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Full text of "Die Frau in der alten Kirche"

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THHOLOGICAI, KDUCATION 



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Sammlung gkmkinvkrstänj)licher Vorträgk und Schriften 

AUS DKM 
GkBIET SEK TlIKÜIX)OIK UND BBIilOIONS&KSCHICHTE 

47 



Die Frau 



in 



der alten Kirche 



Von 



Lydia Stöcker. 




Tu bi n gen 

Verlag von J. C B. Mohr (Paul Siebeck) 

1907. 



VkkijAG von J. C. B. Mohr (Paul Sikbeok) in Tübingkn. 

Die Religion des Alten Testaments 

unter den Religionen des vorderen Orients. 

Von 

D. Karl Marti, 

u. ProfoBSur der Theologie an dor Universität Born. 

Lox. 8. 1906. M. 2.—. Gebunden M. 3.—. 

Die hier gebotene Darlegung orientiert übersichtlich über den 
ganzen Verlauf der Geschichte der alttestamentlichen Religion und 
sucht die Kinzelergebnisee in ein Ganzes zusammenzufassen. 



Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche. 

Von 

Carl Weizsäcker. 

Dritte Auflage. 

Gross 8. 1901. M. 16.—. In Halbfranzband gebunden M. 18.50. 

Das Jiachapostolisclio Zeitalter. 

Geschichte der christlichen Gemeinden 

vom Beginn der Flavierdynastic bis zum Ende Hadrians. 

Von 

Lic. Rudolf Knopf, 

ProfoBBor in Marburg. 

Gross 8. 1905. M. 9.-. Gebunden M. 11.50. 



Die Frau in der alten Kirciie 



A.i 



.^uBddiin^ 



<s> 



Die Frau 



m 



der alte n Kirche 



Von 



Lydia Stöcker. 




Tübingen 

Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 

1907. 



MAY1XW07, 



Alle Rechte vorbehalten. 



Druck von H. L s u p p Jr in Tttbingen. 



1 — 



Wenn von der Stellung der Frau im Christentum 
die Rede ist, so findet man auf der einen Seite immer 
die überschwänglichsten Lobeshymnen, als hätte das 
Christentum der Frau erst ihre wahre Stellung geschaffen, 
ihr volle Rechte und Freiheiten gegeben, und auf der 
andern Seite pflegt man ebenso leidenschaftlich von einer 
„Herabwürdigung der Frau durch die Kirche" zu reden. 

Wie weit jede von beiden Auffassungen berechtigt 
sei, kann nur eine genauere Einsicht in Stellung und Ar- 
beit der Frau in der alten Kirche zeigen. 

Dabei wäre es falsch, dem Christentum daraus einen 
Vorwurf machen zu wollen, dass es nicht sofort die 
Stellung der Frau von Grund aus verändert hat. Dazu 
war diese Bewegung zunächst viel zu jung und zart. 
Auch tritt hinzu, dass sie vom Orient, vom Judentum 
her in die griechisch-römische Welt kommt, und Pro- 
pheten wie Rabbinen haben die Frau wahrlich nicht allzu 
hoch geachtet. Man darf deshalb nur erwarten , dass 
langsam und allmählich, von innen heraus eine Aende- 
rung sich vollzieht in der Beurteilung der Frau und ihrer 
Stellung innerhalb der Gemeinde. Entscheidend dafür 
wird einmal die Tatsache sein, dass sich das Christen- 
tum wie so manche andere religiöse Bewegung in ihren 
Anfängen an die wendet, die, mühselig und beladen, bei 
der bisherigen Art der Religionsübung bei Seite gescho- 



L. Stöcker, D. Frau i. d. alt. Kirche. 



— 2 — 

ben und vernachlässigt wxu^den, und das waren nicht in 
letzter Linie die Fraue^. Entscheidend wird anderseits 
sein, ob unter jenen ersten Anhängerinnen einzelne be- 
deutende Frauengestalten sich finden, die für ihr ganzes 
Geschlecht eine höhere Ächtung erringen. 

Weit stärker als heutzutage kommt dabei die Stellung 
in betracht, welche die Frau in der Ehe einnimmt. 
Daraus lässt sich auf ihre soziale, ja bis zu einem ge- 
wissen Grade auch auf die religiöse Wertung der Frau 
schliessen. 

Wie hat nun das Christentum die Ehe bewertet? 
Von Jesus selbst haben wir nur wenige Worte über Ehe 
und Ehe fragen. Auf der einen Seite tritt er mit aller 
Energie für die Unauflösbarkeit der Ehe ein. „Was 
Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht schei- 
den". Hiermit ist sicherlich der Weg zu einer höheren 
Sittlichkeit betreten, als sie das Judentum, ja, die ganze 
damalige Welt gekannt hat. Für die Frau aber be- 
zeichnet dieses Wort auch deshalb noch einen ganz 
besonderen Fortschritt, weil das Recht der Eheschei- 
dung bis dahin fast einzig dem Manne zustand. Da- 
neben steht jene Perikope, die wir heute in unserm Jo- 
hannes-Evangelium finden, — wahrscheinlich hat sie ur- 
sprünglich dem Hebräer-Evangelium angehört, sicherlich 
aber haben wir hier Worte Jesu vor uns. — Den Pha- 
risäern, die ihm eine Ehebrecherin vorführen und an ihr 
das Volksgericht vollziehen möchten, antwortet er : „ AVer 
unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein 
auf sie". . 

Man hat wohl gesagt, es offenbare sich in diesen 
Worten eine „ungeheure und^ grossartige sittliche Ein- 



— 3 — 

seitigkeit Jesu, in der eine Gefahr für den Bestand ge- 
ordneter Rechtsverhältnisse" liege. Aber ist die sitt- 
liche Einseitigkeit geringer, die nur das Weib als Ehe- 
brecherin kennt und Mann und Weib mit zweierlei Mass 
misst? 

Beide Worte nebeneinander gestellt, zeigen uns die 
wunderbar grosse sittliche Freiheit im Wesen Jesu, eine 
Freiheit, wie sie seine Nachfolger nicht immer besessen • 
haben. 

So hat man der alten Christenheit, speziell Paulus, 
Verachtung der Ehe und damit auch eine Geringschät- 
zung der Frau vorgeworfen, hervorgegangen aus asketi- 
schen Tendenzen. 

Wie aber stand die gesamte damalige Kulturwelt jenen 
Fragen gegenüber ? Seit mit Plato die strenge Scheidung 
von Geist und Materie einsetzt, tritt mehr und mehr 
— wie wäre es auch anders möglich — ein ethischer 
Dualismus ein. Schon für Plato ist die Bestimmung der 
Seele und der Zweck des Lebens das Streben nach Be- 
freiung vom Körperlichen; und von Plotin, dem bedeu- 
tendsten der Neuplatoniker, besitzen wir das Wort: „Ich 
schäme mich, dass ich in diesem Fleische stecke". Ent- 
sühnung, Befreiung vom Körperlichen und Sinnlichen, 
das ist es, was man mit heissem Bemühen in allen My- 
sterien-Kulten suchte. Askese ist also nicht ein spezi- 
fisch christlicher Zug ; und es tun die unrecht, die auch 
hier wieder dem Christentum nur Weltentsagung, Welt- 
vemeinung und damit gewissermassen Kulturrückschritt 
zur Last legen. Es sind Stimmungen, wie sie einer al- 
ternden, untergehenden Welt natürlich sind ; und gerade 
bei den Besten und Tüchtigsten jener Zeit finden wir sie. 

1* 



s 



— 4 — 

In dieser Linie liegt das Pauluswort (1. Kor. 7): 
„Es ist für einen Mann gut, keine Frau zu berühren", 
und wenn er auch nicht Ehelosigkeit fordert, sondern 
unter gewissen Umständen die Ehe gestattet, so bleibt doch 
sein Rat: „Die Zeit drängt, und hinfort gilt, dass, die 
da Weiber haben, seien, als hätten sie keine . . ., denn 
die Gestalt dieser Welt ist am Vergehen". Für die alte 
Christenheit bleibt Enthaltsamkeit das Ideal, sei es in 
der Ehe, sei es ausserhalb derselben. Zugleich ist aber 
auch ersichtlich, dass der Grund dafür nicht so sehr 
Ablehnung alles Irdischen ist, als vielmehr die 'starke 
Hoffnung auf die baldige Wiederkunft des Herrn ; nicht 
Pessimismus ist es, der zur Ehelosigkeit verleitet, sondern 
vielmehr ein grandioser Optimismus. 

Zu der rein geistigen Hoffnung auf die baldige Er- 
scheinung Christi tritt noch der Blick auf die äusseren 
Verhältnisse, unter denen der Christ lebt, die Gefahren 
der Verfolgungen, die ihn zwingen, „zu besitzen, als be- 
sässe er nicht". Neben der überschwenglichen Hoffnung 
auf die zukünftige Herrlichkeit steht allerdings eine Zu- 
rücksetzung, ja oft geradezu Geringschätzung aller irdi- 
schen Lebensverhältnisse, Familie und Ehe nicht ausge- 
schlossen. 

So urteilt der grösste Theologe, den die Kirche be- 
sessen hat, Origenes: alles Geschlechtliche ist inhones- 
tum, unanständig, und alle fleischliche Liebe ist teuflisch, 
weil nur die geistige Liebe von Gott ist, und niemand 
kann zweierlei Liebe haben. 

Wie schon Philo im Verfolg platonischer Gedanken 
über Eros und Vollkommenheit gelehrt hatte, dass Gott 
den Menschen wie die Engel für die selige Vollkommen- 



— 5 — 

heit des Paradieses geschlechtslos-doppelgeschlechtlich, 
als Mannweib, geschaffen habe, so galt das Aufhören 
eben der geschlechtlichen Beziehungen geradezu als eines 
der Merkmale der Seligkeit. Tertullian sagt in einer 
seiner Schriften : „Denn auch Euch (nämlich den Frauen), 
hat Gott für jene Zeit dieselbe Wesenheit mit den En- 
geln, dasselbe Geschlecht mit den Männern ver- 
heissen", d. h. die Frauen werden nicht etwa männlichen 
Geschlechts sein, sondern Männer und Frauen werden 
beide gleichermassen gottebenbildlich, engelgleich, andro- 
gyn- oder geschlechtslos sein. Aber vergessen wir nicht, 
dass auch Jesus selbst für die Zukunft von einem Auf- 
hören aller geschlechtlichen Unterschiede spricht. „Sie 
werden weder freien, noch sich freien lassen" Luc. 20 V. 35. 
Und Goethe lässt seine Mignon sagen: 
„Und jene himmlischen Gestalten, 
Sie fragen nicht nach Mann und Weib". 
Aus solchen Worten lässt sich ein Doppeltes schlies- 
sen: Auf der einen Seite ist es sicherlich eine starke 
Vergeistigung der religiösen Zukunftshoffnung und ein 
Fortschritt über die Antike hinaus, wenn irdische Be- 
ziehungen und Verhältnisse hier völlig zurücktreten. Es 
spricht aber anderseits aus jenem Ausspruch Tertullians 
deutlich eine gewisse Herabsetzung des weiblichen Ge- 
schlechts als des weiblichen ; es ist selbstverständlich 
das minderwertige, wobei man, wie schon im Neuen 
Testament, — immer ausging von der Erzählung des 
Sündenfalls: „Das Weib hat die Uebertretung eingeführt". 
Am schärfsten ausgedrückt hat das Tertullian, den man 
freilich schon zu seinen Lebzeiten einen Weiberhasser 
gescholten hat. 



— 6 — 

Jede Frau, meint er, müsse in sich selbst eine trau- 
ernde und büssende Eva herumtragen. „Sie würde durch 
jede Art von Busskleidung dann um so vollständiger 
sühnen helfen, was Eva verschuldet hat ... In Schmerzen 
und Aengsten musst du gebären, o Weib. Zum Manne 
musst du dich halten; und er ist dein Herr! Und du 
solltest nicht wissen, dass du eine Eva bist ! Noch lebt 
die Strafsentenz Gottes über dein Geschlecht fort; dann 
muss also auch deine Schuld noch fortleben. Du bist 
es, die dem Teufel Eingang verschafft hat, — femina 
ianua diaboli — du hast das Siegel jenes Baumes ge- 
brochen, du bist es auch, die denjenigen betört hat, dem 
der Teufel nicht zu nahen vermochte! So leicht hast 
du den Mann, das Ebenbild Gottes, zu Boden geworfen. 
Wegen deiner Schuld, d. h. um des Todes willen, musste 
auch der Sohn Gottes sterben! ..." 

Einen Schritt weiter noch als die Grosskirche gehen 
alle jene Sekten, deren religiöse Auffassung einen mehr 
oder minder deutlichen Dualismus zeigt. Hier wird viel- 
fach unbedingte Ehelosigkeit gefordert, zum mindesten 
eine zweite Ehe verboten. Durch diese schroffe Stellung 
der Häretiker wird die Grosskirche genötigt, eine we- 
niger ablehnende, ja positive Haltung anzunehmen. An 
der Spitze aller dieser Aussprüche steht das grossartige 
Wort des Paulus im Galaterbrief (3, V. 28): „Da ist 
nicht Jude noch Grieche, nicht Knecht noch Freier, 
nicht Mann noch Weib. Ihr seid allzumal einer in 
Christus". Und daneben das andere 1. Kor. 11, V. 11: 
„Nur gilt es im Herrn: so wenig als die Frau ohne den 
Mann, so wenig der Mann ohne die Frau". 

Derselbe Tertullian, der die härtesten und verächt- 



— 7 — 

liebsten Worte über die Frau findet, er spricbt von der 
Heibgkeit und dem Ebrfurcbtgebietenden des gebärenden 
Weibes, — wenn er — gegen die Häretiker polemisiert. 
Hier redet er plötzlich von einer „verehrungswürdigen 
Einrichtung der Natur". 

So hat auch hier die Grosskirche ihren Gegnern 
Dank zu sagen, welche sie vor einer Ueberspannung be- 
wahrten , die schliesslich zur Selbstauflösung geführt 
hätte. Doch könnte man einwenden, dass eine solche 
nur aus der Polemik geborene Wertung der Ehe noch 
keine sittliche Wertung bedeute. Aber auch die hat 
die alte Kirche gekannt. Am besten hat ihr Clemens 
Alexandrinus Ausdruck verliehen, jener Mann, in dem 
Christentum und griechische Bildung mit all ihrer Welt- 
aufgeschlossenheit und der naiven Freude an den Gütern 
dieses Lebens die innigste Verbindung gefunden ha- 
ben. Ihm ist das Zeugen geradezu eine „Aehnlichkeit 
mit Gottes Schöpfertätigkeit". — „Dabei hat man zu 
zu erwägen, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes wird, 
insofern er zur Entstehung eines Menschen mitwirkt." 
Mann und Weib stehen gleichwertig nebeneinander: 
„Beide haben denselben Gott, dieselbe kirchliche Ver- 
sammlung, das Gesetz des Masshaltens. Die ehelichen 
Verhältnisse, das Atmen, Sehen, Hören, Verstand, Hoff- 
nung, christliche Liebe, — all das haben sie gemein, 
und der Lohn eines solch heiligen Lebens ist nicht dem 
Mann oder Weibe, sondern dem Menschen im allge- 
meinen versprochen . . . wie ja auch für beide. Mann 
und Weib, die gemeinsame Bezeichnung Mensch gilt". 
Wahrlich, auch heute Hessen sich nicht bessere Worte 
finden ! 



S 



— 8 — 

Suchen wir aus so widersprechenden Worten ein 
Pacit zu finden, so sei vorangestellt, dass selbst Tertul- 
lian, der energischste Weiberhasser unter den Kirchen- 
vätern, verheiratet war. Trotz alles Lobes der Askese 
ist die Zahl der ehelos Lebenden eine verhältnismässig 
geringe geblieben. Schon früh wissen wir auch von einer 
Eheschliessung vor dem Bischof. Damit steht die Kirche 
aber der Ehe positiv, sie sittlichend und heiligend ge- 
genüber, und schon im Neuen Testament finden wir in 
den sogenannten „Haustafeln" Anweisungen über das 
Verhalten der Eheleute gegeneinander wie der Eltern 
den Kindern gegenüber. 

Und wie schroflf auch das alte Christentum hie und 
da über die Ehe, wie hart und ungerecht einzelne 
über die Frau geurteilt haben mögen : es bleibt doch auch 
auf diesem Gebiete eine aufwärts strebende Bewegung; 
es bringt auch hier, wenn schon langsam, eine höhere 
Sittlichkeit. Welche Wertung im praktischen Leben 
der Frau zu teil wurde, das lässt sich erst erkennen aus 
den Diensten, die sie der Kirche geleistet hat, sei es 
freiwilliger, sei es beamteter Dienst. 

Wesentlich für ihre Stellung war dabei das Ver- 
halten Jesu den Frauen gegenüber. Wie ganz anders 
als jeder jüdische Rabbi hat er sich doch ihnen gegen- 
übergestellt! Ihm sind sie nicht zu töricht und verächt- 
lich, um ihnen seine Lehren mitzuteilen. Wie er sich 
aller Verstossenen und gering Geachteten angenommen 
hat, so auch ihrer. Und es ist uns der Name gar man- 
cher Frau aufbehalten, die im Leben Jesu eine Rolle ge- 
spielt hat. Dieser Verkehr Jesu mit Frauen konnte 
nicht ohne Einfluss bleiben auf ihre Stellung in der Ge- 



— 9 — 

meinde. Eine Frau war es gewesen, die ihn vor seinem 
Ende gesalbt hatte ; Frauen allein hatten nach den drei 
ersten Evangelisten den Mut, unter dem Kreuze auszu- 
harren. Frauen endlich, so berichtet die Ueberlieferung, 
waren es, die die erste Kunde von der Auferstehung 
brachten. Wie gewaltig musste ihr Ansehen sich da- 
durch heben. 

Sehen wir nun in die Missionstätigkeit des Paulus 
hinein, so bietet sich überall dasselbe Bild; sei es in 
Philippi, sei es in Athen, in Korinth wie in Ephesus, 
überall sind Frauen unter den ersten, die Jesu Lehren 
annehmen. Charakteristisch sind auch die Gruss-Ka- 
pitel in den Paulinischen Briefen. Ueberall begegnen 
uns eine Menge von Frauennamen; und wir dürfen doch 
wohl annehmen, dass es gerade die Hervorragendsten 
unter den Gemeindegliedern sind, denen Paulus persön- 
liche Grüsse sendet. Celsus, der grosse Gegner des 
Christentums im 2. Jahrhundert, spottet über diese Re- 
ligion der Sklaven und der Frauen. 

Zudem konnte man ihrer Hilfe zunächst gar nicht 
entraten. Im Orient, wie in der griechisch-römischen 
Welt, waren die Frauengemächer, wenigstens der vor- 
nehmen Frauen, Männern streng verschlossen; und wie 
man heute in Indien und Japan weiblicher Missionare 
bedarf, so ähnlich in jener Zeit. Jahrzehnte, wenn nicht 
Jahrhunderte hindurch überstieg die Zahl der christlichen 
Frauen die der Männer bei weitem. Dass aber das 
Christentum dem heidnischen Aberglauben gegenüber 
einen bedeutenden Kulturfortschritt bezeichnet , wird 
keiner ernstlich bestreiten. Wer also hier in erster 
Linie der Träger der Kultur und des Fortschritts ge- 



r 



. — 10 — 

wesen ist, das unterliegt keinem Zweifel. Diese ganze 
Art der Verbreitung, die sich im Innern des Hauses 
vollzieht, ist uns wenig bekannt. Wohl aber wissen wir, 
in welche Lage sich eine Frau begab, die als Christin 
an der Seite eines heidnischen Ehegatten lebte. Ter- 
tuUian in seiner schroffen Weise sagt: „Die nun keusch 
gewordene Gattin verstösst der Ehemann, der jetzt keinen 
Anlass zur Eifersucht mehr hätte". Aber selbst wo die 
Frau im Hause blieb: sie konnte nicht mehr den häus- 
lichen Göttern opfern, nicht zu den Festen der Kaiser, 
wie es die Sitte erforderte, ihr Haus illuminieren, nicht 
ungestört ihre Gebete verrichten, nicht die christlichen 
Fasten halten, wenn der Gemahl andere Wünsche äus- 
serte. Schliesslich, wie schwer, ja fast unmöglich war 
es für sie, zu den christlichen Abendraahlsfeiern, die in 
später Stunde stattfanden, sich hinzubegeben. Musste 
da nicht der Gemahl Verdacht schöpfen! Welch eine 
Fülle von Heroismus in den drei ersten Jahrhunderten 
des Christentums gerade auf Seiten der Frauen liegt, 
das können wir nur ahnen. Festen Boden gewinnen wir 
unter den Füssen, wenn wir nun hören, wie die eine oder 
andere dieser Frauen vor den Richter geführt wird, ihres 
Christentums wegen angeklagt. Es sind uns aus den 
ersten Jahrhunderten die Berichte über eine Anzahl von 
Märtyrerinnen erhalteu, beginnend von jenen Frauen, 
die in der Neronischen Verfolgung, Dirken und andere 
Gestalten der Unterwelt darstellend, ein furchtbares Ende 
fanden, bis zu den Zeiten Konstantins. Bekannt ist der 
Name jener christlichen Sklavin Blandina, die in Lyon 
unter den furchtbarsten Qualen und Martern nur immer 
das eine Wort sagt: „Ich bin eine Christin, und bei 



— 11 — 

uns geschieht nichts Arges". Selbst die Heiden beken- 
nen: „Dass noch niemals bei ihnen ein Weib so viele 
und grosse Marter standhaft ertragen hätte". Und die 
4 Gemeinde selbst, uneingedenk des Sklavenstandes jener 
Frau, keinen Unterschied des Geschlechts machend, be- 
handelt sie mit der rührendsten Sorge und Hochachtung. 
Einen ausführlichen Bericht besitzen wir über das Mar- 
tyrium einer Anzahl von Karthagern etwa um 200, unter 
denen zwei Frauen, Perpetua und Felicitas, hervorragen. 
Ergreifend ist es zu lesen, wie alle Bitten des greisen 
Vaters der Perpetua, der wehklagend ins Gefängnis eilt, 
nichts vermögen über seine Tochter. Ihre Gefährtin Fe- 
licitas, die als Schwangere schon fürchtet, dem römischen 
Gesetz gemäss nicht mit ihr zugleich Märtyrer werden 
zu können, leidet nach vorzeitiger Geburt mit ihr ge- 
meinsam das Martyrium. Als man die unter den Schmer- 
zen der Geburt Klagende auf die noch grösseren der 
Arena hinweist, spricht sie die stolzen Worte: „Was 
ich jetzt dulde, leide nur ich; dort aber wird ein an- 
derer in mir sein, der für mich leiden wird, weil ich 
selber für ihn Leid zu tragen bereit bin." Der ganze 
Bericht, der von Perpetua und einem ihrer Gefährten 
verfasst ist, atmet eine hoffnungsfreudige, die Welt über- 
windende Stimmung. Aus dem Kerker heraus berichten 
diese Frauen von göttlichen Offenbarungen, die ihnen zu 
teil geworden, und die Kirche hat ihre Visionen gleich- 
berechtigt neben die der Männer gestellt. Hier werden 
beide Geschlechter gleich hoch geehrt; denn das über- 
standene Leiden macht engelgleich, es ist eine zweite 
Taufe, ja, es verleiht klerikalen Charakter, indem den 

* 

Mäi-tyrern ohne Unterschied des Geschlechts das 



^ 



— 12 — 

Recht der Sündenvergebung zusteht, auch da, wo die 
Macht des Priesters ein Ende erreicht. Häufig geschieht 
es, dass man christliche Jungfrauen statt zum Tode zum 
Bordell verurteilt, ^ad lenonem** statt „ad leonem", wie 
Tertullian sagt. „Ihr habt damit das unfreiwillige Ge- 
ständnis abgelegt, dass bei uns eine Verletzung der 
Schamhaftigkeit für schlimmer gelte, als jede Strafe, 
jede Todesart." 

Nirgends aber gewinnen wir einen deutlicheren Ein- 
blick in die Art und Weise, wie das Christentum die 
Frauen erfasst, und wie hinwiederum sie sich ihm völlig 
hingeben, als in jenem Roman, der uns unter dem Na- 
men der „Paulus- und Thekla- Akten" erhalten ist. 

Während Paulus in Ikonien predigt, so wird uns 
berichtet, hört eine Jungfrau, eben jene Thekla, ihm zu, 
drei Tage und drei Nächte auf der Türschwelle sitzend, 
weder Speise noch Trank zu sich nehmend, lauschend 
dem „Wort von der Enthaltsamkeit und der Heiligung". 
Vergebens sucht ihre Mutter, vergebens ihr Verlobter 
sie zu diesem Banne zu entziehen. Sie weist den Ge- 
liebten ab, um ein heiliges Leben zu führen, Paulus 
nachfolgend. Zum Feuertode verdammt, bleibt sie selbst 
auf dem brennenden Scheiterhaufen von der Flamme 
unberührt, bis ein gewaltiges Unwetter das Feuer erstickt. 
Abermals Paulus nacheilend, wird sie in Antiochien als 
Gotteslästerin zu den wilden Tieren verurteilt, aber weder 
eine furchtbare Löwin noch wilde Stiere vermögen ihr 
etwas anzuhaben. „Eine Feuerwolke umgab sie, sodass 
weder die Tiere sie berühren konnten, noch sie nackt 
gesellen werden konnte." Wiederum befreit, sucht sie 
von neuem ihren Lehrer Paulus; und als sie ihn ge- 



— 13 — 

fanden, erhält sie den Auftrag: „Gehe, und verkündige 
das Wort Gottes", — und, so schliesst der Bericht — 
^nachdem sie viele durch das Wort Gottes erleuchtet 
hatte, entschlief sie'*. 

Als Paulus zum ersten male auf europäischem Bo- 
den predigt, — es ist in Philippi, — da ist die erste, 
die sich taufen lässt, eine Frau, Lydia. Um sie sam- 
meln sich die übrigen Anhänger der neuen Lehre. Ihr 
Haus wird ihr Versammlungsort ; hier findet gemeinsame 
Schrift Verlesung, Predigt, Feier der Eucharistie und der 
Liebesmahle statt, kurzum: Lydia ist die Vorsteherin 
einer Hausgemeinde. 

Fast überall auf griechisch-römischem Boden setzt 
das Christentum mit der Gründung solcher Hausgemein- 
den ein, und nicht selten sind es Frauen, die an der 
Spitze stehen. Vielleicht ist hierher jene Chloe zu 
zählen, von der Paulus im ersten Korintherbrief redet, 
sowie die Phoebe, die man so gern zur ersten Diako- 
nissin gemacht hat. Vor allem aber Priska und ihr 
Gemahl Aquila. Wir finden sie in den verschiedensten 
Teilen des römischen Reiches. üeberall scheinen sie 
eine Hausgemeinde um sich gesammelt zu haben, was 
auf der einen Seite auf eine gewisse Wohlhabenheit, 
andererseits auf eine besondere Lehrgabe schliessen lässt. 
Abgesehen von der Grussstelle im 1. Korintherbrief (16 
V. 19) wo die Voranstellung des Gemahls ganz selbst- 
verständlich ist, wird überall Priska an erster Stelle ge- 
nannt, und das ist damals so aussergewöhnlich wie heute 
und bürgt für die ganz hervorragende Bedeutung dieser 
Frau. Paulus nennt beide seine Mitarbeiter, ja, er stellt 
die Priska noch vor ihren Gatten. Zu beiden zieht Pau- 



— 14 — 

ius in Korinth. Beide begleiten ihn nach Ephesus. 
Ihnen überlässt er seine Missionsarbeit, als er selbst die 
Stadt verlassen muss ; und — was vielleicht das Bedeut- 
samste ist — Priska und Aquila gewinnen den geist- 
vollen Alexandriner Apollos für das volle Evangelium. 
Das ist bereits der alten Kirche aufgefallen. Schon 
Chrysostomus bemerkt dazu: „Lucas bezeugt die Tüch- 
tigkeit dieses Weibes und Mannes. Einmal nämlich, 
wenn er sagt: Paulus blieb bei ihnen, dann wiederum, 
wenn er mitteilt, dass das Weib Apollos nahm und ihn 
in dem Weg des Herrn unterwies. Wie gross war sie!" 
— Er lässt hier den Aquila einfach verschwinden, so 
sehr scheint die Frau im Vordergrund zu stehen. 

Als bezeichnend für die spätere Zeit sei erwähnt, 
dass jüngere Bibelhandschriften den Aquila an erster 
Stelle nennen und die Priska nachstellen, ja vollständig 
auslassen, ein Beweis dafür, dass die Kirche der Frauen- 
arbeit in späterer Zeit anders gegenüberstand als in den 
ersten Jahrhunderten. 

Anschliessend an diese Bedeutung der Priska hat 
es Harnack^) wahrscheinlich zu machen gesucht, dass 
der Verfasser des Hebräerbriefs, dessen Name und 
Adresse uns verloren gegangen ist, niemand anders sei> 
als Priska. Jedenfalls würde es sich so am einfachsten 
erklären, warum der Name verloren ging. Eine hierar- 
chisch gewordene Kirche wollte keine Frauen im Lehr- 
amt dulden. Damit erhebt sich die Frage, wie weit die 
älteste Christenheit den Frauen das Recht des Lehrens 
gewährt hat. Hier ist schon scharf zu scheiden zwischen 

1) Harnack, Probabilia über die Adresse und den Verfasser 
des Hebräerbriefs. 



— lo- 
dern, was uns Paulus-Briefe und Apostelgeschichte und 
dem etwa, was uns die Pastoralbriefe berichten. Dass 
Priska lehramtliche Befugnisse gehabt hat, steht aus dem 
Vorhergesagten fest. Aehnlich berichten die Thekla- 
Äkten, dass Thekla gelehrt und gepredigt habe. Dazu 
tritt, dass es Aemter im strikten Sinne des Wortes in 
den ältesten Gemeinden überhaupt nicht gibt. Aller 
Dienst in der Gemeinde ist freiwilliger Dienst, bei dem 
man wenig danach fragt, ob Mann oder Frau ihn übt, 
haben wir doch vielfach Frauen als Vorsteherin gefunden. 
Dabei ist alle Tätigkeit gebunden an ein Charisma, eine 
besondere Geistesgabe — Paulus nennt an einer Stelle 
als solche Geistesbegabten Apostel, Propheten und Leh- 
rer. — Und für sie alle gilt das Wort: „Den Geist 
dämpfet nicht". Wenn Paulus 1. Kor. 11 V. 5 verlangt, 
dass die Frau beim Beten und Weissagen ihr Haupt 
bedecke, so geht daraus sicherlich hervor, dass Frauen 
öffentlich gebetet und geweissagt haben. Dagegen spräche 
1. Kor. 14 V. 34 das berühmte und berüchtigte mulier 
taceat in ecclesia! Das Weib schweige in der Gemeinde. 
Die Stelle ist beanstandet worden, weil die Reihenfolge 
des Textes hier in einzelnen Handschriften eine andere 
ist. Es ist also unsicher, ob sie von Paulus selbst her- 
rührt, oder schon frühe, wahrscheinlich von 1. Timo- 
theus 2 V. 12 her, hier eingeschoben ist. Für die erste 
Zeit wird man wohl den Frauen volle Lehrfreiheit ge- 
währt haben. Sicherlich hat auch sehr früh schon der 
Kampf dagegen begonnen. Denn schon der Verfasser 
der Pastoralbriefe schreibt: „Einem Weibe gestatte ich 
nicht, dass sie lehre, auch nicht über den Mann zu 
herrschen". 




— 16 — 

Dass der Kampf nicht so bald sein Ende erreichte, 
geht daraus hervor, dass noch TertuUian von „dem 
tollen üebermut von Weibern" redet, „die sich vermessen 
haben, lehren zu wollen". Als Gesetz der Karthagischen 
Kirche gilt nach ihm: „Es wird dem Weibe nicht ge- 
stattet, in der Kirche Reden zu halten, auch nicht zu 
lehren, zu taufen, zu opfern und sich einen Anteil an 
irgend welchem Amt des Mannes, geschweige denn gar 
den priesterlichen Obliegenheiten anzumassen". Was das 
Predigen und Taufen betrifft, so hat man sich dabei auf 
das Vorbild der Thekla berufen; mit dem letzteren 
wäre der Frau sogar eine priesterliche Funktion zuge- 
sprochen, aber die älteste Christenheit hat einen priester- 
lichen Stand im engeren Sinne des Wortes überhaupt 
nicht gekannt, sodass darüber damals kein Streit ent- 
stehen konnte. Mit dem Moment, wo die Kirche be- 
ginnt, sich hierarchisch zu gliedern, setzt der Kampf 
gegen weibliche Lehrtätigkeit ein, ganz zu schweigen von 
Spendung der Taufe und des Abendmahls. 

Anders ist es bei den Häretikern. Die häretischen 
Weiber, so sagt TertuUian, „unterstehen sich zu lehren, 
zu disputieren, Exorcismen vorzunehmen, Heilungen zu 
versprechen, vielleicht auch noch zu taufen". Ein an- 
derer Kirchenvater weiss sogar von einer ganzen Schar 
von Frauen, den CoUyridianerinnen in Arabien, die an 
einem bestimmten Tage der Maria Opfer von Brot dar- 
bringen, und in seiner Polemik dagegen kommt er zu 
dem Schlusssatz: „Niemals, so lange die Welt steht, 
übte ein Weib priesterliche Funktionen aus", was für 
die alte Zeit unmöglich so scharf gegolten haben kann. 
Vielmehr wissen wir, dass hie und da, wenn auch sehr 



— 17 — 

vereinzelt, die Frau in der Kirche bei der Austeilung 
des Abendmahls wenigstens Hilfe geleistet hat. Bei der 
Mission in Armorika zu Anfang des 6. Jahrhunderts 
gestattete die bretonische Kirche im Gegensatz zu den 
dortigen Bischöfen, dass auch die Frauen den Kelch 
austeilten. Auch wissen wir, dass im 5. oder 6. Jahr- 
hundert zwei kirchliche Presbyter sich haben bereit fin- 
den lassen, den Frauen die Austeilung des Kelches zu 
gestatten. In dem Protest, den die Bischöfe dagegen 
erheben, wird eine solche Tätigkeit der Frauen — höchst 
charakteristisch — als Befleckung des göttlichen Sakra- 
ments bezeichnet. 

Mit welchen Mitteln man jeden Versuch der Frau 
zur Erlangung priesterlicher Tätigkeit bekämpfte, dafür 
liefert eine Erzählung einen Beweis, die sich in einer 
kirchenrechtlichen Schrift der ersten Jahrhunderte findet. 
„Johannes sagte: »Ihr habt etwas vergessen, Brüder. 
Als der Meister Brot und Kelch betend segnete und 
sagte: dies ist mein Leib und Blut, — da hat er diesen 
Frauen nicht gestattet, zu uns zu treten«. Martha sagte: 
»Um der Maria willen, die er lächeln sah«. Maria ant- 
wortete: »Nicht weil ich gelächelt hatte; vielmehr sagte 
er uns schon zuvor, als er noch lehrte, dass das Schwache 
durch das Starke gerettet werden solle!«" 

Hat man den Frauen sehr bald das Lehren unmög- 
lich gemacht, ihnen eigentlich priestediche Funktionen 
fast nie gestattet, so gab es ein anderes Gebiet, wo man 
ihnen Freiheit lassen musste: das der Prophetie. Bei 
liem in der Ekstase Redenden hatte man zu deutlich den 
•Eindruck, dass nicht er, sondern eine höhere Macht in 
ihm spräche, und wer durfte wagen, sich dieser göttlichen 

L. Stöcker, D. Frau i. d. alt. Kirche. ^ 



— 18 — 

Macht entgegenzusetzen ! ? Eine Reihe von Prophetinnen 
kennen wir mit Namen, allen voran die vier Töchter des 
Philippus, von denen uns in der Apostelgeschichte be- 
richtet wird. Noch ein paar Jahrhunderte nachher weiss 
der Kirchenvater Eusebius von ihnen zu erzählen. Sie 
haben später in Hierapolis in Phrygien gelebt, von der 
Gemeinde in grossem Ansehen gehalten , selbst ihre 
Gräber noch sollen hoch geehrt worden sein. Aus der 
späteren Zeit ist uns der Name einer Ammia in Philadel- 
phia aufbewahrt. 

Hier war übrigens selbst die mittelalterliche Kirche 
duldsam. Sie hat einer Elisabeth von Schönau wie der 
heiligen Hildegard gestattet, ihre Weissagungen zu ver- 
kündigen. Wollte man auf die jüngste Vergangenheit 
hinweisen, so wäre Anna Katharine Emmerich zu nennen. 

Für alle bisher genannte Tätigkeit der Frau in der 
Kirche gilt, dass sie freiwilliger Dienst war. Wir haben 
aber schon gegen Ausgang des ersten Jahrhunderts und 
späterhin Frauen, die eine feste Stellung im Klerus ein- 
nehmen, ein Amt bekleiden. Freilich herrscht in bezug 
darauf in den verschiedenen Gemeinden die grösste Ver- 
schiedenheit, und was sich in Rom und Karthago findet, 
brauchte darum noch lange nicht in Alexandrien und 
Ephesus Sitte zu sein. Man ist gewohnt, in der alten 
Kirche schon den Stand unserer heutigen Diakonissinnen 
finden zu wollen, beginnend mit jener Phoebe, die aber 
Gemeindevorsteherin ist, und deren Arbeit von der un- 
serer Diakonissen weit entfernt war. 

Freilich, Diakonie, Arbeit an den Armen, Verlas- 
senen, Waisen und Kranken hat die alte Kirche in rei- 
chem Masse gefan. Sie ist aber Aufgabe der Witwen 



— 19 — 

gewesen. Schon der 1. Timotheusbrief kennt einen Stand 
der Witwen und gibt genaue Anordnungen für sie: „Die 
Witwe muss wenigstens 60 Jahre alt sein , eines Mannes 
Frau, wohl bezeugt in guten Werken, wenn sie Kinder 
auferzogen hat, Gastfreundschaft geübt, den Heiligen die 
Füsse gewaschen, den Bedrängten ausgeholfen hat, jedem 
guten Werke nachgegangen ist". 

Den jüngeren Witwen wird ausdrücklich die Auf- 
nahme versagt, denn man fürchtet von ihrem Herum- 
laufen in den Häusern, Schwatzen, Vorwitz und unnützen 
Reden Nachteil für die Gemeinde. Daraus iässt sich 
schliessen, dass zu den Funktionen der Witwen jeden- 
falls Hausbesuche — sicherlich nur bei den Frauen, — 
gehört haben. Auf das Institut der Witwen weist auch 
eine Erzählung des griechischen Schriftstellers Lucian 
aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts hin. In seinem 
Peregrinus Proteus erzählt er, wie sein Held Peregrinus 
eine Zeitlang Christ geworden sei, um seines Glaubens 
willen eingekerkert wurde und nun von der Gemeinde 
aufs liebevollste versorgt wird. „Gleich des Morgens", 
sagt er, „sah man beim Gefängnis einige bejahrte Wit- 
wen und Waisenknaben warten". Es hat also vielleicht 
auch die Fürsorge für die Gefangenen zu den Obliegen- 
heiten der Witwen gehört, andererseits die Erziehung 
der Waisenkinder der Gemeinde. Das bestätigt auch 
TertuUian, der sagt, dass zu diesem Amt Mütter ge- 
wählt werden, und zwar solche, „welche Kinder erzogen 
haben, damit sie nämlich mit Erfahrungen über alle 
Seelenzustände ausgerüstet, auch die anderen leichter 
durchschauen und ihnen mit Rat und Tat beistehen 
können, und damit sie nichts destoweniger alles durch- 

2* 



— 20 — 

gemacht haben, worin ein Weib sich bewähren kann". 
Durch ihn wissen wir auch, dass diese "Witwen in der 
Kirche einen besonderen Ehrenplatz bekamen , wahr- 
scheinlich auch bei der Eheschliessung vor dem Bischof 
mitgewirkt haben. Ebenso hat Clemens Alexandrinus 
sie gekannt. Er zählt als besonders auserwählte Per- 
sonen auf: Bischöfe, Priester, Diakonen und Witwen, 
und Origines legt jene Stelle 1. Timotheus 5 V. 10 so 
aus, dass er das „Waschen der Füsse der Heiligen" 
bildlich nimmt. Sie haben mit geistlichen Reden andere 
erbaut und zwar, wie er ausdrücklich hervorhebt, Frauen. 
Es muss also diesen Frauen auch eine gewisse Lehrbe- 
fugnis zugestanden haben. Gross ist sie sicherlich nicht 
gewesen und hat sich kaum über die Frauengemächer 
hinaus erstreckt. Hier aber war sie notwendig um der 
Heiden willen, die zu Verleumdungen aller Art nur zu 
bereit waren. Auch bei der Tauf handlung selbst konnte 
die Kirche nicht der Frauenhilfe entbehren, solange die 
Taufe an Erwachsenen und durch völliges Untertauchen 
vollzogen wurde. Aufgabe der Witwen war, abgesehen 
von der Hilfsleistung im allgemeinen, nachdem die Sal- 
bung an der Stirn vollzogen war, die Salbung am übri- 
gen Körper des Täuflings vorzunehmen. Eine der alten 
Kirchenordnungen erlässt eine genaue Verfügung über 
die Wahl der Witwen, deren Zahl auf drei festgesetzt 
ist. „Witwen sollen drei eingesetzt werden, zwei, um 
im Gebet zu verharren, für alle, die in Anfechtung sind, 
und für den Empfang von Offenbarungen, wo nur immer 
solche notwendig; eine aber, um den von Krankheiten 
heimgesuchten Frauen beizustehen . . .". 

Danach gehört zum Beruf der Witwe auch das Ge- 



— 21 — 

bet für die Gemeindeglieder, wie sie schon in frühester 
Zeit als „Altar Gottes" bezeichnet wird. 

Nicht immer hielt man an der alten Ordnung fest, 
nur ältere Witwen in den Stand aufzunehmen. Tertul- 
lian erzählt voller Entrüstung von einer Jungfrau von 
noch nicht zwanzig Jahren, die bereits in den Rang der 
Witwen versetzt worden sei, was er als eine Verletzung 
der Kirchendisziplin bezeichnet. 

In demselben Briefe, in dem zuerst die Witwe ge- 
nannt wird, ist, — freilich weniger deutlich, — auch 
von Diakonissen die Rede (1. Tim. 3, V. 11). Dort 
wird von ihnen verlangt, dass sie „ehrbar, nicht verleum- 
derisch, nüchtern und zuverlässig in allem" seien, Worte, 
aus denen man kein festes Bild gewinnt. In der ganzen 
Literatur der folgenden zwei Jahrhunderte geschieht 
ihrer fast nirgends Erwähnung, ausgenommen in dem 
Briefe, in dem Plinius als Statthalter von Bithynien an 
den Kaiser Trajan über die Christen dort berichtet. 
Er erzählt, dass er zwei Mägde habe foltern lassen, die 
die Christen ministrae — Diakonissen — genannt hätten, 
um von ihnen etwas über den Gottesdienst der Christen 
zu erfahren. Das legt die Annahme nahe, dass jene 
eine Art von Türhüterinnen waren, die über der äus- 
seren Ordnung des Gottesdienstes zu wachen hatten ; so 
schienen sie Plinius zur Auskunft besonders geeignet. 

Erst als das Witweninstitut im Aussterben begriffen 
ist, da finden wir im Orient die beamtete Diakonissin, 
die im Gegensatz zur Witwe aus den Jungfrauen ge- 
wählt worden ist. Nur wenn daran Mangel sein sollte, 
darf man auch Witwen zu diesem Amte bestellen. In 
späterer Zeit wird bestimmt, dass die jungfräuliche Dia- 



ä 



— 22 — 

konissin bei ihrer Ordination mindestens das vierzigste 
oder gar das sechzigste Jahr erreicht haben müsse. Das 
Abendland hat sie kaum gekannt, sie sind eine speziell 
morgenländische Erscheinung. 

Während aber das Witweninstitut, in die älteste 
Zeit zurückreichend, einen mehr oder weniger charisma- 
tischen Charakter trug, ist die Diakonisse weit stärker 
erwählte Gemeindebeamtin, speziell die Gehilfin des Bi- 
schofs. Die Witwe konnte, sich auf ihre göttliche Be- 
rufung beziehend, sich eine selbständige Stellung in der 
Gemeinde schaJffen, die der monarchische Bischof häufig 
sehr unangenehm mag empfunden haben. So erleben 
wir es denn in einer orientalischen Kirchenordnung des 
3. — 4. Jahrhunderts, in der Witwe und Diakonisse er- 
wähnt werden, dass erstere in recht bedenklichem Lichte 
erscheint, schwatzhaft, verleumderisch etc., sodass man 
deutlich die Absicht erkennt, das Witweninstitut mög- 
lichst zurückzudrängen, während die Diakonisse mit den 
Ausdrücken höchsten Lobes bedacht wird. Sie soll „nach 
dem Vorbild des heiligen Geistes geehrt werden", ohne 
dass man darum anzunehmen braucht, dass ihre Stellung 
und Wirksamkeit allzu bedeutend war. Aber sie ist die 
direkte Gehilfin des Bischofs im Gegensatz zu der weit 
selbständigeren Witwe. 

Noch ist uns das alte Weihegebet erhalten, durch 
das die Diakonisse in ihren Beruf eingesetzt wurde: 

„Ewiger Gott, Vater unseres Herrn Jesu Christi, 
Schöpfer des Mannes und des Weibes, der du Maria, 
Debora, Anna, Hulda mit heiligem Geist erfüllt hast, 
der du es nicht verschmähet hast, deinen eingeborenen 
Sohn von einem Weibe geboren werden zu lassen, der 



— 23 — 

du im Zelt des Zeugnisses Frauen als Wärterinnen 
deiner heiligen Tore aufgestellt hast, blicke auch jetzt 
auf diese deine Dienerin, die zum Dienst auserwählt ist, 
und gib ihr den heiligen Geist, und reinige sie von jeder 
Befleckung des Fleisches und Geistes, damit sie würdig 
das ihr übertragene Amt zu deinem Ruhm und Lobe 
deines Christus ausführe, mit dem dir und dem heiligen 
Geist Ruhm und Anbetung sei in Ewigkeit. Amen". 
Die Arbeit der Diakonissin ist äussere Hilfsleistung 
im Gottesdienst, (was also mit den Beobachtungen im 
Pliniusbrief übereinstimmen würde). Sie hat den etwa 
eintretenden Frauen Plätze anzuweisen, für Ordnung 
unter den Frauen zu sorgen und eine äussere Handrei- 
chung bei der Abendmahlsfeier zu tun. Aus denselben 
Gründen wie einst die Witwe, hilft sie auch bei der 
Taufe. Endlich hat sie, auch wieder eine rein äusser- 
liche Tätigkeit, eine Frau zu begleiten, die zum Bi- 
schof oder Diakon gehen wollte, natürlich aus Schick- 
lichkeitsgründen. In ganz einzelnen Fällen wird ihr 
auch Krankenpflege zugestanden. Einmal hören wir, 
dass sie vor der Taufe die Aufgabe hatte, die unwis- 
senden Frauen zu unterrichten, wie sie auf die Frage 
des Taufenden zu antworten hätten und ihr ferneres 
Leben einrichten sollten. Den kranken Frauen haben 
sie das Abendmahl ins Haus zu bringen ; damit ist aber 
durchaus keine priesterliche Tätigkeit gegeben. Wir 
wissen, dass bei der Ordination der Diakonissin diese 
den Kelch, aus dem sie getrunken, nicht weiter geben 
durfte, sondern auf den Altar zurückstellen musste, zum 
Zeichen, dass dem Weibe nicht das Recht der Abend- 
mahlsspendung zustände. 



j 



— 24 — 

Verfolgt man diese beiden Aemter der Frauen, so 
macht man die Beobachtung: je weiter die Zeit fort- 
schreitet, umsomehr treten beide zurück. Parallel mit 
dieser Unterdrückung des Frauendienstes geht aber die 
Entwicklung des Mönchtums. Damit ist schon einer der 
Gründe angegeben, die zur Auflösung der Frauenarbeit 
geführt haben. In der alten Zeit ist es selbstverständ- 
lich, dass die jungfräulich Lebende in der Familie 
bleibt, und häufig geschieht es, dass willige Gemeinde- 
glieder die Witwe in ihr Haus aufnehmen. Aber schon 
Cyprian um 250 klagt über die Gefahren, die den Jung- 
frauen beim Wohnen im Elternhause drohen. Er warnt 
vor dem Besuch der öffentlichen Bäder, vor Putzsucht 
und dem schliesslich daraus hervorgehenden Bruch des 
Gelübdes. Dann konnte die beamtete Jungfrau, die 
Diakonissin, unmöglich die Arbeit ausführen, die einst 
der Witwe zugestanden hatte, man denke nur an die 
Hausbesuche. Ambrosius verbietet der Jungfrau schon, 
häufig Besuche zu machen, und Hieronymus verlangt 
von der Jungfrau den „heiligen Stolz", sich möglichst 
von der Welt abzuschliessen. „Wisse dich besser als 
jene". Von hier bis zum klösterlichen Leben ist nur 
noch ein Schritt, und die beamteten Frauen der alten 
Kirche werden zu Nonnen, weil nur ein ganz von der 
Welt abgeschlossenes Leben der Gottgeweihten würdig ist. 

So ist einmal das Mönchtum der Feind der Frauen- 
arbeit gewesen und hat schliesslich zu ihrer Vernichtung 
geführt. Daneben aber tritt ein zweites Moment: die 
Stellung, die die Frau bei den Häretikern einnahm, machte 
die Kirche misstrauisch gegen jedes Frauenamt. 

In der Polemik der Kirchenväter gegen die Sekten 



-^ 25 — 

spielt immer das Argument eine Rolle, dass Weiber sich 
dort Rechte angemasst haben, die ihnen nicht gebühren. 
Hier wurde wirklich ernst gemacht mit dem BegriJff der 
christlichen Freiheit und der Ebenbürtigkeit der Frau. 
Wofern nur die einzelne Persönlichkeit sich als gut und 
tüchtig erwies, übertrug man ihr jedwede Tätigkeit, ohne 
danach zu fragen, ob Mann oder Weib. Mitbestimmend 
ist dabei, dass hier das ekstatische Element stärker ist, 
als in der Grosskirche ; und wie hätte man den Geist- 
begabten wehren sollen! Freilich sind unsere Nach- 
richten nur sehr gering. Ein weniges wessen wir über 
die Stellung der Frau im Gnostizismus, jener Bewegung, 
die, den gesamten Kreis damaliger Bildung umspannend, 
zum erstenmal den grossartigen Versuch einer wirklichen 
Verschmelzung christlichen und griechischen Geistes unter- 
nahm. Der Gnostizismus denkt sich die Selbstentfaltung 
der Gottheit in Sycigien vor sich gehend, in Paaren gött- 
licher Wesen, beiderlei Geschlechts. Damit ist dem 
Weiblichen sein Platz in der Sphäre des Göttlichen 
geschaffen; während die Grosskirche so gern für „jene 
Zeit" den Frauen dasselbe Geschlecht mit den Männern 
versprach. Der Gnostiker hofft für die Zukunft auf die 
„himmlische Hochzeit", wo sich die „Weisheit", mit 
Christus vermählt, und wo die Pneumatiker, die Geistes- 
menschen, selbst von den Engeln als Bräute heimgeführt 
werden. 

Wie die Grosskirche hin und wieder ihre frauen- 
feindliche Stellung mit Bezugnahme auf Worte Jesu zu 
begründen suchte, so umgekehrt der Gnostizismus sein 
Entgegenkommen den Frauen gegenüber. In einer gno- 
stischen Schrift stehen Maria, die Mutter Jesu, Salome 



§ 



— 26 — 

und Martha gleichberechtigt neben den Aposteln ; Maria 
Magdalena, die hier als Hauptsprecherin erscheint, über- 
ragt sogar die Jünger, abgesehen von dem jungfräulichen 
Johannes. Sie hält fest, als die Jünger schwanken; sie 
ist es auch, die immer die Auflösung der Worte Jesu 
verkündet, bis Petrus sich drohend zum Herrn wendet: 
„Herr, wir können dieses Weib, (Maria Magdalena) nicht 
ertragen, das uns den Platz wegnimmt und keinen von 
uns reden lässt, sondern selber fort und fort spricht". 
Und Maria klagt dem Herrn: „Ach Herr, ich möchte 
gern die Auflösung der Worte sagen, aber ich fürchte 
den Petrus, weil er mir droht und mein Geschlecht 
hasst". Petrus wendet sich dagegen abermals an Jesus: 
„Herr, die Weiber können doch aufhören zu fragen, 
damit auch wir einmal fragen können". Da sagt jener 
zu Maria und den Frauen: „Gebt Euren Brüdern, den 
Männern, Gelegenheit, auch Fragen zu stellen". Aber 
kein Wort der Missbilligung kommt hier, wie so oft in 
den grosskirchlichen Erzählungen, aus dem Munde Jesu. 
Dazu konnte und hat sich höchstwahrscheinlich der Gno- 
stizismus, dem ja, — echt griechisch — eine durch Offen- 
barung vermittelte Erkenntnis das Höchste war, sicher- 
lich auf die griechischen Philosophinnen als Vorbild be- 
rufen, deren selbst die Kirchenväter Erwähnung tun. 
Aber noch höher steht in einzelnen Sekten das Ansehen 
der Frau. Im Koptischen sind uns sogar Bruchstücke 
eines Evangeliums der Maria erhalten, und hier 
und da werden sogar Frauen als Sektenstifterinnen ge- 
nannt. Häufig steht neben dem Gründer der Sekte eine 
Frau, ihm ebenbürtig, sodass man es gewissermassen mit 
einem Sekten stiftenden Paare zu tun hat. üeber eine 



— 27 — 

von ihnen Philumene, die Gefährtin des Apelles, wissen 
wir Genaueres. Apelles, so erzählt Tertullian , soll 
durch ihre Zauberkünste umgarnt worden sein und habe 
die „Oflfenbarungen", die er von ihr erhalten, niederge- 
schrieben. In seinen Gemeinden, das wissen wir, ist 
dieses Buch hoch angeschrieben gewesen, ja, es stand 
fast der heiligen Schrift gleich. Ueber den Inhalt sind 
wir leider gar nicht unterrichtet. Wir wissen nur, dass 
die Jungfrau Philumene selbst ihre Visionen als Wir- 
kungen eines ihr innewohnenden Engels ansah, aus dem 
Tertullian flugs einen Teufel macht. An anderer Stelle 
wird uns noch berichtet von Gesichten, die ihr zu teil 
wurden, „und dieser Knabe, der ihr erschien, zeigte 
sich bald als Christus, bald behauptete er, Paulus zu 
sein. Die Philumene pflegte dieses Phantasma zu er- 
fragen, und dasselbe pflegte ihr zu antworten, was sie 
dann den Hörenden mitteilte, sie soll auch hin und her 
Wunder getan haben." 

Von der bedeutendsten und interessantesten der 
gnostischen Sekten, den Valentinianern, ist uns ein Brief 
erhalten, den ein Mitglied der Gemeinde, Ptolemäus, an 
eine gewisse Flora schreibt. Es ist von ihr nichts als 
der Name bewahrt; aber der Inhalt dieses Briefes, der 
nicht weniger ist, als der Versuch einer Kritik der 5 
Bücher Moses von sittlichen und religiösen Gesichts- 
punkten aus, gestattet mehr als einen Schluss auf die 
geistige Höhe der Adressatin. Die Worte des Ptolemäus 
sollen die Schülerin zur Erfassung des „Seienden" führen, 
ein Begriff, der schon eine ganz bedeutende philoso- 
phische Schulung voraussetzt. Wohl ist Flora, wie jedes 
Mitglied des Kreises, solcher Erkenntnis gewürdigt 




— 28 — 

worden, weil selbst alle Erkenntnis schliesslich auf Oflfen- 
barung beruht. Aber nirgends ist jener Ton besonderer 
Herablassung gegen das Weib, wie er manchen Kirchen- 
vätern so geläufig ist, nirgends ein Hinweis darauf, dass 
ihr gegenüber andere Gebote gelten, als für die männ- 
lichen Mitglieder der Sekte. Hier scheint im tiefsten 
Sinne des Worts erfüllt, was Clemens von den kirch- 
lichen Frauen gesagt: 

Diese Frau ist Philosophin ; bemüht, um zu erkennen, 
„was die Welt im Innersten zusammenhält." 

Um die Mitte des zweiten Jahrhunderts entsteht in 
Phrygien in Kleinasien eine Bewegung, die versucht, 
noch einmal altchristliche Prophetie, altchristliche Sitten- 
strenge und die altchristliche Hoffnung auf die Wiederkehr 
des Herrn lebendig zu machen. Nach ihrem Stifter 
Montanus bezeichnen wir sie als Montanismus; hier hat 
die Frauentätigkeit ihren Höhepunkt erreicht. Neben 
dem Führer nehmen zwei Frauen, Maximilla und Pris- 
cilla, eine führende Rolle, um nicht zu sagen, die füh- 
rende Stelle ein; glaubte man doch, dass in ihnen wie 
in Montanus selbst der Paraklet, der einst von Jesus 
verheissene Tröster, gekommen sei, und jeder ihrer Aus- 
sprüche galt als göttliches Orakel. Dazu kommt, dass 
Montanus früh starb, und die Leitung der ganzen Be- 
wegung blieb jetzt in den Händen der Frauen, speziell 
der Maximilla. Wir wissen, dass man in den monta- 
nistischen Gemeinden die Gebote des Parakleten, die er 
durch Priscilla und Maximilla gegeben, als „die evange- 
lische Verkündigung" betrachtet hat, „die neusten Sat- 
zungen und Prophetien", und damit war gegeben, dass 
sie als die letzten alle bisherige Prophetie überragten. 



— 29 — 

Nur wenige dieser Worte sind uns erhalten; sie sind 
wild, gewaltig und gross und zeugen von der Bedeutung 
dieser Frauen. Christus selbst erscheint einmal der Pris- 
cilla in weiblicher Gestalt, in glänzendem Gewände, — 
„und er goss auf mich aus seine Weisheit", vielleicht 
auch ein Beweis, wie man hier mit der Gleichwertigkeit 
der Geschlechter ernst macht, zugleich aber auch ein 
Beweis, wie frei die christliche Phantasie damals noch 
schalten konnte. Neben diesen beiden Frauen sind uns 
die Namen einer ganzen Reihe von Prophetinnen in an- 
deren montanistischen Gemeinden aufbewahrt. Freilich 
sind sie nicht von solcher Bedeutung. So erzählt Tertul- 
lian von einer, sicherlich montanistischen „Mitschwester", 
die in der Kirche während der Sonntagsfeier „Verzük- 
kungen erhält, mit den Engeln, zuweilen auch mit dem 
Herrn verkehrt, Geheimnisse sieht und hört, zuweilen 
die Herzen unterscheidet, und denen, die es verlangen, 
Heilmittel angibt". — „Nach Vollendung des Gottes- 
dienstes und Entlassung des Volkes erzählt sie ihre Vi- 
sionen". Von anderen montanistischen Gemeinden wird 
erzählt, dass sieben Fackeln tragende, weiss gekleidete 
Jungfrauen auftreten, „damit sie dem Volke weissagten". 

Aus einem Brief des Kirchenvaters Cyprian hören 
wir von einer montanistischen Prophetin, die grosses An- 
sehen, sogar unter den Klerikern, gehabt hat, prophe- 
zeite, selbst das Abendmahl darbrachte und viele taufte. 
Auch der spätere Montanismus gewährt den Frauen ein 
dauerndes Amt der Leitung. Hier konnten sie zu Bi- 
schöfen, Presbytern etc., ordiniert werden. 

Dass die Kirche mit allen ihren Kräften gegen diese 
Bewegung kämpfte, kämpfen musste, wenn nicht das 



M 



— 30 — 

Christentum sich auflösen sollte in Ekstase, ist klar. Und 
unter den Argumenten gegen die Montanisten hören wir 
auch schon das, „dass sie von Weibern verführt sind". 
So versteht man den Ausspruch der Maximilla: „Ich 
werde verfolgt wie ein Wolf im Schafstalle". Und sie 
fügt hinzu: „Ich bin kein Wolf. Ich bin Wort und 
Geist und Kraft". Wir wissen auch von einem Zusam- 
mentrejffen der kirchlichen Bischöfe mit ihnen, und jenen 
gelingt es nicht, „den aus ihnen redenden Geist auszu- 
treiben", will sagen, sie zu widerlegen, ein Grund mehr, 
sie um so heftiger zu verfolgen, wohl aber auch ein Be- 
weis von der Gewalt und Kraft dieser Persönlichkeiten. 

Im Montanismus hat die Frauentätigkeit ihren Höhe- 
punkt und ihr Ende erreicht. Für die Grosskirche war 
die Frauenarbeit damit stärker diskreditiert, als es Un- 
fähigkeit und mangelnde Leistung je vermocht hätten. 
Die Kirche selbst entwickelt sich jetzt aus der Kirche 
des Geistes zu der des Worts, um nicht zu sagen des 
Buchstabens, aus der Kirche der freien Dienstleistung 
jedes einzelnen Gliedes zur Kirche der strengen Ordnung 
und Regel mit einem ganzen Stand abgestufter beamteter 
Diener; sie wird Priesterkirche. 

Aber, während die gesamte Antike neben den Prie- 
stern Priesterinnen gekannt hat, schliesst die christliche 
Kirche von dem Moment an, wo man sie als die katho- 
lische hezeichnen kann, die Frauen aus. 

Eine Kirche, die ein beschaulich untätiges Leben 
höher stellt, als Tätigkeit, die im Weihe die „Pforte des 
Teufels" sieht, die kann ihm ein kirchliches Amt, und 
sei es das geringste, nicht gewähren. Im Sinne des 
Katholizismus, im Sinne des Mönchtums gibt es für die 



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Frau nur einen wahrhaft würdigen Aufenthalt : das Klo- 
ster, nur ein wahrhaft würdiges Leben: das klösterliche. 
Und doch konnte auch die mittelalterliche Kirche 
die Frau nicht ganz entbehren. Was man aus der täg- 
lichen Gemeinschaft des Lebens hinausgewiesen, das 
schuf man sich neu in der Sphäre des Göttlichen. Ne- 
ben die Christus Verehrung tritt der Marienkult. Stark 
und vielgestaltig sucht er allen Seiten menschlichen Em- 
pfindens gerecht zu werden; und die scheinbar fern- 
liegendsten Formen haben hier die innigste Verschmel- 
zung eingegangen: so steht sie einmal da, als das höchste 
Ideal der Jungfräulichkeit: Marie, die reine Magd, and- 
rerseits aber ward sie zur Verkörperung der reinsten 
Form der Mütterlichkeit: Maria, die Gottesgebärerin, 
die Mutter voller Gnaden. 




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