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DIE
B" RAPIIISCHEN QUELLEN AMMLVXS.
^- HAISILITATIONSSCHKIFT
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DURCH WELCHE MIT
ZUSTIMMUNG WAl P111L08UPHISCHEN FACULTÄT
DER UNIVERSITÄT LEIPZIG
zu SEIXEM
MONTAG DEN 20. JANUAR 1873, MITTAGS 12 UHR
Zr HALTENDEN
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\ PROBE VORTRAG
EUOEnENSr EINLADET
V. GARDTHAUSEN.
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I. Theil.
Wenn Ammianus Marcellinus in einem längeren Excurse über
das Perserreich, der um 390 n. Chr. geschrieben wurde, immer
noch die Arsacidcn in Persien herrschen lässt, während doch be-
reits seit 226 n. Chr. die Dynastie der Sassaniden regierte, so
ist dies der beste Beweis, dass er zuweilen Quellen folgte, die einer
langst vergangenen Ejjoche angehörten. Diese Beobachtung, die
sich einem Jeden selbst bei flüchtiger Leetüre der geographischen
Excurse aufdrängt, und z. B. in Burckhardts trefl'lichem Werke
'die Zeit Constantins des Grossen'*) ausgesprochen ist, mahnt
zur äussersten Vorsicht in der Verwerthung derartiger Notizen.
Es ist daher oflfenbar nicht methodisch, wenn fast Alle, um zu
beweisen, dass Aiumian sein Werk vor 391 n. Chr. veröfTentlichte,
sich auf den Excurs über Aegypten beziehen , weil in demselben
(22, IG, 12) das Serapeum zu Alexandria erwähnt und beschrieben
wird, das bereits im Jahre 391 n. Chr. niederbrannte; dieser Stelle
kann man natürlich erst dann Beweiskraft beilegen, wenn man
sich über den Ursprung derselben Rechenschaft abgelegt hat. (Vgl.
S. 32.)
Längere geographische Episoden, abgesehen V(m kleineren
eingestreuten Notizen finden wir an folgenden Stellen :
14, 4, 1 — 7 (Saracenen).
14, 8, 1 — 15 (Provinzen des Orients).
15, 4, 1 — 0 (Büdensee).
15 c. 9 — 12 (Gallien).
18 c. 9 (Amida).
22 c. 8 (Thracien und die rnnin/di des Punlus).
22 c. 15 — 16 (Aegypten).
23 c. G (l'crsien).
27, 4, 1 — 14 (die Ihraci.-ehen Provinzen).
31, 2, l — 25 (Ilnimen uuil Alanen).
Ehe wir uns min daran begeben, dieso Nachrichten Ammians
mit denen anderer Seluiftsteller zu vergleichen, um seinen Quellen
auf die S])ur zu kommen, musa zunächst die V«>rfrage entschieden
werden, ob wir überhaupt stets eino schriftlielie Quelle annehmen
•) S. 95: ' AnuiiianH I>arstoIluii|; de» I)r»iilenwo8üH8 (XV, 9) ist uiTcn-
loir uns vif! illteren (^iiolh-ii ponoiuiiuMi , welche «Ufflcicl» ilicjcnij^n
»Stnibo.s waren iiiul luit für il:i.s \ioit(> ,liilirlniii>li-rt giir koiiie (^ollung*.
Aiiiiiiiaii (l'i, '.*, '1) t'oltrt liier ncinlich ilciii ■rimii'»oii»'><. (\'irl. S. \'2.'\
4 V. (jardtlmnsen : Die geograiihitjchon Quellen AnimianK.
dürfen, was bei oinem Scliriftstellor von vornherein unwalirschein-
lich ist, der sich wiederholt auf seine Autoiisie beruft: 14, 4, {)
nos uidimus; 15, 9, G ({uod ctiam nos legimus; 22, 8, 1 uisa uel
lecta; 22, 15, 1 uisa pleraque narrantes; 23, 6, 21 anines, quo»
et transiuimus; 23, 0, 30 nosque uidimus; 27, 4, 2 quac uidisse
iiieniiniraus; 27, 4, 5 ut nunc cernimus. — I3ei der Beschreibung
der Hunnen ist eine schriftliche Quelle sogar höchst unwahrsclieiu-
lich. Wenn wir davon absehen, dass einige Züge*) dieser Schil-
derung den Berichten über Scythen und Massageten entlehnt sind, die
spilter (S. 47) noch genauer bebandelt werden müssen, finden wir in
den Worten Ammians durchaus keine Berührung mit älteren Schrift-
stellern. — Natürlich ist Amniian, der sein Werk wenige Jahre
später schrieb, nachdem die Hunnen in den Gesichtskreis der alten
Völker getreten, hier selbst Quelle; er theilt mit, was er ent-
weder selbst gesehen, oder was durch die Vermittelung von Kauf-
leuten und andern Mittelspersonen zur Kennfniss eines jeden ge-
bildeten Römers jener Zeiten gelangt war.
Auch in Bezug auf die Saracenen wird man kaum geneigt
sein, eine schriftliche Quelle anzunehmen, weil Ammian viel zu
lange im Orient gedient hatte, um nicht selbst der beste Beur-
theiler in dieser Angelegenheit zu sein, da er in jener Zeit un-
zählige Male als Freund oder Feind mit ihnen zusammentreffen
musste. Auch beruft sich Ammian gerade bei der Beschreibung
der Saracenen auf seine eigenen Erfahrungen :
14, 4, 6 et plerosque nos uidimus frumenti usum et uini
penitus ignorantes.
Er nennt die Saracenen als kriegs- und beutelustige Hülfs-
truppen der orientalischen Legionen 23, 3, 8; 23, 5, 1; 31, 16,
5 — 6 etc., als Feinde: 25, 6, 9. Zu diesem sachlichen Grunde
kommt nun aber noch ein sprachlicher. Ammian schildert die
Sitten der Sai'acenen fast mit denselben Worten wie die der Hunnen,
bei denen ihm, wie bereits bemerkt, ebenfalls keine schriftliche Quelle
vorliegen konnte.
14, 4, 3. 31, 2, 10.
Nee eorum quisquam aliquando Nemo apud eos arat nee stiuam
stiuam adprehendit uel arborem aliquando contingit.
colit aut arua snbigendo quaeri-
tat uictum.
sed errant semper per sjjatia orancs enim sine sedibus fixis
longe lateque distenta sine lare absquc lare uel lege aut ritu sta-
sine sedibus fixis aut legibus. bili dispalantur.
§ 4 uita est illis semper in fuga. semper fugientium similes;
§ 5 ut alibi mulier nubat alibi conceptus
in loco i^ariat alio natusque procul
liberosque procul educat et longius educatus.
*) 31, 2, 1 Ilunnornm gens nioniimentis ueteribus leuiter nota.
V. G'arilthaiisen: Die geographischen Quellen Ammians. 5
Was nun noch übrig bleibt von diesem Excurse ist wenig.
Um die Grenzen der Saracenen, ihr buntes Aussehen, ihre schnellen
Pferde und Kamele und endlich ihre Lebensweise kennen und be-
schreiben zu können, dazu brauchte man nicht einmal, wie Am-
mian, in Autiochia geboren zu t^ein und sich an den orientalischen
Feldzügen betbeiligt zu haben.
Grade wegen dieses Aufenthalts Ammians im Orient und zeit-
weise in Amida selbst, muss man auch die Episode über diese Stadt
auf Auuiiian selbst zurückführen. Man merkt jenem Bericht (18 c.
0) sofort an, duss er von einem Soldaten herrührt, der länger in
jener Festung gedient hat. Der Verfasser beginnt damit, dass
Conslantius diesen vorher unbedeutenden Ort zu einer Festung vun-
geschaffen habe, giebt dann kurz das militärisch Wichtige in der
Umgebung an und erzählt, dass sich im Innern der Stadt selbst,
unmittelbar unter der Citadelle eine warme aber trinkbare Quelle
befinde; und auch dieses ist wiederum von besondenn Interesse
für die Belagerten. — Dann nennt er die Legion, die ihr Stand-
quartier in Amida hat, und diejenigen, die nur für die Zeit der
Belagerung in die bedrängte Festung geworfen wurden. — Wenn
man nun bedenkt, dass Ammian die im Anfang des 19. Buches
geschilderte Belagerung Amidas selbst mit durchgemacht hat , so ist
die Annahme mehr als wahrscheinlich, Ammian folge hier über-
haupt keiner schriftlichen Quelle.
Auf Ammians dienstliclic Reisen sind schliesslich noch 2 Stellen
aus dem iOxcui s über Gallien zurückzuführen ; nemlich die unge-
mein anschauliche Scliilderung des Alpenübergangö 15, 10, 3 — 7,
die nur von einem Augenzeugen herrühren kann. Dass man Ammian
als solchen betrachten darf, crgiebt sich aus 15, 5, 24, wo er im
Gefolge des Ursicinus in gi'osscr Eile von Mailand nach Köln ge-
schickt wird, um den Aufstand des Silvanus im Keime zu er-
sticken, der sich soeben, durch die RUnke der Hofleute gezwungen,
zum Kaiser hatte ausrufen lassen.
Auf dieselbe Reise Ammians ist auch die sehr inlerebsante
Schilderung der Gallier (15, 12, 11) zurückzuführen. Die Her-
vorhebung der hohen und doch kräftigen Statur des Volkes, das
von den Catapulten entlehnte Bild (§ 1) und namentlich der ganze
§ .'{ verratheu den Ofllzier, der selbst jene Gegenden bereist hat.
Auch die Schihlcrung der Sitten und des Aeussern der ägypti-
schen Bevölkerung (22, Ki, 2.*{) wird man mit Sicherheit hierher
ziehen können, weil wir sicher wissen , da.ss .Vnunian in .\egypfen
gewesen ist: 22, 15, 1 uisa i»lerai[U(! narrantes.
Dasselbe gilt von den l'orsern23, (5, 75- -81, deren Bitten
und wahrscheinlich auch Sprache Ammian 80 gut kannte, dass er
kurz vor dem Einbruch des l'erserkönigs in diuj Herz des feind-
lichen Landes geschickt wurde (18, (5, 20—22), um seinem Fold-
herrn sicliere Nachriditen über die Küslungon und IMüne der Torscr
zu bringen.
0 V. fJardtliauBcn : Die gcograpbiBclicn Quellen AniraiaiiB.
Rchematisirto Geographie v. J. 340 — 350,
Wenden wir un.s nach diesen Vorbemerkungen zu dem ersten
grösseren Excurs iiljcr die Provinzen der orienlalisclien Diücese, so
finden wir ausser wenigen Notizen, diegleich nachher ''S.'15; besiirochen
werden sollen, fast keine liorührungspunkte mit erhaltenen Schrift-
stellern, und man ist insofern hier ungünstiger gestellt, al=i man
von Innen heraus und mit Innern Gründen opcriren muss, mit
denen, wie wohl ein Jeder zugeben wird, in vielen Fällen sich
nur ein grösserer oder geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit
erreichen lässt. — Hier sind wir jedoch in der glücklichen Lage,
die oft so schwierigen Fragen nach den Quellen und dem einheit-
lichen Charakter eines Excurses mit ziemlicher Sicherheit beant-
worten zu können, weil wir einen strengen Schematismus, der
sich auch sonst*) in geographischen Handbüchern nachweisen lässt,
genau durchgeführt finden. Das Schema nemlich , nach welchem
die ganze Episode gearbeitet wurde, ist folgendes:
1) Geographische Charakteristik der Provinz.
2) Fruchtbarkeit derselben.
3) Flüsse.
4) Städte.
5) Gründungen und alte Namen der Städte.
6) Geschichte der Unterwerfung einer Provinz.
1) Geographische Charakteristik.
§ 1 Cilicia spatiis porrigitur late distentis.
§ 1 eiusque lateri dextro adnexa Isauria (als Theil Ciliciens
in dessen Beschreibung eingeschoben).
§ 7 Commagena, nunc Euphratensis , clementer adsurgit.
§ 8 Dein Syria per speciosam interpatet diffusa planitiem.
§ 9 Post hanc acclinis Libano monti Phoenice.
§ 11 Ultima Syriarum est Palaestina per interualla magna pro-
tenta.
§ 13 Huic Arabia est conserta, ex alio latere Nabataeis contigua.
§ 14 Cyprum itidem insulam procul a continenti discretam et
portuosam.
2) Fruchtbarkeit.
§ 1 diues bonis omnibus terra.
§ 1 pari Sorte uberi palmite uiret et frugibus multis [1.
minutis].
§ 7 fehlt.
§ 8 cui non certauerit alia aduecticiis ita adfluere copiis et in-
ternis (speziell auf die Hauptstadt bezogen).
*) Moses von Korene arbeitete z. B. nach fol tuendem Schema : 1) Cha-
raliteiistik des Landes. 2) Umgrenzung:. 3) Eintheilung. 4) Stämme und
Städte. 5) Berge. 6) Flüsse. 7) Inseln. 8) Fruchtbarkeit. — Auch die
Totius orbis descriptio (Müller, Geogr. min. II p. 5i:i) ist schematisirt.
V. Gardthausen: Die geographischen Quellen Ammians. 7
§ 9 regio plena gratiarum et uenustatis.
§ 11 cultis abundans terris et nitidis.
§ 13 opima uarietate commürciorum.
§ 14 Tanta tamque multiplici fertilitate abundat rcruna omni um
— — instructana mari coramittat.
3) Flüsse.
§ 1 quam (sc. Isauriam) mediam nauigabile flumen Ca-
lycadnus interscindit.
§ 3 Ciliciam ucro, quae Cydno amne exultat.
§ 7 fehlt.
§ 8 fehlt, weil der Orontes zu Phönice gerechnet ist.
§ 10 Has autem prouincias (sc. Phoenicen et Syriam), quas Oron-
tes ambiens amnis, imosque pedes Cassü — in Parthe
nium raare.
§ 12 In his tractibus nauigerum nusquam uisitur flumen —
multiplicium mcdelarum.
§ 13 ) fehlt, weil sich weder in Arabien noch auf Cypern Flttsse
§ 14 1 finden.
4) Städte.
§ 2 Et hanc quidem praeter oppida multa duae ciuitates
exornant — admodum pauca.
§ 3 Ciliciam uero Tarsus nobilitat et Mopsuestia.
§ 7 Hierapoli uetere Nino et Samosata ciuitatibus aniplis in-
lustris.
§ 8 hanc nobilitat Antiochia et Laodicia et Apamia
itidemque Seleucia — florentissimae.
§ 0 urbibuö decorata raagnis et pulchris, in quibus amoenitate
celebritatequo — saeculis condita priscis.
§ 1 1 et ciuitates habens quasdam egregias — Ascalonem aeuo
superioro exstructas.
§ 13 castrisquo oppleta ualidis et castellis — murorum firuiitHto
cautissimas.
§ 14 inter municipia crcbra urbes duo faciunt clarani Salamis
— tcmplo insignis.
5) Gründungen und alte Namen der Stftdtc.
i^ 2 Seleucia opus Seleuci regia et (.'laiidii^polis, quam ».•(iuMl
coloniam Claudius Caesar.
§ 3 Ciliciam Tarsus nobilitiit urbs per.spicabilis; hanc coudidisso
— uir opulentus et nubilis.
Anazurbus auctoris uocabulum rcterons.
Mopsuestia uatis illius domicilium .Mopsi.
t^ 7 Commagena, nunc Kuphratousis
Hierapoli uetero Nino.
t:; 0 Kmissa et Damascus saeculis conditae prisüis.
8 V. GartUhauBen : I>ic geographischen Quellen AnmiianH.
i^ 11 Caesarcuiii, (inairi ad honorem üctauiani )>rincij>i.s cxaedi
ficauil llerodus.
Ascalonoiii, (»azaiii aeuo superiore exslriicta«.
(i) (Joschiclitü der Unterwerfung-
§ 4 liae duae jirouineiae bello fjuondaiii j)iratico — — factae
sunt iicctigales.
§ 7 fehlt.
i^ 10 Has autcm prouincias (sc. Syriam et Phoenicen) — —
Cn. Pompcius superato Tigrano regnis Armeniorum ab-
ytractas dicioni Koinanac coniunxit.
§12 uerum has quocjue regioncs pari sorte Porapeius — —
iurisdictione formauit.
§ 13 haue prouinciao inposito nomine rectoreque adtributo ob-
teraperare legibus nostris Traianus conpulit inipcrator.
§ 14 Nee piget diccre auide raagis hanc insulam populum
Romanum inviasisse quam iuste. Ptolomaeo enim rege —
aduectae sunt per Catonem.
Von der ganzen Episode über die orientalischen Provinzen blei-
ben also nur die Worte (§ 4) : Et hae quidem regiones — (§ 6) (juae
eis Assyria lingua institutores uetcres indiderunt. Davon wird
man die Worte § 5 quam plagam Nicator Seleucus — § 6 insti-
tutores ueteres indiderunt, die von den zahlreichen Stadtgrün-
dungen des Seleucus handeln, ungezwungen dem Verfasser des
ganzen Kapitels zuweisen, der in demselben die Gründungen der
einzelnen Städte mit so grosser Sorgfalt registrirt hat. — Aus
demselben Grunde darf man auch für den kleinen noch übrigen
Itest (§ 6) keinen andern Verfasser suchen; er enthält nichts als
die Umgrenzung der orientalischen Provinzen , die nachher genauer
beschrieben werden.
Anunian folgte also 14, 8, 1 — 15 einer einzigen Quelle; sein
Gewährsmann , der nach einem strengen Schema Provinz für Pro-
vinz besprach, war ein Römer; das ergiebt sich aus den Worten
§ 15 rege foederato nobis et socio. Ammian selbst fühlte sich
nemlich stets als Grieche 31, 16, 9 Haec ut miles quondam et
Graecvis pro uirium esplicaui mensura; wenn er trotzdem
an einigen Stellen scheinbar auch sich selbst als Römer bezeichnet,
so hat dies niemals einen andern Sinn, als den eines Unterthans
des Imperium romanum, das Römer und Griechen in gleicher Weise
umfasste; nur wenn er einer römischen Quelle folgt, lässt er zu-
weilen (22, 9, 7 diTO TOÖ TreceTv, quod cadere nos dicimus) die
erste Person Pluralis stehen, auch wenn er, genau genommen,
sich als Griechen nicht einschliessen kann.
Wichtig für die Bestimmung der Nationalität ist auch der
Umstand, dass der Geograph die für seine sechste Rubrik nö-
thigen historischen Daten lateinischen Schriftstellern d'. h. den Fort-
setzern und Excerptoren des Livius entlehnt hat.
V. Gardthausen: Die geographischen Quellen Ammians. 9
Einigen Anhalt für die zeitliche Fixirung dieses Geographen
bietet die Notiz über die syrischen Provinzen, zu denen als ultima
Syriarum auch Palästina gerechnet wiu'de. Diese Theilung der
Provinz stammt vom Kaiser Hadrian; vgl. Becker- Marquardt IIT,
1 S. 105:
„Grade diese ungewöhnliche Zunahme der Stadt (Äntiochia)
soll , ausser der Vergrösserung der Provinz überhaupt den Kaiser
Iludrian zu der Theilung Syriens bewogen haben, nach welcher
dasselbe in drei Pi'ovinzen zerlegt wurde, nemlich I. Syria, II. Syria
Phoenice, III. Syria Palaestina".
Als dagegen Ammian seine Geschichte schrieb, war Syrien
bereits in noch kleinere Theile zei-legt; vgl. Becker -Maniuardt
a. a. 0. S. 200:
„Am Ende des vierten Jahrhunderts zerfiel Syrien in noch
kleinere Theile, nemlich 1) Syria prima, 2) Syria secunda, 3) Phoe-
nicia prima, 4) Phoenicia secunda, 5) Palaestina prima, 6) Palae-
stina secunda. Die siebente Provinz Palaestina tertia — — war
aus der frühern Provinz Arabia gebildet".
Doch wir haben sogar die Mittel, diese allzuweiten Schran-
ken näher aneinander zu rücken. Der von Ammian behandelte
Complex von Provinzen entspricht genau der orientalischen Diö-
cese des von Mommsen (Abhandl. der sächs. Gesellsch. d. Wiss.
Bd. II 18.07 S. 255) herausgegebenen Provinzialverzeichnis-ses, und
diese Eintheilung ist bekanntlich nicht älter, als das 4. Jahrhundert.
Auf den ersten Blick könnte es ferner scheinen, dass das Fehlen
der Provinz Suphanene von entscheidender Wichtigkeit für die Zeit
der Abfassung unseres Provinzialverzeichuihses sein müsse, da die-
selbe erst 3G3 von Kaiser .fovian abgetreten und wie Älommsun
(a. a. 0. S. 257) vermuthet, bereits 384 im Frieden mit Sapor
wiedergewonnen wurde. Will man aber diese Handhabe erfassen,
so schwindet sie vor unscrn Augen; denn, was Mommsen über
die Not. dign. und den Hierokles sagt (Abhandlungen der Berl.
Akademie 1862 S. 502), gilt auch für Ammian: 'dass Sophaneno
wie in der Not. dign. und bei Hierokles so auch in dem Vero-
neser Verzeichniss fehlt, während das iles Silvius die Landschaft
aufführt, winl wohl daher rühren, dass sie nicht als eigentliche
römische Provinz betrachtet ward, da ihr Vorsteher den Titel
satrapa führte'. Es bleibt uns dalior nur übrig zu conatatiron,
dass die kurz nach 3HJ eingerichteten Provinzen Palaestina se-
cunda, Phoenice Libani und Syria sidularis dem .\nimian noch
nicht bekannt .sind. •
Wenn wir nun das eben gefundene Schema auf die anderen
geographischen Kxcurse übertrugen wulleu, so stossen wir gleich
bei den niiclisten über (Jallien, Aegypten und die PontuslUuder
auf unübersteigliclie Schwierigkeilen; keiner dieser Excurse ist nach
dem Schema gearbeitet; es ist dies der beste Beweis, diu^s nicht
10 V. G'ardthauscn: Die geographiHchcn Quellen Aminians.
cLwa Amniiun dasselbe erdacht oder zu Grunde gelegt hat, son-
dern bereits eine schematisirto GeoL^raphie vorfand, die er bei ein-
zelnen T'rovinzen wahrscheinlich fast wörtlich ausgeschrieben.
Diese Geographie hat nicht nur das römische Reich , sondern
die ganze damals bekannte Welt uinfasst; denn Ammian hat der-
selben die sehr ausführliche Beschreibung l'ersiens entlehnt (23,
G, 1 — 88); man sieht sofort, dass sie nach dem bekannten Schema
gearbeitet ist.
1. Geographische Charakteristik.
§ 15 Citra omnos propinqua [1. prouincias] est nobilis [nobis
uulgo.] Assyria celebritate et magnitudine.
§ 20 Intra hunc circuitum Adiabene est, (Als Theil As-
syriens in dessen Beschreibung eingeschoben.)
§ 25 Hie prope Chaldaeorum est regio.
§ 26 His tractibus Susiani iunguntur.
§ 27 At in laeua Media confinis Hyrcano panditur mari
§ 28 Harum terrarum incolae — § 29 Coroni quoque
montis altissimi 2>artem habitantes occiduam.
§ 41 Per tractus meridianos — Persis habitatur antiqua.
§ 43 His propinquant Parthi — niuales terras et pruinosas.
§ 45 Quibus ab orientali australique plaga Arabes beati con-
terminant. Vgl. auch § 46.
§ 48 Carmania maior uerticibus celsis erigitur adusque Indicum
pertinens mare.
§ 50 Interius uero pergenti occurrunt Hyrcani, quos eiusdem
nominis adluit mare.
§ 54 — — Margiani omnes paene collibus altis undique cir-
cumsaepti, ideo a mari discreti.
§ 55 Proximos his limites possident Bactriani,
§ 59 sub imis montium pedibus quos appellant
Sogdios. (Vgl. die Anmerkung von Valesius zu dieser
Stelle).
§ 60 His contigui sunt Sacae natio fera squalentia incolens loca.
§ 61 Circa defectus et crepidines montium quos Imauos et Apu-
rios uocant — tangentes extremum.
§ 64 Ultra haec utriusque Scythiae — ambiunt Seras.
§ 65 Hanc itaque planitiem — situ distentas.
§ 69 Ariani uiuunt post Seras, boreae obnoxii flatibus.
§ 70 His locis Paropanisadae sunt proximi — ipsi quoque mon-
tium defectibus inclinati.
§ 71 Antedictis continui sunt Drangiani collibus cobaerentes.
§ 7^ Post quos exaduersum Arachosia -aisitur — Indis obiecta.
§ 73 At in penitissima parte Persidos — contingens Indorum.
2. Fruchtbarkeit.
§ 15 et multiform! feracitate ditissima.
§ 20 fehlt, weil § 15 sich auf Adiabene bezieht.
V, Gardthausen: Die geograpbiscLen Quellen Aramians. 11
§ 25 et ai'ua cultorum industria diligentius rigans uoraeri et
gignendis arbustis habilia facit.
§ 26 fehlt.
§ 29 frumentariis agris adfliumt etuinariis, pingui tecunditate
laetissimi.
§ 41 minutis frugibus diucs et palmite.
§ 43 colentes niuales terras et pruinosas.
§ 45 quod frugibus iuxta et fetibus — sunt locupletes.
§ 48 fructuariis arboreisque fetibus culta.
§ 50 apud eos glebae macie internecante sementes, ruris colendi
cura est leuior — § 51 ad plantandum.
§ 54 et quamquam pleraque sunt ibi deserta.
§ 56 sed humi gignentium fertiles — conpactis et ualidis.
§ 59 fehlt ; Lücke im Text.
§ 60 solo [1. soli] pecori fructuosa.
§ 61 adsueti uictu uili et panpertlno.
§ 64 ubertate regionum et auiplitudine circumspectos. — —
§ 65 dispar est tractuum Ingenium. — § 66 Incolunt
autem fecundissimam glebam.
§ 69 fehlt.
§ 70 fehlt.
§ 71 fehlt.
§ 72 fehlt.
§ 73 fehlt.
3. Flüsse.
§ 15 Cuius alueo Tigris uoratus — euiergit.
§ 20 quod intcr Onam et Tigridcm sila, nauigcros tluuios.
§ 25 Perfluunt autem — insulasque circumfluens.
§ 26 fluuii uero multi — multitudiuem iuundantes.
§ 29 lluminibus fontiuraque uenis litjuidis locupletes.
§ 40 amnes has rcgiones praetereunt — delabitur uiare.
§ 41 amnos quippo multi — atque Bagiada.
§ 43 (luorum regioncs Choadres lluuius — abundantit^r.
§ 46 aquaruimiue suajite natura — multitudo perspicua.
§ 48 lluminibus tarnen ipsa <|U0(iuc - § 49 et Hydriacus,
§ 52 hie amnes duo — Oxus et Maxera.
§ 51 a({uarum penuria.
§ 57 et ad Italiao speciem — inmania üxi lluenUi.
§ 59 inter quos amnos dim llumU — longe«[ue diffusam.
§ 60 fehlt.
§ 63 inter fliiiiiimi iicro multa -- vi Talicus.
§ 65 duo fiiniosi nominis ilumina porcurrunt.
i? 69 ipiorum terms amnis - eodom uocabulo dictil;ttum.
§ 70 quos rosiduis omnibus — a Ihictrianis ex.surgen.'<.
§71 Arabium nomine — quod indo exoritur.
4j 72 quam ab Iiido paludom Arachotoscronon appellatani.
\2 V. fliirdtliaubcn : Die ^cographiecbcn (^ufllen Amiuians.
§ 73 inier minores alios Aialdu ubcrior fluiuine — nomina
ruagniiudino |io(iüri,s.
1. Släcltc.
... § 22 In licic Adialiono — Mario prudtraiiil.
§ 23 In omni autera Assyria — opus Nicatoris Seiend.
§ 25 fehlt.
i^ 26 apud quos non niulta sunt oppida — et obscura.
v^ 31 abundant acfpic ciuitatibus — multitudine incolaruin.
v; 39 Per hacc loca ciuitatcs — sitae Syromedtirum.
^;^ -12 oppida uero — atquo Tiagonicc {■ — et Alexandria).
i^ '13 et haec i)Otiüra residui.s sunt — et Hccatorapylo.s.
§ 46 iibi et stationcs — et decora • § 47 Ac licet abun-
det urbibus — raaximum esse dicitur templuni.
§ 49 Sunt etiam ciuitates — et Heraiupolis.
§ 52 habent etiam ciuitates — bis nobiliorem Hyrcanani.
§ 54 sed Jasonium et Antioohia et Nisea sunt aliis
notiora.
§ 58 sunt et hie ciuitates — nationis est institutum.
§ 50 hie inter alia oi^pida celebrantur — metropolis.
§ 60 ideo nee ciuitatibus culta.
§ 63 ciuitates autem non nisi tres solas — et Saga.
§ 66 urbibus licet non multis — nitidae sunt et notissimae.
§ 60 abundat autem haec eadem Aria oppidis — et Alexandria.
§ 70 habent autem etiam ciuitates aliquas — Ortospana.
§ 71 Interque alia duobus municijiiis — et clai'is.
§ 72 hie quoque ciuitates sunt — et Arbaca et Choaspa.
§ 73 ciuitates autem etiam hie sunt — residuis aestimantur.
Man findet also in der Beschreibung Persiens dieselben Ru-
briken wieder, wie im Excurse des 14. Buches, allerdings aber
nicht so vollständig ; das hat aber seinen Grund im Material selbst.
Die letzte Rubrik : Unterwerfung einzelner Provinzen durch die
Römer musste natürlich wegfallen , weil diese persischen Provinzen
niemals zum römischen Reiche gehört haben. — Statt dessen finden
wir 23, 5, 2 — 9 Notizen über die Entstehung des Perserreichs
seine Unterwerfung durch Alexander und seine Kämpfe mit den
Römern. Ja sogar in einzelnen Ausdrücken stimmt dieser Ab-
schnitt mit zwei andern überein (27 c. 4 und 15, 12, 5 — 6) die,
Avie sich später zeigen wird , auf dieselbe schematifürte Geogi'aphie
zurückgeführt werden müssen. An beiden Stellen werden die re-
publikanischen Consuln erwähnt 23, 6, 9 sub cousulibus = 27,
4, 10 dum consulare uigeret Imperium*). — Derselbe Schrift-
steller, der 14, 8, 15 eingeräumt, dass die Römer ohne einen
*) Auch 15, 12, 6 Avaren die republikanischen Consuln erwähnt;
man kann nemlich mit Sicherheit die Lücke jener Stelle ausfüllen:" Ser.
Sulpicio [et] M. Marcello consulibus nach einem Fragment des Sallust.
Vgl. meine Coniectanea Ammianea S. 9.
V. Gardtbausen: Die geographischen Quellen Amraians. 13
Schein des Rechts Cypern besetzt hätten, räumt hier ein, dass
sie zu wiederholten Malen von ihren Gegnern besiegt seien 23, G,
9 paribusque momentis interdum aliquotiens superatae non
numquani abiere uictrices = 27, 4, 11 post procinctus ancipites
= 15, 12, 6 post decennalis belli mutuas clades; und endlich
ist an diesen Stellen, ebenso wie 14, 8, 15 (vgl. S. 8) stets ein
Nationalröm er gemeint, wenn von nos oder noster die Rede
ist: 23, G, 0 nobiscum hae nationes dimicarunt. 27, 4, 11 in di-
cionem uetcrum transiere nostrorum. 15, 12, G societati nostrae etc.
Man kann also nicht nur die Paragraphen 2 — Ü auf dieselben
Quellen zurückführen, wie die Hauptmasse der Episode über
Persien, sondern wir dürfen sie auch mit einiger Sicherheit als
einen Ersatz betrachten für die fehlende sechste Rubrik. — Auch
die fünfte über Gründung und alte Namen von Städten ist, wie
man zugeben niuss, schwach vertreten. — Auch dies hat aber
wieder einen sachlichen Grund. In Griechenland nemlich und siiä-
ter auch in dem ganzen römischen Reiche hatten besonders die
Gründungssagen die Phantasie der Gelehrten und des Volks be-
schäftigt; den persischen Städten aber wagte man weder einen
griechischen noch trojanischen Ursprung anzudichten; auch muss-
ten natürlich die persischen Namen den Griechen und Römern
unverständlich bleiben, und dalier war die Möglichkeit abge-
schnitten , aus der Etymologie des Namens ätiologische Diutungen
und Mythen zu erfinden. Dennocli kann man nicht sagen, dass
die fünfte Rubrik gänzlich fehle; Ammians Quelle giebt nendich
die erforderlichen Notizen für Ninus, Assyrien, Seleucia, Apaiuia,
Adiabene, Ctesiphon, Cyrus etc.
Sehen wir uns nun, nachdem wir den grösstcu Theil der
Episode über Persien auf die schematisirte Geographie zurückge-
führt haben , um , ob wir auch von dem Rest noch einzelne
Theile für dieselbe in Anspruch nehmen können. Dass die §§ 10
— 12, auf die wir übrigens später noch genauer eingehen mü.ssen,
einen ganz andern Charakt<3r tragen und nicht nach dem Schema
gearbeitet sind, leuchtet sofort ein ; dagegen sind die §{5 13 und
14 organisch mit dem Folgenden verbunden. § 13 stellt der
Scln-iftsteller mit klaren Worten seinen Vorwurf hin und grenzt
ihn ab; § 14 entwirft er mit wenigen Zügen die Skizze und 4? 15
begiebt er sich an die Ausführung derselben. — Mit § 13 giobt
Ammians Quelle die geographische IJegrenzung der zu besprec hen-
drn Provinzen, in gleicher Weise, wie sie es auch 14, 8, 5 go-
than, und wie sie» es an allen Stollen thuii wird, wo wir ihre
Spuren mit Sicberhcüt nachweisen können. Dass ferner die kurze
Aufzählung der persischen Provinzen (i; 14) auf dieselbe Quellu
zurUckzufüliren ist, wie die detaillirte Heschrcibnng derselben, er-
giebt sich mit der grössten Sicherheit daraus, da.s3 beide in letzter
Instanz auf die Geographie des Ptoleniäus zurückgehen (vgl. Cun-
iectanea .Vuimianea S. 35). Mit der einleitendin i'hru^e ' utque
14 V. OardthauBcn: Die geographiechen Quellen Aiuiiiiaus.
^fcof,'r;ipliici stili Ibrmarunt' wird der Ueljergang von der einen
Quelle zur andei'n sehr passend liervor<,a'hoben.
Während der § IG, auf den wir später zurückkommen müssen,
immerhin aufgefasst werden kann als eine spezialisirte Ausführung
des voraufgoschickten 'multiformi feracitatc ditissima' gilt die«
durchaus nicht in gleicher Weise von den §§ 17 — l'J; diese können
in der schcmatisirten Geographie keinen Platz gefunden haben,
sondern sind wahrscheinlich einem Paradox ograjdien entlehnt, dessen
Spuren sich auch sonst beim Ammian nachweisen lassen, nament-
lich in den eingelegten und ziemlich willkührlich erdachten Reden
und Briefen. 27, 6, 12 erzählt Ammian übereinstimmend mit dem
Paradoxographen (ed. Wettermann CLXVIII 182), es sei möglich,
in Winter iJonau und Rhein auf dem Eise zu passiren. 17, 5, 7
lilsst er den Sajior die wundei'bare Kluglunt der Biber rühmen.
23, 6, 82 bezweifelt er die wunderbare Nachricht, dass die un-
gerechten Richter in Persien geschunden würden, und ihre Nach-
i'ulger auf der Haut sitzen mussten.
Andere 0au)ndcia äKOUcjuara konnte Ammian der chorographia
Pliniana entlehnen; 23, 6, 67 — 68: über den Handel der Serer
mit der Aussenwelt, 22, 15, 17: über den Waffenstillstand der
Crocodile (22, 15, 22), die Schlauheit der Plusspferde so wie über-
haupt alle Fabeln über das Wunderland Aegypten.
Auch die wunderbare Ursache der imter L. Verus (23, 6, 24
vgl. Euseb. i. a. 2185) den ganzen Orient verheerenden Pest hat
Ammian wahrscheinlich demselben Paradoxographen entlehnt.
Bei den § 20 — 21 können wir deutlich scheiden, was Ammian
aus seiner Quelle geschöpft und was er selbst hinzugefügt hat.
Die ersten Sätze bis zu den Worten 'et ueteres quidem hoc arbi-
trantur', gegen die er polemisirt, geben die Auffassung seines Ge-
währsmannes wieder; seine eigene Auffassung leitet er mit den
Worten ein: nos autem id dicimus; und um dieselbe zu bekräfti-
gen, zieht er analoge Fälle heran , theils aus seinem eigenen Werk
(22, 15, 3 Aegyptus; 23, 6, 72 India; 14, 8, 7 Commagene)
theils aus der chorographia Pliniana.
Sol. ed. M. p. 117, 5 Am Marc. 23, 6, 21
Hiberus toti Hispaniae nomen itidemque Hiberia ex Hibero
dedit, Baetis provinciae: uterque nunc Hispania, et a Baeti amne
nobilis insignis prouincia Baetica.
Woher die daran sich schliessenden §§ 32 — 36 stammen, wird
sich erst später mit Sicherheit ermitteln lassen. Die Aehnlichkeit mit
einer entsprechenden Stelle beim Agathias II 24, auf welche Linden -
bruch aufmerksam macht, ist nicht gross genug, um auf eine gemeinsame
Quelle schliessen zu lassen. — Die nun folgenden §§ 39 — 43 sind,
wie oben gezeigt wurde, nach dem bekannten Schema gearbeitet;
um so mehr fällt es daher auf, wenn wir § 43 plötzlich den
Quellenschriftsteller oder auch Ammian selbst nach Stadien rechnen
sehen; und diese Stelle steht nicht etwa vereinzelt da; derai-tige
V. Gardthausen : Die geographischen Quellen Animians. 15
Angaben wiederholen sich § G9, 70, 74, ohne dass man dieselben,
wie so vieles Andere auf den Ptolemäus zurückführen könnte,
und werden später (S. 37) in anderem Zusammenhange betrachtet
das Auffallende verlieren. Dasselbe gilt vom § 44, der sich un-
mittelbar an die Stadienangabe von § 43 anschliesst.
Mit dem § 74 endet das der schematisirten Geogi'aphie Ent-
lehnte. Die nun folgenden kulturgeschichtlich und ethnographisch
sehr interessanten Nachrichten über die Perser verdanken wir wahr-
scheinlich dem Ammian selbst, der Land und Leute und sogar die
Sprache der Perser kannte, wie wenige gebildete Römer jener
Zeiten. — § 84 macht er einen sehr gewagten Uebergang mittelst
der gelehrten Notiz, dass die Lyder erst nach Crösus Perlen zu
tragen gelernt hätten, um dann mit einem kleinen Excurs über
Entstehung und Fundort der Perlen zu schliessen, den er der
chorographia Pliuiaua entlehnt hat. (Solin ed. M. jtraef. p. XXVI).
Sehen wir uns nun um, ob wir die bisher so deutlichen
Spuren jenes Geographen, den Ammian ausschrieb, noch weiter mit
Sicherheit verfolgen können, so finden wir dieselben gleich in dem
nächsten Excurse über Thracien wieder (27, 4, 2 — 14). Auch
dieser Piovinzencomplex entspricht genau der Diöcese Thracien in
den von Mommsen publicirten Provinzialverzeichnissen (Abb. der
Sachs. Gesellsch. 1857 p. 254 und Abb. der berl. Akademie 18G2
p. 507), wie dies bereits bei der Besprechung der orientalischen
Provinzen (14, 8, 1 ff.) S. 9 hervorgehoben wurde; auch hier
nennt Ammian die Provinzen Thraciens genau in der Reihenfolge
der Provinzialverzeichnisse, nur dass er Thracia secunda durch
Haemimontus ersetzt*). Hier wie dort bildet also die Grundlage
dasselbe Provinzialverzeichniss, das Ammian jedoch nur indirect
benutzt hat.
Ebenso wie 14, 8, 4 — 5 und 23, G, 13 wird zunächst die
geographische Begrenzung angegeben und dann folgen die ein-
zelnen Rubriken, wenn auch mit Auswahl, unverkennbar tritt
uns zunächst die sechste Rubrik entgegen in den §§ 10 — 11, wo
sämmtlicho Feldherrn der Römer genannt werden, welche die
wilden tlirucischen Völker.schaflen unterworfen haben. — Dass
in den §§ 12 — 1.3 die 4. und 5. Rubrik vcn-ini-'/t ^ind, erkennt man
besonders daraus, dass nicht nur die Städte der thraii>fhfn
Provinzen hergezählt sind, sondern dass auch ihre Grümlungs-
geschichten und früheren Nanu-n erwähnt werden § 12 Philippo-
polis Dumolpias uetus. — Madrianopolis, ijuae dicebatur Uscu-
dama. — Marcianopolia a .sorore Traiani principis ita eognominat«.
IV-rinthus, i|uaiu Ib-nubMiu jxisteritas dixit. - J? 13 Ai'uus
*) Darin Hliiiuiit Amminii mit «Kmii Veruiicaor Verceieliniüfl (n. a. O.
507), iloiii hreviiiriuin (Iom Itufii« KohIiim und der Nut. dij^n. ühoroiii, wUh-
rcMid Kiifii!« l'\-.stu!t nliwi-iclicnd von Aiiiniiaii und dmi Andern die Ord-
nung vuti l''tMl>|lll lIMll K'llil>li))lU VfitllM i'llt.
16 V. Gardthausen : T>io geographischen Quollen Animi.uis.
fpia coniliia et r(;licta Acneas Ttaliam — post diuturnos occupauit
errores. —
So lässt sidi also aus dci' Episode ülicr Thracien die Mitte
§ 5 — 115 auKSclioiden und aus der bekanutcn Quelle aUleiten;
während Anfang (§ 2 — 4) und Ende (tj 14) einen durchaus
fremdartigen Charakter zeigen, —
Auch bei der Beschreibung Aegyp tens hat An iniian wieder
einen Theil der scheniatisirten Geographie und also indirect dem
schon öfter erwähnten Provinzialverzeichnisf-e entlehnt; die nam-
haft gemachten Provinzen entsprechen genau der 10. Diöcese ob-
gleich die Reihenfolge etwas verändert ist.
Veroneser Verz. v. Amm. Marc. 22, 10, Nomina prouinciai'um
J. 297 1— G. ed. M. p. 25G
.'5 Thebais § 2 Thebais 104 Thebaida
5 Aeg. Herculia § 3 Augustamnica 103 Augustamnis
1. Libya superior § 4 Libya pentapolis lOG Libya pentapolid
1'. Libya inferior § 5 Libya siccior 105 Libya sicca
4 Acgyptus Jovia § G Aegyptus ipsa 102 Aegyptus ipsa
107 Arcadia
Wie wir oben gesehen, dass unser Provinzialverzeichniss vor
381 verfasst, so ist hier der Schluss erlaubt, dass es nicht älter
ist als 342, denn der Name Augustamnica wird zuerst gebraucht
in einem Erlass dieses Jahres Cod. Theod. 12, 1, 34. Dass Am-
mian die neueingerichtete und nach dem Sohne des Theodosius
benannte Provinz Arcadia noch nicht kennt, erklärt sich wohl
aus der Zeit seines Gewährsmannes, während Ammian selbst diese
Provinz wahrscheinlich schon kannte. Vgl. Mommsen a. a. 0.
S. 258*):
' 5. Es kommen die beiden von Theodosius L Söhnen be-
nannten Provinzen Arcadia und Honorias vor, von denen die letztere
auf jeden Fall jünger ist als Honorius Geburt 384, wahrscheinlich
auch jünger als seine Erhebung zum Augustus 393'.
Auch bei dem Excurse über Aegyjiten finden veir ebenso, wie
bei dem letzterwähnten über Thracien nur die wichtigeren drei
letzten Rubriken 22, IG, 1 — G und die geographische Begrenzung
des Landes (22, 15, 2 — 3). Wiederum ist hier mit der 4. die
5. Rubrik vereinigt:
§ 2 Antiuou [sc.polin], quam Hadrianus in honorem ephebi condidit
§ 3 Pelusium, quod Peleus Achillis pater dicitur condidisse
§ 4 Cyrene, quam Spartanus condidit Battus
Berenice, quas Hesperidas appellant. — -
Den Schluss der ganzen Episode endlich bildet die G. Rubrik ;
22, 16, 24 giebt Ammian eine Zusammenstellung verschiedener
historischen Notizen darüber, wie und wann die einzelnen Pro-
vinzen der römischen Herrschaft unterworfen wurden.
") Vgl. auch Abhandl. der Berliner Akademie 1862 S. 500,
V. Gardthausen : Die geographischen Quellen Ammiana. 17
In ähnlicher Weise lässt sieb aus dem Excurse über Gallit-n
(15 c. 9 — 12) ein Kern herausschälen, welcher denselben Ursprung
verräth. — Die Grundlage für die Aufzählung der Provinzen und
Städte (15, 11, 7 — 15) bildet wieder das bekannte Provinzial-
vcrzeichniss , das wir genau übereinstimmend in seiner älteren
Fassung beim Ammian und in dem Veroneser Verzeichniss vom J. 297
finden, in seiner jüngeren Gestalt dagegen in dem libellus prouini-
carum (ed. M. p. 252)
Am. Marc. 15, 11. 7 ff. Nominaprouinciarumed.M. p. 252
§ 7 Germania secunda 26. Germania secunda
§ 8 Germania prima 27. Germania prima
§ 9 Belgica prima 24. Belgica prima
§10 Belgica secunda 25. Belgica secunda
§11 Sequani 32. Maxima Seriuanorum
128. Lugdunensis prima
29, Lugdunensis secunda
30. Lugdunensis tertia
31. Senonia
§12 Alpes Graiae et Poeninao 33. Alpes Graiae
j20. Aquitania prima
§ 13 Aquitania (21. Aquitania secunda
§ 14 Nouem populi 22. Nouem populi
o tc, -KT 1 • (18. Narbonensis i>rima
ii 12 Narbonensis Un xt i ■ i
(19. Narbonensis secunda
Viennensis 17. Viennensis
§ 15 [Alpes maritimae] 23. Alpes maritimae
'Im vierten Jahrhundeii; zerfiel Gallien in 14 Provinzen, deren
Entstehungsgeschichte ganz unbekannt ist', sagt allerdings W.
Becker-Marquardt III S. 90; dennoch lassen sich wenigstens einige
Provinzen zeitlich (ixiren (vgl. Älommsen a. a. 0. S. 2r)7). Die Ein-
richtung der Provinzen Narbonensis II, Lugdunensis ITI und Senonia
muss nach 309 erfolgt sein, weil Rufus dieselbe noch nicht kennt
und die Narbonensis wurde erst um 381 in zwei Theile zerlegt. —
Einen tenninus a quo gewinnen wir durch die von Ammian er-
wähnte Provinz Maxima Se(|nanoruni*), dieselbe kommt nemüch
zuerst unter Diocletian im .Jalire 294 vor (vgl. Höcking Not. Dign. II
p. 170 IT.) Diese allerdings nicht sehr prä<isü Fixirung stimmt
viillkomnien überein mit dem früher Gefundenen; es ist dasselbe
Verzeichniss, welches stet.s die Grundlage der schematihirten Geo-
graphie bildete; deren 4. und 5. Kulirik in 15, 11, 7 — 15 wieder-
zuerkennen sind, während tüi' fi. den Schlu8.s des Ganren bildet
(15, 12, 5-G).
Natürlich ist eine so schematisch angelegte .\rbeit wie die
Thoilo Ammians sind, die wir soeben ausgeschieden, wenig f^i?-
*) Dii'HO Provinz winl si-lum crwiiliiit im Vi^ronosor I'rovin/.iulvcr-
zcichni«« vom .Inliro 2'.t7 ; vi^l. A!)han(ll der I?. rl Ak.ulomii' ISß'i S Ml
18 V. Gardthauson: Die gcographiächen Quellen Ammians.
eignet, Vertrauen einzuflösaen ; dem Verfasser war der feststehende
Rahmen einmal gegeben, den er mJiglichst vollständig auszufüllen
suchte, und nur an wenigen Stellen ist er gewissenhaft genug,
einzugestehen, dass sein fJewährsmann ihn im Stich lässt, und ihm
die Mittel fehlen, die betreffende Rubrik auszufüllen; meistens
unterdrückt er dieselbe oder ergänzt nach eigenem Ermessen.
Da derselbe also stets nur den Werth seiner Quelle hat, so muss
es natürlich unsere näcostc Aufgabe sein, diese genauer zu unter-
suchen.
1 . P r 0 V i n z i a 1 V e r z e i c h n i s s. Bereits im vorigen Abschnitte,
als wir den Umfang jener schematisirtcn Geograi)hie festzustellen
suchten, so weit dieselbe uns beim Ammian erhalten ist, sahen
wir deutlich die Spuren der Benutzung eines Provinzialkatalogs,
ähnlich dem von Schonhoven und neuerdings von Mommsen heraus-
gegebenen; nur muss der beim Ammian benutzte allerdings etwas
ausführlicher und vollständiger gewesen sein; bei jeder Provinz
wurden nicht nur die wichtigsten Städte, sondern wahrscheinlich
auch die Hauptstadt (metropolis) genannt. — Man macht sich am
Besten ein Bild davon, wenn man sich die nomina j^rouinciarum
vereinigt denkt mit dem von Guerard und neuerdings von
Brambach (Rhein. Mus. 23, 262) publicirten Verzeichnisse galli-
scher Städte. Mit derselben Ausführlichkeit wie Gallien werden
natürlich auch die andern Provinzen behandelt sein. Das von
Ammians Gewährsmann benutzte Provinzenverzeichniss war ein-
getheilt in Diöcesen (in einigen Handschriften auch Regionen
genannt; vrgl. Mommsen a. a. 0. S. 254). Das ergiebt sich
daraus, dass die vom Ammian besprochenen Complexe von Pro-
vinzen stets den Diöcesen des mommsen'schen libellus pi'ouin-
ciarum entsprechen; da nun diese Eintheilung in Präfecturbezirke,
Diöcesen etc. nicht älter ist, als die Neuordnung der Provinzen
durch Diocletian und Constantin, so folgt von selbst, dass das
ammianeische Verzeichniss nicht älter sein kann als das 4. Jahr-
hundert.
2. Ptolemäus. In einem Verzeichniss römischer Provinzen
konnte Ammians Gewährsmann natürlich keine Angaben über
Persien finden; für diese Partien hat er den Ptolemäus zugezogen.
— Diese schon früher allgemein verbreitete Annahme habe ich
in meinen Coniectanea Ammianea zu erhärten gesucht, indem ich
die Namen Ammians mit denen des Ptolemäus verglich und die
Orthographie derselben verbesserte. Es ergab sich dabei, dass
Ammian weder die besten Handschriften noch auch überhaupt das
Original des Ptolemäus benutzt hat. Die Verderbnisse der Namen
sind nemlich so zahlreich und so wunderbar, dass man sie nicht
auf einen gebildeten Mann zurückführen kann, der ein Original
ausschrieb, das in der eigenen Muttersprache, dem Griechischen,
verfasst war. — Dagegen finden wir dieselben Corruptelen in den
lateinischen üebersetzungen des Ptolemäus; sehr häufig ist z. B.
V. Gardthausen: Die geographischen Quellen Ammians. 10
die Vertauscbung von C und 6 (Arsiana-'Apeidvai von A und A
(Areta-Apeia) von TT und TT (Oporocorra-'OTTopoKÖppa). Ge-
netive wie 'PoTOndvioc werden missverslanden und darnach No-
minative wie Rogomanius gebildet; statt Oixüpöüi liest jener latei-
nische Geograph o\ Xdpbai ; daher erklärt sich die Fo)-m Chardae
beim Amniian, der an manchen Stellen genau dieselben Namens-
formen bietet wie die lateinischen Uebersetzungen z. B. Socanda,
Säle, Alicodra etc. Wenn es noch weiterer Beweise bedürfte, dass
nicht Ammianus selbst, sondern sein Gewährsmann den Ptolemäus
benutzt hat, so brauchte man nur hinzuweisen auf 23, G, G3 ciui-
tates autem non nisi tres solas habere noscuntur Aspabota, Chau-
riana [1. Chaurana] et Saga. Diese Worte kann Niemand geschrieben
haben, der den Ptolemäus selbst ausschrieb; ein Blick auf die
Vorlage hätte ihm genügt, um sich zu überzeugen, dass Scythien
mehr als 3 Städte halte. Ptolemäus erwähnt in 'Scythien jenseits
des Jmausgebirges' 4 Städte und eine fünfte in der andern Hälfte
der Provinz 'diesseits des Imaus'. — Ferner verbietet sich di'-
Annahme einer directen Benutzung des Ptolemäus von selbst, weil
derselbe nicht nur verkürzt, sondern zugleich in den engen Rahmen
des Schemas hineingepresst ist, das, wie oben gezeigt wurde , von
einem Geographen angewendet ward, der etwas älter ist als Am-
mianus Marcellinus.
3. Rufus Festus. Die Berührungen zwischen Ammian und
dem Rufus Festus sind nicht liäufig aber eng; um darauf näher
eingehen zu können, nmss es mir erlaubt sein , einige kurze Be-
merkungen über das Bieviarium des Rufus Festus vorauszuschicken.
— Zunächst sieht Jeder, der dieses Werk, wenn auch flüchtig
durchliest, dass demselben jede Einheit fehlt. Es besteht aus
5 Theilen von sehr verschiedenem Umfange, die alle in sich ziem-
lich abgesclilussen, mit den andern nur in äusserst losem Zusammen-
hange stehen, weshalb sich denn auch das Quellenverhältniss oft
ändert. — Der erste Thcil umfasst nur das erste Kapitel : Rufus
widmet dem Kaiser sein Work und wünscht ihm (ilück zum Perser-
kriego. Diesem Anfange entspricht der Schluss des Ganzen. E?
ist klar, dass Rufus hier keiner Quelle folgt. — Don zweiten Theil
bildet das zweite Kapitel; Inhalt und Anordnung sind historisch;
or beschUftigtr sich mit den Fragen, wie lange und wie viele Kl)
nige, Consuln und Kaiser in Rom geherrscht haben. — Der dritte
Theil umfasst wieder nicht mehr, als das dritte Kapitel und bo-
richtet von der allniühliclRn Ausbreitung des römischen Reichs;
sein Inhalt ist wes-entlich gc( '(lajibisch, jedoch historisth gi-ordnel
nacli Königen, Consuln und Kaisern, (Ue Grundlage bildet wohl eine
TabüUe. — Der vierte Theil reicht von Kap. IV— XV. Der St.>lV
ist goograi)hiscb geordnet, wenn auch mit möglichster Rücksicht
auf die (leschichto. Obwohl der Verfasser ciuo historische Ein-
tlieilung und Anordnung zu geben versucht (c. IV: Quo aulon»
ordine siugulas pniuiucias romana res publica adsecutu sit, it-a
2*
20 V. Gardthauson: Die geographischen Quellen Amniians.
ostenditur) , gelingt es ilnn nicht die selbe durchzuführen; und er
gesteht c. X nunc eoas partes exi)licabo und c. XII conscfiuenti lo-
corum magis, quam tem])Orum seruata digestione. Trotz dieses
geographischen Grundcharakters besteht dieser vierte Abschnitt fast
ausschliesslich aus historischen Notizen, die silmnitlich auf liviani-
sche Tradition, d. h. Livius und seine Fortselzer zurückgehen.
In dem letzten liaupttheile (Kap. XV 11.) kommt Kufus end-
lich zu dem vom Kaiser gestellten Thema und giebt eine kurze
Ueberaicht über die bis dahin geführten Perserkriege; natürlich
können für diesen Thcil nur historische Quellen benutzt sein; es
sind dieselben, aus denen auch im voi'igen Theil die historischen
Notizen geschöpft waren.
Drei Stellen sind es besonders, an denen llufus Festus sich
nicht nur mit Ammianus Marcellinus, sondern auch mit Floius
berührt.
4 = Flor.
14 = Flor,
4 = Flor
Am. Marc. 14, 8,
' Am. Marc. 14, 8,
Am. Marc. 27, 4,
Flor. I 41
Missusque in
eos Publius Se-
ruilius
Ruf. Fest. XII
Cilices et Isau-
ros, qui sepiratis
et praedonibus
maritimis iunxe-
rant, Seruiliiis
proconsul ad
praedonnm bel-
lum missus sub-
egit et uiam per
Taurum montem
primu.s in.stituit
I 41 = Rufus Festus c
I 43 = Rufus Festus c
I 38 = Rufus Festus c.
4
Am. M. 14.
hae duae pro-
uinciae hello
quondam pira-
ticocateruismix-
tae praedonum a
Sevuiiio procon-
sule mi.ssae sub
iuguin factae
suut uectjgales.
Phaselin et
Olympon euertit
Isaurosque ip-
sam arcem Cili-
ciae,
unde couscius Isque de Cilici-
sibi magni labo- bus et I.sauris
ris Isaurici co- triumphauit at-
gnomen adama- que Isauricusest
uit. coguomiuatus.
Bei dieser Erzählung von
Isauriens sind die Beziehungen zwischen Florus, Rufus und Ammia-
nus weniger augenfällig, und wenn diese Stelle die einzige ihrer
Art wäre, so würde vielleicht Mancher daran zweifeln, während
diese Stelle jetzt natürlich durch die beiden folgenden gestützt
wird. — Alle 3 genannten Historiker repräsentiren livianische
XII
XIII
IX =^0
Eutr. VI 3 (cf.
Oros. 5, 23)
Ad Ciliciam et
Pampliyliam mis-
sus est P. Serui-
lius ex consule.
Is Ciliciam sub-
egit.
2) Primus
in Tauro iter
fecit.
1) Lyciae urbes
cepit: inliisPba-
selidem , Olym-
pum, — —
Isauros quoque
adgressus ad de-
dicionem rede-
git.
ßeuertens tri-
uraphum accepit
ctnoraen Isaurici
raeruit.
der Unterwerfung Ciliciens und
*) Ausserdem vgl. Am.
„motiit lacertos").
M. 14, 6, 4 = Flor. I 1 (= Ruf. Fest. e. XX
V. Gardthausen: Die geographischen Quellen Ammians. 21
Tniclition ; jeclocli eine andere, als Eutrop und Orosius ; denn diese
verlegen die vom Scrvilius eingenommenen Städte Phaseiis und
Olympus richtig nach Ljcien und erwähnen, dass derselbe ausser-
dem noch bis Cilicien und P;imi)hylien vorgedrungen sei. Flonis
berichtet zwar gleichfalls die Einnahme dieser beiden Städte, nennt
aber dennoch nicht Lycien sondern Cilicien, ebenso wie Ammian
und ßufus. Diese beiden letztgenannten Historiker behaupten ge-
radezu, dass die Cilicier sich mit den Piraten verbunden hätten
und auch Florus behandelt Beide als identisch; während Eutrop
und Orosius in dieser Beziehung abweichen.
Kurz, schon aus dieser ersten Stelle kann man abnehmen,
dass Ammian und Rufus sich am Engsten berühren; dass aber
auch die Erzählung des Florus grosse Verwandtschaft mit beiden
zeigt; und dieses Resultat wird bestätigt durch die andern Stellen.
Flor. I 33 Ruf. Fest. XIII
Cypros recepta sine Cyprus famosa diui-
bello. insulaniueteri- tiis utoccuparetur po-
bus diuitiis abundan- puliRomanipaui)erta-
dantem et ob hoc tem sollicitauit.
Vencri sacram Ptole-
mäus regebat
sed diuitiarum lanta
erat fama
Eam rcx fcederatus
regebat.
sed tanta fult penu-
ria aei'arii liomani et
tarn ingcns fama opum
Cypriarum,
ut lege lata Cyprus
conüscari iuberetur.
ut populus P.
Clodio tribuno plebis
duce socii uiuicjue
rogis cünfiscationem
mandauerit
et illo (luidem ad rei
famam ueiieno fata
praecepit
ceterum PorciusCato
Cyprias opes liburnis Romain nauibus ad-
pcr Tiberinum ho- uexit
stiuin inuexit.
(I, 41 Creticum bel-
lum si ueni uolumu.s,
nos fecimus)
Quo accepto nuntio
rex Cyprius uenenum
sumpsit
Cato Cyprias opes
itu ut ius eius iii-
sulau auarius niugis
quam iustius simus
adsecuti.
An dii'sor Stelle i.st v<m vornherein dii
dusö etwa Ammian den Florus bcnut/.t liabe
Am. M. 14, 8, 14
Cyprum insulam —
urbes duo faciunt cla-
ram Salamis et Pa-
phus : altera Jouis
delubris,alteraVeneris
templo insignis.
§ 15 Ptolomaeo enim
rege foederato
ob aerarii nostri
angustias
(§ 14 tanta tamtjue
multiplici fertilitate)
iusso sine ulla culjta
proscribi
ideüque hausto ue-
neno uoluntaria morto
doleto
et uelut hostilescius
üxubiao classi inposi-
tae in urbem aducctau
sunt per Catonem.
Nee piget dieere
Huide magis lianc in-
sulam populum Ro-
manum inuasisse
ipiam iuste.
.\nnalime unmöglicli,
Wenn der Letztere
22 V. (^lanlUiiiiiHon: Die f^oographischen Quellen AmmiaiiH.
uüralich siigt: 'Cypern hatte viele alte Schütze und war deshalb
der Venus heilig', so niuss man oinräujnen, dass diese Worte keinen
irgendwie erträglichen Sinn bieten ; mit gleichem oder noch mit
grüsserm Kecht könnte man folgern, dass Mercur Patron der Insel
sein müsse. Dagegen begreift man sehr gut, wie beim Florus
dieser Fehler durch flüchtiges Excei-piren entstanden; er wird in
seiner Quelle ähnliche Worte wie Ammian vorgefunden haben ; aus
Flüchtigkeit ü))ertrug er aber, was nur von Paphus wegen seines
berühmten Tempels der Ajjlirodite gesagt war, auf die ganze Insel,
indem er das dazwischen Liegende ausliess und nun das 'ob hoc'
unmittelbar an 'diuitiis abundantem' heranrückte.
Schliesslich sei es mir noch gestattet, einige Worte hinzuzu-
fügen über den letzten Satz, der sich an dieser Stelle allerdings
bloss beim Rufus und Ammianus findet und es bedarf daher wohl
der Erklärung, wenn ich versucht habe, das 43. Kap. des Florus
aus dem 41. zu ergänzen. In diesem Satze wird ncmlich zuge-
geben, dass die Römer ungerechter Weise den Krieg begonnen,
ein Geständniss das bei einem Römer umso mehr auffällt, da dieses
Volk stets, wie kein anderes, ])emüht war, dem Feinde alle Schuld des
Krieges zuzuschieben. Um so mehr müssen wir uns wundern, dass Florus
in Betreff des kretischen Krieges grade dasselbe sagt, was Am-
mian und Rufus in Bezug auf den cyprischen. Da nun beim Florus
Greta, die Balearen und Gypern unmittelbar auf einander folgen,
so bildeten sie wahrscheinlich früher Einen Abschnitt, wie denn
auch die Worte (I 4.3) ^aderat fatum insularum' auf eine derartige
Zusammengehörigkeit dieser drei Inseln hindeuten. Auf diesen
grösseren Abschnitt wird sich jene Missbilligung römischer Herrsch-
sucht ursprünglich bezogen haben, während die Späteren, da sie
Greta und die balearischen Inseln ausgeschieden hatten, dieselbe
auf Gypern beschränkten.
Viel wichtiger aber als beide eben besprochenen Stellen ist
die des 27. Buches , die sich ebenfalls beim Florus und Rufue
findet. — Auf den ersten Blick sieht man, dass hier gewisse Be-
ziehungen bestehen zwischen Florus einerseits und Rufus nebst
Ammian andrerseits; auch an dieser Stelle ist es ebenso wenig,
wie bei den frühern möglich, die Angaben der Letzteren aus denen
des Florus abzuleiten.
Flor. I 38. Am. Marc. 27, 4, 4 Ruf. Fest. c. IX
Post Macedonas, si In Thracias Macedo-
dis i)lacet, Thraces nici belli occasione
rcbellant, illi quon- transcursum est
dam tributarii Mace-
donum
§ 2. Nihil interim § 4. Et partem ea- 2) In Thraciae re-
per id omne tempus rum habitauere Scor- gionibus Seordisci
residuum crudelitatis disci longe nunc ab habitauerunt pariter
V. Gardthausen : Die geograpliischen Quellen Ajnmians.
23
Flor,
l'uit in captivos sac-
vientibus , litare clis
sanguine humano, bi-
bere in o-ssibus capi-
tum
§ 3. Sacvissimi om-
nium Thracum Scor-
disci fiicrc.
Am. M.
isdem prouinciis dis-
parati , saeui quon-
dam et truces, ut an-
tiquitas ducet hostiis
captiuorum Bellonae
litautcs et Marti hu-
manumque sangui-
nem in ossibus capi-
tum cauis bibentes
auidius,
Ruf. F.
crudeles et callidi ; do
quorum saeuitia mul-
ta fabulose memoran-
tur, quod hostiis cap-
tiuorum dis suis ali-
quando litaucrint at-
que sanguinem huma-
num ex ossibus capi-
tum potare sint soliti
1) Saeuiösimi om-
nium gentium Thra-
ces fuerunt
scd calliditas quo-
([ue ad robur accos-
serat
(X)ariter crudeles et
callidi)
§ -1. itaque non fu-
sus modo ab bis aut
fugatus sed — si-
uiile prodigio — om-
nino totus exercitus
intcrceptus, (lucni du-
xerat Cato.
(piorum asi)entate
post multiplices pu-
gnarum aei"umnas
saepe res Ronuina uc-
xata , postremo om-
nem umisit exerci-
tuni cumrectore.
Saepc per eos Ro-
manus est caesus exer-
citus. (cf. Eutr.4, 24)
§ 5. Didius va-
gos et libera popu-
latione diiVusos iu-
tra suam reppulit
Thraciam
§ 10. vagantes sine
cultu uel legibus M.
Didius ingenti de-
stinationo prcssit
Marcus Didius
uagantes Tbracas ro-
pressit
Drusus ultorius Drusus intia tines M. Drusus iutra
ogit et vetuit trans- continuit i»ru[)rios lines proprios conti-
ire Danuvium nuit
M inucius toto va Minueius imqie M. Minurius in
stavit llebro iiiullis aiiiiiein Ik-bruin acol- Hebri Huminis gla-
quiilein aiiiissis dum sis Odrysariini iiidu- cie uastauit (cl". Eutr.
|Miti(lum glacio llu- tibus fluentem au- -1, 27)
inen equitatur. poratos proelio struuit
Volso Rhodopen
Haenuimi|ue penetra-
vit
24 V. CJardtbauBcn : Die gcograitbiBcbcu Quellen Armiiiiins.
Flor. I 38.
Curio Dacia tcnus vcnit
Am. Marc. 20. 5. 2.
ad aemulalioncm Cu-
rionis acerrimi illius duci.s,
«[ui Dardanorum ferociam ia
luodum Lernaeae ser2)entis ali-
quotiens renascentem hoc ge-
nere poenarum extinxit.
Appius in Sarmatas usque Post quos residui ab Ap. Clau-
pervcnit dio i)roconsule sunt infesta con-
certione deleti.
Oppida cnim in Bosporo sita et
Propontide classes optinuere ßo-
manae.
§ 11. Aduenit post hos Impera-
tor Lucullus, qui cum durissiraa
gente Bessorum conflixit omni um
primus
eodemque impetuHaemimontanos
acriter resistentes oppressit.
Lucullus ad teiminum gentium
Tanaim lacumque Maeotim.
Hocque modo pos procinctus
ancij^ites rei publicae sex i)rouin-
ciae sunt quaesitae
§ 12. quam Philip popolis,
Eumolpis uetus exornat
Post hanc Haemimontus Hadria-
noi>olim habet, quae dicebatur
Uscudama
Mysia
Scythia
Rhodope
Europa
V. Gardthausen: Die geographibchen Quelleu Ammians. 25
Ruf. Fest. c. VII n i^utr. 6, 2.
Dardanos et Moesos Curio | Missus est ei (sc. Ap. Claudio
proconsul subegit et itrimus , successorC. Scribonius Curio
Komanorum dueum ad Dunu- post consulatuin; is Dardanos
uiura usque peruenit (cf. Jor- i uicit et usque ad Danuuium pene-
. danis d. regn. succ. c. 50). .1 trauit.
Eutr. 6, 2.
Per Ap.Claudium proconsulem Ap. Claudius leuia proelia ha-
hi qui Rbodopcn incolebant uicti buit contra genles quae Rhodopen
sunt. incolcbunt .
Europae maritimas urbes antea
Romana classis optinuit
Eutr. 6, 10.
M. L u c u 11 u s cum Bessis prin^iuni Alter uutem Lucullus — —
conflixit IJessis primus Ronianorum intulit
bellum atque cos ingenti proelio
in Ihiemo monte superauit.
Ipsam Caput gcntis Tratiam (V)
uicit, Hacmimontanos subegit
Uscudamum, (ßiae modo Hadria- Oppiduiu Uscudaniam , quod
nopolis nominatur, in dicionem Bessi babitant eodom die, quo
noötram redegit aggressus est uicit
Calyben cei)it. 2) ad Danuuium Calyben cepit, ustjue ad Danu-
usque perucniens. 1) sujJraPon- bium peneirauit. Inde multas
tum positas ciuitates occupauit supra I'ontum po-sitas ciuitates
Apolloniam, Calatim, Phtliiuo- adgressus est — Illie ApoUoniam
polim (y), Tomos, Istrum. euertit, Calatim, l'artbenopolim,
Tomos, Hibtrum, Burziaouem te-
Ita diciitui rei pubiicae sex Thra-
ciarum prouinciao sunt quaesitau
/ Eumolpiadem, qiuie uiiuc
\rhilip|)0[i()li.s dicitur
— Uscudamam, quae mkuIu H;i\
driannpolis nominatur /
Moesia
Scytliia
Europa
Ubodope
l>it.
20 V. («ardthiiUBOn : Die geof,'raiihi«cbeii Quellen Animians.
Gleich bei dorn er.slcn Punkte, wo Florus von den an-
dern J'eiden abweicht, wird er unklar und confus. Was soll
z. 1). heissen , wenn er sagt: iJrusus ulterius egit et vetuit
Iransiro J)anuviuiny Ein römischer Feldherr wird den wilden
ihrakisjchen Völkerschaften, die südlich von der Donau wohnen,
doch unmöglich verbieten, das nördliche Ufer zu betreten und
sich mit den dort wohnenden Barbaren im gegenseitigen Kampfe
aufzureiben. Man hat daher mit vollem Recht angenommen, dass
Florus sich über die Lage der Donau getäuscht habe. — Florus
hat ohne Zweifel in seiner Quelle dieselben, und zwar nur die-
selben Namen vorgefunden, die wir auch beim Aramian und Rufus
lesen. Das wird sogar durch Namen wie Curio und Volso be-
stätigt, die sich ausschliesslich beim Florus finden. Von derThätig-
keit eines Volso in Thracien wissen wir nemlich nichts; Livius
38, 40 erzählt nemlich nur, dass derselbe bei der Rückkehr aus
Asien mit seinem Heere durch Thracien durchmarschirt sei; und
mit dem Curio ist dem Florus das Unglück passirt, dass er ihn
an einer falschen Stelle eingeschoben; er war der Nachfolger, nicht
aber der Vorgänger des Appius Claudius; dieser wird schon Liv.
perioch, 91 erwähnt, jener erst perioch. 92 und 95; auch durch
Eutrop wird dieselbe Reihenfolge bestätigt. Florus hat die Liste
der römischen Feldherrn in Thracien durch die in Macedonien
und Moesien kommandirenden ergänzt (vgl. Becker- Marquar dt III
p, 105). So erklärt es sich, wenn Ammian und Rufus den Curio
nicht an diesem Orte, sondern in ganz anderm Zusammenhange
erwähnen (Amm. M. 29, 5, 2 und Festus Rufus c. VII). Auch
hier bestätigt sich also wieder das schon früher gefundene Resul-
tat, dass Ammian und Rufus nicht den Florus selbst ausgeschrieben
haben, sondern dass alle drei aus einer gemeinsamen Quelle
seh öj^ften. Dies ergiebt sich mit Sicherheit schon aus dem Um-
stande, dass die genannten Historiker an Einem Orte vereinigt
das bieten, was beim Livius über die Bücher 63 bis 95 vertbeilt
war, und weder beim Eutrop noch beim Orosius zusammen-
gestellt ist.
Endlich muss noch die Möglichkeit in Erwägung gezogen
werden, ob sich etwa nachweisen lässt, dass Ammian hier den
Rufus benutzt habe. Viel Wahrscheinlichkeit hat eine solche An-
nahme allerdings nicht für sich, wenn man sich vergegenwärtigt,
dass alle dafür citirten Stellen sich nicht nur beim Ammian in
dessen geograi^hischen Partien finden, sondern auch beim Rufus
in dem Abschnitte c. IV^XV zusammengedrängt sind, der also
doch wohl auf einen andern Gewährsmann zurückgeht, als der Rest
des Breviariums. Wenn Ammian das Werk des Rufus, wie es
uns vorliegt, gekannt und benutzt hätte, so liesse es sich durch-
aus nicht erklären, warum er an andern Stellen, wo beide den-
selben Gegenstand behandeln, die Benutzung des Rufus verschmäht
haboii sollte; so legte z. B. Ammian dem Kaiser Julian eine Rede
V. GardthauBen : Die geographischen Quelleu AnuDianp. 27
in den Mund (23, 5, 16) über die früheren Perserkriege, genau
dasselbe Thema, welches Rufus in seinem letzten Abschnitte (c.
XV ff.) behandelt, ohne dass wir bei Ammian auch nur Einen
Anklang an die Darstelhing des Rufus finden.
Wenn wir nun zum Einzelnen übergehen, so zeigt sich sofort,
dass gleich die Notiz Ammians über den ersten Feldherrn der
Römer nicht auf Rufus zurückgeführt werden kann; denn dieser
sagt blos : ' Saepe per eos Romanus est caesus exercitus ' ohne
also zu erwähnen, dass auch der Feldherr gefallen sei. Ammian
dagegen fügt hinzn 'cum retore' ; und dass dies kein müssiger
Zusatz ist, zeigt ein Blick auf den Florus, der die Worte 'cum
rcctore' wiedergiebt dui'ch: 'quem duxerat Cato'.
Fcraer macht Ammian den Mars und die Bellona als solche
Gottheiten namhaft, deren Zorn die Thraker durch Menschenblut
sühnten; beim Rufus fehlen die Namen, ebenso wie bald darauf
die Notiz, dass der Hebrus in den Bergen der Odryser entspringe.
Ausser den drei Stellen, wo Ammian und Rufus mit Florus
übereinstimmen, ist noch eine vierte von besonderer Wichtigkeit,
an der dieselben mit der Chronik des Hieronymus übereinstimmen,
und die wenigstens bei Rufus Festus sich unmittelbar anschliesst
an die schon oben besprecheue Geschichte der Unterwerfung C'y-
perus durch die Römer.
Ruf. Fest. c. Xni
C'yrenas cum ceteris
ciuitatibus Libyae
Pentapolis Ptolomaei
antiquioris liberuli-
tatü suscepimus.
Amm. M. 22, 16, ^i llicron. i. a. i;»62
3) Cyrenas cum re- Ptolemaeus Cyrenae
siduis ciuitatibus Li- rex moriens Romanos
byaePentapoleosPto- testamcnto reli(|uit
lomaoi liberalitate berede».
suscepimus
i. a. 105-t
Libyam supremo 2)aridiorem Libyam Libya per testamen-
Apionis regis arbitrio supremo Apionisregis tum Appionis rcgis
sunms adsecuti. consecuti sumus arbi- Romanis relicta.
trio
Acgyptus (niinis sub
amici.s regibus fuerat;
sed uicta cum Antunio
Cleopatra prouinciac
fonnam OcUiuiani
Caesaris Augusti tciii
poribus acci'pit.
i. a. l'JbS
1) Aegyptus omnis Cleopatra et Anlo-
.sub amicis erat anlea niussemetinterfuiunt
regibus, sed superatis et Aegyptus üt Ro-
apudActium bolluna- mann prouinciu,
uali Antonio et Cleo-
patra prouinciue Do-
rnen arcc'pit ab Octa-
uiano Augusto pos-
sessa.
28 V. GardthauBcn: Die gcographiHchen Quellen Aiuniians.
Amm. M. 17, 1, 5
ci priimim apui Alo- Longo auteni poslea (|uain prinium tt-nuit
xandiiiiDS Cornelius Corncliti.sGiillu.sOcla- C. Curnelius Gallus,
((ullu.s runianiLs iiulcx uiano res iencnto lio-
.•uluiiiiistrauit. nianas Acgyi)ü pro-
curator exhausit ciui-
tatem. la est, si
rocto existimo, Gallus
poota, quem flens
quodammodo in
postrema Bucolico- de quo Vergilius
rum parto Vcrgilius acribit in IJucolicis.
carmine leni decantat.
Ein besonderes Interesse gewinnen diese drei Stellen dadurch,
dass Amiaian, Rufus und Hieronymus übereinstimmen in einem
Irrthum, indem sie aus dem Einen Könige Ptolemäus Apion zwei
verschiedene Könige von Libyen und Cyrene machen. Schon Vale-
sius hat zu unserer Stelle Ammians festgestellt, dass es nur Einen
Ptolemäus Apion gegeben hat, während Scaliger die entgegen-
gesetzte Ansicht zu vertheidigen suchte, indem er die Zeugnisse
aller anderen Historiker gegen die unserer drei verwarf; doch ist
diese Ansicht längst aufgegeben. Der Grund dieses IiTthums ist
wohl hauptsächlich darin zu suchen, dass die Römer, obwohl
Cyrene ihnen bereits im Jahre 96 anheimfiel, dennoch erst im
Jahre 75 v. Chr. die Erbschaft antraten. Dies verleitete zu der
falschen Auffassung, als ob in beiden genannten Jahren die Gren-
zen des römischen Reichs vorgeschoben wären. Auch hier be-
stätigt sich also wieder das früher festgestellte Verhältniss zwischen
Ammian und Rufus. Wer zugiebt, dass die Geschichte der Un-
terwerfung Nordafrikas durch die Römer ein organischer Bestand-
theil jener schematisirten Geographie ist, muss trotz der grossen
fast wörtlichen Uebereinstimmung zwischen Ammian und Rufus
eine directe Abhängigkeit leugnen. — Eine andere Frage von ver-
hältnissmässig untergeordneter Bedeutung bleibt es , ob die letzte
Notiz über den Cornelius Gallus, die sich bei allen drei Histo-
rikern findet, und also wahrscheinlich auch derselben gemein-
samen Quelle entnommen ist, in letzter Instanz auf Livius selbst
zurückgeht, da wir sie nicht nur bei Eutrop VII 7, sondern
auch bei Sueton vorfinden (vgl. Reifferscheid , Suetonii Tranquilli
reliquiae S. 42).
Interessant ist es, die Spuren dieses schematisirenden Geo-
graphen, die wir bei Ammian gefunden, weiter zu verfolgen, und
auch bei andern Schriftstellern nachzuweisen; dadurch gewinnen
wir nicht nur eine genauere Kenntniss jener Quelle, sondern
können auch, wenn wir mit dieser erweiterten Kenntniss zum Am-
mian zurückkehren, gewisse Partien auf denselben Gewährsmann
V, Gardthauf-en : Die geographischen Quellen Airmians. 20
zurückführen, bei denen unser ungenügendes Material ein ent-
scheidendes Urlheil bisher nicht erlaubte.
Eine derartige ganz sichere Spur finden wir in der Descriptio
orbis iunioris philosophi , die Mai (cl. auct. III p. 387 ff.) nach
einem Cavenser und dann Müller (Geogr. gr. minores p. 513 ff.)
nach einem Pariser Codex herausgegeben*). Hier heisst es nem-
lich im § 39: ( 'yprum , quae non eget alterius prouinciae in his,
quae ad faciendam nauem sunt nceessuria: in se enim habere omnia
perhibetur, hoc est ligna diuersa, aeramentum, ferrum , piccm,
linnm et restium usum.
Wenn nun Ammian bei der Beschreibung derselben Insel
(14, 8, 14) genau diesell^e — jedenfalls doch sehr charakteristische
— Form wählt, um die Fruchtbarkeit Cypcrns zu schildern, so
kann Niemand leugnen, dass jene Geogi-aphie in enger Beziehung
zur Quelle Ammians stehen muss; und eine genauere Untersuchung
bestätigt diese Voraussetzung. Wir finden hier dasselbe Schema
— wenn auch verkürzt — wie bei Anmiian. Die erste Rubrik
(Geogr. Charakteristik) ist hier selten ausführlich behandelt, wie
z. B. § 28: est enim prouincia breuis et montensis; meistens
wird, wie auch oft bei Ammian, statt dessen nur die Lage der
angrenzenden Provinzen angegeben mit einem Sequilur etc. oder
Post haue etc.
Die zweite Rubrik (Fruchtbarkeit des Landes) ist liier meist
recht ausführlich behandelt, und mit so detaillirten Belegen aus-
gestattet, dass dadurch auch die Angaben Ammians, der dieso
Einzelheiten allerdings meistens ausgelassen hat, in ein viel gün-
stigeres Licht gerückt werden. Oft beschränken sich diese No-
tizen auf ein 'plena bonis Omnibus' oder 'multis bonis abundat' wie
bei Ammian, aber meistens wird hinzugefügt, dass der Haupt -
reichthum der betreffenden Provinz z. B. in Wein, Getreide, Hulz
etc. bestehe; sogar die Menschen werden in diese zweite Kubrik
mit eingeschlossen; so wird z. B. von Bithynien (§ 27) nicht nur
gerühmt, es sei 'diues in fructibus', sondern daran scliliesst .»-ich
sogleich: 'et uiroa eiciens fortes in hello', ähnlich wie .Xnimian ('_*:{,
G, 55): Baciriani natio antehac bellatrix oder §41 Feri sunt illic habi-
tatores — — al(iu(! pugnaces. Hei andern Provinzen wird statt
der Tapferkeit, die Bildung und Gelehrsamkeit seiner Bewohner
gerühmt, § 35: Hispania uiris doctis — — omat«. i; 38:
Libya uiros [laucissimos habet, sed bonos, prudcntes et pios.
§ 42: (Sicilia) habet autem eruditos et diuites uiros gracco la-
tino(|ue sermom«. Fibcuso muss man natürlich auch «las aiisführ
liehe Lob der alexandrinischen Gt'lchr>;imkcit aufTassen (§ 20),
das wir nur nocl» ausführlicher bei Ammian 22, !(>, 15 — 22 wieder-
•) Kino niiiluro KfcriiHion iliostr« Werkes liiitle luTi-lts OdtliofrcihiA
liora»Hp«'ppl)cii: Vetiis orhia dem riptio, (Jonoviio MI)C'X XVIII lN4>«r
(Ihh VerliiiltiUHB beiilvr Kfronsionen vul. Müllur, goopr. jjr. miii.II.M:i.Moi|<|.
30 V. Gardthausen: Die geographischeu Quollen Amiuiaus.
finden; dadurch haben wir die Möglichkeit, jene ganzx* Partie der
.sclu-matisirtcn Geographie zuzuweisen, als eine Ausführung der
zweiten Rubrik.
Dass die vierte Jtubrik (Stüdte) sowold beim Ammian als in
der orbis descriptio zu ihrem Kechte kojumt, bedarf keiner Er-
wähnung; beide geben bei jeder Provinz ein Verzeichniss der
wichtigsten Städte. — Um so mehr fällt es daher auf, wenn in
der orbis descriptio die dritte und fünfte Jiubrik fast gänzlich fehlt,
denn eine Geographie ohne Erwähnung der Flüsse ist doch nicht
gut denkbar. Der Verfasser wird also die Namen der Flüsse,
ebenso wie Ammian in der von Beiden benutzten schematisirten
Geographie vorgefunden, aber, da er allzu sehr nach Kürze strebte,
ausgelassen haben. Das sieht man recht deutlich da, wo er die
Erwähnung der Flüsse einmal nicht gestrichen hat. J3ei der Be-
schreibung Italiens und Roms durfte der Til)er nicht mit Schweigen
iiljergangen werden. Deshalb finden wir hier nicht nur die dritte
Rubrik (Flüsse), sondern zugleich auch die fünfte (alte Namen)
vertreten, § 31: Habet et fluuium utilem sibi, qui a Tiberino Ti-
beris uocabulum sumjisit, nam prius Albula dicebatur. — Die sechste
Rubrik fehlt gänzlich.
Wie uns bei einem antiken Geographen die Erwähnung der
Producte einer Provinz angenehm auffällt, so auch die Berücksich-
tigung der klimatischen Verhältnisse. Von Moesien und Dacien
heisst es § 33: frigora autem magna habentes, und von
Alexandria § 21: aeres uero ualde temperatos habet. Das-
selbe rühmt Ammian von derselben Stadt: 22, 16, 8 inibi
aurae salubriter spirantes , aer tranquillus et clemens etc. Gleich
darauf im § 14 wiederholt er sich, nur sind hier die Farben
noch viel stärker aufgetragen. Hier wird nicht nur von der
gesunden, leicht bewegten Luft gesprochen, sondern Ammian
sagt, man glaube sich 'ins Paradies versetzt, wenn man die
lauen, säuselnden Winde fühle'. Derselbe Geograph, der 22, IG,
14 von Canopus gerühmt hatte: locus — deuersoriis laetis ex-
structus, auris et salutari temperamento perflabilis. schildert 23, G,
4G das glückliche Arabien: Ubi — — sunt — — deucrsoria re-
gum ambitiosa nimium et decora — — sospitalisque temperies
caeli, ut recte spectantibus nihil eis uideatur ad felicitatem deesse
supremam, eine Stelle, die wir bereits früher mit Hülfe des Schemas
allein der schematisirten Geographie zuweisen konnten. — Diese
sentimentale Auffassung der Natur kehrt wieder 27, 4, 14, wo
Ammian in ähnlicher Weise das Klima der thracischen Berge lobt,
dem er hier sogar die Kraft zuschreibt, das Leben zu verlängern,
und dieselbe daraus erklärt, dass die belebenden Strahlen der
Sonne jene Bei*ge zuerst träfen.
Auch 23, G, 67 bei der Beschreibung des Landes der Serer
flicht Ammian eine ähnliche Stelle ein:
V. Gardthausen: Die geographischen Quellen Ammians, 31
Caeli apud cos iucunda salubrisque tcmperies, aeris facies
munda leniuraque uentonim commodissimus flatus.
Vielleicht ist auch 23, C, 32 — 36 hierher zu ziehen (vgl. S. 14).
Anklänge lassen sich nicht verkennen in den Worten § 33 : ad
nemorosam quandam uenerat solitudinem, cuius (ranquillis silen-
tiis etc.
Diese bei einem antiken Schriftsteller ent.scliieden l)efremdc'nde
AufFa-ssung giebt uns die Möglichkeit, sämmtliche oben angefülirte
Stellen auf eine gemeinsame Quelle zurückzuführen, und diese kann
natürlich keine andere sein, als jene schematisirte Geographie, da
auch die descriptio orbis diese Auffassung theilt, wie die oben
angeführten Stellen beweisen.
Mit Hülfe dieses verwandten geographischen Handbuches ist
es uns also gelungen, die §§ 14 — 22 von der ammianeischon Bo-
schreibung Aegyptens, die mit dem oben erwähnten Schema nur
lose zusammenhängen, dennoch auf die schematisirte Geograplüe
zurückzuf üliren ; es ist mehr als wahrscheinlicli, dass wir auch
noch die beiden vorhergehenden Paragraiihen (22, 16, 12 — 13)
derseH)en Quelle zuweisen dürfen. Denn ebenso wie bei Anunian*)
wird auch in jener Geographie des Anonymus das Serapeum vun
Alexandria erwähnt. § 35 (p. 520 ed. M.): Et dii coluntur emi-
nenter, et teiuplum Serajjis ilii est unum et solum spectaculum
novum in omni mundo; nusquam enim teiTae aut aediticium [tale]
aut dispositio templi aut religionis invenitur (= 'nihil orbis tcr-
rarum ambitio.4us cernat' Am. M.) undique autem musium ei
redire videatur.
Wenn Gothofredus (vgl. Müllers prolegg. p. XLVIII) bemerkt:
'Nempe enim Serapium Alexandriae adhuc stetisse tum apertc signi-
ficat. Quare necesse est ante Theodosium M. scripserit i. e. anti«
annum 301', so giebt er, ohne es zu wollen, genau denselben Ge-
danken wieder, den neuere .\usleger für die betreffende Ammian-
stelle geltend gemacht haben. Denn ebenso pflegt m;m jetzt aus
Amm. M. 22, 16, 12 zu schliessen, dass Anunian vor dem Ibandi;
des Sera]ieun)s geschrieben. Wenn wir jedoch beide Stellen zu-
sammenhalten, ergiebtsich, dass man nichts anderes schliessen darf,
als dass die gemeinsame Quelle vor 3'Jl anzusetzen sei, (vgl. Con-
icct. Amm. p. 25.) was wir bereits aus anderen Stellen wussten.
Viel wichtiger für die zeitliche Fixirung derselben ist die Notiz
über Trier (orbis descr. ij 3t) cuius inaxima ciuitas Trcuiri dii itiir,
in (juu dominus gentis inhabilat und Amm. M. 15, 11, 0 Tnuiros
domicilium principum darum. Schon Gothofredus erkannt«- dio
Wichtigheit dieser Sl«'llc und sohlüss nut volU ui Hecht, dass sio
♦) T)io ScIiilcIcnniK Aiiiiniiiim ('22. Mi, 1_> l.'i) z.iclmrt «icli ol.pns»
«liirrli iihiTMcliwiiiifjliciir Aiisdriirk«- (licol iiiiiiimtiir »xilitntt" ti<-il><iriiiii ;
HpiriuitiltUM Hi^Miuriiiii lignu-ntis; nihil orlii.s torrurum Hiiiliitiusius rernut
etc.), wie wir sio sclioii fiiilier /.ii \vi«'<ltili«>lti>ii .Muloii in itor Hchcnin-
titirtcn Uco^^rnphic guriimlcn liabon.
32 V. Giirdthaußcn: Die geographifichen QuolU-n AmmiiiiiH.
sich nur auf die Zeiten beziehen könne, wo Constantin und nach
ihm sein Jjiuder Constans in Trier re.sidirien. — 'Maneat igiiur,
sub Constantino et Constante imperatoribus hanc ^Hriyriciv scriptam
fuisse, et sie medio decennio intcr ann. 340 et 350, quo demum
anno Constans a Magnontio tyranno caesus fuit ' (Gothofr. bei
Müller prolegg. p. XLTX). .Jedenfalls müssen wir daran festhalten,
dass für beide Notizen (über Trier und das Serapcum) dieselben
Gesichtspunkte massgebend sind, und wir nicht die eine auf
Ammian selbst, die andere aber auf seinen Gewährsmann be-
ziehen dürfen.
Mit dieser Bestimmung, die mit dem früher Gefundenen aufs
Beste übereinstimmt, müssen wir uns genügen lassen. Gothofredus
glaubte einmal sogar, den Namen seines Geographen entdeckt zu
haben und identificirte ihn mit dem bei Ammian 23, 1, 2 genannten
Alypius; er hat al)er diesen Einfall nachher mit Recht wieder auf-
gegeben.
Doch wer auch immer der Verfasser war, sehr bedauerns-
werth bleibt es, dass seine Geographie uns verloren gegangen.
Ein solches Werk, dass nicht blos die Städte, Flüsse u. s. w.
berücksichtigte, sondern über die Bevölkerung der einzelnen Pro-
vinzen, ihre Culturzustände, ihre Producte und sogar das Ver-
hältniss vom Export zum Import Mittheilungen machte, hätte
eine höchst empfindliche Lücke in unserer Kenntniss der alten
Völker ausgefüllt.
II. Theil.
Griechische Periegese.
Nachdem wir nun aus den geographischen Excursen Ammians
theils zusammenhängende Partien, theils einzelne Stellen ausge-
schieden und auf jene schematisirte Geographie zurückzuführen
versucht haben, bleibt noch immer ein bedeutender und keines-
wegs einheitlicher Rest übrig, der ganz ohne Zusammenhang
mit jenem früher besprochenen geographischen Handbuche dasteht.
Dies zeigt sich recht deutlich bei dem Excurse über die Küsten-
länder des Schwarzen Meeres (22, 8, 1 — 48). Man sieht sofort,
dass Ammian hier einen Periplus*) zu Grunde gelegt hat, wie
*) Selbst mit Beziehung auf den sprachlichen Ausdruck lassen sich
noch die Spuren dieses von W. nach O. fortschreitenden Gewährsmannes
nachweisen: rechts bedeutet bei ihm südlich; links, nördlich (vgl. Solin.
ed. M. p. 90, 7):
22, 8, 2 Rechts: Sporaden und Cycladen; Links: Imbros Tenedos etc.,
22, 8, 8 L. vom Bosporus: Constantinopel;
22, 8, 14 R. vom Bosporus: Bithynien.
22, 8, 30 R. vom Cimmerisclien Bosporus: Phanagorus und Hermonassa.
Auch dies widerspricht durchaus nicht; denn nach 22, 8, 11 (et qua
sol oceano exurgit eoo, paludibus clauditur Maeotidos) liegt die Maeotis
V. Gardthausen : Die geographischen Quellen Ammians. 33
wir deren noch mehrere besitzen. Nach Erwähnung des ägäischen
Meeres behandelt er erst die Süd- und dann die Nordküste der
Propontis, dann folgt die asiatische und schliesslich die europäische
Küste des Schwarzen Meeres mit gänzlicher Vemachlüssigung des
Binnenlandes, aber besonderer Berücksichtigimg des Meeres und
der Flussmündungen.
Dass jene von Ammian zu Grunde gelegte Periegese des
Pontus von einem Griechen verfasst war, ergiebt sich nicht nur
daraus, dass allenthalben die Verdienste der Griechen um die
Kolonisation des Küstenlandes hervorgehoben werden, sondern
auch die citirten Schriftsteller Hecatäus, Eratosthenes und Ptole-
mäus sind Griechen; die Entfernungen werden nach Stadien an-
gegeben; die Mythologie ist durchaus griechisch; die Etymologien
(z. B. der Cycladen, des Pontus Euxinui und fiUXOTTÖVTiov) setzen
Bekanntschaft der griechischen Sprache, und das 22, 8, 4 und 6
gebrauchte Bild (Gestalt der Propontis == 0) Bekanntschaft der
griechischen Buchstabenformen voraus. Mit gi'osser Wahrschein-
lichkeit kann man ferner annehmen, dass jener griechische Perieget
seinem Werke eine dichterische Form gegeben, denn Ammian be-
zieht sich wiederholt ausdrücklich auf Dichter, 22, 8, 13 ut poetae
locuntur und 22, 8, 15 priscoi*um carrainura cantus. Ammian
wird also ein Werk zu Grunde gelegt haben , wie z. B. die uns
noch erhaltene Pei'iegese des Dionys.
Dass die Angaben Ammians dadurch an Wertli gewinnen,
wird Niemand behaupten wollen; gerade jener Excurs über das
Schwarze Meer ist einer der scliwiichsten; wegen der grossen Ver-
wirrung sind die positiven Resultate, die sich daraus ziehen
lassen, verhältnissmUssig gering. Diese Verwirrungen und Ver-
schiebungen lassen sich nicht anders erklären, als durch die An-
nahme, Ammian halie das zu Grunde gelegte Gedicht ytellonweise
aus andern Quellen ergänzt. Während der gi-iechische Perieget
und mit ihm Ammian von W. nach 0. fortschreitet, nimmt den-
noch unter den § 14 aufgezählten Flüssen der östlichste (Sanga-
rius) den ersten und der westlichste (Khebas) den letzten Platz
ein. Ebenso hätte im § 17 bei der Aufzählung von Müssen der
Parthenius als der westlichste die erste Stelle einnehmen müssen.
Damit hängt zusammen, dass auch z. B. die Mündung des Thor-
modon westlicher angesetzt wird, als das Vorgebirge Carambis.
Von der wunderbaren Versetzung der Mäotis, die Auimian im
östlich vom Schwarzi-ii Mocif, also lln iii.iii.im-,ii hüiIMoIi v.hii i iiinncri-
Hclicii UoHpoins; (IHM (liiiisilliiMi (JriiniK' lit-pt
22, 8, .T2 (MiorroiiCHiis niii linken d. h. nönllioluMi Ufer «loüsolbon.
22, 8, ;17 das tlirnciHcho Ufor liogt links vom UiraciaclitMi Uoaiiunia.
(Vpl. 27. 4, C nn.l 7.)
Ganz anders ist der Spraclipchrnndi AnnninnM, wo er andern Quellen
fülpt; da l.odcutet U. westlieh, I.. üallicli 11, 8, 1; 14, 8, 6; 23, 6, 4&;
23, C, 72-3.
3
34 V. Giirdthauficn : Die gcogiapliibclien Quellen Amiuians.
Osten des Schwarzen Meeres glaubt suchen zu können , war bereits
früher die Rede. — Fast noch mehr häufen sicli die Irrthümcr
bei der Beschreibung der Skythenländer im Norden , die allerdings
für einen alten Geographen hart an der Grenze seines Horizontes
lagen.
Eratosthencs.
Um so mehr müssen wir uns also wundern, wenn wir grade in
diesem Excurse über den Pontus drei der gewichtigsten Namen
citirt finden, welche die antike Geographie überhaupt aufzu-
weisen hat.
2 2, 8 , 10 Omnis autem eins uelut insularis circuitus litorea
nauigatio uiginti tribus dimensa milibus stadiorum, ut Eratosthe-
ncs adfirmat etHecataeus et Ptolomaeus aliique huius modi
cognitionum minutissimi scitatores, in speciem Scythici arcus neruo
coagmentati geographiae totius adsensione formatur.
Ammian behauptet hier also zweierlei vom Schwarzen Meere :
1) sein Umfang betrage 23,000 Stadien und 2) seine Gestalt
gleiche einem skythischen Bogen. Für beide Behauptungen be-
ruft er sich auf die Auctorität des Eratosthencs, Hecatäus und
Ptolemäus und ausserdem noch anderer Geographen. Doch auch
hier möchte man sagen: "^Wer zuviel beweisen will, beweist gar
nichts '. Jedermann wird diese Notiz durchaus für unwahrschein-
lich halten, dass nicht nur jene drei, sondern ausserdem noch
andere Geographen genau dieselben Angaben in Bezug auf Zahl
und Bild gemacht hätten; sie sind zu individuell, als dass alle
drei unabhängig von einander denselben Gedanken hätten fassen
können, und andrerseits sind wir ebenso wenig berechtigt, auf
Grund dieser Stelle ein Abhängigkeitsverhältniss unter jenen Geo-
graphen zu statuiren. Es bleibt dann also nur der Ausweg, dass
dieses Fragment nur Einem der Genannten angehört, und die andern
beiden Namen nur hinzugefügt sind, um der Behaui^tung Nach-
druck zu geben. Soviel steht von vornherein fest, dass man vom
Ptolemäus absehen muss ; sein Werk ist uns noch vollständig er-
halten und dort findet sich weder die eine noch die andere No-
tiz. Es bleiben also übrig: Hecatäus und Eratosthencs; und in
der That hat Clausseu , der die Fragmeute des Ei'steren sammelte,
auch unsere Stelle des Ammian aufgenommen (163 p. 90), Ihm
folgt Ukert HI 2 S. 154: '^Die Angabe bei Ammianus Marcelli-
nus, dass die Küstenfahrt des Pontus 23,000 Stadien betrage,
rührt wohl von Hekatäus — — her; so wie die Ansicht, dass
das Meer einem gespannten skythischen Bogen ähnlich sei'. Und
doch ist diese Annahme im höchsten Grade unwahrscheinlich;
das zeigt ein Blick auf die übrigen Fragmente des Hecatäus, die
durchaus keine Analogien für ähnliche Angaben bieten; wir finden
dort weder Stadienangaben noch geographische Bilder ; denn wenn
V. Gardthausen : Die geographischea Quellen Ammians. 35
fr. 293 das Delta des Nil erwähnt wird, so ist dies kein Bild
mehr , sondern Eigenname.
Beides dagegen findet sich oft bei Eratosthenes; Stadien-
angaben: Eratosth. ed. Bernhardy fr. 28, 31, 32, 37, 38, 40, -12 —
52, .58, 60, 63, 64, 67, 71, 99, 108, 114-117, 119, 122. Geo-
graphische Bilder fr. 30, 36, 54, 58, 122. Dazu kommt noch,
dass viele Schriftsteller den Pontus mit einem skythischen Bogen
vergleichen, von denen keiner, so viel wir wissen, dem Hecatäus,
aber viele dem Eratosthenes folgen, vgl. Ukert III 2 [>. 15S-",
Strabo II 85 (rc. p. 125), Mela 1, 19, 1 (= p. 28, 6 ed. P.)
Agathem. II in f. Dionys. Per. 158, Eust. ad. Dion. Per. 148, Plin.
IV 24, 76 und 86, Val. Flac. IV 728. Manil. IV 753, Priscian.
147, Avien. 238, Sallust. ap. Serv. ad Aen. 533, Terentian. de
metr, 2383 ed. Putsch. Dabei ist noch nachzutragen Agatho ap.
Athenaeum p. 451 D und Anonym, geogr. 53 (Geogr.gr. min. ed.
Müller II 509). Diese stattliche Reihe von Autoren bestätigt
das vorhergefundene Resultat; keiner derselben lebte vor Erato-
sthenes und bei manchem lässt sich auch sonst eine derartige
Abhängigkeit nachweisen. Bernhardy*) hat also mit vollem Rechte
die ganze Stelle (22, 8, 10) in seine Eratosthenica fr. 88, p. 86
aufgenommen.
Endlich müssen wir uns noch mit einer Stelle Strabos ab-
finden. Dieser sagt nemlich :
p. 125 fi be TTepijjeTpoc tou cujaTravioc TreXatouc ecTi bic)au-
pituv TTOu Ktti rrevTüKicxiXiujv crabiuuv eiKaZiouci be rivec t6
cxwu nie TrepijueTpou xauTric evTeia/aeva) CkuOiklu töHlu.
Diese Stelle ist also genau so gebildet wie die ammianeische:
erst die Stadienangabe, dann das C'itat, und unmittelbar daneben
das geograpbische Bild. Strabo meint also unter Tivec haupt-
sächlich den Eratosthenes, auf den also wahrscheinlich auch der
ersto Satz zurückzuführen ist. Darnach hätten wir also zwei sich
widersprechende Zahlenangaben, eine strabonische zu 25,000 und
eine ammianeische zu 23,000, die nicht beide eratosthenisch sein
können. Doch erklärt sich diese Differenz einfach so, dass iin
V'^erlauf der .lahrliunderte , die zwischen dem Eraiostlienes und Am-
luian verllossen sind, sich ein € in ein f verwandelt hatte; daher
würde auch eine Aenderung im 'I'ext durchaus unstatthaft sein.
Ausser der eben besproclienen giebt es noch mehrere Stellen,
die Strabo und Ammian dem Eratosthenes entlehnt haben, wie
man sofort aus dem Citate Strabos sieht, während .Vmmian seine
Quelle nicht namhaft nuicht.
*) Uobor diesem (Jitat Hcliflnt ein liesomleror Uuätcru zu wnitoii,
ilenii 1) Ijoriift t*icli IScniliikrdy iiiif <l;i8 l'J. ihich Atniniaiis, ila» iiii.h loiilcr
vorlorcn K"'is'^"K''"> «l'klt Hilf iIiih 22. und 2) bczop or die (janre Stollo
nur diiM Ae^jüiHclie Htalt nuf diiM Seliwiir/.t? Meer. DiiH Uujjlilek hat 08
reiner j^jewollt, diiss Korl)i^jtr , ili-r in (Kr \'i)rrede ho 8ol»r über ilio Ui-
l:ile uoiiier Vorj^iini^er hingt, grade diosciben l'ulilcr inncht.
36 V. Gardthauscn : Die gcograpUiachcn Quellen AinmianR.
StraLo p. 705. Amm. M. 2:5, 0, 10.
(prici bk uepi auTHC 'GpaiocOe- cuius oatia adeo csho porhiben-
vrjc oÜTUJC, üTi TÖ )aev CTÖ)ua tur angusta, ut ex Jhirmozonle
(pi]c\v eivai cxevov oütuuc ujct' Cunnaniae promuntorio contra
tH 'ApJLioZiovTOC , Tfjc Kapiuaviac oppoyiiuin aliud proniuntorium,
UKpuuTnpiou, Tvic 'Apaßiac depo- «juod uppollant, incolae Maces,
puTtti Tu fcv MuKaic. sine impedimento cernaiur.
UTTo be ToO CTOiaaioc f] ev §11- quibus angustiis perinea-
beHiaTTapaXiaTTepicpepric ouca — tis cum latitudo patuorit nirais
— — Mfc'XPi Tep^bövoc Kai ttic extensa, nauigatio ad usque ur-
tKßoXfic TOU €ücppdTOU. bem Torodona porrigitur, ubi —
— pclago miscetur Euphrates,
TTepiex^i bk Ti'iv Te Kapiaavi'uJV omnisque sinus dimcnsione litorea
TTapaXiav — — in numerum uiginü milium sta-
öcov laupiuuv oöca crabiiuv. diorum uelut spatio dotoruato
finitur.
Allerdings stimmt die Zahl der Stadien hier nicht überein ;
aller Wahrscheinlichkeit nach ist aber nicht die Angabe Ammians,
sondern Strabos zu ändern, weil derselbe gleich darauf behauptet,
der Persische Meerbusen sei wenig kleiner als das Schwarze Meer:
Str. p. 766 ujcie bfiXov ck toutuuv eivai bioTi luiKpöv diro-
Xeinerai tlu peY^Oei xfic Kaid töv GüHeivov eaXdiTric auni r\
GdXaiTa.
Da nun Eratosthenes und Strabo die Grösse des Pontus mit
25,000 Stadien beziffern, so wird wohl an unserer Stelle statt
laupiuuv, bicjuupiuuv zu lesen sein.
Auch in dem zweiten Fragment, welches wir mit Sicherheit
dem Eratosthenes zuweisen können, finden wir also dieselben
Merkmale wieder, wie beim ersten: 1) Stadienangaben (uiginti
milium stadiorum) und 2) ein geographisches Bild (uelut spatio
detornato).
Sehen wir uns nun die übrigen Stadienangaben derselben
Episode über die persischen Provinzen etwas näher an (§ 43, 69,
70, 74), deren Herkunft wir bei Ausscheidung der schematisirten
Geographie unentschieden lassen mussten , so zeigt sich jetzt, dass
alle vier Angaben auf den Eratosthenes zurückgehen, obwohl wir
nur bei den drei ersten den Namen des Eratosthenes citirt finden
(vgl. Bernhardy, Eratosthenica p. 99).
Str. p. 514. Amm. M. 23 c. 6.
XeYei (sc. '€paT0c9evric) be Kai § 43 et Hecatompylos a cuius
oÖTUJ rd biaciriiuaTa änö Ka- fiuibus per Caspia litora ad us-
cmujv TTuXuJv eic Ivbouc. eic |iev que portarum angustias stadia
'€KaT6|a7ruXov x^^iouc evaKO- quadraginta numerantur et mille
ciouc ilY\KOVTä qpaciv,
V. Garclthausen: Die geographischen Quellen Ammiaua. ol
eic b' 'AXeHdvbpeiav inv ev § 69 et Alexandria (sc. Ariana)
'Apioic TETpaKicxiXiouc neviaKO- unde nauiganti ad Caspium mare
ciouc TpiüKOVia, quingenta stadia numerantur et
mille.
eil' eic 'OpTÖCTTttva feTti inv £K § 70 — et Ortopana [1. Or-
BdKTpoiv Tpiobov bicxiXiouc. tospana], unde litorea nauigatio
ad usque Mediae fines, portis
proximos Caspiis stadiorum sunt
duo milia et ducenta.
Bei diesen Stellen stimmen die Zahlen allerdings wieder nicht
überein; dennoch kann man nicht daran z\Yeifeln, dass sie aus
dem Werke des Eratosthenes entlehnt sind, auf das Strabo sich
ausdrücklich bezieht; bei Strabo und Ammian gehen diese Mes-
sungen von den kaspischen Thoren aus, und bei beiden Schrift-
stellern sind Anfangs- und Endpunkte derselben übereinstimmend
angegeben.
Auch aus dem nun folgenden Excurse über die thraci sehen
Provinzen (Amm. M. 27, -4, 1 fi".) lässt sich wieder eine Stelle
27, 4, 3 mit völliger Sicherheit auf Eratostlienes zurückführen ;
hier handelt es sich nemlich um die Richtigkeit des homerischen
Verses (11. IX 5)
Bopenc Ktti Zie'cpupoc toj le Gpi'iKriGev ctriTOv.
Als Geograph hatte Eratosthenes gegen diesen Vers mit vol-
lem Rechte Einspruch erhoben, und überhau2)t die Auetoritiit des
JJichters auf dem Gebiete der Geograi)hie mehrfach angegriflen.
Strabo polemisirt nun wieder gegen Eratosthenes und geht in
seinem Eifer für Ilomer so weit, zu behaupten, die homerischen
Verse hätten keine allgemeine Bedeutung, sondern bezögen sich
speziell auf den Meerbusen Melas, und das Meer um Lemnos
und Thasos.
Wir sind hier also einmal durch jene Stelle in der günstigen
Lage, die Ansicht des Eratosthenes scharf von der Strabos tren-
nen zu können, und Ammian erkliirt sieh zu Gunsten des ersteren ;
auch er tadelt den Ilomer («[uod aut fabulosum est) und räumt
dann ein, diese l{ehauptung liessu sich nur halten, wenn der
Umfang Tliraeiens früher ein anderer gewesen uml dasselbe sie ii
viel weiter nach Westen erstreckt hätte (aut truetus antohac
diffusi latisöimo cuneti Thraeiarum uocubulo cousebantur).
Durch diese Stolle ist also der Beweis geliefert, dasa Ammian
nitht dein Strabo, sondern dem Mratosthones folgt, wie es von
vornherein walirscheinlich war, da Strabos Werk im Altorthum
vielleicht nur von Atheiiäus und Josepluis benutzt ist, so weit
wcnig.sU'Us unsere luuule reicht. — Mit vollem Recht sagte dalier
A. v. llumbuldt (Kosmos II S. 221): 'Leider ist Strabos grosses
an Thalsiiciien so reichhaltiges Werk — — in dem römischen
Altorthum fast uubckiumt, selbst von dem vielbummeluden l'liniu.^
'58 V, CJardthansen: Die geographißchen Quellen Ammians.
unbenutzt geblieben. Es hat erst am Ende des Mittelalters auf
die Riehtunf,' der Ideen gewirkt'.
Jene eben citirtcn Worte Ainniians entsprechen genau der
eratosthenischen Ansicht, die Strabo bald nachher mitllieilt, nur
dass dieser bestimmt negativ ausdrückt, was Aramian in Zweifel
gelassen (Strabo p. 28 ibc toO Zleqpupou )aev üttö thc ^cirtpac
TTve'ovToc Ktti Tiic 'Ißiipiac, Tf)c be GpaKric eKeice pLX] bia-
xeivoucric). Trotz aller Polemik hebt StralKj hervor, dass Erato-
öthenes wenigstens die Krümmung in der Gestidt Thraciens
anerkenne, mit Hülfe deren Strabo den Homer zu vertheidigen
sucht (auTÖc Yoöv egriYeixai ifiv feTncTpoq)fiv i^v Xefo) ific x^pctc).
Auch in diesem Punkte folgt Ammian dem Eratosthenes, scliiebt
aber zuvor den § 4 ein, welcher der schematisirten Geographie
entlehnt ist und den Zusammenhang in sehr unj^assender Weise
zerreisst, da § 5 sich unmittelbar an § 3 anschliesst. Mit den
Worten 'Sed ut nunc cernimus' meint Ammian die späteren und
nachhomerischen Grenzen Thraciens, die einen natürlichen Gegen-
satz bilden zum homerischen Thracien (§ 3), aber nicht zu der
Thatsache, dass einmal ein römisches Heer in Thracien aufge-
rieben sei, womit § 4 schliesst.
Schon der Gedankenzusammcnhang macht es also wahrschein-
lich, dass § 3 und § 5 auf die gleiche Quelle zurückzuführen
sind; und dies wird zur Gewissheit, weil wir hier die obener-
wähnte Krümmung (eTTicrpocpri) wiederfinden, von der auch Erato-
sthenes gesprochen. Ammian giebt denselben Gedanken in einem
doppelten Bilde wieder: § 5 eadem loca formata in cornuti sideris
modum, effingunt theatri faciem speciosam. — Diese Behaujitung,
dass § 5 eratosthenisch sei, und wir also wieder eines der gar nicht
häufigen geographischen Bilder aus jener Quelle herleiten dürfen,
erhält eine erwünschte Bestätigung durch ein anderes aus den
scholia veneta entlehntes Fragment des Eratosthenes (Bernhardj,
Eratosthenica p. 38), in dem gleichfalls behauptet wird , dass jener
berühmte Geograph die Gestalt Thraciens mit der Form eines
griechischen C verglichen habe: — — ÖTi f\ tujv OpaKuJv yH
eiTi TToXO bir|K6i Kai ciYiuaToeibfic Keixai ir) 6ea jut'XPi Tiic öuceujc.
Wir haben hier also die Wahl zwischen drei geographischen Gleich-
nissen, die alle so ziemlich dasselbe bedeuten. Natürlich wird
Eratosthenes nicht alle drei Bilder (Halbmond, Theater und Sigma)
gebraucht haben, und es ist schwer. Eines derselben für das
echte und ursprüngliche zu erklären. Es scheint jedoch, als ob
Eratosthenes nicht bloss geograi^hische Bilder angewendet, sondern
diese auch mit Vorliebe den Buchstabenformen entlehnt habe; so
vergleicht er z. B. im frg. CXXE den Lauf des Nil mit einem N.
Daher ist es ferner auch mehr als wahrscheinlich, dass Am-
mian bei der Beschreibung der Pontusländer 22, 8, 4 und 6
dem Eratosthenes folgt, wenn er die Gestalt der Propontis mit
einem griechischen 0 vergleicht, zumal da bald darauf § 10
V. Gardthausen : Die geographischen Quellen Ammians. 39
Eratosthencs namentlich citii-t wird , der wie oben gezeigt wurde,
die Gestalt des Pontus mit einem skythischen Bogen verglich und
seinen Umfang auf 23,000 Stadien schätzte. Natürlich müssen dann
auch die sjiätei'n Stellen, an denen Ammian dieses Bild voraus-
setzt (§§ 13, 14, 37, 42), aus dersclV^'u Quelle stammen. Eben so
ist der ganze § 20 zu beurtheilen, der nicht nur das früher ge-
brauchte Bild näher ausführt, indem er die Nordküste Asiens mit
der Sehne des Bogens vergleicht ; sondern ausserdem eine neue
Stadienangabe hinzufügt, die nicht nur mit Strabo*) (p. 125),
sondern auch mit Eustath und dem anonymen Geographen bei
Müller (gcogr. gi: min. II p. 509) übereinstimmt.
Endlich finden wir noch eine Stadienangabe in dem kurzen
und leider arg vei-stümmelten Excurs über den Bodensee 15, 4, 3
pcrque quadringenta et sexaginta stadia longum; und, um uns
ein Bild zu geben von der fast kreisförmigen Gestalt des Sees,
fügt Ammians Gewährsmann sofort hinzu: parique i)ene spatio
late difl'usum. Obwohl nun weder die eine noch die andere dieser
Angaben dem wirklichen Sachverhalt entspricht , sind wir dennoch
genöthigt, diese ebenso wie alle übrigen derartigen Notizen auf
den Eratosthencs zurückzufüliren , der in seiner Geographie auch
. Germanien, so z. B. den hercynischen Wald behandelte. — Für
einen Alexandriner lag, wenn er den Rheinfall von Schaffliausen
beschreiben wollte, kein Vergleich näher, als der mit den Kata-
rakten des Nil; denn dass dieser Wasserfall in unserer freilich
verstümmelten Stelle Ammians gemeint sei, wenn wir plötzlich
in der Beschreibung des Rheins die Worte lesen: 'ut ♦ » ♦ ♦ cata-
ractas inclinationc 2>raecipiti funditur Nilus' leidet doch wohl kei-
nen Zweifel, obwohl die Ausleger**) dem Ammian jede Kenntniss
des Rheinfalls absprechen, weil derselbe auch von keinem andern
Geographen des Alterthums erwälint werde. Grade dieser Umstand
beweist, dass Ammians Quelle eine vorzügliche war. Wenn die
Erwähnung des Rheinfalls auf so frühe Zeiten zurückgeht, wird
natürlich Niemand daran Anstoss nehmen, dass derselbe oberhalb
statt unterhalb des Bodensees erwälint wird. Für Eratosthencs passt
es vortrefflich, dass er jene Gegenden mit den Worten schilderte:
hoiToro siluarum squalentium inaccessum , die ein SpUtcrer nicht
mehr passend fand und daher milderte durch den Zusatz: nisi
(|ua uetus illa Roniana uirlus et sobria it<?r conposuit hitum.
Einem Geographen endlich, der nach Cäsar und den or>lon
*) Mit l'nn'clit IüiIilmi «lio Ni'iicrrii ^iXiiuv nun bi{.xi\\wv fjonuicht
so Kriinior, Muiiu^kc, (1 ros.sk iird, l'orhijjcr.
*'") ' iiti Hcripturt's priscos oiiiiiiiin, ita ul AniniiHiium cntarrhnctnni
Sciij)luisit'iiHCMn, iiimc soriiis tlpiimm iii;kin hUh Hpornorit, ijjnorartSü'. I)nsji
^]^•r Klifi» friilicr im Hottf ilir l^iiiiinut ;jotlof<Hoi) , isl oino liiicIiHt wnlir
Hchuinliflio HyiuitliuHc ; .ticIuT ist «linrrgi'n, wie mir (loolojjen vorsichorn,
dasH or ym KratuatiienuH Zuilvn liiugst Meine iieuti^o Kiclituu); oiiigv
sclilnpüii hatte.
40 V. rjardthauaen : Die geographiBchen Quollen Ainmiang.
Kaisern lebte, deren Heere so oft den Rhein passirten, würde die
gänzliche ünkenntni«« des weitern Verlaufs vom Bodcnsoe abwäi-ts,
(luichiius nicht zu verzeihen sein, welche sich in den kurzen Worten
HUI Schluss von § 4 ausspricht: nee contagia deinde ulla perpe-
tiens, oceani gurgitibus intimatur.
Wer sich scheut, den Schluss dieser kleinen Episode (§ 6),
die Erzählung von der Liebe des Flussgottes Alphcus zur Nymphe
Arethusa auf den Eratosthenes zurückzufCihren, dem bleibt es na-
türlich unbenommen, diese Notizen von dem (S. 14) erwähnten
Paradox ographen herzuleiten. Da jedoch diese im Alterthum weit
verbreitete Erzählung sich auch bei Mela (ed. P. p. 59, 20) und
bei Plinius (ed. Dctl. 2, 225) findet, und andrerseits auch Am-
mian mit den Worten ' ut fabulae ferunt' seinen Zweifel aus-
drückt, so trage ich kein Bedenken, den ganzen Abschnitt auf
den Eratosthenes zurückzuführen.
Ausser diesen eben besprochenen wird man ferner mit Sicher-
heit diejenigen Stellen aus der Beschreibung Persicns (2,3 c. 6)
auf den Eratosthenes zurückführen können, an denen allerdings
weder Strabo noch Ammian ihren Gewährsmann namhaft machen,
aber dennoch einer gemeinsamen Quelle folgen. Dies gilt z. B.
von 23, 6, 44. Diese Stelle schliesst sich unmittelbar an eine
Notiz (§ 43) , deren eratosthenischer Ursprung bereits oben nach-
gewiesen wurde.
Am. M. 23, 6, 44.
eosque ita certamina
iuuant et bella, ut
iudicetur inter alios
omnes beatus , qui in
proelio profuderitani-
mam.
Excedentes enim e
uita morte fortuita
conuiciis insectantur
ut degeneres et igna-
uos.
Es folgen dann bei Ammian Partien , die sich ohne Weiteres
als Bestandtbeile der schematisirten Geographie nachweisen lassen,
mit Ausnahme der §§ 53 und 62 , welche von dem homerischen
Verse handeln :
rXttKToqpdTUJV 'Aßiuuv te biKaioiditjuv dvOpdiTiujv.
den auch Strabo (p. 302) bespricht. Da nun bekanntlich Erato-
sthenes auf die homerische Geogi-ai^hie mit Vorliebe zurückkam,
vfie wir es schon an einem andern Beispiele bei Ammian (27, 4,
3) nachweisen konnten, so ist es im höchsten Grade wahrschein-
lich , dass Ammian auch hier seiner eratosthenischen Quelle folgt.
Nachdem wir so festzustellen gesucht, in welchem Umfang
Ammian das Werk des Eratosthenes benutzt, tritt die schwierige
Strabo p. 513.
Odvaxoc be vo)ni-
Z;eTai TTttp ' auToTc
dplCTOC.
Touc be vöcuj 9a-
VÖViaC plTTTOUClV UJC
dceßeic [1.: dTCveic].
Am. M. 31, 2, 22.
ita illos ijericula iu-
uant et bella. ludi-
catur ibi beatus, qui
in proelio profuderit
animam.
senescentes enim et
fortuitis mortibus
mundo digressob ut
degeneres et ignauos
conuiciis insectantur.
V. Gardthausen : Die geogi-aphi«cLen Quellen Ammians. 41
Frage an uns heran, ob diese Benutzung eine directe oder indirecte
gewesen, — Wenn wir bedenken, das.s Araraian zeitlich ungefähr
durch ein halbes Jahrtausend von Eratosthenes getrennt war, und
dass diese eratosthenischen Notizen sich nur in den geographischen
Episoden , und nirgends in den übrigen Partien vorfinden, so wird
man einräumen müssen, dass die giössere Wahrscheinlichkeit dafür
spricht, Aramian habe dieselben zugleich mit Anderem von einem
Jüngern Geographen herübergenommen. Daran knüpft sich nun
die weitere Frage, ob dieser jüngere Geograph identisch ist mit
dem Verfasser der schcmatisirten Geographie , oder dem Periegeten
des 22. Buches. Die erste Alternative hat wenig Wahrscheinlich-
keit für sich , denn erstens würde man nur ungern annehmen, dass
jener lateinische Geograph griechische Quellen benutzte, dann aber
kommt noch hinzu, duss in Einem schcmatisirten Excurse (11,8, 1 ft.)
die eratosthenischen Notizen gänzlich fehlen; in zwei andern über die
persischen (23, G, 1 fl'.) und über die thracischen (27, 4, 1 If.) Provinzen
stehen sie in so losem Zusammenhange, oder geradezu im Wider-
spruche mit ihrer Umgebung, dass sie sich mit der grössten Leichtig-
keit ausscheiden lassen, während sie andrerseits in dem periegetischen
Excurse über das Acgäische und Schwarze Meer mit den übrigen
Notizen organisch verbunden sind; so leidet z. B. das besprochene
Gleichniss des skythischcn Bogens den festen Kahmen, in den alles
Andere eingefügt wird. — Natürlich muss jener Perieget dann
nicht nur das Acgäische und Schwarze Meer, sondern alle Meere
behandelt haben, soweit sie ihm bekannt waren. — Ein ähnliches
Werk hat sich erhalten in der Periegese des Dionys, der anerkannter-
massen in allem Wesentlichen auf Eratosthenes fusst.
Timagenes.
Der zweite griechische Geograph, den Ammian benutzt und
ausdrücklich citirt hat, ist Timagenes 15, 9, 2 sed postea Ti-
magenes et diligentia Graeciis et lingua hacc — — coulegit
cuius fidem secuti — — eadem distincto docebimus et aperto.
Ohne näher auf die Fragen eingehen zu wollen , die sich au
den Namen dieses Historikers knüpfen, kann man doch wohl so
viel aus unserer Stelle Ammians enlnelunen, dass dieser Tima-
genes ein Werk geschrieben , in wehlu-m er auch die Urgeschichte
der (lallicr beliandclte. Dass dieses Werk ein geographisches war,
wird dadurch wahrscheinlich, dass es nicht nur in Auimians geo-
grapliischen Kpisuden, sondern auch in Strabos Geographie bonufzt
ist, wie bereits IJurckhardt ;mi <]<•<■ ■■'•■■m ci(irl>>n (S. l\) Sldb-
bemerkte.
Str. p. l;i7. Am. M. IT), 0, 8.
T()i« (|)ÜX« TU)V Tl)iuu|Litvu)V biu- studia iaudabilium ijoctrinaruni
qpepoVTUJC teil, ßupboi Tt kuj inclioata per Pardoö et Kuhagis
oüäitic KUi bputbau et Druidus.
42 V. fJardthausen : Die geographiBclun Quollen Amraians.
ßdpboi |Liev u|LivriTai Kai ttoi- VA iJardi tjuidein fortia lürorum
rjTai, inlii.striiiin facta — — cantita-
runt.
oüareic be lepOTTOioi Kai cpucio- Kuluigis uero scrio uim (?) |cod.
XcVfOi, soniiani] ei subliruia naturae pan-
(lere conabantur.
bpuibai be irpöc tri cpucioXoYia inter eos Di-uidae — — quae-
Kai xnv iiGiKriv cpiXococpiav d- siionibus occultarum rerura al-
CKoOci. tarumque erecti et despcctantes
humana
dcpGupTouc be Xe'YOuci Kai ov- pronuntiarunt animas inmortalcs.
TOi Ktti dXXoi rdc vpuxdc.
Da nun Strabo noch an zwei andern Stellen den Timagenes
citirt, so schöpft er natürlich auch hier aus dieser Quelle. — Mit
vollem Recht hat Müller in seiner Sammlung dieses Fragment des
Timagenes abgeschlossen mit dem Ende des neunton Kapitels;
im zehnten folgt Ammian theils andern Quellen, theils berichtet
er nach eigener Anschauung; auch zeigt der ganze Excurs über
Gallien weiter keine Anklänge an Strabo, nur am Schluss von
Kap. 11 wiederholen sie sich.
Str. p. 186. Am. M. 15, 11, 16 flf.
qpe'petai b'dirö tojv 'AXttcujv A Poeninis Alpibus effusiore
oOtoc [sc. Ö 'Pobavöc] ttoXuc cojiia fontium Rhodanus fluens
Ktti cqpobpöc et procliui impetu ad planiora
degrediens proprio agmine ripas
öc Y£ Kai bid Xi)nvric eHiubv inc occultat et paludi sese ingurgi-
Armevvric tat nomine Lemanno,
(pavepöv beiKVUCi*) xö peTBpov eamque intermeans nusquam
erri ttoXXouc crabiouc aquis miscetur externis.
cujußdXXei TLU "Apapi Kaid Aou- et emensus spatia flexuosa Ara-
Ybouvov — — rim — — suum in nomen ad-
sciscit.
beHd|nevov Kai touc dXXouc tto- Hinc Rhodanus aquis aduenis
Tajuouc, locupletior — —
KdKcTGev ribri xiiv Xomfiv ttoi- finitisque interuallis , quae ei
eixai juexp'i Tfic OaXdxxrjC puciv. natura praescripsit spumeus Gal-
ileo mari concorporatur.
Natürlich wird Jeder zunächst geneigt sein, die Beschreibung
der Rhone auf dieselbe Stufe zu stellen, wie die des Rheins, die
Ammian kurz vorher (15, 4, 1 ff.) mitgetheilt; zumal er bei bei-
den Flüssen dieselbe wunderbare Erscheinung erwähnt dass ihr "Wasser
*) Vgl. Strabo p. 271. (b [sc. 'Poöavüj] cu|H|ndvei TÖ peü|aa 6iä Xipvnc
[1. ÄTiia^wric Xi|Livric] löv, opaxriv cOüZov xi^v ^üciv.
V, Gardthausen : Die geographischen Quellen Ammians. 43
sich nicht mische mit dem des Sees, den .sie durchströmen. —
Bei genauerer IJetrachtung aber schwindet die Aehnlichkeit immer
mehr; nicht nur die ammianeiFche Schilderung weist auf spätere,
römische Zeit (z. B. Sapaudia, Viennensis, Lugdunensis, Germania
prima, Ad Gradus, raillenis passibus, octauo decimo lapide etc.)
sondern anch der Bericht Strabos setzt eine solche Bekanntschaft
des Binnenlandes und der einzelnen gallischen Völkerschaften vor-
aus , dass Strabos Gewährsmann sicher nach der Unterwerfung
Galliens durch Cäsar gelebt haben muss. Es ist daher unmöglich,
dass Amraian und Strabo hier dem Eratosthenes folgen; viel-
leicht war Timagenes auch hier ihre gemeinsame Quelle ; ob-
schon sich beim Ammian Spuj en späterer Bearbeitung nicht leugnen
lassen.
Sallust.
Unter den übrigen Quellenschriftstellern, die Ammian benutzte,
nimmt Sallust die erste Stelle ein, obwohl er nur i-in einzi'^'cs
Mal namentlich citirt wird.
Amm. M. 15, 12, 6 (= Sali. Hist. I 8 ed. Uietsch) nam
omnes Galliae, nisi qua paludibus inuiae fuere, ut Sallustio docetur
auctore, post decennalis belli mutuas clades Su[lpicio, Marcello
coss.] Caesar societati nostrae foederibus iunxit aeternis.
Daran schliesst sich eine Reihe ähnlicher Stollen, wo die Be-
ziehungen zwischen Sallust und Ammian unverkennbar sind; ich
habe dieselben bereits früher in meinen Conjectanea S. 30 zu-
sammengestellt, die ich hier der Vollständigkeit wegen wieder-
holen muss.
8 (cd. D.) = Amm. M. 15, 12, G (Unterwerfung
Galliens)
= 15, 10, 10 (Saguntiner)
vrgl. m. 22, IG, 21 (Apion)
„ „ 17,7,11 (Ursache der
Erdbeben)
= 23, G, 56 (Belagerung von
Cyzicus)
= 22, 8, 10 (Bild des sky-
tischen Bogens)
= 22, 8, 'IG (das sUsso Was-
ser des Poulus)
= 22, 8, 20 (Criumelopon)
= 22, 8, 27 (Tanais)
= 22, 8, 12 (Nomaden)
= 22, 8, 25. 33 (Acliüor)
— 23, 6, IG. 37. 38 (Naphtha)
«" 23, G, G (Arsaciden)
V 122 vrgl. m. 15, 10, 0 ((icryonos)
Sali. 11 ist. I
8
II
21
II
39
II
43
III
29
IN
41
111
15
III
•IK
III
49
HI
51
III
52
IV
54
V
1
4-4 V. GardthauBcn: Die geographiHchen Quellen Auimiuus.
iJci dicaer Zusammünstellung rällt zunächst auf, dass die den
aullusiiaiiischcn ontöprccLondcn SUllon Ainmians auch hier wieder
sich ausachliesslicli auf die geo^Tujjhischcn Partien beschränkt zei-
gen; es ist daher \vied(;rum wahrscheinlicher, dass Aminian diese
Notizen nicht direct der Geschichte des Sallust verdanke, sondern
vielmehr indirect durch Vermittelung eines Geographen. — So
worden z. B. rein historischo Facta, wie der Umstand, dass die
Römer bei der Belagerung von Cyzicus zum ersten Male Kamele
gesehen hätten , in einem rein geographischen Theile bei der Be-
schreibung Bactriens erwähnt.
Die Citate aus Sallusts Geschichte sind an zwei Stellen (15,
12, 6 und 23, G, 5G^; so eng und so organisch mit den Rubriken
der schtiuatisirten Geographie verbunden, dass sie nicht ausge-
schieden werden können; es ist daher die Annahme unabweislich,
dass der Verfasser jener Geographie bereits Notizen des Sallust in
sein Werk verarbeitete. Andrerseits aber treffen wir auch bei den
griechischen periegetischen Quellen viele sallustianische Notizen.
Diese Uebereinstiinmung lässt sich auf zweierlei Weise erklären;
und zwar so, dass Ammian neben seinen geograjihischen Quellen
auch noch die Geschichte Sallusts direct benutzte ; oder dass Bei-
den eine gemeinschaftliche Quelle zu Grunde liegt, das könnte in
unserm Falle nur Eratosthenes sein; und da sich auch beim
Sallust (III 44) das Gleichniss vom skythischen Bogen findet, so
leidet es keinen Zweifel, dass Sallust in geographischen Fragen
in der That vom Eratosthenes abhängig war,
Eratosthenes
Sallust Perieget des 22. B.
schemat. Geogr.
Am. Marc.
Cäsar.
An den Sallust schliesst sich Cäsar, der am Schlüsse des von
ihm entlehnten Abschnittes erwähnt wird (15, 11, 6). Man sieht
auf den ersten Blick, dass die Worte 15, 11, 1 Temporibus pri-
scis — 15, 11, 5 facile in dicionem uenere Romanam genau dem
Anfang von Cäsars Commentarien entsprechen mit ganz geringen
Zusätzen, die eine spätere Hand erkennen lassen. Natürlich er-
hebt sich auch hier die Frage, ob Ammianus Marcellinus selbst
den Cäsar für die Partie ausschrieb. Doch ist der Abschnitt zu
klein, um mit Sicherheit diese Frage zu beantworten; man kann
nur so viel sagen: wahrscheinlich gehen diese dem Cäsar entlehn-
ten Nachrichten auf dieselbe Quelle zurück, der Ammian auch
seine Notizen aus Sallust und Livius und den übrigen lateinischen
Historikern verdankte.
V. Gardthausen : Die geographischeii Quellen Ammiane. 45
Cborographia Pliniana.
Dass zwischen Ammian und Solin irgend welche Beziehungen
bestehen, hatte man schon längst gesehen, nur in'te man darin,
dass man den Einen das Werk des Andern benutzen liess. In
seiner mustergiltigen Einleitung zum Solin hat Mommsen diesen
Irrthum aufgedeckt und nachgewiesen, dass Beide aus gemeinschaft-
licher Quelle geschöpft haben (Sol. ed. M. p. XV); er benennt
dieselbe cborographia Pliniana, weil der von Ammian und Solin
benutzte Geograph hauptsächlich den Plinius, dann aber auch
Mela und Andere ausgeschrieben hat; ein Verzeichniss derjenigen
Stellen Ammians, die den solinischen entsprechen, giebt Mommsen
a. a. 0. p. 251. Dieselben finden sich zwar vorwiegend in den
geographischen Excursen, jedoch nicht ausschliesslich ; man sieht
also, dass Ammian selbst jenes Werk benutzt hat, und man keinen
Grund hat, irgend welche Mittelglieder anzunehmen. Daher erklärt
es sich auch, dass wir derartige Notizen fast über alle geographische
Episoden verstreut finden, mag Ammian sonst einer griechischen
oder lateinischen Quelle folgen. — Stellenweise finden wir sogar
zwei Versionen derselben Sache neben einander, von denen Am-
mian die eine in der zu Grunde gelegten Haupttpielle fanJ, und
die andere aus der choi*ogTaphia Pliniana nachtrug. So lässt Am-
mian z. B. 14, 8, .3 seinem Leser die Wahl zwischen zwei ver-
schiedenen Gründungssagen der Stadt Tarsus, deren eine er in
seiner schematisirten Geographie vorgefunden, während er die an-
dere aus der cborographia Pliniana entlehnte (Sol, ed. M. p. 189,
1-2).
Aus dem Excurse über die Pontusländer (22, 8, 1 fJ.)
sind sicher die §§ 44 — 45 der cborographia Pliniana entjinmmcn
(vgl. Coniectanea Amm. p. 18). Dann folgt ein kurzer Abschnitt
über die Beschaffenheit des Wassers im Schwarzen Meere. Auch
Sallust hatte im eigenen Excurs""), den er wahrscheinlich bei Ge-
legenheit der mithridatischen Kriege eingefioehten, hervorgehoben,
dass der Pontus sich vor allen Meeren durch sein süsses Wasser
auszeichne :
fr. in 45 (ed. D.) Ipsum mare Ponticum dulcius quam cetera.
Wie die kurz vorhergehenden Notizen , so lassen siel» auch
die unmittelbar nachfolgenden auf die chorographia IMiniana zu-
rückführen. Schon Plinius hatte nendich behauplt'l, dass der i'nutus
von liaublhiereu gän/.lich frei sei.
Plin. n. li. 1>, 11». In Pontuiu nullu intnil bestia piscibus
malofica praeter uitulos et paruos delphinos (vgl. .\m. M. 22, 8,47).
Da nun die §§ 4(1—48 ein einheitliches Giuizc bilden, i? 47
aber, wie eben gezeigt wurde, auf Plinius (n. h. 9, 49) zurUck-
*) Einen älmliclicii peojjrnpliiHohpn KxcurM dos Snlhist orwlUinl .\rioii
orii mnrltiinii v. 'M: tu\ oiiis [Sallii!<ti] inclitani ilcHcriptioncni . . . .
iiuilln runiin iiiniimiis ex pliiriinuriiiii siiniptii cointncntiii ii-t.
4G V, Gardthausou : Die geographischen Quellen AmmiauB.
geführt werden kann, so ist es wahrscheinlich, dass nicht nur § 44
45, sondern auch §§ 4G — 48 auf die chorograijhia Pliniana zurück-
gehen, deren Verfasser den Sallust sicher gekannt und benutzt hat:
Solin. ed. M. p. 50, 9. Sardinia quoque, quam ajind Timaeum
Sandaliotin legiinus, Jchnusam apud Cri spum (vg^- Sallust
frg. ed. D. IT 2).
Dass die Beschreibung Aegy ptens fast ganz der chorographia
Pliniana entlehnt ist, hat Mommscn p. 254 seiner Solinausgabe
gezeigt durch einfache Gegenüberstellung der entsprechenden Ci-
tate, die sich allerdings auf die ganze Episode beziehen. Von den
so gelassenen Lücken haben wir einige w. z. B. 22, 15, 2 — 3
bereits früher aus anderen Quellen abzuleiten versucht; andere w.
z. B. die §§ 12 — 14 hängen so eng mit dem Vorhergehenden und
Nachfolgenden zusammen, dass man nicht umhin kann, auch hier
dieselbe Quelle zu statuiren. Die nun folgenden §§ 15 — 2G lassen
sich alle aus der chorographia Pliniana erklären, während der § 27
wenigstens in dieser kurzen Form kein Gegenstück im Solin findet.
Dennoch lassen sich bei diesem Schriftsteller dieselben griechischen
Schlangennamen nachweisen (p. 137 amphisbaena, scytale, dipsas
aspis p. 141 basiliscus), wie beim Ammian, nur dass Ersterer die
Sache viel eingehender behandelt, während Ammian sich mit der
Aufzählung von Namen begnügt. Es unterliegt daher wohl keinem
Zweifel, dass Beide hier die chorograj^hia Pliniana zu Grunde ge-
legt haben.
Von dem 16. Kapitel des 22. B. lassen sich nur einige
Notizen auf dieselbe Quelle zurückführen, so z. B. § 7 und § 9.
Von der Episode über die persischen Provinzen 23, 6, 1 ff.
weist Mommsen der chorographia Pliniana den § 38 zu; und
grade diese Stelle liefert einen neuen Beweis für die oben auf-
gestellte Behauptung, dass in jene plinianische Chorographie auch
einzelne Theile der Geschichte Sallusts hineingearbeitet sind.
Sali. Hist. IV 54 (ed. D.) Amm. M. 23, 6, 37. 38
quod naphtha sit genus fomitis quae species gignitur apud Per-
apud Persas sas quam naphtham appel-
lauere
quo uel maxime nutriantur iu- aestus excitat acriores incendio-
cendia rum
genus olei cedro simile. similis oleo crassiori.
Ausser den beiden schon erwähnten §§67 und 68 hat Momm-
sen noch den Schluss der ganzen Episode § 85 — 88 hierhergezogeu
und grade an den Details dieser Partie den Beweis für die Rich-
tigkeit seiner Hypothese geliefert (Solin. ed. M. praef. XXVI — XXVII) .
Selbst in die Beschreibung der Hunnen und Alanen hat Am-
mian einzelne Züge aus der chorographia Pliniana hingewebt; weil
er diese den Früheren unbekannten Völker füi* Nachkommen der
V. Gardthausen : Die geographischen Quellen Ammians. 47
Massageten hält (31, 2, 18 ueteres Massagctas) , glaubt er sich
befugt, seine Schilderung dieser Völker mit Zügen, die er frühent
Schilderungen entnommen, auszuschmücken. Amm. M. 31, 13 —
15 = Sol. p. 92, 4 (vgl. praef. p. XXIV— XXV). Hier liesse sich
noch eine Kleinigkeit nachtragen:
Sol. ed. M. p. 92, 10 Amm. M. 31, 2, 23
populis istis deus Mars est 2) Martem regionem circumcir-
cant praesulem uerecundiuscolunt
pro simulacris enses coluntur. 1) sedgladiusbarbaricorituhumi
figitur eiimque ut Martem etc.
Leider ist der Text Ammians auch hier einmal wieder höchst
lückenhaft überliefert, so namentlich § 12. Es ist dies um so
mehr zu bedauern, als Ammian an unserer Stelle wahrscheinlich
den Verfasser der chorographia Pliniana namhaft machte.
Aus den vorhandenen Resten sieht man nemlich deutlich,
dass Ammian hier dieselbe Phrase wie 15, 9, 2 brauchte, um zu
seiner neuen Quelle überzuleiten, lange Zeit habe man im Dunkeln
getappt und nichts gewusst über den betreffenden Gegenstand, end-
lich aber sei ein Mann erstanden , und habe sie in helles Licht
gesetzt. — Da nun die unmittelbar folgenden Partien §§ 13 — 1.'>
sicher der chorographia Pliniana entlehnt sind, so ist sehr wahr-
scheinlich, dass Ammian hinter den Worten: tandem repperit ueri-
tatis interna * * * * den Namen des chorograpbus Plinianus einge-
fügt hatte.
Coelius Antipater.
In seiner hübschen uud anregenden Festschrift für die leip-
ziger Philologenversammlung 'Antiochus von Syrakus und Coelius
Antipater' stellt Wölfflin siimmtliche Stellen zusammen, aus denen
er die Darstellung glaubt recoustmiren zu können, welche der
letzt genannte Annalist den entscheidungsreichen -Fahren 219 und
218 gegeben hatte.
Coelius Antipater S. 50: 'Die bisherige Beweisführung erhält,
wie wir hoffen, ihre volle Garantie durch Vergleichung eines der
vielen gelehrten Excursc Ammians, der, von den Interpreten nicht
benützt, den ferner Stehenden als voll von Schnitzern ersihtinen
könnte, wenn er sich nicht bei näherer Prüfung al> acht coelianisth,
ja höchst wahrscheinlich al.s ein Pragment der von M. llrutus ge-
machten epitouie Coelii (Cic. ad Attic. 13, 8) herausstellen würde'.
(Dann fulgt Amm. M. 15, 10, 10—11).
Auch S. 28 versuchte WöltTlin bereits an dtT Hand Animiuns
die coolianische (lironologie wieder herzustellen. 'Eine bisher nicht
benützte Stelle Ammians, die auf den ersten lUick wie die cieero-
nianische als ungenau, lici näherer Pi-trarlitung dagegen als coe-
lianisch erscheinen wird (wir konuueu im 1. Abschnitte ilarauf
48 V. fiiirdthauHcn: Die geographiachen Quellen Ammiaus.
zurück) lässt una doutliclier ubnen, wie Coelius die Sache darge-
stellt bat' u. s. w.
Zunächst wird wolil ein Jeder mit einem gewissen Misstrauen
an diese Eehaui)tung Wölfllius herantreten, dass Ammian das
VVei'k römischer Annalisten oder Auszüge aus demselben, die
ihm zeitlich — wenn nicht sogar sprachlich — sehr fern standen,
in seine geographischen Episoden verwebt habe. — Ferner wird
man zugeben müssen, dass wir um so mehr Grund haben, skep-
tisch gegen jene }3ehauptung zu bleiben, je vereinzelter die Spur
auftritt, die Wülfllin glaubt nachgewiesen zu haben; denn eine
weitergehende Benutzung der Annalen des Coelius Antipat^jr in
dem Werk Ammians nachzuweisen, hat WüUFlin gar nicht ver-
sucht; ein solcher Versuch wäre auch von vorherein aussichtslos
gewesen.
Treten wir nach diesen Vorbemerkungen an das betreffende
Fragment des Coelius heran, das uns im Livius sicher beglau-
bigt ist,
Hist. rom. rcll. ed. Peter 1-4 (Liu. XXI 38, 7) Taurini Gal-
liae proxima gens erat in Italiam degresso. id cum inter omnes
constet, eo magis miror ambigi, quanam Alpis transierit et uulgo
credere Poenino (atque inde nomen ei iugo Alpium inditum) trans-
gressum [Hannibalem], Coelium per Cremonis iugumdicere transisse.
Die Berichte, die dem Livius vorliegen, /sind also darüber
einig, dass Hannibal nach seinem berühmten Alpenübergang zu-
nächst in das Land der Taui-iner gelangt sei; nur darin waren
dieselben getheilt, welchen Pass sie ihn benutzen Hessen. Die
grosse Mehrzahl liess ihn über die penninischen Alpen gehen ;
Coelius Antii"»ater dagegen über das iugum Cremonis. — Das ein-
zig Sichere, was wir also über die Darstellung des Coelius wissen, i)asst
durchaus nicht auf die Ammians, und widerstreitet dessen Angaben
gradezu, denn Ammian lässt den Hannibal über die i^enninischen
Alpen gehen, ohne das iugum Cremonis auch nur zu erwähnen.
Dazu kommt noch ein Zweites; wir haben durchaus kein Recht,
die ammianeische Stelle aus ihrem Zusammenhange zu reissen. Die
§§ 9 — 11 bilden ein einheitliches Ganze*), das sich von dem. Vor-
hergehenden, wo Ammian seine eigenen Erfahrungen mittheilt,
ebenso scharf abhebt, als von dem Nachfolgenden, wo er den
Anfang von Cäsars bellum Gallicum excerjjirt. In jenem Abschnitte
(§§ 9 — 11) spricht Ammian nicht etwa von Hannibals Uebergang,
sondern von den Alpenpässen im Allgemeinen; also § 9 von den
Pässen der Seealpen und gleich darauf von denen der penninischen
Alpen ; blos um diesen Namen zu erklären , wird der Alpenüber-
gang Hannibals erwähnt.
*) Der § 8 schliesst sich nnmittelbar an das Ende von § 2. Die
Worte (§ 2) compendiarias et uiantibus oportunas werden erst fortge-
setzt § 8 Et licet haec quam diximus uiam media sit et corapendiaria
est.
V. Gardtbausen: Die geographischen Quellen Ammians. 49
Ich sehe also in der Darstellung Ammians nichts als eine
vverthlose, stark corrumpirte Version der livianischen Tradition.
Denn dass Beziehungen zum Livius vorhanden sind, wie schon die
früheren Herausgeber bemerkten , leugnet auch Wölfflin nicht ;
ebenso wie er selbst aufmerksam macht auf die Reminiscenzen aus
Sallust (= Sali. Hist. II, 21 ed. D.) Saguntinis memorabilibus
aerumnis et fide.
Auch die Erwähnung des Geryones in diesem Abschnitte (§ 9)
darf man mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Sallust zurückführen,
dem dieser mythische Name keineswegs fremd ist (Histor. incert.
libr. rel. ed. D. 122). Diese Anklänge an Sallust machen es wahr-
scheinlich, dass die ganze Partie, die Wölfflin auf den Coelius
Antipater zurückzuführen versuchte, denselben Ursprung hat, wie
15, 12, 5 — 0, wo Sallust namentlich citirt wird, d. h. also der
schematisirten Geographie entlehnt ist. Damit stimmt es vortreff-
lich, wenn diu livianisclio Tradition die Grundlage bildet, und wenn
auch hier Namengebung und Gründungssagen (§ 9) besonders be-
rücksichtigt werden. Allerdings ist diese Partie nicht nach dem
bekannten Schema gearbeitet; doch, wenn jene Geographie, wie
wir oben nachgewiesen, die ganze antike Welt umfasste, so konnten
die Berge nicht dauernd ignorirt werden , und mussten also ausser-
halb des feststehenden Schemas ihren Platz finden.
Uebersicht.
14, 4, 1 — 7 (Saracenen).
Am. yi.
14, 8, 1 — 15 (Provinzen des Orients),
schem. Geogr. — § 3 chor. Plin.
15, 4, 1 — 6 (Rhein und Bodensee).
Eratosth.
15, c. 9 — 12 (Gallien).
9, 1 Am. M. 2 — 8 Timagenes.
10, 1 — 2 schem. Geogr. .3 — 7 Am. Vi. 8 — 11 schem. Geogr.
11, 1 — 5 Caesar. 6 — 15 schem. Geogr. 15 — 18 Timagenes (?).
12, 1 — 4 Am. M. 5 — 6 schem. Geogr. 6 Sallust.
18 c. 9 (Amida).
Am. M.
22 c. 8 (Thracien und die Pontusländer).
I Am. M. 2 — 9 griech. Perieg. 4, 6, 10 Eratosth. ("ebenso
Sali.).
II — 19 griech. Perieg. (§ 17 chor. Plin. 13, 14 Eratosth.)
20 Eratosth.
21—36 griech. Perieg. 24 chor. Plin. 25. 33 Sali.
37, 42, 43 Eratosth. 38 chor. Plin. 39—43 giiech. Perieg.
44—48 chor. Plin.
22, 14, 7 — 16, 24 (Aegypten).
14, 7—8 chor. Plin.
15, 1—2 schem. Geogr. 3—29 chor. PI. 30 (= 17, 4, 8—9)
Hermapion .
31 — 32 Paradoxogr.
16, 1 — 6 schem. Geogr. 7 und 9 chor. PI. 8 schem. Geogr.
10—11?
12 — 22 schem. Geogr. (14 chor. Plin.) 23 Am, M. 24 schem.
Geogr.
23, 6, 1 — 88 (Persien).
1 Am. M. 2—9 schem. Geogr. (6 Sali.) 10— 12 Eratosth.
13—15 schem. Geogr. (llPtolem.) 16 Sali. 17— 19 Paradoxogr.
20—21 Am. M. (21 chor. Plin.) 22—31 schem. Geogr.
32—36 schem. Geogr. (?) 37 — 38 chor. Plin. (38 Sali.).
39 — 43 schem. Geogr. 43 — 44 Eratosth. 45—52 schem. Geogr.
Uebersicht, 51
53 Eratosth. 5-4 — 61 schem. Geogi*. (56 Sali.).
62 Eratosth. 63—67 scbem. Geogr. 67 — 68 chor. Plin.
69—73 schem. Geogr. (69. 70. Eratosth.) 74 Eratosth.
75—84 Am. M. 85—88 chor. Plin.
27, 4, 2 — 14 (Thracien).
2 Am. M. 3 Eratosth, 4 scbem. Geogr. 5 Eratosth.
6 — 14 schem. Geogr.
31 c. 2 (Hunnen und Alanen).
1—11 Am. M. 12—16 chor. Plin. 17—21 Am. M. 22 Era-
tosth. 23 chor. Plin. 24—25 Am. M.
Inhalt.
'■ Theil.
Einleitunsr
••Seite
Selbständigkeit, des Am. m' ' ' ' H
Schematisirte Geographie v. J. 340-350 '. "^
t>
II. Theil.
Oriechische Periegese
Eratosthenes . . . . ' " -32
Timagenes ... ■■•••. .34
Sallust ■■■■•■•.. 41
Cäsar ■ • •■ • . . .43
Chorographia Pliuiuna ."■■■•• 44
Colins Antipater ... '"••■■••. 4.5
Uebersicht . ' ' 47