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Full text of "Die Kampfe Ungarns mit den Osmanen bis zur Schlacht bei Mohacs, 1526"

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B67-7893 


Diß  Kämpfe 


Ungarns  mit  den  Dsmanen 


bis   Kiir 


SchlaGht  bei  Mohäes,  1526. 


Von 


Xs-  J\jupelioiesep 

U.  XI.   li.  K'elciinarscUall-IjieutenEviit. 


Mit  16  Karten-Skizzen  im  Texte. 


Z^veite   vimgearbeitete   J^tiflago. 


WIEN  UND  LEIPZIG 
WILHELM     BRAUMÜLLER 

K.  U.  K.  HOF-  UND  UNIVERSIIÄTS- BUCHIIANDI,F.U 

1899. 


Die  Kämpfe 


Ungarns  mit  den  Osmanen 


bis  zur 


ScMaeht  bei  MoMcs,  1526. 


Von 


Xs-  jKtipcliuieseF 

li.  \i.  k.  ITelcimarscliall-Ijieuteiiaiit. 


Mit   1 6   Karten-Skizzen  im  Texte. 


Zweite    iini gearbeitete    Auflage. 


WIEN  UND  LEIPZIG 
WILHELM     BRAUMÜLLER 

K.  U.  K.  HOF-  UND  UNIVBRSri'ATS-BUCIIHÄNDLEJ* 

1899. 


Alle    K echte    vorbehalten. 


Druck  von  Friedrich  Jasper  in  Wien. 


Yonvort  zur  ersten  Ausgabe. 

Mein  wiederholter  und  längerer  Aufenthalt  in  Siebenbürgen  — 
der  Heimat  Johann  Hunyady's  — -  veranlasste  mich,  im  Winter  1882/83 
im  »Militär- wissenschaftlichen  Verein  zu  Temesvar«  einen  Vortrag- 
über  das  Leben  und  die  Thaten  dieses  Helden  zu  halten.  Der  Auf-- 
forderung  mehrerer  Kameraden,  diesen  Vortrag  im  Vereinsorgane  zu 
verüfFentlichen.  konnte  ich  damals  nicht  entsprechen,  da  sich  mir  schon 
während  der  Vorstudien  zum  Vortrage  die  Ueberzeugung  aufdrängte, 
dass  derselbe  sehr  mangelhaft  und  unvollständig  ist.  Als  ich  später 
Zeit  und  Müsse  fand,  meine  Arbeit  vom  Jahre  1882  wieder  zur  Hand 
zu  nehmen,  um  sie  zu  ergänzen,  beschränkte  ich  mich  auf  die  Schil- 
derung der  Kriegsereignisse  allein,  erweiterte  aber  meine  Studie  be- 
züglich der  Zeitperiode,  indem  ich  die  ganze  Zeit  des. Kampfes  der 
Ungarn  gegen  die  Osmanen  bis  zur  Schacht  bei  Mohaes  einbezog. 

Kriegscreignisse  lassen  sieh  von  der  Geschichte  der  Länder, 
welche  sie  berühren,  nicht  vollständig  loslösen;  ohne  aber  auf  die  dem 
Soldaten  oft  unverständlichen  Parteiströmungen  in  Un£:arn  einzug:ehen. 
habe  ich  mich  bemüht,  von  der  Geschichte  Ungarns  sowohl  wie  der 
Türkei  nur  das  aufzunehmen,  was  zum  Verständniss  der  Krieo-s- 
begebenheiten  unumgänglich  noth wendig  ist. 

Bei  den  spärlichen  Geschichtsquellen  der  Zeitperiode,  welche 
meine  Studie  umfasst,  mögen  meiner  Arbeit  manche  Mängel  anhaften, 
umsoraehr.  als  meine  Sprachkenntnisse  nicht  ausreichten,  um  alle 
Quellen  so  zu  benutzen,  wie  ich  es  gewünscht  hätte.  Wenn  ich  diese 
Studie  dennoch  der  öeffentlichkeit  übergebe,  so  glaube  ich,  bei  dem 
Umstände,  als  eine  zusammenhängende  Schilderung  der  Kämpfe  dieser 
Periode  bisher  nicht  vorhanden  ist.  auf  eine  nachsichtige  Beurtheilung 
rechnen  zu  können. 

Wien,  im  Mai  1895. 

Der  Verfasser. 


Vorwort  zur  zweiten  xViisgabe. 

Nachdem  ich  mich  mit  der  Geschichte  der  Ttirkenkriege  noch 
weiter  befasste,  iind  als  Fortsetzung-  dieser  Arbeit  die  Türkeneinfälle 
in  die  österreichischen  Erbländer  in  den  Jahren  1526  und  1532  zu 
beschreiben  unternahm,  sah  ich  mich  genüthigt.  um  Wiederholungen 
zu  vermeiden,  eine  zweite,  vervollkommnete  und,  wie  ich  hoffe,  auch 
verbesserte  Ausgabe  meines  Werkes  erscheinen  zu  lassen,  in  welcher 
ich  alle  Verhältnisse  in  den  österreichischen  Erbländern,  die  Türken- 
einfälle in  selbe,  und  überhaupt  alle  jene  Ereignisse  aufnahm,  welche 
für  Ungarn  wie  für  Oesterreich  von  gleichem  Interesse  sind  und  in 
die  Zeitperiode  unmittelbar  vor  und  während  der  Schlacht  bei  Mohacs 
fallen. 

Wien,  im  September  1898. 

Der  Verfasser. 


Inhalts-Uebersicht. 


Einleitung.  Entstehung  und  Ausbreitung  des  Islam.  —  Erstes  Auftreten  der 
Türken,  ihr  Vordringen  nach  Europa  und  bis  an  die  Grenzen  Ungarns.  — 
König  Ludwig  von  Ungarn.   —  622  bis  1382 1 

Erstes  Capitel.  Königin  Maria  und  König  Sigismund.  —  Bajesid  I.  —  Erste 
Kämpfe  der  Ungarn  und  Türken.  —  Zug  nach  Klein-Nikopoli.  —  Vor- 
bereitungen zum  Kreuzzug.  —  Zug  des  Kreuzheeres  nach  Nikopoli  und 
dessen  Niederlage.  —  1381  bis   1396 7 

Zweites  Capitel.  König  Sigismund  kehrt  zurück.  —  Kämpfe  in  Bosnien.  — 
Sigismund  zum  deutschen  König  gewählt.  —  Wiederholte  Einfälle  der 
Türken  in  die  Nachbarländer.  —  Zug  der  Ungarn  in  die  "Walachei.  — 
Besitznahme  der  serbischen  Grenzfestungen  durch  Ungarn.  —  Golubaz 
vergeblich  belagert.  —  Verlust  der  Grenzfestungen  bis  auf  Belgrad.  — 
Einfall  der  Türken  und  Walachen  in  Siebenbürgen.  — •  Murad  I.  bedrängt 
Serbien.  —  Semendria  durch  Ungarn  entsetzt.  —  Sigismund  stirbt.  — 
1396  bis  1438 31 

Drittes  Capitel.  König  Albrecht  von  Ungarn.  —  Türken  und  Walachen  fallen 
in  Siebenbürgen  ein.  —  Sultan  Murad  erobert  Semendria.  —  Das  Heer 
der  Ungarn  bei  Titel  zerstreut  sich.  —  Albrecht  stirbt.  —  Thronstreit.  — 
Wladislav  (Varnensis)  wird  zum  König  in  Ungarn  gewählt.  —  Geburt 
des  Ladislaus  (Posthumus)  und  Tod  der  Königin  Elisabeth.  —  Erfolg- 
reiche Vertheidigung  Belgrads  durch  Thalloczy.  —  1438  bis  1442     ...       50 

Viertes  Capitel.  Johann  Hunyady.  —  Sein  Zug  gegen  Semendria.  —  Seine 
Siege  bei  St.  Imre  und  am  Eisernen  Thor-Pass.  —  König  Wladislav  zieht 
nach  Bulgarien.  —  Hunyady's  siegreiche  Gefechte  bei  Nissa.  —  Ver- 
gebliche Versuche  der  Ungarn,  in  das  Marizathal  zu  gelangen.  —  Kück- 
zug  der  Ungarn.  —  Ihr  Sieg  am  Fusse  des  Kunovizagebirges.  —  Friedens- 
schluss.  —  1441  bis  1444 59 

Fünftes  Capitel.  König  Wladislav  beschliesst  den  Frieden  zu  brechen.  —  Das 
ungarische  Heer  zieht  bis  Varna.  —  Sultan  Murad  I.  übersetzt  den  Bosporus 
und  folgt  dem  ungarischen  Heere.  —  Schlacht  bei  Varna.  —  Niederlage 
der  Ungarn  und  Tod  des  Königs.  —  Hunyady  kehrt  nach  Ungarn 
zurück.  —  1444 83 

Sechstes  Capitel.  Hunyady  als  Gubernator.  —  Ueberfall  der  Türken  bei 
Sarno.  —  Hunyady's  Zug  in  die  Walachei.  —  Hunyady's  Zug  nach 
Serbien,  er  wird  auf  dem  Amselfelde  geschlagen.  —  Ladislaus  Posthumus 
übernimmt  die  Regierung  in  Ungarn.  —  Hunyady  unternimmt  Streifzüge 
nach  Trnowa,  Semendria  und  Krusevaz.  —  Belgrad  von  Sultan  Murad  II. 
belagert,  von  Hunyady  und  Johann  Capistrano  entsetzt.  —  Hunyady's  und 
Capistrano's  Tod.  —  König  Ladislaus  stirbt.   —  1445  bis  1457 108 


—     VI     — 

Seite 

Siebentes  Capitel.  Mathias  Corvinus.  —  Krieg'srüstungen  der  Ungarn.  — 
Szilägyi  fällt  in  Serbien  ein  und  wird  gefangen.  —  Die  Walachei  unter 
türkischer  und  ungarischer  ßotmässigkeit.  —  Neuorganisation  des  iin- 
garischen  Heeres.  —  Streifziige  der  Türken  zurückgewiesen.  —  Serbien 
und  Bosnien  den  Türken  unterworfen.  —  Mathias  erobert  Jajcze.  — 
Mohammed  belagert  Jajcze.  —  Mathias  belagert  Zwornik  vergeblich  und 
zieht  sich  zurück.  —   1457  bis  1471 ,    .    .     13(5 

Achtes  Capitel.  Wiederholte  Einfälle  der  Türken  nach  I'ngarn  und  in  die 
österreichischen  Erbliluder.  —  Vorkehrungen  Kaiser  Friedrich's  gegen  die- 
selben. —  Mohammed  II.  erbaut  Szabacs.  —  Grosswardein  von  den  Türken 
geplündert.  —  Mathias  ei-obert  Szabacs.  —  Mathias  vernachlässigt  die  Ver- 
theidigung  seiner  Länder,  er  vermählt  sich  mit  Beatrix  von  Aragonien.  — 
Erneute  Einfälle  der  Türken.   —  1471  bis  1477         154 

Neuntes  Capitel.  Mathias  entzweit  sich  mit  Kaiser  Friedrich  III.  —  Streifzüge 
der  Türken.  —  Alibeg  auf  dem  Brodfelde  in  Siebenbürgen  durch  Bathory 
und  Kinizsi  besiegt.  —  Neuer  Streit  zwischen  Mathias  und  Friedrich.  — 
Mathias  übcrfluthet  die  österreichischen  Erbländer.  —  Mohammed  II.  stirbt, 
Bajesid  11.  setzt  die  Raubzüge  fort.  —  Waft'enstillstand  mit  den  Türken.  — 
Mathias  stirbt  zu  Wien.  —  Wladislav  II.  in  Ungarn  zum  König-  gewählt.  — 
1477  bis  1490 168 

Zehntes  Caj)itel.  Kaiser  Friedrich  stirbt.  —  Kaiser  Ma.ximilian's  vergebliche 
Bemühungen  für  einen  Kreuzzug.  —  Neue  Einfälle  der  Türken.  —  Kinizsi's 
Einfall  in  Serbien.  —  Bajesid  II.  stirbt,  unter  Selim  I.  werden  die  Ein- 
fälle fortgesetzt.  —  Vorbereit\ingen  für  einen  Kreuzzug  arten  in  einen 
Bauernkrieg  aus.  —  Zäpolya  bei  Semendria  geschlagen.  —  König 
Wladislav  II.  stirbt,  ihm  folgt  sein  unmündiger  Sohn  Ludwig  II.  — 
1490  bis  1516 18B 

Elftes  Capitel.  Kaiser  Maximilian  stirbt.  —  Die  Unternehmung  eines  Kreuz- 
zuges wird  aufgegeben.  —  Kaiser  Karl  V.  und  Erzherzog  Ferdinand.  — 
Türkeneinfällc  trotz  des  Waffenstillstandes.  —  Sultan  Selim  stirbt, 
Suleiman  I.  —  Szabacs  und  Belgrad  von  den  Türken  erobert.  —  Tomori 
erhält  den  Oberbefehl  im  südlichen  Ungarn.  —  Orsowa  und  Severin  fallen.  — 
Jajcze  von  Frangepan  entsetzt.  —  Wirren  in  Ungarn.  —   1516  bis  1525     199 

Zwölftes  Capitel.  Kriegsvorbereitungen  der  Ungarn.  —  Aufbruch  des 
türkischen  Heeres.  —  Grossvezier  Ibrahim  erobert  Peterwardein.  —  Sultan 
Suleiman  übersetzt  die  Drau  bei  Essegg.  —  Aufbruch  König  Ludwigs 
von  Ofen.  —  Erzbischof  Tomori  Oberbefehlshaber  des  ungarischen  Heeres.  — 
Schlacht  bei  Mohäes.  —  König  Ludwig's  Tod.  —  Suleiman  zieht  nach 
Ofen  und  kehrt  unbehelligt  über  Szegedin  nach  Constantinopel  zurück.  — 
1526 220 


—      VlI     — 

Karten-Skizzen  im  Satze. 


Seite 

lebcrsiclitskarte   zu   den    Kriegszügen    der  Könige    Sigismund    und    Wladishiv    I. 

und  Hunyady's.  1393  bis  1448 •    .    .    .  17 

Umgebung  von  Nikopoli 20 

Skizze  zur  Schlacht  bei  Nikopoli  am  23.  September  1396 21 

(xefecht  bei  St.  Imre  am  25.  März  1442      65 

Gefechte  Hiinyady's  in  der  Umgebung  von  Nisch  bis  zum  3.  November  1443     .  71 

Schlacht  am  Fusse  des  Kunovizag-ebirges  Anfangs  Jänner  (ungefiihr  den  6.)  1444  79 

Umgebung  von  Provadia 89 

Umgebung  Von  Petrez 91 

Schlacht  bei  Varna  1444.    Stellung  beider  Heere  am  Morgen  des    10.  November  96 
Schlacht  bei  Varna  1444.  Stellung  beider  Heere  um  die    Mittagszeit  des  10.  No- 
vember      97 

Schlacht  auf  dem  Amselfelde,   17.,  18    und   19.  October  1447 113 

Belagerung  von  Belgrad  und  Entsatz  der  Stadt  1456.  Gefecht  an  der  Donau  am 

14.  Juli  1456 131 

Schlacht  auf  dem  Brodfelde,  13,  October  1479 171 

Anmarsch  zur  Schlacht  bei  Mohäcs 232 

Umgebung  von  Mohäcs 242 

Schlacht  bei  Mohäcs,  29.  August  1526 243 


Einleitung:. 


Entstehung  und  Ausbreitung  des  Islam.   —   Erstes  Auftreten  der  Türken,  ihr  Vor- 
dringen  nach   Europa   und   bis   an   die    Grenzen   Ungarns.   —   König   Ludwig   von 
Ungarn.  —  622  bis  1382. 

Zu  Beginn  des  VII.  Jahrhunderts  entstand  in  Arabien  eine  neue 
Religionslehre,  die,  anfangs  wenig  beachtet,  bald  dem  Christenthum. 
und  mit  ihm  der  ganzen  westländischen  Cultur  gefährlich  werden  sollte. 

Der  Stifter  der  neuen  Lehre,  Mohammed,  ein  religiöser  Schwärmer, 
der  im  Hause  seines  Oheims,  eines  Schirmvogtes  des  arabischen  National- 
heiligthums  —  der  Kaba  —  schon  als  Knabe  eine  religiöse  Richtung 
erhalten  hatte,  später  mit  Bekennern  der  verschiedensten  Religionen, 
besonders  aber  mit  Juden  und  Christen,  in  Berührung  kam,  und  den 
Götzendienst  in  Mekka  verachten  lernte,  fand  bald  einen  Kreis  von 
Anhängern,  die  ihn  als  Propheten  verehrten.  Aber  auch  an  Gegnern 
fehlte  es  ihm  nicht,  die  er  mit  den  Waffen  in  der  Hand  bekämpfen 
zu  müssen  glaubte.  Seine  monotheistische  Lehre,  »Islam«,  d.  i.  »die 
gänzliche  Hingabe  an  Gott  «5^)  genannt,  als  göttliche  Offenbarung  aus- 
gebend, mit  Anklängen  an  das  Christenthum  und  das  Judenthum,  aucli 
nicht  frei  von  crassestem  Aberglauben,  stellte  im  Koran,  dem  von 
Mohammed  dictierten  Gesetzbuch,  als  einen  der  wichtigsten  Glaubens- 
sätze die  Aufgabe  hin:  den  Islam  mit  dem  Schwerte  in  der  Welt  zu 
verbreiten,  bis  sie  bekehrt  sei.  oder  alle  Völker,  die  sich  nicht  bekehren 
lassen  wollen,  zu  unterwerfen  und  tributpflichtig  zu  machen. 

Bei  der  kriegerischen  und  raublustigen  Bevölkerung  Arabiens 
wurde  Mohammed's  Anhang  bald  so  verstärkt,  dass  der  Islam  schon 
zu  seinen  Lebzeiten'-)  sich  über  ganz  Arabien,  Syrien  und  Palästina 
verbreiten  und  rasch  auch  über  Persien  nach  Indien  und  nach  Klein- 


'j  Nöldeke,  »Das  Leben  Mohammed's«.  S.  31. 
-)  Mohammed  starb  im  Jahre  631. 
Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.  2.  Aufl. 


_     2     — 

asien.  Centralasien  und  über  Aegypten  an  der  Nordküste  Afrikas  sich 
ausbreiten  konnte. 

Von  unzufriedenen  Westgothen  gerufen,  übersetzten  Araber 
(Mauren)  die  Meerenge  von  Gibraltar  und  gründeten  711  in  Spanien 
ein  Reich;  zwei  Decennien  später  überschritten  sie  die  Pyrenäen:  bei 
Tour  schlug  sie  732  Karl  Martell;  Karl  der  Grosse  hatte  noch  bis  783 
hartnäckige  Kämpfe  mit  ihnen  zu  bestehen,  und  erst  Ferdinand  dem 
Katholischen  gelang  es,  1491  Granada  zu  erobern  und  damit  der 
maurischen  (islamitischen)  Herrschaft  in  Spanien  ein  Ende  zu  machen. 

Auch  über  Italien  wollte  der  Islam  nach  Europa  eindringen.  827 
landeten  Sarazenen  aus  Afrika  in  Sicilien  und  gründeten  daselbst  ein 
Emirat,  das  sich  bis  zur  gänzlichen  Eroberung  der  Insel  durch  die 
Normannen  1091  erhielt.  Die  Raubzüge  der  Sarazenen  und  später  der 
Türken  beunruhigten  noch  lange  die  Küsten  des  Mittelmeeres,  erst  den 
vereinten  westeuropäischen  Flotten  unter  Don  Juan  d'Austria  gelang 
es  in  der  Schlacht  bei  Lepanto  1571,  die  Flotte  der  Osmanen  zu  ver- 
nichten und  damit  ihre  Herrschaft  zu  brechen;  das  Räuberunwesen  im 
Mittelmeere  vollständig  auszurotten,  war  unserem  Jahrhundert  vor- 
behalten, erst  mit  der  Besitzergreifung  Algiers  durch  die  Franzosen 
1830  fand  es  ein  Ende. 

Die  Kreuzzüge  —  schon  1074  durch  Papst  Gregor  VII.  angeregt 
und  fast  durch  zwei  Jahrhunderte  bis  1270  von  der  gesammten  west- 
ländischen  Christenheit  mit  religiöser  Begeisterung  und  mit  Opfern,  die 
eines  grösseren  Erfolges  werth  gewesen  wären,  geführt  —  haben  wohl 
die  anrollende  Fluth  des  Islam  zeitweise  gestaut,  vermochten  aber  nicht 
die  den  Mohammedanern  entrissenen  Länder  zu  behaupten,  ja  kaum 
die  Christen  im  Oriente  nothdürftig  zu  schützen.  Durch  die  inneren 
Wirren,  dann  durch  die  Auflösung  des  seldschukischen  Reiches  wurde 
das  Uebergreifen  des  Islams  auf  die  Balkan-Halbinsel  noch  verzögert, 
aber  nicht  verhindert. 

Zu  den  zum  Islam  bekehrten  Völkerschaften  gehörten  auch  die 
Turkmenen  (Türken),  ein  kriegerischer,  kräftiger,  durch  seine  Raub- 
lust bekannter  Volksstamm,  der  ursprünglich  vom  Altai  zum  östlichen 
Ufer  des  Kaspischen  Meeres  herabgestiegen  war,  und,  im  hochasiatischen 
Steppenland  von  anderen  Völkern  gedrängt,  gegen  Westen  zog.  Osman, 
der  Sohn  Ertoghrul's,  war  mit  einer  Horde  derselben  in  den  Dienst 
Aladin's,  des  seldschukischen  Sultans  von  Ikonium  getreten,  und  wurde 
von  diesem  im  Jahre  1289  zur  Belohnung  treuer  Kriegsdienste  mit 
einer  kleinen  Herrschaft  in  Bythinien  belehnt.  Beim  Zerfall  des  seld- 
schukischen   Reiches    erweiterte    Osman    sein    Reich    auf  Kosten    von 


I^yzanz  und  legte  sich  1300  den  Sultantitel  bei.  Von  Osman.  dem 
eigentlichen  Begründer  des  türkischen  Reiches,  erhielt  dieses  wie  auch 
das  Volk  den  Namen  des  osmanischen.^) 

Osman's  Sohn  Urchan  bemächtigte  sich  Kleinasiens  und  machte 
1336  Brusa  zur  Hauptstadt  seines  Reiches.  Drohend  standen  nun  die 
Osmanen  an  der  schmalen  Meerenge,  welche  Europa  von  Asien  scheidet. 
Das  schon  im  Niedergange  befindliche  byzantinische  Kaiserreich  war 
zu  schwach,  um  dem  Vordringen  des  Islam  auf  der  Balkan-Halbinsel 
Einhalt  zu  thun.  Die  im  Norden  derselben  angesiedelten  slavischen 
Völkerschaften,  meist  von  Byzanz  selbst  zum  eigenen  Schutze  gerufen, 
benützten  die  Schwäche  dieses  Reiches,  um  sich  unabhängig  zu  machen, 
erfreuten  sich  auch  vorübergehend  einer  von  ihnen  selbst  überschätzten 
Freiheit  und  erschöpften  ihre  Kräfte  im  Kampfe  untereinander,  ohne 
ein  einheitliches  Reich  gründen  zu  können,  oder  waren  in  Abhängigkeit 
des  aufblühenden  ungarischen  Reiches  gerathen.  Diesen  Zustand  be- 
nützend, setzten  die  Türken  wiederholt  nach  Europa  über,  bald  als 
Söldlinge  und  Bundesgenossen  der  byzantinischen  Kaiser  oder  ihrer 
Gegner,  bald  auf  eigene  Faust,  das  Land  bis  an  die  Donau  durch- 
streifend und  verwüstend,  und  Tausende  von  Gefangenen  mit  sich  in 
die  Sclaverei  führend. 

Achtzehn  grössere  Einfälle  zählt  man,  ehe  die  Osmanen  noch 
unter  Urchan  festen  Fuss  in  Europa  fassten.  Vom  byzantinischen  Kaiser 
gerufen,  übersetzten  sie  den  Hellespont  und  bemächtigten  sich  1356 
des  anderthalb  Stunden  ober  Gallipoli  gelegenen  Küstenschlosses  Tzympe, 
im  darauffolgenden  Jahre  der  Stadt  Gallipoli  selbst  und  dehnten  ihre 
Herrschaft  rasch  über  die  benachbarten  Küstengebiete  bis  Radosto  und 
über  die  Marizamündung  aus.  Murad  L,  Urchan's  Nachfolger,  eroberte 
schon  im  zweiten  Jahre  seiner  Regierung  1363  Adrianopel,  ^)  das  er  zu 
seiner  Residenz  machte,  im  Jahre  1366  Philippopel,  dessen  sich  die 
Bulgaren  bemächtigt  hatten,  und  bald  darauf  aller  übrigen  zu  deren 
Reich  gehörigen,  südlich  des  Balkan  gelegenen  Städte.  Der  Czar  von 
Bulgarien  wurde  zur  Leistung  von  Tribut  und  zur  Heerfolge  ge- 
zwungen. 

Die  osmanische  Macht  war  damit  bereits  an  der  Grenze  der 
ungarischen  Vasallenländer  angelangt,  und  an  Ungarns  König  Ludwig  I.^ 
dem  Grossen  genannt,  dem  mächtigsten  Fürsten  des  östlichen  Europa, 

^)  Hammer,  »Geschichte  des  osmanischen  Reiches«.  1834,  2.  Ausgabe,  I.  Band, 
Seite  71. 

*)  Nach  byzantinischen  Quellen  fand  die  Einnahme  von  Adrianopel  durch  die 
Osmanen  im  Jahre  1363,  nach  türkischen  schon  1361  statt. 

1* 


wäre  es  nun  gewesen,  dem  weiteren  Vordringen  der  Türken  feste 
Dämme  entgegenzusetzen.  An  Anregungen  hiezu  fehlte  es  nicht,  doch 
scheint  Ludwig,  welcher  dem  Hause  Anjou  angehörte  und  Erbansprüche 
in  Neapel  zu  machen  hatte,  die  seinem  Reiche  drohende  Gefahr  nicht 
erkannt  oder  sehr  unterschätzt  zu  haben,  denn  er  schenkte  den  italie- 
nischen Händeln,  dem  Kampfe  mit  Venedig  um  die  Herrschaft  in  Dal- 
matien,  und  der  Erwerbung  Polens  mehr  Beachtung,  als  den  Vorgängen 
an  der  Südgrenze  seines  Reiches. 

Die  Hoheitsrechte  Ungarns  über  die  nördlichen  Balkanländer 
machte  Ludwig  wohl  geltend,  aber  nicht  mit  genügendem  Nachdrucke 
und  selten  mit  glücklichem  Erfolge.  Gegen  auswärtige  Feinde  schützte 
er  seine  Vasallenländer  nicht,  M^enn  sich  auch  einzelne  Ungarn  — 
vielleicht  sogar  mit  Bewilligung  des  Königs  —  an  ihren  Kämpfen  mit 
den  Osmanen  betheiligt  haben  mögen. 

Als  die  Walachei  unter  Stephan  Basarad  freiwillig  unter  Ungarns 
Botmässigkeit  zurückgekehrt  war,  griff  Ludwig  1355  den  Serbenfürsten 
Stephan  Duschan  an,  der  sich  Belgrads,  Syrmiens  und  des  Machover 
Banates^)  bemächtigt  hatte;  erst  nach  dessen  Tode,  der  die  Auflösung 
des  grossserbischen  Reiches  zur  Folge  hatte,  konnte  er  1359  Duschan's 
Sohn  Urosch  unterwerfen  und  die  abgenommenen  Landstriche  wieder 
mit  Ungarn  vereinigen.  Im  selben  Jahre  musste  die  Moldau  durch  wieder- 
holte Einfälle  in  Gehorsam  gehalten  werden.  Um  Bosnien  unter  Twartko, 
der  sich  Ban  von  Gottes  Gnaden  nannte,  zu  unterwerfen  und  die 
Schismatiker  und  Patarener  auszurotten,  unternahm  Ludwig  1363  einen 
vergeblichen  Zug;  erst  eine  drei  Jahre  später  erfolgte  Erhebung  im 
Lande  gab  ihm  Gelegenheit,  selbes  wieder  in  Abhängigkeit  von  Ungarn 
zu  bringen.  In  der  Walachei  entzog  sich  der  Woywode  Layk  abermals 
der  Oberhoheit  Ungarns;  er  unterwarf  sich  zwar  1365  freiwillig,  musste 
aber  vier  Jahre  später  dennoch  mit  Gewalt  bezwungen  werden.  Im 
selben  Jahre  unternahm  Ludwig  einen  Zug  wider  die  von  einem  tür- 
kischen Hilfsheer  unterstützten  Bulgaren  und  eroberte  die  Stadt  Bodon 
(Widdin),  deren  Gebiet  er  mit  dem  von  Orsowa  und  einem  Theil  des 
Temeser  Banats    als  Banat  von  Bulgarien  vereinigte:'')    Als  die  Serben 

■')  Das  Machover  l'anat  (Macbo)  war  der  Landstrich  am  rechten  Saveufer  von 
Belgrad  aufwärts  bis  gegen  Novi. 

^)  Dass  König  Ludwig  diesen  Zug  selbst  führte,  ist  nicht  erwiesen.  Da  er  einen 
Zug  gegen  die  Türken  selbst  nie  unternahm,  dürfte  sich  wohl  die  Sage  von  der  Er- 
bauung der  Kirche  zu  Mariazeil  in  Steiermark  durch  den  König  auf  diesen  Sieg  der 
Ungarn  über  die  Bulgaren  beziehen,  und  die  Inschrift  auf  dem  Tympanonrelief  zu 
Zell  —  wohl  der  ältesten  L^rkunde  über  die  Anwesenheit  Ludwigs  daselbst  —  auf 
eine  Verwechslung  der  Türken  mit  den  Bulgaren  zurückzuführen  sein. 


im  Kampfe  gegen  die  Osmanen  bei  Cermen  (Sschirmen)  an  der  Mariza 
am  26.  September  1371  eine  vollständige  Niederlage  erlitten,  in  der 
auch  ihr  König  Vulkaschin  den  Tod  fand,')  beschloss  endlich  König 
Ludwig  einen  Krieg  wider  die  Osmanen;  er  unterblieb  jedoch,  weil 
sein  Augenmerk  sich  wieder  Italien  zuwandte.  Als  die  Osmanen  1375 
die  Serben  von  Neuem  bekriegten  und  Nissa  (Naissus,  Nisch)  vi'eg- 
nahmen.  ohne  dass  Ungarn  dies  zu  hindern  suchte,  konnte  der  Serben- 
fürst Lazar  nur  gegen  Tributleistung  und  Heerfolge  einen  Frieden 
erbitten.^) 

Die  letzten  Jahre  seiner  Regierung  that  Ludwig  überhaupt  wenig, 
um  die  Machtstellung  Ungarns  auf  der  Balkan-Halbinsel  aufrecht  zu 
erhalten.  Im  Jahre  1377  machte  sich  die  Walachei  frei,  ohne  dass  für 
deren  Wiederunterwerfung  etwas  geschah.  Die  Oberhoheit  über  das 
westliche  Bulgarien  und  über  das  nordserbische  Gebiet  scheint  nur 
dem  Namen  nach  bestanden  zu  haben,  und  Twartko  von  Bosnien  nennt 
sich  1378  König  von  Serbien,  Bosnien  und  Primorze,^)  ohne  dass  die 
Berechtigung  zur  Führung  dieses  Titels  nachzuweisen  wäre. 

Wie  Ungarn  unter  Ludwig  nach  Aussen  auf  dem  Gipfel  seiner 
Macht  stand  —  nach  der  Erwerbung  Polens  war  es  auch  seiner  Aus- 
dehnung nach  einer  der  grössten  Staaten  Europas  —  so  waren  auch 
die  inneren  Zustände  des  Reiches  nie  so  befriedigend  gewesen,  wie  zu 
seiner  Zeit;  die  Ruhe  im  Lande  wurde  nirgends  gestört  und  nie  war 
die  königliche  Macht  so  unumschränkt  wie  damals.  Die  wichtigste  Be- 
stimmung der  goldenen  Bulle  des  Königs  Andreas,  die  jährliche  Ein- 
berufung des  Reichstages,  scheint  in  den  letzten  Jahrzehnten  nicht 
befolgt  worden  zu  sein;  der  König  bedurfte  derselben  nicht,  da  die 
Finanzen  trotz  der  vielen  Kriege  ausserhalb  der  Grenzen  seines  Reiches 
ganz    gut    gewesen   zu  sein  scheinen.     Die  ohnedies  reichen  Magnaten 

^)  König  Vulkaschin  lagerte  mit  60.000  Mann  bei  Cermen,  als  der  Beglerbeg 
Balaschanin  mit  einem  kleinen  Heere  bei  Aclrianopel  eintraf  und  den  Hadschi  Ilbeki 
mit  4000  Mann  vorsandte,  um  den  Feind  zu  beobachten.  Im  Bewusstsein  ihrer  Stärke 
gaben  sich  die  Serben  in  voller  Sorglosigkeit  den  Freuden  eines  Gelages  hin.  Hadschi 
Ilbeki  fiel  nun  in  der  Nacht  über  sie  her  und  brachte  ihnen  eine  vollständige  Nieder- 
lage bei;  ein  Theil  der  Serben  wurde  im  Schlafe  niedergemacht,  andere  ertranken  in 
der  Mariza,  nur  wenigen  gelang  es  zu  entkommen.  Das  Schlachtfeld  wurde  von  den 
Türken  »Sirf  szindikü«,  d.  i.  »Serben-Niederlage«,  genannt.  Nach  türkischen  Quellen 
wäre  diese  Schlacht  schon  1363  geschlagen  worden.  Dass  einzelne  Ungarn  in  den 
Keihen  der  Serben  kämpften,  ist  nicht  unmöglich. 

^)  Thatsächlich  erscheinen  im  Kriege  der  Osmanen  mit  dem  Fürsten  von  Kara- 
man  auf  der  Ebene  von  Ikonium  in  Kleinasien  im  Jahre  1386  serbische  Hilfstruppen 
unter  ihrem  Könige  Lazar. 

^)  Primorze,  jetzt  ein  Theil  der  Herzegowina. 


und  Kirchenfürsten  begünstigte  Ludwig  noch,  weil  sie  ihm  in  seinen 
Kriegen  zahlreiche  Heerhaufen  zuführen  konnten;  die  nachtheiligen 
Folgen  dieser  Begünstigung  traten  noch  nicht  hervor;  Ungarn  schien 
den  übrigen  Staaten  Europas  nahezu  ebenbürtig. 

Die  weitere  Entwicklung  des  Reiches  lag  in  der  Hand  des  künf- 
tigen Regenten,  und  Ludwig  glaubte  bei  seinem  Tode  —  am  IL  Sep- 
tember 1382  —  durch  die  Regelung  der  Erbfolge  und  die  Verlobung 
seiner  beiden  Töchter  Maria  und  Hedwig  mit  Sprösslingen  aus  den 
vornehmsten  Herrschergeschlechtern.  Luxemburg  und  Habsburg,  für 
das  Reich  genügend  gesorgt  zu  haben. 


Erstes  Capitel. 


Königin  Maria  und  König  Sigismund.  —  Bajesid  I.  —  Erste  Kämpfe  der  Ungarn  und 

Türken.   —   Zug  nach  Klein-Nicopoli.  —  Vorbereitungen  zum  Kreuzzug.   —   Zug  des 

Kreuzheeres  nach  Nicopoli  und  dessen  Niederlage.  —  1382  bis  1396. 

Ludwig's  jugendliche  Tochter  Maria  wurde  1382  in  Ungarn  als 
Königin  anerkannt,  in  Polen  aber  wollten  die  Stände  von  ihrem  Bräuti- 
gam, dem  Luxemburger  Sigismund,  Kaiser  Karl's  IV.  Sohn,  nichts  wissen 
und  begrehrten  von  der  Könio-in-Witwe  Elisabeth  deren  zweite  Tochter 
Hedwig  zur  Königin,  welche  sie  —  obwohl  mit  Wilhelm,  dem  Sohne 
Leopold's  III.  von  Oesterreich  verlobt  —  mit  dem  erst  unter  dem  Namen 
Wladislav  zum  Christenthum  bekehrten  Herzog  Jagjello  von  Lithauen 
vermählten.  Die  Trennung  von  Polen  und  Ungarn  wurde  zur  That- 
sache  und  hatte  auch  durch  den  Verlust  Galiziens,  das  Hedwig  als 
Heiratsgut  zufiel,  eine  wesentliche  Schwächung  Ungarns  zur  Folge. 

Auch  Ludwig's  nächster  männlicher  Anverwandter,  Karl  von 
Neapel,  erhob  Ansprüche  auf  die  ungarische  Krone.  Mit  mächtigem 
Anhang  drang  er  über  Dalmatien  nach  Ungarn  ein,  wurde  aber  zu 
Ofen  durch  die  Königin-Witwe  in  die  Burg  gelockt,  gefangen  gesetzt, 
und  am  24.  Februar  1386  zu  Wissegrad  ermordet.  Von  Karl's  Partei 
wurden  die  beiden  Königinnen  in  der  Nähe  von  Diakovar  überfallen 
und  nach  Novigrad  bei  Zara  gebracht,  wo  die  Königin-Witwe  Elisabeth 
erdrosselt  wurde.  Sigismund,  der,  im  September  1385  mit  Maria  ver- 
mählt, als  ihr  Gemahl  im  März  1387  zum  König  gekrönt  worden  war, 
gelang  es  erst  mit  Hilfe  Venedigs,  seine  Gemahlin  im  Juni  desselben 
Jahres  zu  befreien,  und  es  bedurfte  noch  langer  Kämpfe,  bis  die  Partei 
Karl's  zur  Ruhe  gebracht  war. 

Die  Wirren  in  Ungarn  benützend,  schüttelte  Peter,  der  Fürst 
der  Moldau,  1387  die  ungarische  Oberhoheit  ab  und  unterwarf  sich 
Polen,  mit  dem  auch  Mircea  (Marcus),  der  Fürst  der  Walachei,  ein 
Bündniss  schloss. 


Auch  Serbien  scheint  nur  in  sehr  loser  Verbindung  mit  Ungarn 
gestanden  zu  sein,  denn  sein  König  Lazar  —  obwohl  er  erst  kürzlich 
Ungarns  Oberhoheit  anerkannt  hatte  • —  stürzte  sich  ohne  Sigismund's 
Unterstützung  in  einen  Kampf  mit  den  Osmanen.  der  mit  dem  Ver- 
luste der  Schlacht  auf  dem  Amselfekle  am  15.  Juni  1889  endete,  dem 
König,  wie  auch  dem  Sultan  Murad  I.  das  Leben  kostete,  und  Serbien 
in  völlige  Abhängigkeit  von  den  Osmanen  brachte.') 

Um  den  Sieg  auszunützen,  schickte  Sultan  Bajesid  I.  (lldirim, 
d.  i.  der  Blitzstrahl,  beigenannt),  der  seinem  Vater  folgte,  sein  Heer 
nach  Serbien,  avo  Lazar's  Sohn  und  Nachfolger,  Stephan  Lazarevic, 
zur  Anerkennung  der  türkischen  Oberhoheit  gezwungen  werden  sollte. 
Mit  einer  streifenden  Abtheilung  dieses  türkischen  Heeres  stiess  auch 
Nikolaus  Perenyi,  Ban  von  Severin,  zusammen,  brachte  ihr  unter  Ab- 
nahme mehrerer  Fahnen  eine  Niederlage  bei  und  eroberte  das  Schloss 
Golubaz  an  der  Donau. 

In  den  nächsten  Jahren  bemächtigte  sich  der  Sultan  Bulgariens, 
dessen  Fürst  Sisman  nach  kurzen  Kämpfen  sich  freiwillig  unterwarf, 
die  festen  Plätze  wurden  theils  durch  List,  theils  durch  Verrath  ge- 
nommen, Bodon  (Widdin)  ergab  sich  gegen  freien  Abzug  der  Besatzung. 
die  trotzdem  niedergemacht  wurde. 

Es  war  vorauszusehen,  dassBajesid  das  benachbarte  ungarische  Gebiet 
auch  kaum  verschonen  werde.  Einem  Kriegsaufgebot,-)  das  Sigismund  zu 


')  Als  Sultan  Murad  I.  in  Kleinasien  beschäftigt  war,  wagte  Lazar,  erniuthigt 
durch  einen  Sieg  über  eine  in  Serbien  eingefallene  Horde  von  20.000  Mann,  mit 
Unterstützung  Twartko  s  von  Bosnien  seine  Unabhängigkeit  zu  erringen.  Auf  dio 
Nachricht  hievon  fiel  der  Sultan  mit  grosser  Macht  in  Serbien  ein,  wo  sich  Lazar 
demselben  mit  bosnischen  Hilfstruppen,  denen  sich  Scharen  aus  Bulgarien,  Albanien, 
der  Walachei,  Croaten  unter  ihrem  Ban  Hotvathy,  vielleicht  auch  einige  Magyaren, 
angeschlossen  hatten,  am  15.  Juni  1389  auf  dem  Amselfelde  (Kossowo  p'dje,  Rigo 
mezö)  entgegenstellte.  Während  oder  noch  vor  der  Schlacht  wurde  der  Sultan  von 
dem  Serben  Milosch  Kobilovic,  der  bis  an  sein  Zelt  vorgedrungen  war,  erstochen,  dio 
Serben  aber  von  Murad's  Sohn,  Bajesid  L,  nach  hartem  Kampfe  gänzlich  geschlagen- 
Lazar  fiel  auf  dem  Schlachtfelde,  oder  wurde  anderen  Nachrichten  zufolge  gefangen 
und  nebst  vielen  Edlen  vor  Murad's  Leiche  enthauptet.  Lazar's  Sohn,  Stephan,  mufste 
sich  den  Türken  zur  Heerfolge  und  Tributzahlung  verpflichten  und  dem  Sultan  seine 
junge  Schwester  Maria  zur  Frau  geben. 

2)  Die  Wehrverfassung  Ungarns  scheint  zur  Zeit  sehr  einfach  gewesen  zu  sein- 
Die  Keichsbarone  —  über  die  Comitate  oder  Districte  gesetzte  Grafen,  Obergespano, 
Bane,  Woywoden  — ,  meist  zu  grossem  Grundbesitz  gelangt,  gleichwie  die  Prälaten  auf 
ihren  Kirchengütern  wie  kleine  Könige  herrschend,  wurden  unter  Angabe  des  Sammel- 
platzes zur  Heerfolge  aufgefordert;  sie  erschienen  dann  mit  ihren  Banderien  —  Heer- 
haufen von  unbestimmter  Stärke  — ,  die  sich  aus  dem  Adel  ihrer  Bezirke  bildeten, 
welcher  wieder  waffenfähige  Knechte  in  beliebiger  Zahl,  je  nachdem  es  ihre  Interessen 


—     9     — 

Beginn  des  Jahres  1392  erliess,  schlössen ~  sich  auch  Hilfstruppen  von 
auswärts  an,  so  sein  Vetter  Jodok  von  Mähren,  dann  Herzog  Polko 
von  Oppeln,  Graf  Wilhelm  von  Cilli  und,  wie  es  seheint,  auch  Fremde 
aus  anderen  Ländern.  Ueber  den  Verlauf  des  Feldzuges,  der  noch  im 
Mai  begonnen  wurde,  sind  nur  spärliche  und  wenig  verlässliche  Nach- 
richten vorhanden.  Als  das  Heer  sich  der  Donau  näherte,  hatten  die 
in  Serbien  zerstreuten  Abtheilungen  des  türkischen  Heeres  sich  am 
jenseitigen  Ufer  des  Stromes,  gegenüber  von  Keve  (Kubin),  gesammelt, 
hielten  aber  nicht  Stand,  sondern  traten  den  Rückzug  an,  ehe  die 
Ungarn  die  Donau  übersetzten.  Ohne  die  Türken  einholen  zu  können, 
begnügte  sich  Sigismund,  das  nördliche  Serbien  verheerend  zu  durch- 
ziehen und  bis  zur  Burg  IzdriP)  vorzugehen.  Die  weitere  Sicherung 
der  Grenze  wurde  nach  Rückkehr  des  Heeres  dem  Nikolaus  von  Gara 
anvertraut,  dem  es  durch  wiederholte  Streifzüge  auf  feindliches  Gebiet 
und  glückliche  Kämpfe  gelang,  dem  Lande  im  Laufe  des  Sommers 
Ruhe  zu  erhalten. 

In  dieser  Zeit  dürfte  sich  auch  der  erste  Einfall  der  Türken  auf 
ungarisches  Gebiet  ereignet  haben.  Eine  über  die  Save  nach  Syrmicn 
gekommene  türkische  Horde  wurde  bei  Frankovilla  (Nagy-Olasi  im 
Fruskagora-Gebirge)  durch  den  Ban  Marothy  und  Stephan  Losonzy 
besiegt,  die  Freude  am  Siege  aber  durch  die  Gefangennahme  des  Bruders 
des  Bans  getrübt.  Mit  ungarischer  Hilfe  unter  Goiko  Marnavic'  Führung 
wurde  auch  eine  in  Bosnien  bis  Naglasintze  (Nagy-Zengg)  vorgedrungene 
türkische  Horde  aufgerieben.^) 

Sultan  Bajesid  war  im  Jahre  1393  vor  Constantinopel  und  in 
Kleinasien  festgehalten;  Sigismund  konnte  sich  daher  gegen  die  Auf- 
ständischen in  Dalmatien  und  Croatien  wenden,  wo  die  Anhänger  des 
Königs  von  Neapel,  der  selbst  eine  Verbindung  mit  den  Türken  nicht 

zuliessen,  mitbracliteii.  Der  König  selbst  ergänzte  seine  Banderien  wie  der  Adel  üus 
den  Krongütern  und  aus  den  freien  Städten.  Dass  in  den  Kriegen  gegen  die  Türken 
die  Grenzbewohner  zumeist  in  Anspruch  genommen  wurden,  und  dass  die  Prälaten, 
welche  den  Kampf  mit  den  Ungläubigen  als  Eeligionssaclie  auffassten,  am  eifrigsten 
waren,  ist  beg-reiflich.  Den  Oberbefehl  führte  in  der  Kegel  der  König,  oder  an  dessen 
Stelle  der  Palatin,  als  Unterbefehlshaber  wurden  vom  König  Keichsbarone  —  nicht 
immer  die  befähigtesten,  oder  die  nach  der  Lage  des  Kriegsplatzes  geeignetsten  — , 
bestimmt.  Der  Kriegsdienst  wurde  meist  zu  Pferde  geleistet,  der  Adel  erschien  mit 
leichten  Schutzwaffen,  die  Masse  des  Heeres  mit  Seitengewehr  —  Schwert,  Dolch  oder 
Messer,  Streitkolben,  wohl  auch  nur  mit  einer  Hacke  —  und  mit  Speer  oder  Bogen 
und  Pfeil. 

^)  »Izdril«,  nach  Kanitz'  Mittheilung  wahrscheinlich  die  türkische  Schreibweise 
für  »Zdrelo«,  eine  der  zerstörten  Burgen  im  Zdrelopasse  an  der  Mlava. 

^)  Engel,   »Serbische  Geschichte«,  S.  349,  und  Hammer,  I,  S.  188. 


—     10    — 

verschmähte,'')  noch  mächtigen  Einfluss  übten.  Während  es  Sigismund 
Anfangs  1394  gelang,  auch  Bosnien  unter  Stephan  Dabischa  wieder 
der  Botmässigkeit  Ungarns  zu  unterwerfen,  wurde  Bulgarien  förmlich 
dem  türkischen  Reiche  einverleibt.  Gesandte,  Avelche  Sigismund  an  den 
Sultan  geschickt  hatte,  vielleicht  weniger  um  die  Räumung  des  wider- 
rechtlich besetzten  Landes  zu  verlangen,  als  um  die  Gesinnung  Bajesid's 
und  den  Zustand  des  osmanischen  Reiches  auszukundschaften,  wurden 
in  Brusa  vom  Sultan  in  einem  mit  Kriegstrophäen  —  meist  bulga- 
rischen Waffen  —  ausgeschmückten  Räume  empfangen  und  erhielten 
mit  Hinweis  auf  diese  Waffen  den  Bescheid  des  Sultans:  »Kehret  heim 
und  meldet  dem  König,  dass  auch  ich  hinlängliches  Recht  auf  Bul- 
garien besitze.«  Noch  im  selben  Jahre  drangen  die  Türken  aus  Bul- 
garien in  die  Walachei  ein,  verheerten  das  Land  und  bemächtigten 
sich  aller  festen  Plätze.  Mircea,  anfangs  geneigt,  mit  ihnen  zu  unter- 
handeln, wurde  vertrieben.  In  den  Registern  der  Pforte  erscheint  von 
nun  an  auch  die  Walachei  als  tributpflichtig. 

Ende  des  Jahres  1894  finden  wir  Sigismund  wieder  in  Sieben- 
bürgen; er  unternahm  zu  Neujahr  1395  einen  Zug  nach  der  Moldau^ 
und  zwang  den  Woywoden  Stephan  in  seiner  Hauptstadt  wieder  zur 
Anerkennung  von  Ungarns  Oberhoheit.  Doch  kaum  war  Sigismund 
abgezogen,    so  unterwarf   sich  Stephan  wieder    dem  König  von  Polen. 

Aus  der  Moldau  nach  Siebenbürgen  zurückgekehrt,  empfieng 
Sigismund  den  vertriebenen  Woywoden  der  Walachei,  Mircea,  der  im 
März  als  Flüchtling  noch  Kronstadt  kam.  Es  war  Sigismund  sehr-  er- 
wünscht, dass  dieser  sich  an  Ungarn  um  Hilfe  wandte,  denn  schon 
beunruhigten  türkische  Horden  gemeinsam  mit  räuberischen  Scharen 
aus  der  Walachei  die  Grenze.  In  der  Hoffnung,  Mircea  an  Ungarn  zu 
fesseln,  ernannte  ihn  Sigismund  zum  Herzog  von  Fogaras  und  Ban 
von  Severin,  wogegen  sich  dieser  verpflichtete,  im  Falle  seiner  Wieder- 
einsetzung dem  König,  wenn  er  selbst  ins  Feld  ziehe,  persönlich  Heer- 
folge zu  leisten,  sonst  aber  eine  wohlausgerüstete  Hilfstruppe  beizu- 
stellen, ferner  dem  ungarischen  Heere  freien  Durchzug  durch  sein  Land 
zu  gestatten,  eine  hinlängliche  Reserve  zur  Besetzung  der  in  Feindes- 
land zu  erobernden  Städte  und  Schlösser  bereit  zu  halten,  das  Heer 
gegen  Bezahlung  sowohl  im  Lande  als  auch,  wenn  es  weiter  nach  Bul- 
garien vordringen  sollte,  mit  allen  Bedürfnissen  zu  versehen,  und  endlich 
den  im  Lande  Zurückbleibenden  Unterkunft  und  volle  Sicherheit  ihrer 
Person  wie  ihres  Eigenthums  zu  gewähren. 

^)  Ladislaus  von  Neapel  bewarb  sich,  um  die  Gunst  des  Sultans  zu  gewinnen,. 
soEjar  um  eine  Tochter  desselben. 


-   11   — 

Sigismunrl  überschritt  noch  im  Mai  mit  einem  beträchtlichen  Heere, 
dem  sich  auch  der  Graner  Erzbischof  mit  seinem  Bruder,  dem  Szekler 
Grafen  Kanisay,  dann  der  Palatin  Leustach  von  Ilsva,  die  Söhne  Ni- 
kolaus und  Johann  des  Palatins  Nikolaus  Gara,  die  Brüder  Martin  und 
Georg  Thurzö,  Oswald,  Lorenz  und  Johann  Rozgony,  der  Judex  curiae 
Kapoly.  die  Stuhlrichter  Peter  Perenyi  und  Olaghy,  endlich  der  Ban  Ma- 
rothy  mit  ihren  Banderien  angeschlossen  hatten,  die  siebenbürgischen 
Alpen  und  drang  siegreich  bis  an  die  Donau  vor.  Die  Türken  wurden 
über  den  Strom  zurückgeworfen,  und  das  Land  wieder  an  Mircea  über- 
geben. 

Nur  die  Burg  Klein-Nikopoli  am  linken  Ufer  der  Donau,  gegen- 
über der  Stadt  Nikopoli,")  in  welcher  die  Türken  eine  starke  Besatzung 
zurückgelassen  hatten,  leistete  noch  ernstlichen  Widerstand  vmd  musste 
nach  blutigen  Kämpfen  durch  Gara's  und  Marothy's  Scharen  erstürmt 
werden.  Eine  ungarische  Besatzung  wurde  in  die  Burg  verlegt,  ehe 
Sigismund  das  Land  verliess.') 

Noch  vor  dem  Falle  von  Klein-Nikopoli  erhielt  Sigismund  die 
Botschaft,  dass  Königin  Maria  am  17.  Mai  ihr  freudeloses  und  kummer- 
reiches Leben  beschlossen  habe.  Des  Königs  Anwesenheit  in  Ungarn 
war  nun  wegen  der  Ansprüche,  welche  Königin  Hedwig  von  Polen 
auf  die  ungarische  Krone  erhob,  dringend  nothwendig;  er  verzichtete 
daher  auf  weitere  Erfolge  und  beschloss,  mit  dem  Heere  schleunigst 
zurückzukehren.  Als  der  König  auf  dem  Rückmarsche  das  sieben- 
bürgische  Grenzsebir^e  sorglos  durchzog,    wurde    er   in  den  dicht  be- 


'')  Auf  der  Karte  von  »Geronimo  et  Leon  Valk«  (XVI.  Jahrhundert)  findet  man 
gegenüber  von  Nikopoli  die  Stadt  »Civitas  picolac,  eine  Bezeichnung  für  den  kleineren 
Theil  einer  an  beiden  Ufern  eines  Stromes  gelegenen  Stadt,  die  häufig  vorkommt. 
Turnul,  ein  jetzt  wichtiger  Handelsplatz,  der  häufig  für  Klein-Nikopoli  genommen 
wird,  liegt  4  Kilometer  nördlich  der  Donau,  und  wurde  erst  unter  König  Ludwig 
von  aus  Ungarn  vertriebenen  Juden  gegründet,  dürfte  daher  Ende  des  Jahrhunderts 
noch  kaum  ein  stark  befestigter  Ort  gewesen  sein.  Dagegen  fand  ich  1856  unweit  der 
Dampfschifffahrts-A'gentie  noch  Keste  des  von  den  Russen  1829  erstürmten,  mit  Thürmen 
und  Wassergräben  versehenen  Brückenkopfes  gegenüber  von  Nikopoli,  den  sie  schleifen 
Hessen.  Der  Burg  geschieht  später  nie  mehr  Erwähnung. 

')  Dass  an  diesem  Zuge  auch  der  Graf  d'Eu  theilnahm,  wie  neuere  Historiker 
mit  Bezug  auf  die  Melker  Chronik  und  die  Urkunde  Sigismund's  an  Gara  und  Pe- 
renyi (Fejer  X,  IV,  667)  erwähnen,  ist  unrichtig;  in  der  Melker  Chronik  erscheint 
der  Zug  d'Eu's  richtig  im  Jahre  1396,  und  im  zweiten  Documente  wird  d'Eu  gar 
nicht  erwähnt.  Wohl  soll  sich  Graf  d'Eu  und  Marschall  Boucicaut  auf  der  Rückreise 
aus  dem  gelobten  Lande  drei  Monate  am  Hofe  Sigismund's  aufgehalten  haben,  es 
muss  dies  jedoch  bereits  früher  gewesen  sein,  da  sie  im  Jahre  1395,  während  der 
Vorbereitungen  zum  Zuge  im  Jahre  1396,  in  ihrer  Heimat  waren. 


-     12    — 

waldeten  Engpässen  zwischen  Kimpolung^)  und  Törzburg  in  den  ersten 
Tagen  des  Juli  plötzlich  von  einer  im  Hinterhalte  lauernden  Walachen- 
schar  mit  einem  Hagel  von  vergifteten  Pfeilen  und  Wurfspiessen 
überschüttet;  Gara  musste,  um  den  König  zu  schützen,  seine  Reiter 
absteigen  lassen,  um  die  Walachen  aus  ihren  Deckungen  zu  vertreiben. 
Die  Vermuthung  ist  nicht  unbegründet,  dass  Mircea  selbst,  der  nach 
Abzug  des  Heeres  des  Schutzes  gegen  die  Türken  entbehrte,  diesen 
Ueberfall  angeordnet  habe,  um  den  Sultan  glauben  zu  machen,  er  habe 
dem  König  nur  gezwungen  Heerfolge  geleistet. 

Sigismund,  einsehend,  dass  mit  der  Zeit  ein  entscheidender  Kampf 
mit  den  Osmanen  nicht  zu  umgehen  sei,  suchte  schon  seit  längerer  Zeit, 
sich  durch  Bündnisse  zu  stärken.  Dem  Kriegsbunde,  welchen  die  aus 
Kleinasien  zurückkehrenden  Gesandten  mit  dem  byzantinischen  Kaiser, 
dessen  ganzes  Reich  sich  fast  nur  auf  die  vom  Sultan  belagerte  Haupt- 
stadt beschränkte,  geschlossen  hatten,  war  wohl  kein  besonderer  Wert 
beizulegen;  ebenso  hatte  bei  der  eben  herrschenden  Kirchenspaltung 
die  Bitte  an  den  Papst  um  Verkündung  eines  Kreuzzuges  nur  sehr 
massigen  Erfolg.  Wichtiger  war  eine  Sendung  des  Schatzmeisters  Niko- 
laus Kanisay  nach  Deutschland,  Burgund,  Frankreich  und  Italien.  Die 
der  Christenheit  vom  Fortschreiten  der  Osmanen  drohende  Gefahr  ent- 
flammte nochmals,  besonders  in  Burgund  und  Frankreich,  den  Eifer 
zum  Kampfe  wider  die  Ungläubigen.  Die  grossen  Vasallen  daselbst, 
sowie  die  Ritterschaft  und  die  Bürger  erklärten  sich  bereit,  die  Waffen 
zu  ergreifen.  Die  Rüstungen  wurden  eifrigst  betrieben  und  die  nöthigen 
Geldsummen  willig  aufgebracht.  Mit  diesen  erfreulichen  Nachrichten 
kehrte  der  Gesandte  heim,  doch  konnten  die  Rüstungen  vor  Jahresfrist 
nicht  beendet  sein,  daher  erst  für  das  Jahr  1396  eine  Hilfe  zugesagt 
wurde.  Auch  der  Vertrag  mit  Mircea,  dem  Woywoden  der  Walachei, 
dürfte  schon  in  Berücksichtigung  einer  grösseren  Unternehmung  ge- 
schlossen worden  sein. 

Während  nun  Sigismund  —  bisher  nur  König  als  Gemahl  der 
Königin  und  in  Ungarn  wenig  beliebt  —  seine  Stellung  als  König  zu 
sichern  suchte,  nahmen  die  Vorbereitungen  zum  Krieg,  den  zu  führen 
er  sich  den  christlichen  Mächten,  besonders  aber  Kaiser  Älanuel  gegen- 
über verpflichtet  fühlte,    auch  im  Abendlande  ihren  Fortgang.     Wenn 


^)  Sigismund  urkimclet  am  6.  Juli  1395  »campestri  nostro  in  descensu  prope 
villam  Hozyomezeu  vocatam«.  >Hozyomezeu  oder  Hoszumezö«  ist  rumänisch  »Kimpo- 
lung«,  deutsch"»Langenfeld«,  es  unterliegt  daher  keinem  Zweifel,  dass  der  König  über 
Törzburg  und  Kronstadt,  keinesfalls  aber,  wie  Bonfinicus  u.  A.  sagen,  durch  das  Alt- 
thal zurückgekehrt  ist. 


-     13     - 

es  ihm  gelingen  sollte,  einen  entscheidenden  Sieg  über  die  Türken  zu 
erringen,  Constantinopel  zu  retten,  vielleicht  gar  die  Türken  aus  Europa 
zu  vertreiben,  so  würde  das  zur  Befestigung  seiner  Stellung  in  Ungarn 
wesentlich  beigetragen  haben. 

Um  sich  mit  seinem  Bruder  Wenzel  auseinanderzusetzen,  gieng 
Sigismund  noch  nach  Prag  und  wurde  im  Deutschen  Reiche  am  19.  März 
1396  als  Vicar  und  Stellvertreter  des  Königs  gewählt.  Auf  der  Rück- 
reise fand  er  in  dem  Hafen  von  Nona  bereits  mehrere  zum  Kriege 
wider  die  Türken  ausgerüstete  Schiffe  vor. 

Auf  die  Ritterschaft  von  Frankreich  und  Burgund  machten  die 
Briefe  Sigismund 's.  in  welchen  er  die  verächtlichen  Aeusserungen  Ba- 
jesid's  über  die  Tapferkeit  der  abendländischen  Ritterschaft  anführte, 
besondere  Wirkung. 

In  einer  von  König  Karl  VI.  von  Frankreich  einberufenen  Ver- 
sammlung gieng  der  Beschluss,  eine  ausgiebige  Unterstützung  nach 
Ungarn  zu  senden,  einstimmig  durch.  Herzog  Philipp  von  Burgund 
nahm  sich  auch  der  Vorbereitungen  zum  Kriege  auf  das  Eifrigste  an; 
Herolde  verkündeten  in  seinem  Lande  die  königlichen  Beschlüsse  und 
verbreiteten  die  Briefe  Sigismund's.  Listen  wurden  dort  angelegt,  zu 
denen  der  Andrang  so  gross  war,  dass.  um  das  Land  von  Streitern 
nicht  zu  entblössen,  eine  Auswahl  von  1000  Rittern  und  Knechten  ge- 
troffen werden  musste,  zu  denen  noch  Söldner  traten,  so  dass  man 
ein  Heer  von  10.000  Mann,  darunter  wohl  6000  Streiter,  zusammen- 
brachte.") 

Um  die  Kosten  zu  decken,  nahm  der  Herzog  von  Burgund  die 
Gelegenheit  wahr,  dass  sein  Sohn,  der  erst  24  Jahre  alte  Johann  Graf 
von  Nevers,  den  er  an  die  Spitze  des  französisch-burgundischen  Heeres 
gestellt  zu  sehen  wünschte,  noch  nicht  den  Ritterschlag  empfangen 
hatte  und  schrieb,  da  er  sich  selben  im  Oriente  erwerben  sollte,  die 
bei  solcher  Gelegenheit  üblichen  Beiträge  der  Stände  aus.  Flandern 
steuerte  zu  diesem  Zwecke  65.000  Nobles,  das  Herzogthum  Burgund 
40.000  Francs,  die  Grafschaft  Burgund  14.200  und  die  Grafschaften 
Artois,  Nevers  und  Rethel  je  10.000  Livres  —  zusammen  einen  Betrag 

S)  Die  vorzüglichsten  Quellen  über  diesen  Zug  und  die  Schlacht  bei  Nikopoli 
sind:  Schiltberger,  Posiglie,  Ulmann  Stromer,  Konigshofer,  Justinger,  Charles  VI  des 
religieux  de  St.  Denis,  die  Berner  Chronik.  Froissart,  Thuroz  Katona,  Feje'r,  Dingos, 
der  in  Sigismund  abfällig-em  Sinne  schreibt,  Dukas,  Chalcocondilas,  Phranges,  dann 
Seaddedin  und  Edris.  Kühler,  der  auch  noch  andere  Quellen  benützte,  bringt  sehr 
ausführliche  Angaben  über  die  Vorbereitungen  zu  diesem  Zuge  und  dürfte  die 
Schlacht  selbst  mit  Berücksichtigung  der  damaligen  Kampfesweise  wohl  riclitig  be- 
urtheilen. 


—     14     — 

von  ungefähr  2,600.000  Kronen  —  bei.  Ein  Kriegsrath,  bestehend  aus 
Philipp  de  Bar,  dem  Admiral  von  Frankreich  Johann  von  Vienne,  den 
Gebrüdern  de  Tremouille,  dem  Grafen  Jakob  de  la  Marche,  Herrn 
von  Bourbon,  ferner  Enguerrard  de  Coucy,  dem  Connetable  PhiHpp 
d'Artois  Grafen  d'Eu  und  dem  Marschall  Baucicaut,  der  allein  70  Ritter 
auf  seine  Kosten  ausrüstete,  wurde  dem  Grafen  von  Nevers,  dessen 
Ausrüstung  glänzend  war.  beigegeben.  Ueber  die  Disciplin  im  Heere 
wurden  Verfügungen  erlassen,  auf  Ausschreitungen  strenge  Strafen 
gesetzt.  Ein  viermonatlicher  Sold  sollte  vorausbezahlt  werden,  ein  Ritter 
vierzig,  ein  Knecht  (ecuyer)  zwanzig,  ein  Armbrustschütze  zwölf  Gold- 
gulden monatlich  erhalten. 

Auch  an  die  italienischen  Staaten  hatte  sich  Sigismund  gewendet. 
Der  König  von  Frankreich,  dem  sich  eben  Genua  unterworfen  hatte, 
verpflichtete  sich,  eine  Flotte  auszurüsten,  die  in  Gemeinschaft  mit  der 
venetianischen  operiren  sollte. 

Den  Befehl  über  die  gemeinschaftliche  Flotte  sollte  der  Venetianer 
Thomas  Mocenigo  übernehmen,  der  den  Auftrag  erhielt,  mit  seinen 
44  Galeeren  durch  den  Bosporus  zu  dringen,  die  Donaumündungen 
zu  gewinnen  und  von  hier  aus  das  Landheer  zu  unterstützen. 

Am  13.  April  traf  der  Graf  von  Nevers  in  Dijon  ein,  wo  sich 
das  französisch-burgundische  Heer  sammelte;  gegen  Ende  des  Monats 
brach  ein  Theil  unter  Herrn  de  Coucy  und  Heinrich  de  Bar  durch  die 
Lombardei  auf,  während  die  Hauptcolonne  mit  halbem  Mai  Regensburg 
erreichte.  Hier  schlössen  sich  die  deutschen  Kreuzfahrer  an,  darunter 
Pfalzgraf  Ruprecht  der  Jüngere,  Sohn  des  späteren  deutschen  Königs 
Ruprecht,  dann  Johann,  Sohn  des  Burggrafen  von  Nürnberg,  die  Grafen 
von  Katzenellenbogen  und  von  Mömpelgard,  auch  einige  Ritter  der 
deutschen  Ordenscomtureien,  vom  Johanniter-Orden  der  Grossprior  von 
Deutschland  Friedrich  von  Hohenzollern  —  der  Grossmeister  dieses 
Ordens  begab  sich  von  Rhodus  direct  nach  Ungarn  —  von  Strassburg 
fünfzehn  Edelbürger,  andere  aus  Nürnberg,  eine  beträchtliche  Anzahl 
von  Rittern  und  Bannerherren  aus  Schwaben  und  Bayern,  ungefähr 
2000  Mann.  Mit  den  bayerischen  Rittern  gieng  auch  Leonhart  Rich- 
hartinger,  dessen  Edelknecht  Schiltberger  —  Renner  wie  er  sich  selbst 
bezeichnet  —  man  die  ausführlichsten  Nachrichten  über  diesen  Zug 
verdankt.^") 


'")  Schiltenberger  oder  Schiltberger,  einer  adeligen  Münchener  Familie  ange- 
hörend, gerieth  nach  der  Schlacht  in  Gefangenschaft  und  wurde  bei  der  grossen  Ab- 
schlachtung,  welche  ihr  folgte,  seiner  Jugend  wegen  verschont.  In  türkische  und 
später  mongolische  Sclaverei  gelangt,   kehrte  er  1427  in  seine  Heimat  zurück,    wo  er 


—     15     - 

Am  24.  Mai  lanojte  der  Graf  von  Nevers  —  von  seinem  Schwager 
Herzog  Leopold  V.  von  Oesterreich  feierlich  empfangen  —  in  Wien 
an.  Während  Längeren  Aufenthaltes  daselbst  wurden  70  grosse  Schiffe 
mit  Vorräthen  befrachtet  und  donauabwärts  gesendet.  Ueber  den  Auf- 
enthalt in  Wien,  dann  über  den  Ort,  wo  sich  die  Engländer  —  bei 
10.000  Mann  mit  dem  Sohne  des  Herzogs  von  Lancaster  —  dem  Zuge 
des  Grafen  anschlössen,  und  über  die  Ankunft  in  Ofen,  welche  un- 
gefähr im  halben  Juni  erfolgt  sein  dürfte,  fehlen  nähere  Nachrichten, 
Streiter  aus  Italien,  Polen  und  Böhmen  sammelten  sich  in  Ofen,  Graf 
Hermann  von  Cilli  brachte  eine  beträchtliche  Schar  Bewaffneter  aus 
Steiermark  dahin.  Die  Zahl  der  fremden  Kreuzfahrer  mag  bei  30.000 
betragen  haben.  Das  Aufgebot  des  Königs  im  eigenen  Lande  betrug 
ebenfalls  bei  30.000  Mann,  zu  denen  vor  Nikopoli  noch  Mircea  mit 
einigen  Tausend  Mann  stiess,  der,  im  Begriffe,  sich  dem  König  von 
Polen  zu  unterwerfen,  beim  Anblicke  des  grossen  Heeres  doch  wieder 
vorzog,  sich  an  Ungarn  anzuschliessen,  so  dass  das  ganze  christliche 
Heer  69.000—70.000  Mann  betrug,  i')  Die  Zahl  der  Combattanten  dürfte 
aber  bedeutend  geringer  zu  rechnen  sein,  da  auf  die  zur  Bedienung 
ihrer  Herren  mitziehenden,  wohl  auch  bewaffneten  Knechte  beim  An- 
griffe gar  nicht,  bei  der  Vertheidigung  wobl  nur,  wenn  es  sieh  um  ihre 
eigene  Sicherheit  handelte,  zu  rechnen  war. 

Sigismund  überhäufte  die  fremden  Ritter  mit  allen  Ehren;  in 
Ofen  gestattete  er  ihnen,  ihre  Wappenschilde  in  der  Kirche  des  heiligen 
Nikolaus  aufzuhängen.  Beim  Anblicke  der  von  Siegeshoffnungen  be- 
geisterten Ritterschar  Hess  er  sich  zu  dem  prahlerischen  Ausspruch 
verleiten:  »Wer  wird  wagen,  uns  zu  widerstehen?  Selbst  wenn  der 
Himmel  einstürzte,  wir  würden  ihn  mit  unseren  Lanzen  aufhalten!« 

Den  Oberbefehl  über  das  ganze  Heer  führte  Sigismund,  aber 
weder  er  noch  einer  der  übrigen  Führer  besass  genug  Ansehen  und 
Feldherrntalent,  um  ein  so  grosses,  jeder  einheitlichen  Organisation  ent- 
behrendes Heer,  in  dem  sich  noch  dazu  so  viele  stolze,  aufeinander 
eifersüchtige  Häupter  befanden,  zu  leiten. 

Von  Ofen  brach  das  Heer  zwischen  dem  20.  und  24.  Juli  in 
zwei  Colonnen  auf;  die  östliche  unter  Gara  gieng  über  Siebenbürgen  in 

seine  Erlebnisse  niederschrieb.  Die  Schlacht  machte  er  in  dienender  Stellung  mit  und 
brachte  seinem  Herrn,  als  er  vom  Pferde  geschossen  war,  sein  eigenes  Pferd  vor, 
worauf  er  sich  wieder  zu  den  hinter  dem  Treffen  haltenden  Rennern  zurückbegab  und 
daselbst  gefangen  wurde. 

")  Die  Angaben  über  die  Stärke  des  christlichen  Heeres  schwanken  zwischen 
30.000  und  200.000  Mann,  die  letzte  Zahl  ist  jedenfalls  übertrieben,  und  die  erste 
dürfte  sich  wohl  nur  auf  den  Zuzug  von  Aussen  beziehen. 


-     16     — 

die  Walachei;  die  westliche,  bei  der  sich  der  König  und  der  grösste 
Theil  der  Kreuzfahrer  befand,  traf  am  18.  August  in  der  Gegend 
von  Orsowa  ein,'-)  übersetzte  bei  Severin  die  Donau  und  durchzog  den 
östlichen  Theil  Serbiens  längs  des  Stromes,  als  Feindesland  es  mit 
Feuer  und  Schwert  verheerend. 

Bodon  (Widdin)  war  der  erste  befestigte  Ort,  auf  den  man  am 
rechten  Donauufer  stiess.  Der  bulgarische  Fürst  Strasimir,  der  als  tür- 
kischer Vasalle  die  Stadt  vertheidigen  sollte,  übergab  sie  am  28.  August- 
ais Anstalten  zum  Sturme  gemacht  wurden.  Die  geringe  türkische  Be- 
satzung wurde  niedergemacht  und  als  neue  Besatzung  300  Mann  zurück- 
gelassen. Am  folgenden  Tage  schlug  Sigismund  den  Grafen  von  Nevers 
nebst  300  Franzosen  zu  Rittern. 

Am  2.  September  traf  das  Heer  am  rechten  Donauufer  auf  die 
starke  Festung  Rahowa  (in  älteren  Urkunden  Orihow.  Oriszo,  Raco 
oder  Rachowa).  Der  Platz  war  mit  doppelten  Mauern  und  mit  ThUrmen 
befestigt  und  mit  einer  starken  Besatzung  versehen,  die  sich  tapfer 
wehrte  und  die  Franzosen,  welche  sich  die  Belagerung  nicht  nehmen 
liessen,  durch  zahlreiche  Ausfälle  belästigten.  Nachdem  Sigismund  Ver- 
stärkungen gesendet  hatte  und  der  Platz  anfieng,  Mangel  zu  leiden, 
knüpfte  die  Besatzung  Verhandlungen  an,  doch  war  es  zu  spät. 
Nach  fünftägiger  Belagerung  wurde  die  Stadt  erstürmt  und  niederge- 
brannt.^^) Die  türkische  Besatzung  wurde  niedergemacht,  gegen  1000 
der  reichsten  Bewohner  aber,  welche  ein  Lösegeld  zu  geben  ver- 
sprachen, als  Gefangene  mitgeführt;  200  Mann  blieben  als  Besatzung 
zurück.  Am  8.  September  wurde  der  Marsch  fortgesetzt;  am  12.  traf 
der  König  vor  Nikopoli  ein,  wo  sich  das  ganze  Heer  vereinigte,  und 
eine  ungarische  Flotille  den  Platz  vom  Strome  aus  einschloss. 

Nikopoli,  nach  deutschen  Quellen  Schiltarn  oder  Schiltau,  nach 
alten  Karten  Sciltara  genannt.  Avurde  im  VII.  Jahrhundert  durch 
Kaiser  Heraklius  zur  Erinnerung  seines  Sieges  über  die  Perser  ge- 
gründet.'^) 


'•)  Der  König  ui'kundet  am  17.  Juli  zu  Grosswardein,  am  18.  August  zu  »Neu- 
grad« (in  späteren  Urkunden  »Xeiies  Haus«  genannt,  es  dürfte  Orsowa  gemeint  sein". 
Bei  einer  täglichen  Marschleistung  von  24  Kilometer  im  Durchschnitte  muss  die 
westliche  Colonne,  bei  welcher  der  König  war,  mit  halbem  August  in  der  Xilhe  von 
Orsowa  angelangt  gewesen  sein. 

^^)  Der  Umstand,  dass  Thuroz  die  Einnahme  von  »Oriszo«  vor  jener  von  Widdin 
anführt,  hat  Anlass  gegeben,  »Oriszo«  mit  Orsowa  zu  verwechseln;  Orsowa  kann 
jedoch  von  den  Türken  nicht  besetzt  gewesen  sein. 

^*)  Nikopoli  an  der  Donau,  die  von  Heraklius  gegründete  Stadt,  ist  nicht  zu 
verwechseln  mit  dem  von  Kaiser  Trajan  gegründeten  Nikopolis,  das  zum  Unterschiede 


17 


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Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.  2.  Aufl. 


—     18     - 

Die  befestigte  Stadt,  deren  mit  Thürmen  verstärkte  Mauern  ent- 
sprechend der  Umfassung  der  jetzt  noch  bestehenden  Citadelle  an  den 
steilen  Abfällen  gegen  Norden  und  Osten  sich  der  Bodengestaltung 
anschlössen,  gegen  Süden  aber  durch  einen  tiefen  Graben  geschützt 
Maaren,  liegt  am  rechten  Ufer  der  Donau,  auf  den  äussersten  Abfällen 
des  Balkans.  Zwölf  Kilometer  oberhalb  der  Stadt  mündet  der  Vidfluss. 
nahezu  gegenüber  der  Altfluss  in  den  hier  vereinio:ten  Strom.  In  dem 
an  der  (3stseite  der  Stadt  gelegenem  Thale  breitete  sich  eine  weitläulige 
Vorstadt  (dermalen  die  eigentliche  Handelsstadt)  aus.  Südlich  der  Stadt, 
zwischen  dem  Osmabache  und  der  zum  Theile  versumpften  Donau- 
niederung bei  Belawoda  führt  über  eine  wellenförmige  Erhöhung  die 
Strasse  gegen  Trnowa  hin. 

Sigismund  bezog  zu  beiden  Seiten  der  Stadt  ein  Lager,  die 
Franzosen  an  der  Südseite,  von  den  übrigen  Truppen  abgesondert.  Da 
es  dem  Könige  an  Belagerangsmaschinen  fehlte,  er  vielleicht  auch  die 
Absicht  hatte,  die  Stadt,  welche  ihm  bei  weiterem  Vorgehen  als  Stütz- 
punkt dienen  konnte,  zu  schonen,  wurde  die  Belagerung  bald  in  eine 
Blockade  verwandelt.  Die  dadurch  hervorgerufene  Unthätigkeit  im  Lager 
verleitete  die  französische  Ritterschaft,  in  deren  Zelten  und  Kleidung 
der  grösste  Luxus  herrschte,  zu  Ausschreitungen  aller  Art;  sie  gaben 
sich  gegenseitig  Feste  und  überliessen  sich  zügellos  dem  Trünke  und 
den  Buhlerinnen,  die  sie  mit  sich  führten. 

In  Nikopoli  befehligte  Toghanbeg,  einer  der  besten  Heerführer 
Bajesid's.  Die  zahlreiche  Besatzung  leistete  tapferen  Widerstand;  als 
sich  aber  die  Blockade  in  die  Länge  zog  und  in  der  Stadt,  welcher 
auch  die  Zufuhr  auf  der  Donau  versperrt  war,  sich  der  Mangel  fühlbar 
machte,  Hess  Toghanbeg  den  Sultan  dringend  um  Entsatz  bitten.  Die 
Antwort  kam  auch  bald  zurück;  denn  der  Sultan  war  nicht  ferne;  nur 

von  der  gleichnamigen,  ebenfalls  von  Trajan  gegründeten,  am  Nestus  gelegenen  Stadt 
den  Namen  »Nicopolis  ad  Istrum«  (NlKOriOAlTßN.  HVO'Z.  ISTPß;  als  im  Donau- 
gebiete gelegen  —  oder  auch  »Nicopolis  ad  Haemum«  als  am  Balkan  gelegen  —  er- 
halten hatte.  Die  letzte  Stadt  ist,  wie  Kanitz  (Donau-Bulg.  u.  d.  Balkan,  2.  Aufl.:  II,  61) 
unzweifelhaft  nachweist,  bei  dem  Dorfe  Nikup  an  der  Kusiza,  einem  Nebenflusse  der 
Jantra  zu  suchen.  Die  in  Nikup  vorhandenen  Baureste  lassen  schiiessen,  dass  gegen 
Ende  des  XIV.  .Jahrhunderts  die  Stadt  Trajan's  bereits  ein  Trümmerhaufe  war,  und 
eine  neuere,  der  byzantinischen  Zeit  oder  dem  Mittelalter  angehörigen  Stadt  dort  nicht 
stand.  Dass  das  Schlachtfeld  von  1396  nur  bei  Nikopoli  an  der  Donau  gesucht  werden 
kann,  geht  auch  daraus  hervor,"  dass  den  Fliehenden  die  Nähe  der  Donau  so  verhängnissvoll 
wurde,  während  Nikup  45  km  südlich  der  Donau  liegt.  In  Spruner's  historischem  Atlas 
wird  irrig  die  Stadt  am  rechten  Donauufer  als  »Kis-Nikopoli«  (»kis«  ist  ungarisch 
»klein«),  Nikup  aber  als  »Nicopolis  magna«  angeführt.  Auch  C.  J.  Jireczek  verfällt, 
in  den  Irrthum,  das  Schlachtfeld  von  1396  nach  Nikup  zu  verlegen. 


—     19     - 

drei  Tage  ausharren,  verlangte  er.  dann  würde  er  erscheinen.  Durch  die 
lauten  Freudenbezeigungen  der  Bewohner  der  Stadt  wurde  das  christliche 
Heer  zuerst  aufmerksam  auf  die  Nähe  des  Feindes;  auch  andere  An- 
zeichen stellten  sich  ein.  welche  dieselbe  bestätigten.  Fouragiercom- 
manden  wurden  aufgehoben.  Dass  Marschall  Boucicaut  einigen  den 
Feinden  entkommenen  Reitern,  welche  die  Nachricht  von  der  Nähe 
des  Sultans  verbreiteten,  die  Ohren  abschneiden  Hess,  machte  ihre  Nach- 
richten nicht  weniger  glaublich. 

Um  sich  über  die  Nähe  des  Feindes  Gewissheit  zu  verschaffen, 
entsandte  Sigismund  den  Banus  Johann  Marothy'')  mit  einer  Reiter- 
schar auf  grössere  Entfernung.  Dieser  drang  bis  gegen  Trnowa  vor 
und  fand  dort  Bajesid's  ganzes  Heer. 

Mit  dieser  Nachricht  kehrte  er  schleunigst  zurück,  ohne  den  Feind 
anzugreifen,  und  entschuldigte  dies  damit,  dass  er  die  Ehre  des  ersten 
Angriffes  den  Franzosen  überlassen  wollte.  Zugleich  mit  Marothy's 
Nachricht  erlangte  man  am  27.  September  um  die  Mittagszeit  im  un- 
garischen Lager  auch  Kenntniss,  dass  seinen  Reitern  das  türkische 
Heer  auf  dem  Fuss  folge. 

Die  Franzosen  erhielten  diese  Nachricht,  während  sie  bei  Tisch 
sassen;  überraschend  konnte  sie  ihnen  zwar  nicht  kommen;  in  ihrem 
Uebermuthe  wähnten  sie  aber,  der  Sultan  würde  nicht  wagen,  vor  ihnen 
zu  erscheinen.  Die  Gewissheit,  ihn  mit  seinem  grossen  Heere  nun  doch 
vor  sich  zu  haben,  im  Vereine  mit  den  Schmähungen,  welche  ihnen 
die  Bewohner  der  Stadt  von  den  Mauern  aus  zuriefen,  regte  sie  aber 
so  auf,  dass  sie  gleich  aufsitzen  und  dem  Feinde  entgegenreiten  wollten. 
Sie  begnügten  sich  jedoch  damit,  die  1000  Gefangenen,  welche  sie  von 
Rahova  mitschleppten,  niederzumachen. 

Als  Sultan  Bajesid  im  Frühjahre  1396  aus  den  aufgefangenen 
Briefen  Sigismund's  an  Kaiser  Manuel  und  wahrscheinlich  auch  durch 
Herzog  Galeazzo  Visconti  von  Mailand  Kenntniss  von  dem  ihm  drohen- 
den Angriffe  und  von  dem  zahlreichen  Zuzug  von  Kreuzfahrern  nach 
Ofen  erhalten  hatte,  hielt  er  eben  Constantinopel  mit  einem  mächtigen 
Heere  eingeschlossen.  Er  erliess  nun  sogleich  Befehle  zum  Abmärsche 
seiner  asiatischen  Truppen  und  bestimmte  Adrianopel  als  Sammel- 
punkt des  ganzen  Heeres.  Nach  den  langen  Märschen  gönnte  er  seinen 
Truppen  hier  einige  Tage  der  Ruhe,  um  sie  Vorbereitungen  zum  Ueber- 


^^)  Eine  Urkunde  Sigismund's,  ein  Schenkungsbrief  an  Marothy  vom  Jahre  1412, 
erwähnt  ausdrücklich,  dass  dieser  mit  der  Kecognoscierung-  des  Feindes  betraut  wurde, 
während  Schiltberger  sagt,  dass  Mircea  sich  hiezu  angeboten  und  die  Nachricht  ge- 
bracht habe,  dass  Bajesid  mit  20  Bannern,  jedes  zu  20.000  Mann,  bei  Trnowa  stände. 

2* 


—     20     — 

schreiten  des  Balkan  treffen  zu  lassen.  Als  die  Ankunft  der  Asiaten 
bevorstand,  hob  er  die  Belagerung  Constantinopels  auf  und  begab  sich 
selbst  nach  Adrianopel. 

Das  türkische  Heer  dürfte  in  den  ersten  Tagen  des  September 
von  Adrianopel  aufgebrochen  sein,  und  traf  über  Philippopel  nach 
Ueberschreitung  des  Schipkapasses  am  23.  September  in  Trnowa  ein, 
wo  es  von  Marothy  beobachtet  worden  war.  Zugleich  mit  diesem  war 


Umgebung  von  Nikopoli. 


J^usxiurCfciöj 


p 


loTany 


Christliches  Heer. 
A  Lager  der  Ungarn. 
B  Lager  der  Franzosen. 
C  Angriff  der  Franzosen. 

Im    Vorrücken     begriffene 

Schlachtlinie     Sigismund's 

während    der    Flucht    der 

Franzosen. 
D  Rechter    Flügel    unter    Laz- 

koviö. 
E  Centrum  unter  Sigismund. 
F  Linker    Flügel,    Mircea    mit 

den  Walachen. 

Türkisches  Heer. 

G  Leichte  Reiter. 

H  Erstes  Treffen,  Bogen- 
schützen. 

I  Zweites  Treffen,  leichte 
Reiter. 

K  Drittes  Treffen,  Reiter 
unter  dem  Sultan. 

L  Vorrückung  der  Serben. 

M  Lager  der  Türken. 


es  am  27.  unweit  von  Nikopoli  eingetroffen  und  lagerte  ungefähr  fünf- 
viertel Meilen  entfernt  vom  christlichen  Heere. 

Den  Kern  des  osmanischen  Heeres  bildete  schon  zu  Bajesid's 
Zeiten  eine  kleine  Zahl  besoldeter  und  regulärer  Truppen,  die,  erst 
später  vermehrt,  den  Grundstock  des  stehenden  Heeres  der  Pforte 
gaben,  die  Janitscharen  (Jeni-Tscheri,  d.  i.  neue  Truppe).  Ursprünglich 
nur  1000  Mann  stark  und  aus  nationalen  Elementen  bestehend,  wurden 
sie  in  der  Folore  meist  durch  e-efano^ene  und  im  Islam  erzogene  Christen- 
kinder  ergänzt  und  waren  zu  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  schon  auf 
den  Stand  von  10.000  Mann  gebracht.  Diese  Fusstruppe  —  zum  Unter- 
schiede   von    anderen    mit    weissen  Filzkappen    bekleidet    —    war  mit 


Skizze  zur  Schlacht  hei  Nikopoli  am  23.  Septemher  1396. 


Schichtenhöhe 
2oN 


Bo^en,  Säbel  oder  Handscliar.  zum  Theil  aucli  mit  Partisanen  bewaffnet, 
und  im  ersten  Gliede  mit  Brustharnisch  versehen.  Die  Chargen  dieser 
zuerst  für  den  Hofdienst  verwendeten  Truppe  leiteten  ihren  Titel  zu- 
meist aus  dem  Jagdgefolge    und    dem  Küchendienste    des  Sultans  her. 

Eine  zweite  reguläre  und  besoldete  Truppe  waren  die  Sipahi. 
d.  i.  Reiter,  sie  waren  zum  Schutze  der  Fahne  und  zur  Leibwache  des 
Sultans  bestimmt.  Ihre  Zahl  betrug  unter  Bajesid  nicht  mehr  als 
2400  Mann,  ihre  Bewaffnung  bestand  aus  einem  krummen  Säbel,  einer 
langen  Lanze  oder  einem  Panzerstecher.''') 

Die  Masse  des  Heeres  bestand  aus  Lehenstruppen  —  der  Lehens- 
reiterei, mit  grösserem  oder  kleinerem  Grundbesitz  belehnt  —  aus 
ungefähr  80.000  Reitern;  die  Bewaffnung  war  verschieden,  die  Asiaten 
führten  neben  dem  Säbel  vorherrschend  Bogen  und  Wurfspiesse,  die 
Europäer  Lanze  und  Schild,  Die  Piade,  d.  i.  Fussgänger,  auch  Jaja 
genannt,  waren  ursprünglich  Soldtruppen,  erhielten  aber  später  ebenso 
wie  die  Reiter  als  Entschädigung  für  ihre  Dienste  Gründe  zu  Lehen; 
ihnen  oblag  auch  die  Herstellung  der  Strassen,  welche  das  Heer  zieheu 
musste,  ihre  BewaffnUug  bestand  aus  Bogen  und  Seitengewehr;  ihre 
Zahl  —  ursprünglich  nur  10.000  —  dürfte  mit  der  Zeit  auf  14.000 
gestiegen  sein. 

Ganz  irreguläre  Truppen,  weder  besoldet,  noch  belehnt,  mit  ihrer 
Verpflegung  meist  auf  den  Raub  angewiesen,  waren  die  Asab,  d.  i.  die 
Ledigen  oder  Freien,  und  die  Akindschi  oder  Renner;  erstere  zu  Fuss, 
letztere  zu  Pferde,  bildeten  Streifparteien,  die  auf  eigene  Faust  Streif- 
züge unternahmen  oder  dem  Heere  vorauseilten  und  in  der  Schlacht 
sich  auf  den  Flügeln  herumtrieben.  Ihre  Zahl  dürfte  sehr  wechselnd 
gewesen  sein,  manchmal  auch  20.000  überstiegen  haben. 

Endlich  waren  noch  die  Serben  zu  rechnen,  welche  erst  in  der 
Nähe  von  Nikopoli  mit  dem  türkischen  Heere  Fühlung  nahmen;'')  sie 
stellten   unter   ihrem  König  Lazar  eine  Hilfstruppe  von   5000  Reitern 


'^)  Die  meisten  lieiter  hatten  noch  an  der  rechten  Seite  des  Sattels  eine  kleine 
Handpauke  angebracht,  welche  in  der  Schlacht  während  des  Anreitens  mit  der  rechten 
Hand  gerührt  wurde;  erst  im  letzten  Augenblicke  wurde  die  Handwafi'e  zum  Kampfe 
ergriffen.  Solche  Handpauken  wurden  auch  bei  den  Tataren  und  selbst  bei  den  Polen 
bis  zum  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  gebraucht. 

'')  Dass  die  Serben  sich  schon  früher  mit  dem  türkischen  Heere  vereinigt 
hätten,  wird  in  keiner  der  vorhandenen  Quellen  erwähnt;  ihr  plötzliches  Erscheinen 
auf  dem  Schlachtfelde  ist  daher  nur  dadurch  zu  erklären,  dass  sie  den  Anmarsch  de.s 
türkischen  Heeres  auf  ihrem  Zuge  von  Serbien  her  in  der  Nähe  von  Nikopoli  ab- 
warteten, um  im  rechten  Augenblicke  in  den  Kampf  einzugreifen  —  vielleicht  auch 
gegen  die  Türken,  wenn  der  Sieg  den  Ungarn  zugefallen  wäre. 


-     23     — 

bei.  Die  Gesammtstärke  des  türkischen  Heeres  dürfte  demnach  bei 
140.000  Mann  betragen  haben. 

Dem  christlichen  Heere  fehlte  eine  reguläre,  gut  bewaffnete  Fuss- 
truppe  ganz:  in  der  Disciplin  waren  ihnen  die  türkischen  Truppen 
entschieden  überlegen  und  wohl  auch  in  der  Moral,  da  letztere  weder 
Wein  noch  Spiel  kannten.  Das  Ehrgefühl,  die  Triebfeder  der  Tapfer- 
keit bei  der  Ritterschaft,  wurde  durch  den  Fanatismus  und  Fatalismus 
der  Türken  reichlich  ersetzt.'^)  Geschütze  standen  noch  bei  keinem 
der  beiden  Heere  in  Verwendung,  obwohl  sie  schon  1324  die  Eng- 
länder im  Kriege  gegen  die  Franzosen  und  1325  der  maurische  König 
von  Granada  im  Kampfe  gegen  die  spanischen  Christen  brauchten. 

König  Sigismund  begab  sich  am  Morgen  des  28.  September  noch 
vor  Tagesanbruch  in  das  Lager  der  Franzosen  und  bat  von  Neuem 
—  andere  auf  den  Angriff  bezügliche  Verhandlungen  waren  schon 
vorausgegangen  —  den  Ungarn  oder  den  Walachen  den  ersten  An- 
griff zu  überlassen,  ^'^j  da  diese  mit  der  Fechtweise  des  Feindes  ver- 
traut wären,  die  Entscheidung  aber  doch  den  Franzosen  bleiben  würde. 
Der  Admiral  de  Vienne  und  Jean  de  Coucy,  beide  erfahrene  ältere 
Männer,  pflichteten  dem  vollständig  bei.  Marschall  Boucicaut  aber  und 
der  Connetable  lehnten  sich  unter  den  heftigsten  Verdächtigungen  da- 
gegen auf,  so  dass  Sigismund  unverrichteter  Sache  in  sein  Lager 
zurückkehren  musste.  In  Voraussicht,  dass  der  Kampf  unmittelbar 
bevorstehe,  ordnete  der  König  nun  sein  Heer  zur  Schlacht.-") 


1*)  Was  die  Moral  im  türkischen  Heere  anlangt,  so  stand  sie  selbst  in  späterer 
Zeit,  als  bereits  Anzeichen  des  Verfalles  sich  zeigten,  entschieden  höher  wie  in  den 
christlichen  Heeren.  Noch  1554  schreibt  der  Venetianer  Trevisani:  »Die  Türken  haben 
in  ihrem  Heere  drei  Dinge  nicht,  Wein,  Lohndirnen  und  Spiel.  Ausserdem  ist  bei 
ihnen  streng  beobachtete  und  als  Ursache  ihres  Waftenglückes  betrachtete  Sitte,  dass 
sie  niemals  den  Namen  Gottes  lästern  und  stets  ihr  Gebet  verrichten.« 

'^)  Schiltberger  erzählt;  Der  König  habe  Mircea  auf  seine  Bitte  den  ersten 
Angriff  (»das  erst  anryten«)  gestattet;  als  der  Graf  von  Nevers  (»der  herzog  von  bar- 
guni«)  dies  hörte,  wollte  er  das  »Anreiten«  den  Walachen  nicht  gönnen  und  bat,  es 
den  Franzosen  zu  überlassen;  die  Einwendungen  des  Königs  nicht  beachtend,  ritt  er 
dann  eigenmächtig  gegen  den  Feind.  Auch  wird  erzählt,  die  Franzosen  wären  zu  zehn 
bis  zwanzig  auf  das  Schlachtfeld  gezogen  und  hätten  sich  dort  erst  vereinigt,  was 
jedenfalls  auf  sehr  gelockerte  Disciplin  schliessen  Hesse. 

'-")  Aschbach  erzählt:  Der  König  habe  am  Vorabend  der  Schlacht  eine  Ab- 
theilung in  einen  Hinterhalt  gelegt,  der  den  linken  Flügel  des  Feindes  umgehen  und 
ihn  im  Eücken  fassen  sollte;  Bajesid  habe  dies  erkannt  und  den  Ueberfall  vereitelt. 
Weder  ältere  Quellen  sprechen  für  die  Richtigkeit  dieser  Erzählung,  noch  hat  sie  die 
Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Nur  aus  Aschbach's  Geschichtswerk  gieng  diese  Erzählung 
auch  in  andere  Werke  über. 


—     24     — 

Die  Franzosen,  welche  den  Kampf  nicht  erwarten  konnten,  be- 
reiteten sich  auch  zum  Angriffe  vor.  Um  besser  marschieren  zu  können 
—  denn  sie  hatten  die  Gewohnheit,  im  Gefechte  nach  Bedarf  abzu- 
steigen und  ihre  Pferde  hinter  der  Front  durch  ihre  Knechte  halten 
zu  lassen^')  —  schnitten  sie  die  Spitzen  ihrer  schon  oft  bespotteten 
zwei  Fuss  langen  Schnabelschuhe  (Chaussure  ä  la  poulaine)  ab.  Der 
Admiral  de  Vienne,  durch  seine  WafFenthaten  berühmt,  ergriff  die  Fahne 
mit  dem  Bilde  der  heiligen  Jungfrau,  die  ihm  vom  Grafen  von  Nevers 
trotz  seines  hohen  Alters  übergeben  worden  war,  und  hielt  den  um 
ihn  versammelten  Rittern  eine  Anrede,  die  mit  seiner  kurz  vorher  im 
Kriegsrathe  ausgesprochenen  Ansicht  nicht  ganz  im  Einklänge  ge- 
standen zu  haben  scheint.  Für  die  Tapferkeit  der  Ungarn  hatte  er 
nur  Verachtung  und  Hohn,  auf  die  Thaten  seiner  Landsleute  setzte  er 
dagegen  alle  Hoffnung.--)  Ohne  Rücksicht  auf  die  Vorkehrungen  des 
Königs  gab  er  nun  —  es  war  erst  9  Uhr  Morgens  —  das  Zeichen 
zum  Angriff.  Auf  dem  wellenförmigen  Plateau,  südlich  von  Nikopoli. 
kam  es  nun  zur  Schlacht. 

Bajesid  hatte  die  Nacht  in  seinem  Lager,  ungefähr  10  Kilo- 
meter von  Mkopoli,  in  der  Nähe  von  Mersowiza  und  am  Ufer  des 
Osmabaches  zugebracht.  Durch  das  unerwartete  Vorbrechen  der  Fran- 
zosen scheint  er  überrascht  worden  zu  sein,  da  er  sich  nicht  mehr 
Zeit  nahm,  sein  Heer  in  der  bei  den  Türken  sonst  üblichen  Schlacht- 
ordnung zu  entwickeln  und  seine  Treffen  keine  grössere  Breite  wie 
eine  Lieue  (4400  «Meter)  einnahmen. '-3)    Seine  Truppen  scheinen  daher 

-^)  Dass  die  Franzosen  die  Gewohnheit  hatten,  in  der  Schlacht  auch  abzusitzen 
und  zu  Fuss  zu  kämpfen,  bezeugt  ihr  Verhalten  in  den  Schlachten  bei  Cocherel  und 
Auray  1364,  bei  Eoosebeka  1382  und  bei  Agincourt  1415.  Tliuroz  und  die  Annales 
Flandriae  bringen  Berichte  von  Angenzeugen  der  Schlacht,  die  erwähnen,  dass  die 
Franzosen  zu  Fuss  gefochten  hätten,  auch  Bonfinius  bestätigt  es.  Schiltberger,  der 
den  Angriff  der  Franzosen  schwerlich  gesehen  und  ihre  Gewohnheit,  zu  Fuss  zu 
kämpfen,  auch  kaum  gekannt  haben  dürfte,  schreibt:  »sein  Volk«  (des  Grafen  von 
Nevers  Volk)  »war  mehr  den  halb  von  den  Pferden  gekommen,«  was  wohl  auch 
dafür  spricht. 

--)  Froissart  bringt  die  Rede  des  Grafen  von  Nevers  vollinhaltlich,  er  sagt: 
>Der  Kampf,  den  wir  missbilligt  haben,  steht  vor  uns.  Nicht  dem  Gefühle  der  Furcht 
weichen  wir,  im  Gegentheil  rechnen  wir  mit  Zuversicht  auf  Erfolg.  Die  Hilfe  der 
Ungarn  verschmähen  wir,  sie  ist  ohnedies  werthlos;  fechten  wir  die  Schlacht  allein 
aus  und  setzen  wir  unsere  Hoffnung  in  den,  der  jene  nie  täuscht,  welche  auf  ihn  die 
Hoffnung  des  Sieges  setzen.  Möge  es  ihm  gefallen,  uns  zur  Ehre  des  christlichen 
Glaubens  den  Sieg  zu  schenken!« 

^3)  Froissart  gibt  diese  Breite  der  Schlachtlinie  an,  es  stimmt  dies  annähernd 
mit  der  Terrainbeschatfenheit  und  mit  der  Stärke  der  nach  und  nach  in  das  Gefecht 
eingetretenen  Abtheilungen  der  Türken  überein. 


—     25     - 

auch  in  der  Reihenfolge,  in  welcher  sie  im  Lager  standen,  nach  und 
nach  in  das  Gefecht  verwickelt  worden  zu  sein. 

Was  die  Schlachtordnung  beim  christlichen  Heere  betrifft,  so  kann 
von  einer  solchen  kaum  die  Rede  sein.  König  Sigismund  unterhandelte, 
wie  bereits  erwähnt,  bis  zum  letzten  Augenblicke  mit  den  P^ranzosen 
darüber,  ohne  zu  einem  Resultat  zu  kommen,  und  als  sie  schliesslich 
mit  den  Eng-ländern,  welche  sich  ihnen  anschlössen,  losbrachen,  wurden 
sie  durch  einen  grösseren  Abstand  von  den  anderen  Abtheilungen  des 
Heeres  getrennt.  Da  ein  grosser  Theil  der  Ungarn  nach  der  Nieder- 
lage der  Franzosen  flüchtete,  scheint  sich  der  Rest  derselben  mit  den 
Deutschen  zusammen  nur  in  ein  Treffen  formiert  zu  haben. 

Die  Franzosen  trafen  zuerst  auf  leichte  Reiterei,  gegen  8000  Mann, 
die  nach  kurzem  Widerstand  die  Front  räumte.  Hinter  derselben 
hatte  sich  eine  Linie  von  ungefähr  20.000  Bogenschützen  formiert, 
welche  sich  durch  in  die  Erde  gesteckte,  in  der  Höhe  des  Pferde- 
bauches zugespitzte  Pfähle  zu  schützen  suchte.  Die  Franzosen,  durch 
die  Rüstung  gegen  die  Pfeile  geschützt,  sassen  nun  ab,  durchbrachen 
trotz  grosser  Verluste  die  Pfahle  vmd  schritten  zum  Handgemenge;  die 
Türken  hielten  sich  so  dicht  zusammen,  dass  es  äusserst  schwierig 
war,  einzudringen,  doch  siegte  schliesslich  die  überlegene  Tapferkeit 
und  die  bessere  Rüstung  der  Franzosen  über  die  ohne  Schutzwaffen 
kämpfenden  Türken.  Nach  bedeutendem  Verluste  wichen  letztere  hinter 
die  Reiterei  zurück,  welche  —  wie  es  heisst  in  Bogenschussweite  — 
ein  zweites  Treffen  bildete. 

Die  Franzosen  sahen  sich  nun  wohl  einer  überwältigenden  Ueber- 
zahl  gegenüber:  nur  ein  schneller  Entschluss  konnte  ihnen  Erfolg  ver- 
sprechen; ohne  ängstlich  auf  Ordnung  und  Geschlossenheit  zu  sehen, 
suchten  sie  zu  Fuss  —  wie  sie  waren  —  durch  einen  plötzlichen 
raschen  Angriff  in  den  Feind  einzudringen,  bevor  dieser  Zeit  fand,  sie 
zu  umklammern.  Die  überraschten,  durch  die  Niederlage  des  ersten 
Treffens  verblüfften  Reiter,  die  durch  die  zurückweichenden  Fuss- 
truppen  wohl  auch  in  Unordnung  gekommen  waren,  wurden  in  ihren 
ersten  Reihen  niedergeworfen,  und  leisteten  in  Folge  dessen  nur  ge- 
rino'en  Widerstand,  so  dass  auch  dieser  Haufe  nach  bedeutendem  Ver- 
luste  das  Weite  suchte. 

Es  war  sonst  Sitte  bei  den  Franzosen,  bei  Verfolgung  des  Feindes 
wieder  zu  Pferde  zu  steigen,  aber  durch  ihr  rasches  Vordringen  zu 
weit  von  ihren  Pferden  getrennt  und  von  dem  Erfolge  berauscht,  über- 
liessen  sie  sich,  trotz  aller  Warnungen  ihrer  Führer  und  ohne  Rück- 
sicht   auf   die    bereits    erlittenen  Verluste,    der  rücksichtslosesten  Ver- 


-     26     — 

folgung.  Auf  der  kleinen  Erhebung  südöstlicli  von  Vubla  angekommen, 
die  ihnen  die  Aussicht  bisher  benommen  hatte,  sahen  sie  zu  ihrem  Ent- 
setzen abermals  eine  zahlreiche  Reitermasse  vor  sich  ausgebreitet,  die 
sich  bald  gegen  sie  in  Bewegung  setzte. 

Bajesid  hatte  schon  geschwankt,  als  er  die  Niederlage  seiner 
vorderen  Treffen  wahrnahm,  und  war  fast  schon  entschlossen,  den 
Rückzug  anzutreten,  er  besann  sich  nun  eines  Besseren.-^)  Der  Schrecken 
hatte  sich  nun  der  Franzosen,  die  von  ihren  Pferden  schon  zu  weit 
entfernt  waren,  um  sie  noch  erreichen  zu  können,  in  dem  Masse  be- 
mächtigt, dass  sie  trotz  der  Befehle  ihrer  Führer  sich  unfähig  zeigten, 
die  Schlachtordnung  wieder  herzustellen.  Dem  tollsten  Uebermuthe 
folgte  die  vollste  Entmuthigung,  einem  augenblicklichen  Stillstand  die 
allgemeine  Flucht;  doch  hatten  Bajesid's  Reitermassen  die  Fliehenden 
bald  eingeholt  und  überholt,  und  ihnen  den  Rückweg  verlegt.  Der 
Admiral  de  Vienne,  der  auch  schon  eine  rückgängige  Bewegung  ge- 
macht hatte,  kehrte,  der  Ehre  eingedenk,  wieder  um,  indem  er  seiner 
Umgebung  zurief:  »Gott  sei  dafür,  dass  wir  unser  Leben  auf  Kosten 
unserer  Ehre  erkaufen  sollten,  hier  heisst  es  Vertheidigung  wagen  oder 
auf  dem  Bett  der  Ehre  sterben.«  Sechsmal  hatte  er  das  Banner,  das 
er  trug,  von  Neuem  erhoben,  nachdem  es  gesunken  war,  endlich  fiel 
auch  er,  an  seiner  Seite  sein  Sohn,  dann  Phihpp  de  Bar,  Wilhelm 
de  la  Tremouille  und  viele  Andere. 

Bajesid  befahl,  Alles  zu  tödten,  was  sich  nicht  gefangen  gab. 

Die  Franzosen  mögen  Wunder  der  Tapferkeit  verrichtet  haben  i 
die  feindlichen  Treffen  zu  durchdringen,  war  ihnen  wohl  gelungen,  den 
Feind  vom  Schlachtfelde  zu  vertreiben,  gestattete  ihnen  aber  schon 
ihre  Zahl  nicht,  und  Sigismund  war  noch  zu  weit  zurück,  um  die  von 
ihnen  errungenen  Erfolge  ausbeuten  und  festhalten  zu  können.  Die 
berittenen  Pferdewärter  sahen  die  Vernichtung  ihrer  Herren,  waren 
aber  von  ihnen  abgeschnitten;  sie  Hessen  die  Handpferde  im  Stich  und 
flohen,  um  sich  zu  retten.  Die  fliehenden  Reiter  und  die  herrenlosen 
Pferde  trugen  den  Schrecken  in  die  Reihen  der  Ungarn,  die  zur  Unter- 
stützung der  Franzosen  im  Vorrücken  begriffen  waren.  Ein  Theil  der 
Ungarn  unter  ihrem  treulosen,    dem  König  feindlich  gesinnten  Führer 


-*)  Die  Erzählung :  »Der  Führer  des  gegnerischen  Heeres  habe  schon  geschwankt 
und  war  nahe  daran,  den  Kampf  aufzugeben,«  wiederholt  sich  bei  allen  grösseren 
Schlachten,  welche  einen  für  die  Ungarn  ungünstigen  Ausgang  nahmen,  hier  sowie 
bei  Varna,  auf  dem  Amselfelde  und  bei  Mohäcz.  Es  mag  ein  schwacher  Trost  für 
den  Verlustträger  sein,  zu  sagen:  »Fast  hätten  wir  gesiegt.«  Zu  viel  Glauben  ist  daher 
diesen  Erzählungen  nicht  beizumessen. 


-     27     — 

Stephan  Laczkovich  am  rechten  und  die  Walachen  am  linken  Flügel 
unter  ihrem  unverlässlichen  Woywoden  ■ —  vielleicht  auch  ein  Vorder- 
treifen  bildend  —  ergriffen  die  Flucht. 

Sigismund  drang  trotzdem  mit  dem  jedenfalls  noch  beträchtlichen 
Reste  der  Ungarn  —  da  sich  der  Erzbischof  von  Gran  und  sein  Bruder 
Stephan  Kanizsay,  die  beiden  Rozgony,  Forgacs  und  der  Banus  Ma- 
rothy  dabei  fanden,  kann  nur  ein  kleinerer  Theil  geflohen  sein  —  im 
Vereine  mit  dem  Grafen  von  Cilli,  den  deutschen,  polnischen  und 
anderen  Kreuzfahrern  in  einem  Treffen  formiert,  vor.  Er  traf  zunächst 
auf  Fusstruppen,  die  gesammelt  wieder  im  Voi'gehen  gegen  ihn  be- 
griffen waren;  es  war  dies  ohne  Zweifel  der  Rest  des  ersten  Treffens 
der  Türken,  das  von  den  wenig  zahlreichen  Franzosen  wohl  durch- 
brochen, aber  nicht  vom  Schlachtfelde  vertrieben  war,  und  sich  hinter 
dem  Rücken  derselben  wieder  gesammelt  hatte. 

Darüber  hinweg  gieng  es  gegen  einen  Reiterhaufen,  der  sich  dem 
König  entgegen  warf.  Der  Kampf  gegen  die  überlegene  Zahl  —  es 
stand  wohl  dem  König  die  ganze  nach  dem  Niederwerfen  der  Fran- 
zosen verfügbare  türkische  Reiterei  gegenüber  —  blieb  lange  unent- 
schieden, bis  der  Despot  von  Serbien  mit  5000  Reitern  unerwartet  auf 
dem  Schlachtfelde  erschien,  sich  auf  den  rechten  Flügel  der  Ungarn 
warf,  und  den  Sieg  zu  Gunsten  der  Türken  entschied. 

Sigismund  selbst  ergriff  erst,  nachdem  er  sein  Banner  hatte  fallen 
sehen,  die  Flucht.  Er  wurde  vom  Grafen  von  Cilli  und  dem  Burg- 
«jrafen  von  Nürnbero^  auf  eine  Galeere  gebracht,  auf  welcher  auch  der 
Grossmeister  der  Johanniter,  Philipp  von  Neillak,  Nikolaus  und  Johann 
von  Gara,  der  Graner  Erzbischof  und  sein  Bruder  nebst  Anderen  Auf- 
nahme fanden.  Als  sie  stromabwärts  fuhren,  sandten  ihnen  die  Türken 
noch  Pfeile  nach,  schnell  trug  sie  aber  der  Strom  hinweg  vom  Orte 
des  Schreckens  und  der  Gefahr;  mit  Mühe  erreichten  sie  die  venetia- 
nische  Flotte  im  Schwarzen  Meere. 

Sigismund's  Truppen  ergieng  es  nun  ebenso  wie  den  Franzosen, 
was  nicht  umkam,  musste  sich  gefangen  geben ;  ein  geringer  Theil  floh 
zur  Donau,  wo  ihrer  ebenfalls  der  Tod  wartete.  Viele  stürzten  sich  in 
den  Strom,  um  ein  Schiff"  zu  erreichen,  und  kamen  dabei  um,  oft  unter 
den  traurigsten  Verhältnissen,  da  die  Schiffe  —  zumeist  beladene 
Proviantschiffe  —  bald  überfüllt  waren  und  untersanken.  Vielen  wurden, 
indem  sie  sich  mit  der  Hoffnung  auf  Rettung  am  Bord  anklammerten, 
die  Hände  abgehauen.  Was  am  anderen  Ufer  der  Donau  ankam,  wurde 
von  den  Walachen  beraubt,  oder  kam  auf  dem  Heimwege  durch  Hunger 
und  Elend  um.     Der  Pfalzgraf  Ruprecht   gelangte    krank    und  in  der 


—     28     — 

Kleidung  eines  Bettlers  in  die  Heimat,  wo  er  wenige  Tage  darauf  starb: 
von  den  siebzehn  Strassburgern,  die  ausgezogen  waren,  kamen  nur 
zwei,  von  deu  Nürnbergern  und  Bayern  auch  nur  wenige  zurück. 

Der  Verlust  des  christlichen  Heeres  an  Todten  in  der  Schlacht 
wird  auf  12.000  angegeben,  darunter  auch  Dionys  Marothy,  Ladislaus 
Semsey,  Rozgony  und  Johann  Käpolyi.  Tausende  von  Gefangenen  und 
die  völlige  Zerstreuung  des  christlichen  Heeres  bezeugten  den  Türken, 
dass  sie  gesiegt  hatten;  jedenfalls  aber  war  der  Sieg  theuer  erkauft, 
denn  die  Zahl  ihrer  Todten  wird  mit  30.000  bis  40.000  Mann  angegeben. 
Als  Bajesid  von  Nikopoli  über  das  Schlachtfeld  zurückkehrte  und  die 
Menge  der  Erschlagenen  seines  Heeres  sah,  weinte  er  Thränen  der 
Wuth  und  schwur,  dies  an  den  G-efangenen  zu  rächen.  Am  folgenden 
Morgen  liess  er  dieselben  —  bei  10.000  —  vor  sich  führen  und  befahl, 
sie  zu  todten.  Den  Grafen  von  Nevers  nahm  er  gegen  das  Ver- 
sprechen, nicht  mehr  gegen  ihn  zu  kämpfen,  aus,  und  gestattete  ihm 
unter  den  Rittern  noch  24  auszuwählen,  die  er  am  Leben  liess.  um 
ein  Lösegeld  von  ihnen  zu  erpressen. 

Unter  den  Auserwählten  befanden  sich  die  vornehmsten  Franzo.'sen 
und  Burgunder,  dann  zwei  Bayern.  Der  Pikarde  de  Helly,  welcher 
unter  Bajesid's  Vater  gedient  hatte  und  erkannt  wurde,  ebenso  Jacques 
du  Fay,  der  sich  früher  bei  den  Tataren  aufgehalten  hatte,  erhielt  das 
Leben  geschenkt.  Für  den  Knappen  Schiltberger  verwendete  sich  seiner 
Jugend  halber  des  Sultans  Sohn  (er  selbst  sagt:  »da  man  Niemanden 
todten  wollte  vor  zwanzig  Jahren«  und  er  war  erst  sechzehn  Jahre 
alt).  Des  Knappen  Herr,  Linhart  Richhartinger,  nebst  den  von  ihm  be- 
nannten Bayerp  Werrnherr  Penzenauer  und  Ulrich  Kuchler  Hei  in  der 
Schlacht.  Im  Ganzen  soll  die  Zahl  der  nach  der  Schlacht  Erschlagenen 
über  3000  betragen  haben.'-')  Auf  Bitten  seiner  Umgebung  liess  Bajesid 
am  späten  Nachmittag  dem  Morden  Einhalt  thun,  und  überliess  die 
Gefangenen  nach  Vorwegnahme  seines  Antheiles  ihren  Besitzern. 

Der  Graf  von  Nevers  mit  seinen  Auserwählten  wurde  über 
Adrianopel  nach  Gallipoli,  später  nach  Brusa,  und  endhch  nach  Boli 
gebracht,  wo  sie  noch  längere  Zeit  auf  ihre  Befreiung  warten  mussten. 
Die  Könige  Karl  VI.  von  Frankreich  und  Lusignan  von  Cypern 
schickten  vergeblich  reiche  Geschenke  an  den  Sultan,  um  ihre  Frei- 
heit zu  erlangen;  Bajesid  sandte  endlich  Jacques  de  Helly  nach  Frank- 
reich und  forderte  200.000  Ducaten,  von  welchen  grossmüthig  auch 
Sigismund  einen  Theil  übernahm.  Die  Freilassung  erfolgte  erst  im 
Juni  1397;  Bajesid  entband  den  Grafen  von  Nevers  von  dem  Schwüre; 

-=)  Schiltberger  gibt,  wohl  übertrieben,  10.000  an. 


—     29     — 

die  Waffen  nicht  mehr  gegen  ihn  zu  führen,  und  forderte  ihn  auf,  die 
Macht  der  ganzen  Christenheit  gegen  die  Osmanen  aufzubieten,  um 
Gelegenheit  zu  noch  grösserem  Ruhme  zu  erwerben.  Von  den  Fran- 
zosen starb  de  Coucy  während  der  Gefangenschaft,  der  Graf  d'Eu, 
Henry  de  Bar  und  Guy  de  la  Tremouille  auf  dem  Rückwege. 

Nach  dem  Siege  drohte  Bajesid,  er  werde  Ofen  erobern,  Deutsch- 
land und  Italien  unterwerfen  und  sein  Pferd  auf  dem  Altare  des 
heiligen  Petrus  füttern.  In  seinem  Munde  waren  diese  Drohungen  keine 
leeren  Worte.  Die  späte  Jahreszeit,  wohl  auch  der  Mangel  an  Fahr- 
zeugen dürften  ihn  abgehalten  haben,  gleich  mit  seinem  ganzen  Heere 
die  Donau  zu  übersetzen,  über  die  Walachei  nach  Ungarn  einzudringen 
und  seinen  Sieg  durch  die  gänzliche  Vernichtung  seiner  Feinde  zu 
vervollständigen;  bis  Ofen  dürfte  er  wenig  Widerstand  gefunden  haben. 

Drei  Tage  blieb  Bajesid  am  Schlachtfelde,  um  seinem  vom  Kampfe 
erschöpften  Heere  Ruhe  und  Erholung  zu  gönnen.  An  den  Sultan  von 
Aegypten  sowie  an  die  asiatischen  Fürsten  wurden  Botschafter  mit 
Siegesberichten  versendet,  und  zur  Beglaubigung  erbeutete  Sclaven  als 
Geschenke  beigegeben.  Bajesid  selbst  kehrte  nach  Adrianopel  zurück 
und  setzte  die  durch  den  Feldzug  unterbrochene  Bedrängung  Con- 
stantinopels  fort. 

Zahlreiche  türkische  Horden  giengen  am  rechten  Donauufer  auf- 
wärts und  übersetzten,  von  Latkovich  gerufen,  die  Save  bei  St.  De- 
meter (Mitrowitz):  durch  Verrath  des  Befehlshabers.  Matko  von  Szent- 
Marton,  der  sogar  zum  Islam  übergieng,  wurde  die  Stadt  eingenommen 
und  zerstört.  Nun  durchzogen  türkische  Horden  das  Land  zwischen 
der  Save  und  Drau,  alles  niederbrennend,  verheerend  und  mit  sich 
fortschleppend,  was  zu  erbeuten  war.  Syrmien  wurde  ganz  verwüstet, 
die  Städte  so  verheert  und  entvölkert,  dass  noch  viele  Jahre  später 
keine  Spur  mehr  von  ihnen  zu  finden  war.  Die  Raubzüge  erstreckten 
sich  auch  über  die  Donau  bis  in  die  Nähe  von  Ofen,  und  drau- 
aufwärts  bis  Steiermark.  Die  Stadt  Pettau,  die  eines  solchen  Angriffes 
nicht  gewärtig  war,  wurde  erstürmt,  geplündert  und  niedergebrannt. 
Aus  der  Stadt  und  ihrer  Umgebung  sollen  16.000  Gefangene,  Männer. 
Weiber  und  Kinder,  mit  all  ihrem  Hab  und  Gut  fortgeschleppt  worden 
sein.  Das  Erscheinen  der  türkischen  Raubscharen  war  ein  so  rasches 
und  unerwartetes,  dass  sich  die  Bewohner  der  Überfallenen  Ortschaften 
und  Städte  zur  Abwehr  nicht  mehr  zu  rüsten  vermochten.  Erst  der 
Winter  konnte  den  Raubzügen  Einhalt  thun,  und  den  rasch  zusammen- 
gezogenen Truppen  unter  dem  Banus  Peter  Marothy  gelang  es,  eine 
im  Rückzüge  besrriffene  türkische  Horde  bei  Posega    zu    schlagen,    sie 


—     30     — 

über  die  Save  zurückzutreiben  und  ihnen  einen  Theil  ihrer  Beute  ab- 
zunehmen."-'') 

Auch  in  die  Walachei  fiel  eine  türkische  Heeresabtheilung  unter 
Ewrenosbeg  ein,  um  den  Abfall  Mircea's  zu  rächen.  Mircea  zog  sich 
aber  in  das  Gebirge  zurück;  die  Verheerung  des  P^'lachlandes  konnte 
er  zwar  nicht  verhindern,  doch  gelang  es  ihm  wiederholt,  einzelne 
Heerhaufen,  die  sich  zu  weit  vorwagten,  aufzureiben  und  selbst  Ewrenos- 
beg so  in  die  Enge  zu  treiben,  dass  er  sich  mit  den  Trümmern  seines 
Heeres  in  ein  verschanztes  Lager  retten  und  dann  schnell  über  die 
Donau  zurückziehen  musste. 


-^)  Schiltberger,  der  einzige,  welcher  wohl  aus  dem  Munde  von  Gefangenen 
die  Nachricht  vom  Zuge  der  Türken  bis  Steiermark  bringt,  sagt:  ».  .  .  un  für  über 
das  wasser  das  da  ist  genannt  Sau,  bey  einer  Stat  genannt  Mitrocz,  und  trüb  ein 
ganz  Land  auf  und  zoch  darnach  in  das  herzöge  land  von  Pettaw  und  führt  mit  jm 
auss  dem  selben  land  sechszehen  tauset  mann  mit  weihen  und  mit  kinde  und  mit 
allem  jrem  gut,  und  gewan  die  obgenannte  stat  und  prennet  sy  auss  und  das  volk 
fürt  er  mit  jm  hindan  eine  teyl  liess  er  in  krichenland.«  Dass  türkische  Quellen  den 
Zug  bis  Steiermark  nicht  erwähnen,  ist  begreiflich,  da  die  wilden  Horden,  welche  die 
ungarische  Grenze  überschritten  hatten,  dies  wohl  selbst  kaum  gewusst  haben  dürften. 


Zweites  Capitel. 


König  Sigismund  kehrt  zurück.  —  Kämpfe  in  Bosnien.  —  Sigismund  zum  deutschen 
König  gewählt.  —  Wiederholte  Einfälle  der  Türken  in  die  Nachbarländer.  —  Zug  der 
Ungarn  in  die  Walachei.  —  Besitznahme  der  serbischen  Grenzfestungen  durch  Un- 
garn. —  Golubaz  vergeblich  belagert.  —  Verlust  der  Grenzfestungen  bis  auf  Belgrad. — 
Einfall  der  Türken  und  Walachen  in  Siebenbürgen. '—  Murad  I.  bedrängt  Serbien.  — 
Semendria  durch  Ungarn  entsetzt.  —  Sigismund  stirbt.  —  1396  bis  1438. 

Als  König  Sigismund  nach  der  Schlacht  bei  Nikopoli  seine  Person 
in  Sicherheit  sah,  ernannte  er  für  Ungarn  einen  Palatin.  Unter  dem  Vor- 
wande.  mit  Kaiser  Manuel  ein  Bündniss  schliessen  zu  wollen,  fuhr  er 
über  Constantinopel  und  Rhodus  nach  Dalmatien,  wo  er  am  21.  De- 
cember  1396  in  Ragusa  landete. 

Des  Königs  Abwesenheit  benützten  in  Ungarn  die  Unzufriedenen 
—  Stephan  Laczkovich  an  der  Spitze  —  um  gegen  ihn  Ränke  zu 
schmieden.  Die  Nachricht  von  Sigismund's  Tod  hatte  sich  verbreitet- 
hätte  er  selben  in  der  Schlacht  gefunden,  so  wäre  die  Neubesetzung 
des  Thrones  dringend  nothwendig  gewesen,  hat  er  aber  ohne  Noth  das 
Land  in  äusserster  Gefahr  verlassen,  so  verdiene  er  nicht  mehr,  König 
zu  sein.  Laczkovich  berief  nun  offen  den  König  Ladislaus  von  Neapel 
auf  den  ungarischen  Thron  und  hoffte,  ihm  denselben  mit  Hilfe  des 
Sultans  zu  verschaffen,  indem  er  für  ihn  um  Bajesid's  Tochter  warb. 
Sigismund's  Ankunft  vereitelte  wohl  diesen  Anschlag,  doch  hatte  er 
nicht  die  Macht,  seine  Gegner  mit  voller  Strenge  zu  bestrafen;  er 
musste  sich  durch  Gnadenbezeugungen  seine  Anhänger  erhalten  und 
neue  zu  erwerben  suchen. 

Um  die  Gerüchte  von  seinem  Ableben  zu  widerlegen,  bereiste 
Sigismund  sein  Land  und  berief  für  September  1397  einen  Reichstag 
nach  Temesvar,  auf  dem  auch  über  die  Mittel  zur  Vertheidigung  des 
Reiches  gegen  die  Türken  berathen  wurde.  Die  Wichtigkeit  dieser  An- 
gelegenheit wohl  erkennend,    nahmen    die  Stände   doch  vor  Allem  die 


-     32     — 

Abhilfe  ihrer  vielfältigen  Beschwerden  in  Verhandlung,  denen  Sigis- 
mund.  nicht  ohne  dadurch  sein  Ansehen  zu  schwächen,  auch  entsprach. 
Hinsichtlich  der  Landesvertheidigung  wurde  beschlossen:  »So  oft  ein 
auswärtiger  Feind  das  Land  angreift  und  der  an  der  Grenze  befeh- 
lende Reichsbaron  ihn  nicht  zurückzuschlagen  vermag,  haben  sämrat- 
Hche  Magnaten,  ob  unter  dem  König  selbst  oder  unter  dem  Palatin,  ins 
Feld  zu  rücken;  unter  welchen  Bedingungen  dieser  Dienst  durch  Geld 
•abgelöst  werden  könne;  ferner  sind  die  Magnaten  gehalten,  für  jeden 
zwanzigsten  ihrer  Unterthanen  einen  Bewaffneten  auf  eigene  Kosten 
auszurüsten  und  in  das  Feld  zu  stellen.« ')  Endlich  wurden  Verfüefuniren 
über  die  Besteuerung  der  Kirchengüter  und  die  Eintreibung  der  Steuern 
für  Kriegszwecke  getroffen.  Für  die  Vertheidigung  des  Landes  war 
dadurch  wohl  einigermassen  gesorgt,  offensive  Unternehmungen  aber 
nicht  nur  eingeschränkt,  sondern  nahezu  unmöglich  gemacht.  Uner- 
wartete Ereignisse  traten  indessen  ein,  die  Ungarn  eine  Reihe  von 
Jahren  der  Ruhe  und  Sammlung  gewährten,  welche  —  gut  ausgenützt 
—  auch  Gelegenheit  geboten  hätten,  das  Ansehen  und  die  Macht  des 
Staates  neu  zu  kräftigen. 

Bajesid,  von  dem  man  erwartete,  er  werde  seine  Herrschaft  dem- 
nächst in  Europa  ausbreiten,  beschränkte  sich  auf  die  Bedrängung 
Constantinopels  und  die  Erweiterung  seines  Reiches  in  Asien.  Die 
Führung  seiner  Kriege  überliess  er  seinen  Feldherren,  während  er  sich 
von  allen  Regierungsgeschäften  nach  Brusa  zurückzog,  bis  er  durch 
das  Erscheinen  Timur's  (»Timur  lenk«,  d.  i.  der  lahme  Timur,  in 
Europa  meist  als  »Tamerlan«  bekannt)  aus  seiner  Ruhe  gestört  wurde. 
Timur  —  von  dem  Gedanken  beseelt:  dass,  wie  nur  Ein  Gott 
im  Himmel,  auch  nur  Ein  Herrscher  auf  Erden  sein  dürfe  —  war 
nicht  zufrieden,  das  srrosse  mongolische  Reich  neu  zu  gründen,  er 
wollte  die  Herrschaft  über  die  ganze  Welt  erringen.  Ein  Zusammen- 
stoss  mit  Bajesid,  dem  mächtigsten  Herrscher  in  Asien  nach  ihm.  war 
nicht  zu  vermeiden,  und  ein  Grund  dazu  auch  bald  gefunden.  Am 
20.  Juli  1402  standen  sich  beide  Herrscher  mit  ihren  Heeren  in  der 
Nähe  von  Angora  gegenüber.  Die  Schlacht  endete  mit  der  gänzlichen 
Niederlage    der    Osmanen    und    mit    der    Gefangennahme    Bajesid's.-) 

')  Das  ungarische  Wort  »husz«  bedeutet  »zwanzig-«.  Von  der  Stellung  des 
zwanzigsten  Mannes  zum  Kriegsdienste  erhielt  auch  die  ungarische  Keiterei  den  Namen 
»Huszar«. 

2)  Timur,  1333  als  Sohn  eines  mongolischen  Stammhäuptlings  geboren,  wuchs, 
seines  Erbes  beraubt,  in  Noth  und  Entbehrung  auf  und  musste  in  der  Jugend  ein 
Nomaden-  und  Eäuberleben  führen.  Durch  Klugheit  und  Muth  gelang  es  ihm,  sein 
Erbe  wieder  zu  erlangen,    sein  Land    von    den  Turkmenen    zu  befreien,    und   endlich 


—     HS     — 

Während  Timur  noch  einen  Krieg  mit  Persien  führte  und  in  seine 
Residenz  Samarkand  zurückkehrte,  überschwemmten  die  Tataren  Klein- 
asien; wohl  nur  der  Mangel  an  Schiffen  dürfte  sie  vom  Uebergang 
nach  Europa  abgehalten  haben.  1403  starb  Bajesid  in  der  Gefangen- 
schaft, und  bald  darauf.  1405,  auch  Timur,  als  er  sich  eben  zur  Er- 
oberung von  China  rüstete.  In  Folge  von  inneren  Unruhen  zerhel  auch 
bald  nachher  sein  grosses  Reich. 

Bajesid's  Söhne.  Suleiman,  Isa,  Musa  und  Mohammed,  stritten 
sich  nun  um  die  Herrschaft,  bis  es  dem  Letzteren  gelang,  sich  im 
Jahre  1406  mit  Hilfe  der  Serben  und  des  byzantinischen  Kaisers  Manuel 
in  den  Alleinbesitz  des  ganzen  osmanischen  Reiches  zu  setzen. 

Nachdem  Sigismund  sich  bestrebt  hatte,  in  Bosnien,  wo  die  könig- 
liche Macht  fast  nur  dem  Namen  nach  anerkannt  wurde,  das  Ansehen 
Ungarns  wieder  zur  Geltung  zu  bringen,  was  ihm  nur  sehr  unvoll- 
ständig gelang,  begab  er  sich  1398  nach  Polen,  um  durch  Friedens- 
verhandlungen sich  gegen  die  Ansprüche  der  Königin  Hedwig  sicher- 
zustellen, und  dann  nach  Böhmen,  um  den  Versuch  zu  machen,  von 
seinem  Bruder  Wenzel  die  Verwaltung  dieses  Landes,  vielleicht  auch, 
da  ihn  die  Mehrzahl  der  deutschen  Kurfürsten  abgesetzt  hatte,  die 
Regierung  Deutschlands  in  seine  Hände  zu  bringen.  Indessen  brach  in 
Ungarn  eine  Verschwörung  aus;  durch  dieselbe  vollkommen  überrascht, 
wurde  Sigismund  nach  seiner  Rückkehr  im  April  1401  zu  Ofen  durch 

sich  der  Herrschaft  desselben  zu  bemächtigen.  Mit  dem  Erfolge  wuchs  sein  Ehrgeiz, 
in  kurzer  Zeit  gelang  es  ihm,  sich  zum  Herrscher  eines  Weltreiches  zu  erheben,  das 
sich  fast  über  ganz  Asien  erstreckte.  Auch  das  osmanische  Reich  wurde  angegriffen, 
und  Timur  Hess  einen  Sohn  Bajesid's,  der  bei  Siwas  in  seine  Hände  fiel,  hinrichten. 
Durch  sein  bisheriges  Kriegsglück  übermüthig  gemacht,  zog  Bajesid  mit  120.000  Mann 
darunter  lO.OOO  Serben  und  18.000  Tataren,  dem  sechsfach  überlegenen  Gegner  ent- 
gegen. Am  20.  Juli  1402  standen  sich  die  beiden  Heere  —  gegen  eine  Million 
Menschen  —  unter  Bajesid's  (des  Blitzstrahles)  und  Timur's  (Eisen)  Führung  gegen- 
über. Timur's  Heer  fehlte  es  —  obwohl  aus  den  verschiedensten  Völkern  zusammen- 
gesetzt —  nicht  an  einer  einheitlichen  Organisation,  wenn  es  —  wie  Hammer  sagt  — 
auch  fraglich  ist,  dass  er  die  ersten  Kürassierregimenter  hatte  (»dschiba«  ist  nicht 
»gerüsteter  Reiter<,  sondern  jede  .Art  Rüstung).  Vom  Morgen  bis  zum  Abend  währte 
nun  die  Schlacht  bei  Angora.  Die  europäischen  Truppen  verrichteten  Wunder  der 
Tapferkeit,  die  Truppen  Aidin's  aber,  in  den  Reihen  der  Feinde  ihre  vertriebenen 
Fürsten  erkennend,  giengen  zu  Timur  über,  ihrem  Beispiele  folgten  bald  die  Tataren 
und  andere  Asiaten.  Die  Schlacht  war  für  Bajesid  verloren.  Der  Sultan  selbst  hielt 
sich  noch  mit  10.000  Janitscharen  in  Mitte  des  Schlachtfeldes,  bis  sie  dem  Schwerte 
des  Feindes  erlagen  oder  vom  Durste  gequält  zusammenstürzten.  Bei  Eintritt  der 
Nacht  suchte  Bajesid  zu  entfliehen,  sein  Pferd  aber  stürzte  und  er  wurde  gefangen. 
Die  Serben  deckten  nach  tapferer  Gegenwehr  am  linken  Flügel  den  Rückzug  Snlei- 
man's,  des  Sultans  ältesten  Sohnes. 

Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  O.-manen.  2.  Aufl.  3 


—     34     — 

die  Reiclisgrossen  zum  Gefaüf2:eneii  gemacht  und  zuerst  nach  Wissegrad, 
später  unter  Garai's  Einfluss  nach  Sziklös  gebracht;  nur  dass  man  sich 
nicht  einigen  konnte,  wer  an  seine  Stelle  treten  sollte,  erleichterte 
seinem  Anhange,  ihm  gegen  Erlassung  einer  Amnestie  Freiheit  und 
Thron  wieder  zu  verschaffen. 

Neuerdings  verliess  Sigismund  1402  Ungarn  und  kehrte  im  Sep- 
tember nur  zurück,  um  die  Stände  zu  bewegen,  einen  Erbvertrag  mit 
Oesterreich  für  den  Fall  seines  Ablebens  ohne  männhche  Erben  ein- 
zugehen. Die  Vernachlässigung  der  Interessen  Ungarns  ermuthigte 
seine  Gegner  und  entfremdete  ihm  seine  Anhänger.  Ladislaus  von 
Neapel  machte  abermals  den  Versuch,  in  Ungarn  einzudringen,  er 
wurde  zwar  von  Sigismund  zurückgewiesen,  behielt  aber  Zara  und 
die  Insel  Pago  besetzt  und  verkaufte  sie  später,  1409,  nebst  seinen  An- 
sprüchen auf  den  übrigen  Theil  Dalmatiens  für  300.000  Ducaten  an 
die  Republik  Venedig. 

Die  rasche  Niederwerfung  der  neapolitanischen  Partei  veranlasste 
Sisrismund.  sein  Ansehen  bei  den  Vasallenstaaten  wieder  zu  heben.  Im 
Herbste  1407  zog  er,  nachdem  Papst  Gregor  XIII.  seiner  Bitte,  einen 
Kreuzzug  zu  verkünden,  entsprochen  hatte,  mit  60.000  Mann  nach 
Bosnien,  wo  die  sich  bekämpfenden  Grossen  nicht  selten  türkische 
Hilfe  in  Anspruch  nahmen,  und  unterwarf  das  Land  wieder.  Trotzdem 
fiel  im  Jahre  1408  abermals  eine  Türkenhorde  in  Croatien  und  Krain 
ein.  die  am  9.  October  Möttling  zerstörte  und  bis  Tschernembl  streifte. 
Mit  reicher  Beute  und  vielen  Gefangenen  kehrten  die  Türken  zurück, 
ohne  von  Seite  Ungarns  gehindert  zu  werden. 

Im  Spätherbste  1410  zog  Sigismund  abermals  gegen  Bosnien,  das 
er  nun,  da  es  in  letzter  Zeit  so  oft  die  Quelle  vielen  Unheils  für  Ungarn 
war,  zerstückelte.  Den  nördlichen  Theil  verband  er  mit  dem  Banate 
von  Machov,  den  westlichen  mit  Croatien,  zu  dessen  Ban  er  den  Grafen 
Hermann  von  Cilli  ernannte,  den  östlichen  mit  Srebreniza  gab  er  an 
den  Despoten  von  Serbien,  der  wieder  in  ein  freundschaftliches  Ver- 
hältniss  mit  Ungarn  getreten  war,  um  dessen  Unterstützung  gegen  die 
Türken  zu  gewinnen;  schon  im  Feldzuge  gegen  Bosnien  hatte  Stephan 
Lazarevic  gute  Dienste  geleistet. 

Noch  während  dieser  Kriege  feierte  Sigismund  seine  Vermählung 
mit  Barbara,  der  Tochter  des  Grafen  von  Cilli.  dem  er  den  Landstrich 
zwischen  Drau  und  Mur,  die  sogenannte  Murinsel,  verkaufte. 

Jm  Jahre  1411  wurde  Sigismund,  der  sich  als  Vicar  des  deutschen 
Reiches  oft  und  mit  wenig  Erfolg  in  die  Angelegenheiten  Deutschlands 
mengte,  nach  dem  Tode  Ruprecht's  von  der  Pfalz  nach  heftigen  Wahl- 


—     35     - 

kämpfen  in  Frankfurt  als  König  ausgerufen,  kam  aber  erst  drei  Jahre 
später  nach  Deutschland. 

Wegen  des  widerreclitlichen  Verkaufes  von  Dalmatien  Hess  sich 
Sigismund  in  einen  Krieg  mit  Venedig  ein,  der  1413  ohne  wesent- 
lichen Vortheil^)  in  einem  fünfjährigen  Waffen  stillstand  seinen  Ab- 
schluss  fand.  Der  vergebliche  Versuch,  das  Ansehen  des  Deutschen 
Reiches  in  Oberitalien  wieder  zur  Geltung  zu  bringen,  die  Beseitigung 
des  kirchlichen  Schismas,  die  Bemühungen,  auf  dem  Concil  zu  Kon- 
stanz eine  Reform  der  Kirche  durchzusetzen.  Reisen  nach  Frankreich 
und  England,  endlich  die  Pflichten,  welche  ihm  die  Würden  als 
deutscher  König  auferlegten,  hielten  Sigismund  über  sechs  Jahre  von 
Ungarn  ferne.  Die  auf  dem  Concil  zu  Konstanz  trotz  des  königlichen 
Geleitbriefes  erfolgte  Verbrennung  des  religiösen  Reformators  und  natio- 
nalen Agitators  Hus  aus  Böhmen  rief  später  noch  den  Jahrzehnte  an- 
dauernden Hussitenkrieg  hervor,  welcher  sowohl  dem  deutschen  Reiche 
als  auch  Ungarn  bedeutenden  Schaden  zufügte.  Sigismund's  beständige 
Geldnoth  nöthigte  ihn,  auch  die  Mark  Brandenburg  —  sein  väterliches 
Erbe  —  an  den  Burggrafen  von  Nürnberg  zu  verkaufen. 

Während  Sigismund's  Abwesenheit  von  Ungarn  fielen  1413  die 
Türken  in  Serbien  ein  und  verwüsteten  das  Land  bis  Novobrdo;  diese 
Stadt  wurde  nur  durch  das  rechtzeitige  Eingreifen  des  bosnischen 
Woywoden  Sandalj,  der  —  von  Sigismund  aufgefordert  —  dem 
Despoten  von  Serbien  zu  Hilfe  eilte,  von  den  Türken  befreit.  Herwoj^a, 
von  Ladislaus  von  Neapel  zum  Herzog  von  Spalato  ernannt  und  von 
Sigismund  in  seiner  Stellung  belassen,  fiel  indessen  in  Sandalj 's  Gebiet 
ein  und  suchte  seine  Macht  in  Bosnien  wieder  zu  gewinnen.  Auf- 
gefangene Briefe  verriethen,  dass  er  zur  Erreichung  seines  Zieles  auch 
mit  den  Türken  in  Verbindung  stand;  Sigismund  ächtete  ihn  zu  Bozen 
am  13.  August  1413  und  entsetzte  ihn  aller  Würden.  Nachdem  Herwoya 
vergeblich  gesucht  hatte,  den  König  zu  versöhnen,  warf  er  sich  den 
Türken  gänzlich  in  die  Arme  und  fiel,  mit  ihnen  verbündet  und  von 
den  Venetianern  mit  Mundvorräthen  und  Kriegsbedarf  versehen,  in 
Croatien  und  Dalmatien  ein,  welche  Länder  er  greulich  verwüstete. 
Türkische  Horden  —  seine  Verbündeten  —  dehnten  ihre  Raubzüo-e 
bis  an  das  Gebiet  des  Patriarchen  von  Aquileja  und  bis  an  die  Grenze 
von  Steiermark  aus.  Das  ungarische  Heer,  welches  gegen  Herwoya 
auszog,  wurde  1415  bei  Doboj  besiegt.  Die  Bosnier  sollen  die  List 
gebraucht  haben,  in  der  gebirgigen  Gegend  Leute  auf  Aussichtspunkten 
aufzustellen,  welche  mit  unwahren  Zurufen  die  Ungarn  über  den  Fort- 

■^)  Zara  xind  Sebenico  wurde  den  Venetianern  überlassen. 


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gang  des  Gefechtes  zu  täuschen  suchten  und  so  einzelne  Abtheilungen 
zur  Flucht  verleiteten.  Die  Anführer  der  Ungarn,  Johann  Marothy, 
Johann  Gara  und  Paul  Csupor  von  Monoszlo  wurden  gefangen;  erstere 
erlangten  die  Freiheit  wieder,  an  Csupor  aber  rächte  Herwoya  eine 
ihm  früher  angethane  Beleidigung  und  liess  ihn  in  der  Bosna  ersäufen. 
üa  Flerwoya  wenige  Monate  darauf  starb,  erntete  er  wenig  Früchte 
von  seinem  Siege;  wohl  aber  fassten  die  Türken  festen  Fuss  in  Bosnien. 
Mohammed  I.  benützte  die  Uneinigkeit  der  bosnischen  Grossen,  be- 
setzte Vrhbosna  (Sarajevo),  ernannte  Isakbeg  zum  Statthalter  und  be- 
mächtigte sich  im  folgenden  Jahre  (1416)  eines  Theiles  des  Landes 
mit  den  Schlössern  Sokol.  Wissegrad  und  Kljuc;  nach  Isakbeg's  Tod 
hörte  aber  die  türkische  Heerschaft  für  kurze  Zeit  wieder  auf. 

Als  die  Nachricht  von  der  Niederlage  der  Ungarn  in  Constanz 
eintraf,  schickte  Sigismund  den  Philipp  (Pippo)  von  Ozora,  Grafen  von 
Temesvar,  zur  Vertheidigung  der  Grenze  nach  Croatien,  doch  verlautet 
nichts  über  dessen  Einschreiten  daselbst. 

Um  diese  Zeit  schickte  Sigismund  eine  Gesandtschaft  an  den 
Sultan;  dies  hinderte  nicht,  dass  indessen  türkische  Horden  in  seinen 
Ländern  streiften.  Eine  derselben  fiel  1418  in  Croatien  ein  und  mag 
wohl  auch  bis  an  die  steirische  Grenze  gelangt  sein.-*)  Eine  Horde 
unter  Isakbeg  fiel  in  das  Temeser  Banat  ein;  der  Vicegespan  Niko- 
laus Peterfy  raffte  die  wenigen  Truppen  der  Gespanschaft  zusammen 
und  suchte  den  Beg  im  Treffen  zum  Zweikampfe  auf,  warf  ihn  durch- 
bohrt vom  Pferde  und  erwüi'gte  ihn  in  Gegenwart  seiner  die  Flucht 
ergreifenden  Scharen.  Bald  darauf  schlug  Peterfy  zum  zweitenmal 
einen  türkischen  Heerhaufen,  indem  er  alle  Bauern  der  Umgebung 
aufsitzen  liess  und  sich  an  der  Spitze  derselben  mit  nur  wenig  Be- 
waffneten in  nächtlichem  Ueberfall  auf  den  Feind  stürzte,  der  durch 
den  Lärm  getäuscht,  eiligst  die  Flucht  ergriff. 

In  der  Walachei  hatte  sich  Mircea  den  Zorn  des  Sultans  zuge- 
zogen,   weil  er  einen  Kronprätendenten,    der  sich  für  Mustapha,  Baje- 

*)  Dass  Hin  das  Jahr  1418  türkische  Horden  auch  bis  an  die  steirische  Grenze 
kamen,  ist  zwar  nicht  erwiesen,  aber  doch  möglich,  ja  sogar  wahrscheinlich.  Die 
Nachricht  aber  von  einer  grossen  Schlacht  bei  Kadkersburg  und  von  einem  glänzen- 
den Sieg,  den  Herzog  Ernst  von  Steiermark  im  Verein  mit  Croaten  unter  Frangepan 
im  October  1418  über  die  Türken  errungen  haben  soll,  bringt  nur  der  wenig  glaub- 
würdige Chronist  Megiser  und  nach  ihm  andere,  allerdings  mit  so  vielen  Details,  die. 
wenn  sie  nicht  erwiesen  unwahr  wären,  seine  Nachricht  fast  glaubwürdig  ersclieinen 
lassen  würden.  Auch  Hammer  bringt  diese  Schlacht  aus  derselben  trüben  Quelle, 
keineswegs  aber  aus  türkischen  Quellen.  —  Iwolf  in  den  »Mittheilungen  des  histori- 
schen Vereines  in  Steiermark«  weist  im  10.  Heft,  S,  212,  die  Unwahrheit  von  Me- 
giser's  Angabe  mit  ziemlicher  Gewissheit  nach. 


—     37     - 

sid's  Sohn,  ausgab,  unterstützte.  Der  falsche  Mustapha  war  bald  ge- 
schlagen. Sultan  Mohammed  verwüstete  nun  die  Walachei  und  nahm 
die  Schlösser  St.  Georg  (Giurgievo)  und  Severin.  Auf  Mircea's  Hilfe- 
ruf beschloss  nun  Sigismund,  als  er  1419  nach  Ungarn  zurückgekehrt 
war,  selbst  einen  Zug  gegen  die  Türken  zu  unternehmen.  Er  zog  gegen 
Ende  September  bei  Grosswardein  ein  Heer  zusammen  und  stand  am 
26.  October  mit  demselben  in  einem  Lager  bei  Orsowa.^)  wagte  aber 
im  Angesichte  eines  zahlreichen  feindlichen  Heeres  nicht,  die  Grenze 
zu  überschreiten,  und  kehrte,  ohne  etwas  unternommen  zu  haben,  nach 
Ofen  zurück. 

Da  der  Sultan  im  eigenen  Lande  einen  Aufruhr  zu  dämpfen 
hatte,  und  des  plötzlichen  Ablebens  König  Wenzels  wegen  die  An- 
wesenheit Sigismund's  in  Böhmen  dringend  nothwendig  war,  kam  es 
1419  zu  einem  Waffenstillstand,  der  auch  nach  Mohammed's  I.  Tod 
(1421)  von  seinem  Sohne  und  Nachfolger  Murad  II.  anerkannt  und 
verlängert  wurde. 

Während  dieser  Vorgänge  war  der  mit  Venedig  geschlossene 
Waffenstillstand  1418  abgelaufen.  Die  Republik  eröffnete  gleich  den 
Krieg  mit  Wegnahme  mehrerer  Städte  in  Friaul  und  bediente  sich 
hiebei  auch  eines  Hilfsheeres  von  8000  Türken,  die  sie  in  Sold  nahm. 
Der  Krieg,  von  Seite  Ungarns  nur  lässig  geführt,  hörte  endlich  von 
selbst  auf,  ohne  dass  Frieden  geschlossen  wurde,  da  Sigismund  ander- 
wärts in  Anspruch  genommen  war,  die  Venetianer  aber  im  Besitze  der 
meisten  Küstenstädte  und  Inseln  Dalmatiens  blieben. 

Beim  Tode  des  Königs  Wenzel  befand  sich  Böhmen  in  vollem 
Aufruhr.  Die  Hussiten,  die  Anhänger  der  Lehre  des  Hus,  sahen  in 
dessen  Verurtheilung  nicht  allein  einen  Justizmord,  sondern  auch  eine 
Beleidigung  des  böhmischen  Volkes;  die  dadurch  hervorgerufene  Be- 
wegung hatte  daher  auch  mehr  einen  nationalen  als  religiösen  Cha- 
rakter. Sigismund  hatte  in  Böhmen  weder  einen  mächtigen,  noch  einen 
genug  verlässlichen  Anhang;  als  er  sich  daher  Ende  des  Jahres  1419 
zur  Reise  dahin  entschloss,  mussten  dort  schwere  und  anhaltende 
Kämpfe  geführt  werden,  um  der  hussitischen  Bewegung,  anfangs  unter 
Zizka's  später  der  beiden  Prokop  Führung,  Einhalt  zu  thun,  und  erst 


■')  Sigismund  urkundet  am  26.  October;  »uff  unserm  newen  Haus  in  der  Bul- 
garei  bei  dem  Eysern  tor«,  jedenfalls  Orsowa;  am  1.  October  aber  noch  in  Gross- 
wardein. Ein  grosser  Sieg,  den  er  am  4.  October  zwischen  Nissa  und  Nikopoli  er- 
rungen haben  soll,  von  dem  nur  ungarische  Chronisten  und  nach  ihnen  Hammer 
berichtet,  ist  schon  aus  chronologischen  Gründen  unmöglich,  und  daher  in  das  Keich 
der  Fabeln  zu  verweisen. 


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im  Jahre   1436  wurde  Sigismund  in  Böhmen  als  König  anerkannt  und 
gekrönt. 

Den  Ungarn  hatte  die  Erhaltung  Böhmens  für  ihren  König  nicht 
geringe  (jpfer  gekostet.^)  Das  Ansehen  Sigisniund's  hatte  hiedurch  — 
ebenso  wie  durch  die  Annahme  der  deutschen  Kaiserwürde  —  wohl 
an  Glanz  gewonnen,  einen  Machtzuwachs  ei hielt  das  ungarische  Reich 
aber  dadurch  keineswegs. 

Während  des  Kampfes  um  die  böhmische  Krone  Hessen  sich  die 
Türken  trotz  des  abgeschlossenen  Waffenstillstandes  nicht  abhalten, 
sich  in  den  ungarischen  Vasallenstaaten  immer  mehr  festzusetzen  und 
selbst  Einfälle  auf  ungarisches  Gebiet  zu  unternehmen.  So  fiel  im 
Jahre  li20  eine  Horde  Türken  durch  den  Vulkanpass  nach  Sieben- 
bürgen ein,  sehlug  bei  Hatszeg  den  Woyvroden  Nikolaus  Csäky,  zer- 
störte die  Stadt  Broos  und  schleppte  unzählige  Bewohner  des  Brooser 
Stuhles  in  die  Knechtschaft.  Im  darauffolgenden  Jahre  brachen  die 
Türken  durch  den  Tömöspass  in  das  Burzenland  ein,  überfielen  Kron- 
stadt, dessen  Befestigung  noch  im  Bau  war.  plünderten  die  Stadt, 
führten  den  Rath  sammt  dem  Richter  Weihrauch  in  Gefangenschaft 
und  hieben  Alles  nieder,  was  sich  nicht  rechtzeitig  in  das  Bergschloss 
retten  konnte.  Das  Aufgebot  der  sächsischen  sieben  Stühle  wurde  in 
Folge  der  Flucht  der  Szekler  geschlagen;  die  Verwüstungen  der  Türken 
reichten  bis  zur  Abtei  Kertsch  im  Altthale.  Sigismund  trug  dem  Woy- 
woden  Csaky  auf,  jeden  dritten  Edelmann  und  jeden  zehnten  Bauer 
zur  Vertheidigung  des  Landes  aufzubieten,  und  eilte  selbst  nach  Sieben- 
bürgen. Am  4.  Juli  traf  er  zu  Mühlbach  ein,  kehrte  aber  wieder  nach 
Ofen  zurück,  als  Mohammed,  durch  Unruhen  in  seinem  Reiche  be- 
schäftigt, ihm  einen  fünfjährigen  Waffenstillstand  anbot. 

Auch  durch  Ueberfälle  und  Besitzergreifung  hatten  die  Türken 
ihre  Herrschaft  im  Banate  von  Machov  und  in  Bosnien  ausgedehnt. 
In  der  Walachei  hatte  sich  nach  dem  Tode  Mircea's  sein  Neffe  Dan 
1420  mit  Hilfe  der  Türken  auf  den  Fürstenstuhl  gesetzt.  Dan  sowohl, 
wie  Twartko  II.  von  Bosnien  näherten  sich  nun  wieder  dem  König 
vSigismund,  um  bei  ihm  Hilfe  gegen  die  Türken  sowie  gegen  innere 
Feinde  zu  suchen.  Der  kinderlose  Twartko  setzte  sogar  später  (1427) 
den  Grafen  von  Cilli.  Schwager  Sigisraund's  und  seiner  Schwester  Sohn, 
zum  Erben  des  Landes  ein.  allein  er  wurde  wieder  von  Radivoy,  Sohn 
des  Ostoja,  dem  der  Sultan  seine  Unterstützung  lieh,  bekämpft. 


^)  Um  die  Kosten  des  Hussitenkrieges  zu  decken,  verpfändete  Sigismund   1412 
die  sechzehn  Zipser  Stcädte  an  Polen. 


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Im  Jahre  1424  kam  der  byzantinische  Kaiser  Manuel  Paleologus 
an  den  ungarischen  Hof;  er  wollte  Sigismund  zu  einem  Bündnisse  be- 
reden, da  der  Waffenstillstand  mit  dem  osmanisehen  Reiche  eben  ab^ 
lief;  er  musste  aber  sein  Vorhaben  aufgeben  und  wieder  in  seine  be- 
lagerte Hauptstadt  zurückkehren,  als  Abgesandte  Murad's  nacb  Ofen 
kamen  und  eine  zweijährige  Verlängerung  des  Waffenstillstandes  an- 
boten, die  angenommen  wurde.  Unvorsichtigerweise  Avurde  bei  Ab- 
schluss  desselben  vergessen,  die  Walachei  einzuschliessen,  daher  sich 
die  Türken  nicht  scheuten,  den  Dan,  der  sich  als  Vasall  Ungarns  be- 
kannte, zu  vertreiben  und  dessen  Bruder  Radul  einzusetzen.  Nocb  im 
Herbste  schickte  Sigismund  den  Temesvärer  Grafen  Philipp  von  Ozora 
mit  Truppen  nach  dem  Süden  des  Reiches,  um  Severin  in  guten  Stand 
zu  setzen.  Am  16.  August  1425  war  Sigismund  selbst  bei  seinem 
Heere  in  Örsowa,  kehrte  aber  bald  zur  Bekämpfung  der  Hussiten 
nacb  dem  Norden  seines  Reiches  zurück,  ohne  in  der  Walachei  ein- 
zuschreiten. 

Dass  Ungarn  nicht  im  Stande  war,  seinen  Vasallenländern  ge- 
nügenden Schutz  zu  gewähren,  hatten  die  Begebenheiten  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  bewiesen;  das  Beispiel  Dan's  zeigte  aber,  dass  sie 
von  den  Türken  noch  weniger  Schutz  zu  erwarten  hatten;  sie  suchten 
daher  stets  wieder  Anlehnung  an  Ungarn,  ohne  deshalb  verlässliche 
Verbündete  zu  werden. 

In  Serbien  schloss  sich  Stephan  Lazarevic,  der  seinen  Neffen 
Georg  Brankovic  an  Kindesstatt  angenommen  hatte,  wieder  inniger  an 
Ungarn  an.  Ein  förmlicher  Vertrag  wurde  1426  eingegangen,  nach 
welchem  alle  festen  Plätze  am  rechten  Donauufer  an  die  Krone  Ungarns 
übergehen  sollten,  im  Falle  Stephan  ohne  männlichen  Leibeserben 
sterben  sollte,  wogegen  Georg  die  Nachfolge  in  Serbien,  sowie  der 
Schutz  Ungarns  gesichert  wurde;  als  Ersatz  für  die  abzutretenden 
Plätze  wurden  ihm  Güter  in  Ungarn  verheissen. 

Als  der  mit  dem  Sultan  geschlossene  Waffenstillstand  1426  zu 
Ende  gieng,  wurde  abermals  Philipp  von  Ozora  zur  Sicherung  der 
Grenzen  an  die  Südgrenze   des  Reiches  entsendet.'')     Sigismund   selbst 

')  Huber  schreibt  nach  Poggio's  »Vita  de  Filippo  Scolari«  und  durch  Corner 
bestätigt:  »Sigismund  sendete  1426  neuerdings  Pippo  gegen  die  Türken,  welche  Serbien 
bedrohten.  Obwohl  auf  den  Tod  krank,  leistete  Pippo  dem  Auftrag  Folge  und  soll  bei 
(iolubaz  einen  grossen  Sieg  über  die  Türken  errungen  haben.«  —  Huber  fügt  bei: 
»Von  den  20.000  —  40.000  gefallenen  Türken  muss  man  natürlich  absehen.«  —  Andere 
Quellen  führen  diesen  Sieg  nicht  an,  auch  scheint  in  diesem  Jahre  kein  Einfall  der 
Türken  nach  Serbien  stattgefunden  zu  haben,  eine  bemerkenswerthe  Schlacht  kann 
also  kaum  geschlagen  worden  sein,    wenn  auch  Pippo    als  Graf  von  Temesvjir  an  die 


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kam  noch  im  November  nach  Siebenbürgen,  um  Vorkehrungen  für 
einen  Zug  in  die  Walachei  zu  treffen.  Während  des  Aufenthaltes  in 
Kronstadt  erliess  er  eine  Verordnung,  in  der  über  Märsche,  Unter- 
kunft und  Verpflegung  der  Truppen  entsprechende  Anordnungen  ge- 
troffen wurden.  Arge  Ausschreitungen  der  Truppen,  besonders  der  aus 
Ungarn  zugezogenen  Banderien,  scheinen  strenge  Massregeln  noth- 
wendig  gemacht  zu  haben;  Strafen  wurden  hiefür  gesetzt  und  die 
Führer  und  Bannerherren  für  das  Verhalten  ihi-er  Mannschaft  ver- 
antwortlich gemacht. 

Im  Frühjahre  1427  brach  der  König  von  Kronstadt  aus  über 
den  Törzburger  Pass  in  die  Walachei  ein,  kehrte  aber  am  6.  April 
von  Kimpolung  wieder  in  das  Burzenland  zurück.  Johann  Marothy. 
der  Ban  von  Machov,  und  Stephan  Poharnok  von  Bersevize  setzten 
mit  den  in  Siebenbürgen  angesammelten  Truppen  und  den  Banderien 
der  Sachsen  und  Szekler  den  Marsch  fort  und  hoben  Dan  nach  Ver- 
treibung der  Türken  und  ihres  Schützlings  Radul  wieder  auf  den 
Fürstenstuhl.  Im  Juli  begab  sich  der  König  Avieder  in  die  Walachei 
und  befahl,  in  der  Absicht  daselbst  festen  Fuss  zu  fassen,  die  festen 
Plätze  an  der  Donau,  Severin  und  Giurgievo,  neu  zu  befestigen.  Da 
der  Deutsche  Orden  im  eigenen  Lande  keine  Kämpfe  mit  Ungläubigen 
mehr  zu  bestehen  hatte,  forderte  Sigismund  den  Hochmeister  Paul  von 
Russdorf  auf,  seinem  Berufe  hier  nachzukommen.  Der  Deutsche  Orden 
sagte  auch  gegen  Ueberlassung  der  verpfändeten  Neumark  Hilfe  zu, 
und  sandte  sieben  Ritter  unter  Niklas  von  Redwitz  ^)  nebst  einem  Haufen 
Söldner  an  die  untere  Donau,  wo  ihnen  die  Burg  Severin  sammt  Ge- 
biet zur  Niederlassung  angewiesen  wurde. 

Die  Ansiedlung  hatte  aber  keinen  Bestand;  die  der  griechischen 
Kirche  angehörigen  Bewohner  der  Gegend  glaubten  in  den  katholischen 
Rittern,  die  sich  mit  ihrer  Bekehrung  zu  viel  befassten,  nur  Gegner 
und  Unterdrücker  zu  sehen.  Vom  Orden  auch  nicht  unterstützt  und 
erneut,  kam  die  Ansiedlung  zu  keiner  Blüthe. 

Auf  die  Nachricht  vom  Tode  Stephan  Lazarevic',  19.  Juni  1427, 
«ilte  Sigismund  nach  Serbien,  um  die  Uebergabe  der  an  Ungarn  fallen- 
den siebzehn  festen  Plätze  selbst  zu  betreiben.     Einer  der  wichtigsten 


Grenze  beordert  worden  sein  mag,  während  die  Türken  in  der  Walachei  standen.  — 
Pippo  stand  bei  Sig-ismund  in  grossem  Ansehen,  obwohl  seine  Treue  und  Verlässlich- 
keit  keineswegs  über  alle  Zweifel  erhaben  war. 

*)  In  ungarischen  Quellen  wird    er  als  Kedwitz  Miklos,    auch  Remich,    Karaich 
und  Kadnieh  angeführt. 


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derselben,  die  Burg  Goltibaz.  hatte  aber  der  treulose  Befehlshaber 
bereits  für  12.000  Ducaten  den  Türken  übergeben.'^) 

Aus  den  übrigen  Plätzen  und  Ländereien,  welche  an  Ungarn 
fielen,  bildete  Sigismund  zwei  Grenzbezirke;  dem  östlichen  mit  Belgrad, 
dessen  Befestigung  er  neu  verstärken  Hess,  gab  er  den  Mathäus  Thal- 
löczy  zum  Befehlshaber  und  ernannte  ihn  gleichzeitig  zum  Obergespan 
von  Keve  (Kubin);  den  westlichen  vereinte  er  mit  dem  Banat  von 
Machov.  Um  den  neuen  Fürsten  von  Serbien  für  die  Abtretung  so 
vieler  Burgen  und  Gebiete  zu  entschädigen  und  ihn  noch  fester  an 
Ungarn  zu  fesseln,  verlieh  ihm  der  König  sechs  Schlösser  und  fünf 
Städte  im  Innern  Ungarns  mit  den  dazu  gehörigen  Ländereien,  und 
einen  Palast  in  Ofen. 

Den  Winter  über  rüstete  Sigismund  eifrig  zum  Kampfe  gegen  die 
Osmanen.  Um  bei  der  Wiedereroberung  von  Golubaz  einen  Stützpunkt 
zu  haben,  Hess  er  gegenüber  eine  neue  Burg,  Läszlövär,  aufführen  und 
versah  sie  mit  Geschützen,  zu  deren  Bedienung  er  italienische  Feuer- 
werker bestellte.  Im  P'ebruar  1428  traf  der  König  zu  Kaschau  mit 
dem  Grossfürsten  Witold  von  Lithauen  zusammen,  der  ihm  Hilfstruppen 
zu  senden  versprach.  Gegen  Ende  April  stand  Stephan  Rozgonyi  mit 
20.000  bis  30.000  Mann  vor  Golubaz;  Dan,  der  Woywode  der  W^alachei, 
führte  ihm  noch  gegen  6000  Mann  zu.  Den  5.  Mai  traf  der  König 
selbst  mit  Zavissius  Niger,  der  eine  kleine  lithauische  Hilfstruppe  be- 
fehligte, vor  dem  Schlosse  ein. 

Golubaz,  jetzt  noch  eine  stattliche  Burgruine,  liegt  60  Kilometer 
unterhalb  der  Einmündung  der  Morava  am  rechten  Ufer  der  Donau 
und  beherrscht  den  Eingang  in  die  bis  unterhalb  ( )rsowa  reichende, 
unter  dem  Gesammtnamen  »Eisernes  Thor«  bekannte  Stromenge  Schon 
zur  Zeit  der  Römer  stand  hier  ein  Castell,  das  für  sie  als  Sperre  der 
Stromenge  und  Endpunkt  der  längs  des  rechten  Donauufers  her- 
gestellten, zur  Zeit  der  Völkerwanderung  aber  schon  verfallenden 
Strasse  einen  grösseren  Werth  hatte,  als  zur  Zeit  für  die  Ungarn. 
Vom  Rande  des  Stromes  erheben  sich  die  mit  neun  Thürmen  ver- 
sehenen Mauern  terrassenartig  durch  mehrere  Abschnitte  zu  der  obersten, 
bei  70  Meter  hohen  Felsplatte,  welche  m.it  einem  aus  achtseitigem  Unter- 
bau emporstrebenden  Rundthurm,    den    die  Türken    seines    stark   vor- 

■')  Stephan  Lazarevic  soll  einem  Diener  als  Belohnung  12.000  Ducaten  ver- 
sprochen und  deshalb  ihm  das  Schloss  von  Golubaz  verpfändet  haben.  Als  nun  Sigis- 
mund das  Scbloss  der  Vereinbarung  gemäss  besetzen  wollte,  die  Echtheit  der  Pfand- 
urkunde aber  bezweifelte  und  sie  einzulösen  verweigerte,  wendete  sich  der  Besitzer 
des  Schlosses  an  die  Türken,  welche  sich  beeilten,  Zahlung  zu  leisten  und  das  Schloss 
zu  besetzen. 


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ragenden  Galeriekranzes  Avegen  »sesir  kula«,  d.  i.  »Huttburm«  nennen, 
gekrönt  ist. 

Der  Eingang  in  den  untersten  Abschnitt  führt  über  einen  sieben 
Meter  breiten,  von  der  Donau  mit  Wasser  gespeisten  Graben  durch  ein 
weites  spitzbogiges  Hauptthor.  Durch  die  Verengung  des  Stromes  bis 
zu  350  Meter  unterhalb  des  Schlosses  wird  die  Donau  gestaut  und 
breitet  sich  oberhalb  seeartig  —  die  Insel  Moldawa  und  die  aus  dem 
Wasser  hervorragende  Granitklippe  Babakai  umschliessend  —  bis  zur 
Breite  von  5  Kilometer  aus.  Beim  Schlosse  selbst,  Laszlövar  gegen- 
über, hat  die  Donau  eine  Breite  von  1100  Meter.  Hinter  dem  Schlosse 
erhebt  sich  das  Gebirge,  theils  Wald,  theils  Fels,  steil  bis  zur  Höhe 
von  400  Meter. 

Das  ungarische  Heer  umschloss  die  Festung  zu  Lande  und  lieferte 
dem  zum  Entsätze  nach  und  nach  anrückenden  Türken  glückliche 
Gefechte;  auch  eine  Flotille  unterstützte  das  Landheer  und  gerieth 
auch  bald  mit  einigen  türkischen  Schiffen  in  Kampf,  ^''j  Cäcilia,  die 
Gattin  Rozgonyi's,  führte  im  Treffen  selbst  eine  Galeere,  bohrte 
mehrere  feindliche  Fahrzeuge  in  den  Grund  und  steckte  andere  in 
Brand;  die  kleine  türkische  Flotille  wurde  vernichtet  und  das  Schloss 
von  allen  Seiten  angegriffen.  Von  den  Schiften  sowohl,  wie  vom  Lande 
aus  und  auch  aus  Laszlövar  wurde  das  Schloss  mit  Feuerrohren  be- 
schossen; Stephan  Lossontzy  regierte  selbst  eine  grosse  Bombarde,  die 
den  Thürmen  erheblichen  Schaden  zufügte.  Als  aber  ein  überlegenes 
türkisches  Heer")  anrückte,  wagte  Sigismund  nicht,  sich  zu  schlagen 
und  liess  sich  in  Unterhandlungen  ein.  Ein  Waffenstillstand  wurde 
geschlossen,  die  Türken  sollten  das  Schloss  behalten,  die  Ungarn  aber 
ungefährdet  über  die  Donau  zurückgehen.  Sigismund  verliess  sich  auf 
den  Vertrag;  der  grösste  Theil  des  Heeres  war  aber  kaum  auf  das 
linke  Ufer  geschafft,  als  die  osmanischen  Horden  —  ob  mit  oder  gegen 
einen  Befehl  ist  fraglich  —  über  die  Zurückgebliebenen,  darunter  den 
König  selbst,  hertielen.  Vom  Gefechte  abgemattet,  konnte  Lossontzy 
den  König  nur  mit  Mühe  in  einen  Nachen  bringen  und  über  die  Donau 
führen.  Einem  Theile  der  Ungarn  gelang  es  noch,  unter  dem  Schutze 
der  Geschütze  zu  entkommen;  Zavissius  Niger  aber,  zu  dessen  Rettung 
der  König  sein  eigenes  Schiff  sandte,  erklärte,  er  wolle  lieber  sterben, 

' ')  Eine  Urkunde  Sigismund's  vom  Jahre  1430  an  Eozgonyi  sagt,  die  türkische 
llotille  wäre  aus  den  Nebenflüssen  gekommen,  sie  kann  daher  weder  der  Zahl,  noch 
der  Grösse  der  Schiffe  nach  bedeutend  gewesen  sein. 

'0  Nach  ungarischen  Quellen  hätte  Sultan  Murad  selbst  dieses  Heer  geführt, 
während  griechische  und  türkische  Quellen  übereinstimmend  und  wohl  auch  richtig 
seine  Anwesenheit  vor  Constantinopel  bestätigen. 


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als  seine  Kriegsgefährten  in  der  Gefahr  verlassen;  er  und  manche 
andere,  die  den  Rückzug  deckten,  fanden  den  Tod,  indem  sie  ihr 
Leben  theuer  verkauften. '^j  Der  Verlust  der  Türken  war  beträchtlich, 
jener  der  Ungarn  trotz  der  grossen  Verwirrung,  welche  der  unerwartete 
Ueberfall  verursachte,  nur  gering;  desto  verderblicher  waren  aber  die 
Folgen  dieser  an  und  für  sich  nicht  so  bedeutenden  Niederlage. 

Die  Türken  verheerten  nun  ungehindert  Serbien  mit  Feuer  und 
Schwert  und  nahmen  fast  alle  den  Ungarn  übergebenen  festen  Plätze 
weg;  Georg  Brankovic  vermochte  nur  dadurch  des  Sultans  Gnade  zu 
erkaufen,  dass  er  sich  erbot,  5000  Ducaten  Jahrestribut  zu  zahlen  und 
Heerfolge  zu  leisten,  sowie  jeder  Verbindung  mit  Ungarn  zu  entsagen. 

Auch  der  Walachei  drohte  der  Zorn  Murad's;  ihn  zu  beschwich- 
tigen, schickte  Dan  Gesandte  und  verpflichtete  sich  zur  Leistung  eines 
für  das  Land  sehr  hohen  Tributes. 

Gegen  Ende  Mai  begab  sich  Sigismund  von  Laszlovär  über  Kubin 
nach  Temesvar.  Vor  Allem  sorgte  er  nun  für  die  Instandsetzung  der 
P^estung  Belgrad  (Griechisch -Weissenburg,  Nandor  fehervär),  des  ein- 
zigen festen  Punktes,  der  den  Ungarn  am  rechten  Donauufer  noch 
verblieb.  Zugleich  pflog  Sigismund  durch  Vermittlung  Georg's  Ver- 
handlungen mit  Murad;  da  dieser  sich  sehr  unzugänglich  zeigte,  schloss 
er  einen  zweijährigen  Waffenstillstand  mit  Venedig,  in  der  Hoff'nung. 
die  Republik  werde  den  Krieg  mi':  den  Türken  auf  Morea  mit  ganzer 
Kraft  führen  und  dadurch  Murad  verhindern,  Ungarn  anzugreifen. 

Aufstände  in  Kleinasien  —  vielleicht  nicht  mit  Unrecht  wurde 
ihre  Entstehung  später  der  geheimen  Einwirkung  Sigismund's  und 
Brankovic'  auf  den  Fürsten  von  Karaman  zugeschrieben  —  riefen 
Murad  dahin  und  veranlassten  ihn  auch,  den  bei  Golubaz  abgeschlos- 
senen Waff'enstillstand  ferner  einzuhalten.  Bekannt  sind  dessen  Be- 
dingungen nicht  mehr,  doch  ist  gewiss,  dass  der  König  gegen  Alles, 
was  der  Sultan  nun  über  Serbien  und  die  Walachei  zu  verhängen  für 
gut  fand,  keine  Einwendung  erhob. 

So  endete  der  Kanipf,  der  'begonnen  wurde,  um  die  Vasallen- 
länder mit  dem  Reiche  zu  verbinden,  damit,  dass  die  noch  übrigen 
Trümmer  des  Machover  Banates  für  Ungarn  vollends  verloren  giengen, 
und  Serbien    nebst  der  Walachei  gezwungen    wurden,    die    ungarische 


'-)  Es  war  dies  eines  der  auffälligsten  Beispiele,  in  welchem  die  Türken  sich 
nicht  gebunden  fühlten,  einen  mit  Christen  eingegangenen  Vertrag  auch  zu  halten; 
es  wurde  dies  bei  ihnen  fast  Gewohnheit,  bis  sie  durch  Waft'engewalt  hievon  abzu- 
stehen gezwungen  wurden.  Doch  nahmen  die  Christen  es  den  Türken  gegenüber  — 
wie  später  zu  sehen  ist  —  auch  nicht  zu  genau. 


—     44     — 

Oberhoheit  mit  dem  türkischen  Joche  zu  vertauschen.  Mit  zu  geringen 
Mitteln,  ohne  zwin"ende  Noth  und  zu  einer  Zeit  begonnen,  in  der  in 
Folge  mehrjähriger  Missernte  Theuerung  und  Hungersnoth  im  Lande 
herrschte,  während  im  Norden  die  Hussiten  ungestraft  bis  an  die  Donau 
vordringen  und  beutebeladen  nach  Böhmen  zurückkehren  konnten, 
wurde  ein  Krieg  geführt,  der  bei  einiger  Voraussicht  leicht  hätte  ver- 
mieden werden  können. 

Da  Murad  auch  mit  der  Einnahme  von  Thessalonika,  dann  mit 
der  Bekämpfung  der  Venetianer  auf  Morea  beschäftigt  war,  verliefen 
die  nächsten  Jahre  für  Ungarns  Südgrenze  ziemlich  ruhig,  die  Zeit 
der  Ruhe  wurde  aber  zur  Vorbereitung  neuer  Kämpfe  gegen  die  Os- 
nianen  wenig  ausgenützt. 

Anfangs  1429  begab  sich  Sigismund  nach  Polen,  wo  er  dem 
König  Wladislav  angeblich  Vorschläge  machte,  die  Moldau  zu  theilen, 
nachdem  ihr  Woywode  Alexander  in  den  letzten  Kriegen  die  nach 
den  Verträgen  schuldige  Heerfolge  nicht  geleistet  hatte.  Kaum  nach 
Ungarn  zurückgekehrt,  musste  er  sich  in  das  Deutsche  Reich  begeben, 
wo  seine  Anwesenheit  schon  dringend  begehrt  wurde.  Seine  längere 
Abwesenheit  von  Ungarn  voraussehend  —  denn  er  wollte  sich  in  Rom 
zum  Kaiser  krönen  lassen  und  den  Gang  des  demnächst  zusammen- 
tretenden Concils  lenken  —  ernannte  er  eine  Regentschaft  unter  Niko- 
laus Gara.  Im  September  1430  kam  Sigismund  nach  Nürnberg;  im 
Frühjahr  1431  brach  er  mit  geringer  Begleitung  von  Basel  auf,  wurde 
nach  manchen  Kämpfen  im  November  zu  Mailand  mit  der  eisernen 
Krone  gekrönt  und  setzte  erst  im  Frühjahr  1432  die  Reise  nach  Siena 
fort,  wo  er  im  Juli  eintraf.  Während  seines  neunmonatlichen  Aufenthaltes 
daselbst  schickte  Sigismund  den  Entwurf  eines  Wehrgesetzes  nach  Ungarn. 
Im  April  1433  zog  er  von  Siena  ab,  wurde  im  Mai  zu  Rom  mit  der 
Kaiserkrone  gekrönt  und  kam  erst  am  18.  October  1433  nach  Basel  zurück. 

Während  dieser  Zeit  hatte  in  der  Walachei  Mircea's  Sohn  Wlad, 
der  1396  als  Geisel  nach  Ofen  gekommen  war,  von  dort  aber  nach 
Constantinopel  entfloh  und  in  die  kaiserliche  Leibwache  eintrat,  einen 
Anhang  geworben,  den  Woywoden  Dan  entsetzt  und  ihn  sammt  seinem 
Bruder  enthaupten  lassen.  Im  Februar  1431  kam  Wlad  nach  Nürn- 
berg, wo  er  von  Sigismund  mit  der  Walachei  belehnt  und  mit  dem 
von  ihm  gestifteten  Drachen-Orden  betheiit  wurde.  Auf  dem  Rückwege 
warb  Wlad  —  auch  Drakul,'^)  der  Teufel,  genannt  —  mit  Sigismunds 


'■')  Wlad  erhielt  den  Beinamen  Drakul,  d.  i.  Teufel  oder  auch  Drache.  Der 
Name  kann  sowohl  dem  ertheilten  Drachenorden,  als  auch  Wlad's  teuflischer  Grausam- 
keit den  Ursprung  verdanken. 


-     45     — 

Einwilliffunof  in  Uns^arn  Mannschaft  und  zog  in  die  Walachei,  wo  unter- 
dessen  Radul  vom  Sultan  eingesetzt  worden  war.  Gleich  nach  seiner 
Ankunft  kam  es  zur  entscheidenden  Schlacht,  in  welcher  Radul's  tür- 
kisches Kriegsvolk  geschlagen  und  er  selbst  getödtet  wurde. 

Wlad  Drakul  —  den  Sultan  mehr  fürchtend,  wie  den  entfernten 
ungarischen  König  —  sicherte  sogleich  seine  Stellung  durch  Abschluss 
eines  Schutz  Vertrages  mit  den  Türken  und  durch  Entrichtung  eines 
Tributes  an  den  Sultan. 

Ungeachtet  des  Friedens  tiel  nun  Alibeg  im  Vereine  mit  Wlad 
1432  in  Siebenbürgen  ein  und  belagerte  die  von  ihren  Bürgern  ver- 
theidigten  sächsischen  Städte  Hermannstadt  und  Kronstadt.  Während 
die  sächsische  Bevölkerung  hinter  den  Mauern  ihrer  festen  Plätze 
Schutz  fand,  breiteten  sich  die  Feinde  über  das  offene  Land  aus  und 
plünderten  durch  vier  Tage  das  Burzenland,  einen  Theil  des  Repser 
Stuhles  und  das  Szeklerland.  Zahllose  Menschen  wurden  in  die  Sclaverei 
geführt.  Ohne  ernsten  Widerstand  im  freien  Felde  zu  rinden,  zerstreute 
sich  das  türkisch-walachische  Heer,  plündernd  und  sengend,  nach  allen 
Richtungen,  bis  es  durch  eine  in  Eile  zusammengeraffte  ungarische 
Truppe,  die  ihm  besonders  an  schweren  Reitern  überlegen  war,  un- 
versehens angegriffen  und  bis  an  die  Donau  zurückgetrieben  wurde. 
Die  einzeln  Überfallenen  Haufen  wurden  zersprengt  und  zumeist  auf- 
gerieben, i-*)  Um  sich  vor  Ueberfällen  und  Raubzügen  zu  schützen, 
hatten  die  Sachsen  in  Siebenbürgen  ihre  Kirchen  befestigt  und  sie  mit 
Ringmauern  umgeben.  Um  von  allen  Bewegungen  jenseits  der  Grenze 
rechtzeitig  Kenntniss  zu  erhalten,  Hessen  die  sieben  sächsischen  Stühle 
auch  die  Grenze  von  Kronstadt  bis  Hatszeg  von  2000  Wächtern  be- 
wachen und  hielten  Kundschafter  in  der  Walachei. 

Auch  in  das  Banat  von  Severin  fielen  Türken  ein;  der  Banus 
und  deutsche  Ordensritter  Niklas  Redwitz  wurde  geschlagen,  das  Schloss 
von  Severin  erobert  und  hiebei  alle  dort  angesiedelten  Ordensritter 
niedergemacht;    die  Niederlassung    derselben    verfiel    damit  gänzlich. ^^) 

Um  den  Frieden  wieder  herzustellen  und  Sigismund,  dessen  Macht 
vielleicht  überschätzt  wurde,  zur  Erlangung  der  Kaiserwürde  Glück  zu 
wünschen,  entsendete  der  Sultan  eine  Botschaft  an  den  Kaiser,  die  im 
Flerbste  1432  zu  Basel  empfangen  wurde. 

'*)  Seadeddin  bringt  diese  Angaben,  welche,  obwohl  in  ungarischen  Quellen 
nicht  angeführt,  wohl  glaublich  scheinen. 

'^)  Windek  und  Pesty.  Im  Namensverzeichniss,  welches  Voigt  in  seiner  Ge- 
schichte des  Deutschen  Ritterordens  bringt,  erscheint  der  Name  Nikolaus  Redwitz 
nicht.  Die  Acten  im  Archiv  des  Deutschen  Ritterordens  zu  Wien  reichen  nicht  über 
das  XVI.  Jahrhundert  zurück. 


—     4«     - 

Während  dieser  Zeit  hatte  Murad  unter  dem  Vorwande,  dass 
ihm  durch  Mileva,  Bajesid's  Gemahlin,'^}  selbst  das  Erbrecht  nach 
Stephan  Lazarevic  zustünde,  von  Georg  Brankovic  die  Uebergabe  von 
ganz  Serbien  verlangt.  Da  Isabeg  schon  mit  einem  Heere  an  der 
Grenze  stand,  Hess  sich  Georg  Brankovic  zu  neuen  Tributverspre- 
chungen herbei,  mit  welchen  Murad  zufrieden  schien.  Isabeg,  dessen 
raubsüchtige  Horden  sich  nicht  zügeln  Hessen,  fiel  -nun  doch  in  Serbien 
ein,  wurde  aber  zurückgewiesen.  Da  er  den  Sultan  abermals  gegen 
Serbien  aufhetzte,  musste  sich  Gregor  zu  neuen  Zugeständnissen  herbei- 
lassen, und  Hess  selbst  dem  Sultan  seine  Tochter  Mara  zur  Frau  an- 
bieten. Mit  Mara's  Mitgift  unzufrieden,  befahl  der  Sultan  1432  abermals 
Isabeg,  nach  Serbien-  einzufallen,  dieser  zog  aber  nach  der  Einnahme 
von  Krusevaz  und  der  Belagerung  von  Srebreniza  bei  Eintritt  des 
Winters  wieder  ab.  Um  sich  zu  sichern,  verlobte  endlich  Georg  seine 
Tochter  dem  Sultan,  hielt  sie  aber  ihrer  Jugend  wegen  noch  zurück. 
Er  erwirkte  sich  auch  die  Erlaubniss  - —  angeblich  zum  Schutze  gegen 
Ungarn,  in  der  That  aber,  um  überhaupt  einen  festen  Punkt  an  der 
Donau  zu  haben  —  die  Festung  Semendria  (Szendrö,  Smederovo)  zu 
bauen.  Georg  traute  dem  Sultan  wenig  und  suchte  daher,  Avährend 
dieser  mit  dem  Fürsten  von  Karaman  in  Krieg  kam  (die  Veranlassung 
dazu  gab  scheinbar  ein  Streit  um  ein  Pferd)  wieder  in  Fühlung  mit 
Ungarn  zu  gelangen;  seine  Tochter  Katharina  gab  er  dem  mit  Sigis- 
mund  verschwägerten  Grafen  Ulrich  von  Cilli  zur  Frau,  und  sicherte 
für  alle  Fälle  seiner  Familie  eine  Zuflucht  in  Ungarn. 

Nach  vierjähriger  Abwesenheit  kehrte  Sigismund  im  October  1434 
wieder  nach  Ungarn  zurück  und  regelte  auf  dem  nächsten  Reichstage 
die  Wehrverfassung  nach  dem  A^on  ihm  in  Siena  ausgearbeiteten  Ent- 
würfe. Mit  Rücksicht  auf  die  drohende  Kriegsgefahr  sollte  das  Reich 
in  militärische  Districte  eingetheilt  und  genau  bestimmt  werden,  wie 
viele  Truppen  der  König,  die  Reichsbarone,  die  Prälaten,  die  Banner- 
herren und  die  Gespanschaften  zu  stellen  hätten.  Nur  wenn  die  Macht 
des  Königs  —  sie  Avar  in  erster  Linie  zum  Schutze  des  Reiches  be- 
stimmt —  nicht  ausreichte,  sind  die  Banderien  der  letzteren  zur  Ab- 
wehr des  Feindes  heranzuziehen;  ferner  wurde  die  Zahl  und  Bewaff- 
nung der  beizustellenden  Mannschaft  im  Falle  eines  allgemeinen  Auf- 
o:ebotes  bemessen. 


''')  Mileva,  die  Tochter  des  auf  dem  Amselfelde  erschagenen  Königs  Lazar, 
musste  auf  Befehl  ihrer  Mutter  dem  Sultan  Bajesid  ihre  Hand  geben;  da  sie  kinderlos 
starb,  hatte  Murad  thatsäclilich  gar  keinen  rechtlichen  Anspruch  auf  das  Erbe  von 
Serbien. 


-     47     — 

Obwohl  dieser  Entwurf  nicht  ausdrücklich  zum  Gesetz  erhoben 
wurde,  galt  er  doch  die  nächsten  Jahrhunderte  hindurch  als  Grund- 
lage der  Heereseinrichtungen  in  Ungarn. 

Im  Jahre  14B6  reiste  Sigismund  wieder  nach  Böhmen.  So  nach- 
giebig er  sich  nun  dort  gegen  die  Hussiten  zeigte,  so  unduldsam  war 
er  gegen  ihre  Glaubensgenossen  in  Ungarn,  sowie  gegen  die  Anhänger 
der  griechischen  Kirche  in  Südungarn  und  Siebenbürgen,  besonders 
aber  gegen  die  Patarener  in  Bosnien,  die  er  mit  unerbittlicher  Strenge 
verfolgte.  Die  Bekehrungsversuche  hatten  aber  wenig  Erfolg.  Sie  sowohl 
wie  die  Bedrückung  des  Landvolkes  durch  den  Adel  und  die  Bischöfe 
verursachten  einen  Aufstand,  der  im  folgenden  Jahre  in  Siebenbürgen 
und  den  angrenzenden  Comitaten  mit  Gewalt  unterdrückt  werden 
musste. 

Murad  war  über  die  Verbandlungen,  welche  Brankovic  mit  Ungarn 
pflog,  über  den  Umstand,  dass  er  sich  krönen  liess,  und  weil  er  ihn 
für  den  Anstifter  der  Wirren  in  Kleinasien  hielt,  sehr  aufgebracht. 
Noch  im  Jahre  1436,  während  Sigismund's  Abwesenheit,  fielen  die 
Türken  wieder  in  Serbien  ein.  bemächtigten  sich  der  Schlösser  Ostro- 
witza  und  Boratsch,  und  zerstörten  das  Kloster  Ravanitza.  Streifende 
Türkenhorden  sollen  auch  die  Donau  überschritten  haben  und  bis 
Temesvar  vorgedrungen  sein.'")  Um  Murad  zu  besänftigen,  liess  ihm 
Georg  die  Auslieferung  seiner  Tochter  anbieten.  Die  Vermählung  wurde 
in  Adrianopel  vollzogen.  Georg's  ältester  Sohn  aber  dort  als  Geisel 
zurückbehalten. 

In  Bosnien  benützte  der  Sultan  die  Uneinigkeit  der  Grossen  und 
nahm  neuerdings  die  Stadt  Vrhbosna  ein.  in  die  er  eine  Besatzung 
legte.  Stephan  Twartko  IL  suchte  1436  vergeblich  in  Ungarn  Hilfe 
und  unterwarf  sich,  in  sein  Land  zurückgekehrt,  gänzlich  der  Ober- 
herrschaft der  Türken. 

Anfangs  1437  verlangte  Murad,  von  fanatischen  Türken  auf- 
gestachelt, die  Uebergabe  von  Semendria.  Brankovic  verweigerte  sie. 
traf  aber  zugleich  Anstalten,  die  Festung  in  Vertheidigungszustand  zu 
setzen.  Seinen  Sohn  Gregor  ernannte  er  zum  Befehlshaber  der  Stadt, 
er  selbst  aber  flüchtete  mit  seinem  jüngsten  Sohne  Lazar  und  mit 
seinen  Schätzen  nach  Ungarn,  um  dessen  Hilfe  anzurufen.  In  Er- 
wartung, die  Festung  noch  unvorbereitet  zu  finden,  brach  Murad  noch 
vor  Einbringung  der  Ernte  nach  Serbien  auf,  um  die  Stadt  zu  belatjern. 


'')  Sigismuud  selbst  erwähnt  diesen  Einfall,  um  sein  verspätetes  Eintreffen  auf 
dem  Landtage  zu  Iglau  (5.  Juli  1436)  zu  entschuldigen.  Ungarische  Quellen  erwähnen 
denselben  nicht,  doch  wird  er  von  Seadeddin  (Zinkeisen  1,  580)  bestätigt. 


-     48     — 

Unter  Pongraz  von  Szent-Miklos  stand  eine  ungarische  Heeres- 
abtheilung  in  Belgrad;  ihr  schlössen  sich  einige  Taboritenscharen  unter 
Giskra  von  ßrandeis.  die  in  Böhmen  in  Sold  genommen  und  von  Press- 
burg aus  zu  Wasser  zur  Verstärkung  der  Besatzung  nach  Belgrad  ge- 
sendet worden  waren,  an.  Anfangs  Juli  brach  Pongraz  von  Belgrad 
auf,  überfiel  die  vor  Semendria  stehenden  Osmanen,  brachte  ihnen  eine 
schwere  Niederlage  bei  und  zwang  sie  zum  Abzug  aus  Serbien.  Bei 
40.000  Türken  sollen  erschlagen  worden  sein;  mit  der  Nachricht  von 
diesem  glänzenden  Siege  trafen  am  17.  Juli  vier  der  vornehmsten 
Führer  der  Türken  gefesselt  in  Prag  ein.  Nähere  Umstände  über 
dieses  Ereigniss  sind  nicht  bekannt,  doch  wurde  der  glänzende  Erfolg 
hauptsächlich  Johann  Hunyady  zugeschrieben,  der  an  der  Spitze  seiner 
siebenbürgischen  Truppen  den  Ausgang  des  Treffens  zu  Gunsten  der 
Ungarn  entschied.  Der  Sieg  wurde  nicht  weiter  verfolgt,  änderte  aber 
auch  nichts  an  der  allgemeinen  Lage. 

Zu  den  Sorgen  Sigismund's  um  sein  Reich  und  um  die  Kirche 
gesellte  sich  nun  in  Prag  auch  noch  eine  schwere  Krankheit.  Als  er 
sein  Leben  in  Gefahr  sah,  gieng  sein  Streben  dahin,  seiner  einzigen 
Tochter  Elisabeth  und  ihrem  Gemahl,  dem  Herzog  Albrecht  von  Oester- 
reich  die  Nachfolge  in  allen  seinen  Ländern  zu  sichern.  Er  berief  beide 
nach  Prag  und  reiste  ihnen  entgegen,  fühlte  sich  aber  in  Znaim  zur  Fort- 
setzung der  Reise  zu  schwach.  Den  anwesenden  ungarischen  und  böhmischen 
Grossen  empfahl  der  Kaiser  seine  Tochter  Elisabeth  und  ihren  Gemahl  zu 
seinen  Nachfolgern;  nicht  nur  deren  angeborene  und  durch  Verträge 
bekräftigte  Rechte  bestimme  sie  hiezu,  auch  das  Wohl  der  Länder 
verlange  die  Vereinigung  derselben  unter  einem  Herrscher.  Sie  gelobten, 
seinem  Willen  zu  entsprechen  und  alles  aufzubieten,  um  ihre  Mitbürger 
zur  Befolgung  desselben  zu  bewegen. 

Am  Abend  des  9.  December  1437  verschied  Kaiser  Sigismund 
zu  Znaim,  nachdem  er  beinahe  siebzig  Jahre  gelebt  und  durch  fünfzig 
Jahre  in  Ungarn  regiert  hatte.  Der  Verlust  sämmtlicher  Vasallenländer 
Ungarns  und  der  dalmatinischen  Küstengebiete  war  das  Ergebniss 
seiner  langjährigen  Regierung.  Den  Angriffen  der  Venetianer  im  Westen, 
und    der  Osmanen  im  Osten  hatte    er  nicht  zu   widerstehen  vermocht. 

Die  spätere  Vereinigung  der  Kronen  Deutschlands  und  Böhmens 
mit  jener  Ungarns  hatte  letzterem  zu  wesentlichem  Nutzen  nicht  ge- 
i'eicht.  War  der  Gedanke,  durch  Vereinigung  dieser  Länder  Ungarns 
Macht  zu  heben  und  das  Land  dadurch  widerstandsfähiger  gegen  das 
Andringen  der  Osmanen  zu  machen,   auch  nicht  unrichtig,    so    waren 


—     49     — 

doch  die  Zeit  Verhältnisse  hiezu  sehr  ungünstig.  Die  reh'giösen,  in  da- 
maliger Zeit  von  den  politischen  Verhältnissen  kaum  zu  trennenden 
Wirren  in  Böhmen  absorbierten  einen  bedeutenden  Theil  der  Kräfte 
Ungarns  und  behinderten  deren  Verwendung  sowohl  zur  Vertheidigung 
des  Reiches  im  Kampfe  mit  den  Osmanen,  wie  auch  zur  Unterwerfung 
der  stets  zur  Unbotmässigkeit  geneigten  Vasallenländer.  Die  Verbindung 
mit  dem  Deutschen  Reiche  war  bei  den  wenig  geordneten  Zuständen 
desselben  zudem  eine  so  lose,  die  vielseitigen  Anforderungen  an  die 
Stellung  eines  römisch-deutschen  Kaisers  zur  Zeit  der  Kirchenspaltung 
auch  so  gross,  dass  die  Kraft  eines  Mannes  zur  Bewältigung  derselben 
kaum  ausreichte. 

In  der  ungarischen  Geschichte  wird  die  Regierung  Sigismund's 
oft  recht  abMlig  beurtheilt;  wenn  seine  unleugbaren  Fehler  und 
Schwächen  auch  manche  Ereignisse  nachtheilig  beeinflusst  haben  mögen, 
so  ist  doch  nicht  zu  übersehen,  dass  die  nationalen  Verhältnisse  sowie 
die  vielerlei  Anforderungen,  die  man  an  ihn  stellte,  seine  Lage  wesent- 
lich erschwerten.  Endlich  ist  es  sehr  fraglich,  ob  von  jenen  Prätendenten, 
die  seinerzeit  auf  den  Thron  Ungarns  Anspruch  erheben  konnten  und 
auch  thatsächlich  erhoben,  auch  nur  einer  besser  entsprochen  hätte 
wie  Sigismund. 


Kupel  wieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.  2.  Aufl. 


Drittes  Capitel. 


König  Albrecht  von  Ungarn.  —  Türken  und  "Walachen  fallen  in  Siebenbürgen  ein.  — 
Sultan  Murad  erobert  Semendria.  —  Das  Heer  der  Ungarn  bei  Titel  zerstreut 
sich.  —  Albrecht  stirbt.  —  Thronstreit.  —  Wladislav  (Varnensis)  wird  zum  König  in 
Ungarn  gewählt.  —  Geburt  des  Ladislaus  (Posthumus)  und  Tod  der  Königin 
Elisabeth.  —  Erfolgreiche  Vertheidigung  Belgrads  durch  Thallöczy.  —  1438  bis  1442. 

Albrecht  begab  sich  nach  dem  Tode  Sigismund's  sogleich  nach 
Ungarn.  Um  dem  vermeintlichen  Wahlrechte  Ungarns  nichts  zu  ver- 
geben, musste  er  sich  gefallen  lassen,  dass  man  seine  Gattin  nachträg- 
lich wählte;  auch  manche  andere  Zugeständnisse  musste  er  machen, 
welche  die  königliche  Macht  wesentlich  beeinträchtigten,  ohne  dem 
Lande  zvi  nützen.  In  Böhmen,  wo  das  Erbrecht  Elisabeth's  am  wenigsten 
bestritten  werden  sollte,  stellte  die  hussitische  Partei  der  Anerkennung 
Albrecht's  ganz  unannehmbare  Bedingungen  und  wählte,  ohne  eine 
Antwort  abzuwarten,  den  polnischen  Prinzen  Kasimir  zum  König.  Der 
Bürgerkrieg  in  Böhmen  und  Einfälle  der  Polen  in  Ungarn,  die  mit 
Waffengewalt  zurückgewiesen  werden  mussten,  waren  die  Folge. 

In  Siebenbürgen,  wo  die  Ruhe  seit  dem  Bauernaufstand  noch 
nicht  hergestellt  war,  ernannte  Albrecht  den  Desiderius  Losonczy  zum 
Woywoden  und  sandte  ihm,  da  das  Land  von  den  Osmanen  und  dem 
abtrünnigen  Wlad  Drakul  bedroht  war,  mehrere  tausend  Mann;  die 
Siebenbürger  Sachsen  wurden  zu  grösserer  Wachsamkeit  aufgemuntert, 
Wlad  vor  dem  Treubruch  und  dem  Bündniss  mit  den  Osmanen  ge- 
warnt. 

Albrecht  begab  sich  hierauf  nach  Wien,  wo  er  die  Nachricht  von 
seiner  Wahl  zum  Deutschen  Kaiser  empfieng. 

Murad  konnte  die  vor  Semendria  erhaltene  Schlappe  nicht  ver- 
gessen und  beschloss  noch  im  Sommer  1438,  als  er  aus  Kleinasien 
zurückkehrte,  nach  Siebenbürgen  einzufallen.  Wlad  Drakul,  als  Vasall 


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zum  Pfortendienste  einberufen,  stellte  sich  sammt  seinem  Heere  dem 
Sultan  zur  Verfügung  und  bot  sich  an,  an  der  Spitze  des  türkischen 
Heeres  nach  Siebenbürgen  einzudringen. 

Das  türkische  Heer  übersetzte  bei  Severin  die  Donau  und  er- 
reichte über  Karansebesch  das  Marosthal.  Die  nur  schwach  befestigte 
Stadt  Mühlbach  wurde  berannt  und  ergab  sich  nach  Aufforderung 
Drakul's,  der  mit  mehreren  Bürgern  bekannt  war;  er  beredete  sie,  mit 
Hab  und  Gut  in  die  Walachei  zu  ziehen,  von  wo  sie  nach  ihrem 
Willen  wieder  zurückkehren  konnten.  Ein  Mann  von  Adel  jedoch,  der 
früher  gegen  die  Türken  gefochten  hatte,  sagte,  er  wolle  lieber  sterben 
als  sich  mit  Weib  und  Kind  in  ihre  Hände  geben,  und  bewog  noch 
andere  zu  dem  Entschlüsse,  sich  zu  vertheidigen.  Er  zog  sich  mit 
ihnen  in  einen  Thurm  zurück,  den  sie  mit  Lebensmitteln  und  Waffen 
reichlich  versahen.  Als  nun  die  Türken  in  die  von  den  Einwohnern 
verlassene  Stadt  eindrangen,  wurde  der  Thurm  in  der  Erwartung,  dort 
viel  zu  gewinnen,  mit  Wuth  angegriffen  und,  da  er  nicht  leicht  erstürmt 
werden  konnte,  durch  herum  geschlichtetes  Holz  in  Brand  gesteckt.  Als  es 
im  Thurme  allmählich  ruhiger  wurde,  löschte  man  das  Feuer  aus  und 
brach  die  Thüre  auf;  von  den  Vertheidigern  fand  sich  nur  mehr  ein 
Knabe  von  16  Jahren  am  Leben,  der  in  die  Sclaverei  geführt  wurde  und 
erst  nach  20  Jahren,  in  seine  Heimat  zurückgekehrt,  seine  Leiden  sowie 
die  Sitten  und  Gebräuche  der  Türken  beschrieb.  Vor  Hermannstadt, 
das  in  seine  Mauern  eine  grosse  Zahl  Bewohner  der  umliegenden  Orte 
aufgenommen  hatte,  lagen  die  Türken  durch  acht  Tage  vergeblich;  in 
Schässburg  wurde  das  Schloss  von  ihnen  überfallen;  Mediasch  und  die 
Vorstädte  von  Kronstadt  wurden  eingeäschert.  Durch  45  Tage  wurde 
der  südliche  Theil  Siebenbürgens  durchzogen  und  verheert  und  gegen 
70.000  Menschen  durch  den  Pass  von  Törzburg  in  die  Gefangenschaft 
geführt. 

Stephan  Losonczy  hatte  zwar  gleich  nach  dem  Einbrüche  der 
Türken  die  Kriegsmannschaft  aufgeboten,  aber  es  versammelte  sich 
eine  so  geringe  Zahl  unter  seiner  Fahne,  dass  er  sich  darauf  be- 
schränken musste,  Menschen  und  Vieh  möglichst  aus  dem  Bereiche  des 
Feindes  wegzuschaffen.  ^) 


')  Die  Behauptung,  dass  Losonczy  die  Türken  auf  dem  Rückzuge  noch  ange- 
griffen und  ihnen  viele  Gefangene  abgenommen  habe,  verdient  wenig  Glauben,  da  er 
sich  veranlasst  sah,  zahlreiche  Herren  und  Edelleute,  welche  dem  Aufgebote  nicht 
Folge  geleistet  hatten,  dem  Gesetze  gemäss  mit  Einziehung  der  Güter  zu  bestrafen; 
Königin  Elisabeth  begnadigte  sie  in  der  Folge  und  gab  ihnen  die  Güter  -wieder  zurück. 

4* 


-     52     - 

Noch  zu  Ende  des  Jahres  1438  verbreitete  sich  das  Gerücht, 
dass  die  Türken  gewaltig  rüsten,  um  Serbien  zu  erobern  und  in  Ungarn 
einzufallen.  Die  Vertheidigung  der  meist  gefährdeten  Strecke  der 
Grenze  vertraute  Albrecht  dem  Johann  Hunyady  und  seinem  jüngeren 
Bruder  an,  indem  er  ihnen  das  Banat  von  Severin  verlieh.  Ersterer 
hatte  sich  schon  in  den  Hussitenkriegen  unter  Sigismund  und  im  Vor- 
jahre bei  Semendria  hervorgethan.  Eine  spätere  Urkunde,  nach  welcher 
die  Brüder  Hunyady  für  hervorragende  Leistungen  vor  dem  Feinde 
mit  Gütern  beschenkt  wurden ,2)  nennt  ohne  Angabe  von  Zeit  die  Grenz- 
festungen »Sevrin«,  »Gewrin«  (Giurgievo?),  »Orswa«  (Orsowa)  und 
»Mihald«  (Mehadia),  deren  Vertheidigung  die  Brüder  mit  Glück  durch- 
führten; es  können  dies  nur  Begebenheiten  von  untergeordneter  Be- 
deutung gewesen  sein,  die  sich  Ende  des  Jahres  1438  oder  Anfangs 
1439    ereignet  haben  dürften. 

Als  Albrecht  im  März  1439  nach  Pressburg  kam,  fand  er  das 
ganze  Land  in  Aufregung.  Murad  hatte  Drakul,  gegen  den  ihn  der 
Ausgang  des  letzten  Feldzuges  misstrauisch  machte,  und  den  Despoten 
von  Serbien,  von  dem  er  abermals  die  Uebergabe  von  Semendria  be- 
gehrte, zum  Pfortendienst  einberufen.  Drakul  hoffte  das  Ungewitter 
noch  zu  beschwören  und  begab  sich  nach  Adrianopel,  wurde  aber  in 
den  Thurm  von  Gallipoli  geworfen,  bis  er  den  Treuschwur  erneuert 
und  seinen  Sohn  als  Geisel  zurückgelassen  hatte.  Brankovic  wusste, 
was  ihm  bevorstand,  und  floh  deshalb  —  seine  Schätze  in  Ragusa 
deponierend  —  mit  seinem  jüngsten  Sohn  nach  Ungarn,  während  er 
Gregor  wieder  die  Vertheidigung  von  Semendria  überliess.  Ueber  die 
Rüstungen  des  Sultans  gelangten  Berichte  nach  Ofen  und  auch 
Hunyady  in  Siebenbürgen  erklärte,  dass  er  ohne  ansehnliche  Verstärkung 
im  Falle  eines  Angriffes  nicht  widerstehen  könne. 

Aus  Böhmen  und  Polen  trafen  ungünstige  Nachrichten  ein; 
Murad  war  bestrebt,  auch  diese  Länder  für  einen  Bund  wider  Ungarn 
zu  gewinnen.  Die  Gefahr  erkennend,  wandte  sich  Albrecht  nach 
Deutschland  und  bat  dringend,  ein  starkes  Heer  an  die  böhmische 
Grenze  zu  schicken.  Doch  Böhmen  und  Polen  scheuten  sich  schliess- 
lich,   ein  Bündniss    mit    dem   Erbfeinde    der    Christenheit    einzugehen, 


-)  Teleki,  I,  S.  143  und  Seadeddia  (Zinkeisen  I,  S.  585)  erwähnt  eines  Zug-es 
der  Ungarn  im  Jahre  1438  bis  Nikopoli,  der  zum  Entsatz  Semendrias  unternommen 
worden  wäre,  eine  jedenfalls  in  dieser  Art  unrichtige  Angabe;  wohl  aber  könnte 
Hunyady  als  Ban  von  Sevrin  einen  Streifzug  über  Klein-Nikopoli  hinaus  bis  »Gewrin« 
unternommen  haben,  der,  da  er  in  der  allgemeinen  Lage  nichts  änderte,  als  unwesent- 
lich keine  besondere  Beachtung  fand. 


—     53     — 

und   Papst    Eugen    vermittelte    einen  Waffenstillstand    bis    Ende    Sep- 
tember. 

Als  König  Albrecht  im  Mai  in  Ofen  eintraf,  legte  er  —  vielleicht 
durch  körperliche  Leiden  an  seine  Sterblichkeit  gemahnt  —  den 
Stcänden  eine  Urkunde  vor,  welche  seiner  Gemahlin  und  seinen  Kindern 
die  Thronfolge  in  Ungarn  sichern  sollte;  sie  wurde  von  den  Ständen 
angenommen,  jedoch  nicht  ohne  dass  diese  Bedingungen  stellten,  durch 
welche  die  königliche  Macht  abermals  eingeschränkt  wurde.  Um  diese 
Zeit  kam  es  auch  zu  Reibungen  zwischen  den  Magyaren  und  den 
in  allen  grösseren  Städten  Ungarns  die  Mehrzahl  der  Bewohner  aus- 
machenden Deutschen.  Der  Hass  gegen  dieselben  übertrug  sich 
auch  auf  den  der  ungarischen  Sprache  nicht  mächtigen  König,  wäh- 
rend die  Königin  sich  geschmeichelt  fühlte, "  deshalb  ihm  vorgezogen 
zu  werden;  sie  scheint  es  auch  gewesen  zu  sein,  welche  die  allzugrosse 
Nachgiebigkeit  ihres  Gemahls  gegen  die  Stände  verschuldete,  wofür 
sie  wenig  Dank  erntete.  Als  der  König  vorschlug,  die  deutschen 
Fürsten  und  andere  Länder  gegen  die  Osmanen  zu  Hilfe  zu  rufen, 
fanden  die  Ungarn,  sie  selbst  wären  stark  genug,  und  sie  bedürften 
nichts  weiter  als  Ordnung  und  eines  Führers;  ziehe  der  König  selbst 
ins  Feld,  so  sei  beides  da;  es  werde  daher  die  Hilfe  der  Fremden 
nicht  nöthig  sein,  wo  die  Kraft  des  Landes  ausreiche. 

Zu  Ende  Mai  rückte  der  Sultan  mit  einem  Heere,  dessen  Stärke 
üiit  130.000  Mann  angegeben  wird,  in  Serbien  ein  und  belagerte 
Semendria,  während  einzelne  Horden  die  Donau  übersetzten  und  bis 
Temesvar  streiften.  Der  König  erHess  daher  ein  allgemeines  Aufgebot 
und  bestimmte  Szegedin  und  Tiderev  (Titel)  am  Zusammenfluss  der 
Donau  und  Theiss  als  Sammelpunkte.^)  Die  königlichen  Truppen  und 
einige  Banderien  erschienen  wohl  in  den  Lagern,  als  aber  König  und 
Königin  in  Tiderev  eintrafen,  hatten  sich  dort  nicht  mehr  als 
25.000  Mann  eingefunden,  eine  Macht,  die  kaum  hinreichte,  die  immer 
kühner  werdenden  Streifpartien  der  Türken  zurückzuweisen,  viel 
weniger  aber  die  Donau  zu  übersetzen  und  sich  mit  dem  Heere  Murad's 
zu  messen.  Das  Land  war  nicht  so  erschöpft,  um  darin  die  Ursache^ 
der  Gleichgiltigkeit  gegen  die  so  drohende  Gefahr  zu  suchen,  wohl 
aber  mag  das  Ansehen  des  Königs  durch  die  ihm  abgerungenen  Zu- 
geständnisse so  gesunken  gewesen  sein,  dass  man  seinem  Rufe  Folge 
zu  leisten  kaum  der  Mühe  wert  fand. 


■^)  »Rev«  ist  ungarisch  »Fähre*,  »Tiderevc  wahrscheinlich  »Theissfähre«  oder 
>Titel«.  Das  Plateau  von  Titel  ist  jedenfalls  ein  sehr  geeigneter  Sammelplatz  für  ein 
Heer  in  Jener  Gegend. 


-     54     - 

Während  nun  das  Heer  an  der  Donau  in  vergeblicher  Erwartung 
neuer  Zuzüge  unthätig  stand,  brach  im  Lager  zufolge  des  langen  Auf- 
enthaltes in  der  während  der  Sommerszeit  so  ungesunden  Gegend, 
sowie  des  Mangels  an  entsprechender  Nahrung  eine  bösartige  Ruhr 
aus,  die  täglich  mehr  Opfer  hinraffte  uud  endlich  alle  Bande  der  Zucht 
und  Ordnung  auflöste.  Sechs  Bannerherren  verliessen  eigenmächtig  das 
Lager,  und  als  am  folgenden  Tage  der  verhängnissvolle  Ruf:  »farkas«, 
d.  i.  »der  Wolf«,  erscholl,^)  zerstreute  sich  der  grösste  Theil  des  Heeres; 
kaum  6000  Mann  blieben  beisammen. 

Die  Belagerung  Semendrias  wurde  unterdessen  fortgesetzt;  mit 
den  schwersten  Mauerbrechern  waren  die  Thürme  zum  Theil  in  Schutt 
gelegt.  Vom  Hunger  auch  auf  das  Aeusserste  gebracht,  und  aller  Aus- 
sicht auf  Entsatz  beraubt,  musste  Gregor  am  27.  August  die  Stadt 
nach  dreimonatlicher  nicht  unrühmlicher  Vertheidigung  übergeben.  "*) 
Der  Sultan  versprach  Gregor  zwar  Freiheit  und  Leben,  Hess  ihn  aber 
bald  darauf  unter  dem  Vorwande,  er  habe  mit  seinem  Vater  verkehrt, 
einkerkern,  und  später,  1440,  als  Georg  Brankovic  überall  Hilfe  gegen 
die  Türken  suchte,  sowohl  ihn  wie  seinen  als  Geisel  in  der  Türkei 
lebenden  Bruder  blenden.  Nach  Zurücklassung  einer  Besatzung  in 
Semendria  überfluthete  nun  das  türkische  Heer  ganz  Serbien,  Avandte 
sich  über  Novobrdo  nach  Bosnien,  höthigte  den  König  Twartko  IL 
zur  Erhöhung  des  Tributes,  und  kehrte  beutebeladen  mit  einer  Unzahl 
von  Gefangenen  nach  Adrianopel  zurück.  Ungarn  blieb  für  diesmal 
von  dem  Einbrüche  der  Türken  verschont. 

Um  die  Schmach  dieses  für  Ungarn  zwar  unblutigen,  aber  doch 
unrühmlichen  Feldzuges  abzuwaschen,  und  der  doch  demnächst  drohenden 
Gefahr  entgegenzutreten,  beschlossen  der  König  und  die  Königin,  Georg 
Brankovic  und  die  wenigen  im  Lager  zurückgebliebenen  Prälaten  und 
Bannerherren  im  kommenden  Jahre  abermals  einen  Feldzug  zu  unter- 
nehmen. Nebst  der  Heranziehung  der  Banderien  wurde  die  Aufstellung 
eines  zahlreichen  Söldnerheeres  und,  da  die  erforderlichen  Geldmittel 
die  königlichen  Einkünfte  bei  weitem  überstiegen,  die  Einhebung  einer 
Kriegssteuer  verabredet,  bei  deren  Eintreibung  die  anwesenden  Herren 


*)  »Farkas  kialtani«  d.  i.  »Wolf  schreien«  —  nach  ungarischem  Gebrauche  so 
viel  als:  >rette  sich  wer  kann«  oder:  »Verrath«.  Nach  Engel:  ein  schon  seit  König 
Coloman  übliches  Fluchtgeschrei,  könnte  aber  auch  nur  das  Anrücken  der  Türken 
bedeutet  haben,  deren  altes  Wappen  der  Wolf  war  (Hammer  I,  183). 

^)  Irene,  Gregor's  Frau,  soll  aus  Habsucht  die  Magazine  von  Semendria  ohne 
Wissen  ihres  Mannes  vorher  verkauft  haben,  welchem  Mangel  man  in  der  Eile  nicht 
mehr  abhelfen  konnte,  daher  die  Uebergabe  der  Stadt  nach  verhältnissmässig  kurzer 
Zeit  nothwendig  wurde. 


ihre  Unterstützung  zusagten;  diejenigen,  die  sich  widersetzen  würden, 
sollten  mit  Verlust  ihrer  Güter  und  des  Kopfes  bestraft  werden. 
Albrecht  versprach  auch,  auswärtige  Fürsten  um  Unterstützung  anzu- 
gehen, und  kehrte  nach  Verstärkung  der  Besatzungen  in  den  Grenz- 
festungen, selbst  von  der  im  Lager  herrschenden  Ruhr  ergriffen,  nach 
Ofen  zurück. 

Als  Albrecht's  Krankheit  zunahm,  wollte  er  sich  nach  Wien 
bringen  lassen,  unterbrach  aber  seine  Reise  in  Langendorf  (Neszmyl, 
unweit  Gran)  und  machte  in  Vorahnung  seines  herannahenden  Todes 
ein  Testament,  in  welchem  er  verordnete,  dass,  falls  die  Königin,  welche 
in  gesegneten  Umständen  war,  einen  Sohn  gebären  würde,  die  Regierung 
bis  zu  dessen  Volljährigkeit  unter  Aufsicht  der  Mutter  und  des  Herzogs 
Friedrich  von  Oesterreich-Steiermark  von  neun  Tutoren  zu  führen 
wäre.  Wenige  Tage  später,  am  27.  October  1439,  beschloss  Albrecht 
im  Alter  von  42  Jahren  sein  Leben. 

Friedrich  —  am  2.  Februar  1440  auch  zum  Deutschen  Kaiser 
gewählt  —  war  nicht  der  Mann,  um  die  von  Albrecht  ihm  zugedachte 
Stellung  auszufüllen.  Guter  Familienvater,  guter  Hauswirth,  auch  ge- 
bildeter wie  die  meisten  Fürsten  seiner  Zeit,  war  er  phlegmatisch,  fast 
apathisch  und  misstrauisch;  nicht  mit  Unrecht  wird  ihm  trotz  grosser 
Ausdauer  Mangel  an  Energie  vorgeworfen. 

In  Oesterreich  erkannten  die  Stände  die  Rechte  des  zu  erwartenden 
Thronerben  an;  andere  Bestrebungen  machten  sich  aber  in  Böhmen 
und  Ungarn  geltend,  wo  man  weder  zu  Friedrich  noch  zu  Elisabeth 
besonderes  Vertrauen  hatte.  In  Ungarn  nahm  zwar  Elisabeth  die  Re- 
gierung in  ihre  Hände,  aber  bei  der  von  den  Türken  drohenden  Gefahr 
war  dem  Lande  weder  mit  einem  Weibe  noch  mit  dem  zu  erwartenden 
Kinde  geholfen,  und  es  machte  sich  die  Ansicht  geltend,  dass  nur  ein 
Mann  die  Regierung  führen  und  das  Land  gegen  die  anstürmenden 
Osmanen  zu  vertheidigen  vermöge.  Unter  den  von  den  Ständen  ins 
Auge  gefassten  Fürsten  war  auch  der  dem  Knabenalter  kaum  ent- 
wachsene König  Wladislav  von  Polen;  für  ihn  sprach  auch  seine  Ab- 
stammung, er  war  ebenso  wie  Elisabeth  ein  Enkel  Ludwig's  des  Grossen. 
Ausschlaggebend  für  diese  Wahl  mag  aber  gewesen  sein,  dass  man 
hoflPte,  durch  Vereinigung  der  beiden  Königreiche  den  Türken  eine 
grössere  Macht  entgegenstellen  zu  können  und  eine  Vereinigung  der 
Türken  und  Polen  zu  vereiteln,  welche  Murad,  der  bereits  eine  Ge- 
sandtschaft nach  Krakau  abgeschickt  hatte,  anstrebte.  Wenn  Elisabeth 
sich  mit  dem  freilich  um  15  Jahre  jüngeren  Wladislav  vermählte,  sollte 
das  zu  erwartende  Kind,   wenn   ein  Knabe,   Oesterreich  und  Böhmen, 


—     56     — 

ein  von  Wladislav  zu  erhoffender  Solin  Ungarn  und  Polen  erhalten. 
Während  hierüber  verhandelt  wurde,  genas  Elisabeth  am  22.  Februar  1440 
eines  Knaben,  der  den  Namen  Ladislaus  (Posthumus,  d.  i.  der  Nach- 
geborene) erhielt,  und  am  15.  Mai  zu  Stuhlweissenburg  zum  König 
gekrönt  wurde. 

Da  Elisabeth  alle  Rechte  ihres  Sohnes  Avahren  wollte,  und  alle 
weiteren  Verhandlungen  mit  Wladislav,  der  sich  bereits  in  Besitz  der 
Hauptstadt  gesetzt  hatte,  abbrach,  kam  es  zu  einem  Bürgerkrieg,  der 
ohne  Entscheidung  hin  und  her  schwankte,  bis  es  endlich  den  Be- 
mühungen des  Papstes  und  Kaiser  Friedrich's  gelang,  eine  Basis  für 
einen  Ausgleich  zu  finden,  der  beide  Parteien  befriedigte.  Doch  wurde 
den  weiteren  Verhandlungen  durch  den  plötzlichen  Tod  Elisabeth's  am 
19.  December  1442  ein  Ende  gemacht. 

Die  Zeit  des  Thronstreites  in  Ungarn  Hess  Murad  nicht  unbenutzt 
verstreichen-,  hatte  er  im  Vorjahre  Semendria  erobert,  Serbien  und  fast 
ganz  Bosnien  in  völlige  Abhängigkeit  gebracht,  so  strebte  er  1440  den 
letzten  festen  Platz  am  rechten  Donau-  und  Saveufer,  den  Ungarn 
noch  besass,  Belgrad  (Griechisch- Weissenburg  Nandor  fejervar,  Alba 
regalis,  Beograd,  das  alte  Singidunum)  in  seine  Macht  zu  bringen.  Die 
Zeit  dazu  war  günstig,  denn  weder  Elisabeth  noch  Wladislav  konnten 
etwas  für  die  bedrohte  Stadt  thun;  doch  hatte  sie  in  Johann  Thallöczy, 
dem  Prior  von  Vrana,  seiner  Abkunft  nach  ein  Ragusaner,  einen 
tüchtigen  und  tapferen  Befehlshaber. 

Murad  hatte  sein  Heer  im  Frühjahr  1440  gesammelt  und  traf 
Ende  April  vor  Belgrad  ein.  Thallöczy  zog  dem  Sultan  entgegen,  und 
scheint  ihm  auch  ein  Gefecht  geliefert,  sich  aber  —  der  augenschein- 
lichen Ueberzahl  weichend  —  wieder  in  die  Festung  zurückgezogen 
zu  haben. ^)  Der  Sultan  schloss  nun  die  Stadt  zu  Land  und  zu  Wasser 
ein;  auf  der  Landseite  näherten  sich  die  Türken  in  regelmässigen 
Laufgräben,  deren  erster  von  Alibeg,  dem  Sohne  des  Ewrenos,  ausgeführt 
worden  sein  soll,  der  Umfassungsmauer;  zu  Wasser  schnitten  mehr 
wie  100  Schiffe  die  Festung  von  Ungarn  ab.  Gegen  die  Festung 
geschleuderte  Steine  fügten  derselben  grossen  Schaden  zu,  sie  brachten 
die  Thürme  zum  Falle  und  machten  die  Mauern  dem  Erdboden 
gleich."^)      Allein     die    Besatzung     hinderte     alle    Anstrengungen     der 


^)  Thuroz  allein  bringt  die  Nachricht  von  einem  längeren  Gefechte,  welches 
Talloczy  den  Türken  noch  vor  der  Belagerung  geliefert  haben  soll;  selbes  dürfte  sich 
wohl  nur  auf  einen  Ausfall  zur  Erkennung  des  Gegners  beschränkt  haben. 

''j  Chalkokondilas  (nach  Engel)  sagt:  sie  brauchten  »Stein werfende  Maschinen« 
und  Dukas  (nach  Huber)  nennt  sie:   »nsxpoßoX'.c^ioi«. 


-     57     - 

Türken,  die  beschädigten  Stellen  der  Mauern  wurden  in  der  Nacht 
Avieder  hergestellt,  und  zahlreiche  Ausfälle  beunruhigten  die  Angreifer. 
Besonderen  Schaden  fügten  die  Geschütze  der  Ungarn,  welche  — 
wie  Dukas  sagt  —  mit  fünf  bis  sechs  Kugeln  aus  Blei  in  der  Grösse 
einer  pontischen  Nuss  (Wallnus)   geladen  wurden,   den  Belagerern  zu. 

Nachdem  die  Belagerung  drei  Monate  gedauert  hatte,  schickte 
Wladislav  Ende  Juli  den  Polen  Lenzycky  an  den  Sultan,  welcher  ihm 
erst  zu  Beginn  des  Jahres  ein  Bündniss  gegen  Ungarn  angetragen 
hatte,  um  ihm  seine  Erhebung  auf  den  ungarischen  Thron  anzuzeigen, 
und  die  Einstellung  der  Feindseligkeiten  zu  verlangen;  der  Gesandte 
konnte  aber  nur  mit  Mühe  zum  Sultan  gelangen,  da  alle  Wege  von 
den  Türken  verlegt  waren.  Murad  erklärte  erst  nach  drei  Tagen  ant- 
worten zu  wollen,  und  schickte  den  Gesandten  nach  Semendria,  wo  er 
ihn  bis  zum  Ende  der  Belagerung  behielt. 

Die  Anstrengungen,  um  Belgrad  in  die  Hände  zu  bekommen, 
wurden  nun  verdoppelt;  in  an  Pfeile  gebundenen  Briefen  machte  der 
Sultan  der  Besatzung  die  glänzendsten  Versprechungen,  wenn  sie  ihm 
die  Stadt  überlieferte,  und  als  dies  nichts  fruchtete,  beschloss  er  einen 
allgemeinen  Sturm  zu  unternehmen.  Nachdem  ein  Theil  der  Mauern 
in  Bresche  gelegt  worden  war,  Hess  er  den  Festungsgraben  mit  Holz 
anfüllen,  um  den  Angriff  zu  erleichtern;  der  Prior  von  Vrana  Hess  aber 
in  der  Nacht  Pulver  auf  das  Holz  werfen  und  als  am  folgenden  Morgen 
die  Türken  den  Graben  überschritten,  einige  schon  auf  Leitern  die 
Mauer  zu  ersteigen  versuchten,  schleuderten  die  Vertheidiger  Fackeln, 
brennende  Scheiter  und  Kohlen  auf  das  im  Graben  aufgeschichtete 
und  mit  Pulver  vermischte  Holz,  so  dass  eine  grosse  Menge  der  Türken 
elend  zu  Grunde  gieng.^)  Von  den  Schiffen  wurden  mehrere  durch 
Geschütze  der  Festung  in  den  Grund  gebohrt,  andere  durch  den  Wind 
an  die  Mauer  getrieben  und  genommen.  Die  Hoffnung  auf  Erfolg 
aufgebend,  zog  der  Sultan  endlich  im  October  ab.  Den  Gesandten 
Wladislav's  schickte  er  nun  mit  der  Erklärung  zurück:  »Wenn  der 
König  Frieden  haben  wolle,  müsse  er  Belgrad  abtreten  und  auf  Serbien 
verzichten.«  Die  jedenfalls  nicht  unbedeutenden  Verluste  der  Türken 
werden  wohl  übertrieben  mit  17.000  bis  20.000  Mann  angegeben. 


ä)  Huber  (»Die  Kriege  zwischen  den  Ungarn  und  Türken  1440  bis  1443«) 
schildert  die  Jielagerung  von  Belgrad  nach  den  Berichten  von  Chalkokondilas,  Ducas  und 
Thuroz.  Letzterer  lässt  dem  letzten  Sturm  eine  von  den  Türken  angelegte  und  von 
den  Vertheidigern  entdeckte  Mine  vorausgehen,  was  auf  eine  schon  ausgebildete  Ent- 
wicklung des  Minenkrieges  schliesen  Hesse;  die  ersten  mit  Pulver  geladenen  Minen 
kommen  jedoch  erst  Ende  des  XV.  Jahi-hunderts  vor. 


-     58     - 

Nur  der  heldenmütliigen  Vertheidigung  Belgrads  ist  es  zu  ver- 
danken, dass  Ungarn  nicht  schon  damals  von  den  Türken  verwüstet, 
wenn  nicht  erobert  wurde.  Ihre  Raubzüge  auf  ungarisches  Gebiet  und 
nach  Siebenbürgen  setzten  sie  trotz  der  bei  Belgrad  erlittenen  Ver- 
luste fort  und  kehrten  beutebeladen  und  mit  einer  Unzahl  Gefangener 
zurück.^) 

Nach  diesen  Einfällen  wurde  in  Ungarn  das  erstemal  das  Auf- 
treten der  orientalischen  Pest  beobachtet,  die  früher  schon  auf  anderem 
Wege  nach  Europa  gelangt  war,  nun  aber  fast  jedem  Einfalle  der 
Türken  folgte,  Tausende  von  Menschen  hinraffte  und  sich  oft  weit 
über     die  von  ihnen  berührten  Landstriche  ausbreitete. 

In  die  Zeit  der  Belagerung  von  Belgrad  fiel  auch  der  Sieg, 
welchen  Hunyady  und  Ujlaky  über  die  Anhänger  der  Königin  Elisabeth 
bei  Bataszek  errangen,  und  damit  die  Stellung  und  das  Ansehen  Wladis- 
lav's  wesentlich  förderten.  Zum  Lohne  für  diesen  Sieg  wurde  Hunyady 
zum  Grafen  von  Temesvär  und  mit  Ujlaky  zugleich  zum  WoyAvoden 
von  Siebenbürgen  ernannt;  später  wurde  ihm  auch  die  Vertheidigung 
Niederungarns  und  Belgrads  anvertraut. 

^)  Seadeddin  sagt:  »Man  schleppte  so  viele  Gefangene  fort,  dass  man  eine 
schöne  Sclavin  um    ein  Paar  Stiefel,    und    einen  Sclaven  um  150  Aspern    verkaufte.« 


Viertes  Capitel. 


Johann  Hunyady.  —  Sein  Zug  gegen  Semendria.  —  Seine  Siege  bei  St.  Imre  und  am 
Eisernen  Thor-Pass.  —  König  Wladislav  zieht  nach  Bulgarien.  —  Hunyady's  siegreiche 
Gefechte  bei  Nissa.  —  Vergebliche  Versuche  der  Ungarn,  in  das  Marizathal  zu  ge- 
gelangen. —  Rückzug  der  Ungarn.  —  Ihr  Sieg  am  Fusse  des  Kunovizagebirges.  — 
Friedensschluss.  —  1441  bis  1444. 

König  Wladislav  konnte  keine  bessere  Wahl  treffen,  als  er  die 
Vertheidigung  der  Südgrenze  des  Reiches  in  die  Hände  Johann  Hunyady's 
legte.  Dieser,  als  tapferer  Krieger,  fähiger  und  auch  vom  Glücke  be- 
günstigter Heerführer  bewährt,  tritt  nun  —  obwohl  keinem  der  grossen 
Adelsgeschlechter,  ja  nicht  einmal  von  Geburt  dem  magyarischen 
Stamme  angehörend  —  sowohl  in  der  ungarischen  Geschichte,  wie  in 
der  Geschichte  des  Kampfes  wider  die  Osmanen  in  den  Vordergrund. 

Hunyady's  Vorfahren  waren  zweifellos  Rumänen  und  scheinen 
durch  König  Sigismund  bei  seinen  wiederholten  Zügen  in  die  Walachei 
für  ihm  geleistete  wichtige  Dienste  zur  Uebersiedlung  auf  ungarisches 
Gebiet  veranlasst  und  mit  dem  königlichen  Dominium  Hunyadvar  im 
Albenser  Comitat  in  Siebenbürgen  beschenkt  worden  zu  sein,  welche 
Schenkung  in  einer  noch  vorhandenen  Urkunde  vom  Jahre  1409  be- 
stätigt wird.')     Hunyady's  Vater  wird   in   der   erwähnten  Urkunde  als 

•)  Die  Urkunde  ist  mitgetheilt  bei  Fejer,  Kemeny  und  Schmidt.  Auch  Hunyady's 
Zeitgenosse  Aeneas  Silvius,  der  spätere  Papst  Pius  II.,  sagt  von  ihm:  »Er  war  ein' 
Dake,  oder  wie  sie  jetzt  genannt  werden,  ein  Walache. «  Die  fast  gleichzeitige  Cillier 
Chronik  sagt:  »Hunyadt  Janus  war  aus  dem  Landt  Walachei  hurtig  nnd  eines  geringen 
Eittermessigen  Geschlechts.«  lieber  Hunyady's  Geburtsjahr  schwanken  die  Angaben 
zwischen  1387  und  1394. 

Die  viel  verbreitete  Erzählung,  dass  Hunyady  die  Frucht  eines  Verhältnisses 
Sigismund's  mit  der  schönen  Elisabeth  Morsinay  wäre,  welche  er  gelegentlich  seines 
Aufenthaltes  in  Siebenbürgen  kennen  lernte,  verdankt  ihren  Ursprung  erst  dem  Ende 
des  XV.  Jahrhunderts  und  verdient  ebenso  wie  die  Bemühungen,  aus  ihm  einen  Szekler 
zu  machen,  oder  seine  Abstammung  von  alten  Geschlechtern  herzuleiten,  nur  als 
Märchen  der  Erwähnung. 


—     60     - 

»Voyk,  Sohn  des  Serbe«  und  als  »Kriegsmann  des  königliclien  Hofes« 
(aulae  nostrae  militis)  angeführt,  scheint  demnach  einem  königlichen 
Banderium  angehört  zu  haben,  und  nahm,  als  er  sich  auf  seinen  Besitz, 
dem  er  seinen  Namen  entlehnte,  zurückgezogen  hatte,  eine  geachtete 
Stellung  in  Siebenbürgen  ein.  Eine  seiner  Töchter  soll  er  an  den  Sohn 
eines  walachischen  Fürsten  verheiratet  haben  —  ein  Beweis,  dass  die 
Familie  die  Verbindung  mit  ihrem  Stammlande  nicht  aufgegeben  hatte 

—  die  beiden  anderen  nahmen  siebenbürgische  Edelleute,  Pankratius 
Dengeleg  und  den  Johann  Szekely,  zur  Ehe. 

Von  den  Brüdern  Johann  Hunyady's,  des  künftigen  Gubernators, 
scheint  einer  schon  im  Kindesalter  gestorben  zu  sein,  während  ein 
zweiter,  der  auch  den  Namen  Johann  führte,  mit  seinem  Bruder  er- 
zogen wurde,  sich  ebenfalls  durch  hervorragende  Tapferkeit  auszeich- 
nete, in  Folge  der  mit  seinem  Bruder  erfochtenen  Siege  gleichzeitig 
mit  ihm  die  Würde  eines  Ban  von  Severin  erhielt,  aber  einige  Jahre 
später,  wahrscheinlich  1442,-)  den  erhaltenen  Wunden  erlag;  er  wurde 
im  Dome  zu  Weissenburg  (Karlsburg)  beigesetzt.^) 

Als  Greburtsjahr  Johann  Hunyady's  ist  mit  Wahrscheinlichkeit 
1392  oder  1393  anzunehmen.  Später  erst  erhielt  seine  Familie  den  Bei- 
namen »Corvinus«,  ob  von  Johann's  angeblichem  Geburtsort  »Hollo« 
(der  Rabe)  mag  in  Frage  gestellt  sein;  viel  wahrscheinlicher  ist,  dass 
er  dem  Familienwappen  —  einem  Raben  mit  einem  Ringe  im  Schnabel 

—  seinen  Ursprung  verdankt. 

Ueber  Hunyady's  Jugendjahre  ist  wenig  bekannt.^)  Dem  Beispiele 
seines  Vaters  folgend,    trat    er  früh  in  die  Dienste  König  Sigismund's 


~)  Nach  Fraknöi  soll  er  in  der  Schlacht  bei  Szent-Imre  im  Jahre  1442  den 
Heldentod  gefunden  haben. 

^)  Der  Grabstein  dieses  Bruders  des  Gubernators  scheint  erst  später  auf  seinen 
dermaligen  Platz  gebracht  und  aus  verschiedenen  Theilen  zusammengesetzt  worden 
zu  sein.  Die  Inschrift  führt  Johann  als  »Minor«,  als  »Miles«  und  »Frater  Gubei'- 
natoris«  an,  er  muss  sich  daher  auf  einen  jüngeren  Bruder  des  Gubernators  beziehen 
und  einige  Jahre  nach  seinem  Tode  —  als  Johann  bereits  Gubernator  war  —  errichtet 
worden  sein.  Von  der  Jahreszahl  ist  MCCCCXXX  .  .  noch  deutlich  zu  lesen,  die  Er- 
gänzung aber  so  verstümmelt,  dass  dieser  »Stein  wohl  Zeugniss  vom  Vorhandensein 
dieses  Hunyady's,  keineswegs  aber  über  das  Todesjahr  desselben  gibt. 

*)  Die  Nachricht  der  Cillier  Chronik  :  »Hunyad  war  etwan  der  von  Cilli  Diener 
und  lag  ihn  nur  mit  dreien  Pferden  zu  hoff,«  »als  man  gesagt  hat«,  ebenso  die  An- 
gabe, dass  er  im  Dienste  des  Bischofs  Demetrius  Zechy  (er  war  von  1375  bis  1379 
BUchof  von  Agram)  gestanden  wäre,  entbehrt  jeder  Begründung;  Hunyady  müsste 
1379  doch  wenigstens  zehn  Jahre  alt  gewesen  sein  und  bei  seinem  Tode,  1456,  ein 
Alter  von  mehr  wie  87  Jahren  erreicht  haben,  was  mit  allen  sonstigen  Angaben  in 
WiderspriJch  steht. 


—     61     — 

und  folgte  ihm  auf  den  Fahrten  seines  ruhelosen  Lebens.  Schon  1414 
war  er  um  die  Person  des  Königs,  als  dieser  in  Aachen  gekrönt  wurde, 
1420  kämpfte  er  an  seiner  Seite  gegen  die  Hussiten;  ob  er  den  Zug 
gegen  Rom  mitmachte,  ist  nicht  gewiss,  in  Italien  Avar  er  jedoch.  Mit 
voller  Begeisterung  gab  er  sich  dem  kriegerischen  Berufe  hin,  zu 
welchem  er  alle  Vorzüge  einer  körperlichen  und  geistigen  Veranlagung 
in  sich  fühlte.  Dass  er  sich  die  damals  einem  Staatsmanne  fast  unent- 
behrliche lateinische  Sprache  nicht  vollkommen  aneignete  und  auch  in 
späteren  Jahren  sie  zu  schreiben  nicht  im  Stande  war,  wäre  noch  kein 
Beweis  einer  mangelhaften  Bildung,  da  in  so  kriegerischen  Zeiten  mehr 
auf  Ausbildung  im  Waffendienste  als  auf  Gelehrsamkeit  gesehen  wurde. 
Jedenfalls  aber  hatte  er  am  Hofe  Sigismund's,  dem  Brennpunkt  aller 
Bewegungen  der  christlichen  Völker  —  wenn  ihn  seine  bescheidene 
Stellung  von  den  leitenden  Kreisen  auch  ferne  hielt  — ,  doch  reichliche 
Gelegenheit,  sich  die  Vortheile  eines  erweiterten  Gesichtskreises  und 
einer  höheren  Auffassung  anzueignen. 

Als  König  Sigismund  1428  an  der  unteren  Donau  gegen  die 
Türken  kämpfte  und  die  Wintermonate  in  Temesvar  zubrachte,  mag 
es  sich  ereignet  haben,  dass  Hunyady  die  Bekanntschaft  des  mächtigen 
und  reichen,  auch  wegen  seiner  heldenmüthigen  Kämpfe  gegen  die 
Türken  bekannten  Gutsbesitzers  Ladislaus  Szilagyi°)  machte  und  seine 
Tochter  Elisabeth  zur  Frau  nahm.  Dieser  Ehe  entsprossen  zwei  Söhne, 
der  ältere,  Ladislaus,  1433,  der  jüngere,  Mathias,  zu  Klausenburg  1440 
geboren;  beide  waren  noch  berufen,  in  der  Geschichte  Ungarns  eine 
wichtige  Rolle  zu  spielen. 

Obwohl  beim  Concil  zu  Konstanz  Augenzeuge  des  Haders  in  der 
Kirche,  bewahrte  sich  Hunyady  doch  seine  Religiosität,  die  sich  mit 
Rücksicht  auf  den  Kampf  gegen  die  ungläubigen  Mohammedaner  selbst 
zum  Fanatismus  steigerte. 

Der  Umstand,  dass  Johann  Hunyady,  der  doch  den  Königen 
Sigismund  und  Albrecht  so  viel  zu  verdanken  hatte,  sich  so  leicht  von 
den  Interessen  ihres  Erben  trennte,  kann  eine  Entschuldiffung-  wohl 
nur  in  den  Zeitverhältnissen  finden,  welche  einer  kräftigen  und  ziel- 
bewussten  Regierung  dringend  bedurften,  eine  solche  aber  weder  von 
der  Mutter,  noch  von  dem  Vormunde  des  Kindes  Ladislaus,  dem  Kaiser 

=)  Die  Sziläg-yi  stammten  aus  Bosnien,  aus  dem  Geschlechte  der  Garäzda;  sie 
zeichneten  sich  in  den  Kämpfen  gegen  die  Türken  sowie  gegen  den  abtrünnigen  Her- 
voya  aus.  Ihre  Anhänglichkeit  an  Ungarn,  sowie  ihre  Treue  gegen  den  König  fand 
reiche  Belohnung,  sie  wurden  1407  und  1408  mit  ausgedehntem  Länderbesitz  beschenkt 
und  in  die  Eeihen  der  ungarischen  Magnaten  aufgenommen. 


—     62     - 

Friedrich,  der  ohne  genügende  Hausmacht  auch  sich  so  geringer  Sym- 
pathien in  Ungarn  zu  erfreuen  hatte,  erwartet  werden  konnte. 

Als  Hunyady  nach  seiner  Ernennung  zum  Befehlshaber  in  Belgrad 
noch  im  Jahre  1441  in  diese  Stadt  kam,  plünderten  eben  die  Leute 
Isakbeg's,  des  Befehlshabers  von  Semendria,  die  umliegenden  Ort- 
schaften und  brannten  sie  nieder.  Hunyady  zog  mit  den  wenigen  ver- 
fügbaren Truppen  aus  der  Festung,  um  die  Räuber  zu  vertreiben, 
nahm  ihnen  die  Beute  ab  und  verfolgte  sie  durch  drei  Tage  bis  in  die 
Nähe  von  Semendria.  Als  Hunyady  den  Rückzug  antreten  wollte, 
suchte  ihm  Isakbeg  den  Weg  zu  verlegen;  dies  rechtzeitig  bemerkend, 
griff  er  aber  die  Türken  mit  geordneten  Scharen  an  und  trieb  sie 
mit  bedeutendem  Verluste  zurück.  Wenn  dieses  Gefecht  auch  nur  aus 
Anlass  eines  Streifzuges  stattfand,  und  auch  nur  eine  geringe  Zahl 
Truppen  daran  betheiligt  war,  so  hatte  es  doch  eine  moralische  Be- 
deutung, indem  es  das  Selbstbewusstsein  der  Ungarn  den  so  sehr  ge- 
fürchteten Türken  gegenüber  hob. 

Viel  bedeutender  waren  die  Kämpfe  mit  den  Türken  im  folgenden 
Jahre  1442,  während  Ungarn  auch  nach  dem  Ableben  Elisabeth's  im 
Thronkampfe  nicht  ganz  zur  Ruhe  kommen  konnte.  Die  Moldau  und 
Walachei,  von  den  Ungarn  keine  Hilfe  mehr  erwartend,  erkannten  die 
Oberhoheit  des  Sultans  an:  Georg  Brankovic  war  verdächtig,  mit  dem 
Sultan  in  geheimer  Verbindung  zu  stehen,  um  durch  seine  Gunst 
wieder  in  den  Besitz  Serbiens  zu  gelangen,  und  Murad  selbst  hielt 
den  Augenblick  für  günstig,  die  früheren  Misserfolge  auszulöschen 
und  das  von  Parteien  gespaltene  Ungarn  ganz  zu  unterwerfen.  Im 
Frühjahr  sammelte  er  die  europäischen  Truppen,  bei  80.000  Mann, 
darunter  4000  Janitscharen,  an  der  Donau  und  Hess  dieses  Heer  unter 
seinem  Oberstallmeister  Medsidbeg,  einem  erfahrenen  alten  Kriegs- 
mann, der  vor  40  Jahren  Siwas  gegen  Timur  vertheidigt  hatte,  bei 
Nikopoli  den  Strom  übersetzen,  mit  dem  Auftrage,  Ungarn  zu  er- 
obern. 

Medsidbeg  brach  unerwartet  durch  das  Altthal  in  Siebenbürgen 
ein.  Das  wohlvertheidigte  Hermannstadt  umgehend,  verbreitete  sich 
das  türkische  Heer  plündernd  über  das  ganze  Land.  Bei  der  Schnellig- 
keit des  Einfalles  der  Türken  war  es  dem  Woywoden  Hunyady,  der, 
vom  Schauplatz  des  Bürgerkrieges  zurückgezogen,  sich  nun  ganz  der 
Vertheidigung  der  Grenze  widmete,  nur  möglich,  mit  geringen,  in  der 
Eile  zusammengezogenen  Streitkräften  Weissenburg  zu  erreichen.  Als 
nun  die  Türken,  nachdem  sie  einen  grossen  Theil  Siebenbürgens 
plündernd  durchzogen  hatten,  mit  ihrer  Beute  an  Menschen,  Habe  und 


-     63     — 

Vieh  unweit  der  Stadt  lagerten,  so  dass  man  daselbst  den  Rauch  der 
niedergebrannten  Ortschaften  wahrnehmen  konnte,  zog  ihnen  Hunyady 
am  18.  März  in  Begleitung  des  Bischofs  Georg  Lepes,  eines  wegen 
seiner  Heftigkeit  bekannten  Mannes,  mit  nur  geringer  Mannschaft  ent- 
gegen. Als  sie  im  Marosthal  aufwärts  gegen  Szent-Imre  gelangt  waren, 
trafen  sie  unvermuthet  auf  den  Feind,  und  sahen  sich,  von  allen 
Seiten  angegriffen,  zur  Flucht  genöthigt.  Der  Woywode  entkam  noch 
rechtzeitig,  doch  wurden  manche  seiner  Leute  niedergemacht;  der 
Bischof  aber,  der  sich  zu  weit  vorgewagt  hatte,  stürzte  beim  Ueber- 
setzen  des  Ampolybaches,  kaum  2000  Schritte  vor  den  Mauern  der 
Stadt,  vom  Pferde;  er  wurde  hier  vom  Feinde  ereilt  und  gleich  ent- 
hauptet. 6)  Weissenburg  nicht  weiter  beachtend,  zog  Medsidbeg  abermals 
plündernd  und  sengend  durch  das  Land. 

Unterdessen  sammelte  Hunyady  in  Weissenburg-  die  Banderien 
der  umliegenden  Gespanschaften;  auch  Ujlaky  stiess  zu  ihm,  und  mit 
seinem  ansehnlich  verstärkten,  auch  mit  einigen  Feuergewehren  und 
Geschützen  ausgerüsteten  Heere  wollte  er  dem  Feinde  entgegenziehen. 
Medsidbeg:,  der  das  mit  Freude  vernimmt  und  erklärt:  »Er  soll  nur 
kommen  und  uns  noch  grösseren  Gewinn  bringen  als  früher!«  kommt 
ihm  aber  zuvor  und  zieht  selbst  gegen  Weissenburg.  Am  24.  März 
trifft  er  in  Szent-Imre  ein.  Ein  Spion  brachte  alle  für  den  bevor- 
stehenden Kampf  von  Medsidbeg  getroffenen  Anordnungen  in  Erfahrung 
und  eilte  zu  Hunyady,  um  ihm  mitzutheilen,  dass  seine  Rüstung,  so- 
wie die  Farbe  seines  Pferdes  dem  Feinde  verrathen  worden  sei,  und 
die  kühnsten  und  bestbewaffneten  Krieger  ausgewählt  worden  seien, 
um  ihn  zu  tödten.  Ein  Edelmann  Namens  Simon  Kamonya  (Kemeny?) 
ruhte  nicht  eher,  als  bis  ihm  Hunyady  nach  langer  Weigerung  ge- 
stattete, Rüstung  und  Pferd  zu  tauschen,  indem  er  ihm  500  der 
tüchtigsten  Krieger  an  die  Seite  gab.^)  Am  Morgen  des  25.  März  zog 
nun  Hunyady  aus  Weissenburg  dem  durch  den  letzten  Sieg  über- 
müthig  gemachten  Feind  entgegen.  Kamonya  traf  an  der  Teufels- 
schlucht auf  den  Gegner  und  hielt  den  wüthenden  Anprall  desselben 
standhaft  aus,  während  Hunyady,  den  Ampolybach  tiberschreitend, 
die  vorliegenden  Höhen  mit  Benützung  der  vorhandenen  Schluchten 
unbemerkt  ersteigt  und  vom  Berge  Bilag  aus  den  rechten  Flügel  und 
Rücken  des  Feindes  bedroht.    Kamonya  unterliegt    zwar    endlich    und 

^)  Die  Stelle,  wo  Bischof  Lepes  enthauptet  wurde,  ist  durch  ein  Steinkreuz  mit 
einer  Inschrift  bezeichnet. 

^)  Die  etwas  märchenhaften  Einzelheiten  dieses  Kampfes,  für  deren  Richtigkeit 
nicht  gebürgt  werden  kann,  bringt  Bonfinius  und  nach  ihm  Andere. 


—     64     - 

wird  sammt  seiner  Schar  niedergemacht,  die  Schlachtreihen  der 
Türken  werden  aber  durch  das  unerwartete  Vorbrechen  Hunyady's 
zersprengt  und  gegen  Szent-Imre  gedrängt.  Während  nun  die  Türken 
mehr  um  ihre  Rettung  als  um  den  Sieg  kämpften,  gelang  es  den  nur 
unter  geringer  Bedeckung  im  Lager  zurückgelassenen  Gefangenen,  sich 
zu  befreien;  im  Verein  mit  den  Siegern  fielen  sie  nun  den  Türken  in 
den  Rücken  und  brachten  sie  vollständig  in  Verwirrung. 

Als  Medsidbeg  die  Niederlage  und  Flucht  der  Seinen  wahrnimmt, 
flieht  auch  er,  wird  aber  von  den  nachsetzenden  Ungarn  eingeholt  und 
sammt  seinem  Sohne  niedergemacht.  Nachdem  alle  Gefangenen  be- 
freit waren  und  die  früher  gemachte  reiche  Beute  den  Türken  abge- 
nommen worden  war,  verfolgte  Hunyady,  dem  sich  wohl  auch  die 
Hermannstädter  Bürger  angeschlossen  haben  mögen, '^)  den  unaufhalt- 
sam fliehenden  P'eind  durch  die  Gebirgspässe  und  machte  noch  viele 
Gefangene.  Bei  30.000  Türkenleichen  sollen  das  Schlachtfeld  bedeckt 
haben,  während  der  Verlust  der  Ungarn  nur  3000  Mann  betrug.  Unter 
den  Opfern  soll  sich  auch  Hunyady's  gleichnamiger  Bruder  Johann 
befunden  haben. 

Mit  der  Nachricht  über  den  erfochtenen  Sieg,  für  den  Hunyady 
als  Befreier  des  Vaterlandes,  als  Retter  der  Sclaven  und  als  unüber- 
windlicher Feldherr  gepriesen  wurde,  sandte  er  Trophäen  an  den  König 
und  den  Despoten  von  Serbien,  und  erbaute  im  Jahre  1445  zum  An- 
denken an  den  errungenen  Sieg  ein  Kloster  im  Töwisthale.^) 

Eine  Folge  dieses  Sieges  war  die  Rückkehr  der  Woywoden  der 
Moldau  und  Walachei  unter  die  ungarische  Oberhoheit. 

Als  der  Sultan  die  Niederlage  seines  Heeres  und  den  Tod  Medsid- 
beg's  erfuhr,  beschloss  er,  Rache  dafür  zu  nehmen.  Er  wollte  selbst 
nach  Siebenbürgen  ziehen  und  Hess  für  das  Frühjahr  1443  einen 
Heereszug  vorbereiten;  doch  war  es  vielleicht  die  Nachricht  vom  Ab- 
fall des  walachischen  Woywoden,  die  ihn  bewog,  den  Feldzug  noch  in 
diesem  Jahre  anzuordnen,  und  —  da  deshalb  die  Rüstungen  nicht  so 
umfassend  sein  konnten,  als  er  wünschen  mochte  —  das  Heer  nicht 
selbst  anzuführen,  sondern  dem  Eunuchen  Schehabeddin  Pascha,  einem 


^)  Dass  der  Sieg  bei  Szent-Imre  einem  Ausfalle  der  Hermann  Städter  Besatzung 
zuzuschreiben  wäre,  wie  verschiedene  Quellen  behaupten,  ist  kaum  möglich,  da  Her- 
mannstadt bei  70  Kilometer  von  Szent-Imre  entfernt  ist;  dass  die  Hermannstädter  sich 
auch  an  der  Verfolgung  Medsidbeg's  betheiligt  haben,  als  dessen  Heer  flüchtig  an  der 
Stadt  vorbeieilte,  ist  aber  sehr  wahrscheinlich.  Nach  Thuroz  wäre  Medsidbeg  vor  Her- 
mannstadt durch  eine  Kanonenkugel  getödtet  worden. 

ä)  An  Stelle  des  einstigen  von  Hunyady  erbauten  Paulaner  Eremitenklosters 
steht  jetzt  die  katholische  Kirche  sammt  Pfarrhaus  in  Tüwis. 


Gefecht  bei  St.  Imre  am  25.  März  1442. 


r  Ollibär 


1000  r 


3  Km 


Schichtenhohe  20m 

Türken. 
C  Angriff  gegen  Kamonya. 
D  Medsidbeg's  Heer  im  Vormarsche. 
E  Lager  der  Türken. 
F  Penkmal  des  im  G -fechte  am  l.ö.  März  jrefallenen  Bischofs  Georg  Lppe'. 
Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.  2.  Aufl.  ;'> 


Ungarn. 

A  Kamonya's  Abtheilnng. 
B  Hunyady's  Truppen. 


-     66     - 

krieffserfalirenen  Manne,  den  Oberbefehl  zu  übertrag-en  und  ihm  die 
Weisung  zu  ertheilen,  die  Walachei  zur  Strafe  des  Abfalles  zu  ver- 
wüsten und  vor  gänzlicher  Unterwerfung  Ungarns  nicht  zurückzu- 
kehren. Schehabeddin.  noch  übermüthiger  wie  Medsidbeg,  rühmte  sich 
prahlerisch,  dass  die  Feinde,  wenn  sie  seinen  Turban  nur  erblickten, 
schon  mehrere  Tage  weit  fliehen  würden,  und  pflegte  zu  sagen:  »Mein 
Schwert  ist  eine  Wolke,  welche  statt  Regen  nur  Blut  vergiesst.« 

Das  türkische  Heer  übersetzte  die  Donau  bei  Nikopoli.  Nach- 
dem die  Walachei  verwüstet  und  dort  reiche  Beute  gemacht  worden 
war,  vermied  Schehabeddin  die  gewöhnlichen  Einbruchsstellen  nach 
Siebenbürgen,  da  sich  auf  Hunyady's  Rath  die  wehrfähige  Bevölkerung 
der  Walachei  meist  in  das  Gebirge  zurückgezogen  und  dort  die  Pässe 
zur  Vertheidigung  eingerichtet  hatte;  donauaufwärts  ziehend,  betrat 
er  mit  der  Absicht,  den  Eisernen  Thor-Pass  zwischen  Karansebes  und 
Hatszeg  zu  überschreiten,  bei  Orsowa  ungarisches  Gebiet. '°) 

Unterdessen  hatte  Hunyady  in  Siebenbürgen  Truppen  gesammelt, 
die  allerdings  dem  Feinde  an  Zahl  nicht  gleich  kamen,  und  zog,  nach- 
dem er  über  die  Einbruchsstelle  des  Feindes  GcAvissheit  erlangt  hatte, 
demselben  längst  des  Nordrandes  des  Grenzgebirges  bis  an  den  Eisernen 
Thor-Pass  zwischen  Hatszeg  und  Karansebes  entgegen,  entschlossen, 
zu  sieg^en  oder  zu  sterben. 


'")  Das  Privileg  Hunyady's  vom  Jahre  1453,  das  auch  Aufklärungen  über 
diesen  und  die  nächsten  Kämpfe  gibt,  enthält  keine  Ortsbestimmung.  In  den  südlichen 
Karpaten  führen  nur  zwei  Punkte  den  Namen  »Eisernes  Thor«,  die  Stromenge  an  der 
Donau  oberhalb  Severin  und  der  Gebirgsübergang  vom  Temescher  Banat  nach  Sieben- 
bürgen zwischen  Karansebes  und  Hatszeg  (enger  begrenzt  zwischen  den  Gebirgs- 
dörfern  Ohaba-Bistra  und  Värhely,  dem  alten  Sarmizigethusa  —  unter  den  Römern 
Ulpia-Trajana).  Letzterer  Pass  ist  aus  der  Walachei  nur  nach  Passierung  des  ersteren 
zu  erreichen.  Wenn  der  byzantinische  Geschichtschreiber  Chalkokondilas  von  Sche- 
habeddin sagt:  »Er  überschritt  den  Ister  und  marschierte  nach  Siebenbürgen,  indem 
er  einige  Tage  durch  das  Land  Ungarn  zog«,  so  kann  damit  nur  gemeint  sein:  »Er 
übersetzte  die  Donau,  zog  längs  derselben  aufwärts,  betrat  oberhalb  Severin  unga- 
risches Gebiet  und  brauchte  noch  drei  bis  vier  Tage,  um  den  Eisernen  Thor-Pass 
ober  Karansebes  zu  erreichen.«  Wenn  Chalkokondilas  ferner  sagt;  »Hunyady  folgte 
dem  Pascha  längs  des  Gebirges«,  so  muss  damit  nicht  gemeint  sein,  dass  er  ihm  auf 
dem  Fasse  folgte  —  er  müsste  den  Pascha  dann  im  Rücken  angefallen  haben,  was 
nicht  geschah  —  wohl  aber  kann  er  seiner  Bewegung  auf  der  Nordseite  des  Gebirges 
gefolgt  sein,  und  nachdem  er  sah,  dass  der  Geg-ner  die  Uebergänge  am  Alt  und  Schyl 
nicht  benützte,  sich  gegen  den  Eisernen  Thor-Pass  gewendet  haben.  Es  steht  dann 
auch  die  Angabe,  dass  die  Schlacht  »ad  locum,  qui  Vaskapu  (vas  ist  ungarisch 
Eisen,  kapu  Thor)  genannt  wird«,  nicht  in  Widerspruch  mit  dem  Privileg  Hunyady's 
und  Ujlaky's. 


-     67     — 

Den  Pass  überschreitend,  stürzte  sich  nun  Hunyady's  tapferes 
Heer  aus  dem  Gebirge  von  allen  Seiten  auf  den  überraschten  Gegner, 
der  trotz  der  ungeheuren  üeberraacht  geschlagen  wurde.  Eine  Unzahl 
Fahnen  wurden  erbeutet,  5000  Gefangene  gemacht  und  Tausende  von 
Todten  bedeckten  das  Schlachtfeld,  darunter  viele  der  tapfersten  Führer 
der  Türken.  Aus  der  Banater  Ebene  zurückkehrende  Streifpartien, 
die  von  der  Niederlage  ihres  Führers  noch  keine  Kenntniss  hatten, 
Avurden  ohne  Mühe  einzeln  aufgerieben,  die  niitgeführten  Gefangenen 
in  Freiheit  gesetzt.^') 

Eine  Gesandtschaft  des  Sultans,  die  im  Juli  1442,  gerade  nach 
dem  Eintreffen  der  Nachricht  über  den  letzterrungenen  Sieg  an  den 
Hof  nach  Ofen  kam,  um  neuerdings  die  Uebergabe  Belgrads  zu  ver- 
langen, wurde  mit  Hinweis   auf  die   letzten   beiden  Siege   abgewiesen. 

Wenn  Hunyady  mit  so  geringen  Mitteln  so  glänzende  Siege  er- 
ringen konnte,  während  die  Hauptmacht  des  Königs  noch  durch  die 
Kämpfe  im  Innern  in  Anspruch  genommen  war,  so  konnte  man  noch 
viel  glänzendere  Erfolge  erwarten,  wenn  König  Wladislav  die  Streit- 
kräfte seiner  beiden  Reiche  den  Türken  entgegenstellen  würde.  Die 
Stimmung  im  Lande  benützend,  setzte  nun  der  Cardinal  von  St.  Angelo, 
Julian  Cesarini,  welchen  Papst  Eugen  IV.  im  Sommer  1442  als 
Legaten  nach  Ungarn  geschickt  hatte,  alles  in  Bewegung,  um  den 
König  zu  einem  energischen  Angriff  auf  die  Ungläubigen  anzueifern. 
und  war  deshalb  auch  eifrig  bemüht,  zwischen  Wladislav  und  Elisabeth, 
und  nach  deren  Ableben  zwischen  ersterem  und  Kaiser  Friedrich  als 
Vormund  des  jungen  Ladislaus  einen  Frieden  oder  doch  einen  Waffen- 
stillstand herbeizuführen.  Mit  dem  Aufgebote  seiner  ganzen  Beredsam- 
keit sucbte  der  feurige  Cardinal  Anfangs  1443  auf  dem  Reichstage 
zu  Ofen  den  König  und  seine  Räthe  sowie  die  ungarischen  Grossen 
zum  Kriege  zu  entflammen.  Bedeutende  Subsidien  von  Seite  des  Papstes 
und  Hilfstruppen  von  den  katholischen  Fürsten  stellte  er  in  Aussicht. 
Auf  dem  Reichstage  zu  Pfingsten  —  den  9.  Juni  —  erneute  er  seine 
Anstrengungen  und  wurde  hiebei  vom  Despoten  von  Serbien  lebhaft 
unterstutzt,  der  sein  Land  wieder  gewinnen  und  zugleich  an  Sultan 
Murad  die  Blendung  zweier  seiner  Söhne  rächen  wollte. 

Briefe  der  Republik  Ragusa,  dann  Nachrichten  von  Hunyady 
aus  Belgrad  steigerten  die  Kampflust  der  Ungarn  noch  mehr.   Spione 


^')  Bonfinius,  der  Historiograph  des  Königs  Mathias,  gibt  von  dieser  Schlacht 
eine  ganz  fabelhafte  Beschreibung,  in  der  Bombarden,  Streitwagen  und  schwer  be- 
waffnete Reiter  Rollen  spielen,  die  weder  der  Zeit  noch  dena  Orte  der  Schlacht  ent- 
sprechen können. 

5* 


-     68    — 

hatten  an  Hunyacly  berichtet,  das  türkische  Reich  sei  durch  Aufstände 
zerrissen;  der  Sultan,  durch  den  Herrseher  von  Karaman  geschlagen, 
sei  auf  eine  Insel  geflohen  und  gestorben;  in  Adrianopel  habe  man 
einen  seiner  Söhne  zum  Sultan  ausgerufen:  die  europäischen  Provinzen 
seien  nur  schwach  besetzt;  wenn  Ungarn  mit  30.000  Streitern  in 
Serbien  einrücke,  würden  die  Türken  alle  Gebiete  bis  zum  Meere  frei- 
willig räumen.  Wenn  diese  Gerüchte  auch  übertrieben  waren,  so  wirkten 
sie  doch  auf  den  Reichstag  so  mächtig  ein,  dass  der  Krieg  wider  die 
Osmanen  beschlossen  wurde. 

Den  Bemühungen  des  Legaten  gelang  es  endlich  nach  langen 
und  mühevollen  Verhandlungen,  einen  zweijährigen  Frieden  zwischen 
Kaiser  Friedrich  und  dem  König  Wladislav  zum  Abschluss  zu  bringen 
und  denselben  auch  auf  Giskra  auszudehnen,  der  noch  von  Elisabeth 
als  Befehlshaber  im  Norden  Ungarns  eingesetzt,  sich  dort  fast  als 
Gebieter  fühlte.  Papst  Eugen  IV.  widmete  den  fünften  Theil  der 
Einkünfte  der  apostolischen  Kammer  für  die  Ausrüstung  des  Heeres. 
sonst  Avaren  aber  seine  Bemühungen,  die  christlichen  Mächte  zur 
Hilfe  heranzuziehen,  von  geringem  Erfolge.  Den  Kaiser  und  den 
Deutschen  Orden,  auf  deren  Beistand  er  besonders  rechnete,  konnte 
man  zur  Beistellung  von  Hilfstruppen  nicht  bewegen,  beide  waren 
interessiert,  die  Macht  Ungarns  sowie  Polens  nicht  zu  sehr  überhand- 
nehmen zu  lassen. 

Da  der  bevorstehende  Feldzug  (später,  obwohl  er  kaum  vier  Monate 
währte,  der  »lange  Feldzug«  genannt)  als  Angriffskrieg  ausserhalb  der 
Reichsgrenze  geführt  Averden  niusste.  konnte  in  Ungarn  von  einem 
allgemeinen  Aufgebot  nicht  die  Rede  sein:  man  musste  sich  daher  zu- 
meist auf  die  Anwerbung  eines  Söldnerheeres  beschränken  und  die 
nöthigen  Geldmittel  hiezu  bewilligen.*'-)  Die  Aufstellung  und  Leitung 
desselben  wurde  an  Johann  Hunyady  als  »Capitanus  exercitus  gene- 
ralis«  übertragen. 

Obwohl  der  Sommer  noch  zu  Rüstungen  verwendet  werden  musste 
und  der  Feldzug  aus  ökonomischen  Rücksichten  erst  nach  eingebrachter 
Ernte  begonnen  werden  sollte,  brach  der  König  in  Begleitung  des 
Cardinallegaten  und  des  Despoten  von  Serbien  schon  im  Juli  von 
Ofen  auf,  wo  sich  auch  Hunyady  eingefunden  hatte. 

Während  der  König  in  Peterwardein  weilte,  sammelte  sich  das 
Heer    nach    und    nach    in    Titel.    Polnische    und    walachische    Hilfs- 


*-)  Einen  sehr  bedeutenden  Beitrag  zu  den  Rüstungen  stellte  auch  Georg 
Brankovic,  Hunyady's  Anwerbung  von  Söldnern  geschah  zum  grossen  Theil  auf 
seine  Kosten. 


-     69     — 

Völker  '^)  schlössen  siclihier  an.  ebenso  mehrereTausend  durch  den  Legaten 
angeworbene  und  vom  Papst  besoldete  Kreuzfahrer  —  meist  Böhmen 
—  auch  manche  ungarische  Bannerherren  mit  ihren  Scharen.  Sehr 
zahlreich  dürften  aber  weder  die  Hilfsvölker  noch  die  freiwillig  theil- 
nehmenden  Ungarn,  welche  sich  zu  einem  Feldzuge  ausserhalb  des 
Landes  nicht  verpflichtet  halten  mochten,  gewesen    sein. 

Die  Geschichtsquellen  über  den  »langen  Feldzug«  sind  äusserst 
spärlich  und  zum  Theil  wenig  verlässlich.  ^^)  Die  Zeitangaben,  nach 
Avelchen  man  den  Gang  der  Ereignisse  festhalten  könnte,  sind  gering, 
und  Orte  werden  häufig  mit  damals  üblichen  oder  auch  während  des 
Feldzuges  entstandenen,  jetzt  aber  nicht  mehr  gebräuchlichen  Namen 
bezeichnet.  Ebenso  schwankend  sind  die  Angaben  über  die  Stärke 
des  ungarischen  Heeres.  ^•'')  Beim  Uebertritt  über  die  Grenze  bei  Belgrad 
wird  das  Heer  kaum  viel  mehr  wie  25.000  Streitbare  und  zwar  meist 
Reiter  gezählt  haben.  Auch  Kriegswagen,  wie  sie  von  den  Hussiten- 
führern  in  Böhmen  mit  Vortheil  verwendet  wurden,  angeblich  in  der 
Zahl  von  600,  waren  beim  Heere,  sie  fanden  aber  bei  der  Abneigung 
der  ungarischen  Heerführer,  welche  lieber  in  freiem  Felde  kämpften, 
keine  Verwendung;  ob  es  bei  dem  fast  gänzlichen  Mangel  an  gebahnten 
Strassen  überhaupt  möglich  gewesen  wäre,  sie  mit  Vortheil  zu  ver- 
wenden, scheint  fraglich.  Spätere  Historiographen  erwähnen  auch,  dass 
Geschütze  (bombardae)  mitgeführt  worden  wären,  dass  sie  auch  Ver- 
wendung fanden,  wird  aber  in  keiner  der  gleichzeitigen  Quellen  an- 
geführt. An  sonstigen  Fuhrwerken,  theils  zur  Beförderung  der  Vor- 
räthe,  theils  zur  Befriedigung  des  Aufwandes,  ohne  welchen  ein  König 


'')  Dass  an  diesem  Feldzuge  mit  den  walacbischen  Hilfstrnppen  auch  Wlad 
Drakul  selbst  sich  betheiligt  hätte,  wie  mehrseitig  behauptet   wird,    ist  nicht  erwiesen. 

'*)  Die  Geschichtsquellen  über  diesen  Feldzug  beschränken  sich  auf  einen  Brief 
Hunyady's  an  Ujlaky  (Katona  XIII,  I,  251),  einen  Brief  Wladislav's  an  den  Dogen 
von  Venedig  (Huber,  Kämpfe  1441  bis  1444);  das  Gedicht  Michael  Beheim's  »Von 
dem  König  Wladislav,  wie  er  mit  den  Türken  streit«,  nach  der  Erzählung  Maegest's 
(dem  Namen  und  mehrerer  Ausdrücke  nach  wohl  ein  Siebenbürger  Sachse,  der  den 
Zug  in  untergeordneter  Stellung  mitmachte,  herausgegeben  von  Karajan  1848);  das 
Bruchstück  einer  Beschreibung  des  Feldzuges  von  dem  böhmischen  Rottenführer 
Jennik  von  Meökow,  der  den  Zug  auch  nur  in  bescheidener  Stellung  mitgemacht 
haben  kann  (mitgetheilt  von  H.  JireCek);  dann  Briefe  von  Aeneas  Silvius.  Von  älteren 
Historiographen  ist  nur  Callimachus,  Dlugos  und  Chalkokondilas  zu  erwähnen,  während 
Bonfinius  nur  verwirrt,  und  die  von  Hammer  angeführten  türkischen  Quellen  fast  allen 
Werthes  entbehren. 

1'')  Beheim's  Angabe  über  die  Stärke  des  Heeres  »14.000  durchaus  wehrbare 
Leute«  dürfte  sich  wohl  nur  auf  die  von  Hunyady  selbst  angeworbene  und  befehligte 
gchar  bazieben. 


—     70 


mit  seinem  Gefolge  damals  nicht  ins  Feld  ziehen  konnte,  war  selbst- 


verständlich kein  Mangel. 


Ueber  die  Zahl  und  Zusammensetzung  des  türkischen  Heeres 
sind  die  Angaben  nicht  verlässlicher.  Zu  Beginn  des  Feldzuges  scheinen 
den  Ungarn  nur  die  der  Grenze  zunächst  stehenden  Truppen  entgegen 
getreten  zu  sein,  später  besetzten  die  Janitscharen  die  Pässe  des  Hämus, 
und  schliesslich  rückte  der  Sultan  mit  den  in  Adrianopel  gesammelten 
Truppen,  auch  aus  Kleinasien  —  aus  der  grossen  Türkei,  wie  Beheim 
sagt  —  nach.  Die  Gesammtstärke  mag  bei  150.000  Mann  betragen 
haben. 

Zu  Ende  September  übersetzte  das  ungarische  Heer  bei  Peter- 
wardein  und  Slankamen  die  Donau,  dann  bei  Belgrad  die  Save.'^) 
Nach  Passierung  von  Kragujevaz  wurde  die  türkische  Festung  Kruse- 
vaz,  wie  es  scheint,  ohne  erheblichen  Widerstand  zu  finden,  genommen 
und  zerstört.  Das  Heer  wendete  sich  dann  nach  Osten  und  erreichte 
in  der  Nähe  von  Alexinaz  die  bulgarische  Morava.  Um  Kundschaft 
einzuziehen  und  zu  fouragieren,  wurden  500  Eeiter  über  den  Fluss 
geschickt;  sie  entdeckten  bald  eine  weit  überlegene  feindliche  Ab- 
theilung, vor  der  sie  sich  zurückziehen  wollten;  eingeholt  und  zum 
Schlagen  gezwungen,  kehrten  sie  aber  um  und  verfolgten  die  zurück- 
weichenden Feinde  eine  weite  Strecke.'^) 

Die  Morava  wurde  nun  unangefochten  überschritten  und  am 
jenseitigen  Ufer  ein  Lager  bezogen,  in  welchem  der  König  mit  dem 
Hauptheere  verblieb,  während  Hunyady  mit  12.000  auserlesenen  Reitern, 
darunter  sein  und  Ujlaky's  Banderium  —  letzterer  war  krankheitshalber 
in  Siebenbürgen  zurückgeblieben  —  gegen  Nissa  (Nisch)  vorrückte. 
Die  Stadt  wurde  ohne  Mühe  eingenommen,  dann  geplündert  und  nieder- 
gebrannt. 

Während  Hunyady  kurze  Zeit  dort  verweilte,  wurde  er  von  drei 
aus  verschiedenen  Richtungen  kommenden  türkischen  Heerführern  an- 


'^)  Die  Angabe,  das  ungarische  Heer  wäre  über  die  Donau  nach  Serbien  ge- 
gangen (Callimachus  und  Andere),  muss  unbedingt  als  unrichtig  erklärt  werden.  Beheim 
nennt  »Tutenrib«  als  Uebergangspunkt  über  die  Donau,  Karajan  erklärt  dies  mit 
»Töti  rep«,  d.  i.  slavische  Fähre,  und  bezieht  dies  auf  >Salsus  lapis«,  d.  i.  Slankamen, 
welchen  Punkt  (nebst  Cobin  gegenüber  von  Semendria)  auch  Callimachus  erwähnt. 
Für  ein  an  der  Theissmündung  gesammeltes  Heer  waren  die  Mittel  zum  Uebersetzen 
der  Donau  bei  Peterwardein  und  Slankamen  gewiss  vorhanden,  dann  stand  das  Heer 
aber  noch  nicht  in  Serbien,  und  Belgrad  bleibt  dann  der  einzige  Uebergangspunkt 
über  die  Save,  um  nach  Serbien  zu  gelangen. 

1')  Callimachus  gibt  an,  diese  Abtheilung  von  500  Mann  wäre  nahezu  auf- 
gerieben worden. 


—     71     — 

gegriffen.  Der  erste  war  Escbeg  (Isakbegvon  Semendria);  er  wurde 
leicht  besiegt  und  in  die  Flucht  geschlagen.  Einem  zweiten,  nicht  ge- 
nannten Führer  (novus  basa),  der  von  Sophia  kam,  ergieng  es  nicht 
besser,  er  musste  zurückweichen.  Der  dritte  endlich,  Twrhanibeg 
i^Turachanbeg),   muss    von  Süden  gekommen  sein,    auch   er  wurde  ge- 

Gefeclitc  Himyady's  in  der  Umgebung  von  Nisch  bis  zum 
3.  November  1443. 


I.  Gegen  den  Pascha  von  Semeudria. 
II.  Gegen  einen  ungenannten  neuen  Pascha. 

III.  Gegen  Turachan. 

IV.  Mit  verkehrter  Front  gegen  das  vereinte  türkische  Heer. 


M^mavailüisuru. 


nooooo 


SchichrenhöheSOm 


schlagen  und  zurückgetrieben.  Hunyady  glaubte,  dass  diese  drei  Ab- 
theilungen die  Absicht  gehabt  hätten,  am  selben  Tage  vor  Nissa  ein- 
zutreffen und  mit  vereinter  Macht  sein  Lager  anzugreifen,  woraus  wohl 
geschlossen  werden  kann,  dass  die  Gefechte  mit  diesen  drei  Abthei- 
lungen kurz  hintereinander  durchgeführt  worden  sein  dürften. 

Während  nun  Hunyady  gegen  Turachan  mit  der  Front  gegen 
Süden  stand,  brachten  ihm  Kundschafter  am  3.  November  die  Meldung, 
dass  sich  in  seiner  linken  Flanke    ein    anderes  grosses  und  mächtiges 


—     72     — 

Heer  befinde,  mit  dem  sich  auch  die  früher  geschlagenen  Abtheilungen 
—  wohl  nur  jene  Esebegs  und  des  ungenannten  neuen  Paschas  — 
vereinigt  hätten,  das  im  Begriffe  wäre,  gegen  das  Lager  des  Königs  zu 
ziehen.  Es  muss  dies  ein  Heer  gewesen  sein,  das  an  der  Nischawa 
abwärts  zog  und  die  zwei  geschlagenen  Abtheilungen  wieder  aufge- 
nommen hatte,  nach  des  Königs  Angabe  bei  30.000  Mann.  Ohne  Ver- 
zug kehrte  Hunyady  wieder  gegen  Nissa  zurück  und  erblickte  gegen 
Abend  beim  Austritt  auf  die  Ebene  —  wie  er  in  dem  Brief  an  Ujlaky 
selbst  sagt  —  ein  so  ungeheures  feindliches  Heer,  dass  er  einiger- 
massen  beängstigt  war;  doch  habe  er  wieder  Muth  gefasst,  die  Schlacht- 
reihen unverzüglich  geordnet  und  sich  auf  den  Feind  geworfen,  der 
mit  Gottes  Hilfe  durch  seine  und  des  Ujlaky  Leute,  ohne  selbst  be- 
deutende Verluste  zu  erleiden,  besiegt  wurde. 

Der  Kampf  währte  bis  in  die  Nacht  des  3.  November  1443,  An 
demselben  betheiligten  sich  auf  türkischer  Seite  ausser  dem  schon  er- 
wähnten neuen  Pascha  und  Esebeg  noch  ein  alter,  nicht  genannter 
Pascha,  der  gefangen  wurde,  ferner  Kesebeg  von  Widdin,  Ziwanbeg 
von  Kursolch,  Turachan  von  Kursangh,  Omarbeg  von  Sophia,  Ziwanbeg 
von  Koywanow,  Balabanbeg  von  Tokat,  Alibeg,  Sohn  des  Timurtasch 
von  Sumla,  Hamzabeg  von  Beze,  Isakbeg  von  Philippopel,  Daubeg  von 
Zethnice,  endlich  Kapusbeg,  der  Kanzler  des  Sultans,  und  noch  andere 
Anführer,  von  welchen  mehrere  getödtet  wurden.'^)  An  Todten  ver- 
loren die  Türken  2000  Mann;  von  den  Flüchtigen  wurden  noch  viele 
von  den  zum  Theil  christlichen  Bewohnern,  die  sich  dem  ungarischen 
Heere  überhaupt  gewogen  zeigten,  erschlagen.  4000  Gefangene  und 
neun  erbeutete  Feldzeichen  wurden  von  Hunyady  in  das  Lager  des 
Königs  gebracht. 

Hunyady  sagt  in  seinem  an  Ujlaky  gerichteten,  vom  9.  November 
datierten  Brief:  »Dieser  Sieg,  der  in  Ungarn  wohl  schon  bekannt  sein 
dürfte,  wurde  wenige  Tage  vorher  erfochten,«  und  führt  nun  der  Reihe 
nach  die  in  der  Umgebung  von  Nissa  gelieferten  vier  Gefechte  an. 
Genau  gibt  auch  König  Wladislav  in  einem  Briefe  an  den  Dogen  von 
Venedig  den  3.  November  an,  an  welchem  ein  »Sieg  über  30.000  Feinde 
oder  nicht  weniger  über  den  Vicekaiser  der  Türken,  gewöhnlich  Pascha 
genannt,  erfochten  worden  sei«.^'')  Ebenso  äussert  sich  Aeneas  Silvius; 

")  Hunyady  erwähnt  zwölf,  der  König  dreizehn  Führer  der  Türken,  die  in  der 
Schlacht  anwesend  gewesen  wären;  Hammer  bringt  zum  Theil  andere  Namen. 

"*)  Huber  (Die  Kriege  1440  bis  1444)  erwähnt  dieses  Schreiben,  das  italienisch 
übersetzt  in  der  »Cronica  di  Bologna«  erhalten  ist;  es  ist  datiert  »nel  defensione  eser- 
cituale  nostro  apresso  le  contrade  di  Ongaria  e  apresso  la  fortezza  chiamata  Nissae 
apresso  il  luogo  della  rotta  a  predetta«  vom  9.  November  1443. 


nach  ABführung  der  vier  Gefechte  sagt  er:  »Haec  acta  sunt  ad  tertium 
diemi  Novembris.«  Es  kann  sich  dies  wohl  nur  auf  die  Beendigung 
dieser  Gefechte,  also  auf  das  letzte  beziehen,  während  die  drei  anderen 
schon  der  zurückzulegenden  Entfernungen  wegen,  kaum  an  demselben 
Tao-e,  vielleicht  sogar  mehrere  Tage    früher    vorgefallen   sein   dürften. 

Von  Nissa  führt  die  Strasse  gegen  Sophia  östlich  längs  des 
rechten  Ufers  der  Nischawa  aufwärts,  verlässt  den  Fluss  am  Fnsse  des 
Kunovizagebirges,  geht  in  den  gleichnamigen  Pass'-'')  und  tritt  am  Ende 
desselben  wieder  an  den  Fluss,  an  welchem  jetzt  6  Kilometer  auf- 
wärts die  Stadt  Bela-Palanka  (Ak-Palanka,  Musa-  oder  Mustafa-Palanka) 
liegt.  Hunyady  datiert  seinen  Brief  an  Ujlaky:  »in  descensu  Regali 
Scaronensi,  octavo  die  omnium  Sanctorum  adoppositum  castri  rupti. 
Balran  dicti.«  Der  Brief  des  Königs  an  den  Dogen  ist  von  Nissa,  den 
9.  November  datiert,  es  muss  daher  Hunyady  an  diesem  Tage  mit 
seinen  12.000  Reitern  als  Vorhut  ungefähr  einen  Tagmarsch  weiter 
vor  gestanden  sein;  er  wird  auch  nicht  im  Passe  selbst,  sondern  vor 
demselben  Stellung  genommen  haben,  um  dem  nachfolgenden  Heere 
den  Durchzug  zu  sichern.  Wenn  nun  auch  für  »Scaronensis«  keine 
Erklärung  zu  finden  ist,  so  kann  die  Burg  »Balran«  nur  an  Stelle  von 
Bela-Palanka,  dem  römischen  »Remisiana«,  gesucht  werden,  von  welcher 
römischen  Niederlassung  vor  500  Jahren  noch  bedeutende  Reste  zu 
sehen  waren,  die  später  das  Baumateriale  für  das  türkische  Castell 
Belapalanka  liefern  mussten.^') 


-")  C.  Jirecek  sagt,  noch  jetzt  führe  ein  Karaul  den  Namen  Kunoviza,  erwähnt 
aber  nicht,  dass  die  Berggruppe  zwischen  demPass  und  der  Nischawa  »KunobarkiVrch« 
und  ein  Dorf  in  dieser  Gruppe  Kunobiza  genannt  wird.  Der  Karaul  Kunobiza  war  ein 
unbedeutender  späterer  türkischer  Bau  —  ein  Wachthaus  zum  Schutze  der  Strasse  — , 
der  jetzt  dem  gänzlichen  Verfalle  nahe,  oder  vielleicht  schon  verfallen  ist. 

■-')  An  Stelle  des  alten  Remisiana  fand  1099  Peter  von  Amiens  ein  ganz  ver- 
fallenes Städtchen,  und  1438  —  also  wenige  Jahre  vor  dem  Feldzuge  —  der  fran- 
zi)sische  Reisende  de  Brocquiere  die  Ruinen  einer  vollständig  zerstörten  Stadt,  die  er 
»Ysvouriere«  nennt  (Izwor  ist  slavisch  »Quelle«,  und  »Mokro«,  wie  ein  an  Remisiana 
grenzender,  schon  im  X.  Jahrhundert  bekannter  Ort  heisst,  bedeutet  »feucht«).  Später 
erbaute  Musa  Pascha  im  XVI.  Jahrhundert  aus  dnn  Trümmern  der  römischen  Stadt 
ein  Castell,  das  nach  ihm  Musa-  oder  Mustafa-Palanka  genannt  wurde,  das  heutige 
Bela-  oder  Ak-Palanka.  In  neuester  Zeit  fand  Kanitz  in  Bela-Palanka  und  dem  neben- 
liegenden Mokro  nicht  unbedeutende  Reste  der  römischen  Stadt,  die  wohl  schliessen 
lassen,  dass  im  XV.  Jahrhundert  dort  noch  grössere  Burgruinen  gestanden  haben 
mögen,  und  der  von  Hunyady  angeführte,  jetzt  ganz  unbekannte  Name  des  verfallenen 
Schlosses  Balran  sich  auf  selbe  bezieht.  Für  Scarona  ist  keine  Aufklärung  zu  finden, 
wenn  diese  Bezeichnung  nicht  vielleicht  auf  den  damals  schon  nicht  mehr  gebräuch- 
lichen Namen  Remisiana  zurückzuführen  ist. 


—     74     — 

Hunyady  erhielt  hier  auch  die  Nachricht,  dass  Sultan  Murad  mit 
einem  enormen  Heere  nur  drei  Tagmärsche  entfernt  stünde,  und  sprach 
die  Erwartung  aus,  dass  demnächst  ein  entscheidender  Kampf  bevor- 
stehe. Wenn  Murad  auch  im  Anmärsche  war,  so  erwies  sich  doch  die 
Nachricht  von  seiner  Nähe  als  unbegründet.  Die  Stimmung  des  unga- 
rischen Heeres  war  in  Folge  der  errungenen  Siege  eine  gehobene. 
Täglich  kamen  auch  Leute  mit  Geschenken  ins  Lager.  Bulgaren,  Bos- 
nier, Albanesen  und  Raszier  (Serben),  die  sich  über  die  Erfolge  des 
christlichen  Heeres  freuten  und  nicht  selten  die  Stärke  desselben  ver- 
mehrten. Das  Wetter  war  bisher  sehr  günstig,  die  Zufuhr  von  Lebens- 
mitteln aus  dem  Lande  so  reichlich,  dass  die  auf  den  Wagen  mit- 
geführten Vorräthe  noch  nicht  angegriffen  waren.  Rücksichtslos  wurden 
hingegen  auf  dem  weiteren  Vormarsche  alle  Orte,  welche  von  An- 
hängern des  Islam  bewohnt  waren,  mit  Feuer  und  Schwert  verwüstet, 
die  Einwohner  —  zum  nicht  geringen  Theil  zum  Islam  übergetretene 
Bulgaren  —  wurden  niedergemacht.  Die  Zerstörungswuth  gieng  sogar 
so  weit,  dass  in  Orten,  wo  sich  Widerstand  zeigte,  nicht  nur  alle 
Menschen,  sondern  auch  alles  Vieh  erschlagen  wurde. 

Während  des  weiteren  Vormarsches  traf  auch  Ujlaky  mit  nicht 
bedeutender  Verstärkung  beim  Heere  ein.  Pirot  und  Sophia,  avo  das 
Heer  gegen  Ende  November  oder  Anfangs  December  eingetroffen  sein 
dürfte,  ^^)  wurden  nach  geringem  Widerstand  eingenommen,  geplündert 
und  zerstört. 

Um  von  Sophia  nach  Philippopel  zu  gelangen,  ist  der  Gebirgszug, 
welcher  den  Balkan  mit  dem  Rhodopegebirge  verbindet  und  die  Fluss- 
gebiete des  Isker  und  der  Mariza  trennt,  zu  überschreiten.  Von  den 
Uebergängen  kommen  in  Betracht:  Der  südliche  aus  dem  Kessel  von 
Ichtiman  an  Banja  vorüber,  der  mittlere  von  Ichtiman  durch  das 
Trajansthor  und  endlich  der  nördliche  über  das  Thal  von  Slatiza 
(Isladi)  und  durch  das  Topolnizathal. 

Der  südliche  Uebergang  führt  von  Ichtiman  über  die  Wasser- 
scheide des  Karabair  (683  Meter  Seehöhe)  in  das  Sulu  Derbend 
(Wasserpass)  genannte  Marizathal.  Dieser  Weg,  den  Römern  noch  un- 
bekannt, wurde  1193  von  den  Kreuzfahrern,  1389  von  Murad  I.  benützt, 
jetzt    führt    die  Orientbahn    hier  durch;   ob  derselbe  von  den  Türken 


^■^)  Vom  9.  November  bis  Anfangs  Februar  1444  fehlen  nahezu  alle  verlässlichen 
Zeitangaben.  Wir  wissen  nur,  dass  am  24.  December,  dem  Vorabend  des  Christtages, 
ein  Kampf,  und  zwar  wahrscheinlich  der  letzte,  an  einem  der  gegen  Philippopel 
führenden  Pässe,  und  auf  dem  Rückzug  des  ungarischen  Heeres  am  Fusse  des  Kunoviza- 
gebirges  eine  Schlacht  stattfand,  die  bei  Mondbeleuchtung  endete. 


besetzt  war,  ist  nicht  bekannt;  einen  Versuch,  hier  durchzudringen, 
machte  das  ungarische  Heer  nicht. 

Der  zweite  Weg  führt  von  Ichtiman  über  den  Pass  des  Trajans- 
thores  (Trajanova  Vrata,  Kapulu  Derbend,  d.  i.  Thorpass)  mit  einer 
Seehühe  von  800  Meter  in  das  Marizathal.  Die  schon  unter  Kaiser 
Trajan  erbaute  und  bis  in  die  neueste  Zeit  meist  benützte  Strasse  nach 
Constantinopel  führt  durch  diesen  Pass,  der  seinen  Namen  einer  Be- 
festigung aus  der  byzantinischen  Zeit  verdankt,  welche  den  Weg  durch 
ein  Thor  abschiiesst.--')  Auf  diesem  Wege  hatten  sich  die  geschlagenen 
türkischen  Abtheilungen  zurückgezogen,  nachdem  sie  dieselben  durch 
Verhaue  u.  dgl.  ungangbar  gemacht  hatten.  Hier  stand  das  Anrücken 
des  Sultans  aus  Adrianopel  mit  den  Janitscharen  und  den  asiatischen 
Truppen  zu  gewärtigen,  welche  diesen  Pass  auch  noch  vor  Eintritt 
der  Winterkälte  erreichten. 

Endlich  führt  der  dritte  Weg  von  Sophia  längs  des  Südabhanges 
des  Etropol  Balkan  (Veliki  Balkan)  über  einen  bei  870  Meter  hohen 
Sattel,  von  welchem  jetzt  die  Strasse  über  den  Balkan  gegen  Orhanie 
abzweigt,  in  den  Thalkessel  von  Slatiza.  von  dem  aus  man  südlich 
durch  das  Topolnizathal  Tatar-Bazardschik  erreicht  ^^). 

Die  Versuche  der  Ungarn,  durch  das  Trajansthor  zu  dringen, 
scheiterten  sowohl  an  dem  Widerstand  der  Türken  als  an  der  Ungunst 
der  Witterung.  Schneestürme  und  grosse  Kälte  stellten  sich  ein,  welche 
von  den  Türken  auch  benützt  wurden,  um  alle  Zugänge  durch  Begiessen 
mit  Wasser  ungangbar  zu  machen.  Die  Erfolglosigkeit  aller  Bemühungen 
einsehend,  entschloss  sich  Hunyady  auf  Anrathen  des  Despoten  von 
Serbien,  der  das  Land  in  Folge  seiner  vielen  Reisen  auf  der  Balkan- 
Halbinsel  gut  zu  kennen  glaubte,  das  Trajansthor  zu  umgehen  und 
den  zuletzt  geschilderten  Weg  durch  das  Becken  von  Slatiza  ein- 
zuschlagen. 

Unterdessen  war  Sultan  Murad  mit  den  Janitscharen  und  den 
asiatischen  Truppen  gegen  die  Pässe  herangekommen;  ein  Kriegsrath 
unter   seinem  Vorsitze  wurde  nun  gehalten,    an  dem   die  vornehmsten 


-3)  Auf  dem  eigentlichen  Joche  standen  zu  beiden  Seiten  der  Strasse  zwei 
Castelle,  welche  durch  eine  mit  einer  Pforte  versehenen  Mauer  aus  starken  Quadern 
verbunden  waren.  Die  Ruinen  dieser  später  mehrfach  restaurierten  Befestigung  be- 
standen noch  zu  Beginn  dieses  Jahrhunderts;  erst  im  Jahre  1835  liess  Usref  Pascha 
von  Sophia  die  Pforte  demolieren,  und  seither  wurde  das  Steinmateriale  dieser  Castelle 
zu  Strassenbauten  u.  dgl.  verwendet. 

-^)  Die  jetzt  das  Srednagoragebirge  umgehende,  über  Karlovo  führende  Strasse 
nach  PhUippopel  gehört  erst  der  neuesten  Zeit  an. 


Heerführer  theilnalimen.  -'')  Der  Sultan  sprach  sich  dahin  aus,  dass  man 
dem  an  Zahl  schwächeren  christlichen  Heere  ohne  Verzug  eine  Schlacht 
liefern  solle,  indem  durch  längeres  Zögern  die  Feinde  ermuthigt,  die 
eigenen  Truppen  entmuthigt  Avürden.  Kasim,  der  Beglerbeg  von  Rumili, 
schloss  sich  der  Ansicht  des  Sultans  an.  Als  die  übrigen  schwiegen 
und  der  Ansicht  des  Sultans  nicht  entgegenzutreten  wagten,  erhob  sich 
Turachan  und  gab  seine  Meinung  dahin  ab,  dass  man  sich  zurück- 
ziehen solle,  bis  die  Feinde  durch  Hunger  genöthigt  sein  würden,  um- 
zukehren, um  dann  über  sie  herzufallen.  Isabeg  endlich  vertrat  die 
Ansicht,  man  solle  sich  nicht  zurückziehen,  um  nicht  die  Entmuthigung 
des  Heeres  und  den  Abzug  der  asiatischen  Truppen  und  des  Fuss- 
volkcs  zu  veranlassen,  aber  auch  keine  offene  Feldschlacht  liefern, 
sondern  die  Uebergänge  über  das  Gebirge  befestigen  und  hier  Stand 
halten,  bis  die  Feinde  zum  Abzug  gezwungen  wären,  dann  aber  sie 
mit  Reiterei  verfolgen  und  ihnen  möglichsten  Schaden  zufügen.  Dieser 
Meinung  schlössen  sich  auch  die  anderen  Führer  an,  und  die  An- 
ordnung zur  kräftigsten  Vertheidigung  der  Engpässe  wurde  getroffen. 

Ein  ganz  deutliches  Bild  der  Kämpfe,  Avelche  nun  stattfanden, 
geben  die  vorhandenen  Quellen  nicht.  Ob  der  Kampf  um  den  Trajans- 
pass  ganz  ruhte,  Avährend  ein  Theil  —  wahrscheinlich  der  grössere  — 
des  ungarischen  Heeres  sich  gegen  Slatiza  wendete,  ^^)  ist  nicht  zu  ent- 
nehmen. Ereignisse  von  Bedeutung  scheinen  aber  am  Trajanspasse 
nicht  mehr  vorgekommen  zu  sein. 

Als  die  Ungarn  in  den  Thalkessel  von  Slatiza  hinabstiegen,  fanden 
sie  den  Eingang  in  das  Topolnizathal  bereits  von  den  Türken  besetzt. 
Ihrem  Auftrage  zuwider  griffen  die  Türken,  auf  ihre  Uebermacht  ver- 
trauend, das  Heer  des  Königs  an,  wurden  aber  zurückgeworfen  und 
besetzten  einen  Berg  (Beheim  nennt  ihn  »Altindag«,  slavisch  »Sladagora«, 
zu  deutsch  »guldin  Berg«),  der  schon  zur  Vertheidigung  vorgerichtet 
war.  2')   Drei  Tage    steht    das    ungarische  Heer  vor   diesem  Berg,    am 

^^)  Chalkokondilas  bringt  die'Nachricht  über  diesen  Kriegsrath,  die,  wie  Huber 
erwähnt,  im  allgemeinen  der  Wahrheit  entsprechen  mag,  wenn  man  auch  von  dem 
Wortlaute  der  von  ihm  mitgetheilten  Reden  absehen  muss. 

-')  Die  häufig  verbreitete  Annahme,  dass  der  König  nur  bis  Sophia  oder  gar 
nur  bis  Nissa  gelangte,  ist  unrichtig  und  verdankt  wohl  nur  ihren  Ursprung  dem  Um- 
stände, dass  als  Heerführer  zumeist  nur  Hunyady  genannt  wird,  auf  dessen  Initiative 
wohl  auch  alle  Anordnungen  zurückzuführen  sind,  was  bei  der  Jugend  und  Un- 
erfahrenheit  des  Königs  wohl  begreiflich  erscheint. 

^^)  Kanitz  meint,  das  denkwürdige  Gefechtsfeld  dürfte  zwischen  PetriCevo 
(Petrisch)  und  Poibren  nahe  dem  Schismanberg  —  einem  Kerg  am  rechten  Ufer 
des  Topolnizabaclies,  auf  welchem  der  kleine  Ort  Schismane  liegt,    der  sich  zur   Vor- 


—     77     — 

Vorabende  des  Weihnachtstages  bestand  der  König  noch  einen  harten 
Kampf,  der  vom  Morgen  bis  in  die  Nacht  währte.  2*)  Aus  ihrer  Stellung 
auf  dem  Berge  überschütteten  die  Türken  das  ungarische  Heer  mit 
einem  Pfeilregen,  auch  Wladislav  wird  von  einigen  Pfeilen  getroflfen, 
die  nur  durch  die  Rüstung  aufgehalten  werden.  Dieser  Kampf  scheint 
der  letzte  gewesen  zu  sein,  der  um  den  Uebergang  durch  die  Pässe 
geführt  wurde.  Die  Erfolglosigkeit  weiterer  Bemühungen  einsehend, 
ordnet  der  König  den  Rückzug  an,  der  umso  nothwendiger  erscheint, 
als  auch  Krankheiten  einreissen,  unter  den  Pferden  eine  verheerende 
Seuche  ausbricht,  die  Lebensmittel  allmähhch  zu  schwinden  beginnen, 
das  verwüstete  Land  hiefür  keinen  Ersatz,  und  die  verheerten  Städte 
bei  der  eingetretenen  Kälte  keine  Unterkunft  bieten. 

Unbelästigt  vom  Feinde,  der  durch  die  Ungunst  der  Witterung 
von  der  augenblicklichen  Verfolgung  abgehalten  wurde,  traten  die 
Ungarn  den  Rückzug  in  grosser  Eile  an.  Die  Beute,  welche  man  nicht 
fortschaffen  konnte,  wurde  theils  in  die  Brunnen  geworfen  oder  ver- 
tilgt, die  Fuhrwerke,  zu  welchen  die  Zugthiere  fehlten,  verbrannt. 

Der  Sultan  schickte  nun  zur  Verfolgung  der  Ungarn  den  Kasim 
Pascha  mit  den  europäischen  Reitern  und  vier  anatolischen  Sandschak- 
begen  nach.  Dieser  folgte  dem  ungarischen  Heere  über  den  Isker  und 
die  Nischawa  und  traf  erst  am  Fusse  des  Kunovizapasses  mit  ihm  zu- 
sammen. Die  Nachhut  der  Ungarn  musste,  während  der  König  und 
Hunyady  schon  den  Kunovizapass  betreten  hatten,  zur  Deckung  des 
Rückzuges  am  linken  Ufer  des  Crnevareka  —  rothen  Baches  —  stehen 
bleiben.  Hier  zeigten  sich  plötzlich  am  anderen  Ufer  des  Baches  Reiter, 
welche  nicht  Miene  machten,  zum  Angriff  überzugehen.  Auf  die  Meldung 
des  Befehlshaber  der  Nachhut  —  es  soll  Georg  Brankovic  gewesen 
sein  —  Hess  der  König  die  Wagen  unter  Bedeckung  von  Fussvolk 
weiter  fahren  und  kehrte  mit  Hunyady  zurück.  Bevor  er  noch  bei 
der  Nachhut  angelangt  war,  hatte  aber  der  Kampf  schon  begonnen. 
Die  Ungarn  hatten  sich  durch  das  Wasser,  das  den  Pferden  bis  an 
den  Bauch  reichte,  auf  die  gegenüberstehenden  Reiter  gestürzt  und  sie 


theidigung  des  Thaies  besonders  eignet  —  stattgefunden  haben.  Die  Volks-Tradition 
knüpft  an  diesen  Punkt  die  Sage  einer  grossen  Schlacht,  welche  einst  hier  statt- 
gefunden habe. 

-^)  Wenn  Dlugos,  der  kein  Augenzeuge  dieser  Kämpfe  war,  von  »bombardis, 
sagitis  balistarum  et  alliis  jaculis«  spricht,  mit  welchen  man  die  Türken  vom  Berge 
vertreiben  wollte,  so  wäre  zu  bemerken,  dass  Geschütze  (bombardae)  sonst  nicht  er- 
wähnt werden,  sonstige  Schleudermaschinen  aber  kaum  bis  gegen  Slatiza  geführt 
worden  sein  dürften,  er  daher  mit  seinen  Angaben  wohl  nur  den  späteren  Begriffen 
einer  heissen  Schlacht  Rechnung  tragen  wollte. 


zurückgedrängt.  -'*)  Die  Dämmerung  war  schon  eingetreten,  als  die  Ver- 
folgenden auf  einer  Wiese  —  wohl  zwischen  Crnevareka  und  dem 
Mokrobache  —  Wachtfeuer  und,  um  dieselben  gelagert,  das  türkische 
Heer  wahrnahmen.  Obwohl  an  Zahl  gering,  warfen  sie  sich  unter 
grossem  Lärm  mit  Trommel-  und  Trompetenschall  auf  den  einen  Angriff 
nicht  gewärtigenden  Feind.  Panischer  Schrecken  ergriff  die  Türken, 
fast  ohne  sich  zu  wehren,  flohen  sie,  ihre  Zelte  und  alles  im  Stich 
lassend.  Vom  aufgehenden  JMondschein  begünstigt,  währte  die  Ver- 
folgung bis  Mitternacht,  Tausende  von  Leichen  bedeckten  das  Schlacht- 
feld.  Unter  den  Gebliebenen  war  auch  ein  Verwandter  des  Sultans, 
der  in  Tamjaniza,  einem  Orte  am  Eingange  des  Kunovizapasses,  be- 
graben wurde.  ^")  Beute  durfte  trotz  der  günstigen  Gelegenheit  nicht 
gemacht  werden,  da  sie  fortzuschaffen  unmöglich  war.  Kasim  Pascha 
selbst  und  Mahmud  Tschebeli.  des  Sultans  Schwager  und  Beg  eines 
asiatischen  Bezirkes,^')  wurden  gefangen,  sie  wurden  geschont, 
170  andere  Gefangene  auf  Hunyady's  Befehl  niedergemacht.  Noch  auf 
dem  Schlachtfelde  schlug  König  Wladishiv  mehrere  zum  Ritter. 

Diese  Schlacht,  die  letzte  des  »langen  Feldzuges«,  welche  um 
Mitternacht  bei  Mondbeleuchtung  endete,    muss,    da  der  Vollmond  im 

'-^)  Eine  genaue  Angabe  über  den  Ort  dieses  Kampfes  fehlt,  nachdem  aber 
die  beiden  Heere  durch  ein  so  tiefes  Wasser  getrennt  waren,  dass  es  den 
Pferden  beim  Durchfurten  bis  an  den  Bauch  reichte,  so  kann  selber  nur  an  der 
Mündung  des  Crvenareka  —  rothcn  Baches  —  in  die  Nischawa  stattgefunden  haben. 
Der  Crvenareka  ist  eiu  Wildbach  mit  sehr  wechselndem  W^asserstande;  bis  in  die 
neueste  Zeit  nicht  überbrückt,  war  er  aber  doch  mächtig  genug,  um  im  Jahre  1885 
die  jetzt  dort  befindlichen  beiden  Brücken  fortzureissen;  der  Nischawafluss  ist  in 
der  ganzen  Gegend  nicht  zu  durchfurten,  und  der  bei  Bela-Palanka  in  denselben 
mündende  Mokrabach  hat  so  steile  Ufer,  dass  er  nur  auf  der  Brücke  oder  durch 
Fussgänger  bei  den  jetzt  oberhalb  derselben  befindlichen  Mühlen  überschritten 
werden  kann,  welche  Mittheilungen  ich  Kanitz  verdanke.  Mit  vollem  Rechte  glaube 
ich  daher  den  Ort  dieses  Zusammenstosses  beider  Heere  an  den  rothen  Bach  verlegen 
zu  können.  Als  Ort  der  Schlacht  gibt  Bonfinius  und  Michael  Konstantinovic  (auch 
der  Janitscliar  oder  Constantin  von  Ostrovica  genannt)  übereinstimmend  die  »Gegend 
am  Berge  Cunoviza«  an.  Leunclavius  lässt  sie  an  der  Nischawa,  die  am  Fusse  des 
Kunovizagebirges  vorbeifliesst,  schlagen,  während  Callimachus,  der  den  König  als 
Secretär  begleitete  und  der  Schlacht  beiwohnte  —  auch  durch  einen  Pfeil  am  Finger 
verwundet  wurde  —  die  »letzten  Abhänge  des  Hämus  am  Berge  Cunoviza  auf  den 
Feldern  von  Jalovaz«  angiebt,  letzteres  eine  Ortsbezeichnung,  welche  in  der  zurück- 
gelegten   Strecke   jetzt    nicht    mehr  zu  finden  ist. 

■'")  Gegen  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  fand  der  aus  der  Türkei  zurückkehrende 
Michael  Konstantinovic  das  Grab  noch  vor. 

^')  Es  ist  nicht  sichergestellt,  ob  Mahmud  Tschelebi  bei  diesem  letzten  Kampfe, 
oder  schon  in  einem  früheren  Gefechte  gefangen  wurde. 


-     79  •  - 

Jänner  des  Jahres  1444  auf  den  5.  dieses  Monates  fieP-),    an    diesem 
oder  einem  der  nächstfolgenden  Tage  stattgefunden  haben. 

Der  sogenannte  »lange  Feldzug«,  dessen  Ausgang  zwar  den 
o-eheo-ten  Erwartungen  nicht  entsprach,  fand  mit  diesem  letzten  Siege 
noch  zur  rechten  Zeit  einen  glänzenden  Abschluss.  Die  Türken  stellten 
die  weitere  Verfolgung  ein,  aber  auch  das  ungarische  Heer,  durch  die 
Anstrengungen  des  Krieges  auf  das  Aeusserste  erschöpft,  ja  vielleicht 


Schlacht  am  Fiisse  dos  Kimovizagebirges  Anfangs  Jänner  (ungefähr 

den  C).)  1444. 


Schichtenhöhe  50i^ 


A  Nachhut  der  Ungarn. 

B  Hauptcolonne  der  Ungarn. 


C  Train  der  Ungarn. 
7)  Vorhut  der  Türken. 


£  Lager  der  Türken. 


der  Auflösung  schon  nahe,  setzte  nach  kurzem  Aufenthalt  in  Serbien 
den  Rückmarsch  fort.  Schon  in  Serbien  kamen  Friedensanträge  von 
Seite  des  Sultans,  den  eine  dritte  Erhebung  des  Fürsten  von  Karaman 
nach  Kleinasien  rief.  Die  Anträge  wurden  abgewiesen,  aber  auch  die 
Bemühungen  des  Despoten,  den  König  zum  Ueberwintern  des  Heeres 
in  Serbien  und  zur  Fortsetzung  des  Krieges  bis  zur  Wiedereroberung 

^-)  Nach  Mittheilung  des  Directors  der  Wiener  Sternwarte,  Dr.  E.  v.  Weiss, 
fiel  der  erste  Vollmond  im  Jahre  1444  auf  den  5.  Jänner,  und  zwar  einen  Sonntag 
—  den  13.  Ramadan  des  Jahres  847  der  Hegira.  —  Da  die  Ungarn  den  25.  De- 
cember  144.S  den  Rückzug  aus  dem  Thale  von  Slatiza  antraten,  so  können  sie  den 
5.  oder  6.  Jänner  am  Fusse  des  Kunovizagebirges  angelangt  sein;  der  Schlachttag 
wäre  damit  annähernd  sichergestellt. 


-     80     — 

seines  Landes  zu  bewegen,  blieben  vergeblich.  In  Belgrad  blieb  Hunyady 
zur  Vertheidigung  der  Grenzen  zurück.  Anfangs  Februar  1444  traf 
der  König  in  Ofen  ein.  In  feierlichem  Einzüge  wurden  die  erbeuteten 
Fahnen  und  4000  Gefangene,  darunter  mehrere  Begs  und  Paschas, 
als  Zeichen  des  Sieges  mitgeführt.  In  der  Marienkirche  zu  Pest  wurde 
das  Dankesfest  gefeiert,  die  erbeuteten  Fahnen  niedergelegt  und  zwölf 
Wappen  der  hervorragendsten  Krieger  aufgehängt.  An  die  Wieder- 
aufnahme des  Krieges  wurde  im  Augenblicke  nicht  gedacht,  die  ange- 
worbenen Krieger  wurden  entlassen  und  zerstreuten  sich. 

So  endete  der  mit  sD  geringen  Mitteln  unternommene  Krieg, 
obwohl  er  einzelne  so  glänzende  Siege  aufzuweisen  hatte,  ohne  allen 
nachhaltigen  Erfolg.  Alle  Eroberungen  wurden  wieder  aufgegeben,  die 
christlichen  Bewohner  der  durchzogenen  Länder,  die  sich  vertrauens- 
voll dem  sieerreichen  Heere  angeschlossen  hatten,  der  Rache  der  Türken 
wieder  preisgegeben  und  das  ganze  Land  verwüstet,  wobei  Christen 
und  Mohammedaner  gleichmässig  zu  leiden  hatten.  Im  christlichen 
Abendlande  aber  machte  es  einen  gewaltigen  Eindruck,  dass  die  so 
gefürchteten  Türken  in  so  vielen  Schlachten  besiegt  wurden  und  trotz  des 
heftigen  W^iderstandes  ein  so  beträchtlicher  Theil  ihres  Landes  durch- 
zogen werden  konnte.  Von  allen  Seiten  kamen  Gesandte  an  den  Hof 
Wladislav's,  um  ihm  Glück  zu  wünschen  und  zur  Fortsetzung  des 
Krieges  aufzumuntern.  Papst  Evigen  IV.,  die  Venetianer,  Philipp  von 
Burgund  versprachen  die  Absendung  von  Kriegsschiffen  an  den  Helles- 
pont,  um  den  Uebergang  türkischer  Truppen  aus  Asien  zu  hindern. 
Alles  dies  bewog  den  Ende  April  zu  Ofen  abgehaltenem  Reichstag, 
die  Wiederaufnahme  des  Krieges  zu  beschliessen ;  die  Einhebung  von 
Steuern  für  denselben  wurde  willig  gewährt  und  die  Aufstellung  eines 
Söldnerheeres  angeordnet. 

Georg  Brankovic,  der  an  Hunyady  zum  Ersatz  für  Rüstungs- 
aaslagen die  Herrschaft  Vilagos  überliess,  Avar  mit  dem  Plane  eines 
grossartigen  Unternehmens  gegen  die  Türken,  das  hauptsächlich  vom 
pästliehen  Legaten  Cardinal  Julian  Cesarini  befürwortet  wurde,  nicht 
zufrieden,  da  ihm  Murad  schon  zu  Beginn  des  Jahres  1444  die  Her- 
ausgabe von  Serbien  anbot,  und  ihm  seine  beiden  Söhne  —  wenn  auch 
geblendet  —  zurückstellte.  Da  es  Brankoviö  zunächst  um  die  Wieder- 
erlangung seines  Landes  zu  thun  war,  führte  er  die  Verhandlungen 
weiter  und  gewann  auch  Hunyady,  der  die  Kräfte  des  Landes  für 
einen  neuen  Angriffskrieg  zu  erschöpft  gehalten  haben  mag,  für  den 
Frieden.  Obwohl  die  Vorbereitungen  für  den  Krieg  schon  beschlossen 
waren,  kamen  die  Friedensanträge  für  Ungarn  nicht  ganz  unerwünscht, 


—     81     — 

umsomehr,  als  die  Bedingungen,  zu  welchen  der  Sultan  sich  herbei- 
liess,  wenn  sie  auch  unleugbar  den  Keim  zu  neuen  Conflicten  in  sich 
trugen,  für  den  Augenblick  doch  sehr  günstig  schienen.  Er  wollte 
Serbien  mit  allen  Festungen  und  dem  früher  zu  Serbien  gehörigen 
Theil  Albaniens  an  Georg  zurückgeben,  und  die  Oberhoheit  Ungarns 
über  Serbien  und  die  Walachei  anerkennen  wenn  auch  beide  Länder 
zugleich  an  den  Sultan  Tribut  zahlen  sollten.  Bosnien,  wo  Stephan 
Thomas  mit  Uebergehung  Ciilis  zum  König  gewählt  worden  war  und 
sich  den  Ungarn  unterworfen  hatte,  wurde  dadurch  auch  wieder  frei. 
Für  die  Freigebung  seines  Schwagers  und  der  übrigen  Gefangenen 
erbot  sich  der  Sultan,  100.000  Ducaten  zu  zahlen  und  sogar  dem 
König  Wladislav  im  Falle  eines  Krieges  25.000  Mann  zuzuführen. 

Die  Siege  der  Ungarn  in  den  letzten  Jahren  waren  auf  den  Sultan 
nicht  ohne  Einfluss  geblieben;  die  Rüstungen  des  Abendlandes  zur 
See  blieben  ihm  nicht  unbekannt;  der  Aufstand  der  Fürsten  von 
Karaman  war  noch  immer  nicht  ganz  unterdrückt.  Georg  Castriota^^) 
—  Skanderbeg  genannt  —  der  Sohn  des  vertriebenen  Fürsten  von 
Croja  in  Albanien  hatte  sich  seines  Landes  wieder  bemächtigt  und 
einem  türkischen  Heere  eine  blutige  Niederlage  beigebracht;  der  Sultan 
fühlte  daher  selbst  dringend  die  Nothwendigkeit,  einen  Theil  seiner 
Feinde  zur  Ruhe  zu  bringen,  um  unterdessen  die  übrigen  nieder- 
zuwerfen. Gesandte  Murad's,  die,  in  der  Meinung,  Hunyady  wäre  der 
eigentliche  Regent  Ungarns,  zuerst  mit  Friedensanträgen  zu  diesem 
nach  Temesvär  kamen,  wurden  an  den  König  gewiesen,  von  welchem 
die  Entscheidung  abhänge. 

Auf  dem  Reichstage  zu  Szegedin  begann  sich  bereits  die 
ungarische  Streitmacht  zu  sammeln;  dorthin  beschied  der  König  auch 

^^)  Georg  Castriota,  von  den  Türken  Skanderbeg,  d.  i.. Alexander  Beg,  genannt, 
war  der  Sohn  des  Fürsten  Iwan  von  Croja  in  Albanien,  dem  alten  Epirus;  er  kam 
1423  nach  Unterwerfung  seines  Vaters  als  neunjähriger  Knabe  an  den  Hof  des 
Sultans,  wo  er  seinem  Glauben  entsagen  musste.  Durch  seine  Kühnheit  und  Tapfer- 
keit in  den  Kriegen  Murad's  in  Asien  erwarb  er  sich  des  Sultans  Gunst.  Als  Georg's 
Vater  1431  starb,  verlangte  er  sein  Erbe  zurück,  das  ihm  von  dem  misstrauischen 
Sultan  verweigert  wurde.  Als  das  türkische  Heer  am  3.  November  144H  bei  Nissa 
geschlagen  wurde,  zwang  Georg  bei  Nacht  den  beim  Heere  anwesenden  Secretär  des 
Sultans  unter  Androhung  des  Todes,  ihm  einen  Ferman  auszustellen,  der  den  Befehls- 
haber von  Croja  anwies,  ihm  die  Festung  und  Verwaltung  des  Landes  zu  übergeben. 
Nachdem  er  dem  Schreiber  des  Fermans  den  Dolch  in  die  Brust  gestossen  hatte,  ver- 
liess  er  in  der  Verwirrung  der  Flucht  mit  300  Albanesen  das  Heer  und  setzte  sich 
so  hinterlistig  in  den  Besitz  seines  väterlichen  Erbes.  Ganz  Albanien  erhob  sich  nun, 
und  schon  im  Juni  1444  konnte  Georg  einem  türkischen  Heere  eine  Niederlage  in 
der  Dibraschlucht  beibringen. 

Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osnoanen.  2.  Aufl.  6 


—     82     — 

die  türkischen  Gesandten,  theils  um  ihnen  zu  imponieren,  theils  auch 
um  bei  ■widrigem  Ausgange  der  Verhandlungen  gleich  losschlagen  zu 
können.  Mitte  Juli  erapfieng  König  Wladislav  die  100  Mann  starke 
Gesandtschaft,  an  deren  Spitze  ein  griechischer  Renegat  stand,  und 
nahm  Murad's  Geschenke  entgegen.  Die  Friedensbedingungen  wurden 
annehmbar  befunden  und  ein  zehnjähriger  WaflFenstillstand  geschlossen, 
der  vom  König  und  den  ungarischen  Grossen  auf  das  Evangelium, 
von  Murad's  Gesandten  auf  den  Koran  beschworen  wurde.  Die  in 
Ungarn  bereits  angeworbenen  Söldner  wurden  entlassen,  Kreuzfahrer 
aus  dem  Auslande  waren  noch  keine  eingetroffen. 

Georg  Brankovic,  der  seine  ganze  Beredsamkeit  aufgeboten  hatte, 
um  die  Noth wendigkeit  darzuthun.  zuerst  Serbien  zu  befreien,  bevor 
man  an  grössere  Unternehmungen  denken  könne,  kehrte  nun  nach 
Serbien  zurück,  um  sein  Land  von  den  Türken  zu  übernehmen,  und 
blieb  den  nächsten  Ereignissen  in  Ungarn  gänzlich  ferne. 


Fünftes  Capitel. 


König  Wladislav  beschliesst  den  Frieden  zu  brechen.  —  Das  ungarische  Heer  zieht 

bis  Varna.  —  Sultan  Murad  I.  übersetzt  den  Bosporus  und  folgt  dem  ungarischen 

Heere.  —  Schlacht  bei  Varna.  —  Niederlage  der  Ungarn  und  Tod  des  Königs.  —  Hunyady 

kehrt  nach  Ungarn  zurück.  —  1444. 

Während  der  ganzen  Friedensverhandlungen  beobachtete  der 
Cardinallegat  Julian  Cesarini  ein  finsteres  Stillschweigen.  Nicht  Willens, 
sie  zu  billigen,  konnte  er  unter  den  für  Ungarn  so  günstigen  Verhält- 
nissen sich  der  Annahme  derselben  auch  nicht  widersetzen.  Kaum 
hatten  aber  die  osmanischen  Gesandten  mit  dem  Friedensvertrage, 
dessen  Bedingungen  in  kürzester  Zeit  erfüllt  werden  sollten,  Szegedin 
verlassen,  so  langte  vom  Cardinal  Francesco  Alberti,  dem  Admiral 
der  päpstlichen  Flotte,  die  Botschaft  an,  er  habe  rüit  der  vereinigten 
burgundisch-italienischen  Flotte  am  Hellespont  Stellung  genommen,  und 
einem  türkischen  Heere  den  Weg  von  Kleinasien  versperrt;  das  von 
Truppen  ganz  ~  entblösste  Europa  von  den  Türken  zu  befreien  sei 
leicht,  wenn  der  König  rasch  mit  einem  Heere  nach  Rumelien  ziehe. 
Auch  der  byzantinische  Kaiser  Johann  Paläologas  warnte  vor  dem  treu- 
losen Türken,  der  den  Frieden  nur  geschlossen  habe,  um  sich  aus 
seiner  gefahrvollen  Lage  zu  retten,  und  ihn  später  umso  sicherer 
brechen  werde,  um  sich  für  die  auferlegten  Opfer  zu  rächen.  Die 
Ankunft  der  Kreuzfahrer  stand  auch  schon  bevor.  Endlich  kam  auch 
noch  die  Nachricht,  dass  Murad,  der  noch  vor  Abschluss  des  Friedens 
nach  Kleinasien  übersetzt  war,  der  Kriege  überdrüssig,  die  Regierung 
seinem  zwölfjährigen  Sohne  übergeben  und  sich  zum  Genüsse  voll- 
ständiger Ruhe  nach  Magnesia  zurückgezogen  habe. 

Der  König  und  alle,  die  für  den  Krieg  eingenommen  waren/ 
bereuten  nun  den  voreilig  geschlossenen  Frieden,  und  Cesarini,  der 
durch  denselben  das  schönste  Ziel  seines  Lebens  —  die  Vertreibung 
der  Osmanen  aus  Europa  —  vereitelt  sah.  feuerte  den  glaubenseifrigen 

6* 


—     84     - 

König,  auf  den  alle  diese  Nachrichten  nicht  ohne  Eindruck  blieben, 
noch  mehr  zur  Wiederaufnahme  des  Krieges  an.  Der  Cardinallegat 
erklärte  nun,  Wladislav  habe  gar  nicht  das  Recht  gehabt,  ohne  Zu- 
stimmung des  Papstes  und  hinter  dem  Rücken  seiner  Bundesgenossen 
mit  den  Ungläubigen  Frieden  zu  schliessen,  und  löste  ihn  zur  Be- 
ruliigung  seines  Gewissens  von  dem  Eide,  den  er  den  Feinden  der 
Christenheit  geleistet  hatte.  Auch  Hunyady  soll  erst  dadurch  für  den 
Krieg  gewonnen  worden  sein,  dass  ihm  der  Cardinallegat  die  Erhebung 
zum  König  von  Bulgarien  in  Aussicht  stellte. 

Auf  dem  Reichstage  zu  Szegedin  am  4.  August  1444  sprachen 
sich  zwar  die  polnischen  Abgeordneten  für  die  Erhaltung  des  Waffen- 
stillstandes aus,  der  König  aber  und  seine  Grossen  waren  für  den 
Krieg,  und  schworen  einen  Eid,  dass  sie  am  1.  September  mit  einem 
Heere  in  der  Gegend  von  Orsowa  sein  und  dann  ungesäumt  nach 
Rumelien  vordringen  würden.  Das  Gelübde  übernahmen  und  unter- 
zeichneten jene  Prälaten  und  Herren,  welche  den  König  begleiten 
wollten:  die  Bischöfe  Simon  Rozgonyi  von  Erlau,  Johann  de  Dominis 
von  Gross  wardein  und  Rafael  von  Bosnien,  dann  Johann  Hunyady; 
ihre  Zustimmung  bezeugten  auch  der  Bischof  von  Cscinad,  der  Palatin 
Hedervary,  der  Landesrichter  Georg  Rozgonyi,  der  Oberststallmeister 
Paloczy,  der  Oberschatzmeister  Orszäg,  der  Mundschenk  Czudor  und 
sieben  andere  Magnaten. 

In  grosser  Eile  wurden  nun  die  Vorbereitungen  zum  Kriege 
getrofi'en;  das  Heer  sollte  zahlreicher  werden  als  im  Vorjahre.  Die 
Vasallenländer,  ebenso  alle  christlichen  Staaten  Europas  wurden  zur 
Mithilfe  aufgefordert.  Stephan  Thomas  von  Bosnien,  die  Moldau  und 
Walachei  verpflichteten  sich  zum  Beistand,  während  der  Despot  von 
Serbien  hartnäckig  jede  Mithilfe  verweigerte.  Brankovic  hatte  durch 
den  selbst  vermittelten  Frieden  den  Besitz  seines  Landes  erreicht,  den  er 
anstrebte;  da  Murad.  bemüht,  allen  Friedensbedingungen  zu  entsprechen, 
Serbien  zwar  nicht  binnen  acht  Tagen,  was  schon  der  Entfernung  wegen 
unmöglich  war,  aber  doch  bis  halben  September  geräumt  hatte, 
erlaubte  er  keine  Ursache  zu  haben,  den  Frieden  wieder  zu  brechen.  In 
Polen  beschworen  die  Stände  den  König,  als  seine  Gesandten  den 
Beschluss  des  Krieges  bekannt  gaben,  mit  Hinweis  auf  die  Tataren- 
einfälle und  auf  die  Uneinigkeit  im  Lande,  welche  seine  Anwesenheit 
dringend  nothwendig  machte,  von  dem  verhängnissvollen  Vorhaben, 
auf  dem  der  Segen  Gottes  unmöglich  ruhen  könne,  abzulassen;  eine 
ausgiebige  Hilfe  von  dort  war  daher  nicht  zu  erwarten,  ein  Theil  der 
angeworbenen    Söldner    zog    sogar    aus  Gereiztheit    gegen  die  Ungarn 


—     85     — 

wieder  ab.  Auch  die  westeuropäischen  Staaten  verhielten  sich  theil- 
nahmslos,  und  die  neuerdings  versprochene,  ohnedies  fragliche  Hilfe 
des  byzantinischen  Kaisers  hätte  erst  später  zur  Geltung  kommen 
können.  Castriota  wollte  aus  Albanien  mit  3000  Reitern  zu  den  Ungarn 
stossen.  wurde  aber  von  Brankovic  in  den  Gebirgspässen  aufgehalten 
und  am  Durchzuge  durch  Serbien  verhindert. 

Auch  in  Ungarn  fand  der  Feldzug  den  erwarteten  Beifall  nicht: 
ausser  den  drei  Bischöfen  schlössen  sich  nur  wenige  Bannerherren  an, 
und  als  die  Zeit  zum  Aufbruch  kam,  hatten  sich  in  Szegedin  kaum 
mehr  wie  10.000  bis  12.000  Mann  eingefunden,  von  welchen  ungefähr 
zwei  Drittel  Ungarn,  der  Rest  zur  Hälfte  je  polnische  und  andere 
Kreuzfahrer  waren J) 

Nicht  am  1.  September,  aber  doch  in  der  zweiten  Hälfte  dieses 
Monats  traf  der  König  in  Orsowa  ein.  Hier  stiess  auch  Hunyady,  der 
zum  Oberbefehlshaber  ernannt  wurde,  mit  4000  meist  aus  eigenem 
Gelde  angeworbenen  Reitern  zum  Heere. 

Der  König  übersetzte  ungefähr  am  20.  September  bei  Orsowa 
die  Donau.  Mehr  wie  1000  Wagen,  die  zur  Nachfuhr  von  Proviant 
und  zur  Beförderung  des  mit  übermässigem  Aufwände  ausgestatteten 
Hofhaltes  dienten,  wurden  unterhalb  Severin  über  den  Strom  gesetzt. 
Um  den  Train  nicht  zu  belasten,  Hess  man  aber  die  schweren  Geschütze 
zurück  und  führte  nur  wenige  kleinere  Feuerschlünde  mit.  Am  ersten 
Marschtage  erreichte  das  Heer  einen  Markt  —  vielleicht  Kladowa  — , 
nach    dessen    Einnahme    die    daselbst    wohnenden    Türken    erschlagen 

^)  Die  Quellen  für  diesen  Zug-,  besonders  aber  über  die  Schlacht  bei  Varna, 
zum  Theil  auch  von  Zeissberg  angeführt  und  ihrem  Werte  nach  beurtheilt,  sind: 
Dfugos,  meist  den  Aufzeichnungen  des  Bischofs  Spitignew  von  Krakau  folgend  und 
gegen  Hunyady  nicht  unparteiisch;  die  Briefe  des  Aeneas  Silvius;  Gregor  von  Sanok, 
später  Erzbischof  von  Lemberg,  der  als  junger  Priester  den  Zug  mitmachte;  Bonacorsi 
—  Callimachus  genannt  —  meist  den  Mittheilungen  Diugo's  und  Gregor's  folgend; 
die  Byzantiner  Georgius  Phrantzes  und  Nikolaus  Chalkocondilas,  zum  Theil  auch  von 
den  bei  Hammer  und  Zinkeisen  angeführten  türkischen  Quellen,  Derwisch  Achmed, 
Xeschri,  Idris  und  Seadeddin  beeinflusst,  dann  der  Zeitgenosse  und  Biograph  Skander- 
beg's,  Marinus  Barletius;  der  Brief  des  Andreas  de  Palatio  an  den  Cardinal  Ludovicus; 
die  Aufzeichnungen  des  Constantin  von  Ostraviza,  endlich  das  bereits  erwähnte, 
Gedicht  Beheim's;  Bonfinius  schrieb  erst  viel  später.  Thuroz  und  Kattona  bringen 
ungarische  Quellen.  Von  Neueren  sind  zu  erwähnen  Engel  und  Fessler,  besonders  aber 
die  wertvolle  Abhandlung  Köhler's  über  die  Schlacht  bei  Varna;  weniger  wertvoll  ist 
die  Darstellung  dieser  Schlacht  von  Schels.  In  topographischer  Beziehung,  soweit  es 
das  Schlachtfeld  von  Varna  betrifft,  haben  Jochmus,  Kanitz  und  C.  JireCek  wesentlich 
zur  Aufklärung  desselben  beigetragen ;  nicht  unerwähnt  kann  ich  hier  die  Mittheilungen 
lassen,  welche  ich  dem  österreichisch-ungarischen  Generalconsul,  Herrn  Karl  Peez,  über 
Varna  und  seine  Umgebung  verdanke. 


-     86    — 

wurden.  Nach  vier  bis  fünf  Tagen  überschritt  das  Heer  den  Timok  und 
traf  am  sechsten  Marschtage  —  ungefähr  am  26.  September  —  vor 
Widdin  ein  (die  Entfernung  von  Orsowa  nach  Widdin  beträgt  bei 
110  Kilometer).  Hier  hielt  sich  das  Heer  mehrere  Tage  auf,  scheint 
auch  die  Vorstädte,  um  die  ein  Kampf  geführt  wurde,  zerstört,  die 
Stadt  selbst  aber  nicht  eingenommen  zu  haben.  2)  Im  Vormarsche  wurde 
Rahowa  berührt,  das  von  den  Türken  in  der  Nacht  vorher  geräumt 
worden  war.  Das  christliche  Heer  Hess  sich  während  des  Marsches  zu 
vielen  Ausschreitungen  hinreissen;  Rauben  war  an  der  Tagesordnung, 
auch  christliche  Bewohner  wurden  nicht  geschont;  sogar  Kirchen  — 
freilich  schismatische  —  wurden  beraubt  und  zerstört.  Die  Sympathien 
der  Bevölkerung  erwarb  sich  das  Heer  nicht. 

Von  Widdin  führt  der  nächste  Weg  nach  Gallipoli,  wo  die  Ver- 
einigung des  Heeres  mit  der  Flotte  in  Aussicht  stand,  über  den  Balkan 
in  das  Marizathal  gegen  Adrianopel.  Obgleich  ein  türkisches  Heer  zur 
Vertheidigung  der  Gebirgs Übergänge  nicht  vorbanden  war,  so  war  doch 
an  ein  Ueberschreiten  des  Balkans,  der  selbst  noch  in  späterer  Zeit 
als  kaum  gangbar  gehalten  wurde,  in  so  später  Jahreszeit  und  mit  so 
grossem  Train  nicht  zu  denken;  ebenso  wäre  die  Verpflegung  in  dem 
dünn  bevölkerten  Hochgebirge  ohne  geordneten  Nachschub  kaum  mög- 
lich gewesen.  Ein  zweiter  Weg  führt  mit  Umgehung  des  Balkans  über 
Varna,  dann  längs  der  Küste  des  Schwarzen  Meeres  über  Constantinopel 
nach  Gallipoli.  Die  Verpflegung  des  Heeres  erschien  hier  um  so  leichter, 
als  man  sich  anfangs  von  der  Donau  nicht  zu  weit  entfernte  und  von 
Varna  an  schon  auf  die  Mitwirkung  der  Flotte  rechnen  zu  können 
glaubte.  Diesen  Weg  einzuschlagen,  entschloss  sich  nun  der  König. 

Nach  weiteren  18  Tagmärschen,  ungefähr  am  26.  Marschtag  seit 
dem  Aufbruch  von  Orsowa,  am  16.  October  erreichte  das  Heer  Niko- 
poli  (von  Widdin  bei  220  Kilometer;  es  wurden  demnach  im  Durch- 
schnitte kaum  mehr  wie  12  Kilometer  täglich  zurückgelegt).  Da  Nikopoli 
befestigt  und  mit  zahlreicher  Besatzung  versehen  war,  die  Belagerung 
der  Stadt  aber  bei  dem  Mangel  an  Geschützen  und  Belagerungs- 
maschinen zu  viel  Zeit  in  Anspruch  genommen  hätte,  begnügte  sich 
der  König,  die  Vorstädte  niederzubrennen.  W^ährend  eines  zwei-  bis 
dreitägigen  Aufenthaltes  vor  der  Stadt  kam  Wlad  Drakul,  der  Woy- 
wode  der  Walachei,  mit  4000  Reitern  zum  Heere ;  er  suchte  den  König 

-)  Nach  Beheim  wären  Widdin  und  Nikopoli  vom  ungarischen  Heere  einge- 
nommen und  die  türkische  Bevölkerung  niedergemacht  worden,  während  die  Christen 
sich  in  Widdin  dem  Heere  angeschlossen  hätten;  beides  unwahrscheinliche  und  im 
Widerspruch  mit  anderen  Quellen  stehende  Angaben. 


-     87     - 

von  der  Fortsetzung  des  Feldzuges  abzubringen,  indem  er  darauf  Hin- 
wies, dass  das  Jagdgefolge  dos  Sultans  allein  sclion  grösser-  wäre,  wie 
das  ungarische  Heer. •')  Der  Siege  des  Vorjahres  eingedenk,  und  dem 
Rathe  Hunyady's  sowie  des  Cardinallegaten  folgend,  gieng  der  König 
darauf  nicht  ein,  obwohl  er  auf  weitere  Hilfe  nicht  zu  rechnen  hatte, 
denn  hier  traf  ihn  auch  die  Nachricht,  dass  Brankovic,  der  die  pflicht- 
mässige  Heerfolge  selbst  verweigerte,  auch  Skanderbeg  den  Marsch 
durch  Serbien  verwehrte,  und  dass  der  byzantinische  Kaiser,  von  dem 
man  erwartete,  dass  er  kriegsbereit  an  den  Dardanellen  stünde,  in 
Serbien  die  Hochzeit  seiner  Nichte  mit  einem  Sohne  des  Despoten 
feierte..  Wlad  kehrte  unmuthig  zurück  und  überliess  die  Führung  der 
Avalachischen  Reiterschar  seinem  Sohne. 

Hunyady  führte  nun  mit  3000  Ungarn  und  den  Walachen  die 
Vorhut,  ihr  folgten  die  Wagen  und  dann  der  König  mit  den  übrigen 
Truppen.  Ueber  den  Weg,  welchen  das  Heer  ferner  einschlug,  sind 
die  auf  uns  gekommenen  Nachrichten  sehr  spärlich  und  unzuverlässig; 
gewiss  ist,  dass  das  Heer  nicht  —  wie  mehrfach  behauptet  wird  — 
über  Nikup  an  der  Rusiza,  dem  alten  Nicopolis  ad  Istrum,  und  über 
Trnowa  zog.')  Ob  Sistov,  Ruscuk  oder  Rasgrad  berührt  wurde,  ist  un- 

^)  Gelegentlich  eines  Kriegsrathes  vor  Nikopoli  soll  Wlad  mit  Hunyady  in 
Streit  gerathen  und  auf  ihn  mit  gezogenem  Säbel  eingedrungen  sein,  was  seine  Ver- 
haftung zur  Folge  gehabt  hätte.  Thatsache  ist,  dass  Wlad  selbst  dem  König  auf  seinem 
Zuge  nicht  weiter  folgte.  Auch  soll  dieser  Zwist  die  später  zum  Ausbruch  gekommene 
Feindschaft  zwischen  Wlad  und  Hunyady  veranlasst  haben. 

*)  Ueber  den  Marsch  des  ungarischen  Heeres  bis  Nikopoli  bringen  Palatio  wie 
Beheim  wenig  verlässliche  Nachrichten.  Ueber  den  weiteren  Vormarsch  führt  P^latiö 
an,  das  Heer  wäre  auf  einer  Kömerstrasse  vorgedrungen,  auf  welcher  > kostbare  Ge- 
bäude, und  Marmor-Monumente,  stolze  Bögen  und  hohe  Säulen  in;  ihren  Trümmern  die 
Zcrstörungswuth  der  Türken  bezeugten«.  Diese  Reste  der  Römerherrschaft  haben  wohl 
nur  in  der  Einbildung  Palatio's  existiert,  denn  in  Nikup  sowohl  wie  in  Devna  —  dem 
alten  Marcianopolis  —  können  schon  damals  nur  Schutthaufen  vorgefunden  worden 
sein.  Eine  Römerstrasse  führte  auch  zum  Theile  längs  der  Donau.  Gegen  die  An- 
nahme, dass  das  Heer  über  Nikup  und  Trnowa  gezogen  wäre,  spricht  auch  der  Um- 
stand, dass  in  diesem  Falle  das  Heer  des  Sultans  den  König  wohl  schon  bei  dieser 
Stadt  eingeholt  haben  müsste,  was  nicht  geschah.  Beheim  bringt  nun  über  die  letzte 
Marschstrecke  bis  Varna  nach  Mägest's  Erzählung  viele  und  an  und  für  sich  auch 
glaubliche  Details,  die  sich  auf  dessen  eigene  Erlebnisse,  vielleicht  aber  auch  auf  Er- 
zählungen Anderer  gründen,  in  einem  oder  dem  anderen  Falle  möglicherweise  auch 
gleichzeitig  geschehen  sein  können.  Beheim  lässt  das  Heer  in  einem  Tage  »Kahautsch« 
—  eine  iinbekannte  Stadt  — ,  nach  weiteren  zwei  Tagen  Jenibazar  und  nach  vier- 
tägigem Aufenthalt  Schumla  erreichen.  Dass  das  ungarische  Heer  am  9.  November 
vor  Varna  ankam,  ist  sichergestellt  ;  rechnet  man  nun  nach  Beheim's  Angahen  nach 
rückwärts,  so  müsste  das  ungarische  Heer  am  11.  October  von  Nikopoli  aufgebrochen 
und  schon  am  16.  vor  Jenibazar  gestanden  sein,  mithin  in  sechs  Tagen  eine  Strecke 


—     88     - 

sicher;  Beheim  nennt  nur  den  Ort  Rahautsch.  es  dürfte  damit  wohl 
Ras^rad  s^emeint  sein.  Erst  über  das  Eintreffen  des  Heeres  vor  Jenibazar 
und  Schumla  sind  wieder  ausführlichere,  wenn  auch  nicht  ganz  ver- 
lässliche Angaben  vorhanden. 

Aus  Jenibazar.  einer  Stadt  mit  Schloss,  in  welcher  nach  mehr- 
tägiger Belagerung  alle  Bewohner  erschlagen  und  selbst  das  Vieh  nicht 
geschont  wurde,  erliess  der  König  am  24.  October  einen  Aufruf,  in 
welchem  er  die  Uebergabe  von  Schumla,  Mahoraz  (Mracovo,  unweit 
von  Pravadi),  Petrez,  Cavarna,  Varna  und  Galata,  sowie  aller  übrigen 
in  Thrazien  gelegenen,  den  Christen  entrissenen  festen  Orte  verlangt, 
und  den  türkischen  Besatzungen  im  Falle  der  Uebergabe  freien  Ab- 
zug, im  Falle  des  Widerstandes  aber  den  Tod  versprach.  Als  Ueber- 
bringer  dieses  Aufrufes  wurden  gefangene  Türken  verwendet,  welche 
die  Freiheit  erhielten. 

Schumla  mit  einer  auf  Felsen  gelegenen  Burg,  in  welche  sich 
viele  Bewohner  aus  der  Umgebung  geflüchtet  hatten,  wurde  nach 
hartnäckigem  Kampfe  am  dritten  Tage  genommen.  Auf  einen  Thurm 
hatten  sich  die  Hauptleute  mit  50  Mann  geflüchtet;  als  in  denselben 
eine  OefFnung  gebrochen  und  Feuer  angelegt  wurde,  stürzten  sich  die 
Vertheidiger,  nachdem  sie  die  Wafien  weggeworfen  hatten  und  ihnen 
keine  Gnade  gewährt  wurde,  von  der  Höhe  des  Thurmes  herab.  Fünf 
Tage  verblieb  das  Heer  in  Schumla;  während  des  Aufenthaltes  daselbst 
entsendete  der  König  500  Mann  gegen  Trnowa,  wo  sie  wohl  auf  die 
Vorhut  des  türkischen  Heeres  gestossen  sein  dürften;  sie  wurden  ge- 
schlagen und  kehrten  mit  einem  Verluste  von  300  Mann  zurück. 

Nach  einem  beschwerlichen  Marsch  durch  eine  wasserarme  Gegend 
gelangte  das  Heer  nach  Provadia  (griechisch  Provadion,  deutsch  Schaf- 
burg), Die  Stadt  Provadia  liegt  in  einem  Thale  an  dem  gleichnamigen 
Flusse,  der  einen  Theii  des  davor  liegenden  Grabens  mit  Wasser  füllte; 
auf  dem  die  Stadt  überragenden  Felsplateau  liegen  jetzt  die  Ruinen 
einer  zum  Theil  in  Stein  gehauenen  und  mit  grossen  Werkstücken 
ausgeführten    Burg    Tasch-Hissar,    d.  i.  Steinburg.'')     Zwei    Tage,    den 

von  beiläufig  200  Kilometer  (.33  Kilometer  im  Tage)  zurückgelegt  haben,  was  bei  den 
schlechten  Wegen  und  dem  grossen  Train  mit  Kücksicht  auf  die  geringe  Marsch- 
leistung der  früheren  Tage  sehr  unwahrscheinlich  ist.  Dass  Beheim  Jenibazar  A-or 
Schumla  berühren  lässt,  kann  ebenso  seiner  geographischen  Unkenntniss  wie  der  Ver- 
gesslichkeit  Mägest's  oder  auch  dem  Umstände,  dass  beide  Orte  von  verschiedenen 
Abtheilungen  zu  gleicher  Zeit  erreicht  wurden,  zuzuschreiben  sein.  Es  ist  auch  nicht 
unmöglich,  dass  einzelne  Abtheilungen  verschiedene  Wege  benützt  haben. 

^)  Beheim  nennt  Provadia  gar  nicht  und  sagt;  »und  er  (der  König)  zog  vor- 
wärts bis  zum  Morgen,  wo  er  Wasser  fand,  ein  Schloss,  das  Taschassar  war  genannt. 


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4.  und  5.  November,  lag  der  König  vor  der  Burg,  zu  welcher  der 
Aufgang  über  meist  in  Fels  gehauene  Stufen  führte.  Stadt  und  Burg 
wurden  erstürmt,  reiche  Beute,  besonders  an  Kleidern,  wurde  gemacht, 
der  König  liess  jedoch  die  Beute  abnehmen  und  unter  dem  Schloss- 
thurme,  in  welchen  sich  ein  Theil  der  Besatzung  zurückgezogen  hatte, 
verbrennen.  Die  Türken,  welche  dem  Feuer,  das  den  Thurm  ergriff, 
entrinnen  wollten,  wurden  mit  einem  Pfeilregen  überschüttet.    Als  die 


Schichcenhöhe  20m 


das  lag  ober  einem  Wasser.  Es  war  zu  deutsch  genannt  Steinpürk.«  Beheim  fasst 
die  Stadt  Provadia  und  das  Schloss  Tasch-Hissar,  das  jetzt  noch  diesen  Namen  führt, 
zusammen,  scheint  aber  die  Begebenheiten  vor  Steinburg  und  vor  Petrez,  wohin  das 
Heer  am  folgenden  Tage  kam,  auch  miteinander  zu  verwechseln.  Er  sagt  von  Petrez: 
»  .  .  .  und  fanden  eine  Stadt,  darinnen  lag  ein  Haus,  gemacht  auf  einem  hohen  Berg, 
keine  schwache  Buchs,  noch  Stiegens  Werk  konnte  ihnen  leicht  machen  Furcht.  Stadt 
und  Schloss  hat  um  einen  Graben,  gehauen  in  ein  Fels  tief,  der  voller  ßegenwasser 
lief,  man  mocht  es  wohl  gehaben.  Petrus  war  es  türkisch  erkannt,  die  Petersburg  zu 
deutsch  genannt  etc.«,  Petrez  liegt  einsam  auf  einem  Fels,  an  dessen  Fuss  nie  eine 
Stadt  war.  Was  hier  von  Petrez  gesagt  wird,  stimmt  auch  mit  den  Beschreibungen 
von  Provadia,  wie  Moltke  und  Kanitz  sie  geben,  ziemlich  überein.  Was  Dlugos  und 
Palatio  erwähnt,  dass  eine  grosse  Zahl  Gefangener,  Slaven  und  Ungarn,  befreit  und 
vom  König  über  die  Donau  nach  Ungarn  geschickt  worden  waren,  ebenso  was  Beheim 
sagt,  dass  die  Türken  sich  vor  den  feindlichen  Pfeilen  schützen  wollten,  indem  sie 
christliche  Weiber  vor  sich  hinstellten,  weist  auf  eine  grössere  Stadt,  daher  eher  auf 
Provadia  wie  auf  Petrez  hin. 


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Türken'  sich  zuFück ziehen  mussten,  stellten  sie  in  ihrer  Gewalt  befind- 
liche Christenweiber  zum  Schutze  vor  sich,  auf  deren  Flehen  der  König 
das  Sehiessen  einstellte.  Endlich  wurde  die  Burg  wie  die  Stadt  aber 
doch  genommen  und  die  Vertheidiger  theils  in  den  mit  Wasser  ge- 
füllten Graben  geworfen,  die  fliehen  wollten,  durch  die  Pfeile  erreicht. 
Der  Pole  Johann  von  Tarnow  wurde  hier  schwer  verwundet;  Lesko 
von  Bobritz  zeichnete  sich  beim  Sturme  aus,  er  erstieg  der  Erste  die 
Bresche.  Eine  beträchtliche  Zahl  von  in  der  Stadt  befindlichen  Ge- 
fangenen, Slaven  und  Ungarn,  wurde  in  Freiheit  gesetzt  und  über  die 
Donau  nach  Siebenbürgen,  das  durch  frühere  Verheerungen  stark  ent- 
völkert war,  zurückgesendet. 

Vor  Provadia  erhielt  der  Cardinallegat  die  überraschende  Nach- 
richt, dass  Sultan  Murad  die  Regierung  wieder  übernommen  und  im 
Angesicht  der  Flotte  den  Hellespont  mit  einem  Heere  überschritten  habe. 

Nach  einem  weiteren  Tagmarsch  erreichte  das  Heer  Petrin.  Diese 
Burg,  von  Beheim  Petrus  oder  Petersburg,  von  DJugos  und  Calli- 
machus  Petrez  und  Pezech  genannt,  liegt  —  jetzt  bereits  verfallen  — 
auf  einer  steil  nach  Norden  abfallenden  Bergzunge  gegenüber  der 
Mündung  des  Devnathales,  unweit  dem  Westende  des  oberen  Devna- 
sees.")  Die  Südseite  der  Burg  ist  durch  einen  bei  3  Meter  breiten, 
in  Fels  gehauenen  Graben  geschützt.  Die  Walachen  suchten  mit  Steig- 
leitern die  Mauern  der  Burg  zu  erklimmen,  wobei  30  Mann  den  Tod 
fanden.  Auch  Ungarn  versuchten  die  Mauern  zu  ersteigen,  ein  herab- 
stürzendes Stück  derselben  begrub  25  Mann.  Der  Versuch  der  Be- 
satzung, durch  eine  Höhle  zu  entkommen,  wurde  durch  die  Walachen 
vereitelt.  Endlich  wurde  die  Burg  aber  doch  erstürmt  und  die  Ver- 
theidiger niedergemacht. 

Am  nächsten  Abend  erreichte  das  Heer  —  vielleicht  aber  auch 
nur  ein  Theil   desselben  —    ein   kleines  Schloss   (Mihelitsch   nennt   es 


•')  Die  Ruinen  der  Burg  Petrez  (Petriö  kalessi)  sind  in  der  russischen  Special- 
karte von  Bulgarien  eingezeichnet.  C.  Jireöek,  der  sie  beschreibt,  erwähnt,  dass  man 
am  Fusse  des  Burgfelsens  eine  Menge  von  Pfeilspitzen,  steinerne  Grabkreuze  und 
Töpfe  mit  Menschenknochen  fand.  Kühler  wusste  vom  Vorhandensein  dieser  Burg  nicht, 
und  suchte  es  in  Pravadi.  Der  jetzt  unbedeutende  Ort  Devna  oder  Devnja  liegt  bei 
9  Kilometer  nördlich  von  Petrez  an  Stelle  des  von  Kaiser  Trajan  erbauten  Marcianopolis 
und  war  schon  im  Mittelalter  vollständig  verfallen,  jetzt  sind  kaum  Spuren 
davon  zu  finden.  Palatio  erwähnt,  dass  in  Petrii;  5000  Mann  durch  Feuer  oder 
Schwert  vernichtet  wurden,  die  Burg  ist  nicht  so  gross,  um  eine  solche  Zahl'^'er- 
theidiger  zu  fassen,  wenn  die  Türken  bei  Vertheidigung  der  festen  Plätze  Verluste 
in  so  grossem  Masse  erlitten  haben,  so  kann  das  wohl  nur  bei  Provadia  der  Fall 
gewesen  sein. 


—    'Jl    — 

Beheim);  als  es  die  Ungarn  am  9.  November  stürmen  wollten,  fanden 
sie  es  verlassen.')  Ereignisse,  welche  wohl  gleichzeitig  mit  der  Be- 
lao^eruns:  der  letzten  Orte  vorgefallen  sind  und  nur  von  Theilen  des 
Heeres  ausgeführt  worden  sein  können,  sind  die  Erstürmung  von 
Caligra  (Cap  Gülgrad),  eines  Schlosses  am  Nordende  der  Bucht  von 
Varna,  und  die  Zerstörung  von  28  Galeeren  in  der  Mündung  des 
Flusses  Kamtschik  (Pamisus).  die  wohl  bestimmt  gewesen  sein  dürften, 
den  Türken  gelegentlich  einer  Unternehmung  auf  der  Donau  zu  dienen. 
Noch  am  9.  November  erreichte  der  König  mit  dem  Heere  Varna, 
wo  ihm  die  Schlüssel  der  Stadt  und  jene  der  Schlösser  von  Galata 
(am  Südende  der  Bucht  von  Varna),  von  Makropolis  (der  nördlich  am 


e  20m 


Meeresufer  sich  hinziehenden  Vorstadt  Varnas)  und  von  Cavarna 
(Constantia)  übergeben  wurden,  aus  welcher  die  türkischen  Einwohner 
geflüchtet  waren. 

An  der  Nordseite  von  Varna  bezog  das  ungarische  Heer  ein 
Lager,  aber  schon  am  Abend  des  9.  November  konnte  man  den  Feuer- 
schein wahrnehmen,  der  vom  Lager  des  türkischen  Heeres  ausgieng.^) 
Der  Köniff  ordnete  alle  Vorsichtsmassregeln  an.  er  verstärkte  die  Vor- 


'')  C.  Jireöek  meint,  dass  dieses  Schloss  an  Stelle  eines  in  älteren  Karten  ein- 
gezeichneten, nördlich  von  Adschemlie  gelegenen,  jetzt  verschwundenen  Ortes  >Mualitsch« 
zu  suchen  wäre.  Kanitz  hat  den  Ort  in  seiner  Karte  w^ohl  eingezeichnet,  ohne  jedoch 
für  die  Existenz  desselben  stehen  zu  können.  In  der  neuesten  russischen  Specialkarte 
von  Bulgarien  kommt  ein  Ort  Mualiö  nicht  mehr  vor. 

®)  DJugos  und  Palatio  schätzen  die  Entfernung  der  Lagerfeuer  mit  5000,  Calli- 
machus  gar  nur  mit  4000  Schritten  wohl  zu  gering. 


—     92     — 

posten,  die  Pferde  blieben  gesattelt  und  die  Waffen  durften  nicht 
abgelegt  werden.  Für  den  folgenden  Morgen  wurde  ein  Kriegsrath 
einberufen. 

Die  Nachricbt,  welche  der  Cardinallegat  vom  Admiral  der  christ- 
lichen Flotte  erhalten  hatte,  gieng  dahin,  dass  Murad  den  Thron  wieder 
bestiegen,  mit  Karaman  Frieden  geschlossen  und  mit  40.000  Mann 
unterhalb  Gallipoli  den  Hellespont  überschifft  habe;  die  Flotte  aber 
treffe  keine  Schuld,  weil  die  Türken  heimlich  und  in  der  Nacht  auf 
kleinen  Schiffen  übersetzt  wurden.  In  der  That  wurden  die  Türken 
nicht  am  Hellespont  sondern,  nachdem  Murad  sich  von  der  Unmög- 
lichkeit, im  Angesicht  der  zahlreichen  Flotte  den  Uebergang  zu  er- 
zwingen oder  ihn  durch  List  und  Bestechung  auszuführen,  überzeugt 
hatte,  nach  Umgehung  des  Marmarameeres  am  Bosporus,  eine  Meile 
oberhalb  Constantinopel.  wo  heute  Anatoli-Hissar  liegt,  auf  kleinen 
Schiffen  übersetzt.  Was  für  Schiffe  es  waren,  ob  griechische  oder 
genuesische  Kauffahrer,  ist  schwer  festzustellen,  doch  wurde  allgemein 
behauptet,  dass  es  genuesische  Kaufleute  gewesen  wären,  welche  für 
jeden  nach  Europa  tibersetzten  Mann  einen  Ducaten  erhalten  hätten. 
Der  Schrecken,  welchen  das  unerwartete  Erscheinen  des  Sultans  ver- 
breitete, mag  in  Constantinopel  davon  abgehalten  haben,  dem  unmittelbar 
vor  den  Thoren  der  Stadt  bewirkten  Uebergang  des  türkischen  Heeres 
ein  Hinderniss  in  den  Weg  zu  legen.  Dass  Murad  frühzeitig  genug 
von  dem  Beschlüsse  des  Krieges  sowie  von  den  Rüstungen  Ungarns 
Kenntniss  erhielt,  wird  den  Mittheilungen  des  Despoten  von  Serbien 
zugeschrieben. 

Als  Sultan  Murad  nach  Europa  übersetzt  war,  erapfieng  ihn  Chalil 
Pascha,  der  bereits  Truppen  gesammelt  hatte.  Mitte  October  traf  der 
Sultan  in  Adrianopel  ein,  wo  er  von  ungarischen  Gefangenen  die 
Nachricht  erhielt,  dass  das  christliche  Heer  vor  Nikopoli  stehe.  Um 
diese  Stadt  zu  entsetzen,  brach  er,  nachdem  die  Verhältnisse  gerade 
so  zu  stehen  schienen  wie  1396,  als  Bajesid  gegen  König  Sigismund 
zog,  auf  demselben  Wege  über  den  Schipkapass  und  Trnowo  gegen 
Nikopoli  auf.  Würde  König  Wladislav,  statt  längs  der  Donau  weiter 
zu  ziehen,  den  Weg  über  Trnowo  eingeschlagen  haben,  so  müsste 
Murad  dort  bereits  Kenntniss  über  die  Bewegung  des  ungarischen 
Heeres  erlangt  haben  und  würde  demselben  gefolgt  sein;  so  aber  zog 
Murad  bis  Nikopoli,  und  wandte  sich  dann  erst,  nachdem  er  alle  ent- 
behrlichen Besatzungen  an  sich  gezogen  hatte,  nach  Osten.  Durch 
die  Vorgänge  des  Vorjahres  vorsichtig  gemacht,  vermied  Murad  alle 
Demonstrationen,   die   seine  Anwesenheit   vorzeitig   verrathen  konnten. 


—     93     — 

und  folgte  dem  ungarischen  Heere  unbemerkt,  zuletzt  kaum  in  der 
Entfernung  eines  Tagmarsches.  Am  4.  November  soll  die  Vorhut  der 
Türken  Nachts  schon  dasselbe  Lager  bezogen  haben,  das  die  Nachhut 
der  Ungarn  am  Morgen  verlassen  hatte.  Nun  hatte  Murad  das  ungarische 
Heer  dahin  gebracht,  wo  es  ihm  nicht  mehr  ausweichen  konnte  und 
sich  mit  seiner  ganzen  ihm  mehrfach  überlegenen  Macht  zu  messen 
gezwungen  war.  Die  Lage  des  ungarischen  Heeres  einer  solchen  Ueber- 
zahl  gegenüber  war  in  der  That  bedenklich. 

Was  wenige  Tage  früher  vielleicht  noch  möglich  gewesen  wäre, 
den  Vormarsch  des  türkischen  Heeres  durch  eine  kräftige  Vertheidigung 
von  Varna  zu  verzögern,  um  wenigstens  mit  einem  Theile  des  Heeres 
den  Versuch  zu  machen,  Constantinopel  zu  erreichen,  konnte  jetzt, 
nachdem  man  mit  der  Einnahme  der  kleinen  Schlösser  so  viel  Zeit 
verloren  und  nicht  unbedeutende  Verluste  erlitten  hatte,  nicht  mehr 
geschehen. 

Der  Weg  wieder  durch  Bulgarien  zurück  war  durch  das  türkische 
Heer  verlegt.  Der  Rückzug  nach  Norden,  um  durch  die  Walachei 
Siebenbürgen  zu  erreichen,  vor  sich  das  unwirtliche  Plateau  gegen 
die  Donau  zu,  dann  den  mächtigen  Strom  seihst,  ohne  Fahrzeuge  zum 
Uebersetzen  desselben  vorbereitet  zu  haben,  im  Rücken  den  über- 
legenen Gegner,  musste  unvermeidlich  den  Untergang  des  Heeres 
herbeiführen.  In  Varna  bleiben,  das  Heer  hinter  einer  Wagenburg 
verschanzen  und  sich  auf  die  Vertheidigung  beschränken,  bis  die 
am  Hellespont  nun  überflüssige  Flotte  herbeigerufen  würde  ^)  —  wie 
Cesarini  unter  Beistimmung  der  Bischöfe  und  einiger  Magnaten  in 
Vorschlag  brachte  —  bot  keine  Aussicht  auf  Erfolg.  Das  Heer  konnte 
in  rein  defensiver  Stellung  nicht  bis  zum  Eintreffen  der  Flotte, 
von  deren  Annäherung  man  noch  keine  Nachricht  hatte,  ausharren; 
und  wenn  sie  rechtzeitig  noch  eintraf,  so  war  es  mehr  wie  fraglich,  ob 
sie  durch  Ausschiffung  ihrer  Bemannung  dem  Landheere  hinreichende 
Kräfte  zubrachte,  um  wieder  offensiv  vorgehen  zu  können.  Endlich  hätte  die 
nur  aus  120  Galeeren  bestehende  Flotte  kaum  ausgereicht,  um  nur 
die  Mannschaft  des  meistens  aus  Reiterei  bestehenden  Heeres  vor  vor- 
zeitigem Untergang  zu  retten  und  nach  Constantinopel  zu  überführen. 
Wenn  der  Cardinallegat  schliesslich  noch  die  Hoffnung  aus- 
sprach, die  Flotte  könnte  die  eingeschifften  Truppen  am  Hellespont 
an  das  Land  gesetzt  haben,  um  den  Türken  im  Rücken  Abbruch  zu 
thun,  so  kann  dies  kaum  ernstlich  gemeint  gewesen  sein. 

^)  In  der  That  machte  die  am  Hellespont  ganz  entbehrliche  Flotte  gar  keinen 
Versuch,  sich  Varna  zu  nähern. 


-     94     - 

Hunyady  zeigte  endlich  in  dem  am  Morgen  de^  10.  November  — 
dem  St.  Martinstage  —  abgehaltenen  Kriegsrathe  in  längerer  Rede, 
wie  verderblich  es  wäre,  ein  nur  zur  Offensive  geeignetes  Heer  in 
eine  Wagenburg  einzuschliessen,  und  wie  unnütz  es  wäre,  das  Heer,  das 
noch  vor  Ankunft  der  Flotte  dem  Mangel  und  Hunger  erliegen  würde, 
auf  das  Eintreffen  derselben  zu  vertrösten.  Er  wusste  auch  zu  gut  den 
Wert  der  offensiven  Vertheidigung  zu  würdigen,  um  nicht  einzusehen, 
dass  hier  der  vom  Feinde  erzwungene  Kampf  aufgenommen  werden 
musste,  und  dass  nur  noch  durch  einen  Sieg  in  offener  Feldschlacht 
ein  Erfolg  zu  erringen  wäre.  Der  König  stimmte  Hunyady  bei  und 
war  entschlossen,  die  von  Murad  mehr  erzwungene  als  angebotene 
Schlacht  anzunehmen,  obwohl  er  zur  Heilung  eines  ihn  in  der  Be- 
wegung sehr  behindernden  Uebels  am  linken  Schenkel  noch  einige 
Tage  der  Ruhe  bedurft  hätte. 

Varna  liegt  an  einem  gegen  Osten  offenen  Busen  des  Schwarzen 
Meeres,  auf  dessen  Enden  südlich  Galata,  nördlich  das  Schloss  Constantia 
liegt.  Schon  im  Alterthum  war  Varna  (Odessus)  als  Handelsplatz 
berühmt,  der  geringen  Tiefe  wegen  konnten  aber  grössere  Schiffe  den 
Hafen  nicht  benützen.  Die  Stadt  war  von  einer  mit  Thürmen  ver- 
sehenen Mauer  byzantinischen  Ursprunges  umgeben,  innerhalb  der- 
selben lag  ein  Castell.  von  dem  1896  noch  Reste  erhalten  waren.  Am 
südlichen  Fusse  der  Stadtmauer  mündet  der  IVo  Kilometer  lange 
Abfluss  des  grossen  Devnasees  in  das  Meer.  Gegen  Westen  erstrecken 
sich  die  beiden  Devnaseen  in  einer  Länge  von  20  Kilometer.  In  den 
oberen  See  ergiesst  sich  der  Pravadifluss.  Das  südliche  Ufer  beider 
Seen  fällt  steil  ab  und  ist  von  einem  bei  350  Meter  hohen,  meist  dicht 
bewaldeten  Gebirgszug  begleitet.  Nördlich  der  Seen,  deren  Ufer  hier 
theilweise  versumpft  waren,  zieht  sich  ein  über  300  Meter  hoher 
Gebirgszug  hin,  auf  dessen  stark  eingerissenen,  theils  mit  Wald,  theils 
mit  Obst-  und  Weincultur  bedeckten  Abhängen  mehrere  von  ackerbau- 
treibenden christlichen  Bulgaren  bewohnte  Dörfer  lagen.  Zwischen 
diesem  Höhenzug  und  dem  grossen  Devnasee  breitet  sich  eine  bei 
Varna  gegen  3000  Schritt  breite  und  schwach  gegen  die  Berge  ansteigende 
wellenförmige  Ebene  mit  sandigem  Boden  aus. 

Auf  dieser  Ebene  standen  sich  am  10.  November  1444,  nur  durch 
die  wellenförmigen  Erhebungen  getrennt,  die  beiden  Heere  kampfbereit 
gegenüber. 

In  der  Umgebung  von  Varna  ist  das  Vorkommen  von  Tumulis 
nicht  selten,  zumeist  dürften  sie  prähistorischen  Ursprunges  sein;  als 
feste  Punkte    knüpfen    sich    aber   auch  Erinnerungen    an    spätere  Er- 


—     95     — 

eigaisse  an  einzelne  derselben,  die  sich  im  Volksmunde  noch  durch 
liln"-ere  Zeit  erhielten;  so  bestand  ein  Tumulus  ausserhalb  der  alten 
Stadtmauer,  der  seit  einigen  Jahren  demoliert  wurde  und  noch  im 
Jahre  1847  als  Merkzeichen  für  das  Lager  der  Ungarn  galt.'*') 

Weiters  befinden  sich  zwei  Hügel  nördlich  der  Abzweigung 
des  Weges  nach  Adschemlje  von  der  Strasse  nach  Pravadi,  bei 
welchen  Murad  mit  den  Janitscharen  Stellung  genommen  haben  soll. 
Ob  diese  Hügel  dem  Jahre  1444  ihren  Ursprung  verdanken,  ebenso 
wie  die  an  der  Ostseite  derselben  aufgeworfenen  Gräben,  ist  ungewiss. 
Wie  die  Hügel  dem  Verfalle  nahe,  so  scheinen  auch  die  Erinnerungen 
an  die  Ereignisse,  welche  sich  daran  knüpften,  im  Volksmunde  der 
Veroressenheit  verfallen  zu  sein.") 

Hunyady,  dem  als  obersten  Befehlshaber  die  Aufstellung  des 
Heeres  zukam,  sah  sich  gegenüber  der  grossen  Zahl  des  türkischen 
Heeres    genöthigt,     von     der    damals     üblichen    Schlachtordnung     in 


^'')  Dem  k.  u.  k.  Generalconsul  in  Varna,  Herrn  Karl  Peez,  verdanke  ich 
zumeist  die  Mittheilungen  über  die  Umgebung  von  Varna.  Der  erwähnte  Tumulus 
in  der  Nähe  der  alten  Stadt,  wahrscheinlich  derselbe,  welcher  noch  im  Jahre  lf*47 
dem  General  Jochmus  von  seinem  Führer  als  Kennzeichen  für  die  Lage  des  ungari- 
schen Lagers  bezeichnet  wurde,  ist  vor  mehreren  Jahren  abgetragen  und  aus- 
geglichen worden;  man  fand  in  selbem  ein  regelmässig  ausgeführtes  Grabgewölbe,  in 
welchem  ein  Skelet  mit  einem  zweifellos  prähistorischen  Goldblech  gelagert  war. 

^*)  General  Jochmus  erwähnt  diese  beiden  Hügel,  welche  ihm  noch  im 
Jahre  1846  als  »Murad  Tepe«  und  »Sandschak  Tepe«  gezeigt  wurden,  und  vermuthet, 
dass  auf  einem  derselben  die  Lanze  mit  dem  gebrochenen  Friedensvertrage,  später 
das  Haupt  des  Königs  Wladislav  zur  Schau  gestellt  wurde,  während  auf  dem  anderen 
—  türkischem  Gebrauche  entsprechend  —  die  grosse  Fahne  entfaltet  wurde,  und  dass 
hierauf  die  Benennung  beider  Tumuli  beruht;  er  meint  auch,  dass  vor  den  Hügeln 
sich  ein  Wall  befunden  habe,  dessen  Trace  sich  an  einzelnen  Stellen  noch  verfolgen 
liess.  Peez  hält  es  auch  für  wahrscheinlich,  dass  an  diese  Hügel  sich  die  Erinnerung 
an  die  Schlacht  von  1444  knüpfe,  fand  auch  an  der  Südostseite  derselben  die  Spuren 
des  Grabens,  ist  aber  der  Ansicht,  dass  letzterer  A'on  militärischen  Uebungen  aus 
neuester  Zeit  herrühre  oder  Hirten  zur  Deckung  gegen  Wind  gedient  haben  mag. 
An  einem  dieser  Hügel  wurde  gelegentlich  des  Krim-Krieges  von  französischen  und 
polnischen  Ingenieuren  ein  Steinkreuz  errichtet,  später  aber  wurden  die  Hügel  von 
Schatzgräbern  zerwühlt,  das  Kreuz  umgeworfen  und  das  Postament  desselben  zu 
Bauten  verwendet. 

Nach  den  Mittheilungen  des  Herrn  Peez  scheint  jetzt  schon  die  Erinnerung 
an  die  Schlacht  von  1444  im  Volke  sehr  geschwunden  zu  sein,  was  wohl  nicht  zu 
wundern  ist,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  türkische  Bevölkerung,  welche  an  dem 
Ausgange  der  Schlacht  noch  Interesse  nahm,  seither  verschwunden  ist,  den  neu  an- 
gesiedelten Bulgaren  aber  die  Kriegsereignisse  der  Neuzeit  viel  näher  stehen,  wie 
der  vor  bald  500  Jahren  unternommene  Zug  der  Ungarn,  für  den  ihnen  jedes  Ver- 
ständniss  abgeht. 


96 


Schlacht  bei  Varna  1444. 

Stellung  beider  Heere  am  Morgen  des  10.  November. 


l/VARNA 
SCHMRIES  MEER 


Galata 


Stelluno-  der  Ungarn. 


1.  Hanyady's  Soldtruppen. 

2.  Siebenbürger  Banderium. 

3.  Szekler  Banderium. 

4.  Ungarisches  Banderium. 

5.  Szylagyi's  Banderium. 

„■   I  Banderien  des  Königs. 


8.  Banderium  des  Bischofs  von  Bosnien. 

9.  Banderium  des  Bischofs  von  Grosswardein. 

10.  Croaten  unter  Franz  Thalloczy. 

11.  Banderium  des  Cardinallegaten. 

12.  Banderium  des  Bischofs  von  Erlau. 

13.  Wagenburg. 

14.  Walachen. 


mehreren  geschlossenen  Treffen  abzugehen  und  es  in  einer  Linie  auf- 
zustellen. Er  wcählte  bei  1000  Schritte  ausserhalb  der  Mauern  von 
Varna  eine  Stellung,    welche    das  Thal   abschloss    und    die  Stadt  vom 


—    97     - 

Schlacht  bei  Varna  1444. 

Kampf  beider  Heere  um  die  Mittagszeit  des  10.  November. 


^&oiemaiy'anga 


Stellung  der  Türken. 

I.  Europäische  Spahis  unter  III.  Sultan  Murad    mit   den  Janitscharen, 

Turacban.  um  den  Murad-  und  Sadschak-Tepe. 

II.  Asiatische  Spahis  unter  IV.  Akindschi  und  Azapen. 

Karadscha.  V.  Lagerplatz  der  Türken. 

«  Grab  des  Pascha-Baba  (Karadscha?). 

Ufer  des  Sees  bis  zum  Fusse  des  Gebirges  in  einer  Ausdehnung  von 
mehr  als  4000  Schritten  umgab.  Für  das  Heer,  welches  seit  Nikopoli 
keine  Verstärkungen  erhalten,  wohl  aber  in  Folge  des  Marsches  und 
der  Kämpfe  in  den  letzten  Tagen  bedeutende  Verluste  erlitten  hatte, 
war  diese  Ausdehnung  immerhin  gross.  Die  ungünstige  Lage  des 
rechten  Flügels  mit  der  steil  aufsteigenden  Berglehne  vor  demselben 
mag  Hun3'ady  nicht  entgangen  sein;  die  Stärke  seines  Heeres  gestattete 
ihm    aber    nicht,    seine  Stellung    bis    auf   das    oberhalb   der  Berglehne 

Kupel  wieser,   Urgarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.  2.  Aufl.  7 


-     98     — 

befindliche  Plateau  auszudehnen,  auch  bot  der  mit  Wein  und  Strauch- 
werk bestandene  Abhang  kein  geeignetes  Gefechtsfeld  für  seine 
schweren  Reiter,  wenn  er  auch  —  wie  sich  später  zeigte  —  dem 
Feinde  eine  gedeckte  Annäherung  gestattete  und  für  die  leichten 
türkischen  Truppen  kein  unüberwindliches  Hinderniss  war.  Um 
diesen  Nachtheil  einigermassen  auszugleichen,  hielt  Hunyady  den 
äussersten  rechten  Flügel  —  das  Banderium  des  Bischofs  von  Gross- 
wardein  —  etwas  zurück,  wodurch  selbes  bei  2000  Schritte  von 
der  Stadt  entfernt  zu  stehen  kam, '-)  und  um  eine  Umgehung  dieses 
Flügels  unmöglich  zu  machen,  Hess  er  aus  den  vielen  Fuhrwerken 
auf  dem  Lagerplatz  des  Heeres  eine  Art  Wagenburg  herstellen, 
welche  durch  die  wenigen  mitgeführten  Geschütze  verstärkt  wurde.  '■^) 
Den  linken  an  den  See  gelehnten  Flügel  bildeten  fünf  Banner,  ^^) 
jenes  Hunyady's,  d.  i.  dessen  Soldtruppen,  das  der  Siebenbürger 
(wahrscheinlich  Siebenbürger  Sachsen)  und  der  Szekler,  dann  zwei 
Banner  ungarischer  Adeliger  (Beheim  nennt  sie  »Aradicrscht«  und 
»Czerin  Mehel«  d.  i.  der  schwarze  Michel,  vielleicht  Hunyady's 
Schwager  Michael  Szylagyi);  die  Mitte  bildeten  die  Banner  des  Königs, 
in  zwei  starke  Heerhaufen  geordnet,  deren  eines  —  das  St.  Georgs- 
banner —  von  Stephan  Bäthory,  das  andere  von  Ladislaus  BanfFy 
von  Losonz  (Beheim  nennt  ihn  »Latschan  Laslove«)  geführt  wurde. 
Den  rechten  Flüg^el  bildeten  ebenfalls  fünf  Banner,  die  der  Bischöfe 
von  Bosnien  und  von  Erlau,  des  Bauus  von  Croatien  Franz  Thalloczy. 
die  Kreuzfahrer  unter  dem  Cardinallegaten,  endlich  am  äussersten 
Flügel,  gegen  die  Wagenburg  zurückgezogen,  jenes  des  Bischofs  von 
Gross  wardein,  dem  auch  einige  Polen  unter  Lesko  von  Bobritz  zu- 
getheilt  waren.  Die  Walachen  hielt  Hunyady  als  allgemeine  Reserve 
hinter  der  Mitte  zurück. 


'2)  Palatio  sagt,  dass  Hunyady  1000  Schritte  (Seite  29:  Mille  circiter  passibus) 
vor  der  Stadt  Stellung  nalim,  wodurch  der  rechte  Flügel  unter  dem  Bischof  von  Gross- 
wardein  bei  2000  Schritte  von  Varna  entfernt  (Seite  30:  ad  duo  fere  millia  passum 
a  Warna)  z'i  stehen  kam. 

'^)  Engel  erwähnt  mit  Unrecht,  dass  auch  am  linken  Flügel  eine  Wagen- 
burg gestanden  wäre.  Köhler  meint,  eine  Wagenburg  nach  Art  der  Tabors  wäre  sie 
wohl  nicht  gewesen,  sondern  nur  eine  Art  aus  den  Fuhrwerken  hergestellter  Barricade. 

'^)  Beheim  führt  in  seinem  Gedichte  (335  bis  360)  die  einzelnen  Banner  und 
ihre  Führer  an,  und  erwähnt  nur  des  Thalloczy's  nicht.  Palatio  und  Dtugos  führen 
die  Reihenfolge  an,  in  der  sie  in  der  Schlacht  Stellung  nahmen.  Dlugos  erwähnt 
das  Zurückhalten  des  Banderiums  des  Grosswardeiner  Bischofs  und  der  Walachen, 
Palatio  nicht,  sagt  jedoch,  dass  die  Walachen  in  die  Flucht  des  rechten  Flügels 
verwickelt  wurden,  was  nur  dadurch  zu  erklären  ist,  dass  sie  hinter  der  Mitte 
standen. 


-     99    - 

Was  die  Stärke  der  einzelnen  Banner  betrifft,  so  können  sie, 
abgesehen  von  den  Walachen,  die  zusammen  ein  Banner  formierten, 
und  den  beiden  Bannern  des  Königs,  kaum  je  1000  Mann  gehabt 
haben.  Die  Gesammtstärke  des  ungarischen  Heeres  in  der  Schlacht 
dürfte  16.000  Streiter  betragen  haben, '^)  was  bei  der  Kampfvveise 
der  Zeit  wohl  nicht  gar  so  gering  erscheint,  wenn  man  erwägt,  dass 
mit  Ausnahme  der  Walachen  fast  alle  Reiter  mit  vollen  Platten- 
r ästungen  und  mit  langen  zweischneidigen  Schwertern  ausgerüstet 
waren.'*')  Dass  die  Ungarn  Schützen  verwendet  hätten,  wird  nicht 
erwähnt.  An  Artillerie  führten  sie  nur  wenige  leichte  Geschütze  mit, 
wohl  die  aus  Hussitenkriegen  bekannten  Haufnitzen  (Steinbüchsen) 
und  Terasbüchsen  (Kanonen  kleinen  Calibers,  welche  mit  Bleikugeln 
schössen);  sie  fanden,  wie  erwähnt,  zur  Vertheidigung  der  Wagenburg 
in  fester  Stellung  Verwendung. 

Die  Besetzung  der  Mauern  von  Varna  und  Galata  wurde,  um 
das  Heer  nicht  zu  schwächen,  den  christlichen,  zumeist  griechischen 
Einwohnern  überlassen;  es  war  dies  insoferne  misslich,  als  zu  besorgen 
war,  dass  im-  Falle  einer  Niederlage  die  Thore  beider  Städte  auch  für 
das  ungarische  Heer  verschlossen  bleiben  würden,  was  in  der  That 
auch  eintrat. 

Das  türkische  Heer  in  der  Stärke  von  ungefähr  100.000  Mann' ^) 
bestand  aus  den  Lehensreitern  von  Europa  unter  ihrem  Beglerbeg 
Turachan,  welcher  eigens  aus  dem  Staatsgefängnisse  zu  Tokat  ent- 
lassen worden  war,  um  die  im  Vorjahre  erlittenen  Schlappen  ver- 
gessen zu  machen,'^)  der  Lehensreiterei  aus  Asien  unter  Karadscha, 
den  Soldtruppen  —  der  Spahis  der  Pforte  und  den  Janitscharen  — 
endlich  den  unbesoldeten  Truppen,  den  Akindschi  (Reiter,  welche  ohne 
Sold  dienten  und  auf  Raub  angewiesen  waren)  und  der  Azapen  (Fuss- 
volk,  von  den  Provinzen  bestellt  und  bezahlt). 

'•■')  Köhler  nimmt  die  Gesammtstärke  des  ungarischen  Heeres  mit  25.000  Eeitern 
an,  was  zu  hoch  gegriffen  sein  dürfte;  Palatio  sagt  16.000  Reiter. 

")  Chalcokondilas  braucht  für  die  Reiter  den  Ausdruck:  »Phazen  die  auch 
Bitaxides  genannt  werden.«  Löwenklaw  und  nach  ihm  Köhler  leiten  diese  Ausdrücke 
von  dem  türkischen  Wort  >Chazi«  und  dem  ungarischen  »Vitez«,  beide  »Held  oder 
Ritter«  (in  diesem  Falle  wohl  »schwer  gepanzerte  Reiter«),  her;  Köhler  übersetzt  es 
mit  »Kyrisserc. 

")  Hunyady  im  Briefe  an  Michael  Orsag  von  Guth  gibt  die  St.ärke  dos 
türkischen  Heeres  mit  105.000,  Palatio  mit  120.000,  Marino  Barletio  mit 
100.000  Mann  an. 

'8)  Chalcokondilas  nennt  Daudpascha  als  Stellvertreter  Turachan's. 

7* 


-     100     -  \ 

Murad  stellte  in  das  erste  Treffen  die  Lehensreiterei,  und  zwar 
dem  Herkommen  gemäss  die  europäische  —  da  der  Feldzug  in 
Europa  stattfand  —  auf  den  rechten,  die  asiatische  auf  den  linken 
Flügel.  Sie  fochten  in  getrennten  Haufen  mit  kleinen  Zwischen- 
räumen, und  da  die  Berichte  von  neuen  Reiterhaufen  sprechen, 
welche  die  geschlagenen  Abtheilungen  aufnahmen  und  den  Kampf 
fortsetzten,  so  müssen  sie  unter  sich  wieder  in  mehrere  Treffen  zer- 
gliedert gewesen  oder  auch  in  Staffeln  in  den  Kampf  getreten  sein. 
Wo  die  Spahis  der  Pforte  standen,  deren  Zahl  3000  kaum  über- 
schritten haben  dürfte,  wird  nicht  besonders  erwähnt,  doch  ist  wahr- 
scheinlich, dass  sie  in  das  Reitergefecht  des  ersten  Treffens  ein- 
gegriffen haben. '  •')  Das  zweite  Treffen  bildeten  die  Janitscharen, 
ungefähr  10.000  Mann-^)  in  geschlossen  viereckigem  Haufen,  in  dessen 
Mitte  die  beiden  Hügel  Murad-Tepe  und  Sandschak-Tepe  sich  er- 
hoben. Auf  einem  dieser  Hügel  soll  die  Lanze  aufgepflanzt  gewesen 
sein,  an  welcher  der  von  den  Christen  gebrochene  Vertrag  befestigt 
war.  Die  Janitscharen  hatten,  wie  bei  Nikopoli,  mehrere  schräg  in 
die  Erde  gesteckte  Pfähle  vor  der  Front  und  trugen  grosse  Setz- 
schilde mit  sich.  Neu  war  auch,  dass  sie  vor  ihrer  Front  Kameele 
aufstellten,  deren  Anblick  die  Pferde  scheu  machte.  Wäre  die  eigene 
Reiterei  auch  geworfen  und  vom  Schauplatz  selbst  verschwunden,  so 
musste  der  unbewegliche  Haufe  der  Janitscharen,  in  deren  Mitte  sich 
der  Sultan  befand,  noch  immer  ein  nicht  leicht  zu  bewältigendes 
Angriffsobject  für  den  Gegner  bilden.  Einige  Tausend  Schritte  hinter 
diesem  Treffen  befand  sich  der  Lagerplatz  für  den  nicht  sehr  zahl- 
reichen Train  und  das  Gepäck  des  Sultans.  Die  Akindscbi  und  Azapen 
hatten  nur  den  linken  Flügel  zu  schützen  und  wurden  auf  dem  Höhen- 
zug zur  Bedrohung  des  rechten  Flügels  des  christlichen  Heeres  vor- 
geschoben. 

Unter  den  40.000  Mann,  welche  mit  Murad  den  Bosporus  über- 
setzt hatten,  befanden  sich  zwar  schon  Europäer,  die  in  Kleinasien 
verwendet  worden  waren,  aber  erst  während  des  Vormarsches  stiessen 
die  zum  Schutze  des  Landes  zurückgebliebenen  Truppen  in  solchen 
Massen  zu  ihnen,  die  es  möglich  machten,  dem  christlichen  Heere  mit 
entschiedener  Uebermacht  entg-eo^enzutreten. 


'^)  Köhler  nimmt  als  drittes  Treffen  hinter  den  Janitscharen  die  Spahis  der 
Pforte  an. 

•")  Beheim  schätzt  die  Janitscharen  auf  »12.000  Mann  und  mehr«,  Palatio 
wohl  zu  gering-  mit  500ü  Mann. 


-     101     — 

Beide  Heere  waren  durch  eine  leichte  Einsenkung,  die,  trocken 
und  sandig,  für  die  Bewegung  von  Reitermassen  nicht  ungeeignet  ist, 
getrennt.  Der  linke  Flügel  der  Türken  war  durch  die  Erhebung  am 
Fusse  des  Höhenzuges  gegen  Einsicht  gedeckt. 

Nachdem  die  Schlachtordnung  hergestellt  war,  verblieb  das 
christliche  Heer,  den  Angriff  des  Feindes  erwartend,  durch  drei  Stunden 
in  Ruhe,  die  nur  durch  einen  aus  heiterem  Himmel  plötzlich  los- 
brechenden Orkan  unterbrochen  wurde,  der  alle  Banner  mit  Ausnahme 
des  St.  Georgsbanners  zerriss  und  von  der  Lanze  trennte. 

Dass  während  dieser  Zeit  nicht  unbedeutende  Kräfte  sich  auf 
den  Bergen,  welche  den  rechten  Flügel  der  Ungarn  vollkommen 
beherrschten,  vorschoben,  blieb  von  letzteren  unbemerkt;  dem  Sultan 
war  dieser  schwache  Punkt  der  ungarischen  Stellung  nicht  entgangen. 
Die  irregulären  Trappen  hatten  zunächst  nur  die  Aufgabe,  die  Stellung 
des  Feindes  zu  erkennen  und  sich  nur  unter  günstigen  Verhältnissen 
in  ein  Gefecht  einzulassen.  Von  der  Höhe  aus  konnte  man  die  geringe 
Zahl  der  Gegner  deutlich  wahrnehmen-,  hiedurch  ermuthigt,  stiegen  die 
leichten  Truppen  der  Türken,  Akindschi  und  Azapen,  in  der  Stärke 
von  10.000—15.000  Mann,  2')  gedeckt  durch  die  Risse  im  Boden 
und  die  Cultur,  von  der  Höhe  herab  und  eröffneten  gegen  die  Mittags- 
zeit'^'-) ein  Schützengefecht  gegen  den  rechten  Flügel  der  Ungarn. 
Diese  wollten  aufwärts  nicht  angreifen  und  warteten,  bis  die  feind- 
lichen Reiter  gegen  die  Ebene  zu  herabgestiegen  waren.  Sofort  setzte 
sich  der  Banus,  vom  Bischof  von  Erlau  gefolgt,  in  Bewegung,  um  sie 
anzugreifen;  die  Türken  wurden  vom  Banus  geworfen  und  flohen, 
von  ihm  verfolgt  auf  die  Höhe  zurück. 

Dass  Karadscha,  der  Beglerbeg  der  Asiaten,  welcher  die  Akindschi 
ins  Gefecht  verwickelt  sah.  nun  durch  die  Terrainwelle  gedeckt  vor- 
gieng,  bemerkten  die  Ungarn  nicht,  wohl  aber  die  auf  die  Höhe  zurück- 
gedrängten Akindschi;  sie  erneuerten  den  Angriff  sofort  mit  frischen 
Kräften  und  drängten  den  Banus  zurück,  der,  vom  Bischof  von  Erlau 
aufgenommen,  sein  Banderium  wieder  ordnete  und  mit  ihm  gemein- 
schaftlich   wieder    zum  Angriff   übergieng.    Die    nebenstehenden  Ban- 

-'  Palatio  und  Dl'ugos  sprechen  von  »Bogenschützen  zu  Fuss,  welche  man 
Janitscharen  nennt« ;  Köhler  bemerkt  richtig,  das  es  Princip  bei  den  Türken  war,  die 
Janitscharen  stets  zusammen  zu  halten,  es  können  daher  nur  Azapen  gewesen  sein. 
Ebenso  werden  die  Keiter,  welche  Callimachus  entschieden  zu  gering  auf  6000 
anschlägt  —  Beheim  sagt  16.000  —  nicht  aus  den  regulären  Spahis  entnommen 
worden  sein,  da  die  Akindschi  für  dergleichen  Zwecke  bestimmt  waren. 

■")  In  dem  schon  erwähnten  Brief  sagt  Hunyady,  dass  die  Schlacht  »ab  liora 
summe  misse  usque  occasum  solis«  gedauert  habe. 


—     102     — 

derien  —  des  Bischofs  von  Grosswardein  und  des  Legaten  —  hielten 
nun  den  Augenblick  gekommen,  um  selbst  einzugreifen  und  dem 
rechten  Flügel  zum  vollständigen  Sieg  zu  verhelfen.  Sic  hatten  sich  aber 
kaum  gegen  die  Akindschi  nach  rechts  gewendet,  als  Karadscha's  Reiter - 
scharen  über  die  Höhe  vorbrachen  und  ihnen  unerwartet  in  die  linke 
Flanke  fielen.  Ihre  Banderien  sowohl,  als  jene  des  Banus  und  des 
Bischofs  von  Erlau  wurden  nun  völlig  auseinandergesprengt.  Dem 
Banus  und  dem  Legaten  gelang  es  mit  wenigen  Mannschaften  in  die 
Wagenburg  zu  entkommen,  wo  sich  um  die  wahrscheinlich  zurück- 
gelassene Fahne  des  heiligen  Ladislaus  von  allen  vier  geschlagenen  Ban- 
derien kaum  einige  Hundert  Mann  gesammelt  hatten.  Es  entspann  sich 
ein  hartnäckiger  Kampf,  die  Christen  bildeten  mit  vorgestreckten 
Spiessen  einen  Knäuel,  den  die  Türken  ohne  Schutzwaffen  zu  durch- 
brechen nicht  wagten.  Hier  fiel  auch  der  Pole  Lesko  Bobritz.  Auch  in 
die  Wagenburg  brachen  die  Türken  ein,  einige  Wagen  wurden  um- 
geworfen, andere  beraubt.  Ein  Theil  der  Versprengten  wurde  hinter 
der  Schlachtlinie  der  Ungarn,  an  den  Walachen  vorbei,  die  dadurch 
in  Unordnung  kamen,  gegen  Varna  und  den  Devnasee  verfolgt.  Die 
Bischöfe  von  Erlau  und  Grosswardein  wurden  von  der  Wagenburg 
abgedrängt,  fanden  die  Thore  von  Varna  verschlossen  und  konnten 
sich  nicht  schnell  genug  orientieren,  ersterer  wollte  nach  Galata  ent- 
kommen, kehrte  aber  wieder  zurück  und  verschwand  im  Gewühle  der 
Schlacht,  letzterer  versank  mit  seinem  Pferde  im  sumpfigen  Ufer  des 
Devnasees. 

Inzwischen  war  Hunyady  mit  den  nächststehenden  Banderien, 
jenem  des  Bischofs  von  Bosnien  und  dem  des  Königs,  herangekommen; 
in  richtiger  Erkennung  der  Verhältnisse  wendete  er  sich  nicht  gegen 
die  Akindschi,  sondern  gegen  die  Asiaten,  sie  wurden  angegriffien  und 
geworfen,  Karadscha  selbst  getödtet.^^)  Bis  in  die  Nähe  der  Janitscharen, 
bei  4000  Schritte,  weit,  wurden  sie  verfolgt '-^^)  und  vom  Schlachtfelde 
vertrieben.  Die  Lücke  in  der  Schlachtlinie  benützend,  brachen  die 
Walachen  eigenmächtig  vor,  ritten  an  den  Janitscharen  vorüber,  und 
warfen  sich  auf  das  Lager  der  Türken,  das  sie  plünderten;  sie  ver- 
schwanden dann  vom  Schlachtfelde  und  dürften  wohl,    mit  der  Beute 


^')  Der  Hügel  (Teke)  an  der  Strasse  nach  Pravadi  mit  dem  Grabe  eines  tür- 
kischen Heiligen,  der  vor  Urzeiten  in  einer  Kiesenschlacht  den  Tod  gefunden  haben 
soll  und  unter  dem  Namen  »Pascha-Baba«,  d.  i.  ungefähr  »Vater  General«,  verehrt 
wird,  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  das  Grab  des  hier  gefallenen  Karadscha. 

-^)  Der  König  traf  in  der  Verfolgung  der  Asiaten  auf  die  Kameele,  welche 
vor  dem  zweiten  TreiFen  angebunden  waren,  um  die  an  den  Anblick  derselben  nicht 
gewöhnten  Pferde  der  Ungarn  scheu  zu  machon. 


-     103     - 

zufrieden,  der  Heimat  zugezogen  sein.  Dass  sie  bei  der  Verfolgung 
der  Asiaten  mitwirkten,  wird  nicht  gesagt,  ist  aber  wahrscheinlich,  da 
sonst  der  König  mit  seinen  Banderien  nicht  gleich  wieder  zurückkehren 
konnte,  um  sich  gegen  die  Akindschi  und  Azapen  zu  wenden,  die  nun 
bald  mit  einem  Verluste  von  3000  Todten  vertrieben  wurden  und  den 
Angriff  auf  die  später  doch  nur  schwach  vertheidigte  Wagenburg  nicht 
erneuerten. 

Hunyady  ersuchte  nunmehr  den  König,  seine  alte  Stellung  wieder 
einzunehmen  und  ohne  seine  Einwilligung  von  seinem  Platze  nicht  zu 
weichen.  Hunyady,  welcher  sah,  dass  auch  der  linke  Flügel  seines 
Heeres  schon  in  das  Gefecht  verwickelt  war,  wollte  wenigstens  eine 
kleine  Reserve  zurückhalten,  um  mit  ihr  zum  letzten  entscheidenden 
Streich  auszuholen  und  dachte  diese  Aufgabe  mit  Recht  dem  Könige 
mit  seinen  Haustruppen  zu. 

Während  der  Vorgänge  am  rechten  Flügel  der  Ungarn  wurde 
auch  ihr  linker  Flügel  angegriffen.  Die  europäischen  Reiter  der  Türken 
stürmten  vor,  während  die  Ungarn  sie  auf  kurze  Entfernung  anreiten 
Hessen  und  sich  dann  erst  gegen  sie  in  Bewegung  setzten;  sie  konnten 
dadurch  trotz  der  schweren  Belastung  ihrer  Pferde  den  durch  den 
langen  Ritt  gelockerten  Reiterscharen  in  geschlossener  Ordnung  ent- 
gegentreten. Die  türkische  Reiterei  wurde  geworfen  und  bis  in  ihre 
Stellung  verfolgt,  hier  aber  wendete  sie  sich  —  von  neuen  Reiter- 
scharen aufgenommen  —  Avieder  zurück,  warf  die  auseinander- 
gekommenen ungarischen  Banner,  und  verfolgte  sie  bis  in  ihre  erste 
Stellung. 

Hunyady,  der  eben  von  der  Wagenburg  zurückkehrte,  nahm  die 
missliche  Lage  des  buken. Flügels  wahr  und  eilte  demselben  mit  einem 
der  Banner  des  Königs  zu  Hilfe.  Sein  Eingreifen  brachte  das  Gefecht 
wieder  zum  Stehen  und  entschied  es  zu  Gunsten  der  Ungarn.  Der 
Gegner  wurde  geworfen  und  bald  der  ganze  rechte  Flügel  der  Türken 
vom  Schlachtfelde  vertrieben;  einzelne  ihrer  Reiter  flohen  bis  Macedonien 
und  Tracien  und  verbreiteten  dort  die  Nachricht  vom  Siege  der  Ungarn. 

Vom  türkischen  Heere  standen  nur  mehr  die  Janitscharen  —  wenn 
auch  von  allen  Seiten  von  Reiterscharen  umschwärmt  —  in  ihrer  zur 
Vertheidigung  hergerichteten  Stellung  noch  unerschüttert  da.  Sie 
mussten  in  ihrer  Stellung  ausharren,  das  Verlassen  derselben  hätte 
unvermeidlich  in  wilde  Flucht  ausarten  müssen.  Noch  ein  glücklicher 
Streich  gegen  diesen  Rest  des  türkischen  Heeres,  und  der  Sieg  wäre 
den  Ungarn  zugefallen  !  Nicht  ohne  Neid  hatte  die  polnische  Umgebung 
des  Königs  die  Erfolge  Hunyady's   am  linken  Flügel  wahrgenommen, 


-     104     — 

sie  wollten  nicht  den  Ungarn  allein  den  Sieg  überlassen  und  ermun- 
terten den  jugendlichen  und  thatenlustigen  König  nun  selbst,  die 
Janitscharen  anzugreifen  und  dadurch  die  endliclie  Entscheidung  des 
Kampfes  herbeizuführen.  Der  Sieg  würde  dann  dem  Könige  und  nicht 
Hunyady  zugeschrieben,  was  vollkommen  dem  Sinne  des  jungen  Königs 
entsprach,  der  dieser  Aufmunterung  trotz  der  Abmahnung  des  erfahrenen 
Feldherrn  gar  nicht  bedurfte.  Er  wählte  sofort  500  der  tapfersten  Reiter 
aus,  an  deren  Spitze  er  sich  gegen  die  Janitscharen  wandte.  -^)  Als  die 
■Janitscharen  die  Schar  des  Königs  anreiten  sahen,  mag  wohl  mancher 
gewankt  haben,  dass  aber  Sultan  Murad  selbst  mit  Gewalt  zurück- 
gehalten werden  musste,  ist  wenig  glaublich,  ^^j 

Alle  Hindernisse,  Kameele,  Gräben,  eiserne  Pfähle  und  Schilde 
überwindend,  drang  der  König  mit  einigen  der  kühnsten  und  best- 
berittenen Reiter  seiner  Schar  voraus  in  den  geschlossenen  Haufen  der 
Janitscharen  ein,  bis  sein  Pferd  von  einem  Beilhieb  verwundet  zu- 
sammenbrach. Bevor  seine  Schar  den  König  noch  erreichen  konnte, 
hatte  sich  die  durch  sein  Eindringen  entstandene  Lücke  im  feindlichen 
Haufen  wieder  geschlossen  und  mehrere  Janitscharen  stürzten  sich 
über  den  nun  wehrlosen  König  her,  um  ihn  zu  tödten.  Einer  derselben, 
namens  Chodscha  Chisr,  hieb  ihm  den  Kopf  ab  und  brachte  ihn  dem 
Sultan,  der  ihn  auf  eine  Lanze  stecken  und  laut  verkünden  Hess,  dass 
dies  der  Kopf  des  Königs  wäre.-^j 

Vergebens  versuchte  die  tapfere  Schar  des  Königs  noch  in  den 
Haufen    der  Janitscharen    einzudringen,    bald    bedeckten    ihre  Leichen 


-^)  Lange  Erörterungen  über  den  letzten  Angriff  zwischen  dem  König  und 
Hunyady,  wie  sie  in  den  meisten  Beschreibungen  der  Schlacht  vorkommen,  müssen 
in  den  Bereich  der  Dichtungen  verwiesen  werden.  Ob  der  König  den  Entschluss  zum 
Angriff  selbst  fasste,  oder  ob  er  auf  den  Einfluss  seiner  Umgebung  zurückzuführen 
ist,  ist  nicht  mehr  zu  ermitteln,  jedenfalls  steht  aber  fest,  dass  von  dem  Augenblicke 
an,  in  welchem  der  König  den  Befehl  zur  Vorrückung  gab,  Hunyady  weder  Zeit 
noch  Gelegenheit  haben  konnte,  selbst  oder  durch  Boten  auf  den  König  irgendwie 
einzuwirken,  noch  viel  weniger  ihm  lange  Reden  zu  halten  und  Belehrungen  zu  geben. 

'")  Chalcokondilas  sagt,  der  Sultan  wäre  nur  mit  Gewalt  von  der  Flucht  zurück- 
gehalten worden,  ja  man  hätte  sogar  seinem  Pferde  Fessel  angelegt,  um  ihm  die 
Flucht  unmöglich  zu  machen.  Hammer  sagt  nach  Nedschri,  dass  der  Sultan,  als  die 
Walachen  in  das  Lager  drangen,  von  der  Flucht  abgehalten  werden  musste,  während 
Seadeddin  sich  dahin  ausspricht,  dass  er  sich,  wenn  auch  einige  Heerführer  die 
Flucht  ergriffen,  wie  ein  Fels  im  letzten  Kampfe  hielt. 

^^)  Die  Angabe  Seadeddin's,  der  Sultan  hätte  absichtlich  die  Reihen  der  Jani- 
tscharen öffnen  lassen,  um  den  König  desto  sicherer  niedermachen  zu  lassen,  klingt 
sehr  unwahrscheinlich. 


-     105     — 

das  Feld,  von  den  500  Reitern  entkamen  nur  wenige,  darunter  Eathory, 
der  die  St.  Georgsfahne  in  die  Wagenburg  zurückbrachte. 

Die  Nacht  brach  herein,  als  Hunyady  von  der  Verfolgung  der 
türkischen  Reiter  zurückkehrte,  zu  spät,  um  den  König  von  seinem 
Vorhaben  abzubringen  und  zu  spät,  um  seinen  Angriff  zu  unterstützen; 
er  machte  noch  den  Versuch,  wenigstens  den  todten  Körper  des  Königs 
den  Türken  zu  entreissen,  zu  schnell  verbreitete  sich  aber  die  Nach- 
richt vom  Tode,  des  Königs  und  gab  bald  Anlass  zur  allgemeinen 
Flucht.  Ohne  Unterstützung  gelassen,  wurde  schliesslich  auch  Hunyady 
in  die  Flucht  mitgerissen. 

Ein  Theil  der  Flüchtigen  Avandte  sich  in  der  Hoffnung,  dort 
Schutz  zu  finden,  nach  Varna,  fand  aber  die  Thore  der  Stadt  ver- 
schlossen, ein  Theil  fand  kurze  Rast  in  der  Wagenburg,  wo  man  ver- 
geblich auf  Hunyady's  Eintreffen  harrte.  Der  grösste  Theil  derselben, 
darunter  auch  Hunyady,  wandte  sich  aber  nach  Norden,  um  die  Donau 
zu  erreichen. 

Sultan  Murad  —  von  der  gänzlichen  Auflösung  des  ungarischen 
Heeres  noch  nicht  überzeugt  —  lagerte  die  Nacht  auf  dem  Schlacht- 
felde; als  aber  am  Morgen  Späher  die  Nachricht  brachten,  dass  keine 
Truppe  zur  Sehlacht  geordnet  stünde  und  in  der  Wagenburg  die 
grösste  Verwirrung  wahrzunehmen  sei,  Hess  er  dieselbe  stürmen  und 
die  Vertheidiger  bis  auf  wenige  niederhauen.  Auch  Stephan  Bathory 
fiel  hier. 

Der  Verlust  der  Ungarn  in  der  Schlacht  wird  sehr  verschieden 
angegeben,  nach  Beheim  betrug  er  3000  an  Todten  und  ebensoviel 
an  Gefangenen,  nach  Dl'ugos  4000  (d.  i.  ein  Fünftel  des  Heeres  nach 
seiner  Angabe  der  Stärke  desselben),  nach  Anderen,  wohl  übertrieben, 
10.000  —  12.000,  ungerechnet  einer  Zahl,  die  noch  auf  der  Flucht  den 
Untergang  fand.  Gewiss  aber  ist,  dass  kaum  die  Hälfte  der  ausgezogenen 
Mannschaft  in  die  Heimat  zurückkehrte.  Der  Verlust  der  Türken  wird 
wohl  stark  übertrieben  mit  70.000  angegeben,  dürfte  aber,  wie  Bon- 
finius  sagt,  immerhin  bei  30.000  betragen  haben.  Daudpascha,  dem 
mit  dem  gesammelten  Reste  der  europäischen  Spahis  die  Verfolgung 
der  Ungarn  übertragen  wurde,  brachte  noch  manche  Flüchtlinge  als 
Gefangene  zurück. 

Mit  dem  Tode  des  Königs  und  der  fast  gänzlichen  Vernichtung 
des  ungarischen  Heeres  fand  dieser  Feldzug,  der  wohl  schon  beim 
Beginn  den  Keim  des  Misslingens  in  sich  trug,  ein  tragisches  Ende. 
Die  Ungarn  schrieben  dem  voreiligen  Eingreifen  des  Königs  die  Schuld 
an    dem  Verluste    der    Schlacht    zu,    die   Polen    wieder    beschuldigten 


-     106     — 

Hunyady,  dass  er  den  König  in  Stich  gelassen  habe.  Unwillkürlich 
stellt  man  die  Fragen:  Wären  Hunyady's  Reiter  nach  den  wiederholten 
gelungenen  und  misslungenen  Angriffen  nach  Einbruch  der  Nacht  noch 
im  Stande  gewesen,  den  bisher  intact  stehenden  Haufen  der  Janitscharen 
zu  sprengen?  Würde  die  Schlacht  ein  anderes  Ende  genommen  haben, 
wenn  der  König  die  Aufforderung  Hunyady's  zum  Angriffe  abgewartet 
hätte?     Hätte    endlich    die  Schlacht  einen  für  Ungarn    orünstigen  Aus- 

o  o  o 

gang  gehabt,  was  Aväre  das  Los  des  geschwächten,  von  allen  Hilfs- 
mitteln entblössten  ungarischen  Heeres  geworden?  W^ürde  dadurch  die 
allgemeine  Lage  sich  geändert  haben?  Es  ist  zweifelhaft! 

Die  Schlacht  bei  Varna  ist  auch  dadurch  bemerkenswert,  dass 
der  Wert  des  Fussvolkes  in  den  Kämpfen  zAvischen  Ungarn  und 
Türken  zum  erstenmale  zu  voller  Geltung  kam  und  von  dieser  Zeit 
an  die  Janitscharen  den  europäischen  Heereseinrichtungen  als  Muster 
dienten.  Murad  hielt  sich  drei  Tage  auf  dem  Schlachtfelde  auf.  Bei  Be- 
sichtigung desselben  äusserte  er  gegen  seinen  Günstling  Asabbeg,  dass 
unter  den  Erschlagenen  lauter  junge  Leute  und  kein  Graubart  wäre, 
dieser  erwiderte:  »Wäre  ein  Graubart  darunter,  so  hätten  sie  das  tolle 
Unternehmen  nicht  begonnen.«  Unter  der  Beute,  welche  die  Türken  in 
der  Wagenburg  machten,  befanden  sich  250  Wagen  mit  Kostbarkeiten. 
Den  Sieg  über  die  Ungarn  Hess  der  Sultan  in  seinem  weiten  Reiche 
bekanntmachen.  Den  Kopf  des  Königs  sandte  er,  in  Honig  eingemacht, 
an  den  Statthalter  von  Brusa.  Mit  den  Siegesberichten  an  den  Sultan 
von  Aegypten  und  andere  mohammedanische  Fürsten  wurde  eine  An- 
zahl geharnischter  Ritter  und  Knappen  von  den  Gefangenen  als  Ge- 
schenk verschickt. 

Ueber  das  Los  des  Cardinallegaten  Cesarini,  den  Anstifter  dieses 
unheilvollen  Krieges,  fehlen  verlässliche  Angaben.  Ob  er  in  der  Wagen- 
burg fiel,  ob  er  auf  der  Flucht  beim  Uebersetzen  der  Donau  erkannt 
und  von  Walachen  geplündert  und  erschlagen,  oder  endlich,  wie 
Andere  berichten,  in  der  Schlacht  gefangen,  dann  später  zu  Tode 
geschunden  und  verbrannt  wurde,  ist  ungewiss. 

Ueber  seine  Anführer,  welche  gleich  beim  ersten  Angriff  der 
Ungarn  die  Flucht  ergriffen  hatten,  dann  aber  auf  die  Nachricht  des 
Sieges  wieder  zurückkehrten,  wollte  der  Sultan  ein  strenges  Straf- 
gericht ergehen  lassen,  das  schliesslich  nur  aus  Freude  über  den  er- 
rungenen Sieg  unterblieb. ■^^)  Seinem  früheren  Vorsatze  treu,  begab  sich 

^*)  Nach  Seadeddin's  Angabe.  Würde  der  Sultan  selbst  den  Impuls  zur  Flucht 
gegeben  haben,  so  würde  er  kaum  gewagt  haben,  gegen  seine  Unterbefehlshaber  mit 
Strensro  einzuschreiten. 


—     1Ü7     — 

Sultan  Murad  —  sein  persönliches  Eingreifen  in  die  Staatsgeschäfto 
nun  wieder  für  entbehrlich  haltend  —  nach  Magnesia  zurück,  während 
er  die  Regierung  seinem  Sohne  Mohammed  übertrug. 

Hunyady  entkam  mit  einer  kleinen  Schar  nach  48stündiger  un- 
unterbrochener Flucht  bei  Turtukai  über  die  Donau  in  die  Walachei, 
wurde  aber  nahe  der  siebenbürgischen  Grenze  auf  Befehl  Wlad  Drakul's 
ergriffen  und  längere  Zeit  in  Haft  gehalten,  bis  sich  die  Nachricht 
davon  in  Ungarn  verbreitete.  Vielleicht  Avollte  Drakul  sich  an  Hunyady 
rächen,  vielleicht  auch  ihn  dem  Sultan  ausliefern,  um  sich  seiner  Rache 
zu  entziehen.  Eine  Gesandtschaft  aus  Ungarn  brachte  jedoch  seine  Be- 
freiung bald  zu  Stande. 

In  Ungarn  sowie  in  Polen  wollte  man  lange  nicht  glauben,  dass 
der  König  gefallen  sei,  und  wenn  selbst  Hunyady  das  Land  in  diesem 
Irrthum  bestärkte,  so  geschah  es  wohl  nur  in  der  Absicht,  jede  poli- 
tische Umwälzung  vor  seiner  Rückkehr  nach  Ungarn  ferne  zu  halten. 
Als  man  sich  endlich  über  die  Wahrheit  nicht  mehr  täuschen  konnte, 
wurde  für  April  1445  ein  Reichstag  ausgeschrieben,  nm  über  die 
Wiederbesetzung  des  Thrones  zu  beschliessen,  wenn  bis  Mai  keine 
bestimmten  Nachrichten  über  das  Leben  des  Königs  Wladislav,  der 
in  der  Geschichte  als  Wladislav  Varnensis  angeführt  wird,  einlangen 
sollten. 


Sechstes  Capitel. 


Hunyady  als  Gubernator.  —  Ueberf'all  der  Türken  bei  Sarno.  —  Hunyady's  Zug  in 
die  Walachei.  —  Hunyady's  Zug  nach  Serbien,  er  wird  auf  dem  Amselfelde  ge- 
schlagen. —  Ladislaus  Posthumus  übernimmt  die  Regierung  in  Ungarn.  —  Hunyady 
unternimmt  Streifzüge  nachTrnowa,  Semendria  und  Krusevaz.  —  Belgrad  von  Sultan 
Murad  II.  belagert,  von  Hunyady  und  Johann  Capistrano  entsetzt.  —  Hunyady's  und 
Capistrano's  Tod.  —  König  Ladislaus  stirbt.  —  1445  bis  1457. 

Als  endlich  kein  Zweifel  mehr  über  den  Tod  König  Wladislav's 
bestehen  konnte,  beantragte  Ujlaky  auf  dem  Reichstage  die  An- 
erkennung von  König  Albrecht's  Sohn  Ladislaus  unter  der  Bedingung, 
dass  derselbe  sammt  der  Reichskrone  von  Kaiser  Friedrich  aus- 
geliefert würde.  Die  Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  zogen  sich  in 
die  Länge  und  endeten  vorläufig  damit,  dass  Ladislaus  als  König 
anerkannt  und  Hunyady  —  dessen  Beliebtheit  durch  die  Niederlage 
bei  Varna  nicht  erschüttert  war  und  der  im  niederen  Adel  und  dem 
geineinen  Volke  eine  mächtige  Stütze  fand  —  zum  Gubernator  ge- 
wählt wurde.  Durch  Vermittlung  der  päpstlichen  Legaten  kam  im 
Juni  1447  ein  zweijähriger  Waffenstillstand  mit  Kaiser  Friedrich  zu 
Stande,  ohne  dass  über  die  Auslieferung  des  jungen  Ladislaus  ein  Be- 
schluss  gefasst  worden  wäre. 

Zur  Sicherung  des  Landes  wurden  auf  dem  Reichstage  im 
Jahre  1445  nebst  anderen  Massregeln  auch  für  die  verschiedenen 
Landestheile  Hauptleute  ernannt.  Nebst  Siebenbürgen  und  dem  Kreise 
jenseits  der  Theiss  fiel  Hunyady  auch  die  Vertheidigung  der  Grenze 
gegen  die  Türken  zu.  Den  Krieg  gegen  die  Osmanen  fasste  er  als 
seinen  Lebenszweck  auf.  vielleicht  war  er  auch  nach  Rache  für  die 
erlittene  Niederlage  begierig,  weshalb  er  sich  in  einem  eindringlichen 
Schreiben  an  Papst  Eugen  IV.  und  an  König  Karl  VII.  von  Frank- 
reich um  Unterstützung  wendete.  Letzterer  entschuldigte  sich  mit  dem 
Kriege  gegen  England,  und  der  Papst  antwortete,    er  habe    dem  Gar- 


-     109     - 

dinal  Francesco  empfohlen,  mit  der  Flotte  so  weit  als  möglich  in 
die  Donau  vorzudringen;  dann  habe  er  die  christlichen  Fürsten 
zur  Unterstützung  aufgefordert  und  einen  Ablass  für  die  Theil- 
nehmer  am  'Türkenkriege  ausgeschrieben,  womit  wohl  wenig  ge- 
holfen war. 

Noch  vor  Beendigung  der  Verhandlungen  im  Reichstage  1445 
begab  sich  Hunyady  in  die  seiner  Obhut  anvertrauten  Landesteile  und 
organisierte  aus  den  Resten  des  bei  Varna  geschlagenen  Heeres  neue 
Truppen  zur  Vertheidignng  der  Grenzen.  Er  fand  auch  bald  Ge- 
leo:enheit,  dem  Feinde  Abbruch  zu  thun.  Am  rechten  Ufer  der  Save,  bei 
Sarno  (Zarkowo,  7  Kilometer  südwestlich  von  Belgrad)  lagerten  türkische 
Horden,  welche  die  Umgebung  beunruhigten.  Hunyady  stand  ihnen 
am  anderen  Ufer  gegenüber  und  beschloss,  obwohl  sie  ihm  an  Zahl 
überleofen  waren,  einen  nächtlichen  Ueberfall  auszuführen.  In  der 
dazu  bestimmten  Nacht  Hess  er  die  gewöhnlichen  Lagerfeuer  anzünden 
und  erhalten,  damit  es  den  Anschein  habe,  als  weile  das  kleine  Heer 
ruhig  im  Lager;  um  Mitternacht  brach  er  in  grösster  Stille  auf,  setzte 
eine  Strecke  oberhalb  über  den  Fluss  und  erreichte  unbemerkt  das 
feindliche  Lager.  Unter  furchtbarem  Lärm  üelen  nun  die  Ungarn 
plötzlich  über  die  schlaftrunkenen  Türken  her  und  säbelten  sie  nieder, 
bevor  sie  an  ernsten  Widerstand  denken  konnten.  Hunyady  hatte 
seinen  Zweck  erreicht  und  die  Gegend  von  den  Räuberhorden  ge- 
reinigt. ') 

Mit  Einwilligung  des  Staatsrathes  zog  Hunyady  noch  im 
Herbste  1455  nach  der  Walachei,  wo  W'lad  Drakul  nach  dem  un- 
glücklichen Feldzuge  sich  wieder  der  ungarischen  Oberhoheit  entzogen 
hatte,  um  sich  dem  Sultan  zu  unterwerfen.  Das  wichtige  Land  wollte 
man  nicht  in  den  Händen  des  Feindes  lassen,  auch  grollte  Hunyady 
dem  Woywoden  wegen  der  Gefangennahme  im  Vorjahre.  Unvermuthet 
fiel  er  nun  aus  Siebenbürgen  in  die  Walachei  ein  und  stand  mitten 
im  Lande,  bevor  Wlad  noch  gerüstet  war.  Geschlagen  und  vertrieben, 
floh  Wlad  nach  Adrianopel,  wo  er  Hilfe  erwartete.  Dan  IV.,  dessen 
gleichnamiger  Vater  1430  von  Wlad  ermordet  Avorden  war.  wurde 
auf  den  Fürstenstuhl  gesetzt.  Hunyady  drang  nun  bis  an  die  Donau 
vor  und  traf  mit  dem  päpstlichen  Admiral  und  dem  Befehlshaber  der 
burgundischen  Flotte,    welche    mit    einigen   Schiffen    bis    Nikopoli    ge- 

*)  In  der  Karte  von  A.  Ortelius  (Theatrum  Orbis  terrarum,  Plan  24)  ist  »Czarnoc 
4  Kilometer  südlich  der  Save  an  Stelle  des  Ortes  Zarkowo  angegeben.  Das  Flussbett 
der  Save  dürfte  sich  seither  geändert  haben,  vielleicht  war  auch  das  ganze  »Makis- 
Moor€  unter  Wasser. 


-     110     — 

kommen  waren,  zusammen.  Hier  wurde  über  einen  abermaligen  Feld- 
zug berathen;  nachdem  aber  nicht  mehr  der  jugendliche  Mohammed 
auf  dem  Throne  sass,  sondern  Murad,  der  auf  die  Kunde  des  Auf- 
standes der  Janitscharen  die  Einsamkeit  in  Magnesia  verlassen  und 
durch  sein  Erscheinen  die  Rebellen  in  Ordnung  gebracht  hatte,  vsäeder 
die  Zügel  der  Regierung  ergriff,  hielt  man  die  Umstände  zur  Wieder- 
aufnahme eines  Krieges  nicht  für  günstig  und  fand  es  rathsam.  den- 
selben zu  verschieben.  Hunyady,  den  dringende  Angelegenheiten  nach 
Ungarn  zurückriefen,  musste  Dan  mit  Zurücklassung  einiger  Hilfs- 
truppen wieder  sich  selbst  überlassen. 

Im  folgenden  Jahre  versuchte  Wlad  sich  mit  türkischer  Hilfe 
Avieder  in  der  Walachei  festzusetzen,  es  gelang  ihm  dies  aber  nur  kurz. 
In  einem  Treffen,  das  ihm  Dan  mit  ungarischen  und  moldauischen 
Hilfstruppen  lieferte,  giengen  die  Walachen  zu  diesem  über.  Wlad 
wurde  sammt  seinem  Sohne  auf  der  Flucht  ereilt  und  auf  dem  Markt- 
platze zu  Tergoviescht  hingerichtet. 

Da  Murad  in  Kleinasien  festgehalten  und  ein  Theil  seiner 
Macht  mit  Georg  Castriota  in  Albanien  beschäftigt  war,  konnte  er 
den  Misserfolg  in  der  Walachei  nicht  gleich  rächen;  durch  Ein- 
fälle und  Plünderungen  Hess  er  aber  das  Land  auf  alle  Art  be- 
unruhigen. 

Gegen  Castriota  brach  Murad  im  Frühjahr  1447  an  der  Spitze 
von  60.000  Reitern  und  40.000  Janitscharen  selbst  auf:  es  gelang 
ihm  zwar,  Albanien  zu  verwüsten  und  auch  einige  feste  Plätze  zu  be- 
zwingen, alle  Angriff"e  aber  auf  die  Hauptstadt  Croja  wurden  unter 
bedeutenden  Verlusten  für  das  türkische  Heer  abgewiesen.  Um  im 
nächsten  Jahre  seinen  verhassten  Feind  zu  vernichten,  begab  sich  der 
Sultan  im  Spätherbste  nach  Adrianopel  und  betrieb  dort  die  Rüstungen 
für  den  nächsten  Feldzug  selbst,  während  der  Pascha  von  Rumelien 
vor  Croja  verblieb. 

Hunyady.  der  die  Bekämpfung  der  Türken  nicht  aus  dem  Auge 
verlor,  glaubte  sie  durch  einen  Angriff  am  leichtesten  von  der  Grenze 
des  Reiches  ferne  halten  zu  können,  und  hielt  deshalb  die  Zeit  für 
eine  Unternehmung  gegen  dieselben  für  besonders  günstig,  obwohl  eine 
feste  Abmachung  mit  Castriota  über  ein  gemeinschaftliches  Unter- 
nehmen gegen  dieselben  nicht  getroffen  worden  zu  sein  scheint.  An 
den  Papst,  an  den  König  von  Aragonien  und  an  Venedig  wandte  sich 
Hunyady  mit  der  Bitte  um  Unterstützung  durch  Truppen,  Schiffe  und 
Geld.  Statt  der  nachgesuchten  Hilfe  verlieh  ihm  aber  der  Papst  nebst 
seinem  Seo:en  nur  den  Fürstentitel,  von  dem  er  nie  Gebrauch  machte. 


—   111   — 

und  eine  goldene  Halskette,  die  er  später  der  Domkirche  zu  Weissen- 
burg  schenkte;  der  König  von  Aragonien  schickte  ihm  nebst  schönen 
Versprechungen  drei  kostbare  Pferde,  für  die  Hunyady  sich  zwar  be- 
dankte^ aber  auch  Klagen  über  getäuschte  Hoffnungen  und  das  Aus- 
bleiben der  erhofften  Hilfe  nicht  unterdrückte. 

Im  Mai  1448  berief  der  Gubernator  den  Reichstag  nach  Ofen 
und  forderte  die  Barone  und  Prälaten  auf,  ihre  Banderien  in  Bereit- 
schaft zu  setzen.  Das  allgemeine  Aufgebot  durfte  man  zu  einem 
Angriffskrieg  jenseits  der  Grenze  nicht  ergehen  lassen,  die  Liebe  zum 
Vaterland  sowie  zur  Religion  war  bei  dem  Adel  aber  viel  zu  lau,  als 
dass  er  zum  Heile  derselben  freiwillig  und  zahlreich  unter  die  Waffen 
getreten  wäre;  allein  auch  von  den  Grossen,  denen  Kriegsdienste 
ausser  dem  Lande  oblagen,  blieben  viele  unter  den  verschiedensten 
Vorwänden  ferne,  unter  ihnen  auch  Ulrich  von  Cilli,  der  sich  den 
Titel  »erblicher  Ban  von  Slavonien«  angemasst^)  und  den  croatischen 
Adel  von  dem  Erscheinen  auf  dem  Reichstage  abgehalten  hatte.  Als 
beim  Heere  erschienen  werden  nur  die  Brüder  Emerich  und  Ladislaus 
Pelsüczy,  der  Johanniter  Emerich  Marczaly,  Reinhold  Rozgony,  Thomas 
Zechy,  Franz  Thallöczy,  Benedict  Losonczy,  Stephan  von  Also  Lindva, 
Stephan  Banffy  und  der  Schwager  des  Gubernators,  Johann  Szekely 
genannt. 

Auch  der  Despot  von  Serbien,  zur  Heerfolge  aufgefordert,  ver- 
weigerte dieselbe  und  Hess  Hunyady  sagen:  Ein  so  schwaches  Heer 
könne  es  mit  den  Türken  nicht  aufnehmen,  und  er  fürchte  sich  mehr 
vor  Murad  als  vor  den  Ungarn.  In  der  Hoffnung,  sich  hiedurch  den 
Besitz  Serbiens  zu  erhalten,  stellte  er  sich  in  den  Schutz  des  Sultans; 
nicht  ohne  Grund  stand  er  sowie  Ulrich  von  Cilli  im  Verdachte,  dem 
Sultan  alle  Schritte  des  Gubernators  verrathen  zu  haben. 

Die  ganze  Macht,  die  Hunyady  zusammenbrachte,  belief  sich  auf 
nicht  mehr  wie  24.000  Mann,  eingerechnet  die  8000  Mann  walachischer 
Hilfstruppen  und  ungefähr  2000  deutscher,  böhmischer  und  polnischer 
Söldner,  meist  Büchsenschützen  und  Kanoniere.  Das  Heer  sammelte 
sich  bei  Kubin  und  überschritt  im  halben  September  dort  die  Donau.'*) 
Bis  17.  September  stand  Hunyady  noch  an  der  Fährte,  jedoch  auf 
serbischem  Boden.  ■•) 


-)  Nach  der  >Chronik  der  Grafen  von  Cilli«  war  Graf  Ulrich  damals  thatsäch- 
lich  im  Besitze  eines  grossen  Theiles  von  Croatien. 

^)  Am  8  September  datiert  Hunyady  einen  Brief  an  den  Papst:  »apud  vada 
Danubii  prope  opidum  Kowinii«  (an  der  Donaufährte  nahe  der  Stadt  Kubin). 

^)  Hunyady's  Brief  an  den  Dogen  von  Venedig  vom  12.  September  sagt:  »in 
terra  Easciae    prope  vadum  Danubii,  quod  vulgo  lapideum  dicitur«  (im  Lande  Serbien, 


-     112     - 

Serbien  wurde  nun  als  Feindesland  plündernd  und  verheerend 
durchzogen.  Georg  Brankovic  würde  den  Ungarn  wohl  entgegen- 
getreten sein,  AA^enn  sein  Heer  nicht  eben  wegen  des  Besitzes  von 
Srebreniza  in  Bosnien  mit  Stephan  Thomas  in  offenem  Kampfe  ge- 
standen wäre.  ^) 

Hunyady  hatte  die  Absicht,  wie  im  Jahre  1443,  nach  Bulgarien 
einzudringen,  musste  diesen  Plan  aber  im  letzten  Augenblick  aufgeben, 
als  er  hörte,  dass  Murad  den  Kampf  mit  Castriota  unterbrochen,  die 
Belagerung  von  Croja  aufgehoben  und  sich  mit  seiner  ganzen  Macht 
gegen  Norden  gewendet  habe.  Castriota,  der  wohl  im  Bereich  seiner 
Berge  für  unüberwindlich  galt,  aber  schon  im  Jahre  1444  nicht  im 
Stande  war,  den  Widerstand  des  Despoten  von  Serbien  zu  brechen, 
um  den  Ungarn  zu  helfen,  wurde  dadurch  frei,  vielleicht  sogar  gerettet; 
er  benützte  aber  die  Ablenkung  von  Murad's  Macht  keineswegs,  um 
den  Ungarn  zu  helfen,  sondern  kehrte  sich  gegen  Venedig,  das  sich 
widerrechtlich  des  Besitzes  des  ermordeten  Herrn  von  Doyma  be- 
mächtigt hatte. 

Das  ungarische  Heer  zog  nun  längs  der  Morava  nach  Krusevaz, 
das  niedergebrannt  wurde,  überschritt  bei  Jankova-Klisura  ^)  das  Velika 
Jastrowazgebirge,  berührte  Kursumlje  und  Podujevo  und  kam  durch 
das  Thal  des  Labbaches  auf  das  Amselfeld  bei  Pristina.  Das  Amsel- 
feld (Kosowo  polje,  Rigömezü),  wo  vor  59  Jahren  Sultan  Murad  I. 
getödtet  und  die  serbische  Macht  vernichtet  w^urde,  ist  eine  lang- 
gestreckte, von  Mittelgebirge  begrenzte  Ebene,  die  von  der  Sitniza. 
einem  unbedeutenden,  nur  zeitweise  wasserreichen  Flüsschen,  das  bei 
Mitroviza  in  der  Ibar  fällt,  durchflössen  wird;  am  rechten  Ufer  der 
Sitniza,    unweit    von    Pristina    hatte    sich    um    die    Mitte   October    das 

bei  der  Donaufährte,  gewöhnlich  Lapideum  genannt),  Slankamen  (ad  salam  lapidem) 
kann  hier  wohl  nicht  gemeint  sein.  Am  17.  September  stand  Hunyady  noch  am 
selben  Orte. 

^)  Thomas  Stephan  von  Bosnien  suchte  schon  seit  1445  Srebreniza  wieder 
zurückzugewinnen.  Als  es  endlich  zwischen  Serbien  und  Bosnien  zu  ofl^enem  Kampfe 
kam,  wurde  das  bosnische  Heer  am  6.  September  1448  von  den  Serben  geschlagen. 
Stephan  gab  jedoch  trotz  dieser  Niederlage  nicht  nach,  sondern  setzte  den  Krieg  umso 
entschiedener  fort, 

^)  »Janko«  oder  >Jankul«  ist  der  auf  der  Balkan-Halbinsel  gebräuchliche  Name 
für  Johann  Hunyady.  Am  Südausgange  des  nach  Hunyady  genannten  Passes,  Jankova- 
Klisura,  steht  nach  Angabe  Kanitz'  die  Euine  einer  kleinen  Jankova-Kilisa  (Kirche) 
genannten  Kapelle,  welche  nach  der  Volkssage  Hunyady  in  einer  Nacht  erbaut  habe, 
um  sein  Heer  beim  Vorüberziehen  durch  einen  Priester  segnen  zu  lassen.  Dass  sich 
hier  im  Volksraunde  die  Erinnerung  an  einen  dem  Volke  fremden  Gottesdienst  er- 
hallen hat,  ist  wohl  möglich. 


—     113     - 


Schlacht  auf  dem  Amselfohlc.  IT..  18.  und  19.  October  1441 

A  Hunyady's  verschanztes  Lager 
B  Stellung  der  Ungarn    \ 
C  Stellu 


O  Xliiurshi  hwi 


1-300000     * 


Schichienhöhe  som 


ungarische  Heer  auf  einer  Höhe  —  die  Ankunft  Murad's  gewärtigend 
—  verschanzt. 

Als  Murad  mit  ungefähr  150.000  Mann  über  Prisrend  auf  dem 
Amselfeld  angelangt  war.  überschritt  er  nach  mehrtägigem  Zögern  die 
Sitniza  bei  einem  Orte  »Brod«  (slavisch  Furt,  jetzt  nicht  mehr  vor- 
handen, wahrscheinlich  Skulanova),  wozu  sein  Heer  drei  Tage  brauchte. 
Plötzlich  gieng  er  aber  über  den  Fluss  zurück,  ohne  die  Ungarn  an- 
zugreifen. 

Kupelwiese  1",  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.  2.  Aufl.  8 


—     114     — 

Die  Nachricht,  dass  Hunyady  einen  türkischen  Gefangenen  im 
ungarischen  Lager  herumführen  Hess,  damit  er  die  treffliche  Rüstung 
seines  Heeres,  die  Menge  seiner  Geschütze,  die  Stärke  seiner  Ver- 
schanzung betrachte  und  dem  Suhan,  an  den  er  ihn  zurücksandte, 
darüber  berichte;  dass  darauf  der  Sultan  für  einen  Frieden  nebst  Er- 
satz der  Kriegskosten  100.000  Ducaten  geboten  habe,  weil  er  den 
Auso-ang  einer  Schlacht  fürchtete,  oder  weil  er  Hunyadjr  durch  dieses 
Anerbieten  zum  Verlassen  seiner  Stellung  verleiten  wollte,  um  ihn 
dann  desto  leichter  zu  vernichten,  klingt  nicht  glaublich.'^)  Viel  wahr- 
scheinlicher ist,  dass  Murad,  nachdem  er  Hunyady's  Stellung  als  schwer 
einnehmbar  erkannt  hatte,  wieder  über  die  Sitniza  zurückgieng,  um 
Hunyady,  dessen  Heer  von  allen  Hilfsmitteln  abgeschnitten  und  von 
einer  feindlich  gesinnten  Bevölkerung  umgeben  war,  daher  in  kürzester 
Zeit  Mangel  leiden  musste,  zu  einer  Entscheidung  zu  drängen  und 
zum  Verlassen  seiner  starken  Stellung  zu  verleiten.  In  offener  Feld- 
schlacht konnte  auch  die  Ueberzahl  des  türkischen  Heeres,  namentlich 
an  Reiterei,  zu  voller  Geltung  kommen. 

Nur  zu  bald  sollte  Murad  seine  Absicht  erreichen;  kaum  war 
er  über  die  Sitniza  zurückgekehrt,  so  folgte  ihm  Hunyady,  dessen 
Heer  zufolge  seiner  geringen  Stärke  den  Fluss  an  einem  Tage  über- 
setzte, nach. 

Am  17.  October  standen  sich  beide  Heere  am  linken  Ufer  der 
Sitniza  gegenüber;  das  ungarische  in  38  Bannern,  in  kleineren  Ab- 
theilungen formiert  wie  bei  Varna;  im  Centrum  die  Siebenbürger  mit 
den  fremden  Söldnern  und  den  Feldgeschützen  unter  dem  Befehle 
Szekely's,  auf  dem  rechten  Flügel  Ungarn  unter  Benedict  Losonczy's 
Befehl,  den  linken  Flügel,  die  Walachen.  führte  ihr  Woywode  Dan 
und  Stephan  Bänffy;  eine  Reserve  befehligte  Franz  Thallöczy.  Die 
Aufstellung  des  türkischen  Heeres  entsprach  dem  gewöhnlichen  Ge- 
brauche; am  rechten  Flügel  die  europäischen  Truppen  unter  Turachan's 
Führung,  am  linken  Flügel  die  Asiaten,  im  Centrum  der  Sultan  mit 
den  Janitscharen  und  Geschützen,  deren  Gebrauch  den  Türken  neu 
war;  die  Janitscharen  hinter  Gräben  und  durch  Schilde  gedeckt,  vor 
der  Front  noch  die  Kameele  an  Pfähle  gebunden,  um  die  Pferde  der 
Gegner  scheu  zu   machen.   Im  Bewusstsein  seiner  Uebermacht   dehnte 

'')  Aeneas  Silvius  bringt  diese  Angabe  in  einem  Briefe  an  den  Papst;  wenn  er 
auch  mit  Recht  tadelt,  dass  Hunyady  seine  befestigte  Stellung  verliess,  so  hätte  dieser 
doch  auf  die  Ankunft  Castriota's,  wie  Aeneas  hoffte,  vergeblich  gewartet.  Aeneas 
meint  auch,  »die  Auflösung  des  türkischen  Heeres  wegen  eintretendem  Mangel  wäre 
abzuwarten  gewesen«,  für  den  Sultan  wäre  dies  ein  Grund  mehr  gewesen,  selbst  an- 
zugreifen. 


—     115     — 

Murad  die  Reiterei  zu  beiden  Seiten  so  aus.  dass  er  die  Ungarn  weit 
überflügeln  konnte;  er  vermied  dadurch  auch,  dass  die  einzelnen  Reiter- 
abtheilungen, deren  Kampfweise  in  schnellen  Wendungen  ihren  Vor- 
theil  fand,  im  Fliehen  rückwärts  stehende  Abtheilungen  mit  sich  fort- 
reissen  konnten.*) 

Nachdem  sich  am  17.  October  zwischen  den  beiden  Schlacht- 
linien nur  kleinere  Gefechte  der  leichten  Reiterei  und  Einzelkämpfe 
entsponnen  hatten,  richtete  Hunyady  am  folgenden  Tage  um  die 
Mittagszeit  den  ersten  Angriff  gegen  Murad's  rechten  Flügel;  dieser 
widerstand,  von  den  Janitscharen  unterstützt,  den  heftig  anstürmenden 
Scharen.  Durch  sechs  Stunden  wogte  der  Kampf  unentschieden  hin 
und  her,  bis  sich  gegen  Abend  beide  Theile  in  ihre  frühere  Stelluno- 
zurückzogen.  Das  Geschützfeuer  währte  bei  Beginn  der  Nacht  noch 
fort.  Hunyady  hatte  ein  Pferd  verloren  und  verdankte  seine  Rettung 
nur  einem  Bewohner  des  Hunyader  Thaies,  der  ihm  das  seinige  übergab. 

Zu  Beginn  der  Nacht  hielt  Hunyady  einen  Kriegsrath;  auf  An- 
rathen  David's,  eines  im  ungarischen  Heere  dienenden  Türken  aus 
dem  Geschlechte  Osman's,^)  wurde  beschlossen,  noch  in  der  Nacht  die 
Janitscharen  zu  überfallen;  gelänge  es,  diese  in  Verwirrung  und  zur 
Flucht  zu  bringen,  so  würden  sie  die  durch  den  Kampf  am  Vortage 
erschütterten  Truppen  mit  sich  fortreissen  und  leicht  eine  vollkommene 
Niederlage  herbeiführen.  Sein  Vorschlag  fand  Beifall;  um  Mitternacht 
warf  Hunyady  sein  Mitteltreffen  unter  heftigem  Feuer  auf  jenes  des 
Feindes.  Die  Janitscharen,  anfangs  wohl  durch  den  unerwarteten  An- 
s:riff  überrascht,  sammelten  sich  aber  bald  und  stellten  sich  in  sre- 
schlossenen  Reihen  entgegen;  ohne  Erfolg  mussten  sich  die  Ungarn 
zurückziehen. 

Mit  Anbruch  des  folgenden  Tages  geriethen  der  rechte  Flügel 
der  Ungarn  und  die  Asiaten,  welche  bisher  am  Kampfe  wenig  Theil 
genommen  hatten,  zuerst  aneinander;  bald  aber  entbrannte  ein  mörderi- 
scher Kampf,  der  sich  über  die  ganze  Schlachtlinie  ausbreitete.  Die 
Türken  konnten  die  Lücken,  welche  in  ihren  Reihen  entstanden,  stets 
wieder  durch  frische  Mannschaft  ausfüllen;   bei  den  Ungarn  hingegen 

*)  Das  Amselfeld  hat  eine  Länge  von  50  Kilometer.  Ueber  den  Ort  der  Schlacht 
fehlen  alle  genaueren  Angaben.  Um  die  Keitermassen  der  Türken  vollkommen  aus- 
zunützen, wäre  am  linken  Ufer  der  Sitniza  nur  bei  Skulanova  Kaum.  Die  Kapelle 
nordwestlich  von  Pristina  bezeichnet  den  Ort.  wo  Sultan  Murad  I.  in  der  Schlacht 
1389  erstochen  wurde. 

®)  Sultan  Murad  I.  Hess  bei  seiner  Thronbesteigung  seinen  Bruder  Mustafa 
blenden;  dieser  floh  mit  Frau  und  Kindern  zu  König  Sigismund ;  sein  Sohn  erhielt 
in  der  Taufe  den  Namen  David   und   focht   in   allen  Kriegen    wider   die  Türken   mit. 


-     116    — 

hatten  sich  die  Reihen  schon  auffällig  gelichtet,  ohne  einen  Ersatz  zu 
finden;  doch  hoffte  man  durch  Muth  und  Ausdauer  den  Sieg  noch  er- 
rino-en  zu  können.  Da  machte  sich  unerwartet  die  Uebermacht  Murads. 
namentlich  an  Reiterei,  geltend.  Turachan,  der  seine  Truppen,  die 
Unoarn  weit  übergreifend,  ausgedehnt  hatte,  umfasste  deren  linken 
Flüo-el.  auf  welchem  die  Walachen  standen,  und  bedrohte  ihn  von 
allen  Seiten.  Den  Sieg  kaum  mehr  für  möglich  haltend  und  vor  die 
Wahl  gestellt,  sich  entweder  für  die  Ungarn  zu  opfern,  oder  durch 
Verrath  sich  und  ihr  Land  zu  retten,  wählten  die  Walachen  das  Letztere, 
und  Hessen  sich  mit  Murad  in  Verhandlungen  ein,  indem  sie  versprachen. 
die  Waffen,  welche  sie  nur  durch  die  Ungarn  gezwungen  ergriffen 
hätten,  niederzulegen.  '")  Wenn  dieser  Verrath  auch  den  Verlust  der 
Schlacht  nicht  verursachte,  wie  die  Ungarn  behaupteten,  so  hat  er  den- 
selben jedenfalls  beschleunigt  und  vielleicht  auch  die  nahezu  gänzliche 
Vernichtung  des  ungarischen  Heeres  herbeigeführt.  Dass  die  Walachen 
auch  gleich  ihre  Waffen  gegen  die  Ungarn  kehrten,  ist  nicht  erwiesen. 
doch  erklärt  der  Abfall  von  8000  Mann,  d.  i.  des  dritten  Theiles  der 
Gesammtstärke  des  Heeres,  wohl  genügend  die  gänzliche  Auflösung 
desselben  und  den  Verlust  der  Schlacht.  In  hoffnungslosem  Kampfe 
vertheidigte  sich  ein  Theil  der  Ungarn  noch,  bald  aber  wich,  was  von 
ihrer  Reiterei  noch  übrig  war,  vom  Schlachtfelde  und  jagte  sammt 
dem  Feldherrn  in  wilder  Flucht  davon.  Die  Reste  des  Fussvolkes 
suchten  im  verschanzten  Lager  noch  Rettung,  wurden  aber  dort  am 
folgenden  Tage  nach  standhafter  Vertheidigung  sämmtlich  nieder- 
gemacht. 

Johann  Szekely,  dem  ein  riesiger  Türke  trotz  Panzerhemd  den 
Arm  abgeschlagen  hatte,  dann  Johann  Thallöcz}^  die  beiden  Pelsöczy, 
Emerich  Marzaly,  Benedict  Losonczy  und  Stephan  Banffy,  mit  ihnen 
bei  9000  Magyaren,  6000  Walachen  und  2000  fremde  Söldner,  kamen 
auf  dem  Schlachtfelde  um^')  oder  wurden  von  den  Serben,  die  schon 
in  der  Nähe  lauerten,  um  Verwundete  und  Todte  zu  plündern  und 
Flüchtige  zu  überfallen,  ermordet.  Die  Auflösung  und  nahezu  gänzliche 
Vernichtung  des  ungarischen  Heeres  mag  Murad  veranlasst  haben,  von 


'")  Engel  meint,  der  Verrath  der  Walachen  wäre  gegen  den  Willen  ihres 
Woywoden  geschehen.  Murad  soll  den  Walachen  volle  Gnade  zugesagt  haben,  Hess 
sie  aber,  einen  Verrath  fürchtend,  als  sie  in  das  türkische  Lager  einrückten,  von 
20.000  Keltern  umgeben  und  auf  sie  einhauen.  Dan  selbst  kam  zwar  unbehelligt 
durch,  musste  sich  aber  zu  einem  demüthigenden  Ausgleich  herbeilassen. 

")  Georg  Brankovic  selbst  Hess  nach  der  Schlacht  die  Gefallenen  zählen.  Der 
grosse  Verlust  der  Walachen  trotz  ihres  Verrathes,  von  dem  sie  wenig  Vortheil 
hatten,  wäre  wohl  durch  Murad's  hinterlistiges  Benehmen  zu  erklären. 


—     117     — 

einer  weiteren  Verfolgung    der  Reste    desselben   abzusehen.    Auch    die 
Türken  sollen  30.000  Mann  in  der  Schlacht  verloren  haben. 

Hunyady.  von  der  allgemeinen  Flucht  fortgerissen,  trennte  sich 
von  der  kleinen  Schar  seiner  Begleiter,  die  mit  ihm  dem  Schlachten- 
srewühle  entronnen  war.  weil  sie  zu  schwach  war,  ihn  zu  schützen, 
und  doch  Aufsehen  erregen  konnte.  Er  schlug  den  Weg  gegen  Ungarn 
allein  ein.  Am  andern  Tag  musste  er  sein  ermüdetes  Pferd  zurück- 
lassen und  den  Marsch  zu  Fuss  fortsetzen.  Im  Karadaghgebirge  üel 
er  Räubern  in  die  Hände,  die  ihn  zu  seinem  Glücke  nicht  erkannten; 
zwei  schleppten  ihn  mit  sich  fort,  während  die  üebrigen  nach  weiterer 
Beute  suchten.  Unterwegs  bemerkten  sie,  dass  der  Ausgeplünderte  noch 
ein  goldenes  Kreuz  auf  der  Brust  trage,  und  fiengen  an,  sich  um  dieses 
zu  balgen,  da  riss  Hunyady  dem  Einen  das  Schwert  aus  der  Scheide 
und  hieb  ihn  nieder,  während  der  Andere  die  Flucht  ergriff.  Um  den 
Nachstellungen  des  Despoten  von  Serbien  zu  entgehen,  der  den  Befehl 
gab,  ihn  zu  fangen  und  auszuliefern,  suchte  Hunyady  auf  Umwegen 
an  die  Donau  zu  kommen;  von  seinem  Wirte  in  Kladova  erkannt, 
wurde  er  nach  Semendria  gebracht  und  dort  eingekerkert.  Unterdessen 
forderten  die  in  Szegedin  versammelten  Stände  dringend  die  Freilassung 
des  Grubernators.  Georg  Marnavic  führte  eine  Streitmacht  vor  Semendria. 
so  dass  Brankovic  sich  veranlasst  sah,  Hunyady  nach  fast  zwei- 
monatlicher Gefangenschaft  unter  wohl  nicht  ganz  aufrichtig  gemeinten 
Entschuldigungen  zu  entlassen,  jedoch  nicht,  ohne  ihn  zu  dem  Ver- 
sprechen zu  nöthigen,  dem  Despoten  seine  in  Ungarn  confiscierten 
Güter  wieder  zu  verschaffen  und  dessen  ältesten  Sohn  Ladislaus,  den 
er   mit   seiner  Tochter    vermählen  wollte,    als  Bürgen    zurückzuhalten. 

Als  Hunyady  am  24.  December  in  Szegedin  ankam,  wurde  er 
ungeachtet  der  erlittenen  Niederlage  freudig  empfangen  und  von  Neuem 
mit  der  Vertheidigung  des  Landes  betraut.  In  einem  Briefe  an  Papst 
Nikolaus  V.  verspricht  Hunyady,  sofort  Vorkehrungen  zu  treffen,  damit 
der  Feind  nicht  zu  lange  Ruhe  geniesse,  und  nicht  eher  selbst  zu  ruhen, 
bis  er  Rache  genommen  oder  den  Tod  gefunden  habe. 

Da  im  Norden  Ungarns  geordnete  Verhältnisse  noch  immer  nicht 
hergestellt  waren,  gieng  Hunyady  auf  die  Vorschläge  ein,  welche 
Brankovic  zu  Anfang  1449  machte,  um  einen  Frieden  mit  den  Türken 
zu  vermitteln;  der  Reichstag  verwarf  aber  die  vereinbarten  Bedingungen, 
weil  der  Sultan  die  Oberhoheit  über  die  ungarischen  Vasallenstaaten 
beanspruchte.  Um  nun  im  Norden  Ungarns  Ordnung  zu  machen,  wurde 
ein  Feldzug    gegen  Giskra    unternommen,    der    aber    nicht  mit  dessen 


—     118    — 


Unterwerfung,    sondern    mit    einem    durcla    schwere    Opfer    erkauften 
Vergleicli  endete. 

Die  Treulosigkeit  Georg's  war  in  Ungarn  nicht  vergessen,  seine 
Güter  in  Ungarn  wurden  nun  zu  Gunsten  von  Hunyady's  Familie  in 
Beschlag  genommen  und  der  Gubernator  beauftragt,  ihn  zu  bekriegen. 
Dieser  fiel  nun  in  Serbien  ein  und  verheerte  das  Land.  Die  Hilfe  der 
Türken,  auf  die  Georg  hoffte,  blieb  aber  nicht  nur  aus,  der  Sultan 
wollte  sich  auch  für  die  Entlassung  Hunyady's  an  Georg  rächen  und 
entsendete,  als  er  eben  in  Albanien  beschäftigt  war,  Firusbeg,  um  das 
zerstörte  Krusevaz  wieder  aufzubauen  und  neu  zu  befestigen.  Von  allen 
Seiten  bedrängt,  bat  nun  Georg  um  Versöhnung,  Hunyady  wurde  zurück- 
gerufen und  ein  Vergleich  getroffen;  auch  des  Gubernators  Sohn,  der 
von  Georg  als  Geisel  zurückbehalten  worden  war,  wurde  entlassen. 

Im  October  1450  verhandelte  Hunyady  mit  Kaiser  Friedrich 
selbst  über  das  noch  immer  zwischen  Krieg  und  Frieden  schwebende 
Verhältniss  Ungarns  zu  demselben.  Nicht  frei  von  Herrschsucht,  war 
es  Hunyady  gelegen,  Ladislaus  vom  Lande  ferne  zu  halten;  er  schloss 
daher  einen  Vertrag,  demzufolge  Ladislaus  noch  ferner  unter  Friedrieh's 
Vormundschaft  belassen,  er  selbst  aber  als  Gubernator  anerkannt 
wurde. 

Am  2.  Februar  1451  starb  Murad  IL  Sein  Sohn  Mohammed  IL, 
der  die  Herrschaft  mit  dem  festen  Entschlüsse  antrat,  Constantinopel 
zu  erobern,  traf  auch  gleich  die  Vorbereitungen  hiezu  und  schloss  mit 
Ungarn  einen  Waffenstillstand,  der  dem  Lande  im  Süden  für  zwei  Jahre 
wieder  den  Frieden  gab. 

Die  Vormundschaft  Friedrieh's  über  Ladislaus  sollte  aber  nicht 
lange  währen.  Friedrich  wollte  sich  in  Rom  krönen  lassen  und  glaubte, 
in  Ungarn  durch  die  Bestellung  des  Gubernators,  sowie  in  Böhmen 
durch  die  Ernennung  Georg  Podjebrad's  als  Verweser  alles  gethan 
zu  haben,  um  diese  Länder  zu  befriedigen  und  ungehindert  abreisen 
zu  können.  Dagegen  aber  erhoben  sich  die  Oesterreicher,  welche 
Friedrich  beschuldigten,  sein  Mündel  nur  deshalb  nach  Rom  genommen 
zu  haben,  um  ihn  bei  Gelegenheit  zu  beseitigen,  und  verbanden  sich 
mit  den  Unzufriedenen  in  Ungarn  und  Böhmen,  so  dass  Friedrich, 
als  er  1451  wieder  nach  Wien  zurückkehrte,  genöthigt  war,  den  jungen 
König,  um  den  sich  Oesterreich,  Böhmen  und  Ungarn  bald  selbst 
streiten  würden,  aus  der  Vormundschaft  zu  entlassen.  Eine  Vereinbarung 
über  alle  Streitigkeiten  zwischen  den  Ländern  des  Königs  und  dem 
Kaiser,  welche  noch  in  Wien  getroffen  werden  sollte,  kam  nicht  zu 
Stande. 


-     119    — 

Hunyady  kam  bald  selbst  zur  Ueberzeugung.  dass  neben  dem 
Könige  für  einen  Gubernator  kein  Platz  wäre,  und  legte  zu  Weih- 
nachten 1452  seine  Würde  nieder,  wurde  aber  vom  König  gleich  zum 
Ober-Capitän  Ungarns  und  zum  Verwalter  der  königlichen  Einkünfte 
ernannt  und  in  allen  übrigen  Aemtern  bestätigt.  Ende  Jänner  1453  kam 
Ladislaus  nach  Ungarn,  wo  er  immer  mehr  dem  verderblichen  Ein- 
flüsse seines  Oheims,  des  Grafen  Ulrich  von  Cilli,  erlag. 

Dem  Kampfe,  welchen  der  Rest  des  einst  weltbeherrschenden 
byzantinischen  Reiches  zu  führen  gezwungen  war,  sah  man  in  Ungarn 
wie  im  übrigen  Europa  nicht  ohne  Besorgniss  entgegen,  ohne  sich 
aber  zu  einer  ernstlichen  Hilfe  aufraffen  zu  können.  Mohammed  II. 
wollte  das  seit  einer  Reihe  von  Jahren  fast  ununterbrochen  bedrohte 
Constantinopel  zu  seiner  Hauptstadt  machen.  Der  immer  mehr  an- 
wachsenden osmanischen  Macht  konnte  der  letzte  byzantinische  Kaiser 
nicht  mehr  Widerstand  leisten.  In  verzweifeltem  Kampfe  fand 
Constantin  IX.  Paläologus  den  Heldentod  auf  den  Mauern  seiner  Stadt, 
die  nach  hartnäckigem  Widerstand  den  29.  Mai  1453  von  den  Os- 
manen  eingenommen  wurde.  '-) 

'-)  Um  das  lateinische  Europa  für  die  Errettung  von  Constantinopel  zu  ge- 
Avinnen,  machten  die  letzten  byzantinischen  Kaiser  wiederholt  vergebliche  Versuche, 
die  griechische  Kirche  mit  der  katholischen  zu  vereinigen;  sie  scheiterten  an  dem 
Fanatismus  des  Volkes,  besonders  aber  an  dem  Widerwillen  des  Clerus,  sich  dem 
Papste  zu  unterwerfen.  Die  Stadt  wäre  wohl  schon  lange  den  Angriffen  der  Türken 
erlegen,  wenn  nicht  die  Ueberzeugung,  dass  ihre  Eroberung  einen  Bund  der  christ- 
lichen Mächte  gegen  die  Osmanen  zur  Folge  haben  könnte,  die  letzten  Sultane  von 
einem  ernstlichen  Angriffe  abgehalten  hätte.  Anders  dachte  der  herrschsüchtige  und 
rücksichtslose  Mohammed  11.  Mit  dem  festen  Entschlüsse,  Constantinopel  zu  erobern 
und  zur  Hauptstadt  seines  Eeiches  zu  machen,  bestieg  er  den  Thron  und  begann 
gleich  mit  den  Vorbereitungen  hiezu.  Als  er  durch  die  Erbauung  des  Schlosses  Rumili 
Hissar  Constantinopel  bedrohte  und  vom  Schwarzen  Meere  abschnitt,  beschwerte  sich 
Kaiser  Constantin  vergeblich  und  bot  dem  Sultan  Frieden  und  Freundschaft  an,  ver- 
schmähte aber  endlich,  auf  die  schimpflichen  Bedingungen  Mohammed's  einzugehen 
und  fasste  den  Entschluss,  sich  lieber  unter  den  Trümmern  der  Stadt  begraben  zu 
lassen,  als  sie  den  Türken  zu  übergeben. 

Am  6.  April  1453  hatte  Mohammed  die  Stadt  mit  einem  Heere  von  250.000 
Mann  eingeschlossen,  während  sich  in  derselben  nur  2000  Mann  Soldtruppen  und  von 
den  mehr  wie  100.000  Einwohnern  6000  zur  Vertheidigung  entschlossene  Männer 
fanden.  Einigen  genuesischen  Schiften  gelang  es  noch,  am  15.  April  der  vor  dem 
Hafen  liegenden  türkischen  Flotte  eine  Niederlage  beizubringen  und  der  belagerten 
Stadt  einige  Hilfe  zuzuführen,  aber  schon  am  29.  Mai  1453  drangen  die  Türken  in 
die  Stadt  ein;  und  als  der  Ruf  sich  verbreitete,  dass  Schifte  mit  vieler  Mühe  über 
Land  in  den  oberen  Hafen  —  das  goldene  Hörn  —  geschafl't  würden,  und  die  Ver- 
theidigcr  der  Mauern  sich  im  Rücken  angefallen  sahen,  warf  Kaiser  Constantin,  der 
selbst  in  der  Bresche  beim  Thore  des   heiligen  Romanus    kämpfte,    den  Purpurmantel 


—     120     - 

Während  der  Belagerung  Constantinopels  kam  ein  Gesandter 
Hunvadv's  zum  Sultan,  der  ihm  anzeigte,  dass  er  die  Statthalterschaft 
niedergelegt  habe  und  daher  den  abgeschlossenen  Waffenstillstand  ein- 
zuhalten nicht  mehr  in  der  Lage  wäre;  mit  dem  Könige  wolle  der 
Sultan  es  nach  Belieben  halten.  Hunyady  wollte  sich  dadurch  volle 
Freiheit  für  sein  ferneres  Verhalten  w^ahren.  Die  geringe  Theilnahme 
Hunvadv's  für  die  bedrängte  Kaiserstadt  soll  durch  die  in  Ungarn  all- 
gemein geglaubte  Prophezeiung  hervorgerufen  worden  sein,  dass  die 
Christen  erst  dann  siegen  würden,  wenn  es  den  Türken  gelungen  wäre. 
Constantinopel  zu  zerstören. 

Der  Eindruck,  den  der  Fall  Constantinopels  auf  das  christliche 
Abendland  hervorbrachte,  war  gross,  aber  nicht  nachhaltig.  In  Deutsch- 
land bemühte  sich  Aeneas  Silvius  als  Vertreter  des  Kaisers  vergeblich, 
die  Fürsten  zur  Hilfe  zu  bewegen,  und  die  übrigen  Mächte  Europas 
zeigten  sich  nicht  opferwilliger.  Die  Päpste  Nikolaus  V.  und  sein 
Nachfolger  Calixt  III.  Hessen  das  Kreuz  predigen  und  Gelder  sammeln, 
die    Prediger    aber    —    darunter    auch  Johann  von  Capistrano^^)    — 

ab  und  stürzte  sich,    um    einer    schimpflichen    Gefangenschaft    zu    entgehen,    in    das 
Kampfgewiihl,  wo  er  unerkannt  den  Tod  fand. 

'■')  Johann  Capistranus  wurde  1386  zu  Capistrano  —  daher  sein  Name  —  ge- 
boren (sein  Vater  soll  aus  Deutschland  eingewandert  sein).  Nachdem  er  in  Perugia 
juridischen  Studien  oblag,  wurde  er  in  Neapel  als  Richter  in  das  Parteigetriebe  ver- 
wickelt und  in  Haft  genommen.  Hier  fasste  er  den  Entschluss,  der  Welt  zu  entsagen 
und  trat  in  den  Orden  der  minderen  Brüder  des  heiligen  Franciscus,  daher  er  als 
Franciscaner  und  auch  als  Minorit  angeführt  wird.  Als  feuriger  Redner,  und  nicht 
ohne  Ehrgeiz,  lenkte  er  die  Aufmerksamkeit  des  heiligen  Stuhles  auf  sich,  wurde  als 
Missionär  im  Oriente  verwendet  und  kam  auf  Aeneas  Silvius  Piccolomini's  —  damals 
Bischof  von  Siena  —  Antrag  1450  zur  Bekämpfung  der  Hussiten  nach  Böhmen,  er- 
zielte daselbst  aber  keine  Erfolge.  Die  Bewegung,  welche  die  Einnahme  von  Con- 
stantinopel hervorrief,  eröffnete  dem  glaubenseifrigen  Mönch,  dessen  Beredsamkeit  — 
obwohl  der  verschiedenen  Landessprachen  nicht  mächtig  —  im  Verein  mit  den  von 
seinen  Begleitern  ausgehenden  Rufe  eines  Wunderthäters  ihm  ein  unglaubliches  An- 
sehen erwarb,  ein  neues  Feld  der  Thätigkeit.  Die  verstockten  Böhmen  der  Hölle 
überlassend,  erschien  er  1454,  von  Piccolomini  geladen,  auf  den  Reichstagen  zu  Frank- 
furt und  Wiener-Neustadt,  wo  über  den  Türkenkrieg  berathen  wurde.  Die  Agitation 
unter  dem  Volke  und  die  Anmahnung  der  fürstlichen  Gewissen  war  ihm  zugedacht, 
während  Piccolomini  den  politischen  Theil  der  Aufgabe  verfolgte.  Jener  predigte  auf 
seine  Weise  auf  den  Strassen  und  bewog  Manchen,  sich  das  Kreuz  auf  die  Brust 
heften  zu  lassen,  die  Fürsten  aber  blieben  kühl  und  stumm,  wenn  er  sie  aus  ihrer 
Gleichgiltigkeit  aufrütteln  wollte  und  zum  Glaubenskampf  aufrief.  Diesen  unfrucht- 
baren Boden  hinter  sich  lassend,  gieng  Capistrano  endlich  14öo  nach  Ungarn,  wo  er 
freudig  aufgenommen  wurde.  Die  Erwartungen  aber,  die  man  an  seine  Anwesenheit 
knüpfte,  waren  sehr  verschieden,  der  Eine  wünschte  durch  ihn  die  Ketzer  zu  bekehren, 
der  Andere  das  Volk  der  Diöcese  zu  erbauen,  oder  erwartete  Wunder  von  ihm.  Selbst 


-     121     — 

hatten  nur  beim  gemeinen  Volk  einige  Wirkung,  und  die  Ablassgelder 
wurden,  wenn  nicht  von  manchen  Fürsten  für  eigene  Zwecke  ver- 
wendet, durch  die  Ausrüstung  einer  päpstlichen  Flotte  aufgezehrt,  die 
zu  klein  war.  um  etwas  auszurichten.  Venedig,  dessen  Flotte  das 
Mittelmeer  beherrschte  und  dessen  Reichthum  für  die  Anwerbung 
eines  Söldnerheeres  wohl  ausreichte,  wünschte  dem  Sultan  nicht  nur 
Glück  zu  seiner  Ei'oberung,  sondern  schloss  noch  einen  Handelsvertrag, 
der  den  Verlust  seiner  schönsten  Besitzungen  vorbereitete.  So  fiel  auch 
jetzt  wieder  die  Last  des  Krieges  gegen  die  Türken  fast  ausschliess- 
lich auf  Ungarn,  das  der  Sultan  als  seinen  mächtigsten  und  gefähr- 
lichsten Gegner  ansehen  und  vor  allem  unschädlich  zu  machen  suchen 
musste. 

Auf  dem  Reichstag  in  Ofen  im  Jänner  1454  wurde  beschlossen, 
ein  mächtiges  Heer  aufzustellen  und  Hunyady  auf  ein  Jahr  zum  Feld- 
herrn  zu  ernennen;  ein  Rath  wurde  ihm  beigegeben,  der  zu  entscheiden 
hatte,  wie  viele  königliche  Banderien  aus  den  Einkünften  der  Krone 
zu  erhalten  seien,  und  dafür  sorgen  musste,  dass  den  Bannerherren  die 
festgesetzten  Hilfsgelder  ausgezahlt  würden.  Weiters  wurde  bestimmt, 
in  welchem  Verhältniss  die  Prälaten.  Magnaten  und  Edelleute,  dann 
die  Städte  und  Bezirke  zum  Kriegsdienst  heranzuziehen  seien,  und 
welche  Strafe  die  den  Gehorsam  Verweigernden  zu  treffen  habe.  Da 
hiedurch  die  Kräfte  des  Landes  gegen  früher  in  ausserordentlichem 
Masse  in  Anspruch  genommen  wurden,  gelobten  die  Stände  im  eigenen 
und  des  Königs  Namen,  solche  Opfer  nur  diesmal  zu  verlangen,  weil 
Thron  und  Vaterland  nur  durch  ausserordentliche  Mittel  vor  dem  Lose 
Constantinopels  bewahrt  werden  könne,  künftig  aber  nie  mehr  verlangen 
zu  wollen.  Hunyady  berichtete  den  Beschluss  des  Reichstages  an  den 
König  in  Prag,  wo  zum  Kriege  gegen  die  Türken  die  Beistellung  von 
6000  Mann  Fussvolk  und  1200  schweren  Reitern  bewilhgt  wurde.  In 
Prag  trafen  auch  Gesandte  aus  Ragusa  ein,  um  dem  König  zu  huldigen. 
Um  ihre  Freiheit  zu  bewahren,  musste  auch  die  kleine  Republik  dem 
Sultan  zu  seinem  Siegre  Glück  wünschen  und  Tribut  leisten. 


Hunyady  und  seine  Gattin  wandten  sich  an  ihn  mit  der  Bitte,  an  das  Krankenlager 
ihrer  Schwiegertochter  zu  kommen,  und  gaben  in  einem  Briefe  der  Ueberzeugung' 
Ausdruck,  er  könne  sie  noch  zum  Leben  erwecken,  wenn  er  sie  bereits  todt  vorfinden 
sollte.  Dass  er  aber  das  Kreuz  predigen  sollte,  hatten  die  Wenigsten  im  Sinne;  er 
selbst  aber  sah  darin  ein  würdiges  Feld  seines  Kuhmes.  Was  über  Capistrano's  Erfolge 
in  Bekehrung  der  griechischen  und  sonstigen  Ketzer,  welche  in  den  Donauländern 
die  katholische  Kirche  fast  überwucherten,  erzahlt  wird,  mag,  ebenso  wie  die  vielen 
ihm  zugeschriebenen  ganz  unglaublichen  Wunder,  dahingestellt  bleiben.  Aufsehen  er- 
regte die  Bekehrung  des  Wladika  Johannes,  eines  walachischen  Ketzerhauptes. 


—     122     — 

Im  festen  Besitze  Constantinopels,  strebte  Mohammed  zunächst 
den  Besitz  Serbiens  an.  Dort  suchte  der  87jährige  Georg  Brankovic 
durch  erneute  Huldigung  und  Tribut  seine  Herrschaft  zu  sichern,  aber 
noch  im  Frülijahre  1454  sandte  ihm  der  Sultan  die  Botschaft:  »Das 
Land  Serbien  gehört  nicht  Dir.  sondern  Stephan,  dem  Sohne  Lazar's, 
und  folglich  mir.  als  dem  Sohne  Murad's,  Stephan's  Eidam.  Deines 
Vaters  Antheil  kann  ich  Dir  abtreten,  weigerst  Du  Dich,  so  komme 
ich  über  Dich.«  ^*)  Da  der  Gesandte  zur  bestimmten  Zeit  nicht 
zurückkehrte,  brach  Mohammed  mit  seinem  ganzen  Heere  gegen 
Philippopel  auf. 

Brankovic  konnte  nur  bei  Ungarn  noch  Rettung  finden;  er  eilte 
nach  Siebenbürgen  zu  Hunyady,  um  dessen  Hilfe  zu  erbitten.  Den 
alten  Groll  vergessend,  brach  dieser  mit  den  bereits  gesammelten  Truppen 
nach  Bulgarien  auf,  schlug  nach  Uebersetzung  der  Donau  mehrere 
Haufen  Osmanen  und  drang  unter  Verheerung  des  Landes  bis  Trnowa 
vor,  von  wo  er,  mit  reicher  Beute  beladen,  wieder  über  die  Donau 
zurückkehrte. 

Auf  die  Nachricht  von  Hunyady's  Einfall  rückte  Mohammed  bis 
Sophia  vor,  Hess  dort,  um  Bulgarien  zu  decken,  einen  Theil  des  Heeres 
stehen  und  brach  mit  dem  Reste  desselben  —  sein  Fussvolk  allein 
soll  20.000  Mann  betragen  haben  —  in  Serbien  ein,  ohne  einem  Heere 
zu  begegnen.  Brankovic  hatte  den  Serben  befohlen,  sich  in  die  festen 
Plätze  zurückzuziehen  und  den  von  Ungarn  zu  erhoffenden  Entsatz 
abzuwarten.  Während  Mohammed  Semendria  und  Ostrowiza  belagerte, 
durchzog  Firusbeg  mit  der  Reiterei  das  Land  und  trieb  gegen  50.000 
Gefangene  zusammen,  von  welchen  4000  —  des  Sultans  Antheil  — 
zur  Bevölkerung  der  um  Constantinopel  liegenden  Orte  abgeführt 
wurden.  Ostrowiza  wurde  in  Schutt  geschossen  und  die  Besatzung, 
obwohl  sie  sich  gegen  freien  Abzug  ergab,  in  die  Sclaverei  geführt. 
In  Semendria  war  der  äussere  Wall  schon  genommen,  das  innere 
Schloss  aber  hielt  sich  noch,  als  die  Nachricht  vom  Anrücken  Hunyady's 
mit  einem  Entsatzheer  eintraf.  Mohammed  hob  die  Belagerung  auf 
und  Hess  Firusbeg  mit  32.000  Mann  in  Serbien  zurück,  um  sich  in 
Kruse vaz,  das  er  neu  befestigen  wollte,  festzusetzen  und  von  hier  aus 
Serbien  wieder  zu  nehmen,  während  er  selbst  nach  Philippopel  zurück- 
kehrte,   um  sich  für  einen  Feldzug  im    kommenden  Jahre    zu    rüsten. 

Hunyady  gieng  bei  Semendria  über  die  Donau  und  näherte  sich, 
nachdem  er  in  vier  Tagen  das  Moravathal  durchzog,  bis  auf  zwei 
Meilen  Krusevaz,  wo  Firusbesr  unter  dem  Schleier  eines  dichten  Nebels 


")  Hammer,  I,  433. 


-     123     — 

überraschend  angegriffen,  vollständig  geschlagen  und  gefangen  wurde; 
nur  die  Nacht  entzog  den  Rest  der  Türken  dem  Untergange.  Hunyady 
rückte  bis  Pirot  vor,  kehrte  aber  auf  die  Nachricht,  dass  der  Sultan 
von  Sophia  her  vordringe,  über  Widdin.  das  zerstört  wurde,  nach 
Belgrad  zurück.  Hier  schlug  Hunyady  seinen  jüngsten  Sohn  Mathias 
zum  Ritter,  übergab  Brankovic  die  vielen  Gefangenen,  um  sie  gegen 
Serben  auszuwechseln,  und  glaubte  hier  mit  allen  seinen  Streitkräften 
den  Angriff  Mohammed's  abwarten  zu  können.  Da  aber  Mohammed 
mit  dem  Abzüge  der  Ungarn  sich  zufrieden  gab  und  nach  Constan- 
tinopel  zurückkehrte,  entliess  Hunyady  die  in  Belgrad  angesammelten 
Truppen  und  überliess  es  Brankovic,  gegen  Entrichtung  eines  jähr- 
lichen Tributes  von  300  Ducaten  mit  dem  Sultan  Frieden  zu  schliessen. 

Bleibende  Erfolge  konnte  dieser  Feldzug,  obwohl  für  Ungarn 
siegreich,  nicht  aufweisen,  weder  ein  entscheidender  Schlag  wurde 
geführt,  noch  wurden  die  errungenen  Vortheile  in  ii'gend  einer  Weise 
behauptet. 

Die  unterdessen  fortgeführten  Verhandlungen  wegen  Beistellung 
von  Hilfstruppen  blieben  ohne  Erfolg.  Der  Beredsamkeit  des  Aeneas 
Silvius  gelang  es  zwar,  die  deutschen  Reichsstände  und  Italien  zum 
Versprechen  der  Beistellung  von  10.000  Reitern  und  30.000  Mann 
Fussvolk  zu  bringen,  diese  Hilfe  sollte  jedoch  erst  zu  Pfingsten  des 
Jahres  1454  geleistet  werden,  daher  der  grossartig  geplante  Feldzug 
unterbleiben  musste,  von  dem  Hunyady,  als  er  dem  Kaiser  über 
seine  Siege  berichtete,  noch  sagte:  »Im  Laufe  des  Jahrhunderts  würde 
sich  kaum  eine  günstigere  Gelegenheit  ergeben,  die  türkische  Macht 
zu  brechen.« 

Im  Frühjahre  1456  berichtete  der  türkische  Befehlshaber  an  der 
serbischen  Grenze,  Isabeg,  an  den  Sultan,  es  wäre  jetzt  leicht,  in 
Serbien  einzudringen.  In  der  That  bekämpften  sich  die  serbischen 
Bojaren  gegenseitig,  und  es  schien  sich  das  irrige  Gerücht  vom  Tode 
des  Despoten  verbreitet  zu  haben.  Der  Sultan  musterte  sogleich  sein 
Heer  in  Adrianopel,  bezog  bei  Karatowo  ein  Lager  und  Hess  Novobrdo, 
einen  der  reichsten,  durch  seinen  Silberbau  bekannten  und  befestigten 
Plätze  Serbiens  belagern.  Nach  siebentägiger  Beschiessung  wurde  die 
Stadt  erobert  und  ihrer  Schätze  beraubt.  Noch  andere  Städte  an  der 
Sitniza  und  auch  Krusevaz  fielen  den  Türken  in  die  Hände;  da  aber 
des  Sultans  Augenmerk  auf  die  Unterwerfung  des  Archipelagus  ge- 
richtet war,  begab  er  sich  nach  Constantinopel  zurück,  um  der  Flotte 
näher  zu  sein,  und  gab  die  weiteren  Unternehmungen  gegen  Serbien 
auf.     Brankovic  suchte    noch    beim  Reichstage    in    Raab    und  endlich 


—     124     - 

in  Wien  beim  König  selbst  vergeblich  Hilfe.  In  einer  Unterredung 
mit  dem  Kreuzprediger  Capistrano  versprach  ihm  dieser,  alles  thun 
zu  wollen,  um  ihn  aus  den  Händen  der  Türken  zu  erretten,  wenn  er 
den  katholischen  Glauben  annehmen  würde;  der  90jährige  Greis  er- 
widerte aber,  er  habe  seit  seiner  Geburt  keine  andere  als  die  von 
seinem  Vater  ererbte  Religion  gekannt  und  wolle  lieber  durch  einen  Strick 
sein  Leben  enden,  als  sie  verlassen.  Vergeblich  bot  Georg  an,  auf 
eigene  Kosten  10.000  Mann  zu  stellen  und  zu  erhalten;  Capistrano 
hatte  Hunyady  sowohl  wie  den  König  gegen  ihn  eingenommen;  er 
gieng  nach  Semendria  zurück  und  erwartete,  was  der  Sultan  über  ihn 
verhänsren  würde.  An  dem  nächsten  Zusammenstoss  der  Türken  mit 
den  Ungarn  betheiligte  er  sich  nicht. 

Während  Hunyady  in  Serbien  und  Bulgarien  kämpfte,  suchte 
ihn  die  Hofpartei  —  der  Graf  von  Cilli  an  der  Spitze  —  bei  dem 
jeder  Einflüsterung  zugänglichen  König  zu  verdächtigen;  man  be- 
schuldigte ihn.  dass  er  selbst  nach  der  Krone  strebe  und  sich  jetzt 
schon  höher  dünke  wie  der  König  selbst.  Ein  Anschlag  auf  die  Freiheit, 
vielleicht  auch  auf  das  Leben  Hunyady "s  hätte  bald  einen  Bürger- 
krieg hervorgerufen,  wenn  nicht  die  neuerdings  von  den  Türken 
drohende  Gefahr  die  Parteien  von  weitergehenden  Zwistigkeiten  ab- 
gehalten hätte. 

Schon  im  Winter  traf  Mohammed  Vorbereitungen  für  den  im 
Frühjahr  1456  beabsichtigten  Feldzug.  Truppen  wurden  an  der  Grenze 
angesammelt  und  Kriegsvorräthe  aller  Art  angehäuft.  Dass  Geschütze 
von  enormer  Grösse,  deren  Transport  von  weit  her  man  scheute,  in 
Kr,usevaz  gegossen  wurden,  Hess  auf  die  Absicht  schliessen.  dass  der 
Sultan  zunächst  Belgrad  belagern  wolle. 

Ungeachtet  der  Gefahr,  welche  nicht  Ungarn  allein,  sondern 
auch  die  benachbarten  Länder  bedrohte,  konnte  der  vom  Papst  an 
Kaiser  Friedrich  und  König  Ladislaus  abgesandte  Cardinal  Carjaval 
die  zwischen  Beiden  bestehenden  Zwistigkeiten  nicht  schlichten,  doch 
setzte  er  durch,  dass  der  ungarische  Reichstag  noch  im  Jänner  1456 
einberufen  wurde.  Der  König  traf  erst  Ende  des  Monats  in  Ofen 
ein,  Hunyady  aber,  mit  Vorkehrungen  zur  Vertheidigung  der  Süd- 
grenze beschäftigt,  wollte  sich  bei  der  Anwesenheit  des  ihm  feind- 
lich gesinnten  Hofes  dem  Reichstag  ganz  ferne  halten,  kam  aber 
Anfangs  März  doch  nach  Pest,  jedoch  nicht  ohne  Geleitsbrief 
und  nicht  ohne  beträchtliche  bewaffnete  Beorleitung  mitzubrinsren. 

Bei  Eröffnung  des  Reichstages  verkündete  Carjaval,  dass  die 
italienische  Flotte  sich  zum  Auslaufen  rüste,  und  theilte  mit,    von   wo 


—     125    — 

überall  Hilfe  wider  die  Türken  zu  erwarten  wäre.  Die  Stände  be- 
willigten neue  Steuern  und  trafen  Verfügungen  über  die  Unterkunft 
und  Verpflegung  der  zu  erwartenden  Kreuzfahrer,  erklärten  aber  auch 
—  obwohl  vorauszusetzen  war,  dass  Mohammed  kaum  bis  zum  Herbste 
unthätig  bleiben  werde  —  Avegen  der  Missernte  im  Vorjahre  den 
Feldzug  vor  August  nicht  beginnen  zu  können.  Von  Banderien  der 
Magnaten  und  Prälaten,  sowie  vom  Aufgebote  eines  Nationalheeres, 
das  zur  Vertheidigung  des  Landes  ins  Feld  zu  rücken  verpflichtet 
gewesen  wäre,  scheint  aber  gar  nicht  die  Rede  gewesen  zu  sein. 

Während  die  Stände  noch  beriethen,  wann  man  den  Krieg  be- 
ginnen und  wie  man  ihn  führen  solle,  erscholl  am  7.  April  in  ihrer 
Versammlunof  der  schreckliche  Ruf,  Mohammed  sei  mit  einem  un- 
geheueren  Heere  durch  Bulgarien  und  auf  der  Donau  mit  einer  Flotte 
gegen  Belgrad  im  Anzüge.  Diese  Botschaft  machte  der  schwer- 
fälligen Verhandlung  ein  schnelles  Ende,  der  Feldzug  musste  gleich 
unternommen  werden.  Der  Papst,  die  Stände  in  Deutschland,  die 
italienischen  Staaten,  auch  Castriota  wurden  nun  zur  schleunigsten 
Hilfe  aufgefordert. 

Hunyady.  dem  der  Oberbefehl  anvertraut  wurde,  eilte  sogleich 
nach  Belgrad,  verstärkte  die  Besatzung  mit  7000  Mann  seiner  eigenen 
Dienstleute  und  vermehrte  die  zum  Theil  anderen  Städten  entnommene 
Geschützausrüstung.  Hunyadj^'s  Aufrufe  an  die  ungarischen  Grossen 
blieben  aber  unbeachtet;  die  Bischöfe  und  Prälaten,  sonst  die  Eifrigsten 
in  Beistellung  von  Banderien  zur  Bekämpfung  der  Ungläubigen,  ver- 
sagten ebenso  wie  der  Adel  jeden  Beistand;  nur  Michael  von  Korogh, 
Ban  von  Machov,  Kanizsay,  und  Hunyady's  Schwager,  Szilagyi,  fanden 
sich  mit  geringer  Mannschaft  in  Belgrad  ein.  Zum  Befehlshaber  in 
Belgrad  bestimmte  Hunyady  seinen  Schwager.  ^^)  zu  Unterbefehlshabern 
Michael  Orsagh  und  den  Spanier  Juan  Bastide.  Als  Sammelplatz  der 
Kreuzfahrer  und  Truppen  wurde  Szegedin,  Karansebes  und  Kubin  be- 
stimmt. Dem  Cardinal  Carjaval,  der  mit  einem  in  Eile  zusammen- 
gezogenen Haufen  von  Kreuzfahrern  gegen  Peterwardein  zog,  gab 
Hunyady  den  Rath,  wieder  in  die  Hauptstadt  zurückzukehren,  um 
dort  die  Kriegsrüstungen  zu  fördern.  Die  seit  Jahren  in  Ungarn 
angeworbenen  Kreuzfahrer  suchte  Capistrano  im  Lager  zu  Szegedin 
zu  sammeln. 

Der  Umgebung  des  Königs  mochte  die  Lage  der  Dinge  bedenk- 
lich   erscheinen.     Wenn    Belgrad,    dessen  Haltbarkeit    frao-lich    schien. 


'^)  König  Ladislaus   selbst  nennt    in    einer  Urkunde  vom    21.  März   1459    den 
Michael  Szilagyi  als  Befehlshaber  in  Belgrad. 


—     126     — 

genommen  oder  von  Mohammed  umgangen  würde,  konnten  die  Türken, 
ohne  auf  Widerstand  zu  stossen,  bis  Ofen  vordringen.  Unter  dem 
Verwände  einer  Jagd  verliess  der  König  Ofen  und  begab  sich  nach 
Wien.  Sein  Verschwinden  gab  das  Zeichen  zum  Aufbruch  der  meisten 
Herren  aus  der  Hauptstadt;  statt  aber  dem  Feinde  entgegen  zu  ziehen, 
zogen  sie  sich  auf  ihre  Schlösser  zurück. 

Am  Einfluss  der  Save  in  die  Donau,  am  rechten  Ufer  beider 
Gewässer  liegt  auf  dem  gegen  dieselben  abfallenden  Höhenzuge  die 
Stadt  Belgrad;  sie  war  damals  mit  doppeltem  Walle  und  Graben 
gegen  die  Landseite  und  durch  Vertheidigungswerke  gegen  die 
Wasserseite  geschützt.  Innerhalb  der  Stadt,  auf  der  äussersten  Spitze 
des  Höhenzuges,  lag  das  stark  befestigte  Schloss.^^)  Vor  der  Stadt 
breitet  sich  die  rechtwinklig  gegen  Osten  abbiegende  Donau  weit  aus 
und  umschliesst  in  zwei  Armen  die  bei  900  Hektar  grosse  Kriegsinsel. 
Der  Stadt  gegenüber,  zwischen  Donau  und  Save  breitet  sich  die  der 
Ueberschwemmung  ausgesetzte,  im  Sommer  aber  meist  trockene  Niede- 
rung »Bezanska  Bara«  aus.  an  deren  nördlichem,  der  Donau  zuge- 
kehrtem Ende  die  kleine  Stadt  Semlin  mit  einem  hinter  derselben 
auf  einer  Anhöhe  stehenden  Castell  liegt.  Das  linke  Donauufer,  so- 
weit der  Blick  reicht,  ist  flach  und  sumpfig,  während  das  rechte  von 
Semlin  aufwärts  bis  Slankamen  steil  gegen  das  Fahrwasser  der  Donau 
abfällt  und  selbes  vollkommen  beherrscht. 

Mohammed  traf  Anfangs  Juni  mit  einem  Heere  von  150.000 
Mann  1")  vor  Belgrad  ein;  Wochen  vergiengen  aber  noch,  bis  er  die 
Stadt  zu  Land  und  zu  Wasser  vollkommen  eingeschlossen  und  seine 
Geschütze  in  ihre  Stellungen  gebracht  hatte.  Die  Zahl  der  türkischen 
Geschütze  wird  mit  200  bis  300  angegeben,  darunter  befanden  sich 
22  Bombarden,  von  denen  die  grösste  eine  Länge  von  24,  und  ihre  Oeff- 
nung  einen  Umfang  von  5  Spannen  hatte,  dann  mehrere  ungeheuere 
Mörser,  »in  deren  Oeffnung  ein  mittelgrosser  Mann  wohl  sitzen  konnte«, 
welche  Steinkugeln  von  enormem  Gewichte  schleuderten.     Eine  Flotte 


^^)  Belgrad  wurde  seither  so  oft  belagert,  erstürmt  und  neu  gebaut,  dass 
man  jetzt  von  der  Beschaffenheit  der  Festung  sowie  von  der  Ausdehnung  der  Stadt 
zu  Hunyady's  Zeit  kaum  Spuren  mehr  findet.  Die  älteste  Ansicht  der  Stadt  bringt  die 
»Chronologie«  von  Hieronimo  Ortelius.  Protic:  »Geschichte  von  Belgrad«  bringt  einen 
Plan  der  Stadt,  der  wohl  auf  Phantasie  beruht. 

'')  Die  Angaben  über  die  Stärke  des  türkischen  Heeres  sind  sehr  ver- 
schieden; Thuroz  gibt  400.000,  Tagiiacozzo  160.000  bis  200.000  Mann  an. 
Cardinal  Carjaval  schätzt  nach  der  Grösse  des  Lagers  die  Stärke  des  Heeres  mit 
150.000  Mann,  welcher  Zahl  —  der  wahrscheinlichsten  —  auch  Aeneas  Silvius 
beistimmt. 


—     127     - 

von  200  Schiffen  fuhr  die  Donau  aufwärts  über  Semlin  und  hinderte 
jede  Zufuhr  in  die  belagerte  Stadt,  während  dem  türkischen  Heere 
von  allen  Seiten  Bedürfnisse  aller  Art  in  reichlichem  Masse  zu- 
strömten. 

Die  von  Capistrano  einberufenen,  auch  aus  fernen  Ländern  zu- 
strömenden Kreuzfahrer  sammelten  sich  nur  langsam,  so  dass  sich  der- 
selbe veranlasst  sah,  nochmals  mit  vier  seiner  Ordensbrüder  auszuziehen 
und  alle,  die  das  Kreuz  genommen  hatten,  bei  Strafe  der  Excommuni- 
cation  aufzufordern,  sich  nach  Slankamen  zu  begeben.  Der  erste  Zuzug 
von  Kreuzfahrern  geschah  nur  auf  fünf  Kähnen,  später  erst  vermehrte 
sich  die  Zahl  derselben;  sie  kamen  in  Abtheilungen  heran;  Priester 
Studenten,  Bettelmönche,  Bauern  und  allerhand  armes  Volk,  meistens 
nur  mit  Schwertern,  Spiessen,  Eisenhacken,  selbst  nur  mit  Knütteln 
bewaffnet.  Selbst  Ketzer  —  Schismatiker  und  Juden  —  fanden  nun 
Gnade  in  Capistrano's  Augen,  wenn  sie  nur  gegen  die  Türken  kämpfen 
und  den  Namen  Jesu  rufen  wollten.  Alle  trugen  ein  rothes  Kreuz  auf 
der  Brust,  ihre  Fahnen  trugen  das  Zeichen  des  Kreuzes  und  die  Bild- 
nisse der  Heiligen  Franciscus,  Antonius  oder  Bernardino. 

Dass  die  Zahl  der  Kreuzfahrer  40.000  erreichte,  wie  Aeneas 
Silvius  sagt  (der  jedoch  mehr  die  angeworbenen,  als  die  thatsächlich 
zum  Kampfe  erschienenen  Streiter  gemeint  haben  dürfte),  oder  gar 
60.000,  wie  der  Minorit  Tagliacozzo  (einer  der  Begleiter  Capistrano's) 
angibt,  ist  völlig  unglaublich.  ^®)  Tagliacozzo  schildert  die  Kreuzfahrer 
in  ganz  idealer  Weise,  Hunyady  aber  und  der  päpstliche  Legat  hatten 
von  diesem  zusammengelaufenen  Volk,  dessen  militärische  Ausbildung 
nicht  dadurch  gewann,  dass  Capistrano  sie  lehrte,  den  Sultan  nie  anders 
als  Riesenhund  zu  nennen,  keine  besondere  Meinung  und  erwarteten 
kaum  Tüchtiges  von  ihnen.  In  Ungarn  standen  die  Kreuzfahrer  von 
früheren  Jahren  her  auch  nicht  in  besonderem  Ansehen,  ihr  Name  war 
mit  dem  von  Landstreichern  ziemlich  gleichbedeutend;  sie  wollten  hin- 
gegen von  den  Ungarn  und  ihren  Führern  nichts  wissen  und  nur  den 
Anordnungen  Capistrano's  sich  fügen.  In  der  Noth  war  aber  auch 
solche  Hilfe  nicht  abzuweisen. 

In  Belgrad  waren  die  Vorwerke  und  Thürme  der  äusseren  Um- 
wallung dem  Boden  schon  fast  gleich  gemacht  und  auch  die  zweite 
Mauer  konnte  den  gewaltigen  Geschossen  kaum  lange  mehr  wider- 
stehen. Hunyady  Hess  die  bei  Peterwardein  angesammelten  Wasserfahr- 

1®)  Es  mögen  sich  wohl  sehr  Viele  zur  Annahme  des  Kreuzes  gemeldet  haben, 
erschienen  sind  aber  verhältnissmässig  Wenige.  Ein  Theil  derselben,  und  wohl  der 
bestausgerüstete  und  organisierte,  kam  zu  spät. 


-     128    — 

zeuo-e  fwohl  bei  200,  darunter  aber  nur  eine  einzicre  Galeere,  sonst 
nur  Kähne  und  Nachen)  mit  Lebensmitteln  und  Kriegsgeräthen  beladen 
und  von  seinem  Gefolge  und  auserlesenen  Kreuzfahrern  bemannt,  am 
14.  Juli,  die  Strömving  der  Donau  benützend,  gegen  die  oberhalb  Semlin 
stehende,  mit  Ketten  zusammengeschlossene  türkische  Flotte  anfahren. 
Die  den  Strom  abschliessende  Linie  wurde  hiebei  durchbrochen.  Der 
ßest  der  Entsatztruppen  rückte  am  rechten  Ufer  des  Stromes  vor, 
bereit,  den  Kampf  gegen  die  Schiffe  mit  den  Geschützen  zu  unter- 
stützen und  die  etwa  herbeikommenden  Türken  zurückzuweisen.  Capi- 
strano,  der  seinen  Ordensbrüdern  am  unmittelbaren  Kampfe  theil- 
zunehmen  untersagt  hatte,  ermuthigte  die  Kämpfer  vom  Ufer  aus, 
indem  er  ihnen  das  Kreuz  zeigte  und  den  Namen  Jesu  zurief.  Vierzig 
Schiffe,  von  Bürgern  der  Stadt  bemannt  —  gute  Wasserfahrer  und 
Bogenschützen,  obwohl  »Ketzer«,  wie  Tagliacozzo  sagt  —  unter- 
stützten den  Angriff  von  Belgrad  aus.  i^) 

Nach  fünfstündigem  hartnäckigen  Kampfe  gelang  es.  die  türkische 
Flotte  zu  besiegen  und  den  grüssten  Theil  derselben  zu  vernichten. 
Drei  Galeeren  mit  500  Mann  versanken,  vier  reich  ausgestattete  wurden 
genommen  und  die  übrigen  ergriffen  stark  beschädigt  und  nach  grossem 
Verluste  die  Flucht.  Unweit  des  türkischen  Lagers  wurden  sie  ans 
Land  gezogen  und  verbrannt,  damit  sie  den  Siegern  nicht  in  die  Hände 
fielen. 

Die  Donau  war  nun  frei,  die  Verbindung  mit  Belgrad,  dessen 
Besatzung  durch  Mangel  und  Krankheit  schon  empfindlich  gelitten 
hatte  und  die  Hoffnung  auf  Entsatz  allmählich  schwinden  sah,  war 
wieder  hergestellt,  im  schlimmsten  Falle  auch  ihr  Abzug  auf  der  Donau 
ermöglicht.  Auch  durch  das  Eintreffen  Hunyady's  vmd  Capistrano's 
wurde  der  schon  gesunkene  Muth  der  Vertheidiger  wieder  gehoben- 
Den  Kreuzfahrern  wurde  nun  ein  Lagerplatz  ausserhalb  der 
Festung  am  linken  Ufer  der  Save  angewiesen,  sie  sollten  bei  Todes- 
strafe ohne  Hunyady's  Befehl  nicht  über  den  Fluss  setzen.  Auf  den 
Mauern  der  Stadt  fanden  sie  nur    in    dem  Masse  Verwendung,  als  es 

'^)  Im  Feuerbereicli  der  Festung-  konnte  die  türkisclie  Flotte  das  Eintreffen 
des  Entsatzes  nicht  hindern,  ebenso  nicht  im  Bereiche  der  Kriegsinsel;  sie  konnte 
daher  nur  ober  Semlin,  wo  die  Donau  in  einem  Arme  vereint  ist,  Stellung  genommen 
haben.  Auch  war  nur  dort  eine  so  ausgiebige  Mitwirkung  der  nebenherziehenden 
Landtruppen  möglich,  da  das  Erdreich  dort  Längs  des  rechten  Ufers  in  der  Höhe  von 
16  bis  20  Meter  fast  senkrecht  gegen  die  Donau  abstürzt.  Das  linke  Ufer  ist  flach, 
zum  Theil  versumpft,  daher  die  Angabe,  dass  Capistrano  an  einem,  Hunvady  am 
anderen  Ufer  vorgerückt  wären  (Fessler,  11,  588)  und  sich  am  Kampfe  betheiligt 
hätten,  nicht  richtig  sein  kann. 


—     129     — 

die  Umstände  erforderten  und  Hunyady  es  verfügte.  Neue  Zuzüge  der 
Kreuzfahrer  trafen  fortwährend  ein,  und  es  mag  die  Zahl  derselben 
gegen  Ende  der  Belagerung  wohl  bei  20.000  betragen  haben. 

Mohammed  setzte  die  Belagerung  mit  gesteigerter  Heftigkeit  fort; 
er  verschwor  sich,  Begrad  zu  nehmen  und  binnen  zwei  Monaten  ganz 
Ungarn  zu  erobern.  Dass  indessen  die  italienische  Flotte  im  Hellespont 
angelangt  war  und  die  Küste  plünderte,  kümmerte  ihn  wenig.  Die 
Versuche  der  Türken,  in  die  Stadt  zu  dringen,  wiederholten  sich  un- 
aufhaltsam. Tag  und  Nacht  wurde  die  Stadt  beschossen,  den  Donner 
der  Kanonen  vernahm  man  bis  Szegedin.  -•')  Karadscha,  der  Beglerbeg  von 
Rumili,  welcher  die  Belagerungsarbeiten  leitete,  wurde  bei  einem  Sturme 
am  20.  Juli  von  einer  Stückkugel  zerschmettert. 

Für  den  folgenden  Tag,  den  21.  Juli,  traf  Mohammed  die  Anord- 
nungen für  einen  Hauptsturm.  Durch  24  Stunden  wurde  die  Stadt 
ununterbrochen  beschossen,  in  den  geöffneten  Mauerbreschen  währte 
der  Kampf  bis  zum  Abend.  So  todesrauthig  die  Christen  auch  kämpften, 
so  viele  Feinde  sie  auch  erschlugen,  immer  wurden  wieder  neue 
Scharen  zum  Angriffe  vorgeführt;  wiederholt  stellte  sich  der  Sultan 
selbst  an  die  Spitze  der  Stürmenden.  Schon  waren  die  Türken  in  die 
äussere  Stadt  eingedrungen  und  setzten  sich  in  der  Nacht  im  Graben 
vor  der  Burg  fest,  an  der  Brücke  daselbst  entbrannte  der  Kampf  am 
heftigsten.  Von  einem  Thurme  der  Burg  aus  beobachteten  Hunyady 
und  Capistrano  das  Wogen  des  Kampfes,  dieser  das  Kreuz  schwingend, 
mit  gellender  Stimme  den  Kämpfenden  den  Namen  Jesu  zurufend, 
den  Feind  aber  mit  wilden  Schmähungen  verwünschend,  jener  Anord- 
nungen für  den  Kampf  treffend,  sich  selbst  unter  die  Kämpfenden 
mischend  und  sie  ermunternd,  wenn  er  ihren  Eifer  nachlassen  sah. 
Einem  Türken  gelang  es,  sich  während  eines  Sturmes  auf  die  Zinnen 
eines  Thurmes  zu  schwingen,  um  die  Kreuzfahne  mit  dem  Halbmond 
zu  vertauschen;  da  stürzte  sich  ein  Ungar,  Stephan  Dugovic,  auf  ihn, 
in  schwindelnder  Höhe  entspann  sich  ein  Kampf,  der  mit  dem  Sturze 
Beider  in  die  Tiefe  endete.  Brennende  Reisigbündel,  in  Oel,  Pech  und 
Schwefel  getaucht,  wurden  von  den  Mauern  auf  die  Stürmenden  ge- 
worfen und  richteten  Verheerungen  unter  denselben  an,  mit  Tages- 
anbruch gelingt  es  aber  endlich,  den  Sturm  auf  das  Schloss  abzuweisen 
und  die  Türken  zur  Räumung  der  äusseren  Stadt  zu  zwingen. 


-")  Als  Beweis,  mit  welchen  Massen  von  Geschossen  aller  Art  die  Stadt  be- 
schossen wurde,  führt  Beheim  an,  dass  ein  Sperling  im  Fluge  von  drei  Pfeilen  durch- 
bohrt wurde. 

Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmaiien.  2.  Aufl.  9 


—     130     — 

Hiinyacly,  mit  dem  Erfolge  zufrieden  und  bei  unvorsichtigem 
Vorgang  der  Seinigen  einen  Hinterhalt  befürchtend,  that  der  weiteren 
Verfolgung  Einhalt,  Hess  in  Erwartung  der  Wiederholung  eines  Sturmes 
die  äussere  Stadt  wieder  besetzen,  und  verbot  strengstens,  den  Feind 
durch  verwegene  Ausfälle  zu  reizen.  Die  Wuth  der  Angreifer  schien 
aber  erlahmt,  und  die  Kreuzfahrer  achteten  Hunyady's  Befehle  nicht. 
Ein  kleiner  Haufe  derselben  schlich  mit  Bogen  und  Pfeilen  dem  Feinde 
über  die  Bresche  nach  und  nahm  auf  einem  Hügel  Stellung;  ein- 
zelne Leute  verstärkten  den  Haufen,  und  es  gelang  ihm,  einen  heran- 
kommenden Reiterschwarm  zu  verjagen.  Der  kleine  Erfolg  lockte  noch 
Zuzügler  aus  der  Stadt,  und  ehe  man  sichs  versah,  setzten  mehrere 
Tausend  Kreuzfahrer  über  die  Save  und  warfen  sich  in  die  Lauf- 
gräben am  linken  Flügel  der  türkischen  Stellung,  wohin  Andere  nach- 
folgten.^') Der  Ungestüm,  mit  welchem  dieser  Angriff  geschah,  viel- 
leicht auch  das  Unerwartete  desselben  brachte  Unordnung  in  die  feind- 
lichen Reihen,  so  dass  sich  die  Kreuzfahrer  von  einem  Laufgraben, 
einer  Verschanzung  in  die  andere  werfen  konnten  und  endlich  in  das 
türkische  Lager  eindrangen,  wo  sie  plündernd  über  die  Zelte  eines 
asiatischen  Paschas  herfielen. 

Capistrano,  vom  Thurme  aus  das  Vordringen  seiner  Leute  wahr- 
nehmend, fürchtet,  dass  der  Feind  sie  durch  verstellte  Flucht  in  einen 
Hinterhalt  locken  wolle;  rufend  kann  er  sie  nicht  mehr  zurückhalten, 
aber  auch  vergeblich  eilt  er  herbei,  um  ihrem  regellosen  Vordringen 
Einhalt  zu  thun.  Da  erfasst  Hunyady  den  richtigen  Augenblick,  um 
mit  der  Besatzung  der  Festung  einen  Ausfall  zu  machen  und  die 
Kreuzfahrer  aus  ihrer  misslichen  Lage  zu  befreien.  Mit  ihnen  vereint, 
dringt  er  in  die  Batterien  ein,  kehrt  deren  Geschütze  gegen  die  Be- 
lagerer selbst,  vertreibt  sie  aus  den  Laufgräben  und  verfolgt  sie  bis 
in  ihr  Lager. 

Als  Mohammed  seine  Truppen  fliehen  sah  und  den  Verlust  seiner 
Geschütze  wahrnahm,  trat  er  selbst  an  die  Spitze  der  Kämpfenden; 
einem  Feinde  spaltete  er  den  Kopf  mit  einem  Hiebe,  er  wurde  aber 
auch  selbst  durch  einen  Pfeilschuss  verwundet.  Der  Aga  der  Jani- 
tscharen,  Hassan,  wegen  der  Feigheit  seiner  Truppen  mit  dem  Tode 
bedroht,    erwiderte  dem  Sultan,    die    meisten    seiner  Leute   wären  ver- 


-')  Fara,  einer  der  Begleiter  Capistrano's,  der  auch  seine  Thaten  beschreibt, 
lässt  5000  Mann  über  die  Save  setzen  und  dann  das  ganze  Kreuzheer  —  seiner 
Angabe  nach  60.000  Mann  —  unter  Anfiilirung  Capistrano's  selbst  folgen.  Capistrano's 
Brief  an  den  Papst  widerlegt  selbst  diese  Uebertreibung. 


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—    i:-32    — 

wandet,  die  anderen  verweigern  den  Gehorsam,  und  stürzte  sich  vor 
seinen  Augen  selbst  in  den  Feind,  um  den  Tod  zu  finden.  Bevor  noch 
die  Dunkelkeit  weiteren  Kämpfen  ein  Ende  machte,  eilten  6000  von 
einer  Streifung  längs  der  Donau  zurückkehrende  Reiter  herbei  und 
nöthigten  die  Christen,  das  Lager,  in  dem  sie  plünderten,  zu  verlassen 
und  sich  in  die  Laufgräben  zurückzuziehen. 

Noch  in  der  Nacht  brach  der  Sultan  mit  seinem  Heere,  eine 
lauere  Reihe  von  Wasren  mit  Verwundeten  mit  sieh  führend  und  das 
brennende  Lager  mit  allen  Vorräthen  und  Kriegsgeräthen  zurücklassend, 
gegen  Sophia  auf  Sein  Rückzug  artete  bald  in  wilde  Flucht  aus;  in 
Sophia  musste  er  streng  Gericht  halten  und  konnte  erst  durch  Hin- 
richtung einiger  Flüchtlinge  das  Heer  zum  Stehen  bringen. 

Belgrad  war  gerettet  und  damit  für  den  Augenblick  die  den 
Ungarn  sowie  dem  Abendlande  drohende  Gefahr  abgewendet.  Erst 
am  folgenden  Morgen  sahen  die  Christen  —  über  ihren  Erfolg  selbst 
staunend  —  welch  ungeheuren  Sieg  sie  errungen  hatten.  Hunyady  in 
seinem  Berichte  an  den  König  in  Wien  sowie  Capistrano  in  seinen 
Briefen  an  den  Papst  und  den  Graner  Erzbischof  erblicken  in  dem 
unerwarteten,  selbst  die  kühnsten  Hoffnungen  übertreffenden  Sieg  die 
Hand  Gottes,  welche  mit  so  kleinen  Mitteln  so  Grosses  bewirkt  habe.^"^) 

Was  den  Sultan,  der  sich  wohl  durch  den  Verlust  seiner  Ge- 
schütze, sowie  durch  die  Entmuthigung  seiner  Truppen,  vielleicht  auch 
in  Folge  seiner  Verwundung  zur  Aufhebung  der  Belagerung  bewogen 
sehen  konnte,  veranlasst  haben  mag,  seinen  Rückzug  noch  in  der  Nacht 
und  fluchtartig  zu  bewerkstelligen,  dafür  ist  eine  Erklärung  nicht  zu 
finden. 

An  eine  Verfolgung  der  Türken  war  bei  dem  Zustande  der 
Truppen,  ihrer  ungenügenden  Ausrüstung  sowie  der  Disciplinlosigkeit 
der  Kreuzfahrer  nicht  zu  denken.  Die  aus  den  deutschen  Städten,  aus 
Oesterreich  und  Böhmen  abgesandten,  gut  ausgerüsteten  und  Avohl- 
orsranisierten  Abtheiluncen  derselben  waren  kaum  bis  Ofen  gekommen, 
kamen  daher  viel  zu  spät. 

Hunyady  wie  Johann  Capistrano  sollten  aber  die  Befreiung- 
Belgrads  nicht  lange  überleben.  Schon  wenige  Tage  später  wurde 
Hunyady  von  der  fast  jedem  Türkenkriege  folgenden  Pest  ergriffen. 
Man  brachte  ihn  aus  dem  Bereiche  der  verseuchten  Stadt  nach  Semlin. 


--)  Der  Vorwurf,  welchen  Aeneas  Silvias  sowohl  dem  Hunyady  als  Capistrano 
macht,  dass  jeder  nebst  Gott  nur  sich  selbst  die  Rettung  von  Belgrad  zuschreibe,  ist 
nicht  ganz  berechtigt. 


—     133     - 

Avo  er  am  11.  August  1456,  nachdem  er  seine  Söhne  und  Freunde  zur 
Gottesfurcht  Vaterlandsliebe  und  Einigkeit  ermahnte  und  sie  zur  Fort- 
setzung des  grossen  Werkes,  dem  er  die  meiste  Zeit  seines  Lebens 
widmete  —  der  Vertreibung  der  Türken  aus  Europa  —  aufforderte, 
im  Alter  von  mehr  als  sechzig  Jahren  in  den  Armen  Capistrano's  ver- 
scliied.  Nach  seiner  Anordnung  wurde  er  in  der  Domkirche  zu  Weissen- 
burg  in  Siebenbürgen  begraben.-'')  Papst  Calixtus  feierte  in  der  Peters- 
kirche in  Rom  ein  Todtenamt,  in  dem  er  Hunyady  mit  dem  Namen 
»Vertheidiger  des  Glaubens«   beehrte.-^) 

Mit  Johann  Hunyady  gieng  die  volksthümlichste  Heldengestalt 
Ungarns  zu  Grabe.  Durch  seine  Thatkraft,  Ausdauer  und  Klugheit 
zur  höchsten  Stellung  gelangt,  bedauerten  Völker  und  Fürsten  seinen 
Hintritt,  und  wohl  mit  Recht,  denn  nur  ihm  war  es  zu  danken,  dass 
unter  den  widrigsten  Verhältnissen,  trotz  der  zerfahrenen  Zustände 
Ungarns  und  dem  Mangel  an  Verständniss  und  gutem  Willen  von  Seite 
der  Mächte  Europas  dem  Fortschreiten  des  Islams  Einhalt  gethan 
wurde,  seiner  hervorragenden  Fähigkeit  wurde  auch  von  seinen  Gegnern 
die  Anerkennung  nicht  versagt.  Nicht  ganz  zu  übersehen  ist  aber  auch, 
dass  die  drei  grossen  Unternehmungen,  von  denen  er  selbst  so  grossen 
Erfolg  erwartete,  wegen  ungenügender  Vorbereitungen  und  Mangel  an 
Voraussicht  den  Erwartungen  nicht  entsprachen.  Der  sogenannte  lange 
Feldzug  konnte  trotz  der  glänzenden  Einzelerfolge  nicht  fortgesetzt 
Averden,  und  seine  Früchte  giengen  durch  den  unglücklichen  Feldzug 
im  nächsten  Jahre  vollends  verloren.  Letzterer,  sowie  der  Zug  nach 
dem  Amselfelde  1448,  trug  schon  beim  Beginne  den  Keim  des  Miss- 
lingens  in  sich;  beide  Unternehmungen  waren  auf  Voraussetzungen 
begründet,  die  nicht  in  Erfüllung  giengen  und  kaum  auch  in  Erfüllung 
gehen  konnten.  Mit  der  tapferen  Vertheidigung  Belgrads  fand  Hunvady's 
bewegtes  Leben  einen  würdigen  und  versöhnenden  Abschluss. 

Hunyady  hinterliess  zwei  Söhne,  von  welchen  der  ältere,  Ladis- 
laus,  23  Jahre,  der  jüngere,  Mathias,  erst  13  Jahre  zählte. 

Johann  von  Capistrano,  schon  71  Jahre  alt  und  in  Folge  der 
Aufregung  und  Anstrengung  während  der  Vertheidigung  von  Belgrad 
geschwächt    und    hinfällig,     zog    sich    in     das    Franciscanerkloster    zu 


-')  Der  Platz  in  der  Domkirche  zu  Weissenbnrg  (Karlsburg),  wo  Hunyady  be- 
graben sein  spll,  trägt  die  wohl  einer  späteren  Zeit  angehörende  Inschrift:  »Johannes 
Hunyadi  Regni  Hungariae  Gubernatcr.  Comitis  Bistricensis,  mortui  in  Zemlen  prop- 
Nandor  Albae.  Die  X  Septembr.  Anno  MCCCCLVI.« 

-')  Zum  Andenken  des  Entsatzes  von  Belgrad  setzte  Papst  Calixt  III.  das  Fest 
der  Verklärung  Christi  auf  den  6.  August. 


—     lU     — 

Ujlak  (Illok)  in  Syrmien  zurück,  wo  er  am  23.  October  1456  von 
seinen  Ordensbrüdern  umgeben  im  Gerüche  der  Heiligkeit  starb. '-■^) 

Die  kurze  Regierung  des  jungen  Königs  Ladislaus  bietet  von 
nun  an  ein  wenig  erfreuliches  Bild.  Anfangs  October  traf  der  König 
in  Futak  bei  Peterwardein  ein,  wohin  ihm  bei  6000  Kreuzfahrer,  meist 
Deutsche  und  Böhmen,  vorausgefahren  waren,  während  andere  folgten. 
Hier  sollte  über  die  Fortsetzung  des  Krieges  berathen  werden.  Ladis- 
laus Hunyady,  des  verstorbenen  Gubernators  Sohn,  erschien  erst  beim 
König,  nachdem  er  die  Versicherung  erhalten  hatte,  für  die  Handlungen 
seines  Vaters  nicht  mehr  zur  Verantwortung  gezogen  zu  werden,  und 
versprach,  Belgrad  und  andere  feste  Plätze,  die  noch  von  seinem  Vater 
her  in  seiner  Gewalt  waren,  zurückzustellen. 

Nachdem  der  König  den  Grafen  Ulrich  von  Cilli  zum  obersten 
Hauptmann  seiner  Truppen  ernannt  hatte,  zog  er  nach  Belgrad.  Kaum 
hatte  er  dort  mit  seiner  Begleitung  die  zur  Burg  führende  Brücke 
überschritten,  so  wurde  das  Thor  geschlossen  und  den  Kreuzfahrern 
das  Lager  in  der  Stadt  angewiesen.  Am  9.  November  Hess  Ladislaus 
Hunyady  den  Grafen  Ulrich  zu  einer  Besprechung  laden,  und  als  dieser 
sich  gegen  Vorwürfe  vertheidigen  wollte,  griifen  die  anwesenden  Ungarn 
zu  den  Waffen  und  hieben  ihn  nieder.-^)  Alle  nicht  ungai'ischen  Be- 
gleiter des  Königs  wurden  nun  entwaffnet,  so  dass  derselbe  wie  ein 
Gefangener  in  den  Händen  von  Hunyady 's  Anhängern  war;  dem  König 
blieb  nichts  übrig,  als  gut  zu  heissen,  was  geschah,  und  sich  ihrem 
Willen  zu  fügen.  Als  die  Kreuzfahrer  erfuhren,  dass  man  ihren  Führer 
ermordet  habe,  wollten  sie  die  Burg  stürmen.  Im  Auftrage  des  Königs 
wurden  sie  aber  beruhigt,  und  unter  dem  Vorwande,  wegen  vor- 
gerückter Jahreszeit  einen  Zug  gegen  die  Türken  nicht  mehr  unter- 
nehmen zu  können,  unter  Wilhelm  von  Lichtenstein  nach  Hause  ge- 
schickt. Die  von  Capistrano  herbeigeführten  Kreuzfahrer  waren  zum 
Theil   der  Pest  erlegen,    oder    bettelnd   und    raubend    der  Heimat    zu- 

'-^)  Nach  dem  Tode  Johann  Capistrano's  riss  man  sich  um  seine  Reliquien  und 
stritt  sich  um  seinen  Leichnam,  der  endlich  auf  Befehl  des  Papstes  begraben  werden 
musste,  aber  durch  den  Fanatismus  sowohl  der  Türken  wie  der  Calviner  verschleppt 
und  verloren  wurde.  Trotz  der  eifrigen  Bemühungen  seiner  Ordensbrüder  und  selbst 
der  Verwendung  von  regierenden  Fürsten,  und  trotz  der  vielen  Wunder,  die  er  schon 
zu  Lebzeiten  gewirkt  haben  sollte  —  vielleicht  eben  wegen  der  unglaublich  grossen 
Zahl  und  der  Absonderlichkeit  derselben  —  erfolgte  seine  Heiligsprechung,  deren 
eifrigster  und  wohl  auch  beachtenswertester  Gegner  sein  Zeitgenosse  Aeneas  Silvius 
Piccolomini,  als  Papst  Pias  II.,  war,  erst  im  Jahre  1690  unter  dem  Papste  Benedict  XIII. 

'-^)  Ein  Brief  Ulrich's  an  Brankovic  wurde  aufgefangen,  in  welchem  er  seiner 
Feindschaft  gegen  die  Familie  Hunyady  unverhohlen  Ausdruck  gab,  und  deren  Ver- 
nichtung in  Aussicht  stellte. 


-     135     — 

o^ezogen.  Nothgedrungen  verlieh  der  König  dem  Ladislaus  Hunyadj 
die  Würde  eines  General-Capitäns,  Hess  ihn  aber  später,  den  16.  Mär& 
1457,  in  Ofen  unter  der  Beschuldigung,  sich  gegen  das  Leben  des 
Konig's  verschworen  zu  haben,  hinrichten.  Der  üble  Eindruck,  den 
diese  Blutthat  hervorbrachte,  sowie  die  Erhebung,  welche  die  Mutter 
des  Pling'erichteten  mit  den  reichen  Mitteln  ihres  verstorbenen  Gatten 
hervorrief,  nöthigten  den  König,  Ofen  zu  verlassen.  Er  begab  sich 
zunächst  nach  Wien  und  dann  nach  Prag,  wohin  er  auch  den  jüngeren 
Hunyady,  Mathias,  als  Gefangenen  mit  sich  führte. 

In  Prag,  wo  König  Ladislaus  seine  Vermählung  mit  einer  Tochter 
des  Königs  von  Frankreich  feiern  wollte,  erkrankte  er  plötzlich  und 
hauchte  sein  Leben  am  23.  November  1457  im  Alter  von  noch  nicht 
achtzehn  Jahren  aus. 

Während  um  die  Erbschaft  des  Königs  Ladislaus  Kaiser  Friedrich 
und  seine  Verwandten  sich  untereinander  stritten,  verloren  sie  Ungarn 
und  Böhmen,  auf  deren  Besitz  sie  mit  aller  Macht  hätten  hinarbeiten 
sollen,  um  dem  Fortschreiten  der  Osmanen  Einhalt  zu  thun  und  ihre 
Stellung  in  Deutschland  zu  sichern.  Böhmens  bemächtigte  sich  Georg 
Podjebrad,  der  in  Prag  zum  Könige  gewählt  wurde,  und  in  Ungarn 
fanden  sich  der  Prätendenten  mehrere,  die,  auf  die  weibliche  Erbfolge 
pochend,  Ansprüche  erhoben,  aber  niemand,  der  für  dieselben  eintreten 
wollte.  Podjebrad,  der  die  Erhebung  des  nach  Prag  gebrachten  Mathias 
Hunyady  ahnte,  wollte  sich  denselben  rechtzeitig  verpflichten,  er  ver- 
lobte ihn  mit  seiner  neunjährigen  Tochter  Katharina  und  versprach, 
alles  aufzubieten,  um  seinen  künftigen  Schwiegersohn  auf  den  unga- 
rischen Thron  zu  setzen. 

Sultan  Mohammed  war  nach  der  Flucht  von  Belgrad  nach 
Adrianopel  zurückgekehrt  und  suchte  die  Schmach  derselben  durch 
Veranstaltung  von  Festlichkeiten  gelegentlich  der  Beschneidung  seiner 
Söhne  vergessen  zu  machen. 


Siebentes  Capitel. 


Mathias  Corvinus.  —  Kriegsrüstungen  der  Ungarn.  —  Szilägyi  fällt  in  Serbien  ein  und 
wird  gefangen.  —  Die  Walachei  unter  türkischer  und  ungarischer  Botmässigkeit.  — 
Neuorganisation  des  ungarischen  Heeres.  —  Streifzüge  der  Türken  zurückgewiesen.  — 
Serbien  und  Bosnien  den  Türken  unterworfen.  —  Mathias  erobert  Jajcze.  —  Mo- 
hammed  belagert  Jajcze.    —   Mathias   belagert  Zwornik  vergeblich  und   zieht  sich 

zurück.  —  1457  bis  1471. 

Unter  den  Parteien,  welche  sich  in  Ungarn  um  den  Thron  be- 
warben, war  jene  der  Familie  Hunyady  unter  Führung  Elisabeth's, 
der  energischen  Witwe  des  Guhernators,  ^)  und  ihres  Bruders  Szilägyi 
die  mächtigste  und  meist  zielbewusste.  Am  24.  Jänner  1458  gelang  es 
auch  unter  Jubel  des  Volkes  den  erst  fünfzehnjährigen  Sohn  Johann 
Hunyady's,  Mathias  —  Corvinus  beigenannt  —  zum  König  auszurufen. 
Seiner  Jugend  wegen  wurde  ihm  sein  Oheim  Michael  Szilägyi  als 
Grubernator  beigegeben.  Dieser  hatte  bei  der  Erhebung  seines  Neffen 
auf  den  Thron  gehofft,  statt  des  Königs  selbst  regieren  zu  können, 
hatte  sich  aber  in  Mathias  sehr  getäuscht.  In  der  Schule  des  Lebens 
früh  zum  Manne  gereift,  besass  Mathias  scharfen  Verstand,  festen 
Willen,  unermüdlichen  Thätigkeitsdrang  und  ein  ausgeprägt  mon- 
archisches Selbstbewusstsein,  dabei  war  er  kalt  und  selbstsüchtig, 
unempfindlich  gegen  Gefühle  der  Verwandtschaft  und  Dankbarkeit 
und  Hess  sich  von  niemandem  als  Werkzeug  gebrauchen.  Er  ergriff' 
daher  gleich  nach  seiner  Rückkehr  nach  Ungarn  die  Zügel  der  Re- 
gierung selbstständig,  erklärte  die  von  Szilägyi  eingegangenen  Wahl- 
capitulationen,  in  welchen  festgesetzt  war,  dass  der  König  das  Reich 
nur  mit  eigenen  Truppen  zu  schützen  habe,  und  nur  im  Falle  äusserster 
Noth  ein  allgemeines  Aufgebot  ergehen  lassen  könne,   ferner  dass  der 


1)  Bezeichnend  für  Elisabeth,  die  Mutter  Mathias',  ist  der  Ausspruch,  den  sie 
kurz  nach  der  Wahl  desselben  that,  als  man  ihn  wieder  der  Krone  berauben  wollte : 
»Lieber  todt  will  ich  meinen  Sohn  sehen,  als  ohne  Krone.« 


-     137     — 

König  unter  keiner  Bedingung  neue  Steuern  auferlegen  dürfe,  nicht 
halten  zu  wollen.  Da  von  den  Türken  Gefahr  drohte,  schickte  Mathias 
seinen  Oheim,  mit  dem  er  sich  überworfen  hatte,  zum  Schutze  des 
Reiches  an  die  Südgrenze.  Streifzüge  der  Türken  kamen  bis  in  die 
Nähe  von  Ofen.^) 

In  Serbien  hatte  Lazar,  Georg  Brankovic'  jüngster  Sohn,  nachdem 
er  seine  Mutter  vergiftet  und  seine  älteren  Brüder  vertrieben  hatte, 
die  Herrschaft  an  sich  gerissen,  war  aber,  während  Sultan  Mohammed 
sein  vermeintliches  Erbrecht  wieder  geltend  machte  und  gegen  Serbien 
rüstete,  im  Jänner  1458  gestorben.  Seine  Witwe  vermählte  nun  ihre 
Tochter  dem  zur  katholischen  Kirche  tibergetretenen  bosnischen  Königs- 
sohn Stephan  und  hoffte  dadurch  die  beiden  Länder  zu  vereinigen. 
Um  den  Papst  zu  gewinnen,  bot  sie  ihm  die  Lehenshoheit  über  Serbien 
an.  Als  aber  im  Frühjahr  1458  die  Türken  unter  dem  Grossvezier 
Mahmudpascha  in  Serbien  einfielen,  wurde  Stephan  von  den  eigenen 
Leuten  vertrieben. 

Auf  die  Nachricht,  dass  die  Türken  mehrere  feste  Plätze  an  der 
Donau  besetzt,  das  südlich  von  Belgrad  gelegene  Schloss  Avala  —  erst 
von  Mohammed  II.  erbaut  —  neu  befestigt  hatten,  und  die  wieder  von 
Ungarn  besetzte  Veste  Golubaz  arg  bedrohten,  erklärte  der  König, 
selbst  ins  Feld  ziehen  zu  wollen  und  leitete  mit  grossem  Eifer  die 
Kriegsrüstungen  ein.  Um  die  Reichsstände  zur  Mitwirkung  zu  bewegen, 
schrieb  er  einen  Reichstag  aus,  eine  Aenderung  der  früheren  Beschlüsse 
gelang  ihm  aber  nicht,  ja  es  wurde  das  allgemeine  Aufgebot  noch 
durch  die  Bestimmung  völlig  wertlos  gemacht,  dass  der  Adel  nur 
'bis  zur  Reichsgrenze  zu  ziehen  verpflichtet  sei  und  auch  die  volle 
Freiheit  habe,  nach  Hause  zurückzukehren,  soferne  binnen  14  Tagen 
nicht  sichere  Nachricht  über  das  Nahen  des  Feindes  käme.  Szilägyi,  mit 
seiner  Zurücksetzung  unzufrieden,  legte  seine  Würde  als  Gubernator 
nieder,  versöhnte  sich  aber  wieder  mit  dem  König  und  kehrte  nach 
Ofen  zurück. 

Als  in  der  Nacht  vom  24.  August  in  Ofen  die  Nachricht  von 
dem  Falle  der  Veste  Golubaz  eintraf,  berief  der  König  sofort  eine 
Reichsrathssitzung,  verfügte  ein  allgemeines  Aufgebot,  bat  den  Legaten 
ihm  die  anzuwerbenden  Kreuzfahrer  nachsenden  zu  wollen  und  brach 
schon  den  nächsten  Morgen  nach  dem  Süden  auf.  Während  seiner 
Abwesenheit  leitete  seine  Mutter  die  Geschäfte  mit  Eifer,  kaufte  Pferde, 
sorgte    für  Lebensmittel    und  Wein    und    schickte    sie    ins  Lager.    Ihr 

-)  Hammer,  1,  415,  sagt:  »Ofen  soll  dreissig  Tage  lang  den  Streifereien  der 
Türken  offen  gestanden  haben. << 


—     138    — 

sowie  des  Königs  Beispiel  übten  grosse  Wirkung:  massenhaft  strömten 
die  Kriegsleute  zusammen,  und  Transportschiffe  bedeckten  die  Donau. 
Der  venetianische  Gesandte  berichtete:  »Seit  Menschengedenken  herrschte 
im  Lande  keine  so  kriegerische  Stimmung  und  kam  keine  so  bedeutende 
Streitmacht  zusammen,  wie  jetzt  zum  Theil  aus  Liebe,  zum  Theil  aus 
Furcht.«  Mathias  weilte  bis  9.  September  in  Szegedin  und  gieng  dann 
nach  Peterwardein,  während  Szilägyi  bei  Kubin  gegenüber  von  Semendria 
Stellung  nahm.  Auf  die  Nachricht  vom  Nahen  des  ungarischen  Heeres 
scliickten  die  Türken  sich  an,  in  das  Innere  von  Serbien  zurückzu- 
weichen. Von  einer  ungarischen  Abtheilung  eingeholt,  sollen  sie  eine 
Niederlage  erlitten  haben,'')  da  aber  weder  Zeit  noch  Ort  derselben 
bekannt  ist,  dürfte  ihr  keine  besondere  Bedeutung  beizulegen  sein. 
Aus  Serbien  sollen  die  Türken  20.000  Gefangene  entführt  haben.  In 
Syrmien  eingefallene  Raubhorden  wurden  vertrieben  und  erlitten  beim 
Rückzug  über  die  Save  grosse  Verluste. 

König  Mathias,  welcher  sein  Lager  in  St.  Demeter  (Mitrowitz) 
aufgeschlagen  hatte  und  dann  nach  Belgrad  gieng,  trug  sich  noch  mit 
umfassenden  Kriegsplänen  und  schrieb  zur  Beschallung  der  Mittel 
eigenmächtig  Steuern  aus.  Dies  gab  seinen  Feinden  Anlass  zur  An- 
klage wegen  offenem  Gesetzesbruch;  eine  Verschwörung,  für  die  auch 
Szilägyi  gewonnen  war,  wurde  bald  entdeckt,  Mathias  Hess  seinen 
Oheim  verhaften,  und  dass  er  nicht  auch 'hingerichtet  wurde,  verdankte 
er  nur  der  Dazwischenkunft  des  päpstlichen  Legaten.  Im  nächsten 
Reichstage  gelang  es  Mathias,  die  früheren  Gesetze  in  Angelegenheit 
der  Reichsvertheidigung  abzuändern  und  sich  so  die  Macht  zu  sichern, 
deren  er  zum  Schutze  seines  Thrones  bedurfte. 

Inzwischen  war  Papst  Calixt  III.  am  6.  August  1458  gestorben 
und  an  seine  Stelle  Aeneas  Silvius  Piccolomini  unter  dem  Namen 
Pius  II.  gewählt  worden.  ■*)  Er  erliess  sogleich  einen  Aufruf  an  die 
christlichen  Mächte  zum  Kampf  wider  die  Osmanen  und  erkannte 
Mathias,  auf  dessen  Mitwirkung  er  besonders  rechnete,  als  König  an; 
für  diesen  war  das  ein  sehr  willkommener  Vorwand,  das  Heer,  das 
er  zur  Bekämpfung  aller  seiner  Gegner  brauchte,  zu  vermehren  und 
in  Bereitschaft  zu  setzen. 


'^)  Fraknoi,  »Mathias  Corvinus«,  sagt:  »Doch  eine  ungarische  Abtheilung  setzte 
ihnen  nach,  zwang'  sie  zum  Treffen  und  schlug  sie  aufs  Haupt.« 

^)  Aeneas  Silvius  Piccolomini,  1405  zu  Corsignano  bei  Siena  geboren,  oblag 
dort  den  juridischen  und  classischen  Studien  und  nahm  1432  das  Anerbieten  des 
Cardinais  Capranica  an,  ihm  als  Geheimschreiber  zum  Concil  nach  Basel  zu  folgen. 
Er  erregte  durch  eine  Rede  über  die  Wiedervereinigung  der  griechischen  mit  der 
katholischen  Kirche  die  Aufmerksamkeit  der  Versammlung  und  wurde  —  obwohl  Laie 


—     139    — 

Durch  die  Gefancrennahme  Szilägvis  waren  die  Feinde  des  Königs 
indessen  nicht  unschädhch  gemacht;  sie  beschlossen,  Mathias  zu  stürzen, 
trugen  die  Krone  dem  Kaiser  Friedrich  an  und  traten  mit  Podjebrad 
in  Verbindung.  Friedrich,  von  Podjebrad,  der  gleichzeitig  mit  Mathias 
unterhandelte,  getäuscht,  nahm  die  Wahl  an,  besass  aber  Aveder  Macht, 
noch  Energie  genug,  sich  des  ungarischen  Thrones  zu  bemächtigen, 
daher  es  dem  päpstlichen  Legaten  angesichts  der  von  den  Türken 
drohenden  Gefahr  auch  bald  gelang,  einen  Ausgleich  zu  Stande  zu 
bringen. 

Nach  dem  Tode  des  Königs  Stephan  Thomas  hatten  sieht  die 
Serben  wider  dessen  Sohn  Stephan  erhoben;  dies  benützend,  boten  ihm 
die  Türken  gegen  Abtretung  von  Semendria  Beistand  gegen  seine  auf- 
ständischen Unterthanen  und  den  Besitz  von  Bosnien  an.  Stephan 
öffnete  ihnen  nicht  nur  die  Thore  der  Festung,  sondern  war  ihnen 
noch  zu  anderen  Eroberungen  behilflich,  so  dass  der  Verlust  von  ganz 
Serbien  zu  befürchten  stand.  Mathias,  mit  anderem  beschäftigt,  schenkte 
den  Vorgängen  dort  aber  wenig  Aufmerksamkeit. 

Unterdessen  war  Szilagyi  aus  seiner  Haft  entsprungen  und  ver- 
band sich  wieder  mit  den  Feinden  des  Königs.  Abermals  legte  sich 
der  Legat  ins  Mittel  und  verhinderte  nicht  nur  den  Ausbruch  eines 
Bürgerkrieges,  sondern  brachte  auch  eine  Aussöhnung  mit  Mathias 
zu  Stande,  der  seinem  Oheim  wieder  die  Vertheidigung  der  Südgrenze 
übertrug  und  ihm  die  Fürstenwürde  in  Serbien  in  Aussicht  stellte,  so- 
bald es  ihm  gelingen  würde,  dieses  Land  zu  erobern.  Vollständig  ver- 
söhnt, rüstete  nun  Szilagyi  und  betrieb  beim  König  die  Eröffnung  des 
Krieges;  sich  selbst  tiberlassen,  trug  er  aber  kein  Bedenken,  den  Feld- 
zug zur  Eroberung  Serbiens  auf  eigene  Faust  zu  eröffnen.  Von  Belgrad 

—  zum  Secretär  des  Concils  ernannt,  nach  dessen  Auflösung  er  für  die  Lehre,  dass 
selbes  über  dem  Papst  stehe,  eintrat.  1442  mit  Kaiser  Friedrich  in  Berührung  ge- 
kommen, von  diesem  als  Dichter  gekrönt  und  in  seine  Dienste  gezogen,  wurde  er  ein 
eifriger  Vertheidiger  der  päpstlichen  Macht.  In  der  Stellung  als  Secretär  des  Kaisers 
erwarb  er  sich  dessen  Gunst  in  hohem  Masse,  die  Beilegung  des  Kirchenstreites,  die 
allerdings  oft  recht  mangelhafte  Betheiligung  Europas  am  Kampfe  wider  die  Türken 
sind  zumeist  sein  Verdienst.  Um  seine  Verdienste  zu  belohnen,  erhielt  Aeneas  Silvius 

—  wie  damals  üblich  —  verschiedene  kirchliche  Pfründen,  die  ihn  veranlassten,  1446 
die  Priesterweihe  zu  empfangen.  1447  wurde  er  Bischof  von  Triest,  14ö0  Bischof  von 
Siena,  wodurch  er  in  den  Fürstenstand  erhoben  wurde.  Von  Papst  Calixt  III.  zum 
Cardinal  ernannt,  bestieg  er  nach  dessen  Tode  am  9.  August  1458  den  päpstlichen 
Stuhl.  Sein  Streben,  zwischen  Kaiser  Friedrich  und  König  Mathias  zu  vermitteln,  hatte 
nur  geringen  Erfolg.  Seine  Ausdauer  in  der  Bemühung,  dem  Fortschreiten  der  Türken 
in  Europa  Einhalt  zu  thun,  ist  —  wenn  auch  der  Erfolg  den  von  ihm  gehegten  Er- 
wartungen nicht  entsprach   —   doch  nicht  genug  zu  würdigen. 


-     140     — 

aus  unternahm  er  mehrere  Streifzüge,  befestigte  Kubin  und  übersetzte, 
nachdem  ihm  Ujlaky  aus  Siebenbürgen  8000  Mann  zugeführt  hatte, 
bei  Rama  die  Donau,  um  gegen  Semendria  vorzugehen.  Bei  Posarevaz 
fferieth  er  in  einen  Hinterhalt,  sein  Heer  wurde  zerstreut  und  er  selbst 
von  den  Brüdern  Mihaloghlu,  Alibeg  und  Skanderbeg  gefangen.  Is'ach 
Constantinopel  gebracht,  wurde  er  auf  Befehl  des  Sultans  enthauptet, 
sein  Begleiter  Labatlan,  der  schon  bei  Varna  dem  Tode  entgangen 
war,  gegen  Lösegeld  entlassen. 

Die  Versuche  des  Papstes  auf  dem  Congresse  zu  Mantua  1460, 
eine  Verbindung  aller  christlichen  Mächte  gegen  die  Osmanen  zu 
Stande  zu  bringen,  scheiterten  an  der  Gleichgiltigkeit  derselben,  ebenso 
erfolglos  blieb  der  Versuch,  durch  die  deutschen  Fürsten  in  Ktirnberg 
einen  Druck  auf  den  Kaiser  auszuüben. 

Da  die  Bedrohung  von  Seite  der  Türken  sich  jeden  Augenblick 
wiederholen  konnte,  suchte  Mathias  im  Innern  des  Landes  Ordnung 
zu  schaffen,  was  ihm  nicht  ohne  Mühe  gelang.  Auch  mit  Kaiser  Fried- 
rich kam  es  zu  einem  Vergleich;  dieser  gab  die  ungarische  Krone 
heraus,  behielt  sieh  aber  den  Titel  eines  Königs  von  Ungarn  und  dem 
Hause  Habsburg  das  Erbrecht  auf  den  ungarischen  Thron  vor. 

Nachdem  die  ungarische  Heeresverfassung  den  Anforderungen 
der  Zeit  schon  lange  nicht  mehr  entsprach,  schuf  Mathias,  ohne  das 
Banderialwesen  ganz  abzuschaffen,  aus  den  Trümmern  der  böhmischen 
Bruderrotten  und  den  Scharen  Giskra's  ein  stehendes  Söldnerheer. 
in  dem  auch  das  Fussvolk  in  grösserem  Masse,  als  bisher  üblich,  Ver- 
tretung fand;  augenscheinlich  dienten  hier  die  Janitscharen  als  Vorbikl. 
Anfangs  war  dieses  Heer  zwar  nur  klein  —  5000  Fussknechte  und 
2000  Reiter  —  später  aber  übertraf  es  an  Zahl  sowohl  wie  in  Bezug 
auf  taktische  Ausbildung  alle  anderen  Soldtruppen  des  Abendlandes. 
Ob  der  Name  der  neugeschaffenen  Truppe  —  schwarze  Schar  oder 
Legion  —  von  der  Farbe  der  wohl  gleichmässigen  Kleidung  und 
Rüstung,  oder  von  dem  wilden  und  schreckhaften  Aussehen  derselben 
herzuleiten  ist,  ist  nicht  bekannt. 

In  der  Walachei  herrschte  seit  1456  Wlad,  von  seinen  Unter- 
thanen  »Drakul«,  d.  i.  der  Teufel  oder  auch  der  Henker,  von  den 
Türken  der  Pfahlwoywode  genannt,  einer  der  grausamsten  Wütheriche, 
die  je  existierten.")  Er  verweigerte  dem  Sultan  den  Tribut,  Hess  seine 


*)  Wlad  Drakul  begann  seine  Regierung  damit,  dass  er  20.000  seiner  Unter- 
thanen,  darunter  509  Bojaren,  samrat  ihren  Weibern  und  Kindern  ermorden  Hess,  um 
sich  die  Herrschaft  zu  sichern.  Handeltreibende  Siebenbürger  sperrte  er  in  eine  Scheuer 
und  verbrannte  sie,  Burzenländer  Kaufleute  Hess  er  berauben  und  dann  spiessen.  Als 


—     141     - 

Abgesandten  pfählen  und  fiel  verheerend  in  Bulgarien  ein.  Als  nun 
der  Sultan  mit  150.000  Mann  in  die  Walachei  eindrang,  liess  Drakul 
sein  Volk  in  die  Grenzwälder  flüchten  und  beschränkte  sich  darauf, 
die  Türken  nur  zu  beunruhigen.  Mit  ungeheurer  Kühnheit  führte  er 
nächtliche  Ueberfülle  aus  und  zog  sich  endlich  nach  Zurücklassung 
von  6000  Mann,  die  sich  unvorsichtig  in  ein  Gefecht  einliessen  und 
meist  niedergemacht  wurden,  gegen  die  Moldau  hin.  Die  Thore  der 
Hauptstadt  fanden  die  Türken  offen,  die  Bewohner  entflohen.  Nachdem 
Mohammed  kein  Heer  traf,  kehrte  er  nach  Constantinopel  zurück,  und 
die  Türken  begnügten  sich  mit  dem  Raube  der  Herden.  Alibeg  blieb 
in  der  Walachei  zurück  und  setzte  an  Wlad's  Stelle  dessen  Bruder 
Radul  auf  den  Fürstenstuhl. 

Mathias  erkannte  wohl,  dass  er  in  den  Nebenländern  auch  Ungarn 
schützte  und  beschloss  daher,  dem  Wlad,  der  sich  wieder  Ungarn  zu- 
neigte, zu  helfen.  Um  die  Rüstungen  für  einen  Zug  in  die  Walachei 
zu  bestreiten,  trug  Venedig  20.000  DUcaten  bei,  während  der  Papst 
den  Sold  für  1000  Reiter  auf  sich  nahm  und  an  die  Beisteuernden 
einen  Ablass  verlieh.  Ende  Juli  1462  verliess  der  König  die  Haupt- 
stadt und  kam  in  der  zweiten  Hälfte  September  nach  Siebenbürgen. 
Als  er  sich  anschickte,  in  die  Walachei  einzufallen,  war  Wlad  bereits 
vertrieben  und  der  neu  eingesetzte  Radul  erschien  in  Kronstadt,  um 
die  Oberhoheit  der  Krone  Ungarns  anzuerkennen.  Wlad  Avar  auch  nach 
Ungarn  geflohen;  als  aber  sein  Briefwechsel  mit  dem  Sultan,  in  dem 
er  erklärte,  ihm  zur  Eroberung  Siebenbürgens  behilflich  sein  zu  wollen, 
bekannt  wurde,  liess  ihn  Mathias  einkerkern  und  bestätigte  im  November 
Radul  in  der  Fürstenwürde. 

Im  folgenden  Jahre,  1463,  wurde  die  Umklammerung  Ungarns 
durch  die  Türken  auf  der  Südseite  durch  den  Fall  Bosniens  vollendet. 
Nach  dem  Ableben  Stephan  Thomas'  folgte  ihm  1461  in  Bosnien  sein 
Sohn  Stephan,  dessen  Verrath  den  Verlust  Serbiens  zur  Folge  hatte. 
Des  Königs  Mathias  Rache  fürchtend,  suchte  er  die  Gunst  des  Papstes 
zu  gewinnen,  indem  er  sein  Volk  der  katholischen  Kirche  zuzuführen 
versprach;  dieser  forderte  Mathias  auf,  Stephan  wieder  in  Gnaden  auf- 
zunehmen, damit  er  sich  nicht  den  Türken  in  die  Arme  werfe.  Gegen 


Siebenbürger  sich  beschwerten,  fiel  er  im  Lande  ein,  verbrannte  die  Vorstädte  von 
Kronstadt  und  liess  Massen  von  Leuten  spiessen.  Unter  dem  Jammer  von  Gespiessten 
sein  Mahl  zu  verzehren,  machte  ihm  Freude.  Bei  der  Hauptstadt  fanden  die  Türken 
ein  Feld,  »eine  halbe  Stunde  lang  und  eine  Viertelstunde  breit«,'  mit  den  aus  Bulgarien 
mitgebrachten  Gefangenen,  theils  gespiesst,  theils  gehängt.  Auch  Mohammed  konnte 
ihm  seine  Bewunderung  nicht  versagen. 


—     142     — 

Abtretung  mehrerer  Gas  teile  und  Zahlung  einer  bedeutenden  Geld- 
summe Hess  sich  Mathias  zur  Aussöhnung  und  zum  Abschluss  eines 
Bündnisses  bewegen. 

Während  Stephan  mit  Mathias  Frieden  schloss  und  gleichzeitig 
die  Patarener  der  katholischen  Kirche  zuführen  wollte,  bereitete  sich 
ein  Sturm  vor,  der  das  bosnische  Reich  vernichten  sollte.  Zahlreiche 
Patarener,  die  schon  früher  das  Land  verlassen  hatten  und  bei  den 
Türken  Schutz  fanden,  sowie  viele  Magnaten,  die  den  katholischen 
Glauben  nur  scheinbar  angenommen  hatten,  um  ihre  Güter  zu  behalten, 
bei'ichteten  dem  Sultan  über  die  Vorgänge  in  Bosnien;  als  nun  Moham- 
med von  den  Vereinbarungen  mit  Mathias  horte  und  seinen  Gesandten 
auch  der  Tribut  verweigert  wurde,  entbrannte  er  in  Zorn  und  beschloss, 
sich  zu  rächen. 

Schon  im  Frühjahr  1463  zog  Sultan  Mohammed  bei  Adrianopel 
ein  Heer  zusammen;  wohin  er  sich  wenden  würde,  wusste  man  noch 
nicht.  Auf  die  Nachricht  von  den  Rüstungen  der  Türken  vereinigte 
auch  Mathias  seine  Kriegsmacht  im  Süden  des  Reiches  und  lagerte 
im  Mai  eine  Zeit  lang  bei  Batta,  dann  bis  Juli  bei  Futak.  Um  Mathias 
zu  täuschen  und  ihn  im  eigenen  Lande  zu  beschäftigen,  während  er 
die  Absicht  hatte,  Bosnien  zu  erobern,  Hess  der  Sultan  ein  beträcht- 
liches Heer  unter  Alibeg  aus  Serbien  nach  Syrmien  einfallen,  welches 
durch  den  königlichen  Mundschenk  Andreas  Pongräcz  von  Dengeleg 
geschlagen  und  zurückgeworfen  wurde;  nur  mit  Noth  entkam  Alibeg 
über  die  Save.  Hiedurch  nicht  abgeschreckt,  ergänzte  Alibeg  seine 
Truppen  und  fiel  neuerdings  über  die  Donau  in  das  Temescher  Banat 
ein,  stiess  aber  auf  den  siebenbürgischen  Woywoden  Johann  Pongracz 
von  Dengeleg,  der  eben  auf  dem  Wege  in  das  königliche  Lager  be- 
griffen war,  und  erlitt  abermals  eine  schwere  Niederlage.  Als  er  sich 
mit  den  Resten  seines  Heeres  zurückzog,  tiberfiel  ihn  noch  Mathias 
selbst  und  vernichtete  ihn  vollends.  Zur  Vergeltung  fiel  hierauf  Mathias 
noch  in  Serbien  ein  und  kam  mit  15.000  befreiten  christlichen  Ge- 
fangenen nach  Belgrad  zurück. 

Mittlerweile  hatte  der  Sultan  sein  Ziel,  die  gänzliche  Unter- 
M'crfung  Bosniens,  erreicht.  Um  den  bosnischen  König  unvorbereitet 
zu  finden,  hatte  er  ihn  mit  Friedens  Versicherungen  hingehalten  und 
durch  den  Abschluss  eines  Waffenstillstandes  getäuscht;  kaum  aber 
waren  die  Gesandten  heimgekehrt,  brach  der  Sultan  mit  einem  Heere 
von  150.000  Mann  über  Skoplie  und  Sieniza  gegen  Bosnien  auf.  Das 
von  steilen  Gebirgen  durchzogene  Land  mit  seinen  zahlreichen  Burgen 
hätte   sich    bei    kräftiger  Vertheidigung  wohl  längere  Zeit  halten  und 


-     143     - 

(las  Eingreifen  des  ungarischen  Heeres  abwarten  können,  wenn  es 
nicht  durch  innere  Zwistigkeiten,  besonders  durch  den  Religionsstreit 
gelähmt  gewesen  wäre.  Anfangs  Mai  überschritten  die  Türken  die  Drina, 
wo  der  Woywode  Kowacevic,  kurz  vorher  vom  Abschluss  des  Waffen- 
stillstandes verständigt,  sich  widerstandslos  ergab.  Vor  Bobovaz.  der 
früheren  Residenz  der  bosnischen  Könige,  einem  festen  Schloss  unAveit 
Varesch,  kam  die  Vorhut  der  Türken  unter  Mahmud  Pascha  am  19., 
der  Sultan  selbst  am  20.  Mai  an;  schon  am  dritten  Tage  wurde  das 
Schloss  vom  patarenischen  Knesch  Radak  gegen  Zusicherung  einer 
Belohnung  übergeben,  ihm  aber  ebenso  wie  dem  Kowaeevic  der  Kopf 
abgeschlagen.  König  Stephan  hatte  sich  nach  Jajcze  geflüchtet,  das  er 
schon  früher  za  seiner  Residenz  gewählt  und  befestigt  hatte.  Auf  die 
Nachricht  vom  Vordringen  der  Türken  verlor  man  dort  allen  Muth; 
König  Stephan,  welcher  kein  Heer  mehr  sammeln  konnte.  Höh  gegen 
Croatien,  wurde  aber  in  Kljuc  von  Mahmud  eingeholt  und  ergab  sich. 
nachdem  es  in  der  belagerten  Stadt  an  Nahrung  und  Munition  fehlte, 
nach  vier  Tagen  gegen  Zusicherung  von  Leben  und  Freiheit.  Vor  den 
Sultan  geführt,  den  Mahmud's  Capitulation  nicht  befriedigte,  wurde 
der  König  gezwungen,  seinen  sämmtlichen  Burghauptleuten  den  Befehl 
zur  Uebergabe  der  ihnen  anvertrauten  Plätze  auszufertigen,  später  aber. 
dem  Vertrage  entgegen,  nach  Scheich  Alibeg's  Rath,  der  ein  dem  Feinde 
gegebenes  Versprechen  für  ungiltig  erklärte,  doch  enthauptet.  Die 
meisten  der  festen  Plätze  gelangten  so  ohne  Schwertstreich  in  die 
Hände  der  Türken,  nur  wenige  grossere  an  der  Save  und  der  Bosna 
gelegene  mussten  mit  Gewalt  bezwungen  werden. 

Mit  Anfang  Juni  war  ganz  Bosnien  in  den  Händen  der  Türken, 
welche  überall  nur  den  dritten  Theil  der  Bevölkerung  —  in  der 
Regel  den  ärmsten  —  beliessen,  die  anderen  aber  als  Sclaven  ver- 
theilten  oder  zum  Anbau  wüster  Landstriche  verwendeten.  Bei 
30.000  Jünglinge  wurden  unter  die  Janitscharen  eingereiht.  In  den 
wichtigeren  Städten  Hess  Mohammed  eine  Besatzung  unter  Minetbeg 
zurück.  In  Zwetraj  blieb  als  Befehlshaber  der  serbische  Renegat 
Michael  Konstantinovic  aus  Ostrowitza,  der  später  den  bosnischen  Krieg 
beschrieb. 

Nach  gänzlicher  Eroberung  Bosniens  kehrte  sich  der  Sultan  noch 
gegen  Stephan  Vukcic,  den  Herzog  von  St.  Savas  (Herzegowina).  Bei 
ihm  hatten  die  aus  Bosnien  vertriebenen  Patarener  Aufnahme  gefunden, 
tapfere  Männer,  mit  welchen  er  die  steinigen  Gebirge  seines  Landes 
besetzte  und  seine  Hauptstadt  Blagaj  so  glücklich  vertheidigte.  dass 
der  Sultan   sich    zum  Abzug  entschloss.    Auf  dem  Rückwege  eroberte 


—     144     - 

er  noch  die  Gebiete  der  Knesche  von  Trebinje  und  von  Montenegro. 
die  sich  ihm  in  der  Hoffnung  auf  Gnade  freiwillig  ergaben,  demun- 
geachtet  aber  hingerichtet  wurden. 

Mathias  stand  mit  seinem  Heere  noch  bei  Futak,  als  die  Selbst- 
ständigkeit Bosniens  lange  schon  vernichtet  war.  Die  Absicht,  die  Er- 
oberung Bosniens  zu  verhindern,  war  vereitelt,  er  musste  sich  nun  — 
wollte  er  das  Land  nicht  in  den  Händen  der  Türken  lassen  —  zur 
Wiedereroberung  desselben  entschlicssen.  Anfangs  September  empfieng 
der  König  zu  Peterwardein  Gesandte  der  Republik  Venedig  und  ver- 
abredete mit  ihnen  ein  Bündniss,  demzufolge  der  Krieg  mit  aller  Macht 
fortgeführt  und  nur  in  gegenseitigem  Einvernehmen  Friede  oder  Waffen- 
stillstand geschlossen  werden  sollte.  Venedig  verpflichtete  sich,  mit 
40  Schiffen  zur  See  und  mit  einem  Landheere  auf  Morea  die  Türken 
anzugreifen. 

Nachdem  König  Mathias  sein  Heer,  bei  dem  sich  der  Erzbischof 
Värday,  der  Bischof  Johann  Vitez,  der  Palatin,  der  Schatzkanzler 
Emerich  Zapolya,  der  Banus  Stephan  Frangepan,  der  Graf  von  Zagorien 
und  Johann  Vitovez  befanden,  verstärkt  hatte,  brach  er  erst  Anfangs 
October  in  zwei  Abtheilungen  in  Bosnien  ein;  die  eine  gieng  bei  Novi 
über  die  Una  und  dem  Sanathal  entlang  über  Prjedor  und  Kljuc,  die 
andere  bei  Gradiska  über  die  Save  und  auf  der  alten  römischen  Heer- 
strasse längs  dem  Vrbasfluss  über  Banjaluku  nach  Jajcze,  ohne  auf 
Widerstand  zu  stossen,  vielmehr  von  der  zurückgebliebenen  Bevölkerung 
mit  Beo:eisterunüc  aufo;enommen. 

Zwischen  dem  Vrbasfluss,  welcher  inmitten  haushoher  P^elswände 
dahinströmt,  und  der  in  denselben  mündenden  Pliva  erhebt  sich  ein 
pyramidenförmiger  Berg,  dessen  Felswände  nach  drei  Seiten  steil  ab- 
fallen; seinen  Gipfel  krönte  eine  ausgedehnte  Citadelle,  deren  Inneres 
Hervoya  durch  italienische  Baumeister  mit  Prachtbauten  schmücken 
Hess.  Unter  der  Citadelle  dehnt  sich  die  Stadt  Jajcze  aus.  Die  beiden 
Flüsse  bilden  ein  schwer  zu  bewältigendes  Wasserbollwerk,  während 
das  dazwischen  liegende  Terrain  von  dem  kahlen  Gebirge  des  Borek 
abgeschlossen  ist.  Nur  ein  schmaler  Weg  führt  hier  durch  nach  Jajcze. 
Diese  von  der  Natur  mit  so  gewaltigen  Vertheidigungsmitteln  aus- 
gestattete Feste  hatte  eine  türkische  Besatzung  von  TOGO  Mann  unter 
dem  Befehle  des  tapferen  Harambeg. 

Mathias,  entschlossen,  die  Stadt  sammt  der  Citadelle  zu  nehmen, 
auch  Avenn  die  Belagerung  in  den  Winter  hinein  währen  sollte,  leitete 
dieselbe  selbst.  Die  Stadt  fiel  auch  bald  in  seine  Hände;  die  christ- 
lichen Bewohner  derselben,  von  den  Franci scanern  beredet,  tiberfielen 


-     145     — 

die  Besatzung  und  machten  einen  Theil  derselben  nieder.  Harambeg 
warf  sich  nun  mit  dem  Reste  derselben  in  die  schwer  zugängliche 
Burg  und  schlug,  indem  er  den  Belagerern  empHndhehe  Verluste  bei- 
brachte, alle  Stürme  zurück.  Mathias  wusste  aber  die  Begeisterung  bei 
seinem  Heere  wach  zu  erhalten  und  durch  eigenes  Beispiel  den  Muth 
desselben  zu  beleben:  wiedei-holt  schwebte  sein  Leben  in  Gefahr. 
Einmal  gelang  es  dem  Stephan  Gerendy  nur  eben  mit  knapper  Noth, 
einen  Türken  durch  einen  Pfeilschuss  hinzustrecken,  der  seine  Streitaxt 
bereits  ^eoen  den  Küni":  erhoben  hatte.  Wesentliche  Dienste  leistete 
in  diesem  Kampfe  auch  der  Fürst  der  Herzegowina,  der  dem  König 
mit  seinem  tapferen  Sohne  Wladislav  zu  Hilfe  geeilt  war. 

Endlich  nach  zweimonatlicher  Belagerung  sah  Harambeg  ein, 
dass  die  von  den  ungarischen  Geschützen  —  ihr  Geschützmeister  war 
Caspar  Lak,  nachmals  Propst  des  Zipser  Capitels  —  zerschossenen 
Mauern  nicht  länger  zu  halten  Avären,  und  Hess  sich  in  Unterhandlungen 
ein.  Seine  Forderung,  die  Gefangenen,  welche  er  in  der  Burg  ver- 
wahrte, mit  nach  Constantinopel  nehmen  zu  dürfen,  wies  Mathias  mit 
der  Bemerkung:  »Wir  stehen  der  Menschen  und  nicht  der  Mauern 
Avcgen  hier«  entschieden  zurück:  schliesslich  begnügte  er  sich  damit, 
sein  Leben  und  das  der  Besatzung  zu  schützen.  Am  Weihnachtstage 
zog  Harambeg  mit  nur  mehr  400  Mann  aus  der  Burg  und  huldigte 
dem  Könige  Mathias,  der  sich  ihnen  so  gnädig  erwies,  dass  sie  frei- 
willig in  seine  Dienste  traten. ")  Furcht  vor  dem  Schicksal,  das  ihrer 
trotz  der  unleugbar  tapferen  Vertheidigung  in  Constantinopel  harrte, 
konnte  ihren  Entschluss  wohl  nothwendig  gemacht  haben. 

Schon  während  der  Belagerung  von  Jajcze  entstand,  durch  die 
Franeiscaner  angeeifert,  wie  in  der  Stadt,  so  auch  vmter  dem  katholi- 
schen Theil  der  Landbevölkerung  eine  Bewegung,  welche  die  Rück- 
eroberung Bosniens  wesentlich  erleichterte.  Zahlreiche  Burgen  fielen 
wieder  in  die  Hände  der  Ungarn,  nur  noch  das  obere  Bosnathal  und 
das  Drinagebiet  Avaren  von  den  Türken  besetzt,  als  der  Eintritt  des 
Winters  und  die  Noth wendigkeit,  sich  krönen  zu  lassen,  den  König 
veranlasste,  um  die  Mitte  Jänner  1464  nach  Ungarn  zurückzukehren. 
Die  Verwaltung  Bosniens  vertraute  Mathias  dem  Schatzkanzler  Emerich 
Zapolya.  ehedem  Geheimschreiber,  später  Intendant  der  Güter  Johann 
Hunyady's  an.  dem  er  auch  die  meisten  Verdienste  um  die  Eroberung 


'')  Das  erwähnt  Mathias  selbst  in  einem  Briefe  an  den  Papst;  wie  er  die  ge- 
fangenen Türken  verwendete,  und  was  sie  in  seinem  Dienste  geleistet  haben  sollen, 
ist  nicht  bekannt.  Aszboth  nennt  als  Befehlshaber  von  Jajcze  wohl  irrthümlich  den 
Konstantinovic  (Konstantin  von  Ostrowiza). 

Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.   2.  Aufl.  10 


—     146     — 

Bosniens  zuschrieb; ')  zum  Befehlshaber  in  Jajcze  wurde  der  Prior  von 
Vrana,  Johann  Szekely,  ernannt.  In  einem  Berichte  an  den  Papst  legte 
Mathias  den  Verlauf  des  Feldzuges  dar;  über  die  Gründe,  welche 
ihn  veranlasst  hatten,  den  Feldzug  erst  im  Spätherbste  zu  beginnen, 
obwohl  der  Sultan  schon  im  Juni  abgezogen  und  ein  Einfall  aus 
Serbien  nicht  mehr  zu  fürchten  war,  sprach  sich  der  König  nicht  aus. 

Am  16.  Februar  hielt  der  siegreiche  König  seinen  Einzug  in 
Ofen,  im  März  wurde  er  zu  Stuhl weissenburg  gekrönt;  wenige  Tage 
zuvor  war  Katharina,  seit  1460  des  Köniscs  Gemahlin,  zu  Ofen  se- 
storben.  Durch  ihren  Tod  war  das  ohnehin  schon  gelockerte  Band, 
welches  ihn  an  Podjebrad  knüpfte,  vollends  gelöst. 

In  Folge  des  siegreichen  Feldzuges  im  Vorjahre  weitere  Erfolge 
erhoffend  und  auf  den  Eifer  des  Königs  Mathias  bauend,  fuhr  Papst 
Pins  IL  fort,  an  der  Vereinigung  der  katholischen  Mächte  zu  einem 
Bunde  wider  die  Osmanen  zu  arbeiten.  Er  rüstete  Schiffe  aus  und 
nahm  Söldner  in  Dienst;  weder  die  Rücksicht  auf  seine  Stellung,  noch 
seine  zerrüttete  Gesundheit  hielt  ihn  zurück,  alle  Zurüstungen  zu 
treffen,  um  eine  italienische  Flotte  in  Person  zur  Belagerung  Con- 
stantinopels  zu  führen.  Das  ungarische  Heer  sollte  gleichzeitig  von 
der  anderen  Seite  angreifen  und  nicht  eher  aufbrechen,  um  die  Savo 
zu  übersetzen,  bis  die  Nachricht  vom  Auslaufen  der  Flotte  aus  Ancona 
—  wofür  der  5.  Juni  bestimmt  war  —  eingetroffen  wäre.^)  Gewärtig 
dieser  Nachricht,  stand  auch  im  Mai  die  ungarische  Kriegsmacht, 
14.000  Reiter  und  8000  Mann  Fussvolk,  schlagfertig  in  Futak 
bereit.  Während  diese  Nachricht  aber  noch  immer  auf  sich  warten 
Hess,  erhielt  Mathias  Anfangs  August  die  Meldung,  dass  der  Sultan  selbst 
mit  einem  gewaltigen  Heere  in  Bosnien  eingefallen  sei,  bereits  vor 
Jajcze  stehe  und  diese  Festung  aus  Stücken  von  riesiger  Grösse  be- 
schiesse. 

Mathias  richtete  nun  wiederholte  Schreiben  an  den  Papst,  in 
welchen  er  sowohl  den  Aufbruch  der  Flotte,  als  auch  die  Zusendung 
der  verheissenen  sonstigen  Hilfe  dringend  verlangte  und  sich  bitter 
über  die  sorglose  Gleichgiltigkeit  der  christlichen  Mächte  beschwerte. 
»Wenn  in  Wahrheit  irg-endwo  eine  Krieffsflotte  oder  ein  Landheer  vor- 


'')  In  der  Urkunde  vom  Jahre  1465,  mit  welcher  Zäpolya  auch  die  erbliche 
Würde  eines  Grafen  der  Zips  verliehen  wird. 

^)  Auch  auf  die  Mitwirkung  Skanderbeg^  glaubte  Pius  rechnen  zu  können.  In 
der  That  führte  Skanderbeg  den  Kampf  mit  den  Türken  durch  25  Jahre  bis  zu  seinem 
Tode  (17.  Jänner  1466).  Der  albanesische  Krieg  währte  noch  12  Jahre,  bis  die  Türken 
die  Hauptstadt  Kroya  erobert  und  die  Albanesen  nach  blutigem  Widerstände  unter- 
worfen hatten. 


—     147     - 

handen  ist,  so  möge  es  sich  zeigen,«  so  schliesst  er  seinen  Brief,  »und 
die  bisherige  Trägheit  durch  Raschheit  wieder  gut  machen;  ich  meines- 
theils  gehe  dorthin,  wo  ich  mit  dem  meisten  Nutzen  wirken  kann  und 
will  jedenfalls  meine  Pflicht  gegen  mein  Vaterland  und  meinen  Glauben 
erfüllen.«  Er  eilte  nun  zum  Entsatz  von  Jajcze.  »Dass  es  doch  noch 
stünde,  bis  wir  dahin  gelangten!«   so  schreibt  er  an  den  Kaiser. 

Zapolya  war  dem  Heere  des  Sultans  von  Jajcze  aus  entgegen 
gezogen,  kehrte  aber,  als  er  die  Stärke  desselben  erkannte,  in  die  Stadt 
zurück.  Durch  20  Tage  bedrängte  Mohammed  schon  Jajcze,  drei  Tage 
hintereinander  Hess  er  neue  10.000  Mann  zum  Sturme  in  die  Bresche 
vorführen  und  feuerte  sie  selbst  durch  Drohungen  und  Verheissungen 
an,  aber  ungeachtet  aller  Tapferkeit  konnte  er  die  Stadt  nicht  er- 
stürmen und  hob  auf  die  Nachricht  vom  Anmärsche  des  Königs  die 
Belagerung  so  eilfertig  auf.  dass  er  einen  Theil  des  Gepäcks  und  das 
schwere  Geschütz  zurückliess.  Weiters  kam  die  Nachricht,  dass  der 
Papst  sich  nach  Ancona  zur  Uebernahme  des  Oberbefehles  über  die 
vereinigte  Kriegsflotte  begeben  habe,  und  der  Doge  von  Venedig  eben- 
falls im  Begriffe  stünde,  mit  seiner  Flotte  dahin  abzugehen. 

Der  König  berichtete  sofort  an  Pius  IL,  dass  er  im  Sinne  der 
Abmachungen  auf  türkisches  Gebiet  vordringen  wolle.  Allein  einige 
Tage  später  hielt  ihn  die  erschütternde  Nachricht  vom  plötzlichen  Tode 
des  Papstes  in  seinem  Unternehmen  auf. 

Papst  Pius  IL  war,  obwohl  schon  krank,  am  15.  Juli  in  Ancona 
eingetroffen,  um  sich  an  die  Spitze  des  Kreuzheeres  zu  stellen.  Er 
M'olle  dabei  sein  —  wie  er  sagte  —  um,  was  er  allein  vermöge,  seine 
Hände  während  des  Kampfes  zu  Gott  zu  erheben,  wie  Moses.  In 
Ancona  hatten  sich  auch  schon  eine  Menge  Kreuzfahrer  eingefunden, 
aber  es  fehlte  an  Geld  zu  ihrem  Unterhalte  und  an  Schiffen,  um  sie 
aufzunehmen,  so  dass  der  Papst  sich  genöthigt  sah,  sie  mit  Ablass  und 
seinem  Segen  wieder  nach  Hause  zu  schicken.  Die  wenigen  mit  Geld 
versehenen  Kreuzfahrer  wollte  er  schon  nach  Ragusa  senden,  das 
von  den  Osmanen  bedroht  war,  als  endlich  die  venetianische  Flotte, 
20  Galeeren  unter  dem  Dogen  Christoforo  Moro,  im  Hafen  einlief. 
Zwei  Tage  dai'nach,  den  14.  August  1464,  im  Augenblick,  als  er  den 
heissesten  Wunsch  seines  Lebens  der  Erfüllung  nahe  glaubte,  im  An- 
gesichte der  zum  Auslaufen  bereiten  Flotte  erlag  der  erst  59  Jahre 
alte  Papst  seiner  Krankheit.  In  seinen  letzten  Stunden  ermahnte  er 
noch  die  Cardinäle,  sein  Unternehmen  fortzuführen.^)  Der  geplante  Zug 

°)  Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  Papst  Pius  II.  den  besten  Willen 
hatte,    die  Ungläubigen  zu    bekämpfen    und  selbst  gegen  sie  in  den  Krieg  zu  ziehen ; 

10* 


—     148     - 

unterblieb  nun,  die  Kreuzfahrer  zerstreuten  sieb,  die  venetianische 
Flotte  kehrte  zurück  und  die  ganze  Last  des  Krieges  ruhte  Avieder  auf 
Ungarn  allein.  Die  in  der  päpstlichen  Cassa  für  Kriegszwecke  er- 
liegenden 40.000  Goldgulden  wurden  dem  König  Mathias  zugeschickt. 
Auf  dem  päpstlichen  Stuhle  folgte  der  Venetianer  Petrus  Barbo,  der 
als  Papst  den  Namen  Paul  II.  annahm. 

Nachdem  Mohammed  die  Belagerung  von  Jajcze  aufgehoben 
hatte,  war  auch  der  Entsatz  dieser  Festung  für  Mathias  gegenstands- 
los, seine  Rüstungen  wollte  er  aber  nicht  umsonst  gemacht  haben,  er 
entschloss  sich  daher,  die  Türken  aus  der  unteren  Drinagegend  zu 
verjagen,  zunächst  aber  die  Festung  Zwornik  zu  belagern.  Ohne  Grund 
verzögerte  er  jedoch  seinen  Vormarsch  und  überschritt  die  Save  erst 
am  8.  October  bei  der  Furt  von  Racsa,  zu  deren  Schutz  er  den  Erz- 
bischof von  Kalocza  zurückliess.  Ungeachtet  der  noch  srünstio-en 
Witterungsverhältnisse  musste  er  sich  den  Weg  durch  die  Urwälder 
längs  der  Drina  nicht  ohne  Mühe  bahnen.  Geschütze,  Munition  und 
Proviant  mussten  auf  Schiffen  flussaufwärts  nachgeliefert  Averden.  Am 
19.  October  lagerte  König  Mathias  bereits  vor  Zwornik,  avo  auch 
Zäpolya  aus  Jajcze  zu  ihm  stiess. 

Zwornik  liegt  lang  gestreckt  in  engem  Thale  am  linken  Ufer 
der  Drina,  die  hier  zu  beiden  Seiten  von  hohen  Bei'gen  begleitet  wird. 
Am  Südende  der  Stadt  lag  die  eigentliche  Festung,  die  durch  Mauern 
und  Thürme  mit  dem  280  Meter  über  der  Save  auf  dem  steilen 
Veluvnik  gelegenen  Castell  verbunden  ist  und  das  Thal  nach  Süden 
absperrt. 

König  Mathias  traf  nun  selbst  die  Vorkehrungen  zur  Belagerung 
der  Festung.  Ein  Theil  der  Geschütze  unter  seiner  und  Zapolya's 
Leitung  beschoss  die  am  Ufer  der  Drina  gelegene  Festung,  während 
die  Belagerungsarbeiten  gegen  das  Castell  vom  Grafen  Sigismund  von 
Bösing  und  St.  Georgen  und  von  Berthold  Elderbacher  geleitet  wurden, 
die  mit  vieler  Mühe  die  Geschütze  auf  die  umliegenden  Höhen  bringen 
mussten. 

Während  die  Belagerung  im  Gange  war,  führte  der  König  eine 
Heeresabtheilung  vor  die  Burg  Srebrenica  (40  Kilometer  südöstlich  von 


es  ist  aber  kaum  begreiflich,  wie  ein  Mann  von  solcher  Einsicht  in  die  politischen 
Verhältnisse  Europas  und  von  solcher  Erfahrung  bei  den  ganz  unzulänglichen  Vor- 
kehrungen, die  für  diesen  Krieg  getroifen  wurden,  sich  in  ein  Unternehmen  von 
kaum  fraglichem  Misserfolge  einlassen  konnte.  Wenn  man  die  Folgen  bedenkt,  die  ein 
solcher  haben  musste,  ist  es  fast  als  eine  Gunst  der  Vorsehung  anzusehen,  dass  dieser 
Kriegszug  vereitelt  wurde. 


-     149     — 

Zwornik),  welche  zum  Schutze  reicher  Silberminen  diente.^*^)  Die  Burg 
wurde  mit  solchem  Ungestüm  angegriffen,  dass  sie  schon  in  wenigen 
Tacen  in  die  Hände  der  Uno^arn  fiel,  die  mit  wertvoller  Beute  und 
vielen  Gefangenen  nach  Zwornik  zurückkehrten. 

Die  Besatzung  von  Zwornik  litt  viel  von  den  Geschützen,  leistete 
aber  tapferen  Widerstand.  Mittlerweile  traten  aber  die  Herbstregen  ein, 
welche  auf  den  unwegsamen  Strassen  die  Herbeischaffung  des  Proviants 
hinderten.  Im  Lager  fieng  man  an,  Noth  zu  leiden;  durch  die  Nutz- 
losigkeit der  Anstrengungen  entmuthigt,  nahm  die  Unzufriedenheit  im 
Heere  mit  jedem  Tage  zu,  bis  sie  endlich  laut  zum  Ausdruck  kam, 
sogar  der  Gehorsam  scheint  verweigert  worden  zu  sein.  Zäpolya  verlor 
durch  einen  Pfeilschuss  ein  Auge,  und  wie  es  scheint,  damit  auch 
einen  Theil  seiner  Entschlossenheit.  Als  noch  mit  halbem  November 
die  Nachricht  eintraf,  dass  ein  türkisches  Entsatzheer  im  Anzüge  sei, 
—  der  Grossvezier  soll  alle  Bege  Rumeliens  zum  Entsätze  von  Zwornik 
aufgeboten  haben  —  hob  Mathias  die  Belagerung  auf,  und  trat  unter 
recht  unffünstio^en  Verhältnissen  den  Rückzug:  an.  Die  Wege  waren 
so  schlecht,  dass  man  zu  Strecken,  die  früher  in  einem  Tage  zurück- 
gelegt wurden,  jetzt  drei  Tage  benöthigte.  Die  Geschütze,  welche  auf 
den  Bergen  standen,  konnten  nicht  mehr  herabgebracht  werden  und 
wurden  in  Stich  gelassen,  nur  die  am  Wasser  stehenden  wurden  auf 
Schiffe  verladen  und  fortgeschafft.  Türkische  Banden  verfolgten  das 
Heer  bis  an  die  Save,  nicht  ohne  demselben  noch  einige  Verluste  bei- 
zubringen.'^) 

Die  bei  der  Belagerung  von  Z^vornik  zu  Tage  getretene  Unbot- 
mässigkeit  der  Truppen  bestärkte  Mathias  in  der  Ueberzeugung,  dass 
die  ungarische  Kriegsmacht  einer  Umgestaltung  dringend  bedürfe  und 
der  Kern  derselben  ein  viel  grösseres,  discipliniertes,  seinem  Willen 
unbedingt  folgendes  stehendes  Heer  von  Söldnern  bilden  müsse.  Da 
zu  erwarten  war,  dass  Sultan  Mohammed  nächstens  zur  Wieder- 
eroberung Bosniens  und  zur  Tilgung  der  vor  Jajeze  erlittenen  Schlappe 
mit  einem  viel  grösseren  Heere  auftreten  werde,  Mathias  aber  auch 
den  Entschluss  fasste,  demnächst  zu  geeigneter  Jahreszeit  wieder  ins 
Feld  zu  ziehen,  um  den  Misserfolg  bei  Zwornik  wett  zu  machen,  ver- 
sammelte er  zu  Anfang  des  Jahres  1465  die  weltlichen  und  o:eistlichen 


"^)  Graf  Sigismund  von  Bösing-,  an  diesem  Kriegszuge  hervorragend  betheiiigt, 
scbreibt  ausdrücklich,  dass  der  König  selbst  nach  Srebrenica  zog,  während  dieser  Zug 
von  Bonfinius  und  Anderen  irrthümlich  dem  Zäpolya  zugeschrieben  wird. 

")  Nach  Bontinius  wäre  dieser  Eückzug  in  wilde  Flucht  ausgeartet,  dem  die 
Angabe  des  Grafen  von  Bösing  widerspricht. 


-     150     — 

Grossen  in  Szegedin.  um  über  die  Organisation  des  Heeres  und  die 
zur  Erhaltung  desselben  erforderlichen  Mittel  zu  berathen. 

An  den  Papst  wurde  der  beredte  Bischof  von  Fünfkirchen, 
Johann  von  Csesmicze.  geschickt,  der  einen  Brief  des  Königs  über- 
brachte, in  dem  er  erwähnt:  »So  lange  meine  Kraft  währt,  stehe  ich 
vom  Kampfe  mit  den  Ungläubigen  nicht  ab,  eher  will  ich  die  Rache 
als  die  Verachtung  des  Feindes  ertragen.«  Dankbar  gedachte  der 
Bischof  der  Aufforderung  des  Papstes  an  die  Mächte,  die  Hilfsgelder 
zur  Abwehr  der  Türkengefahr  zehn  Jahre  hindurch  zu  zahlen,  erklärte 
aber  flir  zweckmässiger,  wenn  die  Zahlung  auf  zwei  bis  drei  Jahre 
beschränkt  würde,  dafür  aber  in  dieser  Zeit  umso  reichlicher  fliessen 
möchte,  dann  könne  der  König  auch  umso  entschiedener  voi'gehen, 
und  umso  namhaftere  Erfolge  erzielen.  Zur  Erwiderung  schenkte 
der  Papst  dem  König  ein  wertvolles  Kreuz  und  Hess  ihm  57.000  Gold- 
gulden anweisen. 

Auch  nach  Venedig,  das  der  Sultan  sich  vergeblich  bemühte, 
vom  Bunde  mit  Ungarn  zu  trennen,  schickte  Mathias  eine  Gesandt- 
schaft, um  die  Republik  zu  weiterer  Hilfe  und  Fortsetzung  des  Kampfes 
auf  Morea  aufzufordern;  dieser  wurde  zwar  fortgesetzt,  jedoch  ohne 
bedeutenderen  Erfolg.  Der  Senat  von  Venedig  votierte  auch  50.000  Gold- 
gulden für  Ungarn  und  erklärte,  bezüglich  weiterer  Beiträge  später 
beschliessen  zu  wollen,  zahlte  aber  nur  15.000  aus.  Der  König  wies 
nach,  dass  er  wenigstens  300.000  Goldgulden  zur  Fortführung  des 
Krieges  bedürfe,  musste  aber  den  Gedanken  an  denselben  für  dieses 
Jahr  aufgeben,  obwohl  der  Papst  dazu  drängte.  Nichtsdestoweniger 
rüstete  man  in  Ungarn  eifrig  und  beschloss,  dass  bei  wirklichem  Aus- 
bruche eines  Krieges  der  gesammte  Adel  ins  Feld  ziehen  und  je 
20  Bauernhäuser  einen  Bewaffneten  stellen  sollten.  Von  Ungarns 
Rüstungen  benachrichtigt,  stellte  auch  Mohammed  ein  Heer  in  Serbien 
auf,  Hess  aber,  nachdem  er  seine  ganze  Macht  in  Kleinasien  benöthigte, 
dem  König  einen  Frieden  gegen  Ueberlassung  Bosniens  und  Serbiens 
anbieten.  Der  König  gieng  darauf  nicht  ein  und  Hess  die  türkischen 
Unterhändler  nicht  einmal  vor.  Die  Gefahr  für  Ungarn  war  nun  wohl 
nicht  gross,  und  man  hätte  nach  der  stolzen  Abweisung  des  Friedens- 
antrages auch  ein  energisches  Vorgehen  des  Königs,  eine  volle  Aus- 
nützung des  so  günstigen  Augenblicks  erwarten  können;  aHein  er  blieb 
unthätig,  wenn  er  auch  am  9.  October  von  Ofen  aufbrach  und  nach 
kurzem  Aufenthalt  zu  Fünfkirchen  bei  Legrad  an  der  Drau  ein  Lager 
bezog.  Die  Aufstellunc^;  des  Heeres  benützte  nun  Mathias,  um  in 
Croatien,   das  durch  Parteien  gespalten  und  durch  Fehden   in  bestän- 


—     151     — 

diger  Unruhe  gehalten  worden  war,  die  Ordnung  wieder  herzustellen. 
Auch  das  Auftauchen  von  Freibeuterschareu  im  Norden  Ungarns  und 
ein  damit  in  Verbindung  stehender  Streit  mit  Kaiser  Friedrich  ver- 
anlasste Mathias,  nach  Ofen  zurückzukehren. 

Im  Laufe  des  Winters  verbreitete  sich  abermals  das  Grerücht, 
dass  Sultan  Mohammed  bei  Sophia  ein  Heer  aufstelle,  um  Belgrad  zu 
bedrohen. 

Anfangs  Jänner  1466  berief  König  Mathias  einen  Landtag  nach 
Tolna.  Zur  Verthcidigung  der  Südgrenze  sollte  der  gesammte  Adel  auf- 
geboten werden.  Der  König  kündigte  an,  dass  er  am  3.  Mai  von  Ofen 
aufbrechen  werde,  und  dass  Jeder,  der  sich  bis  8.  Mai  ohne  triftigen 
Grund  nicht  im  Lager  bei  Legrad  einfinden  würde,  den  Kopf  und  die 
Güter  verlieren  solle.  Doch  galten  auch  diesmal  die  Rüstungen  Moham- 
med's  nicht  den  Ungarn,  sondern  Albanien;  nachdem  Skanderbeg 
gestor-ben  war,  wollte  er  das  Land  für  immer  der  türkischen  Herr- 
schaft unterwerfen,  was  jedoch  erst  nach  einem  zwölfjährigen  hart- 
näckigen Kampfe  vollständig  gelang. 

Im  selben  Jahre  starb  auch  Stephan  Vukcic,  der  Fürst  der  Her- 
zegowina. Im  Zwiste  mit  seinen  Söhnen  hatte  er  den  jüngsten  derselben 
als  Pfand  für  seine  Treue  dem  Sultan  ausgeliefert,  bei  welchem  er 
Moslim  und  sein  Günstling,  und  später  bei  Mohammed's  Nachfolger 
auch  Grossvezier  wurde.  Die  beiden  älteren  Söhne  theilten  sich  das 
Land,  der  eine  floh  aber  bald  nach  Ungarn,  während  der  andere  sich 
noch  einige  Zeit  in  einigen  Schlössern  behauptete,  bis  das  ganze  Land 
—  auf  Ungarns  Hilfe  vergebhch  wartend  —  dem  osmanischen  Reiche 
einverleibt  wurde. 

Da  die  Mächte  Europas  mit  Ausnahme  von  Venedig,  das  sich 
übrigens  auch  schon  nach  dem  Frieden  sehnte,  nicht  zur  Theilnahme 
am  Kampfe  gegen  die  Ungläubigen  zu  bewegen  waren,  die  Geldbeiträge 
der  Päpste  und  Venedigs  nicht  ausreichten,  um  so  kostspiehge  Söldner- 
heere, wie  sie  zur  Führung  eines  Krieges  ausserhalb  der  Grenzen 
Ungarns  nothwendig  waren,  zu  erhalten,  so  mussten  die  zur  Bestreitung 
der  Kriegskosten  erforderlichen  Mittel  von  Ungarn,  das  ohnedies  schon 
Jahre  hindurch  den  Kampf  zu  führen  gezwungen  war,  allein  auf- 
gebracht werden.  Um  die  Staatseinkünfte  zu  vermehren,  setzte  nun 
Mathias  1467  eine  Steuerreform  durch,  die  das  Land  nicht  unbedeutend 
belastete,  und  in  Siebenbürgen,  wo  der  Adel,  die  Sachsen  und  Szekler 
sich  in  ihren  ererbten  Rechten  beeinträchtigt  fühlten,  einen  Aufstand 
hervorrief,  der  mit  Gewalt  unterdrückt  werden  musste.  An  den  Woy- 
woden  der  jMoldau,  Stephan  Bogdanovic,    der  den  Aufstand  in  Sieben- 


—     152     - 

bürgen  unterstützt  und  sieh  in  polnischen  Schutz  begeben  hatte  (auch 
beschuldigt  wurde,  mit  den  Türken  gemeinsame  Sache  zu  machen  l 
wollte  der  König  selbst  Rache  üben,  drang  bis  in  die  Hauptstadt 
Sucsawa  vor,  erlitt  aber  dort  eine  Niederlage  und  gab  die  Fortsetzung 
des  Feldzuges  auf.  *'-)  Verwundet  kehrte  er  in  den  letzten  Tagen  des 
Jahres  nach  Kronstadt  zurück,  wo  er  aufs  Neue  rüstete,  um  Stephan 
zu  züchtigen;  doch  liess  dieser  durch  Gesandte  seine  Ergebenheit  zu- 
sichern, womit  Mathias,  dessen  Gedanken  sich  anderen  Unternehmungen 
zuwandten,  sich  zufrieden  gab. 

Bosnien  unterordnete  König  Mathias  nach  Abberufung  Zäpolya's 
dem  Ban  von  Machow,  Niklas  Ujlaky,  den  er  später  —  im  Jahre  1470  — 
auch  zum  König  von  Bosnien  ernannte. 

Soviel  dem  Papste  Paul  IT.  auch  an  der  Bekämpfung  der  Osmanen 
gelegen  sein  mochte,  so  schien  ihm  die  Ausrottung  der  Ketzer  in 
Böhmen  doch  noch  wichtiger.  Obwohl  unter  Podjebrad  die  Hussiten 
sich  den  Anforderungen  des  Papstes  theilweise  gefügt  hatten,  setzte  er 
doch  den  Kampf  mit  denselben  fort,  und  Mathias  • —  seit  dem  Tode 
der  Königin  mit  seinem  Schwiegervater  ganz  zerworfen  —  hatte  schon 
im  Jahre  1465  dem  Papste  seine  Hilfe  zur  Unterwerfung  der  böhmischen 
Ketzer  angeboten.  Als  nun  der  Papst  nirgends  Hilfe  fand  —  auch  der 
Kaiser  fühlte  sich  Podjebrad  nicht  gewachsen  —  warfen  sich  seine 
Augen  auf  Mathias.  Der  Kaiser,  von  Podjebrad  bedrängt,  suchte  eben- 
falls die  Hilfe  des  Königs  von  Ungarn  und  er.  wie  auch  der  Papst 
soll  diesem  Hoffnung  auf  die  Würde  des  römischen  Königs  gemacht 
haben.  Sie  beo'eg'neten  hierin  den  Wünschen  des  ehroeizi^en  Königs. 
der  vielleicht  in  Verkennung  der  sehr  gesunkenen  Macht  des  Deutschen 
Reiches  die  Hoffnung  gehabt  haben  mag,  die  Kraft  desselben  zur  Be- 
kämpfung der  Türken  verwenden  zu  können.  Nicht  lange  vorher  hatte 
der  Papst  dem  König  von  Ungarn  über  seine  Lässigkeit  in  Bekämpfung 
der  Türken  Vorwürfe  gemacht,  nun  zog  er  ihn  durch  seine  Aufforde- 
rang, gegen  Georg  Podjebrad  zu  ziehen,  selbst  davon  ab. 

Bei  der  Erschöpfung  Ungarns  und  der  Unzufriedenheit  im  Lande 
hätte  man  dem  König  keinen  Vorwurf  machen  können,  wenn  er  jeden 
anderen  Krieg  eingestellt,  und  sich  auf  die  Vertheidigung  des  Landes 


'')  Wieder  in  der  ungünstigsten  Jahreszeit,  Ende  November,  zog  der  König  durch 
den  Oitos-  und  Gimespass  in  die  Moldau.  Während  Boten  mit  dem  Könige  in 
Sucsawa  unterhandelten,  umringten  12.000  Bewaffnete  die  Stadt;  mit  den  Einwohnern 
derselben  im  Einverständnisse,  ergossen  sie  sich  in  der  Nacht  des  15.  December  in 
die  Gassen  und  steckten  die  Häuser  in  Brand.  Bei  Flammenschein  entwickelte  sich 
ein  mörderischer  Kampf,  in  dem  Mathias  selbst  durch  einen  Lanzenstich  und  einen 
Pf'eilschuss  verwundet  wurde. 


—     153     — 

beschränkt  hätte.  Allein  sehr  zum  Nachtheil  Ungarns  gedachte  er.  die 
Waffen  nicht  ruhen  zu  lassen,  und  Hess  sich  —  obwohl  die  Friedens- 
verhandlungen, welche  die  Pforte  schon  seit  Jahren  mit  Ungarn  und 
Venedig  führte,  nicht  ernst  sjemeint  schienen'^)  —  durch  die  Aussicht, 
seine  Macht  auch  über  Böhmen  auszudehnen,  zum  Angriff  auf  Podjebrad 
bewegen.  Im  Frühjahr  1468  erklärte  Mathias  den  Krieg,  als  Bundes- 
genosse des  Kaisers  und  als  Beschützer  der  Katholiken  in  Böhmen. 
In  den  folgenden  Jahren  wurde  der  Krieg  mit  wechselndem  Glücke 
geführt;  von  der  katholischen  Partei  zum  Könige  gewählt,  '■*)  fiengen 
seine  Anhänger  zu  wanken  an,  als  sie  keine  wesentlichen  Erfolge 
Avahrnahmen.  Als  nun  Georg  Podjebrad  am  22.  März  1471  starb, 
wählten  die  unbefriedigten  Katholiken  im  Vereine  mit  den  Utraquisten 
in  Böhmen  am  27.  Mai  1471  —  den  Thron  als  erledigt  ansehend  — 
den  Sohn  König  Kasimir's  von  Polen,  den  15jährigen  Wladislav,  zum 
König.  Mathias  dachte  nicht  daran,  auf  seine  Ansprüche  zu  verzichten, 
doch  standen  die  Aussichten  für  ihn  nicht  sehr  "•ünsti»'. 


^^)  Niklas  Ujlaky  begleitete  14G7  türkische  Gesandte  nach  Ofen,  welche  um 
Waffenstillstand  anhalten  sollten,  der  ihnen  mündlich  auch  zugesichert  worden  wäre. 
Man  zweifelte  aber  daran,  ob  dies  wirklich  Abgeordnete  des  Sultans  oder  nur  zufällig 
von  Ujlakj  aufgegriffene  Türken  waren,  die  zum  Scheine  vorgeführt  wvirden,  um  den 
Ungarn  die  Bedenken  gegen  den  böhmischen  Krieg  zu  nehmen. 

")  In  Olmütz  und  Breslau  wurde  dem  König  im  Mai  14(59  der  Eid  der  Treue 
geleistet. 


Achtes  Capitel. 


Wiederholte  Einfälle  der  Türken  nach  Ungarn  und  in  die  österreichischen  Ert- 
länder.  —  Vorkehrungen  Kaiser  Friedrich's  gegen  dieselben.  —  Mohammed  II.  erbaut 
Szabacs.  —  Grosswardein  von  den  Türken  geplündert.  —  Mathias  erobert  Szabacs.  — 
Mathias  vernachlässigt  die  Vertheidigung  seiner  Länder,  er  vermählt  sich  mit 
Beatrix  von  Aragonien.  —  Erneute  Einfälle  der  Türken.  —  1471  bis  1477. 

In  Ungarn  wurde  man  immer  nnzufriedener  mit  der  Politik  des 
Königs  und  mit  seinen  Kriegen  gegen  Böhmen,  welche  Unsummen 
(mehr  als  drei  Millionen  Ducaten)  verschlangen  und  das  Reich  wehrlos 
gegen  Süden  machten.  Schon  seit  dem  Jahre  1467  fielen  Türkenhorden 
wiederholt  aus  Bosnien  in  die  angrenzenden  ungarischen  Gebiete  ein, 
die  jedesmal  mit  der  Verheerung  und  Entvölkerung  ganzer  Landstriche 
endeten.  Auch  venetianisches  Gebiet  (die  Gegenden  von  Sebenico  und 
Zara  in  Dalmatien)  wurden  nicht  verschont. 

Den  Grenzen  der  österreichischen  Erbländer  waren  die  Türken 
nun  schon  so  nahe,  dass  Kaiser  Friedrich  III.  sich  im  Jahre  1447 
veranlasst  sah,  ernste  Vorkehrungen  gegen  dieselben  zu  treffen.  Die 
Schlösser  und  Städte  wurden  ermahnt,  sich  zur  Wehr  vorzubereiten, 
und  wiederholt  —  so  in  den  Jahren  1448,  1463  und  1464  —  Ver- 
ordnungen erlassen,  welche  die  Abwehr  der  Türkengefahr  zum  Zwecke 
hatten.  Es  erwies  sich  diese  Vorsicht  auch  bald  als  nothwendig. 

Im  März  des  Jahres  1471  plünderten  bosnische  Raubscharen  das 
Gebiet  von  Corbavia')  und  drangen  bis  Zengg  vor.  Im  Mai  desselben 
Jahres  drang  ein  Heerhaufe  von  10.000  Mann  unter  dem  bosnischen 
Pascha  Assambeg,  ohne  sich  in  Croatien  aufzuhalten,  in  Unterkrain 
ein.  Nach  Uebersetzung  der  Kulpa  schlug  er  bei  ]\löttling  ein  Lager 
auf  und  verheerte  von  hier  aus  durch  vierzehn  Tage  die  Gegend.  In 
Möttling  wurde  das  Deutsche  Ordenshaus  zerstört,  die  Bewohner  fanden 
im  festen  Schlosse  des  Andreas  Hohenwart  Zuflucht.  Einzelne  Schwärme 


')  Corbavia,  eine  Gegend  in  der  Likaner  Gespanschaft. 


—     155     — 

uiiternatimen  von  hier  aus  Raubzüge,  einer  derselben  steckte  Gottschee 
in  Brand,  ein  anderer  gelangte  bis  Laibach,  wo  die  Domkirche  nieder- 
gebrannt wurde,  Avieder  andere  gelangten  bis  Sichelburg,  bis  Landstrass 
und  selbst  bis  gegen  Cilli.  Greise  und  Kinder  wurden  getödtet,  die 
Erwachsenen,  Männer  und  Weiber,  gefangen  weggeführt,  Kirchen  be- 
raubt und  verbrannt.  Älehr  als  60.000  Menschen  sollen  in  Gefangen- 
schaft geführt  worden  sein.'-^)  Inzwischen  hatten  sich  die  krainerischen 
Stände  zum  Widerstände  erhoben;  in  einem  allgemeinen  Aufgebote 
iiatten  sich  binnen  neun  Tagen  20.000  Mann  unter  dem  Landeshaupt- 
mann Andreas  Hohenwart  zusammengefunden,  doch  kam  es  nicht  zum 
Schlagen,  denn  die  Türken  waren  schon  am  4.  Juli  über  die  bosnische 
Grenze  zurückgekehrt,  nachdem  sie  bei  1000  Gefangene,  welche  sie 
nicht  mehr  über  die  angeschwollene  Kulpa  bringen  konnten,  erschlagen 
hatten.  Noch  im  September  üel  eine  türkische  Horde  nach  Croatien 
ein,  konnte  aber  bei  Agrani  die  Save  nicht  tibersetzen  und  zog  am 
rechten  Ufer  unter  Vertibung  der  grössten  Grausamkeiten  bis  gegen 
Gurkfeld.  Ein  ungarisches  Adelsaufgebot,  das  die  Türken  auf  ihrer 
Rückkehr  verfolgte,  erlitt  eine  Niederlage. 

Ohne  Kriegserklärung  wiederholten  sich  nun  die  Einfälle  auf 
österreichisches  Gebiet  während  der  Herrschaft  der  Sultane  Moham- 
med IL,  Selim  I.  und  Bajesid  II.  fast  jährlich. 

Da  die  Reichshilfe  versagte,  sahen  sich  die  Landstände  von  Krain. 
Kärnten  und  Steiermark  genöthigt,  über  eine  Abhilfe  gegen  die  gemein- 
same Gefahr  selbst  zu  berathen;  trotz  des  kaiserlichen  Verbotes  traten 
sie  zu  St.  Veit,  der  alten  Hauptstadt  Kärntens,  zu  einer  Besprechung 
zusammen. 3) 

Der  wegen  der  Türkennoth  auf  das  Frühjahr  1470  nach  Wien 
ausgeschriebene  Fürstentag  war  so  wenig  besucht,  dass  ein  neuer  nach 
Nürnberg  ausgeschrieben  werden  musste,  der  jedoch  wie  der  frühere 
ohne  Erfolg  blieb,  weil  der  Kaiser  selbst  auf  demselben  nicht  erschien. 
Auf  dem  am  19.  März  vom  Kaiser  nach  Friesach  einberufenen  Land- 
tage wurde  zwar  wegen  des  Widerstandes  gegen  die  Türken  auch 
verhandelt,  doch  blieben  die  Stände  meist  auf  die  Selbsthilfe  ange- 
wiesen. Die  Kräfte  der  drei  Länder  waren  aber  zu  gering,  um  den 
Türken  ernsten  Widerstand  leisten  zu  können,  und  kamen  —  wie  die 
Folge  zeigte  —  weil    ungenügend    organisiert,    in    der  Regel    zu    spät. 

-)  Dimitz,  »Geschichte  Krains«,  I,  279,  nach  Uni-est's  Chronik.  Die  Zahl  der 
Gefangenen  dürfte  hier  wie  auch  in  späteren  Angaben  wohl  übertrieben  sein. 

^)  In  dem  Erlasse  vom  29.  November  1469  aus  Wiener-Neustadt  wurde  den 
Ständen  das  Abhalten  dieser  Ver^anuiiluug  verljoten. 


-•     156     — 

Die  Hilfe,  welche  die  übrigen  Erbländer  gewährten,  war  kaum  nennens- 
wert, und  die  Reichshilfe,  die  zu  Graz  Ende  1470  und  zu  Regens- 
burg im  April  1471  verlangt  und  auch  zugesagt  worden  war,  wurde 
nicht  oder  nur  in  geringem  Masse  beigestellt. 

Während  König  Mathias  noch  in  die  bölimischen  Händel  ver- 
wickelt war  und  mit  Kaiser  Friedrich  noch  in  Unterhandlungen  stand, 
liess  Sultan  Mohammed  II.  Anfangs  1471  von  einem  Theile  des  rume- 
lischen  Heeres  ohne  Aufsehen  20.000  Mann  an  die  Save  vorrücken  und 
am  rechten  Ufer  derselben  eine  Befestigung  herstellen.  Es  wurde  hiezu 
das  80  Kilometer  oberhalb  Belgrad  gelegene,  auf  römischen  Grund- 
mauern erbaute  kleine  Castell  von  Szabacs  : —  ein  unregelmässiges,  an 
den  vier  Ecken  mit  Thürmen  versehenes  und  von  einem  mit  der  Save 
verbundenen  Wassergraben  umgebenes  Bauwerk  —  ausersehen,  das 
der  neuen  Befestigung  als  Stützpunkt  dienen  sollte.  In  Eile  wurde  vor- 
bereitetes Material,  behauenes  Holz  und  Reisig,  aus  grosser  Entfernung 
zugetragen  und  an  der  Landseite  eine  grosse  Verschanzung  mit  acht 
Blockhäusern,  die  Erdwälle  mit  Ruthengeflecht  verkleidet,  die  Gräben 
durch  Pallisaden  geschützt,  aufgeführt.  Die  neue  Festung  wurde 
reichlich  mit  Geschützen  ausgerüstet  und  eine  Besatzung  von  1200  jMann 
hineingelegt;  sie  sollte  nicht  nur  als  Ausfallthor  für  die  Raubzüge  der 
Türken,  sondern  auch  als  Ablagerungsplatz  für  die  geraubten  Schätze 
und  als  Kerker  für  die  mitgeschleppten  Gefangenen  dienen.  Der  Ban 
von  Croatien,  Johann  Thuz  de  Lak,  hinderte  nicht  nur  den  in  Heim- 
lichkeit und  mit  Beschleunigung  aufgeführten  Bau  der  Festung  nicht, 
er  hinderte  auch  die  Einfälle  der  Türken  nicht,  weshalb  ihn  auch  der 
Zorn  des  Königs  traf,  der  ihn  als  fahrlässig  oder  bestochen  ein- 
kerkern liess. 

Der  Cardinal  Gabriel,  Erzbischof  von  Kalocsa,  und  Johann  Ugor 
erhielten  nun  den  Befehl,  Szabacs  zu  nehmen  und  zu  zerstören,  mit 
der  Vollmacht,  überall  Mannschaft  auszuheben  und  Kriegsbeiträge  ein- 
zufordern. Die  Befestigungsarbeiten  waren  aber  bereits  so  weit  vor- 
geschritten, dass  selbe  nichts  dagegen  zu  unternehmen,  ja  nicht  einmal 
über  die  Save  zu  gehen  wagten,  und  sich  darauf  beschränkten,  Szabacs 
gegenüber  eine  Schanze  zu  errichten.  Belgrad  und  Jajcze  waren  nun 
die  einzigen  festen  Punkte  von  Bedeutung,  welche  die  Ungarn  noch 
am  rechten  Ufer  der  Save  besassen.  Um  die  Aufmerksamkeit  des  Königs 
vom  Baue  der  Festung  abzulenken,  fiel  gleichzeitig  Isakbeg  aus  Bosnien 
mit  15.000  Reitern  nach  Croatien  ein,  verheerte  das  Land  bis 
Agram  und  kehrte  mit  Beute  beladen  und  mit  unzähligen  Gefangenen 
zurück. 


-     157     — 

Kaum  hatte  Isakbeg  seine  Beute  in  Sicherheit  gebracht,  so  kehrte 
er  mit  10.000  Reitern  zurück,  durchzog-  Croatien,  ohne  sich  aufzuhalten, 
und  fiel  nach  Krain  ein,  wo  er  verheerend  zu  Pfingsten  bis  gegen 
J.aibach  vordrang.  Mit  15.000  Mann  wiederholte  Isakbeg  bald  darauf, 
nachdem  er  hörte,  dass  der  Kaiser  sich  in  Regensburg  aufhalte,  den 
Einfall  abermals;  bei  Weinitz  überschritt  er  die  Grenze  von  Krain, 
und  gelangte  in  einer  Nacht  bis  Rasicza  bei  Auersperg.  Hier  theilte 
er  seine  Schar  in  drei  Abtheilungen.  Die  eine  sprengte  an  Laibach 
vorüber  längs  der  Save  gegen  Krainburg  und  bis  zum  Kankerpass  an 
der  Grenze  Kärntens.  Laibach  konnte  sich,  nur  durch  die  brennenden 
Dürfer  der  Umgebung  noch  rechtzeitig  gewarnt,  vor  einem  Ueberfall 
schützen.  Eine  zweite  Abtheilung  Isakbeg's  verbreitete  sich  über  das 
Gebirge  nach  Steiermark  und  gelangte  bis  gegen  Tüffer,  während  die 
dritte  Abtheilung  Unterkrain  überschwemmte  und  über  Ungarn  zurück- 
kehrte, wo  sie  die  Donau  überschritten  haben  und  bis  an  die  Grenze 
von  Siebenbürgen  gelangt  sein  soll,  ohne  auf  ernsten  "Widerstand  zu 
stossen.  In  Krain  wurden  bei  diesen  drei  Einfällen  vierzig  Kirchen 
zerstört,  fünf  Märkte  und  bei  zweihundert  Dörfer  niedergebrannt,  und 
nach  gleichzeitigen  Angaben  gegen  70.000  Menschen  getödtet  oder  in 
Gefangenschaft  geführt.  Als  die  Nachricht  von  dem  verheerenden  Zuge 
Isakbeg's  nach  Kärnten  gelangte,  erhoben  sich  daselbst  etliche  Land- 
stände mit  Zuzug  von  Städtebewohnern  und  einer  Anzahl  von  Bauern, 
welche  von  dem  Landeshauptmann  Christian  Ungnad  angeworben,  unter 
Wilhelm  Schenk  von  Osterwitz  den  Krainern  zu  Hilfe  eilten,  jedoch 
zu  spät  kamen,  nachdem  die  Türken  bereits  abgezogen  waren. 

Im  Herbste  desselben  Jahres  fand  noch  ein  Einfall  nach  Istrien 
und  auf  den  Karst  statt,  der  bis  Wippach  und  Görz  vordrang,  wo 
abermals  bei  500  Gefangene  von  den  Türken  fortgeführt  wurden. 

Im  März  des  Jahres  1472  brachen  Türken  wieder  über  Croatien 
nach  Krain  ein.  In  Zirknitz  wurde  die  Kirche  eingeäschert.  Ein  bis  in 
die  Vorstädte  von  Laibach  vorgedrungener  Haufe  brannte  die  St.  Peters- 
kirche nieder  und  musste  erst  durch  Schüsse  vom  Schlossberg  aus 
vertrieben  werden. 

Nicht  umsonst  erliess  Kaiser  Friedrich  im  April  des  folgenden 
Jahres  ein  Mahnschreiben  an  die  Stände  der  drei  Länder  Kärnten, 
Krain  und  Steiermark,  in  welchem  er  sie  auffordert,  vereint  an  der 
Grenze  dem  Feinde  Widerstand  zu  leisten.  Im  September  noch  zog 
Isakbeg  mit  9000  Mann  zu  Fuss  und  mit  18.000  Reitern  verwüstend 
durch  Croatien  und  traf  am  22  bei  Sichelburg  ein.  Auf  dem  Zuge 
an  Rudolfswerth  vorüber  wurde  der  Kärntner  Michel  Zwitter  gefangen, 


-     158     — 

welcher  dann  den  Türken  bei  diesem  wie  auch  bei  folgenden  Einfällen 
als  Führer  und  als  Spion  Dienste  leistete;  auch  drei  entlassene  Priester 
sollen  sich  zu  diesem  Dienste  hergegeben  haben.  Nach  zwei  Tagen 
erschienen  die  Türken  abermals  vor  Laibach,  zogen  aber  ohne  Auf- 
enthalt an  Krainburg  vorüber  durch  den  Kankerpass  nach  Kappel  in 
Kärnten,  wo  sie  am  25.  eintrafen.  Nachdem  sie  die  Drau  übersetzt 
hatten,  zerstreuten  sie  sich  nach  Feldkirchen,  gegen  das  Zollfeld,  und 
gegen  Völkermarkt  und  Lavamünd.  Die  durchzogenen  Landstriche  aus- 
plündernd und  verwüstend,  sammelten  sie  sich  wieder  bei  Klagen^urt. 
Die  Besatzung  dieser  Stadt  unternahm  einen  Ausfall,  welcher  aber  auf 
dem  Felde  zwischen  der  Stadt  und  der  Grian  mit  Ueber macht  ange- 
griffen und  mit  einem  Verluste  von  100  Mann  zurückgeworfen  wurde. 
Die  Türken  übersetzten  nun  wieder  die  Drau  und  zogen  am  rechten 
Ufer  derselben  nach  Bleiburg.  Bei  W^indischgraz  stellte  sich  ihnen  der 
Pfleger  Schulz  Hauzinger  mit  100  Mann  entgegen;  hier  theilte  sich 
die  Schar  wieder,  ein  Theil  zog  über  Weitenstein  und  Gronowitz,  der 
andere  über  Schalleck  und  berührte  Cilli.  Der  Zug  der  Türken  an  den 
Mauern  dieser  Stadt  vorüber  währte,  da  sie  auch  8000  Gefangene  mitführten, 
von  8  Uhr  Morgens  bis  4  Uhr  Nachmittags.  Den  2.  October  überschritten 
sie  wieder  die   Grenze  und  kehrten  über  Croatien  nach  Bosnien  zurück. 

Die  gemeinsame  Gefahr  veranlasste  am  8.  Februar  1474  eine 
Zusammenkunft  der  krainerischen  und  kärntnerischen  Stände  zu  Wolfs- 
berg, welche  auch  die  österreichischen  und  steirischen  Stände  zu  einer 
demnächst  abzuhaltenden  Versammlung  zu  Judenburg  einluden,  uin 
über  eine  gemeinsame  Landwehr  zu  berathen.  Auch  an  Papst  Sixtus  IV. 
wendeten  sich  die  Stände  mit  einem  Schreiben,  welcher  die  Greuel  der 
wiederholten  Türkeneinfälle,  die  Unmöglichkeit  der  Abwehr  und  die 
drohenden  Folgen  für  die  ganze  Christenheit  schildert.  Im  Laufe  dieses 
Jahres  fand  abermals  ein  Einfall  nach  Croatien  statt,  der  sich  auch 
über  die  Grenzen  von  Krain  erstreckte.  Bei  3000  Menschen  sollen 
hiebei  aus  Krain  weggeführt  worden  sein. 

Da  durch  Kundschaftsberichte  bekannt  wurde,  dass  die  Türken 
im  Sommer  des  folgenden  Jahres  (1475)  abermals  einen  Einfall  planten, 
schrieb  Kaiser  Friedrich,  der  eben  in  Andernach  weilte,  für  den  8.  April 
einen  Landtag  nach  Marburg  aus,  und  befahl  zugleich,  dass  die  Stände 
ihre  Leute  zur  Mitwirkung  bei  den  Befestigungsarbeiten  der  Städte 
beistellen  sollten.  Auf  dem  Landtage  wurde  die  Einhebung  von  Steuern 
und  die  Anwerbung  von  Reisigen  beschlossen  und  Sigmund  von  Polheim, 
der  Pfleger  von  Radkersburg,  als  oberster  Landeshauptmann  der  drei 
Länder  Kärnten.  Krain  und  Steiermark  bestellt. 


—     159     — 

Der  erwartete  Einfall  fand  im  August  auch  statt.  Ein  Haufe  von 
einigen  Tausend  Türken  durchzog,  ohne  Widerstand  zu  finden,  das 
schon  oft  geplünderte  Croatien  und  drang  bis  Pettau  vor,  das  verheert 
wurde.  Als  die  Hauptleute  Steiermarks  und  Kärntens  herbeizogen, 
giengen  die  Türken  über  Neufeld  und  Lemberg  in  das  Savethal  zurück. 
Bei  Rann  zogen  auch  die  Krainer  heran  und  Sigismund  von  Polheim, 
der  Hauptmann  von  Radkersburg,  griff  mit  diesen  drei  Heerhaufen,  die 
nur  450  Mann  zählten,  am  24.  August  die  Türken,  welche  auf  dem 
Kaisersberg  an  der  Sotla  Stellung  genommen  hatten,  an.  Das  Gefecht 
fiel  für  die  Christen  ungünstig  aus.  man  sagte,  »weil  einige  Untreue  die 
Flucht  ergriffen  hatten«.  Unter  den  Gefallenen  zählte  man  31  Adelige; 
Polheim,  dann  die  Hauptleute  Georg  Schenk  von  Osterwitz  und  Ludwig 
Kosiak  aus  Krain  waren  unter  den  Gefangenen.  Ende  September  fiel 
ein  zweiter  Haufe  Türken  über  Croatien  nach  Krain  ein,  hielt  sich 
dort,  vom  Kärntner  Zwitter  geführt,  einen  Monat  lang  plündernd  auf, 
und  versuchte,  nach  Kärnten  einzudringen,  was  durch  die  bei  Windisch- 
graz, Bleiburg  und  auch  anderwärts  an  der  Grenze  aufgestellten 
Truppen  verhindert  wurde. 

Die  mit  Ringmauern  umgebenen  Städte  und  Schlösser  konnten 
wohl  die  Einwohner  derselben  schützen,  dem  Volke  im  offenen  Lande 
aber  keinen  Schutz  gewähren.  Das  Landvolk  in  den  mehr  bedrohten 
Gegenden  fieng  daher  um  diese  Zeit  an,  sich  selbst  Zufluchtsorte  her- 
zustellen. Es  waren  dies  meist  Steinwälle  auf  unzugänglichen  Orten, 
auf  hohen  Bergen  oder  in  dichten  Wäldern,  Tabor  oder  Täber^)  genannt 
hinter  deren  Schutz  sie  sich  selbst  mit  ihrer  beweglichen  Habe  flüchten 
konnten.  Solche  Tabors  wurden  von  der  Kulpa  bis  nach  Istrien  und 
über  den  ganzen  Karst  hin  angelegt.  Um  die  Nachricht  von  einem 
Einbrüche  der  Türken  so  schnell  als  möglich  verbreiten  zu  können, 
mussten  auf  allen  höheren  Bergen  von  der  Kulpa  bis  über  Laibach 
hinaus  Holzstösse  bereit  sein,  welche  angezündet  wurden,  sobald  die 
Türken   über   die    Grenze   setzten.    Diese  Feuer   wurden   Kreutfeuer^) 


■•)  Der  Ausdi-uck  »Tabor«  auf  die  flüchtigen  Befestigungen  in  den  Alpenländern 
dürfte  wohl  auf  die  Hussiten  in  Böhmen  zurückzuführen  sein,  welche  ihre  auf  frei- 
stehendem Berge  gelegene  Haujitburg,  nach  dem  in  der  Bibel  erwähnten  Berge  »Tabor« 
nannten,  und  darnach  den  Namen  »Taboriten«  erhielten.  Der  ähnliche  Ausdruck 
»Taur«  für  Berg  mag  wohl  zur  Verbreitung  desselben  beigetragen  haben.  Iwolf  leitet 
das  Wort  von  dem  türkischen  »Täber«  d.  i.  Wagenburg  ab.  Für  die  Tabors  wurden 
später  eigene  Hüter  vom  Landeshauptmann  oder  Vicedom  ernannt  und  in  Eidpflicht 
genommen. 

')  Iwolf  leitet  »Kräutefeuer«  von  »Gereutfeuer«,  d.  i.  Feuer  auf  einer  aus- 
gereuteten  Waldstelle,  ab. 


—     160     — 

genannt.  Aehnliche  Vorkehrungen  wurden  auch  in  Kärnten  und  Steier- 
mark getroffen.  An  manchen  Orten  wurden  auch  —  wie  dies  in  Sieben- 
bürgen schon  seit  längerer  Zeit  üblich  war  —  um  die  Kirchen  Befesti- 
gungen angelegt,  um  den  Einwohnern  schnell  eine  Zuflucht  gewähren 
zu  können. 

Die  Friedensverhandlungen,  welche  von  Ungarn  schon  seit  1473 
auch  während  der  Abwesenheit  des  Sultans  in  Kleinasien  geführt 
wurden,  hinderten  die  Einfälle  der  Türken  nicht.  Stephan,  der  kriegeri- 
sche Woywode  der  Moldau,  glaubte  die  Abwesenheit  des  Sultans  be- 
nützen zu  können,  und  fiel  1473  in  die  Walachei  ein,  um  Radul  aus 
der  Walachei  zu  vertreiben;  dieser  flüchtete  zu  Bali  Oghli,  dem  Pascha 
von  Semendria,  der  ihn  an  der  Spitze  eines  Heeres  wieder  in  sein 
Land  zurückführte.  Bald  darauf,  zu  Beginn  des  Jahres  1474,  übersetzte 
Bali  Oghli  bei  Seraendria  mit  den  dort  gesammelten  Truppen  die  Donau, 
und  drano-  verheerend  in  das  südliche  Ungarn  ein.  Am  6.  Februar 
erschienen  die  Türken  vor  Grosswardein,  das,  mit  Ausnahme  der  Burg, 
ohne  Mühe  eingenommen,  geplündert  und  in  Brand  gesteckt  wurde. 
Das  Grab  des  Königs  Ladislaus,  ein  von  den  Ungarn  hochgehaltenes 
Heiligthum,  wurde  zerstört,  die  Einwohner  der  Stadt  theils  gemordet 
oder  in  die  Sclaverei  geführt.  Mit  Beute  beladen,  kehrten  die  Türken 
unangefochten  nach  Serbien  zurück  und  wiederholten  ihren  Einfall 
im  August,  wobei  die  Niederung  bis  an  die  Weisse  Koros  verheert 
und  ausgeplündert  wurde.  Ein  ungarisches  Adelsaufgebot,  das  sich 
ihnen  entgegenstellte,  wurde  zerstreut. 

Während  der  langen  Abwesenheit  des  Königs  Mathias  hatte  sich 
in  Ungarn  eine  Bewegung  gegen  denselben  vorbereitet.  Man  darf  sich 
nicht  wundern,  dass,  während  das  Land  des  Schutzes  seiner  Grenzen 
gegen  die  Feinde  der  Christenheit  so  dringend  bedurfte,  selbst  patriotisch 
gesinnte  Männer  es  nicht  billigten,  wenn  der  Krieg  um  die  böhmische 
Krone  auch  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  fortgeführt  Avurde. 
Da  aber  nicht  zu  erwarten  war,  dass  der  eigensinnige  und  ehr<2:eizio-e 
König  seine  Absichten  aufgeben  werde,  fasste  eine  Partei  in  Ungarn 
den  Plan,  ihn  zu  stürzen  und  den  Prinzen  Kasimir,  den  zweiten  Sohn 
des  polnischen  Königs,  auf  den  Thron  zu  setzen.  König  Kasimir  — 
sonst  zwar  von  allzugrossem  Ehrgeiz  und  Thatendrang  frei  —  konnte 
der  Aussicht,  einen  Sohn  auch  in  Ungarn  herrschen  zu  sehen,  nicht 
widerstehen;  dem  Drange  der  unzufriedenen  Ungarn  nachgebend,  sandte 
er  ihn  mit  einem  Heere  gegen  Pest.  Mathias  aber,  früh  genug  von 
den  Plänen  seiner  Gegner  unterrichtet,  kehrte  nach  Ofen  zurück  und 
verstand  durch  kluges  Benehmen  die  Bewesuno-  im  Keime  zu  ersticken 


-     161     - 

und  die  Polen  zum  Rückzug  zu  bringen.  Als  nach  dem  Ableben  Papst 
Paul's  IL,  im  Juli  1471.  Sixtus  V.  den  päpstlichen  Stuhl  bestieg  und 
einen  Ausgleich  zwischen  Ungarn  und  Polen  anstrebte,  gaben  beide 
Theile  soweit  nach,  dass  endlich  eine  allgemeine  Waffenruhe  zu  Stande 
kam,  die  bis  zum  Sommer  1474  währte. 

Unterdessen  war  der  Wafienstillstand  zwischen  Ungarn  und  Polen 
abgelaufen.  König  Kasimir  war  Ende  September  1474  in  Schlesien 
eingefallen,  Mathias  trat  ihm  mit  nur  wenigen,  aber  kampfgeübten 
Truppen  entgegen  und  nöthigte  ihn  schon  Anfangs  November  zu  Ver- 
handlungen, die  zum  Absehluss  eines  Waffenstillstandes  bis  1477,  und 
endlich  l479  zu  einer  Vereinbarung  führten,  der  zufolge  Mathias 
Mähren  und  einen  Theil  von  Schlesien  behalten  und  auch  den  Titel 
eines  Königs  von  Böhmen  führen  sollte,  während  Wladislav  thatsäch- 
lich  König  von  Böhmen  blieb. 

Mathias  hatte  den  Waffenstillstand  schon  deshalb  geschlossen, 
um  endlich,  den  Wünschen  der  Ungarn  entsprechend,  alle  Kräfte 
gegen  die  Türken  wenden  zu  können.  Die  im  Herbste  1474  und  Früh- 
jahr 1475  einberufenen  Reichstage  bewilligten  für  die  Vertheidigung 
des  Landes  sehr  beträchtliche  Summen,  mit  der  ausdrücklichen  Be- 
stimmung jedoch,  dass  selbe  nur  für  diesen  Zweck  verwendet  w^erden 
dürfen. 

Mathias  begann  auch  gleich  zu  rüsten,  der  günstige  Augenblick 
zum  Angriff  war  aber  bereits  versäumt.  Stephan,  der  Woywode  der 
Moldau,  hatte  sich  durch  seinen  Einfall  in  die  Walachei,  noch  mehr 
aber  durch  die  Verweigerung  des  Tributes,  den  Zorn  des  Sultans  zu- 
gezogen. Ihn  zu  züchtigen,  zog  Chadim  Suleiman,  der  Beglerbeg  zu 
Rumili,  zu  Neujahr  1475  trotz  des  strengen  Winters  und  des  Mangels 
an  nöthiger  Zufuhr  mit  mehr  als  lOü.OOO  Mann  gegen  die  Moldau. 
Stephan  verwandelte  die  vom  türkischen  Heer  zu  durchziehende  Ge- 
gend der  Walachei  durch  Feuer  in  eine  Wüste  und  zog  sich  mit 
50.000  Mann,  darunter  6000  Ungarn  —  Szekler  —  und  2000  Mann 
polnischen  Fussvolkes,  in  das  Berladthal  zurück.  Am  17.  Jänner  kam 
es  in  einer  Thalschlucht,  tief  im  Walde,  wo  die  Türken  ihre  Reiterei 
nicht  zur  Geltung  bringen  konnten,  zur  Schlacht.  Das  Vordertreffen 
—  die  Szekler  —  wurde  durchbrochen.  Stephan  selbst  stürzte  sich 
nun  in  die  feindlichen  Reihen  und  stellte  die  Schlacht  wieder  her. 
Unter  grossen  Verlusten  wurden  die  Türken  nun  geschlagen;  mehr 
noch  wurden  auf  der  Flucht  durch  Hunger  und  Kälte,  als  auf  dem 
Schlachtfelde  vernichtet;  wenigen  nur  gelanges,  auf  ihren  ausgehungerten 
Pferden  die  Donau  zu   erreichen.    Kaum    feierte  Stephan  seinen  Sieg. 

Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmaneii.  2.   Aufl.  11 


—     162     — 

als  aucli  schon  die  Nachricht  kam.  dass  Kadul  mit  frischen  Truppen 
aas  der  Walachei  im  Anzüge  sei.  Nach  hartem  Kampfe  gelang  es 
Stephan  am  24.  Jänner  bei  Rimnik,  auch  diesen  zu  besiegen.  Der 
Verlust  der  Sieger  M^ar  aber  kaum  geringer,  wie  jener  der  Besiegten, 
doch  erregte  die  Nachricht  von  diesem  Siege  beim  ungarischen  Heere 
Freude,  und  Mathias  schickte  Gesandte  zu  Stephan,  um  ihn  zur  Fort- 
setzung des  Krieges  aufzumuntern  und  ihm  ungarische  Hilfe  anzubieten, 
wenn  er  die  Oberhoheit  Ungarn^  anerkenne.  Um  auch  die  Unterstützung 
der  Walachei  zu  erlangen,  deren  Fürst  Radul  sich  ganz  in  die  Arme 
der  Türken  geworfen  hatte,  entliess  Mathias  den  grausamen  Wlad 
Drakul  aus  seiner  Haft,  suchte  aber  vergebens  ihm  die  Anerkennung 
seiner  früheren  Unterthanen  zu  verschaffen. 

Während  die  Türken  im  Sommer  1475  Croatien  ungehindert 
durchzogen,  traf  Mathias  die  Vorkehrungen  zum  Ano-riff  in  ":rossartia-em 
Massstabe.  Den  venetianischen  Gesandten  benachrichtigte  er,  dass  er 
ein  Heer  von  60.000  Mann,  begleitet  von  1000  Wagen  und  100  Schiffen, 
aufstellen  wolle.  Kanonen  liess  er  giessen  und  Belagerungsmaschinen 
vorrichten,  welche  insbesondere  die  Bewunderung  des  päpstlichen 
Legaten  erregten.  Der  Versuch  Sultan  Mohammed's,  einen  Waffenstill- 
stand abzuschliessen,  wurde  abgewiesen,  der  Woywode  der  Moldau 
aber  aufgefordert,  die  Feindseligkeiten  gegen  die  Türken  demnächst 
zu  beginnen. 

Am  12.  October  theilte  Mathias  den  am  Hofe  anwesenden  Ge- 
sandten seinen  Entschluss,  ins  Feld  zu  ziehen,  mit,  und  stellte  als  erste 
Aufgabe  des  Feldzuges  die  Einnahme  von  Szabacs  hin,  das  seit  der 
Erbauung  wesentlich  verstärkt  worden  war.  Bald  darauf  setzte  sich 
Mathias  mit  einem  Theile  seines  Heeres  —  10.000  Mann,  in  vier  Le- 
gionen abgetheilt  —  und  mit  dem  erforderlichen  Belagerungsmateriale 
in  Bewegung.  Noch  im  December  traf  er  in  Belgrad,  in  den  ersten 
Tagen  des  Jänners  1476  vor  Szabacs  ein.  wo  die  Belagerungsarbeiten 
sogleich  in  Angriff  genommen  wurden. 

Szabacs  hatte  von  der  Save  gespeiste  Wassergräben,  hinter  welchen 
sich  mit  Flechtwerk  verkleidete,  mächtige,  steilgeböschte  Erdwälle  er- 
hoben, denen  das  alte  kleine  gemauerte  Castell  als  Rückhalt  diente. 
Mit  Geschützen  war  die  Festung  reichlich  versehen;  1200  auserlesene 
Janitscharen  lagen  als  Besatzung  darin. 

König  Mathias  liess  seine  Truppen  sogleich  über  die  Save  setzen, 
wobei  ihm  eine  vermuthlich   auf  den  Schiffen  ans^ebrachte  Schutzvor- 


—     16.=?     — 

richtung  seiner  eig-enen  Erfindung  sehr  zu  Statten  kam/')  Die  Be- 
lagerangsarbeiten  wurden  sogleich  in  Angriff  genommen,  Batterien 
errichtet,  die  Geschütze  eingeführt  und  die  Beschiessung  begonnen. 
xVnfangs  aber  ohne  besonderen  Erfolg,  da  die  Geschosse  den  mit  Flecht- 
werk verkleideten  Erdwällen  wenig  Schaden  zufügten. 

Unterdessen  war  eine  türkische  Heeresabtheilung  zum  Entsätze 
herangezogen  und  hatte  drei  Meilen  entfernt  ein  Lager  bezogen.  Der 
König  rückte  nun  —  die  Beobachtung  der  Festung  nicht  ausser  Acht 
lassend  —  mit  seinen  P'usstruppen  aus  dem  Lager,  um  in  Schlacht- 
ordnung den  feindlichen  Angriff  abzuwarten.  Der  Gegner  fühlte  sich 
jedoch  nicht  stark  genug,  um  anzugreifen,  und  trat  noch  am  selben 
Tage  den  Rückzug  an. 

Mit  umso  grösserem  Eifer  wurde  nun  die  Belagerung  fortgesetzt. 
]\Iit  Geschützen  ausgerüstete,  mit  Mannschaft  vollgeladene  grosse  Schiffe 
wurden  bis  unmittelbar  an  die  Wälle  der  Festung  gezogen,  und  nun 
begann  der  Kampf  unter  des  Königs  persönlicher  Leitung  aus  nächster 
Nähe.  Ununterbrochen  unter  seinen  Leuten  w^eilend,  setzte  Mathias 
seine  Person  jeder  Gefahr  aus.  Als  gewöhnlicher  Soldat  verkleidet, 
fuhr  er  in  einem  Kahn  bis  an  die  Festung,  um  den  schwächsten  Punkt 
derselben  zu  erkunden;  wie  er  sich  ihr  näherte  und  die  Türken  ihn 
erkannten,  richteten  sich  alle  Geschosse  auf  ihn;  sein  Begleiter  w^urde 
erschossen,  er  selbst  aber  kehrte  unverletzt  ins  Lager  zurück.  Seine 
grossen  Schiffe  dirigierte  er  nun  selbst  in  den  Burggraben.  Die  Be- 
satzung der  Festung  kämpfte  mit  dem  Muthe  der  Verzweiflung  und 
brachte  den  Truppen  des  Königs  schwere  Verluste  bei,  manchen  Führer 
hatten  sie  unter  den  Todten  zu  beklagen.  Schliesslich  aber  ermatteten 
die  Türken  in  ihrem  Widerstände  und  öffneten  am  15.  Februar  die 
Thore  der  Festung.  Von  den  1200  Vertheidigern  zogen  nur  700  heraus 
und  baten  um  Gnade;  sie  sollen  in  des  Königs  Dienste  getreten  sein.'') 


'')  Fraknoi  sagt:  »Die  schwere  Aufgabe  des  Landeus  und  der  Hut  des  Kriegs- 
^•olkes  und  der  Schiffe  vor  den  Geschossen  der  Besatzung  erleichterte  eine  neue  Er- 
findung, deren  Gedanke  wahrscheinlich  vom  Könige  ausgieng,  von  dem  seine  Zeit- 
genossen hervorhoben,  dass  er  sich  oft  mit  Construction  neuer  Kriegsmaschinen  be- 
schäftigte. Mit  Stangen,  Pfählen  und  Ketten  wusste  er  binnen  zwei  Stunden  ein 
Schutzwerk  aufzustellen,  welches  8000  Mann,  40  Kanonen  und  zahlreiche  Mörser  auf- 
nehmen konnte.  Jetzt  wendete  er  es  zum  erstenmale  an.  Unter  seiner  Deckung  er- 
richteten die  Truppen  ihr  Lager,  stellten  die  Belagerungsmaschinen  auf  und  warfen 
Schanzen  um  die  Festung  «uf.«  Leider  bringt  Fraknöi  keine  Beschreibung  dieser 
Schutzvorrichtung,  von  deren  Vorzüglichkeit  wohl  ein  guter  Theil  in  Abzug  zu  bringen 
sein  wird. 

')  Anderen  Nachrichten  zufolge  wurde  die  ganze  Besatzung  niedergemacht. 

11* 


—     164     - 

Nachdem  Mathias  die  Ausbesserung::  und  Instandsetzuncr  der 
Festungswerke  angeordnet  hatte,  zog  sein  Heer  vor  Semendria  und 
'erbaute  bei  KuHtsch  —  gegenüber  der  Mündung  der  Morava  in  die 
Donau  —  drei  Bollwerke  aus  Holz  und  Erde,  die  bei  weiteren  Unter- 
nehmungen als  Stützpunkt  dienen  sollten.  Mit  der  Zusage,  demnächst 
wieder  beim  Heere  einzutreffen,  kehrte  er  nach  Ofen  zurück,  wo  ihm 
die  Botschafter  des  Papstes  und  Venedigs  nebst  Glückwünschen  zum 
errungenen  Sieg  auch  93.000  Goldgulden  überbrachten  und  weitere 
Beihilfe  zum  Schutze  der  Christenheit  versprachen. 

Die  Eroberung  von  Szabacs  —  an  und  für  sich  doch  nur  ein 
geringfügiger  Erfolg  nach  den  grossen  Vorbereitungen  —  sollte  nur 
das  Vorspiel  zu  grösseren  Unternehmungen  sein.  Kaum  aber  war  der 
König  nach  Ofen  zurückgekehrt,  so  wurden  seine  Gedanken  durch 
ein  Zerwürfniss  mit  Kaiser  Friedrich,  sein  Streben,  den  Papst  zu 
einem  Bündniss  gegen  denselben  zu  bewegen,  und  seine  Heiratspläne 
—  die  Vermählung  mit  Beatrix,  der  Tochter  des  Königs  von  Neapel, 
sollte  schon  im  October  stattfinden  —  so  in  Anspruch  genommen, 
dass  die  Kriegspläne  gegen  die  Türken  ganz  in  den  Hintergrund 
traten. 

Während  des  Sommers  1476  setzte  König  Mathias  zwar  seine 
Rüstungen  fort,  that  aber  wenig,  um  den  Angriffen  der  Türken  zu 
wehren  und  ihren  fortwährenden  Raubzügen  Einhalt  zu  thun. 

Der  greise  Sultan  Mohammed  sammelte  ein  Heer  bei  Adrianopel, 
zu  dem  auch  Radul  mit  9000  Walachen  stiess.  Er  wandte  sich  aber 
nicht  gegen  Ungarn,  sondern  drang  gegen  die  Moldau  vor.  Stephan, 
der  sich  gleichzeitig  um  den  Schutz  Polens  wie  Ungarns  bewarb, 
meldete  nach  Ofen,  dass  er  in  kleineren  Gefechten  und  Ueberfällen 
einzelner  Haufen  bereits  gegen  30.000  Feinde  erschlagen  habe. 
König  Mathias  versprach  auch  schleunige  Hilfe  und  rieth  dem  Woy- 
woden,  bis  zur  Ankunft  derselben  sich  in  die  Gebirge  zurückzuziehen. 
Die  Gesandtschaft,  welche  der  König  von  Polen  an  den  Sultan  schickte, 
um  ihn  vom  Eindringen  in  ein  polnisches  Vasallenland  abzuhalten, 
traf  das  türkische  Heer  schon  in  Varna,  wurde  aber  schnöde  ab- 
gewiesen. 

Des  Sultans  Heer  übersetzte  auf  fünf  Brücken  die  Donau, 
während  die  Flotte  im  Schwarzen  Meere  für  die  Verpflegung  sorgen 
und  die  Belagerung  der  Festungen  Kilia  an  der  Donaumündung  und 
Akerman  (Maurokastro)  unterstützen  sollte.  Von  Osten  fielen  gleich- 
zeitig 10.000  Tataren  in  die  Moldau  ein,  wurden  aber  bei  Akerman 
vollständig  geschlagen.     Stephan  wendete  gegen  die  Türken  dieselben 


-     165     - 

Mittel  an.  wie  im  Vorjahre:  Verheerung  der  Gegend,  Rückzug  der 
Bewohner  in  die  Wälder.  Vermeidung  grösserer  Gefechte,  Ueberfälle 
kleinerer  Abtheilungen.  Doch  wurde  er  am  26.  Juli  in  der  Nähe 
von  Roman  (»Valle  alba«  oder  »Ros-boeni«  von  den  Moldauern  und 
»Agadsch  denisi«,  d.  i.  »Waldmeer«,  von  den  Türken  genannt)  in. 
einen  heissen  Kampf  verwickelt,  der  sich  schliesslich  durch  das  persön- 
liche Eingreifen  des  Sultans  zu  Gunsten  der  Türken  wendete.  Stephan 
stürzte  auf  der  Flucht  vom  Pferde  und  konnte  nur  mit  Mühe  sein 
Leben  retten.  Von  der  reichen  Beute,  welche  den  Türken  in  die 
Hände  fiel,  wurden  die  zahlreichen  Schweineherden  den  verbündeten 
Walachen  überlassen. 

Die  Festungen  Chotzim  und  Suczawa,  wohin  die  Moldauer  sich 
zurückzogen,  wurden  von  den  Türken  vergeblich  belagert;  das  ver- 
wüstete Land  bot  aber  keine  Mittel  mehr  zum  Unterhalt  ihres  zahl- 
reichen Heeres,  und  die  Flotte,  welche  dasselbe  verpflegen  sollte,  war 
durch  Stürme  auf  dem  Schwarzen  Meere  zerstreut  worden.  Die  grossen 
Verluste  in  den  Gefechten  wurden  nun  auch  noch  durch  Hunger  und 
den  Ausbruch  der  Pest  im  türkischen  Heere  vermehrt.  Als  endlich  die 
Nachricht  von  dem  Anzüge  eines  ungarischen  Heeres  zum  Sultan 
dranir.  hob  er  die  Belasreruno^  der  Festung-en  auf  und  verliess  eiligst 
die  Moldau.  Im  Herbste  kam  endlich  Bäthory  mit  einem  beträeht- 
lichen  Heere  in  die  Moldau;  im  Verein  mit  Stephan  drang  er  Ende 
Mai  in  die  Walachei  ein,  vernichtete  ein  walachisch-türkisches  Heer 
von  18.000  Mann  und  setzte  den  grausamen  Wlad  Drakul  auf  den 
FUrstenstuhl. 

Während  des  Einfalles  der  Türken  in  die  Moldau  setzten  die 
Brüder  Alibeg  und  Iskender  Michaloghli  mit  4000  bis  5000  Mann  bei 
Semendria  über  die  Donau  und  durchstreiften  das  Banat  von  Temesvar. 
Die  dortigen  Befehlshaber,  Albert  und  Ambrosius  Nagj-,  vereinigten 
sieh  mit  dem  Commandanten  von  Belgrad  und  einigen  benachbarten 
Herren,  darunter  die  Brüder  Doczy,  und  trieben  die  Räuber  zurück. 
Unweit  von  Weisskirchen,  bei  Boczacin  (Posesena?)  wurden  die  Türken 
bis  zur  Vernichtung  geschlagen.  Alibeg  entkam  über  die  Donau,  Is- 
kender blieb  todt  auf  dem  Platze.^)  Die  von  den  Türken  mitgeschleppten 
Gefangenen  benützten  den  Ausgang  des  Gefechtes  und  fielen  über  das 
türkische  Lager  her,  in  dem  sie  so  viel  Beute  machten,  dass  selbst 
Frauen  und  Kinder,  zu  Pferde  sitzend,  noch  ein  Lastthier  forttreiben 
konnten. 


^)  Es  kann  hier  nur  ein  Ort  am  linken  Donauufer,  daher  nicht  jenes  Poczaczin. 
wo  16  Jahre  früher  Michael  Szihigyi  gefangen  wurde,  gemeint  sein. 


-     166     — 

Auch  an  der  Südwestgrenze  Ungarns  setzten  die  Türken  ihre 
Angriffe  fort.  Anfangs  Juni  fielen  bei  4500  Mann  aus  Bosnien  über 
Croatien  nach  Krain  ein.  Da  sie  bei  Rann  nicht  über  die  Save  konnten, 
zogen  sie  im  Gurkthal  aufwärts,  dann  über  Adelsberg  in  das  Wippach- 
thal bis  in  die  Nähe  von  Görz,  kamen  dann  über  Lak  nach  Laibach, 
wo  sie  in  der  Vorstadt  die  Kirche  St.  Peter  niederbrannten,  und 
kehrten  über  Gottschee  in  das  Kulpathal  und  durch  Croatien  zurück. 
Eine  Abtheilung  trennte  sich  noch  eher,  setzte  bei  Gurkfeld  auf  das 
linke  Saveufer  über,  verheerte  und  plünderte  die  Gegend  von  Mont- 
preis,  Rohitsch,  Krapina  und  Agram  zwischen  dem  15.  und  25.  Juli, 
kehrte  nochmals  um,  durchstreifte  das  Savethal  aufwärts  bis  Licliten- 
wald,  vereinigte  sich  dort  mit  einer  aus  Krain  kommenden  Schar  und 
zog  durch  Croatien  ab.  ohne  auf  Widerstand  zu  stossen. 

Noch  einen  zweiten  Einfall  hatte  Krain  in  diesem  Jahre  zu  er- 
leiden; am  12.  October  durchzogen  bei  8000  Türken  das  Land,  hielten 
sich  aber  nicht  auf.  sondern  wendeten  sich  über  Weissenfeis  nach 
Kärnten  und  erschienen,  nachdem  sie  das  für  ungangbar  gehaltene 
Grenzgebirge  mit  unsäglicher  Mühe  überschritten  hatten,  ganz  über- 
raschend in  Tarvis  und  Arnoldstein.  Ueber  Villach  drang  ein  Theil 
am  Ossiachersee  in  das  Gurkthal  vor,  während  der  andere-  längs  des 
Wörthersees  über  Klagenfurt,  wo  die  Vorstädte  niedergebrannt  wurden, 
bis  St.  Paul  und  St.  Andre  im  Lavantthale  kam.  Nachdem  sie  binnen 
fünf  Tagen  einen  grossen  Theil  von  Kärnten  ausgeraubt  und  verheert 
hatten,  zogen  sie  —  Windischgraz,  Cilli  und  Gurkfeld  berührend  — 
über  Croatien  nach  Bosnien  zurück. 

Sowohl  Kaiser  Friedrich  als  auch  die  Stände  von  Innerösterreich 
thaten  trotz  der  Einhebung  einer  grossen  Kopfsteuer  nichts  zur  Ab- 
wehr des  furchtbaren  Feindes,  gegen  welchen  nur  die  zahlreichen 
festen  Plätze  einigen  Schutz  gewährten.  Die  Bewohner  des  flachen 
Landes,  die  Bauern,  zeigten  M'egen  der  Unthätigkeit  der  Herren  und 
Stände  eine  solche  Erbitterung,  dass  sie  selbe  sogar  beschuldigten,  mit 
den  Türken  im  Einverständnisse  zu  sein:  sie  vereinigten  sich  zu  einem 
Bunde  wider  die  Herren,  und  in  einigen  Gemeinden  des  Glanthales 
kam  es  auch  zu  einem  Aufstand.  Obwohl  Croatien  durch  diese  Ein- 
fälle nicht  weniger  zu  leiden  hatte,  wie  die  Länder  des  Kaisers,  setzte 
ihnen  König  Mathias  doch  nicht  den  geringsten  Widerstand  entgegen. 

Unterdessen  kam  die  Zeit  heran,  in  welcher  König  Mathias  seine 
Vermählung  mit  Beatrix  von  Aragonien  feiern  sollte.  Am  2.  October 
stieg  Beatrix  in  Manfredonia  mit  reichem  Gefolge  zu  Schiffe,  wagte 
aber  aus  Furcht  vor  türkischen  Räubern  nicht,  in  Dalmatien  zu  landen; 


—     1Ö7     — 

sie  inusste  nach  längeren  Irrfahrten  an  der  Ostküste  Italiens  anlegen 
und  die  Reise  durch  vcnetianisches  Gebiet,  dann  durch  Krain  und 
Steiermark  fortsetzen.  Von  ihrer  Reise  in  Kenntniss  gesetzt,  durch- 
streiften türkische  Horden  die  Gegend,  um  ihrer  habhaft  zu  werden. 
So  zog  die  Prinzessin  angsterfüllt  durch  eingeäscherte  Ortschaften  und 
über  Leichen  fehler,  bis  sie  endUch  in  den  ersten  Tagen  des  November 
nach  Pettau  und  an  die  ungarische  Grenze  kam.  Hochzeitsfeierlichkeiten 
und  die  Krönung  fanden  im  December  1476  zu  Stuhlweissenburg  und 
Ofen  statt,  mit  einem  Aufwände,  als  wenn  das  Land  in  vollster  Blüthe 
gestanden  wäre,  und  nicht  unter  den  Raubzügen  der  Türken  und  unter 
unerhörtem  Steuerdrucke  geseufzt  hätte. 

Während  die  Hauptstadt  Ungarns  in  Festlichkeiten  schwamm, 
setzten  die  Türken  über  die  fest  gefrorene  Donau  bei  Semendria,  zer- 
störten die  drei  im  vergangenen  Jahre  bei  Kulitsch  errichteten  Boll- 
werke und  fielen  dann  in  Siebenbürgen  ein,  von  wo  sie  reiche  Beute 
und  Tausende  von  Gefangene»  wegschleppten. 

Zu  Beginn  des  folgenden  Jahres,  1477,  gieng  auch  die  Walachei 
wieder  an  die  Türken  verloren:  nachdem  der  grausame  Wlad  Drakul 
von  seinem  Diener  ermordet  worden  war,  setzten  sie  Radul  wieder 
auf  den  Fürstenstuhl.  Demungeachtet  unternahm  König  Mathias  keinen 
grösseren  Zug  mehr  gegen  die  Türken,  sondern  beschränkte  sich  — 
obwohl  es  an  günstigen  Gelegenheiten  zur  Ergreifung  der  Offensive 
nicht  fehlte  —  nur  auf  die  Vertheidigung  des  Reiches.  Von  Hass  und 
Ehrgeiz  getrieben,  begann  er  einen  Krieg  gegen  Westen,  der  seine 
ganze  Kraft  in  Anspruch  nahm  und  jede  Bekämpfung  des  gefähr- 
lichsten Feindes  aus  dem  Osten  —  der  Osmanen —  unmöglich  machte. 
efpcren  den  Kaiser  Friedrich. 


Neuntes  Capitel. 


Mathias  entzweit  sich  mit  Kaiser  Friedrich  III.  —  Streifztige  der  Türken.  —  Alibeg 
auf  dem  Brodfelde  in  Siebenbürgen  durch  Bathory  und  Kinisi  besiegt.  —  Neuer  Streit 
zwischen  Mathias  und  Friedrich.  —  Mathias  überfluthet  die  österreichischen  Erb- 
länder. —  Mohammed  II.  stirbt,  Bajesid  II.  setzt  die  Raubzüge  fort.  —  Waffen- 
stillstand  mit  den  Türken.  —  Mathias  stirbt  zu  Wien.  —  Wladislav  II.  in  Ungarn 
zum  König  gewählt.  —  1477  bis  1490. 

Der  Streit  um  die  böhmische  Krone  gab  Anlass  zur  Entzweiung 
des  Königs  Mathias  mit  Kaiser  Friedrich,  und  brachte  ersteren  auch 
in  Berührung  mit  dem  unzufriedenen  Adel  in  Oesterreich.  Im  August 
1476  beklagte  sich  Mathias,  dass  die  Räthe  und  Vertrauten  des  Kaisers 
ihn  der  Begünstigung  der  Türken  beschuldigten,  worauf  Friedrich  auf 
die  Thatsache  hinwies,  dass  von  Seite  Ungarns  gar  nichts  geschehe, 
um  den  Einbruch  derselben  durch  Croatien  in  die  österreichischen 
Erbländer  zu  hindern.  Bei  Fortsetzung  des  Notenwechsels  drohte 
Mathias  mit  Krieg,  wenn  der  Kaiser,  der  gegen  seinen  unbotmässigen 
Adel  mit  Ernst  auftrat  von  seinen  Schritten  gegen  denselben  nicht  ab- 
liesse.  Da  der  Kaiser  sich  durch  die  Drohung  des  ungarischen  Königs 
im  Vorgehen  gegen  den  Adel  nicht  abschrecken  Hess,  kündeten  ihm 
schon  im  Herbste  mehrere  ungarische  Hauptleute  Fehde  an.  Während 
die  Truppen  des  Kaisers  im  Verein  mit  böhmischem  Hilfsvolke  den 
Kampf  nicht  ohne  Glück  führten,  rüstete  Mathias,  und  erklärte  am 
12.  Juni  1477  dem  Kaiser  den  Krieg.  Die  Verhandlungen,  welche  von 
Seite  des  Papstes  und  Venedigs  eingeleitet  wurden,  um  einen  so  ver- 
hängnissvollen Krieg  zu  hindern,  scheiterten  an  den  geradezu  unerhörten 
Forderungen  des  Königs,  der  im  August  an  der  Spitze  eines  stattlichen 
Heeres  in  Niederösterreich  einfiel  und  das  Land  mit  Ausnahme  weniger 
Städte  in  seine  Gewalt  brachte.  Während  er  Wien  bedrängte,  erfuhr 
Mathias,  dass  die  Türken  neuerdings  durch  Croatien  nach  Krain  ein- 
gefallen, bis  Adelsberg  und  Wippach  vorgedrungen  wären,  und  überall 


-     169     - 

grossen  Schaden  angericlitet  hätten.  Im  Oetober  wiederholten  sie  ihren 
Einfall  unter  Omarbeg,  übersetzten  bei  Gürz  den  Isonzo,  schlugen  den 
venetianischen  Heerführer  Novello.  verheerten  die  Ebene  bis  zum  Taglia- 
niento  und  drangen  bis  Conegliano  vor.  Von  Venedig  aus  konnte  man 
die  brennenden  Orte  wahrnehmen.  Am  2.  November  zog  die  ganze 
venetianische  Macht  aus  Venedig  aus.  um  den  Feind  zu  verjagen,  der 
sich  aber  früher  schon  mit  Zurücklassung  von  Ruinen  über  den  Isonzo 
zurückgezogen  hatte.  Gleichzeitig  machten  die  Ungarn  unter  Jörg  von 
Zagorien  einen  Einfall  in  Steiermark. 

Da  sowohl  Papst  Sixtus  IV..  wie  auch  Venedig  mit  der  Entziehung 
der  Subsidien  drohten,  wenn  Mathias  seine  Macht  nicht  gegen  die 
Türken  kehrte,  so  schien  dem  König  der  Friede  ebenso  wünschens- 
wert wie  dem  Kaiser;  es  kam  daher  im  December  1477  zu  einem 
Friedensschluss,  in  dem  sich  letzterer  zu  dem  demüthigenden  Zu- 
geständnisse, Mathias  mit  Böhmen  zu  belehnen,  herbeilassen  musste. 

Nachdem  Mathias  Oesterreich  geräumt  hatte,  bewilligte  ihm  der 
Reichstag  in  Ofen  im  Februar  1478  ganz  unerhört  grosse  Steuern  und 
das  Recht,  im  Nothfalle  das  Nationalheer  fast  gegen  jeden  denkbaren 
Feind  aufzubieten. 

Da  Venedig  mit  den  Türken  ernstliche  Friedensverhandlungen 
pflog,  und  Mathias  die  Entziehung  der  Subsidien  demnächst  gewärtigte. 
zog  er  die  Besatzungen  aus  den  Grenzfestungen  des  westlichen  Croatien 
zurück,  um  den  Venetianern  seine  Unentbehrlichkeit  zu  zeigen.  Die 
Türken  benützten  diese  Gelegenheit  auch  gleich;  unter  ihrem  Anführer 
Michaloghli  ergossen  sich  die  Renner  über  Dalmatien  und  Croatien, 
und  erschienen  unmittelbar  vor  der  Sommerernte  am  Isonzo.  Da  sich 
aber  der  venetianische  General  Karl  von  Montone  nicht  aus  seinen 
Verschanzungen  herauslocken  Hess,  als  sie  den  Fluss  bei  Gradiska 
überschritten,  zogen  sie  durch  das  Canalethal  gegen  Kärnten  ab.  Am 
26.  Juli  kamen  sie  über  den  Predilpass  und  —  des  Weges  unkundig  — 
wieder  über  Weissenfeis  nach  Tarvis.  •  Bei  Goggau  zerstreuten  sie 
3000  Bauern,  die  dort  eben  versammelt  waren,  um  sich  gegen  die 
drückende  Besteuerung  aufzulehnen.  Durch  mehrere  Wochen  verblieben 
die  Raubscharen  in  Kärnten,  verwüsteten  das  Gailthal  und  das  obere 
Drauthal,  durchstreiften  das  Gurkthal  bis  Friesach.  das  Zollfeld,  die 
Gegend  am  Wörthersee,  und  kehrten  endlich  durch  das  südliche 
Steiermark  an  Cilli  vorüber  und  durch  Croatien  nach  Bosnien  zurück. 
Es  war  für  die  Innerösterreicher  kein  Trost,  dass  Peter  Zrinyi  die 
zurückkehrenden  Raubscharen  bei  Jajcze  überfiel  und  fast  aufrieb,  sie 
wurden  dadurch  auch  nicht  abgeschreckt,  denn  im  nächsten  Jahre  (1479) 


—     170     — 

Aviederholten  sie  den  Einfall.  Als  eben  in  Nedelitsch  bei  Plankenbnrg: 
Jahrmarkt  abgebalten  wurde,  erschien  am  24.  August  ganz  überraschend 
eine  aus  Bosnien  herüber  gekommene  Raubschar,  die  plündernd  und 
mordend  über  das  anwesende  Landvolk  herfiel,  einen  als  Zollamt 
dienenden  Thurm  mit  50  Mann  Besatzung  erstürmte,  dann  über  Pettau 
und  Luttenberg,  das  niedergebrannt  wurde,  nach  Ungarn  zog  und  bis 
an  die  Raab  vordrang.  Zapolya  und  Zrinyi.  die  gerüstet  an  Oesterreichs 
Grenze  standen,  um  dort  Steuern  einzutreiben,  setzten  der  plündernden 
Horde  nach,  erreichten  aber  nur  einen  bei  3000  Mann  zahlenden 
Haufen,  der  niedergemaclit  wurde,  während  die  anderen  mit  Tausenden 
von  Gefangenen  über  die  von  der  Sommerhitze  fast  ausgetrocknete 
Drau  und  Save  entkommen  waren. 

Im  Osten  Ungarns  trugen  sich  indessen  auch  wichtige  Ereignisse 
zu.  Als  Alibeg  im  Sommer  1479  bei  Semendria  ein  Heer  von  40.000  Mann  *) 
sammelte  und  einen  Einfall  nach  Siebenbürgen  plante,  schlössen  sich 
ihm  auch  die  Walachen  an,  so  dass  er  sich  Ende  September  schon 
stark  genug  fühlte,  sein  Vorhaben  auszuführen.  Die  Zahl  der  türkischen 
Heerführer,  welche  sich  um  Alibeg  sammelten,  wird  mit  zwölf  ange- 
geben, darunter  Hassanbeg.  Isakbeg,  Iskenderbeg  und  Balibeg.  durchaus 
von  früheren  Raubzügen  her  wohlbekannte  Nam_en. 

Alibeg  führte  sein  Heer  bei  Orsowa  über  die  Donau  und  über 
den  Eisernen  Thorpass  bei  Varheli  nach  Siebenbürgen.  Das  Hatszeger. 
das  Strellthal  und  den  Brooser  Stuhl  durchziehend  und  verheerend, 
drang  er  so  eilig  im  Marosthal  aufwärts,  dass  Stephan  Bathory,  der 
Woywode  von  Siebenbürgen,  kaum  Zeit  fand,  das  Aufgebot  des  Landes 
bei  Hermannstadt  zu  sammeln.  Paul  Kinizsi,  der  Ban  von  Temesvar. 
dem  der  Einbruch  der  Türken  nicht  verborgen  bleiben  konnte,  sagte 
Bathory  seine  Hilfe  zu  und  brach  mit  seinem  Banderium  sogleich  gegen 
Siebenbürgen  auf  Als  Bathory  über  Mühlbach  (Szäszsebes)  heranzog, 
war  Alibeg,  der  keine  Ahnung  davon  gehabt  zu  haben  schien,  dass 
Kinizsi  sich  ihm  im  Marosthal  näherte,  schon  im  Begriffe,  mit  reicher 
Beute  und  einer  Unzahl  Gefangener  auf  demselben  Wege,  den  er  ge- 
kommen  war,  zurückzukehren. 

Alibeg,  der  auf  dem  Brodfelde  westlich  des  Kudsirbaches  ein 
Lager  bezogen  hatte,  sah  am  Morgen  des  13.  October  auf  den  gegen- 

')  Die  Angaben  über  die  Stärke  des  türkischen  Heeres  sind  sehr  verschieden. 
Dingos  gibt  100.000,  die  Kronstädter  Inschrift  65.000,  Bonfinius  und  Olahus  60.000, 
osmanische  Geschichtsschreiber  gar  nur  30.000  an.  Mathias  selbst  erwähnt  in  einem 
Schreiben  an  den  Papst,  dass  ungefähr  43.000  Türken,  denen  alles  walachische  Volk 
sich  angeschlossen  habe,  den  Einfall  machten.  Geschütze  scheinen  von  keiner  Seite 
mitgeführt  worden  zu  sein. 


—     171     - 

Schlacht  auf  dem  Brodfelde,  13.  October  1479. 


Ä  Bathory's  Truppen. 
B  Kinizsi's  Truppen. 


Schichten  höhe^Orri' 


C  Angriff  der  Türken. 
D  Lager  der  Türken. 


£j  Kapelle  zum  Andenken  an  die  Schlacht,  jetzt  verfallen. 


über  liegenden  Höhen  die  Truppen  Bathory's  erscheinen  und  fand 
nothwendig,  zur  Deckung  seines  ferneren  Rückzuges,  besonders  aber, 
um  zur  Fortbringung  seiner  Beute  Zeit  zu  gewinnen,  stehenzubleiben. 
Das  Brodfeld  (Kenyermezö),  eine  fruchtbare  Ebene  an  der  Maros 
zwischen  den  Orten  Ober-  und  Unter-Brodsdorf  (Fei-  und  Al-Kenyer) 
und  Benczencz.  ungefähr  auf  halbem  Wege  zwischen  Mühlbach  und 
Broos  (Szäszvaros)  gelegen,  wird  östlich  vom  Kudsirbach  begrenzt, 
dessen  rechtes  Ufer  im  oberen  Theile  von  einer  leichten  Erhebung: 
begleitet  wird.  2000  Schritte  östlich  von  Unter-Brodsdorf  liest  Ballendorf. 


—     172     - 

das  im  Norden  und  Osten  von  einer  Krümmung  des  Marosflusses  um- 
geben ist. 

Als  Bätliory  jenseits  des  Kudsirbaclies  das  türkische  Lager  er- 
blickte, bereitete  er  sich  zum  Kampfe  vor.  Bevor  er  seine  Truppen 
zur  Schlacht  ordnete,  liess  er  eine  Messe  lesen  und  befahl  dem  Priester, 
seinen  Kriegern  das  heilige  Abendmahl  zu  reichen.-)  Den  Kudsirbach 
vor  sich,  standen  bei  Ballendorf,  mit  dem  rechten  Flügel  an  die  Maros 
gelehnt,  die  Sachsen  —  bei  4000  Mann,  darunter  600  Reiter  unter 
Führung  des  Hermannstädter  Bürgermeisters  Georg  Hecht  —  die  im 
Angesichte  der  zerstörten  Wohnstätten  ihrer  Stammesgenossen  um  die 
Ehre  des  Kampfes  in  den  Vorderreihen  baten;  zu  ihrer  Unter- 
stützung —  ein  zweites  Treffen  bildend  —  Siebenbürger  Walachen. 
Den  linken  Flügel,  auf  der  Erhöhung  des  Kudsirbaclies,  von  Laserate 
gegen  Ober-Brodsdorf  zu.  bildeten  Ungarn,  darunter  das  Banderium 
des  Bischofs  Ladislaus  Gereb;  im  ersten  Treffen,  hinter  ihnen,  die 
Szekler  unter  ihrem  Grafen  Anton  Kendy.  In  der  Mitte,  hinter  beiden 
Flügeln,  stand  Bäthory  selbst,  mit  den  schwerbewaffneten  Reitern. 

Auch  die  Türken  ordneten  ihre  Haufen  zur  Schlacht;  die  vielen 
Anführer,  unter  sich  uneinig,  verzögerten  die  Aufstellung.  Als  endlich 
drei  Stunden  vergangen  waren  und  Bäthory's  Truppen  unthätig  den 
Türken  gegenüberstanden,  gab  dieser  —  das  Eintreffen  Kinizsi's  binnen 
einer  Stunde  mit  Sicheidieit  gewärtigend  —  den  Befehl  zum  Angriff'. 
Mit  grosser  Tapferkeit  eröffneten  die  Sachsen  den  Kampf,  lange  Zeit 
war  der  Sieg  zweifelhaft,  endlich  konnten  sie  aber  den  wuchtigen  An- 
griffen der  Gegner  nicht  widerstehen  und  wandten  sich  zur  Flucht. 
Ihrer  viele  wurden  am  Ufer  der  Maros  erschlagen,  andere  verwundet, 
und  da  sie  nicht  fliehen  konnten,  in  das  Wasser  gedrängt.  Ein  Theil 
zog  sich  auf  die  Walachen  zurück,  die  nach  tapferem  Widerstand  der 
Uebermacht  weichen  mussten  und  in  nicht  geringer  Zahl  in  den  Wellen 
der  unmittelbar  dahinter  fliessenden  Maros  ihr  Grab  fanden. 

Auch  Bäthory's  linker  Flügel  hatte  dem  Anprall  des  Gegners 
nicht  widerstehen  können,  er  begann  mit  grossen  Verlusten  zu  weichen 
und  zog  sich  —  von  den  Türken  überflügelt  —  gegen  das  Centrum 
zurück. 

Nun  rückte  Bäthory  zur  Rettung  seiner  beiden  Flügel  mit  der 
in  geschlossener  Ordnung  aufgestellten  schweren  Reiterei  vor.  Als  er 
beim  Aufbruch  sein  Pferd  antrieb,  stürzte  es  mit  ihm;  diesen  Unfall 
als  übles  Zeichen  deutend,  rietli  ihm  seine  Umgebung  zurückzukehren 

'-)  In  Ermanglung  einer  genügenden  Zahl  von  Hostien  soll  geweihte  Erde  aus- 
getheilt  worden  sein. 


—     173     - 

oder  sich  in  das  Gebirge  zurückzuziehen.  Er  liess  sich  aber  nicht  ab- 
lialten  und  Avarf  sicli  an  der  Spitze  seiner  Reiterschar  mit  solcher 
Wuth  auf  den  Feind,  dass  dessen  erste  Reihen  in  wenigen  Augen- 
blicken niedergehauen  auf  dem  Platze  lagen.  Alibeg.  das  siegreiche 
Vorgehen  Bäthory's  wahrnehmend,  stellte  sich  nun  selbst  an  die  Spitze 
einer  2:ewaltig:en  Reitermasse,  um  sich  mit  Uebermacht  auf  das  feind- 
liehe  MitteltrefFen  zu  werfen.  Wo  heute  der  Weg  von  Ober-Brodsdorf 
in  die  Hauptstrasse  mündet,  entbrannte  ein  wüthender  Kampf.  Einem 
W^alle  gleich  lagen  die  Leichen  um  den  bereits  aus  sechs  Wunden 
blutenden  Feldherrn,  dessen  Pferd  ihm  unter  dem  Leibe  getödtet 
worden  war.  Drei  Stunden  währte  der  Kampf,  und  die  längst  erwartete 
Hilfe  aus  dem  Banate  war  noch  immer  nicht  in  Sicht.  Schon  begann 
der  Sieg  entschiedener  sich  auf  die  Seite  der  türkischen  Uebermacht 
zu  wenden,  als  endlich  im  Rücken  des  Feindes,  auf  der  Höhe,  über 
welche  der  Weg  von  Broos  nach  Ober-Brodsdorf  führt  —  dazumal 
die  Hauptstrasse  —  die  heissersehnte  Hilfe  sich  zeigte. 

Mit  einer  nicht  unbedeutenden  Streitmacht,  unter  der  sich  zahl- 
reiche Hofleute  des  Königs  und  bei  900  Serben  unter  Demeter  Jaksic 
befanden,  traf  Paul  Kinizsi'^)  noch  zu  rechter  Zeit  ein.  An  der  Spitze 
einer  Schar  geharnischter  Reiter,  an  den  Flügeln  Schwärme  leichter 
Reiter,  sprengte  er  auf  die  Ebene  herab  und  griff  die  Türken,  die  sich 
dessen  gar  nicht  versehen  hatten,  unter  grossem  Geschrei  und  dem 
Lärm  von  Trommeln,  Trompeten  und  Pauken  an.  Diese  waren  über 
den  unerwarteten  Angriff  dermassen  erschrocken,  dass  sie  sich  anfangs 
fast  ohne  Widerstand  niederhauen  Hessen.  Kinizsi's  mächtige  Gestalt 
drang  wuthentbrannt,  über  und  über  mit  Blut  besprengt,  und  laut 
rufend  in  die  feindlichen  Reihen  ein.  Bathor}^  der  mehr  aus  den  immer 
abgeschwächteren  Angriffen  als  aus  den  ihm  geltenden,  kaum  verständ- 
lichen Zurufen  Kinizsi's  bemerkte,  dass  sein  Waffengefährte  nahe  sei, 
rief  auf  ihn,  und  dieser  warf  sich  erneut  in  das  Kampfgewühle  und 
befreite  den  Woywoden  von  dem  ihm  augenscheinlich  di'ohenden 
Untergang.^) 

•^)  Paul  Kinizsi,  einstens  Müllergeselle,  der  durch  ausserordentliche  Stärke  die 
Aufmerksamkeit  des  Königs  auf  sich  gezogen  hatte  und  in  seinem  Heere  Verwendung 
fand,  war  in  Folge  seiner  Tapferkeit  und  späterer  Entfaltung  besonderen  Feldherren- 
talentes immer  höher  gestiegen,  so  dass  er  Festungscommandant  von  Belgrad,  später 
(Jraf  von  Temesvar  und  Oberbefehlshaber  der  südlichen  Theile  des  Reiches,  endlich 
aber  auch  wegen  seiner  Thatkraft  und  ebenso  wegen  seiner  rücksichtslosen  Grausamkeit 
zum  Oberstlandrichter  ernannt  wurde,  obwohl  er  des  Lesens  und  Schreibens  un- 
kundig war. 

■*)  Das  Volkslied  hat  sich  in  Siebenbürgen  dieser  Schlacht,  die,  wie  es  scheint, 
noch  ganz    rittermässig,    ohne  Feuerwaffen,    nur  mit  dem  in  Eile   zusammengerafften 


-     174     — 

Als  sich  nun  die  Türken  von  allen  Seiten  angefallen  sahen,  er- 
griffen sie  mit  Zurücklassung  ihres  Lagers  und  aller  Beute  die  Flucht. 
Es  war  keine  Schlacht  mehr,  sondern  ein  Schlachten:  wohin  sich  die 
Türken  Avandten.  überall  folgten  ihnen  die  ergrimmten  Streiter.  Die 
nicht  auf  dem  Brodfelde  erschlagen  wurden  und  in  das  Gebirge 
flüchteten,  wurden  in  den  Thälern  und  Schluchten  vom  Landvolke  nieder- 
gemacht; geschont  wurden  nur  jene,  deren  Aussehen  den  Gewinn  eines 
reichen  Lösegeldes  erhoffen  Hess.  Alibeg  selbst,  der  Landessprache  mächtig, 
wechselte  seine  Kleider  mit  einem  Bauern  und  entkam  nach  der 
Walachei.  Bei  30.000  Türkenleichen  bedeckten  das  Schlachtfeld,  ^)  aber 
auch  8000  Ungarn  waren  gefallen  und  ausserdem  hatten  gegen  2000, 
meist  Sachsen  und  Siebenbürger  Walachen.  den  Tod  in  den  Wellen 
der  Marcs  gefunden,  deren  Leichen  erst  später  aus  dem  Wasser  ge- 
zogen wurden.  Die  zahlreichen  Gefangenen,  welche  die  Türken  zurück- 
liessen.  Avurden  ihrer  Fesseln  entledigt  und  betheiligten  sich  auch  eifriir 
an  der  nun  erfolgten  Plünderuns:  des  türkischen  Lagers. 

Da  die  einbrechende  Dunkelheit  eine  Verfolgung  des  Feindes 
ebenso  unmöglich  machte  wie  die  Rückkehr  in  die  eigenen  Lager, 
beschlossen  die  beiden  Führer,  die  Nacht  auf  dem  Schlachtfelde  zu 
verbleiben  und  die  Kriegsleute  mit  Speise  und  Trank  zu  laben,  wozu 
die  reichlichen  Vorräthe  im  erbeuteten  türkischen  Lsger  herhalten 
mussten. '^)  Am  nächsten  Morgen  zogen  Bathor}^  und  Kinizsi  trium- 
phierend in  Weissenburg  ein,  während  Bischof  Gereb  die  Leichname 
der  gefallenen  Adeligen  —  bei  200  —  auf  dem  Schlachtfelde  sammeln 
und  nach  Weissenburg  bringen  Hess.  Die  meisten  der  gefallenen  christ- 
lichen Streiter  wurden  an  der  Stelle,  wo  der  Kampf  am  heissesten 
getobt  hatte,  begraben.  Bathory  Hess  daselbst   eine  Kapelle  bauen,    die 


Volke  geschlagen  wurde,  bemächtigt,  lässt  aber  Kinizsi,  der.  auf  Bathory  eifersüchtig', 
sich  den  Sieg  allein  zuschreiben  ■wollte,  mit  der  versprochenen  Hilfe  bis  zu  dem 
Augenblicke  zögern,  in  dem  der  Feind  nur  mehr  durch  sein  Einschreiten  überwunden 
werden  konnte,  und  beschuldigte  ihn  damit,  dass  er  durch  seinen  masslosen  Ehrgeiz 
Tausende  von  tapferen  Kriegern  dem  Verderben  geopfert  habe. 

'')  Die  mit  den  Türken  eingefallenen  Walachen  sollen  sämmtlich  nieder- 
gemetzelt worden  sein. 

'')  Auch  an  Ueberfluss  von  Wein  mangelte  es  nicht,  und  als  demselben  stark 
zugesprochen  und  die  Stimmung  immer  lebhafter  wurde,  folgte  in  einem  Kreise,  dem 
aufgeschichtete  Türkenleichen  als  Bänke  dienten,  bald  Gesang  und  Tanz;  Kinizsi, 
von  den  Waffengefährten  zum  Tanze  ermuntert,  sprang  mit  gewaltigem  Anlauf  in 
die  Mitte  des  Kreises,  packte  einen  erschlagenen  Türken  mit  den  Zähnen  und  tanzte 
mit  selbem  unter  lautem  Beifall  der  Umstehenden,  die  diese  herkulische  Kraftäusserung 
wohl  mehr  bewunderten  als  belachten,  im  Kreise  herum. 


-     175     — 

—  sclion  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  dem  Verfalle  nahe  —  gegen- 
wärtig ganz  verschAvunden  ist. 'j 

Dem  König  Mathias  kam  dieser  Sieg  —  wenngleich  nur  zur 
Abwehr  erfochten  —  doch  zu  sehr  gelegener  Zeit,  um  seinen  Eifer 
für  die  kSache  der  Christenheit  in  einem  Briefe  an  den  Papst  zu  zeigen. 
dem  er  den  Vorwurf  machte,  dass  ihm  an  der  Nahrung  der  Zwie- 
tracht in  Italien  mehr  gelegen  sei,  als  an  der  Befreiung  der  Christen 
vom  osmanischen  Joche.  Da  er  beim  Papste  nur  Versprechungen  und 
keine  thatsächliche  Unterstützung  fand,  fasste  er  den  Entschluss. 
künftig,  unbeeinflnsst  von  Rom,  nur  seinen  eigenen  Eingebungen  zu 
folgen. 

Während  König  Mathias  neuerdings  mit  dem  Kaiser  in  Streit 
gerieth,  und  durch  seine  Truppen,  vom  Erzbischof  von  Salzburg  Bern- 
hard von  Rohr  gerufen,  nicht  nur  dessen  Schlösser  in  Steiermark  be- 
setzen, sondern  auch  Radkersburg,  Fürstenfeld  und  Landstrass  weg- 
nehmen Hess,  fiel  Anfangs  August  1480  auch  ein  türkisches  Heer  über 
Croatien  nach  Krain  ein.  Ein  Theil  desselben  durchstreifte  Innerkrain 
bis  Gottschee.  Reifnitz  und  Zirknitz,  während  bei  16.000  über  den 
Kankerpass  nach  Kärnten  eindrangen,  bei  Völkermarkt  die  Drau  über- 
setzten und  über  Altenhofen  und  Friesach  gegen  Neumarkt,  das  von 
1500Ungarn  besetzt  war.  zogen.  Zwischen  den  kaiserlichen  und  ungarischen 
Truppen  wurde  in  E'le  ein  Waffenstillstand  vereinbart,  der  jedoch 
keinen  anderen  Erfolg?  "-ehabt  zu  haben  scheint,  als  dass  die  Türken 
jedem  Zusammenstoss  mit  ihnen  ausAvichen.  ^)  Von  Neumarkt  zogen  die 
Türken  in  das  Murthal,  errichteten  ])ei  Judenburg  ein  Lager  und 
theilten  sich  in  mehrere  Scharen.  Eine  davon  gieng  über  Knittelfeld. 
die  andere  über  Rottenmann  nach  Leoben.  von  avo  sie  vereint  an  Brück. 
Graz    und  Radkersbur«:  vorbei    ihren  Raubzu<y  fortsetzten.    Eine  dritte 


")  Die  Kapelle,  für  deren  Instandhaltung  Bathory  dem  Brooser  Stadtrathe 
100  Goldguldcn  g'ewidmet  hatte,  stand  an  der  nordwestlichen  Ecke  der  Einfriedung- 
des  Posthauses,  wo  der  von  Ober-Brodsdorf  kommende  Weg-  in  die  jetzige  Landstrasse 
mündet.  Die  Widmung  Bäthory's  war  schon  im  17.  Jahrhundert  in  Vergessenheit 
gerathen,  die  Kapelle  anfangs  dieses  Jahrhunderts  verfallen.  Ein  Denkstein,  den  der 
reformierte  Pfarrer  von  Broos,  Nagy,  im  Jahre  1819  auf  einen  damals  noch  erkenn- 
baren Grabhügel  setzte,  fiel  dem  Fanatismus  des  Jahres  1849  zum  Opfer.  Seit  1889 
ist  auf  dem  Bahnhofe  zu  Unter-Brodsdorf  (Sibot)  vom  archäologischen  Vereine  zu 
Deva  ein  Denkstein  zur  Erinnerung  an  diese  Schlacht  aufgestellt. 

^)  Als  die  Türken  vor  Neumarkt  standen,  flehte  ein  Mann  um  Aufnahme  bei 
den  Christen,  der  angab,  er  sei  ein  Christ  und  wäre  schon  seit  vierzehn  Jahren 
gezwungen  gewesen,  mit  den  Türken  zu  ziehen.  Er  sagte,  es  wären  bei  diesem  Zuge 
bei  50.000  Mann  aus  der  Türkei  aufgebrochen,  die  sich  in  drei  Haufen,  nach  Italien, 
nach  Krain  und  nach  Kärnten,  sretheilt  hätten. 


-     176     - 

Schar  wendete  sich  von  Judenburg  südlich  nach  Kärnten,  plünderte 
das  Drauthal.  gieng  bei  Möchling  wieder  nach  Krain  und  dann  durch 
Croatien  nach  Bosnien  zurück.  Unter  einer  Unzahl  von  Gefangenen 
sollen  sich  auch  500  Priester  aus  Kärnten  befunden  haben. 

Gleichzeitig  fiel  auch  ein  Schwärm  Türken  in  die  Karstgegend 
und  nach  PViaul  ein  und  drang  bis  an  das  Canalethal  vor,  während 
Iskenderbeg  in  Dalmatien  plünderte  und  die  Venetianer  zur  Erneuerung 
der  Verträge  nothigte. 

Als  Mathias  hörte,  dass  die  nach  Innerüsterreich  eingefallenen 
Türken  sich  eben  anschickten,  mit  zahlreichen  Gefangenen  zurück- 
zukehren, zog  er  eilig  eine  kleine  Schar  zusammen,  um  den  Feind 
anzugreifen  und  die  Gefangenen  zu  befreien;  bei  Uebersetzung  der 
Drau  und  Save  durch  Hochwasser  aufgehalten,  kam  er  zu  spät.  Um 
die  Türken  aber  doch  noch  zu  züchtigen,  fiel  Mathias  selbst  noch  Mitte 
November  in  Bosnien  ein  und  bezog  bei  Jajcze  ein  Lager.  Ein  an  die 
obere  Bosna  entsendeter  Theil  des  Heeres  schlug  —  durch  fünf  Tage 
in  Gefechte  verwickelt  —  den  Pascha  von  Bosnien  und  drang  plündernd 
und  verwüstend  bis  Vrbosna  (Sarajevo)  vor.  Während  des  sorgenlos 
an<retretenen  Rückzuges  überfiel  wieder  der  Pascha  die  mit  Beute  über- 
ladenen  Truppen;  schon  waren  sie  in  Verwirrung  gebracht  und  im 
Begrifie,  die  Flucht  zu  ergreifen,  als  eine  kaum  300  Mann  starke  Rotte 
Croaten  auf  dem  Kampfplatz  erschien  und  den  Pascha  mit  solchem 
Ungestüm  anfiel,  dass  dieser  glaubte,  es  mit  der  Vorhut  des  könig- 
lichen Heeres  zu  tliun  zu  haben  und  eiligst  die  Flucht  ergriff".  Auf  solche 
Weise  gelang  es  den  ungarischen  Truppen  einer  Niederlage  zu  ent- 
gehen und  mit  Beute  beladen  in  das  Lager  zurückzukehren. 

Ermüdung  der  Leute,  schlechtes  Wetter,  das  Ausbleiben  der 
vom  Papste  und  anderen  italienischen  Fürsten  in  Aussicht  gestellten 
Fiilfe,  besonders  aber  sein  gespanntes  Verhältniss  zu  Kaiser  Friedrich, 
bewogen  König  Mathias  nach  Avenigen  Wochen  zur  Rückkehr  nach 
Agram,  ohne  dass  er  die  eroberten  Gebiete  zu  behaupten  versucht  hätte. 

Ln  Frühsommer  1480  fiel  auch  Stephan,  der  Woywode  der  Moldau, 
in  die  Walachei  ein.  Mit  Hilfe  ungarischer  Truppen  soll  er  ein 
walachisch-türkisches  Heer  von  20.000  Mann  geschlagen  haben  und 
bis  an  die  Donau  gegenüber  von  Nikopoli  vorgedrungen  sein,  ohne 
sich  aber  dort  behaupten  zu  können. ''i 


^)  Huber,  III,  260,  führt  diesen  Zug  als  von  Ungarn  ausgehend  an,  und  beruft 
sich  auf  zwei  Schreiben  der  Königin  Beatrix  an  ihren  Bruder  und  die  Herzogin  von 
Ferrara,  während  ungarische  Quellen,  auch   Fraknoi,  diesen  Zug  gar  nicht  erwähnen. 


—     177     — 

Im  Spätherbste  desselben  Jahres  hatte  auch  Iskenderbeg  Truppen 
])ei  Semendria  gesammelt,  mit  der  Absicht,  in  Ungarn  einzufallen. 
Mathias  kam  ihm  jedoch  zuvor,  indem  er  Kinizsi  mit  32.000  Mann 
in  Serbien  einfallen  liess.  Anfangs  November  brach  dieser  von  Temesviir 
auf  und  Avollte  mit  Schiffen,  welche  Ladislaus  Rozgonyi,  der  Befehls- 
haber von  Belgrad,  und  Vuk  Brankovic  herbeischaifen  sollten,  die 
Donau  bei  Rama  übersetzen.  Ein  gleichzeitig  dahin  bestimmter  Wagen- 
transport unter  den  Brüdern  Nikolaus  und  Andreas  Tököli  wurde  am 
Rande  eines  Waldes  von  einer  am  linken  Donauufer  streifenden  tür- 
kischen Horde  angegriffen,  der  Wald  in  Brand  gesteckt  und  die  Wagen 
vom  Feuer  ergriffen.  Die  Bedeckung,  100  Reiter,  war  nun  genöthigr, 
den  Kampf  im  offenen  Felde  aufzunehmen;  erst  am  Abend  zogen  sich 
die  Türken  mit  einem  Verluste  von  200  Mann  zurück,  aber  auch  die 
Ungarn  hatten  50  Mann,  darunter  Nikolaus  Tököli,  verloren.  Die 
ungarische  Flottille  wurde  nach  einem  hartnäckigen  Kampfe  mit 
türkischen  Schiffen,  von  welchen  24  in  den  Grund  gebohrt  wurden, 
glücklich  an  Semendria  vorübergebracht.  Der  jüngere  Jaksic.  zur 
Auskundschaftung  der  Gregend  ausgesendet,  begegnete  dem  Befehls- 
haber von  Golubaz;  er  trieb  ihn  zurück  und  verfolgte  ihn  bis  unter 
das  Thor  seiner  Burg,  wo  er  ihm  den  Kopf  spaltete. 

Kinizsi  übersetzte  nun  die  Donau  und  führte  sein  Heer  längs 
der  Morava  bis  Krusevaz.  wo  er  durch  12  Tage  lagerte  und  alles,  was 
den  Türken  gehörte,  verheerte.  Mit  5000  Serben  und  1000  Türken, 
die  sich  ihm  freiwillig  angeschlossen  hatten,  kehrte  er  nach  Ungarn 
zurück,  nachdem  er  noch  den  Türken  ein  Gefecht  auf  einer  Donau- 
insel geliefert  hatte.  Zum  Schutze  der  Furten  bei  Rama,  Kubin, 
Poczaczin  und  Palanka  liess  er  Verschanzungen  aufführen. 

Während  dieser  Kriegsereignisse  traf  plötzlich  die  Kunde  ein, 
dass  die  türkische  Flotte  unter  Kedük  Achmed  Pascha  in  Apulien  ge- 
landet und  20.000  Janitscharen  und  Asaben  ausgeschifft  hätte,  welche 
die  Stadt  Otranto  erstürmten,  die  Einwohner  niedermachten  und  Brin- 
disi  bedrohten.  Italien  war  von  Schrecken  erfüllt,  der  Papst  dachte 
schon  nach  Avignon  zu  fliehen.  Der  König  von  Neapel  bat  Mathias 
um  schleunige  Hilfe,  und  dieser  schickte  600  Mann  unter  Blasius 
Magyar  dahin,  während  in  Zengg  noch  1300  Reisige  auf  Schiffe  zur 
Ueberfuhr  warteten.  Kaum  vor  Otranto  angelangt,  griff  die  kleine 
Schar  ein  Fort  an,  das  die  Türken  zum  Schutze  der  Quelle,  welche 
die  Stadt  mit  Wasser  versorgte,  errichtet  hatten,  und  nahmen  es  nach 
hartem  Kampfe.  Die  Quelle  führt  seither  den  Namen  Ungarquelle.  Als 
in  der  Stadt  auch  das  Cisternenwasser  versiegte  und  die  Versuche  der 

Kupel wieser,  Ungains  Kämpfe  mit  den  Oämanen.  2.  Aufl.  12 


—     178     — 

Besatzung,  sich  der  Quelle  zu  bemächtigen,  fehlschlugen,  ergab  sich 
dieselbe  und  verliess  Anfangs  November  1481  Otranto  und  den  Boden 
Italiens. 

Am  3.  Mai  148  L  starb  der  geftirchtete  Sultan  Mohammed  II. 
Die  Fortsetzung  des  Kampfes  gegen  die  Türken  Avürde  jetzt  gerade, 
da  zwischen  den  Söhnen  Mohammed's,  Bajesid  und  Dschem,  ein  Kampf 
um  die  Herrschaft  ausbrach,  der  mit  der  Niederlage  des  letzteren 
endete,  den  grossten  Erfolg  versprochen  haben.  Dschem  war  entflohen 
und  hoffte,  die  christlichen  Mächte,  in  erster  Linie  aber  Ungarn,  zum 
Sturze  seines  Bruders  in  Anspruch  nehmen  zu  können.  Dies  verhinderte 
jedoch  die  Republik  Venedig,  die  mit  Sultan  Bajesid  freundschaftlich 
verkehrte  und  die  Internierung  Dschem's  in  einem  Castell  in  Süd- 
frankreich veranlasste. 

Während  Sultan  Bajesid  IL  im  Innern  seines  Reiches  sich  zu 
befestigen  suchte,  hörten  die  Raubzüge  der  Türken  in  die  Nachbar- 
länder nicht  auf.  Im  Jahre  1482  unternahmen  sie  einen  Streifzug  durch 
Croatien  nach  Krain,  von  wo  sie  wieder  Massen  von  Menschen  fort- 
schleppten. Im  Jahre  1483  kamen  sie  nach  Pettau,  während  ein  Haufe 
in  Kärnten  einfiel  und  das  Jaunthal  plünderte.  Durch  Verschanzungen 
bei  Lavamünd  und  Windisehgraz  suchten  sich  nun  die  Bauern  dort 
gegen  plötzliche  Einfälle  zu  schützen.  Eine  noch  im  Herbste  nach 
Bosnien  zurückkehrende  Schar  erlitt  durch  Mathias  Gereb,  den  Bau 
von  Croatien,  eine  gründliche  Niederlage. 

Dschem's  Anhänger  hatten  den  Plan,  ihn  statt  Bajesid  auf  den 
Thron  zu  setzen,  nicht  aufgegeben,  und  liessen  sich  mit  Mathias,  der 
in  der  That  ein  Heer  von  70.000  Mann  rüstete,  in  Unterhandlungen 
ein.  um  einen  Einfall  in  die  Türkei  zu  machen.  Als  sich  dieselben 
aber  zu  Ende  1483  als  imzuverlässig  erwiesen,  gab  der  König  alle 
darauf  gegründeten  Pläne  auf  und  schloss  sogar,  als  der  Sultan  selbst 
ojünstiffe  Bedingunijen  anbot,  einen  Waffenstillstand  auf  fünf  Jahre.  In 
einem  Schreiben  an  die  christlichen  Fürsten  wollte  Mathias  den  Ab- 
schluss  des  Waffenstillstandes  damit  begründen,  dass  er  allein  den  Krieg 
nicht  fortsetzen  könne,  da  ihn  jene,  welche  in  höherem  Masse  als  er 
berufen  wären,  ihre  Kraft  dem  Schutze  der  Christenheit  zu  widmen, 
sich  selbst  überlassen  hätten.  So  lange  Gott  die  Augen  der  übrigen 
Fürsten  nicht  öffne,  wäre  er  gezwungen,  zur  Wahrung  der  eigenen 
Interessen  Frieden  zu  schliessen. 

Während  Mathias  die  österreichischen  Erbländer  zum  grossten 
Theil  besetzt  hatte,  fiel  noch  gegen  Ende  October  1483  eine  türkische 
Horde    von    7000    bis  8000  Mann    in   Krain    ein    und    verheerte    der 


■     —     179    — 

das  Land  durch  13  Tage.  Als  sie  aber  mit  9000  Gefangenen  den 
Heimwe<r  antrat,  stellte  sieh  ihr  ein  christliches  Heer  aus  Croatien 
unter  dem  Ban  Lupo  Vulkovic  und  Bernhard  Frangepan  (Serben  und 
einige  krainerische  Adelige)  an  der  Una  entgegen.  Die  Türken  erlitten 
eine  vollständige  Niederlage,  nur  wenige  entkamen.  Alle  Gefangenen 
wurden  befreit  und  mit  dem  den  Geschlagenen  abgenommenen  Vieh 
in  die  Heimat  zurückgeschickt. 

Ungeachtet  des  Waffenstillstandes  fiel  auch  1484  eine  türkische 
Horde  in  Ungarn  ein.  Bei  7000  Mann  überschi'itten  bei  Semendria 
die  Donau  und  drangen  bis  Temesvar  vor,  wo  sie  am  13.  September 
von  Kinizsi  aufgehalten  und  vernichtet  wurden. 

Der  Sultan  selbst  zog  im  Mai  1484  gegen  die  Moldau,  für  die 
in  dem  mit  Ungarn  abgeschlossenen  Vertrage  nicht  vorgesehen  war. 
Mit  Hilfe  der  Walaclien  und  der  Tataren  aus  der  Krim  nahm  er  die 
festen  Plätze  Kilia  und  Akerman  ein  und  kehrte,  nach  Zurücklassung 
einer  Besatzung  in  denselben,  im  August  wieder  über  die  Donau  zurück. 
Stephan,  der  vom  Schutze  Ungarns  nichts  mehr  erwartete,  hatte  sich 
in  die  Wälder  zurückgezogen  und  unterwarf  sich  wieder  dem  Könige 
von  Polen,  der  3000  Reiter  in  die  Moldau  sandte  ■ — ■  kaum  genug,  um 
eine  türkische  Raubhorde  zu  vertreiben,  nicht  aber  die  verlorenen 
Städte  zurückzugewinnen. 

König  Mathias  beschuldigte  Bajesid,  den  Waffenstillstand  durch 
den  Ueberfall  der  Moldau,  als  eines  ungarischen  Vasallenlandes,  ge- 
brochen zu  haben,  und  verlangte  die  Räumung  von  Kilia  und  Aker- 
man. Bajesid  berief  sich  zur  Rechtfertigung  auf  den  Wortlaut  des 
Vertrages,  gab  aber  den  Befehlshabern  der  Festungen  den  Auftrag,  die 
Moldau  nicht  weiter  zu  beunruhigen.  Mathias  Hess  die  Entschuldigung 
zwar  gelten,  wendete  seinen  Zorn  aber  gegen  den  Kanzler,  den  Erz- 
bischof Vardai,  der  den  Vertrag  verfasst  hatte,  und  hielt  ihn  trotz 
Einsprache  des  Papstes  in  Gefangenschaft.^")  Als  Stephan  im  folgenden 
Jahre  Akerman  zu  überrumpeln  versuchte,  wiederholten  die  Türken 
unter  Alibeg  und  später  noch  unter  Balibeg  Malkodsch  den  Einfall  in 
die  Moldau. 

Auch  des  letzten  Restes  der  Herzegowina  bemächtigte  sich 
nun  der  Sultan,  ohne  dass  von  Ungarn  Einsprache  dagegen  erhoben 
worden  wäre. 


">)  Die  Strenge  des  Königs  mag  sich  der  Kanzler,  Erzbischof  Vardai,  wohl 
durch  die  Feindschaft  der  Königin  Beatrix  zugezogen  haben,  weil  er  bestrebt  war, 
dem  natürlichen  Sohne  des  Königs  die  Nachfolge  auf  dem  ungarischen  Throne  zu 
sichern. 

12* 


-     180    — 

Die  Unzaverlässigkeit  der  mit  den  Türken  abgeschlossenen  Ver- 
träge machten  in  Mathias  abermals  den  Wunsch  rege,  mit  Benützung 
Dschem's  einen  Angriffskrieg  gegen  die  Türken  einzuleiten;  doch 
scheiterten  alle  Versuche,  ihn  in  seine  Hände  zu  bringen,  an  dem  Wider- 
stände Venedigs.  Dschem  wurde  aus  Frankreich  nach  Rom,  später 
nacli  Neapel  gebracht,  wo  er  1495  an  Gift  starb. 

Der  mit  den  Türk?n  geschlossene  Waffenstillstand  wurde  auf 
weitere  drei  Jahre  verlängert.  Gegen  ihre  Angriffe  längere  Zeit  ge- 
sichert, nahm  Mathias  nun  den  Krieg  wider  den  Kaiser  mit  erneuter 
Kraft  auf.  Alle  Vermittlungsversuche  scheiterten  an  den  unerhörten 
Forderungen  des  Königs.  Mit  seinen  kriegsgeübten  Truppen  gelang  es 
ihm  bald,  ganz  Niederösterreich  mit  Ausnahme  weniger  Orte  in  seine 
Gewalt  zu  bringen  und  selbst  Wien  zu  erobern,  wo  er  am  1.  Juni  1485 
seinen  Einzug  hielt  und  seinen  Wohnsitz  nahm. 

Auch  Kärnten  und  Steiermark  waren  zum  grossen  Tlieil  in  den 
Händen  der  Ungarn. 

Die  im  Juni  1487  dem  Kaiser  in  Deutschland  gewährte  Hilfe 
reichte  nicht  aus,  um  den  Kampf  zur  Entscheidung  zu  bringen,  doch 
waren  beide  Theile  so  ermüdet  und  Mathias  auch  durch  andere  Pläne 
—  besonders  durch  die  Absicht,  seinem  unehelichen  Sohn  Johann 
Corvinus  die  Nachfolge  in  Ungarn  zu  sichern  i')  —  so  in  Anspruch 
genommen,  dass  es  zu  einem  Waffenstillstand  und  im  Juni  1489  zu 
öffentlichen  Friedensverhandlungen  kam.  Besonders  des  Kaisers  Sohn 
Maximilian  —  seit  16.  Februar  zum  Deutschen  König  gewählt  — .  zu 
dessen  Jagendträumen  die  Wiedereroberung  von  Constantinopel  und 
die  Vertreibung  der  Osmanen  aus  Europa  gehörte,  und  der  dabei  auf 
die  Mitwirkung  Ungarns  baute,  suchte  einen  Frieden  zu  Stande  zu 
bringen  und  wollte  selben  sogar  mit  grossen  Opfern  erkaufen.'-)  Doch 
scheiterten  die  Unterhandlungen  sowohl  an  den  Forderungen  des 
ungarischen    Königs,    als    auch    an    der   Weisreruno:    des    Kaisers,    der 


")  Die  Mutter  von  des  Königs  unehelichem  Sohne,  Johann  Corvinus,  war  eino 
Schlesierin  aus  edlem  Geschlechte,  keineswegs  aber,  wie  oft  behauptet  wird,  die 
Tochter  des  Bürgermeisters  von  Breslau.  Gelegentlich  der  Vermählung  des  Königs 
mit  Beatrix  wurde  sie  in  ein  Kloster  gesteckt.  Johann  Corvinus,  1473  geboren, 
wurde  anfangs  für  den  geistlichen  Stand  bestimmt;  später  erst,  als  Mathias  die  Hoff- 
nung auf  eheliche  Nachkommenschaft  aufgab,  reifte  der  Plan,  ihm  die  Nachfolge  auf 
den  ungarischen  Thron  zu  sichern. 

'-)  Maximilian  soll  bereit  gewesen  sein,  die  Herausgabe  der  in  Innerösterreich 
verlorenen  Plätze  selbst  durch  die  Yerzichtleistung  auf  ganz  Niederösterreich  zu 
erkaufen. 


-     181     — 

sicli  mit  Recht  den  von  seinem  Sohne  zugemutheten  Opfern  wider- 
setzte.*^) 

Während  die  Verhandlungen  noch  geführt  wurden,  erlag  Mathias, 
dessen  Gichtanfälle  sich  seit  zwei  Jahren  so  gesteigert  hatten,  dass  er 
kaum  mehr  im  Stande  war,  auf  den  Füssen  zu  stehen,  am  6.  April  1490. 
erst  im  47.  Lebensjahre,  zu  Wien  unerwartet  einem  Schlaganfalle,  ohne 
eheliche  Nachkommen  zu  hinterlassen,  und  ohne  fest  über  seine  Nach- 
folge verfü":t  zu  haben. 

In  Mathias,  dem  Sohne  des  Helden  Hunyady,  dem  aus  dem  Volke 
hervorirefrano-enen  Könige,  verehrt  das  uno^arische  Volk  den  letzten 
nationalen  Herrscher  des  Landes,  und  übersieht  nur  zu  leicht  die  vielen 
Schattenseiten,  welche  seiner  33jährigen  Regierung  anhaften.  Dass 
Ungarn  seit  Ludwig  dem  Grossen  keine  so  ansehnliche  Stellung  in 
Europa  einnahm  wie  unter  ihm,  verdankte  es  wohl  zunächst  seinem 
Heere,  dessen  Organisation  —  in  die  Zeit  des  Ueberganges  zu  einer 
anderen,  neuen  Kampfesweise  —  damals  mit  Recht  als  musterhaft  galt. 
Der  König  war  bestrebt,  das  so  theure  Süldnerwesen  mit  den  Bedürf- 
nissen der  nationalen  Vertheidigung  in  Einklang  zu  bringen;  um  es 
aber  für  seine  ehrgeizigen  Pläne  auszunützen,  musste  er  das  Söldner- 
heer auf  eine  Stärke  bringen  und  zeitweise  auch  erhalten,  welche  die 
Kräfte  Ungarns  auf  das  Aeusserste  anspannte,  ja  sogar  trotz  der  Sub- 
sidien,  die  dem  Lande  als  Vormauer  der  Christenheit  in  nicht  unbe- 
deutendem Älasse  von  Aussen  znflossen,  weit  überstieg.'*) 

Trotz  der  meist  glücklich  geführten  Kriege  mit  den  Osmanen  ist 
es  dem  König  Mathias  nie  gelungen,  einen  entscheidenden  Sieg  über 
dieselben  zu  erringen,  der  für  die  Christenheit  irgend  einen  nachhal- 
tigen Erfolg  gehabt  hätte;  seine  gross  geplanten  und  mit  allen  Mitteln 
vorbereiteten  Unternehmungen  verliefen  meist  in  kleinlichen  Erfolgen. 
Während  er  endlich  im  Westen  Länder  eroberte,  die  er  auf  die  Dauer 
doch  nicht  hätte  halten  können,  schien  er  die  Gefahr,  welche  seinem 
Stammlande  von  Osten  her  drohte,  ganz  übersehen  zu  haben.  Auch 
den  letzten  Rest  des  Einflusses  auf  die  Vasallenländer  büsste  Ungarn 
unter  Mathias  vollkommen  ein,  ein  Versuch,  dieselben  wieder  zu  ge- 
winnen, wurde  nicht  mehr  gemacht.  War  in  der  That,  Avie  Mathias  von 

'^)  Der  Kaiser  soll  auch  durch  den  Hofastrologen,  der  den  baldigen  Tod  des 
Königs  Mathias  voraussagte,  —  eine  Prophezeiung,  die  er  mit  Eücksicht  auf  den  Ge- 
sundheitszustand desselben  leicht  machen  konnte  —  in  der  Weigerung,  auf  die 
Friedensvorschläge  einzugehen,  bestärkt  worden  sein. 

'^)  Den  Kern  des  ungarischen  Heeres  bildete  die  von  ihm  errichtete  schwarze 
Legion,  die  ihren  Namen  von  ihrer  Rüstung  herleitete. 


—     182     — 

sicli  selbst  riüimte,  sein  Blick  stets  auf  die  ihm  gewissermassen  als 
Erbschaft  zufallende  Mission  —  die  Verth eidig ung  Ungarns  und  damit 
auch  der  gesammten  Christenheit  gegen  das  Fortschreiten  der  osmani- 
schen  Macht  —  gerichtet,  und  glaubte  er  in  der  Vereinigung  der 
österreichischen  Erbländer  mit  Böhmen  und  Ungarn  zu  einem  neuen 
Staatengebilde  das  Mittel  gefanden  zu  haben,  um  den  Osmanen  wider- 
stehen und  endlich  ihre  Macht  brechen  zu  können,  so  war  die  Schwächung- 
Ungarns  nach  anderer  Richtung  hin  nicht  der  Weg,  um  das  zu  er- 
reichen. Nur  ein  starkes,  kräftiges  Ungarn  hätte  eine  dauernde  An- 
ziehune:skraft  für  die  schon  weiter  vorgeschrittenen  westlichen  Nachbar- 
länder  bieten  können. 

Der  äussere  Glanz  seiner  Regierung  sowie  die  klägliche  Er- 
scheinung  seiner  Nachfolger  machte  im  Lande  vergessen,  dass  er  auch 
im  Volke  einer  allgemeinen  Beliebtheit  sich  keineswegs  erfreute.  Wie, 
kein  König  früher  verstand  er,  willkürlieh  zu  regieren  und  sein  Volk 
für  seine  ehrgeizigen  Pläne  auszunützen.  Auch  die  Unterstützung,  die 
er  —  der  humanistischen  Strömung  seiner  Zeit  folgend  —  der  cul- 
turellen  Entwicklung  Ungarns  zu  Theil  werden  Hess,  kam  der  natio- 
nalen Cultur  des  Landes  wenig  zu  Gute  und  verschwand  in  den  nach- 
folgenden Kriegen  fast  spurlos. 

Der  Leichnam  des  Königs  wurde  von  Wien  nach  Stuhlweissen- 
burg,  der  Begräbnissstätte  der  ungarischen  Könige,  überführt  und  dort 
unter  kriegerischen  Ehren,  wie  sie  nie  zuvor  einem  Könige  erwiesen 
wurden,  beigesetzt.  Kaum  waren  aber  die  Trauerfeierlichkeiten  vorüber, 
so  waren  auch  die  Gefühle  der  Pietät  für  den  verstorbenen  Herrscher 
verwischt. 

Die  verwitwete  Königin  gieng  darauf  aus,  sich  einen  Gatten,  mit 
dem  sie  den  Thron  theilen  konnte,  zu  suchen;  die  Magnaten  —  ihrer 
dem  verstorbenen  König  gegebenen  Versprechungen  uneingedenk  — 
boten  ihre  Dienste  fremden  Thronbewerbern  an,  und  unter  ihnen  war 
es  Stephan  Zapolya,  der  Statthalter  von  Oesterreich,  der  vom  einfachen 
Trabantenhauptmann  sich  zum  Feldherrn  hinaufgeschwungen  und 
seinen  Reichthum  wie  seine  Stellung  der  Gnade  des  Königs  zu  ver- 
danken hatte,  der  gleich  nach  dem  Tode  seines  Gebieters  einen  Aufruf 
versandte,  in  dem  er  die  Ungarn  aufforderte,  sich  aus  der  bisher 
erlittenen  Bedrückung  aufzuraffen  und  ihre  alten  Freiheiten  wieder 
herzustellen. 

In  Ungarn  traf  man  Vorbereitungen,  um  den  als  erledigt  an- 
gesehenen Thron  auf  dem  für  Juni  1490  ausgeschriebenen  Landtag  zu 
besetzen.    Auf   Zäpolya's    Rath,    auf   dessen    Treue    und    Einfluss    der 


—     183     — 

verstorbene  König  zumeist  baute,  um  die  Wahl  seines  unehelichen 
Sohnes  durchzusetzen,  wurde  der  unter  den  Throncandidaten  vielleicht 
unfühi^-ste  —  König  Wladislav  von  Böhmen  —  zum  König  gewählt. 
Beatrix,  welche  selbst  nach  der  Herrschaft  strebte  und  die  Krone 
ilirem  Stiefsohn  nicht  gönnte,  unterstützte  die  Wahl  Wladislav's  in  der 
Hofifuung,  dass  er  sie  ehelichen  werde. i^)  Johann  Corvinus  hatte  nicht 
die  Energie  seines  Vaters,  der  ihm  den  Weg  zum  Throne  geebnet  zu 
liaben  glaubte,  und  verzichtete  darauf  nach  kurzem  Widerstände. 
Johann  Albert,  Wladislav's  jüngerer  Bruder,  fiel,  von  seiner  Mutter 
aufgemuntert,  mit  polnischen  Truppen  in  Ungarn  ein.  wurde  aber  bald 
zurückgewiesen.  Maximilian  machte  nach  Wiedereroberung  Nieder- 
österreichs, gestützt  auf  sein  Erbrecht,  den  Versuch,  mit  Waffengewalt 
sich  des  ungarischen  Thrones  zu  bemächtigen,  der  Versuch  scheiterte 
aber  an  der  Unbotmässigkeit  seiner  Landsknechte.  Maximilian  wollte 
den  P^eldzuo:  im  nächsten  Sommer  wiederholen,  rausste  dies  aber  unter- 
lassen,  da  ihm  Kaiser  Friedrich  die  nöthige  Hilfe  nicht  gewähren 
konnte.  Ende  des  Jahres  1491  kam  es  zu  einem  Frieden  zwischen 
Maximilian  und  Wladislav,  in  welchem  letzterer  die  Erbberechtigung 
MaximiHan's  anerkannte,  im  Falle  er  selbst  kinderlos  sterben  sollte- 
Nach  längerem  Widerstände  wurde  dieser  Friede  auch  von  den  unga- 
rischen Ständen  anerkannt,  jedoch  nicht  ohne  die  königliche  Gewalt 
noch  mehr  einzuschränken,  als  dies  durch  die  Wahlcapitulation  früher 
ohnedies  schon  geschehen  war. 

Der  dreijährige  Waffenstillstand,  den  noch  König  Mathias  mit 
dem  Sultan  abgeschlossen  hatte,  lief  im  Jahre  1491,  bevor  die  Ver- 
handlungen mit  Maximilian  abgeschlossen  waren,  ab.  Um  nun  eine 
Verlängerung  auszuwirken,  gieng  Emerich  Czobor  nach  Constantinopel. 
Aber  Sultan  Bajesid,  der  unterdessen  den  Sultan  von  Aegypten,  Katbai 
besiegt  hatte,  wollte  sich  den  bereits  offenkundigen  Verfall  der  unga- 
rischen Macht  zu  Nutze  machen.  Chadim  Suleiman,  der  Pascha  von 
Semendria,  forderte  Ujlaky.  den  Ban  von  Macso,  auf,  Belgrad  und 
die  anderen  am  rechten  Saveufer  gelegenen  festen  Plätze  zu  übergeben. 
Die  Freundschaft  des  Sultans,  der  ihn  auf  den  ungarischen  Thron 
erheben  werde,  sollte  sein  Lohn  sein.  Da  Ujlaky  dem  König  von  früher 
her  schon  feindlich  gesinnt  war,  gewährte  seine  zweideutige  Haltung 
einige  Hoffnung  des  Grelingens,  und  Bajesid  befehligte  seine  Truppen 
aus  Serbien  und  Albanien  im  März  1492  ge2:en  Belgrad,  während  der 


'"')  Beatrix  führte  jahrelang  vergeblich  Process  gegen  König  Wladislav,  weil 
er  ihr  die  Ehe  versprochen  haben  sollte,  schliesslich  zog  sie  sich  verarmt  auf  die  Insel 
Ischia  zurück,  wo  sie  1508  starb. 


—     184     — 

Ivapudanpasclia  (Befehlshaber  der  Flotte)  Goigu  Sinan.  mit  300  Schiffen 
an  der  albanesisehen  Küste  die  Ankunft  des  Sultans  erwarten  sollte. 
Da  der  Ansehlag  auf  Belgrad  den  erwarteten  Erfolg  nicht  hatte,  blieb 
der  Sultan  in  Albanien  und  verheerte  das  Land,  während  die  Truppen 
aus  Serbien  Szabacz  belagerten  und  Jajcze  sowie  mehrere  Schlösser 
in  Bosnien  bedrohten.  Kinizsi  und  der  nach  dem  Tode  des  Königs 
Mathias  aus  der  Haft  entlassene  Erzbischof  Varday  hatten  Belgrad 
und  Jajcze  mit  den  nöthigen  Vorräthen  verschen,  und  die  Besatzung 
von  Szabacz  wehrte  sich  tapfer.  Emerich  Derencseny  besiegte  einen 
beträchtlichen  Haufen  von  Türken  an  der  Una,  während  Philipp 
More,  der  Ban  von  Severin,  eine  plündernde  Türkenhorde  zerstreute 
und  seinen  Bruder  Georg  mit  zwei  Wagen  voll  Türkenköpfen  als 
Siegeszeichen  nach  Ofen  sandte. 

Die  Niederlage  dieser  ungeregelten  Horden  hinderten  den  Pascha 
von  Widdin  nicht,  mit  8000  Mann  die  Donau  zu  übersetzen  und  gegen 
Severin  vorzurücken.  Er  stiess  jedoch  auf  Kinizsi,  der  zur  Ver- 
theidigung  der  Grenze  herbeigeeilt  war.  und  wurde  geschlagen.  Leider 
schändete  Kinizsi  seinen  Sieg  durch  Grausamkeit,  indem  er  die  ge- 
fangenen Türken  unter  den  grässlichsten  Martern  sterben  Hess. 

Die  Hoffnung  des  Sultans,  Belgrad  ohne  Mühe  zu  nehmen,  war 
zwar  vereitelt,  seine  kriegerischen  Gelüste  gab  er  aber  deshalb  nicht 
auf.  Verlängerung  des  Waffenstillstandes  oder  Frieden  wollte  er  nur 
unter  der  Bedingung  gewähren,  dass  Ungarn  ihm  Ragusa  preisgebe, 
auf  die  Oberhoheit  der  Walachei  verzichte  und  seinen  Kriegsvölkern 
den  Durchzug  durch  Croatien  und  Dalmatien  nach  Deutschland  ge- 
währe. Da  Czobor,  der  bisher  vergeblich  auf  Antwort  gewartet  hatte, 
diesen  Antrag  verwarf,  gerieth  der  Sultan  in  heftigsten  Zorn,  befahl 
ihm,  sofort  abzureisen,  und  brach  selbst  nach  Sophia  auf. 

Der  Bericht  von  dem  Misserfolge  der  Gesandtschaft  gelangte 
nach  Ofen,  als  dort  die  Stände  tagten.  Der  Adel  verliess  nun  die  Stadt, 
bevor  die  eben  in  Verhandlung  stehenden  Gesetze  verkündet  wurden, 
um  sich  für  den  Feldzug  zu  rüsten.  Die  hiedurch  entstandenen  Wirren 
wurden  erst  beigelegt,  iils  die  Nachricht  von  Kinizsi's  Sieg  eintraf  und 
dadurch  die  augenblickliche  Gefahr  beseitigt  war. 

Ein  gleichzeitig  entstandener  Aufruhr  der  »Schwarzen  Legion« 
—  früher  des  Königs  Matthias  beste  Truppe  — ,  in  der  die  Bande  der 
Zucht  seit  der  Wahl  Wladislav's  vollkommen  gelockert  waren,  machte 
deren  Auflösung  nothwendig.  Kinizsi,  mit  derselben  betraut,  sammelte 
unter  dem  Vorwande  eines  Türkenkrieges  bedeutende  Streitkräfte,  mit 
denen   er    die    im    verschanzten   Lager   bei   Szegedin   stehende   Lesrion 


-     185     — 

angriff  und  nacli  hartem  Kampfe  zur  Waft'en^treckung  zwang.  Nach 
Hinrichtung  der  Rädelsführer  wurde  die  Mannschaft  unter  die  Truppen 
Kinizsi's  und  des  Pahitins  vertlieilt;  die  sich  den  Bedingungen  niclit 
fügen  wölken,  folgten  ihrem  Anführer  nach  Oesterreich.  wo  sie  —  nur 
auf  Raub  angewiesen  —  bald  vernichtet  wurden. 

Einfälle  der  Türken  nach  Kärnten  und  Krain  fanden  in  den 
Jahren  1488  und  1489  zwar  statt,  doch  scheinen  sie  ohne  Bedeutung 
gewesen  zu  sein.^")  Dagegen  fand  im  Jalire  1491  abermals  ein  Einfall 
nach  Krain  statt,  der  grosse  Verheerungen  zur  Folge  hatte.  Ohne  dass 
früher  eine  Kundschaft  aus  Croatien  gekommen  wäre,  fiel  bei  Möttling 
eine  Ttirkenhorde  ein,  die  —  da  sie  die  Save  nicht  überschreiten 
konnte  —  sich  bald  über  ganz  Unterkrain  ausbreitete,  und  die  Gegend 
bis  Gottsshee,  Reifnitz,  Auersperg  und  Laibach  gründlich  verheerte  und 
ausplünderte.  Einem  gegen  Adelsberg  vordringender  Schwärm  wurde 
durch  das  Landesaufgebot,  das  sich  im  Birnbaumer  Wald  gesammelt 
und  in  einen  Hinterhalt  gelegt  hatte,  eine  Niederlage  beigebracht. 

Im  December  1492  zeigte  Wlad,  der  Woywode  der  Walachei, 
den  Hermannstädtern  an.  dass  Sultan  Bajesid  für  Semendria  und  Widdin 
neue  Paschas  ■ —  Ali  und  den  Renegaten  Malkovic  —  ernannt  habe, 
mit  der  Absicht,  nach  Siebenbürgen  einzufallen.  Des  Einverständnisses 
mit  Ungarn  verdächtig,  wurde  Wlad  Anfangs  1493  vom  Sultan  ab- 
gesetzt und  durch  Radul  ersetzt.  Im  Februar  brachen  die  Türken  auch 
durch  den  Rothenthurmpass  in  Siebenbürgen  ein  und  plünderten  durch 
40  Tage  im  Altthal.  Der  neuernannte  Stellvertreter  des  Woywoden 
in  Siebenbürgen,  Stephan  Telegdy.  sammelte  noch  rechtzeitig  das 
Aufgebot  der  Szekler  und  Sachsen,  um  Alibeg  den  Rückweg  durch 
den-  Pass  zu  verlegen  und  brachte  ihm  eine  Niederlage  bei.  Gegen 
15.000  Türken  wurden  erschlagen  oder  gefangen,  reiche  Beute  wurde 
ihnen  absrenommen  und  viele  Gefano^ene  befreit. 


Nur  Valvasor,  XV,  bringt  Nachricht  über  diese  Einfälle. 


Zeliiites  Capitel. 


Kaiser  Friedrich  stirbt.  —  Kaiser  Maximilians  vergebliche  Bemühungen  für  einen 
Kreuzzug.  —  Neue  Einfälle  der  Türken.  —  Kiniszi's  Einfall  nach  Serbien.  —  Bajesidll. 
stirbt,  unter  Selim  I.  werden  die  Einfälle  fortgesetzt.  —  Vorbereitungen  für  einen 
Kreuzzug  arten  in  einen  Bauernkrieg  aus.  —  Zäpolya  bei  Semendria  geschlagen.  — 
König  Wladislav  II.    stirbt,  ihm.  folgt  sein  unmündiger  Sohn  Ludwig  II.  —  1490  bis 

1516. 


Kaiser  Friedrich  sollte  seinen  Gegner  Mathias  nicht  lange  über- 
leben; nach  einer  54jährigen,  sehr  wechselvollen  Regierung  starb  er 
zu  Linz  am  19.  August  1493  im  Alter  von  78  Jahren.  Nachdem  es 
ihm  gelungen  war,  die  Besitzungen  des  Hauses  Habsburg  wieder  zu 
vereinigen,  seinen  Sohn  Maximilian  als  Regenten  der  reichen  Nieder- 
lande zu  sehen  und  ihm  die  Nachfolge  im  Deutschen  Reiche  zu  sichern, 
konnte  er  auch  hoffen,  dass  seine  Nachkommen  einst  in  den  Besitz 
von  Ungarn  und  Böhmen  gelangen  würden. 

Um  dem  Fortschreiten  der  osmanischen  Macht  Einhalt  zu  thun. 
zunächst  aber  seine  eigenen  Länder  zu  schützen,  machte  Kaiser  Maxi- 
milian dem  König  Wladislav  den  Vorschlag,  im  Verein  mit  ihm  den 
Krieg  gegen  die  Türken  zu  führen.  Vom  Deutschen  Reiche,  vom  Papste, 
von  Venedig  und  auch  von  den  übrigen  christlichen  Mächten  unter- 
stützt, hoffte  der  thatenlustige  Kaiser  dem  Vordringen  der  Türken 
Halt  gebieten,  vielleicht  sogar  sie  aus  Europa  hinausdrängen  zu  können, 
während  Ungarn  allein  unter  ihrem  wenig  befähigten  und  dem  Kriege 
abgeneigten  Könige  kaum  sich  selbst  zu  schützen,  noch  das  Eindringen 
der  Türken  auf  fremdes  Gebiet  zu  hindern  vermochte.  Maximilian'* 
Vermählung  mit  Bianca  von  Mailand  hieng  mit  diesem  Plane  zu- 
sammen; ihre  Aussteuer  sollte  die  Mittel  zur  Kriegführung  bieten,  doch 
scheiterte  die  Ausführung  desselben  an  dem  Auftreten  Frankreichs 
und  an  den  Wirren  in  Italien. 


-     187     - 

Während  nun  mit  dem  ung^arischen  Kanzler  Verhandlungen  ge- 
pflogen wurden,  welcher  Theil  den  Oberbefehl  in  diesem  Kriege  führen 
sollte,  brach  Ende  August  Jakubpascha  mit  8000  leichten  Reitern  aus 
liosnien  auf.  Als  er  an  Jajcze  vorüberzog,  machte  Kanizsay  —  dessen 
Befehlshaber  -  einen  Ausfall  und  forderte  Jakubpascha  zum  Zweikampf 
auf,  was  ihm  die  Lust  zu  längerem  Verweilen  benahm.^)  Bei  Ostrozac 
übersetzte  Jakubpascha  die  Una  und  fiel  Croatien  und  Krain  durch- 
ziehend, nach  Steiermark  ein.  wo  er  die  Gegend  von  Marburg  und 
Cilli  durch  15  Tage  plünderte.  Als  Jakob  Szekely  mit  5000  Reitern 
—  Croaten  und  Krainer  — ,  welchen  deutsche  Reichstruppen  unter 
Maximilian's-^)  Führung  folgten,  sich  Jakubpascha  näherte,  zog  er 
sich  nach  Croatien  zurück.  Hier  belagerte  der  Ban  Derencsenyi  eben 
die  Burg  Brinje  (Bründl).  welcher  sich  die  Grafen  Frangepan  wider- 
rechtlich bemächtigt  hatten;  die  gemeinschaftliche  Gefahr  bewog  nun 
beide  Theile  zum  Frieden,  die  Brüder  Bernhard.  Nikolaus  und  Johann 
Frangepan  stellten  sich  unter  des  Bans  Oberbefehl,  und  ihrem  Beispiele 
folgten  Karl  Torquati,  Graf  von  Korbava,  Georg  Blaskovic  und  Peter 
Zrinyi.  Ihre  vereinte  Streitmacht  verlegte  dem  über  Modrus  zurück- 
kehrenden Feinde  den  Weg  an  einem  Passe  in  der  Nähe  vcni  Udbinje 
(Sadbar?),  der  mit  Bäumen  und  Steinen  verrammelt  wurde.  ^)  Jakub- 
pascha verhandelte  um  freien  Durchzug  gegen  Geld,  aber  der  Ban 
und  die  Frangepan  bestanden  auf  Entlassung  der  Gefangenen  und 
Herausgabe  der  Beute.  Die  Uebermacht  des  Feindes  scheuend,  wollte 
der  Ban  auf  Jakub's  Bedingungen  schon  eingehen,  aber  Bernhard  warf 
ihm  vor,  er  wolle  nur  das  Leben  seines  Sohnes  und  Bruders  schonen. 
So  kam  weder  ein  Vergleich,  noch  ein  Abzug  zu  Stande,  während 
Jakub  die  Zeit  benützte,  sich  den  Weg  frei  zu  machen.  Als  es  nun 
in  den  ersten  Tagen  des  September  zum  Kampf  kam  und  Bernhard 
seinen  Bruder  Johann  und  Blaskovic  fallen  sah.  war  er  der  Erste, 
der  sich  mit  seiner  Schar  zur  Flucht  wandte.  Bald  war  die  Verwirrung 
allgemein;  5700  Christen  wurden  erschlagen,  darunter  der  Sohn  und 
Bruder  des  Ban,  der  selbst  mit  Nikolaus  Frangepan  in  Gefangenschaft 
gerieth.  Jakubpascha  überhäufte  Derencseny  mit   Vorwürfen,   dass    er 

')  Der  türkische  Geschichtsschreiber  Seadeddin  führt  die  Ereignisse  bei  Jajcze 
an,  ohne  sie  ausführlicher  zu  schildern  (Hammer,  I,  641). 

-)  Iwolf:   »Einfälle  der  Osmanen  in  Steiermark«,  S.  207. 

'•*)  Bonfinius  nennt  den  Pass  »Sadbar  im  Gebiete  von  Modrus«,  Seadeddin  sagt 
bei  »Adbinje  im  Gebiete  von  Korbavia«,  Tubero  sagt  »Adbinja«.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  Jakubpascha  über  Sluin  und  Modrus  gegen  Udbinje  zog,  während  Derencseny 
sich  beeilte,  von  Bründl  aus  über  Otocac  ihm  den  Weg  abzuschneiden.  Die  eigent- 
liche Stelle  des  Gefechtes,  die  Lage  des  Passes,  ist  nicht  mehr  auszumitteln. 


—     188     — 

den  Frieden  g-ebrochen  habe,  indem  er  ein  Heer  ang-riö",  das  ungarisclies 
Gebiet  friedlich  durchziehen  wollte  und  nur  anderwärts  plünderte. 
Den  Gefallenen  wurden  die  Nasen  abgeschnitten  und  als  Siegeszeichen 
mit  dem  gefangenen  Ban  nach  Constantinopel  geschickt,  wo  er  —  vor 
den  Sultan  geführt  —  ungeachtet  seines  rüden  Benehmens  nicht  hin- 
gerichtet, sondern  bis  zu  seinem  Tode  auf  einer  Insel  gefangen  gehalten 
wurde.  Jakubpascha  wurde  zum  Beglerbeg  von  Rumili  ernannt  und 
mit  Ehren  überhäuft. 

Die  von  den  wiederholten  Türkeneinfällen  heimgesuchten  Land- 
striche waren  so  verarmt,  dass  die  Stände  erklärten,  das  Land  könne 
die  allgemeine  Steuer  und  Umlage  zu  Vertheidigungszwecken  nicht 
tragen.  Auch  die  croatischen  Stände  wandten  sich,  da  sie  von  Ungarn 
einen  genügenden  Schutz  nicht  erhielten,  an  Kaiser  Maximilian  und 
die  Fürsten  des  Deutschen  Reiches.^)  Maximilian  Hess  an  den  Grenzen 
bei  3000  Mann  an  Fussvolk  und  Landsknechten  zurück,  aber  weder 
ihre  Ausrüstun«:  noch  ihre  Vertheilune:  konnte  die  Türkeneinfälle  be- 
hindern.^)  Den  30.  September  1494  fielen  abermals  osmanische  Scharen 
in  Croatien  gegen  Agram  und  in  Krain  gegen  Landstrass  ein,  setzten 
über  die  Save  und  verheerten  den  Landstrich  bis  Seiz,  Windisch- 
Feistritz  und  Neustift;  in  Seiz  nahmen  sie  den  Prior  und  einige  Mönche 
gefangen,  aus  Neustift,  wo  ejjen  Jahrmarkt  war,  führten  sie  eine  Masse 
Landleute  ab.  Das  dem  Schauplatze  dieses  Türkeneinfalles  nahe  ge- 
legene Kriegsvolk  wurde  zerstreut,  und  mit  Beute  beladen  zogen  die 
Türken  wieder  über  Peilenstein  ab. 

In  Ungarn  setzte  Paul  Kinizsi.  der  zum  Erbgrafen  von  Temesvar 
ernannt  worden  war,  Anfangs  des  Jahres  1494  über  die  zugefrorene 
Donau,  erstürmte  in  der  Nähe  von  Semendria  zwei  Schlösser,  in  denen 
Alibeg  seine  durch  Raub  angehäuften  Schätze  verwahrte,  und  kehrte 
mit  reicher  Beute  und  einer  grossen  Anzahl  Serben,  die  sich  dem 
türkischen  Joche  entziehen  wollten,  über  den  Strom  zurück,  noch  be- 
vor ihn  Alibeg  erreichen  konnte. 

Zur  Besatzung  von  Belgrad  gehörte  auch  ein  beträchtlicher  Theil 
jener  Leute,  w^elche  nach  Auflösung  der  »schwarzen  Legion«  unter 
Kinizsi's  Truppen  eingereiht  wurden  —  meist  Böhmen.  Des  Einver- 
ständnisses mit  den  Türken  beschuldigt,  wurden  sie  von  Kinizsi 
durch  die  Folter  zum  Geständnisse  ffebraelit  und  mit  unerhörter  Grau- 


*)  Iwolf,  S.  208. 

^)  Unress  sagt:  Die  Landsknechte,  clie  »ein  wenig  die  Türken  wollten  schrecken«, 
wurden  gefangen  und  waren  der  Türken  Spott  durch  ihr  »schnöden  Gewand«  und 
ihre  »langen  Strenge«. 


—     189    - 

.samkeit  bestraft.^)  Bald  darauf  versucliten  auch  die  Türken,  die  von 
der  UnZuverlässigkeit  der  Besatzung  Kenntniss  haben  mochten.  Belgrad 
za  überfallen.  Nur  dem  rechtzeitigen  Einschreiten  Kinizsi's  verdankte 
man  die  Rettung  der  Stadt,  auf  deren  Mauein  schon  eine  feindliche 
Fahne  Avehte.  Der  König,  dem  nicht  mit  Unrecht  der  Vorwurf  grosser 
Sor":losi"-keit  Seemacht  wurde,  begab  sich  nach  Peterwardein.  um  der 
Gi'enze  näher  zu  sein,  und  traf  mit  dem  alten  Kinizsi  zusammen,  der 
-  obwohl  vom  Schlage  gerührt  und  kaum  mehr  der  Sprache  mächtig 
—  doch  noch  immer  von  Begierde  nach  dem  Kampfe  mit  den  Türken 
brannte. 

Nach  dem  verunglückten  Versuche,  sich  Belgrads  zu  bemächtigen, 
tielen  türkische  Horden  über  Mitrowitz  nach  Slavonien  ein.  Zur  Ab- 
wehr dieses  Einfalles  geschah  zwar  nichts,  doch  unternahm  Kinizsi 
und  der  Siebenbürger  Woywode  Dragfy.  um  ihn  zu  rächen,  noch  im 
October  mit  14.000  Mann  einen  Raubzug  nach  Serbien.  Die  Vorstädte 
Semendrias  wurden  niedergebiannt  und  14  Tage  hindurch  das  Land 
durchstreift,  ohne  auf  einen  Feind  zu  stossen,  der  sich  theils  in  die 
festen  Plätze,  theils  ins  Gebirge  zurückgezogen  hatte.  Am  1.  November 
kehrte  das  Heer  mit  grosser  Beute  an  Menschen'')  und  Vieh  nach 
Belgrad  zurück.  Der  Plan  Kinizsi's,  Semendria  noch  zu  Ijelageri», 
wurde  in  Folge  seines  Todes  aufgegeben.  An  seiner  Stelle  wurde  Josef 
Sora  zum  Temeser  Grafen  und  Capitäji  des  südlichen  Grenzgebietes 
ernannt. 

Im  Jahre  1495  wurde  der  Ban  Peter  More  mit  Friedensnnträgen 
nach  Constantinopel  gesendet.  Bajesid  war  dem  Frieden  nicht  abgeneigt 
und  bot  einen  zehnjährigen  Waffenstillstand  an;  in  eitler  Selbstüber- 
hebung gewährte  man  in  Ungarn  aber  nur  einen  -dreijährigen  unter 
der  Bedingung,  dass  »die  Osmanen  während  dieser  Zeit  weder  in 
ungarisches  Reichsgebiet,  noch  in  Kärnten,  Krain  oder  Steiermark  ein- 
fielen, dass  sie  die  von  Jakubpaseha  gefangenen  Ungarn  in  Freiheit 
setzten,  und  dass  dem  König  gestattet  wäre,  den  Waffenstillstand  noch 
vor  Ablauf  desselben  zu  verlängern  oder  nach  dreimonatlicher  Kündi- 
gung aufzidieben«.  Die  Bedingungen  des  Waffenstillstandes  Avurden 
freilich    von   beiden  Seiten    nicht   a'enau   einerehalten.  Die  un  "-arischen 


")  Kinizsi  soll  sie  durch  Hunger  gezwungen  liaben,  sich  gegenseitig  aufzufressen, 
bis  der  Letzte  dem  Hunger  und  seinen  Leiden  erlag. 

')  Die  Zahl  der  zurückgebrachten  Gefangenen,  mit  welchen  die  Ungarn  damals 
gerade  so  Handel  trieben  wie  die  Türken,  war  so  gross,  dass  ein  Weib  mit  vier  Mädchen 
um  18  Silberlinge  verkauft  wurde.  Auch  die  Beute  an  Vieh  war  so  gross,  dass  für 
fünf  Ochsen  nur  ein  Ducaten  gezahlt  wurde. 


-     190     - 

Grenzländer  sowie  die  Naclibarg;ebiete  wurden  von  kleineren  Reiter- 
scharen überschwemmt  und  ausgeplündert;  so  1497  Dalmatien,  wo 
Alibeg  der  Verschnittene  von  Cattaro  aus  mit  2O0O  Mann  an  Zara 
vorüber  nach  Friaul  einfiel,  seinen  Raubzug  bis  Raifnitz,  Zirknitz  und 
Laibaoh  ausdehnte  und  denselben  im  folgenden  Jahre  wiederholte. 

Welchen  Wert  Ungarn  noch  auf  die  Erhaltung  des  ohnehin 
schon  sehr  eingeschränkten  Besitzes  in  Bosnien  legte,  beweisen  die 
vielen  Ausgaben,  welche  um  diese  Zeit  für  die  Instandhaltung  Jajcze's 
und  der  übrigen  Schlösser  in  Bosnien  gemacht  wurden.  Das  hinderte 
aber  nicht,  dass  Jakubpascha  im  Jahre  1497  vier  bosnische  Schlösser 
eroberte.  Der  Befehlshaber  von  Jajcze,  Ladislaus  Kanizsay,  der  die 
Aufforderung  Jakub's,  die  Festung  zu  übergeben,  ab^vies.  unternahm 
mit  4000  Reitern  einen  Streifzug  nach  Serbien,  wo  er  zwei  Schlösser 
erstürmte. 

Im  Jahre  1497  fiel  plötzlich  König  Johann  Kasimir  von  Polen 
mit  80.000  Mann  in  die  Moldau  ein.  Der  Woywode  Stephan  wusste 
sich  nicht  anders  zu  helfen  und.  rief  Türken  und  Tataren  herbei;  auch 
Szekler  und  Walachen  schlössen  sich  Stephan  an.  Das  polnische  Heer 
wurde  geschlagen  und  bis  an  den  Dniester  zurückgedrängt.  Da  nun 
der  zwischen  Polen  und  der  Pforte  geschlossene  Waffenstillstand  ab- 
gelaufen war,  stand  zu  befürchten,  dass  der  Sultan  einen  Krieg  be- 
ginnen würde.  Um  seinem  Bruder,  dem  König  von  Polen,  zu  helfen, 
schickte  Wladislav  eine  Gesandtschaft  nach  Constantinopel,  welche  den 
Sultan  vom  Kriege  abhalten  sollte,  dabei  aber  Anforderungen  stellte, 
wie  sie  nur  ein  kräftigeres  Staatswesen  zu  stellen  berechtigt  gewesen 
wäre.  Als  Polen  und  Ungarn  im  August  1498  einen  Vertrag  zu  gegen- 
seitiger Hilfe  schlössen,  fielen  die  pereskopischen  Tataren,  und  noch 
im  November  Balibeg  Malkodschogli,  der  Statthalter  von  Silistria,  mit 
einem  grossen  türkischen  Heere,  ohne  dass  Stephan  es  hinderte,  durch 
die  Moldau  nach  Polen  ein  und  drang  durch  Haliz  bis  gegen  Przemysl 
vor.  Wladislav  sandte  den  Grafen  Peter  von  St.  Georgen  und  Pösing 
nach  Siebenbürgen,  um  ein  Heer  zu  sammeln,  dessen  Verwendung  aber 
überflüssig  wurde,  da  die  strenge  Kälte  des  inzwischen  eingetretenen 
Winters  das  türkische  Heer  zum  Theile  aufrieb,  während  Stephan  mit 
seinen  in  die  Tracht  der  früher  gemachten  polnischen  Gefangenen  ge- 
kleideten Kriegern  die  Niederlage  desselben  vollendete.  Nur  bei  10.000 
Türken  sollen  über  die  Donau  zurückgekehrt  sein. 

Ungarn  und  Polen  erneuten  1499  den  früheren  Vertrag  und 
sagten  sich  gegenseitig  Schutz  gegen  die  Türken  zu;  auch  die  Moldau 


-     191     — 

wurde   in    diesen  Vertrag    einbezogen    und    die  Walachei  zum  Beitritt 
aufgefordert.  Einen  wirklichen  Wert  erlangte  dieser  Vertrag  aber  nie. 
Mit  Venedig   hatte   Sultan  Bajesid    zwar    im  März  1499  Frieden 
geschlossen,  brach  denselben  aber  schon  nach  zwei  Monaten.  Während 
Iskenderpascha    im  Juni    von  Bosnien    aus    einen  Streifzug  nach  Dal- 
matien  unternahm  und  Zara  bedrohte,  schlug  der  Kapudanpascha  Daud 
Ende  Juli    bei    der    Insel  Sapienza,    unweit    Modon.    die    venetianische 
Flotte  unter  Andrea  Loredono,  und  bemächtigte  sich  ein  Landheer,  bei 
dem  der  Sultan  selbst  war,  der  Städte  Korinth  und  Lepanto.  Im  Sep- 
tember wiederholte  Iskender  seinen  Einfall  und   drang  bis  Friaul  vor. 
Mit  100.000  Reitern    übersetzte    er    nun    den  Isonzo   und  Tagliamento 
und   kam    bis    Vicenza.     Der    venetianische     Feldherr    Zanchini    sah 
ruhig  zu.  wie  die  Türken  132  Städte  in   Asche    legten  und  bei    6000 
Einwohner  fortführten.     Auch  Kärnten    blieb    von  Raubscharen    nicht 
ganz   verschont.     In    ihrer    Bedrängniss    suchte   nun   die   venetianische 
Regierung    den  König  von  Ungarn    zu  einem  Angriff  auf  die  Türken 
zu  bewegen;  ihre  Bemühungen  wurden  auch  von  Papst  Alexander  III. 
unterstützt,    der    eine  Verbindung    aller    christlichen  Mächte  anstrebte. 
Der  ungarische  Staatsrath  zeigte  sich  dem  Kriege  anfangs  wenig  geneigt, 
indem  auf  Dalmatien  hingewiesen  wurde,  dessen  Besitznahme  Venedig 
zum  Gegner  Ungarns    machte.     Die  Prälaten    waren    besonders  gegen 
den  Krieg,    da    sie    nur    eine  Erhöhung    der  Besteuerung  zu  erwarten 
hatten.  Aber  der  einflussreiche  und  ehrgeizige  Graner  Erzbischof  Thomas 
Bakacs  wollte  sich  den  Cardinalshut  verdienen,   und  der  venetianische 
Gesandte  tlieilte  reichlich  Geld  aus;  der  Krieg  wurde  also  beschlossen 
und  im  Frühjahre  löOO  vom  Reichstage  genehmigt.   Ohne  bedeutende 
Subsidien  konnte  Ungarn  aber  an  einen  Krieg  nicht  denken;  der  vom 
Papste  angebotene  Jubiläumsablass.    die  Besteuerung  der  Kirchengüter 
und  die  Kreuzzugssteuer  standen  in  Ungarn  in   schlechtem  Andenken, 
und    belasteten    doch    nur    das    ohnedies    bedrückte    Land.     Erst    am 
31.  Mai  1501    wurde    zwischen    dem  Papst,    Venedig  und  Ungarn  ein 
Bündniss    geschlossen,    demzufolge    ersterer  jährlich    40.000    Ducaten, 
Venedig  100.000  Ducaten    zahlen    und  die  Türken    zur  See  angreifen 
sollten,  während  Ungarn  den  Krieg  zu  Lande  zu  führen  hatte.   Wenn 
auch  die  Vorbereitungen  zum  Feldzug.  den  der  König  persönlich  unter- 
nehmen zu  wollen  vorgab,  schon  seit  Frühjahr  1500  getroffen  wurden, 
der  Sultan  auch  durch  seine  Agenten  hievon  unterrrichtet  war,  wurde 
der  Waffenstillstand  früher  doch  nicht  gekündigt.  An  einen  Eroberungs- 
krieg   dachte    man    nicht,    obwohl    die    Verhältnisse    nicht    ungünstig 
schienen,    da  die  Hauptmacht  des  Sultans  im  Peloponesus  festgehalten 


-     192     - 

war.  Die  Streitkräfte,  welclie  Ungarn  an  Bosniens  imd  Serbiens  Grenzen 
aufstellte,  waren  trotz  der  Subsidien  nur  geringfügig;  es  schien  dem 
König  mehr  an  diesen  als  an  dem  Kriege  selbst  gelegen  zu  sein,  der 
nun  den  Charakter  von  Raubzügen  annahm. 

Im  October  1501  drang  Kinizsi's  Nachfolger.  Som.  um  einen 
Einfall  der  Türken  zu  rächen,  mit  ungefähr  14.000  Mann  von  Belgrad 
aus  in  Serbien  ein.  plünderte  und  verbrannte  die  spärlichen  Dörfer, 
pfählte  und  röstete  die  Einwohner,  schlug  auch  ein  paar  türkische 
Heerhaufen,  die  sich  ihm  entgegenstellten,  und  nahm  1000  j\Iann  ge- 
fangen. Ebenso  wurde  einem  türkischen  Heerhaufen,  der  in  Croatien 
einfiel,  durch  Johann  Corvinus  (seit  1496  zum  drittenmale  Banus).  dem 
der  Palatin  Peter  Gereb  200  Reiter  und  zwei  Fahnen  Fussvolk  zu- 
führte, eine  vollständige  Niederlage  beigebracht  und  dessen  Lager  den 
Truppen  zur  Plünderung  preisgegeben. 

Im  Sommer  1502  belagerte  der  Sohn  Iskenderpascha's  mit 
10.000  Mann  Jajcze.  Johann  Tarczai,  der  unter  dem  Schutze  von 
4500  Mann  die  Festung  zu  verproviantieren  suchte,  griff  ihn  am  2. 
und  3.  Juli  an  und  schlug  ihn  mit  einem  Verluste  von  1000  Todtcn 
und  400  Gefangenen.^)  Die  den  Türken  abgenommenen  Geschütze 
wurden  in  die  Festung  gebracht.  Im  Herbste  fiel  Som  von  Belgrad 
aus  nach  Bosnien  ein  und  vereinigte  sich  bei  Jajcze  mit  Johann  Cor- 
vinus. Bei  der  Schwäche  der  in  Bosnien  befindlichen  türkischen  Besatzung 
erwartete  man  von  dem  dort  vereinten  ungarischen  Heere  von  mehr  als 
20.000  Mann  grössere  Erfolge  und  war  mit  Recht  enttäuscht,  als  Som 
sich  auf  den  Wiederaufbau  einiger  von  den  Türken  zerstörter  Burgen 
beschränkte.  Auch  Graf  Peter  von  Pösing.  der  Woywode  von  Sieben- 
bürgen, machte  noch  im  Herbste  einen  Einfall  nach  Bulgarien,  eroberte 
Widdin  und  soll  bis  an  die  Mauern  von  Nikopoli  vorgedrungen  sein,^) 
und  dessen  Vorstädte  eingeäschert  haben. 

König  Wladislav  hatte  sich  während  dieses  Krieges  nicht  nur 
nicht   an    die  Spitze    des  Heeres   gestellt,    sondern  verbrachte  die  Zeit 


^)  Die  jedenfalls  glaubwürdigen  Berichte  des  venetianischen  Gesandten  Giusti- 
niani  ("Huber,  III,  427 — 430)  widersprechen  den  von  den  meisten  ungarischen  Geschichts- 
schreibern zumeist  nach  Istvanfy  gebrachten  Schilderungen  der  Kriegsereignisse  dieser 
Zeit.  Der  Zug  nach  Jnjcze  kann  nicht  von  Johann  Corvin  und  nicht  schon  im  Jahre 
1500  unternommen  worden  sein.  Corvin  kann  auch  nicht  im  Herbste  1502  mit  dem 
Woywoden  von  Siebenbürgen  nach  Bulgarien  gezogen  sein.  Er  scheint  auch  bei  dem 
Zuge  Som's  nach  Bosnien  in  diesem  Jahre  nur  eine  untergeordnete  Rolle  gespielt 
zu  haben. 

^)  Dass  der  Woywode  bis  vor  Nikopoli  vordrang,  erwähnt  Istvanfv ;  es  erscheint 
dies  jedoch  wenig  glaubwürdig. 


—     193    — 

zumeist  ferne  vom  Kriegsschauplatz,  in  Böhmen.  Im  September  ver- 
mählte er  sich  mit  Anna  von  Candale,  einer  Verwandten  des  Königs 
von  Fi'ankreich.  Auf  ihrer  Reise  nach  Ungarn  über  Venedig  wurde 
die  königliche  Braut  in  Croatien  durch  den  Einfall  einer  türkischen 
Horde  erschreckt,  welche  die  Save  übersetzte,  Pozega  und  Valpo  ver- 
heerte und  die  Strasse  unsicher  machte,  auf  dem  Rückwege  aber  vom 
Befehlshaber  von  Belgrad,  Georg  Kanizsay,  erreicht  und  vernichtet 
wurde. 

So  gering  auch  die  Energie  war,  mit  der  Ungarn  den  Krieg 
führte,  so  hatte  derselbe,  da  die  Flotten  der  christlichen  Seemächte 
die  Küsten  des  Aegäischen  Meeres  beunruhigten,  und  die  Venetianer 
mit  zunehmendem  Glücke  auf  Morea  fochten,  doch  den  Erfolg,  dass 
der  Sultan  schon  im  Sommer  1502  Friedensanträge  machte,  die  Venedig 
auch  gleich  benützte,  um  einen  dauernden  Frieden  zu  schliessen. 

Ungarn,  das  die  günstigste  Zeit  zum  Siege  versäumt  hatte,  stand 
nun  dem  mächtigen  Feinde  allein  gegenüber.  Vergeblich  stellte  Kaiser 
Maximilian  zu  Glenhausen  den  Kurfürsten  die  Gefahr  vor,  welche 
Deutschland  drohte,  wenn  Ungarn  von  den  Türken  unterjocht  würde. 
Auch  von  Polen  konnte  Ungarn  eine  Unterstützung  nicht  erwarten. 
Zum  Glück  für  Ungarn  war  Bajesid  durch  dieselben  Umstände,  die 
ihn  zum  Frieden  mit  Venedig  bestimmt  hatten,  bewogen,  denselben 
auch  auf  Ungarn  auszudehnen.  Die  Verhandlungen  wurden  in 
Constantinopel  gepflogen,  beschränkten  sich  aber  auf  einen  Waffenstill- 
stand, über  welchen  der  Vertrag  am  20.  August  1503  zu  Ofen  aus- 
gewechselt wurde.  Ungarn  und  Böhmen  mit  allen  Nebenländern,  ferner 
die  Moldau  und  die  Walachei,  welche  sowohl  den  Ungarn,  als  dem 
Sultan  Dienste  leisten  und  an  beide  Tribut  entrichten  sollten,  endlich 
Ragusa,  das  unter  ungarischer  Hoheit  blieb,  dem  Sultan  aber  auch 
tributpflichtig  war,  wurden  in  den  Wafi'enstill stand  einbezogen.  Die 
damals  noch  zu  Ungarn  gehörigen  Orte  Bosniens,  Serbiens  und  der 
Walachei  —  nur  mehr  Jajcze  mit  den  dazu  gehörigen  Schlössern, 
Szabacs,  Srebrenik,  Belgrad  und  Severin  —  wurden  ausdrücklich  ge- 
nannt. Ferner  wurden  alle  Feindseligkeiten  an  der  Grenze,  alle  Ueber- 
fälle  und  Raubzüge  untersagt  und  festgesetzt,  dass  kein  türkisches  Heer 
durch  ungarisches  Gebiet  den  Weg  zum  Angriffe  anderer  Länder 
nehmen  dürfe.  Endlich  wurde  dem  römisch-deutschen  Reiche,  Polen, 
Frankreich,  Spanien,  allen  italienischen  Staaten  und  dem  Johanniter- 
orden  der  Beitritt  zum  Waftenstillstand  freigestellt.  Im  Jahre  1510 
wurde  der  Waffenstillstand  um  weitere  drei  Jahre  verlängert,  welche 
Zeit  Ungarn  zur  inneren  Kräftigung  hätte  verwenden  sollen. 

Kupelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmanen.  2.  Aufl.  13 


—     194     — 

Während  des  Königs  Hauptsorge  darin  bestand,  seinen  Erben  — 
damals  nur  seiner  einzigen  Tochter  Anna  —  die  Nachfolge  in  seinen 
Ländern  zu  wahren,  und  er  in  richtiger  Würdigung,  dass  Ungarn  allein 
dem  Andränge  der  Osmanen  nicht  widerstehen  könne,  sich  die  Unter- 
stützung Deutschlands,  insbesondere  aber  Oesterreichs,  zu  sichern  suchte, 
bot  eine  Partei,  bei  der  das  Andenken  an  die  Regierung  des  Königs 
Mathias  noch  nachhaltig  wirkte,  alles  auf,  um  die  Nachfolge  eines 
Ausländers,  besonders  aber  eines  Oesterreichers,  unmöglich  zu  machen. 
Seit  der  Sohn  eines  Johann  Hunyady  zum  König  gewählt  worden  war. 
hielt  sich  jeder  ungarische  Adelige  berechtigt,  um  die  Krone  zu  werben, 
namentlich  Avar  es  aber  Johann  Zapolya,  der  ehrgeizige  und  durch  seine 
Familienverbindungen  wie  durch  seinen  Reichthum  angesehene  Sohn 
des  Palatins  Stephan,  der  sein  Auge  auf  die  Krone  zu  richten  begann 
und,  um  auch  durch  Erbschaft  den  Anspruch  auf  selbe  zu  sichern, 
sich  um  die  Hand  der  erst  dreijährigen  Tochter  des  Königs  bewarb. 
Zwischen  der  Königin,  die  nicht  einen  EmporkömmHng  zum  Schwieger- 
sohn haben  wollte,  und  Zäpolya  kam  es  zu  einem  Zerwürfniss.  das 
sogar  die  Vertreibung  Wladislav's  fürchten  Hess.  Doch  wurde  1506 
die  Erbschaftsfrage  durch  die  Geburt  eines  Sohnes,  der  den  Namen 
Ludwig  erhielt,  für  den  Augenblick  beseitigt,  während  wenige  Tage 
darauf  die  Königin  Anna  starb. 

Dem  Kaiser  Maximilian  musste  eine  innige  Verbindung  mit 
Wladislav  auch  erwünscht  sein,  denn  nur  im  Vereine  mit  Ungarn 
konnte  er  seine  Erbländer  ^eg-en  das  Eindringen  der  Osmanen  schützen. 
Es  ist  daher  begreiflich,  dass  auch  ihm  eine  Familienverbindung,  welche 
die  Vereinigung  Ungarns  mit  den  Erbländern  —  wenn  auch  erst  in  ferner 
Zeit  —  in  Aussicht  stellte,  erwünscht  war.  Es  wurde  daher  1507,  den 
schon  früher  geschlossenen  Verträgen  entsprechend,  in  bindender  Form 
eine  Doppelheirat  zwischen  den  Nachkommen  beider  Herrscher  vereinbart. 

Als  im  Jahre  1508  zu  Cambray  der  Kaiser  mit  dem  König  von 
Frankreich  und  dem  Papste  sich  zur  Vernichtung  Venedigs  vereinigten, 
gelang  es  den  schlauen  Abgesandten  dieser  Republik,  Ungarn  von  dem 
Beitritte  zur  Liga  abzuhalten.  Ebenso  hielt  sich  Ungarn  1511  von  der 
gegen  Frankreich  gerichteten  sogenannten  heiligen  Allianz  ferne,  doch 
gaben  die  wegen  des  Beitrittes  Ungarns  gepflogenen  Verhandlungen 
den  europäischen  Mächten  Grelegenheit,  sich  von  der  Schwäche  des 
Landes  und  von  der  Unzuverlässigkeit  der  ungarischen  Staatsmänner 
zu  überzeugen. 

Unterdessen  waren  im  osmanischen  Reiche  ganz  unerwartete  Er- 
eignisse eingetreten.  Sultan  Bajesid  IL  war  alt  und  kränklich  geworden 


—     195     — 

und  bestimmte  seinen  zweiten  Sohn  Achmed  im  Jahre  1510  zu  seinem 
Nachfolger.  Bajesid's  dritter  Sohn,  Selim,  der  zwar  als  grausam  und 
tyrannisch  bekannt,  sich  doch  durch  seinen  kriegerischen  Sinn  die 
Zuneigung  des  Heeres  zu  sichern  wusste,  verlangte,  um  dem  Schau- 
platze des  demnächst  zu  gewärtigenden  Thronwechsels  näher  zu  sein, 
ein  Sandschak  in  Europa,  und  brach  auch  gleich  aus  Trapezunt  dahin 
auf,  um  sich  ein  solches  zu  erzwingen.  Um  Frieden  im  Reiche  zu  er- 
halten, ernannte  ihn  Bajesid  zum  Statthalter  in  Semendria.  Auf  die 
Nachricht,  dass  seine  Brüder  ebenfalls  gegen  Constantinopel  zögen, 
wandte  sich  Selim  gegen  seinen  Vater  und  brachte  ihn  —  obwohl 
anfangs  besiegt  —  in  Folge  der  Empörung  der  Janitscharen  dahin,  zu 
seinen  Gunsten  dem  Throne  zu  entsagen.  Bajesid  wollte  sich  nach 
seinem  Geburtsort  Demotika  zurückziehen.  Von  seinem  Sohne  ehr- 
erbietig bis  an  die  Grenze  der  Stadt  geleitet,  starb  er  aber  schon  unter- 
wegs am  dritten  Tage,  28.  April  1512,  wahrscheinlich  an  Gift,  das 
ihm  auf  Befehl  seines  Sohnes  gereicht  wurde.  Um  sich  den  Thron  zu 
sichern,  liess  Selim  seine  fünf  Neffen  und  seine  Brüder  Achmed  und 
Korkud,  nachdem  er  sie  besiegt  hatte,  hinrichten. 

Nach  Europa  zurückgekehrt,  empfieng  nun  Selim  I.  die  Gesandten 
Ungarns  und  Venedigs,  um  über  die  Erneuerung  der  Friedensverträge 
zu  verhandeln,  auf  welche  einzugehen  der  Sultan  sich  bereit  erklärte, 
da  er  seine  Herrschaft  in  Asien  ausdehnen  wollte.  Während  die  Unter- 
handlungen sich  in  die  Länge  zogen,  nahmen  die  Paschas  der  Grenz- 
provinzen die  gewohnten  Raubzüge  wieder  auf;  auch  die  österreichischen 
Erbländer  blieben  von  denselben   nicht   verschont. 

Schon  im  Herbste  1512  durchstreifte  der  Pascha  von  Bosnien 
den  ungarischen  Theil  dieses  Landes,  nahm  die  Burgen  Teschani,  Sokol 
und  Kotorsko  in  der  Bosnagegend  weg  und  fiel  in  Croatien  ein;  da- 
gegen erlitten  die  Türken  durch  Stephan  Bäthory,  Grafen  von  Temesvär, 
bei  Belgrad  eine  Schlappe.  Bathory  schickte  einen  mit  acht  Pferden 
bespannten  Wagen  voll  Türkenköpfen  an  den  König.  Auch  im  Jahre 
1513  dauerten  die  Angriffe  der  Türken  fort;  mehrere  Burgen  in  Croatien 
und  im  dalmatinischen  Binnenlande  wurden  erobert,  das  Land  bis 
gegen  Agram  und  Temesvär  ausgeraubt  und  verwüstet.  Erst  ein  Sieg, 
den  Peter  Periszlo,  Bischof  von  Veszprim  und  Ban  von  Croatien,  am 
16.  Juni  bei  Kostainicza  erfocht,  wo  die  Türken  bei  3000  Mann  ver- 
loren, wie  ein  gleichzeitig  von  Zapolya  gegen  den  Willen  und  ohne 
Wissen  des  Königs  unternommener  Zug  bis  unter  die  Mauern  von 
Semendria,  von  dem  er  mit  grosser  Beute  beladen  zurückkehrte,  ver- 
schafften  den  Ungarn  für  einige  Zeit  wieder  Ruhe.    Die   im  Voi-jahre 

13* 


-     196     - 

verlorenen  Schlösser  in  Bosnien  wurden  den  Türken  wieder  abge- 
nommen. Die  Unterhandlungen  über  einen  Waffenstillstand  hatten  noch 
immer  zu  keinem  Ergebniss  geführt,  man  war  sehr  besorgt,  dass  die 
Rüstungen  der  Türken  gegen  Ungarn  gerichtet  wären,  und  Sultan  Selim 
demnächst  einen  Zug  bis  Ofen  beabsichtige. 

Da  kam  im  März  1514  der  Erzbischof  Thomas  Bakacs,  der  wegen 
des  lateranischen  Concils  in  Rom  gewesen  war  und  sich  mit  der  Hoffnung 
geschmeichelt  hatte,  selbst  Papst  zu  werden,  nach  Ungarn  zurück,  ver- 
sehen mit  einer  Bulle  des  neuerwählten  Papstes  Leo  X.,  die  ihn  zum 
Zwecke  eines  Krieges  gegen  die  Türken  zum  Legaten  in  Ungarn  und 
ganz  Osteuropa  ernannte  und  ihn  ermächtigte,  das  Kreuz  zu  predigen. 
Im  Staatsrath  liess  nun  Bakacs,  der  versprach,  ohne  Kosten  ein  Heer 
aufzustellen,  sowie  für  einen  tüchtigen  Führer  desselben  zu  sorgen, 
die  Kreuzbulle  verlesen.  König  Wladislav  hörte  die  von  grossen  Ver- 
heissungen  strotzende  Rede  schweigend  an.  der  grösste  Theil  der  Räthe 
nahm  sie  mit  Beifall  auf.  nur  wenige  warnten  vor  den  Folgen.  Der 
Aufruf  zum  Kreuzzug  hatte  besonders  bei  den  Bauern,  welche  bei  dem 
zunehmenden  Verfall  der  königlichen  Macht  vom  Adel  immer  mehr 
bedrückt  wurden,  ganz  unerwartete  Wirkungen.  In  solchen  Massen 
strömten  sie  zusammen,  dass  den  Herren  offenbar  vor  ihnen  bange 
wurde.  Unterdessen  waren  die  Botschafter  mit  dem  neuerdings  auf 
drei  Jahre  abgeschlossenen  Waffenstillstandsvertrag  aus  Constantinopel 
zurückgekehrt,  und  Bakacs  erklärte  auf  das  Drängen  der  Masnaten 
den  Kreuzfahrern,  nachdem  man  sie  unter  einem  guten  Vor  wände  aus 
Ofen  und  Pest  entfernt  hatte,  dass  man  ihrer  Dienste  nicht  mehr  be- 
dürfe und  sie  nach  Hause  ziehen  könnten.  Die  Kreuzfahrer  (Kurutzen, 
kuroczok)  wollten  indessen  von  einem  Frieden  mit  den  Ungläubigen 
nichts  wissen,  und  begannen,  da  ihnen  auch  eine  Geldunterstützung 
zur  Heimreise  verweigert  wurde,  in  zügellosen  Haufen  auf  den  Gütern 
der  Adeligen  zu  rauben  und  zu  morden.  So  gieng  dieser  Kreuzzug 
in  einen  furchtbaren,  die  vollständige  Vernichtung  der  Adelsherrschaft 
anstrebenden  Bauernkrieg,  an  dessen  Spitze  sich  der  durch  einen  Zwei- 
kampf mit  einem  Türken  bekannt  gewordene  Szekler  Georg  Dozsa 
stellte,  über,  welcher  40.000,  nach  Anderen  gar  70.000  Menschen 
das  Leben  kostete  und  erst  nach  wiederholten  Kämpfen,  an  denen 
Zapolya  sich  hervorragend  betheiligte,  gedämpft  werden  konnte.  Der 
Adel  benützte  diesen  Aufstand  der  Bauern,  um  ihren  ganzen  Stand  in 
die  härteste  Leibeigenschaft  herabdrücken  zu  können. 

Im  Jahre  1515  kam  die  schon  früher  (1506  und  1507)  ver- 
abredete Vermählung    der  Kinder    des  Königs  Wladislav  von   Ungarn 


—     197     — 

und  der  Enkel  des  Kaisers  Maximilian  zu  Stande.  Der  ungarische 
Kronprinz  wurde  mit  des  Kaisers  Enkelin  Maria,  und  die  ungarische 
Prinzessin  Anna  mit  einem  der  Enkel  des  Kaisers  vermählt;  vollzogen 
sollte  die  Ehe  aber  erst  werden,  wenn  die  Gatten  ein  entsprechendes 
Alter  erreicht  hätten.  Es  geschah  dies  erst  im  Jahre  1521,  in  welchem 
sich  der  jüngere  Enkel  mit  Anna  verband.  Durch  diese  Verbindung 
wurde  der  Grund  zur  Grösse  des  deutschen  Zweiges  der  Habsburgischen 
Familie  gelegt. 

Zapolya,  der  die  Hoffnung,  einst  König  zu  werden,  nicht  aus  dem 
Auge  verlor,  hatte  gehofft,  wie  er  als  Sieger  über  den  Bauernaufstand 
hervorgieng,  auch  durch  einen  Sieg  über  die  Türken  sich  die  Gunst 
des  Adels  zu  erwerben  und  seine  Ansprüche  auf  die  Hand  der 
Prinzessin  Anna  durchzusetzen.  Er  hatte  daher  eigenmächtig,  ungeachtet 
des  Waffenstillstandes,  in  Gesellschaft  des  Temeser  Grafen  Emerich 
Törok  und  des  Michael  Baksy  mit  10.000  Mann  einen  Zug  nach 
Serbien  unternommen  und  die  auf  halbem  Wege  zwischen  Belgrad 
und  Semendria  gelegene  Burg  Sarno  (Isardjik)  belagert,  aber  durch 
Sinanbeg,  den  Befehlshaber  von  Semendria,  eine  Niederlage  erlitten 
und  alle  Geschütze,  die  er  von  Belgrad  mitgenommen  hatte,  eingebüsst.  '*') 
Baksy  und  ein  Bruder  desselben  hatten  den  Tod  auf  dem  Schlachtfelde 
gefunden.  In  Folge  dieser  Niederlage  wui'de  dem  Ansehen  Zäpolya's 
ein  Schlag  versetzt,  von  dem  er  sich  längere  Zeit  nicht  erholte,  and 
der  auch  Ursache  war,  dass  sich  in  Ungarn  nur  geringer  Widerstand 
gegen  die  Familienverbindung  mit  dem  Hause  Habsburg  erhob. 

Im  Herbst  1515  traf  in  Ofen  eine  Gesandtschaft  des  Sultans 
Selim  ein,  der  —  eben  im  Kriege  mit  Aegypten  begriffen  —  die  Ver- 
längerung des  Waffenstillstandes  dringend  wünschte.  Dem  friedliebenden 
König  war  die  Botschaft  höchst  willkommen,  und  das  Land  bedurfte 
des  Friedens  sehr;  dennoch  wollte  man,  ohne  die  Meinung  des  Papstes 
und  des  Kaisers  eingeholt  zu  haben,  in  dieser  Angelegenheit  nicht  ent- 
scheiden. Noch  im  vorigen  Jahre  hatte  Papst  Leo  X.  dem  König 
50.000  Ducaten  versprochen,  wenn  er  einen  grösseren  Feldzug  gegen 
die  Türken  zu  unternehmen  gesonnen  wäre,  und  20.000  Ducaten  zur 
Verstärkung  der  Grenzfestungen  geschickt.  Ausserdem  erhielt  der 
Bischof  von  Veszprim  einen  ansehnlichen  Vorrath  von  Schiessbedarf 
nebst  einigen  Kanonen,  und  er,  sowie  Stephan  Bäthory  je  2000  Ducaten. 
die  sie  zur  Vertheidigung  der  Grenze  verwenden  sollten.  Auf  die  An- 

'")  Zapolya  mag  wohl  die  Absicht  gehabt  haben,  Semendria  zu  belagern  und 
führte  deshalb  einen  grossen  Theil  der  Kriegsausrüstung  von  Belgrad  mit  sich,  deren 
Verlust  sich  später  sehr  unangenehm  fühlbar  machte. 


—     198     — 

frage,  ob  es  gerathen  wäre,  den  Waffenstillstand  mit  den  Osmanen  zu 
verlängern,  antwortete  der  Papst  am  27.  Jänner  1516,  man  möge  die 
Gesandten  jetzt  nielit  geradezu  abweisen,  sondern  mit  Worten  hinhalten 
und  Zeit  gewinnen,  da  er  hoffe,  die  christlichen  Fürsten  zu  einem 
Bündniss  wider  die  Türken  zu  vereinigen.  Der  Kaiser  —  noch  im 
Kriege  mit  Venedig  —  widerrieth  bei  den  gegenwärtigen  Umständen 
jedes  Unternehmen  gegen  die  Türken. 

Noch  dauerten  die  Unterhandlungen  und  Berathungen  über  die 
Annahme  eines  Waffenstillstandes  fort,  als  Wladislav  schwer  erkrankte. 
Im  Vorgefühle  seines  Todes  setzte  er  zu  Vormündern  seines  erst 
zehnjährigen  Sohnes  den  Papst,  den  Kaiser  und  den  König  von  Polen 
ein.  und  betraute  mit  seiner  Erziehung  den  ernsten  Johann  Bornemisza 
und  den  leichtsinnigen  Markgrafen  Georg  von  Brandenburg,  den  Sohn 
seiner  Schwester.  Am  13.  März  1516  starb  König  Wladislav  II.  im 
61.  Lebensjahre  und  im  16.  Jahre  seiner  wenig  rühmlichen  Regierung. 
Die  Anordnungen  des  verstorbenen  Königs  über  die  Vormund- 
schaft des  erst  zehn  Jahre  alten  Königs  Ludwig  fanden  in  Ungarn 
wenig  Anerkennung.  Zäpolya  wollte  die  Wahl  eines  Gubernators  durch- 
setzen, welche  Würde  er  dann  für  sich  erhoffte;  doch  traf  der  Reichstag 
mit  Uebergehung  der  Vormünder  die  Verfügung,  dass  die  Aufsicht 
über  Ludwig  wohl  Bornemisza  und  Georg  von  Brandenburg  belassen 
die  Regierung  aber  unter  dem  Vorsitze  des  königlichen  Knaben  einem 
Staatsrathe  übertragen  werde,  eine  constitutionelle  Regierungsform,  die 
dem  Staate  kaum  zum  Heile  ofereichen  konnte. 


Elftes  Capitel. 


Kaiser  Maximilian  stirbt.  —  Die  Unternehmung  eines  Kreuzzuges  wird  aufgegeben.  — 
Kaiser  Karl  V.  und  Erzherzog  Ferdinand.  —  Türkeneinfälle  trotz  des  Waffen- 
stillstandes. —  Sultan  Selim  stirbt,  Suleiman  I.  —  Szabacs  und  Belgrad  von  den 
Türken  erobert.  —  Tomori  erhält  den  Oberbefehl  im  südlichen  Ungarn.  —  Orsowa 
und  Severin  fallen.  —  Jajcze  von  Frangepan   entsetzt.  —  Wirren  in  Ungarn.  —  1516 

bis  1525. 

Obwohl  in  Ofen  Friedensverhandlungen  mit  der  Türkei  gepflogen 
wurden,  liess  Sultan  Selim  noch  im  Frühjahre  1516  die  festen  Plätze 
Jajcze,  Knin,  Clissa  und  Skardona  durch  den  Beglerbeg  von  Bosnien 
bedrohen,  um  den  Ungarn  die  Abschliessung  einer  Verlängerung  des 
Waffenstillstandes  wünschenswert  zu  machen.  Die  Verhandlung 
hierüber  oblag  nun  dem  Reichstage,  der  zwischen  der  NothAvendigkeit, 
den  Frieden  zu  erhalten,  und  dem  Bestreben,  den  Wünschen  des 
Papstes,  der  ihm  entgegen  war,  nachzukommen,  schwankend  war. 
Nachdem  der  Reichstag  noch  einige  Steuern  zur  Instandhaltung  der 
Grenzfestungen  ausgeschrieben  hatte,  schloss  er  doch  endlich  eine  ein- 
jährige Verlängerung  des  Waffenstillstandes,  in  welchen  jedoch  Croatien, 
Dalmatien  und  der  Besitz  Ungarns  in  Bosnien  nicht  eingeschlossen 
waren.  Da  der  türkische  Gesandte  nach  Auflösung  des  Reichstages 
nicht  gleich  zurückgeschickt  wurde,  gerieth  der  Sultan  so  in  Zorn,  dass 
er  auch  den  ungarischen  Gesandten,  Barnabas  Belay,  wie  einen  Spion 
behandelte  und  ihn  mit  sich  nach  Aegypten  führte. 

Papst  Leo  setzte  seine  Bemühungen,  die  christlichen  Mächte  zu 
einem  gemeinschaftlichen  Zuge  wider  die  Osmanen  zu  vereinen,  fort 
und  erhielt  sowohl  vom  Kaiser  wie  vom  König  von  Frankreich  die 
Zusicherung",  dass  sich  ihre  Völker  unter  seiner  Fahne  scharen  würden. 
Nachdem  die  Nachricht  von  der  Besiegung  Aegyptens  (1517)  die  Be- 
sorgniss  erregte,  der  Sultan  werde  nun  seine  ganze  Macht  gegen  die 
christlichen   Länder    kehren,    liess    Leo    für    den  Türkenkrieg  Steuern 


—     200     — 

einheben  und  einen  Ablass  ausschreiben.  Den  Augustinermönch  Niko- 
laus Schönberg  entsendete  er  nach  Ungarn,  um  dort  zu  melden,  was 
bisher  zum  Schutze  der  Christenheit  geschehen  sei,  und  zugleich  die 
Ankunft  eines  Cardinais  anzukünden.  der  die  weiteren  Entwürfe  des 
Papstes  überbringen  werde. 

Wider  Erwarten  erneuerte  Selim  seine  Anträge  auf  Verlängerung 
des  Waffenstillstandes  abermals;  der  Staatsrath  jedoch  —  vom  Papste 
dringendst  abgemahnt  —  Hess  diese  Gelegenheit.  Frieden  zu  schliessen. 
wieder  unbenutzt  vorübergehen.  Dies  hatte  zur  Folge,  dass  die  Strei- 
fungen der  Türken  an  der  Grenze  nicht  aufhörten  und  dass  Mustafa, 
der  Pascha  von  Zwornik,  Jajcze  wieder  ernstlich  bedrohte.  Auf  dem 
für  Mai  einberufenen  Reichstage  erschienen  die  Stände  nur  in  sehr  be- 
schränkter Zahl.  Die  Croaten  blieben  der  Türkengefahr  wegen  zu 
Hause  und  in  Siebenbürgen  nahm  Zäpolya  die  Aufforderung  des 
Sultans  an  den  Woywoden  der  Walachei,  sich  ihm  zu  unterwerfen, 
zum  Vorwande,  nicht  zu  erscheinen.  Auch  der  Kaiser  und  der  König 
von  Polen  riethen  zur  Annahme  des  Waffenstillstandes,  der  endlich, 
nachdem  die  Stände,  ohne  einen  Entschluss  zu  fassen,  sich  zerstreut 
hatten,  auf  ein  Jahr  verlängert  wurde.  Um  dem  Ban  von  Croatien. 
dem  Bischof  Berislo,  die  zum  Entäatz  von  Jajcze  nöthigen  Mittel  zu 
gewähren,  blieb  nichts  übrig,  als  von  den  Städten  Steuern  einzutreiben 
und  Domänen  zu  verkaufen.  Nikolaus  Zrinyi,  des  Helden  von  Sziget 
Vater,  und  Franz  Berislo,  des  Bans  Bruder,  führten  den  Entsatz  von 
Jajcze  glücklich  durch,  Mustafa  selbst  fiel  im  Kampfe. 

Im  Jänner  1518  brachte  Cardinal  de  Vio  den  Feldzugsplan  des 
Papstes  Leo  nach  Ofen.  Die  Art  der  Geldbeschaffung  wurde  fest- 
gestellt. Der  Kaiser  mit  dem  König  Emanuel  I.  von  Portugal  sollten 
die  Osmanen  von  Aegypten  aus,  die  Ungarn,  Böhmen  und  Polen  unter 
Sigismund's,  des  Königs  von  Polen  Führung,  von  Ungarn  aus  an- 
greifen, die  Moldau  und  Walachei  sich  noch  im  Laufe  des  Jahres 
Kilia's  und  Silistria's  bemächtigen.  Nach  langen  und  erfolglosen  Be- 
rathungen  über  die  Ausführung  dieses  Planes  löste  sich  der  Reichstag 
auf,  trat  aber  im  Juli  zu  Tolna  wieder  zusammen  und  bcschloss  zwar 
die  zur  Vertheidigung  des  Landes  sowie  die  zum  Beginn  des  Feld- 
zuges nöthigen  Massregeln,  führte  sie  aber  nur  zum  Theil  und  sehr 
lässig  aus.^) 

')  Im  Eingange  zu  den  Beschlüssen  des  Tolnaer  Landtages  steht  die  für  die 
Verhältnisse  in  Ungarn  sehr  bezeichnende  Formel:  »Ein  jedes  Land  wird  durch  zwei 
Mittel  aufrecht  erhalten:  das  eine  ist  das  Gesetz,  das  andere  die  bewaffnete  Gewalt; 
in  unserem  Vaterlande  fehlt  es  an  beiden.«  (Fraknöi,  Ungarn  vor  der  Schlacht  bei 
Mohacs,  16.) 


—     201     — 

Inzrwischen  war  der  Plan  des  Papstes  zur  allgemeinen  Heerfahrt 
wider  die  Türken  in  Folge  der  Reformbewegung-  auf  kirchlichem  Ge- 
biete in  Deutschland  und  des  unerwarteten  Ablebens  des  Kaisers 
Maximilian  (den   12.  Jänner  1519)  vollkommen  gescheitert. 

In  Ungarn  musste  nun  in  Folge  der  geänderten  Verhältnisse  der 
Waffenstillstand,  den  Bela}-  bei  der  Pforte  ausgewirkt  hatte,  obwohl 
die  Bedingungen  nichts  weniger  als  ehrenvoll  waren,  angenommen 
werden.  Drei  Jahre  lang  verpflichteten  sich  Ungarn  und  die  Türkei, 
ihre  o-eoronseiti2:en  Länder  zu  schonen.  Den  christlichen  Mächten  steht 
es  frei,  binnen  Jahresfrist  dem  Waffenstillstand  beizutreten;  unterliessen 
sie  es  aber,  so  darf  der  König  von  Ungarn  den  osmanischen  Truppen 
den  Durchzug  durch  sein  Gebiet  nicht  verAvehren.  Ragusa,  die  Moldau 
und  Walachei  blieben  wie  bisher  beiden  Theilen  tributpflichtig. 

Im  Jahre  1519  wurde  in  Ungarn  auch  der  Regentschaftsrath  be- 
seitigt und  Stephan  Bäthory  zum  Palatin  gewählt,  was  zu  einem  auf 
die  Verhältnisse  des  Landes  höchst  ungünstigen  Zerwürfniss  zwischen 
ihm  und  Zapolya  Anlass  gab. 

Ungeachtet  des  Waffenstillstandes  benützten  die  türkischen  Be- 
fehlshaber die  Vernachlässigung  der  Grenzgebiete  zu  verheerenden 
Einfällen.  Alle  Bestrebungen  des  Staatsrathes  im  Frühjahr  1520  den 
auf  die  Vertheidigung  der  Grenzen  abzielenden  Anordnungen  des 
Tolnaer  Reichstages  Geltung  zu  verschaffen,  blieben  erfolglos.  Die 
osmanischen  Horden  unter  den  Paschas  von  Semendria  und  Vrbosna 
besetzten  zu  Ende  des  Jahres  die  festen  Plätze  Srebrenik,  Teschani  und 
Sokol,  welche  ihr  Commandant  Thomas  Matusnay  verlassen  hatte,  ohne 
sie  genügend  mit  Besatzung  und  Proviant  zu  versehen;  entgegen  der 
Zusicherung  freien  Abzuges  wurden  die  Besatzungen  niedergehauen. 
Auch  die  Festung  Knin  in  Dalmatien  wurde  eingenommen  und  nieder- 
gebrannt. Unweit  Bihacs  an  der  Korana  wurde  der  tapfere  Bischof 
Berislü  treulos  überfallen  und  ermordet. 

In  Deutschland  wurde  Karl,  der  älteste  Enkel  Maximilian's.  der 
bereits  im  Besitze  der  spanischen  Länder  sowie  der  Niederlande  war, 
zum  Kaiser  gewählt.  Dieser  überliess  die  österreichischen  Besitzungen 
seinem  Bruder  Ferdinand,  welcher  sich  Anfangs  des  Jahres  1520  mit 
der  Schwester  Ludwig's,  Anna,  vermählte.  Die  Hoffnungen,  welche 
man  in  Ungarn  an  dieses  Ereigniss  knüpfte,  erfüllten  sich  nicht;  die 
nahen  Beziehungen,  in  denen  Ludwig  zum  Kaiser  stand,  verschafften 
ihm  die  erwartete  Hilfe  nicht  und  erhöhten  auch  sein  Ansehen  im 
ciffenen  Lande  kaum. 


—     202     — 

Unterdessen  war  der  ländergierige  Sultan  Selim  am  20.  September 
1520  gestorben.  Die  Hoffnungen,  welche  man  an  den  Tod  desselben  knüpfte, 
giengen  nicht  in  Erfüllung,  denn  kaum  hatte  sein  Sohn  und  Nach- 
folger Suleiman  I.  die  Regierung  angetreten,  als  er  einen  Behram 
Tschausch  (Staatsboten)  nach  Ofen  sandte,  um  von  Ungarn  Tribut  zu 
fordern,  und  wenn  dieser  verweigert  würde,  mit  Krieg  zu  drohen. 
Um  seinen  Forderungen  Nachdruck  zu  geben,  befahl  er  dem  Pascha 
von  Vrbosna,  sogleich  Jajcze  zu  belagern;  Peter  Keglevic  gelang  es, 
den  Angriff  abzuwehren.  Wenn  auch  an  den  Grenzen  die  Waffen  nie 
ganz  ruhten  und  ohne  Vorwissen  des  vSultans  und  des  Königs  unter- 
nommene Raubzüge  nicht  als  Friedensbruch  angesehen  wurden,  so  war 
doch  dieser  auf  Befehl  des  Sultans  ausgeführte  Zug  und  die  Forde- 
rung des  Tributes  eine  Beleidigung,  die  nicht  geduldig  hingenommen 
werden  konnte.  Bei  der  gänzlichen  Aussichtslosigkeit  auf  Hilfe  von 
aussen  hätte  man  den  Gesandten  des  Sultans  wenigstens  so  lange  hin- 
halten sollen,  bis  das  Land  einigermassen  gerüstet  gewesen  wäre;  statt 
dessen  warf  man  in  Nachahmung  der  türkischen  Sitte  den  Ueber- 
bringer  der  beleidigenden  Botschaft  in  den  Kerker  und  machte  den 
sofortigen  Ausbruch  des  Krieges  unvermeidlich.  Der  Zorn  des  Sultans 
wurde  noch  gesteigert,  als  sich  in  Constantinopel  die  Nachricht  ver- 
breitete, der  Behram  Tschausch  wäre  ermordet  worden. 

Bei  der  Aussicht,  Ungarn  werde  den  Kampf  mit  den  Osmanen 
diesmal  allein  ausfechten  müssen,  wurde  im  April  1521  ein  Staatsrath 
abgehalten,  um  Vorkehrungen  für  den  bevorstehenden  Krieg  zu  treffen, 
namentlich  aber  die  beiden  Hanptbollwerke  des  Landes,  Belgrad  und 
Szabacs,  in  Vertheidigungsstand  zu  setzen. 

Die  Bane  von  Slavonien,  Franz  Hedervary  und  der  noch  un- 
mündige Valentin  Törük,  der  dieses  Amt  nach  seines  Vaters  Tode 
erhalten  hatte,  ebenso  dessen  Vormünder,  welche  das  Vertrauen  der 
Regierung  nicht  genossen,  verweigerten  Belgrad  in  die  Hände  des 
Königs  zu  übergeben,  und  forderten  ungestüm  die  Rückstellung  der 
zur  Erhaltung  der  Besatzungen  bereits  aus  Eigenem  verausgabten 
Summen.  Sie  wollten  nicht,  dass  der  zum  Befehlshaber  von  Belgrad 
ausersehene  Andreas  Bäthory  Verstärkungen  hinführe,  denn  Mann- 
schaft wäre  dort  genug,  man  möge  die  Festungen  nur  mit  Geld, 
Lebensmitteln,  Geschützen  und  Munition  hinlänglich  versehen.  Szabacs 
hatte  nur  100,  Belgrad,  Ungarns  Hauptbollwerk  an  der  Donau,  nur 
700  Mann  verlässliche  Besatzung;  beiden  fehlte  es  an  Munition,  und 
die  Belgrad  entnommenen  Geschütze,  welche  Zäpolya   bei  seinem  un- 


—     203     — 

glücklichen  Zuge  gegen  Semendria  (1515)  verloren  hatte,    waren  seit- 
her noch  nicht  ersetzt  worden. 

Nachdem  der  Staatsrath  den  Anforderungen  der  Bane  nicht  ent^ 
sprechen  konnte,  überliessen  diese  ihren  Untergebenen  die  Hut  der 
ihnen  anvertrauten  I'estungen  und  zogen  sich  auf  ihre  Landsitze 
zurück.  Den  Schiffsleuten  auf  den  Kriegsfahrzeugen  der  Donau,  die 
seit  drei  Jahren  keinen  Sold  erhalten  und  auf  Raub  angewiesen  waren, 
konnte  man  es  nicht  verübeln,  dass  sie  nach  Ofen  kamen,  und,  als 
man  sie  dort  mit  Worten  vertröstete,  mit  ihren  Schiffen  wieder  hinab 
fuhren  und  sich  zerstreuten.  Da  alles  blieb  wie  zuvor,  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  der  in  Parteien  zerfallene  Staatsrath  zu  keinem  Be- 
schlüsse kommen  konnte  und  sich  auflöste,  ohne  etwas  zur  Rettung 
des  Vaterlandes  angeordnet  zu  haben.  Während  an  der  Grenze  der 
Krieg  schon  entbrannt  war,  dachte  man  am  Hofe  zu  Ofen  nur  an 
Vergnügungen. 

Mitte  Februar  1521  war  Sultan  Suleiman  von  Constantinopel 
aufgebrochen;  in  Sophia  stiess  Ferhadpascha  mit  grossen  Vorräthen 
an  Munition  und  Kriegsgeräthen,  dann  30.000  Kameelen,  welche  in 
Asien  zusammengetrieben  und  dem  Heere  über  dem  Bosporus  nach- 
gezogen waren,  zum  türkischen  Lager;  die  christliche  Bevölkerung  der 
europäischen  Sandschake  musste  die  Lebensmittel  liefern,  mit  welchen 
die  Kameele  beladen  wurden.  Von  Nissa  aus  wurde  Achmedpascha, 
der  Beglerbeg  von  Rumili,  voraus  gegen  Szabacs  gesendet.  Von  den 
Rennern  und  Brennern,  in  zwei  Haufen  getheilt,  giöug  einer,  von  Mo- 
hammed Michaloghli  befehligt,  gegen  Siebenbürgen,  während  der  andere, 
von  Omarbegoghli  angeführt,  dem  Lager  des  Sultans  vorauszog.  Mit 
1000  Janitscharen,  den  Sipahis  und  Asaben  wandte  sich  der  Gross- 
vezier  Piripascha  gegen  Belgrad,  während  Suleiman  selbst  der  Heeres- 
abtheilung  Achmedpascha's   gegen  Szabacs  folgte. 

Die  Kunde  vom  Aufbruche  des  Sultans  gegen  Ungarn  weckte 
endlich  dessen  Regierung  zu  grösserer  Thätigkeit.  Ende  Juni  wurde 
zu  Ofen  ein  Reichstag  gehalten,  der  den  Bannerherren  und  Gespan- 
schaften anbefahl,  ihre  Kriegsmannschaften  unverzüglich  nach  Tolna, 
wo  das  Heer  sich  sammeln  sollte,  abgehen  zu  lassen  und  die  Mittel 
zu  beschaffen,  damit  auch  der  König  Truppen  hinführen  könne. 
An  den  Papst  und  alle  christlichen  Mächte  wurde  über  die  drohende 
Gefahr  berichtet  und  um  Hilfe  gebeten.  Erzherzog  Ferdinand  sandte 
3000  Mann,  König  Sigismund  von  Polen  2000  Mann  Fussvolk  und 
500  Reiter;  nur  Böhmen  zeigte  eine  schimpfliche  Gleichgiltigkeit,  die  Stände 
waren  taub  für    den   Hilferuf   ihres  Königs,    und    die  Krieger    traten, 


-     204     — 

trotz  dessen  Verbotes,  lieber  in  den  Dienst  des  Königs  Franz  von  Frank- 
reich wider  Kaiser  Karl  V.,  weil  dieser  ihnen  mehr  Sold  zahlte,  als 
Ludwig  gewähren  konnte.  Venedig  sandte  30.000  Ducaten.  Alle  Hilfe 
von  auswärts  kam  aber  zu  spät.  Erst  einige  Tausend  Ungarn  befanden 
sich  im  Lager  zu  Tolna,  da  war  Szabacs  schon  erobert  und  Belgrad 
hart  bedrängt. 

Als  Achmedpascha  vor  Szabacs  anlangte,  führte  dort  anstatt  der 
beiden  Sulyok,  die  ihren  Posten  verlassen  hatten,  der  tapfere  Simon 
Bogody  den  Befehl;  er  schwur,  mit  seiner  Mannschaft  den  ihm  anver- 
trauten Platz  bis  zum  letzten  Athemzuge  zu  vertheidigen,  und  hielt 
seinen  Eid.  Am  7.  Juli,  als  die  Mauern  in  Schutt  geschossen  und  die 
Gräben  mit  Faschinen  angefüllt  waren,  versuchte  die  auf  60  Mann 
zusammengeschmolzene  Besatzung  noch  einen  Ausfall  und  erwartete 
dann  den  Sturm,  der  allen  das  Leben  kostete;  aber  auch  700  Türken 
fielen  vor  den  Mauern  des  Platzes.  Als  Suleiman  am  folgenden  Tage 
in  denselben  einzog,  waren  die  Köpfe  der  Vertheidiger  längs  des  Weges 
auf  Pfähle  gesteckt. 

Suleiman  liess  Szabacs  verstärken  und  befahl,  eine  Brücke  über 
die  Save  zu  schlagen,  um  nach  Syrmien  zu  kommen.  Er  selbst  mit 
allen  Agas  des  Heeres  und  des  Hofes  überwachten  mit  Stöcken  in 
der  Hand  die  Arbeiter.  Neun  Tage  lang  ward  an  der  Brücke  ge- 
arbeitet, während  welcher  Zeit  die  Nachricht  einlief,  dass  Semlin  in 
die  Hände  der  Grossveziers  gefallen  wäre,  dass  die  Schlossfrau  von 
Kulpinic  (Kulpin  an  der  Bega?)  ihr  Schloss  verlassen  habe,  und  dass 
Jahjapascha's  Sohn,  Balibeg,  auf  einem  Streif zug  ein  Paar  Schlösser 
erol)ert  und  60  Köpfe  abgeschlagen  habe.  Am  zehnten  Tage  —  den 
19.  Juli  —  stand  die  Brücke,  1800  Ellen  lang,  zum  Uebergange  für 
das  Heer  bereit,  doch  wurde  sie  durch  Flochwasser  wieder  zerstört, 
so  dass  man  erst  den  27.  Juli  den  Fluss  übersetzen  konnte. 

Einen  Monat  lang  war  der  Grossvezier  bereits  vor  Belgrad  ge- 
standen. Avo  Blasius  Olah  und  Johann  Both  befehligten,  als  Suleiman 
am  1.  August  vor  der  Festung  erschien.  Schon  früher  hatten  zwei  ser- 
bische Ueberläufer  dem  Grossvezier  verrathen  gehabt,  dass  der  schwächste 
Theil  der  Mauern  am  Zusammenfluss  der  Donau  und  Save  wäre,  wes- 
halb er,  um  schweres  Geschütz  dieser  Stelle  gegenüber  auf  der  Kriegs- 
insel aufführen  zu  können,  Semlin  nehmen  liess,  wobei  Markus  Szkubio 
mit  400  Schiffsleuten  ihren  Tod  fanden.  Schon  am  Tage  seiner  An- 
kunft befahl  der  Sultan  einen  Sturm  auf  Belgrad,  bei  dem  600  Mann 
unnütz  geopfert  wurden. 


—     205     - 

Am  8.  August  eröffneten  die  Türken  von  drei  Seiten  Angriffe 
auf  die  Stadt;  alle  wurden  zAvar  mit  grossem  Verluste  für  die  Angreifer 
abgewiesen,  die  ungarische  Besatzung  war  dabei  aber  auch  schon  auf 
400  Mann  zusammengeschmolzen  und  sah  sich  zum  Rückzug  in  die 
oljere  Festung  genöthigt.  Avohin  ihr  die  Serben  —  von  den  Befehls- 
habern nur  widerwillig  aufgenommen  —  folgten.  Diese  vertheidigten 
nun  heldenmüthig  das  Bollwerk  der  Christenheit  und  hatten  schon 
mehr  als  20  Stürme  abgeschlagen,  als  Suleiman  auf  eines  französischen 
oder  italienischen  Renegaten  Vorschlag  den  grössten  Thurm  der  Stadt, 
von  den  Ungarn  der  »Meilenthurm«  —  »Milliaria«  —  genannt,"^)  unter- 
minieren und  sprengen  liess.  Auf  Andrängen  der  serbischen  Einwohner 
ergab  sich  nun  die  Besatzung,  Avelche  alle  Hoffung  auf  Rettung  auf- 
gegeben hatte,  nach  öOtägigem  Widerstände  am  28.  August  gegen  Zu- 
sicherung freien  Abzuges.  Wie  schon  oft,  wurde  das  gegebene  Ver- 
sprechen nicht  eingehalten,  Olah  und  Both  mit  den  meisten  Ungarn 
Avurden  niedergehauen,  die  Serben  aber  in  der  Umgebung  von  Con- 
stantinopel  angesiedelt,  wo  noch  heute  ein  Dorf  den  Namen  »Belgrad« 
führt.  Zur  Wiederherstellung  der  eroberten  Festung  wurden  20.000  Wa- 
lachen  aufgeboten,  als  Besatzung  blieben  daselbst  3000  Janitscharen 
unter  Balibeg's  Befehl.  Mit  dem  Falle  Belgrads  kamen  auch  die  syr- 
mischen  Schlösser,  darunter  Slankamen,  Mitrowitz,  Carlowitz  und  Illok 
in  die  Hände  der  Türken,  die  sie  nicht  besetzten,  iedoch  zum  Theil 
zerstörten. 

Während  der  Belagerung  von  Belgrad  und  Szabacs  hatte  Bäthory 
in  Tolna  einige  tausend  Mann  versammelt,  Zäpolya  aber,  auf  dessen 
Zuzug  man  sehnlichst  wartete,  kam  nicht,  entweder  Aveil  ihn  die  Ereignisse 
i]i  der  Walachei  festhielten,  oder  weil  er  sich  mit  seinem  Feinde,  dem 
Palatin,  nicht  vereinigen  Avollte.  ^)  Bäthory  war  zwar  mit  seinen  wenigen 
Truppen  bis  Mitrowitz  vorgerückt,  Szabacs  aber  war  bereits  gefallen. 
Er  musste  vor  dem  Pascha  von  Bosnien,  der  mit  17.000  Mann 
gegen  Syrmien  heranzog,    zurückweichen  und  sah  aus   dem  Lager  bei 


-)  Serben  und  Türken  nennen  den  Thnrm  »Neboise«  (Fürchte  nicht!).  Der 
»Meilenthurm«  —  wohl  so  genannt,  weil  aus  grosser  Entfernung  sichtbar  —  muss 
an  der  Umfassungsmauer  der  oberen  Festung  gestanden  sein,  und  ist  wohl  schon 
lange  durch  späteren  Umbau  derselben  verdrängt  worden.  Irrthümlich  wird  jetzt  ein 
Thurm  am  Wasser  »Neboise«  genannt. 

^)  Die  Aeusserung  des  venetianischen  Gesandten:  »Der  Vayda  (Zapolya)  würde 
nicht  danach  fragen,  wenn  das  Land  verloren  gienge,  damit  er  Gelegenheit  fände, 
es  mit  Hilfe  Siebenbürgens  wieder  zu  gewinnen  und  sich  zum  König  aufzuwerfen,« 
macht  das  letztere  wahrscheinlich. 


-     206     - 

Titel    der    Einnahme   von    Belgrad    und    der  Verheerung    des  Landes 
müssig  zu. 

Nachdem  Suleiman,  dessen  Heer  durch  Kämpfe  und  Krankheiten 
stark  gelitten  hatte.  Belgrad  mit  200,  Szabacs  mit  20  neuen  G-eschützen 
ausgerüstet,  in  beiden  Plätzen  ( Jbrigkeiten  eingesetzt,  die  Belgrad  gegen- 
überliegenden Auen  ausgerodet  und  das  schon  früher  auf  den  Höhen 
südlich  der  Stadt  zur  Beobachtung  von  Belgrad  erbaute  Schloss  Avala 
verstärkt  hatte,  kehrte  er  nach  Constantinopel  zurück, 

Mohammedbeg,  der  sich  vom  Hauptheere  Suleiman's  gegen 
Siebenbürgen  abgetrennt  hatte,  gelangte  nur  in  die  Walachei,  wo  er 
unumschränkt  herrschte.  Er  bemächtigte  sich  des  siebenjährigen  Sohnes 
des  verstorbenen  Woywoden  und  sandte  ihn  nach  Constantinopel.  Die 
Bojaren  wählten  nun  einen  gewesenen  Mönch,  Radul,  zum  Fürsten.  Die  an 
den  Sultan  mit  der  Bitte  um  seine  Bestätigung  gesandten  Abgeord- 
neten wurden  erwürgt,  ihre  Diener  mit  abgeschnittenen  Ohren  und 
Nasen  zurückgesendet.  Mohammed  schlug  nun  Radul  und  erklärte  die 
Walachei  als  Sandschak  (Statthalterschaft).  Als  das  Land  Zapolya's 
Hilfe  erbat,  verständigte  sich  Mohammedbeg  mit  den  Bojaren,  der 
türkische  Abgeordnete  aber,  welcher  Radul  die  Insignien  der  Fürsten- 
würde überbringen  sollte  —  Fahne,  Haube  und  Keule  —  erschlug  ihn 
mit  letzterer  gelegentlich  der  Investition.  Ein  zweiter  Radul.  ein  Ver- 
wandter Bessaraba's,  kämpfte  nun  bei  Glubavy  und  Kieschan  anfangs 
mit  Grlück  um  die  Herrschaft;  in  einem  dritten  Grefecht  geschlagen, 
wandte  er  sich  an  Zapolya  um  Hilfe.  Mit  ungarischen  Truppen  schlug  nun 
Radul  in  einem  Treffen,  das  vom  Morgen  bis  zum  Abend  währte,  bei 
Grumatz  den  Mohammedbeg,  wurde  aber  dann  selbst  geschlagen  und 
zur  Flucht  nach  Siebenbürgen  genöthigt.  Nun  rückte  Zapolya  mit 
30.000  Mann  in  die  Walachei  ein  und  setzte  Radul  wieder  auf  den 
Fürstenthron,  während  Mohammedbeg  sich  über  die  Donau  zurückzog. 
Zapolya  unterstützte  Radul  nicht  weiter  und  galj  ihm  den  Rath,  sich 
mit  der  Pforte  auszugleichen,  den  er  auch  befolgte. 

Nach  dem  Verluste  Belgrads  Avar  es  in  Ungarn  wohl  auch  der 
Ausfluss  einer  augenblicklichen  patriotischen  Aufwallung,  wenn  man 
auf  dem  Reichstage,  Ende  1521,  mit  Beiseitesetzung  alles  Parteihaders, 
sich  mit  der  Beschaffung  der  Mittel  zur  Vertheidigung  des  Landes  be- 
fasstc  und  die  Ernennung  eines  tapferen  und  kriegserfahrenen  Mannes 
zum  Obercapitän  im  südlichen  Ungarn  verlangte.  Die  Wahl  fiel  auf 
Paul  Tomori,  der  sich  sowohl  in  den  Kämpfen  gegen  die  Türken,  wie 
gegen  die  aufständischen  Bauern  hervorgethan  hatte.  Der  rasch  auf- 
einanderfolgende Tod    zweier  Bräute   war  Tomori    wie    eine  Mahnung 


—     207     — 

Gottes  erscliicnen,  seine  kriegerische  Laufbahn  zu  verlassen  und  in 
den  Orden  der  Franciscaner  zu  treten.  Als  ihn  nun  die  gefahrvolle 
Lage  des  Landes  aus  seiner  Einsamkeit  rief,  verlangte  der  Adel  seine 
Ernennung  zum  Obercapitän  und  zugleich  zum  Erzbischof  von  Ka- 
locsa;  doch  weigerte  er  sich  lange,  diese  hohe  Stellung  anzunehmen, 
und  fügte  sich  erst  dem  Befehle  des  Papstes  Hadrian  VL,  der  seinem 
1521  verstorbenen  Vorgänger  Leo  X.  auf  dem  römischen  Stuhle  ge- 
folgt war,^) 

Die  Erklärung  des  Königs,  im  Frühjahr  einen  Feldzug  zur  Wieder- 
eroberung Belgrads  unternehmen  zu  wollen,  wurde  mit  Begeisterung 
aufgenommen;  nahezu  unerschwingliche  Steuern  wurden  bewilligt,  eine 
allgemeine  Insurrection  und  die  Aufstellung  eines  stehenden  Heeres  in 
Aussicht  gestellt.  Von  den  Steuern  floss  aber  wenig  ein,  und  die  In- 
surrection kam  nicht  mehr  zu  Stande,  als  keine  augenblickliche  Grefahr 
drohte,  weil  der  Sultan  1522  Rhodus  belagerte.'^) 

Auf  eine  wesentliche  Unterstützung  von  auswärts  konnte  Uno-arn 
in  einem  Kriege  gegen  die  Osmanen  nicht  rechnen.  Der  erbitterte 
Kampf  Kaiser  Karl's  V.  mit  Franz  L  von  Frankreich,  der  später,  1525, 
mit  der  Grefangennahme  des  Letzteren  endete  —  zunächst  wohl  um  die 
Herrschaft  in  Italien,  in  der  Tliat  aber  um  die  Erhaltung  des  Kaiser- 
thums  geführt  —  wurde  dem  Kaiser  aufgedrungen.  Franz  I,  strebte 
nach  dem  Kaiserthrone,  für  welche  die  Herrschaft  über  Italien  nur 
die  erste  Stufe  gewesen  wäre.  Karl  V,  hätte  daher  auch  durch  Ver- 
zicht auf  Italien  seine  Macht  für  die  Erhaltung  Ungarns  nicht  ein- 
setzen können.  Franz  I.  scheute  sich  nicht,  den  Sultan  zum  Kriege  wider 
die  Ungarn  zu  reizen,  um  den  Erzherzog  Ferdinand,  dessen  Länder 
hiedurch  ebenfalls  gefährdet  waren,  festzuhalten.*')  Auch  das  Ueber- 
handnehmen  der  Reformation  in  Deutschland  war  mit  Ursache,  dass 
der  Plan  eines  Türkenkrieges,  Aveil  von  Rom  ausgehend,  sich  dort 
keiner  Volksthümlichkeit  erfreute. 


*)  Adrian  von  Utrecht  —  Papst  Hadrian  VI.  —  war  früher  Professor  an  der 
Universität  zu  Löwen  und  Lehrer  Kaiser  Karl's  V.,  durcli  den  er  auch  in  diese  hohe 
Stellung  gelangte.  »Einen  würdigeren  Mann«,  sagt  Eanke,  »hatte  die  Papstwahl  lange 
nicht  getroffen.  Sein  Streben  gieng  dahin,  einen  Waffenstillstand,  wenn  nicht  einen 
Frieden  zwischen  dem  Kaiser  und  König  Franz  I.  herbeizuführen,  um  indessen  einen 
Feldzug  gegen  die  Türken  unternehmen  zu  können.« 

^)  Erst  nach  sechsmonatlicher  Vertheidigung  durch  die  Johanniter  wurde  Ehodus 
eingenommen. 

®)  Franz  I.  wandte  sich  aus  seiner  Gefangenschaft  zu  Madrid  an  den  Sultan 
um  Hilfe  und  bediente  sich,  Weährend  er  mit  Karl  V.  um  seine  Freilassung  verhandelte, 
Frangepan's  als  Unterhändler,  um  den  Sultan  zu  einem  Angriffe  auf  Ungarn  zu  ver- 
leiten, durch  den  er  den  Kaiser  am  empfindlichsten  zu  treffen  meinte. 


—     208     - 

Wenn  auch  auf  dem  Reiclistag^e  zu  Nürnberg  im  März  1522 
über  eine  Türkenhilfe  berathen  wurde,  und  der  Kaiser  auf  die  zum 
Römerzuge  bewilligten  Gelder  verzichtete,  so  war  das  Ergebniss  doch 
nur,  dass  im  Mai  nächsten  Jahres  4000  Mann  Fussvolk  und  20  Ge- 
schützmeister nebst  100  Centner  Pulver  nach  Ungarn  abgeschickt 
werden  sollten;  ob  sie  auch  hinkamen,  ist  nicht  bekannt. 

In  Voraussicht,  dass  die  Türkeneinfälle  demnächst  auch  wieder 
die  österreichischen  Erbländer  überschwemmen  würden,  verlangten  die 
Krainer  Stände  schon  im  Jänner  1520  die  Besetzung  des  croatischen 
Landstriches  zwischen  der  Una  und  Kulpa  zur  Sicherung  des  eigenen 
Landes,  und  die  Befestigung  des  Hauptschlosses  zu  Laibach  sowie 
der  Städte  Möttling  und  St.  Veit  am  Pllaum  (Fiume).  Als  nun  Sulei- 
man  im  Jahre  1521  den  Feldzug  gegen  Ungarn  eröffnete,  berieth  man 
auf  dem  Landtage  zu  Krems  über  die  Widerstandsmittel  der  Erblande: 
vergeblich  aber  verlangte  der  kaiserliche  Commissär  die  Verdoppelung 
der  bisher  dafür  bestimmten  Auflagen.  Man  organisierte  in  Krain 
auch  einen  Kundschaftsdienst,  der  sich  bis  Bosnien  erstreckte  und  die 
Nachrichten  A^on  Einfällen  schleunigst  weit  in  das  Land  hinein  aus- 
breiten sollte.  Auch  sonstige  Vorkehrungen  zur  Vertheidigung  wurden 
getroffen,  die  sich  bald  als  nicht  überflüssig  erwiesen,  denn  schon  jetzt 
waren  kleinere  Raubzüge  an  der  Tagesordnung. 

Im  Frühjahr  1521  fiel  eine  grössere  Raubschar  aus  Bosnien 
durch  Croatien  in  Krain  ein,  ermordete  am  Palmsonntag  in  der  Kirche 
zu  Slavin  in  der  Poik  den  Priester  am  Altare  nebst  vielen  Andächtigen, 
streifte  dann  durch  drei  Tage  über  Adelsberg,  Zirknitz  und  Reifnitz 
nach  Gottschee.  und  kehrte  mit  Beute  beladen  über  Croatien  zurück. 
Die  vom  Krainer  Landtage  beschlossenen  Vertheidigungsmassregeln 
erwiesen  sich  als  ungenügend,  stiessen  auch  bei  der  Bevölkerung  auf 
Widerstand  und  konnten  einen  ähnlichen  Raubzug  im  Frühjahr  des 
nächsten  Jahres  nicht  verhindern,  wobei  die  Umgebung  von  Möttling 
besonders  litt.^) 

Diese  Einfälle  nach  Krain  sowie  auch  nach  Dalmatien  veranlassten 
den  Erzherzog  Ferdinand,  zur  Sicherung  seiner  eigenen  Länder  die  auf 
das  Aeusserste  bedrohten  croatischen  Grenzorte  mit  österreichischen 
Truppen  (3000  Mann  unter  dem  Oberbefehl  des  Feldhauptmannes  in 
Laibach,  Katzianer)  zu  besetzen.  Es  waren  daher  auch  österreichische 


')  Der  Landescomthur  des  Deutschen  Ordens  zu  Möttling  schrieb  damals:  »Im 
Lande  Krain,  zumal  in  der  Gegend  von  Möttling-,  sei  nichts  anderes  zu  vermuthen, 
als  dass  der  Türke  dort  bald  alles  Volk  in  ewige  Gefangenschaft  hinwegtreiben 
werde.«   (Dimitz,  Geschichte  Krains,  I,  107.) 


-     225     — 

zur  Rechenschaft  zu  ziehen,  weiters  wären  ausser  den  Banderien 
durch  die  Magnaten  noch  zahlreiche  Truppen  zu  erhahen,  alle  Edel- 
leute  hätten  persönlich  in  das  Feld  zu  ziehen  und  alle  ihre  Unter- 
thanen  zu  bewaffnen,  um  ein  fünftel,  im  Nothfalle  alle  in  das  Lager 
zu  schicken;  für  Siebenbürgen  und  Slavonien  wären  die  bisher 
üblichen  Anordnungen  beizubehalten;  in  der  Leitung  der  Truppen 
wolle  der  König  auf  den  Rath  erfahrener  Männer  achten  und  an  die 
Spitze  des  Heeres  einen  oder  mehrere  bewährte  Führer  stellen.  Ferner 
meinten  die  Stände,  dass  durch  die  gefassten  Beschlüsse  das  königliche 
Ansehen  unverletzt  aufrecht  erhalten  bliebe,  und  dass  sie  die  Ein- 
nahmsquellen bezeichnet  hätten,  welche  zur  Deckung  aller  Bedürfnisse 
vollkommen  ausreichten.  Schliesslich  baten  sie  den  König,  er  möge 
seine  Macht  gebrauchen,  denn  wenn  eine  Gefahr  das  Land  ereile,  dann 
belaste  nicht  sie  die  Verantwortlichkeit. 

Der  König  antwortete  hierauf,  dass  er  die  Aeusserungen  ihres 
guten  Willens  gerne  entgegennehme  und  bereit  sei,  alles  zu  thun,  was 
in  seiner  Macht  stehe.  Allein  die  Vertheidigung  des  Landes  und  die 
Aufrechthaltung  der  königlichen  Autorität  erfordert  Geld,  und  die 
Stände  hätten  den  Wert  der  königlichen  Einkünfte  weit  überschätzt: 
er  werde  thun,  was  er  im  Stande  ist.  aber  Unmögliches  kann  man 
von  ihm  auch  nicht  verlangen.  Deshalb  verwahre  er  sich  dagegen,  dass 
beim  Hereinbrechen  einer  Landesgefahr  ihn  keine  Verantwortung  belaste. 

In  seinen  Berichten  nach  Rom  sagt  Baron  Burgio:  »Eine  solche 
Komödie  spielen  der  König  und  seine  Unterthanen  mit  einander.« 
Nicht  mit  Unrecht  schildert  Burgio  die  Lage  des  Landes  als  völlig 
hoffnungslos  und  meint,  der  Papst  wäre  kaum  in  der  Lage,  dem  Lande 
die  za  seiner  Vertheidigung  nöthigen  Mittel  zu  geben;  wenig  zu  geben, 
heisse  so  viel,  wie  das  Geld  zum  Fenster  hinauswerfen;  Avenn  der  Papst 
in  der  Lage  wäre.  200.000  Ducaten  zu  senden,  so  Avürde  das  vielleicht 
zur  Vertheidigung  des  Landes  ausreichen  und  er  würde  damit  sicher 
eine  ruhmvolle  That  ausführen,  könne  er  es  aber  nicht,  so  möge  er 
ihn  unter  passendem  Vorwand e  abberufen,  um  nicht  Zeuge  der  un- 
vermeidlich hereinbrechenden  Katastrophe  sein  zu  müssen.  Die  noch 
in  seinen  Händen  befindlichen  Geldsummen  wären  dem  Erzbischof  von 
Kalocsa  zur  Verfügung  zu  stellen,  um  ihn  zur  Beibehaltung  des  Ober- 
commandos  zu  bewegen  und  Peterwardein  in  Vertheidigungszustand  zu 
setzen;  Tomori  sei  die  bedeutendste  Persönlichkeit  im  ganzen  Lande, 
und  Peterwardein  dermalen  der  wichtigste  Platz  in  selbem. 

Abermals  bestimmte  der  Papst  50.000  Ducaten  für  die  drin- 
gendsten Auslagen,    auch    widmete    er    alle    in  Ungarn    für  Rom    ein- 

Kiipelwieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Ositanen.  2.  Auft.  15 


-     22G     — 

gehenden  Taxen  der  Vertheidigung  des  Landes,  und  gestattete  nicht 
nur  die  Besteuerung,  sondern  auch  den  Verkauf  von  Kirchengütern. 
Auch  ein  Ablass  für  die  Kämpfer  gegen  die  Ungläubigen  wurde  er- 
lassen und  Säumige  mit  Kirchenstrafen  bedroht.  Tomori's  Ernennung 
zum  Obercapitän  der  i'ömischen  Kirche  änderte  nichts  an  seiner  Stellung. 

Seit  dem  Tode  des  Königs  Mathias  geschah  in  Ungarn  alles, 
um  die  königliche  Macht  zu  schwächen,  und  als  man  sich  nicht  mehr 
zu  helfen  wusste,  übertrug  man  die  volle  Herrschergewalt  wieder  dem 
König  und  machte  ihn  verantwortlich  für  die  Erfolge.  Ein  fest  ent- 
schlossener und  einsichtsvoller  Fürst  wäre  vielleicht  im  Stande  ge- 
wesen, die  verworrenen  Zustände  zu  bessern,  in  der  Hand  des  Königs 
Ludwig  aber,  der  seine  sorglose  Lebensweise  auch  jetzt  noch  fortsetzte, 
war  die  königliche  Gewalt  ein  nutzloses  Werkzeug.  Die  Königin  Maria 
bemühte  sich,  die  Staatsgeschäfte  immer  mehr  in  die  Hand  zu  nehmen, 
ihre  gute  Absicht  kann  nicht  bezweifelt  werden,  auch  fehlte  es  ihr 
nicht  ganz  an  Einfluss  auf  ihren  Gemahl,  allein  sie  kannte  die  Ver- 
hältnisse und  die  Menschen  nicht  genau,  hatte  für  die  Eigenthümlich- 
keiten  der  Ungarn  wenig  Verständniss,  und  begieng  manche  MissgrifiFe, 
die  man  der  wenig  beliebten  Fürstin  doppelt  übel  nahm. 

Die  Wahl  eines  Feldherrn  beschäftigte  den  König  und  dessen 
Umgebung  lebhaft,  man  konnte  aber  zu  keinem  Entschlüsse  kommen. 
Unter  den  weltlichen  Herren  wäre  nur  Zäpolya  die  Fähigkeit  zur 
Führung  eines  grösseren  Heeres  zuzumuthen  gewesen,  und  er  machte 
auch  Anspruch  auf  die  Stelle  eines  obersten  P^ührers,  allein  am  Hofe 
hatte  man  kein  Vertrauen  zu  ihm  und  wollte  ihn  übergehen.  Um  ihm 
weniger  Grund  zu  einer  Beschwerde  zu  geben,  dachte  man  an  einen 
auswärtigen  Feldherrn  und  wandte  sich  an  Niklas  Salm,  einen  Feld- 
herrn des  Kaisers;  dieser  entschuldigte  sich  mit  seinem  Alter,  thatsächlich 
aber  scheute  er  sich,  eine  Aufgabe  zu  übernehmen,  die  mit  so  schwerer 
Verantwortung  so  wenig  Aussicht  auf  Erfolg  hatte.  Auch  an  Christoph 
Frangepan  wandte  man  sich  vergeblich;  er  konnte  die  ihm  angethane 
Schmach  nicht  vergessen  und  sah  nicht  ohne  Schadenfreude  den  Ein- 
tritt der  folgenden  Katastrophe.  ^) 

Am  2.  Juni  erklärte  der  König  den  in  Ofen  anwesenden 
Magnaten  und  Gesandten  fremder  Mächte,  dass  er  persönlich  ins  Feld 
ziehen  möchte,  allein  er  könne  sich  nicht  rühren,  weil  ihm  30.000  Gold- 


^)  In  einem  Briefe  Frangepan's  vom  5.  September  1526,  also  wenige  Tage 
nach  der  Niederlage  der  Ungarn,  sagte  er :  »Wenn  die  Ungarn  den  Türkenkaiser 
besiegt  hätten,  wer  könnte  unter  ihnen  leben,  oder  eine  Stellung  unter  ihnen  an- 
nehmen? Wann  wird  ihr  Hochmuth  ein  Ende  nehmen?« 


—     227     — 

gülden  zur  Aufstellung  und  Ausrüstung  seines  Banderiums  fehlten. 
Eurgio  erbot  sich,  500  Gulden  aus  eigenem  beizusteuern,  wenn  sich 
ausser  ihm  noch  59  Personen  zu  gleichem  Opfer  bereit  fänden;  so 
Avurde  gerade  nur  der  verlangte  Betrag  aufgebracht.  Die  Verkündung 
einer  allgemeinen  Erhebung  wurde  nun  beschlossen  und  der  König 
erklärte,  am  2.  Juli  in  Tolna  eintreffen  und  das  Heer  persönlich  gegen 
die  Türken  führen  zu  wollen.  So  tief  war  das  Ansehen  des  Königs 
schon  gesunken,  dass  er,  während  Bischöfe  und  Magnaten  in  Ueppig- 
keit  strotzten  und  sich  aller  einträglichen  und  einflussreichen  Stellen 
im  Staate  bemächtigt  hatten,  fast  auf  Almosen  angewiesen  war. 

Die  vom  Papste  genehmigte  Verwertung  der  Kirchengüter  ent- 
sprach den  gehegten  Erwartungen  nicht;  die  Durchführung  derselben 
geschah  zu  spät  und  mit  zu  wenig  Gewissenhaftigkeit,  um  die  nach- 
folgenden Ereignisse  wesentlich  beeinflussen  zu  können.  Einzelne  Forde- 
runfi^en  wurden  befriedigt.  So  erhielten  die  Tschaikisten  in  Peterwardein 
und  die  Besatzung  von  Jajcze  je  3000,  einige  Capitäne  6000  Gulden, 
Graf  Hardegg  wurde  mit  5000  Gulden  zum  Einkaufe  von  Waffen 
nach  Wien  geschickt.  Abgesandte  des  Palatins,  der  zur  Vertheidigung 
der  Drau-Linie  nach  Essegg  abgegangen  war,  sowie  jene  der  Be- 
satzungen von  Peterwardein,  Temesvar,  Klissa  und  noch  von  anderen 
Orten  mussten  nach  langem  Warten  in  der  Regel  unbefriedigt  abziehen. 
Auch  die  Ausrüstung  des  königlichen  Banderiums  begegnete  wieder 
Schwierigkeiten,  und  der  König  wandte  sich  abermals  an  den  Nuntius, 
als  dieser  25.000  Ducaten  erhalten  und  den  Kämmerer  Hannibal  von 
Karthago  zur  Anwerbung  von  Söldnern  nach  Mähren  geschickt  hatte. 
Der  Anforderung  des  Königs  entsprach  diesmal  Burgio  aber  erst,  nach- 
dem er  sich  einen  Schuldschein  ausstellen  Hess,  in  dem  König  Ludwio- 
sich  verpflichtete,  alle  vom  Papste  erhaltenen  Beträge  zurückzuzahlen,  im 
Falle  der  unter  seiner  Anführung  geplante  Feldzug  nicht  stattfinden  sollte. 

Unterdessen  war  der  Sultan,  nachdem  er  die  Gräber  seiner  Ahnen 
besucht  hatte,  Montag,  den  23.  April  (einem  nach  türkischem  Gebrauche 
besonders  günstigen  Tage),  mit  mehr  als  100.000  Mann  und  300  Kanonen 
von  Constantinopel  aufgebrochen.  Der  Marsch  der  türkischen  Truppen 
zeichnete  sich  durch  strenge  Mannszucht  und  grosse  Ordnung  aus; 
bei  Lebensstrafe  war  es  verboten,  die  Saaten  zu  betreten,  Pferde  hinein- 
zutreiben oder  sie  ihrem  Besitzer  wegzunehmen.  An  den  Rasttagen 
wurde  Divan  gehalten,  an  einem  derselben  wurden  die  moldauischen 
Gesandten,  welche  den  Tribut  brachten,  vorgestellt.  Starke  Regengüsse 
machten  den  Marsch  über  den  Hämus  sehr  beschwerlich.  Um  das  Ge- 
dränge  im  Passe    der  Trajanspforte    nicht    zu  vermehren,    musste  die 

15* 


—     228     — 

anatolische  Reiterei,  die  in  Philippopel  zum  Heere  des  Sultans  stiess. 
durch  den  nördlich  gelegenen  Pass  von  Isladi  ziehen.  Im  Lager  bei 
Sophia  trennte  sich  der  Grossvezier  Ibrahim^)  vom  Sultan,  indem  er 
vorauszog. 

Sobald  in  Ofen  sichere  Nachrichten  über  die  Annäherung  des 
Sultans  eintrafen,  beschloss  der  Staatsrath,  dass  der  erste  Versuch  zur 
Abwehr  an  der  Save  unternommen  werden  sollte.  Dem  Palatin,  mehreren 
Prälaten,  Magnaten  und  Comitaten  wurde  in  der  zweiten  Hälfte  Juni 
der  Auftrag  ertheilt,  ihre  Banderien  unverzüglich  in  Tomori's  Lager 
zu  führen,  um  sie  an  der  Grenze  verwenden  zu  können.  Allein  der 
Erfolg  entsprach  nicht  den  Erwartungen.  Viele  zögerten  auch  jetzt 
noch,  die  Opfer  zu  bringen,  welche  die  Ausrüstung  und  Absendung 
der  Banderien  erheischten;  sie  bezweifelten  die  Wirklichkeit  der  Gefahr 
und  verbreiteten  das  Gerücht,  der  Sultan  wage  nicht,  die  Save  zu 
übersetzen,  ja,  es  fanden  sich  auch  solche,  welche  die  verlassene  Lage 
Tomori's  mit  Schadenfreude  erfüllte.  Nur  der  Abt  von  Szegszard.  dann 
Valentin  Török  und  Blasius  Ilaskay  erschienen  persönlich;  der  Graner 
Erzbischof  und  sein  Domcapitel.  sowie  der  Bischof  von  Fünfkirchen 
schickten  einige  Hundert  Bewaffnete. 

Tomori  legte  ein  besonderes  Gewicht  auf  das  Erscheinen  des 
Palatins,  der  als  erster  Bannerherr  des  Landes  den  Ständen  mit  gutem 
Beispiel  vorangehen  sollte.  Bathory  beeilte  sich  aber  nicht  und  gab 
auf  wiederholte  Aufforderung  des  Königs,  sich  an  die  Grenze  zu  be- 
geben, zur  Antwort,  er  könne  nur  an  der  Spitze  eines  seiner  Stellung 
entsprechenden  Heeres  ins  Feld  ziehen,  mit  Bauernvolk  erscheine  er 
nicht  im  Lager.  Anstatt  an  die  Save  zu  gehen,  kam  Bathory  Anfangs 
Juli  nach  Ofen  und  verlangte,  dass  der  König  sich  persönlich  an  die  Spitze 
des  Heeres  stelle,  da  sonst  der  Adel  nicht  zu  den  Waffen  greifen  würde. '^) 

Tomori's  Entrüstung  erreichte  damals  ihren  Höhepunkt,  und  er 
gab  dieser  Empfindung  in  seinen  Briefen  auch  rückhaltlos  Ausdruck. 
Das  Land  stand  dem  Feinde  off'en,  ein  Heer,  welches  ihn  hätte  auf- 
halten können,  war  nicht  vorhanden,  und  die  Festungen  auf  seinem 
Wege  befanden  sich  in  einem  Zustande,    der  sie  zu  längerem  Wider- 

■*)  Ibrahim  war  der  Sohn  eines  Fischers  an  der  Ostküste  des  Adriatischen 
Meeres.  Von  Seeräubern  geraubt,  gelangte  er  seiner  Schönheit  und  seiner  musikalischen 
Talente  wegen  in  den  Besitz  des  Sultans  Suleiman;  mit  Gunstbezeugungen  überhäuft, 
wurde  er  dessen  Vertrauter,  Freund  und  endlich  als  Grossvezier  dessen  Schwager. 
Durch  seinen  Uebermuth  die  Eifersucht  des  Sultans  hervorrufend,  wurde  er  aber  1536 
im  Serail  erwürgt. 

^)  Es  scheint,  dass  dem  Palatin.  dem  man  kein  Vertrauen  schenkte,  auch  der 
Gehorsam  versagt  wurde. 


—     229     — 

Stande  unfähig  machte.  Das  ehemals  feste  Slankamen  lag  in  Ruinen 
Für  das  Schloss  Titel  ernannte  der  König  zwei  Schlossvögte,  gab  ihnen 
aber  weder  Geld  noch  Waffen;  der  Nuntius  gab  ihnen  noch  1500  Gulden, 
um  100  Fusssoldaten  anzuwerben.  Peterwardein  endlich,  der  wichtigste 
feste  Platz,  der  seit  dem  Falle  Belgrads  und  Severins  als  der  Schlüssel 
des  Landes  angesehen  wurde,  war  bis  in  die  jüngste  Zeit  vernachlässigt 
und  wurde  erst  von  Tomori,  der  es  als  Hauptquartier  wählte,  in  Ver- 
theidigungszustand  gesetzt. 

In  weitem  Bogen  von  der  Donau  umspült,  liegt  Peterwardein 
auf  dem  bei  200  Fuss  hohen  Ausläufer  des  Fruslca-Gora-Gebirges,  das 
an  der  Westseite  gegen  den  Strom  steil  abfällt,  und  nur  an  der  Süd- 
seite vom  Gebirge  aus  dem  Feinde  eine  schmale  Angriffsfront  bietet. 
In  dem  unter  der  Festung  angesiedelten  Stadttheil  befand  sich  die 
Haaptstation  der  Tschaikisten  —  aus  Serbien  und  den  unteren  Donau- 
o-egenden  vor  der  türkischen  Herrschaft  geflüchteter  Leute,  welche 
früher  als  Bemannung  der  Donauflotille  unterhalb  Belgrads  verwendet 
wurden.  Unregelmässig  besoldet  und  an  Allem  Mangel  leidend,  hatten 
sich  die  Tschaikisten  zerstreut  und  konnten  jetzt  nur  mehr  mit  Mühe  in  der 
Stärke  von  ungefähr  1000  Mann  gesammelt  und  neu  organisiert  werden. 

An  der  Morava  traf  der  Sultan  wieder  mit  dem  Gross vezier  zu- 
sammen und  ertheilte  ihm  den  Befehl,  mit  40.000  Mann  voraus  gegen 
Peterwardein  aufzubrechen.  Balibeg,  der  Befehlshaber  in  Belgrad,  hatte 
den  Befehl,  eine  Brücke  über  die  Save  zu  schlagen;  heftige  Regen- 
güsse verzögerten  die  Arbeit.  Als  die  Brücke  in  der  zweiten  Hälfte 
Juni  fertig  war.  zog  Balibeg  über  dieselbe  und  schlug  bei  Semlin  sein 
Lager  auf.  Wenige  Tage  später  traf  der  Grossvezier  vor  Belgrad  ein, 
wo  die  Sandschak-Bege  von  Bosnien  und  der  Herzegowina,  sowie  eine 
von  Janitscharen  besetzte  Donauflotille  von  800  Schiffen  unter  Micha- 
loghli,  Iskenderoghli  und  Taschibeg  sich  mit  ihm  vereinten.  Am 
11.  Juli  übersetzte  auch  der  Grossvezier  den  Fluss.  Am  15.  Juli,  dem 
Bairamfeste,  gerade  drei  Monate  nach  seinem  Aufbruche  von  Constan- 
tinopel,  traf  Sultan  Suleiman  in  Belgrad  ein. 

Tomori,  der  die  Vertheidigung  der  Save-Linie  aufgeben  musste, 
liess  in  Peterwardein  eine  der  Grösse  der  Festung  entsprechende  Be- 
satzung zurück  —  ungefähr  1000  Mann,  darunter  die  Hälfte  päpstlicher 
Soldtruppen  —  und  zog  mit  seinen  Truppen  auf  das  linke  Donauufer,  wo 
er  an  der  Stelle,  wo  jetzt  Neusatz  liegt,  ein  verschanztes  Lager  errichtete. 

Die  Aufmerksamkeit  des  ganzen  Landes,  ja  man  kann  sagen 
Europas,  war  jetzt  auf  Peterwardein  gerichtet;  man  glaubte  allgemein, 
dass  der  Fall  dieser  Festung  den  Untergang  Ungarns  nach  sich  ziehen 


-     230     — 

müsse.  Tomori  hoffte,  dass  die  Festung  bis  zum  Eintreffen  eines  Ent- 
satzheeres Widerstand  leisten  könne.  In  Ofen  war  man  froh,  dass  der 
Sultan  sich  zur  Belagerung  der  Festung  entschlossen  hatte  und  nicht 
gerade  auf  die  Hauptstadt  losgegangen  war,  denn  es  wurde  dadurch 
Zeit  für  die  Organisation  des  Heeres  gewonnen. 

Gleich  nach  seinem  Eintreffen  vor  Peterwardein  begann  der 
Grossvezier  die  Belagerungsarbeiten ;  er  äusserte  sich,  die  Festung  sei 
für  ihn  ein  kleiner  Bissen,  der  kaum  zum  Frühstück  ausreiche.  Sturm- 
leitern wurden  gleich  vorgerichtet  und  schon  am  15.  Juli  der  erste 
Sturm  unternommen;  die  Besatzung  schlug  ihn  ab,  und  die  Tschaikisten, 
von  Tomori's  Kanonen  unterstützt,  brachten  der  türkischen  Flotille  er- 
hebliche Verluste  bei.  In  der  folgenden  Nacht  schickte  Ibrahim  eine 
Heeresabtheilung  an  das  jenseitige  Ufer  der  Donau,  so  dass  der  Kampf 
gegen  Tomori  den  ganzen  folgenden  Tag  über  bis  spät  Abends  zu 
Wasser  und  zu  Land  —  jedoch  ohne  entscheidenden  Erfolg  —  ge- 
führt wurde.  Tomori  hielt  nun  Kriegsrath,  und  alle  seine  Unter- 
anführer erkannten,  dass  sie,  in  den  Verschanzungen  bei  Neusatz  sich 
selbst  überlassen,  dem  stets  wachsenden  Gegner  nur  kurze  Zeit  Wider- 
stand leisten  könnten  und  in  erfolglosem  Kampfe  untergehen  müssten. 
Wenn  sie  hingegen  sich  dem  Heere  anschliessen.  dessen  Eintreffen  zum 
Entsätze  der  Festung  unter  Führung  des  Königs  demnächst  erwartet 
wurde,  könnten  sie  mit  Hoffnung  auf  Erfolg  eine  Schlacht  annehmen 
und  Peterwardein  entsetzen.  Deshalb  verliess  Tomori  sofort  sein  Lager 
und  gieng  entlang  der  Donau  nach  Bäcs.  Hier  sendete  er  den  Bischof 
von  Bosnien  an  den  König  mit  der  Meldung:  »Peterwardein  könne 
sich  noch  acht  bis  zehn  Tage  halten;  wenn  ihm  entsprechende  Unter- 
stützung zukäme,  wäre  er  bereit,  umzukehren  und  sich  mit  dem  Feinde 
zu  schlagen.« 

Die  Besatzung  von  Peterwardein  unter  dem  tapferen  Georg  Alapi 
Hess  auch  nach  Abzug  Tomori's  den  Muth  nicht  sinken  und  zog  sich, 
als  es  bei  einem  zweiten  Sturm  den  Türken  gelungen  war.  in  die 
untere  Stadt  einzudringen,  in  das  Schloss  —  jetzt  die  obere  Festung 
—  zurück.  Der  Grossvezier,  nun  überzeugt,  dass  selbes  nicht  so 
leicht  zu  nehmen  wäre,  als  er  dachte,  entschloss  sich  nun  zu  einer 
regelmässigen  Belagerung.  Nach  mehrtägiger  Beschiessung  stürzten 
einige  grössere  Gebäude  in  der  Festung  zusammen  und  an  mehreren 
Stellen  wurden  die  Stadtmauern  durchbrochen.  Trotzdem  schlug  die 
Besatzung  noch  zwei  Stürme  zurück  und  versuchte  einen  Ausfall,  bei 
welchem  dem  Feinde  grosse  Verluste  beigebracht  wurden.  Als  aber 
der  Grossvezier    unter   den  Mauern  des  Schlosses  Minen  anlegte,    und 


-     231     - 

am  28.  Juli  —  dem  zwölften  Tag  der  Belagerung  —  durch  das  Auf- 
flattern derselben  unter  der  Besatzung  grosse  Verwirrung  entstanden 
Avar,  ordnete  er  einen  Hauptsturm  an,  dem  das  zusammengeschmolzene 
Häuflein  der  Vertheidiger  nicht  widerstehen  konnte.  Jn  erbittertem 
Kampfe  fand  die  Mehrzahl  derselben  den  Tod,  nur  90  Mann  hatten 
sich  in  einen  Thurm  zurückgezogen  und  setzten  hier  den  Widerstand 
fort;  als  ihnen  der  Grossvezier  freien  Abzug  zusicherte,  legten  auch 
sie  die  Waffen  nieder. 

Am  30.  Juli  langte  der  Sultan  vor  Peterwardein  an.  Schon  der 
Ueberbringer  der  Nachricht  vom  Falle  der  Festung  wurde  reich  be- 
schenkt. Unter  Vortragung  von  500  aufgespiessten  Köpfen  zog  Ibrahim 
dem  Padischah  entgegen;  die  Eroberer  wurden  reichlich  belohnt.  Zu- 
gleich traf  hier  die  Nachricht  von  der  Einnahme  von  Mitrowitz  durch 
bosnische  Bege  ein. 

Das  Lager  der  Türken  hatte  sich  von  Peterwardein  längs  der 
Donau  bis  Illok  hingezogen.  Durch  den  hartnäckigen  Widerstand 
Peterwardeins  gewarnt,  beschloss  der  Grossvezier,  das  Schloss  von 
Illok  regelmässig  zu  belagern.  Nachdem  dasselbe  durch  mehrtägige 
Beschiessung  erheblichen  Schaden  gelitten  hatte  und  ein  Entsatz  nicht 
zu  hoffen  war,  Hess  sich  die  Besatzung  —  wahrscheinlich  jene  300  Mann, 
welche  der  Nuntius  kürzlich  dahin  gesendet  hatte  —  in  Unterhandlungen 
ein.  Der  Grossvezier  sicherte  ihr  freien  Abzug  zu,  und  der  Sultan 
beschenkte  zwölf  Mann  derselben  mit  Kaftanen. 

Zur  selben  Zeit  erschienen  Abgesandte  der  Besatzung  des  Schlosses 
Erdöd  und  der  Bevölkerung  von  Essegg  im  türkischen  Lager,  über- 
reichten die  Schlüssel  und  baten  um  Schonung.  Am  9.  August  verliess 
das  Heer  das  Lager  bei  Illok  und  setzte  den  Marsch  unter  fort- 
währenden Regengüssen,  welche  die  Strassen  fast  ungangbar  machten, 
gegen  Essegg  fort. 

Während  die  Besatzung  von  Peterwardein  den  Entscheidungs- 
kampf kämpfte  und  Tomori  in  Bäcs  mit  Ungeduld  die  Ankunft  des 
Entsatzheeres  erwartete,  entschloss  sich  der  König  endlich,  ins  Feld 
zu  ziehen,  und  brach  auf  Drängen  des  Adels  am  20,  Juli  an  der  Spitze 
von  kaum  4000  Mann  —  darunter  bei  600  Böhmen  und  Mährer  — 
aus  der  Ofner  Festung  gegen  Tolna  auf,  wo  das  Heer  sich  sammeln 
sollte.  Die  Königin,  der  Primas,  der  Palatin  und  der  Kanzler  gaben 
ihm  das  Geleite.  Langsame  Bewegung  in  kurzen  Tagmärschen  sollte 
den  Magnaten  Zeit  lassen,  dem  Beispiele  des  Königs  zu  folgen,  und 
den    Anschluss    ihrer    Banderien,    sowie  jener   der  Comitate,    und    die 


—     232 


Kalocsct 


Földoär^ 
Fnks)^ 

Tohutk 


Szegszccrdj 
FUnfo  BaUm 
Kirchen      a^JbatjDu-Szfikcsö 


Ankunft  der  noch  immer  erhofften  Hilfstruppen  aus  den  Nachbarländern 
ermöglichen. 

Beim  Aufbruche  aus  Ofen  berechnete  man.  dass  aus  Unofarn 
ohne  Siebenbürgen  ein  Heer  von  50.000.  aus  Böhmen  und  Mähren 
bei  16.000  Bewaffnete  zusammenkommen  dürften.  Durch  das  Fern- 
bleiben der  Croaten  verminderte  sich  schon  die  Zahl  der  Ungarn. 
Aus  Böhmen  traf  nur  jener  Theil  im  Lager  des  Königs  ein  —  wann 
und  wo  ist  unbestimmt  —  welcher  Anfangs  Juli  von  dort  aus^ezosren 
war.    Bei  selbem  befand  sich  Heinrich  von  Rosenberg  mit  600  Mann 

Fussvolk  und  200  schweren  Reitern;  er 
erkrankte  unterwegs  und  musste  in  Zwettl 
zurückbleiben,  wo  er  am  18.  August 
starb.  Von  Böhmen  betheiligten  sich 
ferner  noch:  Graf  Stephan  Schlick, 
Johann  Bustehradsky  von  Kolowrat. 
Burian  von  Gutstein,  Heinrich  Kutnauer 
von  Kutnow,  Heinrich  Hlozek  von  Zam- 
bach  und  der  Unterkämmerer  Jakob 
Kiszersky  mit  Leuten  der  Städte  Saaz. 
Laun,  Kaaden,  Brüx,  Tabor  und  anderen, 
während  der  grössere  Theil,  den  der 
Statthalter  Lew  von  Rozmital  erst  nach 
Befragen  des  Landtages  am  18.  Juli 
abgehen  und  absichtlich  so  langsam 
marschieren  Hess,  dass  er  zu  spät  kommen 
musste,  die  ungarische  Grenze  gar  nicht 
überschritt. 

In    geringer  Entfernung    von    der 

Stadt,  zu  Erd,    machte   der  König  Halt 

und  nahm  Abschied  von  der  Königin,  welche  nach  Ofen  zurückkehrte. 

Abermals  wurde  die  Frage  erörtert,    wem  man  die  Führung  des 

Heeres  übertragen  könne.    Der  Plan,    drei  Obercapitäne,    den  Palatin. 

Tomori  und  Johann  Zapolya,  damit  zu  betrauen,  wurde  verworfen. 

Den  25.  Juli  verlegte  der  König  sein  Quartier  nach  Ercsi.  Hier 
traf  ihn  auch  der  Bischof  von  Bosnien,  welchen  Tomori  zur  Betreibung 
der  schleunigen  Absendung  eines  Entsatzheeres  für  Peterwardein  ent- 
sendet hatte.  Tomori  Hess  dem  König  auch  den  Rath  ertheilen,  er  möge, 
falls  er  eine  Hilfe  nicht  schicken  könne,  lieber  mit  dem  Sultan  Unter- 
handlungen anknüpfen,  und  im  schlimmsten  Falle  selbst  durch  Ver- 
sprechen von  Tribut  ihn  zum  Rückzug  bewegen.   So  berechtigt  dieser 


König  Ludwig's  II.  Zug 

nach  Mohäcs, 
_,_,_,_   Tomori's  Rückzug  von 

Peterwardein 
•— •—  Sultan  Suleiman's  I.  Zug 

gegen  Mohäcs 


—     233     - 

Rath  auch  gewesen  sein  mag,  so  konnte  ihn  der  König  doch  nicht 
befolgen;  der  Adel,  der  sich  stets  einem  Friedensschluss  widersetzt  hatte, 
würde  einen  Frieden  unter  so  demüthigenden  Bedingungen  als  Landes- 
verrath  betrachtet  und  das  Land  leicht  in  noch  grössere  Gefahr  ge- 
stürzt haben,  als  wie  sie  vom  Feinde  drohte.  Man  einigte  sich  deshalb 
in  dem  Beschlüsse,  der  Palatin  solle  voraus  nach  Tolna  eilen,  und 
sich  dort  mit  Tomori  vereinigen;  der  König  aber  setze  seinen  Vor- 
marsch fort,  und  kämpfe  dann  in  offener  Feldschlacht  mit  dem 
Feinde. 

Einige  Tage  später  traf  im  Lager  des  Königs  aus  Siebenbürgen 
die  Meldung  ein,  dass  Johann  Zapolya  bereit  sei,  die  Befehle  des 
Königs  zu  vollführen,  aber  nicht  wisse,  was  er  thun  solle;  erstlich  habe 
man  ihn  nach  Ofen  berufen,  dann  nach  der  Walachei  geschickt,  damit 
er  im  Vereine  mit  den  Woywoden  der  Moldau  und  Walachei  dem 
Sultan  in  den  Rücken  falle,  ^)  und  der  jüngste  Befehl  beseheide  ihn 
nach  Tolna.  Er  bitte  deshalb  um  bestimmte  Weisungen,  und  führte 
zugleich  an,  dass  der  Feldzug  in  die  Walachei  bereits  unausführbar 
sei,  da  der  dortige  Woywode  mittlerweile  gezwungen  worden  war. 
seinen  Sohn  als  Geisel  in  das  Lager  des  Sultans  zu  schicken. 

Schon  am  19.  Juli  war  von  Ofen  Stephan  Bathory,  der  Sohn 
des  Palatins,  an  Zapolya  gesendet  worden,  mit  dem  bestimmten  Befehl, 
sein  Heer,  das  bei  40.000  Mann  zählte,  nach  Tolna  zu  führen.  Wenn 
Zapolj^a  noch  nicht  aufgebrochen  war,  so  musste  ihn  dieser  Befehl 
spätestens  am  24.  Juli  in  Weissenburg  getroffen  haben.  Nun  wurde 
noch  der  Propst  Statilio  mit  dem  nachdrücklichen  Befehl  des  Königs, 
in  Eilmärschen  nach  Tolna  zu  ziehen  und  unterwegs  noch  alle  waffen- 
fähige Mannschaft  mitzunehmen,  an  Zapolya  gesendet.  Wenn  der  letzte 
Befehl  nicht  überhaupt  zu  spät  kam,  um  die  Lage  des  königlichen 
Heeres  wesentlich  zu  beeinflussen,  so  sah  sich  Zapolya  auch  nicht 
veranlasst,  seinen  Marsch  zu  beschleunigen,  und  blieb  vorläufig  in 
Szegedin  stehen. 

Die  gegen  Zapolya  erhobene  Beschuldigung,  dass  er  es  mit 
dem    Sultan    gehalten    habe,    ist    zwar    nicht    erwiesen,    dass    er    aber 

^)  Der  jugendliche  Woywode  der  Moldau  berichtete  im  Juli  1526,  dass  er  nach 
dem  vom  Sultan  erhaltenen  Befehle  mit  seinem  IJeere  in  das  türkische  Lager  eilen 
solle;  er  werde  aber  nicht  gehorchen,  sondern  sei  bereit,  mit  dem  Woywoden  der 
Walachei  gegen  den  Sultan  ins  Feld  zu  ziehen  und  sich  an  der  Donau  mit  Zapolya 
zu  vereinigen,  damit  sie  dann  den  Sultan  im  Rücken  angreifen  oder  ihn  zum  Rückzug 
zwingen  könnten.  Die  Anhänglichkeit  der  beiden  Woywoden  an  die  ungarische  Krone 
war  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben,  weshalb  das  Project  misstrauisch  aufgenommen» 
schliesslich  aber  doch  Zapolya  beauftragt  wurde,  in  die  Walachei  einzufallen. 


—     234     — 

die  Lage  des  Königs  mit  Schadenfreude  betrachtete,  vielleicht  auch  aus 
derselben  Nutzen  zu  ziehen  hoffte,  ist  nicht  zu  bezweifeln.') 

Der  König  setzte  den  Marsch  über  Adony,  Duna-Pentele  und 
Földvar  fort  und  erreichte  am  4.  August  Paks.  Hier  erhielt  er  die 
Kunde  vom  Falle  Peterwardeins.  Diese  Trauerbotschaft  verbreitete  sich 
eiligst  im  ganzen  Lande.  Unter  Herumtragung  eines  blutigen  Schwertes 
—  einer  alten  ungarischen  Sitte  entsprechend  —  wurden  in  den  Comi- 
taten  die  Stände  aufgefordert,  jetzt,  in  der  Stunde  der  höchsten  Gefahr, 
sämmtliche  Unterthanen  zu  bewaffnen. 

Am  6.  August  traf  der  König  in  Tolna  ein.  Er  bezog  mit  seinem 
Hofstaate  die  nahe  gelegene  Ortschaft  St.  Georgen;  seine  Truppen 
lagerten  in  der  Stadt  und  Umgebung.  Jetzt  sammelten  sich  allmählich 
geistliche  und  weltliche  Herren  im  Lager  daselbst.  Es  erschienen: 
Georg  Zapolya,  der  Bruder  des  Woywoden,  mit  meist  in  Mähren  und 
Ober-Ungarn  angeworbenen  1100  Reitern  und  300  Mann'Fussvolk,  der 
Erlauer  Bischof  Paul  Varday,  der  Grosswardeiner  Bischof  Franz  Perenyi 
und  andere;  die  Comitate  dagegen  bekundeten  keinen  grossen  Eifer 
in  ihren  Rüstungen. 

Der  Nuntius,  welcher  in  Ofen  geblieben  war,  bemühte  sich  auch, 
mit  päpstlichem  Gelde  Leute  anzuwerben,  und  sandte  noch  einige 
Tausend  Mann  Fussvolk,  dem  ein  dreimonatlicher  Sold  ausbezahlt 
wurde,  dem  König  nach.  Eine  von  ihm  angeworbene  Schar  von 
1500  Reitern  wurde  von  dem  Polen  Leonhard  Gnojensky  befehligt. 
Die  von  Burgio  angeworbenen  Truppen  bestanden  meist  aus  aus- 
gesuchten Leuten,  und  waren  am  besten  ausgerüstet,  während  die 
Disciplin  der  übrigen  Truppen  viel  zu  wünschen  übrig  liess.  Die  Fälle, 
dass  Söldner,  nachdem  sie  ihre  Löhnung  empfangen  hatten,  die  Fahne 
verliessen  und  nach  Hause  liefen,  waren  nicht  selten.  Burgio  selbst, 
der  den  Vorgängen  im  Lager  nicht  ohne  bange  Sorge  folgte,  entschloss 
sich,    dem    König    nachzufolgen;    allein   die  in  Ofen  noch  anwesenden 


'')  Erzherzog  Ferdinand,  dem  später  Zapolya  ah  Rivale  gegenüberstand,  sagt 
von  ihm,  dass  er.  von  Herrschsucht  getrieben,  dem  Befehle  des  Königs  nicht  gehorcht, 
den  zweifelhaften  Ausgang  des  Krieges  aus  der  Ferne  beobachtet  habe,  und  durch 
seine  absichtliche  Verspätung  der  Urheber  des  Verderbens  bei  Mohacs  geworden  sei. 
Würde  Ferdinand  nur  den  mindesten  Beweis  gehabt  haben,  dass  Zapolya  mit  dem 
Sultan  gegen  den  König  conspiriert  habe,  so  würde  er  auch  nicht  versäumt  haben, 
diese  Anschuldigung  an  massgebender  Stelle  vorzubringen.  Massaro,  ein  italienischer 
Agent,  der  mit  Zapolya  in  freundschaftlichen  Beziehungen  stand,  sagte  schon  im 
Jahre  152B  von  ihm,  dass  er  gerne  sehen  würde,  wenn  das  Reich  in  Gefahr  käme, 
damit  er  dasselbe  mit  Hilfe  der  Siebenbürger  erretten  und  für  sich  den  ungarischen 
Thron  gewinnen  könne. 


—     235     - 

Magnaten  machten  darauf  aufmerksam,  dass  man  im  Lager  Geld  von 
ihm  verlangen  werde,  und  wenn  er  keines  habe,  werde  er  von  Seite 
des  ungezügelten  Haufens  der  Edelleute  Beleidigungen  ausgesetzt  sein. 
In  der  Ueberzeugung,  dass  er  auch  in  Ofen  wichtige  Aufgaben  zu 
erfüllen  habe,  entschloss  er  sich,  an  der  Seite  der  Königin  zu  bleiben. 
Um  seiner  Entfernung,  wenn  ihm  Gefahr  drohte,  oder  er  auch  sonst 
sie  für  wünschenswert  hielt,  nicht  den  Anschein  einer  Flucht  oder 
einer  Preisgebung  des  Landes  zn  geben,  erhielt  er  vom  Papste  die 
Weisung,  nach  Polen  zu  gehen,  um  dort  Hilfe  für  Ungarn  zu  erwirken, 
später  aber  nach  Rom  zurückzukehren.  Burgio  dankte  dem  Papst  für 
seine  Fürsorge,  erwiderte  aber:  »er  halte  jetzt,  nachdem  das  türkische 
Heer  so  nahe  sei,  es  für  seine  Pflicht,  den  Ausgang  des  Feldzuges  in 
Ungarn  abzuwarten.  Er  kenne  ganz  wohl  die  Gefahr,  welcher  er  aus- 
gesetzt sei;  an  selbe  sei  aber  nicht  zu  denken,  sobald  die  Ehre  in  Frage 
stehe.  Wenn  der  König  sich  zur  Annahme  einer  Schlacht  entscheide, 
werde  er  dabei  nicht  fehlen.«  Die  unerwartet  rasche  Entwicklung  der 
Ereignisse  verhinderte  die  Verwirklichung  dieser  Absicht. 

Im  Lager  za  Tolna  wurden  die  Berathungen  über  die  Fest- 
stellung des  Kriegsplanes  gepflogen.  Die  Meisten  verlangten,  dass  der 
König  an  die  Drau  ziehen  und  dort  dem  Sultan  eine  Schlacht  liefern 
sollte.  Die  Macht  des  Feindes  wurde  unterschätzt,  die  eigenen  Kräfte 
aber  viel  zu  hoch  angeschlagen.  Der  Kanzler  Brodaric  mahnte  zur 
Vorsicht  und  schlug  vor,  der  König  möge  in  Tolna  bleiben,  der  Palatin 
dagegen  bis  an  die  Drau  vorgehen. 

Der  König  billigte  diesen  Rath  mit  dem  Hintergedanken,  dass, 
falls  es  dem  Palatin  nicht  gelingen  sollte,  den  Sultan  an  der  Drau 
aufzuhalten,  er  nach  Croatien  ziehe,  wo  er  in  den  von  Frangepan 
gesammelten  Truppen  und  den  mit  österreichischen  Besatzungen  ver- 
sehenen Festungen  einen  sicheren  Halt  linden,  vielleicht  auch  die 
türkische  Macht  theilen  oder  ihrem  Stosse  eine  andere  Richtung  geben 
könne.  Brodaric  blieb  aber  mit  seinem  Vorschlage  allein,  man  nannte 
ihn  feige  und  furchtsam,  so  dass  der  König  die  Zustimmung  zum 
Zuge  des  Palatins  nur  durch  das  Versprechen,  ihm  einige  Tage  später 
folgen  zu  wollen,  erlangen  konnte.  Doch  auch  in  dieser  Weise  vollzog 
der  Palatin  den  Befehl  nicht;  die  Edelleute,  welche  mit  ihm  ziehen 
sollten,  erklärten,  sie  gehen  im  Sinne  ihrer  Privilegien  nur  unter  der 
Führung  des  Königs  gegen  den  Feind.  Diese  Aeusserung  brachte  eine 
Deputation  dem  König  mit  dem  Beifügen:  »Wie  das  türkische  Heer 
vom  Sultan  geführt  wird,  so  möge  auch  der  König  sich  an  die  Spitze 
des  ungarischen  Heeres  stellen.«    In    drohendem    Tone    verlangte    der 


—     2-66     - 

Sprecher  eine  Antwort,  ob  der  König  bereit  sei,  sich  zu  schlagen; 
wenn  nicht,  würden  sie  selber  für  die  Vertheidigung  des  Landes 
Sorge  tragen. 

Der  König  verbarg  seine  Aufregung  nicht  und  erwiderte  gereizt: 
j Jedermann  sucht  hinter  mir  Schutz  und  Ausflucht,  ich  bin  bereit, 
mich  für  das  Land  jeder  Gefahr  auszusetzen.  Damit  Niemand  seine 
Feigheit  dadurch  decke,  oder  die  Verantwortung  auf  mich  schiebe,  so 
werde  ich  mit  Gottes  Hilfe  morgen  aufbrechen  und  dahin  gehen,  wo- 
hin man  ohne  mich  nicht  gehen  will.« 

In  der  That  verlegte  der  König  am  14.  August  sein  Lager  nach 
Szegszard.  am  16.  nach  Batta,  von  hier  sandte  er  den  Bischof  von 
Erlau  mit  einem  Auftrage  nach  Ofen;  um  den  Schein  der  Feigheit 
von  sich  abzuwälzen,  liess  sich  derselbe  ein  Zeugniss  ausstellen,  dass 
er  sich  gegen  seinen  Willen  aus  dem  Lager  entferne.*) 

Nachdem  vorauszusehen  war,  dass  nur  wenige  Tage  das  Heer 
von  einem  Zusammenstosse  mit  dem  Feinde  trennen,  konnte  man  die 
Bestellung  eines  obersten  Feldherrn  nicht  länger  hinausschieben.  Johann 
Zapolya,  wohl  der  geeignetste  Mann,  war  noch  nicht  zugegen;  ob  er 
rechtzeitig  eintreffen  könne  und  auch  wolle,  schien  zweifelhaft.  Bathory. 
als  Palatin  zur  Uebernahme  des  Oberbefehls  berufen,  hatte  seine  Un- 
fähigkeit eben  zu  deutlich  dargethan.  Nach  Anhören  seiner  Umgebung 
betraute  endlich  der  König  den  Erzbischof  Paul  Tomori  mit  dem  Ober- 
befehl und  gab  ihm  den  Bruder  des  Siebenbürger  Woywoden,  Georg 
Zapolya,  bei.  Tomori,  von  den  Türken  gefürchtet  und  im  kleinen 
Kriege  wohl  bewährt,  fühlte  sich  seiner  Aufgabe  nicht  gewachsen,  er 
bat  den  König  vergeblich,  diese  verantwortliche  Stellung  ablehnen  zu 
dürfen,  und  Zapolya  mag  wohl  darauf  vertraut  haben,  dass  sein  Bruder 
noch  rechtzeitig  eintreffen  werde,  worauf  er  sich  in  den  Hintergrund 
zurückziehen  könne. 

Da  die  Umgebung  von  Batta  zur  Entwicklung  des  zur  Hälfte 
aus  Reiterei  bestehenden  Heeres  zu  wenig  Raum  bot,  wurde  beschlossen, 
bei  Mohacs  ein  Lager  zu  beziehen  und  den  Feind  in  der  Ebene, 
welche  sich  um  diesen  Ort  ausbreitet,  zu  erwarten. 

Nachdem  die  Türken  die  Richtung  gegen  Essegg  eingeschlagen 
hatten,  waren  Tomoris  Truppen  bei  Bezdan  auf  das  rechte  Donau- 
ufer übergegangen  und  standen  bereits  mit  den  von  Peter  Perenyi 
aus  der  Temeser  Gebend  herbeigeführten  Mannschaften  —  zusammen 


^)  Eine  ähnliche  Erklärung  hatte  der  König  dem  Alexius  Thurzo  ausgestellt, 
den  er  mit  seinen  Truppen  bei  der  Königin  liess,  damit  er  sie  im  Nothfalle  in  Sicher- 
heit bringen  könne. 


—     237     — 

bei  6000  Mann  —  bei  Baranyavar,  24  Kilometer  südlich  von  Mohäcs, 
wo  sie  den  Anschluss  an  das  Lager  des  Königs  suchen  sollten.  Der 
König  selbst  verblieb  vorläufig  in  Duna-Szekcsö,  13  Kilometer  nörd- 
lich von  Mohacs  zurück,  weil  sein  Gepäck  noch  nicht  angelangt  war; 
der  Verkehr  des  Königs  mit  dem  Heere  war  hiedurch  wesentlich  be- 
einträchtigt. 

Flüchtlinge  und  Spione  hatten  aus  dem  türkischen  Lager  die 
Nachricht  verbreitet,  dass  das  türkische  Heer  meist  aus  feigem  Gesindel 
bestehe,  von  welchem  kaum  jeder  zehnte  Mann  bewaffnet  sei,  und  dass 
die  türkischen  Geschütze  zumeist  von  Christen  —  Deutschen  und 
Italienern  —  bedient  würden,  welche  sie  im  entscheidenden  Augen- 
blick gegen  die  eigenen  Truppen  richten  würden.  Dass  derartige  Nach- 
richten in  der  grossen  Menge  Glauben  fanden,  ist  wohl  begreiflich, 
unwahrscheinlich  aber,  dass  auch  Tomori  diesen  Glauben  getheilt  haben 
soll;^)  doch  dürfte  er  der  allgemeinen  Meinung  im  ungarischen  Heere 
ernstlich  entgegenzutreten,  nicht  mehr  für  rathsam  gehalten  haben.  Man 
hielt  sich  in  seinem  Lager  des  Sieges  gewiss,  sprach  nur  mit  Ver- 
achtung von  den  Türken  und  brandmarkte  alle,  welche  einen  Zusammen- 
stoss  mit  dem  Feinde  verzögerten,  als  Feiglinge  und  Verräther.  Im 
Befehle,  sich  in  das  Lager  bei  Mohäcs  zu  begeben,  erblickten  sie  eine 
Hinterlist;  man  wolle  sie  vom  Feinde  entfernen;  die  an  Unthätigkeit 
gewöhnten  Herren  denken  an  die  Flucht;  der  König  möge  zu  ihnen 
kommen  und  den  Kampf  je  eher  beginnen.  Sie  baten  Tomori,  dass 
er  den  König  aus  dem  Kreise  der  unfähigen  Pfafi'en  und  der  kampf- 
scheuen Herren  befreien  möge.  ^^) 

Das  türkische  Heer,  welches  am  8.  August  von  Illok  aufgebrochen 
war  und  des  anhaltenden  Regenwetters  sowie  der  schlechten  Strassen 
halber  sich  nur  sehr  langsam  bewegen  konnte,  zog,  ohne  ferner  Wider- 

^)  Fraknoi,  »Ungarn  vor  der  Schlacht  bei  Mohacs«,  sagt:  »Auch  Tomori 
stimmte    den    Nachrichten  bei.« 

'")  Die  Abneigung  der  Truppen  Tomori's,  sich  mit  den  Truppen  des  Königs 
bei  Mohäcs  zu  vereinen,  mag  wohl  in  dem  Umstände  eine  nicht  unberechtigte  Be- 
gründung finden,  dass  man  der  Entwicklung  des  türkischen  Heeres  beim  Austritt  aus 
den  Sümpfen  zwischen  der  Donau  und  Drau  viel  wirksamer  entgegentreten  konnte 
wie  in  der  Ebene.  Kapolnai,  »A  Mohäcsi  hadjärat«,  S.  200,  sagt:  »das  türkische  Heer 
zwischen  Darda  und  Bellye  hätte  sich  in  sehr  ungünstiger  Lage  befunden«,  und 
meint,  »wenn  der  König  Tomori's  Rath  befolgt  und  vor  Baranyavar  die  Spitze  der 
feindlichen  Colonnen  aufgehalten  hätte,  so  würden  die  Türken  einen  empfindlichen 
Verlust  erlitten  und  kaum  einen  Sieg  errungen  haben«.  Dass  die  Truppen  Tomori's  meist 
aus  der  Donaugegend  waren  und  sie  ihre  Güter,  ihren  häuslichen  Herd  nicht  der 
Verwüstung  des  Feindes  preisgeben  wollten,  mag  auch  zu  dem  Wunsche,  hier,  und 
nicht  erst  im  Innern  des  Landes  den  Feind  zu  bekämpfen,  beigetragen  haben. 


-     238     - 

stand  zu  finden,  erst  am  13.  August  in  Essegg  ein.  Der  Bau  einer 
Brücke  über  die  Drau,  mit  dem  von  Belgrad  heraufgebrachten  vor- 
bereiteten Materiale,  wurde  sogleich  begonnen.  Um  den  Brückenschlag 
zu  beschleunigen,  Hess  der  Sultan  sein  Zelt  an  dem  Ufer  des  Flusses 
aufschlagen.  Nach  fünf  Tagen  war  die  Brücke  in  der  Länge  von 
200  Meter  vollendet.  Am  20.  August  übersetzte  die  erste  türkische 
Abtheilung  den  Fluss  und  vertrieb  den  am  jenseitigen  Ufer  lagernden 
ungarischen  Posten.  ^^)  Nach  Uebergang  des  ganzen  türkischen  Heeres,  den 
22.  August,  wurde  Essegg  verbrannt,  und  die  Brücke  zerstört,  um 
sowohl  dem  eigenen  Heere  den  Rückzug,  als  auch  einem  etwa  aus 
Croatien  kommenden  Feinde  das  Ueberschreiten  des  Flusses  unmöglich 
zu  machen. 

Als  die  Nachricht  von  der  Annäherung  der  Türken  in  das  Lager 
der  Ungarn  gelangte,  machte  sich  in  der  Umgebung  des  Königs,  haupt- 
sächlich unter  dem  Einflüsse  des  Kanzlers  Brodaric  und  wohl  auch 
in  Folge  der  unabhängig  von  einander  angelangten  Meldungen  Johann 
Zapolya's  und  Christoph  Frangepan's,  dass  sie  rechtzeitig  im  Lager 
des  Königs  nicht  eintreffen  können,  die  Ansicht  geltend,  dass  es  rath- 
sam  wäre,  sich  nach  Ofen  zurückzuziehen  und  dort  die  Ankunft  der 
in  Ober-Ungarn  und  um  Stuhl weissenburg  sich  sammelnden  Banderien 
sowie  der  aus  Oesterreich,  Böhmen  und  Mähren  anrückenden  Söldner- 
scharen abzuwarten,  und  nicht  hier  mit  so  geringen  Kräften  eine 
Schlacht  zu  wagen,  in  welcher  der  König,  sowie  das  Land  der  grössten 
Gefahr  ausgesetzt  wären.  Johann  Zäpolya,  den  der  von  Ercsy  aus  ab- 
gesendete Befehl,  sich  dem  Heere  des  Königs  in  Tolna  anzuschliessen, 
noch  in  Weissenburg  fand,  hätte  rechtzeitig  selbst  mit  Aufbietung  aller 
Kräfte  kaum  eintrefien  können. 

Noch  am  25.  August  suchte  der  Kanzler  die  Herren  im  Lager 
für  seine  Ansicht  zu  gewinnen;  hier  war  aber  Kampflust  und  Selbst- 
überschätzung vorherrschend,  und  wirkungslos  verklang  daher  jede  ver- 
nünftige Warnung. 

Um  über  das  weitere  Vorgehen  einen  Beschluss  zu  fassen,  berief 
nun  der  König  die  Feldhauptleute  und  Herren  zu  einer  Berathung;'2j 

")  Frakn6i,  »Ungarn  vor  der  Schlacht  bei  Mohäcs«,  S.  299,  sagt:  »Tomori 
wäre  am  18.  August  mit  .5000  Mann  gegen  Essegg  gezogen,  um  dem  Sultan  den 
Uebergang  über  die  Drau  zu  verwehren,  nachdem  aber  am  20.  das  türkische  Heer 
schon  zum  Theile  am  linken  Ufer  stand,  wäre  er  wieder  nach  Barsnyavär  zurück- 
g'ekehrt.« 

'-)  Fraknoi,  »Ungarn  vor  der  Schlacht  bei  Mohacs«,  S.  300,  verlegt  diese 
Berathung  auf  den  26.  August,  nachdem  aber  an  diesem  Tage  die  Türken  schon  bei 
Baranyavär  anlangten,  müsste  sie  spätestens  schon  den  25.  stattgehabt  haben. 


—     239     - 

auf  des  Königs  bestimmte  Frage:  »Soll  eine  Schlacht  angenommen  oder 
vertagt  werden?«  sprach  die  grosse  Menge,  Tomori  an  der  Spitze, 
sich  gegen  jede  Vertagung  aus.  Auf  die  Frage,  wie  gross  Tomori  die 
Stärke  des  Feindes  schütze,  erwiderte  dieser:  »Das  gesammte  ungarische 
Heer  betrage  wohl  kaum  mehr  20.000  Mann,  das  des  Feindes  wohl 
300.000  Mann,  vor  dieser  Zahl  dürfe  man  aber  nicht  erschrecken,  denn 
es  wäre  meist  feiges  Gesindel,  während  das  auserlesene  Kriegs volk  dar- 
unter kaum  auf  70.000  Mann  zu  schätzen  wäre.«  Tomori  mag.  als 
er  die  Annahme  einer  Schlacht  für  unvermeidlich  erklärte,  wohl  nur 
der  allgemeinen  Stimmung  Rechnung  getragen  haben.  Die  Stärke  des 
türkischen  Heeres  mag  Tomori  wohl  übertrieben  geschätzt  haben;  wenn 
dieselbe  auch  schon  beim  Ausmarsche  100.000  Mann  betragen  hat,  und 
der  Zufluss  an  Mannschaft  bis  zum  Uebergange  über  die  Save  nicht 
unbedeutend  war,  so  ist  doch  hievon  eine  grosse  Zahl  als  Diener  u.  dgl. 
in  Abschlag  zu  bringen;  gegen  60.000  bis  70.000  Mann  mag  der 
Gefechtsstand  aber  immerhin  noch  betragen  haben. '^) 

Während  der  Berathung  kamen  aus  Tomori's  Lager  Boten,  die 
zuerst  den  König  allein  zu  sprechen  verlangten,  dann  aber  vor  dem 
Kriegsrathe  erschienen  und  forderten,  sich  der  Schlacht  nicht  weiter  zu 
widersetzen.  Sie  erklärten:  »Der  Sieg  ist  unser,  wir  wissen,  worin  die 
Macht  der  Türken  besteht,  benützen  wir  das  Glück,  welches  die  Gnade 
Gottes  uns  bietet!  Kommt  mit  dem  König  in  unser  Lager,  das  dem  Feinde 
näher  liegt  wie  eures  und  zum  Angriffe  geeigneter  ist!  Wer  es  wagt^ 
dem  König:  anders  zu  rathen.  den  hauen  wir  in  Stücke,  und  wenn 
ihr  länger  zögert,  zerstören  wir  euer  Lager!«  Diese  Drohung  machte 
alle  verstummen,  wenn  sie  so  vermessene  Hoffnungen  auch  nicht  theilten. 
Es  wurde  nun  beschlossen,  dass  der  König  die  Schlacht  annehme, 
jedoch  auf  dem  Felde  von  Mohacs.^-*)  Tomori  eilte  nun  in  sein  Lager 
und  erklärte,  dass  eine  Schlacht  auf  dem  Felde  von  Mohäcs  ange- 
nommen würde;  er  wurde  mit  Jubel  empfangen,  und  seine  Truppen 
fanden   sich  auch  bereit,    sich  dem  Lager    des  Königs    anzuschliessen. 


'2)  Kapolnai,  »A  Mohäcsi  badjärat',  S.192,  sagt:  »Gleichzeitige  Geschichtsschreiber 
schätzen  zwar  das  türkische  Heer  auf  100.000  Mann  und  300  Geschütze,  da  aber  bei 
dem  zum  grossen  Theil  aus  Lehenstruppen  bestehenden  Heere  zwei  Drittheile  auf 
Diener,  Fuhrleute  etc.  zu  rechnen  sind,  kann  man  als  Gefechtsstand  nur  30.000  bis 
■40.000  Mann  annehmen.«  Da  man  die  Lehenstruppen,  die  zum  grössten  Theil  in 
beständigem  Kampfe  an  den  Grenzen  verwendet  waren,  doch  auch  zu  den  kriegsgeübten 
Truppen  rechnen  muss,  halte  ich  diese  Schätzung  für  zu  gering. 

")  Bischof  Perenyi  sagte  nach  dieser  Scene  zum  König:  »Am  Tage  der  Schlacht 
wird  der  Bruder  Paul  (Tomori)  mit  20.000  Ungarn  in  das  Himmelreich  eingehen,  möge 
doch  Eure  Majestät  den  Kanzler  Brodariii  nach  Kom  senden,  damit  der  Papst  diesen 
Tag  als  das  Fest  der  20.000  ungarischen  Märtyrer  in  das  Brevier  eintrage.« 


—     240      - 

In  den  letzten  Tagen  kamen  auch  Schiffe  mit  Kanonen  —  dar- 
unter neun  von  Wien  gesendete  —  und  das  Gepäck  des  Königs  an, 
der  sich  nun  erst  nach  Mohacs  begab.  Auch  noch  andere  Verstärkungen 
langten  an;  Alexius  Thurzö  brachte  200  Schützen;  Franz  Batthyany, 
der  Ban  von  Croatien,  Johann  Tahy,  der  Prior  von  Vrana.  Johann 
Banffy  und  Andere  rückten  mit  3000  Reitern  und  einigem  Fussvolk, 
Simon  P]rdödy.  Bischof  von  Agram,  und  sein  Bruder  Peter  mit 
700  Croaten  ein.  Johann  Bornemisza  schickte  mit  Stephan  Azel 
300  Reiter;  Johann  Szerecsen  führte  mehrere  hundert  Mann  aus  Fünf- 
kirchen  herbei, '')  wodurch  die  Zahl  der  Streiter  auf  ungefähr  28.000 

—  darunter  die  Hälfte  Reiter  —  und  die  der  Geschütze  auf  80  anwuchs. 

Das  türkische  Heer  hatte  nach  dem  20.  August  den  Vormarsch 
von  Essegg  angetreten  und  setzte  ihn  unter  den  ungünstigsten  Ver- 
hältnissen fort.  Der  anhaltende  Regen  verwandelte  die  ganze  Gegend 
zwischen  der  Donau  und  Drau  nahezu  in  einen  Sumpf,  aus  dem  nur 
die  auf  Elrdwellen  liegenden  Dörfer  hervorragten.  Erst  den  26.  August 
langte  das  Heer,  nachdem  es  eine  kaum  30  Kilometer  weite  Strecke 
zurückgelegt  hatte,  bei  Baranyavar  an.  Der  ausgetretene  Karasicza- 
bach  konnte  nur  hier  überschritten  werden.  Der  Sultan  musste  daher 
das  aiif  mehreren  Wegen  vorrückende  Heer  hier  sammeln  und  hielt  im 
Lager  daselbst  zwei  Rasttage. 

Am  rechten  Ufer  der  Donau  liegt  Mohäcs,  am  Rande  einer  bis 
10.000  Schritte  nach  Westen  ausgebreiteten  Ebene,  welche  oberhalb 
bei  der  Mündung  des  Baches  Csele  in  den  Strom  beginnt  und  unter- 
halb am  Karasiczabach  endet.  Im  Osten  wird  diese  Ebene  von  der 
in  mehrere  Arme  gespaltenen  Donau  uud  ihrem  Ueberschwemmungs- 
gebiete    begrenzt,    das  —  seither   durch  Abzugsgräben    trocken   gelegt 

—  damals  versumpft  und  von  mehreren  todten  Armen  durchzogen, 
zum  Theil  bewaldet  war.  Im  Westen  der  Ebene  zieht  sich  eine  30  bis 
40  Meter  hohe,  durch  mehrere  Einschnitte  durchbrochene  Erderhebung 
hin.  auf  welcher  jetzt  die  Orte  Lanczuk,  Nagy-Nyarad,  Maisz  liegen, 
und  einst  eine  Kirche  mit  mehreren  Häusern  stand,  die  von  den  Türken 
»Pusu  kilise«,  d.i.  »Kirche  des  Hinterhaltes«,  genannt  wurde,  welcher 
Name   der  Gegend   bis  heute   als  »Buziglica«  blieb;  *^)    hier  senkt  sich 

'^)  Der  Sage  nach  soüen  es  Studenten  gewesen  sein;-  die  Reste  der  Fahne, 
welche  sie  geführt  haben  sollen,  werden  noch  heute  in  der  Domkirclie  zu  Fünfkirchen 
vorgezeigt. 

^'')  Noch  sind  Fundamente  zu  finden,  welche  den  einstigen  Bestand  eines 
grosseren  Gebäudes,  vielleicht  Klosters,  und  einer  Kirche  sowie  einiger  Wohnhäuser 
anzeigen,  auch  werden  Gruben  zur  Aufbewahrung  des  Getreides  —  Silos  —  wie  sie 
jetzt  noch  in  Ungarn  gebräuchlich  sind,  gefunden. 


-     2-11     — 

die  Strasse  von  Baranyavnr  gegen  Mohacs  in  die  Ebene  herab. 
Wo  diese  Strasse  das  Uebersebwemmungsgebiet  der  Donau  be- 
rührt, führt  sie  an  einem  jetzt  Türkenhügel  genannten,  bei  fünf  Meter 
hohen  Erdaufwurf  vorüber,  von  dessen  Höhe  man  den  gegen  Mohäcs 
gelegenen  Theil  der  Ebene  übersieht.  Die  Ebene  —  jetzt  durch  Drainage- 
Gräben  geregelt,  und  meist  Ackerboden  —  war  mit  Feldern  und  Hut- 
weiden, zum  Theil  auch  mit  Wald  bedeckt.  Ein  geschlossener,  grösserer 
Wald  bedeckte  einen  Theil  der  Ebene  zwischen  Mohacs  und  Lancsuk 
längs  der  Strasse  gegen  Fünfkirchen,  welcher  als  Thiergarten  des 
Bischofs  benannt  wurde,  ^''j  Auf  dem  südlichen  Theil  der  Ebene  war 
längs  des  Fusses  der  Erderhebiing  sowie  von  der  Nyarader  Höhe  bis 
zur  Donauniederung  Wald,  welcher  sich  bis  gegen  Földvär  (Satoristie) 
hinzog.  '^) 

Obwohl  man  das  türkische  Heer  in  der  Nähe  wusste  —  schon 
seit  26.  August  fanden  Zusammenstösse  zwischen  streifenden  türki- 
schen Horden  und  den  ungarischen  Vorposten  statt  —  hatte  man  am» 
28.  August  im  ungarischen  Lager  doch  keine  genauere  Kenntniss  über 
die  Vorgänge  im  Feindeslager;  dass  das  türkische  Heer  am  nächsten 
Tage  aufbrechen  würde  und  dann  eine  Schlacht  unmittelbar  bevorstände. 
war  wohl  vorauszusehen. 

Tomori  setzte  nun  mit  den  Feldhauptleuten  den  Schlachtplan 
fest.  Die  Fremden,  welche  dem  Kriegsrath  beiwohnten,  besonders  der 
Pole  Grnojenski,  erwogen  in  nüchterner  Weise  die  Fälle  der  Schlacht 
und  gaben  den  Rath,  aus  der  grossen  Anzahl  von  Fuhrwerken,  welche 
das  Heer  begleiteten,  eine  Wagenburg  zu  errichten  und  unter  deren 
Schutz  den  Angriff  abzuwarten.  Die  ungarischen  Herren  aber  legten 
wenig  Gewicht  darauf;  sie  meinten,  dass  hiezu  auch  nicht  mehr  Zeit 
wäre,  und  beschlossen,  dem  Feinde  in  offenem  Felde  entgegenzutreten. 
Unter  dem  Eindrucke  der  über  das  türkische  Heer  verbreiteten  Nach- 
richten rechnete  man  auf  sicheren  Erfolg  und  glaubte  weniger  durch 
entsprechende  taktische  Verfügungen,  als  durch  muthiges  Vorgehen 
im  ersten  kräftigen  Anstürme  die  Schlacht  zur  Entscheidung  bringen 
zu  können. 

Zur  Aufstellung  des  ungarischen  Heeres  wurde  die  Ebene  südlich 
von  Mohacs  zwischen  den  Orten  N.-Nyarad  und  Kölked  gewählt.  Der 

*'')  Fraknöi,  »Ungarn  vor  der  Schlacht  bei  Mohäcs«,  S.  305,  sagt:  »wo 
heute  der  Thiergarten  des  Bischofs  von  Fünfkirchen  sich  befindet« ;  die  Lage  dieses 
Thiergartens,  dessen  letzter  Rest  noch  als  »Körtvelyer  Eevier-ä;  besteht,  ist  nur  mehr 
in    der  Erinnerung  der  ältesten  Leute  bekannt. 

'^)  Noch  Karten  und  Ansichten  avis  dein  vorigen  Jahrhundert  bringen  diese 
Waldpartien. 

Kupel wieser,  Ungarns  Kämpfe  mit  den  Osmaneii.  2.   Aufl.  lli 


242     — 


Schlacht  bei  Mohäcs,  29.  August  1526. 


Uebersichtskarte. 


Bewegung  während  der 
Schlacht. 

1',  2',  3'  Angriff  des    ersten    Treffens    der 
Ungarn. 

e',  /'  Vorrückung  Balibeg's   und  Chosrev- 
beg's. 


SteUung  heider  Heere 

zu 
Beginn  der  Schlacht. 


Ungarn 


Annähernder 
Gefechtsstand 


Erstes  Treffen. 

1.  Rechter    PlÜKel    unter 
Battyäny  und  Tahy    . 

2.  Cenirum     unter     dem 
Oberbefehl      .     .     .     . 

3.  Linker     Flügel     unter 
Herenyi 


Zweites  Treffen. 

i.  Kämmerer   des  Königs 
unter  Tarozay     .     .     . 

5.  Rannerhenen        unter 
Korlatkövy      .     .     .     . 

6.  Söldner   unter   Trepka 
und  Schlick    .     .     .     . 

7.  Banrierinm  des  Königs 
unter  Dragfy       .     .     . 

8.  Leichte  Truppen     .     . 

Lager. 

9.  Landsknechte      .     .     . 


Türken 


Erstes  Treffen 

unter  Ibrahim    Pascha 

a)  Ruiuelier 

b;  Janitscharen  .     .     .     . 

Zweites  Treffen 

^lnter   B'-hram  Pascha 

c)  Janitscharen  .     .     .     . 

d)  Anatolier 


Seiten-Colonne. 

e)  Rosnische  Reiter  unter 
Balibeg       .... 

f)  Bosnische  Heiter  unter 
Chosrevbeg     . 

g)  Gelolgp  de-i  Sultans    . 


3000 
3000 
3000 
1000 


10000 
2000 


5000 
1000 


Zusammen 


140U0     481)00      300 


Schlacht 

bei 
Mohäcs. 


4#.-  ,  - 


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Mohacs 


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—     244     — 

linke  Flügel  lehnte  sich  an  die  Donauniederung,  den  rechten  Flügel 
glaubte  man  durch  die  möglichste  Ausdehnung  der  Schlachtlinie  hin- 
reichend gesichert  und  unterliess  daher,  die  Erhebung  gegen  N.-Nyarad 
besonders  zu  beachten. 

Dass  man  auch  die  Möglichkeit  eines  ungünstigen  Ausganges 
der  Schlacht  im  Auge  hatte,  zeigen  die  für  diesen  Fall  zur  Rettung 
des  Königs  getroffenen  Vorkehrungen.  Einige  meinten,  man  solle  dem 
König  entfernt  vom  Schlachtfelde  einen  Standort  anweisen,  wogegen 
eingewendet  wurde,  das  Heer  wünsche  ihn  in  seinen  Reihen  zu  sehen. 
Der  Vorschlag,  jemand  von  ähnlichem  Aussehen  in  des  Königs  Rüstung 
zu  stecken,  wurde  als  desselben  unwürdig  verworfen.  Endlich  kam 
man  überein,  dass  Caspar  Ratkay,  Valentin  Török  und  Johann  Kallav, 
die  Ludwig's  Vertrauen  genossen,  ihn  während  der  Schlacht  hüten 
und  im  Falle  eines  üblen  Ausganges  aus  derselben  geleiten  sollten. 

Am  29.  August  —  einem  schönen  Sommermorgen  nach  lange 
anhaltendem  Regen  —  bezogen  die  Truppen  die  ihnen  angewiesenen 
Plätze.  Im  ersten  Treffen  wurde  das  Fussvolk,  bei  10.000  Mann,  in 
langer  dünner  Reihe,  vor  demselben  und  in  den  Zwischenräumen  ver- 
theilt  die  80  Geschütze  aufgestellt.  Als  Führer  werden  genannt  Anton 
Palöczy,  Franz  Drugeht,  Gabriel  Perenyi,  Thomas  Szecsy,  Andreas 
Bathory  und  Emerich  Czibak.  An  beiden  Flügeln  standen  Reiterhaufen, 
ungefähr  je  2000  Mann  stark;  der  rechte  von  Batthyany  und  Tahy. 
der  linke  von  Peter  Perenyi,  dem  Grafen  von  Temesvar,  geführt.  Das 
ganze  Treffen  dürfte  eine  Ausdehnung  von  4000  Schritten  genommen 
haben.  Das  Hintertreffen  bestand  zumeist  aus  Reiterei  und  nur  wenigem 
Fussvolk,  das  an  den  Flügeln  vertheilt  war.  Die  Reitermassen  standen 
hintereinander,  in  erster  Reihe  imter  Führung  Nikolaus  Tarczay's,  die 
Kämmerer  des  Königs  mit  ihren  Dienstmannen, '")  in  zweiter  Reihe 
die  Barone  mit  ihren  Kriegsleuten  unter  Korlatköv}^,  in  dritter  Reihe 
die  Söldner  aus  Böhmen  und  Mähren  unter  Trepka  und  Schlick,  jeder 
der  Reiterhaufen  ungefähr  3000  Mann,  endlich  das  Banderium  des 
Königs,  1000  gepanzerte  Reiter  mit  der  Reichsfahne  unter  dem  ludex- 
curiae  Johann  Dragfy;  an  den  Flügeln  vertheilt  standen  2000  Mann 
leichte  Fusstruppen.  Im  Lager  bei  Mohäcs,  ungefähr  5000  Schritte 
südlich  der  Stadt.'-")  um  welches  aus  den  vorhandenen  500  Fahrzeugen 
eine  Art  Wagenburg   hergestellt   war,    verblieben    2000  Landsknechte. 

'■')  Unter  den  »Kämmerern  des  Königs«  dürften  wohl  die  von  den  Krongütern 
beigestellten  Banderien  zu  verstehen  sein,  wärend  das  Banderium  des  Königs  aus 
angeworbenen,  wohlausgerüsteten  Keltern  bestanden  hat. 

•")  Brodaric  sagt,  das  Lager  w.äre  zwei  Meilen  südlich  von  Mohäcs  gewesen, 
worunter  er  wohl  italienisclie  Miglien   =   25*10  Schritte,  gemeint  haben  dürfte. 


^     245    — 

In  der  Umgebung  König  Ludwig's,  der.  sobald  die  Abtheilungen 
in  ihre  Stellungen  eingerückt  waren,  mit  dem  Palatin  ihre  Reihen 
durchritt  und  an  Truppen  oder  einzelne  Leute  einige  aufmunternde 
Worterichtete,  während  letzterer  Ansprachen  an  das  Heer  hielt,  befanden 
sich  die  beiden  Oberbefehlshaber,  der  Erzbischof  von  Gran,  die 
Bischöfe  von  Agram,  Grosswardein,  Fünfkirchen,  Neutra,  Raab,  Waizen 
und  der  Bischof  von  Bosnien,  ferner  der  Palatin  und  der  Kanzler 
nebst  mehreren  weltlichen  Bannerherren. 

Das  erste  Treffen  sollte  den  Kampf  auf  der  ganzen  Linie  gleich- 
zeitig beginnen  und  sich  mit  voller  Kraft  auf  das  Vordertreffen  der 
Türken  werfen  •  Avürde  letzteres  —  wie  sicher  erwartet  wurde  —  im 
ersten  Anlauf  geworfen,  so  sollten  die  Reitermassen  eingreifen,  mit 
den  Flüchtigen  zugleich  die  rückwärtigen  Treffen  durchbrechen  und 
die  Niederlage  der  Türken  vollenden.   Es  sollte  aber  anders  kommen! 

Indessen  waren  die  Türken  am  29.  August  nach  dem  Gebete 
mit  Tagesanbruch  aus  dem  Lager  um  Baranyavar  aufgebrochen.  Der 
Sultan  hatte  nicht  die  Absicht,  noch  am  selben  Tage  eine  Schlacht 
zu  liefern,  daher  das  Heer  den  Marsch  in  gewöhnlicher  Ordnung 
antrat.  Die  Grenzbege  waren  an  der  Spitze  des  Heeres:  Balibeg  von 
Belgrad  —  wohl  der  hervorragendste  von  Suleiman's  Heerführern  — 
mit  5000  ausgesuchten  Reitern  führte  die  Vorhut;  diesem  folgte  Chos- 
revbeg  mit  den  bosnischen  Lehenstruppen,  2')  dann  kam  der  Gross- 
vezier  Ibrahim  mit  2000  mit  Feuergewehren  bewaffneten  Janitscharen, 
einem  Theil  der  Geschütze  und  den  übrigen  rumelischen  Truppen; 
ferner  Behram  Pascha  mit  den  anatolischen  Truppen  und  den  dazu- 
gehörigen Geschützen;  endlich  der  Sultan  selbst  mit  dem  Rest  der 
Janitscharen  (bei  10.000  Mann)  und  der  Geschütze,  deren  das 
türkische  Heer  bei  300  hatte,  von  seinen  sechs  Rotten  der  regel- 
mässigen Reiterei  und  seiner  Leibwache  umgeben.  ^'^)  Nachdem  das 
türkische  Heer  die  Marschordnung  möglichst  einhielt,  dürfte  selbes 
bei  dem  streitbaren  Stand  von  60.000  bis  70.000  Mann  immerhin  im 
Marsche  eine  Ausdehnung  von  beiläufig  50.000  Schritten  oder  fünf 
bis  sechs  Gehstunden  benöthigt  haben. 

Balibeg  hatte  schon  bei  dem  Abmärsche  aus  dem  Lager  den 
Befehl  erhalten,   von  Buziglica  aus  unter  dem  Schutze  der  die  Ebene 

^')  Hammer,  II,  S.  52,  verweist  den  Chosrevbeg  in  die  Nachhut,  während 
in  Suleiman's  Tagebuch  (Szuleiman  Naploi,  kS.  315)  letzterer  dem  Balibeg  folgte. 

'-)  Ueber  die  Vertheilung  der  Geschütze  sprechen  türkische  Quellen  sich  nicht 
genau  aus,  Käpolnai  (S.  444)  vertheilt  sie  gleichmässig  zwischen  den  rumelischen  und 
anatolischen  Truppen. 


—     24G     - 

begrenzenden  Erderhebung  und  der  Wälder  zur  Bedrohung  der  rechten 
Flanke  des  Feindes  gegen  N.-Nyarad  vorzugehen  und  dort  das  Ein- 
greifen der  Hauptcolonnen  abzuwarten.  Ungefähr  um  10  Uhr  Vor- 
mittags bei  Buziglica  angelangt,  dürfte  der  Sultan  erfahren  haben, 
dass  das  ungarische  Herr  kampfbereit  vor  Mohacs  stehe.  Im  Kriegs- 
rathe  dürfte  hier  beschlossen  Avorden  sein,  dass  Chosrevbeg  mit  weiteren 
5000  Mann  der  Vorhut  Balibeg's  folge,  das  Heer  selbst  aber  gegen 
Abend  den  Ungarn  gegenüber  ein  Lager  beziehe."^) 

Unbemerkt  von  den  Ungarn  entwickelte  sich  nun  das  türkische 
Heer  während  des  Vormarsches;  das  erste  Treffen,  die  Rumelier,  blieb 
durch  den  Wald  gedeckt  unter  Waffen  stehen,  bis  die  Anatolier  und 
die  Janitscharen  sich  entwickelt  hatten.  Als  in  den  Nachmittagsstunden 
ein  heftiges  Gewitter  losbrach,  das  jede  Bewegung  erschwerte,  ordnete 
der  Sultan  an,  den  Wald  zu  verlassen  und  so  weit  vorzurücken, 
um  ein  Lager  beziehen  zu  können. 

Beim  ungarischen  Heere  verstrich  der  Tag  in  ungeduldiger  Er- 
wartung. Bald  nach  Sonnenaufgang  trat  wieder  Regen  ein  und  als  in 
den  Nachmittagsstunden  das  Gewitter  losbrach,  wollten  die  unthätigen 
und  doch  ermüdeten,  auch  zur  Unbotmässigkeit  geneigten  Trappen 
in  der  Meinung,  die  Türken  wollten  nicht  mehr  angreifen,  schon  in 
das  Lager  zurückkehren.  Endlich  nahm  man  gegen  N.-Nyarad,  aus  dem 
dort  gelegenen  Walde  kommend,  einzelne  Reiterhaufen  wahr.  Tomori 
hielt  dieselben  nur  für  eine  streifende  Abtheilung,  Avelche  mit  Um- 
gehung des  Heeres  das  Lager  beunruhigen  wollte,  und  entsendete  mit 
Zustimmung  des  Königs  Ratkay  nebst  den  übrigen  Hütern  desselben 
mit  einigen  Reitern,  um  die  vorbrechende  Horde  zu  zerstreuen,  dann 
aber  wieder  in  die  Schlachtordnung  zurückzukehren. 

Als  der  Himmel  sich  wieder  aufhellte,  war  das  türkische  Heer 
aus  dem  Walde  herausgetreten.  Das  erste  Treffen  —  die  Rumelier, 
ein  Theil  der  Janitscharen  und  der  Geschütze  unter  Ibrahim  Pascha  — 
war  bis  gegen  Földvar  vorgegangen.  Im  zweiten  Treffen  standen  nebst 


^^)  Hammer,  II,  52,  fiibrt  aus  türkischen  Quellen  mit  vielen  unwesentlichen 
Angaben  die  Abhaltung  dieses  Kriegsrathes  an  und  verlegt  ihn  unmittelbar  auf  das 
Gefechtsfeld,  also  viel  zu  spät,  um  noch  Verfügungen  treffen  zu  können.  Hier  mag 
es  auch  gewesen  sein,  dass  der  Sultan  —  wie  Hammer  nach  türkischen  Quellen 
berichtet  —  unter  Jubelbezeugung  des  Heeres,  mit  erhobenen  Händen  den  Beistand 
Gottes  anflehte.  Hammer  lässt  auch  das  türkische  Heer  sich  in  drei  Treffen  entwickeln 
—  im  Widerspruch  mit  dem  Tagebuch  Suleiman's  —  und  bringt  wie  auch  Kemal- 
paschasade  die  Fabel,  dass  die  beiden  Vordertreffen  den  Befehl  hatten,  zurück- 
zuweichen und  sich  zu  öffnen,  um  den  Feind  vor  dem  letzten  Treffen  desto  besser 
vernichten  zu  können. 


-     247     - 

10.000  Janitscharen  und  den  Geschützen  die  Anatolier  unter  Behram 
Pascha,  hinter  denselben  der  Sultan  mit  seinem  Gefolge. 

Als  nun  die  Ungarn  das  Vorgehen  der  Türken  wahrnahmen, 
eröffneten  sie,  in  der  Meinung,  letztere  wollten  zum  Angriff  vorgehen, 
den  Kampf.  Die  Wirkung  der  ungarischen  Geschütze  scheint  sich  nun 
als  sehr  ungenügend  erwiesen  zu  haben,  denn  Tomori  gab  sogleich 
das  Zeichen  zum  Angriff.  2^)  Das  Mitteltreffen,  dem  der  linke  Flügel 
folgte,  stürzte  sich  nun  auf  die  Rumelier,  die,  eben  im  Begriffe  zu 
lagern,  ihr  Gepäck  ablegten  und  die  Tragthiere  zurückschickten.  Ganz 
unvorbereitet,  wurden   sie  mit  leichter  Mühe    in    die  Flucht  getrieben. 

Andreas  Bathory,  des  Palatins  Bruder,  eilte  nun  unter  dem  Ein- 
dracke  des  augenblicklichen  Erfolges  mit  dem  Rufe  zurück:  »Die 
Feinde  fliehen,  unser  ist  der  Sieg!«  Die  Reitermassen  griffen  nun  in 
das  Gefecht  ein.  Hat  Tomori  oder  der  König  den  Befehl  hiezu  er- 
theilt?  Sind  sie,  den  geträumten  sicheren  Erfolg  vor  Augen,  aus 
eigenem  Antriebe  vorgegangen?  und:  Wie  haben  sich  die  hinter- 
einanderstehenden  Reitermassen  zum  Gefechte  entwickelt?  Das  sind 
Fragen,  die  nun  nicht  mehr  beantwortet  werden  können!  Thatsache 
ist,  dass  von  diesem  Augenblicke  an  jede  Leitung  der  Schlacht  ver- 
loren war. 

Die  Reitermassen  warfen  sich  nun  auf  das  zweite  indessen  ge- 
ordnete Treffen  der  Türken.  Einzelne  Reiter  drangen  sogar  bis  in  die 
Nähe  des  Sultans  vor,  wo  sie  von  seinen  Leibwachen  niedergemacht 
wurden.-'"')  Hier  wurden  sie  aber  von  dem  im  Feuergefechte  wohl- 
geübten Janitscharen,  sowie  von  den  vor  selben  stehenden  Geschützen, 
welche  mit  ihren  durch  Ketten  verhängten  Fahrzeugen  eine  Art 
Barricade  bildeten,  mit  so  heftigem  Feuer  überschüttet,  dass  ein 
weiteres  Vordringen  unmöglich  war.  Nur  kurze  Zeit  kam  der  Kampf 
zum  Stehen;  was  von  den  Ungarn  dem  heftigen  Feuer  nicht  erlag, 
musste  aber  bald  die  Flucht  ergreifen. 

Während  des  Vorganges  bei  dem  Mitteltreffen  und  des  Ein- 
greifens der  Reitermassen  wurde  der  rechte  Flügel  der  Ungarn  nur  zu 
bald  gewahr,  dass  von  den  Nyarader  Höhen  nicht  einzelne  Schwärme 
vorgehen,  sondern  ein  ernster  Angriff  zu  erwarten  war,  der  seine 
rechte  Flanke    sowie    den  Rücken  bedrohte.    Er   musste    daher    seine 


-*)  Käpolnai  meint,  die  Geschosse  der  Ungarn  hätten  die  Türken  wegen  zu 
grosser  Entfernung  nicht  erreicht,    weshalb  Tomori  den  Angriff  sogleich  anordnete. 

-'■)  Türkische  Quollen  berichten,  dass  32  edle  Ung'arn  sich  dem  Tode  geweiht 
hätten,  um  den  Sultan  zu  verderben,  und  auch  bis  zu  den  Leibwachen  vorgedrungen 
wären,  wo  sie  niedergehauen  wurden.  Ungarische  Quellen  erwähnen  dies  nicht,  ebenso 
auch  nicht,  dass  der  Krmig  in  der  Schlacht  verwundet  worden  wäre. 


—     248     — 

ganze  Kraft  wohl  im  Vereine  mit  dem  bei  den  Reitermassen  ein- 
getheilten  Fussvolke  nach  rechts  wenden.  Als  nun  aber  auch  die  Aus- 
dehnung der  türkischen  Gefechtslinie  ■ — ■  sie  nahm  nahezu  die  ganze 
Breite  der  Ebene  ein  —  zur  Geltung  kam,  konnte  er  dem  Drucke 
Balibeg's  nicht  widerstehen  und  ergriff,  sich  auch  im  Rücken  bedroht 
sehend,  die  Flucht  gegen  die  Donau. 

Nun  trat  die  für  das  ungarische  Heer  so  verderbliche  Katastrophe 
ein.  Die  Fliehenden  des  rechten  Flügels  rissen  den  Rest  der  zerstreuten 
Reitermassen  mit  sich  gegen  die  Donau.  Nach  kaum  zweistündigem 
Ringen  war  die  Schlacht  beendet,  das  ungarische  Heer  vernichtet; 
was  nun  folgte,  war  kein  Kampf  mehr. 

Gegen  20.000  Ungarn  lagen  todt  auf  dem  Schlachtfelde  oder 
hatten  in  den  Wellen  der  Donau  ihr  Grab  gefunden;  2000  Mann  — 
der  Besatzung  des  Lagers  angehörend  oder  dahin  geflüchtet  —  wurden 
gefangen,  nur  Wenigen  gelang  es,  begünstigt  durch  den  Eintritt  eines 
heftigen  Gewitters,  in  wilder  Flucht  zu  entkommen. 

Unwillkürlich  stellt  man  die  Frage:  Wie  war  es  möglich,  in  der 
Zeit  von  wenigen  Stunden  ein  so  grosses  Heer  zu  vernichten?  Die 
Antwort  findet  man  nicht  in  der  geringeren  Zahl  der  Ungarn  allein, 
sondern  auch  in  der  Zusammensetzung  des  ungarischen  Heeres,  dem 
jede  einheitliche  Organisation  fehlte;  die  Verwendung  desselben  — 
diesem  Umstände  vollkommen  entsprechend  —  konnte  kaum  einen 
anderen  Erfolg  erwarten  lassen.  Die  Geschütze  der  Ungarn  fanden 
keine  Verwendung;  ihr  Fussvolk  —  zum  Theil  noch  Bogenschützen, 
nur  zum  geringen  Theil  mit  Feuergewehren  ausgerüstet  —  verwertete 
die  Fernwirkung  ihrer  Waffen  gar  nicht,  sondern  warf  sich  gleich  zu 
Beginn  der  Schlacht  in  das  Handgemenge,  wo  ihr  der  überlegene 
Muth  und  wohl  auch  die  Ueberraschung  des  Feindes  einen  geringen 
Erfolg  sicherte.  Von  einer  Seite  wird  behauptet,  Tomori,  der  Feldherr, 
habe  sich  an  die  Spitze  des  ersten  Treffens  gestellt  und  dort  den  Tod 
gefunden  —  vielleicht  ihn  auch  gesucht  —  womit  jede  Leitung  der 
Schlacht  verloren  war;  ebenso  soll  Georg  Zäpolya,  von  dem  über- 
haupt wenig  die  Rede  ist,  gefallen  sein,  und  von  dem  wenig  selbst- 
ständigen König  war  ein  energisches  und  zielbewusstes  Eingreifen  nicht 
zu  erwarten.  Hat  Tomori,  wie  auch  behauptet  wird,  sich  recht- 
zeitig aus  dem  Gewühle  der  Schlacht  gerettet  und  erst  später  den  Tod 
gefunden,  so  müsste  er  wohl  das  Bewusstsein  gehabt  haben,  dass  ihm 
bereits  jede  Einflussnahme  auf  den  Gang  der  Schlacht  benommen  war. 
Das  Vorbrechen  der  Reitermassen  scheint  zu  früh  und  in  sehr  ge- 
drängter Form  stattoefunden    und    sich    auf   einen  Punkt  des  Feindes 


-     249     — 

beschränkt  zu  haben;  der  Ungarn  erstes  Treffen  dürfte  von  den  Reitern 
überritten  worden  sein,  da  die  Massen  gleich  vor  die  Front  der 
Janitscharen  und  ihrer  Geschütze  gelangten,  wo  sie  dem  heftigen 
Feuer,  vor  dem  sie  ihre  Eisenpanzer  nicht  schützten,  erlagen.  Ein  un- 
glückliches Zusammentreffen  mit  den  Flüchtigen  ihres  rechten  Flügels 
vollendete  dann  die  Niederlage  der  Ungarn,  die  umso  verhängnissvoller 
war,  als  die  Türken  keine  Gefangenen  machten,  sondern  niederhieben, 
was  ihnen  in  den  Weg  kam. 

Unter  den  Todten  befanden  sich  der  Erzbischof  von  Gran  und 
fünf  Bischöfe,  ferner  Korlatkövy,  Trepka,  Schlick,  Johann  Batthyany, 
Gabriel  Perenyi,  dann  noch  gegen  20  Magnaten  und  500  andere  Edel- 
leute,  und  wohl  auch  die  beiden  Oberbefehlshaber  Paul  Tomori  und 
Georg  Zäpolya.  ^*')  Von  den  böhmischen  Herren,  die  ins  Lager  des 
Königs  gekommen  waren,  sah  nur  Heinrich  Zlozek  seine  Heimat 
wieder. 

Unter  den  Wenigen,  die  sich  aus  der  Schlacht  gerettet  hatten, 
befand  sich  der  Palatin  Stephan  Bathory,  der  bei  Zeiten  im  Wagen 
entkommen  war,  Peter  Perenyi,  Franz  Batthyany  und  der  Kanzler 
Brodaric. 

Als  über  den  Ausgang  der  Schlacht  kein  Zweifel  mehr  Avar,  be- 
schloss  König  Ludwig,  die  Flucht  zu  ergreifen,  und  schlug  mit  seiner 
Umgebung  den  Weg  gegen  Ofen  ein.  In  der  Verwirrung  zerstreuten 
sich  bald  seine  Begleiter  und  als  er  am  Bache  Csele  anlangte,  waren 
nur  Wenige  mehr  bei  ihm.  Dieser  sonst  unbedeutende  Bach  war  in 
Folge  der  Regengüsse  und  des  Stauwassers  der  Donau  hoch  gestiegen. 
Bei  dem  Uebersetzen  desselben  konnte  das  ermüdete  Pferd  des  Königs 
das  steile,  schlüpfrige  Ufer  nicht  erklimmen;  sich  überschlagend, 
stürzte  es  in  das  Wasser  zurück  und  begrub  ,  den  Reiter  unter  sich. 
Von  den  Begleitern  des  Königs  fand  Stephan  Atzel  bei  dem  Versuche, 
ihn  zu  retten,  den  Tod  in  den  Wellen,  während  Ubald  Zettwitz  von 
Lorenzdorf  in  der  Furcht  vor  Verfolgung  die  Flucht  fortsetzte  und 
die  Nachricht  vom  Tode  des  Königs  nach  Ofen  brachte.-') 

-'')  Die  Leichen  Tomori's  und  Georg  Zjijiolya's  scheinen  von  den  Türken  nach 
der  Schlacht  nicht  aufgefunden  worden  zu  sein. 

-')  Allg-emein  verbreitet  ist  die  Nachricht,  dass  König  Ludwig  II.  auf  diese 
Weise  den  Tod  in  den  Wellen  des  Baches  gefunden  habe.  Auffallend  ist  es,  dass  die 
Leiche  des  Königs  mehrere  Monate  später  in  einem  Grabe  nächst  dem  Bache  ohne 
Rüstung,  sonst  aber  ihres  Schmuckes  nicht  beraubt,  aufgefunden  wurde,  während  man 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  hätte  schliessen  können,  dass  selbe  bei  falleniem 
Wasserstande  aus  dem  Bache  in  die  Donau  getragen  worden  und  in  den  Wellen  der- 
selben unbeachtet  verschwunden  sein  dürfte.    Es  ist  daher  begreiflich,    dass    die    erst 


—     250     — 

Der  Grösse  seines  Sieges  sich  nicht  bewusst,  und  in  der  Meinung, 
doch  noch  ein  grösseres  Heer  vor  sich  zu  haben,  unterliess  der  Sultan, 
bei  Eintritt  der  Nacht  die  Verfolgung  fortzusetzen,  und  blieb  bis  zum 
Morgen  gerüstet  und  kampfbereit  auf  dem  Schlachtfelde  stehen,  am 
Morgen  erst  bezog  er  sein  Lager.  Vor  seinem  Zelte  ^^)  wurden 
2000  Köpfe,  darunter  jene  der  Bischöfe  und  vieler  Edler,  aufgeschlichtet. 
In  feierlichem  Divan  wurden  nun  die  Heerführer  mit  Ehrenkleidern, 
der  Grossvezier  mit  einem  wertvollen  Reiher  beschenkt.  Die  Defter- 
dare  erhielten  den  Auftrag,  die  Todten  zu  zählen  und  zu  begraben; 
des  letzteren  Auftrages  entledigten  sie  sich,  indem  sie  die  Leichen  in 
die  Donau  werfen  Hessen.  Die  Zählung  ergab  20.000  Leichen  von 
Fussgängern  und  4000  von  bepanzerten  Reitern,  sowohl  Ungarn  als 
Türken.'-'^)  Wie  gross  die  Verluste  der  Türken  waren,  ist  nicht  zu 
ermitteln,  dass  sie  aber  grösser  waren,  als  Sultan  Suleiman  sie  in 
seinem  Tagebuche  selbst  angibt,  indem  er  sagt:  »Nur  50  —  60  Türken 
wurden  Märtyrer«,  ist  selbstverständlich. 

Am  Abend  des  30.  August  kam  Johann  Zapolya  zu  Wagen  von 
Szegedin  an  die  Donau,  konnte  des  Hochwassers  wegen  nicht  mehr 
nach  Tolna  übersetzen  und  kehrte  wieder  zurück,  als  er  von  der 
unterdessen  eingetretenen  Katastrophe  Kenntniss  erhielt. 

Am  3.  September  trat  das  türkische  Heer  den  Marsch  gegen 
Ofen  an.  Vorher  wurden  Mohacs  und  alle  umliegenden  Orte  nieder- 
gebrannt, alle  Gefangenen  und  sämmtliche  männlichen  Einwohner,  die 
sich  nicht  rechtzeitig  über  die  Donau  in  Sicherheit  gebracht  hatten, 
ermordet,  nur  die  Weiber  auf  Befehl  des  Sultans  geschont. 

Nach  Ofen  war  die  Nachricht  von  der  verlorenen  Schlacht  und 
dem  Tode  des  Königs  Ludwig  schon  am  30.  August  gelangt.  Die 
Königin  Maria  verliess  sofort  mit  ihrer  Umgebung  die  Stadt  und  zog 
sich  nach  Pressburg  zurück. 

Ohne  auf  Widerstand  zu  stossen,  drang  Suleiman  bis  Ofen  vor, 
zu  dessen  Vertheidigung  nicht  die  geringste  Vorkehrung  getroffen  war. 


später  bekannt  gewordenen  Angaben  eines  Zeitgenossen  des  Königs,  Szerem  György 
(Georgius  Sirmiensis,  Hofkaplan  Ludvvig-'s  und  später  Zäpolya's),  welche  denselben  als 
Opfer  eines  Mordes  darstellen,  wenn  sie  auch  als  unwahrscheinlich  wenig  Glauben 
fanden,  doch  nicht  ganz  unbeachtet  blieben. 

■'')  Das  Lager  der  Türken  war  bei  Földvar  oder  Sätoristie  (ungefähr  mit  Zelt- 
ort zu  übersetzen)  aufgeschlagen.  Später,  1530,  Hess  Hasanbeg,  der  Statthalter  in  Ofen, 
an  der  Stelle,  wo  das  Zelt  des  Sultans  stand,  einen  Köschk  (Kiosk,  auch  Villa)  er- 
bauen und  einen  Brunnen  graben. 

'-°)  Einen  Tag  und  eine  Nacht  hindurch  sah  man  an  Belgrad  Tausende  von 
Leichen  vorüberschwimmen. 


—     251     — 

Die  Sclilüsseln  der  Stadt  wurden  dem  Sultan  bis  Földvär  entgegen- 
gebracht, am  10.  September  1526  hielt  er  seinen  Einzug  in  die  Haupt- 
stadt Ungarns.  Ofen  wurde,  obwohl  der  Stadt  beim  Einzüge  des  Sul- 
tans Schonung  zugesagt  war,  geplündert  und  eingeäschert.  Vergeblich 
suchte  der  Sultan  dem  wilden  Treiben  seiner  Horden  Einhalt  zu  thun, 
nur  die  von  ihm  selbst  bewohnte  Burg  blieb  verschont. 

Inzwischen  dehnten  Raubhorden  ihre  Züge  über  das  Land  aus. 
Um  Ofen  wurden  die  Landhäuser  des  Adels  zerstört.  Visegrad  retteten 
Bauern  und  Mönche.  Das  von  der  Besatzung  verlassene  Castell  in 
Gran  vertheidigte  der  Trabantenhauptmann  Michael  Nagy.  Unweit 
Marös  hatten  die  aus  ihren  Ortschaften  geflohenen  Bewohner  ein  ver- 
schanztes Lager  errichtet;  um  es  einzunehmen,  brachten  die  Türken 
Geschütze  mit,  und  machten  dann  die  Vertheidiger  sammt  ihren  Fa- 
milien —  bei  25.000  Menschen  —  nieder.  Andere  befestigte  Plätze, 
wie  Tata,  Komorn  und  Stuhlweissenburg,  blieben  verschont.  In  Fünf- 
kirchen, das  sich  gegen  Zusicherung  der  Schonung  ergab,  wurden  die 
Einwohner  auf  dem  Marktplatze  versammelt  und  niedergemacht.  Selbst 
bis  an  die  Grenzen  von  Oesterreich  und  Steiermark,  wo  seit  1525  der 
Feldhauptmann  Niklas  Salm  den  Oberbefehl  führte  und  die  Landes- 
aufgebote zusammengezogen  hatte,  breiteten  sich  die  Raubzüge  der 
Türken  aus. 

Am  17.  September  verlegte  dsr  Sultan  nach  Herstellung  einer 
Brücke  sein  Lager  nach  Pest.  Die  Schätze  der  königlichen  Burg  in 
Ofen,  die  gesammelten  Kunstwerke  und  des  Königs  Mathias  Corvinus 
reichhaltige  Bibliothek  wurden  auf  Schiffe  verladen,  um  nach  Con- 
stantinopel  gebracht  zu  werden,  wo  sie  wenig  beachtet,  zum  Theil 
verschleudert,  zum  Theil  bis  in  die  neueste  Zeit  verborgen  gehalten 
wurden. 

Am  25.  September  trat  das  türkische  Heer,  nachdem  auch  Pest 
geplündert  und  niedergebrannt  worden  war,  den  Rückzug  an.  Die 
Horden  Balibeg's  waren  dem  Heere  vorausgezogen  und  hatten  das 
Land  zwischen  der  Donau  und  Tlieiss  in  eine  Wüste  verwandelt, 
weshalb  der  Rückmarsch  beschleunigt  werden  musste.  Ein  Theil  des 
Heeres  unter  dem  Grossvezier  zog  gegen  Szegedin,  das  niedergebrannt 
Avurde;  mit  dem  anderen  Theile  zog  der  Sultan  längs  des  linken  Donau- 
ufers bis  Peterwardein,  wo  sich  beide  Heerestheile  am  7.  October 
vereinigten.  Die  Einwohner  von  Szabadka  vertheidigten  sich  glücklich 
in  einem  verschanzten  Lag-er.  dageo-en  Avurden  die  Einwohner  von 
Bäcs,  die  sich  in  die  befestigte  Kirche  geworfen  hatten,  nach  längerer 
Gegenwehr  niedergehauen. 


—     252     — 

Zwischen  Bacs  und  Peterwardein  hatten  sich  mehrere  tausend  Be- 
wohner der  Umgebung  in  Donau- Auen  geflüchtet  und  dort  ein  Lager 
errichtet.'^*')  Die  Erstürmung  desselben  kostete  den  Türken  beinahe 
ebensoviel  Todte  und  Verwundete  wie  die  Schlacht  bei  Mohacs;  hier 
fielen  der  Aga  der  Janitscharen,  nebst  ihrem  zweiten  Anführer,  und 
der  Tschauschbascha  (Generalstabs-Chef).  Im  Lager  bei  Titel  be- 
unruhigten Batthyäny  und  Radovich  das  osmanische  Heer. 

Die  BevölkerungUngarns  verlor  im  Jahre  1526  an200.000Menschen, 
die  von  den  Tüi'ken  durchzogenen  Landstriche  glichen  einer  voll- 
ständigen Wüste. 

Nach  Zurücklassung  einer  Besatzung  in  Peterwardein,  avo  das 
türkische  Heer  fünf  Tage  zum  Brückenschlag  brauchte,  setzte  der 
Sultan  den  Rückmarsch  fort  und  traf  am  23.  November,  nach  sieben- 
monatlicher Abwesenheit,  in  Constantinopel  ein,  von  avo  ihn  gleich 
wieder  eine  Empörung  in  seinem  weiten  Reiche  nach  Kleinasien  rief. 

Die  Absicht,  ganz  Ungarn  zu  erobern,  mag  Sultan  Suleiman  bei 
seinem  Aufbruche  von  Constantinopel  Avohl  nicht  gehabt  haben;  dass 
es  ihm  aber  so  leicht  gemacht  werden  würde,  bis  in  die  Hauptstadt 
Ungarns  vorzudringen,  glaubte  er  selbst  kaum.  Der  bevorstehende 
Eintritt  des  Winters,  die  Zusammenziehung  einer  beträchtlichen  Macht 
bei  Agram  unter  Christoph  Frangepan,^')  die  schon  im  Anmärsche 
gegen  Stuhlweissenburg  war,  der  Zuzug  böhmischer  und  mährischer 
Truppen,  die  schon  bis  Raab  gelangt  Avaren,  und  der  Aufruf  des  Erz- 
bischofs A'on  Erlau,  Paul  Varday,  an  die  oberungarischen  Städte,  sich 
zur  Vertheidigung  des  Landes  zu  erheben,  all  dies  mag  wohl  beigetragen 
haben,  dass  Suleiman  die  errungenen  Vortheile  nicht  in  vollem  Masse 
ausnützte  und  den  Rückzug  so  bald  antrat. 

Zapolya,  der  schon  Avährend  der  Schlacht  bei  Mohacs  in  der 
Gegend  von  Szegedin  stand,  zog  sich  an  das  linke  Theissufer  bis  gegen 
Fegyvernek  und  später  bei  der  Annäherung  der  Türken  —  jedem 
Zusammenstosse  ausweichend  —  bis  Tokay  zurück.  Dass  Zapolya  schon 
damals  nach  der  ungarischen  Krone  strebte,  ist  gewiss;  dass  er  darüber 
mit  dem  Sultan  selbst  oder  mit  dem  Grossvezier  in  Unterhandlung 
stand,  ist  zwar  nicht  erAviesen,  jedoch  sehr  wahrscheinlich, ^^j  und  dass 


'^^)  Die  Reste  dieser  Verschanzung  sind  noch  nördlich  von  Palänka  unter  dem 
Namen  Türkenschanze  vorhanden. 

■*')  Erzherzog'  Ferdinand  Hess  50O  Reiter  zum  Heere  Frangepan's  stossen. 

^^)  Der  türkische  Geschichtsschreiber  Solaksade  berichtet,  dass  Sultan  Suleiman 
schon  im  September  1526  während  seines  Aufenthaltes  in  Ofen  den  Magnaten  die 
Versicherung    gegeben    habe,    dass    er   Johann  Zapolya   fortan   als   ihren  König  aner- 


—     253     - 

er  sich  der  Gunst  des  Sultans  durch  sein  Verhalten  versichern  wollte, 
um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  ist  kaum  zu  bezweifeln. 


Nach  dem  Abzüge  der  Türken  herrschte  in  dem  zum  Theile  ver- 
wüsteten Lande  die  grösste  Verwirrung.  Während  die  Raubzüge  der 
Türken  an  den  Grenzen  nicht  aufliörten,  bildeten  sich  im  Süden 
Ungarns  Räuberbanden,  welche  sich  je  nach  ihrem  Vortheile  den 
politischen  Parteien    anschlössen   und   so   die  Verwirrung  vermehrten. 

Die  zwei  einander  bekämpfenden  politischen  Parteien,  die  sich 
schon  unter  den  letzten  Königen  gebildet  hatten,  bestanden  auch  jetzt 
noch.  Die  Hofpartei,  deren  vornehmstes  Glied  der  Palatin  Bäthory 
war,  schloss  sich  der  verwitweten  Königin  Maria  an,  welche  sich  nach 
Pressburg  zurückgezogen  hatte.  Die  Oppositionspartei  unter  Johann 
Zäpolya,  der  mit  seinem  Heere  noch  an  der  Theiss  stand,  hielt  schon 
im  October  1526  eine  Versammlung  in  Tokay  ab,  wo  dessen  Wahl 
zum  König  besprochen  und,  in  der  Hoffnung  einen  Ausgleich  mit 
Ferdinand  treffen  zu  können,  seine  Vermählung  mit  der  Witwe  König 
Ludwig's  in  Aussicht  genommen  worden  war.  Zapolya  zum  König  aus- 
zurufen, wagte  man  noch  nicht,  doch  berief  man  einen  Reichstag  nach 
Stuhlweissenburg,  wo  er  am  11.  November  von  seiner  Partei  zum 
König  gewählt  und  auch  gekrönt  Avurde. 

Hätte  Zapolya  nach  der  Schlacht  bei  Mohacs  das  durch  Verluste 
geschwächte  und  in  sehr  gelockerter  Ordnung  zurückkehrende  türkische 
Heer  angegriffen  und  —  was  durchaus  nicht  ausser  dem  Bereiche  der 
Möglichkeit  war  —  auch  geschlagen,  so  hätte  ihm  bei  dem  Umstände, 
dass  er  Siebenbürgen  und  den  grössten  Theil  von  Ungarn  mit  der 
Hauptstadt  Ofen  bereits  in  Händen  hatte,  die  Herrschaft  im  Lande 
kaum  bestritten  werden  können. 


Mit  dem  Verluste  der  Schlacht  bei  Mohacs  hatte  Ungarn  auf- 
gehört, eine  Vormauer  der  Christenheit  zu  sein.  Bei  den  nun  über 
Ungarn  hereinbrechenden  Verhältnissen  konnte  es  dem  Eindringen  der 
asiatischen  Horden  nicht  mehr  widerstehen  und  war  nahe  daran,  sowie 
die  nördlichen  Balkanländer,  in  volle  Abhängigkeit  von  den  Türken 
zu  gelangen,  es  musste  nun  selbst  beschützt  und  von  den  Türken  be- 
freit werden.  Lange  schon  war  vorauszusehen,  dass  der  Augenblick 
eintreten  Averde.  in  dem  Ungarn  allein  seiner   nächsten  Aufgabe  nicht 


kennen  und  ihm  als  solchen  seinen  mächtigen  Schutz  angedeihen  lassen  werde.    Wenn 
diese  Angabe  richtig  ist,   so  wäre  das  Verhalten  Z/ipolya's  wohl  zu  erklären. 


—    254     - 

mehr  gewachsen  sein  würde.  Bei  der  Eifersucht  Frankreichs  auf 
Deutschland  konnte  es  trotz  der  oft  ehrlichen  Bemühungen  der  Päpste 
nie  gelingen,  ein  gemeinschaftliches  Eingreifen  der  christlichen  Mächte 
Europas  zu  Gunsten  Ungarns  zu  Stande  zu  bringen.  Es  machte  sich  daher 
die  Nothwendigkeit  immer  mehr  geltend,  die  zunächst  bedrohten  Länder 
—  die  österreichischen  Erblande  und  Böhmen  —  aneinander  zu  gliedern 
und  mit  Ungarn  ein  Staatengebilde  zu  schaffen,  das  dem  Andränge 
derselben  zu  widerstehen  vermochte.  Die  Przemisliden  und  Luxem- 
burger in  Böhmen,  die  ungarischen  Könige  seit  Sigismund,  und  endlich 
das  Haus  Habsburg  suchten  abwechselnd  von  Prag,  von  Ofen  und 
endlich  von  Wien  aus  eine  Macht  zu  gründen,  welche  dieser  Aufgabe 
gewachsen  wäre,  und  erst  unter  Habsburgs  Scepter  gelang  es,  die 
türkische  Macht  vor  den  Mauern  Wiens  zu  brechen  und  Ungarn  nach 
mehr  wie  anderthalb  Jahrhunderte  währenden  schweren  Kämpfen  von 
seinem  Erbfeinde  zu  befreien  und  für  das  Land  auf  neuen  Grundlagen 
eine  staatliche  Existenz  zu  gründen,  welche  es  in  christlicher  Cultur 
erblühen  machte  mehr  denn  je. 

Mögen  die  Völker  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  nicht 
vergessen,  dass  sie  ihre  Freiheit  und  ihren  Bestand  auch  jetzt  nur 
erfüllen  können   »mit  vereinten  Kräften«. 


Soeben  ist  bei  W.  Bi'aumüUer  in  Wien  erschienen,  und  durch  alle  Buch- 
handlungen um  den  Preis  von  1  fl.  50  kr.  zu  beziehen: 

Die  Kämpfe 

Oesterreichs  mit  den  Osmanen 

vom  Jahre  1526  Ms  1537. 

(Die  Belagerung  von  Wien  1529  und  von  Güns  1532  enthaltend.) 

Von 
L.  Kuiielwieser 

k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant. 


BRIGHAM  YOUNG  UNIVERSITY 


3  1197  22450  6383 


y^rm^^^i^aif^-s^: 


Druck  von  Friedrich  Jasper  in  Wien.