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Full text of "Die Geographischen quellen Ammians"

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DIE 


B"  RAPIIISCHEN  QUELLEN  AMMLVXS. 


^-  HAISILITATIONSSCHKIFT 

CO 

DURCH    WELCHE    MIT 

ZUSTIMMUNG   WAl  P111L08UPHISCHEN  FACULTÄT 
DER  UNIVERSITÄT  LEIPZIG 

zu     SEIXEM 

MONTAG  DEN  20.  JANUAR  1873,  MITTAGS  12  UHR 


Zr    HALTENDEN 


V 


\ PROBE VORTRAG 


EUOEnENSr    EINLADET 


V.    GARDTHAUSEN. 


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'  K  11  U  N  E  li. 

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isT.l. 

*  ; 


I.  Theil. 

Wenn  Ammianus  Marcellinus  in  einem  längeren  Excurse  über 
das  Perserreich,  der  um  390  n.  Chr.  geschrieben  wurde,  immer 
noch  die  Arsacidcn  in  Persien  herrschen  lässt,  während  doch  be- 
reits seit  226  n.  Chr.  die  Dynastie  der  Sassaniden  regierte,  so 
ist  dies  der  beste  Beweis,  dass  er  zuweilen  Quellen  folgte,  die  einer 
langst  vergangenen  Ejjoche  angehörten.  Diese  Beobachtung,  die 
sich  einem  Jeden  selbst  bei  flüchtiger  Leetüre  der  geographischen 
Excurse  aufdrängt,  und  z.  B.  in  Burckhardts  trefl'lichem  Werke 
'die  Zeit  Constantins  des  Grossen'*)  ausgesprochen  ist,  mahnt 
zur  äussersten  Vorsicht  in  der  Verwerthung  derartiger  Notizen. 
Es  ist  daher  oflfenbar  nicht  methodisch,  wenn  fast  Alle,  um  zu 
beweisen,  dass  Aiumian  sein  Werk  vor  391  n.  Chr.  veröfTentlichte, 
sich  auf  den  Excurs  über  Aegypten  beziehen ,  weil  in  demselben 
(22,  IG,  12)  das  Serapeum  zu  Alexandria  erwähnt  und  beschrieben 
wird,  das  bereits  im  Jahre  391  n.  Chr.  niederbrannte;  dieser  Stelle 
kann  man  natürlich  erst  dann  Beweiskraft  beilegen,  wenn  man 
sich  über  den  Ursprung  derselben  Rechenschaft  abgelegt  hat.  (Vgl. 
S.  32.) 

Längere   geographische   Episoden,    abgesehen    V(m    kleineren 
eingestreuten  Notizen   finden  wir  an  folgenden  Stellen : 
14,  4,   1  —  7   (Saracenen). 

14,  8,   1  — 15  (Provinzen  des  Orients). 

15,  4,  1  —  0   (Büdensee). 
15    c.  9  —  12  (Gallien). 
18    c.  9  (Amida). 

22    c.  8  (Thracien  und  die   rnnin/di  des  Punlus). 

22  c.   15  —  16  (Aegypten). 

23  c.  G  (l'crsien). 

27,  4,   1  —  14   (die  Ihraci.-ehen   Provinzen). 

31,  2,    l — 25  (Ilnimen  uuil   Alanen). 

Ehe  wir  uns  min  daran  begeben,  dieso  Nachrichten  Ammians 
mit  denen  anderer  Seluiftsteller  zu  vergleichen,  um  seinen  Quellen 
auf  die  S])ur  zu  kommen,  musa  zunächst  die  V«>rfrage  entschieden 
werden,  ob  wir  überhaupt  stets  eino  schriftlielie  Quelle  annehmen 


•)  S.  95:  '  AnuiiianH  I>arstoIluii|;  de»  I)r»iilenwo8üH8  (XV,  9)  ist  uiTcn- 
loir  uns  vif!  illteren  (^iiolh-ii  ponoiuiiuMi ,  welche  «Ufflcicl»  ilicjcnij^n 
»Stnibo.s  waren  iiiul  luit  für  il:i.s  \ioit(>  ,liilirlniii>li-rt  giir  koiiie  (^ollung*. 
Aiiiiiiiaii    (l'i,   '.*,   '1)   t'oltrt   liier   ncinlich  ilciii  ■rimii'»oii»'><.      (\'irl.    S.    \'2.'\ 


4  V.  (jardtlmnsen :  Die  geograiihitjchon  Quellen  AnimianK. 

dürfen,  was  bei  oinem  Scliriftstellor  von  vornherein  unwalirschein- 
lich  ist,  der  sich  wiederholt  auf  seine  Autoiisie  beruft:  14,  4,  {) 
nos  uidimus;  15,  9,  G  ({uod  ctiam  nos  legimus;  22,  8,  1  uisa  uel 
lecta;  22,  15,  1  uisa  pleraque  narrantes;  23,  6,  21  anines,  quo» 
et  transiuimus;  23,  0,  30  nosque  uidimus;  27,  4,  2  quac  uidisse 
iiieniiniraus;  27,  4,  5  ut  nunc  cernimus.  —  I3ei  der  Beschreibung 
der  Hunnen  ist  eine  schriftliche  Quelle  sogar  höchst  unwahrsclieiu- 
lich.  Wenn  wir  davon  absehen,  dass  einige  Züge*)  dieser  Schil- 
derung den  Berichten  über  Scythen  und  Massageten  entlehnt  sind,  die 
spilter  (S.  47)  noch  genauer  bebandelt  werden  müssen,  finden  wir  in 
den  Worten  Ammians  durchaus  keine  Berührung  mit  älteren  Schrift- 
stellern. —  Natürlich  ist  Amniian,  der  sein  Werk  wenige  Jahre 
später  schrieb,  nachdem  die  Hunnen  in  den  Gesichtskreis  der  alten 
Völker  getreten,  hier  selbst  Quelle;  er  theilt  mit,  was  er  ent- 
weder selbst  gesehen,  oder  was  durch  die  Vermittelung  von  Kauf- 
leuten und  andern  Mittelspersonen  zur  Kennfniss  eines  jeden  ge- 
bildeten Römers  jener  Zeiten  gelangt  war. 

Auch  in  Bezug  auf  die  Saracenen  wird  man  kaum  geneigt 
sein,  eine  schriftliche  Quelle  anzunehmen,  weil  Ammian  viel  zu 
lange  im  Orient  gedient  hatte,  um  nicht  selbst  der  beste  Beur- 
theiler  in  dieser  Angelegenheit  zu  sein,  da  er  in  jener  Zeit  un- 
zählige Male  als  Freund  oder  Feind  mit  ihnen  zusammentreffen 
musste.  Auch  beruft  sich  Ammian  gerade  bei  der  Beschreibung 
der  Saracenen  auf  seine  eigenen  Erfahrungen : 

14,  4,  6  et  plerosque  nos  uidimus  frumenti  usum  et  uini 
penitus  ignorantes. 

Er  nennt  die  Saracenen  als  kriegs-  und  beutelustige  Hülfs- 
truppen  der  orientalischen  Legionen  23,  3,  8;  23,  5,   1;  31,  16, 

5  —  6  etc.,  als  Feinde:  25,  6,  9.  Zu  diesem  sachlichen  Grunde 
kommt  nun  aber  noch  ein  sprachlicher.  Ammian  schildert  die 
Sitten  der  Sai'acenen  fast  mit  denselben  Worten  wie  die  der  Hunnen, 
bei  denen  ihm,  wie  bereits  bemerkt,  ebenfalls  keine  schriftliche  Quelle 
vorliegen  konnte. 

14,  4,  3.  31,  2,    10. 

Nee  eorum  quisquam  aliquando        Nemo  apud  eos  arat  nee  stiuam 

stiuam  adprehendit  uel  arborem  aliquando  contingit. 

colit  aut  arua  snbigendo  quaeri- 

tat  uictum. 

sed    errant    semper    per    sjjatia  orancs    enim   sine    sedibus    fixis 

longe  lateque  distenta   sine  lare  absquc  lare  uel  lege  aut  ritu  sta- 

sine  sedibus  fixis  aut  legibus.  bili  dispalantur. 

§  4  uita  est  illis  semper  in  fuga.  semper  fugientium  similes; 

§  5  ut  alibi  mulier  nubat  alibi  conceptus 

in  loco  i^ariat  alio  natusque  procul 

liberosque  procul  educat  et  longius  educatus. 


*)  31,  2,  1  Ilunnornm  gens  nioniimentis  ueteribus  leuiter  nota. 


V.  G'arilthaiisen:  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  5 

Was  nun  noch  übrig  bleibt  von  diesem  Excurse  ist  wenig. 
Um  die  Grenzen  der  Saracenen,  ihr  buntes  Aussehen,  ihre  schnellen 
Pferde  und  Kamele  und  endlich  ihre  Lebensweise  kennen  und  be- 
schreiben zu  können,  dazu  brauchte  man  nicht  einmal,  wie  Am- 
mian,  in  Autiochia  geboren  zu  t^ein  und  sich  an  den  orientalischen 
Feldzügen  betbeiligt  zu  haben. 

Grade  wegen  dieses  Aufenthalts  Ammians  im  Orient  und  zeit- 
weise in  Amida  selbst,  muss  man  auch  die  Episode  über  diese  Stadt 
auf  Auuiiian  selbst  zurückführen.  Man  merkt  jenem  Bericht  (18  c. 
0)  sofort  an,  duss  er  von  einem  Soldaten  herrührt,  der  länger  in 
jener  Festung  gedient  hat.  Der  Verfasser  beginnt  damit,  dass 
Conslantius  diesen  vorher  unbedeutenden  Ort  zu  einer  Festung  vun- 
geschaffen  habe,  giebt  dann  kurz  das  militärisch  Wichtige  in  der 
Umgebung  an  und  erzählt,  dass  sich  im  Innern  der  Stadt  selbst, 
unmittelbar  unter  der  Citadelle  eine  warme  aber  trinkbare  Quelle 
befinde;  und  auch  dieses  ist  wiederum  von  besondenn  Interesse 
für  die  Belagerten.  —  Dann  nennt  er  die  Legion,  die  ihr  Stand- 
quartier in  Amida  hat,  und  diejenigen,  die  nur  für  die  Zeit  der 
Belagerung  in  die  bedrängte  Festung  geworfen  wurden.  —  Wenn 
man  nun  bedenkt,  dass  Ammian  die  im  Anfang  des  19.  Buches 
geschilderte  Belagerung  Amidas  selbst  mit  durchgemacht  hat ,  so  ist 
die  Annahme  mehr  als  wahrscheinlich,  Ammian  folge  hier  über- 
haupt keiner  schriftlichen  Quelle. 

Auf  Ammians  dienstliclic  Reisen  sind  schliesslich  noch  2  Stellen 
aus  dem  iOxcui  s  über  Gallien  zurückzuführen ;  nemlich  die  unge- 
mein anschauliche  Scliilderung  des  Alpenübergangö  15,  10,  3 — 7, 
die  nur  von  einem  Augenzeugen  herrühren  kann.  Dass  man  Ammian 
als  solchen  betrachten  darf,  crgiebt  sich  aus  15,  5,  24,  wo  er  im 
Gefolge  des  Ursicinus  in  gi'osscr  Eile  von  Mailand  nach  Köln  ge- 
schickt wird,  um  den  Aufstand  des  Silvanus  im  Keime  zu  er- 
sticken, der  sich  soeben,  durch  die  RUnke  der  Hofleute  gezwungen, 
zum   Kaiser  hatte  ausrufen   lassen. 

Auf  dieselbe  Reise  Ammians  ist  auch  die  sehr  inlerebsante 
Schilderung  der  Gallier  (15,  12,  11)  zurückzuführen.  Die  Her- 
vorhebung der  hohen  und  doch  kräftigen  Statur  des  Volkes,  das 
von  den  Catapulten  entlehnte  Bild  (§  1)  und  namentlich  der  ganze 
§  .'{  verratheu  den  Ofllzier,  der  selbst  jene  Gegenden  bereist  hat. 

Auch  die  Schihlcrung  der  Sitten  und  des  Aeussern  der  ägypti- 
schen Bevölkerung  (22,  Ki,  2.*{)  wird  man  mit  Sicherheit  hierher 
ziehen  können,  weil  wir  sicher  wissen ,  da.ss  .Vnunian  in  .\egypfen 
gewesen   ist:   22,    15,    1    uisa  i»lerai[U(!  narrantes. 

Dasselbe  gilt  von  den  l'orsern23,  (5,  75- -81,  deren  Bitten 
und  wahrscheinlich  auch  Sprache  Ammian  80  gut  kannte,  dass  er 
kurz  vor  dem  Einbruch  des  l'erserkönigs  in  diuj  Herz  des  feind- 
lichen Landes  geschickt  wurde  (18,  (5,  20—22),  um  seinem  Fold- 
herrn  sicliere  Nachriditen  über  die  Küslungon  und  IMüne  der  Torscr 
zu  bringen. 


0  V.  fJardtliauBcn :  Die  gcograpbiBclicn  Quellen  AniraiaiiB. 

Rchematisirto  Geographie  v.  J.  340  —  350, 

Wenden  wir  un.s  nach  diesen  Vorbemerkungen  zu  dem  ersten 
grösseren  Excurs  iiljcr  die  Provinzen  der  orienlalisclien  Diücese,  so 
finden  wir  ausser  wenigen  Notizen,  diegleich  nachher  ''S.'15;  besiirochen 
werden  sollen,  fast  keine  liorührungspunkte  mit  erhaltenen  Schrift- 
stellern, und  man  ist  insofern  hier  ungünstiger  gestellt,  al=i  man 
von  Innen  heraus  und  mit  Innern  Gründen  opcriren  muss,  mit 
denen,  wie  wohl  ein  Jeder  zugeben  wird,  in  vielen  Fällen  sich 
nur  ein  grösserer  oder  geringerer  Grad  von  Wahrscheinlichkeit 
erreichen  lässt.  —  Hier  sind  wir  jedoch  in  der  glücklichen  Lage, 
die  oft  so  schwierigen  Fragen  nach  den  Quellen  und  dem  einheit- 
lichen Charakter  eines  Excurses  mit  ziemlicher  Sicherheit  beant- 
worten zu  können,  weil  wir  einen  strengen  Schematismus,  der 
sich  auch  sonst*)  in  geographischen  Handbüchern  nachweisen  lässt, 
genau  durchgeführt  finden.  Das  Schema  nemlich ,  nach  welchem 
die  ganze  Episode  gearbeitet  wurde,  ist  folgendes: 

1)  Geographische  Charakteristik  der  Provinz. 

2)  Fruchtbarkeit  derselben. 

3)  Flüsse. 

4)  Städte. 

5)  Gründungen  und  alte  Namen  der  Städte. 

6)  Geschichte  der  Unterwerfung  einer  Provinz. 

1)  Geographische  Charakteristik. 

§   1     Cilicia  spatiis  porrigitur  late  distentis. 

§  1  eiusque  lateri  dextro  adnexa  Isauria  (als  Theil  Ciliciens 

in  dessen  Beschreibung  eingeschoben). 
§  7     Commagena,  nunc  Euphratensis ,  clementer  adsurgit. 
§  8     Dein  Syria  per  speciosam  interpatet  diffusa  planitiem. 
§  9     Post  hanc  acclinis  Libano  monti  Phoenice. 
§  11  Ultima  Syriarum  est  Palaestina  per  interualla  magna  pro- 

tenta. 
§   13  Huic  Arabia  est  conserta,  ex  alio  latere  Nabataeis  contigua. 
§  14  Cyprum  itidem  insulam  procul  a  continenti  discretam  et 

portuosam. 

2)  Fruchtbarkeit. 

§  1     diues  bonis  omnibus  terra. 

§  1  pari  Sorte  uberi  palmite  uiret  et  frugibus  multis  [1. 

minutis]. 
§  7     fehlt. 
§  8     cui  non  certauerit  alia  aduecticiis  ita  adfluere  copiis  et  in- 

ternis  (speziell  auf  die  Hauptstadt  bezogen). 

*)  Moses  von  Korene  arbeitete  z.  B.  nach  fol tuendem  Schema :  1)  Cha- 
raliteiistik  des  Landes.  2)  Umgrenzung:.  3)  Eintheilung.  4)  Stämme  und 
Städte.  5)  Berge.  6)  Flüsse.  7)  Inseln.  8)  Fruchtbarkeit.  —  Auch  die 
Totius  orbis  descriptio  (Müller,  Geogr.  min.  II  p.  5i:i)  ist  schematisirt. 


V.  Gardthausen:  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  7 

§  9     regio  plena  gratiarum  et  uenustatis. 

§  11  cultis  abundans  terris  et  nitidis. 

§   13   opima  uarietate  commürciorum. 

§  14  Tanta  tamque  multiplici  fertilitate  abundat  rcruna  omni  um 

—  —  instructana  mari  coramittat. 

3)  Flüsse. 

§  1  quam  (sc.  Isauriam)  mediam  nauigabile  flumen  Ca- 
lycadnus  interscindit. 

§  3     Ciliciam  ucro,  quae  Cydno  amne  exultat. 

§  7     fehlt. 

§  8     fehlt,  weil  der  Orontes  zu  Phönice  gerechnet  ist. 

§  10  Has  autem  prouincias  (sc.  Phoenicen  et  Syriam),  quas  Oron- 
tes ambiens  amnis,  imosque  pedes  Cassü  —  in  Parthe 
nium  raare. 

§  12  In  his  tractibus  nauigerum  nusquam  uisitur  flumen  — 
multiplicium  mcdelarum. 

§  13  )   fehlt,  weil  sich  weder  in  Arabien  noch  auf  Cypern  Flttsse 

§  14  1  finden. 

4)  Städte. 

§  2  Et  hanc  quidem  praeter  oppida  multa  duae  ciuitates 

exornant  —  admodum  pauca. 

§  3     Ciliciam  uero Tarsus  nobilitat et  Mopsuestia. 

§  7     Hierapoli  uetere  Nino  et  Samosata  ciuitatibus  aniplis  in- 

lustris. 
§  8     hanc  nobilitat  Antiochia et  Laodicia  et  Apamia 

itidemque  Seleucia  —   florentissimae. 
§  0     urbibuö  decorata  raagnis  et  pulchris,  in  quibus  amoenitate 

celebritatequo  —   saeculis  condita  priscis. 
§  1 1   et  ciuitates  habens  quasdam  egregias  —  Ascalonem  aeuo 

superioro  exstructas. 
§   13  castrisquo  oppleta  ualidis  et  castellis  —  murorum  firuiitHto 

cautissimas. 
§  14  inter  municipia  crcbra  urbes  duo  faciunt   clarani  Salamis 
—  tcmplo  insignis. 

5)  Gründungen  und  alte  Namen  der  Stftdtc. 

i^  2     Seleucia  opus  Seleuci   regia  et  (.'laiidii^polis,   quam  ».•(iuMl 

coloniam  Claudius  Caesar. 
§  3     Ciliciam  Tarsus  nobilitiit  urbs  per.spicabilis;  hanc  coudidisso 

—  uir  opulentus  et  nubilis. 
Anazurbus  auctoris   uocabulum   rcterons. 
Mopsuestia  uatis   illius   domicilium   .Mopsi. 

t^  7     Commagena,  nunc  Kuphratousis 

Hierapoli  uetero  Nino. 
t:;  0     Kmissa  et  Damascus  saeculis  conditae  prisüis. 


8  V.  GartUhauBen :  I>ic  geographischen  Quellen  AnmiianH. 

i^    11   Caesarcuiii,   (inairi   ad  honorem  üctauiani  )>rincij>i.s   cxaedi 
ficauil  llerodus. 
Ascalonoiii,  (»azaiii   aeuo  superiore  exslriicta«. 

(i)    (Joschiclitü  der  Unterwerfung- 

§  4     liae  duae  jirouineiae  bello  fjuondaiii  j)iratico  —  —    factae 

sunt  iicctigales. 
§  7     fehlt. 

i^  10  Has   autcm   prouincias    (sc.  Syriam   et  Phoenicen)   —   — 
Cn.  Pompcius   superato  Tigrano   regnis  Armeniorum   ab- 
ytractas  dicioni  Koinanac  coniunxit. 
§12  uerum   has   quocjue   regioncs   pari   sorte  Porapeius  —  — 

iurisdictione  formauit. 
§  13  haue  prouinciao  inposito  nomine  rectoreque  adtributo  ob- 

teraperare  legibus  nostris  Traianus  conpulit  inipcrator. 
§  14  Nee    piget    diccre    auide    raagis    hanc    insulam    populum 
Romanum  inviasisse  quam  iuste.     Ptolomaeo  enim  rege  — 
aduectae  sunt  per  Catonem. 
Von  der  ganzen  Episode  über  die  orientalischen  Provinzen  blei- 
ben also  nur  die  Worte  (§  4) :  Et  hae  quidem  regiones  —  (§  6)  (juae 
eis   Assyria   lingua   institutores  uetcres    indiderunt.      Davon  wird 
man  die  Worte  §  5  quam  plagam  Nicator  Seleucus  —  §  6  insti- 
tutores  ueteres   indiderunt,    die   von   den    zahlreichen   Stadtgrün- 
dungen  des    Seleucus   handeln,   ungezwungen   dem  Verfasser   des 
ganzen  Kapitels  zuweisen,  der  in  demselben  die  Gründungen  der 
einzelnen   Städte    mit    so    grosser  Sorgfalt    registrirt    hat.  —  Aus 
demselben  Grunde    darf  man   auch   für  den  kleinen  noch  übrigen 
Itest  (§  6)  keinen  andern  Verfasser  suchen;  er  enthält  nichts  als 
die  Umgrenzung  der  orientalischen  Provinzen ,  die  nachher  genauer 
beschrieben  werden. 

Anunian  folgte  also  14,  8,  1  — 15  einer  einzigen  Quelle;  sein 
Gewährsmann ,  der  nach  einem  strengen  Schema  Provinz  für  Pro- 
vinz besprach,  war  ein  Römer;  das  ergiebt  sich  aus  den  Worten 
§  15  rege  foederato  nobis  et  socio.  Ammian  selbst  fühlte  sich 
nemlich   stets   als  Grieche  31,   16,  9  Haec  ut   miles  quondam  et 

Graecvis pro  uirium  esplicaui  mensura;  wenn  er  trotzdem 

an  einigen  Stellen  scheinbar  auch  sich  selbst  als  Römer  bezeichnet, 
so  hat  dies  niemals  einen  andern  Sinn,  als  den  eines  Unterthans 
des  Imperium  romanum,  das  Römer  und  Griechen  in  gleicher  Weise 
umfasste;  nur  wenn  er  einer  römischen  Quelle  folgt,  lässt  er  zu- 
weilen (22,  9,  7  diTO  TOÖ  TreceTv,  quod  cadere  nos  dicimus)  die 
erste  Person  Pluralis  stehen,  auch  wenn  er,  genau  genommen, 
sich  als  Griechen  nicht  einschliessen  kann. 

Wichtig  für  die  Bestimmung  der  Nationalität  ist  auch  der 
Umstand,  dass  der  Geograph  die  für  seine  sechste  Rubrik  nö- 
thigen  historischen  Daten  lateinischen  Schriftstellern  d'.  h.  den  Fort- 
setzern und  Excerptoren  des  Livius  entlehnt  hat. 


V.  Gardthausen:  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  9 

Einigen  Anhalt  für  die  zeitliche  Fixirung  dieses  Geographen 
bietet  die  Notiz  über  die  syrischen  Provinzen,  zu  denen  als  ultima 
Syriarum  auch  Palästina  gerechnet  wiu'de.  Diese  Theilung  der 
Provinz  stammt  vom  Kaiser  Hadrian;  vgl.  Becker- Marquardt  IIT, 
1  S.   105: 

„Grade  diese  ungewöhnliche  Zunahme  der  Stadt  (Äntiochia) 
soll ,  ausser  der  Vergrösserung  der  Provinz  überhaupt  den  Kaiser 
Iludrian  zu  der  Theilung  Syriens  bewogen  haben,  nach  welcher 
dasselbe  in  drei  Pi'ovinzen  zerlegt  wurde,  nemlich  I.  Syria,  II.  Syria 
Phoenice,  III.  Syria  Palaestina". 

Als  dagegen  Ammian  seine  Geschichte  schrieb,  war  Syrien 
bereits  in  noch  kleinere  Theile  zei-legt;  vgl.  Becker -Maniuardt 
a.  a.  0.  S.  200: 

„Am  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  zerfiel  Syrien  in  noch 
kleinere  Theile,  nemlich  1)  Syria  prima,  2)  Syria  secunda,  3)  Phoe- 
nicia  prima,  4)  Phoenicia  secunda,  5)  Palaestina  prima,  6)  Palae- 
stina secunda.  Die  siebente  Provinz  Palaestina  tertia  —  —  war 
aus  der  frühern  Provinz  Arabia  gebildet". 

Doch  wir  haben  sogar  die  Mittel,  diese  allzuweiten  Schran- 
ken näher  aneinander  zu  rücken.  Der  von  Ammian  behandelte 
Complex  von  Provinzen  entspricht  genau  der  orientalischen  Diö- 
cese  des  von  Mommsen  (Abhandl.  der  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss. 
Bd.  II  18.07  S.  255)  herausgegebenen  Provinzialverzeichnis-ses,  und 
diese  Eintheilung  ist  bekanntlich  nicht  älter,  als  das  4.  Jahrhundert. 
Auf  den  ersten  Blick  könnte  es  ferner  scheinen,  dass  das  Fehlen 
der  Provinz  Suphanene  von  entscheidender  Wichtigkeit  für  die  Zeit 
der  Abfassung  unseres  Provinzialverzeichuihses  sein  müsse,  da  die- 
selbe erst  3G3  von  Kaiser  .fovian  abgetreten  und  wie  Älommsun 
(a.  a.  0.  S.  257)  vermuthet,  bereits  384  im  Frieden  mit  Sapor 
wiedergewonnen  wurde.  Will  man  aber  diese  Handhabe  erfassen, 
so  schwindet  sie  vor  unscrn  Augen;  denn,  was  Mommsen  über 
die  Not.  dign.  und  den  Hierokles  sagt  (Abhandlungen  der  Berl. 
Akademie  1862  S.  502),  gilt  auch  für  Ammian:  'dass  Sophaneno 
wie  in  der  Not.  dign.  und  bei  Hierokles  so  auch  in  dem  Vero- 
neser  Verzeichniss  fehlt,  während  das  iles  Silvius  die  Landschaft 
aufführt,  winl  wohl  daher  rühren,  dass  sie  nicht  als  eigentliche 
römische  Provinz  betrachtet  ward,  da  ihr  Vorsteher  den  Titel 
satrapa  führte'.  Es  bleibt  uns  dalior  nur  übrig  zu  conatatiron, 
dass  die  kurz  nach  3HJ  eingerichteten  Provinzen  Palaestina  se- 
cunda, Phoenice  Libani  und  Syria  sidularis  dem  .\nimian  noch 
nicht  bekannt  .sind.  • 

Wenn  wir  nun  das  eben  gefundene  Schema  auf  die  anderen 
geographischen  Kxcurse  übertrugen  wulleu,  so  stossen  wir  gleich 
bei  den  niiclisten  über  (Jallien,  Aegypten  und  die  PontuslUuder 
auf  unübersteigliclie  Schwierigkeilen;  keiner  dieser  Excurse  ist  nach 
dem   Schema  gearbeitet;  es  ist  dies  der  beste  Beweis,  diu^s  nicht 


10  V.  G'ardthauscn:  Die  geographiHchcn  Quellen  Aminians. 

cLwa  Amniiun  dasselbe  erdacht  oder  zu  Grunde  gelegt  hat,  son- 
dern bereits  eine  schematisirto  GeoL^raphie  vorfand,  die  er  bei  ein- 
zelnen T'rovinzen  wahrscheinlich   fast  wörtlich  ausgeschrieben. 

Diese  Geographie  hat  nicht  nur  das  römische  Reich ,  sondern 
die  ganze  damals  bekannte  Welt  uinfasst;  denn  Ammian  hat  der- 
selben die  sehr  ausführliche  Beschreibung  l'ersiens  entlehnt  (23, 
G,  1 — 88);  man  sieht  sofort,  dass  sie  nach  dem  bekannten  Schema 
gearbeitet  ist. 

1.  Geographische  Charakteristik. 
§  15  Citra  omnos  propinqua  [1.  prouincias]  est  nobilis  [nobis 
uulgo.]  Assyria  celebritate  et  magnitudine. 
§  20  Intra  hunc  circuitum  Adiabene  est,    (Als  Theil  As- 
syriens in  dessen  Beschreibung  eingeschoben.) 
§  25  Hie  prope  Chaldaeorum  est  regio. 
§  26  His  tractibus  Susiani  iunguntur. 

§  27  At  in  laeua  Media  confinis  Hyrcano  panditur  mari 

§  28    Harum  terrarum  incolae    —    §  29    Coroni    quoque 
montis  altissimi  2>artem  habitantes  occiduam. 
§  41  Per  tractus  meridianos  —  Persis  habitatur  antiqua. 
§  43  His  propinquant  Parthi  —  niuales  terras  et  pruinosas. 
§  45  Quibus    ab  orientali   australique   plaga  Arabes   beati  con- 

terminant.     Vgl.  auch  §  46. 
§  48  Carmania  maior  uerticibus  celsis  erigitur  adusque  Indicum 

pertinens  mare. 
§  50  Interius  uero  pergenti    occurrunt  Hyrcani,    quos  eiusdem 

nominis  adluit  mare. 
§  54  —  —  Margiani  omnes  paene  collibus    altis    undique  cir- 

cumsaepti,  ideo  a  mari  discreti. 
§  55  Proximos  his  limites  possident  Bactriani, 

§  59 sub    imis   montium   pedibus    quos    appellant 

Sogdios.     (Vgl.    die  Anmerkung  von  Valesius   zu    dieser 
Stelle). 
§  60  His  contigui  sunt  Sacae  natio  fera  squalentia  incolens  loca. 
§  61  Circa  defectus  et  crepidines  montium  quos  Imauos  et  Apu- 

rios  uocant  —  tangentes  extremum. 
§  64  Ultra  haec  utriusque  Scythiae  —  ambiunt  Seras. 
§  65  Hanc  itaque  planitiem   —   situ  distentas. 
§  69  Ariani  uiuunt  post  Seras,  boreae  obnoxii  flatibus. 
§  70  His  locis  Paropanisadae  sunt  proximi  —  ipsi  quoque  mon- 
tium defectibus  inclinati. 
§  71  Antedictis  continui  sunt  Drangiani  collibus  cobaerentes. 
§  7^  Post  quos  exaduersum  Arachosia  -aisitur  —  Indis  obiecta. 
§  73  At  in  penitissima  parte  Persidos  —  contingens  Indorum. 

2.  Fruchtbarkeit. 
§  15  et  multiform!  feracitate  ditissima. 

§  20  fehlt,  weil  §  15  sich  auf  Adiabene  bezieht. 


V,  Gardthausen:  Die  geograpbiscLen  Quellen  Aramians.  11 

§  25  et   ai'ua   cultorum  industria   diligentius  rigans   uoraeri  et 

gignendis  arbustis  habilia  facit. 
§  26  fehlt. 
§  29  frumentariis  agris  adfliumt  etuinariis,  pingui  tecunditate 

laetissimi. 
§  41  minutis  frugibus  diucs  et  palmite. 
§  43  colentes  niuales  terras  et  pruinosas. 
§  45  quod  frugibus  iuxta  et  fetibus  —  sunt  locupletes. 
§  48  fructuariis  arboreisque  fetibus  culta. 
§  50  apud  eos  glebae  macie  internecante  sementes,  ruris  colendi 

cura  est  leuior  —  §  51  ad  plantandum. 
§  54  et  quamquam  pleraque  sunt  ibi  deserta. 
§  56  sed  humi  gignentium  fertiles   —   conpactis  et  ualidis. 
§  59  fehlt ;  Lücke  im  Text. 
§  60  solo  [1.  soli]  pecori  fructuosa. 
§  61   adsueti  uictu  uili  et  panpertlno. 
§  64  ubertate   regionum   et   auiplitudine    circumspectos.  —  — 

§  65   dispar   est  tractuum   Ingenium.    —    §    66    Incolunt 

autem  fecundissimam  glebam. 
§  69  fehlt. 
§  70  fehlt. 
§  71  fehlt. 
§  72  fehlt. 
§  73  fehlt. 

3.  Flüsse. 

§  15  Cuius  alueo  Tigris  uoratus  —  euiergit. 

§  20  quod  intcr  Onam  et  Tigridcm  sila,  nauigcros   tluuios. 

§  25  Perfluunt  autem  —  insulasque  circumfluens. 

§  26  fluuii  uero  multi  —  multitudiuem  iuundantes. 

§  29  lluminibus  fontiuraque  uenis  litjuidis  locupletes. 

§  40  amnes  has  rcgiones  praetereunt  —  delabitur  uiare. 

§  41  amnos  quippo  multi  —  atque  Bagiada. 

§  43  (luorum  regioncs  Choadres  lluuius  —  abundantit^r. 

§  46  aquaruimiue  suajite  natura  —   multitudo  perspicua. 

§  48  lluminibus  tarnen  ipsa  <|U0(iuc      -  §  49  et  Hydriacus, 

§  52  hie  amnes  duo  —  Oxus  et  Maxera. 

§  51  a({uarum  penuria. 

§  57  et  ad   Italiao  speciem    —   inmania  üxi   lluenUi. 

§  59  inter  quos  amnos  dim  llumU    —  longe«[ue  diffusam. 

§  60  fehlt. 

§  63  inter  fliiiiiimi  iicro  multa  --  vi  Talicus. 

§  65  duo  fiiniosi   nominis   ilumina  porcurrunt. 

i?  69  ipiorum   terms  amnis   -      eodom   uocabulo  dictil;ttum. 

§  70  quos  rosiduis  omnibus  —  a  Ihictrianis  ex.surgen.'<. 

§71 Arabium  nomine  —   quod   indo  exoritur. 

4j  72  quam  ab   Iiido          paludom  Arachotoscronon  appellatani. 


\2  V.  fliirdtliaubcn :  Die  ^cographiecbcn  (^ufllen  Amiuians. 

§  73  inier   minores   alios   Aialdu    ubcrior    fluiuine    —    nomina 
ruagniiudino  |io(iüri,s. 

1.   Släcltc. 

...  §  22   In  licic  Adialiono  —  Mario  prudtraiiil. 

§  23  In  omni  autera  Assyria  —  opus  Nicatoris  Seiend. 

§  25   fehlt. 

i^  26  apud  quos  non  niulta  sunt  oppida  —  et  obscura. 

v^  31   abundant  acfpic  ciuitatibus  —  multitudine  incolaruin. 

v;  39  Per  hacc  loca  ciuitatcs  —  sitae   Syromedtirum. 

^;^  -12   oppida  uero  —  atquo  Tiagonicc  {■ —  et  Alexandria). 

i^  '13  et  haec  i)Otiüra  residui.s  sunt  —  et  Hccatorapylo.s. 

§  46  iibi  et  stationcs  —  et  decora •  §  47  Ac  licet  abun- 

det  urbibus  —  raaximum  esse  dicitur  templuni. 

§  49   Sunt  etiam  ciuitates  —  et  Heraiupolis. 

§  52  habent  etiam  ciuitates  —  bis  nobiliorem  Hyrcanani. 

§  54 sed   Jasonium   et  Antioohia   et  Nisea   sunt    aliis 

notiora. 

§   58  sunt  et  hie  ciuitates  —  nationis  est  institutum. 

§  50  hie  inter  alia  oi^pida  celebrantur  —  metropolis. 

§  60  ideo  nee  ciuitatibus  culta. 

§  63  ciuitates  autem  non  nisi  tres  solas  —  et  Saga. 

§  66  urbibus  licet  non  multis  —  nitidae  sunt  et  notissimae. 

§  60  abundat  autem  haec  eadem  Aria  oppidis  —  et  Alexandria. 

§  70  habent  autem  etiam  ciuitates  aliquas  —  Ortospana. 

§  71  Interque  alia  duobus  municijiiis  —  et  clai'is. 

§  72  hie  quoque  ciuitates  sunt  —  et  Arbaca  et  Choaspa. 

§  73  ciuitates  autem  etiam  hie  sunt  —  residuis  aestimantur. 
Man  findet  also  in  der  Beschreibung  Persiens  dieselben  Ru- 
briken wieder,  wie  im  Excurse  des  14.  Buches,  allerdings  aber 
nicht  so  vollständig ;  das  hat  aber  seinen  Grund  im  Material  selbst. 
Die  letzte  Rubrik :  Unterwerfung  einzelner  Provinzen  durch  die 
Römer  musste  natürlich  wegfallen ,  weil  diese  persischen  Provinzen 
niemals  zum  römischen  Reiche  gehört  haben.  —  Statt  dessen  finden 
wir  23,  5,  2  —  9  Notizen  über  die  Entstehung  des  Perserreichs 
seine  Unterwerfung  durch  Alexander  und  seine  Kämpfe  mit  den 
Römern.  Ja  sogar  in  einzelnen  Ausdrücken  stimmt  dieser  Ab- 
schnitt mit  zwei  andern  überein  (27  c.  4  und  15,  12,  5 — 6)  die, 
Avie  sich  später  zeigen  wird ,  auf  dieselbe  schematifürte  Geogi'aphie 
zurückgeführt  werden  müssen.  An  beiden  Stellen  werden  die  re- 
publikanischen Consuln  erwähnt  23,  6,  9  sub  cousulibus  =  27, 
4,  10  dum  consulare  uigeret  Imperium*).  —  Derselbe  Schrift- 
steller,   der    14,  8,    15  eingeräumt,   dass  die  Römer   ohne   einen 


*)  Auch  15,  12,  6  Avaren  die  republikanischen  Consuln  erwähnt; 
man  kann  nemlich  mit  Sicherheit  die  Lücke  jener  Stelle  ausfüllen:"  Ser. 
Sulpicio  [et]  M.  Marcello  consulibus  nach  einem  Fragment  des  Sallust. 
Vgl.  meine  Coniectanea  Ammianea  S.  9. 


V.  Gardtbausen:  Die  geographischen  Quellen  Amraians.  13 

Schein  des  Rechts  Cypern  besetzt  hätten,  räumt  hier  ein,  dass 
sie  zu  wiederholten  Malen  von  ihren  Gegnern  besiegt  seien  23,  G, 
9  paribusque  momentis  interdum  aliquotiens  superatae  non 
numquani  abiere  uictrices  =  27,  4,  11  post  procinctus  ancipites 
=  15,  12,  6  post  decennalis  belli  mutuas  clades;  und  endlich 
ist  an  diesen  Stellen,  ebenso  wie  14,  8,  15  (vgl.  S.  8)  stets  ein 
Nationalröm er  gemeint,  wenn  von  nos  oder  noster  die  Rede 
ist:  23,  G,  0  nobiscum  hae  nationes  dimicarunt.  27,  4,  11  in  di- 
cionem  uetcrum  transiere  nostrorum.  15,  12,  G  societati  nostrae  etc. 

Man  kann  also  nicht  nur  die  Paragraphen  2 — Ü  auf  dieselben 
Quellen  zurückführen,  wie  die  Hauptmasse  der  Episode  über 
Persien,  sondern  wir  dürfen  sie  auch  mit  einiger  Sicherheit  als 
einen  Ersatz  betrachten  für  die  fehlende  sechste  Rubrik.  —  Auch 
die  fünfte  über  Gründung  und  alte  Namen  von  Städten  ist,  wie 
man  zugeben  niuss,  schwach  vertreten.  —  Auch  dies  hat  aber 
wieder  einen  sachlichen  Grund.  In  Griechenland  nemlich  und  siiä- 
ter  auch  in  dem  ganzen  römischen  Reiche  hatten  besonders  die 
Gründungssagen  die  Phantasie  der  Gelehrten  und  des  Volks  be- 
schäftigt; den  persischen  Städten  aber  wagte  man  weder  einen 
griechischen  noch  trojanischen  Ursprung  anzudichten;  auch  muss- 
ten  natürlich  die  persischen  Namen  den  Griechen  und  Römern 
unverständlich  bleiben,  und  dalier  war  die  Möglichkeit  abge- 
schnitten ,  aus  der  Etymologie  des  Namens  ätiologische  Diutungen 
und  Mythen  zu  erfinden.  Dennocli  kann  man  nicht  sagen,  dass 
die  fünfte  Rubrik  gänzlich  fehle;  Ammians  Quelle  giebt  nendich 
die  erforderlichen  Notizen  für  Ninus,  Assyrien,  Seleucia,  Apaiuia, 
Adiabene,  Ctesiphon,  Cyrus  etc. 

Sehen  wir  uns  nun,  nachdem  wir  den  grösstcu  Theil  der 
Episode  über  Persien  auf  die  schematisirte  Geographie  zurückge- 
führt haben ,  um ,  ob  wir  auch  von  dem  Rest  noch  einzelne 
Theile  für  dieselbe  in  Anspruch  nehmen  können.  Dass  die  §§  10 
— 12,  auf  die  wir  übrigens  später  noch  genauer  eingehen  mü.ssen, 
einen  ganz  andern  Charakt<3r  tragen  und  nicht  nach  dem  Schema 
gearbeitet  sind,  leuchtet  sofort  ein ;  dagegen  sind  die  §{5  13  und 
14  organisch  mit  dem  Folgenden  verbunden.  §  13  stellt  der 
Scln-iftsteller  mit  klaren  Worten  seinen  Vorwurf  hin  und  grenzt 
ihn  ab;  §  14  entwirft  er  mit  wenigen  Zügen  die  Skizze  und  4?  15 
begiebt  er  sich  an  die  Ausführung  derselben.  —  Mit  §  13  giobt 
Ammians  Quelle  die  geographische  IJegrenzung  der  zu  besprec  hen- 
drn  Provinzen,  in  gleicher  Weise,  wie  sie  es  auch  14,  8,  5  go- 
than,  und  wie  sie»  es  an  allen  Stollen  thuii  wird,  wo  wir  ihre 
Spuren  mit  Sicberhcüt  nachweisen  können.  Dass  ferner  die  kurze 
Aufzählung  der  persischen  Provinzen  (i;  14)  auf  dieselbe  Quellu 
zurUckzufüliren  ist,  wie  die  detaillirte  Heschrcibnng  derselben,  er- 
giebt  sich  mit  der  grössten  Sicherheit  daraus,  da.s3  beide  in  letzter 
Instanz  auf  die  Geographie  des  Ptoleniäus  zurückgehen  (vgl.  Cun- 
iectanea   .Vuimianea    S.   35).      Mit    der  einleitendin    i'hru^e   '  utque 


14  V.  OardthauBcn:  Die  geographiechen  Quellen  Aiuiiiiaus. 

^fcof,'r;ipliici    stili    Ibrmarunt'   wird  der  Ueljergang    von    der   einen 
Quelle  zur  andei'n  sehr  passend  liervor<,a'hoben. 

Während  der  §  IG,  auf  den  wir  später  zurückkommen  müssen, 
immerhin  aufgefasst  werden  kann  als  eine  spezialisirte  Ausführung 
des  voraufgoschickten  'multiformi  feracitatc  ditissima'  gilt  die« 
durchaus  nicht  in  gleicher  Weise  von  den  §§  17 — l'J;  diese  können 
in  der  schcmatisirten  Geographie  keinen  Platz  gefunden  haben, 
sondern  sind  wahrscheinlich  einem  Paradox ograjdien  entlehnt,  dessen 
Spuren  sich  auch  sonst  beim  Ammian  nachweisen  lassen,  nament- 
lich in  den  eingelegten  und  ziemlich  willkührlich  erdachten  Reden 
und  Briefen.  27,  6,  12  erzählt  Ammian  übereinstimmend  mit  dem 
Paradoxographen  (ed.  Wettermann  CLXVIII  182),  es  sei  möglich, 
in  Winter  iJonau  und  Rhein  auf  dem  Eise  zu  passiren.  17,  5,  7 
lilsst  er  den  Sajior  die  wundei'bare  Kluglunt  der  Biber  rühmen. 
23,  6,  82  bezweifelt  er  die  wunderbare  Nachricht,  dass  die  un- 
gerechten Richter  in  Persien  geschunden  würden,  und  ihre  Nach- 
i'ulger  auf  der  Haut  sitzen  mussten. 

Andere  0au)ndcia  äKOUcjuara  konnte  Ammian  der  chorographia 
Pliniana  entlehnen;  23,  6,  67  —  68:  über  den  Handel  der  Serer 
mit  der  Aussenwelt,  22,  15,  17:  über  den  Waffenstillstand  der 
Crocodile  (22,  15,  22),  die  Schlauheit  der  Plusspferde  so  wie  über- 
haupt alle  Fabeln  über  das  Wunderland  Aegypten. 

Auch  die  wunderbare  Ursache  der  imter  L.  Verus  (23,  6,  24 
vgl.  Euseb.  i.  a.  2185)  den  ganzen  Orient  verheerenden  Pest  hat 
Ammian  wahrscheinlich  demselben  Paradoxographen  entlehnt. 

Bei  den  §  20 — 21  können  wir  deutlich  scheiden,  was  Ammian 
aus  seiner  Quelle  geschöpft  und  was  er  selbst  hinzugefügt  hat. 
Die  ersten  Sätze  bis  zu  den  Worten  'et  ueteres  quidem  hoc  arbi- 
trantur',  gegen  die  er  polemisirt,  geben  die  Auffassung  seines  Ge- 
währsmannes wieder;  seine  eigene  Auffassung  leitet  er  mit  den 
Worten  ein:  nos  autem  id  dicimus;  und  um  dieselbe  zu  bekräfti- 
gen, zieht  er  analoge  Fälle  heran ,  theils  aus  seinem  eigenen  Werk 
(22,  15,  3  Aegyptus;  23,  6,  72  India;  14,  8,  7  Commagene) 
theils  aus  der  chorographia  Pliniana. 

Sol.  ed.  M.  p.   117,  5  Am  Marc.  23,  6,  21 

Hiberus  toti  Hispaniae  nomen  itidemque  Hiberia  ex  Hibero 
dedit,  Baetis  provinciae:  uterque  nunc  Hispania,  et  a  Baeti  amne 
nobilis  insignis  prouincia  Baetica. 

Woher  die  daran  sich  schliessenden  §§  32 — 36  stammen,  wird 
sich  erst  später  mit  Sicherheit  ermitteln  lassen.  Die  Aehnlichkeit  mit 
einer  entsprechenden  Stelle  beim  Agathias  II  24,  auf  welche  Linden - 
bruch  aufmerksam  macht,  ist  nicht  gross  genug,  um  auf  eine  gemeinsame 
Quelle  schliessen  zu  lassen.  —  Die  nun  folgenden  §§  39 — 43  sind, 
wie  oben  gezeigt  wurde,  nach  dem  bekannten  Schema  gearbeitet; 
um  so  mehr  fällt  es  daher  auf,  wenn  wir  §  43  plötzlich  den 
Quellenschriftsteller  oder  auch  Ammian  selbst  nach  Stadien  rechnen 
sehen;  und  diese  Stelle  steht  nicht  etwa  vereinzelt  da;    derai-tige 


V.  Gardthausen :  Die  geographischen  Quellen  Animians.  15 

Angaben  wiederholen  sich  §  G9,  70,  74,  ohne  dass  man  dieselben, 
wie  so  vieles  Andere  auf  den  Ptolemäus  zurückführen  könnte, 
und  werden  später  (S.  37)  in  anderem  Zusammenhange  betrachtet 
das  Auffallende  verlieren.  Dasselbe  gilt  vom  §  44,  der  sich  un- 
mittelbar an  die  Stadienangabe  von  §  43  anschliesst. 

Mit  dem  §  74  endet  das  der  schematisirten  Geogi'aphie  Ent- 
lehnte. Die  nun  folgenden  kulturgeschichtlich  und  ethnographisch 
sehr  interessanten  Nachrichten  über  die  Perser  verdanken  wir  wahr- 
scheinlich dem  Ammian  selbst,  der  Land  und  Leute  und  sogar  die 
Sprache  der  Perser  kannte,  wie  wenige  gebildete  Römer  jener 
Zeiten.  —  §  84  macht  er  einen  sehr  gewagten  Uebergang  mittelst 
der  gelehrten  Notiz,  dass  die  Lyder  erst  nach  Crösus  Perlen  zu 
tragen  gelernt  hätten,  um  dann  mit  einem  kleinen  Excurs  über 
Entstehung  und  Fundort  der  Perlen  zu  schliessen,  den  er  der 
chorographia  Pliuiaua  entlehnt  hat.  (Solin  ed.  M.  jtraef.  p.  XXVI). 

Sehen  wir  uns  nun  um,  ob  wir  die  bisher  so  deutlichen 
Spuren  jenes  Geographen,  den  Ammian  ausschrieb,  noch  weiter  mit 
Sicherheit  verfolgen  können,  so  finden  wir  dieselben  gleich  in  dem 
nächsten  Excurse  über  Thracien  wieder  (27,  4,  2 — 14).  Auch 
dieser  Piovinzencomplex  entspricht  genau  der  Diöcese  Thracien  in 
den  von  Mommsen  publicirten  Provinzialverzeichnissen  (Abb.  der 
Sachs.  Gesellsch.  1857  p.  254  und  Abb.  der  berl.  Akademie  18G2 
p.  507),  wie  dies  bereits  bei  der  Besprechung  der  orientalischen 
Provinzen  (14,  8,  1  ff.)  S.  9  hervorgehoben  wurde;  auch  hier 
nennt  Ammian  die  Provinzen  Thraciens  genau  in  der  Reihenfolge 
der  Provinzialverzeichnisse,  nur  dass  er  Thracia  secunda  durch 
Haemimontus  ersetzt*).  Hier  wie  dort  bildet  also  die  Grundlage 
dasselbe  Provinzialverzeichniss,  das  Ammian  jedoch  nur  indirect 
benutzt  hat. 

Ebenso  wie  14,  8,  4  —  5  und  23,  G,  13  wird  zunächst  die 
geographische  Begrenzung  angegeben  und  dann  folgen  die  ein- 
zelnen Rubriken,  wenn  auch  mit  Auswahl,  unverkennbar  tritt 
uns  zunächst  die  sechste  Rubrik  entgegen  in  den  §§  10  — 11,  wo 
sämmtlicho  Feldherrn  der  Römer  genannt  werden,  welche  die 
wilden  tlirucischen  Völker.schaflen  unterworfen  haben.  —  Dass 
in  den  §§  12 — 1.3  die  4.  und  5.  Rubrik  vcn-ini-'/t  ^ind,  erkennt  man 
besonders  daraus,  dass  nicht  nur  die  Städte  der  thraii>fhfn 
Provinzen  hergezählt  sind,  sondern  dass  auch  ihre  Grümlungs- 
geschichten  und  früheren  Nanu-n  erwähnt  werden  §  12  Philippo- 
polis  Dumolpias  uetus.  —  Madrianopolis,  ijuae  dicebatur  Uscu- 
dama.  —  Marcianopolia  a  .sorore  Traiani  principis  ita  eognominat«. 
IV-rinthus,    i|uaiu    Ib-nubMiu    jxisteritas   dixit.    -      J?    13    Ai'uus 


*)  Darin  Hliiiuiit  Amminii  mit  «Kmii  Veruiicaor  Verceieliniüfl  (n.  a.  O. 
507),  iloiii  hreviiiriuin  (Iom  Itufii«  KohIiim  und  der  Nut.  dij^n.  ühoroiii,  wUh- 
rcMid  Kiifii!«  l'\-.stu!t  nliwi-iclicnd  von  Aiiiniiaii  und  dmi  Andern  die  Ord- 
nung   vuti     l''tMl>|lll    lIMll     K'llil>li))lU     VfitllM     i'llt. 


16  V.  Gardthausen :  T>io  geographischen  Quollen  Animi.uis. 

fpia  coniliia   et  r(;licta  Acneas  Ttaliam  —  post  diuturnos  occupauit 
errores.   — 

So  lässt  sidi  also  aus  dci'  Episode  ülicr  Thracien  die  Mitte 
§  5 — 115  auKSclioiden  und  aus  der  bekanutcn  Quelle  aUleiten; 
während  Anfang  (§  2  —  4)  und  Ende  (tj  14)  einen  durchaus 
fremdartigen  Charakter  zeigen,  — 

Auch  bei  der  Beschreibung  Aegyp  tens  hat  An iniian  wieder 
einen  Theil  der  scheniatisirten  Geographie  und  also  indirect  dem 
schon  öfter  erwähnten  Provinzialverzeichnisf-e  entlehnt;  die  nam- 
haft gemachten  Provinzen  entsprechen  genau  der  10.  Diöcese  ob- 
gleich die  Reihenfolge  etwas  verändert  ist. 
Veroneser  Verz.  v.  Amm.  Marc.  22,  10,  Nomina prouinciai'um 
J.  297  1— G.  ed.  M.  p.  25G 

.'5  Thebais  §  2  Thebais  104  Thebaida 

5  Aeg.  Herculia  §  3  Augustamnica  103  Augustamnis 

1.  Libya  superior  §  4  Libya  pentapolis       lOG  Libya  pentapolid 

1'.  Libya  inferior  §  5  Libya  siccior  105  Libya  sicca 

4  Acgyptus  Jovia  §  G  Aegyptus  ipsa  102  Aegyptus  ipsa 

107  Arcadia 
Wie  wir  oben  gesehen,  dass  unser  Provinzialverzeichniss  vor 
381  verfasst,  so  ist  hier  der  Schluss  erlaubt,  dass  es  nicht  älter 
ist  als  342,  denn  der  Name  Augustamnica  wird  zuerst  gebraucht 
in  einem  Erlass  dieses  Jahres  Cod.  Theod.  12,  1,  34.  Dass  Am- 
mian  die  neueingerichtete  und  nach  dem  Sohne  des  Theodosius 
benannte  Provinz  Arcadia  noch  nicht  kennt,  erklärt  sich  wohl 
aus  der  Zeit  seines  Gewährsmannes,  während  Ammian  selbst  diese 
Provinz  wahrscheinlich  schon  kannte.  Vgl.  Mommsen  a.  a.  0. 
S.  258*): 

'  5.  Es  kommen  die  beiden  von  Theodosius  L  Söhnen  be- 
nannten Provinzen  Arcadia  und  Honorias  vor,  von  denen  die  letztere 
auf  jeden  Fall  jünger  ist  als  Honorius  Geburt  384,  wahrscheinlich 
auch  jünger  als  seine  Erhebung  zum  Augustus  393'. 

Auch  bei  dem  Excurse  über  Aegyjiten  finden  veir  ebenso,  wie 
bei  dem  letzterwähnten  über  Thracien  nur  die  wichtigeren  drei 
letzten  Rubriken  22,  IG,  1 — G  und  die  geographische  Begrenzung 
des  Landes  (22,  15,  2 — 3).  Wiederum  ist  hier  mit  der  4.  die 
5.  Rubrik  vereinigt: 

§  2  Antiuou  [sc.polin],  quam  Hadrianus  in  honorem  ephebi  condidit 
§  3  Pelusium,  quod  Peleus  Achillis  pater  dicitur  condidisse 
§  4  Cyrene,  quam  Spartanus  condidit  Battus 
Berenice,  quas  Hesperidas  appellant.  — - 
Den  Schluss  der  ganzen  Episode  endlich  bildet  die  G.  Rubrik ; 
22,   16,  24    giebt  Ammian  eine  Zusammenstellung  verschiedener 
historischen  Notizen   darüber,    wie   und   wann  die  einzelnen  Pro- 
vinzen der  römischen  Herrschaft  unterworfen  wurden. 


")  Vgl.  auch  Abhandl.  der  Berliner  Akademie   1862  S.  500, 


V.  Gardthausen :  Die  geographischen  Quellen  Ammiana.  17 

In  ähnlicher  Weise  lässt  sieb  aus  dem  Excurse  über  Gallit-n 
(15  c.  9  — 12)  ein  Kern  herausschälen,  welcher  denselben  Ursprung 
verräth.  —  Die  Grundlage  für  die  Aufzählung  der  Provinzen  und 
Städte  (15,  11,  7 — 15)  bildet  wieder  das  bekannte  Provinzial- 
vcrzeichniss ,  das  wir  genau  übereinstimmend  in  seiner  älteren 
Fassung  beim  Ammian  und  in  dem  Veroneser  Verzeichniss  vom  J.  297 
finden,  in  seiner  jüngeren  Gestalt  dagegen  in  dem  libellus  prouini- 
carum  (ed.  M.  p.  252) 

Am.  Marc.  15,   11.  7  ff.  Nominaprouinciarumed.M.  p.  252 

§  7  Germania  secunda  26.  Germania  secunda 

§  8   Germania  prima  27.  Germania  prima 

§  9  Belgica  prima  24.  Belgica  prima 

§10  Belgica  secunda  25.  Belgica  secunda 

§11   Sequani  32.  Maxima  Seriuanorum 

128.  Lugdunensis  prima 
29,  Lugdunensis  secunda 
30.  Lugdunensis  tertia 
31.  Senonia 
§12  Alpes  Graiae   et  Poeninao   33.  Alpes  Graiae 

j20.  Aquitania  prima 
§   13  Aquitania  (21.  Aquitania  secunda 

§   14  Nouem  populi  22.  Nouem  populi 

o    tc,  -KT    1  •  (18.  Narbonensis  i>rima 

ii   12  Narbonensis  Un    xt    i  ■  i 

(19.  Narbonensis  secunda 

Viennensis  17.  Viennensis 

§  15  [Alpes  maritimae]  23.  Alpes  maritimae 

'Im  vierten  Jahrhundeii;  zerfiel  Gallien  in  14  Provinzen,  deren 
Entstehungsgeschichte  ganz  unbekannt  ist',  sagt  allerdings  W. 
Becker-Marquardt  III  S.  90;  dennoch  lassen  sich  wenigstens  einige 
Provinzen  zeitlich  (ixiren  (vgl.  Älommsen  a.  a.  0.  S.  2r)7).  Die  Ein- 
richtung der  Provinzen  Narbonensis  II,  Lugdunensis  ITI  und  Senonia 
muss  nach  309  erfolgt  sein,  weil  Rufus  dieselbe  noch  nicht  kennt 
und  die  Narbonensis  wurde  erst  um  381  in  zwei  Theile  zerlegt.  — 
Einen  tenninus  a  quo  gewinnen  wir  durch  die  von  Ammian  er- 
wähnte Provinz  Maxima  Se(|nanoruni*),  dieselbe  kommt  nemüch 
zuerst  unter  Diocletian  im  .Jalire  294  vor  (vgl.  Höcking  Not.  Dign.  II 
p.  170  IT.)  Diese  allerdings  nicht  sehr  prä<isü  Fixirung  stimmt 
viillkomnien  überein  mit  dem  früher  Gefundenen;  es  ist  dasselbe 
Verzeichniss,  welches  stet.s  die  Grundlage  der  schematihirten  Geo- 
graphie bildete;  deren  4.  und  5.  Kulirik  in  15,  11,  7 — 15  wieder- 
zuerkennen sind,  während  tüi'  fi.  den  Schlu8.s  des  Ganren  bildet 
(15,   12,  5-G). 

Natürlich  ist  eine  so  schematisch  angelegte  .\rbeit  wie  die 
Thoilo  Ammians   sind,    die  wir  soeben  ausgeschieden,    wenig  f^i?- 

*)  Dii'HO   Provinz    winl  si-lum  crwiiliiit   im    Vi^ronosor    I'rovin/.iulvcr- 
zcichni««  vom  .Inliro  2'.t7 ;   vi^l.  A!)han(ll    der  I?.  rl    Ak.ulomii'    ISß'i  S    Ml 


18  V.  Gardthauson:  Die  gcographiächen  Quellen  Ammians. 

eignet,  Vertrauen  einzuflösaen ;  dem  Verfasser  war  der  feststehende 
Rahmen  einmal  gegeben,  den  er  mJiglichst  vollständig  auszufüllen 
suchte,  und  nur  an  wenigen  Stellen  ist  er  gewissenhaft  genug, 
einzugestehen,  dass  sein  fJewährsmann  ihn  im  Stich  lässt,  und  ihm 
die  Mittel  fehlen,  die  betreffende  Rubrik  auszufüllen;  meistens 
unterdrückt  er  dieselbe  oder  ergänzt  nach  eigenem  Ermessen. 
Da  derselbe  also  stets  nur  den  Werth  seiner  Quelle  hat,  so  muss 
es  natürlich  unsere  näcostc  Aufgabe  sein,  diese  genauer  zu  unter- 
suchen. 

1 .  P  r  0  V  i  n  z  i  a  1 V  e  r  z  e  i  c  h  n  i  s  s.  Bereits  im  vorigen  Abschnitte, 
als  wir  den  Umfang  jener  schematisirtcn  Geograi)hie  festzustellen 
suchten,  so  weit  dieselbe  uns  beim  Ammian  erhalten  ist,  sahen 
wir  deutlich  die  Spuren  der  Benutzung  eines  Provinzialkatalogs, 
ähnlich  dem  von  Schonhoven  und  neuerdings  von  Mommsen  heraus- 
gegebenen; nur  muss  der  beim  Ammian  benutzte  allerdings  etwas 
ausführlicher  und  vollständiger  gewesen  sein;  bei  jeder  Provinz 
wurden  nicht  nur  die  wichtigsten  Städte,  sondern  wahrscheinlich 
auch  die  Hauptstadt  (metropolis)  genannt.  —  Man  macht  sich  am 
Besten  ein  Bild  davon,  wenn  man  sich  die  nomina  j^rouinciarum 
vereinigt  denkt  mit  dem  von  Guerard  und  neuerdings  von 
Brambach  (Rhein.  Mus.  23,  262)  publicirten  Verzeichnisse  galli- 
scher Städte.  Mit  derselben  Ausführlichkeit  wie  Gallien  werden 
natürlich  auch  die  andern  Provinzen  behandelt  sein.  Das  von 
Ammians  Gewährsmann  benutzte  Provinzenverzeichniss  war  ein- 
getheilt  in  Diöcesen  (in  einigen  Handschriften  auch  Regionen 
genannt;  vrgl.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  254).  Das  ergiebt  sich 
daraus,  dass  die  vom  Ammian  besprochenen  Complexe  von  Pro- 
vinzen stets  den  Diöcesen  des  mommsen'schen  libellus  pi'ouin- 
ciarum  entsprechen;  da  nun  diese  Eintheilung  in  Präfecturbezirke, 
Diöcesen  etc.  nicht  älter  ist,  als  die  Neuordnung  der  Provinzen 
durch  Diocletian  und  Constantin,  so  folgt  von  selbst,  dass  das 
ammianeische  Verzeichniss  nicht  älter  sein  kann  als  das  4.  Jahr- 
hundert. 

2.  Ptolemäus.  In  einem  Verzeichniss  römischer  Provinzen 
konnte  Ammians  Gewährsmann  natürlich  keine  Angaben  über 
Persien  finden;  für  diese  Partien  hat  er  den  Ptolemäus  zugezogen. 
—  Diese  schon  früher  allgemein  verbreitete  Annahme  habe  ich 
in  meinen  Coniectanea  Ammianea  zu  erhärten  gesucht,  indem  ich 
die  Namen  Ammians  mit  denen  des  Ptolemäus  verglich  und  die 
Orthographie  derselben  verbesserte.  Es  ergab  sich  dabei,  dass 
Ammian  weder  die  besten  Handschriften  noch  auch  überhaupt  das 
Original  des  Ptolemäus  benutzt  hat.  Die  Verderbnisse  der  Namen 
sind  nemlich  so  zahlreich  und  so  wunderbar,  dass  man  sie  nicht 
auf  einen  gebildeten  Mann  zurückführen  kann,  der  ein  Original 
ausschrieb,  das  in  der  eigenen  Muttersprache,  dem  Griechischen, 
verfasst  war.  —  Dagegen  finden  wir  dieselben  Corruptelen  in  den 
lateinischen  üebersetzungen  des  Ptolemäus;    sehr  häufig  ist  z.  B. 


V.  Gardthausen:  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  10 

die  Vertauscbung  von  C  und  6  (Arsiana-'Apeidvai  von  A  und  A 
(Areta-Apeia)  von  TT  und  TT  (Oporocorra-'OTTopoKÖppa).  Ge- 
netive wie  'PoTOndvioc  werden  missverslanden  und  darnach  No- 
minative wie  Rogomanius  gebildet;  statt  Oixüpöüi  liest  jener  latei- 
nische Geograph  o\  Xdpbai ;  daher  erklärt  sich  die  Fo)-m  Chardae 
beim  Amniian,  der  an  manchen  Stellen  genau  dieselben  Namens- 
formen bietet  wie  die  lateinischen  Uebersetzungen  z.  B.  Socanda, 
Säle,  Alicodra  etc.  Wenn  es  noch  weiterer  Beweise  bedürfte,  dass 
nicht  Ammianus  selbst,  sondern  sein  Gewährsmann  den  Ptolemäus 
benutzt  hat,  so  brauchte  man  nur  hinzuweisen  auf  23,  G,  G3  ciui- 
tates  autem  non  nisi  tres  solas  habere  noscuntur  Aspabota,  Chau- 
riana  [1.  Chaurana]  et  Saga.  Diese  Worte  kann  Niemand  geschrieben 
haben,  der  den  Ptolemäus  selbst  ausschrieb;  ein  Blick  auf  die 
Vorlage  hätte  ihm  genügt,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  Scythien 
mehr  als  3  Städte  halte.  Ptolemäus  erwähnt  in  'Scythien  jenseits 
des  Jmausgebirges'  4  Städte  und  eine  fünfte  in  der  andern  Hälfte 
der  Provinz  'diesseits  des  Imaus'.  —  Ferner  verbietet  sich  di'- 
Annahme  einer  directen  Benutzung  des  Ptolemäus  von  selbst,  weil 
derselbe  nicht  nur  verkürzt,  sondern  zugleich  in  den  engen  Rahmen 
des  Schemas  hineingepresst  ist,  das,  wie  oben  gezeigt  wurde ,  von 
einem  Geographen  angewendet  ward,  der  etwas  älter  ist  als  Am- 
mianus Marcellinus. 

3.  Rufus  Festus.  Die  Berührungen  zwischen  Ammian  und 
dem  Rufus  Festus  sind  nicht  liäufig  aber  eng;  um  darauf  näher 
eingehen  zu  können,  nmss  es  mir  erlaubt  sein ,  einige  kurze  Be- 
merkungen über  das  Bieviarium  des  Rufus  Festus  vorauszuschicken. 
—  Zunächst  sieht  Jeder,  der  dieses  Werk,  wenn  auch  flüchtig 
durchliest,  dass  demselben  jede  Einheit  fehlt.  Es  besteht  aus 
5  Theilen  von  sehr  verschiedenem  Umfange,  die  alle  in  sich  ziem- 
lich abgesclilussen,  mit  den  andern  nur  in  äusserst  losem  Zusammen- 
hange stehen,  weshalb  sich  denn  auch  das  Quellenverhältniss  oft 
ändert.  —  Der  erste  Thcil  umfasst  nur  das  erste  Kapitel :  Rufus 
widmet  dem  Kaiser  sein  Work  und  wünscht  ihm  (ilück  zum  Perser- 
kriego.  Diesem  Anfange  entspricht  der  Schluss  des  Ganzen.  E? 
ist  klar,  dass  Rufus  hier  keiner  Quelle  folgt. —  Don  zweiten  Theil 
bildet  das  zweite  Kapitel;  Inhalt  und  Anordnung  sind  historisch; 
or  beschUftigtr  sich  mit  den  Fragen,  wie  lange  und  wie  viele  Kl) 
nige,  Consuln  und  Kaiser  in  Rom  geherrscht  haben.  —  Der  dritte 
Theil  umfasst  wieder  nicht  mehr,  als  das  dritte  Kapitel  und  bo- 
richtet  von  der  allniühliclRn  Ausbreitung  des  römischen  Reichs; 
sein  Inhalt  ist  wes-entlich  gc( '(lajibisch,  jedoch  historisth  gi-ordnel 
nacli  Königen,  Consuln  und  Kaisern,  (Ue  Grundlage  bildet  wohl  eine 
TabüUe.  —  Der  vierte  Theil  reicht  von  Kap.  IV— XV.  Der  St.>lV 
ist  goograi)hiscb  geordnet,  wenn  auch  mit  möglichster  Rücksicht 
auf  die  (leschichto.  Obwohl  der  Verfasser  ciuo  historische  Ein- 
tlieilung  und  Anordnung  zu  geben  versucht  (c.  IV:  Quo  aulon» 
ordine  siugulas  pniuiucias    romana    res    publica  adsecutu  sit,  it-a 

2* 


20  V.  Gardthauson:  Die  geographischen  Quellen  Amniians. 


ostenditur) ,  gelingt  es  ilnn  nicht  die  selbe  durchzuführen;  und  er 
gesteht  c.  X  nunc  eoas  partes  exi)licabo  und  c.  XII  conscfiuenti  lo- 
corum  magis,  quam  tem])Orum  seruata  digestione.  Trotz  dieses 
geographischen  Grundcharakters  besteht  dieser  vierte  Abschnitt  fast 
ausschliesslich  aus  historischen  Notizen,  die  silmnitlich  auf  liviani- 
sche  Tradition,  d.  h.  Livius  und  seine  Fortselzer  zurückgehen. 

In  dem  letzten  liaupttheile  (Kap.  XV  11.)  kommt  Kufus  end- 
lich zu  dem  vom  Kaiser  gestellten  Thema  und  giebt  eine  kurze 
Ueberaicht  über  die  bis  dahin  geführten  Perserkriege;  natürlich 
können  für  diesen  Thcil  nur  historische  Quellen  benutzt  sein;  es 
sind  dieselben,  aus  denen  auch  im  voi'igen  Theil  die  historischen 
Notizen  geschöpft  waren. 

Drei  Stellen  sind  es  besonders,  an  denen  llufus  Festus  sich 
nicht  nur  mit  Ammianus  Marcellinus,  sondern  auch  mit  Floius 
berührt. 

4  =  Flor. 

14  =  Flor, 

4  =  Flor 


Am.  Marc.  14,  8, 
'        Am.  Marc.  14,  8, 
Am.  Marc.  27,  4, 
Flor.  I  41 
Missusque       in 
eos   Publius   Se- 
ruilius 


Ruf.  Fest.  XII 
Cilices  et  Isau- 
ros,  qui  sepiratis 
et  praedonibus 
maritimis  iunxe- 
rant,     Seruiliiis 

proconsul  ad 
praedonnm  bel- 
lum missus  sub- 
egit  et  uiam  per 
Taurum  montem 
primu.s  in.stituit 


I  41  =  Rufus  Festus  c 

I  43  =  Rufus  Festus  c 

I  38  =  Rufus  Festus  c. 

4 


Am.  M.  14. 

hae    duae   pro- 

uinciae  hello 
quondam  pira- 
ticocateruismix- 
tae  praedonum  a 
Sevuiiio  procon- 
sule  mi.ssae    sub 

iuguin     factae 
suut  uectjgales. 


Phaselin     et 
Olympon  euertit 

Isaurosque  ip- 
sam  arcem  Cili- 
ciae, 

unde     couscius        Isque  de  Cilici- 

sibi  magni  labo-  bus     et     I.sauris 

ris    Isaurici    co-  triumphauit    at- 

gnomen   adama-  que  Isauricusest 

uit.  coguomiuatus. 

Bei  dieser  Erzählung  von 
Isauriens  sind  die  Beziehungen  zwischen  Florus,  Rufus  und  Ammia- 
nus weniger  augenfällig,  und  wenn  diese  Stelle  die  einzige  ihrer 
Art  wäre,  so  würde  vielleicht  Mancher  daran  zweifeln,  während 
diese  Stelle  jetzt  natürlich  durch  die  beiden  folgenden  gestützt 
wird.    —   Alle    3   genannten   Historiker   repräsentiren   livianische 


XII 
XIII 

IX  =^0 

Eutr.  VI  3  (cf. 
Oros.  5,  23) 
Ad  Ciliciam  et 
Pampliyliam  mis- 
sus est  P.  Serui- 
lius  ex  consule. 

Is  Ciliciam  sub- 
egit. 

2)  Primus 

in  Tauro  iter 
fecit. 

1)  Lyciae  urbes 
cepit:  inliisPba- 
selidem ,  Olym- 
pum,  —  — 

Isauros  quoque 
adgressus  ad  de- 
dicionem  rede- 
git. 

ßeuertens  tri- 
uraphum  accepit 
ctnoraen  Isaurici 
raeruit. 


der   Unterwerfung   Ciliciens   und 


*)  Ausserdem  vgl.  Am. 
„motiit  lacertos"). 


M.   14,  6,  4  =  Flor.  I  1  (=  Ruf.  Fest.  e.  XX 


V.  Gardthausen:  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  21 


Tniclition ;  jeclocli  eine  andere,  als  Eutrop  und  Orosius ;  denn  diese 
verlegen  die  vom  Scrvilius  eingenommenen  Städte  Phaseiis  und 
Olympus  richtig  nach  Ljcien  und  erwähnen,  dass  derselbe  ausser- 
dem noch  bis  Cilicien  und  P;imi)hylien  vorgedrungen  sei.  Flonis 
berichtet  zwar  gleichfalls  die  Einnahme  dieser  beiden  Städte,  nennt 
aber  dennoch  nicht  Lycien  sondern  Cilicien,  ebenso  wie  Ammian 
und  ßufus.  Diese  beiden  letztgenannten  Historiker  behaupten  ge- 
radezu, dass  die  Cilicier  sich  mit  den  Piraten  verbunden  hätten 
und  auch  Florus  behandelt  Beide  als  identisch;  während  Eutrop 
und  Orosius  in  dieser  Beziehung  abweichen. 

Kurz,  schon  aus  dieser  ersten  Stelle  kann  man  abnehmen, 
dass  Ammian  und  Rufus  sich  am  Engsten  berühren;  dass  aber 
auch  die  Erzählung  des  Florus  grosse  Verwandtschaft  mit  beiden 
zeigt;  und  dieses  Resultat  wird  bestätigt  durch  die  andern  Stellen. 


Flor.  I  33  Ruf.  Fest.  XIII 

Cypros  recepta  sine      Cyprus  famosa  diui- 

bello.  insulaniueteri-  tiis  utoccuparetur  po- 

bus  diuitiis  abundan-  puliRomanipaui)erta- 

dantem    et    ob    hoc  tem  sollicitauit. 


Vencri  sacram  Ptole- 
mäus  regebat 


sed  diuitiarum  lanta 
erat  fama 


Eam  rcx  fcederatus 
regebat. 


sed  tanta  fult  penu- 
ria  aei'arii  liomani  et 
tarn  ingcns  fama  opum 
Cypriarum, 

ut  lege  lata  Cyprus 
conüscari  iuberetur. 


ut  populus P. 

Clodio  tribuno  plebis 
duce  socii  uiuicjue 
rogis  cünfiscationem 
mandauerit 

et  illo  (luidem  ad  rei 
famam  ueiieno  fata 
praecepit 

ceterum  PorciusCato 
Cyprias  opes  liburnis    Romain   nauibus    ad- 
pcr    Tiberinum     ho-    uexit 
stiuin  inuexit. 

(I,  41  Creticum  bel- 
lum si  ueni  uolumu.s, 
nos  fecimus) 


Quo  accepto  nuntio 
rex  Cyprius  uenenum 
sumpsit 

Cato    Cyprias    opes 


itu  ut  ius  eius  iii- 
sulau  auarius  niugis 
quam  iustius  simus 
adsecuti. 


An  dii'sor  Stelle   i.st  v<m  vornherein  dii 
dusö  etwa  Ammian  den  Florus  bcnut/.t  liabe 


Am.  M.  14,  8,   14 

Cyprum  insulam  — 
urbes  duo  faciunt  cla- 
ram  Salamis  et  Pa- 
phus :  altera  Jouis 
delubris,alteraVeneris 
templo  insignis. 

§  15  Ptolomaeo  enim 
rege  foederato 

ob  aerarii  nostri 
angustias 

(§  14  tanta  tamtjue 
multiplici    fertilitate) 

iusso  sine  ulla  culjta 
proscribi 


ideüque  hausto  ue- 
neno  uoluntaria  morto 
doleto 

et  uelut  hostilescius 
üxubiao  classi  inposi- 
tae  in  urbem  aducctau 
sunt  per  Catonem. 

Nee  piget  dieere 
Huide  magis  lianc  in- 
sulam   populum    Ro- 

manum   inuasisse 
ipiam   iuste. 

.\nnalime  unmöglicli, 
Wenn  der  Letztere 


22  V.  (^lanlUiiiiiHon:  Die  f^oographischen  Quellen  AmmiaiiH. 

uüralich  siigt:  'Cypern  hatte  viele  alte  Schütze  und  war  deshalb 
der  Venus  heilig',  so  niuss  man  oinräujnen,  dass  diese  Worte  keinen 
irgendwie  erträglichen  Sinn  bieten ;  mit  gleichem  oder  noch  mit 
grüsserm  Kecht  könnte  man  folgern,  dass  Mercur  Patron  der  Insel 
sein  müsse.  Dagegen  begreift  man  sehr  gut,  wie  beim  Florus 
dieser  Fehler  durch  flüchtiges  Excei-piren  entstanden;  er  wird  in 
seiner  Quelle  ähnliche  Worte  wie  Ammian  vorgefunden  haben ;  aus 
Flüchtigkeit  ü))ertrug  er  aber,  was  nur  von  Paphus  wegen  seines 
berühmten  Tempels  der  Ajjlirodite  gesagt  war,  auf  die  ganze  Insel, 
indem  er  das  dazwischen  Liegende  ausliess  und  nun  das  'ob  hoc' 
unmittelbar  an  'diuitiis  abundantem'    heranrückte. 

Schliesslich  sei  es  mir  noch  gestattet,  einige  Worte  hinzuzu- 
fügen über  den  letzten  Satz,  der  sich  an  dieser  Stelle  allerdings 
bloss  beim  Rufus  und  Ammianus  findet  und  es  bedarf  daher  wohl 
der  Erklärung,  wenn  ich  versucht  habe,  das  43.  Kap.  des  Florus 
aus  dem  41.  zu  ergänzen.  In  diesem  Satze  wird  ncmlich  zuge- 
geben, dass  die  Römer  ungerechter  Weise  den  Krieg  begonnen, 
ein  Geständniss  das  bei  einem  Römer  umso  mehr  auffällt,  da  dieses 
Volk  stets,  wie  kein  anderes,  ])emüht  war,  dem  Feinde  alle  Schuld  des 
Krieges  zuzuschieben.  Um  so  mehr  müssen  wir  uns  wundern,  dass  Florus 
in  Betreff  des  kretischen  Krieges  grade  dasselbe  sagt,  was  Am- 
mian und  Rufus  in  Bezug  auf  den  cyprischen.  Da  nun  beim  Florus 
Greta,  die  Balearen  und  Gypern  unmittelbar  auf  einander  folgen, 
so  bildeten  sie  wahrscheinlich  früher  Einen  Abschnitt,  wie  denn 
auch  die  Worte  (I  4.3)  ^aderat  fatum  insularum'  auf  eine  derartige 
Zusammengehörigkeit  dieser  drei  Inseln  hindeuten.  Auf  diesen 
grösseren  Abschnitt  wird  sich  jene  Missbilligung  römischer  Herrsch- 
sucht ursprünglich  bezogen  haben,  während  die  Späteren,  da  sie 
Greta  und  die  balearischen  Inseln  ausgeschieden  hatten,  dieselbe 
auf  Gypern  beschränkten. 

Viel  wichtiger  aber  als  beide  eben  besprochenen  Stellen  ist 
die  des  27.  Buches ,  die  sich  ebenfalls  beim  Florus  und  Rufue 
findet.  —  Auf  den  ersten  Blick  sieht  man,  dass  hier  gewisse  Be- 
ziehungen bestehen  zwischen  Florus  einerseits  und  Rufus  nebst 
Ammian  andrerseits;  auch  an  dieser  Stelle  ist  es  ebenso  wenig, 
wie  bei  den  frühern  möglich,  die  Angaben  der  Letzteren  aus  denen 
des  Florus  abzuleiten. 

Flor.  I  38.  Am.  Marc.  27,  4,  4        Ruf.  Fest.  c.  IX 

Post  Macedonas,  si  In  Thracias  Macedo- 

dis    i)lacet,    Thraces  nici    belli    occasione 

rcbellant,    illi   quon-  transcursum  est 

dam  tributarii  Mace- 

donum 

§    2.   Nihil   interim  §  4.  Et  partem  ea-       2)  In    Thraciae   re- 

per  id  omne  tempus  rum  habitauere  Scor-    gionibus        Seordisci 

residuum  crudelitatis  disci  longe  nunc    ab    habitauerunt   pariter 


V.  Gardthausen :  Die  geograpliischen  Quellen  Ajnmians. 


23 


Flor, 
l'uit  in  captivos  sac- 
vientibus ,  litare  clis 
sanguine  humano,  bi- 
bere  in  o-ssibus  capi- 
tum 


§  3.  Sacvissimi  om- 
nium  Thracum  Scor- 
disci  fiicrc. 


Am.  M. 
isdem  prouinciis  dis- 
parati ,  saeui  quon- 
dam  et  truces,  ut  an- 
tiquitas  ducet  hostiis 
captiuorum  Bellonae 
litautcs  et  Marti  hu- 
manumque  sangui- 
nem  in  ossibus  capi- 
tum  cauis  bibentes 
auidius, 


Ruf.  F. 
crudeles  et  callidi ;  do 
quorum  saeuitia  mul- 
ta  fabulose  memoran- 
tur,  quod  hostiis  cap- 
tiuorum dis  suis  ali- 
quando  litaucrint  at- 
que  sanguinem  huma- 
num  ex  ossibus  capi- 
tum  potare  sint  soliti 


1)  Saeuiösimi  om- 
nium  gentium  Thra- 
ces  fuerunt 


scd  calliditas  quo- 
([ue  ad  robur  accos- 
serat 


(X)ariter  crudeles   et 
callidi) 


§  -1.  itaque  non  fu- 
sus  modo  ab  bis  aut 
fugatus  sed  —  si- 
uiile  prodigio  —  om- 
nino  totus  exercitus 
intcrceptus,  (lucni  du- 
xerat  Cato. 


(piorum     asi)entate 
post   multiplices  pu- 

gnarum  aei"umnas 
saepe  res  Ronuina  uc- 
xata ,    postremo   om- 
nem     umisit    exerci- 
tuni  cumrectore. 


Saepc  per  eos  Ro- 
manus est  caesus  exer- 
citus. (cf.  Eutr.4,  24) 


§  5.  Didius  va- 
gos  et  libera  popu- 
latione  diiVusos  iu- 
tra  suam  reppulit 
Thraciam 


§  10.  vagantes  sine 
cultu  uel  legibus  M. 
Didius  ingenti  de- 
stinationo  prcssit 


Marcus  Didius 
uagantes  Tbracas  ro- 
pressit 


Drusus  ultorius  Drusus  intia  tines  M.  Drusus  iutra 
ogit  et  vetuit  trans-  continuit  i»ru[)rios  lines  proprios  conti- 
ire  Danuvium  nuit 


M  inucius  toto  va  Minueius      imqie  M.     Minurius     in 

stavit    llebro    iiiullis  aiiiiiein  Ik-bruin  acol-  Hebri     Huminis    gla- 

quiilein  aiiiissis  dum  sis  Odrysariini    iiidu-  cie  uastauit  (cl".  Eutr. 

|Miti(lum    glacio    llu-  tibus     fluentem     au-  -1,   27) 

inen  equitatur.  poratos  proelio  struuit 

Volso      Rhodopen 
Haenuimi|ue  penetra- 

vit 


24  V.  CJardtbauBcn :  Die  gcograitbiBcbcu  Quellen  Armiiiiins. 


Flor.  I  38. 
Curio  Dacia  tcnus  vcnit 


Am.  Marc.  20.  5.  2. 

ad    aemulalioncm   Cu- 

rionis  acerrimi  illius  duci.s, 
«[ui  Dardanorum  ferociam  ia 
luodum  Lernaeae  ser2)entis  ali- 
quotiens  renascentem  hoc  ge- 
nere  poenarum  extinxit. 


Appius     in    Sarmatas    usque     Post  quos  residui  ab  Ap.  Clau- 
pervcnit  dio  i)roconsule  sunt  infesta  con- 

certione  deleti. 


Oppida  cnim  in  Bosporo  sita  et 
Propontide  classes  optinuere  ßo- 
manae. 

§  11.  Aduenit  post  hos  Impera- 
tor Lucullus,  qui cum durissiraa 
gente  Bessorum  conflixit  omni  um 
primus 

eodemque  impetuHaemimontanos 
acriter  resistentes  oppressit. 


Lucullus  ad  teiminum gentium 
Tanaim  lacumque  Maeotim. 


Hocque  modo  pos  procinctus 
ancij^ites  rei  publicae  sex  i)rouin- 
ciae  sunt  quaesitae 

§  12. quam  Philip  popolis, 

Eumolpis  uetus  exornat 

Post  hanc  Haemimontus  Hadria- 
noi>olim  habet,  quae  dicebatur 
Uscudama 

Mysia 

Scythia 

Rhodope  

Europa 


V.  Gardthausen:  Die  geographibchen  Quelleu  Ammians.  25 

Ruf.  Fest.   c.  VII           n  i^utr.  6,   2. 

Dardanos    et  Moesos  Curio  |  Missus  est  ei   (sc.  Ap.  Claudio 

proconsul   subegit   et    itrimus  ,  successorC.  Scribonius  Curio 

Komanorum  dueum  ad  Dunu-  post     consulatuin;    is    Dardanos 

uiura  usque  peruenit  (cf.  Jor-  i  uicit  et  usque  ad  Danuuium  pene- 

.  danis  d.  regn.  succ.  c.  50).    .1  trauit. 

Eutr.  6,   2. 
Per  Ap.Claudium  proconsulem      Ap.  Claudius  leuia  proelia  ha- 
hi  qui  Rbodopcn  incolebant  uicti   buit  contra  genles  quae  Rhodopen 
sunt.  incolcbunt . 

Europae  maritimas  urbes  antea 
Romana  classis  optinuit 

Eutr.  6,   10. 
M.  L u c u  11  u s  cum Bessis  prin^iuni      Alter  uutem  Lucullus    —  — 
conflixit  IJessis  primus  Ronianorum  intulit 

bellum  atque  cos  ingenti  proelio 
in  Ihiemo  monte  superauit. 

Ipsam  Caput  gcntis  Tratiam  (V) 
uicit,  Hacmimontanos  subegit 

Uscudamum,  (ßiae  modo  Hadria-  Oppiduiu  Uscudaniam  ,  quod 
nopolis  nominatur,  in  dicionem  Bessi  babitant  eodom  die,  quo 
noötram  redegit  aggressus  est  uicit 

Calyben  cei)it.  2)  ad  Danuuium  Calyben  cepit,  ustjue  ad  Danu- 
usque  perucniens.  1)  sujJraPon-  bium  peneirauit.  Inde  multas 
tum  positas  ciuitates  occupauit  supra  I'ontum  po-sitas  ciuitates 
Apolloniam,  Calatim,  Phtliiuo-  adgressus  est  —  Illie  ApoUoniam 
polim  (y),    Tomos,  Istrum.  euertit,  Calatim,    l'artbenopolim, 

Tomos,   Hibtrum,  Burziaouem  te- 


Ita  diciitui  rei  pubiicae  sex  Thra- 
ciarum  prouinciao  sunt  quaesitau 

/ Eumolpiadem,  qiuie  uiiuc 

\rhilip|)0[i()li.s   dicitur 

—  Uscudamam,   quae  mkuIu  H;i\ 
driannpolis  nominatur  / 

Moesia 
Scytliia 
Europa 
Ubodope 


l>it. 


20  V.  («ardthiiUBOn :  Die  geof,'raiihi«cbeii  Quellen  Animians. 

Gleich  bei  dorn  er.slcn  Punkte,  wo  Florus  von  den  an- 
dern J'eiden  abweicht,  wird  er  unklar  und  confus.  Was  soll 
z.  1).  heissen ,  wenn  er  sagt:  iJrusus  ulterius  egit  et  vetuit 
Iransiro  J)anuviuiny  Ein  römischer  Feldherr  wird  den  wilden 
ihrakisjchen  Völkerschaften,  die  südlich  von  der  Donau  wohnen, 
doch  unmöglich  verbieten,  das  nördliche  Ufer  zu  betreten  und 
sich  mit  den  dort  wohnenden  Barbaren  im  gegenseitigen  Kampfe 
aufzureiben.  Man  hat  daher  mit  vollem  Recht  angenommen,  dass 
Florus  sich  über  die  Lage  der  Donau  getäuscht  habe.  —  Florus 
hat  ohne  Zweifel  in  seiner  Quelle  dieselben,  und  zwar  nur  die- 
selben Namen  vorgefunden,  die  wir  auch  beim  Aramian  und  Rufus 
lesen.  Das  wird  sogar  durch  Namen  wie  Curio  und  Volso  be- 
stätigt, die  sich  ausschliesslich  beim  Florus  finden.  Von  derThätig- 
keit  eines  Volso  in  Thracien  wissen  wir  nemlich  nichts;  Livius 
38,  40  erzählt  nemlich  nur,  dass  derselbe  bei  der  Rückkehr  aus 
Asien  mit  seinem  Heere  durch  Thracien  durchmarschirt  sei;  und 
mit  dem  Curio  ist  dem  Florus  das  Unglück  passirt,  dass  er  ihn 
an  einer  falschen  Stelle  eingeschoben;  er  war  der  Nachfolger,  nicht 
aber  der  Vorgänger  des  Appius  Claudius;  dieser  wird  schon  Liv. 
perioch,  91  erwähnt,  jener  erst  perioch.  92  und  95;  auch  durch 
Eutrop  wird  dieselbe  Reihenfolge  bestätigt.  Florus  hat  die  Liste 
der  römischen  Feldherrn  in  Thracien  durch  die  in  Macedonien 
und  Moesien  kommandirenden  ergänzt  (vgl.  Becker- Marquar dt  III 
p,  105).  So  erklärt  es  sich,  wenn  Ammian  und  Rufus  den  Curio 
nicht  an  diesem  Orte,  sondern  in  ganz  anderm  Zusammenhange 
erwähnen  (Amm.  M.  29,  5,  2  und  Festus  Rufus  c.  VII).  Auch 
hier  bestätigt  sich  also  wieder  das  schon  früher  gefundene  Resul- 
tat, dass  Ammian  und  Rufus  nicht  den  Florus  selbst  ausgeschrieben 
haben,  sondern  dass  alle  drei  aus  einer  gemeinsamen  Quelle 
seh  öj^ften.  Dies  ergiebt  sich  mit  Sicherheit  schon  aus  dem  Um- 
stande,  dass  die  genannten  Historiker  an  Einem  Orte  vereinigt 
das  bieten,  was  beim  Livius  über  die  Bücher  63  bis  95  vertbeilt 
war,  und  weder  beim  Eutrop  noch  beim  Orosius  zusammen- 
gestellt ist. 

Endlich  muss  noch  die  Möglichkeit  in  Erwägung  gezogen 
werden,  ob  sich  etwa  nachweisen  lässt,  dass  Ammian  hier  den 
Rufus  benutzt  habe.  Viel  Wahrscheinlichkeit  hat  eine  solche  An- 
nahme allerdings  nicht  für  sich,  wenn  man  sich  vergegenwärtigt, 
dass  alle  dafür  citirten  Stellen  sich  nicht  nur  beim  Ammian  in 
dessen  geograi^hischen  Partien  finden,  sondern  auch  beim  Rufus 
in  dem  Abschnitte  c.  IV^XV  zusammengedrängt  sind,  der  also 
doch  wohl  auf  einen  andern  Gewährsmann  zurückgeht,  als  der  Rest 
des  Breviariums.  Wenn  Ammian  das  Werk  des  Rufus,  wie  es 
uns  vorliegt,  gekannt  und  benutzt  hätte,  so  liesse  es  sich  durch- 
aus nicht  erklären,  warum  er  an  andern  Stellen,  wo  beide  den- 
selben Gegenstand  behandeln,  die  Benutzung  des  Rufus  verschmäht 
haboii  sollte;  so  legte  z.  B.  Ammian  dem  Kaiser  Julian  eine  Rede 


V.  GardthauBen :  Die  geographischen  Quelleu  AnuDianp.  27 

in  den  Mund  (23,  5,  16)  über  die  früheren  Perserkriege,  genau 
dasselbe  Thema,  welches  Rufus  in  seinem  letzten  Abschnitte  (c. 
XV  ff.)  behandelt,  ohne  dass  wir  bei  Ammian  auch  nur  Einen 
Anklang  an  die  Darstelhing  des  Rufus  finden. 

Wenn  wir  nun  zum  Einzelnen  übergehen,  so  zeigt  sich  sofort, 
dass  gleich  die  Notiz  Ammians  über  den  ersten  Feldherrn  der 
Römer  nicht  auf  Rufus  zurückgeführt  werden  kann;  denn  dieser 
sagt  blos :  '  Saepe  per  eos  Romanus  est  caesus  exercitus '  ohne 
also  zu  erwähnen,  dass  auch  der  Feldherr  gefallen  sei.  Ammian 
dagegen  fügt  hinzn  'cum  retore' ;  und  dass  dies  kein  müssiger 
Zusatz  ist,  zeigt  ein  Blick  auf  den  Florus,  der  die  Worte  'cum 
rcctore'  wiedergiebt  dui'ch:  'quem  duxerat  Cato'. 

Fcraer  macht  Ammian  den  Mars  und  die  Bellona  als  solche 
Gottheiten  namhaft,  deren  Zorn  die  Thraker  durch  Menschenblut 
sühnten;  beim  Rufus  fehlen  die  Namen,  ebenso  wie  bald  darauf 
die  Notiz,  dass  der  Hebrus  in  den  Bergen  der  Odryser  entspringe. 

Ausser  den  drei  Stellen,  wo  Ammian  und  Rufus  mit  Florus 
übereinstimmen,  ist  noch  eine  vierte  von  besonderer  Wichtigkeit, 
an  der  dieselben  mit  der  Chronik  des  Hieronymus  übereinstimmen, 
und  die  wenigstens  bei  Rufus  Festus  sich  unmittelbar  anschliesst 
an  die  schon  oben  besprecheue  Geschichte  der  Unterwerfung  C'y- 
perus  durch  die  Römer. 


Ruf.  Fest.  c.  Xni 
C'yrenas  cum  ceteris 
ciuitatibus  Libyae 
Pentapolis  Ptolomaei 
antiquioris  liberuli- 
tatü  suscepimus. 


Amm.  M.  22,   16,  ^i  llicron.  i.  a.  i;»62 

3)   Cyrenas  cum  re-  Ptolemaeus  Cyrenae 

siduis  ciuitatibus  Li-  rex  moriens  Romanos 

byaePentapoleosPto-  testamcnto      reli(|uit 

lomaoi  liberalitate  berede». 

suscepimus 


i.  a.   105-t 
Libyam         supremo        2)aridiorem  Libyam       Libya  per  testamen- 
Apionis  regis  arbitrio     supremo  Apionisregis    tum    Appionis    rcgis 
sunms  adsecuti.  consecuti  sumus  arbi-     Romanis  relicta. 

trio 


Acgyptus  (niinis  sub 
amici.s  regibus  fuerat; 
sed  uicta  cum  Antunio 
Cleopatra   prouinciac 

fonnam  OcUiuiani 
Caesaris  Augusti  tciii 
poribus  acci'pit. 


i.  a.   l'JbS 
1)   Aegyptus    omnis       Cleopatra   et    Anlo- 
.sub  amicis  erat  anlea    niussemetinterfuiunt 
regibus,  sed  superatis     et   Aegyptus    üt   Ro- 
apudActium  bolluna-    mann  prouinciu, 
uali  Antonio  et  Cleo- 
patra   prouinciue    Do- 
rnen arcc'pit  ab  Octa- 
uiano    Augusto    pos- 
sessa. 


28  V.  GardthauBcn:  Die  gcographiHchen  Quellen  Aiuniians. 

Amm.   M.  17,    1,   5 
ci  priimim  apui  Alo-        Longo  auteni  poslea       (|uain  prinium  tt-nuit 
xandiiiiDS     Cornelius     Corncliti.sGiillu.sOcla-    C.  Curnelius  Gallus, 
((ullu.s  runianiLs  iiulcx     uiano  res  iencnto  lio- 
.•uluiiiiistrauit.  nianas  Acgyi)ü    pro- 

curator  exhausit  ciui- 

tatem. la  est,  si 

rocto  existimo,  Gallus 
poota,     quem     flens 

quodammodo  in 
postrema     Bucolico-       de     quo     Vergilius 
rum  parto   Vcrgilius    acribit  in  IJucolicis. 
carmine  leni  decantat. 

Ein  besonderes  Interesse  gewinnen  diese  drei  Stellen  dadurch, 
dass  Amiaian,  Rufus  und  Hieronymus  übereinstimmen  in  einem 
Irrthum,  indem  sie  aus  dem  Einen  Könige  Ptolemäus  Apion  zwei 
verschiedene  Könige  von  Libyen  und  Cyrene  machen.  Schon  Vale- 
sius  hat  zu  unserer  Stelle  Ammians  festgestellt,  dass  es  nur  Einen 
Ptolemäus  Apion  gegeben  hat,  während  Scaliger  die  entgegen- 
gesetzte Ansicht  zu  vertheidigen  suchte,  indem  er  die  Zeugnisse 
aller  anderen  Historiker  gegen  die  unserer  drei  verwarf;  doch  ist 
diese  Ansicht  längst  aufgegeben.  Der  Grund  dieses  IiTthums  ist 
wohl  hauptsächlich  darin  zu  suchen,  dass  die  Römer,  obwohl 
Cyrene  ihnen  bereits  im  Jahre  96  anheimfiel,  dennoch  erst  im 
Jahre  75  v.  Chr.  die  Erbschaft  antraten.  Dies  verleitete  zu  der 
falschen  Auffassung,  als  ob  in  beiden  genannten  Jahren  die  Gren- 
zen des  römischen  Reichs  vorgeschoben  wären.  Auch  hier  be- 
stätigt sich  also  wieder  das  früher  festgestellte  Verhältniss  zwischen 
Ammian  und  Rufus.  Wer  zugiebt,  dass  die  Geschichte  der  Un- 
terwerfung Nordafrikas  durch  die  Römer  ein  organischer  Bestand- 
theil  jener  schematisirten  Geographie  ist,  muss  trotz  der  grossen 
fast  wörtlichen  Uebereinstimmung  zwischen  Ammian  und  Rufus 
eine  directe  Abhängigkeit  leugnen.  —  Eine  andere  Frage  von  ver- 
hältnissmässig  untergeordneter  Bedeutung  bleibt  es ,  ob  die  letzte 
Notiz  über  den  Cornelius  Gallus,  die  sich  bei  allen  drei  Histo- 
rikern findet,  und  also  wahrscheinlich  auch  derselben  gemein- 
samen Quelle  entnommen  ist,  in  letzter  Instanz  auf  Livius  selbst 
zurückgeht,  da  wir  sie  nicht  nur  bei  Eutrop  VII  7,  sondern 
auch  bei  Sueton  vorfinden  (vgl.  Reifferscheid ,  Suetonii  Tranquilli 
reliquiae  S.  42). 

Interessant  ist  es,  die  Spuren  dieses  schematisirenden  Geo- 
graphen, die  wir  bei  Ammian  gefunden,  weiter  zu  verfolgen,  und 
auch  bei  andern  Schriftstellern  nachzuweisen;  dadurch  gewinnen 
wir  nicht  nur  eine  genauere  Kenntniss  jener  Quelle,  sondern 
können  auch,  wenn  wir  mit  dieser  erweiterten  Kenntniss  zum  Am- 
mian zurückkehren,   gewisse  Partien  auf  denselben  Gewährsmann 


V,  Gardthauf-en :  Die  geographischen  Quellen  Airmians.  20 

zurückführen,  bei  denen  unser  ungenügendes  Material  ein  ent- 
scheidendes Urlheil  bisher  nicht  erlaubte. 

Eine  derartige  ganz  sichere  Spur  finden  wir  in  der  Descriptio 
orbis  iunioris  philosophi ,  die  Mai  (cl.  auct.  III  p.  387  ff.)  nach 
einem  Cavenser  und  dann  Müller  (Geogr.  gr.  minores  p.  513  ff.) 
nach  einem  Pariser  Codex  herausgegeben*).  Hier  heisst  es  nem- 
lich  im  §  39:  ( 'yprum ,  quae  non  eget  alterius  prouinciae  in  his, 
quae  ad  faciendam  nauem  sunt  nceessuria:  in  se  enim  habere  omnia 
perhibetur,  hoc  est  ligna  diuersa,  aeramentum,  ferrum ,  piccm, 
linnm  et  restium  usum. 

Wenn  nun  Ammian  bei  der  Beschreibung  derselben  Insel 
(14,  8,  14)  genau  diesell^e  —  jedenfalls  doch  sehr  charakteristische 

—  Form  wählt,  um  die  Fruchtbarkeit  Cypcrns  zu  schildern,  so 
kann  Niemand  leugnen,  dass  jene  Geogi-aphie  in  enger  Beziehung 
zur  Quelle  Ammians  stehen  muss;  und  eine  genauere  Untersuchung 
bestätigt  diese  Voraussetzung.     Wir  finden  hier  dasselbe  Schema 

—  wenn  auch  verkürzt  —  wie  bei  Anmiian.  Die  erste  Rubrik 
(Geogr.  Charakteristik)  ist  hier  selten  ausführlich  behandelt,  wie 
z.  B.  §  28:  est  enim  prouincia  breuis  et  montensis;  meistens 
wird,  wie  auch  oft  bei  Ammian,  statt  dessen  nur  die  Lage  der 
angrenzenden  Provinzen  angegeben  mit  einem  Sequilur  etc.  oder 
Post  haue  etc. 

Die  zweite  Rubrik  (Fruchtbarkeit  des  Landes)  ist  liier  meist 
recht  ausführlich  behandelt,  und  mit  so  detaillirten  Belegen  aus- 
gestattet, dass  dadurch  auch  die  Angaben  Ammians,  der  dieso 
Einzelheiten  allerdings  meistens  ausgelassen  hat,  in  ein  viel  gün- 
stigeres Licht  gerückt  werden.  Oft  beschränken  sich  diese  No- 
tizen auf  ein  'plena  bonis  Omnibus'  oder  'multis  bonis  abundat'  wie 
bei  Ammian,  aber  meistens  wird  hinzugefügt,  dass  der  Haupt - 
reichthum  der  betreffenden  Provinz  z.  B.  in  Wein,  Getreide,  Hulz 
etc.  bestehe;  sogar  die  Menschen  werden  in  diese  zweite  Kubrik 
mit  eingeschlossen;  so  wird  z.  B.  von  Bithynien  (§  27)  nicht  nur 
gerühmt,  es  sei  'diues  in  fructibus',  sondern  daran  scliliesst  .»-ich 
sogleich:  'et  uiroa  eiciens  fortes  in  hello',  ähnlich  wie  .Xnimian  ('_*:{, 
G,  55):  Baciriani  natio  antehac  bellatrix  oder  §41  Feri  sunt  illic  habi- 
tatores  —  —  al(iu(!  pugnaces.  Hei  andern  Provinzen  wird  statt 
der  Tapferkeit,   die  Bildung  und  Gelehrsamkeit    seiner    Bewohner 

gerühmt,  §  35:   Hispania uiris  doctis  —    —    omat«.  i;  38: 

Libya uiros  [laucissimos  habet,  sed  bonos,  prudcntes  et  pios. 

§  42:  (Sicilia)  habet  autem  eruditos  et  diuites  uiros  gracco  la- 
tino(|ue  sermom«.  Fibcuso  muss  man  natürlich  auch  «las  aiisführ 
liehe  Lob  der  alexandrinischen  Gt'lchr>;imkcit  aufTassen  (§  20), 
das  wir  nur  nocl»  ausführlicher  bei  Ammian  22,  !(>,  15 — 22  wieder- 

•)  Kino  niiiluro  KfcriiHion  iliostr«  Werkes  liiitle  luTi-lts  OdtliofrcihiA 
liora»Hp«'ppl)cii:  Vetiis  orhia  dem  riptio,  (Jonoviio  MI)C'X  XVIII  lN4>«r 
(Ihh  VerliiiltiUHB  beiilvr  Kfronsionen  vul.  Müllur,  goopr.  jjr.  miii.II.M:i.Moi|<|. 


30  V.  Gardthausen:  Die  geographischeu  Quollen  Amiuiaus. 

finden;  dadurch  haben  wir  die  Möglichkeit,  jene  ganzx*  Partie  der 
.sclu-matisirtcn  Geographie  zuzuweisen,  als  eine  Ausführung  der 
zweiten  Rubrik. 

Dass  die  vierte  Jtubrik  (Stüdte)  sowold  beim  Ammian  als  in 
der  orbis  descriptio  zu  ihrem  Kechte  kojumt,  bedarf  keiner  Er- 
wähnung; beide  geben  bei  jeder  Provinz  ein  Verzeichniss  der 
wichtigsten  Städte.  —  Um  so  mehr  fällt  es  daher  auf,  wenn  in 
der  orbis  descriptio  die  dritte  und  fünfte  Jiubrik  fast  gänzlich  fehlt, 
denn  eine  Geographie  ohne  Erwähnung  der  Flüsse  ist  doch  nicht 
gut  denkbar.  Der  Verfasser  wird  also  die  Namen  der  Flüsse, 
ebenso  wie  Ammian  in  der  von  Beiden  benutzten  schematisirten 
Geographie  vorgefunden,  aber,  da  er  allzu  sehr  nach  Kürze  strebte, 
ausgelassen  haben.  Das  sieht  man  recht  deutlich  da,  wo  er  die 
Erwähnung  der  Flüsse  einmal  nicht  gestrichen  hat.  J3ei  der  Be- 
schreibung Italiens  und  Roms  durfte  der  Til)er  nicht  mit  Schweigen 
iiljergangen  werden.  Deshalb  finden  wir  hier  nicht  nur  die  dritte 
Rubrik  (Flüsse),  sondern  zugleich  auch  die  fünfte  (alte  Namen) 
vertreten,  §  31:  Habet  et  fluuium  utilem  sibi,  qui  a  Tiberino  Ti- 
beris  uocabulum  sumjisit,  nam  prius  Albula  dicebatur.  —  Die  sechste 
Rubrik  fehlt  gänzlich. 

Wie  uns  bei  einem  antiken  Geographen  die  Erwähnung  der 
Producte  einer  Provinz  angenehm  auffällt,  so  auch  die  Berücksich- 
tigung der  klimatischen  Verhältnisse.  Von  Moesien  und  Dacien 
heisst  es  §  33:  frigora  autem  magna  habentes,  und  von 
Alexandria  §  21:  aeres  uero  ualde  temperatos  habet.  Das- 
selbe rühmt  Ammian  von  derselben  Stadt:  22,  16,  8  inibi 
aurae  salubriter  spirantes ,  aer  tranquillus  et  clemens  etc.  Gleich 
darauf  im  §  14  wiederholt  er  sich,  nur  sind  hier  die  Farben 
noch  viel  stärker  aufgetragen.  Hier  wird  nicht  nur  von  der 
gesunden,  leicht  bewegten  Luft  gesprochen,  sondern  Ammian 
sagt,  man  glaube  sich  'ins  Paradies  versetzt,  wenn  man  die 
lauen,  säuselnden  Winde  fühle'.  Derselbe  Geograph,  der  22,  IG, 
14  von  Canopus  gerühmt  hatte:  locus  —  deuersoriis  laetis  ex- 
structus,  auris  et  salutari  temperamento  perflabilis.  schildert  23,  G, 
4G  das  glückliche  Arabien:  Ubi  —  —  sunt  —  —  deucrsoria  re- 
gum  ambitiosa  nimium  et  decora  —  —  sospitalisque  temperies 
caeli,  ut  recte  spectantibus  nihil  eis  uideatur  ad  felicitatem  deesse 
supremam,  eine  Stelle,  die  wir  bereits  früher  mit  Hülfe  des  Schemas 
allein  der  schematisirten  Geographie  zuweisen  konnten.  —  Diese 
sentimentale  Auffassung  der  Natur  kehrt  wieder  27,  4,  14,  wo 
Ammian  in  ähnlicher  Weise  das  Klima  der  thracischen  Berge  lobt, 
dem  er  hier  sogar  die  Kraft  zuschreibt,  das  Leben  zu  verlängern, 
und  dieselbe  daraus  erklärt,  dass  die  belebenden  Strahlen  der 
Sonne  jene  Bei*ge  zuerst  träfen. 

Auch  23,  G,  67  bei  der  Beschreibung  des  Landes  der  Serer 
flicht  Ammian  eine  ähnliche  Stelle  ein: 


V.  Gardthausen:  Die  geographischen  Quellen  Ammians,  31 

Caeli  apud  cos  iucunda  salubrisque  tcmperies,  aeris  facies 
munda  leniuraque  uentonim  commodissimus  flatus. 

Vielleicht  ist  auch  23,  C,  32 — 36  hierher  zu  ziehen  (vgl. S.  14). 
Anklänge  lassen  sich  nicht  verkennen  in  den  Worten  §  33 :  ad 
nemorosam  quandam  uenerat  solitudinem,  cuius  (ranquillis  silen- 
tiis  etc. 

Diese  bei  einem  antiken  Schriftsteller  ent.scliieden  l)efremdc'nde 
AufFa-ssung  giebt  uns  die  Möglichkeit,  sämmtliche  oben  angefülirte 
Stellen  auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurückzuführen,  und  diese  kann 
natürlich  keine  andere  sein,  als  jene  schematisirte  Geographie,  da 
auch  die  descriptio  orbis  diese  Auffassung  theilt,  wie  die  oben 
angeführten  Stellen  beweisen. 

Mit  Hülfe  dieses  verwandten  geographischen  Handbuches  ist 
es  uns  also  gelungen,  die  §§  14 — 22  von  der  ammianeischon  Bo- 
schreibung Aegyptens,  die  mit  dem  oben  erwähnten  Schema  nur 
lose  zusammenhängen,  dennoch  auf  die  schematisirte  Geograplüe 
zurückzuf üliren ;  es  ist  mehr  als  wahrscheinlicli,  dass  wir  auch 
noch  die  beiden  vorhergehenden  Paragraiihen  (22,  16,  12  — 13) 
derseH)en  Quelle  zuweisen  dürfen.  Denn  ebenso  wie  bei  Anunian*) 
wird  auch  in  jener  Geographie  des  Anonymus  das  Serapeum  vun 
Alexandria  erwähnt.  §  35  (p.  520  ed.  M.):  Et  dii  coluntur  emi- 
nenter, et  teiuplum  Serajjis  ilii  est  unum  et  solum  spectaculum 
novum  in  omni  mundo;  nusquam  enim  teiTae  aut  aediticium  [tale] 
aut  dispositio  templi  aut  religionis  invenitur  (=  'nihil  orbis  tcr- 
rarum  ambitio.4us  cernat'  Am.  M.)  undique  autem  musium  ei 
redire  videatur. 

Wenn  Gothofredus  (vgl.  Müllers  prolegg.  p.  XLVIII)  bemerkt: 
'Nempe  enim  Serapium  Alexandriae  adhuc  stetisse  tum  apertc  signi- 
ficat.  Quare  necesse  est  ante  Theodosium  M.  scripserit  i.  e.  anti« 
annum  301',  so  giebt  er,  ohne  es  zu  wollen,  genau  denselben  Ge- 
danken wieder,  den  neuere  .\usleger  für  die  betreffende  Ammian- 
stelle  geltend  gemacht  haben.  Denn  ebenso  pflegt  m;m  jetzt  aus 
Amm.  M.  22,  16,  12  zu  schliessen,  dass  Anunian  vor  dem  Ibandi; 
des  Sera]ieun)s  geschrieben.  Wenn  wir  jedoch  beide  Stellen  zu- 
sammenhalten, ergiebtsich,  dass  man  nichts  anderes  schliessen  darf, 
als  dass  die  gemeinsame  Quelle  vor  3'Jl  anzusetzen  sei,  (vgl.  Con- 
icct.  Amm.  p.  25.)  was  wir  bereits  aus  anderen  Stellen  wussten. 
Viel  wichtiger  für  die  zeitliche  Fixirung  derselben  ist  die  Notiz 
über  Trier  (orbis  descr.  ij  3t)  cuius  inaxima  ciuitas  Trcuiri  dii  itiir, 
in  (juu  dominus  gentis  inhabilat  und  Amm.  M.  15,  11,  0  Tnuiros 
domicilium  principum  darum.  Schon  Gothofredus  erkannt«-  dio 
Wichtigheit  dieser  Sl«'llc  und   sohlüss  nut  volU  ui   Hecht,    dass  sio 


♦)  T)io  ScIiilcIcnniK  Aiiiiniiiim  ('22.  Mi,  1_>  l.'i)  z.iclmrt  «icli  ol.pns» 
«liirrli  iihiTMcliwiiiifjliciir  Aiisdriirk«-  (licol  iiiiiiimtiir  »xilitntt"  ti<-il><iriiiii ; 
HpiriuitiltUM  Hi^Miuriiiii  lignu-ntis;  nihil  orlii.s  torrurum  Hiiiliitiusius  rernut 
etc.),  wie  wir  sio  sclioii  fiiilier  /.ii  \vi«'<ltili«>lti>ii  .Muloii  in  itor  Hchcnin- 
titirtcn  Uco^^rnphic  guriimlcn  liabon. 


32  V.  Giirdthaußcn:  Die  geographifichen  QuolU-n  AmmiiiiiH. 

sich  nur  auf  die  Zeiten  beziehen  könne,  wo  Constantin  und  nach 
ihm  sein  Jjiuder  Constans  in  Trier  re.sidirien.  —  'Maneat  igiiur, 
sub  Constantino  et  Constante  imperatoribus  hanc  ^Hriyriciv  scriptam 
fuisse,  et  sie  medio  decennio  intcr  ann.  340  et  350,  quo  demum 
anno  Constans  a  Magnontio  tyranno  caesus  fuit '  (Gothofr.  bei 
Müller  prolegg.  p.  XLTX).  .Jedenfalls  müssen  wir  daran  festhalten, 
dass  für  beide  Notizen  (über  Trier  und  das  Serapcum)  dieselben 
Gesichtspunkte  massgebend  sind,  und  wir  nicht  die  eine  auf 
Ammian  selbst,  die  andere  aber  auf  seinen  Gewährsmann  be- 
ziehen dürfen. 

Mit  dieser  Bestimmung,  die  mit  dem  früher  Gefundenen  aufs 
Beste  übereinstimmt,  müssen  wir  uns  genügen  lassen.  Gothofredus 
glaubte  einmal  sogar,  den  Namen  seines  Geographen  entdeckt  zu 
haben  und  identificirte  ihn  mit  dem  bei  Ammian  23,  1,  2  genannten 
Alypius;  er  hat  al)er  diesen  Einfall  nachher  mit  Recht  wieder  auf- 
gegeben. 

Doch  wer  auch  immer  der  Verfasser  war,  sehr  bedauerns- 
werth  bleibt  es,  dass  seine  Geographie  uns  verloren  gegangen. 
Ein  solches  Werk,  dass  nicht  blos  die  Städte,  Flüsse  u.  s.  w. 
berücksichtigte,  sondern  über  die  Bevölkerung  der  einzelnen  Pro- 
vinzen, ihre  Culturzustände,  ihre  Producte  und  sogar  das  Ver- 
hältniss  vom  Export  zum  Import  Mittheilungen  machte,  hätte 
eine  höchst  empfindliche  Lücke  in  unserer  Kenntniss  der  alten 
Völker  ausgefüllt. 

II.  Theil. 

Griechische  Periegese. 

Nachdem  wir  nun  aus  den  geographischen  Excursen  Ammians 
theils  zusammenhängende  Partien,  theils  einzelne  Stellen  ausge- 
schieden und  auf  jene  schematisirte  Geographie  zurückzuführen 
versucht  haben,  bleibt  noch  immer  ein  bedeutender  und  keines- 
wegs einheitlicher  Rest  übrig,  der  ganz  ohne  Zusammenhang 
mit  jenem  früher  besprochenen  geographischen  Handbuche  dasteht. 
Dies  zeigt  sich  recht  deutlich  bei  dem  Excurse  über  die  Küsten- 
länder des  Schwarzen  Meeres  (22,  8,  1 — 48).  Man  sieht  sofort, 
dass  Ammian   hier   einen  Periplus*)   zu  Grunde   gelegt  hat,    wie 


*)  Selbst  mit  Beziehung  auf  den  sprachlichen  Ausdruck  lassen  sich 
noch  die  Spuren  dieses  von  W.  nach  O.  fortschreitenden  Gewährsmannes 
nachweisen:  rechts  bedeutet  bei  ihm  südlich;  links,  nördlich  (vgl.  Solin. 
ed.  M.  p.  90,  7): 

22,  8,  2  Rechts:  Sporaden  und  Cycladen;  Links:  Imbros  Tenedos  etc., 

22,  8,  8  L.  vom  Bosporus:  Constantinopel; 

22,  8,  14  R.  vom  Bosporus:  Bithynien. 

22,  8,  30  R.  vom  Cimmerisclien  Bosporus:  Phanagorus  und  Hermonassa. 
Auch  dies  widerspricht  durchaus  nicht;  denn  nach  22,  8,  11  (et  qua 
sol  oceano  exurgit  eoo,  paludibus  clauditur  Maeotidos)  liegt  die  Maeotis 


V.  Gardthausen :  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  33 

wir  deren  noch  mehrere  besitzen.  Nach  Erwähnung  des  ägäischen 
Meeres  behandelt  er  erst  die  Süd-  und  dann  die  Nordküste  der 
Propontis,  dann  folgt  die  asiatische  und  schliesslich  die  europäische 
Küste  des  Schwarzen  Meeres  mit  gänzlicher  Vemachlüssigung  des 
Binnenlandes,  aber  besonderer  Berücksichtigimg  des  Meeres  und 
der  Flussmündungen. 

Dass  jene  von  Ammian  zu  Grunde  gelegte  Periegese  des 
Pontus  von  einem  Griechen  verfasst  war,  ergiebt  sich  nicht  nur 
daraus,  dass  allenthalben  die  Verdienste  der  Griechen  um  die 
Kolonisation  des  Küstenlandes  hervorgehoben  werden,  sondern 
auch  die  citirten  Schriftsteller  Hecatäus,  Eratosthenes  und  Ptole- 
mäus  sind  Griechen;  die  Entfernungen  werden  nach  Stadien  an- 
gegeben; die  Mythologie  ist  durchaus  griechisch;  die  Etymologien 
(z.  B.  der  Cycladen,  des  Pontus  Euxinui  und  fiUXOTTÖVTiov)  setzen 
Bekanntschaft  der  griechischen  Sprache,  und  das  22,  8,  4  und  6 
gebrauchte  Bild  (Gestalt  der  Propontis  ==  0)  Bekanntschaft  der 
griechischen  Buchstabenformen  voraus.  Mit  gi'osser  Wahrschein- 
lichkeit kann  man  ferner  annehmen,  dass  jener  griechische  Perieget 
seinem  Werke  eine  dichterische  Form  gegeben,  denn  Ammian  be- 
zieht sich  wiederholt  ausdrücklich  auf  Dichter,  22,  8,  13  ut  poetae 
locuntur  und  22,  8,  15  priscoi*um  carrainura  cantus.  Ammian 
wird  also  ein  Werk  zu  Grunde  gelegt  haben  ,  wie  z.  B.  die  uns 
noch  erhaltene  Pei'iegese  des  Dionys. 

Dass  die  Angaben  Ammians  dadurch  an  Wertli  gewinnen, 
wird  Niemand  behaupten  wollen;  gerade  jener  Excurs  über  das 
Schwarze  Meer  ist  einer  der  scliwiichsten;  wegen  der  grossen  Ver- 
wirrung sind  die  positiven  Resultate,  die  sich  daraus  ziehen 
lassen,  verhältnissmUssig  gering.  Diese  Verwirrungen  und  Ver- 
schiebungen lassen  sich  nicht  anders  erklären,  als  durch  die  An- 
nahme, Ammian  halie  das  zu  Grunde  gelegte  Gedicht  ytellonweise 
aus  andern  Quellen  ergänzt.  Während  der  gi-iechische  Perieget 
und  mit  ihm  Ammian  von  W.  nach  0.  fortschreitet,  nimmt  den- 
noch unter  den  §  14  aufgezählten  Flüssen  der  östlichste  (Sanga- 
rius)  den  ersten  und  der  westlichste  (Khebas)  den  letzten  Platz 
ein.  Ebenso  hätte  im  §  17  bei  der  Aufzählung  von  Müssen  der 
Parthenius  als  der  westlichste  die  erste  Stelle  einnehmen  müssen. 
Damit  hängt  zusammen,  dass  auch  z.  B.  die  Mündung  des  Thor- 
modon  westlicher  angesetzt  wird,  als  das  Vorgebirge  Carambis. 
Von    der   wunderbaren    Versetzung   der   Mäotis,    die   Auimian    im 


östlich  vom  Schwarzi-ii  Mocif,   also   lln  iii.iii.im-,ii  hüiIMoIi    v.hii   i  iiinncri- 
Hclicii  UoHpoins;  (IHM  (liiiisilliiMi  (JriiniK'  lit-pt 

22,  8,  .T2  (MiorroiiCHiis  niii   linken  d.  h.  nönllioluMi  Ufer  «loüsolbon. 

22,  8,  ;17   das  tlirnciHcho   Ufor   liogt  links    vom   UiraciaclitMi  Uoaiiunia. 

(Vpl.  27.  4,  C  nn.l  7.) 

Ganz  anders  ist  der  Spraclipchrnndi  AnnninnM,  wo  er  andern  Quellen 
fülpt;  da  l.odcutet  U.  westlieh,  I..  üallicli  11,  8,  1;  14,  8,  6;  23,  6,  4&; 
23,  C,  72-3. 

3 


34  V.  Giirdthauficn :  Die  gcogiapliibclien  Quellen  Amiuians. 

Osten  des  Schwarzen  Meeres  glaubt  suchen  zu  können ,  war  bereits 
früher  die  Rede.  —  Fast  noch  mehr  häufen  sicli  die  Irrthümcr 
bei  der  Beschreibung  der  Skythenländer  im  Norden ,  die  allerdings 
für  einen  alten  Geographen  hart  an  der  Grenze  seines  Horizontes 
lagen. 

Eratosthencs. 

Um  so  mehr  müssen  wir  uns  also  wundern,  wenn  wir  grade  in 
diesem  Excurse  über  den  Pontus  drei  der  gewichtigsten  Namen 
citirt  finden,  welche  die  antike  Geographie  überhaupt  aufzu- 
weisen hat. 

2  2,  8 ,  10  Omnis  autem  eins  uelut  insularis  circuitus  litorea 
nauigatio  uiginti  tribus  dimensa  milibus  stadiorum,  ut  Eratosthe- 
ncs adfirmat  etHecataeus  et  Ptolomaeus  aliique  huius  modi 
cognitionum  minutissimi  scitatores,  in  speciem  Scythici  arcus  neruo 
coagmentati  geographiae  totius  adsensione  formatur. 

Ammian  behauptet  hier  also  zweierlei  vom  Schwarzen  Meere : 
1)  sein  Umfang  betrage  23,000  Stadien  und  2)  seine  Gestalt 
gleiche  einem  skythischen  Bogen.  Für  beide  Behauptungen  be- 
ruft er  sich  auf  die  Auctorität  des  Eratosthencs,  Hecatäus  und 
Ptolemäus  und  ausserdem  noch  anderer  Geographen.  Doch  auch 
hier  möchte  man  sagen:  "^Wer  zuviel  beweisen  will,  beweist  gar 
nichts '.  Jedermann  wird  diese  Notiz  durchaus  für  unwahrschein- 
lich halten,  dass  nicht  nur  jene  drei,  sondern  ausserdem  noch 
andere  Geographen  genau  dieselben  Angaben  in  Bezug  auf  Zahl 
und  Bild  gemacht  hätten;  sie  sind  zu  individuell,  als  dass  alle 
drei  unabhängig  von  einander  denselben  Gedanken  hätten  fassen 
können,  und  andrerseits  sind  wir  ebenso  wenig  berechtigt,  auf 
Grund  dieser  Stelle  ein  Abhängigkeitsverhältniss  unter  jenen  Geo- 
graphen zu  statuiren.  Es  bleibt  dann  also  nur  der  Ausweg,  dass 
dieses  Fragment  nur  Einem  der  Genannten  angehört,  und  die  andern 
beiden  Namen  nur  hinzugefügt  sind,  um  der  Behaui^tung  Nach- 
druck zu  geben.  Soviel  steht  von  vornherein  fest,  dass  man  vom 
Ptolemäus  absehen  muss ;  sein  Werk  ist  uns  noch  vollständig  er- 
halten und  dort  findet  sich  weder  die  eine  noch  die  andere  No- 
tiz. Es  bleiben  also  übrig:  Hecatäus  und  Eratosthencs;  und  in 
der  That  hat  Clausseu ,  der  die  Fragmeute  des  Ei'steren  sammelte, 
auch  unsere  Stelle  des  Ammian  aufgenommen  (163  p.  90),  Ihm 
folgt  Ukert  HI  2  S.  154:  '^Die  Angabe  bei  Ammianus  Marcelli- 
nus, dass  die  Küstenfahrt  des  Pontus  23,000  Stadien  betrage, 
rührt  wohl  von  Hekatäus  —  —  her;  so  wie  die  Ansicht,  dass 
das  Meer  einem  gespannten  skythischen  Bogen  ähnlich  sei'.  Und 
doch  ist  diese  Annahme  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich; 
das  zeigt  ein  Blick  auf  die  übrigen  Fragmente  des  Hecatäus,  die 
durchaus  keine  Analogien  für  ähnliche  Angaben  bieten;  wir  finden 
dort  weder  Stadienangaben  noch  geographische  Bilder ;  denn  wenn 


V.  Gardthausen :  Die  geographischea  Quellen  Ammians.  35 

fr.  293  das  Delta  des  Nil  erwähnt  wird,    so    ist   dies    kein  Bild 
mehr  ,  sondern  Eigenname. 

Beides  dagegen  findet  sich  oft  bei  Eratosthenes;  Stadien- 
angaben: Eratosth.  ed.  Bernhardy  fr.  28,  31,  32,  37,  38,  40,  -12 — 
52,  .58,  60,  63,  64,  67,  71,  99,  108,  114-117,  119,  122.  Geo- 
graphische Bilder  fr.  30,  36,  54,  58,  122.  Dazu  kommt  noch, 
dass  viele  Schriftsteller  den  Pontus  mit  einem  skythischen  Bogen 
vergleichen,  von  denen  keiner,  so  viel  wir  wissen,  dem  Hecatäus, 
aber  viele  dem  Eratosthenes  folgen,  vgl.  Ukert  III  2  [>.  15S-", 
Strabo  II  85  (rc.  p.  125),  Mela  1,  19,  1  (=  p.  28,  6  ed.  P.) 
Agathem.  II  in  f.  Dionys.  Per.  158,  Eust.  ad.  Dion.  Per.  148,  Plin. 
IV  24,  76  und  86,  Val.  Flac.  IV  728.  Manil.  IV  753,  Priscian. 
147,  Avien.  238,  Sallust.  ap.  Serv.  ad  Aen.  533,  Terentian.  de 
metr,  2383  ed.  Putsch.  Dabei  ist  noch  nachzutragen  Agatho  ap. 
Athenaeum  p.  451  D  und  Anonym,  geogr.  53  (Geogr.gr.  min.  ed. 
Müller  II  509).  Diese  stattliche  Reihe  von  Autoren  bestätigt 
das  vorhergefundene  Resultat;  keiner  derselben  lebte  vor  Erato- 
sthenes und  bei  manchem  lässt  sich  auch  sonst  eine  derartige 
Abhängigkeit  nachweisen.  Bernhardy*)  hat  also  mit  vollem  Rechte 
die  ganze  Stelle  (22,  8,  10)  in  seine  Eratosthenica  fr.  88,  p.  86 
aufgenommen. 

Endlich  müssen  wir  uns  noch  mit  einer  Stelle  Strabos  ab- 
finden.    Dieser  sagt  nemlich : 

p.  125  fi  be  TTepijjeTpoc  tou  cujaTravioc  TreXatouc  ecTi  bic)au- 
pituv  TTOu  Ktti  rrevTüKicxiXiujv  crabiuuv  eiKaZiouci  be  rivec  t6 
cxwu  nie  TrepijueTpou  xauTric  evTeia/aeva)  CkuOiklu  töHlu. 
Diese  Stelle  ist  also  genau  so  gebildet  wie  die  ammianeische: 
erst  die  Stadienangabe,  dann  das  C'itat,  und  unmittelbar  daneben 
das    geograpbische    Bild.      Strabo    meint    also    unter  Tivec  haupt- 
sächlich den  Eratosthenes,   auf  den  also  wahrscheinlich  auch  der 
ersto  Satz  zurückzuführen  ist.    Darnach  hätten  wir  also  zwei  sich 
widersprechende  Zahlenangaben,  eine  strabonische  zu  25,000  und 
eine  ammianeische  zu  23,000,  die  nicht  beide  eratosthenisch  sein 
können.      Doch    erklärt    sich    diese  Differenz    einfach  so,    dass  iin 
V'^erlauf  der  .lahrliunderte ,  die  zwischen  dem  Eraiostlienes  und  Am- 
luian  verllossen  sind,  sich  ein  €  in  ein  f  verwandelt  hatte;   daher 
würde  auch  eine  Aenderung   im   'I'ext  durchaus  unstatthaft  sein. 

Ausser  der  eben  besproclienen  giebt  es  noch  mehrere  Stellen, 
die  Strabo  und  Ammian  dem  Eratosthenes  entlehnt  haben,  wie 
man  sofort  aus  dem  Citate  Strabos  sieht,  während  .Vmmian  seine 
Quelle  nicht   namhaft  nuicht. 


*)  Uobor  diesem  (Jitat  Hcliflnt  ein  liesomleror  Uuätcru  zu  wnitoii, 
ilenii  1)  Ijoriift  t*icli  IScniliikrdy  iiiif  <l;i8  l'J.  ihich  Atniniaiis,  ila»  iiii.h  loiilcr 
vorlorcn  K"'is'^"K''">  «l'klt  Hilf  iIiih  22.  und  2)  bczop  or  die  (janre  Stollo 
nur  diiM  Ae^jüiHclie  Htalt  nuf  diiM  Seliwiir/.t?  Meer.  DiiH  Uujjlilek  hat  08 
reiner  j^jewollt,  diiss  Korl)i^jtr ,  ili-r  in  (Kr  \'i)rrede  ho  8ol»r  über  ilio  Ui- 
l:ile  uoiiier  Vorj^iini^er  hingt,   grade  diosciben   l'ulilcr  inncht. 


36  V.  Gardthauscn :  Die  gcograpUiachcn  Quellen  AinmianR. 

StraLo  p.  705.  Amm.  M.  2:5,  0,   10. 

(prici  bk  uepi  auTHC  'GpaiocOe-  cuius  oatia  adeo  csho  porhiben- 
vrjc  oÜTUJC,  üTi  TÖ  )aev  CTÖ)ua  tur  angusta,  ut  ex  Jhirmozonle 
(pi]c\v  eivai  cxevov  oütuuc  ujct'  Cunnaniae  promuntorio  contra 
tH  'ApJLioZiovTOC ,  Tfjc  Kapiuaviac  oppoyiiuin  aliud  proniuntorium, 
UKpuuTnpiou,  Tvic  'Apaßiac  depo-  «juod  uppollant,  incolae  Maces, 
puTtti  Tu  fcv   MuKaic.  sine  impedimento  cernaiur. 

UTTo  be  ToO  CTOiaaioc  f]  ev  §11-  quibus  angustiis  perinea- 
beHiaTTapaXiaTTepicpepric  ouca —  tis  cum  latitudo  patuorit  nirais 
—  —  Mfc'XPi  Tep^bövoc  Kai  ttic  extensa,  nauigatio  ad  usque  ur- 
tKßoXfic  TOU  €ücppdTOU.  bem  Torodona  porrigitur,  ubi  — 

—    pclago    miscetur    Euphrates, 

TTepiex^i  bk  Ti'iv  Te  Kapiaavi'uJV  omnisque  sinus  dimcnsione  litorea 
TTapaXiav  —  —  in  numerum  uiginü  milium  sta- 

öcov  laupiuuv  oöca  crabiiuv.         diorum    uelut    spatio    dotoruato 

finitur. 

Allerdings   stimmt  die  Zahl   der  Stadien  hier  nicht  überein ; 

aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  aber  nicht  die  Angabe  Ammians, 

sondern  Strabos  zu  ändern,  weil  derselbe  gleich  darauf  behauptet, 

der  Persische  Meerbusen  sei  wenig  kleiner  als  das  Schwarze  Meer: 

Str.  p.  766   ujcie  bfiXov  ck  toutuuv  eivai  bioTi  luiKpöv  diro- 

Xeinerai  tlu  peY^Oei  xfic  Kaid  töv  GüHeivov  eaXdiTric  auni  r\ 

GdXaiTa. 

Da  nun  Eratosthenes  und  Strabo  die  Grösse  des  Pontus  mit 
25,000  Stadien  beziffern,  so  wird  wohl  an  unserer  Stelle  statt 
laupiuuv,  bicjuupiuuv  zu  lesen  sein. 

Auch  in  dem  zweiten  Fragment,  welches  wir  mit  Sicherheit 
dem  Eratosthenes  zuweisen  können,  finden  wir  also  dieselben 
Merkmale  wieder,  wie  beim  ersten:  1)  Stadienangaben  (uiginti 
milium  stadiorum)  und  2)  ein  geographisches  Bild  (uelut  spatio 
detornato). 

Sehen  wir  uns  nun  die  übrigen  Stadienangaben  derselben 
Episode  über  die  persischen  Provinzen  etwas  näher  an  (§  43,  69, 
70,  74),  deren  Herkunft  wir  bei  Ausscheidung  der  schematisirten 
Geographie  unentschieden  lassen  mussten ,  so  zeigt  sich  jetzt,  dass 
alle  vier  Angaben  auf  den  Eratosthenes  zurückgehen,  obwohl  wir 
nur  bei  den  drei  ersten  den  Namen  des  Eratosthenes  citirt  finden 
(vgl.  Bernhardy,  Eratosthenica  p.  99). 

Str.  p.  514.  Amm.  M.  23   c.  6. 

XeYei  (sc.  '€paT0c9evric)  be  Kai  §  43  et  Hecatompylos  a  cuius 

oÖTUJ   rd   biaciriiuaTa   änö    Ka-  fiuibus  per  Caspia  litora  ad  us- 

cmujv  TTuXuJv  eic  Ivbouc.  eic  |iev  que    portarum    angustias    stadia 

'€KaT6|a7ruXov     x^^iouc    evaKO-  quadraginta  numerantur  et  mille 

ciouc  ilY\KOVTä  qpaciv,  


V.  Garclthausen:  Die  geographischen  Quellen  Ammiaua.         ol 

eic  b'  'AXeHdvbpeiav  inv  ev  §  69  et  Alexandria  (sc.  Ariana) 
'Apioic  TETpaKicxiXiouc  neviaKO-  unde  nauiganti  ad  Caspium  mare 
ciouc  TpiüKOVia,  quingenta   stadia  numerantur  et 

mille. 
eil'  eic 'OpTÖCTTttva  feTti  inv  £K       §  70  —   et   Ortopana    [1.  Or- 
BdKTpoiv  Tpiobov  bicxiXiouc.         tospana],  unde   litorea  nauigatio 

ad  usque  Mediae  fines,  portis 
proximos  Caspiis  stadiorum  sunt 
duo  milia  et  ducenta. 

Bei  diesen  Stellen  stimmen  die  Zahlen  allerdings  wieder  nicht 
überein;  dennoch  kann  man  nicht  daran  z\Yeifeln,  dass  sie  aus 
dem  Werke  des  Eratosthenes  entlehnt  sind,  auf  das  Strabo  sich 
ausdrücklich  bezieht;  bei  Strabo  und  Ammian  gehen  diese  Mes- 
sungen von  den  kaspischen  Thoren  aus,  und  bei  beiden  Schrift- 
stellern sind  Anfangs-  und  Endpunkte  derselben  übereinstimmend 
angegeben. 

Auch  aus  dem  nun  folgenden  Excurse  über  die  thraci  sehen 
Provinzen  (Amm.  M.  27,  -4,  1  fi".)  lässt  sich  wieder  eine  Stelle 
27,  4,  3  mit  völliger  Sicherheit  auf  Eratostlienes  zurückführen ; 
hier  handelt  es  sich  nemlich  um  die  Richtigkeit  des  homerischen 
Verses  (11.  IX  5) 

Bopenc  Ktti  Zie'cpupoc  toj  le  Gpi'iKriGev  ctriTOv. 

Als  Geograph  hatte  Eratosthenes  gegen  diesen  Vers  mit  vol- 
lem Rechte  Einspruch  erhoben,  und  überhau2)t  die  Auetoritiit  des 
JJichters  auf  dem  Gebiete  der  Geograi)hie  mehrfach  angegriflen. 
Strabo  polemisirt  nun  wieder  gegen  Eratosthenes  und  geht  in 
seinem  Eifer  für  Ilomer  so  weit,  zu  behaupten,  die  homerischen 
Verse  hätten  keine  allgemeine  Bedeutung,  sondern  bezögen  sich 
speziell  auf  den  Meerbusen  Melas,  und  das  Meer  um  Lemnos 
und  Thasos. 

Wir  sind  hier  also  einmal  durch  jene  Stelle  in  der  günstigen 
Lage,  die  Ansicht  des  Eratosthenes  scharf  von  der  Strabos  tren- 
nen zu  können,  und  Ammian  erkliirt  sieh  zu  Gunsten  des  ersteren ; 
auch  er  tadelt  den  Ilomer  («[uod  aut  fabulosum  est)  und  räumt 
dann  ein,  diese  l{ehauptung  liessu  sich  nur  halten,  wenn  der 
Umfang  Tliraeiens  früher  ein  anderer  gewesen  uml  dasselbe  sie  ii 
viel  weiter  nach  Westen  erstreckt  hätte  (aut  truetus  antohac 
diffusi  latisöimo cuneti  Thraeiarum  uocubulo  cousebantur). 

Durch  diese  Stolle  ist  also  der  Beweis  geliefert,  dasa  Ammian 
nitht  dein  Strabo,  sondern  dem  Mratosthones  folgt,  wie  es  von 
vornherein  walirscheinlich  war,  da  Strabos  Werk  im  Altorthum 
vielleicht  nur  von  Atheiiäus  und  Josepluis  benutzt  ist,  so  weit 
wcnig.sU'Us  unsere  luuule  reicht.  —  Mit  vollem  Recht  sagte  dalier 
A.  v.  llumbuldt  (Kosmos  II  S.  221):  'Leider  ist  Strabos  grosses 
an  Thalsiiciien  so  reichhaltiges  Werk  —  —  in  dem  römischen 
Altorthum  fast  uubckiumt,  selbst  von  dem  vielbummeluden  l'liniu.^ 


'58  V,  CJardthansen:  Die  geographißchen  Quellen  Ammians. 

unbenutzt  geblieben.  Es  hat  erst  am  Ende  des  Mittelalters  auf 
die  Riehtunf,'  der  Ideen  gewirkt'. 

Jene  eben  citirtcn  Worte  Ainniians  entsprechen  genau  der 
eratosthenischen  Ansicht,  die  Strabo  bald  nachher  mitllieilt,  nur 
dass  dieser  bestimmt  negativ  ausdrückt,  was  Aramian  in  Zweifel 
gelassen  (Strabo  p.  28  ibc  toO  Zleqpupou  )aev  üttö  thc  ^cirtpac 
TTve'ovToc  Ktti  Tiic  'Ißiipiac,  Tf)c  be  GpaKric  eKeice  pLX]  bia- 
xeivoucric).  Trotz  aller  Polemik  hebt  StralKj  hervor,  dass  Erato- 
öthenes  wenigstens  die  Krümmung  in  der  Gestidt  Thraciens 
anerkenne,  mit  Hülfe  deren  Strabo  den  Homer  zu  vertheidigen 
sucht  (auTÖc  Yoöv  egriYeixai  ifiv  feTncTpoq)fiv  i^v  Xefo)  ific  x^pctc). 
Auch  in  diesem  Punkte  folgt  Ammian  dem  Eratosthenes,  scliiebt 
aber  zuvor  den  §  4  ein,  welcher  der  schematisirten  Geographie 
entlehnt  ist  und  den  Zusammenhang  in  sehr  unj^assender  Weise 
zerreisst,  da  §  5  sich  unmittelbar  an  §  3  anschliesst.  Mit  den 
Worten  'Sed  ut  nunc  cernimus'  meint  Ammian  die  späteren  und 
nachhomerischen  Grenzen  Thraciens,  die  einen  natürlichen  Gegen- 
satz bilden  zum  homerischen  Thracien  (§  3),  aber  nicht  zu  der 
Thatsache,  dass  einmal  ein  römisches  Heer  in  Thracien  aufge- 
rieben sei,  womit  §  4  schliesst. 

Schon  der  Gedankenzusammcnhang  macht  es  also  wahrschein- 
lich, dass  §  3  und  §  5  auf  die  gleiche  Quelle  zurückzuführen 
sind;  und  dies  wird  zur  Gewissheit,  weil  wir  hier  die  obener- 
wähnte Krümmung  (eTTicrpocpri)  wiederfinden,  von  der  auch  Erato- 
sthenes gesprochen.  Ammian  giebt  denselben  Gedanken  in  einem 
doppelten  Bilde  wieder:  §  5  eadem  loca  formata  in  cornuti  sideris 
modum,  effingunt  theatri  faciem  speciosam.  —  Diese  Behaujitung, 
dass  §  5  eratosthenisch  sei,  und  wir  also  wieder  eines  der  gar  nicht 
häufigen  geographischen  Bilder  aus  jener  Quelle  herleiten  dürfen, 
erhält  eine  erwünschte  Bestätigung  durch  ein  anderes  aus  den 
scholia  veneta  entlehntes  Fragment  des  Eratosthenes  (Bernhardj, 
Eratosthenica  p.  38),  in  dem  gleichfalls  behauptet  wird ,  dass  jener 
berühmte  Geograph  die  Gestalt  Thraciens  mit  der  Form  eines 
griechischen  C  verglichen  habe:  —  —  ÖTi  f\  tujv  OpaKuJv  yH 
eiTi  TToXO  bir|K6i  Kai  ciYiuaToeibfic  Keixai  ir)  6ea  jut'XPi  Tiic  öuceujc. 
Wir  haben  hier  also  die  Wahl  zwischen  drei  geographischen  Gleich- 
nissen, die  alle  so  ziemlich  dasselbe  bedeuten.  Natürlich  wird 
Eratosthenes  nicht  alle  drei  Bilder  (Halbmond,  Theater  und  Sigma) 
gebraucht  haben,  und  es  ist  schwer.  Eines  derselben  für  das 
echte  und  ursprüngliche  zu  erklären.  Es  scheint  jedoch,  als  ob 
Eratosthenes  nicht  bloss  geograi^hische  Bilder  angewendet,  sondern 
diese  auch  mit  Vorliebe  den  Buchstabenformen  entlehnt  habe;  so 
vergleicht  er  z.  B.  im  frg.  CXXE  den  Lauf  des  Nil  mit  einem  N. 

Daher  ist  es  ferner  auch  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  Am- 
mian bei  der  Beschreibung  der  Pontusländer  22,  8,  4  und  6 
dem  Eratosthenes  folgt,  wenn  er  die  Gestalt  der  Propontis  mit 
einem    griechischen   0    vergleicht,    zumal   da   bald   darauf   §   10 


V.  Gardthausen :  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  39 

Eratosthencs  namentlich  citii-t  wird ,  der  wie  oben  gezeigt  wurde, 
die  Gestalt  des  Pontus  mit  einem  skythischen  Bogen  verglich  und 
seinen  Umfang  auf  23,000  Stadien  schätzte.  Natürlich  müssen  dann 
auch  die  sjiätei'n  Stellen,  an  denen  Ammian  dieses  Bild  voraus- 
setzt (§§  13,  14,  37,  42),  aus  dersclV^'u  Quelle  stammen.  Eben  so 
ist  der  ganze  §  20  zu  beurtheilen,  der  nicht  nur  das  früher  ge- 
brauchte Bild  näher  ausführt,  indem  er  die  Nordküste  Asiens  mit 
der  Sehne  des  Bogens  vergleicht ;  sondern  ausserdem  eine  neue 
Stadienangabe  hinzufügt,  die  nicht  nur  mit  Strabo*)  (p.  125), 
sondern  auch  mit  Eustath  und  dem  anonymen  Geographen  bei 
Müller  (gcogr.  gi:  min.  II  p.  509)  übereinstimmt. 

Endlich  finden  wir  noch  eine  Stadienangabe  in  dem  kurzen 
und  leider  arg  vei-stümmelten  Excurs  über  den  Bodensee  15,  4,  3 
pcrque  quadringenta  et  sexaginta  stadia  longum;  und,  um  uns 
ein  Bild  zu  geben  von  der  fast  kreisförmigen  Gestalt  des  Sees, 
fügt  Ammians  Gewährsmann  sofort  hinzu:  parique  i)ene  spatio 
late  difl'usum.  Obwohl  nun  weder  die  eine  noch  die  andere  dieser 
Angaben  dem  wirklichen  Sachverhalt  entspricht ,  sind  wir  dennoch 
genöthigt,  diese  ebenso  wie  alle  übrigen  derartigen  Notizen  auf 
den  Eratosthencs  zurückzufüliren ,  der  in  seiner  Geographie  auch 
.  Germanien,  so  z.  B.  den  hercynischen  Wald  behandelte.  —  Für 
einen  Alexandriner  lag,  wenn  er  den  Rheinfall  von  Schaffliausen 
beschreiben  wollte,  kein  Vergleich  näher,  als  der  mit  den  Kata- 
rakten des  Nil;  denn  dass  dieser  Wasserfall  in  unserer  freilich 
verstümmelten  Stelle  Ammians  gemeint  sei,  wenn  wir  plötzlich 
in  der  Beschreibung  des  Rheins  die  Worte  lesen:  'ut  ♦  »  ♦  ♦  cata- 
ractas  inclinationc  2>raecipiti  funditur  Nilus'  leidet  doch  wohl  kei- 
nen Zweifel,  obwohl  die  Ausleger**)  dem  Ammian  jede  Kenntniss 
des  Rheinfalls  absprechen,  weil  derselbe  auch  von  keinem  andern 
Geographen  des  Alterthums  erwälint  werde.  Grade  dieser  Umstand 
beweist,  dass  Ammians  Quelle  eine  vorzügliche  war.  Wenn  die 
Erwähnung  des  Rheinfalls  auf  so  frühe  Zeiten  zurückgeht,  wird 
natürlich  Niemand  daran  Anstoss  nehmen,  dass  derselbe  oberhalb 
statt  unterhalb  des  Bodensees  erwälint  wird.  Für  Eratosthencs  passt 
es  vortrefflich,  dass  er  jene  Gegenden  mit  den  Worten  schilderte: 
hoiToro  siluarum  squalentium  inaccessum  ,  die  ein  SpUtcrer  nicht 
mehr  passend  fand  und  daher  milderte  durch  den  Zusatz:  nisi 
(|ua  uetus  illa  Roniana  uirlus  et  sobria  it<?r  conposuit  hitum. 
Einem     Geographen    endlich,     der    nach    Cäsar    und    den     or>lon 


*)  Mit   l'nn'clit   IüiIilmi   «lio   Ni'iicrrii    ^iXiiuv   nun  bi{.xi\\wv    fjonuicht 
so  Kriinior,   Muiiu^kc,  (1  ros.sk iird,   l'orhijjcr. 

*'")  '  iiti  Hcripturt's  priscos  oiiiiiiiin,  ita  ul  AniniiHiium  cntarrhnctnni 
Sciij)luisit'iiHCMn,  iiimc  soriiis  tlpiimm  iii;kin  hUh  Hpornorit,  ijjnorartSü'.  I)nsji 
^]^•r  Klifi»  friilicr  im  Hottf  ilir  l^iiiiinut  ;jotlof<Hoi) ,  isl  oino  liiicIiHt  wnlir 
Hchuinliflio  HyiuitliuHc  ;  .ticIuT  ist  «linrrgi'n,  wie  mir  (loolojjen  vorsichorn, 
dasH  or  ym  KratuatiienuH  Zuilvn  liiugst  Meine  iieuti^o  Kiclituu);  oiiigv 
sclilnpüii  hatte. 


40         V.  rjardthauaen :  Die  geographiBchen  Quollen  Ainmiang. 


Kaisern  lebte,  deren  Heere  so  oft  den  Rhein  passirten,  würde  die 
gänzliche  ünkenntni««  des  weitern  Verlaufs  vom  Bodcnsoe  abwäi-ts, 
(luichiius  nicht  zu  verzeihen  sein,  welche  sich  in  den  kurzen  Worten 
HUI  Schluss  von  §  4  ausspricht:  nee  contagia  deinde  ulla  perpe- 
tiens,   oceani  gurgitibus  intimatur. 

Wer  sich  scheut,  den  Schluss  dieser  kleinen  Episode  (§  6), 
die  Erzählung  von  der  Liebe  des  Flussgottes  Alphcus  zur  Nymphe 
Arethusa  auf  den  Eratosthenes  zurückzufCihren,  dem  bleibt  es  na- 
türlich unbenommen,  diese  Notizen  von  dem  (S.  14)  erwähnten 
Paradox ographen  herzuleiten.  Da  jedoch  diese  im  Alterthum  weit 
verbreitete  Erzählung  sich  auch  bei  Mela  (ed.  P.  p.  59,  20)  und 
bei  Plinius  (ed.  Dctl.  2,  225)  findet,  und  andrerseits  auch  Am- 
mian  mit  den  Worten  '  ut  fabulae  ferunt'  seinen  Zweifel  aus- 
drückt, so  trage  ich  kein  Bedenken,  den  ganzen  Abschnitt  auf 
den  Eratosthenes  zurückzuführen. 

Ausser  diesen  eben  besprochenen  wird  man  ferner  mit  Sicher- 
heit diejenigen  Stellen  aus  der  Beschreibung  Persicns  (2,3  c.  6) 
auf  den  Eratosthenes  zurückführen  können,  an  denen  allerdings 
weder  Strabo  noch  Ammian  ihren  Gewährsmann  namhaft  machen, 
aber  dennoch  einer  gemeinsamen  Quelle  folgen.  Dies  gilt  z.  B. 
von  23,  6,  44.  Diese  Stelle  schliesst  sich  unmittelbar  an  eine 
Notiz  (§  43) ,  deren  eratosthenischer  Ursprung  bereits  oben  nach- 
gewiesen wurde. 

Am.  M.  23,  6,  44. 
eosque  ita  certamina 

iuuant    et    bella,    ut 

iudicetur   inter    alios 

omnes  beatus ,  qui  in 

proelio  profuderitani- 

mam. 
Excedentes   enim    e 

uita    morte     fortuita 

conuiciis    insectantur 

ut  degeneres  et  igna- 

uos. 

Es  folgen  dann  bei  Ammian  Partien ,  die  sich  ohne  Weiteres 
als  Bestandtbeile  der  schematisirten  Geographie  nachweisen  lassen, 
mit  Ausnahme  der  §§  53  und  62  ,  welche  von  dem  homerischen 
Verse  handeln : 

rXttKToqpdTUJV  'Aßiuuv  te  biKaioiditjuv  dvOpdiTiujv. 
den  auch  Strabo  (p.  302)  bespricht.  Da  nun  bekanntlich  Erato- 
sthenes auf  die  homerische  Geogi-ai^hie  mit  Vorliebe  zurückkam, 
vfie  wir  es  schon  an  einem  andern  Beispiele  bei  Ammian  (27,  4, 
3)  nachweisen  konnten,  so  ist  es  im  höchsten  Grade  wahrschein- 
lich ,  dass  Ammian  auch  hier  seiner  eratosthenischen  Quelle  folgt. 
Nachdem  wir  so  festzustellen  gesucht,  in  welchem  Umfang 
Ammian  das  Werk  des  Eratosthenes  benutzt,  tritt  die  schwierige 


Strabo  p.  513. 
Odvaxoc    be    vo)ni- 
Z;eTai    TTttp '     auToTc 

dplCTOC. 


Touc   be  vöcuj  9a- 

VÖViaC  plTTTOUClV  UJC 

dceßeic  [1.:  dTCveic]. 


Am.  M.  31,  2,  22. 

ita  illos  ijericula  iu- 
uant et  bella.  ludi- 
catur  ibi  beatus,  qui 
in  proelio  profuderit 
animam. 

senescentes  enim  et 

fortuitis    mortibus 

mundo    digressob    ut 

degeneres  et  ignauos 

conuiciis  insectantur. 


V.  Gardthausen :  Die  geogi-aphi«cLen  Quellen  Ammians.  41 

Frage  an  uns  heran,  ob  diese  Benutzung  eine  directe  oder  indirecte 
gewesen,  —  Wenn  wir  bedenken,  das.s  Araraian  zeitlich  ungefähr 
durch  ein  halbes  Jahrtausend  von  Eratosthenes  getrennt  war,  und 
dass  diese  eratosthenischen  Notizen  sich  nur  in  den  geographischen 
Episoden ,  und  nirgends  in  den  übrigen  Partien  vorfinden,  so  wird 
man  einräumen  müssen,  dass  die  giössere  Wahrscheinlichkeit  dafür 
spricht,  Aramian  habe  dieselben  zugleich  mit  Anderem  von  einem 
Jüngern  Geographen  herübergenommen.  Daran  knüpft  sich  nun 
die  weitere  Frage,  ob  dieser  jüngere  Geograph  identisch  ist  mit 
dem  Verfasser  der  schcmatisirten  Geographie ,  oder  dem  Periegeten 
des  22.  Buches.  Die  erste  Alternative  hat  wenig  Wahrscheinlich- 
keit für  sich ,  denn  erstens  würde  man  nur  ungern  annehmen,  dass 
jener  lateinische  Geograph  griechische  Quellen  benutzte,  dann  aber 
kommt  noch  hinzu,  duss  in  Einem  schcmatisirten  Excurse  (11,8, 1  ft.) 
die  eratosthenischen  Notizen  gänzlich  fehlen;  in  zwei  andern  über  die 
persischen  (23,  G,  1  fl'.)  und  über  die  thracischen  (27, 4, 1  If.)  Provinzen 
stehen  sie  in  so  losem  Zusammenhange,  oder  geradezu  im  Wider- 
spruche mit  ihrer  Umgebung,  dass  sie  sich  mit  der  grössten  Leichtig- 
keit ausscheiden  lassen,  während  sie  andrerseits  in  dem  periegetischen 
Excurse  über  das  Acgäische  und  Schwarze  Meer  mit  den  übrigen 
Notizen  organisch  verbunden  sind;  so  leidet  z.  B.  das  besprochene 
Gleichniss  des  skythischcn  Bogens  den  festen  Kahmen,  in  den  alles 
Andere  eingefügt  wird.  —  Natürlich  muss  jener  Perieget  dann 
nicht  nur  das  Acgäische  und  Schwarze  Meer,  sondern  alle  Meere 
behandelt  haben,  soweit  sie  ihm  bekannt  waren.  —  Ein  ähnliches 
Werk  hat  sich  erhalten  in  der  Periegese  des  Dionys,  der  anerkannter- 
massen  in  allem  Wesentlichen  auf  Eratosthenes  fusst. 

Timagenes. 

Der  zweite  griechische  Geograph,  den  Ammian  benutzt  und 
ausdrücklich  citirt  hat,  ist  Timagenes  15,  9,  2  sed  postea  Ti- 
magenes et  diligentia  Graeciis  et  lingua  hacc  —  —  coulegit 

cuius  fidem  secuti  —  —   eadem    distincto   docebimus  et  aperto. 

Ohne  näher  auf  die  Fragen  eingehen  zu  wollen ,  die  sich  au 
den  Namen  dieses  Historikers  knüpfen,  kann  man  doch  wohl  so 
viel  aus  unserer  Stelle  Ammians  enlnelunen,  dass  dieser  Tima- 
genes ein  Werk  geschrieben ,  in  wehlu-m  er  auch  die  Urgeschichte 
der  (lallicr  beliandclte.  Dass  dieses  Werk  ein  geographisches  war, 
wird  dadurch  wahrscheinlich,  dass  es  nicht  nur  in  Auimians  geo- 
grapliischen  Kpisuden,  sondern  auch  in  Strabos  Geographie  bonufzt 
ist,  wie  bereits  IJurckhardt  ;mi  <]<•<■  ■■'•■■m  ci(irl>>n  (S.  l\)  Sldb- 
bemerkte. 

Str.    p.    l;i7.  Am.    M.    IT),  0,   8. 

T()i«  (|)ÜX«  TU)V  Tl)iuu|Litvu)V  biu-  studia   iaudabilium  ijoctrinaruni 

qpepoVTUJC    teil,    ßupboi    Tt    kuj  inclioata  per   Pardoö  et  Kuhagis 

oüäitic  KUi  bputbau  et  Druidus. 


42  V.  fJardthausen :  Die  geographiBclun  Quollen  Amraians. 

ßdpboi  |Liev  u|LivriTai  Kai  ttoi-  VA  iJardi  tjuidein  fortia  lürorum 
rjTai,  inlii.striiiin   facta  —  —   cantita- 

runt. 
oüareic  be  lepOTTOioi  Kai  cpucio-     Kuluigis  uero  scrio  uim  (?)  |cod. 
XcVfOi,  soniiani]  ei  subliruia  naturae  pan- 

(lere  conabantur. 
bpuibai  be  irpöc  tri  cpucioXoYia     inter  eos  Di-uidae  —  —  quae- 
Kai  xnv    iiGiKriv    cpiXococpiav  d-   siionibus   occultarum   rerura    al- 
CKoOci.  tarumque  erecti   et  despcctantes 

humana 
dcpGupTouc  be  Xe'YOuci  Kai  ov-    pronuntiarunt  animas  inmortalcs. 
TOi  Ktti  dXXoi  rdc  vpuxdc. 

Da  nun  Strabo  noch  an  zwei  andern  Stellen  den  Timagenes 
citirt,  so  schöpft  er  natürlich  auch  hier  aus  dieser  Quelle.  —  Mit 
vollem  Recht  hat  Müller  in  seiner  Sammlung  dieses  Fragment  des 
Timagenes  abgeschlossen  mit  dem  Ende  des  neunton  Kapitels; 
im  zehnten  folgt  Ammian  theils  andern  Quellen,  theils  berichtet 
er  nach  eigener  Anschauung;  auch  zeigt  der  ganze  Excurs  über 
Gallien  weiter  keine  Anklänge  an  Strabo,  nur  am  Schluss  von 
Kap.  11  wiederholen  sie  sich. 

Str.  p.   186.  Am.  M.  15,  11,  16  flf. 

qpe'petai  b'dirö  tojv  'AXttcujv  A  Poeninis  Alpibus  effusiore 
oOtoc  [sc.  Ö  'Pobavöc]  ttoXuc  cojiia  fontium  Rhodanus  fluens 
Ktti  cqpobpöc  et   procliui   impetu   ad    planiora 

degrediens  proprio  agmine  ripas 
öc  Y£  Kai  bid  Xi)nvric  eHiubv  inc  occultat  et  paludi  sese  ingurgi- 
Armevvric  tat  nomine  Lemanno, 

(pavepöv  beiKVUCi*)   xö  peTBpov     eamque     intermeans     nusquam 
erri  ttoXXouc  crabiouc  aquis  miscetur  externis. 

cujußdXXei  TLU  "Apapi  Kaid  Aou-   et  emensus  spatia  flexuosa  Ara- 
Ybouvov    —  —  rim  —  —  suum    in  nomen  ad- 

sciscit. 
beHd|nevov  Kai  touc  dXXouc  tto-     Hinc   Rhodanus   aquis    aduenis 
Tajuouc,  locupletior  —  — 

KdKcTGev   ribri   xiiv   Xomfiv  ttoi-     finitisque    interuallis ,    quae    ei 
eixai  juexp'i  Tfic  OaXdxxrjC  puciv.  natura  praescripsit  spumeus  Gal- 
ileo mari  concorporatur. 

Natürlich  wird  Jeder  zunächst  geneigt  sein,  die  Beschreibung 
der  Rhone  auf  dieselbe  Stufe  zu  stellen,  wie  die  des  Rheins,  die 
Ammian  kurz  vorher  (15,  4,  1  ff.)  mitgetheilt;  zumal  er  bei  bei- 
den Flüssen  dieselbe  wunderbare  Erscheinung  erwähnt  dass  ihr  "Wasser 


*)  Vgl.  Strabo  p.  271.  (b  [sc.  'Poöavüj]  cu|H|ndvei  TÖ  peü|aa  6iä  Xipvnc 
[1.  ÄTiia^wric  Xi|Livric]  löv,  opaxriv  cOüZov  xi^v  ^üciv. 


V,  Gardthausen :  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  43 

sich  nicht  mische  mit  dem  des  Sees,  den  .sie  durchströmen.  — 
Bei  genauerer  IJetrachtung  aber  schwindet  die  Aehnlichkeit  immer 
mehr;  nicht  nur  die  ammianeiFche  Schilderung  weist  auf  spätere, 
römische  Zeit  (z.  B.  Sapaudia,  Viennensis,  Lugdunensis,  Germania 
prima,  Ad  Gradus,  raillenis  passibus,  octauo  decimo  lapide  etc.) 
sondern  anch  der  Bericht  Strabos  setzt  eine  solche  Bekanntschaft 
des  Binnenlandes  und  der  einzelnen  gallischen  Völkerschaften  vor- 
aus ,  dass  Strabos  Gewährsmann  sicher  nach  der  Unterwerfung 
Galliens  durch  Cäsar  gelebt  haben  muss.  Es  ist  daher  unmöglich, 
dass  Amraian  und  Strabo  hier  dem  Eratosthenes  folgen;  viel- 
leicht war  Timagenes  auch  hier  ihre  gemeinsame  Quelle ;  ob- 
schon  sich  beim  Ammian  Spuj  en  späterer  Bearbeitung  nicht  leugnen 
lassen. 

Sallust. 

Unter  den  übrigen  Quellenschriftstellern,  die  Ammian  benutzte, 
nimmt  Sallust  die  erste  Stelle  ein,  obwohl  er  nur  i-in  einzi'^'cs 
Mal  namentlich  citirt  wird. 

Amm.  M.  15,  12,  6  (=  Sali.  Hist.  I  8  ed.  Uietsch)  nam 
omnes  Galliae,  nisi  qua  paludibus  inuiae  fuere,  ut  Sallustio  docetur 
auctore,  post  decennalis  belli  mutuas  clades  Su[lpicio,  Marcello 
coss.]  Caesar  societati  nostrae  foederibus  iunxit  aeternis. 

Daran  schliesst  sich  eine  Reihe  ähnlicher  Stollen,  wo  die  Be- 
ziehungen zwischen  Sallust  und  Ammian  unverkennbar  sind;  ich 
habe  dieselben  bereits  früher  in  meinen  Conjectanea  S.  30  zu- 
sammengestellt, die  ich  hier  der  Vollständigkeit  wegen  wieder- 
holen muss. 

8  (cd.  D.)  =  Amm.  M.  15,   12,   G   (Unterwerfung 

Galliens) 
=  15,   10,    10  (Saguntiner) 

vrgl.  m.  22,   IG,  21  (Apion) 

„     „  17,7,11    (Ursache  der 

Erdbeben) 
=  23,  G,  56  (Belagerung  von 

Cyzicus) 
=  22,  8,   10  (Bild  des  sky- 

tischen  Bogens) 
=  22,  8,  'IG  (das  sUsso  Was- 

ser  des  Poulus) 
=  22,  8,  20    (Criumelopon) 

=  22,  8,  27  (Tanais) 

=  22,  8,    12  (Nomaden) 

=  22,  8,  25.  33  (Acliüor) 

—  23, 6,  IG.  37.  38  (Naphtha) 

«"  23,  G,  G  (Arsaciden) 

V  122  vrgl.  m.  15,    10,  0  ((icryonos) 


Sali.  11  ist.  I 

8 

II 

21 

II 

39 

II 

43 

III 

29 

IN 

41 

111 

15 

III 

•IK 

III 

49 

HI 

51 

III 

52 

IV 

54 

V 

1 

4-4  V.  GardthauBcn:  Die  geographiHchen  Quellen  Auimiuus. 

iJci  dicaer  Zusammünstellung  rällt  zunächst  auf,  dass  die  den 
aullusiiaiiischcn  ontöprccLondcn  SUllon  Ainmians  auch  hier  wieder 
sich  ausachliesslicli  auf  die  geo^Tujjhischcn  Partien  beschränkt  zei- 
gen; es  ist  daher  \vied(;rum  wahrscheinlicher,  dass  Aminian  diese 
Notizen  nicht  direct  der  Geschichte  des  Sallust  verdanke,  sondern 
vielmehr  indirect  durch  Vermittelung  eines  Geographen.  —  So 
worden  z.  B.  rein  historischo  Facta,  wie  der  Umstand,  dass  die 
Römer  bei  der  Belagerung  von  Cyzicus  zum  ersten  Male  Kamele 
gesehen  hätten ,  in  einem  rein  geographischen  Theile  bei  der  Be- 
schreibung Bactriens  erwähnt. 

Die  Citate  aus  Sallusts  Geschichte  sind  an  zwei  Stellen  (15, 
12,  6  und  23,  G,  5G^;  so  eng  und  so  organisch  mit  den  Rubriken 
der  schtiuatisirten  Geographie  verbunden,  dass  sie  nicht  ausge- 
schieden werden  können;  es  ist  daher  die  Annahme  unabweislich, 
dass  der  Verfasser  jener  Geographie  bereits  Notizen  des  Sallust  in 
sein  Werk  verarbeitete.  Andrerseits  aber  treffen  wir  auch  bei  den 
griechischen  periegetischen  Quellen  viele  sallustianische  Notizen. 
Diese  Uebereinstiinmung  lässt  sich  auf  zweierlei  Weise  erklären; 
und  zwar  so,  dass  Ammian  neben  seinen  geograjihischen  Quellen 
auch  noch  die  Geschichte  Sallusts  direct  benutzte ;  oder  dass  Bei- 
den eine  gemeinschaftliche  Quelle  zu  Grunde  liegt,  das  könnte  in 
unserm  Falle  nur  Eratosthenes  sein;  und  da  sich  auch  beim 
Sallust  (III  44)  das  Gleichniss  vom  skythischen  Bogen  findet,  so 
leidet  es  keinen  Zweifel,  dass  Sallust  in  geographischen  Fragen 
in  der  That  vom  Eratosthenes  abhängig  war, 

Eratosthenes 


Sallust  Perieget  des  22.  B. 


schemat.  Geogr. 


Am.  Marc. 


Cäsar. 

An  den  Sallust  schliesst  sich  Cäsar,  der  am  Schlüsse  des  von 
ihm  entlehnten  Abschnittes  erwähnt  wird  (15,  11,  6).  Man  sieht 
auf  den  ersten  Blick,  dass  die  Worte  15,  11,  1  Temporibus  pri- 
scis  —  15,  11,  5  facile  in  dicionem  uenere  Romanam  genau  dem 
Anfang  von  Cäsars  Commentarien  entsprechen  mit  ganz  geringen 
Zusätzen,  die  eine  spätere  Hand  erkennen  lassen.  Natürlich  er- 
hebt sich  auch  hier  die  Frage,  ob  Ammianus  Marcellinus  selbst 
den  Cäsar  für  die  Partie  ausschrieb.  Doch  ist  der  Abschnitt  zu 
klein,  um  mit  Sicherheit  diese  Frage  zu  beantworten;  man  kann 
nur  so  viel  sagen:  wahrscheinlich  gehen  diese  dem  Cäsar  entlehn- 
ten Nachrichten  auf  dieselbe  Quelle  zurück,  der  Ammian  auch 
seine  Notizen  aus  Sallust  und  Livius  und  den  übrigen  lateinischen 
Historikern  verdankte. 


V.  Gardthausen :  Die  geographischeii  Quellen  Ammiane.  45 

Cborographia  Pliniana. 

Dass  zwischen  Ammian  und  Solin  irgend  welche  Beziehungen 
bestehen,  hatte  man  schon  längst  gesehen,  nur  in'te  man  darin, 
dass  man  den  Einen  das  Werk  des  Andern  benutzen  liess.  In 
seiner  mustergiltigen  Einleitung  zum  Solin  hat  Mommsen  diesen 
Irrthum  aufgedeckt  und  nachgewiesen,  dass  Beide  aus  gemeinschaft- 
licher Quelle  geschöpft  haben  (Sol.  ed.  M.  p.  XV);  er  benennt 
dieselbe  cborographia  Pliniana,  weil  der  von  Ammian  und  Solin 
benutzte  Geograph  hauptsächlich  den  Plinius,  dann  aber  auch 
Mela  und  Andere  ausgeschrieben  hat;  ein  Verzeichniss  derjenigen 
Stellen  Ammians,  die  den  solinischen  entsprechen,  giebt  Mommsen 
a.  a.  0.  p.  251.  Dieselben  finden  sich  zwar  vorwiegend  in  den 
geographischen  Excursen,  jedoch  nicht  ausschliesslich ;  man  sieht 
also,  dass  Ammian  selbst  jenes  Werk  benutzt  hat,  und  man  keinen 
Grund  hat,  irgend  welche  Mittelglieder  anzunehmen.  Daher  erklärt 
es  sich  auch,  dass  wir  derartige  Notizen  fast  über  alle  geographische 
Episoden  verstreut  finden,  mag  Ammian  sonst  einer  griechischen 
oder  lateinischen  Quelle  folgen.  —  Stellenweise  finden  wir  sogar 
zwei  Versionen  derselben  Sache  neben  einander,  von  denen  Am- 
mian die  eine  in  der  zu  Grunde  gelegten  Haupttpielle  fanJ,  und 
die  andere  aus  der  choi*ogTaphia  Pliniana  nachtrug.  So  lässt  Am- 
mian z.  B.  14,  8,  .3  seinem  Leser  die  Wahl  zwischen  zwei  ver- 
schiedenen Gründungssagen  der  Stadt  Tarsus,  deren  eine  er  in 
seiner  schematisirten  Geographie  vorgefunden,  während  er  die  an- 
dere aus  der  cborographia  Pliniana  entlehnte  (Sol,  ed.  M.  p.  189, 
1-2). 

Aus  dem  Excurse  über  die  Pontusländer  (22,  8,  1  fJ.) 
sind  sicher  die  §§  44 — 45  der  cborographia  Pliniana  entjinmmcn 
(vgl.  Coniectanea  Amm.  p.  18).  Dann  folgt  ein  kurzer  Abschnitt 
über  die  Beschaffenheit  des  Wassers  im  Schwarzen  Meere.  Auch 
Sallust  hatte  im  eigenen  Excurs""),  den  er  wahrscheinlich  bei  Ge- 
legenheit der  mithridatischen  Kriege  eingefioehten,  hervorgehoben, 
dass  der  Pontus  sich  vor  allen  Meeren  durch  sein  süsses  Wasser 
auszeichne : 

fr.  in  45  (ed.  D.)  Ipsum  mare  Ponticum  dulcius  quam  cetera. 

Wie  die  kurz  vorhergehenden  Notizen ,  so  lassen  siel»  auch 
die  unmittelbar  nachfolgenden  auf  die  chorographia  IMiniana  zu- 
rückführen. Schon  Plinius  hatte  nendich  behauplt'l,  dass  der  i'nutus 
von  liaublhiereu  gän/.lich   frei  sei. 

Plin.  n.  li.  1>,  11».  In  Pontuiu  nullu  intnil  bestia  piscibus 
malofica  praeter  uitulos  et  paruos  delphinos  (vgl.  .\m.  M.  22,  8,47). 

Da  nun  die  §§  4(1—48  ein  einheitliches  Giuizc  bilden,  i?  47 
aber,  wie  eben  gezeigt  wurde,    auf  Plinius  (n.  h.  9,  49)  zurUck- 


*)  Einen  älmliclicii  peojjrnpliiHohpn  KxcurM  dos  Snlhist  orwlUinl  .\rioii 
orii  mnrltiinii  v.  'M:  tu\  oiiis  [Sallii!<ti]  inclitani  ilcHcriptioncni  .  .  .  . 
iiuilln   runiin   iiiniimiis  ex   pliiriinuriiiii   siiniptii  cointncntiii  ii-t. 


4G         V,  Gardthausou :  Die  geographischen  Quellen  AmmiauB. 

geführt  werden  kann,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  nicht  nur  §  44 
45,  sondern  auch  §§  4G  —  48  auf  die  chorograijhia  Pliniana  zurück- 
gehen, deren  Verfasser  den  Sallust  sicher  gekannt  und  benutzt  hat: 

Solin.  ed.  M.  p.  50,  9.  Sardinia  quoque,  quam  ajind  Timaeum 

Sandaliotin  legiinus,  Jchnusam  apud  Cri  spum (vg^-  Sallust 

frg.  ed.  D.  IT  2). 

Dass  die  Beschreibung  Aegy  ptens  fast  ganz  der  chorographia 
Pliniana  entlehnt  ist,  hat  Mommscn  p.  254  seiner  Solinausgabe 
gezeigt  durch  einfache  Gegenüberstellung  der  entsprechenden  Ci- 
tate,  die  sich  allerdings  auf  die  ganze  Episode  beziehen.  Von  den 
so  gelassenen  Lücken  haben  wir  einige  w.  z.  B.  22,  15,  2 — 3 
bereits  früher  aus  anderen  Quellen  abzuleiten  versucht;  andere  w. 
z.  B.  die  §§  12 — 14  hängen  so  eng  mit  dem  Vorhergehenden  und 
Nachfolgenden  zusammen,  dass  man  nicht  umhin  kann,  auch  hier 
dieselbe  Quelle  zu  statuiren.  Die  nun  folgenden  §§  15 — 2G  lassen 
sich  alle  aus  der  chorographia  Pliniana  erklären,  während  der  §  27 
wenigstens  in  dieser  kurzen  Form  kein  Gegenstück  im  Solin  findet. 
Dennoch  lassen  sich  bei  diesem  Schriftsteller  dieselben  griechischen 
Schlangennamen  nachweisen  (p.  137  amphisbaena,  scytale,  dipsas 
aspis  p.  141  basiliscus),  wie  beim  Ammian,  nur  dass  Ersterer  die 
Sache  viel  eingehender  behandelt,  während  Ammian  sich  mit  der 
Aufzählung  von  Namen  begnügt.  Es  unterliegt  daher  wohl  keinem 
Zweifel,  dass  Beide  hier  die  chorograj^hia  Pliniana  zu  Grunde  ge- 
legt haben. 

Von  dem  16.  Kapitel  des  22.  B.  lassen  sich  nur  einige 
Notizen  auf  dieselbe  Quelle  zurückführen,  so  z.  B.  §  7  und  §  9. 

Von  der  Episode  über  die  persischen  Provinzen  23,  6,  1  ff. 
weist  Mommsen  der  chorographia  Pliniana  den  §  38  zu;  und 
grade  diese  Stelle  liefert  einen  neuen  Beweis  für  die  oben  auf- 
gestellte Behauptung,  dass  in  jene  plinianische  Chorographie  auch 
einzelne  Theile  der  Geschichte  Sallusts  hineingearbeitet  sind. 

Sali.  Hist.  IV  54  (ed.  D.)  Amm.  M.  23,  6,  37.  38 

quod  naphtha  sit  genus  fomitis  quae  species  gignitur  apud  Per- 

apud  Persas  sas  quam  naphtham appel- 

lauere  

quo  uel  maxime  nutriantur  iu-  aestus  excitat  acriores  incendio- 

cendia  rum 

genus  olei  cedro  simile.  similis  oleo  crassiori. 

Ausser  den  beiden  schon  erwähnten  §§67  und  68  hat  Momm- 
sen noch  den  Schluss  der  ganzen  Episode  §  85 — 88  hierhergezogeu 
und  grade  an  den  Details  dieser  Partie  den  Beweis  für  die  Rich- 
tigkeit seiner  Hypothese  geliefert  (Solin.  ed.  M.  praef.  XXVI —  XXVII) . 

Selbst  in  die  Beschreibung  der  Hunnen  und  Alanen  hat  Am- 
mian einzelne  Züge  aus  der  chorographia  Pliniana  hingewebt;  weil 
er  diese  den  Früheren  unbekannten  Völker  füi*  Nachkommen  der 


V.  Gardthausen :  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  47 

Massageten  hält  (31,  2,  18  ueteres  Massagctas) ,  glaubt  er  sich 
befugt,  seine  Schilderung  dieser  Völker  mit  Zügen,  die  er  frühent 
Schilderungen  entnommen,  auszuschmücken.  Amm.  M.  31,  13 — 
15  =  Sol.  p.  92,  4  (vgl.  praef.  p.  XXIV— XXV).  Hier  liesse  sich 
noch  eine  Kleinigkeit  nachtragen: 

Sol.  ed.  M.  p.  92,  10  Amm.  M.  31,  2,  23 

populis  istis  deus  Mars  est  2)  Martem  regionem  circumcir- 

cant  praesulem  uerecundiuscolunt 
pro  simulacris  enses  coluntur.       1)  sedgladiusbarbaricorituhumi 

figitur  eiimque  ut  Martem  etc. 

Leider  ist  der  Text  Ammians  auch  hier  einmal  wieder  höchst 
lückenhaft  überliefert,  so  namentlich  §  12.  Es  ist  dies  um  so 
mehr  zu  bedauern,  als  Ammian  an  unserer  Stelle  wahrscheinlich 
den  Verfasser  der  chorographia  Pliniana  namhaft  machte. 

Aus  den  vorhandenen  Resten  sieht  man  nemlich  deutlich, 
dass  Ammian  hier  dieselbe  Phrase  wie  15,  9,  2  brauchte,  um  zu 
seiner  neuen  Quelle  überzuleiten,  lange  Zeit  habe  man  im  Dunkeln 
getappt  und  nichts  gewusst  über  den  betreffenden  Gegenstand,  end- 
lich aber  sei  ein  Mann  erstanden ,  und  habe  sie  in  helles  Licht 
gesetzt.  —  Da  nun  die  unmittelbar  folgenden  Partien  §§  13 — 1.'> 
sicher  der  chorographia  Pliniana  entlehnt  sind,  so  ist  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  Ammian  hinter  den  Worten:  tandem  repperit  ueri- 
tatis  interna  *  *  *  *  den  Namen  des  chorograpbus  Plinianus  einge- 
fügt hatte. 

Coelius  Antipater. 

In  seiner  hübschen  uud  anregenden  Festschrift  für  die  leip- 
ziger Philologenversammlung  'Antiochus  von  Syrakus  und  Coelius 
Antipater'  stellt  Wölfflin  siimmtliche  Stellen  zusammen,  aus  denen 
er  die  Darstellung  glaubt  recoustmiren  zu  können,  welche  der 
letzt  genannte  Annalist  den  entscheidungsreichen  -Fahren  219  und 
218  gegeben  hatte. 

Coelius  Antipater  S.  50:  'Die  bisherige  Beweisführung  erhält, 
wie  wir  hoffen,  ihre  volle  Garantie  durch  Vergleichung  eines  der 
vielen  gelehrten  Excursc  Ammians,  der,  von  den  Interpreten  nicht 
benützt,  den  ferner  Stehenden  als  voll  von  Schnitzern  ersihtinen 
könnte,  wenn  er  sich  nicht  bei  näherer  Prüfung  al>  acht  coelianisth, 
ja  höchst  wahrscheinlich  al.s  ein  Pragment  der  von  M.  llrutus  ge- 
machten epitouie  Coelii  (Cic.  ad  Attic.  13,  8)  herausstellen  würde'. 
(Dann  fulgt  Amm.  M.    15,   10,   10—11). 

Auch  S.  28  versuchte  WöltTlin  bereits  an  dtT  Hand  Animiuns 
die  coolianische  (lironologie  wieder  herzustellen.  'Eine  bisher  nicht 
benützte  Stelle  Ammians,  die  auf  den  ersten  lUick  wie  die  cieero- 
nianische  als  ungenau,  lici  näherer  Pi-trarlitung  dagegen  als  coe- 
lianisch    erscheinen    wird    (wir    konuueu    im    1.   Abschnitte    ilarauf 


48  V.  fiiirdthauHcn:  Die  geographiachen  Quellen  Ammiaus. 

zurück)  lässt  una  doutliclier  ubnen,  wie  Coelius  die  Sache  darge- 
stellt bat'  u.  s.  w. 

Zunächst  wird  wolil  ein  Jeder  mit  einem  gewissen  Misstrauen 
an  diese  Eehaui)tung  Wölfllius  herantreten,  dass  Ammian  das 
VVei'k  römischer  Annalisten  oder  Auszüge  aus  demselben,  die 
ihm  zeitlich  —  wenn  nicht  sogar  sprachlich  —  sehr  fern  standen, 
in  seine  geographischen  Episoden  verwebt  habe.  —  Ferner  wird 
man  zugeben  müssen,  dass  wir  um  so  mehr  Grund  haben,  skep- 
tisch gegen  jene  }3ehauptung  zu  bleiben,  je  vereinzelter  die  Spur 
auftritt,  die  Wülfllin  glaubt  nachgewiesen  zu  haben;  denn  eine 
weitergehende  Benutzung  der  Annalen  des  Coelius  Antipat^jr  in 
dem  Werk  Ammians  nachzuweisen,  hat  WüUFlin  gar  nicht  ver- 
sucht; ein  solcher  Versuch  wäre  auch  von  vorherein  aussichtslos 
gewesen. 

Treten  wir  nach  diesen  Vorbemerkungen  an  das  betreffende 
Fragment  des  Coelius  heran,  das  uns  im  Livius  sicher  beglau- 
bigt ist, 

Hist.  rom.  rcll.  ed.  Peter  1-4  (Liu.  XXI  38,  7)  Taurini  Gal- 
liae  proxima  gens  erat  in  Italiam  degresso.  id  cum  inter  omnes 
constet,  eo  magis  miror  ambigi,  quanam  Alpis  transierit  et  uulgo 
credere  Poenino  (atque  inde  nomen  ei  iugo  Alpium  inditum)  trans- 
gressum  [Hannibalem],  Coelium  per  Cremonis  iugumdicere  transisse. 

Die  Berichte,  die  dem  Livius  vorliegen,  /sind  also  darüber 
einig,  dass  Hannibal  nach  seinem  berühmten  Alpenübergang  zu- 
nächst in  das  Land  der  Taui-iner  gelangt  sei;  nur  darin  waren 
dieselben  getheilt,  welchen  Pass  sie  ihn  benutzen  Hessen.  Die 
grosse  Mehrzahl  liess  ihn  über  die  penninischen  Alpen  gehen ; 
Coelius  Antii"»ater  dagegen  über  das  iugum  Cremonis.  —  Das  ein- 
zig Sichere,  was  wir  also  über  die  Darstellung  des  Coelius  wissen,  i)asst 
durchaus  nicht  auf  die  Ammians,  und  widerstreitet  dessen  Angaben 
gradezu,  denn  Ammian  lässt  den  Hannibal  über  die  i^enninischen 
Alpen  gehen,  ohne  das  iugum  Cremonis  auch  nur  zu  erwähnen. 
Dazu  kommt  noch  ein  Zweites;  wir  haben  durchaus  kein  Recht, 
die  ammianeische  Stelle  aus  ihrem  Zusammenhange  zu  reissen.  Die 
§§  9 — 11  bilden  ein  einheitliches  Ganze*),  das  sich  von  dem.  Vor- 
hergehenden, wo  Ammian  seine  eigenen  Erfahrungen  mittheilt, 
ebenso  scharf  abhebt,  als  von  dem  Nachfolgenden,  wo  er  den 
Anfang  von  Cäsars  bellum  Gallicum  excerjjirt.  In  jenem  Abschnitte 
(§§  9 — 11)  spricht  Ammian  nicht  etwa  von  Hannibals  Uebergang, 
sondern  von  den  Alpenpässen  im  Allgemeinen;  also  §  9  von  den 
Pässen  der  Seealpen  und  gleich  darauf  von  denen  der  penninischen 
Alpen ;  blos  um  diesen  Namen  zu  erklären ,  wird  der  Alpenüber- 
gang Hannibals  erwähnt. 


*)  Der  §  8  schliesst  sich  nnmittelbar  an  das  Ende  von  §  2.  Die 
Worte  (§  2)  compendiarias  et  uiantibus  oportunas  werden  erst  fortge- 
setzt §  8  Et  licet  haec  quam  diximus  uiam  media  sit  et  corapendiaria 
est. 


V.  Gardtbausen:  Die  geographischen  Quellen  Ammians.  49 

Ich  sehe  also  in  der  Darstellung  Ammians  nichts  als  eine 
vverthlose,  stark  corrumpirte  Version  der  livianischen  Tradition. 
Denn  dass  Beziehungen  zum  Livius  vorhanden  sind,  wie  schon  die 
früheren  Herausgeber  bemerkten ,  leugnet  auch  Wölfflin  nicht ; 
ebenso  wie  er  selbst  aufmerksam  macht  auf  die  Reminiscenzen  aus 
Sallust  (=  Sali.  Hist.  II,  21  ed.  D.)  Saguntinis  memorabilibus 
aerumnis  et  fide. 

Auch  die  Erwähnung  des  Geryones  in  diesem  Abschnitte  (§  9) 
darf  man  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  auf  Sallust  zurückführen, 
dem  dieser  mythische  Name  keineswegs  fremd  ist  (Histor.  incert. 
libr.  rel.  ed.  D.  122).  Diese  Anklänge  an  Sallust  machen  es  wahr- 
scheinlich, dass  die  ganze  Partie,  die  Wölfflin  auf  den  Coelius 
Antipater  zurückzuführen  versuchte,  denselben  Ursprung  hat,  wie 
15,  12,  5 — 0,  wo  Sallust  namentlich  citirt  wird,  d.  h.  also  der 
schematisirten  Geographie  entlehnt  ist.  Damit  stimmt  es  vortreff- 
lich, wenn  diu  livianisclio  Tradition  die  Grundlage  bildet,  und  wenn 
auch  hier  Namengebung  und  Gründungssagen  (§  9)  besonders  be- 
rücksichtigt werden.  Allerdings  ist  diese  Partie  nicht  nach  dem 
bekannten  Schema  gearbeitet;  doch,  wenn  jene  Geographie,  wie 
wir  oben  nachgewiesen,  die  ganze  antike  Welt  umfasste,  so  konnten 
die  Berge  nicht  dauernd  ignorirt  werden ,  und  mussten  also  ausser- 
halb des  feststehenden  Schemas  ihren  Platz  finden. 


Uebersicht. 


14,  4,  1  —  7  (Saracenen). 
Am.  yi. 

14,  8,  1  — 15  (Provinzen  des  Orients), 
schem.  Geogr.  —  §  3  chor.  Plin. 

15,  4,   1  —  6  (Rhein  und  Bodensee). 
Eratosth. 

15,  c.  9  —  12  (Gallien). 

9,  1  Am.  M.  2  —  8  Timagenes. 

10,  1  —  2  schem.  Geogr.  .3  —  7  Am.  Vi.  8  — 11  schem.  Geogr. 

11,  1 — 5  Caesar.  6 — 15  schem.  Geogr.  15 — 18  Timagenes  (?). 

12,  1 — 4  Am.  M.  5 — 6  schem.  Geogr.  6  Sallust. 
18  c.  9  (Amida). 

Am.  M. 
22  c.  8  (Thracien  und  die  Pontusländer). 

I  Am.  M.  2  —  9  griech.  Perieg.  4,  6,  10  Eratosth.  ("ebenso 
Sali.). 

II  —  19  griech.  Perieg.  (§  17  chor.  Plin.   13,   14  Eratosth.) 
20  Eratosth. 

21—36  griech.  Perieg.  24  chor.  Plin.  25.  33  Sali. 

37,  42,  43  Eratosth.    38  chor.  Plin.  39—43   giiech.  Perieg. 

44—48  chor.  Plin. 

22,  14,  7  —  16,  24  (Aegypten). 

14,  7—8  chor.  Plin. 

15,  1—2  schem.  Geogr.  3—29  chor.  PI.  30  (=  17,  4,  8—9) 
Hermapion . 

31  —  32  Paradoxogr. 

16,  1 — 6  schem.  Geogr.  7  und  9  chor.  PI.  8  schem.  Geogr. 
10—11? 

12 — 22  schem.  Geogr.  (14  chor.  Plin.)  23  Am,  M.  24  schem. 
Geogr. 

23,  6,  1  —  88  (Persien). 

1  Am.  M.  2—9  schem.  Geogr.  (6  Sali.)  10— 12  Eratosth. 
13—15  schem.  Geogr.  (llPtolem.)  16  Sali.  17— 19  Paradoxogr. 
20—21  Am.  M.  (21  chor.  Plin.)  22—31  schem.  Geogr. 
32—36  schem.  Geogr.  (?)  37  —  38  chor.  Plin.  (38   Sali.). 
39 — 43  schem.  Geogr.  43 — 44  Eratosth.  45—52  schem.  Geogr. 


Uebersicht,  51 

53  Eratosth.  5-4  —  61  schem.  Geogi*.  (56  Sali.). 

62  Eratosth.  63—67  scbem.  Geogr.  67 — 68  chor.  Plin. 

69—73  schem.  Geogr.  (69.  70.  Eratosth.)  74  Eratosth. 

75—84  Am.  M.  85—88  chor.  Plin. 
27,  4,  2  —  14  (Thracien). 

2  Am.  M.  3  Eratosth,  4  scbem.  Geogr.  5  Eratosth. 

6 — 14  schem.  Geogr. 
31   c.  2  (Hunnen  und  Alanen). 

1—11  Am.  M.   12—16  chor.  Plin.   17—21  Am.  M.   22  Era- 
tosth. 23  chor.  Plin.  24—25  Am.  M. 


Inhalt. 


'■  Theil. 


Einleitunsr 


••Seite 


Selbständigkeit,  des  Am.  m'  '     '     '  H 

Schematisirte  Geographie  v.  J.  340-350    '.  "^ 


t> 


II.  Theil. 
Oriechische  Periegese 

Eratosthenes       .     .     .     .  '  "  -32 

Timagenes     ...  ■■•••.  .34 

Sallust ■■■■•■•..  41 

Cäsar ■     •     •■     •  .     .  .43 

Chorographia  Pliuiuna    ."■■■••  44 

Colins  Antipater     ...                    '"••■■••.     4.5 
Uebersicht     .  '     ' 47