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^arbarti College librarg.
FROM THE
BRIGHT LEG-ACY.
Descendants of Henry Bricht, jr., who died at Water-
town, Mass., in 1686, arc enUtled to hold scholarships In
Harvard College, established in 1880 under the will of
JONATHAN BROWN BRIGHT
of Walthnm, Mass., with one half the income of thls
Legacy. Such descendants faiüng, other persons are
eligible to the scholarships. The will requires that
this announcement shall be made in every book added
to the Library under its provisions.
Received |
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DIE GRÜNDUNGSGESCHICHTE
VON
MAGNESIA AM MAIANDROS
EINE NEUE URKUNDE
ERLÄUTERT
VON
OTTO KERN
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
i894
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MAY 17 1897
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ERNST CURTIUS
ZUM 6. NOVEMBER 1894
IN VEREHRUNG UND DANKBARKEIT
<l>otßq) 6" eanofitvoi noXiag dtefiezQTJaavzo
av&Qnnor ftotßog yuQ aei Ttoh'eaai (fthjÖH
m ATt^OfjLivria\ avxog de &efteiha tfJoißog vcpaivei.
I.
Über die Wanderungen der Magneten aus Thessalien nach Delphoi,
von Delphoi über Kreta nach Asien sind uns neben einzelnen Notizen bei
verschiedenen Schriftstellern auch zwei zusammenhängende Erzählungen bei
Parthenios und Konon erhalten, bei ersterem nicht der Magneten halber und
der völkergeschichtlichen Bedeutung ihrer Wanderungen, sondern allein wegen
der Liebesabenteuer des Ktistes und Archegetes von Magnesia am Maiandros,
des Leukippos. Die Überlieferung über die Wanderzüge der Magneten hat
mancherlei Variationen und ist von den Modernen verschieden behandelt
worden, am eingehendsten von O. Ray et in seinem in Gemeinschaft mit dem
Architekten A. Thomas herausgegebenen Werke Milet et le Golfe Latmique,
Parts 1877 tome premier, das uns der ausgezeichnete französische Gelehrte
leider unvollendet hat hinterlassen müssen. Jetzt haben die Ausgrabungen in
Magnesia, welche im Auftrage der Generalverwaltung der königlich preufsischen
Museen in den Jahren 1891 — 1893 unter Karl Hu mann's Leitung ausgeführt
sind 1 ), unter den über jede Erwartung reichen Inschriftenfunden einen Stein
ans Tageslicht gefördert, welcher fortan der Ausgangspunkt für alle Forschung
sein wird, die sich mit der Stadtgründung der thessalischen Magneten im
Thale des Maiandros beschäftigt. Die Zuversicht, dafs diese Inschrift in allen
philologischen Kreisen Interesse erregen wird, hat in mir den Wunsch ent-
stehen lassen, den schönen Fund aus der Masse der Inschriftenfunde schon
jetzt herauszuheben und ihn als kleine Gabe einem der Meister unserer
Wissenschaft darzubringen, welchem in diesen Tagen das seltene Glück be-
schieden ist, auf eine fünfzigjährige reichgesegnete Thätigkeit als Universitäts-
professor zurückzublicken. Dafs ich die erste Bearbeitung der inschriftlich
überlieferten MATNHSIAS KTISE jetzt Ernst Curtius an seinem Ehrentage
vorlegen darf, dafür schulde ich grofsen Dank Herrn Geheimrat R. Kekule,
welcher mir mit Genehmigung des Generaldirektors der königlichen Museen,
] ) Vgl. den Vortrag R. Kekule's in der Märzsitzung der hiesigen archäologischen Gesellschaft
Archäolog. Anzeiger 18941 76.
des Herrn Geheimrat R. Schoene die Erlaubnis hierzu bereitwilligst erteilt
hat. Sowohl bei der Entzifferung wie bei der Ergänzung der Inschrift bin ich in
der liebenswürdigsten und wirksamsten Weise von meinem Lehrer Hermann
Diels und meinem Freunde Friedrich Frh. Hiller von Gaertringen
unterstützt worden. Ohne die Hilfe und die Ratschläge von H. Diels wäre
ich nicht so schnell zu dem Ziel gekommen, das ich nun erreicht zu haben
glaube, zu einer sicheren Feststellung des Textes und zu einer für die erste
Veröffentlichung hinreichenden Ergänzung. Zuletzt hat auch noch A. Kirc ti-
li off die Güte gehabt, eine Durchsicht der Inschrift vorzunehmen und
mir einige Verbesserungsvorschläge mitzuteilen. Das gröfste Stück Arbeit
freilich ist nicht in der Studierstube geschehen, sondern in den Magazinen der
Museen, wo der schon um die pergamenischen Altertümer sehr verdiente
Bildhauer Herr Antonio Freres in unverdrossenem Eifer sich zwei Monate
lang um die Inschrift bemüht hat. Als ich im Winter 1893 K. Humann vor-
schlug, auch diesen Inschriftstein nach Berlin mitzusenden, hatte ich geringe
Hoffnung, ihn jemals entziffern zu können, ja ich habe vorher lange ernstlich
geschwankt, ob es nicht besser sei sich mit einem Gipsabgüsse zu begnügen
als den schweren Stein aus dem sumpfigen Terrain der magnesischen Agora
ins Museum von Berlin zu versetzen. Denn nur an wenigen Stellen konnte
man in der dicken Sinterschicht die Spuren von Buchstaben erkennen; irgend
etwas Zusammenhängendes zu ermitteln war mir ebenso wenig möglich wie
Anderen, denen ich den Stein damals gezeigt habe. Die üblichen zur Reinigung
der Inschrift angewandten Mittel versagten alle; nur des Meifsels Schlag von
Herrn Freres' kunstgeübter Hand geführt, vermochte den Sinter zu beseitigen.
Diese mühevolle Arbeit ist unter meiner Aufsicht in den Monaten Juli und
August dieses Jahres ausgeführt worden; dafs während derselben nichts ver-
sehen worden ist, hoffe ich nicht ohne Grund zu behaupten.
Der Inschriftstein ist im Frühjahr 1892 an der Südwestecke der Agora
gefunden worden: es ist ein Block der Pfeilerwand, welche die westliche
Säulenhalle im Süden abschliefst. Auf der nach Süden hingewandten Seite
stehen auf den Architraven jene interessanten Verzeichnisse der Sieger bei
den dramatischen Aufführungen der Pcojiala, welche in den Athenischen Mit-
teilungen XIX (1894) S. 93 Taf. V veröffentlicht worden sind. Auf der nach
Norden gerichteten Seite trug die Wand auf den sie belebenden Pfeilern eine
Reihe von Inschriften, meist Königsbriefe und Antworten auf die Einladung
zur Teilnahme an dem grofsen Fest der Leukophryena, das um die Wende
des dritten Jahrhunderts unter lebhafter Beteiligung der griechischen Staaten
mit grofsem Glänze gefeiert worden ist. Es ist der TÖnoq e7wpaveoraTo$, an
welchem diese Inschriften stehen, die auch ihrem äufseren Ansehen nach
wahre Schaustücke sind, meist in grofsen prächtigen Buchstaben auf den
weifsen Marmor eingemeifselt. Um die Ecke schliefst sich an diese giebel-
gekrönte Pfeilerwand die lange Rückwand der Säulenhalle an, welche über
sechzig Psephismen trägt, die sich sämtlich auf das grofse Fest der Artemis
beziehen ] ). Auf einem Block dieser Pfeilerwand also steht ein Teil der
Gründungsgeschichte der Stadt; leider sind die anschliefsenden Blöcke, auf
denen Anfang und Ende gestanden haben müssen, nicht gefunden. Die Höhe
der Inschrift beträgt 0,915. Die Breite derselben ist 0,68 — 0,69.
Da die ganzen Pfeiler bis obenhin schriftbedeckt waren, läfst sich über
die ursprüngliche Länge der Inschrift nicht das mindeste ausmachen, ja sie
kann sich auch leicht noch auf einen zweiten Pfeiler erstreckt haben. Wäre
der Fundort des Inschriftblocks so ausschlaggebend wie in anderen Fällen oft,
so müfste man annehmen, dafs der Block zu dem ersten Pfeiler von Osten
gehört; aber an der Südwestecke der Agora sind alle Architekturglieder in
einem solchen Durcheinander gefunden worden, dafs es vorderhand geraten
ist, auf eine nähere Bestimmung durchaus zu verzichten 2 ).
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XJcopa^ -^ üijvetös e^et xa[i) IBjXiov a[i]m
ÄitoYvovres ouv 8td toy xpij<7}iöv [t]^v ei$ olxov eraivoSov xal
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xal ra>$- 6 8e <teo$ exp^jaev
Etpeafl' cd MaYvnjTes djjLujiove^ evfta veijo^e-
i) Vgl. Kekule a. a. O.
2 ) Der Lichtdruck ist nach einer Photographie hergestellt, die ich der Freundlichkeit von Franz
Winter verdanke. Für die schöne Ausstattung dieses Heftes bin ich der Weidmannschen Buchhandlung,
die sich mit mir zu diesem Festgrufs vereinigt, zu Dank verpflichtet.
8
ujjijjLt 5s atvrß eorTjxe ttapo* vtjoio ftupacov
30 0]$ y' ^H* v ap^atTO xai t^y^ " ^ tteXeuftou
n]aji[<p]üXov krt apoopav ürap MuxaXTj^ opo$ ofoc[u*]
"Evfl-a 3e MavSpoXuroo 56u.o^ 5X{$to$ ejji TOpta)7Dj[t]
xoXXötaiv xxeavoio"t 7wXooTpe<peo$ TOTajioto-
"EvO-a 3e ajiovouivow'i xai oux äp^ouai ooXoto
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'E7xpo)*njc7avTO)v 8e Tt£ 6 avrjp outo$ eortv ö xa{bjYij!76-
jjxvo^ •qylv xat ™ftev, *•&£ e'xpTjffev
TSori Tt$ ev xejievet rXauxou Y 8vo b aXxijio; dyijp
0$ y' ujilv ^pWTtor(a) erai^exai a[v]TißoX^<7a$
4 o vr,ov ejJLOji TCpoXiTOöov tö Y^lp] raTCprouivov eoriv.
Outo$ xai Setzei ^epoou TcoXuiwpov apoopav.
Suvarn^avTcov 5e xata tö pTjfrev xai ttj[v] o\>yy*vs^[v]
rcpös töv Aeuxwntov avaveoo , ajjLevo)v, sTCÖet^avrrov
tobe, XPl "! 10 ^ [a]<7{Jievo^ i>7rqxou<7ev 6 Aeüxwcros, ojjlo>; ji.[ev-]
45 toi [Y]e >tai ai>TÖ$ e7n[7j]p[fOTi7;[<T]e xax' iStav töv {teöv, tok 5' e^TjcTev
SxeXX' eiri IlajJLcpu|XJcDY *6[X]tov, Aeuxume, cpepo-rcXov
Xaöv ä[Y]o>H- MaYvijT« ojioauYY° vov i 0) * av wcetai
8[6p7j]xo^ axoraXov x[ai] Ajiavfrtoo airij peeä-pov
xai [MluxaXijs öpos aiirj a7:svavr[t]ov 'EvSujJLtovfo^.]
50 TCvfl-a Se M[a]vopoXuTOO 86u,ov oXßtoi oix^o-o[uatv]
M]aYVTjr[e]^ -rcoX[teo"oxv 7c]epixxt6ve<TC7iv äy^oL]
8 ev#afpoy[ow «w schlug Diels vor. Es läfst sich schwerlich eine sichere Her-
stellung finden; denn der Möglichkeiten sind viele. Der Sinn ist klar.
10 xata [tov XQr^fioi] KirchhofF.
11 öydoirjxov& trrj : über den Asper Kühner-Blass, Ausf. Gramm. I S. 81 d; 109, 5. G. Meyer,
Griech. Gramm. 2 S. 243; vgl. Aristotel. aoL'A&ip. c. 4 p.4, 4WÜ.: tQidxov& hi\.
12 [«]7n/*g[#tf(7a?, aber zwischen xaQiatijQioig und ntpy ist auf dem Stein eine Lücke.
Eine andere Ergänzung scheint kaum möglich, und wenn sie gefunden werden
sollte, wie erklärt sich die Lücke? Also Fehler des Steinmetzen?
13 ntw iift «V **p /^/[ay] inav6do[v Unat^vqg]
14 Iv "A^it Gefiiatovg. Zwischen *Aoyn und ßefitatovg hat kein Buchstabe gestanden;
die Verscheuerung ist ganz leicht. — Der Rest am Ende der Zeile kann nur von
einem n herrühren, also vielleicht iviavaiov, wie Diels und Kirchhoff mit allem
Vorbehalt vorschlagen. Der Zusatz wäre dann im Gegensatz zu der lebens-
länglichen Eponymie der Herapriesterin zu denken.
22 Für ß[<al]oft ist der Raum zu grofs. Aber was will man anders ergänzen? S.
unten S. n.
39 Der Stein giebt fast sicher npxrnzTEEmiSETAi, man kann also nur einen Fehler
des Steinmetzen annehmen, der vielleicht das elidierte TtQatiat seiner Vorlage
thöricht tzqg)t\ täte, abteilte.
47 ixeiai statt ixtjcu vgl. Kretschmer, Kuhns Zeitschrift XXXIII (1894) S. 261; uleimuo
für Aqvtud auf der parischen Hetaereninschrift Athen. Mitteil. XVIII (1893) S. 23.
49 xai MvxdXqg 600g ainv anevavziov 'Erövftiwvof ist ein willkommener Anlafs um
nochmals zu betonen, wie "mifslich es ist in dieser heiligen Poesie zu emen-
dieren". Ganz analog dem alnv anevavziov in unserem Orakel steht bei Herodot
VII 220, in dem vor der Schlacht bei den Thermopylen gegebenen Orakel
aaxv (QixvdtSy wo aarv mit konsonantischem oder elidiertem v zu lesen ist.
Wichtig ist, dafs es beide Male delphische Orakel sind, in denen wir diese
merkwürdige prosodische Erscheinung zu konstatieren haben. Es ist weder die
übliche Annahme einer Korruptel im Herodottext noch eines Fehlers des Stein-
metzen in unserer Inschrift gestattet. Vgl. Diels Sibyllin. Blätter S. 60 2 .
51 no\[Uaaiv] Kirchhoff.
Die Herstellung der wichtigen Partie Z. 4 — 15 verdanke ich in ihren
wesentlichsten Teilen H. Diels, der vor allem durch die richtige Deutung der
Worte eXo[ji]ßave XP^ V0V » d« h- (der Gott) zögerte, das Verständnis erschlossen
hat. Der erhaltene Text führt uns mitten in eine Erzählung hinein, die auf
Kreta spielt. Das lehrt auf den ersten Blick die Erwähnung der Städte Gortyn
und Phaistos ; denn ich glaube nicht, dafs an der Ergänzung r6pru]vog gezweifelt
werden kann. Phaistos und Gortyn liegen im südlichen Teile Kreta's etwa in
der Mitte, nicht weit von einander, beide im Thale des Lethaios, sodafs die
Lage einer dritten Stadt sehr gut durch die Worte ava jjiaov TopTuvo; xal
OatoroO xotTOtxoüaa bezeichnet werden kann 1 ). Die handelnden Personen der
Erzählung sind die Magneten, die sich von Kreta nach Delphoi gewandt
haben (Z. 16); der Gott, von dessen Zeichen und Orakel die Rede ist, ist der
Gott in Delphoi. Apollon hat den Magneten ein Zeichen verheifsen, mit dem
er zögert: Delphis oracula cessant. Als aber ungefähr achtzig Jahre nach
ihrer Ankunft die weifsen Raben erscheinen, so wurden sofort mit Dankopfern
Leute nach Delphoi abgesandt , welche das Orakel über ihre Heimkehr ins *
Vaterland befragen sollten. In der Zwischenzeit leben sie glücklich in Kreta
(Z. 7 — 10), gründen eine Stadt, heiraten und bekommen Kinder und pflanzen
(eveqpuoiwo-av) ihren Nachkommen die (nach Aussage des früheren Orakels zu
erwartende) Willensäufserung des Gottes ein. Im einzelnen mag noch manches
zweifelhaft sein, zumal die Zeilenlänge verschieden sein kann, wie der folgende
Prosaabschnitt beweist; auch ist zu beachten, dafs sich der Stein nach oben
verjüngt. Aber die Hauptsache wird so richtig wieder hergestellt sein. Die
Stadt, welche die Magneten in Kreta gründen, ist uns nur aus Piatons Gesetzen
bekannt. Sie trägt den Namen Magnesia. Die Stellen hat Boeckh in seiner
Schrift In Piatonis Minoetn eiusdemque libros priores de legibus p. 68 gesammelt.
Piaton beschreibt die Gegend, in der Magnesia lag, am Anfkng 'des vierten
Buches. Etwa achtzig Stadien vom Meere war sie entfernt; zur Zeit des
platonischen Gesprächs ist die Gegend einsam und verlassen: TOiXaia yäp Tt$
e^obcijo'is ev Tq> T07ap YevojiivTj ttjv y6pav tocuttjv epTjjiov a^etpY aflrTa - XP^ V0V ijjuijyavav
oo-ov (p. 704 c)*). Auf der Stelle der alten Stadt soll sich nach der Fiction
] ) xaioixtly in der Bedeutung gelegen sein gebraucht z. B. Piaton Gesetze III p. 677 C; 68z C.
*) Vgl. XI 4 p. 919 D Mayvr\Tinv ove 9tos ayoy&u>v ndliv xaiotxi£*i.
IO
des Philosophen ein neues Magnesia erheben, das Idealbild eines geordneten
Staatslebens , ). In welcher Gegend Kreta's die Stadt lag, hat Piaton nicht
angegeben. Nach unserer Inschrift lag sie zwischen Phaistos und Gortyn.
Dafs die Magneten aus Thessalien kommen, geht aus dem Orakel hervor,
welches sie von Apollon erhalten. Dies Orakel, das mit dem Verse TjXfrere
Md^vr/ces KpTjTTjs &jzo voacpi Tparavres beginnt und mit der Weisung schliefst, dafs
ihnen ein Land zufallen werde, welches nicht schlechter sei als die Gegend um
Peneios und Pelion, ist aber nicht das erste, das ihnen der Gott verkündigt.
Denn Zeile 15 heifst es: rcxXiv 5e Twcpot ttjjjl ßouX>;<7tv ourabv yffiarrßiajQexotL Was
in dem verlorenen Orakel vom Gotte verkündigt war, erfahren wir nicht. Aber
jedenfalls mufs in demselben einmal die Aufgabe bezeichnet gewesen sein,
welche sie in Kreta erfüllen sollten (Z. 5), und dann mufs darin die Hindeutung
auf ein Wunderzeichen gegeben sein, dafs sie zu erwarten hatten. Thessalien
als Heimat der in Kreta angesessenen Magneten ist uns durch das Schol.
Apollon, Rhod. I 584 p. 335, 8 eori xoti exepoc Morp/rjo-ia ::epi TEqpeaov, exTtqjivrj
\mb Aeuxwncou toO Kapo; jieTotx^o-avro^ exet <ruv Mocyvtjg-i toZ$ ex Kp-qnjs bezeugt,
vgl. Strabon XIV p. 636 urcepxetTai 5e Morp^o-wc *r} 7Cpö$ MatdvSpcp, MayvijTCüv aitotxia
täv ev öeiraXia xal Kpijrcbv. Die Beziehungen von Thessalien zu Kreta liegen
auch sonst offen zu Tage 2 ): in Thessalien und in Kreta kehren dieselben
Städtenamen wieder: Phaistos, Phalanna, Omphalion, Gortyn (=Gyrton) 8 ); in
Thessalien sowohl wie in Kreta giebt es den Monat Aeoxav6pto$, und Lethaios,
der gröfste Nebenflufs des Peneios, trägt denselben Namen wie der Flufs, in
dessen Thal in Kreta Phaistos und Gortyn liegen.
Das Wunderzeichen erscheint achtzig Jahre nach der Ankunft der
Magneten in Kreta. Diese Datierung hilft uns um so weniger weiter, als sie
typisch zu sein scheint; denn achtzig Jahre nach dem troischen Kriege datiert
Thukydides I 1 2 auch die Wanderung der Herakliden. Sehr viel interessanter
ist die Datierung nach der Herapriesterin Themisto und dem Proarchon
Xenyllos. Die Herapriesterin hat zuerst F. von Hiller erkannt, und der Ge-
danke, der sich bei dieser Ergänzung nach B. Niese's Aufsatz im Hermes
XXIII (1888) 86 jedem aufdrängt, mufs nachher erwogen werden. Schwierig-
keiten macht der delphische Proarchon; denn die übliche Bedeutung 'Vor-
gänger im Amte sein' pafst hier ebenso wenig wie 'Stellvertreter des Archon
sein', was es auch heifsen könnte. Dabei fallt es auch schwer, eine genügende
Ergänzung der Worte T7jv ev zu geben, weil man bei jeder den Zusatz
apXTP vermissen könnte, für den auf dem Stein keinesfalls mehr Raum bleibt,
mag man evtauoxov oder Ähnliches ergänzen. Aber es wird sich kaum etwas
*) S. namentlich XII, 14 p. 969 A : au yttQ lyr Mayvr\iwv 710i.1v, rj <p av $tos tmjyvfiov ttviqv
Ttoirjar], xliog ctQtl fAtyunor xaiaaxtvaaag ttvir,v oo&u»?, rj ro yt «S^dpftororrof *lrat> doxtiv imv vartQor
tn$yiyyof*irto» ovx fx'ftvfa noti.
*) Strabon X 475 (Andron; Busolt Griech. Gesch. I* 166, 3).
8 ) Vgl. darüber F. Bechtel Gott. Nachrichten 1890 S. 38. — Wo Magneten sind, rindet sich
auch der Lethaios, in Thessalien, in Kreta und in Asien als Nebenflufc des Maiandros.
1 1
Anderes finden lassen als das Verbum icpodpyeiv durch rcpö twv aXXcov apx ctv
(=-RpoyzQY apypvra elvai) zu erklären und dabei an den eponymen Prytanen
Herakleides (Ol. 105, 4; Pausanias X 2, 3) zu erinnern 1 ). Xenyllos wäre also
der fingierte erste Archon zur Zeit der argivischen Herapriesterin Themisto.
Das Wunderzeichen, welches die Magneten veranlafst das Orakel von
Delphoi nochmals zu befragen, besteht aus weifsen Raben, die plötzlich aus
einer dunkeln Wolke heraus erscheinen 5 ). Die Magneten fragen nach ihrer
Rückkehr in die Heimat. Die Antwort des Gottes ist undeutlich. Von der
Rückkehr in die heimatlichen Gefilde am Peneios verlautet nichts; es heifst
vielmehr Z. 20 dXXa XP€«Y ^cdr^ aiz[o 7t]oiTpt5o$ aXXofti ydWta[i]. Apollon ver-
spricht, dafs er zusammen mit seinem Vater und seiner Schwester dafür Sorge
tragen wolle, dafs der Magnet keine schlechtere Scholle Landes erhalten
werde als er früher in Thessalien besessen habe. Die vorgeschlagene Er-
gänzung ß[ö>X]oji trifft jedesfalls genau den Sinn und stimmt mit den Buch-
stabenresten. Aber der Raum ist dafür etwas zu grofs. Jedoch mufs man
bedenken, dafs sowohl auf der Pfeilerwand wie auf der sich anschliefsenden
Hallenrückwand manchmal der Marmor nicht ganz geglättet ist, dafs hin und
wieder bereits vor der Schrift Löcher vorhanden waren, die von dem Stein-
metzen übergangen worden sind. Apollon beruft sich auf seinen Vater Zeus
und seine Schwester Artemis 8 ). Das sind beides Gottheiten, welche im asiati-
schen Magnesia grofse Verehrung genossen. In der südlichen Hälfte der
Agora stehen noch heute die Reste eines Tempels, welcher dem Zeus Sosi-
polis geweiht war, dessen Kultbild wir in Trümmern vor seiner Basis in der
Cella liegend fanden 4 ), und von der magnesischen Artemis, der ^avdi} TOtlg Atö$*)
redet fast jeder Stein.
Nach solchem Orakelspruch verzweifeln die Magneten an der Heimkehr
ins Vaterland, und voll Sorge schicken sie wieder nach Delphoi und lassen
fragen, wohin sie der Gott schicken würde und auf welche Weise 6 ). Auf
diese Frage erhalten sie einen neuen Orakelspruch: vor der Thür des Tempels
stehe ein Mann, der über sie herrschen und ihnen den Weg ins Land der
Pamphyler zeigen würde über den Berg Mykale hinaus. Dort befände sich
') Vgl. Busolt G riech. Gesch. I a 690, 3; über die delphischen Archonten s. Gnaedinger De
Graecorum magistratibus eponymis. Slrafcburger Diss. 1892, 36.
2 ) Über die Raben Apollons vgl. Welcker Griech. Götter]. II 336. Raben auf Münzen:
Imhoof-Blumer und Keller Tier- und Pflanzenbilder auf Münzen uud Gemmen, Taf. XXI nr. g Rabe
auf einem Dreifufs, links Delphin, rechts Füllhorn; nr. 9 auf Köcher und Bogen; nr. 12 auf Lorbeer-
zweig. Der Rabe ist comes obscurus tripodum Statius Theb. III 506. Vgl. auch Friedländer Monats-
berichte der Berl. Akad. 1874» 454. — Auf den Münzen von Magnesia sind offenbar Adler, keine
Raben abgebildet.
3 ) In dem zur Gründung von Kyrene gegebenen Orakel (Diodor VIII 38) werden auch drei
Götter Zeus, Athene und Apollon genannt: ov cT «v/o^fvoc Kporintyi Hailutfi 1' (yQ*u<*Xfl ylavxuimJ*
xal Jib$ vUp <t>oißip axtQa$xcjurj yixrjy vno/iiQtoy f&K«
*) Archäolog. Anz. 1894, 8i*
*) Anakreon fr. 1 (P. L. G. III* 153).
6 ) on[o]o aiiXloikv ähnlich wie Sophokles Trach. v. 40 xnyog <P Snov ßißrfxtt' ot'cfcic olJt.
12
auf der Warte eines vielgewundenen Stromes das durch Schätze reichgesegnete
Haus des Mandrolytos. Da werde ihnen, wenn sie nur auf Verteidigung und
nicht auf hinterlistigen Angriff bedacht wären, der Olympier Sieg und grofsen
Ruhm verleihen. Durch diese Antwort werden sie deutlich nach Asien ge-
wiesen und zwar genau in die Gegend, in der Magnesia am Maiandros liegt,
nach dem Vorgebirge Mykale. Unter dem TOXuoTpeqf% tzotoliloz ist natürlich
der Maiandros zu verstehen. Auf magnesischen Münzen finden wir die Mae-
ander genannte Verzierung als Andeutung des grofsen Flufses, an dem die
Stadt liegt; für die spätere Zeit genauer ausgedrückt: an dessen Neben-
flufs 1 ). Auch ein Teil der xxeava 1 ) des Maiandros begegnet auf den Münzen
und manchmal auch inmitten der Maeanderverzierung wie, z. B. der nach links
stofsende Buckelochs auf der Rückseite der auf dem Titelblatte abgebildeten
Silbermünze unseres Berliner Kabinets 8 ). Die alten Magneten sind besonders
stolz auf ihre Viehheerden gewesen, das zeigen die Münzen zur Genüge 4 ), und
wer die Maiandrosebene aus eigener Anschauung kennt, der hat in den
Sümpfen bei Tekke, dem armseligen Tscherkessendorf, welches heute auf einem
Teil des alten Stadtgebietes steht, oft genug Gelegenheit, die Rinder- und
BüfFelheerden zu bewundern, die unter Ioniens Himmel prächtig gedeihen.
Noch genauer als in diesem Orakel ist die Angabe des Wanderzieles der
Magneten in dem vierten Orakel Z. 46 ff., welche wir hier vorwegnehmen
müssen. Dort wird nicht von der apoupa der Pamphyler, sondern von ihrem
Golf gesprochen (xo[X]tov Z. 46); statt des rcoXuorpecpTjs totcxjiäs erscheint das
Ä}iav{Koo ataö peedpov (Z. 48), wobei noch des *)[f6pT;]xo$ oxfaeXoc genannt wird,
und das Mykalegebirge wird als dravocvcbv Ev3ujua>v[os] näher bezeichnet.
Zeile 50 ist wieder von dem Hause des Mandrolytos die Rede. Mandrolytos
ist aus Parthenios bekannt; er ist der Vater der Leukophryne, welche ihre
Stadt den unter Leukippos heranziehenden Magneten verrät. Nach der Stein-
urkunde ist er als der Herrscher am Golf der Pamphyler zu betrachten, und
dafs Magnesia früher den Namen Mandrolytia trug, ist durch Plinius 5 ) bezeugt.
Der Wohnsitz der Pamphyler wird aufser durch Mykalegebirge und
Maiandros, der in der alten Zeit also den Namen Amanthios getragen zu
haben scheint, noch näher bestimmt durch den Thorax. Der Thorax ist der
*) Strabon XIV p. 647; vgl. Rayet S. 118.
a ) In dem aQ^tdog XQ1 a t u °S (Athen. Mitt. XV [1890] S. 330) sind mit Vers 2 Mayrijue xrfaVoi?
ina/jvvTOQts q/jiriooiatv die Tempelschätze des Apollon in Delphoi gemeint; vgl. Reinach Revue des
6tndes grecques III (1890) p. 355.
8) Friedlaender-v. Sallet Tafel III Nr. 223 (S. 88).
4 ) Vgl. auch das Relief mit dem Heroenopfer Athen. Mitteil. XVII (1891) S. 277; Drexler bei
Röscher II 2003.
*) Nat. hist. V 114; so ist längst aus Androlitia verbessert worden. — Bei Apuleius Florida p. 31, 9
Krueger (Progr. des Joachimsth. Gymn. 1865) ist Mandraytus aus Priene als Schüler des Thaies über-
liefert. Diels verbessert Mandrolytus. — Über die mit MdvdFgo— zusammengesetzten Namen vgl.
Letronne Annali dell' istituto 18451 2 &3* E* * st sicher, dafs diese Namen im südwestlichen Klein-
asien sehr häufig vorkommen. Aber zweifelhaft ist mir, ob Letronne's Schlufs auf einen Gott Mdv-
cfpo; u. s. w. richtig ist.
13
letzte Ausläufer des Mykalegebirges, der Berg, auf dessen Abhängen die
Stadtmauern von Magnesia stehen. Die Ergänzung 0[ci)pTj]xos ist also zweifellos.
Mykale liegt dem Endymion gegenüber (aravavrfov), — Endymion ist der gött-
liche Schläfer in der Hohle des Latmos, zu welcher Selene allnächtlich her-
niedersteigt. Der Latmos liegt in der That der Mykale gegenüber; zwischen
beiden dehnte sich in alter Zeit der latmische Golf aus. Ein Blick auf
Rayets äufserst instructive Karte pl. II genügt: wir sehen da deutlich die
Grenzen des Alluviums 1 ). Aber in ältester Zeit, zu der Zeit, in welcher die
Magneten aus Kreta nach Asien übersetzten, hiefs der Golf der pamphylische,
und das ist für uns, die wir gewohnt sind den pamphylischen Golf nur an
der Südküste Kleinasiens zu suchen, eine Überraschung. Herodot freilich
spricht VII 91 von den Pamphylern als Nachkommen tcöv ex Tpoojs oltzotyz-
Sao-flivrcDv ajjia 'AjJi^tXoxq) *ai KaX^avTi, nach Kolophon weist die Sage vom
Mopsos, von dessen Töchtern eine Pamphyle heifst — aber dafs in Jonien
jemals Pamphyler safsen, ist noch niemals angenommen worden*). Dem
Dichter unserer Orakel gelten die Ureinwohner am latmischen Golf, in
deren Land die Magneten einrücken, als Pamphyler. Das steht jetzt fest, und
wer möchte nunmehr ohne weiteres der Mopsossage jedweden historischen
Kern abzusprechen fortfahren? Vor der ionischen Wanderung haben um
Miletos, Myus, Mykale und Ephesos Karer gesessen. Aber auch die Leleger 1 )
haben Anspruch auf diesen Wohnsitz, und vielleicht sah es in dieser Gegend
auch ehemals so bunt aus wie heute, wo die verschiedensten Völkerstämme
unter türkischer Herrschaft zusammensitzen.
Am Thorax sollen die Magneten eine neue Heimat finden. Aber es ist aus
DiodorXIV36 (Rayet 164) bekannt, dafs die Stadt Magnesia, von der wir die
Agora, den Artemistempel und das Theater 4 ) aufgedeckt haben, nicht an der-
selben Stelle liegt, an der in uralter Zeit die kretischen Magneten ihre neue
Heimat gründeten, an der sich das glückliche Haus des Mandrolytos erhob.
Die Stätte der alten Stadt haben wir wegen des ungeheuren Alluviums nicht
feststellen können trotz mancher eifrigen Nachsuchung. Ich glaube, dafs sie
direkt am Maiandros lag, und dafs sich aus diesem Grunde der Name der
Magneten em tö Matccv5pq) auch dann noch erhalten hat, als die Stadt längst
an seinen Nebenflufs Lethaios verlegt war in die unmittelbare Nähe des alten
Heiligtums der Artemis Leukophryene, das schon zur Zeit des Anakreon am
Lethaios lag, auf demselben Platze, an dem später Hermogenes von Alabanda
den weltberühmten Tempel errichtete*). Deshalb scheint es auch geboten zu
') Vgl. Rayet S. 24 ff. •
2 ) Über die dorische Tribus der Pamphyler und ihren Zusammenhang mit der kleinasiatischen
Landschaft s. v. Wilamowitz Euripides' Herakles I 267.
3 ) Hesiod fr. 141 Rzach nennt diese Völkerschaft ktxrovg tx yaiqf Xaov$ (?), was sich mit dem
Namen der Pamphyler vergleichen laust.
4 ) Athenische Mitteilungen XIX (1894) S. 1 ff.
b ) Archaeolog. Anzeiger 1894* 123.
14
sein, den Flufs Amanthios nicht mit dem Lethaios oder Gaison 1 ) zu identi-
fizieren, sondern mit dem TOXuorpe^s ttorajj.ö;, unter welchem eben nichts
anderes verstanden werden kann als der Maiandros.
Nachdem die Magneten diesen Orakelspruch gehört haben, richten sie an
den Gott die neue Frage (Z. 36), wer der von ihm bezeichnete Mann wäre und
woher er käme. Apollon antwortet, dafs ihnen in seinem Temenos nach dem
Verlassen des Tempels ein mutiger Mann aus dem Geschlecht des Glaukos be-
gegnen werde: oöro$ xai Setzet yzpaov raXurcupov dpoopav (Z. 41). Die darauf folgen-
den Prosazeilen nennen als den künftigen Führer Leukippos. Das Geschlecht
des Glaukos führt uns in das sechste Buch der Ilias, in welchem wir die
Ahnen des Leukippos verzeichnet finden. Denn dafs wir nur an den Lykier
Glaukos zu denken haben, lehrt eine andere Inschrift von der Pfeilerwand der
Agora, ein Psephisma des xotviv der Kreter, das ich hier wenigstens in Um-
schrift mitteilen mufs. Das Dekret steht unmittelbar unter den Briefen Königs
Antiochos des Grofsen und seines ältesten im Jahre 193 früh verstorbenen
Sohnes gleichen Namens 8 ) und trägt die Überschrift: ratpd toö xavoo tcov
Kpijrcbv. Es lautet:
v E]8o2;ev K[p7j]TatecDv-TO>t xotvon ouveX-
ö"]ouo-dv |r]an toXIcdv iwcadv e$ BiXxco-
va el; tö te[p]ov tcö ätoXX<dvo$ tö> BiX-
xct)vta> aYoujiivov ropTuvtcov era
5 xoqimi KuSavcog to> Kuwtar ercet-
5fj Mi^Yrfzec, oixetot evn xai qptXot Kpij-
xatecov ravrtov, S5o§ev 5e twiv au-
tcuv e$ xav Äoiav aiwextav oTecXaröat,
uitdpxetv Md*pajoiv tocoxv oixetoraxa
10 xai ^tXiav aY^parov xai i\L rcpuTavec-
a>i arnjatv xai aQxyaoaw xai e^ayouatv dxe-
Xetav eljiev daoXei xai darovSei xaxd ftä-
aav Kp^xaf xai epc-njo-tv xai itoXt-cetav,
Sojiäv 8e ai>TOt$ aTOTCXeouoxv exdora[v]
15 toXiv dp^uptcD Tiaaocpa xdXavra xd[x?]
töjjl raTOv>jjjivov xai tepeta Sa* av defXo-
[o-tv auxoi] sig äwiav 8 ), [TCp]oraj4$at 5e]
aurobs yixp* &i ™P Äaiav Talg ]xaxpat£
vaoaiv xai aujjLTOjJicj)at aurolg to§6-
20 tos et$ ravraxoo-tous dvSpas, itpo-
nijxc[)ai 5e xai daTcdo , aa*8-at aÜToug xai
dvSpas xai rcatSas xai Y^voclxas xafr' d-
Xadav xai robc, iepe% xai xd$ cepeta^*
•) Über diesen vgl. jetzt Kiepert formae orbis antiqui Text zu Taf. IX S. 4 nr. 59.
*) Kekule Archaeolog. Anzeiger 1894, 78.
s ) Z. 15 — 17 habe ich noch nicht in befriedigender Weise herstellen können.
15
to 5e ^dq)tajjLa TÖ5e eicrrdXav X r .{Kvav
25 dvaYpa^avra^ ava*eji.ev eis rb tepov tcd
ä[toX]X«)vo$ tcd BtXxovt©, Sojiev 8e xai Aeo-
[kEtowdi t]&i Auxköi töi xafl-aYejJiovt Yevojjivon et£ tocv Äai-
[av KpTjrak tcoo-os iroXet^ aprupto TdXavrov, tö 8e c|>d-
[qKqia t]o era icpeco^ äy "^ 10 * [t]cö A[a7i}rcaia>
Wenn ich diese merkwürdige Inschrift richtig verstehe, so führt sie uns
mitten in die Dinge hinein, von denen die Urkunde redet, um deren Verständnis
es sich handelt. Sie stellt einen Beschlufs des xotvov der kretischen Städte
dar, die unter der Führung der Gortynier unter dem Vorsitz von Kydas aus
Kynnos 1 ) in Bilkon im Heiligtume des Apollon Bilkonios tagen 2 ). Es handelt
sich dabei um eine feierliche Entsendung der Magneten nach Asien, unter
denen man nur die Einwohner jener Stadt auf Kreta verstehen kann, über die
oben gesprochen ist. Die Inschrift ist von derselben Hand geschrieben, wie
die Antiochosbriefe, ist danach also auch um 200 auf den Stein eingemeifselt.
Aber wann ist sie verfafst? Der Inhalt ist der, dafs den Magneten oLxetOT>j$
und cpiXia ay^paTOs u. s. w. gewährt werden , da sie allen Kretern wohlgesinnt
und freundlich sind und einige von ihnen den Beschlufs gefafst haben, eine
Kolonie nach Asien zu führen. Wie die Kreter sich bei der Aussendung
dieser Kolonie zu verhalten haben , wird in den Zeilen 1 4 ff. auseinander ge-
setzt. Bei ihrer Abfahrt soll ihnen Geld gegeben werden, Opfer werden er-
wähnt, die stattfinden sollen, und ihnen wird bis nach Asien hin Schiffsgeleit
versprochen, auch fünfhundert Bogenschützen sollen mitgehen, und zum Ab-
schiede findet eine Begrüfsung statt Aufzuschreiben ist dieser Beschlufs auf
eine steinerne Stele, die im Heiligtum des Apollon Bilkonios aufgestellt werden
soll, und der Mann, der die Führung nach Asien unternommen hat, der Lykier
Leukippos soll von jeder kretischen Stadt ein Talent Silber erhalten. Weiter
war dann von einem unter dem Priester Agaimenis aus Lappa gefafsten
Psephisma die Rede, über dessen Zweck wir nicht unterrichtet sind, da die
Inschrift nicht weiter erhalten ist. Zur Erklärung dieser interessanten Urkunde
öffnen sich mehrere Wege. Der nächste ist der, dafs man annimmt, der Be-
schlufs sei um 200 in Bilkon gefafst worden und in der That sei damals eine
Kolonie von den kretischen Magneten nach Asien ausgeschickt worden. Da
erhebt sich aber die Schwierigkeit, dafs von der ersten Landung der Magneten
in Asien, an welcher zumal nach unserer xrioxg nicht gezweifelt werden kann,
in diesem Psephisma mit keiner Silbe gesprochen wird, und dafs der Führer
abermals Leukippos heifst. Letzteres könnte man wohl dadurch erklären, dafs
die Namensgleichheit beabsichtigt war'), oder dafs das Silbertalent nicht dem
Führer der Kolonie um 200 gilt, sondern dem Heros Leukippos, in dessen
' ) Ein Ort namens Kynnos war bis jetzt unbekannt.
-) Weder Bilkon noch Apollon Bilkonios waren bisher bekannt.
3 ) £. Curtius Gesammelte Abhandlungen I S. 527.
i6
Kirchenkasse es abgeliefert werden soll. Aber auffällig- bleibt dabei, dafs eben
die erste Fahrt völlig verschwiegen ist, und dafs wir nach Piaton annehmen
müssen, dafs bereits zu seiner Zeit das kretische Magnesia verschwunden war.
So schwer man sich zu solcher Annahme entschliefst, es scheint mir un-
umgänglich anzunehmen, dafs wir hier die fingierte Urkunde vor uns haben,
die auf einer Stele im Heiligtum zu Bilkon von der Ausfahrt der thessalisch-
kretischen Kolonisten Kunde gab, welche in Asien eine neue Heimat suchten
und am Golf der Pamphyler Magnesia gründeten. Denn dafs dieselbe erst in
hellenistischer Zeit verfafst ist, lehrt die moderne, mühsam dorisierende Sprache,
lehrt die Art der Abfassung, lehrt das xotviv täv Kpr/caieov und lehren wohl
auch die Togorcu 1 ). Die Magneten scheinen an solchen Fiktionen Gefallen ge-
funden zu haben. Denn ein Gegenstück zu diesem Psephisma ist der von E. Maafs
behandelte apxato$ XPW^S (Hermes XXVI [1891] S. 178 ff.)*). Als Bestätigung
gleichsam mag die Bemerkung dienen, dafs Z. 25 die sonst übliche Angabe
fehlt, dafs ein gleichlautendes Psephisma auch in Magnesia am Maiandros auf-
gestellt werden soll. Der Grund hierfür ist in dem Umstände zu sehen, dafs
zu der fingierten Abfassungszeit dieses Beschlusses eine Gründung der Magneten
am Maiandros noch gar nicht existierte. Später als mit dem Ansehen ihres
grofsen Artemiskultes auch die Bedeutimg der Stadt wuchs, hat man um den
Zusammenhang mit dem griechischen Mutterlande zu betonen, alle Aktenstücke,
die sich auf die Umsiedelung der thessalischen Magneten nach Asien bezogen,
herausgesucht und an hervorragendem Platze bekannt gemacht und sich auch
nicht gescheut, neue zu fabrizieren. Auf der Pfeilerwand der Südwestecke
der Agora stehen nur Urkunden ersten Ranges, aufser den Königsbriefen der
Antiochoi und des Attalos nur noch solche Urkunden, welche für die Geschichte
der Stadt von hervorragender Wichtigkeit sind, welche dem auf der Agora
sich bewegenden Volke fortwährend ins Gedächtnis zurückrufen, woher sie
gekommen sind, und wer der Archeget ihrer Ahnen war.
In die Zeit also vor der Abfahrt nach Asien führt uns dieses c|^cptqi.a
der Kreter und hilft uns auch etwas zum Verständnis der ersten Zeilen unserer
Gründungsgeschichte. Denn zu den Zeile 4 genannten cJn^iqiaTa wird unser
Dekret rcapa toö xotvoO KpnjTatecDv gehört haben (vgl. Z. 3 xoctoi xoivov). Auf
allgemeinen Beschlufs sollten die Magneten Kreta wieder verlassen, warten
aber noch ein Zeichen des Gottes ab, ehe sie auswandern. Warum sie aber
die Insel wieder so schnell verlassen müssen, sagt die erste Zeile : X e *P a $ [®]&Q-
Y0cyo[v], sie führten Schaaren ins Feld, das ist das bellum Magnensium, von dem
Probus (Virg. Ecl. p. 14, 24 K.) spricht: Idomeneus e Creta oppido Blanda
pulsus per seditionem bello Magnensium cum grandi manu ad regem Diuitium
ad Illyricum uenit. Kriegerische Absichten scheinen die Magneten nach Kreta
*) H. Droysen Kriegsaltertümer S. 25, a.
2 ) In Hadrians Zeit, aus der diese Orakelinschrift stammt, müfste es statt ini n Qvrdy tojg an-
bedingt Ini oTf<favt](foQov heüsen. Prytanis eponymer Magistrat auch in Ephesos: Gnaedinger De
Graecorum magistratibus eponymis p. 2,3.
17
geführt zu haben. Aber schnell ist die Aufgabe erledigt, deretwegen sie
kamen. —
Die Dynastie der Lykier, deren Stammherr Bellerophontes ist, hat ihren
Ursprung in Thessalien. Denn Bellerophontes ist der Sohn des Glaukos, dessen
Vater Sisyphos und dessen Grofsvater Aiolos ist, der thessalische Heros.
Durch das Zwiegespräch zwischen Diomedes und Glaukos Ilias Z 152 fr. er-
fahren wir diesen Stammbaum. Mit Bellerophontes betreten die Nachkommen
des Aiolossohnes Sisyphos asiatisches Gebiet. Bellerophontes wird von Proitos
nach Lykien geschickt, wo er nach der Besiegung der Chimaira, der Solymer
und der Amazonen die Tochter des Iobates zum Weibe erringt und mit dieser
Isandros, Hippolochos und Laodameia erzeugt. Laodameia ist die Mutter
Sarpedons, des Gründers von Milet 1 ), und Hippolochos der Vater des Glaukos,
welcher den Tydiden Diomedes mit den unsterblichen Worten anredet:
ToSsiStj jieYd{k>;j.s titj yzvzrp epeetve^;
oVtj rap cp6XXc3v yeve^, toitjos xai dvopcov.
Von diesem Glaukos, dem Herrn der Lykier 3 ), stammt Magnesias xtiottjs und
apyTtfiir^ Leukippos. Dafs er ein Sohn des Xanthios ist (yivoc, t&v dbcö BeXXe-
pocpovTpu), lehrt uns die Novellette des Parthenios c. 5. Wieviel Generationen
zwischen Glaukos und Xanthios liegen , ist nicht überliefert. Darauf kommen
wir nachher zurück. Durch unsere Inschrift wird eine, soviel ich weifs, noch
ungedruckte Vermutung von A. von Gutschmid bestätigt, welche dieser
nach der Mitteilung F. von Hillers in seinen Vorlesungen vorzutragen pflegte,
und die noch wahrscheinlicher wird, wenn wir sehen, welche Rolle der Lykier
Leukippos in der von den Magneten selber recipierten Gründungsgeschichte
ihrer Stadt spielt. Es handelt sich um das Verständnis der Herodotstelle
I 147, in der es von den Ioniern heifst ßa<tt>ia* Ss eoT^cavTO dt jisv ocutcöv
Auxbu* oltzo rXauxao toO 'IznoXoyov ys^ovoTas, dt 8s Kauxova^ IluXtou^ olko KoSpou
* tou MsXavö-oo, dt 3c xott auvajJicpöTepou;. Dafs sich die letzten Worte auf Milet
beziehen, wo neben Neleus auch Sarpedon als Ahnherr seiner Fürsten verehrt
wurde, ist allgemein anerkannt 8 ). Der v. Gutschmidsche Gedanke, dafs mit
der Dynastie, welche ihren Stammbaum von dem Lykier Glaukos, dem Sohne
des Hippolochos ableitet, die ersten Herrscher von Magnesia am Maiandros
gemeint seien, mufs als sehr wahrscheinlich gelten, — denn wenn auch
Magnesia eigentlich eine tt6Xt$ ALoXis ist, es gab doch eine Zeit, in welcher
es im Machtbereiche von Ephesos lag.
Und ebenso wie diese Vermutung heute an Boden gewinnt, scheint es
mir nur billig zu sein, wenn man entgegen der Versicherung von W. Drexler
(Röscher s mythol. Lexikon II 1997), dafs die magnesischen Münzen mit dem
*) Robert Bild und Lied S. 116.
8 ) Eine von Fellows gefundene Inschrift des Nauarchen Aichmon bezieht sich auf eine Weihung
an die Heroen Sarpedon und Glaukos (C. I. G. III p. 1123 nr * 4*69 b 1 ; Le Bas- Waddington Aaie rai-
neure nr. 1251).
*) S. z. B. Busolt Griech. Gesch. I a 305, 1.
3
i8
Bilde eines nach rechts sprengenden Reiters in keiner Beziehung zu Leu-
kippos stehen, auf die von Rayet S. 142 ausgesprochene Vermutung zurück-
greift. Auszugehen ist dabei von der Inschrift C. I. A. III 1, 16. Ein Ehren-
dekret der Panhellenen aus der Zeit des Antoninus Pius, das Fauvel in Attika
in der Gegend zwischen Hymettos und Pentelikon gefunden hat, und welches
sich jetzt im Louvre Saal I No. 654 ') befindet, gilt den Magneten am Mai-
andros. Es trägt als Überschrift die Worte orfa{Hj 'tfiy.ij. Asoxhctüos. Boeckh
hat bereits C. I. G. II 2910 eine Erklärung gegeben, welche wir heute nur
sehr wenig zu modificieren brauchen, obwohl ihr L. Rofs Hellenika I 1
(1846), S. 41 widersprochen hat'). Boeckh deutete den Namen Aeuxwraos als den
Namen des Stadtheros von Magnesia, dessen Statue neben dem Panhellenen-
dekret gestanden habe, und ihm hat unter Anderen auch E. Curtius zuge-
stimmt 1 ). Nur die Annahme einer Statue des Leukippos dünkt mich über-
flüssig. Auch hier ist die Sache durch unsere Ausgrabungen entschieden.
Der Name Aeoxtrno; begegnet uns auf dem Dekret aus Athen an der Stelle,
an welcher wir auf zwei magnesischen Psephismen 4 ) das Stadtwappen von
Magnesia, den Reiter antreffen. Der Name ersetzt das Bild. Und so kommt
Rayets Vermutung, dafs die Münzbilder den Archegeten Leukippos dar-
stellen, wieder zu Ehren. Auch Ziegelstempel mit demselben Wappenbilde
sind gefunden. Der Reiter ist gewöhnlich mit einer flatternden Chlamys be-
kleidet, als Kopfbedeckung trägt er einen Helm. Er erinnert also an den
Reiter auf den thessalischen Münzen 5 ). Einen anderen Reitertypus trägt
ein schönes Exemplar des Berliner Münzkabinets, das ich nach der Ab-
bildung bei Friedländer -Sallet 3 Tafel III, Nr. 22$*) auf dem Titelblatte
habe wiedergeben lassen. Der Reiter ist hier ganz geharnischt und sitzt auf
einem Löwenfell 7 ).
Dieser Leukippos 8 ) also soll die Magneten führen. Er ist es, der ihnen,
als sie Apollons Tempel verlassen, zuerst entgegentritt. Mit ihm erneuern sie
die alten Bande der Verwandtschaft (Z. 43) — Aiolos, der Urahn des Leu-
kippos, ist ja Thessaler. Sie zeigen ihm die Orakelsprüche, die er mit Freuden
hört; aber er geht selbst noch einmal in den Tempel hinein und fragt den
Gott. Der wiederholt im wesentlichen, was wir schon wissen. Er befiehlt
dem Leukippos, das waffentragende, engverwandte Volk der Magneten nach
*) Froehner Les inscr grecques du Louvre Nr. 66.
2 ) Ebenso noch jüngst W. Drexler a. a. O.
8 ) Stadtgeschichte von Athen S. 2,69.
«) Athen. Mitteilungen XVIII (1893) S. 358.
b ) Über diese vgl. Friedländer Monatsberichte der Berliner Akademie 1878 S. 453.
6 ) S. 88 vgl. auch Nr. 224.
7 ) Die Lesung npo&oog auf der Münze Sestini Lettere IX 38 ist ganz gewiß unrichtig und
Cavedoni's Hypothese Bulletino IX (1837) S. 38 mit Recht von Rayet S. 142 und Drexler S. 2007
bekämpft worden.
8 ) Zu einem Karer macht den Leukippos Schol. Apollon. Argon. I 584 (oben S. 10). Nahe
Verwandtschaft der Karer und Lykier: Georg Meyer Bezzenbergers Beiträge X (1886) S. 200.
19
dem Meerbusen der Pamphyler zu führen — da werden die Magneten des
Mandrolytos' Palast glücklich bewohnen, bewundert von den Städten in der
Nachbarschaft. Hier bricht die Urkunde leider ab, mitten in der Erzählung.
Aber der Zufall hat es doch gefügt, dafs sie mit einem freudigen Blick in die
Zukunft schliefst. Ein neuer Morgen dämmert den Magneten.
II.
In der bisherigen Untersuchung sind die bei Parthenios und Konon über-
lieferten Erzählungen kaum berührt worden. Das Verständnis der neuen Ur-
kunde wird durch sie wenig gefördert. Es sind Variationen, deren Wert wir
an der inschriftlich überlieferten Mayv-njaia^ yxujk; zu messen haben. Denn der
Stein von Magnesia giebt uns ohne Frage die von den Magneten am Ende
des dritten Jahrhunderts recipierte Form der Gründungssage. Es ist ein
officielles Aktenstück, an vornehmem Ort publiciert, zugänglich jedem Besucher
der grofsen Agoraanlage, die sich unmittelbar an den heiligen Bezirk der
Artemis Leukophryene anschlofs, und in der Alles zusammengeströmt sein mufs,
was aus allen Enden der Welt an den grofsen Festen der Göttin teilnahm. Es
ist Aufgabe der Kritik festzustellen, ob bei Parthenios und Konon etwa Dinge
erwähnt werden, von denen wir sagen können, dafs sie von den Magneten
mit Absicht verschwiegen worden sind, ob uns die beiden Mythographen eine
glaubwürdigere Darstellung von den Wanderungen der Magneten geben als
die neue Urkunde. Ein wichtiger Prüfstein ist uns leider verloren. Aus dem
Werk des Magneten Possis, des Chronisten von Magnesia, aus dessen drittem
Buch der MaYvr/uxa ') wir eine wertvolle Notiz über die von Themistokles ein-
geführten Kulte besitzen, ist leider kein einziges Fragment erhalten, das uns
über das vorthemistokleische Magnesia unterrichtet. Man wird aber Ray et
S. 136 nicht widersprechen können, der für das Werk des Possis chronologische
Anordnung annimmt und aus dem Umstände, dafs über Themistokles erst im
dritten Buch gehandelt war, schliefsen zu müssen glaubt, dafs er eine sehr
umständliche Art der Erzählung beliebt und sich lange bei der Gründungssage
aufgehalten habe. Die Lebenszeit des Possis ist nicht bekannt, und so kann
hier nur ein leerer Name genannt werden.
Parthenios hat für die dichterischen Absichten des Cornelius Gallus auch
folgende Erzählung herausgesucht, die nach der Randbemerkung auf das
Leontion des Hermesianax von Kolophon zurückgehen soll. Es wird erlaubt
sein die ganze Geschichte (rapi epomxcov 7tx9T i jj.dcxa)v c. 5, Hercher Erotici
scriptores p. 7, Westermann Mythogr. p. 156) herzusetzen:
AeuxtTCTCO$ Se, 3cxv{Kou tcocis, y® V0 S t ^ )v ^^^ BeXXepoq>6vTou, Sioccpepcov
lo-xut naXio-xa tö)v xa{P eauxov, Tjaxei toc icoXejuxx Ato 7:oXi>£ tjv
J ) Fragm. hist. graec. IV 483.
3*
20
Xoyos rcepi at>TOu rcapa ts Auxioi$ xai toi$ TCpose^eai toutoi§, are
07) aYOjJicvot^ xa/t rcdv otloüv ou^epes 7ca<7xouatv. (K>to$ xaTa jjwjviv
ÄcppoStTTjc; ei$ epo)Ta acptx6}Jievo$ Tife aSeXcpTfo Teo>$ jxev exapTepet, oiöjievos paara
aTwaXXd^eafrai ttj£ vocou* erat jxsvtoi XP° V0U otaYevojiivoo ouoe etf oXi^ov eXa>q>a
tö Tcifros, dvaxoivoöTat tq wrpi xai TcoXXa xa{hxeTeue, jxt; rapttSelv aircöv a7roXXu-
jievov ei ydp aoTÄ jjlyj crjvep^o-eiev, d^oo-^agciv aÜTÖv TjrcetXei. Tife Se iwapaxplJia
t9)v erafhijuav qpajjiivTjs TeXecretv, pacov tjStj Yrrovev dvaxaXeo-ajiivif} 5e ttjv xop>jv
(TOYxaTaxXtve'. T'aSeXqpcö, xix toütou owqaav ou jxiXa Tiva SeSoixoTe^, eo)£ ti$
k^OLyyiXkti tcö xaTTjYYimjjjivq) rfjv xopTjv jivr^OT^pt. '0 oe tov Te ocutoü rcaTepa
ftapaXaßrov xai Tiva$ tov ^po^xovrcov, 7cp6^ei<rt to) Bav{Kq) xai rqv 7cpd§tv xaTa-
jj.7jv6et, jjwj 5t;Xwv Touvopux toO Aeuxirawu. SavO-to^ 5e Su^qpopcöv ero to!s rcpos-
r^ffeXiiivo^ tcoXXtjv otooStjv eTtfreTo ympäLaai tov cpftopea, xai SiexeXeuaaTO tc5
jx^vot^, orcore l8ol oi>v6vto$, aÜTcp 8*y;X<:I>o , ar toO 5e erotjio^ ÜTCaxoucavro^ xai
aÜTtxa tov i:p£o-ß'JT7;v e^aya^opLevou t«j fl-aXdjxcp, ^ 7cat£, aicpvtotou 46<pou Y^vr^v-
to$, Vsto 3ia {topcov, oiojxivrj Xf^cecifl-at tov tretovra* xai au-rrjv 6 rar/jp vTzokaföv
elvat tov 90-opsa rcaTajac; puxyatpa xaTa^aXXet. Ttj; 5e nepwoouvou Yevojiiv^ xai
dvaxpaYO'JcrT;^, 6 AeGx'.7mos e7ca}rjvo)v ai)T^ xai Sta tö exTOTCXijy^äm jxr/ TCpoi56}ievo$
oort£ TjV, xaTaxTeivei tov ftaTepa. Ai' tjv atTtav aTCoXtTCcbv ttjv oixtav
öeTTaXot^ erci to!$ o-ujxßeßTjxocjtv et£ Kp^TTjv T)Y^<7aT0, xdxeiftev
egeXafrels utcö tcöv rcposoixov ei$ t^v *E9ec7tav dcptxeTO, ev&a x co P' ov
tpxTjo-e tö Kpr^Ttvatov e7uxX7jfl-ev. ToO 5e Aeuxt7i7:ou toutou XeY^Tat
ttjv Mav5poXuToi> ftuYaTepa Aeuxocppuv7;v l ) epao-ftetaav 7:poSoövai
T7)V 7t6XtV TOt^ TC0Xfi}Jlt0t$, 0)V eTUYX avev ^Y ^^ 670 ^ AeUXt7C7CO£,
eXojjLsvoiv auTov xaTa -O-eoTcpoTttov tcov SexaTeuflevTcov ex 0>jpöv uti*
'AojiTJTOÜ.
Von dem Abenteuer des Leukippos in seiner Heimat müssen wir hier
absehen, da es jetzt nur darauf ankommt, das Verhältnis der Erzählung des
Parthenios zu der Inschrift aus Magnesia zu erörtern. Leukippos wird als
Sohn des Xanthios und Nachkomme des Bellerophontes bezeichnet. Nach
der Flucht aus seiner Heimat fuhrt er die Thessaler nach Kreta. Er ist also
nicht nur Führer der aus Kreta auswandernden Magneten, sondern er hat
dieselben schon von Thessalien nach Kreta geleitet. Dieser Zug stimmt nicht
zu der Erzählung unserer Urkunde, weil in ihr Leukippos zwar als ihr Ver-
wandter bezeichnet wird, aber doch sicherlich nicht bereits ihr Führer nach
Kreta gewesen ist. Die Führerschaft ist ihm durch ein Orakel zu Teil ge-
worden (xaTa {teo7Cporaov), welches den durch Admet als Zehnten geweihten
Magneten von Pherai gegeben war 2 ). Es ist also von einem heiligen Lenz
die Rede, welchen König Admet aussendet. Parthenios nennt Delphoi nicht;
aber wo Admet genannt wird, ist der Gedanke an Apollon der nächste, und
wir haben noch aus historischer Zeit durch Plutarch d. Pyth. orac. p. 402 A
ein Zeugnis dafür, dafs wie die Einwohner von Eretria auch die Magneten
l ) JtPXotfQvijv cod.; AtvxotfQVvriv Heyne.
*) Admet Grofsvater des Magnes: Anton. Lib. 23 (Westermann Mythogr. p. 221).
21
dv*po7:a)v cazap%cd nach Delphoi senden 1 ). Leukippos wird aus Kreta aber
bald von den umwohnenden Kretern vertrieben 9 ) und siedelt nach Asien in
ephesisches Gebiet über. Hier gründet er die Ortschaft Kretinaion. Erst
dann tritt er mit Leukophryne, der Tochter des Mandrolytos, in Verbindung,
die den Feinden ihre Vaterstadt ausliefert. Leukippos macht also, bevor er
Herr von Magnesia wird, in der Nähe von Ephesos Station. Diese Über-
lieferung begegnet uns in dieser Form nirgends. Eine Andeutung auf sie
kann man nur noch in dem Sprichwort finden: Tayyrepov 6 Mav3pT£ Kp>jTtva;
dusrapao-e, zu dem Pseudoplutarch Prov. LVII (Dübner III 168; Leutsch
Paroem. I 329) bemerkt: Ecps<7ioi KpTjTtva^ exTfyjavro xa$ Mayv^Tcov draropaae 5e
o-cpiv MavopTjs o MavopoXuTou Tcap' olvov xai jiifl-Tjv xai xußetav, das heifst eben nur
soweit, dafs ein Ort Kretinai oder Kretinaion von Mandres dem Sohne des
Mandrolytos bei Gelage und Würfelspiel an die Ephesier verkauft worden
ist. Das Sprichwort steht also in Beziehung zur Leukipposgeschichte, in der
ja das Haus des Mandrolytos eine Rolle spielt. Aber die Nachricht von der
Gründung des Leukippos erregt Bedenken wegen ihrer auffallenden Ähnlich-
lichkeit mit einem Teil der Althaimenessage , einer Ähnlichkeit, die Ray et
(S. 140) natürlich um so weniger entgangen ist, als er überhaupt der Erzählung
des Parthenios wenig Glauben zümifst. Althaimenes flieht aus Furcht, der
Mörder seines Vaters Katreus zu werden, zusammen mit seiner Schwester
Apemosyne nach Rhodos und gründet da den OrtKretinia; Ps.-Apollodor Biblioth.
III 2, i a [Wagner Mythogr. I 109] f Stephan. Byzan. s. KpTjTtvia- toto; PoSou,
ev (p cöxouv 01 rasi 'AAflatjievTjv, o^ ypjaä-eis on töv Tzcczipa drcoxTevel, ecpuYe *ai vuxtI
zXotcp jovavra ev P6o«> xai m; ATjora^ vojitaag dvaipst töv mx-repa 8 ). Kretinia auf
Rhodos ist ein Ort, an dessen Existenz nicht gezweifelt werden kann. Die
Ortschaft Kretinaion im ephesischen Gebiet ist nur durch Parthenios und jenes
Sprichwort bezeugt*).
Wozu sich Leukippos erst bei Ephesos, einer Stadt, die damals noch
garnicht existiert hat, ansiedeln mufs, um mit Leukophrynes Hilfe Magnesia
zu erobern ist unerfindlich. Dieser Zug ist wahrscheinlich blofs aus. der
Althaimenesfabel herübergenommen. Im Interesse der Magneten kann es
auch nie gelegen haben, die Landung des Leukippos in das spätere ephesische
Gebiet zu versetzen*). Es ist ihr Stolz, dafs sie zuerst von allen Hellenen
von Europa nach Asien hinübergefahren sind, und es ist selbstverständlich
*) Plut. a. a. O. 'Eyto (fi xai MvQtvaiovg inatvta xai UnokltoytuTag, d-tQt] xQua« dtugo nifixpayjag'
m dt ualloy 'IZQfjQKig xai Muyvvpag av$Q(an(ov änaQxalg düJQrjaccjuiyovg ibv fridy tag xaQntov dotrJQa
xai nrtTyfov xai ytviotov xai (jiXf'cy&ywnov, Preller-Robert Gr. Myth. I* 261 x , 271 2 ; Curtius Altertum
und Gegenwart III 109. Vgl. auch PJalons Gesetze XII 3 p. 946 B.
2 ) Vgl. das bellum Magnensium bei Probus; oben S. 16.
s ) Vgl. Diodor V 59; F. Hiller von Gaertringen in den binnen kurzem erscheinenden Inscr.
graec. insul. I p. 99.
4 ) Althaimenes auch in Ephesos: Inscr. Brit. Mus. III p. 70; aber dadurch ist die Ortschaft
Kretinaion in der Nähe von Ephesos keineswegs gesichert.
6 ) Vgl. was Strabon XIV p. 647 über die Verhältnisse zur Zeit des Kimmerierkrieges sagt.
22
auch ihr Stolz, dafs es das Gebiet von dem späteren Magnesia war, auf
welchem die Europäer zuerst asiatisches Land betreten haben. In den Mocyvtq-
xixa des Possis wird schwerlich die Gründung von Kretinaion behandelt
worden sein, oder wenn in ihr davon die Rede war, hat der Magnet gewifs
gegen diese Ansicht polemisiert, als deren Urheber uns Hermesianax von
Kolophon gelten mag 1 ).
Sehr viel wichtiger ist die Erwähnung der Leukophryne. Der neue
Stein berichtet nicht von ihr; leider bricht unsere Urkunde ja mit dem Orakel
ab, welches Leukippos nach dem Gebiet des Mandrolytos in die Gegend des
Berges Thorax und des Flusses Amanthios weist. Aber von einer Heroine
Leukophryne fehlen uns auch sonst die Nachrichten nicht. Zeno von Myndos
hat nach dem Zeugnisse des Clemens Alexandrinus (Protrept. S.29 C Sylb., daraus
Theodoret. graec. äff. cur. VIII p. 115, 48, wo XuxocppovTjv die Lesart der Hdss. ist
und Arnobius adv. nation. VI 6 p. 219, 1 Reiffersch.) überliefert, dafs sich im
Heiligtum der Artemis zu Magnesia das Grabmal der Leukophryne befinde.
Es kann nicht zweifelhaft sein, dafs diese im Heiligtum der Artemis begrabene
Jungfrau mit der Geliebten des Leukippos identisch ist, die in derselben
Weise wie manche andere Heldin der Sage ihre Vaterstadt dem Landesfeinde
verrät, und als wahrscheinlich wird es gelten können, dafs sie dann auch den
anderen Heldinnen gleich freiwillig in den Tod geht oder ihn zur Strafe ihres
Frevels erleidet 2 ). Jedesfalls ist Leukophryne, mag man sie sich nun als
Priesterin der Artemis oder mit E. Curtius Gesammelte Abhandlungen II S. 11
(Studien zur Geschichte der Artemis) als Nymphe 8 ) denken, eine Hypostase
der Artemis Leukophryene genau so wie Iphigeneia die Hypostase der Artemis
Iphigeneia ist, deren Grab sich im Tempel von Brauron befand 4 ). Ob auch
die von den Magneten anerkannte Gründungssage ihrer Stadt von der Heroine
Leukophryne erzählte, mufs unentschieden bleiben.
Das Resultat der Vergleichung des Parthenios mit der Steinurkunde
ist also, dafs die Grundzüge der Wanderungssage in beiden Erzählungen die-
selben sind, nämlich die Beschreibung des Weges von Thessalien über Kreta
nach Kleinasien ; ihr Geleiter ist der delphische Apoll. Das ist der historische
Kern der Sage, den wir dann auch bei Konon c. 29 (Westermann Mythogr.
p. 136; Hoefer Konon S. 16) wiederfinden:
c>S MaYvr/rcs 01 MaYVTfjatav xtjv ev Äoia vöv oixoövxes xö 7tp6xepov icepl ÜTjvetov
7iorajJi6v xai xo Il^Xtov opo^ dJxTjcrav, xai auveöTpdxeuaav y kyjxicfc, xaxa Tpoia$
T^fouiiivou aüxcov üpoftoou,' xai exaXoOvxo Md^xes. etxa Sexdxyj Ma^vT^cov
dvaxoju£ojiiva>v auxä>v oltzq Tpo£a$ oixt^ei xax* eü^as eis AeXcpoug. jwxa xpovov"
Se avaaxdvxes xoü tepoö xai xaxtovxe^ vd ddXao-o-av erepatcofl-rjo-av ei$ Kp'^XTfjv.
l) Über die Randbemerkungen bei Parthenios vgl. E. Rohde Griech. Roman S. 115.
s ) Vgl. K. Dilthey Analecta Callimacbea (Bonn 1865) p. 12.
3 ) Dafs aus der Notiz des Zenon die Nymphen natur der Artemis nicht unmittelbar hervorgeht,
bemerkt richtig W. Drexler Roschers myth. Lex. II 2002.
4 ) Preller-Robert I 4 314. An Kallisto erinnert Drexler a. a. O.
23
öcrrepov 3s jJtao-öivre; aveari;<7av ex Kprprrfa xai TCAeuo-avres d$ t^v Äatav espuovro
xaxcbv vsoxtiotov ouaav rijv 'Iwvtav xai rffv AtoXtSa <7i>jijx.axp^ £ S auTol$ xaxi
xd>v e7EiTtfrejxivcDV. exetftev dcpixvoövrai ev $ vüv etat, xai xTi^ouat tcoXiv, oltzq tj£
xaxa tö dpxatov rcotTpiSos MaYvr^atav ocütt)v emxaXeaavre^.
Die Durchsicht lehrt sofort, dafs in dieser Version die Figur des Leu-
kippos völlig fehlt, und dafs an seine Stelle auch kein anderer gesetzt ist,
der die Magneten als Archeget auf ihren Wanderungen begleitet. Konon
erzählt im allgemeinen von den Magneten in Thessalien, als deren Heimat er
ebenso wie die Steinurkunde (Z. 23) die Gegend um Peneiosstrom und Pelion-
gebirge bezeichnet; dieselben seien unter Führung des Prothoos nach Troia
gezogen und hätten dort die Achaeer im Kampfe unterstützt. Prothoos ist
uns als Führer der Magneten durch den SchifFskatalog Ilias B 756 bekannt:
Mayvir/Tov 8' r$yj> IIpo&oo^, TevfrpTjSovo; uto$,
oi rapi Il^vetöv xai Il^Xtov etvoo-tcpuXXov
vateaxov. xä)v jxsv npofroo^ doös ^eiiioveusv,
Tcp 3' ajxa Tecrcjapaxovxa jxeXatvat vije$ ercovro.
Aus dem Schiffskatalog stammt Konons Weisheit. Prothoos vertritt in
der Erzählung Konons die Stelle des Admet, der einen Teil seiner Mannen
als Zehnten weiht. Denn auch Prothoos sendet seinen Zehnten von Troia
nach Delphoi, wo die Magneten eine Zeitlang bleiben. Von dem Schicksal
des Königs erzählt Konon nichts. Nach anderen Nachrichten (Ps.-Aristot.
Peplos ep. 28 Bergk P. L. G. II p. 349); Tzetzes Schol. Lykophr. 902 (Wagner
Mythogr. Graec. I 219) scheitert er bei Euboia am Vorgebirge Kaphereus
oder gelangt nach Libyen (Schol. vet. ad Lyk. AI. p. 151 Kink.), während seine
Leute sich nach Kreta retten. Jedesfalls spielt er in der Erzählung des Konon
keine andere Rolle als Admet. Davon verlautet nichts, dafs er die Stelle des
Leukippos vertritt und an der Spitze der Magneten nach Kreta und Asien
zieht. Diese wandern dann von Kreta, das sie wie Leukippos bei Parthenios l )
durch Gewalt gezwungen verlassen müssen, nach Asien, wo sie dem neuge-
gründeten Ionien und der Aiolis bei ihren Kämpfen beistehen, und gelangen
dann erst von dort nach der Gegend, in welcher sie zu Konons Zeit (bez.
seiner Quelle) 2 ) leben, nach Magnesia am Maiandros. Magnesische Tradition
ist hier schwerlich irgendwie zu finden. Das inschriftlich erhaltene Orakel
sendet die Magneten direkt nach dem Thorax, an dessen Abhängen noch
heute die Ruinen der Stadtmauern von Magnesia stehen. Es ist hierbei das-
selbe zu erinnern, was gegen die bei Parthenios überlieferte Nachricht über
die Gründung von Kretinaion gesagt ist. —
Das Panhellenendekret aus der Zeit des Antoninus Pius, das wir oben
(S. 1 8) bereits einmal gestreift haben , spricht Z. 4 ff. von den Magneten am
*) s. S. ai.
2 ) Dafs hier der Gewährsmann Konons Ephoros ist, hat Hoefer Konon S. 79 wohl behauptet,
aber keineswegs bewiesen.
24
Maiandros als aTOtxot [ovre$ MaYVTjrcov] tcdv ev öeo-aaXia TCpöyroi 'EXXigvov [rcXeuaavTe^
dg] ty/v Ä<rtav xal ttaTowcq<7avre$ juv a[XXois < 'EXX?j<7t] iwXXax^, Toxji xal Aeopieüai xai
toi$ e[x tou auToö y]® vo ^ ALoXeOat. Ray et erklärt dies S. 143, 2 mit den Worten:
les Magnetes avaient . habiti avec les Doriens ä Delphes et en Crete, avec les
Ioniens sans doute au Critinaion, sur le territoire de la ville ionienne d'Ephese.
Zweifelhaft ist mir, ob die Beziehung auf das Kretinaion des Parthenios
richtig ist; notwendig ist sie keinesfalls (S. 21). Mit den Atopie^ ist die dorische
Bevölkerung von Kreta gemeint, durch die Aeoler ist die thessalische Heimat
deutlich bezeichnet. Die Inschrift ist also auch ein Zeugnis für das, was wir
bisher als den historischen Kern herausgehoben haben, für die Wanderungen
der Magneten von Thessalien über Kreta nach Kleinasien.
Wer aber will aus den verschiedenen Erzählungen mit Sicherheit die
Zeit bestimmen, in welcher die Gründung von Magnesia stattfand? Prothoos
und Idomeneus führen in die Zeit nach dem troischen Krieg, ebenso Glaukos
des Hippolochos Sohn, aus dessen Geschlecht Leukipp stammt. Wieviel Ge-
nerationen zwischen Glaukos und Xanthios, dem Vater des Leukippos liegen,
wissen wir nicht. Nehmen wir an, dafs Admetos auch in der in Magnesia
recipierten Gründungsgeschichte die Rolle spielte, in welcher er in der Par-
thenioserzählung auftritt, so ist die Sendung des heiligen Lenzes nach Delphoi
bereits vor dem troischen Kriege geschehen. Denn Eumelos, des Admetos
Sohn, erscheint vor Troia mit den prächtigen Rossen des Vaters. Wie lange
sie in Delphoi als Knechte des Gottes leben, sagt keine Überlieferung. Nach
Konons Darstellung brechen sie jistoc ^povov nach Kreta auf, wo sie nach
unserer Urkunde achtzig Jahre bleiben. Also etwa zur Zeit der Herakliden-
wanderung sind die Schaaren der Magneten aus Kreta nach Asien hinüber-
gezogen. Sie sind die ersten von allen Hellenen, die sich in Asien nieder-
gelassen haben, und das ist ihr Ruhm geblieben bis in die Zeit des Antoninus
Pius hinein. —
Als Ernst Curtius die erste noch sehr unvollkommene Abschrift der
Urkunde sah, wurde er sofort an die mit Orakeln gewürzten Erzählungen des
Herodot erinnert, und diesen Eindruck wird noch Mancher haben, der die In-
schrift zum ersten Male liest. Die Gründungsgeschichte hat einen stark dra-
matischen Zug; die Orakel des Gottes fallen nicht alle nach den Herzen der
Frager aus, man gedenkt in der That der herodoteischen Erzählung von der
Gründung Kyrenes durch die Theraeer. Als Grinos der König von Thera von der
Pythia den Orakelspruch erhält, dafs er in Libyen eine neue Stadt gründen
solle, sind die Theraeer in ähnlicher Lage wie die Magneten, die den Gott
fragen orcoo orsXXoiev xai rao$. Die Theraeer geraten auch in Verlegenheit oötc
Aißuijv eiSoxes oxou -pfc etTj oure ToXjjLcbvres e$ d<paves XP^noc aTOoreXXeiv oltzomitjv ! ).
Man möchte die Quelle zur xtio-i^ Mayv^atag in einer Zeit suchen, in welcher 'die
historische Forschung noch vielfach mit der Sagenbildung' zusammenfiel. Und
*) Studniczka Kyrene S. 95 ff.
25
in die Zeit Herodots kann man die Quelle unserer Gründungsgeschichte mit
einiger Wahrscheinlichkeit setzen, wenn die Ergänzung Zeile 13 [tepcojiivijs] ev
'ÄpYet öejuaroös das Richtige trifft, woran niemand zweifeln wird. Denn die
Datierung nach einer argivischen Priesterin weist auf Annalen des Hellanikos,
über welche wir durch B. Niese s Untersuchungen aufgeklärt worden sind.
Die unter dem Titel der Herapriesterinnen bekannte Chronik des Hellanikos
war nicht auf die argivische Landschaft beschränkt, sondern behandelte in
annalistischer Anordnung die Geschichte von ganz Hellas, mit besonderer
Ausführlichkeit die Zeit der Kolonisation. Es ist also ein naheliegender
Schlufs, dafs diese Gründungsgeschichte von Magnesia, wie wir sie auf dem
Stein lesen, und wie sie im wesentlichen bei Parthenios und Konon wieder-
kehrt, in letzter Linie auf jene Chronik des Hellanikos zurückgeht. Aus
welcher Quelle aber die Datierung nach dem delphischen Proarchon stammt,
ob bereits zu Hellanikos' Zeit die Priesterschaft von Delphoi im Wettstreit
mit der von Argos Listen von Proarchonten erfunden hatte, welche bis zum
Anfang der Herapriesterinnen hinaufreichten, das zu entscheiden scheint mir
im Augenblick unmöglich. Auch das mufs dem Scharfsinn und der Arbeit
anderer überlassen werden, ob es geraten ist noch höher hinaufzugehen und
nach der Quelle des Hellanikos 1 ) zu spüren.
Auf ähnliche Wanderungssagen hat bereits K. O. Müller Dorier I 2 260
hingewiesen, und es wäre ein Leichtes das Material zu vermehren. Hervor-
ragend ist auch in anderen Gründungsgeschichten der Anteil des delphischen
Apollon 2 ), und auch anderwärts, wie z. B. bei der Gründungssage von Kyrene,
ist Kreta 3 ) der Durchgangspunkt, die Brücke zwischen der alten und der
neuen Heimat. Hier zu sicheren Resultaten zu kommen, hier mit energischer
Hand zu sichten und vorsichtig aufzubauen, bleibt dem vorbehalten, welcher
von neuem die Aufgabe unternimmt die griechischen Wanderungen im Zu-
sammenhang zu behandeln. Scheint auch hier also noch Zurückhaltung ge-
fordert, ein Teil der Aufgabe, welche die Urkunde an ihren ersten Bearbeiter
stellt, ist noch nicht erledigt. Über die Beziehungen Magnesias zu Kreta in
historischer Zeit kann ich nicht sprechen ohne der endgiltigen Publikation vor-
zugreifen. Einiges steht auch dafür bereits bei Ray et (S. 140), und an anderem
Ort ist bereits darauf hingewiesen, dafs in der zweiten Hälfte des zweiten vor-
*) Wenn die ganze Erzählung aber eine aus priesterlichem Interesse nach lokaler Tradition ge-
machte Fiktion des dritten Jahrhunderts sein sollte (xqovov ka/btßariiv, ein deutliches Kennzeichen
hellenistischer Sprache steht neben der gezierten Ausdrucksweise lvnfvai(oaav ioi$ yfvojuevotg /£
Hiviujv rrjju ßovkqoiv rov 9tou), und die Nachahmung der Manier des Hellanikos (vgl. auch Thukyd. II 2
inl XQvcidoe l* "Agytt tot* ntyjtlxoyja dvolv diovra frg itQuj/uiyrj<;) nur reines Archaisieren ist,
dann wird man auch die Orakel derselben Zeit zuweisen müssen (s. Z. 39 die merkwürdige Form
2 ) Spyr. Lambros De conditorum coloniarum graecarum indole praemiisque et honoribus Lipsiae
1873 P- a ss -
8 ) Kreta als alter Sitz des Apollonkultus: Preller- Robert I 4 250. 257; vgl. v. Wilamowitz
Herakles I 265.
4
26
christlichen Jahrhunderts die Magneten am Maiandros als Schiedsrichter bei
einem Streit zwischen Hierapytna und Itanos auftreten 1 ). Aber Apollon und
sein delphisches Orakel erfordern noch ein kurzes Wort.
Zunächst ist dabei allerdings eine antike Nachricht auf das richtige Mafs
zurückzuführen. Athenaios IV p. 173 c f. hat uns aus den U7cojx.vTgji.aTa rapi
MaYvqrcDV, welche dem Aristoteles oder Theophrast zugeschrieben wurden,
folgendes Bruchstück bewahrt: Mayv^Teg 01 stä tci) MatavSpq) 7C0Ta}/.q> xaToacoövre^
tepoi toö freou, AeXcpä>v ätoixoi, ^ape^ouox toc£ emSr^oöG-i ore'pjv aXa$ eXawv 0^05,
eri Xuxvov xXtvac; <7Tpt»jj.aTa Tpara£a$. Die schöne Sitte der Philoxenie, welche
gerade an den ionischen Gestaden heimisch war und, — so darf der moderne
Reisende dankbar hinzufügen, auch heute noch heimisch ist, wird von dem
Verfasser der u7iojjiv^]xaTa den Magneten als den Knechten Apolls, als den
aTOixot AeXcpcöv zugeschrieben. Wie wir die letztere Bezeichnung verstehen
müssen, ist aus der Überlieferung von den Wanderungen der Magneten klar.
Als Thessaler dem delphischen Gotte geweiht, ein echtes ver sacrum, verlassen
sie nach kurzer Zeit das Heiligtum am Parnafs, um als Thessaler nach Kreta
zu ziehen und dann nach dem Willen des Gottes in Asien eine neue Heimat
zu gründen. An dem thessalischen Ursprung der Magneten hat von den Alten
niemand gezweifelt 2 ), aber wohl hat Einer an der Bezeichnung aTOtxoi AeXcpcöv
Anstofs genommen und daraiff eine Hypothese gegründet, die sich sofort als
eine unhaltbare ergiebt und als solche bereits von Ray et S. 137 behandelt
worden ist. Das ist Strabon (XIV p. 647): Soxoüox 8' elvou Maiyvrftsc, AeXcpöv
aTOYOvot tcov eTOixTjadvTOv toc Aioujxa SpTj ev ÖexraXta, rapl c5v qpTjcjtv 'HcrtoSo^'
•ij oaj AiSu 4 aou$ tepous vatoixra xoXovoös
AcoTtq) ev raStq) 7wXoß6rpuos avr' Äjuipoto,
vtcj>aTO BotßtaSo£ XtjxvT;^ 7w5a rcapö-evos dSjj.^ 3 ).
In den Hesiodversen, welche von Koronis sprechen, steht von den Del-
phern kein Wort, und es giebt in der That keine Nachricht von den thessa-
lischen Delphern, die ihr schattenhaftes Dasein allein dem Hirne Strabons
verdanken.
Der delphische Apollon hat von den Magneten niemals seine schützende
Hand genommen. Er ist es, der durch einen Orakelspruch am Ende des
dritten Jahrhunderts ein grofses Fest für seine Schwester Artemis anordnet,
zu dem aus allen Teilen der griechischen Welt die Theoren kommen, zu dem
die grofsen Könige ihre Gesandtschaften so gut schicken wie die kleine
Odysseusinsel im ionischen Meer. Das Psephisma der Epidamnier gedenkt
ausdrücklich der Wohlthaten, welche die Magneten dem delphischen Heiligtum
erwiesen haben, als die Schwärme der Barbaren den Orakelsitz Apollons be-
drohten 4 ). Auf eine solche That der Magneten bezieht sich auch der dp^ato^
1 ) Archaeolog. Anzeiger 1894, 8i*
2) Rayet S. 136.
3 ) Rzach fr. 147; v. Wilamowitz Isyllos S. 57.
*) Archaeolog. Anzeiger 1894» 83.
27
XPiqAos des Apollon, der die Einsetzung des Dionysoskults anordnet und mit
den Worten beginnt:
MaidvSpoto Xaxovrss zy' oSacnv tepov a<rn>
MayviTTe^ xxeavois e^ajJLUvrope^ ^jjLerepoKTiv.
Durch die Archaeolog. Anz. 1894, 79 fr. besprochene Opferurkunde haben wir
gelernt, dafs Apollon am Fest des Zeus Sosipolis ein besonderes Opfer er-
hält in Gestalt eines Bockes, und wer die Münzen von Magnesia durchmustert,
findet auf denselben oftmals die Figur des Apollon. In der gesenkten Rechten
hält er eine Binde, mit dem linken Arm stützt er sich auf den Dreifufs, auf
welchem der Köcher steht; unter seinen Füfsen der Maiandros 1 ). Als in
sullanischer Zeit der Umbau des Artemistempels erfolgt, ist es eine frsia
erchwota xal -rcapaoraats, welche dazu anregf — man wird nicht irren, wenn
man dabei den Blick nach Delphoi wendet 2 ). Eine megarische Inschrift
(I. G. S. I 49) aus der Zeit des Antoninus Pius erwähnt Ilufrta ev Mayi/Tjo-ia,
und von dem merkwürdigen Kult in Hylai zeugen Pausanias X 32, 6 und die
Münzen 5 ). Auch als orecpavrjcpopos der Artemis ist Apollon für Magnesia be-
zeugt 4 ). Neben seiner Schwester Artemis ist Apollon Magnesias vornehmster
Gott. Unter seiner Fürsorge ist die Stadtgründung am Maiandros geschehen.
Leukippos der Lykier ist des Gottes Werkzeug, und wenn wir es wagen ihn
zu der Hypostase eines Gottes zu machen, so kann er jedenfalls nur die des
Apollon sein; wie dieser ist er Auxto^. Im Auftrage seines Gottes führt Leu-
kippos die von der thessalischen Heimat in Kreta eingewanderten Magneten
nach Asien — so lehrt auch diese Urkunde eindringlich, dafs bei der Ent-
sendung der Kolonieen der Gottesdienst die Weihe gab, dafs sich die Hellenen
als Apollodiener ihrer geistigen Überlegenheit bewufst geworden sind und
damit auch der Verpflichtung den heilbringenden Dienst auszubreiten, kurz
dafs jede Stadtgründung eine Mission war (Curtius Altertum und Gegen-
wart III, 79).
l ) Rayet S. 1x9 Fig. 30; 138 Fig. 34; 139 Fig. 35; mehr in Roschers Lexikon II S. 2003 und
bei K. Wernicke Art. 'Apollon* Pauly-Wissowa II 1 Sep. Abdr. S. 8a.
*) Archaeol. Anzeiger 1894, 83 1 122; über Intnvoia s. Sitll Gebärden der Griechen und
Römer S. 345.
3 ) Es ist ein blofees Versehen, wenn Toepffer Rhein. Mus. N. F. XLIII (1888) S. 145 und
Dümmler Delphika S. 16 vom hylaeischen Apollonkult in Phokis sprechen, s. Wernicke a. a. O. S. 71.
4 ) Archaeol. Anzeiger 18941 1x4.
Druck von W. Pormetter in Berlin.
Inschrift aus Magnesia
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