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Full text of "Die griechischen Sakralaltertümer und das Bühnenwesen der Griechen und Römer"

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HANDBUCH 

DER 

KLASSISCHEN 



AnERTüMS-WISSENSCHAZT 

in systematischer Darstellung 

mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen 

Disziplinen. 



In Verbindung mit Gymn.-Rektor Dr. Äutenrieth (Nürnberg), Prof. Dr. 
Ad. Bauer (Graz), Prof. Dr. Blass (Kiel), Prof. Dr. Brugrmann (Leipzig), 
Prof. Dr. Busolt (|üel), Prof. Dr. v. Christ (München), Prof. Dr. Flasch 
(Erlangen), Prof. Dr. Gleditsch (Berlin), Prof. Dr. Günther (München), 
Prof. Dr. Heerdegren (Erlangen), Oberl. Dr. Hinrichs t (Berlin), Prof. 
Dr. Hommel (München), Prof. Dr. Hübner (Berlin), Prof. Dr. Jul. Jung (Prag), 
Dr. Knaack (Stettin), Priv.-Doz. Dr Krumbacher (München), Dr. LoIIingr 
(Athen), Prof. Dr. Niese (Marburg) Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Nissen 
(Bonn), Priv.-Doz. Dr. Öhmichen (München), Prof. Dr. Pöhlmann (Erlangen), 
Prof. Dr. 0. Richter (Berlin), Prof. Dr. Schanz (Würzburg), Geh. Oberschulrat 
Prof. Dr. Schiller (Giessen), Gynm.-Dir. Schmalz (Tauberbischofsheim), Ober- 
lehrer Dr. F. Stengel (Berlin), Professor Dr. Stolz (Innsbruck), Prof. Dr. 
üngrer (Würzburg), Geheimrat Dr. v. Urlichs t (Würzburg), Prof. Dr. Moritz 
Voigt (Leipzig), Gymn.-Dir. Dr. Volkmann (Jauer), Dr. Weil (Berlin), Prof. 
Dr. Windelband (Strassburg), Prof. Dr. Wissowa (Marburg) 

herausgegeben von 

Dr. Iwan von Müller, 

ord. Prof. der klassischen Philologie in Erlangen. 



Fünfter Band, 3. Abteilung. 

Die griechischen Sakralaltertümer und das Bühnen 

wesen der Griechen und Eömer. 



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MÜNCHEN. 

g. H. BECK'SCHE VERLAGSBÜCHHANDLUNG (OSKAR BECK). 

1890. 



Die 



griechischen SakralaltertQmer 



und das 



Bülmenwesen der Griecben und Römer, 



Bearbeitet 



von 



Dr. Paul Stengel» ^^„^ Dr. Gustav Oehmiehen, 

Oberlehrer ^ITBerliD. Privatdosent an der Universit&t Mänchcu. 



it 8 Tafeln 




iywU»m»o'*;4iia 



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MÜNCHEN. 
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG (OSKAR BECK). 

1890. 

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^ LTBRARY 

I OF THE 

I LELAND STANFORD JUNIOR 
ly ÜNfVERSlTY. 



Alle Rechte vorbehnltcn. 



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C. U. Bcck'Bche Buchdruckerei in NördliuRcn. 



Spezielles Inhaltsverzeichiiis 

von Band V,* 3. Abteilung. 



Seite 

Ä. Die grriechischen Kültusaltertümer von Dr; Paul Stengel.*) 

EinleituDg. 

Begriff und Quellen der Diszipliu (§1) 3 

Geschichte der Disziplin (§2) 4 

Allgemeine Charakteristik der griechischen Religion (§ 3) . . . . 6 

1. Die Kultusstätten. 

Älteste Stätten der Gottesverehrung (§4) 10 

a) Altäre 12 

ßiofxog (§5) 12 

iaxnqa (§6) 14 

kaxla (§7) 15 

b) Tempelbezirke und TempelgQter. 

xifXBvog Bedeutung, Heiligkeit, Grösse; Benutzung der TempelgQter (§ 8) 15 

c) Tempel. 

Wo man Tempel zu erbauen pflegte (§9) 17 

Einrichtung und Grösse der Tempel (§10) 18 

Kultbilder (§10) 21 

Zweck und Bedeutung der Tempel (§11) 21 

Staatsschatz und Weihgeschenke in Tempeln aufbewahrt (§12) . 22 

Asyle (§13) 22 

2. Kultusbeamte, 
a) Priester. 

Kein eigentlicher Priesterstand (§14) 24 

Beaufsichtigung durch den Staat (§15) 24 

Obliegenheiten und Pflichten der Priester (§16) 25 

Rechte und Bedeutung der Priester (§17) 26 

Anzahl der Priester (§18) 26 

Alter der Priester (§19) 27 

Besondere Anforderungen und Vorschriften (§20) 27 

Ansehen und Auszeichnungen der Priester (§21) 28 

Einkünfte der Priester (§22) 28 

Besetzung der Priesterstellen. 

Erbliche Priestertümer (§23) 31 

Wahl durchs Volk (§24) 32 

Wahl durchs Los (§ 25) 32 

Kauf von Priesterstellen (§26) 32 

Priest^rtitel (§27) 33 

Priestertracht (§28) 33 

b; Gehilfen und Diener der Priester. 

UqonoLoif inifiijyioif xrJQvxeg, naqdaixoi, (§29) 34 

*) Die vorliegende Abhandlung lag bereits Im Okiober 1889 im Druck abgeschlossen vor. 

Der Ycrfiuscr. 



VI Spezielles InhaltsTerzeichnis von Band V, 8« Abteilung. 

Seite 

Uqo(pvXaxBg, t^dxo^m, vnoCdxo^ot (§ 30) 35 

UQorafAiat (§31) 36 

Tempelsklaven (§32) 36 

Extraordinär mit gottesdienstlichen Funktionen betraute Personen (§ 33) 37 
c) Seher und Weissager. 
€c) Die Mantik. 

Wesen und Bedeutung der Mantik (§34) 37 

Zufällige Zeichen. xXtjdoyeg, (fnjf^aiy xiqtcta (§ 35) . . . . 38 

Andere Zeichen (§36) 39 

Träume (§37) 39 

Vogelschau (§38) 40 

Nicht zufällige Zeichen (§39) 42 

Hieroskopie (§40) 42 

agidyirct. Besondere Arten der Hieroskopie (§ 41) .... 43 

Würfelorakel und Verwandtes (§42) 45 

fidvTBig, j|f^}7<r^oAd^oe und Sibyllen (§ 43) 45 

ß) Die Orakel. 

Zeichenorakel. Dodona (§ 44) 47 

Orakel des Zeus Ammon (§ 45) 48 

Zeusorakel in Olympia (§46) 49 

Weissageorakel. Bedeutung Apollons als Orakelgott. Delphoi. Die 

Pythia. Einfluss des Orakels (§47) 49 

Andere Orakel (§48) 53 

Fragen, die man den Orakeln vorlegte (§49) 53 

Traumorakel, des Asklepios, des Amphiaraos in Oropoe (§ 50) . 54 
b. Kultushandlungen. 

a) Das Gebet (§52) 57 

Hymnen (§53) 58 

b) Der Fluch (§54) 59 

c) Der Eid (§ 55) 60 

Beschwörungen und Zauberei (§56) 62 

d) Die Weihgeschenke. 

Geweihte Gegenstände (§57) 63 

Heilige Herden und Tiere (§58) 66 

Menschen geweiht (§59) (jQ 

e) Die Opfer. 

Bedeutung der Opfer. Homerische Zeit Verbrennen. Heiligkeit des 

Feuers (§60) 67 

Unblutige Opfer: Backwerk, Früchte, Käse, Weihrauch (§61) . 68 

änvqa (§62) 71 

Spenden (§63) 72 

Blutige Opfer. Zu Hause geschlachtete Tiere und Opfer von Privat- 
leuten (§64) 73 

Öffentliche Fest-, Dank- und Bittopfer (§65) 74 

Ausführung eines Speiseopfers (%(i^) 76 

Verwendung des Opferfleisches. Massenopfer. Beteiligung am Opfer (§ 67) 80 

Beschaffenheit der Opfertiere (§68) 83 

Opferbare Tiere. Von verschiedenen Göttern verschiedene bevorzugt. 

Wild und Fische nicht geopfert (§69) 83 

&co^ivia (§70) 85 

Opfer für chthonische Gottbeiten (§71) 85 

Sühn- oder Bussopfer. Ihre Bedeutung (§ 72) 87 

Menschenopfer (§73) 88 

Ersatz für frühere Menschenopfer (§74) . 91 

Andere Sühnopfer und ihre Eigentümlichkeiten (§ 75) .... 92 

Opfer für Meeres- und Flussgottheiten (§76) 94 

Eidopfer (§77) .... 94 



Spesielles InhaltsTerzeichnia von Band V, 8. Abteilang. YH 

Seite 

Heroenopfer. Entstehung und Bedeutung des Heroenkultus (§ 78 a) . 9G 

Totenkultus und Totenopfer (§ 78 b) 99 

Zu welcher Tageszeit die Opfer dargebracht wurden (§ 79) . . . 101 

Farbe der Opfertiere (§80) 102 

Geschlecht der Opfertiere (§81) 103 

Alter der Opfertiere (§82) 105 

f. Keinigungen und Sühnungen. 

Homerische Zeit. Mordreinigungen (§83) 106 

Reinigungen eines ganzen Volkes. Epimenides (§ 84) .... 108 

Lustrationsgebrftuche und Ceremonien (§ 85) 110 

Wodurch man sich eine Befleckung zuzog (§ 86) 112 

d-eoi xtt&ägaioi und dnotgonaioi (§ 87) 113 

Woher die Sitte der Reinigungen entlehnt ist (§88) . . . 114 

Die Orphiker (§89) 114 

g) Die Mysterien. 

Eleusinische Mysterien. 

Geschlechterkulte. Eleusinische Religion und ihre Aufnahme in den atheni- 
schen Staatskultus (§90) 115 

Bedeutung der Mysterien und Inhalt der eleusinischen Ofifenbarungen (§91) 118 

Eleusinische Kultusbeamte (§92) 121 

Aufnahme in die Mysterien (§93) 122 

Die kleinen Mysterien (§94) 122 

Die grossen Eleusinien. dQtofAeya, XeyofAeytt, dytovsg (§ 95) . . . 123 

Filialen des eleusinischen Mysteriendienstes (§ 96) . . . 125 

Die samothrakischen Mysterien. Eabiren (§97) 126 

Geschlossene Kultgenossenschaften, igayoi, ^iaaoir, oqyBtovH (§ 98) . 127 

Kultuszeiten. 

a) National feste. 

Einfnhrung der Feste (§99) 129 

Bedeutung der Wettkämpfe. 

of) Die olympischen Spiele (§ 100) 129 

Gottesfriede. Einladung zum Fest. Einführung der verschiedenen 

Kämpfe (§ 101) 131 

Olympia (§ 102) 132 

Die mit der Leitung des Gottesdienstes und der Spiele betrauten Be- 
amten (§ 103) 133 

Fünftägige Festfeier in Olympia. Wettkämpfe der Knaben. Gymni- 

sche Agone der Männer (§ 104) 134 

Hippische Agone (§ 105) 137 

Pentathlon, Ephedrie, Waffenwettlauf (§ 106) 140 

Abschluss des Festes. Ehren der Sieger (§ 107) .... 142 

Gelehrte und Künstler in Olympia. Keine verheirateten Frauen (§ 108) 144 

ß) Die pythischen Spiele (§ 109) 145 

y) Die isthmischen Spiele (§110) 147 

(f) Die nemeischen Spiele (§111) 148 

b) Die Feste der einzelnen Staaten. 

Verschiedenheit der Zeitrechnung. Monatsnamen. Wichtigkeit der Feste 

(§112) 149 

a) Athenische Feste. 

Hekatombaion : Kronien, Synoikien, kleine und grosse Panathenaien 

(§113) 151 

Metageitnion (§114) 155 

Boedromion: Nekysia, grosse Eleusinien (§115) . . . . 156 
Pyanopsion : Pyanopsien, Oschophorien, Theseen, Thesmophorien, Apa- 

turien, Chalkeen (§116) • . 157 

Maimakterion (§117) 161 

Poseideon: Haloen, ländliche Dionysien (§118) . . . . 161 



VIII Spesielles InhaltsTerseichnis von Band Y, 8. Abteilnng. 

Seite 

Gamelion: Lenaien, Gamelien (§119) 162 

Antbesterion : Anthesterien, kleine Mysterien (§ 120) . . 163 

Elaphebolion : Elaphebolien, grosse Dionysien (§ 121) . 166 

Munichion: Delphinien, Munichien, Olympieen (§ 122) 167 

Thargelion: Thargelien, Bendideen, Kallynterien und Plynterien (§ 123) 168 

Skirophorion: Skiropborien, Arrhephorien, Dipolien (§ 124) . 170 

Andere Feste: Brauronien, Proerosien u. s. w. (§125) . . 172 
ß) Feste anderer Staaten. 

Peloponnesiscbe Feste. Karneen (§126) 173 

Feste in Theben, Plataiai, Delphoi, Dolos, Rhodos u. s. w. Heroen- 
feste (§ 127) 175 



Yerzeichnis der Abbildungen zu den Knltnsaltertflniern« 

Tafd L 

Fig. 1. OpferaoeDe nsd Altar. Bracbstficke einer rotflg. Yaae des British Mtueum. Nach Journal of Hei- 

lenic Btndies IX 1. 
Flg. 2. Adoranten, ein Opferachwein führend. Belief im Museum zu Theben. Nach Mitt des D. Arch . Inst. 

zu Athen IV 1879 Taf. 16. 
Fig. S. Opferscene von einer rf. Vase ans dem Louvre. Nach Daremberg et Saglio Dict. 8. 1584 n. 8115. 
Fig. 4. Opferzug von einer sf. boiotischen Vase des Brit. Museum. Nach Joum. of Hell. Btud. Fol. T^ YII. 
Fig. 5. Opferscene von einer rf. Vase. Altar aus Feldsteinen. Nach Yases Lamberg Paris 1813 I 23. 
Fig. 6a. Altar mit Dionysosherme von der Schale des Hieron Berlin n. 2290. Nach Wiener Yorjegeblitter 

Serie A Taf. lY. Benndorf 1879. 
Fig. 6b. Altar mit Palme und Dreifuss daneben. Yon der Troilosschale des Euphronios. Nach Wiener Yorlege- 

bl&tter Serie Y Tat 6, Ck>nze 1871. 



Tafel IL 

Fig. 1. Tempel des Apollon Didymaios bei Milet. Nach den „Antiquities of Jonia** 

(herausgegeben von der QeseUschaft der Dilettant!) gez. von Kettner. 
Fig. 2. Zeustempel in Olympia. Nach Abel Bleuet, BÖtticher und Curtius gez. von 

Th. Böhm. 
Fig. 8. Parthenon. Nach Penrose, BÖtticher, Stuart und Falkenberg gez. von 

Schulze. 

Alle drei im Maasstabe von 1 : 400. 
Fig. 4. Grundriss des Parthenon nach W. Dörpfeld in den Mitt. des D. Arch. Inst, zu Athen YI 1881 Taf. XII. 



Denbm&Ier der Baukunst 

herausgeg. von den 
) Studierenden der Sgl. 
Technischen Hochschule 
Berlin, Liet I. 



Tafel III . 

Fig. 1. WeihgMchenk des Nearchos von der Akropolis zu Athen. Werk des Antenor. Nach Btudniczka im 

Jahrb. d. D. Arch. Inst. U 1887 8. 141. 
Flg. 2. Kanephore aus Paestum. Bronzestatuette im Berliner Mus. mit Weihinschrift an Athena. Na<di Arch. 

Ztg. 1880 Tat 6. 
Flg. 8. Dreifuss nach dem Siege von Plataiai in Delphoi aufgestellt. Nach der Bekonstruktion von P. Graef 

bei Fabricius Jahrb. des D. Arch. Inst. I 8. 189. 
Fig. 4. Geweihte Lanzenspitae im British Museum. Nach Joum. of Hell. 8tud. Fol. Tat XL 
Fig. 5. Zwei Augen. Yotivrelief an Zeus Hypsistos, Berlin n. 720. Nach dem Original gezeichnet. 

Tafel IV. 

Fig. 1. Betende. Nach einer Münze des Berliner Kabinets gezeichnet (auch im Jahrb. desD. Arch. Inst I 1886 

a 12). 
Fig. 2. Betender. Innenbild einer Trinkschale im Brit. Museum. Nach Jahrb. des D. Arch. Inst. 18. 12. 
Fig. 8. Mystenweihe. Beliefdaratellung auf einer Aschenume im staatlichen Mus. in Bom. Nach Bullettino 

deUa comm. archeol. com. 1879. 

Tafel V. 

Fig. Waflienwettlauf von einer 8chale des Berliner Mus. n. 2307. Nach Jahrb. des D. Arch. Inst. II 8. 105. 
Fig. 2. Springer mit Halteren. Yon einer rt Panaitiosschale der Sammlung Bourguignon in Neapel. Nach 

Arch. Ztg. 1884 Tat 16. 
Fig. 8a. Speerwuif, Sprung, Diskoswurf. Yon einem panathen. Preisgefiss des Museums in Leiden. Nach Arch. 

Ztg. 1881 Tkf. 9. 
Flg. 8b. Diskoswexfer. Yon einem Krater aus <3apua im Berliner Museum. Nach Arch. Ztg. 1879 Tat 4. 
Flg. 4. Faustkimpfer. Yon der Durisschale Berlin 2284. Nach Arch. Ztg. 1883 Tat 2. 
Hg, fit. Bamendo Ylergeapanne. Yon der Durisschale Berlin 2288. Nach Arch. Ztg. 1883 Taf. 1. 
Ilf. eik BlB^kinpfor. Yon einer rf. Yase des Berliner Museums n. 2158. Nach Gerhard Trinkschalen und Ge- 
TUL20. 

Von der Durisschale Berlin 2288. Nach Arch. Ztg. 1883 Tat 2. 
•Wvttitaiif. Mosaik in der YUla AlbanL Nach Gerhard Antike Bildwerke Taf. 68, 1. 



Spezielles InhaltsverzeiolmiB von Band V, 8. Abteilnng. IX 

Reite 

B. Das Bühnenwesen der Griechen und Römer 

von Dr. Gustav Oehmichen. 

1. Einleitung. 

BOhnenspiele (§1) 181 

Alte Bühnenspiele (§2) 181 

Perioden in Athen (§3) 182 

Perioden in Rom (§4) 183 

Alte Bühnenkunde (§5) 183 

Neuere Forschung (§6) 183 

Quellen im allgemeinen (§7) . 184 

Dramen (§8) 185 

Urkunden (§9) 186 

Alte Forschung (§10) 187 

Theatergebäude (§11) 188 

Marken (§12) 189 

Bildwerke (§13) 189 

2. Die staatlich -gesellschaftlichen Grundlagen der attischen 

BQhnenspiele. 

A. Einrichtung im allgemeinen. 

Veranlassung, Arten (§14) 191 

Festzeit (§15) 191 

Festort (§16) 192 

Festordnung: Grosse Dionysien (§17) 192 

Festordnung: Lenäen, kleine Dionysien (§18) 194 

B. Persönliche Verhältnisse. 

Archen (§19) 195 

Choreg (§20) 196 

Agonothet (§21) 199 

Dichter-Didaskalos (§22) 200 

Schauspieler (§23) 203 

Übrige Darsteller (§24) 205 

Die dionysischen Künstler (§25) 205 

Preisrichter (§26) 206 

Zuschauer (§27) 207 

C. Sonstiges. 

Besorgung der Mittel (§28) 209 

Kosten (§29) 211 

Rechtsschutz (§30) 211 

3. Die staatlich-gesellschaftlichen Grundlagen der römischen 

Bühnenspiele. 

A. Im allgemeinen. 

Veranlassung, Arten (§31) 212 

Festzeiten (§32) 213 

Festori; (§33) . . 214 

Festordnung (§34) 215 

B. Persönliche Verhältnisse. 

Festleiter (§35) 216 

Spieluntemehmer (§ 36) 217 

Dichter (37) 217 

Darsteller (§38) 218 

Zuschauer (§39) 219 

G. Sonstiges. 

Besorgung der Mittel (§40) 221 

Kosten (§41) 222 

4. Die äusseren Mittel der Darstellung. 
A. Theatergebäude. 

BegriflF (§42) 222 



Speelellu InhaltsveraeiobniB von Band T, S. AbteilnuK. 






Teile. Arten (§43) 

Gnindmasa, Gnindfigiir (§U) 226 

Grundriss des griechUchen Tbeatere (§45) 228 

Grandriaa des römischen Tbeatera (§46) . 230 

Baupiste (§47) 232 

Zuschaueiring {§ 48) 233 

Orchestrnrauiii (§ 49) 235 

Bühnengebäude (§50) 23Ö 

Akustik (S 51) 238 

SchntzTomch hingen (§52) 23SJ 

B. Ausstattang der Küame. 

Im allgemeinen (S S3) 239 

Thyraelo (§54) '.!!*. 242 

BOhneDtnasctiinerie {§ 55) 243 

BühneDschmuck, Vorhang (§56) 244 

Obermaschinerie (§57) 24(J 

Untermasohinerie (§58) 248 

C. AoBstattUDg der Daratellor. 

Im allgemeinen (§59) 248 

Masken {§(10) 251 

Fnaabekleidung (§61) . 253 

Ttagisohe GewBnder (§ 62) . . . . ' ^ ] | ] [ 254 

GewBnder im Satyrepiel (§63) ' 257 

Gewänder der Komödie (§64) .' .' , 258 

Kopfbedeckung, Abzeichen (§ 05) 260 

Flöte (§ 66) '.'.'.'.'.'.'. 262 

. Die Daretellung. 

A. Begleitende Umslfiode. 

Auswahl, Bearbeitung der Stücke (§ 67) 263 

Einübung (§68) 264 

Anklindigimc (§69) .... 265 

Vorfeier (§70) 2(i(i 

Einleitung des Wettkampfes (§71) 267 

Preiskröniing, Siegesfeier (§72) 268 

Verhalten der Zuschauer (§73) ! 271 

ß, Foraion der Daretellung, 

Die Teile des Vortrags (§74) 272 

Griechiscber Chor im allgemeinen (§ 75) . . . , 274 

Vortrag der Parabase (§76) 277 

Vortrag der Staaima (§771 ! ! ! ! . 278 

Epeisodischer Zwischen Vortrag (§78) 279 

Chor im gemischten Vortrag (§79) 281 

Einzug. Auszug (§80) 282 

Der rümische Chor {§ 81) , . 285 

Vortrag der Schauspieler (§82) ! ! ! ! 285 

Musikbegleitimg (§83) '. ! ! ! 288 

Ooberdensprache (§84) ' 289 

Marsch, Tanz (§85) ....!!!'!' 292 

Mündlicher Tortrag (% SS) ....',,.[ \ . 29b 

C. Die darstellenden Künste. 

Im allgemeinen (§87) 296 

Kunst der Ausstattung (§88) ' .' 297 

Begleitende Tonkunst (§ 89) . , . . | i . i ' ' 299 

Kunst der Chorenten (§90) 299 

Griechische Schauspielkunst (§91) . . 299 

Ibimlscfae Schauspielkunst (§92) ! ! . 302 



Spezielles InhaltsyerzeichniB von Band V, 8. Abteilnng. XI 

Yeneiehnls der Abbildnngeii zum Bfihnenwesen der Griechen und Rdmer. 

Tafel L 

Flg. 1. TtaeAter zu Epidauros. (Qrandrira) 

Fig. 2» (links) nnd Fig. 2b (rechts) AufHm und Durchschnitt des Böhnengcbäudes in Orange. Vgl. Titfol n. 

(Fig. 2a in der Bichtang der Achse des Theatera, Linie EF in Fig. S ; Fig. 2b in der Richtung der 

Orchestraeinginge, Linie CD in Fig 3.) 

Tafel IL 

Fig. 3—6. Grundrisse des Bühnengeb&ndes in Orange (Fig. 8 u. 6, nach und vor der Aufdeckung, im angegebeneu 
Maasstabe, Fig. 4 u. 5, für den 8. Stock nnd darüber, in der Hälfte des üasastabes). 

Tafel IIL 
Fig. 7. Tragischer Schauspieler (Elfenbeinatatuette.) 

KB. Fig. l nach den Praktika der athenischen archäologischen Gesellschaft vom J. 1888, Fig. 7 nach 
Monumenti d. Inst XI 18, alles übrige nach CARI8TIE (s. zu § 11). 



Nachträge und Berichtigungen 

zu den griechischen Kultusaltertüniern. 



S. 10 Anm. 6 lies 27 statt 35. 

S. 15, 20, 125, 126 1. Eabiren st. Kabeiren 

S. 38 Z. 17 1. erfordert st. erfordern. 

S. 63 Amu. 6 1. Hdb. IV st. V. 

S. 77 Anm. 11 Z. 4 1. Abbildung st. Abbildungen. 

S. 77 Anm 13 und S. 82 Anm. 7 1. ort ovSk C. ^. st. oVrow C. i. 

S. 79 Anm. 13 1. IvdQaxa st. IvdaQxa. 

S. 82 Anm. 13 1. Anm. 14 statt eben. 

S. 90 letzte Z. Text: 1. Targelien st Thargelien. 

S. 93 Z. 18—19 tilge die Worte: wenn - will 

S. 97 ZI. 11 von unten 1. 8) st. 7). 

S. 102 Z. 5 von unten 1. 19) st 10). 

S. 111 Anm. 6 l. nvQ st. nvg, 

S. 120, 123, 124 1. lacchos st Jacchos. 

S. 122 Z. 16 1. Relief einer Aschenume st. Vasenbilde. 

S. 135 Z. 24 1. deshalb st. dcsshalb. 

S. 167 Anm. 15 hinzuzufügen: Busolt Jahrb. f. Phil. 1887 S. 33 ff. 

S. 173 Anm. 14 Z. 3 1. 36 st 33. 

Berichtigimgen zum Bahnenwesen S. 304. 



A. 



Die griechischen KultusaltertOmer 



von 



Dr. Paul Stengel, 

Oborlclircr am kp^l. Joaclilmstlialachcn GymnaniiiDi zu Berlin. 



Handbuch der kUaa. AltertimawiflaenBcliafl. V. 3. Abtlg. 1 



Inhalt. 

EinleituDg. 

1. Kultuaetätten. 

2. Kultusbeamtc. 

8. KaltnBhandluDgcn. 
4. KultOBzeiten. 



Einleitung. 

a. Begriff, Quellen und Geschichte der Disziplin. 

I. Wenn „die Reproduktion des klassischen Altertums durch Erkenntnis 
und Anschauung seiner wesentlichen Äusserungen" (Ritschl Opusc. V S. 7) 
Aufgabe der Philologie im weitesten Sinne des Wortes ist, so fallt es den 
Kultusaltertümern zu, die Äusserungen des religiösen Lebens, die Gottes- 
dienste und die sakralen Institutionen darzustellen. Wie jedes Gebiet der 
Altertumswissenschaft berührt sich auch dieses vielfach mit verwandten, — 
mancher religiöse Brauch wird nur aus den Eigentümlichkeiten des Privat- 
lebens, manche heilige Satzung nur aus den Einrichtungen des Staatswesens 
verständlich, — ja es ist von der Mythologie, d. h. der Religionskunde, 
eigentlich nicht zu trennen. Ist Kultus und Gottesverehrung der Zweig 
gewesen, auf welchem die schönste Blüte an dem unvergleichlichen Baum 
hellenischen Lebens erwachsen ist: Poesie und Kunst, so war die treibende 
Kraft doch die Religion selbst. Gottesdienst und alle Formen und Arten 
seiner Bethätigung sind ohne Leben und ohne Seele, vergegenwärtigt man 
sich nicht jeden Augenblick auch den Glauben und das Empfinden des 
Volkes, das sie geschaffen und geübt hat. So wird eine kurze Charakteristik 
der griechischen Religion auch die Kultusaltertümer einleiten müssen. Ist 
es darnach unumgänglich, teilweise in das nächstliegende Gebiet überzu- 
greifen, so ist andrerseits eine Beschränkung auf dem eigensten durch die 
Verhältnisse geboten: wir haben nur von Attika und einigen Brennpunkten 
des religiösen Lebens der Hellenen, wie Delphoi oder Olympia, so aus- 
führliche Nachrichten, dass wir uns ein Bild von den Gottesdiensten machen 
können; von den meisten Staaten und Städten wissen wir so wenig, dass 
ich auch abgesehen von der Zersplitterung des Stoffes und von Wieder- 
holungen, die dann unvermeidlich geworden wären, auf eine zusammen- 
hängende und geschlossene Darstellung ihres Kultus verzichten und mich damit 
begnügen musste, besondere Eigentümlichkeiten gelegentlich hervorzuheben. 
Hoffentlich ermöglichen es fortgesetzte Inschriftenfunde künftig einmal, auch 
an dieses Unternehmen erfolgreich heranzutreten. An Vorarbeiten fehlt es 
schon heute nicht mehr. 

Die Quellen, aus denen wir unsere Kenntnis schöpfen, sind die 
Litteratur und die Monumente, also: die Werke der Schriftsteller, die In- 



4 A. Die griechisohen Enltnaaltertümer. 

Schriften, bildliche Darstellungen aus dem Altertum und Überreste von 
Bauwerken. Die letztern sind erst in neuester Zeit reichlich erschlossen 
worden, und Dank dem Wetteifer der civilisierten Nationen, die immer 
genauer die alten Stätten durchforschen und den die Schätze bedeckenden 
Schutt forträumen, fliessen sie immer ergiebiger. Namentlich durch die 
Inschriften, von denen ein sehr grosser Teil sakrale Bestimmungen enthält, 
ist unsere Kenntnis erheblich gefördert worden. — Von den Schriften der 
Alten, welche Teile der Kultusaltertümer behandelten, wie Istros, Polemon 
u. a., sind uns nur Fragmente geblieben, wie andere antiquarische Notizen 
in den Scholien, Lexicis, bei Athenaios und späteren Autoren erhalten. 
Besonders wichtig ist Pausanias, der im einzelnen zwar nicht immer zu- 
verlässig, doch eine dankenswerte Fülle von Details aus dem ganzen 
Oriechenland zusammenträgt. 

Über die Sammlung der Inschriften Hinrichs im Hdb. I, S. 342 flF. 
Die übrigen monumentalen Quellen sind für die Kultusaltertümer grössten- 
teils dieselben wie für die Privataltertümer. Ich füge daher den Hdb. IV 
S. 337 von Iw. Müller genannten Werken, von denen inzwischen Bau- 
meister's Denkmäler vollendet, Daremberg's Lexikon um ein weniges ver- 
mehrt worden ist (bis Buchstab D), nur den Hinweis zu auf die 43 Jahr- 
gänge der Archäologischen Zeitung und das seit 1886 an ihre Stelle ge- 
tretene Jahrbuch des K. Deutschen Instituts, die Mitteilungen der Athe- 
nischen Abteilung, die Eplicnieris archaiohgike und das von den Franzosen 
herausgegebene JBulUtin de correspondance hellenique. 

2. Die neuere Litteratur reicht in ihren Anfangen bis auf die 
grossen französischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts zurück. „Sie strebten 
zu einer allseitigen stofflichen Erkenntnis des Altertums auf der Basis 
lebendiger Sprachkenntnis hin. Aber die Bartholomäusnacht brachte wie 
der Frost einer Mainacht der zarten Blüte vorzeitiges Welken; und die 
Polyhistorie, die aus ihren Anregungen erwuchs, war der Gegensatz zu der 
Konzentration, die allein zur Grundlegung einer Wissenschaft führen konnte" 
(üsener, Philologie und Geschichtswissenschaft, Bonn 1882 S. 6). Unt^r 
den Gelehrten des 17. Jahrhunderts, die sich durch Sammelfleiss aus- 
zeichneten, dabei aber völlig unkritisch verfuhren, ist vor allem Joh. 
Meürsius zu nennen (1579—1639), dessen zahlreiche Monographien am 
Ende des Jahrhunderts in den von Jac. Gronov herausgegebenen Thesaurus 
antiquitatum graecarum aufgenommen wurden, nach ihm J. Ph. Pfeiffer 
und John Potter (die genaueren Angaben über ihre Werke bei Busolt, 
Hdb. IV S. 8 f.), und für die Kultusaltertümer besonders wichtig J. G. 
Lakemacher, der Verfasser der Antiquitates Graccae (Helmstedt 1734). 
Dann wies Bentley der Philologie neue Bahnen, doch zog die Altertums- 
wissenschaft, soweit sie sich die Erkenntnis antiken Lebens zur Aufgabe 
stellte, nur indirekten Nutzen aus den lediglich die Kritik fördernden, ja 
schaffenden Arbeiten des grossen Mannes und der in seinem Geist Fort- 
wirkenden. Den realen Gehalt der antiken Litteratur zuerst lebendig er- 
fasst und in farbigen Bildern zur Anschauung gebracht zu haben, ist das 
Verdienst der Gelehrten der Pariser Akademie des Inscripfions et Beiles- 
Lettres, Barthelemy's Voyage du jeunc AnacJiarsis (Paris 1788) atmete 



Einleitang. (§ 2.) 5 

einen neuen Geist und erschloss den Gebildeten, was die Gelehrten bis 
dahin anderen und durch ihre den Blick beengende Einseitigkeit trotz aller 
Vielwisserei auch sich selber verschlossen hatten, und Ste-Croix* Histoire 
de la religion secrete des anciens peuples (Paris 1774) und Recherches sur 
les mysteres du paganlsme (1784) erhoben sich ebenfalls weit über die 
Leistungen der Vorgänger. Im nächsten Jahrhundert übernahm Deutsch- 
land die Führung. Fr. Aug. Wolf's grosser Schüler A. Boeckh verschaffte, 
nicht ohne heftigen Widerspruch zu finden, der Altertumswissenschaft in 
dem vorher bezeichneten Sinn die gebührende Stellung. Seine Staatshaus- 
haltung der Athener (zuerst 1817. 2 Bde., 2. Aufl. 1851, 3. Aufl. bes. von 
M. Fränkel 1886), die Sammlung der griechischen Inschriften und zahl- 
reiche andere Arbeiten auf dem Gebiet der griechischen Antiquitäten machten 
Epoche. Daneben behaupten W. Wachsmuth's Hellenische Altertumskunde 
(Halle 1826—30. 4 Bde., 2. Aufl. 1846. 2 Bde.) und auch des Holländers 
VAN Limboürg-Brouwer Histoire de la civilisation morale et religieuse des 
Grecs (Groningen 1832—42. 8 Bde.) einen ehrenvollen Platz. Weit über- 
treffen aber wurde alles, was bisher auf dem speziellen Gebiet der Sakral- 
altertümer geleistet war, durch Chr. Aug. Lobeck*s Aglaox)hamus sive de 
theologiae mysticae Graecorum causis (Königsberg 1829. 2 Bde.). Doch 
fehlte es noch immer an einem die »gottesdienstlichen Altertümer" zu- 
sammenfassenden, auf der Höhe der wissenschaftlichen Forschung stehenden 
Lehrbuch. Ein solches herzustellen unternahm Karl Friedrich Hermann, 
der in dem ersten Bande des die gesamten griechischen Antiquitäten um- 
fassenden Werkes die Staatsaltertümer bereits (1831) herausgegeben hatte. 
Sein Buch erschien 1846 (2. Aufl., nicht wesentlich verbessert, von B. Stark, 
Heidelberg 1858). Es ist noch heute wegen der zahlreichen Litteratur- 
angaben unentbehrlich, und bequem zu benutzen, weil die Hauptstellen 
der Schriftsteller stets ausgeschrieben sind. Die Kritik lässt zu wünschen 
übrig, das homerische Zeitalter ist sehr dürftig behandelt. Nach ihm hat 
G. F. Schoemann seine „griechischen Altertümer" geschrieben (2 Bde., 
1. Aufl. Beriin 1855, 3. 1871, Bd. H 1873). Der zweite Band (S. 126—600) 
enthält „das Religionswesen" mit Ausschluss oder doch nur nebensächlicher 
Berücksichtigung der homerischen Zeit, die am Anfang des ersten Bandes 
besonders behandelt ist. Es ist dies die vorzüglichste systematische Dar- 
stellung der Kultusaltertümer, die wir besitzen, „das Muster einer im besten 
Sinne populären Darstellung" (Lipsius in Bursian's Jahresbericht I 2, 1873 
S. 1335). Seit dem Erscheinen dieses Buches haben die Inschriften viel 
neues Material zugeführt, und manche treffliche Monographie hat es ver- 
wertet, die Ausgrabungen haben vieles in ein anderes Licht gestellt, kurz 
des Neuen ist so viel dazugekommen, dass eine Neubearbeitung des Stoffes 
wenn noch nicht dringendes Bedürfnis, so doch eine lohnende Aufgabe zu 
sein scheint. Als vor nunmehr zwei Jahren der verehrte Herausgeber des 
Handbuchs mich ersuchte, die Bearbeitung der griechischen Kultusalter- 
tümer zu übernehmen, entschloss ich mich dazu nicht ohne schwere Be- 
denken. Grosse Teile des Gebiets, das ich in Angriff nehmen sollte, hatte 
ich bisher nur gestreift, selbständig gearbeitet nur auf einem verhältnis- 
mässig kleinen Räume. Die mir gestattete Frist war kurz, und ich wusste. 



6 A. Die griechischen Eoltnsaltertttmer. 

dass die Stunden, die ich zu dieser Arbeit erübrigen müsste, mir nicht 
reichlich zugemessen sein würden. Und das Wichtigste: W. Dittenberger 
bereitete die neue Ausgabe der HERMANN*schen Gottesdienstlichen Alter- 
tümer vor — war meine Arbeit da notwendig? Nach meiner Überzeugung 
ist keiner unter den Lebenden so mit allem Rüstzeug für das Werk ver- 
sehen, wie Dittenberger, und mehr als eine Abhandlung der letzten Jahre 
hatte gezeigt, wie tief fundiert seine Studien, wie gross seine Beherrschung 
des Stoffes war. Doch ich wollte und sollte mich ja auch mit ihm nicht 
messen, und enthalten musste das Handbuch die Kultusaltertümer doch 
unter allen Umständen. So bin ich denn der ehrenvollen Aufforderung 
des Herrn Herausgebers gefolgt. Niemand wünscht mehr als ich, dass 
Dittenberger's Buch recht bald erscheinen und neue Kenntnis ver- 
breiten möge. 

Litteratur: Ausser den bereits genannten Werken: Stviir, Die Beligionssystemo 
der Hellenen u s. w., Berlin 1838, Chr. Pcttebsen, Religion der Griechen in Krsch und 
Grubbr's Encyklop., Bd. 82, Leipzig 1864. Rinck, Religion der Hellenen, Zürich 1854, 
2 Bde. VON Lasaulx, Akademische Abhandlgg., Würzburg 1844. Georg Grote, (^ riech. 
Mythologie und Antiquitäten, aus der griech. Geschichte übers, von Th. Fischer, Leipzig 
1856, Bd. 1. L. Preller, Griech. Mythologie, 3. Aufl. von Plew, Berlin 1872, 2 Bde. 
Von der 4. Aufl., besorgt von C. Robert, ist 1887 die erste Hälfte des ersten Bandes 
erschienen (für die Altertümer besonders durch grössere Berücksichtigung der Heortologio 
und stärkere Betonung der Verschiedenheit der Lokalkulte wichtig und fördernd). M. Duncker, 
Geschichte des Altertums, Bd. HI. Naeoelsbach, Homerische Theologie, 2. Aufl. von 
AuTENRiETH, Nürnberg 1861, Nachhumer. Theologie, Nürnberg 1857. E. Guhl und W. 
KoNER, Das Leben der Griechen und Römer nach antiken Bildwerken, 5. Aufl., Berlin 1882. 



b. AUgremeine Charakteristik der griechischen Religion. 

3. Es ist bis jetzt ein ebenso vergebliches Bemühen gewesen, die An- 
fänge der griechischen Religion bis in eine weit hinter Homer zurückliegende 
Vergangenheit zu verfolgen, wie ihren Ursprung bei entlegenen Völkern 
aufzufinden, und die vergleichende Mythologie, die diesen Zielen vor- 
zugsweise nachgeht, hat gesicherte Resultate, welche das Verständnis der 
Religion der Hellenen wesentlich förderten, kaum noch gewonnen. *) Augen- 
scheinlich ist in der stets fluktuierenden, sich stets mit andern Elementen 
versetzenden und neu bildenden Sage viel weniger vom alten gemeinsamen 
Stammbesitz übrig geblieben, als in der Sprache, wo die auseinandergehen- 
den Völker doch einen festeren Kern, gleichsam etwas Substanzielles, mit- 
nahmen, was schon seiner Natur nach widerstandsfähiger und wohl auch 
bereits ausgebildeter, Veränderungen und Neugestaltungen weniger ausge- 
setzt war. Aber auch wirkliche Übereinstimmung der Vorstellungen und 
Sagen verschiedener Völker beweist nicht, dass eines sie vom andern ent- 
lehnt hat: „Der Ursprung ist derselbe, die Volksphantasie, aber diese hat 
zu verschiedenen Zeiten bei verschiedenen Völkern das Gleiche hervorge- 
bracht. Analogie ist es, was Mythenerklärung lehrt; sobald sie auf die 
Descendenztheorie dabei überspringt, gerät sie in ein Labyrinth." 2) — Nicht 
minder missglücken mussten die Versuche, die griechischen Götter mit 



') Vgl. L. FbiedlInder in d. Jahrbb. f. 
Phil. 1873 S. 305 flf. nnd in d. Deutschen 
Rundschau, XIV. Jahrg., I.Heft Oktober 1887 



S. 97 flf. 

*) V. WiLAMOwiTz, Philol. Unters. VII 
S. 225 Anm. 23. 



Einleitung. (§ 3.) 7 

Naturkräften oder -erscheinungen zu identifizieren. „Die griechische Religion 
ist keine Naturreligion." *) „In der Seele des Menschen entstehen die 
Götter. Es ist nicht nur falsch, es ist Lästerung, wenn man sie in der 
Aussen weit sucht und ApoUon zu einem seelenlosen Feuerball macht." ^) 
Jene Sätze und Lehren streifen nicht nur der Dichtung den Glanz und Duft 
ab, ohne etwas Befriedigendes an die Stelle zu setzen, sie sind „durch- 
aus dazu geeignet, das Verständnis der griechischen Religion zu ver- 
bauen." 3) — Ebenso verfehlt ist es, der Urzeit des Hellenenvolkes den 
Glauben an nur einen Gott oktroyieren zu wollen. „Der Monotheismus 
bedingt einen Grad philosophischer Abstraktion, eine Ausbildung des Denkens, 
welche nur sehr vorgeschrittene Zeiten, vielleicht überhaupt nur Individuen, 
nicht Völker, erreichen."*) Aber welche Götter, wie viele und wie ent- 
wickelte die Griechen in ihre europäische Heimat herüberbrachten, wer will 
es sagen? Dass manche der später verehrten noch fehlten, andere erst hier 
ausgestaltet und fortgebildet wurden, lässt sich beweisen; will man weiter 
gehen, verliert man den Boden unter den Füssen. Erst unter dem grie- 
chischen Himmel sind die griechischen Götter geworden, was sie waren, 
und was sie uns sind. Hier sind sie in scharf begrenzten Formen und zur 
vollen Eigentümlichkeit ausgebildet worden, hier wurden sie täglich aufs 
neue geboren.^) Die ganze Natur wird von Göttern belebt und erfüllt, der 
Trieb und die Fähigkeit zu personifizieren ist fast unbegreiflich, und jeder 
Gott bleibt ein Individuum, das sich die Freiheit seines Willens und dio 
Selbstbestimmung wahrt, wie der einzelne Mensch, innerhalb des Kreises, 
den das von Ewigkeit her ordnende Weltgesetz auch um den Gott gezogen 
hat, und dessen Schranken er nicht ungestraft überschreiten darf. Überall 
von Göttern umgeben fühlte der Grieche sich sicherer und wohler. Es 
waren Wesen nach seinem Bilde geschaffen, zwar unsterblich und unver- 
gleichlich mächtiger, aber fähig zu leiden und zu freuen sich wie er, nicht 
vollkommen, aber eben darum menschlicher. Sie stiegen vom Olymp und 
zeugten seine Königs- und Heldengeschlechter, sie umgaben ihn auf Schritt 
und Tritt. Nicht bloss in der mythischen Zeit, im Kindesalter des Volkes: 
die Athener jauchzen der Göttin noch zu, als sie auf dem Wagen des 
Peisistratos in die Stadt einfährt (Herod. I 60), imd bauen dem Fan einen 
Altar, als er dem Philippides begegnet und ihm verspricht, er werde den 
Seinigen helfen, wenn sie ihn mehr verehrten (Herod. VI 105), und wieder 
Jahrhunderte später, als schon eine andere Religion die Welt zu erobern 
begann, werden ihre Boten Paulus und Barnabas für Hermes und Zeus 
gehalten und können die Ehrenbezeugungen der Menge nicht hindern (Act. 
apost. XIV 11 flf.). 

Die einzelnen Götter sind an Macht und Weisheit verschieden, wie die 
einzelnen Menschen. Zeus hat tiefere Einsicht auch in das Walten der 
Moira und lenkt leidenschaftsloser den Gang der Ereignisse. Und ebenso 
verschieden ist der Grad der Verehrung, welche die einzelnen Gottheiten 
in den verschiedenen Staaten, ja Häusern geniessen. In Orchomenos wur- 

^) Leubs, Pop. Aufs.* S. 118. *) V. Wilamowitz, Isyllos S. 97 Anm. 

*) V. "Wilamowitz, Isyllos S. 97 Anm. *) Vgl. Bursian, Charakter des griecb. 

^) Lehrs a. a. 0. | Mythus 1875 S. u. v. Wilamowitz a. a. 0. 



8 



A. Die grieohischen Knltosaltertümer. 



den die Charitinnen, in Thespiai Eros, in Naxos Dionysos am meisten ver- 
ehrt, und manche Familie hat zu einer besonderen Schutzgottheit am liebsten 
gebetet. Dazu kam, dass die griechischen Stämme sehr verschieden bean- 
lagt waren, und der Stimmung und Neigung des Volksstammes entsprach 
das Bild seiner Götter. Auch die Verschiedenheit der Schicksale und des 
Wohnorts musste auf die Ausgestaltung der Götter von grösstem Einfluss 
sein. Die Wanderungen schoben viel durcheinander, die Kolonisten nahmen 
altes mit und vermittelten das Eindringen von neuem, ^) die Fremden, welche 
massenhaft als Metoiken aufgenommen wurden oder ganze Niederlassungen 
bildeten, verehrten zum Teil ganz andere Gottheiten. Verboten konnte ihnen 
dies um so weniger werden, als man ihre Götter ja gar nicht leugnete, und 
so finden wir denn auch schon in früher Zeit Privatkulte ausländischer Gott- 
heiten. Im Jahr 333 bitten kyprische Kaufleute, die sich im Peiraieus 
niedergelassen haben, die Athener möchten ihnen gestatten, ein Heiligtum 
ihrer Aphrodite zu gründen, wie sie den Ägyptern erlaubt hätten, eines für 
Isis zu stiften ^) und im zweiten Jahrhundert ersuchen in Dolos ansässige 
Kauf leute aus Tyros die Athener um die Erlaubnis, ihrem Gotte Baal Marcod 
auf der Insel ein Heiligtum zu errichten.^) Die thrakische Bendis war schon 
zu Piatons Zeit Staatsgöttin, und in Athen wurde ihr ein Staatsfest, die 
Bendideia, gestiftet,'*) Pan wird nach der Schlacht bei Marathon unter die 
Staatsgötter aufgenommen,^) der ^rjfir] und EiQrjrr] werden nach dem Siege 
am Eurymedon Altäre gestiftet,^) und die Homer noch unbekannte Heroen- 
verehrung ist zu Pindars Zeit allgemein. Dionysos ist ein hoch angesehener 
Gott geworden und wird in einer Weise verehrt, die den orientalischen 
Einfluss unverkennbar zeigt; die vornehmsten Gottesdienste sind die My- 
sterien der Demeter und Persephone, — Gottheiten, die bei Homer eine 
ganz untergeordnete Stellung einnehmen. Neue Beinamen haben das Wesen 
der Götter vielfach erweitert und verändert, kurz ewiger Fluss und ein 
ewiges Werden. Etwas wie ein Dogma gab es nicht, an dem nicht gerüttelt 
werden durfte, und das eine Generation der anderen als teures Vermächtnis 
überlieferte, auch keinen Religionsunterricht und keinen eigentlichen Priester- 
stand, der die Religion hütete. Und trotz alledem darf man nicht nur von einer 
griechischen Religion sprechen, die von Homer an dauert ein Jahrtausend 
und länger, sondern auch behaupten, dass diese Religion trotz aller Ent- 
wicklung und Veränderung, trotz der Durchsetzung mit so vielen fremden 
Elementen im wesentlichen dieselbe geblieben ist. Zwei Gründe sind es 
hauptsächlich, die ihr diese Kraft und diese Stabilität verliehen: Was auch 
im Laufe der Zeiten herübergenommen wurde, das blieb auf griechischen 
Boden verpflanzt, nicht mehr das Alte, sondern wurde so völlig umgestaltet, 
dass etwas Neues entstand, das von seinem Geist durchdrungen sich or- 
ganisch ins Hellenentum einfügte. Und das zweite: Der Kultus war ein 
Heiliges. Ihn übte der Sohn, wie er ihn vom Vater hatte üben sehen, 
und über ihm wachte der Staat. Mochte jeder glauben, was er wollte. 



«) Vgl. Fbänkbl in Böckd's Staatsh.' 
Anm. 705. 

«) CIA. II 168. 
») CIG. 2271. 



*) S. ScHOKMANN Gr. Altt.« II 166.- 

^) S. SCHOEMANN OpUSC. III 489 f. 

«) Schol. Aischin. Tim. p. 742. Plut. 
Kim. 13. ScHOMARN Gr. Altt» U 175 A. 5. 



Einleitung. (§ 3.) 



beten, wie und zu wem er wollte, opfern oder nicht, wenn er nur öffent- 
lich nicht die Oötter leugnete und vor allen Dingen den bestehenden Kultus 
nicht angriff. Nach dem Gesetz und Brauch des Staates die Götter ver- 
ehren, das ist €v<r€ßeg;^) wer das Herkömmliche zu zerstören droht, der 
macht sich der aaißsia schuldig und wird vom Staat, der die bestehenden 
Einrichtungen zu schützen hat, verfolgt.^) Die Anklage erheben konnte 
jeder Bürger, denn eine geistliche Aufsichtsbehörde gab es nicht.') Nicht 
wegen Unglaubens werden Protagoras, Anaxagoras, Sokrates u. a. vor 
Gericht gezogen, sondern weil sie Propaganda für ihre Irrlehren zu machen 
suchten, weil sie das Fortbestehen des alten Kultus gefährdeten.^) An 
ihm etwas ändern durfte höchstens die Volksversammlung, und diese wird 
es auch nie ohne vorherige Genehmigung des Orakels gethan haben.*) — 
Wie die Gottesdienste und somit in gewissem Sinne die Religion, so hatte 
der Staat auch die Heiligtümer und das Eigentum der Götter zu schützen. 
Entheiligung oder gar Beraubung der geweihten Bezirke und Tempel wurde 
streng bestraft. Verlangte der Staat in Gefahren und Nöten die Hilfe der 
Götter, so musste er auch ihnen geben, was das Ihre war. Freilich ist 
es oft ausgesprochen worden, dass die reine Gesinnung und Frömmigkeit 
den Göttern die Hauptsache sei,^) aber was eine grosse Menge sich unter 
Frömmigkeit dachte, sagt Piaton (Euthyphron 14 E): Man schliesst eine 
Art Vertrag mit dem Gott; erhält er, was er zu fordern hat, so ist er 
auch verpflichtet zu leisten und zu geben, was der Mensch bedarf. So war 
man tolerant ohne Grenze, was das Glaubensbekenntnis des Einzelnen an^ 
betraf, denn ein allgemeines existierte nicht, und deshalb kann von einem 
Gewissenszwang nie die Rede sein, aber man wachte über den Institutionen, 
über jeder praktischen Bethätigung des religiösen Sinnes. Vergegenwärtigen 
wir uns das, so wird es uns nicht mehr so wunderbar erscheinen, dass 
die Komiker sich auch über die Götter so lustig machen durften. Man 
hat diese Scherze wohl nicht für gefährlicher gehalten, als die Verspottung 
anderer staatlicher Einrichtungen, die zu beseitigen oder auch nur herab- 
setzen zu wollen den Spöttern in Wirklichkeit nicht in den Sinn kam. 
Übrigens wird keinem Aufmerksamen entgehen, wie Aristophanes keines- 
wegs alle Götter gleich behandelt; verspottet werden eigentlich nur die 
aus der Fremde aufgenommenen oder die, welche nach der Sage den Platz 
im Olymp erst später erhielten. Poseidon spielt eine ganz andere Rolle 
als Herakles, Dionysos oder gar die thrakischen Daimonen, und über dio 
jungfräuliche Schützerin der Stadt oder Apollon wagt auch der Kühnste 
keinen frechen Scherz.^) Lukian hätte in der Zeit des Aristophanes seine 
Sachen wohl noch nicht schreiben dürfen. 



') Xen. Mem. IV 3, 16. 

•) Vgl. Leop. Schiiii>t, Ethik der Griechen 
II 24flf. 

') Vgl. OsiAKDKB über d. Religionsver- 
gehen im Korrespondenzblatt fUr die Ge- 
lehrten- und Realschulen Württembergs 1887 
u. 1888 S. 453 flf. 

*) Vgl. Meier-Schoemann, Att. Prozcss' 
S. 366 f. ScHOBMAKN, Gr. Altt. Anhang II 
584 ff. 



5) Schobmann, Gr. Altt. II 167. 

^) S. z. B. Bebnays Theophrast üb. d. 
Frömmigkeit S. 68 und die Inschr. aus Lindos 
auf Rhodos bei Lebas-Foucart, Inscr. de la 
Grece, Teil II. § 5 S. 171. 

') Av. 830 ff. macht sich der Dichter 
nur über die Projektmacher lustig. Man 
vergl. Thesm. 1136 ff., Nub. 568 ff., Equ. 
551 ff. u. s. w. 



10 



A. Die griechischen Ealtasaltertümer. 



Und damit kommen wir auf einen Punkt zurück, den wir schon 
berührt haben: das Eindringen fremder Kulte und fremder Gottheiten in 
Griechenland, welches keineswegs zu allen Zeiten gleich stark gewesen ist.') 
Erst in nachhomerischer Zeit sind Einflüsse des Auslandes nachweisbar, 
und noch Jahrhunderte lang bleiben sie gering. Götter werden nicht so 
leicht erworben und tauschen sich nicht so leicht aus wie Waren. „Semiten 
und Ägypter, die den Hellenen trotz ihrer alten Kultur nichts hatten ab- 
geben können als ein paar Handfertigkeiten und Techniken, abgeschmackte 
Trachten und Geräte, zopfige Ornamente, widerliche Fetische für noch 
widerlichere Götzen,**^) blieben ihnen immer innerlich fremd. Trotz der 
Eigenart aber des hellenischen Geistes und trotz der Grundverschiedenheit 
seiner Götter von den Gottheiten der Völker, mit denen der Grieche zuerst 
in Verkehr trat, strömte, wie wir gesehen haben, allmählich auch auf 
diesem Gebiet immer mehr Fremdes in das Land. Vielleicht noch mehr 
als alle die vorher angeführten Gründe ermöglichte und erleichterte diese 
Aufnahme der heterogensten Elemente der merkwürdige Umstand, dass die 
kindliche Vorstellung der homerischen Zeit, die griechischen Götter herrschten 
überall,^) sich auch später erhielt. Herodot identifiziert ohne weiteres die 
ägyptischen Gottheiten mit den griechischen, deren Namen und Wesen 
gleich verschieden von ihnen waren, und so alle Folgenden bis in die späteste 
Zeit.^) Dieser uns fast unerklärlichen Leichtigkeit im Identifizieren des 
Ungleichartigsten entsprach die Fähigkeit zu assimilieren. Was einmal als 
gleich oder verwandt angenommen war, das wurde dann auch thatsächlich 
gleich oder verwandt gemacht. Nach Alexander dem Grossen überfluten 
dann freilich die ausländischen Götterdienste Griechenland in einer Weise, 
dass ein Verai*beiten des Fremden auch dem so ungemein elastischen hel- 
lenischen Geiste nicht mehr möglich ist, und was bisher in vereinzelten 
Fällen vorgekommen war, wird jetzt ganz allgemein: die neuen Götter 
erhalten ihre Kulte neben den alten und überflügeln und verdrängen diese 
mehrfach. Doch es ist Aufgabe der Mythologie, dies im einzelnen zu ver- 
folgen und darzustellen: hier mag es genügen, Wesen und Entwicklung 
der Religion in so flüchtigen Umrissen gezeichnet zu haben; auf Einzeln- 
hoiten einzugehen, soweit es erforderlich scheint, wird sich im folgenden 
Gelegenheit bieten. 



1. Die Kultusstätten. 

4. Ein kindliches, frommes Volk, das sich auf Schritt und Tritt von 
Göttern umgeben glaubte, musste an gewissen Stätten ihre Gegenwart 
besonders lebhaft fühlen ; nicht an den Orten, die dem Fuss und Blick des 
Menschen entrückt waren, wo ihre Paläste standen, sondern da, wo der 
Sterbliche selbst wandelte und wohnte. Auf der Höhe der Berge, in dun- 
kelnden Hainen, in geheimnisvollen Grotten stellte die Phantasie sie sich 



^) Vgl. hier namentlich E. Plew, Die 
Griechen in ihrem Verh. zu den Gottheiten 
fremder Völker. Programm von Danzig 1876 
erster Teil. 

-; V. WiLAMowiTz, Hom. ünt. 215. Vgl. 



Hermes XVIII 404. 

3) Vgl. Plew a. a. 0. S. 3. 

*) Vgl. z. B. Diod. I 25. Plut. Quaest. 
symp. IV 6. Nonn. XL 369 u. s. w. 



1. Die Koltasstätten. (§ 4.) 



11 



vorzugsweise weilend vor, je nachdem man der Eigenart des Gottes ent- 
sprechend hier oder dort einen Lieblingsplatz vermuten konnte. Und in 
solcher Umgebung schuf man die ersten Stätten ihrer Verehrung; *) ur- 
sprünglich gewiss einfach genug: eine Baumgruppe, die, im Kreise gepflanzt, 
ein schattiges Dach bildete, einen Steinhaufen, der als Altar dienen konnte. 
Aber als man sich an gemeinsamen, von einer Mauer umschlossenen Wohn- 
sitzen vereinigte und Städte baute, genügten solche Heiligtümer dem Be- 
dürfnisse nicht mehr, vor allem deswegen nicht, weil der schützende Qott 
innerhalb des Mauerringes wohnen musste. So wurden Qötterwohnungen 
{v€(6g^ vrjog von vaiw), Tempel, erbaut. — In homerischer Zeit sind in allen 
befestigten Städten und wohl auch in anderen grösseren Ansiedlungen 
Tempel vorauszusetzen. Z 297 wird ein Tempel der Athena, E 446 und 
H 82 einer des Apollon auf der Burg von Ilios erwähnt, B 549 ein Tempel 
der Athena in Athen, / 404 und vA 80 einer des Apollon zu Pytho, und 
aus Y 274 (vgl. fi 347) darf man wohl auch auf Tempel in Mykenai 
schliessen. Als Nausithoos die Phaiakenstadt gründet, baut er auch Götter- 
tempel (cA 10), und die Gefährten des Odysseus geloben dem Helios zur 
Sühne für ihren Frevel nach glücklicher Heimkehr einen Tempel zu stiften 
(/i 345 ff.). Daneben existieren dann noch die natürlichen Heiligtümer, 
welche wir als die ältesten vorauszusetzen haben, und die sich auch später 
immer, namentlich auf dem Lande, neben den durch Menschenhand ge- 
schaffenen erhalten haben. So ist die Grotte in Ithaka (v 103 ff.), welche 
einen besonderen Eingang für die Unsterblichen hatte {v 111 f.), ein Heilig- 
tum der Najaden, und Odysseus pflegte ihnen hier Opfer {v 350) und 
andere Gaben (r 358) darzubringen. Eine andere den Nymphen geweihte 
Stätte ebenfalls in Ithaka ist ein Pappelhain nahe der Stadt, von einer 
Quelle durchrieselt. Dort ist ein Altar errichtet {q 210 f.), wo die Wan- 
derer zu opfern pflegen, und Odysseus ihnen oft fette Schenkelstücke ver- 
brannt hat {q 240 ff.). Auch Apollon hat einen heiligen Hain, wo ihm 
Hekatomben dargebracht werden {v 276 ff.), Spercheios hat an den Quellen 
des Flusses ein räfievog und einen Brandopferaltar (^ 148), auf dem ihm 
Widder geopfert werden, deren Blut man in das Wasser strömen lässt. 
Auf dem Gipfel des Ida hat Zeus rtfisvog und Altar (0 48), und in Paphos 
Aphrodite {0- 3ß3). — Dass der Gott sich dauernd in seinem Tempel auf- 
halte,^) hat man ebensowenig geglaubt, wie dass er immer an den sonst 
ihm geweihten Stätten weile; er besucht ihn nur, um sich an den ihm dort 
aufbewahrten Kleinodien und Kostbarkeiten'*) zu erfreuen, wie er sich bei 
den Opfern der Menschen zum Mitgenusse einfindet; sein Auge ruht be- 
sonders oft auf seinem Heiligtum, und der Mensch darf deshalb, wenn er 
ihn hier anruft, der Erhörung am sichersten sein. — Dass in homerischer 
Zeit die Zahl der geweihten Plätze, auf denen sich nur Altäre befanden, 
ungleich grösser gewesen ist, als die der Tempel, lässt sich schon aus den 
angeführten Stellen schliessen, noch viel zahlreicher aber waren Altäre, 
die einfach an einem geeignet scheinenden Orte aufgebaut, von einem 



') Vgl. Hkkmakn, G. A. § 14. 

') Vgl. OvEBBECK, Gesch. der griech. 



Plastik I 4G. 

») r 274, H 82, fi 347, cf. n 185. 



12 



A. Die griechischen Kaltnaaltertümer. 



grösseren geheiligten Bezirk gar nicht umgeben waren. So haben die 
Oriechen an der troischen Küste zwar keine Tempel erbaut und keine 
T€fxtvij geweiht, wohl aber eine Reihe von Altären errichtet. *) Diese Sitte 
erhielt sich, nicht bloss auf dem Lande, sondern auch in Städten und an 
viel besuchten Orten, wo es dann daneben noch Tempel gab. 

a. Altäre. 

5. Betrachten wir jetzt die Altäre, diese einfachsten aller Eult- 
stätten, zuerst.**) 

Unter den drei Bezeichnungen, welche wir für die verschiedenen 
Arten von Altären augewandt finden: «crnof, fVx«?«, ßoofiog ist die letzte 
weitaus die häufigste und für die grosse Mehrzahl der Altäre allein ge- 
bräuchlich. In den ältesten Zeiten waren diese Altäre gewiss von der 
grössten Einfachheit, aus Steinen oder Rasenstücken kunstlos aufgeschichtet, 
und auch später kommen so primitive Exemplare vor. 3) Oft waren sie ja 
auch nur zu einmaligem Gebrauch bestimmt, und in diesem Fall ver- 
schwendete man natürlich niemals Mühe und Kosten daran. Aus Steinen, 
die am Ufer liegen, lässt Apollonios Rhod.*) die Argonauten bei ihren 
Landungen sich die Opferaltäre erbauen, und bei Theokrit (Id. XXVI 3 flf.) 
stellen Frauen aus Reisig und Blättern Altäre her, welche genügen, um 
ihre aus Backwerk bestehende Opfergabe darauf zu verbrennen. Pausanias 
(IX 3, 4) berichtet sogar von einem Fest der Boiotier, an dem sie einen 
grossen Altar aus Holz erbauen, den sie dann zugleich mit den darauf 
liegenden Opfertieren verbrennen. Auch Altäre, die öfters benutzt wurden, 
waren bisweilen wenig dauerhaft,^) bei weitem die meisten aber waren 
solide und mehr oder weniger kunstvoll und prächtig aus besserem Material 
erbaut, nur zum Fundament pflegte man unbehauene Steine zu verwenden. <^) 
Die Form der Altäre war sehr verschieden, namentlich derer, die nicht 
als Opferstätten dienten. Vor dem Hause pflegte ein ßwfjLog dyvuvg zu 
stehen, ein Obelisk, der gewöhnlich dem Apollon geweiht war,^) im Hofe 
oder Hause ein Altar des Zeus Herkeios,^) und vielleicht befanden sich 
auch in anderen Wohnräumen kleine Altäre,^) auf denen man Weihrauch 
verbrennen oder Blumen und andern Schmuck niederlegen mochte. Aber 
auch die Brandopferaltäre waren ihrer Gestalt wie ihrem Material nach 
völlig verschieden. Es gab runde,*®) quadratische (Paus. V 14, 5) und 
längliche (Paus, ebenda) Altäre, und jede einzelne Art zeigte wiederum so 



') A 808, cf. e 249. 

^) Hermann 6. A. §§17 etc. A. de 
Molin De ara apud Graecos, Berl. Diss. 
1884. Daremberg et Saglio Dict. unter ara 
I, 347 ff. mit vielen Abbildungen, Baum eisteb, 
Denkmftler S. 55 f.). Vgl. die angehängte 
Taf. I n. 1 - 6. 

3) S. z. B. Paus. VIII 35, 8. 

*) Arg. I 1123, II 695. Vgl. Ovebbeck, 
Heroische Bildwerke S. 324. 

^) Paus. VI 24, 2, cf. V 13, 5. 

") Weniger Der Gottesdienst in Olympia, 
Sammig. v. Vortr. v. Vikchow u. Holtzen- 
DOBFF XIX Serie S. 412. 



^) Hesych. u. Harpokr. u. flyviivg, Wel- 
CKBB, Griech. Götterl. I, 494, de Molin S. 24. 

B) X 334, 379. Kratinos bei Mbineke 
frgm. Com. HI p. 377, Poll. VHI 341. 
Petersen, Der Hausgott^sdienst der Griechen 
S. 50. Vgl. auch Bader, de diis naxQMoig 
Schleusingen 1873 S. 10 ff. u. Kastobches im 
'A^yaloy IX 1880 S. 422 ff. 

») Cf. Lobeck, Agl. H 1239, de Molin 
S. 26 f. 

'^) Cf. Eustath. ad Od. q 209, de Molin 
S. 67 f., der namentlich auch bildliche Dar- 
stellungen nachweist. 



1. Die Enltasstätten. (§ 5.) 



13 



viele Abweichungen in Bildung und Stilisierung, dass man auch darnach 
wieder besondere Gruppen scheiden kann.^) Mitunter waren sie auch mit 
Hörnern geziert.*) Völlig ungleich war auch die Grösse und Höhe.*) In 
Syrakus gab es einen Altar, der ein Stadion lang war;*) der Altar des 
Zeus in Olympia hatte nach Pausanias^) einen Umfang von 125 und eine Höhe 
von 32 Fuss und der berühmte Altar zu Pergamon war über 12 Meter hoch. 
So gi*osse meist aus Marmor gefertigte Altäre waren an ihren Seitenflächen 
dann gewöhnlich mit Skulpturen geschmückt. An dem Altar der ephesischen 
Artemis sah man Bildwerke von Praxiteles, ß) und die verstümmelten Reste 
der Figuren des pergamenischen Zeusaltars sind jetzt der Stolz unserer 
Hauptstadt. Auf den Platten anderer waren Inschriften eingegraben, die 
eine Widmung') oder auch Opferbestimmungen enthielten, wie sie uns 
mehrfach, z. B. aus Lesbos (Cauer Del.* n. 435) und Thasos (Röhl, IGA. 
n. 379) erhalt-en sind. Andere waren mit Farben geschmückt.®) Einen 
merkwürdigen Altar, der auch zu den sieben Weltwundern gerechnet wurde, 
gab es in Delos; er war ganz aus Ziegenhömern verfertigt.*) Sodann hatte 
man Altäre, die aus der Asche der verbrannten Opferstücke bestanden. 
Pausanias zählt eine ganze Reihe aus verschiedenen Orten Griechenlands 
auf;^^) in Olympia hatte der Altar des Zeus einen solchen Aschenaufsatz, 
zu dem von dem bedeutend grösseren Unterbau Stufen aus Asche hinauf- 
führten. Man opferte die Tiere auf dem unteren Teil und trug nur die 
Schenkel hinauf, um sie dort zu verbrennen. Bei Milet soll es einen Altar 
aus dem geronnenen Blut von Opfertieren gegeben haben, i') Auch Altäre 
ans natürlichem Fels scheinen vorgekommen zu sein.^^) 

Wenn schon Privatleute in ihren Häusern und Höfen, Künstler in 
ihrer Werkstatt*^) Altäre zu haben pflegten, so durften diese in öflFentlichen 
Gebäuden, Palästren *^) oder auf den Versammlungsplätzen der Volksgemeinde 
noch weniger fehlen,*^) am wenigsten aber auf der Akropolis, dem heiligsten 
und gewöhnlich auch ältesten Teil der Stadt. ^*'») Aber nicht bloss die Städte 
waren voll von Altären, ^^) auch auf dem Lande waren sie nicht seltener als 
heute in katholischen Gegenden Kapellen und Heiligenbilder. An Kreuz- 
wegen wurde Hekate verehrt {ivoSia, TQioShig),^^) auf Bergen^*) und an den 
Grenzen ^^) pflegte namentlich Zeus Altäre zu haben, an den Landstrassen 
Hermes.*^) 

Altäre, welche auf vielbetretenen Plätzen standen, waren in der 



') DB MOUN S. 61 ff. 
«) Anthol. Pal. VI 10, 3, Archäol. Ztg. 
1866 tab. 206. 

») DB Molin S. 66 ff. 
^) Diod. XVI 83. 

•) Strabo XIV 641 B. 

») Flut. Arist 19 etc. 

«) Bull, de corr. hell. VI 310 cf. Cür- 
Tius, Die Alt. Y. Ol. tab. I, II. in d. Abh. d. 
Berl. Akad. 1881. 

') Callim. hymn. in Apoll. 60. 

><^) V 13, 5; 14, 6; 15, 5; IX 11, 5. 

'*) Paus. V 13, 6. 

") Cf. Paus. II ' 32, 7 Cübtius und Kaü- 



PBBT, Atlas von Athen, tab. VIII. 

") Paus. V 15, 1. 

^*) Arist. Nub. 178 f. 

'S) Xen. Hell. II 3, 52, Antiph. de chor. 
§ 45, Herod. V 46, Thuk. VI 54, Paus. V 
15, 3 etc. 

»«) Paus. I 26, 6, Plut. Per. 13. cf. db 
Molin S. 48 f. 

*') S. besonders Aisch. Ag. 88 ff. 

'8) Vgl. Theokr. Id. II 36 und Schol. 
dazu etc. 

'^) Beispiele gesammelt bei de Molin 
S. 34. 

") Cf. Plato Leg. VIII 842 E. 

2») Schol. zur Od. n 471 etc. 



14 A. Die griechischen Enltnaaltertümer. 

Kegel durch eine Umfriedigung*) oder eine herumgezogene Kette*) ge- 
schützt. 

Wichtiger für den Kultus sind die Opferaltäre, deren sich einer oder 
mehrere vor jedem Tempel befanden.'^) . An ihnen wurden die Tiere ge- 
schlachtet, das Blut ward hinaufgegossen ^) und die Opferstücke verbrannt. 
Aber auch im Innern der Tempel befanden sich Altäre,'^) in der Regel wohl nur 
zu unblutigen Opfern dienend,^*) sicher wurden an ihnen niemals Tiere 
geschlachtet) 

Bisweilen war ein Altar mehreren Göttern {O^eol av/ußwfiaiy ofio- 
ßcofuoi) geweiht.®) So gab es in Athen auf dem Markt einen Altar der 
Zwölf Götter,***) auch einen, der der Aphrodite und den Nymphen gemeinsam 
war,*") und im Amphiaraosheiligtum bei Oropos einen, der für fünf Götter- 
gruppen bestimmt war. Doch waren dann die den Einzelnen gehörigen 
Teile genau bezeichnet und abgegrenzt.**) 

6. Eine andere Art von Altären sind die sogenannten eaxdQai.^^) Bei 
Homer hat das Wort diese Bedeutung noch nicht, sondern bezeichnet nur den 
„Herd* und wird synonym mit hu'rj gebraucht.*^) Da der Herd, auf dem 
der Mensch sich seine Nahrung bereitet, eine gewisse Heiligkeit hat**) und 
zudem die einzig geeignete Stätte ist, auf der in Ermangelung eines Altars in 
einfachen Hütten bei häuslichen Opfern den Göttern die Weihestücke ver- 
brannt werden können, ist es nur natürlich, dass Eumaios hier den Eber 
schlachtet (J 420) und dann auch die aTJcaqynaia verbrennt (J 429). Dass 
Homer die iaxccQai sonst als Opferstätte nicht kennt, hat seinen Grund 
darin, dass sie für den Kult der Heroen und Toten bestimmt sind (Schol. 
Eur. Phoin. 274), welcher der epischen Zeit noch fremd ist. — Die sax^qa 
ist eine hügelartige Erhebung, bedeutend niedriger als der ßwfjLogy^^) mit 
einem Loch, welches bis in das gewachsene Erdreich hinabführt, von dem 
das Blut aufgenommen werden muss.*^) Die geschlachteton Tiere werden 
auf ihnen ganz verbrannt; wird einem Heroen w$ x^eni geopfert, so ist dazu 
auch ein /?(ö/«6$ erforderlich.*^) Die ursprüngliche Bedeutung „Feuerstätte* hat 



•) Paus. X 88, 3. 

') Plut.Dec.orat. p. 847 A. 

^) ßüjfiol TiQovttoi Aisdi. Suppl. 494, 
Herod. II 135 etc. cf. de Molin S. 52 f. 

*) Einige rrbaltcne Altäre zeigen Ver- 
tiefungen, offenbar zur Aufnahme des Bluts 



**) Paus. I, 34, 2 cf. JlQaxuxa t^g iv 
U&, \lQx. 'Er. 1884, Athen 1885, Ekgelmakn 
im Jahre sber. des Philol. Vereins, Ztscbr. f. 
d. Gw. 1887 S. 1()5. 

") Schol. Kur. Phoin. 274 u. 284, Po». 
I, 8, Ammonios bei Harpokr. u. iox^ga. 



bestimmt, das dann vielleicht durch einen i Neanthes v. Kyzikos bei Eustath. ad Öd. 

" " "^ C 305, CIA. Ill 190, cf. DE Molin S. 2 f., 

06 f., Michaelis. Arch. Ztg. 1867 S. 9. 
MoMMSEN, Heortologie S. 257, Loewy, Jahrb. 
des D. Arch. Inst. II 1887, S. HO. 

»3) Vgl. 1 15J), 420, Q 93, T 304, /375, 378. 

'*) Vgl t] 153. 

*-'') S. die Abbildung eines Reliefs der 



Kanal an einer Seitenwand hinunter abfloss 
(s. DE Molin 65 f.). 

^) Paus. V 14, 5, II 17, 6, Eur. Ion. 
115 etc. 

♦>) Cf. Paus. V 15, 6 DE Molin S. 54. 
Doch kommen Ausnahmen vor. Vgl. Eur. 
Andr. 1113, Herod. VI «1 und die Inschr. 



von Kos im Journ. of Hell. Stud. IX S. 328 Villa Albani, Jahrb. d. Arch. Inst. 1887, II 
ZI. 7 f. I S. 109. 



^) Auch Paus. II 35. 5 nicht. 

**) Maurer: Dearis Graecorum phiribus 
(leis in commune positis (Darmstadt 1885). 

») Plut. Dec. erat. p. 847 A. 

'"j Kühler. Mitt. dos D. Arch. Inst, in 
Athen II 1877 S. 246. 



**) Cf. Nissen, Pompejan. Studien S. 286, 
NiTzscH zur Od. II S. 15, III S. 161 etc. 

»') Paus. II 10,1. Bildliche Darstellung 
eines Heroenaltars bei Schreiber, Kulturhist. 
Atl. Taf. XV n. 17. 



1. Die Enltnsstätten. (§ G 8.) 



15 



iüxdqa nie verloren, und insofern diese auch auf keinem Altar fehlen 
darf, der zu blutigen Opfern benutzt wird, kann man dann auch von einer 
süxctQa ßiafiov sprechen,') oder der ganze ß(üf.i6g wird metonymisch iaxf^Qu 
genannt,*) namentlich wenn er klein und niedrig ist.**) Wenn umgekehrt 
den Heroen geweihte ßumoC erwähnt werden, ohne dass von göttlicher Ver- 
ehrung derselben die Rede ist,-*) so hat man darunter keine Opferaltäi*e 
zu verstehen. 

Nahe verwandt mit den iaxccQM sind die Opfergruben, die man in 
Heiligtümern chthonischer Gottheiten oder Heroen entdeckt hat^) oder nach- 
weisen kann.^) In Samothrake ist „an der ausgezeichnetsten Stelle**^) des 
dorischen Marmortempels „eine etwa halbkreisförmige Öffnung gefunden 
worden, welche durch eine besonders dicke Marmorplatte ziemlich senkrecht 
nach unten ganz hindurchgeht und oben einen Falz zur Aufnahme eines 
verschliessenden Deckels bildet. Es ist ursprünglicher Boden, auf welchen 
das Loch herabreicht. "* Auch Spuren und Überreste von verbrannten 
Opfertieren haben sich daselbst gefunden. In dem Kabeirenheiligtum bei 
Theben wurde „die eine der beiden neben einander liegenden Opfergruben 
(jede 0,90 m breit, 2,10—2,20 m lang und c. 1,50 m tief) bis oben mit 
Schenkelknochen angefüllt"* gefunden.*) Auch sie waren durch einen Deckel 
verschliessbar. 

7. Eine dritte und letzte Bezeichnung für Altäre ist dann noch «Vria, 
ein Wort, das bei Homer auch nur „Herd** bedeutet. Namentlich die der 
Herdgöttin geweihten Altäre, wie man sie vor allem in den Prytaneen 
hatte,') pflegen mit diesem Namen bezeichnet zu werden. Die saticci waren 
jedenfalls den icxagai ähnlicher als den ßcojnoi^ doch wird der Name auch 
auf diese übertragen, ^oj 



b. Tempelbezirke und Tempelgüter. 

8. Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung der sog. Ts^ibvri und der 
Tempelgüter.i') 

Ehe es Tempel gab, gab es geweihte Bezirke, Haine oder umfriedigte 
Stücke Landes, in deren Mitte ein Altar stand. In homerischer Zeit fanden 
wir Tempel nur in grösseren Städten oder an Orten, die für besonders 
heilig galten, diese den Göttern zugeeigneten heiligen Plätze dagegen häufig. 
Aber auch später, als die Tempel zahlreicher wurden, blieben diese Be- 
zirke, und zwar umgaben sie den Tempel, wo der Raum es gestattete. 



Eur. Andr. 1138. 

*) Aisch. Pere. 205 ia^uga ^oißov Eur. 
Phoin. 291 AoUov i., Paus. IV 17, 3, i. lov 
'EQxeiov etc. Vgl. Poll. X 65. 

') Cf. DE Molin S. 5. 

*) Z. B. Paus. 1 1, 4, I 35, 2. 

^) Im Asklepieion zu Athen (Eöhleb, 
Mlti des Archäol. Inst, zu Athen II 1877 
S. 233 ff., 254 f.), im Eabeirentempel auf 
Samothrake (Archftolog. Untersuchungen auf 
Samothr. I, 20f, II, 15 ff, Taf. IV, Fig. 1, 
Taf. V und VI), im Heiligtum der Kabeiren 
bei Theben Döbpfkld, Mitt. des Arch. Inst. 



zu Athen XIII 1888 S. 91 und 95. 

•) Vgl. Paus. X 4. 10, IX 18, 4, IX 
39, 4 u. CoNZB, Arch. Unt. auf Sam. I S. 21. 

') a. a. 0. I S. 20 f. 

^) DuRPFELD, Mitt. des Arch. Inst, zu 
Athen XIII 1888 S. 95. 

®) Pbeller-Robebt, Gr. Myth. I 427, de 
Molin S. 13. 

»0) Aisch. Eum. 282 itnitt ^oißov Paus. 
I, 42, 1 t. M^eujy. Eine fort« iy r^ yatft 
Inschr. v. Kos Joum. of Hell. Stud. IX S. 
328 ZI 7 

»') Cf. Etym. M. u. je'fAsyog, Poll. I 8 



16 



A. Die griechischen Enltnoaltertümer. 



oder sie bestanden als selbständiges Heiligtum J) Ein mit Bäumen be- 
pflanztes Ttfievog hiess aXaog,^) und dieser Name wurde für derartige Heilig- 
tümer so gewöhnlich, dass selbst ein baumloses, einem Gott geheiligtes 
Stück Land so genannt werden konnte. 3) Der Teil des Tt'fisvog^ auf welchem 
der Altar oder der Tempel des Gottes stand, war am heiligsten und durfte 
oft nur zu gewissen Zeiten von den dazu Berechtigten^) oder überhaupt 
nicht betreten werden.^) In solch einem Fall waren die Grenzen deutlich 
bezeichnet, bisweilen der ganze Raum durch eine Mauer abgeschlossen.^) 
Dass ein Verbrecher oder Unreiner das Ugin» nicht betreten durfte, war 
selbstverständlich,^) bisweilen wurde auch Enthaltung vom Beischlaf oder 
gewissen Speisen während mehrerer Tage vorher von dem Besucher eines 
Heiligtums verlangt;^) von andern mussten sogar bestimmte Tiere fern- 
gehalten werden. So durften in lalysos auf Rhodos den heiligen Bezirk 
der Alektrona Pferde, Esel, Maultiere, überhaupt Lasttiere nicht betreten. 
Ebenso waren Schafe fernzuhalten;^) in andere wiederum durften Schweine ^^) 
oder Hunde'') nicht hineingelassen werden. Gewöhnlich wird mit dem 
Namen isqov der innere Teil des rtfisvog bezeichnet, '2) doch wird er auch 
auf das ganze ausgedehnt.'^) Die rsfitvi] sind oft sehr gross. Xenophon 
bestimmte nach glücklicher Beendigung des Feldzuges den zehnten Teil der 
Kriegsbeute zum Ankauf eines Gutes in Lakonien, auf dem er der ephe- 
sischen Artemis einen Tempel erbaute.'*) 

Ein anderes, dem Dionysos heiliges Grundstück hatte eine Grösse von 
3320 Schoinoi,'^) und die ganze krisäische Ebene bei Delphoi war der 
Artemis, Leto und Athena Pronoia geweiht.'*') Überhaupt gehörten diese 
TSfuvij öfters mehreren Gottheiten gemeinsam, allerdings nur solchen, die 
sich nahe standen.'^) Die Art der Benutzung dieser Tempelgüter war 
verschieden. Der engere Bezirk des IfQor durfte niemals angebaut oder 
sonstwie ausgenutzt werden,'^) aber zuweilen wurde diese Bestimmung auf 
die ganze dem Gott geweihte Umgebung ausgedehnt. So sollte die er- 
wähnte krisäische Ebene unbebaut bleiben,'^) und als die angrenzenden 
Stämme sie beackerten, entstanden die heiligen Kriege, welche Griechen- 
lands Untergang herbeiführten. Ebenso hatten Demeter und Köre zwischen 
Eleusis und Megara ein Stück geweihten Landes, ^^) das den Namen oqy^ 
führte, weil es nur von wildwachsenden Pflanzen bestanden war,*') und 
ähnliches wird uns auch von anderen Heiligtümern berichtet.*^) Auch 



Paus. I 18, 7; V Iß, 1. 

«) Paus, l 21, 9; VIII 37, 7; VIII 42, 
5; X. 32, 6. 

3) Strabo IX 412. 

*) Z. B. Paus. VI 20, 4; VIII 31, 5. 

») Soph. Oid. Kol. 117, Paus. VIll 31 
2; 38, 5. 

«) Paus. VI, 20, 4. 

') Cf. DiTTENBEROER, Syll. 379; Thcophr. 
bei Poq)liyr. de abst. II 27; Bernays S. 80 f. 

»*) Vgl. S. 35 u. s. Plut. Quaost. symp. 
III C, 4. 

») DrrTEND. Syll. 357. 

»«) DiTTEKB. Syll. 358; Strabo XII 575. 

'') Plut. Qu. rom. 111 p. 290 A. 



>2) Herod. VI 75; Paus. V G, 4. 

»3) Paus. VII 30, 2. 

»*) Anab. V 3, 9. 

»*) CIG. 5774. 

»«) Aiscbin. g. Ktesiph. § 108 p. 499. 

") Vgl. z. B. Paus. VII 23, 5. 

1«) Vgl. Ephem. Archaiol. 1857 n. 3139. 

»") CIA. II 545. 

2<>) Hclladios bei Phot. bibl. p. 535. 

2') Cf. Herod. VI 75; Paus. III 4, 2; 
Epbem. arcb. 1888 III S. 31 ZI. 15. Bull, 
de corr. hell. XIII S. 434 ff. Göttlino, 
Ges. Abhandlungen I S. 121. 

^'') Soph. Trach. 400; Paus. II 25, 3; 
CIG. 25G1. 



1. Die Eültusstätten. (§ D.) 17 

Gewässer waren mitunter den Göttern geweiht, und die Fische durften 
dann entweder gar nicht gefangen werden*) oder gehörten den Priestern.*) 
Weitaus häufiger wurde das Temenos benutzt und verwertet, in der Regel 
so, dass es verpachtet wurde.*) Die Bedingungen darauf bezüglicher Kon- 
trakte sind uns zum Teil inschriftlich erhalten. Die Pächter haben Bürgen 
zu stellen, und der Kontrakt gilt als aufgehoben, wenn der Zins nicht 
regelmässig gezahlt wird.^) Die Art und Weise der Benutzung wird öfters 
bis ins Kleinste vorgeschrieben und durch die minutiösesten Bestimmungen, 
deren Nichtbefolgung Geldstrafen nach sich zieht, Vorsorge dafür getroffen, 
dass der Wert des Grundstücks in keiner Weise vermindert werde. ^) Die 
Kontrolle war streng; bisweilen wird das Grundstück mehrmals im Jahre 
von Beamten inspiziert, die eigens dazu ernannt werden.^) Auch Forsten 
und Weidetriften, ^) Häuser») und Gewässer,^) die den Tempeln gehörten, 
wurden verpachtet. Ein andermal wird ein Stück des Tempelgebietes für 
die dem Heiligtum gehörenden Herden bestimmt, ^^) oder Strafgelder für 
jedes Stück Vieh festgesetzt, welches auf der heiligen Trift weidet, ohne 
dass der Eigentümer zu einer Benutzung derselben berechtigt ist.*0 *^^ 
auch auf Privatgrundstücken gehörten in Attika die Ölbäume (jioQtai) mit- 
unter der Göttin, und ihr Ertrag wurde verpachtet.") Erworben und ver- 
mehrt werden konnten Tempelgüter entweder durch Schenkungen und 
Stiftungen,*^) oder es konnten aus den Zinsersparnissen des vorhandenen 
Tempelvermögens neue Landankäufe gemacht werden. **) Sehr grosse Ein- 
nahmen flössen den Tempeln auch aus Strafgeldern zu, die auf den Bruch 
von Verträgen oder andere Vergehen gesetzt waren.'"') 

c. Tempel. 

9. Die wichtigsten Stätten des Kultus sind die Tempel. 'ß) Sie wurden 
zum Teil auf Kosten des Staates,^') zum Teil von reichen Privatleuten**^) 
gestiftet. In ältester Zeit scheinen sich die Kultstätten im Palast selbst 
befunden zu haben. >^) In Mykenai ist der Haupttempel der Burg später 
auf den Fundamenten des Anaktenhauses erbaut worden. Nicht anders war 



») DiTTEKBBBOER Syll.364; Paus. VII 22, 
2 ; Diod. V 3. 

*) Paus. I 38, 1. 

3) DiTTEKBRBGER Syll. 253; CIA. I 283 
u. s. w. Vgl. BoECKH Staatsh.s I 372 ff. 

*) Lebas-Waddinoton Inscr. de l'Asie 
Min. m n. 331 u. 416. 

^) S. bes. die sog. tabulae Heraclecnses 
CTG. 5779. Vgl. Newton Die griech. Inschrif- 
ten übersetzt v. Imelmann. Hannover 1881. 
S.45ff.; CIG. 5774. 

«) Rakgabe Antiqu. hellen. IIS. 174n.476. 

' ) Aristot Pol. VI p. 1321 b 30 ; Thuk. V 53. 

8) CIA. II 817; 1^283. 

») CIA. II, 1056 ;C.Curtiusim Herrn. IV 188. 

>°) In Delphoi: Bulletin de corr. hell. VII 
1883 S. 429. 



I 



'2) Lys. TtBQi atjxot, p. 260. Schoemakn 
Gr. A.3 II 196, BoECKH a. a. 0. I 374. 

») Z. B. CIG. 3641 b, 4474; vgl. Rhein. 
Mus., XVII I 262. 

^*) Lebas- Waddington Inscr. de TAsie 
Min. III n. 331, 416. Vgl. Swoboda in den 
Wiener Studien XI 73 f. 

»*) RöHL IGA. 110, CIG. 158, CIA. II 841, 
Bull, de corr. hell. 1889 S. 281 Inschr. von 
Tegea ZI. 25 f. 

«•) Abbildungen auf Tafel II 1-4. 

^^) Wie genau und ausfuhrlich dann die 
Vorschriften, und wie streng die Kontrolle 
war, darüber vgl. CIA. 1 354; Inschr. aus 
Lebadeia im 'Jdijyttioy IV S. 369. 

>») CIG. 2448, Xen. Anab. V 3, 9. 

**) ScHucHABDT Bericht über die Sitzung 



") In Tegea: Inschr. im Bull, de corr. der archäol. Gesellschaft in der Wochenschrift 
hell. 1889 S. 281 ff. i für klass. Phil. 1888 S. 733 f. 

Handbuch der klam. Altf^rtumswiMsenscIuift. V. 3. Abtlg. 2 



18 A. Die griechiBohen Knltusalterittiner. 

es in Tiryns und in Athen.') Die meisten Tempel befanden sich auf den 
Akropolen der Städte. In der Regel wird ein Ort schon lange durch 
Opfer- und Altardienst oder Orakel berühmt gewesen sein, ehe an ihm 
Tempel errichtet wurden. Dass dies in Olympia der Fall war, haben die 
Ausgrabungen ergeben,^) und wo konnte man überhaupt einen passenderen 
Ort zur Errichtung eines Tempels finden, als wo bereits ein geweihter 
Bezirk mit einem Opferaltar vorhanden war?*) Sonst waren für die Wahl 
des Platzes mancherlei Rücksichten bestimmend. Im allgemeinen wurden 
freiliegende, weithin sichtbare und der Berührung mit dem täglichen Ver- 
kehr möglichst entzogene Orte bevorzugt,^) doch kam es auch darauf an, 
welchem Gott das Heiligtum geweiht sein sollte. Chthonischen Gottheiten 
baute man die Tempel in der Ebene, die andern, vor allen Zeus, zogen die 
Höhen vor. 5) Die noXiovxot d^sol mussten auf der Burg wohnen, andere 
wurden als äyogaToi auf dem Markt verehrt, noch andere hatten ihre 
Tempel vor den Thoren.«) Auch die Tempel, welche sich inmitten der Stadt 
befanden und von einem grösseren iegov nicht umgeben sein konnten, waren 
durch einen nsqißoXog von grösserem oder geringerem Umfang von den 
profanen Wohnstätten getrennt.'') Dieser schloss dann häufig zugleich 
andere zum Heiligtum gehörige Gebäude ein, wie Priester Wohnungen oder 
bei den Tempeln der Heilgötter Krankenhäuser, Ställe für das Opfervieh, ^) 
ja bisweilen umfasste er mehrere, verschiedenen Göttern geweihte Tempel.') 
Dass dieser Bezirk ebenso wenig oder noch weniger als ein Täfisvog ver- 
unreinigt werden durfte, versteht sich von selbst. Gefässe mit Weihwasser 
{jreQiQQavTijQia) standen ringsum, damit der Eintretende sich besprengen 
konnte,*") und der Unreine durfte den Raum überhaupt nicht betreten. Au 
Pracht, Grösse, Aussehen unterschieden sich die einzelnen Tempel nicht 
weniger als die Altäre. Hatte man diese errichtet, um den Göttern darauf 
Opfer darzubringen, so war der Grund zur Erbauung jener wohl, dass 
man die Weihgeschenke sicher unterbringen wollte. 

10. Alle Tempel erhoben sich auf einem Unterbau, der gewöhnlich 
stufenartig anstieg. Doch waren diese Stufen zu hoch, um auf ihnen empor- 
steigen zu können, und so musste denn namentlich dem Eingange gegen- 
über ein treppenartiger Einsatz zur Benutzung für die Tempelbesucher an- 
gebracht werden. Die Zahl der Stufen war ungerade, denn es galt für ein 
gutes Vorzeichen, die erste und letzte Stufe mit dem rechten Fuss zu 
betreten.^*) In der Regel bildeten die Tempel ein längliches Viereck mit 
einem ziemlich flachen Giebeldache. Das Giebelfeld {aevog^ äiTiofia), war 



^) Und 80 ist Od. 17 81 ^Athena begab 
sich in das Haus des Erechtheus'* zu ver- 
stehen. ScHucHABDT Sitzungsberichte der 
Arch. Gesellsch. Arch. Anzeiger 1889 S. 62 f. 
DöRPFELD Miit. des D. Arch. Inst, zu Athen 
1887 S. 207. Vgl. Wachsmüth Ber. der sächs. 
Ges. der Wiss. 1887 S. 403. 

*) Wenigeb Der Gottesdienst in Olympia, 
Vortr. V. Virchow u. v. Holtzendorff XIX 413. 

») */' 148, 9 48, & 363. 

*) Xen. Mem. III 8, 10; Paus. IX 22, 2. 

^) Vgl. Archäol. Unters, auf Samothrake 



II 23. 

») E. CüRTius Jahrb. f. Phil. 185G S. 142 

') Paus. I 20, 2. 

^) Inschr. aus Rhodos bei Dittbnbergeb 
Ind. lect., Halle S. 1887 S. IX. 

») Paus. I 18, 7; II 2, 1; Rangabi^ Ant. 
hellen, n. 820. 

»<>) Eur. Jon 449, Theophr. bei Porph. de 
abst. II 27, Bernays S. 86 f.. Poll. I 8. 

>') ViTBuv III 3. Vgl. Bötticher Tek- 
tonik I 125 ff. 



1. Die KnltnsBt&tten. (§ 10.) 



19 



oft mit den herrlichsten Skulpturen geschmückt, welche Scenen aus der 
Götter- oder Heroensage darst.ellten.^) Auch an den Metopen befanden sich 
häufig ähnliche, in Relief gearbeitete Darstellungen. An dem Artemision in 
Ephesos war an 36 Säulen der untere Teil des Schaftes mit mehr als 
lebensgrossen Figuren in Hochrelief geschmückt.*) Häufig wurde der Ein- 
druck und die Wirkung dieser Bildwerke wie auch der Tempel wände selbst 
durch Anwendung von Farbe belebt und erhöht,*) namentlich pflegten sich 
die Figuren des Giebelfeldes von einem blauen oder roten Hintergrund 
abzuheben. Rundbauten mit Kuppeldach finden sich in Griechenland erst in 
römischer Zeit.*) — Stieg man die Treppe hinauf, so gelangte man zuerst in 
den Pronaos, einen Vorbau, dessen Seitenwände Verlängerungen der Tempel- 
wand waren, der aber vorn nur durch eine Säulenreihe abgeschlossen war. 
Hier pflegten Weihgeschenke zu stehen, und man konnte auch diesen Raum 
absperren, indem man die einzelnen Säulen durch Gitter verband. Dahinter 
lag der eigentliche vaog, auch trrjxog genannt, die cella, welche den Hauptteil 
des Tempels bildete. Durch die sich nach aussen öffnende Tbür^) empfing 
dieser Mittelraum das Licht, besonders grosse Tempel hatten noch eine Öffnung 
im Dach.^) Im Hintergrunde dieses Raumes befand sich das Götterbild,^) wel- 
ches wohl nur ausnahmsweise in einem Tempel fehlte, davor ein Altar für un- 
blutige Opfer und neben diesem Tische zum Niederlegen von Weihgeschenken. 
Waren diese wertvoll, so fanden sie in dem arjxog meist auch ihren blei- 
benden Platz. Grössere Tempel hatten dann in der Regel noch einen dem 
Pronaos entsprechenden Hinterbau, den Opisthodomos,®) der aber nicht 
immer durch eine Säulenreihe, sondern oft durch eine Wand abgeschlossen 
war. Es war dies notwendig, wenn hier Schätze aufbewahrt wurden. Fast 
alle Tempel hatten Säulen vor dem Pronaos {vaog nQoazvXog), sehr viele 
auch am Opisthodomos {äfiifinQotrTvXog), und die bedeutenderen auch auf den 
Langseiten (nsQtJiTSQog). Besonders prächtige Tempel waren von doppelten 
Säulenreihen umgeben {StnrsQog), und das Olympieion in Athen hatte an seinen 
beiden Giebelseiten sogar dreifache Reihen.^) Ganz verschieden war die 
Grösse der Tempel. Herodot (HI 60) nennt als den grössten aller ihm 
bekannten Tempel den der Hera in Samos, dessen Länge 346 und Breite 
189 Fuss betrug. Doch gab es später noch grössere; der Tempel der Artemis 
in Ephesos war ohne Stufenunterbau 104,39 Meter lang und 49,98 Meter 
breit, mit dem Stufenunterbau 127°», 40 lang und 73"°, 15 breit. Nach 
dem Brande wurde er in derselben Grösse wieder aufgebaut.*^) Der erst 



') Vgl. die Vorderansicht des Athena- 
tempels in Aigina bei Baumeister Denk- 
mäler S. 261. 

«) Arch. Ztg. 1873 S. 72. 

') BüBSiAN in Jahrb. f. Phil. 1856 S. 432. 

*) Vgl. Pyl Die griech. Rundbauten, 
Greifewald 1861. 

*) ßörncHEB Tektonik II 84 ff. 

^) In der Regel nur die selten vorkom- 
menden dexaatvXoi. Dass der achtsäulige 
Tempel des olympischen Zeus in Athen eine 
oben offene Cella hatte (Yitrüv III 2 § 8). 
war eine Ausnahme. Die Thüren, durch welche 



das Licht einströmte, waren deshalb auch 
sehr gross: die des Parthenon hatte z. B. 
5 Meter Breite und 10 Meter Höhe. Vgl. 
Hermann Die Hypäthraltempel der Alten, 
Göttingen 1844. 

^) Vgl. Fränkel in Böckh's Staaishaush.^ 
11 Anm. 266. 

") Schol. Luk. Timon. c. 53. 

9) 0. Müller Archäologie § 288. 

*®) E. CuRTius Ephesos, Altertum und 
Gegenwart, Berl. 1882 II 116: ,In der Grund- 
fläche etwa viermal so gross als der Par- 
thenon zu Athen und etwa l'/snial so gross 

9* 



20 A. Die griechischen KnltuBaltertümer. 

von Hadrian vollendete Tempel des Zeus Olympios in Athen hatte eine 
Länge von c. 107,60 und eine Breite von über 52 Metern. Der Parthenon 
ist 69,51 Meter lang, 30,86 Meter breit und c. 14 Meter hoch. Der 
Mittelraum war ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 30,86 Metern (Heka- 
tompedos). Das Grössenverhältnis der einzelnen Teile war in den ver- 
schiedenen Tempeln ebenfalls verschieden. So war der ayjxoq des Eleu- 
sinischen Tempels 51,96 Meter lang, während die Länge des ganzen Gebäudes 
nur 63,52 Meter betrug. Freilich diente der auch mit Sitzplätzen ver- 
sehene Raum hier ganz besonderen Zwecken, und ein Opisthodom fehlte. Die 
Anlage der Tempel war in der Regel so, dass der Eingang, dem das Gesicht 
des Götterbildes zugewandt war, nach Osten lag, doch gab es auch nach Norden 
orientierte Tempel, wie die beiden Eabeirentempel auf Samothrake, ') den 
Tempel des Amphiaraos bei Oropos,^) und den Apollontempel in Phigaleia. 
Dieser hat allerdings noch eine zweite nach Osten sich öffnende Thür, und 
das Bild des Gottes mag immerhin nach dieser Richtung geschaut haben. ^) 
Nach Westen waren Tempel niemals orientiert. Wo die Sonne zur Rüste 
ging, suchte man die Toten. ^) Auch die Priester, welche Alkibiades ver- 
fluchen, wenden sich nach Westen.^) — Wurde einer Gottheit ein neuer 
Tempel erbaut, weil der alte den Ansprüchen nicht mehr genügte, so wurde 
dieser nicht immer beseitigt. So gab es einen alten und einen neuen Athena- 
tempel auf der athenischen Akropolis, einen alten und neuen Dionysostempel 
und einen alten und neuen Asklepiostempel ^) am Nordfusse der Burg, so 
zwei Kabeirentempel in Samothrake.^) — Zuweilen gehörte ein Tempel 
mehreren Gottheiten. Das konnten dann sogenannte vaoi 6inXot^ Doppel- 
tempel, sein, die sich nach entgegengesetzten Richtungen hin öffneten,^) so 
dass jeder Gott seine besondere Cella hatte, oder derselbe Raum war meh- 
reren geweiht und nicht immer einer Hauptgottheit vorzugsweise.®) In 
diesem Fall befanden sich dann auch mehrere Altäre und Götterbilder im 
Tempel.^®) — Einige Tempel hatten noch ein Adyton^*) oder Megaron, ein 
Allerheiligstes, das nur die Priester zu gewissen Zeiten betreten durften.**) 
Bisweilen war dies ein unterirdisches Gemach.*"^) An dem im vierten Jahr- 
hundert erbauten Kabeirentempel bei Theben befand sich ein im Westen 
angebautes grosses Hintergemach, welches mit der Haupteella in keiner 



als der Dom zu Köln crbob sich der Neubau 
auf einem mächtigen Unterbau von 10 Stufen 
mit seinen rings umher geführten Doppcl- 
reihen von CO Fuss hohen Säulen.* 

*) Archäol. Unters, auf Samothr. II 31. 

') S. V. WiLAMOWiTz im Hermes XXI 
97. 

3) BöTTiCHEB Tektonik IV 97 ff. -- Über 
Tempelorienticrungon s. Nissen Rhein. Mus. 
XXVIII 513 ff., XXIX 369 ff., XL 329 ff. und 
besonders XLII (1887) S. 28 ff. Vgl. auch 
desselben Verfassers Templum, Berl. 1869 
S. 162 ff. 

*) Vgl. Athen. IX 78 p. 409. Soph. Oid. 
Tyr. 178. 



Athen TT 174. 

') Archäol. Unters, auf Samothr. II 26. 

•*) Paus. II 25, 1; VIII 9, 1. 

») Thuk. IV. 97; Paus. I 14, 1; 18, 7; 
41, 4; II 11, 2; VIII 32, 1. Vgl. Lobeck 
Agl. 150. 

^0) Paus. I 32, 2; II 11, 6. 

^*) S. Darembebg et Saglio Dict. u. ady- 
tum I 91 f. — Wo Herodot vom Tempel der 
Athena auf der Burg spricht, sind /ueyaQoy 
und ttdvtoy Synonyma (vgl. VII 140 f.). Dör- 
pfeld Mitt. des Arch. Inst, zu Athen 1887 
S. 200 A. 2 S. auch Preller-Robert Griech. 
Myth. I 197 A. 1. 

*'^) Paus. X 32 9. 
») Lys. Andok. (VI) § 51. »») Paus! II 2,' 1;' VII 27, 1. Vgl. IX 

») Köhler Mitt. des D. Arch. Inst, zu , 8, 1 und Lobbck Agl. S. 830 ff. 



1. Die EnltoBBtätten. (§ 11.) 



21 



direkten Verbindung stand. Die darin gefundenen Opfergruben beweisen, 
dass dies ein eigenes Opfergemach war.') Der Raum scheint unbedacht 
gewesen zu sein.*) Etwas ähnliches finden wir in Idalion auf Kypern, wo 
ein Tempel, dessen Fundamente Ohnefalsch-Richter neulich blossgelegt hat, 
neben dem Hauptraum einen zweiten enthielt mit einem Altar, der zur Dar- 
bringung blutiger Opfer bestimmt war. 3) 

Es ist schon gesagt, dass in historischer Zeit das Kultbild des 
Gottes (ayaXfia) in seinem Tempel nur ausnahmsweise fehlte,^) abgesehen 
von den Heiligtümern der Hestia, wo die auf dem Altar immer erhaltene Flamme 
das Bild der Göttin vertrat, und man sie sich selbst unter diesem Symbol 
vorstellte. 5) Ob die homerische Zeit schon Götterbilder kennt, ist zweifel- 
haft;^) jedenfalls haben nicht alle Tempel eines besessen.^) Die ältesten 
Idole waren aus Holz {^oavov), und mögen unschön genug gewesen sein, 
doch wo sich einige erhalten hatten, machte sie das Alter ehrwürdig, und 
man bewahrte sie wie eine Reliquie auf.*) Die meisten Götterbilder waren 
aus Marmor oder Bronze, nur wenige aus Elfenbein und Gold, das um 
einen Kern von Holz gelegt wurde. Die berühmtesten unter diesen 
waren die Kolossalstatuen des Zeus im Tempel zu Olympia und der 
Athena Parthenos auf der Burg zu Athen, beide von Pheidias. Kaum 
mehr den Namen von Götterbildern verdienen die sogenannten Hermen, 
Säulen mit einem Kopf darauf, vor denen sich oft auch ein kleiner Altar, 
auf dem unblutige Opfer dargebracht werden konnten, befand.^) 

Wie manche heiligen Bezirke und tsQa^ so waren auch viele Tempel 
nur bestimmten Personen oder zu bestimmten Zeiten zugänglich. Dass ein 
Unreiner ihnen nicht nahen durfte, bedarf nicht der Erwähnung, aber bei 
vielen war der Besuch auch sonst beschränkt oder Laien gänzlich verwehrt. 
Als Gründe für diese Bestimmungen werden oft Legenden angeführt'*^), die 
eben auch nur erfunden waren, um den alten Brauch zu erklären. Einige 
Tempel durften nur von Männern, andere nur von Frauen betreten werden,'*) 
für manche bestanden noch andere Vorschriften.'*) 

11. Welchem Zweck dienten nun die Tempel? Wir müssen annehmen, 
dass sie mehr des Gottes als der Menschen wegen da waren. Ihm waren 
sie erbaut, sein Bild und seine Schätze fanden dort Unterkunft und Sicher- 
heit, sie waren seine Wohnung und sein Eigentum. Aber der Gott war 
durch dieses Heim, das ihm der Mensch inmitten der eigenen Wohnstätten 
erbaute, diesem näher gerückt, und gern sah er den Menschen als Gast in 



') Dörffeld Mitt. des Arch. Inst, zu 
Athen. 1888 S. 91 f. 

^) Ebenda S. 96. 

*) Ber. der Archäol. Gesellsch. Wochen- 
schr. f. klass. Phil. VI 1889 S. 532. 

*) Paus. IX 25, 4; X 33, 11. 

*) Paus. II 25, 1. 

«) Z. 92 (cf. 303)* lässt sich wohl auch 
anders erklären Vgl. Stekoel in d. Wochen- 
schrift für klass. Phil. 1884 S. 1574 flf. 

^) Vgl. Helbio das homer. Epos'-» S.422 flf. 

«) Paus. IX 40, 3. — Ober die Kult- 



bilder und ihre Ausschmückung siehe auch 
Martha les sacerdooes Athön. Paris 1882 
S. 45 ff. 

') Abbildungen bei Gerhard Akadem. 
Atlas, Beriin 1868 Taf. LXV, vgl. dazu Akad. 
Abb. II 509 f. S. die angehängte Taf. I 
fig. Üa. 

>ö) Plut. Quaest. Rom. 16, Quaest. gr. 40. 

") Herod. III 37; VI 135; Paus. II 35, 
4; III 20, 4; VI 20, 4; VIII 47, 4; 11 4, 7; 
Athen. VI p. 262 C u. s. w. 

'-') Vgl. ScHOEMANN Gr. A.*» II 208 f. 



22 



A. Die griechischen Enltasaltertümer. 



seinem Heiligtum, sei es dass er sich bittend oder Dankopfer spendend, sei 
es dass er sich zur Teilnahme an einer Festfeier nahte. Festfreude und 
Gottesdienst waren ja aufs engste verbunden, durchdrangen einander so 
ganz, dass die vornehmsten Kultstätten, die Tempel, auch immer der Mittel- 
punkt der so zahlreichen Feste des lebensfrohen Volkes waren. Theater 
und Volksspeisung waren Gottesdienst, und d^vaia heisst oft nur festlicher 
Schmaus.^) Fanden diese Feiern nun auch nicht im Innern eines Tempels statt, 
so betrat doch wohl jeder Festgenosse bei solchen Gelegenheiten den hei- 
ligen Raum, und der Tempel, den man eben besucht hatte, und in dessen 
Nähe und Anblick das Fest stattfand, gab dem Ganzen eine höhere und 
weihevollere Stimmung. 

13. Aber noch eine andere Bedeutung hatten die Tempel: schon früh 
galten sie als die sichersten Orte zur Aufbewahrung der Staatsschätze 
wie des Vermögens einzelner.*) So war der Staatsschatz des Athenischen 
Reiches seit 438 im Opisthodom des Parthenon aufbewahrt.^) Ebenda be- 
fand sich auch der Schatz der Göttin, in den ausser vielen Weihgeschenken 
und Stiftungen von Privatpersonen der Zehnte aller Kriegsbeute, auch 
des eroberten Landes, und ein Sechzigstel der Tribute floss.*) Alljährlich 
wurde ein Inventar aufgenommen, und der Schatz den Nachfolgern in der 
Verwaltung übergeben, alle vier Jahre an den grossen Panathenaien Ver- 
zeichnisse des Vorhandenen auf Marmortafeln eingegraben. Diese uns zum 
Teil erhaltenen Inschriften*) geben uns einen Begriff von der Menge 
und Kostbarkeit der dort aufgehäuften goldenen und silbernen Wertgegen- 
stände, Statuen, Kränze, Schalen, Lampen, Hals- und Armbänder, Ringe 
u. s. w.«) Nicht minder reich waren der olympische Zeustempel und der 
des ApoUon auf Dolos.'') Auch der Artemistempel zu Ephesos besass sehr 
kostbare Weihgeschenke,®) und aus inschriftlich erhaltenen Rechenschafts- 
berichten^) ersehen wir, dass auch hier grosse Summen von ihren Eigen- 
tümern deponiert waren und ebenso gewissenhaft wie der dem Tempel selbst 
gehörende Schatz verwaltet wurden. Vielleicht haben einige Tempel auch 
Prägstätten besessen und Münzen geschlagen. ^^) 

13. Aber nicht bloss Geld und Gut gewährten Tempel die grösste 
Sicherheit, auch Menschen, die ihre Zuflucht dahin nahmen, fanden hier 
Schutz. Eigentlich war jeder Tempel und jedes tsqov ein a<TvXov, d. h. un- 



Z. B. Herod. Vm 99 ;Philoch. bei Athen. 
VI 46 p. 245 C ; cf. Paus. VII 22, 8. 

') S. SwoBODA Über griech. Schatzver- 
waltung, Wiener Studien X (1888) S. 278 ff. 
u. xr S. 65 ff. 

• 3) BoECKH Staatshaush.» I 195 ff.; Fran- 
KEL, ebenda II Anm. 268; Busolt Hdb. IV 
216; ScHOEMANN Gr. A. I 444; Kibchhoff 
Zur Geschichte des Athen. Staatsschatzes im 
5. Jahrh. Abh. d. Berl. Akad. 1876. 

*) CIA. I 226-272; Kirchhopf Abh. 
• der Berl. Akad. 1876 S. 32 ff.; v. Wilamo- 
wiTZ Ky dathen S. 28 ff. ; Gilbert Gr. Staats- 
altt. I 236 ; s. aber auch Dörpfeld Mitt. des 
Arch. Inst, zu Athen 1887 S. 203 ff. und 
LoLLiNo Hdb. IX Halbband 1888 S. 344 ff. 



5) Namentlich der Jahre 434—403. 

*) Vgl. Nbwton-Imelmann a. a. 0. S. 16 f.; 
BoECKH Staatsh.» II S. 134 ff. 

') Vgl. V. WiLAMOwiTz Kydathen S. 29; 
A. MoMMSEN in BuRSiAN*s Jahresbericht 14 
Jahrg. 1886 S. 349 ff. 

**) Wood, Ephesos Inscr. from the Theatre 
no. 1. 

®) Vgl. Lebas- Waddington Inscr. de 
l'Asie Min. HI S. 56 n. 136a. 

^®) Vgl. E. CüRTiüs Über den relig. Cha- 
rakter der griech. Münzen in den Monats- 
berichten der Berl. Akad. 1869; Numismatic 
Chronicle 1870 S. 91 ; Lenormant la Monnaie 
dans l'Antiquit^ II 82. 



t Die KültnsBt&tten. (§ 12 -13.) 23 

verletzlich, und selbst einen Verbrecher ohne weiteres von einem Altar oder 
einem Götterbilde, zu dem er sich vor seinen Verfolgern geflüchtet hatte, 
wegzureissen, galt wenigstens unter Umständen für Frevel, ganz beson- 
ders aber forderte es die Rache der Götter heraus, wenn man sich an den 
ihnen heiligen Stätten an einem Unschuldigen vergriff. *) Doch boten nicht 
alle Heiligtümer gleiche Sicherheit,^) unbedingte nur die verhältnismässig 
nicht zahlreichen Freistätten, welche vorzugsweise den Namen Asyle führten 
und die als solche dann allgemein anerkannt waren.') Arkadien besass 
deren zwei: das Heiligtum der Athena Alea zu Tegea und das des Lykaios 
bei Megalopolis. In jenem fand König Tansanias, der wegen seines schimpf- 
lichen Vertrages nach der Schlacht bei Haliartos verurteilt worden war, 
Schutz bis zu seinem Lebensende,^) in diesem lebte König Pleistoanax neun- 
zehn Jahre, bis er endlich begnadigt wurde. ^) Auf Kalauria gab es ein 
Heiligtum des Poseidon, welches das Asylrecht hatte, ^) bekannt durch die 
Flucht und den Tod des Demosthenes, in Phlius eines der Ganymede,') und 
in der hellenistischen Zeit war namentlich auch Samothrake mit seinem Ka- 
beirenheiligtum als Asyl berühmt.®) In Euripides Ion 1315 wird geklagt, dass 
diese Asyle Gerechten und Ungerechten in gleicher Weise zu gute kämen, und 
in Asien gab es zur Zeit des Tiberius so viele, dass ihre Menge bedenklich 
wurde. ^) Im eigentlichen Griechenland hat sich ein wirklicher Übelstand wohl 
nie geltend gemacht, da auch der, welchem es gelungen war, ein Asyl zu 
erreichen, doch nur so lange doi*t verweilen konnte, wie seine Mittel ihm den 
Aufenthalt gestatteten. Alle andern Heiligtümer aber gewährten vollends nur 
auf kürzeste Zeit Schutz. Nötigenfalls konnten die Flüchtlinge ausgehungert 
werden, wie dies mit dem des Landesverrats beschuldigten Pausanias ge- 
schah, i^) und auch sonst fand man wohl Mittel, sie zum Verlassen des Altars 
oder Tempels zu nötigen; ^*) verurteilte Verbrecher ^*) aber oder überwundene 
Feinde anzutasten, scheuten sich wohl nur besonders Gottesfürchtige. Dass 
Agasilaos nach der Schlacht bei Koroneia eine Anzahl Besiegter, die im 
Heiligtum der Athena Itonia Schutz gesucht hatten, unverletzt entliess, fiel 
offenbar als etwas Ungewöhnliches auf,* 3) und die Mysterieninschrift von 
Andania befiehlt den Priestern geradezu, Schutz suchenden Sklaven, deren 
Beschwerde sie nicht begründet fanden, ihren Herren auszuliefern.*^) 



») Xen. Hell. IV 4, 3; Thuk. III 81; 
Herod. VI 91 ; vgl. L. Schmidt Ethik U S. 20 
u. s. w. 

') In Athen flüchteten sich verfolgte 
Sklaven in das Theseion; ausserdem scheint 
nur das Heiligtum der Eumeniden in dieser 
Beziehung Bedeutung gehabt zu haben. S. 
Köhler im Hermes VI 102 f. Schoemanw- 
Meieb Att. Prozess' S. 626, wo auch die 
Belege, über andere Sklavenasyle Gil- 
bert Griech. Staatsaltert. Leipzig 1881 u. 
1885. II 288. 

») Vgl. Schobmann Gr. A. II 210 ff.; 
FöRSTEB, de asylis Graecorum, Breslau 1847 ; 
Jaenisch, de Graec. asyl., Göttingen 1868 
und besonders Barth, de asylis Graecorum, 
Strassburger Diss. 1888, wo die Asyle am ! Plut. Ägcs. 19. 
übersichtlichsten nach Landschaften geordnet j ^*) Dittbnbeboeb Syll. 388 2U. 80 ff. 



sind, und Darembbbo et Saolio Dict. u. 
dffvXia I 505 ff. 

*) Xen. Hell. HI 5, 25; Plut. Lys. 28; 
Paus. lU 5, 6 f. 

^) Thuk. V 16. 

«) Strabo VIII 374. 

^) Paus. II 13, 3. 

8) Plut. Pomp. 24; Livius XLV 5; vgl. 
Arch. ünt. auf Sam. II 110 f. 

9) Tac. Ann. IV 14; cf. III 60 f.; vgl. 
E. Cürtius Ephesos, in Altert, und Gegen w. 
1882 H 121. 

»0) Thuk. IV 134. 

»') Vgl. Thuk. I 126. 

»-) Vgl. Lykurg Leokr. § 93. 

") Xen. Hell. IV 3, 20; Ages. XI 1; 



24 



A. Die griechischen Enltusaltertümer. 



2. Kultusbeamte« 

a. Priester. 

BosBLEB. De gentibus et familiis Ätticae acicerdotalibiis, Darrastadt 1833. Kreuseb, 
Der Hellenen Priesterstaat, Mainz 1822. Hbimbbod, De Ätheniensium sacerdoübus, Glei- 
witz 1854. Adrian, Die Priesierinnen der Griechen, Frankfurt 1821. Pauly's Realencyklop. 
u. sacerdos VI 638 ff. Martha, Les aacerdoces Aiheniena, Paris 1882. E. Cubtius, Das 
Priestertum bei den Hellenen, Altertum und Gegenwart, Berl. 1882 H S. 38 ff. Sohoemann, 
Gr. Altt.3 II S. 410 ff. Hermann, Gottesdienstl. Alt.« g§ 33-36, cf. 10, 11. Lehmann, Quae- 
stimies sacerdotales. Part, prior, Königsberger Dissertation 1888. J. Töpffer, Attische Ge- 
nealogie, Berlin 1889. 

14. Einen eigentlichen Priesterstand hat es in Oriechenland nie ge- 
geben. Viele Gründe machten dies unmöglich. Es gab keinen Religions- 
unterricht, keine Predigt, und man bedurfte nur in seltenen Fällen eines 
Vermittlers zwischen sich und der Gottheit. Das Haupt der Familie durfte 
zu Hause selber die Opfer vollziehen, die &vaiai natQioi brachte der Vor- 
stand des Geschlechts,*) für den Staat thaten es zum Teil die Magistrate,^) 
Reinigungen und Sühnungen durften von Laien vorgenommen werden,') ja 
diese konnten selbst die Mantik erlernen.^) Eine Vorbildung und Erziehung 
für das priesterliche Amt gab es nicht. ^) Wer aber Priester geworden 
war, war Diener eines bestimmten Heiligtums; ein engeres Aneinander- 
schliessen der Priester verschiedener Tempel fand nicht statt, eher war 
man wohl auf das grössere Ansehn und die reicheren Einkünfte des andern 
elfersüchtig, ein Standesgefühl konnte sich nicht bilden. Dazu kam, dass 
sehr viele Priester nur kurze Zeit amtierten, und selbst unter denen, in 
deren Familie ein Priestertum erblich war, viele neben ihren priesterlichen 
noch andere Stellungen im Staate bekleideten, oft so hohe und sie so in 
Anspruch nehmende, dass das priesterliche Amt, welches ihre volle Thätig- 
keit ohnehin nur bei Festen erforderte, neben diesen sehr in den Hinter- 
grund getreten sein muss.^) 

15. In homerischer Zeit spielen die Priester, wenn sie auch 
hohes Ansehen geniessen, noch keine bedeutende Rolle. Sie sind Vor- 
steher und Diener eines bestimmten Heiligtums, aber die Opfer werden 
von den Fürsten vollzogen, ohne ihre Mitwirkung Eide geschworen und 
Verträge geschlossen, manche Verrichtungen, die ihnen später obliegen, 
von den Herolden besorgt. Bedürfte das Heiligtum nicht jemandes, der 
es hütete und in Ordnung hielt, so könnte man ihrer entraten. Das wird 
später freilich anders, aber die Pflege des Kultus liegt doch niemals aus- 
schliesslich in ihrer Hand. Wie der ßatrtXevg der homerischen Zeit^ so sind 
in Sparta die Könige, ist in Athen der Archen Basileus in gewissem Sinne 
der höchste priesterliche Beamte,^) der namentlich auch die geistliche 



^) Es gab sogar eigene Priester des Ge- 
schlcchtskultus. Vgl. Dittenberoer im Her- 
mes XX 7 f., 22 A. 2; Töpffer Att. Genea- 
logie S. 22 und im allg. Badkr de diis na- 
TQtooig, Gymnas.progr., Schleusingen 1873. 

•^) Vgl. Martha a. a. 0. S. 7 f. 

3) Herod. I 35. Vgl. Lobeck Aglaoph. 
S. 669. 

*) Xen. Kyrup. I 6, 2; Anab. V 6, 29. 



^) „Zum Priester ist jedermann gut ge- 
nug, ** sagt Isokrates II 6, Worte, in denen 
,1 Geringschätzung des Priesteramts übrigens 
nicht liegt, sondern nur die Überzeugung, 
dass seine Funktionen ihrer Natur nach keine 
besondere Befähigung verlangen.*' Ditten- 
bebger im Hermes XX 1 Anm. 

^) S. Dittenbeboer ebenda S. 34 u. 39. 

') Vgl. Aristot. Pol. III 14 p. 1285 a. 



2. Die Eültnsbeamten. (§ 14—16.) 



25 



Jurisdiktion übte.^) Überhaupt wird der Kultus von Staatsbeamten beauf- 
sichtigt und die grossen Staatsfeste und Staatsopfer werden von ihnen, 
zum Teil persönlich, geleitet. Der Archen Eponymos und der Polemarch 
haben bestimmte priesterliche Funktionen,^) die Strategen bringen Opfer 
dar,^) ebenso die Prytanen für das Wohl des Staats,^) und diese nament- 
lich haben auch sonst je nach ihrer Stellung in den verschiedeneu Staaten 
mehr oder weniger mit dem Staatskultus zu thun.'^) Ausserdem liegt es 
in der Natur des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche, 
wenn man so sagen darf, und es liegen zahlreiche inschriftliche Zeugnisse 
dafür vor, dass auch das Ritual und die Opferordnung für die Tempel 
nicht von den Priestern, sondern von den Staaten d. h. also von der Volks- 
versammlung festgesetzt und geregelt wurde, ^) und ebenso andere wichtige 
Bestimmungen, die den Oottesdienst betrafen, ihrer Entscheidung vorbe- 
halten blieben.^) Gewiss werden die Priester bei der Abfassung dieser 
Dekrete mitgewirkt haben, werden Vorschläge gemacht und Ratschläge 
erteilt haben, aber gesetzliche Bestimmungen konnten sie nicht erlassen. 
Ihre Pflicht war es, die Ausführung derselben zu überwachen und Über- 
tretungen zu strafen, kleinere selbständig und aus eigener Machtvollkommen- 
heit, in schwereren Fällen Anzeige bei den zuständigen Behörden zu 
machen.®) So beschränkte sich der Dienst des Priesters auf die Sorge für 
das Heiligtum, dem er unter Aufsicht des Staates vorstand. 

IC. Ursprünglich war der Priester wohl der einzige Beamte des 
Heiligtums. Verrichtungen wie das Reinigen und Schmücken des Tempels,^) 
Holz-, Wasserholen u. a. wird er durch Sklaven, die ihm persönlich ge- 
hörten, haben ausführen lassen, das geringe Tempelvermögen selber ver- 
waltet haben. '^) Aber auch später, wo zu manchem Tempel ein ganzes 
Heer von Bediensteten gehörte, stehen an der Spitze stets die Priester 
(IsQeTg) oder die Priesterinnen {tegeiat). Allerdings waren sie niemals die 
Vorgesetzten aller für den Tempel angestellten Beamten, da die Obliegen- 
heiten der einzelnen zu verschieden waren, aber eine besondere Stellung 
verlieh ihnen schon das Verhältnis, in dem sie allein zu der Gottheit standen. 
Der Priester kannte das Ritual seines Tempels und hatte darüber zu wachen, 
er verrichtete oder beaufsichtigte die Opfer, die dort gebracht wurden,^') 
er hatte den ganzen heiligen Bezirk vor Entweihung und Verunreinigung 
zu wahren und, falls irgend etwas beschädigt war und der Erneuerung bedurfte, 
an zugehöriger Stelle die Anträge zu stellen, ^ 2) er hatte die Gebete und 



Vgl. BüsoLT Hdb. IV 157. 

») Demosth. g. Meid. 9 ff.; PolJ. VIII 91. 
Vgl. ScHOEMANN a. a. 0. S. 414 und Gilbert 
Gr. Staatsaltt. I 241 f. 

») CIA. II 302, 471a b, gemeinschaftlich 
mit Priestern CIG. 3595. 

M CIA. II 390, 392 u. s. w. 

*) Vgl. ScHOEHANK Gr. A. II 415. 

8) DrrTENBBBOEE Sjll. 373, CIA. II 477 b; 
Thuk. IV 98. Vgl. Newton Die griech. In- 
schriften, übers, von Imelmann S. 52 u. 70. 

^) Vgl. DrTTEVBERGER Syll. 388 und die 
Bemerkungen Sauppes im ind. lect. Göt- 
tingen 1880/81 S. 8 f. 



®) Vgl. die Inschr. v. Oropos im Hermes 
XXI 91 ZI. 9 ff. 

®) DiTTENBERGER Syll. 369. 

'") Vgl. SwoBODA Wiener Stud. XI 1889 
S. 80. 

' ') Dass im Heiligtum des Gottes selbst 
ein Besucher auch in Abwesenheit des Prie- 
sters opfern durfte, war gewiss nur unter 
ganz ausnahmsweisen Verhältnissen gestattet. 
S. d. Inschr. v. Oropos im Hermes XXI 92 
ZI. 27 f. Vgl. auch Dittenberger Syll. 376, 
8 u 323 

' •») CIA. II 403, 404; Martha im Bull, 
decorr. hell. II 419. 



26 



A. Die griechiBchen EnltasaltertÜiner. 



vorgeschriebenen öffentlichen Fürbitten zu verrichten, er war dafür ver- 
antwortlich, dass jedes Opfer rechtzeitig und in gebührender Weise geschehe, 
und er erhielt in erster Linie Belohnung und Belobung dafür, wenn während 
seiner Amtsführung all dies ordnungsmässig ausgeführt und geleistet war,') 
er spricht den Fluch aus gegen Frevler,^) bestraft jeden, der das geringste 
vom Eigentum des Oottes entwendet,^) und schützt den, der sich zu seinem 
Tempel geflüchtet.^) 

17. Wenn diese Pflichten und Rechte dem Priester durch das Gesetz 
übertragen waren, so ergaben sich andere aus der Ausübung seines Amtes. 
Die Priester hatten allein Zutritt zu dem AUerheiligsten, sie allein waren 
im stände, aus den Opfern und aus Zeichen den Willen der Götter zu er- 
kennen und in die Zukunft zu schauen, sie waren die natürlichen Inter- 
preten der Gottheit. Denn eigentliche fidvTsig wurden nur ausnahmsweise 
befragt 5) und dann gewiss sehr selten ohne Hinzuziehung von Priestern, 
noch seltener aber wird ein Laie so viel von der Mantik verstanden haben, 
dass er sich auch ohne Priester, seiner eigenen Einsicht vertrauend, die 
Zeichen und Absichten der Himmlischen zu deuten und zu erkennen ver- 
mass. Freilich begegnen wir häufig Misstrauen und Unglauben gegen den 
guten Willen und gegen das Können auch der Priester,^) aber all das be- 
einträchtigte den Glauben an sie im allgemeinen wohl kaum und hinderte 
gewiss nur ganz wenige, sich ihrer zu bedienen. 

18. Die Zahl der an den einzelnen Tempeln angestellten Priester war 
sehr ungleich;*^) an den meisten gab es gewiss nur einen, ^) und wohl an 
keinem wurde die Zeit und Kraft dieses einen so voll in Anspruch ge- 
nommen, dass er nicht neben seinem Ehrenamte noch einer bürgerlichen 
Beschäftigung hätte nachgehen können. ^) Auch hatten bisweilen zwei nahe 
bei einander liegende Tempel derselben Gottheit nur einen Priester;*^) so 
die beiden Tempel des Dionysos in Athen, wie die Theatersitze bezeugen.*') 
In der nachrepublikanischen Zeit kam es auch vor, dass dieselbe Person 
mehrere Priesterämter auch an Heiligtümern verschiedener Gottheiten zu 
gleicher Zeit verwaltete;'*) dass jemand nach einander mehreren vorstand, 
war natürlich immer erlaubt. '3) 

In vielen Heiligtümern wurde das Priestertum von einer Frau be- 
kleidet,'^) an anderen gab es Priester und Priesterinnen nebeneinander.'*) 



CIA. II 373 b, 374, 567 b: Foucabt, 
Bull, de corr. heU. II 2 1886 S. 96. 

*) Lys. g. Andok. 51 etc. 

') CIA. II 841. 

*) DiTTBNBEBGBR Syll. 388 ZI, 80 ff.; 
SCHOEMAKN Gr. A. II 211. 

*) Wie wenig zwischen fÄayreig und Uger; 
unterschieden wird, darüber s. 11. A 62, £1 
221, Plat. Polit. p. 290 C, Symp. p. 202 E. 
Der Priester war gewiss in unzähligen Fällen 
zugleich der fAavug, 

«) Xen. Kyrup. I 6, 2; Eur. Iph. Aul. 961; 
Plato Rep. II p. 364 b; Plut. Lyk. 9 u. s. w. 

•) Aristot. Pol. VI (VII) 8 p. 1322. 

«) Vgl. Diod. I 73. 



®) S. V. WiLAMOwiTZ Inschr. v. Oropos 
im Hermes XXI 93. 

»0) Vgl. KöHLEB Mitt. des D, Arch. Inst 
zu Athen II 255 mit Anm. 2. 

»') CIA. III 261 ff. Vgl. CoNZE in den 
archäol. Untersuch, auf Samdthrake II 26, 
DiTTENBEBOEB itid. schol. Hai, acst. 1887 de 
sacris Bhod. II S. IV; Döbpfeld Mitt. des 
Arch. Inst, zu Athen 1387 S. 195. 

1*) CIG. 1446, 2720, 2820; Bull, de corr. 
hell. 1888 S. 84. 

»») CIG. 2270 u. s. w. 

^*) Z 300 ; DiTTENBEBGEB Syll. 371 ; Paus. 
VII 25, 13 etc. 

>») Paus. VIII 13, 1; CIA. II 610 etc. 



2. Die Eültasbeamten. (§ 17—20.) 



27 



Nicht selten wurde das Priestertum eines Gottes von einer Frau*) und 
umgekehrt einer Qöttin von einem Manne verwaltet.*) 

19. Auch das Alter, in dem die Priester standen, war ganz verschieden. 
Wir finden Mädchen 3) und Knaben,^) die einem Priestertum vorstehen, bis 
sie mannbar werden, daneben ganz alte Priester und Priesterinnen. •'^) Piaton ^) 
hält ein Alter von 60 Jahren für den Priester am geeignetsten; im all- 
gemeinen wird jedoch das Manuesalter die Regel gewesen sein.') Standen 
Kinder®) oder hochbetagte Personen, wie letzteres bei den lebenslänglich ver- 
walteten Priestertümern sicherlich oft der Fall gewesen ist, einem Heiligtum 
vor, so werden ihnen jedenfalls zur Anleitung und Unterstützung bei ihren amt- 
lichen Verrichtungen, deren selbständiger Ausführung sie noch nicht oder 
nicht mehr gewachsen sein konnten, andere Beamte beigegeben gewesen sein. 

20. Manchen Priestern oder Priesterinnen war Keuschheit geboten 
entweder lebenslänglich^) oder für die Dauer ihres Amtes *^) oder endlich 
nur eine gewisse Zeit vor Ausübung priesterlicher Funktionen,*') andere 
waren verheiratet.**) Auch Enthaltung von gewissen Speisen wurde 
bisweilen von den Priestern verlangt. So durften die Priester des Poseidon 
in Megara *3) und die Priesterin der Hera in Argos **) keine Fische, die 
Priesterin der AtTiena Polias in Athen keinen einheimischen frischen Käse 
geniessen. *^) Mitunter erstrecken sich solche Vorschriften auf alle diejenigen, 
welche das Heiligtum betreten wollen, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, 
dass die Priester, die sich ständig in dem Heiligtum aufhielten, diesen 
Bestimmungen ebenfalls unterworfen waren. Eine Inschrift aus Lindos auf 
Rhodos *^) ordnet an, dass jeder Besucher des Heiligtumes sich an den drei 
vorhergehenden Tagen des Genusses von Linsen und Ziegenfleisch und einen 
Tag frischen Käses zu enthalten habe, eine andere aus Attika*') verbietet 
Knoblauch und Schweinefleisch. Auch die allgemein geltende Bestimmung, 
dass jeder nur im Zustande vollkommener Reinheit, auch des Körpers und 
der Kleidung, der Gottheit nahen dürfe, findet auf die Priester in erhöhtem 
Masse Anwendung. Pausanias*®) berichtet, dass der Priester und die Prie- 
sterin der Artemis Hymnia in Orchomenos nicht in öffentlichen Bädern 
baden, ja das Haus eines Privatmannes nicht betreten durften, um sich 
nicht etwa zu verunreinigen, und dieselbe Bestimmung habe für die Priester 
der Artemis in Ephesos bestanden. Auch sonst mussten sie sich vor Ver- 
unreinigungen natürlich mehr als jeder Andere in Acht nehmen. Piaton *^) 
will so weit gehen, den Priestern die Teilnahme an einem Begräbnis zu 



») Z. B. Paus. II 33, 3; IX 27, 5. 
2) Z. B. Paus. VIII 47, 3; Ephem. archaiol. 
N. F. 1. 1862 n. 96. 

«) Z. B. Paus. II 33, 2, VII 26, 3 
*) Z. B. Paus. VIII 47, 2, X 34, 4. 

5) Paus. VI 20, 2; PJut. Num. 9. 

6) Leg. VI 759 d. 

') Vgl. die luschr. bei Petersen und 
V. LuscHAN Reisen im sw. Kl. As. Wien 1889 
II 45 n. 83. 

») Vgl. DiTTENBEROEB Syll. 369. 

») Plut. Num. 9; Paus. IX 27, 6. 
>«) Z. B. Plut. de Pyth. orac. c. 20. 



»0 Vgl. Demosth. g. Androt. p. 618 § 78, 
g. Neair. p. 1371 §71. 

»2) Z 299; Paus. IV 12, 4 u. s. w. 

'3) Plut. Quaest. sjrmpos. VIII 8, 4. 

*^) Ail. de nat. anim. IX 65. 

'^) Strabo IX 11 p. 395; Athen. IX 17 
p. 375 C. 

*®) Lebas-Foucart Inscriptions de la 
Grece, Teil II sect. 5 p. 171. 

") DiTTENBBRGER Syll. 379. 

»«) VIII 13, 1. 

»ö) Leg. XII 3 p. 947 c. 



28 •^* 1^0 griechiBchen Ealtusaltertümer. 

untersagen, damit sie auch nicht in entfernte Berührung mit einer Leiche 
kämen. 

31. Selbstverständlich war es, dass der Priester ein unbescholtener 
und angesehener Bürger, *) und ebenso, dass er frei von allen körperlichen 
Gebrechen (aytiij^)'^) sein musste.^) Besondere Schönheit war eine Em- 
pfehlung, bisweilen wohl Erfordernis.'*) Aber auch die Gnade der Götter 
musste sichtbar über ihrem Diener walten. Wie nur die naidsg dfitpixkaketg^ 
Kinder, denen noch beide Eltern lebten, als Gehilfen bei heiligen Hand- 
lungen hinzugezogen wurden, so mussten in Messene Priester und Prieste- 
rinnen ihr Amt niederlegen, wenn ihnen ein Kind starb. ^) So strenge Vor- 
schriften bestanden natürlich nicht überall; aber einen offenbar vom Unglück 
Verfolgten wird man sicherlich nicht für geeignet gehalten haben, ein 
Priestertum zu bekleiden. So sehen wir also, dass, wenn auch keine be- 
sondere Begabung zur Bekleidung des Priesteramtes gehörte, doch mancherlei 
Anforderungen an die Inhaber gestellt wurden, was dann natürlich nicht 
wenig dazu beitrug, i|ir Ansehen zu erhöhen. Schon bei Homer heisst es 
von dem Priester des Idäischen Zeus, dass er wie ein Gott im Volke ge- 
ehrt ward,®) und gleicherweise von dem des Skamandros,^) und Theano, 
die troische Priesterin der Athena, ist die Gemahlin eines der Vornehmsten *) 
und nach späterer^) Sage die Schwester der Königin. i^) In Halikarnass 
wird von der Bewerberin um das Priestertum der Artemis verlangt, dass 
sie eine beiderseitig aristokratische Abkunft im dritten Gliede nachweise,^') 
und ähnlicher Bestimmungen mag es viele gegeben haben. ^^) Äussere Aus- 
zeichnungen mancherlei Art verliehen der Stellung der Priester einen be- 
sondern Glanz ^^) und machten das Amt auch den Höchstgestellten begehrens- 
wert. An manchen Orten Griechenlands wurden sogar die Jahre nach Priestern 
bezeichnet, ^^) in der Volksversammlung und bei allen öffentlichen Festen 
hatten sie Ehrenplätze,^'') in Athen sassen sie bei den Schauspielen neben 
den höchsten Beamten, wie die Inschriften auf den Sesseln im Dionysos- 
theater beweisen.*®) Auch Kränze wurden ihnen nach guter Amtsführung 
durch besondere Ehrendekrete verliehen,*^) oder sie erhielten die Erlaubnis, 
bei allen öffentlichen Wettkämpfen bekränzt zu erscheinen.*^) 

22. Die Einkünfte der Priester*^) wai-en natürlich sehr ungleich. 
Bei grossen und besuchten Heiligtümern müssen sie recht bedeutend gewesen 



>) Aristot. Pol. IV (VII) 9 p. 1329 a; Paus. 
VII 27 3. 

'') S. Etymol. M. u. d. W. 

3) Vgl. Plato Leg. p. 759; Dittenbergeb 
SyU. 3G9; Athen. VII p. 300 A. - Verschnit- 



»0) Eur. Hek. 3; Verg. Aen. VII 320; 
vgl. Apollod. III 12, 5. 

^*) DiTTEKBEBOEB Syll. 371. 

") Poseidipp. bei Athen IX p. 377 B. 
>3) Vgl. z. B. Plut. Quaest rom. 113. 



iene Priester wurden nur in Kulten, die aus **) CIG. 3794, 5475, 5491. Lbbas-Wad- 

dem Orient hertibergonommen waren, ver- dikoton III 1536, 1541 add. Noch mehr 



Beispiele bei Doermer De Graecorum sa- 

crificulis qui Ugonom dicuntur, Strassb. Diss. 

1883 S. 36 u. 71. 

^5) CIG. 101, 23. 

»6) CIA. III 2G1 ff.; s. auch CIA. II 589 

u. 325, II 550 etc. 
«) // 004. '') Z. B. CIA. II 477b. 

') E 78. ^*) Inschr. aus Sinope im Bull, de corr 

«) Z 299. hell. 1889 S. 300. 

«) Vgl. n 718. i '«) Vgl. Martha a. a. 0. S. 115 ff. 



langt, und diese Stellen wurden dann wohl 
auch nur von Ausländern bekleidet, cf. Strabo 
XIV p. 041 ; ScHÖMANN a. a. 0. II 427. 

*) Vgl. Paus. VII 24, 3; IX 10, 4 etc. 

s) Paus. IV 12, 4. Vgl. aber auch Schö- 
MANN Gr. A. II 430. 



2. Die Enltnsbeamten. (§ 21—22) 29 

sein. Eine erythräische Inschrift *) führt eine ganze Reibe dort käuflicher 
Priestertümer auf. Der höchste Preis für das des Hermes Agoraios beträgt 
4610 Drachmen, der niedrigste für das der Ge nur 10. Nehmen wir nun 
selbst an, dass diese Priestertümer auf Lebenslang gekauft wurden,^) so 
ist ein Preis von weit mehr als 4000 Drachmen für ein solches Amt in 
einem doch ziemlich unbedeutenden Gemeinwesen immerhin ein recht er- 
heblicher. Mehrere andere Priestertümer in demselben Ort werden mit 
über 1000 Drachmen bezahlt. Denkbar wäre ja nun allerdings, dass es 
den Käufern weniger auf den Gewinn als auf die Ehre angekommen sei, 
aber Verluste werden sie in der Regel doch auch nicht haben erleiden wollen, 
und der geringe Preis vieler Priestertümer^) zeigt auch wieder, dass die 
Ehre, ein solches Amt zu bekleiden, wenigstens nicht unter allen Umständen 
eifrig gesucht wurde. 

Die Einkünfte setzen sich aus mancherlei Dingen zusammen, und die 
Bestimmungen darüber sind an den verschiedenen Orten verschieden. Sehr 
viele Priester hatten Amtswohnungen in dem heiligen Bezirke, wie schon 
bei Homer {i 200) der Priester des Apollon in dem heiligen Haine des 
Gottes wohnt. Pausanias^) berichtet von einem Heiligtum in Elatea, wo 
alle Bediensteten des Tempels in dem rtpsvog wohnten. Das ist aber gewiss 
kein vereinzelt dastehender Fall gewesen, sondern höchst wahrscheinlich 
die Regel; vermieten einige Tempel doch ihnen gehörige Häuser sogar an 
Privatleute, um ihre Einkünfte zu mehren. *) Der Priester des Amphiaraos 
wohnt in der Stadt Oropos und ist nur verpflichtet, wenigstens jeden dritten 
Tag in dem seiner Obhut anvertrauten, von der Stadt entfernten Heiligtum 
anwesend zu sein, während dem vswxogog^, wie es scheint, der ständige 
Aufenthalt daselbst vorgeschrieben war.^) In besuchten Heiligtümern, die 
nicht innerhalb der Stadt lagen, haben die Priester jedenfalls stets eine 
Amtswohnung gehabt.^) Die bedeutendsten Einkünfte der Priester bestanden 
wohl in dem Anteil, den sie von den Opfertieren erhielten. Der Scholiast 
zu Aristoph. Vesp. 695 u. Plut. 1185*) sagt kurz, den Priestern kämen die 
Felle und die Schenkel der Opfertiere zu. Das ist nun zwar nicht ganz 
richtig, da in Sparta z. B. die Könige die Häute von allen bei den Staats- 
opfern geschlachteten Tieren erhielten,^) und in Athen bekanntlich die Felle 
aller bei grösseren Staatsopfem geschlachteten Tiere für Rechnung der 
Staatskasse verkauft wurden, ^o) und auch sonst bestätigt sich die Angabe 
des Scholions nicht in vollem Umfange, aber gross genug war der Vorteil, 
den die Priester aus den ihnen bestimmten Opferanteilen zogen, bei allen 
einigermassen bedeutenden Tempeln ohne Zweifel. So bestimmt z. B. die 
halikarnassische Inschrift, ^0 ^^s die Priesterin die Felle aller bei Staats- 
opfem geschlachteten Tiere erhalten solle, ausserdem ein Schinkenstück und 

*) DiTTENBEBGEB Syll. 370. | Inschr. v. Chios Mitt. des D. Arch. Inst, zu 



«) DlTTEKBEBGEB Syll. II S. 356' AniH 3. 
Bbucohakn Philo]. Anz. 1886 S. 439. Siehe 
aber auch Lehmann a. a. 0. S. 50 ff. 

*) S. die Zusammenstellung bei Heb- 
bbecht disserit, philoL Ärgent. sei. X 23 f. 

*) X 34, 4. 

s) Vgl. BöCKH Staatsh.8 I 375. 

•) Inschr. Hermes XXI S. 91. Vgl. d. 



Athen 1888 (XIII) S. 166. 

^) Amtswohnung eines Daduchen Ephem. 
arch. 1883 S. 126 ZI. 9. 

^) Dasselbe Suidas u. xtDXaxghfjg, 

9) Herod. VI 57. 

10) BöCKH Staatsh.3 II 108 f. 

") DiTTENBEBGEB Syll. 371. 



30 



A. I)ie griechischen SaltasalieriÜmer. 



mehrere andere Fleischteile von jedem Tier, von Privatopfern nur Fleisch; 
ein attisches Dekret ^ ordnet an, dass die Priesterin Fleischstücke und zum 
Teil auch die Häute erhalten solle, ein anderes,*) dass ihr bei allen Privat- 
opfern von kleineren Tieren ein Schinkenstück, von Rindern die Haut zu- 
fallen solle. Sehr häufig erhalten sie einen oder alle Schenkel des ge- 
opferten Tieres, 3) eine Schulter,**) das Schwanzstück (oo'yvg)^), die Zunge,^) 
ja auch die Ohren werden ihnen einmal zugewiesen.'') Doch beschränkte 
sich ihre Einnahme keineswegs auf Teile des Opfertieres selbst. Der Ka- 
lender von Kos bestimmt z. B., dass der Priester, welcher dem Herakles 
das Rind opfert, drei Mass Gerste und drei Viertel Weizen, vier Schalen 
Honig, zwölf Schafkäse, eine Last dürres Reisig, eine Last Holz, drei 
Hemichoa Wein und, wie es scheint, einen neuen Ofen®) erhalten solle. 
Ebenso weist die raykonische Opferordnung dem Priester Mehl und Wein 
zu.^) Auch Backwerk, Früchte und andere Dinge, die auf die Opfertische 
gelegt wurden, ^^) fallen ihnen zu. Ausserdera erhalten sie Geld für das 
Vollziehen der Opfer ^^) und eine Entschädigung für ihre Auslagen, i*) bis- 
weilen auch eine Remuneration aus dem Tempelschatze. ^2) Die Priesterin 
der Pergäischen Artemis in Halikamass bekommt für die allmonatliche 
Fürbitte von der Bürgerschaft eine Drachme, und darf in dem Monat, in 
welchem das öffentliche Opfer stattfindet, eine Kollekte halten, deren Ertrag 
ihr zufallen soll, wobei es ihr jedoch nicht gestattet ist, in die Häuser zu 
gehen.'*) Auch von den Einkünften aus den Tempelgütem haben viele 
Priester ohne Zweifel einen Anteil erhalten, sei es nun, dass ihnen ein 
Teil der Pachtsumme zugestanden, sei es, dass ihnen die Nutzniessung 
eines unverpachteten Gutes oder eines Anteils daran gewährt wurde. ^•'^) 
Wird doch, wie wir aus einer chalkedonischen Inschrift erfahren,**) einem 
Priester sogar ein Stück Land, das gar nicht einmal dem Tempel, sondern 
dem Staaate gehört, bis auf weiteres zur Nutzniessung überlassen. Auch 
lässt sich annehmen, dass von den Zinsen, welche die oft sehr grossen 
Tempelschätze brachten, '') die Priester einen Anteil erhalten haben. Und 



») CIA. II 631. 

«) CIA. II 610. 

^) Opferkalender von Eos im Journ. of 
Hell. Stud. IX S. 328, 334, 335. 

*) Inschr. aus Sinopo Bull, de corr. hell. 
1889 S. 300. 

^) DiTTEKBERGER Syll. 376, luschr. aus 
Sinope a. a. 0. Vgl. Poll. II 95, aber auch 
Ktyra. M. 691, 18. 

^) Inschr. aus Sinope a. a. 0., aus Cliios 
in den Mitt. des D. Arch. Inst, zu Athen 

XIII (1888) S. 166, DiTTENBEROEB Svll. 373. 

') Journ. of Hell. Stud. IX S. 335 ZI. 62. 

^) inyog xaiyog. Vielleicht ist ein Ofen 
oder Herd zur Bereitung des Opferraahles neu 
hergestellt worden — vgl. S. 335 ZI. 56 — , 
der nach dem Gebrauch dann dem Priester 
überlassen wurde. 

*) DiTTENBERGER Syll. 373. Mehr solcher 
Bestimmungen bei Stengel Quaest. sacrific. 
Progr. des Joachimsth. Gymnas. Berl. 1879 
S. 15 ff. Martha a. a. 0. S, 120 ff. Reisen 



im südwestl. Kleinas. v. Petersen u. v. Lu- 
scHAN, Wien 1889 II S. 35 u. 55. 

»•>) CIA. II 841b. Artemid. Oneir. HI 3. 
Vgl. Dion. Hai. II 23. 

") CIA. II 610, 841b. 

»0 BöcKH Kl. Sehr. IV 404. Es wird 
dies bei Privatopfem die Regel gewesen sein, 
doch scheint es auch vorgekommen zu sein, 
dass der Opfernde die Abgaben an den Tem- 

gel selbst zu entrichten hatte. Inschr. aus 
»ropos Hermes XXI 92. 

»») DiTTENBERGER Svll. 371 ZI. 33 ff. 
»*) DiTTENBERGER Syll. 371 ZI. 26 ff. 

**) Hom. hymn. in Apoll. 353. Inschr. 
aus Tegea im Bull, de corr. hell. 1889 S. 281, 
wo dem Priester und dem Hierothytes die 
Berechtigung zuerkannt wird, eine bestimmte 
Anzahl von Tieren auf der heiligen Trift zu 
weiden. 

^ö) DiTTENBKRGER Syll. 369. 

") BöcKH Staatsh.3 I 522 f. 



i. Die EnltaBbeamien. (§ 23). 



31 



noch manche andere Vorteile flössen ihnen zu. So gehörten die Fische 
aus den Rheitoi bei Eleusis ausschliesslich der Priesterschaft J) Vorteil 
und Ehre zugleich war es, wenn Priester im Prytaneum gespeist wurden, 
wie dies namentlich auch für den Hierophanten und den Daduchen in Athen 
bezeugt ist,*) oder wenn ihnen ein Ehrenplatz bei den Sttnva Srn^iöaia zu- 
erkannt wird, wie dem Priester des Asklepios in Chalkedon.^) Auch Be- 
freiung vom Militärdienst wurde ihnen zuweilen gewährt. -*) Wohlhabende 
und freigebige Priester erwarben sich Ehre und öffentliche Anerkennung 
dadurch, dass sie nicht nur alle ihre Pflichten in vollstem Masse erfüllten, 
sondern auch zur Feier der religiösen Feste aus ihrem Privatvermögen 
beisteuerten, damit sie desto glänzender begangen werden könnten, oder 
auf eigene Kosten Tempel oder Tempelgeräte wiederherstellen Hessen.^) 

23. Die Art der Besetzung der Priestertümer war verschieden. f') 
Einzelne waren in bestimmten Familien erblich.'') Solch ein Recht leitete 
sich in den meisten Fällen gewiss daher, dass ursprünglich eine Familie 
einen Privatkult gepflegt hatte, von welchem andere ausgeschlossen waren, ^) 
dass dieser dann Staatskult wurde, die Verwaltung, d. h. also das Priester- 
tum aber den Nachkommen jener alten Familie überlassen wurde.®) Auch 
wenn jemand ein Heiligtum gebaut oder wiederhergestellt hatte, konnte er 
in der Weise dafür belohnt werden, dass das Priestertum seiner Familie 
zugesprochen wurde. ^®) Die Beispiele von solchem Forterben des Priester- 
arots in bestimmten Familien sind nicht selten. Am bekanntesten ist, dass 
der eleusinische Hierophant dem Geschlecht der Eumolpiden in Athen an- 
gehören musste, der Daduchos, der Keryx und der Altarpriester (o inl 
ßfo^Kfi) dem Geschlecht der Keryken.^^) Die Eteobutaden besassen das 
Priestertum der Athena Polias und des Poseidon-Erechtheus,^^) die Hesy- 
chiden hatten den Kult der Eumeniden zu beaufsichtigen, ^ 3) und so noch 
viele Familien.^-*) In welcher Weise die Erbfolge innerhalb der Familie ge- 
regelt war, wissen wir nicht genau, und es mag dies auch in den einzelnen 
Fällen verschieden gewesen sein;^^) sicher ist, dass Linealsuccession nicht 
überall stattfand. So erbt ein Priestertum des Poseidon in Halikarnass, 



') Paus. I 38, 1. 

2) CIG. 184, 191. 

') DiTTENBEBOER Syll. 369; vgl. Luk. 
Symp. I 9. 

*) So dem Priester des Poseidon Heli- 
konios in Sinope, Inschr. im Bull, de corr. 
hell. 1889 S. 300. 

^) CIA. II 325; CIA. II 374; CIG. 3599; 
DiTTENBEROER Syll. 356. Bull, de corr. hell. 
1888 S. 85. Ephem. arch. 1887 S. 177 ZI. 17 flF. 

*) Martha a. a. 0. S. 24 ff.; Lehmann 
Qnaest. sacerdot. 1 ff. 

^) Vgl. namentlich Bossler a. a. 0. W. 
Wachsmuth Hellen. Altertumskunde* II 620 ff. 
TöpppER Att. Geneal. 

^) Solche Familienkulte erwähnt z. B. 
Herod. V 66, cf. VI 56; Lys. g. Andok. 11 
Vgl. Petersen Der Hausgottesdienst der 
Griechen, und Lobeck Agl. 271 ff. 

') Herod. VII 153, wo die Nachkommen 



des Telines, des Vorfahren Gelons und Hie- 
rons auf diese Weise für ihre Familie die 
erbliche Würde der Hierophantic erhalten. 
Vgl. Lübbert melet. in Pind. etc., Bonner 
Lektionskatal. 1886/87 S. V ff. 

^^) Lebas-Foucart Inscriptions, Pelopou- 
ndse 243, vgl. auch CIG. 459. 

*') Vgl. Dittenberger im Hermes XX 
1 ff. und TöPFFER Att. Geneal. unter den betr. 
Geschlechtern. 

»2) Etymol. M. 386, Preller-Robert Gr. 
Myth. I 207. 

") Schol. Soph. Cid. Kol. 489; Polemon 
ed. Preller p. 91. 

*^) Beispiele ausser bei Bossler auch 
ScHOEMANN a a. 0. II 423, 424 Anm. 1 und 
am ausführlichsten Töpffer Attische Genea- 
logie unter d. betr. Geschlechtern. 

**) Martha a. a. 0. 35 ff. Ditten- 
berger Hermes XX 22 ff. 



32 A. Die griechischen EnltnsalteriÜiiier. 

das einer Familie gehört, nach Generationen fort, so dass auf den Vater 
sämtliche Söhne folgen, dann sämtliche Enkel, die Söhne des ältesten Bruders 
zuerst, darnach die des zweiten und so fort. *) Bisweilen wurde das Priester- 
tura auch unter den Angehörigen des Geschlechtes verlost,^) oder der Älteste 
erhielt es.*^) Dass wegen eines Vergehens des Priesters der Familie das 
Recht der Weitervererbung entzogen werden konnte, geht aus Plut. Quaest. 
graec. 38 hervor, doch war solch ein Fall gewiss selten genug. 

24. Ein anderer Modus der Besetzung war die Wahl durchs Volk, 
die aber nicht sehr häufig gewesen zu sein scheint. W^enn es von Theano*) 
heisst: ii]v ydq TQdeg ^x^rjxav 'Ax^r^vaitfi iegsiav, so ist daraus einerseits 
nicht ein unbedingt sicherer Schluss auf gleiche Sitte bei den Griechen zu 
ziehen, andrerseits erfahren wir nicht (wie Schoemann a. a. 0. II 425 richtig 
hervorhebt), von wem die Einsetzung ausgegangen ist, und ob dabei ganz 
freie oder auf ein bestimmtes Geschlecht beschränkte Wahl stattgefunden 
hat. Jedenfalls werden später durch Volkswahl hervorgegangene Priester 
mehrfach erwähnt.^) 

25. Am häufigsten erfolgte die Wahl der Priester durchs Los; dann 
konnte die Gottheit sich den würdigsten Diener selber erlesen.^) Auch 
wenn keine Wahl geeigneter Männer, unter denen das Los entscheiden 
sollte, voranging,') waren Untaugliche von der Bewerbung natürlich aus- 
geschlossen,») und die Zahl der Kandidaten war wohl in der Regel von 
vornherein eine beschränkte.^) Streitige Fälle entschied in Athen der Archon 
Basileus.^®) 

26. Eine vierte Art der Besetzung der Priestertttmer war die, dass 
die Stellen verkauft wurden. Dass dies in der Litteratur nur einmal^') 
erwähnt wird, ist ein Zufall; die Inschriften ^^j lehren uns, dass der Verkauf 
von Priestertümern gar nicht selten war. ^3) Der Erythräische Stein **) zählt 
allein ungefähr vierzig Priestertümer auf, die dort zu verschiedenen Preisen 
verkauft wurden, der halikarnassische^^) gibt genau die Bedingungen an, 
unter denen das Amt verkauft werden soll und schreibt der Priesterin 
Rechte und Pflichten vor. Dass der Käufer das Priestertum auch selber 
bekleidet, ist nicht notwendig, nur darf er es natürlich keiner ungeeigneten 



*) DiTTENBERGER Syll. 372. Dil ganzcD 
sind 27 Priester in dem Dekret verzeichnet. 

'^) Cf. PJut. Dec. oratt. p. 843 f. Vgl. zu 
der Stelle aber auch Töppfer Att. Genea- 
logie 124 ff. 

3) CIG. 2448 ZI. 29 ; CIA. II 410. 

^) II. Z 300. 

6) Paus. VII 27, 1; CIG. 2270 ZI. 18; 
vgl, 434; CIG. 10G4, 2347, 3067; Rov. Arch. 
XV 207. 

«) Plat Lfg. VI p. 759 C. CIA. II 622, 
567 b u. s. w. — Gleichzeitige Wahl eines 
Ersatzmannes, der im Fall des Todes oder 
der Unfähigkeit des ersten das Priestertum 
übernehmen soll Bull, de corr. hell. IX 1885 
S. 6 n. 2. Vgl. DiTTENBERGER Indcx. lect. 
Halle Som. 8(> S. V. Einsetzung eines Pries- 
ters auf Befehl des Orakels Dittenberoer 



Svll. 368 =- CIA. III 1654; infolge eines 
iWumes Artemidor Oneir. V 1. 

') Vgl. Cicero in Verr. II 125. 

*) Vgl. Aristot. Polit. IV (VII) 9 p. 1329a. 

») Vgl. Demosth. g. Eubul. § 46 u. 47 
p. 1313. 

»ö) Poll. VIII 90. 

") Dion. Hai. II 21. 

*'') Gesammelt und behandelt von Heb- 
brecht dissert. philol. Argent sei. X 1 ff. 
Vgl. DiTTENBERGER SvlI. 371 pracf., Leh- 
mann a. a. 0., Anthes Quaestt. epigraph. 1885 
S. 25 ff. ; ferner die Inschrift von Chios in d. 
Mitt. des Arch. Inst, zu Athen XIII (1888) 166. 

'^) Freilich besitzen wir noch kein Bei- 
spiel aus Athen. 

>*) DiTTENBERGER SjH. 370. 
>5) DiTTENBERGER Syll. 371. 



2. Die EaltoBbeamien. (§ 24—28.) 



33 



Persönlichkeit übertragen. ^) Erfolgt die Zahlung nicht sogleich oder nicht 
vollständig, so sind Bürgen zu stellen.^) Sehr zweifelhaft ist es, ob unter 
Umständen auch schon die Anwartschaft auf ein noch nicht erledigtes 
Priestertum verkauft worden ist;^) dagegen war es gestattet, dass der 
Priester dem für den Fall seines Todes bestimmten Nachfolger das Amt 
schon bei Lebzeiten überliess {6ia(Tvvi(TTrj<rig),^) 

Die Dauer der Amtsführung war, wie sich schon aus dem Voran- 
gehenden ergeben hat,^) in den meisten Fällen entweder lebenslänglich 
oder auf ein Jahr beschränkt.^) 

Die Einsetzung eines sein Amt auf Lebenszeit antretenden Priesters 
wurde festlich begangen,^) eine eigentliche Weihe fand aber nicht statt. 

27. Bisweilen führten die Priester besondere Titel. So werden in 
Megara Priester des Poseidon Hieromnemonen®) genannt, in Tarsos der des 
Herakles Stephanephoros,^) in Theben der des Apollon Daphnephoros,^^) eine 
Priesterin der Aphrodite in Sikyon Lutrophoros.^^) 

Ein Archiereus*') findet sich erst in späten Urkunden, namentlich in 
Kleinasien. ^^) Der Titel wird zuweilen dem Präsidenten eines Priesterkolle- 
giums beigelegt, zuweilen führt ihn der Vorsteher eines an den betreffenden 
Orten bestehenden Kultes.^'*) 

28. Auch äusserlich unterschieden sich die Priester durch ihre Tracht 
von der Menge. Sie waren mit dem langen, ungegürteten Chiton be- 
kleidet,^^) der von Männern im gewöhnlichen Leben seit der Mitte des 
fünften Jahrhunderts nicht mehr getragen wurde. In der Kegel war 
dieser von weisser Farbe, bisweilen von purpurner, ^<') oder er hatte 
einen Purpursaum. ^'') Der Archen von Plataiai, ein Hoherpriester, trägt 
weisse Kleidung, legt aber an dem Tage, an welchem er den in den Perser- 
kriegen Gefallenen das grosse Totenopfer bringt, purpurne an.^^) Es scheint 
überhaupt, dass bei jeder gottesdienstlichen Handlung, die sich auf die 
Unterirdischen bezog, die Purpurfarbe bevorzugt wurde, ^^) während den 
obem Göttern Weiss genehmer war.^®) Natürlich legten die Priester bei 
Feierlichkeiten auch ein besonderes Ornat an. In Eleusis trug der Daduchos 
bei den Mysterien die Fackel, angethan mit einem purpurnen Gewände und 
einen Myrtenkranz auf dem Haupt. Noch prächtiger war das Kostüm 



M S. DiTTBVBKBGEB im Hermes XVI 169 ff. 

') Vgl. Lehmann a. a. 0. S. 47 ff. 

3) Vgl. Bbüchmann Philol. Anz. XVI 
(1^86) S. 445 ff. and dagegen Lehkann a. a. 
O. S. 42 ff. 

*) Vgl. DiTTENBEBOBB Syll. S. 536 not. 5. 

^) S. z. B. auch die Inschrr. n. 83 u. 84 
in Bd. II der Reisen im sw. Kleinas., Wien 
1889. 

^) Vgl DiTTENBBBGEB im Ind. lect., Halle 
Sommer 1887 S. V. 

^} S. DiTTENBEBOEB im Hermes XVI 175 
und vgl. auch Athen. XII p. 549 F. 

8) Flut Quaest. symp. VlII 8, 4. 

«) Athen. V p. 215 B. Vgl. Keil Schedae 
epigraph. 1855 S. 32. 

»«j Paus. IX 10, 4. 

^^) Mehr Beispiele bei Hebmann G. A.'^ 



§ 35 A. 2, ScHOEMANN Gr. A.' II 421 ff., 
DoEBMEB a. a. 0. S. 36 u. 71 f. 

»«) S. Schobmann Gr. A. II 435 f., 0. 
HiBSCHFELD in d. Abhandlgg. der Berl. Akad. 
d. Wiss. XXXV (1888) S. 876 f., 887 f. 

'3) CIG. 2184, 2421. Bull, de corr. hell. 
1887 S. 249, 299 f. u. s. w. 

**) Vgl. Newton-Imelmann a. a. 0. S 60. 

^^) S. die Abbildungen bei Michaelis 
Parthenon Taf. XIV Fig. 34. und v. Sybel 
Katalog der Skulpturen zu Athen 153, 2130. 

»«) Strabo XIV 648. Vgl. Athen. V 47 
p. 211 B. 

'') Athen. V 54 p. 215. 

^®) Plut. Arist. 21. 

»*') Vgl. Aisch. Eum. 1028. Lys. g. And. 51. 

20) Plato Leg. XII 956 a. 



Bandbnoh der klaoi. AltertuniBWiflaenflohafl. Y. 8. Abtlg. 



3 



34 A. Die grieohisohen KnltiiBaliertÜmer. 

des Hierophanten.*) Wohl alle Priester trugen langes Haar,*) beim Gottes- 
dienst Kränze,*) oft Stäbe in den Händen,*) wie schon Chryses bei Homer 
{A 15) mit einem goldverzierten Szepter erscheint. — Auch kam es vor, 
dass bei gewissen feierlichen Gelegenheiten Priester und Priesterinnen in 
der Tracht und mit den Attributen der Gottheit, welcher sie dienten, er- 
schienen. In Pellene trat die Priesterin der Athena — i/ xaXXiaur^ xai 
lLi€y{<rT7] T&v naQÖ^bvwv — bewaffnet und mit dem Helm auf dem Haupte 
auf,^) die Priesterin der Artemis Laphria zu Patrai fuhr in einem von 
Hirschen gezogenen Wagen,*) und ein Priester der Demeter zu Pheneos 
legt sogar die Maske der Göttin an.^) 

b. Gehilfen und Diener der Priester. 

29. Aristoteles polit. VH (VI) 8 p. 1322b nennt unter den priester- 
lichen Beamten der grösseren, ein zahlreicheres Kultpersonal und einen 
umfassenderen Verwaltungsapparat erfordernden Heiligtümer die isQonotof^ 
rao(pvlax€g und rafAiai %(av isqwv x^'Jiwarcor, Wie schon die Namen zeigen, 
sind die Funktionen aller sehr verschieden, und darnach auch ihre Stellung 
und ihr Verhältnis den eigentlichen Priestern gegenüber. — Am nächsten 
stehen den Priestern die teQonoioi, ihre Untergebenen sind auch sie kaum, 
wenn sie auch verpflichtet gewesen sein werden, bei der Ausübung ihres 
Amtes in diesem oder jenem den Weisungen der Priester Folge zu leisten.*) 
Gewöhnlich treten sie als Kollegium auf: zwölf in Kameiros auf Rhodos,^) 
zehn in Athen, ^^) an andern Orten vier^^) oder zwei, **) selten nur^*) wird 
einer erwähnt.^*) Wie die tsQeig werden sie durchs Los bestimmt*^) oder 
gewählt und zwar vom Volk^«) oder von der ßovXri^^'^) auf ein Jahr^®) oder 
zu einem bestimmten Zweck auf kürzere Zeit.^^) Ihnen liegt vorzüglich 
die Sorge für die Opfer ob, zu denen sie alles Notwendige zu beschaffen 
haben. ^<^) Eine auf die kleinen Panathenaien bezügliche Inschrift ^^) trägt 
ihnen auf, für einen bestimmten Preis die Opfertiere anzukaufen, sie in 
feierlichem Zuge zum Altar der Athena Polias zu führen und zu opfern, 
und dann das Fleisch demen weise an die einzelnen Bürger zu verteilen. 
In Eleusis nehmen sie das den Göttinnen von den Hellenen dargebrachte 
Getreide in Empfang, bewahren es auf, verkaufen es^^) in Gemeinschaft mit 
dem Rat und schaffen dafür vom Volk beschlossene Weihgeschenke an.^») 



») Vgl. TöPFFKR Att. Genealogie S. 46 f. 

2) Horod. II 36, PJut. Arist. 5 etc. 

») Schol. Soph. Oid. Kol. 681. 

*) Inschr. v. Kos im Journ. of Hell. Stud. 
IX 334 ZI. 10. 

*) Polyaen. VIII 59 p. 331 Wölfl. 

«) Paus. VII 18, 12. 

') Paus. VIII 15, 1. Mehr Beispiele bei 
Back De Graecorum caerimofiiis, in quibus 
homines deonim vice ftmgehantur, Berl. 
Diss. 1883. 

®) Über d. Isgonoioi s. besonders Doer- 
XER l>e Graecorum sacrificulis qui legonoioi 
dicuntur dissert, Artjent. 1883, auch Bobckh 
Staatsh.3 I 273. 

«) Bull, de corr. hell. V 336 flF. I Anm. 398. 

»0) Etym. Magn. p. 469, Poll. VIII 107. 



^0 CIG. 2953b, CIA. II 581. 

^2) CIG. 2157. 

") Vgl. DoEKMER a. a. 0. S. 19. 

»*) CIG. 2056. 

'^) CIA. II 581, 611. 

^«) Demosth. g. Meid. 21 § 115. 

") U&tjvaioy VI p. 482. 

»^) CIA. I 188. 

'^) UihjyMoy a. a. 0. 

20) DiTTENBERGER Syll. 373. Inschr. aus 
Keos bei Halbherr im Museo ItcUiano di 
antichitä class. I 220 ZI. 11 ff. 

«») DiTTENBERGER Syll. 380. 

") Vgl. Ephem. arch. 1888 HI 55. 

") Fränkel in BoECKu's StÄatsh.» II 62* 



2. Die EaltoBbeamten. (§§ 29—30.) 



35 



Auch mit der Beaufsichtigung und Verwaltung der Heiligtümer und der 
Tempelschätze haben sie zu thun^) und bei der Niederlegung ihres Amtes 
Rechenschaft abzulegen.*) Wie den Priestern kann auch ihnen Strafgewalt 
übertragen werden,^) wie diese erhalten sie Antöile von den Opfertieren*) 
und nach guter Amtsführung Belobung und Kranz. 5) Dass ihre Stellung 
und ihre Pflichten nicht überall dieselben waren, ist natürlich und erhellt 
zur Genüge aus dem Gesagten.«) Verwandt mit den uQonoioi sind die (in 
nichtattischen Inschriften häufig erwähnten) emi^irjnoi,^) Sie sind ein Jahr 
im Amte,®) aber treten nur in den einzelnen Monaten in Funktion.^) Fleisch- 
verteilung ^®) und Anordnung der grossen Opfermahle ^0 scheint ihnen vorzugs- 
weise obgelegen zu haben. Auch sie erhalten Anteile von den geopferten 
Tieren^*) und die übliche Anerkennung nach tadelloser Aratsver waltung. ^5) 
Dass die tsqonoioC wie die imfii^vioi an einigen Orten, wo ihre Funktionen 
dann freilich auch noch andere gewesen sein mögen, höchst vornehme Be- 
amte waren, geht daraus hervor, dass sie dort die eponymen Beamten 
sind.^*) Dass auch die uns öfters begegnenden teQo&vva^^'^) und Isqovojhoi^^) 
hauptsächlich mit den Opfern zu thun gehabt haben, lässt sich vermuten. 
— Femer gehören hierhin die sog. Parasiten, die- unter anderm die 
dem Tempel zukommenden Getreidelieferungen eintrieben und die Fest- 
schmäuse ausrichten halfen, i') und die xtjQvxfg oder tegoxrjQvxeg, die in home- 
rischer Zeit ja die eigentlichen Opferer sind, aber auch später dabei be- 
hilflich sind,^®) Gebete verrichten ^'•*) und bisweilen auch gleich den Parasiten -*') 
ihren Anteil vom Opferfleisch erhalten. *9 — Eine bestimmte Art von Herolden 
sind die (rnoviotpoQoi, die wir in Eleusis finden, und nahe stehen ihnen auch 
die ndyeiQo^ und olvoxooi, denen wir gleichfalls in Eleusis und in Olympia 
begegnen.**) Schliesslich mögen hier noch die von der Volksversammlung 
gewählten ßowvai Erwähnung finden, die auch [mit der Anschaffung von 
Opfertieren betraut wurden.*^) 

30. Nächst der würdigen Feier der Feste und Opfer, also der Sorge 
für die gebührende Verehrung der Gottheit, lag den Priestern die Sorge für 
den Tempel und den heiligen Bezirk überhaupt ob. Unterstützten die vorher 
genannten Beamten und Gehilfen sie vorzugsweise in jener, so standen 
ihnen solche hierbei nicht weniger zur Seite, und eben diese scheint Ari- 
stoteles a. a. 0. kurz mit vaotpvXaxsg zu bezeichnen. Dazu gehören z. B. 



') CIG. 2266, 2953b. Vgl. Frankel a. 
a. O. Anm. 268, Föücart Des ass, 24. 

«) CIA. II 581. 

») CIA. II 631. 

'•) DiTTENBEROER Syll. 380. Inschr. v. 
Kos im Journ. of Hell. Stud. IX 334 ZI. 22 f. 

») CIA. II 581. 

^) Vgl. DoEBMER S. 37 ff., HoMOLLB im 
Bull, de corr. hell. VI 1 ff. 

^) Vgl. über sie Doermer a. a. 0. S. 65 ff. 

») CIG. 3641b. 

•) S. BoECKH im CIG. II p. 1133. 

'«) Bull, de corr. hell. VI p. 256 f. 

^ *) Mova. tijg ivayyeX. ff/oA. in Smyrna 
1880 n. 186 p. 141. 

>«) CIG. 2448. 



*^) Ross Inscr. Gr. ined. 175. 

'*) DiTTEBEROER Syll. 159, CIG. 3723, 
3595 etc. 

•*) CIG. 5491, Bull, de corr. hell. 1889 
S. 281 u. 8. w. 

»«) CIG. 3595 u. s. w. 

") PoU. VI 35, Athen. VI 27 p. 235. 
Vgl. Meier Hall. Encykl. d. Wiss. u. K. III 
11 S. 418 ff. 

»8) Athen. XIV 79 p. 660. 

»») CIA. II add. 57 b. 

20) Athen. VI 27 p. 235. 

2») S. Stengel Jahrb. f. Phil. 1879 691 f. 

**) Vgl. DiTTENBEROER im Hemies XX 
29 f. 

") Vgl. BoECKH Staatsh.^ I 274. 

3* 



36 



A. Die griechischen Knltiusaltertüiner. 



die häufig erwähnten veünnoioi, ^) deren Aufsicht alles den Bau und die Er- 
haltung des Tempels Betreffende unterstand, und die ieqoifvXaxeq,^) Staats- 
beamte, die mit den Priestern zusammen wirkten, vor allem aber die 
v€(ü7i6qoi, oder ^oxoqoi mit ihren vtio^oxoqoi.,^) Der Name bedeutet ursprüng- 
lich Tempelfeger — und als Küster begegnen uns v€(ox6qoi auch in In- 
schriften — ,^) wird aber in späteren Jahrhunderten, wenigstens in Asien, 
ein Titel von höchster Auszeichnung.^) Es gab auch weibliche vetoxoQoi.^) 

31. An dritter Stelle nennt Aristoteles a. a. 0. die Tafiiai zwv tegdv 
XQr^iidxwv d. h. die Schatzmeister der in den Tempeln aufbewahrten Schätze. 
Uns gehen hier nur die teQoiafjum'^) etwas an, die nicht mit der Verwal- 
tung der grossen in den Tempeln deponierten Staatsvermögen zu thun 
haben, sondern mit den zur Erhaltung des Heiligtums und zu gottesdienst- 
lichen Zwecken bestimmten Summen,^) daneben dann aber auch zu anderen 
Dienstleistungen, wie sie der Kultus mit sich bringt, herangezogen werden 
können.^) Oft führen auch sie nur den einfachen Namen rafiiai.^^) Sie 
gehören zu den «unentbehrlichsten Tempelbeamten und sind auch für kleinere 
Heiligtümer, welche kein zahlreiches Personal haben, vorauszusetzen. Im 
Amphiaraostempel bei Oropos „hat offenbar weder Priester noch Küster 
den Schlüssel zum Opferstock, ^ ^^) und auch die Priesterin der pergäischen 
Artemis zu Halikarnass darf die Kasse nicht selber öffnen. ^^) 

32. Schliesslich besass jedes grössere Heiligtum eine erhebliche An- 
zahl von Sklaven {tegoSovXoijy denen die niederen Verrichtungen, wie Holz- 
hauen, Wassertragen, die Bestellung der dem Tempel gehörigen Ländereien 
und ähnliche Geschäfte oblagen. ^^) Sie rekrutierten sich entweder aus Kriegs- 
gefangenen^^) oder gingen durch eine Gession ihres Herrn in den Besitz 
des Tempels über.^^) Dass diese Sklaven es besser hatten als andere, geht 
schon daraus hervor, dass sie sich selber oft eine Summe ersparten, für 
die sie sich dann durch Beamte des Tempels, dem sie fortan angehören 
wollten, von ihren Herren loskaufen Hessen, ^ß) Manche Tempel der Aphro- 



^) DiTTENBEROEB Syll. 353, 371 u. s. w. 

2) CIG. 5545 etc. 

») DlTTENBERGEB Syll. 358, 467. 

^) S. z B. Hermes XXI 91 und die Be- 
merkungen von V. WiLAMOwiTz S. 94. 

6) CIG. 3190, 3201, Reisen im südwestl. 
Kl.As. I n. 53 D b. 

«) S. z. B.j Paus. Tl 10, 4. Mehr bei 
FoucART Des as8. S. 192. 

') Vgl.SwoBODA Wiener Stud. XI (1889) 
65 ff. 

") DiTTENBERGER Syll. 357. Bull. de corr. 
hell. VII 481. — Denn Staats- und Tempel- 
scbatz werden natürlich getrennt verwaltet, 
und auch die aus letzterem zu bestreitenden 
Ausgaben werden staatlicherseits kontrolliert. 
Vgl. KiRCHUOFF Zur Geschichte des Athen. 
Staatsschatzes im 5. Jahrb., Abhndlgg. der 
Berl. Akad. 1870, und Swoboda Wiener Stu- 
dien X 278 ff. und XI 65 ff. Wie der Staat 
Zuschüsse zu sakralen Zwecken leistet, so 
macht er andrerseits auch wieder Anleihen 
bei Tempeln (Thuk. I 121, 143 u. s. w.) und 
streicht unter Umständen auch Überschüsse 



ein (DiTTENBEROER Syll. 388, Swoboda W. 
St. XI 76). 

®) Vgl. DiTTENBEROER Syll. 294. 

»") Vgl. Fränkel in Böckh's Staatsh.» 
II Anm. 263. 

**) V. WiLAMowiTz im Hermes XXI 95. 

^'^) DiTTENBEROER Svll. 371, 34 f.. SWO- 

BODA in d. Wien. Stud. XI 71 u. 76. — Über 
Rechenschaftsablegung der Priester vgl. Mar- 
tha a. a. 0. S. 133 ff., Böckh Staatsh.' I 
238, Fränkel, ebenda II Anm. 263, Swoboda 
in d. Wien. Stud. X 278 ff. -- Besondere 
xXsidovxoi des Asklepios CIA. II 958. 

»3) Vgl. Paus. X 32, 8, V 13, 2 u. s. w. 

'*) Strabo VI 257, Athen. IV 173 E, 
Otfr. Müller Derer 254 ff. 

^*) Vgl. FoüCART Mem. sur Vaffranchis- 
sement des esclaves, Paris 1867, E. Cürttcs 
De tnanumisswne sacra Graecorum in Anecd, 
DelpK Berl. 1843. 

^®) Hierüber wie über die Formen solcher 
Freilassungen s. Newton-Imelmaitk a. a. O. 
S. 61 ff. 



2. Die Knltnsbeamten. (§§ 31—34.) 37 

dite besassen eine grosse Anzahl weiblicher Hierodulen, Hetären, die von 
ihrem Verdienst eine Abgabe an den Tempel entrichteten, wie wir es 
namentlich von Eorinth wissen. *) Wie gross ein Tempelpersonal bisweilen 
war, davon geben die Schilderungen des Artemisdienstes in Ephesos einen 
Begriff.«) 

33. Ausser diesen ständigen Tempelbeamten und Dienern gab es eine 
Reihe solcher, die zu einem bestimmten Zweck gewählt wurden und dann 
nur bei Gelegenheit ihre Dienste ausübten, entweder wiederholt und regel- 
mässig, oder nur einmal. So ordnet eine Inschrift aus Stratonikeia, in 
Karien') an, dass dreissig Knaben aus guter Famib'e als Chor gewählt und 
in das Ratsgebäude, wo sich die Bildsäulen des Zeus Panamerios und der 
Hekate befinden, gebracht werden und hier weiss gekleidet, bekränzt und 
Lorbeerzweige in der Hand haltend, einen Hymnus singen sollen. Wird 
einer von ihnen Ephebe oder stirbt einer, so soll ein neuer an seine Stelle 
gewählt werden. Dasselbe Dekret ermächtigt den Priester der Hekate, 
alljährlich noch einen anderen Knabenchor zu wählen, welcher den üblichen 
Hymnus der Göttin zu Ehren singen soll. Auch sonst waren Musiker, 
namentlich Flötenspieler, beim Gottesdienst unentbehrlich, da ja Musik und 
Gesang fast jedes Opfer begleitete. — In Elis gibt es ein Kollegium 
von sechzehn Frauen, die im Dienst des Dionysos und der olympischen 
Here mitwirkten.*) — Dann aber erheischte jede grössere Festfeier die Mit- 
wirkung vieler eben nur bei dieser Gelegenheit aktiv am Gottesdienst Teil- 
nehmenden. So unterstützten vierzehn Matronen, ysqaQai genannt, die 
Basilissa bei der Anthesterienfeier in Athen, leisteten die xavrjipoQoi und 
fQQT^fpoQoi an den Panathenaien ihre Dienste;'*) als äXsxQig auf der heiligen 
Mühle das Korn zur Festfeier der Göttin gemahlen zu haben, ist einer 
Athenerin lebenslang eine wertvolle Erinnerung,®) und den Wein bei den 
Opfermahlen zu schenken, rechnen sich die Söhne der Vornehmsten zur Ehre. ^) 

c. Seher und Weissager. 
ct. Die Mantik. 

Bouch^-Lbclercq, Histoire de la diiHnationy Paris 1879. Hebmann, G. A.'* § 37—42. 
ScHOBMANN, Gr. A.' 278 — 310. Völckeb, Wesen und Ursprung der griech. Mantik in Allg.. 
Schulztg. 1831 Nr. 144—146. Wachsmuth, Hellen. Altertumskunde II 584 ff. Mezoer in 
Pauly's Realencykl. II 1113 ff. u. divinatio. Naeoelsbaoh, Nachhom. Theol. 162 ff. Homer, 
Theol.» 168 ff. Leop. Schmidt, Die Ethik der Griechen, Beri. 1882 II 53 ff. E. Cubtius, 
in Altertum und Gegenwart' I 170 ff. 

34. Der Glaube, dass die Gottheit dem Menschen durch Zeichen zu 
erkennen gebe, was er zu thun oder zu unterlassen habe, ist unter den 
Griechen zu jeder Zeit allgemein gewesen.^) Solche Zeichen können erbeten 
werden, oder sie werden von den Göttern aus eigenem Antrieb gegeben. 



») Athen. XIII 32 p. 573. Strabe VI 
418, vgl. RoscHEB Lex. der Myth. I 392 «F., 
Bbckeb-Göll Charikles I 50. 

*) Strabo XIV 950. Vgl. Paus. VUI 13. 1 u. 
mehr bei Pbelleb-Robebt Gr. Myth. 1 330 A. 1. 

») 2. Jahrh. p. Chr. CIG. 2715. 



1883. 

6) CIA. HI 917, 918, 887. 
®) Aristoph. Lys. 644 u. Schol. 
^) Athen. X 24 p. 425 A. 



8) Vgl. Aisch. Prom. 484 ff. Plat. Symp. 
' " " ' " 1. C. 



p. 188c, Cic. de div. I 38, § 82. Vgl. 



'*) S. Wenioeb Das Kollegium der 16 i Wachsmuth Die Ansichten der Stoiker Ober 
Frauen etc., Progr. des Gymnas. zu Weimar | Mantik und Dämonen, Berlin 1860. 



38 A. Die griechischen Knltnsaltertüiner. 

Viele kann jedermann deuten, andere vermag nur der Kundige zu erklären. 
Die Alten selbst unterscheiden zwei Arten von Mantik: die natürliche oder 
kunstlose und die kunstmässige. ^) Die erste beruht auf unmittelbar von 
den Göttern ausgehender Offenbarung, wie sie namentlich durch Träume 
und Orakel gegeben wird. Insofern auch ein Traum der Deutung, ein 
Orakel der Auslegung bedürfen kann, erheischen auch diese Zeichen Inter- 
preten und gehen somit schon in die zweite Art über. Zu dieser werden 
aber insonderheit alle die Zeichen gerechnet, deren Verständnis allein dem 
Kundigen erschlossen ist. Sie zu deuten, ist eine Kunst, die erlernt wer- 
den kann, doch muss bisweilen eine besondere Begabung dafür mitge- 
bracht werden, die nur einzelnen durch die Gnade der Götter verliehen 
wird. Dies ist nun auch wieder eine göttliche Erleuchtung, eine Offen- 
barung. So ist also eine strenge Scheidung zwischen beiden Arten nicht 
möglich. 

35. Betrachten wir zuerst die Zeichen, die entweder zufallig begegnen, 
oder deren Herbeiführung, wenn sie einmal erbeten und gesucht werden, 
keine besonderen Mittel und Vorbereitungen erfordern. 

Die einfachsten solcher Zeichen sind die sogenannten xXrjdov^q oder 
^ri^ai,^) Worte oder Laute, die zur guten Stunde gesprochen oder ver- 
nommen werden, absichtslos und anscheinend nichtssagend, aber doch 
bedeutend durch irgend ein auffälliges Zusammentreffen und eine plötzlich 
sich aufdrängende Beziehung. Eine solche ^r^firj {v 105) oder ein xXrjSciv 
(120) ist es, dass Odysseus die Magd den Freiern das Verderben wünschen 
hört gerade in dem Augenblick, als er zu Zeus darum gebetet hat, oder 
dass Telemach den Segenswunsch des alten Aigyptios vernimmt {ß 35), 
den dieser ausgesprochen, noch ehe er weiss, dass Telemach die Versammlung 
berufen hat. — Eine ähnliche Bedeutung wie das gesprochene Wort kann das 
Niesen haben. Penelope , freut sich, als Telemach laut niest, wie sie eben 
den Wunsch nach der Heimkehr des Gemahls ausgesprochen hat, und auch 
Eumaios sieht dies als ein gutes Zeichen an {q 541 ff.). Als Kleanor in 
der Versammlung die Lage der Zehntausend für gar nicht so hoffnungslos 
erklärt, und gerade in diesem Augenblick einer niest, schickt das ganze 
Heer /ti^ oQfujj seine Gebete zu den Göttern empor. •'^) Hierhin sind auch 
die sog. o/iyai oder oa<rai zu rechnen, Worte oder Verkündigungen, die 
Zeus (0 250) und andere Götter den Betreffenden zukommen lassen.*) — 
Ferner gehören hierhin die rägatay gleich den y^/ia* teils erbeten, teils 
zufallig begegnend. Dem Nestor wird auf seine Bitte ein te'Qag gezeigt, 
als er nicht weiss, welchen Weg er auf der Rückfahrt von Troja einschlagen 
soll {y 173), Blitz und Donner zeigen Odysseus an, dass Zeus ihm die Be- 
strafung der Freier gelingen lassen will,^) ein Blutregen verkündet das 
Morden in der Schlacht,®) Blitz') oder Regenbogen®) Krieg oder Sturm, 



Pseudoplut. devita Hom. c 212, Cic. 1 *) V 129, a 282, ^ 216, tt 90, vgl. 1 89 etc. 

de div. I () § 11, II 11 § 26. ^) (p 415, v 101 ff., cf. n 320. 

•') Aisch. Prom. 486. S. darüber beson- ß) A 53 f. 

ders Wyttbnbach zu Julian or. ed. Schaefer •) K 8. 

p. 150. ") P 548. 

5) Xen. Anab. III 2, 9. 



2. Die KnltTisbeamteii. (§ 35-37.) 39 

Kometen/) Meteorsteine,*) Sonnen- und Mondfinsternisse,^) Erdbeben ^) deuten 
ebenfalls meist auf kommendes Unheil.^) 

Sodann sind die ivodioi aviißoXoi «) zu erwähnen, Begegnisse, die unter- 
wegs aufstossen und besonderer Beachtung gewürdigt werden, weil der 
Reisende meist einen bestimmten Zweck verfolgt und voll Erwartung ist.^) 

36. Wenn diese Zeichen auch auf Verständigere Eindruck machten, 
und ihre Bedeutsamkeit ziemlich allgemein Glauben fand,^) so ist das Gebiet 
anderer, die den Abergläubischen bewegten, völlig unbegrenzt,^) und wenn 
man auch nicht zu widersprechen wagte, als es vor der Einnahme Athens 
durch die Perser hiess, dass die Schlange der Athena den Honigkuchen 
nicht beiührt, die Göttin selbst also die Stadt verlassen habe,*^) so blieb der 
Spott der Gebildeten und Vorurteilsfreien bei andern Gelegenheiten doch 
nicht aus, und die Art von Sehern, die aus der Deutung gar zu alltäg- 
licher Vorkommnisse ^ ^ ein Gewerbe machten, stand denn auch verdienter- 
massen in schlechtem Ruf.^^) 

37. Weit wichtiger als die bisher erwähnten Zeichen sind die Träume. *3) 
Prometheus nennt sieunter den tQwiovq noXXovq fxavrixrjg (Aisch. P. v. 484), die 
er die Menschen zu ihrem Heile gelehrt habe, zuerst. Der Glaube, dass die 
Seele, wenn der Körper vom Schlaf gefesselt ist, freier und weiter sehe, 
mehr zu erkennen vermöge und deshalb auch fähiger sei, die Offenbarungen 
der Götter zu verstehen, ist sehr verbreitet gewesen.**) Auf welche Weise 
aber konnten die Götter, wenn sie nicht leibhaftig erscheinen wollten, wie 
dies im Zeitalter der Sage ja allerdings oft genug geschieht, dem Menschen 
leichter, man könnte sagen, Mitteilungen machen, als in Träumen, wo 
sogar Rede und Gegenrede gewechselt werden kann,^^) was nicht einmal 
beim Orakel angängig war? ovag ix Jiog itstiv heisst es bei Homer (-4 63), 
und die ganze spätere Zeit bewahrt diesen Glauben an prophetische Träume.*^) 
Dass freilich nicht alle bedeutend waren, musste auch das kindlichste Volk 
bereits erkannt haben.*'') Oft schicken die Götter absichtlich täuschende 
Träume, um zu verführen und zu verderben,*^) aber viel häufiger wahrhafte. 
Ein Traum verkündet Penelope, dass Telemach gerettet werden soll,*'-^) dass 
Odysseus zurückkehren und die Freier töten wird,*^) dem Polykrates*^) und 



Diod. XV 50. 

«) Flut. Lys. 12. 

») Thuk. VII 50. Plut. Nik. 23. 

*) Thuk. II 8, Xen. Hell. III 2, 24. 

*) Vgl. Bouch^-Leclercq a..a. 0. 1 196 ff. 

«) Aiscb. Prom. 487. 

') Vgl. Hbbmann G. A. § 38 A. 15, 
ScHOEMANN Gr. A. II 294 f., Lobeck Agl. 
828 Anm., E. Cubtius in d. Jahrb. f. Phil. 
1856 S. 142. 

«) Vgl. Xen. Mem. IV 7, 10, Apol. 12 ff. 

^) Eine kleine treffliche Auswahl s. bei 
ScHOEMANN Gr. Altt.» II 293 ff. 

'0) Herod. VIII 41. 

**) Die oixocxonixij (cf. Suidas u. oiio- 
viatixij) ist eine besondere Art der Mantik. 

") Vgl. Soph. Ant. 1036, Aisch. Ag. 1195, 



»3) S. BoucHE-L. I 277 ff., BöchsenschOtz 
Traum u. Traumdeutung im Altertum, Ber- 
lin 1868. 

'*) Vgl. ausser den von Schoemann 299 
und BücHSEifscHÜTz a. a. 0. 7 ff. beigebrach- 
ten Zeugnissen Aisch. Eum. 104 f., wo Leurs 
für ßgoTüßy : xogdSy (Augen) schreiben wollte. 

»5) Vgl. z. B. <f 795 ff. 

*®) S. selbst Aristoteles {7i$qI rrjs xad^ 
vnvov fxayuxijg c. 2) und Piaton (Rep. IX 1 
p. 571, Tim. p. 71 D). 

»') S. Od. T 561 ff., V 87, wo zwischen 
vTiag und oyag unterschieden wird. Vgl. 
Aisch. Prom. 486. 

'8) B 6 ff. 

»») <f825 ff. 

.") T 535 ff. 



Herod. IX 95 u. s. w. i **) Herod. III 124. 



40 A. Die griechiBohen Ealtnsaltertümer. 

dem KimoD,^) dass ihnen der Tod bevorsteht, und so unzählige Male. 
Die Art, wie der Gott das Kommende verkündigt, ist natürlich verschieden. 
Mitunter werden Traumdaimonen *) oder eigene Gebilde, «cfcoia,») geschickt, 
die dann unzweideutig reden; oft ist die Bedeutung der vorgeführten Bilder 
so klar, dass sie der Erklärung kaum bedürfen ^) und von den Betreffenden 
selbst mit Sicherheit gedeutet werden,*^) meistens müssen sie von Kundigen 
ausgelegt werden, und schon Homer scheint Traumdeuter zu kennen,^) in 
manchen Fällen endlich wird ihr Sinn erst nach dem Eintreffen des Ereig- 
nisses bekannt.^) Wie entwickelt die Kunst der Traumdeutung war, und 
welchem Bedürfnis sie entgegenkam , . beweist am besten die Thatsache, 
dass es viele Bücher und Sammlungen gab, die sich mit Oneirokritik be- 
schäftigten und ein System hineinzubringen versuchten.^) Eine dieser 
Schriften ist uns ganz erhalten : das Buch des Artemidoros aus dem 2. Jahr- 
hundert n. Chr. 

38. Einer der wichtigsten Zweige der Mantik ist dann die oltovoffxo- 
niTti] oder oiwvo(rxo7tia,^) Die Vögel sind die freiesten Tiere, ihre Be- 
wegung ist die willkürlichste und vom Menschen am wenigsten zu bestim- 
mende; ein anderes Tier kann man dadurch, dass man sich ihm in den 
Weg steÜt oder es durch einen Zuruf ängstigt, veranlassen, einen bestimmten 
Weg einzuschlagen; oft ist dieser schon durch die örtlichen Verhältnisse 
vorgeschrieben, oder die Möglichkeit, dass es sich da oder dorthin wende, 
beschränkt. Zudem sieht man Vögel weit häufiger als andere in Freiheit 
lebende Tiere — und natürlich konnten nur solche als Boten der Götter 
gelten — , sie erscheinen plötzlich in Räumen, die dem Fuss des Menschen 
unerreichbar sind, kommen aus luftiger Höhe, in der man sich auch die 
Götter thronend denkt, und ihren Flug zu beobachten und zu verfolgen, 
reizt schon den kindlichen Sinn besonders. Natürlich ist ebensowenig wie 
jeder Traum jeder Vogel bedeutend. ^^) Wie alle andern können auch die 
Vogelzeichen erbeten sein, oder sie kommen unerwartet, sie können so 
einfach sein, dass jeder sie versteht, oder so seltsam, dass nur der Kundige 
sie zu deuten vermag, wie alle andern werden sie in späterer Zeit kompli- 
zierter, und die Beobachtung erstrockt sich auf immer mehr Eigentümlich- 
keiten. Schon bei Homer finden wir den Glauben an Weissagevögel völlig 
entwickelt, und auf ihren Flug wird sorgsam geachtet; es gibt bereits oian 
ricrofi', die sich darauf besonders verstehen.^*) Der rechts erscheinende Vogel 
galt für glückbedeutend, der links für unheilverkündend. Wollte man 
ein Zeichen abwarten, so begab man sich wohl an einen geeigneten Ort, 
ein oiwvoaxoTttTor,^^) und hier scheint man sich dann mit dem Gesicht nach 
Norden gewandt zu haben, so dass der günstige Vogel dem Beobachtenden 
von Sonnenuntergang hergeflogen kam, der im is^id also von links her ^') 



») Plut. Kim. 18. 

3) cf79ß. ■ I 127 ff. 

*) T 535 ff., Aisch. Pers. 179 ff. 
^) Xen. Anab. III 1, 12 ff, Plato Krit. 
c. 2 p. 44 A. 
«) E149. 
") Herod. UI 124, Cic. de div. I 23 § 46. 



^) Vgl. BüchsensghGtz a. a. 0. 45 ff. 
*) Aisch. Prom. 458 ff., BoüOHE-LEOLEBog 



•ö) o 532, ß 181 f. 
^') fl858, P218. 

'') Paus. IX 20, 1. Vgl. Soph. Ani 1012, 
Dion. Hai. I SO. 
^3) Vgl. ß 154. 



2. Die Kaltosbeamten. (§ 38. 41 

nach Osten fliegende gutes bedeutete. ') Kam der Vogel unerwartet, so galt 
wohl immer, was man rechts von sich sah, für glücklich, was dem Schauenden 
zur Linken erschien, für ungünstig. So werden Diomedes und Odysseus, 
als sie nachts in das Lager der Troer schleichen, durch einen rechts von 
ihnen schreienden Vogel, . den sie in der Dunkelheit gar nicht sehen können, 
ermutigt (K 274 ff.), so erscheinen o 160 u. 525 ganz unerwartet Vögel, 
offenbar nicht von einer bestimmten Himmelsrichtung, sondern nur zur 
Rechten der betreffenden Personen. — Nicht alle Vögel galten für gleich 
bedeutungsvoll, vor allen sah man die grossen Raubvögel, die olcovoi, dafür 
an: den Adler, TeXeiorarov neterjvm'j den Vogel des Zeus,*) den schnellen 
Habicht, den Boten Apollons,^) überhaupt die ya^ilfcovvxoi olwvoi;*) dann 
freilich auch andere. 5) — Was die Vogelzeichen bedeuten, ist in vielen 
Fällen auch der Laie zu beurteilen im stände, nicht bloss, wenn er sich 
selber ein solches erbittet, wie Priamos Si 310 ff., sondern überall da, wo 
es sich nur um die Richtung des Fluges handelt. Auch wenn der Vogel 
in besonderer Situation erscheint, oder ein Zusammentreffen von Umständen 
die Erscheinung besonders merkwürdig macht, weiss der Kluge das Zeichen 
zu deuten. So erkennt Helena, als der Adler mit der geraubten Gans 
davonfliegt,^) ebensogut wie der Seher Theoklymenos an dem Habicht, der 
die Taube zerreisst,') dass das Zeichen die Vernichtung der Freier durch 
Odysseus verkünde, und als dör Adler das Hirschkalb auf den Altar des 
Zeus IlavoiKfatoq fallen lässt, sind die Griechen ebensowenig zweifelhaft, 
was das zu bedeuten habe,^) wie die sieben vornehmen Perser, die den 
Smerdis ermorden wollen, als ihnen die von den Habichten verfolgten Geier 
erscheinen.^) Atossa wagt sich nicht zu gestehen, was der siegreiche 
Kampf des Habichts mit dem Adler bedeute, ^^) und hört es gern an, dass 
das Zeichen vielleicht nicht so schlimm sei,^^) aber was die beiden sich 
über den Köpfen der Ithakesischen Volksversammlung zerfleischenden Adler 
bedeuten, ^2) der Kampf des Adlers mit der Schlange ^3) oder das Zerreissen 
der trächtigen Häsin durch einen schwarzen und einen weissen Adler, ^^) 
das kann doch nur ein Seher erklären. — Das Erscheinen mancher Vögel 
bedeutet schon an und für sich Glück oder Unglück; Prometheus lehrt die 
Menschen unterscheiden, welche Vögel ihrer Natur nach günstig, und welche 
ungünstig sind, ^^) und auch die Lebensweise und Eigentümlichkeit der ein- 
zelnen ist nicht gleichgiltig und muss beobachtet werden. ^^) — Dass aus 
dem Schrei der Vögel geweissagt wird, ist nicht nachweisbar. Ertönt er 
seitwärts, so zeigt das nur die Anwesenheit eines Vogels an, den man 
sonst vielleicht gar nicht bemerkt haben würde, ^^) und gilt natürlich als 



>) M 239 f. Vgl. Plat. Leg. VI p. 760 D, 
NiTzscB Anm. znr Odyss. I 91 f., Ernesti 
Homer ed. za M 289, Hebm ann § 38 A. 10 u. s. w. 

«) a 315, vgl. Xen. Anab. VI 1, 23. 

») o 526. 

*) Aisch. Prom. 488. 

5) K 274, Flut. De Pyth. orac. 22. Vgl. 
Hebmanit G. A. § 38 A. 7 n. s. w. 

•) o 160 flF. 

^ o 525 ff. 

") S 247 ff. 



») Herod. III 76. 
»») Aisch. Pars. 205 ff. 
' ») 525 f. 
'•) ß 154. 
'3) 3/200. 

'*} Aisch. Ag. 114 ff. 
^'•) Aisch. Prom. 489, vgl. Paroimiogr. gr. 
228 f., Anton. Lib. p. 207, 219, 221 Westerm. 
>«) Aisch. Prom. 490 ff. 
''') Vgl. A:275. 



42 



A. Die griechischen Knltusaltertümer. 



ein ebenso oder doch fast so gutes resp. schlimmes Zeichen, als hätte 
man den Vogel fliegen sehen. 

Wie üblich die Vogelschau war, geht schon daraus hervor, dass olwviq 
oder oQviq häufig geradezu WeissagevogeP) oder Prophezeiung überhaupt 3) 
bedeutet, ja es sind uns sogar Bruchstücke einef auf Divination aus dem 
Vogelfluge bezüglichen Inschrift erhalten.*) 

39. Wir kommen jetzt zu den nicht zufälligen Zeichen, d. h. 
also denen, die der Mensch selber herbeizuführen sucht und zwar durch 
noch andere Mittel als das blosse Gebet. Die Beobachtungen werden hier 
an einem bestimmten ad hoc vorbereiteten Objekt gemacht. Wenn alle 
bisher behandelten cjj/iara aus der Initiative der Götter hervorgingen oder 
doch nur aus Gnade von ihnen geschickt wurden, so können sie sich hier 
der Beantwortung der ihnen vom Menschen gleichsam vorgelegten Frage 
in den meisten Fällen gar nicht entziehen, insofern gewisse Zeichen, seien 
es nun günstige oder ungünstige, an dem der Beobachtung ausgesetzten 
Gegenstande hervortreten müssen. — Es liegt in der Natur der Sache, 
dass die Deutung dieser Zeichen in der Regel schwieriger und gewöhn- 
lich auch wichtiger ist als die der zufallig begegnenden: schwieriger, 
weil die Beobachtung der verschiedenen Merkmale meistens so kompli- 
ziert ist, dass nur der Erfahrene ihren Sinn versteht, wichtiger deshalb, 
weil solche Fragen an die Götter gerichtet zu werden pflegen, wenn man 
vor einer Entscheidung oder einem bedenklichen Unternehmen steht. Sel- 
tener als jene wagt demgemäss der Laie solche Zeichen selber zu deuten. 
Sie gehören zu dem genus artifidosum,^) das den Sachverständigen er- 
fordert. 

40. Unter allem, was hier in Betracht kommt, ist weitaus am wich- 
tigsten und häufigsten die sogenannte Hieroskopie d. h. das Wahrsagen 
aus den Eingeweiden des geopferten Tieres und gewissen Erscheinungen 
bei der Opferhandlung. ^) Homer kennt die Eingeweideschau noch nicht. 
Die Gedichte erwähnen Ovoaxoovg und zwar einmal (i2 221) zugleich mit 
f^idvii€g und leQtjeg als Leute, auf deren Rat man etwas geben müsse, aber 
auf welche Weise sie aus den Opfern weissagten, ja ob sie dies überhaupt 
gethan, wissen wir nicht. Alle Vermutungen darüber beruhen lediglich auf 
der einen Stelle, wo wir sie neben Priestern und Sehern als kluge Männer 
bezeichnet fanden. Aus dem Namen ist nur zu schliessen, dass sie mit 
dem Verbrennen der Opferstücke zu thun gehabt haben,') aus x 321 flF., 
wo von Leiodes, dem xhvocxoog der Freier in Ithaka, die Rede ist, höchstens, 
dass sie bei dem Opfer Gebete gesprochen haben; dass aber jener Leiodes 
selbst ein sehr unglückliches Beispiel für einen der Zukunft kundigen Weis- 
sager ist, darauf hat schon Lobeck (Aglaoph. 263) hingewiesen. Vielleicht 
glaubte man, dass ihre Beschäftigung sie gleich den hQfisq den Göttern 



•) Vgl. Xen. Anab. VI 1, 23. 

») 522, Sl 219. 

^) Herod. IX 91, vgl. schon 3/243. 

*) Aus Ephesos CIG. 2953 a. 

'-) Cic. de div. I 18 § 34 u. s. w. 



«) Aisch. Prom. 492 ff. Vgl. Boüchk- 
Lbol. 1 166 flf. 

^) Lobeck Phrynichus, Leipzg. 1820 S. 
523, Leo Meter in d. Beitr. zn den indogeim. 
Sprr. VI 1881 S. 127. 



2. Die KultuBbeamten. (§ 39-41.) 



43 



besonders lieb und vertraut machen musste, und darauf mag denn auch 
ihr Ansehen beruht haben. 9 

Ob die Griechen die Eingeweideschau von einem fremden Volke ge- 
lernt und angenommen haben, oder ob sich Glaube und Kunst selbständig 
bei ihnen entwickelt hat, ist ebenfalls ungewiss. ^) Unmöglich ist das letztere 
jedenfalls nicht, und Übereinstimmungen sind nicht immer durch Entlehnung 
zu erklären, am wenigsten dann, wenn der Ursprung einer gemeinsamen 
Sitte sich aus so naheliegenden Gründen erklären lässt wie hier. Es lag 
daran, zu erkennen, ob der Gottheit das Opfer genehm sei, und wenn man 
in ältester Zeit sich damit begnügte, schöne und, nach dem äusseren An- 
schein zu urteilen, gesunde Tiere darzubringen, so wird man später eben 
auch die innem Teile auf ihre normale Beschaffenheit und Gesundheit hin 
untersucht und aus dem Befunde seine Schlüsse gezogen haben. 

Dass immer mehr Merkmale beobachtet, und die Deutung immer 
künstlicher wurde, ist ganz natürlich und entspricht der Entwicklung, die 
auch die andern Arten der Mantik genommen haben. 

Die Eingeweide müssen glatt und von guter Farbe, ^) vor allen Dingen 
aber die Leber gesund sein ;^) ist die Bildung der Lappen (loßoi) nicht 
normal, oder fehlen diese sogar, so gilt das für ein sehr schlimmes Zeichen.'^) 
Auch die Galle ist wichtig,^) schon deshalb, weil sie in der Kegel den 
Göttern verbrannt wird,') wie ihnen denn auch andere Teile der (TTtXdyxvcc 
zukommen.®) 

Natürlich wurde nicht aus den Eingeweiden jedes geopferten Tieres 
prophezeit, denn in unzähligen Fällen ist Opfertier nichts anderes als 
Schlachttier, ^) und nur wenn man ein Zeichen wünschte, fand Eingeweide- 
schau statt. Benutzt konnte dazu jedes Tier werden, das man den Göttern 
anbieten durfte, also alle essbaren Haustiere. ^^) 

Wenn Tansanias (VI 2, 2) sagt, dass Hunde zur Hieroskopie nicht benutzt 
wurden, so ist das gewiss auf alle nicht essbaren Tiere auszudehnen; Hunde 
wurden unter diesen nur am häufigsten geopfert, *i) aber prophezeit wurde 
aus den Eingeweiden von Pferden, Eseln u. s. w. sicherlich ebensowenig. 

41. Besonders wichtig war die Hieroskopie im Felde. Empfahl diese 
Art der Mantik sich hier, wo es am wichtigsten war, die Ratschlüsse der 
Götter zu erfahren, schon dadurch am meisten, dass sie die ausgebildetste 
war und für die zuverlässigste galt, so kam hinzu, dass diese Zeichen in 
jedem Augenblick befragt werden konnten. So nimmt es nicht wunder, 
dass uns hier eine ganz besondere Art von Opfern, eigens zum Zwecke der 



') Über die ^vtxrxooi s. Nitzsch, Anm. 
z. Od. I 220, VöLCKEB Allg. Schulztg. 1158, 
Navoelsbach Hom. Theolog.^ 205 u. s. w. 

') Vennutungen darüber s. 0. Müller 
Etnisker II 185, Schobhann a. a. 0. 11 287 
n. 8. w. 

») Aisch. Prom. 493 f. 

*) Aisch. Prom. 495, Schol. Ariatoph. 
Vesp. 831. 

*) Xen. Hell. UI 4, 15, Plut. Ages. 9, 
Kim. 18 u. 8. w. 

'} Ai8ch. Prom. 495, 



') Athen. IV 27 p. 146, Porph. De antr. 
Nymph. 18, vgl. Plut. Praec. conj. 27. 

8) Athen, a. a. 0., Plut. Phok. 1, Schol. 
Aristoph. Vesp. 1144, Orph. Arg. 314. 

«•) Vgl. Athen. V p. 179 D, IV p. 150 F, 
p. 166 F u. 8. w. 

^^) Ausgenommen natürlich Geflügel, vgl. 
Athen. IX p. 380 A u. s. w. 

*^) S. Stengel im Progr. des Joachims- 
thal. Gymnas., Berl. 1879 S. 25 u. in Fleck- 
eisen's Jahrb. 1883 S. 371. 



44 



A. Die griechischen Kaltnaaltertümer. 



Weissagung veranstaltet, begegnet: die sog. cyayia.*) Sie werden vor wich- 
tigen Entscheidungen, meist in gefahrlicher Lage, dargebracht und sollen die 
Götter versöhnen; das ist gelungen, wenn diese das Opfer gnädig annehmen, 
d. h. also wenn es günstig ausfällt, und in diesem Fall glaubt man sich 
dann auch ihrer Zustimmung zu dem bevorstehenden Unternehmen und 
ihrer Hilfe versichert. Diese Opfer werden denn auch stets von iiavtstq 
vollzogen und sind namentlich vor Schlachten, gefährlichen Märschen 
und dergl.2) durchaus notwendig. Die Art der Weissagung kennen wir 
leider nicht. 3) Wahrscheinlich galt das bereitwillige Hingehen des Tieres 
zur Opferstätte und das ruhige Verhalten beim Empfangen des Todes- 
streiches hier ganz besonders für ein günstiges Zeichen,^) aber dass dieses 
nicht allein entscheidend war, geht daraus hervor, dass das Opfer zu Ende 
geführt werden musste, ehe man der guten Vorbedeutung gewiss war und 
zur Ausführung des Unternehmens schreiten durfte. Dies dauerte eine 
geraume Zeit, die man unter allen Umständen ruhig abwarten musste. 
Selbst wenn der Feind schon angreift, lässt man sich beschiessen, erleidet 
grosse Verluste, aber nicht eher wird der Kampf aufgenommen, als bis der 
l^LccvTig günstige Zeichen verkündet.^) Die kriegerischen Lakedaimonier 
nehmen zu diesen aipdyta eigens Tiere aus der Heimat mit,^) um ja nicht 
einmal in Verlegenheit zu kommen.^) Ausser diesen nur bei besonderen 
Anlässen vorgenommenen Opfern wurden die regelmässigen tega dargebracht, 
die dem Heere den täglichen Fleischbedarf lieferten, und auch aus diesen 
wurde prophezeit;®) oft finden wircyaym und tsQa nebeneinander.**) Letztere 
werden auf Befehl und in der Regel im Beisein des Feldherm von Priestern 
vollzogen, und es findet bei ihnen die gewöhnliche Eingeweideschau statt; ^^) 
dass auch dabei ein iiavtiq sich beteiligt, ist natürlich nicht ausgeschlossen. ^>) 
Diese durften also bei keinem Heere fehlen, ^^) und man gab sich vielleicht 
ebensoviel Mühe, einen bewährten fidvug für den Feldzug zu gewinnen, 
wie einen tüchtigen Führer an die Spitze zu stellen, ^^) und kargte weder 
mit Ehrenbezeugungen noch Belohnungen.^*) Der Feldherr war allerdings 
nicht verpflichtet, dem [xccvtig zu folgen, ^^) der ja irren und selbst absicht- 
lich täuschen konnte, ^^) aber sicherlich ist es selten vorgekommen, dass ein 
Führer sich trotz der Warnungen des Sehers zum Angriff oder zu einer 
Belagerung entschloss. Waren die Zeichen ungünstig, so gab man die 
Unternehmung lieber auf,^') oder man wiederholte die Opfer so lange, bis 
sie endlich nach Wunsch ausfielen.^**) Wenn rd Ugd im tov nqwtov hqeiov 



^) Über die (T(pdyitt, insbesondere auch 
über die Ausdehnung dieser Bezeichnung auf 
andere Opfer s. Stengel im Hermes XXI 
307 flF. 

2) Xen. Anab. IV 3, 18, Herod. VI 76. 

^) Die Vermutungen von HiSBifANN a. a. 
0. § 38A. 20, ScHOEMANN II 291 A. 3, K. W. 
Krüoeb, Rehdantz zu Xen. Anab. I 8, 15 und 
anderen sind unrichtig oder unsicher. 

*) Hermes XXI 310, vgl. 312 A. 1. 

^) Xen. HoU. IV G, 10; Herod. IX 61, 62, 
72; Flut Arist. 17, 18. 

«) Xen. Resp. Lac. XIll 3. 

') Paus. IX 13, 2. 



8) Herod. VII 219, Xen. Anab. I 7, 18. 

9) Xen. Anab. VI 5, 21; I 8, 15; IV 3, 
9 und 18. 

»0) Xen. Anab. II 2, 3 ; VI 5, 2. 

»0 Xen. Anab. V 6, 29. 

^'^) Vgl. auch V. WiLAMowiTZ Kydathen 
80. 

13) Herod. IX 33 «F., Paus. III 11, 6. 

^*) Paus. IX 10, 3 f., Xen, Anab. I 7, 18, 

1*) Plato Lach. p. 199 A. 

J«) Xen. Anab. V 6, 29, vgl. Kyrup. 1 6, 2. 

'') Herod. VI 76, Thuk. V 54. 

18) Xen. Hell. HI 1, 17 ff., IV 1, 22; 
Plut. Arist. 18 f. 



2. Die SoltaBbeamten. (§§ 42—43.) 



45 



Ytyv€Tai, so gilt dies für ein besonders gutes Zeichen.^) Auch im Frieden 
kann zu jedem Opfer, namentlich wenn der Staat es darbringt, ein /Äarng 
hinzugezogen werden,*) für gewöhnlich aber genügt der isQevg, der, fort- 
während mit Opfern beschäftigt, sich auch auf die Eingeweideschau und 
die Deutung anderer Zeichen, wie sie beim Opfer vorkommen konnten, 
besonders verstehen musste.^) — EIq gutes Zeichen war es, wenn das Opfer- 
tier ohne Sträuben zum Altar hinging,^) oder gar vor dem Schlachten mit 
dem Kopfe nickend gleichsam selbst sich mit seinem Schicksal einverstanden 
erklärte, und man verschmähte es auch nicht, durch besondere Mittel diese 
Omina künstlich herbeizuführen.^) Riss das Tier sich los und lief davon, 
oder stürzte es gar vor dem Schlachten tot zu Boden, so wurde dies um- 
gekehrt für ein schlimmes Zeichen angesehen.^) Auch aus der Art, wie 
die Opferstücke verbrannten, wurde geweissagt. Besonders achtete man 
auf die Bewegungen des Schwanzes während des Verbrennens. ') Ebenso 
war es wichtig, wie das Steissbein®) und die Galle mit ihrem verschiedenen 
Feuchtigkeitsgehalt verbrannte,^) und auch aus der Flamme selbst wurden 
Zeichen entnommen. Neben anderen Arten der Hieroskopie hat Prometheus 
die Menschen auch die ifXoywnä ar^fiara zu deuten gelehrt.*®) Ein schlimmes 
Zeichen war es, wenn die Flamme nicht brennen und die Opferstücke nicht 
verzehren wollte.**) Auch die Art, wie der Rauch oder Weihrauchdampf 
aufstieg, war nicht gleichgiltig,*^) und so erforderte denn auch das Auf- 
schichten des Holzes auf dem Brandopferaltar Sorgfalt.* 3) 

42. Neben diesen üblichen und deshalb wichtigen Arten der Mantik 
gab es dann, ebenso wie wir es vorher bei den zufalligen Zeichen gefunden, 
noch unzählige andere, deren sich der Abergläubische zu bedienen pflegte. 
Hierhin gehören die (in Kleinasien häufiger vorkommenden) Würfel- und 
Buchstabenorakel; *^) ferner wurden Siebe angewandt, um Zeichen zu er- 
halten,*^) Eier wurden über Feuer gehalten, und das Bersten und Aus- 
schwitzen der Schale beobachtet,*^) und noch viele solcher Mittel, aus denen 
man die Zukunft erkennen wollte, werden erwähnt;*^) ihrer noch mehr 
aufzuzählen, wäre jedoch zwecklos. 

43. Alle diese Zeichen, die zufälligen wie die absichtlich herbei- 
geführten, konnte auch der Laie beobachten und zu deuten versuchen, aber 
lieber verliess man sich natürlich auf den fiditig, und war ein solcher zu 
haben, so zog man ihn in wichtigeren Fällen gewiss immer zu Rate. So 
fehlte er, wie wir gesehen haben, bei den a^ayicc niemals. Er deutete die 
sich darbietenden Erscheinungen nicht nur sicherer, sondern sah auch mehr. 



') Xen. Anab. VI 5, 2. 

») Xen. Hell. III 3, 4. 

ä) Plato 8ymp. p. 202 E, Polit. p. 290 C. 

*) Flut. Fei. 22. 

^) Flut. Quaest. symp. VIII 8, 3, Schol. 
Aristoph. Fax 900, Schol. Apoll. Rhod. Arg. 
I 415. 

«) Flut. Fyrrh. 6. 

7) Schol. Arist. Fax 1053, 1054. 

^) Aisch. From. 497. 

») Soph. Ant. 1009 f., Schol. Eur. Fhoin. 
1255 f. mit Valkenabbs Anm. zu 1261. 

»«) Aisch. From. 498. 



»») Soph. Ant. 1005 ff., vgl. Eur. Suppl. 
155, Fhoin. 954. 

'•') Laert. Diog. VIII 20. 

»2) Aristoph. Fax 102«. 

'*) Faus. VII 25, 6, Schol. Find. Fyth. 
IV 337. Vgl. KAiBELEpigr. gr. 1038 ff. und 
im Hermes X 193 ff., XXIII 532 ff. 

»5) Theokrit. III 3, Luk. Alex. 9, Fhi- 
lostr. Apoll. Tyan. VI 11 p. 114 Kays. 

**) Schol. Aisch. Fers. 185, Lobeck Agl. 
410. 

") S. Foll. VII 188, Suid. u. oitoyttruxy 
und TtQotpijreia. 



4(j A. Die griechiBchen KnltuBaltertümer. 

Silanos, der Seher des jungem Kyros, erkennt aus den Opfern, dass inner- 
halb der nächsten zehn Tage eine Schlacht nicht stattfinden werde, ^ Tei- 
resias versteht sich trotz seiner Blindheit auf die Deutung der Vogel-, 
Flammen- und anderer Zeichen besser als jeder andere,^) und als die 
Schlange die Sperlinge verzehrt und dann versteinert wird, vermag Kalchas 
allein zu sagen, was das Wunder bedeutet,') und zwar d^eonQontwv dyc- 
Qsv€v.*) Schon hieraus sehen wir, dass die überlegene Kunst des fiaiTtg 
nicht bloss auf seiner grösseren Erfahrung beruht, die Götter haben ihm 
vor andern die Gabe der Weissagung verliehen. Diesen Glauben finden 
wir bereits in der homerischen Zeit. Kalchas verkündet, was ApoUon ihm 
eingibt,*) und Helenes vernimmt die Stinmie der ewigen Götter,®) dass dem 
Hektor der Tod noch nicht bestimmt sei. Gleich Ärzten und Baumeistern 
sind daher die fxdvrsig gesuchte Leute, und man lässt sie sich weither 
kommen.^) Bisweilen wird die Kunst vererbt und pflanzt sich Generationen 
hindurch fort. So ist schon bei Homer der Seher Theoklymenos ein Sohn 
des untadligen ndvrig {X 291) Melampus (o 225), einer seiner Vorfahren 
heisst Mantios (o 242), einen andern, Polypheides, hat ApoUon zum besten 
Seher unter allen Sterblichen gemacht (258), und auch Amphiaraos gehört 
der Familie an (244,252).*) Später finden wir dann auch ganze Seher- 
geschlechter erwähnt. Besonders berühmt sind die lamiden^) und Kly- 
tiaden *®) in Olympia**) und die Telliaden, denen wir an verschiedenen Orten 
Griechenlands begegnen.*^) Verschmähten diese Seher es nun auch nicht, 
allerlei Zeichen zu beobachten und aus ihnen zu weissagen,*') so war doch 
wichtiger, was sie aus unmittelbarer göttlicher Eingebung, x^eotpogr^TMy wie 
Aischylos **) von Kassandra sagt, oder h'd-soi^ ivd-ovaid^ovrsg^ vom Gott er- 
griffen, verkündeten.*^) Solche Aussprüche konnten sich auf eine nahe be- 
vorstehende Zukunft beziehen, wie die Weissagung des Teiresias **) über 
die Schicksale des Odysseus, der Kassandra über Agamemnons und ihre 
Ermordung,*') oder auf Ereignisse, die erst in femer Zeit eintreten sollten.*®) 
Dieser Glaube ward dann Veranlassung, solche Orakel zu sammeln. Wie 
die Römer die sibyllinischen Bücher, so besassen auch die Griechen Xoyia 
und xQTjaiiovg, Orakelsprüche, die Sehern der Vorzeit zugeschrieben und zu 
geeigneter Zeit vorgeholt wurden. Unter den Namen solcher mythischer 
Seher begegnen uns Bakis und Musaios am häufigsten, namentlich bei dem 
gläubigen Herodot.*^) Die bedeutendsten solcher Sammlungen werden sich 



») Xen. Anab. l 7, 18. 

») Soph. Ant. 998 ff. 

3) B 300 ff. 

<) h 322. 

••) A 385, vgl. A 8G f. 

«) n 53. 

') Q 382 ff. 

^) Vgl. EoKEBMANN Melampus und sein 
Geschlecht. 

») Find. Ol. VI, Herod. V 44, IX a3. 

'ö) Paus. VI 17, (}; Archaeol. Ztg. 1878 
100 ff. 

*') Vgl. pRELLER-RoBBBT Gricch. Myth. 
I 143, auch E. Curtiüs Altäre von Olympia, 



^') Mehr Beispiele s. bei Schoemaitk 
Gr. A. II 308 ff. 

»») Vgl. Soph. Ant. 998 ff.. Paus. I 34, 3. 

»*) Ag. 1140, vgl. 1216. 

'») Vgl. Plato Phaidr. 244 c, Apolog. VII 
22 c. 

»») X 100 ff. 

^^) Aisch. Ag. 

»8) Z. B. Herod. VIII 90. 

^') Vgl. Passow Musaeus, Leipzig 1810, 
Lobeck Agl. 299. Richabd Hendess or acuta 
Graeca, quae apud scriptores Graecos Lati" 
nosque extant, Halle 1877. Gustav Wolfp 
Porphyrit de philosophia ex orac^üis hattri- 



Abb. der Berl. Akad. 1881 S. 10 ff. ; enda Ubrortim reliquiae, Beilin 1856. Kaibel 



2. Die SaltuBbeamten. (§ 44.) 47 

im Besitz der Staaten und Regierungen oder einzelner Priesterschaften be- 
funden haben. So besassen die Peisistratiden eine, die später Kleomenes 
nach Sparta entführte,^) und auch die lakedaimonischen Könige Hessen die 
pythischen Orakel aufzeichnen;*) aber auch viele Private rühmten sich im 
Besitz solcher Schätze zu sein. Aus diesen Büchern weissagten sie dann, 
behaupteten daneben aber gewöhnlich auch selber Seher zu sein und galten 
denn wohl auch meistens dafür. Ein solcher xQiianoXoyog ist Diopeithes, 
der vor der Wahl des Agesilaos die Spartaner vor einem lahmen König- 
turne warnte,') Amphilytos, der dem Peisistratos weissagte,**) und viele 
andere, die sich nicht immer grossen Ansehens und guten Rufes erfreuten.*^) 
Endlich sind die Sibyllen zu erwähnen, zum Teil vielleicht auch 
historische Persönlichkeiten.^) In den ältesten Zeugnissen wird nur eine 
genannt, später kennt man viele; am berühmtesten bleibt die von Erythrai.*^) 
Völlig zurück traten aber alle diese Weissager und alle ihre Aussprüche 
vor der Bedeutung der eigentlichen Orakel, zu denen wir uns jetzt wenden. 

ß. Die Orakel. 

44. Alle Zeichen kamen von den Göttern, und sie richtig zu verstehen 
und zu deuten, war auch nur durch ihre Gnade und Erleuchtung möglich. 
Sprach sich in diesem Glauben oder Aberglauben schon die Überzeugung 
aus, dass die Himmlischen in liebevoller Besorgnis für den Sterblichen gern 
bereit seien, ihm durch Rat und Warnung zu nützen,^) so lag der Gedanke 
nicht fern, dass gewisse Stätten besonders von ihnen ausersehen und be- 
stimmt seien, wohin der Zweifelnde sich wenden und wo er ihre Stimme 
stets vernehmen konnte.^) Das sind die /xaiT««, Orte, wo geweissagt wird, 
oder wie sie auch heissen, XQV^^W^^ Stätten, wo man roTg x^eoTg xQ^^^^h 
sich xqrjaiiovg holen kann.^®) Wir nennen sie Orakel. 

Kein Gott ist geeigneter und fähiger, Orakel zu geben, als Zeus, der 
schon bei Homer navofitpaTog heisst,^^ dessen Auge alles sieht'*) und dessen 
Gedanken so tief sind, dass kein Seher sie ganz ergründet. '') Ihm gehört 
denn auch das älteste griechische Orakel, von dem wir Kunde haben. Als 
Achilleus den geliebten Freund in den Kampf sendet, ruft er den Zeus an, 
den ferne wohnenden, der in dem winterlichen Dodoua waltet, wo die Seiler 
umherwohnen, die Hypopheten des Gottes, welche ihre Füsse nicht waschen 
und auf dem Erdboden ruhen,***) und von Odysseus heisst es,*^) dass er 
nach Dodona gegangen sei, um dort aus der hochragenden Eiche des Zeus 
den Willen des Gottes zu vernehmen. Dieses Dodona lag in Epeiros ^^) am 



Epigr. gr. 1033 ff. Pomtow de oracuUs quae ! Klausen, Aeneas u. d. Penaten I 203 ff. Ora- 



extani graecis irimetro iambico composüis, 
Berl. Diss. 1881. 

Herod. V 90. 

2) Vgl. Herod. VI 57. 

») Xen. Hell. HI 3, 3, Plut. Ages. 3. 

*) Herod. I 62. 

») Vgl. Aristoph. Equit 1085, Vesp. 380, 
Schol. Av. 988. 

«) Vgl. Preller-Robkrt Gr. M. 1 382. 

^) S. Pbrllek-Robert a. a. 0. E. Maass 
De Sibyllaruin indicHnis. Bouchb-L. II 33 ff. 



cula Sihyllina ed. Alexakdre Paris 1841. 

«) Vgl. Plut. de El ap. Delph. 1. 

») Vgl. Xen. Mem. I 1, 0. 

'«) Vgl. Ephoros bei Strabo IX 422. 

") -9 250. 

»•^) Hes. Erg. 207. 

") Hes. frgm. 190 Marksch. 

»*) 77 233 ff. 

»*) I 327, r 290. 

*^) Man hat es auch in Thessalien ge- 
sucht. Vgl. Welckbr Griech. Götterlehre I 



48 



A. Die griechiBohen SultuBaliertü^er. 



Fusse des Berges Tmaros oder Toinaros. Es war ein Zeichenorakel ; aus 
dem Rauschen der Zweige entnahm man den Willen des Gottes, den man 
sich wohl im Baume selbst gegenwärtig dachte,^) und die Priester deuteten 
die Töne und verkündeten den Fragenden die Antwort. 3) Zu Herodots 
Zeit gab es dort auch drei weissagende Priesterinnen, ^) nQO/.imTug'^) oder 
nQO(prjTiä€gy^) doch haben die Priester daneben niemals gefehlt.') Seit dem 
vierten Jahrhundert ist auch von einem dodoneischen Becken, das die 
Kerkyraier gestiftet haben, und von xXfjQoi die Rede.^) Eine eherne Geissei, 
die ein Knabe hielt, wurde vom Winde in Bewegung gesetzt und schlug 
dann gegen das metallene Becken;^) ob aber auch aus diesen Klängen 
prophezeit wurde, ist ungewiss. Ebenso ist unsicher, ob aus dem Murmeln 
der wunderbaren Quelle, die am Fusse der Eiche floss,^^) geweissagt wurde, ^^) 
oder ob die Priester sich aus ihr wie an andern Orten Begeisterung tranken.*^) 
Dodona blieb das bedeutendste Zeichenorakel in Griechenland. Kroisos hat 
es beschickt, ^^) Athen und Sparta haben es wiederholt von Staats wegen 
befragt, ^^) und unter den erhaltenen Fragetäfelchen befindet sich auch eines 
von der Stadt Taren t.^^) Viele Jahrhunderte hat sich das Orakel des grössten 
Ansehens erfreut. Am Ausgang des dritten zerstört,**^) wurde es zwar 
wieder aufgebaut, bestand aber nicht mehr lange. 

45. Fast ebenso berühmt wie Dodona war das Orakel des Zeus 
Ammon in Libyen, in der Oase Siwah, unfern von Kyrene gelegen, wo 
ebenfalls aus Zeichen geweissagt wurde. ^^) Eigentlich ist.es also kein grie- 
chisches Orakel, doch dürfen wir es hier nicht übergehen, denn es hatte 
die grösste Bedeutung für Griechenland. Niemals fehlt es, wo die wich- 
tigsten griechischen Orakel aufgezählt werden; Delphoi, Dodona und das 
ammonische Orakel ist die immer wiederkehrende Dreizahl. ^^) Ammon war 
von den Griechen früh mit ihrem Zeus identifiziert worden, ^^) und man 
dachte sich offenbar in Dodona und in Libyen denselben Gott Orakel ei^ 



199. Unqer im Philol. XX 577 ff. Bbbok 
Phüol. XXXII 126. Niese Rhein. Mus. XXXII 
288. Schobmann Gr. A. II 327. 

') Vgl. Carapanos Dodone et ses ruines, 
Paris 1878. Unqek Phüol. XXIV 390 f. 
V. WiLAMOwiTZ Antigonos v. Karystos 135 A. 
Wacbnig De oracttlo Dodoneo, Breslau 1885. 
Bouchj^-Leclercq a. a. 0. II 277 ff. H. Pom- 
Tow in d. Jahrb. f. Phil. 1883 S. 345 ff. Wie- 
seleb Götting. Nachr. 1879 S. 1 ff. Von älteren 
Arbeiten v. Lasaulx Das pelasgische Orakel 
des Zeus zu Dodona, 1841. Gerlach Dodona, 
Basel 1859. Vgl. auch Stutzle Das griech. 
Orakelwesen u. bes. d. Orakelstätten zu Do- 
dona und Delphi, I. Progr. des Gymnas. zu 
Ellwangen 1888, und über d. Orakel u. d. 
Mantik überhaupt Döhlee in der Sammlung 
V. ViBcuow u. V. Holtzendobfp 1872 Heft 150. 

'^) Hes. frgm. 149 Marksch. Bötticheb 
Baumkultus 111. Der Baum wird bald dQvg, 
bald cftiyoQ genannt; es war eine Eiche (Prel- 
ler u. Dodona in Pault's Realencyklopädie 
II 1191). 

^) Vgl. al TtQoayyoQoi &Qv6g Aisch. Prom. 
832, noXvyXtüTTov dQvos Soph. Trach. 11(58. 



*) Herod. II 54. — Über den Namen 
Peleiaden s. Prelleb-Robebt Gr. Mytli. I 
125 A. 1. 

5)' Vgl. Paus. X 12, 10. 

«) Strab. VII 328. 

7) S. Strabo IX 402 und die Inschriften 
bei Carapanos a. 0. pl. XXIV— XL p. 68 f. 

8) S. Pbelleb-Robbbt a. 0. I 124 A. 3. 
») Strabo excerpt. VII 329. 

»0) Plin. h. n. II 228. 

*') Serv. zu Verg. Aen. III 40G. 

»-) ScHOEMANN Gr. A. II 329. 

»3) Herod. I 46. 

1») Xen. De vect. VI 2, Paus. VIII 11 
Ende. Plut. Phok. 28. Demosth. Meid. p. 531. 

'^) Cabapanos 70, PI. XXXIV n. 1. 

") Polyb. IV 17. 

*') Pabthey Das Orakel und die Oase 
des Ammon, Abb. der Berl. Akad. 1862. E. 
Plew Programm von Danzig 1876 S. 15 ff. 
Bouche-Lecl. II 338 ff. 

»») Plato. Leg. V p. 738 c. Aristoph. Av. 
716, Cic. de div. I 1. I 43. 

»») Vgl. Plew a. 0. 18 ff. 



2. Die KultaBbeamien. (§ 45—47.) 



49 



teilen,*) durch die Kyrenaier war das Orakel bekannt geworden, und wenn 
wir Herodot (I 46) Glauben schenken dürfen, war sein Ruhm schon im 
sechsten Jahrhundert so verbreitet, dass der lydische König Kroisos auch 
zu ihm sandte. Sparta, Elis, Theben^) standen früh in Beziehungen zu 
ihm, und auch Kimon soll es kurz vor seinem Tode befragt haben, ^) am 
berühmtesten aber wurde es durch den Zug Alexanders des Grossen/) Die 
Art der Weissagung wird uns von Diodor (XVII 50) und Curtius (IV 7, 24) 
am deutlichsten beschrieben. Priester trugen das Bild des Gottes auf den 
Schultern, eine grosse Prozession folgte, Frauen und Jungfrauen sangen 
einheimische Lieder. Aus den Schwankungen und Bewegungen des Bildes 
erkannte der Trpoyjjrry^ den Willen des Gottes und verkündete ihn den 
Fragenden. 

46. Unter den Zeusorakeln ist dann noch wichtig das olympische,^) 
das freilich an Bedeutung jenen beiden auch nicht annähernd gleichkam 
und von Staatswegen nur selten befragt zu sein scheint.^) Hier wurde 
aus Opferzeichen ge weissagt, und das Sehergeschlecht der lamiden,^) welches 
die Mantik ausübte, vermochte aus den Zeichen mehr zu erschliessen, als 
dies der gewöhnlichen Hieroskopie möglich war.^) Dass das Orakel nament- 
lich zu der Zeit der grossen Spiele in Anspruch genommen wurde, lässt 
sich denken.^) 

47. Alle diese Zeusorakel überstrahlte der Glanz des Apollonorakels 
zu Delphoi.^*^) ApoUon ist früh zum Orakelgott xar* H^oxr^v geworden, 
Jiog nqo^ifsrfi iaxl Ao^iaq naxqog,^^) Wenn Zeus bei Homer IlavofifpttTog 
{0 250) heisst und die meisten atj/Äara und thqava sendet, so weissagt 
doch schon Kalchas, was Apollon ihm eingibt, ^^) und nach dieser Richtung 
hin scheidet und entwickelt sich immer mehr der Einfluss und die Bedeu- 
tung beider Götter für die Mantik: dem Zeus gehören die bedeutendsten 
Zeichenorakel, dem Apollon die Spruchorakel, der Wille des Zeus wird 
aus Zeichen und Erscheinungen erkannt, den Willen Apollons verkündet 
der Mund des von ihm begeisterten Sehers.'^) Wo in Ekstase prophezeit 
wird, ist sie hervorgerufen von Apollon;") Kassandra ist von ihm zur 
Seherin gemacht, und zur eigenen Qual muss sie sehen und sagen, was sie 
doch nicht wenden kann, und in dem Kallimachischen Hymnos (in Del. 89) 
wird Apollon angerufen: Zwinge mich nicht, gegen meinen Willen zu 
weissagen. 



') Vgl. Herod. II 55 ff. 

«) PaoB. III 18, 3; V 15, 11; IX lü, 1. 

») Plut. Kim. 18. 

<) Arrian Anab. VI 3, 2. Vgl. 0. Hibsch- 
FELD in d. Abhndig. der Berl. Akad. XXXV 
(1888) 834. 

*) Vgl. StraboVIII 353, Paus. V 14, 8; 
Bouchä-Lecl. II 332 ff. 

•) Vgl. Plut. Ages 11, Xen. Hell. IV 7, 2. 

^) Vgl. die olympischen Inschriften in 
der Arch. Ztg. 1880 ed. Dittenberoer S. 58 ff. 
Neben ihnen fungieren die Klytiaden als 

«) Pind. Ol. VIH 3, vgl. Schol. Pind. Ol. 
VI 111 und 119, Curtius Die Altäre von 
Olympia, Abb. der Berl. Akad. 1881 S. 14 ff. 



«) Vgl. Paus. VI 8, 2, Philostr. Her. II 
6 p. 293. 

'**) Litteratur: Pbeller in Pauly's 
Realencyklopädie II 900 ff., Schoemann a. a. 0. 
II 311 ff., Preller-Robert Gr. Myth. I 285 ff., 
GöTTE Das delphische Orakel etc., Leipzig 
1839, G. WoLFF De novissima oracidorum 
aetate, Berlin 1854, GöttlinoGcs. Abhandlgg. 
II, Bouch^-Lecleroq a. a. 0. III 39 ff., A. 
MoMMSEN Delphica, Leipzig .878, U. Pohtow 
zur Topograpnie von Delphi, Berlin 1889. 

»') Aisch. Eum. 19 vgl 616 ff. 

'') A 86 f., 385, vgl. o 252, wo Apollon 
den Polypheidcs zum Seher macht. 

»«) Vgl. Piaton Apol. VII c ; Phaidr. p. 265. 

") Vgl. Paus. I 34, 3. 



Handbuch der klass. AltcrtamswiaseDScbaft. V. 3. Abiig. 



50 A. Die griechiBchen SaltiiBaltertümer. 

Homer kennt Weissagungen in Ekstase noch nicht, wohl aber finden 
wir auch bei ihm schon ein Beispiel, wo der Seher eine Vision hat und, 
der Gegenwart entrückt, verkündet, was er zu schauen wähnt, ^ und auch 
das Pythische Orakel ist dem Dichter bereits bekannt. Agamemnon ist 
hingegangen, um es über den Ausgang des Krieges zu befragen, und Apollon 
hat ihm geweissagt, dass die Erfüllung nahe sei, wenn die Besten im Heere 
in Streit gerieten.-) / 405 werden die wohlgefüllten Schatzkammern der 
felsigen Pytho^) erwähnt, und man darf daraus wohl den Schluss ziehen, 
dass das Orakel schon damals häufig aufgesucht wurde. In welcher Weise 
die Orakel aber erteilt wurden, darüber erfahren wir nichts. Die Sage 
von der Gründung des Heiligtums gibt am ausführlichsten der homerische 
Hymnos auf Apollon. Nach ihm ist Apollon selbst der Stifter. Lange 
sucht der Gott nach einer passenden Stätte, bis er in die krisäische Ebene 
am Fuss des Pamass gelangt. Auf einem Felsplateau in der Schlucht von 
Delphoi lässt er von Trophonios und Agamedes den Tempel erbauen, nach- 
dem er zuvor die den Ort hütende Schlange mit seinem Pfeile erlegt. 
Delphingestalt annehmend schwimmt er zu einem Schiff kretischer Männer, 
das gerade vorbeifährt, lenkt es nach Erisa, gibt sich den Schiffern als 
Gott zu erkennen, befiehlt ihnen, ihm einen Altar als Delphinios^) zu er- 
richten, und heisst sie seines Heiligtums warten. 

Nach Aischylos (Eum. Anf.), welcher der delphischen Legende folgt, 
gehört das Orakel zuerst der Ge, dann der Themis, dann der Phoibe, und 
von dieser erhält es endlich Apollon.*) — Wenn der Dichter des Hymnos 
den Zusammenhang des Orakels mit Kreta betonte, so finden wir auch in 
dieser Sage den Versuch zu erklären, wie ein iJLavTeTov x^onov^^) das doch 
ursprünglich Eigentum der Erdgöttin gewesen sein musste, in den Besitz 
ApoUons gekommen sei. Denn das Adyton des Tempels stand über einem 
Schlund, der kalt^e Dämpfe ausströmte, die den, der sie einatmete, in eksta- 
tische Erregung versetzten.') Beide Sagen können nur den Wert aller ex- 
plikativen Mythen beanspruchen: auch die delphische Legende zeigt uns, 
dass das Orakel von jeher im Besitz Apollons gewesen ist.^) — Der alte 
Tempel brannte im Jahr 548 ab ^) und wurde im Auftrage der Amphiktyonen 
von den aus Athen verbannten Alkmaioniden schöner wieder aufgeführt. 
W^ie reich und prächtig das Heiligtum gewesen ist, davon können wir uns 
eine Vorstellung machen, wenn wir hören, dass die Phoker 10,000 Talente 
blossen Metallwertes dort fanden, dass Sulla viele herrliche Kunstwerke 
mitnahm, Nero es plünderte und Plinius doch noch etwa dreitausend Sta- 
tuen in Delphoi zählte.^") Pausanias^') fand zwar die Schatzhäuser leer, aber 
doch noch unendlich viele Zeugen der alten Pracht, und der herrliche Drei- 



») V 345 ff. 

2) & 77 ff. 

») Vgl. B 519. 

*) Der Name Delphoi findet sich zuerst 
Homer, hymn. XXVII 14 Baum, und bei He- 
rakleit Fragm. bei Plut. de Pyth. or. 21. 

*) Vgl. Paus. X 5, 3. 

«) Eur. Iph. T. 1249. 

') Cic. de div. I 36 § 79, Strabo IX 419, 
Diod. XVI 20, Justin. XXIV 6, vgl. Bakde- 



K£R*s Griechenland 134 ff., Mommsen Delphica 
12 f., LoLLiNo im Hdb. HI 131. 

'*) Anders A. Momhsen Delphica 1 ff. Er 
nimmt an, dass das Orakel ursprünglich dem 
Poseidon und der Gaea gehört habe. Vgl. 
78 f 

"») Herod. II 180, V 62. 

'^) Hist. nat. XXXIV 17. 

»•) X 11, 1. 



2. Die SoltiiBbeamten. (§ 47.) 



51 



fuss, das Weihgeschenk der Hellenen nach ihrer grössten That, *) stand dort, 
bis ihn Konstantin entführte. (Taf. III Fig. 3.) 

Unter den zahlreichen priesterlichen Beamten sind ausser dem tiqo- 
^r^trfi namentlich die fünf oatoi^) zu nennen, später auch Prytanen und 
Archonten, über deren Thätigkeit wir aber nicht näher unterrichtet sind.^) 

Im Ad3rton des Tempels, in welches die Kassotis hinunterströmte, 
stand über dem Schlünde ein gewaltiger vergoldeter Dreifuss, auf dessen 
Becken eine kreisförmige durchbrochene Scheibe (oAjUog) lag, worüber dann 
der Sitz für die Pythia angebracht war.*) Davor lag der 6fx(faX6g, ein 
kuppeiförmiger weisser Stein, der Mittelpunkt der Erde, wo einst die beiden 
von Zeus aus Ost und West ausgesandten Adler zusammengetroffen waren. ^) 
Zu beiden Seiten standen goldene Adlerbilder, die bei der Plünderung 
durch die Phoker auch geraubt wurden.«) 

Die Seherin, welche die Orakel verkündete, soll in älterer Zeit eine 
Jungfrau in der Blüte der Jahre gewesen sein, später aber, da einer ein- 
mal Gewalt angethan war, wurden nur ältere Personen zu diesem Amte 
gewählt.') Diese Sitte bestand vielleicht schon zur Zeit des Aischylos.*) 
Natürlich musste die Erwählte untadliger Herkunft, Jungfrau und von gutem 
Rufe sein, Adel und Vornehmheit waren vielleicht, auch als die Blüte des 
Orakels ihren Höhepunkt erreicht hatte, nicht erforderlich; zu Plutarchs 
Zeit war die Pythia eine einfache Landmannstochter. ^) Ursprünglich sollen 
nur einmal im Jahre Orakel gegeben worden sein, im Monat Bysios,i^) dann 
aber wurde das Orakel so sehr in Anspruch genommen, dass zwei Pythien 
sich fortwährend ablösten, und noch eine dritte zur Aushilfe bereit war; 
zu Plutarchs Zeit genügte es bereits wieder, dass monatlich einmal Orakel 
erteilt wurden. ^ ') An Unglückstagen, rfihQai a7toq>Qdd€q^ durfte die Pjrthia 
niemals den Dreifuss besteigen,-^) aber auch sonst musste durch Opfer und 
andere Zeichen erforscht werden, ob der Tag zum Orakelgeben günstig sei.^^) 
War dies der Fall, so begab sich die Pythia, nachdem sie zuvor Reinigungen 
vorgenommen hatte, ^^) in goldenem Haarputz und langem Gewände >^) ins 
Adyton, trank aus der Kassotis, nahm Lorbeerblätter in den Mund und 
kaute sie'«) und bestieg den Dreifuss. Neben ihr stand der nqoifjf^trfi^^'^) dem 
auch die Fragen mündlich oder schriftlich mitgeteilt wurden.**) Die Reihen- 
folge der Fragenden {jysonqonoiy^) wurde durchs Los bestimmt,*®) sofern 



>) Herod. IX 80, Paus. X 13, 5. 

*) Plut De def. or. 49. 

») Vgl. A. MoMMSEN Philol. XXIV 1. 

*) Vgl. BrCnstsd Reisen und Unterss. 
in Grchld. I 115 ff.. Müller de tripode Del- 
pkico, dies. Götting. 1820, Wieskleb Ab- 
hndlgg. der Göttinger G eselisch, der Wisssch. 
Bd. XV 221 ff. 

6) Find. Pyth. IV 4 mit Schol. Pyth. VII 
134, VIU 85, Aisch. Sept. 747, Abbildung 
bei RocHETTB mon. inöd. T. 37^ vgl. Bötticher 
Omphalos, Berlin 1859 S. 8. 

•) Diod. XVI 30 flf. 

') Diod. XVI 26. 

•) Eom. 38, vgl. Eur. Ion 1339. 

») Plut. De def. or. 51, De Pyth. or. 22. 



**) Vgl. Plut. Quaest. graec. 9, A. Momm- 
8EN Delph. 18 f. 

* *) De def. or. 9, Quaest. gr. 9. 

»^) Plut. Alex. 14. 

'») Vgl. Eur. Ion. 421, Plut. De def. 
or. 51. 

»*) Schol. Eur. Phoin. 230. 

»^) Plut. De Pyth. or. 24. 

'°) Luk. bis accus. 2. 

'') Plut. De def. or. 49, cf. Herod. Vlll 30, 

^8) S. GöTTLiNo Ges. Abhndlgg. H 59. 
u. vgl. Carapanos a. a. 0. p. 36 ff., Frage- 
täfelchen von Dodona. 

>») Herod. I 07, Plut. Kim. 18. 

20) Aisch. Eum. 32. 



52 A. Die griechischen Soltnsaltertümer. 

nicht einem von ihnen das Recht der ngoiiavteia^ des Vortritts, zustand.*) 
Durch die gasartigen Ausdünstungen, die aus dem Schlünde aufstiegen, 
wurde die Pythia in Ekstase versetzt und sprach nun mehr oder weniger 
zusammenhängende Worte, die dann von den Propheten in oft recht schlechte 
Hexameter, 2) später auch in andere Versmasse ^) gebracht und den Fragen- 
den mitgeteilt wurden. Bisweilen wurden die Autworten auch in prosa- 
ischer Form gegeben.*) Oft muss sich die Pythia in einem Zustande be- 
funden haben, der sie unzurechnungsfähig machte,^) und die Priester mussten 
dann sehen, was sie aus ihi*en Worten und Ausrufen machen konnten. Ab- 
sichtlicher Betrug aber wurde gewiss selten verübt. Vereinzelte Fälle kamen 
ja vor,^) und einmal hören wir sogar, dass eine Pythia abgesetzt wurde, 
weil sie bestochen ein falsches Orakel gegeben haben sollte,^) aber im all- 
gemeinen haben in der Blütezeit des Orakels sicherlich die Pythia wie die 
Priester selber geglaubt, dass der Gott durch sie spräche, und wenn die 
klugen Männer, die meistens auch über die Verhältnisse der Fragenden 
wohl unterrichtet gewesen sein werden, auch alle Vorsicht anwandten und 
gern dunkel und zweideutig blieben,^) wo sie ihrer Sache nicht sicher waren, 
so wäre doch das ungemeine Ansehen, dessen sich das Orakel Jahrhunderte 
lang erfreute, gar nicht zu erklären, wenn man häufigen Betrug voraus- 
setzen wollte. Lysander machte in Delphoi, Dodona und bei dem ammoni- 
schen Orakel Bestechungsversuche, aber überall wurde er abgewiesen und 
schliesslich verraten,®) und aus dem Vorwurf des erbitterten Patrioten De- 
mosthenes r] Ilvd^ia (piXinni^ei^^) dürfen wir auch noch auf keine Unred- 
lichkeit schliessen.**) Manche Verdächtigung ist gewiss auf die Sonder- 
interessen und den Partikularismus der griechischen Stämme zu schieben, 
denen gegenüber Delphoi gewissermassen international oder neutral war,*^) 
aber freilich änderten sich ja auch die Zeiten und mit ihnen die Autorität 
des Orakels. 

Der Einfiuss von Delphoi ist zwar von neueren zum Teil überschätzt und 
auch auf Dinge ausgedehnt worden, mit denen das Orakel nichts zu thun 
hatte, *•"*) doch ist er in der That ausserordentlich gross gewesen.**) Ohne den 
Rat des Gottes pflegte man keine Kolonie auszusenden,^^) die berühmtesten 
Gesetzgebungen wurden auf seine Einwirkungen zurückgeführt,^^) die wich- 
tigsten politischen Fragen durch die Aussprüche der Pythia entschieden^^*) 
vor allen Dingen aber holte man seinen Rat und seine Bestimmungen in 
religiösen und auf den Kultus bezüglichen Fragen ein^^). Auch im Auslande 



») Vgl. Herod. I 54, Plut. Perikl. 21, 

DiTTKNBEBGEK Syll. 323, 8. 

^) Vgl. Plut. De Pyth. or. 5. 
») Cic. de div. II 5(3 §116.^ 
*) Plut. tjsqI tov firj X9^^ tfifistga vvv 
jijv llv9ltty, Schol. Thuk. II 8. 
">) Plut. De def. or. 51. 
«) Vgl. z. B. Herod. V 63. 
•) Ilerod. VI (>6. 
8) Vgl. Cic. de div. II 56. 
») Diod. XIV 13, Plut. Lys. 25. 



»«) Vgl. SCHOEMANN Gf. A. II 46 f. 

>^) Vgl. Beknhabdy Griech. Litgescb. 
I 398. 

^*) Vgl. Schoemann Gr. A. II 43 ff.. 
Preller in Pauly's Realenc. II 907 f. 

'^) Cic. de div. I 1, Herod. V 42. 

>«) Plato Leg. I Anf. Plut. Sol. 14, Schol. 
Pind. Ol. X 17. 

") Herod. VI 52, Paus. UI 1, 5, Plut 
Arist. 11. 

") Xen. Mem. I 3, 1, Plat. Leg. VI 739c; 



>«) Plut. Dem. c. 20, Cic. de div. II 57 j Paus. VI 9, 3; X 10, 1, Dittenb. SvU. 13, 4; 
§118. i Bull, de corr. hell. XIII Eleus. Inschr. 434 ff. 

^<) Vgl. Döhler a. a. 0. 15 ff. j ZI. 47, vgl. Jacobs verin. Schrr. III 355 ff. 



2. Die EnltaBbeamten. (§ 48—49.) 53 

war das Orakel früh berühmt. Schon König Midas von Phrygien soll es 
befragt haben, Gyges von Lydien sandte Geschenke,') Alyattes schickte 
hin,') und Kreises wandte sich wiederholt mit Anfragen nach Delphoi, 
stiftete unglaubliche Schätze in das Heiligtum und beschenkte auch die 
Priester.^) Aber auch nach dem Westen hin war sein Ruhm gedrungen. 
Das etruskische Caere hatte eine eigene Schatzkammer in Delphoi,^) Tar- 
quinius Superbus schickt« seine Söhne hin,^) Q. Fabius Pictor führte eine 
ganze Gesandtschaft hin,*) und noch Cicero befragte es.') Unter Nero, der 
über dem heiligen Schlund Menschen schlachten liess,^) stellte das Orakel 
eine Zeitlang seine Thätigkeit ein, ganz verstummt scheint es erst unter 
Konstantins Regierung zu sein.^) 

48. Neben diesen drei bedeutendsten gab es nun noch zahllose andere 
Orakel, deren Ansehen sehr verschieden war, vor allem in Boiotien und 
an der kleinasiatischen Küste. Eins der berühmtesten war das Apollonorakel 
zu Didjrmoi bei Milet, nach der Familie, in deren erblichem Besitz es sich 
befand, gewöhnlich das Branchidenorakel genannt '^) (Abbildung des Tempels 
Taf. n Fig. 1). Auch hier weissagte eine Priesterin, nachdem sie sich aus 
einer Quelle Begeisterung getrunken, und ein Prophet teilte ihre Aussprüche 
den Fragenden mit. ^ ^) Es wird auch unter den Orakeln genannt, die Kroisos 
beschickte, '') und noch Seleukos sandte reiche Gaben hin.^^) 

Auch das klarische Orakel bei Kolophon^^) und das zu Patara in 
Lykien**) zählen zu den bedeutenderen. — Im eigentlichen Griechenland ist 
dann besonders noch das Apollonorakel zu Abai in Phokis zu nennen, an 
das sich auch bereits Kroisos gewandt hatte, ^*) und das sich durch seine 
Reichtümer und Weihgeschenke auszeichnete; >') femer das des ptoischen 
Apollon bei Akraiphia in Boiotien,*^) eines zu Tegyra bei Orchomenos,'*) und 
das des ismenischen Apollon zu Theben. ^^) In Argos gab es im Heiligtum 
des Apollon Deiradiotes eine Wahrsagerin, die sich durch den Genuss von 
Opferblut in Ekstase versetzte. '0 — ^^^ andern apollinischen Orakel, die 
uns noch genannt werden, haben wohl nur eine lokale Bedeutung gehabt, 
und es ist überflüssig, hier Namen zu häufen, denn mehr als die Namen 
wissen wir von ihnen nicht.**) 

49. Sehen wir zum Schluss noch, welcher Art die Fragen waren, die 
man diesen Orakeln vorzulegen pflegte. Es wäre ganz verkehrt, zu glauben, 
dass sie nur von Staaten und Königen in wichtigen politischen oder in An- 
gelegenheiten des Kultus zu Rate gezogen wurden. Selbst das Orakel von 



>) Herod. I 13 f. 

^ Herod. I 19. 

>) Herod. I 46 ff. 

*) Strabo V 220. 

») Liv. I 56. 

•) Liv. XXII 57, XXIU 11. 

') Flui Cic. 5. 

») Cass. Dio LXm 14. 

•) Vgl. 6. WoLFP de nov. or. aet. p. 9. 

'•) Herod. VI 19, Paus. VII 2, 4, vgl. 
Gelzeb de Branchidis, Schoekborn über d. 
Wesen des Apollon und die Verbreitung seines 
Dienstes, Berl. 1854. 



»») Herod. I 46. 

«3) CIG. 2852. 

»*) Strabo XIV 642, Paus. VII 3, 1, Tac. 
ann. II 54. 

«*) Herod. I 182; Paus. IX 41, 1. 

»•) Herod. I 46. 

'') Herod. VIII 33. 

»8) Herod. VIH 135; Paus. IX 23, 3. 

»») Plut. De def. or. 5, Pelop. 16. 

2<>) Herod. I 52, V 59 ff. Paus. IX 10. 

»») Paus. II 24, 1. 

^^) Eine kleine Sammlung s. bei Schoe- 
MANN Gr. A. II 323 ff., vgl. auch Lebeque in 



>») Jamblich. De myst. HI 11. ; d. Revue arch^l. VH (1886) 245 ff. 



54 A. Die griechischen EoltuBaltertümer. 

Delphoi wird verhältnismässig wenig mit solchen Fragen zu thun gehabt haben. 
Dass die Schriftsteller von ihnen häufiger sprechen, und die hierauf bezüg- 
lichen Antworten des Orakels sich im Gedächtnis erhielten, liegt nur daran, 
dass dies eben wichtige Sachen von allgemeinem Interesse waren. ^) Ge- 
legentlich aber erfahren wir doch auch, mit welchen Anliegen sich Privat- 
personen an die Orakel zu wenden pflegten, und zwar auch an die bedeu- 
tendsten zu einer Zeit, wo sie im höchsten Glanz standen. Chairephon 
fragt in Delphoi, ob es einen Weiseren gebe als Sokrates,^) Xenopfaon, 
welchen Göttern er opfern solle, um aus dem Feldzug, den er mitzumachen 
beabsichtige, wohlbehalten und glücklich heimzukehren, 3) Glaukos, ob er 
ihm anvertrautes Geld, dessen Veruntreuung nicht nachzuweisen wäre, zu- 
rückerstatten solle, ^) bei dem Branchidenorakel wird angefragt, ob man einen 
fremden Flüchtling, der sich im Vertrauen übergeben habe, ausliefern dürfe,*) 
die merkwürdigsten Fragen aber haben sich auf den Bleitäfelchen, die man 
bei den Ausgrabungen in Dodona gefunden hat, erhalten.^) Da erkundigt 
sich einer, ob das Kind, mit dem seine Gattin schwanger gehe, auch wirk- 
lich von ihm sei,^) ein anderer, wer ihm seine Polster gestohlen habe,^) ein 
dritter, ob es ihm Gewinn bringen würde, wenn er Schafzucht triebe,^) eine 
Frau, welchen Göttern sie opfern müsse, um zu genesen, 'o) Eltern, ob es besser 
für ihr Kind wäre, wenn sie es so oder so mit ihm machten^*) u. s. w. 
Wenn die bedeutendsten Orakel sich herbeiliessen, auf solche Fragen Ant- 
wort zu geben, so kann man sich denken, dass die kleineren wohl selten 
in wichtigeren Angelegenheiten angegangen sind. Dass man ein Orakel, 
welches eine ungünstige Antwort gegeben hatte, sogleich darauf noch ein- 
mal dringender und um besseren Bescheid flehend befragte, kam wohl nur 
in verzweifelten Fällen vor.^^) 

50. Aber auch an den Orakelstätten gaben die Götter nicht bloss 
durch Zeichen und Worte ihren Willen zu erkennen, sondern auch durch 
Träume. Solche Traum orakel werden hauptsächlich von Kranken auf- 
gesucht, die im Schlaf die Weisungen und Verordnungen des Gottes em- 
pfangen. Das berühmteste dieser Orakel war das des Asklepios zu Epi- 
dauros in Argolis, wo sowohl der Reichtum des Tempels wie die zahllosen 
Stelen, die den Namen, die Beschreibung des Heilverfahrens und den Dank 
des Genesenen enthielten, von dem Glanz und dem Zuspruch des Heilig- 
tums zeugten.***) Zwei von den sechs Tafeln, die im Heiligtum aufgestellt 
den Pilgern die bedeutendsten Wunderkuren verkündigten, sind vor kurzem 
aufgefunden worden **) und unterrichten uns genau von dem dort üblichen 
Heilverfahren. Der Tempel hat einen eigenen Schlafraum. Dort hat nun 



^) Über die grosse Zahl der Kultusorakel 
s. PoMTOw in d. Jahrb. f. Phil. 1883 S. 358 f. 
') Plato Apol. V § 21. 
•') Xen. Anab. III 1, 0. 
*) Uerod. VI 86, vgl. v. Wilamowitz 



7) Carapanos S. 75 PI. 36 n. 2, 

8) S. 75 PI. XXXVI n. 1. 
^) S. 80 PI. XXXVIII. 
'«) S. 73 PI. XXXV n. 1. 
»») S. 79 Pi. XXXVII n. 8. 



Isyllos 13 f. ' '2) Vgl. Herod. VII 141. 

^) Herod. I 157 flf. '^j p^us. II 27, 2 f., Strabo VIII 374. 

^) PoMTow Die Orakelinschriften von Do- '*) Ephemeris archaiol. 1883 S. 197 ff., 

dona, Jahrb. f. Phil. 1883 S. 305 ff. u. Cara- 1885 S. 1 ff.. 85 f., vgl. v. Wilamowitz im 

PANos a. a. 0., vgl. Robert im Hemies XVIII Hermes XIX 448 ff.. Zacher im Hermes XXI 

466 ff. i 467 ff., DiELS in Nord und Süd Bd. 44 S. 29 ff. 



2. Die EnltaBbeamien. (§ 50.) 



55 



der Kranke gewöhnlich einen Traum, der ihm irgend ein Operationsver- 
fahren zeigt, das mit ihm vorgenommen wird. Am Morgen erwacht er 
und ist gesund. Viele der beschriebenen Fälle lassen keinen Zweifel da- 
rüber, dass während der Nacht an dem Bewusstlosen wirklich eine Operation 
vollzogen ist. Einige Schilderungen sind übertrieben und ausgeschmückt, 
die meisten erlogen. Die religiösen Zeremonien und die Vorbereitungen 
zur Inkubation werden von den Priestern vorgenommen, die Operationen 
selbst von den heilkundigen Asklepiaden, also Ärzten, vollzogen. Die 
Träume werden natürlich den Priestern mitgeteilt; in späterer Zeit erhalten 
die Kranken daraufhin ärztliche Anweisungen und Verordnungen, und die 
Kuren sind dann auch nicht mehr so wunderbar; die völlige Heilung findet 
nicht mehr in der Inkubationsnacht selbst statt, sondern die Behandlung 
dauert längere Zeit, und wiederholt geben neue Träume die neu anzuwen- 
denden Mittel an. Eine ziemlich umfangreiche Inschrift aus Hadrianischer 
Zeit schildert uns eine solche Heilung in ihrem ganzen Verlauf, und zwar 
keine ganz unsinnige Wunderkur, wie wir sie ausser in den erwähnten In- 
schriften bei Aelius Aristides zur Genüge beschrieben finden, i) Der geheilt 
Entlassene bekennt dankerfüllt, dass alle ihm im Traum verordneten Mittel 
trefflich gewirkt und seine Gesundheit wiederhergestellt hätten. Die Honorare 
waren oft sehr bedeutend, und der Gott wusste dafür zu sorgen, dass er 
nicht darum betrogen ward.*) — Ähnlicher Heiligtümer gab es sehr viele 
in Griechenland.') Nächst dem Epidaurischen waren die angesehensten das 
zu Trikka in Thessalien, das zu Kos und besonders das Pergamenische. — 
Auch Traumorakel anderer Gottheiten^) werden erwähnt, die ebenfalls von 
Kranken konsultiert wurden, aber sicherlich nur lokale Bedeutung gehabt 
haben. *'^) — Dann gab es aber auch Traumorakel, an die man sich auch 
mit andern Anliegen wandte. Ein solches war das des Amphiaraos zu 
Theben, wo einst der Seher von der Erde verschlungen sein sollte,^) welches 
später (um 420 etwa) nach Oropos verlegt wurde.') Kroisos®) und Mardonios ^) 
liessen es befragen, und Hypereides ^^) erwähnt einen Fall, wo ein im Tempel 
schlafender Bürger Offenbarungen über die Zugehörigkeit eines strittigen 
Stück Landes, das neben dem Tempelbezirk lag, abwarten musste. Philo- 
stratos^i) beschreibt uns die Vorbereitungen und Bräuche, denen sich die 
Orakelsucher zu unterziehen hatten. Vor der Inkubation mussten sie dem 
Amphiaraos einen Widder opfern und auf dem Felle schlafend das Traum- 
gesicht erwarten. Aus einer kürzlich in Oropos gefundenen Inschrift aus 
dem Anfang des vierten Jahrhunderts v. Chr. erfahren wir, dass in dem 
Schlafraum die Männer und Weiber gesondert östlich und westlich von dem 



^) V. WiLAMOWITZ I^lloS 116 ff., Vgl. 

auch das in Aristophanes rlutos geschilderte 
Verfahren 

«) Paus. X 38, 1 u. DiBLs a. a. 0. 34 f. 

») Vgl. ScHOKMAiw a. a. 0. 332 ff., G. 
Kbüoeb Theologumena Patisaniae, Leipzig 
1860 p. 46, Yebcoutre in der Revue archöol. 
VII (1886) 22 ff., 106 ff., Röscher Myth. Lex. 
1884 S. 626 f. 

*) Wohl auch nur chthonischer (vgl. 
V. WiLAMOWITZ Isyllos 96) : Dionysos, Pluton. 



5) Paus. X 33, 5, Strabo XIV 649, 650. 

^) Prelleb Oropos und das Amphia- 
reion, Ber. d. kgl. sftchs. Ges. d. Wiss. 1852 
S. 168 ff. 

DiTTENBERGER iud. loct. Hai 1888/89 
IV ff. 

8) Herod. I 46. 

«) Herod. VIII 134. 

»«) Pro Euxenipp. XXVII f. Blass. 

»') Vita Apoll. T. II 37. 



56 



A. Die griechischen EultoBaltertüiner. 



Altar lagen. In Thalamai in Lakonien hatte Pasiphae einen Tempel,^) in 
dem auch die spartanischen Ephoren Traumoffenbarungen empfingen, und 
noch einige andere werden uns genannt.^) — Eigentümlich und vielleicht 
einzig in seiner Art war das Orakel des Trophonios in Lebadeia in Boiotien, 
das uns Tansanias, der es selber besucht hat, sehr ausführlich beschreibt.^) 
Schon mehrere Tage ehe der Fragende zu dem eigentlichen Orakel zuge- 
lassen wurde, musste er Opfertiere darbringen, deren Eingeweide von einem 
ficcrtig untersucht wurden ; am Abend vorher wurde ein Widder geschlachtet, 
dessen Blut man in eine Grube hinabströmen Hess. Fiel auch dies Opfer 
günstig aus, so trank der Betreffende aus den Quellen des Yergessens und 
der Erinnerung und wurde, mit einem linnenen Gewand angethan, nach der 
Orakelstätte geführt. Aus einer gemauerten Vertiefung stieg er durch eine 
Öffnung auf einer Leiter in einen noch tiefer gelegenen Raum, legte sich 
auf den Boden, schob die Füsse durch ein Loch und wurde darauf schnell 
und gewaltsam in das innere Adyton hinabgerissen. Hier sah er allerlei 
wunderbare Erscheinungen, auch Tiere und Schlangen, denen er mitge- 
brachte Honigkuchen vorwarf, mancher vernahm auch eine Stimme, und 
mit den Füssen voran wurde er durch dieselbe Öffnung, durch die er ge- 
kommen war, auch wieder nach oben gezogen. Die Priester fragten dann 
den halb Bewusstlosen, was er gesehen und gehört habe. Auch dies Orakel 
entbehrte nicht des Ansehens; Eroisos beschickte es, wie alle andern be- 
rühmten griechischen Orakel,^) und im nächsten Jahrhundert befragte es 
Mardonios,^) ja es scheint sich ganz besonders lange erhalten zu haben. 7) 

51. Es bleiben uns noch übrig die Totenorakel {vsxQOfiawfTa^ 
xpvxo(AavT€Ta^ xpvxonofxnsTa,)^) — Eine Andeutung oder Spur davon schon 
in der Odyssee zu erblicken, sind wir nicht berechtigt. Lobeck ^) hat ganz 
recht, dass Odysseus nicht selbst hätte in die Unterwelt hinabzusteigen 
brauchen, wenn er ein Totenorakel hätte befragen können. — Ein Toten- 
orakel des Teiresias, von dem wir hören, *<^) scheint von den erwähnten 
Traumorakeln nicht sehr verschieden gewesen zu sein. Bekannter ist ein 
thesprotisches bei Kichyros,*^) das Periander einmal befragt haben soll,**) 
und eines zu Herakleia am Pontes, an das sich König Pausanias wandte^ i^) 
sodann eines am Vorgebirge Tainaron in Lakonien, ^^) wo es auch einen 
Eingang zur Unterwelt geben sollte.**) Am bedeutendsten von allen war 
vielleicht das Totenorakel am Avernischen See bei Kumae, wo Priester 
nach allerlei Gebeten und Opfern die gewünschte Seele zitierten, die dann 
auch Rede stand. *^) — Dass ausserdem Geisterbeschwörer überall den Aber- 
gläubischen die Seelen Verstorbener herbeizuführen vermochten, bedarf kaum 
der Erwähnung. 



') V. WiLAMowiTz Hermes XXI 91 ff. 
2) Flut. Kleora. 7, vgl. Paus. III 26, 1. 
^) ScHOEMANN a. a. 0. 335 f. 
*) IX 39. 
*) Herod. I 46. 
«) Herod. VHI 134. 

') Flut. De def. or. 5, vgl. Schoemann 
Gr. A. II 340. 

«) NlTZSCH Z. Od. III 152, VöLCKER Allg. 



Schulztg. 1831 S. 1166. 
») Agl. 316. 

»^) Flut. Do def or. 44. 
»') Faus. IX 30, 3; I 17, 5. 
^2) Herod. V 92. 
^») Flut. Kim. 6. 

'*) Flut. De sera s. num. vind. 17. 
'">) Fru8. m 25, 4. 
") Strabo V 244, Diod. IV 22. 



2. Die EaltoBbeamten. (§ 51.) 8. EaltaBhandlangen. (§ 52.) 



57 



3. Kultushandlungen. 

a. Das Gebet. 

Litteratur: E. v. Lasaulx Studien des klassischen Altt 137 ff., Hebmann G. A. § 21, 
ScHOEMANN Gr. Altt' II 257 ff., Nabgelsbach Homer. Theol. 185 ff., Nachh. Theol. 212 ff., 
L. Schmidt Ethik der Griechen II 30 ff., Dabembebo et Saglio Dictionnaire u. adoratio I 80 ff. 
(mit vielen Abbildungen), Voihllieme Quomodo veteres adoracerint, Hall. Diss. 1887 (über 
die Geberden der Betenden), 0. Gbuppe Die Griech. Kulte u. Mythen, Leipzig 1887 I 559 ff. 

52. Das Gebet spricht eine Bitte aus oder einen Dank für irgend 
etwas Gutes, das man empfangen hat, oder es ist eine zur Formel gewordene 
Äusserung, mit der man gottesdienstliche Handlungen begleitet. Die Bitt- 
gebete sind die häufigsten, und sie werden vorzugsweise, fast ausschliess- 
lich, durch den allgemeinsten Ausdruck für Gebet: svxi] bezeichnet. ^ Eine 
Danksagung oder vielleicht richtiger Lobpreisung heisst ijiaivogJ) — In den 
homerischen Gedichten finden sich Dankgebete kaum; beim Opfer wird 
von den Frauen der herkömmliche Ruf {oXoXvyiAog) ausgestossen, oder der 
Gott wird durch Gesänge gefeiert;^) hat man zu danken, so knüpft sich 
wohl auch daran gleich wieder eine Bitte. ^) Die Bittgebete selbst haben 
etwas formelhaftes, was sich nicht nur in dem so häufig wiederkehrenden ^) 
,Wenn doch Vater Zeus und Athene und Apollon'' zeigt, sondern auch in 
ernstlich gemeinten Gebeten.^) Innigkeit, das Bestreben, den Gott zu rühren, 
der Ausdruck des Vertrauens und der getrösteten Hoffnung findet sich 
nirgends; statt dessen überall der möglichst ausführliche^) Anruf des 
Gottes, oftmals eine Erinnerung an die stets reichlich dargebrachten 
Opfer,®) die kurze bestimmte Bitte und zum Schluss häufig ein Gelübde für 
den Fall der Erhörung. ^) Die Götter sind ein Bild des Menschen: herz- 
liche Dankesworte für geleistete Hilfe hätten damals keinen befriedigt, 
und die Aussicht nur darauf schwerlich einen zum Helfen veranlasst; hätte 
jemand seine Bitte aber nicht mit einer ehrfurchtsvollen Anrede, die Ahnen 
und Würden des Gebetenen gebührend berücksichtigte, beginnen wollen, 
so wäre ihm dies sehr verdacht worden. Mit dieser Vorstellung von den 
Göttern hängt zusammen, dass man laut betete. ^^) Auch später behalten 
die Gebete etwas wenn nicht formelhaftes, so doch offizielles, wie man 
namentlich auch aus Aristophanes ersehen kann.^^) Freilich würde eine 
andere Zeit, wenn sie nur Fragmente unserer gedruckten Gebete über- 
kommen hätte, über diese auch nicht viel anderes urteilen, und dass auch 
die Hellenen anders beten konnten, zeigt das Gebet des Sokrates,^^) das 
des Chors in Aischylos Agamemnon ^^) und manches andere. ^'^) 

Ohne Gebet pflegte man keine wichtigere Handlung zu beginnen. ^^) 
Der Redner rief die Götter an,*®) die Volksversammlungen und Gerich ts- 



') Piaton Leg. VII 801. vgl. 415 B. 

«) Aristoph. Plut 745, Xen. Symp. IV 49. 

') A 472 ff. 

*) A 451 ff!, y 356 ff. 

*) B 371, J 288, H 132, U 97, rj 311, 
<F 235, w 376. 

«) Vgl. das xXv&i fABv ß 262, cf 762 u. s. w. 

') Vgl. n 233 ff., A 451 ff., r 275 f. 
u s w 

' «)' 372 ff., (f 763 f., Q 240 ff. u. s. w. 



9) Z 308 f. u. s. w. 

»0) Vgl. H 195. 

^') Vgl Lvsist 833, wo der Anklang an 
Homer jedenfalls absichtlich ist, Nub. 563 ff., 
Thesm. 1136 ff., Equ. 551 ff. u. s. w. 

'•') Xen. Mem. I 3, 2. 

") 160 ff. 

'*) Vgl. Plato Alkib. II 143 A. 

") Vgl. Hes. Erg. 339. 

'*) Vgl. Demosth. ne^l aretp, Anf. 



58 ^ ^10 griechisohen Ealtasaltertümer« 

Verhandlungen wurden mit Gebet eröffnet, die Festfeiem damit einge- 
leitet. 

An welche Gottheit man sich in seinem Gebet wandte, hing zumeist 
davon ab, worum man bat, denn die Machtsphären und Wirkungskreise 
der Götter waren verschieden, und nicht von jedem war die Erf&llung 
einer bestimmten Bitte zu erwarten. Sehr oft aber bestimmte auch die 
Nähe eines Heiligtums, des Meeres oder irgend ein zufälliges Begegnis 
den Betenden, diese oder jene Gottheit anzurufen;^) bisweilen muss erst 
ein Orakel^) oder ein Seher*) Auskunft geben, an welchen der Himmlischen 
man sich zu wenden habe. — Vor dem Gebet pflegte man sich die Hände 
zu waschen*^) oder auch reine Kleider anzulegen,^) häufig bekränzte man 
sich oder nahm Zweige in die Hand, die man mit Wolle zu umwinden 
pflegte.^) — Das Gesicht wandte man nach der Richtung, in der man die Gott- 
heit vermutete,^) im Tempel also nach dem Götterbilde. Betete man zu den 
obern Gottheiten, so erhob man die Hände zum Himmel,^) die innern Hand- 
flächen nach aussen, also von sich selbst abgewendet*®) (Taf. IV Fig. 1); 
einem Altar oder Götterbilde gegenüberstehend pflegte man jedoch nur die 
rechte Hand zu erheben (Taf. IV Fig. 2; Taf. I Fig. 2); betete man zu 
Meeresgottheiten, so streckte man die Hände der sich vor einem aus- 
breitenden Fläche entgegen ; * *) bei Anrufung der Unterirdischen kniete oder 
setzte man sich auf den Boden und stemmte die Hände auf die Erde*^) 
oder stampfte wohl auch mit dem Fusse,*^) um die Aufmerksamkeit des 
Gottes zu erregen. Sonst war das Niederwerfen oder Niederknieen selten,") 
man betete in der Regel stehend und mit unbedecktem Haupte.*^) Auch 
war es üblich, Götterbildern oder Heiligtümern im Vorbeigehen durch Zu- 
werfen einer Kusshand seine Verehrung zu bezeugen {jiQoaxvvsTv).^^) 

53. Zu den Gebeten gehören auch die im Kultus eine so grosse 
Rolle spielenden Hymnen,*^) die je nach den Gelegenheiten, bei denen 
sie vorgetragen, oder nach den Göttern, denen sie gesungen wurden, 
verschiedene Namen hatten. nQoaodta heissen die Prozessionslieder, die 

*) Vgl. Xen. Oikon. VI 1, Antiphon VI | Betender und Gelobender. Diese erheben 

den Oberarm nur ein wenig, der Unterarm 
ist halb in die Höhe, halb nach vom ge- 
streckt, die Hand dem Götterbilde oder Altaxe 
zugewendet. Nach Voullieke 18 ff. 

*') J 351 und mehr bei Voullieme 24. 

'2) l 568, Hymn. in Apoll. 333 (155 
Baum.), vgl. Aisch. Fers. 674 ff. 

^3) Cic. Tusc. II 55. 

»*) Vgl. Theophr. Char. 16, aber auch 
die Reliefs bei v. Sybel Katalog der Skulp- 
turen etc. n. 342 u. 1108 und Müller- Wie- 
seler Taf. 62 n 794. 

»5) JI 231, W 194, y 185, Find. Nem. V 
19, Herod. I 31, Flut. Quaest. Rom. 10, vgl. 
Marquardt Rom. Alt. IV 468, Voullieme a. 
a. 0. 7 f. 



45, Arrian de vonat. 34. — S. L. Schmidt 
Ethik 11 31 f. 

'') Vgl. L. Schmidt Ethik II 34 f. 

3) Xen. Anab. III 1, 6. 

*) Theophr. Char. 16. 

*) ß 261, U 230. 

«) rf 750, Q 48. 

') Flut. Thes. 18, Schol. Aristoph. Flut. 
383 u. s. w. 

») « 364, n^ 143. Herod. IX 61. 

^) il 301, Z 257, t 294, Aisch. Sept. 156, 
Eur. El. 592 u. s. w. Vgl. Conze Jahrb. des 
D. Arch. Inst. I (1886) 12, ferner — auch 
für das Folgende — Sittl in den Verh. der 
Fhilologenversamml. in Zürich 1888 S. 50 ff. 
u. besonders Voulueme a. a. 0. 18 ff., 24 ff. 

*") Vgl. Daremberg u. Saolio Dict. a. | *•) Luk. De saltat. 17, Apul. Apol. p. 301, 

a. 0., Furtwaengler Jahrb. des D. Arch. ! vgl. Böttiger Kunstmythol. 152, Voullieme 11, 



Inst. I 218. Zu der hier abgebildeten Gemme 
vgl. aber Heydemanx Jahrb. des D. Arch. 
Inst. 111 1>88 S. 149. Übrigens ist wahrschein- 
lich zu unterscheiden zwischen den Geberden 



Abbildung bei Schreiber Kulturhist. Atl. XIV 3. 
") Flato Leg. 111 700, Frokl. bei Fhot. 
bibl. 985 Hoesch., vgl. Hom. hymn. in Apoll. 
149, Paus. X 7, 2. 



8. EoltiiBhandlangen. (§ 53 -54.) 



59 



man auf dem Wege zum Tempel zu singen pflegte, vTtoQxrjfiaTa Lieder, 
die mit entsprechenden Bewegungen des Körpers, also einer Art Tanz be- 
gleitet wurden. Am häufigsten wird der Paian erwähnt, ein Name, der 
ursprünglich ein dem Apollon und der Artemis heiliges Lied bezeichnet, 
dann aber auch auf Lieder, die beim Trinkgelage vorgetragen wurden,^) 
und vor allem auf Schlachtgesänge ausgedehnt wird.^) Der diO^vqafxßog^ 
ursprünglich ein bei Dionysosfesten gesungenes Kultuslied, bezeichnete später 
auch andere in freieren Rhythmen sich bewegende Gesänge. lovXog ist ein 
Lied für Demeter, die Spenderin voller Garben, ovniyyog für Artemis') u. 
s. w. Wahrscheinlich besass jeder Tempel seine besonderen Hymnen, die 
nicht bloss altertümliche Texte gehabt haben werden, sondern auch ihre 
bestimmten Melodien (i'djuoe).^) Begleitet wurden die Gesänge namentlich 
mit Kitharaspiel, das vor allem im apollinischen Kultus üblich war, und 
mit der Flöte, die wiederum im Dionysoskult beliebt war. Die Ausbildung 
von Chören zum Hymnengesang war daher eine religiöse Verpflichtung des 
Staates, und die (S. 37) besprochene Inschrift aus Stratonikeia^) zeigt uns, 
welche Sorgfalt darauf verwendet wurde. Erhalten ist uns von Gesängen 
dieser Art sehr wenig,®) denn weder die orphischen noch die homerischen 
Hymnen sind liturgische Gesänge, und der Hymnos des Philosophen Kle- 
anthes auf Zeus^) ist eine Art Mustergebet, das praktisch nie zur Ver- 
wendung kam. 

b. Der Finch. 

Litteratur: Hermann G. A.* § 22 Anf., cf. § 9. Schoemann Gr. A.» II 265 ff., v. La- 
8AULX Studien des klass. Altt. 159 ff, Naeoelsbach Nachhom. Theo!. 350 f., L. Schmidt 
Etiiik I 83 ff., Newton Die griech. Inschriften, übers, v. Imelmann 83 ff., 90 f. 

6i. Ein Gebet ist auch der Fluch {aqd xardga snaQce),'^) Man fleht 
von den Qöttem Strafe oder Vernichtung auf das Haupt eines Feindes 
oder Übelthäters herab, und zwar unbedingt, wenn die That, derentwegen 
der Betreffende verwünscht wird, bereits begangen ist, oder bedingt, d. h. 
also für den Fall, dass jemand eine solche That sich zu Schulden kommen 
lassen würde. Diese Verwünschungen können von einzelnen oder von 
ganzen Gemeinden und Staaten ausgesprochen werden. In Athen fluchte 
ein Priester aus dem Geschlecht der Buzygen dem, der einem andern die 
einfachsten Dienste der Nächstenliebe versagen oder einen Toten unbeerdigt 
liegen lassen würde, ^) der Herold in seinem Gebet vor Eröffiiung der Volks- 
versammlung den Vaterlandsverrätern,*^) und ähnliche Beispiele finden sich 
in anderen Staaten.**) Wie hier die Drohungen gegen etwaige Verletzer 
der natürlichen Menschenrechte oder der bestehenden Gesetze gerichtet 



') Xen. Symp. II 1. 

«) Xen. Efell. II 4, 17; IV 2, 19; vgl. 
Thnk. VI 32 u. s. w. 

») Athen XIV p. 619 B. 

*) Vgl. Aristot Pol. V (VIIIJ 7 p. 1341b, 
Plut. De mus. 6. 

*) CIG. 2715. 

^) 8. das kürzlich aufgefundene Prozes- 
sionslied des Isyllos von Epidauros auf Apollon 
und Asklepios, v. Wilamowitz Isyllos 13 flf., 
Kaibel Epigr. gr. 1025—1032, vgl. Welcker 
opusc. II 271 u. WEiaoEB das Kollegium der 



16 Frauen Progr. Weimar 1883 S. 8. 

^) Frgm. phil. Gr. ed. Mullach I 151. 

^) Ob man z. B. q 494 ff. als Gebet oder 
Fluch bezeichnen sollte, wäre schwer zu ent- 
scheiden. Der Ausdruck «^«, agätsi^ai kann 
eben auch beides bedeuten. Vgl. x ^^'^* 

9) Diphil. bei Athen. VI 35 p. 238, Schol. 
Soph. Ant. 255. 

»") Isokr. Panog. 42 § 157, cf. Aristoph. 
Thesmoph. 337, 365 u. Plut. Arist. 10. 

>») Vgl. CIG. 3044, 3059, 2691, Ditten- 

BERGER Syll. 364. 



60 A. Die griechischen Knltasalteritlmer. 

werden, so spricht man Verwünschungen auch gegen Übelthäter aus, deren 
man nicht habhaft werden kann. So wurde Alkibiades feierlich von den 
Priestern verflucht/) und als er dann wieder in das Vaterland zurück- 
kehrte, wurde dieser Fluch zurückgenommen {a(po<n(odijvai).^) Ungleich 
häufiger waren natürlich die Verwünschungen, mit denen beleidigte oder 
geschädigte Privatpersonen ihre Feinde verfolgten. Um den Fluch wirk- 
samer zu machen, grub man ihn in Form einer Dedikation in ein Täfelchen, 
meist aus Blei,*"^) das man dann in der Wohnung des Verfluchten vergrub 
oder an einer den unterirdischen Gottheiten geweihten Stätte verbarg.^) 
Newton hat eine Anzahl solcher Täfelchen in einem der Demeter Persephooe 
und dem Hades heiligen Bezirk in Knidos gefunden.^) Diebe, Untreue, 
Verleumder werden darauf der Strafe der Götter überantwortet, und eine 
andere Inschrift^) zeigt uns, dass bisweilen auch die Furcht vor der Er- 
füllung des Fluches die Übelthäter veranlasste, Genugthuung zu leisten. 
Am zahlreichsten sind die Verwünschungen, welche gegen Verletzer von 
Gräbern gerichtet sind. Man pflegte die Täfelchen, worauf sie eingezeichnet 
waren, den Verstorbenen mit ins Grab zu legen. Den Göttern der Unter- 
welt, heisst es da, soll der Grabschänder verfallen sein, und alles mögliche 
Unheil ihn treffen.^) Besonders zahlreich sind die Beispiele von Ver- 
wünschungen gegen solche, die es wagen sollten, in dem Erbbegräbnis 
einer bestimmten Familie ihre Toten zu bestatten.^) Auch Behörden, denen 
dann dafür eine Summe Geldes zur Verfügung gestellt ist, werden an- 
gerufen, die Schuldigen zu verfolgen,^) oder Erben ihrer Erbschaft für ver- 
lustig erklärt, falls sie nicht für den Frieden des Grabes sorgten. ^^) 

c. Der Eid. 

Litteratur: HERKAim Gottesdienst]. AJtt.^ § 22, Schoemaitn Gr. Altt' U 267 ff., 
V. Lasaulx Stud. des klass. Alt. 177 ff., Naeoelsbach Hom. Theol. 103 ff., Nachhom. Theol. 
241 ff., L. Schmidt Ethik I 88 ff., 11 3 ff., u. s. w. 

66. Auch der Eid ist ein Gebet oder ein Fluch, eine Verwünschung, 
in der der Schwörende für den Fall eines Meineids die Strafe oder das 
Verderben auf sich selbst herabruft.**) — Der griechische Ausdruck oQxog 
bezeichnet nicht nur den Schwur selbst, sondern auch die Sache, bei welcher 
man schwört,**) und drittens den über den Eiden wachenden und die Mein- 
eide rächenden Gott.**0 Der Schwörende setzt irgend einen ihm teuren 
Gegenstand gleichsam als Pfand dafür ein, dass er die Wahrheit sage, und 
ruft die Götter an, ihm diesen zu rauben, falls er lüge. Gewöhnlich ist 
es das eigene Leben und Glück und die Wohlfahrt der Angehörigen, die 
auf das Spiel gesetzt werden soU,*^) oft ein anderer Besitz, ^^) namentlich ein 

») Plut.Alk.22,Lys.inAndok.§51p.252. I ») Vgl. CIG. 2826. 

~ ~ ^0) Vgl. CIG. 2824, C. Wachsmüth Rhein. 

Mus. N. F. XVIII 560 ff., G. Hibschfkld in 
d. Königsberger Studien 1888 S. 85 ff. 

»^) II. r 264 f , Lys. g. Eratosth. § 10 etc. 

>^) Z. B. Archilochos frgm. 94. 

") Hes. Theog. 400, 785, Babr. fab. L 18, 
Find. Nem. XI 30, vgl. Pyth. IV 166. 

^*) Plut. Quaest. rom. 44, Deraosth. Ari- 
stokr. 67 f., Lys. Eratosth. § 10. a. s. w. 



2) Plut. Alk. 33, Diod. XIII 69. 

3) Vgl. z. B. Arch. Ztg. 1881 S. 310. 
*) CIÜ. 5773. 

*) History of Disco veries II 2 S. 720 ff. 
«) CIÜ. 3442. 
") Vgl. CIG. 916, die Inscbr im U&ijyaioy 

X 1881 S. 541. 

^) S. d. Inscbrr. in d. Reisen im sw. 
Kl. As. V. BENin)ORF etc., Wien 1889, z. B. 
Bd. II 27. , '^) II. J 233, Aisch. Sept. 510. 



8. Snltashandlangen. (§ 55.) 



Cl 



solcher, an dessen Genuss man sich gerade erfreut.^) Auch der Hand- 
schlag bedeutet nichts anderes. Man setzt den wertvollen Körperteil zum 
Pfände ein.*) Angerufen werden entweder alle Götter oder eine beschränkte 
Anzahl. Besonders häufig ist die Dreizahl, ^) die sich aus den verschiedensten 
Gottheiten zusammensetzt. Wird eine grössere Reihe genannt, so nimmt 
Hestia die erste Stelle ein,*) sehr oft wird nur ein Gott angerufen. 5) Na- 
türlich setzte sich im Laufe der Zeit bei regelmässig sich wiederholenden 
Vereidigungen bestimmter Beamten auch eine bestimmte Form des Schwures 
fest, die man dann in dem gegebenen Falle ausschliesslich anwandte,^) und 
ebenso hatten verschiedene Orte und Staaten Götter, bei denen sie vorzugs- 
weise schwuren, z. B. Pellene die Artemis Soteira,^) Elis den Heros 
Sosipolis.®) — Bei Beteuerungen im privaten Leben bedienten sich manche 
der sonderbaren Form, beim Hunde, bei der Gans oder ähnlichen Dingen 
zu schwören, wie dies ja namentlich von Sokrates bekannt ist, und die 
Sage nannte Rhadamanthys als den Erfinder und Lehrer dieser Sitte. ^) — 
Wollte man dem Eid eine besondere Feierlichkeit geben, so legte man ihn 
an einem geheiligten Orte ab, wo man der Nähe der Gottheit gewisser 
war,^^') und die Legende wusste dann gewiss von Beispielen zu berichten, 
wo die Strafe der Gottheit den Meineidigen ereilt hatte. Bisweilen wurden 
bei den Eidleistungen Opfertiere geschlachtet, die der Schwörende berührte, 
und deren Fleisch, weil das Tier verflucht war, ganz vernichtet wurde; 
gewöhnlich aber begnügte man sich mit dem Ausgiessen einer Spende. 
Das Opfer hat hier eine symbolische Bedeutung: der Schwörende erklärt, 
dass er, falls er die Unwahrheit sage, selber das Schicksal des Tieres er- 
leiden wolle und die Vernichtung auf sein eigenes Haupt herabrufe, ^ ^^^^ 
dass sein Blut vergossen werden solle, wie der rote Wein, den die Erde 
schlürfte. 1^) — Denselben Sinn hatten auch andere symbolische Hand- 
lungen, wie das Versenken eines schweren Gegenstandes in das Meer. ^3) 
In besonders schwierigen und peinlichen Fällen erbot man sich wohl auch, 
sich einem Gottesurteil zu unterziehen, glühendes Metall in die Hand zu 
nehmen, durch Feuer zu gehen, ^^) Ochsenblut zu trinken >^) oder sich anderen 
Gefahren auszusetzen.^^) Bei dem Flusse der Unterwelt, der Styx, schwören 
nur Götter, und dieser Eid, wie der ähnliche bei den Titanen dort unten 
im Tartaros, ^^) bedeutet auch nichts anderes, als dass der Gott sich für den 
Fall, dass er falsch schwöre, den Tod anwünscht, und die Strafe, welche 
der Sage nach über einen meineidigen, doch unsterblichen Gott verhängt 
wird,>*) kommt dem Tode am nächsten. 



>) Od. T 304. 

^) K. SiTTL Bericht über die Verhandlgg. 
elc. Wochenschr. f. klass. Phil. 1888 S. 49 f. 

^) Vgl. schon T 258 f., Beisp. s. Damentl. 
bei V. Lasaulx a. a. 0. 179. 

*) Vgl. Pbeunbr Hestia- Vesta 18. 

^) Id den Komödien des Aristophanes, 
die das attische Volksleben in so vieler Hin- 
sicht am treuesten widerspiegeln, am häufig- 
sten Posndon. 

«) Poll. Vm 122, Schol. Aischin. g. Tim. 
§ 144, Deinarch in Demosth. § 47. 

'J Paus. VII 27, 1. 



«) Paus. VI 20, 2, mehr Beisp. s. bei 
Hermann G. A. 22 A. 9. 

*•) Schol. Aristoph. Av. 521. 

»«) Paus. 11 2, 1, VIII 15. 2. 

>») Andok. Myst. § UÜ, Aischin. g.Tim. 
§ 114, PseudO'Demosth. Neair. § 10 u. s. m\ 

'-') Vgl. IL r 300 f. 

") Herod. 1 165, Plut Arist. 25. 

»^) Soph. Ant. 2G4 «f., und Schol. dazu. 

'^) Paus. VU 25, 8. 

^^) Pbeller Polemon. p. 12t) ff. 

»•) S 279. 

»«) Hes. Theog. 792 ff. 



62 



A. Die griechischen Knltnmdteitftmeir. 



Die Zahl der in den griechischen Staaten geforderten und geleisteten 
Eide war erstaunlich gross. Nicht nur dass Archonten^^ Strategen,^) 
Hellanodiken ^) und alle anderen Beamten^) in Athen und anderswo^) 
schwören mussten, die Gesetze zu beobachten, dass die grosse Menge der 
jährlich erlosten Geschworenen einen Eid ablegen musste,^) dass alle Bürger 
sich eidlich zum Gehorsam gegen die Gesetze verpflichteten J) auch jeder 
Kläger und jeder Verklagte hatte vor Gericht einen oder mehrere Eide zu 
leisten.^) Es ist unter diesen Umständen gar nicht fraglich, dass die Zahl 
der geschworenen Meineide sehr beträchtlich war.^) Dazu kam, dass 
das Gesetz den Meineid nicht bestrafte; das überliess man den Göttern. 
So wirksam die Furcht vor ihnen nun auch bei den Frommen und Red- 
lichen gewesen sein mag, und so zahlreich die Äusserungen des Absehens 
vor dem falschen Schwur und des Glaubens an die göttliche Gerechtigkeit 
und Rache auch sind,^^) so finden wir doch von Homer an das ganze Alter- 
tum hindurch auch Zeugnisse dafür, dass sehr viele sich über jene Bedenken 
hinwegsetzten. Dem Autolykos hat Hermes selber die bewunderte Kunst, 
die Menschen durch Meineide zu betrügen, verliehen,^ >) und Lysandros 
scheute sich nicht, es offen auszusprechen, Knaben müsse man mit Würfeln, 
Männer mit Eiden betrügen. ^^) Allerdings sollen die frommen Athener auch 
hierüber strenger gedacht haben. ^^) 

56. Iqh schliesse hier einige kurze Bemerkungen über Beschwörungen 
und Zauberei an, denn jene sind nichts anderes als eine Art Gebete, und 
die Zauberei ist wieder mit ihnen aufs nächste verwandt. — In homerischer 
Zeit ist von beiden kaum die Rede. Durch Besprechungen {inaoiia() stillt 
man das aus der Wunde fliessende Blut,^^) und dankbar empfängt man die 
ifdquaxa aus der Hand derer, welchen die Götter es verliehen haben, die 
den Kräutern innewohnende Kraft zu erkennen. ^^) Wo die Grenze zwischen 
natürlicher Heilkraft und Wunder oder Zaubermittel ist, weiss das kind- 
liche Zeitalter noch weniger zu unterscheiden als ein heute noch nicht 
ausgestorbener ähnlicher Aberglaube. Wenn Machaon auf MenelaosV^) oder 
Paieon auf Aphrodites*') Wunde schmerzstillende (pccQfiaxa legt, so erscheint 
der Erfolg kaum weniger wunderbar als die Wirkung von Helenas ägyp- 
tischem Zauberkraut, ^^) das den davon Geniessenden augenblicklich allen 
Kummer vergessen lässt, oder die des jUwAt;,»») das den Odysseus fest macht 
gegen die Zauberkünste der Kirke. Die Verwandlung aber seiner Gefährten 
und ihre Rückverwandlung ist eben ein Märchen wie viele andere der 
Odyssee, einem Kinde glaublich wie die Geschichte vom Schlauch des Aiolos, 



') Poll. VIII 86, PJat. Phaidr. p. 235, 
Plut. Sol. 25. 

^) Lys. IX 15, Deinarch. g. Philokl. 2. 

3) Paus. V 24, 2. 

*) Lykurg, g. Leokr. § 79. 

^) Xen. Resp. Lac. XV 7. Plut. Pyrrli. 5. 

«) Piaton Apol. 24, vgl. M. Fbänkel im 
Hermes XIII 452 ff. 

^) Xen. Mem. IV 4, 10, vgl. Lys. Erat. 47. 

«) BusoLT Hdb. IV 180, Schoemann Gr. 
Altert.' II 276, Sciioemann-Meikr' Att. Pro- 
zess 152 ff., 825 ff., 898 ff. u. s. w. 

«) Vgl. Lys. Theomn. I 11, Isai. IX 19, 



Demosth. Timoth. 66 f , Neair. 10 u. s. w. 

»0) r 278, J 158 ff.. Xen. Anab. II 5, 7, 
vgl. Schmidt Ethik II 3 ff. 

i'O Od. T 395 ff 

^^) Plut. Lvs. 8, Apophthegm. Lac. Lys. 
4 p. 229 c, mehr bei Schmidt Ethik II 5 ff. 

*') Vgl. Suid. u. Uruxf} nicrig. 

'*) r 457. 

»^) cf 220 ff. 

»«) J 218 ff. 

>') J 401. 

•«) & 219 ff. 

>«) X 305. 



8. Kultnahmiidlimgen. (§ 56 -57.) 63 

den Rindern des Helios, dem Meergreis Proteus oder der Verwandlung des 
Helden selbst durch Athena. Etwas anders wird es in der spätem Zeit. 
Da treten Beschwörer und Zauberer auf mit dem Anspruch, eine Kunst 
zu besitzen, vermöge deren sie die Götter veranlassen, ja zwingen könnten, ') 
Orakel zu geben, vermöge deren sie Geister zitieren,^) Steine reden lassen,^) 
den Mond vom Himmel holen,*) Liebe einflössen,'») von Krankheiten be- 
freien oder sie herbeiführen könnten.^) Grösseren Umfang gewann dieser 
Aberglaube erst in späterer Zeit, wo die Daimonenlehre sich immer mehr 
verbreitete, und namentlich auch der Glaube an den bösen Blick und an 
Schutzmassregeln davor allgemeiner wurde ;0 immer aber gaben sich vor- 
zugsweise Ausländer mit der Ausübung solcher Künste ab.^) 

d. Die Weihgeschenke. 

Hauptquellen: Die Inschriftea bei Boeckh Staatsh.' II 134 ff., Anthologie Buch VI. 
— Litteratur: Schoemakn Gr. A.^ II 213 ff., Hebmann G. A.* § 20, Cürtius Nachr. der 
Kgl. Ges. d. Wisssch. 1861 n. 21, Newton d. Gr. Inschr. übers, v. Ikelmann 79 ff., Curtius 
Deutsche Rundschau 43 (1885) S. 192 ff. über den Zehnten u. s. w. 

57. Wir haben bereits bei der Behandlung der Kultusstätten gesehen, 
wie grosse Reichtümer und wie wertvolle Kunstgegenstände einzelne Tempel 
besassen. Waren die herrlichsten Weihgeschenke, die ganz Oriechenlahd 
oder ein einzelnes Volk gestiftet hatte, nationale Denkmäler, Zierde, Stolz 
und Ruhm des Vaterlandes, so war es doch auch schon von den frühesten 
Zeiten an Sitte, dass der einzelne, um sich die Götter geneigt zu machen, 
ihnen Gaben darbrachte. Die Weihgeschenke sind gewiss ebenso alt, wie 
die Opfer und haben ursprünglich nur den Sinn und Zweck, die Götter zu 
erfreuen, sich ihrer Gunst zu versichern oder ihren Zorn zu besänftigen. 
Man gibt das, woran man sich selbst erfreut und was man für einen wert- 
vollen Besitz achtet, tt 185 verspricht Telemach dem Odysseus, den er 
für einen Gott hält, Opfer und xqvfsea Swqo, Z 303 trägt Hekabe ein kost- 
bares Gewand in den Tempel der Athena, / 274 bringt Klytaimnestra 
reiche Dankesopfer auf den Altären dar und weiht ausserdem nolld dyak- 
^ava,^) Gewebe und Gold, H 82 verspricht Rektor die Waffen des be- 
siegten Gegners in den Tempel des Apollon zu stiften, und die Gefährten 
des Odysseus geloben dem Helios zur Sühne für ihren Frevel einen Tempel, 
in den sie dydXfxara noXXd xal iad^Xd legen wollen {ji 346 f.) Man sieht, 
es sind dieselben Gaben, die man geehrten Fremden als Gastgeschenke 
mitzugeben pflegt, der Sitte folgend und mit dem Wunsche, sie sich al^ 
Freunde zu erhalten. Je nach den Gebern waren denn auch die Gegen- 
stände, welche man den Göttern darbrachte, von der verschiedensten Art 
und dem verschiedensten Wert. Die Athener bauten zum Dank für einen 
Sieg eine Halle in Delphoi;*^) nach dem Siege bei Plataiai weihten alle 

») Eur.Ion.375,Kallim.hymn.inDel.89. 1 Gesch. der Medizin T 433 flf. 



«) Vgl. C. DiLTHEY Rhein. Mus. N. F. 
XXVII 375 ff. 

') Orph. Lith. 355 ff. 

*) Aristoph. Nub. 748. 

'•') Schol. Demosth. De f. leg. § 281. 

*) Hippokr. de morbo sacr. p. 14 f. Diez. 
Plut. Quaest. symp. V 17, vgl. IjObeck Agl. 
221 ff., Iw. MGlleb Hdb. V 459 c. d., Haeser 



') Vgl. 0. Jahn Ber. der Sachs. Ges. der 
Wisssch. 1855 S. 28 ff., Darembero et Saolto 
Dict. Bd. I unter amuletum. 

^) Demosth. De fals. leg. p. 431 u. s. w. 

®) Später bedeutet (iyaX/na in der Regel 
Götterbild, Weihgeschenke heissen aya^tj/btartf, 

^^) KoLDEWEY Mitt des Arch Inst, zu 
Athen IX 264 ff. 



64 



A. Die griechischen KnltiiBaltertÜmer. 



Hellenen in Delphoi einen riesigen goldenen Dreifuss, der sich auf einer 
aus bronzenen Schlangenleibern gebildeten hohen Säule erhob, die sich 
noch heute im Hippodrom zu Konstantinopel befindet >) (Taf. IH Fig. 3), 
und in Olympia eine Kolossalstatue des Zeus. 2) Nach der Schlacht bei 
Salamis wurde ebenfalls ein Kolossalbild zu Delphoi aufgestellt,^) wie nach 
dem Siege von Marathon das Erzbild der Athena Promachos auf der Burg 
von Athen,^) und auch die kürzlich in Olympia wieder aufgefundene Nike 
des Paionios ist ein Weihgeschenk der Messenier und Naupaktier, hergestellt 
von dem Zehnten der Kriegsbeute.'^) Der Säbel des Mardonios und der 
silberfUssige Sessel, auf dem Xerxes während der Schlacht bei Salamis sass, 
befanden sich einst unter den Weihgeschenken auf der Akropolis,^) und der 
Helm, der von Hieron nach seinem Siege über die Tyrrhener 474 dem 
olympischen Zeus geweiht wurde, ist noch heute erhalten.^) Auch sonst 
ist das Weihen von Wafifenstücken, wie Panzern,®) Helmen,®) Schilden*®) 
und Lanzenspitzen * ^) (Taf. HI Fig. 4) nicht ungewöhnlich. Die Tarentiner 
scheinen einmal den zehnten Teil aller Wafifen, die sie von den Thuriem 
erbeutet hatten, nach Olympia gesandt zu haben. ^^) Einen kolossalen Stier 
aus Bronze stifteten die Eretrier dem Zeus in Olympia.*^) Und nicht 
bloss zum Dank, auch als eine Art Sühnopfer pflegte man Weihgeschenke 
aufzustellen, um die Götter wieder zu versöhnen.'*) So stiften die Lake- 
daimonier auf Anordnung des delphischen Orakels nach dem Tode und 
der wenig ehrenvollen Bestattung des Königs Pausanias Statuen,*^) die 
Athener nach der Ermordung der Kyloniden,*^) die Argeier nach einem 
Blutbade, das bei einem Bürgerzwist angerichtet war.*^) (Geweihte Sta- 
tuen Taf. HI Fig. 1—2.) Viel zahlreicher, wenn auch natürlich meist 
weniger wertvoll waren die Weihegaben Einzelner. Ein mächtiger König 
wie Kroisos freilich vermochte auch hierin ganze Staaten zu überbieten, 
und namentlich Delphoi war von ihm mit überreichen Schätzen bedacht 
worden,*^) Seleukos H. und Antiochos Hierax beschenkten den Tempel des 
didy maiischen ApoUon bei Milet ebenfalls aufs reichste,'^) aber das waren 
doch Ausnahmen. Ganz gewöhnlich war es, dass Sieger in Wettspielen die 
errungenen Preise einem Gotte weihten. Da diese sehr oft in DreifUssen 



>) Herod. IX 81; Paus. X 13, 3, vgl. 
Frick Jahrb. f. Phil. Suppl. III 485 ff. und 
Bd. 85 1862 S. 441 ff., Röhl IGA. 70, Fab- 
Kicius im Jahrb. des D. Arch. Inst. 1886 I 
176 ff. mit rekonstruierender Abbildung. 

^) Herod. IX 81. 

») Herod. VIII 121. 

*) Paus. I 28, 2. 

^) CuRTius Arch. Ztg. 1876 VIII 178, und 
über die Sitte «den Zehnten** zu weihen, der- 
selbe in d. Dts. Rundschau Bd. 43 (1885) 
S. 192 ff. Vgl. auch Herod. VII 132, Xen. 
Hell. III 3, 1 u. 8. w. 

**) Demosth. g. Tiraocr. 24 p. 1 29, Paus. 
I 27, 1, Schol. Thuk. II 13. 

') Im Brit Museum, Röhl IGA 510. 

«) Z. B. CIA. II 667. 

«) Z. B. Olymp. Inschr. n. 417, Archäol. 
Ztg. 1881 S. 338. 

^») Herod. VIII 27, Paus. X 19, 3, Ai- 



schin. g. Ktes. 3 p. 116. 

*^) Über eine nach Ol^pia gestiftete 
Lanzenspitze mit der Inschrift «von den La- 
kedaimoniern*' s. Curtius in d. Arch. Ztg. 
1876 S. 181 f. 

^*) Lanzenspitzen 01}inp. Inschr. 299. 
Arch. Ztg. XXXVlI 149, 1881 n. 386, S. 83 
f., Journ. of Hell. Stud. Taf. 11. 

»») Paus. V 27, 9, Olymp. Inschr. n. 31, 
Arch. Ztg. XXXIV (1876) S. 226 f. 

^*) Vgl. Curtius Altertum u. Gegenwart 
II 145. 

>^) Thuk. I 134. 

^«) Paus. I 28, 1. 

»') Paus n 20, 1. 

»«) Herod. I 50 ff., 92. V 36, VHI 35. 

;») CIG. 2852—2859 Verzeichnisse der 
jährlich dem Tempel vermachten Weihge- 
schenke. 



d. Saltushandlongen. (§ 57 ) 65 

bestanden, ist unter den Weihgeschenken auch kaum ein Gegenstand häu- 
figer. In Athen hatte eine Strasse ihren Namen von den Dreifüssen er- 
halten, die der Peribolos des nahen Dionysostempels nicht mehr zu fassen 
vermochte, und die deshalb auf der Strasse aufgestellt werden mussten.^) 
Auch die Kränze, welche Sieger als Ehrenpreis erhielten, hing man in den 
Tempeln der Oötter auf.^) Wer in den grossen Nationalspielen einen Sieg 
errungen hatte, stiftete zuweilen seine Statue oder ein Bild der Pferde, 
deren Schnelligkeit er den Erfolg verdankte.^) Von reichlichem Gewinn 
oder nach der Errettung aus einer Gefahr^) pflegte man den Göttern eine 
Gabe darzubringen; so Kaufleute, ^) Bergwerksbesitzer, ^) Fischer,') Land- 
leute, die eine gute Ernte gemacht hatten,^) Schiffer nach gefahrvoller 
Fahrt, ^) und besonders auch Kranke nach ihrer Genesung.^®) Diese pflegten 
dem Asklepios eine Abbildung des geheilten Gliedes zu weihen. ^ ^) In dem 
berühmten Heiligtum des Gottes auf Kos soll Hippokrates seine medizi- 
nischen Studien gemacht haben, und in Delphoi zeigte man ein Skelet aus 
Erz, welches der gefeierte Arzt dorthin gestiftet haben sollte. *-) Aber auch 
der Handwerker durfte seine Werkzeuge, mit denen er sich das tägliche 
Brot verdiente, der Musiker sein Instrument, der Maler seinen Pinsel, der 
Ackersmann seinen Pflug, der Jäger die Haut oder das Geweih des erlegten 
Wildes weihen. >^) Noch mehr: Zum Dank, dass ihm das Kraftstück ge- 
lungen, setzt ein gewisser Bybon aus Euboia auf den gewaltigen Feldstein, 
den er mit einer Hand über Manneshöhe geschleudert hat, eine Inschrift, 
die seine That verkündet, und stiftet ihn nach Olympia. ^^) Auch Klei- 
dungsstücke brachte man den Göttern dar, und namentlich der Tempel 
der brauronischen Artemis muss voll davon gewesen sein.^^) Jungfrauen 
weihten ihren Gürtel bei der Vermählung, ^ 6) Jünglinge beim Eintritt in das 
Mannesalter ihr Haar, ebenso Mädchen vor der Hochzeit i') und Frauen 
nach der Genesung. ^^) Die meisten Weihgeschenke aber bestanden in 
Statuen,*^) goldenen und silbernen Opfergeräten und Schmucksachen, Lampen, 
Figuren und anderen Kunstwerken, so dass mancher Tempel einem modernen 
Museum nicht unähnlich gewesen sein wird^®) und im Laufe der Jahr- 
hunderte nicht bloss das Interesse des Neugierigen zu reizen, sondern auch 

*) Vgl. WiESELKR Abh. der Götting. Ges. i **) Beispiele s. Anthologie B. VI ; Arrian 

d. Wiss. XV 303 flf. i de venat. 33: Flui Quaest. rom. 4. Vgl. Da- 

«) Xen. Hell. III 4, 18. Vgl. Herod. 1144. rembehg Dict. I 168. 

«) Paus. VI 6 etc. ! '*) Röhl IGA. 370. 

*) CIA. III 1427. 1474. 

*) Herod. IV 152. 

«) Paus. X 12, 2. 

') Paus. X 9, 2. 

*) CIG. 139, und über die an verschie- 
dene Tempel entrichteten dnaQx^^^ von allen 
Ernten Dittenberger Syll. 13, Herod. IV 33 
und mehr bei Sauppe Att. et Eleus. im ind. 
lect, Göttingen 1880/81 S. 6. 

•) Diog. Laett. VI 59; vgl. Archäol. Unters. 
auf Samothr. II 110. 

>o) CIA. ni 1453 ff. 

»») CIG. 1570 b, Köhler Mitt. desD. Arch. 
Inst. II (1877) 253 f. — Doch auch anderen 
Göttern: vgl. die Abbildung Taf. HI Fig. 5. 

»«) Paus. X 2, 4. 

Hmndbuch der klara. AlterttuiigwiaBeiiBchaft. V. 3. Abtlg. 



'«^j CIA. n 751-765, BoECKH Staaish.^ 
II 283 f.. Michaelis Parthenon 307 ff. 

»«) Paus. II 33, 1. 

'') Wblckeb Gr. Götterl. I 576, Wie- 
seler im Philol. 1854 S. 712 ff. 

^») Paus. II 11, 6. Die ausführlichste 
Zusammenstellung von Haarweihen nament- 
lich für Zeus Panemeros im Bull, de corr. 
hell. XII (1888) 481 ff. 

»») Vgl. die Inschrr. CIA. III 1422 ff. 
und die Abbildungen Taf. 111 Fig. 1-2. 

'-«0) Vgl. Jacobs Verm. Schrr. III 469 ff., 
CuRTius in Altert, u. Gegenwart* I 99, A. 
MoMMSEN in Bursian's Jahresbericht 1888 
S. 351. 



60 A. Die griechischen Caltasaltertümer. 

dem Studium des Künstlers und Altertumsforschers reiches Material zu bieten 
vermochte. 

Dass man wie sein Gebet oder sein Opfer, so auch sein Weihgeschenk 
dem Gotte darbrachte, dessen Hilfe man begehrte, oder dem man seinen 
Dank zu schulden glaubte, ist selbstverständlich, und ebenso bedarf es 
kaum der Erwähnung, dass die berühmten und grossen Heiligtümer un- 
endlich viel reichere Schätze besassen als die kleinen und unbedeutenden. 
Der Tempel des Zeus zu Olympia oder der des ApoUon zu Delphoi ver- 
mochte die Menge der Weihgeschenke nicht zu fassen, und da man natür- 
lich nicht jeden Gegenstand in dem Peribolos frei aufstellen konnte, musste 
man eigene Schatzhäuser (O^r^accvgoi) in der Nähe der Tempel errichten, 
wo dann alles untergebracht wurde.*) 

68. Ausser diesen Weihgeschenken besassen manche Tempel heilige 
Herden {Isqu ßoaxrjixara), in deren Besitz sie auf ähnliche Art gelangt 
sein werden.*) Diese wurden auf den zu den Tempeln gehörigen Ländereien 
geweidet und an den Festen der Gottheit zu den Opfern verwandt, aber 
auch gleich den Tempel gütern verpachtet. 3) In den Artemisheiligtümern 
wurde namentlich auch Wild gepflegt.'*) Dies war natürlich nicht zum 
Opfer bestimmt, sondern wurde der Göttin zur Freude unterhalten,*) wie 
der Hera in Argos heilige Pferde gehalten wurden, ß) Auch sonst wurden 
in den Heiligtümern mancher Götter Tiere gepflegt, die für ihre Lieblinge 
galten, z. B. Hähne,') Pfauen und Perlhühner,®) Schlangen, 9) Mäuse.*<>) Auch 
heilige Fische werden öfters erwähnt, * *) und sie zu schonen wird aufs nach- 
drücklichste eingeschärft;**) ebenso waren die Schildkröten in der Nähe 
eines Heiligtums des Pan in Arkadien dem Gotte heilig und durften nicht 
verletzt werden.*^) 

59. Schliesslich wurden auch Menschen den Göttern geweiht. ^^) 
In alter Zeit mag es mitunter vorgekommmen sein, dass hier und da einer 
der Geweihten der Gottheit als Opfer fiel,*^) sonst wurden sie Tempel- 
sklaven. Über die Stellung und die Obliegenheiten dieser haben wir 
schon oben (S. 36) gehandelt, und so mag hier nur noch erwähnt 
sein, dass in älterer Zeit ganze Scharen solcher den Göttern Geweihter 
ausgesandt worden sein sollen, um irgendwo eine Kolonie zu gründen, 
wie die Magneten in Asien, **') die Dryoper in Asine, ^ ^) die Rheginer in Italien. *®) 

Dass Jungfrauen der besseren Stände der Aphrodite ihre Keuschheit 
weihten und sich in ihren Heiligtümern preisgaben, kam nur in asiatischen 
Tempeln häufiger vor, in Griechenland war es auch an den Orten, wo der 

») Herod. 1 14, 51; III 57; IV 102; Paus. ' •) Ailian De nat an. XI 2. 

VI 19, 1 ; X 11, 1 ff. '") Ebenda XII 5. 

2) Paus. X85, 4; Babr. fab. 37; Herod. »») Paus. VII 22, 2; Diod. V 3; vgl. 

IX 93; Diod. IV 80, vgl. IV 18, XIV 110, Ailian De nat. an. XII 30. 



XVI 27; Plut. Luculi. 10; Polyb. IV 19, 4. 

^) Wescher in den memoires presentes 
. . ä Vacademie des inscriptions, Serie I tom. 
VIII (1869) 54 f. 

*) Paus. X 35, 4; Xen. Anab. V 3, 9. | Poljb.'XII 5; Strabo Xfll ßoi. 

&) Paus. VIII 10, 4. »«) Plut. Pyth. orac. 16. 

«) Diod. IV 15. 

') Aristot. bei Athen. IX 46 p. 391. 

^) Athen. XIV 70 p. 655. 



»«) DiTTENBEROER Syll. 364. 

'3) Paus. VIII 54, 5. 

'^) Vgl. Eurip. Ion 323. 

'^) S. Tzetz. zu Lykophr. 1141; vgl. 

b. XII 5 ; Strabo X " 

»«) Plut. Pyth. orac 

»') Paus. IV 34. 6. 

>«^ Strabo VI 257. 



8. KoltuBhandlmigeii. (§ 58 - 60.) 07 

orientalische Kult der Göttin starken Einfluss geübt hatte, eine sehr seltene 
Ausnahme. Am berühmtesten wegen seiner (über tausend) Hierodulen war 
der Tempel der Aphrodite in Korinth.^) 

8. Die Opfer. 

Litteratur: Schoemann Gr. Altert.^ II 221 ff., Hermann Gott. Altert.* § 24—28, 
Nakgklsbach Hom. Theol. 304 ff., Nachhom. Thcol. 194 ff., L. Schmidt Ethik der Griechen 
II 40 ff., 0. Schmidt Die Opfer in der Jahvereligion und im Polytheismus, Hall. Dissertation 
1 877, BöcKH Staatshaushaltung' I 267 ff. 

60, Eine Art von Weihgeschenken sind auch die Opfer. Nicht bloss 
von dem, was dem Menschen durch die Gnade der Gottheit zu dauerndem 
Besitze verliehen ist, soll dieser ein Anteil abgegeben werden, sondern auch 
von dem, was er flüchtig geniesst. Welche Vorstellungen, welcher Glaube 
oder Aberglaube die Menschen zuerst zum Opfern trieb, ist schwer zu 
sagen. Ob es das Gefühl gewesen ist, dass die von der Natur ihm frei- 
willig dargebotenen Früchte*) ein Raub seien, dass einem Tier das Leben 
zu nehmen etwas Unerlaubtes sei, und als Sühne hierfür von dem Geraubten 
den Mächten, die es geschaffen und gegeben, ein Teil geboten wurde? Ob 
es von Anfang an der Wunsch war, der Gottheit durch eine Gabe frohen 
Dank für ihr Geschenk zu spenden? Es sind dies Fragen, die allgemein 
überzeugend nie werden beantwortet werden, und deren wahrscheinlichste 
Lösung nur zu versuchen hier nicht der Ort ist, da wir es nicht mit der 
Religion und dem Kultus der Menschheit, sondern allein der Griechen zu 
thun haben. 

In der homerischen Zeit sind alle grösseren Opfer heitere Mahlzeiten, 
und die Götter denkt man sich an dem Genüsse teilnehmend.^) Die Himm- 
lischen beanspruchen die Opfergabe als ihr göttliches Recht, und werden 
sie vernachlässigt, so strafen sie den Säumigen,'^) wie sie andrerseits dem, 
der ihnen reichliche Opfer bringt, Segen verleihen. 5) Zu den Aithiopen 
begeben sie sich selbst^) und erfreuen sich Tage lang mit ihnen gemeinsam 
an Schmaus und Wein,^) und auch bei anderen besonders begnadeten 
Sterblichen nehmen sie unter Umständen in menschlicher Gestalt am Opfer- 
mahle teil. Athena speist mit ihrem Schützling von der heiligen Heka- 
tombe der Pylier,^) und tausend Jahre später werden Paulus und Bamabas 
für Hermes und Zeus gehalten, und man bringt bekränzte Rinder, um sie 
ihnen zu opfern.*^) So menschlich gedachten Göttern durfte man auch von 
der eigenen täglichen Speise anbieten. Übermittelt werden konnte den in 
unerreichbarer Höhe Thronenden ihr Anteil nur; indem man ihn ver- 
brannte;*^) an dem aufsteigenden Fettdampf mochten sie sich dann er- 
freuen. *i) Zudem war das Feuer das reinste Element, das alles Unsaubere 

') Strabo VHI 378 aye'aeaay ay^Qcg ' **) y 51 ff., Ö7. vgl. 435 f. und t; 201 ff. 

jitti yvt€ux€g^ also Unfreie. *) Act. apost. XIV 11 ff., vgl. Stenokl 

^) Denn Opfer sind sicher älter als der in Jahrb. f. Phil. 1883 S. 3G1 Anni. 5 u. Anm. i>. 

Ackerbau. i ***) Hei Homer Svbiv; UQCvety heisst 

') ^" 206 f., tj 201 ff. u. s. w., vgl. Paus. schlachten, atpairety durch einen Schnitt oder 

IV 27. 1 ; VIII 2, 2 u. s. w. I Stich dem (^ 42(3 bereits getöteten) Tiere das 

*) 11. / 535 ff. Blut entziehen, (ie'^eiy opfern. Vgl. Stkngel 

^) X 170 f., Q 240 f.. ;' 58, cT 703 ff., i in Jahrb. f. Phil. 1885 S. 102 f., auch Pkkuner 

V 365 ff., vgl. Hes. Erg. 33(i ff. , Hestia-Vesta 190 ff. 

«) a 22 ff.. V' 205 ff. I >') ^ 301, 9 549 u. s. w. 

"} A 423 ff. 



5* 



G8 A. Die griechischen Kultasaltertümer. 

am gründlichsten vernichten und tilgen konnte. >) Ursprünglich hatte es 
den Göttern allein gehört und sollte ihnen vorbehalten bleiben,*) bis Pro- 
metheus gegen den Willen der neidischen es den Sterblichen mitteilte. Am 
Feuer allein konnte man keine Verunreinigung wahrnehmen, auch wenn 
es mit Unreinem in Berührung gebracht war. Trotz alledem glaubte man, 
dass auch ihm die Reinheit seiner Natur abhanden kommen könnte, und 
zu den Opfern war daher nicht jedes Feuer zu gebrauchen. Nach der 
Schlacht von Plataiai erklärte das delphische Orakel, das Feuer in der 
Umgegend sei durch die Barbaren besudelt, zur Siegesfeier sollte man 
reines Feuer aus Delphoi holen, ^) und in Argos löschte man in einem Hause, 
in dem ein Todesfall vorgekommen war, alles Feuer aus und holte zur Zu- 
bereitung des Leichenmahles neues aus einem Nachbarhause.^) Dasselbe 
geschah in Lemnos an einem jährlich gefeierten Reinigungsfest, zu dem 
man dann Feuer aus Dolos kommen liess,'^) und eine ähnliche Bedeutung, 
wie das Brennen der ewigen Lampen in den Heiligtümern der Hestia und 
anderer Götter^) hatten wohl auch die Fackeln, welche die Argeier der 
Demeter und Köre in Gruben versenkten:') es ist ein Weihen und Dar- 
bringen des heiligen Feuers selbst. — Bisweilen wurden zur Unterhaltung 
des Opferfeuers auch besondere Holzarten verwandt, wie bei den Opfern 
des Zeus in Olympia, wo nur das Holz der Weisspappel {levxtj), die He- 
rakles eingeführt und zuerst benutzt haben sollte, gebraucht werden durfte,^) 
oder der Aphrodite in Sikyon, wo Wachholderholz verlangt wurde. ^) Zu 
anderen Opfern durften nur die sog. vr^ifciha ^ida verwandt werden, Holz 
von Weinstöcken oder Feigenbäumen war verboten, i®) 
Gehen wir jetzt zu den Opfern selbst über. 

61. Es empfiehlt sich der Übersichtlichkeit wegen, die unblutigen 
vorweg zu nehmen und gesondert zu behandeln. — Wie zu den blutigen 
Opfern alle essbaren Haustiere genommen wurden, so zu diesen alle Speisen, 
die man selbst genoss. Telemach verbrennt bei seiner Abfahrt aus Pylos 
einen Teil seiner Reisekost, ^ denn ein grösseres Mahl zuzurüsten, hat er 
nicht Zeit, und Odysseus in der Höhle des Kyklopen Käse,^*) von dem er 
und seine Gefährten selber essen, und wenn unfromme Leute, wie die 
Freier in Ithaka,^^) es auch bisweilen unterlassen haben mögen, so war es 
jedenfalls Brauch, wenn eine grössere Gesellschaft ein Mahl bereitete, zu- 
erst den Göttern einen Anteil zu weihen.**) 

a) Der Gewöhnlichkeit der Nahrungsmittel entsprechend ist unter den 



») Vgl. Eur. Herc. für. 937 und die 1 «) Paus. I 2G, 7. 

Sagen von dem Feuertod des Herakles oder i ') Paus. II 22, 4. 

der beabsichtigten Läuterung und Vergött- I ») Paus. V 14, 3; vgl. V 13, 2. 

Hebung des Achilleus durch seine Mutter ^) Paus. II 10, 4. 

Thetis, Pkellkr-Robkrt Gr. Myth. II 256 ^^) Philocboros im ScholionzuSoph. Oid. 



u. 400. 

'^) ScHOKHANK Opusc. acad. II 279. 

••) Flut. Ari^t. 20. 

<) Flut. Quaest. graec. 24 p. 29(> f. 

^) Fhilostr. Her. XIX 14; mehr darüber ^-) i 232. 

bei SciioEMANN a. a. 0. II 223 f. S. auch | '^) Berniiakdi a. a. 0. S. 3 f. 

Wecklein im Hermes VII 447 f. j '*) Vgl. z. B. Athen. V p. 192 B. 



Kol. 100. 

11) o 222, vgl. Berkhabdi d. Trankopfer 
bei Homer Progr. d. Kgl. Grvmnas. zu Iieipzig 

1885 S. 4f. 



3. KaltoBhandlnngen. (§ 61.) 69 

unblutigen Opfern keines häufiger, als Backwerk.*) nimava^^) ns'nfAaTa^^) 
/eafa»^) werden allen Göttern geopfert, und zwar werden sie ihnen ganz 
in derselben Weise dargebracht wie Tieropfer; den Himmlischen werden sie 
auf Altären,^) den Unterirdischen und Toten auf der itfxdga oder auf dem 
Grabe verbrannt,^) den Meeres- ') oder Flussgottheiten *) ins Wasser geworfen. 
Oft werden sie nur auf die Altäre gelegt und fallen dann den Priestern 
anheim.^) Der gewöhnlichste Ausdruck für Opferkuchen ist neXavog, Im 
Gegensatz zu allen andern Benennungen werden hiermit ausschliesslich 
Kuchen bezeichnet, die wirklich verbrannt wurden, von denen also auch 
die Priester nichts gemessen durften.*^') So kommt es denn, dass das Wort 
katachrestisch fUr Opfergabe überhaupt gebraucht wird, und auch blutige 
Opfer 1^) oder eine in die Flamme gegossene Ölspende**) damit bezeichnet 
werden. Bisweilen wurde den Kuchen eine eigentümliche Form gegeben, 
die irgend eine Beziehung auf die Gottheit hatte, der man sie darbrachte. 
So erhielt Artemis-Selene in Athen runde Kuchen, welche das Aussehen 
des Vollmonds haben sollten, und die mit Lichtern besteckt waren, *^) und 
Apollon soll solche in Gestalt von Lyren, Bogen oder Pfeilen empfangen 
haben;'*) der Göttermutter opferte man yaXa^iag^ einen Brei aus Mehl und 
Milch, wie ihn wohl nährende Frauen oder eben entwöhnte Kinder essen 
mochten.**^) Besonders häufig aber sind die Nachbildungen von Tieren.*") 
Auf solche Weise helfen sich Philosophen, wie Pythagoras und Empedokles, 
die gegen die Tötung eines Tieres religiöse Bedenken haben, *^) Belagerte, 
denen die Fleischnahrung ausgegangen ist,*^) und besonders Arme, denen 
Tiere zu teuer sind.*^) Wenn nun gar an einem Fest wie bei den Diasien 
in Athen eigentlich keine anderen Opfer zugelassen werden sollen, als 
Tiere, so lässt sich denken, dass die Zahl der näfxfiava elg ^cicov fioQ^dg 
rezvnwfxtva hier sehr beträchtlich war.*^) Aber auch wo solche Gründe 
wegfielen, wurden diese keineswegs ungewöhnlichen und bei einzelnen 



^) Vgl. Lobeck de Graecorum placoitia \ von dem den Göttern geweihten Back- 

Sftcris, Königsberg 1818, Aglaoph. 1050 ff., werk nichts assen. ist selbstverständlich. 

Stengel in den symbolae Joachimicae Berhn ! Ein Kuchen ist ja nur ein Teil alles 6e- 

1880 I 173 f. und besonders 0. Band das j backenen und vertritt die Stelle der von 

Attische Demeter-Kore-Fest der Epikleidia, . einem Tier verbrannten Schenkel- und son- 

Progr. der Margarethenschule Berlin 1887 stigen Stücke. 

S. 4 ff. »') Eur. Alk. 851 ; vgl. Aisch. Eum. 265 

«) Aristoph. Thesmoph. 285, CIA. III 77, 1 mit 304 f. 

CIA. II 1651, Diog. liaert. VIII 13. '^) Aisch. Ag. 96. 

») CIG. 3599, Paus. I 26, 6. 1 ") Athen. XIV 53 p. 645 A; vgl. Poll. VI 

*) Paus. III 23, 5. ! 76; Prelleb-Robert Griech. Mythol. 1 312. 

^) Inschr. v. Kos im Joum. of Hell. Stud. ^*) Stephan. Byz. u. niitaQa. 

IX (1888) 328 ZI. 7, 335 ZI. 31 u. 49, Paus. »») Vgl. Lobeck Agl. 1069, CIA. II 470. 

VTII 2, 3, Menandros bei Athen. IV p. 146 F., '«) Vgl. Stengel Jahrb. f. Phü. 1881 

vgl. p. 172 D. Abbildung eines dreispitzigen S. 399. 

Opferkuchens z. B. bei Gerhard Akad. Atlas, i '^) Porphyr. Pyth. 22; Athen. I 5 p. 3 E 

Berl. 1868 Taf. LXV 2. u. Sturz zu Empedokl. 15. 

•) Aisch. Pers. 523, Luk. Katapl. 2. »«) Plut. Luc. 10, Appian bell. Mithr. 75. 

') Paus. III 23, 5. ^^) Suid u. nonava u. ßov^ iß&ofjios; Pro- 

*) Paus. X 8, 5. klos zu Plat. Polit. p. 419; Hesych. u. ß. ißS, 

») Aristoph. Plut. 661 u. Schol. CIA. III 1666; Müller frgm. bist, graec. I 

»•) Schol. zu Aristoph. Plut. 661 ; Aisch. 362, 16. 

Pers. 203; Eur. Ion 707, vgl. 226, Hei. 1334 «") Vgl. Thuk. I 126 u. Schol. dazu, 
u. s. w. - Dass die Opfernden selbst 



70 A. Die griechischen Knltusaltertllmer. 

Gelegenheiten vielleicht zur Regel gewordenen *) Opfer dargebracht.^) Be- 
sondere Erwähnung verdienen die sog. [Ashtoinim. Wie Honig in den 
Spenden für Unterirdische {fifiXiyfiaTo) enthalten war, so sind auch diese 
Kuchen bestimmt, die chthonischen Mächte zu versöhnen. Man gab sie 
den Toten mit, um den Kerberos zu besänftigen,') der ihnen den Eintritt 
in die Unterwelt wehrte,*) warf sie aus demselben Grunde den Schlangen 
vor, wenn man in die Höhle des Trophonios hinabstieg, ^) und fütterte damit 
die heilige Schlange der Athena auf der Burg. ^) Einen ähnlichen Kuchen (a^c- 
(TtrJQa xriQiov) erhalten Gottheiten, denen vrjipdha zu spenden üblich war.') 
b) Nächst Fleisch und Brot bildeten Früchte den Hauptbestandteil 
der Nahrung, und so finden wir denn auch diese sehr oft unter den Opfer- 
gaben genannt. Am häufigsten scheint Demeter, wie das ja auch natür- 
lich ist, diese Opfer erhalten zu haben. In Arkadien^) opferte man ihr 
alle veredelten Früchte ausser der Granate, und in der Stadt Phigalia 
Baumfrüchte, Weintrauben, Honig, wozu man noch ungereinigte Wolle 
auf den Altar legte, die man iftit Öl begoss.^) Auch an anderen Orten 
brachte man ihr die Erstlinge der Feldfrüchte dar.><^) Herakles erhält 
Trauben ^0 und andere Fruchtopfer,* 2) Früchte auch Poseidon.^') Der Ar- 
temis werden an ihrem Altar Ährenkränze niedergelegt ^*) und andere reife 
Feldfrüchte geopfert, *5) die Göttermutter empfangt Weizen, Gerste, Wein 
und was die Jahreszeit sonst von Früchten bringt, 1^) ebenso Gaia;") der 
Leto bringt man in Delphoi Lauch dar,*®) der Iris in Dolos Nüsse, *^) dem 
Dionysos und andern Göttern reife Herbstfrüchte. 2^) Zu diesen Opfern ge- 
hört auch die sog. Eiresione, ein mit allerlei Früchten behangener Ölzweig. 
An den Thargelien und Pyanopsien weiht man diese Gaben dem Helios 
und den Hören, 21) wie denn der Monat Pyanopsion auch seinen Namen von 
den gekochten Hülsenfrüchten haben soll, die man dem ApoUon dar- 
brachte.^-) Ja auch Früchte müssen ebenso wie Backwerk entsprechend 
zugerüstet die Stelle von Tieropfern vertreten. In dem städtischen Demos 
Melite zu Athen wurden dem Unheil abwehrenden Herakles, der dort einen 
Tempel hatte, 2^) statt eines Rindes ixi^la geopfert, Äpfel, in die man 
Hölzchen statt der Beine und der Hörner steckte, ^^) und Pollux (I 30) 



>*) Xon. Anab. V 3, 9. 
**) Athen. IX 52 p. 476 u. Dittekbergeb 
Syll. 377. 

^^) Hesych. u. PBxvai«, 
'») Athen. IX p. 372 A. 
'9) Athen. XIV p. 645 B. 
2«) CIA. III 77, vgl. CIA. U 631. 
*) Paus. IX 39, 5; Aristoph. Nub. 507; ; «ij gchol. Aristonh. Kqu. 729, Plut. 1054, 

Poll. VI 76. ' Suid. u. ei^eaiwvtj, Forph3rr. De abst. II 7; 

«) Herod. VIII 41. j vgl. Eustath. ad II. p. 1283 u. Prbllkr- 

') CIA. 11 1651, vgl. unten S. 72 und ' Robert Gr. Myth. I 262. 
Ad^vmoy X 556. , ''') Poll. VI 61 ; Plut. Thes. 22; Harpokr. 

®) Paus. VIII 37, 4. I u. Uvayoipia u. Suid. u. JlvayetpuiSyoc. 



») Vgl. Athen. XIV 646 E, Bekker Anec- 
dot. p. 249. 

') CIA. III 77. Piaton Phaon bei Athen. 
X 58 p. 441 F. v. 8. 

^) Schol. Aristoph. Lys. 601 u. Suid. u. 
d. W. 

*) Vgl. TöPFFER Att, Geneal. 172 f. 



») Paus. VIII 42, 5. 

'») Dion. Hai. II 74. 

*') Ailian de nat. anini. VI 40. 

*-) Paus. IX 19, 4. 

'3) Plut. Thes. h. . Vgl. V. WiLAMowiTz Kydathen 150. 

'*) Paus. VII 20, 1. 



") Vgl. V. Lkutsch Philol. Suppl. 1 130. 

2^) Zenob. V 22 =- Paroimiogr. gr. I 
p. 124 nach Apollodör negl &€tSy, Said. u. 
MtjXetog iJQnxXrjg, Hesych. u. MijXtar li^axXi^f, 



8. KnltuBhandlaxigMi. (§ 62.) 



71 



berichtet, dass die Boioter ihm ein gleiches Opfer gebracht haben. >) Auch 
die Lokrer sollen Gurken auf dieselbe Weise zugerichtet und statt eines 
Kindes geopfert haben. ^) 

c) Aber auch von den andern Nahrungsmitteln des Menschen er- 
hielten die Götter ihren Anteil. Ausser den genannten gehörte zu den 
gewöhnlichsten noch der Käse, und so kann es denn nicht fehlen, dass 
wir auch ihn unter den Opfergaben häufig genannt finden.^) — Auch Honig- 
waben legte man auf die Altäre.^) 

Endlich muss noch der Weihrauch hier Erwähnung finden, wenn er 
auch nicht mehr ein Speiseopfer ist. Gewöhnlich ist er nur eine Beigabe 
grösserer, teils unblutiger,^) teils blutiger^) Opfer, doch kommt er auch 
als selbständiges Opfer vor. 7) Namentlich auf den Altären, die sich im 
Innern der Tempel befanden, pflegte er den Göttern zu Ehren verbrannt 
zu werden.**) So finden wir in den Verzeichnissen der Tempelinventare 
denn auch mehrfach grosse Mengen von Weihrauch und anderen wohl- 
riechenden Kräutern und Spezereien aufgeführt.^) 

63. Einzelne Kulte liessen blutige Opfer überhaupt nicht zu. So gab 
es auf der Burg zu Athen einen Altar des Zeus Hypatos, auf dem nichts 
Lebendes geopfert werden durfte,*^) und wahrscheinlich bestand für den 
Kultus des Sosipolis in Elis dieselbe Vorschrift. ^ ') Unblutig sind jedenfalls 
auch die sog. anvqa oder axaTtva^ feuerlose Opfer, gewesen, i*) wie solche 
Athena in Lindos auf Rhodos,*') Apollon auf einem Altar in Dolos empfing. **) 
Auch den Musen wurde öfters so geopfert,*'^) desgleichen der Aphrodite **) 
und hier und da wohl auch andern Göttern.*') Wie die Lindier, die sich 
überhaupt durch den Besitz sonderbarer Kulte auszeichnen,*^) sich ofi^enbar 
auf die ihnen eigentümlichen Athenaopfer etwas zu gute thun,*^) so scheinen 
die ixnvQa leqd auch sonst für besonders heilig und den Göttern wohl- 
gefällig gehalten worden zu sein.*<>) Auf welche Weise diese Opfer den 



») Vgl. Stengel Jahrb. f. Phil. 1881 
S. 398 flf. 

*) Paroiiniogr. gr. I p. 116, Zenob. V 5; 
Pseudoplut. Prov. Alex. 24 (Didot. II p. 165). 

3) CIG. 2448, Meoandr. bei Athen. IV 
27 p. 146, Eustath. ad II. £ 575 und mehr 
Beispiele bei Stengel in d. Jahrb. f. Phil. 
1882 S. 672. 

*) CIA. III 1662. 1667. 

*) Paus. V 15, 6; VI 20, 2. 

•) Vgl, NiTzscH zur Odyssee II 15. 

') Hes. Erg. 338, Luk. De sacrif. 12. 

*) II. Z 270 301. 

9) Vgl. CIG.' 2852 B, CIG. 5773 u. s. w. 

'0) Paus. I 26. 6. 

» «) Paus. VI 20, 2 f. 

'^) Pausanias (IX 41. 5) erwähnt zwar, 
dass in Chaironeia vor dem dort verehrten 
Szepter des Agamemnon ein Tisch stand, auf 
den täglich Fleisch gelegt wurde, vgl. aber 
die Angaben über das d^^lische Opfer bei 
HEBMAinr G. A.» g 17 A. 4. 

>») Pind. Ol. 7 u. Schol. zu VII 86 ; vgl. 



Heffter Gottesdienste auf Rhodos II 11, 
DiTTBNBERGER ind. loct, Hallo S. 1887 S. VII. 

>*) Diog. Laert. Vm 13; Porphyr. De abst. 
II 28 ; vgl. Bernats Theophrast üb. d. Fröm- 
migkeit 119. 

>*) Athen I p. 8 E. Vgl. Brunck Anal. 
II p. 193 n. 17. 

'**) Hesych u. xagnunug; vgl. Tac. bist 
II 3 u. Preller-Robert Gr. Myth. I 356. 

*^) Ail. De nat. anim. X 50 ; Porph. De 
abst. IV 55. Vgl. Schol. Aristoph. Pax 1019 
aber auch Dittenberger Syll. 374 und Böckh 
Staatsh.« II 119 u. weiter unten § 113 bei 
d. £vyoixitt. 

»») Vgl. Philostr. imag. II 24; Paus. IX 
12, 1; Apoll. Bibl. II 5, 11, Konon dieg. 11. 

»») Vgl. Pind. Ol. VII. 

***) Vgl. Aisch. Ag. Anf. und Bernats 
Theophrast 119. Dass auch an den kleinen 
Altären, die sich bisweilen vor den Hermen 
befanden, unblutige Opfer dargebracht zu 
werden pflegten, haben wir schon oben S. 21 
gesehen. 



72 A. Die griechischen Ealtnsaltertümer. 

Göttern übermittelt wurden, oder ob sie die Priester von den Altären weg- 
nahmen/) wissen wir nicht. ^) 

ß3. Endlich gehören die Trankopfer oder Spenden in dieses 
Kapitel.^) Wenn wir davon hier sogleich diejenigen ausscheiden, welche 
beim Mahle und Gelage nach jeder neuen Füllung des Mischkruges den 
Göttern dargebracht zu werden pflegen, und ebenso die, welche bei Toten- 
bestattungen in den brennenden Scheiterhaufen gegossen oder in Krügen 
darauf gesetzt werden,^) weil beide als eigentliche Opfer nicht anzusehen 
sind,^) so haben wir noch zu unterscheiden zwischen Spenden, die als 
selbständiges Opfer dargebracht werden, und solchen, die nur ein an- 
deres, gewöhnlich blutiges Opfer begleiten. Wie man Wein trank, auch 
ohne dazu etwas zu essen, so spendete man auch den Göttern häufig, ohne 
ihnen gleichzeitig noch eine andere Opfergabe darzubringen.^) Solche 
Spenden bestanden aus gemischtem Wein — wusste man ja doch, dass die 
Götter selbst den Nektar sich mischten') — und zwar in demselben Ver- 
hältnis gemischt, wie man ihn selber trank. Von dem Weine, den Hekabe 
ihm bringt, soll Hektor zuerst dem Zeus spenden und dann selbst trinken;^) 
um der Athena zu spenden, mischt Nestor den Mischkrug, ^) ebenso Alkinoos 
für Zeus ^^) u. s. w. Aber nicht alle Götter erhalten Weinspenden, mehrere 
verlangen einen nüchternen Trank {vrj^dXia), aus Milch, Honig und Wasser 
gemischt (ßsktxQatov), Der Mnemosyne, den Musen, der Eos, dem Helios, 
der Selene, den Nymphen, der Aphrodite Urania bringen die Athener 
vritpdXia tsQa dar, wie uns Polemon berichtet, und Philochoros fügt noch 
den Dionysos und die Töchter des Erechtheus hinzu. ^0 Es wird diese Sitte 
also nicht als eine allen Hellenen gemeinsame überliefert, und ebenso ist 
zu beachten, dass unter den genannten Gottheiten keine ist, der grössere 
Speiseopfer dargebracht zu werden pflegten. Was den Dionysos anbetriiDft, 
so ist wohl anzunehmen, dass er vrjqdha nur erhielt, wenn der chthonische 
Charakter des Gottes in den Vordergrund trat, wie dies z. B. bei seiner 
Verehrung in den Mysterien der Fall war.»*) Denn die Götter der Unter- 



') Vgl. Paus. IX 19, 4. \ Kohles in d. Mitt des D. Arch. Inst zu Athen 

'^) Eine Abbildung eines Tempeltisches I 143, aber auch Bergk in d. Jahrb. f. Phil. 

mit Opfergaben s. Schreiber Kulturhist. Atlas 1860 S. 383 A. 68. 

Taf. XVII n. 13. «) Vgl. Stephani cwnpte rmdu 1873 

') S. von neueren Arbeiten K. Bern- . S. 1 13 ff. 

HARDi d. Trankopfer bei Homer, Progr. des i ^) A 528, e 93. 

Kgl. Gymnas. zu Leipzig 1885, u. Stengel im ^) Z 258 ff. 

Philol. XXXIX 378 ff., im Hermes XVII 329 ff, ») ;' 393 f. 

XXII 645 ff. und besonders Jahrb. f. Philol. , i") i? 164, v 50. 

1887 S. 649 ff. ' '') Im Schol. zu Soph. Oid. Kol. 100, 

<) II ^f 170 f., 237, a 781, Eur. Iph. bei Preller Polemon 74. Die Bestätigung 

Taur. 633 ff Vgl. Kaibel Epigr. gr. 1034. dieser Angaben durch andere Schriftsteller 

*) Die ersten werden nur bestimmten s. Jahrb. f. Phil. 1887 S. 650 f. Vgl. auch 

Gottheiten in feststehender Reihenfolge ge- CIA. II 1651, wo Helios und Mnemosyne 

bracht (vgl. z. B. Prkl-ner Hestia-Vesta 4 ff.), Honigkuchen erhalten, die anderen genannten 

und das Gefühl, damit ein Opfer darzubringen, ' Gottheiten gewöhnliche nonava, Bemerkens- 

hat woh) keiner der Libierenden gehabt; die wert sind auch die dort erwähnten ytitpalifn 

letzten hatten wohl nur den Zweck, die Flamme ßta/nol. 

anzufachen und das Verbrennen zu befördern, *-) Plutarch Praec. sanit 19 p. 132 F 

oder sofern sie aus Wein bestanden, die ver- sagt auch ausdrücklich xai yag avrw r« 

glimmenden Scheite zu löschen. Vgl. U. , Jioyvao) noXXfcxig vrjtpaXia &vofi€y. 



8. Kaltashandlangen. (§ 63 -64.) 73 

weit hassen den Wein.^) Auch die Eumeniden verlangen x<^ac t' doirovg, 
vr^ifctha fuftli'yfxava,^) und von vr^<pdXia für Demeter erfahren wir aus Dio- 
nysios von HaJikamass (I 33, 1). Ebenso verlangen Nephthys und Osiris 
lifXixQaxov^^) und auch der Despoina wird auf ihrem Altar in Olympia kein 
Wein gespendet.*) Auch bei Totenbeschwörungen waren nach Porphyrios*) 
weinlose Spenden üblich, wenngleich die Praxis hier verschieden gewesen 
zu sein scheint,^) und nach Apollonios Rhodios') werden dieselben auch 
bei der Reinigung von Mördern angewandt. Aber auch der Kult an- 
derer Götter schloss bisweilen die Weinspenden aus, wie der des Zeus 
Hypatos in Athen®) oder des Sosipolis in Elis.^) Auch auf dem Altar 
aller Götter in Olympia spenden die Eleier keinen Wein/^) und ebenso 
verschmäht ihn die Hemithea im Chersones. * *) Endlich werden Honig- 
spenden für Pan und Priapos erwähnt. ^^) In den meisten Fällen wird es 
sich hier sicherlich nur um einfache Trankopfer handeln, nicht um Spenden, 
die neben einem Tieropfer dargebracht werden. Von dem Altar des Zeus 
Hypatos in Athen wird ausdrücklich bezeugt, dass auf ihm ovdhv ^jtiiffvx^v 
geopfert werden durfte, und auch für Sosipolis werden nur navroTa x^vfud- 
fiaia erwähnt. Jene Spenden aber, die gelegentlich blutiger Opfer dar- 
gebracht werden, behandeln wir besser mit diesen zusammen, nicht bloss 
weil sie ein Teil von ihnen sind, sondern auch weil sie oft so charakte- 
ristisch für das Ganze sind, dass die Bedeutung des Opfers gerade durch 
sie Beleuchtung und Erklärung erhält. 

Gehen wir jetzt zu den blutigen Opfern über. 

Man teilt sie am zweckmässigsten ein in Speiseopfer, d. h. solche von 
denen gegessen wird, und in solche, deren Fleisch nicht zur Speise be- 
nutzt, sondern vernichtet wird. Zu jener Klasse gehört erstens die grosse 
Menge der zum täglichen Bedarf geschlachteten Tiere, von denen in der Regel 
die Götter ihren Anteil empfingen, sodann alle Fest- und Dank- und die 
gewöhnliehen Bittopfer, zu dieser aber die Opfer für chthonische Gottheiten, 
die Sühn- oder Bussopfer, die Eidopfer, die Heroen- und Totenopfer. 

64. Wie heute bei uns, so hat man auch im Altertum, namentlich 
in den Städten, zu Hause verhältnismässig selten ein Tier geschlachtet; 
man kaufte den Fleischbedarf beim Metzger ein.^^) Ob dieser nun beim 
Schlachten der Tiere die bei einer Opferdarbringung üblichen Gebräuche 
beobachtet hat, ist uns nicht sicher überliefert, doch lässt sich annehmen, 
dass jedes Schlachttier wirklich auch als Opfertier angesehen und behan- 
delt wurde.**) Sicherlich fanden hierbei nicht alle die feierlichen und zeit- 
raubenden Ceremonien statt, die wir bei jedem eigentlichen Opfer finden, 
und ebenso gewiss hat man sich über die sonstigen, die Beschaffenheit des 



») Vgl. Porphyr. De antro Nymph. 18 ') Argon. IV 712. 

u. CIA. III 77. «) Paus. I 26, 6. 

«) Aisch. Eum. 107 ; Soph. Oid. Kol 100 ' ») Paus. VI 20, 2. S. darüber Stengel 

n. Schol. dazu; Paus. II 11, 4; Soph. Oid. im Hennes XXII 645 f. 

Kol. 481 mit Scholion u. s. w. i >«) Paus. V 15, 6. 

») CIA. III 77. ") Diod. V 62. 

^) Paus. V 16, 6. '•') Anthol. gr. VI 232. 

*) De antro Nymph. 28. '»j Schoemann Gr. A. IP 554. 

«) Vgl. X 27. , »*) Vgl. ArtemidorVp. 253, 2 Hercher. 



74 •^* I^io griechiBchen Knltusaltertllmer. 

Opfertiers betreffenden Bestimmungen hinweggesetzt, aber die Hauptsache 
wird nicht unterlassen sein: man wird den Göttern einige wertlose Stücke 
des Tieres verbrannt haben. Es lässt sich vermuten, dass der Fromme, 
der seinen Braten beim Metzger kaufte, Gewissensskrupel gehabt haben 
würde, wenn er dies nicht voraussetzen durfte, ebenso wie heute der 
strenggläubige Jude darauf hält, seinen Fleischbedarf von einem Händler 
zu beziehen, der das Tier kauscher geschlachtet hat. Wo ein Tier im 
eigenen Hause geschlachtet wurde, versäumte man die einfachsten Opfer- 
ceremonien wohl kaum jemals. >) Hier vertrat der Hausherr die Stelle des 
Priesters, aber verstand er sich nicht auf die Gebräuche, oder hatte er nicht 
Lust, sie persönlich zu vollziehen, so zog er einen fiayeiQog zu, zu dessen 
Kunst auch diese Fertigkeit gehörte.^) In wohlhabenden Häusern wird 
ein solcher sich in der Regel schon unter dem Dienstpersonal befunden 
haben. ^) Aber bei weitem nicht alle von Privaten dargebrachten Opfertiere 
wurden im Hause geschlachtet. Man führte sie zu einem bestimmten Heilig- 
tum und übergab sie dem Priester, damit dieser sie opfere. Hatte er die 
dem Gotte zukommenden Stücke (i€Q(6(rvva) verbrannt, so empfing er selbst 
für seine Bemühungen einen Anteil (O^eofjiOQta), und der Eigentümer des 
Tieres nahm das übrige Fleisch nach Hause, wenn er es nicht etwa vorzog, 
es mit seinen Gästen an Ort und Stelle zu verzehren. Zu Hause konnte 
dann ein Mahl bereitet werden, zu dem die Freunde eingeladen wurden,^) 
oder es ward diesen ein Stück Opferfleisch zum Geschenke gesandt,') oder 
endlich man salzte das Fleisch ein und bewahrte es zu späterem Gebrauche 
auf. Doch war es wohl eine Ausnahme und galt als unschicklich, dass 
man alles für sich behielt.^) Bisweilen brachten mehrere Familien oder 
Freunde ein gemeinschaftliches Opfer dar, dessen Fleisch dann unter alle 
verteilt wurde,') oder ein ganzes yävog veranstaltete ein Opfer.*) — Die 
Veranlassungen zu solchen Opfern waren natürlich verschieden. Im Hause 
werden die Tiere namentlich von Landieuten sehr häufig nur geschlachtet 
sein, wenn man eben des Fleisches bedurfte, und wer hiervon alles 
Oller fast alles für sich behielt, dürfte darum kaum getadelt worden sein. 
Sehr oft gab ein Familienfest oder der Wunsch, Gäste bei sich zu bewirten, 
den Anlass ; häufig auch wird man dem Gotte zum Dank für etwas Gutes, 
das man empfangen hatte, oder wenn man ihm mit einer Bitte nahte, 
ein Opfer dargebracht haben. — Die fromme Gesinnung konnte sich darin 
zeigen, dass man ein wertvolles Tier opferte, wie auch darin, dass man 
bessere und reichlichere Stücke verbrannte. 

ii^y. Durch nichts anderes als durch die Menge der Tiere, ein grösseres 
Gepränge und die Zahl der Teilnehmer unterscheiden sich von diesen pri- 



') Vgl. Athen. V p. 179 D. i *) Xen. Mem. III 11, IX 4; Aristoph. 

2) Athenion bei Athen. XIV 80 p. 661 ; ' Plut. 227 u. s. w. 

*) Theokr. id. V 139; Plut. Agcs. 17: 
Xen. Hell. IX 3, 14 u. s. w. 

«) Theophr. Char. 9; Athen. V p. 177 F; 
Plut. De adulat. et amico 28 § 68 B, De fratr. 
amore 7 p. 481 D u. s. w. 



Athen. IV 70 p. 170; IX 29 p. 382 u. s. w. 
Vgl. Bader de dm nttxQMoig, Progr. v. Schien 
singen 1873 S. 15. 

^) Dass vom Hausherrn oder seinen Söh 
nen selbst dargebracht« Opfer den Göttern 



unter allen Umständen lieber waren, als die, ^) Isai. er. IV 33. 

welche man durch Bedienstete vollziehen Hess, ^) Inschr. aus Chics in den Mitt. des 

ist aus Athen. I p. 9 B nicht zu schliessen. | D. Arch. Inst, zu Athen XIII (1888) 166. 



8. Enltuahandlimgen. (§ 65.) 75 

vaten die grossen Fest-, Dank- und Bittopfer, welche der Staat oder 
die Gemeinde darbringt, {Jr^fiorskHg x^vciai). In homerischer Zeit, wo man 
regelmässig wiederkehrende Feste zu Ehren der Götter entweder noch gar 
nicht kennt oder doch nur sehr selten feiert,') werden grosse Opfer, an denen 
die Masse des Volkes teilnimmt, veranstaltet, wenn man sich einen frohen 
Tag machen und dabei zugleich einem Gotte Ehre erweisen will. So 
opfert Nestor in Pylos dem Poseidon eine Hekatombe von Stieren, 2) 
lange Reihen von Bänken sind am Gestade des Meeres aufgeschlagen, und 
die ganze männliche Einwohnerschaft vergnügt sich mit dem Hirten seiner 
Unterthanen; und ähnlich werden uns alle andern grösseren Opferfeierlich- 
keiten beschrieben.^) Später finden diese Massenopfer an den zahlreichen 
Festen statt. Ferne Kolonien senden Opfertiere dazu, und der Staat er- 
schöpft seine Kassen,^) um würdig die Bürgerschaft zu speisen und die 
Götter zu ehren. Daneben finden zu allen Zeiten grosse durch beson- 
dere Ereignisse veranlasste Dankopfer statt. Aigisthos und Klytaimne- 
stra bringen sie dar, als ihnen der Mord Agamemnons gelungen,^) die 
homerischen Helden geloben sie, wenn ihnen die Erlegung eines Feindes 
glücken, ß) oder sonst ein grosser Wunsch erfüllt werden sollte.'') Vor der 
Schlacht bei Marathon verpflichten sich die Athener, der Artemis so viele 
Ziegen zu opfern, als sie Perser erlegen würden, und als sie dann die ver- 
sprochene Zahl nicht aufbringen können, opfern sie wenigstens fünfhundert, 
und fortan wird am Jahrestage der Schlacht dies Opfer wiederholt.®) Nach 
einem erwünschten Friedenschluss,^) einem geglückten Überfall,'^) einem 
wichtigen Beschluss,*0 '^ö™ Empfang einer frohen Nachricht'*) werden 
Dankesopfer gebracht, und so natürlich noch bei vielen andern Gelegenheiten.'^) 
Ebenso häufig sind die Bittopfer. Um ApoUon zu versöhnen, führt Odys- 
seus eine Hekatombe zum Opfer nach Chryse,'^) und die Zurückblei- 
benden opfern ebenfalls eine,'') Agamemnon schlachtet dem Zeus einen 
Stier mit der Bitte um Sieg, und von den Übrigen opfert einer dem, 
der andere jenem Gotte, auf dass er dem Tode und der Gefahr in 
dem bevorstehenden Kampfe entgehe;'*^) vor der Abfahrt von Troja werden 
grosse Opfer veranstaltet und die Götter angefleht, eine günstige Seefahrt 
zu geben;'') Hekabe gelobt der Athena zwölf Kühe, wenn sie dem Wüten 
des Diomedes Einhalt thun wolle,'®) und Achill spendet dem Zeus, als er 
sorgenvoll den Freund in den Kampf schickt.'^) Die spartanischen Könige 
opferten vor der Schlacht den Musen, damit sie die Namen der Helden 
berühmt machten,*«) Frauen den Nymphen mit der Bitte um Kindersegen,*') 



Vgl. V 15ß, (p 258 u. unten § 99. 1 Schol. zu Aristoph. Equ. 1320. 
2) y 7 flf. »3) S. z. B. Luk. Dial. mcretr. VII 1 ; 

Paus. I 27, 9. 

»*) J 431, 458 ff. 

'*) A 315 ff. 

'<») B 400 ff. 



>) Vgl. J 315 ff, 457 ff. 
*) Vgl. BöcKH SiaaiBhaushaltung' 1 265 ff. 
^) y 273. 
6\ j J20. 

7) y 873. 'M r 144 ff., 159, 178 f. 

«) Plut. De malign. Herod. 26; Toll. III »«) Z 308 ff. 

21 ; vgl. A. MoMMSEN Heortologie 212 ff. , '») 225. 

») Xen. Hell. VII 4, 36. I «") Plut. Lyk. 21, Instit. Lacon. 16 p. 

»<>) VII 2, 23. 238 Ö, De cohib. ira 10 p. 458 F. 

") VI 5, 49. I '') Kur. El. 785, vgl. 625. 

'^) BvayyiXia dveiy, Xen. Hell. IV 3, 14; 



76 



A. Die griechischen EnltuBalierttUner. 



und so wird es der Anlässe im Leben des einzelnen und des Volkes 
tausende gegeben haben, wo man sich mit Gebet und Opfer an eine Gott- 
heit wandte, um ihre Hilfe und ihren Segen zu erlangen. An ein wichtigeres 
Unternehmen machte sich wohl niemand, ohne vorher geopfert zu haben. 

66. Suchen wir uns jetzt ein Bild von der Ausführung eines Speise- 
opfers in allen seinen Einzelnheiten zu machen.^) 

Zuerst wurde das Opfertier mit Binden, Schleifen und Kränzen ge- 
schmückt, 2) den Rindern wurden bisweilen die Hörner vergoldet,') bei 
einigen grossen Festen geschah dies sogar regelmässig, und die Kosten dafür 
wurden wie für alle übrigen Vorbereitungen und Veranstaltungen von 
vornherein ausgeworfen und festgesetzt.*) Ebenso festlich geschmückt 
waren die Opfernden selbst. Sie legten reine Gewänder an*^) und setzten 
sich Kränze aufs Haupt. In homerischer Zeit fehlt der Kranz noch, später 
ist er so unentbehrlich, dass bei Aristophanes ^) eine Frau klagen kann, 
sie habe früher mit Kranzwinden viel Geld verdient, aber seitdem Euri- 
pides die Menschen gelehrt habe, es gebe keine Götter, und es sei thöricht 
zu opfern, gehe es ihr schlecht. Der Kranz war nicht nur ein Schmuck, 
sondern entsprechend der heiteren Stimmung, die bei jedem Speise- 
opfer herrschen sollte und herrschte, auch ein Zeichen der Freude,^) 
und man fühlte sich, wenn man ihn während der heiligen Handlung 
auf dem Haupte trug, wohl auch unter dem Schutze der Gottheit.**) Als 
Xenophon während eines Opfers die Nachricht vom Tode seines Sohnes 
empfängt, nimmt er den Kranz ab, aber als er hört, dass er tapfer käm- 
pfend gefallen sei, setzt er ihn wieder auf und vollendet das Opfer. ^) Auch 
Minos soll, als er auf Faros den Charitinnen opfernd den Tod des Andro- 
geos erfuhr, den Kranz abgenommen haben, woher es dann auf der Insel 
Sitte geworden sei, bei den Opfern dieser Göttinnen unbekränzt zu er- 
scheinen.*^*) Die Wahl der Blumen oder Blätter, aus denen man die Kränze 
wand, hing davon ab, welchem Gotte das Opfer dargebracht wurde, denn 
die meisten hatten ihre Lieblingspflanzen, die ihnen besonders wohlgefielen, 
und verschmähten wiederum andere. Doch waren hierin Glaube und Ge- 
bräuche an den verschiedenen Orten nicht übereinstimmend.^*) — In einem 
schönen Korbe, der bisweilen vergoldet gewesen sein mag,*^) befanden sich 
die Opfergeräte, die heilige Gerste, und was sonst etwa noch erforder- 
lich war;**) dieser wie auch das Becken, welches das Wasser {x^Qvitp) 
enthielt, wurde vor dem Beginn der Opferhandlung in der Richtung von 
links nach rechts um den Altar herumgetragen.**) Dann wurde von dem 
auf dem Altar brennenden Feuer ein Scheit {daXiov, s. Hesych. u. d, W.) 



^) Schilderungen bei den Alten II. J 
458 ff., ^ 414 ff., Eur. Herc. für. 922 ff., Ari- 
8tx)ph Fax 937 ff., Dion. Hai. VII 72 u. s. w. 

^) Eur. Heracl. 529. Act. Apost. XIV 
11 ff. u. 8. w. Vgl. Taf. I Fig. 4—5. 

') K 294, r 384. 

*) DiTTENBEROER Syll. 70, BöcKH Staatßb.» 
IT 84 ff. Der Preis für die Vergoldung be- 
trug pro Rind etwa eine Mark. 

») Flut. Cons. ad Apoll. 34 p. 119 B. 

6) Thesm. 447 ff. 



") Athen. XV 16 p. 674. 

«) Vgl. Aristoph. Flut. 21. 

») Diog. Laert. II 54, Flut. Cons. ad Apoll. 
34 p. 119 A. 

»«) Apoll. Bibl. III 15, 7; vgl. Flut 
Fraec. sanit. 19 p. 132 F. Andere Beispiele 
8. Athen. IV 17 p. 139 und Paus. II 11, 4. 

>') Flut. Quaest. rom. 112. 

^^) Schol. zu Aristoph. Acham. 242. 

'») Eur. El. 791 ff. 

'*) Aristoph. Fax 957, Athen. IX 76 p. 409. 



d. Ealtuahandlimgen. (§ 6ö.) 



77 



genommen und in das Wasser getaucht/) wodurch dies geweiht wurde. 
Alle Teilnehmer benetzten nun ihre Hände' damit und besprengten sich und 
den Altar.*) Hierauf wurde die Opfergerste 5) herumgereicht, von der ein 
jeder ein weniges auf den Kopf des jetzt zum Altar geführten Tieres 
(vgl. Taf. I Fig. 4 u. 5) streute *) und wohl auch in die auf dem Altar lodernde 
Flamme warf, denn das Hinzufügen der Brotfrucht kann doch keinen andern 
Sinn gehabt haben, als dass den Göttern, die an dem Opfermahl teilnehmen 
sollten, auch diese geboten werden müsste, wie sie ja auch Fleisch und Wein 
erhielten, ganz wie die Menschen, die sie zu Gaste luden.^) Ein Herold fragte 
Ttg rffie; worauf die Antwort ertönte noXXol xccyaO-ot/*) Darauf ward ein 
Gebet gesprochen.^) Dass es als ein gutes Zeichen angesehen wurde, wenn das 
Tier ruhig zum Altar ging und dort mit dem Kopfe nickte, und dass man 
dies Omen auch auf künstliche Weise herbeizuführen verstand, haben wir 
bereits gesehen (S. 45). Jetzt wurden dem Tier einige Haare vom Kopfe 
abgeschnitten und ins Feuer geworfen.^) Damit hatte es die Todesweihe 
empfangen,^) und der eigentliche Opferakt nahm seinen Anfang. ^^) Alle An- 
wesenden wurden zu frommem Schweigen aufgefordert, ^0 ^^d während der 
Gott angerufen ward, das Opfer gnädig anzunehmen, ^^) ertönte Flötenmusik. ^^) 



») Kur. Herc. für. 928. 

2) Aristoph. Lysistr. 1129. 

*) oXai, bei Homer ovXai, ovXoxvxai, 
Ob die Gerste geschroten war oder aus ganzen 
Körnern bestand, ist nicht entschieden (ein 
Verzeichnis der wichtigsten Untersuchungen 
darüber bei Schokmann Gr. Alt.» II 239 A. 6, 
s. auch Plut Quaest. graec. 6 jp. 292 c und 
Bebnays Theophr. 41 u. 52). Das Wort ist 
nicht sicher gedeutet, und ein Brauch wie 
der der Megarer beim Opfer des Tereus, 
statt der Gerste kleine Steine zu benutzen 
(Paus. I 41, 8) und nicht etwa Sand, gestattet 
ebensowenig den Schluss, dass man sonst 
ganze Körner geopfert habe, wie der Um- 
stand, dass Eumaios auf die FleischstOcke, 
die er den Göttern verbrennt, Mehl, nicht 
Kömer streut (I 429), den umgekehrten. 
Sicher ist trotz der entgegenstehenden An- 
gaben im Schol. zu Aristoph. Equ. 11(37 = 
tSuid. u. oXttl, Schol. zu II. A 449 und Od. 
y 441. dass die Griechen kein Salz bei- 
mischten (s. Athenion bei Athen. XIV 80 p. 
661 und die Bemerkungen von Schweio- 
HAU8EB zu der Stelle Bd. VII 672. Vgl. Plut. 
Quaest. symp. VIII 8, 2). 

^) Arist. Pax 962 ff., Schol. zu Aristoph. 
Nub. 260; vgl. Schol. zu Equ. 1167. 

5) Vgl. Julian Reden V 176 D u. Hkr- 
MAKif G. A.2 ^ 28 A. 2. 

«) Arist. Pax 968 mit Schol. = Suid. u. 

') Arist. Pax 973 ff. 

«) Eur. El. 811. 

•) Vgl. Eur. Alk. 74 ff. 

*ö) Xorft^/edi^a», die heilige Handlung 
beginnen (Arist. Av. 959, Eur. Herakl. 529 
u. s. w.) bezeichnet dann auch namentlich 
diese Prozedur, wird jedoch auch allgemeiner 



von den Vorbereitungen zum Opfer überhaupt 
gesagt. Vgl. y 445 und mehr bei Hermann 
a. a. 0. § 28 Anm. 12. 

>') €V(ptj/ÄtTT€ oder svfprjfAi« iaru) Ari- 
stoph. Acharn. 237 und Schol. dazu, Av. 958, 
Inschr. v. Kos im Joum. of Hell. Stud. IX 
335 ZI 32 u. s. w. Vgl. die Abbildungen bei 
Schreibeb Kulturh. Atl. XIV 4. 

»«) / 171 f., Aristoph. Thesm. 295 ff. 

13) Wie der Kranz wurde auch diese erst 
in nachhomerischer Zeit üblich, ist dann aber 
bei jedem Speiseopfer auch ebenso unent- 
behrlich wie jener. Dem Herodot (I 132) 
fällt es als eigentümliche persische Sitte auf, 
dass keine Flötenmusik die Opfer begleitete, 
und die Stellen, an denen ihrer Erwähnung 
geschieht, sind nicht minder zahlreich als das 
Vorkommen des Instrumentes selbst auf bild- 
lichen Darstellungen von Opferscenen. S. 
PoU. I 38, IV 86 ff.; Athen. VUI p. 349 C; 
Paus. VIII 38, 6; Plut. Quaest. symp. II 1, 5 
p. 632 D; Dio Chrysost. Or. XXII 57. Ab- 
bildungen bei Baumeister Denkmäler des 
klassischen Altertums u. Opfer II 1107, Arch. 
Ztg. 1845 Taf. 35 u. 36 u. s. w. — Das Unter- 
bleiben des Flötenspiels beim Opfer ist ein 
Zeichen der Trauer, wie das Fehlen des Kran- 
zes, und kommt daher ebenso ausnahmsweise 
oder noch seltener vor. Ein Beispiel liefert 
das bereits erwähnte Opfer der Charitinnen 
in Faros (Apoll. Bibl. III 15, 7; Plut. Praec. 
sanit. 19 p. 132 F), wo der Mythos den 
seltsamen Brauch zu erklären versucht. Vgl. 
Plut. de aud. poet. II p. 16 D u. önov Cv^ 
iaiiv iljdtwg x. 'Ent^x. 21, 8 p. 1102 A. Tu 
Tenedos gab es ein Heiligtum, das kein 
Flötenspieler betreten durfte (Plut. Quaest. 
graec. 28 p. 297 D), augenscheinlich weil 
es eine Stätte der Trauer sein sollte. 



78 •^* ^i® griechischen Knltnsaltertttmer. 

Dann wurde das Tier geschlachtet. Grössere, namentlich Rinder, pflegten dabei 
zuerst durch einen Schlag, der mit einem Beile oder einer Keule auf den 
Kopf geführt wurde, betäubt zu werden, i) oder es ward ihnen mit der 
Schneide des Beiles der Nacken ^) oder der Hals durchschlagen.^) Das Messer 
war natürlich, auch wenn zum Schlachten ein anderes Instrument angewandt 
wurde, bei jedem Opfer unentbehrlich,*) schon um die Kehle des Tieres zu 
öffnen und ihm das Blut zu entziehen.^) Beim Schlachten soll dem 
Tiere der Kopf zurückgebeugt worden sein, so dass es den Himmel anzu- 
schauen schien,^) und den kleineren wie Schafen und Ziegen wurde dann 
einfach mit einem Messer der Hals durchschnitten, oft so, dass man sie dabei 
hochhielt.') Auf eine eigentümliche Art wurden der Despoina zu Methy- 
drion in Arkadien die Opfertiere geschlachtet: man hieb sie in Stücke.^) 
In Hermione war es an den der Demeter gefeierten Ghthonien Brauch, 
dass vier alte Frauen vier Kühe mit Sicheln im Tempel selbst schlach- 
teten.^) Das Blut Hess man entweder direkt auf den Altar laufen (Taf. I 
Fig. 3) oder fing es in einer Schale {<r(pdytov, c^aytrov)^") auf und goss es 
darauf. 1') Damit glaubte man dann wohl das Leben des Tieres selbst der 
Gottheit darzubringen. In homerischer Zeit stiessen die beim Opfer etwa 
anwesenden Frauen, wenn das Tier den Todesstreich empfing, bestimmte 
Rufe aus (oXoXvyij^ üXoXvyfxog oXokv^stv).^^) Vielleicht hatten sie eine her- 
kömmliche Melodie, jedenfalls war es kein Klagegeschrei.**) Später trat, wie 
wir gesehen, dafür die Flötenmusik ein. Hierauf zog man dem Tier die Haut 
ab, nahm die inneren Teile (cTikdyxva) heraus, zerlegte es und sonderte die 
Stücke, welche die Götter empfangen sollten.'*) Die fTTiXayxva werden zuerst 
zubereitet, gewiss deshalb, weil sie am schnellsten gar wurden. Einzelne 
Teile davon wurden verbrannt,*^) wohl die wertlosesten wie die Galle, ^'^j 
die nur bei Opfern, welche der Hera als Ehegöttin gebracht wurden, 
fortgeworfen wurde.*') Mit völlig ungeniessbaren Teilen geschah dies über- 
haupt.*®) Ausnahmsweise wurde auch das Herz verbrannt.***) In die Flamme 
geworfenes Talg beförderte das Verbrennen, und Weihrauch beseitigte die 
aufsteigenden unangenehmen Gerüche. ^^) Darauf kostete man ein weniges 
von den frnXayxva^ die dann wohl grösstenteils von den Dienern und Sklaven, 

») Dion. Hai. VII 72 p. 1459 ; Apoll, j p. 1459 u. s. w. Vgl. die Abbilduog bei Da- 
Rbod. Arg. I 420; Od. I 425. | rehbebo Dict. I 1587 Fig. 2127. 

') Od. r 449: Apoll. Rbod. Arg. I 429 f. ' >«) y 450, vgl. d 767, Z 301. 



Plut. Quaest. symp. VI 8, 1. 

*) Strabo XV p. 733, Abbildungen bei 
Darembeko Dict. I 1584 f. 

5) I 420, r 454. 

®) J 459 u. Schol. dazu, Orpb. Argon. 
310. Vgl. die Abbildung des Stieropfers des 
Mithras in Baumeirtek's Denkin. 925 n. 990. 

') Die Beine nach oben auf der Abbil- 
dung bei Daremberg I 1187 Fig. 2127. Vgl. 
Kur. El. 813 f. — Mehr bei Stengel in d. 



3) Kur. Hei. 1584; Soph. Ai. 290 ff . ; | >») Kurykleia jauchzt, als sie die Freier 



hingeopfert sieht (/ 408). 

^*) Die «7i«p/a£ (Od. $ 440, Schol. Ari- 
stoph. Plut. 000, Dion. Hai. VII 71 etc.) oder 
IcQüiavy« (Ameips. bei Athen IX p. 388 E, 
Bekker Anecd. p. 44, 9). 

'^) r 9; Athenion bei Athen. XIV 80 
p. 001 A; Schol. zu Aristoph. Fax 1069 u. IKW. 

»«) Menandr. bei Athen. IV 27 p. 146. 

'') Plut. Conj. praec. 27. 

'») Vgl. Schol. Aristoph. Fax 717; Flut 



Ztschr. f. d. Gw. 1880 S. 739 ff. Vgl. die Phok. 1, De cup. div. 5; vgl. Schol. zu II. 

Abbildung Taf. I Fig. 3. j J 520. zu Aristoph. Vesp. 1144 u. Kqu. 1179. 

**) Paus. VHI 37, 5. >») Orph. Arg. 314. 

») Paus, n 35, 4. «") Inschr. v. Kos im Joum. of Hell. 

'«) Poll. X 05. Stud. IX 334 u. s. w. 

•') Athen. VI 201 K; Dion. Hai. VII 72 



d. EnltaBhandlimgen. (§ 6G.) 79 

sofern auch diese am Opfer teilnehmen durften, verzehrt wurden.*) Von 
dem Übrigen empfingen die Götter in homerischer Zeit namentlich die 
Schenkelknochen (firjQia),^) die in Fett eingehüllt samt einigen Fleisch- 
stückchen auf dem Altar verbrannt wurden.^) Eumaios schneidet von 
jedem einzelnen der grossen Stücke, in die der Eber zerlegt ist, etwas ab, 
um es den Göttern zu opfern,*) verbrennt dann aber noch ein grösseres 
Stück Fleisch als hauptsächlichste Opfergabe. *'^) Später verbrennt man 
namentlich den unteren Teil des Rückgrats und den Schwanz,^) aber 
auch andere Knochen, an denen man mehr oder weniger Fleisch liess.*^) 
Doch war in diesem Punkt die Praxis nicht nur der Einzelnen, sondern 
auch der Völker immer verschieden. Die Frommen Hessen den Göttern 
mehr zukommen,^) andere beschränkten sich auf das Notdürftigste, um nur 
der Form zu genügen.^) Den Lakedaimoniern sagte man nach, dass sie 
bloss Knochen verbrannten,**^) und die Kärglichkeit der Karischen Opfer 
war sprichwörtlich.**) In dem Opferkalender von Kos *2) wird angeordnet, 
dass von den Opfertieren für Hera und Zeus Polieus die IvJoqu ivdtQetai 
und auf dem Altar im Tempel verbrannt werden. Es sind damit ausser 
dem Eingeweide, wahrscheinlich die nicht abgehäuteten Köpfe und Füsse 
der Rinder gemeint,* 3) die dem getöteten Tier gleich zu Anfang ab- 
geschnitten und bei Seite gelegt werden.**) Der mykonische Stein *^) be- 
stimmt, dass dem Zeus Chthonios und der Ge Chthonia äsQxa (xtkava ge- 
opfert werden sollen.**^) Wir werden darunter also vermutlich die abge- 
häuteten Köpfe und Füsse der schwarzen Opfertiere zu verstehen haben. - Bei 
Homer finden wir auch ein Zungenopfer erwähnt.*^) Abends als die Gesell- 
schaft nach Hause aufbricht, werden mit der letzten Spende auch die 
Zungen der geschlachteten Tiere dem Gotte zu Ehren verbrannt. Auch 
später bleibt es Sitte, dem Opfertier die Zunge auszuschneiden und sie be- 
sonders zu legen;**) sie wird aber nicht mehr den Göttern verbrannt, son- 
dern es empfangen sie entweder die Priester*^) oder, namentlich bei den 



*) A 464, Ari8ix)ph. Fax 1040 u. s. w. 

») Vgl. Hkrmaiw G. A. § 28 A. 21 und 
Palky %i/p(m the sacrificial sense of fÄtjgoi and 
f^flQitt in den Transact. of Cambr. Pbil. Soc. 
1879 p. 202 f., der (AriQla als Fleischstrcifen, 
Koteletts, erklärt. Dagegen auch Jebb 8oph. 
Ant. (Cambridge 1888) zu Vers 1011. Kin 
Beispiel des Verbrennens von Schweine- 



^) Aristoph. Av. 900, Menandr. bei Atben. 
IV 27 p 140, Pberekr. bei Clemens Stromat. 
p. 716. 

»«) Plat. Alkib. II p. 149a, vgl. Plut. 
Apophtbegm. 1 p. 172 A u. p. 228 D, Lyk. 22. 

*') S. Suid. u. KttQixov 9vua. 

'») Journ. of Hell. Stud. IX :^28 ii. 335. 

") Vgl. Hesycb. u. h'dtcQTrt, 



Schenkeln findet sich bei Homer nicht. i ^*) Vgl. die Änm. v. Hfckh im Joum. of 

=») A 460, B 423, fÄ 360. Vgl. Schol. i Hell. Stud. a. a. 0. 

zu Apoll. Rhod. Arg. III 1033 u. Nitzsch zur | '^) Dittekberokr Syll. 373, 2«. 

Odyssee I 223. , ***) cf«^r«, wofür Dittenberökr cf' tTini 

*) ^ 428. Vielleicht ist diese Sitte ab I geschrieben hat, ist durch Latyschew Bull, 

und zu auch später noch beobachtet worden, ' de ccrr hell. XII 462 ausser Zweifel gestellt, 

s. Dion. Hai. VII 72 p. 1494 ff. ' '•) y 341. 

^) ^ 435 f. Vgl. Bernhardi a. a. 0. S. 4. I ^*) Aristoph. Av. 1705 und Didymos im 

•) Menandr. bei Athen. IV 27 p. 146, Schol. dazu, Menandr. bei Athen. XIV 7<I 

Schol. Aristoph. Pax 1054 u. Ran. 223. Vgl. I p. 659 E; Plut. Phok. 1, De cup. div. 5; 

WiESELER im Philol. X 389 f. i Apoll. Rhod. Arg. I 518. 

') Aristoph. Plut. Ilg8 u. Schol. dazu, j *®) DiTTENBEROERSyll.373u 376, Inschrr. 

Av. 900, Soph. Ant. 1010. Vgl. die Abbil- aus Chios in d. Mitt. des D. Arch. Inst. 

dang in Baumeisteb's Denkm. 1107 n. 1303. zu Athen. XIII (1888) 166, aus Sinope im 

«) Vgl. G. Hebmann zu Aisch. Prom. Bull, de corr. hell. 1889 S. 300. 
100 f. Schoexann Prometheus S. 115. 



80 



A. Die griechiflchen KnltuBaltertÜmer. 



SfjliioTskeTg d^vatat^ die Herolde, die bei der Opferhandlung Dienste geleistet 
haben. ^) Das übrige Fleisch wurde, wenn es an Ort und Stelle verzehrt 
werden sollte, gebraten, nur bei den Opfern der Hören in Athen gekocht^) 
Wenn die Opfergaben auf dem Altar verbrannten, goss man Spenden von 
gemischtem Wein darauf, 3) und zwar beteiligten sich hieran alle An- 
wesenden^). Ebenso brachte man nachher während des Opfermahles von jedem 
neugemischten Mischkrug eine Libation dar,^) und die ganze Festlichkeit schloss 
wohl stets mit einer Spende.*^) Reinen Wein durfte man bei Speiseopfem 
nicht spenden, weil der Wein ja den Göttern als Trank angeboten wurde, 
und ungemischter Wein für ungeniessbar galt. Die Gefährten des Odysseus 
bringen einmal beim Opfer eine Wasserspende.') Auch dies ist nicht auf- 
fallend: sie müssen selbst statt des Weines Wasser trinken und können 
also auch den Göttern nichts Besseres bieten. Wahrscheinlich sind solche 
Spenden in ähnlicher Lage öfters vorgekommen.^) 

Ebenso selbstverständlich wie Flötenmusik war das Absingen von 
Paianen beim Opfer. ^) Ausnahmen werden als auffallig erwähnt. *^^) Eine 
sehr alte thasische Inschrift i^) verbietet denPaian bei Opfern für die Nymphen 
und ApoUon wi^npr^yäTTfi. Auch Reigen und Tänze pflegten sich anzu- 
schliessen,**) wie diese ja nie fehlten, wo Festfreude herrschte.^*) 

67. An grossen Staatsfesten, wie den Panathenaien, fanden Volks- 
speisungen statt. Ein uns erhaltenes Dekret**) ordnet an, dass die isgonom 
zu dem Feste für 41 Minen, ungefähr 3300 Mark,*^) Opfervieh anschaffen 
sollten. Das Fleisch sollte dann unter die auf der Akropolis versammelten 
Bürger und Metoiken^^) verteilt werden, und jedes Mitglied eines Demos 
seine Portion*^) erhalten. *») Ausser dem gebratenen wurde rohes Fleisch 
verteilt,*^) das sich jeder zu Hause zubereiten mochte, wann und wie 
er wollte. Auch Leckerbissen zum Nachtisch und vor allem Wein durften 



') Aristoph. Plut. 1110 u. Kallistratos 
im Schol. dazu. Ausfuhrlicheres daiHher bei 
Stengel d. Zunge der Opfertiere in d. Jahrb. 
für Phil. 1879 S. 687 flf. Mit Angaben wie 
Poll. VI 55 'Egfiov d^ xX^Qos tj TiQuitt] ruiy 
xQCtoy uoiQUf oder Piaton Kratyl. p. 401 D 
71^0 naytijy &Buiy rfj 'Eati<f tiqvjxh ngodvetry 
ist bei der Dürftigkeit der Nachrichten darüber 
nicht viel anzufangen. Über das letzte vgl. 
pREUNER Hestia-Vcsta 9 ff., auch Preller- 
KoBERT Gr. M. I 427 f. 

2) Philochoros bei Athen XIV 72 p. 656 A. 
Eine Abbildung mit Opfertieren beschäftigter 
fiayeiQoi bei Darembero u. Saolio I 1501 
Kig. 1988. 

^) Inschr. v. Kos im Joum. of Hell. Stud. 
IX 335 ZI. 50 und mehr Beispiele bei Stengel 
im Hermes XVII 329 f. 

*) Eur. Kykl. 469 f. 

'*) Plut. Quaest. symp. V 4, 1. Bern- 
iiARDi a. a. 0. 20 f. 

^) Man brachte diese, bisweilen mit noch 
einer andern letzten Opfergabe, entweder dem 
(Jotte dar, welchem die Tiere geopfert waren 
(;' 332 ff.), oder dem Hermes. Diese letzte 



nach dem Gotte igu^g benannte (AUien. I 
p. 32 B, Poll. VI 16. 100) und ihm allein zu- 
kommende Spende war zu gleichen Teilen 
gemischt (Stratb's bei Athen. IX p. 473), und 
mit ihr beschloss man jedes Gelage (vgl. 
schon t] 137). 

') u 362. 

«) Vgl. Bernays Theophr. 91. 

") IL A 473, Athen. XIV 626 B. 

»«) Athen. IV 17 p. 139 D. 

»0 RöHL IGA. 379. 

'•^ A 473, Plato Leg. VIII p. 835. vgl. 
Poll. IV 95, Plut. De aud. poet. II p. 16 D. 

*^) Vgl. Hom. Hymn. in Ap. 149 ; Paus. 
X 7, 2; Etym. m. p. 690 u. ngoGi^dtoy, 

^*) DlTTENBEROER Syll. 380. 

*^) Über den Preis der Rinder vgl. Böckh 
Staatsh.8 I 93 ff. und Fräjikel II 21 * Anm. 
127 ff. 

^®) S.v.WiLAMowiTz im Hermes XXII 220. 

^") Vgl. Plut Quaest. symp. II 10, 7. 

^«) Vgl. C1G.'2906, CIA. II 578, Dittkn- 

BERGER Syll. 380. 

'^) DlTTENBEROER Syll. 348 mit Anm. 9. 



d. KaltuBhandlimgen. (§ 67.) 



81 



bei der Bewirtung nicht fehlen, i) Aus dem bekannten marmor Sandmccnse-) 
erfahren wir, dass zum Feste des Gottes in Delos 109 Rinder für den auf- 
fallend hohen Preis von 8419 Drachmen, ungefähr 6800 Mark, angekauft 
wurden. Der schönste Stier (ßovg rjye/xoivy) wurde mit einem ungeheuren 
Preise bezahlt,*) und von dem Tyrannen Jason von Pherai wird uns be- 
richtet,^) dass er die Stadt, welche zu den pythischen Festen das statt- 
lichste Rind lieferte, mit einem goldenen Kranze belohnte. Die auserlesene 
Färse, welche Hera beim Festopfer in Kos empfing, durfte nicht weniger 
als 50 Drachmen kosten.^) -- Auch die angesehenen und vornehmen Bürger 
empfingen ihren Anteil vom Opferfleisch, und zwar nahmen sie nicht bloss 
an dem Opfermahle teil, sondern erhielten auch bei der Fleischverteilung 
bessere und reichlichere Portionen. Für die Buleuten wird ein besonderes 
Opfermahl zubereitet.^) Das Dekret aus Halikamass^) bestimmt, dass die 
Frauen der Prytanen von den öffentlichen Opfern denselben Anteil erhalten 
sollen, wie die Priesterin, und eine auf die kleinen Panathenaien bezüg- 
liche Inschrift nennt ausser den Prytanen die neun Archonten, die Stra- 
tegen, Taxiarchen, die Kanephoren u. s. w., die vorweg xard tu tml^oiu 
ihre Portionen empfangen sollen.^) In Sparta ist der Erlös aus den Fellen 
der Opfertiere eine Haupteinnahme der Könige, ^^) und auch an anderen 
Orten erhält der König seinen besonderen Anteil von den Opfern. ^ ') Ausser- 
dem pflegten Leuten, die sich um den betreffenden Kultus verdient gemacht 
hatten, Vergünstigungen und Vorteile bewilligt zu werden. So soll Mnasi- 
stratos in Andania die Felle der bei der Mysterienfeier geschlachteten Tiere, >^) 
ein gewisser Philokedes von den Opfern der Lamptrenser,") und ein Kalli- 
damas von denen der Peiraienser *^) Fleischanteile bekommen, die Phyleo- 
machiden von dem Rinde, das dem Zeus an den Kameen in Kos geopfert 
wird, die Hufe und Afterklauen (onXd xal TaQCog), von den Schafen die 
Schulter, aus welcher der Anteil für den Priester ausgeschnitten wird,**'») 
die Nestoriden Fleisch vom Rücken. ^^) Ganz gewöhnlich aber war es, dass 
allen denen, die beim Opfer Dienste geleistet hatten, ein Stück Fleisch 
überlassen wurde; so dem ^vXsvg^ der das Holz zu den Opfern für den 
olympischen Zeus lieferte, ^^) und dem Flötenbläser, dem Schmied und dem 
Töpfer, die bei dem Festopfer in Kos beschäftigt gewesen waren. *^) Fanden 
Wettkämpfe statt, so erhielten bisweilen auch die Sieger einen besonderen 
Anteil.*^) Solche Bewirtungen aber gab es nicht bloss bei den grossen 
Festopfem, auch ein Privatmann veranstaltete sie gelegentlich. So opferte 



») DiTTENBEBGEB Syll. 348; CIG. 1625, 
CIA. II 570. 

*) DiTTENBEBGEB Syll. 70; BüCKii Staats- 
h.» I 75 flF. 

») Athen. VI 27 p. 235; Xen. Hell. VI 
4, 29. BöcKH zu CIG. 1688 ZI. 32 nimmt 
eine zweite Bezeichnung: ßovg ijgtjg an; da- 
gegen A. MoMMSEN Delphica 190 u. 226 f. 

*) CIA. II 545. 

*) Xen. Hell. VI 4, 29. 

^) Inschr. im Journ. of Hell. Stud. IX 
3^8 ZI 5 

Schol. Aristoph. Pax 893. 

") DiTTENBEBGEB Syll. 371. 



•) DiTTENBEBGEB Syll. :180. 

^*>) Herod. VI 57. 



»') Herod. IV 161. 

»2) DiTTENBEBGEB Syll. 388. 

»3) CIA. II 582. 

'*) CIA. II 589. 

»^) Journ. of Hell. Stud. IX 328. 

»«) Ebenda 335 ZI. 54. Vgl. auch 324 
ZI. 4 ff. 

*') Paus. V 13, 2. 

'«) Jouni. of Hell*. Stud. IX 335 ZI. 55 f. 

^*) Paus. V 16, 2. Inschr. im Movaetof 
T^g EvayyBk. 2'/oA. in Smyrna 1878 S. 21. 



Bftndbuch der Uaat. AitertumswisseoachAft. V. 3. Abtlg. 



82 



A. Die griechiBchen KultuaaltertÜmer. 



Konon einmal eine wirklieh vollzählige Hekatombe und bewirtete alle 
Athener. *) Von den Opfern, die der Hestia gebracht wurden, durfte nichts 
nach Hause mitgenommen oder anderen mitgeteilt werden.*) Es findet 
dieser Brauch seine Erklärung darin, dass ihr nur im Prytaneion^) oder 
im Hause geopfert wurde, und dass die Gäste sich von den Speisen, mit 
denen sie bewirtet wurden, noch etwas nach Hause nahmen, schickte sich 
eben nicht. Vereinzelt finden sich solche Bestimmungen auch für andere 
Opfer.^) Das Fell des Tieres verblieb bei Privatopfern in der Regel dem 
Eigentümer, doch fiel es, wie wir gesehen haben, auch nicht selten den 
Priestern zu.^) Die Häute der bei den grossen Staatsopfern geschlachteten 
Tiere gehörten in Athen dem Staate.^) 

Massenopfer sind schon in den heroischen Zeiten ganz gewöhnlich. 
Durch eine Hekatombe glauben sich die homerischen Helden die Gunst der 
Götter sicherer zu erwerben, als durch ein kleineres Opfer, und schwerlich 
ist die später zuweilen ausgesprochene Ansicht,^) dass es auf die Grösse 
des Opfers hierbei gar nicht ankomme, jemals die allgemeine gewesen. 
Doch ist in erster Linie ohne Zweifel die Veranlassung zu Opfern von 
hundert und mehreren hundert Tieren auf einmal der Wunsch und das 
Bedürftiis gewesen, die Volksmenge festlich zu bewirten. Glanz und Freude 
des Festes wurden so erhöht, und Göttern und Menschen war in gleicher 
Weise genuggethan. Ausser den Hundertopfern, den Hekatomben,^) gab es 
Zwölfopfer (i(od€Kr/g),^) und ganz gewöhnlich waren die irßirrt;«^ oder t^it- 
Tvaiy die aus drei verschiedenen Tieren zusammengesetzt waren. ^®) 

Beteiligen durften sich an den Opfern alle Bürgerund Metoiken,^') 
sofern sie nicht durch eine Verschuldung dies Recht verwirkt hatten.**) 
Hinsichtlich der Fremden war die Praxis verschieden; zu einigen wurden 
sie zugelassen, 1^) in den meisten Heiligtümern durften jedoch sicherlich nur 
Bürger Opfer darbringen.*^) Überall aber war wohl dafür gesorgt, dass 
ein anderer für den fremden Gast das gewünschte Opfer vollziehen konnte. 



') Athen. I 5 p. 3 D. Vgl. XII p. 532 E. 

Eustath. zur Od. »; 298 p. 1579, He- 
sych. u. 'KarUt. Paroimiogr. gr. I 97 und 
mehr bei Preuner Hestia- Vesta 74 ff. Vgl. 
auch RiNCK Hei. der Hell. H 11. 

«) CIA. n 470, 478, 482. 

*) Vgl. DiTTEKBEROER Syll. 378 und d. 
Inschr. v. Kos im Journ. of Hell. Stud. IX 
328 ZI. 3, 8, 29, 47, (>1. S. auch Ditten- 
BEROER Syll. 373 ZI. 2G u. 28 f.; dcaytia^toy 
ttvrov. 

'-) Beispiele S. 29 f. 

*) Bitten BEROER Syll. 374 und Böckh 
Staatsh.'» II 108 f. 

") Eur. frgm. Dan. 329. Plut. ötiov Cfjy 
iany rjd. x.'En. 21, 8 p. 1102. Vgl. Ber- 
NAY8 Theophrast 74, Kiessling zu Hör. carm. 
III 23 u. 8. w. 

**) Der Gebrauch des Wortes ist früh 
kataeh restisch geworden. Schon bei Homer 
besteht die Hekatombe, die Nestor dem 
Poseidon opfert, aus 81 Stieren (;' 59, vgl. 
7 ff.). Ebenso bestand sie nur in den selten- 
sten Fällen aus Rindern. Wenn nicht lauter 



kleinere Tiere geschlachtet wurden (J 120, 
^ 873), so begnügte man sich mit einem 
(kxaxofAßfi ßovTtQtDQos, ßoaQX^s: PJot Quaest 
symp. IV 4, 2; Eustath. zu X 130. Vgl. Dit- 
tenberqer Syll. 13, 36 f., Mohksen Heort 
257 Anm., Kirchhoff zu CIA. I 5) oder 
wenigen Rindern (j4 316). 

») Soph. Trach. 760, Hesych. u. dtodex^de^ 
^valai, Inschr. im Bull, de corr. hell. VI 215. 

^^) Am ausführlichsten darüber Stengel 
in d. Jahrb. f. Phil. 1886 S. 329 ff. 

^^) Vgl. V. WiLAMowiTz im Hermes XXII 
215, 220 ff. 

'^) Oft für eine bestimmte Zeit, z. B. 
CIG. 3562 zehn Jahre. 

") Vgl. Eur. El. 795 und die eben er- 
wähnten, nicht selbstverständlichen Verbote. 
S. auch BöcKH Staatsh.n 273 f. 

'*) Z. B. der Hera in Argos Herod. VI 81 ; 
in Amorgos Dittenberoer Syll. 358; vgl. 373, 
26. Deshalb ist es auch ein Zeichen von der 
Besitznahme einer Stadt, wenn der siegreiche 
Feldherr der Hauptgottheit in ihrem Tempel 
opfert: Arrian Anab. II 16; Xen. HeU. HI 1, 23 f. 



d. KultoBhandlimgeii. ($ GS -69.) 83 

sei es, wie am natürlichsten, der Proxenos seines Staats,') oder in Er- 
mangelung eines solchen die Stadt,*) oder ein Bürger, der selbst den 
Priester vertrat.^) Ausnahmsweise kam es auch vor, dass einem Opfer 
Weiber,*) oder umgekehrt Männer^) fern bleiben mussten. Beschränkter 
war natürlich die Zahl der Teilnehmer, wenn eine geschlossene Gesell- 
schaft, z. B. ein bestimmter Demos, das Opfer darbrachte. Durch ein 
Dekret wird dann wohl einem verdienten und verehrten Manne, der nicht 
Mitglied des Demos ist, das Recht verliehen, an dessen Opfern teilzu- 
nehmen;^) eine seltene Ausnahme ist es, dass andere ganze Demen sich be- 
teiligen.^) Sklaven waren in der Regel ausgeschlossen.^) 

68. Die Opfertiere mussten von der besten Beschaffenheit sein. 
Weder ein krankes noch ein durch irgend einen Fehler verunstaltetes Tier 
eignete sich zum Opfer. ^) Nur den Lakedaimoniern wurde nachgesagt, 
dass sie auch verstümmelte Tiere opferten.*^) Vereinzelte Fälle kamen 
jedoch auch sonst vor. Die Artemis in Amarynthos soll den Beinamen 
KoXamg erhalten haben, weil ihr Agamemnon einen tadelhaften Widder 
{xoXov xQiov) geopfert habe,'') und die Eretrier opferten ihr weiter xoXoßd 
(verstümmelte Tiere).'*) Auch an andern Orten mag man leicht ein Auge 
zugedrückt haben. '^) Wie sorgfältig man jedoch bei der Auswahl der 
Tiere, die zu den grossen Festopfern bestimmt waren, zu Werke ging, 
zeigen die Inschriften, welche die hqonoioC und inifirjvioi mit der Be- 
schaffung und Prüfung beauftragen.'*) Um vor Verwechslungen oder 
Täuschungen sicher zu sein, zeichnete man die betreffenden Tiere wohl 
auch durch ein besonderes Merkmal.'^) In Delphoi wandte man besondere 
Mittel an, um die Opfertiere auf ihre Gesundheit hin zu untersuchen.'^) 

69. Zu Speiseopfem waren natürlich nur essbare Tiere zu brauchen. 
Ihre Zahl ist ziemlich beschränkt. Suidas u. xß-vcov und ßovg i'ßdofiog 
bezeichnet als opferbar Schaf, Schwein, Rind, Ziege, Huhn, Gans, und 
nennt damit eher zu viel als zu wenig. Denn Gänse hat man wohl nur 
der Isis geopfert, und vielleicht auch ihr nicht als Speiseopfer, '7) und auch 
Hühner oder Hähne wurden nur gewissen Gottheiten, wie dem Asklepios'^) 
und Herakles, 'ö) häufiger geopfert. Wahrscheinlich wurden aber auch diese 
ganz verbrannt. ^^) Da man nun Eselfleisch nur ass, wenn man nichts 



s 

*) DiTTENBKEOER Svll. 373, 9. 

^) Wenigstens der Opferhandlung selbst: 
Paus. II 35. 7; Dittenb. Syll. 373, 21 ff. 
Vgl. § 116. 

«) CIA. II 582, 589. 

') Plut. Thes. 14. 

^) Ausnahme bei Atheh IV 31 p. 149 C. 
Vgl. VI 81 p. 262 C. 

•) Aristot. bei Athen. XV 16 jp. 674; 
DiTTENBEBQEB Sjll. 388, 70 f.; Paus. X 35, 4; 
PoII. I 29; Plut De def. or. 49 p. 437 B; 
Luk. 7f€gl ^va. 12. — Das Verschneiden 
wurde nicht als Verstümmelung angesehen. 

»•) Plato Alk. II p. 149 A. 

") Schol. Aristoph. Av. 873, vgl. Kailim. 



^) Vgl. DiTTENBERQER Syll.323mitnot. 5. i frgm. 76. 

*) DiTTENBBROER Syll. 323. ") All. De nat. anim. XII 34. 

) DiTTENBEROEB Syll. 376, 8. ") S. d. Inschrift von Oropos u. v. Wi- 

LAMowiTZ im Hermes XXI 95. 

'*) Vgl. S. 34 f. 

»6) DiTTBNBEBGEB Syll. 388,^ 71, Porph. 
De abst. I 25, vgl.CIG. 3599 ZI. 21 und die 
Bemerkung Böckh's dazu. 

»6) Plut. De def. or. 49. 

»') Vgl. Bebnays Theophr. 106 u. 186, 
WoLPF die Geflogelopfer der Griechen im 
Philol. XXVIII 188 ff. 

»«) Plato Phaid. p. 118 A, Artemidor 
Oneir. V 9. 

'») Plut. Quaest. symp. VI 10, 1; CIA. 
III 77. 

»0) S. die Abbildung in d Arch. Ztg. 
1883 S. 311 bespr. von Fb. v. Duhn und vgl. 

6* 



84 



A. Die grieohischen Kaltnsaliertümer. 



Besseres hatte/) und diese verschmähte Speise den Göttern nicht anbieten 
durfte, 2) bleiben nur die vier erstgenannten Tiere übrig. Unter ihnen sind 
nicht alle jedem Gotte gleich willkommen. Demeter zieht die Schweine 
vor,^) Dionysos Schweine und Ziegen/) angeblich weil diese Tiere Saaten 
und Weinpflanzungen am meisten beschädigen/) dem Poseidon sind Stiere 
die liebsten Opfertiere/) der Athena Kühe/) der Artemis opferte man 
vorzugsweise Ziegen®) u. s. w. — Manche Gottheiten verschmähten, wenn 
nicht überall, so doch an einigen oder an den meisten Orten diese oder 
jene Opfertiere. ^) So Aphrodite die Schweine,**^) doch opferte man ihr 
solche in Argos an einem Fest, das darnach seinen Namen hatte (Tcrrij^i«),!») 
und in Pamphylien.^^) Verboten werden diese Opfer wahrscheinlich auch 
überall da gewesen sein, wo Schweine vom Tempelbezirk femzuhaltea 
waren, ^^) oder selbst der, welcher Schweinefleisch genossen oder schweins- 
lederne Schuhe anhatte, diesen nicht betreten durfte. ^^) Der Hera wurden 
Ziegen nur von den Lakedaimoniern^^) und vielleicht auch von den Eo- 
rinthiern geopfert. ^^) In Epidauros und Tithorea durfte man dem Asklepios 
keine Ziegen opfern,*'') während dies in Kyrene geschah;*®) auf die Burg 
von Athen durften sie überhaupt nicht hinaufgebracht werden.*^) In Phokis 
gab es ein Heiligtum der Isis, wo weder Schweine noch Ziegen geopfert 
werden durften, 2®) und die schon erwähnte Inschrift aus Thasos**) verbietet 
den Nymphen und dem Apollon Schafe und Schweine, den Charitinnen 
Ziegen und Schweine zu opfern. Es ist dies das einzige Beispiel, dass 
auch Schafopfer untersagt werden. Rinder durften jedem Gotte geopfert 
werden, nur die Ackerstiere sollten geschont werden, 22) doch kommen auch 
hier Ausnahmen vor: in Lindos auf Rhodos werden sie dem Herakles,^^) 
von den Thebanern dem Apollon 2^) geopfert. Auch Ochsen, die als Zug- 
tiere dienten, opferte man nur, wenn nichts anderes mehr da war.^^) Sehr 



Plut. Ages. 33. — Flut. Quaest. symp. VI 
10, 1 kann ebenso dafür wie dagegen spre- 
chen. Sonst vgl. noch Luk. Jup. trag. 15, 
Ail. De nat. anim. V 28, Porphyr, vit. Py- 
thag. 30. 

*) Porphr. De abst. I 14; Xen. Anab. 
II 1, C; Luk. Asin. 33; Schol. Aristoph. Vesp. 
194: Poll. IX 48. 

2) Ob in Dolphoi dem Apollon Esel ge- 
opfert worden sind, ist mehr als zweifelhaft; 
vgl. BöcKH zu CIG. 1H88, Ahbbns Dialekte 
484, ScHOEMANN Gr. A. II 232. 

^) Schol. Aristoph. Ran. 338, Ail. De 
nat. anim. X 1(>; llygin. Fab. 277. 

*) Schol. Aristoph. Plut. 1129; Komut 
71€qI t^etHy 30 p. 217 ; Inschr. v. Kos im Joum. | 
of Hell. Stud. IX 335 ZI. 46. 

^) S. die angef. Stellen bei Lobeck Agl. 
828 

* «) ;' 6 Soph, Oid. Kol. 887 u. s. w. 

') Z 92; CIA. II 1Ü3; Schol. zu Aristoph. 
Nub. 385 u. s. w. 

«) Xonoph. Anab. III 2, 12; Ail. Var. 
bist. II 25; Lenormakt Hccherches archeol. 
ä Eleiisis n. 25 p. 70 ff. u. s. w. 

*) Vgl. Stengel Quaest. sacrif. Progr. 
des Joach. Gymn. Berlin 1879 S. 27 ff. 



^^) Caueb Del. inscr.* n. 435 ; Aristoph. 
Acharn. 793 ; Paus. II 10, 4 u. s. w. 

'') Athen III 49 p. 96; Eustath. zur II. 
A 417 p. 853. 

**) Der '^. Kaatvifjnq Kallim. bei Strabo 

IX 483. 

»«) CIG. 5069. 

»*) DiTTBNBBBGEB Syll. 358; Strabo XII 
575 ; Diod. V 62. 

»5) Paus. III 15,^7. ^ 

»«) Hesych. u. aU alya u. Zenob. I 27. 

'') Paus. X 32, 8. 

»«j Paus. II 26, 7; vgl. v. Wilamowitz 
Isyllos 86. 

»») Athen. XIII 51 p. 587. 

20) Paus. X 32, 9. 

''') RöHL IGA. 379. 

") Ail. Var. bist. V 14; De nat anim. 
XII 34 ; Bahr. Fab: 37 ; Schol. Arat. Phain. 132. 

") Philostr. Imag. II 24; vgl. Parthen. 
dieg. 11; Lactant. De falsa rel. I 21. 

") Paus. II 10, 1; IX 12, 1. — Später 
wurden die Opfer von Pflugochsen wohl ge- 
wöhnlicher. Luk. De sacrif. 12; vgl. Juvenal 

X 270. 

") Xen. Anab. IV 2, 22 u. 25. 



8. EaltuBhandlimgen. (% 70—71.) 85 

auffallend muss es auf den ersten Blick erscheinen, dass unter den Speise- 
opfern niemals^) Wild und sehr selten Fische erwähnt werden, obwohl 
beides in historischer Zeit zu den beliebtesten Speisen gehörte. Der Grund 
ist offenbar der, dass man kein totes Tier an den Altar der Götter 
bringen durfte. Wild jedoch wurde meistens auf der Jagd erlegt; wenn 
es aber gefangen war, so war der Transport des lebenden Tieres nicht 
leicht, und hatte es sich, wie dies gewiss oft genug der Fall war, im Netze 
oder Fangeisen eine Verletzung zugezogen, so war es zum Opfertier schon 
ohnehin nicht mehr geeignet. Mit den Fischen verhält es sich nicht viel 
anders. Ohne Schwierigkeit kann nur der Aal lebend nach einem ent- 
fernteren Orte befördert werden, und so ist es denn auch nicht gar zu 
auffallend, dass die Boioter ihre gepriesenen Aale aus dem Kopaissee auch 
den Göttern darbrachten, wenngleich „allen Fremden dies sonderbar schien.* *) 
Natürlich wurde den Göttern dann nicht ein bestimmter Teil des Fisches, 
sondern ein ganzer,*) oder vielleicht auch mehrere verbrannt. Von Thun- 
fischfangem erhält Poseidon nach einem reichen Fange den ersten Fisch,^) 
und auch der Hekate,*) Köre®) und dem Priapos') soll eine bestimmte 
Fischart (rpiyAi^) geopfert worden sein. Wie es mit den letztgenannten 
Opfern gehalten worden ist, wissen wir nicht; Speiseopfer pflegen diesen 
Gottheiten sonst nicht dargebracht zu werden. Die Thunfische sind dem 
Poseidon sicherlich an dem Orte, wo der Fischzug stattgefunden, auf einem 
improvisierten Altar geopfert worden; wenn aber berichtet wird, dass die 
Phaseliten einem Heros eingesalzene Fische opferten,^) so ist ein solches 
Opfer nur zu den unblutigen zu rechnen, nicht anders als Backwerk oder Käse. 

70. Eine eigentümliche Art von Speiseopfern — denn dahin müssen 
wir sie wohl rechnen — sind die sog. x^€o^6via^ die lectisternia der 
Kömer, Göttermahle, die namentlich den Dioskuren,^) doch auch andern 
Göttern, wie dem Herakles, der Demeter, dem Dionysos ^<>) dargeboten werden. 
Das Opferfleisch wird dabei von den Priestern und eingeladenen Gästen 
verzehrt. 

71. Wir kommen jetzt zu der zweiten Klasse der Opfer. 

Dahin gehören erstens alle, die man chthonischen Gottheiten 
darbrachte. 



*) Wenigstens an keiner auf nur einige | 94 £f. 
Glaubwürdigkeit Anspruch machenden Stelle. \ *) Athen. VIIp. 297 C u. D ; vgl. Menandr. 

S. Hermes aXII 95. Auch wenn die betref- 



fenden Worte des Porphyrios De abst. II 25, 
wie Bebnats S. lOo meint, von Theo- 
phraet herrühren, können sie nichts beweisen, 
denn die ganze Auseinandersetzung ist ten- 
denziös (s. Bbrnats 103 ff.). Um zu zeigen, 
dass die Menschen um des eigenen Genusses 
willen nicht von den verwerflichen Tieropfem 
lassen, werden die wohlschmeckendsten Tiere 
erwähnt, die nicht leicht zu erlangen sind. 
Für wahrscheinlicher aber halte ich es, dass 
Porphyrios, der phoinikische Hirschopfer 
kannte (vgl. Jahrb. f. Phil. 1883 S. 365 Anm. 
20), die Hirschopfer hinzugesetzt hat. Am 
ausführlichsten über die Wild- und Fisch- 
opfer der Griechen Stengel im Hermes XXII 



bei Athen. VIII 67 p. 365 und IV 27 p. 146. 

') xad-aylCsty bei Menandr. Athen. VIII 
67 p. 365. 

*) Athen. VII 50 p. 297 E und p. 303 B, 
Polyaen. VI 24. 

») Apollodor bei Athen. VII 126 p. 325; 
vgl. Komut. 34 p. 232. 

«) Athen. VII p. 325 F u. 330 C. 

') Anthol. Pal. X 9, 14 u. 16. — Übri- 
gens vergl. noch Julian orat. V p. 176 D. 

^) Antigonos v. Karystos bei Athen. VII 
p. 297 E, vgl 303 B. 

^) Deneken De theoxetiiis^ Diss. Berlin 
1881 S. 4. 

»«) Ebenda 25 ff. 



86 



A. Die griechiachen EnltuaalierttUner. 



Speiseopfer durften dies nicht sein, da man die Unterirdischen nicht 
zum gemeinschaftlichen Mahle laden konnte. So muss das ganze Tier hin- 
gegeben werden. Es sind diese Opfer denn auch sehr selten. Hades hat 
in keiner Stadt einen Altar, sagt der Scholiast zu U. / 158, und dass in 
der That das Vorhandensein eines solchen etwas Aussergewöhnliches war, 
beweist der Umstand, dass eine besondere Legende erklären musste, wie 
man in Elis zu diesem Altar gekommen war.^) Von Opfern aber ist hier 
so wenig die Rede, wie bei Strabo (VIII 14 p. 344), der von einem räfievoq 
des Gottes in derselben Landschaft berichtet.^) Wenn ihm überhaupt Opfer 
gebracht wurden,^) so geschah dies wohl nur von Totenbeschwörem und 
Leuten, die Totenorakel befragten. In Athen haben von den Gottheiten 
mit ausgeprägt oder ausschliesslich chthonischem Charakter nur die Eume- 
niden einen eigentlichen Kultus gehabt, und die Sage erzählt ausführlich, 
wie sie dieser Ehre teilhaftig geworden sind.'*) In ihrem Heiligtum, das 
kein Unberufener betreten durfte, und dem niemand ohne einen Schauer 
nahen mochte,^) brachte man ihnen nachts^) blutige^) und unblutige^) 
Opfer dar, nachdem man vorher dem Hesychos, dem Daimon des Schweigens, 
geopfert hatte. ^) Der Leib der Tiere wurde verbrannt.*®) In Athen 
opferte man ihnen vor der Geburt von Kindern und vor Eheschlies- 
sungen,**) die Sikyonier feierten ihnen alljährlich ein Fest, wobei sie träch- 
tige Schafe darbrachten,*^) und in Megalopolis wurde ihnen und den Chari- 
tinnen zusammen geopfert.*^) Die Trankopfer, die man ihnen spendete, 
durften keinen Wein enthalten, ^^) sondern bestanden aus einem Gemisch 
von Honig und Milch, wohl mit Wasser verdünnt,'*) dem sogenannten 
luXixQatov^ das man den Unterirdischen auszugiessen pflegte;*^) denn das 
heiter und froh stimmende Getränk der Lebenden, der Wein, ziemte ihnen 
nicht. ^0 

Zu den entschieden chthonischen Gottheiten gehört dann ferner Hekate. 
Ihr werden namentlich Hunde geopfert.*^) Ein anderes ihr eigentümliches 
Opfer bestand darin, dass die Wohlhabenden an jedem Neumond am Abend 
Töpfe mit zubereiteten Speisen an die Kreuzungspunkte der Strassen stellten, 



') Paus. VI 25 3. 

') Vgl. RoscHEB Myth. Lexik. 1887 S. 
1787 ff. Zeus-Hades d. i. Zeus Chthonios er- 
hält niXttvoq und /017 Eur. frgm. 904. 

') Ober ein Lektisternium für Fluten 
in Athen CIA. II 948-950. Vgl. Köhler im 
Hermes VI 108. 

**) Aisch. Eum. Schluss. 

^) Vgl. Soph. Oid. Kol. 

^) Aisch. Eum. 105. 

') Ebenda 1006. 

«) Aisch. Ag 70. 

^') Polemon im Schol. zu Soph. Oid. 
Kol. 100. Vgl. TöPFFEB Att. Geneal. S. 172 
A. 1. 

'®) Aisch. Eum. 1006, wo schon der 
Ausdruck a(pdyta dies beweist. (Vgl. Her- 
mes XXI 317 ff.), Istros im Schol zu Soph. 
Oid. Kol. 42: oXoxavrijaayri'. 

»>) Aisch. Eum. 835. 

»^) Paus. II 11, 4. 



*^) Paus. Vin 34 2. 

^*) Soph. Oid. KoL 100; Aisch. Eum. 107. 
Vgl. Jahrb. f. PhU. 1887 S. 651 Anm. 7 u. 
653 Anm. 17. 

'^) Schol. Soph. Oid. Kol. 155; Eustath. 
z. Od. X 519. Stengel im Philol. 1880 S. 379 
und in d. Jahrb. f. Phü. 1887 S. 653. 

**) Porphyr. De antro Nymph. 18. Vgl. 
die Inschrift von Kos im Jonm. of Hell. Stud. 
IX 8. 334, wo neben dem Speiseopfer ein 
Schwein ganz verbrannt zu sein scheint 
{\x]aQ7rtovn rov fjiev /ofl^o»»]), und demnach 
sowohl otyog xBxqttfiivog wie fieXixQaroy ge- 
spendet wird. 

'^) Aisch. Eum. 727 ff. 

»«) Paus. III 14, 9; Plut. Qoaest. rem. 
52. 68. 111, Aristoph. nach dem Schol. zu 
Theokr. id. II 12; Schol. zu Aristoph. Pax 
277: Lykophr. Kass. 77 mit Schol.; Suid. 
u. KttQtxoy Ovfitt; Erasmus. Adag. p. 221 u. 
Carica victima. 



8. EnltaBhandlimgen. (§ 72). 



87 



um die sie sich dann nicht weiter kümmerten. Arme Leute kamen und 
holten sie sich heim.^) In Aigina soll sie vor allen andern Göttern ver- 
ehrt worden sein.*) — Persephone ist dem Mythos entsprechend, der sie nur 
einen Teil des Jahres im Hades zubringen lässt, nicht ausschliesslich Göttin 
der Unterwelt und ist namentlich im Kultus so unzertrennlich mit der Mutter 
verbunden, dass die ihr gebrachten Opfer sich von denen der Demeter 
nicht unterscheiden. Dagegen zeigen durchaus chthonischen Charakter die 
Opfer, welche die Windgottheiten empfangen.') Dem Typhon wird ein 
schwarzes Lamm geopfert,*) dem Boreas schlachtet Xenophon cr^ay««,'») 
und in Titane bei Sikyon bringt ein Priester den Winden alljährlich in 
einer Nacht geheimnisvolle Opfer dar.^) — Nun kann aber jeder Gott 
einen chthonischen Charakter annehmen, sei es dass die Vorstellung des 
Menschen, der ihm seine Verehrung bezeugen will und ihm mit Gebet und 
Opfer naht, diesen auf ihn überträgt, sei es dass ein vereinzelter alt- 
hergebrachter Kultus ihn bewahrt hat und festhält. Zeus wird sehr ge- 
wöhnlich als Chthonios ^) angerufen und verehrt, der Gott des Weines und 
der ausgelassenen Festfreude, Dionysos, steht der Unterwelt so nahe, wie 
kaum ein anderer,®) ja selbst ApoUon empfangt Opfer wie die Unter- 
irdischen;^) ebenso Hermes, Demeter, Poseidon, Artemis und andere. Man 
kann da nicht mehr scheiden zwischen Opfern, die diesen Gottheiten zum 
Zeichen der Verehrung dargebracht werden und die dann eben nur des- 
wegen nicht Speiseopfer sind, weil sie chthonischen Göttern geweiht 
werden, und zwischen eigentlichen Sühnopfern. Die Veranlassung beider 
ist dieselbe: das Gefühl der Angst, die dunkle Empfindung, man müsse den 
erzürnten oder seiner Natur nach dem leicht lebenden Menschengeschlecht 
immer abholden Gott versöhnen; und die Ausführung beider ist dieselbe: 
das völlige Hingeben des Opfers, an dessen Genuss teilzunehmen man ein 
Grauen empfindet. Mag man ein Opfer, wie es die Inschrift von Thera 
CIG. 1464 oder die attische CIA. III 77 anordnet, für ein chthonischen 
Gottheiten zu Ehren dargebrachtes erklären, und ein anderes (Kaibel Epigr. 
gr. 1034), welches das Orakel den Bürgern einer Stadt zur Abwendung 
der Seuche dem ApoUon und der Artemis zu veranstalten befiehlt, für ein 
Sühnopfer, ganz sicher wird die Entscheidung selbst in diesen einfach lie- 
genden Fällen nicht sein, und in vielen andern muss sie vollends ungewiss 
bleiben, weil die Opfernden offenbar selbst eine solche Scheidung nicht vor- 
genommen und sich nicht darüber klar zu werden versucht haben. 

72. Die Sühnopfer *^) sind ebensowenig wie die Sühn- und Reinigungs- 
ceremonien, die man mit einem Schuldbefieckten vornahm, ursprünglich grie- 



') Schol. zu Arisioph. Flut. 594 und 
mehr bei Stengel in den Symbol. Joach. 
Berlin 1880 1 167. Pbeller-Robert Gr. Myth. 
I 225 

2) Paus. II 30, 2. 

*) Vgl. Stengel: D. Opfer der Hell, an 
die Winde im Hermes XVI 846 ff. 

*) Aristoph. Ran. 847 f. 

^) Anab. IV 5, 4. Der Ausdruck wird 
niemals von Speiseopfern gebraucht. 

*) Paus. II 12, 1. 



^) Z. B. DiTTENBERGER Syll. 373. 

") Prelleb Gr. Myth.' I 564 ff. 

«) Paus. Vni 38, 6; II 24, 1. 

^®) Vgl. V. Lasaülx Sühnopfer der Grie- 
chen u. Römer in d. Akad. Abhandig. WOrzb. 
1844 S. 236 ff. DoNALDSON in d. Transactions 
of Edinburgh. 1876 S. 432 ff. Schmidt Die 
Opfer in der Jahvereligion und im Poly- 
theismus Dies. Halle 1877 S. 40 ff. Stengel 
in d. Jahrb. f. Phil. 1883 S. 361 ff. 



g8 A. Die grieohischen EnltaBaliertttmer. 

chisch. Der Begriff der Sündhaftigkeit ist noch den homerischen Helden völlig 
fremd, und ein Sühnopfer wäre ihnen und ihren Göttern gleich unverständlich.^) 
Wann diese eingeführt sind, ist nicht leicht zu sagen. Allgemeiner üblich 
geworden sind sie wohl erst in der freud- und hoffnungslosen Zeit, in der 
auch die Mysterien sich entwickelten. — Sie sind etwas ganz anderes als 
die vordem üblichen Opfer: kein Mahl, sondern eine freiwillige Entäusserung 
eines werten Gutes, durch dessen Hingabe und Vernichtung man ein Ver- 
gehen gegen einen Gott wieder gut zu machen meint und ihn zu bewegen 
sucht, die gefürchtete Strafe nicht zu verhängen oder gnädig damit ein- 
zuhalten. Ganz besonders aber werden sie dargebracht, wenn man sich 
zu einer gefahrvollen Unternehmung anschickt; man hofft so dem drohenden 
Verderben zu entgehen und den Erfolg zu erlangen, ohne den Neid der 
Gottheit zu wecken. Eine Gabe zum Genuss für die Himmlischen sind 
diese Opfer ebensowenig wie jener Ring, den Polykrates — nicht in ein 
Heiligtum stiftete, sondern ins Meer warf. Sie sind Präventivmittel, und 
die Bezeichnung Bussopfer wäre vielleicht richtiger als Sühnopfer. 

Ob nun wirklich gleich die ersten Sühnopfer Menschen waren? Ob 
man nur durch Vernichtung eines Menschenlebens den erzürnten Gott be- 
schwichtigen und versöhnen zu können vermeinte? Doch sicherlich wohl 
nur dann, wenn man das eigene Leben verwirkt zu haben glaubte. Und 
nicht jede Schuld, nicht jedes Glück braucht so schwer gebüsst zu werden, 
nicht jede Gefahr droht den Tod. In unzähligen Fällen hat man gewiss 
von Anfang an geglaubt, mit einem andern Opfer auszukommen; nur wo 
man wirklich um sein Leben bangte und im Begriff stand, es um Gewinn 
oder für Vaterland und Besitz in die Schanze zu schlagen, wird ein solches 
Opfer für notwendig gehalten sein, und nur aus diesem Grunde, nicht weil 
sie einer barbarischen Zeit angehören, werden die ersten Opfer, die man als 
Sühnopfer ansehen muss, — und von ihnen berichtet bereits das Epos — - 
Menschen gewesen sein. — Die Entscheidung, ob ein Opfer zu den Sühn- 
opfern zu rechnen ist, wird in vielen Fällen auch dadurch erschwert, dass 
die Eigentümlichkeiten der Opferhandlung nicht geschildert oder auch nur 
angedeutet werden, und dass meist nur die Schriftsteller der besten Zeit') 
die technischen Ausdrücke, die auf den Charakter des Opfers schliessen 
lassen, streng richtig anwenden. Unzweifelhaft haben wir es mit Sühn- 
opfern zu thun, wo Menschen geopfert werden, und mit diesen wollen wir 
uns daher zuerst beschäftigen.^) 

73. Die homerische Zeit kennt wie kein anderes Sühnopfer so auch 
Menschenopfer noch nicht, denn die von Achilleus aus Rache und dem 
gefallenen Freunde zur Genugthuung geschlachteten Troer (^ 175) sind 
als solche natürlich nicht anzusehen. Doch sagten wir schon, dass sie viel 
jünger nicht sein können, da bereits aus dem alten epischen Sagenkreise, 
der im ganzen derselben Zeit angehören wird, wie die homerischen Ge- 



^) A 314 ist von keinem solchen die ^) Litterat ur: Hermann G. A.* § 21, 

Rede, vgl. Donaldson a. a. 0. S. 433 und Schoemann, Gr. A.' II 250 flf., Donaldson a. 

Stengel a. a. 0. S. 309 Anm. 31. | a. 0. S. 455 ff., der sie überhaupt für die 

'') Vor allen Xenophon, dann namentlich I Griechen leugnet, Stengel a. a. 0. 362 ff. 

auch Herodot, Thukydides und die Tragiker. , 



8. Kultnahandlimgeii. (§ 73.) 89 

sänge, die Stimmen herüberklingen, die von ihnen zu erzählen wissen. 
— Der König rouss sein ältestes Kind opfern, ehe die gefahrliche See- 
fahrt von Aulis angetreten wird,^ und Polyxene muss als Sühnopfer bluten, 
ehe man sich auf die Heimfahrt begibt.^) Schon die Alten haben diese 
mythischen Menschenopfer in diesem Sinne aufgefasst. Aischylos nennt 
Iphigeneia ein „windstillendes Opfer**') und „ein Beschwichtigungsmittel 
thrakischer Stürme**,'^) und Euripides lässt den Neoptolemos unzweideutig 
aussprechen, dass der Zweck der Opferung Polyxenes sei, günstige Winde 
für die Heimfahrt zu erlangen.^) Dass aber auch später vor Beginn grös- 
serer Seefahrten solche Opfer dargebracht wurden, scheint aus Aisch. Ag. 
146 ff. hervorzugehen. Wenn es sicher ist — und es zweifelt ja wohl 
kaum jemand daran — , dass die Hellenen die Menschenopfer von den 
Orientalen angenommen haben, so ist nichts wahrscheinlicher, als dass 
man sie bei solchen Anlässen zuerst von Phoinikern hat vollziehen sehen. 
War es bei ihnen doch sogar Sitte, unter den vom Stapel laufenden 
Schüfen, um sie gegen Gefahren zu feien, Menschen zu zerquetschen.*^) 
So soll denn auch Menelaos, als er, nach Ägypten verschlagen, durch 
widrige Winde oder Windstille festgehalten wird, ägyptische Kinder ge- 
opfert haben, ^) und als Agesilaos sich in Aulis zum Feldzuge gegen die 
Perser einschiffen will, verlangt ein Traumgesicht von ihm, dass er ein 
Menschenopfer bringe; doch schlachtet er in Erinnerung an Iphigeneias 
Opferung nur eine Hindin.^) 

Sodann hat man Menschen bei dem Beginn eines Feldzuges oder 
vor einer Schlacht geopfert. Sage wie Geschichte liefern Beispiele. Als 
in den Herakleiden des Euripides (405 ff.) Demophon sich gegen die 
Argeier rüstet und vorher die Xoyia naXmä rf.de yfj aoivrjQia erkundet, 
lauten sie verschieden, aber in einem stimmen alle überein: man müsse 
eine Jungfi-au schlachten. Als Theben von den Sieben belagert wird, er- 
klärt Teiresias, es gebe nur ein Mittel, die Stadt zu retten: Kreon müsse 
seinen Sohn opfern; und der Sturm wird abgeschlagen, als der Knabe sich 
wirklich das Schwert in den Hals gestossen.^) Erechtheus erhält das 
Orakel, dass er siegen werde, wenn er eine seiner Töchter opfere,*^) Leos 
opfert alle drei,*') und Kodros rettet sein Volk, indem er durch Hingäbe 
seines Lebens selbst die Bedingung erfüllt, an die der Gott den Sieg ge- 
knüpft hat.^') Als die Schlacht bei Salamis beginnen soll, zwingt man den 
Themistokles, drei gefangene Perser zu opfern,*'*) vor der Schlacht bei 



^) Stasinoe in den Eypria, Welckeb | ^) Herod. II 119. Damit zu vergl. (f 

Ep. Cycl. II 101. Damit zu vergleichen B 360 flF., 582. 



303 ff., / 145 u. Lbhrs Aristarch» 176 

^) Arktinos in der Jliapersis bei Wel 
CKEB a. a. 0. 185, 229, 523. Vgl. damit y 



8) Flut. Ages. 6. Vgl. Xen. Hell. III 
5, 3. 

») Eur. Phoin. 890 ff., Apoll. Bibl. III 



130 ff. und 8. Stbkoel in d. Jahrb. f. Phil. \ 6, 7. 

1883 S. 367 f. Anm. 28. »«) Apollod. Bibl. III 15, 4; Eur. frgm. 



") navffayefjiog &vüia Ag. 214. 

*) intodog Bgijxlttiv arifjLÜxtov Ag. 1418. 

*) Hek. 536 ff., vgl. 900 f., 1289 f., 

auch Ovid. met. XII 439 f. und Verg. Aen. 



Erechth 359; Demosth. Epitaph. 27; Suid. 
u. TtttQ&eyoi, 

^^) Photius u. XeuxoQioy aus Phanode- 
mos; Ail. Var. bist. XII 28. 



II 116. I >-') Lykurg, g. Leokr. § 20 p. 86 f. Vgl. 

•) Valer. Max. IX 2. Vgl. Gaidoz in d. auch Herod. VII 220 u. Xen. Hell. 1 14, 18 f. 
Revue arch^l. VIII (1886) S. 192 f. >=») Piut. Them. 13, Aristid. 9, Pelop. 21. 



90 A. Die griechischen EnltaBaliertümer. 

Leuktra wird von Pelopidas ein Menschenopfer verlangt, und nur das zu- 
fällige Erscheinen eines blonden Füllens und die Geistesgegenwart eines 
menschlichen Sehers ersparen dem Feldherrn die traurige Pflicht; das 
schreckliche Jungfrauenopfer aber des verzweifelten Messenierhelden wird 
wohl wirklich stattgefunden haben. ^) Am häufigsten sind Menschenopfer 
gebracht worden, wenn eine Seuche das Land verheerte, oder Hungersnot 
es heimsuchte. Epimenides soll bei der Reinigung Athens einen Jüngling 
geopfert haben, 3) in Sparta und in Syrakus wird bei ähnlicher Veranlassung 
eine Jungfrau gefordert,'^) und dass man auch sonst bei solchen Gelegen- 
heiten, wie bei andern grossen Unglücksfällen, die das Volk trafen, zu 
Menschenopfern seine Zuflucht nahm, wird uns mehrfach überliefert.^) Alle 
diese Opfer werden also gebracht vor einer wichtigen Entscheidung^) oder 
in gefahrvoller Lage, besonders dann, wenn das Leben vieler aufs Spiel 
gesetzt werden soll oder bedroht ist, und die Götter werden angefleht, es 
sich genügen zu lassen an diesem einen ihnen freiwillig hingegebenen Leben 
und die andern zu schonen.^) Aber freiwillig muss nicht nur die Gabe 
derer sein, die einen aus ihrer Mitte zum Altar schleppen: auch dieser 
selbst muss sich zum Tode bereit erklären. Galt es schon für ein un- 
günstiges Zeichen, wenn ein Schlachttier widerstrebend zur Opferstatte 
gezogen werden musste, so war dies hier in erhöhtem Masse der Fall.*) 
Doch auch abgesehen von solchen ausserordentlichen Gelegenheiten fanden 
Menschenopfer statt. So wurden an den Lykaien, einem Fest, das dem 
Zeus Lykaios in Arkadien gefeiert ward, noch im zweiten Jahrhundert 
nach Chr. Menschen geopfert,^) und auch in Rhodos soll Kronos^^) alljähr- 
lich ein solches Opfer empfangen haben. Freilich nahm man hierzu einen 
todeswürdigen Verbrecher.^*) In Leukas wurde dem Apollon, der ja vor 
allen andern Kad-aQttiog^ Sühngott, ist, an dem ihm jährlich gefeierten 
Feste ein Mensch (negiipruia^ eigentlich Reinigungsmittel) von den steilen 
Felsen des Vorgebirges ins Meer gestürzt. Blieb er am Leben, so nahmen 
bereitstehende Kähne ihn auf und schafften ihn über die Grenze. ^^) Ja in 
Athen sollen am Thargelienfeste alljährlich zwei Menschen {g>aQfiaxoi oder 
xa&dgfiaza) zur Sühne für die Übrigen und zur Reinigung der Stadt ge- 
schlachtet worden sein.* 3) Sicher ist, dass in lonien im 6. Jahrhundert an 
den Thargelien Menschen geopfert worden sind.*^) 

') Plut. Pel. 20 f. I und Verg. Aen. V 815: unum pro muUis 



') Paus. IV 9, 2 u. 5; vgl. Plut. Parall. 
XX p. 310 D. 

3) Vgl. unten S. 108 f. 

*) Plut. Parall. 35 p. 314 C, XIX p. 
310 B; Jo. Lydius De mens. p. 113. 

'-) Schol. Arist. Equ. 113(3, Plut. 454, 
Kan. 730 ; Helladios in Phot. Bibl. 279 p. 534, 
Tzetz. Chil. V 726 IF. 

«) Athenaios XI 15 p. 466 C erzählt, 
dass auch bei der Gründung von Methymna 



ddbüur caput u. s. w. 

») Vgl. Eur. Herakl. 550 f. ; Athen. XIII 
78 p. 602 ; Eur. Phoin. 890 u. s. w. 

») Paus. VIII 8, 7 3; vgl. Bernays Theo- 
phr. 189 und Welckeb El. Sehr. III 160 ff. 

^^) Üb^ d. Bedeutung dieses Gottes vgl. 
Rhein. Mus. XIX 632 u. Stengel a. a. 0. 
S. 363. 

''} Porph. De abst. II 54. 

»«) Strabo X 452. 



eine Jungfrau ins Meer versenkt worden sei. *^) Harpokr. u. tpagfiaxog. Vgl. darüber 

Vgl. Plut. Sept. sap. conv. 20. , Stengel im Hermes XXII 86 ff. u. 647 A. 1 

') Dies ist z. B. aus Eur. El. 1024 ff. und dagegen Töppfer Rhein. Mu«. 1888 

zu entnehmen, und Philon bei Euseb. Praep. | S. 142 ff. 

ev. IV 16 p. 156 D bezeugt es ausdrücklich. : *^) Hipponax frgm. bei Bbrok P. L' 

Vgl. auch Plut. De def. orac. 14 p. 417 C | S. 475. 



3. EnltoBhandliuigen. (§ 74.) 



91 



Auch sonst kamen gewiss ab und zu Menschenopfer vor,*) aber ge- 
wöhnlich sind sie in Griechenland nie gewesen. Man hat sie leider bisweilen 
für notwendig gehalten, doch stets als etwas Grässliches und dem Hellenen- 
tum eigentlich Fremdes empfunden. [Aischylos^) nennt das Menschenopfer 
arofiog^ dem Pelopidas und seinem Heer erscheint es naQavofiog und ßccQ- 
ßuQog^) und Pausanias^) nennt es eine ^ävr] d-vaCa,^) 

74. So wundern wir uns denn auch nicht, dass wir häufig Opfern 
und Gebräuchen begegnen, die offenbar — und meist fügen die alten 
Schriftsteller dies selbst hinzu — an die Stelle eines früheren Menschen- 
opfers getreten sind.ß) Vor allem im Kult der Artemis.') Schon früh er- 
zählte die Sage, dass die Göttin in Aulis für Iphigeneia eine Hindin unter- 
geschoben habe.^) Auch in Achaja, wo ihr in alter Zeit alljährlich ein 
Jüngling und eine Jungfrau zum Opfer gefallen sein sollen, sind, wie uns 
überliefert wird, diese Opfer bald eingestellt.^) Eine andere Sage lässt 
den Herakles eine Ziege wie eine Jungfrau schmücken und sie statt der 
Tochter zum Altar der Artemis Munichia führen,*") und eine Spur von 
einstmals ihr dargebrachten Menschenopfern werden wir auch in der Geis- 
seiung der Knaben am Altar der Artemis 'OgO^ia in Sparta erblicken, die 
öfters, auch in historischer Zeit, den Tod eines Knaben zur Folge 
hatte. ^0 Auch Dionysos* 2) verzichtete bald auf Menschenopfer. In Potniai 
in Boiotien soll er selbst eine Ziege untergeschoben und sich in der Folge 
mit diesem Opfer begnügt haben;* 3) in Tenedos nährte man ihm eine 
trächtige Kuh, und wenn sie geboren hatte, pflegte man sie wie eine 
Wöchnerin, und dem Kalbe legte man Schuhe an und führte es gleich 
einem Menschenkinde zum Altar, der Priester aber, der es schlachtete, 
wurde mit Steinen beworfen und musste fliehen bis an das Meer.*^) Aber 
nicht bloss in den Kulten mit regelmässig wiederkehrenden Opfern wurde 
man menschlicher, auch in den anderen Fällen, wo in alter Zeit Menschen- 
opfer dargebracht worden waren, müssen die Götter sich bald mit Tieren 
begnügen. Vor allem im Felde. Vor Schlachten,»'») gefährlichen Märschen, 
namentlich Flussübergängen *^) und sonstigen wichtigen Entscheidungen, wie 
sie ein Feldzug mit sich bringt,*') brachte man jetzt die (f^üyia dar, Sühn- 
und Weissageopfer zugleich.*^) Die Lakedaimonier nehmen, wenn sie ins 



») Vgl. z. B. Herod. VII 197, IX 119 
und besondere Porph. De abst. II 54 f. 

2) Ag. 149. 

») Plnt. Pelop. 21. 

*) VII 19, 3. 

*) Vgl. auch Eur. Iph. Taur. 465. 

*) Vgl. Servius zu Verg. Aen. II 116: 
sciendum, in sacrts simulata pro veris accipi. 

') Der «SchlächteriD*, Robebt in Pbkl- 
LKES Gr. Myth.* I 296 f. A. 2. 

«) Vgl. Stbkoel, a. a. 0. 366 f. Anm. 24. 
Eur. Ipb. Taur. 1458 ff. Aischylos sagt von 
einer Errettung Iphigeneias nichts. Vgl. v. 
WiLAMowrrz im Hermes XVIII 259. 

») Paus. VII 19. 2 f. 

^**) Paroimiogr. gr. I p. 402. 

»•) Paus. III 16, 7. Vgl. SCHOEMANN 

Gr. A.» I 273, II 255; Pbelleb-Robbbt Gr. 



Myth. I S. 308. S. auch Eurip. Iph. Taur- 
1458 ff. und Bbbnays Theophr. S. 117. 

**) (ofÄTjffxijgy (üfiddiog. Vgl. Pbellbb 
Gr. Myth.» I 569 ff. Schoemann Gr. A. II 251 
u. s. Paus. VII 21, 1. 

»3) Paus. IX 8, 1. 

'*) All. De nat anim. XII 34. - - Vgl. 
ferner Schoemann Gr. A. II 500 f., 515 f. 
Pbelleb-Robebt Gr. M^th. I, 170 Anm. 2. 
Dabembebo et Saolio Dict. u. Agrionia 1 167. 

") Herod. VI 112, IX 45; Xen. Anab. 
I 8, 15 u. s. w. 

>«) Xen. Anab. IV 3, 18; Aisch. Sept. 378. 

'') Vgl. z B. Herod. VI 76. 

'®) Stengel im Hermes XXI 308. — 
Der Ausdruck ist für Menschenopfer so ge- 
wöhnlich (Eur. Hek. 111, 121; Ion. 278; 
Or. 658 u. s. w.), dass bei den Tragikern 



92 



A. Die griechischen Eultasaliertümer. 



Feld ziehen, (f^ayia nrntoTa mit,^) und wenn sie den Feind zu Gesicht be- 
kommen, (X(fayia^€Tai x'i^ai^of,*) und zwar wird diese Ziege der Artemis 
'Ayqoxäqa geopfert,^) die sie auch sonst mit Enyalios zusammen verehren.*) 
75. Von den andern Sühnopfern müssen zunächst geschieden 
werden die Opfer, welche man bei der Reinigung Schuldbefleckter 
schlachtete,'») so ähnlich sie auch auf den ersten Blick einem Sühnopfer 
sehen mögen. Dort hat das Opfer nicht den Zweck, die Götter zu ver- 
söhnen, sondern das Blut soll die Befleckung aufsaugen und durch seine 
reinigende Kraft tilgen, und statt des Blutes können auch andere Mittel 
mit demselben Erfolge angewandt werden: hier soll der Zorn der Gatter 
dadurch, dass man ihnen ein Leben hingibt, versöhnt werden. Wer 
Reinigungsopfer bringt, oder richtiger sie durch einen andern für sich 
bringen lässt, hat sich durch ein bestimmtes Vergehen befleckt, Sühn- 
opfer bringt der, welcher mit einer Schuld behaftet zu sein fürchtet.*) 
Schwieriger ist es, wie gesagt, einen Unterschied zwischen eigentlichen 
Sühnopfern und Opfern an chthonische Gottheiten zu machen. Besser zu 
den ersten rechnet man wohl alle die Opfer, welche Zeus Meilichios^) 
empfing,**) ein euphemistischer Beiname, der auch auf andere Götter^) und 
mehr appellativ auf xhfoi überhaupt übertragen wird. Ein ihnen von den 
Phokern dargebrachtes Sühnopfer schildert Pausanias (X 38, 4), aber bisweilen 
werden auch sie einfach mit chthonischen Gottheiten identifiziert.^®) Sodann 
empfängt Apollon, welcher ja früh schon zum Ka&ccQaiog xat i^oxr^v ge- 
worden ist, Sühnopfer. In Athen werden ihm die Thargelien gefeiert, in 
Argos soll man ihm Wölfe geopfert haben,**) und es gab wohl keinen 
Ort in Griechenland, wo ihm nicht Sühnopfer gebracht wurden. **) Als 
Sühnopfer sind auch die Hunde anzusehen, welche die spartanischen Epheben 
dem Enyalios oder Ares opfern.* 3) Ferner sind dahin au rechnen die eigen- 
tümlichen grossen Wild- und Geflügelopfer, die Artemis Laphria in 
Patrai empfängt,**) und das ganz ähnliche Opfer, das derselben Göttin 
in Messene dargebracht wird.*^) Die Tiere werden lebendig in die Flammen 



öfters ein wie ein Opfeiüer wehrlos hinge- 
schlachteter Mensch atpayiov heisst, auch 
wo von einem Opfer gar nicht die Rede ist 
(z. B. Eur. Or. 842, 1614). Von Tieren wird 
atfdyiov in dieser abgeschwächten Bedeutung 
nie gesagt. 

1) Xen. Resp. Lac. XIII 3; Paus. IX 
13 2. 

2) Xen. Resp. Lac. XIII 8. 

5) Xen. Hell. IV 2. 2; Plut. Lyk. 22. 

^) Poll. VIII 91. — Nach Paus. III 
19, 9; Plut. Quaest. rom. 111 (vgl. Porph. De 
abst. II 58) haben die spartanischen Epheben 
auch diesem Gotte Menschenopfer darge- 
bracht. Die Ziege wird aber für den Menschen 
namentlich in Artemiskulten substituiert. Vgl. 
auch Aisch. Ag. 232, wo Iphigeneia /(/lat^er; 
dixrjv geopfert wird. 

5) Vgl. unten S. 111 f. 

«) Vgl. Aisch. Eum. 281 flf. 448ff.,Choeph. 
1059 f. 

^) Schon Herodot (I 44) nennt Zeus 



xa&aQfftos. Eine ähnliche Bedeutung hat der 
Beiname ^vxdaiog. Vgl. Eustath. zur Od. 
17 116 p. 1572. 

») Xen. Anab. VII 8, 5. Vgl. Paus. II 
20, 1 u. Stengel a. a. 0. S. 370 f. 

9) Z. B..auf Dionysos Athen. 11 p. 78 C, 
vgl. Soph. Ant. 1143; Aphrodite Antnol. gr. 
V 226 u. s. w. 

»0) Z. B. Kaibel Epigr. gr. 158. 

^•) Schol. zu Soph. El. 6, vgl. Hesych. 
u. XvxoxToyog, 

>2) Vgl. Paus. II 24, 1; VIII 38. 6; III 
13, 3; CIG. 1688; Plut. Quaest. gr. 3. — Aber 
auch anderen Göttern bringt man diese Opfer, 
um ihren Zorn abzuwenden (anoTQonaia): 
dem Hermes Paus. V, 1, 15; dem Asklepios 
Artemid. Oneir. V p. 264, 66 ; den »soi ano- 
TQonaiov überhaupt Paus. II 11, 2. 

") Paus. III 14, 9; Plut. Quaest. rom. 111. 

'*) Paus. VII 18, 7. 

»*) Paus. IV 31, 7. 



d. EultiiBhaiidlimgen. (§ 75.) 93 

getrieben. Die wilde Lust an der Vernichtung des Lebenden, die dieser 
Göttin nach der Auffassung vieler Stämme eigentümlich ist, spricht sich 
auch in solchen Opfern aus. 

Gegessen wurde natürlich von keinem Sühnopfer etwas, ^) denn das 
Opfertier oder der geopferte Mensch war fluchbeladen.*^) — Unblutige Opfer 
sind hier unstatthaft. Die Situation, in der man die ag^dyia bringt, ist 
derartig, dass der Glaube begreiflich ist, nur das Opfer eines Lebenden 
sei ein Äquivalent für das zwar nicht verfallene, aber doch gefährdete 
eigene Leben, und in den andern Fällen werden die Götter so finster oder 
geradezu so grausam und an Zerstörung sich erfreuend gedacht, dass man 
ihnen auch nur mit Blutopfem zu nahen wagte. Ob diese aber überall 
ein Menschenopfer vertreten sollten, ist, wie wir schon bemerkten, 
eine andere Frage. Sicher ist, dass nicht der Leib, wie bei den Speise- 
opfem, sondern das Leben des Tieres bei allen Sühnopfem die Hauptsache 
ist, und eben deshalb finden wir auch bei Sühnopfern so auffallend viele 
nicht essbare Tiere angewandt.^) Gerade dies beweist auch der Brauch 
an dem Sühnfest der Diasien, dass der Arme, welcher kein Tier besitzt, 
wenn er ausser den blutigen Opfern, die der Staat für alle darbringt, noch 
eines für sich besonders opfern will, dem Backwerk, das er in die Flamme 
wirft, die Gestalt von Tieren geben muss. Ebenso ist in dem Charakter 
der Opfer eine andere Eigentümlichkeit, durch die sie sich vor allen übrigen 
auszeichnen, begründet: es fehlen bei ihnen die Spenden.*) — Was schliess- 
lich die Opferhandlung selbst angeht, so haben wir schon gesehen, dass 
in einzelnen Fällen die Tiere lebendig verbrannt wurden, bei weitem am 
häufigsten wurden sie, wie auch die Menschen, geschlachtet und dann ver- 
brannt^) oder auf andere Art vernichtet.^) Die Art und Weise des Schlach- 
tens ist dieselbe wie bei allen Tieren, die nicht den himmlischen Göttern 
als Speiseopfer dargebracht werden, wie die Anwendung des Ausdrucks 
dvrefAvetv zeigt; ^) man schneidet den Tieren den Hals durch ^) und lässt 
das Blut von der Erde aufsaugen.^) Bisweilen finden wir das charakte- 
ristische tXdaxeax^at gesagt. ^^) 



^) Schon deshalb darf man ein Kosten i wenn dazu noch Zeit ist. S. Hermes XX [ 
des Menschenfleisches nicht annehmen (vgl. | 310 f. Kaibel Epigr. gr. 1034 werden die 
V. Lasaulx a. a. 0. S. 23 ; Starck bei Heb- Spenden andern Gottheit«n dargebracht als 
MAurs G. A.'^ § 27 Anm. 3; auch Dümiiler die Tiere. 

im Rhein. Mus. 1887 S. 196) trotz einiger ent- ; *) Eupolis Dem. Frgm. 120 Kock. 

gegenstehender Sagen, die sich auf den Kult j Tzetz. Chi]. V 726 ff. — Bildliche Darstel- 
des Lykaischen Zeus beziehen. Vgl. Welcker i lung eines Opfers für Artemis Agrotera bei 
Kl. Sehr. III S. 163 ff. 1 Th. Scdreiber Kulturhistor. Atlas Leipzig 

«) Vgl. besonders Porph. De abst. II 44. 1888 Taf. XV n. 16. 

«) Paus. VIII 38, 6; X 38, 4. 
') Herod. II 119, VIT 191 ; Arrian. Ind. 
20 u. 8. w. Latein.: caedere, z. B. Verg. 
Aen. V 772. 

^) Schol. zu Apoll. Rhod. Arg. I 587 u. 
Stengel in der Ztschr. f. d. Gw. 1880 S. 
737 ff. 

^) Kaibel Epigr. gr. 1034 u. s. w. 
10) Z. ß. Paus. III 13, 3; Herod. VII 
178. Vgl. placare bei Verg. Aen. II 116. 



') Vgl. auch Hesych. u. äyefioSxag und 
Ijactant. De falsa rel. 1 21. 

*) S. Stengel im Hermes XXII 645 ff. 
— Arrian Anab. VI 19, 5 findet ausser dem 
Schlachten {irtparr eivhiernicht ganz genau für 
ctpayid^Btf^M: vgl. Herodot. VI 76) der Stiere, 
die ins Meer versenkt werden, noch eine ^vaiu 
statt, bei der auch gespendet wird. Über 
Ähnliche Doppelopfer vgl. Stengel Jahrb. f. 
Phil. 1883 S. 375 f. Anm. 47. Neben den 
Cfftiyitt werden immer Uqu dargebracht, 



94 •^* I^io grieohisohen EnltoBaltertümer. 

76. Wir schliessen hier die Opfer an, welche Meeres- und Fluss- 
gottheiten in die Fluten versenkt zu werden pflegen.*) Es geschieht dies 
nicht mit allen Opfern, die diesen Gottheiten dargebracht werden. Wie 
das Meer und die Ströme des gebirgigen Landes bald finster grollend und 
voll wilder Zerstörungswut, bald heiter lächelnd und Segen spendend er- 
scheinen, so die Gottheiten selber, und so bringt man denn einerseits dem 
Poseidon an Altären frohe Speiseopfer dar,*) ebenso dem Spercheios,*) dem 
Alpheios,*) dem Kladeos,"^) und vor allen dem Acheloos, dem einzigen Strom 
Griechenlands, der allgemein und nicht bloss von den Anwohnern verehrt 
wird,*') andrerseits versenkt man auch Tiere und andere Opfer in ihrer 
Tiefe, und diese dürfen dann nur als Sühnopfer aufgefasst werden. Das 
erste derartige Opfer wird bereits von den Troern dem Skamandros dar- 
gebracht ((P 132); sie stürzen ihm lebende Rosse ins Wasser. Aber es 
sind eben Barbaren, die dies Opfer, dessen Seltsamkeit dem Achilleus auf- 
fallt, vollziehen.') In späterer Zeit finden wir ähnliche Opfer jedoch auch 
bei den Griechen. Zwar haben sie den Flussgöttern niemals Pferde und 
vielleicht überhaupt keine Tiere in die Fluten geworfen,*) aber doch un- 
blutige Opfergaben, 9) und dem Poseidon sind Rosse und Stiere oft genug 
in die Wogen gestürzt worden, wenn auch nicht immer lebend. Alexan- 
der schlachtet ihm, an der Mündung des Indos angelangt, Stiere und wirft 
sie ins Meer.^^) Das Blut wird man dabei in einer Schale aufgefangen 
und dann ebenfalls ins Wasser gegossen haben. ^^) Mithridates stürzt vor 
dem Beginn des Krieges gegen die Römer dem Poseidon ein Gespann 
weisser Rosse in 's Meer,**) ebenso Sextus Pompeius,*^) und ^in ähnliches 
Opfer bringen ihm die Argeier. ^*) Stiere und andere Opfertiere werden 
auch der Demeter und der Persephone von den Syrakusiem alljährlich in 
die Quelle Kyane versenkt, die aufgeschossen sein soll, als Hades hier 
die Erde spaltete, um mit der geraubten Köre in der Unterwelt zu ver- 
schwinden. *5) 

77. Den Sühnopfern nahe verwandt sind die Eidopfer.*«) 
Ausführliche Schilderungen davon finden wir schon bei Homer. T253 ff. 

schlachtet Agamemnon einen Eber, den er nachher ins Meer werfen lässt 



') Vgl. Stengel in d. Jahrb. fDr Phil. 
1882 S. 733 flf. und im Philo!. 1879 S. 182 ff. 

2) Od. r Qn., a 25; Eur. Hei. 1584; 
Aristoph. Av. 566 u. s. w. 

3) II. «/M46ff. 



>«) Aman. Anab. VI 19, 5. 

>») Vgl. Athen. VI 261 D. 

'*) Appian Bell. Mithr. 70 p. 480. 

") Cass. Dio XLVIII 48. 

1*) Paus. VIII 7, 2. Vgl. EustÄth. zu II. 



*) A 227; Paus. V 14, 5. | * 131 p. 1227 u. zu ^' 148 p. 1298. 

»5) Diod. V 4 und IV 28. Hierhin ge- 



5) Paus. V 10, 2. 

«) Ephoros Frgm. 27 M., cf. Röhl IGA. 
104, DiTTENBERGER Syll. 373, 38. Köhler Mitt. 
des aich. Inst, zu Athen 1885 S. 282, Piaton 
Phaidr. 230 ß und 263 D, Paus. I 34, 2; 
I 41, 2. S. auch Koscher Myth. Lex. S. 7 f. 
u. V. WiLAMowiTz Eurip. Herakl. I 272. 

') Vgl. ScHOEMANN Gr. A.» 11 232, Sten- 
gel Jahrb. f. Phil. 1882 S. 734. 

^) a(f((TTsiy oder ^veiy eig Toy noxttfiov 
bedeutet nur, dass man das Blut statt auf 
den Altar ins Wasser strömen lässt. Vgl. 
DiTTENBERGER Syll. 373, 37. 

^J Paus. X 8, 5. 



hört auch der ganz ähnliche Brauch der 
athenischen Thesmophoriazusen, den chthoni- 
sehen Gottheiten lebende Ferkel in tiefe 
Gruben zu stürzen (Schol. zu Luk. Dial. mer. 
II 1 im Rhein. Mus. XXV 549). Auch dies ist 
ein Sahnopfer. Dagegen sind die Pferde- 
opfer für Helios nicht hierher zu rechnen. 
Sie sind entschieden ungriechisch. Vgl. 
Herod. I 131 ; Xen. Anab. IV 5, 35; Strabo 
XI 513 und mehr bei Stekgel im Philol. 
1879 S 183 

»«) S. Stengel in d. Jahrb. f. Phil. 1883 
S. 376 ff. 



3. EnltoBliandliingen. (§ ?G- 77.) 



95 



Beim Beginn des Opfers hat er dem Tier einige Haare abgeschnitten, die 
er das Gebet sprechend offenbar in der erhobenen Hand behält, r 103 
bringen Griechen und Troer Lämmer zum Opfer; dem obersten der Götter, 
Zeus, und dem allsehenden Helios wird je ein männliches geschlachtet, der 
Gaia ein weibliches. Auch ihnen wird (271 flf.) Haar oder Wolle abge- 
schnitten und den vornehmsten Griechen und Troern in die Hand ge- 
geben, um sie zu verantwortlichen Teilnehmern des Eides zu machen.') 
Die geschlachteten Tiere nimmt Priamos mit zur Stadt, um sie dort zu 
vergraben oder sonstwie zu beseitigen. 2) Zweck und Sinn des Opfers 
sind schon hier völlig klar: der Schwörende verflucht sich für den Fall 
des Meineids und ruft die Götter an, ihn das Schicksal des Tieres er- 
leiden zu lassen, wenn er den Schwur nicht halte. ^) In nachhomerischer 
Zeit nimmt man nicht mehr das abgeschnittene Haar des Opfertieres in 
die Hand, sondern schlachtet das Tier vor dem Schwur, zerlegt es und fasst 
die Fleischstücke an^) oder tritt darauf,^) Krieger tauchen auch wohl 
Hand oder Waffen in das in einem Schild aufgefangene Blut.^) Auch wird 
es Sitte, ausschliesslich ausgewachsene {täXeioi)'^) und männliche Tiere zu 
opfern, hauptsächlich Eber, Widder und Stiere.**) Doch finden wir alle zu- 
sammen nur bei besonders feierlichen Opfern,^) häufiger den Eber^®) oder den 
Stier ^') allein. Dass der Widder allein nie erwähnt wird, ^2) kann nur Zufall 
sein; in den allermeisten Fällen ist nur von isqu xtXeia die Rede, worunter 
dann gewiss auch öfters jene ganze Trittys zu verstehen sein wird. Zwei- 
mal finden wir Pferde erwähnt: Paus. III 20, 9; Aristoph. Lys. 192. Hier 
bringen heldenmütige Weiber das Opfer, und schon der Scholiast bemerkt 
richtig, dass damit auf die Amazonen angespielt werden soll,^^) dort Tyn- 
dareos, als er die Freier der Helena schwören lässt. Es ist dies Opfer, 
wenn es auch der mythischen Zeit angehört, auffallend, aber nur weil es 
vereinzelt dasteht, denn da es hier wie bei Sühnopfern nur auf das Leben 
des Tieres ankommt, ist ein nicht essbares an und für sich zum Opfer 
ebenso gut geeignet. Bei internationalen Eidopfem muss sich, wie das in 
der Natur der Sache liegt, ein Volk dem andern in seinen Gebräuchen 
akkommodieren. Das Opfer muss stets ein gemeinsames sein, wie die 
Völker vereint werden sollen. Deshalb mischen schon Griechen und 
Troer ihren Wein in einen Krug.*^) So erzählt Xenophon,^^) dass bei 



^) Vgl. Eustath. zu E 273. 

») Schol. zu r 310. 

») Vgl. S. 60 f. 

*) Herod. VI 68; Lyk. g. Leokr. § 20; 
Isai. VII 16; Arißtoph. Lys. 102 u. 202; 
Aischin. De falsa leg. § 87 p. 264; Antiph. 
TT. r. 'Hp. (f. 130, 12. 

*) Demoeth. g. Aristokr. § 68 p. 642; 
Paus. III 20, 9; Dion. Hai. Vll 50 p. 1422, 
V I p. 844. 

•) Aisch. Sept. 44; Xen. Anab. II 2, 9. 

^) Andok. Myst. § 98, Pseudodetnosth. 
g. Neaira § 60 p. 1365; Thuk. V 47; Inschr. 
aus Erythrai im Hermes XVI 197. 

«) Schol zu T 197. 

») Demosth. g. Aristokr. § 68 p. 642; 
Flut. Pyrrh. 6; vgl. Xen. Auab. II 2, 9. 



»0) Paus. IV 15, 4 ; V 24, 2. 

1») Herod. VI 68; Aisch. Sept. 44. 

^^^) Das Zitat des Aristophancs Lys. 189 
(vgl. Aisch. Sept. 44) fÄtßoaq:((yovaag statt 
TttvQoafpayovyTeg wage ich als Beispiel nicht 
anzuführen. 

**) Dass die Griechen in der That von 
Pferd eopfem der kühnen Reiterinnen gefabelt 
haben, ersehen wir aus Pseudokallisth. III 25. 

^*) r 269. Vgl. Stengel im Hermes 
XVII 330. — Herodot erwähnt mehrfach die 
Gebräuche fremder Völker bei Eidopfern und 
bemerkt ausdrücklich, dass dieselben auch 
bei Verträgen mit Fremden beobachtet wür- 
den (III 8, IV 70, I 74.) 

>*) Anab. II 2, 9. 



96 A. Die grieohiBohen EnltiiBaltertümer. 

einem Vertrage mit den Persern ausser Stier, Eber und Widder ein Wolf 
geopfert wurde, was bei einem Yertragsopfer zwischen Hellenen natOrlich 
nie geschehen sein würde. Gegessen wird selbstverständlich von dem 
Fleisch der Tiere, die den Mächten des Todes geweiht und mit Fluch be- 
laden waren, nichts.-) Talthybios schleudert den Eber, welchen Agamem- 
non geschlachtet hat, ins Meer,^) Tyndareos vergräbt die Stücke des ge- 
opferten Pferdes,^) öfters wurden die Tiere wohl auch verbrannt.^) Einem 
bestimmten Gott wird das Eidopfer nicht dargebracht. Wenn es II. r 103 f. 
heisst, dass die Lämmer Zeus, Helios und der Gaia geschlachtet werden 
sollen, T197 der Eber dem Zeus und dem Helios, Herod. VI 68 der Stier 
dem Zeus, so bedeutet das nichts anderes, als dass diese Götter besonders 
angerufen werden, Zeugen des Eides und Rächer des Meineides zu sein;^) 
von dem fluchbeladenen Tier zu geniessen, wird ihnen so wenig zugemutet, 
wie den Menschen.^) 

Die Spenden fehlen beim Eidopfer niemals. Das Ausschütten des 
Weines hat denselben Sinn, wie das Schlachten des Tieres. Man betete, 
das Gehirn des Meineidigen möchte auf die Erde verspritzt werden, wie 
der Wein.^) So ist nichts natürlicher, als dass gerade bei diesen Opfern 
das Tier besonders häufig fehlt; ^) man schlachtet es nur, um dem Ganzen 
einen feierlicheren Charakter zu geben, gewöhnlich genügt schon das (fnovddg 
nouTa&at.^^) Und zwar ist der Wein, der bei diesen Spenden gebraucht 
wird, ungemischt,^') da er zum Trinken ebenso wenig bestimmt ist, wie 
das Fleisch der Tiere zum Essen. — Für die Art des Schlachtens sind 
wieder die Ausdrücke Ttfiveiv und evTSjuvHv bezeichnend,* 2) wie denn auch 
Tofua nur von Eidopfern gesagt wird. 

78. a. Endlich gehören zu den x^vaiai ayevaToi^^) die Heroen- und 
die Totenopfer.'*) 

Beide sind erst nachhomerisch und nachhesiodisch, denn der alten Zeit 
ist der Glaube an Unsterblichkeit fremd, und so kann denn auch von einem 
Kultus Verstorbener nicht die Rede sein.'^) — Der Name ijQoog ist bei Homer 

^) Plutarch De Is. et Osir. 46 berichtet, 1 - ^^) B 341, J 159. Vgl. Stengel im 
dass die Perser bei gewissen Sühnopfern einen Hermes XVIE 330. 

**) Vgl. Eur. Suppl. 119G; Stbkgkl 
Ztachr. f. d. Gw. 1880 S. 737 ff. u. Jahrb. f. 
Phil. 1885 S. 103 f. 

»») Plut. Praec. san. 124 B. 

**) Über fleroisierung und Heroen ver 
ehiiing vgl. Hebmamn G. A.* § 10, Schob- 
mann Gr. Alt^ II 153 ff., Lbhrs Pop. Anfs.' 
S. 320 ff.. Nabgelsbach Nachh. Theol. S. 105 
ff., NiTzscH zur Od. III 163 ff., Keil Ana- 
lecta epigr. et onomat. Leipzig 1842, Oblebt 
Beiträge zur Hcroenlehre der Griechen, Ijau- 
ban 1875 u. 1876. Wassner De heroum 
apxid Graecos cuUu, Kiel 1883 u. a. Über 
Vergötterung 0. Hibschfbld Abhandigg. d. 
Bori. Akad. d. Wissensch. XXXV (1888) S, 8:W 
ff., S. 844 f., Welckbr Gr. Götteri. HI 299 ff. 



Wolf schlachteten. 

*) Schol. zu T 208. 

3) r 2t>7 f. 

*) Paus. III 20, 9. 

^) Schol. zu T 2ti8, r 310; vgl. CIG. 
add. 2501 b und Paus. V 24, 2, wo das 
XQrjffdtti „etwas damit anfangon** sich auf 
die Art; des Bcseitigens bezieht. 

«) Vgl. T 258 ff., die Inschr. im ^&tj- 
yatoy V (187G) S. 101. 

') Schol. zu r 310. 

^) r 300 f. — Blut selbst wird (ausser 

Wein) bei der Vereidigung der Priester in 

Andania ausgegossen: DiTTBNBBfiGBR Syll. 

3H8 3 

' 'ö)*l :3:U = T 288; Diod. III 71 Ende. 

^^) 6i'ot»'04' xfft ero^xof' ist ein technischer , Vgl. Dittbnbergek Syll. S. 355 not. 12. 
Ausdruck geworden (CIG. 2554, 2555), ja | •*) Vgl. Lehrs Pop. Aufs.« 8. 304 ff., 

man sagt sogar anot'&iig rtfiyety, z. B. Eur. v. Wilamowitz Hom. Ünt^ S. 204, Stengel 
Hei. 1234. ; Jahrb. f. Phil. 1883 S. 373 ff. 



S. EnltuBhandliingen. (§ 78 ) 07 

nur eine Bezeichnung der Edelen oder trefflicher Männer überhaupt,^) und 
die , einzige Ehrengabe,^ die man Toten darbringen kann, ist die abge- 
schorene Locke und die Thräne, die von den Wangen rinnt. *) Die Tiere, 
welche Odysseus X 30 fif. schlachtet, sind keine Opfer, ihnen zum Genuss 
und zur Ehre dargebracht, sondern sie sind notwendig, weil allein ihr 
warmes Blut die Beschwörung der Schatten ermöglicht, und das Fleisch 
wird, wenn überhaupt jemandem, dem Hades und der Persephone verbrannt 
(A 45 ff.), die unfruchtbare Kuh aber, die Odysseus nach glücklicher Heim- 
kehr in Ithaka zu opfern verspricht (A 30 f.), ist schon deshalb mit den 
später üblichen Totenopfern gar nicht zu vergleichen, weil sie an einem 
ganz andern Orte, fern von den Gräbern der Verstorbenen geopfert werden 
soll. Noch viel weniger aber dürfen wir^) die aus Rache und dem ge- 
fallenen Freunde zur Genugthuung geschlachteten Troer und die Pferde und 
Hunde, die mit dem Leichnam des Patroklos (^ 166 ff.), oder die Schafe 
und Kinder, die mit dem des Achilleus (o) 66 ff.) auf dem Scheiterhaufen 
zugleich verbrannt werden, Opfer nennen; werden ja doch selbst Waffen 
mit den Toten zusammen verbrannt {X 74 ff.). — Es lässt sich annehmen, 
dass in der Zeit nach Homer zuerst die Helden der Sage, namentlich die 
durch das Epos berühmt gewordenen, einen Kultus erhielten;^) leiteten sie 
doch meist ihr Geschlecht von den Göttern ab und erhoben sich schon da- 
durch über die gewöhnlichen Menschenkinder. Lange blieb man jedoch bei 
ihnen nicht stehen. Warum sollte man die Helden der Gegenwart, die 
ihrem Vaterlande nicht weniger genützt hatten, minder ehren? Als der 
Glaube an Unsterblichkeit allgemeiner geworden war, stifteten die dank- 
baren Mitbürger ihren grossen Toten allenthalben Kulte. Brasidas tritt 
nach seinem Siege bei Amphipolis an die Stelle des alten dort verehrten 
Heros,***) die bei Marathon Gefallenen werden beim Totenopfer ausdrücklich 
als Heroen angerufen, <^) Lykurg erhält ein Isqov,'^) und Lysander wird 
gar zum Gott erhoben.') Die spätere Zeit wird immer freigebiger. So 
werden einem Phrurarchen Diogenes in Athen nach seinem Tode heroische 
Ehren zuerkannt,^) und die Epheben bringen ihm an dem nach ihm benann- 
ten Feste in seinem rtfisvog ein Opfer dar;*^) ja Lysimachos wird in Samo- 
thrake bereits zu seinen Lebzeiten durch einen Kultus geehrt, ^^ König 
Antiochos von Kommagene stiftet sich selbst ein Heiligtum, setzt Priester 
ein, die jährlich an seinem Geburts- und Krönungstage eine Feier veran- 
stalten sollen, deren Beibehaltung er auch seinen Nachfolgern durch 
ein Gesetz zur Pflicht macht, ^^^ u^d Orakel befehlen die Heroisie- 
rung unschuldig Gemordeter, damit dem Lande die Rache ihres Alastor 
(Kachegeistes) erspart werde.*-*) Aus ihrem Grabe können die Heroen 



>) a 423, & 483. •) Vgl. Köhler Mitt. des Arch. Inst, zu 

*) cf 197 f., vgl. n 450 f. Athen IX (1884) S. 298. 

'«) CIA. II 4G9, 470. 
**) Vgl. d. Inschr. in d. Archäol. Unters, 
auf Sam. II 85. 

^'^) PucHSTEiN in den Sitzungsber. der 
preiiss. Akad. d. Wiss. 1883 I 51 ff. 

'^) Herod. V 114; Paus. VIII 23, 5; 53, 
1. Vgl. VIII 41, 1; II 3, <>. 



») Vgl. L. Schmidt Kthik II 28. 

*) Vgl. Lehbs Pop. Aufs.*^ S. 355, Nae- 
GELSBACH Nachh. Theol. S. 105. 

*) Thuk. V 11. 

«) Paus. I 32, 4. 

') Herod. I 66. 

®) Plut. Lys. 18. Vgl. 0. HiRscHPELD a. 
a. O. S. 833. 

Baudbuch der klass. Alterlumswiaseniicbaft. V. 3. Abtlg. 



98 A. Die grieohiachen EnltoBaliertümer. 

auf die Oberwelt hin wirken , *) und werden sie gebührend verehrt, 
so ist eine solche Grabstätte ein Quell des Segens für das ganze Land,-) 
ja man holt ihre Gebeine bisweilen aus der Fremde, um sie aufs neue 
in der Heimat zu bestatten. 3) So ist denn auch ihr Kultus ähnlich wie 
der der Flussgötter, die auch nur ein bestimmtes Land befruchten und 
segnen, in der Regel nur ein lokaler,**) an den betreffenden Orten aber oft 
nicht weniger ausgebildet und angesehen als irgend ein Götterdienst. ^) Sie 
bilden inderThateine Mittelstufe zwischen Göttern und gewöhnlichen Toten,*') 
und dem entspricht die Verehrung, die sie geniessen. Es kann ihnen ge- 
opfert werden wg tjQfoi^ und dann unterscheiden sich die Opfer in nichts 
von denen anderer Verstorbener, oder cHg ^eiT,^ und dann werden ihnen 
Speiseopfer wie den Himmlischen dargebracht.^) Pindar, bei dem wir zu- 
erst entschiedenen Glauben an ein Fortleben, an Lohn und Strafe nach 
dem Tode finden,^) kennt bereits beide. Dem Herakles und seinen Söhnen 
werden Totenopfer gebracht, eine Saig, von der nur sie geniessen,^) and 
dem Tlepolemos werden Schafe geopfert (oartsQ tlf^f/J.i") Ja es gibt Fälle, wo 
demselben Heros zugleich dg O^eo) und ai^ t^gtoi geopfert wird, so dass dem- 
gemäss von dem einen Teil des Opfers gegessen werden darf, der andere 
aber verbrannt wird. Solche Opfer werden dem Herakles in Sikyon^O ^^^ 
inThasos*2) dargebracht, dem Achilleus an seinem Grabe von den Thes- 
salem.*^) Die ausführliche Beschreibung des letztgenannten ist am lehr- 
reichsten. Alljährlich fährt man nach der Troas hinüber; zwei Stiere, von 
denen der eine schwarz ist, werden mitgenommen. Dann werden Graben 
gegraben, und der schwarze Stier geschlachtet (og rsd-vemi. Das Blut 
lässt man unter Anrufung des Achilleus in die Gruben laufen, und der 
Leib des Tieres wird verbrannt. Am Meeresufer wird dann der andere Stier 
geopfert und zwar dg O^eoK Von diesem werden nur die üblichen Stücke 
verbrannt. Das Fleisch nimmt man auf das Schiff und führt es mit sich, 
um es nicht in Feindesland zu verzehren. Das Gewöhnliche ist natürlich, 
dass einem Heroen nur auf eine Art geopfert wird, entweder dg ^«^H, wie 
z. B. dem Theagenes in Thasos,'*) oder dg r^Qm,^^) wie dem Aithidas 
von den Messeniern.**^) Auch konnte es vorkommen, dass jemandem zuerst 
heroische, später aber göttliche Ehren zuerkannt wurden.^') — Die bei 
Heroenopfern gewöhnlichen Opfertiere sind Widder und Stiere, letztere 
namentlich da, wo nicht ein einzelner, sondern die Stadt das Opfer bringt. 
Dem Amphiaraos,»'') dem Kalchas,*^) dem Pelops^^j u. s. w. werden Widder 
geschlachtet, dem Aristomenes bringen die Messenier alljährlich an seinem 



») Vgl. Lbhrs Pop. Aufs.« S. 324 f. 
'') Vgl. z. B. Aristid. IT p. 230 Dind. 
Plut. Thcs. 36. Kim. 8. Vgl. Ohlebt 
Teil 1870 S. 20 ff. 



»j Pli 
a. a. O. II 



«») Paus. II 10, 1. 

'«) Herod. II 44. 

13) Philostr. Her. XIX p. 741. 

»*) Paus. VI 9, 2. 



*) Vgl. z. B. Plut. Sol. 9; Herod. VIII 04. »^) mg re^yetou (z. B. Philostr. Her. XIX 



^) Vgl. Paus. V 4, 1 u. ScHORMANN Gr. 
Alt. II 150 f. 

ß) Vgl. z. B. Plato Republ. 427 B. 

"') Vgl. Diod. IV 1. 

'') Vgl. Olymp. II. frgni. 90 u. 97 Böckii. 

«) Isthm. ir Ol [III 74J. vgl. Ol. I 90 f., t '«) Strab. VI 284. 

VIII 77. «0) Paus. V 13, 2. 

»«J Ol. VII 77. ; 



741) ist nur ein anderer Ausdruck für 
dieselbe Sache. Vgl. auch Paus. X 4, 7. 
»«) Paus. IV 32, 2. 
") Plut. Virt. mul. 18. 
'8) Paus. I 34, 4. 



S. Knltiuihandliuigen. (§ 78.) 90 

Grabe ein Stieropfer,*) wie auch die Athenischen Epheben dem Diogenes 
zwei Stiere opfern. =^) Besonders feierlich sind die Opfer an den nolvdrögia, 
den Massengräbern der in Schlachten Gefallenen. Ein solches bringen die 
Athener in Marathon dar,^) die Arkader in Phigalia,^) die Megarer den 
in den Seeschlachten bei Arteraision und Salamis Umgekommenen,^) und 
die Plataier allen in der Schlacht bei Plataiai gebliebenen Hellenen.^) Die 
Schilderung dieses Opfers ist besonders interessant. Eine lange Prozession, 
der ein Trompeter vorausgeht, verlässt mit Tagesanbruch die Stadt und 
geht zu den Gräbern, Wagen mit Myrten und Kränzen und ein schwarzer 
Stier folgen, freie Jünglinge tragen Wein und Milchspenden, Öl und Salben, 
denn kein Sklave darf hierbei eine Dienstleistung verrichten, da die Männer 
für die Freiheit starben. Den ganzen Zug schliesst der Archen mit rotem 
Chiton bekleidet und mit einem Schwert umgürtet, eine Urne tragend. 
Er wäscht selbst die Grabsteine und salbt sie mit wohlriechendem Öl, 
schlachtet dann den Stier eig nügav,"^) d. h. so, dass das Blut in die Feuer- 
stätte fliesst, betet zu Zeus und Hermes Chthonios und ruft die Tapfern, 
die für Hellas starben, zum Mahl und Blutgenuss; hierauf mischt er einen 
Mischkrug Weins und giesst die Spende aus mit den Worten: ich trinke 
zu den Männern, die für die Freiheit der Hellenen starben. Diese Feier 
findet alljährlich statt, wie überhaupt alle Heroen, die nicht göttliche Ehren 
gemessen, jährliche Opfer empfangen.®) Dass man ihnen diese, wenigstens 
überall da, wo man es auf dem Grabe selbst nicht konnte, auf einer iaxo^Qcc 
darzubringen pflegte, ist bereits (S. 14 f.) erwähnt; dieser niedrige Altar 
in Omphalosform (s. Taf. I Fig. 2) aber ist wahrscheinlich nur eine Nach- 
bildung der Grabhügel (xfiiiaxa). — Eine Ehre, die der Staat einzelnen 
besonders verdienten Männern zu teil werden Hess, konnte von den dank- 
baren Hinterbliebenen jedem der Ihrigen erwiesen werden. Sicherlich nicht 
viel später als die Heroenverehrung ist 

b) der Totenkultus allgemein üblich geworden.^) Auch die Heroen 
waren ja nichts anderes als erhabene Tote.*^) Es ward herrschender Glaube, 
dass die früher Verstorbenen den Verwandten und Freund nach seinem Tode 
in der Unterwelt empfingen, und dass sie ihm freundlich entgegenkämen, dafür 
hatte er, so lange er auf der Oberwelt weilte, durch Opfer und Spenden, die 
er an den Gräbern darbrachte, zu sorgen. >i) Auch für dieses Leben versprach 
man sich wohl mehr Segen und Frieden, wenn man die Pflichten der 
Pietät gegen die Toten gewissenhaft erfüllte. Dass bei den Thessalern 
viele nicht einmal den Eltern die Totenopfer darbrachten, war höchst auf- 
fallend,**) und selbst im frühesten Alter verstorbenen Kindern versäumte 
man in der Regel nicht Spenden zu giessen und die Ehren zu erweisen. 



») Paus. IV 32, 4. 
^) CIA. II 469, 470. 
») Paus. I 32, 4; CIA. II 471. 
^) Paus. VIII 41, 1. 
*) CIG. 1051. 
«) Plut Aristid. 21. 

"*) Vgl. die auf Naxos gefundene Insclir. 
im 'Ja^yaioy X 1881 S. 107. 

*) Paus. VU 19, 3; 20, 5; X 34, 5. | »*) Philostr. Her. p. 744. 

7* 



») Vgl. schon Pindar Ol. VIII 77. 

*^) In späteren Grabinschriften wird jeder 
Tote Heros genannt: vgl. z. ß. Mitt. des 
Arch. Inst, zu Athen XII 1887 S. 349 ff. 
n. 111 u. s. w. 

»') Vgl. Aisch. Ag. 1522 ff.; Frgra. 281 
Herrn.; Soph. Oid. Tyr. 13, 56 ff.; Antig. 71, 
888 ff. Eur. Or. 674 ff. ; u. s. w. 



100 ^» ^i® griechischen KaltoBaliertümer. 

die den Toten gebührten J) Dies geschah in Athen und wohl auch sonst 
mindestens einmal im Jahre, und zwar am Geburts- ^) oder am Todestage ^) 
des Verstorbenen. Dass ausserdem an den vieler Orten gefeierten jähr- 
lichen Totenfesten^) von den Angehörigen an den Gräbern der Ihrigen 
Opfer oder Spenden dargebracht sein werden, ist wahrscheinlich; auch 
konnte durch besondere Begegnisse ein ausserordentliches Opfer veranlasst 
werden.^) Ebenso ist es nur natürlich, dass in der dem Todesfall unmittel- 
bar folgenden Zeit wiederholte Totenfeier stattfanden.^) — Selbstverständ- 
lich waren die den gewöhnlichen Toten dargebrachten Opfer einfacher und 
weniger kostbar als die meist von Staats wegen besorgten Heroenopfer. ^) 
In Athen verbot es Solon bei Totenopfern ein Rind zu schlachten,*) offen- 
bar um den Aufwand zu beschränken, und ähnliche Bestimmungen gab es 
jedenfalls auch an andern Orten. *^) Doch blieben andere blutige Opfer 
am Grabe '^) gewöhnlich, vor allem Schafopfer.**) Daneben kamen 
Frucht-*^) und Kuchenopfer *^) vor; doch werden diese wohl meist von 
Ärmeren dargebracht sein, denen ein Tieropfer zu kostspielig war; denn 
bei keinem andern Opfer kam es gerade auf das Blut so an, wie bei Toten- 
opfern. Mag die Vorstellung der homerischen Zeit, dass der Genuss von 
Blut den Schatten für eine kurze Zeit Bewusstsein und Leben zurückzugeben 
vermöge, auch früh aufgegeben sein, so blieb doch der Glaube, dass sie 
sich an nichts mehr erquickten als an diesem ihnen selbst durch den Tod 
entzogenen eigentlichen Elemente des Lebens. Pindar (Ol. I 94) nennt ein 
Heroenopfer alpaxovQia^ Blutspende; ini t6 dttnvov xat at/iaxovQiav lädt 
der Archen von Plataiai die Toten,**) und ebenso ruft Neoptolemos den 
Schatten seines Vaters an, heraufzukommen und das Blut des Opfers zu 
trinken.*'*) Demgemäss werden den Toten alle Opfer an oder auf ihren 
Gräbern dargebracht. Durch ein Loch, das zu diesem Zwecke gegraben 
wurde, oder sich wohl auch dauernd im Grabhügel befand, liess man wie 
bei den auf einer icxaQa dargebrachten Heroenopfern das Blut ins Erd- 
reich strömen,**^) verbrannte dann den Leib des Tieres*') und vergrub 

•) Plut. Cons. ad uxor. XI p. 012 B. | Syll. n. 468 u. Köhler Mitt. des Arch. Inst. 
^) Vgl. ScHOEMANN ad Isaeum p. 222 F; j zu Athen I 141. 

'®) nqoatfttyin, nqoaqittyfAata Dittenb. 
Syll. 468, 12; Eur. Alk. 845. Vgl. Schok- 
MANN Gr. Alkt.» II 572 A. 3. 

>') Z. B. Eur. El. 92 Luk. Nekyiom. 9. 
Plut. Cat. mai. 15. — Hadrian befahl am 
Grabe des Alkibiades jährlich ein Rind zu 
opfern (Athen XIII p. 574 F). Das ist ein 
smgulUrer Fall. Eur. Hei. 1258 wird es ge- 
radezu als barbarische Sitte bezeichnet, ein 
Pferd oder einen Stier als Totenopfer zu 
schlachten. Einem skythischen Heros, dem 
Arzt Toxaris, soll denn auch in Athen an 
seinem Grabe jährlich ein Koss geopfert 
worden sein (Luk. Skyth. 2). 

'*) Thuk. III 58. 



CüRTius Altert, u. Gegenw. II 18. 

») Athen. XII p. 522 F. 

*) Vgl Schobmann Gr. Alt.' II 477 f., 
Köhler Mitt. des Arch. Inst, zu Athen II 
1877 S. 245, 254 f., Cürtius Altert, u. Ge- 
genw. II 18 ff. 

^) Z B. durch beängstigende Träume: 
Atossa in Aisch. Pers., Klytaimnestra in 
Aisch. Choeph., Soph. El. 

«) Vgl. Iw. Müller Hdb. IV 463d. 

•) Ausnahmen kamen natürlich vor. Be- 
kannt ist das Testament der Epikteta (GIG. 
2448); ähnlich bestimmt ein reicher Mann 
aus Elatea in Phokis, dass sein Andenken 
durch ein Fest, verbunden mit Spielen und 

Opfern geehrt werde (Bull, de corr. hell. ; '*) Luk. Katapl. 2. 

X 1886 S. 381 f. n. 18. - Vgl S. 97 Anm. i »^) Plut. Aristid. 21. 

12). Doch sind das dann ja auch nicht mehr ' ^^) Eur. Hck. 586. 

die gewöhnlichen Totenopfer. | '*^) Paus. X 4, 7. 

«) Plut. Sol. 21. ! »') Paus. IX 18, 4; 19, 3. Vgl. Mitt. 

*) Vgl. die Inschr. von Keos Dittenb. j des Arch. Inst, zu Athen 18S7 XII 138. 



3. EaltuBhandlangen. (§ 79.) 101 

die Asche. Die Schlachtung der Tiere geschah in derselben Weise wie bei 
Opfern für chthonische Gottheiten und bei Stihnopfem. Der Kopf des Tieres 
wurde zur Erde gebeugt,'^) und dann der Hals durchschnitten. 3) — Wie die 
andern Opfergaben, so sind auch die Spenden^) lediglich für den Toten 
selbst bestimmt. 5) Sie bestanden aus Wein, Wasser, Milch, Honig und 
Ol. Doch wird höchst selten alles zugleich gespendet.^) Das gewöhnliche 
Trankopfer ist Wein und fieXixQator^ d. i. ein Mischtrank aus Milch und 
Honig.'') Der Wein war mit Wasser gemischt,*) wie ihn die Toten einst 
auf der Oberwelt getrunken hatten, und ohne Zweifel ist auch der andere 
aus Honig und Milch bestehende Trank im Leben häufig genossen worden,^) 
vielleicht besonders von Kindern ^'^) und von Schwachen, und diesen ähn- 
lich hat man sich ja wohl die dfievrivd xaQTjva auch gedacht. 

Es erübrigt noch die Betrachtung einiger anderer Eigentümlichkeiten 
der verschiedenen Opfer. 

79. Nicht alle wurden zu derselben Tageszeit dargebracht. Den 
himmlischen Gottheiten opferte man am Morgen oder Vormittag,^*) den 
chthonischen, Heroen und Toten am Abend oder in der Nacht. ^*) Dachte 
man sie sich doch selbst in ewiger Nacht wohnend, ^^) während jene gleich 
den Menschen sich des Tages erfreuten und in der Nacht ruhten. Eine 
attische Inschrift (CIG. 70) schreibt vor, das Fleisch der bei einem Speise- 
opfer geschlachteten Tiere vor Sonnenuntergang zu verteilen, und noch 
genauer bestimmt ein Dekret aus lulis auf Keos die Zeit, wann das Opfer- 
mahl zu veranstalten sei.^^) Wurde es aber wirklich einmal erst nach 
Sonnenuntergang beendigt, so war dies doch Ausnahme,*'^) wie denn wohl 
auch die Sitte der Einwohner von Tithorea, die Opfer am Feste der Isis 
erst am Nachmittag zu beginnen, aus dem fremdländischen Charakter des 
Gottesdienstes zu erklären ist.**^) Häufiger jedoch kam es vor, dass man 
Opfer, die hauptsächlich zum Zwecke der Weissagung veranstaltet waren, 
längere Zeit fortsetzte, bis man endlich günstige Zeichen erhielt; doch 



^) Gegessen wurde von einem Toten- 
opfer niemals etwas. S. Stengel in d. Jahrb. 
f. Phil. 1883 S. 375 f. A. 47. 

•-») Schol. zu II. A 459, zu Apoll. Rhod. 



Frgm. 365 N.) oder Milch (Soph. El. 894, 
Plut. De daem. Soor. 0) allein genannt fin- 
den. S. NiTzscn zur Od. ITI 162 u. Stengel 
in d. Jahrb. f. Phil. 1887 S. 653. 



Arg. I 587 und mehr bei Stengel in der ^) Plut. Arist. 21. 

Ztschr. f. d. Gw. 1880 S. 737 IF. ») Vgl. Antimachos Frgm. 18 flf. Stell; 

') So finden wir hier denn auch die Pind. Nem. III 77; Ail. De nat. aoim. XV 7. 



^") Ein Mischtrank aus Milch und Honig 
ist z. B. auch die erste Nahrung des Zeus- 
kindes, vgl. Prblleb-Robert Gr. Mythol. 



für jene Opfer charakteristischen Ausdrücke 

wieder: ausser den gewöhnlichsten ivaylCsty 

(Paus. VIII 34. 2; II 10, 1; Apoll Bibl. II 5, 

2 u. B. w.) und xa»n)iC€iy (Paus. VI 20. 2). 1 1 133. 

iyr/fÄyeiy (Thuk. V 11; Plut. Sol. 9) und »') Vgl. y 335 f. 

lXäax€ff^tti, namentlich wo es darauf an- ^') Schol. zu Find. Jsthm. III 110 bei 

kommt, den gefUrchteten Groll des Toten zu Abel II p. 422 F; Schol. zu Apoll. Rhod. Arg. 

versöhnen (Herod. V 47). I 587 ; Proculus — vielleicht nach Philocho- 

*) X^> seltener Xoißij wie Soph. El. 52, ros, vgl. Lobeck Agl. S. 412 Anm. a — zu 

CIG. 956, 2596. Hes. Erg. 763; Plut. Quaest. rom. 34 p. 332. 

*) Stengel im Philol. XXXIX 378 ff. u. ") Od. X 19 u. s. w. 

in d. Jahrb. f Phil. 1887 S. 653 f. '*) DittenbergerSvII. 348; vgl. Anm. 11 

«) Aisch. Pers. 610 ff. S. 462 u. Iw. Müller Hdb. IV 443 b Anm. 5. 

') Eur. Iph. Taur. 158 ff. Or. 114 f. •*) Vgl. Athen. V 18 p. 591 E. 

Luk. Char. 22 u. s. w. — jueXlxQaroy ist ^^') Paus. X 32, 9. 
wohl auch anzunehmen, wo wir Honig (Soph. 



102 ^* ^® griechischen EaltoBalieriümer. 

stellte man auch diese jedenfalls noch vor Sonnenuntergang ein.*) — Die 
Nacht gehörte den Mächten der Finsternis und des Todes. Der Schatten 
Klytaimnestras erinnert die Erinyen an die Opfer, die sie ihnen zu nächt- 
licher Stunde, wo man keiner andern Gottheit damit nahe, gebracht habe;^) 
Trophonios empfängt nächtliche Opfer, ^) ebenso der in den Mysterien eine 
Rolle spielende Dionysos oder Sabazios,^) und ein Orakel befiehlt den Mes- 
seniern nachts eine Jungfrau als Sühnopfer zu schlachten.^) Das Fleisch 
der den xf^eol Meikixiot geopferten Tiere muss vor Tagesanbruch beseitigt 
sein,^) und bei Athenaios VII p. 276 E wird die Ansicht ausgesprochen, 
dass das Fleisch der nachts geschlachteten Opfertiere leichter verwese. — 
Nicht anders bei Heroen- und Totenopfem. Selon fährt nach der Weisung 
des delphischen Orakels nachts nach Salamis hinüber, um dort den Lokal- 
heroen zu opfern,') die Pheneaten bringen dem Myrtilos nächtliche Opfer,®) 
und in Titane, wo von zwei gemeinschaftlich verehrten Heroen der eine, 
Alexanor, heroische, der andere, Euamerion, göttliche Ehren geniesst, em- 
pfangt jener seine Opfer erst nach Sonnenuntergang.^) Ebenso bringt 
Orestes an dem Grabe seines Vaters, *^^) bringen die Argonauten an dem 
des Dolops * ^) das Totenopfer in der Nacht dar. 

80. Auch hinsichtlich der Farbe der Opfertiere galten verschiedene 
Bestimmungen und Gebräuche. ^^) Die Alten selbst berichten uns nur, dass 
es Regel gewesen sei, den oberen Göttern hellfarbige, den unterirdischen 
und den Toten schwarze Tiere zu opfern. *3) Doch sind sicherlich zu Speise- 
opfern auch dunkelfarbige Tiere benutzt worden, wenn man andere auch 
vorgezogen haben mag. In der Odyssee y 6 wird dem Poseidon eine ganze 
Hekatombe schwarzer Stiere dargebracht,^^) demselben Gott werden dann 
auch wieder weisse'*) oder rötliche ^^) Tiere geopfert. Ausnahmslos hell- 
farbige Tiere hat wohl nur Helios empfangen,*') den anderen Göttern scheint 
man sie namentlich als freudiges Dankopfer dargebracht zu haben, **^) doch 
galten sie wohl auch sonst als die den Göttern wohlgefälligsten. *®) — Zu 
Sühnopfern gebrauchte man sowohl schwarze wie weisse Tiere. Epimenides 
soll bei der Reinigung Athens schwarze und weisse Schafe geopfert haben,^») 
und auch Hekate empfing schwarze 2*) und weisse Hunde 22) als Sühnopfer.*^) 
Verderblichen Winden pflegte man, um sie zu besänftigen, schwarze 



') Xen. Hell. IV 1, 22. 

2) Aisch. Euni. 108 f. 

3) Paus. IX 39, 4. 
*) Diod. IV 15. 

*) Paus. IV 9, 2. 

•) Paus. X 38, 4. 

') Plut. Sol. 9. 

«) Paus. VIII 14, 7. 

») Paus. II 11. 7. 

»^•) Eur. El. 90. 

'») Apoll. Rhod. I 587. 



im Schol. u. Kornut. negi &Baiv 22. 

'^) DiTTENB. Syll. 373, 5 u. 10; Find. Ol. 
XIII 69 (99). 

'«) Find. Fyth. IV 205 (365). 

^') II. r 103; Rhod. Inschr. bei Ross 
Hell. II S. 112; Fhilostr. Her. XI 1 p. 309. 

^«) Hom. Hymn. XXXHI 10 Baum.; Luk. 
Dial. mer. VII 1; Aristoph. Av. 971; Dfttknb. 
Syll. 388, 67. 

'^) S. d. Inscbr. in d. Mitt. des Arcb. 
Inst, zu Athen 1882 S. 72. 



'2) Am ausführlichsten darüber Stengel '^^) Diog. Laert. I p. 110. Vgl. Livius 

in den Jahrb. f. Fhil. 1886 S. 321 ff. XXII 10. 

»3) S. das Apollonorakel bei Euseb. Fraep. ! «tj p^us. TU 14, 9. 

ev. IV 9, 2; Arnob. Adv. gent. VII 19; Schol. i -•2) Aristoph. Dait. frgm. 12 Bergk. 

zu II. ^' 30. I •-«) Plut. Quaest. rom. 68. 

'*) Vgl. dazu d. Bemerkung von Didymos 



3. EoltaBhandlangen. (§ 80 - 81.) 103 

Tiere darzubringen,') doch wird uns auch von dem Opfer eines weissen 
Hahnes zu demselben Zwecke berichtet.^) Zur Abwendung einer Pest 
befiehlt das Orakel schwarze Tiere zu opfern, 3) und Widder von derselben 
Farbe schlachten neben Menschenopfern die Taulantier, als Alexander gegen 
ihre Stadt anrQckt.'^) Chthonische Gottheiten empfangen schwarze Tiere.^) 
Ebenso die Heroen. Dem Aristomenes wird an seinem Grabe ein schwarzer 
Stier geschlachtet,^) dem Pelops in Olympia'') und dem Kalchas in einer 
griechischen Kolonie Unteritaliens ein schwarzer Widder,®) die Thessaler 
opfern dem Achilleus a!^ iJQm einen schwarzen Stier und einen anderen 
oig r^€fp^^) und auch der Archen der Plataier schlachtet an den Gräbern 
der Gefallenen einen schwarzen Stier J^) Auch den Toten werden schwarze 
Tiere geopfert. Die Thessaler schlachten dem Dareios ein schwarzes Lamm,'^) 
Orestes auf dem Grabe seines Vaters ein schwarzes Schaf.**') — Nur ein 
Opfertier war allen diesen sonst geltenden Bestimmungen und streng be- 
obachteten Gebräuchen nicht unterworfen: das Pferd. Die Griechen haben 
nur weisse Pferde geopfert.*^) Mithridates versenkt dem Poseidon ein Ge- 
spann weisser Rosse ins Meer,*^) Pelopidas opfert statt der geforderten 
Jungfrau ein hellfarbiges Füllen,*^) ja die Athener sollen dem skythischen 
Heros Toxaris, der angeblich bei einer Pest als Arzt Dienste geleistet hatte, 
an seinem Grabe ein weisses Ross als Totenopfer dargebracht haben. *^) 

81. Auch das Geschlecht der Opfertiere *^) war nicht gleichgiltig. — 
Sehr gewöhnlich war es, Göttern männliche, Göttinnen weibliche Tiere 
darzubringen. 1®) Doch sind die umgekehrten Fälle so zahlreich, dass man 
von einer Regel nicht sprechen darf.*^) Das Richtige ist, dass einzelne 
Gottheiten Tiere bestimmten Geschlechts verlangten, andere nicht. Dem 
Zeus pflegte man männliche Tiere darzubringen, ebenso dem Poseidon, 
Herakles und Asklepios, der Hera scheinen umgekehrt nur weibliche ge- 
opfert zu sein. Apollon erhielt auch weibliche Tiere; *^) vor allem werden 
solche sich oftmals in den grossen Hekatomben befunden haben, ^0 welche 
diesem Gotte vorzugsweise dargebracht wurden; ebenso durften dem 
Hermes weibliche Tiere geopfert werden.*^) Umgekehrt erhalten Artemis 2^) 

») Ari8toph.Ran.848f. Vgl. Vergil. Aen. ' »*) Pkt. Pel. 22. Uier^ay&6g; dasselbe 

III 120. Tier wird Xevxog genannt Flut. Amat. narr. 

») Paus. II 34, 2. III 20 p. 774 D. 

3) Kaibel Epigr. gr. 1034. '•) Luk. Skyth. 2. Vgl. Stekgel Jahrb. 

*) Arrian Anab. 15. | f. Phil. 1886. S. 324 Anm. 7. 

^) IL ri03 Dittbuberoeb Syll. 373,26; >') Am ausführlichsten darüber Stengel 

Istros im Schol. zu Soph. Oid. Kol. 42; Plut. , in d. Jahrb. f. Phil. 1886 S. 324 ff. 

Lac. 10. Quaest symp. VI, 8, 1 Appian Bell. ! "^) II. r 103 f., ^ 147; Paus. IX 3, 4 u. 

Mithr. 75. Vgl. Od. x 527; Paus. X 29, 1; s.w. Vgl. Arnob. Adv. gent. VII 19; Euseb. 



Philostr. Imag. XI 33. 

•) Paus. IV 32. 3. 

') Paus. V 13 2. 

8) Strabo VI 284- vgl. Od. X 32. 

») Philostr. Her. XIX p. 741. 

'«) Plut. Aristid. 21. 

» ») Philostr. Her. XIX p. 743. 

>«) Eur. El. 516. - Bisweilen legte der 
Opfernd« selbst dunkle Kleidung an (Apoll. 
Rhod. Arg. 1204 f. ; Cass. Dio XLVIII 48). 

»3) S. Stehoel im Philol. XXXIX S. 184 f. 



Praep. ev. IV 9; Porphyr. De antro nymph. 6. 

^») S. CIA. II 610: DiTTENB. Syll. 373, 
17 ; Aristoph. Av. 971 mit Schol. ; Plut. Quaest. 
symp. VI 81 u. s. w. 

20) Paus. II 24, 1, RöHL IGA. n. 379. 
— Vgl. dazu DE Molin De ara ap. Graecoa 
S. 72 u. Stekobl in d. Jahrb. f. Phil. 1886 
S. 326 A. 4. 

»») Vgl. z. B. Xen. Hell. VI 4, 29. 

^2) S. d. Lesbische Inschr. bei Cauer 
Del.^ n. 435. 



»^J Appian Bell. Mithr. 70 p. 480. 1 ") Paus. IX. 19, 5; vgl. IV 31, 5; VII 18, 



101 



A. Die griechischen Ealtasaltertümer. 



und bisweilen Aphrodite ^) auch männliche zum Opfer. Am häufigsten von 
allen Göttinnen wurden der Demeter männliche Tiere dargebracht,*) nament- 
lich bestand das grosse Rinderopfer am Eleusinienfest vorzugsweise aus 
Stieren und Ochsen,^) dagegen durfte man der Athena, wenigstens im 
eigentlichen Griechenland,*) nur weibliche Tiere opfern,*) wie denn auch 
am Panathenaienfest nur Kühe geschlachtet wurden. **) Auch die chthoni- 
schen Gottheiten empfingen Tiere beiderlei Geschlechts zum Opfer;') die 
Heroen aber nur männliche.^) Den Toten durfte man wahrscheinlich beide 
opfern.®) Eigentümlich ist es, dass zu Eidopfern nur männliche Tiere ge- 
nommen wurden, ^^) hauptsächlich Stier, Widder, Eber.^^ Vielleicht hängt 
damit zusammen, dass auch zu den sog. TQitTveg, bei denen dieselben Opfer- 
tiere sehr gewöhnlich waren, ^2) ausschliesslich männliche Tiere benutzt 
wurden. *3) Verschnittene Tiere durfte man ohne Zweifel jedem Gott dar- 
bringen, welchem männliche geopfert zu werden pflegten, und abgesehen 
von den TQitTVfg, Eid- und Heroenopfern wird nur in vereinzelten Fällen 
einmal ausdrücklich ein evogx^fi verlangt.**) 

82. Für das Alter der Opfertiere wird bei Speiseopfern in der Regel 
die Rücksicht auf die Brauchbarkeit des Fleisches massgebend gewesen sein. 
Folgte einem grossen Festopfer eine Bewirtung des Volkes, so war schon 
wegen des grossen Fleischbedarfs notwendig, dass die Hauptmasse der 
Opfertiere ausgewachsen war. Doch auch bei anderen Gelegenheiten werden 
häufig ausdrücklich tegeia räXeia verlangt.^*) Wahrscheinlich hat man auch 
geglaubt, dass das Opfer eines in der Vollkraft stehenden Tieres den 
Göttern am liebsten sei.*^) Die Wahl des fünfjährigen Ebers, den Eumaios 
schlachtet (f 419), wird freilich durch die Rücksicht auf den Gast bestimmt, 
und ebenso die des fünfjährigen Stieres, mit dem Agamemnon die Helden 



7. — Kallim. Frgm. 76 Schnei. ; Euphronios 
im Schol. zu Aristoph. Av. 873; Anton. Liber. 
13; Hesych. u. BgavQioyia u. xangotpayog. 
») Cauer Del.'' n. 435; vgl. Plut. Thes. 

18 u. Tac. bist. II 3. 

>) CIG. 14G4; Eupolis nach dem Scbol. 
zu Sopb. Oid. Kol. 1600. 

3) CIA. II 467, 468, 470. 

*) Eine üiscb« Inscbrift CIG. 3599 be- 
iiohlt ihr ausser einer Kuh einen Widder 
darzubringen, meines Wissens das einzige 
Beispiel eines männlichen Opfertiers. Zu 
Paus. I 27, 9 vgl. Plut. Thes. 14 u. Stengel 
in den Jahrb.f. Phil. 1886 S. 328. 

*) Schol. zu IL B 550; zu Soph. Oid. 
Kol. 1600; II. Z 93: ^ 728; Inschr. v. Kos 
im Joum. of Hell. Stud. IX 328 f. u. s. w. 

ß) CIA. II 471 ; DiTTBNBEBOER Syll. 380, 

19 IF. 

Od. Ä 30; II. r 103; Plut. Luc. 10; 
Istros im Schol. zu Soph. Oid. Kol. 42 u. 
CIG. 1464; Dittenb. Syll. 373, 17; Kaibel 
Epigr. gr. 1034. 

«) Paus. I 34, 4; IV 32, 3: V 13. 2; 
Strabo VI 284; Philostr. Her. XIX p. 741; 
CIA. II 4(>9 u. 470. Unter den ots reXeto 
am Anfang der Opferordnung von Kos im 



Joum. of Hell. Stud. IX 324 sind also nicht 
weibliche Schafe zu verstehen. 

^) Nach den Scholien zu Od. X 30 und 
X 522 durften ihnen nur weibliche Tiere ge- 
opfert werden, vgl. jedoch Stengel in den 
Jahrb. f. Phil. 1881 S. 80 u. 740. 

»«) Schol. zu II. T 197. Stengel in den 
Jahrb. f. Phü. 1883 S. 377. r 103 wird aUer- 
dings ein weibliches Lamm geopfert, doch ist 
diese Abweichung durch den Zusatz, dass es 
der Ge geweiht sein solle, wie das männliche 
dem Helios, wohl hinlänglich erklärt. Zu- 
dem handelt es sich hier um kein griechi- 
sches, sondern um ein troisches Opfer. 

") Demosth. g. Aristokr. § 68 p. 642; 
Plut. Pyrih. 6; Xen. Anab. H 2, 9. 

'^) S. die Zusammenstellungen in den 
Jahrb. f. Phil. 1886 S. 320 ff. 

**) S. Hesych. u. rgiKtva u. Istros im 
Etymol. M. u. XQUtvav ^valav p. 768, 17. 

*^) Z. B. für Poseidon Dittenbbrger Syll. 
373, 6 u. 10. 

''*) S. d. Inschrr. Dittenb. Syll. 373, 17, 
35 f.; 375; Rangabe Antiqu. hell. n. 821b; 
\4^vMov 1879 S. 408; vgl. Schol. zu Soph. 
Ant. 1012. 

'«) Vgl. d. Schol. zu Arist. Ach. 785. 



3. Ealtashandlniigen. (§ 82.) 105 

nach dem heissen Schlachttage hewirtet und vor allem Aias, der den ge- 
fahrlichsten Kampf bestanden hat, ehren will {H 315), aber ß 403 wird 
dasselbe stattliche Tier geopfert, um dem Zeus eine besondere Ehre zu 
erweisen, und mit einer xeXrjeaaa ixarofißii^) glaubte man doch auch den 
Göttern das wohlgefälligste Opfer darzubringen. Einen dreijährigen Widder 
verspricht Ganymedes dem Zeus ;^) zu den feierlichen Dreiopfern, den vor- 
her besprochenen TQnTvsg, sollen nur dreijährige Tiere verwandt worden 
sein,-'*) und in Athen verbot ein altes Gesetz, ein 8chaf, ehe es geschoren 
war oder gelammt hatte, ^) oder Lämmer vor der ersten Schur zu 
opfern."^) Eine Inschrift von Keos*') enthält die genauesten Bestimmungen 
über das Alter, das die Opfertiere haben sollen. Das Kind und das 
Schaf sollen die Zähne bereits gewechselt haben, ^) und das Schwein 
nicht älter als 19 Monate sein. Eine pergamenische Inschrift^) bestimmt, 
dass nach der Anordnung des Orakels der Pallas eine zweijährige Färse, 
dem Zeus, dem Bakchos und dem Asklepios dreijährige Rinder geopfert 
werden, die Mysterieninschrift von Andania für die MeydXoi O^eoi ein 
zweijähriges Schwein,^) die Opferordnung aus Mykonos für Semele, Dio- 
nysos, Zeus Chthonios und die Ge Chthonia jährige Tiere. ^'^) — Wenn wir 
sehen, wie unendlich häufig neben den Opfern ausgewachsener Tiere Kälber, i^) 
Lämmer, ^=^) Ferkel*') und Zicklein*^) geopfert wurden, so werden wir uns 
auch über die Verschiedenheit dieser Bestimmungen nicht wundern. Man 
opferte eben alles, was man selbst zu essen pflegte. Auffallen muss da- 
gegen, dass die Opfer noch saugender Tiere ganz gewöhnlich sind, und 
zwar nicht bloss bei Reinigungsopfern. ^^) Schon bei Homer *^) geloben Pan- 
daros und Merioncs dem Apollon eine Hekatombe neugeborener Lämmer, 
falls ihr Pfeilschuss erfolgreich sein würde,*') und das ganze Altertum hin- 
durch finden wir yaXad^t^va hq^ia als etwas durchaus Gewöhnliches er- 
wähnt. In zahlreichen Inschriften werden sie den rtXeia in einer Weise 
gegenübergestellt, dass wir annehmen müssen, sie seien kaum seltener ge- 
wesen als diese.*") Auch die Notiz bei Hesychios (u. rtXHo), dass die einen 
jährige Tiere, die anderen schon alle, die über zehn Tage alt seien, für 
TkXfioi erklärten, lässt darauf schliessen, dass die Opfer noch saugender 



^) Vgl. Stengel in den Jahrb. f. Phil. 
1885 S. 103. 

^) Luk. Dial. deor. IV 2. 

^) Istros im Etym. M. u. TQixxvav dvaiay. 

*) Androtion bei Athen. X 17 p. 375. 

^) Philochoros bei Athen. I 16 p. 9. Als 
Grund für diese Bestimmungen wird aller- 
dings die Rücksicht auf die Zucht der Tiere 
angegeben. Es fällt dies in dasselbe Kapitel 
wie das Verbot Solons, ein Rind zum Toten- I VI 2, 2 u. s. w. 
opfer zu schlachten, oder die fast allgemein j ^^) Vgl. Aisch. Eum. 430 u. s. w. 

beobachtete Sitte, Ackerstiere nicht zu opfern. ! ^^) J 120, ^' 873. 

®) DiTTENBERGEK SjU. 348. j *^) Vgl. hier wie überhaupt für das fol- 



«) DlTTENBERGER Syll. 388, 68. 

»<>) DllTEKBERQER Syll. 373, 24 ff. 

»») Luk. Dial. mer. VII 1; Babr. Fab. 37; 
Arrian De venat. 34 u. s. w. 

'-') DiTTENB. Syll. 388, 67 f.; Rangabe 
Ant. hell. II n. 2336 ; Paus. II 10. 1 u. s. w. 

'3) Athen. IV p. 139 B; IV 72 p. 172 A; 
IX 54 p. 396 C u. D u. s. w. 

^*) Ross Hellen. II p. 112 n. 45; Paus. 



^) Wohl die ersten beiden, welche die : gende Stengel in den Jahrb. f. Phil. 1882 



Tiere nach Vollendung des ersten Lebens- 
jahres verlieren. — Vgl. An>tot. Hist. anim. 
VI 21 p. 145 Aub. u. Wim. - Die letzten 
beiden wechseln sie erst dreijährig. 
«) Kaibel Epigr. gr. 1035. 



S. 246 f. Vgl. auch Hes. Erg. 543 u. 592. 

'«) DiTTENB. Syll. 371, 31 f. CIA. II 
610, ii^2; CIA. I 4: vgl. CIA. II 631 und 
BöcKH Kl. Sehr. IV 408 f. u. s. w. 



106 A. Die griechiflcheii Enltasaltertttmer. 

Tiere an der Tagesordnung waren J) Auch scheint es hier keinen Unter- 
schied gemacht zu haben, welcher Gottheit die Tiere dargebracht wurden; 
eine Spur davon könnte man einzig darin finden, dass die jungfräuliche 
Athena die a^vya oder adfirjva legeTa vorzieht,*) während der mütterlichen 
Demeter umgekehrt Muttertiere,^) mit Vorliebe trächtige,*) geopfert werden. 

f. Reinigrungren und Sühnungren. 

Litteratur: Hehmann Gottesdienst!. Altt.' §23. Schoemann Griech. Altt. IL' 352 ff. 
V. Lasaulx Die Sühnopfer der Griechen und Römer (in den Akadem. Abhndlgg Würzbarg 
1844 S. 236 ff.). Naeoelsbach Nachhomerische Theologie S. 356 ff. James Donaldsok on 
the Expiatory and Substitutionary Sacrxfices of the Grecs in den Transactions of ihe 
Boyal Society of Edinburgh Bd. XXVII (1876) S. 427-465. 

83. Es ist bereits erwähnt worden, dass kein Unreiner das Heiligtum 
eines Gottes betreten oder an einem Opfer teilnehmen durfte. Wer war nun 
unrein? Wenn später einmal in Epidauros im Vorhof des Asklepiostempels 
zu lesen war: 

Nur wer rein ist, betrete die Schwelle des duftenden Tempels; 

Niemand aber ist rein, ausser wer heiliges denkt, ''^) 
so liegt der älteren Zeit nichts ferner als solche Vorstellungen. Das ho- 
merische Zeitalter kennt nur das Erfordernis äusserlicher Reinheit.^) Tele- 
mach reinigt in der Meerflut die Hände, ehe er sie betend zu Athena er- 
hebt,^) Penelope wäscht sich vor dem Gebet und legt reine Kleider an,®) 
Hektor scheut sich mit ungewaschenen, von Blut und Staub besudelten 
Händen dem Zeus zu spenden,'*') Achilleus reinigt Hände und Becher aufs 
sorgfältigste, ehe er dem Gotte das Trankopfer ausgiesst,^®) und als die 
Pest aufhört, opfert man dem ApoUon die Hekatomben erst, nachdem das 
ganze Heer sich auf die Aufforderung Agamemnons gereinigt hat, und alles 
Unsaubere abgethan und ins Meer geworfen ist.^*) Von der Vorstellung 
aber, dass es noch eine andere Unreinheit geben könne als die des Körpers, 
findet sich in den Epen nicht die geringste Spur, denn aus der blossen 
Erwähnung des Ixion an einer zudem noch interpolierten Stelle ^^) lässt 
sich ganz gewiss nicht schliessen, dass der Dichter die Sage von der Rei- 
nigung des Mannes durch Zeus gekannt habe.*^) Aber nicht lange dauerte 
es, da empfand man, dass wenigstens einer, der seine Hand mit dem Blut 



*) Kälber, Lämmer, Ferkel saugen alle \ jangfräulichen Athena ein trächtiges Schaf 

beträchtlich länger als zehn Tage. Vgl. i dargebracht wird (S. 335 ZI. 57), wie denn 

Lenz Naturgesch. Gotha 1851 I 654 u. 468. i in Patmos auch Artemis schwangere Opfer- 

') ßoiig ^vig fjx^arag Z 93, K 292, y | tiere nicht vorschmäht zu haben scheint 

382 ; fioaxov uCvyog uyvov Kaibkl Epigr. gr. (Kaibel Epigr. ^. 872) 



1035, 21. 

') CIA. 11 467 povq XQOfflag; Dittenb. 
Syll. 388, 68 avy inlroxa.^ 

*) Dittenb. Syll. 373 vy iyxvfxoya; Kor- 
nut. ncQi &€tüy 28 p. 211: &vovat' d'vg iy- 
xvfÄoyag JfjfitjTQi ndyv oixelag. Opferord- 
nung Yon^Kos im Joum. of Hell. Stud. IX 335 
ZI. 61: oig rsXia xveooa. — Dasselbe Opfer 
empfängt Rhea (ebenda S. 328 ZI. 3), und 
auch den Eumeniden (Paus. II 11, 4) und 
in Boioticn der Pelarge (Paus. IX 25, 6) 
werden trächtige Tiere geopfert. Am auf- ") S 317 

fallendsten ist es, dass in Kos selbst der | ^') Vgl. Schobmann a. a. 0. U 354. 



*) ayyeirj d ean (pQoyeiy octa Porphyr. 
De abst. II 19. Vgl. Clemens AI. Stromat 
V 1 p. 652 u. IV 22 p. 628. Die Über- 
setzung des Distichons ist von Jakob Beb- 
NAYS : Theophrast über die Frömmigkeit S. 67. 

®) Vgl. NiTZScu zur Odyssee I 310 u. A. 

') ß 261. 

») cf 750, Q 48. 

») Z 266 ff. 

»0) // 228 ff. 

>») J 313 ff. 



3. EultuBhaiidlaiigeii. (§ 83.) 107 

eines gemordeten Mannes besudelt hatte, einer umständlicheren Reinigung 
bedürfe, als einer blossen Abwaschung des Blutes, dass er, um wieder als 
Unbefleckter vor Göttern und unter Menschen erscheinen zu können, sich 
einer feierlichen unter bestimmten Geremonien vorgenommenen Lustration 
unterziehen müsse. In homerischer Zeit besteht die einzige Mordsühne 
in einer Wertentschädigung an die Verwandten des Erschlagenen,*) und 
als der Mörder Theoklymenos dem Opfer Telemachs beiwohnt, wird auch 
dieses nicht durch seine Anwesenheit entweiht;*) in der Aithiopis des Ark- 
tinos aber^) muss Achilleus nach der Ermordung des Thersites sich einer 
Purifikation unterziehen, begibt sich nach Lesbos, opfert dort und wird 
dann von Odysseus gereinigt.*) Wie die Blutschuld die erste war, die eine 
derartige Reinigung zu erfordern schien — und es ist wieder sehr charak- 
teristisch für die Anschauungen der älteren. Zeit, dass der unfreiwillige 
Mörder sie nicht minder auf sich lud, als der absichtliche^) — , so blieb 
sie auch später, als noch manches andere für verunreinigend angesehen 
wurde, immer die schwerste Befleckung und erheischte, auch wenn der 
Forderung des Gesetzes genuggethan war, die ernsteste Sühnung, nament- 
lich wenn der Gemordete ein Stammesgenosse {iiitfvXiog) war.^) Durch 
das Blut, das an der Hand des Mörders geklebt hatte, war nicht nur 
äusserlich sein Leib besudelt: die Befleckung {fivtrog, fitaafia) blieb an 
ihm haften, auch wenn die wahrnehmbaren Spuren der That getilgt waren, 
wie ein Krankheitsstoff, der auch andere, die mit ihm in Berührung kamen, 
ergreifen konnte; und diese Unreinheit war nicht so leicht los zu werden. 
Es war notwendig, die über die That zürnenden Götter, die Manen des Ge- 
mordeten und seine Verwandten, denen nach alter Satzung die Pflicht der 
Blutrache oblag, zu versöhnen. Schon bei der ersten Reinigung, von der 
uns die Sage berichtet, sehen wir den Mörder, Achilleus, das Land, in 
dem die That verübt war, verlassen. Geschah es auch nur auf kürzeste Zeit, 
lediglich zum Zweck der Purifikation, so ist doch auch hier schon derselbe 
Gedanke, dieselbe Ansicht, die später die Verbannung des Mörders fordert, 
unverkennbar: in dem Land, wo der Erschlagene gelebt, auf dem Boden, 
der sein Blut getrunken hat, darf der Mörder nicht weilen, die Manen des 
Toten lassen ihm da keine Ruhe. Aber geht er ins Ausland, so ist es 
grausam und gottlos, ihm die Reinigung zu verweigern. Zeus selbst hat 
einst den Ixion gereinigt und der Sage nach damit das erste Beispiel und 
Vorbild gegeben,') auch andere Götter versagen den Sterblichen diese Gnade 
nicht,®) da dürfen es die Menschen ebensowenig: Orestes wird in Troizen ge- 
reinigt,^) und derPhryger Adrastos vom lydischen König Kroisos.i<^) Be- 
merkenswert ist, dass die Ceremonie nie von Priestern vollzogen wird.**) 



>) / 633 (f., B 665, iV 574 u. 697, V' 89, 
o 224, I 380, <p 27 (f. 

«) o 222 ff. 

') DuNTZER FragmeDte der cp. Poes. 
S. 16; Welckeb Ep. Cvklus II 521 = Km 



das GefQhl des Beflecktseins, das von der 
Gemeinschaft der Götter ausschloss, noch 
nicht so lebhaft und quälend empfand. 

^) Vgl. Lobeck Agl. 968. 

«) Vgl. Paus. II 20, 7. 



KBL Epigr. gr. Frgm. I 33. ^) Pherekyd. Frgm. 103; Aischyl. Eum. 

*) Es ist auffallend, dass der noch ün- 440 f. u. 717 f., frgm. 197 Herm. 
gereinigte ein Opfer bringen darf, und wohl ») Apollod. II 1, 5. 

auch ein Beweis dafür, dass man in den ^) Paus. II 31, 7. 

heroischen Zeiten, auch als sich bereits das ' ^^) Herod. I 35. 

Bedürfniss einer Reinigung zu zeigen begann, { > >) Lobeck Agl. 669. 



108 



A. Die griechischen Enltnaaltertümer. 



Die spätere Zeit macht einen Unterschied zwischen absichtlichem und 
nicht beabsichtigtem Todschlag, zwischen gerechter und ungerechter 
Tötung. ^) Wer den Buhlen bei der Gattin, Tochter, Mutter oder Schwester 
bei der That ertappte und ihn tötete, wer einen Geächteten oder einen 
Tyrannen-) erschlug, brauchte nicht gereinigt zu werden,^) ebensowenig, 
wen die Richter von der Schuld freigesprochen hatten. Für unerlaubten 
vorsätzlichen Mord gab es keine Sühne, wer ihn begangen, durfte das Land 
nie wieder betreten; wer ohne seine Absicht getötet hatte, musste auf eine 
bestimmte Zeit in die Fremde gehen, durfte aber, wenn er gereinigt war 
und sich mit den Verwandten des Erschlagenen ausgesöhnt hatte, in die 
Heimat zurückkehren; unvorsichtiger Todschlag beim Waffenspiele machte 
nur eine Reinigung notwendig. Dem unvorsätzlichen Mörder wurde die 
Reinigung auch in der Heimat nicht versagt. Er verliess darnach das Land 
mindestens auf ein Jahr*) auf einem vorgeschriebenen Wege.^) War die 
Strafzeit abgelaufen, so söhnte er sich mit den Angehörigen des Getöteten 
aus, was diese ihm nicht verweigern durften, unterzog sich nochmals einer 
Reinigung und war dann ganz restituiert.^) 

Doch mehr als diese halb rechtlichen Fragen gehen uns hier die 
religiösen Ceremonien d. h. die Art der Reinigung selbst an. 

Am ausführlichsten wird uns die Reinigung Jasons und Medeias nach 
dem Morde des Absyrtos geschildert. ^) Die Mörder stellen sich Kirke als der 
Reinigung bedürftig vor, ohne zu sagen, wer sie sind, und Kirke erfüllt 
ihre Bitte,' ohne zunächst darnach zu tragen, wie Kroisos den Adrastos 
reinigt, ehe er weiss, mit wem er es zu thun hat. Auch hier zerfallt der 
Reinigungsakt in zwei Teile, wie der in der Aithiopis erwähnte: in die 
eigentliche Reinigung und das Versöhnungsopfer; nur dass hier, wie natür- 
lich, die Reihenfolge die umgekehrte ist. Kirke schlachtet ein noch sau- 
gendes Ferkel, lässt das Blut des Tieres über die Hände der Mörder fliessen, 
und wäscht diese, den Zeus Katharsios anrufend, mit Wasser ab, das sie 
darnach durch eine Dienerin fortschaffen lässt. Darauf begibt sie sich an 
den Herd des Hauses, verbrennt hier unblutige Opfer und giesst weinlose 
Spenden ins Feuer, wiederum die Gnade des Zeus anrufend, der die Eri- 
nyen besänftigen solle. Das Ferkel darf als fluchbeladen nicht auf dem 
Herde verbrannt werden, sondern wird wohl von den Dienerinnen zusammen 
mit dem verunreinigten Wasser beseitigt worden sein.^) 

Hi, Noch viel umständlicher und wichtiger sind die Reinigungen 
eines ganzen Volks. Diese werden teils in regelmässigen Zwischen- 
räumen vorgenommen, auch ohne dass eine besondere Veranlassung vor- 
liegt, weil man nicht wissen kann, ob nicht durch irgend eine verborgene 
Missethat der Zorn der Gottheit erregt ist, und es vermeiden will, erst 
duich eine über das Land verhängte Seuche oder andere Heimsuchungen 



») Vgl. Isokr. Paneg. 10. 
'^) Vgl. Zelleb in den Ber. der preuss. 
Akad. der Wiss. 1887 S. 1140. 

•^) Meier-Schoemakn'^ Att. Prozess 377 f. 
*) ((TjeyinvTKTfiöc:, vgl. Plato Leg. IX p. 865. 
'•) Demosth. Aiistokr. p. 644. 
^) Dass der Reinigung nicht sogleich 



oder ganz selbstverständlich die Söhnung 
{IXaafAog) folgt, zeigt am besten das Beispiel 
des Orestes (s. Aisch. Eum. 448 fF.). 

') Apoll. Rhod. Arg. IV 702 ff. 

") Vgl. Dorotheos bei Athen. IX 78 p. 410. 
S. auch Didymos im Schol. zu Aristoph. Pax 
956 u. Athen. IX p. 409 B. 



3. Enltashaiidlimgeii. (§84.) 



109 



darauf aufmerksam gemacht zu werden, teils werden sie angestellt, wenn 
man die Stadt durch irgend einen Greuel befleckt glaubt. Jenem Zwecke 
dienen die grossen Sühn- und Versöbnungsfeste, wie z. B. in Athen die 
alljährlich gefeierten Thargelien, diese finden, wie das in der Natur der 
Sache liegt, nur in ausserordentlichen Fällen statt. Keine ist bekannter 
und berühmter, als die Reinigung Athens durch Epimenides, den man 
nach der Überlieferung dazu aus Kreta holen Hess. Die Mehrzahl der 
Kyloniden war von einer Schar Athener unter Führung der Alkmaio- 
niden ermordet worden und zwar an Altäi*en, zu denen sie Schutz su- 
chend geflohen waren. So war der Frevel besonders schwer. Die Stadt 
wurde von einer verheerenden Seuche befallen, und in dieser Not 
wandte man sich, da nichts helfen wollte, an den berühmten Sühn- 
priester in Kreta. Epimenides kommt und nimmt eine umfassende Reini- 
gung der Stadt vor.*) Ehe mit dieser begonnen werden kann, müssen die 
Alkmaioniden, welche die Schuld am Morde trugen, das Land verlassen, und 
auch die Gebeine der inzwischen verstorbenen Mitschuldigen, die dem Ge- 
schlecht angehörten, ausgegraben und über die Grenze geschafl^t werden. 
So lange sie sich im Lande befinden, ist eine Reinigung nicht möglich, 
weil von ihnen das jniacfia, welches das Land verpestet hat, immer aufs 
neue ausgehen würde. Nach der Anordnung des Lustrierenden werden 
schwarze und weisse Schafe auf den Areopag gebracht, wo an den Altären 
der Eumeniden die Blutthat begangen war. Man dachte sich wohl, dass das 
fuaafia an einigen Stellen der befleckten Stadt und des Landes besonders 
hafte und von ihnen wie von einem Herd der Ansteckung sich vorzugsweise 
verbreite. War ein Schuldbeflekter einen bestimmten Weg gegangen 2) und 
hatte sich an bestimmten Stellen aufgehalten, so konnte man diese lustrieren: 
hier hatten die Mörder sich noch lange nach der That im Lande befunden 
und überall verkehrt, und so Hess man denn die Tiere frei laufen und 
überliess es den Göttern, sie hinzuführen, wohin sie wollten. Wo sich ein 
Schaf niederlegte, wurde ein Altar errichtet, und an diesem ward es ge- 
opfert, und zwar keinem bestimmten Gotte, sondern t([) ngoaijxovTij dem 
es zukäme. Deshalb vielleicht schon die Wahl der verschiedenfarbigen 
Tiere, weil die chthonischen Gottheiten dunkle, andere weisse verlangten. 
Neanthes von Kyzikos (bei Athen. XIII 78 p. 602) berichtet, dass Epimenides 
auch ein Menschenopfer für erforderlich gehalten habe, und dass ein schöner 
athenischer Jüngling sich freiwillig zu sterben erboten habe, andere Schrift- 
steller,-^) dass zwei Menschen geopfert worden seien. ^) Dass Plutarch da- 



Flut. Sol. 12, Diog. Laert. I 110; vgl. 
112; Athen. XIII 78 p. 002. -- Es kommt 
hier wenig darauf an, dass die Sache auf 
historische Glaubwürdigkeit keinen Anspruch 
machen kann, auch nicht darauf, ob Epime- 
nides eine rein mythische Figur oder viel- 
leicht ein in Athen eingebomer Priester war 
(vgl. V. WiLAMOWiTZ Kydathen 131 u. Hom. 
Unters. 210; Töpffeb Attische Genealogie 
145): für unsern Zweck ist die Hauptsache, 
dass man an die von ihm vollzogene Rei- 
nigung Athens geglaubt hat, und dass die 
Art der Lustration, die er angewandt haben 



soll, in vielen Stücken vorbildlich geworden 
ist. — Über Epimenides selbst vgl. die 
Untersuchungen von Kohde Rhein. Mus. 
XXXIII 208 flF.; Niese Histor. Unters, f. A. 
ScHAEFER 1 ff., Bonn 1882; Loeschke Eune- 
akrunos-Episode 28 ff., Dorpat 1888; Schul- 
TESS De Einmetiide Crete^ Bonn 1877; J. 
TöPFFER Att. Geneal. 140 ff. 

*) Vgl. Demosth. Aristokr. p. 644. 

») Vgl. Diog. Laert. I 110 Ende. 

^) Der Name des einen, Kratinos, wiid 
übereinstimmend bei Diogenes und Athenaios 
überliefert. Die Quelle, welcher Diogenes 



110 A. Die grieduBchen EaltoBaltertüindir. 

von schweigt, beweist nicht, dass dies Opfer nicht wirklich vollzogen 
worden ist,*) sei es nun von Epimenides oder einem andern Sühnpriester, 
dessen Name nachher von dem sagenberühmten Kollegen verdrängt und 
in Vergessenheit gebracht ist. Bei solchen Gelegenheiten hat man in der 
That auch in späterer Zeit Menschenopfer gebracht. 

Der Glaube, dass einzelne von den Göttern mit Offenbarungen be- 
gnadete Männer sich vorzugsweise auf Reinigungen verstünden, ward bald 
allgemeiner, und wie man sich in der Praxis erforderlichen Falls an solche 
Sachverständige wandte, so wusste die Sage au berühmte Seher und Priester 
der Vorzeit anzuknüpfen, und von Lustrationen, die sie vorgenommen hätten, 
zu berichten. So sollte Melampus die Töchter des Proitos gereinigt haben,*) 
und Teiresias gab an, wie das Haus des Amphitryon, in dem der kleine Herakles 
die von Hera gesandten Schlangen erwürgt hatte, gereinigt werden sollte.') 

85. Gebräuche und Ceremonien sind natürlich, wenn ein ein- 
zelner Befleckter gereinigt werden soll, ganz andere, als wenn es sich um 
ein Land oder eine Stadt oder überhaupt einen grösseren Raum handelt. 
Hier fehlt das Blut von Opfertieren niemals, dort ist es nur dann unent- 
behrlich, wenn der zu Reinigende selbst Blut vergossen hat; womit freilich 
nicht gesagt ist, dass nicht auch in anderen Fällen Blutopfer gestattet 
und in bestimmten sogar Sitte geworden waren;*) im allgemeinen aber 
gilt, dass bei der Reinigung von Personen unter allen Umständen erforder- 
lich nur das Wasser war. Und zwar ist nur fliessendes oder Meerwasser 
geeignet, das auf die Dauer nicht befleckt werden kann,^) ein See oder 
Teich würde selbst verunreinigt werden.*) Auch scheint das Wasser einiger 
Quellen für besonders wirksam gehalten zu sein. Orestes soll mit dem 
Wasser der Hippokrene gereinigt worden sein,') Pausanias (H 17, 1) er- 
zählt von einem Quell in der Nähe des Heraions bei Mykene, dessen 
Wasser man vorzugsweise zu Reinigungen gebrauchte,^) und die Argeier 
benutzten den Quell Lerna zu demselben Zweck. ^) In andere Quellen 
wiederum durfte man weder Opferblut giessen noch ihr Wasser zu Reini- 
gungen gebrauchen.^®) — Bisweilen wird dem Wasser Salz beigemischt,**) 
oder der Waschung eine Salbung mit Myrrhenöl hinzugefügt.*^) Auch mit 
anklebenden, und deshalb alles Unreine aufsaugenden Stoffen, wie nasser 
Erde, Kleien oder Eidottern wird der zu Reinigende bestrichen {ncQi^ir^^a^ 

bei der Schilderung der oben beschriebenen i ^) Sogar bei der Reinigung von Wohn* 

Reinigung folgt, ^wo von Menschenopfern | häusem z. B. nach einem Todesfall scheint 



nicht die Rede ist, bringt die Sache mit dem 
t'iyog KvXuJycioy gar nicht in Zusammenhang. 
Vgl. Piaton Leg. I G42d, der Epimenides erst 
zehn Jahre vor beginn der Perserkriege nach 
Athen kommen lässt. 

>) ScHOEMAüN a. a. 0. II 362 Anm. 2 
legt mit Unrecht darauf Gewicht, denn Plu- 
tarch schildert die Reinigungsceremonien 
überhaupt nicht. 

«) Paus. VIII 18, 3; V 5, 5. 

3) Theokr. id XXIV 80 ff. 

*) Vgl. z. B. Paus. V IG, 5. 

••) Eur. El. 794, Iph.Taur. 1193; Kaibel 
Epigr. gr. 1034; Paus. IX 30, 4; V 5, G 
u. s. w. 



Meerwasser angewandt zu sein. Vgl. Röbl 
I6A 395a und Dittrnbebqeb Sjll. 468, 15. 
Köhler Mitt. des Arch. Inst, zu Athen 187<) 
I 143 ergänzt nicht SttX[ttaatj]ir sondern 
daX[Xoia]i : mit Lorbeer. Doch ist jetzt durch 
das dnoQQaivETai ^a[X](iaa€f in der Inschrift 
von Kos im Journ. of Hell. Stud. IX 329 
ZI. 22 f. daXiiaatjt wohl auch dort als richtig 
erwiesen. 

') Paus. II 31, 11. 

«) Vgl. Paus. V 15, 6. 

*) Hesych. u. Aiqvi], 

>o) Paus. I 34, 3. 

»1) Theokr. id. XXIV 96. 

'') Kleidemos bei Athen. IX 78 p. 410. 



8. Ealtashandlimgeii. (§ 85.) 



111 



7r€^i/mrr«v), >) und dann alles durch Abwaschungen mit Wasser entfernt.^) 
Sodann wird der Lorbeer, dem man eine reinigende Kraft zuschreibt,') bei 
Lustrationen angewandt; desgleichen die Feige ^) und der Nieswurz.^) Das 
wesentliche ist, dass jede Spur der Unreinheit getilgt wird, auch Gerüche. 
Zu diesem Zweck wird ein Feuer angezündet,^) und Schwefel, Weihrauch 
und stark duftende Kräuter darin verbrannt) 

Alles was zur Reinigung angewandt {xad^ctQiiara^ xux^dgaia) und mit 
dem Befleckten in Berührung gekommen ist, wird sorgfältig beseitigt, und 
zwar vergraben®) oder ins Meer^) oder in einen Fluss^<^) geworfen. Nie- 
mand darf etwas davon berühren, ^0 auch das gebrauchto Wasser wird fort- 
geschafft.^^) Verbrannt scheint niemals etwas zusein. Beim Verlassen der 
Stätte, wo man die xa^a^/iara fortgeworfen hatte, durfte man sich nicht 
umschauen. 1*) Wurde ein Tier geschlachtet, so beseitigte man den Leib 
und das zur Reinigung benutzte Blut auf dieselbe Weise. Für besonders 
wirksam galt das Blut noch saugender Ferkel, ^^) wahrscheinlich erst in 
späterer Zeit auch das von Hunden.'^) Ein vereinzelt dastehender Fall ist 
es, dass bei der Reinigung des Heiligtums der Aphrodite Pandemos in Athen 
eine Taube geopfert wird. *^) Dieser Vogel war ihr heilig, ^^) Schweine '®) aber 
verhasst.^^) Mit Ferkelblut wurde der Platz, auf dem die Volksversammlung 
abgehalten werden sollte, vor Beginn der Verhandlungen besprengt,*") und 
wahrscheinlich jeder Ort, wo eine gi-össere Versammlung stattfinden sollte, 
weil ein Befleckter darunter sein konnte; *0 wie denn z. B. die Mysterien- 
inschrift von Andania bestimmt, dass der Priester TQetg xotQtcxovg schlachte, 
und damit das Theater, das die Festversammlung aufnehmen sollte, reinige.**) 
— Polybios (IV 21, 8—9) berichtet uns von einer Reinigung, welche die 
Mantineier vornahmen, als sie ihr Land durch die Anwesenheit einiger Ky- 
naither, die Bürgerblut vergossen hatten, befleckt wähnten. Zuerst verjagen 
sie natürlich die Schuldigen, dann tragen sie die Opfertiere in der ganzen 
Stadt und auf dem Lande umher, offenbar auch in dem Glauben, dass so 
am sichersten alle Unreinheit sich auf diese übertragen und aus dem Lande 
entfernt werden werde. Tanagra soll einst durch Hermes von einer Pest 
befreit worden sein, indem er einen Widder um die Stadt herumtrug, und 



*) Demosih. De cor. § 259. Vgl. Lobeck 
Agl. 652 ff. 

^) Flut, de supcrstit. 3; Luk. Dial. mort 
I 1, Katapl. 7. negiQgalyBiy Poll. VIII G5. 

^) Eur. Ion. 114 ff. 

<) Paus. I 37. 4; Eustath. zur Od. 17 116 
p 1572. Vgl. auch Stengel in den Jahrb. f. 
Phil. 1883 S. 370 u. Töpffeb Att. Geneal. 249. 

^) Plut. Quaest. gr. 46. 

•) xadiigüioy Tirf, Eur. Her. 937. Vgl. 
V. WiLAMowiTz Eur. Her. H 226 f. 

') Vgl. Schobmann Gr. A.» II 368. 

8) Z. B. Paus. II 31, 11. 

») IL J 314. 

'«) Paus. V 5, 6; VIII 41, 2. 

'») Porph. De abst. II 44. 

»^) Athen. IX p. 410. 

»«) Schol. Aisch. Cho. 98. 

>*; Aisch. Eum. 430 u. 282; Paus. V 16, 



5; Schol. Apoll. Rh. Arg. IV 704 u. s. w. 
Bildliche Darstellung eines Reinigungsopfers 
bei Schreiber Kulturhist. Atlas Taf. XV n. 18. 

^*) Plut. Quaest. rom. 68 vgl. 52. 

'«) Inschr. im Bull, de corr. hell. 1889 
S. 163. 

»') Schol. Apoll. Rhod. Arg. III 549 u. s. w. 

**) Vergl. die delische Inschr. im Bull, 
de corr. hell. VI 22 ZI. 180: x<^''Q<^^ ^^ Ugdr 
xa&ttQM, die cleusinische Ephem. arch. 1883 
S. 119 ZI. 49: /oripofc &vo xa&[iJQai to Ibq] 
6[y] und Joum. of Hell. Stud. IX 326: x«- 

»») S. S. 84. 

*®) Istros bei Suid. u. nsQiariaQxo^; Ari- 
stoph. Ach. 43, Ekkles. 128; Aischin. Tim. 
23 u. s. w. Vgl. Gilbert Gr. Staatsalt. I 274. 

*') Harpokr. u. Suid. u. xad^agatoy, 

2*) DlTTENBERGEB Syll. 388, 68. 



112 A. Die griechischen Snltasaltertümer. 

alljährlicli wird diese Prozedur von dem schönsten Jüngling wiederholt. 
Für besonders geeignet zu solchen Zwecken gilt das Fell eines dem Zeus 
Meilichios als Sühnopfer geschlachteten Widders, das sog. Jioq xo^diov.^) 
Bei den Sühn- uud Reinigungsfesten wurde es in der ganzen Stadt umher- 
getragen, als sollte es in seinen Flocken alles Unreine aufsaugen. 3) Auch 
bei Reinigungen einzelner wird es angewandt. Der Betreffende tritt während 
des Reinigungsaktes mit dem linken Fusse darauf,^) damit das fiiacfia^ das an 
ihm haftet, in das Fell abgeleitet und von diesem aufgesogen werden könne, 
wie das Wasser und die andern Substanzen, mit denen sein Leib gereinigt wird. 

86. Verunreinigt werden kann man nun durch mancherlei, und es 
bedarf kaum der Erwähnung, dass der Abergläubische und Ängstliche, 
geradeso wie er in den geringfügigsten Begegnissen ein Omen wittert, auch 
durch manches befleckt zu sein fürchtet, worüber der Verständige sich 
keine Skrupel macht. Aber es gab auch genug Dinge, die allgemein als 
verunreinigend angesehen wurden. Vor allem die Berührung mit Toten. 
Vor das Haus, in dem sich eine Leiche befand, wurde ein Gefass mit 
Wasser (agädnov),^) das aus einem fremden Hause geholt sein musste, 
aufgestellt; wer das Haus betreten hatte, musste sich hier erst reinigen, 
ehe er mit andern zusammenkommen durfte. Am Tage nach der Bestat- 
tung des Toten mussten nicht nur die Bewohner des Trauerhauses, sondern 
dieses selbst gereinigt werden. Ehe dies geschehen, durften nur die aller- 
nächsten Verwandten, die von der Befleckung so wie so ergriffen waren 
{fiiaivojxeroi)^ das Haus betreten, abgesehen vielleicht von noch einigen 
Personen, deren Dienstleistungen unentbehrlich waren. *^) Dann mussten sich 
alle Befleckten durch Waschungen des ganzen Leibes reinigen,^) sofern 
sie nicht noch umständlichere Reinigungen für gut befanden.») Starb je- 
mand €v dr^iioaiffi^ so musste der 6fiiioq gereinigt werden.^) So ist es denn 
nur natürlich, dass in fast allen griechischen Staaten ^^) die Toten ausser- 
halb der Stadt bestattet werden mussten, und wir verstehen, was für eine 
Ehre es war, wenn der Gründer einer Stadt oder sonst ein hoch verdienter 
Mann auf der Agora begraben wurde. In besonders heiligen und auf ihre 
Reinheit mehr als andere haltenden Orten durfte überhaupt keine Leiche 



*) Paus. IX 22, 2. | Anm. 15). Ähnlich ist es gewiss überall ge- 

^) S. Lobeck Agl. 183 ff.; Frellbs ed. j wesen; s. Schol. zu Aristoph. Nub. 838, das 

Gesetz des Solon Demosth. g. Makart. § 02 
p. 1071 und die Inschrift aus Gambnon in 
Mysien Dittenb. Syll. 470, 13 ff. Letz- 
tere bestimmt, dass Zuwiderhandelnde zehn 
Jahre von allen Opfein auszuschliessen seien. 
Vgl. Iw. Müller Hdb. IV 462 d f. Dass in 



Polemon 139 ff. 

^) Der Ausdruck nnodionofÄTieiaO^aij der 
fUr solche Reinigungen stehend ist und viel- 
fach synonym mit xftd^aiQea&m gebraucht 
wird (z. B. Plato Leg. IX 877 e) wird ur- 
sprünglich auch nichts anderes bedeuten als 



die Suhnmittel in Stadt oder Haus herum- beiden Inschriften nur von Frauen die Rede 

tragen und dann wegschaffen. ist, erklärt sich wohl daraus, dass es diesen 

*) Lobeck Agl. 185. | oblag, die Leiche zu waschen, zu kleiden 

^) Poll. VIII 65. ' u. s. w. Vgl. Isai. Or. VI 41, VIII 22. Beim 

^) Ausführliche Vorschriften darüber ent- | Begräbnis folgen beide Geschlechter. 

hält ein Gesetz aus Julis auf Keos (Ditten- ') Dittenbeboer Syll. 468, 30 f. 

beroer Syll. 468), welches ausser der Mutter, ®j Vgl. Plato Min. 315 D ; Schol. Ari- 

Frau, den Töchtern und Schwestern des Ver- stoph. Vesp. 289. 

storbeuon auch noch einigen wenigen ent- ®) Demosth. g. Makart. § 58. 

f ernter verwandten Frauen und Mädchen den ^^) Über Ausnahmen s. Iw. Müller Hdb. 

Zutritt gestattet (Dittenberoer a a. 0. S. 655 IV 463a A. 1. 



d. Kaltnshandlimgen. '(§ 86-87.) 



113 



begraben werden. Bekannt ist die wiederholte Säuberung der Insel Delos 
von allen Gräbern und Gebeinen, >) von der denn auch ebenso wie aus dem 
Asklepiosheiligtum zu Epidauros alle dem Tode nahen Personen fortgeschafiPt 
werden mussten.^) Wie der Tod galt auch die Geburt für verunreinigend.') 
Die Wöchnerin, das neugeborne Kind und alle Personen, die bei der Ge- 
burt irgendwie beschäftigt gewesen waren, bedurften der Reinigung, die 
bei den Letztgenannten sogleich, beim Kinde nicht später als am zehnten 
Tage nach der Geburt,*) bei der Wöchnerin am vierzigsten Tage nach der 
Entbindung vorgenommen wurde. ^) Aus dem Asklepiosheiligtum in Epi- 
dauros und aus Delos wurden Frauen, die ihrer Niederkunft in Bälde ent- 
gegensahen, geradeso wie die Sterbenden entfernt.^) — Auch Beischlaf 
ward als verunreinigend angesehen,^) wenigstens durfte man sich einem 
Heiligtum nicht ohne vorhergegangene Reinigung nahen. Natürlich waren 
die Vorschriften, die dafür in den einzelnen Tempeln bestanden, verschieden,^) 
und ihre Handhabung war wohl auch öfters in das Ermessen der Priester 
gestellt.^) Überhaupt hing es ja in diesen Dingen mehr als irgendwo 
anders von der Ansicht und dem Gefühl des einzelnen ab, ob und wo- 
durch er sich eine Verunreinigung zuzuziehen glaubte;*®) am bedenklichsten 
blieb immer die Berührung mit einem Mörder oder einer Leiche. Plutarch 
(Praec. ger. reip. XVH 9) erzählt, dass die Athener in einer Volksversamm- 
lung eine zweite Reinigung vornahmen, weil während der Sitzung die 
Nachricht eintraf, dass in Argos in einem Bürgerzwist 1200 Männer er- 
schlagen worden seien. So glaubte man sich also schon durch das blosse 
Anhören der Schreckensthat verunreinigt. Ein attisches Gesetz ' *) aber be- 
stimmte, dass, wer einen Toten berührte, sich zehn Tage lang als 
verunreinigt anzusehen habe, ein Zeitraum, der schon auf kürzere Frist, 
als sonst Regel war, beschränkt zu sein scheint. ^^) Allgemein war die 
Sitte, sich vor der Hochzeit einer religiösen Reinigung zu unterziehen. Durch 
Bäder ^3) und Sühnopfer**) bereitete man sich auf das neue Leben vor.* 5) 
Ebenso ging der Weihe der Mysten eine Reinigung voran, die mit der vor 
der Vermählung üblichen in ganz auffallender Weise übereinstimmte.^^) 

87. Wenn wir nun fragen, an welche Gottheiten sich die Befleckten 
vorzugsweise wandten, so ist dabei erstens zu erwägen, dass die meisten 
Reinigungen, wie wir gesehen haben, in einfachen, im Hause vorgenom- 
menen Waschungen bestanden, bei denen man überhaupt keinen Gott an- 
rief, und zweitens, dass es sich in vielen Fällen, wo eine Sühnung für not- 



') 'fhuk. III 104; Herod. I Ü4; Diod. 
XII 58. 

«) Paus. II 27, 1. 

') Zu beidem vgl. auch das Märchen des 
Sophron im Schol. zu Theokr. II 12: Prelleb- 
RoBEBT Gr. M. I 324 A. 4. 

*) Suid. u. djjKpidgofÄia, 

^) Censorin De die nat. c. 11, 7 p. 28 
Jahn. 

•) Paus. II 27, 1. 

^) Vgl. schon Hes. Erg. 732 f., Inschr. 
V. Eos im Joum. of Hell. Stud. IX 334 ZI. 44 
und über Ehebrecherinnen Pseudo-Demosth. 
Neair. 87 p. 1374. 

Huulbiicb der kl«M. AltertnmswiMenachAft. V. 3. 



^) Vgl. DiTTENBEROBB Svll. 379. 

9) Vgl. Diog. Laert VIII 43. 
»0) Vgl. Theophr. Char. 16; Arrian. De 
venat. 32. 

**) DlTTENBEROER Syll. 379. 

»«) Vgl. Iw. Müller Hdb. IV S. 464b 
Anm. 3. 

") S. Iw. Müller Hdb. IV S. 447 c. 

^*) Aisch. Eum. 835 u. Schol. 

»5) Pseudo-Plut. Prov.^ Alex. 16. Vgl. 
Demosth. De cor. p. 313. 

'*) Lobeck Aglaoph. S. 646 ff. Lovatelu 
im Bull, della comiss. archeol. com. 1879 
S. 10 f. 

Abtlg. 8 



114 A. Die grieduBchen Snltasaltertümeir. 

wendig gehalten wurde, um ein Vergehen gegen eine bestimmte Gottheit 
handelte, deren Gnade und Verzeihung man dann eben auch erflehen musste. 
Es kommen also hier nur die Fälle in Betracht, wo die Gottheit über- 
haupt durch einen Frevel beleidigt ist, wo der Mensch im Gefühl seiner 
Sündhaftigkeit, die ihn von Opfern, Festen, ja der Gemeinschaft der Mit- 
menschen ausschliesst, die Erlaubnis der Annäherung, die Fähigkeit mit 
Göttern und Menschen zu verkehren, wiederzugewinnen versucht. Dieser 
machen ihn nicht etwa böse Gedanken, heimlicher Zweifel an der Gottheit, 
innerer Zerfall und Abkehr von dem, was den andern heilig ist, unwert 
und verlustig, sondern eine frevelhafte That, wie der Mord eine ist. Und 
da wendet er sich dann allerdings an bestimmte Götter, vor allem an Zeus 
{fieiki'xiog, xa&dqaiog^ äXe^txaxog, anoTQonaiog u. s. w.) und an ÄpoUon, 
dessen Orakel in Delphoi in schwierigen Fällen wohl stets zu Rate gezogen 
wurde, •) Abergläubische, namentlich Weiber, die auch wegen anderer Ver- 
unreinigung die Hilfe von Winkelpriestern und weisen Frauen i^yxvTQt' 
(ftQiai)^) in Anspruch nahmen, auch an Hekate.^) Man brachte ihr Hunde- 
opfer*) und vergrub auch wohl die xai>aQnata an den ihr heiligen Kreu- 
zungspunkten der Wege.^) 

88. Es erübrigt noch die Frage, wo die Hellenen die Sühnungen und 
Reinigungen kennen gelernt, und von welchem Volk sie sie angenommen haben. 
Denn ursprünglich griechisch sind sie nicht, sonst würde ihrer in den 
homerischen Gedichten notwendig Erwähnung gethan sein müssen. Herodot 
(I 35) bemerkt bei der Schilderung der Reinigung, welche Kroisos mit dem 
Mörder Adrastos vornimmt, gelegentlich, dass die Lyder diese Reinigungen 
ganz wie die Hellenen vollziehen. Es ist wohl mit Recht daraus geschlossen 
worden,*^) dass die Griechen die Mordsühne von den Lydern entlehnt haben.') 
Der Gedanke, dass der Mensch, welcher den Gott erzürnt, einer Sühne 
bedarf, ist dem homerischen Zeitalter überhaupt fremd; fürchtet man gött- 
liches Strafgericht, so bringt man dem Gott Opfer und Weihgeschenke, 
mit denen man ihn erfreuen und günstig stimmen will, aber die BegrifiFe 
„sündhaft**, „fluchbeladen** und „Busse** sind dem Griechen damals noch 
unbekannt, während sie in den Religionen der asiatischen, vor allem der 
semitischen Völker, stets eine grosse Rolle gespielt haben. 

89. Orientalische und namentlich ägyptische Einflüsse haben denn 
auch — wenn nicht schaffend, so doch weiter entwickelnd — da mitgewirkt, 
wo Reinigungen und Sühnungen als berufsmässig betriebene Kunst oder 
als formliche Doktrin ausgebildet erscheinen. Es gab ganze Sekten, die 
sich damit abgaben, und um ihrem Gewerbe das nötige Ansehen zu ver- 
schaffen, führten sie ihre Kunst auf einen Stifter oder Meister der Vorzeit, 



») Vgl. z. B. Diog. Laert. I 110. ! S. 371. 



*) Plato Min. 315; Schol. Aristoph. Vesp. 
289; Etyra. M. 313. 

^) Da dies mehr die Mythologie als 
den Kultus angeht, verweise ich hier nur 



^) Eustath. zur Od. / 481; Harpokr. u. 
ö^v&vfiiu, Poll. V 163. 

^) S. z. B. Grote Griech. Gesch. üben. 
V. Meissner 1 21. 



kurz auf Preller-Robert Griech. Mj-ih. I | •) Bernats Theophr. 190 meint, dass die 

143 ff. u. 28G ff. u. Röscher Mythol. Lex. Mordstihnung zuerst in Kreta üblich gewesen 

1887 S. 1894 f. sei. Vgl. Töpffer Att. Gen. S. 167. S. 259 

*) S. Stengel in d Jahrb. f. Phil. 1883 j A. 2. 



\ 



3. Knltushandliingen. (§ 88—89.) 



11. 



von dem die Sagen berichteten, zurück. ^ Gedichte, denen das höchste 
Alter zugeschrieben ward, wurden gesammelt, und je unverständlicher sie 
waren, desto grösseren Nimbus lieh ihnen das Geheimnis. Die Melampodie ^) 
galt für hesiodisch und schilderte ausser dem Leben des Melampus auch 
die Thaten des Teiresias, Ealchas, Amphiaraos und anderer mythischer 
Seher und Sühnpriester, ^) am berühmtesten aber wurden die orphischen 
Gedichte und die Sekte der Orphiker.^) Hier spielten Reinigungen und 
Sühnungen die grösste Rolle, und ihre Notwendigkeit, auch ohne dass eine 
bestimmte Befleckung vorhergegangen war, wurde auf das nachdrücklichste 
betont, denn der Mensch sei von Anbeginn sündhaft und bedürfe schon 
deshalb einer besonderen Busse und Sühne und religiöser Weihen.^) As- 
kese, dem Wesen des Hellenentums so fremd wie keinem andern Volke 
und keiner andern Religion, Vermeidung gewisser Speisen — - und darin 
berührten und vereinigten sich die Orphiker mit den Pythagoreern ^) — 
Behandlung der Toten und eigentümliche Lehren über den Zustand und 
die Schicksale der Seele nach dem Tode bildeten den Inhalt dieser Satzungen 
und zeichneten die Sekte aus.^) Es konnte nicht ausbleiben, dass dies 
Wesen und Treiben ausartete^) und bisweilen eine Form annahm, dass der 
Staat sich veranlasst sah, gegen die Missbräuche einzuschreiten.^) 

Allerdings muss man einen Unterschied machen zwischen jenen Or- 
phikern, die sozusagen einen Orden bildeten und in diesen aufnahmen, wer 
eintreten und sich den Satzungen fügen wollte, und den sog. Orpheotelesten ^^) 
und Metragyrten,^^) deren Treiben nur den rohesten Aberglauben ansprach. 
Diese gaben vor, durch allerhand Beschwörungen und Zauberwerk Krank- 
heiten heilen und die Götter dem Bittenden willfährig machen zu können, i^) 
jene versprachen durch geoffenbarte Lehren und Weihen den Ihrigen ein 
glücklicheres und würdigeres Leben auf Erden, namentlich aber nach dem 
Tode zu ermöglichen und zu sichern, und hätten sie sich auf eine höhere 
Stufe erheben und mehr Beifall und Anhang zu erwerben gewusst, so hätten 
sie dasselbe Ansehen und denselben Einfluss gewinnen können, wie die 
andern Mysterien, zu deren Betrachtung wir uns jetzt wenden. 



g. Mysterien und andere geschlossene Vereinigrungren. 

Eleusinische Mysterien. 

Litteratur: Ste-Croix reclierches sur les mysteres du paganisme, 2 ed. von 
SiLVESTBc DE Sacy Paiis 1817. LoBBCK Aglaophamos sive de theologiae mysticae Grae- 
corum cauais, Königsberg 1829 S. 1 ff. Otfr. Müller Allg. Encyklopftdie 1 33 S. 287 ff. 



*) Vgl. V. WiLAMOwiTZ Hom. Unters. 
210 f. 

-) Vgl. ficKEBMANN Melampus und sein 
Geschlecht S. 14 ff. 

. «) Vgl. Herod. II 49; Paus. VIII 18, 3; 
V 5 5 

'*) Vgl. Eur. Hippel. 952 ff. Gieskke 
Rhein. Mus. n. F. VIII 70 ff. Lobeck Agl. 
235 ff. Pauly Realenc. III 994 ff. Naeoels- 
BACH Nachhom. Theol. 402 ff. 0. Gbuppe 
Die griech. Kulte u. Mythen I 632 ff. 0. 
Kkrn De Orphei, EpimenidiSy Pherecydis 
theogoniis qtMestt. crit. Berlin 1888. Über 



Orpheus selbst Töpffeb Att. Geneal. S. 34. 

^) Plato Kratyl. p. 400. Vgl. Lobbck Agl. 
505 ff. 795 ff. 808 ff. 

«) Vgl. Rohde Rhein. Mus. XXV S. 500. 

') Diog. Laert. VI 4, vgl. VUI 33. 

«) Vgl. Plato Rep. p. 364 D f. 

*) Schol. zu Demosth. De fals. leg. p. 431 ; 
Demosth. g. Aristokr. I p. 793; Scuoemann 
Opusc. II 430. 

»») Theophr. Char. 16. 

'>) Lobeck Agl. G42 ff. Dabembebo 
Dict. I 169 f. 

'-') Plato Rep. II p. 364 D f. 

8* 



116 



A. Die griechiBchen KnltiiBalterttLmer. 



Pbellkb Id Fault's Realencykl. III S. 83 ff. und V S. 312 ff. mit ausfuhr!. Litteraturangaben. 
Gebhard Akad. Abhandlgg. II, Berlin 1868 S. 436 ff. Chr. Petersen Der geheime Gottes- 
dienst bei d. Griechen, Hamburg 1848. A. Mommsbn Heortologie 222 ff. Hermann Gottesd. 
AJtt.'^ § 32. ScHOEMANN Gr. Altt.» II 377 ff. Naeoelsbach Nachhom. Theologie S. 387 ff. E. 
CuRTTus Athen und Eleusis in d. Dts. Rundschau 39 (1884) S. 200 ff. Sauppe Attica und 
Eleusinia. Progr. v. Göttingen 1880/81. Lehbs Popul. Aufs.* 315 ff. von Wilamowitz Ky- 
dathen 129 ff., Homer. Untersuchungen 207 ff., Dittenbebobb im Hermes XX 1 ff. über die 
Eleusinischen Keryken. Aug. Nebe De mysteriorum Eleusiniorum tempore et administra- 
tione publica, Dissert. Halle 1886. Höttemann Jahrb. f. Phil. II Abt. 1881 Bd. 134 S. 
457 ff. u. 564 ff. J. TöPFFEB Attische Genealogie Berlin 1889 S. 24 ff. über den Eleusin. 
Priesteradel. C. Stbube Bilderkreis aus Eleusis. Baumeistbb Denkmäler u. Eleusinia S. 470 ff. 

90. Es ist schon die Rede davon gewesen (S. 21), dass es Heilig- 
tümer gab, zu denen nicht jedermann der Zutritt freistand, und ebenso ist 
erwähnt worden, dass es Gentilkulte unter Aufsicht eines Familienmitgliedes 
gab,^) an denen nur die Angehörigen des Geschlechtes teil hatten.^) Was 
jene anbetrifft, so kann da von einem geschlossenen und ausschliessenden 
Gottesdienst gar keine Rede sein, es handelte sich lediglich um rituelle 
Bestimmungen, die nur für das eine Heiligtum galten, und die Männer 
oder die Frauen, die es allein zu bestimmter Zeit betreten durften, waren 
nichts weniger als eine Gemeinde Auserwählter; aber auch die Glieder 
eines Geschlechtes, das seinen besonderen Kultus hatte, machten hierauf 
keinen Anspruch. Apollon Patroos und Zeus Herkeios wurden als Schutz- 
götter jedes Geschlechtsverbandes verehrt, und wenn eine Familie einen 
besonderen Kult vorzugsweise pflegte, so geschah dies aus Pietät gegen 
die Überlieferung der Ahnen, nicht weil sie sich auf diesen ihr allein ge- 
hörenden Gottesdienst etwas zu gute that und von seinem Besitz und seiner 
Übung einen Segen erwartete, dessen die andern unteilhaftig bleiben mussten. 
Sollte dies aber auch ausnahmsweise der Fall gewesen sein, so war das 
Charakteristische für eine religiöse Gemeinschaft: der Wunsch sich An- 
erkennung, Anhang und Ausbreitung zu verschaffen, hier doch in jedem 
Falle ausgeschlossen; die Glieder eines bestimmten Geschlechtes hatten 
eo ipso teil an dessen Privatkult, wie die eines andern an dem des ihrigen, 
und diese engeren Kreise gingen wieder auf in dem grossen der Volks- 
gemeinde, wo die Götter des Staates und aller Hellenen verehrt wurden. 

Etwas ganz anderes sind die Mysterien, unter denen die bei weitem 
bedeutendsten die eleusinischen waren. 

Eleusis hat lange als selbständiger Staat bestanden und ist wohl erst 
im siebenten Jahrhundert Attika einverleibt worden. 3) Wie der Name des 
Ortes selbst ein religiöser zu sein scheint,*) so haben die Bewohner im 
Gegensatz zu ihren Nachbarn das religiöse Element und die durch die 
gleiche Religion geschaffene Zusammengehörigkeit weit mehr betont als 
das politische. Eleusis war ein Priesterstaat. ^) In einem solchen aber 
musste sich die Religion, wie sie eine andere Stellung im öffentlichen Leben 
hatte, so auch innerlich anders entwickeln. Das Dogma, das sonst in keiner 
Religion so zurücktritt wie in der hellenischen, spielt hier eine hervor- 
ragende Rolle, *^) und in den Sagen tritt das heldenhafte Element hinter 



1) Vgl. CIA. III 1276. 

2) Vgl. Lobeck Agl. 271 ff. 

^) Vgl. V. Wilamowitz Kydathen 124 ff. 
Att. Geneal. 41 f. 



*) V. Wilamowitz ebenda S. 130 A. 50. 
^) Ebenda S. 131. 
«) Ebenda S. 129 f. 



8. Koltashandlimgen. (§90.) 117 

dem frommen zurück.^) Bereits im 7. Jahrhundert finden sich denn auch 
die ersten Spuren der später so berühmten Mysterien. Demeter, erzählt 
der Hymnos (473 ff.), habe den Fürsten von Eleusis die Anweisung über 
die einzurichtenden Ceremonien {dqr^anoavvr^v tegm») gegeben und allen die 
heiligen ogyia gezeigt. ,, Beglückt wer das geschaut von den Menschen^, 
heisst es dann weiter (480 ff.), „wer aber ungeweiht der Heiligtümer 
(ateXrjg leQm) und unteilhaft, der hat nimmer gleiches Los, auch gestorben 
unter der wüsten Finsternis**, und V. 486 ff.: „Hochbeglückt, wen der erd- 
bewohnenden Menschen jene Göttinnen geneigten Sinnes lieb haben. Als- 
bald schicken sie ihm zum Herdgenossen (etpsanor) in das grosse Haus 
den Reichtum, der den sterblichen Menschen Fülle gewährt.***) 

Die Annexion von Eleusis durch die Athener wird ungefähr in die- 
selbe Zeit fallen, aus welcher der Hymnos stammt. Der Staat der Krieger 
und der Staat der Priester war nun eins geworden, wie sollten die viel- 
fach ungleichartigen Elemente verschmolzen werden? Athen übernahm, 
wie es den Boden erobert hatte, auch den Kultus dos unterworfenen 
Stammes. Der eleusinischen Demeter wurde ein 'EXevainov mit umfassen- 
dem te'uei'oc; gegründet vTto noXei,^) obgleich Demeter in der Stadt ihren 
Kultus schon hatte. Zu eigentümlich war diese Demeter und ihr Dienst 
bereits ausgestaltest, nur eine Stiftung, die recht eigentlich Filiale war,*) 
konnte den Anforderungen der Göttin und der Ihrigen genügen, und sollte 
Eleusis im Staate aufgehen, musste man ihnen auch in Athen gerecht 
werden. Nicht sogleich wird der neue Gottesdienst weitreichende Ver- 
breitung und Wirkung gefunden haben; nach allem, was wir wissen, war 
das eigentümliche Wesen der Mysterien, das später so grossen Einfluss 
übte, um diese Zeit auch erst in unscheinbarem Keime enthalten, und den 
folgenden beiden Jahrhunderten war es vorbehalten, es zur Entfaltung zu 
bringen.'») Die Zeit war günstig dazu;**) Schaffensfreudigkeit und Thaten- 
drang war erstorben, man war über die Vergangenheit hinaus und hatte 
vielfach mit ihr gebrochen, war unbefriedigt von der Gegenwart und bangte 
vor der Zukunft, da am östlichen Himmel sich immer drohender die Wolken 
ballten, und der Sturz auch des alten Hellas durch die unwiderstehliche 
Persermacht nur eine Frage der Zeit schien. In dieser dumpfen, drücken- 
den Schwüle hörte man gern auf Stimmen, die von Hoffnungen auf ein 
besseres Jenseits sprachen, die den Gläubigen Unsterblichkeit verhiessen 
und ein schöneres Dasein nach dem Tode. Wohl mochte sich mancher 
geistvolle Mann abwenden auch von diesen neuen Lehren, verachtend und 
verzweifelnd, wie mancher dem Vaterland, das er aufgab, den Rücken 
wandte,^) aber die Frommen, die geistlich Armen und Bedürftigen lauschten 



^) £benda S. 134 ff. j fÄvarijQia bezeichnet die Gegenstände^ des 

') Die Übersetzung ist von Lehbs Pop. | Geheimdienstes gleich t« fÄvarixü oder anoQ- 

Aufs.^ S. 318 f. ' Qt]Ta und zweitens die rituellen Handlungen 

') V. WiLAMOwiTZ Kydathen 128. | des Gottesdienstes (Lobeck Agl. 55 f.). 

*) CIA. I 1; Kydathen 128. | ß) Vgl. v. Wilamowitz Hom. Unters. 

*) Auch der Name fdvariJQia findet sich 215 ff.; auch Lübbert De Pindaro theologiae 

zuerst bei Herodot (II 51) und zwar für den orphicae censore, Lektionsverzeichnis v. Bonn 

samothrakischen Gottesdienst, oQyia schon 1888/89 Anf. 

im Demeterhymnos, ausserdem teXeraly was ^) Vgl. Hom. Unt. 217. 
recht eigentlich ,die Weihen ** bedeutet. 



118 A. Die griechischen Ealtasaltertümer. 

doch den neuen Propheten, welche begeistert verkündeten, wo und wie 
man die Erlösung finden könnte. In jener Zeit muss eine Reform des alten 
Demeterdienstes vor sich gegangen sein, Peisistratos wird wie andere Gottes- 
dienste, so auch diesen zum Staatskult gemacht haben. ^) Die vornehmen 
eleusinischen Priestergeschlechter werden, ihre Rechte sich möglichst wah- 
rend, ihre Einwilligung gegeben, und der Demos die neue Einrichtung ge- 
billigt haben.*) Freilich handelte es sich hier noch um etwas ganz anderes 
als die Erhebung eines Privatkultes zu einem öffentlichen oder die Ein- 
führung eines neuen Gottesdienstes von Staats wegen. Die staatlich ge- 
schützten, staatlich überwachten und gepflegten Mysterien behielten einer- 
seits einen ausschliessenden Charakter und nahmen andrerseits einen inter- 
nationalen an. Nur die Bürger des athenischen Staates, die sich ein- 
weihen Hessen, hatten teil an ihnen, ebensogut aber jeder andere Hellene, 
der sich unter die Mysten aufnehmen lassen wollte. Es ist nicht zu be- 
zweifeln, dass das Ansehen und die Verbreitung der eleusinischen Mysterien 
dadurch dass der Staat sie, man möchte sagen, übernahm, wesentlich ge- 
fördert wurde, aber ebensowenig ist zu verkennen, dass ihre Bedeutung 
eben dadurch leicht beeinträchtigt werden konnte und vielleicht beeinträch- 
tigt worden ist. Wäre es möglich gewesen, die Autorität auch ohne den 
Schutz des Staates zu erringen und zu bewahren, die Mittel auch ohne 
seine Subvention aufzubringen, so konnte die unabhängige, in ihrer Stellung 
mit keinem der bestehenden Staatskulte zu vergleichende Kirche einen 
ganz unberechenbaren Einfluss gewinnen. 3) Der Staat nahm seine Pflichten 
ernst, wie wir namentlich aus einem Psephisma ersehen, das die änaqxai 
bestimmt, die die attischen Grundbesitzer und Kleruchien von ihrer 
Getreideernte an den eleusinischen Tempel zu entrichten haben.*) Und 
dies Interesse war begründet, denn „von dem abstrakten Werte der 
eleusinischen Offenbarungen mag man so gering denken, wie man will: 
den Wert, den Tausende, und auch die Besten, ihnen beigelegt haben, 
und den Trost, den sie aber Tausenden gespendet haben, soll man schätzen 
für die Zeit, wo die Offenbarung frisch war.*^) 

91. Was war nun aber der Inhalt der Offenbarungen, die 
die in die Mysterien Eingeweihten empfingen, und welche Hoffnung ward 
ihnen gegeben, welcher Trost, der den XJnge weihten vorenthalten blieb? 
Die Eingeweihten mussten schweigen über alles, was sie gesehen und ge- 
hört hatten,^) und diese Pflicht verstand man ihnen so einzuschärfen, den 
Verräter mit solch einem Bangen vor einer Strafe zu erfüllen, dass ihr 
Gottesdienst in der That allen andern ein Geheimnis blieb, und auch wir 
fast nur auf Vermutungen angewiesen sind. Es ist von fivarixoi Xoyoi und 
fivcTixd dQWfieva die Rede,') die „dem Gläubigen die Überzeugung gaben, 
dass der Geweihte im Jenseits den Göttern selige Reigen tanzt [Aristoph. 



') Ebenda S. 209 f. S. 207 ff. Vgl. die Inschr. in d. Ephem.arch. 

2) Ebenda S. 209. 1888 III S. 47. 

3) Vgl. V. WiLAMOWiTZ Hom. ünt. 213. 1 "") v. Wilamowitz Hom. Unt. S. 208. 

*) DiTTENBEROER SvH. 13; FoüCART im ! ^) Aristoph. Equ. 282; Paus. I 38, 7 ete. 

Bull, de corr. hell. IV 225 ff. vgl. Vril (1884) ' ') Paus. II 37, 3; III 22, 2; IX 30, 6; 

S. 194 ff. Sauppe Attica et eleusinia IVogr. i Plut. Sol. 9; Is. (>8 u. s. w. 

Göttingen. 1880/81. Lipsivs Leipz. Stud. III , 



8. Enltoshaiidlimgen. (§91.) 



119 



Ran. 325 ff.], während der nicht Geweihte sieh in Strömen Kotes wälzt 
[Plato Phaidon 69; Aristid. Eleus. 421] oder in das durchlöcherte Fass 
schöpft**^) [Paus. X 31, 3].*) Auf welche Weise man diese Hoffnungen 
erweckte und zur Gewissheit machte, darüber lässt sich Zuverlässiges nicht 
sagen. Von Predigten und Unterweisungen kann gar keine Rede sein, 
auch nicht von Enthüllungen, die sich von den Voraussetzungen des na- 
tionalen Glaubens lossagten und eine andere Religion an seine Stelle setzen 
wollten. Das hat Lobeck unwiderleglich bewiesen. Es wird sich eben 
jeder bei dem, was er hörte und sah, das Seine gedacht haben, und den 
einen wird mit gläubiger, froher Zuversicht erfüllt haben, was dem andern 
dunkle Ahnung erweckte und dem dritten abgeschmackt und lächerlich 
schien. Jedenfalls war die Sache so ernst und machte solch einen Ein- 
druck, dass auch der Ungläubige sich frechen Spottes enthielt, und dass 
der Staat, wenn er einmal gegen Mysterienfrevler einschreiten musste, sich 
der Zustimmung der Menge versichert halten durfte.^) — Man hat die 
Weihen sehr treflfend mit den „Gnadenmitteln* der christlichen Kirche^) 
verglichen und sie geradezu ein „Sakrament genannt.^) Für die Gläu- 
bigsten haben sie offenbar eine solche Bedeutung gehabt. „Gesegnet, wer, 
nachdem er das geschaut, unter die Erde geht, er kennt das Ende des 
Lebens und den Zeusgegebenen Anfang" sagt Pindar,^) und ähnlich So- 
phokles:") „Dreimal glücklich die Sterblichen, die, nachdem sie die Weihen 
geschaut, in den Hades gehen, denn ihnen allein wird dort zu teil zu leben, 
den übrigen alle Übel dort,"*) Aristophanes ^) lässt den Chor der Ein- 
geweihten in der Unterwelt singen: „Denn wir allein haben Sonne und 
heiliges Licht, die wir eingeweiht waren und ein Leben geführt haben 
gottesfürchtig gegen Fremde und Angehörige," *^) und eine Inschrift sagt 
geradezu, das Sterben sei den Eingeweihten kein Übel, sondern ein Ge- 
winn. ^0 £s bezogen sich also die Verheissungen auf das Leben nach dem 
Tode, doch wird der Glaube, durch die Weihen den Göttinnen besonders 
empfohlen und lieb geworden zu sein, wie schon der Hymnos auf Demeter 
(487 f.) dies andeutet, auch die Hoffnung erweckt haben, schon in diesem 
Leben grösseren Segens teilhaftig zu werden. **) Voraussetzung war also 
der Glaube an individuelle Unsterblichkeit der Seele, ^^) und diesen zu er- 
wecken und zu befestigen, wird demnach vor allem Zweck des gemein- 
samen Gottesdienstes gewesen sein. Wie in unserer Kirche, namentlich 
der katholischen, viele sich schon dabei beruhigen, der Kirche anzugehören, 
und von dem Gebrauch ihrer Gnadenmittel schon das Heil erhoffen, so 
haben ohne Zweifel auch sehr viele der Eingeweihten geglaubt, dass die 
Einweihung selbst sie aller verheissenen Segnungen versichere, und in ein- 



*) V. WiLAMowiTz Hom. Unt. 208. 

^) ^gl- Auch Otto Jahn Darstellungen 
der Unierwelt auf römischen Sarkophagen 
S. 276 u. 8. w. 

3) CIA. IV 274; Lys. g. Andok. Vgl. 
Meieb-Schoevann Att. Prozess^ S. 368 f. 
A. 482, S. 158 u. 183. 

*) Schoemann Gr. A.^ II 397. 

^) V. WiLAMOwiTz Hom. Unters. 208. 

«) Frgm. 137 Bbbgk^ 



^) Bei Plut. De audiend. poet. 4 p. 21 
D. Frgm. 719 Ddf. 

») Lehbs Pop. Aufs.« S. 320. 

») Kan. 455 flF. 

'0) Lehrs a. a. 0. S. 319. 

") Ephem. arch. 1883, 81. — Ähnliche 
Äusserungen s. Isokr. Paneg. 6 § 28 und 
mehr bei Lobeck Agl. 51 £f. 

'^) Vgl. z. B. Cic. de leg. II 14. 

") V. WiLAMOWiTZ Hom. Unt. 208. 



120 ^' ^^ griechisohen Knltasaltertümer. 

fältiger Frömmigkeit, bei den gottesdienstlichen Feiern in Andacht sich 
berauschend, voll Dank gegen die Gottheit die Erlösung, die ihnen hier 
geboten wurde, freudig zu ergreifen gesucht. Dass trotzdem viele sich 
nicht einweihen Hessen,^) darf uns ebensowenig wundem, wie dass heute 
nicht alle in den Schoss der „allein selig machenden^ Kirche flüchten, oder 
viele sich der Sündenvergebung und Seligkeit verheissenden kirchlichen 
Gnadenmittel nicht bedienen. Doch muss die Zahl der Eingeweihten schon 
früh recht beträchtlich gewesen sein. Herodot (VIII 65) erzählt, dass sich 
vor der Schlacht von Salamis bei Eleusis eine Staubwolke erhoben habe, 
„wie von 30000 Menschen'', aus der es geklungen habe, wie der Jakchos- 
ruf der Mysten. Es ist darnach wahrscheinlich, dass schon zu der Zeit, 
als diese Geschichte erzählt wurde, also doch vermutlich bald nach 480, 
die Zahl der in die eleusinischen Mysterien Eingeweihten etwa 30000 be- 
tragen habe. Es brauchen dies nicht bloss Athener gewesen zu sein, 
Herodot sagt ausdrücklich: jeder Hellene, der es wünscht, lässt sich ein- 
weihen, und ob in noch früherer Zeit die Erwerbung des athenischen 
Bürgerrechts Vorbedingung war, ist auch nicht ausgemacht.') Freilich 
wird die Zahl der fremden Teilnehmer zu jener Zeit noch sehr gering ge- 
wesen sein, denn wenn die Mysterien damals schon die Bedeutung gehabt 
hätten, wie etwa zur Zeit des peloponnesischen Krieges, wäre es undenk- 
bar, dass der Spartaner Demarat von ihnen so gut wie gar nichts wusste.^) 
In den fünfzig Jahren zwischen 480 und 430 haben sie ihren Ruhm ge- 
wonnen. Das ist die Zeit, in der das attische Reich geschaffen wurde, in 
der Athen in jeder Hinsicht die Führerin des ganzen Hellas war. Mit der 
Machtstellung Athens sank auch die Bedeutung und das Ansehen der 
Mysterien wieder. Sie bestanden Jahrhunderte fort, aber während sie einst 
wirklich dem religiösen Bedürftiis frommer und kluger Männer genügt 
hatten, wurden sie zu äusserlichen Ceremonien, die trotz alles ihnen zeit- 
weise wieder aufgetragenen äusseren Glanzes ohne Inhalt und Leben waren. 
Cicero, der selbst eingeweiht ist, scheint zwar noch mit Achtung und Be- 
wunderung von ihnen zu sprechen,^) ebenso Pausanias,^<^) doch ist hinter 
den klingenden Phrasen wohl nicht mehr viel zu suchen. Noch Kaiser, 
wie Hadrian und Mark Aurel, Hessen sich aufnehmen,^) aber welch eine 
Wandlung sich in der religiösen Bedeutung der Mysterien schon damals 
vollzogen hatte, zeigt nichts mehr als die Thatsache, dass der Kult der 
Sabina, der Gemahlin Hadrians, mit dem Kult der eleusinischen Gottheiten 
verschmolzen war. ') Der Christ Valentinian verbot alle nächtlichen Feiern 
mit Ausnahme der eleusinischen Mysterien,^) und die streitbaren Kirchen- 
väter beschäftigen sich mit keinem andern heidnischen Kultus so angelegent- 
lich, aber all das kann nur beweisen, dass sie einst bedeutend waren. In 
der Kaiserzeit scheinen sie bereits jeden Einfluss auf das Leben des Volkes 
verloren und nur noch ein Schattendasein geführt zu haben, dessen lange 



») Vgl. Lehks Pop. Aufs.» S. 317 flf. 

'^) Vgl. Nebe a. a. 0. S. 9, der aus Istros 
fr. 20 Müller fr. bist. Gr. 421 u. Apollod. 
XI 5, 12 diesen Schluss zieht. 

^) Herod. a. a. 0. I/Obeck Agl. 282. 
ScHOEMANN a. a 0. II 382 A. 1. 



*) De leg. II 14 § 36. 

^) V 10, 1; X 31, 11. 

®) DiTTENBEBOEB Hemies XX 33. 

') CIA. III 12; 899; CIG. 1073. 

»j Zosim. IV 3 p. 176 



8. Kaltoshandlnngen. (§ 92.) 121 

Dauer von der einstigen Fülle der Lebenskraft zeugt; denn sie bestanden 
bis zum Ende des vierten Jahrhunderts.^) 

i)i. Betrachten wir jetzt das mehr Ausserliche: die Beamten und 
Würdenträger und ihre Funktionen, und die Festfeiern der Eingeweihten, 
und versuchen wir dabei eine Vorstellung davon zu gewinnen, auf welche 
Weise und durch welche Mittel auf die Gemüter der Gläubigen ein- 
gewirkt wurde. 

Der vornehmste Kultusbeamte war der Hierophant.^) Sein Name 
weist schon darauf hin, dass er die geheimnisvollen Heiligtümer und Ge- 
bräuche zu zeigen und zu erklären hatte. ^) Er gehörte dem Geschlecht 
der Eumolpiden an, und diesem allein stand das Recht der Exegese zu.^) 
Neben ihm gab es noch eine hgogiamg,^) die ebenfalls aus dem Geschlecht 
der Eumolpiden war.*) Beide waren, wenigstens in späterer Zeit, hieronym,') 
durften also in ihrem Amte ihren Namen nicht führen. Wahrscheinlich 
war es dem Hierophanten auch nicht gestattet, neben seinem priesterlichen 
noch ein anderes Amt zu bekleiden.») — Die drei folgenden Priester, welche 
dem Hierophanten im Range am nächsten standen, gingen aus dem Ge- 
schlecht der Keryken hervor. Von ihnen ist der bedeutendste der Da- 
duchos,^) über dessen Funktionen wir fast nur wissen, dass er gemeinsam 
mit dem Hierophanten den Erntezehnten für die eleusinischen Gottheiten 
einzutreiben hatte; ^^) darnach der xyjqv^^ in der nachklassischen Zeit Icqq- 
^Q^^ genannt. '0 Ihn^ l&S ^ vielleicht ob, die Opfer zu beaufsichtigen.^^) 
Der dritte ist der Altarpriester, 6 im ßwfi^.^^) Alle vier Ämter waren 
lebenslänglich ^^) und erbten in einer bestimmten Familie weiter. ^*) Daneben 
gab es dann noch eine Reihe anderer Kultusbeamten, wie den tegevg na- 
vayi'jq^^) und die anoviotpogoiy^^) Herolde, welche den Gottesfrieden ver- 
kündigten und zur Festfeier einluden.^') Auch sie wurden aus dem Ge- 
schlecht der Eumolpiden oder der Keryken gewählt.*^) — Die Oberaufsicht 
über die Mysterienfeier und ihre Leitung stand, da es ein Staatskultus 
war, dem Archen Basileus zu.^^) Zur Seite standen ihm dabei vier Epi- 
meleten,*®) die auch die Aufsicht über die sonst im Laufe des Jahres vor- 
geschriebenen Opfer zu führen hatten. 2*) Von ihnen wurde einer aus dem 



^) Zosim. a. a. 0. Vgl. v. Lasaulx Der 
Untergang des HeUenismus S. 84 Anm. 242. 

2) TöPFFBB Att. Geneal. 44 flF. 70 f. 

«) Vgl. Diog. Laert II 101, VII 186, die 
Lexikographen u. Uqoqxxvirjg und Töpffeb 
a. a. 0. S. 47 f. 

^) Andok. myst. 116. Dittenbebgeb im 
Hermes XX 12. Töpfpbb 71 f. 

^) EAiBEL£pigr. gr. 863. Vgl. Pbelleb 
in Paults Realenc. III 90 f. Mommsbn Ueortol. 
236 f. TöpppKB S. 51. 

•} TöPFFBB S. 63 flF. 

') CIA. III 900, 901, 914. Kaibel a. 
a. 0. Luk. Lexiph. 10. Vgl. Dittenbebgeb 
Herm. XX 13 Anm. 1. Töpffeb S. 52 f. 

^) Dittenbebgeb a. a. 0. S. 35; Töpffeb 
S. 53 f. 

*) Dittenbebgeb SyU. 13 und im Hermes 
XX 14, wo auch gezeigt wird, dass die Da 



Lykomiden übergegangen ist. Töpffeb S. 
86 f. 

»0) CIA. IV 27 b. Vgl. Töpffeb S. 87. 

11) Dittenbebgeb im Hermes XX 18 f. 
TöPFFBB S. 87 f. 

»*) Pbelleb a. a. 0. III S. 90. 

•3) Vgl. Töpffeb S. 88. 

1^) Dittenbebgeb im Hermes XX 20 f. 
Töpffeb S. 88. 

15) Dittenbebgeb a. a. 0. S. 22 flF. Töpffeb 
S. 51. 64. 89 f. 

1«) Dittenbebgeb a. a. 0. S. 27 f. 

>^) Aischin. II § 133 f. 

1«) Dittenbebgeb a. a. 0. S. 29. Töpffeb 
S. 80 u. 90. 

^*) Pbelleb a. a. 0. >S. 89, Dittenbebgeb 
a. a. 0. S. 30. 

2^) Aristot. bei Harpokr. u. inifiBktjTtjg 
T(oy fxvartjQiiüy. Vgl. CIA. III 1188. 



dachenwQrde nie auf das Geschlecht der | =<>) £phem. arch. 1887 S. 173 u. 177. 



122 



A. Die griechischen Knltasaltertttmer. 



Geschlecht der Eumolpiden, einer aus den Keryken gewählt,*) wie denn 
überhaupt die Mitglieder dieser beiden Geschlechter auch abgesehen davon, 
dass ihnen ausschliesslich die höchsten Priester entnommen wurden, noch 
mancherlei Pflichten und Rechte hatten.*) — Die Aufsicht über die Ge- 
bäude, Tempelgüter, Geräte und Kostbarkeiten hatte das Kollegium der 
ernfftdraiy^) an die auch die aus dem Verkauf des heiligen Getreides von 
den tsQOTToioi eingenommenen Geldbeträge abgeliefert wurden,*) sofern nicht 
anderweitige Verwendung beschlossen war."^) Die Dauer ihres Amtes be- 
trug vier Jahre, die iegonoioi wechselten jährlich.®) Besonderen Tafum 
ToTv xheotv lag die Verwaltung des gemünzten Geldes ob.') 

93. Wer in die Mysterien aufgenommen werden wollte, hatto 
sich deshalb an einen Eumolpiden oder Keryken zu wenden, und dieser 
weihte ihn dann.^) Er brauchte selbst kein priesterliches Amt zu bekleiden, 
es genügte, dass er einem der beiden Geschlechter angehörte.^) Der Akt selbst 
hiess iivtTv oder fivaTaywysiVj der Weihende fivaTaywyogJ^) Eine Vorstellung 
von den dabei üblichen Ceremonien können wir vor allem aus einem Vasen- 
bilde gewinnen, das ErsiliaLovatelli im Bull, della commissione archeol. com. 
1879 S. 5 flf. veröffentlicht und besprochen hat (Taf. IV Fig. 3). Der 
Einzuweihende steht, ein Löwenfell übergeworfen, mit nackten Füssen in 
demütiger Haltung vor einem Priester, die Rechte hält das Opferferkel, ^0 
auf dessen Kopf der Priester eben Wasser giesst, die Linke Opferkuchen. 
Die nächste Scene stellt wohl die Weihung selbst dar. Der Betreifende 
sitzt auf einem Sessel, das Haupt und den ganzen Körper bis auf den 
rechten Arm und einen Teil der Brust von einem Gewände verhüllt, die 
Linke scheint eine Fackel zu halten. Hinter ihm steht eine Frau, wahr- 
scheinlich die Hierophantin, . die ihm eine Getreideschwinge {Kxvov) über 
das Haupt hält, das Symbol der Reinigung und Läuterung. Die dritte 
Gruppe zeigt Demeter sitzend, in der Linken eine Fackel haltend, von einer 
Schlange umwunden, deren Kopf der nun wahrscheinlich zum Epopten ge- 
wordene Myste^*) liebkost. Der Göttin zur Rechten steht Persephone, eben- 
falls eine Fackel tragend. 

Aufgenommen konnte jeder Hellene werden, ^^) nur wer durch Blut- 
schuld oder ein anderes Vergehen verunreinigt war, war ausgeschlossen 
gleich den Barbaren;**) Sklaven durften eingeweiht werden.*^) 

94. Alljährlich wurden zwei grössere Feste gefeiert, die kleinen 



^) In der Diadochenzeit scheint die Zahl, 
vermutlich vorübergehend, auf zwei redu- 
ziert zu sein. Dittbnbebgeb SyU. 386 und 
im Hermes XX 80. Vgl. Töpffeb S. 78 f. 

^) S. DiTTKNBERGEB im Hermes XX 30 f. 
Töpffeb S. m flf. 

'') CIA. II 682 c. Vgl. 834 b. Ephem. 
arch. 1883 S. 109 flf. 1888 (III) S. 41 flf. 

*) Ephem. arch. 1888 (III) S. 55. 

^) Bull, de corr. hell. IV 225. 

«) Ephem. arch. 1888 n. 41 u. 47. 

'j CIA. II 605. III 5, 731. Swoboda 
Wiener Stud. X 729 f. 

«) CIA. IV 1. 

^) Dittenbergeb im Hermes XX 31 flf. 



Töpffeb S. 77. 

»0) Lobeck Agl. 29 flf. 

»^) Vgl. Schol. zu Aristoph. Ach. 747, 

Fax 375; Epicharm. im Etym. M. p. 255 u. 

") LOVATELLI S. 14. 

»» Vgl. Herod. VIII 65. 

*■*) LOBECK Agl. 15. 

**) KocK Frgm. com. II 473. S. Lobeck 
Agl. 19. Schoemann Gr. Alt.» II 384 Anm. 
6. DiTTENBEBOEB Syll. 388, 18, wo der Ma- 
ximalpreis der Kleider, welche die Sklavinnen 
bei der Mysterienfeier in Andania tragen 
dürfen, festgesetzt wird. 



8. EnltaBhandlnngen. (§93-95.) 123 

Mysterien im Anthesterion (Februar)*) zu Agrai,^) einer Vorstadt Athens, 
und die grossen Eleusinien im Boedromion (September). 3) Über beide sind 
wir sehr mangelhaft unterrichtet. Von den kleinen Mysterien wissen wir 
nur, dass hier Demeter hinter Persephone und auch Dionysos zurücktrat,*) 
dass der Feier eine Reinigung voraufging, und wahrscheinlich dramatische 
Darstellungen oder lebende Bilder, die sich auf die Kultuslegende bezogen, 
einen Teil des Festes ausmachten. <^) Die Einweihung in diese Mysterien 
musste der in die grossen vorangehen.^) Gs scheint demnach die Aufnahme 
unter die fivtrtai nur im Anthesterion möglich gewesen zu sein. Doch 
wurde auf den Wunsch oder Befehl mächtiger Personen wenigstens in 
späterer Zeit auch eine Ausnahme gemacht.^) Leuten, die nur noch auf 
eine kurze Lebensfrist zu rechnen hatten, hat man die Auftiahme vielleicht 
zu jeder Zeit bewilligt.*) Ein halbes Jahr nach der Einweihung in die 
kleinen konnte man sich in die grossen Mysterien aufnehmen lassen. Auch 
hier gab es noch verschiedene Grade, und die Aufnahme unter die Epopten, 
die Schauenden, wurde nicht sogleich gewährt.^) 

95. Die grossen Eleusinien,*^) die wie die kleinen in die Mitte 
einer sieben- bis achtwöchentlichen Ekecheirie fielen, * *) begannen spätestens 
am 16. Boedromion.**) Dieser Tag hiess aXads fuLvaraiJ^) Es fand also an 
ihm eine Reinigung der Mysten, die sich nach der Bekanntmachung (tt^ö^ 
Qr^tTig^ ngoayoQcvaig) des Basileus schon am Abend vorher in Athen ver- 
sammelt haben werden, im Meere statt. Wer zum ayv^fiog^*) nicht recht- 
zeitig erschienen war, konnte wohl auch an einem der nächsten Tage, ehe 
die Festversammlung die Hauptstadt verlassen hatte, nachträglich aufge- 
nommen werden.*^) Bis zum 20. blieb man in Athen, und diese Zeit mag 
mit feierlichen Umzügen zu den Heiligtümern und mit Opfern ausgefüllt 
worden sein. Am 20.*^) begaben sich alle Festgenossen, in späterer Zeit 
mit weissen Kleidern angethan,*') auf der heiligen Strasse {isQci 666g) nach 
Eleusis. Jakchoszug hiess die Prozession nach dem Gotte, dessen Bild 
von dem Jakchagogos voraufgetragen wurde.**) Es ist eine Gottheit, dem 
Bakchos nahe verwandt, der Gott der lärmenden Freude. Unter fort- 
währendem Rufen seines Namens und heiligen Gesängen bewegten sich 



^) Ad. Schmidt Griech. ChroDoL, Jena i ^^)S. darüber nameDÜich MoMMSBNHeort 

1888 S. 290 setzt das Fest auf den 19—21 I 224 flf. Schobmann Gr. A. II 386 flf. 



Anthesterion an. <*) Dittenberoeb Syll. 384b. 

«) Plut. Demetr. 26. Vgl. Gbbhabd 
Akad. Abb. II 174 ff. Mommsbn Heortol. 
373 ff. 

') Aristid. I 422. 

*) Schol. Aristoph. Plut. 845. Mommsbn 
Heortol. 373. Hebmann G. A.^ § 58 A. 29. 

*) Steph. Byz. u. Agra. Polyaen. Stra- 
teg. V 17. 

«) Plut. Demetr. 26. Plato Gorg. 497 c. 

') Plut. Demetr. 26. Cass. Dio LIV 9. 



'^) Plut. Phok. 6. Polyaen. Strateg. III 
11. 

>*) Mommsbn Heort. S. 222 Anm. Vgl. 
die eleusin. Inschr. Ephem. arch. 1887 S. 177 
ZI. 20. 

'*) S. Hesych. u. d. W. 

i*^) S. Paus. II 26, 7 u. Schobmann Gr. 
A.» II 387. 

'^) Schol. Aristoph. Ran. 324. Mommsbn 
Heort. 229 setzt den Zug auf den 19ten an, 



^) Vgl. Aristoph. Pax 371 ff. 1 das Eintreffen in Eleusis nach Sonnenunter- 



') Lobeck AgI. 54 u. 123 ff. Mommsbn 
Heortol. 22 f. Schoemann Gr. A.» II 394. 
Auch in der Inschrift von Andania ist von 
TtQtarouvijria die Rede Dittenbbbgeb Syll. 



388 ZI. 14, 50, 68. | 17 ff. 



gang, also auf den 20ten. 

»') CIA. HI 1132. PhUostr. Vit. soph. 
p. 58, 15 Kays. 

''') Vgl. Ephem. arch. 1887 S. 177 ZI. 



124 ^* ^i® griechiBchen EiiltiiBaltertümer. 

die Zelintausende gewiss langsam genug fort, an mehr als einer Stelle 
der an Erinnerungen und Denkmälern reichen Strasse ^) ihren Marsch unter- 
brechend. Wohlhabende Frauen fuhren auf Wagen, ^) bis ein Gesetz des 
Lykurgos dies untersagte.-^) So mochte der Tag, da die Strecke vier Stunden 
Weges betrug, wohl hingehn. In den folgenden Tagen fand dann die Haupt- 
feier statt: Opfer, ö) Fackel tanze *) und vor allem die nächtlichen Feiern 
in den geschlossenen Räumen.^) Nach gewiss wiederholt vorgenommenen 
Reinigungen,^) mehrtägigem Fasten, sodann dem Genüsse des xvxetiv, eines 
Mischtranks, den auch Demeter, nachdem sie in ihrer Trauer lange jede 
Speise verschmäht hatte, zuerst zu sich genommen haben sollte,^) und nach 
mancherlei anderen Vorbereitungen ^^) fand sich die Menge in lautloser Stille 
und zunächst jedenfalls in tiefer Finsternis in dem ungeheuren Tempel- 
gebäude, das seinem Zweck entsprechend, einem Theater ähnlicher war, 
erwartungsvoll zusammen. Vielleicht wurden für die erst vor einem halben 
Jahr in die kleinen Mysterien Aufgenommenen und für die älteren Epopten 
besondere Feiern veranstaltet.**) Den Mittel- und Glanzpunkt bildeten td 
dQoifxeva,^^) die dramatischen Darstellungen und lebenden Bilder. Der Hiero- 
phant erschien in prächtigem Gewände mit der königlichen Kopfbinde, '^) 
und ohne Zweifel wurde alles, was Kunst und Technik zu leisten ver- 
mochte, aufgeboten, um den sinnlichen Eindruck möglichst überwältigend 
zu machen.*^) Gegenstand der Darstellungen waren Scenen aus dem Sagen- 
kreise der gefeierten Götter: der Demeter und Persephone, des Jakchos, 
des Hades. *^) Bei einer ähnlichen Feier in Arkadien wird unter anderem 
die Rückkehr der Persephone aus dem Hades dramaartig dargestellt,^^) und 
selbst für den samothrakischen Kultus ist ein dem Umherirren der ihres 
Kindes beraubten Demeter gleicher Vorgang bezeugt.*') Die Ifyofxeva hatten 
wahrscheinlich in erster Linie den Zweck, das Gesehene zu erklären; aber 
auch so weit sie etwa selbständige Bedeutung hatten und in Mitteilungen 
aus den tcgol Xoyoi^ aufgezeichneten Legenden hieratischen Inhalts, be- 
standen,^^) kann man sie höchstens, wie dies auch geschehen ist, mit der 
Liturgie in unsern Gottesdiensten vergleichen und darf ihnen in dem Ganzen 
nur eine untergeordnete Stellung zuweisen. Es war ein Gottesdienst, be- 



») Herod. VIU 65. ' S. 176. 

'^) Vgl. SCHOEMANN a. B. 0. S. 388 f. 

3) Aristoph. Flut. 1013 f. 

*) Flut. Dec. orat. Lyk. 7. 

^) DiTTENBEROEB Syll. 13. CIA. I 5 

U. 8 W 

«) Soph. Oid. Kol. 1045; Aischyl. im 
Schol. dazu; £ur. Ion 1075 ff. 

'') Strabo IX 375. 

^) Vgl. Mitt d. Arch. Inst, zu Athen 
XIV 124. 

^) Flut. Quaest. symp. IV 4, 1. über 
den xvxBiov s. besonders Röscher in d. Jahrb. 
f. Fhil. 1888 S. 523 f. 



") S. TöPFFER Att Geneal. »S. 46 f. 
**) Vgl. Faus. V 10, 1 und Lobbck Agl. 
44 flf. 

") Vgl. FoucABT im Bull, de corr. hell. 
VII (1883) 397 flf. Förster Raub und Rück- 
kehr der Fersephone S. 19 fif. Ober den Zu- 
sammenhang des Dionysos und überhaupt 
der chthonischen Gottheiten mit den My- 
sterien Ephem. arch. 1886 S. 25 flf. u. Fou- 
CART le culte de Pluton dans la religion 
eleus. TöPFFER Att. Geneal. 34. 

*•) Lebas-Foucart inscr. de la Grece II 
6 n. 352 h. 

^0) S. Hermann G. A.^ § 32 A. 18. »^) Archäol. Unters, auf Samothr. II 26. 

''^) Vgl. MoMMSEN Heort. 261 f. '*) Vgl. d. Inschr. v. Andania Dittbn- 

'2) d(}(}y bedeutet in Beziehung auf den beroer Syll. 388, 12 f. Faus. VIII 15, 2. 

Kultus stets das Geheimnisvolle. Faus. II i Apul. Metam. XI 16. 

12, 1 und Frisdländer Lobecks Briefwechsel 



3. KnUnshandlimgen. (§ 96.) 



125 



stimmt durch die sinnliche Pracht der Ausstattung, die durch die Musik 
wirksam unterstützt ward,*) zu berauschen und in verzückte Andacht zu 
versenken, Mittel, die ja auch heute noch nicht verschmäht werden und 
nicht versagen. Fühlt die Menge sich ergriffen und von dem Gefühl der 
frommen Stimmung, die sie gern für Frömmigkeit nimmt, befriedigt und 
erbaut, so kann der einzelne immerhin tiefe und nachhaltige Eindrücke 
empfangen, die auf seine religiösen Empfindungen, seinen Glauben und 
dann vielleicht auch auf seinen Lebenswandel bestimmenden Einfluss haben 
mögen. Das Entführen des Lebendigen in die Unterwelt, das Auf ersteh n 
zu neuem Leben, das Vorführen von Scenen aus dem Leben, das der 
Seligen einst wartet, und vielleicht auch von Qualen, die den andern be- 
vorstehen,*) zudem die Menge der Gläubigen und ihr frohes Bekenntnis — 
das alles muss in der That geeignet gewesen sein, den Glauben an Unsterb- 
lichkeit zu wecken und vielleicht auch Vorsätze zu guten Werken. Denn 
den Guten und Gottesfürchtigen hatte die Göttin zuerst Gnade erwiesen 
und ihnen dauernd verheissen.^) Daran aber, dass „die Entwicklung eines 
tieferen in den Mysterien verborgenen Sinnes für eine kleine Zahl von 
Auserwählten aufgesparf" sei,-^) ist wohl nicht zu denken. Es blieb einem 
jeden überlassen, wie viel er darin finden wollte und konnte. 

An den letzten Tagen des Festes fanden im Anschluss an die My- 
sterienfeier auch ccydvsg statt, ^) und zwar gymnische, hippische und musi- 
sche. Die ersten beiden, schon von Pindar^) erwähnt, wurden in alter 
Zeit in jedem dritten und fünften Jahre gefeiert, später jährlich, aber im 
dritten und fünften Jahre mit besonderer Pracht. Scenische Spiele sind 
nicht sicher bezeugt. Den Beschluss soll eine Wasserspende aus thönernen 
Gefässen {nXrjfxoxom) zu Ehren der Toten gemacht haben.') 

96. Es gab in Griechenland an mehreren Orten Filialen des eleu- 
sinischen Mysteriendienstes, z. B. in Phleius,^) in Megalopolis und in 
Pheneus in Arkadien,^) und auch in Ephesos feierte man einer Demeter 
KaQnoffoQoq 0€(X/.io(p6Qog Mysterien, ^o) Natürlich bewahrten diese Kulte im 
einzelnen ihre Eigenart. Am genauesten unterrichtet sind wir über die 
Mysterien von Andania in Messenien. Schon einmal nach der Wiederher- 
stellung Messenes durch Epameinondas erneuert, scheint der Kult dann 
wieder unterbrochen zu sein. Denn ein umfangreiches Dekret aus dem 
Anfang des ersten Jahrhunderts v. Chr. ordnet die Feier aufs neue an 
und bestimmt alle Einzelheiten aufs genaueste.^*) Die vorzugsweise ver- 
ehrten Götter sind die ^uyaXoi i>«oi', die Kabeiren, daneben Demeter, Apollon 
Karneios, Hermes, die Hagna. Das Fest fand wahrscheinlich im Hoch- 
sommer statt. *^) Auch hier hat der Staat die Oberaufsicht, und fünf vom 



>) Vgl. Paus. IX 27, 2. 

^) Vgl. Gerhard Akad. Abh. II 352 
A. 98. 

^) Vgl. Aristoph. Ran. 455 ff. Lehrs 
Pop. Aufs.^ 8. 319. 

*) ScHOEMANN Gr. A.» II 899. 

^) MoMMBEN Heort. 263 f. und besonders 
Nebb a. a. 0. S. 16 ff. 

«) Ol. IX 150, XII 157. Isthm. I 81. 

7) Athen. XI p. 496. Vgl. Pol!. X 74 und 



I 



Bernays Theophrast üb. d. Frömmigkeit 95 f. 

®) Paus. II 14, 1. 

») Paus.' VIII 14,' 8 und 15, 1 ff. Vgl. 
Lobeck AgI. 43 ff. Schoemakn a. a. 0. 401 f. 
Gerhard a. a. 0. 351 ff. 

10) DiTTENBEROER Syll. 390. 

^') Sauppe Die Mysterieninschr. von An- 
dania Gott. Ges. d. Wisssch. VIII 217 ff. 

DiTTEN BERGER Syll. 388. 

'*) Saüppe a. a. 0. 270. 



126 



A. Die grieckiBchen Knltasalierittmei*. 



Demos eingesetzte Kommissare haben die finanzielle Verwaltung in Händen, 
der Reinertrag aber des Festes fliesst in den Staatsschatz. 

97. Ausser den eleusinischen waren in Griechenland am berühmtesten 
die samothrakischen Mysterien. 

Litteratar: Lobeck Agl. 1109 fif. Schoemann Gr.A.^ II 403 fif. Archftol. Untersuch, 
auf Samothrake von Conzb, Bbnndorf etc. 107 fif. Dabembbro et Saglio Dict. u. Cabiri I 
S. 757 flF. 

rd KccßsiQiüv oQyia auf Samothrake werden zuerst von Herodot (II 51) 
erwähnt. Die samischen Kolonisten, heisst es dort, hätten sich die Weihen 
von den älteren Bewohnern, die sie auf der Insel vorfanden, angeeignet.') 
Über das Wesen der Kabeiren *) haben namentlich die jüngsten Aus- 
grabungen in dem Heiligtum bei Theben einiges Licht verbreitet. Das 
Kind Dionysos und seine Pfleger spielen in dem Kultus, der sich von Athen 
aus verbreitet zu haben scheint, eine besondere Rolle. Das Dogma vom 
Tode und der Auferstehung fand auch hier mythischen und bildlichen Aus- 
druck, und der chthonische Charakter der Gottheiten trat wie in allen 
Mysterien 3) bedeutsam hervor. Dies wird bestätigt durch die Lage des 
Tempels am Fusse der Anhöhe*) und durch die oben^) beschriebenen Opfer- 
vorrichtungen. „Zu Schutzmächten der Seefahrt sind die samothrakischen 
Gottheiten offenbar erst im Lauf der Zeit durch ihren Inselsitz in dem von 
Stürmen besonders heimgesuchten thrakischen Meere geworden.*'*') „Zur 
Zeit Herodots war das Kabeirenheiligtum ein kleines, bescheiden aus ein- 
heimischem Stein aufgeführtes Gebäude, wie die Ausgrabungen erwiesen 
haben."«) Berühmt wurden diese Mysterien erst im vierten Jahrhundert, 
und zur Zeit der Diadochen standen sie in solchem Ansehen, dass sie sich 
wohl den eleusinischen an die Seite stellen durften. Namentlich Seefahrer 
Hessen sich einweihen, denn gegen die Gefahren des Meeres sollten die 
Kabeiren besonders schützen, und der neue Tempel füllte sich mit den 
herrlichsten Weihgeschenken.') Philipp von Makedonien und Olympias 
liessen sich aufnehmen, Lysimachos schenkte dem Heiligtum sein besonderes 
Interesse und seinen mächtigen Schutz, «) Perses von Makedonien und Pto- 
lemaios VI Philometor fanden auf der durch ihr Asylrecht geschützten 
Insel eine Zuflucht,^) und man erzählte, dass schon Agamemnon und Odys- 
seus die Weihen empfangen hätten. ^^) 

Die Aufnahme scheint zu jeder Zeit stattgefunden zu haben. ^^) Es 
wird dies das Zweckmässigste gewesen sein, da viele vor Antritt ihrer See- 
fahrt die Weihen verlangt haben werden. — Das Fest ist wahrscheinlich 
im Hochsommer gefeiert worden. '^) 

Auch an andern Orten Griechenlands wurden die Kabeiren verehrt.*-) 



M Vgl. Arch. Unt. auf Sam. II 107. 

2) Vgl. Pbeller Griech. Myth.» I 700 flf. 
ScHOEMANN B. B. 0. 403 f. 0. Kern Wocheii- 
schr. f. klass. Phil. 1889 S. 698 flf. 

^) Vgl. FoucABT im Bull, de corr. hell. 
VII 387 ff. 

*) Arch. ünt. a. Sam. 11 23. 

^) S. 15. Vgl. auch Schol. Aristoph. 
Fax 277. 

«J Arch. Uut. a. Sam. II 108. 



7) Diog. Laert. VI 59. 

**) luschr. in d. Arch. Unters, a. Sam. 
II 85. 

») Arch. ünt. a. Sam. I 20. 

•") Schol. zu Apoll. Rhod. Arg. I 917; zu 
II. A 334, U 100. 

^') 0. Hirschfeld in den Arch. Unt. a. 
Sam. I 39. 

^') S. ScHOEMANN a. a. 0. 406. Dabem- 
bbro et Saolio Dict. I 767 ff. 



d. KnltoBhandliingen. (§ 9?— 98.) 127 

Dem samothrakischen am verwandtesten war wahrscheinlich der Kultus in 
dem Heiligtum an der Strasse von Theben nach Thespiai, dessen Reste 
neulich blossgelegt sind.^ 

In späterer Zeit werden auch Isismysterien erwähnt. 2) Nur be- 
sonders von der Göttin Berufene wurden in diese aufgenommen, und die 
Zahl der Teilnehmer war wohl niemals beträchtlich. 

98. Geschlossene Kultgenossenschaften waren auch die sog. 
tQavot, ^taaoi und die Orgeonen. 

Litteratur: Hauptwerk Foucabt Des associations religieuses chez les Grecs, Paris 
1873. 0. Luders Die dionysischep Künstler, Berlin 1873 Anf. Cabl Schafeb in d. Jahrb. 
f. Phil. 1880 S. 417 ff. Böckh Staatsh.» I 312 f. und von älteren Werken v. Holst l)e 
eranis veterum Chraec, imprimia ex iure AU., Leyden 1832. S. auch die Inschrr. CIA. III 
1324 ff. und über die Orgeonen v. Wilamowitz £urip. Herakl., Berlin 1889 I 57. 

Es sind dies religiöse Vereinigungen, hauptsächlich von Ausländern, 3) 
die in ihrem Kreise eine ihrer Landesgottheiten verehrten. Als nach den 
Perserkriegen der Seehandel Athens eine grossartige Ausdehnung gewann, 
strömten Kaufleute und Gewerbtreibende aus allen Ländern namentlich in 
der Hafenstadt Peiraieus zusammen und Hessen sich dort zu dauerndem 
Aufenthalt nieder. Diese Fremdenkolonien kamen nun beim Staat um die 
Erlaubnis ein, irgend einer ihrer heimischen Gottheiten ein Heiligtum er- 
richten zu dürfen, und das wurde ihnen dann auch gestattet.^) Bisweilen 
errangen diese Gottesdienste ein so grosses Ansehen, dass sie unter die 
Staatskulte aufgenommen wurden,*) aber auch wenn dies nicht ge- 
schah, suchten die Mitglieder der Korporationen ihrer Genossenschaft' 
ganz die Verfassung und das Aussehen der herrschenden Staatskulte zu 
geben. Sie stellten Priester, Schatzmeister und andere Kultusbeamte an, 
erliessen Dekrete und verhängten über die Ungehorsamen Geldstrafen oder 
schlössen sie aus ihrer Gemeinschaft aus,*) ja sie erkannten verdienten 
Priestern heroische Ehren zu.^) Aufgenommen wurde jedermann, der ein- 
treten und sich den Bestimmungen fügen wollte, auch Frauen, Freigelassene 
und Sklaven, und jedes Mitglied hatte dieselben Rechte.') Zwei in den 
Silberbergwerken von Laurion aufgefundene Inschriften ®) aus dem zweiten 
Jahrhundert nach Chr. enthalten die Aufforderung zur Bildung eines ^gavog 
zu Ehren des Mrjv TVQavvog und Kultus Vorschriften, die der Stifter selbst 
entworfen und dekretiert hat. Der Stifter aber ist ein Sklave, der in den 
Bergwerken arbeitet, und dem ein verlassenes Heroon als Tempelgebäude 
dienen niuss. Andere Steine verzeichnen lobend die Namen der Wohl- 
thäter und frommen Stifter, welche Tempel gebaut und wiederhergestellt 
oder die Kosten für die Feste freigebig bestritten haben. ^) Bei der Organi- 
sation und Stellung dieser Vereinigungen war man ja auch naturgemäss auf 



^) Mitt d. D. Arch. Inst, zu Athen 
XIII (1888) 81 ff. Vgl. S. 412 ff. 0. Kern 
in den Ber. der Arch. Gesellsch. in d. 
Wochenschr. f. klass. Philol. 1889 VI 698 ff. 

*) Apul. Metam. IX Ifi. Vgl. Schoemann 
a. a. 0. 407 ff. 

') Doch nicht ausschliesslich. Vgl. LiP- 
sius in BuBSiANS Jahresher. II 1876 S. 1389 f. 
C. Schäfer a. a. 0. S. 418. 

*) Vgl. die Inschr. in der Revue arch^ol. 



1864 S. 399 und die ohen S. 8 angeführten 
Beispiele. 

*) FoucART a. a. 0. 20 ff., 33 ff. 

*) Mitt. des D. Arch. Inst, zu Athen IX 
1884 S. 291. 

') FoucART a. a. 0. 5 ff. 

«) CIA. m 73, 74 (DlTTENBERGER Syll. 

379). 

9) CIA. II 986 ff. 



128 ^* ^^^ griechischen Enltosaltertümer. 

die Opferwilligkeit einzelner reicher Mitglieder angewiesen. Manche dieser 
Kulte scheinen ein geringes Ansehen genossen zu haben; sie werden häufig 
verspottet^) und haben dies zum Teil ohne Zweifel verdient.*) 

Daneben gab es noch andere Vereine, die eigentlich nichts mehr 
mit der Religion zu thun hatten, aber doch den Namen eines Gottes als 
Aushängeschild gebrauchten und sich nach ihm bezeichneten. Die wich- 
tigsten sind die der Dionysiasten d. i. Schauspielergesellschaften. ^) Ein 
anderer Verein hatte den Herakles zum Schutzpatron erkoren; die Zahl 
der Mitglieder war auf sechzig festgesetzt, Schmausereien und lustige Ge- 
lage Hauptzweck der Gesellschaft.'*) Geradezu verrufen war der Verein 
des Ithyphallos,^) und dergleichen mit edlen und unedlen Tendenzen und 
Gepflogenheiten gab es noch viele. ^) 

Von den Privatkulten der Geschlechter haben wir schon wieder- 
holt gesprochen. Neben ihnen gab es dann noch einen weiteren Kultus 
der Phratrien und oft auch einen engeren der einzelnen Familien. Über 
das Apaturienfest, welches jene in Athen alljährlich im Monat Pyanopsion 
begingen, wird unter den Festen zu handeln sein; von dem häuslichen 
Kultus der Familien ist gelegentlich der Hausaltäre (S. 12) der Opfer 
(S. 73 f., 82 f.) und der Reinigungen (S. 112 f.) bereits die Rede gewesen. 
Besonders wichtig war er bei Eheschliessungen und Begräbnissen; doch fallt 
dies Kapitel mehr in das Gebiet der Privataltertümer, ^) und so mag denn 
hier nur noch erwähnt werden, dass in vereinzelten Fällen eine Familie 
sich veranlasst sah, eine Gottheit als Schutzpatron in ihrem Hause beson- 
ders zu verehren, sei es infolge alten Herkommens,®) oder weil die Macht 
derselben sich an ihr besonders wirksam erwiesen hatte. ^) Schliesslich ist 
noch zu bemerken, dass auch die Staatssklaven an einigen Orten ihre be- 
sonderen Kulte hatten.^®) 

4. Kultuszeiten. 

a. Die Nationalfeste. 

a. Die olympischen Spiele. 

Litteratur: Rathoebeb in Ebsoh u. Gbuber*s Encyklop. III Sect. 3 S. 114 ff. u. 
S. 293 ff. — J. H. Krause Olympia, Wien 1838 mit einem alphabei Verzeichnis der olymp. 
Sieger. Krause Hellenika, die Gymnastik und Agonistik der Hellenen, Leipzig 1841. 2 Bde. 
mit vielen Abbildungen. Krause in Pauly's Realencykl. V 899 ff. u. III 990 ff. F. Kikd- 
scHER Das Programm der Olympien in Jahk's Jahrbb. Suppl. XI 485 ff. K. Fr. Hermann 
Gottesdienstl. Altt.« S. 178 ff., 312 ff. Schoemann Griech. Altt.» II 50 ff. E. Cürtius in 
Altertum u. Gegenwart II 1882 S. 129 ff., 157 ff., 185 ff. Ad. Bötticher Olympia, Beilin 
1883 mit vielen Abbildungen, Situationsplänen und Rekonstruktionen. K. Curtius u. Adlbb 



») Vgl. FoucART a. a. 0. 55 ff. ^) S. Iw. Müller Hdb. IV 447 c f., 461c 

'') Vgl. FoucART a a. 0. 153 ff. , ff. und auch Kastorches im *Jfhjyaioy IX 

^) Hauptwerk 0. Lüders Die dionysi- 422 ff. 

sehen Künstler, Berlin 1873. Foucart De «) Vgl. Aristoph. Av. 1534 u. 704. 



colhgiis scenicorum artificum apud Graecos. 



Herod. V 66. 



») Plut. Timol. 30. Cornel. Nep. Timol. 
c. 4. Vgl. auch Kader De diis nnr^^Mg, 



*) Vgl. Athen. XIV 3 p. 014 u. VI 70 
p. 200. 

») Vgl. Demosth. g. Konon p. 1202 § 17 
und p. 1207 § 34 ff. I »«) Vgl. Dittekberoer ind. lect. Halle S. 

«) S. Schoemann a. a. 0. 542 ff. und l 1887 S. VIII f. 
LüDEKs a a. 0. Erster Abschnitt. { 



Progr. des Gymnas. zu Schleusingen 1873. 



4. KaltoBzeiten. (§99-100.) 120 

Olympia und Umgegend mit 2 Karten und einem Situationsplan, Berlin 1882 (mit 
besonderer Berücksichtigung der Bauten). — Fb. Mie Quaestiones agonisticae Diss.j 
Rostock 1888. 

*90. Die Hellenen hatten keinen Feiertag, der unserem Sonntag oder 
dem Sabbath der Juden entsprochen hätte, dafür aber eine grosse Zahl 
von Festen, die zu bestimmten Zeiten begangen wurden. — Homer scheint 
noch keine regelmässig wiederkehrenden und periodisch gefeierten Feste 
zu kennen,^) bei Hesiod finden wir bereits den Glauben, dass es Glücks- 
und Unglückstage gebe, dass der siebente dem ApoUon heilig sei,^) der 
fünfte den chthonischen Gottheiten gehöre,^) und in der folgenden Zeit 
muss das ganze System der den verschiedenen Göttern geweihten Monats- 
tage ^) geschaffen und ausgebildet sein. Man wird für jeden bestimmte 
Opfertage festgesetzt haben, und daraus haben sich dann allmählich 
und in immer grösserer Zahl die periodischen Feste entwickelt. Wie 
es bei der Eigenart und dem Partikularismus der Staaten und Städte in 
Griechenland, der sich auf religiösem Gebiet nicht am wenigsten geltend 
machte, nicht anders sein kann, finden wir auch in den Festen der ein- 
zelnen die mannigfachsten Unterschiede. Doch ein Band gab es, das die 
Hellenen auch hier vereinte, das sie fester zusammenschloss und sie sich 
ihrer Zusammengehörigkeit inniger bewusst werden Hess, als selbst eine 
dem gemeinsamen Vaterland die Vernichtung drohende Kriegsgefahr: die 
grossen Nationalfeste. 

100. Als Achilleus den gefallenen Freund bestattet, da weiss der 
tief Trauernde das Leichenbegängnis nicht würdiger zu feiern als durch 
Kampfspiele. ^) Am Wettrennen der Wagen, Faustkampf, Ringen, Lauf, 
Waffen wettkampf, Wurf einer schweren Metallkugel, Bogenschiessen, Speer- 
werfen erfreuen sich die Helden, und die leidenschaftliche Teilnahme an 
jedem einzelnen Wettspiel lässt das ganze Heer alles andere vergessen. 
Und als Alkinoos seinen schwermütigen Gast erheitern und ihm das Schönste 
zeigen will, was sein gottgesegnetes Volk aufzuweisen vermag, veranstaltet 
auch er Wettspiele.^) Im Lauf, Ringkampf, Springen Diskoswurf und 
Faustkampf zeigen die Jünglinge ihre Kraft und Gewandtheit. Nicht an- 
ders in der historischen Zeit. „Die Hellenen gedachten später eine grössere 
Streitmacht nach den Thermopylen zu senden, denn es war gerade um 
diese Zeit das Olympische Fest", sagt Herodot,') weit entfernt, das ge- 
fahrliche Säumen zu tadeln; und als die Zehntausend nach den fürchter- 
lichen Strapazen des Rückzuges zum ersten Mal wieder Boden betreten, 



*) Die einzige Spur davon wäre viel- 1 .Jahreszeit findet sich keine Andeutung. B 

leicht in der Erwähnung eines dem Apollon i 550 f. wird eine io^xri nicht erwähnt. Vgl. 

in Ithaka gefeierten Festes (v 1.56, vgl. q> \ darüber übrigens auch Döntzbr Rp. Cykl. 

258) zu finden. Doch scheint es zweifelhaft, i 12 u. 26; Köchly De gen. Catal. forma 15. 

ob wir hier wirklich eine jährlich oder auch ! ^) Erg. 770 f. 

monatlich wiederkehrende Feier anzunehmen i ^) Erg. 802 ff. 

haben; denn dass das Fest auf einen Neu- | ^) S. das Scholion zu Aristoph. Plut. 

mond fiel, ist nicht ausgemacht (s. Stengel , 1126, Nub. 616. Vgl. Ijobeck Agl. 430 ff. 

im Hermes XIX 304 ff., v. Wilamowitz Hom. Schoemann Gr. Altt.' II 441 flf. 

Unters. 54 f.. Stengel in der Wochenschrift I f») «/' 258 ff. 

f. klass. Philol. 1884 S. 1576 f.), und von , e) ^ 100 flf. 

einer andern Fixierung auf einen bestimmten ^ •) VII 206; vgl. VIII 26 und E. Cübtiüs 

Zeitpunkt oder auch nur eine bestimmte | Altt. u. Ggw. II 129 ff. 

Handbach der klaas. AUertumswiaseDschaft. V. 3. Abtlg. 9 



130 



A. Die griechischen KnltoBaltertllmer. 



wo die hellenische Sprache an ihr Ohr klingt, und sie ihrer Rettung sicher 
zu sein glauben, da wissen sie ihrer Freude keinen bessern Ausdruck zu 
geben und den Göttern nicht schöner zu danken, als indem sie Wettkämpfe 
veranstalten.*) „Die Gymnastik trat in den Dienst der Religion*, und 
das freudige Zurschaustellen und Aufbieten der Jugendkraft, des herrlichsten 
Geschenkes der Gottheit, war ein Opfer wie die Erstlingsgabe von den 
Früchten des Feldes, die Statue des Künstlers, die den Tempel als Weih- 
geschenk schmückte, oder der fromme Hymnos des Dichters. 2) Die Freude 
der Hellenen an den Eampfspielen ist also so alt, wie unsere Kunde von 
dem Volk, ja Homer kennt bereits alle später üblichen Arten des Wett- 
kampfes. Beschränkten sich die hippischen (äym'sg tnnixoi) auf das Rennen 
von Zweigespannen, weil jene Zeit weder Viergespann noch Reiter kannte, 
so finden wir unter den gymnischen Spielen {ayüvsg yvfivtxoi) sogar eines, 
das uns später nicht mehr begegnet: das iBogenschiessen. Doch von einem 
nationalen Fest, das aller Griechen Stämme froh vereinte, weiss Homer 
noch ebenso wenig wie von einem Kranz, der alle die Preise, welche der 
Reichste dem Sieger verleihen kann, an Wert unendlich übertriflft. — Die 
spätere Zeit bemühte sich, die Stiftung der grossen Nationalspiele bis in 
die sagenhafte Vorzeit hinaufzurücken, und früh genug ist sie sicherlich 
erfolgt. Pelops, Oxylos, Herakles werden als Stifter oder Erneuerer der 
olympischen Spiele genannt, dann seien sie wieder in Vergessenheit ge- 
raten, bis endlich auf Veranlassung des delphischen Orakels Iphitos, König 
von Elis, dem dabei Lykurgos von Sparta seine Unterstützung lieh, sie 
wieder eingeführt habe.^) Beide sollen es durchgesetzt haben, dass wäh- 
rend der Festzeit Gottesfrieden {dxexsigia) herrschte, und noch Pausanias sah 
in Olympia eine uralte eherne Scheibe, den sog. Diskos des Iphitos, auf 
der das Gebot des Gottesfriedens eingegraben war.-^) Seitdem sollen 
die olympischen Spiele alle vier Jahre regelmässig gefeiert worden 
sein.^) Doch einigermassen sicher wird der Boden erst später. Im Jahre 
776 soll der Eleier Koroibos einen Sieg im Wettlauf errungen haben, und 
von da an beginnt die Rechnung nach Olympiaden, wenn sie auch erst 
Jahrhunderte später durch Timaios zu allgemeiner Anerkennung gelangte.^) 
Seit dieser Zeit sollen Siegerverzeichnisse angelegt und regelmässig fort- 
geführt sein.^) Der Kranz soll auf Anordnung des delphischen Gottes zum 



«) Xen. Anab. IV 8, 26 flf. 

2) S. CüBTius a. a. 0. S. 131; Schoemann 
a.a.O. II 71. 

») Paus. V 4; Strabo VIII 344. Vgl. 
Krause Olympia S. 20 fF., Bötticheb Ol. S. 
78 flf. u. 8. w. 

*) V 20, 1. 

5) Paus. V 8, 2 f. 

«) Paus. V 8, 3; VIII 26, 3; Strabo VIII 
345 u. 8. w. 

^) Die Verzeicbnisse sind uns erhalten 
von Jul. Afrikanus bei Euseb. XQ^^- ^^y- 1 
p. 39 ff. (Die erste Bearbeitung v. J. Sca- 
liger De emendatione temporwn, Paris 1583, 
Genf K529. Thesaurus tenipp. Leyden 1600. 
Vgl. ScHEiBEL «/. iSculigeri oXvfATuddtoy ttra- 



yqnfffi, Berl. 1852.) Doch sind hier fast nur 
die Sieger im arädioy aufgeführt, nach denen 
die betr. Olympiade benannt wurde (Xen. 
Hell. 12. 1; 113, 1; Krause Olymp. 60 f.; 
CuBTius Altt. u. Ggw. II 149; Böttichbb Ol. 
S. 147, und im allg. Ideleb Uandb. der Chro- 
nologie). Dass sie für die ersten Jahrhun- 
derte keinen Anspruch auf historische Glaub- 
würdigkeit machen dürfen, ist selbstverständ- 
lich (vgl. Mahaffy im Journal of. Hellen. 
Stud. II 1882 S. 104 f., Bötticher a. a. 0. 
S. 87), aber auch für die spätere Zeit sind 
sie nicht durchaus zuverlässig. (S. Ditten- 
berqer in der Arch. Ztg. XXXV 1877 S. 37.) 
Ausserdem hat uns Pausanias in den EHaka 
viele Namen von Siegern überliefert, andere 



4. EultiiBEeiten. (§ 101.) 131 

ersten Mal in der siebenten Olympiade gegeben worden sein, und seitdem 
blieb der Agon ein axsipaviTrfi.^) 

101. In alter Zeit gehörte die Alpheiosebene, in der Olympia lag, 
den Pisaten, doch wurde sie ihnen schon früh von denEleiem abgenommen;^) 
endgiltig entschieden wurden die Kämpfe erst, als es den Eleiern mit Hilfe 
der Spartaner gelang, Pisa zu zerstören.^) Seitdem war Elis, wo der 
geweihte Ort lag, ein heiliges Land, oder sollte es wenigstens sein;*) nie- 
mand sollte es mit den Waflfen in der Hand betreten.'») Das war freilich 
nicht durchzusetzen, auch diese Fluren wurden wiederholt der Schauplatz 
von Kämpfen und wilder Verwüstung ;ß) anders aber war es in der Isqo- 
^r^via^ der Zeit, wo die heiligen Spiele stattfinden sollten."') Wenn sie 
herannahte, zogen die anovdofpoQoir, „die Friedensboten des Zeus'',^) zu allen 
Hellenen und verkündeten die exsxsiQia, wo jeder Waflfenlärm schweigen 
solle und Frieden herrschen, so weit die griechische Zunge erklinge. 
Schwere Geldbussen wurden dem Staat auferlegt, der sich etwa nicht fügte,-') 
zeitweilige Ausschliessung von den Spielen oder andere empfindliche Strafen, 
die zu verhängen die Eleier das unbestrittene Recht hatten, waren so 
gefürchtet, dass auch der Widerwillige sich fügte, ^^) und der Mächtige zur 
Busse bereit war, selbst wenn er eine Entschuldigung zu haben glaubte. ^^) 
Die (fTrovdoffOQot selbst waren vornehme Leute, sehr oft die Söhne der 
obersten Kultusbeamten in Olympia, der &€ox6Xoiy^^) lauter Eleier, ^ 5) die 
gewiss mit Gefolge reisten und überall würdiger Aufnahme gewiss waren. 
Sie überbrachten die Einladungen zum Fest, im Namen des olympischen 
Zeus mehr noch, als im Namen ihres Staates. Immer grösser ward der 
Ruhm der Spiele, und wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das Fest 
zuerst nur ein elisches war, dann allmählich ein peloponnesisches wurde, ^'*) 
so beteiligten sich doch schon im 7. Jahrhundert ^^) auch andere hellenische 
Staaten, und bald gab es keine Kolonie mehr, die nicht durch Entsendung 
von Wettkämpfern oder Theorien den Glanz der Feier zu erhöhen beitrug. 
Wie die Beteiligung wuchs, wurden dann allmählich dem Wettlauf, der 
ursprünglich das einzige Kampfspiel gewesen sein soll,*«) immer neue Agone 
hinzugefügt, >') und so dehnte sich die Gesamtfeier, die noch bis zur 77. Olym- 
piade (472) an einem Tage stattgefunden haben soll,^^) in Kurzem auf fünf 
Tage aus.^^) In der 14. Olympiade (724) soll zuerst der Doppellauf (rfiavAo^) 
eingeführt sein,^®) vier Jahre darauf der Dauerlauf {SoXixog),^^) in der 18. Ol. 

lernen wir aus den in Olympia gefundenen 
Inschriften kennen (veröffentlicht in der Arch. 
Ztg. von Jahrg. XXXIV (1876) an). 

*) Phlegon nfQi nov ^OXvfin. Franz ed. 
II p. 140. Vgl. Dion. Hai. I 71 ; Diod. IV 
14. Kbause Ol. 158 f. 

«) Straho VIII 355; Paus. VI 22, 2; vgl. 
Xen. Hell. III 2, 31 u. Mib a. a. 0. S. 7 ff. 

«y Paus. V 10, 2. 

*) Vgl. BöTTicHBE S. 83 ; Schoemamn Gr. 
A. n 51. 

6) Straho VIII 357; Polyb. IV 73. 

•) Paus. III 8, 2; V 20, 2; Xen. Hell. 
VII 4, 28 ff. 

») Vgl. Krause Ol. S. 41 ff. 

*) Vgl. Pind. Isthm. II 23. 



») Thuk. V 49. 

'0) Vgl. Paus. V 21, 3. 

") Vgl. Demosth. De falsa leg. § 335. 

'-') Arch. Ztg. XXXVI (1878) S. 176. 

»») Ol. Inschr. n. 14 Arch. Ztg. XXXV 
(1877) S. 55; Ephem. arch. 3486, 3487; Pind. 
Isthm. II 23. 

^^) Vgl. BöTTICHER Ol. S. 84. 

^^) Vgl. BöTTicnER Ol. S. 121. 
>o) Paus. V 8, 2. 
'') Vgl. CIA. II 978. 
>«) So Paus. V 9, 3. 
»») Pind. Ol. V 6 mit Schol. Krause 
Ol. S. 69. 

•''0) Paus. V 8, 3. 

2') Paus, ebenda; Dion. Hai. VH 72. 



132 A. Die griechischen Enltasaltertttmer. 

(708) kamen das Pentathlon und der Ringkampf {TiccXrj) dazu/) Ol. 23 
(688) der Faustkampf {nvyfii}), Ol. 25 (680) das Wettrennen der Vier- 
gespanne {iTTTtcov TsXemv dqofioq^ agfia, Ttd-Qinnov), Ol. 33 (648) das Wett- 
reiten {xäXrfi) und das Pankration.^ In der 37. Ol. (632) wurden zum ersten 
Mal Knaben zu den Wettkämpfen zugelassen und zwar zum Lauf und Ring- 
kampf, vier Jahre später auch zum Pentathlon; doch blieb es hier bei dem 
einen Mal, angeblich weil die lakonischen Knaben in diesem besondere Aus- 
dauer erfordernden Kampf den andern zu sehr überlegen waren ;^) dagegen 
wurde in der 41. Ol. (616) dauernd der Faustkampf der Knaben einge- 
führt. 3) Erst Ol. 145 (200) wurden Knaben auch zu dem schwierigen 
Pankration zugelassen.^) In der 65. Ol. (520) sah man zuerst den Wett- 
lauf der Männer in Waflfen (onXixmv Sgofiog).^) Später erfuhren nament- 
lich die hippischen Kämpfe vielfache Bereicherung, die mehr oder weniger 
Beifall fand. In der 93. Ol. (408) liefen zum ersten Mal Zweigespanne 
{aifV(aQig).^) Auch versuchte man Rennen mit Maultiergespannen (a7ri;t'i;) 
und Wettreiten auf Stuten {xdXnrj) einzuführen, doch hatte diese Neu- 
erung keinen langen Bestand.^) Ol. 99 (384) liefen zum ersten Mal 
Viergespanne noch nicht ausgewachsener Pferde {nciXcDv S^^ara), Ol. 128 
(268) auch Zweigespanne {(XvvcoQig ndXwv), Ol. 131 (256) endlich unaus- 
gewachsene Reitpferde {nwXog xtXi-g^). Ol. 96 (396) wurde auch ein Wett- 
kampf der Herolde und Trompeter eingeführt.^) Wer von den ersteren 
Sieger blieb, dem ward ausser dem Kranze die Ehre zu teil, die Namen 
der Sieger ausrufen zu dürfen.^) Das Fest war ein pentaeterisches, wurde 
also alle vier Jahre gefeiert, und zwar in der heissesten Sommer- 
zeit. Der Festmonat [ItQoimp'ia) begann entweder mit dem Neumond, 
welcher der Sommersonnenwende der nächste war, gleichgiltig ob vor- oder 
nachher fallend, oder der ihr folgte;^) die Feier des Festes selbst fiel 
in die Vollmondszeit, also in die zweite Hälfte des Juni oder in den 
Anfang des Juli. In mehr als einer Beziehung war der Hochsommer mit 
seiner brennenden Hitze gerade für eine solche Feier, wie sie in Olympia 
stattfand, ungeeignet, aber sei es nun, dass man ein uraltes heiliges Fest 
nicht verlegen wollte, sei es, dass die Länge der Tage für die Unbequem- 
lichkeiten entschädigte und sie ausglich, — man wollte es nicht anders 
haben und fühlte weder Sonnenglut noch Staub. ^) 

102. Olympia war ein heiliger Ort. Ständigen Aufenthalt hatten da- 
selbst nur die wenigen, welche mit dem Kultus des Zeus und der andern 
dort verehrten Götter dauernd zu thun hatten.*^) Die vornehmsten der 

^) Paus. a. a. 0. { ist im wahrscheinlich: Dittbnberoeb will dies 

2) Paus. V 9, 1. ■ aus Ol. Inschr. n. 261 Arch. Ztg. XXXVIl 

3) Paus. V 8, 3. Vgl. d. olynip. Inschr. ; (1879) S. 132 (vgl. die Inschr. S. 210) schlies- 
n. 50 Arch. Ztg. 1877. sen. G. Hirschfeld führt in der Ztschr. f. 

*) Paus. V 9, 1. Id. Österreich. (>yinnas. 1882 S. 491 fif. aus, 

'") Paus. V 8, 3. I dass es sich hier nicht um die olympischen 

*^) Paus. V 22, 1. I Spiele handle. So auch Mie Quaest agon. 

■) Vgl. Poll. IV 87 ff. Athen. X 7 p. S. 22 ff. Nero habe nur einmal gewaltsam 

415. Ol. Inschr. n. 337 in d. Arch. Ztg. i diese Neuerung durchgesetzt (Suet. Ner. 23). 

1H80 S. 54 u. u. 3()9 ebenda S. 105. Cic. ") Böckh Mondcykl. I IG, Bötticher a. 

ad fam. V 12. | a. 0. S. 78. Krause Ol. S. 69 f. 

Dass in der Kniserzeit auch musische '-*) Vgl. namentlich Lukians Anach. 

und scenische Agono üblich geworden sind, j ^") Vgl. Weniger Der Gottesdienst in 



4. Enlinszeiten. (§ 102—103.) 



133 



Kultusbeamten, die &fox6Xoi, deren drei alle vier Jahre für die Dauer der 
Zeit von einem Fest bis zum andern {fiercxexrjQov) erwählt wurden, und 
deren einer monatlich die Opfer zu besorgen hatte, ^) und die anoviofpoQoi 
wohnten jedenfalls in der Hauptstadt Elis und begaben sich nach Olympia 
nur, wenn ihr Amt sie dahin rief,^) ebenso wohl die andern Beamten, deren 
namentlich die Inschriften eine Reihe erwähnen,^) wenn auch einer der 
ficivzfig, einige e^rjp^Taf und viele Priester und niedere Kultusbeamte stets 
zur Stelle gewesen sein werden.*) — Der von einer Mauer umgebene ganz 
den Göttern geweihte Raum der Altis ^) war besonders heilig. Hier stand 
der Tempel des Zeus mit dem Bilde des Pheidias, das Heraion, das Pe- 
lopion, das Metroon, der riesige Zeusaltar mit seinem Aschenaufbau und 
eine Reihe anderer Altäre, an denen die allmonatlichen Opfer stattfanden;^) 
der Raum war erfüllt von den herrlichsten Bildwerken und Weihgeschenken, 
namentlich auch den Statuen der Sieger. Doch wie eine seltene Blume 
sorglich gepflegt wird, bis sie sich endlich zur kurzen Blüte entfaltet, so war 
eigentlich alle diese Pracht und Herrlichkeit, all dieser Götterdienst und all das 
zahlreiche Personal nur da, um an fünf Tagen innerhalb eines vierjährigen 
Zeitraums Göttern und Menschen ein Schauspiel zu bieten so grossartig 
und so edel zugleich, wie es in dieser Art nie seinesgleichen gehabt hat. 
,Wie das Quell wasser die Schätze des Erdbodens und das Gold die Güter 
des Reichtums" ') übertrifft, so überstrahlten die olympischen Festspiele 
alle andern.®) 

103. Betrachten wir jetzt zuerst kurz das ganze Personal und den 
Beamtenapparat, der mit den Vorbereitungen zu den Spielen und ihrer 
Leitung zu thun hatte {vi^evai, diauO-brai %ä ^OXvfima), — Die Vor- 
nehmsten darunter waren die ^EXXavoötxat,^) Es soll anfangs nur einen 
gegeben haben, ^o) dann zwei, später neun, zuletzt zehn, wahrscheinlich aus 
jeder Phyle einen.**) Es waren angesehene Bürger aus Elis, die sich auf 
der tegd oSog die Küste des Meeres entlang, unterwegs ein Opfer dar- 
bringend, von Elis nach Olympia begaben. Sie hatten die Kämpfer in die 
Listen {levxcofxa) einzutragen, sie zu prüfen, ihnen den Eid abzunehmen, 
auf strenge Beobachtung aller Kampfgesetze zu achten, die Preise zuzu- 
erkennen, den Kranz auf das Haupt des Glücklichen zu drücken und 
schliesslich dafür zu sorgen, dass die Statuen der Sieger mit den Unter- 
schriften in der vorschriftsmässigen Weise angefertigt und aufgestellt 
wurden.*^) Wahrscheinlich wurden für jede Olympiade neue Hellanodiken 



Olvnipia bei Vibchow u. v. Holtzendorff 
XIX Serie. Heft 443. Cübtius d. Altäre v. 
Olympia Abb. der Berl. Akad. d. Wiss. 1881 
S. 3flf 

') Paus. V 15, 5. 

*) Vgl. Arch. Ztg. XXXV (1877) S. 98. 

•) S. DiTTEivBERisBB Arch. Ztg. XXXVI 
(1878) S. 98 f., S. 178, 210. Arch. Ztg. 1880 

S. 58 f.. BöTTICHER Ol. S. 151 ff. 

*) Vgl. CuRTius Abb. der Berl. Akad. d. 
Wiss. 1881 S. 18, 28, 38. 

*) Paus. V 13 ff. BöTTICHER 161 ff. Vgl. 
Robert Olympische Glossen im Hermes XXIII 
424 ff. 



*) Paus. V 13 u. 14. Curtius-Adler 
Olympia u. Umgegend S. 35 ff. Curtius 
Abb. der Berl. Akad. d. Wiss. 1881 S. 3 ff. 

') CuRTiTJS Altt. u. Ggw. II 132. 

») Find. Ol. I Anf. Vgl. Krause Ol. 
S. 16 f. 

«) Paus. V 9, 4 f.; VI 3, 3. Krause Ol. 
S. 124 ff.; BöTTICHER S. 148 f. 

^®) Aristot. bei Harpokr. u. ' EXXayodixai. 

* ^) Vgl. ScHOEMAiTN a. a. 0. II 60 u. be- 
sonders H. Förster De HeUanodicis Olym- 
picis, Leipz. Diss. 1879. Mie a. a. 0. S. 15 f. 

'') Vgl. Luk. De imag. § 11. 



134 



A. Die griechischen Kultnsaliertümer. 



ernannt, die sich zehn Monate in Elis auf ihr schwieriges Amt vorzu- 
bereiten und mit allen Einzelheiten vertraut zu machen hatten. Eine 
Berufung gegen ihre Entscheidung konnte bei der ßovXrj erfolgen, die zwar 
nichts mehr redressieren, wohl aber ungerechte Hellanodiken verurteilen 
konnte.^) Ihnen zur Seite standen alvrat unter einem ciXvTccgxr^Q,*) die 
nach ihrer Anordnung etwaige Ungehörigkeiten verhindern oder bestrafen 
mussten, also eine Art niederer Polizeibeamten waren. Daneben waren 
Herolde, Flötenbläser {avXrjtaiy anoviavXai),^) ein fidysigog,^) ein fvAfil^, 
der das Holz zu den Opfern zu besorgen hatte, *'^) und viele andere Per- 
sonen mit der oder jener Obliegenheit betraut. 

104. Versuchen wir uns nun das Bild einer olympischen Fest- 
feier vor Augen zu führen. 

Gewiss schon geraume Zeit vor dem Beginn des Festes mussten 
alle, die mit den Vorbereitungen zu den Spielen zu schaffen hatten, an 
Ort und Stelle sein. Die Rennpferde bedurften der Pflege nach der oft 
weiten Reise, die sie zurückgelegt hatten, vielleicht auch der Vorübungen 
auf dem noch unbekannten Terrain, die Kämpfer selbst durften nicht erst 
im letzten Augenblick eintreffen, die grosse Menge der Verkäufer musste 
rechtzeitig ihre Buden aufschlagen und alles in Stand setzen. Die Fest- 
gesandtschaften {d^€0)Qiat) aus fernen Kolonieen und allen Städten Griechen- 
lands kamen an und überboten sich im Entfalten von Pracht und Pomp,^) 
und so wuchs die Menge täglich, bis endlich der von allen ersehnte Augen- 
blick herangekommen war. Am ersten Tage des Festes fanden noch keine 
Spiele statt. ^) Man brachte dem olympischen Zeus ein grosses Opfer 
{ßov&ima), daneben wurde auch der andern Götter und Altäre nicht ver- 
gessen, man begrüsste alte Freunde, bewunderte den aufs herrlichste ge- 
schmückten festlichen Ort, unterrichtete sich über die Agonisten und ihre 
mutmasslichen Leistungen. Hellanodiken und Kämpfer schwuren vor der 
Bildsäule des Zeus Horkios im Rathause, erstere, dass sie recht richten, 
letztere, dass sie sich jeder Unredlichkeit und jeder absichtlichen Verletzung 
des Gegners enthalten wollten, und dass sie während der letzten zehn 
Monate sich in der für Olympiakämpfer vorgeschriebenen Weise der Übungen 
beflissen hätten. Für Knaben leisteten ihre erwachsenen Angehörigen den 
Eid.^) Die Hellanodiken hatten sich zu überzeugen, dass nur freigeborene 
Hellenen,^) die nicht wegen daäßeia oder aus sonst einem Grunde^*^) aus- 
geschlossen waren, sich um die Ehre des Wettkampfs bewarben. Dann 
fand die Prüfung der Knaben und jungen Pferde statt. ^') Unter den väksioi 
Vnnoi durfte man so junge Pferde laufen lassen, wie man wollte, ^^) ebenso, 



») Paus. VI 3, 3. 

*) Luk. Hermot. 40. 

■') Arch. Ztg. 1878 S. 178. 

*) Ebenda. Vgl. n. 110 u. öfter. S. 
auch Arch. Ztg. 1880 S. 57 ff. u. Schubart 
in d. Jahrb. f. Phil. 1883 S. 480 f. 

^) Paus. V 13, 2. 

«) Thuk. V 16. Vgl. Cic Tusc. V 3 § 9. 

") Vgl. hier wie überhaupt für das Fol- 
gende IIoLWERDA in der Arch. Ztg. 1880 S. 
lt)9 ff. S. auch MiE a. a. 0. S. 32 ff. 



*) Paus. V 24 2. 

«) Dion." Hai. Vll 6; Herod. V 22. 

'") Thuk. V 49 f. Xen. Hell. III 2, 21. 
Paus. VI 2, 1. Plut. Theni. 25. 

") Vielleicht wurden an diesem Tage 
auch die Lose gezogen, welche die Kämpfer- 
paare oder -gruppen und die Schranken für 
die Gespanne oder den Platz der Rennpferde 
bestimmten (Bötticher Ol. S. 128 f.). 

»*) Vgl. Paus. VI 2, 1. 



4. Eultuszeiten. (§ 104.) 135 

wie es Knaben und Jünglingen nicht verwehrt wurde, mit Männern zu 
kämpfen, wenn sie und die Richter überzeugt waren, dass sie stark genug 
dazu seien J) Für die Knaben war überhaupt keine bestimmte Altersgrenze 
vorgeschrieben. Agesilaos setzte es durch, dass Eualkes trotz seiner Grösse 
noch unter den Knaben laufen durfte, wo er natürlich mehr Aussicht auf 
den Sieg hatte, ^) und der Messenier Damiskos siegte als Zwölfjähriger.^) 
— Am nächsten Tage begannen die Wettkämpfe, und zwar die der Knaben.*) 
Wie wir gesehen haben, beschränkten sie sich bis zum Jahre 200 auf 
Wettlauf, Ringen und Faustkampf. — Ein noch gesteigertes Interesse 
nahmen die Kämpfe des dritten Tages in Anspruch, wo die Erwachsenen 
ihre Kräfte massen. Mit dem ersten Sonnenstrahl begaben sich die Hella- 
nodiken, mit Purpurgewändern bekleidet, die Herolde und die Kämpfer, 
diese nackt ^) und mit Öl gesalbt, durch den verdeckten Eingang, welcher 
die Altis mit dem Stadion verband,^) in die Rennbahn, wo der Wettlauf ^) 
stattfinden sollte. Auf breiten, durch Pfosten von einander getrennten Stein- 
platten, deren sich zwanzig an jedem Ende der Bahn befanden, nahmen 
die Läufer den Platz ein, den ihnen das Loos angewiesen hatte. ^) Man 
begann mit dem Dauerlauf {dohxog). Wahrscheinlich musste die 192 Meter 
lange Bahn*) 24mal zurückgelegt werden.^®) Die Angaben, welche von 
7mal 20 oder 24 Stadien sprechen, ^^) sind aus verschiedenen Gründen un- 
glaublich. Einer der berühmtesten dohxodqoiioi, war der Lakedaimonier 
Ladas.^^j Darnach kam der einfache Wettlauf {axadi^ov) an die Reihe. 
Wie er der älteste und ursprünglich einzige Kampf gewesen sein soll, so 
musste der Sieg hierin auch später besonders ehrenvoll bleiben schon dess- 
halb, weil nach dem Sieger die Olympiade benannt wurde. Das Stadion 
wurde nur einmal durchmessen, aber man lief in tiefem Sande, wo der 
flüchtige Fuss nicht Halt und Widerstand fand.^^) Die Läufer wurden durchs 
Los in Gruppen zu vier geteilt,**) die jedesmaligen Sieger stritten dann 
wieder unter einander. Heftiges Schwingen der Arme begleitete die wind- 
schnellen Bewegungen der Beine. *^) Der Argeier Dandes war einer der ge- 
feiertsten axadiodqoiioi^^^) sonst zeichneten sich namentlich die Krotoniaten 
in dieser Kampfart aus. » ') Dann schritt man zu dem Doppellauf [d(avXoq), * ») 
Hier war die Bahn zweimal, hin und zurück, zu durchmessen. Waren diese 
Kämpfe beendigt, begann der Ringkampf (ndkrj).^^) Zwei Arten waren 



*) Paus. VI 14, 1. 

2) PlutAges. 13.' Xen HeU. IV 1, 40. 

») Paus. VI 2, 5. 

^) PJut Quaest. symp. II 5, 1. 

^) Bis 716 sollen die Wettläufer mit 
einem Schurz bekleidet gewesen sein Paus. 
I 14, 1. Vgl. Thuk. I 6. Krause Ol. S. 
339 ff. 

*) CuBTius- Adler Ol. u. ümg. S. 31. G. 
UiBSCHFELD Ztschr. f. d. österr. Gymnas. 1882 
S. 499 ff. 

') Krause Hellenika Agon. I 337 ff. 



&q6(iov bei Darembero Dict. 1 1644 Fig. 2230. 
'») Vgl. Krause Hell. I 360 f. 
»') Schol. zu Soph. El. 686. Suid. u. 

^«) Paus. II 19, 6; III 21, 1. 
'») Luk. Anach. 27 p. 909. 
**) Paus. VI 13 2. 

»^) Krause Hell, f 367 ff. S. d. Abbil- 
dung bei BöTTicHER S. 90. Vgl. S. 225. 
'«) Diod. XI 53 p. 443. 
»') Strabo VI 262. 
»«) Paus. VI 13, 2, vgl. V 17. 3; Schol. 



") BöTTicHER S. 223 ff. Vgl. Hauser | Aristoph. Av. 292. Vgl. auch Hauser Jahrb. 

Jahrb. des D. Arch. Inst. II 1887 S. 103 f. i d. D. Arch. Inst. II 106. 

») 600 olympische Fuss, der Fuss = j '») Krause Hell. I 423 ff. Abbildung 

0,3204 Meter. Curtius-Adler a. a. 0. S. 30. Taf. V Fig. 6a und 6b; auch bei Baumeister 

BÖTTICHER S. 225 f. Abbildung von ^ohxo- Denkm. S. 1435 Fig. 1589. 



136 ^' ^^® griechischen Ealtasaltertümer 

üblich: entweder musste der Gegner dreimal zu Boden geworfen werden 
(rgid^sir), oder man setzte auf der Erde liegend den Kampf so lange fort, 
bis der eine der beiden Ringer sich durch Ausstrecken der Hand für be- 
siegt erklärte {äTtayoQeven^, Die zweite Art wurde in Olympia beim Pan- 
kration angewendet. Bei der ersten kam es auf Körperkraft vielleicht 
weniger an als auf Gewandtheit. Gelang es dem einen seinen Gegner zu 
umfassen, so war der entschieden Stärkere ja im Vorteil, und von dem 
berühmtesten Ringer des Altertums, dem Krotoniaten Milon, der sechsmal 
zu Olympia siegte, *) wird berichtet, dass er seinen Gegner durch sein Körper- 
gewicht zu Boden zu drücken pflegte; aber um den siebenten Kranz brachte 
ihn sein Mitbürger Timasitheos, der dem Gefürchteten so geschickt auszu- 
weichen verstand, dass er ihn überhaupt nicht umschlingen konnte. 
Plötzliches Wegziehen des Beines oder ein schneller Sprung in den 
Rücken waren besonders geübte Kunstgriffe, um den Gegner zu Fall zu 
bringen. Natürlich währte solch ein Kampf oft sehr lange.*) Nach den 
Ringern traten die Faustkämpfer auf {^vyfiri),^) Es war der grau- 
samste und gefährlichste Kampf, verschönt und veredelt aber auch durch 
die Art, wie ihn der vollendete Meister betrieb. Hände und Unterarm 
wurden mit Riemen umwunden, die bisweilen noch mit Buckeln aus Blei 
besetzt waren. ^) Beide Arme gebrauchte man gleichmässig zum Schlagen 
und zum Parieren. Verstümmelungen gehörten nicht zu den Seltenheiten, 
und auch Todschläge kamen vor.^) Doch war es der höchste Ruhm, weder 
einen Schlag empfangen noch ausgeteilt zu haben und durch beständiges 
geschicktes Parieren den Gegner so zu ermüden, dass er sich für besiegt 
erklären musste.^) Zu den berühmtesten Faustkämpfern gehörte der 
Rhodier Diagoras.'') Den Schluss der Kämpfe bildete das nayxQccTiov^ 
welches für die schwierigste Leistung galt.®) Es ivar eine Vereinigung 
von Ring- und Faustkampf, ^) und nur die stärksten Männer durften es 
wagen, darin aufzutreten. ^<^) Gewandtheit, Schnelligkeit und List konnten 
wohl aber auch dem Schwächeren einmal zum Siege verhelfen. ^ >) Da hier 
auch das Würgen des zu Boden geworfenen Gegners gestattet war, war 
selbst ein tödlicher Ausgang nicht ausgeschlossen.^^) Zu diesen gefährlichen 
Kämpfen werden sich niemals viele Bewerber gemeldet haben, und nur bei 
ihnen wird es vorgekommen sein, dass ein bekannter und gefürch teter 
Kämpe, dem niemand sich entgegenzustellen wagte, den Sieg axovixC (ohne 
sich staubig zu machen) errang. In der 218. Olympiade hatten sich zwei 
zum Faustkampf gemeldet, von denen der eine aber zu spät eintraf, so 



») Paus. VI 14, 2. 

2) Schol. Find. Nem. VII 106 B. 

3) Krause Hell. I 497 ff. Abbildung 
8. Taf. V Fig. 4; auch bei Baumeister Denkm. 
S. 524 n. 5G5, 566. 

*) Abbildungen dieser caestus bei Böt- 



«) Dio Chrysost. Orat. XXIX 12 p. 541. 
Paus. VI 12, 3. 

') Find. Ol. VII 15 ff. 

») Paus. VI 15, 3. Krause Hell. I 534 ff. 

^) Doch blieben die Hände hier unbe- 
wehrt. Abbildung bei Darembero u. Saglio 



TiCHER S. 99. 8. auch Hülsen in d. Mitt. ; Dict. I 520. 

des Inst. Rom. Abt. IV 1889 R. 175 f. Vgl. »«) Paus. VI6, 2; 11, 2. Vgl. Demosth. 

Schol. Plato Rep. I p. 397. g. Meid. § 71 p. 537. 

*) Ail. Var. bist. X 19. Plato Gorg. 71 »') Find. Tsthm. 111 63 ff.; Philostr. Imag. 

p. 51(;, Protag. 80 p. 342. Paus. VHI 40, II 6; Plato Leg. VII p. 795. 

3; Schol. Find. Ol. V 34 B. , >0 Paus. VHI 40, 2. 



4. Eultiuizeiten. (§ 105.) 137 

dass sein Antagonist den Sieg ohne Kampf erwarb. >) Die berühmtesten Pan- 
kratiasten waren Theagenes aus Thasos und der Thessaler Pulydamas. Jener 
soll an verschiedenen Orten im ganzen vierzehnhundert Kränze errungen 
haben,^) in Olympia siegte er im Faustkampf und vier Jahre darauf im Pankra- 
tion.') Von seiner Stärke erzählte man Wunderdinge, und in seiner Heimat 
wurden ihm nach seinem Tode heroische Ehren erwiesen.^) Noch mehr 
Kraftstücke wurden von Pulydamas berichtet.'^) Ausgezeichnete Pankra- 
tiasten waren auch die Söhne des Rhodiers Diagoras, von denen der jüngste, 
Dorieus, in drei auf einander folgenden Olympiaden den Kranz erwarb.^) 
— So war der ganze Tag mit Kämpfen ausgefüllt, denn das Pankration 
dauerte, auch als die Wettspiele auf mehrere Tage verteilt waren, ^) zu- 
weilen bis in die Nacht hinein.^) Der Mond mag dann noch lange den 
xwfiog der glücklichen Sieger beleuchtet haben. 

105. Am vierten Tag erreichte das Fest seinen Höhepunkt. Er brachte 
die glänzenden hippischen Agone^) und den zweiten Teil der Männer- 
kämpfe. — An Pracht und Herrlichkeit übertraf alle andern Arten der 
InnodQOfxta das Rennen der Viergespanne. Man fuhr auf niedrigen, mit 
zwei, meist nur vierspeichigen, Rädern versehenen Wagen, die hinten offen 
waren, den homerischen Streitwagen ganz ähnlich. Die vier Pferde waren 
neben einander gespannt, die beiden äusseren zogen an Strängen, die an 
den vorderen Wagenbügeln befestigt waren, zwischen den beiden innen 
laufenden befand sich die Deichsel. ^^) Der Wagenlenker hielt die Zügel 
mit beiden Händen, in der einen ausserdem das xtvxqov oder die fidtm^y 
eine Rute mit vielen kurzen Peitschenschnüren. Wie lang die Rennbahn 
{iTtnodQOfxog) ^ *) war, wissen wir nicht, doch da sie zwölfmal in wildem Laufe 
durchmessen wurde, kann sie kaum länger als zwei Stadien '') gewesen 
sein. Die Pferde hatten dann immer 4V2 Kilometer zurückzulegen, und 
eine noch grössere Strecke hätte jedenfalls ihre Kräfte erschöpft und die 
Schnelligkeit beeinträchtigt. Die linke Langseite des Hippodroms vom Ab- 
lauf aus gerechnet wurde durch einen niedrigen sich lang hinstreckenden 
Hügel begrenzt; diesem parallel laufend war in einer Entfernung von weit 
über hundert Metern rechts ein Erdwall aufgeschüttet, etwas länger als 
der Hügelrücken. In Halbkreisform schlössen sich am Ende der Bahn 
beide zusammen. Hier befand sich in der Mitte ein Durchgang, dem Ab- 
lauf also gerade gegenüber. Nahebei erhob sich der sog. Taraxippos, einem 



3) Paus. VI 6, 2. 

*) Paus. VI 11. 3. 

'^) Paus. VI 5, 3 ff. 

«) Thuk. III 8; Paus. VI 7, 1. 

^) Vgl. Paus. V 9, 3. 

^) Ol. Inschrr. 147 u. 148 in der Arch. 



') Paus. V 21, 5. — Ein Sieg dxoytil 
konnte auch gewonnen werden, wenn der 
Gegner von einem vorher bestandenen andern 
Kampf so ermüdet war, dass er den zweiten 
nicht mehr wagen konnte, was selbst einem 
Theagenes passierte (Paus. VI 6, 2). Viel- 
leicht ist die strenge Strafn, die ihn traf, i Ztg. 1878 S. 91. 
dem Umstand zuzuschreiben, dass nun über- *) Krause Hellen. I 557 ff. 

baupt kein Pankration stattfinden konnte, I ^^) Abbildung bei Bötticheb S. 116. 

was dann begreiflichen Unwillen erregt haben , *0 Paus. VI 20 beschreibt den Hippo- 

mochte. Ol. Inschr. n. 87 Arch. Ztg. XXXV drom. Antike Schilderungen eines Wagen- 
(1877) S. 189 wird ein Faustkämpfer erwähnt, , rennens hauptsächlich 11. ¥• 362 ff.; Soph. 
der in Pytho axoyiri gesiegt habe, ebenso ' El. 700 ff. 



Paus. VI 7, 2. 

«) Paus. VI 11, 2. 



>2) Ol^-mp. Stadien, also 384 Meter. 



138 ^* ^10 grieohisohen EultiiBaltertümer. 

runden Altar ähnlich, vielleicht ein altes Grabmal. Oanz in seiner Nähe 
muss sich die eine Zielsäule (vvaaa) befunden haben, wo die Wagen um- 
bogen. Dieser gegenüber in der Längsaxe der Bahn befand sich die zweite 
vvaaa, geschmückt mit der Statue der Hippodameia, die im Begriff ist, 
den siegreichen Pelops zu bekränzen. Wer nach dem zwölften Durch- 
messen ^) der Bahn hier zuerst anlangte, war Sieger. Gegenüber dem die 
Bahn schliessenden Halbkreis befand sich die Ablaufstelle {äg>€(rtg). Damit 
kein Gespann von vornherein vor dem andern einen Vorsprung habe, hatte 
man eine kunstvolle Einrichtung getroffen, deren Erfinder Kleoitas war. 
Tansanias (VI, 20, 7) vergleicht die Vorrichtung mit dem Bug eines Schiffes. 
Vor der Stoa des Agnaptos, die den Eingang des Hippodroms architek- 
tonisch abschloss, befanden sich die Stände für die Wagen, und zwar so 
angeordnet, dass die Stoa die Grundlinie eines ungefähr gleichschenkligen 
Dreiecks bildete. Die Seiten waren über vierhundert Fuss lang, die linke 
etwas kürzer als die rechte, wahrscheinlich einen breiten Eingang offen 
lassend. In einem Winkel von etwa 60 Grad mögen die beiden Schenkel 
vorn, unweit der vvaaa mit der Statue der Hippodameia, zusammengelaufen 
sein. In der Mitte dieses so gebildeten Dreiecks befand sich ein Altar, der 
zu jedem Fest neu übertüncht wurde. Auf ihm lag ein eherner Adler, 
an der Spitze des Dreiecks schwebte ein Delphin. Beide waren durch eine 
Maschinerie in Verbindung gesetzt. Das Zeichen zum Beginn des Rennens 
wurde dadurch gegeben, dass der Delphin sich senkte, und der Adler auf 
dem Altar sich in die Luft erhob. An dem rechten Schenkel des Dreiecks 
befanden sich die Wagenstände, einer schräg hinter dem andern. Beim Beginn 
des Rennens wurden die Seile nacheinander heruntergelassen, vor dem hin- 
tersten Wagen zuerst. Befand sich dieser neben dem vor ihm stehenden, 
so fiel da das Seil, und so fort, bis im Verlauf weniger Sekunden alle 
Wagen in Bewegung waren. ^) Der Vorteil, den die weiter nach vorn 
stehenden Wagen deshalb hatten, weil sie zugleich weiter nach innen 
standen, und so der in der Mitte der Bahnbreite befindlichen vvaaa näher 
waren, wurde dadurch aufgewogen, dass der hintere Wagen schon in vollem 
Lauf war, wenn das Seil vor dem vorderen fiel, sich also schon im Schwung 
befand.^) Rasenden Laufes stürmten nun die Rosse dahin. Es kam vor 



Find. Ol. III 33 (35) mit Schol. Vgl. 
Ol. VI 75, Schol. zu Ol. II 83 und Pyth. V 27. 

-) Bildl. DarstclluDg rennender Vierge- 
spanne Taf. V Fig. 5; auch bei Schreiber 
Kulturhist. Atl. Taf. XX n. 10. 

') Vgl. Gr. V. LEmfDORFF Hippodromos. 
Einiges über Pferde und Rennen im Griech. 
Altt., Berl. 1876 S. 28 und Gühl u. Koner 
Leben der Gr. u. R , 5. Aufl. 1882 S. 14« flf. 



Wagen der rechten Reihe suchen und eine 
Schwenkung nach links machen müssen, um 
die erste vor der Spitze des Dreiecks liegende 
vt'oaa zu umfahren, während jene gerade- 
aus fuhren. Der erste Nachteil konnte viel- 
leicht dadurch beseitigt werden, dass man 
den linken Schenkel des Dreiecks vorschob, 
der zweite grössere blieb trotzdem bestehen. 
Zudem hätte Pausanias die ganze Vorrichtung 



Die Plätze der Gespanne an dem hnken 1 kaum mit einem doch sehr gleichmässig ge 



Schenkel des Dreiecks wären sonst ungleich 
ungünstiger gewesen. Diese Wagen hätten 
natürlich ebenso wie die andern von links 
nach rechts um die vordere yvcca herum- 



bauten Schiffsbug vergleichen können, wenn 
die Abweichung der beiden Schenkel, die 
dann den Winkel auch bedeutend vergrössem 
musste, eine so erhebliche war, wie wir es 



fahren müssen, hätten also nicht bloss einen in diesem Fall annehmen müssten. Wurden 

weiteren Weg gehabt, sondern auch gleich , die Wagen nur von der rechten Seite abge- 

beim Beginn des Rennens sich erst einen lassen, so fällt auch das Bedenken weg, dass 

Platz zwischen den bereits dahinstürmenden ein so langes Seil, wie es zwischen den bei- 



4. Eultuszeiten. (§ 105.) 139 

allem darauf an, möglichst kurz um die vvaaai umzubiegen. Das linke 
Pferd musste zurückgehalten und nahe herangedrängt werden, dem rechten 
Hess man die Zügel schiessen. Die richtige Leitung von vier neben einander 
gehenden Rossen erforderte ganz besondere Geschicklichkeit. Ein Wagen- 
lenker suchte dem andern natürlich den bei weitem günstigsten Platz un- 
mittelbar an der Zielsäule abzugewinnen, und so ist es denn kein Wunder, 
dass an diesen gefährlichen elfmal zu überwindenden Stellen, wo die Leiden- 
schaft manchen Lenker blind und alle rücksichtslos gegen die andern ge- 
macht haben wird, häufig Unglücksfalle vorkamen. — Die Zahl der kon- 
kurrierenden Gespanne war sehr gross, da nicht verschiedene Rennen statt- 
fanden, wie im Stadion, sondern alle auf einmal liefen. Dass die Sieger 
einzelner td^eiq hier noch einmal fuhren, ging wegen der völligen Er- 
schöpfung der edlen Tiere nicht an. Pindar (Pyth. V 46) preist einen 
Sieger, der in einem Rennen von 41 Wagen allein den seinigen glücklich 
durch alle Fährlichkeiten gesteuert habe. Wenn in Pytho so viele liefen, 
haben wir in Olympia wohl nicht weniger vorauszusetzen.^) Alkibiades 
schickte einmal sieben Viergespanne zugleich nach Olympia. Er erhielt 
nicht nur den Preis, sondern seine Wagen behaupteten auch den zweiten 
und dritten, 2) oder zweiten und vierten 3) Platz. ^) Neben diesem aufregend- 
sten und prächtigsten aller Kämpfe gab es dann eine Reihe anderer hip- 
pischer Agone. Wie sie aufeinander folgten, wissen wir nicht.*) Dass das 
Rennen mit Maultiergespannen, wie das Reiten auf Stuten nur einigemale 
stattfand, haben wir oben gesehen. Dauernd erhielt sich das Rennen mit 
dem Zweigespann ausgewachsener Pferde (avvfaQig tsXsiwv Tnnwv), das zum 
erstenmal 404 stattfand,®) ebenso das mit vier jungen Pferden {Ttoilwv 
aQfia), welches 380 eingeführt wurde, und das erst 264 aufgekommene 
Rennen mit einem Zweigespann junger Pferde. Die letzten beiden hatten 
die Bahn nur achtmal zu durchmessen.'') Früh schon war das Wettreiten 
(xäXrfvi, TfXeu»}) eingeführt worden (648), seit 256 auch auf noch nicht aus- 
gewachsenen Pferden. Einmal sah man auch Zehngespanne junger Pferde 
in Olympia laufen; der Kaiser Nero wollte auch hierin der Welt ein noch 



dichterische Übertreibung nicht zu denken. 
Dreiecks der Grundlinie zunächst angenom- Da die zweirädrigen Wagen sehr kurz waren, 

hatten 30 etwa auf der über 400 Fuss langen 
linken Seite Platz; zudem hindert nichts, an- 
zunehmen, dass in demselben Oikema zwei 
Wagen neben einander stehen konnten. 

») Eurip. bei Plnt. Alk. 11. 

3) Thuk. VI IG. 

*) Flut. Alk. 11. — Preise haben diese 
sicherlich nicht erhalten, aber dass auch 
sonst des zweiten ehrenvoll erwähnt wurde, 
ersehen wir auch aus anderen Stellen (z. B. 
Herod. VI 122; vgl. Bötticher S. 126). 

^) Vielleicht gingen die Rennen der 



den hintersten Ständen an den Schenkeln des 



men werden müsste — zudem noch schräg 
gespannt — unmögUch mit Sicherheit von 
zwei Leutjn (Paus. a. a. 0.) hätte gehand- 
habt werden können (L£Hin)0RFF S. 29). Lehn- 
DOBFF (S. 32) vermutet, dass die Schuppen 
am linken kurzem Schenkel des Dreiecks 
sog. Eühlställe gewesen sind, wo die erhitz- 
ten Pferde sogleich eingestellt und abgerieben 
werden konnten. Pausanias, der die Wagen 
auch links ablaufen lässt, hat wohl nicht 
genaue Erkundigungen eingezogen und die 
im römischen Cirkus - wo der linke Schenkel 



des ganz stumpfwinkligen Dreiecks mit schrä- | ntoXot voran, wie die Kämpfe der Knaben. 



ger Grundlinie weit vorgeschoben war — 
fiblicbe Art des Rennens ohne weiteres auf 
Olympia übertragen. 

>) Lehndorfp S. 30 ff. hält so viele Ge- 
Bpamie für unmöglich. Zehn [Soph. El.] schei- 
nen ihm schon zu viel. Doch ist hier an 



Bei den Panathenaion war es so (CIA. II 
966). 

®) Paus. V 8, 3. 

') Schoi. zu Pind. Ol. III 33 u. Pvth, 
V 30 f. 



140 A. Die griechischen Ealtasaltertümer. 

nicht gesehenes Schauspiel bieten. -^ Den Sieg in den hippischen Spielen 
errang nicht der Wagenlenker oder der Reiter, sondern der Besitzer der 
Pferde. Lenkte oder ritt er sie selbst, so erhöhte das seinen Ruhm.*) 
Der Kranz war also eine Prämie für das Züchten edler Rosse, nicht für 
die Kunst der Führer. Als einst ein Reiter bald nach Beginn des Rennens 
abgeworfen wurde, das Pferd aber trotzdem das Rennen regelrecht fort- 
setzte und zuerst am Start erschien, erhielt der Besitzer den Preis. ^) So 
beteiligten sich denn auch reiche Damen an diesem vornehmsten Sport. 
Die erste, welche mit einem Viergespann in Olympia siegte, war Kyniska, 
die Schwester des Agesilaos,^) und es scheint, dass es nicht bei diesem einen 
Siege geblieben ist.^) Die Makedonierin Belestiche siegte mit einem Zwei- 
gespann junger Pferde,^) und von einem Denkmal, das sieben Mitglieder 
einer elischen Familie darstellte, die in Olympia Siege gewonnen hatten, 
gehören zwei der vier erhaltenen Namen Frauen an, welche avvwQidi ts- 
Xe((f und aQiiarir n(ohx(^ gesiegt hatten.') 

10(}. Auf die hippischen Spiele folgte der Fünfkampf (när^ad-Xor).^) 
Die Reihenfolge der fünf Einzelkämpfe war wahrscheinlich: Lauf, Diskos, 
Sprung, Speerwurf, Ringen.^) Die Kämpfer wurden in Gruppen geteilt, 
wahrscheinlich zu je drei; war die Gesamtzahl durch drei nicht teilbar, 
dann die übrigbleibenden zu zweien. Schnell hintereinander liefen die ein- 
zelnen rd^eic durch das atddiov^ und die Helianodiken konstatierten die 
Sieger. Darauf schritt die erste Abteilung zum Diskoswurf.*") Der Diskos 
war eine etwa zwei Kilogramm schwere, metallene Scheibe von Linsen- 
form. Es kam lediglich auf die Weite des Wurfs an, und geübte Kämpfer 
vermochten ihn über hundert Fuss weit zu schleudern. Vielleicht schon 
während die erste Abteilung sich hiermit beschäftigte, mass sich die zweite, 
von andern Kampfrichtern beaufsichtigt, im Sprung (SA/ia). 'i) Der Springer 
hatte die äXxT^Qsg in der Hand, steinerne oder metallene Schwungkolben, 
unseren Hanteln ähnlich, die, während des Anlaufs an die Brust gehalten, 
im Moment des Abspringens heftig nach vorn geschwungen dem Sprunge 
grössere Kraft und Sicherheit verliehen.*-) Der Krotoniate Phayllos, der 
berühmteste Springer des Altertums, soll so zu Pytho einen Sprung von 



») Sueton Nero 22 f. 

2) Ol. Inschr. n. 19 Arch. Ztg. 1876 
S. 138 ff. Vgl. Find. Ol. I 34; Isthm. I 15 ff. 

«) Paus. VI 13, 5 f. 

*) Paus. III 8, 1. 

^) Ol. Inschr. n. 301 Arch. Ztg. XXXVII 
1879 S. 151 flf. 

«j Paus. V 8. 3. 
^ •) Ol. Inschr. n. 346 Arch. Ztg. 1880 
S. 56 f. 

") PiNDER Über den Fünfkampf der 
Hellenen, Berlin 1867. Holwerda in der 
Arch. Ztg. 1881 S. 205 flf. Fedde Der F. 
der Hell. Progr. des Gymnas. St. Elisabet 



den Fünfkampf der Hellenen u. s. w. Leip- 
zig 1889. 

®) PiNDER S. 15 u. 115 f.^ vermutet: 
Sprung, Speer, Lauf, Diskos, Ringen, andere 
anders, s. Fedde S. 7 f. 

") Krause Hell. I 442 flf. Böttichkb 
Ol. S. 107 ff. mit AbbildgK. Fedde in d. Jahrb. 
der dts. Tumkunst Jahrg. 1886 S. 219 ff. u. 
S. 305 ff. Abbildungen Taf. V Fig. 3 a und 
3 b. S. auch Schkeiber Kulturhist. Atl. Taf. 
XX n. 5 u. Baumeister Denkm. S. 1003 
n. 1211. 

» ') Krause a. a. 0. I 383 ff. Bötticher 
Ol. 104 ff. 



Breslau 1888, dessen Darstellung ich mich '-) Marqüardt Über den Sprung der 

anschliessc. Die ältere Litt^ratur (nament- Alten mit den Halteren, Monatsschr. fQr 

lieh Krause Hell, l 476 ff.) findet man bei Tumwesen, Berlin II 3 S. 129 ff. Abbildung 

PiNDER u. Fedde erwähnt u. kurz besprochen. | von Springern Taf. V Fig. 2 und 3a. 

Nicht mehr benutzen konnte ich Fedde Über 1 



3. KnliiiBseiten. (§ l06.) 141 

55 Fuss Weite ausgeführt haben. ^) Waren mehr als zwei Abteilungen 
gebildet, so konnte die diitte gleichzeitig mit den ersten beiden, die mit 
dem Diskoswurf und Sprung beschäftigt waren, das Speerwerfen {dxm'- 
Tiov)*) vornehmen. Die dazu benutzte Waffe war kurz, dünn und leicht 
und mit einer langen Spitze versehen. Mit Sicherheit ist anzunehmen, 
dass es ein Zielwurf war.^) Jeder warf dreimal. Die kämpfenden Ab- 
teilungen konnten ihre Stände wechseln, und so gleichzeitig immer drei 
Tcc^eig, wie sie das Los zusammengeführt hatte, beschäftigt werden. Das 
bot den Vorteil der Zeitersparnis und den Zuschauern, die jetzt am dritten 
Tage, nachdem sie so viel gesehen, durch die Wiederholungen derselben 
Kämpfe sonst doch vielleicht ermüdet wären, ein mannigfaltigeres Bild. 
Jeder mochte dem Spiele zusehen, das ihn am meisten interessierte. Dann 
schritt man zum Ringkampf. Wieder bestimmte das Los die Paare. War 
die Zahl durch zwei teilbar, so rangen die Betreffenden miteinander; wie 
in allen vorhergehenden Kämpfen wurden die Sieger festgestellt, und dann 
die Siege der einzelnen in den verschiedenen Kampfarten zusammengezählt. 
Wer die meisten errungen hatte, erhielt den Kranz. Da die Kampfarten 
ganz verschieden waren, und keiner in jeder Meister sein konnte, wird es 
höchst selten vorgekommen sein, dass einer in mehr als drei von den fünf 
Kämpfen Sieger blieb. Hatten zwei gleich viele Siege errungen, so ent- 
schied abermaliges Ringen zwischen ihnen endgültig. Komplizierter wurde 
die Sache, wenn die Zahl ungerade war, und so einer beim Ringen 
keinen Gegner fand. Es konnte dieser Fall ebensogut beim Pankration 
oder Faustkampf eintreten, doch da dort nur wenige Kämpfer aufzutreten 
pflegten, wird die Schwierigkeit in der Regel dadurch ihre einfache Lösung 
gefunden haben, dass der eine Sieger nun noch mit dem Übriggebliebenen 
zu kämpfen hatte. Unter allen Umständen war es also ein grosser Vor- 
teil, so ausgelost zu werden; man hatte in jedem Fall einen Kampf weniger 
zu bestehen, als der um den Kranz ringende Gegner. Der so vom Lose 
Begünstigte hiess ^tpsSgog,*) Wie aber nun, wenn viele Paare miteinander 
stritten, und viele Sieger aus diesen Kämpfen hervorgingen, wie es im 
Ringen beim Pentathlon stets der Fall sein musste? Und wie wenn wirk- 
lich zum Pankration oder zum Faustkampf sich eine grössere Zahl ge- 
meldet hatte? Sollten die aus den Paarkämpfen hervorgegangenen Sieger 
nun wieder miteinander kämpfen, und der Todmüde, der schliesslich alle 
anderen ' Gegner geworfen hatte, es dann noch mit dem ganz frischen 
Ephedros aufnehmen? Das wäre unbillig gewesen, und mit der Lösung, 
welche Holwerda gefunden, ist die Frage jetzt wohl entschieden: der 
Ephedros blieb nicht bis zuletzt unbeteiligt, es wurde vielmehr nach dem 
ersten Gange eine neue Losung zwischen den Siegern und dem Ephedros 
vorgenommen. Ein seltsamer Zufall hätte es sein müssen, wenn dann das Los 



') Anthol. graec. app. epigr. n. 297 II I weilen knieond geworfen wird (s. d. Abbil- 

S. 851 Jacobs. i düng bei Böttichkr S. 109), zeugt für den 

■'*) Krause a. a. 0. I 465 ff. Bötticher Zielwurf. 

Ol. S. 111 ff. Abbildung Taf. V Fig. 3a. ^ *) Luk. Hermot. 40 f. über die so^. 

•*) Für einen Weitwurf scheint Find, i Ephedria s. namentlich Holwerda in der 

Pyth. I 42 zu sprechen, s. aber Find. Ol. X Arch. Ztg. 1881 S. 171 f , auch Fehde Der 

71 und XIII 93. Auch dass der Speer bis- | Fünfkampf, Breslau 1888 S. 25 Aura. 



142 A. t^ie griechiBohen ^nltasaliertflnie]*. 

denselben Mann zum zweitenmal ausschiede) So bestand der Ephedros 
zwar immer einen Kampf weniger, als der niemals Ausgeloste, aber doch 
nicht mehrere. Wurde es einerseits mit Recht als eine Gunst des Schick- 
sals betrachtet, Ephedros zu werden, so war andrerseits die Ehre grösser, 
den Sieg zu erringen, ohne jemals ausgeschieden zu sein. Das heben die 
Inschriften der Sieger denn auch besonders hervor, 2) wie im umgekehrten 
Fall die Hellanodiken darauf hielten, dass der Sieger ausdrücklich bemerkte, 
er sei Ephedros gewesen. 3) 

Der letzte Kampfe) war der inkitciv Sgofiog^ ein Wettlauf voll- 
ständig gerüsteter Krieger, schon seit 520 geübt. '^) Es wurden hier keine 
Abteilungen gebildet, sondern alle Bewerber liefen auf einmal, wie beim 
Dauerlauf, wahrscheinlich aus demselben Grunde, aus dem es dort und 
bei den hippischen Kämpfen geschah: weil die Erschöpfung eine Wieder- 
holung des Kampfes zur Unmöglichkeit machte. Später trugen die Läutei 
nur noch den Schild. Die Bahn wurde wie beim Diaulos zweimal durch- 
messen.^) — Am Abend dieses Tages wird dann wie am vorhergehenden 
ein Festmahl der Sieger stattgefunden haben. Denn wenn auch die Namen 
noch nicht durch den Herold ausgerufen waren, so hatte doch schon jeder 
von ihnen aus der Hand eines Hellanodiken den Palmenzweig empfangen,') 
und nicht bloss ihre Freunde und Mitbürger mochten es sich zur Ehre 
anrechnen, sie zu bewirten. 

107. Der fünfte und letzte Tag brachte den glänzenden Abschluss 
des ganzen Festes. Schon lange hatten die Zweige des wilden Ölbaums 
(xoTH'o^), zum Kranze gebogen,^) auf dem ehernen Dreifuss, später auf dem 
kostbaren Tische dagelegen, den Kelotes, ein Schüler des Pheidias, aus 
Gold und Elfenbein gefertigt hatte;®) ein Knabe, dem noch beide Eltern 
lebten {dfi(fi&akt]g naig), hatte sie mit goldenem Messer von dem heiligen 
Baume geschnitten, den das Orakel einst selbst bezeichnet hatte; ^^') jetzt 
traten die Sieger davor, ein Hellanodike nahm den Kranz ^^) und drückte 
ihn auf die Stirn des Beneideten, und die weithin schallende Stimme des 
Herolds verkündete dem jauchzenden Griechenland den Namen seines stolzen 
Sohnes, des beglückten Vaters und des Staates, dem er angehörte. Das 
Leben konnte nichts Köstlicheres bieten, als diese Ehre und diesen Augen- 



') HoLWERDA meint, man hätte dem Be- ] Olymp. 1G8 f. 

treffenden von vornherein ein Los geben ■ *) xAcrcfo? Paus. V 7. 4; Ipyo? Ol. Tnachr. 

können, das mit einem Hachstaben bezeich- | Arch. Ztg. XXXV (1877) S. 55 etc. Rath- 

net war, der sich nochmals in der Urne be- i okbbr a. a. 0. S. 132. 
fand. Möglich ist das ja sicherlich gewesen. ") Paus. V 12, 3; 20, 1 f. 



2) n. 146—148 in der Arch. Ztg. 1878 
S. 90. 

3) Ol. Inschr. 28 Arch. Ztg. XXXIV 1876 
S. 223 ein Pankratiast. 

*) Artemid. I 63. Mie a. a. 0. S. 36 
bezweifelt diese Anordnung auf Grund von 
Paus. V 9 3. 

^) BöTTicHER Ol. S. 91 f. mit Abbildg. 
Vgl. auch Häuser Jahrb. des D. Arch. Inst. 
II 1887 S. 102 ff. Abbildung Taf. V Fig. 1. 

c) Aristoph. Av. 291 f. 

'J Plut. Quaest .synip. VlII 4, 1; Krause 



»«) Paus. V 13, 3. 

^^) Die Kränze waren wohl nicht alle 
gleich: Plut. tisqI ev&vfA. 13. Krause Ol. 
161 f. Hermann G. A. § 50 Anni. 23. - 
Mie a. a. 0. S. 30 f. will aus Paus. V 21, 
12 folgern, dass der Kranz sofort nach Be- 
endigung der betr. Kämpfe den daraus her- 
vorgegangenen Siegern gereicht sei. Schol. 
zu Pind. Ol. III 33 p. 97 B. sagt, dass alle 
Kränze an einem Tage ausgeteilt worden 
seien. 



4. KnltoBzeiteii. (§ lOl) 143 

blick, und als einst Diagoras an einem Tage zwei seiner Söhne im Schmuck 
des Ölkranzes sah, ward ihm begeistert zugerufen: „Stirb Diagoras, denn 
in den Himmel wirst Du nicht steigen/*) — Es war dem Sieger gestattet, sich 
als den Bürger eines fremden Staates ausrufen zu lassen. Welche Stadt hätte 
es sich nicht zur Ehre angerechnet, ihm das Bürgerrecht zu schenken, welche 
nicht alles aufgewandt, ihn zu belohnen ! ^) Die verleugnete Vaterstadt aber 
entehrte und bestrafte den Abtrünnigen wohl in der Regel.*) Nach der Preis- 
verteilung brachten die Sieger dem Olympischen Zeus ein Opfer dar, und 
auch von den zahlreichen andern Altären wird der himmelan steigende 
Rauch den Göttern das Dankesopfer der Sterblichen emporgetragen haben. 
Prozessionen, eine prächtiger als die andere, durchzogen den heiligen Ort, 
die Theoren suchten den Reichtum und die Macht ihres Staates durch 
glänzendes Auftreten nach Möglichkeit zur Schau zu stellen, und der reiche 
Alkibiades, welcher mit 28 Rennpferden erschienen war, wie selbst kein 
König vor oder nach ihm,^) lieh sich die kostbaren Gefässe und Schau- 
stücke der athenischen Gesandtschaft, um bei seinem Aufzug damit zu 
prunken.^) Dann folgte das Festmahl im Prytaneion, das die Eleier den 
Siegern gaben.'') Aber auch die Übrigen gingen nicht leer aus. Alkibiades 
bewirtete, als er mit seinen Viergespannen gesiegt hatte, die ganze an- 
wesende Menge,®) ebenso ein gewisser Leophron,^) und wenn so grossartige 
Freigebigkeit auch zu den Seltenheiten gehören musste, so blieb sicherlich 
auch der Ärmste nicht ohne eine Einladung zu einem Mahl, das die Gesandt- 
schaft oder ein reicher Bürger seiner Stadt ausrichtete.^^) Hymnen er- 
klangen zu Ehren der Götter ^0 und Siegeslieder zu Ehren der Helden des 
Festes. Pindar, Simonides, Euripides besangen ihren Ruhm, und vor Jahr- 
tausenden stand in goldenen Lettern geschrieben im Tempel der Athena 
zu Lindos das Lied, das uns heute noch entzückt, wie einst des Diagoras 
Mitbürger. ^2) — Dann trennte man sich, um zur Heimat zurückzukehren, 
oft genug, um wieder die Waffen zu ergreifen gegen einander, oder wie 
einst in dem denkwürdigen Jahre 480 gemeinsam gegen einen fremden 
Feind. Doch waren die folgenden Ereignisse auch noch so gewaltig, gingen 
die Wogen einer stürmischen Zeit auch hoch, den Ruhm des Siegers von 
Olympia spülte keine flüchtig hinweg. Im Triumph geleiteten ihn die 
Seinen nach Hause, auf einem von vier weissen Rossen gezogenen Wagen 
fuhr er ein in die Vaterstadt, ^^) die ihre Mauern niederriss, einem solchen 
Sieger gern diesen Weg eröffnend,^*) und Rom vermochte seine Triumpha- 
toren, die ihm die Welt bezwangen, nicht mehr zu ehren. ^•''') Im Tempel 
der Hauptgottheit ward der Kranz aufgehängt, das kostbarste Weih- 
geschenk. ^^) Dann ging es zum Siegesmahle, das die Stadt dem Gefeierten 



») Luk. Anach. 15. I »<>) Herod. VI 122; Diod. XIV 109. 

2) Plut. Pelop. 34. Cic. Tusc. I 4G. »') Vgl. Find. Ol. IX 1 und Schol. 

'^) Pau8. VI 18, 4. '•^) Find. Ol. VII. Vgl. das Schol. bei 

*) Paus. VI 13 1; 18, 4. Boeckh p. 157 f. 

^) Plut. Alk. 11. I '^) Diod.XIII82;vgl.Cas8.DioLXIII20. 

•) Andok. g. Alkib. 29 p. 126 B. I '*) Plut. Quaest. symp. II 5. 

^) Paus. V 15, 8. ^^) Cic. pro Flacco 13. 

») Plut. Alk. 12. 'ß) S. Aristoph. Plut. 1088 u. vgl. Xen. 

') Athen. I 3 p. 3. Hell. 111 4, 18. Aus Find. Ol. VIII 10, Ol. 



144 A. Die grieohischen EaltoBaliertflmdr. 

gab.^) Wieder erklangen die Siegeslieder, ^) und im engeren aber desto 
herzlicher teilnehmenden Kreise wiederholten sich die Ehrenbezeugungen 
von Olympia. Für alle Zeit aber wurden die Sieger im Prytanei^n ge- 
speist,^) erhielten die Proedrie bei Festspielen *) und andere Vergünstigungen.^) 
In Olympia selbst aber an heiliger Stätte durfte der Sieger zum Gedächtnis 
eine Statue errichten lassen, deren von den Hellanodiken kontrollierte 
Unterschrift seinen Ruhm den nachfolgenden Oeschlechtern meldete, aber 
erst dem, der dreimal gesiegt hatte, war es gestattet, sein Porträtstand- 
bild aufstellen zu lassen.^) Auch wer durch Zufall des Sieges verlustig 
gegangen war, durfte eine Statue weihen, wenn er auch den Kranz nicht 
erhielt.'') Besass ein Sieger nicht die Mittel dazu, so trat gewiss seine 
Stadt für ihn ein, ja sie wird es sich oft selbst als Ehre ausgebeten haben, 
das Bild stiften zu dürfen.^) Reichen Leuten, die mit dem Viergespann 
gesiegt hatten, ward es auch erlaubt, ein Bild des mit Rossen bespannten 
Wagens samt dem Wagenlenker in den Zeustempel oder ein anderes 
Heiligtum in Olympia als Weihgeschenk zu stiften,^) doch scheinen dies 
nur Miniaturbildnisse gewesen zu sein.^^) 

108. Aber nicht bloss um in den Kampfspielen aufzutreten oder ihnen 
zuzuschauen, zog man nach Olympia: das Zusammenströmen aller Hellenen 
zu dem Fest bot auch Gelehrten und Künstlern eine erwünschte Ge- 
legenheit, sich bekannt zu machen und Ruhm zu erwerben, ^i) Hier soll 
Herodot den begeisterten Zuhörern einen Teil seines Geschichtswerkes vor- 
getragen haben, ^^) Gorgias erwarb durch seine oratorischen Leistungen 
solchen Ruhm, dass später ein Angehöriger auch ihm eine Statue setzen 
durfte,'^) Lysias, Hippias, Prodikos und viele andere suchten und fanden 
hier Beifall, i^) der Maler Aetion stellte ein Gemälde aus, und Oinopides 
eine eherne Tafel mit astronomischen Berechnungen, ^ß) Auch politische 
Beratungen und Verhandlungen mögen in Olympia gepflogen sein, und 
wichtige staatliche Verträge wurden hier am besten zu allgemeiner Kenntnis 
gebracht. ^ ^) 

Verheirateten Frauen war der Besuch der olympischen Spiele bei 
Todesstrafe untersagt, ^^) mit einziger Ausnahme der Priesterin der Demeter 
Chamyne, die sogar einen besonderen Ehrenplatz hatte, ^^) Jungfrauen war 



IX Anf. u. Schol. p. 207 f. B., Boeckh expl. 
ad Ol. IV introd. folgt nicht, wie Miis will, 
dass die Kränze in Olympia selbst geweiht 



») Paus. VII, 2; Dittenbebgeb Syll. 287. 
»«) Paus. V 12, 5. Vgl. d. Ol. Inschr. n. 
301 Arch. Ztg. XXXVII 1879 S. 151 ff.; Paus. 



wurden. i VI 14, 1; Ol. Inschr. n. 390 Arch. Ztg. 1881 



») S. Krause Ol. S. 197. 

2) Schol. zu Find. Ol. IX 3. 

=^) Plato Apol. 30 E. Plut. Arist. 27. 



S 89 

»') Vgl. Krause Ol. S. 183 ff. 
'-') Luk. Herod. I p. 833. 



*) Xenophanes bei Athen. X G p. G14. ", '^) Arch. Ztg. XXXV (1877) S. 43. Vgl. 



•') In Athen z. B. verordnete ein Gesetz 
des Solon, dass jeder Olympionike 500 Drach- 
men erhalte, und damit scheint eine früher 
Übliche grössere Summe nur herabgesetzt zu 
sein (Flut. Sol. 23). 



Faus. VI 17 7. 

•*) Flut! Dec. erat. 3; Luk. Herod. 3 
p. 834. 

'') Luk. Herod. 4 f. p. 834 f. 
^®) Ail. Var. bist. X 7. 
*) Fun. bist. nat. XXXIV 4 p. IC. ' '•) Thuk. V* 18; Faus.'v 23, 3: Ol In- 

■) Ol. Inschr. n. 147 Arch. Ztg. 1878 ■ sehr, in d. Arch. Ztg. XXXIV 187G S. 128 f. 
S. 90 f. Im allg. vgl. Chr. Scherer De ■ '«) Faus. V G. 5. 

Olyuipioiiicarum Statuts, Oötting, Diss. 1885. ^^) Fauy. VI 20, G. Vgl. Ol. inschr. n. 

«; Vgl. Faus. VI 17, 2. , 30 Arch. Ztg. 187G S. 22G. 



4. SultoBzeiten. (§ 108-109.) 145 



ö 



die Teilnahme gestattet, doch werden ihrer niemals viele anwesend ge- 
wesen sein.^ 

Länger als ein Jahrtausend ist das Fest in Olympia gefeiert worden, 
893 verbot es der Kaiser Theodosius,^) 30 Jahre später liess Theodosius IL 
Feuer an den heidnischen Tempel legen, die Erdbeben von 522 und 551 
verwandelten den Ort, wo hellenisches Leben so voll und reich pulsiert 
hatte, wie nirgends sonst, in ein Trümmerfeld,^) und Jahrhunderte lang 
wälzten die Wogen des Alpheios Schlamm und Sand darüber, das schützende 
Leichentuch, das uns die Roste der einstigen Herrlichkeit erhalten hat. 

ß. Die Pythischen Spiele. 

Litteratur: Krause Die Pythien, Nemeen und Isthmien, Leipzig 1841 (Hellenika 
II 2). Weniger: Über die religiöse Seite der grossen Pythien, Breslau 1870, Über das Kol- 
legium der Thyaden, Eisenach 187(). A. Mommsen DelphicA 1878 S. 149 ff. Hermann Gott. 
Altt« § 49. ScHOBMANN Gr. Altt.8 II Ü5 ff. 

109. Das zweite Nationalfest, das dem olympischen an Ruhm und 
Ansehen zunächst stand, war das pythische. Es wurde in der krisäischen 
£bene am Fuss des Parnass gefeiert. Apollon selbst sollte es gestiftet 
haben, nachdem er, von dem Morde des Drachens gereinigt, lorbeerumkränzt 
wieder eingezogen war. Andere nannten Amphiktyon oder Diomedes, den 
Tydiden, als Begründer.^) Sicher ist, dass das Fest ein altes Apollonfest 
war, welches die Priesterschaft von Delphoi leitete, und dass an ihm ein 
musischer Agon stattfand, wo Kitharoden Paiane auf den Gott sangen.'*) 
Die Feier war ursprünglich ennaeterisch, aber nach der Zerstörung Krisas 
Ol. 48, 3 (586 V. Chr.)*^) wurde auch dies Fest alle vier Jahre begangen, 
und zwar in jedem dritten Olympiadenjahr') im Monat Bukatios*^) (d. h. 
der Stieropfer), der dem attischen Metageitnion entsprach,^) also etwa Mitte 
August. Von 586 an, wo die Amphiktyonen die Leitung übernahmen *«) 
und den Agon der Flötenspieler und gymnische Kämpfe hinzufügten,^^) 
werden dann auch die Pythiaden gezählt.*-) Schon die zweite Feier Ol. 
49, 3 (582) brachte grosse Veränderungen. Während der Agon bisher ein 
XQrilxaiiTYfi gewesen war, die Preise also in Wertgegenständen bestanden 
hatten, wurde er von da ab ein avetfavirrfiA^) Gleichzeitig wurden die 
Wettkämpfe durch Einführung der Viergespanne bereichert, und die kla- 
genden, zur Flöte gesungenen Lieder wieder abgeschafft. * Nach und nach 
fügte man wie in Olympia immer neue Wettspiele hinzu, und zwar 



') Vgl. ScHOEMANN a. 0. II 59; Krause | Gedichte in den zu Ehren Tn. Mommsen 's 

Ol. S. 56 f. herausgeg. philo). Abhandlgg. und im Lek- 

*) Cedren. bist. comp. 326 D. I tionsverzeichnis v. Marburg W. 1880/81 u. 

') Ausgrabungen v. Olymp., mit Abbil- ' S. 1887. S. auch v. Christ in d. Sitzungsber. 

düngen der Trümmerstätte; Exped. scientif. i der bayr. Akad. d. Wiss. 1888 S. 390 ff. 
en Maree. Auch Bötticher Ol. S. 33 u. 400 ') Diod. XV 60; Paus. X 7, 3. 

u. BücKiNO Monatsber. der Berl. Akad. d. I «) CIG. 1688. Köhler CIA. II p. 319. 



Wiss. 1881 S. 315 ff. 

*•) Vgl. Krause a. a. 0. S. 6 ff. Momm- 
sen Delph. S. 168 ff 



*^) Kirchhoff in d. Monatsber. der Berl. 
Akad. d. Wiss. 1864 S. 129 f. u. 135. Vgl. 
Krause a. a. 0. S. 30 ff. 
Strabo IX 421. Vgl. Paus. VIII 50, 3. i »^) Strabo a. a. 0. Mommsen Delph. S. 

«) S. BoECKH Find. II 2 p. 207. — Bbrgk I 166 ff. S. auch CIA. II 545. 
P. l.< S. 12 ff. tritt mit gewichtigen Gründen ^') Paus. X 7, 3. 

für Ol. 49, 3 (582) ein. Dagegen wieder ") S. Busolt Griech. Gesch. I 476, vgl. 

Leop. Schmidt Chronologie der Pindarischen | 492. v. Christ a. a. 0. 

Eandbach der klam. Altertuiutrwiasenacluift. V. 3. Abtlg. IQ 



146 



A. Die griecbischen KnltaBalierttbiidr. 



sowohl musische^) als gymnische und hippische. Kithärspiel ohne Gesang, 
der Waffenwettlauf, das Rennen mit dem Zweigespann ausgewachsener 
Hesse und andere Spiele wurden allmählich noch in das Programm auf- 
genommen, und höchst wahrscheinlich auch schon früh die ursprünglich 
auf einen Tag beschränkte Feier auf mehrere Tage ausgedehnt. Zur Zeit 
des Sophokles findet das Rennen bereits an einem den gymnischen Spielen 
folgenden Tage statt, ^) und diese selbst scheinen wieder am Tage nach den 
musischen vorgenommen zu sein. 3) Was die Feier von der olympischen 
wesentlich unterscheidet, ist die Übung der musischen Kämpfe. Au^h die 
imdfi^fig hatten an den Pythien von jeher eine ganz andere Bedeutung, 
als in Olympia, und in späterer Zeit stritten sogar Dichter und Logogra- 
phen um den Kranz.'*) Dazu kam der am ersten Tage des Festes vor- 
getragene vofiog llvd^ixog,^) und wenn das Interesse für diesen Teil der 
gebotenen Schauspiele vielleicht schon früh hinter anderen zurücktrat, so 
blieb er doch, fasst man die religiöse Bedeutung des Festes ins Auge, nicht 
bloss ein wichtiges Stück, sondern vielleicht der Mittelpunkt des Ganzen. 
Es war eine musikalische Aufführung, vielleicht von dem mimischen Spiel 
eines Künstlers begleitet, die durch kunstvollen Vortrag und wechselnde 
Rhythmen den Kampf Apollons mit dem Drachen in allen seinen Stadien 
zur Vorstellung bringen sollte.^) Die gymnischen Kämpfe unterscheiden 
sich von den olympischen namentlich dadurch, dass die Beteiligung der 
Knaben in Pytho eine grössere war. Sie traten auch im dohxog und 
diavXog auf, und das Pankration der Knaben wurde schon 144 Jahre 
früher als in Olympia eingeführt.') Auch dadurch, dass ihre Kämpfe nicht 
an einem besonderen Tage abgehalten wurden, sondern der betreffende 
Kampf der Männer immer dem der Knaben sogleich folgte,^) scheint diesen 
eine grössere Bedeutung zugestanden worden zu sein. Grossartiger noch 
als in Olympia ist wohl das Hauptopfer gewesen, das dem Apollon dar- 
gebracht wurde. ^) — Die Aufsicht hatten, wie gesagt, die Amphiktyonen. 
denen dabei ein €mjisXi]Ti]g^^) und i^LaariyoifOQoi^^) zur Seite standen. Die 
Erteilung des Preises erfolgte in derselben Weise wie zu Olympia: der 
Sieger erhielt einen Palmzweig ^2) und darnach den Lorbeerkranz. 1^) Ein 
Knabe, dessen Eltern noch lebten, schnitt die Zweige von einem Baum im 
Thal Tempe.^^) Der Sieger erhielt das Recht, eine Statue aufzustellen,*^) 
und entsprechend der grösseren Wertschätzung der rednerischen Leistungen 
in Pytho durfte der eitle und reiche Gorgias es wagen, zum Andenken an 



^) Diese fanden wie in Nemea in einem 
Theater statt (Luk. nQog x6r cinaid. § 9 p. 108), 
das Olympia nicht bcsass. 

«) El. 698 f. 

^) Plut. Quaest. symp. II 4. Philostr. 
Apoll. Tyan. VI 10 p. 238. 

*) Plut. Quaest. svmp. V 2. Krause a. 
a. 0. S. 4C u. 27 f. 

*) Strabo IX 421 f. ; Schol. zu Find. Pyth. 
Arg. p. 297B.: Poll. IV 79 fF. 

•) GuHRAUER Der pythische Nomos, 
Jahrb. f. Phil., Suppl. VIII 311 ff. K. v. Jan 
Verhandlgg. der 39. Philol. Versammig. zu 
Zürich 1888 S. 70 ff. Mommsen Delph. S. 



191 ff. Vgl. auch V. Jak Philol. XXXVIII 
S. 378 ff. GüHBAUBB Jahrb. f. Phil. 1880 
S. 703 ff. 

') Paus. X 7, 3. 

^) Plut. Quaest. symp. II 5, 1. 

») Vgl. Xen. Hell. VI 4, 29 f. 

'**) Plut. Quaest. symp. II 4, 2. Momm- 
SEN Delph. S. 167 nimmt mehrere an. 

'*j Luk. TtQog anaid. § 9 ff . 

^2) Plut. Quaest. symp. VIII 4, 1. 

^'A Paus. X 7, 4. 

'*) Schol. zu Pind. Pyth. Arg. p. 298 B. 

»5) Paus. X 9, 7; Arch. Ztg. 1873 S. 57. 



4. Knltuszeiten. (§ 110.) 



147 



seinen Erfolg ein vergoldetes Standbild an ausgezeichneter Stelle aufzu- 
richtend) Dass auch zu diesem Fest ganz Griechenland Theorien sandte, 
Prozessionen, Epinikien, Festmahle die Feier verherrlichten, bedarf kaum 
der Erwähnung.*) 

y. Die Isthmischen Spiele. 

Litteratur: Krause Hellenika II 2 S. 165 ff. Hermann G. A.- § 49. Schoemann 
Gr. AJt» II S. 68 ff. Unoer Die Isthmien und Hyak. im Philol. XXXVII (1877). S. 1 ff. 

110. Das dritte^) grosse Nationalspiel waren die Isthmien, die bei 
Scheines in der Nähe des Diolkos auf dem Isthmos von Korinth gefeiert 
wurden.^) Auch ihre Stiftung suchte man in die mythische Zeit hinauf- 
zurücken. Poseidon soll selbst die Feier zu Ehren des im Meere umgekom- 
menen Melikertes angeordnet,^) nach einer anderen Sage Theseus sie nach 
dem Morde des Sinis oder des Skiron eingesetzt haben. ^) Das Fest wurde 
trieterisch gefeiert,') wahrscheinlich im Frühling^) jedes zweiten und vierten 
Olympiadenjahres. Poseidon empfing das Hauptopfer, wie es scheint, vor 
der Abhaltung der Kampfspiele. ^) Die Korinthier hatten die Leitung der 
Spiele; doch wurden diese auch nach der Zerstörung der Stadt nicht aus- 
gesetzt, sondern von den Sikyoniern besorgt, bis das von Cäsar neu erbaute 
Korinth sie wieder übernehmen konnte. ^^) Den Athenern war die Proedrie 
bei der Festfeier zugestanden, wohl deshalb weil Theseus im allgemeinen für den 
Begründer galt,^*) während die Eleier überhaupt ausgeschlossen waren.**) 
Wie bei allen Nationalspielen ward auch vor den Isthmien Gottesfriede 
angekündigt.*^) Die Kampfspiele waren die üblichen gymnischen und hip- 
pischen. '*) Preiserteilungen in musischen Wettkämpfen lassen sich vor der 
Kaiserzeit mit Sicherheit nicht nachweisen, dann werden Kitharoden,*^) 
Dichter*^) und Sänger*') bekränzt. Wahrscheinlich haben die Spiele also 
auch mehrere Tage gedauert. Der Sieger erhielt wie überall Palmzweig *») 
und Kranz. *^) In alter Zeit soll es ein Fichtenkranz {nixvg) gewesen sein,*") 
Pindar kennt nur Eppichkränze («rtAirot'),**) und zwar soll man vertrock- 
neten Eppich genommen haben, *^) zur Erinnerung daran, dass die Spiele 
einst zu Ehren eines Verstorbenen gestiftet seien. Auch lange nach Pindar 



») S. Arch. Ztg. 1877 S. 46 f. 

«) Vgl. Krause a. a. 0. S. 3G ff.. S. 51 ff. 

») Bergk P. 1.* S. 18 n. 1 S. 20; Keil 
Schedae epigraph., Progr. v. Schulpforto 1855 
S. 4 f.; RoEBL IGA. 419. Ol. Inschr. Arch. 
Ztg. XXXV S. 189 u. 0. ScHROEDER in d. 
Ztschr. f. d. Gw. 1882 Jahresber. VIII 45. 

*) Strabo VIII 369. 

^) Schol. zu Pind. Isthm. Arg. p. 514 f. B. 

«) Schol. zu Pind. a. a. 0. Plut. Thes. 
25. CIG. 2374. Die Inschrift setzt die Grün- 
dung der Spiele 995 Jahre vor ihrer Abfas- 
sung an. Jedenfalls bestanden sie schon zu 
Solons Zeit: Plut Sol. 23; vgl. Diog. Laert. 
I 55 

'') Pind. Nem. VI 40. 

«) Unoer Philol. XXXVIl 3 ff. v. Christ 
Sitzungsber. der bayr. Akad. der Wiss. 1889 
^ 1 ff 

») Vgl. Xen. HeU. IV 5, 1. 



»«) Paus. II 2, 2. 

") Plut. Thes. 25. 

»'^) Paus. V 2, 3; VI 3, 4; IG, 2. 

") Paus. V 2, 1. Vgl. II 15, 1. 

*^) Pind. Isthmische ; Paus. VI 15, 3u.s. w. 

^*) Nero: Suoton Ner. 22 ff. Cass. Dio 
LXIII 21. Vgl. Luk. Ner. 3. 

'8) Plut. Quaest. symp. V 2, 10. 

'") CIG. 1212; vgl. 1719. 1720. 

'8) Plut. Quaest. symp. VIII 4, 1. 

^») S. Krause a. a. 0. S. 197 ff. 

20) Plut. Quaest. symp. V 3, 1; Schol. 
zu Apoll. Rhod. Arg. III 1240. Unger Philol, 
XXXVIl 9 f. 

•''') Neni. IV 88, Ol. XIII 31, Schol. zu 
Pind. Isthm. Arg. p. 514 B. Vgl. Schol. zu 
Ol. XIII 45. 

") Schol. zu Pind. Ol. XIII 45, III 27; 
zu Apoll. Rhod, III 1240. Vgl. aber Pind. 
Nem. IV 88 und Droysen im Hermes XIV 3. 

10* 



148 A. Die griechischen Eultasaltertümer. 

finden wir den Eppich, ^) doch wurde später die Fichte eingeführt, vielleicht 
erst in der Kaiserzeit. ^) 

(f. Die nemeischen Spiele. 

Litteratur: Krause Hell. II 2 S. 107 ff. Hermann G. A^% 49. Sohokmann Gr. 
Altt.» II S. 67 f. J. G. Dboysen im Hermes XIV 1 ff. 

111. Das vierte und letzte der grossen Nationalfeste waren die 
Nemeen. Sie wurden in dem Thal Nemea zwischen Kleonai und Phleius 
gefeiert.^) Eingesetzt sollen sie sein von den Sieben, die gegen Theben 
zogen, zu Ehren des Arcfaemoros, des kleinen Sohnes des Königs Lykurgos, 
der von einer Schlange getötet wurde, während seine Wärterin den dursten- 
den Helden den Weg zu einer Quelle wies.*) Nach andern Sagen soll 
Herakles die Spiele nach der Erlegung des nemeischen Löwen gestiftet, 
oder sie erneuert und dem Zeus geweiht haben. *'^) Zur Zeit Pindars wurden 
die Spiele zu Ehren des Zeus gefeiert.'') Die Leitung hatten anfangs die 
Kleonaier, doch bald riss sie das mächtigere Argos an sich. Vorüber- 
gehend besassen sie dann wiederum die Kleonaier, die auch Pindar (Nem. 
X 42) als ctyiovoK^eTai nennt, und noch Jahrhunderte später rivalisieren 
beide Staaten,') bis die Argeier dann endgültig das Vorrecht behaupten.^) 
Auch dies Fest war ein trieterisches.^) Die eine Feier fiel in das vierte 
Olympiadenjahr, ^^) und zwar in den Monat Pancmos, wie es saheint, in den 
Hochsommer; ^*) in welches Olympiadenjahr die andere fiel, wissen wir nicht 
sicher, ^=2) ja auch in welcher Jahreszeit sie stattfand, ist zweifelhaft. Man 
sollte annehmen, dass zu Wettkämpfen, wie sie dort geübt wurden, nur 
der Sommer geeignet war, Pausanias aber erwähnt an zwei Stellen ^^) 
Winternemeen {x^ijAeQivd)^ und eine sehr späte Inschrift ^*) scheint die An- 
gabe zu bestätigen. Man hat die Worte des Pausanias dahin zu erklären 
gesucht, dass er von einer Winterfeier spreche, die der Kaiser Hadrian 
neben den weiter bestehenden alten Nemeen in Argos eingerichtet habe,^-'^) 
doch hat auch diese Annahme gewichtigen Widerspruch gefunden. "'5) — 
Das Fest wurde in derselben Weise gefeiert wie die übrigen. Vor dem 
Beginn wurde der Qottesfriede geboten,*') die fremden Staaten schickten 
ihre Theorien,*®) Männer und Knaben traten in den üblichen gymnischen 

Diod. XVI p. 079; vgl. Plut. Quaest. ! '<>) Schoemann Proleg. zu Flut Ag, u. 



Klcom. p. XXXVIII ff.; Heinrichs in d. Zt- 
schr. f. d. Gw. IX 1855 S. 208 ff. Hermakn 
6. A. § 49 Anm. 17, wo auch die ältere 



sytnp. V 8, 2. 

*) Plut. Quaest. svmp. V 3, 1 ff. Luk. 
Anach. § 9 u. 16. Vgl. Plin. h. n. XV 10 
p. 36 u. CIG. 234. [ Litteratur. 

=*) Strabo VIII 377; Paus. II 15. ; »') Hermann Monatskunde S. 73. 

*) Apollod. III 6, 4. Schol. zu Find. ^^) Vgl. ausser den Anm. 10 angeführten 

Nem. Arg. p. 424 f. B. Pbeller Gr. Mytb.^ i Schriften Krause S. 119 ff. u. v. Christ in 
II 356 f. d. Sitzungsber. der bayr. Akad. d. Wiss. 1888 



B) Schol. zu Pind. Nem. Arg. p. 424 f. B. 
Das Marmor Par. setzt die Einführung 987 
Jahre vor seiner Abfassung an, also zwei 
Olympiaden später als die Isthmien (CIG. 
2374). 

8) Pind. Nem. IT 4 f. 

') Vgl. Plut. Arat. 28. 

8) Vgl. DissEN zu Pind. Nem. p. 381 f. 
bei Böckh; Krause a. a. 0. S. 108. 

^) Schol. zu Pind. Nem. Arg. p. 425 B. 



S. 390 ff. 

»•') n 15, 2; VI 16, 4. 

'*) CIG. 4472, vielleicht aus d. J. 214 p. 
Chr. s. Droysen Hermes XIV 6 f. 

»5) Unger im Philol. XXXIV 1875 S. 50 
ff. und XXXVII 524 ff. 

*") Droysen im Hermes XIV 1 ff. 

'') Pind. Nem. III 2. Vgl. Xen. Hell. 
IV 7, 2 f. 

'8) Demosth. g. Meid. § 115. 



4. EultaBzeiten. (§ 111-112.) 149 

Kämpfen auf,*) Alkibiades sandte auch hierhin seine Viergespanne,^) und 
besonderen Ruhm erntete, wer einen nemeischen Sieg zu Siegen fügte, die 
er in den andern drei Spielen errungen hatte, so dass er sich als negioSo- 
vUifi bezeichnen durfte.^) Interessant ist, dass schon zu Philopoimens Zeit 
ein Agon von Kitharoden stattfindet.'*) Der Sieger erhielt Palmzweig*'') 
und Eppichkranz {aäXivov),^) 

Zum Schluss mag noch erwähnt werden, dass alle vier grosse Fest- 
spiele in vielen Städten Griechenlands Nachahmung fanden und mit Agonen 
gefeiert wurden, vor allen die Olympien.') 

b. Die Feste der einzelnen Staaten. 

Littoratur: Hermann Gott. Ali« S. 281 ff. Schobmann Griech. Altt.'» II S. 439 ff. 
Adolf Schmidt Handbuch der griech. Chronologie ed. Fb. ROhl, Jena 1888 S. 264 ff. Für 
Athen A. Mommsen Heortologie, Leipzig 18G4. Über die Bedeutung der Feste L. Schmidt 
Ethik II 16 f., ihre Kostspieligkeit Böckh Staatshaush.'* I 265 ff. 

112. Fanden wir an den grossen Nationalfesten ganz Griechenland 
vereint und für den Augenblick sich in ein Ganzes fügend und darin auf- 
gehend, so zeigt sich wiederum die Zersplitterung und Sonderung der 
Staaten nirgends auffallender als in der Feier der Feste, die jeder für sich 
beging. Jede Stadt verehrte eine Gottheit vorzugsweise und vernachlässigte 
andere. In Athen z. B. trat Hera im Kultus völlig zurück, während sie 
in andern Städten wie in Argos die erste Stelle einnahm, ja Nebengott- 
heiten wie die Chariten, Asklepios, Eros wurden an bestimmten Orten 
am meisten verehrt.^) Schon dieser Umstand bedingte, dass auch jeder 
Staat seine besonderen Feste hatte. Es kam hinzu die Verschiedenheit der 
Zeitrechnung. Nicht alle Griechen rechneten den Jahresanfang von dem- 
selben Zeitpunkt an,^) die meisten hatten ihre besonderen Monatsnamen, 
und Neuerungen und Verbesserungen in der Chronologie fanden durchaus 
nicht allgemeine Annahme. 

Genauer unterrichtet sind wir nur über Athen, und auch hier weist 
die Überlieferung zahlreiche Lücken auf; für die andern Staaten haben 
namentlich die Inschriften manches Material geliefert, doch ist dies so 
fragmentarisch und so zufällig, dass eine systematische Behandlung ihrer 
Festkalender vorerst auf grosse Schwierigkeiten stösst. 

Allgemein nahm man ein Mondjahr von 354 Tagen an und brachte 
es mit dem Sonnenjahr dadurch in Übereinstimmung, dass man in be- 
stimmten Zeiträumen einen dreizehnten Monat einschaltete,^®) noch ehe die 



») Krause a. a. 0. S. 134 ff. 

*) Paus. I 22, (i. Vgl. Athen. XII 9 
p. 534 D. 

^) Doch kommt dieser Titel erst später 
vor: Athen. X p. 415 A; Cass. Dio LXIII, 8; 



^) Zusammenstellung der kleineren 01ym> 
pien bei Krause Olympia S. 202 ff.; der 
Pythien Hell. II 2 S. 53 ff., s. auch Preller 
Gr. Myth.-* I S. 267 f.; der Isthmien Krause 
Hell, n 2 S. 207 ff.; der Nemeen ebenda 



CIA. IV 6829 u. 8. w. Eine Sammlung von I S. 146 f. S. auch G. Hirschfeld Ztschr. f. 
Periodoniken bei Krause Ol. S. 402 ff. d. Österreich. Gymnas. 1882 S. 494 f. 



*) Plut. Philop. 11; Paus. VIII 50, 3. 

5) S. Krause a. a. 0. S. 143. 

«) Pind. Nem. VI 43 f. u. Schol. dazu. 



1 



*•) Vgl. Sam. Wide De sacris Troezeni- 
orum, Hermionensium, Epidauriorum. Up- 
sala 1888. 



Schol. zu Pind. Ol. XIII 45 p. 274 B. Plin. | ») Böckh Mondcyklen S. 29 ff., Schoe- 

Hist. nat. XIX 46 p. 158. Vielleicht sind | mann a. a. 0. S. 448 f. Ad. Schmidt a. a. 0. 

eine Zeitlang Eichenkränze gegeben worden S. 123 f. 

CIG. 234. Vgl. Droysen a. a. 0. S. 2. '®) Es kam aber auch vor, dass in dem- 



150 ^* ^i® griechischen Knltnsalteiiamer. 

Abweichung gar zu gross und fühlbar geworden war. Die Athener scheinen 
in jedem di'itten, sechsten und achten Jahre einen 3fvv€Qog IlocfiSeüiv hin- 
zugefügt zu haben, so dass in einer Periode von acht Jahren der Ausgleich 
stattfand, weshalb man dann diese Oktaeteris auch als ein grosses Jahr 
(luyag inavxoq) zu bezeichnen pflegte. Nach demselben Prinzip verfuhren 
auch die übrigen Griechen, wie die verbreitete und später allgemein übliche 
Rechnung nach Olympiaden und Pythiaden beweist, die beide eine halbe 
Oktaeteris ausmachten.^) Der Schaltmonat zählte 30, die übrigen 29 {xoiXoqn) 
oder 30 Tage. Sie begannen mit dem Neumond, und der ganze Monat wurde 
in drei Dekaden geteilt:*) lir.vog taxa(X6vov^ lAsaovvxog oder im däxa^ y^i- 
roiTog. Die 9 oder 10 Tage des letzten Drittels wurden rückwärts ge- 
zählt, der dsvvbQtt ^d^tvoiTog folgte die ft'ij xat vta, der letzte Monatstag. 
— Den Jahresanfang rechneten die Athener vom ersten Neumond nach 
der Sommersonnenwende. Der erste Monat, der also ungefähr unserem 
Juli entsprach, hiess Hekatombaion, der 2. Metageitnion (August), 3. Boe- 
dromion (September), 4. Pyanopsion (Oktober), 5. Maimakterion (November), 
6. Poseideon (Dezember), 7. Gamelion (Januar), 8. Anthesterion (Februar), 
9. Elaphebolion (März), 10. Munichion (April), 11. Thargelion (Mai), 12. Ski- 
rophorion (Juni). In anderen Staaten führten die entsprechenden Monate 
andere Namen, in Delphoi z. B. Apellaios, Bukatios, Boathoos, Heraios. 
Daidophorios, Poitropios, Amalios, Bysios, Theoxenios, Endyspoitropios, 
Herakleios, Iliaios.') Häufig finden wir dieselben Namen an andern Orten 
wieder, wie einen Thargelion in Delos, Paros, Ephesos und anderswo,^) 
doch bezeichnete dann der übereinstimmende Name durchaus nicht immer 
den gleichen Monat. ''^) Noch grösser werden die Abweichungen in den den 
einzelnen Gottheiten geweihten Tagen gewesen sein. In Athen z. B. soll 
der 3. 13. 15. und 28. jedes Monats der Athena gehört haben,^) was an 
andern Orten, wo sie weniger verehrt wurde, nicht anging, der siebente 
wiederum war nicht bloss in Athen dem ApoUon geweiht.^) Andrerseits 
werden auch dieselben Tage am nämlichen Orte als verschiedenen Gott- 
heiten heilig bezeichnet.^) — Sehr üblich war es, die Namen der Monate 
von den Hauptfesten, die in ihnen gefeiert wurden, zu entlehnen, wie in 
Athen den Skirophorion, Pyanopsion u. a. 

Wie wichtig den Griechen ihre Feste waren, und wie sie alles andere 

selben Jahr mehrere Monat« eingeschaltet 1 1885, 3 S. 407 ff. u. Daremberg Did I 825 ff. 

wurden. Vgl. Kirchhoff Monatsber. der ' *) Preller-Robert Griech. Myth. I 261 

Berl. Akad. 1859 S. 739 ff. = Anm. 2. Vgl. S. 263 Anm. 2 u. s. w. 

*) 432 stellte Meton in Athen einen neuen ^) Vgl. Schoemakn a. a. 0. II 448 f. 

19jähngen Cyklus auf, der aber erst später 'j Tzetz. zu Lykophr. 519, Prokl. zu Hes. 

eingeführt wurde. S. Ad. Schmidt a. a. 0. Erg. 778, Schol. zu IL B 38. 

S. 434 ff., 620 ff. ■) Prokl. zu Hes. Erg. 798; Plut. Quaest. 

') Ad. Schmidt a. a. 0. S. 148 ff. j ^p. VIII 1, 2; Diog. Laert. II 44. Vgl. 

^) Kirchhoff Monatsber. der Berl. Akad. Herod. VI 57. 

1864 S. 1:34. Vgl. Hermes XXI 176 ff. von I ») Schol. Aristoph. Plut 1127: Xagtci»^ 

Kos; Bull, de corr. hell. 1881. 25 v. Delos: rQinjy Nub. 616: eV cfc «ftrrt^^ ror nocet- 

Mitt. des Arch. Inst, zu Athen XIII (1888) ' dcuVa rtfuay. Vgl. Plut. Quaest rom. 25 und 

8. 307 f. V. Kyzikos und im allg. Bischoff mehr bei Schoemakn a. a. 0. II 441 f. Lobeck 

De fastis Graecorum antiquioribuSf Leipzig Agl. 430 ff. Preller-Robert Gr. M. I 391 

1884. über Solische u. dorische Kalender La- ' u. s. w. Vgl. ausser den angef. Stellen auch 

tyschew St. Petersburg 1883 (russisch). S. Theopomp. Frgm. 283; Demosth. PhiL Ip. 36; 

auch A. MoMMSEi« in Bursias^s Jahrcsber. CIG. 1034 u. s. w. 



4. Knltuszeiten. (§ 113.) 151 

darüber vergossen und versäumten, könnte uns in Erstaunen setzen. Die 
Spartaner schicken der Earneen wegen keine EUlfstruppe nach Marathon,^) 
eine durchaus ungenügende Streitmacht nach Thermopylai,^) und erscheinen 
im peloponnesischen Kriege aus demselben Grunde wiederholt nicht recht- 
zeitig auf dem Platze,-"^) Agesilaos entlässt die Amyklaier aus dem Lager, 
damit sie zu Hause die Hyakinthien feiern können,-^) und Demosthenes 
macht den Athenern die schwersten Vorwürfe, dass ihre Feldherren über 
Festen und Prozessionen das Lager und das Schlagen vergässen, und dass 
für die Panathenaien und grossen Dionysien mehr Geld aufgewandt würde, 
als für die Ausrüstung der Flotten.^) Mag zunehmende Vergnügungssucht 
namentlich in Athen ihr Teil hierzu beigetragen haben, ^) der alleinige Grund 
war sie nicht: wie die Götter auf Opfer und Erhaltung ihrer Tempelschätze 
Anspruch hatten, so verlangten sie auch eine würdige Begehung ihrer 
Feste. Die Athener thun sich etwas zu gute darauf, dass sie die meisten 
Feste feierten und die frömmsten von allen Hellenen seien. ^) Nur an einem 
Tage des Jahres soll man in der Stadt keine Opfer dargebracht haben, ^) 
und jeder sechste Tag soll ein Festtag gewesen sein.'-*) — Nicht jeder Fest- 
tag war gleich heilig und vornehm. Nur an den hohen waren Gerichts- 
sitzungen, Volksversammlungen und überhaupt öffentliche Arbeiten und 
Geschäfte untersagt, ^^^) und nur für die Eleusinien, wo zahlreicher Besuch 
von auswärts zu erwarten war, wurde eine längere Ekecheirie (von 7 — 8 
Wochen) verkündet. ^^ 

a. Athenische Feste. 

113. Das erste am Anfang des Jahres auf den ersten oder siebenten 
Hekatombaion fallende Fest galt dem Apollon.*^) Man hatte die längsten 
Tage, die Sonne beschrieb die grössten Kreise, und so wird man des Sonnen- 
gottes zuerst gedacht haben. ^3) 

Das nächste Fest, auf den 12. fallend, ^^) waren die Kronien {Kqovio),^^) 
Kekrops soll es gestiftet haben. ^^) Es scheinen an ihm nur unblutige 
Opfer dargebracht zu sein, denn ein diqixaxixiv wird nicht erwähnt,*^) und 
an Holokausta zu denken, liegt kein Grund vor, wogegen die Analogie mit 
dem Kult des Zeus Hypatos, den auch Kekrops gestiftet haben soU,*^) und 
der blutige Opfer ausschloss,^^) nahe genug liegt. 2®) 



») Herod. VI 106. 

-) Herod. VII 206. 

3) Thuk. V 54 u 75. 

*) Xen. Hell. IV 5, 41. 

*) Demostb. 1 Olynth. 20; vgl. 1 Phil. 
26 u. 35; Flut. De glor. Athen. 6. 

^) Vgl. Isokr. Areop. 11. 

') Perikles bei Thuk. II 38. Vgl. Xen. 
Staat der Ath. III 8. III 2; Plato Alk. II 
p. 148 a; Lyk. in Leokr. 15; Paus. I 24, 3; 
Act. apost. XVII 22. 

«) Schol. zu Thuk. II 38. 

^) Schol. Aristoph. Vesp. 663. Beides 
ist glaublich. Die Zahl der Festtage ^ilrde \ ^«) Paus. VIII 2, 3. 

den unsrigen etwa gleichkommen. | ^'^) Paus. I 26, 5. 

»0) Ad. Schmidt a. a. 0. 263 f. S. 371 flf. , »«) Vgl. Mommsen Heort. 110. 



MoMMSEN Heort. S. 93 ff. 

'0 DiTTEKBEBOEB Syll. 384 b. 

>-) S. Etymol. M. u. 'Exarofjßaiaiy, K. 
Fr. Hebmann Monatskunde S. 56 f., S. 79 f. 
Mommsen Heort S. 104 ff. Ad. Schmidt Gr. 
Chron. S. 265 ff. 

") S. Etym. M. a. a. 0. Bekkeb Anecd. 
I p. 247 u. 'Exato^ßauiy. 

'*) Demosth. Timokr. 26. 

'*) Mommsen Heort. S. 108 ff. Pbeller- 
RoBEBT Griech. Myth. I 52. 

'«) Philochoros nach Macrob. Sat. 1 10, 22. 

") Vgl. DiTTENBEBOEB Syll. 374. 



152 



A. Die grieohiBchen Ealtnsaltertümer. 



Es folgten am 16. Hekatombaion *) die Svvoixia.^) Es war ein altes 
Fest, das eigentlich wohl der Athena galt, aber früh mit dem Synoikismos 
des Theseus in Verbindung gebracht wurde. ^) Wahrscheinlich erst nach Been- 
digung des peloponnesischen Krieges ward das grosse Eireneopfer hinzuge- 
fügt/) von dem die Hautgelder im Jahre 334 allein 924 Drachmen betrugen.^) 

In demselben Monat wurden dann noch zu Ehren der Hauptgöttin, 
der Ux^rjvä Ilohdg^ die Panathenaien (Ilavad-r^vma) gefeiert.^) Die Stif- 
tung des Festes schrieb man Erichthonios zu,^) Theseus soll es er- 
neuert und nach der Einigung der Gemeinden den bisher üblichen Namen 
U&r'jvma in navaO-r^vaia geändert haben.®) Auf Peisistratos wird die Ein- 
richtung der grossen (fieyala) Panathenaien zurückgeführt,^) die pentae- 
terisch in jedem dritten Olympiadenjahr^^) am drittletzten Hekatombaion, ^ i) 
der für den Geburtstag der Athena galt,^*) gefeiert wurden.*^) Es unter- 
liegt keinem Zweifel, dass auch die kleinen Panathenaien auf den 28. des 
Monats fielen. ^^) Auch sie waren ein hohes und glänzendes Fest, wenn 
auch von den grossen so in den Schatten gestellt, dass wir nur selten von 
ihnen hören. Eine nächtliche Feier ^^) mit Fackellauf ging dem eigentlichen 
Festtage voran; mit Sonnenaufgang begann die grosse Prozession durch die 
Stadt nach der Burg, um der Göttin den Peplos zu bringen.*^) Dort fand 
ein grossartiges Opfer und eine Volksspeisung statt. Auch kleinere gym- 
nische und hippische Agone, unter diesen eine besondere Art, bei denen 
ein Mann {dnoßazrfi) vom Wagen absprang, neben dem Gespanne herlief 
und sich dann wieder hinaufschwang, werden erwähnt, ^^) und da diese am 
28. nicht stattgefunden haben können, müssen wir die Dauer des Festes 
mindestens auf zwei Tage (27—28) ansetzen.^®) 

Ungleich glänzender gestaltete sich das Fest in jedem vierten Jahre. ^*) 
Der Hauptfesttag blieb der 28. Hekatombaion ; wie lange es im ganzen 



') Plut. Thes. 24; Schol. Aristoph. Fax 
1019. 

2) MoMMSEN Heort. S. 111 ff. Böckh 
Staatsh.^ II 119. v. Wilamowitz Eydathen 
120 f. 

3) Thuk. II 15. Vgl. C. Wachsmuth im 
Rhein. Mus. XXIIl 178 ff. 

*) V. Wilamowitz a. a. 0. 

*) DiTTENBEBGER Syll. 374. Vgl. COL- 

LiOKON annuaire des Hudes grecques XVI 
Paris 1882 S. 111. -- Vordem und bei an- 
dern Gelegenheiten mag auf dem Altar der 
Eirene niemals Blut vergossen sein (Aristoph. 
Fax 1019 mit Schol. Vgl. Mommsen Heort. 
S. 115). 

«) Hermann Gottesd. Altt.* § 54, Schoe- 
MANN Griech. Altt.'» II 467 ff. A. Mommsen 
Heort. 116 ff. Meier Panathenäen in der 
Allg. Encykl. der Wiss. u. K. III 277 ff 
Michaelis Parthenon 211 ff., 318 ff., wo 
auch (S. 318) noch ausführlichere Litteratur- 
angaben. Krause in Pauly's Realenc. V 
1105 ff. 

^) Harpokr. u. Suid. u. Ilaya&ijyaia 
Apollod. III 14, f). 

«) Paus. VIII 2, 1 ; Plut. Thes. 24. 



») Schol. Aristid. Panath. III 323 Dind. 
(p. 189. 4). 

'') CIG. 251; Lys. XXI 1. 

") Schol. Plat. Rep. p. 327 a. Vgl. Eur. 
Herakl. 777. 

»») Schol. II. 9 39; vgl. Athen. UI p. 98 B. 

^^) In der spätem Eaiserzeit wurde das 
Fest im Frühling begangen (Himer. erat. III 
p. 426 f.; vgl. Giris 21. Mommsen Heort. 
S. 134 f.; Meier a. a. 0. S. 281. 

^*) Mommsen Heort. S. 129 ff. 

*•') Dittenberoer Syll. 380. 

»«) Schol. Plat. Rep. p. 327a; Schol. zu 
Aristoph. Equ. 569. Nach dem Schol. zu 
Eur. Hek. 468 u. Harpokr. u. ninXog fand 
die Darbringung nur an den grosseü Pana- 
thenaien statt. 

'') Marm. Par. CIG. 2374. CIA. II 966. 
Michaelis Parth. S. 215 u. 324 f. Bildl. 
Darstellung bei Schreiber Kulturhist. Atlas 
Taf. XXV n. 6. 

»8) Vgl. Mommsen Heort S. 205. 

^^) rd^eydXa JlayaSijyaia'DiTi'EüBEROEK 
Syll. 2. 263 und öfter, gewöhnlich auch nur 
JJttVtt&rirKKt genannt. 



4. KnltosEeiten. (§ 113.) 153 

dauerte, wissen wir nicht, doch werden nicht weniger als sechs Tage an- 
zunehmen sein. ') Wie alle grossen durch Agone gefeierten Feste hat auch 
dies allniählich immer mehr Erweiterungen erfahren. In der Zeit der 
Peisistratiden wurde es namentlich durch die Zuziehung von Rhapsoden 
bereichert,*) die aus den homerischen Gesängen vortrugen. 3) Weitere 
musische Wettkämpfe wurden unter Perikles hinzugefügt,-*) und eine In- 
schrift aus dem 4. Jahrh. v. Chr.*) nennt Kitharoden, Auloden, Kithar- 
spieler und Flötenbläser. Von den Kitharoden erhalten die fünf besten 
Geldpreise von verschiedener Höhe, der erste ausserdem einen goldenen 
Kranz, und auch für die anderen sind mehrere Preise ausgesetzt; den Kranz 
erhält immer nur der vorzüglichste. Auch die gymnischen und vor allem die 
hippischen Agone ^) wurden vermehrt. In den ersteren wurden die Kämpfer 
nach ihrem Alter in drei Klassen geteilt: naTdeg^^) äyavfioi^) und 
civiQsg. In dieser Reihenfolge treten sie auch auf, und zwar die Knaben 
in fiinf Kämpfen: dem Wettlauf, ^) Pentathlon, Ringkampf, Faustkampf, 
Pankration. In denselben Wettkämpfen produzieren sich darnach die 
ayävsioi. Die Preise bestehen in Krügen mit Öl von den heiligen Bäumen 
(fiOQiai) der Athena in der Akademie.*®) Jedesmal werden zwei Preise er- 
teilt, und zwar erhält der erste Sieger immer fünfmal so viel als der 
zweite, die Knaben 30 — 50 bez. 6 — 10, die äyevcioi 40 — 60 bez. 8 — 12 
Krüge,**) so dass auch der Geldwert ganz erheblich war. Dass im 
Laufe der Zeit auch kleine Änderungen eintraten, ist selbstverständlich. 
So wird in einer Inschrift aus der letzten Zeit der Republik**) ein dohxog 
Ttaidwv erwähnt. — Über die Wettkämpfe der Männer sind wir weniger 
imterrichtet, da sie auf der ältesten und wichtigsten ^Urkunde *') fehlen. 
Doch lässt sich aus andern Inschriften ^ *) und den erhaltenen Vasenbildern ^^) 
schliessen, dass sie noch umfangreicher als die der Unerwachsenen, *^) und 
die Preise entsprechend grösser waren. Besonders reichhaltig war das 
Programm der hippischen Kämpfe.*^ Ausser den gewöhnlichen Rennen 
mit Vier- und Zweigespannen ausgewachsener {adrjgtdyoi) und junger Pferde 
traten auch Paradewagen {^evyrj Ttofirtixa) und Kriegswagen (a^/iara noXs- 

*) Sauppb Commentat. de ioscr. Pana- | *^) Lnk. Anarch. 9; Michaelis Parth. 

then. ind. schol., Göttingen Som. 1858 p. 7. ; S. 322. Vgl. Herod. V 82. 



UfoiOfSEii Heort S. 204. 

«) Plat. Hipparch. p. 228 B. 

») Lykurg. Leokr. 102. 

*) Flut. Per. 13. Vgl. Bbbukb De wu- 
9ict8 Panathenaeorum certaminibus, Bonn 
1865 u. Reisch De musicis Graecorum cer- 
taminibus, Wien 1886. 

*) DiTTENBEBGER Syll. 395; Sauppe a. 
a. 0. 

«) Vgl. CIA. U 966, 968, 969. 

^ In späterer Zeit wird auch eine 
TMQttixfjy devriQic und rgitt] rjXixia unterschie- 
den CIG. 282. 

*) Wahrscheinlich vom 16.-20. Jahre. 
MoMXSBN Ueort. S. 141 f. 

9) Das atä^ioy Jlaya^^^rjytttxoy wird öfters 
erw&hnt z. B. Dittenbkroer Syll. 111, 124. 
Bildl. Darstellung des Grundrisses hei Schrei- 
beb Kultnrbist. Atlas Taf. XXVI n. 3. 



**) Viele solcher Amphoren sind uns er- 
halten (s. Michaelis Parth. S. 323 f.j. Sie 
tragen ausser der Aufschrift; rcSy U^ytj^ey 
äaXcjy das Bild der Göttin (Mich. Parth. S. 
212 Anm. ; Mayer Gig. u. Tit. 271) und gewöhn- 
lich auf der Rückseite Darstellungen von 
Wettkämpfern. Auch der Name des Archen 
ist in der Regel angegeben. 

»2) DiTTENBEROBR Syll. 398. 

*') DiTTENBERGER Syll. 395. 

1*) Vgl. Z. B. DiTTENBERGER Syll. 403. 

CIA. II 966, 968. 

*^) Eine Reihe von Abbildungen in den 
Monum. dell' Instit. vol. X tav. XLVII bis 
XLVII g, XLVIII-XLVIII n. (1877). 

»«) Vgl. MomiSEN Heort. S. 143 ff. 

^') S. ausser den Inschrr. Dittenberger 
Syll. 395 u. CIA. II 967 Krause in Pauly's 
Realencykl. V 1106 f. u. Mommsbn H. 153 ff. 



154 •^* ^^^ griechischen EaltuBmltertttmer. 

liiKrrr^Qiety avvwqideq noXefiiaxrQim)^) auf, ferner Reiter in voller Rüstung 
{xelrfctr TrokcfiKTTr-Qift)) und Speerkämpfer zu Pferde {dxovrf^ovTsg dtp innov).^) 
Auch in diesen Kämpfen erhielten der erste und der zweite Sieger Krüge 
mit Öl. Dann folgte die Pyrrhiche, ein Waffen tanz, der einen Kampf 
nachahmte, 3) wiederum von den drei Altersklassen besonders ausgeführt. 
Die siegreiche Partei erhielt ein Rind im Wert von 100 Drachmen*) als 
Preis {vixriTtjQia), das dann zum Opferschmause verwandt wurde. — Dieses 
Spiel bildete den Übergang zu dem dycov evavÖQiag.^) Jede Phyle stellte 
eine Anzahl ausgewählter Männer, die sich durch Grösse, Kraft und Schön- 
heit auszeichneten.^) Die stattlichste Schar erhielt wieder ein Rind als 
Ehrenpreis. Diese Unterhaltungen füllten vermutlich die Festtage bis zum 
27. abends aus. Dann begann die Pannychis^) mit ihrem Fackelwettlauf 
{XafinaSo(fOQta).^) Man lief von der Akademie aus durch den Kerameikos ^) 
in verschiedenen Abteilungen, die wohl von einzelnen Phylen gestellt waren. 
Die vordersten trugen brennende Fackeln, die sie den ihnen Nacheilenden 
übergaben. So ging die Fackel von Hand zu Hand; jeder einzelne aus 
den gleich zahlreichen Gruppen musste sie weiter tragen; wer (als letzter 
seiner Abteilung) das Ziel mit brennender Fackel zuerst erreichte, war Sieger, 
doch fielen Ehre und Ehrenpreis ^^) wohl der ganzen rd^ig zu, aus welcher 
der Sieger hervorgegangen war. - Die Regatta {vswv afiikka\ die in unserer 
Inschrift als der letzte Agon aufgeführt wird, fand vermutlich erst am 29. 
statt, ^^) magjedoch hier gleich mit erwähnt werden. Die Phyle, deren Schiff ge- 
siegt hatte, erhielt 300 Drachmen ; ausserdem wurde noch Geld zu einem Opfer- 
schmaus und vielleicht auch noch ein Siegespreis für das zweite Schiff gezahlt. 
Der 28. war der höchste Festtag. Wie an den kleinen Panathenaien **) 
begann am frühesten Morgen die Prozession, die sich durch die Haupt- 
strassen bewegend'^) der Göttin den Peplos darbrachte. Es war dies ein 
höchst kostbares Gewebe, von kunstfertigen Frauen und Jungfrauen (^qy^- 
(TThat) 1 ») angefertigt. Neun Monate vorher war die Arbeit von vier jungen 
Mädchen, den sog. dQQij^oQoi,^^) bereits begonnen worden. Auf saffran- 
farbigem Grund ^^) waren die Gigantenkämpfe gestickt, ^^) an denen 
Athena ja der Sage nach hervorragenden Anteil genommen hatte. 
Erst in späterer Zeit,^*) wo man unterwürfiger war, hat man auch mäch- 



') CIA. II 968, 969. 

2) CIA. II 968. 

3) S. Kbause Hell. I 883 ff. 

*) BoECKH Staatsh.^ I 95 Anm. a u. 
Fkänkel ebenda II Anm. 130 S. 21 *. 

*) Harpokr. u. svaydgia. Xen. Mein. III 
3, 12. Sauppe a. a. 0. S. 8 ff. Dittbnbeboer 
Syll. S. 385 not. 11. 

«) Athen. XIII p. 565 F. 

") Dittenbergeb Syll. 380. 

*•) Kine Abbildung von Wettläufern mit 
Fackel Taf. V Fig. 7. 

'^) Wecklein im Hermes VII 443 ff. auch 
für das Folgende zu vergleichen. 

^^) Bei den Panathenaien Mgia, Vgl. 



*') Über den Weg, den sie nahm, s. Thuk. 
VI 56, Plut. Demetr. 12 und mehr bei Mi- 
chaelis Parth. S. 213, S. 327 ff.. Wachs- 
MUTH Stadt Athen S. 285, Löschkb Ennea- 
krunosepis. 13, v. Wilajiowitz Kydathen 
S. 203, auch E. Cubtius Sitzungsberichte der 
Berl. Akad. 1884 S. 504. 

»*) Vgl. U. Köhler Mitt. des Athen. Inst 
VIII 57. Bull, de corr. hell. 1889 S. 170. 
V. WiLAMOwiTz Eur. Her. I 346. 

^ *) Etym . M. u. XaXx^ia u. uqQf^fpoqBiv, Har- 
pokr. u. dQQtj(fOQ€iy, Michaeus Parth. S. 329. 

»«) Eur. Hek. 466. 

") Schol. zu Eur. Hek. 469; Prokl. zu 
Plat. Tim. p. 26. 



Wecklein a. a. 0. S. 441 Anm. 3, aber auch | '*) Aristoph. Equ. 565 beweist nicht das 

FRA>'CKELinBöCKHsStaat8h.3II31*Anm.l91. Gegenteil. Vgl. Michaelis Parth. S. 212. 

»') MoMMSEN Heort. S. 198. Stüdniczka Altgriech. Tracht Wien 1886 

»2) Dittenbebobb SyD. 380. | S. 137 A. 17. 



4. KaltnsEeiten. (§ 1 14.) 



155 



tigen Gewalthabern einen Platz neben den Göttern eingeräumt, nicht ohne 
sich des Unrechts bewusst zu werden. ^ Dies Gewebe wurde — wenigstens 
an den grossen Panathenaien ^) — als Segel an Raaen und Mast eines Schiffes 
befestigt') und so durch die Strassen geführt. Herodes Attikus vervoll- 
kommnete die Maschinerie so, dass es sich wie schwimmend selbst zu be- 
wegen schien.^) Das Gewebe wurde dann in den Tempel getragen und 
seit Pheidias Zeit wahrscheinlich dem grossen Goldelfenbilde der Polias um- 
gehängt oder als Vorhang daneben befestigt.*) Der Festzug selbst ist 
von der Hand desselben Künstlers dargestellt worden und schmückte als 
Relieffries den Parthenon. Die ganze freie Bürgerschaft Athens beteiligte 
sich. Die Archonten, die Schatzmeister der Göttin, die Hieropoioi, Stra- 
tegen, Taxiarchen, die Geleiter {noixnsTq) und- die Kanephoren,^) welche 
die heiligen Opfergeräte trugen,^) schritten festlich geschmückt in dem Zuge, 
Abgesandte aus fernen Kolonien, die mit Opfervieh zum Feste eingetroffen 
waren,®) die sog. x>allo(f6Qoi\^) besonders ausgewählte schöne Greise, Öl- 
zweige in den Händen tragend, die Metoiken mit Opfergerät, ^^) Kuchen und 
Gefassen,^0 ^^^ Sieger aus den Wettkämpfen an den vorhergehenden Tagen, 
gerüstete Krieger ^2) verliehen dem Bilde Glanz und Mannigfaltigkeit,^') 
Priester und Diener führten die Hekatombe,**) Herolde hielten die Ordnung 
aufrecht,^*) bis endlich alles auf der Burg angelangt war, wo an dem grossen 
Altar, der vor dem Tempel der Polias stand, ^*^) das ungeheure Opfer dar- 
gebracht wurde, von dem dann das ganze Volk festlich gespeist ward.*') 

Die Leitung der Spiele lag zehn alle vier Jahre neu gewählten ad-Xo- 
^«raii8) oder dywvo&äxat^^) ob, die Ordnung der Pannychis, der Pompe 
und des Opfers den tsQonoioi.^^) 

Die Kosten des Festes waren natürlich sehr beträchtlich. Manches 
wurde von den Wohlhabenden bestritten. So war die Ausrüstung und Ein- 
übung der Pyrrhiche,**) die Euandrie und Lampadarchie^^) eine Leiturgie.*^) 
Die Hauptkosten trug der Schatz der Athena,**) also der Staat. ''^^) 

114. In dem folgenden Monat, Metageitnion, wird nur ein kleineres 
Fest erwähnt, das dem Apollon gefeiert wurde. 2*^) 



») Vgl. Plut. Demetr. 12. Diod. XX 46. 

^) S. Pbelleb-Robebt Griech. Mythol. I 
212 Anm. 5; Dittenb. Syll. S. 226 Anm. 6 
u. ScHUBEBT im Hermes X 448. Über den 
ninXog überhaupt Studniczka a. a. 0. S. 136 £f. 

») CIA. UI 70a; Paus. I 29, 1; Harpokr. 
u. roneioy, Michaelis Parth. S. 329. 

*) Philostr. Vit. Soph. II 1, 5. 

^) S. DöBFFELD Miti des Arch. Inst, zu 
Athen 1887 S. 199 f. 

«) Dittenb. Syll. 380. 

^} Harpokr. u. xayrjtpoQoi und mehr bei 
MiCHAEus Parth. S. 329 f. 

*•) DiTTEifB. Syll. 12 A, Schol. zu Ari- 
stoph. Nub. 386. 

*) Xen. Symp. IV 17; Aristoph. Nub. 
540 und Schol. 

»0) Poll. III 55; Harpokr. u. Suid. u. 
axagyr^fpogoi. 

»') S. Michaelis Parth. S. 330. Gilbest 
Gr. Staatsaltt. I 173. 



»«) Lys. XIII 80 f. 

") Demosth. IV 26, XXI 171. Michaelis 
Parth. S. 331. 

»*) Dittenb. Syll. 380, vgl. 12 A. 

^^) Poll. VIII 103. 

»»j Thuk. I 126. 

") Dittenb. Syll. 380; Aristoph. Nub. 
386 mit Schol. u. s. w. 

>8) Dittenb. Syll. 44, 6; Poll. VIII 93. 

»») Luk. Nigr. 14. 

«0) Dittenb. Syll. 380, 31 flf. Vgl. Dobb- 
xeb De sacrificulis Graecorum qui Uq, 
die., Strassburger Diss. 1883 S. 28 f. u. 
S. 44 f. 

^») Lys. XXI 4; Böckh Staatsh.' I 547. 
Vgl. S. 543. 

''-) Andok. g. Alk. (IV) 42. 

") Böckh a. a. 0. I 536 f. 

^*) Dittenb. Syll. 44 ; Böckh a. a. 0. II 5 f. 

25) Böckh a. a. 0. I 521 f. 

-^) Lysimachides bei Harpokr. u. Mcta- 



156 



A. Die griechischen Knltasaltertttmer. 



116. Reicher an Festen war wieder der Boedromion. 

Am fünften feierte man ein allgemeines Totenfest, die NBxvaia oder 
Nsneaia^^). Man opferte der Ge*) und wird im übrigen die Toten auf die- 
selbe Weise, wie bei den privaten Gedächtnisfeiern, geehrt haben. 

Eine Fortsetzung der Totenfeier, die sich aber zu einem Sieges- 
fest gestaltete, brachte der nächste Tag. Er war dem Gedächtnis der 
bei Marathon Gefallenen geweiht. 3) Die Schlacht hatte zwar nicht an 
diesem Tage stattgefunden,^) aber einerseits lag es nahe, das Fest den 
Nexvaia anzuschliessen, andrerseits den nächsten der Artemis heiligen 
Tag*) zu wählen, denn ihr galt die Feier. Artemis Agi*otera hatte von 
jeher einen kriegerischen Charakter,^) und so hatte der Polemarch, wie 
man erzählt, ihr denn auch vor der Schlacht so viele Ziegen zu opfern gelobt, 
als Feinde erschlagen werden würden.^) Als die Menge zu gross war, setzte 
man die Zahl der Ziegen auf fünf hundert fest, und der Polemarch musste 
fortan alljährlich am 6. Boedromion dies Opfer darbringen.^) Auch fand 
an diesem Tage die Pompe der Epheben iv ZnXoig zu Ehren der Göttin 
statt. ^) Vielleicht folgten dem Marathonfest unmittelbar (am 7.) die Bor^- 
dQOfnia, die dem Monat den Namen gegeben haben sollen, ein Fest, wo 
Apollon als Helfer in Kampfesnot verehrt wurde. ^®) 

Am 12. desselben Monats soll dann noch ein anderes Dankfest {xciQi(T' 
TijQia) zur Erinnerung an den Sturz der dreissig Tyrannen gefeiert 
worden sein.*^) 

Das Hauptfest des Monats und eines der grössten überhaupt waren 
di^ grossen Eleusinien, die vermutlich vom 16. bis zum 25. dauerten. 
Sie sind bereits früher in dem Abschnitt über die Mysterien (S. 123 ff.) be- 
handelt, und es soll hier nur noch darauf hingewiesen werden, wie schon 
die Thatsache, dass um die Mitte des Metageitnion eine Ekecheirie ange- 
sagt ward,^^) die Annahme ausschliesst, es habe das Fest als solches einen 
exklusiven Charakter gehabt. Vieles war ja nur für die Eingeweihten be- 
stimmt, deren Zahl auch gross genug war, aber der 20., der lakchostag, 
war einer der höchsten Feiertage überhaupt; es wurden an ihm weder Ge- 



yBixi'uuv = Suid. u. d. W. Vgl. Demosth. 
41, 11; Plut. De exil. 6 p. 601 D. Momiisen 
Heort S. 205 fF. Preller-Robert Griech. 
Myth. I 263. Schoema>'n Gr. Altt.^ II An- 
hang S. 598 f. 

') Harpokr. Suid. Phot. u. NefiBceiu; 
Bekker Anccd. p. 282. Mommsen Heort. S. 
209 ff. ScHOEMANN Gr. A.» II 477 f. — Nach 
Bekker Anecd. 231 und Hesych. u. Teviaia 
führte das Fest auch den Namen reviai«. 
So hiessen die Totenfeiern, welche einzelnen 
Verstorhenen von ihren Verwandten veran- 
staltet wurden (Petersen Geburtstagsfeier 
S. 302, liOBECK Phryn. p. 104, Baehr zu 
Horod. IV 26). Schoemann's Vermutung (a. 
a. 0.), dass dieser Name dann fälschlich auf 
das allgemeine Totenfest übertragen sei, hat 
viel für sich. 

'-') Hesych. u. reyktriu vgl. u. "Slgattt 
vexvaitt. 



») Plut. De Herod. mal. 26; Poll. lU 21; 
Schol. Aristoph. Equ. 657. Ailian Var. hist 
II 25 sagt, das Fest habe am 6. Thargelion 
stattgefunden. 

*) S. BöCKn Mondcykl. S. 64 ff. u. Töpffer 
Quaesi Pisistrateae 137. 

^) Den 6ten des Monats; vgl. Prokl. zu 
Hes. Erg. 783; Diog. Laert. II 44. 

«) Xen. Hell. IV 2, 20, Resp. Lac. XIII 
7; Plut. Lyk. 22; Poll. VIII 91. 

') Xen. Anab. III 2, 12; Plut. De glor. 
Athen. 7 p. 343 F; Schol. Aristoph Equ. 660; 
Ail. Var. hist. II 25. 

«) Plut. De mal. Herod. 26; Poll. VIH 91. 

9) CIA. II 467—469; Dittenberger Syll. 
347 7. 

' »<>j Plut. Thes. 27; Philoch. bei Harp. u. 
ßotjdgofna; Etym. M. 202, 45. 

»M Plut. De glor. Athen. 7. 

J«) DiTTENBERGER SyD. 384b. 



4. Soltuszeiten. (§ 115-116.) 157 

richtssitzungen abgehalten, noch sonstige öffentliche Geschäfte vorgenommen,^) 
und an den grossen gymnischen, hippischen und musischen Agonen (S. 125) 
durfte sich natürlich jedermann beteiligen. 

116. Mit dem nächsten Monat, dem Pyanopsion, begann der Herbst, 
und Beziehungen auf diese Jahreszeit sind in dem Feste, nach dem der 
Monat heisst, unverkennbar. Die Ilvavoxpia *) wurden dem Apollon an dem 
ihm heiligen Tage, dem 7., gefeiert 8) und hatten ihren Namen von den 
gekochten Bohnen,*) den Herbstfrüchten, die man dem Gotte als anaqxaC 
darbrachte. Ausserdem wurde ihm eine flgeauivirj, ein Olivenzweig, der 
mit Feigen, Kuchen, Schälchen voll Honig, Öl und Wein behangen war,'») 
von einem Knaben, dem noch beide Eltern lebten, in den Tempel getragen.*^) 
Ihn begleiteten andere, ebenfalls Eiresionen tragend, die sie dann an den 
Thüren ihrer Häuser befestigten,') ähnlich wie es bei uns auf dem Lande 
mit den Erntekränzen geschieht. Später wurde das Fest mit der Theseus- 
legende in Verbindung gebracht. Von Kreta heimkehrend sollen die Ge- 
retteten alles, was sie noch von Essbarem hatten, zusammengeschüttet 
und verzehrt haben, und damit wollte man die eigentümliche Art des 
Opfers erklären.^) Dass es ursprünglich ein Erntedankfest war, dafür 
zeugt ausser den Gebräuchen die Notiz im Scholion zu Aristoph. Plut. 1054: 
man habe das Fest dem Helios und den Hören gefeiert. 

Ganz ähnlich ist es einem zweiten Erntefest ergangen, dessen Datum wir 
nicht kennen, das aber auch in diese Zeit gefallen sein muss: den Oscho- 
phorien. Sie wurden dem Dionysos und der Athena Skiras zum Dank 
für die Wein- und Olivenernte gefeiert*) und waren genannt nach zwei 
Knaben, welche mit traubentragenden Weinreben (ocx^*) in den Händen 
der festlichen Schar, die vom Dionysosheiligtum in der Stadt zum Tempel 
der Athena Skiras im Phaleron zog, voraufgingen. ^) Sie trugen den alter- 
tümlichen langen Chiton, der dem Frauengewande ähnelte, und daran 
anknüpfend erzählte die Sage, unter den sieben Mädchen, die Theseus nach 
Kreta mitführen sollte, hätten sich zwei verkleidete Knaben befunden, und 
zur Erinnerung daran habe Theseus, als er nach glücklicher Heimkehr das 
Fest stiftete, angeordnet, dass die Oschophoren Mädchenkleider trügen. 
In dem Zuge befanden sich auch die sog. SemvotpoQoi, Frauen, welche 
Speisen mitnahmen, die sie, am Ziele angelangt, wohl unter die Jugend 
verteilten. Einst sollten die Mütter der vierzehn Schlachtopfer ihre Kinder 
bis zu dem Schiffe geleitet haben, ihnen Reisekost mitgenommen und sie 
unterwegs durch Erzählen von Märchen zerstreut haben. Das alles wurde 
jetzt nachgeahmt, und die Stelle jener Mütter vertraten wahrscheinlich die 
dtiTtvoifoQoi. Im sog. Oschophorion, einem Platze beim Tempel der Athena 
Skiras, wurde dann ein Opfer dargebracht, wie einst Theseus nach seiner 



Ad. Schmidt a. a. 0. S. 272 u. 705. 1 ^) SchoJ. Aristoph. Equ. 729, Plut. 1054. 

«) Plut. Thes. 22; CIA. III 77; Harpokr. Vgl. Porph. De abst. II 7. 
u. üvayoipia; Phot. u. IIvayeipKüy, *) Plut. Thes. 23; Moxmsen Heorto]. 



») Plut. Thes. 22. 
*) Poll. VI 61 ; Athen. IX 408 A, XIV 
648 B. 

*) Plut. Thes. 22; Suid. u. eigeaiuiytj. 
•) Eostath. zu II. X 495 p. 1283. 



S. 271 flf.; Pbeller-Robert Griech. Mythol. 
I 207 f.; ScHOEMANN Gr. Altt.» II 487 f. 

») Prokl. bei Phot. Bibl 322; Harpokr. 
u. oaxoffOQoi u. ^HTivotpoQoi ; Bekker Anecd. 
239. 



158 



A. Die griecliischen Saltasaltertttmdr. 



Errettung dort auch gethan haben sollte. Auch von einem Wettlauf wird 
berichtet, den zehn Knaben, aus jeder Phyle einer, auf derselben Weg- 
strecke zwischen Dionysos- und Athenatempel ausführten.*) Wer zuerst 
ankam, erhielt einen aus Öl, Wein, Honig, Käse und Mehl gemischten Trank, 
die sog. nsvrankoa.^) 

Das eigentliche Theseusfest, die Or-aeia, fand am 8. Pyanopsion 
statt ^) Nach den Perserkriegen hatte das Orakel befohlen, die Gebeine 
des Heroen von Skyros zu holen und in der Heimat zu bestatten.^) KimoD 
hatte dies ausgeführt und dann das Fest, wenn nicht gestiftet, so doch zu 
seiner Bedeutung erhoben. Es fanden Kampfspiele und Wettrennen statt, *'^) 
eine Parade der Epheben^) und ein grösseres vom Staat bestrittenes Opfer,') 
das vielleicht vorzugsweise den Armen und Bedürftigen zu gute kam.^) 
Mit dem Hauptfest verbanden sich kleinere Feiern, die mit dem Kult des 
Helden in loserer Beziehung standen. So wurde am Tage zuvor dem Kon- 
nidas, der in Troizen des Th^seus Erzieher gewesen sein sollte, ein Widder 
als Totenopfer geschlachtet^) und den Amazonen geopfert,*®) und vielleicht 
schlössen sich die Leichenspiele, die zu Ehren des Androgeos gefeiert 
wurden,**) auch zeitlich an die Theseen.*^) 

In demselben Monat wurden der Demeter und Persephone die 
Thesmophorien*^) gefeiert, und zwar in den Tagen vom 9. bis zum 
13. Pyanopsion.*^) Das Fest war von anderen insofern wesentlich ver- 
schieden, als es nicht ein allgemeines war. Nur unbescholtene Bürger- 
frauen i'^) durften daran teilnehmen,'^) nachdem sie sich durch neun- 
tägige Enthaltung des ehelichen Umgangs vorbereitet hatten.* 7) Der 
erste Tag des Festes hiess 2ri]via.^^) An ihm begaben sich die Frauen 
nach dem etwa eine Meile von der Stadt gelegenen Demos Halimus.*^) 



') RoBEBT im Hermes XX 356 Anm. 2 
und in Preller's Gr. Myth.* 1 208 Anm. 3 ver- 
mutet, dass die beiden Sieger die Anführer 
der Festprozession wurden, eine Annahme, 
die in der That die Schwierigkeiten glück- 
lich zu lösen scheint. 

«) Athen. XI 495 F; Schol. Nikand. Ale- 
xiph. 109. 

3) Plut. ITies. 3G. 

*) Plut. Thes. 36. Kim. 8. 

^) CIA. II 422; Gellius Noct. Att. XV 
20. Hesych. u. Innodgofiog. 

«) DiTTENBEROER Syll. 347, 20. 

') DiTTENB. Syll. 374. 70 u. 78. 

^) Aristoph. Plut. 628 u. Schol. dazu. 

») Plut Thes. 4. 

'«) Ebenda 27. ^ 

'*) Hesych. u. fV EvQvyvn "y^^ I 1332. 

'*) Über die Epitaphien, welche in meh- 
reren attischen Inschriften neben den Theseen 
erwähnt werden (Dittenb. Syll. 347, Momm- 
8EN Heort. S. 282), s. namentlich Sauppe 
Nachrichten der Göttinger Ges. der Wiss. 
1864 S. 199 ff. Es war dies die Bestattungs- 
und in späterer Zeit Gedenkfeier der in 
Schlachten für das Vaterland Gefallenen, die 
mit Reden, Paraden und Fackeliauf begangen 



wurde (Thuk. I 34; Demosth. De cor. p. 321 
§ 288). 

'') Prbller Demeter und Persephone 
S. 339 ff. Derselbe in der Ztschr. f. d. Alter- 
tumswiss. 1835 S. 785 ß. Hermann Gottesd. 
Altt.2 § 56. RiNOK Relig. der Hellenen II 
123 ff. SoHOEHANN Gr. Altt.' II 482 ff. A. 
MoMMSEN Heortol. S. 287 ff. 

»*) Schol. Aristoph. Thesm. 80. — Ad. 
Schmidt a. a. 0. S. 275 f. setzt die Festtage 
auf den 10— 14ten an. Vgl. Schobmann Gr. 
Altt.» II Anhang S. 596 f. 

'^) Aristoph. Thesm. 330. 

^°) Wenigstens an den Hauptakten; von 
einzelnen Teilen der mehrtägigen Feier waren 
vielleicht auch Jungfrauen nicht ausgeschlos- 
sen (Schol. zu Theokr. Id. IV 25; Prsllbb 
Dem. u. Pers. S. 343 Anm. 30; Lehrs Popul. 
Aufsätze« S. 290 Anm.). 

»') Ovid. Met. X 434; Plin. Hist. nat 
XXIV 9. 

1«) Schol. zu Aristoph. Thesm. 834. Dass 
die Sxlga (Schol. Thesm. 834, vgl. Stephan. 
Byz. u. ^xiQos) kein Teil der Thesmophorien 
waren, hat Robert im Hermes XX 394 ff. 
bewiesen. Vgl. Rohde Hermes XXI 116. 

^^) Schol. Aristoph. Thesm. 80. 



4. KaltasEeitdn. (§ 116.) 



159 



Dort fand am 10. eine Feier statt unter allerlei ausgelassenen Scherzen und 
Neckereien.*) Da diese der Demeter und Köre galt, einen immerhin aus- 
schliessenden Charakter hatte und in mancher Beziehung der eigentlichen 
Mysterienfeier ähnelte,^) wird sie auch geradezu iivatriQia genannt.^) Am 
11. fand die' avodog statt,*) d. h. also die Rückkehr der Frauen nach Athen, 
oder der Zug von der Stadt zum Thesmophorion.^) Vielleicht hielt man 
schon an diesem Tage ein festliches Mahl, das wohlhabende aus den ein- 
zelnen Demen gewählte Frauen den übrigen gaben ;^) denn der nächste 
Tag war ein Fasttag.') Wahrscheinlich wurde an demselben das eigen- 
tümliche Sühnopfer ^) dargebracht, welches das Scholion zu Lukian Dial. 
mer. IL 1*) ausführlich schildert: die Frauen versenken lebende Ferkel*®) 
in einen Schlund (xdaixara^ iityaqa, advta),^^) zu Ehren des Eubuleus, 
dessen Schweine, als die Erde sich beim Raub der Persephone spaltete, ver- 
schlungen sein sollen, ausserdem nldaiiata, Backwerk von symbolischer 
Gestalt.**) Später werden die verwesten Überreste von den sog. ävtlr^- 
TQim (Schöpfweibern), die sich drei Tage des Umgangs mit Männern ent- 
halten haben müssen, wieder heraufgeholt,*^) und abergläubische Leute mi- 
schen sie unter die Saat, sich davon besondere Fruchtbarkeit versprechend. 
Der letzte Tag des Festes (der 13.) hiess KakhyeveiaM) Er wurde im 
Gegensatz zu dem voraufgegaugenen ernsten mit lasciven Tänzen*^) und 
Spielen**) und wohl auch mit einem Opferschmaus*') begangen. Zum Be- 
schluss des Festes scheint den Göttinnen abermals ein Opfer dargebracht 
zu sein.*®) 

Das wichtigste Fest des Monats waren die Apaturien.*^) Sie waren 
insofern kein eigentliches Staatsfest, als sie von den Phratrien begangen 
wurden, die seit Kleisthenes ihre politische Bedeutung verloren hatten,^®) 
doch gab der Staat seinen Zuschuss zu der Feier, ^i) die mehr als eine an- 

^) Plut. Sol. 8; Hebmann G. A. § 56 
Anm. 25. 

«) Vgl. RoBEBT im Hermes XX 370. 

») Clemens Alex. Protr. 29 P. Vgl. 
Arnob. V 2. 

*) Schol. Aristoph. Thesm. 80. 

*) Hesych. u. ayodog; Robert a. a. 0. 
S. 374. 

•) Isai. Or. VHI 19 u. III 80 mit Schoe- 
xann's Anm. S. 265. 

7) Schol. Arist. Thesm. 80 n. 376; Ari- 
stoph. Av. 1518; Plut. Is. u. Osir. 69; De- 
mosth. c. 30, wo fälschlich der 16te Pyanop- 
sion angegeben wird. 

®) RoBEBT im Hermes XX 374 weist mit 
Recht darauf hin, dass diese Annahme mit 
der Angabe des Scholiasten zu Aristoph. 
Thesm. 376: es fände an diesem Tage keine 
^vcitt statt, durchaus nicht im Widerspruch 
stehen würde. &v<ria hcisst Speisopfer, Opfer- 
schmaus. 

*) Mitgeteilt von Rohde Rhein. Mus. 
XXV 549. Vgl. Clemens Alex. Protr. II 17 
p. 14 P. 

^^) Lobeck Agl. 831; Rohde a. a. 0. 
S. 552 f. 

") Wahrscheinlich bei dem Thesmopho- 



rion auf der Pnyx. Robebt a. a. 0. S. 734. 

>^) Schlangen und Phallen, vgl. Robde 
im Hermes XXI 124. 

»3) Robebt a. a. 0. S. 373 glaubt, dass 
dies 8 Monate später an den Skirophorien 
geschah; dagegen Rohde im Hermes XXI 
123 u. A. MouMSEN in Bubsians Jahresbe- 
richt XV. Jahrg. 1887 zwölftes Heft S. 373 f. 

»*) Schol. Arist. Thesm. 80. Vgl. Pbelleb 
Griech. Myth.' I 640 f. Anm. 3 u. Hebmann 
§ 56 Anm. 19. 

'*) xviauog oder oxXaa^a, Poll. IV 100. 

'*) Suia. u. /aAxt(fVxdi' dltoy^a, 

") Hesych. u. dlttyyiAa. 

^*) Hesych. u. ^tjfÄia. 

'») Hebmann G. A.« § 65 S. 389 f. Sciioe- 
MANN Gr. Alt.^ II 546 ff. Mommsen Heortol. 
S. 302 ff. Dabembebo et Saolio Diction. I 
300 f. Ad. Schmidt a. a. 0. S. 276 ff. Bu- 
soLT Hdb. IV 145. — Über die Bedeutung 
des Namens s. Meieb De gent. Att. p 1 1 ff. 
Vgl. auch V. WiLAMOwiTZ Hermes XXI 112 
Anm. 2 u. Töpffeb Att. Gen. 106 ff. 

2«) ScHOEMANN Gr. Alt.» I 385, H 546; 
BüsoLT Hdb. IV 144 f. 

»*) koQxrjg dfmoreXovs Schol. zu Aristoph. 
Ach. 146. Vgl. Meieb a. a. 0. p. 12. 



160 



A. Die griechiBchen KoltasalteriÜmer. 



dere för das öffentliche Leben von Wichtigkeit war. — Die Tage des 
Festes sind uns nicht überliefert, nur dass es in den Pyanopsion fiel, er- 
fahren wir. 9 Nach der wahrscheinlichsten Berechnung*) fand die drei- 
tägige Hauptfeier vom 19. — 21. statt. 3) Der erste Tag hiess ioQnia oder 
doQnsia^ der zweite dvaqQvaiq, der dritte xovqeiotig,^) Der höbhste Festtag 
war wahrscheinlich der zweite,*) der seinen Namen angeblich vom Schlachten 
der Opfertiere ^) hatte, die dem Zeus Phratrios und der Athena dargebracht 
wurden, der dritte aber war insofern der wichtigste, als an ihm der Akt 
stattfand, der die Veranlassung des ganzen Festes war: die Väter brachten 
ihre in der letzten Zeit geborenen Kinder, um sie den versammelten Phra- 
teres vorzustellen und von dem Phratriarchos ihre Namen in die Listen 
der Phratrie eintragen zu lassen.') Der Vorstellende schwur, dass er das 
Kind mit einer ihm rechtmässig vermählten Bürgerin erzeugt habe,^) und 
darauf erfolgte die Abstimmung der Mitglieder der Phratrie.^) Jeder, 
der ein Kind anmeldete, hatte ein Opfertier zu liefern (xovqsiov oder 
/t«ror,i<^) mit dessen Fleisch dann die der Phratrie Angehörenden be- 
wirtet wurden. Auch war es üblich, dass Väter an diesem Tage ihre Söhne 
ein Zeugnis von ihren Fortschritten im Unterricht ablegen und sie nament- 
lich Stücke aus den in der Schule gelesenen Dichtern vortragen Hessen. >') 
An diese drei Hauptfesttage scheinen sich noch zwei andere angeschlossen 
zu haben, die entweder vorangehen oder ihnen folgen konnten. >^) Vielleicht 
brachte man an diesen seine Verehrung und Opfer auch andern Oöttern 
dar, deren Berücksichtigung an diesen Festen teils vorausgesetzt werden 
muss, wie die des Schutzgottes aller Phratrien, des ApoUon naTQqiogy und 
des Zeus,^^) teils bezeugt ist, wie die des Dionysos Melavaiyig^*) und des 
Hephaistos, der mit am Herde angezündeten Fackeln und Hymnen ge- 
feiert wurde.*"') 



^) Theophr. Char. 3. Schol. zu Aristopli. 
Acb. 146. 

'^) Ad. Schmidt a. a. 0. S. 278 ff. 

^) MoMMSEN Heort. nimmt den 27 - 29ten 
an. Andere Ansätze s. ebenda S. 304 Anm. 

*) Schol. zu Arist. Ach. 146, Fax 890; 
Suid. u. UuttTovQia; Poll. VI 102, III 5 

U. 8. W. 

°) Schol. zu Arist. Fax 890; Momiisen 
Heort. S. 307 Anm. 2. 

•) Schol. Arist. Ach. 146 (vgl. Fax 890): 
(tt'ttQQveiy = homer. ttvegveiy A 459. 

') CIA. 11 841b. S. 535 u. äQx^toXoy, 
deXrloy 1883 S. 161 ff.; Busolt Hdb. IV 
S. 145. xovQ((OTis von xovqos. 

«) Isai. VII 16, VIII 19. Andok. Myst. 
§ 127; Ephem. arch. 1888 HI S. 6 ZI. 107 ff. 

») Demosth. Makart. 14; 82; Neair. 59. 

^0) Schol. Arist. Ran. 798; Harpokr. u. 
fietoy u. ficittytjyog; CIA. II 841b: Poll. VIH 
107: v7i€Q fikv tiov uQQiviov ro xovqbiov 
t&voyf tm^Q dk rtHv y^rjXeuoy rijy yttfirjXlay. 
Schol. Arist. Ran. 798: ficToy vniQ rcHy vUoy. 
Vgl. Ephem. arch. 1888 HI 11 ff. 

'') Fiat. Tim. p. 21 B. 

»*) Athen. IV 71 p. 171 E; Ad. Schmidt 



a. a. 0. S. 278 ff. 

>») Vgl. Ephem. arch. 1888 III 15. 

'*) Schol. Arist. Ach. 146; vgl. Paus. II 
34, 1. 

^^) Istros bei Harpokr. u. Aa^/ra;. Pkel- 
LER-RoBERT Gr. Myth. I 180. Mommsek Heort. 
S. 311 f., der die Chalkeen den Apatarien 
unmittelbar folgen lässt, setzt auf den Abend 
vorher das von Folemon bei Harpokr. a. a. 0. 
bezeugte apaturische Fackelfest an und meint,, 
dass eben dies die Hephaisteia gewesen seien. 
Ad. Schmidt Gr. Chron. S. 283 identifiziert 
es mit den Prometheia. Beides ist unwahr- 
scheinlich, da von einem Fackelwettlauf 
bei Istros nicht die Rede ist (Valesius aller- 
dings ^eoyres statt (hvoyTes), zu dem auch 
die Frachtgewänder, die erwähnt werden, 
nicht passen würden. Die drei Fackel wett- 
läufe aber an den Fanathenaien, Hephaisteen 
und Fromctheen waren so grossaitig, dass 
andere ähnliche Veranstaltungen daneben 
gar nicht in Betracht kamen. Vgl. Weck- 
lein im Hermes VH 437 ff. Ad. Schmidt 
S. 281 f. — Über Apaturien in anderen 
Staaten s. Schoemann a. a. 0. H 548. 



4. Eoltiuizeiten. (§ 117-118.) 161 

Am letzten Tage des Monats wurden den beiden kunstfertigsten 
Göttern, dem Hephaistos und der Athena die Xalxeta^) gefeiert, die auch 
U&i^vaia geheissen haben sollen. 2) Wahrscheinlich war es in erster Linie 
ein Fest der Handwerker und Metallarbeiter. Dass an diesem Tage auch 
die Ergastinen mit dem Weben des Peplos für Athena begannen, haben wir 
schon erwähnt. Sehr möglich ist, dass am Vorabend der Chalkeen der 
Fackelwettlauf zu Ehren des Hephaistos stattfand.^) 

117. Im folgenden Monat, dem Maimakterion, gab es kein grösseres 
Fest. Die stürmische Winterszeit hatte begonnen, die Tage waren dunkel 
und unfreundlich: man wandte sich mit Opfer und Gebet an den zür- 
nenden Zeus juai/iaxrryg *) und suchte ihn zu versöhnen.^) — Eine ähnliche 
Bedeutung muss das Opfer gehabt haben, das am 20. des Monats dem 
Zeus yewQyog dargebracht wurde.*) 

118. Der Poseideon brachte zwei Feste, in denen Freude und 
Dank für die wichtigsten Nahrungsmittel, die das Jahr gespendet hatte, 
zum Ausdruck kamen. Das Getreide war gedroschen, und der neue Wein 
begann trinkbar zu werden:') der Demeter, Köre und dem Dionysos feierte 
man die jiXtpa,^) das Tennen- oder Dreschfest, ^) dem letzteren allein 
die ländlichen Dionysien. Beide Feste wurden vorzugsweise von der Land- 
bevölkerung begangen, in den einzelnen Demen, die Haloa namentlich in 
Eleusis.i^^) An ihnen fand auch eine Prozession zu Ehren des Poseidon statt, ^*) 
der auch den Beinamen ^vtakimog führte, und von dessen Beziehungen zu 
Demeter die Sage viel berichtete. ^^) Das Fest hatte einen mysterienartigen 
Charakter und scheint in Eleusis wenigstens hauptsächlich von Frauen gefeiert 
zu sein, deren hergebrachte obscöne Scherze auch hier wieder ihre Rolle 
spielten. ^^) Von Staats wegen wurde der Demeter und Köre ein grösseres 
Opfer dargebracht, wenn auch wohl nicht alljährlich; >^) ein dywv ndxQiog 
wird in einer eleusinischen Inschrift ^^) erwähnt. 

Das bedeutendere Fest waren die Jiovvaia, zum Unterschied von 
den .städtischen t« xat dygovc genannt. ^^) Dass sie in den Poseideon 
fielen, ist mehrfach überliefert,*^) das genauere Datum ist unbekannt.*^) 



*) Eustath. zu n. B 552, Harpokr. u. 
XaXxettt, Poll. VIII 105. Mommsen H. S. 3 11 ff., 



für identisch hält. Rohdb im Rhein. Mus. 
XXV 557 ff. 



Hebmann § 56 Anm. 82 u. 33, Scuoemann *) Harpokr. u. 'JXt^te, Philochoros bei 



II 472, Pbbllbr-Robert Gr. M. I 181 

') Said. u. XttXxeTtt. 

») Ad. Schmidt a. a. 0. S. 280 f. Vgl. 
Mommsen Heori S. 311 f. 

*) Harpokr. u. Suid. u. MaifictxTtjgKoy. 

^) Plut. De coh. ira 9 p. 758 C. Eustath. 
zur Od. (f 481 p. 1985, 10. — Ob das in 
diesem Monat gefeierte Fest den Namen 
Maimakteria führte, ist ungewiss. Mommsen 
Heort S. 317 ff.; Hermann G. A. § 57 Anm. 
1—4; ScHOEMANN B. B. 0. II 504; Pbeller- 
RoBEBT Gr. M. I 131. 

•) CIA. III 77. 

') Vgl. Mommsen Heort. S. 324 f. 



Müller Frg. bist. gr. I 411. 

>^) Pseudodemosth. Neair. § 116; Bbkkeb 
Anecd. p. 384, 5. 

^') Bekkeb Anecd. p. 385. 

»-) Preller Griech. Myth.« I 479 ff. J. 
Töpffer Att. Genealogie S. 32 u. 252 ff. 

»3) RoHDE a. a.O. Töpffer Att. Geneal. 93 f. 

>*) Dittenberger Sy 11. 374 b mit Anm. 20, 
BöcKH Staatsb.» II 125. S. aber auch Töpffer 
S 95 f 

'*) Ephem. Archaiol. 1887 S. 5 ZI. 40. 

»«) Aischin. Tim. § 157. Aristoph. Ach. 
250 etc. - Hermann 6. A. § 57 A. 8 ff. 
Mommsen Heort. S. 323 ff. Scuoemann Gr. 



8) Schol. zu Luk. Dial. mer. VII 4 im ; A.^ II 489 ff. 

Rhein. Mus. XXV 557. Hermann G. A. § 57 I ") Theophr. Char. 3; Bekker Anecd. 

A. 5—6; Mommsen Heort. S. 320 ff., der [ p. 235, 6 u. s. w. 

Haloen und das Zeusfest im Maimakterion | ^*^) Ad. Schmidt a. a. 0. S. 285 meint, 

Haiidbuch der kUsB. AltertumBwissenschaft. Y. 3. Abtlg. 11 



1G2 



A, Die griechischen Knltiuialtertftiiier. 



Es war ein fröhliches Fest, welches unter allerlei Belustigungen und Possen 
in den einzelnen Ortschaften gefeiert wurde. Auch die Sklaven, die ja 
in den Weinbergen gearbeitet und bei der Bereitung des Weines ge- 
holfen hatten, waren nicht ausgeschlossen J) Aristophanes ^) schildert uns 
in komischer Weise, wie ein Bauer mit seiner Familie das Fest feiert. Die 
Tochter trägt den Opferkorb auf dem Haupte, ein Knecht den Phallos,^) 
das Gesinde schliesst sich der Prozession (no^nY)) an, die Hausfrau schaut 
vom Dache zu. Natürlich hat sonst nicht das einzelne Haus, sondern der 
Demos sich zur Feier vereinigt.*) Mädchen trugen Opferkörbe und Krüge, 
andere den Phallos,^) einer führte den zum Opfer bestimmten Bock, und 
unter Absingen von Liedern auf Dionysos und ^dkrjg, den personifizierten 
Phallos, bewegte sich der Zug zu einem Altar des Dionysos, wo dana das 
Opfertier geschlachtet wurde.®) Man nannte diese Opfer d-soivia.'^) Unter 
den mannigfachen Scherzen und Neckereien, durch die sich das Fest aus- 
zeichnete, war namentlich beliebt der sog. aaxioXiaafiog oder die MxoiJUa. 
Ein Schlauch wurde aufgeblasen, mit Öl eingerieben, und nun galt es 
hinaufzuspringen und balancierend sich möglichst lange stehend darauf zu 
halten.^) Bereits im fünften Jahrhundert führten bemittelte Gemeinden zu- 
erst auf dazu hergerichteten Tanzplätzen, dann in den immer zahlreicher 
entstehenden Theatern Dramen auf, wie sie an den grossen Dionysien in 
der Stadt seit mindestens 534 üblich waren, und bald bildete dieser Teil 
des Festes gewiss in allen grösseren Orten den Glanzpunkt.^) Natürlich 
sind die Dionysien nicht überall gleich lebhaft und prächtig gefeiert worden. 
Ein Ort, der sich durch Weinbau auszeichnete und grösseren Gewinn daraus 
erzielte, musste es den anderen auch bei dieser Gelegenheit zuvorthun. Im 
Demos Ikaria wurde Dionysos besonders verehrt, ^^) man feierte ihm dort 
die Al(6Qa^^) zum Andenken an den Tod der Erigone, der Tochter des 
Ikarios oder Ikaros, die ihm den Staphylos geboren hatte, und hier sollen 
denn auch zuerst die dramatischen Darstellungen regelmässig geworden 
sein.^^j Xm grossartigsten feierte man die Dionysien im Peiraieus,*') wobei 
sich auch Athen von Staats wegen beteiligte.^*) 

119. Der nächste Monat Gamelion brachte ein dem vorigen ver- 
wandtes Fest, die yir^vaia d. h. das Kelterfest. *^) Es wurde in dem 



dass die verschiedenen Gemeinden es an ver- 
schiedenen Tagen feierten. In Myrrhinus 
nach CIA. II 578 am 19. Poseideon. 

') Flut. g. Epikur. 16. 

«) Ach. 241 ff. 

») Vgl. Schol. Ach. 243. 

*) Uarpokr. u. ^eolyiny. 

^) Auen bei den grossen Dionysien spielt 
dieser eine Rolle. Vgl. Dittenberoer Syll. 
12, 12. CIA. II 321. 

«) Plut. De cupid. div. 8. 

') Harpokr. u. d. W. 

«) Poll. IX 121; Schol. Aristoph. Plut. 
1129; Verg. Georg. II 384. Vgl. Rühnken 
ad Tim. lex. p. 51. Darembero u. Saolio 
Dict. u. Askolia S. 473 mit Abbildungen. 

^) Vgl. V. WiLAMOwiTz im Hermes XXI 
615 u. in Eur. Her. I 5(> ff. 



^0) Hermann G. A. § 13 A. 4. Schoe- 
MANN Gr. A. II 490 f. Preller Gr. Myth.» 
I 551. Vgl. d. Inschr. im Americ. joum. of 
archaeol. IV 421 ff. 

• ») Etym. M. 42, 3. Vgl. Darembbrg et 
Saolio Dict. I 171 f. u. Aiora. 

^^) Athen. II 11 p. 40 B. Schoemaitn a. 
a. 0. II 490 f. Christ Hdb. VII 154. 

»>j Dittenberoer Syll. 296, 20. Auch 
besass die Hafenstadt früher ein steinernes 
Theater als Athen (vgl. v. Wilamowitz im 
Hermes XXI 597 ff., 602). 

>*) Dittenberoer Syll. 374 6, 72, 79. 
ßöcKH Staatsh.s 11 107 f. Vgl. v. Wilamo- 
witz Eur. Her. I 23. 

'^) Bekker Anecd. p. 235, 6. Schol. zu 
Hes. Erg. 506 (502). Hermann G. A. § 57 
A. 22 ff. MoMMSEN Heort. S. 832 ff. Schox- 



4. KnltusEeiten. (§ 119 - 120.) 



163 



grossen dem Dionysos geweihten Lenaion, ^) das in vorthemistokleiscber 
Zeit noch ausserhalb der Stadt lag,*) mit einer Prozession^) gefeiert. Jeden- 
falls hat es mehrere Tage gedauert/) da für die Chöre, die zu Ehren des 
Gottes Dithyramben sangen, früh dramatische Vorstellungen eintraten,^) 
die dann der Mittelpunkt des Festes wurden und, mit grosser Pracht und 
grossem Kostenaufwand von Seiten des Staates vorbereitet und zugerüstet, ^) 
die herbeigeströmte Menge entzückten.^) 

Ein mehr privates Fest und in dieser Hinsicht den Apaturien ähnlich 
waren die Game lien.^) Gewiss gedachte man bei dieser Gelegenheit auch 
der Ehegöttin Hera, aber ob die Feier „der heiligen Hochzeit" {leQog yäfiog)^ 
falls eine solche überhaupt in Athen stattfand,^) mit ihnen in Zusammen- 
hang stand und zusammenfiel, ist sehr zweifelhaft. 

120. In den folgenden Monat, Anthesterion, fiel das dritte grosse 
Dionysosfest,^*^) die '-^ri^fCTjj^ea,'!) welche vom 11. — 13. gefeiert wurden. i*) 
Der erste Tag hiess üiO-oipa^^^) der zweite Xoeg^^^) der dritte Xvxqoi.^^) Jli» 
&<Hyia heisst Fassöffnung. Der Gährungsprozess des Weines war beendigt, 
man füllte ihn aus den Fässern in Kannen, der Hausherr brachte ein Opfer 
und vergnügt^ sich mit den Seinen, denen sich an diesen festlichen Tagen 
auch die Sklaven gesellten, an Schmaus und Trinkgelage.*^) Alles schmückte 
sich mit jungen Frühlingsblumen und schritt in fröhlichem Zuge einher; 
auch die Kinder, die über drei Jahre alt waren, i^) beteiligten sich, das 
Erscheinen der Gottheit wenn nicht im neuen Weine, so in der wieder- 
auflebenden Natur feiernd. Die Choes, d. h. der Kannentag, waren der 
höchste Festtag. ^^) Eine Prozession begab sich nach dem Lenaion und ge- 
leitete die Basilissa oder Basilinna, die Gemahlin des Archen Basileus, nach 
dem älteren Dionysostempel,*®) der wahrscheinlich durch ein in weitem Um- 
kreis herum gelegtes SeiH^) vor der Zudringlichkeit Profaner geschützt 



XAKK Gr. A. II S. 493 ff. und Anhang S. 59G ff. 
Pbslleb Gr. Myth.' I 553 f. Fritzsche De 
Lenaeis. Böckh Kl. Sehr. V 65 ff. Letzteres 
auch für die Qhrigen Dionysosfeste zu ver- 
gleichen. 

*) Hesych. u. Xrjyauiy, Etym. M. 361, 
39. Vgl. Paus. I 20, 3 u. mehr bei v. Wi- 
LAXOwiTZ Hermes XXI 617 f. Anm. 

*) V. WiLAMOwiTz Hermes XXJ 620. 

») Demosth. g. Meid. § 10 p. 517. 

*) An. Schmidt a. a. 0. S. 287 vermutet 
vom 19~22ten Gamelion. 

*) Vgl. V. WiLAMowiTz im Hermes XXI 
6U ff. 

*) Über die Staatsopfer vgl. Dittenber- 
GEB ^11. 374 u. BöCKH Staatsh.» II 107 ff. 
114. 

») Etym. M. 361, 39. Demosth. g. Meid; 
g 10. Plato Protag. p. 327 E. Schol. Arist. 
Equ. 547. Vgl. Pseudodemosth. Neair. 76 
u. Thuk. II 15. 

«) Etym. M. 221, 1. Mommskn Heort. 
S. 343 f. Ad. Schmidt a. a. 0. S. 288 f. 
setzt den Hauptfesttag auf den 24. an. 

•) Phot. u. Hesych. u. legSg yd/uo?, Etym. 
M. 468, 52 bezeugen sie, vgl. aber Robebt 



in Prelleb's Gr. M.* I 165 A. 3. 

»«) Vgl. Thuk. II 15. 

»>) Gerhard Akad.Abh., Berl. 1868 II 
150 ff. Hermann G. A. § 58 A. 6 ff. Momm- 
sen Heort. S. 345 ff. Schoemann a. a. 0. II 495 
ff. Preller Gr. Myth.' I 554 f. 0. Gilbert 
Die Festzeit der att Dionysien, Göttingen 
1872, will Lenaieu u. Anthest«rien identifi- 
zieren. 

*2) Harpokr. u. /of? nach Apollodor. 

") Plut. Quaest. symp. VIII 10, 3; III 
7, 1. 

•*) Harpokr. u. d. W. 

•^) Harpokr. u. d. W. nach Philochoros. 
Vgl. Schol. Aristoph. Ach. 1076 u. über die 
Bemerkung des Didymos ebenda Mommsen 
Heort. S. 346. 

»«) Plut. Quaest. symp. III 7, 1. Schol. 
Hes. Erg. 370 (366). Vgl. Zenob. Prov. IV 
33 und Athen. X 50 p. 437 u. 488. 

»') Philostr. Her. XIII 4 (p. 725 Kays.); 
Etym. M. 109, 12. 

'8) Pseudodemosth. Neair. § 76—78 p. 
1371. 

**) Phot. u. ^iaQ(( tjfAt'ga zu vergl. mit 
PoU. VIII 141. S. Mommsen Heort. S. 354. 

11* 



Iß 4 A. Die griecluBchen Snltiuialtertümer. 

war. Vierzehn vornehrae Frauen, die der Basileus gewählt hatte, die sog. 
FsQaqai^ geleiteten sie in den Tempel, der bis dahin wie alle andern 
Gotteshäuser in der Stadt in diesen Tagen verschlossen gewesen war;^) 
unter Beihilfe eines Hierokeryx ^) nahm die Basilissa, die ihrem Manne als 
Jungfrau vermählt und von echt attischer Abkunft sein musste,^) ihnen 
einen Eid ab, in dem sie Keuschheit und Frömmigkeit gegen den Gott 
versicherten, wie auch, dass sie die Feier der Oeoina regelmässig begangen 
hätten.^) Nach mancherlei heiligen Ceremonien an den vierzehn Altären 
des Gottes und im Tempel^) begab sich die Basilissa allein in das ab- 
geschlossene Allerheiligste. des Tempels, denn der Sinn all dieser Gebräuche 
war, dass sie sich dem Dionysos veimählen sollte.^) Draussen aber steigerte 
sich der Festjubel. Als Bakchanten kostümiert und in anderen Masken 
durchzogen ausgelassene Leute die Strassen,^) und Yorüberfahrende neckten 
die Begegnenden von ihren Wagen herab. ^) Dann begann ein grosses 
Trinkgelage. Jeder der Zechenden erhielt eine eigene Kanne {xovg), die 
nicht, wie dies sonst üblich war, aus einem gemeinsamen Mischkrug 
gefüllt wurde, angeblich weil einst Orestes während des Choenfestes nach 
Athen gekommen sei, und als Unreiner und Fluchbeladener einen beson- 
deren Krug erhalten hatte. ^) Ein Trompetensignal wurde gegeben, die 
Zecher setzten die Kanne an den Mund, und wer zuerst ausgetrunken hatte, 
erhielt als Preis einen Schlauch Weines. ^^) Speise und Trank musste der 
einzelne sich selber beschaffen, ^^ doch scheint der Staat die Mittel dazu 
gewährt zu haben ^^) und vielleicht mehr als das; denn dieser Tag brachte 
auch andere Ausgaben, da die Eltern den Sophisten und wohl auch andern 
Lehrern an ihm das Honorar für den Unterricht ihrer Kinder zu zahlea 
pflegten. 1^) Sich von dem Treiben zurückzuziehen und das Fest lieber im 
privaten Kreise zu feiern, scheint für prüde gegolten zu haben.**) — Der 
dritte Tag des Festes, die Xvtqoi, hatte einen ganz anderen Charakter^ 
Die Kränze, mit denen am Tage vorher ein jeder geschmückt gewesen war^ 
hatte man abends abgelegt, um den Krug gewunden und sie der PriesteriiP- 
des Dionysos übergeben:*^) der letzte Tag war den chthonischen Gottheite 



•) Athen. X 49 p. 437 C. 

^) Vgl. TöPFPER Att. Gen. 184. 

3) Pseudodemosth Neair. 75 u. 78. Poll. 
VIII 90. 

*) Vgl. TöPPFER Attische Genealogie 
S 12 

^*) Etym. M. 227, 3G. Poll. VIII 108. 
Harpokr. u. Hesych. u. regagal. 

^) Pseudodemosth. Neair. 73. Hesych. 
u. Jioyvaov yu^og, 

^) Dion. Hai. VII 72 p. 1491. Philostr. 
Apoll. Tyan. IV 21 (p. 73 Kays.). Vgl. Imag. 
p. 381, 1. V. WiLAMowiTz Eur. Her. I 59. 
Abbildung in d. Arch. Ztg. 1852 XXXVII 2, 



'0) Arißü)ph. Ach. 1000 f. Ail. Var. hist^ 
II 41. Vgl. Atben. X 49 p. 437 C, wo al^- 
ursprünglicher Preis ein Kuchen genann^^ 
wird, u. Schol. Aristoph. Ach. 1002. Auclm 
Kränze sind den Siegern wohl verabreicht:^ 
worden (s. ausser Schol. Ar. Ach. 1 002 Athen.^ 
a. a. 0.). Zu den noQvai, welche Aristo^ 
phanes Ach. 1091 erwähnt, vgl. Aniigono» 
V. Karystos bei Athen. X 50 p. 437 £. 

»») Aristoph. Ach. 1067 u. 1085. Athen. 
VII 2 p. 276 C. MoMMSEN Heort. 363. 

^'^) Plut. Reip. ger. praec. 25. 

'3) Eubulides bei Athen. X 49 p. 437 D. 
Vgl. übrigens auch Böckh Staatsh.' II 16. 



bei Darembkko et Saglio Dict. I 1128. ! ^^) Plut. Anton. 70. Dass Knaben nicht 

**) Suid. u. Phot. u. T(( 6x Tioy (i^a^tov j daran teilnahmen, sondern lieber einer Ein- 

(JX(jj^fA€CTa. ladung ihrer Lehrer folgten, denen sie eben 

*) PhnnodcinoH bei Athen. X 49 p. 437. | Geld und Geschenke gebracht hatten, ist 

Eur. Iph. T, 922 ff. Schol. Arist. Ach. 961. nur natürlich. Anders Mommsen Heort S. 360. 

Plut. Quaest. symp. II 10 u. s. w. j *») Phanodem. bei Athen X 49 p. 437 C. 



4. Enltaszeiten. (§ 120). 



165 



geweiht, zu denen im Kult ja auch Dionysos gehörte. Man kochte dem Ge- 
leiter der Toten, dem chthonischen Hermes, Früchte aller Art,i) that sie 
in Töpfe (xvTgm) und brachte sie zum Opfer dar, natürlich ohne selbst 
etwas davon zu geniessen.*) Doch entbehrte auch dieser Tag der heitern 
Festlichkeiten nicht ganz, wenn sie auch selbstverständlich ernsterer Natur 
waren als die des vorhergehenden Tages. Es wird von Wettkämpfen be- 
richtet,^) und vielleicht fand auch im Theater eine Probe der Schauspieler 
statt, die an den grossen Dionysien auftreten sollten.^) — Die Anthesterien 
scheinen ursprünglich eine andere Bedeutung gehabt zu haben als die später 
zu Tage oder wenigstens in den Vordergrund tretende. Wie wir gesehen 
haben, waren auch die beiden ersten Tage als tjfitQM fiiaqai bezeichnet,'^) 
die Tempel der Himmlischen waren geschlossen, man sagte, dass die Toten 
umgingen, und traf allerlei abergläubische Vorkehrungen gegen die unheim- 
lichen Besuche. <^) Spuren davon, dass das Fest einmal ausschliesslich den 
Unterirdischen gegolten habe, sind in dem Opfer am Chytrentage deutlich 
erhalten, vielleicht auch in dem Namen Xoh.g, dem Haupt- und möglicher- 
weise einmal einzigen Festtage, an weichem auch später die Toten ihre xoi^ 
erhielten.'') So ist es denn auch nicht unwahrscheinlich, dass die vdqoffOQia^^) 
eine Wasserspende für die bei der Sintflut Umgekommenen, auf den 13. 
Anthesterien fielen,^) und mit ihnen das Fest abschloss, wie die Feier der 
eleusinischen Mysterien mit den nXrjfioxoai beschlossen worden sein soll 
(S. 125). 

In demselben Monat wurden die kleinen Mysterien bei Agrai ge- 
feiert, über die bereits gehandelt ist (S. 123), und am 23.^^) ein Fest £ür 
Zeus Meilichios, die Jtdaia.^^) Man feierte es ausserhalb der Stadt, ^') 
vielleicht am Ilissos.^^) Wie wir schon aus dem Beinamen des Gottes 
schliessen können, war es ein Sühnfest, ^^) und etwaige Festschmäuse ^^) haben 
auf keinen Fall etwas mit den Opfern zu thun, die man an diesem Tage 
dem Zeus darbrachte; dem Charakter des Festes entsprechend müssen die 
Tiere ganz hingegeben werden, ^*^) Von ähnlichen Festen aber unterschieden 



*) Dass man sie am Tage und nicht in 
der Nacht bereitete, wie sonst Opfer an die 
Unterirdischen, erwähnt der Scholiast zu Arist. 
Ran. 218 ausdrücklich. Mehr als die Be- 
merkung, dass hier von dem gewöhnlichen 
usus abgewichen werde, ist aus dem Scha- 
lion nicht herauszulesen. Vgl. aber Momm- 
8EN Heort 346. 

^j Schol. Aristoph. Ach. 1076 u. Ran. 
218. 

') Philochoros im Schol. zu Arist. Ran. 
218; CIA. III 93. 

*) Plut. Dec. orat. Lyk. VII 10 p. 841. 
Hebmai^n 6. A. 58 A. 6. Momksen Heort. 
386. — Der Fackelwettlauf, den man nach 
der Inschrift Ross Demen p. 29 für die spä- 
tere Zeit allgemein annahm, ist durch Dit- 
TENBEBG£R*s richtigere Lesung des Steins 
(CIA. III 93, vgl. De ephfbis Att, p. 41 A. 3) 
beseitigt. 

») Eustath. ad II. Sl 526. Phot. u. fiiuQd 



55. 



®) Uesych. Phot. Suid. u. fiinQul i^fifQui. 

^) Schol. Arist. Ach. 961. 

8) S. Hesych. u. d. W.; Etym. M. 774, 



») Theop. im Schol Arist, Ach. 1076; 
MoMMSEN Heort. 365, Hebhann G. A. § 58 
A. 22. 

»") Schol. Arist. Nub. 408. 

»') Hebmann G. A.* § 58 A. 23—24; 
ScHOEHAKN Gr. A.' II 504 f. Mommsen Heort. 
379 ff. 0. Bai^d Die att. Diasien, Progr. der 
Viktoriaschule Berl. 1883. Pbelleb-Robebt 
Gr. M. I 130 f. 

'») Thuk. I 126. 

»3) MoMMSBN 380 f. Band S. 11. 

") Schol. Luk. Ikarom. 24: fiBta rivoq 
arvyyorrjTog. 

»*) Vgl. Band S. 15 f. und über Arist 
Nub 407. Mommsen Heort. S. 383. 

>«) Xen. Anab. VII 8, 4. Vgl. Luk. 
rim. 7. 



10() A. Die griechischen Knltusaltertttmer. 

sich die Diasien dadurch, dass an ihnen nicht der Staat für alle das Sühn- 
opfer darbrachte, sondern die Bürger für sich den Gott durch eine Qabe 
zu versöhnen suchten. Der Arme, der Schaf oder Schwein nicht aufzu- 
wenden hatte, formte sich Tiere aus Kuchenteig und opferte diese statt 
des Lebendigen.^) 

121. Das erste Fest des folgenden Monats, des Elaphebolion, 
waren vermutlich die Elaphebolion, die man der Artemis feierte. 
Man brachte ihr Kuchen in Gestalt von Hirschen zum Opfer, >) doch 
wird das Fest kein staatliches, und die Beteiligung keine allgemeine ge- 
wesen sein. 

Das Hauptfest, zugleich das glänzendste nächst den Panathenaien, 
galt wieder dem Dionysos, wenngleich das religiöse auf den Kult des 
Gottes unmittelbar zu beziehende Element durch die grossen Schauspiele, 
die bald den Mittelpunkt der Feier und des Interesses bildeten, in den Hinter- 
grund gedrängt wurde. Es waren die grossen Jiovvaicc^^) zum Unter- 
schied von den im Poseideon in den Demen gefeierten tcc iv ixatei^) oder 
rd /iiaydXa^) genannt. Eingeleitet wurden sie durch die Asklepieia, die 
auf den 8. des Monats fallend als nqoaywv bezeichnet werden,®) und an 
denen dem Asklepios grössere, vom Staat bestrittene Tieropfer dargebracht 
wurden.') Vom 9. bis 13. wurden die Dionysien selbst begangen, deren 
Leitung dem Archon Basileus oblag.®) Festzug ^) und grosse Opfer') mit 
vorzüglicher Beteiligung der Epheben,^^) die auch die Statue des Gottes 
aus dem Tempel ins Theater schafften, i^) werden den ersten Tag ausgefüllt 
haben, Knabenchöre und lyrische Agone*^) wahrscheinlich den zweiten.*^) 
Dann folgten wohl drei Schauspieltage, an denen in der Blütezeit Athens 
die grössten Dichter um den Preis rangen. ^^) Einen besondern Glanz ver- 
lieh dem Feste die Anwesenheit der Bündner, die zu diesem Termin ihre 
Tribute brachten. ^•'^) Vor ihren erstaunten Blicken entfaltete Athen dann 
all seinen Reichtum und seine Herrlichkeit.^^) Die Tribute wurden talent- 
weise aufgeführt, ^^) den Bürgern der Stadt grosse Summen als Theorika 



») MoMMSEN Heort. 393. Nach Poll. VI 
75 wurden dem Gotte zu Ehren ungeheure 
Brote umgetragen. 

*0) DiTTENBBBOBB Syll. 347. 

>') CIA. II 470. 

*^) DiTTENBEROEB Syll. 4*20. 

»») MoMMSEN Heort. 394 f. 

^*) MoxMSEN 8. 396. Sauppe a. a. 0. 
Fbänkel in Böckh's Staatsh.» II 63* Anm. 407. 
Chbist Hdb. VII 147. Vgl. die Inschriften 
CIA. II 394 ff. und über die Anfänge des 
Schauspiels v. Wilamowitz im Hermes XXI 
615 ff. t)ber die Verleihung von Dreif&ssen 
als Preis für die besten ChOre Aristid. I 
p. 841 Dndf. 

'^) Eupolis im Schol. zu Arist Ach. 503 
vgl. 377. 

^«) V. Wilamowitz Kydathen 31 f., Eur. 
«) Aischin. g. Ktesiph. § 67. ' Her. II 49. 

") DiTTENBEBOER Syll. 374. ^') Tsai. VHI {avfjLfiax,) 82. Vgl. Frah- 

") Poll. VIII 89. KEL in Sallets numismat. Ztschr. III 392 f. 



») Thuk. I 126 und Schol. dazu: 7rf>- 
fittXtt Big f^i^tov fiOQ(fug XBXvnoifiiva. Vgl. 
übrigens auch Hebmaitn Philo]. II 1 ff. 

^) Bekkeb Anecd. 249 u. Athen. XIV 
55 p. 646 E. 

') Hebmakn G. A. § 59. MoMHSEN Heort. 
387 ff. ScHOEMANNGr A.3 11498 f. Pbelleb 
Gr. Myth.'I 555 ff. Sauppe in den Ber. der 
Sachs. Ges. d. Wiss. 1855 Anf. Chbist Hdb. 
VII 147. Vgl. auch A. Mülleb Griech. Btih- 
nenaltt.. Freiburg 1886 und Köhleb Mitt. des 
Athen. Inst. III (1878) S. 104 ff.. 229 ff. Über 
die Zeit der Einführung (peisistrateisch) auch 
V. Wilamowitz Kvdathen S. 133, Homer. 
Unters. 209, Eur. Her. I 86, II 48. 

*) Dittenbebgeb Syll. 347 u. 374. 

») Dittenbeboeb Syll. 140, 37: 141, 32; 
162, 75. 



4. Enliiuizeiten. (§ 121 -122.) 



167 



ausgezahlt, 1) zahlreiche Opfertiere geschlachtet,^) und das ganze Volk fest- 
lich bewirtet.^) Eipen eindrucksvollen Teil der Feier bildete es, dass die 
herangewachsenen Söhne der im Kriege gefallenen Bürger auf die Orchestra 
geführt und vor der versammelten Menge vom Staate mit Waffen beschenkt 
wurden.*) Den Abschluss des Ganzen bildete am 14.^) wieder ein einer an- 
dern Gottheit gefeiertes Fest: die Pandia. Ursprünglich wohl ein grosses 
Zeusfest von politischer Bedeutung^) wurde es durch die Panathenaien in 
Schatten gestellt und zu einer Appendix der Dionysien, wenn auch wohl 
niemals ganz unbedeutend.'') 

122. Im zehnten Monat, dem Munichion, wurden am 6. oder 7.^) 
dem ApoUon die Delphinien^) gefeiert. Es scheint ein Sühnfest gewesen 
zu sein, das man bei der Eröffnung der Schiffahrt veranstaltete. Im Del- 
phinion soll Theseus vor seiner Ausfahrt nach Kreta gebetet und dem 
Apollon den mit weisser Wolle umwundenen Ölzweig der um Schutz 
Flehenden niedergelegt haben, '^) und so wurde denn auch dieses Fest ähn- 
lich wie die Pyanopsien und Oschophorien mit dem Nationalheros in Ver- 
bindung gebracht. Von der Feier selbst erfahren wir nur, dass am 6. 
Jungfrauen (xoqm iXatrxofievai) sich nach dem Delphinion begaben, um dort 
Apollon und wohl auch Artemis anzuflehen. ^^) 

Am 16. wurden der Artemis Movvtx(ci^^) auf der gleichnamigen 
Halbinsel die Munichien gefeiert. ^^) Es wurden ihr die sogenannten 
ilAifKfwvreg^^) geopfert, runde Kuchen, welche, mit Lichtern besteckt, 
din Bild des Vollmonds vorstellen sollten. Mit diesem Fest vereinigte 
man die salaminische Siegesfeier,^-^) wie man die marathonische auf das 
A^rtemisfest am 6. Boedromion gelegt hatte, obgleich weder die eine 
noch die andere Schlacht an dem betreffenden Tage geliefert worden 
war.^^) In späterer Zeit fand zur Feier des Festes eine Regatta der 
Epheben statt, i«) 

Wahrscheinlich auf den 19. fielen die Olympieen,*') die Peisistratos 
bei der Gründung des neuen Olympieions gestiftet zu haben scheint.^®) 



») Demosth. IV (1 Phil.) 35. Böckh 
Staatsh.» I 283 f. 

') DiTTEKBEBOEB Svll. 374. BöcKH Staats- 
b.» JI 107 f. 

') Vgl. Fbänkel Anm. 779 in Böckh's 
Staatsh.' II 113 *. 

*) Aischin. III 154; Plato Menex. 248 E; 
vgl. Isoer. VIII 82. 

^) Demosth. g. Meid. 8. 9. 

•) S. V. WiLAMOwiTz Kydathen S. 133 
a. über andere Auffassungen Mohhsen Heort. 
S. 60 A. 1. 

') Vgl. CIA. II 570. 

^) S. Pbelleb-Robebt Gr. M. I 260 A. 3. 

^) MoMMSEN Heort 398 ff. Schoemann 
Gr. A.« II 454 f. 

»«) Plut. Thes. 18. 

*^) Vgl. Pbelleb-Robebt Gr. M. I 312 
A. 2. 

»2) Mommsen Heort. S. 403 ff. 

*») Athen. XIV 645 A; Poll. VI 75; 



Etym. M. 94, 56; Suid. a. d. W. Vgl. Band 
Die Epikleidia, Progr. d. Margaretenschulo 
Berl. 1887 S. 4. 

>*) Plut De glor. Athen. 7 p. 350 A. 

^^) Über das Datum der Schlacht bei 
Salamis Böckh Mondcvkl. S. 69 f. Ad. 
Schmidt Perikl. II 106 f. und Griech. Chron. 
S. 295 meint, dass die Schlacht bei Salamis 
auf Eypros gefeiert worden sei, die thatsäch- 
lieh auf den 16. Munichion gefallen sei (nach 
Plut. De glor. Athen. 7, vgl. Lysand. 15). 

»«) CIA. II 471 u. Plut De glor. Athen. 
7 p. 350 A. 

*^) Mommsen Heort. 412 f. Stabk in 
Hebmann's G. A. § 60 A. 5. Eöhleb in d. 
Monatsber. der Berl. Akad. d. Wiss. 1866 
S. 348. 

*^) Mommsen Heort. 413. Pbelleb-Robebt 
Gr. M. I 132. Vgl. V. Wilamowitz Hom. 
Unt S. 209 Anm. 



168 



A. Die griechischen Kaltusaltertttmer. 



Zeus wurde an ihnen durch ein grosses Opfer ^ und eine Pompe bekränzter 
Reiter^) gefeiert. 

123. In der heissen Sommerszeit des nächsten Monats, des Thar- 
gelion, wurde das grosse Sühnfest der Qagyrjkia gefeiert.^) Der Name 
bezeichnet eigentlich die von der heissen Sonne gereiften*) Erstlinge der 
Feldfrüchte,'») und diese opferte man auch an dem Feste den Gottheiten^ 
die sie gezeitigt hatten, dem Helios und den Hören,®) und wie an denk. 
Erntefest der Pyanopsien wurden Eiresionen dargebracht.') Doch war di^ 
eigentliche Bedeutung des Festes noch eine andere. Wie beim Beginn de^ 
Frühlings an den Diasien Zeus versöhnt werden musste, so jetzt beim Ein — 
tritt der gefährlichen, oft Seuchen mit sich bringenden Sommerszeit, ApoUon^- 
der schon den Xoifiog der Ilias veranlasst hatte, der Sühngott xax* i^oxv^v. 
Der 6, war der Artemis heilig, der Göttin, die vor allen die schwerste] 
und wirksamsten Sühnopfer, Menschenleben, forderte, der Tag, an dei 
Theseus mit den Opfern nach Kreta gezogen war:^) er eignete sich zui 
Sühne und Reinigung wie kein anderer. Im Kult war nun Artemis freilicl 
hinter dem Bruder zurückgetreten, wie dieser auch den Helios verdrängt;::::^ 
hatte, und ihm galten die Opfer der Feldfrüchte, ^) wie die zur Reinigunj 
der Stadt dargebrachten, aber doch wurde für diese, vermutlich von sehi 
alter Zeit her, der 6. festgehalten.^") Demeter Chloe auf der Burg empfangl 
einen Widder, i*) und nach einer freilich nicht über jeden Zweifel erhabene] 
Nachricht ^^) hat man in Athen auch in historischer Zeit alljährlich einei 
Mann und eine Frau^^) aus der Stadt hinausgeführt und als Sühnopfer ge- 
schlachtet.^^) Über die Einzelheiten der Feier sind wir sonst nicht unter- 
richtet, doch darf wohl ausser andern Ceremonien das Herumtragen einet 
Jiog xoidiov vorausgesetzt werden. 




^) DiTTENBEBOER Syll. 374. 

2) Flut. Phok 37. 

^) Hermann g 60 A. 6 ff. Mohmsbn 
Heort. 414 ff. Mannhardt Mythol. For- 
schungen 1884 S. 124 ff. Treller-Robert 
Gr. M. I 2(31 f. 

*) Etym. M. 443 19; Hesych. u. Sag- 
ytjXict, 

B) Krates bei Athen. III 80 p. 114 A. 

«) Schol. Arist. Equ. 729, Plut. 1054. 
Vgl. Porphyr. De abst. II 7; Bbkker Anecd. 
263 u. %^tt()ytjXitt, 

') Schol. Arist. Equ. 729. 

«) 6 Munichion Plut. Thes. 18. 

^) Vgl. Mommsen Heort. 422; Scuoemann 
(Jr. A.3 II 455 A 7. 

»•^j Diog. Laert. II 44. 

»^) Schol. Arist. Lys. 835; Schol. Soph. 
0. K. 1600 nach Brunck. 

*^) Istros bei Harpokr. u. (pctQuaxog. Vgl. 
Stengel im Hermes XXII 86 ff. u. Mann- 
hardt a. a. 0. S. 126, 129, 131; u. dagegen 
J. TöPFFER Rhein. Mus. 1888 S. 142 ff. 

*^) Diese Angabe des Hesychios u. (pag- 
fAttxol hat mehr innere Wahrscheinlichkeit 
als die dvo uyffgas bei Harpokration. 

'^) Dass in lonien an dem auch dort ge- 





feierten Targelienfeste Menschenopfer üblic 
waren, ist sicher (Hipponax Frgm. bei Bbbgl 
P. 1.* S. 475; vgl. Hermes XXU 647 A. 1) 
ebenso darf nicht daran gezweifelt werden 
dass in alter Zeit dieselben Opfer in Athe 
fUr notwendig befunden, und dass sie auci 
später bei Misswachs und ansteckende 
Krankheiten gerade in dieser Zeit, wo beid 
sich bemerkbar machte, vollzogen werde 
sind (die Zeugnisse dafür im Hermes XXITI^ 
92), später aber werden doch wohl, wie iifc^ 
allen ähnlichen Fällen, Schafe fUr die Men — 
sehen eingetreten sein, und man wird als<^ 
wohl anzunehmen haben, dass Istros von 
einer Vergangenheit spricht, auf deren grau- 
same und abergläubische Gebräuche man 
später nur in grosser Bedrängnis zurttckgriff. 
Mir wenigstens scheint es — abgesehen von 
andern Unwahrscheinlichkeiten — unglaub- 
lich, dass Theophrast (bei Porphyr. De abst. 
II 27 Bbrnays S. 86) sich mit der Anspie- 
lung auf die attischen Tauropolien (Bbbn. 
S. 117) begnügt haben sollte, wenn zu seiner 
Zeit noch an den Thargelien Menschen ge- 
opfert wurden, und er diese den vorher von 
ihm genannten karthagischen und arkadischen 
Menschenopfern an die Seite stellen konnte. 



4. Knltaszeiten. (§ 123 ) 



169 



Wie grosse Bedeutung der Staat dem Feste beimass, geht wohl 
auch daraus hervor, dass der Archen Eponynios mit der Sorge dafür be- 
traut war.*) Der nächste Festtag hatte einen heitaren Charakter, wie wir 
dieser Vereinigung von Trauer und Freude, von Gedenken und zagem Ver- 
ehren der chthonischen Mächte und von frohem Dank gegen die Himm- 
lischen in den griechischen Festen ja schon häufiger begegnet sind. ^) Apollon 
empfing die ersten vom heissen Sonnenstrahl gereiften Früchte, und Fest- 
zug und musikalische Agone ^) feierten den gnädigen, segnenden Gott. 

Am 19. beging man seit der Zeit des Perikles^) der thrakischen Göttin 
Bendis zu Ehren die BevdCdsia,^) Es war eine der Artemis verwandte und früh 
mit ihr identifizierte ^) Gottheit, deren Kult sich zuerst im Peiraieus festsetzte, 
wo sie nahe der Artemis Munichia einen Tempel besass.^) Da sie unter die 
Staatsgötter rezipiert worden war, wurde ihr an ihrem Feste auch von Staats 
wegen ein Opfer dargebracht.®) Eine besondere Merkwürdigkeit verlieh dem 
Feste ein Fackel Wettrennen zu Pferde, 9) oflFenbar thrakischen Ursprungs. >®) 
Auch Prozessionen fanden statt, und zwar die der Athener und der thra- 
kischen Ansiedler gesondert.^) 

Auf denselben Tag fielen nach Photius^O die KaXXvvTriqia^ die 
in engem Zusammenhange mit den nXvvvrjQia stehen.*^) Das Datum 
der letzteren ist nach Photius a. a. 0. der 29., aus Plutarch Alkib. 
3413) ergiebt sich jedoch der 25.**) Es waren Sühn- oder Reinigungs- 
feste, die man der Athena feierte, von anderen vor allem dadurch unter- 
schieden, dass die Reinigung zunächst nicht den Feiernden selbst, son- 
dern dem Tempel und dem Bilde der Göttin galt.*^) KaXkvvtrjQia bedeutet 
wohl das Ausfege-,*®) nXvvtr^Qia das Waschfest. Während der Säuberung 
war der Tempel durch Seile abgesperrt;*^) am 25., jedenfalls dem Haupt- 
festtage, wurden dem Götterbilde Kleider und Schmuck von den sog. Praxier- 
giden abgenommen,*®) und nachdem die nXviTQtdeg oder Xorrgideg^^) und 



«) Poll. yill 89. 

') Verglichen werden kann damit unser 
Osterfest mit dem voraufgehenden Karfreitag. 

') Demosth. g. Meid. 10; Lys. XXI 1; 
Antiph. VI (De saltat.) 11; Dittenbekoeb 
SyU. 420 cf. 112, 34. 

*) Plat Rep. I p. 327 ff. mit Schol.; Prokl. 
zu Tim. 9 B, 27 A. 

^) Hkbmann G. A. § 60 A. 22; Momm- 
SEH H. 425 f. Pbblleb-Robert Gr. M. I 327 f. 

•) Herod. IV 33, V 7. 

') Xen. Hell. II 4, 11. 

•) DiTTEKBEBGEB Sjll. 374. 

») Plato Rep. Anf. 

'«) Vgl. RoscHBB Mythol. Lex. 1884 
S. 780; Weoklbin im Hermes VII 438. 

") u. KaXXvyjiJQia, 

") SoHOEMAiTK Gr. A. II 472 und Petbb- 
8KN Feste der Pallas, Hamburg 1855, S. 11 
steUen die Plynteria voran. Dagegen Momm- 
bbk H. S. 429, Pbbüneb Hestia-Vesta S. 483. 
MomisBN S. 439 ist geneigt, Ealljnterien wie 
Bendideen fttr eine Vorbereitung oder Vor- 
. feier der Plynterien anzusehen; Ad. Schmidt 
a. 8. 0. S. 299 nimmt zweitägige Bendideen 



an; der erste Tag, „die sogenannten Kallyn- 
terien", sei auf den 19ten gefallen, .die 
eigentlichen Bendideen* auf den 20ten. Über 
das Fest selbst vgl. auch Töpffeb Att. Ge- 
neal. S. 133 ff. 

»3) Vgl. Diog. Laert. II 44. 

^*) Schoemann u. a. suchen beide An- 
gaben in der Weise zu vereinigen, dass sie 
das Doppelfest vom 19 - 29ten dauern lassen. 
Vgl. ausser Momhsen Heort. S.427 ff. Pbelleb- 
RoBEBT Gr. M. I 209 A. 3 u. Ad. Schmidt 
a. a. 0. S. 299 f. Letzterer hält eintägige 
Plynterien fQr sicher und den Tag der Feier 
für wandelbar. 

*^) Vgl. die Bestimmungen über die Rei- 
nigung des Heiligtums der Aphrodite Pan- 
demos, die am Tage, wo die nofintj zu 
Ehren der Göttin stattfindet, vorgenommen 
werden soll (Athen. Inschr. im Bull, de corr. 
hell. 1889 S. 163). 

*^) BöTTicHEB Tektonik II 169 u. Momm- 
SEN Heort. S. 428. 

»') Poll. Vm 141. 

^«) Plut. Alkib. 34. 

*•) Phot. a. a. 0. Hesych. u. XovtQideg, 



170 



A. Die griechischen Knltusaltertümer» 



der xctravinxrfi alles gereinigt hatten, die Statue selbst verhüllt und in 
Prozession zum Bade ans Meer geführt, ^ am Abend aber unter Fackel- 
schein^) in die Stadt zurückgebracht. Dieser Tag galt für unglücklich, 
weil die Göttin nicht in der Stadt anwesend war, und kein öfifentliches 
Geschäft durfte dann vorgenommen werden. 3) In der Prozession wurden 
Feigen umgetragen, ^) angeblich weil sie die erste Nahrung des zur Kultur 
übergehenden Volkes gewesen waren,*) in Wirklichkeit wohl, weil sie bei 
Lustrationen sehr häufig angewandt wurden;^) Athena aber empfing ein 
Schaf als Sühnopfer. ^) Die Sage brachte die ganze Feier mit Aglauros 
in Verbindung, die als erste Dienerin oder Priesterin der Göttin für ihr 
Haus und ihren Schmuck zu sorgen gehabt habe, nach deren Tode aber 
alles ein Jahr lang ungereinigt geblieben sei,^) und sicherlich wurde bei 
der Feier auch ihrer gedacht.^) 

124. Der letzte Monat, Skirophorion, hatte seinen Namen von dem 
Fest der ^xiqoipoQia^^^) Ad^ am 12.**) der Athena gefeiert wurde.**) Ein 
anderer Name desselben Festes war 2x(qcc.^^) Beide sind abzuleiten von 
axiQog, der weisse Kalksteinboden. *^) Es war ein Weiberfest wie die Thes- 
mophorien,*'^) und wie an diesen, so war auch hier den Teilnehmern Keusch- 
heit geboten.*«) Eine Prozession begab sich unter Führung des Erechtheus- 
priesters, der einen grossen Sonnenschirm (cxiqov) trug, nach Skiros, einem 
zwischen Athen und Eleusis gelegenen Ort, wo das erste Ackerfeld gewesen 
sein sollte,*^) und wahrscheinlich ein Tempel der Athena Skiras stand.**) 
Man meint, dass der Sonnenschirm andeuten sollte, die Vegetation bedürfe 
in der heissen Jahreszeit des Schutzes gegen den Sonnenbrand.*^) Gewiss 
ist, dass auch Sühnceremonien stattfanden.*^) 

Eng zusammengehörig mit diesem Feste scheinen die 'EQQr^tpoQta oder 
'AQQTjffOQia^^) gewesen zu sein. Dass sie in den Skirophorion fielen, ist über- 
liefert, ebenso dass sie der Athena galten,**) über alles Übrige sind wir fast 
nur auf Vermutung angewiesen; auch der Name ist unerklärt.*^) Zwei 



^) Plut. a. a. 0. MoHMSEN Ueort. S. 
430 ff. 

2) fA6Td (fütrog CIA. II 469 ZI. 10; 470, 
11; 471, 11. S. aber auch Dittenberoeb 
De epheb. Atf. 63, der dies auf die Oscho- 
phorien bezogen wissen will. 

3) Plut. Alk. 34; Xen. Hell. I 4, 12. 
Vgl. Poll. VIII 141. 

*) Hesych. u. Phot. u. ijyrjrtjQia. Etym. 
M. 418, 49. Eustath. zur Od. cu 341 p. 1399, 
30. 

») Athen. III 6 p. 74 C. 

ö) Vgl. S. HO Anm. 15. 

') CIA. I 3. 

^) Phot. u. KaXXv3rif]Qia. 

^) Hesych. u. IlXvi^rJQia. 

'*) Hermann G. A. § 61. Schoemann 
Gr. A. II 474 f. Mommsen Heort. 440 ff. 
Robert im Hermes XX 349 ff. Vgl. Rohdb 
im Hermes XXI 116 ff. 

*») Schol. Arist. Ekklcs. 18. 

^-) Robert a. a. 0. S. 376 erklärt es für 
eia Demeterfest, an welchem auch dem von 
den Athenern ermordeten eleusinischen Heros 



Skiros ein Sühnopfer gebracht sei (S. 377 f.). 
Dagegen Rohde a. a. 0. 117 ff. Dass neben 
der Athena auch der Demeter gedacht wurde, 
scheint sicher. Vgl. Schol. Arist. Ekkles. 18. 
TöPFFER AtL Gen. 119 f. 

»») Robert a. a. 0. S. 862 f. 

»*j Robert a. a. 0. S. 349 ff. 

»*) Schol. Arist Thesm. 834; Steph. Byz. 
u. axiQog. Robert S. 364. Vgl. Rohdb S. 116. 

••*) Philochoros Frgm. 204; Phot u. t^o- 
TtrjXlg. 

1^) Plut Conj. praec. 42; Lysimachides 
bei Harpokr. u. axlgoy; Paus. I 36, 3; Ro- 
bert a. a 0. S. 361 f. 

IS) Rohde im Hermes XXI 120 f. 

>9) S. Schoemann II 474, Töpffbb Atfc. 
Geneal. 120 u. a., aber auch Robebt S. 361. 

*®) Suid. u. Jiog xi^dioy, 

-1) Schoemann Gr. A. II 474; Mommsen 
Heort. S. 443 ff. Prbllbb-Robbbt Gr. M. I 
210 f.; TöPFFER 121. 

«0 Etym. M. 149, 13. 

3') PrellbbRobert Gr. M. I 211 A. I. 



4. EnltiiBseitexi. (§ 124.) 



171 



Mädchen im Alter von 7 — 11 Jahren') aus vornehmen Familien, welche 
im Dienst der Athena Polias auch bei andern Kultusakten verwandt wurden, 
spielten bei diesem Feste, von dem sie auch ihren Namen {aQQr^g>oQoi) er- 
halten hatten, die wichtigste Rolle. Die Priesterin der Athena übergab ihnen 
Eisten mit geheimnisvollen Heiligtümern, die sie nachts in eine Grotte bei 
dem Heiligtum der Aphrodite ev xr^notg trugen, von wo sie wieder andere 
dnoQQrjTu nach der Burg zurückbrachten.') Vielleicht hatte das Fest, 
das in die heisseste Jahreszeit fiel, den Zweck, reichlichen Tau zur Er- 
frischung der Pflanzen herabzuflehen.') 

Am 14.*) wurden dem Zeus die Jinokicc^) gefeiert. In den merk- 
würdigen Gebräuchen dieses gewiss sehr alten Festes hat sich am deut- 
lichsten der Ausdruck der Empfindung erhalten, dass der Mensch nicht 
das Recht habe, um seines Genusses willen einem Tier das Leben zu rauben, 
ein Gefühl, dessen Spuren wir fort und fort begegnen,^) und das, wenn es 
auch niemals allgemeiner geteilt wurde und deshalb ohne praktische Be- 
deutung blieb, doch auf alle Opfersitten unverkennbaren Einfluss geübt 
hat; am wenigsten aber sollte man seinen Arbeitsgenossen, den Ackerstier, 
töten.'') Auf einen vermutlich mit einer Erzplatte bedeckten^) Altar des Zeus 
Polieus auf der Burg, dessen Priester dem Geschlecht der Thauloniden ent- 
nommen sein musste, wurden Opferkuchen, Weizen und Gerste gelegt. 
Dann wurde der zum Opfer bereit gehaltene Stier von dem sog. xetTQiddrjg^ 
um den Altar getrieben, und sobald er von den Körnern frass, trat der 
Priester {ßovtpovog)^) heran und tötete das Tier, das die dem Gotte ge- 
hörende Opfergabe geraubt hatte. Doch der Rächer des Frevels hatte 
sich selbst versündigt; er hatte ein Leben vernichtet, über das er kein 
Recht besass. Eiligst warf er das Beil von sich und floh. Und man 
verfolgte und richtete ihn wie einen Mörder. Er und alle andern, 
die beim Opfer beschäftigt gewesen waren, wurden im Prytaneum vor Ge- 
richt gestellt, und schliesslich das Werkzeug, mit dem die That vollbracht 
worden war, verurteilt und ins Meer geworfen. Dem Tier selbst aber, 
das man ins Leben nicht mehr zurückrufen konnte, versuchte man wenig- 
stens ein Scheinleben zu geben: die Haut wurde ausgestopft, und der so 
wiederhergestellte Stier wie ein lebender vor den Pflug gespannt ^<^) Von 
dem Fleisch, das wieder ein bestimmter dccivQog zerlegen musste, ^^) der, wie 



^) Aristoph. Lys. 641. BEKKEBAnecd.202 
u. aQ^(poQ€Ty; Etym. M. 149, 20. Prbllkb- 
Robert Gr. M. S. 210 A. 8. 

«) Paus. 1 27, 4. Vgl. Schol. Aristoph. 
Lysistr. 642. 

^) Istros im Schol. zu Aristoph. Lysistr. 
642 igOTjffOQia' rj yccQ^EQaj^ nofinevovai ifj 
Kixqonoq ^vyaxQL Vgl. Lobeck Agl. 873 
und CU. Ill 887. 

*) Schol. AristFax 419; Eiym. M.210,30. 

^) Hermann G. A. § 62 A. 15 ff. Schoe- 
MANN Gr. A. II 505 f. Momhsen Heort. S. 
449 ff. Band De Diipoliis, Leipz. Dissert., 
Halle 1873; G. F. Unoer im Philol. XXV 6; 
0. Jahn Giove Polieo, Leipz. 1865. Vgl. 
auch Bernays Theophrast S. 121 ff. Töpffbr 
Att. Gen. 149 ff. 



•) Vgl. Porphyr. De abst. II mit seinen 
Gewährsmännern. 

^) Vgl. S. 84 u. V. WiLAMOwiTz Eur. 
Her. I 60. 

8) Theophr. bei Porph. De abst. II 29 
Bernays S. 88 f. 

») Paus. I 24, 4; Schol. Arist Nub. 984; 
Suid. u. 9avX(oy. Vgl. Meier De gent. Ätt 
46. Porphyr, a. a. Hesych. u. ßovtvnogy 
ßov(poyia, Bovxrjg. Uno er Philol. XXV 6. 
Die Ceremonie selbst führt den Namen Bu- 
phonia. Töpffer Att. Gcneal. 149. 

»«) Theophr. bei Porph. De abst. II 30 
Bernays S. 90; Ail. Var. bist. VHI 3; vgl. 
Paus. I 24, 4; I 28, 11; Porph. De abst II 10. 

>*) Theophr. bei Porph. De abst. II 30, 
Töpffer Att. Gen. S. 150 ff. 



172 



A. Die griechisohen KnltoBaliertümer. 



auch der xevtQiddr^g und ßovrinog,^) dem Geschlecht der Eeryken ange- 
hört zu haben scheint,^) bereitete man ein Mahl, denn nur ein Speise- 
opfer bedurfte solch einer Entschuldigung und Rechtfertigung vor den 
Göttem. Vielleicht ist ursprünglich an den Dipolien wirklich nur ein Rind 
geschlachtet worden, später begnügte man sich damit nicht, wenn natür- 
lich auch nur mit dem ersten Stier, der von der Opfergerste gefressen 
hatte, jene Ceremonien vorgenommen wurden, und es fand auch an diesem 
Feste eine xQsavofiia statt. ^) Wahrscheinlich schlössen sich an dies Fest 
die auf den Steinen*) öfters erwähnten Opfer für Zeus Soter oder die 
Diisoterien an,^) von denen im Jahre 334 das Hautgeld 1050 Drachmen 
betrug.^) Hauptort der Feier war der Peiraieus,^) wo Zeus Soter und 
Athena Soteira einen Tempel hatten ®) und mit Lectistemien geehrt wurden.^) 
— In der Stadt selbst aber brachten am letzten Tage des Jahres die Ar- 
chonten demselben Gotte ein anderes feierliches Opfer, i®) dessen Ausführung 
in späterer Zeit dem Priester übertragen zu sein scheint. ^0 

125. Ausser den genannten gab es in Athen noch mehrere andere 
Feste, deren Datum sich nicht ermitteln lässt. Dazu gehören die der 
Artemis ursprünglich in Brauron, später aber, als es ein Brauronion auf 
der Burg gab,**) wohl auch in Athen gefeierten Brauronien.*^) Vielleicht 
war das Fest penteterisch.**) Die Mütter stellten der Göttin ihre jungen fünf- 
bis zehnjährigen Töchter vor,*'») die unter dem Namen aQxzoi^^) wahrscheinlich 
fünf Jahre lang im Heiligtum der Göttin bestimmte Dienste zu verrichten hatten. 
Es war also ein Frauenfest. *^) Die Art der Feier, über die wir nur sehr unvoll- 
kommen unterrichtet sind, zeigt in mehr als einer Beziehung Spuren von früher 
einmal der Göttin dargebrachten Menschenopfern. Es werden ihr Ziegen ge- 
schlachtet,*^) und einem Manne wird mit einem Schwert am Nacken eine 
Wunde beigebracht, damit zur Versöhnung der Göttin Menschenblut fliesse.*^) 



*) 6 ßovy xaraßttXXijy Hesych. a. a. 0. 

'"*) TöPFFEB a. a. 0. 

3) Theophr. bei Porph. De abst. II 30. 
Vgl. Bekker Anecd. 221 u. ßov(poyia: noX- 
Xovg ßovg. desgl. Etym. M. p. 210, 31. — 
Band a. a 0. S. 25 ff. hält die Dipolien für 
ein Erntefest, mit dem später die Buphonien 
vereinigt seien. Die Bedeutung des Festes 
sei, Zeus für das Spenden der vegetabilischen 
und animalischen Nahrung zu danken (S. Gl). 

*) CIA. II 162c, 460, 469, 741. 

^) MoMHSEN Heort. 452 f. Fränkel in 
BöcKii's Staatsh.' II S. 110 Anm. Ad. Schmidt 
a. a. 0. S, 300. Köhleb not. zu CIA. II 741 
S. 103. Vgl. Dittenberoer Syll. S. 549 
Anm. 15; Robert in Preller's Gr. Myth.* 
I 151 f. Anm. 3. 

^) Dittenberoer Syll. 374; Böckh Staats- 
h.^ II 108 

") Vgl. '^Ifhjvttioy IX 234. 

«) Strabo IX 395; Paus. I 1, 3. 

») Ranoab^ Ant. hell. 794. 

>o) Lvs. XXVI 6 (g. Euandr.) p. 790. 

'^) CIA. II 325 u. 326; vgl. Robert a. a. 
0. ; V. WiLAMOWiTz Antigonos v. Karystos 
249 u. 345, Köhler im Rhein. Mus. XXXIX 



296 Anm. 1. 

") Paus. I 23, 9. Vgl. v. Wilamowitz 
Kydathen 129 A. 47; CIA. II 751 ff. 

") Hermann G. A. § 62 A. 15, 18 ff.; 
MoMMSEN Heort 409 ff. ; Schoemai^n Gr. A' 
II 480 f.; Preller-Robebt Gr. M. I 312 ff. 

»*) Poll. VIII 107. Vgl. CIA. II 729; 
Robert in Preller's Gr. M.^ I 314 A. 2, aber 
auch MoMMSEN Heort. S. 406 A. 2. 

^^) Schol. Aristoph. Lys. 645. Harpokr. 
u. Suid. u. €(Qxrcvaai. 

^®) Lobeck Agl. S. 74 V. aqx^a&m, Lbhbs 
Rhein. Mus. XXVI 638 von äe^xroi. Ge- 
wöhnlich mit Bärinnen erklärt. Vgl. v. Wi- 
LAMOwiTz im Hermes XVIII 259 A. 1. 

") Vgl. Herod. VI 138 u. IV 145. 

^^) Hesych. u. BQavQtoyloig ; Varro De 
ro rast. I 2, 19; vgl. Poll. VIII 107. 

»") Eur. Iph. Taur. 1458 ff. Zur Loka- 
lität vgl. V. WiLAMOwiTz im Hermes XVIIl 
254. — Back De Graecorum caerimoniis, in 
quibus homines deorum vice fungehantur, 
Berl. Diss. 1883 S. 28 vermutet, dass die 
aQxroi als Bären ausstaffiert worden seien, 
und die Priesterin im Kostüm der Jägerio 
Artemis sie verfolgt habe. 



4. KoltuBseiten. (§ 125-126.) 173 

Von Demeterfesten sind noch die Proerosien ') und Epikleidien*) 
zu erwähnen. Die ersteren sollen einst auf Anweisung des Orakels ge- 
stiftet sein, als ganz Griechenland von Miss wachs heimgesucht war,^) und 
wurden in späterer Zeit in Eleusis mit grossen Opfern unter besonderer 
Beteiligung der Epheben begangen,'*) die letzteren können wohl als Speicher- 
fest, gefeiert zum Dank für die Bergung der Getreidevorräte, bezeichnet 
werden.^) Erwähnt werden mögen ferner die Adonia^) die im Hoch- 
sommer') vorzüglich von Frauen, namentlich auch Hetären, gefeiert wurden, 
die Hermaia,^) welche dem Hermes galten, die Herakleia, die dem Hera- 
kles zu Ehren besonders in Marathon mit Agonen gefeiert wurden,^) und 
das Fest der Eumeniden oder Semnen, bei dem das Geschlecht der Hesy- 
chiden eine hervorragende Rolle spielte. ^'^) 

Auf eine eingehendere Behandlung der Festcyklen der andern grie- 
chischen Staaten müssen wir verzichten, schon weil unsere Quellen dafür 
zu spärlich und dürftig sind, und von der blossen Nennung von Namen, 
wie sie die Steine uns immer reichlicher liefern, absehend, uns damit begnügen, 
die wichtigsten und bekanntesten Feste zu erwähnen und kurz zu be- 
sprechen. 

ß. Feste anderer Staaten. 

126. Zu den ältesten und angesehensten Festen der Peloponnes 
gehörten die in Amyklai gefeierten Hyakinthien. ^ i) Das Fest galt dem 
ApoUon und hatte seinen Namen von Hyakinthos, der, nach der gewöhn- 
lichen Version ^^) ein Sohn des Amyklas und Liebling Apollons, von diesem 
durch einen unglücklichen Diskoswurf getötet worden war. Es fiel in den 
Monat Hekatombeus,^^) der dem attischen Skirophorion,*^)oderThargelioni^) 
entsprach. Die drei Tage des Festes, dem sich vielleicht die Hekatom- 
baien ^^) anschlössen, 1') von denen der Monat wohl seinen Namen erhalten, 
hatten wie andere Apollonfeste traurigen und heitern Charakter zugleich. 
Man beklagte den Tod und feierte die Auferstehung des gottgeliebten 
Knaben. ^^) Weder das Singen des Paians, noch der Schmuck der Kränze, 



MoMMSBV Heoit. 75 ff., 218 ff.; Schob- 



I 416 f. 



MANw II 486; Hebmann § 56 A. 28. ») Paus. I 15, 4. Find. Ol. IX 98; Schol. 



*) Hebmann § 62 A. 5; Schoemann II 



486. Band Programm der Margaretenschule *®) Vgl. Töpffeb Att. Gen. 170 ff. 



Berlin 1887 I. Teil, der sie nach CIA. III 
77 auf den 15. Metageitnion ansetzen zu 
wollen scheint. 

') Schol. Aristoph. Equ. 729. Suid. u. 
IlQotj^ocitt. Vgl. Isokr. Panath. VII 31. 

^) DiTTENBEBGEB Syll. 347, 28. 

*) Hesych. u. y.7iixX€idta. Pbelleb De- 
meter u. Fers. S. 325 f. 

•) Flut. Alk. 18; Nik. 13. Dittenbebgeb 
Syll. 427, 9. Hebmann § 62 A. 34. Fbel- 
leb-Robebt Gr. M. I 362 u. 379. Dabem- 
BEBG et Sagljo Dict. u. Adonis I 72 f. 

') Thuk. VI 30; Flato Leg. V 738 C, 
Phaidr. 276 B. 

8) Aischin. Tim. 10; Schol. Fiat. Lysis 

206 D. Vgl. DiTTENBEBGEB Syll. 121; SüHOB- 

MANN Gr. A. II 527; Pbelleb-Robebt Gr. M. 



Find. Ol. XIII 184. 



»') Hebmann G. A. § 53 A. 36 f. Schoe- 
mann Gr. A.' II 457 f. Pbelleb-Robebt Gr. 
M. I 248 f. Ungeb Fhilol. XXXVIl 13 ff. 

»2) Vgl. Pbelleb-Robebt Gr. M. I 248 
A. 2. 

»«) Hesych. u. d. W. 

>*) Latyschew Dor. u. äol. Kai. S. 133, 
BiscHOFF Leipz. Stud. VII 369 ff., Busolt 
Jahrb. f. Phil. 1887 S. 33; Nissen Rhein. 
Mus. XLII 46 ff.: Hekatombaion. 

»^) Ungeb a. a. 0. u. Jahrb. f. Phil. 1888 
S. 529 ff. 

»«) Strabo VIII 362. 

' ^) Ungeb Philol. XXXVIl 32. Vgl. Herod. 
IX 3; 11. 

***) Vgl. Schoemann u. Prelleb-Robebt 
a. a. 0. 



174 



A. Die griecluBchen SaltasaltertÜmer. 



noch irgend welche Ausgelassenheit war am ersten Festtage gestattet,') 
der zweite war gerade durch musische Chöre ausgezeichnet, denen sich 
Spiele und reiche Opfer anschlössen. Sparta war an diesem Tage verödet, 
weil alles nach Amyklai strömte, auch die Sklaven nahmen teil,^) und von 
den Amyklaiern selbst durfte keiner fehlen.^) Wahrscheinlich wurde an 
diesem Tage auch das uralte Bild des Gottes *) mit einem neuen Chiton 
bekleidet, den spartanische Frauen alljährlich webten;*^) auch eine nächt- 
liche Feier scheint stattgefunden zu haben.®) — Wohl noch wichtiger und 
bedeutender war das Fest der Karneien,^) das ebenfalls dem Apollon 
{KaQveTog) zu Ehren im Hochsommer begangen wurde. Über die Feier in 
Sparta sind wir etwas genauer unterrichtet,®) mehr oder weniger ähnlich 
ist das Fest aber auch in der übrigen Peloponnes und an andern Orten 
gefeiert worden.^) Es begann höchst wahrscheinlich an dem dem Apollon 
heiligen siebenten Tage des Monats Karneios ^^) und dauerte bis zum 15. ^O 
Vor diesem Tage, also dem Vollmond, pflegten die Spartaner selbst in 
dringenden Fällen nicht ins Feld zu ziehen. ^^) Der ursprüngliche Charakter 
des alten Festes ist, in Sparta wenigstens, früh verändert worden. Wie aus 
dem Beinamen des Gottes zu schliessen ist,'^) galt ihm die Feier ursprüng- 
lich als dem Beschützer der Herden, bald aber trat die kriegerische Seite 
des Gottes, der einst dem einwandernden Stamm der Derer vorangezogen 
sein sollte, ^^) in den Vordergrund. Doch scheint die Art der Feier viele 
Eigentümlichkeiten des alten ländlichen Festes bewahrt zu haben, wenn 
ihnen auch eine andere Bedeutung untergelegt wurde. Man errichtete im 
Freien Lauben (axtdöeg), in denen eine bestimmte Anzahl der Festteil- 
nehmer wie im Feld biwakierte und alles auf das Kommando eines Herolds 
verrichtete.^^) Vielleicht hat auch bei den musischen Agonen, die bei 
dem Apollonfest nicht fehlten,^®) kriegerische Musik die Flöte der Hirten 
abgelöst. Auch von einem Wettlauf wird berichtet, bei dem es für ein gutes 
Zeichen galt, wenn der Vorläufer von einem der ihm Folgenden (axafpvXo- 
dQOjxoiy^) eingeholt wurde. Mehrfach erwähnt wird femer das Fest der 
Gymnopaidien,^®) an dem besonders die Jugend, die einst die Kriege 
führen sollte, ihre Kraft und Gewandtheit zu zeigen hatte, und ruhmvoll 
bestandene Kämpfe in Liedern gepriesen wurden. Neben Apollon scheint in 
Sparta namentlich die kriegerische Artemis Verehrung genossen zu haben. *^) 



1) Didymos nach Polykrates bei Athen. 
IV 17 p. 139 D. Vgl. Paus. III 19, 3. 

*) Athen, a. a. 0. 

») Xen. Hell. IV 5, 11. Ages. II 17. 

^) Paus. III 19. 1 f. Vgl. Thuk. V 23 f.; 
Polyb. V 19. 

6) Paus. III IG. 2. 

6) S. Eur. Hei. 1470. 

'') Hermann G. A.^ § 53 A. 30 ff. Schoe- 
MANN Gr. A.^ II 458 ff. Preller-Robert Gr. 
M. I 250 f. 

*) S. Demetr. v. Skepsis bei Athen. IV 
19 p. 141 E f. Bekker Anecd. I 303. 

*) Vgl. Preller-Robebt a. a. 0. 

^^) Für Kyrene bezeugt durch Flut. Quaest. 
aymp. VIII 1, 2. 

") Vgl. Eur. Alk. 445. 



»«) Herod. VI 106, VII 206. 

*») S. Pbeller-Robbrt Gr. M. I 251 A. 2. 

»*) Theoponip im Schol. Theokr. V 83 
und mehr bei Preller- Robert I 251 A. 1 
u. 2. S. auch LüBBitRT, Diatriba in Phid. 
loc. de Äegidis et sacris Carneis, Bonn 1883 
u. ind. lect. aest. Bonn 1883. 

»*) Athen. IV 19 p. 141 E f. 

»«) Hellanikos bei Athen. XIV 37 p. 635 E. 

'') Hesych. u. dyrjxrjg und Ka^yeäua. 

»8) Hermann G. A. 53 A. 39 ff. Schoe- 
MANN Gr. A. II 460. 

^") Über das Fest der Artemis 'O^&ia und 
die Geisselungcn der Knaben an ihrem Altar 
vgl. S. 91 u. Preller-Robert Gr. M. I 308 
A. 3; über die Opfer für die 'Aygoxi^a S. 92. 



4. Knltoszeiten. (§ 1^7.) 



175 



127. In Argos, wo Hera als Hauptgöttin verehrt wurde, i) waren 
das wichtigste Fest die Heraia oder Hekatombaia,^) die mit grossen Opfern 
und Agonen begangen wurden.^) Der Aphrodite feierten die Argeier die 
Hysteria,*) an denen man der Göttin Seh weine zum Opfer brachte, die sie 
sonst verschmähte.'^) — InHermione gab es ein Demeterfest, Chthoneia ge- 
nannt, an welchem die Göttin reiche Opfer empfing.^) — In Theben 
blühte der Kultus des Herakles, und man feierte ihm dort die Herakleia oder 
lolaeia.^) Dem Apollon (Iafir]viog) zu Ehren beging man alle acht Jahre das 
Fest der Daphnephorien,®) wobei der Prozession ein mit Lorbeer und Blumen 
umwundener und mit Bändern verzierter Olivenstab {xatnci) vorangetragen 
wurde. — Alle sechzig Jahre feierte man in ganz Boiotien die grossen 
Daidala,^) alle sieben in Plataiai die kleinen zur Erinnerung an die Wieder- 
versöhnung und Vereinigung des Zeus und der Hera.^<^) Das Fest hatte 
seinen Namen von dem Schnitzbild der Göttin, das man in bräutlichem Schmuck 
auf dem Hochzeitswagen einherfuhr. In derselben Stadt, bei der die letzte 
glorreiche Schlacht gegen die Perser auf altgriechischem Boden geschlagen 
war, feierte man zur Erinnerung daran dem Zeus die Eleutheria^^) mit 
Agonen.**) — In Orchomenos genossen die Chariten besondere Ver- 
ehrung, >^) und man feierte ihnen die Charitesien mit musischen Agonen.*^) 
— In Tanagra hatte Hermes ein Fest, an dem der schönste Jüng- 
ling ein Lamm auf seinen Schultern um die Stadtmauer tragen musste zur 
Erinnerung daran, dass einst der Gott selbst auf solche Weise die Stadt 
gereinigt und von einer Seuche befreit habe.*^) Die Aigineten feierten 
der Hera gleich den Argeiern die Heraia, *ß) und dem Apollon die Del- 
phinien.*') — Korinth zeichnete sich durch seine Aphroditefeste aus,*®) 
Epidauros durch seinen Asklepioskultus, und die zu Ehren des Gottes 
gefeierten Asklepieia waren namentlich durch die damit verbundenen Spiele 
berühmt.-*) — Einen reichen Festcyklus besass Delphoi, die Stadt des 
Apollon. 20) Die Theophanien feierten die Wiederkehr des Gottes, der den 



») Vgl. Pbklleb-Robebt Gr. M. I 160 f. 

«) Schol. Find. Ol. VII 83; Palaiphat. 
51. Hebhanic G. A. § 52 A. 1 f. Schoe- 
XANN Gr. A. II 515; Prbllbr-Robert Gr. M. 
I 168. 

') Find. Nem. X 22; Dittenbeboeb Syll. 
398, 6. 

^) Hermann G. A. § 52 A. 7; Preller- 
RoBERT Gr.M. I 881 A. 2. 

^) Kallimachos bei Athen. III 49 p. 96 A. 
Eostath. zu II. A All p. 853. 

^) Ail. Hist. anim. XI 4; Dittenberoer 
Syll. 389. 

') Schol. Find. Ol. VII 153; Hermann 
G. A. § 63 A. 12. 

«) Prokl. in Phot. Bibl. p. 321 Bekk. 
Schoemann Gr. A. II 463 f. Hermann G. 
A. § 63 A 28. Preller-Robert Gr. M. I 
288 A. 1. 

•) Paus. IX 3, 4. 

^0) Flut, bei Euseb. Fraep ev. III p. 
83 ff. Paus. IX 2, 7; 3, 1 ff. Hermann 
G. A. § 63 A. 22 ff. Schoemann Gr. A. II 



516 f. 

»0 Strabo IX 632; Flut. Arist. 19; 21. 
Hermann G. A. § 63 A. 9. Vgl. Preller- 
Robert Gr. M. I 151. 

'«) Dittenberoer Syll. 398. 11. 

»») Find. Ol. XIV, Paus. IX 35. 

>*) CIG. 1583. 1584. 

"^) Paus. IX 22, 2. 

»«) Schol. Find. Pyth. VHI 113. 

") Schol. Find. Pyth. VHI 88 und mehr 
bei Preller-Robert Gr. M. I 258 A. 2. 

^8) Alexis bei Athen. XIII 33 p. 574. 
Eine Zusammenstellung von Aphroditefesten 
anderer Staaten von Hunzfker m Daremberg 
u. Saolio Dict. u. Aphrodisia S. 307 f. 

»») Schol. Find. Nem. III 145; Ditten- 
beroer Syll. 398. 4. Vgl. Mitt. des Arch. 
Inst, zu Athen II 1877 S. 244 f. u. s. w. 

««) Hermann G. A.» § 64 A. 1 ff. Schoe- 
MANN Gr. A. II 460 ff. Preller-Robert Gr. 
M. I 265 ff. und am ausführlichsten A. Momm- 
SEN Delphika, Leipzig 1878. 



176 •^* I^io griechischen KoltiiBaltertümer. 

Winter bei den Hyperboreern zugebracht hatte;*) die Theoxenien^) waren 
gleichsam das Festmahl, bei dem alle Götter und auch bevorzugte Sterb- 
liche den Gott begrüssten; die Soterien,^) 279 zum Andenken an die Ver- 
nichtung der Gallier gestiftet, priesen Apollon als Retter aus Gefahren und 
wurden später alljährlich mit Agonen gefeiert;^) das ennaeterisch begangene 
Septerion^) galt der Erinnerung an die Erlegung des Drachens und die 
Reinigung des Gottes, und das glänzendste Fest, die Pythien, vereinigte 
alle vier Jahre ganz Hellas an der geweihten Stätte. — Fast ebenso berühmt 
war Del OS, die Geburtsstätte des Gottes, durch seine Apollonfeste. Hier 
wurden ihm die ApoUonia gefeiert,^) wahrscheinlich am 7. Thargelion, der 
für den Geburtstag des Gottes galt,^) und im Monat Anthesterion eines der 
glänzendsten Feste von ganz Griechenland, die Delien,^) deren Feier sich 
namentlich in jedem vierten Jahr grossartig gestaltete^) und durch musi- 
sche,*®) gymnische und hippische**) Agone ausgezeichnet war. Am 6. Thar- 
gelion feierte man auch den Geburtstag der Artemis.*^) — In Arkadien, 
wo namentlich der Zeuskult blühte,*^) ist besonders merkwürdig das Lykaien- 
fest.*^) Es scheint an ihm der grausame Brauch der Menschenopfer sieb 
am längsten erhalten zu haben,**) doch wird auch von Wettspielen be- 
richtet, deren Preise in Wertgegenständen bestanden.*®) — Patrai beging 
ein grosses Artemisfe^t, wobei alle möglichen Opfertiere lebendig in die 
Flamme geworfen wurden,*^) und ein anderes, an welchem ein altes Holz- 
bild der Göttin aus einem andern Tempel nach dem Heiligtum in der Stadt 
getragen wurde. *^) — In Tegea wurden der Athena Alea die Aleaia mit 
Kampfspielen gefeiert,*^) in Pelle ne der Demeter Mysia ein siebentägiges 
Fest, zum Teil mit Ausschluss der Männer,^®) und ein anderes dem Dionysos 
Lajnpter.2*) — Von den Inseln zeichnete sich Sa mos durch seinen Hera- 
dienst aus. Man feierte ihr hier wie in Argos und an andern Orten Heraia;^^) 
femer die Toneia, wobei man ein Bild der Göttin im Gebüsch versteckte, 



^) Herod. I 51. Hinrichtung Phokions hatte (vgl. Mommsek 

*) Plut. De ser. nura. vind. 13 p. 557 F; | Heortol. 402 A. 3. Ad. Schmidt Gr. Chrono). 

MoMMSEN Delph. 300 ff. Deneken De tlieo- '. 292 f.). Am 19ten Munichion wardie Theoiie 

orefiiis 8; Prblleb-Robkrt Gr. M. I 2G5 A. 4 | bereits zurückgekehrt, 
u. 8. w. ^) Thuk. III 104. RoBEBT in Prellbrs 

») MoMMSEN Delph. 215 ff. Gr. M. I 246, v. Wilamowitz Eur. Her. I 

*) DiTTENBEROER Syll. 404, Vgl. 150. \ 340. 

*) Plut. Quaest. gr. 12 p. 293 ß, De def. ' '<>) Plut. Nik. 3; Luk. De salt. IG. 

or. 14 p. 418 A f.; Schoema>'n Gr. A. II , >») Thuk. III 104; Dittenberoer Syll. 

4G1 f.. Preller-Robert Gr. M. I 287 f «121, 16. 

«) Bull, de corr. bell. 1883 S. 105 ff. ' »*) Diog. Laert. II 44. 

Robert im Hermes XXI 161 ff. und in Prel- ") Preller-Robert Gr. M. I 126 ff. 

lkr's Gr. M.^ I 246. '*) Hermann G. A. § 15 A. 18; Schoe- 

') Robert im Hermes XXI 162, 169. mann Gr. A. II 507. 

^) A. MoxusEN in Bursians Jabresber. i ^^) Tboophr. bei Porpb. De abst. II 27. 

1886, 3 S. 338 erkennt zwar Roberts Aus- ' Vgl. S. 90. 

fQhrungen, dass die athenische Theorie zur | *•) Schol. Pind. Ol VII 153. Vgl. Xen. 

Feier der Delien im Anthesterion abgegangen Anab. I 2, 10. 

sei, als richtig an, will aber beide Feste zu- , *') Paus. VII 18. 7. 

sammenwerfen, so dass der erste Tag der , *^) Paus. VII 20, 4. 

zweitägigen Feier Delia. der andere Apollonia ' *'•) Paus. VIII 47, 3. Vgl. die Inschr. 

geheissen habe. — Roberts Abhandlung er- im Bull, de corr. hell. 1889 S. 281 ff. 
ledigt auch die für andere Fragen der *^) Paus. VII 27, 4. 

Heortologip wichtigen Bedenken (vgl. S. 167 ^ij p^us. VI! 27, 2. 

f.}, die man hinsichtlich des Datums der . ^-) Athen. XII 30 p. 525 £. 



4. Kultnueiieii. (§ 127.) 



177 



Ein ihr zürnendes Entweichen vor Zeus erinnernd. — Rhodos war 
namentlich der Kult des Helios eigentümlich.') Alle vier Jahre ^) feierte 
man ihm hier die Ulisia mit Prozession, Opfer ^) und musischen, gymni- 
schen*) und hippischen®) Agonen. Dem Dionysos zu Ehren wurde von 
Staats wegen in Rhodos das Fest der Jiovvaia veranstaltet, an welchem 
Wettkämpfe von Chören und Schauspielen stattfanden,^) und die Lindier 
feierten demselben Gotte die Sfifvd'ia.^) — In Knidos wurde Aphrodite 
am meisten verehrt,*) in Kos Asklepios,^®) doch hatte hier auch Demeter 
ein grösseres Fest {0aXvaia),^^) und in jedem zweiten Jahr feierte man 
Kameen.**) — Kreta war durch seinen Zeusdienst berühmt.'^) In der 
idäischen Höhle sollte der Gott geboren sein, ^^) dort sollten die Kureten seine 
Jugend beschützt haben, *^) dort seine Hochzeit stattgefunden haben, zu deren 
Gedächtnis in Knossos alljährlich ein Fest gefeiert wurde,*®) dort endlich 
zeigte man auch sein Grab.*^) Die Gottesdienste werden auch als Mysterien 
bezeichnet*®) und erinnern durch die Auffassung des Gottes als Verstor- 
benen und Wiedererstandenen **) an den auch in andern Mysterien verehrten 
Zagreus,*®) doch wurde von der Feier niemand ausgeschlossen. '0 — ^^ Sici- 
lien wiederum, wo sich die Sage vom Raube der Persephone durch Hades loka- 
lisiert hatte, finden wir dem entsprechend den Demeter- und Koredienst beson- 
ders verbreitet.**) Dieser galten vorzugsweise die Theogamia^^) und Ana- 
kalypteria,**) jener die Thesmophoria.**) Daneben scheint auf der Insel der 
Herakleskultus besonders entwickelt gewesen zu sein.*®) — Schliesslich mag 
noch erwähnt werden, dass unter den zahlreichen der Artemis gefeierten 
Festen*^) die ephesischen besonders glänzend waren.*®) 

Neben den Göttern hatten überall die Heroen ihre Feste. So feierten 
die Athener den Helden von Salamis durch die Aianteia,**) neben denen zu 
Ehren eines heroisierten Phrurarchen später die Diogeneia aufkamen, 3") 



') Athen. XV 12 p. 672 A. 

*) S. DiTTEKBEBGEB De sttcTts Rhod. im 
ind. lect. Halle. Sommer 1886 S. Y ff. 

*) Ro88 Inscr. ined. HI p. 28 n. 277. 

*) Xen. Ephes. V 11, 2. 

*) Istros un Schol Find. Ol. VII 146. 
Arch. epigr. Mitt. aus Österreich VII 1883 
8. 110 n. 2. Rev. arch^ol. n. s. XIII 1866 
S. 163 n. 12 u. 13. 

•) Rev. arch^ol. n. s. XITI S. 185 n. 10, 
Ross Hell. II 98 d. 23. 

') Diod. XIX 45. Arch. epigr. Mitt. aus 
österr. VII 1883 S. 111 n. 3. 

*) DiTTEKBEBOEB a. a. 0. S X ff. Vgl. 

ScHXTKACHEB im Rhein. Mus.X LI S. 233 ff. 

•) Paus. I 1, 3. 

*«) Pbelleb Gr. Myth.»I428, Hebmaun 
G. A. § 67 A. 20. 

>') Theokr. Id. VII 135 ff. Pbelleb Gr. 
Myth.» I 633. Hebmann G. A. § 67 A. 21. 

") Joum. of Hell. Stud. IX 328 ZI. 
10 ff. 

>») Pbelleb-Robebt Gr. M. 1 132 ff. Schob- 
KAKN Gr. A. II 508 f. Hebmann G. A. § 67 
A.24ff. 



^^) Eallim. in Jov. 4. ApoUodor I 1, 6. 
Diod. V 70 u. s. w. 

'*) Straho X 472. Eur. Bacch. 120. 

»«) Diod. V 72. 

") Luk. De sacrif. 10. 

»8) Eur. Frgm. 475. Schol. Plat. Leg. 
446 Bekk.; Lobeck Agl. S. 1121 ff. 

»») Vgl. Eur. Frgm. 904; Pbelleb-Robert 
Gr. M. I 135. 

") Pbelleb Gr. Myth.* I 564 u. s. w. 

") Diod. V 77. 

") Pbelleb Gr. Myth.» I 644. Hebmann 
G. A. § 6^ A. 17 ff. 

") Poll. I 37. 

") Schol. Pind. Ol. VI 160. 

") Athen. XIV 56 p. 647 A. Hebmann 
G. A. § 68 A. 24. 

««) Thuk. VII 73; Diod. IV 24. 

'^) ^S^- Dabembebo et Saolio Dict. u. 
Artemisia I 441. 

««) Dion. Hai. IV 25; Xen. Ephes. I 2. 

20) Dittenbeboeb Syll.347, 24; Hesych. 
u. d. W. Hebmann G. A. § 02 A. 46. 

»oj Dittenbeboeb a. a. 0. Vgl. S. 97. 



B»ndbnch der Umm. Altertunwwineiiachftft. Y. 3. AbtIg. 



12 



178 



A. Die griechischen Kaltasaltertttmer. 



die Aigineten die Aiakeia,^) und die Einwohner von Oropos die 
phiaraa.^) Namentlich ausgebildet war der Kult des Pelops und der 
podameia in Elis,^) ausser denen auch noch Sosipolis besonderer ] 
genoss.^) 



Find. Ol. VII 156; Nem. V 78 mit 
Schol. 

*) DiTTEKBEBGEB 5. Syll. 398, 



») Paus. V 22, 2; VI 20, 4; V 

U. 8. W 

*) Paus. VI 20, 2; 25, 4. 



r 



B. 



Das Bohnenwesen 

der Griechen und Romer 



von 



Dr. Gustav Oehmichen, 

Privatdozent an der Uuivenität in München. 



12 



Inhalt. 

1. EiDleituDg. 

2. Die staatllch-geaellschattllchen Ortmdlagen der attischen Bühnensplele. 
8. Desgleichen der römischen Bähuensplelc. 

4. Die Äusseren Mittel der Darstellung. 

5. Die Darstellung. 



1. Einleitung. 

1. Bühnenspiele. Bühnenspiele sind erdichtete oder wirkliche Er- 
lebnisse, welche in ihrem Werden, in der Regel ohne jede Berücksichtigung 
der Gegenwart, durch Handlung {igäfia) zur Anschauung gebracht werden. 
Nach dem Ernsten oder dem Heiteren des Stoffes, den dargestellten Cha- 
rakteren, der Ausstattung und der Art der Darstellung (Vortrag mit oder 
ohne Musik und Tanz) zerfallen sie in eine Reihe von Arten. Als Kunst- 
werke haben sie natürlich keinen Zweck ausser sich; dessenungeachtet 
können sie wie die übrigen Kunstwerke einem Nebenzwecke dienen. 

2. Alte Bühnenspiele. 1. Die Bühnenspiele der Griechen und Römer 
waren nicht tägliche Schaustellungen, sondern Teile öffentlicher Feste, die 
meist aus religiösem Grunde, gewöhnlich zu Ehren einer Gottheit, aber 
auch aus Anlass von Leichenbegängnissen, Triumphen u. dgl. veranstaltet 
wurden. Entwickelt haben sie sich in Attika, und zwar aus dem Dionysos- 
kultus. Herkunft und Veranlassung haben im wesentlichen diejenigen Eigen- 
tümlichkeiten hervorgerufen, durch welche sich die Bühnenspiele des Alter- 
tums von denen der Neuzeit so sehr unterscheiden. Nebenbei waren frei- 
lich auch Sitte und Gewohnheit massgebend. 

2. Von der grössten Bedeutung war die Öffentlichkeit des Festes, die 
Teilnahme der ganzen Festgemeinde. Die grosse Zuschauermenge hatte zur 
natürlichen Folge das Spiel in ungedeckten, grossen Räumen und dieses 
wieder das Spiel bei Tageslicht. Die Grösse und Unbedecktheit der Räume 
bewirkte aber auch, dass die Handlung im Freien, auf der Strasse, auf 
einem Platze, nicht im Innern der auf der Bühne angedeuteten Häuser spielte. 

3. Die Grösse des Theatei*s und zugleich entweder das Religiöse der 
Feier oder die Sitte waren für andere Eigentümlichkeiten bestimmend. Die 
Darstellung der Frauenrollen durch Männer war nötig teils wegen der 
unzureichenden physischen Kraft der Frauen, teils wegen ihres durch die 
Sitte gebotenen Zurücktretens im öffentlichen Leben. Ihre Ersetzung durch 
Männer war zudem durch den Gebrauch der Masken erleichtert. Die 
Masken aber waren eine Weiterentwicklung der bei den dionysischen 
Festen herkömmlichen Vermummung, die beibehalten wurde, weil bei der 
Grösse des Theaters ein Mienenspiel nur für die wenigsten wahrnehmbar 
war, besonders aber weil sie die Darstellung von Frauenrollen durch Männer 
ermöglichte und weil sie die Stimme klangvoller und stärker machte. Die 



132 'S. Das BtUmenweseii der Ghriechen' und Bdmer. 

Vergrösserung der tragischen Darsteller durch Kothurn, Onkos u. dgl. 
entsprach endlich einesteils dem Ernste der religiösen Feier, war aber auch 
andrerseits bei der teilweise recht bedeutenden Entfernung der Zuschauer 
von der Bühne etwas ganz Natürliches. 

4. Nicht die Menge der Zuschauer, wohl aber Herkunft des Dramas 
und Volkssitt« war ausschlaggebend für andere Eigentümlichkeiten. Der 
Chor wurde lange Zeit in Griechenland und teilweise auch in Rom ver- 
wendet, das Orchestisch-Musikale fehlte bei keinem Drama, und zwar 
weil die Bühnenspiele sich aus den Tanzgesängen des Chors entwickelt, 
Gesang und Tanz zur Gewohnheit gemacht hatten. Nur für die Einrichtung 
der Wettkämpfe bei den dramatischen Aufführungen, besonders in Athen, 
war die Neigung des Volkes allein entscheidend. 

3. Perioden in Athen. Vier Hauptperioden werden wir annehmen 
dürfen. Die Anfänge von 584 bis ungefähr 500 sind dunkel. Ein lang- 
sames gleichmässiges Fortschreiten in Dichtung wie Darstellung ist vor- 
auszusetzen. Die zweite Periode ist die Zeit des fünften Jahrhunderts, 
die Blütezeit, die wir in drei Abschnitte zerlegen. Die äschyleische Zeit 
nennen wir den Anfang bis zum ersten Auftreten des Sophokles (468). 
Aeschylos ist der Schöpfer wie der tragischen Dichtung so der Darstellung. 
Was er schuf; blieb im wesentlichen bestehen. Ihm wurde verdankt die 
Einführung der dem grossen Theaterraume und den erhabenen Charakteren 
der Tragödie angepassten Bühnentracht und die Erfindung wirkungsvoller 
Maschinen. In seine Zeit fallen, von ihm angeregt oder doch sicher gefördert, 
der Bau des Theaters und die Stiftung neuer Festspiele. Was Aeschylos 
allein begonnen, wurde in dem zweiten Abschnitte dieses Jahrhunderts, in 
der äschyleisch-sophokleischen Zeit, harmonisch ausgestaltet, in der 
Dichtung wie in der Darstellung. Besonders die Einführung des dritten 
Spielers und der gemalte Bühnenschmuck fallen in diese Zeit. Mit Aeschylos 
Weggang aus Athen begann die sophokleisch-euripideische Zeit. Die 
wichtigsten Änderungen, welche jetzt eintraten, betrafen die Festordnung 
und waren vorgenommen zu Gunsten der Spieler. Auf Betreiben des 
Sophokles wurde wohl jetzt erst die Thätigkeit der Schauspieler auf mehrere 
Tage verteilt, womit der Wegfall der inhaltlichen Verknüpfung der Dramen 
in Verbindung stand, und weiter wurde 457 oder 456, vielleicht gleichfalls 
auf Veranlassung des Sophokles, für die tragischen Spieler Wettkämpfe ein- 
gerichtet. Diese waren die natürliche Folge der Trennung der Schauspiel- 
kunst von der Dichtkunst und beförderten die selbständige Entwicklung der 
darstellenden Kunst. In die gleiche Zeit scheinen die wichtigsten Ände- 
rungen in den Einrichtungen des komischen Spieles zu fallen. Nachlassen 
der künstlerischen Schaffenskraft in Dichtung und Darstellung, aber Hebung 
der schauspielerischen Technik waren die Haupteigentümlichkeiten des vierten 
Jahrhunderts oder der dritten Periode. Sie schloss formell mit einer Neu- 
regelung des Bühnenwesens unter Demetrios von Phaleron (CIA. II 1289 und 
§ 21). Die letzte, weniger bekannte Periode bezeichnet den allmähligen 
Untergang auch der dramatischen Kunst, das Aufhören der schöpferischen 
Dichtung und das Überhandnehmen des Handwerksmässigen in der Dar- 
stellung der dionysischen Künstler (§ 25). 



t Binleitmig. (§3-6.) 183 

4. Perioden in Born. Wir können in Rom drei Perioden der Bühnen- 
geschicfate ansetzen. Die erste trifft ungefähr zusammen mit dem sechsten 
Jahrhundert der Stadt, von Livius Andronicus erster AuflFührung (240) bis 
zum Tode des Terenz (159). Sie zeichnete sich aus durch dichterische 
Schaffenskraft und rege Teilnahme der Zuschauer; die Darstellungsmittel 
dagegen waren äusserst einfach und das Spiel wahrscheinlich in mehr als 
einer Beziehung mangelhaft. Die zweite fällt ziemlich zusammen mit dem 
siebenten Jahrhundert der Stadt, denn sie reicht bis in die augusteische 
Zeit. Sinken der Dichtkunst, Steigen der Schauspielkunst (Einführung der 
Masken), überhandnehmender Luxus in der Ausstattung sind die Kennzeichen 
dieser Periode. Die dritte ist die Verfallzeit. Ausserlich zwar wurde 
vieles besser, geordneter (steinerne Theater, Theatergesetze des Augustus 
u. a.), aber der Mimus, der schon in der zweiten Periode zu ungehörigem 
Ansehen gelangt war, und der Pantomimus gewannen die unbeschränkte 
Herrschaft. Die Tragödie und Komödie fanden nur kleine Zuschauerkreise, 
und es war auch nur mehr das Mimische und Musikale der Darstellung, 
was Bewunderung erregen sollte und erregte. 

6. Alte Bühnenkunde. 1. Die Bühnenkunde ist die systematische 
Darstellung des Bühnenwesens, neben welcher, wie bei allen historischen 
Wissenszweigen, eine genetische möglich oder doch erstrebenswert ist. Jede 
Bühnenkunde, also auch die alte zerfallt in vier Teile. Der erste umfasst 
die Lehre von den staatlich-gesellschaftlichen Grundlagen des Bühnenwesens, 
d. h. von seiner Einrichtung und Verwaltung und seiner Stellung im staat- 
lichen und gesellschaftlichen Leben. Der zweite Teil handelt von den 
äusseren Mitteln der Darstellung, von den Theatergebäuden und ihrer Aus- 
stattung und von der Ausstattung des Darstellerpersonales. Die Aufgabe 
des dritten und vierten Teiles endlich ist die Lehre von der Dichtung und 
Darstellung der Bühnenspiele. 

2. Eine alles Nötige umfassende, logisch gegliederte Bühnenkunde 
besitzen wir noch für kein Volk. Der folgende Versuch strebt sie an, bleibt 
aber unvollständig, denn er lässt die Lehre von der Bühnendichtung weg, 
weil für sie die Zeit noch nicht gekommen ist, und gibt ausserdem aus 
Mangel an Raum die Lehre von der Darstellung nur im Abriss. Er hat 
natürlich diejenigen Eigenschaften, die ein erster Versuch zu haben pflegt, 
dessen ist sich der Verfasser wohl bewusst. 

6. Neuere Forschung. Sechs Männer sind es, durch deren Arbeiten 
der Aufbau der alten Bühnenkunde ermöglicht worden ist: Gottfried Her- 
mann, BoECKH, Welcker, Ottfried Müller, Ritschl und Wieseler. Die me- 
trischen Studien von G. Hermann und die metrischen und musikgeschichtlichen 
von Boeckh haben den Weg geebnet zur Erkenntnis des äusseren Baues und 
des Vortrages der Dramen. Hermann hat ausserdem durch anregende Lehr- 
thätigkeit, durch Einzeluntersuchungen, besonders aber durch einschneidende 
Besprechungen von Werken anderer zur Aufhellung dunkler Punkte oder 
doch zur Verbesserung der Forschungsweise wesentlich beigetragen. Auch 
BoECKH hat anregend gewirkt, und durch seine Abhandlung über die dio- 
nysischen Feste und seine Staatshaushaltung der Athener sind die äusseren 



184 B. Das Btthnenweaen der Ghriedieii und Römer. 

Bedingungen der attischen Bühnenspiele erst genau erkannt worden. Mit 
WfiLCKEB aber begann die Erforschung des inneren Baues der griechiscben 
Tragödie. Die Erkenntnis des inhaltlichen Zusammenhanges der äschyleischen 
Dramen ist die Grundlage der Forschung geworden, und sie ist sein Werk. 
An Welcker schloss sich Ottfried Müller an in seiner berühmten Aus- 
gabe der Eumeniden. Sie war der erste von grossen Gesichtspunkten aus- 
gehende Versuch einer zugleich Dichtung und Darstellung umfassenden 
Erklärung. Das bis auf Ritschl nur kümmerlich angebaute Feld des 
römischen Bühnenwesens fand durch diesen die grösste Förderung. Die 
Einrichtung und Verwaltung der römischen Bühnenspiele in der Blütezeit 
hat er in allen wesentlichen Teilen klar gelegt. Was die Vorgänger nur 
gestreift, dilettantisch oder gar nicht behandelt hatten, die Frage nach den 
baulichen und bildlichen Denkmälern, das setzte sich Wieseler als Lebens- 
aufgabe; er ist der Begründer der scenischen Denkmälerkunde geworden. 
— Durch Fleiss, Gewissenhaftigkeit und Scharfsinn haben sich femer A. 
ScHOENBORN Und SoMMERBRODT auf uusorom Gebiet einen ehrenvollen Namen 
erworben; und mit Dankbarkeit zu erwähnen sind die zusammenfassenden 
Arbeiten von Ludw. Friedlaender, 0. Ribbeck und Albert Müller. 

Zu Metrik, Musik vgl. Hdb. II 497. 500. 609. 6. Hkbmavn De choro Eumenidum, 
Lpz. 1816 (Op. II 124); Rezension von E. 0. Müllbb's Eumeniden (Op. VI 2 und VII); 
De re scaenica in Aeschyl. Orestea (Op. VIII 158 ff.); De choro Vesparum (Op. VIII 253 ff.); 
Aeschylosausgabe u. a. — Auo. Boeckh Vom Unterschiede der attischen Lenäen, Anthe- 
sterien und ländlichen Dionysien in Abh. der Berl. Akad. 1816/17 (Kleine Schriften V); 
Staatshaushaltung der Athener. Berl. 1817. 3. A. 1886. — F. 6. Welckbb Die Aeschyl. 
Trilogie Prometheus, Dannst^dt 1824; Nachtrag dazu, Frankf. 1826; Die griech. Tragödien, 
3 Bde., Bonn 1839-41. — E. 0. Mülleb Aeschylos Eumeniden, Gott. 1833; Anhang dazu 
1834; Geschichte der griech. Litteratur. — Fb. Ritsohl Parerga zu Plautus und Terenz, 
Lpz. 1845; dazu Op. II. — Fr. Wiesblbb Das Satyrspiel, Gott. Studien 1847 II; Ober die 
Thymele des griech. Theaters, Gott. 1847; Theatergebäude und Denkmäler des BQhnen- 
Lesens (abgekürzt: Denkm.), Gott. 1851; Das griech. Theater in der Allgemeinen Ency- 
klopädie von Ersch und Gruber, Sektion I Bd. 83 (abgekürzt: Enc.) und eine Reihe von 
klemeren Schriften. — (Stellensammlung: L. G. Grysar De Doriensium eomoedia, Colon. 
1828; de Graecorum tragoedia qualis fuerü circa Demosthenis tempora, Colon. 1830; 
Über den Zustand der röm. Bühne zur Zeit Ciceros in Allg. Schulzeit 1832 S. 313 ff. 
GoTTL. Carl Wilh. Schneider Das Attische Theaterwesen, Weimar 1835 (gut). Ernst 
VON Letttsch Gnindriss zu Vorlesungen über die griechische Metrik, Gott. 1841. C. E. 
Geppert Die altgriech. Bühne, Lpz. 1843.) — Auo. Schoenborn Die Skene der Hellenen, 
Lpz. 1856. — Sommerbbodt Scctenica, Berl. 1876 (gesammelte Abhandlungen). — Lüdw. 
Fbiedlaendeb bei Marquardt und Mommsen Röm. Altertümer VI* (= Mabqvabdt Röm. 
Staatsverwaltung III'^; Rom. Sittengeschichte, besonders IP). — 0. Ribbbck Die rOmische 
Tragödie, Lpz. 1875; Gesch. der röm. Dichtung, 2 Bde., 1887, 1889. — A. Müllbe Lehr- 
buch der griech. Bühnenaltertümer, Freiburg i/B. 1886 (= E. F. Hbbkanm^s Lehrb. d. gr. 
Ant. III 2); vorher Jahresberichte im Philologus, Bd. 23 und 35. Vgl. WscKLEni in Bubsian- 
Mülleb's Jahresbericht für die klass. Altertumswissenschaft. 

7. Quellen im allgemeinen. Die bühnenkundlichen Quellen sind sehr 
verschiedener Art. Wir können sie einteilen in unmittelbare und mittel- 
bare und beide wieder in schriftliche und nicht schriftliche. Zu den un- 
mittelbaren schriftlichen Quellen gehören die Dramen und die auf das 
Bühnenwesen bezüglichen Gesetze und Inschriften. Zu den unmittelbaren 
nicht schriftlichen Quellen sind zu rechnen die Theaterüberreste und die 
Eintrittsmarken. Mittelbare Quellen sind die Überreste alter Forschungen 
nebst Einzelnotizen der Schriftsteller und die Bildwerke. Da das Quellen- 
material nicht reichlich fliesst, müssen alle Quellen kombinatorisch benutzt 



1. Emleitnng. (§ 7—8.) 1 85 

werden, allerdings nach Massgabe ihres Wertes. Ausschlaggebend sind, 
wenn sie fliessen, die unmittelbaren Quellen, denn in den mittelbaren ist 
die Wahrheit unabsichtlich oder absichtlich getrübt. Die Nachrichten näm- 
lich, welche von den Eompilatoren der späten Zeit überliefert werden, sind 
oft von diesen selbst nicht mehr verstanden und infolge dessen verwirrt 
wiedergegeben worden, die Bildwerke aber geben in der Regel keine Illu- 
strationen in unserem Sinne, Abbilder des Geschehenen, sondern sind Nach- 
ahmungen von mehr oder weniger freier Art. Beiderlei Quellen müssen 
vor ihrer Benutzung erst präpariert werden, d. h. Zusätze müssen entfernt, 
das umgestellte richtig gestellt werden u. dgl., was schwierig und oft nicht 
möglich ist. In der folgenden Einzelbesprechung werden zunächst die schrift- 
lichen, dann die nicht schriftlichen Quellen angeführt werden. 

8. Dramen. 1. Die erhaltenen Dichtwerke sind gewiss gute Quellen, 
aber da sie nicht nach scenischen Gesichtspunkten ausgewählt, iu dieser 
Hinsicht vielmehr lückenhaft sind, haben wir kein Recht sonst gut beglau- 
bigte Nachrichten unbedingt zu verwerfen. Vorsicht ist durchaus angezeigt. 
Wir erfahren aus den Dramen öfter mit Sicherheit, dass etwas da war oder 
geschah, aber nicht, wie es war oder geschah. Wenn z. B. Dareios aus 
der Tiefe erscheint und dahin, wie ähnlich Prometheus, wieder verschwindet, 
so muss eine Vorrichtung für Versenkungen vorhanden gewesen sein; über 
ihre Beschaffenheit lässt sich aber nichts sagen, so wenig wie über die der 
sonstigen Maschinen und des Schmuckes. Aus denselben Umständen er- 
schliessen wir mit Gewissheit, dass die schauspielerische Thätigkeit auf der 
Bühne stattfand, nicht in der Orchestra. Ebenso sicher schliessen wir auf 
Gesmg bei melischen Partieen und auf Tanz, wenn die Worte darauf führen. 
In manchen Fällen können wir umgekehrt sicher folgern, dass etwas über- 
haupt nicht da war oder geschah. So konnte z. B. die Nachtzeit nicht 
künstlich vor Augen geführt werden, ebensowenig Sturm, Staub u. dgl., 
obwohl davon gesprochen wird. In der Mitte liegen eine Reihe andrer 
Fälle, in denen wir nicht bestimmt zu sagen wissen, ob etwas wahrzu- 
nehmen war oder nicht. Wenn z. B. in den älteren Stücken des Aeschylos 
der Bühnenschmuck gar nicht oder fast nicht erwähnt wird, so dürfen wir 
zwar wohl mit einigem Recht auf das Fehlen eines gemalten Hintergrundes 
schliessen, nicht aber auf das Fehlen jegliches Schmuckes. (Die Hinterwand gar 
als fehlend anzunehmen verbieten ausser andern Umständen die Perser 230 
und die Nachricht über die Phönissen des Phrynichos in der Hypothesis 
desselben Stückes.) In ähnlicher Ungewissheit befinden wir uns in betreff 
der Zeit des Auftretens liegender Personen im Anfang des Stückes, in 
betreff der Zahl und Thätigkeit der stummen Personen u. s. w. Also aus 
den Dramen ist mit Sicherheit nicht allzuviel zu entnehmen; sie geben 
meist nur Andeutungen, und der nachforschende Verstand muss aus andern 
Momenten sein Urteil bilden, das natürlich, je nachdem man die Gesamt- 
kultur des fünften Jahrhunderts auffasst, verschieden ausfallen wird. Im 
allgemeinen aber hat ohne Zweifel G. Hermann das Richtige getroffen, wenn 
er für das fünfte Jahrhundert in Bezug auf die scenische Ausstattung an- 
nimmt, nur das Notwendige sei angegeben worden, vieles der Phantasie 
überlassen geblieben (ed. Aesch. II 649 ^ Op. VIU 158 u. sonst). 



186 B. Das Bühnenwesen der Oriechen und Römer. 

2. Ähnliche Schwierigkeiten wie die bisher allein beachteten griechi- 
schen bieten die römischen Dramen. Es kommt aber noch eine hinzu da- 
durch, dass diese nichts weiter sind als mehr oder minder freie Bearbeitungen 
griechischer Stücke. Die römischen Dichter haben sicherlich mancherlei 
her übergenommen, das im Anfang der römischen Bühnentechnik entweder 
gar nicht zur Darstellung gelangte oder doch in anderer Weise, als die 
Worte andeuten. 

M. Haupt De scaena Ächamensium Arist, etc., Ind. schol. hib. Berl. 1872. J. Nik- 
JAHB Quaest. Ärist. scaen., Dias. Greifsw. 1877; Com, scaen,, Prog. Halle 1888. U. von 
WiLAMOwiTz-MoELLENDORF Henues 21*^« 597 ff. (Die Reaktion gegen die frflhere Willkür 
ist gewiss angebracht, aber man darf auch nicht zu weit gehen, wie die eben genannten.) 
Über Bühnenausstattung. Auftreten und Abtreten: A. Schoenbobn Skene 111 ff. (jetzt meist 
veraltet). A. Müller Bühn. 108 ff. Die Ausgaben von Wbcklbik, Kook, Dziatzko u. a. 
Über Vortrag s. Abschnitt V. 

9. Urkunden. Über die Wettkämpfe in Athen wurden Protokolle 
aufgenommen und wahrscheinlich im Archiv aufbewahrt. Wie die Auf- 
führungen hiessen auch die Protokolle Didaskalieen. Ebenso hiess das Werk, 
das Aristoteles auf Grund der Protokolle oder der didaskalischen Inschriften 
(s. u.) verfasste. Aus diesem Werk des Aristoteles haben wir Reste bei 
verschiedenen Schriftstellern, die man gleichfalls Didaskalieen (1) nennt. 
In späterer Zeit wurden die Protokolle verkürzt auf Marmorplatten gegraben, 
von denen Reste gefunden worden sind. Zunächst die didaskalischen 
Inschriften (2) für komische Spiele im Jahre 354 f., für tragische 420 flf., 
für komische 341 flf. u. s. w. In ihnen sind in der Folge, wie der Richter- 
spruch lautete, die dramatischen Dichter mit ihren Stücken und den diese 
spielenden Protagonisten genannt; am Schluss der siegende Protagonist. 
Ferner die grosse dionysische Siegerliste (3), in der die Choregei* und 
Sieger in den lyrischen Agonen der Knaben und Männer und in dem 
komischen und tragischen Agon verzeichnet waren. Die ältesten Reste 
sind nicht vor der Mitte des vierten Jahrhunderts abgefasst. Nach diesen 
oder den Protokollen selbst sind die „Siege* {NTxai) des Aristoteles aus- 
gearbeitet. Kleinere Siegerlisten (4) mit Angabe der siegenden Tra- 
gödiendichter, Komödiendichter und Protagonisten, welche an den dionysi- 
schen oder lenäischen Wettkämpfen gesiegt hatten. Die Zahl hinter ihnen 
bedeutet die Anzahl ihrer Siege. Andrer Art sind die choregischen In- 
schriften (5) oder die Tafeln, welche von den siegenden dramatischen 
Choregen zum Andenken an den Sieg aufgestellt wurden. Von diesen sind 
uns nur wenige bekannt, während die Inschriften, welche lyrische Ghoregen 
betreifen, zahlreich sind. Ausserdem kommen in Betracht Ehrenbeschlüsse, 
Verträge, Gesetze (6), die auf das Bühnenwesen Bezug haben. Besonders 
wichtig ist das Gesetz des Euegoros. Von den Inschriften der übrigen grie- 
chischen Städte (7) sind die wichtigsten die von Delphi, Orchomenos, Oropos, 
Delos, Samos, Jasos, Rhodos. Auch in Rom gab es Aufzeichnungen der 
Spiele, die aber bald litterarisch verwertet wurden (§ 10). 

ü. KoEHLEB Mitteilungen d. kais. deut. arch. Instituts zu Athen 3'* 104 ff. Th. 
Berok Rhein Mus. 34'» 300 ff. Lipsiüs Berichte üb. d. Verh. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. 
ph.--h. K. 1885 S. 411 ff., 1887 S. 278 ff. G. Oehmichen Sitzber. der Münch. Akad. 1889 
Bd. II 140 ff. - Zu 1: Gesammelt CIG. p. 350. V. Kose Aristot. pseudepigr. 559 ff. A. 
MüLLEB Bühn. 311 ff. — Zu 2: CIA. II 972. 973. 974. 975. 976. (972 bleibt es zweifelhaft, 
ob die Agone von 420 ff. auf Lenäen oder Dionysien zu beziehen sind, deshalb werden sie 



1. Einleitung. (§ 9-10.) 187 

im folgenden nicht berficksichtigt). — Zu 8: CIA. II 971 a— e; dazu lEfftj/aeQig agx- 1886 
S. 268 und 1887 8. 23. — Zu 4: CIA. II 977 (die letzten sind bis jetzt nicht geschieden 
und werden deshalb im folgenden auch nicht berücksichtigt). CIG. 229. 230 (zu sehr ver- 
stOmmelt). - Zu 5: Gesammelt bei Bbinck Diss. Hai. VII 100 ff. (CIA. II 1280 ff.) Plut. 
Them. 5 (öffi.) nlrcata tijg vlxrjg aye&tjxe routvrrjv dfftyoagnjp l^ovra' Sefi. ^geaggiog 
iz^^y^h ♦^>'*/of idida<rx€y, 'Jdeifiayrog fjQX^*'' Koehlbb Hermes II 23: a) MytjaiatQatog 
Miaywyog, JioneiSijg JioSiaqo iyogijyoyj [Ji\xtttoy€'yr]g idldaaxey, b) Äfyrjaiuaxog Myrj<rt~ 
argaro, y. Ssoiiuo ix^^y^^* '^QitfQtoy ididaffxay, [noXvx]äQTjg K[ta}]fÄ(oyog i[di\da(ix€y, (In a 
sind zwei yerscniedene Siege verwandter Ghoregen, die demselben Dichter dienten. Das 
gleiche ist in b der Fall; nur sind da auch zwei verschiedene Dichter. An Synchoregie 
ist nicht notwendig zu denken.) Arist. Polit. 1341 A ^fetd ta Mrjdixd . . . xm ydq iy Aaxe- 
dttlfioyi Tiff /o^Jyyof ttvrog tjvXtjffe r^ X^Q^y f"^' negl 'J&ijyag ovrto inexioQlttiSByy toaxB axeddy 
ol TtoXXol nay iXev&£Qtoy uereixoy avtijg' d^Xoy dd ix tov niyaxog, oy dyi&rixE Sgaamnog 
'Exq^ayridp /o^i^yiyVaf. Vgl. Kaibel Epigr. 925. EoifiHLEB Mitt. Athen 7®* 348. Bbinck 
Diss. Hai. VII 139. (Kaibel erklärt allein richtig: xKTaotfOQovyrt bezieht sich auf die Be- 
krSnznng während der Aufführung. Da an ländliche Dionysien schwerlich zu denken ist, 
so gab es damals komische Choregen in Athen.) Eobhlbb Mitt 3^^ 237. Dittenbebobb 
Syll. 417. Bbikok 145. — Zu 6: z. B das Gesetz des Euegoros Dem. Mid. 10. — Zu 7: 
Vgl. MüLLEB Bühn. 378». 384 ff. Bbinck 183 ff. Kaibel Hermes 23«» 268 ff. — Sitz- 
inschriften: HObneb lacrissioni esiatenti sui aedili di teatri ed anfiteatri antichi, Annali d. J. 
28" 52 ff. Vgl. R. Lancuhi Buü, d. com, arch, communale di Roma 8«* 236 ff. 

10. Alte Forschung. 1. Der erste, welcher die Bühnenkunde wissen- 
schaftlich in Angriff nahm, war Aristoteles. Seine Schriften über die Didas- 
kalieen und die dionysischen Siege sind oben (§ 9) erwähnt worden, und 
seine Poetik ist bekannt. Fortgesetzt wurden diese Untersuchungen von 
den Schülern des Aristoteles, ferner von den Gelehrten in Alexandreia und 
auch in Pergamon. Aber ausser der Poetik sind alle Schriften verloren; 
wir haben nur kümmerliche Reste. Auf die alexandrinischen Gelehrten 
geht wahrscheinlich das zurück, was Pollux aus der Theatergeschichte 
König Jubas II. von Mauretanien geschöpft hat (Rohde). Oemeiniglich 
weroien seine Angaben zu gering geachtet. Er gibt freilich manches ver- 
wirrt wieder; aber das spricht nicht gegen die Güte seiner Quelle. Auch 
die Annahme ist nicht gerechtfertigt, dass seine Quelle nur die spätere 
Zeit in Betracht gezogen habe, denn es lässt sich zeigen, dass die ursprüng- 
liche Quelle eine wirklich historische war und nicht bloss die spätere Bühne 
im Auge hatte. Das für uns wichtigste Buch ist das vierte, denn es bringt 
zum Teil unschätzbare Nachrichten über die Arten des Tanzes (99 — 105), 
über Chor, Choreuten u. dgl. (106 — 110), über chorische Gesänge (111 f.), 
über Schauspieler und Darstellung (113 f.), über die Bühnentracht (115 — 120), 
über das Theater im allgemeinen (121 f.), die Teile des Theaters (123—132), 
über tragische (133 — 142), satyrische (142) und komische Masken (143 — 154). 
Neben Pollux kommt besonders Lukian in Betracht. * 

2. Bei den Römern war der eifrigste und gewissenhafteste Forscher 
M. Terentius Varro von Reate. Leider sind seine Schriften zur Bühnen- 
kunde alle verdrängt worden durch die Auszüge, die seine Nachfolger 
(Sueton) gemacht. Besonders zahlreich sind die Bruchstücke seiner drei 
Bücher de scaenids originibus (Cichorius). Aus seiner Schrift de scaenicis 
actionibus stammen wahrscheinlich die erhaltenen Didaskalieen zu Terenz 
(Dziatzko, Leo). Wichtig sind ferner neben Vitruvs Lehre das elfte Buch 
Quintilians und was unter Donats Namen läuft. 

3. Ausser Vitruvs Schrift ist keine Lehre über die Baukunst aus 
dem Altertum erhalten, und deshalb ist sie so ausserordentlich wertvoll. 



138 B. Das Bühnenwesen der Griechen nnd Römer 

Für uns in Betracht kommt besonders das fünfte Buch. Es finden sich 
dort eine Grundrissbeschreibung des römischen (V 6 f.) und eine des grie- 
chischen Theaters (V 8), dazwischen Bemerkungen über die sonstige Anlage 
und über die Ausstattung des römischen Theaters. Seine bis jetzt freilich 
noch unbekannten Quellen waren trefflich, das zeigt sich immer mehr. 
Bedauerlich ist einzig, dass Vitruv für römische Praktiker schrieb und 
deshalb nur diejenigen Partieen seiner Vorlage auszog, welche ihm besonders 
empfehlenswert schienen. 

Zu 1 : E. RoHDE De J, Pollucis in apparatu scaenico enarrando fontibus, Lpz. 1869. 
Die Maskenbeschreibungen sind übersetzt von Witzschel in Paültb Realenc. V 1376 ff. 
unter Persona. Lukian: P. Schulze Jahrb. für kl. Phil. 1S5, 117 ff. Tzetzes: Max Cons- 
BBUCH Comment. in hon. Studemundi, Stra£sb. 1889. — Zu 2: Cichoeius Com. Ribbeck., 
Lpz. 1888 S. 417. Dziatzko Rhein. Mus. 20" 570 ff., 21«« 64 ff. Leo ib. 38" 218 ff. 
Hermes 24^^ 67 ff. Vgl. H. Gebstenbbbg De Eugraphio Terentü interprete, Dias. Jena 
1886. — Zu 3: A. Müller Philol. 23«« 284; 45" 239; Bühn. 16 ff. A. Tbb<jübm La science 
romaine ä Vepoque d' Auguste, Paris 1885. G. Oehmichen Griech. Theaterbau, Berl. 1886 
S. 1 ff., 165 ff. (Die von jeher anstössigen Worte tribua centris sind zu tilgen, wie ein 
von mir dem Rhein. Mus. überreichter Aufeatz nachweist.) 

11. Theatergebäude. 1. Ohne die schriftlichen Nachrichten würden 
uns die erhaltenen Theatergebäude in der Hauptsache unverständlich sein. 
Die Bedeutung des Zuschauerraumes zwar würden wir wohl richtig erraten, 
nicht aber die der Bühnenanlage. Deshalb ist es verfehlt allein von der 
baulichen Anlage aus zu urteilen. Solange die monumentale Forschung 
noch in den Anfängen steht, müssen wir äusserst behutsam vorgehen. Es 
ist unbedingt notwendig, dass wir von den zahlreichen Überresten zunächst 
diejenigen ganz beiseite lassen, welche eine genügende bautechnische Prü- 
fung noch nicht gefunden haben, und das sind freilich die meisten. Auch 
die müssen ausser Betracht bleiben, deren Bühne umgebaut worden ist. 
Zu ihnen gehören gleichfalls sehr viele. Es bleiben dann allerdings nur 
wenige Gebäude übrig, aber sie genügen trotzdem vorläufig. 

2. Zu den wichtigsten gehören zwei römische Theater, das zu Aspendos 
in Pamphilien und das zu Orange (Arausio) in Frankreich, und zwar wegen 
der zum grossen Teil erhaltenen Bühnenhinterwand, die sonst nirgends zu 
finden ist. Von griechischen Theatern kommt das unlängst ausgegrabene 
epidaurische vorzugsweise in Betracht, wegen seines Alters und wegen 
seiner zum Teil erhaltenen altgriechischen Bühne. Es war von Polyklet 
erbaut worden und galt als das schönste der Welt. Pausanias, der dies 
berichtet, meint offenbar den älteren Polyklet, und neuere Prüfungen be- 
stätigen die Richtigkeit seiner Meldung (Fürtwängler). 

3. Die übrigen in der Neuzeit ausgegrabenen und untersuchten Theater 
haben die Wichtigkeit nicht, welche man ihnen zum Teil beilegt, denn sie 
sind entweder ganz abnorm (Thorikos) oder haben umgebaute Bühnen 
(Assos, Sikyon u. a.). Auch die neugefundenen römischen haben keinen 
grossen Wert, weil wir die römische Bühne durch sie nicht besser kennen 
lernen. Nur das von Oropos verdient besondere Aufmerksamkeit wegen 
der Bühne, nicht etwa wegen der auf der Bühnenvorderwand gefundenen 
Inschrift; gegenüber dem datierbaren Theater zu Epidauros steht es aber 
an Bedeutung zurück. 

Wieseleb Denkm. T. I. II. III. A. (noch unentbehrlich). Stback Theatergebände, 
Potfidam 1849 (mit gleichem Massstab für alle). IjOBde Skene, Berl. 1860. Baümsistbr 



1. Eixdeitnng. (§ 11-13.) 189 

Denkro. unter Theater. — Wissbleb Enc, Bd. 83, 164 ff. A. Müller Gr. Bahn. § 2. 
Fbibdlakdbb-Mabq. IIP. — Zu 1: Obhmichen Griech. Theaterbau, Berl. 188G (hier ist keine 
ZnsammenfasRung gewöhnlicher Art beabsichtigt, sondern eine neue Methode der Forschung 
aufgestellt und begründet). — Zu 2: Aspendos: Texier Description de VAsie mineure III 
pl. 232-241 (S. 218 f., 241); beschrieben von Schoenborn Skene 26. 83 ff. (Die Ver- 
öffentlichung einer neuen Aufnahme ist angekündigt.) Orange: A. Cabistie Les monuments 
cmtiques ä Orange, Are de triamphe et Tlieätrcy Paris 1856. (Die Ergänzung der Bühnen- 
hinterwand ist Yom bühnenkund liehen Standpunkt aus verfehlt; trotzdem wird die Innen- 
ansicht bei Bauxeisteb Denkm. 1821 wiederholt). Epidauros: ngaxuxu x^g iy U^yaig (tQX' 
irai^iag, 1881 und 1883. Vgl. A. Mülleb Bühn. S. 5 f., § 4 und 5 in den Anm. Oeh- 
ncHEH Theaterbau 51 ff. Fübtwanolbb Berl. Phil. Woch. 1888 S. 1486. K. Ddmon Le 
thedtre de Polydete, Paris 1889. ~ Zu 3: Oropos: ÜQaxnxei u. s. w. 1886. 

12. Marken. 1. Es gibt eine nicht allzugrosse Reihe kleiner Scheiben 
oder Marken (tesserae) aus Elfenbein oder Knochen, die man mit Recht 
als Theatermarken bezeichnet hat. Auf der einen Seite derselben ist das 
Bild einer mythischen oder historischen Person oder ein Emblem dargestellt, 
auf der andern eine Zahl und gewöhnlich auch ein Name in griechischer 
Sprache zu lesen, der Bezug hat auf die Vorderseite. Die Zahl ist fast 
immer sowohl römisch (oben) als griechisch (unten) angegeben. Ohne Zweifel 
stammen diese Marken aus der Kaiserzeit, wo für Griechen und Römer 
gemeinsam gespielt wurde (Friedl. 537). Das Bild bedeutet wahrschein- 
lich den Keil, die Zahl die Sitzreihe. Da keine höhere Zahl als fünfzehn 
vorkommt, so dürfen wir annehmen, was auch das kostbare Material an- 
zudeuten scheint, dass sie für vornehme Theaterbesucher bestimmt waren, 
welche nach römischer Art (§ 39) die unteren Sitzreihen einzunehmen pflegten 
(anders Benndorf 38). 

2. Ausserdem haben sich andere Marken, insbesondere unzählbare 
Bleimarken {piombi) gefunden; letztere in Gestalt von kleinen Münzen, mit 
den verschiedensten Bildern und Aufschriften versehen. Dass unter ihnen 
auch Theatermarken sind, kann nicht wohl bestritten werden (nicht scenisch 
ist die Marke mit Dionysos, dem Dreifuss und dem Namen Erechtheis Nr. 42). 
Ob diese aber aus frühen Zeiten stammen, d^rf man billig bezweifeln. 

Zu 1. AJs Theatermarken gleichzeitig erkannt von Wibseler und Hekzen. Abb. 
Monum. d. Inst, IV t. 52 f. Wibseler Denkm. III ycf. IV 13-21. CIG. 8579 ff. Wie- 
8KLBB com. de tess. etc., Ind. Gott. 186G und 1866/67; dazu Hübneb Monatsber. Berl. Ak. 
1867 S. 769 f. Behndobf Beiträge zur Kenntnis des attischen Theaters (S.A. aus Zeitschr. 
f. iSetr. Gymn. 26") S. 36 ff. — Zu 2: Bbnndobf a. 0. 41 ff. A. Dümoht De plumheis 
apud Graecos tesserü, com. I., Paris 1870. Engel Bull, de corr. hell. 8** 1 ff. — Vgl. Ch. 
RoBEBT Melanges d'arcMologie 7" 39 ff. Blanchet Revue archeol 1889 März ff. 

13. Bildwerke. 1. Zu den scenischen Bildwerken im weiteren Sinne 
rechnen wir auch die bühnenmythologischen, d. h. solche, welche sich vor- 
zugsweise in der Behandlung des Mythos an die Bühnenaufführungen an- 
schlössen. Einzelne stammten wohl schon aus dem fünften Jahrhundert 
(Arndt 68 ff.), im ganzen aber waren sie Erzeugnisse der späteren Zeit, 
in der durch die Wiederaufführungen der Tragödien der grossen Meister 
die Bühne einen massgebenden Einfluss auf die Kunst gewann (Robert IV). 
Die alte Komödie hat, wie es scheint, gar keinen Einfluss ausgeübt, doch 
wohl nicht bloss des für die damalige Kunst unbrauchbaren Stoffes wegen, 
sondern auch weil Wiederaufführungen nicht stattfanden. Unteritalische 
Vasen, etruskische Aschenkisten und römische Sarkophage bieten uns Reste 
dieser Kunstübung. Benutzt sind sie bis jetzt bloss für die Rekonstruktion 



190 ^« ^^^ Bühnenwesen der kriechen und ftömeif. 

verlorener Tragödien; allein trotz der Freiheit, mit der die Nachbildner 
verfuhren, trotz der Zufügung und Weglassung von Figuren, trotz der 
Änderungen in Stellung und Geberden werden sie auch für die Erkenntnis 
der scenischen Aktion Ausbeute gewähren, allerdings erst dann, wenn die 
übrigen Quellen nach dieser Richtung die gebührende Beachtung gefunden 
haben werden. Denn dass die Originale wie im Stoff so auch in der Aktion 
der Bühne mehr oder weniger gefolgt sein werden, ist wohl nicht zu be- 
zweifeln. 

2. Der rein scenischen Bildwerke gibt es nach ihrem Inhalt drei 
Arten: Charakter- und Sittenbilder aus dem Theaterleben (Genre), blosse 
Sinnbilder, besonders Masken, und Bühnenaktbilder oder Maskenbilder. Die 
letzteren unterscheiden sich von den bühnenmythologischen Bildwerken wie 
von den Lebensbildern dadurch, dass die dargestellten Figuren in bühnen- 
mässiger Aktion und in voller Bühnentracht, d. h. mit aufgesetzten Masken 
erscheinen. Nach der Kunstart sind die scenischen Bildwerke Gemälde 
auf Wänden und Vasen, Miniaturen, Mosaiken, Bilder auf Münzen, ge- 
schnittenen Steinen u. dgl., Relief- und Rundbilder aus Thon, Marmor, 
Bronze. Die Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Kampa- 
niens bieten uns eine Fülle von scenischen Bildern jegliches Inhalts (Helbig, 
Maass). Weniger zahlreich sind naturgemäss die Reliefbilder (Schbeibeb). 
Aktbilder der attisch-römischen Komödie nebst Masken finden sich als 
Miniaturbilder in den Handschriften des Terenz zu Rom, Mailand, Paris 
(Leo), Masken und Aktbilder in einer vatikanischen Mosaik aus Etrurien 
(Millin). Satyrspieler lernen wir besonders aus einer Vase von Ruvo kennen 
(Wieseleb VI 2) und einer Mosaik aus Pompeji (Wies. VI 1). Vasenbilder 
sind die einzigen Bildquellen für die Phlyakographie (Heydehann); für die 
Aktion der Tragödie und Komödie lehren diese nichts. 

3. Für die Beurteilung des Wertes der scenischen Bildwerke ist 
wichtig die Zeit ihrer Entstehung und das Kunstvermögen ihrer Schöpfer 
oder Nachbildner. Es wäre Völlig verfehlt anzunehmen, dass die ältesten 
Bildwerke am meisten der Wirklichkeit entsprechen, denn die Wahrheit 
ist im Gegenteil um so grösser, je geringer die schöpferische Kraft ist. 
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der Umstand, dass wir scenische 
Aktbilder attischer Herkunft nicht besitzen. Wahrscheinlich hat es auch 
niemals welche gegeben, und das ist auch ganz natürlich, denn die attische 
Kunst schreckte vor dieser Nachbildung der Wirklichkeit zurück. Zwar 
kamen zur Zeit Alexanders scenische Bildwerke auf, aber sie waren nicht 
Maskenbilder. Ebenbilder sind wahrscheinlich der Gorgosthenes des Apelles 
und der Tragöde mit dem Knaben des Aristeides (Plin. 35, 93. 100; cf. 140), 
Personifikationen sind die Tragödie und Komödie des Aetion (Plin. 35, 78). 
Dass die von Plinius (35, 141. 113) erwähnten scaenae des Piraeicus keine 
Aktbilder waren, geht deutlich aus den Worten des Schriftstellers hervor 
(tonstrinas sutrinasque pinxit . . . [e diverso bis Veteribus Zusatz], hie scaeniis 
optime pinxii, sed hominem pingere non potuit). An Maskenbilder könnte 
man höchstens denken (Maass 155), wenn Plinius (35, 114) von Calaies 
comicae tahellae anführt; doch notwendig ist auch dies nicht, denn es hindert 
uns nichts Lebensbilder anzunehmen, die ähnlich den Buveser Satyrspielern 



2. Die ■taatl.-geseÜBchaftl. Grundlagen der attischen Bühnenspiele. (§ 14.) 101 

mit der Maske in der Hand dargestellt waren. Die Erfindung der Masken- 
bilder ist der zweifelhafte Ruhm Alexandreias, dies ist die notwendige 
Folgerung aus den Ergebnissen der Untersuchungen über die Relief bilder 
(ScHBEiBEB 50. 8. 25) und die kampanischen Wandgemälde (Helbig K. 18). 
Die phlyakographischen Aktbilder sind vermutlich durch jene angeregt, 
jedenfalls haben sie nicht Einfluss auf Ägypten geübt. Hiernach ist der 
Wert dieser Bildwerke leicht zu ermessen. Wir haben nicht Scenen der 
attischen, sondern der alexandrinischen Bühne vor uns und nicht blosse 
Illustrationen, sondern mit gewisser Freiheit nachgebildete Darstellungen 
dramatischer Scenen. Abweichungen anderer Art kommen auf Rechnung 
der zum Teil aus dem Gedächtnis kopierenden Wandmaler. Engeren An- 
schluss an die Bühne haben die Miniaturen und deshalb stehen sie trotz 
ihrer Roheit an Bedeutung nicht hinter jenen zurück. Die Originale der 
aus dem neunten Jahrhundert stammenden Bilderhandschriften gehören 
vermutlich in eine frühe Zeit. Diese Zeit genauer zu bestimmen (Leo) 
ist misslich. Die Mosaiken und die andern Bildwerke lassen sich zeitlich 
noch nicht näher ansetzen. 

Zu 1: C. RoBEBT Bild und Lied (= Philol. Untersuchungen, Heft V). J. Vogel 
Scenen Euripid Tragödien in Vasengemälden, Lpz. 188Ö. Paul Arndt Studien zur Vasen- 
kunde, Lpz. 1887. Vgl. 'Eq>rifÄBQig «>/. 1887 my. 5, dazu Robert Berl. Phil. Woch. 8»« 
1582. — Zu 2: Wibseler Denkm ; Satyrspiel; Monumenti scenici m Annali delV Instituto 
arch. 25" 29 ff., Taf. AB. CD. E; Ann. 31*» 368 ff, Taf. N. 0. P.,.dazu Monum. d. I. VI 
35; Ann. 43" 97 ff., Taf. G. H. I. Müller Bühn. 226 ^ 241'. 245*. 258». 274 ff. (Lit- 
teratur). Vgl. B. Arnold bei Baumeister Denkm. u. Chor, Lustspiel etc. F. Dümmler Rhein. 
Mus. 43'^ 355 ff. - - Wandgemälde: Wolfg. Helbig Untersuchungen über die kampan. 
Wandmalerei, Lpz. 1873; Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens, 
Lpz. 1869. £. Maass Afpreschi scenici di Potnpei in Annali d. L 53**' 109 ff., dazu Mon. 
d. I. XI 30. 31. 32. SoGLiANo Le pitture murali campane scoverte 1867—1879, Napoli 
1881. Fbesuhk Pompeji, die neuesten Ausgrabungen etc. 1878—81, Lpz. 1882. - Relief- 
bUder: Th. Schreiber Die Brunnenreliefs aus Palazzo Grimani, Lpz 1888. (Neue Abb. zu 
erwarten von dems. Die hellenist. Relief bilder, Lpz. 1889 ff., T. 89—92.) — Phlyakographie : 
Hbtdemaiin Neuntes Hallesches Winckelmannsprogr. 1884; Jahrb. des kais. deut arch Inst. 
1 " 260 ff. (mit Lit.). A. S. Murray Journal of Hell Studies, 1887 S. 51 ff. Taf. 62. — 
Mosaik: Millin Descripiion d'une mosaique ant, du Mus. Pio.-Clem, ä Borne, 1819 (= 
Wiesel. Denk. VII f.). — Miniaturen desTerenz: Leo Rhein. Mus. 38*^ 335 ff. A. Möller 
Bahn. 199 '. — Terrakotten zahlreich : Die antiken T., Bd. 1. (Pompeji) ed. von Rouden Stuttg. 
1880. Bd. IT Kekul^ Berl. u. Stuttg. 1884. Vgl. M. Hertz Arch. Zeit 31 '^ ngff. T. 12. 
— Elfenbeinstatuette: Robert Annali 1880 S. 206 ff. = Mon. XI 13. — Ober Masken vgl. 
Robert Arch. Zeit. 36^« 13 ff. T. 3. 4. 5; Athen. Mitt. 3'» 83 ff. T. 2. 

2. Die staatlich-gesellschaftlichen Grundlagen der 

attischen Bühnenspiele. 

A. Einrichtung: im allgremeinen. 

14. Veranlassung, Arten. Die attischeu Bühnenspiele waren staat- 
lich eingerichtete, im unbedeckten Theater stattfindende Aufführungen dra- 
matischer Dichtungen zum Zweck der Verherrlichung der Dionysosfeste. 
Die Dichtungen waren Tragödien, oft verbunden mit einem Satyrspiel, und 
Komödien, deren Begriffe als bekannt vorausgesetzt werden. 

15. Festzeit. 1. Ausgestattet mit Bühnenspielen waren nur drei 
von den vier dionysischen Festen: die Lenäen im Monat Oamelion (Januar 
bis Februar), die grossen oder städtischen Dionysien im Elaphebolion (März 



192 B. Das BühnenweBen der Chrieohen und ftömer. 

bis April) und die kleinen oder ländlichen Dionysien im Poseideon (Dezemb 3r 
bis Januar). Von diesen waren aber nur die beiden ersten Landesfeste, 
d. h. vom Staat gefeiert: die kleinen Dionysien waren Feste der Demen 
oder Bezirke, nur dass an den Dionysien im Piräus der Staat Anteil nahm, 
insofern als er einen Zuschuss leistete (CIA II 741*). 

2. Das Fest, welches zuerst von Staats wegen mit Bühnenspielen 
gefeiert wurde, waren die Lenäen. Im Jahre 534 nämlich wurde die erste 
Tragödie in der Stadt durch Thespis aufgeführt. Das Fest wird nicht 
genannt, kann aber kein anderes gewesen sein als die Lenäen, weil die 
grossen Dionysien damals entweder noch nicht gestiftet oder noch nicht 
scenisch waren. Ob seit dieser Zeit jährlich tragische Aufführungen statt- 
fanden, ist fraglich; wir dürfen es aber nach Analogie der römischen Spiele 
(§ 32) vermuten. Jedenfalls ist die Annahme, dass nur in einzelnen Jahren 
tragische Aufführungen veranstaltet wurden, nicht beifallswürdig, denn wohl 
im Verfall, nicht aber im Beginn der Blüte lässt ein Volk nach in der 
Verherrlichung der religiösen Feste. Sicher haben aber seit ungefähr 500 
jährlich an den Lenäen Aufführungen von Tragödien stattgefunden und 
spätestens seit 472 auch von Komödien. Beides lehren die Inschriften. 

3. Aus ihnen erfahren wir weiter, dass seit 472 das grosse dionysische 
Stadtfest, mag es in diesem Jahre gestiftet oder umgestaltet worden sein, 
durch komische und tragische Spiele gefeiert wurde. Bis in die letzte Zeit 
der neuen Komödie haben Aufführungen an beiden Festen stattgefunden, 
für die grossen Dionysien sind sie noch aus der Kaiserzeit bezeugt (CIA m 
78 ff.), doch fielen sie seit dem dritten Jahrhundert zuweilen aus (CIA II 975). 

4. Von den kleinen Dionysien wissen wir sehr wenig. Es ist nicht 
unglaublich, was vermutet wird, dass an ihnen zuerst Bühnenspiele gegeben 
wurden; doch waren diese dann wohl private Unternehmungen. Im übrigen 
dürfen wir vermuten, dass sie erst, nachdem die grossen zur vollen Ent- 
wicklung gelangt waren, die erforderliche Fürsorge von Seiten der Demen 
gefunden haben. 

ßoBCKU Kleine Schriften V 65 ff. (= Berl. Akad. 1816/17). A. Mommsbn Heortologie, 
Berl. 1864. 0. Ribbeck Anfänge und Entwicklung des Dionyskultus in Attika, Kiel 1869. 
KoEBLEB Athen. Mitt. 3^» 241 ff Bbbok Rhein. Mus. 34'» 292 ff. A. Müllbb Bflbn. 308 ff. 
V. WiLAMOwiTZ-MoBLLENDOBF Heruies 21^^ 597 ff. Obhkiühbm Sitzber. Mttneh. Ak. 1889 
II 140 ff. 

16. Festort. Von den kleinen Dionysien abgesehen, haben nach 
Herstellung des Theaters (§ 28) die Aufführungen, soviel wir wissen, nur 
in diesem stattgefunden. Für die vorausliegende Zeit gehen die Zeugnisse 
auseinander: nach den einen sind Holzgerüste auf der Marktorchestra auf- 
geschlagen worden, nach den andern, wohl richtigen, im heiligen Bezirk 
des Dionysos im Lenäon. in der Nähe des späteren Theaters. 

Wieseleb disput. de loco etc. Gott. 1860. Allg. Enc. I 83, 174 ff. Wachsmutr 
Stadt Athen 51 0^ A. Mülleb Philol. 35'« 292 ff. Bahn. § 10. v. Wilamowitz Hermes 
218« 597 ff, Oehmichen Sitzber. Münch. Ak. 1889 II 122 ff. 

17. Festordnung. 1. Über die Festordnung der grossen Diony- 
sien lässt sich nach den neuesten Untersuchungen ungefähr Folgendes fest- 
stellen. Das Fest wurde seit 472 vom 5. bis 14. Elaphebolion gefeiert 
und bestand aus zwei Hauptteilen, einem lyrischen und einem dramatischen. 



2. Die 8taatl.-geaellBohafU. Onindlagen der attischen BühnenBpiele. (§ 16—17.) 193 

Der lyrische Teil dauerte drei Tage: am ersten fand eine Pompe oder ein 
Festzug statt, an dem die lyrischen Chöre beteiligt waren, und an den 
beiden folgenden Tagen je ein Wettkampf der Knabenchöre und der Männer- 
chöre. Zwischen die beiden Hauptteile fiel auf den 8. Elaphebolion das 
wohl aus früherer Zeit stammende Opfer für Asklepios. Solange es nur 
drei tragische Spieltage gab, begann der zweite Hauptteil des Festes mit 
dem auf den Opfertag folgenden Tage. Am 9. Elaphebolion wurde eine 
Vorfeier abgehalten, bestehend aus einer gottesdienstlichen Handlung im 
Dionysosheiligtum {nQodyfov iv r^) i€Q([}) und einem Festzug (xwfiog), an dem 
die dramatischen Darsteller teilnahmen und der im Theater mit einer An- 
kündigung der folgenden Spiele (auch nQoaywv) endete. Es folgten darauf 
am 10. die komischen und am 11. bis 13. die tragischen Aufführungen. 
Als aber später die letzteren auf vier Tage ausgedehnt wurden, verschob 
man die Vorfeier auf den Opfertag, die komischen Spiele auf den 9. und 
den Anfang der tragischen auf den 10. Elaphebolion. 

2. Charakteristisch für die attischen Bühnenspiele ist es, dass sie vor 
sich gingen in Gestalt von Wettkämpfen oder Agonen. An den grossen 
Dionysien gab es von Anfang an zwei dramatische Wettkämpfe, einen 
komischen und einen tragischen. Solange die Dichter selbst als Spieler 
der Hauptrollen oder als Protagonisten auftraten, also bis in die sopho- 
kleische Zeit (§ 22), waren nur diese nebst ihren Choregen am Wettkampf 
beteiligt. Seit 456 oder 457 jedoch traten in den tragischen Spielen Wett- 
kämpfe der Protagonisten hinzu (§ 23). Diese waren unabhängig von den 
Dichteragonen, d. h. der preisgekrönte Protagonist brauchte nicht derselbe 
zu sein wie der Hauptspieler des siegenden Dichters. Von Wettkämpfen 
dAr komischen Protagonisten hören wir nichts (vgl. § 23 *). 

3. Die Zahl der wettkämpfenden Protagonisten war, solange die tragi- 
schen Dichter je vier oder je drei Stücke (Absatz 4) aufführten, gleich jener 
der Dichter (anders bei zwei Stücken : s. § 23 ^). Diese aber betrug für den 
tragischen Agon drei. Ebenso gross war anfänglich die Zahl der Dichter, 
welche am komischen Agon teilnahmen; 'doch wurde ihre Zahl seit etwa 
400 auf fünf erhöht (Hyp. Ar. Plut. Madvig 471). Ausnahmen traten in- 
sofern ein, als es in späterer Zeit, im vierten Jahrhundert, gestattet ge- 
wesen zu sein scheint, dass ein Dichter oder Schauspieler zweimal seine 
Kraft versuchte (CIA H 972. 975; Plut. an seni 3, 7). 

4. Im komischen Agon kämpften die Dichter immer nur mit je einem 
neuen Stück, im tragischen während der Blütezeit mit je vier (Tetralogie), 
d. b. drei Tragödien (Trilogie) und einem Satyrspiel oder statt dessen einem 
andern Schauspiel, und so ist es gewesen seit Einrichtung der Bühnenspiele 
an den grossen Dionysien. Das Ende des tetralogischen Wettkampfes ist 
nicht bekannt. Wir wissen nur (CIA II 973), dass im vierten Jahrhundert 
je drei oder zwei Tragödien mit einem einzelnen vorausgehenden Satyrspiel 
zur Aufführung gelangten. Eine Erweiterung der scenischen Spiele trat 
in dieser Zeit dadurch ein, dass vor dem eigentlichen Agon, d. h. vor den 
neuen Stücken eine Tragödie eines verstorbenen Dichters {nakaid) aufge- 
führt wurde, deren Protagonist wohl nicht am Wettkampf teilnahm (Plut. 
Qu. conv. 9,6; Rohde 269). Als alte Tragödien sind euripideische gewählt 

HfuH^i"* der kUn. Altertmuswinenachaft. V. 3. AbtIg. 13 



194 B. Das Btthnenwesen der Oriechen und Bömer. 

worden (CIA II 973), vermutlich aber auch sophokleische (Dem. de f. leg. 
246; Kaibel Hermes 238», 268 ff.; über Aeschylos §22). Dasselbe fand 
in späterer Zeit, im zweiten Jahrhundert, auch vor dem komischen Agon 
statt: Menander, Philemon u. a. werden als Dichter von aufgeführten alten 
Komödien genannt (CIA II 975). 

5. Über die Spielordnung im einzelnen, die Dauer und die Reihenfolge 
der Stücke liegen Nachrichten nicht vor. Wir haben oben drei bis vier 
Tage als Dauer der tragischen Spiele in der Blütezeit angesetzt. Im all- 
gemeinen spricht dafür der Umstand, dass ein Einzeldrama mit chorischer 
Aktion im Durchschnitt über 2^2 Stunde zur Aufführung erforderte, dass 
man also mehr als drei bis vier solcher Stücke an einem Tage in der 
Regel nicht wohl zu spielen vermochte, selbst wenn man sehr früh damit 
anfing. Auf ungetrennte Aufführung der Tetralogieen, also auf drei tragische 
Spieltage deutet ferner der inhaltliche Zusammenhang, in welchem die Stücke 
des Aeschylos standen. Nach Auflösung dieses Zusammenhanges der Stücke 
seit Sophokles war die ungetrennte Aufführung der Dramen eines Dichters 
allerdings nicht mehr notwendig, und so scheint es, dass in sophokleisch- 
euripideischer Zeit jeder Dichter an jedem Spieltage ein, bzw. zwei Stücke 
aufführte. Dies geschah vermutlich in Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit 
der Schauspieler. Während sie früher in fast übermenschlicher Weise gegen 
zehn Stunden hintereinander thätig waren, wurde ihre Thätigkeit nunmehr 
auf mehrere Tage verteilt. Solange den drei Tragödien eines Dichters ein 
Satyrspiel folgte, mögen die vier Stücke auf drei Tage verteilt worden sein; 
als aber später ein viertes Schauspiel an Stelle des Satyrspiels gegeben 
wurde, darf man eine Vermehrung der Spieltage auf vier vermuten. Im 
vierten Jahrhundert dagegen wurden die Stücke der Dichter zwar wieder 
ungetrennt an je einem Tage gespielt, aber nicht von denselben Spielern, 
was bis dahin die Regel gewesen zu sein scheint (Rohde^ 161). Ob von 
den elf Stücken im Jahre 341 das alte Drama und das Satjrrspiel an einem 
Tage vor den neuen Tragödien zur Darstellung kamen, ist nicht zu sagen. 
Doch liegt die Annahme von vier Spieltagen am nächsten. — Die Reihen- 
folge der Dichter war durchs Los bestimmt (§ 22*), 

Mehr hierüber Sitzber. Münch. Ak. 1889 II 115 ff. Berl. Phil. Woch. 1887 S. 1058 f. 
Fbeericks Com. Phil. Ribbeck, Lpz. 1888 S. 205 ff. Frühere Lit. A. MOllbb Btthn. 320 ff., 
besonders Sauppe Berichte der k. 8. G. d. Wiss. 1855 S. 18 f. E. F. HsBiiANir Gottesd. 
Alt. § 59. A. MoMMSEN Hcortologie. Über einzelnes Madyio Kleine phil. Schriften 450. 
RoHDE a) Rhein. Mus. 38^» 269 ff. b) ib. 39«* 160 f. 

18. Festordnung; Lenäen, kleine Dionysien. 1. Die Nachrichten 
über die Spiele an den Lenäen und den kleinen Dionysien sind ausser- 
ordentlich dürftig; in Bezug auf die Festordnung wie auf die Regelung der 
Beteiligten. Es sei hier alles Bekannte zusammengestellt, so dass in den 
folgenden Paragraphen nur mehr von den Spielen an den grossen Dionysien 
die Rede zu sein hat. 

2. An den Lenäen folgten nach dem Gesetz des Euegoros die Komödien 
auf die Tragödien, und diese Spielordnung scheint bestanden zu haben, seit- 
dem überhaupt Komödien an den Lenäen zur Aufführung gelangten. In 
Gestalt von Wettkämpfen gingen die Spiele wohl von Anfang an vor sich, 
wenigstens seitdem sie jährlich stattfanden. Darauf deuten die Nachrichten 



2. Die BtaatL-gesellschaftl. Grundlagen der attischen Bühnenspiele. (§ 18—19.) 195 

des Suidas und die Inschriften. Nach Einrichtung der dramatischen Wett- 
kän^)fe an den grossen Dionysien verloren die Lenäen an Ansehen, aber 
wohl nur in Bezug auf das tragische Spiel, denn die berühmteren Dichter 
der Komödie haben ihre meisten Siege an den Lenäen gewonnen (Münch. 
Ak. 156). Dieser verschiedenen Bedeutung gemäss hat wohl im fünften 
Jahrhundert dem Wettkampf der tragischen Schauspieler an den grossen 
Dionysien ein Wettkampf der komischen Spieler an den Lenäen entsprochen. 
Die Zahl der teilnehmenden Dichter und Schauspieler scheint wie an den 
grossen Dionysien in der Regel drei gewesen zu sein, denn drei Dichter waren 
beteiligt, als das Gerüst in der 70. Ol. einstürzte (Suidas Pratinas), und auch, 
als des Aristophanes Achamer, Ritter, Wespen, Frösche zur AufFührung 
gelangten. Im Komödienagon kam von jedem Dichter je ein Stück zur 
Darstellung; die Zahl der tragischen Stücke ist unbekannt. Nur das ist 
sicher, dass im Beginn weniger als vier Stücke zur Aufführung gebracht 
wurden; anfänglich von jedem Dichter wohl nur je eins, später dazu ein 
Satyrspiel (Pratinas). Wie die Zahl der aufgeführten Stücke wird auch die 
Dauer der Wettkämpfe, die Zahl der Spieltage verschieden gewesen sein. 
Nach Philochoros bei Athenäos (XI 464 E) hat der Komödiendichter Phe- 
rekrates angegeben, dass bis zu seiner Jugend die Spiele nach dem Früh- 
stück begannen. Dies bezieht sich wahrscheinlich auf die Zeit vor 472. 
Wenn nun damals schon mit Tetralogieen gekämpft wurde, müssen drei 
tragische Spieltage angenommen werden, denn für mehr als vier Stücke 
reichte ein Tag dann ganz sicher nicht hin. Es ist nicht unmöglich, dass 
in später Zeit die Zahl der Tragödien vermindert und somit die Zahl der 
Spieltage herabgesetzt wurde. — Mit der Leitung des Festes war nach 
PoUux (8, 90) der Archen König betraut; ob von allem Anfang an, steht 
nicht ganz sicher. Als Choregen und Choreuten waren nach einem Scholion 
zu Aristophanes (Plut. 953) an den Lenäen auch Metöken beteiligt. 

3. Noch viel weniger wissen wir von der Festordnung der kleinen 
Dionysien. Unbekannt ist, ob überall wie im Piraeus ein doppeltes Fest- 
spiel, Komödien und Tragödien, gegeben wurde. Die Reihenfolge der Spiele 
im Piraeiis war nach dem Gesetz des Euegoros wie an den grossen Dio- 
nysien. Die agonistische Gestalt der Spiele kann nicht mit Sicherheit be- 
hauptet werden. Die Zahl der Dichter, der Stücke, der Spieltage ist 
nirgends genannt. Neue Stücke scheint man in der Regel nicht gegeben 
zu haben, vielmehr meist nur alte; daher die Bekanntschaft der Athener 
mit der attischen Bühnenlitteratur. Für die Dichter und Darsteller wie für 
die Ausstattung werden geringere Kosten aufgewendet worden sein, ent- 
sprechend den Mitteln, über welche die Demen zu verfügen hatten. Dem 
Demarchen stand die Leitung zu. 

Zu 2: A. Müller Bahn. 316 f., 326 f., 331V OEBMiCHEy Sitzber. Münch. Ak. 1889 
II 150 ff. Über CIA. II 972. 977 s. zu § 9. Über Metöken Thümseb Wiener Studien 7, 
57 ff. BoBCKH Staatsh. P 623 f. von Wilamowitz-M. Hermes 22«' 215 ff. — Zu 3: Haus- 
BOULLiBB La vie municipale en Attiqxie, Paris 1884. Vgl. Bück American Journal of 
Arch, 4" 421 ff. 5»» 18 ff. 

B. Persönliche Verhältnisse. 

19. Archon. Mit der Festleitung der grossen Dionysien war der 

13* 



196 B. Das Bühnenwesen der Oriechen nnd Römer. 

oberste Jahresbeamte Athens, der erste Archen, bis gegen Ende des vierten 
Jahrhunderts betraut (Poll. 8, 89; vgl. § 21). Ihm lag es also ob die 
Bestallung der Choregen (§ 20) zu besorgen oder zu überwachen, die ge- 
eigneten Dichter-Didaskaloi (§ 22) auszuwählen, ihnen die Ghoregen (§ 20), 
in nachäschyleischer Zeit auch die Protagonisten (§ 23) zuzulosen und ihnen 
Beistand zu gewähren, falls die Choregen ihre Pflicht nicht voll erfüllten 
(Xen. Hier. 9, 4). Ferner hatte er zu sorgen für eine gerechte und un- 
gestörte Durchführung des Wettkampfes, indem er die Richter (§26) aus- 
loste und beeidigte, die Sieger vielleicht auch bekränzte (Athen. V 217 A), 
die Zuschauer (§ 27) aber und Darsteller in Ordnung hielt. Letzteres ge- 
schah mittels der Theaterpolizei oder der Rhabduchen, welche ihren Stand 
in der Mitte der Orchestra hatten (Wieseler Thym. 43 ff.). Die ohne Zweifel 
unter des Archons unmittelbarer oder mittelbarer Leitung stehenden Wächter 
hatten das Recht zur Aufrechterhaltung der Ordnung von ihren Stäben 
Gebrauch zu machen, und zwar nicht bloss gegenüber den Zuschauem, 
sondern auch den Dichtern und Darstellern gegenüber, wie uns Aristophanes 
im Frieden (734 c. schol.) lehrt. Es scheint selbstverständlich, ist aber nicht 
ausdrücklich überliefert, dass der Archen als Festleiter verpflichtet war 
die Gebote der Religion zu erfüllen, d. h. die nötigen Opfer zu bringen, die 
Festzüge zu leiten u. dgl. 

20. Ohoreg. 1. Der Choreg hatte eine ganz eigentümliche Stellung. 
Einerseits nämlich war er nichts weiter als Steuerzahler, indem er von 
Staats wegen verpflichtet war für einen gewissen Teil des Aufwandes bei 
dem Festspiele aufzukommen, andererseits aber stand er in Verbindung 
mit dem Spielunternehmer und hatte Anteil an dem gewonnenen Siege. 
Von dem lyrischen Choregen unterschied sich der dramatische besonders 
dadurch, dass jener gemeinsam mit einer oder (an den Thargelien) zwei 
Phylen am Wettkampf beteiligt war, dieser mit einem Dichter-Didaskalos 
(§ 22). Mit der Phyle hatte also der dramatische Choreg nichts zu schaffen 
(Lipsius 1885 S. 412 ff. Brinck 90 f.). 

2. Bestanden hat die Einrichtung der dramatischen Choregie sicher 
seit ungefähr 500; vorher mögen die Pisistratiden oder Freiwillige den 
Chor gestellt haben, und gedauert hat sie bis gegen Ende des vierten Jahr- 
hunderts, wo sie vom Staat, bzw. vom Agonotheten übernommen wurde 
(§ 21). Die Anzahl der Choregen entsprach der Anzahl der Dichter-Didas- 
kaloi. Eine Änderung soll in dieser Beziehung eingetreten sein unter dem 
Archen Kallias 412 f., insofern als die Last der Choregie auf zwei Bürger 
verteilt wurde (Synchoregie). Zutrauen erweckend ist diese Nachricht, in 
dieser Form wenigstens, nicht gerade, trotzdem sie sich mit der Autorität 
des Aristoteles brüstet, denn Inschriften sprechen nicht dafür (die einzige, 
die es scheint, § 9^, ist anders zu erklären) und die Bemerkungen des 
Lysias (21,1 ff.) dagegen. Jedenfalls ist die Neuerung nicht von langem Be- 
stände gewesen, wie die grosse dionysische Siegerliste (d) beweist. Ganz un- 
glaublich aber klingt eine andere Nachricht desselben Gewährsmannes, dass 
nicht lange nach der Einrichtung der Synchoregie auf Betreiben des Kinesias 
die ganze Institution abgeschafft worden sei, also sowohl die komische wie 
die tragische Choregie. Hier liegt sicher ein Missverständnis vor, denn 



2. Die 8taatl.*geaellBohaffcl. Grundlagen der attischen Bühnenspiele. (§ 20.) 197 

von verschiedenen anderen Nachrichten abgesehen, weist schon die grosse 
dionysische Siegerliste tragische und komische Choregen für das vieiie Jahr- 
hundert nach und seit etwa 400 ist die Anzahl der komischen Choregen 
sogar vermehrt worden. Von einer dauernden Abschaffung kann also gar 
keine Rede sein. Man kann auch nicht wohl an eine Unterbrechung der 
Spiele denken, und so dürfte die Nachricht, wenn überhaupt etwas Wahres 
an ihr ist, wohl nur zu beziehen sein auf eine Neuordnung, nach welcher 
gegen früher ein geringerer Aufwand von seiten des Choregen erforder- 
lich war. 

3. Die dramatische Choregie wurde geleistet von Bürgern (Schol. Ar. 
Plut. 953. BoEOKH St. I ^ 537 ff.) ; die Höhe des Einkommens, welche zur 
Leistung verpflichtete, ist unbekannt. Ebenso Zeit und Art der Bestallung 
der für das jedesmalige Fest nötigen dramatischen Choregen. Da die Phylen 
als solche beim dramatischen Agon, im Gegensatz zum lyrischen, nicht be- 
teiligt waren, wird die Bestallung nicht durch sie und den Archen, wie 
beim lyrischen Agon (Hyp. II Dem. Mid.), sondern durch Organe des Staats 
(Rat, Volksversammlung) vorgenommen worden sein. Die Verteilung der 
Choregen auf die einzelnen Dichter geschah durch den Archen. 

4. Die hauptsächlichste Pflicht, wenigstens im fünften Jahrhundert, 
die dem Choregen oblag und von der er auch den Namen hat, war die 
Stellung und Ausstattung des Chores, sowie die Teilnahme an der Einübung. 
Ausser dem Flötenbläser hatte der komische Choreg für eine Komödie 24 
ordentliche Choreuten zu stellen, der tragische im ganzen anfänglich nur 
zwölf, später fünfzehn. Die Vermehrung des tragischen Chores scheint auf 
Anregung des Sophokles geschehen zu sein (Vita, Suidas), Aeschylos aber 
hat von seinem Choregen den grösseren Chor nie verlangt oder doch wenig- 
stens immer nur zwölf Mann als Choreuten in Verwendung genommen 
(Wecklbin Sitzber. Münch. Ak. 1887 I 83^). Dass der tragische Chor von 
zwölf bis fünfzehn Mann in allen Stücken des Dichters zu spielen hatte, 
nicht etwa in jedem Stück ein neuer, gleich grosser Chor, wie man früher 
annahm, ist zwar nicht überliefert, scheint aber mit ziemlicher Sicherheit 
aus den Angaben über den gemachten Aufwand hervorzugehen. In Demo- 
sihenes Zeit waren die Kosten des lyrischen Choregen viel bedeutender als 
die des tragischen (nXäov nokhp Dem. Mid. 156). Das gleiche war am 
Ende des fünften Jahrhunderts der Fall, da im Jahre 411 f. der Aufwand für 
einen tragischen Choregen mit 3000 Drachmen, für einen lyrischen dagegen 
mit 5000 berechnet werden durfte (Lys. 21, 1 ff.). Hätte der tragische 
Choreg für jedes Drama zwölf bis fünfzehn Mann stellen müssen, also un- 
gefähr soviel wie der lyrische (50), dann wären seine Kosten nicht bloss 
gleich gross, sondern grösser als die des lyrischen gewesen, denn er hatte 
ausser dem Aufwand für die Choreuten noch weitere nicht geringe Kosten 
zu bestreiten (Absatz 5). Eine Verringerung der Zahl der tragischen 
Choreuten in später Zeit ist nicht gerade wahrscheinlich, aber immerhin 
denkbar (Wieseleb Denkm. XIII 2); ganz abgeschafft aber ist der tragische 
Chor nicht worden, da ihn Demosthenes noch erwähnt und die Aufführung 
alter Tragödien ohne ihn nicht gut denkbar ist (Müller Bühn. 342). Da- 
gegen scheint in der Komödie eine Minderung der Anzahl eingetreten zu 



198 S« ^<M Btthnenwesen der Oriechen nnd Römer. 

sein; ob jedoch schon am Ende des fünften Jahrhunderts, ist fraglich (Ab- 
satz 2). Gestellt aber wurde der komische Chor dem Anschein nach bis 
in die Zeiten des Philemon und Menander, zuletzt allerdings wohl in sehr 
geringer Zahl und nur zum Zweck des (musikalen-mimischen) Spieles in 
den Zwischenakten (Vita Arist. v. Christ Handb. VII 237 ^. Mülleb Bühn. 
343^). Den Chor brachte der Choreg selbst zusammen; dies wird zwar 
nirgends gesagt, liegt aber in der Natur der Sache begründet. Beschränkt 
in der Auswahl war er einzig dadurch, dass er nur Bürger als Choregen 
wählen durfte (§ 18). Aus seiner Phyle brauchten sie wohl nicht zu sein, 
wie es vermutlich die lyrischen Choreuten sein mussten: er war ja nicht, 
wie der lyrische Choreg, im Namen der Phyle am Wettkampf beteiligt. 
Besoldung ist bezeugt (Staat der Ath. I 13), desgleichen Beköstigung wäh- 
rend der Übungszeit (Plut. de glor. Ath. 6 p. 349 A). Zum Zweck der Ein- 
übung des Chores wie der Schauspieler hatte er ein Lokal zur Verfügung 
zu stellen {xoqtjybTov Bekk. An. 72, 17). Die Einübung der Schauspieler und 
des Chores war Sache des Dichter-Didaskalos (§ 22), aber der Choreg war 
dabei interessiert und schon aus diesem Grunde Mithelfer. Es liegt kein 
genügender Grund vor die Angaben alter Forscher zu bezweifeln, nach 
denen in früherer Zeit, wie der Name schon andeutet, der Choreg die Füh- 
rung des Chores übernommen habe (Schneider Att. Theat. 139^**. Müller 
Bühn. 384^), natürlich nur dann, wenn er dazu befähigt war. Es mag 
sogar nicht selten vorgekommen sein, dass er die Stelle eines Flötenbläsers 
versah. Aristoteles wenigstens erzählt (zu § 9^), dass im fünften Jahr- 
hundert in Athen die Auletik allgemein geübt wurde, und erwähnt dabei 
einer Tafel, welche der Choreg des komischen Dichters Ekphantides mit 
einer hierauf bezüglichen Mitteilung aufgestellt habe. War er nicht selbst 
Flötenbläser, so hatte er einen solchen anzuwerben, zu besolden und wohl 
auch zu beköstigen wie die Choreuten (nicht mehr als einen, auch Aristo- 
phanes Vögel nicht: Kaehler Com. Ribbeck. 517). Dies ist aus den In- 
schriften zu schliessen. Genannt werden auf ihnen m. E. nur die Personen, 
welche als Sieger oder Mitsieger aus dem Wettkampf hervorgegangen waren 
und, natürlich ausser dem Choregen, vom Staat ihren Ehrensold empfangen 
hatten. Nun sind aber auf den scenischen Inschriften die Auleten niemals 
genannt, während auf den lyrischen Inschriften der Aulet seit dem vierten 
Jahrhundert verzeichnet ist, und zwar anfangs nach, später vor dem Dichter- 
Didaskalos, entsprechend dem Ansehen, zu dem die Auletik nach und nach 
gelangt war. Also war nur der lyrische Flötenbläser seit dem viei'ten 
Jahrhundert Mitsieger und direkt vom Staat abhängig, die übrigen nicht. 
Die Nachrichten, welche von einer Zulosung der Auleten durch den Archon 
berichten, sind deshalb auf lyrische Wettkämpfe des vierten Jahrhunderts 
zu beziehen (Dem. Mid. 13. Hyp. II). Für die Choreuten und den Flöten- 
bläser und vielleicht auch für die Schauspieler hatte der Choreg die Ge- 
wänder und Masken zu liefern, die wohl nur anfänglich jedesmal neu her- 
gestellt wurden: später waren sie zu mieten (PoU. 7, 78). 

5. Die Stellung des Chores war im Beginn die wesentlichste, aber 
nicht die einzige Aufgabe des Choregen. In späterer Zeit, als eine Ver- 
minderung der Mitgliederzahl wenigstens des komischen Chores eingetreten 



2. Die BtaatL-gesellBohaftl. Grundlagen der attischen Bühnenapiele. (§ 21.) 19g 

war, überwogen wahrscheinlich die übrigen Leistungen, der Name aber 
blieb, was an sich leicht erklärlich ist und durch die Inschriften bestätigt 
wird. Die Scholiasten freilich scheinen von diesem Wechsel in der Bedeu- 
tung des Wortes keine rechte Vorstellung gehabt zu haben, und daher 
rühren wohl ihre zum Teil unglaublichen Angaben (Absatz 2). Dass der 
Choreg dem Dichter Hilfspersonal zur Verfügung stellte, darf man an- 
nehmen, denn zwei bis drei Spieler reichten zur Aufführung der Dramen 
seit Aeschylos sicher nicht hin. Wie viel er aber stellte, ist nicht mit 
Bestimmtheit zu sagen. Verpflichtet war er, so scheint es, nur zu wenigem. 
Vermutlich war er durch das Gesetz nur gehalten zur Anwerbung einer 
festen Zahl von Statisten und Ersatzchoreuten. Die Statisten {x(a(pcc nQoa- 
(üTta, SoQvgiOQi^ficeTa) wurden ständig gebraucht als Begleiter vornehmer 
Bühnenpersonen, in stummen Rollen (Pylades) und zur Darstellung des 
Volkes (Soph. Oed. R.). Ersatzchoreuten aber werden schwerlich gefehlt haben, 
denn für den Fall der Krankheit u. dgl. mussten Vorkehrungen getroffen 
werden, selbst wenn, was aber wenig wahrscheinlich ist, die Einübung des 
dramatischen Chores kürzere Zeit in Anspruch nahm als die des lyrischen. 
In später Zeit scheint er dem Dichter auch noch einen Gehilfen gestellt zu 
haben {vnodiddaxa},og). Aber die Doppelstellung des Ghoregen als eines 
Steuerzahlers und eines Unternehmers brachte es mit sich, dass er oft, den 
Wünschen des Dichters entsprechend, über die gesetzliche Verpflichtung 
hinausging. Dieses mehr gestellte Personal, vierter Schauspieler, Neben- 
chor (Aesch. Eum.), und seine Aktion wurde, nach einigen Angaben zu 
schliessen, wie die Stellung dieses Personals Parachoregema genannt. Vgl. 
Abschnitt V. 

6. Die einzige, freilich hochgeachtete Belohnung, die dem Choregen 
winkte, war die Ehre des Sieges über seine Gegenchoregen. Als Andenken 
an den errungenen Sieg stellte er eine Tafel auf (zu § 9 ^) und weihte auch 
wohl die Zurüstung {axevi] Lys. 21, 4), wie ähnlich der lyrische Choregen- 
sieger den als Preis gewonnenen Dreifuss. 

L1P8IU8 Berichte d. k. s. Ges. d. Wis. ph. h. K. 1885 S. 412 ff. BsmcK Diss. Hai. 
Vn 90 f. Sonstige Litteratur Müller Bühn. 330^. 418. (Die dramatische Choregie ist zu 
trennen von der lyrischen, deshalb sind die früheren Aufstellungen vielfach zu ändern. 
Die oben gegebenen Andeutungen wollen als vorläufige angesehen sein.) — Zu 2: Schol. 
Ar. Frteche 404 'Eni yovv KaXXiov totirov tpTjffly 'jQmroteXijg, oti avy&vo i^oSe ^oQtjyeiy 
td Jioyvaia totg xqayia&oTg xal xtafÄipffoig * taate Xtttag rjy tt^g xal negl toy Arjya'ixoy aytoya 
avmoXij, XQ^^^ ^* varegoy ov noXXtß tiyi xal xa&ä-na^ TiegieiXe Kiyrjaiag tag ^oQfjylag (all- 
gemein tragische und komische). Zum letzten Satz vgl. Schol. Ar. Frösche 153: o Kiyrjaiag 
inQ€eyfjLaT§vcato xatd xtoy xwuixuiy, (6g etey dxoqi^yrjxoi,. Platonios de diff. com. p. XIII 
28 Dübn. schliesst von dem Fehlen der Chorika im Aiolosikon des Arist. auf Fehlen der 
Choregen, was offenbar unzulässig ist. Ähnlich falsch die Vita Ar. Dochs. Boeckh P 538 f. 

21. Agonothet. Dem zentralistischen Zuge der Zeit folgend und 
in Bücksicht auf die Ansammlung des Kapitales in den Händen weniger 
Familien, vereinigte man gegen Ende des vierten Jahrhunderts, wahrschein- 
lich unter Demetrios von Phaleron (316 — 307), die Funktionen der Archon- 
ten und sämtlicher Choregen in einer einzigen Person, dem Agonotheten. 
Er war also zugleich Festleiter und Festgeber. Seine Thätigkeit galt nicht 
als eine eigentlich amtliche {^qx^'D^ sondern als eine kommissarische (im-- 
fiiXsHx). Auf ein Jahr wurde er vom Volke erwählt und nach Ablauf des- 



200 B. Das Bühnenwesen der Grieohen und Römer. 

selben hatte er Rechenschaft abzulegen. Ein Ehrendekret war der Dank 
für ausgezeichnete Leistungen. In seiner Eigenschaft als Festleiter hatte 
er die Festspiele, die in sein Jahr fielen, ordnungsmässig zu veranstalten, 
die nötigen Opfer zu besorgen, überhaupt wohl alles das zu thun, was 
früher dem ersten und zweiten Archen als den Festleitern obgelegen hatte. 
In seiner anderen Eigenschaft als Festgeber hatte er die Chöre zu werben, 
einüben zu lassen, zu unterhalten u. s. w., gerade wie früher die Ghoregen. 
Er hatte dann aber noch die weitere Pflicht die Preise und Honorare für 
die Darsteller zu bezahlen, die früher der Staat selbst hergegeben hatte. 
Die Kosten dieser Leistung waren bedeutend: sieben Talente sind einmal 
aufgewendet worden. Ob der Agonothet Zuschüsse vom Staat empfing, ist 
nicht zu sagen; man könnte es höchstens aus dem Umstände schliessen, 
dass in den Inschriften der Staat als Choreg bezeichnet wird (o Sijfiog 
fX^Q^Y^t); doch ist diese Bezeichnung möglicherweise eine blosse Formel. 
Gehilfen hatte er jedenfalls zur Seite; aber wir erfahren nichts über sie. 
— Die Einrichtung der Agonothesie hat im dritten Jahrhundert noch be- 
standen. Für die beiden folgenden Jahrhunderte fehlen Zeugnisse. In der 
Kaiserzeit werden neben dem Archen als dem Agonotheten wieder Cho- 
regen genannt. Mit den alten Namen wird man auch die alten Einrich- 
tungen, zum Teil wenigstens, wieder hergestellt haben. Näheres ist nicht 
bekannt. 

KoBHLBB Athen. Mitt. 3" 232 ff. 4'» 328«. Bbdtck Disa. Hai. VII 95 ff. Vgl. FbXnkel 
zu BoECKH Staatshaush. P Amn. 765 (in Bd. II). 

23. Dichter -Didaskalos. 1. Der Dichter -Didaskalos {didatfxaXog^ 
später noirjrr^g) war im allgemeinen ein Unternehmer, der mit der Staats- 
verwaltung ein Übereinkommen traf, nach welchem er gegen gewisse Be- 
lohnungen und mit Unterstützung des Staates eine bestimmte Anzahl von 
neuen Dramen zur Aufführung brachte. Anfanglich war seine Thätigkeit 
eine ungemein vielseitige: er war Textdichter und zugleich Komponist der 
musikalen und orchestischen Partieen des Dramas, ferner Regisseur, der 
für die Einübung der Darsteller, für die Ausstattung u. dgl. zu sorgen hatte, 
und endlich Schauspieler (Arist. Rhet. 3, 1, 4. Plut. Sol. 29), d. h. offenbar 
Spieler der Hauptrolle, Protagonist. Im Laufe der Zeit traten mancherlei 
Beschränkungen dieser Thätigkeit ein: es kam Hilfe in der Regie, im Kom- 
ponieren u. dgl. hinzu. Von allen jedoch ist für sein Verhältnis zum Staat 
nur eine wesentlich: das Aufhören der schauspielerischen Wirksamkeit. Es 
entstand nämlich jetzt neben dem Dichter-Didaskalos ein ihm beigeordneter 
Unternehmer, der Protagonist (§ 23). Der Übergang von der einen zur 
andern Einrichtung scheint sich allmählich gebildet zu haben, da Aeschylos 
noch schauspielerisch thätig war, sein jüngerer Zeitgenosse Sophokles nicht 
mehr, wegen Schwäche der Stimme, wie die Vita sagt. Wenn nach So- 
phokles noch einige Male der Dichter bei der Aufführung seines Werkes 
als Schauspieler mitwirkte, so beweist dies nichts als die Möglichkeit der 
Vereinigung zweier Funktionen, wie sie auch sonst vorgekommen ist. . 

2. Die Leistungen des Staates dem Unternehmer gegenüber werden 
in beiden Perioden verschieden gewesen sein. Das Honorar, das jeder 
Dichter empfing (Schol. Ar. Fried. 697. Frö. 367. Ekkl. 102. Hesych fUiX&og. 



2. Die 8taatL*ge86lLiohaftl. Onindlagen der attischen BUhnenspiele. (§ 22.) 201 

Madyio 449), wird im Verhältnis höher in der ersten Zeit gewesen sein, 
in welcher der Unternehmer zugleich Spieler war und etwaige Gehilfen zu 
besolden hatte. Dasselbe hat möglicherweise beim Preis stattgefunden, 
welcher nur einem der Wettkämpfer zu teil wurde, zugleich mit einem 
Epheukranz. Die Höhe beider ist unbekannt. 

3. Von den Pflichten des Dichter-Didaskalos war von je her die 
wesentlichste die Regie, und hierfür scheint ihm auch in erster Linie das 
Honorar gewährt worden zu sein, daneben in der ersten Periode für das 
Spiel, nicht für die Dichtung. Wir dürfen hierauf schon aus der Benennung 
schliessen. Die alten Dramendichter Thespis, Pratinas u. a. hiessen Tänzer, 
weil sie tanzen lehrten {oQxrjavad Athen. I 22 A), und Didaskalos wurde 
der Unternehmer genannt, offenbar weil seine Hauptaufgabe das Einstu- 
dieren der Stücke war {dtddaxetVy didaaxaXia). Die Frage nach der Zu- 
lässigkeit der Stellvertretung, die viel Streit hervorgerufen hat, scheint 
entschieden durch die inschriftlichen Dichterlisten (s. zu 3): dem Staat gegen- 
über gab es keine Vertretung; sieggekrönt und in die Listen eingetragen 
wurde nur der, welcher den Chor erhalten und die Didaskalie durchgeführt 
liatte. Einen Gehilfen mochte er sich nehmen, wie es Sophokles gethan zu 
haben scheint (lophon), oder sich vom Choregen stellen lassen (xoqoSiSm- 
xaXog Dem. Mid. 58. A. Müller Bühn. 358. 406), aber dies änderte seine 
Stellung nicht. 

4. Die andere wichtige Aufgabe des Unternehmers war die Lieferung 
eines oder mehrerer neuer Dramen. Dem Staat als Veranstalter der Spiele 
kam es hierbei wesentlich auf die dramatische Neuheit, nicht auf den Ur- 
heber an. Es blieb also dem Unternehmer freigestellt eigene oder fremde 
Werke zur Aufführung zu bringen, vorausgesetzt, dass sie den gesetzlichen 
Anforderungen entsprachen. Auf welche Weise er in den Besitz der fremden 
Dichtung kam, ob durch Erbschaft oder durch Kauf oder durch ein sonstiges 
Übereinkommen, das war eine durchaus private Angelegenheit des Unter- 
nehmers, um die sich der Staat nicht kümmerte, solange keine Gesetzes- 
verletzung stattfand. Über die Bekanntgabe des Namens des Verfassers 
erfahren wir nichts ; aber eine Verpflichtung zur Nennung des Namens war 
schwerlich vorhanden. Neuen Dramen gleich gerechnet wurden früher auf- 
geführte, wenn sie eine Umarbeitung erlitten hatten (Kock Ar. Frö.^ 17*. A. 
MüLLEB Bühn. 323^). Ausnahmen von dieser Regel fanden gewiss nur ganz 
selten statt (? Hyp. IH Ar. Frö.). Unzweifelhaft bezeugt ist nur der Fall, 
wo es sich um die Aufführung äschyleischer Dramen nach dem Tode des 
Dichters handelte. Seine Dichtungen sollten, so lautete ein Volksbeschluss, 
dem grossen Toten, ihm allein, zu Ehren (Vita), als neue angesehen werden, 
und jeder, der wollte, sollte mit ihnen zum Wettkampf zugelassen sein, 
d. h. doch wohl mit ihnen den Sieg erringen dürfen (etwas anders Rohde 
289 f.). 

5. Dieser Fall ist zugleich die einzige Ausnahme von der Regel über 
die Zulassung der Unternehmer. Sonst nämlich hing die Zulassung ab von 
dem Ausfall einer vorausgehenden Prüfung durch den Archen. Der Zweck 
dieser Prüfung war offenbar der, von den sich anmeldenden Unternehmern 
die passendsten in nötiger Anzahl auszuwählen; aber über Zeit und Gegen- 



202 B. Das Bühnenwesen der Griechen und Römer. 

stand der Prüfung sind wir nicht näher unterrichtet. Wir werden an- 
nehmen dürfen, dass sie beträchtliche Zeit vor der Aufführung stattfand, 
wie wohl auch die Wahl der Choregen (§ 20), und aus dem Verhältnis des 
Didaskalos zum Staat ist zu schliessen, dass sie sich erstreckte sowohl auf 
die persönliche Würdigkeit und Regiefähigkeit des Unternehmers als auch 
auf die Neuheit und Angemessenheit der Dramen, nicht bloss auf letzteres, 
worauf allerdings einige Zeugnisse zunächst deuten (Rohde 262 ^ A. Müller 
Bühn. 350 f.) Bei der Abschätzung der persönlichen Würdigkeit kam nicht 
in Betracht die Staatsangehörigkeit, wohl aber vielleicht jugendliches Alter 
oder Aussehen (Ar. Wplk. 530), das für einen Dirigenten nachteilig war, 
und die Häufigkeit der bisherigen Zulassung, denn auch jüngeren Kräften 
musste Raum gewährt werden (Madvig 449). Aus letzterem Grunde, scheint 
es, ist einmal Sophokles zu Gunsten des wenig angesehenen Gnesippos zu- 
rückgewiesen worden (Kratin. bei Athen. XIV 638 F). Zugleich mit der Zu- 
lassung wurde vermutlich über die Reihenfolge der Zugelassenen entschieden, 
d. h. über die Ordnung, in der sie in den Wettkampf zu treten hatten 
(§ 17); sie wurde wahrscheinlich durchs Los bestimmt (Ar. Ekkl. 1159). 
Und zu gleicher Zeit wird den Zugelassenen auch der Chor zugewiesen 
worden sein, d. h. zunächst der Choreg, der den Chor zu stellen hatte (§ 20) : 
darauf deutet wenigstens die technische Bezeichnung der Zulassung {xoqov 
Xafißdveiv; das Gesuch heisst /. ahstv). 

6. Besondere Einrichtungen mussten getroffen werden, als es Sitte 
geworden war neben den neuen Dramen Stücke verstorbener Dichter auf- 
zuführen (§ 17). Zunächst in Bezug auf die Übernahme der Didaskalie. 
Abgesehen von den Dramen des Aeschylos, die eine Ausnahmsstellung er- 
halten hatten (Absatz 4), wurden die alten Stücke von einem Protagonisten 
zur Aufführung gebracht (Koehler Athen. Mitt. 3'** 115 f.), der wahrschein- 
lich damit vom Archen gegen Entschädigung beauftragt war. Diese Ein- 
richtung, bei der Regisseur und erster Schauspieler eine Person war, brachte 
einen Missstand mit sich. Die Schauspieler-Regisseure nämlich widerstanden 
nicht der Versuchung den Text der Dichter willkürlich umzugestalten. 
Derselbe Missstand wird in Bezug auf die Dramen des Aeschylos eingetreten 
sein, wie aus dem gleich anzuführenden Gesetz zu ersehen ist. Wunder 
nimmt dies nicht: die Aufführer werden ja wohl meist Schauspieler gewesen 
sein, die vielleicht sogar mitspielten. Um dem Unwesen wenigstens auf 
der städtischen Bühne ein Ende zu machen, wurde eine neue Einrichtung 
getroffen. Ein Gesetz des Lykurg (s. u.) bestimmte, dass ein Staatsexemplar 
der drei grossen Tragiker angefertigt und im Archiv aufbewahrt werden 
sollte und dass der Protagonist nur nach Massgabe dieses Exemplars die 
Regie führen, bzw. spielen durfte. 

Auf die ehrenvolle Stellung, welche die Dichter im gesellschaftlichen 
Leben einnahmen, braucht hier nur hingewiesen zu werden. 

Madvig Kleine philol. Schriften. Rohde Rhein. Mus. 38" 287 ff. A. MOllbb Bühnen- 
alt. § 28. — Zu 3: Zuletzt Briel De Callistrato et Philonide, Berl. 1887; dazu Hiller 
Philol. Anzeiger 17, 361 flf. J. van Lbeitwen Mnemos^e 16®* 251 ff. In die SiegerÜBte 
war nicht Aristopbanes, sondern Kallistratos und Philonides eingetragen: vgl. Sitzber. 
Münch. Akad. 1889 II 152 ff. (Dies Ergebnis bleibt bestehen, wenn auch die Ansetzung 
der Dichter S. 155 nach CIA. II 971 >> etwas zu ändern sein dürfte.) — Zu 6: Plut Vit« X 
or. p. 841 F.: eiatjyeyxe de vofjtovg . . . toy di <6s /«Äxaf eixoyag aya&siyM X(ov no^fjjiüy 



2. Die staatL-geselLichaftl. Omndlagen der atÜBchen BUhnenspiele. (§ 23.) 203 

JürxvXov SoaoxXiovg EvQinl&ov xai tag tgayt^diag avttuy iy xoiyip yQa^pttfjiivovg (pvXdtTSiy 
xtti roy T^$ noXstog y^aufiar^a naQayayiyytuaxeiy toTg vnoxQtyofdsyaig (ol t;. sind Protagonisten : 
RoHDE 271) * ovx i^eiyM ydq avtds vnoxqlyea^ai (?). Reiche Litteratur s. Sommerbrodt 
Scaenica 253 ff. 

23. Schauspieler. 1. In den Verhältnissen der Schauspieler sind 
zwei wesentlich verschiedene Perioden zu unterscheiden: eine frühere bis 
Aeschylos, in welcher die Dichter selbst als Protagonisten thätig waren, 
und eine spätere, in der dies nicht mehr geschah. In der ersten Periode 
waren die Schauspieler, welche die Nebenrollen übernahmen, nichts weiter 
als Gehilfen des Dichters, also von diesem abhängig, vermutlich auch in 
Rücksicht auf die Besoldung. Der erste, welcher einen wirklichen Schau- 
spieler als Gehilfen beizog, soll Aeschylos gewesen sein, vor ihm also soll 
der Dichter alle Rollen selbst gespielt haben. So berichtet wenigstens 
Aristoteles (s. u.), und wir sind genötigt diese Nachricht anzunehmen, 
obwohl sie äusserst unglaubwürdig ist. In späterer Zeit bediente sich 
Aeschylos auch eines zweiten Gehilfen, vielleicht nach dem Vorgange des 
Sophokles, der die Neuerung angeregt zu haben scheint, dass vom Staat 
dem Dichter drei Schauspieler zur Verfügung gestellt wurden. 

2. In der zweiten Periode, über die allein wir etwas Genaueres wissen, 
erhielten die Schauspieler eine grössere Selbständigkeit und Bedeutung. 
Früher bloss Gehilfen des Dichters, waren sie jetzt von diesem unabhängig, 
ordneten sich zu Gruppen, einen Protagonisten an der Spitze, und schlössen 
selbst mit dem Staate Verträge ab. Der Staat richtete einen Wettkampf 
für sie ein, und zwar 456 oder 457 für die tragischen Spieler an den 
grossen Dionysien, dem einer für die komischen Spieler an den Lenäen 
entsprochen zu haben scheint (Sitzber. Münch. Ak. 1889 II 145. 158); er 
übernahm ihre Besoldung und wies sie den Dichtern zu. Mit einem Schlage 
allerdings scheint diese Neuordnung nicht zu stände gekommen zu sein: 
Aeschylos wenigstens konnte den Protagonisten mit seinen Genossen noch 
nicht vom Staat erhalten, da er selbst noch die Hauptrolle spielte und nach 
der Vita Kleander und Mynniskos als Gehilfen heranzog (Rohde 279 f.). 
Auch die Nachricht des Istros in der Vita des Sophokles, dass dieser die 
Stücke auf die Schauspieler zugeschnitten habe {nqoq rag tpvaeiq avtSv 
yQaif)ai)y kann auf eine Übergangszeit gedeutet werden (Rohde 281). 

3. Der Protagonist war also jetzt eine Art Unternehmer, indem er 
sich dem Staat gegenüber verpflichtete mit zwei Gehilfen alle ordentlichen 
Rollen, wozu auch die Frauenrollen gehörten, in einem oder mehreren 
Stücken gegen Honorar zu spielen. Falls er zur festgesetzten Zeit nicht 
erschien, was allerdings wohl erst gegen Ende des vierten Jahrhunderts 
vorgekommen sein wird, hatte er eine Strafe zu erlegen (Plut. Alex. 29). 
Die Gehilfen besoldete er selbst, wie er sie auch stets selbst gewählt 
haben wird. Die schriftstellerischen Zeugnisse hiefür gehen zwar nicht 
über die Zeit des Demosthenes hinaus, aber die inschriftlichen Angaben 
lassen weiter schliessen (Rohde 271. 280. 283. A. Müller Bühn. 360 f.). 
Die Höhe des Honorars, das er für sich und seine Gehilfen empfing, ist 
für die gute Zeit Athens nicht überliefert (sonstige Angaben A. Müller 
Bühn. 345). Der im Wettkampf siegende Protagonist erhielt ausserdem 



204 S* "^^^ Bühnenwesen der Griechen und Römer. 

einen Preis (Madvig 450), dessen Höhe unbekannt ist, und hatte eine 
gewisse Begünstigung bei der Zulassung zu einem späteren Agon (Absatz 5). 

4. Über die Zulassung und Verteilung der Protagonisten an die 
Dichter erhalten wir eine einigermassen, aber nicht völlig genügende Auf- 
klärung durch eine lexikographische Notiz (zu 4), die wir auf das fünfte 
Jahrhundert beziehen dürfen, weil sie den Wettkampf von fünf komischen 
Dichtern noch nicht berücksichtigt. Hiemach hatten die Protagonisten, 
welche am Spiel teilzunehmen wünschten, sich beim Archen zu melden. 
Diesem stand ohne Zweifel das Recht der Abweisung zu, und er wird von 
ihm bei mangelhafter Leistungsfähigkeit Gebrauch gemacht haben. Ver- 
mutung über seine Information in Absatz 5. Aus den angenommenen 
Bewerbern wurde die nötige Anzahl durch das Los ausgeschieden und den 
Dichtern behufs Einübung zugewiesen. Wie die Festordnung (§ 17) wird 
die Zuweisung in verschiedenen Zeiten verschieden gewesen sein. Solange 
die Stücke eines Dichters von einem einzigen Protagonisten aufgeführt 
wurden, musste die Anzahl der ausgelosten Protagonisten gleich jener der 
Dichter sein. Bei der Zuweisung an diese sind zwei Fälle denkbar: ent- 
weder diente der zuerst ausgeloste Protagonist dem durchs Los bestimmten 
ersten Dichter (§ 22) und so fort, oder die Dichter wählten sich nach Mass- 
gabe ihrer durchs Los bestimmten Reihenfolge je einen der ausgelosten 
Protagonisten aus. Als in der Folgezeit im tragischen Agon jeder Prota- 
gonist von jedem Dichter je ein Stück spielte, muss ein anderes Verfahren 
stattgefunden haben. Im Jahre 341 (§ 9') war die Ordnung die, dass 
jeder Protagonist von den drei an je einem Tage zur Aufführung kommen- 
den Trilogieen einmal das erste, einmal das zweite und einmal das dritte 
Stück spielte. Die Anzahl der Protagonisten, früher gleich jener der Dichter, 
war jetzt im tragischen Agon natürlich abhängig von der Anzahl der zum 
Wettkampf bestimmten Dramen; man brauchte also, wenn von jedem der 
drei Dichter nur zwei Stücke aufgeführt wurden, wie im Jahre 340 (§ 9*), 
auch nur zwei Protagonisten. 

5. Einigen Protagonisten wurden gewisse Vorrechte eingeräumt. So 
war zunächst, wie wir aus derselben Quelle schliessen dürfen, derjenige 
Protagonist, welcher im Festspiel den Preis davongetragen hatte, für das 
nächste Jahr von der Losung befreit, d. h. er wurde auch für das Fest 
des folgenden Jahres den betreffenden Dichtern zugeteilt, ohne dass das 
Los über seine Zuweisung entschied. Ein ähnliches Vorrecht, scheint es, 
schaffte Lykurg insonderheit für die komischen Protagonisten. Nach Plu- 
tarch (zu 5) fand in früherer Zeit einen Monat vor den grossen Dionysien 
ein Wettkampf komischer Protagonisten statt, bei dem es sich wohl nur 
um die rein schauspielerische Leistung und um Vorführung einzelner Rollen 
handelte und welche vermutlich, wenigstens nebenbei, den Zweck hatte 
den Archen über die Leistungsfähigkeit der sich anmeldenden Protagonisten 
zu unterrichten. Dieser Wettkampf war eingegangen, wurde aber von 
Lykurg wieder eingerichtet, und zwar mit der Neuerung, dass der Prota- 
gonistensieger die Vergünstigung erhielt ohne weiteres am Agon der grossen 
Dionysien zu spielen. Ein bloss schauspielerischer Agon tragischer Prota- 
gonisten scheint gleichfalls eingesetzt gewesen zu sein (Alciphr.*|Ep. III 48. 



2. Die 8taatl.-ges6llBohaftL Grundlagen der attiaohen Bühnenspiele. (§ 24—25.) 205 

RoHDE 278 *. Müller Bühn. 363 *), ob aber mit gleicher Vergünstigung für 
den Sieger, ist nicht zu sagen. 

6. Da die staatlichen Einrichtungen Ausflüsse des Volkswillens sind, 
so kann es nicht zweifelhaft sein, dass den zu Gunsten der Spieler ge- 
troffenen Einrichtungen eine Hebung ihres Ansehens im Volk vorausgegangen 
war. Und dieses Ansehen hat sich im Laufe der Zeit noch mehr gehoben, so 
dass die Schauspieler völkerrechtlich als unverletzlich galten und im Kriegs- 
falle zu Gesandtschaften benutzt wurden, wie Neoptolemos (Dem. de f. leg. 
315. de pace 6). Ihr zum Teil ungebundenes Leben that diesem Ansehen 
keinen Eintrag, wennschon es Tadel fand (vgl. Dem. de cor. 262). 

Wblcksb Die griech. Trag. Bd. II. Schäfer Demosthenes 2. A. Madyio Kl. phil. 
Schriften. Rohde Scaenica, Rhein. Mus. 38 ^^ 269 ff. Voelker Diss. Halenses IV 149 ff. 
A. Müller Bühn. § 14. (Über den Namen vnoxQitijg s. Sommerbrodt Scaenica 259 ff. 
Rhein. Mus. 80'^ 456 ff.). — Zu 1: Arist. poCt. 4, 16 xal x6 re xioy inoxQixwy nX^^os i^ 
ivog eig dvo nqmxog AtaxvXog ijyayB (dagegen DnmoRF PSG.* proll. 9. Ritschl Vorl.) x«t 
xd tov x^^ ^Xdxtioce xal xok Xoyoy nqiaxayiüyiaxrjv nageaxsvfeae, XQstg di xai axtjyoyga- 
fpLtcy £o<poxX^s. Das letztere ist mindestens ungenau, ebenso wie die betreffenden Nach- 
richten in der Vita, bei Suidas und La^rt. Diog. 3, 56. Dem Aeschylos schreibt die Ein- 
führung Themist. 26 p. 316 D zu; vgl. Gramer An. Par. I 19. -- Zu 4: Pbotios (Suidas) 
und Hesychios yef^ijaeis vnoxqixioy ' ol noirjtai iXäfißayoy XQets imoxQixdg xXtjQf^ yefiT^&ey- 
xaq, vnoxQiyofiiyovg xd ^QdfiuxUy toy 6 yixijaag eig xovnioy axgixog {dxQixtog Ues.) TtaQsXaf^- 
ßdyeto. Vgl. RoHDB 270 ff. und Beri. Phil. Woch. 1887 Sp. 1053 ff. — Zu 5: Plut. Vita 
X or. p. 841 E/F eiaijyeyxe youovg^ xov uky tibqI xtSy xfof^t^dtoy, dytuya xotg XvxQoig inixsXeiy 
ifpdfiMoy iy r^ d^edxgt^ xal xoy yixtjaayxa eig daxv xaxaXiyBC^ai, ngoxegoy ovx i^oy, 
dyaXaußdyfoy xoy dytSya ixXeXomoxa. Dazu Fritsche De Lenaeis 52. Rohde 276. Da 
xmfjLi^aoi komische Schauspieler und Aufführungen, später auch Dichter bedeutet, kann man 
nicht unbedingt entscheiden, welcher Art der Agon war. 

24. Übrige Darsteller. Die dramatischen Choreuten, Flötenbläser 
und Hilfespieler waren vom Choregen (§ 20) angeworben und standen des- 
halb zum Staat in keinem Yertragsverhältnis. Zur ungestörten Einübung 
und Aufführung der Stücke war es indessen nötig, dass sämtliche Spieler 
nicht durch anderweitige Pflichten in Anspruch genommen wurden. Und 
so waren denn die Choreuten, zu denen wir die Musiker und Hilfsspieler 
rechnen dürfen, vom Kriegsdienst befreit (Dem. Mid. 15. Boeot. de nom. 16). 
Zwar werden die dramatischen Choreuten nicht im besonderen als dienstfrei 
angeführt, allein dass der Staat ihnen das gleiche Vorrecht gewährt habe 
wie den lyrischen, dürfte wohl nicht zu bezweifeln sein. Und ähnlich wie 
der lyrische Chor wird auch der dramatische als heilig angesehen worden 
sein (Müller Bühn. 3356). 

25. Die dionysischen Künstler. 1. Der Glanz der scenischen Spiele 
Athens wirkte bestimmend auf die übrigen Staaten ein. Dionysische und 
andere Feste wurden weit und breit mit dramatischen Spielen gefeiert. In 
Syrakus führte Aeschylos Stücke auf, in Makedonien Euripides. Philipp, 
Alexander und seine Nachfolger waren eifrige Förderer der Bühnenkünste, 
und die griechischen Städte waren nicht zurückgeblieben. Theater wurden 
überall gebaut, und die Bühnenkünstler vermehrten sich. Wandernd durch- 
zogen sie das Land schon zur Zeit des Demosthenes, und im Laufe der 
Jahre wurde die anfangs lose Organisation eine straffere. Es entstanden 
festgeschlossene Vereine {avvo6oi) der Bühnenspieler, die sich dionysische 
Künstler nannten {ol nsQi tov Jiovvaov xExvixai). Durch Inschriften am 
besten bekannt sind die Genossenschaften zu Athen, Argos und Teos. 



206 B. Bas fiühnenwesen der Qrieohen nnd Römer. 

2. In Athen hatte schon Sophokles (Vita) einen Musenverein gestiftet, 
der zwar eine Förderung der darstellenden Kunst angestrebt haben wird, 
aber eine Genossenschaft in der späteren Art sicherlich nicht gewesen ist. 
Wann und wie der neue Verein in Athen entstand, ist nicht überliefert; 
aber Aristoteles gedenkt schon der dionysischen Künstler (Probl. 30, 10), 
und aus der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts stammt das eine der 
beiden Amphiktyonendekrete (CIA. II 551), welche die athenische Genossen- 
schaft betreffen. Danach scheint es, dass die Einrichtung der Agonothesie 
(§ 21) und die Gründung des dionysischen Vereines nicht weit auseinander 
fallen. Jedenfalls waren im dritten Jahrhundert sowohl die staatlich ge- 
troffenen Einrichtungen als auch die Verhältnisse der beteiligten Künstler 
zum Staat ganz andere als in den früheren Jahrhunderten. Über das 
Einzelne freilich sind wir nicht näher unterrichtet. 

3. Die dionysischen Vereine waren staatlich anerkannte Genossen- 
schaften, mit dem Rechte juristischer Personen und andern Vorrechten aus- 
gestattet. Die Staaten bewilligten ihnen diese um so eher, als der Haupt- 
zweck der Vereine ein heiliger war, Verehrung insbesondere des Dionysos, 
aber auch anderer Gottheiten durch gottesdienstliche Feier und Veranstaltung 
von musischen Darstellungen. Nebenbei verfolgten sie natürlich auch ihre 
Standesinteressen: so wurden wahrscheinlich ausser der Erhöhung der Ein- 
künfte Ausbildung oder Fortbildung in eigenen Übungshäusern und Schaffung 
eines Heims für die wegen des Herumwanderns als heimatlos geltenden 
Mitglieder erstrebt und erreicht. Mitglieder waren nur Männer, und zwar 
freie Männer. Doch setzten sich die Genossenschaften nicht bloss aus 
scenischen Darstellern zusammen, vielmehr umfassten sie auch Dichter und 
nichtscenische musische Darsteller verschiedener Art: Rhapsoden, Kitharoden, 
Auloden, Kitharisten, Auleten u. a. Und dies geschah, weil nach und nach 
alle Arten musischer Aufführungen, nicht bloss scenische, von den diony- 
sischen Vereinen übernommen wurden. Die Chöre scheinen ganz oder zum 
Teil aus den Bürgern der Stadt gewählt worden zu sein, in der die Gesell- 
schaften spielten (CIG. 1586. Foucart 64. Müller Bühn.405«. 342). An der 
Spitze stand ein Vorstand (leQsvg), der auf ein Jahr gewählt wurde und 
wieder wählbar war; ihm zur Seite standen ein Schatzmeister {iTiifieXrp^i^g^ 
Tafiiag) und andere Beamte. Aufführungsverträge wurden durch eigens 
dafür bestellte Mitglieder {e^yolaßoi) vermittelt; in fremden Orten waren 
Agenten (jtQo^evoi) für die Genossenschaften thätig. Es ist natürlich, dass 
so organisierte Vereine ein ziemliches Ansehen genossen und dass einzelnen 
Mitgliedern reiche Ehren erwiesen wurden; aber ihr sittliches Verhalten 
war von jeher und blieb anstössig (Arist. Probl. 30, 10. Gellius N. A. 20, 4). 

Welckeb Griech. Tragödien III. Foucjlbt De collegiis scenicorum artificum aptid 
Graecos, Paris 1873; vgl. Les associations religieuses chez les Grees, Paris 1873. 0. Lüdebs 
Die dionysischen Künstler, Berl. 1873. Ludw. Friedländbr De artifictbus Dionysiacis, 
Ind. schol. hib., Königsb. 1874; vgl. Rom. Sittengeschichte 11^. 0. Ribbeck Rom. Tragödie, 
Lpz. 1875 (Einleitung). H. Saüppe Comm. de coUegio artificum scaenicarum atticarum. 
Ind. schol. aest., Gott. 1876. Lolling Mitteilungen d. k. deut. arch. Inst. Athen. 3^' 135 fr. 
MüLLEB Bahn. 376 ff. von Jan Verh. der 39. Philologenvers, in Zürich 1887 S. 71 ff. 

26, Preisrichter. 1. Leider sind die Ergebnisse scharfsinniger Unter- 
suchungen (Sauppe, Petersen) nicht mehr haltbar, seitdem sich gezeigt 



8. Die staatL-gesellschaftl. Grnndlagen der attischen Bühnenspiele. (§ 26—27.) 207 

hat, dass die dramatischen Wettkämpfe von den lyrischen bestimmt zu 
scheiden sind (zu § 20). Sicher steht nur weniges, so zunächst, dass die 
Kampfrichter (xQnaC) in den dramatischen Agonen ausgelost wurden, und 
zwar vor dem Spiel (Müller Bühn. 370 ^). In Betreff des komischen Agons 
wird insonderheit berichtet, dass fünf Richter thätig waren (Zenob. cent. 
3, 64. Hes. nevre xqnai. Schol. Ar. Vö. 445) und dass sie ihr Urteil auf 
Täfelchen schrieben (Zenob. a. 0. Aelian V. H. 2, 13). Über den tragischen 
Wettkampf erzählt Plutarch (Kimon 8) etwas. Sein Bericht ist zwar in 
mehrfacher Hinsicht an&tössig, aber in der Hauptsache nicht zu verwerfen. 
Er betrifft die erste Aufführung des Sophokles, seinen Wettkampf mit 
Aeschylos. Es herrschte grosse Parteinahme für und wider den jungen 
Dichter. Der Archen loste die Richter nicht aus, sondern bestimmte die 
zehn Strategen stellvertretend zu urteilen, wahrscheinlich ihres Ansehens 
wegen, nicht weil sie zugleich Vertreter der Phylen waren. Dieser Aus- 
nahmsfall beweist nichts für die Zahl der tragischen Preisrichter: es können 
gewöhnlich zehn, es können aber auch fünf gewesen sein, wie im komi- 
schen Agon. 

2. Die Aufgabe der Preisrichter war unparteiisch die gesamte Auf- 
ffihrong zu beurteilen. Die Ausstattung war ein wesentlicher Umstand bei 
der Beurteilung (Isaeos de her. Dicaeog. 36); doch kam auch die Komposition 
in Betracht (Aelian V. H. 2, 13). Nach Aelian scheint es, dass die Preis- 
richter nur den Namen des Dichters aufschrieben, den sie als Sieger er- 
klärten, nicht auch zugleich den des mitsiegenden Choregen. In welcher 
Weise die zweite und dritte, bezw. vierte und fünfte Stelle bestimmt wurde, 
bleibt dabei dunkel. Unbekannt ist auch das Verfahren bei der Abstim- 
mung über die Protagonisten. 

H. Saüppe Berichte üb. d. Verh. d. k. sftchs. Ges. d. Wiss. zu Lpz. ph.— h. K. 1855 
S. 1 ff. £. Petebsen Über die Preisrichter der grossen Dionysien. Progr. Dorpat 1878. 
MüLLEB Bahn. 369 ff. 418. H. Lipsius Berichte etc., Lpz. 1885 S. 419 f. 

27. Zuschauer. 1. Berechtigt zum Besuch des dionysischen Theaters 
waren Bürger, Metöken und Fremde; Sklaven wohl nur als Geleiter. Ob 
auch Frauen und Kinder Zutritt hatten, ist eine viel behandelte Frage, 
bei der mancherlei nicht recht erwogen worden ist. Nicht berücksichtigt 
ist die Möglichkeit, dass sich verschiedene Nachrichten nicht auf die drama- 
tischen Aufführungen der Stadtfeste, sondern auf die der ländlichen Dionysien 
oder bloss auf den dionysischen Festzug an dem grossen Stadtfest beziehen 
können. Auch der Witz der Komödiendichter ist nicht gehörig zu Rate 
gezogen worden (Madvio Kl. Sehr. 456). Bei reiflicher Erwägung scheint 
es, dass im fünften und vierten Jahrhundert den Frauen und jüngeren 
Knaben nicht das B^cht zum Besuch der städtischen Komödienaufführungen 
zustand, wohl aber zum Besuch des tragischen Agons (Piaton Gesetze II 
658 C). Die Komödien des Aristophanes stimmen mit dieser Auffassung 
(Frieden 50 f. 765 f. Vögel 793 ff.) oder widersprechen wenigstens nicht 
(auch nicht Frieden 964). Doch ob Recht, ob nicht, das ist für die Bühnen- 
kunde wenig wesentlich: Thatsache ist, dass Frauen und Kinder in dieser 
Zeit den dramatischen Aufführungen in der Stadt nicht beizuwohnen pflegten. 
Für die Tragödienaufführungen geht dies zwar nicht aus den Zeugnissen 



208 B. Bas Bühnenwesen der Griechen nnd Römer. 

hervor, aber doch aus der Grösse der Stadt und des Theaters. Im Anfange 
des peloponnesischen Krieges gab es in Attika mit Einschluss der siebzehn- 
jährigen und der Ritter ohne jeden Zweifel über 30,000 Bürger (H. Schenkl 
Wiener Studien 2 »MGS flf.) und wenigstens halb so viel Metöken. Bei der 
Beliebtheit der scenischen Spiele besuchte sicherlich ein sehr grosser Teil 
der Einwohner nebst den Fremden das Theater. Dieses hat aber in seiner 
grössten Ausdehnung nur 27,500 Sitzplätze (höchstens 15,000 nach J. P. 
Mahaffy Academy 1889 4. März Nr. 887). Es bleibt somit so gut wie 
kein Raum für Frauen und Kinder. Später allerdings war es anders. 

2. Gemäss dem äusseren Zwecke der Bühnendarstellungen als einer 
gottesdienstlichen Feier sollte man erwarten, dass die gesamte Gemeinde, 
soweit es rechtlich oder möglich war, teilnahm, ohne zur Zahlung von 
Eintrittsgeld verpflichtet zu sein. Aber nur im Beginn war es so, in der 
Pisistratidenzeit. Seit wann und warum es der Staat ablehnte den Zuschauern 
freien Eintritt zu gewähren, ist nicht zu entscheiden. Nach späten Nach- 
richten geschah es zur Vermeidung vorgekommener Ungehörigkeiten (Schol. 
Luc. Tim. 49. Lex. &€(oqix6v). Es entsprach einigermassen dem Wesen der 
Sache, dass Perikles den Bürgern das Eintrittsgeld ersetzte (§ 29). All- 
gemein wird angenommen (mit Saüppe), dass es zwei Obolen betrug und 
dass es an drei Tagen zu erlegen war. Wenn das richtig ist, dann sind 
unter den drei Tagen wahrscheinlich tragische Spieltage zu verstehen. 
Es erheben sich aber Bedenken gegen diese Annahme, die indessen hier 
nicht dargelegt werden können (vgl. Lipsius 416). 

3. Von der Zahlung des Eintrittsgeldes befreit waren einzig diejenigen, 
denen der Staat Ehrenplätze bewilligt hatte. Es gab also eigentlich nur 
zwei Arten von Sitzplätzen: Ehrensitze und gewöhnliche Sitzplätze. Zu 
Ehrensitzen war bestimmt die unterste Sitzreihe {nQoeÖQia: PoUux 8, 12L 
133. Phot Suid. TtQoeiQoi). Priester, Archonten, Kultusbeamte hatten hier 
ihren Platz. So melden die aus der Kaiserzeit stammenden Inschriften 
(CIA. III 240 ff.), so wird es aber auch früher gewesen sein. Gegen Ende 
des vierten Jahrhunderts erhielten die Nomophylakes (Lex. Cantab. s. v.) 
Ehrenplätze, die Priesterinnen wohl erst in der Zeit, als Frauen das Theater 
häufiger zu besuchen pflegten. Die für die letzteren bestimmten Sitze waren 
höher gelegen, ein Beweis, wie es scheint, dass sie ihnen erst später zu- 
gewiesen wurden. Dies waren die Ehrenplätze, zu denen das Amt berech- 
tigte; es gab aber auch solche, welche besonders verliehen wurden (Müller 
Bühn. 294) zum Dank für ausgezeichnete Leistungen an Feldherrn, Wohl- 
thäter, Waisen Gefallener, Epheben oder aus besonderen politischen Gründen 
an fremde Gesandte und Kaufleute. Ihre Lage im Theater ist unbekannt. 
Über die Anordnung der übrigen Zuschauer wissen wir sehr wenig. Wir 
erfahren nur, dass die Feldherren zusammen sassen (Theophr. Ghar. 5), dass 
es eine besondere Abteilung wie für die Epheben {itprjßixov) so für den Rat 
gab {ßovXevuxov: Schol. Ar. Vögel 794. Pollux4, 122). Aus diesen Angaben 
scheint aber zu folgen, dass die phylenweise Anordnung der Zuschauer, 
die man voraussetzen darf, erst spät eingetreten ist (vgl. § 48). Wenn das 
Gesetz des Phyromachos (Schol. Ar. Ekkl. 22) aus unbekannter Zeit Bezug 
hatte auf das Theater, sassen nach seinem Erlass die etwa anwesenden 



2. Die 8taatl.-g6aell8ohaftl. Qnmdlagen der attischen Bühnenepiele. (§ 27 -28.) 209 

Frauen getrennt von den Männern und die Hetären getrennt von den 
Bürgerinnen; vorher aber nicht. Und dass auch später keine Trennung 
statt hatte, zeigt Lukian (Tanz 5). Die Fremden sassen gleichfalls unge- 
trennt (Arist. Fried. 45. Dem. de. cor. 28. Theophr. Char. C). Theaterdiener 
sind vermutlich bei der Einnahme der Plätze thätig gewesen. Andere als 
die Orchestraeingänge (§ 48 ^) durften wahrscheinlich nicht benutzt werden, 
denn nur in diesen werden die Kassen gewesen sein. Gegen Schluss der Vor- 
stellung scheint man von der Zahlung des Eintrittsgeldes abgesehen zu haben 
(Theophr. Char. 30. Bjenndobf 28). Wozu die bleiernen Theatermarken ge- 
dient haben, bleibt dunkel; die übrigen waren wohl Legitimationszeichen 
für die Proedristen, die notwendig geworden zu sein scheinen, als die 
Ehrenplätze vermehrt wurden. (Vgl. § 12. 39). 

4. Die rege Anteilnahme der Athener wird am besten bewiesen durch 
die Festordnung: Zuschauer, welche es über sich gewannen ganze Tage 
lang im Schauspielhause zu sitzen, werden sich schwerlich wieder finden. 
Theopomp rückt den Athenern ihre Vorliebe für das Theater mit Unrecht 
vor (Justin. 17, 9), denn verglichen mit den andern Völkern zeigten die 
Hellenen und besonders die Athener in der Veranstaltung der Feste einen 
edlen Oeschmack, der auch dann nicht ganz zurücktrat, als in der Zeit des 
Verfalls asiatische und später römische Einflüsse sich geltend machten. 
Auch in der Würdigung der Bühnenkünste waren die Athener unübertroffen. 
Durch die Ehrerweisung, die sie dem grössten Tragiker zu teil werden 
liessen (§ 22), ehrten sie sich selbst. Mochte auch wie überall die Menge 
mitgerissen werden; dass sie sich hierzu mitreissen Hess, das ist eben ent- 
scheidend. Und vollständig Recht hat Lessing, wenn er im zweiten Stück 
der Hamburgischen Dramaturgie sagt: „Es ist nur ein Athen gewesen, es 
wird nur ein Athen bleiben.** — Benndorp Beiträge 4 ff. (§ 12). Müller 
Bühn. § 20. Lipsius Berichte 1885. 

C. Sonstiges. 

28. Besorgung der Mittel. 1. Es ist in der Natur der Sache be- 
gründet, dass der Staat, bzw. der Gemeindebezirk für die Herstellung und 
Instandhaltung der nötigen Gebäude sowie für ihre Ausstattung zu sorgen 
hatte. Was den Theaterbau anlangt, so ist diese Fürsorge zum Teil be- 
zeugt durch die Geschichte des dionysischen Theaters in Athen und die 
Verpachtung des piräischen (CIA. II 573). Hiernach dürfen wir annehmen, 
dass auch vor der Errichtung eines festen Theaters die Gerüste {fxQta) für 
Darsteller und Zuschauer auf Veranlassung und Kosten des Staates vor 
dem Feste neu hergestellt oder doch neu aufgeschlagen wurden. Mit diesem 
verschwenderischen Verfahren brach man bald, wahrscheinlich nach 500 und 
vor 472 (Suidas u. Pratinas). Um die Wiederkehr eines Einsturzes der 
früher auf ebenem Boden aufgeschlagenen Gerüste zu vermeiden, verlegte 
man den Schauplatz an den Burgfelsen und stellte mit Benutzung desselben 
einen weniger gefahrbringenden Zuschauerraum und eine entsprechend festere 
Bühne her. An ein Theater ganz oder grossenteils. aus Stein brauchen wir 
hierbei nicht notwendig zu denken, da des Suidas Worte ((lyxoiofxr^x^r^) nicht 
unbedingt darauf führen. In der Finanzverwaltung des Redners Lykurg, 

H»t.dbiicb der klass. AltcriumBwissenschaft. V. 3. Abtlg. 14 



210 B. Das Bühnenwesen der Griechen und Römer. 

also sicher auf Staatskosten, wurde das Theater vollständig ausgebaut. Mit 
Ausnahme der Vorrückung der Bühne nach späterem Geschmack scheinen 
wesentliche Änderungen seitdem nicht vorgenommen worden zu sein. 

2. Auf öffentliche Kosten erbaut waren ferner wahrscheinlich die 
übrigen Theater Attikas; für das piräische wenigstens ist dies aus der Ver- 
pachtung mit ziemlicher Sicherheit zu erschliessen. Ein staatliches Gebäude 
war auch das sog. perikleische Odeion, das bei der Hauptprobe (§ 67) be- 
nutzt wurde. Es gab endlich einige Gebäude, die in gewisser Beziehung 
zum Bühnenwesen standen: das Rathaus der dionysischen Künstler (r(3r 
T€xvn(üv ßovXevTTjQiov), ihr Heiligtum {thfuvog tmv tsxv,) und das Übungs- 
haus [MekiTbiov oixog), aber über ihre Besitzer oder Erbauer lässt sich eine 
sichere Entscheidung nicht treffen (Lit. Müller Bühn. 105 f.). Erst in den 
Zeiten des Verfalles, als fremde Mäzenaten Athen ihre Gunst zuwandten, 
wurden öffentliche Gebäude für musische Zwecke auf fremde Kosten er- 
richtet. Das im suUanischen Kriege verbrannte Odeion wurde von Ario- 
barzanes H von Kappadokien (f 52 v. Chr.) neu erbaut. An derselben Stelle 
errichtete um 170 n. Chr. Herodes Attikos das in Resten noch erhaltene 
Odeion. Von Augustus Schwiegersohn Agrippa stammte das Agrippeion im 
Kerameikos, das Philostrat Theater nennt, das aber schwerlich ein wirk- 
liches Theater war (Philostr. Vit. Soph. 2, 5, 3; vgl. 2, 8, 2). 

3. Die Verwaltung des Theaters war verpachtet im Piraeus und ohne 
Zweifel auch in Athen (vgl. CIA. H 164, 32 mit Dem. de cor. 28). Der Pächter 
{x^faTQcivtjg, a^xeri'krcör) übernahm die bauliche Instandhaltung des Theaters 
(so im Piraeus), vermutlich auch die Aufbewahrung der Ausstattungsgegen- 
stände, und zahlte eine gewisse Summe an den Staat. Dafür erhielt er 
das Recht das Eintrittsgeld für sich zu erheben; für ausserordentliche 
Ehrengäste scheint der Staat gezahlt zu haben (Dem. de cor. 28). Der im 
Wortlaut erhaltene Pachtvertrag im Piraeus war, wohl ausnahmsweise, mit 
einer Gesellschaft von vier Pächtern abgeschlossen, welche zusammen 3300 
Drachmen zahlten. — Über die Besorgung der Bühnenausstattung und der 
Bühnentracht sowie über die Bezahlung der Maschinisten und ähnlicher 

"Gehilfen wird nichts berichtet. Es ist möglich, dass die Pächter hierzu 
angehalten wurden (Müller Bühn. 344); es können aber auch die Gboregen 
zum Teil dazu verpflichtet gewesen sein {Tiagaaxsvij Plut. Dem. 29). 

C. Wachsmuth Stadt Athen. A. Milcuhoefer bei Baumeister Denkro. o. Athen. 
LoLLiNO in Iw. Müllers Handb. III 290 ff. A. Müller Griech. Bühnenalt. § 10 u. S. 343 f. 
-- Zu l: U. VON VVilamowitz-Möllendorff 21®* 597 ff.; dazu Sitzber. der bayr. Akad. 1889 
II 131 ff., 165 ff. Das Theater ist aufgenommen von Ziller und besprochen von Julius 
in LüTzows Zeitschrift für bild. Kunst Bd. 13. Vgl. Abb. im Handb. III 352. (Neue Aus- 
grabungen sind geuiacl worden, und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse steht in Aus- 
sicht. Die neuen Thats .hen haben wir mit Dank, aber die daran geknüpften Hypothesen 
mit grösster Vorsicht aufzunehmen. Ich bin berechtigt zu erklären» dass dio letzteren, so- 
weit sie bis zum Juli 1888 bekannt waren, bei einer Nachprüfung an Ort und Stelle durch 
Herrn Dr. Julius, desson Sachkenntnis und Urteilsfähigkeit meines Lobes nicht bedarf, als 
nicht bei falls würdig befunden worden sind. Übrigens' hat das dionysische Theater Athens 
schon längst an Wichtigkeit verloren, seitdem sich herausgestellt hat, dass im fünften Jahr- 
hundert ein steinernes Bühnengebäude nicht vorhanden war, und besonders seitdem das 
epidaurische ausgegraben worden ist: § 11.) — Zu 2: Vgl. Müller Bühn. 106. Piraeus- 
theater: Curtius und Kaupert Karten von Attika, Text 1 66 (ähnlich dem dionysischen in 
Athen). Theater in Thonkos: VV. Miller und W. Cushino Paperfs of the Amertcan ScJiool 
at Athens 5 (1885.87) 1 ff. T. 1-7. Das perikleische Odeion lag westlich vom Theater. 



2. Die 8taatl.-gesellBclitk!tl. Qrandlagen der attiechen Bühnenepiele. (§ 29-30.) 211 

(So LoESCHCKB. Entscheidend ist Andokides I 38 deiaag: Diokleides fürchtet sich dem 
Komastenschwarm zu begegnen. Bei Loeschckes Ansatz Progr. Dorpat 1883 S. 10, 1884 
S. 22*® ist alles in Ordnung; nicht so bei Lollikos Handb. Ilf 326', 329': denn wenn D. 
sich schon beim Propylaeon des Dionysions befindet, ist er über jene Gefahr hinaus. 
Übrigens standen die Statuen im Theater, nicht neben dem Propylaeon.) Herodes Attikos 
(ungeföhr 102 -- 177) baute das Odeion bald nach dem Tode seiner Gattin Regilla, welcher 
vor 171 eintrat: Bubesch Rhein. Mus. 44®* 403 f. Abb. der Reste: Monum. VI 16 f. 

29. Kosten. 1. Dass der Staat allein für die Kosten der städtischen 
Bühnenspiele aufkam, haben wir gesehen, denn die Auslagen der Choregen 
oder Agonotheten (§ 20 f.) und die des Theaterpächters (§ 28) unterschieden 
sich von den gewöhnlichen staatlichen Leistungen nur durch die Form. 
Wie hoch sich die Summe belief, welche der Staat aus der Staatskasse für 
die Opfer und für die Siegespreise und Honorare der Dichter und Schau- 
spieler (§ 22 f. 25) aufzuwenden hatte, ist nicht überliefert. Die Kosten der 
Choregen waren schwankend, denn es kam nicht wenig auf Freigebigkeit 
an; im ganzen aber waren sie verhältnismässig gering (§ 20. Lys. 21, 1 ff . 
BoECKH Staatsh. P 545). Da die Höhe der vom Theaterpächter an den 
Staat zu zahlenden Summe nicht bekannt ist, so kann auch die Summe 
nicht berechnet werden, die ihm für seine Mühe und seinen Aufwand 
übrig blieb. 

2. Die Zahlung des Schaugeldes (O^eoDQixov) an die Bürger war eine 
ganz eigentümliche Einrichtung, deren Beurteilung nicht leicht fällt. In 
der Zeit des Demosthenes (in Leoch. 37) und ohne Zweifel auch früher er- 
hielten das demenweise zur Verteilung kommende Schaugeld nur diejenigen 
Bürger, welche in den Bürgerbüchern der Demen {Xr^^iuQxixd ygafAfiazeta) 
eingetragen waren, und nur, wenn sie selbst erschienen (Hyperid. in Dem. p. 
IS** BL). Perikles hatte es eingeführt nach Plutarch (P. 9). Anfänglich wurde 
es nur an den scenischen Festen verteilt, später auch an andern Festen zur 
beliebigen Verwendung (Dem. in Leoch. 37. Ol. I 20. Liban. Hyp. Dem.OI.I 
p. 8). Man mag überlegen wie man will, ganz freizusprechen dürfte Perikles 
nicht sein. Dem Wesen der Feier wäre es angemessen gewesen, wenn das 
Eintrittsgeld ganz aufgehoben worden wäre. Wollte man den Besuch des 
Theaters von selten der Metöken oder auch der Frauen beschränken, um 
Platz für die Bürger zu schaffen, so hätte es genügt nur von jenen Be- 
zahlung zu verlangen, den sich legitimierenden Bürgern dagegen freien 
Eintritt zu gestatten. Dass man aber das Schaugeld allen Bürgern ohne 
Ausnahme auszahlte, auch denen, die das Theater nicht besuchen wollten 
oder konnten, wenn sie nur das Geld selbst abholten (es müssen ziemlich 
viele gewesen sein: § 27 0> d^ts war durch die Sache nicht geboten und 
war der Anfang des ärgerlichen Krebsschadens in der Staatswirtschaft 
Athens. 

BoECKH Staatshausbaltung der Athener P 274 ff. Busolt oben IV 124. 160. 198. 
Behndobf Beiträge 22 ff. (§ 12). Fickelscherer De theoricis Ath. pecunm com,, Lpz. 1877. 

SO. Rechtsschutz. Sehr bald nach Beendigung der grossen diony- 
sischen Festfeier wurde im Theater eine Volksversammlung abgehalten, die 
Bezug hatte auf das vorausgegangene Fest. In dieser wurde nicht bloss 
über Belohnungen für ausgezeichnete Leistungen der Beamten beschlossen, 
sondern auch über Klagen entschieden, die wegen vermeintlicher Verletzung 
der; Festordnung vorgebracht wurden. Klagen gegen den Archen konnten 

14* 



212 B. Bas Bühnenwesen der Oriechen und Römer. 

also hier geführt werden (Dem. Mid. 9), ob auch gegen die Kampfrichter 
und Dichter, ist zweifelhaft. Vgl. H. Sauppe Berichte, Lpz. 1855 S. 12. A. 
MoMMSEN Heortologie 388 flf. • A. Mülleb Bühn. 73. 374. 

3. Die staatlich-gesellschaftlichen Grundlagen der 

römischen Bfihnenspiele. 

A. Im allgremeinen. 

31. YeranlasBung, Arten. 1. Wie die attischen waren die römi- 
schen Bühnenspiele Aufführungen dramatischer Dichtungen, die im unbe- 
deckten Theater aus mehr oder weniger religiöser Veranlassung stattfanden; 
aber sie unterschieden sich von jenen in mehrfacher Hinsicht. 

2. Sie waren zunächst nicht, wie in Athen, zu Ehren des Dionysos 
eingerichtet, ja überhaupt nicht zu Ehren eines einzigen Gottes, sondern 
dienten zur Verherrlichung verschiedener religiöser Festlichkeiten (§ 32) 
und in der Eaiserzeit auch bloss zur Feier freudiger Ereignisse (Absatz 4). 
An Dionysos erinnerte im römischen Bühnenwesen eigentlich nur der Altar 
dieses Gottes, der nebst dem der jeweils gefeierten Gottheit auf der Bühne 
aufgestellt gewesen sein soll (§ 53). 

3. Femer gab es zwar in Rom wie in Athen ständige Jahresfeste, 
welche mit Bühnenspielen ausgestattet waren {ludi annui), aber daneben 
auch ausserordentliche, nur einmal, nicht jährlich eintretende Feste mit 
Bühnenspielen, die sich in Athen nicht fanden (Ritschl 286 ff. Friedl. 497 *. 
529). Sie wurden veranstaltet infolge von Gelübden, besonders in Kriegs- 
zeiten (Votivspiele, ludi votivi), bei Einweihung von öffentlichen Bauten 
(Dedikationsspiele), z. B. von Tempeln (Plaut. Pseud. didasc.) und besonders 
von Theatern, ferner bei Gelegenheit von Triumphen (Triumphalspiele) und 
endlich aus Anlass der Säcularfeier (Säcularspiele, ludi saeculares: Mar- 
QUARDT StV. III«385ff.). 

4. Dazu kommt aber noch, dass solche ausserordentlichen Spiele auch 
von Privatpersonen veranstaltet werden konnten {ludi privativ Gegensatz 
puhlici), während es in Athen nur staatlich geleitete gab; doch waren jene 
nicht völlig ohne staatliche Anteilnahme. Der Staat nämlich gewährte den 
Veranstaltern von Privatspielen dasselbe Recht in Bezug auf den Gebrauch 
der Lictoren und der Toga praetexta wie den staatlichen Festgebern (Momh- 
sen StR. P 407) und verlangte ausserdem, dass Nichtsenatoren zuvor die 
Erlaubnis des Senates einholten (Dio C. 60, 23. Friedl. 490). Gegeben aber 
wurden Privatspiele vorzugsweise bei Gelegenheit von Leichenfeiern (ludi 
funehr esj, wie uns die Didaskalieen zu Terenz lehren, in der Kaiserzeit 
allerdings auch bei blossen freudigen Ereignissen (Friedl. 489 f.). Über 
die Privatspiele des Kaiserhauses unten § 32 ^. 

5. Wie die Anlässe waren auch die Arten der Bühnenspiele in Rom 
mannigfaltiger als in Athen. Zwar die beiden Hauptarten, Tragödie und 
Komödie, waren im grossen und ganzen dieselben. Die zwei Unterarten 
nämlich, in die jede von ihnen zerfiel, je nachdem die Verfasser sich mehr 
an die griechischen Vorbilder anschlössen {fabula crepidata und paUicUä) 



8. Die 8taatl.-ge8ellachaffcl. Gnmdlagen der römischen Bühnenspiele. (§ 31 —32.) 213 

oder in freierer Weise römische Stoffe verwerteten (fabula praetexta und 
togata)f schieden sich von einander mehr durch Ausserlichkeiten. In Rück- 
sicht auf die Darstellung lässt sich zwischen den altgriechischen und römi- 
schen Hauptarten nur ein wesentlicher Unterschied erkennen : im römischen 
Drama wurde der Chor ausgeschlossen oder wenigstens in Mitgliederzahl 
und Thätigkeit bedeutend beschränkt, dagegen die übrigen Darsteller ver- 
mehrt (§ 38); doch ist auch dieser Unterschied vermutlich schon in neu- 
attischer Zeit eingetreten und von den Römern nur herübergenommen 
worden. Aber der Beigaben und Nebenarten gab es mehr in Rom als in 
Athen. 

6. Wie in Athen lange Zeit das Satyrspiel oder ein viertes Schau- 
spiel als ein heiteres Nachspiel auf die tragischen Stücke folgte, so wurde 
in Rom die Atellane als Nachspiel verwendet, eine kurze Posse mit 
stehenden Rollen (Pappus, Bucco, Maccus, Dossenus), die allerdings auch 
selbständig aufgeführt wurde. Sie stammte aus der kampanischen Stadt 
Atella (anders Mommsen RG. II K. 13) und wurde anfänglich von römischen 
Jünglingen in Masken improvisiert, eine Sitte, die vielleicht auch dann noch 
fortdauerte, als bereits atellanische Dichtungen von wirklichen Schauspielern 
aufgeführt wurden (Mommsen ib.). 

7. In Ciceros Zeit (ad fam. 9, 16) wurde sie als Nachspiel durch den 
in Latium wohl alteinheimischen Mimus verdrängt, der in der Kaiserzeit 
die dramatischen Hauptarten völlig verdunkelte, ein Beweis neben andern 
für die eingetretene Geschmacksverrohung der Römer, denn es war der 
Mimus nichts weiter als eine gemeine Posse. In bühnentechnischer Hin- 
sicht unterschied er sich von den andern Arten besonders dadurch, dass 
Frauenrollen nicht wie sonst durch Männer, sondern durch Frauen gespielt 
wurden und dass die Schauspieler ohne den niederen Schuh der Komödie 
(socctis) und ohne Masken auftraten, offenbar weil das Grimassenspiel als 
Hauptsache galt und durch nichts gehindert sein sollte. Weitere Eigen- 
tümlichkeiten waren eine närrische Bühnentracht {centunculus, ricinium, 
phcMus) und Thätigkeit der Schauspieler auf dem vorderen Teil der Bühne, 
den nach hinten ein Zwischenvorhang (siparium) abschloss. 

8. Kurz sei auch der balletartigen Aufführungen gedacht, die in der 
Kaiserzeit zur Ausbildung gelangten. Der Pantomimus war ein dramati- 
scher Tanz eines Einzeltänzers, der verschiedene Rollen und Situationen 
meist eines Mythos mimisch darstellte, während ein Chor unter Musik- 
begleitung sang. Mehr balletartig war die dramatische Pyrrhiche, da sie 
von mehreren Tänzern und Tänzerinnen aufgeführt wurde. 

Lit. fOr § 31—41: Ritschl, Kibbeck, Friedlaehdeb s. § 6. Th. Mommsen Römische 
Geschichte; Römisches Staatsrecht 1 - 111 (im HaDdb. der röm. AltertQmer von Mabquabot 
DDd Mommsen I — III}; CIL. I p. 361 ff. MABguASDT Römische Staatsverwaltung I~III (im 
Handb. der röm. Alt. IV - VI). Dziatzko Terenz Phormio (Einleitung). 

32. Festzeiten. 1. Von den römischen Jahresfesten sind für die 
Bühnengeschichte vier besonders wichtig, weil an ihnen zuerst und lange 
Zeit hindurch jährlich eigentliche Bühnenspiele stattfanden: die Megalesien 
im April, das Apollofest im Juli, das Rüraerfest im September und das 
plebejische Fest im November. 



214 B. Bas Bühnenwesen der Griechen nnd Römer. 

2. Das älteste Fest, das Hauptfest, das zu Ehren von Jupiter ge- 
feiert wurde, war das Römerfest (ludi Romani; zuweilen auch magni und 
maximi genannt, dann aber zu unterscheiden von dem ebenso genannten 
Votivfest). An ihm fanden zuerst regelmässige BühnenauffQhrungen statt. 
Anfanglich freilich, seit 390/364, waren diese nur Darstellungen etruskischer 
Pantomimen; eigentliche Bühnenspiele gab es erst, seit Livius Andronicus 
im Jahre 514/240 eine Tragödie und eine Komödie über die Bühne gehen 
Hess (Liv. 7, 2). 

3. Das plebejische Fest {ludi plebeji) wurde schon im Jahre 554/200 
durch dramatische Aufführungen verherrlicht, wie die Didaskalie zum Stichus 
des Plautus meldet (Studemund Com. in hon. Mommsen I. 782 ff.). 

4. Ende des dritten Jahrhunderts wurden in Rom zwei neue Kulte 
eingeführt, der des Apollo 542/212 und der der phrygischen Oöttermutter 
550/204. Das Apollofest {ludi ApolUnare<) war von allem Anfang an 
scenisch, allerdings die ersten paar Jahre nur jährlich neu gelobt und erst 
seit 246/208 ein ordentliches Jahresfest (RrrscHL 292. XXII f.). 

5. Dagegen wurden die Megalesien oder das Fest der grossen Mutter 
{ludi Megalenses, fieyakrj) erst mehrere Jahre später, 560/194, zu einem 
scenischen gestaltet (Liv. 34, 54). 

6. Ausser den ausserordentlichen Festspielen, die an keine Jahreszeit 
gebunden waren, gab es nur die ebengenannten vier Feste, welche in der 
republikanischen Zeit mit eigentlichen Bühnenspielen gefeiert wurden, denn 
für das Florafest im April-Mai {ludi Florales) sind nur Mimen bezeugt 
(Arnob. 3, 23. 7,33) und Bühnenspiele am Ceresfeste im April {Uidi Cerialcs) 
werden erst in der Kaiserzeit erwähnt (Tac. Hist. 2, 55. Juv. 14, 262. Ritschl 
287). Gedauei*t aber haben sie bis in die späte Kaiserzeit: sie werden u. a. 
noch genannt im Kalender des Philocalus aus dem Jahr 354 (CIL. I 
p. 332 ff.). 

7. Seit Sulla, Caesar, Augustus trat eine Vermehrung der regel- 
mässigen mit Spielen versehenen Feste ein (Friedl. 502 f.). Ausdrücklich 
als scenisch werden in der Kaiserzeit genannt das Fest der Ceres (Ab- 
satz 6) und die von Livia zu Ehren des Augustus eingerichteten palatini- 
schen Spiele {ludi P.). Die letzteren nahmen unter den scenischen Festen 
der Römer eine Sonderstellung ein, indem sie zwar wie die ordentlichen 
Feste jährlich wiederkehrten, aber doch eigentlich nur kaiserliche Privat- 
spiele vor einem, wie es scheint, beschränkten Zuschauerkreise waren (CIL. 
I p. 385. Friedl. 490 e). 

Zu ludi Romani: Th. Mommsbn Rhein. Mus. 14^^ 79 ff. (Rom. ForschuDgen IT 42 ff.). 
Holzapfel Philol. 48®* 369 ff. (ursprüDglich nicht, aber bereits 536/218 im September 
gefeiert). 

33. Festort. 1. Das Verhältnis zwischen Spielort und Verehrungs- 
stätte des zu feiernden Gottes verdient eine eingehende Prüfung. Nach den 
bisher beachteten Zeugnissen kann es nicht zweifelhaft sein, dass anfänglich 
die Bühnenspiele in Rom vor sich gingen entweder wie in Athen in der 
Nähe eines Heiligtums der zu feiernden Gottheit oder, bei Leichenfeiern, 
auf dem Forum. 

2. Die Spielplätze aber wurden verlegt, wie es scheint, nachdem die 



3. Die staatL-gMellBchaftl. Grundlagen der römischen Bühnenspiele. (§ 33-34.) 215 

drei steinernen Theater von 699/55 bis 741 13 errichtet worden waren 
(§ 40). Ob diese Theater einzeln oder insgesamt bei den einzelnen Fest- 
spielen in Benutzung kamen, ist unbekannt. Neben den steinernen wurden 
aber alljährlich noch viele Theater aus Holz aufgeschlagen, und zwar in 
den verschiedensten Teilen der Stadt. 

Zu 1: WiLH. Hahn Scaenieae qtiaestiones Plautinae, Diss. Greifs w. 1867 S. 2 fF. 
(richtig, aber nicht erschöpfend). Vgl. Cic. de harusp. resp. 12 Nam quid ego de Ulis 
ludis loquar, qw>8 in Palati o nostri maiores ante templum in ipso Matris magnae 
compectu fieri celebrarique volueru9it. Dio C. 56, 46. Joseph. Ant. J. 19, 1, 13. Augustin 
de civ. dei 2, 26 u.a. — Zu 2: Vitruv 5, 5, 7 tnulta theatra quotannis Romae facta; an 
verschiedenen Orten nach Sueton Caes. 39; Aug. 43; Dio Cass. 61, 17. Mehr Friedl. 531 ^. 

84. Festordnong. 1. Zirkusspiele, d. h. Wettfahrten und Wettrennen 
dienten anfänglich zur Verherrlichung der römischen Feste; sie wurden 
beibehalten, solange das römische Reich bestand. Als die Biihnenspiele 
in Aufnahme kamen, wurden viele Feste zweiteilig gestaltet; den Schluss 
bildeten dann regelmässig die Zirkusspiele (Merkel Ovid. Fast. XLV). Zu- 
erst mit Zirkusspielen, später auch mit Bühnenspielen ausgestattet war das 
Römerfest und wahrscheinlich auch das plebejische. Umgekehrt scheint es 
bei den Festen des Apollo und der Göttermutter gewesen zu sein. Die 
erste Feier des Apollofestes dauerte nämlich nur einen Tag, an dem sceni- 
sches Spiel stettfand (Ritschl XXII f. 292), und Zirkusspiele an den Mega- 
lesien erwähnt Cicero wenigstens nicht (zu § 32*; doch vgl. CIL. I p. 391). 
Wie diese Jahresfeste werden auch die nur einmal staatlich veranstalteten 
und mit Bühnenspielen versehenen Feste zweiteilig gewesen sein. Nicht 
zugleich mit Zirkusspielen ausgestattet waren unseres Wissens nur die 
Saecularspiele, die kaiserlichen Privatspiele auf dem Palatin, überhaupt viel- 
leicht alle oder doch die meisten Privatspiele. 

2. Die Gesamtdauer fast aller Feste ist in den verschiedenen Zeiten 
verschieden gewesen: ursprünglich meist nur eintägig, stieg sie im Laufe 
der Zeit auf 8 bis 14 Tage und mehr und nahm in später Zeit zum Teil 
wieder ab. Wie die Gesamtdauer hat auch die Dauer des rein scenischen 
Teiles zu- und abgenommen, doch ist uns gerade hierüber am wenigsten 
überliefert. Das Römerfest dauerte 563 191 bis 583/171 im ganzen zehn 
Tage, vor Caesars Tode fünfzehn und gleich darauf sechzehn, aber im Jahr 
354 nur vier Tage. Mehr als eintägig waren die plebejischen Spiele schon 
547/207 (Liv. 28, 10), im Anfang der Kaiserzeit umfassten sie vierzehn, 
dagegen 354 nur fünf Tage. Das Apollofest, anfänglich nur eintägig, war 
bereite 564/190 mehrtägig (Juli 11—13: Liv. 37, 4), später achttägig. Ähn- 
lich mögen sich die Megalesien erweitert haben; sicher wissen wir nur aus 
den Kalendern der Kaiserzeit, dass sie vom 4. bis 10. April stettfanden. 
(Das Ceresfest dauerte acht Tage, das Florafest sechs, später vier.) Die 
ausserordentlichen mit Bühnenspielen gefeierten Steatefestlichkeiten werden 
wie im ganzen so in ihrer Dauer den ordentlichen ähnlich gewesen sein; 
doch haben die Säcularspiele immer nur drei Tage gedauert, von denen 
nur einer zu Theaterspielen benutzt wurde (Marquardt StV. III ^ 385 flf.). 
Die gleiche Zeit beanspruchten anfänglich die kaiserlichen Privntspiele im 
Palatium, später fünf Tage. 

3. Eine andere, dem Römertum ganz eigentümliche Vermehrung der 



216 B. Bas Bühnenwesen der Griechen und BOmer. 

Spieltage trat ein infolge vermeintlicher Religionsverletzung {violata religio: 
RiTSGHL 306 ff.)- Die kleinste Störung oder Unterbrechung konnte das Spiel 
ungültig machen. Um das Verfehlte auszugleichen, musste der betreffende 
Teil des Spieles, ein Tag gewöhnlich, von neuem gegeben werden (ein Tag: 
ludi semel, dfem unum instaurati; drei Tage: /. ter, per triduum {.). Es 
konnte aber auch vorkommen, dass das Gesamtspiel von der Priesterschaft 
für ungültig erklärt wurde; dann musste es ganz neu angefangen werden 
{ludi toti instaurati). Diese vollständige Wiederholung ist in einzelnen 
Fällen sogar mehrmals verlangt worden (Z. his, quinquies toti t.). Es scheinen 
solche Ungültigkeitserklärungen auch absichtlich herbeigeführt worden zu 
sein ; indessen doch wohl mehr beim Zirkusspiel als beim Bühnenspiel, denn 
Claudius, der beschränkende Bestimmungen erliess (Dio C. 60, 6), traf diese 
in Rücksicht auf die Zirkusspiele. 

4. Wettkämpfe fanden auch in Rom statt, aber was wir darüber er- 
fahren, ist ausserordentlich wenig (Ritschl 229 ff.). Schauspielerwettkämpfe 
werden zuerst in den erhaltenen Prologen der Dramen des Plautus erwähnt, 
die abgefasst wurden, als diese Dramen seit der Mitte des zweiten Jahr- 
hunderts zur Wiederaufführung gelangten. Vielleicht waren sie aber schon 
zu Plautus Lebzeiten eingerichtet. Wettkämpfe der Dichter können nur 
vermutet werden, denn die hierauf bezüglichen Angaben sind nicht unzwei- 
deutig; es steht also nichts im Wege sie ganz zu leugnen (Ribbeck 670). 
Über die Zahl und Reihenfolge der Wettkämpfe hören wir nichts. Im 
übrigen ist nur sicher, dass anfänglich immer nur neue Stücke gefordert 
wurden und dass in Ciceros Zeit (de nat. deor. 1 , 28) das Spiel in der Frühe 
begann, denn ob in der Zeit des Plautus täglich nur ein Stück gespielt 
wurde (Mommsen RÖ. I g. Ende, „PmJKcmwi*), bleibt fraglich. 

B. Persönliche Verhältnisse. 

35. Festleiter. 1. Bei den Privatspielen hatten die Leitung der 
Spiele die Veranstalter; Leiter der staatlich veranstalteten Spiele {curatores 
ludorum) waren immer Beamte. Diese aber waren nicht, wie die Archonten 
Athens, bloss Festleiter, sondern zugleich auch Festgeber, denn mit der 
vom Staat für das Fest bewilligten Summe reichten sie nicht aus. Die 
Leitung der ausserordentlichen Staatsfeste stand den Konsuln zu (Mommsen 
StR. II 22 129 ^ 910»; Res gest. Div. Aug.« 62 f.). Mit der Spielleitung an 
den scenischen Jahresfesten waren bis auf Augustus hauptsächlich die Ädilen 
betraut: die Curulädilen an dem Römeriest und den Megalesien, die Volksädilen 
dagegen am plebejischen Fest; nur für die Apollinarspiele war der Stadt- 
prätor zu sorgen verpflichtet. Im Jahre 732-22 jedoch übertrug Augustus 
die Leitung dieser Spiele den Prätoren (Mommsen StR. II 1 * 510 '). 

2. Dem Festleiter lag zunächst ob die Beschaffung der nötigen Dich- 
tung, die Anwerbung, Besoldung und Beaufsichtigung (§ 38) der Spieler, 
bis zur Erbauung der steinernen Theater und in gewissen Fällen auch 
später die Herrichtung und Ausstattung des Spielplatzes und in früherer 
Zeit wenigstens die Bereitstellung der erforderlichen Bühnenkleidung (Plaut. 
Pers. 159). Beim Feste selbst hatte er hauptsächlich für Ordnung während 
des Eintrittes der Zuschauer und wohl auch während der Darstellung zu 



8. Die staatL-gesellschaffcl. Grundlagen der römischen Bühnenepiele. (§ 35— 37.) 217 

sorgen und schliesslich die Preisverteilung vorzunehmen (Plaut. Poen. 37). 
Zu seiner Verfügung standen Gehilfen [dissignatores), welche von Lictoren 
begleitet das Einnehmen der Plätze durch die Zuschauer zu überwachen 
hatten. 

3. Es ist begreiflich, dass die Festgeber bei dem wachsenden Reich- 
tum und Luxus Mittel aufzuwenden hatten, die weit über den Staatszuschuss 
hinausgingen. Schulden, Erpressungen, wirtschaftlicher Ruin waren die 
Folgen davon schon im zweiten und mehr noch im ersten vorchristlichen 
Jahrhundert. Das Übel dauerte, wenn auch weniger heftig, in der Eaiser- 
zeit fort, in der allerdings die eigentlichen scenischen Spiele den andern, 
besonders den Fechterspielen gegenüber bedeutend an Ansehen verloren, 
also einen verhältnismässig geringeren Aufwand erforderten. Die Kaiser 
suchten wiederholt zu helfen durch einschränkende Bestimmungen und 
ausserordentliche Unterstützungen, doch ohne durchschlagenden Erfolg, wie 
es scheint (Mabquardt StV. II » 85 f. Friedl. ib. III « 488 f.). 

36. Spielontemehmer. 1. Die wichtigste Rolle im römischen Bühnen- 
wesen hatte ohne Zweifel der Spielunternehmer, der einigermassen dem 
Direktor eines Privattheaters unserer Zeit entspricht. Er stand an der 
Spitze einer Schauspielergesellschaft {grex, caterva : § 38), war ihr Direktor 
{dominus gregis), zu gleicher Zeit Hauptschauspieler {actor, acior primarum 
partium) und Regisseur. Bekannt sind uns als Aufführer plautischer und 
terenzischer Stücke T. Publilius Pellio (Studemünd Com. Momms. 800 f.) 
und Ambivius Turpio. 

2. Dem Spielgeber gegenüber verpflichtete sich der Unternehmer zur 
Aufführung eines (oder mehrerer) Stücke durch seine Truppe. Neuheit oder 
Überarbeitung des Stückes war anfanglich Bedingung; das Stück aus- 
zuwählen und anzukaufen war Sache des Unternehmers. Durch den An- 
kauf wurde wohl das volle Eigentumsrecht erworben (Ritschl 327 flf.), 
nicht bloss das Recht der ersten Aufführung (Dziatzko Rhein. Mus. 21 ^^ 
471 ff.). Die Auswahl stand auch dem Unternehmer zu, als nach dem 
Tode des Terenz die Aufführungen alter Stücke beliebt wurden (Cic. de 
off. 1, 31, 114). Wenn Sp. Maecius Tarpa in Ciceros Zeit (ad div. 7, 1, 1) 
als Begutachter von Dichtungen thätig war (cf. Com. Cruq. Hör. Sat. I 10, 
88), so ist zu schliessen, dass neue Dramen nicht mehr durch den Unter- 
nehmer, sondern durch den Spielgeber ausgewählt und bezahlt wurden. 

3. Den ausbedungenen Lohn, dessen Höhe unbekannt ist, erhielt der 
Unternehmer wahrscheinlich für sich und seine Gesellschaft zusammen; 
jedenfalls wurde seine Thätigkeit als Unternehmer nicht gesondert von der 
als Hauptspieler honoriert (zu § 38^). Dass aber die erstere in Ansatz 
gebracht wurde, ist an sich wahrscheinlich und geht auch hervor aus der 
nicht recht klaren Verpflichtung zur Entrichtung einer Strafsumme bei 
Missfallen des aufgeführten Stückes (vgl. Ritschl 328 f.) 

37. Dichter. 1. In Rom hatte der Dichter nicht entfernt die Be- 
deutung wie in Athen. Ganz zu geschweigen der Abhängigkeit von den 
griechischen Vorlagen, war er nur Textschreiber {scriba), nicht zu gleicher 
Zeit Tondichter und orchestischer Komponist, ein Verhältnis, das aller- 



218 B* ^&s Bühnenwesen der Griechen und Römer. 

dings schon in Athen eingetreten war (§ 22). Er war aber ferner, was 
bezeichnend ist, auch nicht Regisseur, wie immer in Athen; er hatte nur, 
wie es scheint (Terenz Haut. proL), bei der Rollenverteilung zu sorgen. 
Auch Livius Andronicus machte von dieser Regel wohl keine Ausnahme 
(Leo Hermes 24»» 77). 

2. Was man von einem Dichter verlangte, war also nicht viel mehr 
als die Lieferung eines neuen oder überarbeiteten Textes, zu dem er von 
einem Komponisten die Musik hatte setzen lassen {nwdos facere, auch 
modulari). Nach den Didaskalieen war des Oppius Sklave Marcipor für 
Plautus und des Claudius Sklave Flaccus für Terenz als Komponist thätig. 
Die Höhe der Kaufsumme, gegen welche der Dichter sein Eigentumsrecht 
abtrat (§ 36), wird nirgends angegeben; denn die 8000 Sesterzen, die 
Terenz für zwei Aufführungen des Eunuchen erhielt, waren sicherlich nicht 
die Kaufsumme (Ritschl 332**). 

3. Es war hauptsächlich die Annahme eines Lohnes, welche das An- 
sehen der Dichter schädigte, denn der gewerbsmässige Geldgewinn galt in 
Rom als unehrenhaft. Das Korporationsrecht, welches den Dichtern mit 
den Schauspielern zusammen bald eingeräumt wurde, änderte hierin nichts. 
So kam es, dass während der Blütezeit der römischen Bühne meist Nicht- 
römer von niederem Stande, geborene Sklaven, Taglöhner, Schullehrer, 
als Bühnendichter thätig waren: Livius Andronicus, Ennius, Plautus, 
Terenz u. a. 

38. Darsteller. 1. Die zu einer Truppe vereinigten Darsteller bil- 
deten keine Genossenschaft nach Art der dionysischen Künstlervereine, die 
aus Griechenland, den hellenisierten Ländern und aus Rom bekannt sind 
(§ 25). Die römischen Schauspielervereine unterschieden sich von jenen 
besonders dadurch, dass sie nicht zugleich religiöse Zwecke verfolgten 
(Friedl. 538^). Die Zahl der Mitglieder und die Aufgabe der einzelnen 
sind nicht genauer bekannt; doch dürfen wir voraussetzen, dass jede 
Truppe wenigstens so viel ordentliche Schauspieler in sich schloss, als zur 
Aufführung eines Dramas gehörten. Dazu brauchte man aber mehr als 
drei, wie Diomedes (491, 2K) ausdrücklich angibt und aus den Dramen zu 
schliessen ist. Diese Schauspieler hatten alle ordentlichen Rollen zu spielen, 
mit Ausnahme des Mimus (§ 31) auch die Frauenrollen, denn Schauspie- 
lerinnen, und zwar komische, werden erst in ganz später Zeit erwähnt 
(Donat Ter. And. 4, 3). Daneben bedurfte die Gesellschaft eines Sängers 
(Liv. 7, 2), eines Flötenbläsers, mehrerer Statisten und Maschinisten; die 
letzteren könnten allerdings auch vom Spielgeber gesondert gemietet worden 
sein. Für den Fall, dass die Gesellschaft, bzw. ihr Vorsteher eine Tra- 
gödienaufFührung nach griechischer Art übernahm, bedurfte sie ausserdem 
eines vermutlich nicht starken Chores. 

2. Die Besoldung der Darsteller ist ungenügend bekannt, denn was 
wir erfahren, bezieht sich fast nur auf einen 'der beiden grössten Schau- 
spieler der Römer, Roscius, gibt also keinen Massstab für die Besoldung 
im allgemeinen (vgl. Ribbeck 658). Es waren bedeutende Summen, die 
man ihm zu zahlen bereit war: Sechs Millionen Sesterzen, sagt Cicero 
(p. Roscio 8), hätte er in zehn Jahren verdienen können, wenn er nicht 



8. Die 8taatl.-g6aell8chaftl. Gmndlagen der römischen Bühnenspiele. (§ 38—39.) 2 1 9 

vorgezogen hätte gar nichts mehr zu nehmen. Hierbei war aber der Unter- 
nehmergewinn mit eingeschlossen (zu 2). Die Preise, welche die Sieger 
im Schauspielei wettkam pf erhielten, scheinen anfänglich Palmen gewesen 
zu sein; später waren es Kränze {coroUae) aus Silber- oder Goldblech 
(Varro LL. 5, 178; danach Plin. N. H. 21, 5), in der Kaiserzeit wohl ge- 
wöhnlich Bargeld (Ribbeck 658. Friedl. 541 f.). Wie für ausgezeichnete 
Leistungen besondere Belohnungen, so traten Strafen, und zwar Schläge, 
für Vergehen ein {qui deliquit, vapulahit: Plaut. Cist. Schluss). Die Straf- 
gewalt der Beamten erstreckte sich auch auf die Zeit, wo nicht gespielt 
wurde; doch beschränkte sie Augustus auf die Spielzeit (Suet. Aug. 45) 
oder hob sie ganz auf (Tac. An. 1, 77). 

3. Der Beruf der eigentlichen Schauspieler, nicht die Thätigkeit der 
Dilettantenspieler, galt wie jener der Dichter wegen des Gelderwerbes im 
allgemeinen als unehrenhaft. Freigelassene oder Sklaven waren daher 
hauptsächlich als Schauspieler tbätig. Die letzteren erhielten ihre beruf- 
liche Ausbildung auf Veranlassung ihrer Herren, welche aus der Vermie- 
tung der ausgebildeten Sklaven ein Geschäft machten (Gic. p. Rose. 10 f.). 
Rechtlich blieb ihre Stellmig jederzeit herabgedrückt; doch hat sie sich in 
gesellschaftlicher Beziehung im Laufe der Zeit gebessert, ohne Zweifel 
wesentlich infolge der Verbreitung griechischer Denkungsweise. Folge 
griechischer Anschauung und Vorbild zur Nachahmung war Sullas intimer 
Verkehr mit Schauspielern (Plut. Sulla 36). Ruhm und Reichtum, die 
Roscius und Aesopus erwarben, verschafften auch der Kunst und den Ge- 
nossen Ansehen. Das von Caesar und den späteren Machthabern veran- 
lasste Auftreten vornehmer Römer auf der Bühne (Suet. Caes. 39. Friedl. 
540'), Augusts gemilderte Strafbestimmungen trugen weiter dazu bei, den 
Stand gesellschaftlich zu heben ; doch haben die Schauspieler im allgemeinen 
nicht die gleiche Teilnahme gefunden wie Wagenlenker und Fechter. 

Zu 2: Macrobius 3, 14, 13 tanta autem fuit gratia et gloria (Roscius), ut mercedem 
diumam de püblico müle denarios sine gregalibiis solus acceperit. Hier ist m. E. nicht 
der usus der Auszahlung hervorgehoben, sondern nur zur leichteren Veranschaulichung das 
Einkonunen pro Tag berechnet. Anders Ribbeck 658. 

39. Zuschauer. Ihrem Wesen entsprechend war der Besuch der 
römischen Bühnenspiele mit Ausnahme wohl bloss der kaiserlichen Privat- 
spiele (§ 32) jederzeit unentgeldlich allen Gemeindemitgliedern, Männern 
wie Frauen, gestattet. Keine Berechtigung dagegen zum Besuch hatten die 
Sklaven (Cic. de har. resp. 12, 26. Ritschl 223. XIX f. MoMMSENStR. V 350«). 
Wenn sie dennoch in der Kaiserzeit das Theater besuchten (Friedl. 491^), 
so dürfen wir dies auffassen als einen Widerspruch zwischen Sitte und 
Recht. Das gleiche scheint zu gelten von den in Rom sich aufhaltenden 
Fremden, natürlich mit Ausnahme der vom Staat zum Spiel geladenen Ge- 
sandten und anderer Gäste. 

2. Solange es einen Zuschauerraum aus Holz oder Stein noch nicht 
gab (§ 40), standen die Zuschauer ungesondert. Erst 560/194 wurde für 
die Senatsmitglieder zur grossen Unzufriedenheit der Nichtbegünstigten der 
vordere Teil des Zuschauerplatzes, wahrscheinlich durch einen Verschlag, 
abgesperrt (Ritschl 215 f. Friedl. 530 «. Ribbeck 648). Derselbe Platz, 



220 ^* ^^^ Bühnenwesen der Ghriechen nnd Römer. 

d. i. die sogenannte Orchestra wurde ihnen vorbehalten in den später er- 
richteten Theatern, auf den auch die Gäste des Staats geführt wurden 
(zu 2). Nach dem Senat wurden auch dem Ritterstande gesonderte Plätze 
zugewiesen, und zwar die ersten vierzehn Sitzreihen nach den Senatoren- 
plätzen. Dies geschah vielleicht schon bei Mummius Triumph über Griechen- 
land 609/145 (RiTSCHL 227. Ribbeck 650), sicher vor dem Theatergesetz 
des Roscius {lex R, theatrdlis) vom Jahre 687/67, nach welchem sie den 
Rittern zurückgegeben wurden. Unter Augustus trat eine einschneidende 
Neuordnung ein {lex Julia theatralis), die wahrscheinlich im ganzen dauernd 
blieb. Danach wurden die Stände weiter geschieden: Die untersten Klassen 
erhielten die am weitesten von der Bühne entfernten obersten Sitzreihen 
zugewiesen; die Frauen durften nicht mehr gemischt mit den Männern 
sitzen, sondern mussten gesonderte Plätze ebenfalls auf dem obersten Teil 
des Zuschauerraumes {summa caveä) einnehmen. Auch Ehrenplätze für 
Priesterschaften und Beamte werden erwähnt (Arnob. 4, 55); ob sie ihnen 
aber von Augustus bestimmt worden sind, ist nicht zu entscheiden. Die 
Plätze über den beiden Eingängen zur Orchestra (§ 49), entsprechend un- 
gefähr unseren Prosceniumslogen, galten offenbar als die vornehmsten, denn 
auf dem einen Tribunal nahm neben dem Spielleiter der Kaiser, auf dem 
anderen unter den Vestalinnen die Kaiserin Platz (Friedl. 536, besonders 
Anm. 2). 

3. Ursprünglich herrschte gewiss volle Freiheit beim Einnehmen der 
Plätze; später hatten sich die Eintretenden den Anordnungen der Platz- 
anweiser (§ 35) zu fügen. In der Kaiserzeit kam der Gebrauch der Theater- 
marken auf. Ob sie zur leichteren Auffindung der Plätze oder zur Legi- 
timation oder zu beiden Zwecken dienten, ist nicht zu entscheiden (§ 12. 
27). Engherzige Verhaltungsvorschriften scheint es nicht gegeben zu haben; 
in der Kaiserzeit herrschte sogar grosse Freiheit, und die Theaterpolizei 
griff wohl nur dann ein, wenn die Äusserungen des Beifalls oder Missfalls 
eine Spielunterbrechung verursachten. 

4. Die von Griechenland herübergenommenen Bühnenspiele fanden in 
der römischen Gesellschaft nicht den Boden, auf dem sie sich zur vollen 
Blüte hätten entwickeln können. Anfangs fehlte es zwar nicht an voller 
Teilnahme, wohl aber an genügender Vorbildung; aber als diese dann ein- 
trat, hatte die Teilnahme in einer wesentlichen Hinsicht nachgelassen, denn 
der von Anfang an etwas einseitige Geschmack der Italiker für das, was 
Auge und Ohr erfreut, war in Rom in dieser Einseitigkeit schon ziemlich 
fortgeschritten. Nicht Dichtung und Darstellung verbunden war es, was 
fortfuhr die Römer anzuziehen, vielmehr die letztere fast allein, nicht die 
Schönheit der in Worte gekleideten Gedanken, sondern die Schönheit des 
mimisch-musikalen Elementes und die Pracht der Ausstattung. Die in 
dieser Art beschränkte und immer beschränkter werdende Teilnahme war 
allerdings ausserordentlich rege. Schon bald nachdem der Wettkampf der 
Schauspieler eingerichtet war, entstanden Parteien, deren Mitglieder zum 
Teil lebhaft agitierten (Plaut. Amph. Prol. 64 ff.). Aber es war nur ein 
natürliches Fortschreiten des angedeuteten Geschmackes, dass mit der Zeit 
diejenigen Gattungen der Bühnenspiele bevorzugt wurden, welche wir nicht 



8. Die staatL-geBellBohaftl. Gmndlagen der römischen Bflhnenspiele. (§40.) 221 

mehr zu den eigentlichen rechnen, Mimus, Pantomimus, orchestische Dar- 
stellungen. Vorzüglich auf diese haben wir die ungemeine Teilnahme der 
Römer zu beziehen, die sich durch ein gewerbsmässiges Claquewesen und 
durch arge Tumulte in der Kaiserzeit äusserte (Tac. An. 1, 77. Friedl. 542). 

Zu 2: Über lex Julia th. Hübnek Annali 28^^ 60 ff. Säet. Aug. 44 Romas legatos 
liberarum sociarumque gentium voluit in orchestra consistere. Also war es vorher anders. 
Auch spftter Gesandte in der Orchestra: Tac. An. 13, 54. Suet. Claud. 25. Die C. 68, 15. 
Fribdl. 535. Ehrenplfttze fOr Beamte, Priester: Mommsen StR. V 390 ff. 322 ^ Fhiedl. 
535. 471. 

C. Sonstiges. 

40. Besorgung der Mittel. 1. Der Tbeaterbau war im wesentlichen 
Sache der spielleitenden Beamten und der privaten Spielgeber; aber der 
Staat legte ihnen lange Zeit ganz eigentümliche Beschränkungen auf. Er 
stand dem sich entwickelnden Bühnen wesen nicht gerade freundlich gegen- 
über und zeigte diese Gesinnung insbesondere bei Herstellung der Schau- 
gerüste. Nur das für die Darstellung Notdürftigste wurde anfänglich auf- 
gerichtet, eigentlich nur eine Bühne von Holz, die wie das spätere Holz- 
theater nach jeder Auflführung wieder abgebrochen wurde. Der Zuschauer- 
raum war wahrscheinlich nur durch hölzerne Schranken eingefasst und 
hatte keine Sitze, höchstens nur einen erhöhten Platz für den Spielleiter 
in der Nähe der Bühne (Ribbeck 76). So blieb es die ganze Zeit des 
Plautus; die einzige Änderung, welche 560/194 eintrat, war die Absperrung 
der Senatorenplätze (§ 39). Ein Theater nach griechischer Art {theatruvi 
et proscaenium) wurde 575/179 am Apollotempel errichtet, doch bald wieder 
abgebrochen. Erst 580174 erhob man sich zu einem dauernden Steinbau 
der Bühne, der von Staats wegen durch die Censoren besorgt wurde (Liv. 
41, 27, 5). Dies war zwar für die betreffenden amtlichen Festgeber eine 
nicht unwesentliche Erleichterung, da sie nunmehr nur noch die nötigen 
Holzschranken aufzuschlagen hatten; für die Zuschauer aber blieb alles 
beim alten: sie mussten nach wie vor stehen. Um dem Missstand abzu- 
helfen versuchte man, wie es scheint (Tertull. de sp. 10), wiederholt, sicher 
599/155 ein dem griechischen ähnliches festes Theater zu bauen. Aber der 
Senat schritt ein, aus Furcht vor Verweichlichung der römischen Jugend 
oder um besonders die Frauen vom Besuch des Theaters abzuschrecken 
(Ribbeck 650): das Theater musste wieder abgebrochen werden, und den 
Zuschauern wurde das üblich gewordene Mitnehmen von Sesseln verboten. 
Doch hatte diese Strenge nicht Bestand; denn wahrscheinlich schon seit 
Mummius Besiegung Griechenlands, seit 609/145, wurde jedesmal ein voll- 
ständiges Theater aus Holz aufgeschlagen, aber nach der Aufführung wieder 
abgebrochen. Dieses verschwenderische, nur durch des Senats Anschauungen 
veranlasste Verfahren blieb fast ein Jahrhundert herrschend, bis durch 
Pompeju§ 699/55 das erste steinerne Theater erstand, dessen zerstörte Bühne 
Augustus wieder herstellen liess. Es fasste nach der Notitia (Handb. III 
911) 17,580 Sitzplätze, nach Plinius (NH. 36, 115) sogar 40,000. Zwei 
ebensolche wurden noch vor Christus im Jahre 13 fertiggestellt: das eine 
mit 11,510 Sitzen durchBalbus, das andere, noch in Resten erhaltene, mit 
20,500 Sitzen durch Augustus (Marcellus). Doch kam der Gebrauch von 



222 ^* ^&8 Bühnen wesen der kriechen nnd Römer. 

Holztheatern nicht ab: aus der Kaiserzeit wenigstens liegen hierfür Zeug- 
nisse vor (s. zu § 33). 

2. Über die Beschaifung der übrigen Mittel erfahren wir nur, dass 
in republikanischer Zeit die Spielgeber die Bühnentracht {omamenta) von 
Lieferanten (charagi) mieten konnten (Plaut. Pers. 159; vgl. Trin. 858) und 
dass es in der Kaiserzeit ein eigenes Gebäude {summum choragium) für die 
Darstellungsmittel gab, welches eine besondere Verwaltung hatte. 

Zu 1: aber die Theater aus Stein vgl. 0. Richter im Handb. III 862. 865. — Zu 2: 
über das summum choragium 0. Hibschfbld Untersuchungen auf dem Gebiet der röm. 
Verwaltungsgeschichte, Berl. 1875, S. 182 flF. 

41. Kosten. Für die ordentlichen Feste wie wohl auch für die 
ausserordentlichen warf der Staat eine bestimmte Summe aus. Dieses 
Spielgeld (lucar) wurde den betreffenden Beamten ausgezahlt aus der Staats- 
kasse {aerarium: Mommsen StR. II P 59*). Nur über die zur Auszahlung 
gekommenen Summen, nicht über die von den Beamten und Privaten auf- 
gebrachten Gelder liegen einige Nachrichten vor. Leider geben sie bloss 
die Oesamthöhe des ausgegebenen Spielgeldes an; doch belehren sie uns 
wenigstens über das Wachsen der staatlichen Beiträge überhaupt und somit 
wohl auch der für das eigentliche Bühnenspiel im besonderen. Das Spiel- 
geld für die Römerspiele betrug bis zu den punischen Kriegen 200,000 As. 
Für ein Votivspiel {ludi magni) im Jahre 537/217 wurden 333,333 V» Sesterzen 
bestimmt (Liv. 22, 10, 7). Seitdem wird die für das Römerfest ausgesetzte 
Summe gleichviel betragen haben (Friedl. 488^). Sehr gering war die 
542/212 für die Apollinarspiele verwendete Summe: 12,000 As. Nachdem 
im Laufe der Zeit die Geldanweisungen erhöht worden waren, betrug im 
Jahre 51 n. Chr. das Spielgeld für das Römerfest 760,000 Sesterzen, für das 
plebejische 600,000 und für das Apollofest 380,000. Da Augustus im Jahre 
737/17 den betreffenden Beamten erlaubte das Dreifache des staatlich Be- 
willigten aus eigenen Mitteln zu verwenden, so wird als Gesamtaufwand 
in diesem Jahre wohl nicht weniger als das Vierfache der oben genannten 
Summen anzunehmen sein. Vgl. Marqüardt StV. IP 85 ff. Friedl. ib. III* 
487 f. 

4. Die äusseren Mittel der Darstellung. 

A. Theatergrebäude. 

42. Begriff. 1. Die musischen Schauhäuser der Griechen und Römer 
oder Theater in weiterem Sinne zerfielen in eigentliche Theater und Odeien. 
Die eigentlichen Theater waren für eine sehr grosse Zuschauermenge be- 
rechnet und infolge dessen grosse und unbedeckte Anlagen, die in erster 
Linie zur Aufführung von Dramen dienten, daneben aber auch zur Auf- 
führung anderer musischer Kompositionen. Ihre sonstige Benutzung zu 
Volksversammlungen, Gauklerspielen, in römischer Zeit zu Fechterspielen, 
Tierhetzen u. dgl. ändert den Begriff nicht und geht uns hier nichts an. 
Die Ansicht, dass eigentliche Theater in später Zeit auch bedeckt gewesen 
seien (u. a. Wieseler Enc. 163), ist an sich nicht unglaublich, lässt sich 
aber nicht bestimmt erweisen. 



4. Die änsseren Mittel der Darstellnng. (§41-42.) 223 

2. Die Odeien waren verhältnismässig kleinere bedeckte Räume, be- 
stimmt für Rezitationen und nichtchorische Aufführungen. Ihrer Gestalt 
nach waren sie den Theatern, immer im engeren Sinne, ähnlich. Eine 
besondere Gattung anzusetzen für Gebäude in voller Kreisform scheint ihrer 
Bedeutung nicht zu entsprechen. Wir können nämlich, abgesehen von einem 
neugefundenen, aber noch nicht bekannt gemachten Rundbau, nur zwei mit 
einiger Sicherheit als solche annehmen, und beide sind vereinzelte Versuche. 
Das erste ist die Skias in Sparta, erbaut um 600 vom älteren Theodoros 
von Samos. Sie ist, soweit wir zu erkennen vermögen, ohne Einfluss auf 
die Folgezeit geblieben, entweder weil ihre Gestalt, wenn auch für die 
Baugeschichte bedeutungsvoll, doch für die Akustik nicht günstig war oder 
weil das von Perikles erbaute Odeion, das als das schönste der Welt be- 
zeichnet wird (C. MüLLEB FHG. II 254), für alle übrigen mustergültig wurde. 
Ein zweiter, vielleicht letzter Versuch wurde erst spät unter Hadrian in 
Rom gemacht (zu 2). 

3. Die Lehre vom Theaterbau als ein Abschnitt der Bühnenkunde 
ist bestimmt zu unterscheiden von der entsprechenden kunstgeschichtlichen 
Lehre, was bis jetzt nicht geschehen ist. Diese hat es vorzugsweise zu 
thun mit der Idee des Schönen, wie sie sich im Theaterbau geäussert hat, 
und mit den Mitteln, durch welche sie zur Anschauung gebracht worden 
ist, während sie die Frage nach dem Zweckdienlichen geringere Aufmerk- 
samkeit schenkt. Umgekehrt hat die bühnenkundliche Theaterbaulehre es 
wesentlich nur zu thun mit der Frage nach dem Nützlichen, ganz ent- 
sprechend der Stellung, die das Theater als Mittel zum Zweck im Bühnen- 
wesen einnimmt. Demgemäss ist es unsere Aufgabe nicht das Künstlerische 
und Technische der Theatergebäude zu prüfen ; wir haben vielmehr unsern 
Blick zu richten auf das Ganze und seine Teile in ihrer Bestimmung als 
Mittel dramatischer Aufführungen. Da die Odeien nicht eigentlich sceni- 
schen Zwecken dienten, hätten wir sie von unserer Betrachtung ganz aus- 
zuschliessen; indessen verdienen sie, wenigstens die erhaltenen aus jüngerer 
Zeit stammenden Reste Berücksichtigung als monumentale Quellen wegen 
ihrer theaterähnlichen Gestalt. 

WiBSELEB Enc. 159 ff. (Theater, Odeion), 202 ff. (Teile des Theaters); dazu A. Müller 
Philol. 35^« 191 ff. 303 ff.; Bühn. § 7. — Zu 1: Theater heisst im allgemeinen der Ort, wo 
geschaut wird, Schauplatz (Schauen im prägnanten Sinn wie ^ena^ai), dann in immer 
engerer Bedeutung Schauplatz für gymnische und musische Agone, für musische (musikale 
und scenische), für scenische. Letztere Bedeutung schon bei Thukydides 8, 93. Theater 
bedeutet femer sehr oft Zuschauer, z. B. bei Herodot G, 21 und Aristophanes. Für Zu- 
schauerraum ist das Wort wohl erst in römischer Zeit gebraucht worden ^ ganz bestritten 
von Wieseleb Enc. IGO^; einiges richtig dagegen A. Müller Philol. 35'* 292; Bühn. 48 f.). 
Endlich soll es vorgekommen sein für Schauspiel; doch ist es in dieser Bedeutung bei 
ScbrifUtellem nicht nachzuweisen (Müller Bühn. 40). Schwerlich steht es für den Ort, 
wo gespielt wird: Bühne. — Zu 2: toSetov, &iaxQoy, &. vntoQotfioy theatrum tectum, ^ea- 
TQoiidig oidftoy. - Skias in Sparta: oixog axQoyyvXog Et. M. p. 717 axing. — Trajans 
Odeion: ^itirgoy fiiya xvxXotfQsg Tiayra^oi^ey Paus. 5, 12, 4. Dio C. 69, 4. — Perikles 
Odeion: Schol. Dem 24, 37. Phot. Suid. üidetoy 'JStjyr^aiy äancQ ^iargoy, ö ninoifjxey, 
uis (paai, n. und fast ebenso Bekker An. I 317. Plut. Perikles 13 eixoya xai fjiifitjfjLa Ttjg 
ßaaiX£(og axriyrjg, dgl. Paus. 1, 20, 3. Schol. Arist. Wesp. 1109 xonog ^euTQOBidtjg. Letz- 
teres ist nicht zu verbinden mit Hesych. wdtToy ' xonog, iv ^ nQiy xo diaxQoy xaxaaxcva- 
c&fjyai ol (Htiffiodoi x(u ol xi&agtitdol ^ytüyi^oyxo: vgl. Wachsmuth Stadt Athen 503*. 277 (553 
nur Versehen). Das perikleische Odeion war also theaterf5rmi^, nicht rund. Die Ver- 
gleicbung des 0. mit dem Helm des P. bei Plutarch (Witz des Kratinos) passt auf beides, 



224 ^* I^&s fiülmenwesen der Örieohen und fiömer. 

ist also nicht entscheidend. Die Theater form hat dieses 0. doch selbstverständlich vom 
dionysischen Theater in Athen, denn im sechsten Jahrhundert war das 0. höchst wahrschein- 
lich ein blosser Platz (ronos bei Hesych oben: vgl. z. B. Schol. Arist FrO. 131). Hienach 
hat das Odeion seinen Ursprung im griechischen Theater. Dies ist kurz angedeutet in m. 
Griech. Theaterbau 112 ff. 

43. Teile, Arten. 1. Nach dem Zweck hatte das alte Theater wie 
jedes Schauhaus zwei Teile: einen für die Darsteller und einen für die 
Zuschauer. Nach der Gestalt dagegen gab es drei Teile : einen von innen 
nach aussen aufsteigenden Raum, den aufsteigenden Zuschauerraum oder den 
Zuschauerring, einen vor der RingöfiFnung liegenden länglich viereckigen 
Bau, das aus einem Yorderraum und einem Hinterraum bestehende Bühnen- 
gebäude^ und einen von beiden eingeschlossenen ebenen Teil, den Or- 
chestraraum. 

2. Nach dem Verhältnis der Grösse, in dem diese Teile zu einander 
standen, zerfielen die Theater in eine griechische und eine römische Axt, und 
je nach der Gestalt des Bühnenvorderraumes die griechische Art wieder 
in eine ältere und eine jüngere Unterart. Römisch nennen wir die eine 
Art, nicht etwa weil sie ihre Eigentümlichkeiten erst bei den Römern ge- 
funden hat, sondern weil sie in Italien und den übrigen von römischer 
Kultur beeinflussten Ländern zur ausschliesslichen Geltung gelangt ist. Im 
griechischen Theater hatte der aufsteigende Zuschauerraum die Gestalt 
eines über den Halbkreis hinausgehenden Ringes und war vom Bühnen- 
gebäude durch offene Eingänge zum Orchestraraum getrennt. Das ältere und 
das jüngere griechische Theater imterschieden sich von einander nur dadurch, 
dass in jenem den Bühnenvorderraum eine Bühne mit Rampen oder Treppen 
zur Seite füllte, während ihn das jüngere griechische Theater ganz als 
Bühne verwertete. Das römische Theater hatte als aufsteigenden Zuschauer- 
raum einen fast niemals über den Halbkreis hinausgehenden und immer 
parallel zur Bühne abgeschnittenen Ring, eine weniger hohe und meist 
breitere (längere) Bühne als das jüngere griechische Theater, der zur Seite 
zuweilen Nebenräume oder Flügel angebracht waren, und war schliesslich 
durch Überdeckung der Orchestraeingänge zu einem einheitlichen Bau ge- 
staltet. 

3. Begründet war diese Gestaltung und Umgestaltung der Theater 
in erster Linie durch das dramatische Spiel und die Veränderungen, die 
es durchmachte, in zweiter Linie durch die Bedürfnisse der Zuschauer. 
Die ungemein grosse Zuschauermenge, für welche die Festspiele veran- 
staltet wurden, drängte von selbst auf eine konzentrische Anlage der Zu- 
schauersitze und auf eine möglichst grosse Annäherung des Darsteller- 
raumes an die Mitte des Zuschauerraumes. Im griechischen wie im römischen 
Theater ist diesem Bedürfnis Rechnung getragen worden; der Unterschied, 
den ihre Gestalt aufweist, ging hervor aus den Erfordernissen des drama- 
tischen Spieles. 

4. Seitdem es ein griechisches Drama gab, seitdem Thespis den ersten 
Schauspieler erfunden hatte, brauchte man zwei gesonderte Plätze zur 
Aufführung desselben, einen ebenen, zum Tanzen geeigneten Raum, Or- 
chestra, für den Chor, dessen Aktion einen wesentlichen Bestandteil des 
griechischen Dramas ausmachte, und einen erhöhten Platz, der durch eine 



4. Die äusseren Mittel der Darstellnng. (§ 43.) 225 

Wand in einen vorderen und einen hinteren Teil geschieden war, für den 
Schauspieler. Erhöht musste der Platz sein, damit der Schauspieler, nicht 
verdeckt durch die Ghoreuten, allen sichtbar seine von Anfang an wich- 
tige und immer wichtiger werdende Thätigkeit entfalten konnte, und eine 
Wand nebst Hinterraum durfte nicht fehlen, wenn der Schauspieler zur 
Durchführung mehrerer Rollen seine Tracht wechseln musste. Beides er- 
scheint uns naturgemäss und selbstverständlich, trotzdem wird es bestritten. 
Hiemit war der Grund zum späteren Bühnengebäude gelegt, denn es war 
der Anfang einer Bühne und eines Bühnenhinterhauses gegeben. Wie sich 
aber die Entwicklung vollzog, wann zuerst eine Thür in der Wand war, 
wann der Hinterraum bedeckt wurde, wann zuerst und wann später eine 
Verbreiterung und Erhöhung des Bühnenraumes eintrat u. dgl., das sind 
Fragen, zu deren Beantwortung uns die Mittel fehlen und wahrscheinlich 
immer fehlen werden. Wir haben uns zu halten an den ältesten bekannten 
Darstellerraum im Theater zu Epidauros, dessen Verhältnisse als regel- 
mässige gelten dürfen (Theaterbau 164 flf.) und in Oropos in der]]* Haupt- 
sache wiederkehren. Die Bühne war dort ein länglich viereckiger Bau von 
3Vsm Höhe, etwa 3 m Tiefe und 24 m Breite, auf den von rechts und links je 
eine Rampe führte. Davor lag ein ebener Raum in genau derselben Breite, 
aber grösserer Tiefe, und in dessen Mitte ein kreisrunder Platz mit einem Durch- 
messer von rund 20 m (§ 49). Breite und Tiefe der Bühne war ohne jeden 
Zweifel durch das dramatische Spiel allein bedingt, desgleichen wohl auch 
die Höhe. Anders bei der Grösse des Orchestraraumes. Die Gleichheit seiner 
Breite und jener der Bühne war natürlich und vielleicht für das Spiel nötig; 
aber sie war auch erforderlich für die Zuschauer, denn eine geringere Breite 
hätte für einen gewissen Teil der Zuschauer den Überblick über die Bühne 
unmöglich gemacht. Über den Grund der grösseren Tiefe des Orchestra- 
raumes lässt sich nichts Bestimmtes sagen: entweder war sie in gewissen 
Fällen für den dramatischen Chor nötig, oder sie war bedingt durch einen 
Nebenzweck. Im letzteren Fall ist man geneigt an kyklische Aufführungen 
zu denken. Dieser tiefe Orchestraraum nun war die Ursache, dass im grie- 
chischen Theater das Bühnengebäude vom Mittelpunkt des aufsteigenden 
Zuschauerraumes ziemlich fern blieb und dass der Ring des Zuschauerraumes 
über einen Halbkreis hinausging. 

5. Für die in der Folgezeit eintretende Erweiterung des Bühnenvorder- 
raumes und für den Wegfall der Treppen liegt der Grund auf der Hand: 
es sollte das unbequeme Treppensteigen der Schauspieler vermieden werden. 
Diese Erweiterung der Bühne hatte aber keine Folge für die Gestaltung des 
Orchestraraumes und des Zuschauerringes, offenbar doch wohl weil die jetzige 
Bühnenmitte immer als eigentlicher Spielplatz genügte und eine Verbreiterung 
des Orchestraraumes aus Rücksicht für die Zuschauer nicht nötig war. 

6. Die Umgestaltung des griechischen zum römischen Theater war 
hauptsächlich aus der Veränderung der Bühnenspiele hervorgegangen. Der 
Chor, der wohl schon im vierten Jahrhundert viel von seiner früheren Be- 
deutung eingebüsst hatte, war mit der Zeit ganz bedeutungslos geworden 
und verschwand beinahe aus dem römischen Drama. Es lag also nahe oder 
vielmehr es erforderte das Gefühl, dass die wenigen nur noch zum Gesang 

Handbuch der klaae. Altertumswiseenschaft. V. 3. Abtlg. 15 



226 ^* ^^ Bühnen wdsdn der Chriechen und Römer. 

bestimmten Choreuten, auf die der Chor beschränkt war, nicht in dem für 
ihre Zahl und Thätigkeit jetzt unverhältnismässig grossen Orcbestraraum, 
sondern dort aufgestellt wurden, wo die übrigen Darsteller ihren Platz 
hatten. Dies ist vermutlich schon in Griechenland, sicher in Rom geschehen. 
Die Annäherung des Bühnengebäudes an den Mittelpunkt des Zuschauer- 
ringes, der zur Bühne parallele Abschluss des letzteren und die Verkleine- 
rung des Orchestraraumes nach der Tiefe waren die einfache Folge. Die 
Breite des Orchestraraumes blieb aber aus demselben Grunde wie im jüngeren 
griechischen Theater ungeändert. Die wegen Fortfall des Choreinzuges jetzt 
geringere Breite der Orchestraeingänge und die parallelen Mauern, durch 
welche sie hindurchführten, legte eine völlige Verbindung beider Teile des 
Theaters nahe, eine künstlerische Abrundung der gesamten Anlage, wie sie 
ähnlich schon im Odeion vorhanden war, das dem römischen Theater über- 
haupt als Vorbild gedient zu haben scheint. 

44. Qrundinass, Orundfigur. 1. In Vitruvs Konstruktion des römi- 
schen Theaters spielt der Durchmesser desjenigen Kreises eine grosse Rolle, 
durch den der Orchestraraum mitbegrenzt wird. Vorzugsweise die Bühne 
wird durch ihn bestimmt. Nach Vitruvs Grundriss des römischen Theaters 
beträgt der Abstand der Bühnenhinterwand vom Kreismittelpunkte Vi Durch- 
messer, und dies ist zugleich die Tiefe der Bühne, während für ihre Breite 
(Länge) zwei Durchmesser angegeben werden. Ferner sind die Verhältnisse 
der architektonischen Teile (Säulenstuhl, Säule, Architrav) für jedes der 
drei Stockwerke, in welche Vitruv die Bühnenhinterwand gliedert, durch 
Teile jenes Durchmessers bestimmt. Auch die Höhe der bedeckten Orchestra- 
eingänge soll Ve desselben Durchmessers betragen. Wie aber die Lehre 
vom Grundriss nur auf einzelne der erhaltenen Theater passt (Theaterbau 
91 flf.), also wohl nur ein Auszug aus einem umfassenderen Werke ist (ib. 
164 ff.), so wird auch die Lehre vom Aufriss nicht eine allgemein befolgte 
Regel (vgl. Aspendos, Orange), sondern nur eine Vitruvs Geschmack ent- 
sprechende Auswahl der Vorschriften seines Gewährsmannes sein. Doch 
mag dem sein, wie ihm wolle, das ist jedenfalls unzweifelhaft, dass die 
alten Baumeister ein Grundmass gehabt haben: denn jene Lehre als Erfin- 
dung Vitruvs hinzustellen kann niemanden einfallen, der Vitruvs Buch 
einigermassen kennt. 

2. Wie kommt nun aber der Durchmesser des Orchestraraumes zu 
der Ehre als Grundmass zu dienen? Auffallend ist sicher seine Wahl, denn 
der Orchestraraum ist keine Grösse, die auf eigenen Füssen steht; sie ist 
vielmehr (vgl. § 43) abhängig im älteren griechischen Theater von der 
Bühnenbreite, im jüngeren griechischen und im römischen Theater von der 
Breite des mittleren Bühnenraumes, des eigentlichen Spielplatzes. Eine be- 
stimmte Antwort ist noch nicht zu geben; es scheint aber, dass man sich 
gewöhnt hat den Durchmesser des Orchestraraumes als Grundmass anzu- 
setzen, als die Bühnenbreite aufhörte dem Durchmesser des Orchestraraumes 
gleich zu sein. Die Breite des Mittelbaues der Bühne als Grundmass an- 
zugeben war vielleicht deshalb unthunlich, weil die Grenzen des eigent- 
lichen Spielplatzes nicht immer architektonisch ausgedrückt wurden. Mehr 
werden hoffentlich weitere Untersuchungen lehren. Hier genügt es gezeigt 



4. Die äusaeren Mittel der Darstellnng. (§ 44.) 227 

zu haben, dass das so wichtige Grundmass nicht von der unselbständigen 
Grösse des Orchestraraumes hergenommen worden ist, sondern von dem 
Hauptteil jedes Theaters, dem Bühnenraum. 

3. Das Grundmass konnte bei einer konzentrischen Anlage, wie der 
Zuschauerring war, nicht oder doch nicht unmittelbar zur Anwendung 
kommen. Bei einer solchen war vielmehr eine Gliederung durch Radien 
in gleichem Abstand von einander das Allernatürlichste. Man konnte nun 
den Kreisbogen, der die untere Grenze des Zuschauerringes bilden sollte, 
in gleiche Teile zerlegen und die Radien durch die Teilungspunkte ziehen. 
Doch ist dieses Verfahren nicht gewählt worden, wie Vitruv und eine Reihe 
von Theaterüberresten beweisen, und zwar aus einem ganz triftigen Grunde. 
Es gab ja zwei Räume im Theater von ganz verschiedener Gestalt, einen 
ringförmigen Zuschauerraum und ein länglich viereckiges Bühnengebäude; 
sie symmetrisch zu verbinden und zu gliedern und damit ein harmonisches 
Ganzes zu schaffen musste sich jeder Baumeister vornehmen, der zugleich 
Künstler war. Die Fäden dieser Verbindung konnten nirgendwo anders 
zusammenkommen als im Orchestraraum, und das war der Teil eines Kreises, 
dessen Durchmesser das durch die Bühne gegebene Grundmass bildete. Mit 
diesem Kreise war ein Mittel zur ebenmässigen Gestaltung der ganzen An- 
lage gegeben; wir nennen ihn deshalb den Grundkreis oder ürkreis. Um 
ihn aber verwerten zu können, musste man noch ein anderes Mittel haben, 
eine in den ürkreis eingeschriebene Figur, die Grundfigur. Der beabsich- 
tigten Ebenmässigkeit wegen war Gleichheit notwendig und der Gliederung 
des grossen Zuschauerringes wegen Vieleckigkeit. Andrerseits brauchte 
man zur Bestimmung der Bühnengrenzen grosse Sehnen. Um allen diesen 
Erfordernissen zu entsprechen, langte natürlich ein einziges gleichseitiges 
Vieleck nicht aus; jede Schwierigkeit aber war gehoben, wenn man mehrere 
gleichseitige Vielecke von wenigen Ecken unter gleichem Abstand der Ecken 
in den Ürkreis einschrieb. Mittels Radien, Vieleckseiten, Tangenten u. s. w. 
konnte nun der Grundriss zu einem Baue entworfen werden, der nicht nur 
harmonisch, sondern auch praktisch gestaltet war. 

Das Werk des Herrn Dumon (§ 11) ist mir durch die Güte des Verfassers erst zu- 
gegaDgen, nachdem das Obige längst geschrieben war; es scheint am passendsten hier 
anmerkangswcise Stellung zu ihm zu nehmen. Vor 1886 hielt man sich nur an Vitruvs 
Lehre. In meinem Griech. Theaterbau wurde das Unzulängliche derselben unwiderleglich 
dargethan und zugleich der Forschung ein neuer Weg gezeigt: Erweiterung der vitru vischen 
Lehre mittels der TheaterQberreste. (Ich bedauere meine Methode durch mehr als zwei 
Beispiele klargemacht zu haben: der mehr als Anhang beigegebene Überblick über die 
fibrigen Theater hat trotz ausdrücklicher Warnung dahin geführt, dass die nur methodo- 
logische Arbeit als eine nach Abschluss zielende angesehen wurde.) Ddmon findet zwar 
die neue Art und Weise der Forschung „ing^nieuse**, ist aber von ihr nicht befriedigt und 
schlagt deshalb eine neue vor: er verwirft Vitruv gänzlich und sucht unabhängig von 
diesem, zunächst in Polyklets Theater, den vom Baumeister entworfenen Plan wiederzu. 
erkennen. Es ist nun allerdings nicht unmöglich, dass es Theater gegeben habe, deren 
Konstruktion mit der vitruviscben nicht verwandt ist. In der Betonung dieser Möglichkeit 
erkenne ich einen Fortschritt und Dumoks Versuch halte ich in methodologischer Hinsicht 
für so vortrefflich, dass ich zahlreiche Nachfolge wünsche. Tritt sie ein, dann wird sich 
ja bald zeigen, inwieweit Ddmon Recht hat. Vorläufig aber können wir seinen Ergebnissen 
nicht zustimmen, hauptsächlich aus folgenden Gründen. Die Rekonstruktion des polykleti- 
sehen Planes erscheint als zu künstlich, wenn vier moduU zur Anwendung kommen; sie 
berücksichtigt nicht die radiale Gliederung des Zuschauerringes; sie weicht endlich in 
wesentlichen Punkten nicht ab von der zugleich aus Vitruv und den Resten gewonnenen. 

15* 



228 



B. Das Bühnenwesen der Griechen und Römer. 



(Seitliche und vordere Begrenzung der Bühne und des gesamten Bfihnengebftndes, natürlich 
nach Massgabe des von Dumon mit Recht ein wenig erweiterten Urkreises.) — Es ist wohl 
kaum nötig anzumerken, dass im folgenden nur das Allgemeingültige hervorgehoben, auf 
die durch besondere Umstände veranlassten Abweichungen dagegen nur ausnahmsweise 
hingewiesen werden konnte. 

45. Qrondriss des griech. Theaters. 1. Die Gliederung des Zu- 
schauerringes und des Bühnengebäudes war abhängig von einem Urkreis und 
einer in ihn eingeschriebenen Grundfigur (§ 44). Die Einschreibung geschah 
derart, dass eine Vieleckseite parallel zur anzulegenden Bühne lief (wag- 
rechte Vieleckseite). Die häufigsten Grundfiguren waren drei gleichseitige 
Sechsecke oder sechs gleichseitige Dreiecke, dann gleichseitige Fünfecke, 
Zehnecke, Vierecke, Siebenecke. Ganz ungewöhnlich war die Grundfigur 
in den Theatern zu Athen und im Piräus, nämlich ein Zweiundzwanzig- 
eck. Vitruv schreibt drei Quadrate vor. Trotzdem diese Form ausser- 
ordentlich selten war, nehmen wir sie doch als Beispiel, vorzüglich weil 
sie dem Anfänger am verständlichsten sein dürfte. Vgl. den Holzschnitt. 




N Z'" L A Ä7 O 

Grandrin des grleohiachen Theaten (3 Qoftdnte). 

In den Urkreis A— M, d. h. ABCDEFGHJKLM, sind die drei Quadrate MCFJ, 
ADGK und BEHL so eingeschrieben, dass die Quadratseite MJ parallel der 
Bühne (Bühnenhinterwand NO) liegt. Der Durchmesser PQ ist gleichfalls 
parallel zur Bühne; wir nennen ihn den wagrechten Durchmesser. 

2. Die Gestalt des Zuschauerringes war abhängig von Urkreis und 
Grundfigur, insofern als sie gegeben war einerseits durch den Urkreis selbst 
und einen oder mehrere konzentrische Kreise von grösseren Durchmessern, 
andrerseits durch die Radien, welche durch die Ecken der Grundfigur hin- 
durchgingen. Seine Grenzen nach der Bühne zu oder die Analemmata 
waren die verlängerten Radien, welche, von der Mitte des Zuschauerringes aus 
gerechnet, jenseits des wagrechten Durchmessers diesem zunächst lagen, 
also in unserem Falle AA" und HH'. Die äusseren Spitzen des Zuschauer- 
raumes waren manchmal, in Epidauros und sonst, abweichend gestaltet. 



4. Die äoBseren Mittel der Darstellimg. (§ 45.) 229 

Die Grenze nach dem Orchestraraume zu war der Urkreisbogen, A— H auf 
unserem Holzschnitt, der in einigen Fällen auf beiden Enden, gewöhnlich vom 
wagrechten Durchmesser an, erweitert wurde entweder durch senkrecht zur 
Bühne stehende Tangenten oder, in Epidauros, durch Kreisbögen mit anderen 
Mittelpunkten. Die obere Grenze, den nach der Bühne blickenden Zu- 
schauern im Rücken, war in der Regel eine der unteren Grenze, dem Ur- 
kreise, konzentrische Kreislinie von verhältnismässig gleicher Länge, A" — H" 
im Holzschnitt. Der Abstand beider Linien war natürlich durch die Menge 
der Sitzplätze bedingt. Von ürkreis und Grundfigur war aber auch die 
Gliederung des Zuschauerringes abhängig. Je nach der Breite des Zu- 
schauerringes wurde dieser entweder in zwei oder selten in drei Stockwerke 
(sehr selten gar nicht) zerlegt, und zwar durch einen oder zwei Umgänge.* 
Diese waren konzentrisch mit der unteren und oberen Begrenzung. Auf 
unserem Holzschnitt ist nur einer, A' — H', angegeben. Dies war die kon- 
zentrische Gliederung des Zuschauerringes; die radiale wurde durch Treppen 
bewerkstelligt, welche in der Richtung der durch die Ecken der Grundfigur 
hindurchgehenden Radien liefen, AA" bis HH" im Holzschnitt. Die so gebil- 
deten, einander fast immer gleichen, keilförmigen Abteilungen des Zuschauer- 
ringes wurden Keile genannt. Ihre Anzahl war natürlich verschieden je 
nach der Anzahl der Ecken der Grundfigur. Zuweilen waren im Oberstock 
die Treppen verdoppelt und dadurch die Keile halbiert. 

3. In den meisten Fällen war auch die Anlage des Bühnenhauses 
durch dieselbe Grundfigur bestimmt; einige Male, wie es scheint, durch eine 
andere, dann immer quadratische, die wir Bühnengrundfigur nennen wollen. 
Der Grundriss des Bühnenhinterhauses ist noch zu wenig bekannt; er scheint 
einer bestimmten Regel nicht gefolgt zu sein. Die verlängerte wagrechte 
Grundfigurseite, Quadratseite MJ in unserem Beispiel, war gewöhnlich die 
vordere Grenze des Bühnenvorderraumes (Bühnen vorderwand). Vorspringen 
und Zurückweichen einzelner Teile dieser Grenze ist nicht selten zu be- 
obachten. Die hintere Grenze, das ist die Bühnenhinterwand oder die 
Vorderwand des Hinterhauses, war gegeben durch die parallele Tangente, 
manchmal auch durch eine etwas weiter vom Urkreis abstehende parallele 
Linie. In unserem Holzschnitt ist es die Tangente NO. Es kam auch 
vor, dass als hintere Grenze die wagrechte Grundfigurseite oder eine andere 
Sehne angenommen wurde; dann wurde natürlich die vordere Grenze weiter 
vorgeschoben. Die Länge des gesamten Vorderraumes betrug einen Durch- 
messer des ürkreises, vermehrt um eine Grundfigurseite. Wir finden sie 
in unserem Falle, wenn wir die Quadratseite MJ auf beiden Seiten um je 
einen Halbmesser des Ürkreises, also bis M' und 3' verlängern. Geglie- 
dert wurde der Bühnenvorderraum durch senkrecht zur Bühne gezogene 
Tangenten des Ürkreises, durch PP" und QQ" im Holzschnitt. Zuweilen 
waren vielleicht statt der Tangenten nahe liegende parallele Linien gewählt. 
Von den drei so gebildeten Teilen des Bühnenvorderraumes war der mitt- 
lere, erhöhte Teil die eigentliche Bühne, P'Q'Q 'P" im Holzschnitt; die Neben- 
räume, M'P'F'N und Q'J'OQ" im Holzschnitt, waren Rampen oder Aufgänge 
zur Bühne. So war es wenigstens im älteren griechischen Theater; im 
jüngeren waren die Seitenräume mit dem Mittelstück gleichmässig erhöht, 



230 



B. Das Bühnenwesen der Ghrieohen und Römer. 



also ohne Rampen. Aus Vitruv ist zu vermuten, dass durch ürkreis und 
Grundfigur ausserdem die drei Thüren in der Bühnenhinterwand (nicht 
zugleich die der seitlichen Teile der jüngeren griechischen Bühne) bestimmt 
waren: die mittelste durch den senkrechten Durchmesser und die beiden 
andern durch die beiden verlängerten Radien, welche durch die dem senk- 
rechten Durchmesser zunächst oder zweitnächst liegenden Grundfigurecken 
hindurchgingen. Vgl. die vom Mittelpunkte Z ausgehenden punktierten 
Linien unseres Holzschnittes. Bei einer quadratischen Grundfigur nähern 
sich die Thüren allerdings zu stark, und man mag sie wohl etwas abwei- 
chend gelegt haben; bei andern Grundfiguren war das Prinzip ganz gut 
durchführbar. 

46. Omndriss des rOm. Theaters, l. Wie im griechischen waren 
auch im römischen Theater Zuschauerring und Bühnenanlage abhängig von 
einem Urkreis und einer in ihn eingeschriebenen Grundfigur. Über die 
Grösse des Urkreises s. § 44 ^. Gleichseitige Sechsecke und Dreiecke kamen 




AT 1J~T7 W rj' P a 

Orondrifls des römischen The«ten (4 gleichseitige Dreiecke). 

auch im römischen Theater als Grundfiguren am häufigsten zur Verwendung, 
nur nicht sechs gleichseitige Dreiecke, die gebräuchlichste Grundfigur des 
griechischen Theaters, dagegen oft vier gleichseitige Dreiecke, die sich in 
keinem griechischen Theater finden lassen. Daneben sind als Grundfiguren 
gebraucht worden gleichseitige Fünfecke und Zehnecke, Siebenecke und Vier- 
zehnecke. Vitruv verlangt vier gleichseitige Dreiecke. Wir wählen seinen 
Grundriss als Beispiel für unseren Holzschnitt und zeichnen in den Urkreis 
A— M vier gleichseitige Dreiecke unter gleichem Abstand der Elcken ein: 
AEJ, BFK, CGL und DHM. 

2. Des Zuschauerringes Grenzen nach der Bühne zu, die Ana- 
lemmata, waren immer parallel zur Bühne, was im griechischen Theater 
nie der Fall war. Sie wurden gebildet durch eine zur Bühne parallele 
Linie, welche durch die dem wagrechten Durchmesser zunächst gelegenen 



4. Die änsseren Mittel der Darstellimg. (§ 46.) 231 

Grundfigurecken gezogen wurde. In unserem Holzschnitte sind diese Grund- 
figurecken die Punkte A und G, welche zugleich die Endpunkte des wag- 
rechten Durchmessers sind. Die durch sie gezogene Linie A"6", durch 
welche die Grenzen des Zuschauerringes nach der Bühne zu gegeben sind, 
deckt sich demnach mit dem verlängerten wagrechten Durchmesser. Derselbe 
Fall trat in ungefähr der Hälfte aller römischen Theater ein; er war be- 
gründet in der Grundfigur. Im andern Fall, d. h. wenn die betreffenden 
Grundfigurecken nicht mit den Endpunkten des wagrechten Durchmessers 
zusammenfielen, wurde trotzdem öfter ebenfalls der verlängerte wagrechte 
Durchmesser als Grenze gewählt; infolge dessen wurden dann die Endkeile 
ungleich den übrigen Keilen. Die untere Grenze des Zuschauerringes war 
ein Bogen des Urkreises, A — G in unserem Holzschnitt, die obere meistens 
ein je nach Bedürfnis mehr oder weniger weit vom Urkreis abstehender 
konzentrischer Kreisbogen, in unserem Fall A" — G". Die Gliederung des 
Zuschauerringes war ähnlich der im griechischen Theater: er war gewöhn- 
lich durch einen oder zwei konzentrische Umgänge in zwei oder drei Stock- 
werke zerlegt, durch A' — G' in unserer Figur, und radial durch Treppen 
geteilt, deren Lage die durch die Grundfigurecken hindurchgehenden Radien 
angaben. In unserem Holzschnitt sind die Treppen mit AA" bis GG" be- 
zeichnet. Wie im griechischen Theater war die Zahl der Keile je nach 
der Grundfigur verschieden, und wie dort so waren hier die Keile einander 
gleich. Nur die Endkeile hatten in der Hälfte der Fälle eine von der der 
übrigen verschiedene Grösse, denn sie konnten mit den mittleren Keilen 
nur dann gleich gross sein, wenn die zur Bühne parallele Linie, durch 
welche die Lage der Analemmata bestimmt wurde, mit dem wagrechten 
Durchmesser sich deckte; sonst wurden sie fast durchweg nach oben zu 
schmäler. Vitruv verlangt die Anlegung der Orchestraeingänge in den 
Endkeilen; aber nur in ursprünglich griechischen, später umgebauten Thea- 
tern sind solche Eingänge zu finden. Eine Erweiterung des Zuschauer- 
ringes trat gewöhnlich dadurch ein, dass man die Eingänge zur Orchestra, 
zwischen Zuschauerring und Bühne, überdeckte und mit Sitzplätzen versah. 
Dies waren die sog. Tribunale. 

3. Für Begrenzung und Gliederung der Bühne war derselbe Urkreis 
und, wohl nur mit ganz wenigen Ausnahmen, dieselbe Grundfigur bestim- 
mend. Für das Bühnenhinterhaus ist eine Grundrissregel nicht zu erkennen. 
Der Bühnenvorderraum wurde nach rückwärts begrenzt wie der griechische, 
d. h. also durch die wagrechte Tangente oder seltener durch die parallele 
Grundfigurseite. Vitruv verlangt das letztere; wir haben umgekehrt die 
Tangente NQ als Bühnenhin ter wand in unserem Holzschnitt angenommen. 
Meist lief diese Wand wie im griechischen Theater in gerader Linie, zu- 
weilen war sie indessen nach dem Hinterraum zu ausgebaucht. Die vordere 
Bühnengrenze oder die Bühnenvorderwand war, etwas ähnlich wie die Ana- 
lemmata, bestimmt durch den wagrechten Durchmesser oder durch die 
parallele Sehne, welche gleich war dem grössten Abstand der Grundfigur- 
ecken innerhalb einer Hälfte des Crkreises. Das letztere ist in unserem 
Holzschnitte angenommen: die Sehne ST ist gleich dem Abstand der Grund- 
figurecken AH, und dieser ist der grösste Abstand der Grundfigurecken 



232 ^* ^^^ BtÜmenwesen der Griechen nnd Römer. 

innerhalb der Urkreishälfte AGHJELM. Es kam vor, dass die Analemroata 
durch den verlängerten wagrechten Durchmesser gebildet wurden und ebenso 
die BUhnenvorderwand. In diesem Falle fehlten die sonst gewöhnlich vor- 
handenen Zwischenräume für die Orchestraeingänge, und diese wurden 
dann wohl in den Endkeilen angelegt, ungefähr so, wie Vitruv will. Die 
Breite (Länge) des Bühnenvorderraumes war gleich zwei Durchmessern des 
Urkreises oder seltner wie im griechischen Theater so gross wie ein Durch- 
messer und eine Grundfigurseite zusammengenommen. In unserem Holz- 
schnitt ist das erstere gewählt worden: danach ist RVQN der BQhnen- 
vorderraum, und zwischen AA" und RS, Gö" und TV sind die mit Zu- 
schauersitzen überdeckten Orchestraeingänge. Der ganze, ungeteilte Yorder- 
raum war die Bühne, der eigentliche Spielplatz natürlich nur die Mitte. 
Zwei Thüren führten von den Seiten her auf die Bühne und ebendahin 
gewöhnlich drei, aber auch fünf durch die Bühnenhinterwand. Die drei 
Thüren in der Mitte der Bühnenhinterwand waren durch ürkreis und Grund- 
figur bestimmt. Die mittelste war durch den senkrechten Radius gegeben, 
wie im griechischen Theater, die beiden andern auf drei Arten: entweder 
gewöhnlich durch die senkrecht zur Bühne gezogenen Tangenten des Ur- 
kreises oder durch die Linien, welche von den dem wagrechten Durchmesser 
zunächst gelegenen Grundfigurecken senkrecht zur Bühne gezogen wurden, 
oder wie im griechischen Theater durch die verlängerten Radien, welche 
durch die dem senkrechten Durchmesser zunächst gelegenen Grundfigur- 
ecken hindurchgingen. In unserem Holzschnitt ist die erste und letzte die Art 
durch punktierte Linien angegeben: die Thüren und P sind durch die 
senkrechten Tangenten AO und GP bestimmt und die Thüren L' und J' 
durch die Radien ZL und ZJ, welche über die dem senkrechten Durch- 
messer DE zunächst gelegenen Grundfigurecken L und J hinaus ver- 
längert sind. 

4. Römische Theater lassen sich aus dem Grundriss als solche er- 
kennen, wenn sie entweder einen Zuschauerring von höchstens einem Halb- 
kreise und eine Bühnenbreite von zwei Durchmessern oder eines von beiden 
haben. Die Bühnen tiefe gibt kein Unterscheidungsmerkmal ab, wie man 
bisher nach Vitruv gemeint hat. 

47. Bauplatz. Vitruv verlangt, dass man für das Theater einen 
recht gesunden Platz auswähle; insbesondere dürften die Zuschauer, da 
sie lange still zu sitzen hätten, nicht durch schlechte, aus Sümpfen kom- 
mende Winde belästigt werden. Auch müsse der Hitze wegen, die sich 
sonst erzeuge, das Theater so gelegt werden, dass die Zuschauer nicht 
nötig hätten nach Süden zu schauen. Di^ Rücksicht auf das Wohlbefinden 
der Zuschauer war in später Zeit sicherlich massgebend ; aber ebenso sicher 
ist, dass sie nicht die einzige war. Was die neueren Forscher hierüber 
lehren, ist nichts als ein Raten und fast ganz verfehlt. Auf schöne Aus- 
sicht hat man schwerlich jemals Rücksicht genommen, denn schon wegen 
der Höhe des Bühnengebäudes hätton die Zuschauer sie nicht geniessen 
können. Ebensowenig begründet ist die Annahme, dass man belebtere Stadt- 
teile, die Gegend am See und dgl. gern als Bauplatz ausgewählt habe: das 
Umgekehrte Hesse sich leichter darlegen. Nur die Bemerkung ist richtig. 



4. Die ftnaseren Mittel der DarBtellnng. (§ 47--48.) 233 

dass man das Theater vorzugsweise in griechischen Ländern, aber auch, 
ausser in Rom, sonst meistens an eine Anhöhe anzulehnen liebte, um die 
Kosten des Unterbaues zu sparen oder zu verringern. Aber diese Be- 
merkung hat mit der Wahl des Bauplatzes nichts zu schaffen; denn der 
Hügel gab es viele, und die Hügel hatten verschiedene Abhänge, an die 
sich die Theater anlehnen konnten. Ganz besonders verfehlt ist das, was 
über die Lage des athenischen Theaters behauptet wird: der südöstliche 
Abhang des Burgfelsens sei gewählt worden, damit die Zuschauer vor dem 
Nordwind geschützt wären und von dem am Morgen von der Seeseite her- 
kommenden Winde Erfrischung erhielten. Die den ganzen Tag im Theater 
sitzenden Athener brauchten doch wohl eher nachmittags als vormittags 
eine Erfrischung, und dass die Marathonkämpfer sich vor ein wenig Nord- 
wind gefürchtet hätten, ist eine Eigenschaft, die man nicht gewohnt ist 
ihnen beizulegen. Massgebend in Athen war vielmehr die Lage des Dio- 
nysosheiligtums: man hat den Südosten der Akropolis gewählt, weil man 
80 im Angesicht des zu ehrenden Gottes die Festfeier begehen konnte. 
Wie in Athen wurde im Anfang wenigstens auch in Rom (§ 40) und ebenso 
wohl in andern Städten die Verehrungsstätte der jeweils zu ehrenden Gott- 
heit berücksichtigt. Wie weit diese Rücksicht ging, gegen welche Götter 
sie genommen wurde, wann und wo man anfing sich über sie hinwegzu- 
setzen, das sind Fragen, zu deren Beantwortung die Mittel nicht ganz zu 
fehlen scheinen. 

Litteratur fQr §§ 47 bis 52: Wibseleb, Sommerbbodt, A. Mülleb, Ritschl, Ribbecx, 
Fbibdlandbb 8. § 6; vgl. § 11 und B. Abnold Das altrömische Theatergebäade, Würz- 
bnrg 1873. 

48. Zuschauerring. Wir haben im vorhergehenden als untere 
Grenze des Zuschauerringes {cavea^ x^eargov i. e. S., nicht xoTXov) einen 
Bogen des Urkreises bezeichnet. In einigen Theatern ist aber noch der 
Rand des Orchestraraumes für Zuschauersitze verwertet worden. Der 
Kürze wegen fassen wir im folgenden diese in den Begriff des Zuschauer- 
ringes ein. 

1. Nach der Technik lassen sich zwei Arten unterscheiden: ein jün- 
gerer ganz massiver Bau, der entsprechend der Aussenfront des Bühnen- 
gebäudes nach aussen in mehrere Stockwerke gegliedert war, und ein 
älterer, welcher mit Benutzung einer Anhöhe errichtet war und nach aussen 
wohl meist durch eine Mauer abgeschlossen wurde. War bei der letzteren 
Art die benutzte Anhöhe felsig, so wurden die Stufen teilweise aus dem 
Felsen gehauen, wie z. B. in Athen. Bei erdigem Boden wurden die stei- 
nernen Stufen unmittelbar, wohl sehr selten mittels einer besonderen Unter- 
lage auf den Boden gelegt. Grössere Abweichungen von einem gleich- 
massigen Aufsteigen wurden durch Abtragung oder Ausfüllung, bzw. durch 
massiven Bau ausgeglichen. Massiver Bau war besonders bei den End- 
keilen von nöten, die nach der Bühne zu sehr oft Abschlussmauern ver- 
langten, weil der Boden selten ganz muldenförmig gestaltet war. Zuweilen 
hat man da, wo gar kein oder nur ein niederer Hügel zur Verfügung 
stand, sich durch Aufschüttung einen genügend grossen künstlichen ge- 
schaffen, wie in Mantineia und Megalopolis. 



234 B. Das Bühnenwesen der Chrieohen und Römer. 

2. Die Grösse des Zuschauerringes war natürlich sehr verschieden je 
nach dem zu erwartenden Besuch: ganz grosse und sehr kleine kommen 
vor. Die Höhe war der Akustik wegen (§ 51) an ein gewisses Mass ge- 
bunden. Aus dem gleichen Grunde war die aufsteigende Linie eine gerade. 
Je nachdem der Zuschauerring auf eine grosse oder kleine Zuschauer- 
menge berechnet war, wird der Aufstieg mehr sanft oder mehr steil ge- 
wesen sein. 

3. Die Sitze waren wie der ganze Zuschauerring konzentrisch 
mit dem ürkreise angeordnet. Sie bestanden hauptsächlich aus Stein- 
bänken. Die einzelnen Plätze waren auf ihnen im römischen Theater 
durch Linien abgegrenzt (Arnold 9), im griechischen dagegen nicht; eine 
Ausnahme soll in dieser Beziehung das athenische Theater machen (Müller 
Bühn. 9P). Die gewöhnliche Sitzstufe bestand aus einem eigentlichen 
Sitzraum und einem Kaum für die Füsse. Der erstere war in der Regel 
etwas über ^'s m hoch und tief (breit). An ihn stiess, aus demselben Stein 
gearbeitet, der Fussraum des Zuschauers der nächsthöheren Sitzreihe. Dieser 
war etwas vertieft und, da er auch als Gang benutzt wurde, ebenfalls 
ungefähr V» ni tief (breit). Die Oberfläche des Sitzraumes war gewöhnlich 
wagrecht oder auch, wie in Epidauros, leise nach hinten geneigt; in ein- 
zelnen Fällen war sie vertieft, wohl zur Aufnahme der Sitzkissen. Die 
Vorderseite der Sitze war zuweilen eine senkrechte Fläche, gewöhnlich aber 
trat sie nach unten zu in mannigfacher Profilierung zurück und gewährte 
somit Raum zum Zurückziehen der Füsso. In manchen Theatern gab es 
eine oder zwei, in Epidauros sogar drei Sitzreihen, die mit steinernen Rück- 
lehnen versehen waren; sie standen unmittelbar hinter oder vor einem 
Umgang. Zuweilen scheinen die Lehnen aus Holz gewesen zu sein (Syrakus). 
Nach den Treppen zu hatten einige auch Seitenlehnen (Epidauros). Ausser- 
dem gab es in Reihen und einzeln Lehnsessel mit Rücken- und teilweise 
mit Seitenlehnen, offenbar Ehrensessel {O^qovoi^ xad^ädgai). Sie standen auf 
breiteren Stufen, und zwar in Griechenland vorzugsweise zunächst der Or- 
chestra, in Rom ausser in der Orchestra (§ 49 *) wohl sicher auch auf den 
Tribunalen über den Orchestraeingängen (§ 39 *). 

4. Es sprechen einige Umstände dafür, dass, wenn auch nicht die 
Einzelsitze, so doch die Sitzreihen und die Keile {xegxiSeg^ cunei) numeriert 
oder anders kenntlich gemacht waren, allerdings wohl erst in später Zeit. 
In Syrakus hatten die Keile Namen von fürstlichen Personen oder Göttern 
(CIG. 5369) ; auch aus Rom ist ein Keil des Germanicus bekannt (Tac. An. 
2, 83). Da in Athen Statuen in jedem Keil aufgestellt waren und zum 
Teil erhalten sind, so hat man wohl mit Recht vermutet, dass die oben 
erwähnten Namen der Keile von den in diesen aufgestellten Statuen her- 
rühren. Mit dieser Annahme stimmen gut die erhaltenen Theatermarken 
(§ 12). In Athen, wo zur Zeit Hadrians diesem Kaiser jede Phyle je eine 
Statue in je einem Keil setzte, waren 12 Keile vermutlich nach den Phylen 
benannt, deren Namen in den Aufschriften der gesetzten Statuen standen 
(CIA. III 469). In früherer Zeit freilich wird es anders gewesen sein, 
da wir von anderen Benennungen hören (§ 27 ^). 

5. Die Hauptumgänge {praecinctionum itinera^ iUnera, viae), durch 



4. Die äusseren Mittel der Darstellung. (§ 49.) 235 

welche der Zuschauerring in Stockwerke {Sice^cif^iaTa, ^o^vai) zerlegt wurde, 
waren ziemlich breit, in Epidauros z. B. 1,90 m. In Rücksicht auf die 
Akustik war hinter ihnen eine Mauer {praecinctio, diazoma, baltetis) aufge- 
richtet in einer dem Steigungswinkel des Zuschauerringes entsprechenden 
Höhe. Je nach Umständen, scheint es, hat man hin und wieder einen 
ähnlich breiten Umgang hinter der obersten Sitzreihe angelegt. Ein kleiner 
Umgang findet sich ausserdem nach der Sesselreihe (Athen) oder nach der 
ersten mit Lehnen versehenen Sitzreihe eines Stockwerkes (Epidauros). 

6. Die Treppen {ascenstis, scalae, scalaria, itinera), welche die Keile 
auf beiden Seiten begrenzten, waren schmal, nur so breit, dass eine Person 
bequem auf-^ odör absteigen konnte. Die Treppenstufen waren halb so hoch 
wie die Sitzstufen, in Athen ausnahmsweise gleich hoch, aber etwas nach 
vom geneigt. Von der Mauer des Hauptumganges an mussten natürlich 
die Treppen ein Stück aufwärts steiler sein als sonst, um die durch den 
Umgang unterbrochene Steigungslinie wieder zu erreichen. 

7. Die an einen Felsen oder erdigen Hügel angelehnten Zuschauer- 
ringe scheinen vielfach nur von den Orchestraeingängen aus zugänglich 
gewesen zu sein ; es finden sich aber auch Eingänge von oben her in Epi- 
dauros, Pompeji und sonst; in Athen führte sogar ein Weg durch den Zu- 
schauerraum. In den halbmassiven und noch mehr in den ganz massiven 
Zuschauerringen dagegen, also besonders in römischen Theatern, gab es 
Gänge oder Korridore und Treppen im Innern, welche die Zuschauer durch 
die sog. Vomitorien zu den Sitzen führten. 

49. Orchestraraum. 1. Wir unterscheiden im giiechischen Theater 
zwischen Orchestraraum, dem ganzen ebenen zwischen Bühne und Zuschauer- 
ring liegenden Räume, dem Parterre, und dem inmitten dieses Raumes 
liegenden Platze, der Orchestra, die vom Tanze des Chores diesen Namen 
und sonst auch wohl den Namen Konistra fährte. Was wir bis jetzt von 
der Orchestra des griechischen Theaters wissen, ist uns fast nur aus Epi- 
dauros bekannt; aber Epidauros ist massgebend. Der Orchestraraum ist 
dort folgendermassen gestaltet. Vgl. den Grundriss auf der ersten Tafel. 
Der Urkreis geht nicht unmittelbar hinter dem Rücken der ersten Sitzreihe 
entlang, wie nach dem kleinen Plan der athenischen archäologischen Gesell- 
schaft anzunehmen war (Theaterbau 51 ff.), sondern schliesst auch den 
hinter dieser Sitzreihe befindlichen Umgang ein, wie neuerdings richtig er- 
kannt worden ist (Dumon). Der die Grenze bildende Bogen des Urkreises 
ist auf beiden Seiten etwas erweitert. Der wagrechte Durchmesser des 
Orchestraraumes beträgt über 27 m (88 Fuss nach Dumon, der den zur 
Anwendung gekommenen Fuss auf 0,310606 m berechnet). In der Mitte 
des Orchestraraumes ist der eigentliche Tanzraum oder die Orchestra, eine 
Kreisfläche, deren Durchmesser drei Viertel des wagrechten Durchmessers 
des Urkreises beträgt. Dieser Durchmesser war danach in acht gleiche Teile 
zerlegt worden, von denen die sechs mittleren den Durchmesser der eigent- 
lichen Orchestra bildeten, während die äusseren Teile den gleich zu er- 
wähnenden Gürtel, die Sitzreihe und den dahin terliegenden kleinen Umgang 
durchschnitten. Die Orchestra war ungepflastert, also eine mit Recht so 
zu nennende Konistra. Ein nicht hervorragender steinerner Rand ist ihre 



236 B. Das Bühnenwesen der Griechen und BOmer. 

Einfassung, und in der Mitte ist, ebenfalls nicht hervorragend, ein runder 
Stein mit 0,71 m im Durchmesser eingelassen, dessen Mittelpunkt ein 5 cm 
tiefes und 8,5 cm breites Dübelloch bildet. Zwischen der Sitzstufe und 
dem Orchestrarand ist ein steingepflasterter Gürtel, der sich entsprechend 
der Erweiterung des Urkreisbogens nach der Bühne zu auf 2,84 m erweitert 
und 0,21 m tiefer liegt als die Orchestra; das letztere deshalb, weil er 
ausser als Gang auch als Abzugskanal für das sich ansammelnde Wasser 
zu dienen hatte. Hierauf deuten mit Bestimmtheit die je zwei Abzugs- 
löcher, die sich auf beiden Seiten in der Nähe des wagrechten Orchestra- 
durchmessers finden. Die Orchestraeingänge {tkxqoSoi, siaoSoi) waren wie 
die Seiteneingänge zur Bühne durch Pfeiler und Thüren al)g€teperrt. Die 
einen führen mittels der Rampen auf die Bühne hinauf, die andern in die 
etwas tiefer liegende Orchestra hinab. Die Breite der Orchestraeingänge 
beträgt über fünf Meter, sie war also mehr als genügend, selbst in dem 
Falle, dass der Chor in Gliedern von sechs Mann einmarschierte. Die 
übrigen bekannten griechischen Orchestren sind mit Ausnahme des Theaters 
in Oropos und des Odeions in Knidos alle gepflastert, sie stammen also 
wahrscheinlich aus späterer Zeit. Ein besonderer Gang war nach der 
Pflasterung nicht mehr nötig, trotzdem findet er sich öfter. Das Regen- 
wasser wurde wie in Epidauros durch Kanäle abgeleitet. Auf verschliess- 
bare Orchestraeingänge deutet eine Inschrift, die in Pergamon gefunden 
worden ist (Conze Sitzber. Berl. Ak. 1884 S. 15). 

2. Die Grenze zwischen Zuschauerring und Orchestraraum machte im 
römischen Theater ein Umgang, der zuweilen nach der Orchestra zu von 
einer niederen Mauer begleitet war. Eigentümlich war einigen römischen 
Theatern, dass sie innerhalb des so abgegrenzten Raumes mehrere Sitz- 
reihen oder doch Stufen hatten. Im übrigen waren die römischen Orchestra- 
räume den griechischen ähnlich. 

Die Orchestra in Oropos ist in mehrfacher Hinsicht merkwürdig. £8 gab dort^ wie 
es scheint, nur ein Abflussloch ffir das Regenwasser, und daher rührt es wohl, dass der 
Orchestragürtel auf der einen jedenfalls höher gelegenen Seite ganz schmal, auf der andern 
Seite mit dem Abflussloch dagegen breit ist. Auffällig, weil ohne Analogie sind die fünf 
unregelmässig aufgestellten Thronsessel innerhalb jenes Gürtels. Auch die Orchestraein- 
gänge scheinen von der Regel abzuweichen. 

50. Bühnengebäude. 1. Dem Material nach zerfielen die Bühnen- 
gebäude in hölzerne und steinerne. Dazu kamen noch einige Mittelgattungen: 
solche, deren Unterbau aus Stein und deren Oberbau ganz oder zum Teil 
aus Holz war, und solche, die wohl ein steinernes Bühnenhinterhaus, aber 
keine steinerne Bühne hatten, deren Bühne vielmehr für den jedesmaligen 
Gebrauch neu aufgeschlagen wurde (Aspendos, Kreta). Erhalten ist natür- 
lich vom Holzbau nichts, aber da der Steinbau aus dem Holzbau hervor- 
gegangen ist und da noch in der Kaiserzeit, in Rom wenigstens (§ 33), 
hölzerne Bühnen aufgeschlagen wurden, so haben wir, von den Anfängen 
abgesehen, nicht den geringsten Grund für den Holzbau eine andere Kon- 
struktion vorauszusetzen wie für den Steinbau. Die länglich viereckige 
Gestalt des Bühnengebäudes und sein Verhältnis zum Zuschauerring sind 
oben schon erwähnt worden (§ 43). 

2. Das Bühnenhinterhaus (crxijvi^, scaena), dessen Tiefe in der Regel 



4. Die äUBBeren Mittel der Darstellimg. (§ 50.) 237 

vermutlich vier bis sechs Meter betrug (in Orange und auch sonst noch 
mehr), dessen Höhe und Breite aber sich nach der vorderen Anlage richtete, 
war von der Strasse aus zugänglich und bestand, wenigstens in Aspendos 
und Orange, aus drei Stockwerken. Jedes der Stockwerke enthielt mehrere 
Zimmer, die natürlich mit dem Vorderraum unmittelbar oder mittelbar durch 
Thüren verbunden waren. Vgl. die Grundrisse des Bühnengebäudes zu 
Orange auf Tafel IL 

3. Die Grenze zwischen Hinterhaus und Vorderhaus war eine hohe 
Mauer, die Bühnenhinterwand {scaena bei Vitruv). Sie soll nach Vitruv 
der Akustik wegen mit der äusseren Begrenzung des Zuschauerringes gleich 
hoch und in drei Stockwerke gegliedert sein. Das letztere war der Fall 
in Orange, wie die Abbildung auf Tafel I zeigt, und in Aspendos. Der 
architektonische Schmuck der Mauer war in der späteren Zeit, besonders 
in Rom sehr reich. Die vor ihr liegende Bühne, die viele Namen hatte 
(zu 3), war nach vorn offen, ebenso nach den Seiten im älteren griechischen 
Theater; nur an den unteren Enden der auf die Bühne führenden Rampen 
oder Treppen waren Pfeiler und Thüren {nagaax/jvia?), wie das epidaurische 
Theater besonders zeigt. Vgl. Tafel I und § 49. Erst im jüngeren grie- 
chischen und im römischen Theater war ein Abschluss durch Seitenwände 
bewerkstelligt worden, die Vitruv versurae procurrentes nennt und auf die 
zuweilen, nicht immer. Flügelbauten folgten. Als Höhe der Bühne verlangt 
Vitruv für das griechische Theater zehn bis zwölf Fuss und für das 
römische höchstens fünf Fuss, und damit stimmen im allgemeinen die Über- 
reste. Ihre Tiefe wird wohl in allen grösseren Theatern drei bis vier 
Meter betragen haben; in Epidauros ist sie, selbstverständlich mit Ein- 
rechnung der vorderen Mauer und ihrer Ausladung, über drei Meter tief, 
in dem ganz kleinen Theater zu Oropos geht sie allerdings nicht über zwei 
Meter hinaus. An den Enden der älteren griechischen Bühne, d. h. da, 
wo die Rampen oder Treppen an sie anstiessen, war die Tiefe zuweilen 
vergrössert durch quadratische Vorsprünge nach der Orchestra zu. Wir 
sehen sie im epidaurischen Theater auf Tafel I. Die durchschnittliche 
Bühnenbreite des älteren griechischen Theaters ging wohl über zwanzig 
Meter hinaus; die des jüngeren griechischen und des römischen Theaters 
war erweitert bis auf das doppelte Mass. Der Fussboden der Bühne war 
gedielt, und deshalb ist mit ziemlicher Sicherheit Bedachung anzunehmen. 
Spuren einer solchen sollen in Orange und Aspendos zu finden sein. Als 
Bühneneingänge hatte das ältere griechische Theater drei Thüren in der 
Bühnenhinterwand, je eine Rampe oder Treppe an beiden Seiten und eine 
hölzerne Treppe vorn (§ 54). Das jüngere griechische Theater wich inso- 
fern ab, als es statt der zwei seitlichen Treppen zwei Nebenthüren seitlich 
vom Mittelbau in der Bühnenhinterwand hatte. Im römischen Theater gab 
es gewöhnlich wieder bloss drei Thüren in der Bühnenhinterwand, dazu 
kamen aber, im Gegensatz, wie es scheint, zum jüngeren griechischen Theater, 
zwei Thüren in den seitlichen Bühnenmauem und ausserdem noch eine 
oder zwei steinerne Treppen nach der Orchestra zu. Das Hyposkenion 
oder der kellerartige Unterraum unter der Bühne, der mit dem Hinterhaus 
in Verbindung stand, war nach vorn von der Orchestra durch eine Mauer 



238 B. Das Bühnonwesen der (hiechen und Römer. 

getrennt, die wir früher immer die Bühnen vorderwand genannt haben, die 
aber richtiger Hyposkenionsmauer zu benennen wäre, weil sie nur so hoch 
ist wie die Bühne. Sie war mit Säulen und nach Pollux auch mit Statuen 
geschmückt. Thüren in ihr gab es wohl nur im älteren griechischen 
Theater. In Epidauros finden sich, wie auch unser Grundriss auf Tafel I 
erkennen lässt, mehrere: eine zweiflügelige in der Mitte, je eine in den 
quadratischen Vorsprüngen an den Bühnenenden und ausserdem je eine da, 
wo die Rampen an die Bühne stossen. Die letzteren haben möglicherweise 
für den Chor gedient (Müller Bühn. 27^); die Bedeutung der andern Mauer- 
öfifnungeu ist ganz unbekannt. In Oropos zeigt die betreffende Mauer nur 
eine Thüröifnung in der Mitte; ob daselbst zwischen den Pfeilern Holz- 
tafeln mit Gemälden aufgestellt waren, wie in dem Bericht der athenischen 
archäologischen Gesellschaft vermutet wird, scheint eicht sicher zu stehen, 
denn die Inschrift auf dieser Mauer darf auf die Bühne bezogen werden, 
auf der sie, weil nicht in die Luft gemeisselt werden konnte, nicht wohl 
anzubringen war. 

Zu 3: Die zahlreichen Benennungen der BQhne sind zusammengestellt hei Wibsblbb 
£nc. 206 ff. A. Müller Bühn. 53 ff. Es sind folgende: axrjyti und acaena, ngocxijyioy 
und proscaenium^ kayeToy, oxgißag und puljntum, ßrjfjia, spät oQXfjozQK. Zu oxqißag vgl. 
Sitzher. MQnch. Ak. 1889 II 108 f., zu vnoaxijyioy Sommsrbbodt Scaenica 140. 

51. Akustik. Solange man in Holztheatern spielte, war es nicht 
nötig auf die Akustik ein besonderes Augenmerk zu richten. Nötig da- 
gegen wurde es, als man die Theater aus Stein errichtete, und zwar um 
so mehr, je grösser der Zuschauerring wurde. Vorteilhaft waren für die 
Akustik von Haus aus die im griechischen wie im römischen Theater ge- 
ringe Tiefe und die immer beibehaltene Dielung der Bühne, im griechischen 
ausserdem die hölzerne Thymele (§ 54) und in beiden die konzentrisch 
hintereinander aufsteigenden Sitzreihen der Zuschauer. Ausser der Sorge 
für Abhaltung von Störungen der Steigungslinie (§ 48) war die Hauptauf- 
gabe des Baumeisters die Herstellung einer gleichen Höhe des Bühnen- 
hauses und des Zuschauerringes. Beide Vorschriften gibt Vitruv. Soweit 
es sich kontrollieren lässt, scheint die erstere im wesentlichen befolgt 
worden zu sein; von der zweiten können wir dasselbe nur vermuten. Mit 
diesen Vorkehrungen hat man sich wohl meist begnügt. Doch ist daneben 
(seit wann, ist unbekannt) noch eine ganz eigentümliche Verbesserung der 
Akustik vorgenommen worden, nicht in Rom, wie Vitruv ausdrücklich be- 
richtet, aber in andern italischen und in griechischen Städten. In Nischen, 
die je nach der Grösse des Theaters in einer bis drei Reihen ringsum im 
Zuschauerräume angebracht waren, wurden eherne, im Notfall auch thönerne 
Schallgefasse von verschiedenem, genau abgestimmtem Klange derart auf- 
gestellt, dass sie ganz ungehindert die von der Bühne kommenden Töne 
aufnehmen konnten, um sie dann verstärkt und verschönt zurückzuwerfen. 
Nischen für solche Schallgefasse sollen sich in einigen Theatern gefunden 
haben: in Gerasa und Aizanoi und auf Kreta. 

Üher Vitruvs Lehre A. Müller Philol. 23«« 510 ff. BQhn 43 ff, Wibsrlbr Enc. 
234 ''. A. WiLMANNS Com. in hon. Mommseni 254 ff. A. Terquem La science romaine ä 
Vepoqiie d^Aiigtiste, Paris 1885, S. 107 ff. Alb. Eichhorn Die Akustik grosser Räume 
nach altgricchischer Theorie, Berlin 1888, S. 44 ff. 55 ff. Vgl. J. Durm Handhuch der Ar- 
chitektur Hl. 



^ 



4. Die äuBseren Mittel der Darstellung. (§ 51-58.) 239 

52. Schutzvorrichtungen. 1. Gegen Feuersgefahr sich zu schützen 
hatte man bei einem Spiel am Tage und in einem unbedeckten Räume 
wohl niemals Anlass. Gefahrdrohend war einzig die Gebrechlichkeit der 
hölzernen Zuschauersitze. Aber gleich anfangs lehrte Athen, wie man sich 
dieser Gefahr erwehren konnte, indem man einen Bergabhang als Zu- 
schauerraum und Stein als Baumaterial wählte. Zu schützen hatte man 
sich aber gegen das, was bei einem Spiel im Freien und von teilweise 
langer Dauer unvermeidlich eintrat: gegen Regen, Sonnenstrahlen und ihre 
Folgen, gegen Durst und Hunger. Doch lange Zeit, das dürfen wir an- 
nehmen, kannte man hiegegen keine anderen Vorkehrungen, als die sich 
eine jeder selbst verschaffte (Müller Bühn. 303) oder die etwa ein frei- 
gebiger Spielleiter durch Bewirtung gewährte. Nur die Möglichkeit frisches 
Wasser im Theater zu bekommen wird schon früh geboten worden sein, 
denn von den zahlreichen Quellen, Brunnen, Zisternen, die man in den 
Orchestraräumen und in der Nähe der Theater erkannt hat, waren manche 
wohl schon vor oder doch seit Errichtung der Theater vorhanden. 

2. Gegen Platzregen schützten anfänglich die zufallig in der Nähe 
der Theater befindlichen Baulichkeiten; aber man scheint daselbst in nicht 
allzu später Zeit auch absichtlich solche angelegt zu haben, die Schutz ge- 
währen konnten, wie Odeien, Gymnasien und andere, und hat endlich 
eigens für diesen Zweck Säulenhallen errichtet, die natürlich auch ausser- 
halb der Spielzeit benutzt wurden. Vitruv wünscht sie hinter dem Bühnen- 
haus angelegt und mit Gartenanlagen verbunden, und diese Lage hatten 
mehrere. Daneben sind aber auch Portiken auf der Höhe des Zuschauer- 
ringes erbaut worden, deren Anlage nach Vitruv zugleich in Rücksicht auf 
die Akustik wünschenswert war. 

3. Allgemeine Schutzvorrichtungen gegen Sonnenstrahlen haben die 
Griechen in ihrer guten Zeit nicht gekannt. Sie kamen zu ihnen durch 
römischen Einfluss, und die Römer wiederum lernten sie bei den Kam- 
panern kennen. So berichtet wenigstens Valerius Maximus (2, 4, 6), nach 
dem ihre Einführung in Rom durch Q. Catulus ins Jahr 676/78 fällt. Es sind 
dies die sog. Vela, Segeltücher, die, an Masten befestigt, den Zuschauerraum 
überdeckten. Die Masten waren in durchlöcherte Steinplatten oder Kragsteine 
eingelassen, die an dem oberen Teil der Umfassungsmauer des Theaters 
angebracht waren und in Resten noch vorhanden sind (Pompeji, Orange). 
Masten wurden vielleicht auch im Theater selbst aufgestellt: es finden sich 
wenigstens Löcher im Umgang zu Syrakus, die dazu gedient haben könnten. 
Nicht lange darauf soll Pompejus zuerst Wasser ins Theater geleitet haben, 
wohl ohne Zweifel nach dem Vorbild anderer Städte (Segeste, Syrakus). 
Und in dieser Art von Vorkehrungen schritt man schnell fort, denn schon 
Lukrez und Horaz erwähnen Druckwerke, mittels deren wohlriechende 
Wässer gehoben wurden, um in Strahlen auf die. Zuschauer herabgelassen 
zu werden. Vgl. Fbiedländer 533 f. 

B. Ausstattungr der Räume. 

53. Im allgemeinen. 1. Die Theater wurden nebenbei benutzt zur 
Anbringung von Standbildern und Inschriften. Wenn Dichter und musi- 



240 B. Das Bühnenwesen der Griechen und BOmer. 

sehe Darsteller durch Setzung von Standbildern und Anbringung von Ehren- 
inschriften geehrt wurden, so wundem wir uns nicht, auch nicht, wenn 
die gleiche Ehre hervorragenden Bürgern, Staatsmännern und Feldherren, 
widerfuhr, denn es ist denkbar und zum Teil bezeugt, dass es geschah 
aus Rücksicht auf die Verdienste jener Männer um die dramatische Kunst. 
Wohl aber dürfen wir Anstoss nehmen und die eingetretene Geschmacks- 
rohheit beklagen, wenn in später Zeit in Athen Bauchrednern und ähn- 
lichen Leuten die gleiche Auszeichnung zu teil wurde (Athen. I 19 £, B). 

2. Diese Standbilder und Inschriften wurden vorzugsweise innerhalb 
des für die Zuschauer bestimmten Raumes aufgestellt, Inschriften wurden 
aber auch an den äussern Mauern angebracht. Der Raum der Darsteller 
war für derartige Aufstellungen seinem Zwecke nach minder geeignet und 
wurde auch vermutlich in der guten Zeit der Hellenen dazu nicht benutzt: 
dem Römertum blieb es vorbehalten die Bühnenhinterwand wie mit an- 
derem Schmuck so auch mit Statuen zu überladen, weil es für das Wesen 
des dramatischen Spieles ein Verständnis nicht besass oder bald wieder 
verlor (§ 39*). Ausser den für die jedesmalige Aufführurg nötigen Bild- 
säulen war keine andere zur Aufstellung geeignet als die des Gottes, dem 
die Spiele galten. So wurde in Athen das Bild des Dionysos abends vor 
der Aufführung unter Fackelschein von den Epheben aus dem Tempel 
geholt und in der Orchestra, jedenfalls in der Nähe des Altars (§ 54), auf- 
gestellt (CIA. II 470 f.). In Rom und auch wohl sonst, wo es keine dem 
Dionysos geweihten Festspiele gab, wurde ebenso passend auf der linken 
Seite der Bühne ein Altar der gefeierten Gottheit errichtet, dazu aber auf 
der rechten Seite noch ein Altar zu Ehren des Schutzgottes der dramati- 
schen Spiele, des Dionysos. Die Standbilder beider Gottheiten dürfen wir 
uns daneben aufgestellt denken; Donat (de com.j freilich erwähnt nur die 
Altäre. 

3. Wichtiger für uns als dies ist die übrige Ausstattung der Dar- 
stellerräume: Gerüste, Maschinen, Schmuck, Satzstücke und dgl. Um sie 
haben sich, wie es scheint, in Athen Aeschylos und nach ihm Sophokles 
verdient gemacht, in Rom als Ädilen C. Claudius Pulcher 655/99 und Lucius 
und Marcus Licinius Lucullus 675/79 (zu 3). Ihre Gestaltung war bedingt 
durch das Spiel im Freien und am Tage und durch das Fehlen eines Vor- 
hanges in griechischer Zeit (§ 56). In gewissen Fällen waren Maschinen 
nötig, um das Innere der Gebäude zu zeigen, vor denen die Handlung des 
Stückes sich abwickelte. Eine besondere Einrichtung verlangten die oberen 
Gestelle, da sie nicht mit einem oberen Boden der Bühne, sondern nur mit 
dem Bühnenhinterraum in Verbindung standen. Manches konnte überhaupt 
nicht oder doch nur andeutungsweise dargestellt werden. So besonders 
die Licht- und Witterungserscheinungen. Die Nachahmung von Blitz und 
Donner war jedenfalls mangelhaft; die Nacht deutete man anfangs gar 
nicht, später durch schwarze Vorhänge an (vgl. Muhl9); anderes, wie Hagel, 
Staub und dgl., sich vorzustellen überlies man wahrscheinlich immer der 
Phantasie der Zuschauer. An diese wurden auch in Bezug auf Zeit und 
Raum Ansprüche gemacht, solange kein Vorhang da war. Personen, die 
schon lange vor Beginn des Stückes als knieend, liegend oder gar schlafend 



4. Die äusseren Mittel der Darstellimg. (§ 53.) 241 

gedacht werden sollten, musste sich der Zuschauer so vorstellen, obwohl 
er sie kurz vorher erst die betreffende Stellung hatte einnehmen sehen. 
Die Umständlichkeit der Scenenverwandlung bei fehlendem Vorhang war 
der Anlass, dass der Zuschauer Häuser auf der Bühne neben einander dar- 
gestellt sah, die in Wirklichkeit von einander entfernt waren, ja dass er 
in Aristophanes Acharnern dasselbe Haus bald als auf dem Lande, bald 
als in der Stadt befindlich zu betrachten hatte. 

4. Die Offenheit der Bühne und die aus dieser hervorgehende Gleich- 
förmigkeit der Bühne und der Bühnenausstattung brachte es mit sich, dass 
die Teile der Bühne und der Bühnenausstattung je nach ihrer Lage eine 
bestimmte Bedeutung annahmen. Insbesondere gilt dies von den seitlichen 
Eingängen zur Bühne und zur Orchestra: die rechts vom Schauspieler 
liegenden bezeichneten die Landseite, die links liegenden die Stadt- und 
Seeseite. Dies ist so zu verstehen, dass man die von rechts her auf- 
tretenden Personen sich angekommen dachte auf Landwegen, die von links 
her aber aus der Stadt oder dem Hafen (zur See). Von der linken Seite 
traten auch die Meergötter auf, während die übrigen meist auf der Ma- 
schine (§ 57) erschienen. Augenscheinlich hat sich diese Typik in Athen 
entwickelt, denn im athenischen Theater war grossenteils rechts vom Schau- 
spieler das attische Landgebiet und der Zugang zu Lande aus der Fremde, 
links aber die Stadt und der Hafen. Über das Entstehen und den Vorgang 
dieser Typik erfahren wir nichts; doch da sie sich eigentlich von selbst er- 
gab, dürfen wir ihren Beginn ziemlich früh ansetzen, und da sie die nötige 
Orientierung für den weder mit dem Text noch mit einem Theaterzettel 
versehenen Zuschauer in ausserordentlich bequemer Weise bewerkstelligte, 
so wird sie so lange bestanden haben, als das griechische und römische 
Drama auf einer offenen Bühne gespielt wurde. 

Litteratur für §§ 53 bis 58: Wieselsb, Sommebbrodt, Schökborn, A. Müller, Rib- 
BBCK, Friedlakder s. § 6. Vgl. § 8. 10. Nie. Weckleik Philologus 31 '^ 439 ff. Bernh. 
Abhold Das altrömische Theatergebäude, Wttrzburg 1873. Joh. Mühl SymhoUie ad rem 
scaenicam Ächamensium Aviumque Äristophanis accuratius cogn., Aagsbarg 1879. — 
Zu 3: Gramer Anecd. Paris. I 19 ei fihv drj ndyra rig ^^<r/i;A^ ßovXetai rd negl xrjv axrjvtjy 
evQijfiata ngoayefÄeiv, ixxvxXijuat« xai itsqinxtovg xal fÄrjxaydgj i^ojargag te xal ngoaxijyia 
(Gerüst, Maschine) xai dtateyiag xal xegavyoffxoneta xai ßgovxBia xai ^eoXoyeia xai yegd-' 
vovg xrA. Vgl. Aeschylos und Sophokles Vitae. Valerius Max. 2, 4, 6 Claudius Fulcher 
scaenam t>arietate colorum adumbratnt vacuis ante pictura tabulis extentam (dies ist ohne 
Zweifel fibertrieben; nur Weiterbildung ist anzunehmen: vgl. Ribbeck Rom. Trag. 653). 
Fest. epit. p. 57 Claudiana tonürua appellahantuVf quia Claudius instituit, ut ludis post 
scaenam coiectus lapidum ita fieret, ut veri tonitrus similitudinem imitaretur . nam antea 
leves admodum et parvi sonitus fiebant, ctim clavi et lapides in lahrum aeneum coicerentur, 
Valerius Max. 2, 4, 6 {scaenam, nicht Periaktenj versatilem fecerunt Luculli. — Zu 4: 
Poliux 4, 126 nag' ixdtega dk xujy dvo &vg(oy ttav negi trjy fjiiorjy aXXai dvo eiey dy, fiia 
ixat^gto^ey — rtgog (ig al nsglaxioi avfjtnenijyaaiy — , jj fdey de^id (d. h. Thür: vgl. unten 
hidyst und Schönborn 71. Niejahr 1888 S. 4) xd e^to noXetog drjXovaa, ij d* ixign xd 
ix noXstog, fidXtaxa xd ix Xifi^yog, xai d^eovg xb ^aXaxxlovg indyei xai ndyS-' oca ina^^i- 
axsga oyxa ij fArixavrj (pigevy ddvyaxei. ei di inicxgatpetey al negiaxxoi, rj de^id uey dfjielßei 
xonoy, dfitpoxegai dk /cJ^«»' vnaXXdxxovciy. xtoy uiyxoi nagodtay rj fjiey de^id aygoS-ey rj 
ix Xtfjiiyog rj ix noXetag dyei ' ol di dXXa^o^ey ne^oi dcpvxyovfxeyoi xaxd xrjv etegay 
Bialaffiy. Vitruv 5, 6, 8 versurae procurrentes, quae efficiunt una a foro {ix noXetog)^ 
aifera a peregre aditus in scaenam. Bei Poliux ist mit Rohdb De J. PoUucis fontibus 61 
dygo^ey rj vor dXXaxo^ey zu stellen. Rechts und links ist für die Bühneneingänge gesagt 
vom Standpunkt des Schauspielers, für die Orchestraeingänge vom Standpunkt des Zu- 
schauers. Danach haben die seitlichen Bühneneingänge und die Orchestraeingänge di« 

Bftndbuch der Uaae. Aliertumswiflsenscbtft V. 3. Abtig. 16 



242 B. Das Bühnenwesen der Qiieohen und BOmer. 

gleiche Bedeutung: Ifo) noXeiog = dygo&ey 17 aXXaxo&By = a peregre; he noXetagy ix 
hfjiivog = ix X, 1] ix 71, = (Vitruv abgekürzt) a foro, 

54. Thymele. 1. Aus akustischen Gründen wurde im griechischen 
Theater die ursprünglich ungepflasterte, später gepflasterte Orchestra (§ 49) 
mit einem Brettergerüst überdeckt. Dies hätten wir auch dann anzunehmen, 
wenn es nicht überliefert wäre. Doch deutet darauf schon Aristoteles 
(Probl. 11, 25), und andere Nachrichten bezeugen ausdrücklich ein Gerüst 
in der Orchestra, das Thymele hiess und für die Aktion des Chores bestimmt 
war. Def Ausdruck Thymele kommt her von Opfern (&v€iv) und bedeutete 
m. E. die Opferstätte, und zwar entweder bloss den Altar, auf dem ge- 
opfert wurde, oder den Altar und den Platz um ihn oder vor ihm, der 
von den Sängern und Tänzern benutzt wurde. In der letzteren Bedeutung 
ist das Wort im ßühnenwesen verwendet worden. Es ist also die Thymele 
ein in der Orchestra aufgeschlagenes Gerüst mit einem Altar in der Mitte 
oder an der Seite; Orchestra ist nur ein anderer Name dafür. 

2. Man nimmt jetzt gewöhnlich an, dass das Gerüst viereckig war 
und den Platz zunächst der Bühne ungefähr bis zum Mittelpunkt des 
Orchestraraumes einnahm. Doch erheben sich dagegen gewichtige Be- 
denken. Die einzige Quelle, auf die man sich berufen kann, ist jung und 
sagt zudem nicht das aus, was man aus ihr herausliest. Die dionysische 
Thymele diente femer auch für lyrische Chöre (Pratinas bei Athen. XIV 
617 C. Ulpian Dem. Mid. p. 532); dass man aber zwei Gerüste an demselben 
Feste und an derselben Stelle aufgeschlagen habe, ist höchst unwahrschein- 
lich. Der gewichtigste Grund gegen jene Ansicht ist endlich der, dass 
kein rein griechisches Theater zu finden ist, dessen Orchestraraum auf 
einen Halbkreis beschränkt worden wäre, und doch wäre ein solcher Raum 
für ein dem dramatischen Chor dienendes viereckiges Gerüst nicht bloss 
genügend, sondern auch ausserordentlich praktisch gewesen, denn die Grup- 
pierung sämtlicher Darsteller um den Mittelpunkt der Gesamtanlage, der 
Schauspieler auf der Bühne und der Choreuten auf der Thymele, hätte 
ihr Spiel am besten wahrnehmbar gemacht (§ 43*)- Hiegegen wird wohl 
der Einwand nicht gemacht werden, dass sämtliche griechischen Theater 
zugleich auch für kyklische Aufführungen eingerichtet gewesen seien. Nach 
alledem halten wir dafür, dass die Thymele eine wenigstens nach dem 
Zuschauerringe zu kreisrunde Gestalt hatte, von einem Durchmesser, der 
wie in Epidauros um etwa ein Viertel kleiner war als der des ganzen 
Orchestraraumes oder des Urkreises. Ihre Höhe ist unbestimmbar, nur 
dass sie geringer war als die der Bühne, lässt sich aus den Dramen ab- 
nehmen, z. B. aus Aristophanes Wespen 1514, und noch besser aus der 
Treppe, welche nach einigen phlyakographischen Bildwerken von ihr auf 
die Bühne führte. 

WiESELBR Thymele; Edc. 203 ff. SoDstige Litteratur: A. Müller Bahn. 131 ff. 
Berl. Phil. Woch. 1887 Sp. 1008. — Zu 1: Isidor Or. 18,47 (wohl nach Varro!) thymelici, 
quod olim in orchestra stantes cantabant super pulpitum, quod thymele vocäbatur. Pollax 
4, 123 »vfAt'Xtj, £i>f ßijfÄit Ti oSffa €ir€ ßtofiog. Mehr Müller Bühn. 129. — Zu 2: Suidas 
und Et. M. unter ffxfjytj stelle ich so her: Ixrjin^ iaxiv tj ^iatj (hvga rov d-edigov, naga- 
axrjvva de t« Ip&bv xal ey&ey rrjg fAtffrjg d^tfQag ^/«Ax« xttyxeXXa, (oy tä iyjog xai xijg fjtiatjg 
&VQag fj oQxrjdTQay, tj i'ya acttpbavBQoy eXno} \axriyrj »;], fXBxd rrjy axriyrjy ev&vg xal td na^a- 
oxrjyitt y o^jifjyeyr^a. avrtj de iariy 6 ronog 6 ix ffayidtay l/wy tö eda^og, dtp ov ^ecrr^i- 



4. Die änaaeren Mittel der Darstellung. (§ 54—55.) 243 

^ovaiy ol fitfioi * l<rr^ fjieta xrjy ogj^ijatQay ßatfiog rov Jioyvaov, rexqdytovoy oixodofitjfitt 
xayoy inl rov fjiiaov, og {ö Et. M.) xaXeTxai d-vfieXtj nag« (ngog Et. M.) to Sveiy . ^er« dk 
Ttjy ^vfÄcXtjy ri xoylaxQa [oqxv^^^^^ rovtiaxi xo xdxo} idatpog xov &6dxgov. In spitzen 
Klammern steht, was nach Hermes 6^^ 490 Cod. Flor. Greg. Naz. mehr bietet; nur 17 ö^- 
XV^tga füge ich hinzu. Damit ist eine volle Ergänzung gewonnen und die jüngere Nomen- 
klatur (pQxij(fXQtt = Bühne) erwiesen, [axtjytj rj] und [oQxijtrxga] sind ursprünglich Rand- 
bemerkungen eines kundigen Lesers gewesen, die bei Suidas fehlen; im Et. M. steht 
trxrjyij 17 überflüssig und hat ogxv^^Q^ das Richtige verdrängt. Der ßtafjtog ist hier kein 
Idaffog (dies ist nur oqxv^'^Q^ und xoyiaxQo), sondern bloss ein Altar. Wer dieses Zeugnis 
zu Grunde legt, muss den Altar am Rande der Thymele ansetzen, nicht in der Mitte. 

55. Btthnenmaschinerie. Die wichtigste Maschine war das söge- 
nannte Ekkyklem. Dies war eine Art Wagen, eine über Rädern befestigte 
Platte (Schol. Ar. Ach. 408), welche dazu diente, das Innere der durch den 
Bühnenschmuck vorgestellten Behausung offenbar zu machen, indem sie 
aus der Thür auf die Bühne herausgedreht wurde {ixxvxXeXv^ alaxvxXeiv), 
Nach Pollux war ein Ekkyklem für jede der drei Hintergrundsthüren vor- 
handen. Seine Breite war natürlich durch die Breite der Thür bedingt; 
seine Tiefe oder Länge muss nicht ganz unbedeutend gewesen sein, wenn 
in Aeschylos Eumeniden der ganze Chor neben Orestes darauf Platz finden 
konnte; seine Höhe endlich durfte ein gewisses Mass nicht überschreiten, 
um das Herabsteigen der mit Kothurnen belasteten Spieler nicht allzusehr 
zu erschweren. Der Gewährsmann des Pollux nimmt mit anderen eine 
Exostra genannte Maschine als gleichbedeutend mit dem Ekkyklem an, 
einige (zu § 53^) dagegen nicht; eine Entscheidung ist nicht zu treffen. 

2. Zur Anbringung des seitlichen Bühnenschmuckes waren die soge- 
nannten Periakten bestimmt, je eine auf einer Seite. Die Periakte war 
ein dreiseitiges prismatisches Gestell, das auf einem Zapfen ruhte. Höhe 
und Breite sind unbekannt; auch ihr Stand ist nicht genau zu bestimmen. 
Wir wissen nur, dass die Periakten seitlich von den drei Hintergrunds- 
thüren angebracht waren. Nach Pollux (zu § 53^) scheinen sie im jüngeren 
griechischen Theater, denn nur dies hat fünf Thüren, nach den äusseren 
Thüren zu, der vierten und fünften in der Bühnenhinterwand, gestanden 
zu haben. In Epidauros, und ähnlich in dem älteren griechischen Theater, 
haben sie wohl ihren Platz auf den quadratischen Yorsprüngen an den 
Enden der Bühne gehabt, sodass die auf den Rampen aufsteigenden Dar- 
steller zwischen Bühnenhinterwand und Periakte hindurchgingen. 

3. Zur Aufnahme des hinteren Bühnenschmuckes wäre wohl die 
hölzerne Bühnenhinterwand, nicht aber die steinerne mit ihren hervor- 
springenden Säulen und Gebälkstücken geeignet gewesen. Es scheint, dass 
man ein hölzernes Gerüst hierfür benützte, das wie der Wandschmuck 
selbst Proskenion hiess. Eine Stelle wenigstens nennt eine Maschine so 
(zu § 53») und andere deuten auf ein Gerüst (Athen. XHI 587 B. Phot. Suid. 
NdvYiov), Der Abstand des Gerüstes von der Bühnenhinterwand ist unbe- 
stimmbar. Die Breite desselben ist mindestens dem Abstand der Periakten 
von einander gleichzusetzen, und seine Höhe wird einem Stockwerk der 
Bühnenhinterwand entsprochen haben, denn auf dem Gerüst war wahr- 
scheinlich das in den Dramen öfter erwähnte Dach angebracht, das Pollux 
mit Distegie bezeichnet. 

Im Theater zu Oropos findet sich auf der Hyposkenionsmauer (ßühnenvorderwand) 
folgende Inschrift: . . . (t\ytoyo^exrjaag t[o] nQoaxijyioy xai rovg niy[ttxag ... Es ist 

IG* 



244 B. Das Btthnenwesen der Griechen und BOmar. 

schon am Schlnss von § 50 darauf hingewiesen, dass eine Nötigung das Wort nqoaxtjy^ov 
auf die Hyposkenionsmauer zu beziehen nicht vorliegt. Wenn wir die gleich darauf er- 
wähnten nivaxeg in Rücksicht ziehen, so dürfen wir bei nqocxi^viov an eine Bedeutung 
denken, die ähnlich der oben festgestellten ist: die nlvaxBg nämlich werden nur einmal 
erwähnt (Pollux 4, 131 xtnaßXijfiara Si rcpuafAtna rj niyax€g ijaay l/ovre; yqatpdg jß 
XQ^itf Ttoy ^Qafjtdxaty 7rQocq>6Qovg)y sie dienen zum Schmuck der Bühne, nicht der Hypo- 
skenionsmauer; eine andere Bedeutung aber in der Inschrift von Oropos anzunehmen, er- 
scheint uns unstatthaft. 

66. Bühnenschmuck, Vorhang. 1. Die Skenographie oder die 
malerische Ausschmückung der Bühne ist in der äschyleisch-sophokleischen 
Zeit aufgekommen. Nach Anstoteles (Poet. 4) war es Sophokles, der den 
Anstoss hierzu gab, nach Vitruv (VII praef.) und der Vita aber war es 
Aeschylos. Für den letzteren hat Agatharchos gemalt, der auch eine An- 
leitung hierzu {commentanus) hinterliess, wie ähnlich später Demokritos und 
Anaxagoras. Es wäre verfehlt anzunehmen, dass erst mit der Einführung 
der Skenographie die Bühne ihren Schmuck erhielt, denn der Sprung von 
der nackten Bühnenhinterwand zur Prospektmalerei wäre zu gross. Wenn 
Pollux noch für die spätere Zeit neben gemalten Tafeln {nivaxeg^ vgl. tahu- 
lata) Webereien (tJyac^ara) als Schmuck erwähnt und wenn wir sonst 
{Anont/m, de com.) von anderen Vorhängen hören, so dürfen wir getrost für 
die ältesten Stücke des Aeschylos, in denen ein Wandschmuck nicht oder 
nicht bestimmt genug erwähnt wird (Perser), wie überhaupt für die Auf- 
führungen unmittelbar vor Erfindung der Skenographie Anwendung von 
gewebten Vorhängen voraussetzen. 

2. Die Ausschmückung des Hintergrundes war natürlich an die 
Gestalt der festen Bühnenhinterwand gebunden: die Thüren konnten zwar, 
wo es nötig war, verdeckt, aber weder vermehrt noch verlegt werden. Die 
Schmuckthüren waren also immer den festen Thüren entsprechend. In der 
Regel zeigte auch die geschmückte Bühne drei Thüren im Hintergrund. 
Dies folgt aus der typischen Bedeutung, welche *diese Thüren nach dem 
Bericht Vitruvs und dem etwas unklaren des Pollux hatten. Jede stellte 
den Eingang zu einem Hause, d. h. dieses selbst dar. Durch entsprechen- 
den Schmuck wurde die Mittel- oder Hauptthür {mediae valvae) oft kennt- 
lich gemacht als Eönigspalast in der Tragödie, als Privathaus in der 
Komödie und als Höhle im Satyrspiel. Die Nebenthüren waren, wenn sie 
gebraucht wurden, durch entsprechend ähnlichen Schmuck umgestaltet in 
Nebenhäuser. Nach Pollux bedeutete in der Tragödie die für den Schau- 
spieler rechts liegende Thür die Gastwohnung {^evoiv), die linke die Be- 
hausung der Sklaven (««^xri^, ergasiulum). Für den Scenenwechsel waren 
bestimmte Vorkehrungen getroffen, ob schon im fünften Jahrhundert, bleibt 
dabei fraglich. Nach Varro (zu 2) gab es einen drehbaren (scaena ver- 
silis) und einen verschiebbaren {scaena ductilis) Schmuck der Bühnenhinter- 
wand. Der erstere, wohl zu unterscheiden von den Periakten, scheint aus 
Tafeln bestanden zu haben, die, auf der Vorder- und Rückseite bemalt, 
nach Bedürfnis künstlich {machinis quibusdam) gedreht wurden. Der andere 
Schmuck bestand aus übereinander gelegten Tafeln, von denen die vorderen 
nach links und rechts weggezogen werden konnten, um die dahinter stehen- 
den sichtbar werden zu lassen. 

3. Während d e Schmückung des Hintergrundes in der Hauptsache 



4. Die änaseren Mittel der Darstellung. (§ 56.) 245 

dazu diente, die Behausungen der im Drama vorgeführten Personen anzu- 
deuten, benutzte man die Periakten zur Anbringung des Seitenschmuckes, 
durch den die Lage des Ortes der im Stück vor sich gehenden Handlung 
kenntlich gemacht wurde (zu § 53*). Auf den drei Seiten der rechten 
Periakte wurden die Tafeln oder Vorhänge angebracht, welche eine Gegend 
(Xf^ga) darstellten, auf denen der linken solche, die eine bestimmte Örtlich- 
keit {TOTTog) in der auf der rechten Periakte bezeichneten Gegend angaben. 
Die Scenenänderung war somit höchst einfach. Blieb die Gegend im Ver- 
laufe der Handlung dieselbe, änderte sich aber die Örtlichkeit, so wurde 
die linke Periakte allein gedreht und zeigte dann, wie im Ajas des So- 
phokles, auf einer anderen Seite eine andere Örtlichkeit. Verrückte sich 
aber die Handlung in eine andere Gegend, so musste natürlich die rechte 
Periakte gedreht werden und mit ihr die linke, wie wir es in den Eume- 
niden des Aeschylos anzunehmen haben. Man hat den Gebrauch der 
Periakten im fünften Jahrhundert mit Unrecht geleugnet. Die Einfachheit 
der ganzen Einrichtung und ihre Notwendigkeit in einer Zeit, die keine 
Theaterzettel kannte, lässt auf frühe Einführung schliessen. Die erhaltenen 
Dramen widersprechen diesem Schluss durchaus nicht, und die Überlieferung 
(zu § 53 ^) weist die Erfindung der Periakten in die äschyleisch-sophokleische 
Zeit. Viel eher darf man ihre Verwendung in Rom bezweifeln. Nur 
Vitruv, sonst kein Römer, spricht von ihnen ; aber er erwähnt zugleich den 
Bühnenschmuck des Satyrspieles, sodass bei ihm eine Vermengung grie- 
chischer und römischer Bühnen Verhältnisse wohl denkbar ist. Dazu kommt, 
dass die römische mit Zwischenvorhängen versehene Bühne einer solchen 
Einrichtung leichter entbehren konnte als die immer ofifene griechische. 

4. Satzstücke vervollständigten den Bühnenschmuck. Natürlich 
konnten nur solche gebraucht werden, welche der Bühne als einem freien, 
meist vor Gebäuden liegenden Platze entsprachen. So werden in den er- 
haltenen Tragödien besonders oft Altäre und Standbilder von Göttern als 
auf der Bühne befindlich erwähnt, femer Grabdenkmäler, Erdsitze u. dgl. 
und in der Komödie mancherlei Hausrat. Dagegen waren die Warte, die 
Mauer, der Turm, das Phryktorion, welche Pollux anführt, schwerlich Satz- 
stücke; sie standen vielmehr, wie es scheint, ähnlich wie die Distegie, in 
irgendwelcher Weise mit dem für den Schmuck des Hintergrundes be- 
stimmten Rahmenwerke in Verbindung (§ 55 ^). Ein Mittelding zwischen 
Satzstück und Maschine war in Rom das in später Zeit öfter erwähnte 
Pegma, das zu künstlichen Verwandlungen diente. Es war ein Gerüst in 
Gestalt eines Hauses, das zusammensinken konnte. Allerdings wird es 
vorzugsweise im Amphitheater zur Anwendung gekommen sein, doch muss 
es etwas diesem Ahnliches auch im Theater gegeben haben, denn nach 
Sueton (Nero 11) kam in einem Lustspiel ein brennendes Haus vor, das zu 
plündern der Kaiser Nero den Schauspielern gestattete. 

5. Einen Vorhang hat das ältere griechische Theater nicht gehabt. 
Als Beweis genügt hierfür vollständig die nach drei Seiten hin offene Bühne. 
Auch im jüngeren griechischen Theater wird er gefehlt haben, wenigstens 
solange als die Thymele vom Chor benutzt wurde, denn einzig und allein 
passend war er da, wo durch ihn der gesamte Darstellerraum, wozu im 



246 ^' ^^^ Bühnenwesen der Griechen und BOmer. 

griechischen Theater die Orchestra, bzw. Thymele gehörte, vom Zuschauer- 
raum abgetrennt werden konnte. Eine Stelle, die mit Sicherheit auf den 
Vorhang in unserem Sinne bezogen werden könnte, ist nicht zu finden 
(A. Müller Bühn. 168^). Das römische Theater dagegen besass einen Vor- 
hang {aulaea), der bei Beginn des Stückes in das Hyposkenion hinabgelassen 
und nach Schluss desselben wieder in die Höhe gezogen wurde (Ovid. Met. 
3,111. Verg. G. 3,24). Die Vertiefung, in die er verschwand, ist in man- 
chen Theatern noch zu erkennen, z. B. in Pompeji (Overbeck-Maü Pom- 
peji* Fig. 91). Nach Donat (de com.) gebrauchte man in den Zwischen- 
akten, wie auch beim Mimus (§ 31 ^), einen besonderen Vorhang, Zwischen- 
vorhang (siparium). Dieser teilte sich wie Penstergardinen in der Mitte 
und wurde nach beiden Seiten auseinander gezogen. Er war, wie es 
scheint, eine Verbesserung desjenigen, der aus der attalischen Erbschaft 
621/133 nach Rom gelangte. Gewöhnlich nimmt man allerdings an, dass 
der letztere der Hauptvorhang war, dass es also vor jenem Jahre in Rom 
keinen Vorhang gegeben habe; doch ist diese Annahme nicht zwingend. 

Za 2: Servius ad Verg. Georg. 3, 24 scaena autem qucie fiebat aut versüü erat 
aut ductilis . versilis tum erat, cum subito tota machinis qutbusdam vertebatur et aliam 
picturae fadem ostendebat, ductilis tum, cum tractis tabulatis hac atque iUac species 
picturae nudabatur interior . unde perite utrumque tetigit dicens : rersis discedat fron- 
tibus, singula singulis complectens sermonibus, quod Varro et Suetonius commemorant, 
— Zu 5: Donat de com. p. 12R. auJaea quoque in scaena intexta stemuntur, quod pictus 
ornatus ex Attalica regia Itomam usque perlatus est . pro quibus siparia aetas posterior 
accepit: est autem minutum velum, quod populo obsistit, dum fabularum actus commutantur, 

57. Obermaschinerie. 1. Über den drei Thüren des Hintergrundes 
der Bühne scheinen drei Maueröifnungen vorhanden gewesen zu sein. So 
ist aus den Nachrichten der Alten zu vermuten (zu 1), und die Theater- 
Überreste widersprechen nicht, denn sie haben solche Offnungen, wenn auch 
nicht genau über den Thüren. Das Theater von Aspendos scheint hiefür 
entscheidend zu sein; das zu Orange enthält grössere Abweichungen, wie 
Tafel I zeigt. Diese Maueröffnungen waren nötig, um die oberen Maschinen 
von hinten her vorzuschieben. Von den beiden oben seitlich über den 
Nebenthüren sichtbar werdenden Maschinen (zu 1) war die linke die 
vorzugsweise so genannte Maschine (iirixccvtj, machina), auf welcher mit 
Ausnahme der Meergötter (§ 53**) Götter und Heroen der Luft {rovq iv 
oäQi) erschienen, um die verwickelte Handlung durch einen Machtspruch 
zu lösen {d^eog ano iiirjxcevrj(;, dem ex machina). Nach PoUux wurde in der 
Komödie an dieser Stelle eine anders als in der Tragödie gestaltete Ma- 
schine angewendet, die, nach dem Namen zu schliessen {xQairj)^ eine Kari- 
katur der tragischen gewesen zu sein scheint (Wecklein 451). Mit dem- 
selben Namen wurde jedoch, vielleicht erst in später Zeit, ein Haken be- 
zeichnet, mittels dessen in der Tragödie Personen gehoben wurden. Jene 
Maschine muss einige Ähnlichkeit mit dem Ekkyklem gehabt haben; sie 
war also wohl wie dieses eine Art Wagen zum Vorrollen (vgl. Eur. Ion 
1569). Sie hing an Tauen {altßqai), deren Befestigung unbekannt ist, und 
hatte wohl daher noch den Namen Aiorema. Mittels dieser Taue konnte 
sie auf die Bühne herabgelassen und von dort wieder hinaufgezogen werden. 
Es ist natürlich, dass eine solche Maschine nicht zu sehr belastet werden 



4. Die äaMereu Mittel der Darstelliixig. (§ 57.) 247 

durfte, und deshalb kam das, was zu schwer für sie war, von der linken 
Seite auf die Bühne (zu 53^). 

2. Die Beschaffenheit und die Bedeutung der über der rechten 
Nebenthür schwebenden Maschine werden nicht angegeben (zu 1); aber 
wir dürfen eine gewisse Ähnlichkeit mit der erstgenannten voraussetzen. 
Es liegt die Vermutung nahe, dass sie mit dem sog. Stropheion ein 
und dasselbe war. Dieses aber diente nach Pollux, wohl im Gegensatz zu 
den Luftheroen der linken Maschine, den gottgewordenen Heroen und denen, 
welche zur See oder im Krieg ihr Leben eingebüsst hatten. Pollux dunkle 
Worte erhielten etwas Licht, wenn man das Stropheion als dieselbe Ma- 
schine ansehen dürfte wie den Kran {y^Qocvog), der zum Emporheben von 
Leichnamen bestimmt war. 

3. Gleich wenig bekannt ist die Einrichtung über der Mittelthür. 
Sie wird als Götterbühne oder Theologeion bezeichnet. Zum Herablassen 
war sie schwerlich bestimmt; sie scheint vielmehr nur ein oberes Ekkyklem 
gewesen zu sein, welches beim Herausschieben die im Himmel versammelten 
Götter zeigte (vgl. Sommerbrodt 155 f.). Vielleicht hatte sie eine halb- 
runde Gestalt und dann von dieser einen zweiten Namen: Hemikyklion. 
War das nicht der Fall, so bleibt die Bedeutung des letzteren dunkel, 
ebenso wie die des Hemistrophion, denn aus Pollux Worten ist lüar- 
heit nicht zu gewinnen. 

4. Für Blitz und Donner waren besondere Maschinen vorhanden 
{x€Qavro(Xxo7t€Tov und ßQovreTov), Die erstere wird bezeichnet als eine hoch- 
gestellte Periakte (tt. viprjXrj)^ gab also wohl den Blitz nur malerisch an; 
die letztere war nicht immer die gleiche: die Hauptsache war dabei eine 
metallene Tafel oder ein ehernes Gefass, das im Bühnenhinterhause {vno 
%ry (Txryvijr, post scaenam), und zwar vermutlich in einem oberen Stock des- 
selben aufgestellt war. Die gewünschten Töne wurden durch Steine hervor- 
gerufen, die daran geschlagen oder hineingeworfen wurden. Eine Ver- 
besserung der Donnermaschine bewerkstelligte in Rom Claudius Pulcher 
(zu 533). 

Zu 1 : Scbol. Luc. Philops. 7 avto^ey vnig tag nag* ixdxega t^g fJLiarjq tov ^eaTQov ^'gag 
— avtai (fl ngog tfjy evS^eiay tov ^etirgov nXergay avst^ysaay, ov xal 17 axtjyrj ital x6 TJQoaxij- 
viov i(ni — fitjxtxyajy dvo fteretoQt^oueyuiy rj i^ dgiateQtSy &eot^g xal rJQtoag iyegxiyiie 
nagev&v, uianBQ Xvtriy cpigoytag x(ov tturixdytay xal tovtov nuQadfjXovfiiyoVy tag ov XQij 
äniarsTy rotg igtafjiiyoig, irtBl ^eog nageffti X(o e^yto, ^ ftrjdiy ddvyaroy ixteXeiy, Die 
zweite fATjxavrj wird nicht weiter erwähnt, auch von Pollux nicht Dieser sagt von der 
linken 4, 128: ij fjitjxayij d^ ^eovg deixyvtn xai ^gaig rovg iy digv, BMeqotpoytag n JIco- 
aiag, xal xetrai xatd rrjy dgifftegay ndgodoy, im^g ttjy ffxrjytjy to v%pog . d i(niy 
iy rgaytodltf fÄtj^cyi], tovto iy xtufjuaditf xgddrj. {xQadtj gleich Haken: Hesych xgddtj und 
Plut. Prov. 116). Luc. Philops. 29 ^eoy dno fArjyayijg ineurxvxXtj&ijyai fioi. Bskkeb Anecd. 
208 (firixttyiq) ixxvxXtjfjLaxog ti sldog. Suidas Itomjina • 6 BeXXego<p6yrtjg , . . uetitogog di 
tttgerat. inl urjxayijg . rovxo di xaXeTrai itoQTjfia . iy avrß di xarrjyoy rovg d'eovg xal rovg 
iy digt TtoXovytag. Vgl. Pollux 4, 131. — Zu 2: Pollux 4, 132 uiffneg xal ro atgotpstoy, 
o Tovg TjQüjg EXBi> Tovg eig to d-eroy fxed^eattjxotag i} tovg iy nBXdyBi rj noXiuta teXevtdStrrag, 
4, 180 ij d^ yigayog fitjxdyfjfid ti iatty ix fxetetoQov xatatpegofAeyoy, ig)' agnayp atifiatog, 
(0 xc/9>;T«e rj 'TJtog dgnd^ovoa to adSfAa tov Mifxyoyog, — Zu 3 : Pollux 4, 130 dno dh tov 
^soXoyeiov oytog vnig ttjy axrjyrjy iy ii^ei iuLfpaiyoytai &eoi, tag 6 Zevg xal ol negl 
avtoy iy ^'vxootaci(f. Man beachte hierbei die Worte vnig tfjy axrjyrjy iy vt/;et; ver- 
glichen mit den zu 1 angeführten xatd trjy dQiategdy ndgodoy vjtig trjy axrjyrjv to iiipog, 
lehren sie, dass das ^eoXoyeioy in der Mitte war, nicht xtctd ndqodov. Vgl. die Abb. 1832 
in Baumeisters Denkmälern. 



248 B. Das Bühnenwesen der Chrieohen und BOmer« 

58. üntermaschinerie. 1 . Über diese kann man nur Vermutungen 
aussprechen, da PoIIux, wie oft, unklar ist. Uns dünkt Folgendes am 
wahrscheinlichsten. Es gab zwei Treppen und zwei Versenkungen, durch 
welche die Bühne mit dem darunter liegenden Hyposkenion in Verbindung 
stand; sie dienten vorzugsweise dazu, Personen von unten aufisteigen oder 
nach unt6n verschwinden zu lassen. Die Treppen scheinen nach den 
Enden der. Bühne oder Bühnenmitte zu gelegen zu haben. Ihre Richtung 
entsprach jener der Treppen im Zuschauerring, d. h. sie waren nach dem 
Mittelpunkt des Orchestraraumes gerichtet. Sowohl die rechte wie die 
linke (oder bloss die rechte) hiess die charonische Stiege {at x^^riM 
xXifiaxeg). Wohl auf der rechten erschienen die Geister der Abgeschiedenen, 
wie z. B. der des Dareios in Aeschylos Persern, während die linke den 
irgendwie mit der Unterwelt in Verbindung stehenden Gottheiten, wie den 
Erinyen, diente. Auf die letztere Vermutung führen uns die früher be- 
sprocheneu Nachrichten, nach welchen die oberen Götter und die Luft- 
heroen oft von links oben auftraten (§ 57 ^), die Meergötter dagegen von 
der linken Seite (§53*). Die Versenkungen {ävaniäafiiata) lagen, wie 
es scheint, in der Nähe der Treppen. Nur von der einen erfahren wir, 
dass sie für Flussgötter und ähnliche Personen bestimmt war. Die Ver- 
senkung, mittels welcher Prometheus verschwand, war wohl die links 
gelegene. 

2. Da die römische Bühnenausstattung sich im allgemeinen ganz an 
die griechische angeschlossen hat, so ist die Nachricht sehr auffallend, dass 
in Rom eine Vorrichtung zum Erscheinen von Geistern ganz vorn an der 
Bühne, da, wo der Vorhang in den Unterraum hinabgelassen wurde (§ 56^), 
sich befunden habe. Es dürfte daher geraten sein jene Nachricht mit 
Vorsicht aufzunehmen, und dies um so mehr, als das eine Wort, auf das 
es ankommt, nicht unverletzt überliefert ist. 

Litteratur bei A. Müller Philol. 23" 335 f.; 35'« 304; Bühn. 149 f. — Zu 1: PoUux 
4, 132 tcl di jifa^ctfVtot xXifiaxeSy xatd t«^ ix ttSy idtoXitay xa&odovg XH/ievai, ta Btdtala 
an' ttvrüiy äyaneftnovffiy * r« dk dyaniiafjiaxa, ro fjiiy iatty iy tj axrjyf (nicht zu urgieren), 
cJff TtorafAoy ay^XS-eiv rj roiovroy xt TiQoffionoy, t6 di negl rovg dyaßa&fAOvg (linke Treppe), 
d(p (oy dvißaivoy 'Egiyveg, Hier heisst xard gegenüber, entsprechend (Schnbidbb Att 
Theater Anm. 124) wie 4, 131 (ijfÄixvxXioy) xard zrjy o^jjfiycrrocty. Vgl. zu § 57*, wo vnho 
tag . . . &vqag = xatd xrjy uQiaxBQdy ndgodoy, — Zu 2: Schol. Bob. in Cic. Sest. 59, 126 
ut Folydori umhra aecundum consuetudinem scaenicorum ab inferiore aukiei 
{aulae die Hands.) parte procedat Vgl. Abnold 18. Ribbbok 655. Fbieolandbb 548. 

C. Ausstattung: der Darsteller. 

59. Im allgemeinen. 1. Die Ausstattung der Darsteller war ver- 
schieden nach den verschiedenen Arten, in die das Drama zerfiel: nach 
Tragödie, Satyrspiel und Komödie mit ihren Unterarten. Ein wesentlicher 
Unterschied zwischen der römischen Tragödie und Komödie und der spä- 
teren griechischen scheint nicht vorhanden gewesen zu sein, sodass eine 
getrennte Besprechung nicht erforderlich ist. Auf einzelne Unterarten des 
Dramas: Phlyakographie, Atellane, Mimus, Pantomimus, kann hier nicht 
eingegangen werden; das Notwendigste davon ist bereits kurz angedeutet 
in § 31 (vgl. § 64). Trotz der Verschiedenheit hat die Ausstattung viel 
Gemeinsames und steht in grossem Gegensatz zu der des neueren Dramas. 



4. Die &ii88eren Mittel der Darstellimg. (§ 58-59.) 249 

Für die eigentümliche Gestaltung der Ausstattung waren wesentlich die 
Entwicklung des Dramas aus der dionysischen Festfeier, das Spiel im Freien 
und vor einer sehr zahlreichen Zuschauerschaft und schliesslich Sitte und 
Gewohnheit. 

2. Dass die Phallophoren, aus deren Gesängen die Komödie entstanden 
ist, von allem Anfang an vermummt waren, ist ja wohl leicht begreiflich 
und ebenso, dass diejenigen es waren, welche den Gott und sein Gefolge 
darstellten und aus deren Gesängen in uns unbekannter Weise die Tra- 
gödie und das Satyrspiel erwachsen sind. Religiöse Scheu war es, die es 
verhinderte, dass die hergebrachte Yermummung bei der Umgestaltung 
des ernsten Dithyrambos und der Schwanke der Phallophoren in Tragödie 
und Komödie abgeschafft wurden. Aber wie die Vermummung so wurde 
auch die Tracht im allgemeinen, in der Komödie wenigstens anfänglich, 
beibehalten. Man verwendete also in der Tragödie die langen bunten Chi- 
tonen, welche der dithyrambische Chor, wie vor dem peloponnesischen 
Kriege die Athener, getragen haben wird, und in der Komödie die bis 
dahin üblichen Verkleidungsstücke der Phallophoren. Selbstverständlich kam 
hinzu, was die Weiterentwicklung des Dramas mit sich brachte, d. h. ver- 
schiedene Tracht für Männer und Frauen und in der Komödie ausserdem 
Annäheiimg an die Volkstracht. 

3. Das Spiel im Freien und vor einer grossen Zuschauermenge war 
zugleich mit massgebend für die Ausstattung der Personen. Auf das 
Mienenspiel musste von Anfang an verzichtet werden: es wäre ja für die 
ferner sitzenden oder stehenden Zuschauer nicht wahrnehmbar gewesen. 
Deshalb war der religiöse Zwang des Gebrauches der Masken nicht im 
Widerspruch mit den praktischen Bedürfnissen, ein Grund mehr zu ihrer 
Beibehaltung. Es kam aber noch ein anderer, wenn auch weniger wesent- 
licher Grund hinzu, ein akustischer: die feste und festgeschlossene, nur 
mit einer Schallöffnung versehene Maske machte die Stimme klangvoller 
und deshalb auch vernehmlicher (Gellius 5, 7). Wer daher mit Lukian, 
der auch die Kleidung verspottet, den Gebrauch der Masken, in der früheren 
Zeit wenigstens, lächerlich findet, beweist nur, dass er nicht imstande ist 
wissenschaftlich zu urteilen. Die weite Entfernung eines grossen Teiles 
der Zuschauerschaft von der Bühne machte ferner eine künstliche Ver- 
grösserung der Darsteller wünschenswert. Sie trat allerdings vorzugs- 
weise nur in der Tragödie ein, weil die Komödie und zum Teil auch das 
Satyrspiel eine lebhaftere Aktion verlangte, bei welcher jene Vergrösserungs- 
mittel nur hinderlich gewesen wären. Eine besondere Rücksicht auf die 
in der Handlung des Stückes auftretenden Personen ist dabei schwerlich 
genommen worden, denn die Vergrösserung fand statt wie bei Göttern und 
Heroen so auch bei Dienern; bei den letzteren freilich nicht immer. Die 
Verlängerung geschah durch hohes Schuhwerk (§ 61) und durch den Onkos, 
einen Haaraufsatz auf der Maske (§ 60^), die Verbreiterung aber durch 
Anbringung künstlicher Körperteile (Poll. acoficcriov?) unter der Kleidung: 
eines künstlichen Bauches (nqoyaatq(diov) und einer künstlichen Brust 

{7tQ0(fT€QVlil OV), 

4. Sitte und Gewohnheit kam als dritter Grund hinzu. Als die reli- 



250 ^* ^CM Bühnenwesen der Griechen und Römer. 

giöse Bedeutung schwand, hätte man, zwar nicht die Gewandung — das 
wäre unpraktisch gewesen — , wohl aber die Masken abschaffen dürfen. 
Aber allerdings hätte man dann auch für eine Vermehrung der Schauspieler 
sorgen müssen, weil es nach griechischem Geschmack unangänglich ge- 
wesen wäre, dass derselbe Spieler ohne Maske mehrere Hauptrollen, männ- 
liche wie weibliche, spielte. Eine unausbleibliche Folge wäre es dann 
weiter gewesen, dass man auch Frauen zum Spielen herangezogen hätte. 
Aber gerade die Voraussicht dieser Folge hielt von der Abschaffung der 
Masken ab: die Stellung der Frauen blieb ja, trotz mancherlei Erleich- 
terungen, immer eine gedrückte und ihre physische Kraft war immer gleich 
unzulänglich für ein gi*osses Theater. Also auch noch in späterer Zeit 
hatte man gute Gründe für die Beibehaltung der Masken, sodass Lukians 
Spott nicht einmal für diese Zeit gerechtfertigt ist. 

5. Gegen diese Folgerungen spricht nicht die späte Einführung der 
Masken für die gewerbsmässigen Schauspieler in Rom, denn sie beweist 
nur die römische Barbarei. Weil nämlich die jungen römischen Bürger in 
der Atellane in Masken aufzutreten pflegten, wurde dieses den verachteten, 
weil um Lohn dienenden wirklichen Schauspielern untersagt (Festus p. 217); 
sie mussten sich kümmerlich mit Haaraufsätzen {gaUri, galeariä) und mit 
Bemalung des Gesichtes behelfen. Also bloss um eines kindischen Vor- 
rechtes willen zwang man die Spieler sich des Gebrauches der stimmver- 
stärkenden Masken zu begeben und ertrug man das Unschöne der Dar- 
stellung von Frauenrollen durch Männer ohne Masken. Bezeichnend und 
die Richtigkeit unserer Auffassung beweisend ist die Unzufriedenheit, 
welche jene Vorschrift bei den gewerbsmässigen Darstellern hervorrief. Es 
waren nämlich Schauspieldirektoren, welche endlich, allerdings erst in der 
Zeit nach Terenz, die Einführung der Masken durchsetzten: Minucius Pro- 
thymus für die Tragödie und Cincius Faliscus für die Komödie. So be- 
richtet Donat. Dass den Herren vom Senat und vom Ritterstand die 
Neuerung nicht recht gefiel, wie Cicero meldet, ist ja wohl begreiflich: 
sie mochten das Mienenspiel nicht missen, an das sie sich gewöhnt, das 
aber die fern sitzenden Bürger zu verfolgen ausser stände waren. Wenn 
in später Zeit gestattet war, dass Frauen auf der römischen Bühne auf- 
traten (§ 38^), so war das eine neue Barbarei, denn man duldete offenbar 
eine Überanstrengung der Kräfte. Abschaffen Hessen sich die Masken nur 
in bedeckten Theatern, also in solchen, die für eine kleinere Zuschauer- 
menge berechnet waren. Ihre Einrichtung hätte aber eine Umgestaltung 
der gesamten Organisation zur Folge haben müssen. Da dies nicht anging 
oder nicht gewünscht wurde, hätte man auch bei bedeckten Theatern mit 
der Abschaffung der Masken nichts erreicht als eine Halbheit. 

Litteratur zu §§ 59—65: Wieseleb, Sommerbrom', Müller, Fbiedlandeb, Ribbbck 
8. § 6. Vgl. § 13; ferner Herm. Dierks De tragicorum histrionum habitu scaenico apud 
Graecos, Gott. Diss. 1883 (dazu A. Müller Philol. Anzeiger 15, 139); Ober das Kostdm 
der griechischen Schauspieler in der alten Komödie, Arch. Zeitung 43** 31 ff. — Zu 5: 
Donat de com. p. 10, 1 R. j)ersonati primi egisse dicuntur comoediam CmctW Falisctis, 
tragoediam Minucius Prothymus, Dagegen Diomedes p. 489 K. personia vero uii primus 
coejiit Roscius Gallus, praecipuus histrio, quod oculis perversis erat nee satis decorus sine 
personis nisi parasitus pronuntiahat. Cicero de or. 3, 59, 221 (nostri veteres) personatum 
ne Boscium quidem laudahant. Den Widerspruch hebt Ribbsck Rom. Trag. 661. Anders 



4. Die änsseren Mittel der Daretellimg. (§ 60.) 251 

erklftrt Fbiedländsb 546 mit Hoffsb de peraonarum U9u in Terentn comoediis, Halle 
1877, 11 ff. 

60. Masken. 1. Die Masken {nqianDna^ nQoaiöneia^ personae) wurden 
nicht bloss von den eigentlichen Schauspielern, sondern auch von den Sta- 
tisten und Choreuten getragen; von dem Musiker aber wohl nur aus- 
nahmsweise, wie z. B. in Aristophanes Vögeln 861. Sie waren keine blossen 
Gesichtsmasken, sondern helmartig, mit Haaren bedeckt. Gefertigt wurden 
sie aus gegipster Leinwand oder aus Holz. Dass sie schwer waren, be- 
weisen die Filzkappen, welche man zur Schonung der Kopfhaut unterlegte 
(ülpian Dem. de f. 1. p. 421). Sie hatten eine weite Mundöffnung und zwei 
kleinere für die Augen. Auf dem vorderen Teil des Scheitels befand sich 
bei gewissen Masken ein dreieckiger Aufsatz oder Onkos, über den hinweg, 
ihn verdeckend, das Haar ging. Siehe Tafel III. Wie ein Visier wurden 
sie über den Kopf gezogen und unter dem Kinn mit Bändern befestigt. 
Ein Henkel zum Tragen oder Aufhängen war oberhalb angebracht. £s 
gab auch Halbmasken (Wieseler Denkm. V 53); indessen ist ihre Verwen- 
dung auf der Bühne zu bezweifeln. 

2. Die Herstellung der Masken war Sache des Maskenmachers {axevo- 
noiog, nQotrwTtonoiog), dessen Bedeutung für eine Bühne, die auf ein Mienen- 
spiel verzichtete, nicht gering gewesen sein kann. Anstoteles weist auch 
in der Poetik 6 auf diese Bedeutung hin. Doch war es natürlich, dass 
im Anfange und noch in der ersten Zeit der Choregie dem Dichter die 
Direktive zustand, und so lesen wir auch bei Suidas von Weiterbildungen 
der Masken auf Veranlassung der Dichter. Zwar was von Thespis be- 
richtet wird, ist nur Vermutung; wenn aber dem Choirilos ein ungenanntes 
Verdienst, dem Phrynichos die Einführung der Frauenmasken und dem 
Aeschylos die Bemalung zugeschrieben wird, so ist das nicht unglaublich. 
Nur dürfen wir die Neueinrichtungen nicht als plötzlich entstandene an- 
sehen, denn auch Phrynichos wird gewiss durch weisse Färbung der Frauen- 
masken diese von den Männermasken unterschieden haben. Auch andere 
Dichter und später auch Schauspieler mögen sich um die Weiterbildung 
der Masken bemüht haben, doch ist das wenige, was mitgeteilt wird, nicht 
glaubwürdig (Lit. Müller Bühn. 272»). 

3. Als das griechische Drama zu typischen Rollen gelangte^ entstanden 
natürlich sich gleichbleibende Masken oder Charaktermasken {nQwsvana 
eraxsva) neben nicht typischen (ixtrxsva n.), die immer nur für eine und 
dieselbe Person, wie den hörnertragenden Aktäon, den blinden Phineus, den 
Thanatos, dienen konnten. Jene erhielten dann zur Unterscheidung von 
ähnlichen bestimmte Namen, und zwar nach verschiedenen Gesichtspunkten, 
so nach den Charaktereigenschaften und der gesellschaftlichen Stellung der 
dargestellten Person, nach Alter, Haar, Gesichtsfarbe und dgl. PoUux be- 
richtet am ausführlichsten hierüber, und mit ihm stimmen die römischen 
Schriftsteller überein (Arnold 34 f.), aber nur ausnahmsweise, soweit sich 
bis jetzt darüber urteilen lässt, die bildlichen Überreste (Robert). Vor- 
läufig haben wir uns an die schriftlichen Quellen zu halten. Für die 
Tragödie zählt Pollux 28 verschiedene Masken auf: sechs Greise, acht junge 
Männer, drei Diener, elf Frauen. Als Masken des Satyrspiels erwähnt er 



254 B. Das Bühnenweaen der Orieohen und Römer. 

eines hohen hölzernen Untersatzes bedienten, sagen ausdrücklich die Schrift- 
steller und bestätigen zu einem Teile die Bildwerke, z. B. auch die von 
uns auf Tafel III wiedergegebene Elfenbeinstatuette. Alles übrige beruht auf 
Vermutung. Weil die griechischen Namen {xoO^.^ «Vi^O Stiefel mit hohen 
Schäften bedeuteten, hat man Schäfte auch för den Kothurn vorausgesetzt, 
ob mit Recht, muss dahingestellt bleiben, denn es gab auch Frauenschuhe, 
welche Kothurne hiessen. Nicht unwahrscheinlich dagegen ist, dass die 
Kothurne der Bühne, wie es von denen des gewöhnlichen Lebens berichtet 
wird, für jeden der beiden Füsse passten. Die Frauenkothurne des Alltags- 
lebens hatten viereckige Sohlen, und die Abbildungen, wie auch unsere, 
zeigen zum Teil viereckige Untersätze; deshalb könnte man geneigt sein solche 
auch für die Bühnenkothurne anzunehmen. Indessen bieten andere Bild- 
werke eine ganz andere Form, sodass vorläufig nichts zu entscheiden 
ist. Aeschylos wird die Erfindung der Kothurne zugeschrieben, unter an- 
deren von Horaz in der Dichtkunst 280 und von Suidas, doch ist die 
Nachricht der Vita glaublicher, die von einer Erhöhung der Kothurne durch 
Aeschylos Meldung macht. Sie blieben dauernd im Gebrauch, denn von einer 
Abschaffung bei den Römern hören wir nichts (Diomedes p. 490 K) und 
Lukian erwähnt sie noch. Dass der tragische Chor, der zu tanzen hatte, 
die hohen Kothurne nicht brauchen konnte, ist selbstverständlich; und wie 
die Choreuten haben wohl auch einzelne Bühnenpersonen niederes Schuh- 
werk getragen. Dies ist zwar nicht aus den Bildwerken zu schliessen, 
welche nichts zur Entscheidung beitragen, wohl aber aus PoUux Worten 
{xox^oQvoi xai iußdäsg) und aus Sophokles Lebensbeschreibung, nach welcher 
dieser für Schauspieler und Chor ein weisses Schuhwerk erfunden hat 
{Xsvxal xgrjntisg), das zwar auch hoch, aber wegen der Ledersohlen (Bekker 
Anecd. 273) und wegen seiner gleichzeitigen Bestimmung für den Chor 
nicht so hoch gewesen sein kann als die eigentlichen Kothurne. 

2. Von dem Schuhwerk der Satyrspieler wissen wir nichts Bestimmtes, 
denn wenn die Satyrn in den Abbildungen nakte Füsse zeigen, so ist darauf 
natürlich nichts zu geben. Die nicht zum Satyrkreis gehörenden Bühnen- 
figuren des Satyrspieles haben wohl meist tragisches Schuhwerk getragen, 
wenn auch vielleicht nicht den hohen Kothurn. Dagegen ist sicher, dass 
in der Komödie niederes Schuhwerk (soccm) zur Anwendung gekommen 
ist. Der griechische Gesamtname dafiir {Sfißdöeg^ Pollux ifißdrai) war, 
wie es scheint, hergenommen von der am öftesten vorkommenden Form, 
sodass es nicht nötig ist für alle Spieler gleiches Schuhwerk anzuehmen. 
Ganz abgesehen von ungewöhnlichen Fällen, waren bei Aristophanes sicher 
die Schuhe der Männer {SfißdSeg, uiaxiüvixai) und die der Frauen {xod^oqvoi^ 
Ihqaixai) von einander geschieden, denn sonst hätten sich die Weiber in 
den Ekklesiazusen zu ihrer Verkleidung nicht des männlichen Schuhwerkes 
zu bedienen brauchen. Eine Abweichung des auf der Bühne verwendeten 
Schuhwerkes von dem des gewöhnlichen Lebens ist schwerlich vorgekommen. 
Anders in Rom; hier war der Halbschuh (5occus), wie die Gewandung, 
wenigstens in republikanischer Zeit, für die Männer blosse Bühnentracht, 
da ihn damals nur die Frauen zu tragen pflegten (Voigt im Handb. IV 880). 

63. Tragische Gewänder. 1. Es ist glaublich, dass ausser Aeschylos 



4. Die äusseren Mittel der Darstellung. (§ 62.) 255 

auch Choirilos und Sophokles für die Einrichtung der Bühnentracht ge- 
wirkt haben (zu 1), allein in der Hauptsache war es doch Aeschylos, der 
sie bestimmte. Er hat sich an die attische Tracht der Bürger und der 
dionysischen Priester angelehnt, er scheint aber auch Anregungen aus 
fremder Sitte empfangen zu haben. Die von Aeschylos in den Grundzügen 
festgestellte Bühnentracht ist im ganzen unverändert geblieben, im Gegensatz 
zur Tracht des gewöhnlichen Lebens. Daraus folgt, dass die Volkstracht, 
wenn sie auch anfänglich einiges von der auf der Bühne eingebürgerten 
angenommen zu haben scheint, doch im Laufe der Zeit von der Bühnen- 
tracht abgewichen ist. Im einzelnen ist freilich dies alles noch nicht unter- 
sucht. Es war aber nicht bloss die Gewohnheit, die am Alten festhält, 
sondern es war die der Würde der Tragödie entsprechende Pracht der 
Gewänder, von der die Schriftsteller melden, und insbesondere das prak- 
tische Äussere nach Form und Farbe, welche die dauernde Beibehaltung 
der tragischen Bühnentracht bewirkten. 

2. Im ganzen machte sie den Eindruck einer weiblichen Tracht durch 
die Buntheit der Farben, besonders aber durch die langen faltenreichen 
Untergewänder und ihre Gürtelung unmittelbar unter den Achseln. S. Taf. III. 
Dies war wohlweislich berechnet. Einerseits nämlich erschienen die so 
bekleideten Bühnenpersonen, wie ja auch Frauen im allgemeinen, grösser, 
als sie in Wirklichkeit waren, und halfen somit zur Erreichung desselben 
Zweckes, den Kothurn und Onkos verfolgten; andrerseits aber war der 
Faltenreichtum der Untergewänder durchaus nötig, um die Vorwärtsbewegung 
der Bühnenpersonen nicht zu hemmen und um ihnen auch das Nieder- 
knieen zu ermöglichen (Mon. d. Inst. XI Taf. 30, 4). Ganz besonders prak- 
tisch war es ferner, dass ein chitonartiges Untergewand von einem und 
demselben Spieler in verschiedenen Rollen, männlichen wie weiblichen, 
beibehalten wurde, sodass beim Wechsel der Tracht kein eigentliches Umziehen 
nötig war, vielmehr nur ein Überwurf oder selten ein anderes chitonartiges 
Gewand darüber gezogen zu werden brauchte. Dieses Untergewand war 
das sog. Poikilon, das den Namen nach den farbig eingewebten Figuren 
hatte. Es ging bis auf die Füsse und war im Gegensatz zur gewöhnlichen 
Tracht mit langen, bis auf die Hand reichenden Ärmeln, vielleicht sogar 
mit Handschuhen {x^iQiieg?) versehen. Der Gürtel war, wie schon erwähnt, 
hoch oben auf der Brust angebracht, wie Strabo S. 530 bezeugt. Die vati- 
kanische Mosaik (§ 13 2), welche trotz ihres nicht hohen Alters den schrift- 
lichen Angaben am meisten entspricht, zeigt senkrechte und wagrechte 
Streifen statt der Figuren und die gleiche Länge für alle Personen, sodass 
die auf andere Bildwerke begründete Annahme kürzerer Untergewänder 
für Personen niederen Standes nicht ohne Vorsicht aufzunehmen ist (Wie- 
seler Denkm. zu VIII 12. IX 1). 

3. Von den gewöhnlich vorkommenden Obergewändern zählt Pollux 
nur eine Reihe von Namen auf, sodass eine nähere Bestimmung so gut 
wie unmöglich ist, denn die Tracht des gewöhnlichen Lebens, welche man 
zur Erklärung heranzuziehen pflegt, beweist nicht genug für die Bühnen- 
tracht. Nur dass es zum Teil Prachtgewänder waren, ist mit Sicherheit 
teils aus den Namen selbst, teils aus anderen Nachrichten zu schliessen. 



256 ^* ^^^ Bühnenweaen der Oriechen und Römer. 

Die auffälligsten scheinen die Xystis und die Batracbis gewesen zu sein; 
das erstere trugen die Könige (Schol. Ar. Wölk. 70), das andere war nach 
der froschgrünen Farbe so genannt. 

4. Ausserdem gab es Obergewänder, die nur gewissen Personen zu- 
kamen, ähnlich wie die nichttypischen Masken. So war das Agrenon 
{dyQrjvov) die besondere Tracht des Teiresias und andrer Seher, ein netz- 
förmig aus Wolle geflochtener Überwurf, der den ganzen Leib bedeckte. 
Gewisse Herrscher, wie Atreus, Agamemnon xal otyoi toiovtoi, trugen das Kol- 
poma(x6A7ra)jtia), das über demPoikilon angezogen wurde (fVtrfüVTo), also wohl 
wie dieses chitonartig, mit Ärmeln versehen und zu gürten war, ungefähr 
wie es zwei Figuren der vatikanischen Mosaik zeigen (Wieseler Denkm. 
VIII 2» und VII 1*). Ähnlich geformt scheint der Krokotos {xgoxunog) oder 
das safranfarbige Gewand gewesen zu sein, nach Aristophanes Ekklesiazusen 
(332. 315), welches Dionysos gleich den Athenerinnen über dem unteren 
Chiton trug. Jedenfalls war es dieses Gewand, welches mit dem bunt- 
gestickten Gürtel {(ictaxalKSTTji^i av&iv^) gegürtet wurde. Krieger und Jäger 
wurden durch eine purpurne Chlamys kenntlich gemacht, die verschiedenen 
Arten von Unglücklichen durch verschieden gefärbte Gewänder, insbesondere 
Flüchtige durch schmutzige Kleidung (Sophokles Oed. Colon. 1597), Trau- 
ernde durch schwarze. Letzteres erwähnt PoUux nicht, aber es geht 
aus Euripides Dramen hervor (Dierks Diss. 28). Zerlumpte Kleidung endlich 
ist in Anwendung gekommen zur äusseren Charakterisierung von Leuten 
wie Philoktet und Telephos. 

5. Es ist selbstverständlich, das der bisher allein behandelten ungewöhn- 
lichen Kleidung männlicher Personen eine ungewöhnliche der weiblichen ent- 
sprochen haben wird: schwarze Kleidung für Frauen in Trauer finden wir 
ja auch z. B. in Aeschylos Choephoren 11, womit wenigstens eine Figur 
der vatikanischen Mosaik verglichen werden kann (Wieseler Denkm. VIII 
2^). Pollux gibt die ungewöhnliche Kleidung speziell nur von der könig- 
lichen Frau an: sie war das purpurne Schleppgewand (crv^Tog, avQiia?\ das 
wahrscheinlich über das Poikilon gezogen wurde und über das dann noch 
ein weisser Mantel (tficcTiov) mit einem Purpurrand, das Parapechy {TJ^agd" 
Tiijx^ Poll. 7, 53), geworfen wurde. War dieselbe Frau aber in Trauer 
(tfjg i^ iv (fvfiffOQ^, sc. T^g ßatnlsvovatjg), so bestand ihre Kleidung aus 
einem schwarzen Schleppgewand mit einem blauen oder apfelgrünen 
Überwurf. 

6. Die tragische Tracht der Römer wich, wie schon angedeutet, im 
allgemeinen nicht ab von der griechischen. Nur im Anfang wurde statt der 
griechischen Heldentracht die Doppeltoga (laena) verwendet, die Opfertracht 
der Flamines, für die dann später ein sich noch mehr der griechischen 
Form anfügendes Gewand (palla) gewählt wurde. Nicht als grundsätzliche 
Abweichung, sondern nur als natürliche Weiterbildung ist es anzusehen, 
wenn in der nationalen römischen Tragödie (fabula praetexta) die auftreten- 
den Könige und Feldherren in dem Gewände erschienen, in dem die Römer 
ihre Grossen zu sehen gewohnt waren, in der purpurverbrämten Toga. 
Auch der Gebrauch der purpurfarbenen Tunica ist noch nicht als grund- 
sätzliche Abweichung zu betrachten. Diese ist vielmehr erst eingetreten 



4. Die äiisserea Mittel der Darstellimg. (§ 63.) 257 

nach dem Überhandnehmen des Luxus gegen Ende der republikanischen Zeit, 
als nach Valerius Maximus (2, 4, 6) P. Lentulus Spinther die Darsteller 
mit versilberten Kleidern versah und M. Aemilius Scaurus nicht nur durch 
die Grösse des erbauten Theaters und durch übertriebene architektonische 
und malerische Ausschmückung der Bühne, sondern auch durch Anschaffung 
goldgestickter Purpurgewänder alles Vorhergehende zu verdunkeln suchte. 
Es ist bezeichnend für den römischen Oeschmack, dass ihm dies gelang: 
noch Plinius erzählt in seiner Naturgeschichte mit ungewöhnlicher Er- 
regung davon (36, 114 f.), und andere Festgeber suchten es jenem einiger- 
massen nachzuthun. 

Zu 1: Suidas unter Choirilos und Aeschylos ; Vita Aeschylos; Grameb Anecd. Paris. 
I 19 €i fxky &rj ndyra tig ^Är/t»Aa* ßovXeiai td ticqI trjy axrjyrjy BVQi^fjLaxa nQoaytfjLBiy . . . 
das hier Fehlende oben zu§t58') xai nov xal ^ rar i dag xai ßarQa^tdag xai xo&o^yovg 
ai tavji td noixiXa, cvQfKfxd je xal xaXvnrqay xal xoXntafia xai naQdnrj^v xai dygrjyoy 
al vnoxQtxrjy inl xta devx^QO) xoy xglxoy * 17 xai £o(poxXfjg eaxiy a xovxtay ngoasfArj^^a- 
tj'aaxo xai ngoae^svQsyy iari xoTg ßovXofjtiyoi^g igiCeiy xal iXxeiy in' dfjiqxa xrjv (ftjfitjy 
tov Xoyov. (Dieser Text nach Studemund Phüologus 46^^ 26.) Suidas unter XoiQiXog * ovxog 
xaxd Xivag xoig ngoffotneioig xal xfj axsvfj xtoy axoXtoy inex^igtjae. Über Aeschylos vgl. 
SoMMBRBRODT Scaenica 183 ff. Entscheidend dürfte sein, trotz Dibbks Diss. 11, was 
Aeschylos selbst bei Aristophanes in den Fröschen 1061 sagt: xal ydg xoTg Ifiaxloig tj/AnSy 
XQoiyxai noXv aefAvoxeQoujiy. — Zu 5: Pollux 4, 117 . . . xal ^onaXa xal Xeoyx^ xal nav- 
xevxiay fJtiQrj xgayixijg oPd^elag axev^g. 118 yvyaixeiag di ovQXog nogtpvgovg, nagantj/v 
Xsvxoy — xijg ßaaiXEvovat]g^ xijg dk iy <fvfji(fOQi^ 6 fjikv avgxog fjiiXag, x6 di inißXrjfia yXavxoy 
fj /jirjXtyoy, Dies bezieht sich alles nur auf die königliche Frau, denn der Gegensatz ist 
nicht im Anfang von § 116 zu suchen, wie die dort angegebenen xaXvnxga und na^axa- 
XvjixQa beweisen, sondern ist im Folgenden enthalten, d. h. in der nur einzelnen Mftnnern 
zukommenden tragischen Tracht. — Zu 6: ygl. Usbneb Rhein. Mus. 23®^ 676 ff. Ich habe 
oben mit der Änderung des Namens eine Änderung der Tracht vorausgesetzt. Wem dies 
zu kahn ist, der streiche es. Plinius N. H. 36, 114 (tiveatrum Scauri) scaetia ei triplex in 
ältüudinem CCCLX columnarum in ea cit^itate, quae sex Hymettias non tülerat mie 
probro civis amplissimi . ima pars scaenae e marmore fuit, media e vitro, inaudüo etiam 
postea gener e luxuriae, summa e tahulis inauratis; columnae, ut diximus (36, 6), ima£ 
duodequadragenum pedum; signa aei'ea inter columnas, ut indicavimus (34, 36), fuerunt 
III m. numero; cavea ipsa cepit hominum LXXX m,, cum Pompeiani theatri totiens 
amplificata urbe tantoque maiore populo sufficiat large XXXX m. sede . relicus adpa- 
ratus tantus Attalica veste, tahulis pictis, cetero choragio fuit, ut in TiMCulanam villam 
repartatis quae superfluehant cotidiani usus deliciis, incensa vUla ab iratis servis con- 
cremaretur HS, [CCC], 

63. Gewänder im SatyrspieL Pollux führt nur die Tracht der 
Thiasoten des Dionysos an. Aus seinem Schweigen und nach den hier 
einschlägigen Abbildungen (Wieseler Denkm. VI) ist zu schliessen, dass 
die übrigen im Satyrspiel auftretenden Personen, mit wohl nur wenigen 
Ausnahmen (Herakles), in der Tracht der Tragödie gekleidet waren. Als 
der wildeste im Gefolge des Dionysos galt der Papposeilen. Sein Gewand 
{xoQTaXoq) war ein dichtbehaarter kurzer gegürteter Chiton aus Ziegenfell, 
unter dem Hosen aus gleichem Stoflf hervorschauten. Bildwerke zeigen 
ihn auch eingehüllt in ein mit Zotteln versehenes Gewand, das trikotartig 
den ganzen Leib mit Ausnahme der äusseren Teile bedeckte. Genannt 
werden femer als zur Seilenstracht gehörig ein grösserer buntgestickter 
Überwurf (ro ^^gaiov td Jiovvmaxov), desgleichen ein kleinerer {x^avig 
dv^irr^) und endlich ein purpurfarbener {(foivixovv i/ÄOTiov), Daneben fehlten 
natürlich wirkliche Tierfelle nicht {veßQtc, aiy^); nur das Pantherfell {TraQ- 
daXfj) war, weil zu teuer, meist durch Weberei nachgeahmt. Die Chor- 
' Satyrn hatten in ihrer Tanztracht ausser einem fleischfarbenen Trikot nichts 

Haodbuch der Uam. AltertmoBwiaaenaobaft. V. 8. Abtlg. 17 



258 B. Das Bühnenwesen der Grieohen und Römer. 

als einen Schurz aus Ziegenfell, an dem vom ein Phallos und hinten oben 
ein Schwanz angeheftet waren. Vgl. Wieseleb Satyrspiel. 

64. Qewänder der Komödie. 1. Die männlichen Personen der 
Phlyakographie waren mit einem trikotartig anliegenden Ledergewand 
bekleidet, das den ganzen Körper bis zu den Knöcheln, den Handwurzeln 
und dem Hals einhüllte. Über dem Rumpfe hatten sie dann noch ein 
Gewand, das vorn am Bauch und oft auch hinten ausgestopft war und 
unter dem an der betreffenden Stelle ein lederner Phallos sichtbar wurde. 
Offenbar sollten diese beiden Stücke nicht als eigentliche Kleider erscheinen, 
sondern den nackten Leib eines Menschen in Verzerrung darstellen. Und 
verzerrt war auch das, was die Spieler der Phlyakographie sonst etwa sich 
angelegt hatten. Unteritalische Vasenbilder belehren hierüber (Wieseler 
Denkm. IX; vgl. § 13). 

2. Nach dieser Tracht hat man sich allgemein die der alten Komödie 
vorgestellt; erst ganz kürzlich ist dagegen Widerspruch erhoben worden 
(Heydemann: s. § 13), und dies mit vollem Recht, denn beide haben nichts 
mit einander zu schaffen. Phlyakographische Scenen mit Anklängen an die 
von Aristophanes behandelten Stoffe sind höchstens Übertragungen ins 
Phlyakographische und gestatten keinen Rückschluss. Die Herkunft der 
Komödie von den Gesängen der Phallophoren beweist nichts für die Bühnen- 
tracht in Aristophanes Zeit, denn wie die Tragödie sich loslöste von den 
Fesseln des Dithyrambos, so dürfen wir eine Weiterentwicklung der Komödie, 
ein Ablassen von der Ungebundenheit der Phallophorenzüge gegen Mitte 
oder Ende des fünften Jahrhunderts voraussetzen. Es entscheiden die er- 
haltenen Dramen, und sie sprechen gegen phlyakographische Tracht auf 
Aristophanes Bühne. Aristophanes sagt ausdrücklich in den am grossen 
Stadtfest aufgeführten Wolken 537, dass seine Komödie, im Gegensatz zur 
früheren, sittsam sei. Wenn trotzdem ein paar Stellen vorkommen, in 
denen der Phallos eine Rolle spielt, so beweist dies nur die Ausgelassen- 
heit des attischen Witzes, nichts weiter, nicht, dass zu jeder Zeit von 
sämtlichen Männern der Phallos getragen worden sei. Nicht einmal für 
die frühere Komödie ist der allgemeine Gebrauch des Phallos aus jener 
Stelle der Wolken zu folgern, denn es hindert uns gar nichts die dort 
gemeinten Phallosträger auf den Umzug oder Komos an einem Tage vor 
dem dramatischen Agon zu beziehen, von dem oben die Rede war (g 17>). 
Beim Umzug aber durfte die Komödie an ihren Ursprung erinnern, also 
einen Phallophorenzug vorführen. Wäre ausserdem die Zuschauerschaft 
daran gewöhnt gewesen, dass auf der Bühne die Männer ständig den Phallos 
zeigten, so hätten ihn auch die Weiber in den Ekklesiazusen 68 bei ihrer 
Verkleidung vorbinden müssen, eine Situation, die Aristophanes auszubeuten 
sicher nicht unterlassen haben würde. Ebensowenig zeigten die Gewänder 
in Aristophanes Stücken Verwandtschaft mit den phlyakographischen. Es 
ist nämlich die Annahme ganz verfehlt, dass in einzelnen Fällen völlige 
Nacktheit eingetreten sei und dass aus dieser auf trikotartige Bekleidung 
nach Art der Phlyakographie geschlossen werden müsse. Das Gegenteil 
ist richtig: der untere Chiton blieb immer auf dem Leibe, auch bei Mnesi- 



4. Die äusseren Mittel der Darstellimg. (§ 64.) 259 

lochos in den Thesmophoriazusen 214 ff., den alten Männern in der Lysi- 
strate 662 ff. und dem Sklaven in den Vögeln 947, denn die in diesen 
Stellen erwähnte Exomis der Alten war ein chitonartiges Obergewand (zu 2), 
wie es ähnlich der offenbar verhältnismässig reich bekleidete Sklav getragen 
haben wird. Wenn endlich in den Fröschen 46 der mit dem langen Kro- 
kotos bekleidete Dionysos nur die Löwenhaut abzulegen brauchte, um als 
sein eigener Diener zu erscheinen, so ist nicht einmal ein solcher in phlya- 
kographischer Tracht erschienen. Von nicht minderer Wichtigkeit ist Pollux 
Schweigen: er erwähnt wohl die abweichenden Masken der alten Komödie, 
von einer so grundsätzlichen Abweichung in der Kleidung meldet er auch 
nicht ein Wort. Kein Zweifel also: die alte wie die neue Komödie kannte 
in der Hauptsache keine andere Bühnentracht als die Volkstracht. Phan- 
tastische Tracht bei phantastischem Stoff und Abweichungen im einzelnen 
sind natürlich hierbei nicht ausgeschlossen. Ob und wann die letzteren 
eingetreten sind, dies zu prüfen wird dann erst angebracht sein, wenn der 
hier einschlagende Teil der Lehre von der Volkstracht aufgebaut sein wird. 
Die Volkstracht selber zu beschreiben ist nicht Aufgabe der Bühnenkunde. 
Vorläufig dürften folgende Bemerkungen genügen. 

3. Die nicht nachlässigen Bildwerke zeigen männliche Personen in 
dicht anliegenden Hosen und zuweilen in Ärmeln aus demselben Stoff. Man 
hat hier mit Recht auf eine Art Trikotanzug geschlossen, der unter der 
eigentlichen Kleidung getragen wurde. Der Name dafür {(fwfjiduov?) ist 
unbekannt, und unbekannt ist auch die Zeit der Einführung. Sie ziemlich 
früh anzusetzen liegt nahe, denn angewendet war Trikot schon im Satyr- 
spiel (§ 63) und das gleiche Bedürfnis war in der Komödie von allem An- 
fang an vorhanden. Die Tragödie nämlich verdeckte durch das Poikilon 
alles, was an Armen und Beinen der Spieler unschön war in Form oder 
Farbe; die Volkstracht, die man in der Komödie verwendete, that dies 
nicht. Mit der Einführung der Trikotbekleidung aber war diesem Mangel 
im wesentlichen abgeholfen. 

4. Es war aber die Fest tags tracht, nicht die Alltagstracht des Volkes, 
an die sich die komische Bühnentracht anschloss. Zwar ist dies nicht über- 
liefert, aber es scheint selbstverständlich. Wenn die Zuschauer am Feste 
des Gottes festlich gekleidet erschienen (§ 73) und wenn die tragischen 
Spieler in alter feierlicher Tracht hervortraten, können die komischen Spieler 
nicht wohl in Alltagstracht erschienen sein; daher ist auch für die alte 
Tragödie bunte Tracht vorauszusetzen. Wie aber die Festtracht des Volkes 
manchen Wechsel erlebt haben wird, im kleinen wenigstens, so auch die 
Bühnentracht. Unbedingte Nachfolge freilich ist nicht anzunehmen, denn 
ein konservatives Element war wohl in der komischen Bühnentracht gerade 
so vorhanden wie in der tragischen, und das war die typische Bedeutung 
einzelner Kleidungsstücke und besonders die der Farbe der Kleider. Mochte 
Stoff und Schnitt sich ändern, mochte die Art des Anlegens und Umlegens 
der Oewandung eine andere werden: gewisse Kleidungsstücke, gewisse 
Farben blieben die Zeichen, woran man Alter, Geschlecht, Beruf der auf- 
tretenden Personen erkannte. Unabänderlich freilich scheint auch diese 
Typik nicht gewesen zu sein, denn die Farben in den Bildwerken stimmen 

17* 



260 ^« ^f^ Bühnenwesen der Griechen und Römer. 

nicht immer überein mit den schriftlichen Nachrichten bei Pollux, Donat 
und anderen, wie auch diese selbst sich nicht decken. Weiss waren nach 
Pollux die Gewänder für die älteren Männer, von verschiedener Purpurfarbe 
für die jüngeren; grün und himmelblau für die älteren Frauen, doch weiss 
für die Priesterinnen wie für die Mädchen u. s. w. Das weisse Mäntelchen 
der Sklaven deutete wohl auf ihre Festtracht. Auch weibliche Prunkge- 
wänder (nagdnrixv^ (fvfifierQia) kamen vor, doch wird nicht gesagt, für 
welche Personen. 

5. Von der phantastischen Tracht der Komödie können wir uns 
nur eine annähernde Vorstellung aus Aristophanes Dramen machen. Im 
allgemeinen werden Andeutungen genügt haben: So hatten z. B. die 
Wespen hinten einen Stachel (1075 c. schol.) und die Wolken bunte Kleider 
(schol. 289). 

6. Es braucht hier wohl nur kurz darauf hingewiesen zu werden, 
dass die lateinischen Übersetzungen und Bearbeitungen griechischer Komö- 
dien (fahulae palliatae), wie sie dem Inhalt nach das Ausländische betonten 
und betonen mussten, so auch in einer Tracht zur Aufführung gelangten, 
die völlig verschieden von der römischen war; dass aber umgekehrt die 
nationalen römischen Komödien (fabulae togatae u. a.) in römischer Tracht 
aufgeführt wurden. 

Zu 2: Pollux 4. 118 f. xtafjiixrj &^ ia&tjs * i^tofiig — aaxi di /«roiv Xevxo^ actifjtog 
xaxd xrjy ägtareony nXevQay ^a(prjy ovx l/cuv, äyyantog, ye^oyttay di (poQtjfia — , Ifjidtioy, 
xaf4nvXi]y (foiyixfg rj fiBXa(jin6Q(fVQoy Ifjidxioy — woQtjfjia yetotiQioy — , ^iJQtx, ßaxrtjQiaf ditp" 
S-^ga — im itoy dygoixioy . , , rß di xtay dovXtoy i^tuuldi, xal IfAccxl&ioy xi ngoaxeixai Xevxoy^ 
Ö iyxoußcjfAa Xe'ysxaiy rj inlggijfjitt. 7, 47 ^'''fioy di c fiiy nfitpifiMx^Xog — iXev&igtoy ayijfsa, 
6 di txegofjitiaxetXog — oixextoy, x6 di noixiXoy Jioyvaov /itwV ß«x/MCOf. jJ cf* i^tofug xal 
neQißXtjfitt 7jy xnl x^xtoy ixsQOfjida^aXog. Der hegofjidaxaXog ^ixwy und 17 x(oy dovXtoy i^ta- 
fjilg scheinen ein und dasselbe zu sein. Da die Worte yegoyxaty di (poorj/na sich schwerlich 
auf das Folgende, sondern wie auch (pogrj/Ltct yetox^gaty und irtl xtSy aygoixtoy auf das Vor- 
hergehende beziehen, so gab es zwei Arten von i^to/nideg: eine der Greise, welche an der 
linken Seite kein Ärmelloch hatte, und eine der Sklaven, an der rechts ein solches Loch 
fehlte. Sie unterschieden sich weiter dadurch, dass die Sklavenexomis als Chiton diente, 
die der Alten aber über einen unteren Chiton gezogen wurde. Das letztere war der Fall 
in Aristophanes Lysistrate 662. Die Greise waren also mit zwei Chitonen bekleidet (/iroiV 
und i^iüfÄig) wie die Frauen {xirtoy und xgoxtoxog: Arist. Ekkl. 332 cö 315). Nach anderen 
Nachrichten scheint 03, dass die Exomis auch anders denn als Chiton umgelegt werden 
konnte. Vgl. Wieseler Satyrspiel 167 ff.; Denkm. 73 *> f. 91». Beckbb-Göll Charikles III 
207. Blümneb Privatalt 176 ». A. Mülleb Bühn. 260*. 249*. 

65. Eopfbedeckung, Abzeichen. 1. Wie die Masken und die Ge- 
wandung so dienten auch die Bedeckung und der Schmuck des Kopfes und 
die von einzelnen Personen getragenen Gegenstände zur Charakterisierung 
ihrer Träger. Das Verhältnis dieser auf der BQhne verwendeten Gegen- 
stände zu denen des gewöhnlichen Lebens ist unbekannt; nur vermuten 
können wir, dass zuweilen in der Komödie, besonders in der alten, Kari- 
katuren eingetreten sein werden. 

2. Die eigentliche Kopfbedeckung fehlte in der Regel, wie ja auch 
sonst im Leben der Griechen und Römer. Eine Ausnahme machten be- 
sonders Reisende, und so trug auch Ismene einen Hut {xvv^) in Sophokles 
Oidipus in Kolonos 313, als sie dem Vater von Korinth nach Athen nach- 
eilte, ebenso Iris in Sophokles Inachos (250 Nauck). Ähnlich wird Hermes 
den Petasos getragen haben, wenn wir uns in dieser Hinsicht nach einem 



> 



4. Die äusseren Xittel der Darstellung. (§ 65.) 261 

phlyakographischen Vasenbilde richten dürfen (bei Wieseler Denkm. IX 11). 
Eine Ausnahme machten ferner die alten Männer: Strepsiades in Aristo- 
phanes Wolken 269 und die alten Sklaven in den Wespen 445 trugen 
eine Kopfbedeckung (xvvij). Auch die Schiflfer trugen einen Hut {causiu) 
nach Plautus Miles IV 4, 41 ff., und für Odysseus v^ar nach Donat (de com. 
p. 11, 13 R.) der Filzhut (pileus) unerlässlich. Dareios Haupt bedeckte in 
Aeschylos Persern nach Vers 661 die königliche Tiara, die auch Pollux 
nennt. Frauen zogen unter besonderen Umständen einen Teil des Ober- 
gewandes über den Kopf, wie Antigene in Euripides Phönissen 1490 und 
einige Figuren der vatikanischen Mosaik (WiESELERDenkm. S. 49*; VII 5. 11). 
Für Frauen kamen ausserdem nach Pollux in der Tragödie der Schleier 
{xaXvTTTQa: vgl. zu § 62*) und das Haarband (ßiTga) in Verwendung. Des 
letzteren und der Haube (xsxQvtpaXog) gedenkt Euripides bei der Verkleidung 
des Mnesilochos in Aristophanes Thesmophoriazusen 257. Die Hetären 
der späteren Komödie waren nach Pollux mit einem grösseren (fittga) oder 
kleineren {tmvfiiov) Haarband oder mit Gold im Haar geschmückt, die 
Hetärenmutter mit einem purpurfarbenen Haarbändchen. Bekränzung des 
Hauptes trat wie im Leben häufig ein: Kränze trugen besonders die, welche 
mit froher Botschaft vom Orakelsitz zurückkehrten, ferner die, welche auf 
dem Wege vom oder zum Gelage waren, in der neueren Komödie die 
trunkenen Sklaven und sonst nach den Abbildungen die Musiker. 

3. Die Götter hatten ihre bekannten Abzeichen: Athene die Ägis in 
Aeschylos Eumeniden 404, Apollon Köcher, Pfeile und Bogen im selben 
Stück 181 (Eur. Alk. 35), Hermes das Kerykeion, Herakles auf der vati- 
kanischen Mosaik die Keule, nach Pollux, wie es scheint, zugleich die 
Löwenhaut, Dionysos und sein Gefolge ausser im Satyrspiel auch in Euri- 
pides Bakchen die bakchischen Abzeichen (O-v^aog^ TVfiTtava, reßgig). Schwer- 
ter {/xdxcciQai), auch volle Rüstung {Tiavrsvxtcc) führten Kriegshelden, den 
Bogen der sophokleische Philoktet (287); das Theaterschwert war nach 
Achilles Tatius (3, 20) bekannt. Zweige, mit wollenen Binden umwunden, 
zeigten Schutzflehende an. Scepter hatten die Könige, Stäbe die älteren 
Männer und die Seher, wenigstens Kassandra in Aeschylos Agamemnon 1265. 
In der Komödie waren, wie nach Pollux zu vermuten ist, die Stäbe der 
Alten Krummstäbe (xafinvlai), die nach Istros in der Vita Sophokles er- 
funden haben soll, die also wohl auch in der Tragödie vorkamen; und in 
der That findet sich hierfür ein Beispiel in den pompejanischen Wand- 
gemälden (Mon. XI 32, 17). Da nach den Abbildungen, mit denen Ovid 
Am. 3, 1, 13 stimmt, die Stäbe schräg und meist in der linken Hand ge- 
tragen wurden, so haben sie natürlich nicht, wie vermutet worden ist, zur 
Stütze für die auf hohem Kothurn einherschreitenden tragischen Spieler 
gedient, sondern waren blosse Abzeichen. Einen Stab {ßaxxr^qia^ kayw" 
ßoXov) führten in der Komödie auch die Landleute, daneben aber noch den 
Lederkittel {it^d'tQa) und den Ranzen {nrJQo); in der Tragödie wird es 
nicht anders gewesen sein, wenn auch Pollux nur den Lederkittel erwähnt. 
Der gerade Stab (aQstfxog), den in der Komödie der Kuppelwirt trug, wird 
wie seine Kleidung nach Art der Protzen gewesen sein. Ein Schurz (iinXrj) 
machte ferner in der Komödie den Koch kenntlich, Salbenfläschchen (Aijxv- 



262 B* ^CM Bülmenwesen der Griechen und Römer. 

-^og) und Striegel (aTlsyyig) den schon durch seine Kleidung auffallenden 
Parasiten. 

66. Flöte. 1. Das vom Flötenbläser benutzte Ton Werkzeug war die 
Doppelflöte {ailogy iibia). Die einfache Flöte, die überhaupt nur aus- 
nahmsweise zur Verwendung gekommen ist, wurde höchst wahrscheinlich 
niemals im Drama gebraucht, denn Erwähnung geschieht ihrer in scenischen 
Nachrichten nirgends und auf scenischen Bildwerken findet sich nur die 
Doppelflöte. Diese entsprach wahrscheinlich unserer Klarinette (ohne die 
Klappe), hatte aber einen dumpferen Klang, der mit mymy in Aristophanes 
Rittern 10 nachgeahmt wird. Hergestellt wurde sie meist aus Schilfrohr, 
das in Griechenland in erster Linie der Kopaissee lieferte, aber auch aus 
Holz, besonders aus Buchsbaumholz, und aus Knochen. Das Mundstück 
iCevyog), das oft gemeinsam für beide Rohre war, enthielt für jedes Rohr 
eine Zunge {y^d^TTä), nach welcher es auch, wie es scheint, Zunge genannt 
wurde. Nach Theophrasts Pflanzengeschichte 4, 11, 7 zu schliessen, wurde 
es meist aus demselben Stoff gefertigt wie der übrige Teil der Flöte. Das 
Rohrstück (ßofißv^) war ursprünglich dünn und mit wenigen Löchern ver- 
sehen, erhielt aber mit der Zeit mehr, auch solche, die mittels drehbarer 
Ringe nach Belieben geschlossen werden konnten, ausserdem aber eine 
grössere Mündung, eine Weiterbildung, deren Unzweckmässigkeit für das 
Drama zu tadeln Horaz in der Dichtkunst 203 ff. guten Grund hatte. 

2. Nach Varro hatte die rechte Flöte die Hauptstimme (ifwentiva)^ 
die andere die Nebenstimme {succentiva). In Terenzens Zeit kamen nach 
den Didaskalieen im römischen Drama vier verschiedene Arten von Flöten 
zur Anwendung: die gleichen {tibiae pares), die ungleichen (impares), die 
zwei rechten {duae dextrae) und die Sarranen (Sarranae). Es wird nicht 
mit Unrecht vermutet (Dziatzko), dass die beiden ersten Arten aus je 
einer rechten und linken Flöte bestanden. Was die Sarranen bedeuten 
sollen, ist nicht zu erraten; da zwei linke in den Didaskalieen niemals er- 
wähnt werden, so ist die Gleichsetzung dieser mit Sarranen, wie sie bei 
Donat zu finden ist, wenig glaublich. Nach Diomedes waren auch die den 
Chorgesang begleitenden Flöten (choraulicae tibiae) verschieden von den 
sonst gebrauchten {pythaulicae). Ob im griechischen Drama gleichfalls ver- 
schiedene Flötenarten verwendet wurden, ist nicht überliefert. 

3. Beim Spiel der Doppelflöte bediente sich der Musiker oft einer 
Mundbinde {'^ogßsid, atofilg, xsiXwttjq^ capistrum). Dies war ein ledernes 
Band, welches vom Hinterkopf aus über Backen und Lippen ging und oft 
auch mittels eines anderen über den Scheitel sich hinziehenden Bandes 
festgehalten wurde. Da, wo das Band den Mund bedeckte, war natürlich 
ein Loch angebracht, durch welches das Mundstück gesteckt wurde. Die 
Erleichterung, welche durch das Anlegen der Mundbinde offenbar bezweckt 
war, bestand wahrscheinlich darin, dass beim Anblasen das Entweichen der 
Luft verhindert wurde. 

Fr. Aüo. Gevaebt Histoire et theorie de la musique de Vantiquite II, Gand 1881, 
270 ff. 647 f. K. VON Jan Jahrbücher für PhüoL 119'» 582 ff. 1218» 543 ff.; Allg. mus. 
Zeit. 16®^ 469 ff.; bei Baumeisteb Denkmäler unter Flöte. Ernst Graf De Graecorum 
veterum re musicUf Marburg 1889, 2 ff. Dziatzko Rhein. Mus. 20®* 594 ff. — Zu 2: Varro 
de re rust. 1, 2, 15 dextra tibia alia quam sinistra, ita tarnen ut quodammodo sit con- 



4. Die äusseren Mittel der Darstellung. (§ 66.) — 5. Die Darstellung. (§ 67.) 263 

iuncta^ quod est altera eiusdem carminis modorum incentiva, altera auccentiva. Biomedes 
p. 491, 27 E. quando enim ckorus canebat, choricis tibiis t. e. choraulicis artifex concine' 
bat, in canticis autem pythaulicis responscibat, 

5. Die Darstellung. 

A. Begleitende Umstände. 

67. Auswahl« Bearbeitung der Stücke. 1. Über die Grundsätze, 
welche bei der Auswahl der neuen Dramen beobachtet wurden, sind wir 
nicht unterrichtet. Dass bei der Zulassung der Dichter-Didaskaloi in Athen 
der künstlerische Wert der neuen Dramen mit in Berücksichtigung gezogen 
wurde, kann nicht bezweifelt werden (§ 225). Auch in Rom kam er in 
Betracht, nicht erst in der Zeit Ciceros, wo Tarpa als Sachverständiger zu 
Rat gezogen wurde (§ 36 *), sondern schon früher. Wenigstens berichtet 
Sueton in der Vita, dass Terenz, als seine Andria aufgeführt werden sollte, 
an einen Sachverständigen gewiesen wurde. In Athen, wo der Dichter zu- 
gleich Regisseur war, wurde natürlich das Stück ganz nach den Intentionen 
des Dichters, ohne Abänderung, eingeübt und aufgeführt. In Rom dagegen, 
wo die Regie den Händen des Dichters entwunden war, sollen in früherer 
Zeit die Schauspieldirektoren, wenigstens bei Komödienaufführungen, von 
der Komposition insofern abgewichen sein, als sie, um die Zuschauer am 
Weglaufen zu hindern, die Zwischenspiele zwischen den Akten fortfallen 
Hessen (zu 1). 

2. Bei der Auswahl alter Dramen hat sicher der Oeschmack der 
Zuschauer die Hauptrolle gespielt. Nach den athenischen Inschriften (§17^) 
zu schliessen, sind nämlich Stücke von Euripides, Menander, Philemon öfter 
als andere zur Aufführung gelangt, also von den Dichtern, deren Beliebt- 
heit auch aus andern Nachrichten und nicht zum mindesten aus den Be- 
arbeitungen der Römer bekannt ist. In Rom war es ähnlich. Plautus 
Stücke hatten viele Jahre die römische Bühne beherrscht und wurden auch 
nach des Dichters Tode weiterhin aufgeführt. In der Folgezeit verdrängt durch 
die mehr graecisierenden, feineren, aber auch zahmeren Dichtungen unter 
anderen des Terenz, lebten sie nach des letzteren Tode im Anfange des 
siebenten Jahrhunderts der Stadt von neuem auf der römischen Bühne auf, 
entsprechend dem jetzt wieder nach volkstümlicher Kost und urwüchsiger 
Kraft verlangenden Geschmack der Zuschauer. — Neben dem Geschmack 
der Zeit kamen bei der Auswahl der Stücke auch die Fähigkeiten in Be- 
tracht, welche die aufführenden Protagonisten oder Schauspieldirektoren, 
bzw. ihre Gehilfen besassen oder zu besitzen glaubten. An den Höfen der 
Herrscher und auch sonst spielten die griechischen Schauspieler ohne Zweifel 
in der Regel die Stücke, welche Glanzrollen für sie enthielten (vgl. Dem. 
de f. I. 246). Von den römischen bezeugt dasselbe ausdrücklich Cicero de 
off. 1, 31, 114: sie wählen, sagt er, nicht die dem Kunstwert nach besten 
Stücke (optimas fabulas), sondern die, welche ihren besonderen Neigungen 
und Gaben am meisten entsprechen {accommodatissimas). 

3. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, dass bei den Wieder- 
aufführungen der Stücke die Texte Abänderungen erlitten. Die Athener 



264 B. Das Btthnenwesen der Grieohen und Römer. 

hatten sich zwar, wie wir gesehen haben (§ 22 ^), auf des Redners Lykurg 
Veranlassung gegen dieses* Mangel an Achtung verratende Verfahren der 
Schauspieler, wenigstens was die drei grossen Tragiker betrifft, durch Ge- 
setz zu schützen gewusst; aber anderswo war es nicht ebenso, und die 

•• •• 

erhaltenen Texte legen davon Zeugnis ab. Ähnliche Änderungen sind in 
Rom vorgenommen worden. Von Umgestaltungen im einzelnen abgesehen, 
haben die meisten plautischen Stücke neue Prologe, die abgefasst wurden, 
als die Neuaufführungen eintraten. Auch Schlussscenen sind ganz umge- 
staltet worden: von Plautus Poenulus und Terenz Andria liegen sie in 
doppelter Gestalt vor. 

Zu 1 : Donat praef. Ter. Ad. haec etiam ut caetera huitiscemodi poemata quinque 
actus habeat necesse est choris divisos a Graecis poetiSt quae etsi retinendi catisa iam in^ 
co7iditos spectatores tninime distinguunt Latini comidt metuentes scilicet, ne quis fasti^ 
diosus finüo actu velut admonitus abeundi reliqitae comoediae fiat contemptor et surgcU, 
tarnen a doctis veteribus discreti atque disiuncti stmt. Vgl. praef. Exm. Ribbrck Rom. 
Trag. 641 f. FbiedlXndkb 543. Dziatzko Ter. Phorm. S. 31. 

68. Einübung. 1. Die grosse Ausdehnung des Theaterraumes, die 
genaue Aussprache, welche von der Zuschauerschaft gefordert wurde, die 
Übernahme weiblicher Rollen zugleich mit männlichen verlangten von dem 
Darsteller eine Stärke und einen Umfang der Stimme, die nur durch lange 
und andauernde Übung zu erreichen waren. Das Fehlen eines Souffleurs 
setzte zudem eine sichere Einprägung des Textes voraus. So kann es uns 
nicht wundern, wenn wir von eifrigen Übungen und mancherlei Vor- 
kehrungen der Schauspieler hören. In der Frühe und nüchtern nahmen 
die Schauspieler und Choreuten ihre Übungen vor, heisst es in den aristo- 
telischen Problemen (11, 22), weil nach dem Essen die Stimme weniger 
geeignet ist. Vorsicht in Bezug auf Essen und Trinken und auf die Lebens- 
führung überhaupt wird mehrfach erwähnt, sogar die Enthaltung vom 
Liebesgenuss, bei Plutarch Symp. 9, 1. Die griechischen Schauspieler 
scheinen noch fleissiger gewesen zu sein als die römischen. Cicero rühmt 
von ihnen, dass sie Jahre lang sitzend deklamierten und dass sie vor und 
nach der Aufführung in verschiedenen Körperlagen Gesangsübungen vor- 
nahmen. Zu diesen Übungen bediente man sich wenigstens in Rom und 
in der Kaiserzeit auch auswärts eines besonderen Lehrers, der nach dem 
Üben der Stimme Phonaskos genannt wurde. Es scheint, dass, wenn auch 
nicht anfänglich, so doch später ein solcher Techniker {moßoXsvg, monitor) 
mittels eines besonderen Instrumentes {(pcovatrxtxov oQyavov: Plut. Ti. Grach. 
2, 5) bei der Aufführung leitend mitwirkte. 

2. Selbstverständlich wird es auch gemeinsame Übungen oder Proben 
gegeben haben. Das Übungshaus, welches wir aus Athen kennen (§ 28 2), 
hat vermutlich hierzu gedient. Aber Proben in unserem Sinne, übungs- 
mässige Aufführungen im Theater und mit Benützung der Maschinen hat 
es schwerlich gegeben. Wir hören etwas mehr überhaupt nur von einer 
Hauptübung oder Generalprobe in Athen, die, vielleicht missbräuchlich, 
Proagon genannt wurde und wenige Tage vor den grossen Dionysien im 
Odeion, nicht im Theater stattfand. Zwei Stellen (zu 2) belehren hierüber, 
von denen die eine nur die tragischen Schauspieler erwähnt. Diese Probe 
war aber augenscheinlich sehr verschieden von dem, was wir so nennen 



5. Die Darstellung. (§ 68—69.) 265 

würden, denn die Schauspieler erschienen ohne Maske und Bühnenkleidung 
und spielten zudem im Odeion, wo die Maschinen nicht bereit standen. 
Der Zweck, den man mit dieser Übung verfolgte, war also wohl mehr auf 
den Vortrag als auf das Sonstige der Darstellung gerichtet. Welche Gründe 
bei der Wahl des bedeckten Odeions als des Ortes der probeweisen Auf- 
führung massgebend gewesen sind, ist nicht zu sagen; denken lassen sich 
verschiedene: Schonung der Stimme, Schutz vor Unwetter, leichtere Ab- 
haltung überflüssiger oder störender Zuschauer. Ahnlich scheint die Probe 
gewesen zu sein, von der im Prolog 19 ff. des terenzischen Eunuchen die 
Rede ist: Zuschauer wenigstens hat es ausser dem festleitenden Ädilen und 
einem Gaste nicht gegeben. 

Za 1: G. Bernhardt Grundriss der griech. Lit. P 24. 11 2' 120 f. Jahk-BOchbleb 
zu Persius 1 17. A. Müller BQhn. 193 ff. Cic. de or. 1, 59, 251 Quid est oratori tarn 
necessarium quam vox? tarnen me auctore nemo dicendi stiidiosus Graecorum more tra- 
goedorum voci aerviet, qui et annos complwrea sedentes dedamitant et cotidie, antequam 
pronuntient, vocem cubantes sensim excitant eandemque, cum egerunt, sedentes ab acutis- 
simo sono usque ad gravissimum sonum recipiunt et quasi quodammodo colligunt, Plu- 
tarch Reip. ger. praec. p. 813 F fu/uela&M tovg vnoxQiidg, nd&og fiiv tdioy xal ^S-o^ xal 
d^ltofjLa rto aytavi ■nQoajL&ivzag, jov di vnoßoXetog dxovoyrag xal firj na^aßaivoyzag xovg 
^vd^fAovq xal rd fxitQa xijq Mofjiivrig i^ovalag vno t(oy xQatovvttay (Müller 195^ denkt an 
einen „Regisseur, der dafür sorgt, dass bei den Wechselreden der Schauspieler jeder an 
richtiger Stelle einßJlt*). — Zu 2: E. Hillbr Hermes 7" 893 ff. E. Rohdb Rhein. Mus. 
38^3 251 ff. G. ÖHMiCHEN SiUber. Münch. Ak. 1889 11 103 ff. Aeschin. in Ctes. 67 o ydq 
fxi^aXi^av&Qog , . . y^dq>n xj/ijgiurua . . . ixxXrjaiav noiety rovg nQvidyeig xj oydofn lata" 
fiivov tov ^Xa(fi]ßoXiitiyog firivog, oi tjy 'JaxXrjnlü) ij ^vala xal 6 n^odyaty iy tß 1$q^ 
i^f4£Q(f. Schol. dazu: iyiyyoyio nqo xtay fAsydXwy Jioyvaiioy rifAi^aig oXlyaig IjU- 
TtQoad^ey iy t^ (^deito xaXov/iiyo) xaSy x^aytodtoy dytay xal inidei^ig, (oy fiiXXovffi d^afid^ 
x(oy dyü)yi^ea&ai iy xt^ d^edxQio ' dC o ixot/natg {ixvfjttag üsekbr) nqodytay xaXeixai. Biaiaai 
de di/a ngoatamay ol vnoxgtxal yv/nyol (nicht in Bflhnentracht). Schol. Arist. Vesp. 1109 
«(TTt xonog S^saxQO€idijg (Odeion), iy ^ eiai^aai xd nocfjfAoxa dnayyiXXeiy n^ly xijg Big X( 
^eaxQoy dnayyeXlag. Rohde erhebt brieflich Widerspruch gegen meine Auffassung. Die 
Sache steht so. Nach meiner Ansicht hat der Scholiast zu Aeschines ein kleines Versehen 
begangen und aus dem ihm vorliegenden Material eine an sich richtige Erklärung von 
Proagon an unpassender Stelle vorgebracht. Wer, wie Rohdb, diese Annahme für unzu- 
lässig hält, muss voraussetzen, dass der Scholiast von der Ansicht ausgegangen sei, der 
8. Elaph., der heilige Tag, werde von den grossen Bionysien oXiyaig iqfAi^a^g getrennt. Da 
diese Ansicht aber den grössten Irrtum, nicht ein leicht mögliches Versehen enthält, 
so meine ich, kann die Wahl zwischen Rohde und mir nicht schwer sein. 

69. Ankündigung. 1. In Athen, wo nur wenige Male im Jahre ge- 
spielt wurde, wo die Choregen wie die Schauspieler längere Zeit vor der 
Aufführung den Dichtern zugewiesen wurden, war es überflüssig den Ein- 
wohnern den Spielplan in irgendwelcher Weise vor dem Fest bekannt zu 
machen, denn ebensowenig wie die Namen der zum Wettkampf zugelassenen 
Dichter werden die der aufzuführenden Stücke so eifrigen Theaterfreunden, 
wie die Athener waren, und in einer verhältnismässig so kleinen Stadt 
unbekannt geblieben sein. Eine Ankündigung fand allerdings statt, aber 
im Theater und nicht vor dem Feste, sondern am Feste selbst. An den 
grossen Dionysien wurden die Stücke bei der dramatischen Vorfeier ange- 
kündigt, von der im folgenden Paragraphen die Rede sein wird. Ob das 
gleiche bei der Vorfeier der Lenäen und der kleinen Dionysien der Fall 
war oder ob eine Ankündigung wie in Rom erst am Tage der Aufführung 
eintrat, ist nicht zu sagen. Dass aber an diesen beiden Festen überhaupt 
eine Ankündigung vorgenommen wurde, dürfen wir besonders deshalb ver- 
muten, weil die römische Ankündigung gleich vielen anderen Einrichtungen 



266 B. Das Bühnenwesen der Griechen nnd BOmer. 

des römischen Bühnenwesens als eine Entlehnung aus Athen anzusehen ist. 
Eine Stelle in Piatons Gastmahl scheint auch hiefür zu sprechen; sie be- 
zieht sich auf die Lenäen, gedenkt aber nicht ausdrücklich einer Ankün- 
digung (zu 1). 

2. In Rom wurde der Name des Stückes und seines Verfassers un^ 
mittelbar vor Beginn der Darstellung, bei der Einleitung (§ 71), vermutlich von 
einem Ausrufer verkündet (pronuntiatio tüuU: Ritschl 301 ff.); doch scheint 
auch der Prolog die Ankündigung übernommen zu haben (Dziatzko). Ge- 
sprochen wurde dieser entweder wie bei Terenz vom Direktor oder von einem 
Schauspieler, der nicht sofort zu spielen hatte (Ritschl 19), aber nicht in 
der Bühnenti*acht, sondern in einer ganz eigentümlichen Kleidung (Wie- 
seleb Denkm. X 8), und mitgeteilt wurde durch ihn alles das, was unsere 
Theaterzettel zu enthalten pflegen, und noch mehr als das. Aber die immer 
grösser werdende Stadt einerseits und der Ehrgeiz der Spielgeber andrer- 
seits machten eine Bekanntmachung längere Zeit vor dem Feste wünschens- 
wert, und so scheint es kaum zweifelhaft, dass wie andere Spiele so die 
Bühnenspiele lange vor der Aufführung durch Praeconen öffentlich ange- 
kündigt wurden. In der Eaiserzeit geschah die Ankündigung auch schrift- 
lich, oder wie wir sagen würden, durch Plakate (Sen. Ep. 117, 30). 

3. Ahnliche Massnahmen wie in Rom, bzw. in Athen wurden vermut- 
lich auch in anderen griechischen und römischen Städten getroffen, doch 
erfahren wir nichts davon. Nur venige Nachrichten aus später Zeit mel- 
den von ähnlichen Einrichtunger in hellenisierten Städten (Rohde 265): 
wir hören unter anderm von einer Vorausverkündung (/rßoavayoJvijorig) und 
einem Vorauftreten (nQoeiaodiov) bei Heliodor Aethiop. 8, 17. 

HiLLEB, Rohde, Öhmichen wie zu § 68^. Ritschl Parerga. Dziatzko De prologis 
Plaut, et Ter. quaestiones selectae, Bonn 1863; Über die Plaut. Prologe, Luzern 1867. Vgl. 
Aüo. RöHBicHT Qtiaestiones scaenicae ex prol. Terent. petitae, Strassb. 1885 (Diss. Argent. 
IX 294 ff.)- — Zu 1: Piaton Svmp. 194 A/B (Apthon) ayaßaiyoyrog inl toy oxQißayza 
(Bühne) ^erd rtoy vnoxgittdy xal ßAixpaytog ivaytia xoaovtt^ 0eäTQ(^, fAiXXoytog im&eUead^a 
aavtov Xoyovg. 

70. Vorfeier. 1. Unsere Kenntnis beruht auf vier Stellen. Aus 
einer Inschrift erfahren wir, dass Proagone in Heiligtümern vorgenommen 
wurden, und aus einer Aeschinesstelle (zu § 68^), dass ein Proagon am 
achten Elaphebolion, an einem heiligen Tage abgehalten wurde. An diesem 
Tage fand aber auch, wie aus dem Gesetz des Euegoros zu folgern ist, 
die Vorfeier des dramatischen Teiles der grossen Dionysien statt, die dort 
Komos genannt wird. Eine vierte Stelle endlich in Euripides Vita spricht 
von einem Proagon, an dem Sophokles Chor und Schauspieler im Theater 
vorgeführt habe. Wenn wir diese Stellen, was wir doch wohl dürfen, mit 
einander verbinden, so erhalten wir folgendes Ergebnis. 

2. Der Proagon, der auch Komos genannt wurde, war die Einleitungs- 
feier des dramatischen Teiles der grossen Dionysien. Er fiel auf den 
achten Elaphebolion, seitdem die tragischen Spiele vier Tage dauerten, und 
diese Dauer erhielten sie vermutlich nach Aeschylos Tode; vorher fiel er 
auf den neunten desselben Monats. Er bestand, wie schon § 17 angedeutet 
wurde, aus drei Teilen: einer gottesdienstlichen Handlung im dionysischen 
Heiligtum {ngodyojv iv t([} «f^)), einem Festzuge oder Komos im engeren 



5. Die DarsteUimg. (§ 70—71.) 267 

Sinne, dessen Weg wir nicht kennen, und einer Handlung im Theater vor 
versammelter Zuschauerschaft, dem Proagon im engeren Sinne. Aktiv be- 
teiligt waren an dieser Vorfeier nächst dem betreffenden Festbeamten die 
Dichter-Didaskaloi, die Schauspieler und die dramatischen Chöre, vermutlich 
aber auch die dramatischen Choregen. Die Beteiligten waren bekränzt, 
und bei der Ankündigung im Theater führte jeder Dichter-Didaskalos seine 
Darsteller den Zuschauern vor. Wir dürfen wohl voraussetzen, dass bei 
der Ankündigung ein Herold mit thätig war. 

3. Nach dem Gesetz des Euegoros gab es auch an den Lenäen und 
den Dionysien im Piraeus eine Vorfeier, die Pompe genannt wurde; aber 
wir wissen nicht, worin sie bestand. Abweichend von der Vorfeier des 
dramatischen Teiles der grossen Dionysien war sie gewiss, das sagt schon 
der Name. Trotzdem aber könnte auch bei ihr eine Ankündigung der an 
den folgenden Tagen aufzuführenden Stücke vorgenommen worden sein, 
von der im vorigen Paragraphen gehandelt wurde. — Von einer Vorfeier 
vor den Festspielen in anderen Städten wird nirgends etwas erwähnt. 

Litteratur wie zu § 68^ — CIA. II 307 Z. 17 ineraeae] &k rovg nQoaytayas rovg 
iy totg UgoTg xctttt TU TtdtQia. Gesetz des Euegoros: Dem. Mid. 10 EvijyoQog Binsy, öray ij 
Tiounrj ^ r^ Jioyvaw iy JIhqkibI xal ol xiOfit^dol xal ol rgayi^doi, xal 9; int Afjyalt^ noiintj 
xat ol TQaytadol xai ol xafAt^doly xoig iy aarei Jioyvaloig rj nofAnvj xal ol nai&eg ^xal ol 
ciydgeg Bergk^ xai 6 xiufiog xal ol xmK^Sol xal ol rqayi^doL Vita £ur. Xiyovat di xal 
£o(poxX6ay dxovaayraj ort ireXeihrjae (Euripides), avtov fiey IfJLaxm (pai(^ ngoeX^eiy, xoy di 
XOQoy xal rovg vnoxQtxäg daretpaytoTovg (sonst umgekehrt) eürayayeiy iy Ttf n^odytoyi xal 
daxQvaav xoy dij/ioy. 

71. Einleitnng des Wettkampfes. 1. Das wenige, was wir er- 
fahren, bezieht sich meist auf Athen. Vor dem Beginn des Wettkampfes 
wird wohl das erste ein Opfer gewesen sein. Die Lexikographen gedenken 
eines Reinigungsopfers (unter xa^agaiov), das bei Versammlungen des 
Volkes vorgenommen wurde, insbesondere bei politischen Versammlungen 
und bei festlichen Versammlungen im Theater. Es scheint, dass das Opfer- 
tier {x^iQidia fiixQa) auch im Theater zuvor herumgetragen wurde, wie es 
bei politischen Versammlungen bezeugt ist von Aeschines Tim. 23. Die- 
jenigen, welche das Reinigungsopfer zu besorgen hatten, waren die soge- 
nannten Periestiarchoi. Nach Plutarch, dessen Bericht schon in § 26 heran- 
gezogen wurde, brachten auch die Feldherren vor dem tragischen Wett- 
kampfe ein Opfer {rdg vevofittffiävag anovdaq). Dürften wir uns auf seine 
Worte verlassen, so hätten wir anzunehmen, . dass dieses Opfer ein selb- 
ständiges war. Da aber seine Angaben im einzelnen nicht als durchweg 
zuverlässig gelten können, so ist die Vermutung (Müller Bühn. 369) nicht 
zu kühn, dass das Opfer der Feldherren zusammenfiel mit dem Opfer, das 
wir bei der Vereidigung der Preisrichter mit Wahrscheinlichkeit voraus- 
setzen dürfen. 

2. Die Auslosung der Preisrichter geschah ohne Zweifel nach dem 
Reinigungsopfer; ob auf der Bühne oder in der Orchestra, ist nicht zu 
entscheiden. Die mit einem Opfer verbundene Beeidigung der erlosten 
Richter, durch welche sie zu unparteiischem Urteil verpflichtet wurden, 
folgte sogleich darauf. Dies ist aus Plutarchs Bericht zu entnehmen und 
zugleich aus einigen Eomikerstellen, in denen die Richter an den geleisteten 
Eid erinnert werden (juij 'moqxetv Ar. Ekkl. 1160). Nach der Beeidigung 



268 B* I)<^ Bühnenwesen der Griechen nnd Bömer. 

nahmen die Richter die für sie bestimmten Plätze ein. Wo sich diese 
befanden, ist unbekannt; aber wir dürfen als sicher betrachten, dass sie 
zu den besseren gehörten, d. h. dass sie dem Darstellerraume nicht allzu 
fern waren. Wegen der Fünfzahl und wegen ihrer vor anderen Sitzen 
sich auszeichnenden Gestalt könnte man geneigt sein als Richtersitze jene 
fünf Sessel anzusehen, welche sich am Orchestrarande in Oropos aufgestellt 
finden (zu § 49); doch wäre eine andere Bestimmung der Sessel gerade so 
gut denkbar. 

3. Hierauf wird dem durchs Los bestimmten ersten Dichter-Didas- 
kalos das Zeichen zum Beginn des Spieles gegeben worden sein. Aus 
dem Anfang von Aristophanes Acharnern und einer Angabe des Philochoros 
schliesst man, dass ein Herold den Dichter-Didaskalos aufgefordert habe 
seinen Chor hereinzuführen, dass dieser mit dem Chor in der Orchestra 
Dionysos eine Weinspende gebracht, dass nach ihrer Beendigung der Chor 
wieder abgetreten sei und dass erst hierauf das Spiel seinen Anfang ge- 
nommen habe (Mülleb Bühn. 373). Die angeführten Zeugnisse sind aber 
nicht unzweideutig. Dikaiopolis, der nach seiner Erzählung bei Aristophanes 
eine Aeschylosaufführung erwartete, statt dessen aber hören musste, dass 
Theognis zum Hineinführen des Chores aufgerufen wurde, befand sich aller- 
dings im Theater, doch scheint es unmöglich zu entscheiden, ob er die 
Vorfeier meint, bei der ja eine Vorführung des Chores durch den Dichter- 
Didaskalos bezeugt ist (§ 70), oder ob er den Beginn des Wettkampfes im 
Sinne hat. Aus dem andern Zeugnisse aber braucht nicht unbedingt auf 
eine feierliche Spende geschlossen zu werden. 

4. Auch nicht auf das Fest bezügliche Geschäfte wurden vor Beginn 
besonders des tragischen Wettkampfes vorgenommen (Wieseler Enc. 168 f. 
Müller Bühn. 76). Nur vermuten können wir, dass es geschah vor der 
Auslosung der Richter. Ehrener Weisungen, die hier eintraten, galten als 
besondere Auszeichnung, nach Aeschines in Ctes. 43. Es waren hauptsäch- 
lich Verkündigungen von Beschlüssen über Ehrenkranzverleihungen , die 
hier stattfanden, ferner Vorführungen von Waisen der im Kriege gefallenen 
Mitbürger. 

5. Von ähnlichen Veranstaltungen in Rom hören wir nichts; es 
scheint also, dass, von den vorauszusetzenden religiösen Einleitungen ab- 
gesehen, vor Beginn der dramatischen Spiele nichte weiter vorgenommen 
wurde als die in § 69 erwähnte Ankündigung. 

Zu 1: Plutarch Kimon 8 . . . 'A\pBq>mv 6 «f/oii', tpiXoysixiag ovarjq xai naQtnd^etog 
tdSy &€artoy, xQirag fjisv ovx ixXiJQüxre Tor dyiayog^ (og 6h KifAoyy fierd rejy avaxQctrijytDy 
nQoeX^üjy eig ro &B«tQoy inoiijaaro xio 9e(p tag yeyofiicfjiiyttg anoy^dg^ ovx dqnjx^y «vxovg 
«TieA^c/V, dXX* oQxwaag rjydyxaoB xn&iüM xal XQiyac xrX. -— Zu 2 vgl. Lit. zu § 26. — 
Zu 3: Arist. Ach. 10 öre dtj 'xc/iyr)? ngoadoxtoy xoy AiaxvXoyy 6 d^ dyeiney, €uxay\ at 
Seoyyc, roy xoQoy. Philochoros bei Athen XI 464 E : *A^tjyaToi roTg Moytnnaxotg dycSai, to 
fjiiy TiQCJToy rjgtartjxoteg xal nsTKaxoteg ißd&iCoy inl ttjy ^eay, xal iarBtpayiOfjtiyai i&etoQovy • 
nagd de roy dyuiya ndyxa oiyog avxoig Myoxoeho xal rgayijfjiaxa nagefpi^BTOf xal totg 
XOQoTg eiatovaiy iyexfoy nly€iv xal 6vrjyti}yiafjiiyoig öv i^enogevoyxo iv^x^oy ndXiy ' fiag- 
rvQ6iy dt TovToig xai fpeQexQdxtj xoy X(0f4ix6y, öxi fJiixQ*' "^V^ '^^^' ^"v^^>^ rjXixiag ovx daixovg 
eivai xovg &etoQovyxag. 

72. Freiskrönung, Siegesfeier. 1. Wenn wir den Wettkampf, der 
in Aristophanes Fröschen zwischen Aeschylos und Euripides stattfindet, 



6. Die DarBteUnng. (§ 72.) 269 

als eine Nachbildung des dramatischen Wettkampfes in Athen betrachten 
dürfen, so haben wir anzunehmen, dass der Archen, den bei Aristophanes 
784 und 1467 Pluton vertritt, nach Beendigung der Aufführungen die 
Richterstimmen sammelte. Der als Sieger erklärte Dichter-Didaskalos 
wurde nach Sophokles Vita als solcher durch einen Herold ausgerufen und 
wahrscheinlich auch vom Archen bekränzt (Müller Bühn. 346^). Es scheint 
selbstverständlich, dass die gleiche Ehre dem siegenden Protagonisten zu 
teil wurde; bezeugt allerdings ist sie nur schwach durch den Rhetor Ari- 
stides II p. 2 Dind. Und wenn der dramatische Choreg in die Siegerliste 
eingetragen wurde, wenn er eine Siegestafel und die Zurüstung weihen 
durfte (§§ 9. 20^), so werden wir folgern dürfen, dass er zugleich mit dem 
siegenden Dichter, dem er diente, als Mitsieger ausgerufen und bekränzt 
wurde. 

2. In welcher Weise die Preisrichter ihres Amtes walteten, ob das 
Urteil, das sie fällten, immer oder meist gerecht war oder nicht, dies zu 
entscheiden ist natürlich nicht mehr möglich, da uns ausser den Texten 
weniger Dichter nur vereinzelte und ungenügende Nachrichten vorliegen. 
Dass in vielen oder in den meisten Fällen das Urteil der Richter durch 
die Äusserungen des Beifalls und des Missfallens von Seiten der Zuschauer 
beeinflusst war, dass also die Entscheidung im Grunde genommen zum 
grossen Teile in den Händen der Zuschauer lag, kann man als selbstver- 
ständlich voraussetzen und ausserdem erschliessen aus der Rücksicht, welche 
Aristophanes in mehreren Stellen auf die Zuschauer nimmt, aus dem Bei- 
fall, den er von ihnen erbittet (Müller Bühn. 307), aus den Vorwürfen, 
die er im Plutos 797 und in den Wespen 58 den anderen Komikern macht, 
weil sie, um Beifall zu ernten, den Zuschauern Nasch werk zuwerfen Hessen, 
aus den direkten Aufforderungen, die nach Aelian (V.H. 2, 13) zu Aristo- 
phanes Gunsten von den Zuschauern an die Richter ergingen, und endlich 
aus dem Eifer, mit welchem Freunde der Schauspieler, allerdings in später 
Zeit, den Beifall der Zuschauer erwarteten oder hervorzurufen suchten 
(Müller ib.). Bestechungen und ähnliche Beeinflussungen der Richter waren 
infolge ihrer Auslosung und öffentlichen Thätigkeit nicht leicht zu bewerk- 
stelligen. Dass sie aber vorgekommen seien, lässt sich denken; bezeugt 
ist es freilich in betreff der dramatischen Preisrichter nicht, denn Demo- 
sthenes Angaben in der Rede gegen Meidias 5 und 18 beziehen sich auf 
einen kyklischen Wettkampf und Aelians Vorwurf gegen die Richter (2, 8) 
ist nur eine Vermutung. Im allgemeinen müssen wir die gefällten Urteils- 
sprüche als begründete bezeichnen. Sophokles ist nach der grossen diony- 
sischen Siegerliste am grossen Stadtfest allein achtzehnmal die erste Stelle 
angewiesen worden, niemals die dritte. Die Zahl der äschyleischen Siege 
ist auf ihr nicht angegeben; aber beachtenswert ist, was Quintilian (10, 1, 66) 
berichtet, dass nämlich Aeschylos Dramen bei den Wiederaufföhrungen 
nach des Dichters Tode (§ 22*) vielmals den Preis davongetragen haben. 
Einzelne Vorwürfe, welche man in alter und neuer Zeit gegen das Urteil 
der Richter erhoben hat, sind ohne Halt. Übersehen worden ist dabei 
hauptsächlich zweierlei: erstens dass beim Urteilspruch nicht die Kompo- 
sition allein ausschlaggebend war, sondern Ausstattung und Dichtung zu- 



270 ^* ^^ BüHnenweflen der Chrieohen und ROmer. 

sammen (§ 26^) und zweitens dass die Richter von jedem Tragiker nicht 
bloss ein Stück, sondern mehrere zu prüfen hatten. Wenn also Sophokles 
König Oidipus und Euripides Medeia, in denen wir die höchste Kunst 
dieser Dichter zu erkennen glauben, nicht mit dem Preise gekrönt worden 
sind, so kann dies zum Teil an der mangelhaften Ausstattung, zum Teil 
aber auch (Rohde 252 ') an der geringeren Bedeutung der zugleich aufge- 
führten Stücke gelegen haben. 

3. Eine Siegesfeier (imvixia) wurde nach gewonnenem Siege vom 
Dichter-Didaskalos veranstaltet. Dies war ein mit einem Opfer verbundener 
Schmaus, an dem die Darsteller teilnahmen. Piaton, der im Oastmahle 
173A der Siegesfeier Agathons gedenkt, erwähnt allerdings nur die Chor- 
euten, nicht die Schauspieler. Auch seinen Freunden scheint der Dichter 
ein Mahl gegeben zu haben; Aristophanes wenigstens weist im Frieden 
769 ff. auf ein folgendes Gelage hin, und ähnlich erinnert Piaton 174A an 
Agathons Freundesmahl. Ion von Chios beschenkte sogar aus Anlass seines 
Sieges sämtliche Bürger Athens mit Wein, nach Athenaeos 3 F. Von Sieges- 
festen der Protagonisten hören wir nichts, denn die Feier, welche Likymnios 
nach Alkiphron (Ep. 3, 48) veranstaltete, bezog sich sicher nicht auf einen 
Tragödienwettkampf, sondern bloss auf einen besonderen Schauspielerwett- 
kampf, der uns hier nichts angeht (vgl. Rohde 278^). Dagegen gab den 
Choreuten auch der Choreg ein festliches Mahl, nach Aristophanes Ach. 1155. 

4. In Rom war die Preiskrönung bedeutend einfacher. Statt be- 
sonders eingesetzter Richter entschieden die Festgeber selbst über die Zu- 
erkennung der Preise, Wettkämpfe der Dichter gab es wahrscheinlich nicht 
(§ 34^), und über die Ausstattung wurde öfifentlich kein Urteil gefällt, da 
sie von den Urteilsprechem selbst besorgt wurde. Es waren also wohl 
nur die Leistungen der Hauptsehauspieler, bzw. der Direktoren der wett- 
kämpfenden Gesellschaften gegen einander abzuwägen. Dass die Stimme der 
Zuschauer massgebend war, ist für Rom ebensowenig zu bezweifeln wie 
für Athen. Es deuten darauf einzelne Stellen der Schriftsteller, wie des 
Macrobius (2, 7, 13), noch mehr aber die von den Leitern und Mitgliedern 
der Schauspielertruppen getroffenen Vorkehrungen, die wir vorzugsweise 
aus dem Amphitruoprolog 64 ff. kennen lernen. Schon vor der Aufführung 
wurden die Zuschauer von den beteiligten Darstellern persönlich, schrift- 
lich oder durch Mittelsmänner bearbeitet; Beifallsklatscher oder Claqueurs 
(famtores) wurden angeworben, die, im Theater verteilt, für die Zuschauer 
den Ton anzugeben hatten, indem sie je nach Verabredung mit Äusserungen 
des Beifalls oder des Missfallens vorangingen. Sie waren spätestens in der 
Kaiserzeit vollständig organisiert, denn Tacitus nennt in den Annalen mit 
Namen einen Führer solcher Stimmungsmacher (1, 16 dux theatralium ope- 
rarum: vgl. Friedl. 542 3). Zuweilen mögen die Festgeber freilich auch 
gegen die Stimme der Zuschauer ihr Urteil gefällt haben; ob mit Recht 
oder Unrecht, lässt sich natürlich nicht entscheiden. Die Prologdichter, 
d. h. im Grunde genommen die Schauspieldirektoren, welche den Festleitern 
Parteilichkeit vorwarfen, wie im Amphitruoprolog 72 (perfidiose) oder im 
Poenulusprolog 37 {iniuria), waren selbst nicht unparteiisch: es war ein 
Strich durch ihre Rechnung, wenn die ohne Zweifel unbestechlichen Spiel- 



5. Die DarsteUnng. (§ 78.) 271 

geber anders urteilten als die grosse Menge, die durch mancherlei Mittel 
bearbeitet und geleitet war. Um die gefällten Urteile im ganzen zu wür- 
digen, fehlen uns genügende Handhaben ; wir können nur aus den sich oft 
abspinnenden Intriken mit einiger Wahrscheinlichkeit folgern, dass nicht 
immer die gerechte Sache zum Sieg gelangt sein wird. 

Litteratur wie § 26; ferner E. Rohdb Rhein. Mus. 38^^. Ritschl, Ribbeck, Fried- 
LÄin>EB 8. § 6. — Zu 4: Bbnndobf Beiträge (§ 12) S. 38 meint, dass der Poenulusprolog 
«von dem lateinischen Dichter nicht erfunden, sondern aus einem griechischen Stücke 
herübergenommen sei." Dies dürfte zu weit gegangen sein: wenn irgendwo, so rollt in 
den Prologen römisches Blut. — Nach Dziatzko in Einl. zu Terenz Phormio sind die 
scherzhaften Worte am Schluss der Cistellaria auch ernst zu fassen und ist deshalb anzu- 
nehmen, dass die Dirigenten nach gelungenen Aufführungen die tüchtigen Glieder ihrer 
Truppe durch einen Festschmaus zu belohnen pflegten. 

73. Verhalten der Zuschauer. 1. Dem gottesdienstlichen Charakter 
der Aufführungen entsprechend erschienen in Athen die Zuschauer wahr- 
scheinlich in Festkleidern : Bekränzung wenigstens wird erwähnt von Philo- 
choros (zu § 713). DJe den ganzen Tag dauernden Spiele brachten es mit 
sich, dass die Zuschauer es sich bequem einrichteten, dass sie Sitzkissen und 
Esswaren ins Theater mitnahmen, um dort Gebrauch von ihnen zu machen. 
Wein und Naschwerk wurden ihnen aber auch von anderer Seite geliefert 
(zu § 7P), wohl meist von den Choregen; Nüsse und dergleichen zuweilen 
von den Dichtern (§ 722). jn ihren Gefühlsäusserungen waren sie ausser- 
ordentlich lebhaft, wie überhaupt der Süden. Mit Händeklatschen (xQorog) 
und Schreien {d-oqvßog) bezeugte man seinen Beifall {inMvoq), Noch leb- 
hafter als der Beifall waren die Äusserungen des Missfallens {fJLitrovg (xrjfieTa, 
ixßdXXaiv): es wurde gepfiffen {avQiirsiv), gezischt {tcXw^biv) und gestrampelt 
{7iT€Qvoxo7i€Tv). Bei ganz schlechtem Spiel wurden auch, aber wahrschein- 
lich nur gegenüber den Darstellern geringerer Rollen, Schläge von den 
Zuschauern verlangt und von den Rhabduchen (§ 19) erteilt. Zuweilen 
galten die Gefühlsäusserungen einzelnen Theaterbesuchern, aber in erster 
Linie natürlich den Schauspielern, die je nach der Art der Äusserungen 
triumphierten {svrii.i€Q€h^ oder durchgefallen waren {ixmn%Bi%^\ dass sie aber 
auch gegen die Dichtung, bzw. den Dichter gerichtet waren, geht hervor 
aus dem Einfluss, den die Zuschauer auf die Preisrichter ausübten (§ 72^), 
und ist auch noch besonders bezeugt. Euripides wusste davon zu erzählen. 
In einem Nu [uno impetu), sagt Seneca in den Briefen 115, erhob sich 
einmal das ganze Theater, um gegen den Spieler und die Dichtung {actorem 
et Carmen) loszubrechen, bis Euripides hervorsprang und den Sturm be- 
schwichtigte. In ihren Anforderungen waren die Athener aussergewöhnlich 
streng, vorzugsweise in Bezug auf reine und deutliche Aussprache: Cicero 
rühmt sie wiederholt deshalb. Besonders bekannt ist durch Aristophanes 
und anderer Komiker Verspottung das Versehen, das der Schauspieler 
Hegelochos beging, als er in Euripides Orestes die Titelrolle übernommen 
hatte: statt yaXrjv 6q(ü in Vers 279 verstand man yaXrjv oqco. 

2. In Rom ging es womöglich noch lebhafter zu als in Athen. Der 
plautische Poenulusprolog belehrt uns unter anderen Nachrichten hierüber; 
mag auch manches darin übertrieben sein. Wahres muss doch zu Grunde 
liegen, denn ohne Wahrheit kein Witz. Danach sind Störungen des Spieles 
nicht ganz selten gewesen. Spätlinge, die hingestellt werden, als ob sie 



272 B. Das Bühnenwesen der Griechen nnd BOmer. 

den offenbar frühen Anfang des Spieles (§ 34^) verschlafen haben, wurden 
durch die Platzanweiser auf ihre Plätze geführt, während der Schauspieler 
schon auf der Bühne thätig war; Frauen schwatzten und lachten und Kin- 
der schrieen, die von den Wärterinnen mitgebracht waren. Als das Claque- 
wesen aufkam, traten andere Störungen hinzu, indem sich die Parteien in 
ihren entgegengesetzten Gefühlsäusserungen überboten und dadurch Skan- 
dale hervorriefen, grössere allerdings wohl erst in der Kaiserzeit. Es kam 
dabei sogar zu Verwundungen und Tötungen, wie unter anderen Tacitus 
in den Annalen 1, 77 erzählt. Die Äusserungen des Beifalls {plaudere), 
wobei auch Dacaporufen {ndXiv) vorkam, und die des Missfallens {sibilare, 
explodere, eicere), die sich wie in Athen vorzugsweise auf die Spieler, da- 
neben aber auch auf einzelne Mitbürger, selbst auf den Herrscher, weniger 
freilich wohl auf den Dichter bezogen, mussten sich anfänglich auf Klat- 
schen, Schreien und Pfeifen beschränken, da Pochen auf den Erdboden 
keine Wirkung gethan hätte. Wirkungsvoll, wenn auch nicht ohne Gefahr, 
konnte dieses nur sein, als man ein Theater aus Holz hatte. Wahrschein- 
lich erst nach und nach waren auch die gestellten Anforderungen hohe 
geworden. Klarheit und Deutlichkeit in der Aussprache war auch in Rom 
in Ciceros Zeit erste Bedingung. Bei den kleinsten Verstössen, sagt dieser 
(zu 2), schreit das ganze Theater. Lieblinge hatten gewisse Vorrechte: 
Roscius durfte einmal heiser sein, ohne dass man sich beklagte. Noluit 
agere, sagte man dann bloss (Cic. de or. 1, 27, 124), aut crudior fuit. Sein 
Schüler zu sein war eine ausschlaggebende Empfehlung. 

6. Bbbnhabdt Gnmdriss der griech. Lit. II 2^ 134. A. MOlleb Bühn. 304 ff. (Qber 
Hegelochos: 194^ Arist. Ach. 303). Ribbbck 666 ff. Fbibdlasdeb 542 (mehr Sitteogesch. 
II). — Zu 2: Cicero Farad. 3, 2 histrio si paulum se movit extra numerum aut st versus 
pronuntiatus est syllaba una hrevior aut Umgior, exsihilatur et exploditur. Ähnlich de 
or. 3, 50, 196. Or. 51, 173. 

B. Formen der Darstellung. 

74. Die Teile des Vortrags. 1 . Die darstellenden Künste untei-schei- 
den sich von den übrigen in einer wesentlichen Hinsicht dadurch, dass in 
der Regel die Person des darstellenden Künstlers eine sichtbare Rolle spielt, 
also ein Teil des Kunstwerkes ist. Ausnahmen von dieser Regel sind be- 
gründet in besonderen Umständen, wie wenn z. B. ein Ruf oder Gesang 
oder eine Musik hinter der Bühne eines besonderen Effektes wegen ertönt. 
Ein dauernd unsichtbares Spiel, wie eine Musik im verdeckten Orchester, 
war bei dem natürlichen Gefühl der Alten undenkbar. Nach der Teilnahme 
der bei der dramatischen Aufführung beschäftigten Darsteller lässt sich 
der Vortrag oder die Aktion in drei Teile zerlegen: in schauspielerische, 
chorische und gemischte. An der ersten nahmen nur die eigentlichen 
Schauspieler und Statisten teil, au der chorischen nur die Mitglieder des 
Chores und an der letzten beide. Der Flötenbläser, dessen Thätigkeit im 
Drama eine geringere Bedeutung als sonst hatte, war in allen drei Teilen 
beschäftigt. Je mehr die chorische Thätigkeit im Laufe der Zeit beschränkt 
wurde, desto mehr verschwand diese Dreiteilung, desto mehr fiel insbeson- 
dere der gemischte Vortrag weg. 

2. Nach der Art des Vortrages {ynoxQici^, actio) bestand jeder dieser 



5. Die DarBteUnng. (§ 74.) 273 

Teile, wenn auch wahrscheinlich nicht von Anfang an, aus gesprochenen, 
gesungenen und parakatalogischen Abschnitten. Die gesprochenen Teile 
{inrjj diverhia oder deverhia) wurden deklamiert (Af/fir, xaxaXtysiVj dicere) 
in Verbindung mit Körperbewegung. Die Gesangspartieen (jw^Aij, f/jc^««', 
cantica) wurden unter Flötenbegleitung gesungen {adeiv^ cantare) und waren 
mit mehr oder weniger Tanz verbunden. Es ist nicht unwahrscheinlich, 
dass es in der Mitte zwischen diesen beiden Vortragsarten mehrere abge- 
stufte Arten gab (Ribbeck 633, Zielinski 288 ff.); doch ist es mit unsern 
Mitteln nicht möglich sie festzustellen. Wir fassen daher das, was zwi- 
schen dem einfachen Sprechen und dem Gesang liegt, mit einem Namen 
zusammen und bezeichnen es mit Parakataloge (^r-};, nqoq x6v avXov xccra- 
ksyciv). Im Lateinischen scheint es keine besondere Bezeichnung dafür 
gegeben zu haben: unter Canticum im weiteren Sinne verstand man wahr- 
scheinlich die Parakataloge mit. Die Parakataloge war natürlich gleich- 
falls mit Körperbewegung, zuweilen sogar mit Tanz verbunden und wie 
der Gesang von Flötenmusik begleitet. 

8. Zu den gesprochenen Partieen gehörten die iambischen Trimeter, 
wenn sie nicht in Verbindung mit gesanglichen Teilen standen. Die An- 
sicht, dass in allen einfachen Gesprächen der Flötenbläser seine Flöte habe 
erschallen lassen, ist mit Recht zurückgewiesen worden (Christ Par. 158 ff.). 
Der Hauptgrund, der dagegen spricht, ist bisher noch nicht vorgebracht 
worden, und dies ist die Leistungsfähigkeit der Musiker. Der Choreg hatte, 
soviel wir wissen (§ 20*), dem Dichter nur einen Flötenbläser zu stellen. 
In der Zeit, wo die Aufführung der vier Stücke eines Dichters an einem 
Tage stattfand, hätte der Flötenbläser zehn Stunden hintereinander ununter- 
brochen thätig sein müssen, wenn er auch Sprechpartieen zu begleiten ge- 
habt hätte. Aus der Unmöglichkeit dieser Leistung ist mit Sicherheit 
Unthätigkeit des Flötenbläsers während der Sprechpartieen zu folgern. 
Wir dürfen wohl noch weiter gehen und sagen: schon von allem Anfang an 
gab es Pausen für den Musiker, gab es Deklamation ohne Musikbegleitung; 
denn auch ein einzelnes Drama ohne Pause zu begleiten war eine An- 
strengung, die über die gewöhnlichen Kräfte hinausging. Was Laert. Dio- 
genes 3, 56 von Thespis berichtet, dass er den Schauspieler erfunden habe, 
damit der Chor sich erholen könnte, ist wahrscheinlich nur eine Folgerung; 
aber ihr liegt eine gesunde Ansicht zu Grunde. Und was vom Chor gilt, 
das gilt vom Flötenbläser erst recht. Hieraus folgt, dass auch die trochäi- 
schen Tetrameter, die im alten Drama statt der iambischen Trimeter an- 
gewendet wurden, ohne Musikbegleitung vorgetragen wurden. Ob auch im 
späteren Drama? Es scheint nicht. Der parakatalogische Vortrag hat viel- 
mehr vermutlich nach und nach grössere Ausdehnung gewonnen, und so 
mögen auch später die Tetrameter parakatalogisch vorgetragen worden sein 
(Christ Metrik ^ 680. Par. 165) wie die Anapästen (Ar. Vögel 680) und 
andere Versarten, deren Vortrag nach dem Verlust der melodischen 
Dichtung nur mehr zu erraten ist. Das römische Drama ist in dieser 
Richtung noch weiter gegangen. Gesprochen wurden die einen geringen 
Raum einnehmenden Senare, und eigentliche Gesangspartieen waren 

wahrscheinlich nur die Einzelgesänge oder Monodieen und die Chor- 
Handbuch der klMS. AltcrtamswlaaeDflcbAft V. 3. AbtIg. 1$ 



274 ^* ^<^ Bflhneiiweson der Griechen und Aömer. 

gesäDge der Tragödie; alles übrige gehörte danach ins Gebiet der Para- 
kataloge. 

WiLH. VON Christ Die Parakataloge im griech. und röm. Drama in den Abhand- 
lungen d. bayr. Akad. XIII 3, 155 ff.; Metrik der Griechen nnd Römer*, Lpz. 1879, 675 ff. 
0. Ribbeck Rom. Tragödie, Lpz. 1875. Th. Zieunski Die Gliederung der altattischen Ko- 
mödie, Lpz. 1885. — Ober diverbium und canticum Ritschl Rhein. Mus. 26 und 27 = Opusc. 
III 1 ff. Bergk Philol. 31^^ 229 ff. Die Form deverbium wird empfohlen ausser von 
DziATZKO auch von Ribbeck 633. 

75. Griechischer Chor im allgemeinen. 1. Einzug, Abzug, Tanz 
eines Chores von zwölf oder fünfzehn Mann in der Tragödie und eines 
Chores von zwei Dutzend Personen in der Komödie machten eine Gliederung 
nötig. Die Leitung hatte der Chorführer. Der griechische Name des 
dramatischen Chorführers ist nirgends bestimmt angegeben. Die meisten 
Nachrichten beziehen sich auf den kyklischen Chor, dessen Organisation 
selbstverständlich nicht massgebend sein kann für die Ermittlung der Glie- 
derung des dramatischen. Nur aus einer Vergleichung in Aristoteles Meta- 
physik 4, 11, die mit Wahrscheinlichkeit auf den dramatischen Chor zu 
beziehen ist, können wir abnehmen, dass der Chorführer Koryphaios und 
sein Nebenmann Parastat {naQuaTccrrfi) hiess. Da der tragische Chorführer 
in der Mitte eines Gliedes stand, wie unten gezeigt werden wird« so ist 
die Folgerung wohl richtig, dass auch der andere Nebenmann Parastat 
genannt wurde. Dass aber diese beiden Parastaten eine hei vorragende 
Stelle im Chor einnahmen, etwa Unterführer waren, ist aus Aristoteles Ver- 
gleichung mit nichten zu schliessen und ebensowenig aus einer anderen 
Nachricht in Aristoteles Politik 3, 4 (vgl. Wecklein Jahrb. Suppl. XIU 2160. 

2. Eingeteilt war der dramatische Chor in Glieder {(fvoTxoi) und 
Rotten iCvyd). Der tragische Chor bestand aus drei Gliedern an- 
fanglich zu je vier, später zu je fünf Mann und vier, beziehungs- 
weise fünf Rotten zu je drei Mann. Der komische Chor dagegen hatte 
vier Glieder zu je sechs Mann und sechs Rotten zu je vier Mann. Ge- 
nauer bekannt ist uns nur der tragische Chor zu fünfzehn Mann. Seine 
Glieder waren genannt wie die eines lebenden Wesens. Nach Photios war 
das linke Glied {agiaTegog atoXxog) den Zuschauern zunächst, das rechte 
[Ss^ioq) den Schauspielern. In einem Scholion werden die Mitglieder des 
linken Gliedes die ersten des Chores {ot ngdroi tov x^Q^^') genannt. Wir 
dürfen also die drei Glieder als erstes (linkes), zweites und drittes (rechtes) 
bezeichnen. Beim Chor galt nach jenem Scholion links als das Ehren- 
vollere, im Gegensatz zur Ausdrucksweise im Kriegswesen. Hier standen 
die schönsten Leute, und der in der Mitte dieses Gliedes stehende Choreut 
(o jUfcoroc: rov aQicxsQov) nahm nach Photios die ehrenvollste Stelle ein. Es 
kann nicht zweifelhaft sein, dass dies die Stelle des Chorführers war. Seine 
beiden Nebenmänner in diesem Gliede hiessen, wie oben bemerkt wurde, 
Parastaten und die beiden Flügelmänner wahrscheinlich Tritostaten. Die 
in der Mitte befindlichen Choreuten waren nach den Lexikographen die am 
wenigsten angesehenen; sie hiessen Laurostaten {XavQa Gasse). Beim tra- 
gischen Chor versteht man darunter wohl richtig das ganze zweite Glied. 
Bezeichnen wir die einzelnen Choreuten mit kleinen Buchstaben, den Chor- 
führer mit einem grossen und nehmen wir, wie im Folgenden immer, oben 



6. Die fiarBtellimg. (§ 75.) 275 

die Bühne und unten den Zuschauerraum an, so hatte der Fünf- 
zehnerchor folgende Stellung. 

l m n p = drittes Glied {äQiareQog (ftoTxog), 
f g h i k = zweites Glied {XavQotfTciTai), 
a h C d e = erstes Glied {ie^iog cFzoTxog). 
C ist der Chorführer, b und d sind seine beiden Nebenmänner oder Para- 
staten; afl ist die erste Rotte (fvyov), igm die zweite, Chn die dritte, dio 
die vierte und ekp die fünfte. — Dieser Stellung des Chores von fünfzehn 
Mann wird die des Zwölferchores und des komischen Chores entsprochen 
haben, aber zweifelhaft bleibt die Stelle des Chorführers: 

4. Glied: t u v w x y 

8. Glied: % h l m n o p q r s 

2. Glied: c f g h g h % k l m 

1. Glied: a B c d a b C d e f. 

3. Teilung des Chores in Halbchöre ist nur schwach bezeugt. PoUux 
erwähnt Halbchöre: er sagt 4, 107, es scheine, dass Halbchor (ijiu*X<>?'oi'), 
Teilung in Halbchöre (dix^gia) und Halbchorgesang {dvTix^Qia) auf ein und 
dasselbe sich bezögen; er hat zwar damit vielleicht Recht, aber man sieht 
doch zugleich, dass er etwas Sicheres nicht weiss. Diese Angabe nun hat 
man ohne weiteres auf den dramatischen Chor bezogen; dem muss man 
aber entgegentreten: es kann sein, dass dieser Chor gemeint ist, es kann 
aber auch umgekehrt sein. Pollux spricht nämlich vorher allerdings vom 
komischen und tragischen Chor, aber zugleich auch vom Knabenchor und 
vom Männerchor und erwähnt unmittelbar nach seiner Äusserung über die 
Chorhalbierung die Chordrittelung. Diese schreibt er aber, wohlgemerkt, 
Tyrtaios zu {TQixoQiav 6^ T. forryor*), der Knaben, Männer und Greise ver- 
wendet habe. Wir haben also kein unbedingtes Recht seine Angabe auf 
das Drama zu beziehen. Doch dieses zugegeben, handelt es sich bei Pollux 
wahrscheinlich nur um eine Ausnahme, um einen Chor, der aus zwei ganz 
verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt war (s. u.); für den gewöhn- 
lichen aus gleichartigen Bestandteilen zusammengestellten Chor beweist 
Pollux Angabe nichts. Und damit stimmt die bei ihm gleich folgende 
Nachricht, dass der dramatische Chor in Glieder und Rotten zerfalle {/i^Qi] ' 
atoTxog, Cvyov), denn aus Pollux Schweigen folgt, dass Halbchöre keine 
Teile des dramatischen Chores waren. Dasselbe besagt die sonstige Über- 
lieferung: nirgends wird der Halbchöre als einer gebräuchlichen Einrichtung 
gedacht; die Lexikographen insbesondere, die doch sonst fast kein Wort 
übersehen, wissen nichts von Halbchören. Es sind einzig und allein einige 
Überschriften in den Handschriften, bzw. Scholiasten, auf die man sich 
berufen könnte; allein es ist allgemein zugestanden, dass diese Angaben 
unzuverlässig sind. Ob es eine falsche Lehre ist, auf die sie sich grün- 
den, oder ob sie vielleicht aus einer richtigen Lehre entsprossen, aber falsch 
angewendet worden sind — an zwei Teile des Chores kann man nämlich 
denken in den epeisodischen Zwischenvorträgen des Chores (§ 78) — dies 
ist vorläufig nicht zu sagen. Jedenfalls aber können sie für eine regel- 
mässige Teilung des dramatischen Chores in Halbchöre nicht beweisend 
sein. — Für unsere Folgerung sprechen auch andere Umstände. Hätte 

IS* 



276 ^* I)^ Bühnenwesen der Griechen nnd Bömer. 

eine Teilung des dramatischen Chores regelmässig stattgefunden, so wäre 
ein besonderer Führer für den zweiten Halbchor notwendig gewesen; von 
einem solchen weiss aber die Überlieferung durchaus nichts (Absatz 1). In 
den Zwischenakten ferner ist in der Regel keine Teilung eingetreten (§ 76 f.), 
und doch wäre gerade hier die rechte Stelle dafür gewesen. Und wie lässt 
sich endlich eine regelmässige Halbchorstellung insbesondere des Fünf- 
zehnerchores mit der Meldung (§ 77 ^) vereinigen, dass die Aufstellung des 
Chores beim Vortrag (rd räv TQayixciv insdeixvvvxo) eine viereckige war 
(iv T6TQaY(6v(i} (SXY'iiiaxi)'^ Augenscheinlich auf keine Weise. — Nur aus- 
nahmsweise kam eine Teilung in Halbchöre vor; sie war ohne Zweifel vom 
Dichter aus ganz besonderen Gründen vorgenommen. Wir finden zwei 
Arten: in Aristophanes Lysistrate stehen sich zwei Halbchöre, der der 
Männer und der der Frauen einander feindlich gegenüber, und in Sophokles 
Ajas ziehen die früher vereinten Choreuten getrennt nach zwei verschie- 
denen Richtungen ab, weil sie so hoffen dürfen Ajas leichter zu finden. 
Der zweite Fall, bei dem die Teilung ausserdem etwas Vorübergehendes 
war, trat naturgemäss selten ein. Desgleichen aber auch der andere; denn 
wenn der alte Erklärer zu Aristophanes Rittern 589 anmerkt, dass eine 
Zusammensetzung des Chores aus Männern und Frauen selten vorkam {M(su 
6" oTf), wie z. B. in den Vögeln, so ist es selbstverständlich, dass noch 
seltener diese Bestandteile räumlich getrennt wurden. 

4. Zuweilen trat zu dem regelmässigen Chore noch ein Nebenchor, 
wie am Schluss von Aeschylos Eumeniden. Seine Grösse und Gliederung 
ist unbekannt. Man pflegt ihn Parachoregema zu nennen (zu § 82). 

5. Seine Thätigkeit entfaltete der Chor auf der Thymele. Dies 
ist durch Vitruv und Pollux sicher bezeugt. Indessen kamen auch Aus- 
nahmen vor. Aristophanes liess ihn ein paarmal hinter der Bühne vor 
seinem Einzug in die Orchestra singen, als Musenchor in den Thesmo- 
phoriazusen und als Froschchor in den Fröschen, und einmal scheint das- 
selbe Euripides gethan zu haben im Hippolytos (R. Arnoldt Eur. 7). Auf 
der Bühne erschien der Chor zuweilen im Beginn des Stückes (§ 80); sonst 
jedenfalls sehr selten, seltener als man annimmt (A. Müller Bühn. 124 ff. 
Philol. 45 85 237 ff.). 

Wichtigste Litteratur für §§ 75—80: G. Hebmann, 0. Müller, J. Sommebbbodt s. 
§ 6. A. Müller Bühn. 202 ff. — R. Westphal Proll. zu Aeschylos Tragödien, Lpz. 1869. 
Chr. Muff Über den Vortrag der chor. Partieen bei Aristophanes, Halle 1872; Die chor. 
Technik des Sophokles, Halle 1877 (rez. Hbnsb Jahrb. 117 ^^j. j)^ choro Persarum, F. 
Halle 1878; Der Chor in den Sieben des Aeschylos, F. Stettin 1882. R. Arnoldt Die 
Chorpartieen bei Aristophanes, Lpz. 1873; Die chor. Technik des Euripides, Halle 1878 
(rez. Wbcklein Zeits. f. Gym. 32, 470 ff.); Der Chor im Agamemnon des Aeschylos, Halle 
1881. 0. Hense De lonis fab. Eur. partihus chor, 1876; Der Chor des Sophokles, Berl. 
1877; Rhein. Mus. 31'' 582 ff. (ABCtragödie des Kallias); ib. 32 "489 ff. (Sophokles). W. 
V. Chbist Metrik*; Teilung des Chors im attischen Drama, Abh. bayr. Ak. XIV 198 ff.; 
Parakataloge. ib. XIII 155 ff. Myriantheus Die Marschlieder des griech. Drama, Manchen 
1873. N. Wecklein Jahrbücher für Phil. Suppl. XIII 215 ff. (Aeschylos). Th. Ziblinski 
Die Gliederung der altattischen Komödie, Lpz. 1885. — Zu 1: Aristot. Metaph. 4, 11 {n^o- 
tega xai vareg«) . . . t« cff x«r« ta^ty (nur Stellung, nicht Rang), ravra d* icrly oaa 
TtQog XI ey (OQiOfieyoy didaitjxe x«r« roy Xoyoy, otoy nagaatatt^g rgito<ndtov ngoregoy, xai 
TtagayiJTt] y/jTtjg ' ey^ft juiy yag 6 xogvffttTog, ly&a (ff »; /UfV/; agxV- — Zu 2: Pollux 4, 108 
f-tigvi &€ x^gov axoT^og X(a ^vyoy . x(d rgayixov fikv /ogov ^vya -nevxe ix xgmy xai axoT^oi 
XQ€is ix niyie . . . 109 o de x(Ofiix6g /o^o; xivxageg xai $ixociy ^cay ol xogevrai, ivyti i^, 



5. Die DarBtellnng. (§ 76.) 277 

fxacToy di Cvyop ix tBTXaqiav. tnoTxo^ \fk Thragegf Ö ay&Qag ex(oy ixaaros ctotxog, Phot. 
tQiTog (iQiarsQov * iy toTg xqayixolq /of orf XQuay oyrtoy (rroixtoy xal ^niyrey ^vytoyf 6 /uey 
ttQMTSQog ngog rai ^edt^tp rjy (vom Einzug ist hier keine Rede), o di &B^i6g ngog rta tiqo- 
(fxtjyito . avyißaiyey ovy toy /At<roy tov «Qnnegov axolxov rijy iyriuoraTfjy xal rrjy oioy xov 
ngtotoardrov /w^ai' inix^ty xal aräciy. Schol. Aristid. 3 p. 535 Dind. ore ydg eüffieüay 
ol x^^*- ^^«/'«fff ßadi^oyreg . . . eixoy rovg d^earag iy dQi4rt€Q^ avitoy xal ot ngtotoi ror 
X^gov dQUfTSQoy ineTxoy . . . etxa inei&ij iy fiky xoTg xogoTg t6 evtayv/noy xifÄuSxeQoy, iy 
de xoFg noXifioig x6 de^ioy. Vgl. Hesych. aQiaxBQoaxdxTjg ' 6 nQtoxoirxdxfjg. 

76. Vortrag der Farabase. 1. Die Zwischenakte der alten Ko- 
mödie wurden durch chorische Vorträge gerade so ausgefüllt wie die der 
Tragödie. Ein grosser Teil des chorischen Zwischenspieles der Komödie 
weicht im wesentlichen nicht ab von dem der Komödie und soll deshalb 
zugleich mit diesem im nächsten Paragraphen zur Besprechung kommen. 
Ein Teil aber ist ganz eigentümlich, und dies ist die Parabase. Da die 
Lehre von der Dichtung in unserer Darstellung wegfallt, so düifen hier 
ein paar Worte über den Bau der Parabase nicht fehlen. Die Parabase, 
die ursprünglich den Schluss des Dramas bildete (Zielinski 184 f.), diente 
dem Dichter dazu, mittels des Chores eine Ansprache an die Zuschauer zu 
halten. Sie bestand, wenn sie vollständig war, aus zwei Hauptteilen. Der 
erste enthielt die eigentliche Ansprache an die Zuschauer, Parabase im 
engeren Sinne. Ihr voraus ging eine Einleitung, meist aus einem Nachruf 
an die abtretenden Schauspieler oder einer Aufforderung an die Choreuten 
oder aus beidem bestehend, und den Schluss bildete ein Epilog, eine ener- 
gische Nutzanwendung der in der Parabase entwickelten Gedanken (1. xofi- 
iiduovy 2. nagaßaaig, 3. iiaxQov oder nvTyog). Im zweiten Hauptteil fand 
sich ein Strophenpaar, das durch eine Anrede an die Zuschauer getrennt 
und durch eine andere abgeschlossen war (4. atQOifrj^ 5. iniQQti^ia^ 6. «it/'- 
axQOffoq^ 7. ävTenfQQTjfia). 

2. Aus den angewendeten Versmassen und aus dem Namen der Teile 
darf man mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass nur das Strophen- 
paar für Gesang und Tanz bestimmt war, die übrigen Teile dagegen für 
parakatalogischen Vortrag. Schwierigkeit macht nur die Frage nach den 
vortragenden Pei'sonen, mit der die Frage nach der Chorstellung eng 
verknüpft ist. Wir beginnen mit der letzteren. Zwei Stellen, die auf eine 
einzige gute Quelle zurückgehen, belehren uns ziemlich genügend. Danach 
verliess der Chor bei Beginn der Parabase seine herkömmliche Stellung 
{vevofXKTfiävrj atcitrig), d. h. ohne jeden Zweifel die, welche er vor dem Zwi- 
schenakte, während des Epeisodions inne hatte, um eine andere, den Zu- 
schauern gegenüber {xaravTixQv xov x^forgov) einzunehmen. Hierbei hatte 
er eine Schwenkung zu machen (iaTqätfsxo) und kam dann in die Stellung 
zu vier Gliedern [iyivovxo axoixoi 6'; iiff^rfi ftrxoixeg), das Gesicht nach der 
Mitte des Zuschauerraumes zu gewendet {ngog xovg 0-savdg ßXtnovxeg). Es 
ist dies die Stellung, die in Absatz 2 des vorigen Paragraphen angegeben 
ist. Nach Vollendung des Vortrages schwenkte der Chor in seine frühere 
Stellung zurück, d. i. in die, welche er vor Beginn der Parabase inne hatte. 
Eine Teilung des Chores ist in diesem Bericht mit keinem Worte ange- 
deutet; sie geht auch nicht hervor aus dem Scholion zu den Wolken 563: 
aus diesem kann man höchstens entnehmen, dass bei dem Vortrag der 
Strophe der ungeteilte C'hor sich tanzend nach der einen Seite des Zu- 



278 B* ^&B Bühnenwesen der Gtrieohen and Bömer, 

Schauerraumes hin bewegt habe und darauf beim Vortrag der Gegenstrophe 
nach der andern Seite hin. 

3. Hiernach haben wir uns den Vortrag der Parabase so zu denken, 
dass die Strophen vom Gesamtchor gesungen, die übrigen Teile vom Chor- 
führer parakatalogisch vorgeführt wurden. Die neueren Forscher nehmen 
für die Strophen fast alle Gesang der Halbchöre an, ohne den entgegen- 
stehenden Zeugnissen gerecht zu werden. Den Vortrag der parakatalogi- 
schen Partieen weisen die meisten dem Chorführer (im ersten Hauptteil) 
und den beiden Halbchorführern (im zweiten Hauptteil) zu, während ein 
Forscher (v. Christ) in diesen Teilen die sechs Vordermänner des Gesamt- 
chores, bzw. die beiden Vorderreihen der Halbchöre in Thätigkeit sein lässt. 

Reiche Litteratur bei R. Abnoli>t Die Chorpartieen bei Aristophanes, Lpz. 1873, 
140 ff. W. y. Chbist Die Teilung des Chores im attischen Drama, Abhandlangen bayr. 
Akad. I. Cl. Xiy Abt. II; Metrik« 665 ff. — Zu 2: Schol. Arist. Frieden 733 na^aßaaty 
ixttXovy dno rov naqaßaiyBiy toy x^9^^ ^^^ ^^^ ysyofjuauiytjg <ndüB(oq Big ttjy xataynxQv 
rot* ^Bax^ov oipiy, Sttotb ißovXeto 6 noifjf^g (fiaXBX^yai r* ||ai r^g vno&äcetog äyev rtay 
vnoxQirdüy ngog ro d-Boxqov di^d rov X^Q^^ ' itnqitpBto &h 6 x^Q^S xal fyiyovxo aroTxoi iT. 
Bira dcBk&oyreg Jrjy xaXovfieyrjy na^aßaaiy iffxoi(poyxo ndXiy eig ttjy nqoxiqay atdaiy. Schol. 
Arist. Ritter 508 XiyBrai (fi na^aßaaig ijroi iuBidtj dnrjxtai trjg aXkrig vno&iuBtog 17 inei&ij 
nagttßalyBi 6 x^Q^^ '^^^ ronoy, i<ndai fiky yd^ xccrd <notxoy ngog xrjy oqxv^Q^^ (Bühne) 
dnoßiXinoyxBg • öray &i ifagaßwaty, itpB^g iaTuireg xal ngog tovg &Batdg ßXinoyxBg toy 
Xoyoy noiovyxai. Die gemeinsame Quelle wird aus Suidas bewiesen: dieser bietet nämlich, 
was im Schol. Ar. Ri. steht und ausserdem den letzten Satz von Schol. Ar. Frieden. Vgl. 
Hephaestion p. 71 xaXBixai ^h nagdßaaigj inec&tj eüreX&oyxeg Big ro &iax^oy (Parodos) xai 
dyri^nqoütonoy dXXriXoig cxdyxeg (Epeisodion: s. § 78) ol /o^svrac nagißaiyoy xtd eig ro 
^e'argoy dnoßXinoyxBg eXByoy r$ya. Anders urteUen G. Hermann Op. VI 2, 159 f. und R. 
Arnoldt 192. 188. 

77. Vortrag der Stasima. 1. In den Zwischenakten der Tragödie 
wurden mit ganz vereinzelten Ausnahmen, auf die hier nicht eingegangen 
werden kann, vom Chor Lieder gesungen, die Stasima genannt wurden. 
In der alten Komödie waren es neben den Parabasen (§ 76) wahrscheinlich 
auch nur Stasima, die in den Zwischenakten zum Vortrag gelangten. Die 
Stellung des Chores während des Vortrages dieser Lieder ist leider nir- 
gends bestimmt angegeben. Die neueren Forscher haben verschiedene Ver- 
mutungen geäussert, ohne indess zwingende Gründe vorzuführen. Zwei 
Umstände gewähren einigen Anhalt. Zunächst die Chorstellung in der 
Parabase. Wie die Parabase ist das Stasimon ein Zwischenaktslied, und 
da der ähnliche Zweck auf ähnliche Form schliessen lässt, so dürfen wir 
voraussetzen, dass die Choreuten während des Vortrags der Stasima in 
Gesamtstellung (§ 75 ^) standen, und zwar mit dem Gesicht nicht den Zu- 
schauern, die ja nur in der Parabase berücksichtigt wurden, sondern den 
Schauspielern zugewendet. Beweiskräftiger ist der zweite Umstand. Gesamt- 
stellung ist bezeugt nur für den Einzug des Chores (§ 79). Aber der Ein- 
zug war schnell vorbei und ging zudem nicht immer in der oben § 75^ 
besprochenen Stellung vor sich. Deshalb ist es unglaublich, dass die Be- 
nennung der Teile des Chores nur von dem Chor in seiner Marschstellung 
hergenommen sei. Es muss, so dürfen wir folgern, eine Gesamtstellung des 
Chores auch sonst eingetreten sein. Mit dieser Folgerung steht im Einklang 
die Angabe des Photios (zu § 75^ tjv) und die viereckige Aufstellung, die dem 
Chor während seines Vortrags zugeschrieben wird (Bekkeb An. 746, 27). 
Die Gesamtstellung trat nun aber nicht ein während der Akte (§ 78), 



5. Die DarBtellnng. (§ 77—78.) 279 

folglich kann sie nur angenommen werden während des Vortrages der 
Stasima. 

2. Aus dieser Folgerung entspringt eine andere für den Vortrag. 
Wenn nämlich in den Stasima eine Teilung des Chores nicht eingetreten 
ist, so ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Strophen und Oegenstrophen 
abwechselnd von Halbchören gesungen wurden. Zu dem gleichen Ergebnis 
haben die Untersuchungen geführt, die neuerdings über die Vortragsweise 
der euripideischen (R. Abnoldt) und äschyleischen Stasima (Wecklein) 
angestellt worden sind. Es darf aber hier nicht unerwähnt bleiben, dass 
sehr verdiente und feinsinnige Mitforscher zu einem gegenteiligen Ergeb- 
nisse gelangt sind (v. Christ, Hense, Muff). 

3. Der Vortrag der Stasima geschah sehr wahrscheinlich unter Tanz- 
bewegungen. Zwar geben eine Reihe alter Schriftsteller an, dass der Chor 
die Stasima stehend gesungen habe; doch beruht diese Angabe ohne Zweifel 
auf einer falschen Etymologie des Namens. Stasimon heisst sicher nicht 
Stehlied, wie jene meinen. Das Wort ist wahrscheinlich alt, nicht erst 
in später Zeit aufgekommen, denn seitdem es ein Drama gab, waren wie 
Einzugslieder so auch Zwischenaktslieder da, und mit der Namengebung 
kann man unmöglich Jahrhunderte lang gewartet haben. Mag nun Sta- 
simon Zwischenaktslied bedeuten oder nicht, jedenfalls steht es nur im 
Gegensatz zu Einzug und Auszug, nicht im Gegensatz zu Tanz, sodass 
Tanzbewegungen von ihm nicht ausgeschlossen werden dürfen. Wollte man 
das, so müsste man von der früheren Tragödie, in der Zwischehlieder 
ausser den Stasima jedenfalls etwas ganz Seltenes waren, den Tanz so gut 
wie ganz ausschliessen. Dies zu thun verbietet aber die Überlieferung, 
nach welcher die ältesten Tragiker von ihrer scheinbar bedeutendsten Thä- 
tigkeit geradezu Tänzer genannt wurden. 

4. In den Zwischenakten der späteren Komödie, in der wahr- 
scheinlich nur ein kleiner Chor zur Verfügung stand, war die Thätigkeit 
dieses Chores natürlich eine ganz andere. Wir haben schon oben § 20^ 
die Vermutung ausgesprochen, dass mehr das musikale-mimische Element 
zur Geltung gekommen sein wird, weniger das gesangliche. Noch einen 
Schritt weiter ging die römische Komödie (§81 *). 

78. Epeisodischer Zwischenvortrag. Wie im neueren Drama so 
zerfielen im alten die Akte oder Epeisodien in Auftritte. Die Pausen, die 
hier manchmal aus zwingenden Gründen eintraten, wurden durch chorische 
Thätigkeit ausgefüllt. Daneben gab es auch kleinere Pausen, wie z. B. 
nach längeren Reden der Bühnenpersonen; auch sie wurden durch kleine 
Zwischenbemerkungen des Chores verdeckt. Endlich kam es auch vor, 
dass vom Zwischenaktslied oder einem andern Lied zur Handlung und um- 
gekehrt ein kleiner chorischer Vortrag überleitete. Alles dieses fassen wir 
unter epeisodischem Zwischenvortrag zusammen. 

1. Die Stellung des Chores war, wie schon angedeutet wurde, in 
den Epeisodien eine andere wie beim Einzug oder während des Vortrages 
der Stasima. Wir werden hierüber mit hinreichender Sicherheit durch die 
zu § 76^ angeführten Stellen belehrt; der Unglauben, den sie gefunden, 



280 ^' ^<^ BtÜinenwesen der Griechen und Bömer. 

ist nur aus Voreingenommenheit zu erklären. Sie berichten von der Para- 
base und der Stellung, welche der Chor vor dieser inne hatte. Da eine 
Parabase niemals einem Stasimon unmittelbar folgt oder vorhergeht, so 
kann nur diejenige Stellung gemeint sein, in welcher der Chor sich wäh- 
rend eines Aktes befand, d. h. die Epeisodienstellung. Wir erfahren, dass 
vor der Parabase nicht vier Glieder da waren (aroTxoi S' Schol. Fri.), dass 
die Choreuten nicht hintereinander aufgestellt waren {€g)€^rjg ectfatsg Schol. 
Ri.), dass sie vielmehr reihenförmig {xaTci aroTxov Schol. Ri.) nach der 
Bühne blickten und dass sie einander gegenüber standen {MtmQoaconov 
dXXijXoig cxdvrfg Heph.). Auf die letztere Stellung deutet auch Xenophon 
(An. 5, 4, 12 xoQoi ävTi<rroixovvT€g). Sich gegenüber stehen und nach der 
Bühne blicken konnten sie aber nur dann, wenn sie sich in einem gewissen 
Abstand von einander befanden, wenn sie sozusagen den Spielplatz der 
Schauspieler von zwei Seiten einschlössen. Mehr erfahren wir aus den 
Zeugnissen nicht, und Vermutungen wollen wir lieber zurückhalten. Es 
sei nur noch darauf aufmerksam gemacht, dass diese durch Zeugnisse be- 
legte Epeisodienstellung des Chores vor jeder anderen schon deshalb den 
Vorzug verdient, weil bei ihr die Möglichkeit ausgeschlossen war, dass ein 
Choreut über die Köpfe seiner Genossen hinweg mit Bühnenpersonen zu 
verhandeln hatte. — Für die Epeisodienstellung der Tragödie fehlen sichere 
Zeugnisse; allein es scheint geradezu undenkbar, dass sie von jener der 
Komödie dem Grundgedanken nach abgewichen sei. 

2. Von den Zwischenvorträgen des Chores während der Epeisodien 
sind nach den beteiligten Personen zwei Arten zu unterscheiden: solche, 
bei denen mehrere Choreuten beteiligt waren, und solche, die dem Chor- 
führer allein oblagen. Jene kamen vor in der verschiedensten Gestalt und 
wurden dementsprechend auch in der verschiedensten Weise vorgetragen. 
Es waren Gesänge, parakatalogische Partieen und Gespräche, an denen zu- 
weilen der Chor in seiner Gesamtheit, öfter aber Teile des Chores, wahr- 
scheinlich die beiden sich gegenüberstehenden Hälften, dann aber auch 
einzelne Choreuten, in Sprechpartieen ausnahmsweise sogar alle nach ein- 
einander teilnahmen. Welche Personen jedesmal vorzutragen hatten, ist 
natürlich schwer zu sagen, denn es ist nur aus dem Sinn und dem Vers- 
mass zu erschliessen, da die Chorstellung keinen Anhalt gewährt und zu- 
verlässige Nachrichten fehlen. Der Fälle, in denen mit Sicherheit auf ab- 
wechselnden Einzel Vortrag sämtlicher Choreuten geschlossen werden kann, 
gibt es nur wenige; ganz sicher ist nur einer: die Beratungsscene wäh- 
rend des Mordes in Aeschylos Agamemnon. — Tanzbewegungen fehlten 
auch in den gesanglichen Zwischen vortragen nicht; sie waren sogar teil- 
weise sehr lebhaft, je nach der gehobenen Stimmung, welche die Handlung 
für den Chor mit sich brachte, wie z. B. in Sophokles Trachinierinnen 205 
und Antigene 1105. 

3. Die Zwischenreden des Chorführers waren entweder kurze 
Bemerkungen nach einer längeren Rede einer Bühnenperson oder Ankün- 
digungen einer neu auftretenden Person, auch Abschiedsworte an eine ab- 
tretende, oder endlich Anrufungen der Götter und Aufforderungen an den 
Chor. Die kurzen Zwischenverse sind meist iambische Triraeter, sie wurden 



5. Die Darsiellimg. (§ 79.) 281 

also einfach deklamiert. Dagegen bestehen umgekehrt die Ankündigungen 
und Aufforderungen gewöhnlich aus Anapästen. Während des parakata- 
logischen Vortrages derselben traten die Bühnenpersonen auf, bzw. auch 
ab und nahm der Chor oft eine andere Stellung ein. 

79. Chor im gemischten Vortrag. 1. Es ist gegenwärtig unbe- 
stritten, dass die im gemischten Vortrag dem Chor zufallenden gespro- 
chenen Partieen nicht vom Gesamtchor vorgetragen wurden, sondern von 
einem einzelnen Choreuten. Kaum zweifelhaft kann es sein, dass dieser 
Einzelchoreut der Chorführer war, der allein im Namen des Chores zu 
sprechen das Recht hatte. Nicht als Ausnahme ist es anzusehen, wenn 
eine vollständige Teilung des Chores eingetreten war, wie in der Lysistrate; 
denn in diesem Falle gab es zwei Chöre und zwei Chorführer und von 
jedem von ihnen galt dann, was sonst von dem einen Chor und dem einen 
Chorführer galt. Uns erscheint es als Willkür, wenn die gesprochenen 
Partieen an den Chorführer und seine Nebenmänner verteilt werden, denn 
eine Nötigung dazu liegt nicht vor und von einer hervorragenden Bedeu- 
tung der Nebenmänner ist nichts bekannt (§ 75 ^). Denkbar wäre es, dass 
einmal ausnahmsweise sämtliche Choreuten nach einander zum Wort ge- 
kommen wären; doch ist auch dieser Fall nicht sicher nachweisbar. 

2. Wo der Chor in eine gewisse Erregung gerät, wo sich das Ge- 
spräch zu parakatalogischem Vortrag und Gesang steigert, da hat man 
häufig Verteilung des Vortrages auf Einzelchoreuteu oder Chorteile vorge- 
nommen. Es ist nicht zu leugnen, dass diese Vortragsweise den lebhaften 
Gefühlsausbrüchen manchmal recht angemessen erscheint; doch darf man 
in der Verteilung nicht zu weit gehen. In der Regel wird auch hier der 
Chorführer allein thätig gewesen sein, abwechselnd zuweilen mit dem Ge- 
samtchor. Wo eine Zweiteilung angezeigt erscheint, darf man an die in 
den Epeisodien sich gegenüberstehenden Abteilungen des Chores (§ 78 ') 
denken. Wer eine noch grössere Teilung voraussetzt, wird die Mitglieder 
des besten Gliedes (§ 75 2) heranziehen. Schwerlich zu billigen ist die Ver- 
teilung einer gemischten parakatalogisch oder gesanglich vorgetragenen 
Partie an sämtliche Choreuten, und zwar besonders aus folgenden Gründen. 
Einmal ist eine solche Verteilung nicht bestimmt überliefert; denn Eallias 
ABCtragödie, aus der man einen Beweis gefunden zu haben glaubt (Hense), 
kann nicht entscheidend sein. Ferner scheint es unglaublich, dass die Ein- 
heit oder die Einheiten der Melodie, durch welche ohne Zweifel die ge- 
mischte Partie zusammengefasst war, auf so grausame Weise durch Einzel- 
vortrag sollte zerhackt worden sein. Endlich, für uns entscheidend ist 
der Umstand, dass es gute und weniger gute Choreuten (§ 75 *), also auch 
gute und weniger gut« Sänger unter ihnen gab. Aus diesem Umstände 
folgt nämlich, dass nicht sämtliche Choreuten geeignet waren schwierige 
Solopartieen zu übernehmen. Wenn dies nicht aus der Überlieferung zu 
schliesseil wäre, müsste es uns die Überlegung sagen; denn es waren ge- 
wöhnliche attische Bürger, aus denen sich die dramatischen Chöre zusammen- 
setzten, und es waren ihrer eine grosse Zahl: 36 bis 45 im tragischen und 
72 im komischen Wettkampf; dass aber jeder von ihnen so eingeübt wie 



282 B. Das Bühnenwesen der Qrieohen und Römer. 

ein Schauspieler, jeder von ihnen zu Einzelgesang beföhigt gewesen sei, 
dies dürfen wir mit vollster Zuversicht verneinen. 

80. Einzug, Auszug. 1. Der Einzug (ndQoiog) wie der Auszug 
{a(fodog) des Chores und ebenso, wenn es notwendig war, sein Abtreten 
vor Schluss des Stückes (fierMtamg) und sein Wiedereintritt (ininaQodog) 
geschah unter Vorantritt des Flötenbläsers in der Elegel durch einen der 
Orchestraeingänge. Da diese Eingänge typische Bedeutung hatten (§53^), 
musste der Chor, wenn er aus Bewohnern der Stadt bestand, welche den 
Schauplatz der Handlung abgab, oder wenn er zur See ankam, durch den 
Eingang einziehen, welcher den Zuschauern rechts lag; kam er dagegen 
zu Lande aus der Fremde, so fand der Einzug durch den andern Eingang 
statt. Es lag in der Natur der Sache, dass der erste Fall der gewöhn- 
liche war; und daher erklärt es sich auch, dass die alten Schriftsteller nur 
den Einzug des Chores durch den rechten Orchestraeingang berücksichtigen. 
Ausnahmsweise erschien der Chor zuerst auf der Bühne, z. B. in Aeschylos 
Prometheus und Eumeniden, und stieg erst nach Beendigung seines ersten 
Vortrages herab. Nach der gewöhnlichen Annahme wurde der Eumeniden- 
chor auf dem Ekkyklem herausgedreht (§ 55 9, der Okeanidenchor im Pro- 
metheus dagegen auf einer Flugmaschine herabgelassen. Das letztere dürfte 
zu bestreiten sein, trotzdem die Worte des Dichters darauf zu führen 
scheinen. Wenn nämlich in späterer Zeit bei entwickelter Bühnentechnik 
die Maschine nicht allzusehr belastet werden durfte (§ 57 >. 53 ^), so kann 
auch in Aeschylos Zeit der zwölf Personen starke Chor eine solche Ma- 
schine nicht benutzt haben; er wird also links vom Schauspieler in einer 
weniger auffallenden Weise erschienen sein, sodass Prometheus Worte bei 
Aeschylos als dichterischer Ersatz des nicht darstellbaren Herabschwebens 
der Okeaniden aufzufassen sind. 

2. Der Einzug fand gewöhnlich in der Gliederstellung statt, und 
zwar so, dass entweder die Choreuten jedes Gliedes {xaTci txtoixovg) oder 
die Mitglieder jeder Rotte (xatd C^yä) hintereinander marschierten. Zwar 
wird dies ausdrücklich nur vom tragischen Fünfzehnerchor berichtet, doch 
liegt nicht der geringste Grund vor für die beiden anderen Chöre einen 
abweichenden Einzug vorauszusetzen. Die Stellung des Chorführers war 
beim Fünfzehnerchor, wenn dieser fünf Mann tief (xard txtoixovg) einzog, 
in der Mitte des links marschierenden ersten Gliedes (§ 75*). Seine Stel- 
lung für den Fall, dass der Chor drei Mann tief (xatd f vycr) einmarschierte, 
wird nirgends bestimmt angegeben, es erscheint uns aber als Willkür ihm 
seine Stelle in der Mitte des ersten Gliedes zu nehmen und in der Mitte 
der links marschierenden Rotte anzuweisen, wie es allgemein geschieht. 
Danach dürfen wir für die einziehenden Chöre folgende Stellungen als 
regelmässige annehmen (vgl. § 75^): 

(Bühne oben, Zuschauerraum unten, Marsch nach links): 

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l m n p i h l m n o p q r s 

f g h i /.• ('. f g h g h i k l m 

a h r f/ r. a B cd a h C d e f 



5. Die Darstellimg. (§ 80.)| 283 









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3. Der Einzug oder Abzug des Chores fand ausnahmsweise auch 
in anderer als in der eben besprochenen Weise statt. Ausdrücklich er- 
wähnt wird von PoUux nur ein Ausnahmsfall, bei welchem jedes Mitglied 
des Chores einzeln (xa^* i'va) einzog. Es kamen aber auch andere Aus- 
nahmen vor. So zogen die von Anfang an durch das ganze Stück geteilten 
Chöre der Männer und Frauen in der Lysistrate getrennt ein. Getrennt, 
und zwar von zwei verschiedenen Seiten kommend, zog auch der Chor in 
Sophokles Ajas bei seinem Wiedereintritt {inmotQodog) ins Theater ein. 
In den Troerinnen endlich liess Euripides mit fadem Kunstgriff einen Teil 
des Chores voraus einziehen und den anderen erst folgen, als er herbei- 
gerufen worden war. Es mögen noch andere Einzugsformen vorgekommen 
sein, wie aus Aeschylos Schutzflehenden und Sophokles Oidipus in Eolonos 
zu schliessen ist; denn es scheint kaum bestreitbar, dass in diesen Stücken 
nicht der reine Einzeleinzug, den Pollux andeutet, anzunehmen ist, sondern 
ein gruppenweiser Einzug. 

4. Der Teil des Dramas, in dem der Einzug des Chores stattfand, 
hiess Parodos. In Rücksicht auf die Darstellung lassen sich in der Tra- 
gödie zwei Arten unterscheiden: die chorische, vom Chor allein vorge- 
tragene Parodos und die gemischte Parodos, an welcher sich Bühnenpersonen 
beteiligten. Der Einzug des Chores bei chorischer Parodos geschah in 
der Regel während des ganzen Vortrages oder im Beginn desselben. In 
der älteren Tragödie dienten dazu besonders die dem lyrischen Teil vor- 
ausgehenden anapästischen Systeme. Dass diese vom Chorführer allein 
parakatalogisch vorgetragen wurden, ist die fast allgemeine Ansicht, der 
man nur zustimmen kann. Der Einwand nämlich, dass der Einzelgesang 
nicht zum Marsch geeignet sei, ist nicht stichhaltig für den, der da weiss, 
dass der Chor gar nicht selten während der anapästischen Monodie einer 
Bühnenperson seinen Einzug gehalten hat. Die verschiedene Ausdehnung 
der Marschanapäste deutet auf längeren und kürzeren Marsch des Chores ; 
doch da die Grösse der Thymele (§ 54 ^) unbekannt ist, lässt sich etwas 
Genaueres über den Marsch nicht feststellen (§ 85 ^). Sophokles Antigene macht 
von der früheren Gewohnheit insofern eine Ausnahme, als sich Anapäste 
zwischen den lyrischen Strophen finden; hieraus ist zu schliessen, dass 
bei jeder Strophe gehalten, bei den Anapästen aber weitermarschiert wurde. 
Der strophische Teil der Parodos wurde in der Regel vom Gesamtchor 
gesungen, und zwar, soweit nicht marschiert wurde, unter Tanzbewegungen. 
An Gesang der Halbchöre darf man nur dann denken, wenn der Einzug 
des Chores in Halbchören erfolgte; dies geschah aber nur ausnahmsweise 
(Absatz 3) und gar nicht bei chorischer Parodos. — Die eben besprochenen 
Parodoi haben, vom Marsch und von der anapästischen Einleitung abge- 
sehen, eine gewisse Ähnlichkeit mit den Zwischenaktsliedem (§ 77), denn 



284 B. Das Bühnenwesen der Griechen und Römer. 

wie diese wurden sie vom Gesamtchor in der Gliederstellung vorgetragen. 
Hiervon unterscheiden sich einige euripideische, die mehr Ähnlichkeit mit 
den epeisodischen Zwischenliedern des Chores (§ 78^) haben, indem bei 
ihrem Vortrag Teile des Chores thätig waren, in den Schutzflehenden die 
Mütter und die Dienerinnen und in der Alkestis einzelne Choreuten ver- 
mutlich des ersten Gliedes (vgl. R. Arnoldt Eur. 153 flF.). — In der ge- 
mischten Parodos der Tragödie zeigte sich der Chor in einer Thätigkeit, 
die fast ganz seinem Thun in der gemischten Aktion (§ 79) entsprach: der 
Chor zog ein meist während eines Vortrages einer Bühnenperson; Chor- 
führer, Einzelchoreuten, auch der ganze Chor beteiligte sich am Vortrag. 
Es trat somit im Gegensatz zur chorischen Parodos in der gemischten eine 
lebhaftere Handlung ein. — Dies war wahrscheinlich auch der Grund, dass 
die gemischte Parodos in der Komödie fast alleinherrschend wurde und 
dass in den seltenen Fällen, wo die chorische Parodos zur Anwendung 
kam, ein grösserer Wechsel im Vortrag eintrat, wie z. B. in den Wespen. 
Auf die zahlreichen einzelnen Formen kann natürlich hier nicht eingegangen 
werden. Es sei nur noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die von 
Mitforschern vorgenommene Verteilung der Chorpartieen unter sämtliche 
Choreuten in der gemischten Parodos der Komödie gerade so wenig unsern 
Beifall finden kann wie die im gemischten Vortrag (§79*) überhaupt. 

5. Der Auszug {ä(foiog) des Chores fand natürlich durch den Or- 
chestraeingang statt, der gemäss der typischen Bedeutung zu dem vom 
Chore erstrebten Ziele führte. Gewöhnlich wird also hierzu wie zum Ein- 
zug der den Zuschauem rechts liegende Orchestraeingang benutzt worden 
sein. In beiden Fällen war wahrscheinlich die Chorstellung die gleiche 
wie beim Einzug, d. h. so, dass das erste Glied den Zuschauern zunächst 
marschierte. Wie beim Einzug scheint auch beim Auszug ausnahmsweise 
eine Teilung des Chores eingetreten zu sein: einmal wenigstens begegnet 
uns dieser Fall in Aeschylos Sieben, wo die eine Chorhälfte die Leiche des 
einen Bruders, die andere die des andern geleitet. Der letzte Akt des 
Dramas, an dessen Ende der Chor die Thymele verliess, hiess Exodos. 
Ursprünglich war die Exodos wahrscheinlich ein Lied, bei dessen Schluss 
der Chor auszog. Den Rest einer solchen Exodos möchte man in Aeschylos 
Schutzflehenden erkennen, denn dies Stück wird durch ein mehrstrophiges 
Lied beschlossen, an dem wohl ein Nebenchor beteiligt war. Später scheint 
bei Aeschylos nur das dritte Stück einer Trilogie durch einen längeren 
Vortrag des Chores (Sieben), bzw. Nebenchores (Eumeniden) beendet worden 
zu sein, während im ersten und zweiten Stück der Trilogie der Chor unter 
parakatalogischem Vortrag weniger anapästischer oder trochäischer Verse 
seitens des Chorführers (Choephoren) oder einer Bühnenperson (Agamemnon, 
Prometheus) seinen Platz aufgab. In sophokleisch-euripideischer Zeit war 
die Regel in der Tragödie die, df^s der Abzug des Chores stattfand, in- 
dem der Chorführer die meist aus einem kurzen anapästischen System 
bestehenden Schluss verse {i^odiov iitXog) parakatalogisch vortrug. Ganz 
abweichend von dieser Einförmigkeit war das Verfahren in der älteren 
Komödie. Wenn man alles Nötige berücksichtigt, darf man kühn behaup- 
ten, dass kein Schluss dem andern glich. Selbst tanzend Hess Aristophanes 



ft Die Darstellang. (§ 81-81) 285 

den Chor abziehen, was nach des Dichters eigenem Zeugnis in den Wespen 
1536 sonst keiner gewagt hatte. 

Zu 2: Pollux 4, 109 xal xatd XQBTg fi^y tiajjeffayy si xard Cvyd yiyoiro tj nuQodog * 
ii di xard aroixovg, «yti Tttyts eürfiefftey, ^<f&' or« <f^ x«« x«^* tyte inoiovvto rtjy 
ntigodoy. Vita Aeschyli riyig dt <paaiy iy rp fTfidei^ei Tttiy EvfjLByldtay anogadt^y siaaya- 
yoyja xoy X^^*' Tocovxoy ixnXij^M loy drjfioy tag xd fiky yrjnia ixiffv^ai, xd di SfißQVtt 
i$ttußXü)9ijyai. Diese Angabe bezieht sieb, wenn überhaupt etwas Wahres an ihr ist, viel- 
leicht auf die Vorfeier (§ 70). 

81. Der römische Chor. 1. Ein Chorführer (magister chori) stand 
an der Spitze des römischen nur in tragischen Aufführungen (§ 38 ^ thä- 
tigen Chores. Die Anzahl der Mitglieder wird nicht angegeben; man ver- 
mutet (Ribbeck), dass sie je nach Bedürfnis gewechselt habe. Jedenfalls 
dürfen wir voraussetzen, dass sie, wenn überhaupt, dann doch selten jener 
des griechischen tragischen Chores gleichgekommen ist. Hierzu berechtigt 
die berufsmässige Ausbildung der Mitglieder und der Ort ihrer Thätigkeit. 
Der Schauspieldirektor nämlich wird gewiss die Zahl der technisch gebil- 
deten Mitdarsteller, um an Kosten zu sparen, soviel als möglich verringert 
haben, die römische Bühne aber, auf der allein der Chor zu thun hatte, 
war im allgemeinen schwerlich tiefer als die griechische (§ 50 ^), also für 
die Aktion eines Chores von fünfzehn Mann wenig geeignet. 

2. Seine Aufstellung und Thätigkeit ist nur ungenügend bekannt. 
Dass er auf- und abgetreten sei während des Stückes, ist nicht zu bezwei- 
feln (IIibbeck), und auf ein zuweilen lebhaftes Eingreifen in die Handlung 
lässt schon der Standplatz schliessen, den er mit den Schauspielern teilte. 
Im allgemeinen indessen dürfen wir die Thätigkeit des Chores inmitten der 
Akte nicht zu gross ansetzen, denn die am meisten zu Nachbildungen be- 
nutzten griechischen Tragödien stammten aus einer Zeit, in der die chorische 
Aktion als lästige Fessel empfunden und deshalb beschnitten wurde. In 
der Hauptsache waren es die Zwischenaktslieder, die dem römischen Chore 
zufielen und die er sang unter Flötenbegleitung des Choraules; für die 
hierbei stattfindenden Tänze hatte er einen leidlich grossen Raum, da das 
Schauspielerpersonal in den Zwischenakten die Bühne zu verlassen pflegte. 
— In der Komödie, die keinen Chor hatte, wurden diese Pausen durch 
blosse Flötenmusik ausgefüllt. 

0. Ribbeck Rom. Trag. 637 ff. L. Friedländer bei Marquardt IIP 544 f. Vgl. 
0. Jahn Hermes II 227 ff. — Zu 2: Donat Arg. Ter. Andr. est igitur attente animadverten^ 
dum, uhi et quando scaena vacua »it ab omnibus personiSf ut in ea chorus rel tibicefi 
audiri possit: quod cum viderhnus, ibi actum esse finitum debemus agnoscere. 

82. Vortrag der Schauspieler. 1. In Athen gab es anfänglich 
zwei, später drei ordentliche Schauspieler (§23), die in einem gewissen 
Rangverhältnis zu einander standen. Der Dichter-Didaskalos, welcher bis 
zu Aeschylos Zeit auch als Schauspieler thätig war, spielte natürlich die 
Hauptrollen selbst; als dann aber die Schauspielkunst von der Dichtkunst 
getrennt worden war, übernahm die Hauptrollen der erste Spieler oder 
Protagonist. Da dieser ausserdem dem Staat gegenüber Unternehmer war 
und nur ihm im günstigen Falle der Sieg zufiel, so hatte er eine viel an- 
gesehenere Stellung als seine mit ihm thätigen Berufsgenossen oder Ge- 
hilfen. Doch galt auch die Stelle des zweiten Spielers oder des Deuter- 



286 B. Das BühnenweBen der Griechen und Körner. 

agonisten noch als ehrenvoll, im Gegensatz zu der des dritten Spielers, 
des Tritagonisten. Allgemein bekannt ist der Spott, mit dem Demosthenes 
auf seines Gegners Aeschines frühere Thätigkeit als Tritagonist hindeutet. 

2. Zuweilen kam zu diesen drei Schauspielern noch ein vierter 
ausserordentlicher hinzu. Da der Staat jedem Dichter-Didaskalos nur 
drei Schauspieler zur Verfügung stellte (§ 23'), so musste entweder der 
Choreg sich zur Anwerbung eines weiteren Schauspielers herbeilassen oder 
der Dichter-Didaskalos sich in anderer Weise helfen. Dem bestimmten 
Zeugnis des Pollux gegenüber ist nicht zu zweifeln, dass der erstere Fall 
vorgekommen ist. Die Aktion eines solchen vierten Spielers nennt Pollux 
Parachoregem. Mit demselben Ausdruck werden die Sprechpartieen der 
Tochter des Trygäos in Aristophanes Frieden bezeichnet, und ebenso heisst 
beim Scholiasten zu Aristophanes Fröschen 209 die Aktion eines Neben- 
chores. Es scheint demnach, dass die Thätigkeit aller der Personen, die 
der Choreg über seine Verpflichtung hinaus stellte, Parachoregem genannt 
wurde, im Gegensatz zur Aktion des ordentlichen Chores. Fügte sich der 
Choreg trotz des Bedürfnisses nicht dem Wunsche des Dichter-Didaskalos, 
so konnte dieser für eine kürzere Sprechpartie auf der Bühne einen der 
Ersatzchoreuten verwenden, die ihm der Choreg wahrscheinlich stellen 
musste (§ 20^). Die Thätigkeit dieses vierten Spielers, der kein Berufs- 
schauspieler war, nennt Pollux Paraskenion, wie es scheint, im Gegensatz 
zur Aktion der eigentlichen Schauspieler, die auch Skeniker hiessen und 
deren Thätigkeit vermutlich mit Skenikon bezeichnet wurde (cf. tcc ano 
(SxtivTig Aristot. Poet. 12. Tzetzes bei Cramer Anecd. Ox. III 343, 13). 

3. Die im Anfang der vierziger Jahre in betreff der Rollenvertei- 
lung angestellten Untersuchungen waren zu ungefähr folgenden Ergeb- 
nissen gelangt. Als massgebend bei der Rollenverteilung wurde angesehen 
der grössere oder geringere Umfang der Rollen. Die grössten Rollen, die 
zugleich die schwierigsten waren, weil ein Charakter längere Zeit hindurch 
streng durchgeführt werden musste, wurden dem Protagonisten zugewiesen. 
Die nächst wichtigen Charakterrollen gehörten dem Deuteragonisten, und 
dies waren die Rollen der Personen, welche mit dem Träger der Handlung 
am meisten, sei es freundlich, sei es feindlich, zu verkehren hatten. Bei 
Sophokles gehörten hierzu besonders die Frauenrollen. Dem dritten Schau- 
spieler fielen die sogenannten Nebenrollen zu, d. h. diejenigen, welche zur 
Begründung oder Fortbewegung oder zum Abschluss der Handlung nötig 
waren: die Rollen der Könige [wenn diese nicht Träger der Handlung 
waren], die des Maschinengottes und die Prologrollen {personae protaticae). 
Die letzteren waren nach Donats Vorrede zu Terenz solche, welche nur 
im Prolog, sonst nicht zu spielen waren, z. B. Klytaemnestras Geist und 
Kratos bei Aeschylos. Diese Grundsätze enthalten nichts, was geradezu 
unwahrscheinlich wäre, aber sie haben auch keinen wissenschaftlichen Wert. 
Die Herren, welche sie aufgestellt haben, sagen zwar, dass sie von ihnen 
aus den Dramen selbst herausgesucht worden seien; in Wirklichkeit aber 
sind sie vor der Untersuchung nach Massgabe vernünftiger Überlegung 
aufgestellt und in die Dramen hineingetragen worden. Die in Athen für die 
Dichtcr-Didaskaloi massgebenden Grundsätze, nach denen sie die Rollen- 



ft. Die Barstelliing. (§ 82.) 287 

Verteilung vornahmen, sind also unbekannt. Dies muss um so eher zuge- 
standen werden, als wir nicht erfahren, wo und wann es dem Dichter- 
Didaskalos wünschenswert war einen vierten Spieler zu verwenden; denn 
dass dieser nur da aufgetreten sei, wo es uns jetzt unbedingt notwendig 
erscheint, ist eine unbegründete Voraussetzung neuerer Forscher. 

4. Noch weniger erfolgreich konnten die Untersuchungen über die 
Rollenverteilung bei den dramatischen Aufführungen in Rom sein, weil die 
Zahl der Schauspieler unbekannt ist (§ 38 ^) und weil es auch sonst keinen 
festen Anhalt gibt. Aber in einer ganz wesentlichen Hinsicht wich die 
römische Art des schauspielerischen Vortrags von der griechischen ab. Die 
in einer Rolle vorkommenden Monodieen nämlich {cantica im engsten Sinn) 
wurden von einem besonderen Sänger (cantor) gesungen, während der Spieler 
dieser Rolle (actor) nur den mimischen Teil des Vortrags durchführte. 
Diese barbarische Einrichtung bestand von Anfang an, seit Livius Andro- 
nicus, und wurde, wenn auch mit Ausnahmen, immer beibehalten. Die 
Gründe hierfür sind unbekannt, denn was der Geschichtsschreiber Livius 
von der Entstehung der Aktionsteilung erzählt, ist erfunden. Man thut 
den Römern zu viel Ehre an, wenn man an jene griechischen Hyporcheme 
erinnert, die von einem Teile des Chores getanzt wurden unter Gesang des 
anderen; denn der offenbar sehr lebhafte Tanz machte ein gleichzeitiges 
Singen unmöglich, was bei einer Schauspielerrolle nicht der Fall war. Zu- 
dem ist es doch ein grosser Unterschied, ob eine chorische Aktion geteilt 
wird oder eine einzige Schauspielerrolle. 

Vgl. §§ 23 UDd 38. K. F. Hbbmann l)e distributione personarum inter JUstrionea 
in trag, Graecis, Marburg 1840. Kabl Bebr Über die Zahl der Schauspieler bei Aristo- 
phanes, Lpz. 1844. Fr. Schmidt Über die Zahl der Schauspieler bei Plautus und Tereuz, 
Erlangen 1870. Kurt Steffen De actorum in fab. Terent. numero et distributione in den 
Acta Soc. Phil. Li^s. II 107 flf. Bosse Quaestiones Terent., Lpz. 1874. — Zu 2: Pollux 
4, 109 oTfors Uey avtl TsraQxov vnoxQirov d^ot XLvd Ttjy x^QSvxiiiy eineiy iy ^*<ffl {axtjy^'^), 
TtaQaaxfjyioy xuXeTiai x6 ngäy/i«, (og iy 'JyttfjiifJLyoyi JÜ^^kov, 110 s£ d^ xixuqxog tmo- 
XQixijg XV nagnfp&iy^aixoj xpvxo naQaxog^yrjfAa oyofAaCsxM. xal nBnQaxB-tti fpaavy avxu 
iy Mifiyoyi JiffxvXov. (Eine Änderung des Textes einer neuen Erklärung zu lieb war im 
Anfang dieses Jahrhunderts noch zulässig, ist es aber jetzt nicht mehr.) Schol. Arist. 
Frieden 114 xu xoiavxa TragaxoQtjyijfAaxa xttXovaiy, ota yvy xd naidla xaXovyxa xov 
Ttaxi^a, Schol. Arist. Frösche 209 xavxa xaXctxat nagaxoQtjyijfÄaxa, inBvdrj ovx 6qiayx«i. 
iy x(^ dedxQtü ol ßdxgaxoi, ovdk 6 jjfo^d;, dXX^ iato&ey fjLifjLovyxui xovg ßaxgdxovg . o de 
dXfj&tSg x^Q^^ ^* "^^^ evaeßiiSy ysxQcSy ffvyiaxtjxey. (Hier ist zu scheiden zwischen dem, 
was der Scholiast selbst folgert, und dem, was er überliefert erhalten hat; nur das letztere 
ist gut. Die Übei lieferung sagt aber nur, dass beim tt. nicht der eigentliche Chor thätig 
ist. Der Scholiast dagegen setzt fälschlich in den Fröschen einen Nebenchor voraus und 
folgert dann wahrscheinlich ebenso falsch, dass bei einem n, der Nebenchor unsichtbar 
sein müsse.) — Bei der Erklärung dieser Stellen ist man in doppelter Hinsicht fehlgegangen : 
erstens hat man Übersehen, dass n. die Aktion bedeutet, und zweitens hat man sich an 
eine unpassende Bedeutung von x^Q^YW^ festgeklammert. Die sicher bezeugte Bedeutung 
von 71. = Aktion muss festgehalten und von ihr aus der Übergang zu /. gesucht werden. 
Ich denke mir diesen so. XoQrjyrjfjia heisst id ipsum quod j)fo^i7/ff ra/., also in eister Linie 
der Chor und seine Ausstattung. Da aber der Choreg bei der Einübung und Darstellung 
thätig war. so gehört zu dem, was geleistet wird, auch die Einlemung und Aufführung. 
Und so steht auch bei Pollux 9, 41: x6 diddaxeiy /o^i7/6tV Demnach heisst /. die 
chorische Aktion, wie n, die Aktion des ausser dem Chor vom Choregen gestellten Per- 
sonals. — Zu 4: Vgl. § 74*. Livius 7, 2 dicitur (Liv. Andronic,)t cum saepius revocatus 
vocem obtudisset, venia petita puerum ad canendum ante tibicinem cum statuisset, canti- 
cum e gisse aliquanto magis vigente motu, quia nihil vocis ustvs impediebat . inde ad ma^ 
num cantari histrionibus coeptum diverbiaque tantum ipsorum roci relicta, Diomedes 
p. 491 K. in canticis autem una debet esse persona, aut si duae fuerint, ita esse debent, 



288 B. Das BühnenweBon der Griechen und Römer. 

ut ex occtdto una audiat nee colloquatur, sed secum, ai opus fuerit, verha faciat. Vgl. 
Ribbeck Rom. Trag. 24. 634. Anders Ritschl Op. III 47 f. 

83. Musikbegleitung. 1. Nur die Flöte wurde im Drama zur 
Musikbegleitung {vttovXsTv) verweudet. Die Annahme, dass zuweilen auch 
die-Kithara an Stelle der Flöte erklungen sei, entbehrt der genügenden 
Begründung. Der Wettkampf zwischen Aeschylos und Euripides in Aristo- 
phanes Fröschen spricht nicht dafür. Euripides hat die Absicht Aeschylos 
Unselbständigkeit in der musikalen Dichtung vorzuwerfen (1281). Anklänge 
an die kitharodische Musik mochten in Aeschylos Gesängen zu Tage ge- 
treten sein, und Euripides betont sie, indem er in übertreibender Weise 
Kitharlaute durch Gesang nachahmt ((pXaTToO^Qar: Graf 46. 68). Diese 
Auslegung wird bestätigt durch Aeschylos Antwort. Das Schöne, sagt 
dieser, was in jener Musik zu finden sei, habe er herübergenommen und 
wieder ein Schönes gestaltet {ig t6 xaXov ix tov xaXov ijveyxov 1298: Pia- 
tons Gesetze III 700). Von einer Umgestaltung hätte er offenbar nicht 
sprechen dürfen, wenn seine Musik gleich den kitharodischen Nomen Kithar- 
musik gewesen wäre. Wer solches behaupten wollte, der müsste folge- 
richtig zu dem absurden Schluss gelangen, dass bei Euripides auch Musik 
durch Schlagen auf Töpfe {oavqdxoig xqoteTv 1305) gemacht worden sei. 
Gleich wenig beweisend ist ein anderes Zeugnis für Kitharmusik im Drama 
bei Sextus Empir. p. 751, 21: ein Schriftsteller, der Lieder und Stasima 
auseinander hält (/i^Ar; xal (STMifia) und ein anapästisches System einem 
Stasimon zuweist, verdient nicht den mindesten Glauben. 

2. Da im griechischen Drama dem Chor vorzugsweise und anfangs 
wahrscheinlich ausschliesslich die Gesangspartieen zufielen, so ist es begreif- 
lich, dass die Flöt^nmusik regelmässig in der Nähe des Chores ertönte. 
Der Flötenbläser zog beim Abmarsch dem Chore voraus, wie die Über- 
lieferung sagt (Suidas i^odiov rof^ioi. Schol. Arist. Wesp. 582), desgleichen 
vermutlich beim Einzug, und es ist kaum anders denkbar, als dass er 
während der eigentlichen Handlung neben dem Chore auf der Thymele 
seinen Platz hatte. Gab es einen Chorgesang vor dem Choreinzug, wie in 
Aristophanes Fröschen, so war der Flötenbläser wie der Chor hinter der 
Bühne beschäftigt. In gleicher Weise blies vermutlich der Flötenbläser 
hinter der Bühne, wenn vor dem Choreinzug von Bühnen personen Monodieen 
vorgetragen wurden. Ob immer, ist allerdings fraglich; insbesondere ist 
unklar, wo der Musiker stand, wenn der Chor während einer Monodie still 
einzog. Es ist möglich, dass zuweilen ein zweiter Flötenbläser zu Hilfe 
genommen wurde. Einmal wenigstens ist sicher ein zweiter Musiker thätig 
gewesen, in Aristophanes Fröschen, wo neben der Flötenbläserin, die den 
Gesang des Epops begleitete, ein anderer Musiker sich hören liess (861). 

3. Die Art und Weise des Spieles ist fast ganz unbekannt. Be- 
gleitung gesanglicher und parakatalogischer Partieen dürften wir erschliessen 
(§ 743). Polyphone Musik gab es nicht (Graf 28. 74); der Musiker blies 
dieselbe Melodie, nur ging die eine von seinen beiden Flöten in der Oktave 
mit. Nicht unbekannt war der Solovortrag [diavXiov Hesych). Mit Un- 
recht scheint ein alter Erklärer zu Aristophanes Fröschen 1264 diesen nur 
hinter der Bühne anzunehmen, da Hesych von solcher Beschränkung nichts 



6. Die DarsteUnug. (§ 83-84.) 289 

weiss. Als der Chor aus der griechischen Komödie zum Teil verdrängt 
wurde, als statt der Chorgesänge mimisch-musikales Spiel eintrat (§ 20^), 
wird es für das Ohr nichts anderes gegeben haben als Solovortrag des 
Flötenbläsers, und die römische Komödie kannte kein anderes Zwischenspiel 
während der Akte als Flötenrausik (§ 8V). Ein Zwischenspiel oder Nach- 
spiel dagegen zwischen den Abschnitten und am Schluss der Gesangspartieen 
hat schwerlich stattgefunden, denn die Stellen, in denen man es annimmt, 
enthalten, wie schon angegeben, nur witzige Nachahmungen instrumentaler 
und tierischer Töne durch die menschliche Stimme; aus ihnen ist eine Fol- 
gerung auf Zwischenspiel oder Nachspiel nicht abzuleiten. Vgl. Christ 
Metrik ' 49. Graf s. zu § 66. 

84. Geberdensprache. 1. Der mündliche Vortrag der Darsteller fand 
statt unter Körperbewegung {xivrjaig crcojuaTixi^, motus). War diese genau 
nach dem Takte geordnet, also mit Musikbegleitung verbunden {lQQv3/xog 
xiv7j<ng)y so entstand vielfach Marsch oder Tanz, über die im folgenden 
Paragraphen gesondert gesprochen werden soll. Die Körperbewegung mit 
Ausschluss des eigentlichen Marsches und Tanzes fassen wir zusammen mit 
dem Ausdruck Geberdensprache ((r^i^juara, gestus). Dieser Ausdruck passt 
insofern nicht gut, als einerseits bei Marsch und Tanz die Geberden gleich- 
falls eine wichtige Rolle spielen und als andrerseits nicht jede Körper- 
bewegung unter den Begriff Geberde fällt; doch dürfte schwer ein besserer 
zu finden sein. 

2. Die Körperbewegung des Redners zerlegt Quintilian im dritten 
Kapitel des elften Buches nach den Körperteilen, durch welche sie hervor- 
gerufen werden, in mehrere Teile: in Bewegungen des Kopfes, des Ge- 
sichtes (Miene), des Nackens und Halses, der Schultern, Arme, Hände und 
Finger und endlich der Füsse. Ähnlich kann man die körperliche Bewegung 
im alten Drama teilen; doch sind zwei Änderungen vorzunehmen. Einer- 
seits bleibt das Mienenspiel weg, da es ein solches in Griechenland von 
Anfang an und in Rom seit Einführung der Masken nicht gab; nur die 
Bewegung des Auges wäre einigermassen zu berücksichtigen, weil sein 
Ausdruck (§ 60^) wie seine Richtung für die näher sitzenden Zuschauer 
erkennbar war, wie Cicero über den Redner 3, 59, 221 angibt. Andrer- 
seits muss aber, da nicht bloss eine Person spielte, die gesamte Körper- 
bewegung geschieden werden in Bewegung der Gruppen und Bewegung des 
Einzelspielers. Nach dem Zweck, dem sie dienen, zerfallen die Bewegungen 
in drei Arten. Grundbewegungen nennen wir die für jede Handlung 
unbedingt notwendigen Stellungen und Bewegungen des Körpers und seiner 
Teile, wie sie beim Stehen, Sitzen, Knieen, Schreiten, Anfassen, Heben 
u. s. w. eintreten. Die zweite Art bilden die sinnbezeichnenden Be- 
wegungen, Geberden im engeren Sinn {axr^fiaxa^ significationes); sie haben 
den Zweck den bei Geschehnissen oder Mitteilungen von Geschehnissen im 
Innern entstehenden Gefühlen und Ansichten in natürlicher Weise Ausdruck 
zu geben. Erscheinen sie als Begleiterinnen einer Rede, so tragen sie zur 
Verdeutlichung bei; im andern Falle beleben sie die Aktion, indem sie das 
Wahrgenommene sich wiederspiegeln lassen. Die dritte Art sind die sach- 
bezeichnenden Geberden (iei^eig^ demonstrationes) ; sie unterscheiden sich 

Buidbiich der Umi. AltertiiiDcwineDflcliaft. T. 8. Abtlg. 19 



290 ^* I'cus Bülmenweseii der Grieohen und Römer. 

ganz wesentlich von der vorhergehenden Art dadurch, dass sie nicht wie 
jene unmittelbare Gefühlsausbrüche bezeichnen, sondern mit Bewusstsein 
etwas kenntlich machen entweder durch Hinweisen auf den Gegenstand 
oder durch Nachahmung einer Handlung, z. B. Eitharspiel ohne Eithara 
(Quint. 88). Verschiedenheit der Geberden tritt ferner ein je nach Alter, 
Geschlecht, Beruf, Gesinnung, Stimmung der agierenden Personen und je 
nach der Bedeutung der Handlung. So war die Körperbewegung der Tra- 
gödie ihrem ernsten Charakter gemäss langsamer als die der Komödie und 
ähnlich die Bewegung der ehrbaren Bürger und Bürgerinnen langsamer 
als die der Sklaven, Schmarotzer, Fischer (Quint. 112). 

3. Die Geberdensprache der Bühne schloss sich an und musste sich 
anschliessen an die Geberdensprache des Volkes und wird deshalb wie diese 
mancherlei Wechsel erfahren haben. So wenig aber die Lehre von der 
dramatischen Dichtung es nötig hat eine Grammatik der Volkssprache zu 
geben, so wenig hat die Lehre von der Darstellung die Aufgabe die Ge- 
berdensprache des Volkes vorzuführen. Ihr liegt vielmehr allein ob die 
Haupteigentümlichkeiten der scenischen Geberdensprache, ihre wesentlichen 
unterschiede von der des Volkes hervorzuheben. Dies kann aber leider 
jetzt noch nicht geschehen, erstens weil die Geberdensprache der Griechen 
und Kömer noch immer eine wissenschaftliche Bearbeitung erwartet und 
zweitens weil die scenischen Bildwerke, aus denen die Geberdensprache der 
Bühne genauer zu erkennen sein wird, bis jetzt noch nicht genügend be- 
kannt gemacht sind (§13 Leo). Es dürfte deshalb geraten sein hier nur 
einige allgemeine Bemerkungen zu machen und auf diejenigen Umstände 
hinzuweisen, durch welche ein Abweichen der scenischen Geberdensprache 
von der des Volkes bedingt war. 

4. Abweichungen traten ein und mussten eintreten, weil die scenische 
Geberdensprache eine plastische Kunst war, d. h. weil auf der Bühne 
ähnlich wie in der bildenden Kunst die Stellungen und Bewegungen der 
auftretenden Personen gewissen Schönheitsgesetzen unterworfen waren. Die 
auf der Bühne sichtbaren Einzelpersonen oder Gruppen lassen sich in ihrer 
Körperbewegung am ehesten vergleichen mit Werken der Bildhauerkunst. 
Sie unterscheiden sich von diesen dadurch, dass sie bei jedem Schritt, den 
die Handlung macht, sich in neuen Formen zeigen, also im Gegensatz zu 
den Werken der Bildkunst einer fortwährenden Änderung unterworfen sind. 
Die Aktbilder, welche das alte Drama gewährte, darf man aber nicht nach 
dem Massstabe der neueren Bühnenaktbilder messen, denn sie weichen von 
diesen in einem ganz wesentlichen Punkte ab. Die alten Bühnenbilder 
waren nahezu Rundbilder, die neueren sind es nicht. Von drei Seiten aus 
nämlich konnten im griechischen und römischen Theater die Vorgänge auf 
der Bühne beobachtet werden, und die Thätigkeit des griechischen Chores 
war sogar allseitig bemerkbar, wie zur Not ein Blick auf Tafel I lehren 
kann. In unserm Drama dagegen ist uns fast nur die Vorderansicht der 
handelnden Personen gestattet, denn von der Kreislinie, die wir uns um 
die auf der Bühne sich abspielende Handlung gezogen denken, bleibt für 
die Zuschauer fast nur ein Viertel als Beobachtungslinie übrig, oft, wie 
z. B, in Bayreuth und sonst, noch weniger. Die Schwierigkeit, welche im 



5. Bid Darstellung. (§ 84.) 291 

alten Drama die gruppenweise Aufstellung bereitete, war nun allerdings 
nicht so gross, als es auf den ersten Blick scheinen könnte. Die Gruppen 
waren ja, vom Chor abgesehen, bei der geringeren Anzahl der Schauspieler 
in der Regel klein, und wo ausnahmsweise Statisten in grösserer Anzahl 
erschienen, werden sie mehr nach der Bühnenhinterwand zu zurückgetreten 
sein oder, wie im Anfang von Sophokles König Oidipus, sitzend oder knieend 
vor den Götterbildern versammelt gewesen sein, sodass die Hauptpersonen 
sich deutlich aus der Schar der übrigen abhoben. Die Schwierigkeit aber, 
die entstand, wenn zwei oder drei Vertreter von wichtigen Rollen sich in 
einer Linie aufstellten, sodass für die in gleicher Linie sitzenden Zuschauer 
der erste die andern verdeckte, konnte, wenn auch nicht ganz, so doch 
teilweise gehoben werden nur durch einen grösseren Abstand der Per- 
sonen. Dass diese Folgerung kein Phantasiebild ist, lehren die Bildwerke 
(§ 13^), hauptsächlich die Wandgemälde Pompejis, die Relief bilder, die 
vatikanische Mosaik und die Terenzhandschriften. Der Figurenabstand in 
den Wandgemälden ist ohne jeden Zwang des Raumes so gross, dass an 
einen Zufall nicht gedacht werden kann. Nur ein schlagendes Beispiel sei 
hier angeführt. In allen andern Bildwerken (Overbeck Gallerie her. Bild. 
464 £f.) berührt der kniefällig bittende Priamos den Besieger seines Sohnes, 
in den pompejischen Wandgemälden dagegen ist seine vorgestreckte flehende 
Hand um eine Mannesbreite von Achills Gewandumriss entfernt, ohne dass, 
wie Kopf und Rumpf des Greises lehren, an ein Auseinanderziehen der 
Figuren von seiten des Kopisten gedacht werden dürfte. Die Rücksicht 
auf die Schönheit der Gruppenbildung im Theater brachte es also mit sich, 
dass die Geberde des Flehens nur andeutungsweise, nicht voll zum Aus- 
druck kam. — Die plastische Schönheit verlangte femer in der alten wie 
ähnlich im neuen Drama eine Abrundung in den Stellungen und Be- 
wegungen der Gruppen und Einzelspieler. Einiges in betreff des letzteren 
wird auch durch Quintilian angedeutet. So wurde Brust und Bauch nicht 
vorgestreckt {odiosa omnis supinitas 122); breitbeiniges Gehen oder Stehen 
wurde vermieden (125), desgleichen Gestikulation mit der rechten Hand, 
wenn das rechte Bein als Standbein vorgesetzt war (124); die Arme wurden 
nur massig weit vorgestreckt (84) und die Hand in der Regel nicht über 
das Auge erhoben oder unter die Brust gesenkt (112). 

5. Die Körperbewegung auf der Bühne ist aber nicht eine rein pla- 
stische Kunst, sie ist vielmehr zugleich eine rhythmische Kunst, d. h. 
eine solche, die ihre Formen in gewisser Zeitfolge abändert. Die rhyth- 
mische Schönheit verlangte für sich allein, dass die Bewegung eines Körper- 
teiles nicht vereinzelt blieb, dass vielmehr die übrigen Körperteile, ja der 
ganze Körper an der Bewegung teilnahmen (Quint. 122), um jede Steifheit 
zu vermeiden. Wenn die rechte Hand gestikulierte, sekundierte die linke 
(114); mit dem Kopf allein zuzuwinken, abzuwinken und dergleichen galt 
auf der Bühne geradezu als fehlerhaft (71). Die Einzelbewegung musste 
ferner der rhythmischen Schönheit entsprechend abgerundet sein (orbis 105). 
— Es war aber der Rhythmus der Geberdensprache auf der alten Bühne 
nicht ein freier, sondern abhängig von der Dichtung, von dem Sinn und 
dem Vortrag der Worte. So musste die Körperbewegung zunächst in ihrem 



292 B. Das Bühnenweseü der Grieöhen und Bömer. 

Tempo dem mündlichen Vortrage folgen: die Gestikulation mit der Hand 
begann und hörte auf mit den einen bestimmten Gedanken ausdrückenden 
Worten (Quint. 106; cf. 159). Selbstverständlich musste die den Sinn be- 
gleitende Bewegung der rechten Hand auch auf der rechten Seite enden; 
denn endete sie auf der linken Seite, so musste die Hand nach Schluss der 
betreffenden Worte nach rechts hinübergezogen werden; diese überschüssige 
Bewegung galt aber als fehlerhaft (109). Wurde der mündliche Vortrag 
dem Sinn entsprechend lebhafter, schneller, so musste natürlich auch die 
Geberde an Lebhaftigkeit zunehmen {gestus cum ipsa orationis ceUritate 
crebrescet 111). In diesem Fall ging man zuweilen über die gewöhnlichen 
Regeln hinaus: bei Ermahnungen trat ein Tremulieren mit erhobenen 
Händen ein, eine Sitte, die in Rom nach Quintilian (103) aus fremden 
Schulen eingeführt war. 

6. Eine Abweichung der scenischen Geberdensprache von der des 
Volkes veranlassten schliesslich die typischen Charaktere des alten 
Dramas, von denen oben mehrfach die Rede war (§ 60'. 64*). Dies dürfte 
an sich wahrscheinlich sein und wird zudem durch einige Angaben bestätigt. 
Donat erwähnt einmal die Gestikulation des Parasiten und mehrmals die 
des Sklaven (Leo 338). Nach Quintilian bestand die letztere im Einziehen 
des Halses {contractu cermcula 83. 180). Beispiele dafür sind auf Bild- 
werken zahlreich zu finden. 

WiESBLER Denkm. besonders za T. X. Fr. Leo Rhein. Mus. 38^^ 331 fif. (über die 
Oeberden in den Terenzhandschriften). Vgl. ausserdem Baumeister Denkm. unter Geberden- 
sprache (in der bildenden Kirnst). Sittl Verh. der 39. Philologenvers, in Zürich 1887 S. 44 fif. 
(Geberden des Volkes). 

85. Marsch, Tanz. 1. Über die Marschbewegungen und die Tänze 
der Schauspieler und des Chores sind wir nur unvollkoromen unterrichtet, 
und das wenige, was wir erfahren, bezieht sich dazu fast nur auf das 
griechische Drama. Das Auftreten und Abtreten war oft geregelt durch 
den Takt der Musik, denn nicht nur der Chor zog vielfach unter parakata- 
logischem Vortrag, bzw. Gesang ein und aus (§ 80^- *), sondern auch dio 
Schauspieler schritten nicht selten hervor oder zurück während des para- 
katalogischen Vortrages besonders anapästischer Verse durch den Chor- 
führer (§ 78 3). Selbstverständlich war im allgemeinen die Marschbewegung 
in der Tragödie feierlicher und langsamer als in andern Dramen. Für die 
tragischen Schauspieler war zudem eine langsamere Bewegung durch den 
hohen Kothurn geboten. Aus der Zahl der Takte besonders der anapästi- 
schen Systeme, während deren Vortrages der Chor einzog, hat man auf die 
Art des Marsches Schlüsse zu ziehen gesucht (u. a. Mtriantheus 122). 
Diese sind aber nur im grossen und ganzen richtig, weil sichere Grund- 
lagen fehlen. Es unterliegt zwar keinem Zweifel, dass jeder einzelne 
Anapäst das Aufheben und Niedersetzen desselben Fusses bedeutet, dass 
also mit einer anapästischen Dipodie zwei Marschschritte gemacht wurden; 
allein wir haben keine Angabe über die Grösse dieser Schritte. Es könnte 
sein, dass die beiden Schritte soviel betragen haben wie ein römischer passiis, 
aber ebenso gut möglich ist, dass der tragische Chor, der hier vorzugs- 
weise in Betracht kommt, entsprechend dem langsamen feierlichen Marsche 



5. Die DarBtellang. (§ 85.) 293 

auch kürzere Schritte gemacht habe. Ferner ist uns unbekannt, von wel- 
cher Stelle des Orchestraeinganges aus der Einzug seinen Anfang nahm; 
CS wäre z. B. denkbar, dass im Beginn des Marsches der Chor nur den 
gegenübersitzenden Zuschauem sichtbar war. Endlich ist, und dies wiegt 
am schwersten, die Ausdehnung der Thymele unbestimmbar (§ 54*), sodass 
wir den grössten Bogen, den der Chor beim umwandeln auf dem Rande 
der Thymele machte, zu berechnen ausser stände sind. Trotzdem aber 
dürfen wir, im Hinblick auf die langen anapästischen Systeme in Aeschylos 
Dramen und in Sophokles Ajas, mit Zuversicht behaupten, dass zuweilen 
ein Parademarsch stattgefunden haben muss, bei dem der Chor mindestens 
einmal an den zunächst sitzenden Zuschauern vorbeizog. Aus den häufig 
zu findenden kurzen Schlussanapästen (§ 80^) haben wir natürlich umge- 
kehrt auf ein ungesäumtes, nicht mit einem Parademarsch verbundenes Ab- 
treten des Chores zu schliessen. Über die Art der Marschbewegung wäh- 
rend des Stückes, besonders vor und nach den Parabasen und den Stasima 
lassen sich kaum Vermutungen aufstellen. 

2. Die gesanglich vorgetragenen Partieen des Dramas waren in der 
Regel mit Tanz {vjtoQx^fi^^i sdUatio) verbunden. Er wird in einer Reihe 
von Stellen ausdrücklich erwähnt (Christ Metrik* 696). Vorzugsweise waren 
die Choreuten wie zu Gesang so zu Tanz berufen. Dass der Tanz einen 
wesentlichen Teil ihrer Thätigkeit ausmachte, geht hervor aus dem Namen 
ihres Standplatzes, der neben Thymele auch Orchestra hiess, und aus der 
bereits § 22^ erwähnten Benennung der ältesten Dramendichter, die wegen 
ihrer Bemühungen um den Chor als Tänzer bezeichnet wurden. Dem römi- 
schen Chor einen regelrechten Tanz abzusprechen liegt kein genügender 
Grund vor; denn dass die Bühne nach Abtreten der Schauspieler als Tanz- 
platz für einen wahrscheinlich wenig zahlreichen Chor vollkommen genügen 
konnte, ist nicht zu bezweifeln (§ 81*). Neben den Chortänzen gab es 
aber auch Tänze der Bühnenpersonen, allerdings wohl nicht von Anfang 
an, sondern erst seitdem Einzelgesänge auf der Bühne vorkamen. Seit 
Euripides, dem Aeschylos in Aristophanes Fröschen 849 die Einführung 
kretischer, ohne Zweifel mit lebhaftem Tanz verbundener Einzelgesänge 
vorwirft, scheinen Gesänge und Tänze der Bühnenpersonen häufiger ge- 
worden zu sein. Diesem Entwicklungsgange entspricht es, dass in Rom 
der Spieler einer Rolle nach seiner Hauptthätigkeit geradezu Tänzer {saU 
tator) genannt wurde, im Gegensatz zu dem ihm bei seiner Rolle helfenden 
Sänger (cantor: § 82 '^). Mit Ausnahme des eben erwähnten Falles im römi- 
schen Bühnenwesen fand eine Trennung von Gesang und Tanz im Drama 
nicht statt. Fälle, in denen die einen tanzten, die andern sangen, kamen 
vor, aber nicht im Drama (Lukian Tanz 16. 30). Wenn im Dithyrambos 
der Chorführer mit Gesang und wohl auch Tanz voranging, so beweist dies 
nichts für die dramatischen Aufführungen (Graf 58 f.); die übermütige 
Komödie mochte sich so etwas ausnahmsweise einmal gestatten, wie Ari- 
stophanes Plutos 290 ff. Ganz unglaublich ist die Nachricht (zu 2), dass 
der Chor zur Rede einer Bühnenperson getanzt habe. Denn der Tanz war 
so gut wie die Worte ein Ausdruck der Gefühle. Was der Führer oder 
ein Teil des Chores im Namen aller sprach oder sang, das konnten die 



294 B* ^<^ Bühnenweaen der Griechen und Römer. 

übrigen mit ihrem Tanz begleiten; aber undenkbar ist, dass die Choreuten 
die Sprache des Tanzes redeten, wenn eine Bühnenperson sprach, deren 
Gefühle der Chor nicht kennen konnte. 

3. Der Tanz war nicht etwa eine blosse rhythmische Bewegung mit 
mehr oder weniger künstlichen Wendungen, sondern war viel kunstvoller. 
Er bestand aus zwei Bestandteilen, den Tanzfiguren und den Tanz- 
schritten. Die Tanzfiguren (a%ri(Aa%a mit und ohne o^xi^orixer) waren das 
wichtigste (Athenäos 21 D£f.); es waren mimische Akte, welche die kurzen 
Pausen zwischen den einzelnen Tanzbewegungen ((foqai) ausfüllten. Die 
Sprache der Hände {xeiQovo/xia) (§ 85) spielte dabei natürlich eine grosse 
Rolle. Die Erfindung der Tanzfiguren {a%rifiaTonoiia) war Sache der Dramen- 
dichter, solange sie keinen Chorlehrer [xoQoiidMxaXoq) oder Tanzlehrer 
{oQx^atoiiidtrxaXog) als Gehilfen hatten. Phrynichos war darin berühmt 
und nach ihm Aeschylos. Aber diesem trat schon, wie es scheint, als 
Gehilfe Telestes zur Seite. — Nach der Art der Bewegung von einer Tanz- 
figur zur andern, nach der Art der Tanzfiguren, deren Zahl eine sehr grosse 
gewesen sein muss, gab es natürlich viele Arten von Tänzen. Pollux 
führt von einer grossen Reihe leider nur die Namen an. Die am häufig- 
sten vorkommende war, wie es scheint, in der Tragödie die Emmeleia, im 
Satyrspiel die Sikinnis und in der Komödie der Eordax (Athen. XIV 630 C). 
Die Emmeleia, die ursprünglich nichts anderes bedeutete als einen mit 
Gesang verbundenen Tanz, war der Würde und dem Ernste der Tragödie 
durchaus angemessen {nqsnov xs xai äq^iotTov Piaton Gesetze VII 816 B, 
To ßaqv xal t6 C€/xvm' Ath.). Schnelle Bewegungen werden der Sikinnis 
zugeschrieben, deren Tanzfiguren dem Charakter der Satyrn angepasst zu 
denken sind. Der übermütigen Laune der Komödie entsprach die Aus- 
gelassenheit des Kordax {naiYVioiirjg Ath., r^rig alaxQfag xiveT xrjv wstfvv 
Schol. Ar. Wölk. 540). Es ist selbstverständlich, dass je nach der ver- 
schiedenen Situation in den einzelnen Dramengattungen auch andere als 
die gewöhnlichen Tänze vorkamen. So werden die Bühnentänze im Satyr- 
drama eine gemässigtere Bewegung gezeigt haben, und so werden die 
ernster gehaltenen Lieder in der Komödie mit einem weniger übermütigen 
Tanz vorgetragen worden sein (Chbist Metrik' 696); dass in der Komödie 
nicht immer der Kordax getanzt wurde, lässt sich auch aus Aristophanes 
Wolken 540 abnehmen. In gleicher Weise gab es aber auch in der Tra- 
gödie andere als feierlich ernste Tänze; man pflegt sie ohne genügenden 
Grund Hyporcheme zu nennen. Während die Emmeleia vermutlich in den 
Stasima und den nicht zum Marsch dienenden Teilen der Einzugsgesänge 
eintrat, wurden einzelne epeisodische Zwischengesänge des Chores (Sophokles 
Trach. 205, Ajas 693), wie auch einzelne Bühnengesänge (Euripides Phoe- 
niss. 316), in denen sich eine freudige Stimmung aussprach, mit einem leb- 
hafteren Tanze begleitet. 

4. Über die Einzelheiten der Tänze fehlen alle Nachrichten. Man 
hat Genaueres aus den Dramen selbst herauszusuchen unternommen (Buch- 
HOLTZ, Kirchhoff); doch sind die zu bewältigenden Schwierigkeiten zu 
gross, als dass sich wenigstens jetzt schon ein befriedigender Erfolg er- 
hoffen Hesse. Für die Tanzbewegungen des Chores glaubte man bisher an 



5. Die Darstellang. (§ 86.) 295 



ü 



einem Scholion zu Euripides Hekabe 640 einen Anhalt zu haben. Nach 
diesem wandte sich der Chor bei der Strophe nach rechts, bei der Anti- 
strophe nach links und blieb stehen bei der Epodos. Aber es hat sich 
neuerdings herausgestellt (Crusius Com. Ribbeck. 13), dass die auf Ptole- 
mäos zurückgehende Nachricht sich gar nicht auf Evolutionen des Chores 
bezieht. Zur Erleichterung für den tanzenden Chor waren auf der Thymele 
Linien gezogen (Hesych ygafi/xai); denn dass diese dem Chor nicht in seiner 
gewöhnlichen Stellung, sondern bei schwierigen Tänzen dienten, dürfte kaum 
noch fraglich sein (G. Hermann Op. VI 2,^145). 

Marsch: Christ Metrik^ 687 fif. Mybiantheus Marschlieder. Tanz: Leutsch Meiaik 
372 ff. Christ Metrik« 693 ff. Muff Chor. Technik des Soph. 34 ff. E. Gbaf s. § 66. 
H. BucHHOLTZ Die Tanzkunst des Euripides, Lpz. 1871. Chr. Kirchhoff Die orchestische 
Eurythmie der Griechen, I (Theorie), II (Eurip. Hippel., Soph. Antig.), Altena 1873. — 
Zu 2: Schol. Arist. Wölk. 1355 eXsyoy ngog x°Q^^ X/yeiy, ot€ xov vnoxQirov diaxi&Sfjiiyov 
Tfjy ^aiy 6 x^Q°s oqxsTtm (wörtlich verstanden, könnte diese Lehre nur in der Komödie 
zutreffend sein ; wenn sie überhaupt richtig ist, bezieht sie sich wohl nur auf Zwischenreden 
der Bühnenpersonen zwischen chorischen Partieen). Schol. Ar. Frösche 923 (ifjifdeXeia) 
xvQltog dk ij uettt fdiXovs oqxV^^^ rgayixij • ol <fi, ij ngog ras ^tjcetg vnoQXV^^^' Fast 
ebenso Suidas (fA/A^Xeia. Nach Leutsch Metrik 386 weist die Bedeutung der ol ii auf den 
Tanz der Schauspieler; aber nQog bedeutet hier eine Trennung. Ich halte sie für After- 
weisheit eines etymologisierenden Grammatikers. 

86. Mflndlicher Vortrag. 1. Die drei Arten des mündlichen Vor- 
trages (^'cori;, vox)y einfache Deklamation, Parakataloge, Gesang, sind oben 
§ 74* schon erwähnt worden. Von den beiden letzten Arten ist wegen 
Mangel an Nachrichten wenig zu sagen. Hervorgehoben sei, dass es poly- 
phonen Gesang in unserem Sinne nicht gab. Auch über die Deklamation 
liegen nur spärliche Nachrichten vor; am meisten haben noch die Lehrer 
der Redekunst darüber berichtet, besonders Quintilian (XI 3) und auch 
Cicero (de or. III). Wir zerlegen den mündlichen Vortrag der Sprech- 
partieen in zwei Teile, in einen sprachlichen oder grammatischen und 
einen musikalen. Die Laute nämlich, welche ertönten, bezeichneten einer- 
seits Begriffe und Gedanken, gehören also insofern ins Gebiet der Sprach- 
lehre; andrerseits waren sie Klänge, die zwar nach Dauer, Höhe, Stärke 
und Tempo nicht wie bei Gesang durchweg mathematisch geordnet, die 
aber doch durch das Versmass an einen rhythmischen Tonwechsel (Vers- 
accent) gebunden waren. ^ 

2. Was das Sprachliche des mündlichen Vortrags anlangt, so dürfen 
wir als sicher annehmen, dass die Regeln, welchen der Redner folgte, auch 
für den Darsteller massgebend waren. Danach war in Griechenland die 
Aussprache des gebildeten Atheners, in römischen Ländern die feinere 
römische Aussprache ein unbedingtes Erfordernis; verpönt war also jeder 
Anklang an das Ausländische und Bäurische (Cic. 42). Es braucht kaum 
darauf hingewiesen zu werden, dass jeder Buchstabe, jede Silbe, jedes Wort 
genau ausgesprochen werden musste und dass die Pausen und die Tonhöhe 
sich dem Satzbau sorgsam anzuschliessen hatten (Quint. 33 £f.). 

3. Für das Musik ale des Vortrags war in erster Linie entscheidend 
die Grösse des Theaters. Sie brachte es mit sich, dass die Stimme, um 
auf den weit entfernten oberen Sitzstufen verstanden zu werden, von grosser 
Stärke sein musste; und die notwendige Folge davon war, dass der Vor- 



296 B. Das BUhnenwesen der Griechen nnd Römer« 

trag nur ein verhältnismässig langsames Tempo einschlagen konnte. Das 
Tempo war ferner nach der Dichtungsart verschieden, langsamer in der 
Tragödie, schneller in der Komödie (Quint. 112); es war aber auch ver- 
schieden je nach den Charakteren, in gleicher Weise wie die dem münd- 
lichen Vortrag sich anschliessenden Geberden (§ 84'). Mit diesen beiden, 
Stärke und Tempo, war gewissermassen der Grundton gegeben, und an 
ihn schlössen sich nun an die mannigfaltigsten Abstufungen der Töne nach 
Höhe, Stärke und Dauer im einzelnen, je nachdem es die jedesmaligen 
Umstände verlangten. 

C. Die darstellenden Künste. 

87. Im allgemeinen. 1. Im vorhergehenden Abschnitt war von den 
Formen der Darstellung die Rede, d. h. von den inneren Mitteln, welche 
die Darsteller bei der Auffuhrung in Anwendung zu bringen pflegten. Es 
wurde also nur angegeben, was zur Vorführung gelangte. Die Frage nach 
dem Wie der Darstellung, die Lehre von den darstellenden Künsten ist 
die Aufgabe, welche in diesem letzten Abschnitt behandelt werden soll. 

2. Dichtung und Darstellung sind nach unserer Auffassung ein ein- 
ziges Kunstwerk; Dichtungen also, die nicht aufgeführt, sondern nur ge- 
lesen werden, sind etwas Halbes. Es gibt freilich Leut« mit so grosser 
Vorstellungskraft, dass sie beim Lesen von dramatischen Dichtungen oder 
Tondichtungen die Aktion sich vollziehen sehen, die Töne erklingen hören; 
allein für etwas Vollkommenes werden auch sie diese Art des Genusses 
nicht hinstellen wollen. Jedenfalls aber bilden solche Leser nur eine Aus- 
nahme und kommen deshalb nicht weiter in Betracht. Wenn wir ver- 
gleichen dürfen, so möchten wir Dichtung und Darstellung als ein Gemälde 
hinstellen, an dem zwei Maler thätig waren: der eine als Erfinder und 
Zeichner und der andere als Farbenkünstler. Der eine erdenkt den Inhalt 
des Gemäldes und zeichnet die Figuren in schönen Umrissen des Fleisches 
und der Kleidung, gerade wie der Dichter seine Gedanken in Worte von 
schöner Form einhüllt. Der Farbenkünstler dagegen muss dem ersten 
Maler nachdenken und nachempfinden, aus diesem Nachempfinden heraus 
dann den Grundton treffen und mit seinen reichen Farbenmitteln jedes 
einzelne so darstellen, dass Zeichnung und Farben eine möglichst vollendete 
Einheit bilden. Bei verhältnismässig gleichen Kräften werden beide Künstler 
in ihren Leistungen sich decken, im anderen Falle kann durch die Farbe 
einzelnes verschönt werden oder an Schönheit verlieren. Ganz ebenso beim 
Darsteller. Er empfindet nach, wählt den Gesamtton und führt nun jedes 
einzelne in Übereinstimmung mit jenem Ton vor, indem er seine reichen 
Darstellungsmittel so entfaltet, dass durch Wechsel im Gleichmass ein ab- 
gerundetes Ganze entsteht. Wie der zweite Maler dem ersten kann der 
Darsteller dem Dichter an Kräften gleich sein, ihn übertrefifen oder ihm 
nachstehen und so gleich Vollendetes leisten, etwaige Schwächen verdecken 
oder auch Schönes verzerren. Diese Vergleichung soll nur zur Verdeut- 
lichung dienen, denn sie ist nicht durchweg zutrefifend, weil einerseits zwei 
Maler in der angegebenen Weise nicht thätig sind und weil andrerseits 
bei der Darstellung nicht bloss ein Darsteller, sondern mehrere und nicht 



5. Die DarsteUung. (§ 87-88.) 297 

bloss Darsteller, sondern auch Leitende und Helfende beschäftigt sind. 
Aber es wird jetzt jedenfalls verständlicher sein, wenn wir die Darstellung 
erklären als Teil eines Dramas, als die mit allen jenen äusseren und inneren 
Darstellungsmitteln ins Werk gesetzte Aufführung einer dramatischen Dich- 
tung, welche dieser als einem Kunstwerke zukommen. 

3. Nach den Personen, die als Künstler an der Aufführung der alten 
Dramen beteiligt waren, lassen sich vier Künste absondern. Die wich- 
tigste war natürlich die Schauspielkunst, in Griechenland die Kunst der 
auf der Bühne thätigen Künstler {axr^vMoC, scaenici). Von ihr scheiden wir 
die Kunst der Choreuten, die in Griechenland auf der Thymele beschäftigt 
waren (thymelid), Sie stand an Bedeutung hinter der Schauspielkunst 
zurück, denn die Choreuten waren ja nur gewöhnliche Bürger, deren 
Leistungen von der Einübung durch den Dichter oder einen besonderen 
Chorlehrer abhingen (§ 22'). In Rom war es freilich anders. Es folgt die 
Kunst des Flötenbläsers, die im Drama eine geringere Bedeutung als sonst 
hatte. Nicht unwichtig war endlich die Kunst der Ausstattung, die einen 
Teil der Thätigkeit des Regisseurs bildete. Genau genommen ist die Leitung 
der Ausstattung keine darstellende Kunst, weil der Ordner keine sichtbare 
Rolle spielt. Indessen gehört sie doch zur Darstellung, ist ein Teil der- 
selben und ist andrerseits ohne Zweifel eine Kunst. 

4. Von ganz besonderer Bedeutung für die darstellenden Künste in 
Athen war die Teilnahme des Dichters an der Darstellung. Er war 
bis in die äschyleische Zeit zugleich Spieler der Hauptrollen (§ 22^), ver- 
einigte also beide Künste in einer Person, der beste Beweis Ar die Ein- 
heit der Dichtung und Darstellung. Er war femer von Anfang an Regisseur 
und blieb es; er verteilte also die Rollen, leitete und überwachte die Ein- 
übung und Aufführung, und die Art der Ausstattung war immer von seinem 
Willen abhängig. Wir werden schwerlich fehlgehen, wenn wir in diesem 
Umstände einen der Hauptgründe für die lange Blüte des attischen Bühnen- 
wesens erkennen. — Rom wich von dieser Gewohnheit ab: dem Dichter 
stand nur ein ganz geringes Recht zu (§ 370- Die Folgen davon waren, 
wie wir sehen werden, besonders Mangel im Zusammenspiel, und was da- 
mit zusammenhängt, und femer Geschmacklosigkeit in der Ausstattung. 

88. Kunst der Ausstattung. 1. Unter Ausstattung eines Stückes 
verstehen wir alles das, was eigens für seine Aufführung gestellt wurde, 
nicht das, was für die dramatischen Aufführungen überhaupt vorgesorgt 
war. Zur Ausstattung eines Stückes gehörten, also der für dieses allein 
eingerichtete Bühnenschmuck, die etwa nötige besondere Bühnentracht der 
gewöhnlichen Spieler, die Beigabe von Hilfspersonal und dergleichen. — 
Trotzdem uns eingehende Nachrichten nicht vorliegen, dürfen wir mit Zu- 
versicht behaupten, dass in Athen die Ausstattungskunst hinter den übrigen 
Künsten der Darstellung nicht zurückblieb, d. h. dass sie sich ihrer Auf- 
gabe immer bewusst war und die ihr gezogenen Grenzen nach keiner Seite 
überschritt, weder zu wenig leistete noch zu viel. Damit ist nicht gesagt, 
dass sie sich immer gleich war, wohl aber, dass sie mit der Entwicklung 
der übrigen Künste gleichen Schritt hielt. Bis zu Aeschylos Zeit war sie 
jedenfalls ziemlich primitiv; aber ebenso primitiv scheint die Dichtung und 



298 B. Das Bühnenwesen der Ghrieohen und Römer. 

die übrige Darstellung gewesen zu sein. Aeschylos schuf dann eine Bühnen- 
tracht (§ 62 0» an der die spätere Zeit Halt und Massstab hatte. In äschy- 
leisch-sophokleischer Zeit kam die Bühnenmalerei hinzu (§ 56 ^), die sich weiter- 
entwickelt, aber jederzeit dem höheren Zwecke sich untergeordnet haben 
wird. Übertriebene Ausschmückung der Bühne und des Personals wird 
ebensowenig erwähnt wie Stellung einer Menge unnützen Hilfspersonals. 
Die Gründe dieser durchaus angemessenen Ausstattung liegen zu Tage. 
Einer war der gesunde Geschmack der Athener, denen jede Übertreibung 
zuwider war und die sich mit Andeutungen begnügten, weil sie das Wesen 
des Dramas in etwas anderem als im Äusserlichen suchten. Es trug zur 
Masshaltung in der Ausstattung freilich auch bei, dass diejenigen, welche 
die Kosten zu bestreiten hatten, die Choregen (§ 20^), bzw. die Theater- 
pächter (§ 28^), nicht su ausserordentlichen Opfern fähig oder bereit waren. 
Aber der entscheidende Grund war der nicht aufhörende Einfluss des Dich- 
ters. Was dieser für notwendig hielt, wurde geleistet, nötigenfalls nach 
vorausgegangenem Schiedsspruch des festleitenden Beamten (§ 19 0; aber 
hintangehalten wurde alles, was der Choreg, der Theatermaler oder andere 
Mitarbeiter durch einseitige Steigerung ihrer Leistungen gegen die Harmonie 
der Dichtung und Darstellung zu sündigen willens waren. — Ungebühr- 
licher Luxus machte sich wahrscheinlich nur ausserhalb Athens breit, und 
zwar erst als die Herrscher, Alexander und seine Nachfolger, den Bühnen- 
künsten gewogen wurden (Plutarch Alex. 29). 

2. Alle die Umstände, die dazu beitrugen die Ausstattungskunst in 
Athen in ihren Grenzen zu halten, fielen in Rom weg. Mit der politisch- 
militärischen Machtentfaltung Roms stiegen Reichtum und Luxus; die Höhe 
der Ausstattungskosten kam also für den Festgeber kaum in Betracht. Die 
Zuschauer, an Luxus nach und nach gewöhnt, verlangten ihn auch auf der 
Bühne; der Dichter aber, der eine einfache, der Dichtung würdige Stafifage 
wünschte, stand dieser Neigung der Römer machtlos gegenüber, denn Ein- 
fluss besass er nicht und eine Unterstützung von Seiten des Sehauspiel- 
direktors hatte er nicht zu erwarten, da es diesem naturgemäss mehr auf 
die Gunst des Festgebers und der Zuschauer als auf die Würde der Dich- 
tung ankam. Anfänglich freilich, in der ersten Periode (§ 4), wo die 
Bühnenspiele noch etwas Neues, die Anteilnahme grösser, Reichtum und 
Luxus dagegen noch verhältnismässig geringer waren, begnügte man sich 
wahrscheinlich, wie überhaupt in der Herstellung der äusseren Mittel des 
Spieles (§§ 40. 53^), mit wenigem. Aber geradezu unsinnig war, wie schon 
angedeutet wurde (§ 62^), die Verschwendung, die in der Ausschmückung 
der Bühne und der Darsteller in der letzten Zeit der Republik eintrat. Li 
gleicher Weise übertrieben war aber auch die Verwendung von Hilfspersonal. 
Als Pompejus 699/55 seine Spiele gab, Hess er in einem Stück 600 Maul- 
esel mit Beute beladen über die Bühne führen, in einem andern 3000 Misch- 
gefässe vorübertragen und in einem dritten eine Menge Fussvolk und Reiter 
auftreten. Cicero war einer der wenigen, welche sich von einer solchen 
Verhöhnung der Kunst abgestossen fühlten (ad fam. 7, 1, 2). Dass es aber 
in der Kaiserzeit nicht besser wurde, braucht kaum erwähnt zu werden 
(Horaz Ep. 2, 1, 187). 



5 Die Darstellimg. (§ 89—91.) 299 

89. Begleitende Tonkunst. Ursprünglich war nach Horaz (Dicht- 
kunst 202 ff.) die dramatische Flötenmusik bescheiden und beschränkte sich 
auf eine leise Begleitung des Chorgesanges; später aber begnügte sie sich 
nicht mehr damit, sondern suchte sie die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken 
durch lebhafteres und weichliches Spiel {motum et luxuriem). Diese An- 
gabe, die sich nur auf die Anfange des Dramas überhaupt, nicht auf die 
des römischen beziehen kann, lehrt uns eigentlich nicht mehr, als wir selbst 
zu schliessen vermögen. Solange nämlich der Dichter zugleich Tondichter 
und Ghorlehrer war, wird er jeden Übermut des begleitenden Musikers in 
seine Schranken zurückgewiesen haben, wie es ja auch in einem Hyporchem 
Pratinas einmal der kyklischen Chormusik gegenüber gethan hat (Athen. 
XIV 617 B). Aber freilich, als die Dichter nach und nach ihre Fürsorge 
auf die rein scenische Aktion beschränkten, für die Tondichtung und die 
Einübung des Chores Gehilfen herbeizogen und als die Musiker im vierten 
Jahrhundert eine angesehenere Stellung erhielten (§ 20^), wird das Streben 
der letzteren nicht ohne Erfolg geblieben sein. Und so mag wohl in Rom 
schon von Anfang an das Spiel der Musiker eine grössere Bedeutung ge- 
habt haben, als die Vertreter der Blüte des griechischen Dramas gebilligt 
hätten. 

90. Kunst der Choreuten. Bei der Würdigung der Leistungen des 
griechischen Chores darf man nicht vergessen, dass seine Mitglieder Dilet- 
tanten waren. Als solche scheinen sie ihre Aufgabe im ganzen trefflich 
gelöst zu haben, solange sie sich einer liebevollen Behandlung von seiten 
des Dichters erfreuten. Telestes, den Tänzer oder Tanzlehrer, den Aeschylos 
verwendete (§ 85^), sieht Athenaeos als Künstler an {xsxvCrrfi I 22 A). Er 
war so tüchtig in seiner Kunst, sagt Athenaeos, dass er in Aeschylos Sieben 
die Vorgänge (nQayuarn) durch Tanz offenbar machte. Aber schon Euri- 
pides fiel der Chor zur Last, wie aus seinem Dramenbau deutlich zu er- 
kennen ist. Die rechte Fürsorge für die Einübung des Chores fing also 
an zu fehlen, und so wundern wir uns nicht, wenn wir bei Athenaeos (XIV 
628 E) einen Komiker aus ungefähr derselben Zeit wie Euripides über Un- 
thätigkeit des Chores klagen hören (vvv dh igwaiv ovdtv). — Über die 
Kunst der römischen Choreuten erfahren wir nichts; als Berufschoreuten 
wird es ihnen an genügender Technik nicht gefehlt haben. 

91. Ghdechische Schauspielkunst. 1. Die Beurteilung der dar- 
stellenden Künste, insbesondere der Schauspielkunst ist ausserordentlich 
schwierig. Während in den dichtenden und bildenden Künsten die er- 
haltenen Werke den besten Anhalt gewähren, während auf das staatliche, 
gesellschaftliche, religiöse Leben des Volkes aus den überlieferten Gescheh- 
nissen mehr oder minder sichere Schlüsse gezogen werden dürfen, sind wir 
bei der Würdigung der Bühnenkünste vergangener Zeiten fast ganz auf 
zeitgenössische Urteile angewiesen; denn selbst eine eingehende Schilderung 
einer Leistung der darstellenden Künste ist kein Abbild der Wirklichkeit, 
sondern nur eine Übersetzung, bei welcher der Übersetzer in der Wahl 
der Ausdrücke durch persönliche und nationale Anschauungen beeinflusst 
ist. Noch schwieriger ist die Würdigung der Schauspielkunst des Alter- 



300 B. Das Bülmenwesen der Griechen und Römer. 

tums, weil für sie nur wenige Nachrichten vorliegen. Um so eher darf 
ein Fehlgriff im Urteil auf Entschuldigung rechnen. 

2. Die griechische Schauspielkunst steht im allgemeinen gross da: 
sie hat einen Vorzug gegenüber der römischen von Anfang an bis in die 
späte Zeit gehabt, das ist das Zusammenspiel der Künstler. Cicero rühmt 
dies von ihnen, im Gegensatz zu den römischen Künstlern: oft, sagt er, 
dämpft der Deuteragonist oder Tritagonist seine Stimme bedeutend, um den 
Protagonisten [natürlich wenn er die Hauptrolle des Dramas spielt] zur 
Geltung zu bringen. Zwar bezieht sich Ciceros Urteil auf die zeitgenös- 
sische griechische Kunst, aber es kann keinem Zweifel unterliegen, dass 
nur eine alte Überlieferung befolgt worden ist, dass ein solches Zusammen- 
spiel von Anfang an vorhanden war. Dies folgt nämlich einfach aus der 
Stellung des Deuteragonisten und Tritagonisten zum Dichter-Didaskalos, 
solange dieser selbst schauspielerisch thätig war, und später zum Protago- 
nisten (§ 23»). 

3. Über die Schauspielkunst der ersten Zeit bis zur Mitte des fünf- 
ten Jahrhunderts und etwas darüber hinaus liegen unmittelbare Zeugnisse 
nicht vor. Die viel gepriesene Technik der späteren Zeit scheint auf ge- 
ringere technische Leistungen vorher zu weisen; allein so ganz gering 
dürfen wir diese doch nicht ansetzen. Die Geberdensprache sicherlich kann 
nicht unbedeutend gewesen sein, wenn die selbstspielenden Dramendichter 
berühmt waren in der Tanzkunst, wenn sie nicht bloss den Choreuten, 
sondern auch andern, die es wünschten, in der Tanzkunst Unterricht er- 
teilten (Athen. I 22 A) und wenn sie die Tanzfiguren selbst erfanden. Dass 
aber damals schon der Tanz ein kunstvoller gewesen sein muss, lässt sich 
am besten ersehen aus der Nachricht über Aeschylos Tänzer Telestes 
(§ 90). Auch die Technik des mündlichen Vortrags der Schauspieler kann 
nicht untergeordnet gewesen sein: darauf deuten die lang geübte Kunst 
des Vortrags der Heldengedichte und die gepriesene Redekunst eines The- 
mistokles, Aristeides, Perikles. Was nun aber das Künstlerische anlangt, 
das Entsprechende und Harmonische in der Verwendung der inneren Dar- 
stellungsmittel, so ist die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts und die 
kurz darauf folgende Zeit die Glanzzeit. Dies ist an sich wahrscheinlich, 
weil die technisch gebildeten und selbstspielenden Dichter die besten Aus- 
leger — das sind nämlich die Schauspieler — ihrer eigenen Werke sind; 
es ist aber auch aus einer wichtigen Nachricht in Aristoteles Dichtkunst 26 
zu erschliessen, welche den Schauspieler Mynniskos betrifft. Aeschylos 
hatte, wie aus dessen Vita ganz richtig geschlossen worden ist (Rohde 
279 f.), zuerst Kleander als Gehilfen herbeigezogen und später, als drei 
Schauspieler zu spielen pflegten, Mynniskos als Tritagonisten. Noch viele 
Jahre nach Aeschylos Tode war Mynniskos thätig, denn noch 422 hat er 
einen inschriftlich bezeugten Sieg errungen. Während dessen waren neue 
Kräfte mit neuen Grundsätzen aufgetreten, unter ihnen Kallipides. In dem 
Urteil, welches Mynniskos über die neue Richtung und insbesondere über 
Kallipides fällt, dürfen wir den Geist der äschyleischen Schule erkennen; 
er nannte aber jenen wegen seines übertreibenden Spieles {v7r€Qßdki.o%ra) 
Affe. Dieses eine Wort sagt genug (Sommerbroüt 235); denn offenbar geht 



5. Die BarsteUnng. (§ 91.) 301 

der Tadel auf die sacbbezeicbnenden Geberden (§ 84^). Auf die äscbyleische 
Schule ist wobl aucb zu beziehen, was Quintilian (11, 3, 89) meldet, dass 
nämlich einstmals {moris fuit) die etwas auf Würde haltenden Schauspieler 
{histrionibus paulo graviaribus) jene Geberden zu meiden pflegten, denn in 
Rom war diese Mässigung in Ciceros Zeit wenigstens nicht bekannt (de 
or. 3, 59, 220). Ungekünstelt, einfach und zugleich gross war also wie 
alles, was Aeschylos schuf, auch seine Darstellung und die seiner Schule. 

4. Nach seinem Tode wahrscheinlich erst kam die eben angedeutete 
andere Richtung daneben auf, die schliesslich die erste verdrängte. Ver- 
anlasst und begünstigt wurde sie durch mehrere Umstände, an denen 
Sophokles zum Teil die Schuld trägt. Zwar die Trennung der Schauspiel- 
kunst von der Dichtkunst, die den Keim der neuen Richtung enthielt und 
die Sophokles durchsetzte (§ 22 0» kann diesem nicht zum Vorwurf gemacht 
werden, denn die Vereinigung beider Künste war für die Dauer undurch- 
führbar; und auch für die gesonderte Entwicklung der tragischen und 
komischen Schauspielkunst, welche zur Förderung der Technik jeder der 
beiden Künste beitrug, ist Sophokles nicht verantwortlich, da sie durch die 
Trennung der tragischen und komischen Dichtung und das Auftreten des 
Dichters als Schauspielers bereits gegeben war. Wohl aber ist es bedauer- 
lich, dass er die Einrichtung der Schauspielerwettkämpfe (§ 23^) betrieb 
oder doch nicht hintertrieb ; denn sie waren es in erster Linie, welchem nach 
und nach eine so ungebührliche Steigerung der schauspielerischen Technik 
hervorriefen, dass in Aristoteles Zeit (Rhet. 3, 1) die Bedeutung der Dichter 
gegen die der Schauspieler zurücktrat. Die Zuschneidung der Rollen end- 
lich nach den Gaben der für ihn thätigen Spieler (§ 23^) war ein Zuge- 
ständnis an diese, welches andere nach sich zog, zu Ungunsten von Dich- 
tung und Darstellung als einer Einheit. Es ist selbstverständlich, dass die 
ersten Hauptvertreter der neuen Richtung noch im ganzen massvoll ge- 
wesen sein werden; wir dürfen dies trotz des Vorwurfes, der ihn traf, von 
Kallipides voraussetzen und auch wohl von Nikostratos annehmen, dessen 
Glanzzeit etwas nach der des Kallipides, etwa in den Anfang des vierten 
Jahrhunderts fallen dürfte. Als aber nach dem Tode der grossen Dichter 
bei der Wiederaufführung ihrer Dramen in Athen und auswärts die Schau- 
spieler, befreit vom Einfluss der Dichter, dieselben Rollen öfter gaben, da 
nahm die übertreibende Technik zu; von der andeutungsweisen, dabei selbst- 
verständlich dennoch naturwahren Darstellung ging man allgemein zur 
unkünstlerischen Nachahmung der nackten Wirklichkeit über. Viele wer- 
den zwar in dieser Zeit als berühmte Schauspieler genannt: Polos, Theo- 
doros, Aristodemos, Neoptolemos, Thessalos u. a., allein vergebens sucht 
man nach einer künstlerischen That, welche ihren Ruhm rechtfertigen 
könnte; denn nichts als das Technische wird gepriesen. Bezeichnend und 
für uns entscheidend ist es, wenn von berühmten Schauspielern erzählt 
wird, dass sie andere als menschliche Laute nachahmten (Tierstimmen u. 
dgl.), wie Theodoros {tag TQoxMag) und Parmenon {ti]v vv), und wenn 
ihnen dies als Ruhm angerechnet wird. 

5. Nach dem vierten Jahrhundert, nach dem Erlöschen der dich- 
terischen Schöpferkraft, sank natürlich die Schauspielkunst noch tiefer, am 



302 B. Das Bflhnenwesen der Griechen nnd ROmer. 

meisten wohl in den halbbarbarischen hellenisierten Ländern des Ostens, 
wo sie, dem rohen Geschmack der Zuschauer Rechnung tragend, die wider- 
lichsten Kunstgrifife nicht verschmähte (Plutarch Crass. 33). Aber auch im 
Westen ging sie gegen früher noch zurück, denn die Vermehrung sach- 
bezeichnender Geberden (§ 84^) und die Künstlichkeit der sinnbezeichnenden, 
wie das Tremulieren mit erhobenen Händen (§ 84*), sind wohl nur Erzeug- 
nisse der griechischen Schauspieler dieser Zeit. 

Neueste Stellensammloiig: Voblkeb De Graecorum fahtUarum actaribtiSf Disserta- 
tiones Halenses IV. Vgl. Sommebbrodt Scaenica 222 ff. Rohdb Rhein. Mus. 38^' 279 f. 
A. MüLLBB Bühn. 184 ff. — Zu 2: Cicero Div. in Caec. 15 ut in actoribtui Graecis fieft 
videmua saepe tUunif gut est secundarum aut tertiarum partium, cum possit aJiguanto 
darius dicere ^am ipae primarum, mulium submittere, ut ille princeps quam maxime 
excellat. 

92. Bömische Schauspielkunst. 1. Die römische Schauspielkunst 
haben wir als die Fortsetzung der griechischen anzusehen. Der Anfang 
war die Zeit der Aneignung der griechischen Technik, und nach einer 
kurzen Blütezeit folgte der Verfall. Im allgemeinen fehlte ihr, wie 
schon § 91^ angedeutet, das, was die griechische Schauspielkunst bis in 
die späte Zeit auszeichnete, das Zusammenspiel. Sie brachte also mehr die 
Einzelleistung zur Geltung ohne Rücksicht auf die Einheit des Kunstwerkes. 
Im übrigen war sie der nachklassischen griechischen ähnlich. Vorzüglich 
Fülle des Ausdruckes in Stimme und Geberde war es, wonach sie strebte, 
und besonders die sachbezeichnenden Geberden fanden sehr reichliche An- 
wendung, sodass in der Regel der Geist der Dichtung durch die farben- 
prächtige Hülle der Darstellung ganz verdeckt wurde. Der Unterschied 
zwischen der griechischen und römischen Schauspielkunst lag mehr in 
äusseren Dingen, die aber doch nicht ohne Einfluss auf die Darstellung 
blieben, insofern als sie die technische Fertigkeit steigerten und das Vir- 
tuosen tum noch mehr begünstigten. Die grössere Anzahl der Darsteller 
nämlich machte es zunächst möglich, dass die Spieler bei der Rollenver- 
teilung nach ihren besonderen Fähigkeiten herangezogen, dass sie also von 
einer ihnen weniger zusagenden Nebenrolle befreit werden konnten. Noch 
mehr trug zur Hebung der technischen Fertigkeit bei die oben § 82^^ er- 
wähnte Verteilung einer Gesangspartie an einen Geberdenspieler und an 
einen Sänger; denn nunmehr hatte der vom Einzelgesang befreite eigent- 
liche Schauspieler ein engeres Feld der Thätigkeit, auf dem er leichter zu 
einer vollendeten Technik gelangen konnte. Aus dieser Beschränkung der 
schauspielerischen Thätigkeit ging noch eine andere Eigentümlichkeit der 
römischen Schauspielkunst hervor. Während nämlich die griechischen 
Schauspieler in guter Zeit nur in einer Dramengattung, entweder in der 
Tragödie oder in der Komödie, thätig waren, versuchten sich die römischen 
zuweilen auch in der anderen Gattung. Cicero, der offenbar die beiden 
grössten Schauspieler seiner Zeit, den Komöden Roscius und den Tragöden 
Aesopus im Auge hat, meldet dies im Redner 109. 

2. Es war in den römischen Einrichtungen begründet, dass die Lei- 
stungen der Schauspieler nicht bloss anfangs, sondern bis in die zweite 
Periode (§ 4) hinein geringe waren. Als durch Livius Andronicus das erste 
Drama nach griechischer Art aufgeführt wurde, gab es noch keinen römi- 



5. Bio Barstellung. (§ 92,) 303 

sehen Schauspielerstand. Vorher kannte nämlich Rom als Darsteller ausser 
den etruskischen Tänzern (ludiones), die stumm zur Flötenmusik agierten, 
wahrscheinlich nur römische Dilettanten. Die ersteren hielt aber von der 
Teilnahme am neuen Spiele die Unkenntnis der Römersprache ab und die 
letzteren die Verachtung, welche von allem Anfang an die um Lohn dienen- 
den Dichter und Schauspieler traf (§ 37^. 38^). Es mussten also andere 
fremde Darsteller herangezogen werden, wohl meist Sklaven aus Unter- 
italien, die natürlich noch mancherlei Schwierigkeiten in der Aussprache 
zu überwinden hatten. Dazu kam aber noch ein anderer wichtiger Um- 
stand: die ungemeine Vermehrung der Bühnenspiele am Schluss des dritten 
und am Anfang des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts (§ 32); denn die 
mit dieser notwendig eintretende Vermehrung der Spieler konnte für die 
Entwicklung der Schauspielkunst nichts weniger als günstig sein. Für die 
Annahme eines mangelhaften Spieles in der ersten Periode fehlt es auch 
nicht an schriftstellerischen Zeugnissen. Oanz besonders wichtig ist; was 
Polybios bei Athenaeos XIV 615 A berichtet. Im Jahre 587/167, so er- 
zählt er, Hess L. Anicius zur Feier seines Triumphes die berühmtesten 
Künstler aus Griechenland kommen. Ihr Spiel war gut, aber die Römer 
begriffen es nicht: sie verlangten grössere Lebhaftigkeit. Die griechischen 
Künstler improvisierten schliesslich eine Art Prügelei, und dass sie damit 
dem Geschmack der Römer entsprochen hatten, sagte ihnen der gewordene 
Beifall. Zwar bezieht sich diese Angabe nur auf eine Aktion der Flöten- 
bläser und Choreuten; aber aus Polybios Bericht ist zu schliessen, dass das 
darauffolgende tragische Spiel auf Wunsch der Römer noch mehr verhunzt 
worden sei: er schweige lieber darüber, sagt Polybios, weil er fürchte, 
dass man ihm nicht glauben werde. Aus dem Geschmack, den hier die 
Römer zeigten, ist doch sicherlich ein Rückschluss auf die Leistungen ge- 
stattet, die auf der römischen Bühne den Zuschauern vorgeführt wurden. 
Dass aber das Spiel bis in die zweite Periode hinein noch Mängel zeigte, 
lehrt uns das Gespräch, das Cicero die berühmtesten Redner der damaligen 
Zeit im Jahre 663/91 halten lässt (de or. 3, 56, 214). Cajus Gracchus, der 
633/121 seinen Untergang fand, wird dort als Redner seines vollendeten 
Vortrages wegen gerühmt; von dieser Höhe der Kunst, heisst es dann 
weiter, seien die Redner herabgestiegen, während sie von den Schauspielern 
erstiegen wurde (occupaverunt). 

3. Es begann also im Anfang der zweiten Periode die Schauspiel- 
kunst zu blühen, und bald darauf erreichte sie den höchsten Stand durch 
Roscius und Aesopus (Ribbeck R. T. 670 ff.). Roscius Kunst, welcher die 
des Aesopus nicht viel nachgestanden zu haben scheint, war um so be- 
wundernswerter, als sie keine einfache Weiterentwicklung der voraus- 
gehenden griechischen und römischen war, zu dieser vielmehr im Gegensatz 
stand. Roscius oberster Grundsatz nämlich war das Masshalten (decere 
Cic. de or. 1, 29, 132). Er schloss sich somit an die längst vergangene 
Kunst der äschyleischen Schule an. Freilich die einfache Grösse, durch 
welche sich jene auszeichnete, war nicht wieder zu erreichen, die sach- 
bezeichnende Geberde insbesondere nicht mehr aus Rom zu verbannen. 
Aber was hierin zuviel geschah^ das suchte Roscius wenigstens zu mäs- 



304 ^* ^^^ BUhnenwesen der Orlechen ,imd ROmer. 

sigen und durch Anmut {vent^tas Cic ib. 130) in der Darstellung zu 
mildern. 

4. Roscius starb um das Jahr 692/62. Seine Schule wird seinen Geist 
noch einige Zeit vertreten haben ; aber bald lenkte man wieder in das alte 
Fahrwasser ein, und in der Kaiserzeit machte man sich sogar über jene 
Kunst lustig. Es war dies nicht anders zu erwarten, denn wohl zu hemmen 
vermag ein grosser Geist den Zug der Zeit, doch ihn zu ändern vermag er 
nicht. Die kaum zurückgedrängten Übertreibungen traten nun wieder ein. 
Es war nichts Seltenes, sagt Quintilian 117, dass geübte Schauspieler durch 
Geberden den Becher forderten, Schläge androhten und dergleichen. Man 
ging sogar so weit, dass man in der Rolle eines kräftigen Mannes, wenn 
man die Worte eines Greises oder Weibes erzählend wiederholte, die zit- 
ternde und weichliche Stimme dieser Personen nachahmte. So etwas fiel 
selbst einem Quintilian (91) auf, der doch sonst von der Kunst seiner Zeit 
eine hohe Meinung hatte, wenn er die Komödienschauspieler Demetrius und 
Stratocles als grosse Künstler hinstellt {maximos 178). Uns kann das 
letztere Urteil nicht bestechen. Wenn wir das ganze überschauen, werden 
wir sagen dürfen: Das römische Bühnenspiel hatte seinen Kreislauf voll- 
endet, es hatte aufgehört eine Kunst zu sein und war wieder das geworden, 
aus dem es sich entwickelt hatte, eine, wenn auch verfeinerte, Spielerei. 



Berichtigung. S. 275 Z. 3 und 5 sind die eingeklammerten Worte umzustellen. 
Ferner ist zu lesen: 198, 8 Choreuten; 232, 23 die letzte; 241, 21 Vergang; 277. 12 Tra- 
gödie (st. Kom.). Abgesprungen sind u. a. 257, 14 ff. die Anfangsbuclistaben x, x, v. 



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Fig. 7. Tragiaoh« Sohanapielor. 

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