafenwöhr,   Gmünd,   Etzenricht,   Vilseck,  Weiden, 

Pyrbaum),   Mittelfranken   (Herrenhütte,    Behringersdorf,  Dinkelsbühl). 
1S42  Rußland   (Neugut,   Tauerkaln,   Seegen,   Baldohn,   Kijew). 

1843/44/45      Holland   (Gelderland  und   Utrecht,  985  ha  kahl). 
1844/45  Mittelfranken   (Lellenfeld  und   Dinkelsbühl). 

1845  Schleißheim  bei   München   (unbedeutend,   nur  Prodromalstadium),   Clop- 

penburg i.  Oldenburg. 
Schelitz  in  Oberschlesien   (König). 
Oberpfalz    (Pyrbaum,    Pegnitz). 
Mittelfranken    (Lichtenhof). 

Katholisch-Hammer    und   Trachenberg   i.    N.-Schles.    (König),    Marien- 
werder. 
Rußland  (Twen. 
Mark     und    Provinz     Sachsen     (großer 

(König). 
Hessen.   Unterfranken. 
Seyda. 
Oberpfalz      (Grafenwöhr,      Weiden.      Etzenricht,      Vilseck).       Schlesien 

(König). 
Eberswalde    (Wolff). 

Zirke,    östlich    Schwerin,    Westpreußen,    Masuren,    Tucheier    Heide,    Jo- 
hannisburger    Heide,    Grondowken,    Nikolaiken    (König),    Weichsel- 
münde,  Rußland   (Grodno),   Rhein-Main-Ebene. 
Hessen   (Main-Rhein-Ebene). 

Oberpfalz    (Neumarkt,    Nittenau,    Bodenwöhr,    Amberg).    Mittelfranken 
(Nürnberg-Ost,    Nürnberg-Süd,  Fischbach,    Herrenhütte,   Petersgmünd, 
Schwabach). 
Mittelfranken    (Feucht,    Schwabach).    Oberpfalz    (Neumarkt). 
Vorpommern,   Bez.    Frankfurt   a.   d.   Oder,   Niederschlesien   (Primkenau  , 
Oberpfalz    (Grafenwöhr   und    Wernberg),    Mecklenburg,    Hoyerswerda 
(Wolff). 
Niederschlesien    (Bunzlau,    Sprottau,    Malmitz    Primkenau)    (Wolff). 
Mecklenburg  (Ludwigslust),  Oberfranken  (Bamberg-Ost,  Kosbach,  Zent- 
bechhofen,    Forchheim),    Saßnitz. 
1889  Oberpfalz     (Bodenwöhr),    Mittclfrankcn     (Heideck,    Triesdorf,    Kadolz- 

burg,   Lellenfeld,    Altdorf,     Feucht,    Lauf    a.     Holz,    Behringersdorf, 
Herrenhütte),  Pfalz  (Edenkoben),  Holland  (Gelderland  und  Utrecht). 
1S90  Nordwest-Galizien   (Wolff). 


[845/46 
1S46 

1847 
1850/52 


1857/59 

1859 
1862 
1863/64 

1864/65 
1866/69 


1867 
1S69 


1874 
1S82/84 


18S7 
1888  89 


Eulenfral?) ).      Dresdener     Heide 


732 


II.  Spezieller  Tei 


1890/92  Oberpfalz   (Grafenwöhr,  Vilseck,  Wernberg,   Freudenberg,   Kirchenthum- 

bach),  Oberfranken. 

1894/95  Pfalz  (Homburg,  Landstuhl),  Unterfranken   (Großostheim  u.  Aschaffen- 

burg),  Rhein-Main-Ebene. 

1 900/1902  Mittelfranken  (Heideck,  Petersgmünd,  Allersberg,  Kadolzburg,  Engel- 
tal, Erlangen,  Nürnberg-Ost,  Nürnberg-Süd,  Schwabach),  Oberfranken 
(Lauf  a.  Holz,  Kosbach),  Pfalz  (Kaiserslautern-Ost),  Oberpfalz  (Am- 
berg, Pyrbaum,  Etzenricht),  Holland  (Geldcrland  und  Utrecht). 


Karte    10.    Gradationskarte    der    Kieferncule:    Schadgebiete    und   Jahresniederschläge. 


1903 
1912/13/14 


1918/19 
1919/20 


Hannover. 

Dresdener  Heide,  Masuren  (Johannisburger  Heide),  Westpreußen, 
Posen,  Mittelfranken  (Heideck,  Allersberg,  Altdorf,  Behringersdorf, 
Lellenfeld,  Nürnberg-Ost,  Schwabach,  Triesdorf,  Kadolzburg,  Feucht, 
Petersgmünd,  Erlangen-Ost,  Nürnberg-Süd,  Ipsheim,  Gunzenhausen, 
Heilsbronn,  Herrenhütte),  Unterfranken  (Wasserlos),  Oberpfalz  (Neu- 
markt, Bodenwöhr),  Altdamm.  GoUnow,  Stargard,  nahe  Stettin,  Riga, 
Nordböhmen   (Wolechna). 

Putten  in  Holland. 

Pfalz  (Speyer,  Haßloch,  Frankenstein,  Ramsen,  Kaiserslautern-Ost, 
Landstuhl-Nord,  Hohenecken,  Hochspeyerl,  Mittelfranken  (Ansbach. 
Kadolzburg,  Altdorf,  Behringersdorf,  Feucht,  Herrenhütte,  Nürnberg- 
Ost),  Schleißheim  bei  München  (nur  schwaches  Prodromalstadium), 
Oberpfalz  (Wernberg,  Amberg,  Etzenricht,  Pressath,  Kirchenthum- 
bach,  Vilseck,  Weiden,   Grafenwöhr,   Neumarkt,  Pfreimd,  Waldsassen, 


11.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


733 


Arzberg),  Baden  (Schwetzinger  Haardt  looo  ha),  Forstamt  Wiesloch 
(Walldorf  und  Offersheim),  Mannheim  (Stadtwald),  Hessen  (Viern- 
heim ) . 

192 1  — 1924     Die   große   norddeutsche    Kalamität    (s.  oben  S.  729). 

1928 — 193 1      Die   große   bayerische    Kalamität    (^littclfranken,    Oberpfalz    und    Ober- 
franken). 
Keine  der  hier  genannten  früheren  Kalamitäten  hat  auch  nur  annähernd 

die  enorme  Ausdehnung  erlangt  wie  die  letzte  große  norddeutsche  Gradation 


Kicferncule:    Srhadgebietc    und    Isothermen. 


von  1921/24.  „Selbst  der  große  58  er  Fraß  blieb  doch  auf  die  Mark  und 
Provinz  Sachsen  beschränkt  und  griff  nicht  auf  Schlesien  über,  das  wieder- 
um seine  eigenen  Massenvermehrungen  anfangs  der  50  er  und  60  er  Jahre 
hatte.  Auch  der  vorletzte  masurische  Fraß  191 2/1 4  blieb  auf  die  Johannis- 
burger  Heide  und  einige  weitere  masurische  Reviere  beschränkt,  während 
der  übrige  ostdeutsclie  Kiefernwald  in  diesen  Jahren  wenig  oder  gar  nichts 
zu  spüren  hatte"  (König,  1925).  Wenn  daher  Ratzeburg  (F.  S.  175)  mit 
Pfeil  sagt,  daß  „die  Eule  sich  mehr  als  die  meisten  anderen  Raupenarten 
zusammendrängt",  so  hat  die  jüngste  norddeutsche  Riesengradation  gezeigt, 
daß  dieser  Satz  heute  keine  Gültigkeit  mehr  hat,  ja  wir  können  denselben 
geradezu  ins  Gegenteil  verkehren  und  sagen,  daß  der  Eulenfraß  in 
seiner  Ausdehnung  nahezu  unbeschränkt   erscheint. 

Die    forstliche    Bedeutung    ist    also    gegen    frühere    Zeiten    wesentlich 
anders   zu  werten,   d.h.   wir  inüssen  in  der   Eule  heute,   wie   uir  oben 


734 


II.  Spezieller  Teil. 


bereits  betonten,  die  schlimmste  Gefahr  von  Seiten  der  Insekten 
für  unsere  Kiefernwälder  erblicken.  Es  besteht  wohl  kein  Zweifel, 
daß  die  Art  der  Forstwirtschaft  im  vorigen  Jahrhundert,  die  zur  Schaffung 
ausgedehnter  zusammenhängender,  gleichaltriger  Kiefernplantagen  geführt 
hat,  wesentlich  zur  Steigerung  des  Gefahrsmoments  beigetragen  hat.  Ge\vif.'> 
waren  auch  in  früheren  Zeiten  weite  Strecken,  besonders  in  Norddeutsch- 
land, fast  ausschließlich  mit  Kiefern  bestockt,  jedoch  zeigten  diese  früheren 
Kiefernwälder  infolge  fortwährender  Bestandsunterbrechungen,  starker  Mi- 
schung der  Altersklassen  und  großer  Räumigkeit,  einen  ganz  anderen  Habi- 
tus, wie  sich  jeder  durch  Einblick  in  alte  Karten  überzeugen  kann.  Diese 
Form  der  früheren  Kiefernwälder  wirkte  zweifellos  ähnlich  entwicklungs- 
hemmend auf  die  Eule  wie  die  Mischwälder  (vergl.  auch  von  Vi  et  in  g- 
hoff,   1925). 

Die  Bekämpfung. 

Feststellung  der  Befallsstärke  (Virulenz). 

Bei  der  Untersuchung  der  Gradationsvirulenz  ist  das  Schwergewicht  auf 
die  Feststellung  der  Zahl  der  gesunden  Puppen  im  Winterlager  zu  legen. 

Nach  den  Erfahrungen  bei  den  letzten  großen  Kalamitäten  hat  sich  ergeben, 
daß  das  bisher  übliche  Verfahren  (ringförmiges  Absuchen  des  Stammtellers 
in  I  m  Umfang)  durchaus  ungenaue  und  gerade  hinsichtlich  der  Feststellung 
des  Gesundheitszustandes  wesentlich  zu  günstige  Resultate  ergab,  insofern, 
als  die  Puppenzahl  pro  Stamm  nach  außen  allmählich  ab- 
nimmt, während  gleichzeitig  das  E  r  k  r  a  n  k  u  n  g  s  p  r  o  z  e  n  t  ganz 
wesentlich  sinkt.  (Hilf -Witt  icli,  1924.)  Es  empfiehlt  sich  daher, 
um  Durchschnittswerte  zu  erhalten,  Probestreifen  von  5x1  (oder  1/0)  m 
zwischen   zwei   nicht   über  6  m   entfernten   Stämmen,   abzusuchen    (Abb.    5S3 1. 


5m 


5m 


1m 


nichh 


nichh 


Abb.   583.    Lage  der  ,, Probestreifen"   (5X1   mi   zu  den  Stämmen   (oben 
falsch).     Nach    Wo  I  f  f  -  K  r  a  u  ß  e. 


ichtis 


In  jedem  zur  Sammlung  bestimmten  Bestände  werden  je  nach  dem  ge- 
wünschten Genauigkeitsgrade  verschieden  viele,  im  Durchschnitt  etwa  4 
solcher  rechteckiger  Probestreifen  derart  in  die  verschiedenen  Bestandsteile 
gelegt,  daß  nach  Möglichkeit  alle  Bestandes-  und  Standortsverschieden- 
heiten, die  auf  die  Verteilung  des  Schädlings  einen  Einfluß  ausgeübt  haben 
können  (Verschiedenheiten  in  der  Bodendecke,  Bestandsalter  usw.)  berück- 
sichtigt  werden   (Hil  f -Witt  ich,    1924). 

Auch  in  vertikaler  Richtung  läßt  sich  eine  ähnliche  Differenzierung 
zwischen  der  Lagerung  von  gesunden  und  kranken  Puppen  feststellen,  indem 
die  erkrankten  Individuen  in  starkem  Maße  in  der  oberen  Bodenschicht  sich 
befinden.  Ein  zu  flaches  Absuchen  wird  also  das  gleiche  fehlerhafte  Bild 
des    Gesundheitszustandes    geben   wie    die   alte    Methode   der   tellerförmigen 


II.  Unterordnung:   Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  735 

Probesammlung.  Hierbei  ist  vor  allem  zu  beachten,  daß  die  Tachinen- 
tönnchen  in  der  Mehrzahl  in  den  höheren  Schichten  liegen,  so  daß  ein  zu 
oberflächliches  Suchen  ein  fehlerhaftes  Verhältnis  von  Tachine  und  Eule 
ergibt. 

Das  Puppensuchen  kann  zur  ersten  Orientierung  im  August  einsetzen 
und  hat  mehrmals  zu  geschehen,  um  etwaige  fortschreitende  Erkrankung 
(s.  o.  720)  festzustellen.  Wie  stark  der  Rückgang  der  Puppen  sein  kann,  geht 
aus  den  Untersuchungen  von  Hilf- Wittich  (1924b)  hervor,  wonach  im 
Biesenthal  er  Revier  im  Lauf  der  ersten  fünf  Wochen  die  Zahl  der  Puppen 
im  Jahre  1923  von  14  auf  9,  im  Jahre  1924  sogar  von  1,64  auf  0,39 
zurückgegangen  ist.  Später,  im  September,  trat  nochmals  eine  starke  Ver- 
m.inderung  ein,  indem  die  Puppenzahl  von  Ende  September  bis  zum  No- 
vember von  9  auf  2  gesunken  ist.  Die  Verminderung  war  im  Altholz  wesent- 
lich stärker  als  im  Stangenholz;  im  ersteren  (hundertjähriger  Bestand)  sank 
die  Puppenzahl  von  ^'^  auf  ^  5,  im  zwanzig-  bis  sechzigjährigen  Holz  dagegen 
nur  auf  V3  der  ursprünglichen  Menge.  Auch  Schneider  (1925)  berichtet 
eine  Beobachtung  aus  Okrilla,  wonach  die  zahlreichen  Puppen,  die  im  Herbst 
festgestellt  wurden  und  zu  großer  Besorgnis  Anlaß  gaben,  Ende  des  Winters 
vollständig  verschwunden  waren.  (Vergl.  auch  Hause ndorff,  Wolff- 
Krauße  u.  a.)  Starke  Rückgänge  der  Puppenzahlen  (von  x-lugust  bis  No- 
vember) konnten  auch  wir  bei  der  letzten  bayerischen  Kalamität  beobachten, 
und  zwar  in  verschiedenem  Maße  je  nach  der  Beschaffenheit  der  Bodendecke. 

Jedenfalls  brauchen  uns  hohe  Puppenzahlen  frühzeitiger  Puppensamm- 
lungen nicht  allzusehr  zu  erschrecken,  da  aus  den  obigen  Erfahrungen  her- 
vorgeht, daß  eine  Probesammlung  um  so  weniger  Anspruch  auf  Genauigkeit 
(der  Voraussage)  erheben  kann,  je  früher  sie  durchgeführt  wird.  Ferner 
wissen  wir  heute,  daß  die  im  fortgeschrittenen  Stadium  einer  Fraßperiode 
gefundenen  Puppenzahlen  prognostisch  wesentlich  günstiger  zu  beurteilen 
sind  als  die  zu  Beginn  einer  Massenvermehrung  gefundenen;  und  allgemein. 
daß  es  gänzlich  verfehlt  wäre  etwa  bestimmte  Puppenzahlen  für  alle  Ver- 
hältnisse als  Grenze  der  Gefahrenzone  angeben  zu  wollen.  Vor  allem  müssen 
die  zu  einer  bestimmten  Zeit  festgestellten  Puppenzahlen  in  Vergleich  gesetzt 
werden  mit  den  entsprechenden  Zahlen  des  \^orjahres:  Sind  sie  durchschnitt- 
lich kleiner  geworden  gegenüber  dem  Vorjahre  oder  sind  sie  im  Durchschnitt 
angestiegen?  Erst  nach  Beantwortung  dieser  Frage  kann  eine  einigermaßen 
sichere  Prognose  gestellt  werden.  So  wird  z.  B.  die  Puppenzahl  4  pro  qm 
nichts  Beunruhigendes  bedeuten,  wenn  im  Vorjahr  die  betreffende  Zahl  viel 
höher,  etwa  12,  war,  dagegen  zu  ernster  Sorge  führen  müssen,  wenn  im  Vor- 
jahr der  durchschnittliche  Puppenbelag  nur  0,5  oder  i  betrug.  Zur  raschen 
Orientierung  empfiehlt  es  sich,  die  jeweils  gefundenen  Puppenzahlen  —  je 
nachdem  sie  gegenüber  dem  Vorjahr  größer  oder  kleiner  geworden  sind,  mit 
dem  mathematischen   Symbol   „kleiner  als"   oder  ,, größer  als"   zu   versehen, 

also  z.  B.   I2>>4  oder   1  <<  4,  oder  als  Bruch  zu  schreiben,  also  —  bzw.—. 

12  I 

Natürlich  muß  der  Gesundheitszusta  nd  (Verjauchung,  Verpil- 
zung,  Parasitenbefall)  mit  in  die  Rechnung  eingestellt  werden;  ich  verweise 
in  dieser  Beziehung  auf  das  beim  Spanner  Gesagte  (S.  549). 

Im  einzelnen  Fall  lassen  sich  mit  Hilfe  der  Zwölf  er  sehen  Popu- 
lationsgleichung (vgl.  S.  658)  rasch  ungefähre  Anhaltspunkte  für  die  Höhe 
der  für  einen  Bestand  jeweils  kritischen  Puppenzahl   finden.    ..Nach  den  Er- 


736  II.  Spezieller  Teil. 

fahrungen  der  letzten  Kalamität  in  Mittclfranken,  hat  in  etwa  30 jährigem 
Stangenholz  auf  mittleren  Bonitäten  ein  Belag  von  rund 
500  Altraupen  Kahlfraß  zur  Folge.  Wird  die  ideale  Eizahl  der  Eule 
mit  190  angesetzt,  ihr  Geschlechterverhältnis  mit  i:  i,  und  rechnet  man  ferner 
unter  für  die  Kieferneule  günstigen  Witterungsverhältnissen  mit  einer 
Eireduktion  von  200/0  und  einer  Junglarvensterblichkeit  von  ebenfalls  200/0, 
dann  läßt  sich  auf  Grund  der  Populationsgleichung  der  Ansatz  aufstellen: 
Pi  ■  190  /  20  \  /  20 

^      ~        2        \  100/  \  100 

worin  nach  früheren  Erörterungen  P^  die  Ausgangspopulationsdichte,  also 
im  vorliegenden  Fall  die  Zahl  gesunder  Puppen  je  Stamm  zu  Beginn  der 
Generation  vorstellt.    Aus  obiger  Gleichung  folgt  für  Pj : 

^  2  ■  500  100 

Pi  = ö E  =  ca.  =  ca.  8,4 

'       190  .  0,8  .  0,8  12  ^ 

Bei  looo/oigem  Kronenschluß  und  rund  2  qm  Schirmfläche  würde  dies 
einem  durchschnittlichen  Puppenbelag  von  rund  4  je  qm  gleichkommen, 
der  in  diesem  Fall  als  kritische  Puppenzahl  anzusehen  wäre. 
Dabei  muß  berücksichtigt  werden,  daß  die  Wirkung  der  Witterungslage  in 
der  obigen  Gleichung  vorausgeschätzt  worden  ist.  Fällt  die  Witterung  für 
die  Eule  etwas  ungünstiger  aus,  als  angenommen  wurde,  dann  würde  sich 
eine  entsprechend  höhere  kritische  Puppenzahl  ergeben.  Ferner  führt  ein 
Kronenschluß,  der  kleiner  ist  als  der  im  Beispiel  angenommene  (von  looo/o) 
auf  kleinere  kritische  Puppenzahlen.  Für  das  Krisenjahr  einer  Kalamität  im 
besonderen  muß  die  Eireduktion  erheblich  höher  angesetzt  werden  infolge 
schlechter  Ernährungsverhältnisse,  „innerer  Erschöpfung"  usw.  (s.  Sacht - 
leben  1927).  Doch  fehlen  einstweilen  noch  genauere  Unterlagen  über  die 
Höhe,  welche  die   Eireduktion  in  diesem   Sonderfall  erreicht. 

In  entsprechender  Weise  läßt  sich  auch  für  Althölzer  die  kritische 
Puppenzahl  schätzungsweise  bestimmen,  wobei  jedoch  in  Rechnung  zu  stellen 
wäre,  daß  bei  einem  ca.  80jährigen  Bestand  erst  ein  Altraupenbesatz  von 
4 — 5000  Stück  je  Krone  zum  Kahlfraß  führt  und  die  Junglarvensterblichkeit 
nach  Meyers  Untersuchungen  selbst  bei  einer  für  die  Eule  günstigen 
Wetterlage  hier  erheblich  höher  ist  (40 — 500/0)." 

Neben  dem  Puppensammeln  ist  natürlich  der  Falterflug  (Zeitpunkt, 
Stärke  usw.)  genau  zu  beobachten,  ebenso  Zahl  und  Gesundheits- 
zustand der  Eier  und  Raupen.  Das  Bild  kann  sich,  wie  wir  oben 
mehrfach  gehört  haben,  rasch  ändern,  wodurch  unsere  Entschlüsse  bezüglich 
Ergreifung  oder  Unterlassung  kostspieliger  Bekämpfungsmaßnahmen  wesent- 
lich beeinflußt  werden  können. 

Vorbeugende  Maßnahmen. 

Als  vorbeugende  Maßnahmen  kommen  alle  jene  in  Betracht,  die  auf 
die  Erziehung  möglichst  gesunder,  widerstandsfähiger  Wälder  hinzielen,  also 
vor  allem  Mischung  der  Holzarten  und  damit  natürliche  Anreicherung 
der  Fauna,  ferner  weitgehendste  Schonung  und  eventuell  auch  künstliche 
Vermehrung  der  tierischen  Feinde  der  Eule  (Vogelschutz,  Ameisenvermeh- 
rung). Wenn  auch  bei  der  letzten  Riesenkalamität  vielfach  auch  Misch- 
wälder, die  in  dem  Gradationsgebiet  gelegen  waren,  zum  Opfer  fielen,  so 
finden    wir    doch    überall    in    der    Literatur    über    frühere    Kalamitäten    Be- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  737 

richte,  aus  denen  die  größere  Widerstandsfähigkeit  der  Mischwaldungen 
deutlich  hervorgeht.  Jedenfalls  ist  dringend  zu  raten,  daß  der  durch  die 
Eulendurchforstung  freigewordene  Raum,  wenn  irgend  möglich,  ausgiebig 
zu  Laubholzunterbau  benützt  wird.    (Allers,    1924.) 

Früher  wurde  gründlichste  Streuentnahme  zur  Vorbeugung 
empfohlen.  So  wurde  bei  einer  früheren  bayerischen  Kalamität  von  Braza 
(1900)  zu  einer  systematischen  Streunutzung  in  eulengefährdeten  Revierenge- 
raten, da  man  beobachtet  hatte,  daß  Tausende  von  Hektaren  berechten 
Privatwaldes  grün  geblieben  waren,  während  die  benachbarten,  unberechten 
Waldungen  kahlgefressen  wurden.  Diese  Beobachtung  ist  oft  und  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  gemacht  worden.  Anderseits  liegen  aber  auch  zahlreiche 
gegenteilige  Beobachtungen  vor,  wonach  auch  die  stärkste  Streunutzung  das 
Auftreten  der  Eule  nicht  verhindern  konnte.    (Berwig,   1925,  S.  324.) 

Ja,  Ratzeburg  gibt  sogar  an,  daß  nach  seinen  Erfahrungen  die  Eule 
am  meisten  Stangenhölzer  auf  einem  dürftigen,  durch  Streurechen  ent- 
kräfteten Boden  liebt.  Aus  den  verschiedenartigen  Angaben  in  der  Lite- 
ratur geht  jedenfalls  so  viel  hervor,  daß  Verallgemeinerungen  hier  nicht 
angebracht  sind.  Vor  allem  wäre  es  verfehlt,  solche  ohne  Berücksichtigung 
des  Untergrundes  (Durchlässigkeit!)  zu  machen  (s.  oben  S.  668  ff.). 

Vertilgung  der  Eier. 

Eine  Vertilgung  der  Eier  könnte  höchstens  auf  dem  Wege  der  Zufuhr 
bzw.  Vermehrung  der  Eiparasiten  ermöglicht  werden.  Das,  was  wir  oben 
über  Trichogramma  gehört  haben,  läßt  die  Hoffnung  nicht  ganz  unberechtigt 
erscheinen,  daß  durch  künstliche  Verbreitung  dieses  winzigen  Parasiten  die 
Eruption  abgeschwächt  werden  kann.  Das  Aussetzen  von  Trichogramma 
evanescens  Westw.  in  entsprechenden  Mengen  muß  sich  nach  dem  jeweiligen 
Beginn  der  Eiablage  der  Forleule  richten.  Die  günstigste  Zeit  wäre  in  der 
Regel  Mitte  bis  Ende  April,  bei  später  Eiablage  der  Forleule  auch  noch  bis 
Mitte   Mai. 

Vertilgung  der  Puppen. 

Wie  beim  Spanner,  so  richtete  sich  auch  bei  der  Eule  bis  vor  kurzem 
die  Bekämpfung  in  der   Hauptsache  gegen  das  Puppenstadium. 

Vermehrung  von  Parasiten.  —  Wie  man  gegen  das  Eistadium  evtl. 
Trichogramma  einsetzen  könnte,  so  könnte  auch  das  Aussetzen  des  Puppen- 
parasiten Pteromalus  alboannulatus  Rtzb.  zur  Vernichtung  der  Eulenpuppen 
in  Erwägung  gezogen  werden.  Dieses  müßte  frühenstens  von  „Ende  Juli  an 
erfolgen,  d.  h.  nach  der  Verpuppung  aller  Forleulenraupen.  Da  vermutlich 
bei  günstiger  Temperatur  vor  der  in  der  Forleulenpuppe  überwinternden 
Generation  wenigstens  noch  eine  Generation  von  Pt.  alboannulatus  Rtzb.  zu- 
stande kommt,  würde  gegebenenfalls  bereits  Mitte  Juli  begonnen  werden 
können." 

„Im  Gegensatz  zum  pantophagen  Trichogratnma  evafiescens  Westw.  ist 
Pteromalus  alboannulatus  Rtzb.  ein  polyphager  Parasit,  der  auf  wenige,  der 
Biocönose  des  Kiefernwaldes  angehörende  Wirte  angewiesen  zu  sein  scheint. 
Der  Nachteil,  der  sich  hieraus  für  die  künstliche  Züchtung  ergibt,  wird 
durch  den  Vorteil  aufgewogen,  daß  beim  Aussetzen  von  Pt.  alboannulatus 
Rtzb.  der  Parasit  sich  auf  die  Forleulenpuppe  und  die  Puppen  einiger 
anderer  forstschädlicher  Lepidopteren,  wie  Bupalus  piniarius  L.  und  Sphinx 
pinastri   L.,  beschränken  wird"    (Sachtleben,    1927). 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  III.  47 


738  II-  Spezieller  Teil. 

Schweineeintrieb.  —  Auch  bei  der  Eule  hat  man  immer  wieder  durch 
Schweineeintrieb  die  Puppenzahl  zu  vermindern  gesucht.  Bei  der  Eule  liegen 
die  Verhältnisse  besonders  günstig,  da  durch  die  frühzeitige  Verpuppung  ein 
langer  Zeitraum  zum  Eintrieb  zur  Verfügung  steht.  Die  Behauptung,  daß 
durch  Schweine  in  der  Hauptsache  die  parasitierten,  meist  oberflächlich 
gelegenen  Eulenpuppen  vernichtet  werden,  während  die  gesunden,  tief  er- 
liegenden verschont  bleiben,  bedarf  erst  noch  eingehender  Untersuchungen. 
Aus  der  Praxis  liegen  jedenfalls  verschiedene  günstige  Urteile  über  die 
Wirkung  des  Schweineeintriebs  bei  Eulengradationen  vor  (s.  Neumeister, 
1915). 

Hühnereintrieb.  —  Auch  Hühnereintrieb  wurde  verschiedentlich  versucht. 
Wo  ein  hoher  Bodenüberzug  vorhanden  ist,  der  die  Tiere  am  Scharren 
hindert,  blieb  ein  Erfolg  aus  (Berwig,  1925).  In  anderen  Fällen  dagegen 
war  eine  Wirkung  nicht  zu  verkennen.  So  blieben  nach  Sedlaczek  (1913) 
beim  böhmischen  Eulenfraß  die  Waldpartien  in  der  Nähe  von  hühnerreichen 
Gehöften  grün.  Natürlich  wird  dieses  Verfahren  nur  einen  sehr  beschränkten 
Wirkungskreis  haben,  noch  weit  beschränkter  als  der  Schweineeintrieb. 

Bearbeitung  der  Streu.  —  Das  Streurechen  stellte  bis  vor  kurzem 
das  Hauptbekämpfungsmittel  gegen  die  Eule  dar.  Es  kommt  ihm  auch 
zweifellos  ein  hoher  Wert  als  Puppenvertilgungsmittel  zu.  Die  Streu  ^\•ird 
am  besten  in  mindestens  i  m  hohe,  feste  Wälle  oder  Haufen  zusammen- 
gebracht, wobei  besonders  darauf  zu  achten  ist,  daß  die  Streu  gründlich  bis 
zum  mineralischen  Boden  entfernt  wird,  damit  die  Mehrzahl  der  Puppen  in 
den  Wällen  bzw.  Haufen  fest  und  tief  eingeschlossen  ist  und  so  die  Falter  am 
Auskommen  verhindert  werden^).  Wolff-Krauße  (1922)  berichten,  daß 
der  Falterflug  in  den  so  behandelten  Orten  vollkommen  unterblieb  und  dort, 
wo  diese  an  unbehandelte  Revierteile  angrenzten,  so  scharf  abgeschnitten 
aufhörte,  als  ob  eine  unsichtbare,  gläserne  Wand  die  beiden  Bezirke  von 
einander  getrennt  hätte.  Fast  mit  den  gleichen  Worten  schilderte  mir  A.  von 
Vietinghoff  eine  übereinstimmende  Beobachtung,  die  er  1923  in  seinen 
Eulenwäldern  bei  Bautzen  gemacht  habe  (s.  dagegen  die  Angaben  von 
E.  Meyer,  S.  684). 

Als  beste  Zeit  für  das  Zusammenbringen  der  Streu  ist  der  Herbst  zu 
empfehlen,  da  ja  wegen  des  frühen  Schlüpfens  im  Frühjahr  zu  wenig  Zeit 
dafür  verbleibt.  Die  Arbeit  geschieht  in  kleinen  Verhältnissen  mit  eisernen 
Rechen  oder  Plaggenhauen,  auf  größeren  Flächen  mit  Grubbern  (Kranold- 
schen  Grubbern)  oder  E^gen.  Nach  Beendigung  der  Gradation  ist  die  Streu 
aus  bodenpfleglichen  Gründen  wieder  auszubreiten  2).  Die  Methode  des  Zu- 
sammenbringens  und  Wiederausbreitens  der  Streu  kostet  viel  Geld  (200  bis 
300  RM.  je  ha);  sie  ist  daher,  wo  irgend  angängig,  aus  wirtschaftlichen 
Gründen  besser  durch  die  radikale  Entfernung  und  Abgabe  der  Streu  zu 
ersetzen  (s.  unten  S.  748). 

Beim  Abziehen  der  Streu  werden  trotz  aller  Gründlichkeit  nicht  alle 
Puppen    erfaßt    werden.     Viele    —    und    es    sollen    dies    nach    verschiedenen 


1)  Wir  haben  auch  versucht,  durch  Beigabe  von  Ätzkalk  und  anderen  Chemi- 
kalien die  Wirkung  des  Anhäufeins  zu  erhöhen,  konnten  aber  keinen  Unterschied 
zwischen  den  reinen  Streuhaufen  und  den  gekalkten  erkennen. 

2)  Über  die  Technik  des  Streurechens  sowie  über  die  Art  der  Wirkung  der 
Streuhaufen  auf  die  darin  eingeschlossenen  Puppen  ist  oben  beim  Spanner  Näheres 
angegeben   (S.  56off ). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


739 


Autoren  gerade  die  gesündesten  Puppen  sein  —  werden  auf  dem  Boden  oder 
in  den  oberflächlichen  Schichten  desselben  verbleiben.  Diese  werden  zum 
größten  Teil  zugrunde  gehen,  indem  sie  teils  vertrocknen,  teils  den  ver- 
schiedenen Räubern  zum  Opfer  fallen,  vor  allem  den  Vögeln. 

Außer  der  hier  geschilderten  Streubehandlung  wird  auch  V  o  1 1  u  m  - 
bruch  des  Bodens  empfohlen,  „um  die  Puppen  möglichst  tief  zu  versenken" 
(Berwig,  1925,  S.  3^3), 
eine  Methode,  die  nach 
den  Erfolgen  bei  der 
Spannerbekämpfung  { S . 
566)  in  kleineren  begrenz- 
ten Orten  gute  Dienste 
leisten  kann. 

Vertilgung  der  Raupen. 

Bei  großen  Euleii- 
kalamitäten  wird  nvAu 
heute  letzten  Endes  stets 
zu  dem  Radikalmittel 
der  Vernichtung  der 
Raupen  durch  :\  u  t'  - 
streuen  von  Giftpul- 
vern greifen.  Diese 
Bekämpf tmg  ist  den  bis- 
her gebräuchlichen  Me- 
thoden der  Raupenvertil- 
gung so  weit  überlegen, 
daß  letzteren  heute  fast 
nur  noch  historischer 
Wert  zukommt. 

So  wird  heute  kein 
Praktiker  mehr  auf  dem 
Wege  des  Leimens  und 
nachfolgenden  Preilens 
die  Eule  bekämpfen  wol- 
len, obwohl  seinerzeit,  als 
in  Bayern  (1892)  und 
Sachsen  (191 5)  Versuche 
in  dieser  Richtung  an- 
gestellt wurden,  diese 
Methode  mangels  anderer  Mittel  als  beachtenswert  (Abb.  584)  gebucht  wurde 
(Nitsche,   Neumeister,   191 5  i). 

Nur   das   Abfangen   der   aus   den   kahlgefressenen   Beständen   nach   den 
Kulturen  abwandernden   Raupen  durch    Fanggräben    (bzw.   durch   Pflug- 


Abb.    584.     Eulenraupen,    die    sich   nach    dem    Prellen 
unter  dem  Leimring  angesammelt  haben.    Nach  Neu- 
meister. 


1)  In  noch  früheren  Zeiten  hat  man  auch,  ohne  vorher  zu  leimen,  die  Bäume 
geprellt  (in  Württemberg  hat  man  um  das  Jahr  1780  starke  Seile  um  3—4  nahe  bei- 
einanderstehende Bäume  gewunden  und  dann  mit  großen  Hebeln  auf  das  straff 
gespannte  Seil  geschlagen).  Die  so  herabgeworfenen  Raupen  wurden  zertreten  oder 
auf  Tücher  gesammelt  und  vernichtet.  Welch  großer  Menschenaufwand  damals  ge- 
trieben wurde,  geht  daraus  hervor,  daß  bei  solchen  Bekämpfungsaktionen  1000  Mann 
aufgeboten  wurden  (Berwig). 

47* 


740 


II.  Spezieller  Teil. 


furchen)  wird  heute  noch  geübt,  und  zwar,  wie  auch  bei  der  letzten  baye- 
rischen Kalamität  wieder  zu  sehen  war,  mit  bestem  Erfolg.  Jedoch  kann 
man  heute  die  Kulturen  auch  ohne  Raupengräben  durch  Bestäuben  mit  einem 
Fraß-  oder  Kontaktgift  (mit   Handbestäuber)   retten. 


Kot 

in  mg 


Parallelyersuch 


Gift^ersuch 


noo 


1200 


800 


WO 


200 
100 

0 

Kot  nach  1 


klagen 


Abb. 


585.     Arsenwirkung    auf    Eulenraupen    (Vierhäuter). 
Nach  B  er  wig. 


Was  die  Giftbestäubung  zur  Eulenbekämpfung  im  Großen 
betrifft,  so  mußten  erst  die  Grundlagen  hierfür  im  Laboratorium  geschaffen 
werden,  d.h.  es  mußte  die  Wirkung  der  gebräuchlichen  Gifte  auf 
die  verschiedenen  Stadien  der  Eulen  raupe  geprüft  werden,  da 
hierüber  bisher  noch  keine  genaueren  Erfahrungen  vorhanden  waren.  Die 
notwendigen  Vorarbeiten  wurden  durch  B  er  wig  (1931)  und  durch  Weis 
(1931)  im  hiesigen  Institut  ausgeführt. 

B  er  wig  studierte  die  Wirkung  der  gebräuchlichsten  Arsengifte 
(Esturmit  und  Meritol)  und  kam  dabei  zu  folgenden  Resultaten: 

Die  Wirkung  von  Arsenpräparaten  auf  Forleulenraupen 
ist  als  äußerst  günstig  anzusehen.  Schon  eine  kleine  Giftmenge 
genügt,  um  die  Fraßtätigkeit  stark  herabzumindern  (Abb.  585),  die  Raupen- 
entwicklung zum  Stillstand  zu  bringen  und  nach  1/2 — 5  Tagen  eine  zuverlässig 
abtötende  Wirkung  zu  erzielen.  Nach  der  Vergiftung  nimmt  nicht  nur 
die  Kotmenge  an  sich  sofort  ab,  sondern  es  verändert  sich  auch  die  Kot- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.    Tamilie  Noctuidae  (Eulen).  741 

ballengröße.  Die  Kotballen  von  vergifteten  Raupen  sind  wesentlich  kleiner 
und  unregelmäßiger  geformt  als  die  von  gesunden,  so  daß  man  schon  daran 
die  Vergiftung  erkennen  kann   (Abb.  586). 

Die  schnellste  Giftwirkung  wurde  bei  Zweihäutern  erzielt  (Einhäuter 
standen  nicht  zur  Verfügung).  Bei  ihnen  waren  bereits  nach  i  Tag  80 0/0  tot. 
Auch  auf  Dreihäuter  war  die  Arsenwirkung  noch  sehr  gut,  indem  schon  nach 
eintägiger  Giftaufnahme  die  Raupen  fast  nichts  mehr  fraßen  und  nach 
2  Tagen  bereits  die  Hälfte  starb.  Dasselbe  gilt  auch  noch  für  die  Vier- 
häuter.  Selbst  bei  für  das  Auge  äußerst  schwacher  Bestäubung,  bei  der  ver- 
sucht wurde,  800  Staubteilchen  pro  Nadel  (=  ca.  50  kg  je  ha)  aufzustäuben, 
wurde  sowohl  durch  Meritol  als  auch  durch  Forstesturmit  eine  vollkommen 
ausreichende  Wirkung  auf  Vierhäuter  erzielt.  Bei  Meritol  waren  nach  3,  bei 
Forstesturmit  sogar  nach  2  Tagen  die  Raupen  verendet.  Nach  einem  Ver- 
such im  Thermostaten,  bei  dem  die  Raupen  unter  15,  18  und  22°  C  an  be- 
stäubte Zweige  gesetzt  wurden,  war  die  Arsenwirkung  bei  22°  am  besten. 

Aus  diesen  Untersuchungen  Berwigs,  deren  Einzelheiten  in  der 
Originalarbeit  nachzusehen  sind,  geht  hervor,  daß  die  Eulenraupe  zu  den 
arsenempfindlichsten    Raupen   gehört   und  also   ein   sehr  günstiges 


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Abb.  586.   Kot  der  Eulenraupe  als  Zwei-,  Drei-  und  Vierhäuter,  oben  von  vergifteten, 
unten  von  gesunden  Raupen.    Nach  B  e  r  w  i  g. 

Objekt  für  die  Arsenbekämpfung  darstellt.  Man  kann,  wenn  die 
Bestäubung  rechtzeitig  und  sachgemäß  ausgeführt  wird,  mit  Sicherheit  auf 
einen  vollen  Erfolg  rechnen  (im  Gegensatz  zum  Spanner,  s.  S.  56S).  Da- 
durch hat  die  Eule,  obwohl  sie  an  Virulenz  zugenommen,  ihre  Schrecken 
für  den  Waldbesitzer  verloren,  da  ihm  heute  ein  sicheres  Mittel  an  die  Hand 


742 


II.  Spezieller  Teil. 


gegeben  ist,  noch  in  letzter  Stunde  den  Wald  vor  dem  Verderben  7A1 
retten  ^). 

Von  allergrößter  Wichtigkeit  für  den  vollen  Erfolg  der  Arsenbestäii- 
bung  ist  die  richtige  Bestimmung  des  Zeitpunktes,  an  welchem  der  Kampf 
einzusetzen  hat.  Ein  zu  spät  oder  zu  früh  kann  zu  Teilerfolgen,  ja  selbst 
zum  Mißerfolg  führen. 

Nach  den  eben  mitgeteilten  Untersuchungen  Berwigs  verspricht  der 
Arsenkampf  am   erfolgreichsten   zu   werden,   wenn   er  sich   gegen   die  Jung- 


Abb.   587.    Arsenwirkung-  auf  Eulenraupen  nach   12  Stunden  Giftfraß  und  24  Stunden 

weiteren   Fraß  an  unbegiftetem   Futter.    Links   Kontrollversuch  mit  nur  unbegiftetem 

Futter.    Nach  B  e  r  w  i  g. 

raupen,  insbesondere  das  I.— III.  Stadium  richtet.  Danach  empfiehlt  es  sich 
mit  der  Bestäubung  zu  beginnen,  wenn  die  Hauptmasse  der  Eier,  rund  Sqo/o, 
geschlüpft  ist.  Durch  Probefällungen  kann  man  sich  über  das  allmähliche 
Fortschreiten  der  Eiablage  und  der  Eientwicklung  unterrichten,  und  der- 
gestalt den  gesuchten  Zeitpunkt  festlegen.  Doch  ist  dieser  Weg  umständlich 
und   nicht   absolut   zuverlässig.    Zweckmäßiger   erscheint   es,    den    fraglichen 

1)  Dem  wird  entgegengehalten  werden,  daß  die  wenigsten  Privatwaldbesitzer 
imstande  sind,  die  hohen  Kosten  zu  tragen.  Hier  muß  auf  irgendeine  Weise  Ab- 
hilfe geschaffen  werden,  sei  es  durch  Kreditgewährung,  sei  es  auf  dem  Wege  der 
Versicherung  oder  dergleichen.  An  und  für  sich,  d.  h.  im  Verhältnis  zum  Verlust, 
sind  die  Kosten  mäßig  und  unbedingt  gerechtfertigt,  stehen  doch  den  Ausgaben 
für  die  Bekämpfung  in  Höhe  von  ca.  70  M.  die  Ausgaben  für  die  Kulturen  usw.  in 
der   Höhe  von   mindestens   300—400   M.   pro   ha  gegenüber. 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen). 


743 


Zeitpunkt  durch  Verfolgung  des  Temperaturverlaufes  im  Freien  unter  Berück- 
sichtigung der  im  bionomischen  Teil  (Abb.  529)  dargestellten  Entwicklungs- 
dauerkurven zu  bestimmen,  bzw.  wenn  die  Wetterlage  den  Temperaturverlauf 
vorauszusehen  gestattet,  den  fraglichen  Zeitpunkt  an  Hand  der  Kurven 
schätzungsweise  zu  ermitteln. 

Um  brauchbare  Unterlagen  über  die  Hauptzeit  des  Falterfluges,  der 
Eiablage  usw.  zu  gewinnen,  wird  am  einfachsten  die  von  Meyer  benutzte 
Methode  angewendet:  Aussetzen  einer  bestimmten  kurz  zuvor  eingesammelten 
Anzahl  gesunder  Puppen  unter  möglichst  naturgetreuen  Bedingungen  im 
Walde  an  einem  durch  Holzleisten  und  Drahtgaze  abgeschlossenen  Raum. 
Durch  tägliches  Absammeln  der  hier  schlüpfenden  Falter  läßt  sich  der 
Zeitpunkt,  an  dem  die  Hauptmasse  der  Falter  ausgekommen  ist,  (rund  800/0) 
ohne  Schwierigkeit  ermitteln.  Berücksichtigt  man  nun  das  im  bionomischen 
Teil  (S.  630  ff.)  über  die  Temperaturabhängigkeit  von  Lebensdauer  und  Eiab- 
lageperiode Gesagte,  dann  ist  auch  der  Zeitpunkt,  an  dem  die  Hauptmasse 
der  Eier  abgesetzt  worden  ist,  leicht  und  für  praktische  Zwecke  ausreichend 


Abb.  588.   .^rsenwirkuno-  auf  Eulenraupen  (Vierhäuter )   nach   i  Tag.   Links:   schwacher 

Fraß   an  bestäubtem    Futter,   geringe   Kotmengen;   rechts:   Kahlfraß   an   unbegiftetem 

Futter,   große    Kotmengen.    Nach   Berwig. 


bestimmbar.  Das  weitere  über  die  Dauer  der  Eientwicklung  ergibt  sich, 
wie  bereits  erwähnt,  aus  dem  Gang  der  Temperatur  im  Freien  unter  Berück- 
sichtigung der  Entwicklungsdauerkurven. 

Neben  Arsenpräparaten  kamen  in  letzter  Zeit  auch  verschiedeiae  Kon- 
taktgifte in  den  Handel,  von  denen  hier  zwei  genannt  seien:  Forestit 
(der  Fa.  E.  Merck-Darmstadt)  und  Polvo  (der  Firma  Cooper,  Mc.  Dougall 
and  Robertson,  Ltd.,  Berkhamsted,  England). 

Über  die  Wirkung  dieser  beiden  Präparate  wurden  in  jüngster  Zeit  ein- 
gehende Untersuchungen  von  Weis  angestellt,  die  zu  folgenden  Resultaten 
führten: 

Forestit:  Forleulenraupcn  des  IL  und  HL  Stadiums  zeigten  sich 
gegen  Forestit  äußerst  empfindlich.    Schon  geringe  Giftmengen  (0,03  mg  pro 


744  II.  Spezieller  Teil. 

Raupe  für  Einhäuter,  0,07  mg  für  Zweihäuter)  genügten,  um  die  Raupen  in 
I  resp.  2  Tagen  zu  vernichten.  Die  Reaktion  auf  das  Gift,  die  bereits  15  bis 
30  Minuten  nach  der  Bestäubung  einsetzte,  äußerte  sich  in  krampfartigem 
Krümmen  (Abb.  589  a — d)  und  Ausspucken  des  Darminhaltes.  Dieser  Zu- 
stand dauerte  nur  wenige  Stunden,  danach  waren  die  Tiere  völlig  erschöpft 
und  bewegten  sich  kaum  mehr.  Tote  Raupen  waren  stark  eingeschrumpft 
vmd  hatten  die  Beine  vom  Körper  abgestreckt   (Abb.  589  e). 

So  empfindlich  sich  die  Ein-  und  Zweihäuter  gegen  Forestit  zeigten,  so 
widerstandsfähig  erwiesen  sich  die  Drei-  und  Vierhäuter  dagegen.  Bei  Vier- 
häutern  konnte  selbst  bei  Anwendung  großer  Giftmengen  (0,6  mg  pro  Raupe) 
keine  looo/oige  Abtötung  erreicht  werden,  obwohl  zunächst  Vergiftungs- 
erscheinungen zu  beobachten  waren.  Das  Intervall  zwischen  Bestäubung  und 
erstem  Auftreten  der  Vergiftungssymptome  war  trotz  größerer  aufgestäubter 


er  v 


<«i»    v. 


d  e 

Abb.   589.    Vergiftungserscheinungen  bei   Eulenraupen  nach  Bestäubung  mit   Forestit. 

a^d  sich  krümmende  Raupen,  e  tote,   vergiftete  Raupe.    Nach  Weis. 

Giftmenge  bei  diesen  älteren  Stadien  wesentlich  größer  als  bei  Ein-  und 
Zweihäutern.  Es  betrug  bei  Dreihäutern  durchschnittlich  i  Stunde,  bei  Vier- 
häutern  1V2  Stunden. 

Forestit  wirkt  auch  als  Fraßgift:  Von  Eulenraupen  des  V.  Stadiums 
gingen  eine  kleine  Anzahl  durch   Fressen  des  vergifteten    Futters  zugrunde. 

PolvorDie  Wirkung  von  Polvo  (das  ein  D  er  ris  -  Präparat  darstellt) 
auf  Eulenraupen  des  II.  und  III.  Stadiums  war  ebenfalls  sehr  gut.  Schon 
mit  geringen  Giftmengen  (ca.  0,05  mg  pro  Raupe  für  Einhäuter,  ca.  0,09  mg 
für  Zweihäuter)  konnten  alle  Raupen  nach  2  resp.  3  Tagen  abgetötet  werden. 
Die  Vergiftung  äußerte  sich  ähnlich  wie  nach  Bestäubung  mit  Forestit  in 
krampfartigem  Krümmen  und  Erbrechen.  Verendete  Raupen  waren  gleich- 
falls stark  geschrumpft;  Verätzungen  der  Haut  wurden  nicht  beobachtet. 

Vierhäuter  zeigten  sich  gegen  Polvo  nicht  so  widerstandsfähig  wie  gegen 
Forestit;  allerdings  mußten  sehr  große  Giftmengen  (ca.  0,9  mg  pro  Raupe) 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen).  745 

angewendet  werden,  um  die  Mehrzahl  der  Versuchstiere  in  4 — 5  Tagen  zu 
vernichten. 

Mit  Polvo  bestäubte  Kiefernnadeln  besaßen  für  Raupen  des  V.  Stadiums 
fraßabschreckende  Wirkung.  Nur  vereinzelt  krochen  Tiere  auf  das  begiftete 
Futter,  um  es  jedoch  bald  wieder  zu  verlassen. 

Diese  Laboratoriumsversuche  von  Weis  wurden  ergänzt  durch  Frei- 
landversuche von  Meyer  mit  Motor-  und  Handverstäuber  in  Krüppel- 
beständen und  Kulturen.  Die  Ergebnisse  dieser  Versuche  waren  nicht  sehr 
ermutigend.  Das  unter  dem  Namen  „Polvo"  im  Handel  befindliche  Prä- 
parat scheint  in  seiner  gegenwärtigen  Form  wegen  seiner  Grobkörnigkeit, 
schlechten  Verstäubbarkeit  und  nicht  zuletzt  auch  wegen  des  hohen  Preises 
zur  Forstschädlingsbekämpfung  wenig  geeignet  zu  sein.  Jedenfalls  ist  ihm 
Forestit  für  den  Großkampf  überlegen.  Nachdem  mit  letzterem 
bereits  gegen  den  Spanner  so  glänzende  Erfolge  erzielt  wurden  (s.  oben 
S.  569),  sollten  auch  gegen  die  Eule  Großversuche  unternommen  werden. 

Bekämpfung  der  Sekundärschädlinge. 

Ist  die  Eulengradation  zu  Ende,  so  heißt  es,  der  durch  diese  einge- 
leiteten Gradation  die  Sekundärschädlinge  entgegenzutreten.  Für  den 
Forstmann  beginnt  jetzt  die  Zeit  gespanntester  Aufmerksamkeit,  wenn  nicht 
all  die  Mühen  der  Eulenbekämpfung  umsonst  gewesen  sein  sollen.  „Mit  aller 
Tatkraft",  schreibt  König  (1925a),  ,,muß  dafür  gesorgt  werden,  daß  die 
den  stark  befressenen  Kiefern  gebliebene  Erholungsmöglichkeit  von  ihnen 
auch  ausgenutzt  werden  kann  und  nicht  durch  die  Folgeschädlinge  gestört 
wird.  Während  der  Wirtschafter  keinen  Einfluß  auf  die  Erholungsfähigkeit 
an  sich  und  auf  die  sie  beeinflussende  Witterung  hat,  kann  sich  sein  Willen 
und  Geschick  an  der  Lösung  dieser  Aufgabe  erproben.  Die  Bekämpfung  der 
Folgeschädlinge  wird  in  der  kurzen  Zeit,  die  namentlich  der  Waldgärtner 
uns  läßt,  zur  wichtigsten  Aufgabe,  deren  Vernachlässigung  sich  bitter  rächen 
würde,  stellenweise  schon  gerächt  hat.  Denn  manchenorts  gewinnt  man  den 
Eindruck,  daß  gegen  den  Waldgärtner  im  Frühjahr  1924  nicht  mit  der  nach- 
haltigen Tatkraft  gearbeitet  worden  ist,  die  nötig  gewesen  wäre;  die  Folge 
ist  schon  jetzt  eine  starke  Verbreitung  in  den  Fraßorten  und  eine  erhebliche 
Vermehrung  und  Erschwerung  der  im   Frühjahr   1925  zu  leistenden  Arbeit." 

Der  Kampf  gilt  vor  allem  den  beiden  Waldgärtnern  (Alyel.  piniperda  L. 
und  minor  Htg.),  die  sich  regelmäßig  nach  Eulenfraß  einstellen  und  den 
Eulenschaden  hauptsächlich  durch  den  Triebfraß  noch  stark  vermehren 
können.  Die  Erkennung  des  Befalls  ist  bei  pi/iiperda  nicht  schwierig:  die 
gelben  Harztrichter  (bei  stark  kränkelnden  Stämmen  fehlen  allerdings  oft 
die  Harztrichter)  und  vor  allem  das  Bohrmehl  sind  sichere  Kennzeichen. 
Bei  minor  dagegen  ist  die  Diagnose  nicht  so  einfach,  wenn  nicht  Specht- 
einhiebe in  den  glattrindigen  Stammpartien  oder  Bohrmehlspuren  den  Besatz 
verraten.  Jedenfalls  wird  man  sich  dabei  eines  guten  Glases  bei  den  Fest- 
stellungen bedienen  müssen,  außerdem  werden  Probefällungen  notwendig 
werden.  König  rät  nach  Vorschlag  von  Wolff  (Forstliche  Flugblätter 
Nr.  3),  das  Verhältnis  der  beiden  Waldgärtner  bezüglich  der  Häufigkeit 
ihres  Vorkommens  an  den  Stämmen  zu  untersuchen,  um  so  auf  indirektem 
Wege  Schlüsse  auf  die  Häufigkeit  des  minor  ziehen  zu  können.  Der  gefähr- 
lichere und  schädlichere  (wenn  auch  im  allgemeinen  seltenere)  ist  zweifellos 


746  II.  Spezieller  Teil. 

iniiior,  da  dieser  primärer  ist  und  Quergänge  macht  (Unterbrechung  der 
Saftleitung). 

Der  Kampf  gegen  die  Waldgärtner  im  stark  befressenen  Eulenwald  hat 
in  erster  Linie  in  dem  rechtzeitigen  Fällen  der  mit  Brut  besetzten 
Bäume,  die  vorher  ausgezeichnet  sind,  zu  bestehen.  Es  werden  natürlich 
bei  großen  Katastrophen  anfangs  —  später  wird  der  „Blick"  für  den  Befall 
immer  sicherer  werden  —  nicht  wenig  befallene  Bäume  übersehen  w^erden, 
so  daß  immer  wieder  neue  Fällungen  zu  machen  sein  werden.  Fangbäume 
haben' in  solchen  starkbefressenen  Revieren  keinen  Zweck,  da  ja  alle  Bäume 
m_ehr  oder  weniger   Fangbäume  darstellen. 

Dagegen  wird  man  bei  Lichtfraß  und  zum  Schutz  von  an  Kahlfraß- 
flächen angrenzenden  verschonten  Beständen  durch  Fangbäume  viel  er- 
reichen können  (Vetter,  Oberdieck,  Stubenrauch,  Lehn  er  und 
B  e  r  w  i  g  und  andere) . 

Das  Gleiche,  was  hier  über  die  Bekämpfung  der  Waldgärtner  gesagt 
ist,  gilt  auch  für  die  übrigen  etwa  auftretenden  Borkenkäfer  [pidentaLus 
Hbst.,  aciiuiinatiis  Gyll.  usw.),  ferner  für  Pissodes,  Ac(7/i///()c//ii/s  usw.  (Einzel- 
heiten über  alle  diese  Folgeschädlingc  finden  sich  im  IL  Band  dieses 
W^erkes). 

Organisation  der  Bekämpfung  einer  Eulengradation. 

Nachdem  im  \'orhergchendcu  Abschnitt  alle  uns  heute  zur  Verfügung 
stehenden  Bekämpfungsmittel  im  einzelnen  besprochen  sind,  sei  hier  die 
Organisation  der  Bekämpfung  einer  über  große  Gebiete  ausgedehnten  Eulen- 
kalamität mitgeteilt,  wie  sie  von  dem  bayerischen  Forstmeister  M.  Sinders - 
berger  aufgestellt  und  durchgeführt  wurde  und  die  als  Vorbild  für  jede 
größere   Bekämpfungsaktion   überhaupt   dienen   sollte  i). 

Die  Grundformen  einer  organisierten  Kampfhandlung  sind  seit  Men- 
schengedenken die  gleichen  geblieben,  wenn  auch  die  Waffentechnik  sich 
geändert  hat.  Einheitliche  straffe  Leitung,  Erkundung  der  Lage  beim 
Feinde,  planmäßige  Mobilmachung,  rücksichtsloser,  das  Kampfziel  im  Auge 
behaltender  Einsatz  aller  als  wirksam  erkannten  Mittel  und  rasche  Heilung 
der  Schäden,  die  auch  der  gewonnene  Krieg  verursacht,  waren  von  jeher  und 
bleiben  immer  die  Voraussetzungen  des  Kampferfolges. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  wurde  auch  die  Bekämpfung  der  Fohren- 
eule organisiert,  die  im  Jahre  1930  in  dem  bayerischen  Regierungsbezirke 
Mittelfranken  verheerend  aufgetreten  ist  und  im  Jahre  1931  wiederum  zur 
Massenvermehrung  zu  kommen  droht. 

I.  Die  einheitliche  Leitung  der  ganzen  Kampfaktion  ist  durch  Schaf- 
fung eines  besonderen  Bekämpfungsreferates  an  der  Regierungsforstkammer 
(Mittelstelle)  gewährleistet.  Dem  Referat  obliegt  neben  der  Leitung  der 
eigentlichen  Schädlingsbekämpfung  auch  die  Entscheidung  über  den  Ein- 
schlag der  von  der  Eule  befallenen  Bestände  im  Benehmen  mit  dem 
Handels-  und  Forsteinrichtungsreferat,  ferner  der  Entwurf  eines  Arbeits- 
planes über  die  notwendig  werdenden  Kulturmaßnahmen  in  durchlichteten 
Beständen  und  auf  Kahlflächen,  die  Beratung  der  Gemeinden  und  Privaten, 
deren  Waldungen  durch  die  Eule  gelitten  haben,  in  Rücksicht  auf   Fällung 


1)    Herrn   P'orstmeister   M.  S  i  n  d  e  r  s  b  e  r  g  e  r  sei   auch   an   dieser   Stelle   für  die 
Überlassung  seines  Berichtes  herzlichst  gedankt. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.     Familie  Xoctuidae  (Eulen;.  747 

und  Wiederaufforstung  und  endlich  noch  die  mehr  in  wissenschaftlicher 
Richtung  sich  bewegende  Auswertung  aller  gemachten  Erfahrungen,  haupt- 
sächlich durch  Vergleich  der  Entwicklung  der  Kalamität  mit  der  in  anderen 
Fraßgebieten  in  engster  Fühlungsnahme  mit  dem  Zoologischen  und  Botani- 
schen  Institut  der   Forstlichen  \"ersuchsanstalt. 

2.  Der  Schwerpunkt  der  ,, Erkundung  der  Verhältnisse  beim  Feinde" 
liegt  in  der  Feststellung  des  Belages  an  gesunden  Puppen  je  qm 
von  Bestand  zu  Bestand.  Bei  der  Lösung  dieser  wichtigsten  Frage  muß  der 
Zoologe  in  erster  Linie  zu  Wort  kommen  und  zwar  ist  die  Zeit  der  Puppen- 
suche von  einschneidender  Bedeutung.  Erfolgt  sie  zu  früh,  so  kann  weder  der 
Belag  noch  der  Gesundheitszustand  der  Puppen,  die  im  Laufe  des  Herbstes 
und  Winters  mannigfachen  Gefahren  ausgesetzt  sind,  mit  der  für  die  Be- 
kämpfung erforderlichen  Zuverlässigkeit  ermittelt  werden.  Setzt  sie  aber  zu 
spät  ein,  etwa  erst  Anfang  März,  so  wäre  zwar  eine  hinreichende  Genauigkeit 
gewährleistet,  es  bliebe  aber  nicht  mehr  genügend  Zeit,  den  Kampfeinsatz  so 
gründlich  vorzubereiten,  daß  der  Erfolg  auch  unter  ungünstigen  Witterungs- 
verhältnissen während  der  Bestäubungszeit  im  großen  garantiert  werden 
kcnmte. 

Es  wurde  daher  zunächst  eine  Puppensuche  in  allen  von  dem  Fohren- 
eulenfraß  bedrohten  Forstämtern  für  den  Monat  September  angeordnet. 
Sie  sollte  aber  den  auf  die  Puppensuche  sich  aufbauenden  Mobilmachungs- 
arbeiten nur  einen  allgemeinen  Rahmen  geben,  insofern,  als  sie  erwies,  wo 
überhaupt  keine  Gefahr  droht.  Denn  in  allen  Beständen,  in  denen  der  Belag 
an  gesunden  Puppen  im  September  weniger  als  3  Stück  je  qm  beträgt,  sind 
ernstere  Fraßbeschädigungen  nicht  zu  befürchten,  da  der  Puppenbelag  im 
Laufe  des  Winters  sich  noch  wesentlich  verringern  wird.  Es  wird  deshalb 
auch  nicht  mehr  notwendig  werden,  in  solchen  Beständen  nochmals  eine 
Puppensuche  vorzunehmen,  wodurch  sich  bei  der  außerordentlichen  Aus- 
dehnung der  bedrohten  Flächen  eine  wesentliche  Kostenersparnis  in  den 
Vorbereitungsmaßnahmen  erzielen  läßt.  Weiter  bietet  die  Puppensuche 
im  September  den  Vorteil,  daß  sie  schon  bald  die  Brennpunkte 
der  Gefahr  erkennen  vi  n  d  noch  Zeit  für  die  W  i  n  t  e  r  b  e  k  ä  m  p  - 
f  ung  lä  ß  t. 

Die  Winterbekämpfung  kann  sowohl  durch  Streuentnahme  wie  durch 
Umarbeiten  der  Streu  in  räumigen  Beständen  mit  der  Rollspatenegge  er- 
folgen. Sie  ist  aber  nur  in  jenen  Forstämtern  durchführbar,  wo  ein  hoher 
Puppenbelag  nur  in  einzelnen  Beständen  festgestellt  wurde.  Hier  ist  sie  der 
Giftbekämpfung  vorzuziehen,  da  sie  billiger  ist  und  der  Einsatz  von  Motor- 
verstäuber und  Flugzeug  in  vereinzelten,  getrennt  voneinander  liegenden 
Beständen  der  nicht  der  Hauptgefahrenzone  angehörenden  Forstämter  die 
Bekämpfungsaktion  nur  zersplittern  und  damit  den  Gesamterfolg  in  den  am 
meisten  bedrohten  Waldgebieten  in   Frage  stellen  würde. 

In  jenen  Waldbezirken  aber,  in  denen  die  Septemberpuppensuche,  wie 
es  bei  der  Eule  in  der  Regel  der  Fall  zu  sein  pflegt,  auf  weiten  zu- 
sam.men hängenden  Flächen  einen  bedrohlich  hohen  Puppenbelag  be- 
sonders in  den  20 — 60jährigen  Beständen  ergeben  hat,  muß  auf  die  Winter- 
bekämpfung durch  Streuentnahme  in  der  Regel  verzichtet  werden.  Denn 
abgesehen  davon,  daß  die  Streunutzung  die  Widerstandskraft  besonders  der 
jüngeren  Bestände  schwächt,  wären  zu  große  Streumengen  weder  im  Wege 
des  Verkaufs  noch  durch  Abgabe  an  die    Forstberechtigten   absetzbar.    Das 


748  II.  Spezieller  Teil. 

in  Lehrbüchern  vielfach  empfohlene  Zusammenrechen  der  Streu  auf  Haufen 
im  Herbst  und  das  Wiederausbreiten  im  Frühjahr  würde  aber  je  nach  der 
Bestandesverfassung  auf  200—300  RM.  je  ha  zu  stehen  kommen,  wäre  also 
gegenüber  der  Giftbestäubung,  die  nur  60 — 75  RM.  je  ha  kostet,  viel  zu 
teuer.  Auch  die  Bekämpfung  des  Schädlings  im  Puppenlager  durch  Um- 
brechen der  Streu  mittels  der  Rollspatenegge  ist  im  großen  kaum  durch- 
führbar. In  dem  Hauptgefahrengebiet  wird  also  von  vornherein  mit  Gift- 
verstäubung  gerechnet  werden  müssen. 

Da  jedoch  die  Puppensuche  im  September  deshalb  kein  zuverlässiges 
Bild  ergibt,  weil  eine  große  Zahl  von  Puppen  um  diese  Zeit  noch  nicht  ein- 
wandfrei auf  ihren  Gesundheitszustand  geprüft  werden  kann  und  im  Laufe 
des  Winters  noch  zugrunde  gehen  wird,  ist  in  den  ernstlich  gefähr- 
deten Forstämtern  nochmals  eine  Puppensuche  \orzunelimen. 
Als  beste  Zeit  hierfür  wurde  vom  Zoologischen  Institut  der  Forstlichen  Ver- 
suchsanstalt in  München  der  Monat  Dezember  vorgeschlagen.  Die  an  Ort 
und  Stelle  vorgenommenen  Untersuchungen  haben  nämlich  erwiesen,  daß  im 
Dezember  die  Verjauchung  und  Parasitierung  der  Puppen  schon  so  weit  vor- 
geschritten ist,  daß  sich  wesentliche  Änderungen  am  Belag  von  gesimden 
Puppen  bis  zum  Schlüpfen  der  Falter  kaum  mehr  ergeben  werden.  Die  Puppen- 
suche ist  von  den  Forstämtern  nach  einem  vom  Zoologischen  Institut  der 
Forstlichen  Versuchsanstalt  ausgearbeiteten  Merkblatt  durchzuführen,  das  die 
für  die  Puppensuche  wichtigsten  allgemein  anerkannten  Richtlinien  enthält. 
Das  Einsammeln  der  Puppen  hat  in  kleinen,  etwa  100  Stück  enthaltenden 
Schachteln  zu  erfolgen,  die  mit  feuchtem  Moos  auszukleiden  und  in  größeren 
Sammelsendungen  balchnöglichst  an  das  Zoologische  Institut  der  Forstlichen 
Versuchsanstalt  zur  Untersuchung  auf  den  Gesundheitszustand  einzuschicken 
sind.  Die  Aufschrift  auf  den  Schachteln  läßt  das  Forstamt,  die  Bezeichnung 
des  Bestandes,  den  Sammeltag,  die  qm-Zahl  der  Probeflächen,  sowie  die 
Boden-  und  Streubeschaffenheit  der  Bestände  ersehen.  Auf  1000  ha  Holz- 
bodenfläche sollen  mindestens  200  qm  Probeflächen  nach  Puppen  abgesucht 
werden. 

Der  Erörterung  bedarf  noch  die  Frage,  ob  die  Untersuchung  der 
Puppen  auf  den  Gesundheitszustand  für  das  ganze  bedrohte  Gebiet  im 
Zoologischen  Institut  selbst,  oder  auf  eigenen,  zu  diesem  Zweck  am  Sitze 
der  Forstämter  zu  errichtenden  sog.  Feldstationen  durch  liierfür  bestelltes 
Personal,  das  von  der  Versuchsanstalt  zu  schulen  wäre,  erfolgen  soll.  Diese 
Feldstationen  hätten  zweifellos  den  Vorzug,  daß  die  Puppenuntersucliung 
rascher  vor  sich  ginge  und  daß  vor  allem  das  längere  Aufbewahren  und  das 
Versenden  der  Puppen  mit  der  Post  vermieden  bliebe.  Andererseits  ist  die 
Einheitlichkeit  der  Arbeit  nicht  voll  gewährleistet  und  wenn  nach  Abschluß 
der  Untersuchung  sich  größere  Unterschiede  unter  sonst  gleichen  Verhält- 
nissen ergeben  würden,  so  käme  in  die  Vorbereitung  der  Kampfm.aßnahmen 
ein  Moment  der  Unsicherheit  herein,  das  hemmend  auf  die  zu  fassenden 
Entschlüsse  wirkt. 

Es  wird  daher  doch  der  einheitlichen  Untersuchung  der  Puppen  am 
Zoologischen  Institut  der  Vorzug  zu  geben  sein,  dem  zur  möglichst  raschen 
Bewältigung  der  Arbeit  Hilfskräfte  beigegeben  werden  müssen.  Dem  Zoo- 
logischen Institut  bleibt  auch,  wenn  es  die  Puppenuntersuchung  für  das 
ganze  Fraßgebiet  selbst  vornimmt,  die  Möglichkeit  gewahrt,  die  mannig- 
fachen Beobachtungen  wissenschaftlich  auszuv/erten. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  749 

Für  die  Verwaltung  jedoch  ist  zunächst  nur  die  Kenntnis  des  Belages 
an  gesunden  Puppen  je  qm  von  Bestand  zu  Bestand  von  Wichtigkeit,  da 
hierauf  alle  Kampfmaßnahmen  aufgebaut  werden  müssen,  die  einer  um- 
fassenden Vorbereitung  bedürfen.  Die  Puppenuntersuchung  muß  daher  bis 
spätestens  Mitte  Januar  beendet  sein. 

Im  März,  kurz  vor  dem  Schlüpfen  der  Falter,  hat  dann  nochmals,  aber 
nur  stichprobenweise,  in  dem  am  stärksten  bedrohten  Gebiete  eine  Unter- 
suchung der  Puppen  auf  den  Gesundheitszustand  zu  erfolgen,  die  Klarheit 
darüber  schaffen  soll,  ob  und  inwieweit  die  im  Dezember  ermittelte  Zahl 
des  Belages  an  gesunden  Puppen  je  qm  noch  reduziert  werden  muß. 

Mit  der  Feststellung  des  Belages  an  gesunden  Puppen  hat  aber  noch 
eine  andere,  für  die  Vorbereitung  der  Bekämpfung  kaum  minder  wichtige 
Arbeit  Hand  in  Hand  zu  gehen,  nämlich  eine  Erhebung  darüber,  in 
welchem  Umfang  und  Grade  einzelne  Bestände  oder  ganze 
Komplexe  im  Laufe  des  Jahres  schon  von  der  Eule  befressen 
wurden.  Fraßerscheinungen  vom  schwachen  Lichtfraß  bis  zum  Kahlfraß 
werden  sich  in  einem  bedrohten  Gebiete  auch  dann  finden,  wenn  es  erst  das 
Prodromalstadium  durchlaufen  hat.  Stand  es  bereits  im  Eruptionsstadium, 
so  werden  die  kahlgefressenen  Flächen  eine  größere  Ausdehnung  annehmen. 
Da  nun  eine  Giftbestäubung  in  einem  bereits  stark  befallenen  oder  gar  kahl- 
gefressenen Bestände  nicht  nur  zweck-,  sondern  auch  wirkungslos  ist,  weil  der 
Giftstaub,  wenn  die  Nadeln  fehlen,  nicht  haften  bleiben  kann,  so  ist  es  für 
die  Entscheidung  der  Frage,  in  welchem  x^usmaße  und  wo  die  Giftbekämp- 
fung vorgesehen  werden  muß,  von  ausschlaggebender  Bedeutung,  jene  Be- 
stände zu  kennen,  die  bereits  stärker  befressen  wurden. 

Nun  hat  die  Praxis  gezeigt,  daß  die  bisher  üblichen  Bezeichnungen: 
Naschfraß,  Lichtfraß  und  Kahlfraß,  auch  wenn  ihnen  noch  einige  Unter- 
abstufungen gegeben  werden,  viel  zu  weite  Begriffe  umfassen  und  kein  an- 
schauliches Bild  über  den  Grad  des  Befalles  und  die  in  Zukunft  notwendig 
werdenden  Maßnahmen  ergeben.  Es  mußte  daher  eine  schärfere  Klassi- 
fizierung des  Befallsgrades  gefunden  werden.  Die  Unterlage  hierfür  hat 
eine  Bereisung  des  mittelfränkischen  Fraßgebietes  durch  Professor  Dr. 
K.  von  Tubeuf  geschaffen. 

Dr.  von  Tubeuf  hat,  wie  oben  bereits  mitgeteilt  (s.  S.  689),  festgestellt, 
daß  in  jedem  stärker  befressenen  Bestand  sich  je  nach  dem  Befallsgrad 
deutlich  3  Stammklassen  unterscheiden  lassen,  und  zwar:  i.  Stämme,  die  noch 
einen  erheblichen  Anteil  alter  Nadeln,  besonders  in  den  oberen  Kronenteilen 
aufweisen  und  daher  sowohl  als  erholungsfähig  zu  bezeichnen  sind,  als  auch 
bei  der  Wiederkehr  des  Fraßes  mit  Aussicht  auf  Erfolg  bestäubt  werden 
können.  2.  Stämme,  die  noch  mehrere  Büschel  alter  Nadeln  und  auch 
vereinzelte  Nadeln  oder  Nadelstummeln  an  den  Zweigen  tragen.  Die 
Erholungsfähigkeit  dieser  Stämme  bezeichnet  v.  Tubeuf  als  fraglich. 
3.  Stämme,  die  nur  noch  Rosettentriebe,  aber  keine  oder  ganz  vereinzelte 
alte  Nadeln  zeigen  und  nach  der  von  Dr.  v.  Tubeuf  vertretenen  Anschau- 
ung als  verloren  zu  betrachten  sind,  da  die  Rosettentriebe  entweder  noch 
im  Laufe  des  Herbstes  vergilben,  oder  während  des  Winters  absterben,  und, 
selbst  wenn  sie  sich  bis  zur  Entfaltung  der  Knospe  halten,  die  für  die 
Bildung  eines  Sprosses  notwendigen  Reservestoffe  nicht  zu  liefern  vermögen. 

Auf  Grund  der  Feststellungen  Dr.  v.  Tubeuf s  wurde  eine  Bonitierung 
sämtlicher   stärker   befallenen   Bestände   des   mittelfränkischen    Fraßgebietes 


750  11.  Spezieller  Teil. 

des    Jahres    1930    nach    dem    Befallsgrad    angeordnet.     Zu    diesem    Zwecke 
wurden  3  Stammklassen  gebildet;  und  zwar  sollte  bedeuten: 

Stammklasse  I:  Stämme  mit  erheblichem  Anteil  alter  Nadeln,  daher 
erholungsfähig, 

Stammklasse  II:  Stämme,  die  besonders  im  unteren  Kronenteil  in 
der  Hauptsache  nur  Rosettentriebe,  im  oberen  Kronenteil  aber  noch  Büschel 
alter  Nadeln,  ferner  einzelne  Nadeln  und  Nadelstummeln  an  den  Zweigen 
aufweisen;  ihre  Erholungsfähigkeit  ist  als  fragwürdig  zu  bezeichnen. 

Sta mm k lasse  III:  Endlich  Stämme,  die  nur  mehr  Rosettentriebe 
oder  höchstens  noch  ganz  vereinzelte  Büschel  alter  Nadeln  an  Seitenästen 
haben,  daher  als  verloren  zu  betrachten  sind. 

Die  Bonitierung  der  Bestände  nach  dem  Befallsgrad  mit  Hilfe  der 
Stammklassenbildung  hat  in  der  Weise  zu  erfolgen,  daß  der  prozentuale 
Anteil  der  der  I.,  II.  und  III.  Klasse  zuzuweisenden  Stämme  geschätzt  wird. 
Wenn  z.  B.  in  einem  stärker  befressenen  Bestand  800/0  der  Stämme  nur 
Rosettentriebe,  10 0/0  in  der  Hauptsache  Rosettentriebe  mit  einigen  alten 
Nadelbüscheln  im  oberen  Kronenteil  und  100,0  nur  lichtgefressene  Kronen 
mit  noch  zahlreichen  alten  Nadeln  aufweisen,  so  würde  die  Bonitierung  des 
Bestandes  lauten:  I  =  loo/o,  II  =  loo/o,  III  =  800/0,  d.  h.  es  werden  SoOu 
aller  Stämme  als  verloren  zu  betrachten  sein,  der  ganze  Bestand  wird  sonach 
als  dem  Abtrieb  verfallen  gelten  müssen,  auch  wenn  er  nicht  noch  einmal 
befressen  wird;  eine  Bestäubung  wäre  also  sinnlos. 

Die  Bonitierung  der  Bestände  nach  dem  Befallsgrad  wurde  im  mittel- 
fränkischen Fraßgebiet  auf  2000  ha  von  den  Forstämtern  Allersberg,  Heid- 
eck, Petersgmünd  und  Schwabach  innerhalb  14  Tagen  vorgenommen.  Die 
Durchführung  ist  viel  leichter,  als  es  den  Anschein  haben  möchte.  Denn 
wenn  der  die  Bonitierung  leitende  Beamte  zu  Beginn  der  Arbeiten  sich  durch 
Fällung  von  Probestämmen  davon  überzeugt,  ob  er  einen  stehenden  Stamm 
in  die  richtige  Klasse  eingereiht  hat,  eignet  er  sich  bald  soviel  Übung  an, 
daß  die  unterlaufenden   Fehler  praktisch  bedeutungslos  sind. 

Im  allgemeinen  hat  die  Bonitierung  der  Bestände  nach  dem  Befallsgrade  ge- 
zeigt, daß  die  seither  übliche  Bezeichnung  Kahlfraß  in  der  Regel  viel  zu  pessi- 
mistisch gedeutet  wurde.  Daher  rühren  auch  die  in  der  Literatur  mehrfach  erörterten 
Meinungsverschiedenheiten  in  der  Frage  her,  ob  ein  von  Eule  oder  Spanner  kahl 
gefressener  Bestand  sich  wieder  erholen  wird.  Man  kann  bei  einer  Bereisung  des 
mittelfränkischen  Keupergebietes,  in  dem  in  ziemlich  regelmäßiger  Wiederkehr 
Spanner  oder  Eule  verheerend  aufgetreten  sind,  oft  die  Behauptung  hören,  ein 
Bestand  sei  vor  30  Jahren  völlig  kahl  gefressen  worden  und  habe  sich  in  kürzester 
Zeit  prächtig  erholt.  Meist  sind  es  die  berühmten  ältesten  Leute,  besonders  Forst- 
arbeiter, die  hierfür  als  Zeugen  genannt  werden.  Alle  diese  Bekundungen  sind  für 
die  in  der  Praxis  zu  fassenden  Entschlüsse  deshalb  wertlos,  weil  der  Grad  des 
Befalles  nicht  ziffernmäßig  festgelegt  war. 

Die  geschilderte  Bonitierung  der  Bestände  wird  jedenfalls  viel  zuver- 
lässigere JJnterlagen  für  die  Entscheidung  der  Frage  schaffen,  welchen 
Fraßgrad  ein  Bestand  auszuhalten  vermag,  wie  die  seither  übliche  Bezeich- 
nung, die  eine  ganz  verschiedene  Auslegung  erfahren  hat. 

Um  die  Bonitierung  festzulegen,  wurden  in  zahlreichen,  nach  Alter  und 
Boden  verschiedenen  Beständen  10 — 20  im  Befallsgrad  charakteristische 
Stämme  in  der  Natur  mit  einer  weißen  Ölfarbnummer  versehen  und  die 
Klassenzugehörigkeit   in   der   Weise   ersichtlich   gemacht,    daß   bei    Stämmen 


II.  Untrrorclnung;   Macrolepidoptera.     Familie  Nocluidae  (Eulen).  751 

der  I.Klasse  (erholungsfähig)  ein  weißer  Olfarbpunkt  über,  bei  Stämmen 
der  II.  Klasse  (Erholungsfähigkeit  fraglich)  neben  und  bei  Stämmen  der 
Klasse  III  (nicht  erholungsfähig)  unter  der  Nummer  angebracht  wurde. 
Diese  Probestämme,  über  die  ein  Verzeichnis  geführt  wird,  sind,  auch  wenn 
der  ganze  Bestand  kahl  abgetrieben  werden  muß,  solange  zu  halten,  bis  sie 
unzweifelhaft  absterben  oder  sich  voll  erholt  haben.  Ihre  Entwicklung  sowie 
Tag  und  Ursache  ihres  Absterbens  sind  in  dem  Verzeichnis  zu  vermerken. 
Dadurch  werden  sich  wichtige  botanische  Feststellungen  treffen  und  für  die 
Zukunft  zahlenmäßig  sichere  Unterlagen  über  die  Wirkung  eines  Kahlfraßes 
gewinnen  lassen. 

Selbstverständlich  wurden  die  Probestämme  nicht  über  den  ganzen  Be- 
stand verteilt  ausgewählt,  sondern  auf  kleine  Flächen  unter  Beachtung  der 
Windrichtung,  der  Hanglage  und  Bringungsmöglichkeit  so  zusammen  ge- 
rückt, daß  sie  auch  bei  vorzeitigem  Abtrieb  der  Umgebung  möglichst  lange 
gehalten  werden  können. 

Abb.  590  zeigt  eine  solche  Probefläche  mit  der  Numerierung  und 
Klassifizierung  der  Bestände. 

3.  Mit  der  Feststellung  des  Belages  an  gesunden  Puppen  je  qm  und  den 
zahlenmäßigen  Erhebungen  über  den  seitherigen  Befallsgrad  ist  die  „Lage 
beim  Feinde"  soweit  geklärt,  daß  sie  in  den  sog.  Bekämpfungskarten 
dargestellt  werden  kann,  deren  Anfertigung  unerläßlich  ist,  wenn  das  be- 
drohte Gebiet  sich  auf  größere  Flächen  erstreckt,  da  die  Karte  einen  viel 
rascheren  und  zuverlässigeren  Einblick  gewährt,  wie  die  Zusammenfassung 
der  Erkundungsergebnisse  in  Tabellen  und  Übersichten. 

Die  Bekämpfungskarten  werden  zweckmäßig  im  M.  1:10000  angefertigt. 
Zunächst  ist  das  Alter  der  Bestände  auf  den  Karten  vorzutragen;  hierbei 
kann,  wenn  die  Karten  nur  der  Eulenbekämpfung  und  nicht  auch  anderen 
Zwecken  dienen  sollen,  darauf  verzichtet  werden,  die  Bestandesalter  in 
Klassen  von  20  zu  20  Jahren,  wie  sie  die  bayerische  Forsteinrichtungsan- 
weisung vorschreibt,  darzustellen,  es  genügen  4  Altersabstufungen,  die  nach 
dem  Gefahrenmoment  gebildet  werden  und  zwar  die  Altersstufen  0—20,  die 
in  der  Regel  von  der  Eule,  auch  wenn  ein  hoher  Puppenbelag  festgestellt 
wurde,  nicht  befressen  wird,  die  Altersstufe  20—60,  die  am  meisten  bedroht 
ist  und  bei  Todfraß  kaum  verwertbares  Material  liefert,  die  Altersstufe 
60 — 100,  die  zwar  noch  stark  befressen  wird,  aber  deren  Holz  wenigstens  als 
Grubenholz  abgesetzt  werden  kann  und  die  über  100  Jahre  alten  Bestände, 
die  für  die  Bekämpfung  erst  in  letzter  Linie  in  Betracht  kommen,  da  das 
hiebsreife   Holz  ohne  besondere  Verluste  eingeschlagen  werden  kann. 

Der  Eintrag  des  Belages  an  gesunden  Puppen  je  qm,  wie  ihn  die 
Dezember-Puppensuche  ergeben  hat,  von  Bestand  zu  Bestand,  sowie  die 
Bonitierungsergebnisse  in  den  bereits  stärker  befressenen  Beständen  hat  in 
möglichst  plastischer,  in  die  Augen  springender,  gleichzeitig  aber  arbeits- 
f ordernder  Darstellung  zu  erfolgen.  Für  das  mittelfränkische  Fraßgebiet 
wurde  hierfür  folgende  Methode  gewählt:  Mittels  eines  Gummistempels 
wird    nebenstehende    Signatur    in    jedem    Bestand    so    aufgedruckt,    daß    der 

Kreis  sich  etwa  in  der   Mitte  des  Bestandes  befindet.    /^  I  M   I  I   I  I   I   I  I 

In  den  Kreis  wird  der  Belag  an  gesunden  Puppen  je  qm,  den  die 
Dezember-Puppensuche  ergeben  hat,  mit  roter  Tusche  eingeschrieben.  Die 
Einteilung    des    wagrechten    Grundstriches    in    10  Teile    gestattet    die    Dar- 


752  II.  Spezieller  Teil. 

Stellung  des  bereits  erfolgten  Fraßes  in  der  Weise,  daß  der  in  der  Be- 
kämpfungskarte rot  auszuziehende  oberste  Querstrich  den  prozentualen 
Anteil  der  Stämme  der  III.  Klasse,  der  mittlere  Querstrich  den  Anteil 
der  Stämme  der  II.  Klasse,  der  untere  Querstrich  den  i\nteil  der  Stämme 
der  I.  Klasse  anzeigt. 

So  würde  z.  B.  die  Signatur  r^  I  i  I  i  I  I  I  I  I  i  bedeuten,  daß  der  Be- 
stand einen  Belag  von  r8  gesunden  Puppen  je  qm  aufweist,  und  daß  ferner 
bereits  im  laufenden  Jahre  ein  Fraß  stattgefunden  hat,  der  60 o/o  der  Stämme 
aller  Nadeln  beraubte  (Klasse  III),  während  noch  je  200/0  der  Stämme  der 
IL  und  I.  Stammklasse  eingereiht  werden  konnten.  Es  würde  sich  nicht 
mehr  empfehlen  für  einen  solchen  Bestand  eine  Giftverstäubung  vorzusehen. 
Denn  abgesehen  davon,  daß  bei  der  geringen  Anzahl  der  noch  vorhandenen 
Nadeln  sehr  viel  Giftstoff  nutzlos  Verblasen  würde,  ist  ein  Bestand  in  dem 
schon  60 0/0  der  Stammzahl  als  verloren  zu  betrachten  sind,  nicht  mehr  zu 
halten,  selbst  wenn  es  gelingen  würde,  die  Mehrzahl  der  in  ihrer  Erholungs- 
fähigkeit fraglichen  Stämme  der  Klasse  II  und  die  sämtlichen  Stämme  der 
Klasse  I  zu  retten. 

Auf  Grund  der  in  die  Karte  eingetragenen  Signatur  wird  nun  jeder 
Bestand  oder  eine  ganze  Bestandesgruppe  in  eine  der  3  zu  bildenden  Be- 
kämpf ungsklassen  eingereiht  und  zwar  bedeutet: 

Bekämpfungsklasse  I  =  Bekämpfung  nicht  erforderlich, 

Bekämpfungsklasse  II  =  Bekämpfung  erwünscht, 

Bekämpfungsklasse  III  =  Bekämpfung  dringend. 
Maßgebend    für    die    Einreihung    in    eine    Bekämpfungsklasse    ist    in    erster 
Linie  der  Belag  an  gesunden  Puppen,  sodann  das  Alter  des  Bestandes,  d.  h. 
die   Verwertungsmöglichkeit    des    Holzes    und   endlich   noch   der   bereits   er- 
folgte  Fraß. 

Karte  12  zeigt  den  Ausschnitt  einer  ausgearbeiteten  Bekämpfungs- 
karte. Auf  ihr  weisen  die  sämtlichen  Bestände  der  Abteilung  i  Brand  und 
4  Dachsbau  einen  bedrohlich  hohen  Puppenbelag  auf  und  sind  so  wenig 
befressen,  daß  sie  die  Giftverstäubung  noch  zu  retten  vermag.  Sie  sind  da- 
her sämtlich  in  die  Bekämpfungsklasse  III  (Bekämpfung  dringend)  einzu- 
reihen, und  zwar  ist,  da  es  sich  hier  um  eine  zusammenhängende  größere 
Fläche  handelt,  das  Flugzeug  zum  Einsatz  zu  bringen.  Sie  wurden  auf  der 
Karte  grün  umrandet,  ferner  wurde  durch  Eintrag  der  Bezeichnung  III/F 
in  grüner  Farbe  die  Bekämpfungsklasse  vmd  der  Flugzeugeinsatz  zum  Aus- 
druck gebracht. 

In  den  Abteilungen  2  Graben  und  3  Sandweg  zeigt  nur  der  Bestand  3  c 
einen  hohen  Puppenbelag  und  geringen  bisherigen  Fraßgrad.  Er  ist  also 
in  die  Bekämpfungsklasse  III  einzureihen,  was  durch  die  3  im  unteren  Teil 
des  Kreises  eingetragenen  grünen  Striche  kenntlich  gemacht  ist.  Der  Be- 
stand 3  d  weist  zwar  auch  hohen  Puppenbelag  und  geringen  seitherigen  Fraß 
auf,  da  es  sich  hier  aber  um  einen  Altbestand  handelt,  der  an  und  für  sich 
bald  zum  Abtrieb  kommen  würde,  kann  er  in  die  Bekämpfungsklasse  II 
(2  grüne  Striche  im  unteren  Teil  des  Kreises)  eingereiht  werden.  Die 
übrigen  Bestände  der  Abt.  Graben  und  Sandweg  können  der  Bekämpfungs- 
klasse I  zugeteilt  werden,  da  sie  entweder  nur  geringen  Puppenbelag  oder 
bereits  so  starken  Fraß  aufweisen,  daß  die  Bestäubung  zwecklos  wäre. 


Escherich,  Forstinseiden,     fff.  Bd 


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Verlor)  von   Paul  Parey.   Berlin 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


753 


Da  sonach  in  den  Abteilungen  2  und  3  nur  2  kleinere,  von  einander 
getrennt  liegende  Bestände  zu  bestäuben  sind,  wird  zweckmäßig  der  Motor- 
verstäuber zum  Einsatz  kommen.  Einer  besonderen  Signatur  für  die  Motor- 
verstäubung  bedarf  es  nicht  mehr. 

In  der  Abteilung  3  Sandweg  liegt  ein  Fremdgrundstück.  Hier  wäre  bei 
der  Giftverstäubung  besondere  Sorgfalt  insofern  geboten,  als  keine  Spur 
der  Giftstaubwolke  auf  das  Fremdgrundstück  geraten  darf,  wenn  der  Eigen- 
tümer der  Enklave  nicht  ausdrücklich  seine  Einwilligung  zur  Mitverstäubung 
seines  Grundstückes  gegeben  hat,  da  sonst  sofort  Schadensersatzansprüche 
seitens  der  Bienenzüchter  und  sonstiger  Tierhalter  mit  Aussicht  auf  Erfolg 


"  .         .'iß.  -c,-  -7 'Z  i" 

Abb.  590.    Numerierte  und  klassifizierte  Probestämnie. 

geltend  gemacht  werden  können.  Es  wird  daher  zweckmäßig  sein,  in  der 
Nähe  von  Fremdgrundstücken  nicht  das  Flugzeug,  sondern  den  Motorver- 
stäuber einzusetzen,  bei  dem  die  Giftstaubwolke  sich  doch  leichter  dirigieren 
läßt  wie  vom  Flugzeug  aus,  wenn  in  solchen  Örtlichkeiten  nicht  überhaupt 
der  Winterbekämpfung  des  Schädlings  durch  Streuentnahme  der  Vorzug  vor 
der  Giftverstäubung  gegeben  werden  will. 

Die  Anlage  der  Bekämpfungskarten  soll  bis  spätestens  Ende  Januar 
beendet  sein,  daß  noch  hinreichend  Zeit  für  die  eigentliche  Mobilmachung 
zur  \'erfügung  steht. 

Für  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  bekämpft  werden  muß  und  welches 
Kampfmittel  zur  Anwendung  kommen  soll,  ist  von  folgenden  Erwägungen 
auszugehen. 

Escherich.  Forstinsekten,  Bd.  III.  48 


754  II.  Spezieller  Teil. 

a)  Nach  den  gemachten  Erfahrungen  und  dem  Gutachten  der  Ento- 
mologen sind  Bestände,  in  denen  die  Puppensuche  einen  Belag  von  4 — 5  und 
mehr  gesunden  Puppen  je  qm  ergeben  hat,  als  ernstlich  bedroht  anzusehen. 

b)  Liegen  bedrohte  Bestände  von  weniger  als  20  ha  Flächengröße 
(Tagesleistung  eines  Motorverstäubers)  vereinzelt  inmitten  einer  Umgebung 
für  die  eine  Bekämpfung  nicht  erforderlich  ist,  so  wird  es  sich,  um  die  Be- 
stäubungsaktion nicht  allzusehr  zu  zersplittern,  empfehlen,  hier  die  Bekämp- 
fung durch  Streuentnahme  im  Monat  Februar  und  in  der  ersten  Märzhälfte 
zu  versuchen,  oder  wenn  die  Streu  nicht  absetzbar  ist,  die  Streudecke  in 
diesen  Beständen  mit  der  Rollspatenegge  zu  durchreißen,  wodurch  der 
größte  Teil  der  Puppen  vernichtet  oder  wenigstens  so  bloßgelegt  wird,  daß 
sie  von  den  Vögeln  aufgenommen  werden  und  die  Gefahr  des  Kahlfraßes 
nicht  mehr  besteht. 

c)  Überschreitet  die  gefährdete  Fläche  zusammenhängend  60  ha  so  ist 
die  Flugzeugbekämpfung  vorzusehen,  während  auf  kleineren  Flächen  der 
Motorverstäuber  den  Vorzug  verdient. 

d)  Die  Tagesleistung  eines  Flugzeuges  kann  auf  100  ha  Bestäubungs- 
fläche, jene  eines  Motorverstäubers  auf  20  ha  veranschlagt  werden. 

e)  Die  Bestäubung  soll  die  Raupen  vor  der  3.  Häutung,  also  ungefähr 
während  der  ersten  20  Tage  nach  dem  Schlüpfen  treffen,  da  ältere  Raupen 
gegen  den  Giftstaub  unempfindlicher  werden.  Sonach  stünden  für  die  Be- 
stäubung ca.  20  Tage  zur  Verfügung.  Nachdem  aber  die  Bestäubungsaktion 
durch  ungünstiges  Wetter  gestört  werden  kann,  darf  für  die  wirkungsvolle 
Bestäubungszeit  mit  höchstens  10  Tagen  gerechnet  werden.  Sonach  könnten 
von  einem  Flugzeug  insgesamt  10  X  100=  1000  ha,  von  einem  Motorverstäuber 
10X20  =  200  ha  bestäubt  werden. 

Unter  Berücksichtigung  der  vorstehend  aufgeführten  Gesichtspunkte 
können  nunmehr  mit  Hilfe  der  Bekämpfungskarten  die  Kostenvoranschläge 
für  die  Bestäubung  aufgestellt,  ferner  die  Verhandlungen  mit  den  ein- 
schlägigen Firmen  über  Bereitstellung  von  Flugzeugen,  Motorverstäubern 
und  Giftstoff,  über  Anlage  von  Landungsplätzen  für  das  Flugzeug,  Errich- 
tung von  Schuppen  und  Zelten  zur  Unterbringung  des  Giftstoffes  usw.  ge- 
pflogen und  Verträge  mit  Bestäubungsfirmen  auf  so  sicherer  Grundlage  und 
so  zeitig  abgeschlossen  werden,  daß  die  Verwaltung  vor  nachträglichen  Über- 
raschungen in  jeder   Hinsicht  gesichert  ist. 

Bei  der  Vorbereitung  der  Bekämpfungsaktion  spielt  auch  die  Klärung 
der  Frage  eine  große  Rolle,  welche  Maßnahmen  zum  Schutz  der  den  Wald 
befliegenden  Bienen  zu  treffen  sind.  Aus  einem  Urteil  des  Oberlandes- 
gerichtes Celle  V.  31.  I.  1929  (abgedruckt  in  der  Zeitschrift  „Der  deutsche 
Jäger"  1930  Nr.  42)  geht  hervor,  daß  Bienenzüchter,  deren  Bienen  fremden 
Wald  bef liegen,  keinerlei  Schadensersatzansprüche  an  den  Waldbesitzer 
stellen  können,  wenn  die  Bienen  durch  Giftstaub  Schaden  leiden,  voraus- 
gesetzt, daß  die  Bienenzüchter  genügend  und  rechtzeitig  gewarnt  wurden, 
ihre  Bienen  den  zu  bestäubenden  Wald  befliegen  zu  lassen.  Für  die  War- 
nung selbst  empfiehlt  es  sich  den  Weg  des  Art.  120  des  Pol.  Str.  Gesetz- 
buches zu  beschreiten. 

Sofern  der  Waldbesitzer,  der  eine  Bestäubung  vornehmen  will,  mit 
Bienenzüchtern  Verträge  über  Errichtung  von  Bienenheimen  und  Zulassung 
der  Zeidelweide  in  seinem  Wald  abgeschlossen  hat,  wären  diese  Verträge 
rechtzeitig  unter  Einhaltung  der  vereinbarten   Frist  zu  kündigen.    Wenn  die 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen).  755 

Imker  darum  nachsuchen,  von  einer  Kündigung  der  Verträge  abzusehen  und 
die  Zeidelweide  auf  ihre  eigene  Gefahr  trotz  der  Verstäubung  ausüben 
wollen,  so  wären  sie  zu  einem  schriftlichen  Verzicht  auf  alle  Ersatzansprüche 
zu  veranlassen. 

Es  will  nicht  verkannt  werden,  daß  in  der  im  Vorstehenden  geschil- 
derten Mobilmachung  ein  schwacher  Punkt  insoferne  liegt,  als  auf  dem 
Belag  und  dem  Gesundheitszustand  der  Puppen  im  Dezember  alle  Vor- 
bereitungsmaßnahmen aufgebaut  werden.  Denn  es  kann,  besonders  in  Ge- 
bieten, in  denen  bereits  eine  Eulen-Eruption  erfolgt  ist,  wie  in  Mittelfranken, 
immerhin  mit  der  Möglichkeit  gerechnet  werden,  daß  die  Kalamität  von 
selbst  zusammenbricht.  Teilweise  Ungeklärtheit  der  Lage  beim  Feinde  ist 
aber  wie  im  Kriege  so  auch  im  Kampfe  mit  der  Eule  die  Regel.  Sie  darf  nicht 
dazu  führen,  die  Hände  in  den  Schoß  zu  legen  und  sich  Überraschungen 
auszusetzen,  die  zu  katastrophalen  Auswirkungen  führen  können.  Denn  wollte 
man  alle  Vorbereitungsmaßnahmen  auf  jenen  Zeitpunkt  verschieben,  in  dem 
der  Ausbruch  einer  Kalamität  mit  unbedingter  Sicherheit  festgestellt  werden 
kann,  nämlich  auf  den  Monat  Mai,  wenn  die  ersten  Räupchen  schlüpfen, 
dann  wäre  es  in  großen  Verhältnissen  nicht  mehr  möglich,  den  Kampfeinsatz 
so  zu  organisieren,  daß  eine  Gewähr  für  den  vollen  Erfolg  bestände,  und 
der  Waldbesitzer  könnte  leicht  Millionenverluste  erleiden,  weil  er  einige 
tausend  Mark,  die  eine  rechtzeitige  Vorbereitung  kostet,  sparen  wollte. 

4.  Über  die  Technik  der  Bekämpfung  selbst  durch  Flugzeug  und 
Motorverstäuber  finden  sich  in  der  Literatur  schon  so  viele  Abhandlungen, 
daß  hier  nicht  der  Platz  ist,  näher  darauf  einzugehen,  x^ußerdem  schreitet 
die  Entwicklung  in  der  Waffentechnik  so  rasch  fort,  daß  morgen  überholt 
ist,  was  heute  als  modern  galt.  Grundsatz  für  die  Bekämpfungsaktion  wird 
aber  stets  bleiben  müssen,  die  Kräfte  nicht  zu  zersplittern,  sondern  kon- 
zentrisch in  den  Brennpunkten  der  Gefahr  mit  äußerster  Tatkraft  einzu- 
setzen, die  besonders  vom  Leiter  der  Arbeiten  ausgehen  und  dem  letzten 
Gehilfen  den  Willen  zur  Erreichung  des  Erfolges  einflößen  muß. 

5.  Jeder  Kampf  bringt  Verluste  und  Einbußen,  auch  für  den  Sieger 
mit  sich.  Ohne  solche  wird  es  auch  bei  einer  Eulenkalamität  trotz  sorg- 
fältiger Vorbereitung  und  energischen  Kampfeinsatzes  nicht  abgehen.  Die 
Wunden  alsbald  zu  heilen  gehört  mit  zu  den  wichtigsten  und  dankbarsten 
Aufgaben  der  Forstverwaltung.  Voraussetzung  hierfür  ist  die  Kenntnis  des 
Umfanges  und  des  Grades  der  eingetretenen  Beschädigungen.  Als  brauch- 
barste Unterlage  hat  sich  wiederum  die  in  Ziff.  2  dieser  Abhandlung  ein- 
gehend besprochene  Bonitierung  der  befallenen  Bestände  nach  dem  Fraß- 
grad erwiesen. 

Die  Auswertung  der  von  den  Forstämtern  angelegten  Bonitierungs- 
tabellen  ist  in  Abb.  591    in  folgender  Weise  wiedergegeben: 

a)  Zunächst  wurde  das  Altersklassenverhältnis  des  die  bayer.  Staats- 
forstämter Allersberg,  Heideck,  Petersgmünd  und  Schwabach  umfassenden 
Eulenfraßgebietes  des  Jahres  1930  graphisch  dargestellt.  Hieraus  ergibt 
sich,  daß  der  Anteil  der  o — 20jährigen  Bestände  mit  2240  ha  und  der 
20 — 40jährigen  Bestände  mit  1440  ha  ganz  bedeutend  gegenüber  den  älteren 
Alterklassen  überwiegt.  Diese  Erscheinung  ist  weder  durch  Zufall  noch 
durch  zu  hohe  Hauptnutzungshiebssätze  veranlaßt,  sondern  hat  ihren  Grund 
darin,  daß  das  fragliche  Gebiet  immer  wieder  von  Spanner  und  Eule  heim- 
gesucht wurde  —  vom  Spanner  besonders  schwer  in  den  Jahren  1892 — 1897 

48* 


756  II.  Spezieller  Teil. 

—    so    daß    sich    eine    regelmäßige    Altersklassenabstufung    nicht    zu    bilden 
vermochte. 

b)  Innerhalb  der  die  Größe  der  Altersklassen  darstellenden  Säulen  ist 
der  Befallsgrad  in  der  Weise  ersichtlich  gemacht,  daß  in  allen  Beständen, 
in  denen  der  Anteil  der  der  III.  Stammklasse  (nicht  mehr  erholungsfähig) 
zuzuweisenden  Stämme  mehr  als  iqo/o  der  Gesamtstammzahl  betrug,  der 
prozentuale  Anteil  jeder  der  3  Stammklassen  auf  die  Fläche  umgerechnet 
wurde.  Wenn  z.  B.  in  einem  Bestand  von  10  ha  500/0  der  Stammzahl  der 
Klasse  III,  300/0  der  Klasse  II  und  200/0  der  Klasse  I  eingereiht  werden 
mußten,  so  ergeben  sich  für  die  Fläche  der  Klasse  III  5  ha,  für  die  Fläche 
der  Klasse  II  3  ha,  für  die  Fläche  der  Klasse  I  2  ha.  Die  Darstellung 
zeigt,  daß  die  jüngste  Altersklasse  fast  gar  nicht,  höchstens  in  ihren  ältesten 
Gliedern  von  der  Eule  befressen  wird,  daß  hingegen  der  Befall  in  den 
20 — 40jährigen  Stangenhölzern  sowohl  nach  der  Fläche,  wie  nach  der  Heftig- 
keit am  stärksten  ist,  und  mit  zunehmendem  Alter  der  Bestände  im  großen 
und  ganzen  wieder  sinkt. 

c)  Im  Allgemeinen  wird  man  von  der  Annahme  ausgehen  dürfen,  daß 
Bestände,  in  denen  50  0/0  der  Stämme  keine  alten  Nadeln  mehr  haben,  so- 
nach als  verloren  betrachtet  werden  müssen,  nicht  mehr  gehalten  werden 
können,  auch  wenn  sich  die  sämtlichen  der  Klasse  II  zugehörigen,  in  ihrer 
Erholungsfähigkeit  fragwürdigen  Stämme  und  die  Stämme  der  Klasse  I 
wieder  voll  begrünen  würden. 

Die  Fläche  dieser  als  verloren  anzusehenden  Bestände  ist  in  Abb. 
591  neben  den  Altersklassensäulen  durch  einen  T-Balken  graphisch  dar- 
gestellt. Sie  beträgt  in  der  Altersklasse  o — 20  =  61  ha,  in  der  Altersklasse 
20—40  =  493  ha,  in  der  Altersklasse  41 — 60  =  188  ha,  in  der  Altersklasse 
61 — 80  =  87  ha,  in  der  Altersklasse  81 — -loo  =  52  ha,  in  der  Altersklasse 
loi  — 120  =  59  ha,  in  der  Altersklasse  121  — 140  =32  ha  und  in  den  über 
140jährigen  Beständen  =  15  ha,  insgesamt  also  987  ha. 

Es  ist  naturgemäß  für  die  Verwaltung  von  außerordentlichem  Wert, 
frühzeitig  von  den  voraussichtlich  anfallenden  Kulturflächen  Kenntnis  zu 
bekommen.  Denn  wenn  auch  mit  dem  Abtrieb  von  Beständen  im  i.  Winter 
nach  dem  Fraß  noch  möglichste  Zurückhaltung  geübt  werden  soll,  so  können 
doch  die  für  die  Neukulturen  erforderlichen  Maßnahmen  nicht  zeitig  genug 
vorbereitet  werden,  da  für  die  Beschaffung  von  Maschinen  zur  Boden- 
bearbeitung sowie  für  die  Bereitstellung  des  entsprechenden  Pflanzenvor- 
rates durch  Fühlungnahme  mit  Pflanzenfirmen  und  Anlage  forsteigener 
fliegender   Saatbeete  in  ausgedehntem   Maße   Sorge  getragen   werden   muß. 

Die  schon  im  Abschnitt  2  erwähnte  kartenmäßige  Darstellung  des  Be- 
fallsgrades in  den  einzelnen  Beständen  hat  noch  den  weiteren  Vorteil,  daß 
jene  Waldorte  festgelegt  werden,  in  denen  die  Virulenz  des  Raupenfraßes 
am  heftigsten  zu  sein  pflegt.  Denn  hier  rechtfertigt  sich  am  allerersten  ein 
erhöhter  Kostenaufwand  zur  Erzwingung  eines  Bestockungswechsels  oder 
wenigstens  zur  reichlichen  Beigabe  noch  standortsgemäßer  Laubhölzer,  unter 
denen  die  Weißerle  auf  den  armen  Böden  das  beste  Gedeihen  zu  finden 
scheint. 

Auch  über  den  voraussichtlichen  Massenanfall  geben  die  Bestandes- 
bonitierungen  einen  einigermaßen  zuverlässigen  Aufschluß.  Hierbei  müssen 
wiederum  jene  Bestände  herausgefaßt  werden,  in  denen  der  Anteil  der 
Stammklasse  III  mehr  als  50 0/0  beträgt.    In  ihnen  wird  der  ganze  derzeitige 


IL  Unterordnung:  iMacrolepidoptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen  i 


757 


Vorrat  als  dem  Abtrieb  verfallen  einzustellen  sein.  In  jenen  Beständen,  in 
denen  der  Anteil  der  Stammklasse  III  weniger  als  500/0  beträgt,  soll  nur 
die  Masse  der  Stammklasse  III,  ferner  die  Hälfte  der  Stammklasse  11  als 
einschlao-bedürftig  bezeichnet  werden,  denn  es  ist  anzunehmen,  daß  hier  die 


ha 

mo 

2200 
2000 


1600 

mo 

1ß)0 

1000 

800 
600 
fOO 

¥3 


22¥0 


=  Zeichenerklärung  = 
in  den  einzelnen  A//-ersl<lassen 


nichf-  kahlgefressen 


bei 

Kahlfraß-  { 

grad 


I- 


Wiedererholung 
wahrscheinlich 


][-•     zweifelhafh 
M'    unwahrscheinlich 


mo 


1 


xha  anfallende 
Kulhur- 
flächen 


xna 

I 


35 


52 


i 


993 


823 


252 


_S2  ^ 


-20       21-W     ^1-60      61-80     81-100    101-120   121-m  überlWßhrig 
%  -Anheil  der  Kahlfraßflächen  an  den  Gesamtflächen 
__^   5S 1^2 30  25  — 3¥  38 32-% 

Abb.  591.    Darstellung  des  Bcfallsgrades  in  der  Altersklasse. 

erholungsfähige  Stammklasse  I  und  die  Hälfte  der  Stammklasse  II  noch 
einen  Bestand  bilden  können,  der  wenigstens  noch  geraume  Zeit  zu  halten  ist. 
Der  Einschlag  des  Holzes  wird  zunächst  in  den  haubaren  Beständen 
zu  erfolgen  haben,  deren  Material  bei  längerem  Stehenlassen  eine  Wert- 
minderung erfahren  würde.   Mit  dem  Abtrieb  der  den  jüngeren  Altersklassen 


758  II.  Spezieller  Teil. 

angehörenden  Bestände  wird  in  der  Regel  noch  zugewartet  werden  können, 
da  nach  der  Anschauung  des  Geheimrats  Dr.  v.  Tubeuf  in  dem  dem  Eulen- 
fraß folgenden  Frühjahr  einerseits  noch  nicht  mit  erhöhter  Borkenkäfer- 
gefahr zu  rechnen  ist,  andererseits  aber  das  Holz,  das  nur  als  Gruben-  oder 
Brennholz  verwertet  werden  kann,  keine  wesentliche  Qualitätseinbuße  er- 
leidet, wenn  es  erst  später  zum  Antrieb  kommt,  und  günstige  Winterwitterung 
doch  noch  den  einen  oder  anderen  Bestand  retten  kann. 

Endlich  gestattet  die  Bonitierung  der  Bestände  eine  mehr  in  wissen- 
schaftlicher Richtung  liegende  Auswertung.  Sie  gibt  Aufschluß  darüber, 
welchen  Einfluß  Bodenform,  Streulage,  Samenprovenienz  usw.  auf  den 
Grad  des  Fraßes  ausüben  und  schafft  damit  der  Wirtschaft  wertvolle 
Fingerzeige. 

6.  Schlußbemerkung:  Die  vorstehend  geschilderte  Organisation  einer 
Eulenbekämpfung  soll  nur  einen  allgemeinen  Anhalt  bieten.  Je  nach  den 
örtlichen  Verhältnissen  wird  sie  mancher  Abänderung  und  auch,  wenn  einmal 
mehr  Erfahrungen  vorliegen,  mancher  Verbesserung  bedürfen. 

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s.  724—759- 

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B.  Eulen  an  Laubholz. 

Wenn  auch  eine  ganze  Reihe  von  Eulenraupen  auf  Laubhölzern  leben, 
so  kommt  doch  den  wenigsten  von  ihnen  eine  größere  forstliche  Bedeutung 
zu.  Die  meisten  Laubholzeulen  sind  stark  polyphag  und  neigen  nicht  zur 
Massenvermehrung;  es  sind  daher  auch  bis  jetzt  keine  ausgedehnteren  Ver- 
heerungen durch  sie  erfolgt.  Wir  begnügen  uns  hier  eine  Auswahl  häufiger' 
vorkommender  Arten,  die  in  der  forstlichen  Literatur  genannt  sind,  zu  geben. 
Es  sind  dies: 

Earias  (Halias)  chlorana  L.  Gorlyna  ochracea  Hb. 

Hylophila  (Halias)  prasinana  L.  Dichonia  aprilina  L. 

Acronycta  aceris  L.  Taeniocampa  incerla  Hfn. 

—  leporina  L.  —  pulverulenla  Es]i. 

—  megacepJiala   F.  Calymnia  irapeziiia  L. 

—  alni  L.  Caiocala  fraxini  L. 

—  tridens  Schiff.  —  nupia  L. 

—  psi  L.  —  elocata  Esp. 

—  ciispis  Hb.  —  electa  Bkh. 

—  auricoma  F.  —  sponsa  L. 
Acronycta  (Craniophora)  liguslri  Y .  —  promissa  Esp. 
Colocasia  (Demas)  coryli  L.  —  paranympha  L. 
Biloba  coeritleocephala  L.  —  conversa   Esp. 
Xanihia  ciirago  L. 

Earias  (Halias)  chlorana  L. 

We idenkahneule,  We idenkahnspinner. 

Ratzeburg:   Torlrix  chlorana   L.    (Weidenwickler).   —   Altum:   Halias  chlorana  L.   — 

Nitsche:   Halias  chlorana   L.    —   Nüßlin-Rhumbler:   Halias   (Earias)   chlorana   L.   — 

Wolff-Krauße:  Earias  chlorana  L. 

Die  Gattung  Earias  (bzw.  Halias)  hat  ihren  Platz  im  System  des  öfteren  ge- 
wechselt. Bei  Nitsche  finden  wir  sie  unter  den  Spinnern,  bei  Spuler  nach  den 
Spannern  in  einer  besonderen  Familie  N ycteolidae ,  bei  Nüßlin-Rhumbler  vor 
den  Spannern  ebenfalls  als  besondere  Familie  der  „Kahnspinner"  (Cymbidae)  und 
endlich  bei  Altum  (F.  143)  unter  den  Eulen,  und  zwar  unter  der  besonders  dafür 
aufgestellten  Gruppe  der  „wicklerartigen  Eulen"  (Nociuae  chloephoridae). 
Altum  hat  damit  wieder  (wie  auch  bei  den  Cossiden  und  Sesien,  die  er  als  ,, Klein- 
schmetterlinge" erkannte)  seinen  guten  systematischen  Blick  bewiesen.  Heute  besteht 
über  die  Zugehörigkeit  von  Earias  zu  den  Eulen  wohl  kaum  mehr  ein  Zweifel. 

Die  Charakterisierung  der  Gattung  ist  oben   (S.  612)   bereits  gegeben. 

Falter:  Earias  chlorana  L.  ist  eine  kleine  Eule,  die  in  ihrem  Habitus  dem 
grünen  Eichenwickler,  Tortrix  viridana  L.,  ähnlich  ist.  Vorderflügel  und  Oberseite 
der  Brust  zart  mattgrün,  Kopf,  Halskragen,  Hinterleib,  Vorderrand  der  Vorderflügel 
und   Hinterflügel   weißlich    (Abb.  592  A).    Länge   8  mm,    Flügelspannung   22    mm. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen).  763 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  i).  Kopf  klein,  kugelig,  Leib  in  der  Mitte  stark  er- 
höht mit  schlank  auslaufendem  Hinterteil.  Kopf  hellbraun  mit  weißlichem  Hals- 
bande, Leib  grünlich  mit  weißlichen,  mehr  oder  weniger  unterbrochenen  Seiten- 
streifen an  beiden  Seiten  des  Rückens.    Länge  25  mm. 

Puppe  gedrungen,  oben  dunkler,  blau  beduftet,  unten  heller,  vor  dem  ab- 
gerundeten Afterende  jederseits  zwei  feine  Spitzchen,  in  einem  rein  weißen,  kahn- 
artigen Kokon. 

Die  Lebensweise  dieses  kleinen  Falters,  welcher  ,,von  England  bis  zum 
Ural  zwischen  62"  und  43  °  n.  Br."  sich  wohl  überall,  außer  im  höheren 
Gebirge  findet,  ist  noch  nicht  völlig  klargestellt.  Er  soll  nach  verschiedenen 
Autoren  (Kaltenbach,  Spuler  usw.)  eine  doppelte  Generation  haben,  im 
Mai  und  wieder  im  Juli  fliegen,  und  in  der  zweiten  Generation  als  Puppe 
überwintern.  AI  tum  dagegen,  der  Earias  eingehend  studiert  hat,  nimmt 
nur  eine  einfache,  aber  unregelmäßige  Generation  an.  Aus  einem  Teil  der 
Puppen  schlüpfen  nach  diesem  Autor  die  Falter  noch  im  gleichen  Sommer, 
während  andere  Puppen  (gleichen  Alters)  die   Falter  erst  im  nächsten   Früh- 


A  B 

Abb.  592.    A   Earias  (H alias)  chlorana   L.,    B   Hylof^liUa  [^rasiiiana   L.    i^oX. 

jähr  entlassen  (AI  tum,  F.  146V  Möglicherweise  kommt  neben  diesem  von 
AI  tum  beobachteten  Entwicklungsgang  noch  eine  echte  doppelte  Gene- 
ration vor. 

E.  chlorana  kommt  auf  verschiedenen  Weiden  vor,  besonders  auf  Salix 
vivüiiaUs,  caprea,  aiirita  und  penLaiidra.  ,.Das  Weibchen  belegt  die  Spitze 
des  jungen  Triebes  mit  einem  Ei.  Das  sich  daraus  entwickelnde  Räupchen 
zieht  vermittelst  einiger  Fäden  die  aufkeimenden  zarten  Blättchen  zu- 
sammen, bleibt  bei  dieser  Arbeit  und  steigert  dieselbe,  bis  es  völlig  er- 
wachsen sich  zur  Verpuppung  anschickt.  So  ist  denn  die  Spitze  der  Weiden- 
rute stets  versponnen  und  zur  Seite  geneigt.  Ein  langes  zusammengedrehtes 
Blätterknäuel  zeigt  den  Fraß  schon  in  großer  Ferne  an  (Abb.  593).  Die 
Raupe  verzehrt  aber  nicht  allein  in  ihrem  Wickel  die  zartesten  Blätter, 
sondern  auch  die  Spitze  der  Rute  selbst,  so  daß  die  letztere  Nebenzweige 
treibt.  So  wird  dieselbe  dann  durch  diesen  Fraß  für  den  technischen  Ge- 
brauch ganz  erheblich  entwertet.  Statt  des  erforderlichen  langen,  geraden 
Wuchses  tritt  ein  unbrauchbares  kurzes,  an  der  Spitze  verbissenes,  sperriges 
Gebilde  auf.  Erwachsen  verläßt  die  bis  dahin  wicklerartig  lebende  Raupe 
ihre  Wohnstätte  und  verpuppt  sich  frei  an  Blättern  oder  Zweigen  in  einem 
rein   weißen,   kahnartigen   Kokon." 


764 


11.  Spezieller  Teil. 


„Die  forstliche  Bedeutung  ist  nach  vorstehender  Darstellung  des 
Fraßes  klar.  Wo  das  Insekt  in  größerer  Menge  auftritt,  ist  der  durch  das- 
selbe angerichtete  Schaden  ganz  erheblich.  Es  fehlt  wohl  in  keiner  Weiden- 
anlage, ja,  wo  auch  nur  einige  wenige  der  betreffenden  Weiden  zusammen- 
stehen,  wird  man   nur   selten  nach  jenen   Blätterwickeln  vergebens   suchen." 


Abb.   593.    Weidentrieb,   dessen  Blätter  von   der   Raupe   von  Earias  clilorana  L. 
zusammengesponnen  sind. 


Das  einzige  Gegen  mittel  i)  besteht  „im  Abschneiden  und  Vernichten 
dieser  Blätterbüschel.  Allein  wegen  der  so  äußerst  unregelmäßigen  Flugzeit 
des  Schmetterlinges  ist  die  Arbeit  mit  einem  einmaligen  Durchgehen  durch 
die  Anlage  nicht  abgemacht.  Neben  fast  erwachsenen  Raupen  mit  ihren 
großen  weit  sichtbaren  Büscheln  gibt  es  stets  noch  sehr  junge,  deren  noch 


1)   Unter  den  natürlichen  Feinden  sind  vor  allem  die  Schlupfwespen  zu  nennen, 
von  denen  annähernd   i  Dutzend  aus  chlorana  gezogen  sind. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen) 


765 


winziges  Versteck  nur  zu  leicht  übersehen  werden  kann.  In  einem  zwei- 
maligen Besuch,  etwa  im  Juni  und  im  September,  würden  sich  die  Weiden- 
anlagen  von   chlorana   reinigen   lassen."     (AI  tum  1.  c.) 

Hylophila  (Halias)  prasinana  L. 

Buchenkahneule. 

Falter  (Abb.  592  B):  Größer  als  die  vorige  Art,  Flügelspannweite  32,5  bis 
34,5  mm.  Vorderflügel  breit  dreieckig,  grau  mit  verwaschenen,  weißlichen  Quer- 
streifen; Fransen  und  Innenrand  beim  cf  purpurrot,  beim  9  gelb.  Hinterflügel  kurz 
und  schmal,  das  Ende  des  Hinterleibs  erreichend,  beim  cf  gelblich,  beim  Q  weiß. 
Fühler  purpurrot,  borstenförmig,  be- 
wimpert. 

Raupe  glatt,  nach  hinten  stark  ver- 
jüngt (Abb.  594),  gelbgrün,  gelb  gerieselt, 
mit  drei  gelblichen  Rückenlinien;  Kopf 
grün,  mit  gelbem  oder  rotem  Flalsring. 
Die  langen  Nachschieber,  die  sie  gespreizt 
halten,  mit  rotem   Strich. 


Abb.    594.    Erwachsene    Raupe    von   Hylo- 
phila prasinana  L.   auf  einem  befressenen 
Buchenblatt. 


Abb.   595.    Kahnförmiges,  weißes  Ko- 
kon von  Hylophila  prasinana  L.   auf 
einem  Buchenblatt. 


Puppe  rotblond,  fein  blaugrau  bereift  in  gelblich- weißem,  an  der  Blattober- 
fläche  angesponnenem  kahnförmigem   Gehäuse   (Abb.  595). 

Die  Bionomie  von  H.  prasinatia  L.  schildert  AI  tum  folgender- 
maßen  (F.  144): 

„Die  Raupe  lebt  auf  verschiedenen  Laubhölzern;  ganz  besonders  auf 
Buchen,  weniger  auf  Eichen,  einzeln  auch  auf  Birken.  Der  Buche 
folgt  sie  bis  in  deren  höchste  Standorte.  Der  Falter  (,, Schäferhütchen")  ist 
in  unseren  Gegenden  wohl  nirgends  selten,  jedoch  nur  in  einzelnen  Jahren 
in  größerer  Menge  vorhanden." 

„Daß  aber  auch  bei  dieser  Spezies  eine  Massenvermehrung  ein- 
treten kann,  durch  welche,  allerdings  unter  Beihilfe  einiger  anderen  Raupen- 


766  II.  Spezieller  Teil. 

arten,  in  erheblichem  Umfang  ein  Kahlfraß,  wie  durch  piidil)iiiida.  eintritt, 
war  mir  (AI  tum)  vor  wenigen  Jahren  noch  unbekannt.  Der  Kahlfrafi  fand 
statt    1873    im    Berleburgischen    (Südwestfalen).     Nach    Herrn    Forstmeister 

Rotbergs  Bericht  sind 
So — 1 20jährige  Buchenbe- 
stände, namentlich  an  Ab- 
hängen, und  zwar  Hunderte 
von  Morgen  im  Egge-  und 
Rothaargebirge,  auf  der 
Wasserscheide  der  Eder  und 
Lenne  so  zerfressen,  daß 
er  aus  der  Ferne  den 
bekannten  pi/dib///ida-  Fraß 
zu  sehen  glaubte.  Die  Be- 
stände schienen  am  20.  Au- 
gust bereits  rot  und  zeig- 
ten sich  nachher  völlig 
kahl.  Der  Boden  bedeckte 
sich  allmählich  mit  den  an 
den  Blattstielen  noch  be- 
findlichen gröberen  und 
gröbsten  Blattrispen,  so  daß 
die  Bodendecke  statt  aus 
raschelndem  Buchenlaub  aus 
einer  zaserigen,  grobflaumi- 
gen Schicht  bestand.  Herr 
R  o  t  b  e  r  g  hatte  die  Güte, 
außer  den  Raupen  und  ver- 
schieden stark  befressenen 
Zweigen  auch  dieses  Mulm 
uns   einzusenden.    Die  prasi- 

;/<?//«- Raupen       hatten       das 
Abb.     qgö.      Buchenblätter     von     HylopJiila     hrasi-  ■  .-r,^        t- 

nana    L.    beiressen.-      ^  ^  ^^'^itaus     größte      Kontmgent 

der    Fresser   geliefert." 

„Viele  der  eingesandten  Puppen  entwickelten  sich  noch  in  demselben 
Herbste  zu  Faltern.  Es  ist  mir  unbekannt,  ob  diese  Art,  wie  die  vorige,  eine 
unregelmäßige  Entwicklungszeit  hat.  Die  normale  Flugzeit  ist  nach  meinen 
Erfahrungen  nicht  der  Herbst,  sondern  etwa  Ende  Mai,  Anfang  Juni.  Allein 
hier  war  faktisch  das  Gegenteil  der  Fall.  An  jenem  kolossalen  Fräße  nahm 
Demas  (Noctiia)  coryli,  Notodonta  camelina,  P haier a  biicepJiala  und  schließ- 
lich auch  noch  Orgyia  pudibwida  teil.  Die  letzteren  aber  traten  stark 
zurück.  Im  nächsten  Sommer,  1874,  war  prasiuana  derart  verschwunden, 
daß  trotz  eifrigen  Suchens  nur  ein  einziges  Stück  hat  aufgefunden  werden 
können.  Ich  halte  die  oben  angegebene  abnorme  Entwicklungszeit  des 
Falters  für  die   Hauptursache  dieser  Erscheinung." 

Unter  ganz  denselben  Umständen  bzw.  in  ganz  der  gleichen  Ge- 
sellschaft, wie  sie  von  A 1 1  u  m  beobachtet  wurde,  trat  H .  prasuiana  L. 
im  Herbst  1928  in  verschiedenen  Forstämtern  der  Rheinpfalz  (Trippstadt, 
Otterberg,    Fischbach)   stärker  auf. 

Herr   Forstmeister  Biebl   (Forstamt    Fisch  bach  bei  Dahn)   berichtet  folgen- 


11. 'Unterordnung:  Macrolepicloptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  767 

des:  „Der  Fraß  wurde  in  stärkerem  Maße  seit  Anfang  September  beobachtet,  die 
Raupe  frißt  hauptsächlich  in  dem  oberen  Teil  der  Krone  und  den  Zweigspitzen,  die 
teilweise  kahlgefressen  wurden,  ist  aber  auch  in  geringerer  Anzahl  an  unterdrückten 
Buchen  bis  zu  den  untersten,  beinahe  zum  Boden  reichenden  Zweigen  zu  finden.  Der 
Fraß  schreitet  flächenweise  am  Blatt  fort,  die  Mittelrippe  bleibt  stehen,  seltener 
auch  Seitenrippen.  Befallen  sind  eine  Anzahl  Buchenstamm-  und  Stangenhölzer, 
vereinzelt  kommt  die  Raupe  auch  in  40  jährigen  Buchen-Dickungen  und  in  Eichen- 
stangenhölzern vor."  Neben  H .  prasinana  L.  beteiligte  sich  in  Fischbach  auch  der 
Buchenrotschwanz  (Dasychira  pudip-unda  L.)  an  dem  Fraß.  Herr  Forst- 
meister Bauer  (Forstamt  Otterberg)  bemerkt  unter  dem  13.  September  1928: 
„An  den  Buchen  (und  einzelnen  Eichen)  in  den  mit  Kiefern  gemischten  Stangen- 
hölzern und  Altholzbeständen  auf  etwa  40 — 50  ha  des  Bezirkes  Eselsfurth  sind  zur- 
zeit die  Gipfel,  besonders  an  den  Wegrändern,  ziemlich  stark  befressen.  Der  Fraß 
macht  sich  erstlich  durch  den  Kotfall  der  Raupen  auf  den  Sandwegen  bemerkbar." 
Gleichzeitig  mit  den  /'/■^/.wV/^^y/r/- Raupen  fraßen  hier  die  Raupen  von  PJialera  biice- 
phala  L.  und   Demas  coryli  L. 

Die  Buchenkahneule  scheint  nur  selten  zu  einer  Massenvermehrung  zu 
gelangen,  dann  aber  meist  in  Gesellschaft  anderer  Schmetterlinge,  die  sich 
in  den  optimalen   Lebensbedingungen  ähneln. 

In  Polen  trat  prasinana  verschiedentlich  schädlich  an  Eichen  auf 
(Wo  roniecka-Siemaszkowa,    1928). 

Acronyctai)  aceris  L. 

(Taf.  X,  Fig.  9.) 
Ahorneule,   Roßkastanieneule. 

Eine  vor  allem  durch  die  lang  gelb  behaarte  Raupe  auffallende  Laub- 
holzeule, die  zuweilen  in  stärkerer  Vermehrung  auftreten  und  zu  (wenn  avich 
beschränktem)  Kahlfraß  führen  kann. 

Falter:  Kopf  und  Brust  lang  weißgrau,  Hinterleib  kürzer  behaart.  Vorder- 
flügel weißgrau,  dunkler  bestäubt  und  mit  noch  dunkleren,  oft  verloschenen  Zeich- 
nungen. Querstreifen,  wenn  gut  ausgebildet,  deutlich  doppelt,  hinterer  Querstreif 
nahe  an  den  Saum  gerückt,  wurzelwärts  heller,  saumwärts  dunkler  angelegt,  Nieren- 
und  Ringmakel  dunkel  gerandet,  zwischen  beiden  eine  etwas  hellere  Stelle.  In  der 
Flügelwurzel  ein  nicht  sehr  deutlicher,  verästelter  Längsstreif.  Fransen  an  den 
Adern  dunkel  durchschnitten.  Hinterflügel  weiß  mit  gelbgrau  bestäubten  Adern. 
Fühler  bei  o"   und   9   gleichgebildet.    Spannweite  40 — 45   mm. 

Eier  platt,  hellgelb,  später  orange  und  zuletzt  rötlich  grau  mit  feinen  weiß- 
lichen Querstrichen. 

Erwachsene  Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  2).  Kopf  schwarzbraun  mit  gelbem 
Winkelfleck.  Leib  rotgelb,  auf  jedem  der  Ringe  i  — 11  ein  weißer,  schwarz  gesäumter 
Fleck,  der  auf  den  Ringen  i — 3  lang  und  schmal,  auf  den  Ringen  4— 11  rauten- 
förmig ist.  Auf  Ring  12  eine  schmale,  schwarze  Mittelbinde.  An  den  Seiten  lang 
gelb  behaart,  auf  den  Ringen  4 — 12  jederseits  neben  dem  Rautenfleck  ein  langer, 
fuchsroter  Haarschopf.    Länge  bis   5  cm. 

Puppe  in  einem  harten,  geleimten  Gespinste,  schlank,  rotbraun;  .'Yfterende 
mit  2  buckeiförmigen,  mit  je   5  Häkchen  besetzten  Erhöhungen. 

Die  Ve  r  b  r  e  i  t  u  n  g  dieser  gemeinen  Art  reicht  von  Schweden  bis  Sizilien  und 
von  England  bis  zum  Ural. 

Der  Falter  fliegt  im  Mai  und  Juni  und  legt  seine  Eier  in  geringer  Höhe 
an  die  Fraßpflanzen.  Als  solche  werden  außer  Roßkastanien,  Ahorn en 
—  unter  denen  nacli  Altum  Bergahorn  bevorzugt  wird  —  und  Eichen, 


1)  Die  Charakteristik  der  Gattung  Acro/iyc/a  siehe  oben   S.  613. 


768 


II.  Spezieller  Teil. 


gewöhnlich  noch  genannt  Linde,  Rüster  und  Buche.  Die  Raupe  skelet- 
tiert  anfänglich  die  Blätter  und  frißt  sie  später  bis  auf  die  stärksten  Rippen 
auf  (Abb.  597).  Über  einen  Fall  von  Entlaubung  einer  Allee  von  400  Kastanien- 
bäumen berichtet  Rat- 
zeburg (W.  IL  297). 
Tritt  Kahlfraß  an  Ahor- 
nen  zeitig  ein,  so  kann 
ein  Wiederergrünen  in 
demselben  Jahre  er- 
folgen. Dies  berichtet 
Ratzeburg  (W.  IL 
S.  293  und  296—298), 
der  auch  genau  die  als- 
dann erfolgenden  Repro- 
duktions-Erscheinungen 
schildert.  Die  Raupe 
sitzt  ziemlich  fest  an 
den  Zweigen,  ist  nicht 
leicht  abzuschütteln  und 
bleibt  fest  bis  zum 
Laubfall  auf  den  Bäu- 
men. Alsdann  steigt  sie 
herab  und  verpuppt 
sich  in  einem  harten, 
geleimten  Kokon  an 
den  Stämmen  in  Ritzen 
oder  in  sonstigen  nied- 
rigen Schlupfwinkeln, 
wo  die  Puppe  über- 
wintert. 

Als  besonders  schäd- 
lich läßt  sich  der  Fraß 
nicht  bezeichnen,  bei 
öfteren  Wiederholungen 
kann  er  jedoch  unan- 
genehm werden. 

Von  den  übrigen 
oben  genannten  Acro- 
nycla-Arten  sind  auf- 
fallendere Fraßbeschädigungen  bisher  nicht  beobachtet.  Da  jedoch  der 
Forstmann  den  Raupen  derselben  öfter  begegnet,  so  seien  sie  hier  kurz 
(nach  Spul  er)  beschrieben: 

Acr.  leporina  L.  (Taf.  X,  Fig.  23) :  Die  Raupe  grün,  mit  langen,  gebogenen, 
weißen  oder  graulichen  Seidenhaaren  dicht  besetzt;  auf  dem  4.,  6.,  8.  und  11.  Ringe 
je  ein  dünner  schwarzer  Haarpinsel,  welcher  indes  auch  vielfach  ausbleibt,  oder  gelb 
mit  gleichfarbiger  Behaarung  und  mit  einer  schwarzen  Rücken-  und  Seitenlinie.  Länge 
4—5  cm.  Sie  lebt  vom  Juli  bis  September  an  Erlen,  Weiden  und  andern  Laub- 
hölzern und  verpuppt   sich  in  morschem   Holz.    Puppe   dunkelbraun. 

Acr.  megacephala  F.:  Die  Raupe  ist  bräunlich,  auf  dem  Rücken  schwärzlich, 
dicht  besetzt  mit  erhabenen  gelben  Pünktchen  und  rostfarbenen  und  lichtbraunen 
Wärzchen,  auf  denen  gelbliche  Haarbüschel  stehen,  die  an  den  Seiten  am  längsten 


Abb.     597.     Kastanienzweig,    dessen    Blätter    von    der 

Raupe  von  Acronycta  aceris  L.  bis  auf  die  Rippen  be- 

fressen  sind. 


Escherich,  Forstinsekten.    III.  Bd. 


Tafel  XIII 


Eulenraupen 

1  Earias  chlorana  L.      2  Acronycta  aceris  L.      3   A.  alni  /..      4   A.  psi  L.      5   Panthea  coenolMla  L. 

(1  Colocasia  (Demas)  corvli  L.     7   Asrotis  vestiirialis  Rott.     8  Mamestra  pisi  L.     9  Diloba  coerulco- 

cephalai.     10  Dichonia  aprilina  Z.    11  Panolis  piniperda  Pä.     12  Taeniocampa  inccna /t/».    13  Gortvna 

ochracea  IIb.     14   Calocampa  exoleta  L.    15   Scopelosoma  saielliüa  L.     16   Plusia  gamma  L. 

17  Pseudophia  lunaris  Schiff.    18   Catocala  fraxini  L. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


'69 


sind.  Auf  dem  ii.  Ringe  befindet  sich  ein  großer,  länglich  viereckiger,  gelber, 
schwarz  gesäumter  Fleck.  Der  große  Kopf  an  den  Seiten  schwarz,  mit  einer  dop- 
pelten hellen  Gabelzeichnung  über  dem  Mund.  Länge  4 — 5  cm.  Sie  lebt,  bei  Tage 
mit  Vorliebe  in  den  Rindenspalten  ruhend,  im  Juni  und  von  Juli  bis  Oktober  an 
allen  Arten  von  Pappeln  und  We  i  d  e  n  und  verwandelt  sich  in  eine  glänzend 
braune   Puppe. 

Acr.  alni  L.  (Abb.  598  C):  Die  Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  3)  ist  in  der  Jugend 
einem  Vogelexkremente  ähnlich,  grau,  die  vier  letzten  Ringe  schmutzigweiß,  der 
erste  Ring  ockergelb  mit  vier  kolbigen,  schwarzen  Haaren;  Behaarung  gelblich.  Er- 
wachsen mattschwarz,  stahlblau  glänzend  mit  zwölf  mondförmigen  hochgelben 
Rückenflecken  und  schwarzen  Wärzchen;  auf  den  Flecken  stehen  einzelne  ruder- 
förmige,  schwarze  Haare;  auf  den  Wärzchen  kurze  Borsten.  Kopf  herzförmig  ein- 
geschnitten, schwarz.  Länge  4  cm.  Sie  lebt  im  Sommer  an  Erlen,  aber  auch  an 
Zitterpappeln,  Eichen,  Linden,  Kirsch-,  Nußbäumen  und  Rosen, 
zumeist  auf  Birken,  sitzt  in  der  Ruhe  gekrümmt  auf  der  Oberseite  eines  Blattes 
und  verwandelt  sich  in  einem  Gespinste  zu  einer  länglichen,  rotbraunen  Puppe. 

Acr.  tridens  Schiff.:  Die  Raupe  ist  schwarz  mit  einem  rotgelben,  durch  eine 
schwarze  Mittellinie  geteilten  Rückenstreifen,  in  welchem  auf  dem  4.  Ringe  ein 
kurzer,  schwarzer  Zapfen  und  auf  dem  11.  Ringe  eine  lang  behaarte,  schwarze,  rot 
und  weiß  gefleckte  Erhöhung  stehen;  an  den  Seiten  mit  einem  breiten,  weißgrauen, 
rötlichgelb  gefleckten  Längsstreifen.  Kopf  glänzend  schwarzgrau.  Länge  4  cm.  Sie 
lebt  im  Sommer,  resp.  von  Mitte  Mai  bis  Juli  und  von  August  bis  Mitte  Oktober 
besonders  an  Weißdorn  (Crataegus  oxyacantha),  ferner  Prunus- Kr\.&n,  Rhamnus 
frangula,   Eichen,   Erle   (Aln.  incanal   und   auch   We  i  d  e  n.     Puppe   braun. 


B  C 

Abb.  598. 
Verschiedene   Acronycia-.\x\.(tn:   A  Acr.  cuspis  Hb.,  B  Acr.  psi  L.,  C  Acr.  alni  L. 


Acr.psi  L.  (Abb.  598  B):  Die  Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  4)  ist  der  von  tridens 
ähnlich,  nur  ist  der  breite  Mittelstreifen  schwefelgelb  und  der  Fleischzapfen  auf  dem 
4.  Ringe  sehr  lang,  die  Erhöhung  auf  dem  11.  klein.  Auf  jedem  Ringe  zwei  ge- 
krümmte, hochrote  Striche  .ynd  eine  weißliche  Längslinie  über  den  Füßen.  Kopf 
schwarz  mit  2  gelben  Streifen.  Länge  3—4  cm.  Sie  lebt  im  Sommer  und  Herbst 
polyphag  auf  Laubholz. 

Eseherich,  Forstinsekten,  Bd.  in.  49 


770  II.  Spezieller  Teil. 

Acr.  cuspis  Hb.  (Abb.  598  A):  Die  Raupe  ist  denen  der  zwei  vorhergehenden 
Arten  ähnlich,  doch  hat  sie  auf  dem  4.  Ringe  statt  des  Fleischzapfens  einen  langen 
und  dichten  Haarpinsel.  Bauch  schwarzgrau  gefleckt.  Länge  4 — 5  cm.  Sie  lebt  im 
Spätsommer  und  Herbst  nur  an  Erlen  und  verwandelt  sich  an  der  Erde  in  einem 
Gespinste    zwischen   Blättern    zu   einer   schwarzbraunen    Puppe. 

Acr.  auricoma  F.:  Die  Raupe  ist  dick,  walzig,  schwarz,  mit  einem  Gürtel  \on 
IG  rotgelben,  sternhaarigen  Warzen  auf  jedem  Ringe,  deren  Rückenpaar  stärker  und 
lebhafter  rostrot  behaart  ist.  Füße  gelbrot.  Kopf  glänzend  braun.  Länge  4  cm.  Sie 
lebt  von  Juni  bis  Oktober  an  Heidelbeeren  (Vaccinium  myrtilliis  und  ]'ilis 
idaea),  Bocksbeeren  (Rtibiis  caesius  und  fntc/icosus).  an  Heide  (Cal/una 
vulgaris)  und  polyphag   an   Laubholz. 

Acr.(Craniophora)  ligusiri¥.:  Die  Raupe  ist  dick,  spindelförmig  mit  tiefen 
Ringeinschnitten  und  dünn  schwarz  behaart;  gelblichgrün  mit  einem  gelblichweißen 
Rückenstreifen,  und  zu  jeder  Seite  des  Rückens  einem  gelben  Längsstreifen,  und  da- 
zwischen auf  jedem  Ringe  zwei  weißen  Punkten.  Luftlöcher  mennigrot.  Kopf  dunkel- 
grün. Länge  4  cm.  Sie  lebt  von  Juni  bis  zum  Herbst  an  Hartriegel  ( Ligustnim 
vulgare)  und  Eschen  und  verwandelt  sich  in  einem  schwärzlichgrauen  Gewebe  zu 
einer  rotbraunen  Puppe  mit  hellerem  Hinterleibe. 

Colocasia  (Demas)  coryli  L. 

(Taf.  X,  Fig.  17.1 
Spinnereule,  graue  Eicheneule. 

Die  durch  deutlichen  Spinnerhabitus  (auch  der  Raupe)  ausgezeichnete 
Eule  lebt  hauptsächlich  auf  Eiche,   Hasel  und  Buche. 

Falter:  Brust  lang  grau  und  braun,  Hinterleib  etwas  kürzer  behaart  mit 
langen  Schöpfen  auf  Ring  2  und  3.  Wurzelhälfte  der  Vorderflügel  bis  zum  hin- 
teren Querstreif  dunkelbraun,  zwischen  dem,  wenn  deutlich  entwickelt,  in  der  Mitte 
lang  gezähnten  vorderen  und  dem  hinteren  Querstreifen  dunkler,  nur  neben  dem 
Ende  des  hinteren  Querstreifens  am  Vorderrande  heller.  Ring-  und  Nierenmakel 
schwarz  gerandet.  Saumhälfte  der  Vorderflügel  hellgrau  mit  wurzelwärts  dunkler 
angelegter  Wellenlinie.  Fransen  dunkler,  an  den  Adern  hell  durchschnitten.  Hinter- 
flügel gelbgrau,  am  Saum  breit  dunkler.  cT  ™it  ziemlich  lang  doppelt  gekämmten. 
9   mit  sehr   kurz   gezähnten   Fühlern.    Spannweite   30—33   mm. 

Eier  kugelig,  weiß  oder  bräunlich,  mit   Längs-   und   Querstreifen. 

Raupe  (Taf.XIII,  Fig.  6)  löfüßig.  Kopf  glänzend  rotgelb,  Leib  hell  rotbraun 
oder  bleich  fleischfarbig,  Ringe  i — 3  allerwärts  ganz  schwarz  bis  auf  die  haartragenden 
Warzen,  oder  wenigstens  2  breite  Streifen  neben  der  Mitte  dunkelbraun  oder  schwarz. 
Ringe  4 — 11  mit  ebensolchem  Rückenstreif,  der  sich  auf  den  Einschnitten  zwischen 
den  Ringen  seitlich  mehr  oder  weniger  verbreitert.  Ring  i  mit  einem  queren,  haar- 
tragenden Wulst  und  jederseits  einer  großen  Warze.  Auf  allen  anderen  Ringen  eine 
Querreihe  heller,  auseinanderstehende,  helle  Haare  tragender  Warzen.  Nur  auf 
Ring  2  zwei  seitliche,  auf  den  Ringen  4,  5  und  1 1  je  ein  mittlerer  fuchsroter  Haar- 
busch. Der  Busch  auf  Ring  1 1  mitunter  schwarz.  Bauch  in  der  Mitte  und  auf  den 
Einschnitten  mit  dunklen  Flecken.    Länge  ungefähr  3 — 4  cm. 

Puppe  in  dünnem,  aschgrauem,  oberirdischem  Gespinste,  schwarz  mit  rot- 
braunem Hinterleibe  und  lang  stielförmigem  Afterende,  das  an  der  Spitze  mit 
kurzen  Häkchen  besetzt  ist. 

Verbreitung  durch  ganz  Europa  mit  Ausnahme  der  nördlichsten  Gegenden, 
östlich  bis   zur   Wolga,   südlich  bis   zur   Breite   der   Lombardei. 

Der  Falter  fliegt  im  Frühjahr  im  Mai  bis  Juni,  die  Raupe  lebt  von 
Juli  bis  spät  in  den  Herbst  hinein  polyphag  auf  verschiedenen  Laubbäumen, 
vor  al lem  Eiche,  Buche  und  Hasel,  dann  auch  auf  Linde,  Erle, 
Rüster,   Birke  und  Weißbuche.    AI  tum   und    Forsttneister   Biebl   be- 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  771 

richten   über   einen   stärkeren    Fraß    der    Spinnereulc    zusammen   mit   Earias 
prasi/iana   L.   an  Buchen   (s.  oben  S.  766  und  767). 

Diloba  coeruleocephala  L.  i). 

i;Taf.  X.  Fig.  15.) 
Blaukopf,     Brillen  vogel. 

Eine  durch  die  charakteristische  Vorderflügelzeichnung  (die  3  Makehi 
im  Mittelfelde  der  violettbraunen  Vorderflügel  stellen  rechterseits  deutlich 
die  Ziffer  „86"  dar,  linkerseits  deren  Spiegelbild)  und  durch  die  Raupe 
(blaugrauer  Kopf)  leicht  kenntliche  Eule,  die  hauptsächlich  an  Obst- 
bäumen schädlich  wird,  besonders  durch  den  Fraß  an  Knospen,  jedoch 
mitunter  auch  im  Walde,  vor  allem  an  Eichen,  vorkommt. 

Falter:  Kopf,  Brust  und  Beine  dicht  und  lang  wollig  dunkelbraun,  Hinter- 
leib kürzer  und  hellbraun  behaart.  Auf  den  Vorderflügeln  die  beiden  nach  hinten 
einander  genäherten,  schwarzen  Querstreifen  scharf  gezeichnet,  zackig  gebrochen,  der 
hintere  am  Vorderrande  deutlich  doppelt,  die  gewellte  Saumlinie  aus  kleinen,  auf 
den  Adern  unterbrochenen,  dunklen  Bogen  bestehend.  Wurzelfeld  und  Saumfeld  rot- 
braun, in  ersterem  ein  dunkler  Längswisch,  letzteres  von  der  verloschenen  Wellen- 
linie gegen  die  Saumlinie  hin  hellgrau  bestäubt.  Mittelfeld  veilgrau  mit  drei  großen, 
grünlich  gelben,  zusammenstoßenden,  im  Innern  grau  bestäubten  Makeln,  deren  Ge- 
stalt man  wohl  auch  mit  einer  Brille  verglichen  hat.  Hinterflügel  weißlich  grau  mit 
gewellter,  schmaler,  dunklerer  Saumlinie  und  einem  dunklen  Fleck  am  .Afterwinkcl. 
Cf  mit  lang  doppelt  gekämmten,  ;  mit  kurz  gezähnten,  gelbbraunen  Fühlern.  Spann- 
weite  40 — 45   mm. 

Eier  halbrund,  grauweiß  mit  grünen  Längsstreifen  und  ebensolchem  Rande, 
mit  ,, geknöpften  Fäden"  besetzt.  Es  sind  dies  wahrscheinlich  die  Schuppen  des 
Hinterleibsendes  des  9,  die,  wie  Nitsche  fand,  eine  ähnliche  Gestalt  haben. 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  9)  löfüßig.  Kopf  blaugrau  mit  zwei  großen  schwarzen 
Flecken,  daher  der  Name  der  Art.  Auf  der  Unterseite  von  Ring  i  zwischen  Unter- 
lippe und  erstem  Beinpaar  ein  mittlerer,  weicher  Zapfen.  Leib  bläulich-  oder  grünlich- 
weiß mit  verwaschenen,  gelben  Längsstreifen  auf  dem  Rücken  und  einem  scharfen, 
gelben  Seitenstreifen  durch  die  schwarzen  Luftlöcher.  Bauch  graugrün.  Auf  Rücken 
und  Seiten  viele  schwarze,  warzenartige,  je  ein  kurzes  schwarzes  Haar  tragende  Flecke, 
die  Querreihen  bilden,  und  zwar  eine  auf  Ring  2  und  3  und  zwei  auf  den  übrigen 
Ringen.    Diese  Warzen  bilden  zugleich  auch  Längsreihen.    Länge  4 — 5  cm. 

Puppe  in  einem  oberirdischen,  festen,  engen,  grauen  Gespinste,  braun,  auf  dem 
Rücken  dunkler,  bläulich  bestäubt.  Afterende  mit  2  spitzen  Ecken  auf  jeder  Seite, 
auf  denen  vier   Börstchen   stehen. 

Verbreitung  durch  ganz  Europa,  mit  Ausnahme  des  hohen  Nordens,  östlich 
bis  zur  Wolga  und  Kleinasien,  südlich  bis  Sizilien  (Nitsche). 

Der  Falter  fliegt  meist  im  Herbst,  von  September  ab,  und  legt  die 
grünlichen  Eier  einzeln  oder  zu  5—8  mit  brauner  Wolle  bedeckt  an  der 
Rinde  der  Stämme  oder  Äste  ab.  Die  im  Frühjahr  auskommenden  Räupchen 
fressen  zuerst  die  Knospen  aus,  dann  alles  Grüne,  einschließlich  der  jungen 
Früchte.  Ende  Juni  verspinnen  sie  sich  an  Rinde,  Mauerwerk  usw.  in  festem 
mit  Kot-,  Holzstückchen  oder  dergleichen  durchsetzten  Gespinst,  in  dem  erst 
nach  einigen  Wochen  die  Verpuppung  stattfindet.  Ausnahmsweise  kann  der 
Falter  auch  erst  im  Frühjahr  fliegen;  dann  verkürzt  sich  natürlich  die  Dauer 
des   Eizustandes   ganz   wesentlich. 


1)  Ratzeburg  (F.  II.  168)  behandelt  diese  Art  unter  den  Spinnern.   Die  Charakteristik 
der  Gattung  Diloba  s.  oben    S.  615. 

49* 


772  II.  Spezieller  Teil. 

Der  ,, Blaukopf"  richtet  an  Obstbäumen  oft  recht  empfindlichen 
Schaden  an.  Außer  an  Obstbäumen  kommt  die  Raupe  an  S  c  h  1  e  h  - ,  Weiß- 
dorn, Linde,  Hasel  und  Eiche  vor.  An  den  letzteren  beiden  ist  schon 
auffallender   Fraß  beobachtet   (Ratzeburg,    F.  II.  i68). 

Xanthia  citrago  L. 

Z  i  t  r  o  n  e  n  e  u  1  e. 
Die  ,, Zitroneneule"  (so  genannt  wegen  der  gelben  Farbe  des  Falters) 
ist  (in  Italien)  an  Linden  schädlich  aufgetreten  und  deshalb  von  Cecconi 
in  seinem  „Manuale  di  Entomologia  forestale"  als  Forstinsekt  angeführt. 
Da  sie  über  ganz  Europa  verbreitet  ist,  so  sind  natürlich  ähnliche  Schäden 
auch  in  unserem  Gebiet  nicht  ausgeschlossen. 

Falter    (Abb.  599):     Vorderflügel    goldgelb,    rostfarben    bestäubt;    Querlinien 
rostfarben,  sehr  ausgeprägt,  zwischen  ihnen  ein  breiterer  Mittelschatten.    Wellenlinie 
kaum  sichtbar.    Umsäumung  der  Makeln  und  der  Rippen  lebhaft  braunrot.    Hinter- 
flügel gelblich  weiß.    Thorax  hinter  dem  mitten  schneidig  zusammenstoßenden  Hals- 
kragen mit  spitz  emporragendem,  schneidigem  Längs- 
kamm;    auch     die     vorderen     Hinterleibsringe     mit 
Schöpfchen.    Spannweite   32  mm. 

Raupe      16  füßig,     schlank,     wenig     gewölbt, 
nach  hinten  verdickt,  nackt  mit  kleinerem,   flachem, 
braungelbem  Kopf.    Nackenschild  schwarz  mit  3  hel- 
len  Strichen.    Im  übrigen  die  Oberseite  der  Raupe 
schiefergrau  mit  3  weißlichen  Rückenlinien,  zwischen 
denen    auf    jedem    Ring    je    ein    schwarzer    Flecken 
zwischen    den    w^eißen    Punktwarzen    steht.     An    den 
Seiten   ein   breiter,    weißlichgelber   Längsstreifen,   in 
Abb.  599.   Xanthia  citrago  L.        j^m      die      weißen,      schwarzgesäumten      Luftlöcher. 
Bauch  hell  gelbgrau.    Länge  4  cm. 
Die    geographische    Verbreitung    erstreckt    sich   vom    südlichen    Skandi- 
navien  und   Südfinnland   durch   Nord-,   Mittel-   und   Osteuropa  bis   zu  den  Pyrenäen, 
Nord-   und   Mittelitalien   und   Südrußland. 

Der  Falter  fliegt  August  bis  September,  legt  seine  Eier  an  die  Zweige 
der  Linde.  Die  Eier  überwintern  und  ergeben  im  folgenden  Mai  die  Raupen, 
die  6  Wochen  fressen  und  sich  im  Juli  an  der  Stammbasis  verpuppen  (Puppe 
rotbraun).  Die  Hauptfraßpflanze  ist  Linde.  In  Vallombrosa,  einem  hoch- 
gelegenen Ort  bei  Florenz,  mehrere  Jahre  hindurch  an  jungen  Linden  recht 
bemerkenswert  aufgetreten. 

Gortyna  ochracea  Hb. 

(Taf.  X,   Fig.  20.) 
Gemeine    Markeule. 

Diese  ziemlich  häufige,  über  ganz  Europa  und  einen  Teil  von  West- 
asien verbreitete  Eule  weicht  biologisch  von  allen  anderen,  hier  genannten 
Arten  durch  die  bohrende  Lebensweise  ihrer  Raupe  wesentlich  ab. 
Letztere  lebt  in  den  Stengeln  verschiedener  krautartiger  Pflanzen,  in  den 
Zweigen  von  Sambucus  nigra  und  in  den  jungen  Ruten  von  Korbweiden. 

Falter:  Vorderflügel  mit  scharfer  Spitze  und  etwas  geschwungenem  und  ge- 
welltem Saume,  goldgelb,  rostrot  bestäubt,  mit  rostroter  Zeichnung.  Makel  nicht 
deutlich;  Saumhälfte  des  Wurzelfeldes  und  die  gewässerte  Binde  veilbraun;  des- 
gleichen die  gewellte  Saumlinie  und  die  Fransen.  Hinterflügel  gelblich,  Adern  und 
Saumlinie  rötlich  bestäubt.    Fühler  beim  cT  kurz  gewimpert.    Spannweite  35  mm. 


IL  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  773 

Raupe  (Tat".  XIII,  Fig.  131  i6füßig,  braunköpfig,  fleischrot,  Rückenstreif 
und  Seitenteile  weißlich.  Ring  i  mit  großem,  dunklem,  durch  die  Rückenlinie  ge- 
teiltem Nackenschilde.  Ring  12  mit  dunkler  Afterklappe.  Die  übrigen  Ringe  mit 
schwarzen,  ein  kurzes  Börstchen  tragenden  Warzen.  Auf  dem  Rücken  von  Ring  2 
acht,  von  Ring  3  sechs,  auf  den  übrigen  je  vier  solche  Warzen.  Um  jedes  Luftloch 
drei  bis  vier  Warzen,  über  den  Füßen  noch  je  eine  Warze,  und  auf  der  Seite  jedes 
Afterfußes  ein  schwarzes   Schildchen.    Länge  ungefähr  3 — 3,5   cm. 

Puppe  rotbraun,  gestreckt,  mit  2  scharfen,  feinen  Dornen  am  Afterende. 
Hinterleibsringe,  mit  Ausnahme  der  drei  letzten,  am  Grunde  stark  punktiert.  Länge 
16  mm. 

Der  Falter  fliegt  im  Hochsommer  bis  Oktober  und  legt  seine  platten 
Eier  an  die  Basis  von  dickstengeligen  Kräutern  oder  an  die  jungen  Triebe 
von  Sträuchern.  Seine  Raupe  bohrt  in  den  krautartigen  Pflanzen  dicht  über 
und  in  dem  Wurzelstock,  besonders  in  Disteln,  Kletten.  Wollkraut  [J'crbas- 
ciiiii  L.)  sowie  Baldrian  {J'aleriaiia  L.),  Scrophularia  L..  Eupuioriiiiii  L.,  und 
Fingerhut  {Digitalis  L.). 

Von  Sträuchern  war  bisher  nur  der  schwarze  Holunder,  Sambuciis 
nigra  L.,  als  Fraßpflanze  bekannt,  doch  hat  Henschel  (1888)  die  Raupe 
bei  Wien  auch  in  Salix  viminalis  L.  nachgewiesen,  und  zwar  in  den  Mai- 
trieben. Die  von  ihr  bewohnten  Ruten  waren  geknickt  und  zeigten  in  der 
Nähe  dieser  Stelle  ein  rundliches  Loch,  das  mit  grobem  Raupenkote  ver- 
stopft war;  sie  waren  von  der  Spitze  herein  im  Vertrocknen  begriffen,  die 
Rinde  war  stellenweise  geschwärzt.  Der  Fraßgang  verlief  bis  auf  32  cm 
Länge  im  Markkörper  der  Rute  nach  abwärts,  reichte  aber  in  der  Nähe  des 
erweiterten  Puppenlagers  bis  auf  den  Bast.  Das  Puppenlager  befand  sich 
6 — 7  cm  über  dem  von  der  Raupe  vorbereiteten,  schwach  wieder  verspon- 
nenen und  durch  Nagespäne  abgeschlossenen,  großen,  ovalen  Flugloch.  Es 
war  gleichfalls  nach  unten  durch  einen  Spanpfropf  abgeschlossen.  Die  Ver- 
puppung erfolgte  vom  12.  bis  17.  Juli.  Obgleich  eine  größere  Verwüstung 
durch  diese  Raupe  noch  nicht  bekannt  geworden,  dürfte  sie  doch  bei  Massen- 
vermehrung sehr  schädlich  werden  können.  Abschneiden  der  befallenen 
Ruten  dicht  über  der  Erde  Ende  Juni,  Anfang  Juli  und  Verbrennen  der- 
selben dürfte  die  einzig  mögliche  Abwehr  sein.  Als  Vorbeugung  wäre  „regel- 
mäßiger einjähriger  Schnitt"  der  Ruten  anzuempfehlen,  vorausgesetzt,  daß 
die  Eier  nicht  am  älteren  Holze  abgelegt  werden.  Denn  man  darf  wohl  als 
Regel  annehmen,  daß  das  Ei  überwintert  und  die  Raupe  ausschlüpft,  wenn 
die  Weiden  zu  treiben  beginnen  (Nitsche). 

Nach  Gillmer  (1908)  vernichteten  Ohrwürmer  viele  Puppen;  als  Para- 
siten züchtete  er  I chnemnori  sangninatorius  Grav. 


Forstlich  noch  weniger  auffallend  als  die  bisher  besprochenen  Laubholzeulen, 
aber  doch  zuweilen  in  größerer  Zahl  vorkommend,  sind  die  folgenden  (von 
Nitsche  angeführten)   Arten: 

Dichonia  aprilina  L.  Falter  (Taf.  X,  Fig22):  Kopf  und  Brust  lang  behaart, 
hellgrün,  letztere  mit  schwarzen  Zeichnungen  auf  Halskragen  und  Schulterdecken 
Hinterleib  kurz  behaart,  hellgrün,  hinten  schwarz  bestäubt,  Vorderflügel  hellgrün, 
mit  tief  schwarzen,  sehr  scharfen,  zum  Teil  weiß  geränderten  Zeichnungen.  Hinter- 
flügel am  Grund  heller,  am  Saum  tiefer  grau,  mit  2  dem  Saum  nahegerückten,  un- 
scharfen, hellen  Querbinden.    Spannweite  40 — 50  mm. 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  10)  braunköpfig,  mit  dunkleren  Netzzeichnungen  und 
einem  noch  dunkleren,  X-förmigen  Flecke,  Leib  heller  oder  dunkler  braungrau, 
dunkler  gerieselt.    Diese  Rieselungen  bilden  auf  jedem  Ringe  eine  schwache  Rauten- 


774  II.  Spezieller  Teil. 

Zeichnung,  die  einen  weißen  Mittelstreif  und  seitlich  von  ihm  jederseits  einen 
hellen  Punkt  einschließt.  Die  seitlichen  Rautenecken  werden  durch  einen  undeut- 
lichen, oben  dunkleren,  unten  hell  gesäumten  Strich  verbunden.  Auch  durch  die  Luft- 
löcher ein  dunklerer  Längsstreif.    Länge  4 — 5  cm. 

Puppe  in  losem  Gespinste,  mit  zwei  gekrümmten  Dornen  am  kurz  stielf örmigen 
Afterende. 

Der  in  ganz  Europa  von  England  bis  zur  Wolga  und  von  Petersburg  bis  Ober- 
italien verbreitete  Falter  fliegt  im  August  und  September.  Wahrscheinlich  über- 
wintern die  Eier,  und  die  Raupen  fressen  im  Frühjahre  an  Eiche,  ihrer  eigent- 
lichen Nährpflanze,  gelegentlich  wohl  auch  an  Apfel,  Linde  und  Buche. 

Taeniocampa  incerta  Hfn.  Falter  (Taf.  X,  Fig.  1 1  ) :  Kopf  und  Brust  lang, 
Hinterleib  kurz  violettbraun  und  hellgrau  behaart.  Vorderflügel  violettgrau  mit  undeut- 
lichen Querstreifen,  fein  weißlich  umzogener  Ring-  und  Nierenmakel,  zwischen  denen 
eine  verwaschene,  braune  Querbinde  liegt,  mit  weißlicher,  unter  dem  Vorderrandc 
abgesetzter,  wurzelwärts  fleckenartig  braun  gesäumter  Wellenlinie.  Hinterflügel  hell 
braungrau,  am  Saume  dunkler,  mit  hellen  Fransen  und  schwachem  Mittelmonde. 
Fühler  des  cf  mit  kurzen,  gewimperten  Kammzähnen.    Spannweite  35 — 40  mm. 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  12):  Kopf  bläulich  grün;  Leib  grün,  gelblich  weiß 
gerieselt,  mit  einigen  hellen  Längslinien  und  einem  hellgelben,  oben  fein  schwarz 
gesäumten  Längsstreifen  über  den  hellen,  schwarz  umrandeten  Luftlöchern.  Länge 
3—4  cm. 

Puppe  mit  einer  zwei   Dornen  tragenden  Warze  am  Afterende. 

Der  im  ganzen  mittleren  Europa  gemeine  und  auch  in  Nordamerika  vorkom- 
mende Falter  fliegt  im  zeitigen  Frühjahr,  und  seine  Raupe  frißt  bis  gegen  Juli  an 
Eichen,  Birken  und  anderen  Laubhölzern. 

Taeniocampa  pulverulenta  Esp.  {cruda  Tr.).  Falter:  Vorderflügel  rötlich 
grau,  wie  bestäubt,  entweder  einfarbig  oder  mit  feinen,  dunkeln  Punkten  statt  der 
Querstreifen;  gewöhnlich  nur  die  dunklere,  etwas  heller  umzogene  Nierenmakcl 
deutlich;  Hinterflügel  grau,  cj  mit  doppelt  gekämmten  Fühlern.  Spannweite  bis 
30  mm. 

Raupe:  Kopf  braun  mit  dunkleren  Punkten,  Nackenschild  und  Afterklappe 
dunkelbraun.  Leib  gelbgrün  oder  braun,  auf  dem  Rücken  drei  feine,  helle  Längs- 
linien und  ein  gelber,  breiter  Längsstreif.  Auf  jedem  Ringe  oben  viel  feine  dunkle 
Punkte  und  ein  Punkt  über,  sowie  einer  unter  den  Seitenstreifen.    Länge  3 — 4  cm. 

Puppe   init    2  auswärts    gebogenen    Dornen   am    Afterende. 

Der  im  ganzen  mittleren  Europa  verbreitete  Falter  fliegt  im  zeitigen  Frühjahr, 
und  die  Raupe  frißt  bis  zur  Sonnwendzeit  an  Eichen  und  auch  Birken i). 

Ca/^mnia  frapezinaL.  Fal  t  er(Taf.  X,  Fig.  18) :  Kopf  und  Brust  lang  behaart, 
von  der  Grundfarbe  der  Vorderflügel.  Diese  ockergelb  bis  rotgelb,  mit  geradem,  schräg- 
gestelltem, vorderem  und  einfach  gegen  die  Spitze  zu  geschwungenem  hinterem  Quer- 
streif. Beide  doppelt,  gegen  das  Mittelfeld  zu  dunkel,  nach  außen  hell.  Nieren- 
makel am  deutlichsten,  unten  schwarz  ausgefüllt.  Wurzelfeld  und  gewässerte  Binde 
am  hellsten  Saum  mit  feinen,  schwarzen  Punkten.  Hinterflügel  grau  mit  hellerem 
Vorderrand  und   Fransen.    Spannweite   ungefähr  30  mm. 

Raupe  gelblich  oder  bläulich  grün,  mit  feinen,  schwarzen,  weiß  gesäumten 
Wärzchen,  drei  weißen  Rückenlinien  und  breitem,  schwefelgelbem  Seitenstreif. 
Länge  2,5 — 3  cm. 

Der  sehr  gemeine,  durch  ganz  Mitteleuropa  verbreitete  Falter  fliegt  im  Juli  und 
August.  Die  Raupe,  als  Mordraupe  bekannt,  frißt  im  Frühjahr  an  den  verschie- 
densten Laubhölzern,  besonders  an  Eiche  (s.  Anm.  i  ). 


1)  Nach  K.  Eckstein  (i.  1.)  ist  im  letzten  Jahr  in  der  Oberförsterei  Rosenfeld 
(Reg.  Merseburg)  eine  andere  Art,  Taeniocampa  miinda  Esp.,  an  Eichen  schädlich 
aufgetreten,  zugleich  mit  Calymnia  trapezina  L. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulenl 


775 


Als  auffallendste  Erscheinungen  unter  den  Eulen  seien  noch  angeführt  die 
Ordensbänder,  der  Gattung  Catocala  angehörig,  welche  zu  den  spanner- 
artigen Eulen  gehören  und  die  größten  europäischen  Eulen  darstellen.  Die 
groi3eu  dreieckigen  Vorderflügel  tragen  auf  grauem  oder  braunem  Grunde  eine 
ziemlich  wirre  Zackenzeichnung,  ihre  breit  gerundeten  Hinterflügei  dagegen  breite 
tiefschwarze  Binden  auf  dunkel  karminfarbenem  {Catocala  sponsa  L. 
und  C.  promissa  Esp.),  oder  rosafarbenem  {electa  Bkh.)  oder  zinnober- 
rotem (C  nupta  L.  und  elocata  Esp.)  oder  gelbem  (C.  paranympha  L.  [Taf.  X, 
13],  oder  endlich  auf  blauem  {C .  fraxini  L.,  Abb.  600)  Grunde.  Auf  der 
Unterseite  sind  beide  Flügelpaare  weiß, 
schwarz  und  entweder  rot  oder  gelb 
gebändert. 

Die  Falter  sitzen  am  Tage  mit 
flach  angelegten  Flügeln  an  Mauern, 
Baumstämmen  und  sind  infolge  der 
grauen  Färbung  schwer  sichtbar.  Fast 
noch  mehr  gilt  dies  für  die  lang- 
gestreckten, seitlich  haarig  begrenzten, 
unten  sehr  flachen  und  auf  jedem 
Ringel  schwarz  gefleckten  R  a  u  p  e  n 
(Taf.  XIII,  Fig.  18),  die  sich  tagsüber 
„fast  zur  UnUnterscheidbarkeit"  an  die 
Zweige  und  Stämme  zu  schmiegen 
wissen.  Sie  leben  ausschließlich  auf 
Laubbäumen,  vor  allem  auf  Eichen. 
Pappel  n  und  We  i  d  e  n. 

Keinem  der  Ordensbänder  kommt  irgendwelche  forstliche  Bedeutung  zu,  da  sie 
durchgehends  nur  vereinzelt  vorkommen;  sie  stellen  aber  sehr  auffallende  Laub- 
holzbewohner dar,  weshalb  sie  hier  angeführt  sind. 


Abb.  6üo.    Catocala  fraxini   L.,   das  blaue 
Ordensband,    ca.  ^ 


II.  Kulturschädlinge. 

In  dieser  Gruppe  fassen  wir  alle  jene  Eulen  zusammen,  deren  polyphage 
Raupen  durch  Zerstörung  junger  Nadelholz-  oder  auch  Laubholzkulturen 
schädlich  werden.  Die  hierher  gehörigen  Formen  sind  allgemein  wirtschaft- 
lich betrachtet  wohl  zu  den  wichtigsten  Eulen  zu  zählen.  Landwirt- 
schaftlich gehören  einige  von  ihnen  in  die  Reihe  der  schlimmsten 
Großschädlinge.  Forstlich  treten  sie  dagegen  bedeutend  zurück,  wenn 
auch  einzelne  dieser  Eulen  sehr  schädliche  Nade  1  ho  1  zku  1 1  u  r- 
V  e  r  d  e  r  b  e  r  darstellen. 

Als   forstliche   Kulturschädlinge   kommen  in   Betracht: 

Agrotis  vestigialis  Rott.,  Kiefernsaateule  (Kiefer,   Fichte,  LärcheK 

—  segetum  Schiff.,  Wintersaateule  (Kiefer,  Fichte,  Lärche,  Laubholz  1. 

—  tritici  L.,  Getreideeule   (Kiefer). 
— ■  exclamationis  L.   (Kiefer). 

—  tiigricans  L.  (niedere  Pflanzen). 

—  corticea  Hb.   (niedere  Pflanzen). 
Scopelosoma  satellitium  L.    (Buchenaufschlag). 
Plusia    gamma    L.,    Gamma-Eule    (Kiefernsaaten). 
Pseudophia  lunaris  Schiff.,  Braunes  Ordensband  (junge  Eichen). 
Mamestra  pisi  L.,  Erbseneule   (Fichte). 

Calocampa  exoleta  L.    (Lärche). 

—  vetusta  Hb.    (Lärche). 


776  II-  Spezieller  Teil. 

Gattung  Agrotis  Ochsh.  i). 

Erdeulen. 
Die  Gattung  Agrotis  ist  sehr  artenreich;  bei  Spuler  sind  für  Europa 
nicht  weniger  als  143  Arten  beschrieben.  Es  handelt  sich  meist  um  düster, 
graubraun  oder  braun  gefärbte  Falter  mit  helleren  Hinterflügeln.  „Die  Erd- 
eulen tragen  ihren  Namen  daher,  daß  die  Falter  wie  die  Raupen  mehr  wie 
andere  Schmetterlinge  an  die  Erde  gebunden  sind.  Die  Falter  ruhen  tags- 
über möglichst  nahe  deren  Oberfläche  mit  wagerecht  getragenen  Flügeln 
und  laufen  bei  Störung  erst  eine  Strecke,  bevor  sie  sich  zu  niederem  Flug 
erheben"  (Reh).  Die  Raupen  sind  plump,  walzenförmig,  unscheinbar  düster 
gefärbt  (erdfarbig);  sie  überwintern  gewöhnlich  halbwüchsig,  sind  ziemlich 
träge,  nähren  sich  von  niederen  Pflanzen,  leben  tagsüber  gewöhnlich  unter- 
irdisch an  Wurzeln  und  kommen  des  Nachts  zum  Fraß  an  die  oberirdischen 
Pflanzenteile  heraus.    Die  Verpuppung  findet  meist  in  der  Erde  statt. 

Agrotis  vestigialis  Rott. 

(Taf.X,  Fig.  6.) 

Kiefernsaat  eule. 

Ratzeburg:   Noctua  valligera  W.  V.   —  Altum:   Agrotis  valUgera  W.  V.   —   Nitsche: 

Noctua  (Agrotis)  vestigialis  Rott.  —  Nüßlin-Rhumbler:  Noctua  (Agrotis)  vestigialis 

Rott.  —  Wolf f -Krauße :  Rhyacia  vestigialis  Rott. 

Falter:  Brust  lang,  grau  behaart,  ein  mittlerer  Schopf  und  die  Schulter- 
decken weißlich,  dunkel  gerändert,  ein  doppelt  geschwungener,  dunkler  Querstreif 
auf  dem  Halskragen,  Hinterleib  gelbgrau  kurz  behaart.  Vorderflügel  aschgrau, 
braun  gemischt,  hinterer  Querstreif  deutlich  scharf  gezackt,  Wellenlinie  mit  5 — 6 
wurzelwärts  gerichteten,  dunklen  Pfeilflecken,  zwischen  ihr  und  dem  hinteren  Quer- 
streif eine  hellere  Binde.  Nieren-  und  Ringmakel  dunkelgrau,  mit  feiner,  heller  und 
breiter,  schwarzbrauner  Umrandung;  Zapfenmakel  groß,  dunkelbraun,  schwarz  um- 
rändert; zwischen  ihm  und  den  beiden  anderen  Makeln  ein  heller  Längswisch.  Saum- 
rand dunkler,  mit  schwarzen  Mondzeichnungen.  Hinterflügel  gelbgrau,  am  Saume 
und  auf  den  Adern  dunkler  bestäubt,  mit  hellen  Fransen,  cf  mit  nicht  sehr  lang 
doppelt  gekämmten,  Q  mit  sehr  kurz  gezähnten   Fühlern.    Spannweite  30 — 40  mm. 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  7)  erdgrau,  mitunter  in  das  Grünliche  oder  Fleischfarbene 
spielend,  ohne  eigentliche  Zeichnung.  Kopf  mit  dreieckigen,  dunkelbraunen,  in  der 
Mittellinie  nicht  ganz  zusammenstoßenden  stark  chitinisierten  Seitenhälften.  Drei- 
eckiges Kopfschild  bis  auf  einen  in  der  Spitze  gelegenen  dunkleren  Punkt  hell,  des- 
gleichen das  jenes  berührende  Scheiteldreieck.  Ring  i  mit  etwas  stärkerer  Chitinisie- 
rung,  auf  den  übrigen  Ringen  Querreihen  von  bräunlichen,  nicht  auffallenden,  mit 
je  einem  Härchen  versehenen  Chitinflecken,  von  denen  auf  dem  Rücken  immer  4  im 
verschobenen   Quadrat  stehen.    Luftlöcher   schwarz.    Länge  3 — 4  cm. 

Puppe  hell  rotbraun  mit  zwei  sehr  kurzen,  nahe  aneinander 
stehenden  Spitzen  am  Afterende;  in  lockerem  Gespinste  im  Boden  ruhend. 

Die  geographische  Verbreitung  erstreckt  sich  über  das  nicht- 
polare Nord-  und  Mitteleuropa  bis  Bilbao,  Korsika,  Mittelitalien  und  Süd- 
rußland, doch  kommt  sie  in  diesem  großen  Gebiet  nicht  überall  gleich  häufig 
vor,  sondern  bevorzugt  sandige  Gegenden. 

Bionomie.  Die  Bioformel  ist: 

—  9P>  7^ 
7p  8*  +  8p  9P 

Der  Falter  fliegt  (auch  bei  Tage)  von  Mitte  August  bis  Mitte  Sep- 
tember.   Die  Eiablage  erfolgt  auf  der  Bodendecke.    Die  mohnkornförmigen 

1)  Charakterisierung  der  Gattung  Agrotis  siehe  oben  S.  614. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


777 


Eier  werden  einzeln  abgelegt.    Die  Räupchen  kommen  gewöhnlich   Mitte 
bis  Ende  September  aus;  sie  sind  sehr  polyphag  und  nehmen  anfänglich 
wohl  nur  die  zarten  Wurzeln  von  Gräsern  und  Kräutern  an.    Nach  diesem 
schwachen,    unschädlichen    Herbstfraß    überwintern    sie    in    der    Bodendecke 
oder     der     obersten    Schicht    des 
Mineralbodens.        Im       Frühjahr, 
März — April,    sobald    der    Boden 
frostfrei    geworden,    beginnt    der 

zweite   Fraß,  der  den  Kiefern-  '',^  »^i,'' 

Saaten,  vor  allem  den  i  jährigen 
Pflanzen,  verhängnisvoll  wer- 
den kann.  Die  Raupen  beißen 
im  Mai  bis  Juni  die  Pflänzchen 
meist  in  der  Nähe  des  Wurzel - 
knotens,  nicht  tiefer  als  2  cm 
unter  der  Erdoberfläche  durch 
und  verzehren  das  Wurzel  stück 
nebst  Stämmchen,  anfangs  ohne 
die  Nadeln,  die  unberührt  bleiben. 
Später  frißt  die  Raupe  auch  die 
Nadeln;  sie  beißt  dieselben  ge- 
wöhnlich in  der  Mitte  durch  und 
verzehrt  den  Stumpf  samt  Blatt- 
scheide (Abb.  601),  seltener  die 
abgebissenen  Enden.  Auch  das 
Stämmchen  und  die  oberen  Wur- 
zelpartien werden  jetzt  ange- 
gangen. Im  Juni,  wenn  die  Pflan- 
zen bereits  erstarkt  sind,  werden 
diese  gewöhnlich  nicht  mehr  ganz, 
sondern  nur  bis  zur  Mitte  durch- 
gebissen,   so    daß    sie    umknicken. 

An  zweijährigen  K  i  e  - 
fern  werden  meist  nur  die  schwa- 
chen Seitenzweige  durchgebissen 
und  deren  Nadeln  verzehrt,  das 
Stämmchen  aber  meist  nicht  so 
stark  benagt,  daß  es  einginge 
(v.  Kujawa).  Andererseits  wird 
auch  berichtet,  daß  die  Raupe 
neben  den  Seitentrieben  auch  die 
Mitteltriebe  abbeißt  und  verzehrt. 
Gegen  den  Schluß  der  Fraß- 
periode wird  dann  auch  das  verholzte  Stämmchen  oft  über  der  Erde  durch- 
gebissen, so  daß   es  umsinkt. 

Die  Raupen  verlassen  nicht  gerne  das  kühle  und  feuchte  Versteck  im 
Boden  und  fressen  daher  bei  Tage  gewöhnlich  unterirdisch  und  nur  des 
Nachts  oberirdisch.  Wegen  der  geringen  Größe  ihrer  einzelnen  Fraßobjekte 
sind  die  Raupen  gezwungen,  von  Pflanze  zu  Pflanze  zu  wandern.  Die 
Wanderung    geschieht    meist    des    Nachts    oberirdisch,    bei    Tage    wühlen    sie 


V 


Abb.  601.    Raupenfraß   der   Kiefernsaateule 
(Agro/is   vesligialis  Rott. )    an   Nadeln   und 
Rinde    zweijähriger    Kiefern.     Nach    Eck- 
stein. 


778  II.  Spezieller  Teil. 

sich  unter  der  Bodenoberfläche  fort,  selten  über  i  cm  tief.  Bei  trübem,  be- 
decktem Himmel  zeigen  sie  sich  auch  bei  Tag  an  der  Oberfläche,  um  als- 
dann oberirdische  Pflanzenteile  abzubeißen  und  in  ihre  Gänge  zu  ziehen  und 
sie  dort  zu  verzehren.  Die  oberirdischen  Wanderungen  können  sich  mehrere 
Meter   weit    erstrecken,    unterirdisch   viel    weniger   weit    (kaum    1/3    Meter)  i). 

Die  Verpuppung  findet  Ende  Juni  bis  Juli  in  lockerem  Gespinst 
im  Boden,  nur  ausnahmsweise  in  büschelig  gewachsenen  Kiefernpflanzen 
statt.    Die  Puppenruhe  dauert  nvir  wenige  Monate. 

Forstliche  Bedeutung.  Die  forstliche  Bedeutung  kann  in  manchen 
Gegenden  (Sandböden!),  namentlich  im  Norden  und  Nordosten  Deutschlands 
(Brandenburg,  Pommern,  Dünengegenden  der  Küste  und  Inseln,  Schlesien) 
recht  erheblich  werden.  Der  Schaden  bezieht  sich  in  der  Hauptsache  auf 
Kiefernkulturen,  die  vollständig  vernichtet  werden  können.  Selbst  ver- 
hältnismäßig wenige  Raupen  können  schon  einen  empfindlichen  Ausfall  ver- 
ursachen. Nach  den  Mitteilungen  von  Kujawas  wurden  in  einer  Kiefern- 
kultur 250/0  der  einjährigen  Pflanzen  getötet,  obgleich  ungefähr  nur  eine 
Raupe  auf  26  Pflanzen  kam,  d.  h.  505  Raupen  auf  i  ha-),  und  obgleich  fort- 
während viele  Raupen  durch  Aufsuchen  vertilgt  wurden.  Nach  Eckstein 
(T.  198)  wird  in  der  Regel  die  Mitte  der  Kultur  an  sonnigen,  freien  Lagen 
befallen,  nur  ausnahmsweise  auch  die  Ränder  der  Kulturen,  die  im  Schutze 
höherer  Schonungen  oder  Starkhölzer  stehen. 

In  der  Literatur  finden  sich  eine  Reihe  größerer  Schäden  an  Kiefernsaaten 
angegeben,  zum  erstenmal  von  Ratzeburg  (1847  und  1853)  aus  den  Liegnitzer 
Stadtforsten  in  Schlesien  (1846)  und  in  Tauer  bei  Frankfurt  a.  d.  Oder  (1853). 
Später  (1871)  wird  ein  größerer  Fraß  wieder  in  Schlesien  (Polnisch-Wartenberg) 
und  in  der  Neumark  (Crossen)  gemeldet.  1873  schildert  von  Kujawa  einen 
weiteren  Fraß  in  Hoyerswerda  bei  Liegnitz  (Schlesien).  Weitere  Fraßberichte 
liegen  (nach  Eckstein,  1896)  vor  aus  Pütt  in  Pommern,  Buchlowitz  in  Mähren 
(1879),  Tauer,  Waice  Obornik  und  Zirke,  alle  in  Posen  (1895)  3).  In  Waice  wurden 
ca.  15  ha  Kiefernkulturen  vernichtet,  in  Tauer  (1895)  kamen  die  Nachbesserungen 
auf  25   ha   fast   einer   Neukultur   gleich. 

Übrigens  ist  die  Kiefernsaateule  nicht  nur  in  Kiefernsaaten  schädlich 
aufgetreten,  sondern  sie  hat  in  einem  Revier  in  Mähren  auch  die  Sämlinge 
von  Lärchen  erheblich  geschädigt  (Anonymus  1879)  und  ist  auch  an 
Fichte  (in  Schweden)  und  auch  an  Laubholz  beobachtet  worden,  was 
bei  der  Polyphagie  der  Raupe  nicht  verwunderlich  erscheint. 

Vorbeugung  und  Bekämpfung.  Als  Vorbeugungs mittel  wird  von 
verschiedenen  Autoren  in  erster  Linie  gründlichste  Bodenbearbeitung 
in  der  Richtung  einer  völligen  Beseitigung  der  lebenden  Bodendecke  emp- 
fohlen —  in  der  Annahme,  daß  die  Weibchen  ihre  Eier  nur  an  bewachsenem 
Boden  ablegen.  Nach  Eckstein  (1896)  dürfte  aber  diese  Anschauung  nicht 
durchgehendst  berechtigt  sein.  Ferner  hat  die  Erfahrung  gezeigt,  daß  der 
Schaden  gerade  da  gering  war,  wo  der  Boden  einen  reichlichen  Überzug 
von  Heidelbeerkraut  und  Gras  hatte.  Fand  man  doch  z.  B.  in  Pütt  auf 
kahlen  Kulturstellen  bis  zu  6  Raupen  an  einer  Kiefer,  wo  hingegen  auf  be- 
narbten   I  Raupe   die    Regel    bildete,    da   eben   hier   die    Raupen   auch   noch 


*)  Nach  Eckstein  (T.  199)  finden  unterirdische  Wanderungen  überhaupt 
nicht  statt. 

" )   Diese  Zahl  erscheint  wohl  sehr  nieder  gegriffen. 

2)  Auffallend  in  all  den  Berichten  ist  der  häufige  Hinweis,  daß  hauptsächlich 
Kulturen  auf  Brandflächen  befallen  werden. 


II.  Unterordnung:   ■Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  779 

anderes  Futter  hatten.  Zur  Pflanzung  sind  vorteilhaft  2  —  3jährige  Kie- 
fern zu  verwenden.  Die  H  e  r  b  s  t  p  f  1  anzung  ist  vorzuziehen,  da  frisch- 
gepflanztes  Material  mit  Vorliebe  angenommen  wird  und  dann  sicher  zu- 
grunde geht.  Ballenpflanzungen  würden  der  Biologie  der  Raupe 
zweifellos  wenig  entsprechen,  eignen  sich  jedoch  nicht  gut  für  die  von  der 
Saateule  bevorzugten  Sandböden.  Vielleicht  ließen  sich  durch  Bestreuung 
des  Saatkampes  mit  Ätz  kalk  während  der  Zeit  der  Eiablage  (s.  im 
II.  Band  bei  Maikäfer  S.  87)  oder  mit  Naphthalin  die  Weibchen  von  der 
Eiablage  abhalten. 

Die  Erkennung  des  Befalls  bietet  keine  großen  Schwierigkeiten.  Das 
\"orhandensein  von  Raupen  bemerkt  man  an  der  Verfärbung  des  Grases  so- 
wie an  einzelnen  oberflächlich  abgefressenen,  umgefallenen  Pflanzen.  Auch 
die  zuweilen  bemerkbaren  Gänge  verraten  den  Feind.  Bei  trockenem  Wetter 
erkennt  man  den  Sitz  der  Raupen  daran,  „daß  an  dieser  Stelle  die  Erde  in 
der  Größe  einer  halben  W^alnuß  erhöht  und  gesprungen  ist."  Früh  morgens 
oder  bei  trübem  Wetter  auch  den  ganzen  Tag  über  kann  man  vereinzelte 
Raupen  auch  oberirdisch  finden.  Ebenso  kann  man  bei  Nacht  die  Raupen 
mit  Hilfe  einer  Blendlaterne  feststellen. 

Die  Bekämpfung  kann  auf  verschiedene  Weise  vorgenommen  werden: 

Die  Falter  können  durch  Köderfang  in  großer  Zahl  vernichtet  werden. 
Man  verwendet  hierzu  flache  Gefäße  von  möglichst  großem  Durchmesser, 
die  man  mit  verdünnter  Melasse  und  Bierhefe  (5 — 10  cm  hoch),  der  etwas 
Natriumarsenit  zugefügt  ist,  füllt.  Durch  Fanglampen,  die  bei  diesen  auf- 
gestellt werden,  kann  die  Wirkung  erhöht  werden. 

Das  Vernichten  der  Raupen  kann  geschehen: 

1.  Durch  Raupengräben.  Diese  werden  ebenso  angelegt  wie  Rüssel- 
käfergräben (s.  Band  II),  nur  genügt  es  nicht,  daß  die  Kulturen  mit  einem 
solchen  Graben  umgeben  werden,  vielmehr  muß  die  zu  schützende  Fläche 
von  mehreren  Gräben  rechtwinkelig  durchschnitten  werden,  damit  nicht  nur 
die  ab-  und  zuwandernden  Raupen,  sondern  auch  die  auf  der  Kultur  sich 
bewegenden  Raupen  gefangen  werden.  In  Waice  wurden  in  27  Tagen  auf 
0.5  ha  in  den  Gräben  annähernd  25000  Raupen  erbeutet  (Eckstein,   1896). 

2.  Durch  Sammeln.  Man  faßt  mit  der  Hand  bei  jeder  Pflanze  in  die 
Erde,  wo  man  mit  dem  Zeigefinger  in  etwa  2 — 3  cm  Tiefe  die  Raupe  fühlt, 
und  wirft  dann  diese  heraus.  Die  damit  herausgeworfene  Erde  wird  wieder 
an  die  Pflanze  gegeben.  Eine  Frau  mit  3  Kindern  konnte  nach  von 
Kujawa  in  einem  Tag  ungefähr  i  ha  auf  diese  Weise  absuchen.  Den  Er- 
folg des  Sammeins  zeigt  folgendes  Beispiel,  das  Eckstein  (T.  199)  an- 
führt: 1903  sammelten  20  Personen  vom  25. — 30.  Mai  auf  7,5  ha  10800  Rau- 
pen, 1904  ebenda  auf  8,5  ha  nur  noch  3200  Raupen  und  1905  war  der  Fraß 
beendet  1).  Ein  Aufsuchen  und  Absammeln  der  Raupen  in  der  Nacht  mit 
einer  Blendlaterne  sollte  versucht  werden. 

3.  Durch  Vergiften.  Als  ein  Mittel,  das  bei  anderen  Erdraupen  gute 
l'',rtolgc  gezeitigt  hat,  kann  empfohlen  werden  Ausstreuen  von  Giftköder  auf 
den  Saatkämpen  2). 


1)  Ob  dieser  Rückgang  lediglich  durch  Absammeln  bedingt  war?  Möglicher- 
weise handelte  es  sich  auch  um  einen  durch  die  Krisis  veranlaßten  natürlichen 
Rückgang. 

2)  Man  verwendet  hierzu  gewöhnlich  vergiftete  Kleie.  Zur  Befeuchtung  von 
50  kg  Kleie  genügen  etwa  4  1  Wasser,   dem  vorher  0,5  kg  Zucker  oder  Melasse  zugesetzt 


780 


II.  Spezieller  Teil. 


Auch  durch  Bestäuben  der  Pflanzen  mit  Arsenstaub  oder  Bespritzen  mit 
x\rsenbrühen  können  wohl  Erfolge  erzielt  werden. 

Als  Parasiten  sind  einige  Ichneumoniden  und  Tachinen  aus  den 
Raupen  gezogen  worden,  über  deren  wirtschaftliche  Bedeutung  wir  aber  noch 
wenig  wissen.  Eine  größere  Bedeutung  scheint  vor  allem  der  Tachine  Gonia 
ornata  Mg.  zuzukommen.  Nach  Baer  (Z.  f.  ang.  Entom.  VII.  S.  363)  wird 
sie  in  sandigen  Gegenden  des  Tieflands  oft  geradezu  in  Massen  angetroffen. 
Bezüglich  der  übrigen  Feinde  und  Krankheiten  der  Raupen  verweise  ich  auf 
die  folgende  Eule,  Agrotis  segetum. 

Agrotis  (Euxoa)  segetum  Schiff. 

(Taf.  X,   Fig  7.1 
Wintersaateule. 
Ratzeburg:   Noctua  segetum    Schiff.    —   Altum:    Ägrolis   segetum   W.  V.    —   Nitsche: 
Noctua   (Agrotis)  segetum    Schiff,    {clavis   Rott.,    segeiis    F.).    —    Nüßlin-Rhumbler: 
Agrotis   segetum    Schiff.    —    Wolff-Krauße:   Euxoa   segetum    Schiff. 
Die  der  vorigen  Art  nahestehende  Eule  gehört  zu  den  schlimmsten  land- 
wirtschaftlichen Großschädlingen,  vor  allem  der   Feldfrüchte.    Ihre  Biologie 


m 


■f^r  ' 


Abb.  602.    Agrotis   segetum    Schiff.     A    Ei    (a    flache    Form   im    Durchschnitt,    b    ge- 
wöhnliche  Form).    B  junge  Raupe  unmittelbar  nach  dem  Auskriechen,   C   Zeichnung 
der  ersten   Segmente  einer   17  Tage  alten  Raupe.    Nach   Herold. 

ist  daher  weit  eingehender  studiert  als  die  der  vestigialis,  trotzdem  harren 
auch  hier  noch  manche  wichtige   Fragen  der  Klarstellung. 

Forstlich  hat  sie  eine  weit  geringere  Bedeutung  als  landwirtschaftlich; 
sie  ist  in  dieser  Beziehung  kaum  der  vestigialis  gleichzustellen,  wenn  auch 
vereinzelt  schon  größere  Kulturschäden  durch  segetum  angerichtet  wurden. 

Falter:  Kopf  und  Brust  lang  gelbgrau  behaart,  letztere  mit  zwei  dunklen, 
geschwungenen   Querstreifen  auf   dem   Halskragen.    Vorderflügel   gelbbraun,   dunkel- 

vvorden  war.  Die  Masse  wird  mit  0,5  kg  Schweinfurter  Grün  (Uraniagrün  od.  dergl.) 
mittels  Hölzern  gut  durchgearbeitet.  Der  Köder  soll  in  kleinen  Brocken  vor  Sonnen- 
untergang ausgestreut  werden;  er  wirkt  nur  so  lange  anlockend  als  er  feucht  ist.  Die 
angegebene  Menge  genügt  etwa  für  i  Hektar.  Auch  Ferrit  (Chem.  Fabrik 
Schleich,  Berlin)  dürfte  gute  Erfolge  geben,  ebenso  nach  Malenotti  (münd- 
liche Mitteilung),  sein  gegen  die  Maulwurfsgrille  empfohlener  Zinkphosphid- 
Köder  (A.  f.  Schädlk.  VI,  1930,  S.  20). 


II.  Unterordnung:  ]\Iacrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  781 

braun  gesprenkelt,  bei  stärker  werdender  Sprenkelung  gleichmäßig  braungrau  ge- 
färbt. Wenn  Zeichnung  noch  erkennbar,  die  drei  Makeln  braun,  scharf  umrandet, 
der  Saum  dunkler  mit  noch  dunkleren  Mondflecken  in  der  Saumlinie.  Hinterflügel 
milchweiß,  deren  Adern  und  Rand  gelbbraun  bestäubt,  Fransen  weiß,  cf  mit  mäßig 
lang  doppelt  gekämmten  Fühlern,  deren  Kammzähne  im  Enddrittel  verschwinden. 
Spannweite  35 — 40  mm. 

Ei:  Die  Größe  beträgt  0,5  mm.  Frisch  abgelegte  Eier  sind  rein  weiß  und 
zeigen  von  dem  buckelartig  vorgewölbten  iNIikropylenfelde  zur  Anheftungsbasis  her- 
ablaufende, durch  Querfurchen  in  einzelne  warzenartig  erhabene  Kettenglieder  auf- 
gelöste Rippen.  Nach  einigen  Tagen  färbt  sich  das  Ei  durch  den  sich  entwickelnden 
Embryo  zuerst  gelb,  dann  bräunlich,  bis  es  kurz  vor  dem  Ausschlüpfen  ein  pech- 
braunes bis  schwärzliches  Aussehen  erhält,  das  nur  durch  einzelne  hellere  Stellen 
des  Räupchens  und  wohl  auch  Überreste  des  Dotters  etwas  gefleckt  erscheint.  Die 
Form  kann  etwas  variieren,  wie  Abb.  602  zeigt;  vorherrschend  ist  die  mehr  zu- 
gespitzte  Form  (Herold). 

Raupe:  Je  nach  dem  Alter  in  Färbung,  Beborstung  usw.  stark  wechselnd. 
Eiraupe  blaßgrau  mit  leicht  violettem  Schimmer.  Nackenschild  relativ  groß,  scharf 
umgrenzt,  pechbraun;  Kopf  schwarz.  Borsten  hohl,  zu  einer  rundlichen  Blase  an  der 
Spitze  erweitert  (Toxophore).  Die  ersten  beiden  Bauchfußpaare  fehlen  (Abb.  602  B). 
Nach  der  ersten  Häutung  (10. — 12.  Tag):  Färbung  grünlich  grau,  Kopf  pechbraun, 
Nackenschild  stark  verkleinert,  braun,  2.  Bauchfußpaar  entwickelt  (wenn  auch  noch 
kürzer).  Die  bläschenförmige  Erweiterung  an  der  Spitze  der  Borsten  zu  einer 
keulenförmigen  Anschwellung  reduziert.  Nach  der  2.  Häutung  (am  17.  Tage)  Fär- 
bung schmutzig  gelb,  deutliche  schmutzig  gelbe  Mittellinie  und  2  wellenförmige 
Seitenlinien,  dazwischen  dunkelbraune  Grenzlinie  (Abb.  602  C).  Die  sonstigen  dunk- 
leren Zeichnungen  sind  gelbbraun,  Kopf  glänzend  schwarz;  Nackenschild  braun. — 
Nach  30  Tagen  (Dreihäuter?)  sind  alle  Bauchfußpaare  ausgebildet  und  die  hohlen, 
keulenförmigen  Borsten  durch  normale  Borsten  ersetzt.  Nach  45  Tagen  (Vier- 
häuter?)  ist  die  Färbung  dunkel  graugrün.  Nackenschild  nur  bei  genauem  Hinsehen 
als  wenig  dunkler  und  stärker  glänzend  erkennbar.  Nach  A 1 1  u  m  unterscheidet  sich 
die  segelum-Kau-pe  von  der  vestigialis-'R.a.u\yQ,  dadurch,  daß  die  beiden  chitinisierten 
Kopfhälften  zusammenstoßen,  so  daß  Kopfschild  und  Scheiteldreieck  einander  nicht 
berühren. 

Puppe:  Der  vorigen  Art  sehr  ähnlich,  aber  mit  wesentlich  längerer  Doppel- 
spitze am  Afterende. 

Die  geographische  Verbreitung  ist  ungemein  weit  und  erstreckt  sich 
zwischen  dem  40.  ^  und  64.  0  nördlicher  Breite  über  Europa,  Asien  und  Nordamerika. 
Außerdem  kommt  die  Eule  auch  in  Ceylon  und  Südafrika  vor. 

Bionomie.    Als  Bioformel  gibt  Rhumbler  an: 

—  6  p,  4 
5  +  5p  6a 

Dieselbe  ist  jedoch  nicht  allgemein  gültig,  da  die  Entwicklungszeiten  je  nach 
Klima  usw.  recht  verschieden  sein  können  und  auch  doppelte  Generation 
vorkommt. 

Bei  einjähriger  Generation  fällt  nach  übereinstimmenden  Angaben  in  der 
forstlichen  Literatur  der  Falterflug  in  die  Monate  Mai  und  Juni.  Herold 
(191 9)  dagegen,  dem  wir  eingehende  Untersuchungen  über  die  Biologie  der 
Wintersaateule  verdanken,  gibt  (in  Übereinstimmung  mit  vielen  landwirt- 
schaftlichen Autoren)  an,  daß  die  Flugzeit  sich  über  den  ganzen  Sommer 
erstreckt.  Er  konnte  ferner  bei  Bromberg  (Posen)  fast  zu  jeder  Jahreszeit 
mehrere  Stadien  nebeneinander  feststellen;  so  hatte  er  z.  B.  im  Oktober  zeit- 
weise das  Eistadium  neben  dem  ersten  Larvenstadium,  ferner  ältere  Larven 
verschiedener  Größe,   Puppen  und  Imagines  gefunden. 


782  n.  Spezieller  Teil. 

Es  ließen  sich  in  jenem  Beobachtungsgebiet  im  Jahre  191 7  drei  Havipt- 
zeiten  der  Eiablage  feststellen:  die  i.  im  Mai,  die  2.  im  und  um  den  Juli 
und  die  3.  im  September  bis  Oktober.  Darnach  wird  also  die  Überwinterung 
sowohl  im  Eistadium  als  auch  im  jungen  oder  altern  Larvenstadium  sowie 
als  Puppe  stattfinden  können.  Findet  die  Verpuppung  noch  im  Jahr  der 
Eiablage  statt,  so  ergibt  sich  eine  doppelte  Generation. 

Die  Eier  werden  einzeln  abgelegt  und  zwar  wohl  meist  an  Pflanzen,  an 
niederliegende  Blätter  und  Stengel  der  verschiedenen  krautartigen  Gewächse 
oder  an  Pflanzenabfälle,  schlecht  untergepflügte  Gründüngung  usw.  Ob  die 
Eiablage  auch  einfach  im  Boden  erfolgt,  wie  manche  Autoren  angeben, 
möchte  Herold  bestreiten,  schon  aus  dem  Grunde,  weil  den  Eiern  ein  stark 
klebender  Kitt  mitgegeben  wird  (was  sonst  nur  bei  Eiablagen  an  Pflanzen- 
teilen etc.  der  Fall  ist).  Die  Zahl  der  Eier  ist  sehr  groß  und  kann  bis 
1600  betragen   (Herold). 

Die  Eiräupchen  haben  eine  Länge  von  1,4 — 1.5  mm.  Da  ihnen  die 
ersten  Bauchfußpaare  noch  fehlen,  kriechen  sie  nach  Art  der  Spanner  umher. 
Ihre  Bewegungen  sind  sehr  lebhaft,  während  der  Wanderungen  wird  Kopf 
und  Vorderkörper  fortgesetzt  suchend  nach  rechts  und  links  bewegt,  bis  sie 
zusagende  Nahrung  gefunden  haben. 

Nach  I  Monat  —  die  Raupen  sind  jetzt  10—12  mm  lang  ~  sind  auch 
die  ersten  Bauchfußpaare  ausgebildet;  damit  verschwindet  auch  der  spanner- 
artige Gang.  Es  verändern  sich  in  den  ersten  4  Wochen  auch  die  Färbung 
und  vor  allem  auch  die  Beborstung  sehr  wesentlich.  Die  mit  kugelartigen 
Anschwellungen  versehenen  Toxophoren  des  Eiräupchens  werden  nach  einem 
Übergang  über  keulenförmige  Borsten  (2.  Stadium)  nach  30—45  Tagen  durch 
normale  Borsten  ersetzt. 

Mit  der  vollkommenen  Ausbildung  der  Bauchfußpaare  und  der  end- 
gültigen Beborstung  ist  auch  eine  einschneidende  Änderung  der  Lebensweise 
verbunden:  Während  die  jugendlichen  Raupen  ausgesprochen  positiv  photo- 
taktisch sind  und  nur  von  oberirdischen  Pflanzenteilen  leben,  verlegen  sie 
nach  jener  morphologischen  Umgestaltung  den  Schauplatz  ihrer  Tätigkeit 
in  den  Erdboden.  Herold  stellt  daher  die  ersten  Lebensabschnitte  der 
Raupe  als  „Jugendstadien"  den  späteren,  die  mit  der  Übersiedelung  in  den 
Erdboden  beginnen,  entgegen. 

Auch  die  Fraßart  bzw.  das  Fraßbild  ändert  sich  mit  dem  Heran- 
wachsen der  Raupe:  Das  Eiräupchen  frißt  nur  kleine  Löcher  in  die  Ober- 
wie  Unterseite  des  Blattes,  die  stets  nur  bis  zur  jenseitigen  Blattepidermis 
gehen;  nach  der  i.  Häutung  (10—12  Tage)  frißt  die  Raupe  schon  Löcher 
durch  das  ganze  Blatt  (die  Blätter  sehen  wie  von  feinem  Schrot  durch- 
schossen aus)  und  in  späteren  Stadien  werden  die  Blätter  vom  Rand  her 
befressen.  , 

Mit  dem  Verschwinden  der  Spannereigenschaft  und  dem  Beginn  des 
Wühlens  in  der  Erde  verkehrt  sich  die  positive  Phototaxis  in  ihr  Gegenteil, 
indem  die  Raupe  jetzt  das  Licht  meidet,  doch  kommen  sie  auch  jetzt,  be- 
sonders an  trüben  Tagen,  noch  häufig  an  die  Oberfläche  zum  Fraß  an  ober- 
irdischen Pflanzenteilen.  Dieser  findet  im  allgemeinen  außerhalb  der  Erde 
statt,  doch  werden  zuweilen  die  Pflanzen,  besonders  ganz  kleine,  in  die  Erde 
hineingezogen. 

Die  Tiefe,  in  der  sich  die  Raupen  tagsüber  im  Erdboden  aufhalten,  be- 
trägt während  der   Fraßperiode  2—3  cm.    Nur  ganz  ausnahmsweise  fand  sie 


II.  Unterordnung:  Macrolepicloptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen).  783 

Herold  (1920)  in  größeren  Tiefen  bis  zu  15  cm;  andererseits  aber  auch 
in  nur  i  cm,  sie  lagen  hier  unmittelbar  unter  der  verkrusteten  Oberfläche, 
die  von  zahlreichen  runden  Löchern  durchbohrt  war,  durch  die  die  Tiere 
abends  oder  an  trüben  Tagen  ihre  Schlupfwinkel  verließen.  Zur  Über- 
winterung gehen  die  Raupen  in  eine  Tiefe  von  10 — 15  cm,  wo  sie  in  einer 
glatten,  etwa  2  cm  im  Durchmesser  aufweisenden  Höhle  zusammengerollt 
liegen.  Sie  erwachen  im  nächsten  Frühjahr  zu  neuem  Leben,  wenn  die 
Bodentemperatur  auf   15 — 19°  C  ansteigt  (Rossikow). 

Die  Anschauung,  daß  die  Raupe  nur  in  leichten,  lockeren  Böden  vor- 
kommt und  schwere  Boden  meidet,  ist  nach  Herold  (1920)  nicht  durchaus 
richtig;  er  stellte  vielmehr  fest,  daß  auch  schwere,  feste  Böden  kein  Hinder- 
nis für  die  sehr  muskulöse  Raupe  darstellen.  Auch  Kleine  (1920)  ist  zu  der 
Überzeugung  gekommen,  daß  kaum  ein  Unterschied  bezüglich  des  Befalles 
von  leichten  und  schweren  Böden  existiert.  Dagegen  scheint  reicher  Humus- 
gehalt verbunden  mit  starkem  Kalkgchalt  der  sei^e/u/// -Raupe  besonders 
günstige  Bedingungen  zu  bieten. 

Bei  Nahrungsmangel  unternehmen  die  Raupen  größere  Wanderungen 
(bis  zu  mehreren  100  m),  die  aber  ausschließlich  auf  dem  Erdboden  statt- 
finden. Eine  Fortbewegung  in  der  Erde  erfolgt  wohl  stets  nur  auf  geringe 
Strecken  und  dann  nur  ein  bis  wenige  Zentimeter  tief  unter  der  Oberfläche, 
so  daß  häufig  die  Erdkruste  über  ihnen  durchbrochen  ist. 

Aetiologisch  spielen  bei  Gradationen  zweifellos  die  Witterungs- 
verhältnisse  eine  ausschlaggebende  Rolle.  Müller  und  Molz  (1919) 
konnten  feststellen,  daß  trockene  Witterung,  vor  allem  in  den 
Monaten  Mai  und  Juni  die  Entwicklung  sehr  begünstigt,  während  Nässe 
den  Raupen  sehr  schädlich  ist.  Auch  Zimmermann  (1918a)  und  Kleine 
(1920)  sind  durch  ausgedehnte  Vergleiche  von  Eulengradation  und  Tem- 
peratur zu  dem  gleichen  Ergebnis  gekommen;  außerdem  legt  Kleine  aber 
auch  dem  Winter  eine  große  Bedeutung  bei,  insofern  als  nach  seinen 
Erfahrungen  in  kalten  Wintern  die  Raupen  viel  besser  überwintern  als  in 
warmen,  in  denen  sie  massenweise  zugrunde  gehend).  „Beim  Ausbleiben 
größerer  Kälte  bleiben  die  Tiere  in  den  oberen  Bodenschichten.  Tritt  nun 
oft  Wechsel  von  Frost  und  Tauwetter  ein,  verbunden  mit  Niederschlägen,  so 
ist  denselben  der  Zutritt  zum  Boden  leicht.  Liegt  gar  noch  zu  Zeiten  Schnee, 
wenn  auch  nur  in  dünnen  Lagen,  so  wird  die  Temperatur  sich  wenig  um  den 
Gefrierpunkt  bewegen.  Das  sind  aber  gerade  die  Temperaturen,  bei  denen 
sich  die  pathogenen  Pilze  entwickeln." 

Forstliche  Bedeutung.  Bekannt  als  Forstschädling  wurde  die  Raupe 
durch  Ratzeburg  (W.  I.  245  und  246),  welcher  einen  bei  Liegnitz  1864 
aufgetretenen  Fraß  erwähnt,  der  die  Fichten-  und  Lärchen-  Saatkämpe 
fast  vernichtete.  Die  Raupe  biß  hierbei  die  Keimlinge  i  cm  unter  den  Coty- 
ledonen  ab  und  entrindete  die  einjährigen  Pflanzen  an  den  Wurzelknoten. 
1880  fraß  sie  nach  Altum  (1881)  in  der  preußischen  Oberförsterei  Abts- 
hagen (Stralsund)  auf  neu  angelegten  Kämpen  an  Buchen,  Fichten  und 
einjährig  verschulten  Kiefern.  Bei  den  Buchen  trat  der  Schaden 
bereits  im  Juli,  bei  den  Nadelhölzern  erst  später  ein. 

Auch    in    Weidenhegern    scheint    die    Wintersaateule    schädlich   auf- 


1)   Für  Porosagrolis  orthogonia  Morr.,  eine  amerikanische  Erdraupe,  hat  Cook 
eine  ausgesprochene  Klimaabhängigkeit   des   Massenwechsels  nachgewiesen. 


784  II.  Spezieller  Teil. 

getreten  zu  sein,  wenigstens  kann  der  von  Altum  (1875)  berichtete  Fall 
eines  Fraßes  von  Ackereulen  an  Caspischen  Weiden  wohl  in  erster  Linie  auf 
A.  segetum  bezogen  werden.  Eine  weitere  Beobachtung  über  Weidenzer- 
störungen teilt  Altum  (1882b)  aus  Böhmen  mit,  wo  1882  im  Frühjahre  bis 
zum  Juni  in  Malowitz  bei  Mies  die  Neukulturen  der  Weiden  so  arg  von  einer 
Ackereulenraupe  angegangen  waren,  daß  fast  i  ha  neu  angelegt  werden 
mußte  und  auch  viele  Nachbesserungen  notwendig  wurden.  Die  Triebe 
wurden  meist  oberirdisch,  nur  bei  Nahrungsmangel  bis  1,5  cm  unter  der 
Erde  abgenagt.  Sogar  die  verholzenden  Triebe  und  die  Augen  wurden  mit- 
unter angegangen. 

Tierische  Feinde.  Herold  (1923)  führt  als  Parasiten  15  Schlupf- 
wespen (8  Ichneumoniden,  6  Braconiden  und  i  Chalcidide),  6  Tachiniden, 
2  Bombyliden  und  i  Museide  an.  Unter  den  Schlupfwespen  scheinen 
einige  Amdlyleles- Arten  eine  bedeutende  Rolle  zu  spielen,  wie  Amblyteles 
vadatorius  Wesm.,  der  sich  durch  eine  kurze  Entwicklungsdauer  (38 — 45 
Tage)  und  lange  Lebensdauer  der  Imago  (bis  85  Tage)  auszeichnet,  ferner 
AmblyielesfusclpennisWtsm.Vindmelanocasfafiezis'L.,  die  Fahringer  (1922) 
für  wertvoll  für  die  Bekämpfung  hält.  Unter  den  Braconiden  wurde  Micro- 
plitis  seuratiM.2iX'^.  in  Frankreich  als  häufiger  5e^e/«;;z-Parasit  gezogen;  der 
größte  Teil  der  Raupen  waren  von  den  Larven  dieser  .Micropliüs  befallen, 
40 — 50  Stück  in  I  Raupe.  Auch  Apanteles  glomeratus  L.  beteiligt  sich  oft  in 
ausgiebiger  Weise  an  der  Vernichtung  der  Erdraupen.  Als  Eiparasit 
wurde  in  Rußland  (von  Pospielow)  Oophthora  (Pentharthroii')  semblidis 
Aur.  (Chalcid.),  dessen  Gesamtentwicklung  nur  11  Tage  dauert,  sehr  häufig 
gezogen. 

Tachinen  scheinen  in  Deutschland  bisher  noch  nicht  aus  segetiim- 
Larven  gezogen  zu  sein;  dagegen  nennt  Pospielow  aus  Rußland  4  Arten. 
Unter  ihnen  dürfte  wohl  die  sehr  polyphage  Gonia  capitata  Deg.,  die  ihre 
Eier  an  den  Futterpflanzen  der  W^irte  ablegt,  die  wichtigste  sein.  In  ihrer 
Bedeutung  kommt  ihr  vielleicht  nahe  Peletieria  nigrlconiis  Meig.,  die  ihre 
Eier  in  ungewöhnlich  großer  Zahl  in  der  Nähe  der  Wirte  absetzt.  Unter  den 
Bombyliden  sind  nach  Baer  (1920)  wohl  nur  A)ithrax  hotte ntottus  L.  und 
paniscus  Rossi  echte  Parasiten,  während  A.  morio  L.  als  Hyperparasit  zu 
betrachten  ist.  Herold  hat  beim  Bromberger  Fraß  1917  weder  eine  Tachine 
noch  eine  Bombylide  feststellen  können,  dagegen  aber  die  Museide 
Muscina  stabidatis  Fall,  sehr  häufig  beobachtet,  und  zwar  als  echten  Para- 
siten. Doch  dürften  die  davon  befallenen  Raupen  wohl  schon  krank  gewesen 
sein,  da  stabulans  völlig  gesunde  Raupen  wohl  kaum  annimmt. 

Unter  Raubinsekten  sind  einige  Histeriden  hervorzuheben:  H ister 
jimetarius  Hrbst.  und  quadrimaadatus  L.  und  der  Carabicide  Broscus 
cephalotes  L.,  den  Müller  und  Molz  (i.  c.)  als  ,, ausgezeichneten  Erd- 
raupenvertilger"   rühmen. 

Von  den  Vögeln  sind  seit  langem  als  wichtige  .^^/ö/Zi-- Raupen- Ver- 
tilger die  Corviden  bekannt,  vor  allem  die  Saatkrähe,  sodann  Nebelkrähe, 
Elster,  Eichelhäher.  Ebenso  wichtig  sind  die  verschiedenen  Hühnervögel, 
wie  Rebhühner,  Fasane,  Puten,  Haus-  und  Perlhühner,  ferner  der  Star,  der 
in  großen  Flügen  in  die  Felder  fällt  und  große  Mengen  der  Raupen  ver- 
nichtet. Außerdem  werden  noch  als  Feinde  der  .^^röZ/j-- Raupen  genannt: 
Möve,  Kuckuck,  Wiedehopf,  Storch,  Bachstelze,  Sperling,  Grasmücke,  Bussard 
und   Steinkauz;  als    Feind   der   Imago,   der   Ziegenmelker    (Herold,    i.   c.). 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.     Familie  Noctuidae  (Eulen). 


785 


Auch  Säugetiere  sind  an  der  Raupenvernichtung  beteiligt,  wie  Maul- 
wurf, Igel,  Spitzmaus,  Fuchs,  Dachs  und  das  Schwein.  Dem  Falter  stellen 
Fledermäuse  nach. 

Krankheiten.  Noch  wichtiger  für  die  Beendigung  einer  Kalamität  als 
die  Parasiten  und  anderen  tierischen  Feinde  scheinen  nach  den  Beob- 
achtungen von  Herold  (1923)  Pilze  zu  sein,  vor  allem  Tarichiiun  mega- 
spermum  Cohn  (s.  Bd.  I.  S.  266 1).  Seit  der  Beschreibung  des  Pilzes  durch 
Cohn  (1870),  der  ihn  erstmalig  in  Schlesien  beobachtete,  ist  in  der  Literatur 
nur  wenig  über  seuchenartige  Erkrankungen  von  .^^/ö/Zj'- Raupen  berichtet. 
Erst  1923  hat  Herold  sich  wieder  eingehender  mit  dieser  Raupenkrankheit 
beschäftigt  und  eine  ausführliche  Beschreibung  über  den  Verlauf  gegeben, 
der  wir  hier  folgen. 

Die  Erkrankung  setzte  erst  Mitte  September  ein;  ob  eine  besondere 
Disposition  der  Raupe  für  eine  wirksame  Infektion  nötig  ist,  konnte  nicht 
festgestellt  werden.  Dagegen  scheinen  schwere  Böden,  vor  allem  solche  mit 
reichlichem  Humus-  und  Kalkgehalt  die  Verbreitung  der  Mykose  zu  fördern. 

Im  Endstadium  der  Krankheit  schrumpfen  die  Raupen  zu 
kohlschwarzen  Mumien  ein,  die  immer  zerbrechlicher  werden 
und  schließlich  schon  bei  leiser  Berührung  in  schwarzen 
Staub  zerbröckeln. 

Die  Entwicklung  zu  dieser  auffallenden  schwarzen  Mumie  geht  nach 
Herold  folgendermaßen  vor  sich : 

,,Im  I.  Stadium  der  Krankheit  sind  die  Raupen  zwar  schon  freßunlustig,  be- 
sitzen aber  ihre  natürliche  Körperfarbe,  die  Haut  ist  prall,  das  ganze  Tier  noch  leb- 
haft beweglich.  Einzig  die  leichte  Schwarzfleckigkeit,  die  ja,  wie  schon  Cohn  be- 
kannt, gelegentlich  auch  bei  nicht  tarichiumkranken  Agrolis-'Ra.n^&n  in  ganz  ge- 
ringem Umfange  festzustellen  ist,  weist  in  unserem  besonderen  Falle  auf  die  An- 
fangsstadien der  Tarichium-Seuche  hin. 

Das  II.  Stadium  zeigt  die  einsetzende  Allgemeinverfärbung  der  Haut  durch 
das    Auftreten    brauner    Töne    in    der    Hautfarbe    bei    gleichzeitiger    Zunahme    der 


Abb.  603.     Schwarzfleckige,    an    Tari- 

chium    erkrankte    Larve    von    Agrotis 

segetum    Schiff.    Nach    Herold. 


ab  cd 

Abb.  604.     Raupen    von    Agrotis    segetum 
Schiff,    a  gesund,  b  soeben  an  Tarlchium 
eingegangen,  c  und  d  eingetrocknete  Mu- 
mien.    Nach    Herold. 


1)  In  Nord-Rußland  wurde  noch  ein  anderer  Pilz  in  j^i^f'///;/'/- Raupen  festgestellt: 
Sorosporella  agrotidis  Sarokin,  der  aber  nur  sehr  mangelhaft  bekannt  ist. 

Escherich,  Forstinsekten,  Bd.  lU.  50 


786  II.  Spezieller  Teil. 

Flecken  an,  die  auch  z.  T.  nicht  mehr  scharf  abgegrenzt  sind,  sondern  braun  ver- 
schwimmende Konturen  haben.  Im  übrigen  machen  die  Tiere  noch  äußerlich  einen 
frischen   Eindruck. 

Im  III.  Stadium  nimmt  die  Verfärbung  der  Haut  stark  zu,  Hand  in  Hand  mit 
ihr  geht  ein  Faltig-  und  Schlaffwerden  der  Haut.  Die  Tiere  bewegen  sich  nur  noch 
langsam  und  schwerfällig  und  erwecken  jetzt  den  Eindruck  einer  schweren  All- 
gemeinerkrankung. 

Das  IV.  Stadium  führt  zum  Tode  der  Raupe.  Die  Schwarzfärbung  breitet  sich 
über  mehrere  Körpersegmente  aus,  das  Tier  ist  nur  noch  schwach  beweglich,  die 
Haut  an  den  nicht  schwarz  gefärbten  Körperstellen  stark  gerunzelt.  Meist,  wenn 
auch  nicht  immer,  geht  die  Schwarzfärbung  der  Raupe,  wie  auch  Cohn  betont, 
vom  Kopfe  aus.  Sie  schreitet  aber  auch  von  der  Leibesmitte  aus  nach  beiden  Seiten 
fort.  Die  Raupe  ist  in  diesem  Zustande  oft  stark  zusammengeschrumpft  und  ver- 
kürzt. Erst  beim  völligen  Schwarzwerden  unmittelbar  nach  dem  Tode  wird  die  Haut 
erneut  geglättet  und  gestrafft,  das  ganze  Tier  bis  auf  seine  normale  Länge,  ge- 
legentlich darüber  hinaus,  gestreckt.  Es  scheint  das  durch  die  bei  der  Zersetzung  des 
Fettkörpers  freiwerdenden  Gase  bewirkt  zu  werden.  Jedenfalls  sieht  die  Raupe 
kurz  nach  dem  Tode  wie  aufgeblasen  aus  und  das  die  Haut  durchdringende  Öl  ver- 
leiht dem  Tiere,  besonders  an  den  Stellen,  die  eine  stärkere  Chitinbedeckung  auf- 
weisen, wie  Cohn  treffend  vergleicht,  den  tief  schwarzen  Glanz  polierten  Ebenholzes. 
Unter  Abgabe  des  Öls,  das  bei  der  fortschreitenden  Zersetzung  frei  wird,  trocknen 
die  Raupenleichen  dann  in  wenigen  Tagen  zu  einer  Art  Mumie  ein.  Hierbei  werden 
sie,  wie  oben  bemerkt,  immer  zerbrechlicher,  bis  sie  schließlich  schon  bei  leiser  Be- 
rührung in  schwarzen   Staub   zerbröckeln." 

Die  Infektion  der  Raupe  mit  dem  Pilz  scheint  in  erster  Linie  durch  die 
Beine,  Bauchfüße  und  Mundwerkzeuge  zu  erfolgen,  da  an  diesen  Körper- 
teilen gewöhnlich  die  Schwarzfleckigkeit  zuerst  auftritt.  Wie  verheerend 
die  Seuche  unter  den  Raupenmassen  wirken  kann,  zeigt  ein  Sammelbefund 
Herolds  von  anfangs  Oktober,  wonach  unter  ca.  600  Raupen  nur  21  lebend 
und  „anscheinend"  gesund  waren,  während  alle  übrigen  entweder  die  ver- 
schiedenen Krankheitsstadien  aufwiesen  oder  eben  gestorben  oder  bereits 
mumifiziert  waren.  Die  Beendigung  der  großen  Kalamität  auf  den  Feldern 
Posens  und  Westpreußens  im  Jahre  191 7  ist  zweifellos  zum  weitaus  größten 
Teil  auf  die  Tarichium-Seuche  zurückzuführen. 

Bekämpfung.  Es  sind  zwar  schon  eine  Reihe  von  Versuchen  die  Saat- 
eule biologisch  mit  Hilfe  von  Parasiten  zu  bekämpfen  gemacht 
(Pospielow)  oder  wenigstens  Anregungen  hierzu  gegeben  worden  (Fah- 
ringer,  1922),  doch  ist  bis  jetzt  in  dieser  Richtung  noch  kein  Erfolg 
erzielt  worden.  Die  Versuche  in  dieser  Richtung  (besonders  mit  Eiparasiten) 
sollten  aber  trotzdem  weitergeführt  werden.  Auch  Schweine-  und  Hühner- 
eintrieb werden  von  verschiedenen  Autoren  empfohlen,  doch  von  anderen 
als  wenig  erfolgreich  abgelehnt.  Ob  die  Tarichium-Seuche  sich  künstlich 
verbreiten  läßt,  ist  nach  den  Erfahrungen  mit  anderen  Mykosen  recht 
zweifelhaft. 

Im  übrigen  gilt  bezüglich  der  technischen  Bekämpfung  (Fanggräben, 
Vergiften  usw.)  das  oben  (S.  779)  für  Agr.  vestigialis  Rott.  Gesagte  auch 
für  segetmn. 

Agrotis  tritici  L. 

Getreideeule. 
Falter   (Abb.  605  A):   Kopf   und   Brust  lang  gelbbraun,   Hinterleib   kürzer  und 
etwas  heller  behaart.    Vorderflügel  graubräunlich,  etwas  dunkler  gewölkt,  am  Vorder- 
rande mit  hellen  Punkten,  mit  zwei  hellgrauen,  braungesäumten  Querlinien  und  einer 


II.  Unterordnung:  Macroiepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen) 


"87 


hellbraun  umschatteten,  aus  Pfeilflecken  bestehenden  Wellenlinie.  Ring-  und  Nieren- 
makel hellgrau,  braungesäumt.  Zwischen,  vor  und  hinter  denselben  bräunliche  bis 
schwarzbraune  Schattenbinden.  Unter  der  Ringmakel  die  dunklere,  schwarz  ge- 
ränderte Zapfenmakel.  Die  Färbung  ist  übrigens  sehr  veränderlich.  Hinterflügel 
weißlich,  Adern  und  Saum  braungrau  bestäubt,  Fransen  hell.  Fühler  des  o^  mit 
kurzen,  scharfen,  gewimperten  Zähnen.  Etwas  kleiner  als  die  anderen  Arten.  Spann- 
weite 30—34  mm. 

Raupe  ähnlich  der  vorigen.  Grau,  helle,  dunkel  eingefaßte  Rückenlinie,  ver- 
wischte dunkle  Seitenstreifen.  Nacken-  und  Afterschild  glänzend  schwarz  mit  je 
3  lichten  Längslinien.  Kopf  braun,  hinten  mit  dunklem  Fleck.  Ausgewachsen 
32  mm  lang. 

Die  Getreideeule  ist  forstlich,  soweit  uns  bekannt,  nur  in 
einem  einzigen  Falle  beachtenswert  geworden,  nämlich  in  der  Oberförsterei 
Hundeshagen  (Reg. -Bez.  Posen).  Hier  war  ihr  Fraß  Mitte  der  siebziger 
Jahre  sehr  bedeutend.  Eine  3  ha  große,  einjährige,  im  April  ausgeführte 
Kiefernpflanzung  war  bereits  im  Mai  so  geschädigt,  daß  sie  von  neuem  aus- 


A  B 

Abb.  605.    A   Agrotis  Iritici  L.,   B   Agrolis  corlicea   Hb. 

geführt  werden  mußte.  Aber  auch  die  neue  Kultur  wurde  bis  zum  Herbst 
wieder  fast  ganz  abgefressen,  ebenso  die  im  zweiten  und  dritten  Jahre  ge- 
machten Nachbesserungen.  Die  Art  \vurde  in  diesem  Falle  durch  Altum 
festgestellt  (1878).  Irgendwelche  Besonderheiten  gegenüber  dem  der  Kie- 
fernsaateule  bot  der  Fraß  nicht.  Die  Flugzeit  fiel  nach  Zwingerbeob- 
achtungen in  den  Juli,  Anfang  August,  also  etwas  zeitiger  als  die  der  Agr. 
vesiigialis  Rott.  An  Getreide,  Buchweizen,  Mais  und  an  Reben  ist  diese  Art 
schon  oft  sehr  schädlich  geworden. 


Die  übrigen  oben  noch  genannten  Agrofis-XrtGn  (e.xcla/nalio/iis  L. 
nigricans  L.  und  corticea  Hb.)  sind  noch  nicht  direkt  als  Forstschädlinge 
beobachtet  worden,  stimmen  jedoch  in  vielen  Punkten  mit  den  3  vorigen 
Arten  biologisch  überein,  so  daß  ihr  gelegentliches  Vorkommen  an  jungen 
Forstpflanzen  sehr  wahrscheinlich  ist.  Aus  diesem  Grunde  hat  sie  Ratze - 
bürg  in  seiner  Waldverderbnis  (II.  S.  403  und  404)  aufgenommen,  ebenso 
Nitsche,  der  sie  als  „verdächtig'"  bezeichnet.  Es  sei  hier  wenigstens 
eine  kurze  Charakteristik  der  3  Arten  gegeben. 

Agrotis  exclamationis  L.  (Braungraue  Graseule,  ,,Ausrufungs- 
zeichen"j.  Falter  (Taf.  X,  Fig.  8) :  Kopf  und  Brust  lang  gelbgrau  behaart,  Hals- 
kragen mit  tiefschwarzem,  in  der  IMitte  erweitertem  Bogen.  Vorderflügel  gleichmäßig 
gelbgrau,  rotgrau  oder  schwärzlich  grau,  meist  ohne  deutliche  Querstreifen,  nur  der 

50* 


788  II.  Spezieller  Teil. 

hintere  mitunter  gezähnt  angedeutet.  Die  drei  Makeln  schwarz  umzogen,  die  Nieren- 
makel mitunter  zum  Teil,  die  lange  Zapfenmakel  stets  ganz  schwarz  ausgefüllt, 
Hinterflügel  des  cf  milchweiß,  des  o  gelbbraun  bestäubt.  Fühler  des  cf  rnit  kurzen, 
scharfen,   bewimperten  Zähnen.    Spannweite  33 — 39  mm. 

Raupe:  Heller  oder  dunkler  braungrau  mit  bleicher  Rückenlinie,  zu  deren  Seiten 
je  zwei  schwarze  Punktwärzchen  auf  jedem  Ring  stehen  und  einem  breiten  Schatten- 
streifen an  den  Seiten.  Luftlöcher  schwarz.  Bauch  grau.  Kopf  braun  mit  schwarzem 
Stirndreieck.    4 — 5  cm. 

Puppe  rotbraun  mit   zweispitzigem   Kremaster. 

Flugzeit  Juni,  Juli.  Raupe  August  bis  Anfang  Mai,  Hauptfraßzeit  also  schon 
im   Herbst. 

Agrotis  nigricans  h.  {fumosa  Hbn.).  Falter:  Kopf  und  Brust  lang  rotbraun 
behaart.  Vorderflügel  tief  rotbraun  ins  Schwärzliche,  mit  schwarzem  Längsstrich  aus 
der  Wurzel;  Querstreifen  meist  undeutlich,  die  Wellenlinie,  wenn  deutlich,  aus  ein- 
zelnen hellgelben  Fleckchen  zusammengesetzt.  Die  Makeln  schwarz  umzogen,  die 
Nierenmakel  zum  Teil  hell  ausgefüllt.  Hinterflügel  gelbgrau,  auf  Adern  und  Saum 
dunkler.  Fühler  des  cj'  mit  kurzen,  scharfen,  gewimperten  Zähnen.  Spannweite 
35   mm. 

Raupe:  Glänzend  braun,  mit  schwarzen  Punkten,  einer  zackigen  helleren 
Seitenlinie  und  braungrauem  Kopf.  Länge  4  cm.  Lebt  bis  April,  Mai  an  niederen 
Pflanzen  und  verwandelt  sich  in  einem  Erdgehäuse  zu  einer  glänzend  braunen  Puppe. 

Agrotis  corticeaUhn.  Falter  (Abb.  605  B ) :  Kopf  und  Brust  lang  gelbgrau 
behaart,  weißlich  gemischt  mit  undeutlicher  dunkler  Querbinde  auf  dem  Halskragen. 
Vorderflügel  weißbräunlich  bis  erdgrau,  dunkler  gesprenkelt,  ohne  Querzeichnungen, 
Vorderrand  des  Flügels  bis  zu  den  Makeln  dunkler.  Letztere  schwarz  eingefaßt  und 
dunkel  ausgefüllt.  Hinterflügel  des  cf  trüb  bräunlichweiß,  am  Saume  dunkler,  das 
9  braungrau.  Fühler  des  cf  in  den  unteren  zwei  Dritteilen  kurz  doppelt  gekämmt. 
Spannweite   36 — 38   mm. 

Raupe:  Schmutzig  braungrau  mit  heller  Rückenlinie  und  schwarzen  Punkten, 
sowie  einem  schwarzgrauen  Schattenstreifen  an  den  Seiten.  Kopf  braun.  Lebt  bis 
Mai,  Juni  an  Löwenzahn,  Wolfsmilch  und  anderen  niederen  Pflanzen. 

Puppe   rotbraun. 

A.  corticaea  scheint  sehr  spät  zu  fliegen  und  als  ganz  kleine  Raupe  zu  über- 
wintern. 

Scopelosoma^)  satellitium  L. 

(Tal.X,  Fig.  12.) 

Diese  Eule  wurde  von  AI  tum  (1882  a)  (als  Noctiia  satelliüa  L.)  in  die 
Forstentomologie  eingeführt:  Die  dunkel  rötlichbraune  Raupe  trat  1882  im 
Revier  Bischofswalde  (Reg.-Bez.  Magdeburg)  als  Hauptzerstörer  in  des 
Buche naufschlages  auf;  auch  wurde  sie  sonst  des  öfteren  vereinzelt 
beim  Befressen  desselben  beobachtet. 

Falter:  Kopf  und  Brust  lang  rostbraun  behaart.  Vorderflügel  mit  gewelltem 
Saume,  rostbraun;  Querstreifen,  Wellenlinie  und  Saumlinie,  sowie  ein  halber  Quer- 
streifen im  Wurzelfelde  dunkler.  Als  Nierenmakel  tritt  ein  weißer  oder  gelber  Fleck 
auf,  daneben  zwei  kleine,  weiße  Punkte.  Hinterflügel  gelbgrau  mit  Metallschimmer. 
Spannweite  37  mm. 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  15)  in  der  Jugend  schwärzlich  grau  mit  drei  hellen 
Rückenlinien  und  einem  weißen,  auf  jedem  Ringe  fleckenartig  erweiterten  Seiten- 
streifen. Erwachsen  dunkelköpfig,  Leib  samtartig  rotbraun  oder  schwarz,  an  den 
Seiten  der  Ringe  i,  2,  4  und  10  ein  weißlicher  Längsfleck  als  Rest  des  früheren 
Seitenstreifens.  Nackenschild  und  Afterklappe  schwarz,  ersterer  mit  3,  letztere  mit 
2  gelben  Strichen. 


1)  Die  Beschreibung  der  Gattung  siehe  oben  S.  615. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen}.  789 

Die  Weibchen  überwintern  und  legen  ihre  runden,  anfangs  hellroten, 
zuletzt  schwarzblauen  Eier  im  Frühjahre  ab.  Die  Raupen  fressen  bis  Ende 
Juni  gewöhnlich  auf  den  verschiedensten  Laubhölzern  wie  Eichen,  Schlehen, 
Ahorn,  Ulmen,  Pappeln,  Weiden  usw.  Sie  gehören  zu  den  sogenannten 
„Mordraupen",  welche  bei  Nahrungsmangel  ihre  Genossen  auffressen  i).  Die 
Verpuppung  findet  in  einem  leichten  Erdgespinst  statt. 

Mamestra  pisi  L. 

(Taf.  X,   Fig.  21.) 

Erbseneule. 

Ratzeburg:    Nocliia    (Mamestra)    pisi    L.    —    Altum:    Mamestra    pisi    L.    —    Nitsche: 

Noctua    (Mamestra)    pisi    L.    —    Nüßlin-Rhumbler :    Noctiia    (Mamestra)    pisi    L.    — 

Wolff-Krauße:  Polia  pisi  L. 

Die  an  der  auffallenden  Zeichnung  (vier  hellgelbe,  scharfe  Längs- 
streifen auf  rotbraunem  Grund)  kenntliche  Raupe  nährt  sich  von  den  ver- 
schiedensten niederen  Pflanzen,  ohne  irgendeine,  auch  nicht  die  Erbse,  be- 
sonders zu  bevorzugen,  so  daß,  wie  Altum  (F.  IL  133)  hervorhebt,  ihr 
Name  durchaus  willkürlich  gewählt  erscheint.  In  die  Forstzoologie  wurde 
sie  eingeführt  durch  Ratzeburg,  der  über  einen  größeren  Fraß  in 
Fichtenkulturen  auf  dem  hohen  Venu  berichtet  (im  Jahre   1863). 

Falter:  Kopf  und  Brust  bräunlich  und  weißlich  gemischt,  lang  behaart; 
Hinterleib  gelbgrau,  kürzer  behaart,  auf  Ring  3  und  4  mit  stärkeren  Schöpfen. 
Vorderflügel  rotbraun,  veilgrau  bestäubt  mit  ziemlich  verloschener  Zeichnung.  Nur 
die  Wellenlinie  scharf  gelblich  weiß,  am  Innenwinkel  zu  einem  Flecken  erweitert, 
Mittelschatten  und  drei  Flecken  an  der  inneren  Einfassung  der  Wellenlinie  am  dun- 
kelsten. Die  Makeln  nicht  deutlich  hervortretend.  Hinterflügel  bräunlich  weiß,  am 
Saume  dunkler.  Saumlinie  dunkel,  Fransen  heller.  Mitunter  ein  undeutlicher  Mittel- 
mond.   Fühler  des   cf  büschelweise   gewimpert.    Spannweite  35—40  mm. 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  8)  i6füßig,  ganz  unbehaart.  Kopt  hell  rotbraun, 
Leib  tief  rotbraun  oder  braungrün  mit  vier  leuchtend  gelben,  breiten  Längslinien, 
zwei  zu  Seiten  der  sehr  dunklen  Rückenbinde,  zwei  unterhalb  der  etwas  helleren 
Seitenbinden  durch  die  dunklen  Luftlöcher  verlaufend.  Bauch  fleischfarben,  dort 
wo  er  an  die  gelbe  Längslinie  stößt,  mit  feinen  dunkleren  Fleckchen.  Länge 
4—5  cm. 

Puppe  in  schwachem,  mit  Erde  vermischtem  Gespinste  im  Boden,  rotbraun  mit 
helleren  Einschnitten,  mit  walzig  abgesetztem  Aftergriffel,  an  dessen  zugespitztem 
Ende  zwei  längere,   abwärts  gerichtete   Haken  und   vier  kurze  Borsten  stehen. 

Die  Verbreitung  des  Schmetterlings  ist  eine  sehr  weite.  Sie  reicht 
von  Nord-Amerika  und  Island  durch  ganz  Europa  vom  Polarkreis  bis  in  die 
Breite  von  Oberitalien,  östlich  bis  zum  Ural,  und  geht  in  den  Alpen  bis  zur 
Höhe  von  Andermatt  und  dem  Oberengadin. 

Der  Falter  fliegt  im  Mai  und  Juni.  Die  Raupe  ist  ungemein  polyphag 
und  lebt  auf  Wiesen  und  in  Gärten  an  den  verschiedensten  Pflanzen,  nament- 
lich auch  auf  Schmetterlingsblütlern  wie  Besen pfrieme,  Klee, 
Wicke,  Erbse,  Bohne,  aber  auch  auf  Pflaumen,  Eichen,  Weiden 
und  Ebereschen,  sowie  auf  Fichte,  Heide-  und  Farrenkräutern. 
Beim  Berühren  richtet  sie  den  halben  Körper  in  die  Höhe  und  fährt  damit 


1)  Nach  Eid  mann  ( A.  f.  Schädlk.  1930.  S.  1 14)  haben  sich  Mordraupen  auch 
an  der  Vertilgung  des  Eichenwicklers  {Tortrix  viridana  L. )  und  des  Frostspanners 
(CJieimatobia  brumata  L.  l  beteiligt,  sich  also  als  Nützlinge  erwiesen. 


790  11.  Spezieller  Teil. 

sehr  schnell,  wie  zur  Verteidigung  umher.  Sie  frißt  vom  Juli  bis  zum 
Herbste  und  verpuppt  sich  alsdann  in  der  Erde  in  lockerem  Gespinste.  Die 
Puppe  überwintert. 

Forstlich  ist  die  Erbseneule  zum  erstenmal  durch  einen  größeren 
Fraß  in  Fichtenkulturen  bei  Malmedy  (im  hohen  Venn)  bekannt  geworden, 
worüber  Ratzeburg  (W.  IL  247 — 249)  folgendes  berichtet:  „Auf  dem 
Fraßgebiet  wächst  Heide  (Erica  vulgaris')  und  dazwischen  sind  3 — 5  jährige 
Fichtenpflanzungen.  Die  Raupe  hatte  beide  (die  Heide  auch  an  den 
jüngeren  Trieben)  befallen,  dazu  auch  noch  das  gelegentlich  vorkommende 
Farrenkraut  und  die  feinen  Blättchen  des  Ginsters.  Auf  einer  einzigen 
Fichtenpflanze  konnte  man  20 — 30  Raupen  absammeln.  Die  Verbreitung  im 
hohen  Venn  (also  ca.  2000  Fuß  über  dem  Meere)  erstreckte  sich  von  der 
belgischen  Grenze  bis  zum  Kreis  Montjoie  und  umfaßte  ca.  16000  Morgen. 
Hier  wurde  die  Raupe  auf  der  ganzen  Fläche  mehr  oder  weniger  wahr- 
genommen, am  stärksten  auf  den  entwässerten,  mit  Gras  bewachsenen 
Stellen.  Der  Schaden  war  stellenweise  nicht  unbeträchtlich,  da  nicht  blos 
viele  Fichten  eingingen,  sondern  auch  die  überlebenden  ein  kränkliches  Aus- 
sehen hatten."  Ratzeburg  hielt  den  hier  beschriebenen  Erbseneulen- Fraß 
an  jungen  Fichten  für  „eine  solche  Seltenheit,  daß  er  vielleicht  nie  wieder- 
kehrt, da  vermutlich  ganz  ungewöhnliche  Verhältnisse  hier  mitwirkten,  also 
z.  B.  Spätfröste  im  rauhen  Gebirgsklima  die  zarten  Raupen  nötigten,  zwischen 
den  nadelreichen  Fichten  Schutz  zu  suchen,  oder  hoher  Schnee  die  be- 
drängten Falter  ihre  Eier  abzulegen."  Nach  AI  tum  ist  aber  das  Vor- 
kommen an  Fichten  durchaus  nicht  so  selten,  wie  Ratzeburg  wähnte;  er 
erhielt  vielmehr  des  öfteren  Zusendungen  und  Anfragen  infolge  zahlreichen 
Auftretens  der  auffallenden,  gelbgestreiften  Raupe  in  Fichtensaatbeeten  oder 
Kämpen  aus  den  östlichen  Provinzen  Deutschlands  und  hat  sie  selbst  in 
Thüringen  und  Oberbayern  auf  solchen  gefunden.  Auch  in  der  Nähe  von 
München,  im  Forstamt  Erling  sind  (1927)  /»m-Raupen  schädlich  in  Fichten- 
kulturen aufgetreten. 

Bei  der  sehr  auffallenden  Zeichnung,  sowie  bei  ihrem  stets  ober- 
irdischen Aufenthalt  auf  der  Futterpflanze  kann  die  Raupe  auch  dem  nur 
sehr  mäßig  aufmerksamem  Beobachter  nicht  verborgen  bleiben,  so  daß  sie 
für  gewöhnlich  wohl  leicht  durch  Sammeln  vernichtet  werden  kann. 

Pseudophia  lunaris  Schiff. 

(Taf.  X,   Fig.  16.1 

Braunes   Ordensband. 

Das  braune  Ordensband  ist  zum  erstenmal  im  Jahre  1902  als  forst- 
schädlich beobachtet  worden  und  zwar  von  Wilbrandt  (1903),  der  be- 
trächtliche Zerstörungen  durch  dasselbe  in  Eichenkulturen  in  Hessen  fest- 
stellen konnte.  Falter  wie  Raupe  sind  infolge  ihrer  Schutzfärbung  schwer 
zu  entdecken,  besonders  letztere,  die  tagsüber  gewöhnlich  dicht  an  einen 
Zweig  geschmiegt  ruht. 

Falter  (Abb.  606):  Vorderflügel  bleichgrau,  rostbraun  gemischt.  Querlinien 
licht,  dunkel  beschattet;  Wellenlinie  dunkel;  Nieren-  und  Ringmakel  bräunlich,  letz- 
tere nur  ein  kleiner  Punkt,  ein  ebensolcher  nahe  der  Wurzel  und  eine  Reihe  dunkler 
Saumpunkte.   Hinterflügel  rotbraun,   gegen  die  Wurzel  heller.    Spannweite  52 — 54  mm. 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  17)  16 füßig,  jedoch  das  erste  Bauchfußpaar  stark 
verkümmert   und  auch  das  zweite  deutlich  kleiner   als   die  hinteren,  daher  spanner- 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


791 


Abb.    606.      Pseudophia 
Braunes     Ordensband. 


lunaris     Schiff., 
Nach     Nüßlin- 


artiger  Gang.  Färbung  in  der  Jugend  bis  zur  III.  Häutung  grün,  weiß  punktiert 
mit  rötlichen  Seitenstreifen,  nach  der  III.  Häutung  braungrau  mit  zahlreichen  ge- 
schlängelten, dunkleren  Längsstreifen  und  roten  Seitenstreifen.  Am  4.  Segment  mit 
2  rötlich  gelben  Flecken,  am  11.  Segment  ebenso  gefärbte  spitze  Wärzchen.  Länge 
bis  7  cm. 

Die  großen  Falter  ruhen  tagsüber;  aufgescheucht  schießen  sie  schnell 
in  weitem  Bogen  empor,  um  dann  plötzlich  wieder  niederzustürzen.  Bereits 
im  Mai  zeigt  sich  der  aus  der  überwinterten  Puppe  ausgekommene  Schmet- 
terling. Man  kann  ihn  jedoch  auch  noch  im  Juni  und  Juli  antreffen  (2  Gene- 
rationen?). Die  Raupe  liebt  die  zarten,  saftigen  und  weichen  Gip- 
feltriebe junger  Eichen  (und  auch  Pappeln)  und  frißt  nicht  nur  die 
Blätter  ab,  sondern  nagt  auch  die  Stengel  selbst  ab,  soweit  diese 
noch  zart  sind.  Dadurch  entsteht  ein 
Fraßbild,  das  einem  Verbiß  durch 
Rotwild  sehr  ähnlich  sieht  und  sehr 
wohl  als  solches  angesprochen  wer- 
den kann.  Die  Blätter  werden  meist 
vollkommen  zerstört,  mitunter  blei- 
ben aber  auch  die  Blattrippen  und 
kleinere  Teile  der  Blattrispen  ver- 
schont. 

Forstlich  machte  sich  die  große 
Eule  zum  erstenmal  1902  in  2 — 6jäh- 
rigen  Eichenkulturen  in  den  Hes- 
sischen Oberförstereien  Viernheim 
und  Lampertsheim  durch  teilweise 
recht  empfindliche  Fraßbeschädi- 
gungen unangenehm  bemerkbar.  In  Viernheim  handelte  es  sich  um  durch- 
schnittlich 6jährige  Eichenhegen,  in  Lampertsheim  um  eine  ca.  7  ha  große 
vorjährige   Eichenriefensaat. 

Als  Feinde  der  Raupe  wurden  Calosoma  sycophaiita  L.,  ferner  einige 
Vögel  beobachtet,  vor  allem  Amsel  und  Buchfink,  welche  die  sich  zur  Ver- 
puppung anschickenden  Raupen,  resp.  die  Puppen  aufsuchten. 

In  Lampertsheim  wurde  mit  Absammeln  durch  Schulkinder  gute 
Erfolge  erzielt  (es  wurden  in  3  Tagen  ca.  40  Liter  Raupen  gesammelt).  In 
den  6  jährigen  Hegen  von  Viernheim  konnte  diese  Maßregel  nicht  durch- 
geführt  werden.    Es   dürfte    sich   auch   Bestäuben   mit   Esturmit    empfehlen. 

Plusia  gamma  L. 

(Taf.  X,  Fig.  14.) 
Gammaeule,  Ypsilonvogel. 
Die  zu  den  spannerartigen  Eulen  —  die  Raupe  ist  nur  i2füßig  — •  ge- 
hörige Gamma-Eule  ist  wohl  die  häufigste  Noctuide  Europas.  Sie  gelangt 
periodenweise  zur  Massenvermehrung  und  kann  dann  großen  Schaden  in 
landwirtschaftlichen  Kulturen  anrichten.  Da  die  Raupe  sehr  polyphag,  ja 
fast  panthophag  ist,  so  werden  fast  alle  Feldfrüchte  und  Gemüsearten  an- 
gegangen; wie  Erbsen,  Wicken,  Klee,  Flachs,  Raps,  Hanf,  Salat,  Möhren, 
Rüben  usw.  So  ist  es  nicht  verwunderlich,  daß  die  Raupe,  wenn  keine  andere 
Nahrung  mehr  zur  Verfügung  steht,  auch  in  forstlichen  Kulturen  schädlich 
wird.    Einen  derartigen   Fall,   in  dem  eine  Kiefernsaat  fast  völlig  vernichtet 


R  h  u  m  b  1  e  r. 


792  IL  Spezieller  Teil. 

wurde,  berichtet  Altum  (F.  II.  140),  durch  den  die  Gamma-Eule  in  die 
Forstentomologie  eingeführt  wurde. 

Falter  ( Abb.  607  A  u.  B) :  Brust  lang  behaart,  graubraun  und  weißrötlich  ge- 
mischt. Hinterleib  mit  kürzerer  Behaarung.  Vorderflügel  graubraun  und  veilrötlich 
gemischt.  Die  Wurzel,  die  Umgebung  der  Vorderhälfte  des  hinteren  Querstreifens, 
der  Saum  und  ein  großer  Fleck  am  Afterwinkel  am  hellsten;  häufig  ein  goldiger 
Schimmer  über  die  Fläche  verbreitet.  Die  beiden  Querstreifen  doppelt,  innen  heller 
ausgefüllt,  fast  parallel,  die  Wellenlinie  stark  gezackt,  hell,  wurzelwärts  breit  dunkel 
angelegt.  Die  hell  umrandete  Nierenmakel  nur  undeutlich  saumwärts  dunkel  an- 
gelegt. In  der  Mitte  des  Mittelfeldes  die  hellgelblich  silberne  Zeichnung  in  Form 
eines  liegenden  griechischen  Gammas  oder  lateinischen  Ypsilons.  Daher  die  Namen. 
Der  gewellte  Saum  und  die  Fransen  mit  dunklen,  gebrochene  Linien  bildenden 
Monden  gezeichnet.  Hinterflügel  gelblich  grau  mit  goldigem  Schimmer,  Saumhälfte 
viel  dunkler.  Fransen  weißlich,  an  der  Spitzenhälfte  mit  dunklen  Monden.  Spann- 
weite 30 — 40  mm. 

Im  übrigen  ist  die  Färbung  und  Zeichnung  sehr  variabel,  was  zur  Aufstellung 
einer  Reihe  von  Aberrationen  geführt  hat:  ab.  pallida  Tutt  (Grundfarbe  heller, 
Zeichnung  stärker  kontrastierend  hervortretend);  ab.  rufescens  Tutt  (die  rostbraune 
Färbung  auf  den  Vorderflügeln  tritt  stärker  hervor);  ab.  nigricans  Spuler  (stärkeres 
Hervortreten  der  schwarzen  und  Reduktion  der  rostbraunen  Färbung) ;  ab.  purpurissa 
Waer.  (die  dunkelbraune  Grundfarbe  mit  einer  mehr  oder  weniger  gleichen  Bei- 
mischung der  schwarzen  und  rostbraunen  Zusatzfarbe  der  Vorderflügel  besitzt  eine 
veilchenblaue  Schattierung  besonders  längs  der  Wellenlinie)  und  ab.  comma  Ostr. 
(an  Stelle  des  y  steht  ein  einheitliches,  recht  dickes  Stäbchen,  das  mit  einem  Ende 
dem  äußeren  Flügelsaum  zugekehrt  ist). 

Raupe  (Taf.  XIII,  Fig.  16):  Durch  Verkümmern  der  beiden  ersten  Bauchfuß- 
paare nur  12  füßig  (Abb.  607  C).  Die  Raupe  ist  mit  Härchen  besetzt,  die  entweder 
einzeln  oder  paarweise  auf  kleinen  Höckern  (tubercula)  sich  befinden.  Die  Zahl 
dieser  Höcker  vermehrt  sich  nach  der  ersten  Häutung  und  bleibt  dann  konstant.  Nor- 
malerweise häutet  sich  die  Raupe   4—5   mal;    jedes  Stadium    besitzt    eine    charakteristi- 


A  B  C 

Abb.   607.    Plusia  gamma  L.,   A   gespannt,   B    sitzend,   C   Raupe   („spannend").    Nach 

Mokrzecki. 

sehen  Merkmale,  nach  denen  sie  unterschieden  werden  können.  Diese  Verschiedenheiten 
machen  sich  bemerkbar  in  stufenweiser  Reduktion  der  Färbung  der  Höcker  und  in 
der  Vergrößerung  der  Anzahl  der  Längsstreifen.  Die  ausgewachsene  Raupe  besitzt 
einen  kleinen  Kopf,  der  vordere  Körperabschnitt  ist  schmäler  und  abgeplatteter  als 
der  hintere,  welcher  walzenförmig  sich  verbreitert.  Kopf  wie  die  übrige  Raupe  grün, 
zu  beiden  Seiten  mit  schwarzen  Streifen,  außerdem  2  braune,  stäbchenförmige 
Flecken  zu  beiden  Seiten  der  Stirn.  Leib  grün  oder  bläulich  mit  feinen,  weißen  oder 
gelben  Längslinien,  über  den  Füßen  ein  schmaler,  gelblicher  Längsstreifen.  Die 
haartragenden  Höcker  (Wärzchen)   an  der  Basis  weiß  geringt.    Länge  3—4  cm. 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen). 


f93 


Abb.  608.     Pliisia   gamma    L.    Hinterende    der 
weiblichen    und    männlichen    Puppe    mit    auf- 
fallendem   Kremaster. 
Nach  Ostreykowna. 


Puppe  in  einem  zuweilen  doppelten  Gespinst,  völlig  schwarz  oder  auf  der 
Dorsalseite  rötlich  schwarz.  Flügelscheide  konvex,  Rüsselscheide  länger  als  diese 
und  am  Ende  frei  von  der  Puppe  abstehend.  Kremaster  mit  einem  stärkeren,  anker- 
förmigen  Doppelhäkchen  und  außerdem  mit  3  Paar  kleineren  Haken  versehen 
(Abb.  608).  Geschlechtshöcker  bei  der  männlichen  Puppe  auf  dem  9.,  bei  der  weib- 
lichen auf  dem  8.  Abdominalsternit. 

Eier  halbkugelig,  gelblich  hellgrün  (vor  dem  Ausschlüpfen  scheint  der  hell- 
blaue Körper  der  Raupe  mit  dem  schwarz  gefärbten  Kopf  unter  der  Micropyle 
durch),  gerippt.  Zwischen  den  35 — yj  strahlenförmig  angeordneten  Rippen  befinden 
sich  konkave  Alveolen,   die  durch   Querrippen  geteilt   sind. 

Die  geographische  Verbreitung  der  Gamma-Eule  ist  ungemein 
groß  und  erstreckt  sich  von  Nordamerika  und  Grönland  durch  ganz  Europa 
bis  Japan  und  Kaschmir,  süd- 
wärts bis  Abessinien  und  viel- 
leicht sogar  Neuholland.  In  den 
Gebirgen  Europas  kommt  sie 
bis  fast  2000  m  Höhe  vor. 

B  i  o  n  o  m  i  e  und  forst- 
liche Bedeutung.  Die  Gam- 
ma-Eule fliegt  von  April  bis 
November  zu  jeder  Tageszeit 
auf  freiem  Gelände  lebhaft 
umher,  mit  ihrem  langen  Rüssel 
Blütensaft  saugend.  Das  Weib- 
chen legt  seine  Eier  einzeln 
an  die  Blattunterseite  verschie- 
dener niederer   Gewächse.     Die 

Zahl  der  Eier  ist  sehr  groß,  Ostreykowna  (1924)  erzielte  annähernd 
1000  Stück  von  I  befruchteten  Weibchen.  Die  Dauer  der  Eiablage  beträgt 
bis  22  Tage,  die  Lebensdauer  des  Falters  30 — 44  Tage  und  wohl  noch  mehr 
(Ostreykowna  1.  c).  Nach  etwa  14  Tagen  kriechen  die  Raupen  aus,  die 
man  fast  das  ganze  Jahr  über,  am  häufigsten  aber  im  Sommer  an  den  ver- 
schiedensten Kräutern  findet.  Sie  fressen  frei  an  den  Pflanzen,  lassen  sich 
aber  bei  Beunruhigung  fallen  und  ringeln  sich  zusammen.  Ist  ein  Feld  kahl- 
gefressen, so  wandern  sie  in  Massen  auf  ein  benachbartes.  Nach  4  Wochen 
verpuppen  sie  sich  an  der  Unterseite  eines  Blattes  oder  an  einem  Stengel. 
Nach  12 — 14  Tagen  schlüpft  der  Falter  aus,  so  daß  eine  Generation  im 
günstigsten  Fall  in  6  Wochen  beendet  sein  kann.  Es  folgen  sich  daher 
mehrere  Generationen  im  Jahr  und  es  können  alle  Entwicklungsstadien  zur 
Überwinterung  gelangen.  In  kälteren  Gegenden  kommt  es  wohl  nur  zu  einer 
Generation  (mit  Überwinterung  des   Falters). 

Infolge  der  großen  Polyphagie  der  Raupe  sind  die  Schäden  im  all- 
gemeinen nicht  allzu  groß;  in  den  Perioden  der  Massenvermehrung"  aber 
können  sie  der  Landwirtschaft  sehr  große  Verluste  bringen.  Als  besonders 
schlimme  Gamma-Eulen-Jahre  sind  bekannt  1828  (Ostpreußen),  1829  (Hol- 
land —  in  der  Provinz  Groningen  allein  1/2  Million  Mark  Schaden),  J831 
(Bayern),  1868  (Prov.  Sachsen),  1871  (Deutschland,  Österreich),  1879  (West- 
preußen), 1900  (England),  1922  (Nord-  und  Mittelrußland,  Polen)  und  1928 
(Mitteldeutschland,  s.  Müller  K.  R.,  1928  und  Pape,  1928).  Klimatische 
Faktoren  dürften  wohl  wesentlich  an  dem  Entstehen  der  Gradationen  be- 
teiligt  sein.    „Kälte,   kurze   Sommer   sind   der   Entwicklung   nachteilig,   lange, 


794  II.  Spezieller  Teil. 

warme  Sommer  fördern  sie;  sonst  liebt  die  Gamma-Eule  eher  etwas  mehr 
als  zu  wenig  Feuchtigkeit." 

Forstlich  trat  sie  in  dem  schlimmen  Gamma-Eulenjahr  1871  als 
Schädling  in  Kiefernsaaten  in  Waice  (Posen)  auf,  worüber  AI  tum  (i.  c.) 
sich  folgendes  berichten  ließ:  „In  der  15  ha  großen  diesjährigen  Kiefern- 
streifensaat  des  Jagens  76  der  hiesigen  Revierabteilung  hatten  sich  im  Laufe 
des  vorigen  Monats  auf  den  dort  sehr  zahlreich  verbreiteten  Wucherblumen 
grüne  Raupen  eingefunden.  Da  dieselben  forstlich  unschädlich  schienen,  so 
blieben  sie  unbeachtet.  Nachdem  sie  indessen  das  Unkraut  gänzlich  kahl- 
gefressen, fielen  sie  in  großen  Massen  über  die  jungen  Kiefernpflanzen  her. 
Die  meisten  Pflänzchen  sind  bis  auf  die  Wurzel  gefressen  und  bereits  tot. 
Eine  kleinere  Anzahl,  welche  weniger  gelitten  hat,  wird  sich  unzweifelhaft 
wieder  erholen.  Der  Fraß  an  den  jungen  Kiefern  fing  am  10.  August  an  und 
dauerte  bis  incl.  den  13.  Die  Raupen  verhungerten  alsdann  aus  Futter- 
mangel   "     Es    handelt    sich    also    hier    nur    um    einen    Notfraß    von 

Raupen,  die  auf  anderen  Pflanzen  geboren,  nach  deren  Vernichtung  vom 
Hunger   getrieben   die   zunächst   befindlichen   Kiefernpflänzchen  aufsuchten. 

Die  Gradationen  sind  meist  nur  von  kurzer  Dauer  und  brechen  ge- 
wöhnlich schon  im  2.  Jahr  zusammen,  vor  allem  an  der  Polyederkrank- 
heit, über  die  Mokrzecki  (1923)  und  Ostreykowna  (1924)  eingehende 
Mitteilungen  machen  (nach  Ostreykowna  treten  dabei  2  verschiedene 
Typen  von  Polyedern  auf),  und  sodann  durch  die  zahlreichen  Parasiten, 
sowohl  Tachinen  (Baer  gibt  10  verschiedene  Arten  an)  als  auch  Schlupf- 
wespen. Von  letzteren  sind  bis  heute  etwa  i  Dutzend  aus  der  Gamma-Eule 
gezogen,  unter  denen  vor  allem  die  Braconiden-Gattungen  Apanteles,  Micro- 
plitis  und  Rhogas  und  die  Chalcididen-Gattungen  Oophihora,  Litomastix  und 
Pteromalus  neben  verschiedenen  Ichneumoninen  zu  nennen  sind. 

Bekämpfung.  Zur  Verhinderung  der  Überwanderung  der  Gamma- 
Eulenraupe  auf  Kulturen,  wie  sie  eben  geschildert  wurde,  empfiehlt  AI  tum 
(1.  c.)  Fanggräben.  Ein  Bespritzen  der  Kulturen  und  der  angrenzenden  von 
den  Raupen  bereits  befallenen  Unkrautflächen  mit  Giftbrühen  (Arsen,  Chlor- 
barium) dürfte  einfacher  und  erfolgreicher  sein.  Über  Ködern  der  Falter 
siehe  oben  S.  779. 


Der  Vollständigkeit  halber  seien  noch  die  beiden  „M  od  e  r  ho  Iz"  -  E  ul  en  an- 
geführt : 

Calocampa  vetusta  Hb.  und  exoleta  L.  (Taf.  X,  Fig.  19)  wurden  von 
Ratzeburg  (W.  II,  405)  deshalb  in  die  Forstentomologie  eingeführt,  weil  sie 
„von  Lärchen  gezogen  wurden". 

Die  beiden  „Moderholzeulen"  sind  nach  den  „Ordensbändern"  wohl  die  größten 
einheimischen  Formen.  Sie  haben  bis  6  cm  Spannweite,  einen  scharfen  Haarkiel  auf 
dem  Halskragen  und  schmale,  zugespitzte  Vorderflügel  von  heller  Holzfarbe.  Bei 
C.  exoleta  ist  die  vordere  Längshälfte  derselben  dunkler  gemischt  mit  deutlicher 
Ring-  und  Zapfenmakel,  und  die  Brust  sowie  die  Oberseite  der  hinteren  Leibes- 
hälfte dunkel  gefärbt,  während  bei  vetusta  die  Ringmakel  undeutlich  wird,  und  die 
hintere  Längshälfte  der  Vorderflügel,  sowie  die  Brust  dunkelbraun  erscheinen.  Die 
Hinterflügel  sind  bei  beiden  gelbgrau. 

Sie  gehören  zu  den  wenigen  als  Falter  überwinternden  Eulen,  die  im  ersten 
Frühjahr  um  die  Weidenkätzchen  fliegen.  Ihre  großen  Raupen  (Taf.  XIII,  Fig.  14) 
sind  16  füßig,  walzig,  von  grüner  Grundfarbe.  Die  von  exoleta  hat  einen  braunen 
Kopf,    drei    gelbe    Längsstreifen    auf    dem    Rücken,    zwischen    diesen   jederseits    auf 


II.  Unterordnung:  Macrolepidoptera.   Familie  Noctuidae  (Eulen).  795 

jedem  Ringe  drei  weiße  Punkte  und  einen  gelben,  oberwärts  braun  gesäumten  Längs- 
streif durch  die  Luftlöcher.  Die  von  vetusta  ist  grünköpfig,  mit  zwei  gelben  Längs- 
streifen und  einem  roten,  weiß  gesäumten  Luftlochstreifen;  über  diesem  auf  jedem 
Ringe  drei  weiße,  schwarz  geringte  Punkte  und  über  dem  gelben  Längsstreifen,  jeder- 
seits  von  der  Rückenmitte  zwei  weiße,  schwarzgeringte,  schwarz  verbundene  Flecke. 
Die  Raupen  finden  sich  im  Frühling  und  Vorsommer  und  verpuppen  sich  in  einer 
Erdhöhle.  Merkwürdig  ist,  daß  namentlich  exoleta  sich  gern  von  nadelähnlichen 
Blättern,  z.  B.  denen  von  Asparagus  L.  und  Euphorbia  L.  nährt,  die  eine  gewisse 
Ähnlichkeit  mit  Lärchennadeln  haben  (Nitsche).  Ein  forstlicher  Schaden  durch 
die  beiden  Raupen  ist  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet. 

Literatur  über  die  Eulen  II. 
Eulen  an  Laubholz  und  Kulturen. 

AI  tum,    1875,  Die   Kiefernsaateule,   Noctua  valligera  W.  V.   Z.  f.  F.  u.J.    VII.    S.  (14 

bis   126. 
— ,   1878,  Agrotis  tritici  (Getreidecule ),  eine  neue  Kiefernsaateule.    Ebenda  IX.  S.  19 

bis   24. 
— ,   188 1,  Die    Raupen   der    Noctua    (Agrotis)   segetum    in    Saat-    und    Pflanzkämpen. 

Ebenda  XIII.   S.  603—604. 
— ,   1882  a,  Die   Feinde  des  Buchenaufschlages.  Ebenda  XIV.    S.  547. 
— ,   1882  b,  Neue   Erfahrungen  an  schädlichen  Weideninsekten.    Ebenda.   S.  603— 610. 
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d.  Pflanzen,   i.  H.   S.  58  ff. 
Eckstein,  K.,  1896,  Die  Lebensweise  der  Kiefernsaateule,  Noctua  vestigialis  Rott. 

(Agrotis  valligera   Hbn.).   Z.  f .  F.  u.  J.   203 — 211. 
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Fulmek,  L.,   19 16,  Erdraupen  im  Weingarten.  —  Mitt.  Pflanzenschutzstation  Wien. 
Gillmer,    M.,    1908,    Zur    Naturgeschichte    der    Gortyna    ochracea    Hb.    Entomolo- 
gisches Jahrbuch.  S. 114 — 115. 
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S.  422. 
Henschel,    G.,    1888,    Entomologische    Notizen.    —    Ctrbl.  f.  d.  ges.  Fw.  XIV.    S.  485 

bis  486. 
Herold,   W.,    1919,   Zur   Kenntnis   von  Agrotis  segetum   Schiff.    (Saateule).   —  Z.  f. 

ang.  Entom.  Bd.  V.  S.  47 — 60. 
^,   1920,  Dasselbe  II.  Teil.  Die  herangewachsene  Raupe.  Ebenda  VI.  302—329. 
— ,   1923,  Dasselbe   III.  Teil.  Krankheiten  und   Feinde.   Ebenda  IX.   306—331. 
Hoff  mann,    1876,   Phalaena   noctua   valligera.   —   Verh.    Pommersch.    Forstv.    S.  16 

u.  26 — 29. 
Kossobuzkij,    M.  J.,    1928,    Die    Wintersaateule    (Euxoa   segetum    Schiff.)    in   der 

Kasanschen  Republik.    Ishewsk   1928. 
Kleine,  R.,   1920,  Die  Wintersaateule,  Agrotis  segetum  Schiff,  und  ihre  Bedeutung 

als    landwirtschaftlicher   Schädling.     Z.  f.  ang.  Entom.    VI.  Bd.    S.  247 — 269. 
Kujawa,  von,   1873,   Über  Nociua  valligera.  Jahrb.  Schles.  Forstv.   S.  51 — 60. 
Leder  er,  J.,   1857,   Die  Noctuinen  Europas.  XV  u.   251   S.  mit  4  Taf.  Wien. 
M  inki  e  wi  ez,    S.,    1925,    The    appearence   of    Plusia    gamma    L.    in    the   district    of 

Wilno  in   1922.  —  Choroby  i  sgkodn.  roslin  Nr.  3. 
Mokrzecki,  Z.,  1923,  Biologisches  über  Phytometra  gamma  L.  —  Polskiego  Pisma 

Entom.  (Bull,  entom.  Pologne).  I.  II.  Z.  3. 
Müller    u.    Molz,    1919,    Beobachtungen   über    das    Auftreten    der    Erdraupen   der 


796  II.  Spezieller  Teil. 

Saateule    {Agrotis   segetum    Schiff.)    im   Jahre    1917.    —    Z.  f .  ang.  Entom.    V.  Bd. 

s.  43—46. 

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im  Juli   1928.  —  Landw.  Wochenschr.  f.  d.   Pr.  Sachsen. 

Ostreykowna,  Marja,  1923,  Plusia  gamma  L.  ab.  comma  ab.  tiov.  —  Soc.  des 
Sciences  et  d.  Lettres  des  Vilno.  Bd.  I.  Nr.  3. 

— ,  1924,  Materialien  zur  Morphologie  und  Biologie  von  Plasia  gamma  L.  Ebenda 
Bd.  IL  Nr.  6. 

Pape,  H.,  1928,  Zum  Fraß  der  Gammaeulenraupe  auf  Kartoffelschlägen.  Nachr. 
Dtsch.  Pflanzenschutz. 

Pospielow,  W.,  1914,  Versuche  zur  künstlichen  Infizierung  der  Wintersaateule 
(Agr.  segetian  Schiff.)  mit  parasitischen   Hymenopteren.  Z.  f.  wiss.  Insektb.  X. 

Ratzeburg,  1847,  Phalaena  Noctua  vaUigera  Fabr.,  ein  neues  schädliches  Forst- 
insekt, entdeckt  vom  Stadt.  Oberförster  Hagn  in  Liegnitz.  Pfeils  Kr.-Bl.  XXXIII. 
S.  260 — 265. 

— ,   1853,   Die  Saateule   (Phal.  Noclua  valligera).    Ebenda.   S.  227. 

Ritzema-Bos,  J.,  1894,  Kurze  Mitteilungen  über  Pflanzenkrankheiten  und  Be- 
schädigungen in  den  Niederlanden  in  den  Jahren  1892  und  1893.  Zeitschr.  f. 
Pflanzenkrankh.   S.  218. 

Silvestri,  F.,  1911,  Contribuzioni  alla  conoscenza  degli  insetti  dannosi.  II.  Plusia 
gamma  L.  Portici. 

Tullgreen,  Alb.,  1913,  Sädesbroddflyet  (Agrotis  segetum  Schiii.)  och  nagra  andra 
economiskt  viktiga  Jordflyen.  —  Meddel.  Nr.  74.  Centralanstalt  för  försoks.  pa 
jordbruks.  Ent.  afdeln  Nr.  14. 

Wahl,  B  r.,   1916,  Bekämpfung  der  Erdraupen.    Wien,  landw.  Zeit.  Nr.  63. 

Wilbrandt,   1903,  Ein  neuer  Feind  der  Eichenkulturen.  Allg.  F.  u.  J.  S.  11. 

Woroniecka- Siemaszko  wa,  Jan.,  1928,  Observations  on  the  pests  of  culti- 
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Inst.  Nat.  Polon.  d'Econ.  Rus.  ä  Pulawy.  T.  IX.  Mem.  Nr.  136.  (Polnisch,  mit 
engl.  Resume.) 

Zimmermann,  H.,  1918a,  Lebensweise  u.  Bekämpfung  der  Erdraupe  (Agr.  sege- 
tum).   Frühlings  landw.  Zeit.  67.  Jhrg.  130 — 148. 

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— ,  1919,  Über  die  Erdraupe  der  Wintersaateule  (Agr.  segetum ).  Arch.  Ver.  d. 
Freunde   d.   Naturgesch.   in   Meckl.   S.  25 — 54. 


Nachtrag. 


Tortriciden. 
Acalla  hastiana  L. 

Falter:  Eine  der  veränderlichsten  Schmetterlingsarten  nicht  nur  in  Färbung 
und  Zeichnung,  sondern  auch  in  Größe  und  Flügelschnitt  (Kennel  bildet  in  seinem 
Tortriciden- Werk  nicht  weniger  als  30  verschiedene  Formen  ab).  Der  Typus  hat  auf 
den  Vorderflügeln  ein  dunkleres  oder  wenigstens  dunkler  abgegrenztes  Wurzelfeld 
und  einen  ebensolchen  unscharf  begrenzten,  großen,  dreieckigen  Costalfleck,  der  sich 
aus  dem  Anfang  einer  Schrägbinde  bei  1/3  der  Costa  und  den  damit  zusammen- 
geflossenen verdunkelten  Aderenden,  welche  in  die  Costa  münden,  zusammensetzt. 

Raupe  hellgrün  mit  braungelbem  Kopf.    Puppe  schlank,  schwarzbraun. 

Die  über  fast  ganz  Europa  (mit  Ausnahme  des  Südens)  bis  Sibirien  ver- 
breitete Art  ist  in  den  letzten  Jahren  in  Böhmen  verschiedentlich  als  Weiden- 
schädling aufgetreten,  worüber  S  am  all)  einiges  berichtet:  Der  Falter  sitzt 
tagsüber  meist  ruhig  an  den  Blättern  oder  Trieben  und  schwärmt  erst  gegen 
Abend,  oft  in  großer  Zahl.  Die  Eier  werden  einzeln  an  den  jungen  Trieben 
abgelegt,  von  einem  Weibchen  etwa  40 — 60  Stück.  Die  Raupen  spinnen 
mehrere  Blätter  an  den  Triebspitzen  zusammen  und  befressen  die  Innenseite 
der  jüngsten  Blätter.  Die  Verpuppung  findet  in  dem  Blattgespinst  statt,  wo 
auch  die  Puppe  überwintert. 

Als  Parasit  wurde  ein  Proctotrupide  beobachtet,  der  40 — 60 0/0  der 
Puppen  der  zweiten  Generation  getötet  hat.  Die  überbleibenden  genügten 
aber  vollauf,  um  großen  Schaden  zu  machen,  der  im  Verkümmern  imd  Ab- 
sterben der  Triebe  bestand. 

Zur  Bekämpfung  empfiehlt  Sämal  Bespritzen  mit  Arsenmitteln  so- 
gleich nach  dem  Schlüpfen  der  jungen  Raupen.  Später,  wenn  die  Raupen  im 
Schutze  der  Blattgespinste  sind,  hat  das  Spritzen  keinen  Zweck  mehr. 

Evetria  buoliana  Schiff. 

Hier  ist  folgende  Literatur  nachzutragen: 

Feytaud,  J.,  Les  ennemis  du  Pin.    La  Tordeuse  de  Buol  {Evelria  buoliana  Schxif.). 
—  Rev.  Zool.  Agr.  et  Appl.,  Bordeaux,  XX,  Nr.  8,  p.  88—91. 

Nach  Feytaud  ist  buoliana  in  Frankreich  einer  der  schlimmsten  Kiefern- 
schädlinge. Zur  Vorbeugung  werden  Mischkulturen  empfohlen.  Zur  Be- 
kämpfung die  Verbrennung  der  befallenen  Triebe.  Es  werden  ferner  eine 
Reihe  von  Parasiten  angegeben. 


i|    SämaL   J.,     Acalla    hastiana    a  destroyer    of    osiers    in    Czechoslovakia. 
4th   Int.   Congr.   Ent.   Ithaka.    1928.   p.  414— 415.   Tring  1929. 


798  Nachtrag. 

Jolyet,  A.,   1918,  The  Use  of  Bats  in  the  Control  of  Insects  especially  Tortricidae, 
injoLirious  to  Pine  Woods.    Revue  des  Eaux  et   Forets.  p.  121 — 216. 

Schlägt  vor,  gegen  die  Triebwickler  Schlaf-  und  Brutplätze  für  Fledermäuse 
in  der  Nähe  von  Kiefernkulturen  anzulegen. 
Smits   van  Bürgst,    C.  A.  L.,    1919,    Sluipwespen,   gekweekt    uit   de   Dennenlotrups 
{Evetria  buoliana  Schiff.).  Tijdschr.  Ent.  The  Hague  p.  143 — 146. 

Im  Literaturverzeichnis  (s.  oben  S.  381)  ist  wohl  der  Autor,  aber  nicht  der 
Titel  der  Arbeit  angegeben.  Außerdem  ist  anstatt  19 19  irrtümlicherweise 
19 18  angeführt. 

Semasia  diniana  Gn. 

Über  die  große  böhmische  Kalamität  (s.  oben  S.  327)  sind  in  neuerer 
Zeit  noch  zwei  Arbeiten i)  erschienen:  Komärek  berichtet,  daß  die  Raupe 
sich  nicht  mehr  mit  Abnagen  der  Nadeln  begnügte,  sondern  sich  nach  Art 
der  duoliana-KsiVL^Q  in  die  jungen  Maitriebe  einbohrte  und  sie  aushöhlte.  Es 
entstand  ein  Markfraß,  der  das  Absterben  des  ganzen  Triebes  und  De- 
formation des  Terminalästchens  zur  Folge  hatte. 

„Erst  jetzt,  also  nach  5  Jahren,  zeigten  sich  die  schweren  Folgen  des 
Wicklerfraßes  für  die  Fichten.  Man  rechnete  stets  damit,  daß  das  Kahl- 
fressen der  Maitriebe  unmöglich  die  älteren  Fichten  irgendwie  ernstlich  be- 
schädigen könne.  Das  Jahr  1928  brachte  leider  eine  traurige  Enttäuschtuig. 
Die  alten  Bäume,  denen  seit  5  Jahren  alle  frischen  Nadeln  gleich  im  Früh- 
jahr weggefressen  wurden,  haben  schließlich  auch  die  ganze  alte  Benadelung 
verloren  und  standen  nun  fast  kahl  da.  Sie  müßten  auf  mehreren  hundert 
Hektar  abgeholzt  werden.  Besonders  gelitten  haben  Exemplare  mit  schüt- 
terer oder  schwach  entwickelter  Krone. 

„Obwohl  der  Verlust  der  Maitriebe  bei  einem  alten  Fichtenbaum  nur 
als  kleinfügige  Beschädigung  angesehen  werden  könnte,  erscheint  nach  mehr- 
jähriger Wiederholung  im  Gegensatz  eine  alte  Fichte  viel  empfindlicher  zu 
sein  als  jüngere  oder  gar  ganz  junge  Bestände. 

„Die  letzteren  haben  es  bis  jetzt  ziemlich  gut  vertragen,  natürlich  mit 
Einbuße  des  Zuwachses.  Hier  schadet  vielmehr  der  Markfraß  in  den  Trieb- 
spitzen, der  besonders  in  der  Terminalspitze  eine  Deformation  und  Verlust 
des   Höhenzuwachses  zur  Folge  hat. 

„Hochinteressant  ist  es,  daß  auf  dem  ganzen  verseuchten  Gebiet,  das 
mehrere  Tausend  Hektar  Waldfläche  umfaßt,  die  angebliche  Mutterpflanze 
—  die  Lärche  —  vollständig  verschont  geblieben  ist." 

Auch  A.  Pfeffer  stellte  diese  Vorliebe  für  Fichten  fest,  wenn  auch  in 
einem  der  vielen  befallenen  Forstreviere  junge  Lärchen  und  auf  dem  Torf- 
moor auch  die  Sumpfkiefer  etwas  angefressen  wurden. 

„Der  ursprüngliche  Brennpunkt  des  böhmischen  Kalamitätsgebietes  liegt 
nach  Pfeffer  nördlich  vom  Keilberg  in  einer  Höhe  von  etwa  900  m.  Der 
Boden  ist  ziemlich  arm,  geologisch  gehört  er  zu  den  Schiefern  und  zeigt 
schlechte  Bonität.  Der  dort  wachsende,  etwa  100  jährige  Fichtenbestand  mit 
einzelnen  beigemischten  Vogelbeerbäumen,  ist  ziemlich  licht  und  von  Schnee- 
bruch in  den  Baumkronen  beschädigt.    Von  da  verbreitet  sich  der  Wlckler- 


1)  Komärek,  J.,  Der  Lärchenwickler  (Grapholila  diniana)  als  Fichten- 
vernichter.  —  Verhandl.  Intern.  Kongreß  Forstl.  Versuchsanst.  Stockholm,  1929. 
Pfeffer,  Ant.,  Zavijec  modrinovy  Enarmonia  (Epino/ia,  Steganoptycha)  diniana 
Gn.   {pinicolana  Z.).  —  Lesn.  prace,  roc.  IX  (1930). 


Nachtrag.  799 

fraß  auf  alle  Seiten,  hauptsächlich  nach  Norden  und  Nordosten.  Zuerst 
wurden  die  alten  (loo  jährigen)  Fichten  befallen,  später  konnten  wir  den 
Fraß  auf  allen  Altersklassen  beobachten." 

Die  oft  beobachtete  Ungleichheit  im  Fräße  an  den  einzelnen  Bäumen 
ist  durch  die  zeitliche  Verschiedenheit  im  Austreiben  der  Knospen  bedingt. 
Sehr  früh  treibende  Fichten  wurden  fast  ganz  verschont,  ebenso  auch  sehr 
spät  treibende.  „Meistens  werden  die  höchsten  Kronenpartien  der  alten 
Fichten  beschädigt,  während  die  unteren  Teile  immer  verschont  bleiben.  Auf 
ganz  jungen  Fichten  ist  der  Fraß  bis  zur  3.  Häutung  der  Raupen  kaum  zu 
bemerken,  da  die  jungen  Raupen  unter  den  Deckschuppen  sitzen,  wo  sie  eine 
kleine  Höhlung  ausfressen."  „Die  einzelnen  Nadeln  werden  von  der  Spitze 
bis  zur  Basis  benagt,  oft  wird  auch  der  Trieb  selbst  befressen,  so  daß  dieser 
sich  dreht."  Durch  den  sich  alljährlich  wiederholenden  Fraß  und  durch  den 
natürlichen  Abfall  der  alten  Nadeln  werden  die  Kronen  immer  lichter,  so 
daß  der  Wald  ein  ganz  eigentümliches  Aussehen  erhält  und  der  Boden  sich 
rasch  mit  verschiedenem  Gras  usw.  bedeckt. 

Als  Feinde  wurden  in  Böhmen  eine  Reihe  von  Vögeln,  Raubinsekten 
und  Parasiten  beobachtet.  Von  den  Vögeln  nennt  Pfeffer  Sperling  und 
Ammer  und  außerdem  große  Schwärme  von  Finken,  Staren  und  Kreuz- 
schnäbeln, von  Raubinsekten  Calosoma  sycophanta  L.,  Carabus  nemoralis, 
Anatis  ocellata  (Imago  und  Larve)  und  die  Larven  von  verschiedenen  Syr- 
phiden. 

An  Parasiten  führt  Pfeffer  an:  Die  Tachinen  Nemorilla  macu- 
losa Meig.  und  Lydella  nigripes  Fall.,  und  die  Schlupfwespen:  Phaeogeues 
lascivus  Wesm.,  ischio7neliniis  Grav.,  Microcryptus  micropterus  Grav.,  Pimpla 
examinator  F.,  Triclistiis  pallidipes  Holmgr.,  Bassus  laetatorius  F.,  und 
Nemeritis  caudatula  Thoms. 

Die  meisten  dieser  Parasiten  wurden  ursprünglich  hauptsächlich  in  den 
Raupen  von  Argyroploce  variegana  Hb.  und  Pandemis  ribeana  Hb.,  die  in 
jenen  Wäldern  zwischen  versponnenen  Blättern  von  Vogelbeeren  leben,  fest- 
gestellt (und  zwar  bis  zu  80 0/0  Parasitierung),  erst  später  gingen  sie  auch 
auf  die  Lärchenwicklerraupen  über. 

Epidemiologisch  spielte  bei  der  böhmischen  Kalamität  das  Klima 
zweifellos  eine  wesentliche  Rolle.  Die  trockenen  und  warmen  Sommer- 
monate in  den  Jahren  1928  und  1929  haben  die  Vermehrung  außerordentlich 
begünstigt.  Die  abnorm  warmen  Monate  Mai  und  Juni  1930  waren  ebenfalls 
noch  sehr  günstig  für  die  Raupenentwicklung.  Die  sehr  kalten  und  nassen 
Monate  Juli  und  August  waren  dagegen  sehr  ungünstig  für  die  Puppen- 
entwicklung wie  für  die  Eiablage,  so  daß  mit  einem  Abflauen  der  Gra- 
dation im  Jahr  1931   zu  rechnen  ist. 

Bekämpfungsversuche  mit  Esturmit  (40 — 45  kg  pro  ha)  hatten 
guten  Erfolg;  es  dürfte  der  einzige  Weg  sein,  dem  Schädling  wirksam  ent- 
gegenzutreten. 

Pyraliden. 
Salebria  marmorata  Alph.  und  Etiella  zinckenella  Tr. 

Die  beiden  Zünsler  Salebria  mannorata  Alph.  und  Etiella  zinckenella 
Tr.  werden  verschiedentlich  als  Schädlinge  an  Akazie  bzw.  Robinien  genannt. 
Nach  Kiß   (Erdeszeti   Lapok.    1901.   p.  522 — 529,   siehe   Ecksteins  Jahres- 


800  Nachtrag. 

bericht  f.  1901,  S.  97)  hat  Etiella  zincketiella  in  den  22000  Joch  großen 
Akazienbeständen  bei  Scegedin  im  Jahre  1895  nicht  weniger  als  950/0  der 
Samen  zerstört.  Als  Parasit  wurde  der  Braconide  Phanerotoma  dentata  Pz. 
gezogen,  welcher  in  den  folgenden  Jahren  790/0  der  Schädlinge  tötete. 

Nach  N.  Sakharov  (Report  of  the  Entomological  Department  for  the 
years  1910 — 1925.  Trans.  Saratov  Agr.  Exp.  Stat.  1925)  kommen  die  beiden 
Arten  in  Rußland  als  wichtige  Akazienschädlinge  vor.  Eingehende  Beobach- 
tungen über  die  Lebensweise  der  beiden  Zünsler  teilt  O.  Pilyugina  mit 
(s.  Rev.  of  appl.  Ent.  XIV,  p.  29  und  XVII,  p.  149). 


Autorenregister. 


A. 

Adler  684. 

Aigner-Abafi   606,    608. 

Allers  ^-iT,  683,  -j-il- 

Altum  162,  169,  170,  174, 
175.  177,  193,  208,  221,223, 
224,  226,  251,268,  274,276, 
287,  296,  299,  305,  342,  346, 
357,  358,  359,  361,362,368, 

?>n,  382,  391, 393,394,398, 

407,  408,  409,411,412,414, 

419,  430,  431,  434,437,445, 

448,  451,  452,  495,  5 '2,  513, 

539,  569,  570,  583,  596,  608, 

637,  644,  723,  758,762,763, 

764,  765,  766,  767,770,781, 

784,  787,  788,  7S9,  790,  792. 

794,  795- 
Amyot    179,   208. 
Anonymus   160,  208,  237,268, 

350,    378,    539,    5S3.    795- 
Atmore   446,    453. 

B. 

Bachstein   583. 

Backe    252,    268. 

Badermann   544,    583. 

Badoux    321,   322,   378. 

Baer  30,  130,  131,  164,  182, 
183,  198,  199,  207,208,212, 
213,  220,  221,  222,223,226, 
227,  255,  268,  273,275,286, 
290,  291,  295,  300,309,310, 
311,  313,  316,  328,329,334, 
335,  336,  337,  339,  344,  347- 
348,  349,  350,  351,352.353. 
361,  363,  368,  369,370,371, 
372,  373,  374,  378,388,398, 
418,  419,  427,  434,435,436, 
438,  439,  440,441,442,  444, 
445,  446,  447,  448,  451,453, 
520,  527,  534,  535,  556.631, 
702,  703,  704,  705,  706,  708, 
715,  716,  758,  780,784,794. 

Bail    179.    208,   718,    758. 

Baltz    258,   268. 

Bando  657,  758. 

Barbey  203,  204,  208.  262, 
269,^450,   583- 

Barger   419. 

Barret    262,    269,    453. 

Bau    12t;. 


Bauer  767. 

Baumer    539,    583. 

Baumgarten  250,  260,  261, 
269. 

Baumgartner   251. 

Bechstein  236,  251,  259  ,374, 
569. 

Bechstein  und  Scharfenberg 
269. 

Beck    538,    730. 

Behr   257. 

Beling  350,  352,   378. 

Berenger   159,    160,  208. 

Berg,    V.    290,    347,    350,    378. 

Berge    529. 

Berge-Rebel    125. 

Berlepsch,   v.   257. 

Berliner   72. 

Bernas   478,   492,   495,    583. 

Bertog    583. 

Bervvig  51,  53,  63,  539,  619, 
652,  653,  654,  663,666,668, 
670,  671,  672,  673,681,682, 
687,  702,  718,  719,721,722, 
726,  730,  737,  738,  739,  740, 
741,  742,  743,  746,  758. 

Biebl    766. 

Blaschke    529. 

Bledowski  und  Krainska  707, 
708,  75S. 

Blum   208. 

Blum    und    Bechstein    189. 

Blunck    53,    55,    58,    61,    66, 

477- 

Blunck-Bodenheimer  641. 

Boas  295,  443,  445,  447,  453- 

Boden    191,    192,   208. 

Bodenheimer  53,  54,  55,  56, 
57,  60,  61,  62,  64,  65,  66, 
69,  284,  285,  290,  378,  383, 

391,    393.    394- 
Bodenheimer  und  Klein  394. 
Börner   15,   102,   131,   132,210, 

422,  454,  455. 
Bohutinski    758. 
Bolle   79. 
Bongini    394. 

Borchers    87,    97,    491,    583. 
Borchers  und   May   568,   584. 
Bordas  254,   269. 
Borggreve    189,   208,289,378. 
Borgmann   154,    156,  208,224, 


Ischerich,  For-ntinsekten,  Bd.  III. 


269,  339,  340,  341,359,360, 

378,  453,  569,  570,  575,  583, 

584,   595,  608. 
Borgmann    und    Altum    155. 
Borkhausen    125. 
Borries    208,    295,    309,    310, 

334,  336,  378,434,441,  442, 

443,  445,  446,  448,  453. 
Bourgeois   176,  208,  237,  269. 
Bouvier  656,   758. 
Brauer   3. 

Braza  543,  668,  T^-j. 
Brecher   584. 
Brehm  125,  426. 
Bremer    53,    57,    62,    63,    64, 

66,  660. 
Brettmann  624,   758. 
Bülow,    V.    567,    568,    584. 
Büsgen    294,    295,    296,    297, 

299. 
Buk   232,    236. 
Büro   758. 
Busk   378. 
Butovitsch,   V.   201,   208,   372, 

378,  609. 

C. 

Cecconi    145,    185,    202,    204, 

244,  248,  249,  263,357,403, 

406,  409,  772. 
Champion   584. 
Ciopkalo  391,  393,   394. 
Coad  84. 
Coaz   191,   208,  312,  314,  315, 

316,  317,  321.  323,324,325- 

326,  378. 
Cohn   785,   786,   795. 
Comstock     u.     Needham     10. 
Conrad    683,    684,    758. 
Cook   53,  62,  63,  783. 
Courtin  325. 
Czech  342,  366,  378. 
Czerwinski   und    Kuntze    521, 

551,   554.   5S4. 


Dafert    u.    Kornauth    584. 
Dahl   125. 

Danilow   584,    598,    599. 
Davall   313,   321,   327,   378. 
51 


802 


Autorenregister. 


De  Bary  418  ,419. 

De  Geer  576. 

Del  Guercia  394. 

Denis   u.   Schiffermiller    125. 

Dewitz  32. 

Dingler   302,   378. 

Disqu^     125,    201,    203,    205, 

208,  229,  Z71,  432,434,450, 

451,    453- 
Döbner  -^n,  379,   596- 
Dolles    347,    349,    350,    351, 

379,   758. 
Drohsin    584. 
Dufrenoy   357. 
Dziurzynski  465,   584. 

E. 

Ebermayer  364,  367,  379, 
595,    608. 

Ebert  84  ,85. 

Eberts   260,   269. 

Eckstein,  F.  53,  63,  469,  470, 
472,  493,  495>  497,  502,  503, 
504,  505,  518,  519,520,532, 
533,  534,  535>  584- 

Eckstein,  K.  125,  201,  209, 
226,  240,  241,  259,  260,  269, 
276,  296,  379,  442,453,456, 
465,  486,  545,  553,  557,  559, 
584,  594,  606,  607,  608,  628, 
630,  631,  634,  635,637,639, 
640,  641,  645,  648,  653,  657, 
663,  758,  764,  777,77^,779, 
795.  799- 

Efd.   269. 

Ehlert    549,    565. 

Eicke  261,  269. 

Eidmann  15,  16,  17,  18,  19, 
20,  21,  22,  23,  434,  435, 
436,  437,  439,  453,  468,  476, 
477,  496,  518,  519,520,521, 
522,  523,  527,  528,  532,  534, 
535>  536,  550,  551,552,554, 
555,  556,  558,  560,  566,  584, 
593,  594,  608,  632,633,706, 
721,  722,  723,  724,758,789. 

Eidmann   u.    Berwig   88,    89. 

Ende   260,   269. 

Enderlin  322,  325. 

Engel,    E    .0.    523,    524,    529. 

Engel,   H.  25,  26,  27,  28,  29. 

Escherich,   G.    U.   70,  99. 

Escherich,  K.  52,  79,  81,  95, 
96,  183,  209,  223,  257,  312, 
313,  323,  379,  491.505,516, 
566,   584,  700,  723,  759. 

Escherich  u.  Baer  171,  295, 
379,  419,  706,  759- 

Esper    125. 

Etzel,  V.  323,  327,  379. 

Eulefeld  269,  379. 


Fahringer  393,  398,  406,411, 

413,  415,  417,   520,784,786, 

795- 
Falck  258,  269. 
Fankhauser     178,     179,     189, 

191,  209,  233,  234,  237,  269, 

379- 
Feit  394. 
Feytaud,   J.    797. 
Fischer      von     Rößlerstamm 

125. 
Flos   557,   558,   559,   560,   565, 

584. 
Förtsch    350. 
Franz   379. 

Frey  125,   189,  209,  277,  379. 
Freyer   125. 
Friederichs    54,     59,    60,    69, 

499,   501,   502,   584,  679. 
Friederichs     u.     Steiner     71, 

482,    547,    568,    584. 
Frisch,  v.  38. 
Fritsche  372. 
Froehner  93. 
Fuchs     312,     322,     323,     325, 

379,  440,  446,  448,   453. 
Fuchs,    Gilb.    717,    723,    759. 
Fürst   759. 
Fulmek    145,    179,    209,    795. 

G. 

Galachow   84. 

Garthe    584. 

Gasow  244,  245,  246,  247, 
248,  250,  251,  252,253,254, 
255,  258,  259,  260,261,263, 
264,  265,  266,  269,  283,  285, 
286,  291,  292,  294,  295,  299, 
379- 

Gebbers   209,   379. 

Geiger   55. 

Gericke  374,  375,  376,  377, 
379- 

Gerstäcker  612. 

Geyr,   v.   706. 

Gieseler    584. 

Gigglberger  759. 

Gillmer  773,   795. 

Gintl   236. 

Girard   262,    269,   333. 

Glaser  81. 

Gleisberg  394. 

Görnitz   89,    554,    584. 

Goffart   262,   269. 

Granowsky    84. 

Graßmann  183. 

Green    170,   209. 

Gretsch    584. 


Greulich  430. 
Grevillius   249,   269. 
Großer    260,    269. 
Guderian  565. 
Güttier   263. 
Güttler-Schärfe    87. 
Guidon  315. 

Guse   237,   269,   584,  759. 
Guth    480. 

H. 

Habermehl    717,    759. 

Hänel    533,    534. 

Hagen   122. 

Hancock   253,   269. 

Handlirsch  i,  2,  3,  5,  6,  7, 
24,  loi,  102,  107,  115,  116, 
117,  118,  131,  210,422,454, 
455,  456,  609,  611,  612. 

Harris  500. 

Hartig  139,  141,  163,  169, 
170,  197,  198,  209,  291,  303, 
366,  373,  379,  538,  541,  542, 
543,  585,  593,  608,  657,  693, 
759- 

Hartmann  125,  140,  145,  152, 
209,  342,  418. 

Harwood    404,    420. 

Hase    53,   709,   710,   711,   759. 

Hasebroek   35. 

Hausendorff  672,  684,  735, 
759- 

Headlee  69. 

Hein  795. 

Heinemann  10,  loi,  125,  167, 
176,  186,  197,  199,209,294, 
342,  406. 

Heinrich  379. 

Hellwig  505,   565,   585. 

Hennert    570,   657,   759. 

Henschel   359,   393,   773,  795. 

Henry     262,     269,     346,     350, 

379- 

Henseval   387. 

Hepp  234,  236,  269. 

Hering  14,  31,  32,  36,  37,38, 
40,  41,  42,  44,  45,  47,  48, 
102,  110,  125,  132,  134,  142, 
145,  148,  181,  184,  186,  187, 
193,  200,  209,  272,456,611, 
612. 

Herold  780,  781,  782,  783, 
784,  785,  786,  795. 

Herrich-Schäffer  loi,  294, 
311,   342. 

Herwig    259,    260,    269. 

Heß   473,    585,    596,   608. 

Heß-Beck    259,    260,   487. 

Hesse    679. 

Hesselink   672,   759. 

Hey  269. 

Heydemann    574. 


Autorenreo^ister. 


803 


Heyden   174,    175,  209. 
Heymons    2,    3,    4,     5,     loi, 
102,  HO,  125,  131,  422,426, 

454,  455- 
Hilf   und    Wittich   644,   666, 

672,  699,  734,  735,  759- 
Hintzelmann   709. 
Hochhäusler    342,    359,    379. 
Hoffmann  795. 
Hofmann,   Chr.  47. 
Hofmann,   E.   125. 
Holder  97. 
Holmers  492,   585. 
Holste   374,   375,   432,  453. 
Plorväth   330,    331,    332,  333, 

379- 
Howard    52. 
Hübner   125. 
Hunter  53. 

I. 
I.   H.   270. 
Hse  349,  379. 
Imms  9,   16,  34,   113. 
Israel    259,    269,   394. 

J. 

Janisch    53,    56,    61,    69,    479, 

485. 
Jazentkowski    630,    759. 
Jentsch    346,    351,    379. 
Joly    269,    274,    276. 
Jolyet,  A.  798. 
Jordan  7,   257. 
Jucht  470,  471,  476,  496,  532, 

S33,  536,  549,  563,  564,  565, 

585. 
Judeich    229,    236,    361,    362, 

363,  366,  372,  379. 
Judeich-Nitsche  625. 
junk   125. 

K. 

Kalandadze  90,  91,  92,  478. 
482,  566,  585. 

Kaiisch  406. 

Kaltenbach  251,  480,  585, 
762. 

Kamptz   534. 

Keller  176,  177,  193,  194, 
196,  209,  346,  347,349,379- 

Kemner  193,  194,  195,  196, 
209,  397,  398,  399,400,401, 
405,  408,  409,  410,417,419, 
420. 

Kennel  125,  211,  212,  214, 
215,  220,  224,  225,229,237, 
238,  239,  270,  272,301,303, 
304,  305,  308,  326,330,333. 
334,  339,  340,  341,  342,  353, 
354,  358,  361,  377,  799- 

Kerner  v.   Marilaun  38. 


Kessel,   v.   717,   759. 

Kieffer   526. 

Kirchner  406. 

Kirkpatrick    53,    69. 

Kiss  799 

Kleine    783,    795- 

Klimesch   259,   270. 

Knauth    471,    473,    476,    494, 

495.   585- 
Knoche  63,  79. 
Knuth   2. 

Kob  637,  643,  656.  657,   759- 
Koch  233,  234,  236,  270,312, 

318,  326. 
Kohli  534. 
König  585,  672,  689,  729,  730, 

731,  733,  745,  759- 
Koppen    262,    270,    326,    379, 

724,  759- 
Kolster    473,    475,    47^,    487, 

536.  537,  585- 
Komärek    81,    87,    270,  798. 
Komärek    u.    Breindl   79,   80, 

81,   82. 
Korb    126. 
Korotkich    84. 
Kossobuzkij   795. 
Krätzl    539,    585. 
Kranold  565. 
Krauße    152,    209,    241,    270, 

298,  423,  424,  425,  602,  603, 

609,  624,  706,  759. 
Krebel   539,    585,  730,  759. 
Krichler  257. 
Krieg   250,   251,   263,   270. 
Kuhn  620. 
Kuhnert   717,   718. 
Kujawa,     v.     777,     778,    779, 

795- 
Kunike  40. 
Kutter    388,    395. 

L. 

Lade    129,    130. 

Lakon   538,  720. 

Lambillon    420. 

Lampert    13,   23,    126. 

Landmann   364,   366,   379. 

Lang_  585. 

Laubinger    270. 

Lebert   537,    538,   585. 

Lederer    795. 

Lehmann  355,   380. 

Lehner   u.    Berwig   666,    668 

746. 
Lehre  261. 
Lemmel    729. 
Leythäuser      495,     496,      503 

540,   544,   585. 
Liebig  679. 
Liese  689,   698,   759. 
Linker,  v.  377. 


Linne   460. 

Ljungdahl  624,  759. 

Loos    169,    170,    190,    191,  192, 

209,  380,   534. 
Lovink  279. 

Lovink  en  Ritzema  Bos  380. 
Ludwig  383,   395. 
Lüstner    184,     185,    209,    255, 

260,  270,  348,  380. 
Lynker  260,   270. 

M. 

Mac  Dougall  209. 

Malenotti   780. 

Mally  84. 

Marchai   159. 

Marchai   et    Foex   130. 

Marchand   323,   380. 

Maresch  327,  380. 

Marti   190,   192,  209. 

Martini   56. 

Mattes  72,  73. 

May    585. 

Mer  380. 

Merck  87,   568. 

Methner  491,   585. 

Mey  585. 

Meyer,  E.  619,  625,  626,  627, 
628,  630,  636,  637,  638,  640, 
643,  647,  655,  658,660,668, 
669,  670,  672,  673,677,681, 
684,  685,  723,  727,728,736, 
738,  743,  745-  760. 

Meyer,   P.   F.  31. 

Meyer,   R.   568,   585. 

Meyerinck  259,  270. 

Meyrick  238,  361. 

Minkiewiez  795. 

Mitterberger  229,  230,  270, 
312. 

Miyajima  79,  81. 

Miyak6  2,  3. 

Möller  365,  380. 

Mokrzecki  158,  161,  209,621, 
760,  792,  794,  795- 

Moril  84. 

Mühlwenzel    539,    585. 

Müller  666,  760. 

Müller,   K.   R.   793,   796. 

Müller    und    Molz    783,    784, 

795- 
Müller-Thurgau   361. 
MüUer-Thurgau,  Osterwelder 

und    Schneider-Orelli   380. 
Münch   693. 
Mütze  270. 

N. 
Nägeli    312,    314,    315,    316, 

380. 
Neblich    203,    204,    209,    377, 
380. 

51* 


804 

Nechleba   287,   288,   380,  760. 

Necola  262,   270. 

Neillie   und    Houscr   83. 

Neumeister    738,    739,    760. 

Nitsche  10,  11,  51,  140,  155, 
157,  158,  189,  190,  191,  193, 
221,  228,  232,  247,  249,  251, 
259,  274,  289,  290,  296,  297, 
305,  307,  311.  334,346,353' 
360,  361,  362,  363,  368,  372, 
374,  412,  415,  443,451,452, 
470,  471,  472,  474,476,480, 
491,  492,  502,  503,515,540, 
541,  543,  569,  585,604,610, 

611,  612,  618,  637,644,656, 
657-  739.  760,  762,771,773, 
7^7'  794- 

Nördlinger     239,     257,      262, 

270.   346,   442,   446. 
Nüßlin    140,    205,    206,    274, 

276,   294,  662. 
Nüßlin-Rhumbler     591,     594, 

612,  762,  791. 


Oberdieck   746,   759. 
Ochsenheimer    u.    Treitschke 

126. 
Oehme  420. 
Osterhold    539,    585. 
Ostreykowna    793,    794,    796- 
Otto    257,    261,   270. 
Oudemans  684,   760. 

P. 

Pagenstecher    126. 
Paillott    78. 
Pantel   712. 
Pape   793,   796. 
Parfentjew  84. 
Pernedes    519. 
Petersen  8  ,21. 
Petsch   389,   395- 
Pfankuch   704. 
Pfeffer,    Ant.   798,   799. 
Pfeil    585,   723,   733. 
Pictet    36. 
Piercc    53,    59,   60. 
Pilvugina,   O.    800. 

Plat/;97. 

Plotnikow   520,    585. 
Pomerantzew   310,    380. 
Poskin   263,   270. 
Pospielow  784,  786,  796. 
Praun  200. 

Prediger   260,    270,    585,    593. 
Prell  37,  79,  80,  81,  312,313, 

316,  327,  706,  709,712,713, 

714,  715,  760. 
Prowazek  79,  80. 
Puetter  56. 


Autorenregister. 

R. 

Roethel    539,    585. 

Raesfeld,   v.   377,   380. 

Romanoff  434. 

Ragonot   434,    436,    441.   442, 

Rosen,   v.   201. 

446,    448,    453. 

Rossikow    783. 

Ragusa   420. 

Rotberg   766. 

Ratzeburg    54,    55,    144,    158, 

Rübsaamen  344,  380. 

159,   164,   166,   168,  177,  184, 

Rühl,    Heine    u.    Bartel    126, 

190,    199,  202,  205,206,220, 

Ruschka  529. 

226,  228,  229,  230,  231,  232, 

Ruzicka  82. 

233,  234,  235,  236,246,247, 

250,  251,  252,  253,258,267, 

S,  Seh,   St. 

268,  270,  274,  278,  279,  280, 

Saalas   Uunio  760. 

283,  284,  288,  289,  291,  292, 

Sabin- Gus   84. 

294.  295,  296,  297,295,302, 

Sachtleben  64,  619,  620,  622, 

303,  304,  306.  308,310,313, 

624,  627,  628,  632,  634,  637, 

322.  334,  335,  336,342,343, 

638,  640,  644,  645,  647,  648, 

346.  347,  348,  350,  358,  359, 

656,  657,  658,  660,  673,  677, 

361,  362,  363,365,366,367, 

698,  702,  703,  704,  705,  706, 

368,  369,  370,  371,372,373, 

707,  708,  709,  710,711,712, 

374,  375,  376,  380,385,386, 

715,  716,  717,  729,730,736, 

387,  388,  393,  403,406,411, 

737,  739,  758,  760. 

414,  416,  417,  423,429,430, 

Sakharow  (S.  Ssacharow),   M. 

434,  440,  442,  445,  447,  448, 

800. 

453,  462,  469,  473,  474,  476, 

Samal  797. 

480,  491,  493,  496,5:5,  516, 

Sartorius   352,   380. 

521,  532,  533,  534,539,541, 

Saxesen    168,    597. 

542,  545.  570,  575,581,596, 

Schaal    145,    210. 

597,   599,  606,  607,623,630, 

Scheidter   555,   586. 

639,  643,  644,  657,  670,  672, 

Schering-Kahlbaum     87,     97, 

688,  689,  696,  698,  706,  707, 

98. 

708,  709,  724,  733,  737,  760, 

Schernthaner    312,    316,    319, 

768,  771,  772,  778,783,787, 

327,  380. 

789,  790,  794,  795- 

Schewyreuw    586,    604,   609. 

Reaumur  248,  356. 

Schier   363,   367,   380. 

Rebel  368,  380,  427. 

Schimitschek  306,  380. 

Redtenbacher  724. 

Schlechtendal,   v.   344,   380. 

Reh    54,    157,    159,    160,    161, 

Schmidt   586. 

171,   18S,   196,   197,209,250, 

Schnauer    62. 

260,  270,  376,  389,419,420, 

Schneider  260,  270,  735,  760. 

425.   593.   599.  776. 

Schneider-Orelli      326,      586, 

Reichclt   419. 

589,  590,  609. 

Reif  608. 

Schönbach   236. 

Reiß  380,    585. 

Schoepf  365,   380. 

Reißig   93,   94,    191,   209,  568, 

Schöyen  268,  270,   586,  599. 

585.^ 

Schotte  98,   99,   518,   567,586. 

Renne  259,   270. 

Schreiber    126. 

Rennie    262. 

Schreiner    i 58. 

Reume    270. 

Schütze     126,    164,    165,    166, 

Rhumbler    48,     50,    87,     189, 

168,  210,  310,  336,346,368, 

481,   516,   547,   548,585,781. 

371,  380,  411,  418,  420,434, 

Richir  270. 

441,  446,448,  449.  453- 

Rimsky-Korsakow     231,     270. 

Schulz   236,   270. 

Ritter  261,   270. 

Schulze    234,    397,    403,    404, 

Rittmeyer    191,   210. 

420,  710,  711,  760. 

Ritzema-Bos    278,    279,    280, 

Schuster    255,    260,    270,    395. 

281,  292,  380,  390,724,760, 

Schwangart    158,    210,   255. 

796. 

Schwerdtfeger    55,    100,    468, 

Rockstroh    260. 

469,  470,  472,  473,  476,  477, 

Rodzianko   380. 

478,  479,  482,  483,  486,  487, 

Rörig   533. 

488,  489,  490,  491,511,516, 

Rösel  von  Rosenhof  251,255, 

546,  548,  549,  556,  559,  560, 

295,  385,  386. 

561,  562,  565,  567,  586,  662. 

Äutorenrcgister. 


805 


Scott   253,  270. 

Sedlaczek  263,  364,  367,  381, 

687,   724,   725,   738/760. 
Sedlaczek  u.  Kubelka  760. 
Seelig  473. 
Seeling   534. 
Seiff  466,  467,  472,  475,477, 

560,  569,  570,  571,572,  573, 

586,  619,  638. 
Seitner    517,     518,    521,    523, 

524-    525,   586. 
Seitz    126. 
Severin    149,    381. 
Shelt'orcl    53,   61,    643. 
Sich   248,   270. 
Sihler    158,    210. 
Silfeniiis   5. 
Siltala   4,    5. 
Silvestri    244,    246,    253,    254, 

255,  266,  267,  271,345,381, 

796. 
Sindersberger  620,   746. 
Sinner    620. 
Sinz    66. 
Sitowski    398,    420,    520,    586, 

707,  760. 
Smits    van    Bürgst    250,    271, 

381,  705,  708,  761,   798. 
Sorauer    54. 

Sorhagen    126,    140,    2:0,411. 
Spangenberg,    v.    539,    586. 
Spessi\tseff     463,     576,     577, 

578,  579  ,580,  586. 
Speyer   87,   91,   92,   355,   381, 

575- 

Sprengel    631,    632,    761. 

Sproßmann  350,  352,  381. 

Spuler  7,  IG,  II,  15,  24,  25, 
33,  39,  102,  126,  128,  132, 
139,  143,  144,  145,  147,  153, 
162.  172  ,173,  177,  178,  179, 
181,  184,  188,  198,  199,200, 
201,  202,  203,  204,207,220, 
228,  301,  302,  303,  304,  308, 
341,  353,  358,  368,411,417, 
418,  422,  423,  427,429,454, 
456,  460,  471,  529,  574,576, 
581,  611,  624,  762,763,768, 
776. 

Ssacharow  (S.  Sakharow)  604, 
605,  606,  609. 

Stainton    30,     132,     144,    210. 

Stainton,  Zeller,  Douglas  and 
Frey    126. 

Stäger   2,   3,    179,   210. 

Standfuß  176,  210,  314,  322, 
323,  324,  326,  381. 

Stange  446,  453. 

Staudinger  126.  397,  404, 
420,   442,  453. 

Siaudinger-Rebel  132,  159, 
177,    184,   368,  456,  611. 


Stein   715. 

Steiner  516,  520,  521,  522, 
523,  524,  526,  527,  528,  530, 
531-  538,  553,  554,  586. 

Stellwaag  32,  89,  93,  152, 
210,  271,  390,  593. 

Stichel   395. 

Stober  39. 

Stoltzenberg    266. 

Streck    761. 

Stschelkanovzeff   605,   609. 

Stubenrauch    746,    761. 

Süffert    und   Zocher    13. 

T. 


Taschenbe 

•g    I 

+6, 

239, 

250, 

255- 

Teichmann 

549 

Terstesse  602. 

Theuerkau 

f   625,    76 

I. 

Thiem 

589.     591,     592, 

593, 

595. 

609 

Thienemann  4, 

5- 

Thomann 

273- 

274. 

276 

293, 

294, 

312, 

313. 

314 

316, 

317, 

319- 

322, 

323, 

325, 

368,  369, 

38.. 

446. 

Tieffenbach    406. 

Titsch 

ack 

36,    I 

48, 

150, 

210. 

Tomal 

a   41 

8. 

Torgc 

359. 

360, 

381 

Tov.nsend 

527. 

Trägä 

rdh 

133, 

139, 

140, 

141, 

142, 

146, 

i68. 

172 

173 

174, 

175- 

179, 

180, 

185 

204 

205, 

206, 

210, 

226, 

238, 

239, 

240, 

271, 

296, 

309, 

31' 

347 

374. 

375. 

2>n, 

381, 

395 

449 

453, 

470, 

498, 

503, 

520 

534 

535, 

586, 

600, 

609 

Tramr 

itz  236,  2 

71- 

Treitschke 

299. 

Tubeu 

f,     \ 

•     365,     3 

81, 

619, 

689, 

690. 

691, 

692, 

693,  694, 

696, 

718, 

719, 

720, 

730, 

749, 

758, 

761. 

Tullgreen 

796. 

Tutt    1 

40, 

210. 
U. 

Uff  ein   271 

.   590,  609. 

Uphot 

83. 

Ulmei 

5- 

Uslar, 

\-. 

350, 

352, 

381 

Uvarow    53 

V. 

Varendorf  586. 
Varrichon   386,   395. 
Vetter    746,    761. 


Vietinghoff,  v.  241,  242,243, 
255,  271,  496,  533,658,666, 
668,  669,  684,  725,734,738, 
761. 

Villeneuve   715. 

Vitkevitsch   84. 

Voelkel    567,    586,   711,  761. 

Völker   502,    586. 

Völz   89. 

Volz   253,   258,   260,  261,  271. 

W. 

Wachtel    363,    365,    366,    368. 

Wachtl  226,  229,  231,  233, 
234,  235,  236,  237,271,294, 
305,   306,  381,  441,  453. 

Wagner  126.  539,  586,  69g, 
761. 

Wahl   30,    210,   796. 

Wahnschaffe    255,    259,    271. 

Wallnöfer  496. 

Walter   500,   637,   638,   761. 

Walther  255,   271. 

Wehrli    574. 

Weis  619,  740,  743,  744.745, 
761. 

Wellenstein   723. 

Wendt    558,    559,    587. 

Werneburg  259,  271,   596. 

Werth    142,    143,   210. 

Wiese  250,  257,  259,  271, 
593.  594,  595,  609. 

Wilbrandt  790,   796. 

Wild  260,  271. 

Wilde    575. 

Wilhelm   284,   381. 

Williams  69. 

Willkomm    220,   221,   271. 

Wocke    loi,    169,   453. 

W^olff  93,  94,  261,  271,  463, 
464,  465,  469,  470,471,472, 
473,  476,  478,  480,  492,  493, 
494,  496,  497,  502,  503,  504, 
510,  518,  519,  520,532,537, 
538,  544,  545,  548,  549,  550, 
555,  557,  560,  565,  587,  594, 
609,  655,  656,  672,699,709, 
710,  7'i2,  717,  730,731,745, 
76i._ 

\\'olff  u.  Krauße  114,  122, 
346,  -^.Tj,  455,  594,628,639, 
644,  647,  657,  672,  686,  706, 
720,  724,  725,  730,  734,  735, 
738,  761. 

Wolff,  Krauße,  Hilf  u.  Liese 
761. 

Wood   353,    381. 

Woroniecka-Siemaszkowa 
767,  796. 

Wyschelesskaja    84. 


806 


Autorenregister. 


z. 

Zacher  149,  150,  151,  152, 
208,   210,   430,  43 i,  453. 

Zander  15. 

Zarring  84. 

Zebe  358,  359,   372. 

Zebrasoski  271. 

Zebrawski   236. 

Zederbauer  63,  497,  587,  670, 
761. 


Zeller    loi,    210,   267. 
Zeußner    und    Märtens    271. 
Ziegenmeyer   224. 
Ziegler  531,   587. 
Zimmermann    83,     192,     210, 

783,   796. 
Zincken  gen.   Sommer  453. 
Zinke    657,    762. 
Zlick  236,  271. 
Zukowsky  420. 
Zweigelt    63. 


Zwierizomb-Zubkow 
Zwölfer  61,  69,  71 
76,  n,  79,  504, 
623,  625,  628,  629, 
633,  634,  635,  636, 
641,  642,  643,  644, 
647,  649,  650,  653, 
660,  661,  666,  668, 
672,  673,  674,  675, 
678,  679,  680,  68 r 
687,  717,  727,  728, 


Ski   599. 

,  74,  75, 
619,  621, 
.630,631, 
,  638,  640, 
645,  646^ 
.  656,  659, 
669,  670, 
676,  677 , 
683,  684, 
735,  762. 


Sachregister. 


Die  kleingeschriebenen  Wörter  bedeuten  Artnamen,    die  hinter  diesen  Namen  stehenden  Buchstaben  die 

Gattung-en.     Die  mit  *  bezeichneten  Seitenzahlen  beziehen  sich  auf  Abbildung-en.    Fettgedruckte  Zahlen 

weisen  auf  die  hauptsächliche  Behandlung  hin. 


Abbrennen  der  Bodendecke 
565. 

Abdomen  einer  Eule   16*. 

abdominalis  A.  137. 

abdominalis  M.  254. 

abdominator  M.  716. 

abeillei   I.  393. 

abiegana  Syn.  329. 

abietanaA.  215,216,  218,  223. 

abietaria  E.  460,  J.62,  463, 
576,    577*,    578*,    579*- 

abietella  D.  428,  429,  433, 
440,  441*,  442*,  443*,  444*- 

abietella  Ph.  434,  440. 

abietella  T.  440. 

Abkürzungen    122. 

Abkürzungen  der  Zeit- 
schriften 124. 

Abraxas  grossulariata  L.  460, 
461,  607. 

—  sylvata  Scop.  460,  461, 
608. 

—  ulmaria  Hb.  608. 
Acalla  Hb.  220. 

Acalla  abietana  Hb.  215,  216, 
218,    223. 

—  ferrugana  Tr.  215,  219, 
220,    221*,    222*. 

—  hastiana   L.   797. 

—  xylosteana    L.    215. 
Acanthocinus   aedilis   L.   699. 
Acanthopleona  Handl.   108. 
aceraria  A.  461,  462,  599. 
aceris  A.  613*,  616,  617,  762, 

767,   768*. 
aceris  N.    138,  143. 
Acidaliinae  460. 
Acrobasis  ZU.  450,  451. 
Acrobasis      consociella      Hb. 

428,   429,  450,   451. 

—  sodalella    ZU.   450,    451. 

—  tumidana  Schiff.  428,  429, 

450,  451. 

—  tumidella  Zok.  450,  451. 

—  zelleri  Rag.  428,  420,  450, 

451,  452*. 
Acrolepidao  104. 
Acronycta  üchsh.  611,  613. 


Acronycta  aceris  L.  613*,  616, 
617,  762,  767,  768*. 

—  alni   L.  616,   762,   769. 

—  auricoma  F.  617,  762,  770. 

—  cuspis  Hb.  617,  762,  770. 

—  leporina  L.  616,  762,  768. 

—  (Craniophora)    ligustri  F. 
762,  770. 

—  megacephala  F.  616,  762, 
768. 

—  psi  L.  616,  762,  769. 

—  tridens    Schiff.    616,    762, 
769. 

Acronyctinae  611,  612. 
Actia  crassicornis  Meig.  255, 
290,  300. 

—  infantula  Zett.  300. 

—  pilipennis   Fall.  255,  290, 
300,  439,  448. 

Aculeate  Tineiden   iio. 

Adela- Arten   138. 

Adela  Latr.  146. 

Adela  congruella  F.  R.  147. 

—  cuprella   Thumb.    135. 

—  ochsenheimerella  Hb.  135, 
146*,  147. 

—  viridella  Scop.  135,  147. 
Adelidae    103. 
Aecidium  elatinum  418. 
Aegeria   F.  398. 

Aegeria    apiformis    Clerk. 

403. 
Aegeriidae  104,   110,112,114, 

117,  395. 
aereus  var.  viridanae  M.  254. 
aescularia  A.  461,   462,   597, 

598*,   599*,  605. 
aescularia  G.  597. 
aescularia  Ph.  G.  597. 
aesculi  B.  389. 
aesculi  C.  389. 
Ätiologie  51. 
Ätiologie  d.  Gradation  (Kie. 

Eule)    666. 
Ätiologie  (Kie. Spanner)  497. 
Agaricus  melleus  372,  438. 
Ageniaspis  fuscicollis  Thom. 

158,  173,  175- 
agilis  P.  292. 


agrotidis  S.  785. 
Agrotis  Ochsh.  611,  614,  776. 
Agrotis  corticea  Hb.  617,  775, 
788. 

—  exclamationis  L.  617,  775, 
787. 

—  fumosa  Hb.  788. 

—  nigricans  L.  617,  775,788. 

—  segetum    615*,    617,    618, 
775,  780. 

—  tritici    L.    617,    775,    786, 
787*. 

—  valligera  W.  V.  776. 

—  vestigialis   Rott.   617,618, 
775,   776,  m*. 

Ahorneule  616,  767. 
Ahornminiermotte    139. 
Ahornmotte  178. 
Ahornwickler   215,   238. 
albicinctus   I.   520. 
albidaria  ab.  B.  465. 
albiditarsis  M.  703,  708,  716. 
albidum   L.   254,   292. 
albipennis   A.   593. 
alboannulatus    Pt.    703,    711. 
Allgemeiner  Teil  6. 
alnetella  N.  143. 
alni  A.  616,  672,  769. 
alniaria  E.  461,  462,  603. 
alniella  L.  136,  184. 
alpina  var.  C.  413. 
Alsophila   aescularia    Schiff. 

597. 
alternans  v.  Kolthoffi  I.601. 
alternans  v.  petulans  G.  601. 
alternaria  S.  461. 
Alucitidae    loi, 
ambiguella  Cl.  215. 
Amblyteles   fuscipennis 

Wesm.  784. 

—  melanocastaneus  L.  784. 

—  rubroater  Rtzb.  703. 

—  vadatorius    Wesm.    784. 
ambulans  L.  388. 
Ammophila  sabulosa  L.  724. 
amoena  W.  703,  716. 
Amphidasis  betularia  L.  461, 

606,  607*. 


808 


Sachregister. 


amplana    L.    216,    219,    354, 

357*,  358. 
Anatis  723. 

Anatis  ocellata  L.  799. 
Anerastiinae  427. 
angelicae  L.  255. 
Angitia     chrysosticta     Gmel. 

181. 

—  chysosticta   Grav.  300. 

—  nana  Grav.   192. 

—  tenuipes  Thoms.  716. 

—  vestigialis  Rtzb.  300. 

—  virginalis   Grav.    192. 
Anhang   69. 

Anilastus  longicornis  Brisch. 

411. 
Anisopterix   aceraria   Schiff. 

461,  462,  599. 

—  aescularia  Schiff.  461,  462, 
597,   598*,   599*,   605. 

annulata  L.  357. 
annulata  P.  41 1,  413. 
annulator  I.  520. 
Anomalon   biguttatum   Grav. 
516,  520,  523,  525*,  703. 

—  cerinops  Grav.  529. 
anthracinus  B.  y]"] . 
Anthrax  hottentottus  L.   703, 

716,   784- 

—  maurus   L.   716. 

—  morio   L.   716,   784. 

—  paniscLis  Rossi  784. 
Anthroceriidae   105,   114,  425. 
Anthroceroidea    Börner    105, 

422,  455- 
Apanteles    albipennis    Nees. 

593- 

—  carbonarius  Wesm.  593. 

—  dilectus  Hai.  181. 

—  fuliginosus  Wesm.   181. 

—  glomeratus  L.  784. 

—  immunis   Marsh.   520,  593. 

—  impurus  Nees.   181. 

—  juniperatae   Bouche   593. 

—  octonarius  Rtzb.  300. 

—  ruficornis  Nees.   18  t. 
Aplelbaumglasf lügler  418. 
Apfelwickler  216,  355. 
Aphanistes     armatus     Wesw. 

703. 

—  xanthopus   Schrk.   520. 
Aphidius  inclusus  Rtzb.  300. 
apiforme   Tr.   400,    401,   402, 

403,   404*,   405*,   411. 
apiformis   A.   403. 
apiformis   S.   403,   416. 
Aprileule  617. 

aprilina  D.  617,618,762,773. 
arator  Ph.  41 1. 
arcenthina    A.    137. 
Arctia  caja  31. 
Arctiaemorpha    114,    455. 


Arctiidae   107,   112,    113,   !I4, 

116,    122,    456. 
Arctiina    107. 
Arctiinae   109. 
arcuatus   C.    192. 
areator  H.  254. 
Argyresthia-Arten    138. 
Argyresthia   Hb.    153,    162. 
Argyresthia    abdominalis    L. 

137- 

—  albistria   Hw.   138. 

—  arcenthina  ZU.  137. 

—  certella  ZU.  135,   136,  16-^, 
166. 

^-  fundella    F.  R.    135,    136, 

162,  163. 

—  glabratella  ZU.    135,    136, 

163,  166. 

—  goedartella    L.    135,     138, 
162*,    163,   171. 

—  illuminatella    F.    R.    135, 

136,  163,   164,    165*,    166. 

—  laevigatella     H.    S.     135, 

137,  163,  169,    170*. 

—  praecocella  ZU.  137. 

-  pygmaeella  Hb.   13;,    138, 
163,   171. 

—  Zelleriella   Htg.  169. 
argyropeza  N.   135,   142. 
Argyroploce   Hb.   300. 
Argyroploce-Raupe    212*. 
Aig)roploce    herzvniana    Tr. 

^i6,  301. 

—  lacunana    Dup.    216,    219, 
302. 

—  variegana   Hb.  799. 
armatus  A.  703. 
arrogans  PI.  325,   520,  717. 
Arvenmotte   176. 
Ascogaster    rufidens    Wesm. 

181. 
asella  H.  424. 
asiliformis  S.  402,  407. 
Aspenbockgallenwickler  216. 
Assel  Spinner  424. 
assimile  L.  300. 
assimilis  Ph.  388. 
Asthenia  (Hb.)   Meyr.  333. 
Asthenia  pygmaeana  Hb.  216, 

217,      333,      334*,      335*, 

337,  353- 
Astiphromma   scutellatum 

Grav.  716. 

—  strenuum  Holmg.  716. 
Ast  Spanner  606. 
atalantae  Th.  254,   300. 
atomaria    H.    461,    463,    467, 

468*,    528,  575. 
atricapitella  N.  142. 
audax  P.   593. 
Augenstellung  einiger  Sesien- 

raupen  399*. 


aulicae   E.  71S. 
aurantiaria  H.  4'^i,  i'^_. 
aurea  L.  290,  398. 
auricoma  A.  617,  762,  770. 
auricularia    F.   292. 
aurulentella  A.  137. 
Ausrufungszeichen  787. 


B. 


Bacillus  thuringensis  72. 

Bären   109,  456. 

Bärenspinner    113. 

bajaria   H.  461,   462,  597. 

Bakterien  ( Kie. Spanner  1  537. 

Bakterienkrankheiten  72. 

Bakterienkrankheiten  (Kie. 
Eule)   717. 

Banchus  falcatorius  Rtzbg. 
520. 

—  f  emoralis  Thoms.  703,  707. 

basalella  N.  143. 

basiconus  M.  716. 

basiguttella  N.  142. 

Bassus  laetatorius   F.   799. 

Beflugskarte  95*. 

Begattung,  Eiablage  u.  Ent- 
wicklung (Kie. Eule)  630, 
632*,   638*,   639*. 

Begattung  ( Kie. Spanner )  473. 

Begattungsakt,  Der  41. 

Beispiel    einer    Analyse    der 
Haupt  Vernichtungsfak- 
toren ff.   (Kie. Eule)   727. 

Bekämpfung  der  Sckundär- 
schädlinge  (Kie. Eule  1745. 

Bekämpfung  (Kie. Eule)  734. 

Bekämpfung  (Kie. Spanner) 
544- 

Bembecia  hylaeiformis  Lasp. 
400,  401,  402,  419. 

Bergiella  T.   166. 

Bestandsschädlinge  (Eulen) 
618. 

betularia   A.   461,   606,   607*. 

betulicola   N.   143. 

Beweglichkeit   der  Raupe 
(Kie. Spanner)   491. 

bidcntata    G.    461,    462,    603. 

Bienenschwärmer    403. 

biguttatum  A.  516,  520,  523, 
525*,   703. 

bilineatus  Th.  411,   413,   417. 

bilunaria    S.    461,    462,    603. 

bilunulatus  L  520,  523,  703, 
705. 

bilunulata   E.    576. 

bimaculata   St.   716. 

binderella  C.   136.   138,  197. 

Bionomie  der  Puppe  (Kie. 
Spanner)  494. 


Sachregister. 


809 


Bionomie    der    Raupe     (Kie. 

Eule;    643,   645*. 
Bionomie    der    Raupe    (Kie. 

Spanner)  478. 
Bionomie  (Kie. Eule)  624. 
Bionomie   (Kie. Spanner)  468. 
Birkengallenwickler  216,  343. 
Birkenglasschwärmer, 

kleiner  413. 
Birkenminicrmotte   128. 
Birkenmotte  206. 
Birkennestwickler    213,    220. 

221*. 
Birkenspanner  602. 
Birkenspanner,    großer    460, 

606,  607. 
Birkenspinner    109,    113,   456. 
biselliella  T.   135.   138. 
Biston  hirtarius  Cl.  461,  462, 

604,  605. 

—  hispidarius   F.  605. 

—  pomonarius  Hb.  461,  462, 
605. 

—  stratarius  Hfn.  605. 
Blastodere    Bergiella    Rtzb. 

166. 
Blatt-Tütenmotten    136,    177. 
Blaues  Ordensband  617. 
Blaukopf  617,  771. 
blaupunktierter     Holzbohrer 

389. 
Blausieb  389. 
Boarmia  consortaria   F.   461, 

583,  607. 

—  crepuscularia  Schiff.  461, 
468,  583,  607. 

—  ribeata  Cl.  461,  462,  582, 
607. 

• —  secundaria     Schiff.     461, 

462,   582. 
Boarmiinac  460. 
Bombycidae     loi,     105,     109, 

112,     113,    114,     116,    120, 

455.   456. 
Bombycimorpha    114,    455. 
Bombycina   105. 
Bombycoidea      Börner      105, 

455- 
Bombyx  acsculi  L.  389. 

—  Cossus  L.  383. 

boreata    Ch.    460,    462,    588, 

594*. 
Borkhausenia- Arten   138. 
Borkhausenia  Hb.  200,  202. 
Borkhausenia   cinnamomea 

ZU.  136,  203. 

—  jourdheuillella   Rag.    136, 
203. 

—  luctuosella  Dup.  136,  203. 

—  similella  Hb.  136,  203. 

—  stipella  L.  136,  202*,  203. 
brachypterus    ^I.    716. 


Bracon      anthracinus      Nees. 

377- 
—  guttiger  Wesm.   192. 
Braconidae  254. 
brassicariae  P.  254. 
Braunes  Ordensband  617,  775, 

790. 
braungraue  Graseule  787. 
Brephidae    106. 
brevicornis   H.   292. 
brevicornis   P.   292,   300. 
brevipetiolatus    M.   709,    716. 
Brillenvogel  771. 
brischkei    E.    300. 
Broscus  cephalotes  L.   784. 
brumata    Ch.    460,    462,    588, 

591*,    592*. 
Brust     und     ihre     Anhänge, 

Die   9. 
Bucculatrigidae  104. 
Bucculatrix   134. 
Bucheinwickler  216,  357. 
Buchenfrostspanner  460,  588. 
Buchenkahneulc  616,  765. 
Buchenkahnspinner    765. 
Buchenmotte    200. 
buoliana    E.    215,    21S,    272, 

283,  285*,  286*,  287*,  288*. 
buolianae  L.  292. 
buoliana  G.  283. 
buoliana  P.  291. 
buoliana  R.  283. 
buoliana  T.  283. 
buoHanus  C.  292. 
Bupalus    piniarius    L.    461, 

463,  465*,  466*,  467*,  468*, 

472*,     473*,     474*,     475*, 

477*,  480*,  492*,  495*. 

Abbrennen     der     Boden- 
decke  565. 

Ätiologie  497. 

Begattung  473. 

Bekämpfung  544. 

Beweglichkeit    der  Raupe 
491- 

Bionomie   468. 

Bionomie  der  Puppe  494. 

Bionomie  der  Raupe  478. 

Chemische  Mittel  560. 

Eiablage   und   Eient Wick- 
lung  473. 

Empfindlichkeit  der 
Raupe  492. 

Epidemiologie    497. 

Falterflug  469. 

Feststellung  der  Befalls- 
stärke   544. 

Forstliche  Bedeutung  541. 

Fortpflanzung  468. 

Fraßpflanzen   480. 

Geschichte    der    Spanner- 
gradation 538. 


Gradationsvirulenz  544. 

Hebung     des     Parasiten- 
standes 555. 

Krisis  516. 

Mechanische  Bearbeitung 
der  Streu  560. 

Mykosen    und    Bakterien 
537- 

Nahrungsmenge,       Stoff- 
wechselquotient   482. 

Örtlicher   Verlauf   504. 

Parasiten  516. 

Polyederkrankheit  537. 

Prognose      quoacl      \  itam 
des  Waldes   541. 

Puppe    466. 

Räuberische  Arthropoden 
532. 

Regenerationserscheinung 
512. 

Säugetiere   536. 

Schlüpfen  der  Falter  468. 

Symptome  der  Gradation 
512. 

Vertilgung     der     Puppen 
557- 

Vertilgung     der     Raupen 
566. 

Vögel    533. 

Wann  fressen  die  Raupen? 

481. 

Zeitlicher  Ablauf  510. 
Bursa  copulatrix  21. 

C. 

Cacoecia  Hb.  223. 
Cacoecia    histrionana    Froel. 
215.  217,  228,  229*. 

—  lecheana  L.  215. 

—  murinana    Hb.    215,    218, 
230,  231*,  232*,  233*. 

—  piceana  L.  215,  217,  225, 
226*,    227*. 

—  podana     Scop.    21s,    219, 
224. 

—  xylosteana     L.     219,     224, 
225*. 

caja  A.  31. 

calcator  H.  520,  523,  524*. 
calcator  P.  300. 
Calluna-Typ    667. 
calobata   P.   254. 
Calocampa  Stph.  611,  616. 
Calocampa    exoleta    L.    617, 
618.  775,  794. 

—  vestuta    L.   617,    618,    775, 
794. 

Calosoma   inquisitor   L.    255, 
593- 

—  sycophanta     L.    253,     723, 
799-  . 

Calymnia  Hb.  611,  613. 


810 


Sachregister. 


Calymnia    trapezina    L.    617, 

618,  762,  774. 
Campoplex  intermedius 

Rtzb.   254. 

—  oxyacanthae   520. 

—  pugillator    Grav.    593. 
candidatus  D.  254. 
capitata   G.   784. 
capreolaria  H.  597. 
caprimulgana  T.  230. 
Carabus    nemoralis    111.    799. 
carbonarius   A.   593. 
Carcelia  excisa  Fall.   520. 

—  rutilla   B.   B.    520,   527. 
Carcina    Hb.    200,    202. 
Carcina  quercana  F.  136,  202. 
Carpocapsa  Tr.  354. 
castaneus  H.  717. 
Catocala    Schrk.    611,    616. 
Catocala   conversa  Esp.   762. 

—  electa   Bkh.   762. 

—  elocata  Esp.  617,618,762, 
775. 

—  fraxini  L.  617,  618,  762 
775. 

—  fulminea  Scop.  617. 

—  nupta  L.  617,  618,  762, 
775. 

—  paranympha  L.  617,  618, 
762,    775. 

—  promissa  Esp.  617,  618, 
762,    775. 

—  sponsa  L.  617,  618,  762, 
775. 

caudatula  N.  799. 
Cedestis  Hb.  153,  172. 
Cedestis     gysselinella     Dup. 

135.    137,    172. 
Cemiostomidac    105. 
cephiformis  S.  399,  402,  417. 
ceratoniae  M.  428,  452. 
cerealella  S.  136,   13S,  208. 
cerinops  A.   529. 
Ceromasia   529. 
Cerostoma  Ltr.  135,  153,177. 
Cerostoma  parenthesellum  L. 

135,   137,  177. 
certella  A.  135,  136,  163,166. 
Chalcididae  254. 
Chalcis  intermedia  Nees.  254. 
Cheimatobia  boreata  Hb.  460, 

462,  588,  594*. 

—  brumata  L.  460,  462,  588, 
591*,    592*. 

Chelonus  sulcatus  Jur.   292. 

chemische  Bekämpfung  mit- 
tels Flugzeug  od.  Motor- 
verstäuber, Die  82. 

Chemische  Mittel  560. 

Chesias  581. 

Chimabacche  ZU.  200. 


margi- 


203. 
,  706. 


'•    300. 


:i5. 


Chimabache   fagella    F.    136, 

137,   200,   201*. 
Chloephorinae  611,  612,  616. 
chlorana    E.    616,    617,    762, 

763*,    764*. 
chrysosticta  A.  181. 
chysostica   A.   300. 
cicatricosa  Gl.  254. 
Cidaria   dilutata   601. 
Cimex     (Mesoccrus) 

natus  L.  724. 
cincteJlus    M.   254. 
cinnamomea  B.    136, 
circumflexum  E.  70^ 
circumscriptus   Rh.  325,   601. 
Cirrospilus     arcuatus     Nees. 

192. 

—  pictus  Nees.   192. 
citrago  X.  617,  618,  762,  772. 
CladoniaX  Calluna-Typ    667. 
Cladonia  X  Hypnum-Typ  667. 
CladoniaX  Myrtillus-Typ 

667. 
Cladonia  rangiferina  667. 
Cladonia-Typ  667. 
Clausthaliana  T.  301. 
claviger   L.   325. 
Clistopiga    incitator    F 
cloacella  T.    135,    138. 
Clysia    ambiguella    Hb 
Cnethocampidae  113. 
Coccyx    273,    276,    283,    294, 

301,  305.307,309-333.358, 

372,   374- 
Cochlidiidae     105,    112,     113, 

114.    422. 
Cochlidimorpha  114. 
Cochlidion    limacodes    Hfn. 

423,  424*,  425*. 
coenobita   P.  617. 
coeruleocephala  D.  615''=,  617, 

618.  762,  771. 
cognata  L.  460. 
cognatella  H.   135,  159. 
Coleophora  ZU.  185,    188*. 
Coleophoridae   105. 
Coleophorinae   134,   136,   185. 
Coleophora   binderella   Koll. 

136,   138,  197. 

—  fuscedinella  ZU.   136,  138, 
193,   194*,   195*. 

—  laricella     Hb.     n6,      137, 
188,    189*,    190*. 

—  lutipennella  ZU.  136,  137, 
197,    198*. 

—  milvipennis    ZU.    197. 

—  oritae   ZU.  30*. 
Coleophora-Sackformen    186, 

187*. 
Colocasia  Ochsh.  611,  613. 
Colocasia  (Demas)  corvli  L. 
617,  762,  770. 


Comedo   larvarum   L.   254. 
—  longicornis   Th.   254. 
comitana  G.  345. 
comitana    Syn.   345. 
comitator  I.  520,  703. 
communis  P.  2,  3,  593. 
complanella  T.  135,  137,  144. 
Compsilura  concinnata  Meig. 

255- 
concinnata   C.   255. 
confluens  C.  292. 
congruella  A.  147. 
conicolellum    H.   428. 
coniferana   Gr.   371,    447. 
coniferana   L.   216,   218,   219 

355,   371. 
coniferana   S.   371. 
coniferana  T.  371. 
conopiformis     S.     399,     402, 

417. 
consociella   A.  428,  429,  450, 

451- 
consortaria  B.  461,  583,  607. 
conversa  C.  762. 
copiosella  O.  137,  176. 
coi'acipennella  T.  193. 
Cordyceps   419. 
Cordyceps   militaris  389. 
coriarius  H.  300. 
corollana    L.    216,    219,    355, 

374. 
Coronofrenate    114. 
corticella   T.   152. 
corticea   A.  617,   yj^.   788. 
coryli  C.  617,  762,  770. 
coryphaeus    Ph.    254. 
cosmophorana  Gr.  372. 
cosmophorana    L.    216,    218, 

355,   372,  373*-- 
cosmophorana   S.  372. 
cosmophorana  T.  372. 
Cossidae    104,    108,    110,    112 

113,     114,    115,    118,    131, 

381,  382*. 
Cossus  aesculi  L.  389. 
Cossus  B.  383. 
cossus    C.    382*,    383.    384*, 

385*,    386*,   387*,    388*. 
Cossus   cossus   L.    382*,   383, 

384*,     385*,     386*,    387*, 

388*. 

—  ligniperda   F.  383. 

—  terebra   F.  389. 
costella  T.  177. 
cothurnatus  PL  520. 
crabro   V.  724. 
crabroniforme   Tr.   402,    411. 
Crambinae    427. 
Craniophora  Snell.  613. 
Craniophora  ligustri   F.   617. 
crassicornis  A.  255,  290,  300. 


Sachregister. 


811 


crataegella  S.   135,    137,   161, 

162*. 
Cratocryplus     Icucopsis     Gr. 

413- 

—  var.    alpina    Strobl.    413. 
cremastoides   N.  2)11  ■ 
Cremastus     buolianus     Curt. 

292. 

—  confluens  Grav.  292. 

—  interruptor  Graw  291. 
crepuscularia     B.     461,     462, 

468,  583,  607. 
Cronartium  ribicolum  Dietr. 

V- 
Cryptus    dianac    Gra^^     520, 
■716,   717. 

—  poecilops   Krchb.    593. 
pseudonymus   Tschck.  406. 

—  spinosus  Grav.  717. 
culiciformis  S.  399,  401,  402, 

413,  414*.  4iV*. 
cuprella  A.   135. 
cupreus   Pt.   254. 
curtisellus    P.    13;.    138,    154, 

155*. 
cuspis  A.  617,  762,  770. 
Cymatophoridae      107,      113, 

1 16,    1  19,  456. 
Cymolomia    Led.    303. 
Cymolomia    harti^iana   Rtzb. 

216,  217,  303, '304*. 
Cyml^idae    114. 
cynipitormis  S.  402,  416. 


Dachslosuni^     mit     Spanner- 

pu].i>cn  ;37*. 
daemcm  l'l.  ^jo. 
Dasys(-\pha     calycina     Fuck. 

360. 
Dasychira   pudibunda   L.   31. 
Dauer  der  Raupenlebens  46. 
decidua  T.  135,  145. 
decipiens    M.   709. 
defoliaria   H.   461,   463,   595, 

_5q6*. 
Deilinia  pusaria  L.  460,  462, 

602. 
Demas   Stph.  611,   613. 
deplanatus   Pt.   254. 
Depressaria      parilella      ZU. 

30*. 
derivator  \ar.  1.  528. 
dentipes   M.  254. 
Diadromus     candidatus     Gr. 

254. 
dianac    C.    520,    716,    717. 
Dichunia  Hb.  611,  614. 
Dichonia     aprilina     L.     617, 

618,  762,  773. 
Dickköpfe    110. 
Dickkopffaller    112.    436. 


difformis  O.  254,  292. 
Digonochaeta  setipcnnis  Fall. 

448. 
dilectus   A.    181. 
Diloba  Stph.  611,  615. 
Diloba     coeruleocephala     L. 

615*,   617,   618,   762,   771. 
diluta   P.  300. 
dilulata   C.   601. 
dilutata   L.  460,  462,  599. 
dineana  E.   (E.St.)    798. 
diniana   G.   311. 
diniana  S.  216,  217,  2  19,311, 

314*,     315*,     317*,     318*, 

319*,   320*,  321*. 
Dinctes      exareolatus      Rtzb. 

325- 
Dioryctria  ZU.  432. 
Dioryctria    abietella    Schiff. 

428,  429,   433,   440,   441*, 
442*,  443*,    444*. 

—  mendacella  Stgr.  428,  433, 
449,    450*. 

—  pineae  Stgr.  428,  433,  449, 
450*. 

—  Schützeella      Fuchs.     428, 

429,  433,  448,  449*- 

—  splendidella  H.  S.  428, 
429.  433,  434,  437*,  438*, 
439*- 

—  syhcstrella  Rtzb.  433. 
Dirhicnus   704. 
Dischüchaeta        evonymellae 

Rtzb.   254. 
dissimilis   I.   520. 
Ditrysia  Börner  10^. 
dodecclla   G.   204.^ 
dodecella    H.    136,    137,    204, 

206*. 
dodecella   T.  204.- 
Dörrobstmade,  kupferfarbige 

430. 
dorsana  T.  361. 
Dreizackcueule  616. 
Drepanidae     107,     112,     113, 

114,    116,    121,   456. 
dubia  L.  254. 
Duftorgane  39. 
Duftschuppen,   männliche 

40*. 
Dunkelbrauner    Fichten- 

rindenvvickler  216,  370. 
duplana    E.     215,     218,     272, 

273,  275*,  276*. 
duplana  G.  273. 
duplana  R.  273. 
duplana  T.  273. 
duplicana  Gr.  370. 
duplicana    L.    216,    217,    219, 

370. 
duplicana    T.   370. 
Dusturan   88. 


Dycedestis   Spul.   154,   172. 
Dycedestis    farinatella    Dup. 
135,   137,  173. 


Earias  Hb.  612. 
Earias  chlorana  L.   762. 
Earias    (Halias)    chlorana  L. 

613*,  616,  617,  762,  763*, 

764*. 
Echinomyia    magnicornis 

Zett.  703,  715. 
Echte  Motten  112,   135. 
Echte  Spinner  456. 
ecksteini  P.  421*. 
Ehlertsche    Moosegge    565. 
Ei  35. 

Eiablage  42. 
Eiablage    und    Entwicklung 

( Kie. Spanner )   473. 
Eialalage   ( Kie. Eule  i  630. 
Eichelwickler  216,   243,   356. 
Eicheneule,    graue   617,    770. 
Eichenkarmin,  kleines  617. 
Eichenkarmin,  mittleres  617. 
Eichenknospenmotte   197. 
Eichenmehltau  258. 
Eichenmotte,  grüne  243. 
Eichenrindeimiiniermotte 

181,    182*,    183*. 
Eichentriebmottc   203. 
Eichentriebzünsler  451. 
Eichenwickler,     grüner    215, 

243. 
Eigentliche  Eulen  611. 
Einfluß    der   Temperatur    u. 

Luftfeuchtigkeit    61*. 
Elachistus  leucogramma 

Rott.   411. 

—  obscuripes  Rtzb.  254. 
Elasmus    sp.    393. 
electa    C.   762. 
electella  G.   136,   199. 
Ellopia  fasciaria  Schiff .  569. 

—  prosapiaria    L.    461,    463, 
468,  569,  570*,  571*,  572*. 

—  var.    prasinaria    Hb.    461. 
elocata   C.   617,   618,   762. 
elutella  E.  428,  429. 
elutella  Ph.  429. 
Empfindlichkeit    der    Raupe 

( Kie. Spanner  )   492. 
Empusa   aulicae   Reich.    718, 

721*. 
Enantioneura    113,  455. 
Enarmonia  (Epinotia,  Stega- 

noptycha)      diniana      Gn. 

(pinicolana  Z. )  79S. 
Enclerus  sp.  393. 
Endotrichinae    427. 
Endromididae   109,   112,   113, 

1 16.    120,  456. 


812 


Sachregister. 


Enicospilus  merdarius  Grav. 
703,  706. 

—  ramidulus     L.     703,     706, 
707*. 

Ennomos     alniaria     L.     461, 
462,  603. 

—  erosaria  Schiff.  461,  603. 

—  lituraria  L.  574. 

—  quercaria    Hb.    461,    462, 
603. 

—  quercinaria  Hfn.   461,462, 
602. 

Entedon     geniculatus      Htg. 
300. 

—  lactus   Rtzb.   192. 

—  laricinella  Rtzb.   192. 

—  turionum    Htg.    279,    292. 
Entomophthora  radicans  Br. 

531- 
Entwicklung  (Kie.Eule)  630. 
Entwiciclungstempcratur- 

kurve  56*. 
Ephestia  Gn.  429. 
Ephestia  elutella  Hb.  428,  429. 
Ephialtes  brischkei  D.  T.  300. 

—  glabratus  Rtzb.  377. 

—  manifestator  L.  413. 

—  strobilorum    Rtzb.    300. 

—  tuberculatus    Fousor.   413. 
Ephyra      (Codonia)      pendu- 

laria  Cl.  460,  462,  607. 
Ephvra     punctaria     L.      460, 

462. 
Epiblema   Hb.  341. 
Epiblema    focuella    L.    341*. 

—  frutetana    Hb.   341,   343. 

—  mitterpachcriana   Tr.  344. 

—  nigricana   II.  S.    165,  216, 

218,  341,    342,    34.3*. 

—  penkleriana     F.     R.     216, 

219,  341,  344. 

—  proximana  H.  S.  216,  218, 
341,    353. 

—  tedclla   Cl.  216,   217,  341, 
345,  346*,  347*,  34^*,  349*- 

—  tetraquetrana     FIw.      145, 
216,  219,  341,  343. 

Epibleminac   215,   271,   272*, 

Epidemiologie    51. 
Epidemiologie    (Kie.Eule) 

658. 
Epidemiologie  (KieSpanner) 

497- 
Epinotia    Hb.   304. 
Epinotia  diniana  Gu.  311. 

—  nanana  Tr.  309. 

—  Ralzcburgiana   Rlzb.   307. 

—  rufiinitrana    H.   S.   305. 
Epipasrhiinac    427. 
Erbseneule  617,  775,  789. 
Erdeule,  graue  617. 


Erdschneckenmotte    423. 
Eriocephalidae    112. 
Eriocrania  sparmanella  Bosc. 
128. 

Eriocraniidae   103,   114. 
Eriocraniinae  127,  128. 
Eriocranioidea   Börner    103. 
Erlenblütenmotle    171. 
Erleneule  616. 
Erlenglasschwärmcr   411. 
Ernährung,  Die  37,  42. 
Ernestia  rudis  Fall.  703,  712, 

713*,   714*,   715*. 
Eruptionsstadium  51. 
erosaria  E.  461,   462,   603. 
Erycinidae   106. 
Eschenzwieselwickler    215, 

224. 
Etiella  zinkenella  Tr.  799. 
Eubadizon    e.Ktensor    L.    254. 

—  leptücephalus     Htg.     291, 
Eudora   715. 
Eucloromvia   Bezzi   715. 
Eulan   15Ö. 

Eulen     10 1,     HO,     ii^,     455, 

456,   609. 
Eulen   an   Laubholz    762. 
Eulenartige   109. 
Eupithecia    abietaria    Goeze 

460,   462,   463,   576,    577*, 

578*,  579*- 

—  bilunulata  Zett.  576. 

—  indigata  Hb.  460,  461,  582. 

—  lanceata     Hb.     460,     461, 
582. 

—  lariciata  Freyer  460,  461, 
582. 

—  pini  Retz.  576. 

—  pusillata   Schiff.  460,461, 
582. 

—  strobilata    Hb.    460,    462, 
463,  576,  577*,  578*,  579*- 

—  togata    Hb.    576. 
Euplocamidae   104. 
Eustaintonia  Spul.  198. 
Eustaintonia  pinicolclla  Dup. 

136,    198,   207. 
Eutelus   tibialis   Wlk.   254. 
Eutrichocnemis    136,    181. 
Euxoa   segetum  Schiff.    780. 
evanescens  T.  520,  526,   703, 

709,    710*. 
Evetria    Hb.   272. 
Evetria  buoliana  Schiff.  215, 


218,  283,  28; 


iW%  287*, 


288*,   797. 

—  duplana     Hb.     215,     218, 
273,    275*,    276*,    278*. 

—  margarotana    H.    S.    216, 
219,'"  294. 

—  pinivorana   ZU.   2t6,    218, 
293. 


Exelria    posticana   Zett.    216, 
218,  293. 

—  resinella  L.  216,  218,  294, 
295*,    297*. 

—  retiferana      Wocke      216, 
2)8,    294. 

—  svlvestrana  Curt.  216,218, 
293. 

—  -  turionana    Hb.    215,    218, 

276,    277*,    280*,    281. 
evonymella    H.    135,    159. 
evonymellae    D.   255. 
Exaereta   ulmi   Schiff.   605. 
examinator  P.    192,   291,  440, 

603. 
exareolatus   D.   325. 
excisa   C.    520. 
exclamationis     A.    617,     775, 

787. 
Exochilum   circumflcxum   L. 

703,    706. 
Exochus      giobulipes      Desv. 

254. 
exoleta     C.     617,     618,     775, 

794. 
extensor  E.  254. 


fabricator    I.    520,    593,    703. 

fagata  O.  594. 

fagella    Ch.     136,     137,    200, 

201*. 
fagilanclana  L.  357. 
faginella    L.    136,     1^,7,    184, 

183*. 
falcatorius  B.  520. 
P^alterflug    (Kie.Eule)    628. 
Falterflug     ( Kie. Spanner ) 

469. 
farinatella  D.   135,    137,   173. 
farinosa   I.  720. 
fasciata  G.  716. 
fauna    Z.    388. 
Federmotten    loi,     108,     113 

454. 
femoralis  B.  703,   707. 
lerrugana   A.    215,    219,    220, 

221*,    222*. 
Feststellung   cl.  Befallsstärke 

(Kie.Eule)    734. 
Feststellung  d.  Befalh stärke 

(Kie. Spanner)  544. 
Fichtcnknospenmollen    166. 
Fichtennadelmarkwicklcr 

216,    309. 

kleiner  333, 
Fichtennaclclmark  Wickler, 
Ficht ennaclcl Wickler,    großer 

216,   301. 
Fichtenncstwickler   216,   345. 
Fichtenrindenwicklcr    2 1 6, 

361. 


Sachregister. 


813 


Fichtcnrindenwickler, 

dunkelbrauner  216,   370. 
Fichtentriebwickler  215,  228. 
Fichtenwickler, 

pabclbindiger    2 1 6. 
Fichtenwickler,  rostroter  2 1 6, 

307. 
Ficlitcnw  icklcr,    ziegcn- 

mclk.rt\irl)i-er    228. 
Fichlcn/aptVn  Wickler        216, 

374. 
Fichtenzapfen-Zünsler    440. 
Fidonia  piniaria  L.  463. 
filipendulae  Z.  426. 
finibriana  P.  216,  219,  377. 
flammea   F.   614*,    617,   619, 

620*,     621*,     622*.     623*, 

624*,    625*. 
flavicans   P.   254. 
flavicornis  L.  4*,  5. 
flavicoxis    P.    254. 
flavipes  P.  254. 
flavolineata  Gl.  254,  292. 
Fliedermotte    179,    180*. 
Flugzeiten  des  Kie. Spanners 

u.  seiner  Parasiten  530*. 
Flugzeugmethode    83,    85*. 
focuella  E.  341*. 
Forficula  auricularia  L.  292. 
Fori-   oder   Kieferneule   617, 

619. 
formicaeformis    S.    399,    402, 

409,  410*. 
Formica    gagates    Latr.    255. 
Formica  rufa  L.  532,  721. 
forskaleana  T.  215,  219,  238, 

239*,  240. 
Forstesturmit  87. 
Forstliche      Bedeutung     der 

Eulengradation   728,   733. 
Forstliche      Bedeutung     der 

Schmetterlinge  50. 
Forstliche    Bedeutung    (Kie. 

Spanner)  541. 
Fortpflanzung    (Kie. Eule  1 

62a. 
Fortpflanzung  (Kie. Spanner) 

468. 
Fransenmotten    136,   198. 
Fraßpflanzen  (Kie. Spanner) 

480. 
iraxini    C.   617,    618,   762. 
Frenatae  Comstock  107,   112, 

114. 
Frostspanner   587. 
Frostspanner,    gemeiner  460 

588. 
Frostspanner,    großer   461. 
Frostspanner,  kleine  588. 
Frostspanner,      orangegelber 

461,   597. 
frutctnna  E.  341,  343. 


fugax    P.    255. 

fuliginosus  A.   181. 

fulminea  C.  617. 

fulvata   G.   581. 

fulvata  Ph.  581. 

fumosa   A.   788. 

fundclla    A.     135,     136,     162, 

163. 
luscedinella  C.  136,   138,193. 
fuscicollis   A.    158,    173,    175. 
fuscipennis  A.  784. 
fuscipennis    M.   520. 
fuscipunctella    T.    152. 


Gabelbindig.    Fichten wickler 

216. 
Gabeleule   617. 
gagates    F.   255. 
Galleriinae  427. 
gallicolana   P.   216,   219. 
Gambrus  ornatus   Grav.   411. 
Gammaeule   617,   791. 
gamma    PL    617,     775,    791, 

792*,  793*. 
ganz    grüner    Eichenwickler 

243. 
Gebändert  er   Kiefernspanner 

569. 
Geistchen   loi,    108,    112,  454. 
Gelbes    Ordensband   617. 
Gelechia  ZU.  200,   207. 
Gelechia    dodecella    L.    204. 
—  electella     ZU.     136,     199, 

207. 
Gelechiiclae    105. 
Gelechiinae    134,    136,   199. 
Gelechioidea      Börner,      105, 

131- 
Gelis     alternans     Thubg.     v. 

petulans   Forst.  601. 
Gelis  instabilis  601. 
Gemeine  Markeule  617,  772. 
Gemeiner    Frostspanner   460, 

588. 
Gemeiner     Kiefernspanner 

461.  463. 
gemella  St.   136,    137,  203. 
geniculatus  E.  300. 
Genitalapparat,    männlicher 

Genitalapparat,   weiblicher 

18*. 
Genitalsegmente    einer    Eule 

17*. 
Geographische      Verbreitung 

(Kie. Eule)   624. 
Geometra  (Anisoptervx)  aes- 

cularia  Schiff.  593. 
Geometra  (Anisoptervx  1,  Al- 

sophilai  aescularia  Schiff. 

593. 


Geometra  (Bupalusj  piniaria 
L.  463. 

Geometra  (Bupalus,  Fido- 
nia) piniaria  L.  463. 

Geometra   fulvata    F.    581. 

—  lituraria    L.   574. 

—  liturata  Cl.  574. 

—  papilionaria  L.  31,  460, 
462,  607. 

Geometracmorpha    114,    455. 

Geometridae  101,  106,  iio, 
112,  113,  114,  116,  120, 
455-  456,  457,  458*,  459*. 

Geometrinae  460. 

Geschichte  der  Eulengrada- 
tion 728. 

Geschichte  der  Spannergra- 
dationen 538. 

Geschlechtsleben,    Das   39. 

Geselligkeitstrieb    46. 

Gespinstmotten,  135,  137, 
156. 

Gespinströhren    46. 

Gesundheitszustand    der 
Puppen  549,  550*,  552^^ 

Getreidceule  786. 

Gift,  Das  87. 

gilva  L.  724. 

glabratella  A.  125,  135,  136, 
163,    166,    167*. 

glabratus  E.  377. 

gladiator    M.   388. 

Glandulae  sebaceae  23. 

Glasflügler    108,    112. 

Glasschwärmer  395. 

glivina  S.  398. 

globulipes   Ex.   254. 

glomeratus   A.   784. 

Glucken    109,    113,   456. 

Glyphipterygidae   104. 

Glypta  cicatricosa  Rtzb.  254. 

—  flavolineata  Grav.  254 
292. 

—  incisa  Grav.  300. 

—  longicauda    Htg.    520. 

—  resinanae  Htg.  279,  280, 
300. 

—  tenuicornis    Thoms.    300. 
goedartella  A.   135,   138,   163, 

171. 
Gonia  capitata  Deg.   784. 

—  fasciata   Meig.  716. 

—  ornata  Mg.  780. 
Gonodontis    Hb.   603. 
Gonodontis      bidentata      Cl. 

461,    462,   603. 
Gonopterinae   611. 
Gortyna    Ochsh.    611,    615. 
Gortvna    ochracea    Hb.    617, 

6l8.    762,    772. 
Gracilaria    ZU.   178. 


814 


Sachregister. 


Gracilaria     rufipenclla     Hb. 
136,    138,   178. 

—  simDloniella     F.    R.     136, 
137;  181,   182*,    183*. 

—  svringella     F.     J36,     138, 
179,    180*. 

Gracilariidae    104. 
Gracilariinae    134,    135,    136 

177. 
Gracilarioidea     Börner     104 

131- 
Gradationskarte  des  Eichen 

Wicklers  260*,   261*. 
Gradationskarte      der      Kie 

Eule  732*,  72,3*- 
Gradationskarte   d.   Kiefern 

Spanners  498*,  499,   511* 
Gradationskarte  52*,  53*. 
Gradationsvirulenz    (Kie. 

Spanner;  544. 
Grallit   88. 

graminella  P.  254,  300. 
grandis  Ph.  5. 
granella   T.    n5,    138. 
Grapholitha    tr.   354. 
Grapholitha  buoliana  Schiff. 

283. 

—  comitana  W.  V.  345. 

—  coniferana  Rtzb.  371,447. 

—  diniana  Gu.  311, 

—  duplana    Hb.    273, 

—  duplicana    Zett.   370, 

—  hartigiana  Rtzb.   303. 

—  herzyniana  Tr.  301. 

—  nanana   Kühl.   309. 

—  nigricana   H.   Seh.   342. 

—  pactolana  Kuhlm.  361. 

—  pinicolana    ZU.    311. 

—  pygmaeana    Hb.    333. 

—  rufimitrana  H.  S.  305. 

—  strobilella  L.  374. 

—  tedella  Clerck.  345. 

—  lurionana    Hb.    276. 

—  zebeana  Rtzb.  358. 
Graseule    617. 
Graseule,  braungraue  787. 
Graue  Eicheneule  617,  770. 
Graue  Erdeule  617. 
Grauer   Lärchenwickler   216, 

311. 
griseovariegata    N.    619. 
Großer    Birkenspanner    460, 

606,   607. 
Großer    Fichtennadel  wickler 

216,   301. 
Großer  Frostspanner  461. 
Großer    Pappelglasflügler 

403. 
Große    Schildmotte   423. 
Großkopf  616. 


grossana     L.    216.     2iq,    354, 

357. 
Großschmetterlinge    101,112, 

115,    455. 
grossulariata     A.     460,     462, 

607. 
Grüne    Eichenmotte    243.. 
Grüner     Eichenwickler     215, 

243. 
Giüner  Tannenwickler  230. 
grunertiana  L.  216,  219,  354, 

368. 
Grünwickler    243. 
Grypocera  116,  456. 
Grypoceromorpha     114,    456. 
guttala   Pt.  300. 
guttiger  B.   192. 
Gymnosporangium  418. 
gysselinella  C.  135,   137,  172. 

H. 

Habritys     brevicornis     Rtzb. 

292.' 
Häutung  46. 

Hagebuttenspanner  461,  6C4. 
hageniella  T.  429. 
Halias  Tr.  612. 
Halias   chlorana    L.    762. 
Halias   (Earias)  chlorana  L. 

762. 
Halvzia  723. 
Harlekin  607. 
Harmoncopoda  112. 
hartigiana  C.  216,   217,   303, 

304*. 
hartigiana   G.   303. 
hartigiana  T.  303. 
Harzl)culcnzünsler  434. 
Harzzünsler  434. 
Haselnußknospenwickler 

216. 
Haselnußwickler     216,     344, 

358. 
hastata  L.  460,  462,  607. 
hastiana  A.  797. 
Hebung  des  Parasitenstandes 

(Kie. Spanner)    555. 
hecta    H.    130. 

Heidekrautspanner  461,  595. 
Heidelbeerwickler  328. 
Heliozelidae    103. 
Helops   723,   724*. 
Hematurga  atomaria  L.  461, 

463,    467,   468*,    528,   575. 
Hemiteles   716. 
Hemiteles  areator  Pz.  254. 

—  castaneus  Taschb.  717. 

—  coriarius  Taschb.  300. 

—  ornata  Brisch.  411. 

—  pulchelus  Grav.  192. 

—  scabriusculus    Th.    254. 


Hepialidae   107,  110,  112,  113, 

114,    115,    116,    127,    129. 
Hepialus  hecta  L.  130. 

—  humuli  L.  129,  130*,  131*. 

—  lupulinus  F.  130. 
Hepioloidea   Börner   103. 
Heringia    Spul.   200,   204. 
Heringia    dodecella    L.    136, 

137,   204,  206*. 
Herpestomus     xanthops     Gr. 

38S. 
Hercynia   87. 
herzyniana  A.  216,  301. 
herzyniana    G.   301. 
herzyniana    Syn.    345. 
herzyniana  T.  301,  345. 
Hesperidina     106. 
Hesperiidac     106,     iio,     112, 

113,     114,     116,     117,    455, 

456. 
Hesperioidea   Walk.    iio. 
Heterocera    113,    455. 
Heterogenea    asella     Schiff. 

424. 
Heterogynidae   105. 
Hetcroneura   113. 
lleteropelma     calcator     520, 

523,    524*. 
Heumotte   429. 
Hibernia     aurantiaria     Esp. 

461,  462,    597. 

—  bajaria    Schiff.    461,    462, 
597. 

—  capreolaria    Esp.   597. 

—  defoliaria    Cl.    461,    462, 
595,    596*. 

—  leucophaearia  Schiff.  461, 

462,  597. 

—  marginaria  Bkh.  461,  462, 
597. 

—  progemmaria  Hb.  597. 
Himbeer-Glasflügler  419. 
Himeria     pennaria     L.     461, 

462,   604. 
Hinterleib,  Der  13. 
hirtarius    B.    461,    462,    604, 

605. 
hispidarius    B.   605. 
Hister  fimetarius  Hrbst.  784. 

—  quadrimaculatus  L.  784. 
histrionana  C.  215,  217,  228, 

229* 
histrionana  T.  228,  230. 
Hohlnadelwickler  345. 
Holzbohrer    108,    112. 
Holzbohrer,    blaupunklierter 

389. 
Homoneura  113. 
Hornissenschwärmer  403. 
honoraria   M.   461. 
Hopfeneule  617. 
Hopfenwurzelspinner     129. 


Sachregister. 


815 


hortorum    L.    300. 
hottentottus  A.  703,  716,  784. 
Hühnereintrieb   559. 
Hühnereintrieb  (Kie.Eule) 

738. 
humuli   H.   129,    130*,    131*. 
Hydrocampinae   427. 
Hydropsyche   5. 
Hygrostat   71*. 
hylaeiformis  B.  400,401,402, 

419. 
Hylophila   Hb.  612. 
Hylophila      (Halias)      prasi- 

nana     L.    616,     617,     762, 

765,  766*. 
Hypena  Schrk.  616. 
Hypena  rostralis  L.  616,  617. 
Hypenidae   107. 
Hypeninae  611,  612,  616,617. 
Hypenini  61 1. 
H  vperparasiten        Kie.Eule ) 

716. 
Hyphantidium   431. 
Hyphantidium    conicolcllum 

Comst.  428,  432. 

—  terebrellum     Zink.      428, 
432. 

Hypnum-Schreberi-Typ    667. 
Hyponomeuta-Arten    137. 
Hyponomeuta   Ltr.    153,    156. 
Hvponomeuta  cognatella  Hb. 
135.    157*,   159. 

—  evonvmella    L.    ns,    159, 
160. 

—  malinella  ZU.   135,  159. 

—  padella  L.  135,   iS7*,  159. 

—  padi  ZU.  160. 

—  variabilis  ZU.   135,  159. 
Hyponomeutinae      134,     135, 

152. 
hyrciniana  Syn.  345. 


I. 


Ichneumon  abeillei  Berth. 
393- 

—  albicinctus   Grav.   520. 
• —  annulator  F.  520. 

—  bilunulatus  Grav.  520, 
523,    703,    705. 

—  comitator  L.  520,  703. 

—  dissimilis   Grav.   520. 

—  fabricator  F.  520,  593, 
703- 

—  locutor  Thunb.  520. 

—  nigritarius  Grav.  519,  520, 
521,  522*,  523*,  575,  703, 
705,   716. 

—  pachymerus  Rtzb.  520, 
523,  703,  704,  705*. 

—  piccator  Thunb.   716. 

—  procerus   Grav.   520. 


Ichneumon    pusillator    Grav. 
388. 

—  ruficeps    Grav.    520. 

—  sanguinatorius  Grav.  -j-jT)- 

—  sicarius   Grav.   520. 
Ichneumonidae  254. 
illuminatella  A.   135,136,163, 

164,     165*,     166. 
illutana     L.     216,     217,     219, 

377. 
Imago  6. 

immaculana  var.  Wachtl.  230. 
immunis   A.    520,    593. 
impressor    Th.    411,    413. 
impressus   T.   279. 
impurus   A.    181. 
incerta  T.  617,  618,  702,774. 
incisa  G.  300. 
incitator  Gl.  300. 
inclusus  A.  300. 
Incurvaria   Hw.   145. 
Incurvaria  koernerniella  ZU. 

135,    138,    146. 

—  muscalella     F.     135,     137, 
146. 

—  pectinea    Hw.   146. 

—  tenuicornis    Stt.   146. 
Incurvariidae    103. 
Incurvariinae   135,  145. 
indigata   E.  460,   461,   582. 
infantula    A.    300. 
inquisitor  C.  255,   593. 
inquisitor    P.    254,    291,    300, 

440. 
instabilis  G.  601. 
instabilis  P.  292. 
instigator  P.  254,   520. 
integrator  T.  300. 
intericus  M.  593. 
intermedia  Ch.  254. 
intermedius  C.  254. 
interpunctella    P.    428,    430. 
interruptor    C.    291. 
interstitialis   Rh.   300. 
irisorius  S.  417. 
Isaria    farinosa     Fries.     720, 

721*. 
ischiomelinus  Ph.  799. 
Itoplectis       alternans       var. 

Kollhof fi  Auriv.  601. 


Johannisbeer-Glasf  lügler  419. 
jourdheuillella    B.    136,    203. 
Judeichiella  C.   135. 
Judeichiella  T.  177. 
Jugalae    Comstock    107,    112, 

114,    115,    127. 
juliana  P.  216,  219,  358,  377. 
juniperata  L.  460,  461,  581. 
juniperatae    A.     593. 


K. 

Kahneichenwickler  243. 
Kahnspinner    762. 
Kakaomotte  429. 
Kiefernbeulenwickler    216, 

372. 
Kieferneule   617,   619. 
Kiefernharzgallenwickler 

216,    294. 
Kiefernknospentriebmotte 

204. 
Kiefernknospentriebwickler 

215.    283. 
Kiefernknospenwickler     215, 

276. 
Kiefernmotte    434. 
Kiefernnadelmotte    174. 
Kiefernnadelwickler  2 1  v  225. 
Kiefernquirlwickler    273. 
Kiefernsaateule  617,   776. 
Kiefernsämlingswicklcr    239. 
Kiefernsamenmotte    429. 
Kiefernsamenzünsler     429, 
Kiefernspanner,   gebänderter 

569. 
Kiefernspanner,  gemeiner 

461,    463. 
Kiefernspanner,    roter  569. 
Kiefernspanner,    veilgrauer 

_  461,   574. 
Kieferntriebwickler  215,273, 

283. 
Kittdrüsen   23. 
Klammerfüße  24. 
Kleidermotte    148,    149*. 
KleinerBirkenglasschwärmer 

413. 
Kleiner      Fichtennadelmark- 

wickler  333. 
Kleiner   Pappelschwärmer 

407. 
Kleiner    Weidenglas- 

schwärmer    409. 
Kleines     Eichenkarmin    617 
Kleinflügel- Motten     loi. 
Kleinschmetterlinge  loi,  iio 

ri2,    115,    127. 
Kleinster  Fichtennadelmark 

Wickler  309. 
Klima   als  auslösender    Fak 

tor   (Kie. Eulengradation 

670. 
Klima   u.   Eimortalität    (Kie 

Eule)  674. 
Klima  u.  Eiproduktion  (Kie 

Eule)  673. 
Klima    u.    Raupenmortalität 

(Kie.Eule)    677. 
Klimogramme  63*. 
Klosterfrau   617. 
Köcherfliege    i,  3. 


816 


Sachregister. 


Köcherformen   4*. 
koerneriella  I.  135,   138,  146. 
Kombinationen    von    Tempe- 
ratur  u.    Luftfeuchtigkeit 

59*- 
Kopf   einer  Eulenraupe   25*. 
Kopf     und     seine     Anhänge, 

Der  6. 
Korkmotte    138,   151. 
Kotfang   547*. 
Kotkurven  (Kie. Spanner) 

556*,    561*    562*. 
Kotsammeiapparat    548*. 
Krankheiten   (Kie.Eule)  717. 
Kranoldscher    Streurechen 

564*,     565. 
Kranztüße    24. 
Krisis   51. 

Krisis    (Kie.Eule)    70 j. 
Krisis  ( Kie. Spanner  )  516. 
Kritischer    Stadium    (Kie. 

Eule  1    679. 
Kulturschädlinge    (Eulen) 

775. 
Kupferfarbige  Dörrobstmade 

430. 
Kurztriebbüschel     696,    6g8*. 

699*- 


Labialpalpen  27*. 
Labrorhynchus   nigricornis 

Wesm.   254. 
Labrum-Formen  28*. 
La  chape  verte  243. 
lactus  E.   192. 
lacunana  A.  216,  219,  302. 
Lärchengallenwickler    358. 
Lärchenkrankheit   189. 
Lärchenminiermotte  188, 

189*,    190*. 
Lärchennadelwickler         216, 

339. 
Lärchenrindenwickler       216, 

358. 
Lärchentriebmotte    169. 
Lärchenwickler,    grauer    216, 

311. 
laetatorius   B.  799. 
laevigatella  A.   135,   137,   163, 

169,    170*. 
Lamachus    lophyrorum    Htg. 

520. 
Lampronota        melancholica 

Grav.  292. 
lanceata  E.  460,  461,  582. 
lanceolator   O.   254. 
lantanella   L.   185. 
Laphria    gilva   L.    724. 
laphriaeformis    S.   406. 
Larentia  cognata  Thunb.  460, 

461. 


Larentia  dilutata  Bkh.  460, 
462,  599,  600*. 

—  hastata   L.   460,   462,   607. 

—  juniperata  L.  460,  461, 
581. 

—  variata  Schiff.  460,  461, 
581. 

—  var.  obeliscata  fib.  460, 
461,  581. 

Larentiinae  460. 

laricana    T.    216,    219,    339, 

340*. 
laricella    C.     136,     137,    188, 

189*,    190*. 
laricella  T.  188. 
lariciana  Tm.  339. 
lariciata   E.   460,   461,   582. 
laricinella  T.  188. 
laricinellae  E.   192. 
laricinellae   Pt.   192. 
larvarum  C.  254. 
lasci\us    Ph.    799. 
Lasiocampidae   105,   109,   112, 

113,     114,     116,     121,    456. 
Lasiocampina    113. 
Laspeyresia       ( IIb. )       Kenn. 

354. 
Laspeyresia      amplana      Hb. 

216,  219,  354,  357*,  358. 

—  annulata  Htg.  357. 

—  (Carpocapsa)  pomonella 
L.   216,  219,  354,  355. 

—  coniferana  Rtzb.  216,218, 
219,    355,   371,    372*. 

—  corollana  Hb.  216,  219, 
354-  374. 

—  cosmophorana      Tr.      216, 

218,  354,  372,  373*. 

—  duplicana   Zett.   216,   217, 

219.  355,   370. 

—  fagiglandana  ZU.  357. 

—  grossana  H\v.  216,  219, 
354,  357. 

—  grunerliana  Rtzb.  216, 
219,  354,  368. 

—  illutana  H.  S.  216,  217, 
219,  377. 

—  pactolana  ZU.  216,  217, 
354,  361,  362*,  363*,  364*, 
365*.   367*- 

—  splendana  Hb.  216,  219, 
354,    356. 

—  splendana  Rtzb.  357. 

—  strobilella  L.  216,  217, 
354.  374,  375*>  376*. 

—  var.  putaminana  Stgr.  216, 
219,    354,    355. 

—  var.  reaumureana  Hvv.  216, 
219,  354,  357. 

—  zebeana  Rtzb.  216,  219, 
354,  358,  359*. 

Laubholzspanner   587. 


La  verte  243. 

Lebensweise  der  Falter  35. 

Lebensweise    der   Raupe    42. 

Lebensweise   der   Schmetter- 
linge 35. 

lecheana  C.  215. 

leeuwenhoekella  P.   136,   199. 

Lemoniidae    106. 

Lepidoptera    i,   6. 

Lepidopteren-Autoren  122. 

Lepiclopteroiclea    i. 

leporina   A.   616,   762,   768. 

Leptis    scolopacea    L.    724. 

leptocephalus   E.   291. 

Leptocryptus    claviger 
Taschenbrg.  325. 

Leskia  aurea  Fall.   290,  398. 

leucogramma   E.   411. 

leucophaearia    H.    461,    462, 
597. 

leucopsis  C.  41  3. 

libatrix  Z.  520,^  528. 

ligniperda   C.  383. 

ligniperdae   St.   (X.)   388. 

Ligustereule  617. 

ligustri  A.  770. 

ligustri   C.  617,   762,   770. 

limacodes  C.  423,  424'^,  425*. 

Limacodidae    108,    iii,     112, 
155,    119,    131,  422. 

Limnerium      albiclum      Gm. 
254,   292. 

—  assimile  Grav.  300. 

—  lineolatum   Bche.   292. 

—  ramidulum   Brischke  300. 

—  spectabile  D.  T.  593. 

—  turionum    Htg.    292,    325. 

—  unicinctum  Grav.   593. 
Limnophilus     flavicorms     F. 

4*.   5. 

—  rhombicus   L.  4*,   5. 

—  viltalus  F.  4*. 
linearis  P.  292,  300. 
lineolatum   L.   292. 
Liparidinae    iio. 
liscivus   Ph.  325. 
Lissonota  buolianae  Htg.  2.^2. 

—  dubia   Hlmgr.  254. 

—  hortorum  Grav.  300. 

—  nigra  Brischke  292,  413. 

—  parallela   Grav.   300. 

—  robusta   Rtzb.   292. 

—  Sternalis  Costa  254. 

—  variabilis     Ilolmgr.     300. 
Literatur   „Die   Kieferneule" 

758. 
Literatur   über   Cossiden  394. 
Literatur  über  Eulen  I  758. 
Literatur  über  Lepidoptercn, 

Allgemeine   125. 


Sachregister. 


817 


Literatur  über  Nadelholz- 
spanner   583. 

Literatur  über  Sesiiden  419. 

Literatur  über  Tineiden  208. 

Literatur  über  Tortriciden  1 
268. 

Literatur  über  Tortriciden  II 

Literatur  über  Trichopteren  5. 
Lithocollctis-Arten   137. 
Lithocollctis  ZU.   135,  183. 
Lithocollctis      alniella      .ZU. 
136.    184. 

—  faginclla  ZU.  n6,  n7, 
184,    185*. 

—  lanlanella  Schrk.  185. 

—  millieriella    Stgr.    185. 

—  platani  ZU.  136,  185. 

—  quercifoliella  ZU.  184. 

—  salictella    ZU.    184. 

—  spinicolella    ZU.    184. 
Lithomastix  truncatella 

Dalm.    393. 
Lithosiidae    114. 
lituraria    E.    574. 
lituraria  G.  574. 
lituraria  Ph.  574. 
liturata  G.  574. 
liturata  M.  574. 
liturata     S.     461,     463,     468, 

574. 
locutor   I.   520. 
loefflingiana     T.     215,     219, 

266.  ^ 
longicauda    G.    520. 
longicornis  A.  41 1. 
longicornis  C.  254. 
lophyrorum  L.  520. 
Lozotaenia  H.  S.  230. 
luctuosella  B.  136,  203. 
lunaria  S.  461,  462,  603. 
lunaris  Ps.  617,  775,  790. 
lupulinus    H.   130. 
luridus  T.  724. 
luteella  N.  143. 
luteus   O.   411. 
lutipennella  C.   136,   137,  197, 

198*. 
Lycaenidae  106,   113,   114. 
Lydella  ambulans  Rond.388. 

—  angelicae  Meig.  255. 

—  nigripes  Fall  520,  527, 
529>    599- 

Lymantriiclae    107,    112,    113, 

114,    116,    122,   456. 
Lypusidae    104. 

M. 

Macaria  liturata  Gl.  574. 
Macrocentrus  abdominalis  F. 
254. 

Escherich,  Forstinsekten. 


Macrocentrus  marginator 
Nees.  41 1,  413,  415. 

—  nitidulator  Nees.  413. 

—  thoracicus  Nees.  254. 
Macrofrenatae    Handl.     109, 

112,    116,    455,    456,    457. 
Macrolepicloptera     112,     115, 

455. 
Macrolepidopteren    loi,    ;i5. 
maculata  PI.  255. 
inaculator   P.   254,   300. 
maculosa    N.    255. 
Magdalis  frontalis  Gyll.  699. 
niagnicornis    E.    703,    715. 
malinella   H.    135,   159. 
Mamestra  Tr.  611,  613. 
Mamestra  pisi  L.  614''',   Ü17, 

618,    775,   789. 
Mandibeln  26*. 
manifestator  E.  413. 
margaritata      M.     461,     462, 

607. 
margarotana     E.     216,     219, 

294. 
marginaria  H.  461,  402,397. 
marginata   R.   529. 
marginator  M.  411,  413,415. 
marginatus    C.   724. 
marginicolella   N.   143. 
Markeule,  gemeine  617,  772. 
marmorata  S.  799. 
maurus  A.  716. 
Mechanische  Bearbeitung  d. 

Streu   560. 
Mechanische  Bearbeitung  d. 

Streu   (Kie.Eule)   738. 
megacephala     A.     616,     762, 

768. 
megaspermum    T.    785. 
Melamspora   cerastii   Schrot. 

370. 
melancholica    L.    292. 
melanocastaneus  A.  784. 
melanocephala  Tr.  402,   406. 
mendacella  D.  428,  433,  449, 

450*. 
Meniscus  setosus  Frcr.  388. 
merdarius  E.  703,  706. 
Meritol  87. 
Mesochorus      brevipetiolatus 

Rtzb.   709,   716. 
Mesostenus    gladiator    Scop. 

388. 
Meteorus    albiditarsis    Gurt. 

703,    708,    716. 

—  cinctellus  Nees.  254. 

—  ictericus    Nees.    593. 

—  pallidus  Nees.  593. 

—  pulchricornis    Wesm.  593. 
Methodik  69. 

Metopius  fuscipennis  Wesm. 
520. 
Bd.  III. 


Metrocampa   margaritata    L. 
461,    462,    607. 

—  honoraria  Schiff.  461. 
Microcyptus  basiconus  Grav. 

716. 

—  micropterus   Grav.   799. 
Microdus   pumilus  Rtzb.  192. 

—  rufipes   Nees.   254. 
Microfrenatae    112,    115,    127, 

131. 
Microlepidoptera     iio,     115, 

127. 
Microlepidopteren    loi,    115. 
Microplitis  decipiens  709. 

—  seurati    Marsh.    784. 
Micropterygidae      loi,      103, 

107,     IIO,     112,     113,     114, 

115,   116,  127. 
Micropteryginae    127. 
Micropterygoidea  Börner 

103. 
micropterus    M.   799. 
Micropteryx    Hb.    128.. 
Micros    loi. 
Mikrosporidienkrankheit  en 

73. 
millieriella  L.  185. 
milvipennis  C.   197. 
Minier  sackmotten  135,  145. 
mitterpacheriana     E.     344. 
Mittleres  Eichenkarmin  617. 
Moderholzeule  617,  794. 
Momphidae    105. 
Momphinae     134,     136,     198. 
Monodontomerus     aereus    v. 

viridanae   Mayr.  254. 

—  clentipes  Boh.  254. 
Monopidae   104. 
Monotrysia  Börner  102,    131. 
Mordraupeneule  617. 
niorio  A.  716,   784. 
Morphologie   u.   Anatomie  6. 
Motorpulvei  verstäuber 

„Platz"   96*. 
Motorpulververstäuber 

,,Sulfia"  97*. 
Motor-   und   Handverstäuber 

96. 
Motorverstäubcr-Schering- 

Kahlbaum   98*. 
Motten   loi,    108,  131. 
Mottenartige    108. 
Mottenraupen   zwei  30*. 
mucronatus  P.  300. 
mughiana   var.   E.    277. 
Multipler     Thcrmohygrostat 

70. 
Mundwerkzeugplatte       einer 

Raupe   26*. 
Mundwerkzeuge  vcrsch.  Rau- 
pen 29*. 

52 


818 


Sachregister. 


murinana    C.    215,    218,    230, 

231*,  232*,  233*. 
murinana  T.  230. 
muscalella    I.    135,    137,    146. 
Muscina  stabulans  Fall.  784. 
mutatella   var.   D.   440. 
Mycosen   (Kie.Eule)   718. 
Mycosen   (Kie. Spanner)   537. 
Myelois    Hb.   452. 
Myelois   ceratoniae  ZU.   428, 

452. 
Myelophilus  minor  Htg.  544, 

699-  745- 
—  piniperda  L.  544,  699,  745. 
mvopiformis  S.  399,  401,402, 

418. 


N. 


Nachtpfauenauge   113. 
Nadelholz-Eulen   618. 
Nadelholz-Spanner     463. 
Nadelholzwickler,    schwarzer 

216,    371. 
Nahrungsmenge 

(Kie. Spanner)   482. 
Nahrung,    Verdauung    (Kie. 

Eule)  653. 
nana  A.   192. 
nanana  E.  309. 
nanana  G.  309. 
nanana  S.  199,  207,  216,  217, 

309,  353- 
nanana  T.  309. 
Nectria  cucurbitula   Fr.   366. 
Nemeritis  caudatula  Thoms. 

799- 

—  cremastoides   Hgn.   377. 
nemoralis  C.  799. 
Nemorilla    maculosa     Meig. 

255- 
Nepticula  ZU.  139. 
Nepticula-Arten  137,   138. 
Nepticula-Blattminen    143*. 
Nepticulidae    103. 
Nepticulinae   134,   135,  138. 
Nepticula    aceris    Frey.    138, 

143. 

—  alnetella   Stt.   143. 

—  argyropeza    ZU.    135,  142. 

—  atricapitella  Hw.  142. 

—  basigutella  Hein.  142. 

—  basalella  H.  S.143. 

—  betulicola  Stt.  143. 

—  lutecella    Stt.   143. 

—  marginicolella  Stt.  143. 

—  quinquella   Bedell  142. 

—  rubescens    Hein.    143. 

—  ruficapitella  Hw.  142. 

—  Salicis  Stt.  142. 

—  sericopeza    ZU.    135,    138, 
139,   140*,   141*. 


Nepticula  subbimaculata  Hw, 
142. 

—  trimaculella  Hw.   142. 

—  turbidella  ZU.  142. 

—  turicella    H.  S.    143. 

—  ulmivora   Fologue   143. 

—  vimineticola    Frey.   142. 
nigra  L.  292,  413. 
nigricana    E.    165,    216,    218, 

341,   342,  343*. 
nigricana   G.   342. 
nigricana   T.   342. 
nigricans  A.  617,  775,  788. 
nigricaria  ab.  B.  465. 
nigricornis  L.  254. 
nigricornis  P.  784. 
nigricella  Steph.   193. 
nigripes    L.    520,    527,     529. 
nigriscaposa  P.  254. 
nigritarius   I.    519,    520,   521, 

522*,   523*,  575,  703,  705, 

716. 
nigrocyaneus   PI.    520. 
nitidiventris   Ph.    255. 
nitidulator  M.  413. 
nivea    P.    203. 
Noctua  (Agrotis  )  clavis  Rott. 

780. 

—  (Agrotis)   segetis   F.   780. 

—  (Agrotis)  segetum  Schiff . 
780. 

—  (Agrotis)  vestigialis  Rott. 
776. 

—  (Mamestra)    pisi    L.    789. 

—  (Panolis)     griseovariegata 
Goeze    619- 

—  (Panolis,    Trachea)    pmi- 
perda   Pz.   619. 

^  pini  Vill.  619. 

—  satellitia  L.   788. 

—  segetum    Schiff.    780. 

—  spreta    F.   619. 

~-  telifera  Payk.  619. 

—  (Trachea)  piniperda  Esp. 
619. 

—  valligera  W.   V.    776. 
Noctuae    chloephoridae    762. 
Noctuaemorpha   114,  455. 
Noctuidae  loi,  107,  109,  112, 

113,     114,    116,     122,    455, 

456,  609. 
Noctuina    107. 
Noctuinae    iio,    114,    611. 
Noctuinae        bombyciformes 

611. 

—  genuinae  611. 

—  geometriformis   611. 
Noctuini  611. 
Noctuoidea   Börner   107. 
Noctuoidea  455. 
Nolidac    107. 


nomadaeformis   S.   402,   409, 
417. 

Nosema  apis   Zander   74. 
—  bombycis  Näg.  74. 
notata  S.  461,  462,  607. 
Notodontidae    107,    109,    112, 

113,     114,     116,     120,    456. 
Notodontinae    114. 
nucum   P.   254. 
Nudifrenatae    114. 
nupta   C.   617,    618,   762. 
Nutzen     und     Schaden     der 

Schmetterlinge   50. 
Nycteolidae  107,   114. 
Nymphalidae    106,    113,    114. 

O. 

V.  obiliscata  L.  460. 
obscuratur  O.  291,  300. 
obscuripes   E.   254. 
obscurus  O.  411. 
obscurus  Ph.  325. 
Obstmade  355. 
ocellata  A.  799. 
ochracea    G.    617,    61S,    762, 

772. 
ochsenheimerella  A.  135,147. 
Ochsenheimeriidae   104. 
Ocnerostoma   ZU.    154,    173. 
Ocnerostoma  copiosella  Frey 

176. 

—  piniariella   ZU.    135,    137, 
173,.  174. 

octonarius  A.  300. 
Oenophilidae  104. 
Örtlicher    Verlaut    (Kie. 

Eulengradation)   683. 
Örtlicher    Verlauf    (Kie. 

Spannergradation)   504. 
Olethreutes    Hb.   300,   301. 
Oligoneura   115. 
Omorgus  difformis  Gm.  254, 

292. 

—  tumidulus  Grav.  192. 
Oncophanes    lanceolator 

Nees.    254. 
Oophthora       (Pentharthron) 

semblitis  Aur.  784. 
Operophthora    fagata 

Scharfb.  592. 
Ophion  luteus  L.   411. 

—  obscurus  L.  411. 
Opisthoneura    113,   455. 
Orangegelber      Frostspanner 

461,  597. 
orbilatus  PI.  520. 
orbitalis  P.  291,  300. 
Ordensband,  blaues  617. 
Ordensband,      braunes      617, 

775,  790. 
Ordensband,  gelbes  617. 
Ordensband,   rotes  617. 


Sachregister 


819 


Organisation  d.  Bekämpfung 
einer  Eulengradation  746, 

753*- 
Orgilus  obscurator  Nees.  291, 

300. 
ornata    H.    411. 
ornatus   G.   411. 
Orneodes  Ltr.  454. 
Orneodidae     105,     108,     in, 

112,     113,     114,     115,     117, 

131,    454. 
Ornix   135,   188. 
oritae  C.  30*. 
orthogonia   P.   783. 
Orthostixmae   460. 
Orthotelidae  104. 
Ovarien    und    ihre    Austuhr- 

gänge,   Die  17. 
Ovarien   (Typen)   20*. 
oxyacanthae  C.   520. 


pachvmerus    I.   520,    52^,703, 

7Ö4,    705*. 
pactolana  Gr.  361. 
pactolana    L.    216,    217,    354, 

361,  362*,  363*,  364*,  365*, 

367*. 
pactolana  S.  361. 
pactolana  T.  361. 
padella  H.   135,159. 
padi  H.  160. 
Paedisca  342. 
Pales  pavida  Meig.255. 
pallidipes  T.  325. 
pallidus  M.  593. 
Palpenmotten    136. 
Palpus   maxillaris   27*. 
Pammene  Hb.  377. 
Pammene      gallicolana     ZU. 

216,  219. 

—  fmibriana    Hw.    216,    219, 
377. 

—  juliana  Curt.  216.  219,  358, 

—  splendidulana  Gu.  377. 
Pancalia  leeuwenhockella  L. 

136,    199. 
Pandemis    Hb.   237. 
Pandemis    ribeana    Hb.    215, 

216,    218,   237. 
Paniscus  testaceus  Grav.  409. 
paniscus   A.  784. 
Panolis   Hb.  611,   614. 
Panolis      flammea      Schiff. 

614*,  617,  619,  620*,  621*, 

622*,   623*,  624*,   625*. 

Ätiologie    der    Gradation 
666. 

Begattung  630. 

Beispiel      einer      Analyse 


der  Hauptvernichtungs- 
faktoren   727. 

Bekämpfung    734. 

Bekämpfung  der  Sekan- 
därschädlinge  745. 

Bionomie    624. 

Bionomie  der  Raupe  643. 

Ei  620. 

Eiablage  und  Eientwick- 
lung   630. 

Epidemiologie    658. 

Falter  620. 

Falterflug  628. 

Feststellung  der  Befalls- 
stärke  (Virulenz)  734. 

Forstliche  Bedeutung  t^-})- 

Fortpflanzung    624. 

Geographische  Verbrei- 
tung 624. 

Geschichte  728. 

Kannibalismus  656. 

Klima  als  auslösender 
Faktor   670. 

Klima    und    Eimortalität 

Klima   und   Eiproduktion 

673- 

Klima  und  Raupenmorta- 
lität  674. 

Klimatische   Einflüsse 
670. 

Krankheiten  717. 

Krisis   701. 

Kritisches  Stadium  679. 

Mechanische  Bearbeitung 

der  Streu  738. 

Nahrung    653. 

Nahrungspflanzen   655. 

Örtlicher    Verlauf    683. 

Organisation  d.  Bekämp- 
fung einer  Eulengra- 
dation 746. 

Parasiten    702. 

Puppe    623. 

Räuberische   Tiere   721. 

Raupe   621. 

Regenerationserscheinun- 
gen und  Prognose  689. 

Schlüpfen  der  Falter  624. 

Symptome  der  Eulengra- 
dation 685. 

Verdauung  653. 

Verpuppung  657. 

Vertilgung  der  Eier  "jy]. 

Vertilgung     der     Puppen 

Vertilgung    der    Raupen 

739- 
Vorbeugende  Maßnahmen 

736. 
Zeitlicher      Ablauf      der 

Gradation   682. 


Zwölfersche   Populations- 
gleichung 658. 
Panorpa  i*. 
Panorpa   communis   L.    2,   3, 

593- 
Panorpatae   1. 
Panthea    Hb.   611,    613. 
Panthea  coenobita  Esp.   617. 
Panzeria  712. 
Pappelgiasflügler,    großer 

403. 
Pappelordensband   617. 
Pappelschwärmer,     kleiner 

407 
papilionaria   G.   31,   460,  462, 

607. 
Papilionidea      Börner        106, 

HO,     113,     114,     116,    117, 

455.   456. 
Papilionina    106. 
parallela    L.   300. 
paranympha  C.  617,   618,762. 
parasitella  T.  152. 
Parasiten     (Kie.  Eulei      702, 

703*. 
Parasiten  (Kie.  Spanner )  516 
Parasitenreihe    der    Kiefern- 
eule 704. 
parenthesellum   C.    135,    177. 
parilella    D.    30*. 
pavida  P    255. 
pectinea  J.  146. 
pedaria    Ph.    461,    462,    600*, 

605. 
Pedes  coronati  24. 
Pedes  semicoronati  24. 
Pelatachina  tibialis  Fall.398. 
Peletieria   nigrocornis   Meig. 

784. 
pelionella   T.    135,    138. 
Pelzmotte     138,    151. 
pendularia   E.   460,   462, 607. 
penkleriana  E.  216,  219,  -^41, 

344. 
pennaria    H.    461,    462,    604. 
Pentatoma    rufipes    L.     724. 
Penthina   301. 
Peridermium  pini  Willk.372, 

418,  437,  447. 

—  strobi   372,   436. 
Perilampus    levifrons    Dalm. 

292. 

—  tristis    Mayr.   292. 
Perosis  annulata  Brisch.  411, 

413- 
perspicillator  PL  529. 
Pezomachus    agilis     F.     292. 

—  audax  Forst.  593. 

—  instabilis    Forst.    292. 

—  rusticus   Forst.  254. 
Peziza  Willkommii  360. 

52* 


820 


Sachregister. 


Pfauenspinner  456. 

Pfeileule    616. 

Phaenolobus      arator     Rossi 

411. 
Phaeogenes     ischiomelinus 

Gray.   799. 

—  lascivus    Wesm.    323, 799. 

—  Stirn  ulator    Gr.    254. 
Phalaena    fulvata    F.    581. 

—  Geometra    (Fidonia)    pim- 
aria  L.  463. 

—  lituraria  L.  574. 
Phaloniinae  215,  271. 

Ph.    B.    (Cabera)    pusaria   L. 

602. 
Ph.   G.   r Fidonia)   aescularia 

Schiff.   597. 
Phigalia  pedaria   F.  461,  462, 

600*,     605. 
Phorocera  assimilis  Fall. 388. 
Phryganea   grandis   L.   5. 
Phryxe    yulgaris     Fall.    290, 

716. 
Phycis     abietella     Zck.     434, 

440. 

—  elutella  Hb.  429. 

—  splendidella    H.    S.    434. 
sylvestrella    Rtzb.    434. 

—  tumidella   Zck.   451. 
Phycitinae   427. 
Phygadenon    716. 
Phygadenon   brumatae   Rdw. 

'593- 
Phyllocnistidae     104. 
Phytodiaetus  coryphaeus  Gr. 

254. 

—  polygonius    Forst.    254. 

—  segmentator   Gr.   254. 
Phytodistes     obscurus     Dew. 

325- 
Phytomyptera  nitidi\entris 

Rond.    255. 
piccator    J.    716. 
piceana     C.     215,     217,     218, 

225,   226*,   227*. 
piceana  Syn.  345. 
piceana    T.    225. 
pictipes  P.   254. 
pictus   C.    192. 
Pieridae     106,     113,     114. 
pilipennis    A.    255,    290,   300, 

439,-    448. 
Pimpla    brassicariae    Poda 

254. 

—  brevicornis    Gray.    292, 
300. 

—  buoliana    Htg.    291. 

—  calobata    Gr.    254. 

—  diluta    Rtzb.    300. 

—  examinator    F.     192,    254, 
291,  440,  603,  799. 


Pimpla    flavicoxis    Th.     234. 

—  flayicans    L.    254. 

—  flavipes    Gr.    254. 

—  graminellae     Schrk.     254, 
300. 

—  Inquisitor     Sc.     234,     291, 
300,    440. 

—  instigator  F.  254,  320. 

—  linearis    Rtzb.     292,    300. 

—  maculator  F.  234,  300. 

—  nigriscaposa     Th.     254. 

—  nucum     Rtzb.     234. 

—  orbitalis    Rtzb.    291,    300. 

—  pictipes    Gr.    234. 

—  punctulata    Rtzb.    300. 

—  quadridentata   Th.    254. 

—  resinellae   L.   300. 

—  roborator    L.    411,    413. 

—  ruf  ata    Gm.    234. 

—  ruficollis     Gr.     291,     292, 
300. 

— •  sagax    Htg.     291. 

—  scanica  Gr.  254. 

—  terebrans  Rtzb.  300. 

—  turionellae    L.     192,    234, 
291,  529. 

—  yariegata   Rtzb.    291,   300. 
pineae     D.     428,     433,     449, 

430*. 
pinetana   Syn.    343. 
pinetata    Ph.    581. 
pini    E.    376. 
pini    N.    619. 
piniaria    F.    463. 
piniaria   G.    463. 
piniaria    Ph.     463. 
piniariella   O.    133,    137,    173, 

174. 
piniarius    B.    461,    463,   463*, 

466*,  467*,  468*,472*,473*, 

474*,    473*,    477*,    480*. 
pinicolana  E.  798. 
pinicolana   G.    311. 
pinicolana   T.    311. 
pinicolana    yar.    E.    283. 
pinicolella    E.    136,    198,  207. 
piniperda    N.    619. 
piniperda    P.    619. 
piniperda   Tr.   619. 
piniyorana    E.    216,    218,  293. 
Pinselbüschel    696. 
pisi    M.    614*,   617,    618,    773, 

789. 
pisi   N.   789. 
Pissodes   notatus    F.    699. 

—  piniphilus    Hbst.    544,699. 
planatus    Sc.    292. 

platani  L.  136,  185. 
Platygaster   mucronalusRtzb. 

300. 
Platvlabus   cothurnaLus  Gray. 


—  claemon  Wesm.   320. 

—  nigrocyaneus    Gray.     320. 

—  orbilatus   Gray.   520. 

—  yibicariae   Krchb.   520. 
platyptera   R.    329. 
Plectocryptus    716. 
Plectocryptus    arrogans  Grav. 

323,    520,   717. 

—  perspicillator    Gray.    329. 
Plesina   maculata    Fall.    253. 
Plistophora     schubergi  Zwöl- 
fer 74,   73*,  76*,  ^T^. 

Plodia   interpunctella    Hb. 

428,  430. 
Plusia     Ochsh.     611,     616. 
Plusia    gamma    L.    617,    618, 

775,    791,    792*,    793*. 
Plusiini    611. 
podana  C.   213,  219,   224. 
podana  T.  224. 
Poecilia   nivea    Hw.    203. 
poecilops  C.  593. 
Polia   pisi    L.    789. 
politana    T.    213,    218,    239, 

242-^,  243*. 
Polyblastus     calcator     ]\Iüll. 

300. 
Polyederkrankheiten     78, 80*. 
Polyederkrankheit  (Kie. 

Spanner)   337. 
polygonius    Ph.    234. 
Polyneura   115. 
Polysphincta  yelata  Htg. 320. 
pomonana    T.    355. 
pomonarius    B.    461,    462,603. 
pomonella   L.    216,   219,   334, 

355. 
Porosagrotis        orthogonia 

Morr.    783. 
Posthornbildung    288,      289*, 

291*. 
posticana    E.    216,    218.    293. 
praecocella  A.    137. 
prasinana    H.    616,    617,    762, 

765,  766*. 
V.     prasinaria     E.     461,     569. 
Prays    Hb.    133,    154. 
Prays    curtisellus    Dup.    133, 

.138,    154,    153*. 
Pristomerus     yulnerator     Pz. 

291. 
procerus   J.    320. 
Prodromalstadium     31. 
progemmaria  H.  597. 
Prognose     quoad     vitam     d. 

Waldes     (Kie.     Spanner) 

341. 
promissa    C.    617,    618,    762. 
prosapiaria    E.    461,    463,468, 

569,    370*,    372*,    373*- 
Prosopaea    fugax    Rond.  233. 
Proterandrie   37. 


Sachresrister. 


821 


Protogynie  37. 
proximana   E.   216,   218,   341, 
353. 

proximella    T.    136,    138,206. 
Proxus  sesiae  Phocs.  411. 
Prozessionsspinner    113. 
pseudonymus   C.   406. 
Pseudophia    Gn.    616. 
Pseudophia    lunaris    617,  618, 

775.    790. 
psi  A.  616,  762,  769. 
Psyche     ecksteini     Led.  421*. 

—  (Pachytelia)    unicolor     L. 
421*.   ' 

—  viciella  Schiff.  422*. 
Psycheoidea  Börner  104. 
Psychidae    104,    108,    110,112, 

113,     114,     115,    118,    131, 

420. 
Psychina     113. 
Pteromalus     alboannulatus 

Rtzb.    703,    711. 

—  cupreus    Nees.    254. 

—  deplanatus     Nees.     254. 

—  guttala  Rtzb.  300. 

—  laricinellae     Rtzb.    192. 

—  roborator    F.    292. 

—  variabilis  Rtzb.  292. 
Pterophoridac    loi,    105,    108, 

111,  113,     114,     115,   117, 
131,    454. 

pugillator    C.    593. 
pudibunda    D.    31. 
pulchelus    H.    192. 
pulchicornis    M.    593. 
pulverulenta    T.    617,    618, 

762,    774. 
pumilus    M.    192. 
punctaria    E.    460,   462. 
punctulata    P.    300. 
Puppe    32,    33*,    34*. 
Puppe    ( Kie. Spanner )    466. 
Puppenmykosen    (Kie.   Eule) 

720. 
pusaria     D.     460,     462,     602. 
pusaria    Ph.    B.    602. 
pusillata  E.   460,  461,  582. 
pusiHator  J.  388. 
putaminana  L.  216,  219,  354, 

355. 
pygmaeana  A.  216,  217,  333, 

334*,    335*,   337*,  353- 
pygmaeana  G.  333. 
pygmaeana  T.  333. 
pvgmaeella   A.    135,    138,  163, 

171. 
Pyralidae   10 1,    106,   108,   11 1, 

112,  113,    114,        115,   118, 
131,    426. 

Pyralidina  Meyr.    108,   113. 
Pyralimorpha    1  14. 
P\  ralina     106. 


Pyralinae    427. 
Pyraloidea  Börner   106. 
Pyraustinae    427. 
pyrina     Z.     383,     389,     390*, 
391*,    392*,    393*. 

Qu. 

quadriclentata  P.  254. 
Quadrifinae    611,     612,    616, 

6.7. 
quadripunctata    S.    255,    593. 
quercana    C.    136,    202. 
quercaria  E.  603. 
quercifoliella    L.     184. 
quercicolella   T.   152. 
quercinaria   E.   461,   462,602. 
quinquella   N.    142. 
Quirlrosetten    696. 

R. 

Rabenfederchen   193. 
Räuberische     Arthropoden 

(Kie. Spanner)    532. 
Räuberische  Tiere  (Kie. Eule) 

721. 
ramidulum     L.     300. 
ramidulus    E.    703,    706,707*. 
Ramphomia    marginata    529. 
Ramphomia    platyptera  Fall. 

529. 
ratzeburgiana     S.     216,     217, 

307,  308*. 
Raupe    23. 
Raupenbeine     24*. 
Raupenkot     43*. 
Raupenkrankheiten   71. 
Raupenmvkose    (Kie. Eule) 

718. 
reaumureana    L.    216,219,354, 

357. 
Receptaculum    seminis    22. 
Regenerationserscheinungen 

u.   Prognose  quoad  vitam 

d.  Waldes  (Kie.Eule)   689, 

690*,    691*,    692*,    693*, 

696*. 
Regenerationserscheinung 

(Kie. Spanner )     512. 
resinana   T.   294. 
resinanae    G.    279,    280,    300. 
resinella    E.    216,    218,    272, 

294,   295*.   297*. 
resinella   T    294. 
resinellae    P.    300. 
resinellae    Z.    300. 
retiferana   E.    216,    218,    294. 
Retinia  Gu.  272. 
Retinia  buoliana  W.  V.  283. 

—  duplana    273. 

—  resinella    L.    294. 

—  turionana    Hb.    276. 
Reussiella   T.    204. 


Rhogas    circumscriptus  Nees. 

325,  601. 
—  interstitialis   Rtzb.    300. 
rhombicus    L.    4*.    5. 
Rhopalocera     loi,     106,     iio, 

112,  113,  116,  455,  456. 
Rhopaloceromorpha  1 14,  456. 
Rhumbler'  sehe  Bioformel  48. 
Rhvacia     vestigialis     Roit. 

776. 
Rhyacionia    Hb.    272. 
ribeana  P.  215,  216,  21 8,237. 
ribeata     B.     461,     582,     607. 
roborator    Pt.    292,    411,    413. 
robusta    L.    292. 
roscanae     Z.     255. 
Roßkastanienbohrer    389. 
Roßkastanieneule    767. 
Roßkastanien-  Frostspanner 

597. 
Roßkast. -Winterspanner  461. 
rostralis  H.  616,  617. 
Rostroter  Fichtenwickler  216, 

307. 
Roter  Kiefernspanner  569. 
Rotes  Ordensband  617. 
Rotköpfiger   Tannenwickler 

216,    305. 
rubescens    N.    143. 
rubroater    A.    703. 
rudis  E.  703,  712,  7n*.7i4*, 

715- 
rufa  F.   532,  721. 
rufata   P.    254. 
ruficapitella   N.   142. 
ruficeps    J.    520. 
ruficollis    P.    291,    292,    300. 
ruf icornis    A.     1 8 1 . 
ruficlens   A.    181. 
rufimitrana    E.    305. 
rufimitrana    G.    305. 
rufimitrana  S.   216,  218,  305, 

306*,    307*. 
rufimitrana    T.    305. 
rufipenella  G.    136,   138,  178. 
rufipes    M.    254. 
rufipes    P.     724. 
rusticus    P.    254. 
rutilla    C.    520,    527. 

S. 

sabulosa     A.     724. 
Sackspinner    112. 
Sackträger    108,    420. 
Sackträgermotten     136. 
Säugetiere  (Kie.Eule)  726. 
sagax    P.    291. 
sagax    S.    300. 
Salebria     marmorata     Alph. 

799- 
Salicis   N.   142. 


822 


Sachregister 


salictella  L.  184. 
sanguinatorius    J.    773. 
Sarrothripinae     611. 
satellitia  N.  788. 
satellitium    S.    617,    618,775, 

788. 
Saturniidae     106,     112,     113, 

114,     116,     119,    456. 
Satyridae    114. 
scaber   T.    703,    708,    716. 
scabiosae  Z.  426. 
scabriusculus  H.   254. 
Scambus    291. 

Scambus   planatus    Htg.   292. 
Scambus  sagax   Htg.  300. 
scanica  P.  254. 
Schematische  Darstellung  d. 

Wicklerfraßes  292*. 
Schildmotte  423. 
Schildmotte,    große    423. 
Schildmotten    112,   422. 
Schlaffsucht   72. 
Schleheneule    617. 
Schleusenmotte  151. 
Schlüpfen,    Das   35. 
Schlüpfen    der    Falter    (Kie. 

Spanner)    468. 
Schlupfwespen        (Kie. Eule) 

704. 
Schmetterlinge  1. 
Schmidtella  P.   199. 
Schnabelhafte  1. 
Schopf  stirnmotten    135,    143. 
Schützeella  D.  428,  429,  433, 

448,   449- 
Schuppenformen    13*. 
Schwärmer      loi,      109,      113, 

455-  456. 
Schwarzer    N adelholz wickler 

216,   371. 
Schwarzküpfigcr         Tannen- 
wickler   230. 
Schweineeintrieb     557,     558*. 
Schweineeintrieb    (Kie. Eule  1 

738, 
Sciaphila  303. 
Sciapteron  Stgr.  398. 
Sciapteron  tabaniforme  Rott. 

400,  402,  407,  408. 
Scoleoptergynae  611. 
scoliaeformis  S.  416. 
scoliiformis   S.    399,   401,402, 

416. 
scolopacea   L.   724. 
Scopariinae   427. 
Scopelosoma   Curt.   611,   615. 
Scopelosoma     satellitium     L. 

617,   618,    788. 
Scorpionsfliege    2. 
Scorpionshaft    2. 
scutellatum  A.  716. 
Scythridiidae   105. 


Scythropia   Hb.    153,   161. 

Scythropia  crataegella  L. 
'135,    137,   161,    162*. 

secundaria  B.  461,  582. 

segetis    N.    780. 

segetum  A.  615*,  617,  618, 
775,    780. 

segetum   E.   780. 

segetum    N.    780. 

segmentator  Ph.   254. 

Sekundäre  Geschlechtsmerk- 
male cl.  Raupen  32. 

Selenia  Hb.  603. 

Selenia  bilunaria  Esp.  461, 
462,  603. 

—  lunaria  Schiff.  461,  462, 
603. 

—  tetralunaria  Plfn.  461, 
462,   603. 

Semasia   Kenn.   304. 
Semasia  conifcrana  Rtzb.  371. 

—  cosmophorana   Tr.   372. 

—  diniana  Gu.  216,  217,219, 
311,  314*  ,315*,  317*,  318*, 
319*,    320*,   321*,    798. 

—  nanana  Tr.   199,  207,  216, 

217,  309,  353- 

—  pactolana  ZU.  361. 

—  ratzeburgiana  (Sax.)  Rtzb. 
216,  217,^307,  308*. 

—  rufimitrana     H.     S.     216, 

218,  305,  306*,  307*. 

—  strobilata    L.    374, 

—  subsequana  Hw.  216,  218, 
329,    330*,    331*. 

—  vacciniana  ZU.  216,  219, 
328,    329*- 

—  zebeana  Rtzb.   358. 
semblitis  O.  784. 
Semicoronofrenate   114. 
Semiothisa      alternaria      Hb. 

461. 

—  liturata  Cl.  461,  463,  468, 
574. 

~  notata  L.  461,  462,  606. 

—  signaria  Hb.  461,  582. 
sericopeza  N.   135,   138,  139. 
Sesia    F.   398,   399. 

Sesia  apiformis  L.  403. 

—  asiliformis  Rott.  402,  407, 
416. 

— -  cephiformis  Ochsh.  399, 
402,  417. 

—  conopiformis  Esp.  402, 
417. 

—  culiciformis  L.  401,  402, 
413,  414*,  415*- 

—  cvnipiformis  Esp.  402, 
416. 

—  formicaeformis  Esp.  402, 
409,   410*. 

—  laphriaeformis   Hb.   406. 


Sesia  myopiformis  Bkh.  401, 
402,   418. 

—  nomadaeformis  Lasp.  402, 
409,    417. 

—  scoliaeformis    Lasp.    416. 

—  scoliiformis      Bkh.      .^01, 
402,  416. 

—  spheciformis      Grn.      401, 
402,  411,  412*,  413*. 

—  sphegiformis    F.   411. 

—  tabaniformis  Rott.   407. 

—  tipuliformis   Cl.   401,   402, 
419. 

—  vespiformis   L.   402,   416. 
sesiae  P.  41 1. 

Sesiaphaga  glivina  Rond.  398. 
Sesiidae    104,    108,    112,    113, 

115,    117,    131,   395,    396*, 

397*,  398*. 
sesinanae  T.  300. 
seurati   M.   784. 
setipennis   D.    448. 
setosus    M.    388. 
Sexualorgane,  weibliche  15. 
sicarius    I.    520. 
Sichelf  lügler    113. 
Sichelspinner   456. 
signaria  S.  461,  582. 
Silesia-Kalziumarseniat   87. 
Silpha      quadripunctata      L 

255,   593- 
similella  B.    136,  203. 
simploniella  G.   136,   137,18! 

182*,    183*. 
Sitotroga  Hein.  200,  208. 
Sitotroga      cerealella      Oliv 

136,   138,  208. 
sodalella   A.   450,   451. 
Sorosporella   agrotidis   Saro 

kin  785. 
Spanner    loi,    110,    113,    455 

456,  457,  458*,  459*. 
Spannerartige  Eulen  611. 
Spannerfraß  513*,  514*,  5  15* 

516*,   517*. 
Spannergradation  i.  d.  Ober 

pfalz    508,    509. 
Spanner    in    der    Oberpfalz 

der   506*,    507*. 
sparmanella  E.   128. 
spectabile  L.  593. 
Spezieller  Teil    127. 
Spicaria   cossus   Petsch.   389. 
spinicolella   L.    184. 
Spinner  loi,  109,  113,455,456. 
Spinnerartige   Eulen   611. 
Spinnereule   770. 
spinosus   C.   717. 
Spießbildungen      (Kie. Eule) 

688*. 
Spießbildung    bei     Spanner- 
fraß  518*. 


Sachregister 


823 


spheciformis  S.  399,  401,  402, 

411,   412*,   413*. 
sphcgiformis  411. 
Sphingidac      loi,      106,      109, 

112,     113,     114,    116.     119, 

455-   456. 
Sphingidina    106. 
Sphingimorpha    1 14,    456. 
splendana    L.    216,    219,    354, 

356. 
splendidella  D.  428,429,433, 

434,   437*,   438*,   439*-  ' 
splendidella   Ph.    434. 
splendidulana  P.  377. 
sponsa    C.    617,    618,    762. 
spreta  N.  619. 
stabulans  N.  784. 
Stachelbecrspanner  460,  607. 
Stadien  der  Raupen  32. 
Steganoptycha  798. 
Stcganoptycha      Stph.       304, 

305,     307,     311,    T,T,2,. 

Stemmatoncopoda    112. 
Stenolechia    Älcyr.    200,    203. 
Stenolechia    gcmella    L.    136, 

137.  203.^ 
Sternalis   L.   254. 
stimulator  Ph.  254. 
stipella  B.    136,   202*,  203. 
strobilana   T.   374. 
stratarius   B.   605. 
strenuum  A.  716. 
strobilata    E.    460,    462,    576, 

577*,  578*. 
strobilella   Gr.    374. 
strobilella    L.    216.    217,    S54, 

374,  375*>  376*. 
strobilella    S.    374. 
strobelella  T.   374. 
strobilorum    E.    300. 
Sturmia  bimaculata  Htg.  716. 
Sturmia  (Xvlotachina )  ligni- 

perdae  B.   B.  388. 
subbimaculcUa   N.    142. 
subsequana  S.  216,  218,  329. 

330*.  331*. 
sulcatus    Ch.    292. 
suttneriana    ab.    Schiff.    244. 
Syceuctus  irisorius  Rossi4i7. 
sycophanta    C.    255,    723. 
sylvata  A.  460,   462,  608. 
sylvestrana  E.  216,  218,  293. 
sylvestrella    D.    433,    434. 
syhestrella  Ph.  434. 
Symptome    der    Eulengrada- 

tion    685,    687*,    688*. 
Symptome      der      Gradation 

(Kie. Spanner)    512. 
Syntomidae     107. 
Syntomididae    112,    113,    114. 
Syntominae    109. 
Svntomis    122. 


svringella   G.    136,    138,    179, 

180*. 
System      der      Lepidopteren, 

Das    JGG. 
System  der  Lepidopteren  bei 

Imms    113. 
System  der  Lepidopteren  bei 

VVolff  u  .Krauße   1 14. 
System      der      Lepidopteren 

nach    Börner    102. 
System      der      Lepidopteren 

nach    Handlirsch    107. 
System      der      Lepidopteren 

nach   Hering    iig. 
System      der      Lepidopteren 

nach   Heymons    112. 

T. 

tabaniforme  Sc.   400,  402, 407, 

408*,  411. 
tabiniformis   S.   407. 
Tachinen    (Kie. Eule)    712. 
tacdella  Syn.  345. 
Taeniocampa    Gu.    611,    614. 
Taeniocampa     incerta     Hfn. 

617,  618,   762,   774. 

—  pulverulenta      Esp.      617, 

618,  762,  774. 
Tagfalter  loi,    iio,   113,  4155, 

456. 
Talaeporiidac    104. 
Tannenknospenmotte  164, 

165^ 
Tanncnknospenwickler      216, 

342. 
Tannenkrcbsglasschwärmer 

417. 
Tannenkrebswickler  371. 
Tannennadelmotte    163. 
Tannennadelnestwickler  230. 
Tannennadelwickler  216,  329. 
Tannentriebwickler   215. 
Tannentriebwickler,      ziegen- 
melkerfarbiger  230. 
Tannen  Wickler,    grüner    230. 
Taimen  Wickler,      rot  köpf  iger 

305. 
Tonnenwickler,     schwarzköp- 

figer   230. 
tapctiella  T.   135,   138,  152. 
Tapetenmotte    152. 
Tarichium    megaspermum 

Cohn.    785. 
tedella     E.     216,     217,     341, 

345,  346*,  347*,  348*,  349*. 
tedella   G.   345. 
tedella   T.   345. 
Teichobiidae    104. 
Teleia  Hein.  200,  206. 
Teleia    proximella    Hb.    136, 

138,  206. 


Telenomus  spec.  520,  526. 
telifera  N.  619. 
tenuicornis  G.  300. 
tenuicornis   I.   146. 
icnuipes   A.   716. 
Tephroclystia    582. 
terebra  C.  389. 
terebrans  P.  300. 
terebrellum   H.   428,   432. 
testaceus   P.  409. 
testudinana   T.   423. 
tetraquetrana     E.     146,     216, 

219,    341,    343. 
tetralunaria  S.  461,  462,  603. 
Thaumatopoea    120,   456. 
Thaumatopoeidae      107,     113, 

114,   116. 
Theniscus     bilineatus     Grav. 

411,  413,  417. 

—  impressor  Grav.  411,  413. 
Theronia  atalantae  Poda254, 

300. 
thoracicus    M.    254,   440. 
thurificana    var.    E.    283. 
Thyrididae   106. 
tibialis   E.   254. 
tibialis   P.   398. 
Tinea  ZU.    147,    148. 
Tinea    abietella    F.    440. 
Bergiella  Rtzb.   166. 
cloacella  Hw.    135,    138,  151. 

—  coracipennella    Hb.    193. 

—  corticella   Curt.   152. 

—  costella    F.    177. 

—  dodecella  L.  204. 

—  fuscipunctella  Hw.  152. 

—  granella    L.    135,   138. 

—  hageniella    Rtzb.    429. 

—  Judeichiella  Rtzb.  177. 
--  laricella  Hbn.  188. 

—  laricinella  Bechst.  188. 

—  parasitella    Hb.    152. 

—  pelionella     L.      135,      138, 
151. 

—  quercicolella    H.  S.    152. 

—  Reussiella    Rtzb.    204. 
Tineaemorpha    114. 
Tineidae    loi,    104,    108,    112, 

114,   115,   119,  131,   132*. 
Tineidae      aculeatae      Steph. 

108. 
Tineiinae   135,   147. 
Tineina   113. 
Tineina  vera   i 13. 
Tineola   H.  S.   147. 
Tineola  biselliella  Llum.  135, 

138,    148,    149*- 
Tincoidea    Börner    104,    131. 
Tineoidea    Handl.    108. 
tipuliformis    S.    399,401,402, 

419. 
Tischeria  ZU.   144. 


824 


Sachregistei 


Tischeria     complanella     Hb. 
135,   137,  144. 

—  decidua  Wck.    135,  145. 
Tischeridae  103. 
Tischeriinae  134,   135,  143. 
Tmetocera    Led.    339. 
Tmetocera      laricana      (Zll.l 

Hein.  216,  219,  339,  340*. 

—  lariciana  339. 
togata  E.  576. 
Tordeux    du    chene    243. 
Tordeux   verte   243. 
Tortricidac     104,      Jo8,     J  10, 

112,     113,     114,   115,     119, 
131,  210,  211*  212*,  214*. 

Tortricimorpha    114. 

Tortricina    113. 

Tortricinae  215,  220, 

Tortrix  L.   238. 

Tortrix  buoliana  Fabr.  283. 

—  caprimulgana  Koch  230. 

—  (Carpocapsa)      pomonana 
L.  355. 

• —  chlorana  L.  762. 

—  Clausthaliana    Rtzl).    301. 

—  coniferana  Saxs.  371. 

—  cosmophorana   Tr.    372. 

—  della  Quercia   243. 

—  (Grapholitha)         dorsana 
Hb.  361,  370. 

—  duplana  Hb.  273. 

—  duplicana  Zett.  370. 

■ —  forscaleana    L.    215,    219, 

238,  239*,    240*. 

—  hartigiana  Rtzb.  303. 

—  herzyniana  Tr.  301. 

—  herzyniana  Usl.  345. 

—  histrionana      Frocl.      228, 
230. 

—  loefflingiana  L.  215,  219, 
266. 

—  murinana   Hb.   230. 

—  nanana  Kuhlw.  309. 

—  nigricana   H.   Seh.   342. 

—  pactolana  ZU.  361. 

—  piceana   L.   225. 

—  pinicolana  ZU.  311. 

—  poclana   Scop.   224. 

—  politana     Hw.     215,     218, 

239,  242*,  243*. 

—  pygmaeana   Hb.   233, 

—  Ratzeburgiana   (Sxs.) 
Ratz.    307. 

—  resinana  L.  294. 

—  resinella  L.  294. 

—  rufimitrana  H.  S.  305. 
■ —  strobilana  L.   374. 

—  strobilella  L.  374. 

—  tedella  Cl.  345. 

—  testudinana   Hb.   423. 


—  turionana    L.    276. 

—  viburniana  Schiff.  215, 
218,    267. 

—  viridana  L.  215,  219.  243, 
244^  248*,  249*,  264*, 
265*. 

—  wahlbomiana  L.  215,219, 
268. 

—  zebeana     Rtzb.     358. 
Torymus    resinanae  Rtzb. 300. 
Trachea  piniperda  L.  619. 
Trägspinner   113. 
trapezina    C.    617,    618,    762, 

774. 
Trichogramma        evanescens 

Westw.  520,  526,  703,  709, 

710*. 
Trichophaga    Rag.    147,    148. 
Trichophaga      tapetiella      L. 

135.  138,  152. 
Trichoptera  i,  3. 
Triclistus      pallidipes      Hol. 

325   • 
tridens  A  .616,  762,  769. 
Trifinae    611,    612,   613,    617. 
trifolii    Z.    426. 
trimaculella   N.    142. 
tritici    A.    617,    775. 
Trochilium   Cl.   398. 
Trochilium  apiforme  Cl.  400, 

401,  402,  403,  404*,  405*, 

411. 

—  crabroniforme  L.  402,  411. 

—  melanocephala  Dalm.  402, 
406. 

Troilus  luridus   F.  724. 
truncatella   L.   393. 
Tryphon      impressus      Grav. 
279. 

—  Integrator  Müll.  300. 
tuberculatus  E.  413. 
tumidana    A.    428,    429,    450, 

451. 
tumidella  A.  450,  451. 
tumidella  Ph.  451. 
tuinidulus   O.    192. 
turbidella   N.   142. 
turicella  N.   143. 
turionana    E.    215,    218,    272, 

276,      277*,      278*,      280*, 

281*. 
turionana  G.  276. 
turionana  R.  276. 
turionana  T.  276. 
turionellae   P.    192,   291,    529. 
turionum    E.    279,    292. 
turionum    L.    292,    325. 
Tylocomnus      scaber      Grav. 

703,  708,  716. 
Tympanalorgan   14*. 


u. 

Übersicht  über  das  Eulen- 
fraßgebiet  in  Nord- 
deutschland  729*. 

Übersicht  über  die  Eulen  616. 

Übersicht  über  die  Spanner- 
Arten  460. 

ulmaria    A.    608. 

Ulmeneule  617. 

ulmi   E.   605. 

ulmi^•ora     N.     143. 

unicinctum  L.  593. 

unicolor   P.    421*. 

„Unverträglichkeit",  Kanni- 
balismus   (Kie.Eule)    656. 

V. 

vacciniana   S.   216,   219,   328, 

329*. 
valligera  A.   776,   T]-]*. 
valligera    U.    776. 
variabilis  H.   135,  159. 
\ariabilis    L.  300. 
variabilis   Pt.    292. 
variata   L.   460,  461. 
variegana    A.    799. 
variegata  P.   291,  300. 
Veils^rauer       Kiefernspamier 

461.  574. 
velata  P.   520. 
Vermehrung     der     Parasiten 

(Kie.Eule)   T^l ■ 
Verlauf    der    Raupenkalami- 
täten 51. 
Verpuppung   47. 
Verpuppung    (Kie.Eule)  657, 

658*. 
Verticillium  corymbosum 

Leb.    537. 
Vertilgung    der    Eier     (Kie. 

Eule)  T^-]. 
Vertilgung   der  Puppen  (Kie. 

Eule)   737. 
Vertilgung   der  Puppen  (Kie. 

Spanner)   557. 
Vertilgung  der  Raupen  (Kie. 

Eulej     739,     740*,     741*, 

742*,   743*,   744*- 
Vertilgung  der  Raupen  (Kie- 

Spanner)   566. 
Vespa   crapro   L.   724. 
vespiformis    S.    402,    416. 
vestigialis  A.  300,617,  618,  776, 
vestigialis   N.   776. 
vestigialis   Rh.   776. 
vestuta  C.  617,  618,  775,  794. 
vibicariae   PI.    520. 
viburniana    T.    215,    218,  267. 
viciella  P.  422*. 
vimineticola   N.   142. 
\irginalis  A.   192. 


Sachregister. 


825 


viridana  T.  215,  219,  243, 
244*,  248*,  249*,  264*, 
265*. 

viridella  A.    135,   147. 

Vitales    Optimum    60*. 

vittatus  L.  4*. 

Vögel    (Kie.Eule)    725. 

Vögel    (Kie.Spamier)    S33- 

Vorbereitungsjahr    51. 

Vorbeugende  Maßnahmen 
(Kie.Eule)   736. 

vulgaris  Ph.   290,   716. 

vulnerator  P.   291. 

W. 

vvahlbomiana     T.     215,     219, 

268. 
Wann    fressen    die    Raupen  ? 

( Kie. Spanner  )   481. 
Wassermotte,   große   5. 
Weidenglasschwärmer, 

kleiner  409. 
W^eidenkahncule   616,    762. 
Wcidenkahnspinner    762. 
Weidenknospenmotte     171. 
Weidenwickler   762. 
Weißdornmotte    161,    162*. 
Weißtannentriebwickler  230. 
Weizeneule   617. 
Wespenschwärmer    403. 
Wickler    loi,    108,    112,    210. 
Wicklerartige  Eulen   762. 
Widderchen   113,  425. 
Wintersaateule  617,  780. 
Winterspanner   461. 
Winthemia   amoena    ^Ig.  703, 

716. 


Wirkung  des  Giftes  auf  die 
Schädlinge   90,    91*,    92*. 
Wirkung  des  Giftes  auf  die 

übrige  Tierwelt  92. 
Wolleuie  616. 

Wollrückenspinner   313,    456. 
Wollspinner  456. 


X. 

Xanthia    Tr.    615. 

Xanthia   citrago    L.  617,  618, 

762,   772. 
xanthops  H.  388. 
xanthopus   A.    520. 
Xanthospilapteryx   136,  179. 
xylosteana   C.   215,   219,   224, 

225*. 
Xylotachina   388. 
Xylotropha   382. 


Y. 

Vpsiloneule  791. 


Zahnspinner    113,   456. 
Zapfenschädlinge  576. 
Zapfenspanner.  576. 
zebeana   G.   358. 
zcbeana     L.     216,     219,     354, 

358,  359*. 
zebeana   S.  358. 
zebeana  T.  358. 
Zeitlicher    Ablauf    der    Gra- 


dation  (Kie.Eule)    682. 
Zeitlicher        Ablauf        (Kie, 

Spanner)   510. 
zellerana  Tm.   Syn.  330. 
zelleri  A.  428,  429,  450,  451, 

452*. 
Zelleriella   A.   169. 
Zenillia   fauna   Rond.   388. 

—  libatrix    Pz.    520,    528. 

—  resinellae  Girsch.  300. 

—  roscanae  B.  B.  255. 
Zeuzera  Latr.   389. 
Zeuzera   pyrina   L.   383,   389, 

390*,    391*,    392*,    393*. 

Ziegenmelkerfarbiger 

Fichtentriebwickler   228. 

Ziegenmelkerfarbiger 

Tannentriebwickler    230. 

zinkenella   E.   799. 

Zitroneneule    772. 

Zitterpappelschwärmer     406. 

Zünsler  loi,   108,   112,  426. 

Zwergeichenspinner    423. 

Zwergmotten    135. 

Zwölfersche  Populations- 

gleichung (Kie.Eule  1 

658. 

Zygaena  filipendulae  L.  426. 

—  scabiosae   Schew.   426. 

—  trifolii  Esp.  426. 
Zygaeniclae     105,     J09,     in, 

■^I3,     114,     115,     119,     131, 
425. 
Zygaenina   422. 
Zygaeninae  Comst.   108. 
Zygaenomorphae    114,   455. 


Die  Forstinsekten  Mitteleuropas 

Ein  Lehr-  und  Handbuch 
Von  Dr.  Karl  Escherich 

Geh.  Reg.- Rat,  Prof.   an  def  Univcisilät  München 

Die   weiteren   Bände   behandeln: 

Band  I :  Allgemeiner  Teil :  Einführung  in  den  Bau  und  die  Lebensweise  der 
Insekten  sowie  in  die  allgemeinen  Grundsätze  der  praktischen  Forst- 
entomologie.   Mit   248   Textabbildungen.  Gebunden  Rm.  13, — 

Band  II:  Spezieller  Teil,  erste  Abteilung:  „Die  Urinsekten",  die  „Geradflügler", 
die  „Netzflügler"  und  die  „Käfer".  Systematik,  Biologie,  forstliches 
Verhalten  und  Bekämpfung.    Mit  335  Textabbildungen.    Geb.  Rm.  18, — 

Band  IV:  Spezieller  Teil,  dritte  Abteilung:  Schmetterlinge:  Spinner,  Schwärmer, 
Tagfalter.  —  Hymenopteren,  Dipteren  und  Rhynchoten.  Mit  zahlreichen 
Textabbildungen.  In  Vorbereitung 

Von  Geh.  Reg.- Rat  Prof.  Dr.  K.  Escherich  erschienen  ferner: 

Die  angewandte  Entomologie 
in  den  Vereinigten  Staaten 

Eine  Einführung  in  die  biologische  Bekämpfungsmethode 
Zugleich    mit   Vorschlägen    zu    einer    Reform    der    Ento- 
mologie in  Deutschland 

Mit   61    Textabbildungen      I      Rm.  6, — 

* 

Die  Flugzeugbestäubung  gegen  Forstschädlinge 

(Flugschriften  der  Deutschen  Gesellschaft  für  angewandte  Entomologie,  Heft  12) 
Mit  22    Textabbildungen      I      Rm.  3,50 

* 

Die  Maikäferbekämpfung  im  Bienwald 

Ein  Musterbeispiel  technischer  Schädlingsbekämpfung 

(Flugschriften  der  Deutschen  Gesellschaft  für  angewandte  Entomologie,  Heft  3) 

Mit  6   Textabbildungen       I       Rm.  0,80 

Zeitschrift  für  angewandte  Entomologie 

Zugleich  Organ  der  Deutschen  Gesellschaft  für  angewandte  Entomologie 
Herausgegeben  von  Dr.  K.  Escherich 

Geh.  Regieiungsrat,   Professor  an  der  Universität  München 

Erscheint  in  zwanglosen  Heften  mit  wechselnden  Preisen 
Drei  Hefte,  etwa  40  Bowen,  bilden  einen  Band   —   Bis  Mai  1931  erschienen  17  Bände 


VERLAG  PAUL  PAREY  •    BERLIN  SW  11   •    HEDEMANNSTR.  28/29 


Handbuch  der  Forstwissenschaft 

Begründet  von 

Prof.  Dr.  Tuisko  Lorey 

Vierte,    verbesserte   und   erweiterte   Auflage 
In  Verbindung  mit  führenden   Fachleuten   herausgegeben  von 

Dr.  Heinrich  Weber 

Professor  der  Forstwissenschaft  an  der  Universität  Freiburg  i.  Br. 

4  Bände.   Mit  530  Textabbildungen,  51  Abbildungen 
auf    Tafeln    und    2    farbigen    Tafeln.      3254    Seiten 

Gesamtpreis  gebunden   Rm.  120, —  ;    brosch.   Rm.  100, — 

Jeder     Band     ist     auch     einzeln     käuflich 

Band  1:  Forstwissenschaft  und  Forstwirtschaft  im  allgemeinen  /  Stand- 
ortslehre /  Forstzoologie  /  Forstbotanik.  Mit  200  Abbildungen 
im   Text   und   51    Abbildungen   auf   28   Tafeln.      930   Seiten. 

Gebunden  Rm.  39, —  ;   broschiert  Rm.  34, — 
Band   II:     Produktionslehre.      Mit   192  Textabbildungen  und  2  farbigen  Tafeln. 
883    Seiten.  Gebunden  Rm.  35, —  ;   broschiert  Rm.  30, — 

Band  III:  Betriebslehre.     Mit   138  Textabbildungen.     655  Seiten. 

Gebunden  Rm.  29,—  ;  broschiert  Rm.  24,— 

Band  IV:  Forstgeschichte  /  Forstliche  Rechtskunde  /  Forstpolitik. 
786   Seiten.  Gebunden  Rm.  31, —  ;   broschiert  Rm.  26, — 

Von  führenden  Vertretern  der  Forstwissenschaft  bearbeitet  und  alle  neuesten  Er- 
rungenschaften und  Forschungsergebnisse  auf  den  einzelnen  Spezialgebieten  berücksichtigend, 
gibt  das  Lorey-Webersche  Handbuch  ein  systematisches  Bild  der  gesamten  Forstwissenschaft 
einschließlich    ihrer   Grund-   und   Hilfswissenschaften. 


Lehrbuch  des  Forstschutzes 

Von  Dr.  Christof  Wagner 

Professor  der  Forstwissenschaft  an  der  Universität  Freiburg  i.  Br. 

Mit  20   Textabbildungen.      Gebunden   Rm.  26, — 

Wagners  Lehrbuch  soll  in  dem  mannigfaltigen  Stoff  des  Forstschutzes  überall  den 
Zusammenhang  des  Einzelnen  mit  dem  Ganzen  klar  erkennen  lassen  und  eine  Brücke 
zwischen  Produktionslehre  und  technischen  Betrieb  schlagen.  Nicht  Forstzoologie  und  Forst- 
botanik soll  ein  Lehrbuch  über  Forstschutz  umfassen,  nicht  alle  tierischen  und  pflanzlichen 
Schädlinge,  die  sich  gelegentlich  im  Wald  ungünstig  bemerkbar  machen,  sollen  Gegenstand 
der  Lehre  vom  Forstschutz  sein,  vielmehr  nur  jene,  deren  Beschädigung  betriebsbestimmend 
auf  den  Wirtschaftswald,  den  Forst,  einwirken.  In  Beschränkung  auf  die  wirtschaftswichtigen 
Schäden  fällt  somit  dem  Forstschutz  die  Aufgabe  zu,  alle  betriebsbestimmenden  Forde- 
rungen für  Vorbeugung,  Abstellung  und  Wiederaufbau  herauszuschälen  und  zusammen- 
zufassen,  um   ihre   Beachtung  im   Betriebsaufbau   sicherzustellen. 


VERLAG  PAUL  PAREY  •    BERLIN  SW  11   •   HEDEMANNSTR.  28/29