B67-7893
Diß Kämpfe
Ungarns mit den Dsmanen
bis Kiir
SchlaGht bei Mohäes, 1526.
Von
Xs- J\jupelioiesep
U. XI. li. K'elciinarscUall-IjieutenEviit.
Mit 16 Karten-Skizzen im Texte.
Z^veite vimgearbeitete J^tiflago.
WIEN UND LEIPZIG
WILHELM BRAUMÜLLER
K. U. K. HOF- UND UNIVERSIIÄTS- BUCHIIANDI,F.U
1899.
Die Kämpfe
Ungarns mit den Osmanen
bis zur
ScMaeht bei MoMcs, 1526.
Von
Xs- jKtipcliuieseF
li. \i. k. ITelcimarscliall-Ijieuteiiaiit.
Mit 1 6 Karten-Skizzen im Texte.
Zweite iini gearbeitete Auflage.
WIEN UND LEIPZIG
WILHELM BRAUMÜLLER
K. U. K. HOF- UND UNIVBRSri'ATS-BUCIIHÄNDLEJ*
1899.
Alle K echte vorbehalten.
Druck von Friedrich Jasper in Wien.
Yonvort zur ersten Ausgabe.
Mein wiederholter und längerer Aufenthalt in Siebenbürgen —
der Heimat Johann Hunyady's — - veranlasste mich, im Winter 1882/83
im »Militär- wissenschaftlichen Verein zu Temesvar« einen Vortrag-
über das Leben und die Thaten dieses Helden zu halten. Der Auf--
forderung mehrerer Kameraden, diesen Vortrag im Vereinsorgane zu
verüfFentlichen. konnte ich damals nicht entsprechen, da sich mir schon
während der Vorstudien zum Vortrage die Ueberzeugung aufdrängte,
dass derselbe sehr mangelhaft und unvollständig ist. Als ich später
Zeit und Müsse fand, meine Arbeit vom Jahre 1882 wieder zur Hand
zu nehmen, um sie zu ergänzen, beschränkte ich mich auf die Schil-
derung der Kriegsereignisse allein, erweiterte aber meine Studie be-
züglich der Zeitperiode, indem ich die ganze Zeit des. Kampfes der
Ungarn gegen die Osmanen bis zur Schacht bei Mohaes einbezog.
Kriegscreignisse lassen sieh von der Geschichte der Länder,
welche sie berühren, nicht vollständig loslösen; ohne aber auf die dem
Soldaten oft unverständlichen Parteiströmungen in Un£:arn einzug:ehen.
habe ich mich bemüht, von der Geschichte Ungarns sowohl wie der
Türkei nur das aufzunehmen, was zum Verständniss der Krieo-s-
begebenheiten unumgänglich noth wendig ist.
Bei den spärlichen Geschichtsquellen der Zeitperiode, welche
meine Studie umfasst, mögen meiner Arbeit manche Mängel anhaften,
umsoraehr. als meine Sprachkenntnisse nicht ausreichten, um alle
Quellen so zu benutzen, wie ich es gewünscht hätte. Wenn ich diese
Studie dennoch der öeffentlichkeit übergebe, so glaube ich, bei dem
Umstände, als eine zusammenhängende Schilderung der Kämpfe dieser
Periode bisher nicht vorhanden ist. auf eine nachsichtige Beurtheilung
rechnen zu können.
Wien, im Mai 1895.
Der Verfasser.
Vorwort zur zweiten xViisgabe.
Nachdem ich mich mit der Geschichte der Ttirkenkriege noch
weiter befasste, iind als Fortsetzung- dieser Arbeit die Türkeneinfälle
in die österreichischen Erbländer in den Jahren 1526 und 1532 zu
beschreiben unternahm, sah ich mich genüthigt. um Wiederholungen
zu vermeiden, eine zweite, vervollkommnete und, wie ich hoffe, auch
verbesserte Ausgabe meines Werkes erscheinen zu lassen, in welcher
ich alle Verhältnisse in den österreichischen Erbländern, die Türken-
einfälle in selbe, und überhaupt alle jene Ereignisse aufnahm, welche
für Ungarn wie für Oesterreich von gleichem Interesse sind und in
die Zeitperiode unmittelbar vor und während der Schlacht bei Mohacs
fallen.
Wien, im September 1898.
Der Verfasser.
Inhalts-Uebersicht.
Einleitung. Entstehung und Ausbreitung des Islam. — Erstes Auftreten der
Türken, ihr Vordringen nach Europa und bis an die Grenzen Ungarns. —
König Ludwig von Ungarn. — 622 bis 1382 1
Erstes Capitel. Königin Maria und König Sigismund. — Bajesid I. — Erste
Kämpfe der Ungarn und Türken. — Zug nach Klein-Nikopoli. — Vor-
bereitungen zum Kreuzzug. — Zug des Kreuzheeres nach Nikopoli und
dessen Niederlage. — 1381 bis 1396 7
Zweites Capitel. König Sigismund kehrt zurück. — Kämpfe in Bosnien. —
Sigismund zum deutschen König gewählt. — Wiederholte Einfälle der
Türken in die Nachbarländer. — Zug der Ungarn in die "Walachei. —
Besitznahme der serbischen Grenzfestungen durch Ungarn. — Golubaz
vergeblich belagert. — Verlust der Grenzfestungen bis auf Belgrad. —
Einfall der Türken und Walachen in Siebenbürgen. — • Murad I. bedrängt
Serbien. — Semendria durch Ungarn entsetzt. — Sigismund stirbt. —
1396 bis 1438 31
Drittes Capitel. König Albrecht von Ungarn. — Türken und Walachen fallen
in Siebenbürgen ein. — Sultan Murad erobert Semendria. — Das Heer
der Ungarn bei Titel zerstreut sich. — Albrecht stirbt. — Thronstreit. —
Wladislav (Varnensis) wird zum König in Ungarn gewählt. — Geburt
des Ladislaus (Posthumus) und Tod der Königin Elisabeth. — Erfolg-
reiche Vertheidigung Belgrads durch Thalloczy. — 1438 bis 1442 ... 50
Viertes Capitel. Johann Hunyady. — Sein Zug gegen Semendria. — Seine
Siege bei St. Imre und am Eisernen Thor-Pass. — König Wladislav zieht
nach Bulgarien. — Hunyady's siegreiche Gefechte bei Nissa. — Ver-
gebliche Versuche der Ungarn, in das Marizathal zu gelangen. — Kück-
zug der Ungarn. — Ihr Sieg am Fusse des Kunovizagebirges. — Friedens-
schluss. — 1441 bis 1444 59
Fünftes Capitel. König Wladislav beschliesst den Frieden zu brechen. — Das
ungarische Heer zieht bis Varna. — Sultan Murad I. übersetzt den Bosporus
und folgt dem ungarischen Heere. — Schlacht bei Varna. — Niederlage
der Ungarn und Tod des Königs. — Hunyady kehrt nach Ungarn
zurück. — 1444 83
Sechstes Capitel. Hunyady als Gubernator. — Ueberfall der Türken bei
Sarno. — Hunyady's Zug in die Walachei. — Hunyady's Zug nach
Serbien, er wird auf dem Amselfelde geschlagen. — Ladislaus Posthumus
übernimmt die Regierung in Ungarn. — Hunyady unternimmt Streifzüge
nach Trnowa, Semendria und Krusevaz. — Belgrad von Sultan Murad II.
belagert, von Hunyady und Johann Capistrano entsetzt. — Hunyady's und
Capistrano's Tod. — König Ladislaus stirbt. — 1445 bis 1457 108
— VI —
Seite
Siebentes Capitel. Mathias Corvinus. — Krieg'srüstungen der Ungarn. —
Szilägyi fällt in Serbien ein und wird gefangen. — Die Walachei unter
türkischer und ungarischer ßotmässigkeit. — Neuorganisation des iin-
garischen Heeres. — Streifziige der Türken zurückgewiesen. — Serbien
und Bosnien den Türken unterworfen. — Mathias erobert Jajcze. —
Mohammed belagert Jajcze. — Mathias belagert Zwornik vergeblich und
zieht sich zurück. — 1457 bis 1471 , . . 13(5
Achtes Capitel. Wiederholte Einfälle der Türken nach I'ngarn und in die
österreichischen Erbliluder. — Vorkehrungen Kaiser Friedrich's gegen die-
selben. — Mohammed II. erbaut Szabacs. — Grosswardein von den Türken
geplündert. — Mathias ei-obert Szabacs. — Mathias vernachlässigt die Ver-
theidigung seiner Länder, er vermählt sich mit Beatrix von Aragonien. —
Erneute Einfälle der Türken. — 1471 bis 1477 154
Neuntes Capitel. Mathias entzweit sich mit Kaiser Friedrich III. — Streifzüge
der Türken. — Alibeg auf dem Brodfelde in Siebenbürgen durch Bathory
und Kinizsi besiegt. — Neuer Streit zwischen Mathias und Friedrich. —
Mathias übcrfluthet die österreichischen Erbländer. — Mohammed II. stirbt,
Bajesid 11. setzt die Raubzüge fort. — Waft'enstillstand mit den Türken. —
Mathias stirbt zu Wien. — Wladislav II. in Ungarn zum König- gewählt. —
1477 bis 1490 168
Zehntes Caj)itel. Kaiser Friedrich stirbt. — Kaiser Ma.ximilian's vergebliche
Bemühungen für einen Kreuzzug. — Neue Einfälle der Türken. — Kinizsi's
Einfall in Serbien. — Bajesid II. stirbt, unter Selim I. werden die Ein-
fälle fortgesetzt. — Vorbereit\ingen für einen Kreuzzug arten in einen
Bauernkrieg aus. — Zäpolya bei Semendria geschlagen. — König
Wladislav II. stirbt, ihm folgt sein unmündiger Sohn Ludwig II. —
1490 bis 1516 18B
Elftes Capitel. Kaiser Maximilian stirbt. — Die Unternehmung eines Kreuz-
zuges wird aufgegeben. — Kaiser Karl V. und Erzherzog Ferdinand. —
Türkeneinfällc trotz des Waffenstillstandes. — Sultan Selim stirbt,
Suleiman I. — Szabacs und Belgrad von den Türken erobert. — Tomori
erhält den Oberbefehl im südlichen Ungarn. — Orsowa und Severin fallen. —
Jajcze von Frangepan entsetzt. — Wirren in Ungarn. — 1516 bis 1525 199
Zwölftes Capitel. Kriegsvorbereitungen der Ungarn. — Aufbruch des
türkischen Heeres. — Grossvezier Ibrahim erobert Peterwardein. — Sultan
Suleiman übersetzt die Drau bei Essegg. — Aufbruch König Ludwigs
von Ofen. — Erzbischof Tomori Oberbefehlshaber des ungarischen Heeres. —
Schlacht bei Mohäes. — König Ludwig's Tod. — Suleiman zieht nach
Ofen und kehrt unbehelligt über Szegedin nach Constantinopel zurück. —
1526 220
— VlI —
Karten-Skizzen im Satze.
Seite
lebcrsiclitskarte zu den Kriegszügen der Könige Sigismund und Wladishiv I.
und Hunyady's. 1393 bis 1448 • . . . 17
Umgebung von Nikopoli 20
Skizze zur Schlacht bei Nikopoli am 23. September 1396 21
(xefecht bei St. Imre am 25. März 1442 65
Gefechte Hiinyady's in der Umgebung von Nisch bis zum 3. November 1443 . 71
Schlacht am Fusse des Kunovizag-ebirges Anfangs Jänner (ungefiihr den 6.) 1444 79
Umgebung von Provadia 89
Umgebung Von Petrez 91
Schlacht bei Varna 1444. Stellung beider Heere am Morgen des 10. November 96
Schlacht bei Varna 1444. Stellung beider Heere um die Mittagszeit des 10. No-
vember 97
Schlacht auf dem Amselfelde, 17., 18 und 19. October 1447 113
Belagerung von Belgrad und Entsatz der Stadt 1456. Gefecht an der Donau am
14. Juli 1456 131
Schlacht auf dem Brodfelde, 13, October 1479 171
Anmarsch zur Schlacht bei Mohäcs 232
Umgebung von Mohäcs 242
Schlacht bei Mohäcs, 29. August 1526 243
Einleitung:.
Entstehung und Ausbreitung des Islam. — Erstes Auftreten der Türken, ihr Vor-
dringen nach Europa und bis an die Grenzen Ungarns. — König Ludwig von
Ungarn. — 622 bis 1382.
Zu Beginn des VII. Jahrhunderts entstand in Arabien eine neue
Religionslehre, die, anfangs wenig beachtet, bald dem Christenthum.
und mit ihm der ganzen westländischen Cultur gefährlich werden sollte.
Der Stifter der neuen Lehre, Mohammed, ein religiöser Schwärmer,
der im Hause seines Oheims, eines Schirmvogtes des arabischen National-
heiligthums — der Kaba — schon als Knabe eine religiöse Richtung
erhalten hatte, später mit Bekennern der verschiedensten Religionen,
besonders aber mit Juden und Christen, in Berührung kam, und den
Götzendienst in Mekka verachten lernte, fand bald einen Kreis von
Anhängern, die ihn als Propheten verehrten. Aber auch an Gegnern
fehlte es ihm nicht, die er mit den Waffen in der Hand bekämpfen
zu müssen glaubte. Seine monotheistische Lehre, »Islam«, d. i. »die
gänzliche Hingabe an Gott «5^) genannt, als göttliche Offenbarung aus-
gebend, mit Anklängen an das Christenthum und das Judenthum, aucli
nicht frei von crassestem Aberglauben, stellte im Koran, dem von
Mohammed dictierten Gesetzbuch, als einen der wichtigsten Glaubens-
sätze die Aufgabe hin: den Islam mit dem Schwerte in der Welt zu
verbreiten, bis sie bekehrt sei. oder alle Völker, die sich nicht bekehren
lassen wollen, zu unterwerfen und tributpflichtig zu machen.
Bei der kriegerischen und raublustigen Bevölkerung Arabiens
wurde Mohammed's Anhang bald so verstärkt, dass der Islam schon
zu seinen Lebzeiten'-) sich über ganz Arabien, Syrien und Palästina
verbreiten und rasch auch über Persien nach Indien und nach Klein-
'j Nöldeke, »Das Leben Mohammed's«. S. 31.
-) Mohammed starb im Jahre 631.
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl.
_ 2 —
asien. Centralasien und über Aegypten an der Nordküste Afrikas sich
ausbreiten konnte.
Von unzufriedenen Westgothen gerufen, übersetzten Araber
(Mauren) die Meerenge von Gibraltar und gründeten 711 in Spanien
ein Reich; zwei Decennien später überschritten sie die Pyrenäen: bei
Tour schlug sie 732 Karl Martell; Karl der Grosse hatte noch bis 783
hartnäckige Kämpfe mit ihnen zu bestehen, und erst Ferdinand dem
Katholischen gelang es, 1491 Granada zu erobern und damit der
maurischen (islamitischen) Herrschaft in Spanien ein Ende zu machen.
Auch über Italien wollte der Islam nach Europa eindringen. 827
landeten Sarazenen aus Afrika in Sicilien und gründeten daselbst ein
Emirat, das sich bis zur gänzlichen Eroberung der Insel durch die
Normannen 1091 erhielt. Die Raubzüge der Sarazenen und später der
Türken beunruhigten noch lange die Küsten des Mittelmeeres, erst den
vereinten westeuropäischen Flotten unter Don Juan d'Austria gelang
es in der Schlacht bei Lepanto 1571, die Flotte der Osmanen zu ver-
nichten und damit ihre Herrschaft zu brechen; das Räuberunwesen im
Mittelmeere vollständig auszurotten, war unserem Jahrhundert vor-
behalten, erst mit der Besitzergreifung Algiers durch die Franzosen
1830 fand es ein Ende.
Die Kreuzzüge — schon 1074 durch Papst Gregor VII. angeregt
und fast durch zwei Jahrhunderte bis 1270 von der gesammten west-
ländischen Christenheit mit religiöser Begeisterung und mit Opfern, die
eines grösseren Erfolges werth gewesen wären, geführt — haben wohl
die anrollende Fluth des Islam zeitweise gestaut, vermochten aber nicht
die den Mohammedanern entrissenen Länder zu behaupten, ja kaum
die Christen im Oriente nothdürftig zu schützen. Durch die inneren
Wirren, dann durch die Auflösung des seldschukischen Reiches wurde
das Uebergreifen des Islams auf die Balkan-Halbinsel noch verzögert,
aber nicht verhindert.
Zu den zum Islam bekehrten Völkerschaften gehörten auch die
Turkmenen (Türken), ein kriegerischer, kräftiger, durch seine Raub-
lust bekannter Volksstamm, der ursprünglich vom Altai zum östlichen
Ufer des Kaspischen Meeres herabgestiegen war, und, im hochasiatischen
Steppenland von anderen Völkern gedrängt, gegen Westen zog. Osman,
der Sohn Ertoghrul's, war mit einer Horde derselben in den Dienst
Aladin's, des seldschukischen Sultans von Ikonium getreten, und wurde
von diesem im Jahre 1289 zur Belohnung treuer Kriegsdienste mit
einer kleinen Herrschaft in Bythinien belehnt. Beim Zerfall des seld-
schukischen Reiches erweiterte Osman sein Reich auf Kosten von
I^yzanz und legte sich 1300 den Sultantitel bei. Von Osman. dem
eigentlichen Begründer des türkischen Reiches, erhielt dieses wie auch
das Volk den Namen des osmanischen.^)
Osman's Sohn Urchan bemächtigte sich Kleinasiens und machte
1336 Brusa zur Hauptstadt seines Reiches. Drohend standen nun die
Osmanen an der schmalen Meerenge, welche Europa von Asien scheidet.
Das schon im Niedergange befindliche byzantinische Kaiserreich war
zu schwach, um dem Vordringen des Islam auf der Balkan-Halbinsel
Einhalt zu thun. Die im Norden derselben angesiedelten slavischen
Völkerschaften, meist von Byzanz selbst zum eigenen Schutze gerufen,
benützten die Schwäche dieses Reiches, um sich unabhängig zu machen,
erfreuten sich auch vorübergehend einer von ihnen selbst überschätzten
Freiheit und erschöpften ihre Kräfte im Kampfe untereinander, ohne
ein einheitliches Reich gründen zu können, oder waren in Abhängigkeit
des aufblühenden ungarischen Reiches gerathen. Diesen Zustand be-
nützend, setzten die Türken wiederholt nach Europa über, bald als
Söldlinge und Bundesgenossen der byzantinischen Kaiser oder ihrer
Gegner, bald auf eigene Faust, das Land bis an die Donau durch-
streifend und verwüstend, und Tausende von Gefangenen mit sich in
die Sclaverei führend.
Achtzehn grössere Einfälle zählt man, ehe die Osmanen noch
unter Urchan festen Fuss in Europa fassten. Vom byzantinischen Kaiser
gerufen, übersetzten sie den Hellespont und bemächtigten sich 1356
des anderthalb Stunden ober Gallipoli gelegenen Küstenschlosses Tzympe,
im darauffolgenden Jahre der Stadt Gallipoli selbst und dehnten ihre
Herrschaft rasch über die benachbarten Küstengebiete bis Radosto und
über die Marizamündung aus. Murad L, Urchan's Nachfolger, eroberte
schon im zweiten Jahre seiner Regierung 1363 Adrianopel, ^) das er zu
seiner Residenz machte, im Jahre 1366 Philippopel, dessen sich die
Bulgaren bemächtigt hatten, und bald darauf aller übrigen zu deren
Reich gehörigen, südlich des Balkan gelegenen Städte. Der Czar von
Bulgarien wurde zur Leistung von Tribut und zur Heerfolge ge-
zwungen.
Die osmanische Macht war damit bereits an der Grenze der
ungarischen Vasallenländer angelangt, und an Ungarns König Ludwig I.^
dem Grossen genannt, dem mächtigsten Fürsten des östlichen Europa,
^) Hammer, »Geschichte des osmanischen Reiches«. 1834, 2. Ausgabe, I. Band,
Seite 71.
*) Nach byzantinischen Quellen fand die Einnahme von Adrianopel durch die
Osmanen im Jahre 1363, nach türkischen schon 1361 statt.
1*
wäre es nun gewesen, dem weiteren Vordringen der Türken feste
Dämme entgegenzusetzen. An Anregungen hiezu fehlte es nicht, doch
scheint Ludwig, welcher dem Hause Anjou angehörte und Erbansprüche
in Neapel zu machen hatte, die seinem Reiche drohende Gefahr nicht
erkannt oder sehr unterschätzt zu haben, denn er schenkte den italie-
nischen Händeln, dem Kampfe mit Venedig um die Herrschaft in Dal-
matien, und der Erwerbung Polens mehr Beachtung, als den Vorgängen
an der Südgrenze seines Reiches.
Die Hoheitsrechte Ungarns über die nördlichen Balkanländer
machte Ludwig wohl geltend, aber nicht mit genügendem Nachdrucke
und selten mit glücklichem Erfolge. Gegen auswärtige Feinde schützte
er seine Vasallenländer nicht, M^enn sich auch einzelne Ungarn —
vielleicht sogar mit Bewilligung des Königs — an ihren Kämpfen mit
den Osmanen betheiligt haben mögen.
Als die Walachei unter Stephan Basarad freiwillig unter Ungarns
Botmässigkeit zurückgekehrt war, griff Ludwig 1355 den Serbenfürsten
Stephan Duschan an, der sich Belgrads, Syrmiens und des Machover
Banates^) bemächtigt hatte; erst nach dessen Tode, der die Auflösung
des grossserbischen Reiches zur Folge hatte, konnte er 1359 Duschan's
Sohn Urosch unterwerfen und die abgenommenen Landstriche wieder
mit Ungarn vereinigen. Im selben Jahre musste die Moldau durch wieder-
holte Einfälle in Gehorsam gehalten werden. Um Bosnien unter Twartko,
der sich Ban von Gottes Gnaden nannte, zu unterwerfen und die
Schismatiker und Patarener auszurotten, unternahm Ludwig 1363 einen
vergeblichen Zug; erst eine drei Jahre später erfolgte Erhebung im
Lande gab ihm Gelegenheit, selbes wieder in Abhängigkeit von Ungarn
zu bringen. In der Walachei entzog sich der Woywode Layk abermals
der Oberhoheit Ungarns; er unterwarf sich zwar 1365 freiwillig, musste
aber vier Jahre später dennoch mit Gewalt bezwungen werden. Im
selben Jahre unternahm Ludwig einen Zug wider die von einem tür-
kischen Hilfsheer unterstützten Bulgaren und eroberte die Stadt Bodon
(Widdin), deren Gebiet er mit dem von Orsowa und einem Theil des
Temeser Banats als Banat von Bulgarien vereinigte:'') Als die Serben
■') Das Machover l'anat (Macbo) war der Landstrich am rechten Saveufer von
Belgrad aufwärts bis gegen Novi.
^) Dass König Ludwig diesen Zug selbst führte, ist nicht erwiesen. Da er einen
Zug gegen die Türken selbst nie unternahm, dürfte sich wohl die Sage von der Er-
bauung der Kirche zu Mariazeil in Steiermark durch den König auf diesen Sieg der
Ungarn über die Bulgaren beziehen, und die Inschrift auf dem Tympanonrelief zu
Zell — wohl der ältesten L^rkunde über die Anwesenheit Ludwigs daselbst — auf
eine Verwechslung der Türken mit den Bulgaren zurückzuführen sein.
im Kampfe gegen die Osmanen bei Cermen (Sschirmen) an der Mariza
am 26. September 1371 eine vollständige Niederlage erlitten, in der
auch ihr König Vulkaschin den Tod fand,') beschloss endlich König
Ludwig einen Krieg wider die Osmanen; er unterblieb jedoch, weil
sein Augenmerk sich wieder Italien zuwandte. Als die Osmanen 1375
die Serben von Neuem bekriegten und Nissa (Naissus, Nisch) vi'eg-
nahmen. ohne dass Ungarn dies zu hindern suchte, konnte der Serben-
fürst Lazar nur gegen Tributleistung und Heerfolge einen Frieden
erbitten.^)
Die letzten Jahre seiner Regierung that Ludwig überhaupt wenig,
um die Machtstellung Ungarns auf der Balkan-Halbinsel aufrecht zu
erhalten. Im Jahre 1377 machte sich die Walachei frei, ohne dass für
deren Wiederunterwerfung etwas geschah. Die Oberhoheit über das
westliche Bulgarien und über das nordserbische Gebiet scheint nur
dem Namen nach bestanden zu haben, und Twartko von Bosnien nennt
sich 1378 König von Serbien, Bosnien und Primorze,^) ohne dass die
Berechtigung zur Führung dieses Titels nachzuweisen wäre.
Wie Ungarn unter Ludwig nach Aussen auf dem Gipfel seiner
Macht stand — nach der Erwerbung Polens war es auch seiner Aus-
dehnung nach einer der grössten Staaten Europas — so waren auch
die inneren Zustände des Reiches nie so befriedigend gewesen, wie zu
seiner Zeit; die Ruhe im Lande wurde nirgends gestört und nie war
die königliche Macht so unumschränkt wie damals. Die wichtigste Be-
stimmung der goldenen Bulle des Königs Andreas, die jährliche Ein-
berufung des Reichstages, scheint in den letzten Jahrzehnten nicht
befolgt worden zu sein; der König bedurfte derselben nicht, da die
Finanzen trotz der vielen Kriege ausserhalb der Grenzen seines Reiches
ganz gut gewesen zu sein scheinen. Die ohnedies reichen Magnaten
^) König Vulkaschin lagerte mit 60.000 Mann bei Cermen, als der Beglerbeg
Balaschanin mit einem kleinen Heere bei Aclrianopel eintraf und den Hadschi Ilbeki
mit 4000 Mann vorsandte, um den Feind zu beobachten. Im Bewusstsein ihrer Stärke
gaben sich die Serben in voller Sorglosigkeit den Freuden eines Gelages hin. Hadschi
Ilbeki fiel nun in der Nacht über sie her und brachte ihnen eine vollständige Nieder-
lage bei; ein Theil der Serben wurde im Schlafe niedergemacht, andere ertranken in
der Mariza, nur wenigen gelang es zu entkommen. Das Schlachtfeld wurde von den
Türken »Sirf szindikü«, d. i. »Serben-Niederlage«, genannt. Nach türkischen Quellen
wäre diese Schlacht schon 1363 geschlagen worden. Dass einzelne Ungarn in den
Keihen der Serben kämpften, ist nicht unmöglich.
^) Thatsächlich erscheinen im Kriege der Osmanen mit dem Fürsten von Kara-
man auf der Ebene von Ikonium in Kleinasien im Jahre 1386 serbische Hilfstruppen
unter ihrem Könige Lazar.
^) Primorze, jetzt ein Theil der Herzegowina.
und Kirchenfürsten begünstigte Ludwig noch, weil sie ihm in seinen
Kriegen zahlreiche Heerhaufen zuführen konnten; die nachtheiligen
Folgen dieser Begünstigung traten noch nicht hervor; Ungarn schien
den übrigen Staaten Europas nahezu ebenbürtig.
Die weitere Entwicklung des Reiches lag in der Hand des künf-
tigen Regenten, und Ludwig glaubte bei seinem Tode — am IL Sep-
tember 1382 — durch die Regelung der Erbfolge und die Verlobung
seiner beiden Töchter Maria und Hedwig mit Sprösslingen aus den
vornehmsten Herrschergeschlechtern. Luxemburg und Habsburg, für
das Reich genügend gesorgt zu haben.
Erstes Capitel.
Königin Maria und König Sigismund. — Bajesid I. — Erste Kämpfe der Ungarn und
Türken. — Zug nach Klein-Nicopoli. — Vorbereitungen zum Kreuzzug. — Zug des
Kreuzheeres nach Nicopoli und dessen Niederlage. — 1382 bis 1396.
Ludwig's jugendliche Tochter Maria wurde 1382 in Ungarn als
Königin anerkannt, in Polen aber wollten die Stände von ihrem Bräuti-
gam, dem Luxemburger Sigismund, Kaiser Karl's IV. Sohn, nichts wissen
und begrehrten von der Könio-in-Witwe Elisabeth deren zweite Tochter
Hedwig zur Königin, welche sie — obwohl mit Wilhelm, dem Sohne
Leopold's III. von Oesterreich verlobt — mit dem erst unter dem Namen
Wladislav zum Christenthum bekehrten Herzog Jagjello von Lithauen
vermählten. Die Trennung von Polen und Ungarn wurde zur That-
sache und hatte auch durch den Verlust Galiziens, das Hedwig als
Heiratsgut zufiel, eine wesentliche Schwächung Ungarns zur Folge.
Auch Ludwig's nächster männlicher Anverwandter, Karl von
Neapel, erhob Ansprüche auf die ungarische Krone. Mit mächtigem
Anhang drang er über Dalmatien nach Ungarn ein, wurde aber zu
Ofen durch die Königin-Witwe in die Burg gelockt, gefangen gesetzt,
und am 24. Februar 1386 zu Wissegrad ermordet. Von Karl's Partei
wurden die beiden Königinnen in der Nähe von Diakovar überfallen
und nach Novigrad bei Zara gebracht, wo die Königin-Witwe Elisabeth
erdrosselt wurde. Sigismund, der, im September 1385 mit Maria ver-
mählt, als ihr Gemahl im März 1387 zum König gekrönt worden war,
gelang es erst mit Hilfe Venedigs, seine Gemahlin im Juni desselben
Jahres zu befreien, und es bedurfte noch langer Kämpfe, bis die Partei
Karl's zur Ruhe gebracht war.
Die Wirren in Ungarn benützend, schüttelte Peter, der Fürst
der Moldau, 1387 die ungarische Oberhoheit ab und unterwarf sich
Polen, mit dem auch Mircea (Marcus), der Fürst der Walachei, ein
Bündniss schloss.
Auch Serbien scheint nur in sehr loser Verbindung mit Ungarn
gestanden zu sein, denn sein König Lazar — obwohl er erst kürzlich
Ungarns Oberhoheit anerkannt hatte • — stürzte sich ohne Sigismund's
Unterstützung in einen Kampf mit den Osmanen. der mit dem Ver-
luste der Schlacht auf dem Amselfekle am 15. Juni 1889 endete, dem
König, wie auch dem Sultan Murad I. das Leben kostete, und Serbien
in völlige Abhängigkeit von den Osmanen brachte.')
Um den Sieg auszunützen, schickte Sultan Bajesid I. (lldirim,
d. i. der Blitzstrahl, beigenannt), der seinem Vater folgte, sein Heer
nach Serbien, avo Lazar's Sohn und Nachfolger, Stephan Lazarevic,
zur Anerkennung der türkischen Oberhoheit gezwungen werden sollte.
Mit einer streifenden Abtheilung dieses türkischen Heeres stiess auch
Nikolaus Perenyi, Ban von Severin, zusammen, brachte ihr unter Ab-
nahme mehrerer Fahnen eine Niederlage bei und eroberte das Schloss
Golubaz an der Donau.
In den nächsten Jahren bemächtigte sich der Sultan Bulgariens,
dessen Fürst Sisman nach kurzen Kämpfen sich freiwillig unterwarf,
die festen Plätze wurden theils durch List, theils durch Verrath ge-
nommen, Bodon (Widdin) ergab sich gegen freien Abzug der Besatzung.
die trotzdem niedergemacht wurde.
Es war vorauszusehen, dassBajesid das benachbarte ungarische Gebiet
auch kaum verschonen werde. Einem Kriegsaufgebot,-) das Sigismund zu
') Als Sultan Murad I. in Kleinasien beschäftigt war, wagte Lazar, erniuthigt
durch einen Sieg über eine in Serbien eingefallene Horde von 20.000 Mann, mit
Unterstützung Twartko s von Bosnien seine Unabhängigkeit zu erringen. Auf dio
Nachricht hievon fiel der Sultan mit grosser Macht in Serbien ein, wo sich Lazar
demselben mit bosnischen Hilfstruppen, denen sich Scharen aus Bulgarien, Albanien,
der Walachei, Croaten unter ihrem Ban Hotvathy, vielleicht auch einige Magyaren,
angeschlossen hatten, am 15. Juni 1389 auf dem Amselfelde (Kossowo p'dje, Rigo
mezö) entgegenstellte. Während oder noch vor der Schlacht wurde der Sultan von
dem Serben Milosch Kobilovic, der bis an sein Zelt vorgedrungen war, erstochen, dio
Serben aber von Murad's Sohn, Bajesid L, nach hartem Kampfe gänzlich geschlagen-
Lazar fiel auf dem Schlachtfelde, oder wurde anderen Nachrichten zufolge gefangen
und nebst vielen Edlen vor Murad's Leiche enthauptet. Lazar's Sohn, Stephan, mufste
sich den Türken zur Heerfolge und Tributzahlung verpflichten und dem Sultan seine
junge Schwester Maria zur Frau geben.
2) Die Wehrverfassung Ungarns scheint zur Zeit sehr einfach gewesen zu sein-
Die Keichsbarone — über die Comitate oder Districte gesetzte Grafen, Obergespano,
Bane, Woywoden — , meist zu grossem Grundbesitz gelangt, gleichwie die Prälaten auf
ihren Kirchengütern wie kleine Könige herrschend, wurden unter Angabe des Sammel-
platzes zur Heerfolge aufgefordert; sie erschienen dann mit ihren Banderien — Heer-
haufen von unbestimmter Stärke — , die sich aus dem Adel ihrer Bezirke bildeten,
welcher wieder waffenfähige Knechte in beliebiger Zahl, je nachdem es ihre Interessen
— 9 —
Beginn des Jahres 1392 erliess, schlössen ~ sich auch Hilfstruppen von
auswärts an, so sein Vetter Jodok von Mähren, dann Herzog Polko
von Oppeln, Graf Wilhelm von Cilli und, wie es seheint, auch Fremde
aus anderen Ländern. Ueber den Verlauf des Feldzuges, der noch im
Mai begonnen wurde, sind nur spärliche und wenig verlässliche Nach-
richten vorhanden. Als das Heer sich der Donau näherte, hatten die
in Serbien zerstreuten Abtheilungen des türkischen Heeres sich am
jenseitigen Ufer des Stromes, gegenüber von Keve (Kubin), gesammelt,
hielten aber nicht Stand, sondern traten den Rückzug an, ehe die
Ungarn die Donau übersetzten. Ohne die Türken einholen zu können,
begnügte sich Sigismund, das nördliche Serbien verheerend zu durch-
ziehen und bis zur Burg IzdriP) vorzugehen. Die weitere Sicherung
der Grenze wurde nach Rückkehr des Heeres dem Nikolaus von Gara
anvertraut, dem es durch wiederholte Streifzüge auf feindliches Gebiet
und glückliche Kämpfe gelang, dem Lande im Laufe des Sommers
Ruhe zu erhalten.
In dieser Zeit dürfte sich auch der erste Einfall der Türken auf
ungarisches Gebiet ereignet haben. Eine über die Save nach Syrmicn
gekommene türkische Horde wurde bei Frankovilla (Nagy-Olasi im
Fruskagora-Gebirge) durch den Ban Marothy und Stephan Losonzy
besiegt, die Freude am Siege aber durch die Gefangennahme des Bruders
des Bans getrübt. Mit ungarischer Hilfe unter Goiko Marnavic' Führung
wurde auch eine in Bosnien bis Naglasintze (Nagy-Zengg) vorgedrungene
türkische Horde aufgerieben.^)
Sultan Bajesid war im Jahre 1393 vor Constantinopel und in
Kleinasien festgehalten; Sigismund konnte sich daher gegen die Auf-
ständischen in Dalmatien und Croatien wenden, wo die Anhänger des
Königs von Neapel, der selbst eine Verbindung mit den Türken nicht
zuliessen, mitbracliteii. Der König selbst ergänzte seine Banderien wie der Adel üus
den Krongütern und aus den freien Städten. Dass in den Kriegen gegen die Türken
die Grenzbewohner zumeist in Anspruch genommen wurden, und dass die Prälaten,
welche den Kampf mit den Ungläubigen als Eeligionssaclie auffassten, am eifrigsten
waren, ist beg-reiflich. Den Oberbefehl führte in der Kegel der König, oder an dessen
Stelle der Palatin, als Unterbefehlshaber wurden vom König Keichsbarone — nicht
immer die befähigtesten, oder die nach der Lage des Kriegsplatzes geeignetsten — ,
bestimmt. Der Kriegsdienst wurde meist zu Pferde geleistet, der Adel erschien mit
leichten Schutzwaffen, die Masse des Heeres mit Seitengewehr — Schwert, Dolch oder
Messer, Streitkolben, wohl auch nur mit einer Hacke — und mit Speer oder Bogen
und Pfeil.
^) »Izdril«, nach Kanitz' Mittheilung wahrscheinlich die türkische Schreibweise
für »Zdrelo«, eine der zerstörten Burgen im Zdrelopasse an der Mlava.
^) Engel, »Serbische Geschichte«, S. 349, und Hammer, I, S. 188.
— 10 —
verschmähte,'') noch mächtigen Einfluss übten. Während es Sigismund
Anfangs 1394 gelang, auch Bosnien unter Stephan Dabischa wieder
der Botmässigkeit Ungarns zu unterwerfen, wurde Bulgarien förmlich
dem türkischen Reiche einverleibt. Gesandte, Avelche Sigismund an den
Sultan geschickt hatte, vielleicht weniger um die Räumung des wider-
rechtlich besetzten Landes zu verlangen, als um die Gesinnung Bajesid's
und den Zustand des osmanischen Reiches auszukundschaften, wurden
in Brusa vom Sultan in einem mit Kriegstrophäen — meist bulga-
rischen Waffen — ausgeschmückten Räume empfangen und erhielten
mit Hinweis auf diese Waffen den Bescheid des Sultans: »Kehret heim
und meldet dem König, dass auch ich hinlängliches Recht auf Bul-
garien besitze.« Noch im selben Jahre drangen die Türken aus Bul-
garien in die Walachei ein, verheerten das Land und bemächtigten
sich aller festen Plätze. Mircea, anfangs geneigt, mit ihnen zu unter-
handeln, wurde vertrieben. In den Registern der Pforte erscheint von
nun an auch die Walachei als tributpflichtig.
Ende des Jahres 1894 finden wir Sigismund wieder in Sieben-
bürgen; er unternahm zu Neujahr 1395 einen Zug nach der Moldau^
und zwang den Woywoden Stephan in seiner Hauptstadt wieder zur
Anerkennung von Ungarns Oberhoheit. Doch kaum war Sigismund
abgezogen, so unterwarf sich Stephan wieder dem König von Polen.
Aus der Moldau nach Siebenbürgen zurückgekehrt, empfieng
Sigismund den vertriebenen Woywoden der Walachei, Mircea, der im
März als Flüchtling noch Kronstadt kam. Es war Sigismund sehr- er-
wünscht, dass dieser sich an Ungarn um Hilfe wandte, denn schon
beunruhigten türkische Horden gemeinsam mit räuberischen Scharen
aus der Walachei die Grenze. In der Hoffnung, Mircea an Ungarn zu
fesseln, ernannte ihn Sigismund zum Herzog von Fogaras und Ban
von Severin, wogegen sich dieser verpflichtete, im Falle seiner Wieder-
einsetzung dem König, wenn er selbst ins Feld ziehe, persönlich Heer-
folge zu leisten, sonst aber eine wohlausgerüstete Hilfstruppe beizu-
stellen, ferner dem ungarischen Heere freien Durchzug durch sein Land
zu gestatten, eine hinlängliche Reserve zur Besetzung der in Feindes-
land zu erobernden Städte und Schlösser bereit zu halten, das Heer
gegen Bezahlung sowohl im Lande als auch, wenn es weiter nach Bul-
garien vordringen sollte, mit allen Bedürfnissen zu versehen, und endlich
den im Lande Zurückbleibenden Unterkunft und volle Sicherheit ihrer
Person wie ihres Eigenthums zu gewähren.
^) Ladislaus von Neapel bewarb sich, um die Gunst des Sultans zu gewinnen,.
soEjar um eine Tochter desselben.
- 11 —
Sigismunrl überschritt noch im Mai mit einem beträchtlichen Heere,
dem sich auch der Graner Erzbischof mit seinem Bruder, dem Szekler
Grafen Kanisay, dann der Palatin Leustach von Ilsva, die Söhne Ni-
kolaus und Johann des Palatins Nikolaus Gara, die Brüder Martin und
Georg Thurzö, Oswald, Lorenz und Johann Rozgony, der Judex curiae
Kapoly. die Stuhlrichter Peter Perenyi und Olaghy, endlich der Ban Ma-
rothy mit ihren Banderien angeschlossen hatten, die siebenbürgischen
Alpen und drang siegreich bis an die Donau vor. Die Türken wurden
über den Strom zurückgeworfen, und das Land wieder an Mircea über-
geben.
Nur die Burg Klein-Nikopoli am linken Ufer der Donau, gegen-
über der Stadt Nikopoli,") in welcher die Türken eine starke Besatzung
zurückgelassen hatten, leistete noch ernstlichen Widerstand vmd musste
nach blutigen Kämpfen durch Gara's und Marothy's Scharen erstürmt
werden. Eine ungarische Besatzung wurde in die Burg verlegt, ehe
Sigismund das Land verliess.')
Noch vor dem Falle von Klein-Nikopoli erhielt Sigismund die
Botschaft, dass Königin Maria am 17. Mai ihr freudeloses und kummer-
reiches Leben beschlossen habe. Des Königs Anwesenheit in Ungarn
war nun wegen der Ansprüche, welche Königin Hedwig von Polen
auf die ungarische Krone erhob, dringend nothwendig; er verzichtete
daher auf weitere Erfolge und beschloss, mit dem Heere schleunigst
zurückzukehren. Als der König auf dem Rückmarsche das sieben-
bürgische Grenzsebir^e sorglos durchzog, wurde er in den dicht be-
'') Auf der Karte von »Geronimo et Leon Valk« (XVI. Jahrhundert) findet man
gegenüber von Nikopoli die Stadt »Civitas picolac, eine Bezeichnung für den kleineren
Theil einer an beiden Ufern eines Stromes gelegenen Stadt, die häufig vorkommt.
Turnul, ein jetzt wichtiger Handelsplatz, der häufig für Klein-Nikopoli genommen
wird, liegt 4 Kilometer nördlich der Donau, und wurde erst unter König Ludwig
von aus Ungarn vertriebenen Juden gegründet, dürfte daher Ende des Jahrhunderts
noch kaum ein stark befestigter Ort gewesen sein. Dagegen fand ich 1856 unweit der
Dampfschifffahrts-A'gentie noch Keste des von den Russen 1829 erstürmten, mit Thürmen
und Wassergräben versehenen Brückenkopfes gegenüber von Nikopoli, den sie schleifen
Hessen. Der Burg geschieht später nie mehr Erwähnung.
') Dass an diesem Zuge auch der Graf d'Eu theilnahm, wie neuere Historiker
mit Bezug auf die Melker Chronik und die Urkunde Sigismund's an Gara und Pe-
renyi (Fejer X, IV, 667) erwähnen, ist unrichtig; in der Melker Chronik erscheint
der Zug d'Eu's richtig im Jahre 1396, und im zweiten Documente wird d'Eu gar
nicht erwähnt. Wohl soll sich Graf d'Eu und Marschall Boucicaut auf der Rückreise
aus dem gelobten Lande drei Monate am Hofe Sigismund's aufgehalten haben, es
muss dies jedoch bereits früher gewesen sein, da sie im Jahre 1395, während der
Vorbereitungen zum Zuge im Jahre 1396, in ihrer Heimat waren.
- 12 —
waldeten Engpässen zwischen Kimpolung^) und Törzburg in den ersten
Tagen des Juli plötzlich von einer im Hinterhalte lauernden Walachen-
schar mit einem Hagel von vergifteten Pfeilen und Wurfspiessen
überschüttet; Gara musste, um den König zu schützen, seine Reiter
absteigen lassen, um die Walachen aus ihren Deckungen zu vertreiben.
Die Vermuthung ist nicht unbegründet, dass Mircea selbst, der nach
Abzug des Heeres des Schutzes gegen die Türken entbehrte, diesen
Ueberfall angeordnet habe, um den Sultan glauben zu machen, er habe
dem König nur gezwungen Heerfolge geleistet.
Sigismund, einsehend, dass mit der Zeit ein entscheidender Kampf
mit den Osmanen nicht zu umgehen sei, suchte schon seit längerer Zeit,
sich durch Bündnisse zu stärken. Dem Kriegsbunde, welchen die aus
Kleinasien zurückkehrenden Gesandten mit dem byzantinischen Kaiser,
dessen ganzes Reich sich fast nur auf die vom Sultan belagerte Haupt-
stadt beschränkte, geschlossen hatten, war wohl kein besonderer Wert
beizulegen; ebenso hatte bei der eben herrschenden Kirchenspaltung
die Bitte an den Papst um Verkündung eines Kreuzzuges nur sehr
massigen Erfolg. Wichtiger war eine Sendung des Schatzmeisters Niko-
laus Kanisay nach Deutschland, Burgund, Frankreich und Italien. Die
der Christenheit vom Fortschreiten der Osmanen drohende Gefahr ent-
flammte nochmals, besonders in Burgund und Frankreich, den Eifer
zum Kampfe wider die Ungläubigen. Die grossen Vasallen daselbst,
sowie die Ritterschaft und die Bürger erklärten sich bereit, die Waffen
zu ergreifen. Die Rüstungen wurden eifrigst betrieben und die nöthigen
Geldsummen willig aufgebracht. Mit diesen erfreulichen Nachrichten
kehrte der Gesandte heim, doch konnten die Rüstungen vor Jahresfrist
nicht beendet sein, daher erst für das Jahr 1396 eine Hilfe zugesagt
wurde. Auch der Vertrag mit Mircea, dem Woywoden der Walachei,
dürfte schon in Berücksichtigung einer grösseren Unternehmung ge-
schlossen worden sein.
Während nun Sigismund — bisher nur König als Gemahl der
Königin und in Ungarn wenig beliebt — seine Stellung als König zu
sichern suchte, nahmen die Vorbereitungen zum Krieg, den zu führen
er sich den christlichen Mächten, besonders aber Kaiser Älanuel gegen-
über verpflichtet fühlte, auch im Abendlande ihren Fortgang. Wenn
^) Sigismund urkimclet am 6. Juli 1395 »campestri nostro in descensu prope
villam Hozyomezeu vocatam«. >Hozyomezeu oder Hoszumezö« ist rumänisch »Kimpo-
lung«, deutsch"»Langenfeld«, es unterliegt daher keinem Zweifel, dass der König über
Törzburg und Kronstadt, keinesfalls aber, wie Bonfinicus u. A. sagen, durch das Alt-
thal zurückgekehrt ist.
- 13 -
es ihm gelingen sollte, einen entscheidenden Sieg über die Türken zu
erringen, Constantinopel zu retten, vielleicht gar die Türken aus Europa
zu vertreiben, so würde das zur Befestigung seiner Stellung in Ungarn
wesentlich beigetragen haben.
Um sich mit seinem Bruder Wenzel auseinanderzusetzen, gieng
Sigismund noch nach Prag und wurde im Deutschen Reiche am 19. März
1396 als Vicar und Stellvertreter des Königs gewählt. Auf der Rück-
reise fand er in dem Hafen von Nona bereits mehrere zum Kriege
wider die Türken ausgerüstete Schiffe vor.
Auf die Ritterschaft von Frankreich und Burgund machten die
Briefe Sigismund 's. in welchen er die verächtlichen Aeusserungen Ba-
jesid's über die Tapferkeit der abendländischen Ritterschaft anführte,
besondere Wirkung.
In einer von König Karl VI. von Frankreich einberufenen Ver-
sammlung gieng der Beschluss, eine ausgiebige Unterstützung nach
Ungarn zu senden, einstimmig durch. Herzog Philipp von Burgund
nahm sich auch der Vorbereitungen zum Kriege auf das Eifrigste an;
Herolde verkündeten in seinem Lande die königlichen Beschlüsse und
verbreiteten die Briefe Sigismund's. Listen wurden dort angelegt, zu
denen der Andrang so gross war, dass. um das Land von Streitern
nicht zu entblössen, eine Auswahl von 1000 Rittern und Knechten ge-
troffen werden musste, zu denen noch Söldner traten, so dass man
ein Heer von 10.000 Mann, darunter wohl 6000 Streiter, zusammen-
brachte.")
Um die Kosten zu decken, nahm der Herzog von Burgund die
Gelegenheit wahr, dass sein Sohn, der erst 24 Jahre alte Johann Graf
von Nevers, den er an die Spitze des französisch-burgundischen Heeres
gestellt zu sehen wünschte, noch nicht den Ritterschlag empfangen
hatte und schrieb, da er sich selben im Oriente erwerben sollte, die
bei solcher Gelegenheit üblichen Beiträge der Stände aus. Flandern
steuerte zu diesem Zwecke 65.000 Nobles, das Herzogthum Burgund
40.000 Francs, die Grafschaft Burgund 14.200 und die Grafschaften
Artois, Nevers und Rethel je 10.000 Livres — zusammen einen Betrag
S) Die vorzüglichsten Quellen über diesen Zug und die Schlacht bei Nikopoli
sind: Schiltberger, Posiglie, Ulmann Stromer, Konigshofer, Justinger, Charles VI des
religieux de St. Denis, die Berner Chronik. Froissart, Thuroz Katona, Feje'r, Dingos,
der in Sigismund abfällig-em Sinne schreibt, Dukas, Chalcocondilas, Phranges, dann
Seaddedin und Edris. Kühler, der auch noch andere Quellen benützte, bringt sehr
ausführliche Angaben über die Vorbereitungen zu diesem Zuge und dürfte die
Schlacht selbst mit Berücksichtigung der damaligen Kampfesweise wohl riclitig be-
urtheilen.
— 14 —
von ungefähr 2,600.000 Kronen — bei. Ein Kriegsrath, bestehend aus
Philipp de Bar, dem Admiral von Frankreich Johann von Vienne, den
Gebrüdern de Tremouille, dem Grafen Jakob de la Marche, Herrn
von Bourbon, ferner Enguerrard de Coucy, dem Connetable PhiHpp
d'Artois Grafen d'Eu und dem Marschall Baucicaut, der allein 70 Ritter
auf seine Kosten ausrüstete, wurde dem Grafen von Nevers, dessen
Ausrüstung glänzend war. beigegeben. Ueber die Disciplin im Heere
wurden Verfügungen erlassen, auf Ausschreitungen strenge Strafen
gesetzt. Ein viermonatlicher Sold sollte vorausbezahlt werden, ein Ritter
vierzig, ein Knecht (ecuyer) zwanzig, ein Armbrustschütze zwölf Gold-
gulden monatlich erhalten.
Auch an die italienischen Staaten hatte sich Sigismund gewendet.
Der König von Frankreich, dem sich eben Genua unterworfen hatte,
verpflichtete sich, eine Flotte auszurüsten, die in Gemeinschaft mit der
venetianischen operiren sollte.
Den Befehl über die gemeinschaftliche Flotte sollte der Venetianer
Thomas Mocenigo übernehmen, der den Auftrag erhielt, mit seinen
44 Galeeren durch den Bosporus zu dringen, die Donaumündungen
zu gewinnen und von hier aus das Landheer zu unterstützen.
Am 13. April traf der Graf von Nevers in Dijon ein, wo sich
das französisch-burgundische Heer sammelte; gegen Ende des Monats
brach ein Theil unter Herrn de Coucy und Heinrich de Bar durch die
Lombardei auf, während die Hauptcolonne mit halbem Mai Regensburg
erreichte. Hier schlössen sich die deutschen Kreuzfahrer an, darunter
Pfalzgraf Ruprecht der Jüngere, Sohn des späteren deutschen Königs
Ruprecht, dann Johann, Sohn des Burggrafen von Nürnberg, die Grafen
von Katzenellenbogen und von Mömpelgard, auch einige Ritter der
deutschen Ordenscomtureien, vom Johanniter-Orden der Grossprior von
Deutschland Friedrich von Hohenzollern — der Grossmeister dieses
Ordens begab sich von Rhodus direct nach Ungarn — von Strassburg
fünfzehn Edelbürger, andere aus Nürnberg, eine beträchtliche Anzahl
von Rittern und Bannerherren aus Schwaben und Bayern, ungefähr
2000 Mann. Mit den bayerischen Rittern gieng auch Leonhart Rich-
hartinger, dessen Edelknecht Schiltberger — Renner wie er sich selbst
bezeichnet — man die ausführlichsten Nachrichten über diesen Zug
verdankt.^")
'") Schiltenberger oder Schiltberger, einer adeligen Münchener Familie ange-
hörend, gerieth nach der Schlacht in Gefangenschaft und wurde bei der grossen Ab-
schlachtung, welche ihr folgte, seiner Jugend wegen verschont. In türkische und
später mongolische Sclaverei gelangt, kehrte er 1427 in seine Heimat zurück, wo er
— 15 -
Am 24. Mai lanojte der Graf von Nevers — von seinem Schwager
Herzog Leopold V. von Oesterreich feierlich empfangen — in Wien
an. Während Längeren Aufenthaltes daselbst wurden 70 grosse Schiffe
mit Vorräthen befrachtet und donauabwärts gesendet. Ueber den Auf-
enthalt in Wien, dann über den Ort, wo sich die Engländer — bei
10.000 Mann mit dem Sohne des Herzogs von Lancaster — dem Zuge
des Grafen anschlössen, und über die Ankunft in Ofen, welche un-
gefähr im halben Juni erfolgt sein dürfte, fehlen nähere Nachrichten,
Streiter aus Italien, Polen und Böhmen sammelten sich in Ofen, Graf
Hermann von Cilli brachte eine beträchtliche Schar Bewaffneter aus
Steiermark dahin. Die Zahl der fremden Kreuzfahrer mag bei 30.000
betragen haben. Das Aufgebot des Königs im eigenen Lande betrug
ebenfalls bei 30.000 Mann, zu denen vor Nikopoli noch Mircea mit
einigen Tausend Mann stiess, der, im Begriffe, sich dem König von
Polen zu unterwerfen, beim Anblicke des grossen Heeres doch wieder
vorzog, sich an Ungarn anzuschliessen, so dass das ganze christliche
Heer 69.000—70.000 Mann betrug, i') Die Zahl der Combattanten dürfte
aber bedeutend geringer zu rechnen sein, da auf die zur Bedienung
ihrer Herren mitziehenden, wohl auch bewaffneten Knechte beim An-
griffe gar nicht, bei der Vertheidigung wobl nur, wenn es sieh um ihre
eigene Sicherheit handelte, zu rechnen war.
Sigismund überhäufte die fremden Ritter mit allen Ehren; in
Ofen gestattete er ihnen, ihre Wappenschilde in der Kirche des heiligen
Nikolaus aufzuhängen. Beim Anblicke der von Siegeshoffnungen be-
geisterten Ritterschar Hess er sich zu dem prahlerischen Ausspruch
verleiten: »Wer wird wagen, uns zu widerstehen? Selbst wenn der
Himmel einstürzte, wir würden ihn mit unseren Lanzen aufhalten!«
Den Oberbefehl über das ganze Heer führte Sigismund, aber
weder er noch einer der übrigen Führer besass genug Ansehen und
Feldherrntalent, um ein so grosses, jeder einheitlichen Organisation ent-
behrendes Heer, in dem sich noch dazu so viele stolze, aufeinander
eifersüchtige Häupter befanden, zu leiten.
Von Ofen brach das Heer zwischen dem 20. und 24. Juli in
zwei Colonnen auf; die östliche unter Gara gieng über Siebenbürgen in
seine Erlebnisse niederschrieb. Die Schlacht machte er in dienender Stellung mit und
brachte seinem Herrn, als er vom Pferde geschossen war, sein eigenes Pferd vor,
worauf er sich wieder zu den hinter dem Treffen haltenden Rennern zurückbegab und
daselbst gefangen wurde.
") Die Angaben über die Stärke des christlichen Heeres schwanken zwischen
30.000 und 200.000 Mann, die letzte Zahl ist jedenfalls übertrieben, und die erste
dürfte sich wohl nur auf den Zuzug von Aussen beziehen.
- 16 —
die Walachei; die westliche, bei der sich der König und der grösste
Theil der Kreuzfahrer befand, traf am 18. August in der Gegend
von Orsowa ein,'-) übersetzte bei Severin die Donau und durchzog den
östlichen Theil Serbiens längs des Stromes, als Feindesland es mit
Feuer und Schwert verheerend.
Bodon (Widdin) war der erste befestigte Ort, auf den man am
rechten Donauufer stiess. Der bulgarische Fürst Strasimir, der als tür-
kischer Vasalle die Stadt vertheidigen sollte, übergab sie am 28. August-
ais Anstalten zum Sturme gemacht wurden. Die geringe türkische Be-
satzung wurde niedergemacht und als neue Besatzung 300 Mann zurück-
gelassen. Am folgenden Tage schlug Sigismund den Grafen von Nevers
nebst 300 Franzosen zu Rittern.
Am 2. September traf das Heer am rechten Donauufer auf die
starke Festung Rahowa (in älteren Urkunden Orihow. Oriszo, Raco
oder Rachowa). Der Platz war mit doppelten Mauern und mit ThUrmen
befestigt und mit einer starken Besatzung versehen, die sich tapfer
wehrte und die Franzosen, welche sich die Belagerung nicht nehmen
liessen, durch zahlreiche Ausfälle belästigten. Nachdem Sigismund Ver-
stärkungen gesendet hatte und der Platz anfieng, Mangel zu leiden,
knüpfte die Besatzung Verhandlungen an, doch war es zu spät.
Nach fünftägiger Belagerung wurde die Stadt erstürmt und niederge-
brannt.^^) Die türkische Besatzung wurde niedergemacht, gegen 1000
der reichsten Bewohner aber, welche ein Lösegeld zu geben ver-
sprachen, als Gefangene mitgeführt; 200 Mann blieben als Besatzung
zurück. Am 8. September wurde der Marsch fortgesetzt; am 12. traf
der König vor Nikopoli ein, wo sich das ganze Heer vereinigte, und
eine ungarische Flotille den Platz vom Strome aus einschloss.
Nikopoli, nach deutschen Quellen Schiltarn oder Schiltau, nach
alten Karten Sciltara genannt. Avurde im VII. Jahrhundert durch
Kaiser Heraklius zur Erinnerung seines Sieges über die Perser ge-
gründet.'^)
'•) Der König ui'kundet am 17. Juli zu Grosswardein, am 18. August zu »Neu-
grad« (in späteren Urkunden »Xeiies Haus« genannt, es dürfte Orsowa gemeint sein".
Bei einer täglichen Marschleistung von 24 Kilometer im Durchschnitte muss die
westliche Colonne, bei welcher der König war, mit halbem August in der Xilhe von
Orsowa angelangt gewesen sein.
^^) Der Umstand, dass Thuroz die Einnahme von »Oriszo« vor jener von Widdin
anführt, hat Anlass gegeben, »Oriszo« mit Orsowa zu verwechseln; Orsowa kann
jedoch von den Türken nicht besetzt gewesen sein.
^*) Nikopoli an der Donau, die von Heraklius gegründete Stadt, ist nicht zu
verwechseln mit dem von Kaiser Trajan gegründeten Nikopolis, das zum Unterschiede
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Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl.
— 18 -
Die befestigte Stadt, deren mit Thürmen verstärkte Mauern ent-
sprechend der Umfassung der jetzt noch bestehenden Citadelle an den
steilen Abfällen gegen Norden und Osten sich der Bodengestaltung
anschlössen, gegen Süden aber durch einen tiefen Graben geschützt
Maaren, liegt am rechten Ufer der Donau, auf den äussersten Abfällen
des Balkans. Zwölf Kilometer oberhalb der Stadt mündet der Vidfluss.
nahezu gegenüber der Altfluss in den hier vereinio:ten Strom. In dem
an der (3stseite der Stadt gelegenem Thale breitete sich eine weitläulige
Vorstadt (dermalen die eigentliche Handelsstadt) aus. Südlich der Stadt,
zwischen dem Osmabache und der zum Theile versumpften Donau-
niederung bei Belawoda führt über eine wellenförmige Erhöhung die
Strasse gegen Trnowa hin.
Sigismund bezog zu beiden Seiten der Stadt ein Lager, die
Franzosen an der Südseite, von den übrigen Truppen abgesondert. Da
es dem Könige an Belagerangsmaschinen fehlte, er vielleicht auch die
Absicht hatte, die Stadt, welche ihm bei weiterem Vorgehen als Stütz-
punkt dienen konnte, zu schonen, wurde die Belagerung bald in eine
Blockade verwandelt. Die dadurch hervorgerufene Unthätigkeit im Lager
verleitete die französische Ritterschaft, in deren Zelten und Kleidung
der grösste Luxus herrschte, zu Ausschreitungen aller Art; sie gaben
sich gegenseitig Feste und überliessen sich zügellos dem Trünke und
den Buhlerinnen, die sie mit sich führten.
In Nikopoli befehligte Toghanbeg, einer der besten Heerführer
Bajesid's. Die zahlreiche Besatzung leistete tapferen Widerstand; als
sich aber die Blockade in die Länge zog und in der Stadt, welcher
auch die Zufuhr auf der Donau versperrt war, sich der Mangel fühlbar
machte, Hess Toghanbeg den Sultan dringend um Entsatz bitten. Die
Antwort kam auch bald zurück; denn der Sultan war nicht ferne; nur
von der gleichnamigen, ebenfalls von Trajan gegründeten, am Nestus gelegenen Stadt
den Namen »Nicopolis ad Istrum« (NlKOriOAlTßN. HVO'Z. ISTPß; als im Donau-
gebiete gelegen — oder auch »Nicopolis ad Haemum« als am Balkan gelegen — er-
halten hatte. Die letzte Stadt ist, wie Kanitz (Donau-Bulg. u. d. Balkan, 2. Aufl.: II, 61)
unzweifelhaft nachweist, bei dem Dorfe Nikup an der Kusiza, einem Nebenflusse der
Jantra zu suchen. Die in Nikup vorhandenen Baureste lassen schiiessen, dass gegen
Ende des XIV. .Jahrhunderts die Stadt Trajan's bereits ein Trümmerhaufe war, und
eine neuere, der byzantinischen Zeit oder dem Mittelalter angehörigen Stadt dort nicht
stand. Dass das Schlachtfeld von 1396 nur bei Nikopoli an der Donau gesucht werden
kann, geht auch daraus hervor," dass den Fliehenden die Nähe der Donau so verhängnissvoll
wurde, während Nikup 45 km südlich der Donau liegt. In Spruner's historischem Atlas
wird irrig die Stadt am rechten Donauufer als »Kis-Nikopoli« (»kis« ist ungarisch
»klein«), Nikup aber als »Nicopolis magna« angeführt. Auch C. J. Jireczek verfällt,
in den Irrthum, das Schlachtfeld von 1396 nach Nikup zu verlegen.
— 19 -
drei Tage ausharren, verlangte er. dann würde er erscheinen. Durch die
lauten Freudenbezeigungen der Bewohner der Stadt wurde das christliche
Heer zuerst aufmerksam auf die Nähe des Feindes; auch andere An-
zeichen stellten sich ein. welche dieselbe bestätigten. Fouragiercom-
manden wurden aufgehoben. Dass Marschall Boucicaut einigen den
Feinden entkommenen Reitern, welche die Nachricht von der Nähe
des Sultans verbreiteten, die Ohren abschneiden Hess, machte ihre Nach-
richten nicht weniger glaublich.
Um sich über die Nähe des Feindes Gewissheit zu verschaffen,
entsandte Sigismund den Banus Johann Marothy'') mit einer Reiter-
schar auf grössere Entfernung. Dieser drang bis gegen Trnowa vor
und fand dort Bajesid's ganzes Heer.
Mit dieser Nachricht kehrte er schleunigst zurück, ohne den Feind
anzugreifen, und entschuldigte dies damit, dass er die Ehre des ersten
Angriffes den Franzosen überlassen wollte. Zugleich mit Marothy's
Nachricht erlangte man am 27. September um die Mittagszeit im un-
garischen Lager auch Kenntniss, dass seinen Reitern das türkische
Heer auf dem Fuss folge.
Die Franzosen erhielten diese Nachricht, während sie bei Tisch
sassen; überraschend konnte sie ihnen zwar nicht kommen; in ihrem
Uebermuthe wähnten sie aber, der Sultan würde nicht wagen, vor ihnen
zu erscheinen. Die Gewissheit, ihn mit seinem grossen Heere nun doch
vor sich zu haben, im Vereine mit den Schmähungen, welche ihnen
die Bewohner der Stadt von den Mauern aus zuriefen, regte sie aber
so auf, dass sie gleich aufsitzen und dem Feinde entgegenreiten wollten.
Sie begnügten sich jedoch damit, die 1000 Gefangenen, welche sie von
Rahova mitschleppten, niederzumachen.
Als Sultan Bajesid im Frühjahre 1396 aus den aufgefangenen
Briefen Sigismund's an Kaiser Manuel und wahrscheinlich auch durch
Herzog Galeazzo Visconti von Mailand Kenntniss von dem ihm drohen-
den Angriffe und von dem zahlreichen Zuzug von Kreuzfahrern nach
Ofen erhalten hatte, hielt er eben Constantinopel mit einem mächtigen
Heere eingeschlossen. Er erliess nun sogleich Befehle zum Abmärsche
seiner asiatischen Truppen und bestimmte Adrianopel als Sammel-
punkt des ganzen Heeres. Nach den langen Märschen gönnte er seinen
Truppen hier einige Tage der Ruhe, um sie Vorbereitungen zum Ueber-
^^) Eine Urkunde Sigismund's, ein Schenkungsbrief an Marothy vom Jahre 1412,
erwähnt ausdrücklich, dass dieser mit der Kecognoscierung- des Feindes betraut wurde,
während Schiltberger sagt, dass Mircea sich hiezu angeboten und die Nachricht ge-
bracht habe, dass Bajesid mit 20 Bannern, jedes zu 20.000 Mann, bei Trnowa stände.
2*
— 20 —
schreiten des Balkan treffen zu lassen. Als die Ankunft der Asiaten
bevorstand, hob er die Belagerung Constantinopels auf und begab sich
selbst nach Adrianopel.
Das türkische Heer dürfte in den ersten Tagen des September
von Adrianopel aufgebrochen sein, und traf über Philippopel nach
Ueberschreitung des Schipkapasses am 23. September in Trnowa ein,
wo es von Marothy beobachtet worden war. Zugleich mit diesem war
Umgebung von Nikopoli.
J^usxiurCfciöj
p
loTany
Christliches Heer.
A Lager der Ungarn.
B Lager der Franzosen.
C Angriff der Franzosen.
Im Vorrücken begriffene
Schlachtlinie Sigismund's
während der Flucht der
Franzosen.
D Rechter Flügel unter Laz-
koviö.
E Centrum unter Sigismund.
F Linker Flügel, Mircea mit
den Walachen.
Türkisches Heer.
G Leichte Reiter.
H Erstes Treffen, Bogen-
schützen.
I Zweites Treffen, leichte
Reiter.
K Drittes Treffen, Reiter
unter dem Sultan.
L Vorrückung der Serben.
M Lager der Türken.
es am 27. unweit von Nikopoli eingetroffen und lagerte ungefähr fünf-
viertel Meilen entfernt vom christlichen Heere.
Den Kern des osmanischen Heeres bildete schon zu Bajesid's
Zeiten eine kleine Zahl besoldeter und regulärer Truppen, die, erst
später vermehrt, den Grundstock des stehenden Heeres der Pforte
gaben, die Janitscharen (Jeni-Tscheri, d. i. neue Truppe). Ursprünglich
nur 1000 Mann stark und aus nationalen Elementen bestehend, wurden
sie in der Folore meist durch e-efano^ene und im Islam erzogene Christen-
kinder ergänzt und waren zu Ende des XIV. Jahrhunderts schon auf
den Stand von 10.000 Mann gebracht. Diese Fusstruppe — zum Unter-
schiede von anderen mit weissen Filzkappen bekleidet — war mit
Skizze zur Schlacht hei Nikopoli am 23. Septemher 1396.
Schichtenhöhe
2oN
Bo^en, Säbel oder Handscliar. zum Theil aucli mit Partisanen bewaffnet,
und im ersten Gliede mit Brustharnisch versehen. Die Chargen dieser
zuerst für den Hofdienst verwendeten Truppe leiteten ihren Titel zu-
meist aus dem Jagdgefolge und dem Küchendienste des Sultans her.
Eine zweite reguläre und besoldete Truppe waren die Sipahi.
d. i. Reiter, sie waren zum Schutze der Fahne und zur Leibwache des
Sultans bestimmt. Ihre Zahl betrug unter Bajesid nicht mehr als
2400 Mann, ihre Bewaffnung bestand aus einem krummen Säbel, einer
langen Lanze oder einem Panzerstecher.''')
Die Masse des Heeres bestand aus Lehenstruppen — der Lehens-
reiterei, mit grösserem oder kleinerem Grundbesitz belehnt — aus
ungefähr 80.000 Reitern; die Bewaffnung war verschieden, die Asiaten
führten neben dem Säbel vorherrschend Bogen und Wurfspiesse, die
Europäer Lanze und Schild, Die Piade, d. i. Fussgänger, auch Jaja
genannt, waren ursprünglich Soldtruppen, erhielten aber später ebenso
wie die Reiter als Entschädigung für ihre Dienste Gründe zu Lehen;
ihnen oblag auch die Herstellung der Strassen, welche das Heer zieheu
musste, ihre BewaffnUug bestand aus Bogen und Seitengewehr; ihre
Zahl — ursprünglich nur 10.000 — dürfte mit der Zeit auf 14.000
gestiegen sein.
Ganz irreguläre Truppen, weder besoldet, noch belehnt, mit ihrer
Verpflegung meist auf den Raub angewiesen, waren die Asab, d. i. die
Ledigen oder Freien, und die Akindschi oder Renner; erstere zu Fuss,
letztere zu Pferde, bildeten Streifparteien, die auf eigene Faust Streif-
züge unternahmen oder dem Heere vorauseilten und in der Schlacht
sich auf den Flügeln herumtrieben. Ihre Zahl dürfte sehr wechselnd
gewesen sein, manchmal auch 20.000 überstiegen haben.
Endlich waren noch die Serben zu rechnen, welche erst in der
Nähe von Nikopoli mit dem türkischen Heere Fühlung nahmen;'') sie
stellten unter ihrem König Lazar eine Hilfstruppe von 5000 Reitern
'^) Die meisten lieiter hatten noch an der rechten Seite des Sattels eine kleine
Handpauke angebracht, welche in der Schlacht während des Anreitens mit der rechten
Hand gerührt wurde; erst im letzten Augenblicke wurde die Handwafi'e zum Kampfe
ergriffen. Solche Handpauken wurden auch bei den Tataren und selbst bei den Polen
bis zum Ende des XVII. Jahrhunderts gebraucht.
'') Dass die Serben sich schon früher mit dem türkischen Heere vereinigt
hätten, wird in keiner der vorhandenen Quellen erwähnt; ihr plötzliches Erscheinen
auf dem Schlachtfelde ist daher nur dadurch zu erklären, dass sie den Anmarsch de.s
türkischen Heeres auf ihrem Zuge von Serbien her in der Nähe von Nikopoli ab-
warteten, um im rechten Augenblicke in den Kampf einzugreifen — vielleicht auch
gegen die Türken, wenn der Sieg den Ungarn zugefallen wäre.
- 23 —
bei. Die Gesammtstärke des türkischen Heeres dürfte demnach bei
140.000 Mann betragen haben.
Dem christlichen Heere fehlte eine reguläre, gut bewaffnete Fuss-
truppe ganz: in der Disciplin waren ihnen die türkischen Truppen
entschieden überlegen und wohl auch in der Moral, da letztere weder
Wein noch Spiel kannten. Das Ehrgefühl, die Triebfeder der Tapfer-
keit bei der Ritterschaft, wurde durch den Fanatismus und Fatalismus
der Türken reichlich ersetzt.'^) Geschütze standen noch bei keinem
der beiden Heere in Verwendung, obwohl sie schon 1324 die Eng-
länder im Kriege gegen die Franzosen und 1325 der maurische König
von Granada im Kampfe gegen die spanischen Christen brauchten.
König Sigismund begab sich am Morgen des 28. September noch
vor Tagesanbruch in das Lager der Franzosen und bat von Neuem
— andere auf den Angriff bezügliche Verhandlungen waren schon
vorausgegangen — den Ungarn oder den Walachen den ersten An-
griff zu überlassen, ^'^j da diese mit der Fechtweise des Feindes ver-
traut wären, die Entscheidung aber doch den Franzosen bleiben würde.
Der Admiral de Vienne und Jean de Coucy, beide erfahrene ältere
Männer, pflichteten dem vollständig bei. Marschall Boucicaut aber und
der Connetable lehnten sich unter den heftigsten Verdächtigungen da-
gegen auf, so dass Sigismund unverrichteter Sache in sein Lager
zurückkehren musste. In Voraussicht, dass der Kampf unmittelbar
bevorstehe, ordnete der König nun sein Heer zur Schlacht.-")
1*) Was die Moral im türkischen Heere anlangt, so stand sie selbst in späterer
Zeit, als bereits Anzeichen des Verfalles sich zeigten, entschieden höher wie in den
christlichen Heeren. Noch 1554 schreibt der Venetianer Trevisani: »Die Türken haben
in ihrem Heere drei Dinge nicht, Wein, Lohndirnen und Spiel. Ausserdem ist bei
ihnen streng beobachtete und als Ursache ihres Waftenglückes betrachtete Sitte, dass
sie niemals den Namen Gottes lästern und stets ihr Gebet verrichten.«
'^) Schiltberger erzählt; Der König habe Mircea auf seine Bitte den ersten
Angriff (»das erst anryten«) gestattet; als der Graf von Nevers (»der herzog von bar-
guni«) dies hörte, wollte er das »Anreiten« den Walachen nicht gönnen und bat, es
den Franzosen zu überlassen; die Einwendungen des Königs nicht beachtend, ritt er
dann eigenmächtig gegen den Feind. Auch wird erzählt, die Franzosen wären zu zehn
bis zwanzig auf das Schlachtfeld gezogen und hätten sich dort erst vereinigt, was
jedenfalls auf sehr gelockerte Disciplin schliessen Hesse.
'-") Aschbach erzählt: Der König habe am Vorabend der Schlacht eine Ab-
theilung in einen Hinterhalt gelegt, der den linken Flügel des Feindes umgehen und
ihn im Eücken fassen sollte; Bajesid habe dies erkannt und den Ueberfall vereitelt.
Weder ältere Quellen sprechen für die Richtigkeit dieser Erzählung, noch hat sie die
Wahrscheinlichkeit für sich. Nur aus Aschbach's Geschichtswerk gieng diese Erzählung
auch in andere Werke über.
— 24 —
Die Franzosen, welche den Kampf nicht erwarten konnten, be-
reiteten sich auch zum Angriffe vor. Um besser marschieren zu können
— denn sie hatten die Gewohnheit, im Gefechte nach Bedarf abzu-
steigen und ihre Pferde hinter der Front durch ihre Knechte halten
zu lassen^') — schnitten sie die Spitzen ihrer schon oft bespotteten
zwei Fuss langen Schnabelschuhe (Chaussure ä la poulaine) ab. Der
Admiral de Vienne, durch seine WafFenthaten berühmt, ergriff die Fahne
mit dem Bilde der heiligen Jungfrau, die ihm vom Grafen von Nevers
trotz seines hohen Alters übergeben worden war, und hielt den um
ihn versammelten Rittern eine Anrede, die mit seiner kurz vorher im
Kriegsrathe ausgesprochenen Ansicht nicht ganz im Einklänge ge-
standen zu haben scheint. Für die Tapferkeit der Ungarn hatte er
nur Verachtung und Hohn, auf die Thaten seiner Landsleute setzte er
dagegen alle Hoffnung.--) Ohne Rücksicht auf die Vorkehrungen des
Königs gab er nun — es war erst 9 Uhr Morgens — das Zeichen
zum Angriff. Auf dem wellenförmigen Plateau, südlich von Nikopoli.
kam es nun zur Schlacht.
Bajesid hatte die Nacht in seinem Lager, ungefähr 10 Kilo-
meter von Mkopoli, in der Nähe von Mersowiza und am Ufer des
Osmabaches zugebracht. Durch das unerwartete Vorbrechen der Fran-
zosen scheint er überrascht worden zu sein, da er sich nicht mehr
Zeit nahm, sein Heer in der bei den Türken sonst üblichen Schlacht-
ordnung zu entwickeln und seine Treffen keine grössere Breite wie
eine Lieue (4400 «Meter) einnahmen. '-3) Seine Truppen scheinen daher
-^) Dass die Franzosen die Gewohnheit hatten, in der Schlacht auch abzusitzen
und zu Fuss zu kämpfen, bezeugt ihr Verhalten in den Schlachten bei Cocherel und
Auray 1364, bei Eoosebeka 1382 und bei Agincourt 1415. Tliuroz und die Annales
Flandriae bringen Berichte von Angenzeugen der Schlacht, die erwähnen, dass die
Franzosen zu Fuss gefochten hätten, auch Bonfinius bestätigt es. Schiltberger, der
den Angriff der Franzosen schwerlich gesehen und ihre Gewohnheit, zu Fuss zu
kämpfen, auch kaum gekannt haben dürfte, schreibt: »sein Volk« (des Grafen von
Nevers Volk) »war mehr den halb von den Pferden gekommen,« was wohl auch
dafür spricht.
--) Froissart bringt die Rede des Grafen von Nevers vollinhaltlich, er sagt:
>Der Kampf, den wir missbilligt haben, steht vor uns. Nicht dem Gefühle der Furcht
weichen wir, im Gegentheil rechnen wir mit Zuversicht auf Erfolg. Die Hilfe der
Ungarn verschmähen wir, sie ist ohnedies werthlos; fechten wir die Schlacht allein
aus und setzen wir unsere Hoffnung in den, der jene nie täuscht, welche auf ihn die
Hoffnung des Sieges setzen. Möge es ihm gefallen, uns zur Ehre des christlichen
Glaubens den Sieg zu schenken!«
^3) Froissart gibt diese Breite der Schlachtlinie an, es stimmt dies annähernd
mit der Terrainbeschatfenheit und mit der Stärke der nach und nach in das Gefecht
eingetretenen Abtheilungen der Türken überein.
— 25 -
auch in der Reihenfolge, in welcher sie im Lager standen, nach und
nach in das Gefecht verwickelt worden zu sein.
Was die Schlachtordnung beim christlichen Heere betrifft, so kann
von einer solchen kaum die Rede sein. König Sigismund unterhandelte,
wie bereits erwähnt, bis zum letzten Augenblicke mit den P^ranzosen
darüber, ohne zu einem Resultat zu kommen, und als sie schliesslich
mit den Eng-ländern, welche sich ihnen anschlössen, losbrachen, wurden
sie durch einen grösseren Abstand von den anderen Abtheilungen des
Heeres getrennt. Da ein grosser Theil der Ungarn nach der Nieder-
lage der Franzosen flüchtete, scheint sich der Rest derselben mit den
Deutschen zusammen nur in ein Treffen formiert zu haben.
Die Franzosen trafen zuerst auf leichte Reiterei, gegen 8000 Mann,
die nach kurzem Widerstand die Front räumte. Hinter derselben
hatte sich eine Linie von ungefähr 20.000 Bogenschützen formiert,
welche sich durch in die Erde gesteckte, in der Höhe des Pferde-
bauches zugespitzte Pfähle zu schützen suchte. Die Franzosen, durch
die Rüstung gegen die Pfeile geschützt, sassen nun ab, durchbrachen
trotz grosser Verluste die Pfahle vmd schritten zum Handgemenge; die
Türken hielten sich so dicht zusammen, dass es äusserst schwierig
war, einzudringen, doch siegte schliesslich die überlegene Tapferkeit
und die bessere Rüstung der Franzosen über die ohne Schutzwaffen
kämpfenden Türken. Nach bedeutendem Verluste wichen letztere hinter
die Reiterei zurück, welche — wie es heisst in Bogenschussweite —
ein zweites Treffen bildete.
Die Franzosen sahen sich nun wohl einer überwältigenden Ueber-
zahl gegenüber: nur ein schneller Entschluss konnte ihnen Erfolg ver-
sprechen; ohne ängstlich auf Ordnung und Geschlossenheit zu sehen,
suchten sie zu Fuss — wie sie waren — durch einen plötzlichen
raschen Angriff in den Feind einzudringen, bevor dieser Zeit fand, sie
zu umklammern. Die überraschten, durch die Niederlage des ersten
Treffens verblüfften Reiter, die durch die zurückweichenden Fuss-
truppen wohl auch in Unordnung gekommen waren, wurden in ihren
ersten Reihen niedergeworfen, und leisteten in Folge dessen nur ge-
rino'en Widerstand, so dass auch dieser Haufe nach bedeutendem Ver-
luste das Weite suchte.
Es war sonst Sitte bei den Franzosen, bei Verfolgung des Feindes
wieder zu Pferde zu steigen, aber durch ihr rasches Vordringen zu
weit von ihren Pferden getrennt und von dem Erfolge berauscht, über-
liessen sie sich, trotz aller Warnungen ihrer Führer und ohne Rück-
sicht auf die bereits erlittenen Verluste, der rücksichtslosesten Ver-
- 26 —
folgung. Auf der kleinen Erhebung südöstlicli von Vubla angekommen,
die ihnen die Aussicht bisher benommen hatte, sahen sie zu ihrem Ent-
setzen abermals eine zahlreiche Reitermasse vor sich ausgebreitet, die
sich bald gegen sie in Bewegung setzte.
Bajesid hatte schon geschwankt, als er die Niederlage seiner
vorderen Treffen wahrnahm, und war fast schon entschlossen, den
Rückzug anzutreten, er besann sich nun eines Besseren.-^) Der Schrecken
hatte sich nun der Franzosen, die von ihren Pferden schon zu weit
entfernt waren, um sie noch erreichen zu können, in dem Masse be-
mächtigt, dass sie trotz der Befehle ihrer Führer sich unfähig zeigten,
die Schlachtordnung wieder herzustellen. Dem tollsten Uebermuthe
folgte die vollste Entmuthigung, einem augenblicklichen Stillstand die
allgemeine Flucht; doch hatten Bajesid's Reitermassen die Fliehenden
bald eingeholt und überholt, und ihnen den Rückweg verlegt. Der
Admiral de Vienne, der auch schon eine rückgängige Bewegung ge-
macht hatte, kehrte, der Ehre eingedenk, wieder um, indem er seiner
Umgebung zurief: »Gott sei dafür, dass wir unser Leben auf Kosten
unserer Ehre erkaufen sollten, hier heisst es Vertheidigung wagen oder
auf dem Bett der Ehre sterben.« Sechsmal hatte er das Banner, das
er trug, von Neuem erhoben, nachdem es gesunken war, endlich fiel
auch er, an seiner Seite sein Sohn, dann Phihpp de Bar, Wilhelm
de la Tremouille und viele Andere.
Bajesid befahl, Alles zu tödten, was sich nicht gefangen gab.
Die Franzosen mögen Wunder der Tapferkeit verrichtet haben i
die feindlichen Treffen zu durchdringen, war ihnen wohl gelungen, den
Feind vom Schlachtfelde zu vertreiben, gestattete ihnen aber schon
ihre Zahl nicht, und Sigismund war noch zu weit zurück, um die von
ihnen errungenen Erfolge ausbeuten und festhalten zu können. Die
berittenen Pferdewärter sahen die Vernichtung ihrer Herren, waren
aber von ihnen abgeschnitten; sie Hessen die Handpferde im Stich und
flohen, um sich zu retten. Die fliehenden Reiter und die herrenlosen
Pferde trugen den Schrecken in die Reihen der Ungarn, die zur Unter-
stützung der Franzosen im Vorrücken begriffen waren. Ein Theil der
Ungarn unter ihrem treulosen, dem König feindlich gesinnten Führer
-*) Die Erzählung : »Der Führer des gegnerischen Heeres habe schon geschwankt
und war nahe daran, den Kampf aufzugeben,« wiederholt sich bei allen grösseren
Schlachten, welche einen für die Ungarn ungünstigen Ausgang nahmen, hier sowie
bei Varna, auf dem Amselfelde und bei Mohäcz. Es mag ein schwacher Trost für
den Verlustträger sein, zu sagen: »Fast hätten wir gesiegt.« Zu viel Glauben ist daher
diesen Erzählungen nicht beizumessen.
- 27 —
Stephan Laczkovich am rechten und die Walachen am linken Flügel
unter ihrem unverlässlichen Woywoden ■ — vielleicht auch ein Vorder-
treifen bildend — ergriffen die Flucht.
Sigismund drang trotzdem mit dem jedenfalls noch beträchtlichen
Reste der Ungarn — da sich der Erzbischof von Gran und sein Bruder
Stephan Kanizsay, die beiden Rozgony, Forgacs und der Banus Ma-
rothy dabei fanden, kann nur ein kleinerer Theil geflohen sein — im
Vereine mit dem Grafen von Cilli, den deutschen, polnischen und
anderen Kreuzfahrern in einem Treffen formiert, vor. Er traf zunächst
auf Fusstruppen, die gesammelt wieder im Voi'gehen gegen ihn be-
griffen waren; es war dies ohne Zweifel der Rest des ersten Treffens
der Türken, das von den wenig zahlreichen Franzosen wohl durch-
brochen, aber nicht vom Schlachtfelde vertrieben war, und sich hinter
dem Rücken derselben wieder gesammelt hatte.
Darüber hinweg gieng es gegen einen Reiterhaufen, der sich dem
König entgegen warf. Der Kampf gegen die überlegene Zahl — es
stand wohl dem König die ganze nach dem Niederwerfen der Fran-
zosen verfügbare türkische Reiterei gegenüber — blieb lange unent-
schieden, bis der Despot von Serbien mit 5000 Reitern unerwartet auf
dem Schlachtfelde erschien, sich auf den rechten Flügel der Ungarn
warf, und den Sieg zu Gunsten der Türken entschied.
Sigismund selbst ergriff erst, nachdem er sein Banner hatte fallen
sehen, die Flucht. Er wurde vom Grafen von Cilli und dem Burg-
«jrafen von Nürnbero^ auf eine Galeere gebracht, auf welcher auch der
Grossmeister der Johanniter, Philipp von Neillak, Nikolaus und Johann
von Gara, der Graner Erzbischof und sein Bruder nebst Anderen Auf-
nahme fanden. Als sie stromabwärts fuhren, sandten ihnen die Türken
noch Pfeile nach, schnell trug sie aber der Strom hinweg vom Orte
des Schreckens und der Gefahr; mit Mühe erreichten sie die venetia-
nische Flotte im Schwarzen Meere.
Sigismund's Truppen ergieng es nun ebenso wie den Franzosen,
was nicht umkam, musste sich gefangen geben ; ein geringer Theil floh
zur Donau, wo ihrer ebenfalls der Tod wartete. Viele stürzten sich in
den Strom, um ein Schiff" zu erreichen, und kamen dabei um, oft unter
den traurigsten Verhältnissen, da die Schiffe — zumeist beladene
Proviantschiffe — bald überfüllt waren und untersanken. Vielen wurden,
indem sie sich mit der Hoffnung auf Rettung am Bord anklammerten,
die Hände abgehauen. Was am anderen Ufer der Donau ankam, wurde
von den Walachen beraubt, oder kam auf dem Heimwege durch Hunger
und Elend um. Der Pfalzgraf Ruprecht gelangte krank und in der
— 28 —
Kleidung eines Bettlers in die Heimat, wo er wenige Tage darauf starb:
von den siebzehn Strassburgern, die ausgezogen waren, kamen nur
zwei, von deu Nürnbergern und Bayern auch nur wenige zurück.
Der Verlust des christlichen Heeres an Todten in der Schlacht
wird auf 12.000 angegeben, darunter auch Dionys Marothy, Ladislaus
Semsey, Rozgony und Johann Käpolyi. Tausende von Gefangenen und
die völlige Zerstreuung des christlichen Heeres bezeugten den Türken,
dass sie gesiegt hatten; jedenfalls aber war der Sieg theuer erkauft,
denn die Zahl ihrer Todten wird mit 30.000 bis 40.000 Mann angegeben.
Als Bajesid von Nikopoli über das Schlachtfeld zurückkehrte und die
Menge der Erschlagenen seines Heeres sah, weinte er Thränen der
Wuth und schwur, dies an den G-efangenen zu rächen. Am folgenden
Morgen liess er dieselben — bei 10.000 — vor sich führen und befahl,
sie zu todten. Den Grafen von Nevers nahm er gegen das Ver-
sprechen, nicht mehr gegen ihn zu kämpfen, aus, und gestattete ihm
unter den Rittern noch 24 auszuwählen, die er am Leben liess. um
ein Lösegeld von ihnen zu erpressen.
Unter den Auserwählten befanden sich die vornehmsten Franzo.'sen
und Burgunder, dann zwei Bayern. Der Pikarde de Helly, welcher
unter Bajesid's Vater gedient hatte und erkannt wurde, ebenso Jacques
du Fay, der sich früher bei den Tataren aufgehalten hatte, erhielt das
Leben geschenkt. Für den Knappen Schiltberger verwendete sich seiner
Jugend halber des Sultans Sohn (er selbst sagt: »da man Niemanden
todten wollte vor zwanzig Jahren« und er war erst sechzehn Jahre
alt). Des Knappen Herr, Linhart Richhartinger, nebst den von ihm be-
nannten Bayerp Werrnherr Penzenauer und Ulrich Kuchler Hei in der
Schlacht. Im Ganzen soll die Zahl der nach der Schlacht Erschlagenen
über 3000 betragen haben.'-') Auf Bitten seiner Umgebung liess Bajesid
am späten Nachmittag dem Morden Einhalt thun, und überliess die
Gefangenen nach Vorwegnahme seines Antheiles ihren Besitzern.
Der Graf von Nevers mit seinen Auserwählten wurde über
Adrianopel nach Gallipoli, später nach Brusa, und endhch nach Boli
gebracht, wo sie noch längere Zeit auf ihre Befreiung warten mussten.
Die Könige Karl VI. von Frankreich und Lusignan von Cypern
schickten vergeblich reiche Geschenke an den Sultan, um ihre Frei-
heit zu erlangen; Bajesid sandte endlich Jacques de Helly nach Frank-
reich und forderte 200.000 Ducaten, von welchen grossmüthig auch
Sigismund einen Theil übernahm. Die Freilassung erfolgte erst im
Juni 1397; Bajesid entband den Grafen von Nevers von dem Schwüre;
-=) Schiltberger gibt, wohl übertrieben, 10.000 an.
— 29 —
die Waffen nicht mehr gegen ihn zu führen, und forderte ihn auf, die
Macht der ganzen Christenheit gegen die Osmanen aufzubieten, um
Gelegenheit zu noch grösserem Ruhme zu erwerben. Von den Fran-
zosen starb de Coucy während der Gefangenschaft, der Graf d'Eu,
Henry de Bar und Guy de la Tremouille auf dem Rückwege.
Nach dem Siege drohte Bajesid, er werde Ofen erobern, Deutsch-
land und Italien unterwerfen und sein Pferd auf dem Altare des
heiligen Petrus füttern. In seinem Munde waren diese Drohungen keine
leeren Worte. Die späte Jahreszeit, wohl auch der Mangel an Fahr-
zeugen dürften ihn abgehalten haben, gleich mit seinem ganzen Heere
die Donau zu übersetzen, über die Walachei nach Ungarn einzudringen
und seinen Sieg durch die gänzliche Vernichtung seiner Feinde zu
vervollständigen; bis Ofen dürfte er wenig Widerstand gefunden haben.
Drei Tage blieb Bajesid am Schlachtfelde, um seinem vom Kampfe
erschöpften Heere Ruhe und Erholung zu gönnen. An den Sultan von
Aegypten sowie an die asiatischen Fürsten wurden Botschafter mit
Siegesberichten versendet, und zur Beglaubigung erbeutete Sclaven als
Geschenke beigegeben. Bajesid selbst kehrte nach Adrianopel zurück
und setzte die durch den Feldzug unterbrochene Bedrängung Con-
stantinopels fort.
Zahlreiche türkische Horden giengen am rechten Donauufer auf-
wärts und übersetzten, von Latkovich gerufen, die Save bei St. De-
meter (Mitrowitz): durch Verrath des Befehlshabers. Matko von Szent-
Marton, der sogar zum Islam übergieng, wurde die Stadt eingenommen
und zerstört. Nun durchzogen türkische Horden das Land zwischen
der Save und Drau, alles niederbrennend, verheerend und mit sich
fortschleppend, was zu erbeuten war. Syrmien wurde ganz verwüstet,
die Städte so verheert und entvölkert, dass noch viele Jahre später
keine Spur mehr von ihnen zu finden war. Die Raubzüge erstreckten
sich auch über die Donau bis in die Nähe von Ofen, und drau-
aufwärts bis Steiermark. Die Stadt Pettau, die eines solchen Angriffes
nicht gewärtig war, wurde erstürmt, geplündert und niedergebrannt.
Aus der Stadt und ihrer Umgebung sollen 16.000 Gefangene, Männer.
Weiber und Kinder, mit all ihrem Hab und Gut fortgeschleppt worden
sein. Das Erscheinen der türkischen Raubscharen war ein so rasches
und unerwartetes, dass sich die Bewohner der Überfallenen Ortschaften
und Städte zur Abwehr nicht mehr zu rüsten vermochten. Erst der
Winter konnte den Raubzügen Einhalt thun, und den rasch zusammen-
gezogenen Truppen unter dem Banus Peter Marothy gelang es, eine
im Rückzüge besrriffene türkische Horde bei Posega zu schlagen, sie
— 30 —
über die Save zurückzutreiben und ihnen einen Theil ihrer Beute ab-
zunehmen."-'')
Auch in die Walachei fiel eine türkische Heeresabtheilung unter
Ewrenosbeg ein, um den Abfall Mircea's zu rächen. Mircea zog sich
aber in das Gebirge zurück; die Verheerung des P^'lachlandes konnte
er zwar nicht verhindern, doch gelang es ihm wiederholt, einzelne
Heerhaufen, die sich zu weit vorwagten, aufzureiben und selbst Ewrenos-
beg so in die Enge zu treiben, dass er sich mit den Trümmern seines
Heeres in ein verschanztes Lager retten und dann schnell über die
Donau zurückziehen musste.
-^) Schiltberger, der einzige, welcher wohl aus dem Munde von Gefangenen
die Nachricht vom Zuge der Türken bis Steiermark bringt, sagt: ». . . un für über
das wasser das da ist genannt Sau, bey einer Stat genannt Mitrocz, und trüb ein
ganz Land auf und zoch darnach in das herzöge land von Pettaw und führt mit jm
auss dem selben land sechszehen tauset mann mit weihen und mit kinde und mit
allem jrem gut, und gewan die obgenannte stat und prennet sy auss und das volk
fürt er mit jm hindan eine teyl liess er in krichenland.« Dass türkische Quellen den
Zug bis Steiermark nicht erwähnen, ist begreiflich, da die wilden Horden, welche die
ungarische Grenze überschritten hatten, dies wohl selbst kaum gewusst haben dürften.
Zweites Capitel.
König Sigismund kehrt zurück. — Kämpfe in Bosnien. — Sigismund zum deutschen
König gewählt. — Wiederholte Einfälle der Türken in die Nachbarländer. — Zug der
Ungarn in die Walachei. — Besitznahme der serbischen Grenzfestungen durch Un-
garn. — Golubaz vergeblich belagert. — Verlust der Grenzfestungen bis auf Belgrad. —
Einfall der Türken und Walachen in Siebenbürgen. '— Murad I. bedrängt Serbien. —
Semendria durch Ungarn entsetzt. — Sigismund stirbt. — 1396 bis 1438.
Als König Sigismund nach der Schlacht bei Nikopoli seine Person
in Sicherheit sah, ernannte er für Ungarn einen Palatin. Unter dem Vor-
wande. mit Kaiser Manuel ein Bündniss schliessen zu wollen, fuhr er
über Constantinopel und Rhodus nach Dalmatien, wo er am 21. De-
cember 1396 in Ragusa landete.
Des Königs Abwesenheit benützten in Ungarn die Unzufriedenen
— Stephan Laczkovich an der Spitze — um gegen ihn Ränke zu
schmieden. Die Nachricht von Sigismund's Tod hatte sich verbreitet-
hätte er selben in der Schlacht gefunden, so wäre die Neubesetzung
des Thrones dringend nothwendig gewesen, hat er aber ohne Noth das
Land in äusserster Gefahr verlassen, so verdiene er nicht mehr, König
zu sein. Laczkovich berief nun offen den König Ladislaus von Neapel
auf den ungarischen Thron und hoffte, ihm denselben mit Hilfe des
Sultans zu verschaffen, indem er für ihn um Bajesid's Tochter warb.
Sigismund's Ankunft vereitelte wohl diesen Anschlag, doch hatte er
nicht die Macht, seine Gegner mit voller Strenge zu bestrafen; er
musste sich durch Gnadenbezeugungen seine Anhänger erhalten und
neue zu erwerben suchen.
Um die Gerüchte von seinem Ableben zu widerlegen, bereiste
Sigismund sein Land und berief für September 1397 einen Reichstag
nach Temesvar, auf dem auch über die Mittel zur Vertheidigung des
Reiches gegen die Türken berathen wurde. Die Wichtigkeit dieser An-
gelegenheit wohl erkennend, nahmen die Stände doch vor Allem die
- 32 —
Abhilfe ihrer vielfältigen Beschwerden in Verhandlung, denen Sigis-
mund. nicht ohne dadurch sein Ansehen zu schwächen, auch entsprach.
Hinsichtlich der Landesvertheidigung wurde beschlossen: »So oft ein
auswärtiger Feind das Land angreift und der an der Grenze befeh-
lende Reichsbaron ihn nicht zurückzuschlagen vermag, haben sämrat-
Hche Magnaten, ob unter dem König selbst oder unter dem Palatin, ins
Feld zu rücken; unter welchen Bedingungen dieser Dienst durch Geld
•abgelöst werden könne; ferner sind die Magnaten gehalten, für jeden
zwanzigsten ihrer Unterthanen einen Bewaffneten auf eigene Kosten
auszurüsten und in das Feld zu stellen.« ') Endlich wurden Verfüefuniren
über die Besteuerung der Kirchengüter und die Eintreibung der Steuern
für Kriegszwecke getroffen. Für die Vertheidigung des Landes war
dadurch wohl einigermassen gesorgt, offensive Unternehmungen aber
nicht nur eingeschränkt, sondern nahezu unmöglich gemacht. Uner-
wartete Ereignisse traten indessen ein, die Ungarn eine Reihe von
Jahren der Ruhe und Sammlung gewährten, welche — gut ausgenützt
— auch Gelegenheit geboten hätten, das Ansehen und die Macht des
Staates neu zu kräftigen.
Bajesid, von dem man erwartete, er werde seine Herrschaft dem-
nächst in Europa ausbreiten, beschränkte sich auf die Bedrängung
Constantinopels und die Erweiterung seines Reiches in Asien. Die
Führung seiner Kriege überliess er seinen Feldherren, während er sich
von allen Regierungsgeschäften nach Brusa zurückzog, bis er durch
das Erscheinen Timur's (»Timur lenk«, d. i. der lahme Timur, in
Europa meist als »Tamerlan« bekannt) aus seiner Ruhe gestört wurde.
Timur — von dem Gedanken beseelt: dass, wie nur Ein Gott
im Himmel, auch nur Ein Herrscher auf Erden sein dürfe — war
nicht zufrieden, das srrosse mongolische Reich neu zu gründen, er
wollte die Herrschaft über die ganze Welt erringen. Ein Zusammen-
stoss mit Bajesid, dem mächtigsten Herrscher in Asien nach ihm. war
nicht zu vermeiden, und ein Grund dazu auch bald gefunden. Am
20. Juli 1402 standen sich beide Herrscher mit ihren Heeren in der
Nähe von Angora gegenüber. Die Schlacht endete mit der gänzlichen
Niederlage der Osmanen und mit der Gefangennahme Bajesid's.-)
') Das ungarische Wort »husz« bedeutet »zwanzig-«. Von der Stellung des
zwanzigsten Mannes zum Kriegsdienste erhielt auch die ungarische Keiterei den Namen
»Huszar«.
2) Timur, 1333 als Sohn eines mongolischen Stammhäuptlings geboren, wuchs,
seines Erbes beraubt, in Noth und Entbehrung auf und musste in der Jugend ein
Nomaden- und Eäuberleben führen. Durch Klugheit und Muth gelang es ihm, sein
Erbe wieder zu erlangen, sein Land von den Turkmenen zu befreien, und endlich
— HS —
Während Timur noch einen Krieg mit Persien führte und in seine
Residenz Samarkand zurückkehrte, überschwemmten die Tataren Klein-
asien; wohl nur der Mangel an Schiffen dürfte sie vom Uebergang
nach Europa abgehalten haben. 1403 starb Bajesid in der Gefangen-
schaft, und bald darauf. 1405, auch Timur, als er sich eben zur Er-
oberung von China rüstete. In Folge von inneren Unruhen zerhel auch
bald nachher sein grosses Reich.
Bajesid's Söhne. Suleiman, Isa, Musa und Mohammed, stritten
sich nun um die Herrschaft, bis es dem Letzteren gelang, sich im
Jahre 1406 mit Hilfe der Serben und des byzantinischen Kaisers Manuel
in den Alleinbesitz des ganzen osmanischen Reiches zu setzen.
Nachdem Sigismund sich bestrebt hatte, in Bosnien, wo die könig-
liche Macht fast nur dem Namen nach anerkannt wurde, das Ansehen
Ungarns wieder zur Geltung zu bringen, was ihm nur sehr unvoll-
ständig gelang, begab er sich 1398 nach Polen, um durch Friedens-
verhandlungen sich gegen die Ansprüche der Königin Hedwig sicher-
zustellen, und dann nach Böhmen, um den Versuch zu machen, von
seinem Bruder Wenzel die Verwaltung dieses Landes, vielleicht auch,
da ihn die Mehrzahl der deutschen Kurfürsten abgesetzt hatte, die
Regierung Deutschlands in seine Hände zu bringen. Indessen brach in
Ungarn eine Verschwörung aus; durch dieselbe vollkommen überrascht,
wurde Sigismund nach seiner Rückkehr im April 1401 zu Ofen durch
sich der Herrschaft desselben zu bemächtigen. Mit dem Erfolge wuchs sein Ehrgeiz,
in kurzer Zeit gelang es ihm, sich zum Herrscher eines Weltreiches zu erheben, das
sich fast über ganz Asien erstreckte. Auch das osmanische Reich wurde angegriffen,
und Timur Hess einen Sohn Bajesid's, der bei Siwas in seine Hände fiel, hinrichten.
Durch sein bisheriges Kriegsglück übermüthig gemacht, zog Bajesid mit 120.000 Mann
darunter lO.OOO Serben und 18.000 Tataren, dem sechsfach überlegenen Gegner ent-
gegen. Am 20. Juli 1402 standen sich die beiden Heere — gegen eine Million
Menschen — unter Bajesid's (des Blitzstrahles) und Timur's (Eisen) Führung gegen-
über. Timur's Heer fehlte es — obwohl aus den verschiedensten Völkern zusammen-
gesetzt — nicht an einer einheitlichen Organisation, wenn es — wie Hammer sagt —
auch fraglich ist, dass er die ersten Kürassierregimenter hatte (»dschiba« ist nicht
»gerüsteter Reiter<, sondern jede .Art Rüstung). Vom Morgen bis zum Abend währte
nun die Schlacht bei Angora. Die europäischen Truppen verrichteten Wunder der
Tapferkeit, die Truppen Aidin's aber, in den Reihen der Feinde ihre vertriebenen
Fürsten erkennend, giengen zu Timur über, ihrem Beispiele folgten bald die Tataren
und andere Asiaten. Die Schlacht war für Bajesid verloren. Der Sultan selbst hielt
sich noch mit 10.000 Janitscharen in Mitte des Schlachtfeldes, bis sie dem Schwerte
des Feindes erlagen oder vom Durste gequält zusammenstürzten. Bei Eintritt der
Nacht suchte Bajesid zu entfliehen, sein Pferd aber stürzte und er wurde gefangen.
Die Serben deckten nach tapferer Gegenwehr am linken Flügel den Rückzug Snlei-
man's, des Sultans ältesten Sohnes.
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den O.-manen. 2. Aufl. 3
— 34 —
die Reiclisgrossen zum Gefaüf2:eneii gemacht und zuerst nach Wissegrad,
später unter Garai's Einfluss nach Sziklös gebracht; nur dass man sich
nicht einigen konnte, wer an seine Stelle treten sollte, erleichterte
seinem Anhange, ihm gegen Erlassung einer Amnestie Freiheit und
Thron wieder zu verschaffen.
Neuerdings verliess Sigismund 1402 Ungarn und kehrte im Sep-
tember nur zurück, um die Stände zu bewegen, einen Erbvertrag mit
Oesterreich für den Fall seines Ablebens ohne männhche Erben ein-
zugehen. Die Vernachlässigung der Interessen Ungarns ermuthigte
seine Gegner und entfremdete ihm seine Anhänger. Ladislaus von
Neapel machte abermals den Versuch, in Ungarn einzudringen, er
wurde zwar von Sigismund zurückgewiesen, behielt aber Zara und
die Insel Pago besetzt und verkaufte sie später, 1409, nebst seinen An-
sprüchen auf den übrigen Theil Dalmatiens für 300.000 Ducaten an
die Republik Venedig.
Die rasche Niederwerfung der neapolitanischen Partei veranlasste
Sisrismund. sein Ansehen bei den Vasallenstaaten wieder zu heben. Im
Herbste 1407 zog er, nachdem Papst Gregor XIII. seiner Bitte, einen
Kreuzzug zu verkünden, entsprochen hatte, mit 60.000 Mann nach
Bosnien, wo die sich bekämpfenden Grossen nicht selten türkische
Hilfe in Anspruch nahmen, und unterwarf das Land wieder. Trotzdem
fiel im Jahre 1408 abermals eine Türkenhorde in Croatien und Krain
ein. die am 9. October Möttling zerstörte und bis Tschernembl streifte.
Mit reicher Beute und vielen Gefangenen kehrten die Türken zurück,
ohne von Seite Ungarns gehindert zu werden.
Im Spätherbste 1410 zog Sigismund abermals gegen Bosnien, das
er nun, da es in letzter Zeit so oft die Quelle vielen Unheils für Ungarn
war, zerstückelte. Den nördlichen Theil verband er mit dem Banate
von Machov, den westlichen mit Croatien, zu dessen Ban er den Grafen
Hermann von Cilli ernannte, den östlichen mit Srebreniza gab er an
den Despoten von Serbien, der wieder in ein freundschaftliches Ver-
hältniss mit Ungarn getreten war, um dessen Unterstützung gegen die
Türken zu gewinnen; schon im Feldzuge gegen Bosnien hatte Stephan
Lazarevic gute Dienste geleistet.
Noch während dieser Kriege feierte Sigismund seine Vermählung
mit Barbara, der Tochter des Grafen von Cilli. dem er den Landstrich
zwischen Drau und Mur, die sogenannte Murinsel, verkaufte.
Jm Jahre 1411 wurde Sigismund, der sich als Vicar des deutschen
Reiches oft und mit wenig Erfolg in die Angelegenheiten Deutschlands
mengte, nach dem Tode Ruprecht's von der Pfalz nach heftigen Wahl-
— 35 -
kämpfen in Frankfurt als König ausgerufen, kam aber erst drei Jahre
später nach Deutschland.
Wegen des widerreclitlichen Verkaufes von Dalmatien Hess sich
Sigismund in einen Krieg mit Venedig ein, der 1413 ohne wesent-
lichen Vortheil^) in einem fünfjährigen Waffen stillstand seinen Ab-
schluss fand. Der vergebliche Versuch, das Ansehen des Deutschen
Reiches in Oberitalien wieder zur Geltung zu bringen, die Beseitigung
des kirchlichen Schismas, die Bemühungen, auf dem Concil zu Kon-
stanz eine Reform der Kirche durchzusetzen. Reisen nach Frankreich
und England, endlich die Pflichten, welche ihm die Würden als
deutscher König auferlegten, hielten Sigismund über sechs Jahre von
Ungarn ferne. Die auf dem Concil zu Konstanz trotz des königlichen
Geleitbriefes erfolgte Verbrennung des religiösen Reformators und natio-
nalen Agitators Hus aus Böhmen rief später noch den Jahrzehnte an-
dauernden Hussitenkrieg hervor, welcher sowohl dem deutschen Reiche
als auch Ungarn bedeutenden Schaden zufügte. Sigismund's beständige
Geldnoth nöthigte ihn, auch die Mark Brandenburg — sein väterliches
Erbe — an den Burggrafen von Nürnberg zu verkaufen.
Während Sigismund's Abwesenheit von Ungarn fielen 1413 die
Türken in Serbien ein und verwüsteten das Land bis Novobrdo; diese
Stadt wurde nur durch das rechtzeitige Eingreifen des bosnischen
Woywoden Sandalj, der — von Sigismund aufgefordert — dem
Despoten von Serbien zu Hilfe eilte, von den Türken befreit. Herwoj^a,
von Ladislaus von Neapel zum Herzog von Spalato ernannt und von
Sigismund in seiner Stellung belassen, fiel indessen in Sandalj 's Gebiet
ein und suchte seine Macht in Bosnien wieder zu gewinnen. Auf-
gefangene Briefe verriethen, dass er zur Erreichung seines Zieles auch
mit den Türken in Verbindung stand; Sigismund ächtete ihn zu Bozen
am 13. August 1413 und entsetzte ihn aller Würden. Nachdem Herwoya
vergeblich gesucht hatte, den König zu versöhnen, warf er sich den
Türken gänzlich in die Arme und fiel, mit ihnen verbündet und von
den Venetianern mit Mundvorräthen und Kriegsbedarf versehen, in
Croatien und Dalmatien ein, welche Länder er greulich verwüstete.
Türkische Horden — seine Verbündeten — dehnten ihre Raubzüo-e
bis an das Gebiet des Patriarchen von Aquileja und bis an die Grenze
von Steiermark aus. Das ungarische Heer, welches gegen Herwoya
auszog, wurde 1415 bei Doboj besiegt. Die Bosnier sollen die List
gebraucht haben, in der gebirgigen Gegend Leute auf Aussichtspunkten
aufzustellen, welche mit unwahren Zurufen die Ungarn über den Fort-
■^) Zara xind Sebenico wurde den Venetianern überlassen.
- 16 -
gang des Gefechtes zu täuschen suchten und so einzelne Abtheilungen
zur Flucht verleiteten. Die Anführer der Ungarn, Johann Marothy,
Johann Gara und Paul Csupor von Monoszlo wurden gefangen; erstere
erlangten die Freiheit wieder, an Csupor aber rächte Herwoya eine
ihm früher angethane Beleidigung und liess ihn in der Bosna ersäufen.
üa Flerwoya wenige Monate darauf starb, erntete er wenig Früchte
von seinem Siege; wohl aber fassten die Türken festen Fuss in Bosnien.
Mohammed I. benützte die Uneinigkeit der bosnischen Grossen, be-
setzte Vrhbosna (Sarajevo), ernannte Isakbeg zum Statthalter und be-
mächtigte sich im folgenden Jahre (1416) eines Theiles des Landes
mit den Schlössern Sokol. Wissegrad und Kljuc; nach Isakbeg's Tod
hörte aber die türkische Heerschaft für kurze Zeit wieder auf.
Als die Nachricht von der Niederlage der Ungarn in Constanz
eintraf, schickte Sigismund den Philipp (Pippo) von Ozora, Grafen von
Temesvar, zur Vertheidigung der Grenze nach Croatien, doch verlautet
nichts über dessen Einschreiten daselbst.
Um diese Zeit schickte Sigismund eine Gesandtschaft an den
Sultan; dies hinderte nicht, dass indessen türkische Horden in seinen
Ländern streiften. Eine derselben fiel 1418 in Croatien ein und mag
wohl auch bis an die steirische Grenze gelangt sein.-*) Eine Horde
unter Isakbeg fiel in das Temeser Banat ein; der Vicegespan Niko-
laus Peterfy raffte die wenigen Truppen der Gespanschaft zusammen
und suchte den Beg im Treffen zum Zweikampfe auf, warf ihn durch-
bohrt vom Pferde und erwüi'gte ihn in Gegenwart seiner die Flucht
ergreifenden Scharen. Bald darauf schlug Peterfy zum zweitenmal
einen türkischen Heerhaufen, indem er alle Bauern der Umgebung
aufsitzen liess und sich an der Spitze derselben mit nur wenig Be-
waffneten in nächtlichem Ueberfall auf den Feind stürzte, der durch
den Lärm getäuscht, eiligst die Flucht ergriff.
In der Walachei hatte sich Mircea den Zorn des Sultans zuge-
zogen, weil er einen Kronprätendenten, der sich für Mustapha, Baje-
*) Dass Hin das Jahr 1418 türkische Horden auch bis an die steirische Grenze
kamen, ist zwar nicht erwiesen, aber doch möglich, ja sogar wahrscheinlich. Die
Nachricht aber von einer grossen Schlacht bei Kadkersburg und von einem glänzen-
den Sieg, den Herzog Ernst von Steiermark im Verein mit Croaten unter Frangepan
im October 1418 über die Türken errungen haben soll, bringt nur der wenig glaub-
würdige Chronist Megiser und nach ihm andere, allerdings mit so vielen Details, die.
wenn sie nicht erwiesen unwahr wären, seine Nachricht fast glaubwürdig ersclieinen
lassen würden. Auch Hammer bringt diese Schlacht aus derselben trüben Quelle,
keineswegs aber aus türkischen Quellen. — Iwolf in den »Mittheilungen des histori-
schen Vereines in Steiermark« weist im 10. Heft, S, 212, die Unwahrheit von Me-
giser's Angabe mit ziemlicher Gewissheit nach.
— 37 -
sid's Sohn, ausgab, unterstützte. Der falsche Mustapha war bald ge-
schlagen. Sultan Mohammed verwüstete nun die Walachei und nahm
die Schlösser St. Georg (Giurgievo) und Severin. Auf Mircea's Hilfe-
ruf beschloss nun Sigismund, als er 1419 nach Ungarn zurückgekehrt
war, selbst einen Zug gegen die Türken zu unternehmen. Er zog gegen
Ende September bei Grosswardein ein Heer zusammen und stand am
26. October mit demselben in einem Lager bei Orsowa.^) wagte aber
im Angesichte eines zahlreichen feindlichen Heeres nicht, die Grenze
zu überschreiten, und kehrte, ohne etwas unternommen zu haben, nach
Ofen zurück.
Da der Sultan im eigenen Lande einen Aufruhr zu dämpfen
hatte, und des plötzlichen Ablebens König Wenzels wegen die An-
wesenheit Sigismund's in Böhmen dringend nothwendig war, kam es
1419 zu einem Waffenstillstand, der auch nach Mohammed's I. Tod
(1421) von seinem Sohne und Nachfolger Murad II. anerkannt und
verlängert wurde.
Während dieser Vorgänge war der mit Venedig geschlossene
Waffenstillstand 1418 abgelaufen. Die Republik eröffnete gleich den
Krieg mit Wegnahme mehrerer Städte in Friaul und bediente sich
hiebei auch eines Hilfsheeres von 8000 Türken, die sie in Sold nahm.
Der Krieg, von Seite Ungarns nur lässig geführt, hörte endlich von
selbst auf, ohne dass Frieden geschlossen wurde, da Sigismund ander-
wärts in Anspruch genommen war, die Venetianer aber im Besitze der
meisten Küstenstädte und Inseln Dalmatiens blieben.
Beim Tode des Königs Wenzel befand sich Böhmen in vollem
Aufruhr. Die Hussiten, die Anhänger der Lehre des Hus, sahen in
dessen Verurtheilung nicht allein einen Justizmord, sondern auch eine
Beleidigung des böhmischen Volkes; die dadurch hervorgerufene Be-
wegung hatte daher auch mehr einen nationalen als religiösen Cha-
rakter. Sigismund hatte in Böhmen weder einen mächtigen, noch einen
genug verlässlichen Anhang; als er sich daher Ende des Jahres 1419
zur Reise dahin entschloss, mussten dort schwere und anhaltende
Kämpfe geführt werden, um der hussitischen Bewegung, anfangs unter
Zizka's später der beiden Prokop Führung, Einhalt zu thun, und erst
■') Sigismund urkundet am 26. October; »uff unserm newen Haus in der Bul-
garei bei dem Eysern tor«, jedenfalls Orsowa; am 1. October aber noch in Gross-
wardein. Ein grosser Sieg, den er am 4. October zwischen Nissa und Nikopoli er-
rungen haben soll, von dem nur ungarische Chronisten und nach ihnen Hammer
berichtet, ist schon aus chronologischen Gründen unmöglich, und daher in das Keich
der Fabeln zu verweisen.
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im Jahre 1436 wurde Sigismund in Böhmen als König anerkannt und
gekrönt.
Den Ungarn hatte die Erhaltung Böhmens für ihren König nicht
geringe (jpfer gekostet.^) Das Ansehen Sigisniund's hatte hiedurch —
ebenso wie durch die Annahme der deutschen Kaiserwürde — wohl
an Glanz gewonnen, einen Machtzuwachs ei hielt das ungarische Reich
aber dadurch keineswegs.
Während des Kampfes um die böhmische Krone Hessen sich die
Türken trotz des abgeschlossenen Waffenstillstandes nicht abhalten,
sich in den ungarischen Vasallenstaaten immer mehr festzusetzen und
selbst Einfälle auf ungarisches Gebiet zu unternehmen. So fiel im
Jahre li20 eine Horde Türken durch den Vulkanpass nach Sieben-
bürgen ein, sehlug bei Hatszeg den Woyvroden Nikolaus Csäky, zer-
störte die Stadt Broos und schleppte unzählige Bewohner des Brooser
Stuhles in die Knechtschaft. Im darauffolgenden Jahre brachen die
Türken durch den Tömöspass in das Burzenland ein, überfielen Kron-
stadt, dessen Befestigung noch im Bau war. plünderten die Stadt,
führten den Rath sammt dem Richter Weihrauch in Gefangenschaft
und hieben Alles nieder, was sich nicht rechtzeitig in das Bergschloss
retten konnte. Das Aufgebot der sächsischen sieben Stühle wurde in
Folge der Flucht der Szekler geschlagen; die Verwüstungen der Türken
reichten bis zur Abtei Kertsch im Altthale. Sigismund trug dem Woy-
woden Csaky auf, jeden dritten Edelmann und jeden zehnten Bauer
zur Vertheidigung des Landes aufzubieten, und eilte selbst nach Sieben-
bürgen. Am 4. Juli traf er zu Mühlbach ein, kehrte aber wieder nach
Ofen zurück, als Mohammed, durch Unruhen in seinem Reiche be-
schäftigt, ihm einen fünfjährigen Waffenstillstand anbot.
Auch durch Ueberfälle und Besitzergreifung hatten die Türken
ihre Herrschaft im Banate von Machov und in Bosnien ausgedehnt.
In der Walachei hatte sich nach dem Tode Mircea's sein Neffe Dan
1420 mit Hilfe der Türken auf den Fürstenstuhl gesetzt. Dan sowohl,
wie Twartko II. von Bosnien näherten sich nun wieder dem König
vSigismund, um bei ihm Hilfe gegen die Türken sowie gegen innere
Feinde zu suchen. Der kinderlose Twartko setzte sogar später (1427)
den Grafen von Cilli. Schwager Sigisraund's und seiner Schwester Sohn,
zum Erben des Landes ein. allein er wurde wieder von Radivoy, Sohn
des Ostoja, dem der Sultan seine Unterstützung lieh, bekämpft.
^) Um die Kosten des Hussitenkrieges zu decken, verpfändete Sigismund 1412
die sechzehn Zipser Stcädte an Polen.
- 39 —
Im Jahre 1424 kam der byzantinische Kaiser Manuel Paleologus
an den ungarischen Hof; er wollte Sigismund zu einem Bündnisse be-
reden, da der Waffenstillstand mit dem osmanisehen Reiche eben ab^
lief; er musste aber sein Vorhaben aufgeben und wieder in seine be-
lagerte Hauptstadt zurückkehren, als Abgesandte Murad's nacb Ofen
kamen und eine zweijährige Verlängerung des Waffenstillstandes an-
boten, die angenommen wurde. Unvorsichtigerweise Avurde bei Ab-
schluss desselben vergessen, die Walachei einzuschliessen, daher sich
die Türken nicht scheuten, den Dan, der sich als Vasall Ungarns be-
kannte, zu vertreiben und dessen Bruder Radul einzusetzen. Nocb im
Herbste schickte Sigismund den Temesvärer Grafen Philipp von Ozora
mit Truppen nach dem Süden des Reiches, um Severin in guten Stand
zu setzen. Am 16. August 1425 war Sigismund selbst bei seinem
Heere in Örsowa, kehrte aber bald zur Bekämpfung der Hussiten
nacb dem Norden seines Reiches zurück, ohne in der Walachei ein-
zuschreiten.
Dass Ungarn nicht im Stande war, seinen Vasallenländern ge-
nügenden Schutz zu gewähren, hatten die Begebenheiten seit einer
Reihe von Jahren bewiesen; das Beispiel Dan's zeigte aber, dass sie
von den Türken noch weniger Schutz zu erwarten hatten; sie suchten
daher stets wieder Anlehnung an Ungarn, ohne deshalb verlässliche
Verbündete zu werden.
In Serbien schloss sich Stephan Lazarevic, der seinen Neffen
Georg Brankovic an Kindesstatt angenommen hatte, wieder inniger an
Ungarn an. Ein förmlicher Vertrag wurde 1426 eingegangen, nach
welchem alle festen Plätze am rechten Donauufer an die Krone Ungarns
übergehen sollten, im Falle Stephan ohne männlichen Leibeserben
sterben sollte, wogegen Georg die Nachfolge in Serbien, sowie der
Schutz Ungarns gesichert wurde; als Ersatz für die abzutretenden
Plätze wurden ihm Güter in Ungarn verheissen.
Als der mit dem Sultan geschlossene Waffenstillstand 1426 zu
Ende gieng, wurde abermals Philipp von Ozora zur Sicherung der
Grenzen an die Südgrenze des Reiches entsendet.'') Sigismund selbst
') Huber schreibt nach Poggio's »Vita de Filippo Scolari« und durch Corner
bestätigt: »Sigismund sendete 1426 neuerdings Pippo gegen die Türken, welche Serbien
bedrohten. Obwohl auf den Tod krank, leistete Pippo dem Auftrag Folge und soll bei
(iolubaz einen grossen Sieg über die Türken errungen haben.« — Huber fügt bei:
»Von den 20.000 — 40.000 gefallenen Türken muss man natürlich absehen.« — Andere
Quellen führen diesen Sieg nicht an, auch scheint in diesem Jahre kein Einfall der
Türken nach Serbien stattgefunden zu haben, eine bemerkenswerthe Schlacht kann
also kaum geschlagen worden sein, wenn auch Pippo als Graf von Temesvjir an die
- 40 —
kam noch im November nach Siebenbürgen, um Vorkehrungen für
einen Zug in die Walachei zu treffen. Während des Aufenthaltes in
Kronstadt erliess er eine Verordnung, in der über Märsche, Unter-
kunft und Verpflegung der Truppen entsprechende Anordnungen ge-
troffen wurden. Arge Ausschreitungen der Truppen, besonders der aus
Ungarn zugezogenen Banderien, scheinen strenge Massregeln noth-
wendig gemacht zu haben; Strafen wurden hiefür gesetzt und die
Führer und Bannerherren für das Verhalten ihi-er Mannschaft ver-
antwortlich gemacht.
Im Frühjahre 1427 brach der König von Kronstadt aus über
den Törzburger Pass in die Walachei ein, kehrte aber am 6. April
von Kimpolung wieder in das Burzenland zurück. Johann Marothy.
der Ban von Machov, und Stephan Poharnok von Bersevize setzten
mit den in Siebenbürgen angesammelten Truppen und den Banderien
der Sachsen und Szekler den Marsch fort und hoben Dan nach Ver-
treibung der Türken und ihres Schützlings Radul wieder auf den
Fürstenstuhl. Im Juli begab sich der König Avieder in die Walachei
und befahl, in der Absicht daselbst festen Fuss zu fassen, die festen
Plätze an der Donau, Severin und Giurgievo, neu zu befestigen. Da
der Deutsche Orden im eigenen Lande keine Kämpfe mit Ungläubigen
mehr zu bestehen hatte, forderte Sigismund den Hochmeister Paul von
Russdorf auf, seinem Berufe hier nachzukommen. Der Deutsche Orden
sagte auch gegen Ueberlassung der verpfändeten Neumark Hilfe zu,
und sandte sieben Ritter unter Niklas von Redwitz ^) nebst einem Haufen
Söldner an die untere Donau, wo ihnen die Burg Severin sammt Ge-
biet zur Niederlassung angewiesen wurde.
Die Ansiedlung hatte aber keinen Bestand; die der griechischen
Kirche angehörigen Bewohner der Gegend glaubten in den katholischen
Rittern, die sich mit ihrer Bekehrung zu viel befassten, nur Gegner
und Unterdrücker zu sehen. Vom Orden auch nicht unterstützt und
erneut, kam die Ansiedlung zu keiner Blüthe.
Auf die Nachricht vom Tode Stephan Lazarevic', 19. Juni 1427,
«ilte Sigismund nach Serbien, um die Uebergabe der an Ungarn fallen-
den siebzehn festen Plätze selbst zu betreiben. Einer der wichtigsten
Grenze beordert worden sein mag, während die Türken in der Walachei standen. —
Pippo stand bei Sig-ismund in grossem Ansehen, obwohl seine Treue und Verlässlich-
keit keineswegs über alle Zweifel erhaben war.
*) In ungarischen Quellen wird er als Kedwitz Miklos, auch Remich, Karaich
und Kadnieh angeführt.
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derselben, die Burg Goltibaz. hatte aber der treulose Befehlshaber
bereits für 12.000 Ducaten den Türken übergeben.'^)
Aus den übrigen Plätzen und Ländereien, welche an Ungarn
fielen, bildete Sigismund zwei Grenzbezirke; dem östlichen mit Belgrad,
dessen Befestigung er neu verstärken Hess, gab er den Mathäus Thal-
löczy zum Befehlshaber und ernannte ihn gleichzeitig zum Obergespan
von Keve (Kubin); den westlichen vereinte er mit dem Banat von
Machov. Um den neuen Fürsten von Serbien für die Abtretung so
vieler Burgen und Gebiete zu entschädigen und ihn noch fester an
Ungarn zu fesseln, verlieh ihm der König sechs Schlösser und fünf
Städte im Innern Ungarns mit den dazu gehörigen Ländereien, und
einen Palast in Ofen.
Den Winter über rüstete Sigismund eifrig zum Kampfe gegen die
Osmanen. Um bei der Wiedereroberung von Golubaz einen Stützpunkt
zu haben, Hess er gegenüber eine neue Burg, Läszlövär, aufführen und
versah sie mit Geschützen, zu deren Bedienung er italienische Feuer-
werker bestellte. Im P'ebruar 1428 traf der König zu Kaschau mit
dem Grossfürsten Witold von Lithauen zusammen, der ihm Hilfstruppen
zu senden versprach. Gegen Ende April stand Stephan Rozgonyi mit
20.000 bis 30.000 Mann vor Golubaz; Dan, der Woywode der W^alachei,
führte ihm noch gegen 6000 Mann zu. Den 5. Mai traf der König
selbst mit Zavissius Niger, der eine kleine lithauische Hilfstruppe be-
fehligte, vor dem Schlosse ein.
Golubaz, jetzt noch eine stattliche Burgruine, liegt 60 Kilometer
unterhalb der Einmündung der Morava am rechten Ufer der Donau
und beherrscht den Eingang in die bis unterhalb ( )rsowa reichende,
unter dem Gesammtnamen »Eisernes Thor« bekannte Stromenge Schon
zur Zeit der Römer stand hier ein Castell, das für sie als Sperre der
Stromenge und Endpunkt der längs des rechten Donauufers her-
gestellten, zur Zeit der Völkerwanderung aber schon verfallenden
Strasse einen grösseren Werth hatte, als zur Zeit für die Ungarn.
Vom Rande des Stromes erheben sich die mit neun Thürmen ver-
sehenen Mauern terrassenartig durch mehrere Abschnitte zu der obersten,
bei 70 Meter hohen Felsplatte, welche m.it einem aus achtseitigem Unter-
bau emporstrebenden Rundthurm, den die Türken seines stark vor-
■') Stephan Lazarevic soll einem Diener als Belohnung 12.000 Ducaten ver-
sprochen und deshalb ihm das Schloss von Golubaz verpfändet haben. Als nun Sigis-
mund das Scbloss der Vereinbarung gemäss besetzen wollte, die Echtheit der Pfand-
urkunde aber bezweifelte und sie einzulösen verweigerte, wendete sich der Besitzer
des Schlosses an die Türken, welche sich beeilten, Zahlung zu leisten und das Schloss
zu besetzen.
- 42 —
ragenden Galeriekranzes Avegen »sesir kula«, d. i. »Huttburm« nennen,
gekrönt ist.
Der Eingang in den untersten Abschnitt führt über einen sieben
Meter breiten, von der Donau mit Wasser gespeisten Graben durch ein
weites spitzbogiges Hauptthor. Durch die Verengung des Stromes bis
zu 350 Meter unterhalb des Schlosses wird die Donau gestaut und
breitet sich oberhalb seeartig — die Insel Moldawa und die aus dem
Wasser hervorragende Granitklippe Babakai umschliessend — bis zur
Breite von 5 Kilometer aus. Beim Schlosse selbst, Laszlövar gegen-
über, hat die Donau eine Breite von 1100 Meter. Hinter dem Schlosse
erhebt sich das Gebirge, theils Wald, theils Fels, steil bis zur Höhe
von 400 Meter.
Das ungarische Heer umschloss die Festung zu Lande und lieferte
dem zum Entsätze nach und nach anrückenden Türken glückliche
Gefechte; auch eine Flotille unterstützte das Landheer und gerieth
auch bald mit einigen türkischen Schiffen in Kampf, ^''j Cäcilia, die
Gattin Rozgonyi's, führte im Treffen selbst eine Galeere, bohrte
mehrere feindliche Fahrzeuge in den Grund und steckte andere in
Brand; die kleine türkische Flotille wurde vernichtet und das Schloss
von allen Seiten angegriffen. Von den Schiften sowohl, wie vom Lande
aus und auch aus Laszlövar wurde das Schloss mit Feuerrohren be-
schossen; Stephan Lossontzy regierte selbst eine grosse Bombarde, die
den Thürmen erheblichen Schaden zufügte. Als aber ein überlegenes
türkisches Heer") anrückte, wagte Sigismund nicht, sich zu schlagen
und liess sich in Unterhandlungen ein. Ein Waffenstillstand wurde
geschlossen, die Türken sollten das Schloss behalten, die Ungarn aber
ungefährdet über die Donau zurückgehen. Sigismund verliess sich auf
den Vertrag; der grösste Theil des Heeres war aber kaum auf das
linke Ufer geschafft, als die osmanischen Horden — ob mit oder gegen
einen Befehl ist fraglich — über die Zurückgebliebenen, darunter den
König selbst, hertielen. Vom Gefechte abgemattet, konnte Lossontzy
den König nur mit Mühe in einen Nachen bringen und über die Donau
führen. Einem Theile der Ungarn gelang es noch, unter dem Schutze
der Geschütze zu entkommen; Zavissius Niger aber, zu dessen Rettung
der König sein eigenes Schiff sandte, erklärte, er wolle lieber sterben,
' ') Eine Urkunde Sigismund's vom Jahre 1430 an Eozgonyi sagt, die türkische
llotille wäre aus den Nebenflüssen gekommen, sie kann daher weder der Zahl, noch
der Grösse der Schiffe nach bedeutend gewesen sein.
'0 Nach ungarischen Quellen hätte Sultan Murad selbst dieses Heer geführt,
während griechische und türkische Quellen übereinstimmend und wohl auch richtig
seine Anwesenheit vor Constantinopel bestätigen.
— 43 —
als seine Kriegsgefährten in der Gefahr verlassen; er und manche
andere, die den Rückzug deckten, fanden den Tod, indem sie ihr
Leben theuer verkauften. '^j Der Verlust der Türken war beträchtlich,
jener der Ungarn trotz der grossen Verwirrung, welche der unerwartete
Ueberfall verursachte, nur gering; desto verderblicher waren aber die
Folgen dieser an und für sich nicht so bedeutenden Niederlage.
Die Türken verheerten nun ungehindert Serbien mit Feuer und
Schwert und nahmen fast alle den Ungarn übergebenen festen Plätze
weg; Georg Brankovic vermochte nur dadurch des Sultans Gnade zu
erkaufen, dass er sich erbot, 5000 Ducaten Jahrestribut zu zahlen und
Heerfolge zu leisten, sowie jeder Verbindung mit Ungarn zu entsagen.
Auch der Walachei drohte der Zorn Murad's; ihn zu beschwich-
tigen, schickte Dan Gesandte und verpflichtete sich zur Leistung eines
für das Land sehr hohen Tributes.
Gegen Ende Mai begab sich Sigismund von Laszlovär über Kubin
nach Temesvar. Vor Allem sorgte er nun für die Instandsetzung der
P^estung Belgrad (Griechisch -Weissenburg, Nandor fehervär), des ein-
zigen festen Punktes, der den Ungarn am rechten Donauufer noch
verblieb. Zugleich pflog Sigismund durch Vermittlung Georg's Ver-
handlungen mit Murad; da dieser sich sehr unzugänglich zeigte, schloss
er einen zweijährigen Waffenstillstand mit Venedig, in der Hoff'nung.
die Republik werde den Krieg mi': den Türken auf Morea mit ganzer
Kraft führen und dadurch Murad verhindern, Ungarn anzugreifen.
Aufstände in Kleinasien — vielleicht nicht mit Unrecht wurde
ihre Entstehung später der geheimen Einwirkung Sigismund's und
Brankovic' auf den Fürsten von Karaman zugeschrieben — riefen
Murad dahin und veranlassten ihn auch, den bei Golubaz abgeschlos-
senen Waff'enstillstand ferner einzuhalten. Bekannt sind dessen Be-
dingungen nicht mehr, doch ist gewiss, dass der König gegen Alles,
was der Sultan nun über Serbien und die Walachei zu verhängen für
gut fand, keine Einwendung erhob.
So endete der Kanipf, der 'begonnen wurde, um die Vasallen-
länder mit dem Reiche zu verbinden, damit, dass die noch übrigen
Trümmer des Machover Banates für Ungarn vollends verloren giengen,
und Serbien nebst der Walachei gezwungen wurden, die ungarische
'-) Es war dies eines der auffälligsten Beispiele, in welchem die Türken sich
nicht gebunden fühlten, einen mit Christen eingegangenen Vertrag auch zu halten;
es wurde dies bei ihnen fast Gewohnheit, bis sie durch Waft'engewalt hievon abzu-
stehen gezwungen wurden. Doch nahmen die Christen es den Türken gegenüber —
wie später zu sehen ist — auch nicht zu genau.
— 44 —
Oberhoheit mit dem türkischen Joche zu vertauschen. Mit zu geringen
Mitteln, ohne zwin"ende Noth und zu einer Zeit begonnen, in der in
Folge mehrjähriger Missernte Theuerung und Hungersnoth im Lande
herrschte, während im Norden die Hussiten ungestraft bis an die Donau
vordringen und beutebeladen nach Böhmen zurückkehren konnten,
wurde ein Krieg geführt, der bei einiger Voraussicht leicht hätte ver-
mieden werden können.
Da Murad auch mit der Einnahme von Thessalonika, dann mit
der Bekämpfung der Venetianer auf Morea beschäftigt war, verliefen
die nächsten Jahre für Ungarns Südgrenze ziemlich ruhig, die Zeit
der Ruhe wurde aber zur Vorbereitung neuer Kämpfe gegen die Os-
nianen wenig ausgenützt.
Anfangs 1429 begab sich Sigismund nach Polen, wo er dem
König Wladislav angeblich Vorschläge machte, die Moldau zu theilen,
nachdem ihr Woywode Alexander in den letzten Kriegen die nach
den Verträgen schuldige Heerfolge nicht geleistet hatte. Kaum nach
Ungarn zurückgekehrt, musste er sich in das Deutsche Reich begeben,
wo seine Anwesenheit schon dringend begehrt wurde. Seine längere
Abwesenheit von Ungarn voraussehend — denn er wollte sich in Rom
zum Kaiser krönen lassen und den Gang des demnächst zusammen-
tretenden Concils lenken — ernannte er eine Regentschaft unter Niko-
laus Gara. Im September 1430 kam Sigismund nach Nürnberg; im
Frühjahr 1431 brach er mit geringer Begleitung von Basel auf, wurde
nach manchen Kämpfen im November zu Mailand mit der eisernen
Krone gekrönt und setzte erst im Frühjahr 1432 die Reise nach Siena
fort, wo er im Juli eintraf. Während seines neunmonatlichen Aufenthaltes
daselbst schickte Sigismund den Entwurf eines Wehrgesetzes nach Ungarn.
Im April 1433 zog er von Siena ab, wurde im Mai zu Rom mit der
Kaiserkrone gekrönt und kam erst am 18. October 1433 nach Basel zurück.
Während dieser Zeit hatte in der Walachei Mircea's Sohn Wlad,
der 1396 als Geisel nach Ofen gekommen war, von dort aber nach
Constantinopel entfloh und in die kaiserliche Leibwache eintrat, einen
Anhang geworben, den Woywoden Dan entsetzt und ihn sammt seinem
Bruder enthaupten lassen. Im Februar 1431 kam Wlad nach Nürn-
berg, wo er von Sigismund mit der Walachei belehnt und mit dem
von ihm gestifteten Drachen-Orden betheiit wurde. Auf dem Rückwege
warb Wlad — auch Drakul,'^) der Teufel, genannt — mit Sigismunds
'■') Wlad erhielt den Beinamen Drakul, d. i. Teufel oder auch Drache. Der
Name kann sowohl dem ertheilten Drachenorden, als auch Wlad's teuflischer Grausam-
keit den Ursprung verdanken.
- 45 —
Einwilliffunof in Uns^arn Mannschaft und zog in die Walachei, wo unter-
dessen Radul vom Sultan eingesetzt worden war. Gleich nach seiner
Ankunft kam es zur entscheidenden Schlacht, in welcher Radul's tür-
kisches Kriegsvolk geschlagen und er selbst getödtet wurde.
Wlad Drakul — den Sultan mehr fürchtend, wie den entfernten
ungarischen König — sicherte sogleich seine Stellung durch Abschluss
eines Schutz Vertrages mit den Türken und durch Entrichtung eines
Tributes an den Sultan.
Ungeachtet des Friedens tiel nun Alibeg im Vereine mit Wlad
1432 in Siebenbürgen ein und belagerte die von ihren Bürgern ver-
theidigten sächsischen Städte Hermannstadt und Kronstadt. Während
die sächsische Bevölkerung hinter den Mauern ihrer festen Plätze
Schutz fand, breiteten sich die Feinde über das offene Land aus und
plünderten durch vier Tage das Burzenland, einen Theil des Repser
Stuhles und das Szeklerland. Zahllose Menschen wurden in die Sclaverei
geführt. Ohne ernsten Widerstand im freien Felde zu rinden, zerstreute
sich das türkisch-walachische Heer, plündernd und sengend, nach allen
Richtungen, bis es durch eine in Eile zusammengeraffte ungarische
Truppe, die ihm besonders an schweren Reitern überlegen war, un-
versehens angegriffen und bis an die Donau zurückgetrieben wurde.
Die einzeln Überfallenen Haufen wurden zersprengt und zumeist auf-
gerieben, i-*) Um sich vor Ueberfällen und Raubzügen zu schützen,
hatten die Sachsen in Siebenbürgen ihre Kirchen befestigt und sie mit
Ringmauern umgeben. Um von allen Bewegungen jenseits der Grenze
rechtzeitig Kenntniss zu erhalten, Hessen die sieben sächsischen Stühle
auch die Grenze von Kronstadt bis Hatszeg von 2000 Wächtern be-
wachen und hielten Kundschafter in der Walachei.
Auch in das Banat von Severin fielen Türken ein; der Banus
und deutsche Ordensritter Niklas Redwitz wurde geschlagen, das Schloss
von Severin erobert und hiebei alle dort angesiedelten Ordensritter
niedergemacht; die Niederlassung derselben verfiel damit gänzlich. ^^)
Um den Frieden wieder herzustellen und Sigismund, dessen Macht
vielleicht überschätzt wurde, zur Erlangung der Kaiserwürde Glück zu
wünschen, entsendete der Sultan eine Botschaft an den Kaiser, die im
Flerbste 1432 zu Basel empfangen wurde.
'*) Seadeddin bringt diese Angaben, welche, obwohl in ungarischen Quellen
nicht angeführt, wohl glaublich scheinen.
'^) Windek und Pesty. Im Namensverzeichniss, welches Voigt in seiner Ge-
schichte des Deutschen Ritterordens bringt, erscheint der Name Nikolaus Redwitz
nicht. Die Acten im Archiv des Deutschen Ritterordens zu Wien reichen nicht über
das XVI. Jahrhundert zurück.
— 4« -
Während dieser Zeit hatte Murad unter dem Vorwande, dass
ihm durch Mileva, Bajesid's Gemahlin,'^} selbst das Erbrecht nach
Stephan Lazarevic zustünde, von Georg Brankovic die Uebergabe von
ganz Serbien verlangt. Da Isabeg schon mit einem Heere an der
Grenze stand, Hess sich Georg Brankovic zu neuen Tributverspre-
chungen herbei, mit welchen Murad zufrieden schien. Isabeg, dessen
raubsüchtige Horden sich nicht zügeln Hessen, fiel -nun doch in Serbien
ein, wurde aber zurückgewiesen. Da er den Sultan abermals gegen
Serbien aufhetzte, musste sich Gregor zu neuen Zugeständnissen herbei-
lassen, und Hess selbst dem Sultan seine Tochter Mara zur Frau an-
bieten. Mit Mara's Mitgift unzufrieden, befahl der Sultan 1432 abermals
Isabeg, nach Serbien- einzufallen, dieser zog aber nach der Einnahme
von Krusevaz und der Belagerung von Srebreniza bei Eintritt des
Winters wieder ab. Um sich zu sichern, verlobte endlich Georg seine
Tochter dem Sultan, hielt sie aber ihrer Jugend wegen noch zurück.
Er erwirkte sich auch die Erlaubniss - — angeblich zum Schutze gegen
Ungarn, in der That aber, um überhaupt einen festen Punkt an der
Donau zu haben — die Festung Semendria (Szendrö, Smederovo) zu
bauen. Georg traute dem Sultan wenig und suchte daher, Avährend
dieser mit dem Fürsten von Karaman in Krieg kam (die Veranlassung
dazu gab scheinbar ein Streit um ein Pferd) wieder in Fühlung mit
Ungarn zu gelangen; seine Tochter Katharina gab er dem mit Sigis-
mund verschwägerten Grafen Ulrich von Cilli zur Frau, und sicherte
für alle Fälle seiner Familie eine Zuflucht in Ungarn.
Nach vierjähriger Abwesenheit kehrte Sigismund im October 1434
wieder nach Ungarn zurück und regelte auf dem nächsten Reichstage
die Wehrverfassung nach dem A^on ihm in Siena ausgearbeiteten Ent-
würfe. Mit Rücksicht auf die drohende Kriegsgefahr sollte das Reich
in militärische Districte eingetheilt und genau bestimmt werden, wie
viele Truppen der König, die Reichsbarone, die Prälaten, die Banner-
herren und die Gespanschaften zu stellen hätten. Nur wenn die Macht
des Königs — sie Avar in erster Linie zum Schutze des Reiches be-
stimmt — nicht ausreichte, sind die Banderien der letzteren zur Ab-
wehr des Feindes heranzuziehen; ferner wurde die Zahl und Bewaff-
nung der beizustellenden Mannschaft im Falle eines allgemeinen Auf-
o:ebotes bemessen.
''') Mileva, die Tochter des auf dem Amselfelde erschagenen Königs Lazar,
musste auf Befehl ihrer Mutter dem Sultan Bajesid ihre Hand geben; da sie kinderlos
starb, hatte Murad thatsäclilich gar keinen rechtlichen Anspruch auf das Erbe von
Serbien.
- 47 —
Obwohl dieser Entwurf nicht ausdrücklich zum Gesetz erhoben
wurde, galt er doch die nächsten Jahrhunderte hindurch als Grund-
lage der Heereseinrichtungen in Ungarn.
Im Jahre 14B6 reiste Sigismund wieder nach Böhmen. So nach-
giebig er sich nun dort gegen die Hussiten zeigte, so unduldsam war
er gegen ihre Glaubensgenossen in Ungarn, sowie gegen die Anhänger
der griechischen Kirche in Südungarn und Siebenbürgen, besonders
aber gegen die Patarener in Bosnien, die er mit unerbittlicher Strenge
verfolgte. Die Bekehrungsversuche hatten aber wenig Erfolg. Sie sowohl
wie die Bedrückung des Landvolkes durch den Adel und die Bischöfe
verursachten einen Aufstand, der im folgenden Jahre in Siebenbürgen
und den angrenzenden Comitaten mit Gewalt unterdrückt werden
musste.
Murad war über die Verbandlungen, welche Brankovic mit Ungarn
pflog, über den Umstand, dass er sich krönen liess, und weil er ihn
für den Anstifter der Wirren in Kleinasien hielt, sehr aufgebracht.
Noch im Jahre 1436, während Sigismund's Abwesenheit, fielen die
Türken wieder in Serbien ein. bemächtigten sich der Schlösser Ostro-
witza und Boratsch, und zerstörten das Kloster Ravanitza. Streifende
Türkenhorden sollen auch die Donau überschritten haben und bis
Temesvar vorgedrungen sein.'") Um Murad zu besänftigen, liess ihm
Georg die Auslieferung seiner Tochter anbieten. Die Vermählung wurde
in Adrianopel vollzogen. Georg's ältester Sohn aber dort als Geisel
zurückbehalten.
In Bosnien benützte der Sultan die Uneinigkeit der Grossen und
nahm neuerdings die Stadt Vrhbosna ein. in die er eine Besatzung
legte. Stephan Twartko IL suchte 1436 vergeblich in Ungarn Hilfe
und unterwarf sich, in sein Land zurückgekehrt, gänzlich der Ober-
herrschaft der Türken.
Anfangs 1437 verlangte Murad, von fanatischen Türken auf-
gestachelt, die Uebergabe von Semendria. Brankovic verweigerte sie.
traf aber zugleich Anstalten, die Festung in Vertheidigungszustand zu
setzen. Seinen Sohn Gregor ernannte er zum Befehlshaber der Stadt,
er selbst aber flüchtete mit seinem jüngsten Sohne Lazar und mit
seinen Schätzen nach Ungarn, um dessen Hilfe anzurufen. In Er-
wartung, die Festung noch unvorbereitet zu finden, brach Murad noch
vor Einbringung der Ernte nach Serbien auf, um die Stadt zu belatjern.
'') Sigismuud selbst erwähnt diesen Einfall, um sein verspätetes Eintreffen auf
dem Landtage zu Iglau (5. Juli 1436) zu entschuldigen. Ungarische Quellen erwähnen
denselben nicht, doch wird er von Seadeddin (Zinkeisen 1, 580) bestätigt.
- 48 —
Unter Pongraz von Szent-Miklos stand eine ungarische Heeres-
abtheilung in Belgrad; ihr schlössen sich einige Taboritenscharen unter
Giskra von ßrandeis. die in Böhmen in Sold genommen und von Press-
burg aus zu Wasser zur Verstärkung der Besatzung nach Belgrad ge-
sendet worden waren, an. Anfangs Juli brach Pongraz von Belgrad
auf, überfiel die vor Semendria stehenden Osmanen, brachte ihnen eine
schwere Niederlage bei und zwang sie zum Abzug aus Serbien. Bei
40.000 Türken sollen erschlagen worden sein; mit der Nachricht von
diesem glänzenden Siege trafen am 17. Juli vier der vornehmsten
Führer der Türken gefesselt in Prag ein. Nähere Umstände über
dieses Ereigniss sind nicht bekannt, doch wurde der glänzende Erfolg
hauptsächlich Johann Hunyady zugeschrieben, der an der Spitze seiner
siebenbürgischen Truppen den Ausgang des Treffens zu Gunsten der
Ungarn entschied. Der Sieg wurde nicht weiter verfolgt, änderte aber
auch nichts an der allgemeinen Lage.
Zu den Sorgen Sigismund's um sein Reich und um die Kirche
gesellte sich nun in Prag auch noch eine schwere Krankheit. Als er
sein Leben in Gefahr sah, gieng sein Streben dahin, seiner einzigen
Tochter Elisabeth und ihrem Gemahl, dem Herzog Albrecht von Oester-
reich die Nachfolge in allen seinen Ländern zu sichern. Er berief beide
nach Prag und reiste ihnen entgegen, fühlte sich aber in Znaim zur Fort-
setzung der Reise zu schwach. Den anwesenden ungarischen und böhmischen
Grossen empfahl der Kaiser seine Tochter Elisabeth und ihren Gemahl zu
seinen Nachfolgern; nicht nur deren angeborene und durch Verträge
bekräftigte Rechte bestimme sie hiezu, auch das Wohl der Länder
verlange die Vereinigung derselben unter einem Herrscher. Sie gelobten,
seinem Willen zu entsprechen und alles aufzubieten, um ihre Mitbürger
zur Befolgung desselben zu bewegen.
Am Abend des 9. December 1437 verschied Kaiser Sigismund
zu Znaim, nachdem er beinahe siebzig Jahre gelebt und durch fünfzig
Jahre in Ungarn regiert hatte. Der Verlust sämmtlicher Vasallenländer
Ungarns und der dalmatinischen Küstengebiete war das Ergebniss
seiner langjährigen Regierung. Den Angriffen der Venetianer im Westen,
und der Osmanen im Osten hatte er nicht zu widerstehen vermocht.
Die spätere Vereinigung der Kronen Deutschlands und Böhmens
mit jener Ungarns hatte letzterem zu wesentlichem Nutzen nicht ge-
i'eicht. War der Gedanke, durch Vereinigung dieser Länder Ungarns
Macht zu heben und das Land dadurch widerstandsfähiger gegen das
Andringen der Osmanen zu machen, auch nicht unrichtig, so waren
— 49 —
doch die Zeit Verhältnisse hiezu sehr ungünstig. Die reh'giösen, in da-
maliger Zeit von den politischen Verhältnissen kaum zu trennenden
Wirren in Böhmen absorbierten einen bedeutenden Theil der Kräfte
Ungarns und behinderten deren Verwendung sowohl zur Vertheidigung
des Reiches im Kampfe mit den Osmanen, wie auch zur Unterwerfung
der stets zur Unbotmässigkeit geneigten Vasallenländer. Die Verbindung
mit dem Deutschen Reiche war bei den wenig geordneten Zuständen
desselben zudem eine so lose, die vielseitigen Anforderungen an die
Stellung eines römisch-deutschen Kaisers zur Zeit der Kirchenspaltung
auch so gross, dass die Kraft eines Mannes zur Bewältigung derselben
kaum ausreichte.
In der ungarischen Geschichte wird die Regierung Sigismund's
oft recht abMlig beurtheilt; wenn seine unleugbaren Fehler und
Schwächen auch manche Ereignisse nachtheilig beeinflusst haben mögen,
so ist doch nicht zu übersehen, dass die nationalen Verhältnisse sowie
die vielerlei Anforderungen, die man an ihn stellte, seine Lage wesent-
lich erschwerten. Endlich ist es sehr fraglich, ob von jenen Prätendenten,
die seinerzeit auf den Thron Ungarns Anspruch erheben konnten und
auch thatsächlich erhoben, auch nur einer besser entsprochen hätte
wie Sigismund.
Kupel wieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl.
Drittes Capitel.
König Albrecht von Ungarn. — Türken und "Walachen fallen in Siebenbürgen ein. —
Sultan Murad erobert Semendria. — Das Heer der Ungarn bei Titel zerstreut
sich. — Albrecht stirbt. — Thronstreit. — Wladislav (Varnensis) wird zum König in
Ungarn gewählt. — Geburt des Ladislaus (Posthumus) und Tod der Königin
Elisabeth. — Erfolgreiche Vertheidigung Belgrads durch Thallöczy. — 1438 bis 1442.
Albrecht begab sich nach dem Tode Sigismund's sogleich nach
Ungarn. Um dem vermeintlichen Wahlrechte Ungarns nichts zu ver-
geben, musste er sich gefallen lassen, dass man seine Gattin nachträg-
lich wählte; auch manche andere Zugeständnisse musste er machen,
welche die königliche Macht wesentlich beeinträchtigten, ohne dem
Lande zvi nützen. In Böhmen, wo das Erbrecht Elisabeth's am wenigsten
bestritten werden sollte, stellte die hussitische Partei der Anerkennung
Albrecht's ganz unannehmbare Bedingungen und wählte, ohne eine
Antwort abzuwarten, den polnischen Prinzen Kasimir zum König. Der
Bürgerkrieg in Böhmen und Einfälle der Polen in Ungarn, die mit
Waffengewalt zurückgewiesen werden mussten, waren die Folge.
In Siebenbürgen, wo die Ruhe seit dem Bauernaufstand noch
nicht hergestellt war, ernannte Albrecht den Desiderius Losonczy zum
Woywoden und sandte ihm, da das Land von den Osmanen und dem
abtrünnigen Wlad Drakul bedroht war, mehrere tausend Mann; die
Siebenbürger Sachsen wurden zu grösserer Wachsamkeit aufgemuntert,
Wlad vor dem Treubruch und dem Bündniss mit den Osmanen ge-
warnt.
Albrecht begab sich hierauf nach Wien, wo er die Nachricht von
seiner Wahl zum Deutschen Kaiser empfieng.
Murad konnte die vor Semendria erhaltene Schlappe nicht ver-
gessen und beschloss noch im Sommer 1438, als er aus Kleinasien
zurückkehrte, nach Siebenbürgen einzufallen. Wlad Drakul, als Vasall
- 51 -
zum Pfortendienste einberufen, stellte sich sammt seinem Heere dem
Sultan zur Verfügung und bot sich an, an der Spitze des türkischen
Heeres nach Siebenbürgen einzudringen.
Das türkische Heer übersetzte bei Severin die Donau und er-
reichte über Karansebesch das Marosthal. Die nur schwach befestigte
Stadt Mühlbach wurde berannt und ergab sich nach Aufforderung
Drakul's, der mit mehreren Bürgern bekannt war; er beredete sie, mit
Hab und Gut in die Walachei zu ziehen, von wo sie nach ihrem
Willen wieder zurückkehren konnten. Ein Mann von Adel jedoch, der
früher gegen die Türken gefochten hatte, sagte, er wolle lieber sterben
als sich mit Weib und Kind in ihre Hände geben, und bewog noch
andere zu dem Entschlüsse, sich zu vertheidigen. Er zog sich mit
ihnen in einen Thurm zurück, den sie mit Lebensmitteln und Waffen
reichlich versahen. Als nun die Türken in die von den Einwohnern
verlassene Stadt eindrangen, wurde der Thurm in der Erwartung, dort
viel zu gewinnen, mit Wuth angegriffen und, da er nicht leicht erstürmt
werden konnte, durch herum geschlichtetes Holz in Brand gesteckt. Als es
im Thurme allmählich ruhiger wurde, löschte man das Feuer aus und
brach die Thüre auf; von den Vertheidigern fand sich nur mehr ein
Knabe von 16 Jahren am Leben, der in die Sclaverei geführt wurde und
erst nach 20 Jahren, in seine Heimat zurückgekehrt, seine Leiden sowie
die Sitten und Gebräuche der Türken beschrieb. Vor Hermannstadt,
das in seine Mauern eine grosse Zahl Bewohner der umliegenden Orte
aufgenommen hatte, lagen die Türken durch acht Tage vergeblich; in
Schässburg wurde das Schloss von ihnen überfallen; Mediasch und die
Vorstädte von Kronstadt wurden eingeäschert. Durch 45 Tage wurde
der südliche Theil Siebenbürgens durchzogen und verheert und gegen
70.000 Menschen durch den Pass von Törzburg in die Gefangenschaft
geführt.
Stephan Losonczy hatte zwar gleich nach dem Einbrüche der
Türken die Kriegsmannschaft aufgeboten, aber es versammelte sich
eine so geringe Zahl unter seiner Fahne, dass er sich darauf be-
schränken musste, Menschen und Vieh möglichst aus dem Bereiche des
Feindes wegzuschaffen. ^)
') Die Behauptung, dass Losonczy die Türken auf dem Rückzuge noch ange-
griffen und ihnen viele Gefangene abgenommen habe, verdient wenig Glauben, da er
sich veranlasst sah, zahlreiche Herren und Edelleute, welche dem Aufgebote nicht
Folge geleistet hatten, dem Gesetze gemäss mit Einziehung der Güter zu bestrafen;
Königin Elisabeth begnadigte sie in der Folge und gab ihnen die Güter -wieder zurück.
4*
- 52 -
Noch zu Ende des Jahres 1438 verbreitete sich das Gerücht,
dass die Türken gewaltig rüsten, um Serbien zu erobern und in Ungarn
einzufallen. Die Vertheidigung der meist gefährdeten Strecke der
Grenze vertraute Albrecht dem Johann Hunyady und seinem jüngeren
Bruder an, indem er ihnen das Banat von Severin verlieh. Ersterer
hatte sich schon in den Hussitenkriegen unter Sigismund und im Vor-
jahre bei Semendria hervorgethan. Eine spätere Urkunde, nach welcher
die Brüder Hunyady für hervorragende Leistungen vor dem Feinde
mit Gütern beschenkt wurden ,2) nennt ohne Angabe von Zeit die Grenz-
festungen »Sevrin«, »Gewrin« (Giurgievo?), »Orswa« (Orsowa) und
»Mihald« (Mehadia), deren Vertheidigung die Brüder mit Glück durch-
führten; es können dies nur Begebenheiten von untergeordneter Be-
deutung gewesen sein, die sich Ende des Jahres 1438 oder Anfangs
1439 ereignet haben dürften.
Als Albrecht im März 1439 nach Pressburg kam, fand er das
ganze Land in Aufregung. Murad hatte Drakul, gegen den ihn der
Ausgang des letzten Feldzuges misstrauisch machte, und den Despoten
von Serbien, von dem er abermals die Uebergabe von Semendria be-
gehrte, zum Pfortendienst einberufen. Drakul hoffte das Ungewitter
noch zu beschwören und begab sich nach Adrianopel, wurde aber in
den Thurm von Gallipoli geworfen, bis er den Treuschwur erneuert
und seinen Sohn als Geisel zurückgelassen hatte. Brankovic wusste,
was ihm bevorstand, und floh deshalb — seine Schätze in Ragusa
deponierend — mit seinem jüngsten Sohn nach Ungarn, während er
Gregor wieder die Vertheidigung von Semendria überliess. Ueber die
Rüstungen des Sultans gelangten Berichte nach Ofen und auch
Hunyady in Siebenbürgen erklärte, dass er ohne ansehnliche Verstärkung
im Falle eines Angriffes nicht widerstehen könne.
Aus Böhmen und Polen trafen ungünstige Nachrichten ein;
Murad war bestrebt, auch diese Länder für einen Bund wider Ungarn
zu gewinnen. Die Gefahr erkennend, wandte sich Albrecht nach
Deutschland und bat dringend, ein starkes Heer an die böhmische
Grenze zu schicken. Doch Böhmen und Polen scheuten sich schliess-
lich, ein Bündniss mit dem Erbfeinde der Christenheit einzugehen,
-) Teleki, I, S. 143 und Seadeddia (Zinkeisen I, S. 585) erwähnt eines Zug-es
der Ungarn im Jahre 1438 bis Nikopoli, der zum Entsatz Semendrias unternommen
worden wäre, eine jedenfalls in dieser Art unrichtige Angabe; wohl aber könnte
Hunyady als Ban von Sevrin einen Streifzug über Klein-Nikopoli hinaus bis »Gewrin«
unternommen haben, der, da er in der allgemeinen Lage nichts änderte, als unwesent-
lich keine besondere Beachtung fand.
— 53 —
und Papst Eugen vermittelte einen Waffenstillstand bis Ende Sep-
tember.
Als König Albrecht im Mai in Ofen eintraf, legte er — vielleicht
durch körperliche Leiden an seine Sterblichkeit gemahnt — den
Stcänden eine Urkunde vor, welche seiner Gemahlin und seinen Kindern
die Thronfolge in Ungarn sichern sollte; sie wurde von den Ständen
angenommen, jedoch nicht ohne dass diese Bedingungen stellten, durch
welche die königliche Macht abermals eingeschränkt wurde. Um diese
Zeit kam es auch zu Reibungen zwischen den Magyaren und den
in allen grösseren Städten Ungarns die Mehrzahl der Bewohner aus-
machenden Deutschen. Der Hass gegen dieselben übertrug sich
auch auf den der ungarischen Sprache nicht mächtigen König, wäh-
rend die Königin sich geschmeichelt fühlte, " deshalb ihm vorgezogen
zu werden; sie scheint es auch gewesen zu sein, welche die allzugrosse
Nachgiebigkeit ihres Gemahls gegen die Stände verschuldete, wofür
sie wenig Dank erntete. Als der König vorschlug, die deutschen
Fürsten und andere Länder gegen die Osmanen zu Hilfe zu rufen,
fanden die Ungarn, sie selbst wären stark genug, und sie bedürften
nichts weiter als Ordnung und eines Führers; ziehe der König selbst
ins Feld, so sei beides da; es werde daher die Hilfe der Fremden
nicht nöthig sein, wo die Kraft des Landes ausreiche.
Zu Ende Mai rückte der Sultan mit einem Heere, dessen Stärke
üiit 130.000 Mann angegeben wird, in Serbien ein und belagerte
Semendria, während einzelne Horden die Donau übersetzten und bis
Temesvar streiften. Der König erHess daher ein allgemeines Aufgebot
und bestimmte Szegedin und Tiderev (Titel) am Zusammenfluss der
Donau und Theiss als Sammelpunkte.^) Die königlichen Truppen und
einige Banderien erschienen wohl in den Lagern, als aber König und
Königin in Tiderev eintrafen, hatten sich dort nicht mehr als
25.000 Mann eingefunden, eine Macht, die kaum hinreichte, die immer
kühner werdenden Streifpartien der Türken zurückzuweisen, viel
weniger aber die Donau zu übersetzen und sich mit dem Heere Murad's
zu messen. Das Land war nicht so erschöpft, um darin die Ursache^
der Gleichgiltigkeit gegen die so drohende Gefahr zu suchen, wohl
aber mag das Ansehen des Königs durch die ihm abgerungenen Zu-
geständnisse so gesunken gewesen sein, dass man seinem Rufe Folge
zu leisten kaum der Mühe wert fand.
■^) »Rev« ist ungarisch »Fähre*, »Tiderevc wahrscheinlich »Theissfähre« oder
>Titel«. Das Plateau von Titel ist jedenfalls ein sehr geeigneter Sammelplatz für ein
Heer in Jener Gegend.
- 54 -
Während nun das Heer an der Donau in vergeblicher Erwartung
neuer Zuzüge unthätig stand, brach im Lager zufolge des langen Auf-
enthaltes in der während der Sommerszeit so ungesunden Gegend,
sowie des Mangels an entsprechender Nahrung eine bösartige Ruhr
aus, die täglich mehr Opfer hinraffte uud endlich alle Bande der Zucht
und Ordnung auflöste. Sechs Bannerherren verliessen eigenmächtig das
Lager, und als am folgenden Tage der verhängnissvolle Ruf: »farkas«,
d. i. »der Wolf«, erscholl,^) zerstreute sich der grösste Theil des Heeres;
kaum 6000 Mann blieben beisammen.
Die Belagerung Semendrias wurde unterdessen fortgesetzt; mit
den schwersten Mauerbrechern waren die Thürme zum Theil in Schutt
gelegt. Vom Hunger auch auf das Aeusserste gebracht, und aller Aus-
sicht auf Entsatz beraubt, musste Gregor am 27. August die Stadt
nach dreimonatlicher nicht unrühmlicher Vertheidigung übergeben. "*)
Der Sultan versprach Gregor zwar Freiheit und Leben, Hess ihn aber
bald darauf unter dem Vorwande, er habe mit seinem Vater verkehrt,
einkerkern, und später, 1440, als Georg Brankovic überall Hilfe gegen
die Türken suchte, sowohl ihn wie seinen als Geisel in der Türkei
lebenden Bruder blenden. Nach Zurücklassung einer Besatzung in
Semendria überfluthete nun das türkische Heer ganz Serbien, Avandte
sich über Novobrdo nach Bosnien, höthigte den König Twartko IL
zur Erhöhung des Tributes, und kehrte beutebeladen mit einer Unzahl
von Gefangenen nach Adrianopel zurück. Ungarn blieb für diesmal
von dem Einbrüche der Türken verschont.
Um die Schmach dieses für Ungarn zwar unblutigen, aber doch
unrühmlichen Feldzuges abzuwaschen, und der doch demnächst drohenden
Gefahr entgegenzutreten, beschlossen der König und die Königin, Georg
Brankovic und die wenigen im Lager zurückgebliebenen Prälaten und
Bannerherren im kommenden Jahre abermals einen Feldzug zu unter-
nehmen. Nebst der Heranziehung der Banderien wurde die Aufstellung
eines zahlreichen Söldnerheeres und, da die erforderlichen Geldmittel
die königlichen Einkünfte bei weitem überstiegen, die Einhebung einer
Kriegssteuer verabredet, bei deren Eintreibung die anwesenden Herren
*) »Farkas kialtani« d. i. »Wolf schreien« — nach ungarischem Gebrauche so
viel als: >rette sich wer kann« oder: »Verrath«. Nach Engel: ein schon seit König
Coloman übliches Fluchtgeschrei, könnte aber auch nur das Anrücken der Türken
bedeutet haben, deren altes Wappen der Wolf war (Hammer I, 183).
^) Irene, Gregor's Frau, soll aus Habsucht die Magazine von Semendria ohne
Wissen ihres Mannes vorher verkauft haben, welchem Mangel man in der Eile nicht
mehr abhelfen konnte, daher die Uebergabe der Stadt nach verhältnissmässig kurzer
Zeit nothwendig wurde.
ihre Unterstützung zusagten; diejenigen, die sich widersetzen würden,
sollten mit Verlust ihrer Güter und des Kopfes bestraft werden.
Albrecht versprach auch, auswärtige Fürsten um Unterstützung anzu-
gehen, und kehrte nach Verstärkung der Besatzungen in den Grenz-
festungen, selbst von der im Lager herrschenden Ruhr ergriffen, nach
Ofen zurück.
Als Albrecht's Krankheit zunahm, wollte er sich nach Wien
bringen lassen, unterbrach aber seine Reise in Langendorf (Neszmyl,
unweit Gran) und machte in Vorahnung seines herannahenden Todes
ein Testament, in welchem er verordnete, dass, falls die Königin, welche
in gesegneten Umständen war, einen Sohn gebären würde, die Regierung
bis zu dessen Volljährigkeit unter Aufsicht der Mutter und des Herzogs
Friedrich von Oesterreich-Steiermark von neun Tutoren zu führen
wäre. Wenige Tage später, am 27. October 1439, beschloss Albrecht
im Alter von 42 Jahren sein Leben.
Friedrich — am 2. Februar 1440 auch zum Deutschen Kaiser
gewählt — war nicht der Mann, um die von Albrecht ihm zugedachte
Stellung auszufüllen. Guter Familienvater, guter Hauswirth, auch ge-
bildeter wie die meisten Fürsten seiner Zeit, war er phlegmatisch, fast
apathisch und misstrauisch; nicht mit Unrecht wird ihm trotz grosser
Ausdauer Mangel an Energie vorgeworfen.
In Oesterreich erkannten die Stände die Rechte des zu erwartenden
Thronerben an; andere Bestrebungen machten sich aber in Böhmen
und Ungarn geltend, wo man weder zu Friedrich noch zu Elisabeth
besonderes Vertrauen hatte. In Ungarn nahm zwar Elisabeth die Re-
gierung in ihre Hände, aber bei der von den Türken drohenden Gefahr
war dem Lande weder mit einem Weibe noch mit dem zu erwartenden
Kinde geholfen, und es machte sich die Ansicht geltend, dass nur ein
Mann die Regierung führen und das Land gegen die anstürmenden
Osmanen zu vertheidigen vermöge. Unter den von den Ständen ins
Auge gefassten Fürsten war auch der dem Knabenalter kaum ent-
wachsene König Wladislav von Polen; für ihn sprach auch seine Ab-
stammung, er war ebenso wie Elisabeth ein Enkel Ludwig's des Grossen.
Ausschlaggebend für diese Wahl mag aber gewesen sein, dass man
hoflPte, durch Vereinigung der beiden Königreiche den Türken eine
grössere Macht entgegenstellen zu können und eine Vereinigung der
Türken und Polen zu vereiteln, welche Murad, der bereits eine Ge-
sandtschaft nach Krakau abgeschickt hatte, anstrebte. Wenn Elisabeth
sich mit dem freilich um 15 Jahre jüngeren Wladislav vermählte, sollte
das zu erwartende Kind, wenn ein Knabe, Oesterreich und Böhmen,
— 56 —
ein von Wladislav zu erhoffender Solin Ungarn und Polen erhalten.
Während hierüber verhandelt wurde, genas Elisabeth am 22. Februar 1440
eines Knaben, der den Namen Ladislaus (Posthumus, d. i. der Nach-
geborene) erhielt, und am 15. Mai zu Stuhlweissenburg zum König
gekrönt wurde.
Da Elisabeth alle Rechte ihres Sohnes Avahren wollte, und alle
weiteren Verhandlungen mit Wladislav, der sich bereits in Besitz der
Hauptstadt gesetzt hatte, abbrach, kam es zu einem Bürgerkrieg, der
ohne Entscheidung hin und her schwankte, bis es endlich den Be-
mühungen des Papstes und Kaiser Friedrich's gelang, eine Basis für
einen Ausgleich zu finden, der beide Parteien befriedigte. Doch wurde
den weiteren Verhandlungen durch den plötzlichen Tod Elisabeth's am
19. December 1442 ein Ende gemacht.
Die Zeit des Thronstreites in Ungarn Hess Murad nicht unbenutzt
verstreichen-, hatte er im Vorjahre Semendria erobert, Serbien und fast
ganz Bosnien in völlige Abhängigkeit gebracht, so strebte er 1440 den
letzten festen Platz am rechten Donau- und Saveufer, den Ungarn
noch besass, Belgrad (Griechisch- Weissenburg Nandor fejervar, Alba
regalis, Beograd, das alte Singidunum) in seine Macht zu bringen. Die
Zeit dazu war günstig, denn weder Elisabeth noch Wladislav konnten
etwas für die bedrohte Stadt thun; doch hatte sie in Johann Thallöczy,
dem Prior von Vrana, seiner Abkunft nach ein Ragusaner, einen
tüchtigen und tapferen Befehlshaber.
Murad hatte sein Heer im Frühjahr 1440 gesammelt und traf
Ende April vor Belgrad ein. Thallöczy zog dem Sultan entgegen, und
scheint ihm auch ein Gefecht geliefert, sich aber — der augenschein-
lichen Ueberzahl weichend — wieder in die Festung zurückgezogen
zu haben. ^) Der Sultan schloss nun die Stadt zu Land und zu Wasser
ein; auf der Landseite näherten sich die Türken in regelmässigen
Laufgräben, deren erster von Alibeg, dem Sohne des Ewrenos, ausgeführt
worden sein soll, der Umfassungsmauer; zu Wasser schnitten mehr
wie 100 Schiffe die Festung von Ungarn ab. Gegen die Festung
geschleuderte Steine fügten derselben grossen Schaden zu, sie brachten
die Thürme zum Falle und machten die Mauern dem Erdboden
gleich."^) Allein die Besatzung hinderte alle Anstrengungen der
^) Thuroz allein bringt die Nachricht von einem längeren Gefechte, welches
Talloczy den Türken noch vor der Belagerung geliefert haben soll; selbes dürfte sich
wohl nur auf einen Ausfall zur Erkennung des Gegners beschränkt haben.
''j Chalkokondilas (nach Engel) sagt: sie brauchten »Stein werfende Maschinen«
und Dukas (nach Huber) nennt sie: »nsxpoßoX'.c^ioi«.
- 57 -
Türken, die beschädigten Stellen der Mauern wurden in der Nacht
Avieder hergestellt, und zahlreiche Ausfälle beunruhigten die Angreifer.
Besonderen Schaden fügten die Geschütze der Ungarn, welche —
wie Dukas sagt — mit fünf bis sechs Kugeln aus Blei in der Grösse
einer pontischen Nuss (Wallnus) geladen wurden, den Belagerern zu.
Nachdem die Belagerung drei Monate gedauert hatte, schickte
Wladislav Ende Juli den Polen Lenzycky an den Sultan, welcher ihm
erst zu Beginn des Jahres ein Bündniss gegen Ungarn angetragen
hatte, um ihm seine Erhebung auf den ungarischen Thron anzuzeigen,
und die Einstellung der Feindseligkeiten zu verlangen; der Gesandte
konnte aber nur mit Mühe zum Sultan gelangen, da alle Wege von
den Türken verlegt waren. Murad erklärte erst nach drei Tagen ant-
worten zu wollen, und schickte den Gesandten nach Semendria, wo er
ihn bis zum Ende der Belagerung behielt.
Die Anstrengungen, um Belgrad in die Hände zu bekommen,
wurden nun verdoppelt; in an Pfeile gebundenen Briefen machte der
Sultan der Besatzung die glänzendsten Versprechungen, wenn sie ihm
die Stadt überlieferte, und als dies nichts fruchtete, beschloss er einen
allgemeinen Sturm zu unternehmen. Nachdem ein Theil der Mauern
in Bresche gelegt worden war, Hess er den Festungsgraben mit Holz
anfüllen, um den Angriff zu erleichtern; der Prior von Vrana Hess aber
in der Nacht Pulver auf das Holz werfen und als am folgenden Morgen
die Türken den Graben überschritten, einige schon auf Leitern die
Mauer zu ersteigen versuchten, schleuderten die Vertheidiger Fackeln,
brennende Scheiter und Kohlen auf das im Graben aufgeschichtete
und mit Pulver vermischte Holz, so dass eine grosse Menge der Türken
elend zu Grunde gieng.^) Von den Schiffen wurden mehrere durch
Geschütze der Festung in den Grund gebohrt, andere durch den Wind
an die Mauer getrieben und genommen. Die Hoffnung auf Erfolg
aufgebend, zog der Sultan endlich im October ab. Den Gesandten
Wladislav's schickte er nun mit der Erklärung zurück: »Wenn der
König Frieden haben wolle, müsse er Belgrad abtreten und auf Serbien
verzichten.« Die jedenfalls nicht unbedeutenden Verluste der Türken
werden wohl übertrieben mit 17.000 bis 20.000 Mann angegeben.
ä) Huber (»Die Kriege zwischen den Ungarn und Türken 1440 bis 1443«)
schildert die Jielagerung von Belgrad nach den Berichten von Chalkokondilas, Ducas und
Thuroz. Letzterer lässt dem letzten Sturm eine von den Türken angelegte und von
den Vertheidigern entdeckte Mine vorausgehen, was auf eine schon ausgebildete Ent-
wicklung des Minenkrieges schliesen Hesse; die ersten mit Pulver geladenen Minen
kommen jedoch erst Ende des XV. Jahi-hunderts vor.
- 58 -
Nur der heldenmütliigen Vertheidigung Belgrads ist es zu ver-
danken, dass Ungarn nicht schon damals von den Türken verwüstet,
wenn nicht erobert wurde. Ihre Raubzüge auf ungarisches Gebiet und
nach Siebenbürgen setzten sie trotz der bei Belgrad erlittenen Ver-
luste fort und kehrten beutebeladen und mit einer Unzahl Gefangener
zurück.^)
Nach diesen Einfällen wurde in Ungarn das erstemal das Auf-
treten der orientalischen Pest beobachtet, die früher schon auf anderem
Wege nach Europa gelangt war, nun aber fast jedem Einfalle der
Türken folgte, Tausende von Menschen hinraffte und sich oft weit
über die von ihnen berührten Landstriche ausbreitete.
In die Zeit der Belagerung von Belgrad fiel auch der Sieg,
welchen Hunyady und Ujlaky über die Anhänger der Königin Elisabeth
bei Bataszek errangen, und damit die Stellung und das Ansehen Wladis-
lav's wesentlich förderten. Zum Lohne für diesen Sieg wurde Hunyady
zum Grafen von Temesvär und mit Ujlaky zugleich zum WoyAvoden
von Siebenbürgen ernannt; später wurde ihm auch die Vertheidigung
Niederungarns und Belgrads anvertraut.
^) Seadeddin sagt: »Man schleppte so viele Gefangene fort, dass man eine
schöne Sclavin um ein Paar Stiefel, und einen Sclaven um 150 Aspern verkaufte.«
Viertes Capitel.
Johann Hunyady. — Sein Zug gegen Semendria. — Seine Siege bei St. Imre und am
Eisernen Thor-Pass. — König Wladislav zieht nach Bulgarien. — Hunyady's siegreiche
Gefechte bei Nissa. — Vergebliche Versuche der Ungarn, in das Marizathal zu ge-
gelangen. — Rückzug der Ungarn. — Ihr Sieg am Fusse des Kunovizagebirges. —
Friedensschluss. — 1441 bis 1444.
König Wladislav konnte keine bessere Wahl treffen, als er die
Vertheidigung der Südgrenze des Reiches in die Hände Johann Hunyady's
legte. Dieser, als tapferer Krieger, fähiger und auch vom Glücke be-
günstigter Heerführer bewährt, tritt nun — obwohl keinem der grossen
Adelsgeschlechter, ja nicht einmal von Geburt dem magyarischen
Stamme angehörend — sowohl in der ungarischen Geschichte, wie in
der Geschichte des Kampfes wider die Osmanen in den Vordergrund.
Hunyady's Vorfahren waren zweifellos Rumänen und scheinen
durch König Sigismund bei seinen wiederholten Zügen in die Walachei
für ihm geleistete wichtige Dienste zur Uebersiedlung auf ungarisches
Gebiet veranlasst und mit dem königlichen Dominium Hunyadvar im
Albenser Comitat in Siebenbürgen beschenkt worden zu sein, welche
Schenkung in einer noch vorhandenen Urkunde vom Jahre 1409 be-
stätigt wird.') Hunyady's Vater wird in der erwähnten Urkunde als
•) Die Urkunde ist mitgetheilt bei Fejer, Kemeny und Schmidt. Auch Hunyady's
Zeitgenosse Aeneas Silvius, der spätere Papst Pius II., sagt von ihm: »Er war ein'
Dake, oder wie sie jetzt genannt werden, ein Walache. « Die fast gleichzeitige Cillier
Chronik sagt: »Hunyadt Janus war aus dem Landt Walachei hurtig nnd eines geringen
Eittermessigen Geschlechts.« lieber Hunyady's Geburtsjahr schwanken die Angaben
zwischen 1387 und 1394.
Die viel verbreitete Erzählung, dass Hunyady die Frucht eines Verhältnisses
Sigismund's mit der schönen Elisabeth Morsinay wäre, welche er gelegentlich seines
Aufenthaltes in Siebenbürgen kennen lernte, verdankt ihren Ursprung erst dem Ende
des XV. Jahrhunderts und verdient ebenso wie die Bemühungen, aus ihm einen Szekler
zu machen, oder seine Abstammung von alten Geschlechtern herzuleiten, nur als
Märchen der Erwähnung.
— 60 -
»Voyk, Sohn des Serbe« und als »Kriegsmann des königliclien Hofes«
(aulae nostrae militis) angeführt, scheint demnach einem königlichen
Banderium angehört zu haben, und nahm, als er sich auf seinen Besitz,
dem er seinen Namen entlehnte, zurückgezogen hatte, eine geachtete
Stellung in Siebenbürgen ein. Eine seiner Töchter soll er an den Sohn
eines walachischen Fürsten verheiratet haben — ein Beweis, dass die
Familie die Verbindung mit ihrem Stammlande nicht aufgegeben hatte
— die beiden anderen nahmen siebenbürgische Edelleute, Pankratius
Dengeleg und den Johann Szekely, zur Ehe.
Von den Brüdern Johann Hunyady's, des künftigen Gubernators,
scheint einer schon im Kindesalter gestorben zu sein, während ein
zweiter, der auch den Namen Johann führte, mit seinem Bruder er-
zogen wurde, sich ebenfalls durch hervorragende Tapferkeit auszeich-
nete, in Folge der mit seinem Bruder erfochtenen Siege gleichzeitig
mit ihm die Würde eines Ban von Severin erhielt, aber einige Jahre
später, wahrscheinlich 1442,-) den erhaltenen Wunden erlag; er wurde
im Dome zu Weissenburg (Karlsburg) beigesetzt.^)
Als Greburtsjahr Johann Hunyady's ist mit Wahrscheinlichkeit
1392 oder 1393 anzunehmen. Später erst erhielt seine Familie den Bei-
namen »Corvinus«, ob von Johann's angeblichem Geburtsort »Hollo«
(der Rabe) mag in Frage gestellt sein; viel wahrscheinlicher ist, dass
er dem Familienwappen — einem Raben mit einem Ringe im Schnabel
— seinen Ursprung verdankt.
Ueber Hunyady's Jugendjahre ist wenig bekannt.^) Dem Beispiele
seines Vaters folgend, trat er früh in die Dienste König Sigismund's
~) Nach Fraknöi soll er in der Schlacht bei Szent-Imre im Jahre 1442 den
Heldentod gefunden haben.
^) Der Grabstein dieses Bruders des Gubernators scheint erst später auf seinen
dermaligen Platz gebracht und aus verschiedenen Theilen zusammengesetzt worden
zu sein. Die Inschrift führt Johann als »Minor«, als »Miles« und »Frater Gubei'-
natoris« an, er muss sich daher auf einen jüngeren Bruder des Gubernators beziehen
und einige Jahre nach seinem Tode — als Johann bereits Gubernator war — errichtet
worden sein. Von der Jahreszahl ist MCCCCXXX . . noch deutlich zu lesen, die Er-
gänzung aber so verstümmelt, dass dieser »Stein wohl Zeugniss vom Vorhandensein
dieses Hunyady's, keineswegs aber über das Todesjahr desselben gibt.
*) Die Nachricht der Cillier Chronik : »Hunyad war etwan der von Cilli Diener
und lag ihn nur mit dreien Pferden zu hoff,« »als man gesagt hat«, ebenso die An-
gabe, dass er im Dienste des Bischofs Demetrius Zechy (er war von 1375 bis 1379
BUchof von Agram) gestanden wäre, entbehrt jeder Begründung; Hunyady müsste
1379 doch wenigstens zehn Jahre alt gewesen sein und bei seinem Tode, 1456, ein
Alter von mehr wie 87 Jahren erreicht haben, was mit allen sonstigen Angaben in
WiderspriJch steht.
— 61 —
und folgte ihm auf den Fahrten seines ruhelosen Lebens. Schon 1414
war er um die Person des Königs, als dieser in Aachen gekrönt wurde,
1420 kämpfte er an seiner Seite gegen die Hussiten; ob er den Zug
gegen Rom mitmachte, ist nicht gewiss, in Italien Avar er jedoch. Mit
voller Begeisterung gab er sich dem kriegerischen Berufe hin, zu
welchem er alle Vorzüge einer körperlichen und geistigen Veranlagung
in sich fühlte. Dass er sich die damals einem Staatsmanne fast unent-
behrliche lateinische Sprache nicht vollkommen aneignete und auch in
späteren Jahren sie zu schreiben nicht im Stande war, wäre noch kein
Beweis einer mangelhaften Bildung, da in so kriegerischen Zeiten mehr
auf Ausbildung im Waffendienste als auf Gelehrsamkeit gesehen wurde.
Jedenfalls aber hatte er am Hofe Sigismund's, dem Brennpunkt aller
Bewegungen der christlichen Völker — wenn ihn seine bescheidene
Stellung von den leitenden Kreisen auch ferne hielt — , doch reichliche
Gelegenheit, sich die Vortheile eines erweiterten Gesichtskreises und
einer höheren Auffassung anzueignen.
Als König Sigismund 1428 an der unteren Donau gegen die
Türken kämpfte und die Wintermonate in Temesvar zubrachte, mag
es sich ereignet haben, dass Hunyady die Bekanntschaft des mächtigen
und reichen, auch wegen seiner heldenmüthigen Kämpfe gegen die
Türken bekannten Gutsbesitzers Ladislaus Szilagyi°) machte und seine
Tochter Elisabeth zur Frau nahm. Dieser Ehe entsprossen zwei Söhne,
der ältere, Ladislaus, 1433, der jüngere, Mathias, zu Klausenburg 1440
geboren; beide waren noch berufen, in der Geschichte Ungarns eine
wichtige Rolle zu spielen.
Obwohl beim Concil zu Konstanz Augenzeuge des Haders in der
Kirche, bewahrte sich Hunyady doch seine Religiosität, die sich mit
Rücksicht auf den Kampf gegen die ungläubigen Mohammedaner selbst
zum Fanatismus steigerte.
Der Umstand, dass Johann Hunyady, der doch den Königen
Sigismund und Albrecht so viel zu verdanken hatte, sich so leicht von
den Interessen ihres Erben trennte, kann eine Entschuldiffung- wohl
nur in den Zeitverhältnissen finden, welche einer kräftigen und ziel-
bewussten Regierung dringend bedurften, eine solche aber weder von
der Mutter, noch von dem Vormunde des Kindes Ladislaus, dem Kaiser
=) Die Sziläg-yi stammten aus Bosnien, aus dem Geschlechte der Garäzda; sie
zeichneten sich in den Kämpfen gegen die Türken sowie gegen den abtrünnigen Her-
voya aus. Ihre Anhänglichkeit an Ungarn, sowie ihre Treue gegen den König fand
reiche Belohnung, sie wurden 1407 und 1408 mit ausgedehntem Länderbesitz beschenkt
und in die Eeihen der ungarischen Magnaten aufgenommen.
— 62 -
Friedrich, der ohne genügende Hausmacht auch sich so geringer Sym-
pathien in Ungarn zu erfreuen hatte, erwartet werden konnte.
Als Hunyady nach seiner Ernennung zum Befehlshaber in Belgrad
noch im Jahre 1441 in diese Stadt kam, plünderten eben die Leute
Isakbeg's, des Befehlshabers von Semendria, die umliegenden Ort-
schaften und brannten sie nieder. Hunyady zog mit den wenigen ver-
fügbaren Truppen aus der Festung, um die Räuber zu vertreiben,
nahm ihnen die Beute ab und verfolgte sie durch drei Tage bis in die
Nähe von Semendria. Als Hunyady den Rückzug antreten wollte,
suchte ihm Isakbeg den Weg zu verlegen; dies rechtzeitig bemerkend,
griff er aber die Türken mit geordneten Scharen an und trieb sie
mit bedeutendem Verluste zurück. Wenn dieses Gefecht auch nur aus
Anlass eines Streifzuges stattfand, und auch nur eine geringe Zahl
Truppen daran betheiligt war, so hatte es doch eine moralische Be-
deutung, indem es das Selbstbewusstsein der Ungarn den so sehr ge-
fürchteten Türken gegenüber hob.
Viel bedeutender waren die Kämpfe mit den Türken im folgenden
Jahre 1442, während Ungarn auch nach dem Ableben Elisabeth's im
Thronkampfe nicht ganz zur Ruhe kommen konnte. Die Moldau und
Walachei, von den Ungarn keine Hilfe mehr erwartend, erkannten die
Oberhoheit des Sultans an: Georg Brankovic war verdächtig, mit dem
Sultan in geheimer Verbindung zu stehen, um durch seine Gunst
wieder in den Besitz Serbiens zu gelangen, und Murad selbst hielt
den Augenblick für günstig, die früheren Misserfolge auszulöschen
und das von Parteien gespaltene Ungarn ganz zu unterwerfen. Im
Frühjahr sammelte er die europäischen Truppen, bei 80.000 Mann,
darunter 4000 Janitscharen, an der Donau und Hess dieses Heer unter
seinem Oberstallmeister Medsidbeg, einem erfahrenen alten Kriegs-
mann, der vor 40 Jahren Siwas gegen Timur vertheidigt hatte, bei
Nikopoli den Strom übersetzen, mit dem Auftrage, Ungarn zu er-
obern.
Medsidbeg brach unerwartet durch das Altthal in Siebenbürgen
ein. Das wohlvertheidigte Hermannstadt umgehend, verbreitete sich
das türkische Heer plündernd über das ganze Land. Bei der Schnellig-
keit des Einfalles der Türken war es dem Woywoden Hunyady, der,
vom Schauplatz des Bürgerkrieges zurückgezogen, sich nun ganz der
Vertheidigung der Grenze widmete, nur möglich, mit geringen, in der
Eile zusammengezogenen Streitkräften Weissenburg zu erreichen. Als
nun die Türken, nachdem sie einen grossen Theil Siebenbürgens
plündernd durchzogen hatten, mit ihrer Beute an Menschen, Habe und
- 63 —
Vieh unweit der Stadt lagerten, so dass man daselbst den Rauch der
niedergebrannten Ortschaften wahrnehmen konnte, zog ihnen Hunyady
am 18. März in Begleitung des Bischofs Georg Lepes, eines wegen
seiner Heftigkeit bekannten Mannes, mit nur geringer Mannschaft ent-
gegen. Als sie im Marosthal aufwärts gegen Szent-Imre gelangt waren,
trafen sie unvermuthet auf den Feind, und sahen sich, von allen
Seiten angegriffen, zur Flucht genöthigt. Der Woywode entkam noch
rechtzeitig, doch wurden manche seiner Leute niedergemacht; der
Bischof aber, der sich zu weit vorgewagt hatte, stürzte beim Ueber-
setzen des Ampolybaches, kaum 2000 Schritte vor den Mauern der
Stadt, vom Pferde; er wurde hier vom Feinde ereilt und gleich ent-
hauptet. 6) Weissenburg nicht weiter beachtend, zog Medsidbeg abermals
plündernd und sengend durch das Land.
Unterdessen sammelte Hunyady in Weissenburg- die Banderien
der umliegenden Gespanschaften; auch Ujlaky stiess zu ihm, und mit
seinem ansehnlich verstärkten, auch mit einigen Feuergewehren und
Geschützen ausgerüsteten Heere wollte er dem Feinde entgegenziehen.
Medsidbeg:, der das mit Freude vernimmt und erklärt: »Er soll nur
kommen und uns noch grösseren Gewinn bringen als früher!« kommt
ihm aber zuvor und zieht selbst gegen Weissenburg. Am 24. März
trifft er in Szent-Imre ein. Ein Spion brachte alle für den bevor-
stehenden Kampf von Medsidbeg getroffenen Anordnungen in Erfahrung
und eilte zu Hunyady, um ihm mitzutheilen, dass seine Rüstung, so-
wie die Farbe seines Pferdes dem Feinde verrathen worden sei, und
die kühnsten und bestbewaffneten Krieger ausgewählt worden seien,
um ihn zu tödten. Ein Edelmann Namens Simon Kamonya (Kemeny?)
ruhte nicht eher, als bis ihm Hunyady nach langer Weigerung ge-
stattete, Rüstung und Pferd zu tauschen, indem er ihm 500 der
tüchtigsten Krieger an die Seite gab.^) Am Morgen des 25. März zog
nun Hunyady aus Weissenburg dem durch den letzten Sieg über-
müthig gemachten Feind entgegen. Kamonya traf an der Teufels-
schlucht auf den Gegner und hielt den wüthenden Anprall desselben
standhaft aus, während Hunyady, den Ampolybach tiberschreitend,
die vorliegenden Höhen mit Benützung der vorhandenen Schluchten
unbemerkt ersteigt und vom Berge Bilag aus den rechten Flügel und
Rücken des Feindes bedroht. Kamonya unterliegt zwar endlich und
^) Die Stelle, wo Bischof Lepes enthauptet wurde, ist durch ein Steinkreuz mit
einer Inschrift bezeichnet.
^) Die etwas märchenhaften Einzelheiten dieses Kampfes, für deren Richtigkeit
nicht gebürgt werden kann, bringt Bonfinius und nach ihm Andere.
— 64 -
wird sammt seiner Schar niedergemacht, die Schlachtreihen der
Türken werden aber durch das unerwartete Vorbrechen Hunyady's
zersprengt und gegen Szent-Imre gedrängt. Während nun die Türken
mehr um ihre Rettung als um den Sieg kämpften, gelang es den nur
unter geringer Bedeckung im Lager zurückgelassenen Gefangenen, sich
zu befreien; im Verein mit den Siegern fielen sie nun den Türken in
den Rücken und brachten sie vollständig in Verwirrung.
Als Medsidbeg die Niederlage und Flucht der Seinen wahrnimmt,
flieht auch er, wird aber von den nachsetzenden Ungarn eingeholt und
sammt seinem Sohne niedergemacht. Nachdem alle Gefangenen be-
freit waren und die früher gemachte reiche Beute den Türken abge-
nommen worden war, verfolgte Hunyady, dem sich wohl auch die
Hermannstädter Bürger angeschlossen haben mögen, '^) den unaufhalt-
sam fliehenden P'eind durch die Gebirgspässe und machte noch viele
Gefangene. Bei 30.000 Türkenleichen sollen das Schlachtfeld bedeckt
haben, während der Verlust der Ungarn nur 3000 Mann betrug. Unter
den Opfern soll sich auch Hunyady's gleichnamiger Bruder Johann
befunden haben.
Mit der Nachricht über den erfochtenen Sieg, für den Hunyady
als Befreier des Vaterlandes, als Retter der Sclaven und als unüber-
windlicher Feldherr gepriesen wurde, sandte er Trophäen an den König
und den Despoten von Serbien, und erbaute im Jahre 1445 zum An-
denken an den errungenen Sieg ein Kloster im Töwisthale.^)
Eine Folge dieses Sieges war die Rückkehr der Woywoden der
Moldau und Walachei unter die ungarische Oberhoheit.
Als der Sultan die Niederlage seines Heeres und den Tod Medsid-
beg's erfuhr, beschloss er, Rache dafür zu nehmen. Er wollte selbst
nach Siebenbürgen ziehen und Hess für das Frühjahr 1443 einen
Heereszug vorbereiten; doch war es vielleicht die Nachricht vom Ab-
fall des walachischen Woywoden, die ihn bewog, den Feldzug noch in
diesem Jahre anzuordnen, und — da deshalb die Rüstungen nicht so
umfassend sein konnten, als er wünschen mochte — das Heer nicht
selbst anzuführen, sondern dem Eunuchen Schehabeddin Pascha, einem
^) Dass der Sieg bei Szent-Imre einem Ausfalle der Hermann Städter Besatzung
zuzuschreiben wäre, wie verschiedene Quellen behaupten, ist kaum möglich, da Her-
mannstadt bei 70 Kilometer von Szent-Imre entfernt ist; dass die Hermannstädter sich
auch an der Verfolgung Medsidbeg's betheiligt haben, als dessen Heer flüchtig an der
Stadt vorbeieilte, ist aber sehr wahrscheinlich. Nach Thuroz wäre Medsidbeg vor Her-
mannstadt durch eine Kanonenkugel getödtet worden.
ä) An Stelle des einstigen von Hunyady erbauten Paulaner Eremitenklosters
steht jetzt die katholische Kirche sammt Pfarrhaus in Tüwis.
Gefecht bei St. Imre am 25. März 1442.
r Ollibär
1000 r
3 Km
Schichtenhohe 20m
Türken.
C Angriff gegen Kamonya.
D Medsidbeg's Heer im Vormarsche.
E Lager der Türken.
F Penkmal des im G -fechte am l.ö. März jrefallenen Bischofs Georg Lppe'.
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl. ;'>
Ungarn.
A Kamonya's Abtheilnng.
B Hunyady's Truppen.
- 66 -
krieffserfalirenen Manne, den Oberbefehl zu übertrag-en und ihm die
Weisung zu ertheilen, die Walachei zur Strafe des Abfalles zu ver-
wüsten und vor gänzlicher Unterwerfung Ungarns nicht zurückzu-
kehren. Schehabeddin. noch übermüthiger wie Medsidbeg, rühmte sich
prahlerisch, dass die Feinde, wenn sie seinen Turban nur erblickten,
schon mehrere Tage weit fliehen würden, und pflegte zu sagen: »Mein
Schwert ist eine Wolke, welche statt Regen nur Blut vergiesst.«
Das türkische Heer übersetzte die Donau bei Nikopoli. Nach-
dem die Walachei verwüstet und dort reiche Beute gemacht worden
war, vermied Schehabeddin die gewöhnlichen Einbruchsstellen nach
Siebenbürgen, da sich auf Hunyady's Rath die wehrfähige Bevölkerung
der Walachei meist in das Gebirge zurückgezogen und dort die Pässe
zur Vertheidigung eingerichtet hatte; donauaufwärts ziehend, betrat
er mit der Absicht, den Eisernen Thor-Pass zwischen Karansebes und
Hatszeg zu überschreiten, bei Orsowa ungarisches Gebiet. '°)
Unterdessen hatte Hunyady in Siebenbürgen Truppen gesammelt,
die allerdings dem Feinde an Zahl nicht gleich kamen, und zog, nach-
dem er über die Einbruchsstelle des Feindes GcAvissheit erlangt hatte,
demselben längst des Nordrandes des Grenzgebirges bis an den Eisernen
Thor-Pass zwischen Hatszeg und Karansebes entgegen, entschlossen,
zu sieg^en oder zu sterben.
'") Das Privileg Hunyady's vom Jahre 1453, das auch Aufklärungen über
diesen und die nächsten Kämpfe gibt, enthält keine Ortsbestimmung. In den südlichen
Karpaten führen nur zwei Punkte den Namen »Eisernes Thor«, die Stromenge an der
Donau oberhalb Severin und der Gebirgsübergang vom Temescher Banat nach Sieben-
bürgen zwischen Karansebes und Hatszeg (enger begrenzt zwischen den Gebirgs-
dörfern Ohaba-Bistra und Värhely, dem alten Sarmizigethusa — unter den Römern
Ulpia-Trajana). Letzterer Pass ist aus der Walachei nur nach Passierung des ersteren
zu erreichen. Wenn der byzantinische Geschichtschreiber Chalkokondilas von Sche-
habeddin sagt: »Er überschritt den Ister und marschierte nach Siebenbürgen, indem
er einige Tage durch das Land Ungarn zog«, so kann damit nur gemeint sein: »Er
übersetzte die Donau, zog längs derselben aufwärts, betrat oberhalb Severin unga-
risches Gebiet und brauchte noch drei bis vier Tage, um den Eisernen Thor-Pass
ober Karansebes zu erreichen.« Wenn Chalkokondilas ferner sagt; »Hunyady folgte
dem Pascha längs des Gebirges«, so muss damit nicht gemeint sein, dass er ihm auf
dem Fasse folgte — er müsste den Pascha dann im Rücken angefallen haben, was
nicht geschah — wohl aber kann er seiner Bewegung auf der Nordseite des Gebirges
gefolgt sein, und nachdem er sah, dass der Geg-ner die Uebergänge am Alt und Schyl
nicht benützte, sich gegen den Eisernen Thor-Pass gewendet haben. Es steht dann
auch die Angabe, dass die Schlacht »ad locum, qui Vaskapu (vas ist ungarisch
Eisen, kapu Thor) genannt wird«, nicht in Widerspruch mit dem Privileg Hunyady's
und Ujlaky's.
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Den Pass überschreitend, stürzte sich nun Hunyady's tapferes
Heer aus dem Gebirge von allen Seiten auf den überraschten Gegner,
der trotz der ungeheuren üeberraacht geschlagen wurde. Eine Unzahl
Fahnen wurden erbeutet, 5000 Gefangene gemacht und Tausende von
Todten bedeckten das Schlachtfeld, darunter viele der tapfersten Führer
der Türken. Aus der Banater Ebene zurückkehrende Streifpartien,
die von der Niederlage ihres Führers noch keine Kenntniss hatten,
Avurden ohne Mühe einzeln aufgerieben, die niitgeführten Gefangenen
in Freiheit gesetzt.^')
Eine Gesandtschaft des Sultans, die im Juli 1442, gerade nach
dem Eintreffen der Nachricht über den letzterrungenen Sieg an den
Hof nach Ofen kam, um neuerdings die Uebergabe Belgrads zu ver-
langen, wurde mit Hinweis auf die letzten beiden Siege abgewiesen.
Wenn Hunyady mit so geringen Mitteln so glänzende Siege er-
ringen konnte, während die Hauptmacht des Königs noch durch die
Kämpfe im Innern in Anspruch genommen war, so konnte man noch
viel glänzendere Erfolge erwarten, wenn König Wladislav die Streit-
kräfte seiner beiden Reiche den Türken entgegenstellen würde. Die
Stimmung im Lande benützend, setzte nun der Cardinal von St. Angelo,
Julian Cesarini, welchen Papst Eugen IV. im Sommer 1442 als
Legaten nach Ungarn geschickt hatte, alles in Bewegung, um den
König zu einem energischen Angriff auf die Ungläubigen anzueifern.
und war deshalb auch eifrig bemüht, zwischen Wladislav und Elisabeth,
und nach deren Ableben zwischen ersterem und Kaiser Friedrich als
Vormund des jungen Ladislaus einen Frieden oder doch einen Waffen-
stillstand herbeizuführen. Mit dem Aufgebote seiner ganzen Beredsam-
keit sucbte der feurige Cardinal Anfangs 1443 auf dem Reichstage
zu Ofen den König und seine Räthe sowie die ungarischen Grossen
zum Kriege zu entflammen. Bedeutende Subsidien von Seite des Papstes
und Hilfstruppen von den katholischen Fürsten stellte er in Aussicht.
Auf dem Reichstage zu Pfingsten — den 9. Juni — erneute er seine
Anstrengungen und wurde hiebei vom Despoten von Serbien lebhaft
unterstutzt, der sein Land wieder gewinnen und zugleich an Sultan
Murad die Blendung zweier seiner Söhne rächen wollte.
Briefe der Republik Ragusa, dann Nachrichten von Hunyady
aus Belgrad steigerten die Kampflust der Ungarn noch mehr. Spione
^') Bonfinius, der Historiograph des Königs Mathias, gibt von dieser Schlacht
eine ganz fabelhafte Beschreibung, in der Bombarden, Streitwagen und schwer be-
waffnete Reiter Rollen spielen, die weder der Zeit noch dena Orte der Schlacht ent-
sprechen können.
5*
- 68 —
hatten an Hunyacly berichtet, das türkische Reich sei durch Aufstände
zerrissen; der Sultan, durch den Herrseher von Karaman geschlagen,
sei auf eine Insel geflohen und gestorben; in Adrianopel habe man
einen seiner Söhne zum Sultan ausgerufen: die europäischen Provinzen
seien nur schwach besetzt; wenn Ungarn mit 30.000 Streitern in
Serbien einrücke, würden die Türken alle Gebiete bis zum Meere frei-
willig räumen. Wenn diese Gerüchte auch übertrieben waren, so wirkten
sie doch auf den Reichstag so mächtig ein, dass der Krieg wider die
Osmanen beschlossen wurde.
Den Bemühungen des Legaten gelang es endlich nach langen
und mühevollen Verhandlungen, einen zweijährigen Frieden zwischen
Kaiser Friedrich und dem König Wladislav zum Abschluss zu bringen
und denselben auch auf Giskra auszudehnen, der noch von Elisabeth
als Befehlshaber im Norden Ungarns eingesetzt, sich dort fast als
Gebieter fühlte. Papst Eugen IV. widmete den fünften Theil der
Einkünfte der apostolischen Kammer für die Ausrüstung des Heeres.
sonst Avaren aber seine Bemühungen, die christlichen Mächte zur
Hilfe heranzuziehen, von geringem Erfolge. Den Kaiser und den
Deutschen Orden, auf deren Beistand er besonders rechnete, konnte
man zur Beistellung von Hilfstruppen nicht bewegen, beide waren
interessiert, die Macht Ungarns sowie Polens nicht zu sehr überhand-
nehmen zu lassen.
Da der bevorstehende Feldzug (später, obwohl er kaum vier Monate
währte, der »lange Feldzug« genannt) als Angriffskrieg ausserhalb der
Reichsgrenze geführt Averden niusste. konnte in Ungarn von einem
allgemeinen Aufgebot nicht die Rede sein: man musste sich daher zu-
meist auf die Anwerbung eines Söldnerheeres beschränken und die
nöthigen Geldmittel hiezu bewilligen.*'-) Die Aufstellung und Leitung
desselben wurde an Johann Hunyady als »Capitanus exercitus gene-
ralis« übertragen.
Obwohl der Sommer noch zu Rüstungen verwendet werden musste
und der Feldzug aus ökonomischen Rücksichten erst nach eingebrachter
Ernte begonnen werden sollte, brach der König in Begleitung des
Cardinallegaten und des Despoten von Serbien schon im Juli von
Ofen auf, wo sich auch Hunyady eingefunden hatte.
Während der König in Peterwardein weilte, sammelte sich das
Heer nach und nach in Titel. Polnische und walachische Hilfs-
*-) Einen sehr bedeutenden Beitrag zu den Rüstungen stellte auch Georg
Brankovic, Hunyady's Anwerbung von Söldnern geschah zum grossen Theil auf
seine Kosten.
- 69 —
Völker '^) schlössen siclihier an. ebenso mehrereTausend durch den Legaten
angeworbene und vom Papst besoldete Kreuzfahrer — meist Böhmen
— auch manche ungarische Bannerherren mit ihren Scharen. Sehr
zahlreich dürften aber weder die Hilfsvölker noch die freiwillig theil-
nehmenden Ungarn, welche sich zu einem Feldzuge ausserhalb des
Landes nicht verpflichtet halten mochten, gewesen sein.
Die Geschichtsquellen über den »langen Feldzug« sind äusserst
spärlich und zum Theil wenig verlässlich. ^^) Die Zeitangaben, nach
Avelchen man den Gang der Ereignisse festhalten könnte, sind gering,
und Orte werden häufig mit damals üblichen oder auch während des
Feldzuges entstandenen, jetzt aber nicht mehr gebräuchlichen Namen
bezeichnet. Ebenso schwankend sind die Angaben über die Stärke
des ungarischen Heeres. ^•'') Beim Uebertritt über die Grenze bei Belgrad
wird das Heer kaum viel mehr wie 25.000 Streitbare und zwar meist
Reiter gezählt haben. Auch Kriegswagen, wie sie von den Hussiten-
führern in Böhmen mit Vortheil verwendet wurden, angeblich in der
Zahl von 600, waren beim Heere, sie fanden aber bei der Abneigung
der ungarischen Heerführer, welche lieber in freiem Felde kämpften,
keine Verwendung; ob es bei dem fast gänzlichen Mangel an gebahnten
Strassen überhaupt möglich gewesen wäre, sie mit Vortheil zu ver-
wenden, scheint fraglich. Spätere Historiographen erwähnen auch, dass
Geschütze (bombardae) mitgeführt worden wären, dass sie auch Ver-
wendung fanden, wird aber in keiner der gleichzeitigen Quellen an-
geführt. An sonstigen Fuhrwerken, theils zur Beförderung der Vor-
räthe, theils zur Befriedigung des Aufwandes, ohne welchen ein König
'') Dass an diesem Feldzuge mit den walacbischen Hilfstrnppen auch Wlad
Drakul selbst sich betheiligt hätte, wie mehrseitig behauptet wird, ist nicht erwiesen.
'*) Die Geschichtsquellen über diesen Feldzug beschränken sich auf einen Brief
Hunyady's an Ujlaky (Katona XIII, I, 251), einen Brief Wladislav's an den Dogen
von Venedig (Huber, Kämpfe 1441 bis 1444); das Gedicht Michael Beheim's »Von
dem König Wladislav, wie er mit den Türken streit«, nach der Erzählung Maegest's
(dem Namen und mehrerer Ausdrücke nach wohl ein Siebenbürger Sachse, der den
Zug in untergeordneter Stellung mitmachte, herausgegeben von Karajan 1848); das
Bruchstück einer Beschreibung des Feldzuges von dem böhmischen Rottenführer
Jennik von Meökow, der den Zug auch nur in bescheidener Stellung mitgemacht
haben kann (mitgetheilt von H. JireCek); dann Briefe von Aeneas Silvius. Von älteren
Historiographen ist nur Callimachus, Dlugos und Chalkokondilas zu erwähnen, während
Bonfinius nur verwirrt, und die von Hammer angeführten türkischen Quellen fast allen
Werthes entbehren.
1'') Beheim's Angabe über die Stärke des Heeres »14.000 durchaus wehrbare
Leute« dürfte sich wohl nur auf die von Hunyady selbst angeworbene und befehligte
gchar bazieben.
— 70
mit seinem Gefolge damals nicht ins Feld ziehen konnte, war selbst-
verständlich kein Mangel.
Ueber die Zahl und Zusammensetzung des türkischen Heeres
sind die Angaben nicht verlässlicher. Zu Beginn des Feldzuges scheinen
den Ungarn nur die der Grenze zunächst stehenden Truppen entgegen
getreten zu sein, später besetzten die Janitscharen die Pässe des Hämus,
und schliesslich rückte der Sultan mit den in Adrianopel gesammelten
Truppen, auch aus Kleinasien — aus der grossen Türkei, wie Beheim
sagt — nach. Die Gesammtstärke mag bei 150.000 Mann betragen
haben.
Zu Ende September übersetzte das ungarische Heer bei Peter-
wardein und Slankamen die Donau, dann bei Belgrad die Save.'^)
Nach Passierung von Kragujevaz wurde die türkische Festung Kruse-
vaz, wie es scheint, ohne erheblichen Widerstand zu finden, genommen
und zerstört. Das Heer wendete sich dann nach Osten und erreichte
in der Nähe von Alexinaz die bulgarische Morava. Um Kundschaft
einzuziehen und zu fouragieren, wurden 500 Eeiter über den Fluss
geschickt; sie entdeckten bald eine weit überlegene feindliche Ab-
theilung, vor der sie sich zurückziehen wollten; eingeholt und zum
Schlagen gezwungen, kehrten sie aber um und verfolgten die zurück-
weichenden Feinde eine weite Strecke.'^)
Die Morava wurde nun unangefochten überschritten und am
jenseitigen Ufer ein Lager bezogen, in welchem der König mit dem
Hauptheere verblieb, während Hunyady mit 12.000 auserlesenen Reitern,
darunter sein und Ujlaky's Banderium — letzterer war krankheitshalber
in Siebenbürgen zurückgeblieben — gegen Nissa (Nisch) vorrückte.
Die Stadt wurde ohne Mühe eingenommen, dann geplündert und nieder-
gebrannt.
Während Hunyady kurze Zeit dort verweilte, wurde er von drei
aus verschiedenen Richtungen kommenden türkischen Heerführern an-
'^) Die Angabe, das ungarische Heer wäre über die Donau nach Serbien ge-
gangen (Callimachus und Andere), muss unbedingt als unrichtig erklärt werden. Beheim
nennt »Tutenrib« als Uebergangspunkt über die Donau, Karajan erklärt dies mit
»Töti rep«, d. i. slavische Fähre, und bezieht dies auf >Salsus lapis«, d. i. Slankamen,
welchen Punkt (nebst Cobin gegenüber von Semendria) auch Callimachus erwähnt.
Für ein an der Theissmündung gesammeltes Heer waren die Mittel zum Uebersetzen
der Donau bei Peterwardein und Slankamen gewiss vorhanden, dann stand das Heer
aber noch nicht in Serbien, und Belgrad bleibt dann der einzige Uebergangspunkt
über die Save, um nach Serbien zu gelangen.
1') Callimachus gibt an, diese Abtheilung von 500 Mann wäre nahezu auf-
gerieben worden.
— 71 —
gegriffen. Der erste war Escbeg (Isakbegvon Semendria); er wurde
leicht besiegt und in die Flucht geschlagen. Einem zweiten, nicht ge-
nannten Führer (novus basa), der von Sophia kam, ergieng es nicht
besser, er musste zurückweichen. Der dritte endlich, Twrhanibeg
i^Turachanbeg), muss von Süden gekommen sein, auch er wurde ge-
Gefeclitc Himyady's in der Umgebung von Nisch bis zum
3. November 1443.
I. Gegen den Pascha von Semeudria.
II. Gegen einen ungenannten neuen Pascha.
III. Gegen Turachan.
IV. Mit verkehrter Front gegen das vereinte türkische Heer.
M^mavailüisuru.
nooooo
SchichrenhöheSOm
schlagen und zurückgetrieben. Hunyady glaubte, dass diese drei Ab-
theilungen die Absicht gehabt hätten, am selben Tage vor Nissa ein-
zutreffen und mit vereinter Macht sein Lager anzugreifen, woraus wohl
geschlossen werden kann, dass die Gefechte mit diesen drei Abthei-
lungen kurz hintereinander durchgeführt worden sein dürften.
Während nun Hunyady gegen Turachan mit der Front gegen
Süden stand, brachten ihm Kundschafter am 3. November die Meldung,
dass sich in seiner linken Flanke ein anderes grosses und mächtiges
— 72 —
Heer befinde, mit dem sich auch die früher geschlagenen Abtheilungen
— wohl nur jene Esebegs und des ungenannten neuen Paschas —
vereinigt hätten, das im Begriffe wäre, gegen das Lager des Königs zu
ziehen. Es muss dies ein Heer gewesen sein, das an der Nischawa
abwärts zog und die zwei geschlagenen Abtheilungen wieder aufge-
nommen hatte, nach des Königs Angabe bei 30.000 Mann. Ohne Ver-
zug kehrte Hunyady wieder gegen Nissa zurück und erblickte gegen
Abend beim Austritt auf die Ebene — wie er in dem Brief an Ujlaky
selbst sagt — ein so ungeheures feindliches Heer, dass er einiger-
massen beängstigt war; doch habe er wieder Muth gefasst, die Schlacht-
reihen unverzüglich geordnet und sich auf den Feind geworfen, der
mit Gottes Hilfe durch seine und des Ujlaky Leute, ohne selbst be-
deutende Verluste zu erleiden, besiegt wurde.
Der Kampf währte bis in die Nacht des 3. November 1443, An
demselben betheiligten sich auf türkischer Seite ausser dem schon er-
wähnten neuen Pascha und Esebeg noch ein alter, nicht genannter
Pascha, der gefangen wurde, ferner Kesebeg von Widdin, Ziwanbeg
von Kursolch, Turachan von Kursangh, Omarbeg von Sophia, Ziwanbeg
von Koywanow, Balabanbeg von Tokat, Alibeg, Sohn des Timurtasch
von Sumla, Hamzabeg von Beze, Isakbeg von Philippopel, Daubeg von
Zethnice, endlich Kapusbeg, der Kanzler des Sultans, und noch andere
Anführer, von welchen mehrere getödtet wurden.'^) An Todten ver-
loren die Türken 2000 Mann; von den Flüchtigen wurden noch viele
von den zum Theil christlichen Bewohnern, die sich dem ungarischen
Heere überhaupt gewogen zeigten, erschlagen. 4000 Gefangene und
neun erbeutete Feldzeichen wurden von Hunyady in das Lager des
Königs gebracht.
Hunyady sagt in seinem an Ujlaky gerichteten, vom 9. November
datierten Brief: »Dieser Sieg, der in Ungarn wohl schon bekannt sein
dürfte, wurde wenige Tage vorher erfochten,« und führt nun der Reihe
nach die in der Umgebung von Nissa gelieferten vier Gefechte an.
Genau gibt auch König Wladislav in einem Briefe an den Dogen von
Venedig den 3. November an, an welchem ein »Sieg über 30.000 Feinde
oder nicht weniger über den Vicekaiser der Türken, gewöhnlich Pascha
genannt, erfochten worden sei«.^'') Ebenso äussert sich Aeneas Silvius;
") Hunyady erwähnt zwölf, der König dreizehn Führer der Türken, die in der
Schlacht anwesend gewesen wären; Hammer bringt zum Theil andere Namen.
"*) Huber (Die Kriege 1440 bis 1444) erwähnt dieses Schreiben, das italienisch
übersetzt in der »Cronica di Bologna« erhalten ist; es ist datiert »nel defensione eser-
cituale nostro apresso le contrade di Ongaria e apresso la fortezza chiamata Nissae
apresso il luogo della rotta a predetta« vom 9. November 1443.
nach ABführung der vier Gefechte sagt er: »Haec acta sunt ad tertium
diemi Novembris.« Es kann sich dies wohl nur auf die Beendigung
dieser Gefechte, also auf das letzte beziehen, während die drei anderen
schon der zurückzulegenden Entfernungen wegen, kaum an demselben
Tao-e, vielleicht sogar mehrere Tage früher vorgefallen sein dürften.
Von Nissa führt die Strasse gegen Sophia östlich längs des
rechten Ufers der Nischawa aufwärts, verlässt den Fluss am Fnsse des
Kunovizagebirges, geht in den gleichnamigen Pass'-'') und tritt am Ende
desselben wieder an den Fluss, an welchem jetzt 6 Kilometer auf-
wärts die Stadt Bela-Palanka (Ak-Palanka, Musa- oder Mustafa-Palanka)
liegt. Hunyady datiert seinen Brief an Ujlaky: »in descensu Regali
Scaronensi, octavo die omnium Sanctorum adoppositum castri rupti.
Balran dicti.« Der Brief des Königs an den Dogen ist von Nissa, den
9. November datiert, es muss daher Hunyady an diesem Tage mit
seinen 12.000 Reitern als Vorhut ungefähr einen Tagmarsch weiter
vor gestanden sein; er wird auch nicht im Passe selbst, sondern vor
demselben Stellung genommen haben, um dem nachfolgenden Heere
den Durchzug zu sichern. Wenn nun auch für »Scaronensis« keine
Erklärung zu finden ist, so kann die Burg »Balran« nur an Stelle von
Bela-Palanka, dem römischen »Remisiana«, gesucht werden, von welcher
römischen Niederlassung vor 500 Jahren noch bedeutende Reste zu
sehen waren, die später das Baumateriale für das türkische Castell
Belapalanka liefern mussten.^')
-") C. Jirecek sagt, noch jetzt führe ein Karaul den Namen Kunoviza, erwähnt
aber nicht, dass die Berggruppe zwischen demPass und der Nischawa »KunobarkiVrch«
und ein Dorf in dieser Gruppe Kunobiza genannt wird. Der Karaul Kunobiza war ein
unbedeutender späterer türkischer Bau — ein Wachthaus zum Schutze der Strasse — ,
der jetzt dem gänzlichen Verfalle nahe, oder vielleicht schon verfallen ist.
■-') An Stelle des alten Remisiana fand 1099 Peter von Amiens ein ganz ver-
fallenes Städtchen, und 1438 — also wenige Jahre vor dem Feldzuge — der fran-
zi)sische Reisende de Brocquiere die Ruinen einer vollständig zerstörten Stadt, die er
»Ysvouriere« nennt (Izwor ist slavisch »Quelle«, und »Mokro«, wie ein an Remisiana
grenzender, schon im X. Jahrhundert bekannter Ort heisst, bedeutet »feucht«). Später
erbaute Musa Pascha im XVI. Jahrhundert aus dnn Trümmern der römischen Stadt
ein Castell, das nach ihm Musa- oder Mustafa-Palanka genannt wurde, das heutige
Bela- oder Ak-Palanka. In neuester Zeit fand Kanitz in Bela-Palanka und dem neben-
liegenden Mokro nicht unbedeutende Reste der römischen Stadt, die wohl schliessen
lassen, dass im XV. Jahrhundert dort noch grössere Burgruinen gestanden haben
mögen, und der von Hunyady angeführte, jetzt ganz unbekannte Name des verfallenen
Schlosses Balran sich auf selbe bezieht. Für Scarona ist keine Aufklärung zu finden,
wenn diese Bezeichnung nicht vielleicht auf den damals schon nicht mehr gebräuch-
lichen Namen Remisiana zurückzuführen ist.
— 74 —
Hunyady erhielt hier auch die Nachricht, dass Sultan Murad mit
einem enormen Heere nur drei Tagmärsche entfernt stünde, und sprach
die Erwartung aus, dass demnächst ein entscheidender Kampf bevor-
stehe. Wenn Murad auch im Anmärsche war, so erwies sich doch die
Nachricht von seiner Nähe als unbegründet. Die Stimmung des unga-
rischen Heeres war in Folge der errungenen Siege eine gehobene.
Täglich kamen auch Leute mit Geschenken ins Lager. Bulgaren, Bos-
nier, Albanesen und Raszier (Serben), die sich über die Erfolge des
christlichen Heeres freuten und nicht selten die Stärke desselben ver-
mehrten. Das Wetter war bisher sehr günstig, die Zufuhr von Lebens-
mitteln aus dem Lande so reichlich, dass die auf den Wagen mit-
geführten Vorräthe noch nicht angegriffen waren. Rücksichtslos wurden
hingegen auf dem weiteren Vormarsche alle Orte, welche von An-
hängern des Islam bewohnt waren, mit Feuer und Schwert verwüstet,
die Einwohner — zum nicht geringen Theil zum Islam übergetretene
Bulgaren — wurden niedergemacht. Die Zerstörungswuth gieng sogar
so weit, dass in Orten, wo sich Widerstand zeigte, nicht nur alle
Menschen, sondern auch alles Vieh erschlagen wurde.
Während des weiteren Vormarsches traf auch Ujlaky mit nicht
bedeutender Verstärkung beim Heere ein. Pirot und Sophia, avo das
Heer gegen Ende November oder Anfangs December eingetroffen sein
dürfte, ^^) wurden nach geringem Widerstand eingenommen, geplündert
und zerstört.
Um von Sophia nach Philippopel zu gelangen, ist der Gebirgszug,
welcher den Balkan mit dem Rhodopegebirge verbindet und die Fluss-
gebiete des Isker und der Mariza trennt, zu überschreiten. Von den
Uebergängen kommen in Betracht: Der südliche aus dem Kessel von
Ichtiman an Banja vorüber, der mittlere von Ichtiman durch das
Trajansthor und endlich der nördliche über das Thal von Slatiza
(Isladi) und durch das Topolnizathal.
Der südliche Uebergang führt von Ichtiman über die Wasser-
scheide des Karabair (683 Meter Seehöhe) in das Sulu Derbend
(Wasserpass) genannte Marizathal. Dieser Weg, den Römern noch un-
bekannt, wurde 1193 von den Kreuzfahrern, 1389 von Murad I. benützt,
jetzt führt die Orientbahn hier durch; ob derselbe von den Türken
^■^) Vom 9. November bis Anfangs Februar 1444 fehlen nahezu alle verlässlichen
Zeitangaben. Wir wissen nur, dass am 24. December, dem Vorabend des Christtages,
ein Kampf, und zwar wahrscheinlich der letzte, an einem der gegen Philippopel
führenden Pässe, und auf dem Rückzug des ungarischen Heeres am Fusse des Kunoviza-
gebirges eine Schlacht stattfand, die bei Mondbeleuchtung endete.
besetzt war, ist nicht bekannt; einen Versuch, hier durchzudringen,
machte das ungarische Heer nicht.
Der zweite Weg führt von Ichtiman über den Pass des Trajans-
thores (Trajanova Vrata, Kapulu Derbend, d. i. Thorpass) mit einer
Seehühe von 800 Meter in das Marizathal. Die schon unter Kaiser
Trajan erbaute und bis in die neueste Zeit meist benützte Strasse nach
Constantinopel führt durch diesen Pass, der seinen Namen einer Be-
festigung aus der byzantinischen Zeit verdankt, welche den Weg durch
ein Thor abschiiesst.--') Auf diesem Wege hatten sich die geschlagenen
türkischen Abtheilungen zurückgezogen, nachdem sie dieselben durch
Verhaue u. dgl. ungangbar gemacht hatten. Hier stand das Anrücken
des Sultans aus Adrianopel mit den Janitscharen und den asiatischen
Truppen zu gewärtigen, welche diesen Pass auch noch vor Eintritt
der Winterkälte erreichten.
Endlich führt der dritte Weg von Sophia längs des Südabhanges
des Etropol Balkan (Veliki Balkan) über einen bei 870 Meter hohen
Sattel, von welchem jetzt die Strasse über den Balkan gegen Orhanie
abzweigt, in den Thalkessel von Slatiza. von dem aus man südlich
durch das Topolnizathal Tatar-Bazardschik erreicht ^^).
Die Versuche der Ungarn, durch das Trajansthor zu dringen,
scheiterten sowohl an dem Widerstand der Türken als an der Ungunst
der Witterung. Schneestürme und grosse Kälte stellten sich ein, welche
von den Türken auch benützt wurden, um alle Zugänge durch Begiessen
mit Wasser ungangbar zu machen. Die Erfolglosigkeit aller Bemühungen
einsehend, entschloss sich Hunyady auf Anrathen des Despoten von
Serbien, der das Land in Folge seiner vielen Reisen auf der Balkan-
Halbinsel gut zu kennen glaubte, das Trajansthor zu umgehen und
den zuletzt geschilderten Weg durch das Becken von Slatiza ein-
zuschlagen.
Unterdessen war Sultan Murad mit den Janitscharen und den
asiatischen Truppen gegen die Pässe herangekommen; ein Kriegsrath
unter seinem Vorsitze wurde nun gehalten, an dem die vornehmsten
-3) Auf dem eigentlichen Joche standen zu beiden Seiten der Strasse zwei
Castelle, welche durch eine mit einer Pforte versehenen Mauer aus starken Quadern
verbunden waren. Die Ruinen dieser später mehrfach restaurierten Befestigung be-
standen noch zu Beginn dieses Jahrhunderts; erst im Jahre 1835 liess Usref Pascha
von Sophia die Pforte demolieren, und seither wurde das Steinmateriale dieser Castelle
zu Strassenbauten u. dgl. verwendet.
-^) Die jetzt das Srednagoragebirge umgehende, über Karlovo führende Strasse
nach PhUippopel gehört erst der neuesten Zeit an.
Heerführer theilnalimen. -'') Der Sultan sprach sich dahin aus, dass man
dem an Zahl schwächeren christlichen Heere ohne Verzug eine Schlacht
liefern solle, indem durch längeres Zögern die Feinde ermuthigt, die
eigenen Truppen entmuthigt Avürden. Kasim, der Beglerbeg von Rumili,
schloss sich der Ansicht des Sultans an. Als die übrigen schwiegen
und der Ansicht des Sultans nicht entgegenzutreten wagten, erhob sich
Turachan und gab seine Meinung dahin ab, dass man sich zurück-
ziehen solle, bis die Feinde durch Hunger genöthigt sein würden, um-
zukehren, um dann über sie herzufallen. Isabeg endlich vertrat die
Ansicht, man solle sich nicht zurückziehen, um nicht die Entmuthigung
des Heeres und den Abzug der asiatischen Truppen und des Fuss-
volkcs zu veranlassen, aber auch keine offene Feldschlacht liefern,
sondern die Uebergänge über das Gebirge befestigen und hier Stand
halten, bis die Feinde zum Abzug gezwungen wären, dann aber sie
mit Reiterei verfolgen und ihnen möglichsten Schaden zufügen. Dieser
Meinung schlössen sich auch die anderen Führer an, und die An-
ordnung zur kräftigsten Vertheidigung der Engpässe wurde getroffen.
Ein ganz deutliches Bild der Kämpfe, Avelche nun stattfanden,
geben die vorhandenen Quellen nicht. Ob der Kampf um den Trajans-
pass ganz ruhte, Avährend ein Theil — wahrscheinlich der grössere —
des ungarischen Heeres sich gegen Slatiza wendete, ^^) ist nicht zu ent-
nehmen. Ereignisse von Bedeutung scheinen aber am Trajanspasse
nicht mehr vorgekommen zu sein.
Als die Ungarn in den Thalkessel von Slatiza hinabstiegen, fanden
sie den Eingang in das Topolnizathal bereits von den Türken besetzt.
Ihrem Auftrage zuwider griffen die Türken, auf ihre Uebermacht ver-
trauend, das Heer des Königs an, wurden aber zurückgeworfen und
besetzten einen Berg (Beheim nennt ihn »Altindag«, slavisch »Sladagora«,
zu deutsch »guldin Berg«), der schon zur Vertheidigung vorgerichtet
war. 2') Drei Tage steht das ungarische Heer vor diesem Berg, am
^^) Chalkokondilas bringt die'Nachricht über diesen Kriegsrath, die, wie Huber
erwähnt, im allgemeinen der Wahrheit entsprechen mag, wenn man auch von dem
Wortlaute der von ihm mitgetheilten Reden absehen muss.
-') Die häufig verbreitete Annahme, dass der König nur bis Sophia oder gar
nur bis Nissa gelangte, ist unrichtig und verdankt wohl nur ihren Ursprung dem Um-
stände, dass als Heerführer zumeist nur Hunyady genannt wird, auf dessen Initiative
wohl auch alle Anordnungen zurückzuführen sind, was bei der Jugend und Un-
erfahrenheit des Königs wohl begreiflich erscheint.
^^) Kanitz meint, das denkwürdige Gefechtsfeld dürfte zwischen PetriCevo
(Petrisch) und Poibren nahe dem Schismanberg — einem Kerg am rechten Ufer
des Topolnizabaclies, auf welchem der kleine Ort Schismane liegt, der sich zur Vor-
— 77 —
Vorabende des Weihnachtstages bestand der König noch einen harten
Kampf, der vom Morgen bis in die Nacht währte. 2*) Aus ihrer Stellung
auf dem Berge überschütteten die Türken das ungarische Heer mit
einem Pfeilregen, auch Wladislav wird von einigen Pfeilen getroflfen,
die nur durch die Rüstung aufgehalten werden. Dieser Kampf scheint
der letzte gewesen zu sein, der um den Uebergang durch die Pässe
geführt wurde. Die Erfolglosigkeit weiterer Bemühungen einsehend,
ordnet der König den Rückzug an, der umso nothwendiger erscheint,
als auch Krankheiten einreissen, unter den Pferden eine verheerende
Seuche ausbricht, die Lebensmittel allmähhch zu schwinden beginnen,
das verwüstete Land hiefür keinen Ersatz, und die verheerten Städte
bei der eingetretenen Kälte keine Unterkunft bieten.
Unbelästigt vom Feinde, der durch die Ungunst der Witterung
von der augenblicklichen Verfolgung abgehalten wurde, traten die
Ungarn den Rückzug in grosser Eile an. Die Beute, welche man nicht
fortschaffen konnte, wurde theils in die Brunnen geworfen oder ver-
tilgt, die Fuhrwerke, zu welchen die Zugthiere fehlten, verbrannt.
Der Sultan schickte nun zur Verfolgung der Ungarn den Kasim
Pascha mit den europäischen Reitern und vier anatolischen Sandschak-
begen nach. Dieser folgte dem ungarischen Heere über den Isker und
die Nischawa und traf erst am Fusse des Kunovizapasses mit ihm zu-
sammen. Die Nachhut der Ungarn musste, während der König und
Hunyady schon den Kunovizapass betreten hatten, zur Deckung des
Rückzuges am linken Ufer des Crnevareka — rothen Baches — stehen
bleiben. Hier zeigten sich plötzlich am anderen Ufer des Baches Reiter,
welche nicht Miene machten, zum Angriff überzugehen. Auf die Meldung
des Befehlshaber der Nachhut — es soll Georg Brankovic gewesen
sein — Hess der König die Wagen unter Bedeckung von Fussvolk
weiter fahren und kehrte mit Hunyady zurück. Bevor er noch bei
der Nachhut angelangt war, hatte aber der Kampf schon begonnen.
Die Ungarn hatten sich durch das Wasser, das den Pferden bis an
den Bauch reichte, auf die gegenüberstehenden Reiter gestürzt und sie
theidigung des Thaies besonders eignet — stattgefunden haben. Die Volks-Tradition
knüpft an diesen Punkt die Sage einer grossen Schlacht, welche einst hier statt-
gefunden habe.
-^) Wenn Dlugos, der kein Augenzeuge dieser Kämpfe war, von »bombardis,
sagitis balistarum et alliis jaculis« spricht, mit welchen man die Türken vom Berge
vertreiben wollte, so wäre zu bemerken, dass Geschütze (bombardae) sonst nicht er-
wähnt werden, sonstige Schleudermaschinen aber kaum bis gegen Slatiza geführt
worden sein dürften, er daher mit seinen Angaben wohl nur den späteren Begriffen
einer heissen Schlacht Rechnung tragen wollte.
zurückgedrängt. -'*) Die Dämmerung war schon eingetreten, als die Ver-
folgenden auf einer Wiese — wohl zwischen Crnevareka und dem
Mokrobache — Wachtfeuer und, um dieselben gelagert, das türkische
Heer wahrnahmen. Obwohl an Zahl gering, warfen sie sich unter
grossem Lärm mit Trommel- und Trompetenschall auf den einen Angriff
nicht gewärtigenden Feind. Panischer Schrecken ergriff die Türken,
fast ohne sich zu wehren, flohen sie, ihre Zelte und alles im Stich
lassend. Vom aufgehenden JMondschein begünstigt, währte die Ver-
folgung bis Mitternacht, Tausende von Leichen bedeckten das Schlacht-
feld. Unter den Gebliebenen war auch ein Verwandter des Sultans,
der in Tamjaniza, einem Orte am Eingange des Kunovizapasses, be-
graben wurde. ^") Beute durfte trotz der günstigen Gelegenheit nicht
gemacht werden, da sie fortzuschaffen unmöglich war. Kasim Pascha
selbst und Mahmud Tschebeli. des Sultans Schwager und Beg eines
asiatischen Bezirkes,^') wurden gefangen, sie wurden geschont,
170 andere Gefangene auf Hunyady's Befehl niedergemacht. Noch auf
dem Schlachtfelde schlug König Wladishiv mehrere zum Ritter.
Diese Schlacht, die letzte des »langen Feldzuges«, welche um
Mitternacht bei Mondbeleuchtung endete, muss, da der Vollmond im
'-^) Eine genaue Angabe über den Ort dieses Kampfes fehlt, nachdem aber
die beiden Heere durch ein so tiefes Wasser getrennt waren, dass es den
Pferden beim Durchfurten bis an den Bauch reichte, so kann selber nur an der
Mündung des Crvenareka — rothcn Baches — in die Nischawa stattgefunden haben.
Der Crvenareka ist eiu Wildbach mit sehr wechselndem W^asserstande; bis in die
neueste Zeit nicht überbrückt, war er aber doch mächtig genug, um im Jahre 1885
die jetzt dort befindlichen beiden Brücken fortzureissen; der Nischawafluss ist in
der ganzen Gegend nicht zu durchfurten, und der bei Bela-Palanka in denselben
mündende Mokrabach hat so steile Ufer, dass er nur auf der Brücke oder durch
Fussgänger bei den jetzt oberhalb derselben befindlichen Mühlen überschritten
werden kann, welche Mittheilungen ich Kanitz verdanke. Mit vollem Rechte glaube
ich daher den Ort dieses Zusammenstosses beider Heere an den rothen Bach verlegen
zu können. Als Ort der Schlacht gibt Bonfinius und Michael Konstantinovic (auch
der Janitscliar oder Constantin von Ostrovica genannt) übereinstimmend die »Gegend
am Berge Cunoviza« an. Leunclavius lässt sie an der Nischawa, die am Fusse des
Kunovizagebirges vorbeifliesst, schlagen, während Callimachus, der den König als
Secretär begleitete und der Schlacht beiwohnte — auch durch einen Pfeil am Finger
verwundet wurde — die »letzten Abhänge des Hämus am Berge Cunoviza auf den
Feldern von Jalovaz« angiebt, letzteres eine Ortsbezeichnung, welche in der zurück-
gelegten Strecke jetzt nicht mehr zu finden ist.
■'") Gegen Ende des XV. Jahrhunderts fand der aus der Türkei zurückkehrende
Michael Konstantinovic das Grab noch vor.
^') Es ist nicht sichergestellt, ob Mahmud Tschelebi bei diesem letzten Kampfe,
oder schon in einem früheren Gefechte gefangen wurde.
- 79 • -
Jänner des Jahres 1444 auf den 5. dieses Monates fieP-), an diesem
oder einem der nächstfolgenden Tage stattgefunden haben.
Der sogenannte »lange Feldzug«, dessen Ausgang zwar den
o-eheo-ten Erwartungen nicht entsprach, fand mit diesem letzten Siege
noch zur rechten Zeit einen glänzenden Abschluss. Die Türken stellten
die weitere Verfolgung ein, aber auch das ungarische Heer, durch die
Anstrengungen des Krieges auf das Aeusserste erschöpft, ja vielleicht
Schlacht am Fiisse dos Kimovizagebirges Anfangs Jänner (ungefähr
den C).) 1444.
Schichtenhöhe 50i^
A Nachhut der Ungarn.
B Hauptcolonne der Ungarn.
C Train der Ungarn.
7) Vorhut der Türken.
£ Lager der Türken.
der Auflösung schon nahe, setzte nach kurzem Aufenthalt in Serbien
den Rückmarsch fort. Schon in Serbien kamen Friedensanträge von
Seite des Sultans, den eine dritte Erhebung des Fürsten von Karaman
nach Kleinasien rief. Die Anträge wurden abgewiesen, aber auch die
Bemühungen des Despoten, den König zum Ueberwintern des Heeres
in Serbien und zur Fortsetzung des Krieges bis zur Wiedereroberung
^-) Nach Mittheilung des Directors der Wiener Sternwarte, Dr. E. v. Weiss,
fiel der erste Vollmond im Jahre 1444 auf den 5. Jänner, und zwar einen Sonntag
— den 13. Ramadan des Jahres 847 der Hegira. — Da die Ungarn den 25. De-
cember 144.S den Rückzug aus dem Thale von Slatiza antraten, so können sie den
5. oder 6. Jänner am Fusse des Kunovizagebirges angelangt sein; der Schlachttag
wäre damit annähernd sichergestellt.
- 80 —
seines Landes zu bewegen, blieben vergeblich. In Belgrad blieb Hunyady
zur Vertheidigung der Grenzen zurück. Anfangs Februar 1444 traf
der König in Ofen ein. In feierlichem Einzüge wurden die erbeuteten
Fahnen und 4000 Gefangene, darunter mehrere Begs und Paschas,
als Zeichen des Sieges mitgeführt. In der Marienkirche zu Pest wurde
das Dankesfest gefeiert, die erbeuteten Fahnen niedergelegt und zwölf
Wappen der hervorragendsten Krieger aufgehängt. An die Wieder-
aufnahme des Krieges wurde im Augenblicke nicht gedacht, die ange-
worbenen Krieger wurden entlassen und zerstreuten sich.
So endete der mit sD geringen Mitteln unternommene Krieg,
obwohl er einzelne so glänzende Siege aufzuweisen hatte, ohne allen
nachhaltigen Erfolg. Alle Eroberungen wurden wieder aufgegeben, die
christlichen Bewohner der durchzogenen Länder, die sich vertrauens-
voll dem sieerreichen Heere angeschlossen hatten, der Rache der Türken
wieder preisgegeben und das ganze Land verwüstet, wobei Christen
und Mohammedaner gleichmässig zu leiden hatten. Im christlichen
Abendlande aber machte es einen gewaltigen Eindruck, dass die so
gefürchteten Türken in so vielen Schlachten besiegt wurden und trotz des
heftigen W^iderstandes ein so beträchtlicher Theil ihres Landes durch-
zogen werden konnte. Von allen Seiten kamen Gesandte an den Hof
Wladislav's, um ihm Glück zu wünschen und zur Fortsetzung des
Krieges aufzumuntern. Papst Evigen IV., die Venetianer, Philipp von
Burgund versprachen die Absendung von Kriegsschiffen an den Helles-
pont, um den Uebergang türkischer Truppen aus Asien zu hindern.
Alles dies bewog den Ende April zu Ofen abgehaltenem Reichstag,
die Wiederaufnahme des Krieges zu beschliessen ; die Einhebung von
Steuern für denselben wurde willig gewährt und die Aufstellung eines
Söldnerheeres angeordnet.
Georg Brankovic, der an Hunyady zum Ersatz für Rüstungs-
aaslagen die Herrschaft Vilagos überliess, Avar mit dem Plane eines
grossartigen Unternehmens gegen die Türken, das hauptsächlich vom
pästliehen Legaten Cardinal Julian Cesarini befürwortet wurde, nicht
zufrieden, da ihm Murad schon zu Beginn des Jahres 1444 die Her-
ausgabe von Serbien anbot, und ihm seine beiden Söhne — wenn auch
geblendet — zurückstellte. Da es Brankoviö zunächst um die Wieder-
erlangung seines Landes zu thun war, führte er die Verhandlungen
weiter und gewann auch Hunyady, der die Kräfte des Landes für
einen neuen Angriffskrieg zu erschöpft gehalten haben mag, für den
Frieden. Obwohl die Vorbereitungen für den Krieg schon beschlossen
waren, kamen die Friedensanträge für Ungarn nicht ganz unerwünscht,
— 81 —
umsomehr, als die Bedingungen, zu welchen der Sultan sich herbei-
liess, wenn sie auch unleugbar den Keim zu neuen Conflicten in sich
trugen, für den Augenblick doch sehr günstig schienen. Er wollte
Serbien mit allen Festungen und dem früher zu Serbien gehörigen
Theil Albaniens an Georg zurückgeben, und die Oberhoheit Ungarns
über Serbien und die Walachei anerkennen wenn auch beide Länder
zugleich an den Sultan Tribut zahlen sollten. Bosnien, wo Stephan
Thomas mit Uebergehung Ciilis zum König gewählt worden war und
sich den Ungarn unterworfen hatte, wurde dadurch auch wieder frei.
Für die Freigebung seines Schwagers und der übrigen Gefangenen
erbot sich der Sultan, 100.000 Ducaten zu zahlen und sogar dem
König Wladislav im Falle eines Krieges 25.000 Mann zuzuführen.
Die Siege der Ungarn in den letzten Jahren waren auf den Sultan
nicht ohne Einfluss geblieben; die Rüstungen des Abendlandes zur
See blieben ihm nicht unbekannt; der Aufstand der Fürsten von
Karaman war noch immer nicht ganz unterdrückt. Georg Castriota^^)
— Skanderbeg genannt — der Sohn des vertriebenen Fürsten von
Croja in Albanien hatte sich seines Landes wieder bemächtigt und
einem türkischen Heere eine blutige Niederlage beigebracht; der Sultan
fühlte daher selbst dringend die Nothwendigkeit, einen Theil seiner
Feinde zur Ruhe zu bringen, um unterdessen die übrigen nieder-
zuwerfen. Gesandte Murad's, die, in der Meinung, Hunyady wäre der
eigentliche Regent Ungarns, zuerst mit Friedensanträgen zu diesem
nach Temesvär kamen, wurden an den König gewiesen, von welchem
die Entscheidung abhänge.
Auf dem Reichstage zu Szegedin begann sich bereits die
ungarische Streitmacht zu sammeln; dorthin beschied der König auch
^^) Georg Castriota, von den Türken Skanderbeg, d. i.. Alexander Beg, genannt,
war der Sohn des Fürsten Iwan von Croja in Albanien, dem alten Epirus; er kam
1423 nach Unterwerfung seines Vaters als neunjähriger Knabe an den Hof des
Sultans, wo er seinem Glauben entsagen musste. Durch seine Kühnheit und Tapfer-
keit in den Kriegen Murad's in Asien erwarb er sich des Sultans Gunst. Als Georg's
Vater 1431 starb, verlangte er sein Erbe zurück, das ihm von dem misstrauischen
Sultan verweigert wurde. Als das türkische Heer am 3. November 144H bei Nissa
geschlagen wurde, zwang Georg bei Nacht den beim Heere anwesenden Secretär des
Sultans unter Androhung des Todes, ihm einen Ferman auszustellen, der den Befehls-
haber von Croja anwies, ihm die Festung und Verwaltung des Landes zu übergeben.
Nachdem er dem Schreiber des Fermans den Dolch in die Brust gestossen hatte, ver-
liess er in der Verwirrung der Flucht mit 300 Albanesen das Heer und setzte sich
so hinterlistig in den Besitz seines väterlichen Erbes. Ganz Albanien erhob sich nun,
und schon im Juni 1444 konnte Georg einem türkischen Heere eine Niederlage in
der Dibraschlucht beibringen.
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osnoanen. 2. Aufl. 6
— 82 —
die türkischen Gesandten, theils um ihnen zu imponieren, theils auch
um bei ■widrigem Ausgange der Verhandlungen gleich losschlagen zu
können. Mitte Juli erapfieng König Wladislav die 100 Mann starke
Gesandtschaft, an deren Spitze ein griechischer Renegat stand, und
nahm Murad's Geschenke entgegen. Die Friedensbedingungen wurden
annehmbar befunden und ein zehnjähriger WaflFenstillstand geschlossen,
der vom König und den ungarischen Grossen auf das Evangelium,
von Murad's Gesandten auf den Koran beschworen wurde. Die in
Ungarn bereits angeworbenen Söldner wurden entlassen, Kreuzfahrer
aus dem Auslande waren noch keine eingetroffen.
Georg Brankovic, der seine ganze Beredsamkeit aufgeboten hatte,
um die Noth wendigkeit darzuthun. zuerst Serbien zu befreien, bevor
man an grössere Unternehmungen denken könne, kehrte nun nach
Serbien zurück, um sein Land von den Türken zu übernehmen, und
blieb den nächsten Ereignissen in Ungarn gänzlich ferne.
Fünftes Capitel.
König Wladislav beschliesst den Frieden zu brechen. — Das ungarische Heer zieht
bis Varna. — Sultan Murad I. übersetzt den Bosporus und folgt dem ungarischen
Heere. — Schlacht bei Varna. — Niederlage der Ungarn und Tod des Königs. — Hunyady
kehrt nach Ungarn zurück. — 1444.
Während der ganzen Friedensverhandlungen beobachtete der
Cardinallegat Julian Cesarini ein finsteres Stillschweigen. Nicht Willens,
sie zu billigen, konnte er unter den für Ungarn so günstigen Verhält-
nissen sich der Annahme derselben auch nicht widersetzen. Kaum
hatten aber die osmanischen Gesandten mit dem Friedensvertrage,
dessen Bedingungen in kürzester Zeit erfüllt werden sollten, Szegedin
verlassen, so langte vom Cardinal Francesco Alberti, dem Admiral
der päpstlichen Flotte, die Botschaft an, er habe rüit der vereinigten
burgundisch-italienischen Flotte am Hellespont Stellung genommen, und
einem türkischen Heere den Weg von Kleinasien versperrt; das von
Truppen ganz ~ entblösste Europa von den Türken zu befreien sei
leicht, wenn der König rasch mit einem Heere nach Rumelien ziehe.
Auch der byzantinische Kaiser Johann Paläologas warnte vor dem treu-
losen Türken, der den Frieden nur geschlossen habe, um sich aus
seiner gefahrvollen Lage zu retten, und ihn später umso sicherer
brechen werde, um sich für die auferlegten Opfer zu rächen. Die
Ankunft der Kreuzfahrer stand auch schon bevor. Endlich kam auch
noch die Nachricht, dass Murad, der noch vor Abschluss des Friedens
nach Kleinasien übersetzt war, der Kriege überdrüssig, die Regierung
seinem zwölfjährigen Sohne übergeben und sich zum Genüsse voll-
ständiger Ruhe nach Magnesia zurückgezogen habe.
Der König und alle, die für den Krieg eingenommen waren/
bereuten nun den voreilig geschlossenen Frieden, und Cesarini, der
durch denselben das schönste Ziel seines Lebens — die Vertreibung
der Osmanen aus Europa — vereitelt sah. feuerte den glaubenseifrigen
6*
— 84 -
König, auf den alle diese Nachrichten nicht ohne Eindruck blieben,
noch mehr zur Wiederaufnahme des Krieges an. Der Cardinallegat
erklärte nun, Wladislav habe gar nicht das Recht gehabt, ohne Zu-
stimmung des Papstes und hinter dem Rücken seiner Bundesgenossen
mit den Ungläubigen Frieden zu schliessen, und löste ihn zur Be-
ruliigung seines Gewissens von dem Eide, den er den Feinden der
Christenheit geleistet hatte. Auch Hunyady soll erst dadurch für den
Krieg gewonnen worden sein, dass ihm der Cardinallegat die Erhebung
zum König von Bulgarien in Aussicht stellte.
Auf dem Reichstage zu Szegedin am 4. August 1444 sprachen
sich zwar die polnischen Abgeordneten für die Erhaltung des Waffen-
stillstandes aus, der König aber und seine Grossen waren für den
Krieg, und schworen einen Eid, dass sie am 1. September mit einem
Heere in der Gegend von Orsowa sein und dann ungesäumt nach
Rumelien vordringen würden. Das Gelübde übernahmen und unter-
zeichneten jene Prälaten und Herren, welche den König begleiten
wollten: die Bischöfe Simon Rozgonyi von Erlau, Johann de Dominis
von Gross wardein und Rafael von Bosnien, dann Johann Hunyady;
ihre Zustimmung bezeugten auch der Bischof von Cscinad, der Palatin
Hedervary, der Landesrichter Georg Rozgonyi, der Oberststallmeister
Paloczy, der Oberschatzmeister Orszäg, der Mundschenk Czudor und
sieben andere Magnaten.
In grosser Eile wurden nun die Vorbereitungen zum Kriege
getrofi'en; das Heer sollte zahlreicher werden als im Vorjahre. Die
Vasallenländer, ebenso alle christlichen Staaten Europas wurden zur
Mithilfe aufgefordert. Stephan Thomas von Bosnien, die Moldau und
Walachei verpflichteten sich zum Beistand, während der Despot von
Serbien hartnäckig jede Mithilfe verweigerte. Brankovic hatte durch
den selbst vermittelten Frieden den Besitz seines Landes erreicht, den er
anstrebte; da Murad. bemüht, allen Friedensbedingungen zu entsprechen,
Serbien zwar nicht binnen acht Tagen, was schon der Entfernung wegen
unmöglich war, aber doch bis halben September geräumt hatte,
erlaubte er keine Ursache zu haben, den Frieden wieder zu brechen. In
Polen beschworen die Stände den König, als seine Gesandten den
Beschluss des Krieges bekannt gaben, mit Hinweis auf die Tataren-
einfälle und auf die Uneinigkeit im Lande, welche seine Anwesenheit
dringend nothwendig machte, von dem verhängnissvollen Vorhaben,
auf dem der Segen Gottes unmöglich ruhen könne, abzulassen; eine
ausgiebige Hilfe von dort war daher nicht zu erwarten, ein Theil der
angeworbenen Söldner zog sogar aus Gereiztheit gegen die Ungarn
— 85 —
wieder ab. Auch die westeuropäischen Staaten verhielten sich theil-
nahmslos, und die neuerdings versprochene, ohnedies fragliche Hilfe
des byzantinischen Kaisers hätte erst später zur Geltung kommen
können. Castriota wollte aus Albanien mit 3000 Reitern zu den Ungarn
stossen. wurde aber von Brankovic in den Gebirgspässen aufgehalten
und am Durchzuge durch Serbien verhindert.
Auch in Ungarn fand der Feldzug den erwarteten Beifall nicht:
ausser den drei Bischöfen schlössen sich nur wenige Bannerherren an,
und als die Zeit zum Aufbruch kam, hatten sich in Szegedin kaum
mehr wie 10.000 bis 12.000 Mann eingefunden, von welchen ungefähr
zwei Drittel Ungarn, der Rest zur Hälfte je polnische und andere
Kreuzfahrer waren J)
Nicht am 1. September, aber doch in der zweiten Hälfte dieses
Monats traf der König in Orsowa ein. Hier stiess auch Hunyady, der
zum Oberbefehlshaber ernannt wurde, mit 4000 meist aus eigenem
Gelde angeworbenen Reitern zum Heere.
Der König übersetzte ungefähr am 20. September bei Orsowa
die Donau. Mehr wie 1000 Wagen, die zur Nachfuhr von Proviant
und zur Beförderung des mit übermässigem Aufwände ausgestatteten
Hofhaltes dienten, wurden unterhalb Severin über den Strom gesetzt.
Um den Train nicht zu belasten, Hess man aber die schweren Geschütze
zurück und führte nur wenige kleinere Feuerschlünde mit. Am ersten
Marschtage erreichte das Heer einen Markt — vielleicht Kladowa — ,
nach dessen Einnahme die daselbst wohnenden Türken erschlagen
^) Die Quellen für diesen Zug-, besonders aber über die Schlacht bei Varna,
zum Theil auch von Zeissberg angeführt und ihrem Werte nach beurtheilt, sind:
Dfugos, meist den Aufzeichnungen des Bischofs Spitignew von Krakau folgend und
gegen Hunyady nicht unparteiisch; die Briefe des Aeneas Silvius; Gregor von Sanok,
später Erzbischof von Lemberg, der als junger Priester den Zug mitmachte; Bonacorsi
— Callimachus genannt — meist den Mittheilungen Diugo's und Gregor's folgend;
die Byzantiner Georgius Phrantzes und Nikolaus Chalkocondilas, zum Theil auch von
den bei Hammer und Zinkeisen angeführten türkischen Quellen, Derwisch Achmed,
Xeschri, Idris und Seadeddin beeinflusst, dann der Zeitgenosse und Biograph Skander-
beg's, Marinus Barletius; der Brief des Andreas de Palatio an den Cardinal Ludovicus;
die Aufzeichnungen des Constantin von Ostraviza, endlich das bereits erwähnte,
Gedicht Beheim's; Bonfinius schrieb erst viel später. Thuroz und Kattona bringen
ungarische Quellen. Von Neueren sind zu erwähnen Engel und Fessler, besonders aber
die wertvolle Abhandlung Köhler's über die Schlacht bei Varna; weniger wertvoll ist
die Darstellung dieser Schlacht von Schels. In topographischer Beziehung, soweit es
das Schlachtfeld von Varna betrifft, haben Jochmus, Kanitz und C. JireCek wesentlich
zur Aufklärung desselben beigetragen ; nicht unerwähnt kann ich hier die Mittheilungen
lassen, welche ich dem österreichisch-ungarischen Generalconsul, Herrn Karl Peez, über
Varna und seine Umgebung verdanke.
- 86 —
wurden. Nach vier bis fünf Tagen überschritt das Heer den Timok und
traf am sechsten Marschtage — ungefähr am 26. September — vor
Widdin ein (die Entfernung von Orsowa nach Widdin beträgt bei
110 Kilometer). Hier hielt sich das Heer mehrere Tage auf, scheint
auch die Vorstädte, um die ein Kampf geführt wurde, zerstört, die
Stadt selbst aber nicht eingenommen zu haben. 2) Im Vormarsche wurde
Rahowa berührt, das von den Türken in der Nacht vorher geräumt
worden war. Das christliche Heer Hess sich während des Marsches zu
vielen Ausschreitungen hinreissen; Rauben war an der Tagesordnung,
auch christliche Bewohner wurden nicht geschont; sogar Kirchen —
freilich schismatische — wurden beraubt und zerstört. Die Sympathien
der Bevölkerung erwarb sich das Heer nicht.
Von Widdin führt der nächste Weg nach Gallipoli, wo die Ver-
einigung des Heeres mit der Flotte in Aussicht stand, über den Balkan
in das Marizathal gegen Adrianopel. Obgleich ein türkisches Heer zur
Vertheidigung der Gebirgs Übergänge nicht vorbanden war, so war doch
an ein Ueberschreiten des Balkans, der selbst noch in späterer Zeit
als kaum gangbar gehalten wurde, in so später Jahreszeit und mit so
grossem Train nicht zu denken; ebenso wäre die Verpflegung in dem
dünn bevölkerten Hochgebirge ohne geordneten Nachschub kaum mög-
lich gewesen. Ein zweiter Weg führt mit Umgehung des Balkans über
Varna, dann längs der Küste des Schwarzen Meeres über Constantinopel
nach Gallipoli. Die Verpflegung des Heeres erschien hier um so leichter,
als man sich anfangs von der Donau nicht zu weit entfernte und von
Varna an schon auf die Mitwirkung der Flotte rechnen zu können
glaubte. Diesen Weg einzuschlagen, entschloss sich nun der König.
Nach weiteren 18 Tagmärschen, ungefähr am 26. Marschtag seit
dem Aufbruch von Orsowa, am 16. October erreichte das Heer Niko-
poli (von Widdin bei 220 Kilometer; es wurden demnach im Durch-
schnitte kaum mehr wie 12 Kilometer täglich zurückgelegt). Da Nikopoli
befestigt und mit zahlreicher Besatzung versehen war, die Belagerung
der Stadt aber bei dem Mangel an Geschützen und Belagerungs-
maschinen zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte, begnügte sich
der König, die Vorstädte niederzubrennen. W^ährend eines zwei- bis
dreitägigen Aufenthaltes vor der Stadt kam Wlad Drakul, der Woy-
wode der Walachei, mit 4000 Reitern zum Heere ; er suchte den König
-) Nach Beheim wären Widdin und Nikopoli vom ungarischen Heere einge-
nommen und die türkische Bevölkerung niedergemacht worden, während die Christen
sich in Widdin dem Heere angeschlossen hätten; beides unwahrscheinliche und im
Widerspruch mit anderen Quellen stehende Angaben.
- 87 -
von der Fortsetzung des Feldzuges abzubringen, indem er darauf Hin-
wies, dass das Jagdgefolge dos Sultans allein sclion grösser- wäre, wie
das ungarische Heer. •') Der Siege des Vorjahres eingedenk, und dem
Rathe Hunyady's sowie des Cardinallegaten folgend, gieng der König
darauf nicht ein, obwohl er auf weitere Hilfe nicht zu rechnen hatte,
denn hier traf ihn auch die Nachricht, dass Brankovic, der die pflicht-
mässige Heerfolge selbst verweigerte, auch Skanderbeg den Marsch
durch Serbien verwehrte, und dass der byzantinische Kaiser, von dem
man erwartete, dass er kriegsbereit an den Dardanellen stünde, in
Serbien die Hochzeit seiner Nichte mit einem Sohne des Despoten
feierte.. Wlad kehrte unmuthig zurück und überliess die Führung der
Avalachischen Reiterschar seinem Sohne.
Hunyady führte nun mit 3000 Ungarn und den Walachen die
Vorhut, ihr folgten die Wagen und dann der König mit den übrigen
Truppen. Ueber den Weg, welchen das Heer ferner einschlug, sind
die auf uns gekommenen Nachrichten sehr spärlich und unzuverlässig;
gewiss ist, dass das Heer nicht — wie mehrfach behauptet wird —
über Nikup an der Rusiza, dem alten Nicopolis ad Istrum, und über
Trnowa zog.') Ob Sistov, Ruscuk oder Rasgrad berührt wurde, ist un-
^) Gelegentlich eines Kriegsrathes vor Nikopoli soll Wlad mit Hunyady in
Streit gerathen und auf ihn mit gezogenem Säbel eingedrungen sein, was seine Ver-
haftung zur Folge gehabt hätte. Thatsache ist, dass Wlad selbst dem König auf seinem
Zuge nicht weiter folgte. Auch soll dieser Zwist die später zum Ausbruch gekommene
Feindschaft zwischen Wlad und Hunyady veranlasst haben.
*) Ueber den Marsch des ungarischen Heeres bis Nikopoli bringen Palatio wie
Beheim wenig verlässliche Nachrichten. Ueber den weiteren Vormarsch führt P^latiö
an, das Heer wäre auf einer Kömerstrasse vorgedrungen, auf welcher > kostbare Ge-
bäude, und Marmor-Monumente, stolze Bögen und hohe Säulen in; ihren Trümmern die
Zcrstörungswuth der Türken bezeugten«. Diese Reste der Römerherrschaft haben wohl
nur in der Einbildung Palatio's existiert, denn in Nikup sowohl wie in Devna — dem
alten Marcianopolis — können schon damals nur Schutthaufen vorgefunden worden
sein. Eine Römerstrasse führte auch zum Theile längs der Donau. Gegen die An-
nahme, dass das Heer über Nikup und Trnowa gezogen wäre, spricht auch der Um-
stand, dass in diesem Falle das Heer des Sultans den König wohl schon bei dieser
Stadt eingeholt haben müsste, was nicht geschah. Beheim bringt nun über die letzte
Marschstrecke bis Varna nach Mägest's Erzählung viele und an und für sich auch
glaubliche Details, die sich auf dessen eigene Erlebnisse, vielleicht aber auch auf Er-
zählungen Anderer gründen, in einem oder dem anderen Falle möglicherweise auch
gleichzeitig geschehen sein können. Beheim lässt das Heer in einem Tage »Kahautsch«
— eine iinbekannte Stadt — , nach weiteren zwei Tagen Jenibazar und nach vier-
tägigem Aufenthalt Schumla erreichen. Dass das ungarische Heer am 9. November
vor Varna ankam, ist sichergestellt ; rechnet man nun nach Beheim's Angahen nach
rückwärts, so müsste das ungarische Heer am 11. October von Nikopoli aufgebrochen
und schon am 16. vor Jenibazar gestanden sein, mithin in sechs Tagen eine Strecke
— 88 -
sicher; Beheim nennt nur den Ort Rahautsch. es dürfte damit wohl
Ras^rad s^emeint sein. Erst über das Eintreffen des Heeres vor Jenibazar
und Schumla sind wieder ausführlichere, wenn auch nicht ganz ver-
lässliche Angaben vorhanden.
Aus Jenibazar. einer Stadt mit Schloss, in welcher nach mehr-
tägiger Belagerung alle Bewohner erschlagen und selbst das Vieh nicht
geschont wurde, erliess der König am 24. October einen Aufruf, in
welchem er die Uebergabe von Schumla, Mahoraz (Mracovo, unweit
von Pravadi), Petrez, Cavarna, Varna und Galata, sowie aller übrigen
in Thrazien gelegenen, den Christen entrissenen festen Orte verlangt,
und den türkischen Besatzungen im Falle der Uebergabe freien Ab-
zug, im Falle des Widerstandes aber den Tod versprach. Als Ueber-
bringer dieses Aufrufes wurden gefangene Türken verwendet, welche
die Freiheit erhielten.
Schumla mit einer auf Felsen gelegenen Burg, in welche sich
viele Bewohner aus der Umgebung geflüchtet hatten, wurde nach
hartnäckigem Kampfe am dritten Tage genommen. Auf einen Thurm
hatten sich die Hauptleute mit 50 Mann geflüchtet; als in denselben
eine OefFnung gebrochen und Feuer angelegt wurde, stürzten sich die
Vertheidiger, nachdem sie die Wafien weggeworfen hatten und ihnen
keine Gnade gewährt wurde, von der Höhe des Thurmes herab. Fünf
Tage verblieb das Heer in Schumla; während des Aufenthaltes daselbst
entsendete der König 500 Mann gegen Trnowa, wo sie wohl auf die
Vorhut des türkischen Heeres gestossen sein dürften; sie wurden ge-
schlagen und kehrten mit einem Verluste von 300 Mann zurück.
Nach einem beschwerlichen Marsch durch eine wasserarme Gegend
gelangte das Heer nach Provadia (griechisch Provadion, deutsch Schaf-
burg), Die Stadt Provadia liegt in einem Thale an dem gleichnamigen
Flusse, der einen Theii des davor liegenden Grabens mit Wasser füllte;
auf dem die Stadt überragenden Felsplateau liegen jetzt die Ruinen
einer zum Theil in Stein gehauenen und mit grossen Werkstücken
ausgeführten Burg Tasch-Hissar, d. i. Steinburg.'') Zwei Tage, den
von beiläufig 200 Kilometer (.33 Kilometer im Tage) zurückgelegt haben, was bei den
schlechten Wegen und dem grossen Train mit Kücksicht auf die geringe Marsch-
leistung der früheren Tage sehr unwahrscheinlich ist. Dass Beheim Jenibazar A-or
Schumla berühren lässt, kann ebenso seiner geographischen Unkenntniss wie der Ver-
gesslichkeit Mägest's oder auch dem Umstände, dass beide Orte von verschiedenen
Abtheilungen zu gleicher Zeit erreicht wurden, zuzuschreiben sein. Es ist auch nicht
unmöglich, dass einzelne Abtheilungen verschiedene Wege benützt haben.
^) Beheim nennt Provadia gar nicht und sagt; »und er (der König) zog vor-
wärts bis zum Morgen, wo er Wasser fand, ein Schloss, das Taschassar war genannt.
— 89 -
4. und 5. November, lag der König vor der Burg, zu welcher der
Aufgang über meist in Fels gehauene Stufen führte. Stadt und Burg
wurden erstürmt, reiche Beute, besonders an Kleidern, wurde gemacht,
der König liess jedoch die Beute abnehmen und unter dem Schloss-
thurme, in welchen sich ein Theil der Besatzung zurückgezogen hatte,
verbrennen. Die Türken, welche dem Feuer, das den Thurm ergriff,
entrinnen wollten, wurden mit einem Pfeilregen überschüttet. Als die
Schichcenhöhe 20m
das lag ober einem Wasser. Es war zu deutsch genannt Steinpürk.« Beheim fasst
die Stadt Provadia und das Schloss Tasch-Hissar, das jetzt noch diesen Namen führt,
zusammen, scheint aber die Begebenheiten vor Steinburg und vor Petrez, wohin das
Heer am folgenden Tage kam, auch miteinander zu verwechseln. Er sagt von Petrez:
» . . . und fanden eine Stadt, darinnen lag ein Haus, gemacht auf einem hohen Berg,
keine schwache Buchs, noch Stiegens Werk konnte ihnen leicht machen Furcht. Stadt
und Schloss hat um einen Graben, gehauen in ein Fels tief, der voller ßegenwasser
lief, man mocht es wohl gehaben. Petrus war es türkisch erkannt, die Petersburg zu
deutsch genannt etc.«, Petrez liegt einsam auf einem Fels, an dessen Fuss nie eine
Stadt war. Was hier von Petrez gesagt wird, stimmt auch mit den Beschreibungen
von Provadia, wie Moltke und Kanitz sie geben, ziemlich überein. Was Dlugos und
Palatio erwähnt, dass eine grosse Zahl Gefangener, Slaven und Ungarn, befreit und
vom König über die Donau nach Ungarn geschickt worden waren, ebenso was Beheim
sagt, dass die Türken sich vor den feindlichen Pfeilen schützen wollten, indem sie
christliche Weiber vor sich hinstellten, weist auf eine grössere Stadt, daher eher auf
Provadia wie auf Petrez hin.
- 90 —
Türken' sich zuFück ziehen mussten, stellten sie in ihrer Gewalt befind-
liche Christenweiber zum Schutze vor sich, auf deren Flehen der König
das Sehiessen einstellte. Endlich wurde die Burg wie die Stadt aber
doch genommen und die Vertheidiger theils in den mit Wasser ge-
füllten Graben geworfen, die fliehen wollten, durch die Pfeile erreicht.
Der Pole Johann von Tarnow wurde hier schwer verwundet; Lesko
von Bobritz zeichnete sich beim Sturme aus, er erstieg der Erste die
Bresche. Eine beträchtliche Zahl von in der Stadt befindlichen Ge-
fangenen, Slaven und Ungarn, wurde in Freiheit gesetzt und über die
Donau nach Siebenbürgen, das durch frühere Verheerungen stark ent-
völkert war, zurückgesendet.
Vor Provadia erhielt der Cardinallegat die überraschende Nach-
richt, dass Sultan Murad die Regierung wieder übernommen und im
Angesicht der Flotte den Hellespont mit einem Heere überschritten habe.
Nach einem weiteren Tagmarsch erreichte das Heer Petrin. Diese
Burg, von Beheim Petrus oder Petersburg, von DJugos und Calli-
machus Petrez und Pezech genannt, liegt — jetzt bereits verfallen —
auf einer steil nach Norden abfallenden Bergzunge gegenüber der
Mündung des Devnathales, unweit dem Westende des oberen Devna-
sees.") Die Südseite der Burg ist durch einen bei 3 Meter breiten,
in Fels gehauenen Graben geschützt. Die Walachen suchten mit Steig-
leitern die Mauern der Burg zu erklimmen, wobei 30 Mann den Tod
fanden. Auch Ungarn versuchten die Mauern zu ersteigen, ein herab-
stürzendes Stück derselben begrub 25 Mann. Der Versuch der Be-
satzung, durch eine Höhle zu entkommen, wurde durch die Walachen
vereitelt. Endlich wurde die Burg aber doch erstürmt und die Ver-
theidiger niedergemacht.
Am nächsten Abend erreichte das Heer — vielleicht aber auch
nur ein Theil desselben — ein kleines Schloss (Mihelitsch nennt es
•') Die Ruinen der Burg Petrez (Petriö kalessi) sind in der russischen Special-
karte von Bulgarien eingezeichnet. C. Jireöek, der sie beschreibt, erwähnt, dass man
am Fusse des Burgfelsens eine Menge von Pfeilspitzen, steinerne Grabkreuze und
Töpfe mit Menschenknochen fand. Kühler wusste vom Vorhandensein dieser Burg nicht,
und suchte es in Pravadi. Der jetzt unbedeutende Ort Devna oder Devnja liegt bei
9 Kilometer nördlich von Petrez an Stelle des von Kaiser Trajan erbauten Marcianopolis
und war schon im Mittelalter vollständig verfallen, jetzt sind kaum Spuren
davon zu finden. Palatio erwähnt, dass in Petrii; 5000 Mann durch Feuer oder
Schwert vernichtet wurden, die Burg ist nicht so gross, um eine solche Zahl'^'er-
theidiger zu fassen, wenn die Türken bei Vertheidigung der festen Plätze Verluste
in so grossem Masse erlitten haben, so kann das wohl nur bei Provadia der Fall
gewesen sein.
— 'Jl —
Beheim); als es die Ungarn am 9. November stürmen wollten, fanden
sie es verlassen.') Ereignisse, welche wohl gleichzeitig mit der Be-
lao^eruns: der letzten Orte vorgefallen sind und nur von Theilen des
Heeres ausgeführt worden sein können, sind die Erstürmung von
Caligra (Cap Gülgrad), eines Schlosses am Nordende der Bucht von
Varna, und die Zerstörung von 28 Galeeren in der Mündung des
Flusses Kamtschik (Pamisus). die wohl bestimmt gewesen sein dürften,
den Türken gelegentlich einer Unternehmung auf der Donau zu dienen.
Noch am 9. November erreichte der König mit dem Heere Varna,
wo ihm die Schlüssel der Stadt und jene der Schlösser von Galata
(am Südende der Bucht von Varna), von Makropolis (der nördlich am
e 20m
Meeresufer sich hinziehenden Vorstadt Varnas) und von Cavarna
(Constantia) übergeben wurden, aus welcher die türkischen Einwohner
geflüchtet waren.
An der Nordseite von Varna bezog das ungarische Heer ein
Lager, aber schon am Abend des 9. November konnte man den Feuer-
schein wahrnehmen, der vom Lager des türkischen Heeres ausgieng.^)
Der Köniff ordnete alle Vorsichtsmassregeln an. er verstärkte die Vor-
'') C. Jireöek meint, dass dieses Schloss an Stelle eines in älteren Karten ein-
gezeichneten, nördlich von Adschemlie gelegenen, jetzt verschwundenen Ortes >Mualitsch«
zu suchen wäre. Kanitz hat den Ort in seiner Karte w^ohl eingezeichnet, ohne jedoch
für die Existenz desselben stehen zu können. In der neuesten russischen Specialkarte
von Bulgarien kommt ein Ort Mualiö nicht mehr vor.
®) DJugos und Palatio schätzen die Entfernung der Lagerfeuer mit 5000, Calli-
machus gar nur mit 4000 Schritten wohl zu gering.
— 92 —
posten, die Pferde blieben gesattelt und die Waffen durften nicht
abgelegt werden. Für den folgenden Morgen wurde ein Kriegsrath
einberufen.
Die Nachricbt, welche der Cardinallegat vom Admiral der christ-
lichen Flotte erhalten hatte, gieng dahin, dass Murad den Thron wieder
bestiegen, mit Karaman Frieden geschlossen und mit 40.000 Mann
unterhalb Gallipoli den Hellespont überschifft habe; die Flotte aber
treffe keine Schuld, weil die Türken heimlich und in der Nacht auf
kleinen Schiffen übersetzt wurden. In der That wurden die Türken
nicht am Hellespont sondern, nachdem Murad sich von der Unmög-
lichkeit, im Angesicht der zahlreichen Flotte den Uebergang zu er-
zwingen oder ihn durch List und Bestechung auszuführen, überzeugt
hatte, nach Umgehung des Marmarameeres am Bosporus, eine Meile
oberhalb Constantinopel. wo heute Anatoli-Hissar liegt, auf kleinen
Schiffen übersetzt. Was für Schiffe es waren, ob griechische oder
genuesische Kauffahrer, ist schwer festzustellen, doch wurde allgemein
behauptet, dass es genuesische Kaufleute gewesen wären, welche für
jeden nach Europa tibersetzten Mann einen Ducaten erhalten hätten.
Der Schrecken, welchen das unerwartete Erscheinen des Sultans ver-
breitete, mag in Constantinopel davon abgehalten haben, dem unmittelbar
vor den Thoren der Stadt bewirkten Uebergang des türkischen Heeres
ein Hinderniss in den Weg zu legen. Dass Murad frühzeitig genug
von dem Beschlüsse des Krieges sowie von den Rüstungen Ungarns
Kenntniss erhielt, wird den Mittheilungen des Despoten von Serbien
zugeschrieben.
Als Sultan Murad nach Europa übersetzt war, erapfieng ihn Chalil
Pascha, der bereits Truppen gesammelt hatte. Mitte October traf der
Sultan in Adrianopel ein, wo er von ungarischen Gefangenen die
Nachricht erhielt, dass das christliche Heer vor Nikopoli stehe. Um
diese Stadt zu entsetzen, brach er, nachdem die Verhältnisse gerade
so zu stehen schienen wie 1396, als Bajesid gegen König Sigismund
zog, auf demselben Wege über den Schipkapass und Trnowo gegen
Nikopoli auf. Würde König Wladislav, statt längs der Donau weiter
zu ziehen, den Weg über Trnowo eingeschlagen haben, so müsste
Murad dort bereits Kenntniss über die Bewegung des ungarischen
Heeres erlangt haben und würde demselben gefolgt sein; so aber zog
Murad bis Nikopoli, und wandte sich dann erst, nachdem er alle ent-
behrlichen Besatzungen an sich gezogen hatte, nach Osten. Durch
die Vorgänge des Vorjahres vorsichtig gemacht, vermied Murad alle
Demonstrationen, die seine Anwesenheit vorzeitig verrathen konnten.
— 93 —
und folgte dem ungarischen Heere unbemerkt, zuletzt kaum in der
Entfernung eines Tagmarsches. Am 4. November soll die Vorhut der
Türken Nachts schon dasselbe Lager bezogen haben, das die Nachhut
der Ungarn am Morgen verlassen hatte. Nun hatte Murad das ungarische
Heer dahin gebracht, wo es ihm nicht mehr ausweichen konnte und
sich mit seiner ganzen ihm mehrfach überlegenen Macht zu messen
gezwungen war. Die Lage des ungarischen Heeres einer solchen Ueber-
zahl gegenüber war in der That bedenklich.
Was wenige Tage früher vielleicht noch möglich gewesen wäre,
den Vormarsch des türkischen Heeres durch eine kräftige Vertheidigung
von Varna zu verzögern, um wenigstens mit einem Theile des Heeres
den Versuch zu machen, Constantinopel zu erreichen, konnte jetzt,
nachdem man mit der Einnahme der kleinen Schlösser so viel Zeit
verloren und nicht unbedeutende Verluste erlitten hatte, nicht mehr
geschehen.
Der Weg wieder durch Bulgarien zurück war durch das türkische
Heer verlegt. Der Rückzug nach Norden, um durch die Walachei
Siebenbürgen zu erreichen, vor sich das unwirtliche Plateau gegen
die Donau zu, dann den mächtigen Strom seihst, ohne Fahrzeuge zum
Uebersetzen desselben vorbereitet zu haben, im Rücken den über-
legenen Gegner, musste unvermeidlich den Untergang des Heeres
herbeiführen. In Varna bleiben, das Heer hinter einer Wagenburg
verschanzen und sich auf die Vertheidigung beschränken, bis die
am Hellespont nun überflüssige Flotte herbeigerufen würde ^) — wie
Cesarini unter Beistimmung der Bischöfe und einiger Magnaten in
Vorschlag brachte — bot keine Aussicht auf Erfolg. Das Heer konnte
in rein defensiver Stellung nicht bis zum Eintreffen der Flotte,
von deren Annäherung man noch keine Nachricht hatte, ausharren;
und wenn sie rechtzeitig noch eintraf, so war es mehr wie fraglich, ob
sie durch Ausschiffung ihrer Bemannung dem Landheere hinreichende
Kräfte zubrachte, um wieder offensiv vorgehen zu können. Endlich hätte die
nur aus 120 Galeeren bestehende Flotte kaum ausgereicht, um nur
die Mannschaft des meistens aus Reiterei bestehenden Heeres vor vor-
zeitigem Untergang zu retten und nach Constantinopel zu überführen.
Wenn der Cardinallegat schliesslich noch die Hoffnung aus-
sprach, die Flotte könnte die eingeschifften Truppen am Hellespont
an das Land gesetzt haben, um den Türken im Rücken Abbruch zu
thun, so kann dies kaum ernstlich gemeint gewesen sein.
^) In der That machte die am Hellespont ganz entbehrliche Flotte gar keinen
Versuch, sich Varna zu nähern.
- 94 -
Hunyady zeigte endlich in dem am Morgen de^ 10. November —
dem St. Martinstage — abgehaltenen Kriegsrathe in längerer Rede,
wie verderblich es wäre, ein nur zur Offensive geeignetes Heer in
eine Wagenburg einzuschliessen, und wie unnütz es wäre, das Heer, das
noch vor Ankunft der Flotte dem Mangel und Hunger erliegen würde,
auf das Eintreffen derselben zu vertrösten. Er wusste auch zu gut den
Wert der offensiven Vertheidigung zu würdigen, um nicht einzusehen,
dass hier der vom Feinde erzwungene Kampf aufgenommen werden
musste, und dass nur noch durch einen Sieg in offener Feldschlacht
ein Erfolg zu erringen wäre. Der König stimmte Hunyady bei und
war entschlossen, die von Murad mehr erzwungene als angebotene
Schlacht anzunehmen, obwohl er zur Heilung eines ihn in der Be-
wegung sehr behindernden Uebels am linken Schenkel noch einige
Tage der Ruhe bedurft hätte.
Varna liegt an einem gegen Osten offenen Busen des Schwarzen
Meeres, auf dessen Enden südlich Galata, nördlich das Schloss Constantia
liegt. Schon im Alterthum war Varna (Odessus) als Handelsplatz
berühmt, der geringen Tiefe wegen konnten aber grössere Schiffe den
Hafen nicht benützen. Die Stadt war von einer mit Thürmen ver-
sehenen Mauer byzantinischen Ursprunges umgeben, innerhalb der-
selben lag ein Castell. von dem 1896 noch Reste erhalten waren. Am
südlichen Fusse der Stadtmauer mündet der IVo Kilometer lange
Abfluss des grossen Devnasees in das Meer. Gegen Westen erstrecken
sich die beiden Devnaseen in einer Länge von 20 Kilometer. In den
oberen See ergiesst sich der Pravadifluss. Das südliche Ufer beider
Seen fällt steil ab und ist von einem bei 350 Meter hohen, meist dicht
bewaldeten Gebirgszug begleitet. Nördlich der Seen, deren Ufer hier
theilweise versumpft waren, zieht sich ein über 300 Meter hoher
Gebirgszug hin, auf dessen stark eingerissenen, theils mit Wald, theils
mit Obst- und Weincultur bedeckten Abhängen mehrere von ackerbau-
treibenden christlichen Bulgaren bewohnte Dörfer lagen. Zwischen
diesem Höhenzug und dem grossen Devnasee breitet sich eine bei
Varna gegen 3000 Schritt breite und schwach gegen die Berge ansteigende
wellenförmige Ebene mit sandigem Boden aus.
Auf dieser Ebene standen sich am 10. November 1444, nur durch
die wellenförmigen Erhebungen getrennt, die beiden Heere kampfbereit
gegenüber.
In der Umgebung von Varna ist das Vorkommen von Tumulis
nicht selten, zumeist dürften sie prähistorischen Ursprunges sein; als
feste Punkte knüpfen sich aber auch Erinnerungen an spätere Er-
— 95 —
eigaisse an einzelne derselben, die sich im Volksmunde noch durch
liln"-ere Zeit erhielten; so bestand ein Tumulus ausserhalb der alten
Stadtmauer, der seit einigen Jahren demoliert wurde und noch im
Jahre 1847 als Merkzeichen für das Lager der Ungarn galt.'*')
Weiters befinden sich zwei Hügel nördlich der Abzweigung
des Weges nach Adschemlje von der Strasse nach Pravadi, bei
welchen Murad mit den Janitscharen Stellung genommen haben soll.
Ob diese Hügel dem Jahre 1444 ihren Ursprung verdanken, ebenso
wie die an der Ostseite derselben aufgeworfenen Gräben, ist ungewiss.
Wie die Hügel dem Verfalle nahe, so scheinen auch die Erinnerungen
an die Ereignisse, welche sich daran knüpften, im Volksmunde der
Veroressenheit verfallen zu sein.")
Hunyady, dem als obersten Befehlshaber die Aufstellung des
Heeres zukam, sah sich gegenüber der grossen Zahl des türkischen
Heeres genöthigt, von der damals üblichen Schlachtordnung in
^'') Dem k. u. k. Generalconsul in Varna, Herrn Karl Peez, verdanke ich
zumeist die Mittheilungen über die Umgebung von Varna. Der erwähnte Tumulus
in der Nähe der alten Stadt, wahrscheinlich derselbe, welcher noch im Jahre lf*47
dem General Jochmus von seinem Führer als Kennzeichen für die Lage des ungari-
schen Lagers bezeichnet wurde, ist vor mehreren Jahren abgetragen und aus-
geglichen worden; man fand in selbem ein regelmässig ausgeführtes Grabgewölbe, in
welchem ein Skelet mit einem zweifellos prähistorischen Goldblech gelagert war.
^*) General Jochmus erwähnt diese beiden Hügel, welche ihm noch im
Jahre 1846 als »Murad Tepe« und »Sandschak Tepe« gezeigt wurden, und vermuthet,
dass auf einem derselben die Lanze mit dem gebrochenen Friedensvertrage, später
das Haupt des Königs Wladislav zur Schau gestellt wurde, während auf dem anderen
— türkischem Gebrauche entsprechend — die grosse Fahne entfaltet wurde, und dass
hierauf die Benennung beider Tumuli beruht; er meint auch, dass vor den Hügeln
sich ein Wall befunden habe, dessen Trace sich an einzelnen Stellen noch verfolgen
liess. Peez hält es auch für wahrscheinlich, dass an diese Hügel sich die Erinnerung
an die Schlacht von 1444 knüpfe, fand auch an der Südostseite derselben die Spuren
des Grabens, ist aber der Ansicht, dass letzterer A'on militärischen Uebungen aus
neuester Zeit herrühre oder Hirten zur Deckung gegen Wind gedient haben mag.
An einem dieser Hügel wurde gelegentlich des Krim-Krieges von französischen und
polnischen Ingenieuren ein Steinkreuz errichtet, später aber wurden die Hügel von
Schatzgräbern zerwühlt, das Kreuz umgeworfen und das Postament desselben zu
Bauten verwendet.
Nach den Mittheilungen des Herrn Peez scheint jetzt schon die Erinnerung
an die Schlacht von 1444 im Volke sehr geschwunden zu sein, was wohl nicht zu
wundern ist, wenn man bedenkt, dass die türkische Bevölkerung, welche an dem
Ausgange der Schlacht noch Interesse nahm, seither verschwunden ist, den neu an-
gesiedelten Bulgaren aber die Kriegsereignisse der Neuzeit viel näher stehen, wie
der vor bald 500 Jahren unternommene Zug der Ungarn, für den ihnen jedes Ver-
ständniss abgeht.
96
Schlacht bei Varna 1444.
Stellung beider Heere am Morgen des 10. November.
l/VARNA
SCHMRIES MEER
Galata
Stelluno- der Ungarn.
1. Hanyady's Soldtruppen.
2. Siebenbürger Banderium.
3. Szekler Banderium.
4. Ungarisches Banderium.
5. Szylagyi's Banderium.
„■ I Banderien des Königs.
8. Banderium des Bischofs von Bosnien.
9. Banderium des Bischofs von Grosswardein.
10. Croaten unter Franz Thalloczy.
11. Banderium des Cardinallegaten.
12. Banderium des Bischofs von Erlau.
13. Wagenburg.
14. Walachen.
mehreren geschlossenen Treffen abzugehen und es in einer Linie auf-
zustellen. Er wcählte bei 1000 Schritte ausserhalb der Mauern von
Varna eine Stellung, welche das Thal abschloss und die Stadt vom
— 97 -
Schlacht bei Varna 1444.
Kampf beider Heere um die Mittagszeit des 10. November.
^&oiemaiy'anga
Stellung der Türken.
I. Europäische Spahis unter III. Sultan Murad mit den Janitscharen,
Turacban. um den Murad- und Sadschak-Tepe.
II. Asiatische Spahis unter IV. Akindschi und Azapen.
Karadscha. V. Lagerplatz der Türken.
« Grab des Pascha-Baba (Karadscha?).
Ufer des Sees bis zum Fusse des Gebirges in einer Ausdehnung von
mehr als 4000 Schritten umgab. Für das Heer, welches seit Nikopoli
keine Verstärkungen erhalten, wohl aber in Folge des Marsches und
der Kämpfe in den letzten Tagen bedeutende Verluste erlitten hatte,
war diese Ausdehnung immerhin gross. Die ungünstige Lage des
rechten Flügels mit der steil aufsteigenden Berglehne vor demselben
mag Hun3'ady nicht entgangen sein; die Stärke seines Heeres gestattete
ihm aber nicht, seine Stellung bis auf das oberhalb der Berglehne
Kupel wieser, Urgarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl. 7
- 98 —
befindliche Plateau auszudehnen, auch bot der mit Wein und Strauch-
werk bestandene Abhang kein geeignetes Gefechtsfeld für seine
schweren Reiter, wenn er auch — wie sich später zeigte — dem
Feinde eine gedeckte Annäherung gestattete und für die leichten
türkischen Truppen kein unüberwindliches Hinderniss war. Um
diesen Nachtheil einigermassen auszugleichen, hielt Hunyady den
äussersten rechten Flügel — das Banderium des Bischofs von Gross-
wardein — etwas zurück, wodurch selbes bei 2000 Schritte von
der Stadt entfernt zu stehen kam, '-) und um eine Umgehung dieses
Flügels unmöglich zu machen, Hess er aus den vielen Fuhrwerken
auf dem Lagerplatz des Heeres eine Art Wagenburg herstellen,
welche durch die wenigen mitgeführten Geschütze verstärkt wurde. '■^)
Den linken an den See gelehnten Flügel bildeten fünf Banner, ^^)
jenes Hunyady's, d. i. dessen Soldtruppen, das der Siebenbürger
(wahrscheinlich Siebenbürger Sachsen) und der Szekler, dann zwei
Banner ungarischer Adeliger (Beheim nennt sie »Aradicrscht« und
»Czerin Mehel« d. i. der schwarze Michel, vielleicht Hunyady's
Schwager Michael Szylagyi); die Mitte bildeten die Banner des Königs,
in zwei starke Heerhaufen geordnet, deren eines — das St. Georgs-
banner — von Stephan Bäthory, das andere von Ladislaus BanfFy
von Losonz (Beheim nennt ihn »Latschan Laslove«) geführt wurde.
Den rechten Flüg^el bildeten ebenfalls fünf Banner, die der Bischöfe
von Bosnien und von Erlau, des Bauus von Croatien Franz Thalloczy.
die Kreuzfahrer unter dem Cardinallegaten, endlich am äussersten
Flügel, gegen die Wagenburg zurückgezogen, jenes des Bischofs von
Gross wardein, dem auch einige Polen unter Lesko von Bobritz zu-
getheilt waren. Die Walachen hielt Hunyady als allgemeine Reserve
hinter der Mitte zurück.
'2) Palatio sagt, dass Hunyady 1000 Schritte (Seite 29: Mille circiter passibus)
vor der Stadt Stellung nalim, wodurch der rechte Flügel unter dem Bischof von Gross-
wardein bei 2000 Schritte von Varna entfernt (Seite 30: ad duo fere millia passum
a Warna) z'i stehen kam.
'^) Engel erwähnt mit Unrecht, dass auch am linken Flügel eine Wagen-
burg gestanden wäre. Köhler meint, eine Wagenburg nach Art der Tabors wäre sie
wohl nicht gewesen, sondern nur eine Art aus den Fuhrwerken hergestellter Barricade.
'^) Beheim führt in seinem Gedichte (335 bis 360) die einzelnen Banner und
ihre Führer an, und erwähnt nur des Thalloczy's nicht. Palatio und Dtugos führen
die Reihenfolge an, in der sie in der Schlacht Stellung nahmen. Dlugos erwähnt
das Zurückhalten des Banderiums des Grosswardeiner Bischofs und der Walachen,
Palatio nicht, sagt jedoch, dass die Walachen in die Flucht des rechten Flügels
verwickelt wurden, was nur dadurch zu erklären ist, dass sie hinter der Mitte
standen.
- 99 -
Was die Stärke der einzelnen Banner betrifft, so können sie,
abgesehen von den Walachen, die zusammen ein Banner formierten,
und den beiden Bannern des Königs, kaum je 1000 Mann gehabt
haben. Die Gesammtstärke des ungarischen Heeres in der Schlacht
dürfte 16.000 Streiter betragen haben, '^) was bei der Kampfvveise
der Zeit wohl nicht gar so gering erscheint, wenn man erwägt, dass
mit Ausnahme der Walachen fast alle Reiter mit vollen Platten-
r ästungen und mit langen zweischneidigen Schwertern ausgerüstet
waren.'*') Dass die Ungarn Schützen verwendet hätten, wird nicht
erwähnt. An Artillerie führten sie nur wenige leichte Geschütze mit,
wohl die aus Hussitenkriegen bekannten Haufnitzen (Steinbüchsen)
und Terasbüchsen (Kanonen kleinen Calibers, welche mit Bleikugeln
schössen); sie fanden, wie erwähnt, zur Vertheidigung der Wagenburg
in fester Stellung Verwendung.
Die Besetzung der Mauern von Varna und Galata wurde, um
das Heer nicht zu schwächen, den christlichen, zumeist griechischen
Einwohnern überlassen; es war dies insoferne misslich, als zu besorgen
war, dass im- Falle einer Niederlage die Thore beider Städte auch für
das ungarische Heer verschlossen bleiben würden, was in der That
auch eintrat.
Das türkische Heer in der Stärke von ungefähr 100.000 Mann' ^)
bestand aus den Lehensreitern von Europa unter ihrem Beglerbeg
Turachan, welcher eigens aus dem Staatsgefängnisse zu Tokat ent-
lassen worden war, um die im Vorjahre erlittenen Schlappen ver-
gessen zu machen,'^) der Lehensreiterei aus Asien unter Karadscha,
den Soldtruppen — der Spahis der Pforte und den Janitscharen —
endlich den unbesoldeten Truppen, den Akindschi (Reiter, welche ohne
Sold dienten und auf Raub angewiesen waren) und der Azapen (Fuss-
volk, von den Provinzen bestellt und bezahlt).
'•■') Köhler nimmt die Gesammtstärke des ungarischen Heeres mit 25.000 Eeitern
an, was zu hoch gegriffen sein dürfte; Palatio sagt 16.000 Reiter.
") Chalcokondilas braucht für die Reiter den Ausdruck: »Phazen die auch
Bitaxides genannt werden.« Löwenklaw und nach ihm Köhler leiten diese Ausdrücke
von dem türkischen Wort >Chazi« und dem ungarischen »Vitez«, beide »Held oder
Ritter« (in diesem Falle wohl »schwer gepanzerte Reiter«), her; Köhler übersetzt es
mit »Kyrisserc.
") Hunyady im Briefe an Michael Orsag von Guth gibt die St.ärke dos
türkischen Heeres mit 105.000, Palatio mit 120.000, Marino Barletio mit
100.000 Mann an.
'8) Chalcokondilas nennt Daudpascha als Stellvertreter Turachan's.
7*
- 100 - \
Murad stellte in das erste Treffen die Lehensreiterei, und zwar
dem Herkommen gemäss die europäische — da der Feldzug in
Europa stattfand — auf den rechten, die asiatische auf den linken
Flügel. Sie fochten in getrennten Haufen mit kleinen Zwischen-
räumen, und da die Berichte von neuen Reiterhaufen sprechen,
welche die geschlagenen Abtheilungen aufnahmen und den Kampf
fortsetzten, so müssen sie unter sich wieder in mehrere Treffen zer-
gliedert gewesen oder auch in Staffeln in den Kampf getreten sein.
Wo die Spahis der Pforte standen, deren Zahl 3000 kaum über-
schritten haben dürfte, wird nicht besonders erwähnt, doch ist wahr-
scheinlich, dass sie in das Reitergefecht des ersten Treffens ein-
gegriffen haben. ' •') Das zweite Treffen bildeten die Janitscharen,
ungefähr 10.000 Mann-^) in geschlossen viereckigem Haufen, in dessen
Mitte die beiden Hügel Murad-Tepe und Sandschak-Tepe sich er-
hoben. Auf einem dieser Hügel soll die Lanze aufgepflanzt gewesen
sein, an welcher der von den Christen gebrochene Vertrag befestigt
war. Die Janitscharen hatten, wie bei Nikopoli, mehrere schräg in
die Erde gesteckte Pfähle vor der Front und trugen grosse Setz-
schilde mit sich. Neu war auch, dass sie vor ihrer Front Kameele
aufstellten, deren Anblick die Pferde scheu machte. Wäre die eigene
Reiterei auch geworfen und vom Schauplatz selbst verschwunden, so
musste der unbewegliche Haufe der Janitscharen, in deren Mitte sich
der Sultan befand, noch immer ein nicht leicht zu bewältigendes
Angriffsobject für den Gegner bilden. Einige Tausend Schritte hinter
diesem Treffen befand sich der Lagerplatz für den nicht sehr zahl-
reichen Train und das Gepäck des Sultans. Die Akindscbi und Azapen
hatten nur den linken Flügel zu schützen und wurden auf dem Höhen-
zug zur Bedrohung des rechten Flügels des christlichen Heeres vor-
geschoben.
Unter den 40.000 Mann, welche mit Murad den Bosporus über-
setzt hatten, befanden sich zwar schon Europäer, die in Kleinasien
verwendet worden waren, aber erst während des Vormarsches stiessen
die zum Schutze des Landes zurückgebliebenen Truppen in solchen
Massen zu ihnen, die es möglich machten, dem christlichen Heere mit
entschiedener Uebermacht entg-eo^enzutreten.
'^) Köhler nimmt als drittes Treffen hinter den Janitscharen die Spahis der
Pforte an.
•") Beheim schätzt die Janitscharen auf »12.000 Mann und mehr«, Palatio
wohl zu gering- mit 500ü Mann.
- 101 —
Beide Heere waren durch eine leichte Einsenkung, die, trocken
und sandig, für die Bewegung von Reitermassen nicht ungeeignet ist,
getrennt. Der linke Flügel der Türken war durch die Erhebung am
Fusse des Höhenzuges gegen Einsicht gedeckt.
Nachdem die Schlachtordnung hergestellt war, verblieb das
christliche Heer, den Angriff des Feindes erwartend, durch drei Stunden
in Ruhe, die nur durch einen aus heiterem Himmel plötzlich los-
brechenden Orkan unterbrochen wurde, der alle Banner mit Ausnahme
des St. Georgsbanners zerriss und von der Lanze trennte.
Dass während dieser Zeit nicht unbedeutende Kräfte sich auf
den Bergen, welche den rechten Flügel der Ungarn vollkommen
beherrschten, vorschoben, blieb von letzteren unbemerkt; dem Sultan
war dieser schwache Punkt der ungarischen Stellung nicht entgangen.
Die irregulären Trappen hatten zunächst nur die Aufgabe, die Stellung
des Feindes zu erkennen und sich nur unter günstigen Verhältnissen
in ein Gefecht einzulassen. Von der Höhe aus konnte man die geringe
Zahl der Gegner deutlich wahrnehmen-, hiedurch ermuthigt, stiegen die
leichten Truppen der Türken, Akindschi und Azapen, in der Stärke
von 10.000—15.000 Mann, 2') gedeckt durch die Risse im Boden
und die Cultur, von der Höhe herab und eröffneten gegen die Mittags-
zeit'^'-) ein Schützengefecht gegen den rechten Flügel der Ungarn.
Diese wollten aufwärts nicht angreifen und warteten, bis die feind-
lichen Reiter gegen die Ebene zu herabgestiegen waren. Sofort setzte
sich der Banus, vom Bischof von Erlau gefolgt, in Bewegung, um sie
anzugreifen; die Türken wurden vom Banus geworfen und flohen,
von ihm verfolgt auf die Höhe zurück.
Dass Karadscha, der Beglerbeg der Asiaten, welcher die Akindschi
ins Gefecht verwickelt sah. nun durch die Terrainwelle gedeckt vor-
gieng, bemerkten die Ungarn nicht, wohl aber die auf die Höhe zurück-
gedrängten Akindschi; sie erneuerten den Angriff sofort mit frischen
Kräften und drängten den Banus zurück, der, vom Bischof von Erlau
aufgenommen, sein Banderium wieder ordnete und mit ihm gemein-
schaftlich wieder zum Angriff übergieng. Die nebenstehenden Ban-
-' Palatio und Dl'ugos sprechen von »Bogenschützen zu Fuss, welche man
Janitscharen nennt« ; Köhler bemerkt richtig, das es Princip bei den Türken war, die
Janitscharen stets zusammen zu halten, es können daher nur Azapen gewesen sein.
Ebenso werden die Keiter, welche Callimachus entschieden zu gering auf 6000
anschlägt — Beheim sagt 16.000 — nicht aus den regulären Spahis entnommen
worden sein, da die Akindschi für dergleichen Zwecke bestimmt waren.
■") In dem schon erwähnten Brief sagt Hunyady, dass die Schlacht »ab liora
summe misse usque occasum solis« gedauert habe.
— 102 —
derien — des Bischofs von Grosswardein und des Legaten — hielten
nun den Augenblick gekommen, um selbst einzugreifen und dem
rechten Flügel zum vollständigen Sieg zu verhelfen. Sic hatten sich aber
kaum gegen die Akindschi nach rechts gewendet, als Karadscha's Reiter -
scharen über die Höhe vorbrachen und ihnen unerwartet in die linke
Flanke fielen. Ihre Banderien sowohl, als jene des Banus und des
Bischofs von Erlau wurden nun völlig auseinandergesprengt. Dem
Banus und dem Legaten gelang es mit wenigen Mannschaften in die
Wagenburg zu entkommen, wo sich um die wahrscheinlich zurück-
gelassene Fahne des heiligen Ladislaus von allen vier geschlagenen Ban-
derien kaum einige Hundert Mann gesammelt hatten. Es entspann sich
ein hartnäckiger Kampf, die Christen bildeten mit vorgestreckten
Spiessen einen Knäuel, den die Türken ohne Schutzwaffen zu durch-
brechen nicht wagten. Hier fiel auch der Pole Lesko Bobritz. Auch in
die Wagenburg brachen die Türken ein, einige Wagen wurden um-
geworfen, andere beraubt. Ein Theil der Versprengten wurde hinter
der Schlachtlinie der Ungarn, an den Walachen vorbei, die dadurch
in Unordnung kamen, gegen Varna und den Devnasee verfolgt. Die
Bischöfe von Erlau und Grosswardein wurden von der Wagenburg
abgedrängt, fanden die Thore von Varna verschlossen und konnten
sich nicht schnell genug orientieren, ersterer wollte nach Galata ent-
kommen, kehrte aber wieder zurück und verschwand im Gewühle der
Schlacht, letzterer versank mit seinem Pferde im sumpfigen Ufer des
Devnasees.
Inzwischen war Hunyady mit den nächststehenden Banderien,
jenem des Bischofs von Bosnien und dem des Königs, herangekommen;
in richtiger Erkennung der Verhältnisse wendete er sich nicht gegen
die Akindschi, sondern gegen die Asiaten, sie wurden angegriffien und
geworfen, Karadscha selbst getödtet.^^) Bis in die Nähe der Janitscharen,
bei 4000 Schritte, weit, wurden sie verfolgt '-^^) und vom Schlachtfelde
vertrieben. Die Lücke in der Schlachtlinie benützend, brachen die
Walachen eigenmächtig vor, ritten an den Janitscharen vorüber, und
warfen sich auf das Lager der Türken, das sie plünderten; sie ver-
schwanden dann vom Schlachtfelde und dürften wohl, mit der Beute
^') Der Hügel (Teke) an der Strasse nach Pravadi mit dem Grabe eines tür-
kischen Heiligen, der vor Urzeiten in einer Kiesenschlacht den Tod gefunden haben
soll und unter dem Namen »Pascha-Baba«, d. i. ungefähr »Vater General«, verehrt
wird, ist aller Wahrscheinlichkeit nach das Grab des hier gefallenen Karadscha.
-^) Der König traf in der Verfolgung der Asiaten auf die Kameele, welche
vor dem zweiten TreiFen angebunden waren, um die an den Anblick derselben nicht
gewöhnten Pferde der Ungarn scheu zu machon.
- 103 -
zufrieden, der Heimat zugezogen sein. Dass sie bei der Verfolgung
der Asiaten mitwirkten, wird nicht gesagt, ist aber wahrscheinlich, da
sonst der König mit seinen Banderien nicht gleich wieder zurückkehren
konnte, um sich gegen die Akindschi und Azapen zu wenden, die nun
bald mit einem Verluste von 3000 Todten vertrieben wurden und den
Angriff auf die später doch nur schwach vertheidigte Wagenburg nicht
erneuerten.
Hunyady ersuchte nunmehr den König, seine alte Stellung wieder
einzunehmen und ohne seine Einwilligung von seinem Platze nicht zu
weichen. Hunyady, welcher sah, dass auch der linke Flügel seines
Heeres schon in das Gefecht verwickelt war, wollte wenigstens eine
kleine Reserve zurückhalten, um mit ihr zum letzten entscheidenden
Streich auszuholen und dachte diese Aufgabe mit Recht dem Könige
mit seinen Haustruppen zu.
Während der Vorgänge am rechten Flügel der Ungarn wurde
auch ihr linker Flügel angegriffen. Die europäischen Reiter der Türken
stürmten vor, während die Ungarn sie auf kurze Entfernung anreiten
Hessen und sich dann erst gegen sie in Bewegung setzten; sie konnten
dadurch trotz der schweren Belastung ihrer Pferde den durch den
langen Ritt gelockerten Reiterscharen in geschlossener Ordnung ent-
gegentreten. Die türkische Reiterei wurde geworfen und bis in ihre
Stellung verfolgt, hier aber wendete sie sich — von neuen Reiter-
scharen aufgenommen — Avieder zurück, warf die auseinander-
gekommenen ungarischen Banner, und verfolgte sie bis in ihre erste
Stellung.
Hunyady, der eben von der Wagenburg zurückkehrte, nahm die
missliche Lage des buken. Flügels wahr und eilte demselben mit einem
der Banner des Königs zu Hilfe. Sein Eingreifen brachte das Gefecht
wieder zum Stehen und entschied es zu Gunsten der Ungarn. Der
Gegner wurde geworfen und bald der ganze rechte Flügel der Türken
vom Schlachtfelde vertrieben; einzelne ihrer Reiter flohen bis Macedonien
und Tracien und verbreiteten dort die Nachricht vom Siege der Ungarn.
Vom türkischen Heere standen nur mehr die Janitscharen — wenn
auch von allen Seiten von Reiterscharen umschwärmt — in ihrer zur
Vertheidigung hergerichteten Stellung noch unerschüttert da. Sie
mussten in ihrer Stellung ausharren, das Verlassen derselben hätte
unvermeidlich in wilde Flucht ausarten müssen. Noch ein glücklicher
Streich gegen diesen Rest des türkischen Heeres, und der Sieg wäre
den Ungarn zugefallen ! Nicht ohne Neid hatte die polnische Umgebung
des Königs die Erfolge Hunyady's am linken Flügel wahrgenommen,
- 104 —
sie wollten nicht den Ungarn allein den Sieg überlassen und ermun-
terten den jugendlichen und thatenlustigen König nun selbst, die
Janitscharen anzugreifen und dadurch die endliclie Entscheidung des
Kampfes herbeizuführen. Der Sieg würde dann dem Könige und nicht
Hunyady zugeschrieben, was vollkommen dem Sinne des jungen Königs
entsprach, der dieser Aufmunterung trotz der Abmahnung des erfahrenen
Feldherrn gar nicht bedurfte. Er wählte sofort 500 der tapfersten Reiter
aus, an deren Spitze er sich gegen die Janitscharen wandte. -^) Als die
■Janitscharen die Schar des Königs anreiten sahen, mag wohl mancher
gewankt haben, dass aber Sultan Murad selbst mit Gewalt zurück-
gehalten werden musste, ist wenig glaublich, ^^j
Alle Hindernisse, Kameele, Gräben, eiserne Pfähle und Schilde
überwindend, drang der König mit einigen der kühnsten und best-
berittenen Reiter seiner Schar voraus in den geschlossenen Haufen der
Janitscharen ein, bis sein Pferd von einem Beilhieb verwundet zu-
sammenbrach. Bevor seine Schar den König noch erreichen konnte,
hatte sich die durch sein Eindringen entstandene Lücke im feindlichen
Haufen wieder geschlossen und mehrere Janitscharen stürzten sich
über den nun wehrlosen König her, um ihn zu tödten. Einer derselben,
namens Chodscha Chisr, hieb ihm den Kopf ab und brachte ihn dem
Sultan, der ihn auf eine Lanze stecken und laut verkünden Hess, dass
dies der Kopf des Königs wäre.-^j
Vergebens versuchte die tapfere Schar des Königs noch in den
Haufen der Janitscharen einzudringen, bald bedeckten ihre Leichen
-^) Lange Erörterungen über den letzten Angriff zwischen dem König und
Hunyady, wie sie in den meisten Beschreibungen der Schlacht vorkommen, müssen
in den Bereich der Dichtungen verwiesen werden. Ob der König den Entschluss zum
Angriff selbst fasste, oder ob er auf den Einfluss seiner Umgebung zurückzuführen
ist, ist nicht mehr zu ermitteln, jedenfalls steht aber fest, dass von dem Augenblicke
an, in welchem der König den Befehl zur Vorrückung gab, Hunyady weder Zeit
noch Gelegenheit haben konnte, selbst oder durch Boten auf den König irgendwie
einzuwirken, noch viel weniger ihm lange Reden zu halten und Belehrungen zu geben.
'") Chalcokondilas sagt, der Sultan wäre nur mit Gewalt von der Flucht zurück-
gehalten worden, ja man hätte sogar seinem Pferde Fessel angelegt, um ihm die
Flucht unmöglich zu machen. Hammer sagt nach Nedschri, dass der Sultan, als die
Walachen in das Lager drangen, von der Flucht abgehalten werden musste, während
Seadeddin sich dahin ausspricht, dass er sich, wenn auch einige Heerführer die
Flucht ergriffen, wie ein Fels im letzten Kampfe hielt.
^^) Die Angabe Seadeddin's, der Sultan hätte absichtlich die Reihen der Jani-
tscharen öffnen lassen, um den König desto sicherer niedermachen zu lassen, klingt
sehr unwahrscheinlich.
- 105 —
das Feld, von den 500 Reitern entkamen nur wenige, darunter Eathory,
der die St. Georgsfahne in die Wagenburg zurückbrachte.
Die Nacht brach herein, als Hunyady von der Verfolgung der
türkischen Reiter zurückkehrte, zu spät, um den König von seinem
Vorhaben abzubringen und zu spät, um seinen Angriff zu unterstützen;
er machte noch den Versuch, wenigstens den todten Körper des Königs
den Türken zu entreissen, zu schnell verbreitete sich aber die Nach-
richt vom Tode, des Königs und gab bald Anlass zur allgemeinen
Flucht. Ohne Unterstützung gelassen, wurde schliesslich auch Hunyady
in die Flucht mitgerissen.
Ein Theil der Flüchtigen Avandte sich in der Hoffnung, dort
Schutz zu finden, nach Varna, fand aber die Thore der Stadt ver-
schlossen, ein Theil fand kurze Rast in der Wagenburg, wo man ver-
geblich auf Hunyady's Eintreffen harrte. Der grösste Theil derselben,
darunter auch Hunyady, wandte sich aber nach Norden, um die Donau
zu erreichen.
Sultan Murad — von der gänzlichen Auflösung des ungarischen
Heeres noch nicht überzeugt — lagerte die Nacht auf dem Schlacht-
felde; als aber am Morgen Späher die Nachricht brachten, dass keine
Truppe zur Sehlacht geordnet stünde und in der Wagenburg die
grösste Verwirrung wahrzunehmen sei, Hess er dieselbe stürmen und
die Vertheidiger bis auf wenige niederhauen. Auch Stephan Bathory
fiel hier.
Der Verlust der Ungarn in der Schlacht wird sehr verschieden
angegeben, nach Beheim betrug er 3000 an Todten und ebensoviel
an Gefangenen, nach Dl'ugos 4000 (d. i. ein Fünftel des Heeres nach
seiner Angabe der Stärke desselben), nach Anderen, wohl übertrieben,
10.000 — 12.000, ungerechnet einer Zahl, die noch auf der Flucht den
Untergang fand. Gewiss aber ist, dass kaum die Hälfte der ausgezogenen
Mannschaft in die Heimat zurückkehrte. Der Verlust der Türken wird
wohl stark übertrieben mit 70.000 angegeben, dürfte aber, wie Bon-
finius sagt, immerhin bei 30.000 betragen haben. Daudpascha, dem
mit dem gesammelten Reste der europäischen Spahis die Verfolgung
der Ungarn übertragen wurde, brachte noch manche Flüchtlinge als
Gefangene zurück.
Mit dem Tode des Königs und der fast gänzlichen Vernichtung
des ungarischen Heeres fand dieser Feldzug, der wohl schon beim
Beginn den Keim des Misslingens in sich trug, ein tragisches Ende.
Die Ungarn schrieben dem voreiligen Eingreifen des Königs die Schuld
an dem Verluste der Schlacht zu, die Polen wieder beschuldigten
- 106 —
Hunyady, dass er den König in Stich gelassen habe. Unwillkürlich
stellt man die Fragen: Wären Hunyady's Reiter nach den wiederholten
gelungenen und misslungenen Angriffen nach Einbruch der Nacht noch
im Stande gewesen, den bisher intact stehenden Haufen der Janitscharen
zu sprengen? Würde die Schlacht ein anderes Ende genommen haben,
wenn der König die Aufforderung Hunyady's zum Angriffe abgewartet
hätte? Hätte endlich die Schlacht einen für Ungarn orünstigen Aus-
o o o
gang gehabt, was Aväre das Los des geschwächten, von allen Hilfs-
mitteln entblössten ungarischen Heeres geworden? W^ürde dadurch die
allgemeine Lage sich geändert haben? Es ist zweifelhaft!
Die Schlacht bei Varna ist auch dadurch bemerkenswert, dass
der Wert des Fussvolkes in den Kämpfen zAvischen Ungarn und
Türken zum erstenmale zu voller Geltung kam und von dieser Zeit
an die Janitscharen den europäischen Heereseinrichtungen als Muster
dienten. Murad hielt sich drei Tage auf dem Schlachtfelde auf. Bei Be-
sichtigung desselben äusserte er gegen seinen Günstling Asabbeg, dass
unter den Erschlagenen lauter junge Leute und kein Graubart wäre,
dieser erwiderte: »Wäre ein Graubart darunter, so hätten sie das tolle
Unternehmen nicht begonnen.« Unter der Beute, welche die Türken in
der Wagenburg machten, befanden sich 250 Wagen mit Kostbarkeiten.
Den Sieg über die Ungarn Hess der Sultan in seinem weiten Reiche
bekanntmachen. Den Kopf des Königs sandte er, in Honig eingemacht,
an den Statthalter von Brusa. Mit den Siegesberichten an den Sultan
von Aegypten und andere mohammedanische Fürsten wurde eine An-
zahl geharnischter Ritter und Knappen von den Gefangenen als Ge-
schenk verschickt.
Ueber das Los des Cardinallegaten Cesarini, den Anstifter dieses
unheilvollen Krieges, fehlen verlässliche Angaben. Ob er in der Wagen-
burg fiel, ob er auf der Flucht beim Uebersetzen der Donau erkannt
und von Walachen geplündert und erschlagen, oder endlich, wie
Andere berichten, in der Schlacht gefangen, dann später zu Tode
geschunden und verbrannt wurde, ist ungewiss.
Ueber seine Anführer, welche gleich beim ersten Angriff der
Ungarn die Flucht ergriffen hatten, dann aber auf die Nachricht des
Sieges wieder zurückkehrten, wollte der Sultan ein strenges Straf-
gericht ergehen lassen, das schliesslich nur aus Freude über den er-
rungenen Sieg unterblieb. ■^^) Seinem früheren Vorsatze treu, begab sich
^*) Nach Seadeddin's Angabe. Würde der Sultan selbst den Impuls zur Flucht
gegeben haben, so würde er kaum gewagt haben, gegen seine Unterbefehlshaber mit
Strensro einzuschreiten.
— 1Ü7 —
Sultan Murad — sein persönliches Eingreifen in die Staatsgeschäfto
nun wieder für entbehrlich haltend — nach Magnesia zurück, während
er die Regierung seinem Sohne Mohammed übertrug.
Hunyady entkam mit einer kleinen Schar nach 48stündiger un-
unterbrochener Flucht bei Turtukai über die Donau in die Walachei,
wurde aber nahe der siebenbürgischen Grenze auf Befehl Wlad Drakul's
ergriffen und längere Zeit in Haft gehalten, bis sich die Nachricht
davon in Ungarn verbreitete. Vielleicht Avollte Drakul sich an Hunyady
rächen, vielleicht auch ihn dem Sultan ausliefern, um sich seiner Rache
zu entziehen. Eine Gesandtschaft aus Ungarn brachte jedoch seine Be-
freiung bald zu Stande.
In Ungarn sowie in Polen wollte man lange nicht glauben, dass
der König gefallen sei, und wenn selbst Hunyady das Land in diesem
Irrthum bestärkte, so geschah es wohl nur in der Absicht, jede poli-
tische Umwälzung vor seiner Rückkehr nach Ungarn ferne zu halten.
Als man sich endlich über die Wahrheit nicht mehr täuschen konnte,
wurde für April 1445 ein Reichstag ausgeschrieben, nm über die
Wiederbesetzung des Thrones zu beschliessen, wenn bis Mai keine
bestimmten Nachrichten über das Leben des Königs Wladislav, der
in der Geschichte als Wladislav Varnensis angeführt wird, einlangen
sollten.
Sechstes Capitel.
Hunyady als Gubernator. — Ueberf'all der Türken bei Sarno. — Hunyady's Zug in
die Walachei. — Hunyady's Zug nach Serbien, er wird auf dem Amselfelde ge-
schlagen. — Ladislaus Posthumus übernimmt die Regierung in Ungarn. — Hunyady
unternimmt Streifzüge nachTrnowa, Semendria und Krusevaz. — Belgrad von Sultan
Murad II. belagert, von Hunyady und Johann Capistrano entsetzt. — Hunyady's und
Capistrano's Tod. — König Ladislaus stirbt. — 1445 bis 1457.
Als endlich kein Zweifel mehr über den Tod König Wladislav's
bestehen konnte, beantragte Ujlaky auf dem Reichstage die An-
erkennung von König Albrecht's Sohn Ladislaus unter der Bedingung,
dass derselbe sammt der Reichskrone von Kaiser Friedrich aus-
geliefert würde. Die Verhandlungen mit dem Kaiser zogen sich in
die Länge und endeten vorläufig damit, dass Ladislaus als König
anerkannt und Hunyady — dessen Beliebtheit durch die Niederlage
bei Varna nicht erschüttert war und der im niederen Adel und dem
geineinen Volke eine mächtige Stütze fand — zum Gubernator ge-
wählt wurde. Durch Vermittlung der päpstlichen Legaten kam im
Juni 1447 ein zweijähriger Waffenstillstand mit Kaiser Friedrich zu
Stande, ohne dass über die Auslieferung des jungen Ladislaus ein Be-
schluss gefasst worden wäre.
Zur Sicherung des Landes wurden auf dem Reichstage im
Jahre 1445 nebst anderen Massregeln auch für die verschiedenen
Landestheile Hauptleute ernannt. Nebst Siebenbürgen und dem Kreise
jenseits der Theiss fiel Hunyady auch die Vertheidigung der Grenze
gegen die Türken zu. Den Krieg gegen die Osmanen fasste er als
seinen Lebenszweck auf. vielleicht war er auch nach Rache für die
erlittene Niederlage begierig, weshalb er sich in einem eindringlichen
Schreiben an Papst Eugen IV. und an König Karl VII. von Frank-
reich um Unterstützung wendete. Letzterer entschuldigte sich mit dem
Kriege gegen England, und der Papst antwortete, er habe dem Gar-
- 109 -
dinal Francesco empfohlen, mit der Flotte so weit als möglich in
die Donau vorzudringen; dann habe er die christlichen Fürsten
zur Unterstützung aufgefordert und einen Ablass für die Theil-
nehmer am 'Türkenkriege ausgeschrieben, womit wohl wenig ge-
holfen war.
Noch vor Beendigung der Verhandlungen im Reichstage 1445
begab sich Hunyady in die seiner Obhut anvertrauten Landesteile und
organisierte aus den Resten des bei Varna geschlagenen Heeres neue
Truppen zur Vertheidignng der Grenzen. Er fand auch bald Ge-
leo:enheit, dem Feinde Abbruch zu thun. Am rechten Ufer der Save, bei
Sarno (Zarkowo, 7 Kilometer südwestlich von Belgrad) lagerten türkische
Horden, welche die Umgebung beunruhigten. Hunyady stand ihnen
am anderen Ufer gegenüber und beschloss, obwohl sie ihm an Zahl
überleofen waren, einen nächtlichen Ueberfall auszuführen. In der
dazu bestimmten Nacht Hess er die gewöhnlichen Lagerfeuer anzünden
und erhalten, damit es den Anschein habe, als weile das kleine Heer
ruhig im Lager; um Mitternacht brach er in grösster Stille auf, setzte
eine Strecke oberhalb über den Fluss und erreichte unbemerkt das
feindliche Lager. Unter furchtbarem Lärm üelen nun die Ungarn
plötzlich über die schlaftrunkenen Türken her und säbelten sie nieder,
bevor sie an ernsten Widerstand denken konnten. Hunyady hatte
seinen Zweck erreicht und die Gegend von den Räuberhorden ge-
reinigt. ')
Mit Einwilligung des Staatsrathes zog Hunyady noch im
Herbste 1455 nach der Walachei, wo W'lad Drakul nach dem un-
glücklichen Feldzuge sich wieder der ungarischen Oberhoheit entzogen
hatte, um sich dem Sultan zu unterwerfen. Das wichtige Land wollte
man nicht in den Händen des Feindes lassen, auch grollte Hunyady
dem Woywoden wegen der Gefangennahme im Vorjahre. Unvermuthet
fiel er nun aus Siebenbürgen in die Walachei ein und stand mitten
im Lande, bevor Wlad noch gerüstet war. Geschlagen und vertrieben,
floh Wlad nach Adrianopel, wo er Hilfe erwartete. Dan IV., dessen
gleichnamiger Vater 1430 von Wlad ermordet Avorden war. wurde
auf den Fürstenstuhl gesetzt. Hunyady drang nun bis an die Donau
vor und traf mit dem päpstlichen Admiral und dem Befehlshaber der
burgundischen Flotte, welche mit einigen Schiffen bis Nikopoli ge-
*) In der Karte von A. Ortelius (Theatrum Orbis terrarum, Plan 24) ist »Czarnoc
4 Kilometer südlich der Save an Stelle des Ortes Zarkowo angegeben. Das Flussbett
der Save dürfte sich seither geändert haben, vielleicht war auch das ganze »Makis-
Moor€ unter Wasser.
- 110 —
kommen waren, zusammen. Hier wurde über einen abermaligen Feld-
zug berathen; nachdem aber nicht mehr der jugendliche Mohammed
auf dem Throne sass, sondern Murad, der auf die Kunde des Auf-
standes der Janitscharen die Einsamkeit in Magnesia verlassen und
durch sein Erscheinen die Rebellen in Ordnung gebracht hatte, vsäeder
die Zügel der Regierung ergriff, hielt man die Umstände zur Wieder-
aufnahme eines Krieges nicht für günstig und fand es rathsam. den-
selben zu verschieben. Hunyady, den dringende Angelegenheiten nach
Ungarn zurückriefen, musste Dan mit Zurücklassung einiger Hilfs-
truppen wieder sich selbst überlassen.
Im folgenden Jahre versuchte Wlad sich mit türkischer Hilfe
Avieder in der Walachei festzusetzen, es gelang ihm dies aber nur kurz.
In einem Treffen, das ihm Dan mit ungarischen und moldauischen
Hilfstruppen lieferte, giengen die Walachen zu diesem über. Wlad
wurde sammt seinem Sohne auf der Flucht ereilt und auf dem Markt-
platze zu Tergoviescht hingerichtet.
Da Murad in Kleinasien festgehalten und ein Theil seiner
Macht mit Georg Castriota in Albanien beschäftigt war, konnte er
den Misserfolg in der Walachei nicht gleich rächen; durch Ein-
fälle und Plünderungen Hess er aber das Land auf alle Art be-
unruhigen.
Gegen Castriota brach Murad im Frühjahr 1447 an der Spitze
von 60.000 Reitern und 40.000 Janitscharen selbst auf: es gelang
ihm zwar, Albanien zu verwüsten und auch einige feste Plätze zu be-
zwingen, alle Angriff"e aber auf die Hauptstadt Croja wurden unter
bedeutenden Verlusten für das türkische Heer abgewiesen. Um im
nächsten Jahre seinen verhassten Feind zu vernichten, begab sich der
Sultan im Spätherbste nach Adrianopel und betrieb dort die Rüstungen
für den nächsten Feldzug selbst, während der Pascha von Rumelien
vor Croja verblieb.
Hunyady. der die Bekämpfung der Türken nicht aus dem Auge
verlor, glaubte sie durch einen Angriff am leichtesten von der Grenze
des Reiches ferne halten zu können, und hielt deshalb die Zeit für
eine Unternehmung gegen dieselben für besonders günstig, obwohl eine
feste Abmachung mit Castriota über ein gemeinschaftliches Unter-
nehmen gegen dieselben nicht getroffen worden zu sein scheint. An
den Papst, an den König von Aragonien und an Venedig wandte sich
Hunyady mit der Bitte um Unterstützung durch Truppen, Schiffe und
Geld. Statt der nachgesuchten Hilfe verlieh ihm aber der Papst nebst
seinem Seo:en nur den Fürstentitel, von dem er nie Gebrauch machte.
— 111 —
und eine goldene Halskette, die er später der Domkirche zu Weissen-
burg schenkte; der König von Aragonien schickte ihm nebst schönen
Versprechungen drei kostbare Pferde, für die Hunyady sich zwar be-
dankte^ aber auch Klagen über getäuschte Hoffnungen und das Aus-
bleiben der erhofften Hilfe nicht unterdrückte.
Im Mai 1448 berief der Gubernator den Reichstag nach Ofen
und forderte die Barone und Prälaten auf, ihre Banderien in Bereit-
schaft zu setzen. Das allgemeine Aufgebot durfte man zu einem
Angriffskrieg jenseits der Grenze nicht ergehen lassen, die Liebe zum
Vaterland sowie zur Religion war bei dem Adel aber viel zu lau, als
dass er zum Heile derselben freiwillig und zahlreich unter die Waffen
getreten wäre; allein auch von den Grossen, denen Kriegsdienste
ausser dem Lande oblagen, blieben viele unter den verschiedensten
Vorwänden ferne, unter ihnen auch Ulrich von Cilli, der sich den
Titel »erblicher Ban von Slavonien« angemasst^) und den croatischen
Adel von dem Erscheinen auf dem Reichstage abgehalten hatte. Als
beim Heere erschienen werden nur die Brüder Emerich und Ladislaus
Pelsüczy, der Johanniter Emerich Marczaly, Reinhold Rozgony, Thomas
Zechy, Franz Thallöczy, Benedict Losonczy, Stephan von Also Lindva,
Stephan Banffy und der Schwager des Gubernators, Johann Szekely
genannt.
Auch der Despot von Serbien, zur Heerfolge aufgefordert, ver-
weigerte dieselbe und Hess Hunyady sagen: Ein so schwaches Heer
könne es mit den Türken nicht aufnehmen, und er fürchte sich mehr
vor Murad als vor den Ungarn. In der Hoffnung, sich hiedurch den
Besitz Serbiens zu erhalten, stellte er sich in den Schutz des Sultans;
nicht ohne Grund stand er sowie Ulrich von Cilli im Verdachte, dem
Sultan alle Schritte des Gubernators verrathen zu haben.
Die ganze Macht, die Hunyady zusammenbrachte, belief sich auf
nicht mehr wie 24.000 Mann, eingerechnet die 8000 Mann walachischer
Hilfstruppen und ungefähr 2000 deutscher, böhmischer und polnischer
Söldner, meist Büchsenschützen und Kanoniere. Das Heer sammelte
sich bei Kubin und überschritt im halben September dort die Donau.'*)
Bis 17. September stand Hunyady noch an der Fährte, jedoch auf
serbischem Boden. ■•)
-) Nach der >Chronik der Grafen von Cilli« war Graf Ulrich damals thatsäch-
lich im Besitze eines grossen Theiles von Croatien.
^) Am 8 September datiert Hunyady einen Brief an den Papst: »apud vada
Danubii prope opidum Kowinii« (an der Donaufährte nahe der Stadt Kubin).
^) Hunyady's Brief an den Dogen von Venedig vom 12. September sagt: »in
terra Easciae prope vadum Danubii, quod vulgo lapideum dicitur« (im Lande Serbien,
- 112 -
Serbien wurde nun als Feindesland plündernd und verheerend
durchzogen. Georg Brankovic würde den Ungarn wohl entgegen-
getreten sein, AA^enn sein Heer nicht eben wegen des Besitzes von
Srebreniza in Bosnien mit Stephan Thomas in offenem Kampfe ge-
standen wäre. ^)
Hunyady hatte die Absicht, wie im Jahre 1443, nach Bulgarien
einzudringen, musste diesen Plan aber im letzten Augenblick aufgeben,
als er hörte, dass Murad den Kampf mit Castriota unterbrochen, die
Belagerung von Croja aufgehoben und sich mit seiner ganzen Macht
gegen Norden gewendet habe. Castriota, der wohl im Bereich seiner
Berge für unüberwindlich galt, aber schon im Jahre 1444 nicht im
Stande war, den Widerstand des Despoten von Serbien zu brechen,
um den Ungarn zu helfen, wurde dadurch frei, vielleicht sogar gerettet;
er benützte aber die Ablenkung von Murad's Macht keineswegs, um
den Ungarn zu helfen, sondern kehrte sich gegen Venedig, das sich
widerrechtlich des Besitzes des ermordeten Herrn von Doyma be-
mächtigt hatte.
Das ungarische Heer zog nun längs der Morava nach Krusevaz,
das niedergebrannt wurde, überschritt bei Jankova-Klisura ^) das Velika
Jastrowazgebirge, berührte Kursumlje und Podujevo und kam durch
das Thal des Labbaches auf das Amselfeld bei Pristina. Das Amsel-
feld (Kosowo polje, Rigömezü), wo vor 59 Jahren Sultan Murad I.
getödtet und die serbische Macht vernichtet w^urde, ist eine lang-
gestreckte, von Mittelgebirge begrenzte Ebene, die von der Sitniza.
einem unbedeutenden, nur zeitweise wasserreichen Flüsschen, das bei
Mitroviza in der Ibar fällt, durchflössen wird; am rechten Ufer der
Sitniza, unweit von Pristina hatte sich um die Mitte October das
bei der Donaufährte, gewöhnlich Lapideum genannt), Slankamen (ad salam lapidem)
kann hier wohl nicht gemeint sein. Am 17. September stand Hunyady noch am
selben Orte.
^) Thomas Stephan von Bosnien suchte schon seit 1445 Srebreniza wieder
zurückzugewinnen. Als es endlich zwischen Serbien und Bosnien zu ofl^enem Kampfe
kam, wurde das bosnische Heer am 6. September 1448 von den Serben geschlagen.
Stephan gab jedoch trotz dieser Niederlage nicht nach, sondern setzte den Krieg umso
entschiedener fort,
^) »Janko« oder >Jankul« ist der auf der Balkan-Halbinsel gebräuchliche Name
für Johann Hunyady. Am Südausgange des nach Hunyady genannten Passes, Jankova-
Klisura, steht nach Angabe Kanitz' die Euine einer kleinen Jankova-Kilisa (Kirche)
genannten Kapelle, welche nach der Volkssage Hunyady in einer Nacht erbaut habe,
um sein Heer beim Vorüberziehen durch einen Priester segnen zu lassen. Dass sich
hier im Volksraunde die Erinnerung an einen dem Volke fremden Gottesdienst er-
hallen hat, ist wohl möglich.
— 113 -
Schlacht auf dem Amselfohlc. IT.. 18. und 19. October 1441
A Hunyady's verschanztes Lager
B Stellung der Ungarn \
C Stellu
O Xliiurshi hwi
1-300000 *
Schichienhöhe som
ungarische Heer auf einer Höhe — die Ankunft Murad's gewärtigend
— verschanzt.
Als Murad mit ungefähr 150.000 Mann über Prisrend auf dem
Amselfeld angelangt war. überschritt er nach mehrtägigem Zögern die
Sitniza bei einem Orte »Brod« (slavisch Furt, jetzt nicht mehr vor-
handen, wahrscheinlich Skulanova), wozu sein Heer drei Tage brauchte.
Plötzlich gieng er aber über den Fluss zurück, ohne die Ungarn an-
zugreifen.
Kupelwiese 1", Ungarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl. 8
— 114 —
Die Nachricht, dass Hunyady einen türkischen Gefangenen im
ungarischen Lager herumführen Hess, damit er die treffliche Rüstung
seines Heeres, die Menge seiner Geschütze, die Stärke seiner Ver-
schanzung betrachte und dem Suhan, an den er ihn zurücksandte,
darüber berichte; dass darauf der Sultan für einen Frieden nebst Er-
satz der Kriegskosten 100.000 Ducaten geboten habe, weil er den
Auso-ang einer Schlacht fürchtete, oder weil er Hunyadjr durch dieses
Anerbieten zum Verlassen seiner Stellung verleiten wollte, um ihn
dann desto leichter zu vernichten, klingt nicht glaublich.'^) Viel wahr-
scheinlicher ist, dass Murad, nachdem er Hunyady's Stellung als schwer
einnehmbar erkannt hatte, wieder über die Sitniza zurückgieng, um
Hunyady, dessen Heer von allen Hilfsmitteln abgeschnitten und von
einer feindlich gesinnten Bevölkerung umgeben war, daher in kürzester
Zeit Mangel leiden musste, zu einer Entscheidung zu drängen und
zum Verlassen seiner starken Stellung zu verleiten. In offener Feld-
schlacht konnte auch die Ueberzahl des türkischen Heeres, namentlich
an Reiterei, zu voller Geltung kommen.
Nur zu bald sollte Murad seine Absicht erreichen; kaum war
er über die Sitniza zurückgekehrt, so folgte ihm Hunyady, dessen
Heer zufolge seiner geringen Stärke den Fluss an einem Tage über-
setzte, nach.
Am 17. October standen sich beide Heere am linken Ufer der
Sitniza gegenüber; das ungarische in 38 Bannern, in kleineren Ab-
theilungen formiert wie bei Varna; im Centrum die Siebenbürger mit
den fremden Söldnern und den Feldgeschützen unter dem Befehle
Szekely's, auf dem rechten Flügel Ungarn unter Benedict Losonczy's
Befehl, den linken Flügel, die Walachen. führte ihr Woywode Dan
und Stephan Bänffy; eine Reserve befehligte Franz Thallöczy. Die
Aufstellung des türkischen Heeres entsprach dem gewöhnlichen Ge-
brauche; am rechten Flügel die europäischen Truppen unter Turachan's
Führung, am linken Flügel die Asiaten, im Centrum der Sultan mit
den Janitscharen und Geschützen, deren Gebrauch den Türken neu
war; die Janitscharen hinter Gräben und durch Schilde gedeckt, vor
der Front noch die Kameele an Pfähle gebunden, um die Pferde der
Gegner scheu zu machen. Im Bewusstsein seiner Uebermacht dehnte
'') Aeneas Silvius bringt diese Angabe in einem Briefe an den Papst; wenn er
auch mit Recht tadelt, dass Hunyady seine befestigte Stellung verliess, so hätte dieser
doch auf die Ankunft Castriota's, wie Aeneas hoffte, vergeblich gewartet. Aeneas
meint auch, »die Auflösung des türkischen Heeres wegen eintretendem Mangel wäre
abzuwarten gewesen«, für den Sultan wäre dies ein Grund mehr gewesen, selbst an-
zugreifen.
— 115 —
Murad die Reiterei zu beiden Seiten so aus. dass er die Ungarn weit
überflügeln konnte; er vermied dadurch auch, dass die einzelnen Reiter-
abtheilungen, deren Kampfweise in schnellen Wendungen ihren Vor-
theil fand, im Fliehen rückwärts stehende Abtheilungen mit sich fort-
reissen konnten.*)
Nachdem sich am 17. October zwischen den beiden Schlacht-
linien nur kleinere Gefechte der leichten Reiterei und Einzelkämpfe
entsponnen hatten, richtete Hunyady am folgenden Tage um die
Mittagszeit den ersten Angriff gegen Murad's rechten Flügel; dieser
widerstand, von den Janitscharen unterstützt, den heftig anstürmenden
Scharen. Durch sechs Stunden wogte der Kampf unentschieden hin
und her, bis sich gegen Abend beide Theile in ihre frühere Stelluno-
zurückzogen. Das Geschützfeuer währte bei Beginn der Nacht noch
fort. Hunyady hatte ein Pferd verloren und verdankte seine Rettung
nur einem Bewohner des Hunyader Thaies, der ihm das seinige übergab.
Zu Beginn der Nacht hielt Hunyady einen Kriegsrath; auf An-
rathen David's, eines im ungarischen Heere dienenden Türken aus
dem Geschlechte Osman's,^) wurde beschlossen, noch in der Nacht die
Janitscharen zu überfallen; gelänge es, diese in Verwirrung und zur
Flucht zu bringen, so würden sie die durch den Kampf am Vortage
erschütterten Truppen mit sich fortreissen und leicht eine vollkommene
Niederlage herbeiführen. Sein Vorschlag fand Beifall; um Mitternacht
warf Hunyady sein Mitteltreffen unter heftigem Feuer auf jenes des
Feindes. Die Janitscharen, anfangs wohl durch den unerwarteten An-
s:riff überrascht, sammelten sich aber bald und stellten sich in sre-
schlossenen Reihen entgegen; ohne Erfolg mussten sich die Ungarn
zurückziehen.
Mit Anbruch des folgenden Tages geriethen der rechte Flügel
der Ungarn und die Asiaten, welche bisher am Kampfe wenig Theil
genommen hatten, zuerst aneinander; bald aber entbrannte ein mörderi-
scher Kampf, der sich über die ganze Schlachtlinie ausbreitete. Die
Türken konnten die Lücken, welche in ihren Reihen entstanden, stets
wieder durch frische Mannschaft ausfüllen; bei den Ungarn hingegen
*) Das Amselfeld hat eine Länge von 50 Kilometer. Ueber den Ort der Schlacht
fehlen alle genaueren Angaben. Um die Keitermassen der Türken vollkommen aus-
zunützen, wäre am linken Ufer der Sitniza nur bei Skulanova Kaum. Die Kapelle
nordwestlich von Pristina bezeichnet den Ort. wo Sultan Murad I. in der Schlacht
1389 erstochen wurde.
®) Sultan Murad I. Hess bei seiner Thronbesteigung seinen Bruder Mustafa
blenden; dieser floh mit Frau und Kindern zu König Sigismund ; sein Sohn erhielt
in der Taufe den Namen David und focht in allen Kriegen wider die Türken mit.
- 116 —
hatten sich die Reihen schon auffällig gelichtet, ohne einen Ersatz zu
finden; doch hoffte man durch Muth und Ausdauer den Sieg noch er-
rino-en zu können. Da machte sich unerwartet die Uebermacht Murads.
namentlich an Reiterei, geltend. Turachan, der seine Truppen, die
Unoarn weit übergreifend, ausgedehnt hatte, umfasste deren linken
Flüo-el. auf welchem die Walachen standen, und bedrohte ihn von
allen Seiten. Den Sieg kaum mehr für möglich haltend und vor die
Wahl gestellt, sich entweder für die Ungarn zu opfern, oder durch
Verrath sich und ihr Land zu retten, wählten die Walachen das Letztere,
und Hessen sich mit Murad in Verhandlungen ein, indem sie versprachen.
die Waffen, welche sie nur durch die Ungarn gezwungen ergriffen
hätten, niederzulegen. '") Wenn dieser Verrath auch den Verlust der
Schlacht nicht verursachte, wie die Ungarn behaupteten, so hat er den-
selben jedenfalls beschleunigt und vielleicht auch die nahezu gänzliche
Vernichtung des ungarischen Heeres herbeigeführt. Dass die Walachen
auch gleich ihre Waffen gegen die Ungarn kehrten, ist nicht erwiesen.
doch erklärt der Abfall von 8000 Mann, d. i. des dritten Theiles der
Gesammtstärke des Heeres, wohl genügend die gänzliche Auflösung
desselben und den Verlust der Schlacht. In hoffnungslosem Kampfe
vertheidigte sich ein Theil der Ungarn noch, bald aber wich, was von
ihrer Reiterei noch übrig war, vom Schlachtfelde und jagte sammt
dem Feldherrn in wilder Flucht davon. Die Reste des Fussvolkes
suchten im verschanzten Lager noch Rettung, wurden aber dort am
folgenden Tage nach standhafter Vertheidigung sämmtlich nieder-
gemacht.
Johann Szekely, dem ein riesiger Türke trotz Panzerhemd den
Arm abgeschlagen hatte, dann Johann Thallöcz}^ die beiden Pelsöczy,
Emerich Marzaly, Benedict Losonczy und Stephan Banffy, mit ihnen
bei 9000 Magyaren, 6000 Walachen und 2000 fremde Söldner, kamen
auf dem Schlachtfelde um^') oder wurden von den Serben, die schon
in der Nähe lauerten, um Verwundete und Todte zu plündern und
Flüchtige zu überfallen, ermordet. Die Auflösung und nahezu gänzliche
Vernichtung des ungarischen Heeres mag Murad veranlasst haben, von
'") Engel meint, der Verrath der Walachen wäre gegen den Willen ihres
Woywoden geschehen. Murad soll den Walachen volle Gnade zugesagt haben, Hess
sie aber, einen Verrath fürchtend, als sie in das türkische Lager einrückten, von
20.000 Keltern umgeben und auf sie einhauen. Dan selbst kam zwar unbehelligt
durch, musste sich aber zu einem demüthigenden Ausgleich herbeilassen.
") Georg Brankovic selbst Hess nach der Schlacht die Gefallenen zählen. Der
grosse Verlust der Walachen trotz ihres Verrathes, von dem sie wenig Vortheil
hatten, wäre wohl durch Murad's hinterlistiges Benehmen zu erklären.
— 117 —
einer weiteren Verfolgung der Reste desselben abzusehen. Auch die
Türken sollen 30.000 Mann in der Schlacht verloren haben.
Hunyady. von der allgemeinen Flucht fortgerissen, trennte sich
von der kleinen Schar seiner Begleiter, die mit ihm dem Schlachten-
srewühle entronnen war. weil sie zu schwach war, ihn zu schützen,
und doch Aufsehen erregen konnte. Er schlug den Weg gegen Ungarn
allein ein. Am andern Tag musste er sein ermüdetes Pferd zurück-
lassen und den Marsch zu Fuss fortsetzen. Im Karadaghgebirge üel
er Räubern in die Hände, die ihn zu seinem Glücke nicht erkannten;
zwei schleppten ihn mit sich fort, während die üebrigen nach weiterer
Beute suchten. Unterwegs bemerkten sie, dass der Ausgeplünderte noch
ein goldenes Kreuz auf der Brust trage, und fiengen an, sich um dieses
zu balgen, da riss Hunyady dem Einen das Schwert aus der Scheide
und hieb ihn nieder, während der Andere die Flucht ergriff. Um den
Nachstellungen des Despoten von Serbien zu entgehen, der den Befehl
gab, ihn zu fangen und auszuliefern, suchte Hunyady auf Umwegen
an die Donau zu kommen; von seinem Wirte in Kladova erkannt,
wurde er nach Semendria gebracht und dort eingekerkert. Unterdessen
forderten die in Szegedin versammelten Stände dringend die Freilassung
des Grubernators. Georg Marnavic führte eine Streitmacht vor Semendria.
so dass Brankovic sich veranlasst sah, Hunyady nach fast zwei-
monatlicher Gefangenschaft unter wohl nicht ganz aufrichtig gemeinten
Entschuldigungen zu entlassen, jedoch nicht, ohne ihn zu dem Ver-
sprechen zu nöthigen, dem Despoten seine in Ungarn confiscierten
Güter wieder zu verschaffen und dessen ältesten Sohn Ladislaus, den
er mit seiner Tochter vermählen wollte, als Bürgen zurückzuhalten.
Als Hunyady am 24. December in Szegedin ankam, wurde er
ungeachtet der erlittenen Niederlage freudig empfangen und von Neuem
mit der Vertheidigung des Landes betraut. In einem Briefe an Papst
Nikolaus V. verspricht Hunyady, sofort Vorkehrungen zu treffen, damit
der Feind nicht zu lange Ruhe geniesse, und nicht eher selbst zu ruhen,
bis er Rache genommen oder den Tod gefunden habe.
Da im Norden Ungarns geordnete Verhältnisse noch immer nicht
hergestellt waren, gieng Hunyady auf die Vorschläge ein, welche
Brankovic zu Anfang 1449 machte, um einen Frieden mit den Türken
zu vermitteln; der Reichstag verwarf aber die vereinbarten Bedingungen,
weil der Sultan die Oberhoheit über die ungarischen Vasallenstaaten
beanspruchte. Um nun im Norden Ungarns Ordnung zu machen, wurde
ein Feldzug gegen Giskra unternommen, der aber nicht mit dessen
— 118 —
Unterwerfung, sondern mit einem durcla schwere Opfer erkauften
Vergleicli endete.
Die Treulosigkeit Georg's war in Ungarn nicht vergessen, seine
Güter in Ungarn wurden nun zu Gunsten von Hunyady's Familie in
Beschlag genommen und der Gubernator beauftragt, ihn zu bekriegen.
Dieser fiel nun in Serbien ein und verheerte das Land. Die Hilfe der
Türken, auf die Georg hoffte, blieb aber nicht nur aus, der Sultan
wollte sich auch für die Entlassung Hunyady's an Georg rächen und
entsendete, als er eben in Albanien beschäftigt war, Firusbeg, um das
zerstörte Krusevaz wieder aufzubauen und neu zu befestigen. Von allen
Seiten bedrängt, bat nun Georg um Versöhnung, Hunyady wurde zurück-
gerufen und ein Vergleich getroffen; auch des Gubernators Sohn, der
von Georg als Geisel zurückbehalten worden war, wurde entlassen.
Im October 1450 verhandelte Hunyady mit Kaiser Friedrich
selbst über das noch immer zwischen Krieg und Frieden schwebende
Verhältniss Ungarns zu demselben. Nicht frei von Herrschsucht, war
es Hunyady gelegen, Ladislaus vom Lande ferne zu halten; er schloss
daher einen Vertrag, demzufolge Ladislaus noch ferner unter Friedrieh's
Vormundschaft belassen, er selbst aber als Gubernator anerkannt
wurde.
Am 2. Februar 1451 starb Murad IL Sein Sohn Mohammed IL,
der die Herrschaft mit dem festen Entschlüsse antrat, Constantinopel
zu erobern, traf auch gleich die Vorbereitungen hiezu und schloss mit
Ungarn einen Waffenstillstand, der dem Lande im Süden für zwei Jahre
wieder den Frieden gab.
Die Vormundschaft Friedrieh's über Ladislaus sollte aber nicht
lange währen. Friedrich wollte sich in Rom krönen lassen und glaubte,
in Ungarn durch die Bestellung des Gubernators, sowie in Böhmen
durch die Ernennung Georg Podjebrad's als Verweser alles gethan
zu haben, um diese Länder zu befriedigen und ungehindert abreisen
zu können. Dagegen aber erhoben sich die Oesterreicher, welche
Friedrich beschuldigten, sein Mündel nur deshalb nach Rom genommen
zu haben, um ihn bei Gelegenheit zu beseitigen, und verbanden sich
mit den Unzufriedenen in Ungarn und Böhmen, so dass Friedrich,
als er 1451 wieder nach Wien zurückkehrte, genöthigt war, den jungen
König, um den sich Oesterreich, Böhmen und Ungarn bald selbst
streiten würden, aus der Vormundschaft zu entlassen. Eine Vereinbarung
über alle Streitigkeiten zwischen den Ländern des Königs und dem
Kaiser, welche noch in Wien getroffen werden sollte, kam nicht zu
Stande.
- 119 —
Hunyady kam bald selbst zur Ueberzeugung. dass neben dem
Könige für einen Gubernator kein Platz wäre, und legte zu Weih-
nachten 1452 seine Würde nieder, wurde aber vom König gleich zum
Ober-Capitän Ungarns und zum Verwalter der königlichen Einkünfte
ernannt und in allen übrigen Aemtern bestätigt. Ende Jänner 1453 kam
Ladislaus nach Ungarn, wo er immer mehr dem verderblichen Ein-
flüsse seines Oheims, des Grafen Ulrich von Cilli, erlag.
Dem Kampfe, welchen der Rest des einst weltbeherrschenden
byzantinischen Reiches zu führen gezwungen war, sah man in Ungarn
wie im übrigen Europa nicht ohne Besorgniss entgegen, ohne sich
aber zu einer ernstlichen Hilfe aufraffen zu können. Mohammed II.
wollte das seit einer Reihe von Jahren fast ununterbrochen bedrohte
Constantinopel zu seiner Hauptstadt machen. Der immer mehr an-
wachsenden osmanischen Macht konnte der letzte byzantinische Kaiser
nicht mehr Widerstand leisten. In verzweifeltem Kampfe fand
Constantin IX. Paläologus den Heldentod auf den Mauern seiner Stadt,
die nach hartnäckigem Widerstand den 29. Mai 1453 von den Os-
manen eingenommen wurde. '-)
'-) Um das lateinische Europa für die Errettung von Constantinopel zu ge-
Avinnen, machten die letzten byzantinischen Kaiser wiederholt vergebliche Versuche,
die griechische Kirche mit der katholischen zu vereinigen; sie scheiterten an dem
Fanatismus des Volkes, besonders aber an dem Widerwillen des Clerus, sich dem
Papste zu unterwerfen. Die Stadt wäre wohl schon lange den Angriffen der Türken
erlegen, wenn nicht die Ueberzeugung, dass ihre Eroberung einen Bund der christ-
lichen Mächte gegen die Osmanen zur Folge haben könnte, die letzten Sultane von
einem ernstlichen Angriffe abgehalten hätte. Anders dachte der herrschsüchtige und
rücksichtslose Mohammed 11. Mit dem festen Entschlüsse, Constantinopel zu erobern
und zur Hauptstadt seines Eeiches zu machen, bestieg er den Thron und begann
gleich mit den Vorbereitungen hiezu. Als er durch die Erbauung des Schlosses Rumili
Hissar Constantinopel bedrohte und vom Schwarzen Meere abschnitt, beschwerte sich
Kaiser Constantin vergeblich und bot dem Sultan Frieden und Freundschaft an, ver-
schmähte aber endlich, auf die schimpflichen Bedingungen Mohammed's einzugehen
und fasste den Entschluss, sich lieber unter den Trümmern der Stadt begraben zu
lassen, als sie den Türken zu übergeben.
Am 6. April 1453 hatte Mohammed die Stadt mit einem Heere von 250.000
Mann eingeschlossen, während sich in derselben nur 2000 Mann Soldtruppen und von
den mehr wie 100.000 Einwohnern 6000 zur Vertheidigung entschlossene Männer
fanden. Einigen genuesischen Schiften gelang es noch, am 15. April der vor dem
Hafen liegenden türkischen Flotte eine Niederlage beizubringen und der belagerten
Stadt einige Hilfe zuzuführen, aber schon am 29. Mai 1453 drangen die Türken in
die Stadt ein; und als der Ruf sich verbreitete, dass Schifte mit vieler Mühe über
Land in den oberen Hafen — das goldene Hörn — geschafl't würden, und die Ver-
theidigcr der Mauern sich im Rücken angefallen sahen, warf Kaiser Constantin, der
selbst in der Bresche beim Thore des heiligen Romanus kämpfte, den Purpurmantel
— 120 -
Während der Belagerung Constantinopels kam ein Gesandter
Hunvadv's zum Sultan, der ihm anzeigte, dass er die Statthalterschaft
niedergelegt habe und daher den abgeschlossenen Waffenstillstand ein-
zuhalten nicht mehr in der Lage wäre; mit dem Könige wolle der
Sultan es nach Belieben halten. Hunyady wollte sich dadurch volle
Freiheit für sein ferneres Verhalten w^ahren. Die geringe Theilnahme
Hunvadv's für die bedrängte Kaiserstadt soll durch die in Ungarn all-
gemein geglaubte Prophezeiung hervorgerufen worden sein, dass die
Christen erst dann siegen würden, wenn es den Türken gelungen wäre.
Constantinopel zu zerstören.
Der Eindruck, den der Fall Constantinopels auf das christliche
Abendland hervorbrachte, war gross, aber nicht nachhaltig. In Deutsch-
land bemühte sich Aeneas Silvius als Vertreter des Kaisers vergeblich,
die Fürsten zur Hilfe zu bewegen, und die übrigen Mächte Europas
zeigten sich nicht opferwilliger. Die Päpste Nikolaus V. und sein
Nachfolger Calixt III. Hessen das Kreuz predigen und Gelder sammeln,
die Prediger aber — darunter auch Johann von Capistrano^^) —
ab und stürzte sich, um einer schimpflichen Gefangenschaft zu entgehen, in das
Kampfgewiihl, wo er unerkannt den Tod fand.
'■') Johann Capistranus wurde 1386 zu Capistrano — daher sein Name — ge-
boren (sein Vater soll aus Deutschland eingewandert sein). Nachdem er in Perugia
juridischen Studien oblag, wurde er in Neapel als Richter in das Parteigetriebe ver-
wickelt und in Haft genommen. Hier fasste er den Entschluss, der Welt zu entsagen
und trat in den Orden der minderen Brüder des heiligen Franciscus, daher er als
Franciscaner und auch als Minorit angeführt wird. Als feuriger Redner, und nicht
ohne Ehrgeiz, lenkte er die Aufmerksamkeit des heiligen Stuhles auf sich, wurde als
Missionär im Oriente verwendet und kam auf Aeneas Silvius Piccolomini's — damals
Bischof von Siena — Antrag 1450 zur Bekämpfung der Hussiten nach Böhmen, er-
zielte daselbst aber keine Erfolge. Die Bewegung, welche die Einnahme von Con-
stantinopel hervorrief, eröffnete dem glaubenseifrigen Mönch, dessen Beredsamkeit —
obwohl der verschiedenen Landessprachen nicht mächtig — im Verein mit den von
seinen Begleitern ausgehenden Rufe eines Wunderthäters ihm ein unglaubliches An-
sehen erwarb, ein neues Feld der Thätigkeit. Die verstockten Böhmen der Hölle
überlassend, erschien er 1454, von Piccolomini geladen, auf den Reichstagen zu Frank-
furt und Wiener-Neustadt, wo über den Türkenkrieg berathen wurde. Die Agitation
unter dem Volke und die Anmahnung der fürstlichen Gewissen war ihm zugedacht,
während Piccolomini den politischen Theil der Aufgabe verfolgte. Jener predigte auf
seine Weise auf den Strassen und bewog Manchen, sich das Kreuz auf die Brust
heften zu lassen, die Fürsten aber blieben kühl und stumm, wenn er sie aus ihrer
Gleichgiltigkeit aufrütteln wollte und zum Glaubenskampf aufrief. Diesen unfrucht-
baren Boden hinter sich lassend, gieng Capistrano endlich 14öo nach Ungarn, wo er
freudig aufgenommen wurde. Die Erwartungen aber, die man an seine Anwesenheit
knüpfte, waren sehr verschieden, der Eine wünschte durch ihn die Ketzer zu bekehren,
der Andere das Volk der Diöcese zu erbauen, oder erwartete Wunder von ihm. Selbst
- 121 —
hatten nur beim gemeinen Volk einige Wirkung, und die Ablassgelder
wurden, wenn nicht von manchen Fürsten für eigene Zwecke ver-
wendet, durch die Ausrüstung einer päpstlichen Flotte aufgezehrt, die
zu klein war. um etwas auszurichten. Venedig, dessen Flotte das
Mittelmeer beherrschte und dessen Reichthum für die Anwerbung
eines Söldnerheeres wohl ausreichte, wünschte dem Sultan nicht nur
Glück zu seiner Ei'oberung, sondern schloss noch einen Handelsvertrag,
der den Verlust seiner schönsten Besitzungen vorbereitete. So fiel auch
jetzt wieder die Last des Krieges gegen die Türken fast ausschliess-
lich auf Ungarn, das der Sultan als seinen mächtigsten und gefähr-
lichsten Gegner ansehen und vor allem unschädlich zu machen suchen
musste.
Auf dem Reichstag in Ofen im Jänner 1454 wurde beschlossen,
ein mächtiges Heer aufzustellen und Hunyady auf ein Jahr zum Feld-
herrn zu ernennen; ein Rath wurde ihm beigegeben, der zu entscheiden
hatte, wie viele königliche Banderien aus den Einkünften der Krone
zu erhalten seien, und dafür sorgen musste, dass den Bannerherren die
festgesetzten Hilfsgelder ausgezahlt würden. Weiters wurde bestimmt,
in welchem Verhältniss die Prälaten. Magnaten und Edelleute, dann
die Städte und Bezirke zum Kriegsdienst heranzuziehen seien, und
welche Strafe die den Gehorsam Verweigernden zu treffen habe. Da
hiedurch die Kräfte des Landes gegen früher in ausserordentlichem
Masse in Anspruch genommen wurden, gelobten die Stände im eigenen
und des Königs Namen, solche Opfer nur diesmal zu verlangen, weil
Thron und Vaterland nur durch ausserordentliche Mittel vor dem Lose
Constantinopels bewahrt werden könne, künftig aber nie mehr verlangen
zu wollen. Hunyady berichtete den Beschluss des Reichstages an den
König in Prag, wo zum Kriege gegen die Türken die Beistellung von
6000 Mann Fussvolk und 1200 schweren Reitern bewilhgt wurde. In
Prag trafen auch Gesandte aus Ragusa ein, um dem König zu huldigen.
Um ihre Freiheit zu bewahren, musste auch die kleine Republik dem
Sultan zu seinem Siegre Glück wünschen und Tribut leisten.
Hunyady und seine Gattin wandten sich an ihn mit der Bitte, an das Krankenlager
ihrer Schwiegertochter zu kommen, und gaben in einem Briefe der Ueberzeugung'
Ausdruck, er könne sie noch zum Leben erwecken, wenn er sie bereits todt vorfinden
sollte. Dass er aber das Kreuz predigen sollte, hatten die Wenigsten im Sinne; er
selbst aber sah darin ein würdiges Feld seines Kuhmes. Was über Capistrano's Erfolge
in Bekehrung der griechischen und sonstigen Ketzer, welche in den Donauländern
die katholische Kirche fast überwucherten, erzahlt wird, mag, ebenso wie die vielen
ihm zugeschriebenen ganz unglaublichen Wunder, dahingestellt bleiben. Aufsehen er-
regte die Bekehrung des Wladika Johannes, eines walachischen Ketzerhauptes.
— 122 —
Im festen Besitze Constantinopels, strebte Mohammed zunächst
den Besitz Serbiens an. Dort suchte der 87jährige Georg Brankovic
durch erneute Huldigung und Tribut seine Herrschaft zu sichern, aber
noch im Frülijahre 1454 sandte ihm der Sultan die Botschaft: »Das
Land Serbien gehört nicht Dir. sondern Stephan, dem Sohne Lazar's,
und folglich mir. als dem Sohne Murad's, Stephan's Eidam. Deines
Vaters Antheil kann ich Dir abtreten, weigerst Du Dich, so komme
ich über Dich.« ^*) Da der Gesandte zur bestimmten Zeit nicht
zurückkehrte, brach Mohammed mit seinem ganzen Heere gegen
Philippopel auf.
Brankovic konnte nur bei Ungarn noch Rettung finden; er eilte
nach Siebenbürgen zu Hunyady, um dessen Hilfe zu erbitten. Den
alten Groll vergessend, brach dieser mit den bereits gesammelten Truppen
nach Bulgarien auf, schlug nach Uebersetzung der Donau mehrere
Haufen Osmanen und drang unter Verheerung des Landes bis Trnowa
vor, von wo er, mit reicher Beute beladen, wieder über die Donau
zurückkehrte.
Auf die Nachricht von Hunyady's Einfall rückte Mohammed bis
Sophia vor, Hess dort, um Bulgarien zu decken, einen Theil des Heeres
stehen und brach mit dem Reste desselben — sein Fussvolk allein
soll 20.000 Mann betragen haben — in Serbien ein, ohne einem Heere
zu begegnen. Brankovic hatte den Serben befohlen, sich in die festen
Plätze zurückzuziehen und den von Ungarn zu erhoffenden Entsatz
abzuwarten. Während Mohammed Semendria und Ostrowiza belagerte,
durchzog Firusbeg mit der Reiterei das Land und trieb gegen 50.000
Gefangene zusammen, von welchen 4000 — des Sultans Antheil —
zur Bevölkerung der um Constantinopel liegenden Orte abgeführt
wurden. Ostrowiza wurde in Schutt geschossen und die Besatzung,
obwohl sie sich gegen freien Abzug ergab, in die Sclaverei geführt.
In Semendria war der äussere Wall schon genommen, das innere
Schloss aber hielt sich noch, als die Nachricht vom Anrücken Hunyady's
mit einem Entsatzheer eintraf. Mohammed hob die Belagerung auf
und Hess Firusbeg mit 32.000 Mann in Serbien zurück, um sich in
Kruse vaz, das er neu befestigen wollte, festzusetzen und von hier aus
Serbien wieder zu nehmen, während er selbst nach Philippopel zurück-
kehrte, um sich für einen Feldzug im kommenden Jahre zu rüsten.
Hunyady gieng bei Semendria über die Donau und näherte sich,
nachdem er in vier Tagen das Moravathal durchzog, bis auf zwei
Meilen Krusevaz, wo Firusbesr unter dem Schleier eines dichten Nebels
") Hammer, I, 433.
- 123 —
überraschend angegriffen, vollständig geschlagen und gefangen wurde;
nur die Nacht entzog den Rest der Türken dem Untergange. Hunyady
rückte bis Pirot vor, kehrte aber auf die Nachricht, dass der Sultan
von Sophia her vordringe, über Widdin. das zerstört wurde, nach
Belgrad zurück. Hier schlug Hunyady seinen jüngsten Sohn Mathias
zum Ritter, übergab Brankovic die vielen Gefangenen, um sie gegen
Serben auszuwechseln, und glaubte hier mit allen seinen Streitkräften
den Angriff Mohammed's abwarten zu können. Da aber Mohammed
mit dem Abzüge der Ungarn sich zufrieden gab und nach Constan-
tinopel zurückkehrte, entliess Hunyady die in Belgrad angesammelten
Truppen und überliess es Brankovic, gegen Entrichtung eines jähr-
lichen Tributes von 300 Ducaten mit dem Sultan Frieden zu schliessen.
Bleibende Erfolge konnte dieser Feldzug, obwohl für Ungarn
siegreich, nicht aufweisen, weder ein entscheidender Schlag wurde
geführt, noch wurden die errungenen Vortheile in ii'gend einer Weise
behauptet.
Die unterdessen fortgeführten Verhandlungen wegen Beistellung
von Hilfstruppen blieben ohne Erfolg. Der Beredsamkeit des Aeneas
Silvius gelang es zwar, die deutschen Reichsstände und Italien zum
Versprechen der Beistellung von 10.000 Reitern und 30.000 Mann
Fussvolk zu bringen, diese Hilfe sollte jedoch erst zu Pfingsten des
Jahres 1454 geleistet werden, daher der grossartig geplante Feldzug
unterbleiben musste, von dem Hunyady, als er dem Kaiser über
seine Siege berichtete, noch sagte: »Im Laufe des Jahrhunderts würde
sich kaum eine günstigere Gelegenheit ergeben, die türkische Macht
zu brechen.«
Im Frühjahre 1456 berichtete der türkische Befehlshaber an der
serbischen Grenze, Isabeg, an den Sultan, es wäre jetzt leicht, in
Serbien einzudringen. In der That bekämpften sich die serbischen
Bojaren gegenseitig, und es schien sich das irrige Gerücht vom Tode
des Despoten verbreitet zu haben. Der Sultan musterte sogleich sein
Heer in Adrianopel, bezog bei Karatowo ein Lager und Hess Novobrdo,
einen der reichsten, durch seinen Silberbau bekannten und befestigten
Plätze Serbiens belagern. Nach siebentägiger Beschiessung wurde die
Stadt erobert und ihrer Schätze beraubt. Noch andere Städte an der
Sitniza und auch Krusevaz fielen den Türken in die Hände; da aber
des Sultans Augenmerk auf die Unterwerfung des Archipelagus ge-
richtet war, begab er sich nach Constantinopel zurück, um der Flotte
näher zu sein, und gab die weiteren Unternehmungen gegen Serbien
auf. Brankovic suchte noch beim Reichstage in Raab und endlich
— 124 -
in Wien beim König selbst vergeblich Hilfe. In einer Unterredung
mit dem Kreuzprediger Capistrano versprach ihm dieser, alles thun
zu wollen, um ihn aus den Händen der Türken zu erretten, wenn er
den katholischen Glauben annehmen würde; der 90jährige Greis er-
widerte aber, er habe seit seiner Geburt keine andere als die von
seinem Vater ererbte Religion gekannt und wolle lieber durch einen Strick
sein Leben enden, als sie verlassen. Vergeblich bot Georg an, auf
eigene Kosten 10.000 Mann zu stellen und zu erhalten; Capistrano
hatte Hunyady sowohl wie den König gegen ihn eingenommen; er
gieng nach Semendria zurück und erwartete, was der Sultan über ihn
verhänsren würde. An dem nächsten Zusammenstoss der Türken mit
den Ungarn betheiligte er sich nicht.
Während Hunyady in Serbien und Bulgarien kämpfte, suchte
ihn die Hofpartei — der Graf von Cilli an der Spitze — bei dem
jeder Einflüsterung zugänglichen König zu verdächtigen; man be-
schuldigte ihn. dass er selbst nach der Krone strebe und sich jetzt
schon höher dünke wie der König selbst. Ein Anschlag auf die Freiheit,
vielleicht auch auf das Leben Hunyady "s hätte bald einen Bürger-
krieg hervorgerufen, wenn nicht die neuerdings von den Türken
drohende Gefahr die Parteien von weitergehenden Zwistigkeiten ab-
gehalten hätte.
Schon im Winter traf Mohammed Vorbereitungen für den im
Frühjahr 1456 beabsichtigten Feldzug. Truppen wurden an der Grenze
angesammelt und Kriegsvorräthe aller Art angehäuft. Dass Geschütze
von enormer Grösse, deren Transport von weit her man scheute, in
Kr,usevaz gegossen wurden, Hess auf die Absicht schliessen. dass der
Sultan zunächst Belgrad belagern wolle.
Ungeachtet der Gefahr, welche nicht Ungarn allein, sondern
auch die benachbarten Länder bedrohte, konnte der vom Papst an
Kaiser Friedrich und König Ladislaus abgesandte Cardinal Carjaval
die zwischen Beiden bestehenden Zwistigkeiten nicht schlichten, doch
setzte er durch, dass der ungarische Reichstag noch im Jänner 1456
einberufen wurde. Der König traf erst Ende des Monats in Ofen
ein, Hunyady aber, mit Vorkehrungen zur Vertheidigung der Süd-
grenze beschäftigt, wollte sich bei der Anwesenheit des ihm feind-
lich gesinnten Hofes dem Reichstag ganz ferne halten, kam aber
Anfangs März doch nach Pest, jedoch nicht ohne Geleitsbrief
und nicht ohne beträchtliche bewaffnete Beorleitung mitzubrinsren.
Bei Eröffnung des Reichstages verkündete Carjaval, dass die
italienische Flotte sich zum Auslaufen rüste, und theilte mit, von wo
— 125 —
überall Hilfe wider die Türken zu erwarten wäre. Die Stände be-
willigten neue Steuern und trafen Verfügungen über die Unterkunft
und Verpflegung der zu erwartenden Kreuzfahrer, erklärten aber auch
— obwohl vorauszusetzen war, dass Mohammed kaum bis zum Herbste
unthätig bleiben werde — Avegen der Missernte im Vorjahre den
Feldzug vor August nicht beginnen zu können. Von Banderien der
Magnaten und Prälaten, sowie vom Aufgebote eines Nationalheeres,
das zur Vertheidigung des Landes ins Feld zu rücken verpflichtet
gewesen wäre, scheint aber gar nicht die Rede gewesen zu sein.
Während die Stände noch beriethen, wann man den Krieg be-
ginnen und wie man ihn führen solle, erscholl am 7. April in ihrer
Versammlunof der schreckliche Ruf, Mohammed sei mit einem un-
geheueren Heere durch Bulgarien und auf der Donau mit einer Flotte
gegen Belgrad im Anzüge. Diese Botschaft machte der schwer-
fälligen Verhandlung ein schnelles Ende, der Feldzug musste gleich
unternommen werden. Der Papst, die Stände in Deutschland, die
italienischen Staaten, auch Castriota wurden nun zur schleunigsten
Hilfe aufgefordert.
Hunyady. dem der Oberbefehl anvertraut wurde, eilte sogleich
nach Belgrad, verstärkte die Besatzung mit 7000 Mann seiner eigenen
Dienstleute und vermehrte die zum Theil anderen Städten entnommene
Geschützausrüstung. Hunyadj^'s Aufrufe an die ungarischen Grossen
blieben aber unbeachtet; die Bischöfe und Prälaten, sonst die Eifrigsten
in Beistellung von Banderien zur Bekämpfung der Ungläubigen, ver-
sagten ebenso wie der Adel jeden Beistand; nur Michael von Korogh,
Ban von Machov, Kanizsay, und Hunyady's Schwager, Szilagyi, fanden
sich mit geringer Mannschaft in Belgrad ein. Zum Befehlshaber in
Belgrad bestimmte Hunyady seinen Schwager. ^^) zu Unterbefehlshabern
Michael Orsagh und den Spanier Juan Bastide. Als Sammelplatz der
Kreuzfahrer und Truppen wurde Szegedin, Karansebes und Kubin be-
stimmt. Dem Cardinal Carjaval, der mit einem in Eile zusammen-
gezogenen Haufen von Kreuzfahrern gegen Peterwardein zog, gab
Hunyady den Rath, wieder in die Hauptstadt zurückzukehren, um
dort die Kriegsrüstungen zu fördern. Die seit Jahren in Ungarn
angeworbenen Kreuzfahrer suchte Capistrano im Lager zu Szegedin
zu sammeln.
Der Umgebung des Königs mochte die Lage der Dinge bedenk-
lich erscheinen. Wenn Belgrad, dessen Haltbarkeit frao-lich schien.
'^) König Ladislaus selbst nennt in einer Urkunde vom 21. März 1459 den
Michael Szilagyi als Befehlshaber in Belgrad.
— 126 —
genommen oder von Mohammed umgangen würde, konnten die Türken,
ohne auf Widerstand zu stossen, bis Ofen vordringen. Unter dem
Verwände einer Jagd verliess der König Ofen und begab sich nach
Wien. Sein Verschwinden gab das Zeichen zum Aufbruch der meisten
Herren aus der Hauptstadt; statt aber dem Feinde entgegen zu ziehen,
zogen sie sich auf ihre Schlösser zurück.
Am Einfluss der Save in die Donau, am rechten Ufer beider
Gewässer liegt auf dem gegen dieselben abfallenden Höhenzuge die
Stadt Belgrad; sie war damals mit doppeltem Walle und Graben
gegen die Landseite und durch Vertheidigungswerke gegen die
Wasserseite geschützt. Innerhalb der Stadt, auf der äussersten Spitze
des Höhenzuges, lag das stark befestigte Schloss.^^) Vor der Stadt
breitet sich die rechtwinklig gegen Osten abbiegende Donau weit aus
und umschliesst in zwei Armen die bei 900 Hektar grosse Kriegsinsel.
Der Stadt gegenüber, zwischen Donau und Save breitet sich die der
Ueberschwemmung ausgesetzte, im Sommer aber meist trockene Niede-
rung »Bezanska Bara« aus. an deren nördlichem, der Donau zuge-
kehrtem Ende die kleine Stadt Semlin mit einem hinter derselben
auf einer Anhöhe stehenden Castell liegt. Das linke Donauufer, so-
weit der Blick reicht, ist flach und sumpfig, während das rechte von
Semlin aufwärts bis Slankamen steil gegen das Fahrwasser der Donau
abfällt und selbes vollkommen beherrscht.
Mohammed traf Anfangs Juni mit einem Heere von 150.000
Mann 1") vor Belgrad ein; Wochen vergiengen aber noch, bis er die
Stadt zu Land und zu Wasser vollkommen eingeschlossen und seine
Geschütze in ihre Stellungen gebracht hatte. Die Zahl der türkischen
Geschütze wird mit 200 bis 300 angegeben, darunter befanden sich
22 Bombarden, von denen die grösste eine Länge von 24, und ihre Oeff-
nung einen Umfang von 5 Spannen hatte, dann mehrere ungeheuere
Mörser, »in deren Oeffnung ein mittelgrosser Mann wohl sitzen konnte«,
welche Steinkugeln von enormem Gewichte schleuderten. Eine Flotte
^^) Belgrad wurde seither so oft belagert, erstürmt und neu gebaut, dass
man jetzt von der Beschaffenheit der Festung sowie von der Ausdehnung der Stadt
zu Hunyady's Zeit kaum Spuren mehr findet. Die älteste Ansicht der Stadt bringt die
»Chronologie« von Hieronimo Ortelius. Protic: »Geschichte von Belgrad« bringt einen
Plan der Stadt, der wohl auf Phantasie beruht.
'') Die Angaben über die Stärke des türkischen Heeres sind sehr ver-
schieden; Thuroz gibt 400.000, Tagiiacozzo 160.000 bis 200.000 Mann an.
Cardinal Carjaval schätzt nach der Grösse des Lagers die Stärke des Heeres mit
150.000 Mann, welcher Zahl — der wahrscheinlichsten — auch Aeneas Silvius
beistimmt.
— 127 -
von 200 Schiffen fuhr die Donau aufwärts über Semlin und hinderte
jede Zufuhr in die belagerte Stadt, während dem türkischen Heere
von allen Seiten Bedürfnisse aller Art in reichlichem Masse zu-
strömten.
Die von Capistrano einberufenen, auch aus fernen Ländern zu-
strömenden Kreuzfahrer sammelten sich nur langsam, so dass sich der-
selbe veranlasst sah, nochmals mit vier seiner Ordensbrüder auszuziehen
und alle, die das Kreuz genommen hatten, bei Strafe der Excommuni-
cation aufzufordern, sich nach Slankamen zu begeben. Der erste Zuzug
von Kreuzfahrern geschah nur auf fünf Kähnen, später erst vermehrte
sich die Zahl derselben; sie kamen in Abtheilungen heran; Priester
Studenten, Bettelmönche, Bauern und allerhand armes Volk, meistens
nur mit Schwertern, Spiessen, Eisenhacken, selbst nur mit Knütteln
bewaffnet. Selbst Ketzer — Schismatiker und Juden — fanden nun
Gnade in Capistrano's Augen, wenn sie nur gegen die Türken kämpfen
und den Namen Jesu rufen wollten. Alle trugen ein rothes Kreuz auf
der Brust, ihre Fahnen trugen das Zeichen des Kreuzes und die Bild-
nisse der Heiligen Franciscus, Antonius oder Bernardino.
Dass die Zahl der Kreuzfahrer 40.000 erreichte, wie Aeneas
Silvius sagt (der jedoch mehr die angeworbenen, als die thatsächlich
zum Kampfe erschienenen Streiter gemeint haben dürfte), oder gar
60.000, wie der Minorit Tagliacozzo (einer der Begleiter Capistrano's)
angibt, ist völlig unglaublich. ^®) Tagliacozzo schildert die Kreuzfahrer
in ganz idealer Weise, Hunyady aber und der päpstliche Legat hatten
von diesem zusammengelaufenen Volk, dessen militärische Ausbildung
nicht dadurch gewann, dass Capistrano sie lehrte, den Sultan nie anders
als Riesenhund zu nennen, keine besondere Meinung und erwarteten
kaum Tüchtiges von ihnen. In Ungarn standen die Kreuzfahrer von
früheren Jahren her auch nicht in besonderem Ansehen, ihr Name war
mit dem von Landstreichern ziemlich gleichbedeutend; sie wollten hin-
gegen von den Ungarn und ihren Führern nichts wissen und nur den
Anordnungen Capistrano's sich fügen. In der Noth war aber auch
solche Hilfe nicht abzuweisen.
In Belgrad waren die Vorwerke und Thürme der äusseren Um-
wallung dem Boden schon fast gleich gemacht und auch die zweite
Mauer konnte den gewaltigen Geschossen kaum lange mehr wider-
stehen. Hunyady Hess die bei Peterwardein angesammelten Wasserfahr-
1®) Es mögen sich wohl sehr Viele zur Annahme des Kreuzes gemeldet haben,
erschienen sind aber verhältnissmässig Wenige. Ein Theil derselben, und wohl der
bestausgerüstete und organisierte, kam zu spät.
- 128 —
zeuo-e fwohl bei 200, darunter aber nur eine einzicre Galeere, sonst
nur Kähne und Nachen) mit Lebensmitteln und Kriegsgeräthen beladen
und von seinem Gefolge und auserlesenen Kreuzfahrern bemannt, am
14. Juli, die Strömving der Donau benützend, gegen die oberhalb Semlin
stehende, mit Ketten zusammengeschlossene türkische Flotte anfahren.
Die den Strom abschliessende Linie wurde hiebei durchbrochen. Der
ßest der Entsatztruppen rückte am rechten Ufer des Stromes vor,
bereit, den Kampf gegen die Schiffe mit den Geschützen zu unter-
stützen und die etwa herbeikommenden Türken zurückzuweisen. Capi-
strano, der seinen Ordensbrüdern am unmittelbaren Kampfe theil-
zunehmen untersagt hatte, ermuthigte die Kämpfer vom Ufer aus,
indem er ihnen das Kreuz zeigte und den Namen Jesu zurief. Vierzig
Schiffe, von Bürgern der Stadt bemannt — gute Wasserfahrer und
Bogenschützen, obwohl »Ketzer«, wie Tagliacozzo sagt — unter-
stützten den Angriff von Belgrad aus. i^)
Nach fünfstündigem hartnäckigen Kampfe gelang es. die türkische
Flotte zu besiegen und den grüssten Theil derselben zu vernichten.
Drei Galeeren mit 500 Mann versanken, vier reich ausgestattete wurden
genommen und die übrigen ergriffen stark beschädigt und nach grossem
Verluste die Flucht. Unweit des türkischen Lagers wurden sie ans
Land gezogen und verbrannt, damit sie den Siegern nicht in die Hände
fielen.
Die Donau war nun frei, die Verbindung mit Belgrad, dessen
Besatzung durch Mangel und Krankheit schon empfindlich gelitten
hatte und die Hoffnung auf Entsatz allmählich schwinden sah, war
wieder hergestellt, im schlimmsten Falle auch ihr Abzug auf der Donau
ermöglicht. Auch durch das Eintreffen Hunyady's vmd Capistrano's
wurde der schon gesunkene Muth der Vertheidiger wieder gehoben-
Den Kreuzfahrern wurde nun ein Lagerplatz ausserhalb der
Festung am linken Ufer der Save angewiesen, sie sollten bei Todes-
strafe ohne Hunyady's Befehl nicht über den Fluss setzen. Auf den
Mauern der Stadt fanden sie nur in dem Masse Verwendung, als es
'^) Im Feuerbereicli der Festung- konnte die türkisclie Flotte das Eintreffen
des Entsatzes nicht hindern, ebenso nicht im Bereiche der Kriegsinsel; sie konnte
daher nur ober Semlin, wo die Donau in einem Arme vereint ist, Stellung genommen
haben. Auch war nur dort eine so ausgiebige Mitwirkung der nebenherziehenden
Landtruppen möglich, da das Erdreich dort Längs des rechten Ufers in der Höhe von
16 bis 20 Meter fast senkrecht gegen die Donau abstürzt. Das linke Ufer ist flach,
zum Theil versumpft, daher die Angabe, dass Capistrano an einem, Hunvady am
anderen Ufer vorgerückt wären (Fessler, 11, 588) und sich am Kampfe betheiligt
hätten, nicht richtig sein kann.
— 129 —
die Umstände erforderten und Hunyady es verfügte. Neue Zuzüge der
Kreuzfahrer trafen fortwährend ein, und es mag die Zahl derselben
gegen Ende der Belagerung wohl bei 20.000 betragen haben.
Mohammed setzte die Belagerung mit gesteigerter Heftigkeit fort;
er verschwor sich, Begrad zu nehmen und binnen zwei Monaten ganz
Ungarn zu erobern. Dass indessen die italienische Flotte im Hellespont
angelangt war und die Küste plünderte, kümmerte ihn wenig. Die
Versuche der Türken, in die Stadt zu dringen, wiederholten sich un-
aufhaltsam. Tag und Nacht wurde die Stadt beschossen, den Donner
der Kanonen vernahm man bis Szegedin. -•') Karadscha, der Beglerbeg von
Rumili, welcher die Belagerungsarbeiten leitete, wurde bei einem Sturme
am 20. Juli von einer Stückkugel zerschmettert.
Für den folgenden Tag, den 21. Juli, traf Mohammed die Anord-
nungen für einen Hauptsturm. Durch 24 Stunden wurde die Stadt
ununterbrochen beschossen, in den geöffneten Mauerbreschen währte
der Kampf bis zum Abend. So todesrauthig die Christen auch kämpften,
so viele Feinde sie auch erschlugen, immer wurden wieder neue
Scharen zum Angriffe vorgeführt; wiederholt stellte sich der Sultan
selbst an die Spitze der Stürmenden. Schon waren die Türken in die
äussere Stadt eingedrungen und setzten sich in der Nacht im Graben
vor der Burg fest, an der Brücke daselbst entbrannte der Kampf am
heftigsten. Von einem Thurme der Burg aus beobachteten Hunyady
und Capistrano das Wogen des Kampfes, dieser das Kreuz schwingend,
mit gellender Stimme den Kämpfenden den Namen Jesu zurufend,
den Feind aber mit wilden Schmähungen verwünschend, jener Anord-
nungen für den Kampf treffend, sich selbst unter die Kämpfenden
mischend und sie ermunternd, wenn er ihren Eifer nachlassen sah.
Einem Türken gelang es, sich während eines Sturmes auf die Zinnen
eines Thurmes zu schwingen, um die Kreuzfahne mit dem Halbmond
zu vertauschen; da stürzte sich ein Ungar, Stephan Dugovic, auf ihn,
in schwindelnder Höhe entspann sich ein Kampf, der mit dem Sturze
Beider in die Tiefe endete. Brennende Reisigbündel, in Oel, Pech und
Schwefel getaucht, wurden von den Mauern auf die Stürmenden ge-
worfen und richteten Verheerungen unter denselben an, mit Tages-
anbruch gelingt es aber endlich, den Sturm auf das Schloss abzuweisen
und die Türken zur Räumung der äusseren Stadt zu zwingen.
-") Als Beweis, mit welchen Massen von Geschossen aller Art die Stadt be-
schossen wurde, führt Beheim an, dass ein Sperling im Fluge von drei Pfeilen durch-
bohrt wurde.
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmaiien. 2. Aufl. 9
— 130 —
Hiinyacly, mit dem Erfolge zufrieden und bei unvorsichtigem
Vorgang der Seinigen einen Hinterhalt befürchtend, that der weiteren
Verfolgung Einhalt, Hess in Erwartung der Wiederholung eines Sturmes
die äussere Stadt wieder besetzen, und verbot strengstens, den Feind
durch verwegene Ausfälle zu reizen. Die Wuth der Angreifer schien
aber erlahmt, und die Kreuzfahrer achteten Hunyady's Befehle nicht.
Ein kleiner Haufe derselben schlich mit Bogen und Pfeilen dem Feinde
über die Bresche nach und nahm auf einem Hügel Stellung; ein-
zelne Leute verstärkten den Haufen, und es gelang ihm, einen heran-
kommenden Reiterschwarm zu verjagen. Der kleine Erfolg lockte noch
Zuzügler aus der Stadt, und ehe man sichs versah, setzten mehrere
Tausend Kreuzfahrer über die Save und warfen sich in die Lauf-
gräben am linken Flügel der türkischen Stellung, wohin Andere nach-
folgten.^') Der Ungestüm, mit welchem dieser Angriff geschah, viel-
leicht auch das Unerwartete desselben brachte Unordnung in die feind-
lichen Reihen, so dass sich die Kreuzfahrer von einem Laufgraben,
einer Verschanzung in die andere werfen konnten und endlich in das
türkische Lager eindrangen, wo sie plündernd über die Zelte eines
asiatischen Paschas herfielen.
Capistrano, vom Thurme aus das Vordringen seiner Leute wahr-
nehmend, fürchtet, dass der Feind sie durch verstellte Flucht in einen
Hinterhalt locken wolle; rufend kann er sie nicht mehr zurückhalten,
aber auch vergeblich eilt er herbei, um ihrem regellosen Vordringen
Einhalt zu thun. Da erfasst Hunyady den richtigen Augenblick, um
mit der Besatzung der Festung einen Ausfall zu machen und die
Kreuzfahrer aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Mit ihnen vereint,
dringt er in die Batterien ein, kehrt deren Geschütze gegen die Be-
lagerer selbst, vertreibt sie aus den Laufgräben und verfolgt sie bis
in ihr Lager.
Als Mohammed seine Truppen fliehen sah und den Verlust seiner
Geschütze wahrnahm, trat er selbst an die Spitze der Kämpfenden;
einem Feinde spaltete er den Kopf mit einem Hiebe, er wurde aber
auch selbst durch einen Pfeilschuss verwundet. Der Aga der Jani-
tscharen, Hassan, wegen der Feigheit seiner Truppen mit dem Tode
bedroht, erwiderte dem Sultan, die meisten seiner Leute wären ver-
-') Fara, einer der Begleiter Capistrano's, der auch seine Thaten beschreibt,
lässt 5000 Mann über die Save setzen und dann das ganze Kreuzheer — seiner
Angabe nach 60.000 Mann — unter Anfiilirung Capistrano's selbst folgen. Capistrano's
Brief an den Papst widerlegt selbst diese Uebertreibung.
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— i:-32 —
wandet, die anderen verweigern den Gehorsam, und stürzte sich vor
seinen Augen selbst in den Feind, um den Tod zu finden. Bevor noch
die Dunkelkeit weiteren Kämpfen ein Ende machte, eilten 6000 von
einer Streifung längs der Donau zurückkehrende Reiter herbei und
nöthigten die Christen, das Lager, in dem sie plünderten, zu verlassen
und sich in die Laufgräben zurückzuziehen.
Noch in der Nacht brach der Sultan mit seinem Heere, eine
lauere Reihe von Wasren mit Verwundeten mit sieh führend und das
brennende Lager mit allen Vorräthen und Kriegsgeräthen zurücklassend,
gegen Sophia auf Sein Rückzug artete bald in wilde Flucht aus; in
Sophia musste er streng Gericht halten und konnte erst durch Hin-
richtung einiger Flüchtlinge das Heer zum Stehen bringen.
Belgrad war gerettet und damit für den Augenblick die den
Ungarn sowie dem Abendlande drohende Gefahr abgewendet. Erst
am folgenden Morgen sahen die Christen — über ihren Erfolg selbst
staunend — welch ungeheuren Sieg sie errungen hatten. Hunyady in
seinem Berichte an den König in Wien sowie Capistrano in seinen
Briefen an den Papst und den Graner Erzbischof erblicken in dem
unerwarteten, selbst die kühnsten Hoffnungen übertreffenden Sieg die
Hand Gottes, welche mit so kleinen Mitteln so Grosses bewirkt habe.^"^)
Was den Sultan, der sich wohl durch den Verlust seiner Ge-
schütze, sowie durch die Entmuthigung seiner Truppen, vielleicht auch
in Folge seiner Verwundung zur Aufhebung der Belagerung bewogen
sehen konnte, veranlasst haben mag, seinen Rückzug noch in der Nacht
und fluchtartig zu bewerkstelligen, dafür ist eine Erklärung nicht zu
finden.
An eine Verfolgung der Türken war bei dem Zustande der
Truppen, ihrer ungenügenden Ausrüstung sowie der Disciplinlosigkeit
der Kreuzfahrer nicht zu denken. Die aus den deutschen Städten, aus
Oesterreich und Böhmen abgesandten, gut ausgerüsteten und Avohl-
orsranisierten Abtheiluncen derselben waren kaum bis Ofen gekommen,
kamen daher viel zu spät.
Hunyady wie Johann Capistrano sollten aber die Befreiung-
Belgrads nicht lange überleben. Schon wenige Tage später wurde
Hunyady von der fast jedem Türkenkriege folgenden Pest ergriffen.
Man brachte ihn aus dem Bereiche der verseuchten Stadt nach Semlin.
--) Der Vorwurf, welchen Aeneas Silvias sowohl dem Hunyady als Capistrano
macht, dass jeder nebst Gott nur sich selbst die Rettung von Belgrad zuschreibe, ist
nicht ganz berechtigt.
— 133 -
Avo er am 11. August 1456, nachdem er seine Söhne und Freunde zur
Gottesfurcht Vaterlandsliebe und Einigkeit ermahnte und sie zur Fort-
setzung des grossen Werkes, dem er die meiste Zeit seines Lebens
widmete — der Vertreibung der Türken aus Europa — aufforderte,
im Alter von mehr als sechzig Jahren in den Armen Capistrano's ver-
scliied. Nach seiner Anordnung wurde er in der Domkirche zu Weissen-
burg in Siebenbürgen begraben.-'') Papst Calixtus feierte in der Peters-
kirche in Rom ein Todtenamt, in dem er Hunyady mit dem Namen
»Vertheidiger des Glaubens« beehrte.-^)
Mit Johann Hunyady gieng die volksthümlichste Heldengestalt
Ungarns zu Grabe. Durch seine Thatkraft, Ausdauer und Klugheit
zur höchsten Stellung gelangt, bedauerten Völker und Fürsten seinen
Hintritt, und wohl mit Recht, denn nur ihm war es zu danken, dass
unter den widrigsten Verhältnissen, trotz der zerfahrenen Zustände
Ungarns und dem Mangel an Verständniss und gutem Willen von Seite
der Mächte Europas dem Fortschreiten des Islams Einhalt gethan
wurde, seiner hervorragenden Fähigkeit wurde auch von seinen Gegnern
die Anerkennung nicht versagt. Nicht ganz zu übersehen ist aber auch,
dass die drei grossen Unternehmungen, von denen er selbst so grossen
Erfolg erwartete, wegen ungenügender Vorbereitungen und Mangel an
Voraussicht den Erwartungen nicht entsprachen. Der sogenannte lange
Feldzug konnte trotz der glänzenden Einzelerfolge nicht fortgesetzt
Averden, und seine Früchte giengen durch den unglücklichen Feldzug
im nächsten Jahre vollends verloren. Letzterer, sowie der Zug nach
dem Amselfelde 1448, trug schon beim Beginne den Keim des Miss-
lingens in sich; beide Unternehmungen waren auf Voraussetzungen
begründet, die nicht in Erfüllung giengen und kaum auch in Erfüllung
gehen konnten. Mit der tapferen Vertheidigung Belgrads fand Hunvady's
bewegtes Leben einen würdigen und versöhnenden Abschluss.
Hunyady hinterliess zwei Söhne, von welchen der ältere, Ladis-
laus, 23 Jahre, der jüngere, Mathias, erst 13 Jahre zählte.
Johann von Capistrano, schon 71 Jahre alt und in Folge der
Aufregung und Anstrengung während der Vertheidigung von Belgrad
geschwächt und hinfällig, zog sich in das Franciscanerkloster zu
-') Der Platz in der Domkirche zu Weissenbnrg (Karlsburg), wo Hunyady be-
graben sein spll, trägt die wohl einer späteren Zeit angehörende Inschrift: »Johannes
Hunyadi Regni Hungariae Gubernatcr. Comitis Bistricensis, mortui in Zemlen prop-
Nandor Albae. Die X Septembr. Anno MCCCCLVI.«
-') Zum Andenken des Entsatzes von Belgrad setzte Papst Calixt III. das Fest
der Verklärung Christi auf den 6. August.
— lU —
Ujlak (Illok) in Syrmien zurück, wo er am 23. October 1456 von
seinen Ordensbrüdern umgeben im Gerüche der Heiligkeit starb. '-■^)
Die kurze Regierung des jungen Königs Ladislaus bietet von
nun an ein wenig erfreuliches Bild. Anfangs October traf der König
in Futak bei Peterwardein ein, wohin ihm bei 6000 Kreuzfahrer, meist
Deutsche und Böhmen, vorausgefahren waren, während andere folgten.
Hier sollte über die Fortsetzung des Krieges berathen werden. Ladis-
laus Hunyady, des verstorbenen Gubernators Sohn, erschien erst beim
König, nachdem er die Versicherung erhalten hatte, für die Handlungen
seines Vaters nicht mehr zur Verantwortung gezogen zu werden, und
versprach, Belgrad und andere feste Plätze, die noch von seinem Vater
her in seiner Gewalt waren, zurückzustellen.
Nachdem der König den Grafen Ulrich von Cilli zum obersten
Hauptmann seiner Truppen ernannt hatte, zog er nach Belgrad. Kaum
hatte er dort mit seiner Begleitung die zur Burg führende Brücke
überschritten, so wurde das Thor geschlossen und den Kreuzfahrern
das Lager in der Stadt angewiesen. Am 9. November Hess Ladislaus
Hunyady den Grafen Ulrich zu einer Besprechung laden, und als dieser
sich gegen Vorwürfe vertheidigen wollte, griifen die anwesenden Ungarn
zu den Waffen und hieben ihn nieder.-^) Alle nicht ungai'ischen Be-
gleiter des Königs wurden nun entwaffnet, so dass derselbe wie ein
Gefangener in den Händen von Hunyady 's Anhängern war; dem König
blieb nichts übrig, als gut zu heissen, was geschah, und sich ihrem
Willen zu fügen. Als die Kreuzfahrer erfuhren, dass man ihren Führer
ermordet habe, wollten sie die Burg stürmen. Im Auftrage des Königs
wurden sie aber beruhigt, und unter dem Vorwande, wegen vor-
gerückter Jahreszeit einen Zug gegen die Türken nicht mehr unter-
nehmen zu können, unter Wilhelm von Lichtenstein nach Hause ge-
schickt. Die von Capistrano herbeigeführten Kreuzfahrer waren zum
Theil der Pest erlegen, oder bettelnd und raubend der Heimat zu-
'-^) Nach dem Tode Johann Capistrano's riss man sich um seine Reliquien und
stritt sich um seinen Leichnam, der endlich auf Befehl des Papstes begraben werden
musste, aber durch den Fanatismus sowohl der Türken wie der Calviner verschleppt
und verloren wurde. Trotz der eifrigen Bemühungen seiner Ordensbrüder und selbst
der Verwendung von regierenden Fürsten, und trotz der vielen Wunder, die er schon
zu Lebzeiten gewirkt haben sollte — vielleicht eben wegen der unglaublich grossen
Zahl und der Absonderlichkeit derselben — erfolgte seine Heiligsprechung, deren
eifrigster und wohl auch beachtenswertester Gegner sein Zeitgenosse Aeneas Silvius
Piccolomini, als Papst Pias II., war, erst im Jahre 1690 unter dem Papste Benedict XIII.
'-^) Ein Brief Ulrich's an Brankovic wurde aufgefangen, in welchem er seiner
Feindschaft gegen die Familie Hunyady unverhohlen Ausdruck gab, und deren Ver-
nichtung in Aussicht stellte.
- 135 —
o^ezogen. Nothgedrungen verlieh der König dem Ladislaus Hunyadj
die Würde eines General-Capitäns, Hess ihn aber später, den 16. Mär&
1457, in Ofen unter der Beschuldigung, sich gegen das Leben des
Konig's verschworen zu haben, hinrichten. Der üble Eindruck, den
diese Blutthat hervorbrachte, sowie die Erhebung, welche die Mutter
des Pling'erichteten mit den reichen Mitteln ihres verstorbenen Gatten
hervorrief, nöthigten den König, Ofen zu verlassen. Er begab sich
zunächst nach Wien und dann nach Prag, wohin er auch den jüngeren
Hunyady, Mathias, als Gefangenen mit sich führte.
In Prag, wo König Ladislaus seine Vermählung mit einer Tochter
des Königs von Frankreich feiern wollte, erkrankte er plötzlich und
hauchte sein Leben am 23. November 1457 im Alter von noch nicht
achtzehn Jahren aus.
Während um die Erbschaft des Königs Ladislaus Kaiser Friedrich
und seine Verwandten sich untereinander stritten, verloren sie Ungarn
und Böhmen, auf deren Besitz sie mit aller Macht hätten hinarbeiten
sollen, um dem Fortschreiten der Osmanen Einhalt zu thun und ihre
Stellung in Deutschland zu sichern. Böhmens bemächtigte sich Georg
Podjebrad, der in Prag zum Könige gewählt wurde, und in Ungarn
fanden sich der Prätendenten mehrere, die, auf die weibliche Erbfolge
pochend, Ansprüche erhoben, aber niemand, der für dieselben eintreten
wollte. Podjebrad, der die Erhebung des nach Prag gebrachten Mathias
Hunyady ahnte, wollte sich denselben rechtzeitig verpflichten, er ver-
lobte ihn mit seiner neunjährigen Tochter Katharina und versprach,
alles aufzubieten, um seinen künftigen Schwiegersohn auf den unga-
rischen Thron zu setzen.
Sultan Mohammed war nach der Flucht von Belgrad nach
Adrianopel zurückgekehrt und suchte die Schmach derselben durch
Veranstaltung von Festlichkeiten gelegentlich der Beschneidung seiner
Söhne vergessen zu machen.
Siebentes Capitel.
Mathias Corvinus. — Kriegsrüstungen der Ungarn. — Szilägyi fällt in Serbien ein und
wird gefangen. — Die Walachei unter türkischer und ungarischer Botmässigkeit. —
Neuorganisation des ungarischen Heeres. — Streifzüge der Türken zurückgewiesen. —
Serbien und Bosnien den Türken unterworfen. — Mathias erobert Jajcze. — Mo-
hammed belagert Jajcze. — Mathias belagert Zwornik vergeblich und zieht sich
zurück. — 1457 bis 1471.
Unter den Parteien, welche sich in Ungarn um den Thron be-
warben, war jene der Familie Hunyady unter Führung Elisabeth's,
der energischen Witwe des Guhernators, ^) und ihres Bruders Szilägyi
die mächtigste und meist zielbewusste. Am 24. Jänner 1458 gelang es
auch unter Jubel des Volkes den erst fünfzehnjährigen Sohn Johann
Hunyady's, Mathias — Corvinus beigenannt — zum König auszurufen.
Seiner Jugend wegen wurde ihm sein Oheim Michael Szilägyi als
Grubernator beigegeben. Dieser hatte bei der Erhebung seines Neffen
auf den Thron gehofft, statt des Königs selbst regieren zu können,
hatte sich aber in Mathias sehr getäuscht. In der Schule des Lebens
früh zum Manne gereift, besass Mathias scharfen Verstand, festen
Willen, unermüdlichen Thätigkeitsdrang und ein ausgeprägt mon-
archisches Selbstbewusstsein, dabei war er kalt und selbstsüchtig,
unempfindlich gegen Gefühle der Verwandtschaft und Dankbarkeit
und Hess sich von niemandem als Werkzeug gebrauchen. Er ergriff'
daher gleich nach seiner Rückkehr nach Ungarn die Zügel der Re-
gierung selbstständig, erklärte die von Szilägyi eingegangenen Wahl-
capitulationen, in welchen festgesetzt war, dass der König das Reich
nur mit eigenen Truppen zu schützen habe, und nur im Falle äusserster
Noth ein allgemeines Aufgebot ergehen lassen könne, ferner dass der
1) Bezeichnend für Elisabeth, die Mutter Mathias', ist der Ausspruch, den sie
kurz nach der Wahl desselben that, als man ihn wieder der Krone berauben wollte :
»Lieber todt will ich meinen Sohn sehen, als ohne Krone.«
- 137 —
König unter keiner Bedingung neue Steuern auferlegen dürfe, nicht
halten zu wollen. Da von den Türken Gefahr drohte, schickte Mathias
seinen Oheim, mit dem er sich überworfen hatte, zum Schutze des
Reiches an die Südgrenze. Streifzüge der Türken kamen bis in die
Nähe von Ofen.^)
In Serbien hatte Lazar, Georg Brankovic' jüngster Sohn, nachdem
er seine Mutter vergiftet und seine älteren Brüder vertrieben hatte,
die Herrschaft an sich gerissen, war aber, während Sultan Mohammed
sein vermeintliches Erbrecht wieder geltend machte und gegen Serbien
rüstete, im Jänner 1458 gestorben. Seine Witwe vermählte nun ihre
Tochter dem zur katholischen Kirche tibergetretenen bosnischen Königs-
sohn Stephan und hoffte dadurch die beiden Länder zu vereinigen.
Um den Papst zu gewinnen, bot sie ihm die Lehenshoheit über Serbien
an. Als aber im Frühjahr 1458 die Türken unter dem Grossvezier
Mahmudpascha in Serbien einfielen, wurde Stephan von den eigenen
Leuten vertrieben.
Auf die Nachricht, dass die Türken mehrere feste Plätze an der
Donau besetzt, das südlich von Belgrad gelegene Schloss Avala — erst
von Mohammed II. erbaut — neu befestigt hatten, und die wieder von
Ungarn besetzte Veste Golubaz arg bedrohten, erklärte der König,
selbst ins Feld ziehen zu wollen und leitete mit grossem Eifer die
Kriegsrüstungen ein. Um die Reichsstände zur Mitwirkung zu bewegen,
schrieb er einen Reichstag aus, eine Aenderung der früheren Beschlüsse
gelang ihm aber nicht, ja es wurde das allgemeine Aufgebot noch
durch die Bestimmung völlig wertlos gemacht, dass der Adel nur
'bis zur Reichsgrenze zu ziehen verpflichtet sei und auch die volle
Freiheit habe, nach Hause zurückzukehren, soferne binnen 14 Tagen
nicht sichere Nachricht über das Nahen des Feindes käme. Szilägyi, mit
seiner Zurücksetzung unzufrieden, legte seine Würde als Gubernator
nieder, versöhnte sich aber wieder mit dem König und kehrte nach
Ofen zurück.
Als in der Nacht vom 24. August in Ofen die Nachricht von
dem Falle der Veste Golubaz eintraf, berief der König sofort eine
Reichsrathssitzung, verfügte ein allgemeines Aufgebot, bat den Legaten
ihm die anzuwerbenden Kreuzfahrer nachsenden zu wollen und brach
schon den nächsten Morgen nach dem Süden auf. Während seiner
Abwesenheit leitete seine Mutter die Geschäfte mit Eifer, kaufte Pferde,
sorgte für Lebensmittel und Wein und schickte sie ins Lager. Ihr
-) Hammer, 1, 415, sagt: »Ofen soll dreissig Tage lang den Streifereien der
Türken offen gestanden haben. <<
— 138 —
sowie des Königs Beispiel übten grosse Wirkung: massenhaft strömten
die Kriegsleute zusammen, und Transportschiffe bedeckten die Donau.
Der venetianische Gesandte berichtete: »Seit Menschengedenken herrschte
im Lande keine so kriegerische Stimmung und kam keine so bedeutende
Streitmacht zusammen, wie jetzt zum Theil aus Liebe, zum Theil aus
Furcht.« Mathias weilte bis 9. September in Szegedin und gieng dann
nach Peterwardein, während Szilägyi bei Kubin gegenüber von Semendria
Stellung nahm. Auf die Nachricht vom Nahen des ungarischen Heeres
scliickten die Türken sich an, in das Innere von Serbien zurückzu-
weichen. Von einer ungarischen Abtheilung eingeholt, sollen sie eine
Niederlage erlitten haben,'') da aber weder Zeit noch Ort derselben
bekannt ist, dürfte ihr keine besondere Bedeutung beizulegen sein.
Aus Serbien sollen die Türken 20.000 Gefangene entführt haben. In
Syrmien eingefallene Raubhorden wurden vertrieben und erlitten beim
Rückzug über die Save grosse Verluste.
König Mathias, welcher sein Lager in St. Demeter (Mitrowitz)
aufgeschlagen hatte und dann nach Belgrad gieng, trug sich noch mit
umfassenden Kriegsplänen und schrieb zur Beschallung der Mittel
eigenmächtig Steuern aus. Dies gab seinen Feinden Anlass zur An-
klage wegen offenem Gesetzesbruch; eine Verschwörung, für die auch
Szilägyi gewonnen war, wurde bald entdeckt, Mathias Hess seinen
Oheim verhaften, und dass er nicht auch 'hingerichtet wurde, verdankte
er nur der Dazwischenkunft des päpstlichen Legaten. Im nächsten
Reichstage gelang es Mathias, die früheren Gesetze in Angelegenheit
der Reichsvertheidigung abzuändern und sich so die Macht zu sichern,
deren er zum Schutze seines Thrones bedurfte.
Inzwischen war Papst Calixt III. am 6. August 1458 gestorben
und an seine Stelle Aeneas Silvius Piccolomini unter dem Namen
Pius II. gewählt worden. ■*) Er erliess sogleich einen Aufruf an die
christlichen Mächte zum Kampf wider die Osmanen und erkannte
Mathias, auf dessen Mitwirkung er besonders rechnete, als König an;
für diesen war das ein sehr willkommener Vorwand, das Heer, das
er zur Bekämpfung aller seiner Gegner brauchte, zu vermehren und
in Bereitschaft zu setzen.
'^) Fraknoi, »Mathias Corvinus«, sagt: »Doch eine ungarische Abtheilung setzte
ihnen nach, zwang' sie zum Treffen und schlug sie aufs Haupt.«
^) Aeneas Silvius Piccolomini, 1405 zu Corsignano bei Siena geboren, oblag
dort den juridischen und classischen Studien und nahm 1432 das Anerbieten des
Cardinais Capranica an, ihm als Geheimschreiber zum Concil nach Basel zu folgen.
Er erregte durch eine Rede über die Wiedervereinigung der griechischen mit der
katholischen Kirche die Aufmerksamkeit der Versammlung und wurde — obwohl Laie
— 139 —
Durch die Gefancrennahme Szilägvis waren die Feinde des Königs
indessen nicht unschädhch gemacht; sie beschlossen, Mathias zu stürzen,
trugen die Krone dem Kaiser Friedrich an und traten mit Podjebrad
in Verbindung. Friedrich, von Podjebrad, der gleichzeitig mit Mathias
unterhandelte, getäuscht, nahm die Wahl an, besass aber Aveder Macht,
noch Energie genug, sich des ungarischen Thrones zu bemächtigen,
daher es dem päpstlichen Legaten angesichts der von den Türken
drohenden Gefahr auch bald gelang, einen Ausgleich zu Stande zu
bringen.
Nach dem Tode des Königs Stephan Thomas hatten sieht die
Serben wider dessen Sohn Stephan erhoben; dies benützend, boten ihm
die Türken gegen Abtretung von Semendria Beistand gegen seine auf-
ständischen Unterthanen und den Besitz von Bosnien an. Stephan
öffnete ihnen nicht nur die Thore der Festung, sondern war ihnen
noch zu anderen Eroberungen behilflich, so dass der Verlust von ganz
Serbien zu befürchten stand. Mathias, mit anderem beschäftigt, schenkte
den Vorgängen dort aber wenig Aufmerksamkeit.
Unterdessen war Szilagyi aus seiner Haft entsprungen und ver-
band sich wieder mit den Feinden des Königs. Abermals legte sich
der Legat ins Mittel und verhinderte nicht nur den Ausbruch eines
Bürgerkrieges, sondern brachte auch eine Aussöhnung mit Mathias
zu Stande, der seinem Oheim wieder die Vertheidigung der Südgrenze
übertrug und ihm die Fürstenwürde in Serbien in Aussicht stellte, so-
bald es ihm gelingen würde, dieses Land zu erobern. Vollständig ver-
söhnt, rüstete nun Szilagyi und betrieb beim König die Eröffnung des
Krieges; sich selbst tiberlassen, trug er aber kein Bedenken, den Feld-
zug zur Eroberung Serbiens auf eigene Faust zu eröffnen. Von Belgrad
— zum Secretär des Concils ernannt, nach dessen Auflösung er für die Lehre, dass
selbes über dem Papst stehe, eintrat. 1442 mit Kaiser Friedrich in Berührung ge-
kommen, von diesem als Dichter gekrönt und in seine Dienste gezogen, wurde er ein
eifriger Vertheidiger der päpstlichen Macht. In der Stellung als Secretär des Kaisers
erwarb er sich dessen Gunst in hohem Masse, die Beilegung des Kirchenstreites, die
allerdings oft recht mangelhafte Betheiligung Europas am Kampfe wider die Türken
sind zumeist sein Verdienst. Um seine Verdienste zu belohnen, erhielt Aeneas Silvius
— wie damals üblich — verschiedene kirchliche Pfründen, die ihn veranlassten, 1446
die Priesterweihe zu empfangen. 1447 wurde er Bischof von Triest, 14ö0 Bischof von
Siena, wodurch er in den Fürstenstand erhoben wurde. Von Papst Calixt III. zum
Cardinal ernannt, bestieg er nach dessen Tode am 9. August 1458 den päpstlichen
Stuhl. Sein Streben, zwischen Kaiser Friedrich und König Mathias zu vermitteln, hatte
nur geringen Erfolg. Seine Ausdauer in der Bemühung, dem Fortschreiten der Türken
in Europa Einhalt zu thun, ist — wenn auch der Erfolg den von ihm gehegten Er-
wartungen nicht entsprach — doch nicht genug zu würdigen.
- 140 —
aus unternahm er mehrere Streifzüge, befestigte Kubin und übersetzte,
nachdem ihm Ujlaky aus Siebenbürgen 8000 Mann zugeführt hatte,
bei Rama die Donau, um gegen Semendria vorzugehen. Bei Posarevaz
fferieth er in einen Hinterhalt, sein Heer wurde zerstreut und er selbst
von den Brüdern Mihaloghlu, Alibeg und Skanderbeg gefangen. Is'ach
Constantinopel gebracht, wurde er auf Befehl des Sultans enthauptet,
sein Begleiter Labatlan, der schon bei Varna dem Tode entgangen
war, gegen Lösegeld entlassen.
Die Versuche des Papstes auf dem Congresse zu Mantua 1460,
eine Verbindung aller christlichen Mächte gegen die Osmanen zu
Stande zu bringen, scheiterten an der Gleichgiltigkeit derselben, ebenso
erfolglos blieb der Versuch, durch die deutschen Fürsten in Ktirnberg
einen Druck auf den Kaiser auszuüben.
Da die Bedrohung von Seite der Türken sich jeden Augenblick
wiederholen konnte, suchte Mathias im Innern des Landes Ordnung
zu schaffen, was ihm nicht ohne Mühe gelang. Auch mit Kaiser Fried-
rich kam es zu einem Vergleich; dieser gab die ungarische Krone
heraus, behielt sieh aber den Titel eines Königs von Ungarn und dem
Hause Habsburg das Erbrecht auf den ungarischen Thron vor.
Nachdem die ungarische Heeresverfassung den Anforderungen
der Zeit schon lange nicht mehr entsprach, schuf Mathias, ohne das
Banderialwesen ganz abzuschaffen, aus den Trümmern der böhmischen
Bruderrotten und den Scharen Giskra's ein stehendes Söldnerheer.
in dem auch das Fussvolk in grösserem Masse, als bisher üblich, Ver-
tretung fand; augenscheinlich dienten hier die Janitscharen als Vorbikl.
Anfangs war dieses Heer zwar nur klein — 5000 Fussknechte und
2000 Reiter — später aber übertraf es an Zahl sowohl wie in Bezug
auf taktische Ausbildung alle anderen Soldtruppen des Abendlandes.
Ob der Name der neugeschaffenen Truppe — schwarze Schar oder
Legion — von der Farbe der wohl gleichmässigen Kleidung und
Rüstung, oder von dem wilden und schreckhaften Aussehen derselben
herzuleiten ist, ist nicht bekannt.
In der Walachei herrschte seit 1456 Wlad, von seinen Unter-
thanen »Drakul«, d. i. der Teufel oder auch der Henker, von den
Türken der Pfahlwoywode genannt, einer der grausamsten Wütheriche,
die je existierten.") Er verweigerte dem Sultan den Tribut, Hess seine
*) Wlad Drakul begann seine Regierung damit, dass er 20.000 seiner Unter-
thanen, darunter 509 Bojaren, samrat ihren Weibern und Kindern ermorden Hess, um
sich die Herrschaft zu sichern. Handeltreibende Siebenbürger sperrte er in eine Scheuer
und verbrannte sie, Burzenländer Kaufleute Hess er berauben und dann spiessen. Als
— 141 -
Abgesandten pfählen und fiel verheerend in Bulgarien ein. Als nun
der Sultan mit 150.000 Mann in die Walachei eindrang, liess Drakul
sein Volk in die Grenzwälder flüchten und beschränkte sich darauf,
die Türken nur zu beunruhigen. Mit ungeheurer Kühnheit führte er
nächtliche Ueberfülle aus und zog sich endlich nach Zurücklassung
von 6000 Mann, die sich unvorsichtig in ein Gefecht einliessen und
meist niedergemacht wurden, gegen die Moldau hin. Die Thore der
Hauptstadt fanden die Türken offen, die Bewohner entflohen. Nachdem
Mohammed kein Heer traf, kehrte er nach Constantinopel zurück, und
die Türken begnügten sich mit dem Raube der Herden. Alibeg blieb
in der Walachei zurück und setzte an Wlad's Stelle dessen Bruder
Radul auf den Fürstenstuhl.
Mathias erkannte wohl, dass er in den Nebenländern auch Ungarn
schützte und beschloss daher, dem Wlad, der sich wieder Ungarn zu-
neigte, zu helfen. Um die Rüstungen für einen Zug in die Walachei
zu bestreiten, trug Venedig 20.000 DUcaten bei, während der Papst
den Sold für 1000 Reiter auf sich nahm und an die Beisteuernden
einen Ablass verlieh. Ende Juli 1462 verliess der König die Haupt-
stadt und kam in der zweiten Hälfte September nach Siebenbürgen.
Als er sich anschickte, in die Walachei einzufallen, war Wlad bereits
vertrieben und der neu eingesetzte Radul erschien in Kronstadt, um
die Oberhoheit der Krone Ungarns anzuerkennen. Wlad Avar auch nach
Ungarn geflohen; als aber sein Briefwechsel mit dem Sultan, in dem
er erklärte, ihm zur Eroberung Siebenbürgens behilflich sein zu wollen,
bekannt wurde, liess ihn Mathias einkerkern und bestätigte im November
Radul in der Fürstenwürde.
Im folgenden Jahre, 1463, wurde die Umklammerung Ungarns
durch die Türken auf der Südseite durch den Fall Bosniens vollendet.
Nach dem Ableben Stephan Thomas' folgte ihm 1461 in Bosnien sein
Sohn Stephan, dessen Verrath den Verlust Serbiens zur Folge hatte.
Des Königs Mathias Rache fürchtend, suchte er die Gunst des Papstes
zu gewinnen, indem er sein Volk der katholischen Kirche zuzuführen
versprach; dieser forderte Mathias auf, Stephan wieder in Gnaden auf-
zunehmen, damit er sich nicht den Türken in die Arme werfe. Gegen
Siebenbürger sich beschwerten, fiel er im Lande ein, verbrannte die Vorstädte von
Kronstadt und liess Massen von Leuten spiessen. Unter dem Jammer von Gespiessten
sein Mahl zu verzehren, machte ihm Freude. Bei der Hauptstadt fanden die Türken
ein Feld, »eine halbe Stunde lang und eine Viertelstunde breit«,' mit den aus Bulgarien
mitgebrachten Gefangenen, theils gespiesst, theils gehängt. Auch Mohammed konnte
ihm seine Bewunderung nicht versagen.
— 142 —
Abtretung mehrerer Gas teile und Zahlung einer bedeutenden Geld-
summe Hess sich Mathias zur Aussöhnung und zum Abschluss eines
Bündnisses bewegen.
Während Stephan mit Mathias Frieden schloss und gleichzeitig
die Patarener der katholischen Kirche zuführen wollte, bereitete sich
ein Sturm vor, der das bosnische Reich vernichten sollte. Zahlreiche
Patarener, die schon früher das Land verlassen hatten und bei den
Türken Schutz fanden, sowie viele Magnaten, die den katholischen
Glauben nur scheinbar angenommen hatten, um ihre Güter zu behalten,
bei'ichteten dem Sultan über die Vorgänge in Bosnien; als nun Moham-
med von den Vereinbarungen mit Mathias horte und seinen Gesandten
auch der Tribut verweigert wurde, entbrannte er in Zorn und beschloss,
sich zu rächen.
Schon im Frühjahr 1463 zog Sultan Mohammed bei Adrianopel
ein Heer zusammen; wohin er sich wenden würde, wusste man noch
nicht. Auf die Nachricht von den Rüstungen der Türken vereinigte
auch Mathias seine Kriegsmacht im Süden des Reiches und lagerte
im Mai eine Zeit lang bei Batta, dann bis Juli bei Futak. Um Mathias
zu täuschen und ihn im eigenen Lande zu beschäftigen, während er
die Absicht hatte, Bosnien zu erobern, Hess der Sultan ein beträcht-
liches Heer unter Alibeg aus Serbien nach Syrmien einfallen, welches
durch den königlichen Mundschenk Andreas Pongräcz von Dengeleg
geschlagen und zurückgeworfen wurde; nur mit Noth entkam Alibeg
über die Save. Hiedurch nicht abgeschreckt, ergänzte Alibeg seine
Truppen und fiel neuerdings über die Donau in das Temescher Banat
ein, stiess aber auf den siebenbürgischen Woywoden Johann Pongracz
von Dengeleg, der eben auf dem Wege in das königliche Lager be-
griffen war, und erlitt abermals eine schwere Niederlage. Als er sich
mit den Resten seines Heeres zurückzog, tiberfiel ihn noch Mathias
selbst und vernichtete ihn vollends. Zur Vergeltung fiel hierauf Mathias
noch in Serbien ein und kam mit 15.000 befreiten christlichen Ge-
fangenen nach Belgrad zurück.
Mittlerweile hatte der Sultan sein Ziel, die gänzliche Unter-
M'crfung Bosniens, erreicht. Um den bosnischen König unvorbereitet
zu finden, hatte er ihn mit Friedens Versicherungen hingehalten und
durch den Abschluss eines Waffenstillstandes getäuscht; kaum aber
waren die Gesandten heimgekehrt, brach der Sultan mit einem Heere
von 150.000 Mann über Skoplie und Sieniza gegen Bosnien auf. Das
von steilen Gebirgen durchzogene Land mit seinen zahlreichen Burgen
hätte sich bei kräftiger Vertheidigung wohl längere Zeit halten und
- 143 -
(las Eingreifen des ungarischen Heeres abwarten können, wenn es
nicht durch innere Zwistigkeiten, besonders durch den Religionsstreit
gelähmt gewesen wäre. Anfangs Mai überschritten die Türken die Drina,
wo der Woywode Kowacevic, kurz vorher vom Abschluss des Waffen-
stillstandes verständigt, sich widerstandslos ergab. Vor Bobovaz. der
früheren Residenz der bosnischen Könige, einem festen Schloss unAveit
Varesch, kam die Vorhut der Türken unter Mahmud Pascha am 19.,
der Sultan selbst am 20. Mai an; schon am dritten Tage wurde das
Schloss vom patarenischen Knesch Radak gegen Zusicherung einer
Belohnung übergeben, ihm aber ebenso wie dem Kowaeevic der Kopf
abgeschlagen. König Stephan hatte sich nach Jajcze geflüchtet, das er
schon früher za seiner Residenz gewählt und befestigt hatte. Auf die
Nachricht vom Vordringen der Türken verlor man dort allen Muth;
König Stephan, welcher kein Heer mehr sammeln konnte. Höh gegen
Croatien, wurde aber in Kljuc von Mahmud eingeholt und ergab sich.
nachdem es in der belagerten Stadt an Nahrung und Munition fehlte,
nach vier Tagen gegen Zusicherung von Leben und Freiheit. Vor den
Sultan geführt, den Mahmud's Capitulation nicht befriedigte, wurde
der König gezwungen, seinen sämmtlichen Burghauptleuten den Befehl
zur Uebergabe der ihnen anvertrauten Plätze auszufertigen, später aber.
dem Vertrage entgegen, nach Scheich Alibeg's Rath, der ein dem Feinde
gegebenes Versprechen für ungiltig erklärte, doch enthauptet. Die
meisten der festen Plätze gelangten so ohne Schwertstreich in die
Hände der Türken, nur wenige grossere an der Save und der Bosna
gelegene mussten mit Gewalt bezwungen werden.
Mit Anfang Juni war ganz Bosnien in den Händen der Türken,
welche überall nur den dritten Theil der Bevölkerung — in der
Regel den ärmsten — beliessen, die anderen aber als Sclaven ver-
theilten oder zum Anbau wüster Landstriche verwendeten. Bei
30.000 Jünglinge wurden unter die Janitscharen eingereiht. In den
wichtigeren Städten Hess Mohammed eine Besatzung unter Minetbeg
zurück. In Zwetraj blieb als Befehlshaber der serbische Renegat
Michael Konstantinovic aus Ostrowitza, der später den bosnischen Krieg
beschrieb.
Nach gänzlicher Eroberung Bosniens kehrte sich der Sultan noch
gegen Stephan Vukcic, den Herzog von St. Savas (Herzegowina). Bei
ihm hatten die aus Bosnien vertriebenen Patarener Aufnahme gefunden,
tapfere Männer, mit welchen er die steinigen Gebirge seines Landes
besetzte und seine Hauptstadt Blagaj so glücklich vertheidigte. dass
der Sultan sich zum Abzug entschloss. Auf dem Rückwege eroberte
— 144 -
er noch die Gebiete der Knesche von Trebinje und von Montenegro.
die sich ihm in der Hoffnung auf Gnade freiwillig ergaben, demun-
geachtet aber hingerichtet wurden.
Mathias stand mit seinem Heere noch bei Futak, als die Selbst-
ständigkeit Bosniens lange schon vernichtet war. Die Absicht, die Er-
oberung Bosniens zu verhindern, war vereitelt, er musste sich nun —
wollte er das Land nicht in den Händen der Türken lassen — zur
Wiedereroberung desselben entschlicssen. Anfangs September empfieng
der König zu Peterwardein Gesandte der Republik Venedig und ver-
abredete mit ihnen ein Bündniss, demzufolge der Krieg mit aller Macht
fortgeführt und nur in gegenseitigem Einvernehmen Friede oder Waffen-
stillstand geschlossen werden sollte. Venedig verpflichtete sich, mit
40 Schiffen zur See und mit einem Landheere auf Morea die Türken
anzugreifen.
Nachdem König Mathias sein Heer, bei dem sich der Erzbischof
Värday, der Bischof Johann Vitez, der Palatin, der Schatzkanzler
Emerich Zapolya, der Banus Stephan Frangepan, der Graf von Zagorien
und Johann Vitovez befanden, verstärkt hatte, brach er erst Anfangs
October in zwei Abtheilungen in Bosnien ein; die eine gieng bei Novi
über die Una und dem Sanathal entlang über Prjedor und Kljuc, die
andere bei Gradiska über die Save und auf der alten römischen Heer-
strasse längs dem Vrbasfluss über Banjaluku nach Jajcze, ohne auf
Widerstand zu stossen, vielmehr von der zurückgebliebenen Bevölkerung
mit Beo:eisterunüc aufo;enommen.
Zwischen dem Vrbasfluss, welcher inmitten haushoher P^elswände
dahinströmt, und der in denselben mündenden Pliva erhebt sich ein
pyramidenförmiger Berg, dessen Felswände nach drei Seiten steil ab-
fallen; seinen Gipfel krönte eine ausgedehnte Citadelle, deren Inneres
Hervoya durch italienische Baumeister mit Prachtbauten schmücken
Hess. Unter der Citadelle dehnt sich die Stadt Jajcze aus. Die beiden
Flüsse bilden ein schwer zu bewältigendes Wasserbollwerk, während
das dazwischen liegende Terrain von dem kahlen Gebirge des Borek
abgeschlossen ist. Nur ein schmaler Weg führt hier durch nach Jajcze.
Diese von der Natur mit so gewaltigen Vertheidigungsmitteln aus-
gestattete Feste hatte eine türkische Besatzung von TOGO Mann unter
dem Befehle des tapferen Harambeg.
Mathias, entschlossen, die Stadt sammt der Citadelle zu nehmen,
auch Avenn die Belagerung in den Winter hinein währen sollte, leitete
dieselbe selbst. Die Stadt fiel auch bald in seine Hände; die christ-
lichen Bewohner derselben, von den Franci scanern beredet, tiberfielen
- 145 —
die Besatzung und machten einen Theil derselben nieder. Harambeg
warf sich nun mit dem Reste derselben in die schwer zugängliche
Burg und schlug, indem er den Belagerern empHndhehe Verluste bei-
brachte, alle Stürme zurück. Mathias wusste aber die Begeisterung bei
seinem Heere wach zu erhalten und durch eigenes Beispiel den Muth
desselben zu beleben: wiedei-holt schwebte sein Leben in Gefahr.
Einmal gelang es dem Stephan Gerendy nur eben mit knapper Noth,
einen Türken durch einen Pfeilschuss hinzustrecken, der seine Streitaxt
bereits ^eoen den Küni": erhoben hatte. Wesentliche Dienste leistete
in diesem Kampfe auch der Fürst der Herzegowina, der dem König
mit seinem tapferen Sohne Wladislav zu Hilfe geeilt war.
Endlich nach zweimonatlicher Belagerung sah Harambeg ein,
dass die von den ungarischen Geschützen — ihr Geschützmeister war
Caspar Lak, nachmals Propst des Zipser Capitels — zerschossenen
Mauern nicht länger zu halten Avären, und Hess sich in Unterhandlungen
ein. Seine Forderung, die Gefangenen, welche er in der Burg ver-
wahrte, mit nach Constantinopel nehmen zu dürfen, wies Mathias mit
der Bemerkung: »Wir stehen der Menschen und nicht der Mauern
Avcgen hier« entschieden zurück: schliesslich begnügte er sich damit,
sein Leben und das der Besatzung zu schützen. Am Weihnachtstage
zog Harambeg mit nur mehr 400 Mann aus der Burg und huldigte
dem Könige Mathias, der sich ihnen so gnädig erwies, dass sie frei-
willig in seine Dienste traten. ") Furcht vor dem Schicksal, das ihrer
trotz der unleugbar tapferen Vertheidigung in Constantinopel harrte,
konnte ihren Entschluss wohl nothwendig gemacht haben.
Schon während der Belagerung von Jajcze entstand, durch die
Franeiscaner angeeifert, wie in der Stadt, so auch vmter dem katholi-
schen Theil der Landbevölkerung eine Bewegung, welche die Rück-
eroberung Bosniens wesentlich erleichterte. Zahlreiche Burgen fielen
wieder in die Hände der Ungarn, nur noch das obere Bosnathal und
das Drinagebiet Avaren von den Türken besetzt, als der Eintritt des
Winters und die Noth wendigkeit, sich krönen zu lassen, den König
veranlasste, um die Mitte Jänner 1464 nach Ungarn zurückzukehren.
Die Verwaltung Bosniens vertraute Mathias dem Schatzkanzler Emerich
Zapolya. ehedem Geheimschreiber, später Intendant der Güter Johann
Hunyady's an. dem er auch die meisten Verdienste um die Eroberung
'') Das erwähnt Mathias selbst in einem Briefe an den Papst; wie er die ge-
fangenen Türken verwendete, und was sie in seinem Dienste geleistet haben sollen,
ist nicht bekannt. Aszboth nennt als Befehlshaber von Jajcze wohl irrthümlich den
Konstantinovic (Konstantin von Ostrowiza).
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl. 10
— 146 —
Bosniens zuschrieb; ') zum Befehlshaber in Jajcze wurde der Prior von
Vrana, Johann Szekely, ernannt. In einem Berichte an den Papst legte
Mathias den Verlauf des Feldzuges dar; über die Gründe, welche
ihn veranlasst hatten, den Feldzug erst im Spätherbste zu beginnen,
obwohl der Sultan schon im Juni abgezogen und ein Einfall aus
Serbien nicht mehr zu fürchten war, sprach sich der König nicht aus.
Am 16. Februar hielt der siegreiche König seinen Einzug in
Ofen, im März wurde er zu Stuhl weissenburg gekrönt; wenige Tage
zuvor war Katharina, seit 1460 des Köniscs Gemahlin, zu Ofen se-
storben. Durch ihren Tod war das ohnehin schon gelockerte Band,
welches ihn an Podjebrad knüpfte, vollends gelöst.
In Folge des siegreichen Feldzuges im Vorjahre weitere Erfolge
erhoffend und auf den Eifer des Königs Mathias bauend, fuhr Papst
Pins IL fort, an der Vereinigung der katholischen Mächte zu einem
Bunde wider die Osmanen zu arbeiten. Er rüstete Schiffe aus und
nahm Söldner in Dienst; weder die Rücksicht auf seine Stellung, noch
seine zerrüttete Gesundheit hielt ihn zurück, alle Zurüstungen zu
treffen, um eine italienische Flotte in Person zur Belagerung Con-
stantinopels zu führen. Das ungarische Heer sollte gleichzeitig von
der anderen Seite angreifen und nicht eher aufbrechen, um die Savo
zu übersetzen, bis die Nachricht vom Auslaufen der Flotte aus Ancona
— wofür der 5. Juni bestimmt war — eingetroffen wäre.^) Gewärtig
dieser Nachricht, stand auch im Mai die ungarische Kriegsmacht,
14.000 Reiter und 8000 Mann Fussvolk, schlagfertig in Futak
bereit. Während diese Nachricht aber noch immer auf sich warten
Hess, erhielt Mathias Anfangs August die Meldung, dass der Sultan selbst
mit einem gewaltigen Heere in Bosnien eingefallen sei, bereits vor
Jajcze stehe und diese Festung aus Stücken von riesiger Grösse be-
schiesse.
Mathias richtete nun wiederholte Schreiben an den Papst, in
welchen er sowohl den Aufbruch der Flotte, als auch die Zusendung
der verheissenen sonstigen Hilfe dringend verlangte und sich bitter
über die sorglose Gleichgiltigkeit der christlichen Mächte beschwerte.
»Wenn in Wahrheit irg-endwo eine Krieffsflotte oder ein Landheer vor-
'') In der Urkunde vom Jahre 1465, mit welcher Zäpolya auch die erbliche
Würde eines Grafen der Zips verliehen wird.
^) Auch auf die Mitwirkung Skanderbeg^ glaubte Pius rechnen zu können. In
der That führte Skanderbeg den Kampf mit den Türken durch 25 Jahre bis zu seinem
Tode (17. Jänner 1466). Der albanesische Krieg währte noch 12 Jahre, bis die Türken
die Hauptstadt Kroya erobert und die Albanesen nach blutigem Widerstände unter-
worfen hatten.
— 147 -
handen ist, so möge es sich zeigen,« so schliesst er seinen Brief, »und
die bisherige Trägheit durch Raschheit wieder gut machen; ich meines-
theils gehe dorthin, wo ich mit dem meisten Nutzen wirken kann und
will jedenfalls meine Pflicht gegen mein Vaterland und meinen Glauben
erfüllen.« Er eilte nun zum Entsatz von Jajcze. »Dass es doch noch
stünde, bis wir dahin gelangten!« so schreibt er an den Kaiser.
Zapolya war dem Heere des Sultans von Jajcze aus entgegen
gezogen, kehrte aber, als er die Stärke desselben erkannte, in die Stadt
zurück. Durch 20 Tage bedrängte Mohammed schon Jajcze, drei Tage
hintereinander Hess er neue 10.000 Mann zum Sturme in die Bresche
vorführen und feuerte sie selbst durch Drohungen und Verheissungen
an, aber ungeachtet aller Tapferkeit konnte er die Stadt nicht er-
stürmen und hob auf die Nachricht vom Anmärsche des Königs die
Belagerung so eilfertig auf. dass er einen Theil des Gepäcks und das
schwere Geschütz zurückliess. Weiters kam die Nachricht, dass der
Papst sich nach Ancona zur Uebernahme des Oberbefehles über die
vereinigte Kriegsflotte begeben habe, und der Doge von Venedig eben-
falls im Begriffe stünde, mit seiner Flotte dahin abzugehen.
Der König berichtete sofort an Pius IL, dass er im Sinne der
Abmachungen auf türkisches Gebiet vordringen wolle. Allein einige
Tage später hielt ihn die erschütternde Nachricht vom plötzlichen Tode
des Papstes in seinem Unternehmen auf.
Papst Pius IL war, obwohl schon krank, am 15. Juli in Ancona
eingetroffen, um sich an die Spitze des Kreuzheeres zu stellen. Er
M'olle dabei sein — wie er sagte — um, was er allein vermöge, seine
Hände während des Kampfes zu Gott zu erheben, wie Moses. In
Ancona hatten sich auch schon eine Menge Kreuzfahrer eingefunden,
aber es fehlte an Geld zu ihrem Unterhalte und an Schiffen, um sie
aufzunehmen, so dass der Papst sich genöthigt sah, sie mit Ablass und
seinem Segen wieder nach Hause zu schicken. Die wenigen mit Geld
versehenen Kreuzfahrer wollte er schon nach Ragusa senden, das
von den Osmanen bedroht war, als endlich die venetianische Flotte,
20 Galeeren unter dem Dogen Christoforo Moro, im Hafen einlief.
Zwei Tage dai'nach, den 14. August 1464, im Augenblick, als er den
heissesten Wunsch seines Lebens der Erfüllung nahe glaubte, im An-
gesichte der zum Auslaufen bereiten Flotte erlag der erst 59 Jahre
alte Papst seiner Krankheit. In seinen letzten Stunden ermahnte er
noch die Cardinäle, sein Unternehmen fortzuführen.^) Der geplante Zug
°) Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass Papst Pius II. den besten Willen
hatte, die Ungläubigen zu bekämpfen und selbst gegen sie in den Krieg zu ziehen ;
10*
— 148 -
unterblieb nun, die Kreuzfahrer zerstreuten sieb, die venetianische
Flotte kehrte zurück und die ganze Last des Krieges ruhte Avieder auf
Ungarn allein. Die in der päpstlichen Cassa für Kriegszwecke er-
liegenden 40.000 Goldgulden wurden dem König Mathias zugeschickt.
Auf dem päpstlichen Stuhle folgte der Venetianer Petrus Barbo, der
als Papst den Namen Paul II. annahm.
Nachdem Mohammed die Belagerung von Jajcze aufgehoben
hatte, war auch der Entsatz dieser Festung für Mathias gegenstands-
los, seine Rüstungen wollte er aber nicht umsonst gemacht haben, er
entschloss sich daher, die Türken aus der unteren Drinagegend zu
verjagen, zunächst aber die Festung Zwornik zu belagern. Ohne Grund
verzögerte er jedoch seinen Vormarsch und überschritt die Save erst
am 8. October bei der Furt von Racsa, zu deren Schutz er den Erz-
bischof von Kalocza zurückliess. Ungeachtet der noch srünstio-en
Witterungsverhältnisse musste er sich den Weg durch die Urwälder
längs der Drina nicht ohne Mühe bahnen. Geschütze, Munition und
Proviant mussten auf Schiffen flussaufwärts nachgeliefert Averden. Am
19. October lagerte König Mathias bereits vor Zwornik, avo auch
Zäpolya aus Jajcze zu ihm stiess.
Zwornik liegt lang gestreckt in engem Thale am linken Ufer
der Drina, die hier zu beiden Seiten von hohen Bei'gen begleitet wird.
Am Südende der Stadt lag die eigentliche Festung, die durch Mauern
und Thürme mit dem 280 Meter über der Save auf dem steilen
Veluvnik gelegenen Castell verbunden ist und das Thal nach Süden
absperrt.
König Mathias traf nun selbst die Vorkehrungen zur Belagerung
der Festung. Ein Theil der Geschütze unter seiner und Zapolya's
Leitung beschoss die am Ufer der Drina gelegene Festung, während
die Belagerungsarbeiten gegen das Castell vom Grafen Sigismund von
Bösing und St. Georgen und von Berthold Elderbacher geleitet wurden,
die mit vieler Mühe die Geschütze auf die umliegenden Höhen bringen
mussten.
Während die Belagerung im Gange war, führte der König eine
Heeresabtheilung vor die Burg Srebrenica (40 Kilometer südöstlich von
es ist aber kaum begreiflich, wie ein Mann von solcher Einsicht in die politischen
Verhältnisse Europas und von solcher Erfahrung bei den ganz unzulänglichen Vor-
kehrungen, die für diesen Krieg getroifen wurden, sich in ein Unternehmen von
kaum fraglichem Misserfolge einlassen konnte. Wenn man die Folgen bedenkt, die ein
solcher haben musste, ist es fast als eine Gunst der Vorsehung anzusehen, dass dieser
Kriegszug vereitelt wurde.
- 149 —
Zwornik), welche zum Schutze reicher Silberminen diente.^*^) Die Burg
wurde mit solchem Ungestüm angegriffen, dass sie schon in wenigen
Tacen in die Hände der Uno^arn fiel, die mit wertvoller Beute und
vielen Gefangenen nach Zwornik zurückkehrten.
Die Besatzung von Zwornik litt viel von den Geschützen, leistete
aber tapferen Widerstand. Mittlerweile traten aber die Herbstregen ein,
welche auf den unwegsamen Strassen die Herbeischaffung des Proviants
hinderten. Im Lager fieng man an, Noth zu leiden; durch die Nutz-
losigkeit der Anstrengungen entmuthigt, nahm die Unzufriedenheit im
Heere mit jedem Tage zu, bis sie endlich laut zum Ausdruck kam,
sogar der Gehorsam scheint verweigert worden zu sein. Zäpolya verlor
durch einen Pfeilschuss ein Auge, und wie es scheint, damit auch
einen Theil seiner Entschlossenheit. Als noch mit halbem November
die Nachricht eintraf, dass ein türkisches Entsatzheer im Anzüge sei,
— der Grossvezier soll alle Bege Rumeliens zum Entsätze von Zwornik
aufgeboten haben — hob Mathias die Belagerung auf, und trat unter
recht unffünstio^en Verhältnissen den Rückzug: an. Die Wege waren
so schlecht, dass man zu Strecken, die früher in einem Tage zurück-
gelegt wurden, jetzt drei Tage benöthigte. Die Geschütze, welche auf
den Bergen standen, konnten nicht mehr herabgebracht werden und
wurden in Stich gelassen, nur die am Wasser stehenden wurden auf
Schiffe verladen und fortgeschafft. Türkische Banden verfolgten das
Heer bis an die Save, nicht ohne demselben noch einige Verluste bei-
zubringen.'^)
Die bei der Belagerung von Z^vornik zu Tage getretene Unbot-
mässigkeit der Truppen bestärkte Mathias in der Ueberzeugung, dass
die ungarische Kriegsmacht einer Umgestaltung dringend bedürfe und
der Kern derselben ein viel grösseres, discipliniertes, seinem Willen
unbedingt folgendes stehendes Heer von Söldnern bilden müsse. Da
zu erwarten war, dass Sultan Mohammed nächstens zur Wieder-
eroberung Bosniens und zur Tilgung der vor Jajeze erlittenen Schlappe
mit einem viel grösseren Heere auftreten werde, Mathias aber auch
den Entschluss fasste, demnächst zu geeigneter Jahreszeit wieder ins
Feld zu ziehen, um den Misserfolg bei Zwornik wett zu machen, ver-
sammelte er zu Anfang des Jahres 1465 die weltlichen und o:eistlichen
"^) Graf Sigismund von Bösing-, an diesem Kriegszuge hervorragend betheiiigt,
scbreibt ausdrücklich, dass der König selbst nach Srebrenica zog, während dieser Zug
von Bonfinius und Anderen irrthümlich dem Zäpolya zugeschrieben wird.
") Nach Bontinius wäre dieser Eückzug in wilde Flucht ausgeartet, dem die
Angabe des Grafen von Bösing widerspricht.
- 150 —
Grossen in Szegedin. um über die Organisation des Heeres und die
zur Erhaltung desselben erforderlichen Mittel zu berathen.
An den Papst wurde der beredte Bischof von Fünfkirchen,
Johann von Csesmicze. geschickt, der einen Brief des Königs über-
brachte, in dem er erwähnt: »So lange meine Kraft währt, stehe ich
vom Kampfe mit den Ungläubigen nicht ab, eher will ich die Rache
als die Verachtung des Feindes ertragen.« Dankbar gedachte der
Bischof der Aufforderung des Papstes an die Mächte, die Hilfsgelder
zur Abwehr der Türkengefahr zehn Jahre hindurch zu zahlen, erklärte
aber flir zweckmässiger, wenn die Zahlung auf zwei bis drei Jahre
beschränkt würde, dafür aber in dieser Zeit umso reichlicher fliessen
möchte, dann könne der König auch umso entschiedener voi'gehen,
und umso namhaftere Erfolge erzielen. Zur Erwiderung schenkte
der Papst dem König ein wertvolles Kreuz und Hess ihm 57.000 Gold-
gulden anweisen.
Auch nach Venedig, das der Sultan sich vergeblich bemühte,
vom Bunde mit Ungarn zu trennen, schickte Mathias eine Gesandt-
schaft, um die Republik zu weiterer Hilfe und Fortsetzung des Kampfes
auf Morea aufzufordern; dieser wurde zwar fortgesetzt, jedoch ohne
bedeutenderen Erfolg. Der Senat von Venedig votierte auch 50.000 Gold-
gulden für Ungarn und erklärte, bezüglich weiterer Beiträge später
beschliessen zu wollen, zahlte aber nur 15.000 aus. Der König wies
nach, dass er wenigstens 300.000 Goldgulden zur Fortführung des
Krieges bedürfe, musste aber den Gedanken an denselben für dieses
Jahr aufgeben, obwohl der Papst dazu drängte. Nichtsdestoweniger
rüstete man in Ungarn eifrig und beschloss, dass bei wirklichem Aus-
bruche eines Krieges der gesammte Adel ins Feld ziehen und je
20 Bauernhäuser einen Bewaffneten stellen sollten. Von Ungarns
Rüstungen benachrichtigt, stellte auch Mohammed ein Heer in Serbien
auf, Hess aber, nachdem er seine ganze Macht in Kleinasien benöthigte,
dem König einen Frieden gegen Ueberlassung Bosniens und Serbiens
anbieten. Der König gieng darauf nicht ein und Hess die türkischen
Unterhändler nicht einmal vor. Die Gefahr für Ungarn war nun wohl
nicht gross, und man hätte nach der stolzen Abweisung des Friedens-
antrages auch ein energisches Vorgehen des Königs, eine volle Aus-
nützung des so günstigen Augenblicks erwarten können; aHein er blieb
unthätig, wenn er auch am 9. October von Ofen aufbrach und nach
kurzem Aufenthalt zu Fünfkirchen bei Legrad an der Drau ein Lager
bezog. Die Aufstellunc^; des Heeres benützte nun Mathias, um in
Croatien, das durch Parteien gespalten und durch Fehden in bestän-
— 151 —
diger Unruhe gehalten worden war, die Ordnung wieder herzustellen.
Auch das Auftauchen von Freibeuterschareu im Norden Ungarns und
ein damit in Verbindung stehender Streit mit Kaiser Friedrich ver-
anlasste Mathias, nach Ofen zurückzukehren.
Im Laufe des Winters verbreitete sich abermals das Grerücht,
dass Sultan Mohammed bei Sophia ein Heer aufstelle, um Belgrad zu
bedrohen.
Anfangs Jänner 1466 berief König Mathias einen Landtag nach
Tolna. Zur Verthcidigung der Südgrenze sollte der gesammte Adel auf-
geboten werden. Der König kündigte an, dass er am 3. Mai von Ofen
aufbrechen werde, und dass Jeder, der sich bis 8. Mai ohne triftigen
Grund nicht im Lager bei Legrad einfinden würde, den Kopf und die
Güter verlieren solle. Doch galten auch diesmal die Rüstungen Moham-
med's nicht den Ungarn, sondern Albanien; nachdem Skanderbeg
gestor-ben war, wollte er das Land für immer der türkischen Herr-
schaft unterwerfen, was jedoch erst nach einem zwölfjährigen hart-
näckigen Kampfe vollständig gelang.
Im selben Jahre starb auch Stephan Vukcic, der Fürst der Her-
zegowina. Im Zwiste mit seinen Söhnen hatte er den jüngsten derselben
als Pfand für seine Treue dem Sultan ausgeliefert, bei welchem er
Moslim und sein Günstling, und später bei Mohammed's Nachfolger
auch Grossvezier wurde. Die beiden älteren Söhne theilten sich das
Land, der eine floh aber bald nach Ungarn, während der andere sich
noch einige Zeit in einigen Schlössern behauptete, bis das ganze Land
— auf Ungarns Hilfe vergebhch wartend — dem osmanischen Reiche
einverleibt wurde.
Da die Mächte Europas mit Ausnahme von Venedig, das sich
übrigens auch schon nach dem Frieden sehnte, nicht zur Theilnahme
am Kampfe gegen die Ungläubigen zu bewegen waren, die Geldbeiträge
der Päpste und Venedigs nicht ausreichten, um so kostspiehge Söldner-
heere, wie sie zur Führung eines Krieges ausserhalb der Grenzen
Ungarns nothwendig waren, zu erhalten, so mussten die zur Bestreitung
der Kriegskosten erforderlichen Mittel von Ungarn, das ohnedies schon
Jahre hindurch den Kampf zu führen gezwungen war, allein auf-
gebracht werden. Um die Staatseinkünfte zu vermehren, setzte nun
Mathias 1467 eine Steuerreform durch, die das Land nicht unbedeutend
belastete, und in Siebenbürgen, wo der Adel, die Sachsen und Szekler
sich in ihren ererbten Rechten beeinträchtigt fühlten, einen Aufstand
hervorrief, der mit Gewalt unterdrückt werden musste. An den Woy-
woden der jMoldau, Stephan Bogdanovic, der den Aufstand in Sieben-
— 152 -
bürgen unterstützt und sieh in polnischen Schutz begeben hatte (auch
beschuldigt wurde, mit den Türken gemeinsame Sache zu machen l
wollte der König selbst Rache üben, drang bis in die Hauptstadt
Sucsawa vor, erlitt aber dort eine Niederlage und gab die Fortsetzung
des Feldzuges auf. *'-) Verwundet kehrte er in den letzten Tagen des
Jahres nach Kronstadt zurück, wo er aufs Neue rüstete, um Stephan
zu züchtigen; doch liess dieser durch Gesandte seine Ergebenheit zu-
sichern, womit Mathias, dessen Gedanken sich anderen Unternehmungen
zuwandten, sich zufrieden gab.
Bosnien unterordnete König Mathias nach Abberufung Zäpolya's
dem Ban von Machow, Niklas Ujlaky, den er später — im Jahre 1470 —
auch zum König von Bosnien ernannte.
Soviel dem Papste Paul IT. auch an der Bekämpfung der Osmanen
gelegen sein mochte, so schien ihm die Ausrottung der Ketzer in
Böhmen doch noch wichtiger. Obwohl unter Podjebrad die Hussiten
sich den Anforderungen des Papstes theilweise gefügt hatten, setzte er
doch den Kampf mit denselben fort, und Mathias • — seit dem Tode
der Königin mit seinem Schwiegervater ganz zerworfen — hatte schon
im Jahre 1465 dem Papste seine Hilfe zur Unterwerfung der böhmischen
Ketzer angeboten. Als nun der Papst nirgends Hilfe fand — auch der
Kaiser fühlte sich Podjebrad nicht gewachsen — warfen sich seine
Augen auf Mathias. Der Kaiser, von Podjebrad bedrängt, suchte eben-
falls die Hilfe des Königs von Ungarn und er. wie auch der Papst
soll diesem Hoffnung auf die Würde des römischen Königs gemacht
haben. Sie beo'eg'neten hierin den Wünschen des ehroeizi^en Königs.
der vielleicht in Verkennung der sehr gesunkenen Macht des Deutschen
Reiches die Hoffnung gehabt haben mag, die Kraft desselben zur Be-
kämpfung der Türken verwenden zu können. Nicht lange vorher hatte
der Papst dem König von Ungarn über seine Lässigkeit in Bekämpfung
der Türken Vorwürfe gemacht, nun zog er ihn durch seine Aufforde-
rang, gegen Georg Podjebrad zu ziehen, selbst davon ab.
Bei der Erschöpfung Ungarns und der Unzufriedenheit im Lande
hätte man dem König keinen Vorwurf machen können, wenn er jeden
anderen Krieg eingestellt, und sich auf die Vertheidigung des Landes
'') Wieder in der ungünstigsten Jahreszeit, Ende November, zog der König durch
den Oitos- und Gimespass in die Moldau. Während Boten mit dem Könige in
Sucsawa unterhandelten, umringten 12.000 Bewaffnete die Stadt; mit den Einwohnern
derselben im Einverständnisse, ergossen sie sich in der Nacht des 15. December in
die Gassen und steckten die Häuser in Brand. Bei Flammenschein entwickelte sich
ein mörderischer Kampf, in dem Mathias selbst durch einen Lanzenstich und einen
Pf'eilschuss verwundet wurde.
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beschränkt hätte. Allein sehr zum Nachtheil Ungarns gedachte er. die
Waffen nicht ruhen zu lassen, und Hess sich — obwohl die Friedens-
verhandlungen, welche die Pforte schon seit Jahren mit Ungarn und
Venedig führte, nicht ernst sjemeint schienen'^) — durch die Aussicht,
seine Macht auch über Böhmen auszudehnen, zum Angriff auf Podjebrad
bewegen. Im Frühjahr 1468 erklärte Mathias den Krieg, als Bundes-
genosse des Kaisers und als Beschützer der Katholiken in Böhmen.
In den folgenden Jahren wurde der Krieg mit wechselndem Glücke
geführt; von der katholischen Partei zum Könige gewählt, '■*) fiengen
seine Anhänger zu wanken an, als sie keine wesentlichen Erfolge
Avahrnahmen. Als nun Georg Podjebrad am 22. März 1471 starb,
wählten die unbefriedigten Katholiken im Vereine mit den Utraquisten
in Böhmen am 27. Mai 1471 — den Thron als erledigt ansehend —
den Sohn König Kasimir's von Polen, den 15jährigen Wladislav, zum
König. Mathias dachte nicht daran, auf seine Ansprüche zu verzichten,
doch standen die Aussichten für ihn nicht sehr "•ünsti»'.
^^) Niklas Ujlaky begleitete 14G7 türkische Gesandte nach Ofen, welche um
Waffenstillstand anhalten sollten, der ihnen mündlich auch zugesichert worden wäre.
Man zweifelte aber daran, ob dies wirklich Abgeordnete des Sultans oder nur zufällig
von Ujlakj aufgegriffene Türken waren, die zum Scheine vorgeführt wvirden, um den
Ungarn die Bedenken gegen den böhmischen Krieg zu nehmen.
") In Olmütz und Breslau wurde dem König im Mai 14(59 der Eid der Treue
geleistet.
Achtes Capitel.
Wiederholte Einfälle der Türken nach Ungarn und in die österreichischen Ert-
länder. — Vorkehrungen Kaiser Friedrich's gegen dieselben. — Mohammed II. erbaut
Szabacs. — Grosswardein von den Türken geplündert. — Mathias erobert Szabacs. —
Mathias vernachlässigt die Vertheidigung seiner Länder, er vermählt sich mit
Beatrix von Aragonien. — Erneute Einfälle der Türken. — 1471 bis 1477.
In Ungarn wurde man immer nnzufriedener mit der Politik des
Königs und mit seinen Kriegen gegen Böhmen, welche Unsummen
(mehr als drei Millionen Ducaten) verschlangen und das Reich wehrlos
gegen Süden machten. Schon seit dem Jahre 1467 fielen Türkenhorden
wiederholt aus Bosnien in die angrenzenden ungarischen Gebiete ein,
die jedesmal mit der Verheerung und Entvölkerung ganzer Landstriche
endeten. Auch venetianisches Gebiet (die Gegenden von Sebenico und
Zara in Dalmatien) wurden nicht verschont.
Den Grenzen der österreichischen Erbländer waren die Türken
nun schon so nahe, dass Kaiser Friedrich III. sich im Jahre 1447
veranlasst sah, ernste Vorkehrungen gegen dieselben zu treffen. Die
Schlösser und Städte wurden ermahnt, sich zur Wehr vorzubereiten,
und wiederholt — so in den Jahren 1448, 1463 und 1464 — Ver-
ordnungen erlassen, welche die Abwehr der Türkengefahr zum Zwecke
hatten. Es erwies sich diese Vorsicht auch bald als nothwendig.
Im März des Jahres 1471 plünderten bosnische Raubscharen das
Gebiet von Corbavia') und drangen bis Zengg vor. Im Mai desselben
Jahres drang ein Heerhaufe von 10.000 Mann unter dem bosnischen
Pascha Assambeg, ohne sich in Croatien aufzuhalten, in Unterkrain
ein. Nach Uebersetzung der Kulpa schlug er bei ]\löttling ein Lager
auf und verheerte von hier aus durch vierzehn Tage die Gegend. In
Möttling wurde das Deutsche Ordenshaus zerstört, die Bewohner fanden
im festen Schlosse des Andreas Hohenwart Zuflucht. Einzelne Schwärme
') Corbavia, eine Gegend in der Likaner Gespanschaft.
— 155 —
uiiternatimen von hier aus Raubzüge, einer derselben steckte Gottschee
in Brand, ein anderer gelangte bis Laibach, wo die Domkirche nieder-
gebrannt wurde, Avieder andere gelangten bis Sichelburg, bis Landstrass
und selbst bis gegen Cilli. Greise und Kinder wurden getödtet, die
Erwachsenen, Männer und Weiber, gefangen weggeführt, Kirchen be-
raubt und verbrannt. Älehr als 60.000 Menschen sollen in Gefangen-
schaft geführt worden sein.'-^) Inzwischen hatten sich die krainerischen
Stände zum Widerstände erhoben; in einem allgemeinen Aufgebote
iiatten sich binnen neun Tagen 20.000 Mann unter dem Landeshaupt-
mann Andreas Hohenwart zusammengefunden, doch kam es nicht zum
Schlagen, denn die Türken waren schon am 4. Juli über die bosnische
Grenze zurückgekehrt, nachdem sie bei 1000 Gefangene, welche sie
nicht mehr über die angeschwollene Kulpa bringen konnten, erschlagen
hatten. Noch im September üel eine türkische Horde nach Croatien
ein, konnte aber bei Agrani die Save nicht tibersetzen und zog am
rechten Ufer unter Vertibung der grössten Grausamkeiten bis gegen
Gurkfeld. Ein ungarisches Adelsaufgebot, das die Türken auf ihrer
Rückkehr verfolgte, erlitt eine Niederlage.
Ohne Kriegserklärung wiederholten sich nun die Einfälle auf
österreichisches Gebiet während der Herrschaft der Sultane Moham-
med IL, Selim I. und Bajesid II. fast jährlich.
Da die Reichshilfe versagte, sahen sich die Landstände von Krain.
Kärnten und Steiermark genöthigt, über eine Abhilfe gegen die gemein-
same Gefahr selbst zu berathen; trotz des kaiserlichen Verbotes traten
sie zu St. Veit, der alten Hauptstadt Kärntens, zu einer Besprechung
zusammen. 3)
Der wegen der Türkennoth auf das Frühjahr 1470 nach Wien
ausgeschriebene Fürstentag war so wenig besucht, dass ein neuer nach
Nürnberg ausgeschrieben werden musste, der jedoch wie der frühere
ohne Erfolg blieb, weil der Kaiser selbst auf demselben nicht erschien.
Auf dem am 19. März vom Kaiser nach Friesach einberufenen Land-
tage wurde zwar wegen des Widerstandes gegen die Türken auch
verhandelt, doch blieben die Stände meist auf die Selbsthilfe ange-
wiesen. Die Kräfte der drei Länder waren aber zu gering, um den
Türken ernsten Widerstand leisten zu können, und kamen — wie die
Folge zeigte — weil ungenügend organisiert, in der Regel zu spät.
-) Dimitz, »Geschichte Krains«, I, 279, nach Uni-est's Chronik. Die Zahl der
Gefangenen dürfte hier wie auch in späteren Angaben wohl übertrieben sein.
^) In dem Erlasse vom 29. November 1469 aus Wiener-Neustadt wurde den
Ständen das Abhalten dieser Ver^anuiiluug verljoten.
-• 156 —
Die Hilfe, welche die übrigen Erbländer gewährten, war kaum nennens-
wert, und die Reichshilfe, die zu Graz Ende 1470 und zu Regens-
burg im April 1471 verlangt und auch zugesagt worden war, wurde
nicht oder nur in geringem Masse beigestellt.
Während König Mathias noch in die bölimischen Händel ver-
wickelt war und mit Kaiser Friedrich noch in Unterhandlungen stand,
liess Sultan Mohammed II. Anfangs 1471 von einem Theile des rume-
lischen Heeres ohne Aufsehen 20.000 Mann an die Save vorrücken und
am rechten Ufer derselben eine Befestigung herstellen. Es wurde hiezu
das 80 Kilometer oberhalb Belgrad gelegene, auf römischen Grund-
mauern erbaute kleine Castell von Szabacs : — ein unregelmässiges, an
den vier Ecken mit Thürmen versehenes und von einem mit der Save
verbundenen Wassergraben umgebenes Bauwerk — ausersehen, das
der neuen Befestigung als Stützpunkt dienen sollte. In Eile wurde vor-
bereitetes Material, behauenes Holz und Reisig, aus grosser Entfernung
zugetragen und an der Landseite eine grosse Verschanzung mit acht
Blockhäusern, die Erdwälle mit Ruthengeflecht verkleidet, die Gräben
durch Pallisaden geschützt, aufgeführt. Die neue Festung wurde
reichlich mit Geschützen ausgerüstet und eine Besatzung von 1200 jMann
hineingelegt; sie sollte nicht nur als Ausfallthor für die Raubzüge der
Türken, sondern auch als Ablagerungsplatz für die geraubten Schätze
und als Kerker für die mitgeschleppten Gefangenen dienen. Der Ban
von Croatien, Johann Thuz de Lak, hinderte nicht nur den in Heim-
lichkeit und mit Beschleunigung aufgeführten Bau der Festung nicht,
er hinderte auch die Einfälle der Türken nicht, weshalb ihn auch der
Zorn des Königs traf, der ihn als fahrlässig oder bestochen ein-
kerkern liess.
Der Cardinal Gabriel, Erzbischof von Kalocsa, und Johann Ugor
erhielten nun den Befehl, Szabacs zu nehmen und zu zerstören, mit
der Vollmacht, überall Mannschaft auszuheben und Kriegsbeiträge ein-
zufordern. Die Befestigungsarbeiten waren aber bereits so weit vor-
geschritten, dass selbe nichts dagegen zu unternehmen, ja nicht einmal
über die Save zu gehen wagten, und sich darauf beschränkten, Szabacs
gegenüber eine Schanze zu errichten. Belgrad und Jajcze waren nun
die einzigen festen Punkte von Bedeutung, welche die Ungarn noch
am rechten Ufer der Save besassen. Um die Aufmerksamkeit des Königs
vom Baue der Festung abzulenken, fiel gleichzeitig Isakbeg aus Bosnien
mit 15.000 Reitern nach Croatien ein, verheerte das Land bis
Agram und kehrte mit Beute beladen und mit unzähligen Gefangenen
zurück.
- 157 —
Kaum hatte Isakbeg seine Beute in Sicherheit gebracht, so kehrte
er mit 10.000 Reitern zurück, durchzog- Croatien, ohne sich aufzuhalten,
und fiel nach Krain ein, wo er verheerend zu Pfingsten bis gegen
J.aibach vordrang. Mit 15.000 Mann wiederholte Isakbeg bald darauf,
nachdem er hörte, dass der Kaiser sich in Regensburg aufhalte, den
Einfall abermals; bei Weinitz überschritt er die Grenze von Krain,
und gelangte in einer Nacht bis Rasicza bei Auersperg. Hier theilte
er seine Schar in drei Abtheilungen. Die eine sprengte an Laibach
vorüber längs der Save gegen Krainburg und bis zum Kankerpass an
der Grenze Kärntens. Laibach konnte sich, nur durch die brennenden
Dürfer der Umgebung noch rechtzeitig gewarnt, vor einem Ueberfall
schützen. Eine zweite Abtheilung Isakbeg's verbreitete sich über das
Gebirge nach Steiermark und gelangte bis gegen Tüffer, während die
dritte Abtheilung Unterkrain überschwemmte und über Ungarn zurück-
kehrte, wo sie die Donau überschritten haben und bis an die Grenze
von Siebenbürgen gelangt sein soll, ohne auf ernsten "Widerstand zu
stossen. In Krain wurden bei diesen drei Einfällen vierzig Kirchen
zerstört, fünf Märkte und bei zweihundert Dörfer niedergebrannt, und
nach gleichzeitigen Angaben gegen 70.000 Menschen getödtet oder in
Gefangenschaft geführt. Als die Nachricht von dem verheerenden Zuge
Isakbeg's nach Kärnten gelangte, erhoben sich daselbst etliche Land-
stände mit Zuzug von Städtebewohnern und einer Anzahl von Bauern,
welche von dem Landeshauptmann Christian Ungnad angeworben, unter
Wilhelm Schenk von Osterwitz den Krainern zu Hilfe eilten, jedoch
zu spät kamen, nachdem die Türken bereits abgezogen waren.
Im Herbste desselben Jahres fand noch ein Einfall nach Istrien
und auf den Karst statt, der bis Wippach und Görz vordrang, wo
abermals bei 500 Gefangene von den Türken fortgeführt wurden.
Im März des Jahres 1472 brachen Türken wieder über Croatien
nach Krain ein. In Zirknitz wurde die Kirche eingeäschert. Ein bis in
die Vorstädte von Laibach vorgedrungener Haufe brannte die St. Peters-
kirche nieder und musste erst durch Schüsse vom Schlossberg aus
vertrieben werden.
Nicht umsonst erliess Kaiser Friedrich im April des folgenden
Jahres ein Mahnschreiben an die Stände der drei Länder Kärnten,
Krain und Steiermark, in welchem er sie auffordert, vereint an der
Grenze dem Feinde Widerstand zu leisten. Im September noch zog
Isakbeg mit 9000 Mann zu Fuss und mit 18.000 Reitern verwüstend
durch Croatien und traf am 22 bei Sichelburg ein. Auf dem Zuge
an Rudolfswerth vorüber wurde der Kärntner Michel Zwitter gefangen,
- 158 —
welcher dann den Türken bei diesem wie auch bei folgenden Einfällen
als Führer und als Spion Dienste leistete; auch drei entlassene Priester
sollen sich zu diesem Dienste hergegeben haben. Nach zwei Tagen
erschienen die Türken abermals vor Laibach, zogen aber ohne Auf-
enthalt an Krainburg vorüber durch den Kankerpass nach Kappel in
Kärnten, wo sie am 25. eintrafen. Nachdem sie die Drau übersetzt
hatten, zerstreuten sie sich nach Feldkirchen, gegen das Zollfeld, und
gegen Völkermarkt und Lavamünd. Die durchzogenen Landstriche aus-
plündernd und verwüstend, sammelten sie sich wieder bei Klagen^urt.
Die Besatzung dieser Stadt unternahm einen Ausfall, welcher aber auf
dem Felde zwischen der Stadt und der Grian mit Ueber macht ange-
griffen und mit einem Verluste von 100 Mann zurückgeworfen wurde.
Die Türken übersetzten nun wieder die Drau und zogen am rechten
Ufer derselben nach Bleiburg. Bei W^indischgraz stellte sich ihnen der
Pfleger Schulz Hauzinger mit 100 Mann entgegen; hier theilte sich
die Schar wieder, ein Theil zog über Weitenstein und Gronowitz, der
andere über Schalleck und berührte Cilli. Der Zug der Türken an den
Mauern dieser Stadt vorüber währte, da sie auch 8000 Gefangene mitführten,
von 8 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags. Den 2. October überschritten
sie wieder die Grenze und kehrten über Croatien nach Bosnien zurück.
Die gemeinsame Gefahr veranlasste am 8. Februar 1474 eine
Zusammenkunft der krainerischen und kärntnerischen Stände zu Wolfs-
berg, welche auch die österreichischen und steirischen Stände zu einer
demnächst abzuhaltenden Versammlung zu Judenburg einluden, uin
über eine gemeinsame Landwehr zu berathen. Auch an Papst Sixtus IV.
wendeten sich die Stände mit einem Schreiben, welcher die Greuel der
wiederholten Türkeneinfälle, die Unmöglichkeit der Abwehr und die
drohenden Folgen für die ganze Christenheit schildert. Im Laufe dieses
Jahres fand abermals ein Einfall nach Croatien statt, der sich auch
über die Grenzen von Krain erstreckte. Bei 3000 Menschen sollen
hiebei aus Krain weggeführt worden sein.
Da durch Kundschaftsberichte bekannt wurde, dass die Türken
im Sommer des folgenden Jahres (1475) abermals einen Einfall planten,
schrieb Kaiser Friedrich, der eben in Andernach weilte, für den 8. April
einen Landtag nach Marburg aus, und befahl zugleich, dass die Stände
ihre Leute zur Mitwirkung bei den Befestigungsarbeiten der Städte
beistellen sollten. Auf dem Landtage wurde die Einhebung von Steuern
und die Anwerbung von Reisigen beschlossen und Sigmund von Polheim,
der Pfleger von Radkersburg, als oberster Landeshauptmann der drei
Länder Kärnten. Krain und Steiermark bestellt.
— 159 —
Der erwartete Einfall fand im August auch statt. Ein Haufe von
einigen Tausend Türken durchzog, ohne Widerstand zu finden, das
schon oft geplünderte Croatien und drang bis Pettau vor, das verheert
wurde. Als die Hauptleute Steiermarks und Kärntens herbeizogen,
giengen die Türken über Neufeld und Lemberg in das Savethal zurück.
Bei Rann zogen auch die Krainer heran und Sigismund von Polheim,
der Hauptmann von Radkersburg, griff mit diesen drei Heerhaufen, die
nur 450 Mann zählten, am 24. August die Türken, welche auf dem
Kaisersberg an der Sotla Stellung genommen hatten, an. Das Gefecht
fiel für die Christen ungünstig aus. man sagte, »weil einige Untreue die
Flucht ergriffen hatten«. Unter den Gefallenen zählte man 31 Adelige;
Polheim, dann die Hauptleute Georg Schenk von Osterwitz und Ludwig
Kosiak aus Krain waren unter den Gefangenen. Ende September fiel
ein zweiter Haufe Türken über Croatien nach Krain ein, hielt sich
dort, vom Kärntner Zwitter geführt, einen Monat lang plündernd auf,
und versuchte, nach Kärnten einzudringen, was durch die bei Windisch-
graz, Bleiburg und auch anderwärts an der Grenze aufgestellten
Truppen verhindert wurde.
Die mit Ringmauern umgebenen Städte und Schlösser konnten
wohl die Einwohner derselben schützen, dem Volke im offenen Lande
aber keinen Schutz gewähren. Das Landvolk in den mehr bedrohten
Gegenden fieng daher um diese Zeit an, sich selbst Zufluchtsorte her-
zustellen. Es waren dies meist Steinwälle auf unzugänglichen Orten,
auf hohen Bergen oder in dichten Wäldern, Tabor oder Täber^) genannt
hinter deren Schutz sie sich selbst mit ihrer beweglichen Habe flüchten
konnten. Solche Tabors wurden von der Kulpa bis nach Istrien und
über den ganzen Karst hin angelegt. Um die Nachricht von einem
Einbrüche der Türken so schnell als möglich verbreiten zu können,
mussten auf allen höheren Bergen von der Kulpa bis über Laibach
hinaus Holzstösse bereit sein, welche angezündet wurden, sobald die
Türken über die Grenze setzten. Diese Feuer wurden Kreutfeuer^)
■•) Der Ausdi-uck »Tabor« auf die flüchtigen Befestigungen in den Alpenländern
dürfte wohl auf die Hussiten in Böhmen zurückzuführen sein, welche ihre auf frei-
stehendem Berge gelegene Haujitburg, nach dem in der Bibel erwähnten Berge »Tabor«
nannten, und darnach den Namen »Taboriten« erhielten. Der ähnliche Ausdruck
»Taur« für Berg mag wohl zur Verbreitung desselben beigetragen haben. Iwolf leitet
das Wort von dem türkischen »Täber« d. i. Wagenburg ab. Für die Tabors wurden
später eigene Hüter vom Landeshauptmann oder Vicedom ernannt und in Eidpflicht
genommen.
') Iwolf leitet »Kräutefeuer« von »Gereutfeuer«, d. i. Feuer auf einer aus-
gereuteten Waldstelle, ab.
— 160 —
genannt. Aehnliche Vorkehrungen wurden auch in Kärnten und Steier-
mark getroffen. An manchen Orten wurden auch — wie dies in Sieben-
bürgen schon seit längerer Zeit üblich war — um die Kirchen Befesti-
gungen angelegt, um den Einwohnern schnell eine Zuflucht gewähren
zu können.
Die Friedensverhandlungen, welche von Ungarn schon seit 1473
auch während der Abwesenheit des Sultans in Kleinasien geführt
wurden, hinderten die Einfälle der Türken nicht. Stephan, der kriegeri-
sche Woywode der Moldau, glaubte die Abwesenheit des Sultans be-
nützen zu können, und fiel 1473 in die Walachei ein, um Radul aus
der Walachei zu vertreiben; dieser flüchtete zu Bali Oghli, dem Pascha
von Semendria, der ihn an der Spitze eines Heeres wieder in sein
Land zurückführte. Bald darauf, zu Beginn des Jahres 1474, übersetzte
Bali Oghli bei Seraendria mit den dort gesammelten Truppen die Donau,
und drano- verheerend in das südliche Ungarn ein. Am 6. Februar
erschienen die Türken vor Grosswardein, das, mit Ausnahme der Burg,
ohne Mühe eingenommen, geplündert und in Brand gesteckt wurde.
Das Grab des Königs Ladislaus, ein von den Ungarn hochgehaltenes
Heiligthum, wurde zerstört, die Einwohner der Stadt theils gemordet
oder in die Sclaverei geführt. Mit Beute beladen, kehrten die Türken
unangefochten nach Serbien zurück und wiederholten ihren Einfall
im August, wobei die Niederung bis an die Weisse Koros verheert
und ausgeplündert wurde. Ein ungarisches Adelsaufgebot, das sich
ihnen entgegenstellte, wurde zerstreut.
Während der langen Abwesenheit des Königs Mathias hatte sich
in Ungarn eine Bewegung gegen denselben vorbereitet. Man darf sich
nicht wundern, dass, während das Land des Schutzes seiner Grenzen
gegen die Feinde der Christenheit so dringend bedurfte, selbst patriotisch
gesinnte Männer es nicht billigten, wenn der Krieg um die böhmische
Krone auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen fortgeführt Avurde.
Da aber nicht zu erwarten war, dass der eigensinnige und ehr<2:eizio-e
König seine Absichten aufgeben werde, fasste eine Partei in Ungarn
den Plan, ihn zu stürzen und den Prinzen Kasimir, den zweiten Sohn
des polnischen Königs, auf den Thron zu setzen. König Kasimir —
sonst zwar von allzugrossem Ehrgeiz und Thatendrang frei — konnte
der Aussicht, einen Sohn auch in Ungarn herrschen zu sehen, nicht
widerstehen; dem Drange der unzufriedenen Ungarn nachgebend, sandte
er ihn mit einem Heere gegen Pest. Mathias aber, früh genug von
den Plänen seiner Gegner unterrichtet, kehrte nach Ofen zurück und
verstand durch kluges Benehmen die Bewesuno- im Keime zu ersticken
- 161 -
und die Polen zum Rückzug zu bringen. Als nach dem Ableben Papst
Paul's IL, im Juli 1471. Sixtus V. den päpstlichen Stuhl bestieg und
einen Ausgleich zwischen Ungarn und Polen anstrebte, gaben beide
Theile soweit nach, dass endlich eine allgemeine Waffenruhe zu Stande
kam, die bis zum Sommer 1474 währte.
Unterdessen war der Wafienstillstand zwischen Ungarn und Polen
abgelaufen. König Kasimir war Ende September 1474 in Schlesien
eingefallen, Mathias trat ihm mit nur wenigen, aber kampfgeübten
Truppen entgegen und nöthigte ihn schon Anfangs November zu Ver-
handlungen, die zum Absehluss eines Waffenstillstandes bis 1477, und
endlich l479 zu einer Vereinbarung führten, der zufolge Mathias
Mähren und einen Theil von Schlesien behalten und auch den Titel
eines Königs von Böhmen führen sollte, während Wladislav thatsäch-
lich König von Böhmen blieb.
Mathias hatte den Waffenstillstand schon deshalb geschlossen,
um endlich, den Wünschen der Ungarn entsprechend, alle Kräfte
gegen die Türken wenden zu können. Die im Herbste 1474 und Früh-
jahr 1475 einberufenen Reichstage bewilligten für die Vertheidigung
des Landes sehr beträchtliche Summen, mit der ausdrücklichen Be-
stimmung jedoch, dass selbe nur für diesen Zweck verwendet w^erden
dürfen.
Mathias begann auch gleich zu rüsten, der günstige Augenblick
zum Angriff war aber bereits versäumt. Stephan, der Woywode der
Moldau, hatte sich durch seinen Einfall in die Walachei, noch mehr
aber durch die Verweigerung des Tributes, den Zorn des Sultans zu-
gezogen. Ihn zu züchtigen, zog Chadim Suleiman, der Beglerbeg zu
Rumili, zu Neujahr 1475 trotz des strengen Winters und des Mangels
an nöthiger Zufuhr mit mehr als lOü.OOO Mann gegen die Moldau.
Stephan verwandelte die vom türkischen Heer zu durchziehende Ge-
gend der Walachei durch Feuer in eine Wüste und zog sich mit
50.000 Mann, darunter 6000 Ungarn — Szekler — und 2000 Mann
polnischen Fussvolkes, in das Berladthal zurück. Am 17. Jänner kam
es in einer Thalschlucht, tief im Walde, wo die Türken ihre Reiterei
nicht zur Geltung bringen konnten, zur Schlacht. Das Vordertreffen
— die Szekler — wurde durchbrochen. Stephan selbst stürzte sich
nun in die feindlichen Reihen und stellte die Schlacht wieder her.
Unter grossen Verlusten wurden die Türken nun geschlagen; mehr
noch wurden auf der Flucht durch Hunger und Kälte, als auf dem
Schlachtfelde vernichtet; wenigen nur gelanges, auf ihren ausgehungerten
Pferden die Donau zu erreichen. Kaum feierte Stephan seinen Sieg.
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmaneii. 2. Aufl. 11
— 162 —
als aucli schon die Nachricht kam. dass Kadul mit frischen Truppen
aas der Walachei im Anzüge sei. Nach hartem Kampfe gelang es
Stephan am 24. Jänner bei Rimnik, auch diesen zu besiegen. Der
Verlust der Sieger M^ar aber kaum geringer, wie jener der Besiegten,
doch erregte die Nachricht von diesem Siege beim ungarischen Heere
Freude, und Mathias schickte Gesandte zu Stephan, um ihn zur Fort-
setzung des Krieges aufzumuntern und ihm ungarische Hilfe anzubieten,
wenn er die Oberhoheit Ungarn^ anerkenne. Um auch die Unterstützung
der Walachei zu erlangen, deren Fürst Radul sich ganz in die Arme
der Türken geworfen hatte, entliess Mathias den grausamen Wlad
Drakul aus seiner Haft, suchte aber vergebens ihm die Anerkennung
seiner früheren Unterthanen zu verschaffen.
Während die Türken im Sommer 1475 Croatien ungehindert
durchzogen, traf Mathias die Vorkehrungen zum Ano-riff in ":rossartia-em
Massstabe. Den venetianischen Gesandten benachrichtigte er, dass er
ein Heer von 60.000 Mann, begleitet von 1000 Wagen und 100 Schiffen,
aufstellen wolle. Kanonen liess er giessen und Belagerungsmaschinen
vorrichten, welche insbesondere die Bewunderung des päpstlichen
Legaten erregten. Der Versuch Sultan Mohammed's, einen Waffenstill-
stand abzuschliessen, wurde abgewiesen, der Woywode der Moldau
aber aufgefordert, die Feindseligkeiten gegen die Türken demnächst
zu beginnen.
Am 12. October theilte Mathias den am Hofe anwesenden Ge-
sandten seinen Entschluss, ins Feld zu ziehen, mit, und stellte als erste
Aufgabe des Feldzuges die Einnahme von Szabacs hin, das seit der
Erbauung wesentlich verstärkt worden war. Bald darauf setzte sich
Mathias mit einem Theile seines Heeres — 10.000 Mann, in vier Le-
gionen abgetheilt — und mit dem erforderlichen Belagerungsmateriale
in Bewegung. Noch im December traf er in Belgrad, in den ersten
Tagen des Jänners 1476 vor Szabacs ein. wo die Belagerungsarbeiten
sogleich in Angriff genommen wurden.
Szabacs hatte von der Save gespeiste Wassergräben, hinter welchen
sich mit Flechtwerk verkleidete, mächtige, steilgeböschte Erdwälle er-
hoben, denen das alte kleine gemauerte Castell als Rückhalt diente.
Mit Geschützen war die Festung reichlich versehen; 1200 auserlesene
Janitscharen lagen als Besatzung darin.
König Mathias liess seine Truppen sogleich über die Save setzen,
wobei ihm eine vermuthlich auf den Schiffen ans^ebrachte Schutzvor-
— 16.=? —
richtung seiner eig-enen Erfindung sehr zu Statten kam/') Die Be-
lagerangsarbeiten wurden sogleich in Angriff genommen, Batterien
errichtet, die Geschütze eingeführt und die Beschiessung begonnen.
xVnfangs aber ohne besonderen Erfolg, da die Geschosse den mit Flecht-
werk verkleideten Erdwällen wenig Schaden zufügten.
Unterdessen war eine türkische Heeresabtheilung zum Entsätze
herangezogen und hatte drei Meilen entfernt ein Lager bezogen. Der
König rückte nun — die Beobachtung der Festung nicht ausser Acht
lassend — mit seinen P'usstruppen aus dem Lager, um in Schlacht-
ordnung den feindlichen Angriff abzuwarten. Der Gegner fühlte sich
jedoch nicht stark genug, um anzugreifen, und trat noch am selben
Tage den Rückzug an.
Mit umso grösserem Eifer wurde nun die Belagerung fortgesetzt.
]\Iit Geschützen ausgerüstete, mit Mannschaft vollgeladene grosse Schiffe
wurden bis unmittelbar an die Wälle der Festung gezogen, und nun
begann der Kampf unter des Königs persönlicher Leitung aus nächster
Nähe. Ununterbrochen unter seinen Leuten w^eilend, setzte Mathias
seine Person jeder Gefahr aus. Als gewöhnlicher Soldat verkleidet,
fuhr er in einem Kahn bis an die Festung, um den schwächsten Punkt
derselben zu erkunden; wie er sich ihr näherte und die Türken ihn
erkannten, richteten sich alle Geschosse auf ihn; sein Begleiter w^urde
erschossen, er selbst aber kehrte unverletzt ins Lager zurück. Seine
grossen Schiffe dirigierte er nun selbst in den Burggraben. Die Be-
satzung der Festung kämpfte mit dem Muthe der Verzweiflung und
brachte den Truppen des Königs schwere Verluste bei, manchen Führer
hatten sie unter den Todten zu beklagen. Schliesslich aber ermatteten
die Türken in ihrem Widerstände und öffneten am 15. Februar die
Thore der Festung. Von den 1200 Vertheidigern zogen nur 700 heraus
und baten um Gnade; sie sollen in des Königs Dienste getreten sein.'')
'') Fraknoi sagt: »Die schwere Aufgabe des Landeus und der Hut des Kriegs-
^•olkes und der Schiffe vor den Geschossen der Besatzung erleichterte eine neue Er-
findung, deren Gedanke wahrscheinlich vom Könige ausgieng, von dem seine Zeit-
genossen hervorhoben, dass er sich oft mit Construction neuer Kriegsmaschinen be-
schäftigte. Mit Stangen, Pfählen und Ketten wusste er binnen zwei Stunden ein
Schutzwerk aufzustellen, welches 8000 Mann, 40 Kanonen und zahlreiche Mörser auf-
nehmen konnte. Jetzt wendete er es zum erstenmale an. Unter seiner Deckung er-
richteten die Truppen ihr Lager, stellten die Belagerungsmaschinen auf und warfen
Schanzen um die Festung «uf.« Leider bringt Fraknöi keine Beschreibung dieser
Schutzvorrichtung, von deren Vorzüglichkeit wohl ein guter Theil in Abzug zu bringen
sein wird.
') Anderen Nachrichten zufolge wurde die ganze Besatzung niedergemacht.
11*
— 164 -
Nachdem Mathias die Ausbesserung:: und Instandsetzuncr der
Festungswerke angeordnet hatte, zog sein Heer vor Semendria und
'erbaute bei KuHtsch — gegenüber der Mündung der Morava in die
Donau — drei Bollwerke aus Holz und Erde, die bei weiteren Unter-
nehmungen als Stützpunkt dienen sollten. Mit der Zusage, demnächst
wieder beim Heere einzutreffen, kehrte er nach Ofen zurück, wo ihm
die Botschafter des Papstes und Venedigs nebst Glückwünschen zum
errungenen Sieg auch 93.000 Goldgulden überbrachten und weitere
Beihilfe zum Schutze der Christenheit versprachen.
Die Eroberung von Szabacs — an und für sich doch nur ein
geringfügiger Erfolg nach den grossen Vorbereitungen — sollte nur
das Vorspiel zu grösseren Unternehmungen sein. Kaum aber war der
König nach Ofen zurückgekehrt, so wurden seine Gedanken durch
ein Zerwürfniss mit Kaiser Friedrich, sein Streben, den Papst zu
einem Bündniss gegen denselben zu bewegen, und seine Heiratspläne
— die Vermählung mit Beatrix, der Tochter des Königs von Neapel,
sollte schon im October stattfinden — so in Anspruch genommen,
dass die Kriegspläne gegen die Türken ganz in den Hintergrund
traten.
Während des Sommers 1476 setzte König Mathias zwar seine
Rüstungen fort, that aber wenig, um den Angriffen der Türken zu
wehren und ihren fortwährenden Raubzügen Einhalt zu thun.
Der greise Sultan Mohammed sammelte ein Heer bei Adrianopel,
zu dem auch Radul mit 9000 Walachen stiess. Er wandte sich aber
nicht gegen Ungarn, sondern drang gegen die Moldau vor. Stephan,
der sich gleichzeitig um den Schutz Polens wie Ungarns bewarb,
meldete nach Ofen, dass er in kleineren Gefechten und Ueberfällen
einzelner Haufen bereits gegen 30.000 Feinde erschlagen habe.
König Mathias versprach auch schleunige Hilfe und rieth dem Woy-
woden, bis zur Ankunft derselben sich in die Gebirge zurückzuziehen.
Die Gesandtschaft, welche der König von Polen an den Sultan schickte,
um ihn vom Eindringen in ein polnisches Vasallenland abzuhalten,
traf das türkische Heer schon in Varna, wurde aber schnöde ab-
gewiesen.
Des Sultans Heer übersetzte auf fünf Brücken die Donau,
während die Flotte im Schwarzen Meere für die Verpflegung sorgen
und die Belagerung der Festungen Kilia an der Donaumündung und
Akerman (Maurokastro) unterstützen sollte. Von Osten fielen gleich-
zeitig 10.000 Tataren in die Moldau ein, wurden aber bei Akerman
vollständig geschlagen. Stephan wendete gegen die Türken dieselben
- 165 -
Mittel an. wie im Vorjahre: Verheerung der Gegend, Rückzug der
Bewohner in die Wälder. Vermeidung grösserer Gefechte, Ueberfälle
kleinerer Abtheilungen. Doch wurde er am 26. Juli in der Nähe
von Roman (»Valle alba« oder »Ros-boeni« von den Moldauern und
»Agadsch denisi«, d. i. »Waldmeer«, von den Türken genannt) in.
einen heissen Kampf verwickelt, der sich schliesslich durch das persön-
liche Eingreifen des Sultans zu Gunsten der Türken wendete. Stephan
stürzte auf der Flucht vom Pferde und konnte nur mit Mühe sein
Leben retten. Von der reichen Beute, welche den Türken in die
Hände fiel, wurden die zahlreichen Schweineherden den verbündeten
Walachen überlassen.
Die Festungen Chotzim und Suczawa, wohin die Moldauer sich
zurückzogen, wurden von den Türken vergeblich belagert; das ver-
wüstete Land bot aber keine Mittel mehr zum Unterhalt ihres zahl-
reichen Heeres, und die Flotte, welche dasselbe verpflegen sollte, war
durch Stürme auf dem Schwarzen Meere zerstreut worden. Die grossen
Verluste in den Gefechten wurden nun auch noch durch Hunger und
den Ausbruch der Pest im türkischen Heere vermehrt. Als endlich die
Nachricht von dem Anzüge eines ungarischen Heeres zum Sultan
dranir. hob er die Belasreruno^ der Festung-en auf und verliess eiligst
die Moldau. Im Herbste kam endlich Bäthory mit einem beträeht-
lichen Heere in die Moldau; im Verein mit Stephan drang er Ende
Mai in die Walachei ein, vernichtete ein walachisch-türkisches Heer
von 18.000 Mann und setzte den grausamen Wlad Drakul auf den
FUrstenstuhl.
Während des Einfalles der Türken in die Moldau setzten die
Brüder Alibeg und Iskender Michaloghli mit 4000 bis 5000 Mann bei
Semendria über die Donau und durchstreiften das Banat von Temesvar.
Die dortigen Befehlshaber, Albert und Ambrosius Nagj-, vereinigten
sieh mit dem Commandanten von Belgrad und einigen benachbarten
Herren, darunter die Brüder Doczy, und trieben die Räuber zurück.
Unweit von Weisskirchen, bei Boczacin (Posesena?) wurden die Türken
bis zur Vernichtung geschlagen. Alibeg entkam über die Donau, Is-
kender blieb todt auf dem Platze.^) Die von den Türken mitgeschleppten
Gefangenen benützten den Ausgang des Gefechtes und fielen über das
türkische Lager her, in dem sie so viel Beute machten, dass selbst
Frauen und Kinder, zu Pferde sitzend, noch ein Lastthier forttreiben
konnten.
^) Es kann hier nur ein Ort am linken Donauufer, daher nicht jenes Poczaczin.
wo 16 Jahre früher Michael Szihigyi gefangen wurde, gemeint sein.
- 166 —
Auch an der Südwestgrenze Ungarns setzten die Türken ihre
Angriffe fort. Anfangs Juni fielen bei 4500 Mann aus Bosnien über
Croatien nach Krain ein. Da sie bei Rann nicht über die Save konnten,
zogen sie im Gurkthal aufwärts, dann über Adelsberg in das Wippach-
thal bis in die Nähe von Görz, kamen dann über Lak nach Laibach,
wo sie in der Vorstadt die Kirche St. Peter niederbrannten, und
kehrten über Gottschee in das Kulpathal und durch Croatien zurück.
Eine Abtheilung trennte sich noch eher, setzte bei Gurkfeld auf das
linke Saveufer über, verheerte und plünderte die Gegend von Mont-
preis, Rohitsch, Krapina und Agram zwischen dem 15. und 25. Juli,
kehrte nochmals um, durchstreifte das Savethal aufwärts bis Licliten-
wald, vereinigte sich dort mit einer aus Krain kommenden Schar und
zog durch Croatien ab. ohne auf Widerstand zu stossen.
Noch einen zweiten Einfall hatte Krain in diesem Jahre zu er-
leiden; am 12. October durchzogen bei 8000 Türken das Land, hielten
sich aber nicht auf. sondern wendeten sich über Weissenfeis nach
Kärnten und erschienen, nachdem sie das für ungangbar gehaltene
Grenzgebirge mit unsäglicher Mühe überschritten hatten, ganz über-
raschend in Tarvis und Arnoldstein. Ueber Villach drang ein Theil
am Ossiachersee in das Gurkthal vor, während der andere- längs des
Wörthersees über Klagenfurt, wo die Vorstädte niedergebrannt wurden,
bis St. Paul und St. Andre im Lavantthale kam. Nachdem sie binnen
fünf Tagen einen grossen Theil von Kärnten ausgeraubt und verheert
hatten, zogen sie — Windischgraz, Cilli und Gurkfeld berührend —
über Croatien nach Bosnien zurück.
Sowohl Kaiser Friedrich als auch die Stände von Innerösterreich
thaten trotz der Einhebung einer grossen Kopfsteuer nichts zur Ab-
wehr des furchtbaren Feindes, gegen welchen nur die zahlreichen
festen Plätze einigen Schutz gewährten. Die Bewohner des flachen
Landes, die Bauern, zeigten M'egen der Unthätigkeit der Herren und
Stände eine solche Erbitterung, dass sie selbe sogar beschuldigten, mit
den Türken im Einverständnisse zu sein: sie vereinigten sich zu einem
Bunde wider die Herren, und in einigen Gemeinden des Glanthales
kam es auch zu einem Aufstand. Obwohl Croatien durch diese Ein-
fälle nicht weniger zu leiden hatte, wie die Länder des Kaisers, setzte
ihnen König Mathias doch nicht den geringsten Widerstand entgegen.
Unterdessen kam die Zeit heran, in welcher König Mathias seine
Vermählung mit Beatrix von Aragonien feiern sollte. Am 2. October
stieg Beatrix in Manfredonia mit reichem Gefolge zu Schiffe, wagte
aber aus Furcht vor türkischen Räubern nicht, in Dalmatien zu landen;
— 1Ö7 —
sie inusste nach längeren Irrfahrten an der Ostküste Italiens anlegen
und die Reise durch vcnetianisches Gebiet, dann durch Krain und
Steiermark fortsetzen. Von ihrer Reise in Kenntniss gesetzt, durch-
streiften türkische Horden die Gegend, um ihrer habhaft zu werden.
So zog die Prinzessin angsterfüllt durch eingeäscherte Ortschaften und
über Leichen fehler, bis sie endUch in den ersten Tagen des November
nach Pettau und an die ungarische Grenze kam. Hochzeitsfeierlichkeiten
und die Krönung fanden im December 1476 zu Stuhlweissenburg und
Ofen statt, mit einem Aufwände, als wenn das Land in vollster Blüthe
gestanden wäre, und nicht unter den Raubzügen der Türken und unter
unerhörtem Steuerdrucke geseufzt hätte.
Während die Hauptstadt Ungarns in Festlichkeiten schwamm,
setzten die Türken über die fest gefrorene Donau bei Semendria, zer-
störten die drei im vergangenen Jahre bei Kulitsch errichteten Boll-
werke und fielen dann in Siebenbürgen ein, von wo sie reiche Beute
und Tausende von Gefangene» wegschleppten.
Zu Beginn des folgenden Jahres, 1477, gieng auch die Walachei
wieder an die Türken verloren: nachdem der grausame Wlad Drakul
von seinem Diener ermordet worden war, setzten sie Radul wieder
auf den Fürstenstuhl. Demungeachtet unternahm König Mathias keinen
grösseren Zug mehr gegen die Türken, sondern beschränkte sich —
obwohl es an günstigen Gelegenheiten zur Ergreifung der Offensive
nicht fehlte — nur auf die Vertheidigung des Reiches. Von Hass und
Ehrgeiz getrieben, begann er einen Krieg gegen Westen, der seine
ganze Kraft in Anspruch nahm und jede Bekämpfung des gefähr-
lichsten Feindes aus dem Osten — der Osmanen — unmöglich machte.
efpcren den Kaiser Friedrich.
Neuntes Capitel.
Mathias entzweit sich mit Kaiser Friedrich III. — Streifztige der Türken. — Alibeg
auf dem Brodfelde in Siebenbürgen durch Bathory und Kinisi besiegt. — Neuer Streit
zwischen Mathias und Friedrich. — Mathias überfluthet die österreichischen Erb-
länder. — Mohammed II. stirbt, Bajesid II. setzt die Raubzüge fort. — Waffen-
stillstand mit den Türken. — Mathias stirbt zu Wien. — Wladislav II. in Ungarn
zum König gewählt. — 1477 bis 1490.
Der Streit um die böhmische Krone gab Anlass zur Entzweiung
des Königs Mathias mit Kaiser Friedrich, und brachte ersteren auch
in Berührung mit dem unzufriedenen Adel in Oesterreich. Im August
1476 beklagte sich Mathias, dass die Räthe und Vertrauten des Kaisers
ihn der Begünstigung der Türken beschuldigten, worauf Friedrich auf
die Thatsache hinwies, dass von Seite Ungarns gar nichts geschehe,
um den Einbruch derselben durch Croatien in die österreichischen
Erbländer zu hindern. Bei Fortsetzung des Notenwechsels drohte
Mathias mit Krieg, wenn der Kaiser, der gegen seinen unbotmässigen
Adel mit Ernst auftrat von seinen Schritten gegen denselben nicht ab-
liesse. Da der Kaiser sich durch die Drohung des ungarischen Königs
im Vorgehen gegen den Adel nicht abschrecken Hess, kündeten ihm
schon im Herbste mehrere ungarische Hauptleute Fehde an. Während
die Truppen des Kaisers im Verein mit böhmischem Hilfsvolke den
Kampf nicht ohne Glück führten, rüstete Mathias, und erklärte am
12. Juni 1477 dem Kaiser den Krieg. Die Verhandlungen, welche von
Seite des Papstes und Venedigs eingeleitet wurden, um einen so ver-
hängnissvollen Krieg zu hindern, scheiterten an den geradezu unerhörten
Forderungen des Königs, der im August an der Spitze eines stattlichen
Heeres in Niederösterreich einfiel und das Land mit Ausnahme weniger
Städte in seine Gewalt brachte. Während er Wien bedrängte, erfuhr
Mathias, dass die Türken neuerdings durch Croatien nach Krain ein-
gefallen, bis Adelsberg und Wippach vorgedrungen wären, und überall
- 169 -
grossen Schaden angericlitet hätten. Im Oetober wiederholten sie ihren
Einfall unter Omarbeg, übersetzten bei Gürz den Isonzo, schlugen den
venetianischen Heerführer Novello. verheerten die Ebene bis zum Taglia-
niento und drangen bis Conegliano vor. Von Venedig aus konnte man
die brennenden Orte wahrnehmen. Am 2. November zog die ganze
venetianische Macht aus Venedig aus. um den Feind zu verjagen, der
sich aber früher schon mit Zurücklassung von Ruinen über den Isonzo
zurückgezogen hatte. Gleichzeitig machten die Ungarn unter Jörg von
Zagorien einen Einfall in Steiermark.
Da sowohl Papst Sixtus IV.. wie auch Venedig mit der Entziehung
der Subsidien drohten, wenn Mathias seine Macht nicht gegen die
Türken kehrte, so schien dem König der Friede ebenso wünschens-
wert wie dem Kaiser; es kam daher im December 1477 zu einem
Friedensschluss, in dem sich letzterer zu dem demüthigenden Zu-
geständnisse, Mathias mit Böhmen zu belehnen, herbeilassen musste.
Nachdem Mathias Oesterreich geräumt hatte, bewilligte ihm der
Reichstag in Ofen im Februar 1478 ganz unerhört grosse Steuern und
das Recht, im Nothfalle das Nationalheer fast gegen jeden denkbaren
Feind aufzubieten.
Da Venedig mit den Türken ernstliche Friedensverhandlungen
pflog, und Mathias die Entziehung der Subsidien demnächst gewärtigte.
zog er die Besatzungen aus den Grenzfestungen des westlichen Croatien
zurück, um den Venetianern seine Unentbehrlichkeit zu zeigen. Die
Türken benützten diese Gelegenheit auch gleich; unter ihrem Anführer
Michaloghli ergossen sich die Renner über Dalmatien und Croatien,
und erschienen unmittelbar vor der Sommerernte am Isonzo. Da sich
aber der venetianische General Karl von Montone nicht aus seinen
Verschanzungen herauslocken Hess, als sie den Fluss bei Gradiska
überschritten, zogen sie durch das Canalethal gegen Kärnten ab. Am
26. Juli kamen sie über den Predilpass und — des Weges unkundig —
wieder über Weissenfeis nach Tarvis. • Bei Goggau zerstreuten sie
3000 Bauern, die dort eben versammelt waren, um sich gegen die
drückende Besteuerung aufzulehnen. Durch mehrere Wochen verblieben
die Raubscharen in Kärnten, verwüsteten das Gailthal und das obere
Drauthal, durchstreiften das Gurkthal bis Friesach. das Zollfeld, die
Gegend am Wörthersee, und kehrten endlich durch das südliche
Steiermark an Cilli vorüber und durch Croatien nach Bosnien zurück.
Es war für die Innerösterreicher kein Trost, dass Peter Zrinyi die
zurückkehrenden Raubscharen bei Jajcze überfiel und fast aufrieb, sie
wurden dadurch auch nicht abgeschreckt, denn im nächsten Jahre (1479)
— 170 —
Aviederholten sie den Einfall. Als eben in Nedelitsch bei Plankenbnrg:
Jahrmarkt abgebalten wurde, erschien am 24. August ganz überraschend
eine aus Bosnien herüber gekommene Raubschar, die plündernd und
mordend über das anwesende Landvolk herfiel, einen als Zollamt
dienenden Thurm mit 50 Mann Besatzung erstürmte, dann über Pettau
und Luttenberg, das niedergebrannt wurde, nach Ungarn zog und bis
an die Raab vordrang. Zapolya und Zrinyi. die gerüstet an Oesterreichs
Grenze standen, um dort Steuern einzutreiben, setzten der plündernden
Horde nach, erreichten aber nur einen bei 3000 Mann zahlenden
Haufen, der niedergemaclit wurde, während die anderen mit Tausenden
von Gefangenen über die von der Sommerhitze fast ausgetrocknete
Drau und Save entkommen waren.
Im Osten Ungarns trugen sich indessen auch wichtige Ereignisse
zu. Als Alibeg im Sommer 1479 bei Semendria ein Heer von 40.000 Mann *)
sammelte und einen Einfall nach Siebenbürgen plante, schlössen sich
ihm auch die Walachen an, so dass er sich Ende September schon
stark genug fühlte, sein Vorhaben auszuführen. Die Zahl der türkischen
Heerführer, welche sich um Alibeg sammelten, wird mit zwölf ange-
geben, darunter Hassanbeg. Isakbeg, Iskenderbeg und Balibeg. durchaus
von früheren Raubzügen her wohlbekannte Nam_en.
Alibeg führte sein Heer bei Orsowa über die Donau und über
den Eisernen Thorpass bei Varheli nach Siebenbürgen. Das Hatszeger.
das Strellthal und den Brooser Stuhl durchziehend und verheerend,
drang er so eilig im Marosthal aufwärts, dass Stephan Bathory, der
Woywode von Siebenbürgen, kaum Zeit fand, das Aufgebot des Landes
bei Hermannstadt zu sammeln. Paul Kinizsi, der Ban von Temesvar.
dem der Einbruch der Türken nicht verborgen bleiben konnte, sagte
Bathory seine Hilfe zu und brach mit seinem Banderium sogleich gegen
Siebenbürgen auf Als Bathory über Mühlbach (Szäszsebes) heranzog,
war Alibeg, der keine Ahnung davon gehabt zu haben schien, dass
Kinizsi sich ihm im Marosthal näherte, schon im Begriffe, mit reicher
Beute und einer Unzahl Gefangener auf demselben Wege, den er ge-
kommen war, zurückzukehren.
Alibeg, der auf dem Brodfelde westlich des Kudsirbaches ein
Lager bezogen hatte, sah am Morgen des 13. October auf den gegen-
') Die Angaben über die Stärke des türkischen Heeres sind sehr verschieden.
Dingos gibt 100.000, die Kronstädter Inschrift 65.000, Bonfinius und Olahus 60.000,
osmanische Geschichtsschreiber gar nur 30.000 an. Mathias selbst erwähnt in einem
Schreiben an den Papst, dass ungefähr 43.000 Türken, denen alles walachische Volk
sich angeschlossen habe, den Einfall machten. Geschütze scheinen von keiner Seite
mitgeführt worden zu sein.
— 171 -
Schlacht auf dem Brodfelde, 13. October 1479.
Ä Bathory's Truppen.
B Kinizsi's Truppen.
Schichten höhe^Orri'
C Angriff der Türken.
D Lager der Türken.
£j Kapelle zum Andenken an die Schlacht, jetzt verfallen.
über liegenden Höhen die Truppen Bathory's erscheinen und fand
nothwendig, zur Deckung seines ferneren Rückzuges, besonders aber,
um zur Fortbringung seiner Beute Zeit zu gewinnen, stehenzubleiben.
Das Brodfeld (Kenyermezö), eine fruchtbare Ebene an der Maros
zwischen den Orten Ober- und Unter-Brodsdorf (Fei- und Al-Kenyer)
und Benczencz. ungefähr auf halbem Wege zwischen Mühlbach und
Broos (Szäszvaros) gelegen, wird östlich vom Kudsirbach begrenzt,
dessen rechtes Ufer im oberen Theile von einer leichten Erhebung:
begleitet wird. 2000 Schritte östlich von Unter-Brodsdorf liest Ballendorf.
— 172 -
das im Norden und Osten von einer Krümmung des Marosflusses um-
geben ist.
Als Bätliory jenseits des Kudsirbaclies das türkische Lager er-
blickte, bereitete er sich zum Kampfe vor. Bevor er seine Truppen
zur Schlacht ordnete, liess er eine Messe lesen und befahl dem Priester,
seinen Kriegern das heilige Abendmahl zu reichen.-) Den Kudsirbach
vor sich, standen bei Ballendorf, mit dem rechten Flügel an die Maros
gelehnt, die Sachsen — bei 4000 Mann, darunter 600 Reiter unter
Führung des Hermannstädter Bürgermeisters Georg Hecht — die im
Angesichte der zerstörten Wohnstätten ihrer Stammesgenossen um die
Ehre des Kampfes in den Vorderreihen baten; zu ihrer Unter-
stützung — ein zweites Treffen bildend — Siebenbürger Walachen.
Den linken Flügel, auf der Erhöhung des Kudsirbaclies, von Laserate
gegen Ober-Brodsdorf zu. bildeten Ungarn, darunter das Banderium
des Bischofs Ladislaus Gereb; im ersten Treffen, hinter ihnen, die
Szekler unter ihrem Grafen Anton Kendy. In der Mitte, hinter beiden
Flügeln, stand Bäthory selbst, mit den schwerbewaffneten Reitern.
Auch die Türken ordneten ihre Haufen zur Schlacht; die vielen
Anführer, unter sich uneinig, verzögerten die Aufstellung. Als endlich
drei Stunden vergangen waren und Bäthory's Truppen unthätig den
Türken gegenüberstanden, gab dieser — das Eintreffen Kinizsi's binnen
einer Stunde mit Sicheidieit gewärtigend — den Befehl zum Angriff'.
Mit grosser Tapferkeit eröffneten die Sachsen den Kampf, lange Zeit
war der Sieg zweifelhaft, endlich konnten sie aber den wuchtigen An-
griffen der Gegner nicht widerstehen und wandten sich zur Flucht.
Ihrer viele wurden am Ufer der Maros erschlagen, andere verwundet,
und da sie nicht fliehen konnten, in das Wasser gedrängt. Ein Theil
zog sich auf die Walachen zurück, die nach tapferem Widerstand der
Uebermacht weichen mussten und in nicht geringer Zahl in den Wellen
der unmittelbar dahinter fliessenden Maros ihr Grab fanden.
Auch Bäthory's linker Flügel hatte dem Anprall des Gegners
nicht widerstehen können, er begann mit grossen Verlusten zu weichen
und zog sich — von den Türken überflügelt — gegen das Centrum
zurück.
Nun rückte Bäthory zur Rettung seiner beiden Flügel mit der
in geschlossener Ordnung aufgestellten schweren Reiterei vor. Als er
beim Aufbruch sein Pferd antrieb, stürzte es mit ihm; diesen Unfall
als übles Zeichen deutend, rietli ihm seine Umgebung zurückzukehren
'-) In Ermanglung einer genügenden Zahl von Hostien soll geweihte Erde aus-
getheilt worden sein.
— 173 -
oder sich in das Gebirge zurückzuziehen. Er liess sich aber nicht ab-
lialten und Avarf sicli an der Spitze seiner Reiterschar mit solcher
Wuth auf den Feind, dass dessen erste Reihen in wenigen Augen-
blicken niedergehauen auf dem Platze lagen. Alibeg. das siegreiche
Vorgehen Bäthory's wahrnehmend, stellte sich nun selbst an die Spitze
einer 2:ewaltig:en Reitermasse, um sich mit Uebermacht auf das feind-
liehe MitteltrefFen zu werfen. Wo heute der Weg von Ober-Brodsdorf
in die Hauptstrasse mündet, entbrannte ein wüthender Kampf. Einem
W^alle gleich lagen die Leichen um den bereits aus sechs Wunden
blutenden Feldherrn, dessen Pferd ihm unter dem Leibe getödtet
worden war. Drei Stunden währte der Kampf, und die längst erwartete
Hilfe aus dem Banate war noch immer nicht in Sicht. Schon begann
der Sieg entschiedener sich auf die Seite der türkischen Uebermacht
zu wenden, als endlich im Rücken des Feindes, auf der Höhe, über
welche der Weg von Broos nach Ober-Brodsdorf führt — dazumal
die Hauptstrasse — die heissersehnte Hilfe sich zeigte.
Mit einer nicht unbedeutenden Streitmacht, unter der sich zahl-
reiche Hofleute des Königs und bei 900 Serben unter Demeter Jaksic
befanden, traf Paul Kinizsi'^) noch zu rechter Zeit ein. An der Spitze
einer Schar geharnischter Reiter, an den Flügeln Schwärme leichter
Reiter, sprengte er auf die Ebene herab und griff die Türken, die sich
dessen gar nicht versehen hatten, unter grossem Geschrei und dem
Lärm von Trommeln, Trompeten und Pauken an. Diese waren über
den unerwarteten Angriff dermassen erschrocken, dass sie sich anfangs
fast ohne Widerstand niederhauen Hessen. Kinizsi's mächtige Gestalt
drang wuthentbrannt, über und über mit Blut besprengt, und laut
rufend in die feindlichen Reihen ein. Bathor}^ der mehr aus den immer
abgeschwächteren Angriffen als aus den ihm geltenden, kaum verständ-
lichen Zurufen Kinizsi's bemerkte, dass sein Waffengefährte nahe sei,
rief auf ihn, und dieser warf sich erneut in das Kampfgewühle und
befreite den Woywoden von dem ihm augenscheinlich di'ohenden
Untergang.^)
•^) Paul Kinizsi, einstens Müllergeselle, der durch ausserordentliche Stärke die
Aufmerksamkeit des Königs auf sich gezogen hatte und in seinem Heere Verwendung
fand, war in Folge seiner Tapferkeit und späterer Entfaltung besonderen Feldherren-
talentes immer höher gestiegen, so dass er Festungscommandant von Belgrad, später
(Jraf von Temesvar und Oberbefehlshaber der südlichen Theile des Reiches, endlich
aber auch wegen seiner Thatkraft und ebenso wegen seiner rücksichtslosen Grausamkeit
zum Oberstlandrichter ernannt wurde, obwohl er des Lesens und Schreibens un-
kundig war.
■*) Das Volkslied hat sich in Siebenbürgen dieser Schlacht, die, wie es scheint,
noch ganz rittermässig, ohne Feuerwaffen, nur mit dem in Eile zusammengerafften
- 174 —
Als sich nun die Türken von allen Seiten angefallen sahen, er-
griffen sie mit Zurücklassung ihres Lagers und aller Beute die Flucht.
Es war keine Schlacht mehr, sondern ein Schlachten: wohin sich die
Türken Avandten. überall folgten ihnen die ergrimmten Streiter. Die
nicht auf dem Brodfelde erschlagen wurden und in das Gebirge
flüchteten, wurden in den Thälern und Schluchten vom Landvolke nieder-
gemacht; geschont wurden nur jene, deren Aussehen den Gewinn eines
reichen Lösegeldes erhoffen Hess. Alibeg selbst, der Landessprache mächtig,
wechselte seine Kleider mit einem Bauern und entkam nach der
Walachei. Bei 30.000 Türkenleichen bedeckten das Schlachtfeld, ^) aber
auch 8000 Ungarn waren gefallen und ausserdem hatten gegen 2000,
meist Sachsen und Siebenbürger Walachen. den Tod in den Wellen
der Marcs gefunden, deren Leichen erst später aus dem Wasser ge-
zogen wurden. Die zahlreichen Gefangenen, welche die Türken zurück-
liessen. Avurden ihrer Fesseln entledigt und betheiligten sich auch eifriir
an der nun erfolgten Plünderuns: des türkischen Lagers.
Da die einbrechende Dunkelheit eine Verfolgung des Feindes
ebenso unmöglich machte wie die Rückkehr in die eigenen Lager,
beschlossen die beiden Führer, die Nacht auf dem Schlachtfelde zu
verbleiben und die Kriegsleute mit Speise und Trank zu laben, wozu
die reichlichen Vorräthe im erbeuteten türkischen Lsger herhalten
mussten. '^) Am nächsten Morgen zogen Bathor}^ und Kinizsi trium-
phierend in Weissenburg ein, während Bischof Gereb die Leichname
der gefallenen Adeligen — bei 200 — auf dem Schlachtfelde sammeln
und nach Weissenburg bringen Hess. Die meisten der gefallenen christ-
lichen Streiter wurden an der Stelle, wo der Kampf am heissesten
getobt hatte, begraben. Bathory Hess daselbst eine Kapelle bauen, die
Volke geschlagen wurde, bemächtigt, lässt aber Kinizsi, der. auf Bathory eifersüchtig',
sich den Sieg allein zuschreiben ■wollte, mit der versprochenen Hilfe bis zu dem
Augenblicke zögern, in dem der Feind nur mehr durch sein Einschreiten überwunden
werden konnte, und beschuldigte ihn damit, dass er durch seinen masslosen Ehrgeiz
Tausende von tapferen Kriegern dem Verderben geopfert habe.
'') Die mit den Türken eingefallenen Walachen sollen sämmtlich nieder-
gemetzelt worden sein.
'') Auch an Ueberfluss von Wein mangelte es nicht, und als demselben stark
zugesprochen und die Stimmung immer lebhafter wurde, folgte in einem Kreise, dem
aufgeschichtete Türkenleichen als Bänke dienten, bald Gesang und Tanz; Kinizsi,
von den Waffengefährten zum Tanze ermuntert, sprang mit gewaltigem Anlauf in
die Mitte des Kreises, packte einen erschlagenen Türken mit den Zähnen und tanzte
mit selbem unter lautem Beifall der Umstehenden, die diese herkulische Kraftäusserung
wohl mehr bewunderten als belachten, im Kreise herum.
- 175 —
— sclion zu Anfang dieses Jahrhunderts dem Verfalle nahe — gegen-
wärtig ganz verschAvunden ist. 'j
Dem König Mathias kam dieser Sieg — wenngleich nur zur
Abwehr erfochten — doch zu sehr gelegener Zeit, um seinen Eifer
für die kSache der Christenheit in einem Briefe an den Papst zu zeigen.
dem er den Vorwurf machte, dass ihm an der Nahrung der Zwie-
tracht in Italien mehr gelegen sei, als an der Befreiung der Christen
vom osmanischen Joche. Da er beim Papste nur Versprechungen und
keine thatsächliche Unterstützung fand, fasste er den Entschluss.
künftig, unbeeinflnsst von Rom, nur seinen eigenen Eingebungen zu
folgen.
Während König Mathias neuerdings mit dem Kaiser in Streit
gerieth, und durch seine Truppen, vom Erzbischof von Salzburg Bern-
hard von Rohr gerufen, nicht nur dessen Schlösser in Steiermark be-
setzen, sondern auch Radkersburg, Fürstenfeld und Landstrass weg-
nehmen Hess, fiel Anfangs August 1480 auch ein türkisches Heer über
Croatien nach Krain ein. Ein Theil desselben durchstreifte Innerkrain
bis Gottschee. Reifnitz und Zirknitz, während bei 16.000 über den
Kankerpass nach Kärnten eindrangen, bei Völkermarkt die Drau über-
setzten und über Altenhofen und Friesach gegen Neumarkt, das von
1500Ungarn besetzt war. zogen. Zwischen den kaiserlichen und ungarischen
Truppen wurde in E'le ein Waffenstillstand vereinbart, der jedoch
keinen anderen Erfolg? "-ehabt zu haben scheint, als dass die Türken
jedem Zusammenstoss mit ihnen ausAvichen. ^) Von Neumarkt zogen die
Türken in das Murthal, errichteten ])ei Judenburg ein Lager und
theilten sich in mehrere Scharen. Eine davon gieng über Knittelfeld.
die andere über Rottenmann nach Leoben. von avo sie vereint an Brück.
Graz und Radkersbur«: vorbei ihren Raubzu<y fortsetzten. Eine dritte
") Die Kapelle, für deren Instandhaltung Bathory dem Brooser Stadtrathe
100 Goldguldcn g'ewidmet hatte, stand an der nordwestlichen Ecke der Einfriedung-
des Posthauses, wo der von Ober-Brodsdorf kommende Weg- in die jetzige Landstrasse
mündet. Die Widmung Bäthory's war schon im 17. Jahrhundert in Vergessenheit
gerathen, die Kapelle anfangs dieses Jahrhunderts verfallen. Ein Denkstein, den der
reformierte Pfarrer von Broos, Nagy, im Jahre 1819 auf einen damals noch erkenn-
baren Grabhügel setzte, fiel dem Fanatismus des Jahres 1849 zum Opfer. Seit 1889
ist auf dem Bahnhofe zu Unter-Brodsdorf (Sibot) vom archäologischen Vereine zu
Deva ein Denkstein zur Erinnerung an diese Schlacht aufgestellt.
^) Als die Türken vor Neumarkt standen, flehte ein Mann um Aufnahme bei
den Christen, der angab, er sei ein Christ und wäre schon seit vierzehn Jahren
gezwungen gewesen, mit den Türken zu ziehen. Er sagte, es wären bei diesem Zuge
bei 50.000 Mann aus der Türkei aufgebrochen, die sich in drei Haufen, nach Italien,
nach Krain und nach Kärnten, sretheilt hätten.
- 176 -
Schar wendete sich von Judenburg südlich nach Kärnten, plünderte
das Drauthal. gieng bei Möchling wieder nach Krain und dann durch
Croatien nach Bosnien zurück. Unter einer Unzahl von Gefangenen
sollen sich auch 500 Priester aus Kärnten befunden haben.
Gleichzeitig fiel auch ein Schwärm Türken in die Karstgegend
und nach PViaul ein und drang bis an das Canalethal vor, während
Iskenderbeg in Dalmatien plünderte und die Venetianer zur Erneuerung
der Verträge nothigte.
Als Mathias hörte, dass die nach Innerüsterreich eingefallenen
Türken sich eben anschickten, mit zahlreichen Gefangenen zurück-
zukehren, zog er eilig eine kleine Schar zusammen, um den Feind
anzugreifen und die Gefangenen zu befreien; bei Uebersetzung der
Drau und Save durch Hochwasser aufgehalten, kam er zu spät. Um
die Türken aber doch noch zu züchtigen, fiel Mathias selbst noch Mitte
November in Bosnien ein und bezog bei Jajcze ein Lager. Ein an die
obere Bosna entsendeter Theil des Heeres schlug — durch fünf Tage
in Gefechte verwickelt — den Pascha von Bosnien und drang plündernd
und verwüstend bis Vrbosna (Sarajevo) vor. Während des sorgenlos
an<retretenen Rückzuges überfiel wieder der Pascha die mit Beute über-
ladenen Truppen; schon waren sie in Verwirrung gebracht und im
Begrifie, die Flucht zu ergreifen, als eine kaum 300 Mann starke Rotte
Croaten auf dem Kampfplatz erschien und den Pascha mit solchem
Ungestüm anfiel, dass dieser glaubte, es mit der Vorhut des könig-
lichen Heeres zu tliun zu haben und eiligst die Flucht ergriff". Auf solche
Weise gelang es den ungarischen Truppen einer Niederlage zu ent-
gehen und mit Beute beladen in das Lager zurückzukehren.
Ermüdung der Leute, schlechtes Wetter, das Ausbleiben der
vom Papste und anderen italienischen Fürsten in Aussicht gestellten
Fiilfe, besonders aber sein gespanntes Verhältniss zu Kaiser Friedrich,
bewogen König Mathias nach Avenigen Wochen zur Rückkehr nach
Agram, ohne dass er die eroberten Gebiete zu behaupten versucht hätte.
Ln Frühsommer 1480 fiel auch Stephan, der Woywode der Moldau,
in die Walachei ein. Mit Hilfe ungarischer Truppen soll er ein
walachisch-türkisches Heer von 20.000 Mann geschlagen haben und
bis an die Donau gegenüber von Nikopoli vorgedrungen sein, ohne
sich aber dort behaupten zu können. ''i
^) Huber, III, 260, führt diesen Zug als von Ungarn ausgehend an, und beruft
sich auf zwei Schreiben der Königin Beatrix an ihren Bruder und die Herzogin von
Ferrara, während ungarische Quellen, auch Fraknoi, diesen Zug gar nicht erwähnen.
— 177 —
Im Spätherbste desselben Jahres hatte auch Iskenderbeg Truppen
])ei Semendria gesammelt, mit der Absicht, in Ungarn einzufallen.
Mathias kam ihm jedoch zuvor, indem er Kinizsi mit 32.000 Mann
in Serbien einfallen liess. Anfangs November brach dieser von Temesviir
auf und Avollte mit Schiffen, welche Ladislaus Rozgonyi, der Befehls-
haber von Belgrad, und Vuk Brankovic herbeischaifen sollten, die
Donau bei Rama übersetzen. Ein gleichzeitig dahin bestimmter Wagen-
transport unter den Brüdern Nikolaus und Andreas Tököli wurde am
Rande eines Waldes von einer am linken Donauufer streifenden tür-
kischen Horde angegriffen, der Wald in Brand gesteckt und die Wagen
vom Feuer ergriffen. Die Bedeckung, 100 Reiter, war nun genöthigr,
den Kampf im offenen Felde aufzunehmen; erst am Abend zogen sich
die Türken mit einem Verluste von 200 Mann zurück, aber auch die
Ungarn hatten 50 Mann, darunter Nikolaus Tököli, verloren. Die
ungarische Flottille wurde nach einem hartnäckigen Kampfe mit
türkischen Schiffen, von welchen 24 in den Grund gebohrt wurden,
glücklich an Semendria vorübergebracht. Der jüngere Jaksic. zur
Auskundschaftung der Gregend ausgesendet, begegnete dem Befehls-
haber von Golubaz; er trieb ihn zurück und verfolgte ihn bis unter
das Thor seiner Burg, wo er ihm den Kopf spaltete.
Kinizsi übersetzte nun die Donau und führte sein Heer längs
der Morava bis Krusevaz. wo er durch 12 Tage lagerte und alles, was
den Türken gehörte, verheerte. Mit 5000 Serben und 1000 Türken,
die sich ihm freiwillig angeschlossen hatten, kehrte er nach Ungarn
zurück, nachdem er noch den Türken ein Gefecht auf einer Donau-
insel geliefert hatte. Zum Schutze der Furten bei Rama, Kubin,
Poczaczin und Palanka liess er Verschanzungen aufführen.
Während dieser Kriegsereignisse traf plötzlich die Kunde ein,
dass die türkische Flotte unter Kedük Achmed Pascha in Apulien ge-
landet und 20.000 Janitscharen und Asaben ausgeschifft hätte, welche
die Stadt Otranto erstürmten, die Einwohner niedermachten und Brin-
disi bedrohten. Italien war von Schrecken erfüllt, der Papst dachte
schon nach Avignon zu fliehen. Der König von Neapel bat Mathias
um schleunige Hilfe, und dieser schickte 600 Mann unter Blasius
Magyar dahin, während in Zengg noch 1300 Reisige auf Schiffe zur
Ueberfuhr warteten. Kaum vor Otranto angelangt, griff die kleine
Schar ein Fort an, das die Türken zum Schutze der Quelle, welche
die Stadt mit Wasser versorgte, errichtet hatten, und nahmen es nach
hartem Kampfe. Die Quelle führt seither den Namen Ungarquelle. Als
in der Stadt auch das Cisternenwasser versiegte und die Versuche der
Kupel wieser, Ungains Kämpfe mit den Oämanen. 2. Aufl. 12
— 178 —
Besatzung, sich der Quelle zu bemächtigen, fehlschlugen, ergab sich
dieselbe und verliess Anfangs November 1481 Otranto und den Boden
Italiens.
Am 3. Mai 148 L starb der geftirchtete Sultan Mohammed II.
Die Fortsetzung des Kampfes gegen die Türken Avürde jetzt gerade,
da zwischen den Söhnen Mohammed's, Bajesid und Dschem, ein Kampf
um die Herrschaft ausbrach, der mit der Niederlage des letzteren
endete, den grossten Erfolg versprochen haben. Dschem war entflohen
und hoffte, die christlichen Mächte, in erster Linie aber Ungarn, zum
Sturze seines Bruders in Anspruch nehmen zu können. Dies verhinderte
jedoch die Republik Venedig, die mit Sultan Bajesid freundschaftlich
verkehrte und die Internierung Dschem's in einem Castell in Süd-
frankreich veranlasste.
Während Sultan Bajesid IL im Innern seines Reiches sich zu
befestigen suchte, hörten die Raubzüge der Türken in die Nachbar-
länder nicht auf. Im Jahre 1482 unternahmen sie einen Streifzug durch
Croatien nach Krain, von wo sie wieder Massen von Menschen fort-
schleppten. Im Jahre 1483 kamen sie nach Pettau, während ein Haufe
in Kärnten einfiel und das Jaunthal plünderte. Durch Verschanzungen
bei Lavamünd und Windisehgraz suchten sich nun die Bauern dort
gegen plötzliche Einfälle zu schützen. Eine noch im Herbste nach
Bosnien zurückkehrende Schar erlitt durch Mathias Gereb, den Bau
von Croatien, eine gründliche Niederlage.
Dschem's Anhänger hatten den Plan, ihn statt Bajesid auf den
Thron zu setzen, nicht aufgegeben, und liessen sich mit Mathias, der
in der That ein Heer von 70.000 Mann rüstete, in Unterhandlungen
ein. um einen Einfall in die Türkei zu machen. Als sich dieselben
aber zu Ende 1483 als imzuverlässig erwiesen, gab der König alle
darauf gegründeten Pläne auf und schloss sogar, als der Sultan selbst
ojünstiffe Bedingunijen anbot, einen Waffenstillstand auf fünf Jahre. In
einem Schreiben an die christlichen Fürsten wollte Mathias den Ab-
schluss des Waffenstillstandes damit begründen, dass er allein den Krieg
nicht fortsetzen könne, da ihn jene, welche in höherem Masse als er
berufen wären, ihre Kraft dem Schutze der Christenheit zu widmen,
sich selbst überlassen hätten. So lange Gott die Augen der übrigen
Fürsten nicht öffne, wäre er gezwungen, zur Wahrung der eigenen
Interessen Frieden zu schliessen.
Während Mathias die österreichischen Erbländer zum grossten
Theil besetzt hatte, fiel noch gegen Ende October 1483 eine türkische
Horde von 7000 bis 8000 Mann in Krain ein und verheerte der
■ — 179 —
das Land durch 13 Tage. Als sie aber mit 9000 Gefangenen den
Heimwe<r antrat, stellte sieh ihr ein christliches Heer aus Croatien
unter dem Ban Lupo Vulkovic und Bernhard Frangepan (Serben und
einige krainerische Adelige) an der Una entgegen. Die Türken erlitten
eine vollständige Niederlage, nur wenige entkamen. Alle Gefangenen
wurden befreit und mit dem den Geschlagenen abgenommenen Vieh
in die Heimat zurückgeschickt.
Ungeachtet des Waffenstillstandes fiel auch 1484 eine türkische
Horde in Ungarn ein. Bei 7000 Mann überschi'itten bei Semendria
die Donau und drangen bis Temesvar vor, wo sie am 13. September
von Kinizsi aufgehalten und vernichtet wurden.
Der Sultan selbst zog im Mai 1484 gegen die Moldau, für die
in dem mit Ungarn abgeschlossenen Vertrage nicht vorgesehen war.
Mit Hilfe der Walaclien und der Tataren aus der Krim nahm er die
festen Plätze Kilia und Akerman ein und kehrte, nach Zurücklassung
einer Besatzung in denselben, im August wieder über die Donau zurück.
Stephan, der vom Schutze Ungarns nichts mehr erwartete, hatte sich
in die Wälder zurückgezogen und unterwarf sich wieder dem Könige
von Polen, der 3000 Reiter in die Moldau sandte ■ — ■ kaum genug, um
eine türkische Raubhorde zu vertreiben, nicht aber die verlorenen
Städte zurückzugewinnen.
König Mathias beschuldigte Bajesid, den Waffenstillstand durch
den Ueberfall der Moldau, als eines ungarischen Vasallenlandes, ge-
brochen zu haben, und verlangte die Räumung von Kilia und Aker-
man. Bajesid berief sich zur Rechtfertigung auf den Wortlaut des
Vertrages, gab aber den Befehlshabern der Festungen den Auftrag, die
Moldau nicht weiter zu beunruhigen. Mathias Hess die Entschuldigung
zwar gelten, wendete seinen Zorn aber gegen den Kanzler, den Erz-
bischof Vardai, der den Vertrag verfasst hatte, und hielt ihn trotz
Einsprache des Papstes in Gefangenschaft.^") Als Stephan im folgenden
Jahre Akerman zu überrumpeln versuchte, wiederholten die Türken
unter Alibeg und später noch unter Balibeg Malkodsch den Einfall in
die Moldau.
Auch des letzten Restes der Herzegowina bemächtigte sich
nun der Sultan, ohne dass von Ungarn Einsprache dagegen erhoben
worden wäre.
">) Die Strenge des Königs mag sich der Kanzler, Erzbischof Vardai, wohl
durch die Feindschaft der Königin Beatrix zugezogen haben, weil er bestrebt war,
dem natürlichen Sohne des Königs die Nachfolge auf dem ungarischen Throne zu
sichern.
12*
- 180 —
Die Unzaverlässigkeit der mit den Türken abgeschlossenen Ver-
träge machten in Mathias abermals den Wunsch rege, mit Benützung
Dschem's einen Angriffskrieg gegen die Türken einzuleiten; doch
scheiterten alle Versuche, ihn in seine Hände zu bringen, an dem Wider-
stände Venedigs. Dschem wurde aus Frankreich nach Rom, später
nacli Neapel gebracht, wo er 1495 an Gift starb.
Der mit den Türk?n geschlossene Waffenstillstand wurde auf
weitere drei Jahre verlängert. Gegen ihre Angriffe längere Zeit ge-
sichert, nahm Mathias nun den Krieg wider den Kaiser mit erneuter
Kraft auf. Alle Vermittlungsversuche scheiterten an den unerhörten
Forderungen des Königs. Mit seinen kriegsgeübten Truppen gelang es
ihm bald, ganz Niederösterreich mit Ausnahme weniger Orte in seine
Gewalt zu bringen und selbst Wien zu erobern, wo er am 1. Juni 1485
seinen Einzug hielt und seinen Wohnsitz nahm.
Auch Kärnten und Steiermark waren zum grossen Tlieil in den
Händen der Ungarn.
Die im Juni 1487 dem Kaiser in Deutschland gewährte Hilfe
reichte nicht aus, um den Kampf zur Entscheidung zu bringen, doch
waren beide Theile so ermüdet und Mathias auch durch andere Pläne
— besonders durch die Absicht, seinem unehelichen Sohn Johann
Corvinus die Nachfolge in Ungarn zu sichern i') — so in Anspruch
genommen, dass es zu einem Waffenstillstand und im Juni 1489 zu
öffentlichen Friedensverhandlungen kam. Besonders des Kaisers Sohn
Maximilian — seit 16. Februar zum Deutschen König gewählt — . zu
dessen Jagendträumen die Wiedereroberung von Constantinopel und
die Vertreibung der Osmanen aus Europa gehörte, und der dabei auf
die Mitwirkung Ungarns baute, suchte einen Frieden zu Stande zu
bringen und wollte selben sogar mit grossen Opfern erkaufen.'-) Doch
scheiterten die Unterhandlungen sowohl an den Forderungen des
ungarischen Königs, als auch an der Weisreruno: des Kaisers, der
") Die Mutter von des Königs unehelichem Sohne, Johann Corvinus, war eino
Schlesierin aus edlem Geschlechte, keineswegs aber, wie oft behauptet wird, die
Tochter des Bürgermeisters von Breslau. Gelegentlich der Vermählung des Königs
mit Beatrix wurde sie in ein Kloster gesteckt. Johann Corvinus, 1473 geboren,
wurde anfangs für den geistlichen Stand bestimmt; später erst, als Mathias die Hoff-
nung auf eheliche Nachkommenschaft aufgab, reifte der Plan, ihm die Nachfolge auf
den ungarischen Thron zu sichern.
'-) Maximilian soll bereit gewesen sein, die Herausgabe der in Innerösterreich
verlorenen Plätze selbst durch die Yerzichtleistung auf ganz Niederösterreich zu
erkaufen.
- 181 —
sicli mit Recht den von seinem Sohne zugemutheten Opfern wider-
setzte.*^)
Während die Verhandlungen noch geführt wurden, erlag Mathias,
dessen Gichtanfälle sich seit zwei Jahren so gesteigert hatten, dass er
kaum mehr im Stande war, auf den Füssen zu stehen, am 6. April 1490.
erst im 47. Lebensjahre, zu Wien unerwartet einem Schlaganfalle, ohne
eheliche Nachkommen zu hinterlassen, und ohne fest über seine Nach-
folge verfü":t zu haben.
In Mathias, dem Sohne des Helden Hunyady, dem aus dem Volke
hervorirefrano-enen Könige, verehrt das uno^arische Volk den letzten
nationalen Herrscher des Landes, und übersieht nur zu leicht die vielen
Schattenseiten, welche seiner 33jährigen Regierung anhaften. Dass
Ungarn seit Ludwig dem Grossen keine so ansehnliche Stellung in
Europa einnahm wie unter ihm, verdankte es wohl zunächst seinem
Heere, dessen Organisation — in die Zeit des Ueberganges zu einer
anderen, neuen Kampfesweise — damals mit Recht als musterhaft galt.
Der König war bestrebt, das so theure Süldnerwesen mit den Bedürf-
nissen der nationalen Vertheidigung in Einklang zu bringen; um es
aber für seine ehrgeizigen Pläne auszunützen, musste er das Söldner-
heer auf eine Stärke bringen und zeitweise auch erhalten, welche die
Kräfte Ungarns auf das Aeusserste anspannte, ja sogar trotz der Sub-
sidien, die dem Lande als Vormauer der Christenheit in nicht unbe-
deutendem Älasse von Aussen znflossen, weit überstieg.'*)
Trotz der meist glücklich geführten Kriege mit den Osmanen ist
es dem König Mathias nie gelungen, einen entscheidenden Sieg über
dieselben zu erringen, der für die Christenheit irgend einen nachhal-
tigen Erfolg gehabt hätte; seine gross geplanten und mit allen Mitteln
vorbereiteten Unternehmungen verliefen meist in kleinlichen Erfolgen.
Während er endlich im Westen Länder eroberte, die er auf die Dauer
doch nicht hätte halten können, schien er die Gefahr, welche seinem
Stammlande von Osten her drohte, ganz übersehen zu haben. Auch
den letzten Rest des Einflusses auf die Vasallenländer büsste Ungarn
unter Mathias vollkommen ein, ein Versuch, dieselben wieder zu ge-
winnen, wurde nicht mehr gemacht. War in der That, Avie Mathias von
'^) Der Kaiser soll auch durch den Hofastrologen, der den baldigen Tod des
Königs Mathias voraussagte, — eine Prophezeiung, die er mit Eücksicht auf den Ge-
sundheitszustand desselben leicht machen konnte — in der Weigerung, auf die
Friedensvorschläge einzugehen, bestärkt worden sein.
'^) Den Kern des ungarischen Heeres bildete die von ihm errichtete schwarze
Legion, die ihren Namen von ihrer Rüstung herleitete.
— 182 —
sicli selbst riüimte, sein Blick stets auf die ihm gewissermassen als
Erbschaft zufallende Mission — die Verth eidig ung Ungarns und damit
auch der gesammten Christenheit gegen das Fortschreiten der osmani-
schen Macht — gerichtet, und glaubte er in der Vereinigung der
österreichischen Erbländer mit Böhmen und Ungarn zu einem neuen
Staatengebilde das Mittel gefanden zu haben, um den Osmanen wider-
stehen und endlich ihre Macht brechen zu können, so war die Schwächung-
Ungarns nach anderer Richtung hin nicht der Weg, um das zu er-
reichen. Nur ein starkes, kräftiges Ungarn hätte eine dauernde An-
ziehune:skraft für die schon weiter vorgeschrittenen westlichen Nachbar-
länder bieten können.
Der äussere Glanz seiner Regierung sowie die klägliche Er-
scheinung seiner Nachfolger machte im Lande vergessen, dass er auch
im Volke einer allgemeinen Beliebtheit sich keineswegs erfreute. Wie,
kein König früher verstand er, willkürlieh zu regieren und sein Volk
für seine ehrgeizigen Pläne auszunützen. Auch die Unterstützung, die
er — der humanistischen Strömung seiner Zeit folgend — der cul-
turellen Entwicklung Ungarns zu Theil werden Hess, kam der natio-
nalen Cultur des Landes wenig zu Gute und verschwand in den nach-
folgenden Kriegen fast spurlos.
Der Leichnam des Königs wurde von Wien nach Stuhlweissen-
burg, der Begräbnissstätte der ungarischen Könige, überführt und dort
unter kriegerischen Ehren, wie sie nie zuvor einem Könige erwiesen
wurden, beigesetzt. Kaum waren aber die Trauerfeierlichkeiten vorüber,
so waren auch die Gefühle der Pietät für den verstorbenen Herrscher
verwischt.
Die verwitwete Königin gieng darauf aus, sich einen Gatten, mit
dem sie den Thron theilen konnte, zu suchen; die Magnaten — ihrer
dem verstorbenen König gegebenen Versprechungen uneingedenk —
boten ihre Dienste fremden Thronbewerbern an, und unter ihnen war
es Stephan Zapolya, der Statthalter von Oesterreich, der vom einfachen
Trabantenhauptmann sich zum Feldherrn hinaufgeschwungen und
seinen Reichthum wie seine Stellung der Gnade des Königs zu ver-
danken hatte, der gleich nach dem Tode seines Gebieters einen Aufruf
versandte, in dem er die Ungarn aufforderte, sich aus der bisher
erlittenen Bedrückung aufzuraffen und ihre alten Freiheiten wieder
herzustellen.
In Ungarn traf man Vorbereitungen, um den als erledigt an-
gesehenen Thron auf dem für Juni 1490 ausgeschriebenen Landtag zu
besetzen. Auf Zäpolya's Rath, auf dessen Treue und Einfluss der
— 183 —
verstorbene König zumeist baute, um die Wahl seines unehelichen
Sohnes durchzusetzen, wurde der unter den Throncandidaten vielleicht
unfühi^-ste — König Wladislav von Böhmen — zum König gewählt.
Beatrix, welche selbst nach der Herrschaft strebte und die Krone
ilirem Stiefsohn nicht gönnte, unterstützte die Wahl Wladislav's in der
Hofifuung, dass er sie ehelichen werde. i^) Johann Corvinus hatte nicht
die Energie seines Vaters, der ihm den Weg zum Throne geebnet zu
liaben glaubte, und verzichtete darauf nach kurzem Widerstände.
Johann Albert, Wladislav's jüngerer Bruder, fiel, von seiner Mutter
aufgemuntert, mit polnischen Truppen in Ungarn ein. wurde aber bald
zurückgewiesen. Maximilian machte nach Wiedereroberung Nieder-
österreichs, gestützt auf sein Erbrecht, den Versuch, mit Waffengewalt
sich des ungarischen Thrones zu bemächtigen, der Versuch scheiterte
aber an der Unbotmässigkeit seiner Landsknechte. Maximilian wollte
den P^eldzuo: im nächsten Sommer wiederholen, rausste dies aber unter-
lassen, da ihm Kaiser Friedrich die nöthige Hilfe nicht gewähren
konnte. Ende des Jahres 1491 kam es zu einem Frieden zwischen
Maximilian und Wladislav, in welchem letzterer die Erbberechtigung
MaximiHan's anerkannte, im Falle er selbst kinderlos sterben sollte-
Nach längerem Widerstände wurde dieser Friede auch von den unga-
rischen Ständen anerkannt, jedoch nicht ohne die königliche Gewalt
noch mehr einzuschränken, als dies durch die Wahlcapitulation früher
ohnedies schon geschehen war.
Der dreijährige Waffenstillstand, den noch König Mathias mit
dem Sultan abgeschlossen hatte, lief im Jahre 1491, bevor die Ver-
handlungen mit Maximilian abgeschlossen waren, ab. Um nun eine
Verlängerung auszuwirken, gieng Emerich Czobor nach Constantinopel.
Aber Sultan Bajesid, der unterdessen den Sultan von Aegypten, Katbai
besiegt hatte, wollte sich den bereits offenkundigen Verfall der unga-
rischen Macht zu Nutze machen. Chadim Suleiman, der Pascha von
Semendria, forderte Ujlaky. den Ban von Macso, auf, Belgrad und
die anderen am rechten Saveufer gelegenen festen Plätze zu übergeben.
Die Freundschaft des Sultans, der ihn auf den ungarischen Thron
erheben werde, sollte sein Lohn sein. Da Ujlaky dem König von früher
her schon feindlich gesinnt war, gewährte seine zweideutige Haltung
einige Hoffnung des Grelingens, und Bajesid befehligte seine Truppen
aus Serbien und Albanien im März 1492 ge2:en Belgrad, während der
'"') Beatrix führte jahrelang vergeblich Process gegen König Wladislav, weil
er ihr die Ehe versprochen haben sollte, schliesslich zog sie sich verarmt auf die Insel
Ischia zurück, wo sie 1508 starb.
— 184 —
Ivapudanpasclia (Befehlshaber der Flotte) Goigu Sinan. mit 300 Schiffen
an der albanesisehen Küste die Ankunft des Sultans erwarten sollte.
Da der Ansehlag auf Belgrad den erwarteten Erfolg nicht hatte, blieb
der Sultan in Albanien und verheerte das Land, während die Truppen
aus Serbien Szabacz belagerten und Jajcze sowie mehrere Schlösser
in Bosnien bedrohten. Kinizsi und der nach dem Tode des Königs
Mathias aus der Haft entlassene Erzbischof Varday hatten Belgrad
und Jajcze mit den nöthigen Vorräthen verschen, und die Besatzung
von Szabacz wehrte sich tapfer. Emerich Derencseny besiegte einen
beträchtlichen Haufen von Türken an der Una, während Philipp
More, der Ban von Severin, eine plündernde Türkenhorde zerstreute
und seinen Bruder Georg mit zwei Wagen voll Türkenköpfen als
Siegeszeichen nach Ofen sandte.
Die Niederlage dieser ungeregelten Horden hinderten den Pascha
von Widdin nicht, mit 8000 Mann die Donau zu übersetzen und gegen
Severin vorzurücken. Er stiess jedoch auf Kinizsi, der zur Ver-
theidigung der Grenze herbeigeeilt war. und wurde geschlagen. Leider
schändete Kinizsi seinen Sieg durch Grausamkeit, indem er die ge-
fangenen Türken unter den grässlichsten Martern sterben Hess.
Die Hoffnung des Sultans, Belgrad ohne Mühe zu nehmen, war
zwar vereitelt, seine kriegerischen Gelüste gab er aber deshalb nicht
auf. Verlängerung des Waffenstillstandes oder Frieden wollte er nur
unter der Bedingung gewähren, dass Ungarn ihm Ragusa preisgebe,
auf die Oberhoheit der Walachei verzichte und seinen Kriegsvölkern
den Durchzug durch Croatien und Dalmatien nach Deutschland ge-
währe. Da Czobor, der bisher vergeblich auf Antwort gewartet hatte,
diesen Antrag verwarf, gerieth der Sultan in heftigsten Zorn, befahl
ihm, sofort abzureisen, und brach selbst nach Sophia auf.
Der Bericht von dem Misserfolge der Gesandtschaft gelangte
nach Ofen, als dort die Stände tagten. Der Adel verliess nun die Stadt,
bevor die eben in Verhandlung stehenden Gesetze verkündet wurden,
um sich für den Feldzug zu rüsten. Die hiedurch entstandenen Wirren
wurden erst beigelegt, iils die Nachricht von Kinizsi's Sieg eintraf und
dadurch die augenblickliche Gefahr beseitigt war.
Ein gleichzeitig entstandener Aufruhr der »Schwarzen Legion«
— früher des Königs Matthias beste Truppe — , in der die Bande der
Zucht seit der Wahl Wladislav's vollkommen gelockert waren, machte
deren Auflösung nothwendig. Kinizsi, mit derselben betraut, sammelte
unter dem Vorwande eines Türkenkrieges bedeutende Streitkräfte, mit
denen er die im verschanzten Lager bei Szegedin stehende Lesrion
- 185 —
angriff und nacli hartem Kampfe zur Waft'en^treckung zwang. Nach
Hinrichtung der Rädelsführer wurde die Mannschaft unter die Truppen
Kinizsi's und des Pahitins vertlieilt; die sich den Bedingungen niclit
fügen wölken, folgten ihrem Anführer nach Oesterreich. wo sie — nur
auf Raub angewiesen — bald vernichtet wurden.
Einfälle der Türken nach Kärnten und Krain fanden in den
Jahren 1488 und 1489 zwar statt, doch scheinen sie ohne Bedeutung
gewesen zu sein.^") Dagegen fand im Jalire 1491 abermals ein Einfall
nach Krain statt, der grosse Verheerungen zur Folge hatte. Ohne dass
früher eine Kundschaft aus Croatien gekommen wäre, fiel bei Möttling
eine Ttirkenhorde ein, die — da sie die Save nicht überschreiten
konnte — sich bald über ganz Unterkrain ausbreitete, und die Gegend
bis Gottsshee, Reifnitz, Auersperg und Laibach gründlich verheerte und
ausplünderte. Einem gegen Adelsberg vordringender Schwärm wurde
durch das Landesaufgebot, das sich im Birnbaumer Wald gesammelt
und in einen Hinterhalt gelegt hatte, eine Niederlage beigebracht.
Im December 1492 zeigte Wlad, der Woywode der Walachei,
den Hermannstädtern an. dass Sultan Bajesid für Semendria und Widdin
neue Paschas ■ — Ali und den Renegaten Malkovic — ernannt habe,
mit der Absicht, nach Siebenbürgen einzufallen. Des Einverständnisses
mit Ungarn verdächtig, wurde Wlad Anfangs 1493 vom Sultan ab-
gesetzt und durch Radul ersetzt. Im Februar brachen die Türken auch
durch den Rothenthurmpass in Siebenbürgen ein und plünderten durch
40 Tage im Altthal. Der neuernannte Stellvertreter des Woywoden
in Siebenbürgen, Stephan Telegdy. sammelte noch rechtzeitig das
Aufgebot der Szekler und Sachsen, um Alibeg den Rückweg durch
den- Pass zu verlegen und brachte ihm eine Niederlage bei. Gegen
15.000 Türken wurden erschlagen oder gefangen, reiche Beute wurde
ihnen absrenommen und viele Gefano^ene befreit.
Nur Valvasor, XV, bringt Nachricht über diese Einfälle.
Zeliiites Capitel.
Kaiser Friedrich stirbt. — Kaiser Maximilians vergebliche Bemühungen für einen
Kreuzzug. — Neue Einfälle der Türken. — Kiniszi's Einfall nach Serbien. — Bajesidll.
stirbt, unter Selim I. werden die Einfälle fortgesetzt. — Vorbereitungen für einen
Kreuzzug arten in einen Bauernkrieg aus. — Zäpolya bei Semendria geschlagen. —
König Wladislav II. stirbt, ihm. folgt sein unmündiger Sohn Ludwig II. — 1490 bis
1516.
Kaiser Friedrich sollte seinen Gegner Mathias nicht lange über-
leben; nach einer 54jährigen, sehr wechselvollen Regierung starb er
zu Linz am 19. August 1493 im Alter von 78 Jahren. Nachdem es
ihm gelungen war, die Besitzungen des Hauses Habsburg wieder zu
vereinigen, seinen Sohn Maximilian als Regenten der reichen Nieder-
lande zu sehen und ihm die Nachfolge im Deutschen Reiche zu sichern,
konnte er auch hoffen, dass seine Nachkommen einst in den Besitz
von Ungarn und Böhmen gelangen würden.
Um dem Fortschreiten der osmanischen Macht Einhalt zu thun.
zunächst aber seine eigenen Länder zu schützen, machte Kaiser Maxi-
milian dem König Wladislav den Vorschlag, im Verein mit ihm den
Krieg gegen die Türken zu führen. Vom Deutschen Reiche, vom Papste,
von Venedig und auch von den übrigen christlichen Mächten unter-
stützt, hoffte der thatenlustige Kaiser dem Vordringen der Türken
Halt gebieten, vielleicht sogar sie aus Europa hinausdrängen zu können,
während Ungarn allein unter ihrem wenig befähigten und dem Kriege
abgeneigten Könige kaum sich selbst zu schützen, noch das Eindringen
der Türken auf fremdes Gebiet zu hindern vermochte. Maximilian'*
Vermählung mit Bianca von Mailand hieng mit diesem Plane zu-
sammen; ihre Aussteuer sollte die Mittel zur Kriegführung bieten, doch
scheiterte die Ausführung desselben an dem Auftreten Frankreichs
und an den Wirren in Italien.
- 187 -
Während nun mit dem ung^arischen Kanzler Verhandlungen ge-
pflogen wurden, welcher Theil den Oberbefehl in diesem Kriege führen
sollte, brach Ende August Jakubpascha mit 8000 leichten Reitern aus
liosnien auf. Als er an Jajcze vorüberzog, machte Kanizsay — dessen
Befehlshaber - einen Ausfall und forderte Jakubpascha zum Zweikampf
auf, was ihm die Lust zu längerem Verweilen benahm.^) Bei Ostrozac
übersetzte Jakubpascha die Una und fiel Croatien und Krain durch-
ziehend, nach Steiermark ein. wo er die Gegend von Marburg und
Cilli durch 15 Tage plünderte. Als Jakob Szekely mit 5000 Reitern
— Croaten und Krainer — , welchen deutsche Reichstruppen unter
Maximilian's-^) Führung folgten, sich Jakubpascha näherte, zog er
sich nach Croatien zurück. Hier belagerte der Ban Derencsenyi eben
die Burg Brinje (Bründl). welcher sich die Grafen Frangepan wider-
rechtlich bemächtigt hatten; die gemeinschaftliche Gefahr bewog nun
beide Theile zum Frieden, die Brüder Bernhard. Nikolaus und Johann
Frangepan stellten sich unter des Bans Oberbefehl, und ihrem Beispiele
folgten Karl Torquati, Graf von Korbava, Georg Blaskovic und Peter
Zrinyi. Ihre vereinte Streitmacht verlegte dem über Modrus zurück-
kehrenden Feinde den Weg an einem Passe in der Nähe vcni Udbinje
(Sadbar?), der mit Bäumen und Steinen verrammelt wurde. ^) Jakub-
pascha verhandelte um freien Durchzug gegen Geld, aber der Ban
und die Frangepan bestanden auf Entlassung der Gefangenen und
Herausgabe der Beute. Die Uebermacht des Feindes scheuend, wollte
der Ban auf Jakub's Bedingungen schon eingehen, aber Bernhard warf
ihm vor, er wolle nur das Leben seines Sohnes und Bruders schonen.
So kam weder ein Vergleich, noch ein Abzug zu Stande, während
Jakub die Zeit benützte, sich den Weg frei zu machen. Als es nun
in den ersten Tagen des September zum Kampf kam und Bernhard
seinen Bruder Johann und Blaskovic fallen sah. war er der Erste,
der sich mit seiner Schar zur Flucht wandte. Bald war die Verwirrung
allgemein; 5700 Christen wurden erschlagen, darunter der Sohn und
Bruder des Ban, der selbst mit Nikolaus Frangepan in Gefangenschaft
gerieth. Jakubpascha überhäufte Derencseny mit Vorwürfen, dass er
') Der türkische Geschichtsschreiber Seadeddin führt die Ereignisse bei Jajcze
an, ohne sie ausführlicher zu schildern (Hammer, I, 641).
-) Iwolf: »Einfälle der Osmanen in Steiermark«, S. 207.
'•*) Bonfinius nennt den Pass »Sadbar im Gebiete von Modrus«, Seadeddin sagt
bei »Adbinje im Gebiete von Korbavia«, Tubero sagt »Adbinja«. Es ist anzunehmen,
dass Jakubpascha über Sluin und Modrus gegen Udbinje zog, während Derencseny
sich beeilte, von Bründl aus über Otocac ihm den Weg abzuschneiden. Die eigent-
liche Stelle des Gefechtes, die Lage des Passes, ist nicht mehr auszumitteln.
— 188 —
den Frieden g-ebrochen habe, indem er ein Heer ang-riö", das ungarisclies
Gebiet friedlich durchziehen wollte und nur anderwärts plünderte.
Den Gefallenen wurden die Nasen abgeschnitten und als Siegeszeichen
mit dem gefangenen Ban nach Constantinopel geschickt, wo er — vor
den Sultan geführt — ungeachtet seines rüden Benehmens nicht hin-
gerichtet, sondern bis zu seinem Tode auf einer Insel gefangen gehalten
wurde. Jakubpascha wurde zum Beglerbeg von Rumili ernannt und
mit Ehren überhäuft.
Die von den wiederholten Türkeneinfällen heimgesuchten Land-
striche waren so verarmt, dass die Stände erklärten, das Land könne
die allgemeine Steuer und Umlage zu Vertheidigungszwecken nicht
tragen. Auch die croatischen Stände wandten sich, da sie von Ungarn
einen genügenden Schutz nicht erhielten, an Kaiser Maximilian und
die Fürsten des Deutschen Reiches.^) Maximilian Hess an den Grenzen
bei 3000 Mann an Fussvolk und Landsknechten zurück, aber weder
ihre Ausrüstun«: noch ihre Vertheilune: konnte die Türkeneinfälle be-
hindern.^) Den 30. September 1494 fielen abermals osmanische Scharen
in Croatien gegen Agram und in Krain gegen Landstrass ein, setzten
über die Save und verheerten den Landstrich bis Seiz, Windisch-
Feistritz und Neustift; in Seiz nahmen sie den Prior und einige Mönche
gefangen, aus Neustift, wo ejjen Jahrmarkt war, führten sie eine Masse
Landleute ab. Das dem Schauplatze dieses Türkeneinfalles nahe ge-
legene Kriegsvolk wurde zerstreut, und mit Beute beladen zogen die
Türken wieder über Peilenstein ab.
In Ungarn setzte Paul Kinizsi. der zum Erbgrafen von Temesvar
ernannt worden war, Anfangs des Jahres 1494 über die zugefrorene
Donau, erstürmte in der Nähe von Semendria zwei Schlösser, in denen
Alibeg seine durch Raub angehäuften Schätze verwahrte, und kehrte
mit reicher Beute und einer grossen Anzahl Serben, die sich dem
türkischen Joche entziehen wollten, über den Strom zurück, noch be-
vor ihn Alibeg erreichen konnte.
Zur Besatzung von Belgrad gehörte auch ein beträchtlicher Theil
jener Leute, w^elche nach Auflösung der »schwarzen Legion« unter
Kinizsi's Truppen eingereiht wurden — meist Böhmen. Des Einver-
ständnisses mit den Türken beschuldigt, wurden sie von Kinizsi
durch die Folter zum Geständnisse ffebraelit und mit unerhörter Grau-
*) Iwolf, S. 208.
^) Unress sagt: Die Landsknechte, clie »ein wenig die Türken wollten schrecken«,
wurden gefangen und waren der Türken Spott durch ihr »schnöden Gewand« und
ihre »langen Strenge«.
— 189 -
.samkeit bestraft.^) Bald darauf versucliten auch die Türken, die von
der UnZuverlässigkeit der Besatzung Kenntniss haben mochten. Belgrad
za überfallen. Nur dem rechtzeitigen Einschreiten Kinizsi's verdankte
man die Rettung der Stadt, auf deren Mauein schon eine feindliche
Fahne Avehte. Der König, dem nicht mit Unrecht der Vorwurf grosser
Sor":losi"-keit Seemacht wurde, begab sich nach Peterwardein. um der
Gi'enze näher zu sein, und traf mit dem alten Kinizsi zusammen, der
- obwohl vom Schlage gerührt und kaum mehr der Sprache mächtig
— doch noch immer von Begierde nach dem Kampfe mit den Türken
brannte.
Nach dem verunglückten Versuche, sich Belgrads zu bemächtigen,
tielen türkische Horden über Mitrowitz nach Slavonien ein. Zur Ab-
wehr dieses Einfalles geschah zwar nichts, doch unternahm Kinizsi
und der Siebenbürger Woywode Dragfy. um ihn zu rächen, noch im
October mit 14.000 Mann einen Raubzug nach Serbien. Die Vorstädte
Semendrias wurden niedergebiannt und 14 Tage hindurch das Land
durchstreift, ohne auf einen Feind zu stossen, der sich theils in die
festen Plätze, theils ins Gebirge zurückgezogen hatte. Am 1. November
kehrte das Heer mit grosser Beute an Menschen'') und Vieh nach
Belgrad zurück. Der Plan Kinizsi's, Semendria noch zu Ijelageri»,
wurde in Folge seines Todes aufgegeben. An seiner Stelle wurde Josef
Sora zum Temeser Grafen und Capitäji des südlichen Grenzgebietes
ernannt.
Im Jahre 1495 wurde der Ban Peter More mit Friedensnnträgen
nach Constantinopel gesendet. Bajesid war dem Frieden nicht abgeneigt
und bot einen zehnjährigen Waffenstillstand an; in eitler Selbstüber-
hebung gewährte man in Ungarn aber nur einen -dreijährigen unter
der Bedingung, dass »die Osmanen während dieser Zeit weder in
ungarisches Reichsgebiet, noch in Kärnten, Krain oder Steiermark ein-
fielen, dass sie die von Jakubpaseha gefangenen Ungarn in Freiheit
setzten, und dass dem König gestattet wäre, den Waffenstillstand noch
vor Ablauf desselben zu verlängern oder nach dreimonatlicher Kündi-
gung aufzidieben«. Die Bedingungen des Waffenstillstandes Avurden
freilich von beiden Seiten nicht a'enau einerehalten. Die un "-arischen
") Kinizsi soll sie durch Hunger gezwungen liaben, sich gegenseitig aufzufressen,
bis der Letzte dem Hunger und seinen Leiden erlag.
') Die Zahl der zurückgebrachten Gefangenen, mit welchen die Ungarn damals
gerade so Handel trieben wie die Türken, war so gross, dass ein Weib mit vier Mädchen
um 18 Silberlinge verkauft wurde. Auch die Beute an Vieh war so gross, dass für
fünf Ochsen nur ein Ducaten gezahlt wurde.
- 190 -
Grenzländer sowie die Naclibarg;ebiete wurden von kleineren Reiter-
scharen überschwemmt und ausgeplündert; so 1497 Dalmatien, wo
Alibeg der Verschnittene von Cattaro aus mit 2O0O Mann an Zara
vorüber nach Friaul einfiel, seinen Raubzug bis Raifnitz, Zirknitz und
Laibaoh ausdehnte und denselben im folgenden Jahre wiederholte.
Welchen Wert Ungarn noch auf die Erhaltung des ohnehin
schon sehr eingeschränkten Besitzes in Bosnien legte, beweisen die
vielen Ausgaben, welche um diese Zeit für die Instandhaltung Jajcze's
und der übrigen Schlösser in Bosnien gemacht wurden. Das hinderte
aber nicht, dass Jakubpascha im Jahre 1497 vier bosnische Schlösser
eroberte. Der Befehlshaber von Jajcze, Ladislaus Kanizsay, der die
Aufforderung Jakub's, die Festung zu übergeben, ab^vies. unternahm
mit 4000 Reitern einen Streifzug nach Serbien, wo er zwei Schlösser
erstürmte.
Im Jahre 1497 fiel plötzlich König Johann Kasimir von Polen
mit 80.000 Mann in die Moldau ein. Der Woywode Stephan wusste
sich nicht anders zu helfen und. rief Türken und Tataren herbei; auch
Szekler und Walachen schlössen sich Stephan an. Das polnische Heer
wurde geschlagen und bis an den Dniester zurückgedrängt. Da nun
der zwischen Polen und der Pforte geschlossene Waffenstillstand ab-
gelaufen war, stand zu befürchten, dass der Sultan einen Krieg be-
ginnen würde. Um seinem Bruder, dem König von Polen, zu helfen,
schickte Wladislav eine Gesandtschaft nach Constantinopel, welche den
Sultan vom Kriege abhalten sollte, dabei aber Anforderungen stellte,
wie sie nur ein kräftigeres Staatswesen zu stellen berechtigt gewesen
wäre. Als Polen und Ungarn im August 1498 einen Vertrag zu gegen-
seitiger Hilfe schlössen, fielen die pereskopischen Tataren, und noch
im November Balibeg Malkodschogli, der Statthalter von Silistria, mit
einem grossen türkischen Heere, ohne dass Stephan es hinderte, durch
die Moldau nach Polen ein und drang durch Haliz bis gegen Przemysl
vor. Wladislav sandte den Grafen Peter von St. Georgen und Pösing
nach Siebenbürgen, um ein Heer zu sammeln, dessen Verwendung aber
überflüssig wurde, da die strenge Kälte des inzwischen eingetretenen
Winters das türkische Heer zum Theile aufrieb, während Stephan mit
seinen in die Tracht der früher gemachten polnischen Gefangenen ge-
kleideten Kriegern die Niederlage desselben vollendete. Nur bei 10.000
Türken sollen über die Donau zurückgekehrt sein.
Ungarn und Polen erneuten 1499 den früheren Vertrag und
sagten sich gegenseitig Schutz gegen die Türken zu; auch die Moldau
- 191 —
wurde in diesen Vertrag einbezogen und die Walachei zum Beitritt
aufgefordert. Einen wirklichen Wert erlangte dieser Vertrag aber nie.
Mit Venedig hatte Sultan Bajesid zwar im März 1499 Frieden
geschlossen, brach denselben aber schon nach zwei Monaten. Während
Iskenderpascha im Juni von Bosnien aus einen Streifzug nach Dal-
matien unternahm und Zara bedrohte, schlug der Kapudanpascha Daud
Ende Juli bei der Insel Sapienza, unweit Modon. die venetianische
Flotte unter Andrea Loredono, und bemächtigte sich ein Landheer, bei
dem der Sultan selbst war, der Städte Korinth und Lepanto. Im Sep-
tember wiederholte Iskender seinen Einfall und drang bis Friaul vor.
Mit 100.000 Reitern übersetzte er nun den Isonzo und Tagliamento
und kam bis Vicenza. Der venetianische Feldherr Zanchini sah
ruhig zu. wie die Türken 132 Städte in Asche legten und bei 6000
Einwohner fortführten. Auch Kärnten blieb von Raubscharen nicht
ganz verschont. In ihrer Bedrängniss suchte nun die venetianische
Regierung den König von Ungarn zu einem Angriff auf die Türken
zu bewegen; ihre Bemühungen wurden auch von Papst Alexander III.
unterstützt, der eine Verbindung aller christlichen Mächte anstrebte.
Der ungarische Staatsrath zeigte sich dem Kriege anfangs wenig geneigt,
indem auf Dalmatien hingewiesen wurde, dessen Besitznahme Venedig
zum Gegner Ungarns machte. Die Prälaten waren besonders gegen
den Krieg, da sie nur eine Erhöhung der Besteuerung zu erwarten
hatten. Aber der einflussreiche und ehrgeizige Graner Erzbischof Thomas
Bakacs wollte sich den Cardinalshut verdienen, und der venetianische
Gesandte tlieilte reichlich Geld aus; der Krieg wurde also beschlossen
und im Frühjahre löOO vom Reichstage genehmigt. Ohne bedeutende
Subsidien konnte Ungarn aber an einen Krieg nicht denken; der vom
Papste angebotene Jubiläumsablass. die Besteuerung der Kirchengüter
und die Kreuzzugssteuer standen in Ungarn in schlechtem Andenken,
und belasteten doch nur das ohnedies bedrückte Land. Erst am
31. Mai 1501 wurde zwischen dem Papst, Venedig und Ungarn ein
Bündniss geschlossen, demzufolge ersterer jährlich 40.000 Ducaten,
Venedig 100.000 Ducaten zahlen und die Türken zur See angreifen
sollten, während Ungarn den Krieg zu Lande zu führen hatte. Wenn
auch die Vorbereitungen zum Feldzug. den der König persönlich unter-
nehmen zu wollen vorgab, schon seit Frühjahr 1500 getroffen wurden,
der Sultan auch durch seine Agenten hievon unterrrichtet war, wurde
der Waffenstillstand früher doch nicht gekündigt. An einen Eroberungs-
krieg dachte man nicht, obwohl die Verhältnisse nicht ungünstig
schienen, da die Hauptmacht des Sultans im Peloponesus festgehalten
- 192 -
war. Die Streitkräfte, welclie Ungarn an Bosniens imd Serbiens Grenzen
aufstellte, waren trotz der Subsidien nur geringfügig; es schien dem
König mehr an diesen als an dem Kriege selbst gelegen zu sein, der
nun den Charakter von Raubzügen annahm.
Im October 1501 drang Kinizsi's Nachfolger. Som. um einen
Einfall der Türken zu rächen, mit ungefähr 14.000 Mann von Belgrad
aus in Serbien ein. plünderte und verbrannte die spärlichen Dörfer,
pfählte und röstete die Einwohner, schlug auch ein paar türkische
Heerhaufen, die sich ihm entgegenstellten, und nahm 1000 j\Iann ge-
fangen. Ebenso wurde einem türkischen Heerhaufen, der in Croatien
einfiel, durch Johann Corvinus (seit 1496 zum drittenmale Banus). dem
der Palatin Peter Gereb 200 Reiter und zwei Fahnen Fussvolk zu-
führte, eine vollständige Niederlage beigebracht und dessen Lager den
Truppen zur Plünderung preisgegeben.
Im Sommer 1502 belagerte der Sohn Iskenderpascha's mit
10.000 Mann Jajcze. Johann Tarczai, der unter dem Schutze von
4500 Mann die Festung zu verproviantieren suchte, griff ihn am 2.
und 3. Juli an und schlug ihn mit einem Verluste von 1000 Todtcn
und 400 Gefangenen.^) Die den Türken abgenommenen Geschütze
wurden in die Festung gebracht. Im Herbste fiel Som von Belgrad
aus nach Bosnien ein und vereinigte sich bei Jajcze mit Johann Cor-
vinus. Bei der Schwäche der in Bosnien befindlichen türkischen Besatzung
erwartete man von dem dort vereinten ungarischen Heere von mehr als
20.000 Mann grössere Erfolge und war mit Recht enttäuscht, als Som
sich auf den Wiederaufbau einiger von den Türken zerstörter Burgen
beschränkte. Auch Graf Peter von Pösing. der Woywode von Sieben-
bürgen, machte noch im Herbste einen Einfall nach Bulgarien, eroberte
Widdin und soll bis an die Mauern von Nikopoli vorgedrungen sein,^)
und dessen Vorstädte eingeäschert haben.
König Wladislav hatte sich während dieses Krieges nicht nur
nicht an die Spitze des Heeres gestellt, sondern verbrachte die Zeit
^) Die jedenfalls glaubwürdigen Berichte des venetianischen Gesandten Giusti-
niani ("Huber, III, 427 — 430) widersprechen den von den meisten ungarischen Geschichts-
schreibern zumeist nach Istvanfy gebrachten Schilderungen der Kriegsereignisse dieser
Zeit. Der Zug nach Jnjcze kann nicht von Johann Corvin und nicht schon im Jahre
1500 unternommen worden sein. Corvin kann auch nicht im Herbste 1502 mit dem
Woywoden von Siebenbürgen nach Bulgarien gezogen sein. Er scheint auch bei dem
Zuge Som's nach Bosnien in diesem Jahre nur eine untergeordnete Rolle gespielt
zu haben.
^) Dass der Woywode bis vor Nikopoli vordrang, erwähnt Istvanfv ; es erscheint
dies jedoch wenig glaubwürdig.
— 193 —
zumeist ferne vom Kriegsschauplatz, in Böhmen. Im September ver-
mählte er sich mit Anna von Candale, einer Verwandten des Königs
von Fi'ankreich. Auf ihrer Reise nach Ungarn über Venedig wurde
die königliche Braut in Croatien durch den Einfall einer türkischen
Horde erschreckt, welche die Save übersetzte, Pozega und Valpo ver-
heerte und die Strasse unsicher machte, auf dem Rückwege aber vom
Befehlshaber von Belgrad, Georg Kanizsay, erreicht und vernichtet
wurde.
So gering auch die Energie war, mit der Ungarn den Krieg
führte, so hatte derselbe, da die Flotten der christlichen Seemächte
die Küsten des Aegäischen Meeres beunruhigten, und die Venetianer
mit zunehmendem Glücke auf Morea fochten, doch den Erfolg, dass
der Sultan schon im Sommer 1502 Friedensanträge machte, die Venedig
auch gleich benützte, um einen dauernden Frieden zu schliessen.
Ungarn, das die günstigste Zeit zum Siege versäumt hatte, stand
nun dem mächtigen Feinde allein gegenüber. Vergeblich stellte Kaiser
Maximilian zu Glenhausen den Kurfürsten die Gefahr vor, welche
Deutschland drohte, wenn Ungarn von den Türken unterjocht würde.
Auch von Polen konnte Ungarn eine Unterstützung nicht erwarten.
Zum Glück für Ungarn war Bajesid durch dieselben Umstände, die
ihn zum Frieden mit Venedig bestimmt hatten, bewogen, denselben
auch auf Ungarn auszudehnen. Die Verhandlungen wurden in
Constantinopel gepflogen, beschränkten sich aber auf einen Waffenstill-
stand, über welchen der Vertrag am 20. August 1503 zu Ofen aus-
gewechselt wurde. Ungarn und Böhmen mit allen Nebenländern, ferner
die Moldau und die Walachei, welche sowohl den Ungarn, als dem
Sultan Dienste leisten und an beide Tribut entrichten sollten, endlich
Ragusa, das unter ungarischer Hoheit blieb, dem Sultan aber auch
tributpflichtig war, wurden in den Wafi'enstill stand einbezogen. Die
damals noch zu Ungarn gehörigen Orte Bosniens, Serbiens und der
Walachei — nur mehr Jajcze mit den dazu gehörigen Schlössern,
Szabacs, Srebrenik, Belgrad und Severin — wurden ausdrücklich ge-
nannt. Ferner wurden alle Feindseligkeiten an der Grenze, alle Ueber-
fälle und Raubzüge untersagt und festgesetzt, dass kein türkisches Heer
durch ungarisches Gebiet den Weg zum Angriffe anderer Länder
nehmen dürfe. Endlich wurde dem römisch-deutschen Reiche, Polen,
Frankreich, Spanien, allen italienischen Staaten und dem Johanniter-
orden der Beitritt zum Waftenstillstand freigestellt. Im Jahre 1510
wurde der Waffenstillstand um weitere drei Jahre verlängert, welche
Zeit Ungarn zur inneren Kräftigung hätte verwenden sollen.
Kupelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmanen. 2. Aufl. 13
— 194 —
Während des Königs Hauptsorge darin bestand, seinen Erben —
damals nur seiner einzigen Tochter Anna — die Nachfolge in seinen
Ländern zu wahren, und er in richtiger Würdigung, dass Ungarn allein
dem Andränge der Osmanen nicht widerstehen könne, sich die Unter-
stützung Deutschlands, insbesondere aber Oesterreichs, zu sichern suchte,
bot eine Partei, bei der das Andenken an die Regierung des Königs
Mathias noch nachhaltig wirkte, alles auf, um die Nachfolge eines
Ausländers, besonders aber eines Oesterreichers, unmöglich zu machen.
Seit der Sohn eines Johann Hunyady zum König gewählt worden war.
hielt sich jeder ungarische Adelige berechtigt, um die Krone zu werben,
namentlich Avar es aber Johann Zapolya, der ehrgeizige und durch seine
Familienverbindungen wie durch seinen Reichthum angesehene Sohn
des Palatins Stephan, der sein Auge auf die Krone zu richten begann
und, um auch durch Erbschaft den Anspruch auf selbe zu sichern,
sich um die Hand der erst dreijährigen Tochter des Königs bewarb.
Zwischen der Königin, die nicht einen EmporkömmHng zum Schwieger-
sohn haben wollte, und Zäpolya kam es zu einem Zerwürfniss. das
sogar die Vertreibung Wladislav's fürchten Hess. Doch wurde 1506
die Erbschaftsfrage durch die Geburt eines Sohnes, der den Namen
Ludwig erhielt, für den Augenblick beseitigt, während wenige Tage
darauf die Königin Anna starb.
Dem Kaiser Maximilian musste eine innige Verbindung mit
Wladislav auch erwünscht sein, denn nur im Vereine mit Ungarn
konnte er seine Erbländer ^eg-en das Eindringen der Osmanen schützen.
Es ist daher begreiflich, dass auch ihm eine Familienverbindung, welche
die Vereinigung Ungarns mit den Erbländern — wenn auch erst in ferner
Zeit — in Aussicht stellte, erwünscht war. Es wurde daher 1507, den
schon früher geschlossenen Verträgen entsprechend, in bindender Form
eine Doppelheirat zwischen den Nachkommen beider Herrscher vereinbart.
Als im Jahre 1508 zu Cambray der Kaiser mit dem König von
Frankreich und dem Papste sich zur Vernichtung Venedigs vereinigten,
gelang es den schlauen Abgesandten dieser Republik, Ungarn von dem
Beitritte zur Liga abzuhalten. Ebenso hielt sich Ungarn 1511 von der
gegen Frankreich gerichteten sogenannten heiligen Allianz ferne, doch
gaben die wegen des Beitrittes Ungarns gepflogenen Verhandlungen
den europäischen Mächten Grelegenheit, sich von der Schwäche des
Landes und von der Unzuverlässigkeit der ungarischen Staatsmänner
zu überzeugen.
Unterdessen waren im osmanischen Reiche ganz unerwartete Er-
eignisse eingetreten. Sultan Bajesid IL war alt und kränklich geworden
— 195 —
und bestimmte seinen zweiten Sohn Achmed im Jahre 1510 zu seinem
Nachfolger. Bajesid's dritter Sohn, Selim, der zwar als grausam und
tyrannisch bekannt, sich doch durch seinen kriegerischen Sinn die
Zuneigung des Heeres zu sichern wusste, verlangte, um dem Schau-
platze des demnächst zu gewärtigenden Thronwechsels näher zu sein,
ein Sandschak in Europa, und brach auch gleich aus Trapezunt dahin
auf, um sich ein solches zu erzwingen. Um Frieden im Reiche zu er-
halten, ernannte ihn Bajesid zum Statthalter in Semendria. Auf die
Nachricht, dass seine Brüder ebenfalls gegen Constantinopel zögen,
wandte sich Selim gegen seinen Vater und brachte ihn — obwohl
anfangs besiegt — in Folge der Empörung der Janitscharen dahin, zu
seinen Gunsten dem Throne zu entsagen. Bajesid wollte sich nach
seinem Geburtsort Demotika zurückziehen. Von seinem Sohne ehr-
erbietig bis an die Grenze der Stadt geleitet, starb er aber schon unter-
wegs am dritten Tage, 28. April 1512, wahrscheinlich an Gift, das
ihm auf Befehl seines Sohnes gereicht wurde. Um sich den Thron zu
sichern, liess Selim seine fünf Neffen und seine Brüder Achmed und
Korkud, nachdem er sie besiegt hatte, hinrichten.
Nach Europa zurückgekehrt, empfieng nun Selim I. die Gesandten
Ungarns und Venedigs, um über die Erneuerung der Friedensverträge
zu verhandeln, auf welche einzugehen der Sultan sich bereit erklärte,
da er seine Herrschaft in Asien ausdehnen wollte. Während die Unter-
handlungen sich in die Länge zogen, nahmen die Paschas der Grenz-
provinzen die gewohnten Raubzüge wieder auf; auch die österreichischen
Erbländer blieben von denselben nicht verschont.
Schon im Herbste 1512 durchstreifte der Pascha von Bosnien
den ungarischen Theil dieses Landes, nahm die Burgen Teschani, Sokol
und Kotorsko in der Bosnagegend weg und fiel in Croatien ein; da-
gegen erlitten die Türken durch Stephan Bäthory, Grafen von Temesvär,
bei Belgrad eine Schlappe. Bathory schickte einen mit acht Pferden
bespannten Wagen voll Türkenköpfen an den König. Auch im Jahre
1513 dauerten die Angriffe der Türken fort; mehrere Burgen in Croatien
und im dalmatinischen Binnenlande wurden erobert, das Land bis
gegen Agram und Temesvär ausgeraubt und verwüstet. Erst ein Sieg,
den Peter Periszlo, Bischof von Veszprim und Ban von Croatien, am
16. Juni bei Kostainicza erfocht, wo die Türken bei 3000 Mann ver-
loren, wie ein gleichzeitig von Zapolya gegen den Willen und ohne
Wissen des Königs unternommener Zug bis unter die Mauern von
Semendria, von dem er mit grosser Beute beladen zurückkehrte, ver-
schafften den Ungarn für einige Zeit wieder Ruhe. Die im Voi-jahre
13*
- 196 -
verlorenen Schlösser in Bosnien wurden den Türken wieder abge-
nommen. Die Unterhandlungen über einen Waffenstillstand hatten noch
immer zu keinem Ergebniss geführt, man war sehr besorgt, dass die
Rüstungen der Türken gegen Ungarn gerichtet wären, und Sultan Selim
demnächst einen Zug bis Ofen beabsichtige.
Da kam im März 1514 der Erzbischof Thomas Bakacs, der wegen
des lateranischen Concils in Rom gewesen war und sich mit der Hoffnung
geschmeichelt hatte, selbst Papst zu werden, nach Ungarn zurück, ver-
sehen mit einer Bulle des neuerwählten Papstes Leo X., die ihn zum
Zwecke eines Krieges gegen die Türken zum Legaten in Ungarn und
ganz Osteuropa ernannte und ihn ermächtigte, das Kreuz zu predigen.
Im Staatsrath liess nun Bakacs, der versprach, ohne Kosten ein Heer
aufzustellen, sowie für einen tüchtigen Führer desselben zu sorgen,
die Kreuzbulle verlesen. König Wladislav hörte die von grossen Ver-
heissungen strotzende Rede schweigend an. der grösste Theil der Räthe
nahm sie mit Beifall auf. nur wenige warnten vor den Folgen. Der
Aufruf zum Kreuzzug hatte besonders bei den Bauern, welche bei dem
zunehmenden Verfall der königlichen Macht vom Adel immer mehr
bedrückt wurden, ganz unerwartete Wirkungen. In solchen Massen
strömten sie zusammen, dass den Herren offenbar vor ihnen bange
wurde. Unterdessen waren die Botschafter mit dem neuerdings auf
drei Jahre abgeschlossenen Waffenstillstandsvertrag aus Constantinopel
zurückgekehrt, und Bakacs erklärte auf das Drängen der Masnaten
den Kreuzfahrern, nachdem man sie unter einem guten Vor wände aus
Ofen und Pest entfernt hatte, dass man ihrer Dienste nicht mehr be-
dürfe und sie nach Hause ziehen könnten. Die Kreuzfahrer (Kurutzen,
kuroczok) wollten indessen von einem Frieden mit den Ungläubigen
nichts wissen, und begannen, da ihnen auch eine Geldunterstützung
zur Heimreise verweigert wurde, in zügellosen Haufen auf den Gütern
der Adeligen zu rauben und zu morden. So gieng dieser Kreuzzug
in einen furchtbaren, die vollständige Vernichtung der Adelsherrschaft
anstrebenden Bauernkrieg, an dessen Spitze sich der durch einen Zwei-
kampf mit einem Türken bekannt gewordene Szekler Georg Dozsa
stellte, über, welcher 40.000, nach Anderen gar 70.000 Menschen
das Leben kostete und erst nach wiederholten Kämpfen, an denen
Zapolya sich hervorragend betheiligte, gedämpft werden konnte. Der
Adel benützte diesen Aufstand der Bauern, um ihren ganzen Stand in
die härteste Leibeigenschaft herabdrücken zu können.
Im Jahre 1515 kam die schon früher (1506 und 1507) ver-
abredete Vermählung der Kinder des Königs Wladislav von Ungarn
— 197 —
und der Enkel des Kaisers Maximilian zu Stande. Der ungarische
Kronprinz wurde mit des Kaisers Enkelin Maria, und die ungarische
Prinzessin Anna mit einem der Enkel des Kaisers vermählt; vollzogen
sollte die Ehe aber erst werden, wenn die Gatten ein entsprechendes
Alter erreicht hätten. Es geschah dies erst im Jahre 1521, in welchem
sich der jüngere Enkel mit Anna verband. Durch diese Verbindung
wurde der Grund zur Grösse des deutschen Zweiges der Habsburgischen
Familie gelegt.
Zapolya, der die Hoffnung, einst König zu werden, nicht aus dem
Auge verlor, hatte gehofft, wie er als Sieger über den Bauernaufstand
hervorgieng, auch durch einen Sieg über die Türken sich die Gunst
des Adels zu erwerben und seine Ansprüche auf die Hand der
Prinzessin Anna durchzusetzen. Er hatte daher eigenmächtig, ungeachtet
des Waffenstillstandes, in Gesellschaft des Temeser Grafen Emerich
Törok und des Michael Baksy mit 10.000 Mann einen Zug nach
Serbien unternommen und die auf halbem Wege zwischen Belgrad
und Semendria gelegene Burg Sarno (Isardjik) belagert, aber durch
Sinanbeg, den Befehlshaber von Semendria, eine Niederlage erlitten
und alle Geschütze, die er von Belgrad mitgenommen hatte, eingebüsst. '*')
Baksy und ein Bruder desselben hatten den Tod auf dem Schlachtfelde
gefunden. In Folge dieser Niederlage wui'de dem Ansehen Zäpolya's
ein Schlag versetzt, von dem er sich längere Zeit nicht erholte, and
der auch Ursache war, dass sich in Ungarn nur geringer Widerstand
gegen die Familienverbindung mit dem Hause Habsburg erhob.
Im Herbst 1515 traf in Ofen eine Gesandtschaft des Sultans
Selim ein, der — eben im Kriege mit Aegypten begriffen — die Ver-
längerung des Waffenstillstandes dringend wünschte. Dem friedliebenden
König war die Botschaft höchst willkommen, und das Land bedurfte
des Friedens sehr; dennoch wollte man, ohne die Meinung des Papstes
und des Kaisers eingeholt zu haben, in dieser Angelegenheit nicht ent-
scheiden. Noch im vorigen Jahre hatte Papst Leo X. dem König
50.000 Ducaten versprochen, wenn er einen grösseren Feldzug gegen
die Türken zu unternehmen gesonnen wäre, und 20.000 Ducaten zur
Verstärkung der Grenzfestungen geschickt. Ausserdem erhielt der
Bischof von Veszprim einen ansehnlichen Vorrath von Schiessbedarf
nebst einigen Kanonen, und er, sowie Stephan Bäthory je 2000 Ducaten.
die sie zur Vertheidigung der Grenze verwenden sollten. Auf die An-
'") Zapolya mag wohl die Absicht gehabt haben, Semendria zu belagern und
führte deshalb einen grossen Theil der Kriegsausrüstung von Belgrad mit sich, deren
Verlust sich später sehr unangenehm fühlbar machte.
— 198 —
frage, ob es gerathen wäre, den Waffenstillstand mit den Osmanen zu
verlängern, antwortete der Papst am 27. Jänner 1516, man möge die
Gesandten jetzt nielit geradezu abweisen, sondern mit Worten hinhalten
und Zeit gewinnen, da er hoffe, die christlichen Fürsten zu einem
Bündniss wider die Türken zu vereinigen. Der Kaiser — noch im
Kriege mit Venedig — widerrieth bei den gegenwärtigen Umständen
jedes Unternehmen gegen die Türken.
Noch dauerten die Unterhandlungen und Berathungen über die
Annahme eines Waffenstillstandes fort, als Wladislav schwer erkrankte.
Im Vorgefühle seines Todes setzte er zu Vormündern seines erst
zehnjährigen Sohnes den Papst, den Kaiser und den König von Polen
ein. und betraute mit seiner Erziehung den ernsten Johann Bornemisza
und den leichtsinnigen Markgrafen Georg von Brandenburg, den Sohn
seiner Schwester. Am 13. März 1516 starb König Wladislav II. im
61. Lebensjahre und im 16. Jahre seiner wenig rühmlichen Regierung.
Die Anordnungen des verstorbenen Königs über die Vormund-
schaft des erst zehn Jahre alten Königs Ludwig fanden in Ungarn
wenig Anerkennung. Zäpolya wollte die Wahl eines Gubernators durch-
setzen, welche Würde er dann für sich erhoffte; doch traf der Reichstag
mit Uebergehung der Vormünder die Verfügung, dass die Aufsicht
über Ludwig wohl Bornemisza und Georg von Brandenburg belassen
die Regierung aber unter dem Vorsitze des königlichen Knaben einem
Staatsrathe übertragen werde, eine constitutionelle Regierungsform, die
dem Staate kaum zum Heile ofereichen konnte.
Elftes Capitel.
Kaiser Maximilian stirbt. — Die Unternehmung eines Kreuzzuges wird aufgegeben. —
Kaiser Karl V. und Erzherzog Ferdinand. — Türkeneinfälle trotz des Waffen-
stillstandes. — Sultan Selim stirbt, Suleiman I. — Szabacs und Belgrad von den
Türken erobert. — Tomori erhält den Oberbefehl im südlichen Ungarn. — Orsowa
und Severin fallen. — Jajcze von Frangepan entsetzt. — Wirren in Ungarn. — 1516
bis 1525.
Obwohl in Ofen Friedensverhandlungen mit der Türkei gepflogen
wurden, liess Sultan Selim noch im Frühjahre 1516 die festen Plätze
Jajcze, Knin, Clissa und Skardona durch den Beglerbeg von Bosnien
bedrohen, um den Ungarn die Abschliessung einer Verlängerung des
Waffenstillstandes wünschenswert zu machen. Die Verhandlung
hierüber oblag nun dem Reichstage, der zwischen der NothAvendigkeit,
den Frieden zu erhalten, und dem Bestreben, den Wünschen des
Papstes, der ihm entgegen war, nachzukommen, schwankend war.
Nachdem der Reichstag noch einige Steuern zur Instandhaltung der
Grenzfestungen ausgeschrieben hatte, schloss er doch endlich eine ein-
jährige Verlängerung des Waffenstillstandes, in welchen jedoch Croatien,
Dalmatien und der Besitz Ungarns in Bosnien nicht eingeschlossen
waren. Da der türkische Gesandte nach Auflösung des Reichstages
nicht gleich zurückgeschickt wurde, gerieth der Sultan so in Zorn, dass
er auch den ungarischen Gesandten, Barnabas Belay, wie einen Spion
behandelte und ihn mit sich nach Aegypten führte.
Papst Leo setzte seine Bemühungen, die christlichen Mächte zu
einem gemeinschaftlichen Zuge wider die Osmanen zu vereinen, fort
und erhielt sowohl vom Kaiser wie vom König von Frankreich die
Zusicherung", dass sich ihre Völker unter seiner Fahne scharen würden.
Nachdem die Nachricht von der Besiegung Aegyptens (1517) die Be-
sorgniss erregte, der Sultan werde nun seine ganze Macht gegen die
christlichen Länder kehren, liess Leo für den Türkenkrieg Steuern
— 200 —
einheben und einen Ablass ausschreiben. Den Augustinermönch Niko-
laus Schönberg entsendete er nach Ungarn, um dort zu melden, was
bisher zum Schutze der Christenheit geschehen sei, und zugleich die
Ankunft eines Cardinais anzukünden. der die weiteren Entwürfe des
Papstes überbringen werde.
Wider Erwarten erneuerte Selim seine Anträge auf Verlängerung
des Waffenstillstandes abermals; der Staatsrath jedoch — vom Papste
dringendst abgemahnt — Hess diese Gelegenheit. Frieden zu schliessen.
wieder unbenutzt vorübergehen. Dies hatte zur Folge, dass die Strei-
fungen der Türken an der Grenze nicht aufhörten und dass Mustafa,
der Pascha von Zwornik, Jajcze wieder ernstlich bedrohte. Auf dem
für Mai einberufenen Reichstage erschienen die Stände nur in sehr be-
schränkter Zahl. Die Croaten blieben der Türkengefahr wegen zu
Hause und in Siebenbürgen nahm Zäpolya die Aufforderung des
Sultans an den Woywoden der Walachei, sich ihm zu unterwerfen,
zum Vorwande, nicht zu erscheinen. Auch der Kaiser und der König
von Polen riethen zur Annahme des Waffenstillstandes, der endlich,
nachdem die Stände, ohne einen Entschluss zu fassen, sich zerstreut
hatten, auf ein Jahr verlängert wurde. Um dem Ban von Croatien.
dem Bischof Berislo, die zum Entäatz von Jajcze nöthigen Mittel zu
gewähren, blieb nichts übrig, als von den Städten Steuern einzutreiben
und Domänen zu verkaufen. Nikolaus Zrinyi, des Helden von Sziget
Vater, und Franz Berislo, des Bans Bruder, führten den Entsatz von
Jajcze glücklich durch, Mustafa selbst fiel im Kampfe.
Im Jänner 1518 brachte Cardinal de Vio den Feldzugsplan des
Papstes Leo nach Ofen. Die Art der Geldbeschaffung wurde fest-
gestellt. Der Kaiser mit dem König Emanuel I. von Portugal sollten
die Osmanen von Aegypten aus, die Ungarn, Böhmen und Polen unter
Sigismund's, des Königs von Polen Führung, von Ungarn aus an-
greifen, die Moldau und Walachei sich noch im Laufe des Jahres
Kilia's und Silistria's bemächtigen. Nach langen und erfolglosen Be-
rathungen über die Ausführung dieses Planes löste sich der Reichstag
auf, trat aber im Juli zu Tolna wieder zusammen und bcschloss zwar
die zur Vertheidigung des Landes sowie die zum Beginn des Feld-
zuges nöthigen Massregeln, führte sie aber nur zum Theil und sehr
lässig aus.^)
') Im Eingange zu den Beschlüssen des Tolnaer Landtages steht die für die
Verhältnisse in Ungarn sehr bezeichnende Formel: »Ein jedes Land wird durch zwei
Mittel aufrecht erhalten: das eine ist das Gesetz, das andere die bewaffnete Gewalt;
in unserem Vaterlande fehlt es an beiden.« (Fraknöi, Ungarn vor der Schlacht bei
Mohacs, 16.)
— 201 —
Inzrwischen war der Plan des Papstes zur allgemeinen Heerfahrt
wider die Türken in Folge der Reformbewegung- auf kirchlichem Ge-
biete in Deutschland und des unerwarteten Ablebens des Kaisers
Maximilian (den 12. Jänner 1519) vollkommen gescheitert.
In Ungarn musste nun in Folge der geänderten Verhältnisse der
Waffenstillstand, den Bela}- bei der Pforte ausgewirkt hatte, obwohl
die Bedingungen nichts weniger als ehrenvoll waren, angenommen
werden. Drei Jahre lang verpflichteten sich Ungarn und die Türkei,
ihre o-eoronseiti2:en Länder zu schonen. Den christlichen Mächten steht
es frei, binnen Jahresfrist dem Waffenstillstand beizutreten; unterliessen
sie es aber, so darf der König von Ungarn den osmanischen Truppen
den Durchzug durch sein Gebiet nicht verAvehren. Ragusa, die Moldau
und Walachei blieben wie bisher beiden Theilen tributpflichtig.
Im Jahre 1519 wurde in Ungarn auch der Regentschaftsrath be-
seitigt und Stephan Bäthory zum Palatin gewählt, was zu einem auf
die Verhältnisse des Landes höchst ungünstigen Zerwürfniss zwischen
ihm und Zapolya Anlass gab.
Ungeachtet des Waffenstillstandes benützten die türkischen Be-
fehlshaber die Vernachlässigung der Grenzgebiete zu verheerenden
Einfällen. Alle Bestrebungen des Staatsrathes im Frühjahr 1520 den
auf die Vertheidigung der Grenzen abzielenden Anordnungen des
Tolnaer Reichstages Geltung zu verschaffen, blieben erfolglos. Die
osmanischen Horden unter den Paschas von Semendria und Vrbosna
besetzten zu Ende des Jahres die festen Plätze Srebrenik, Teschani und
Sokol, welche ihr Commandant Thomas Matusnay verlassen hatte, ohne
sie genügend mit Besatzung und Proviant zu versehen; entgegen der
Zusicherung freien Abzuges wurden die Besatzungen niedergehauen.
Auch die Festung Knin in Dalmatien wurde eingenommen und nieder-
gebrannt. Unweit Bihacs an der Korana wurde der tapfere Bischof
Berislü treulos überfallen und ermordet.
In Deutschland wurde Karl, der älteste Enkel Maximilian's. der
bereits im Besitze der spanischen Länder sowie der Niederlande war,
zum Kaiser gewählt. Dieser überliess die österreichischen Besitzungen
seinem Bruder Ferdinand, welcher sich Anfangs des Jahres 1520 mit
der Schwester Ludwig's, Anna, vermählte. Die Hoffnungen, welche
man in Ungarn an dieses Ereigniss knüpfte, erfüllten sich nicht; die
nahen Beziehungen, in denen Ludwig zum Kaiser stand, verschafften
ihm die erwartete Hilfe nicht und erhöhten auch sein Ansehen im
ciffenen Lande kaum.
— 202 —
Unterdessen war der ländergierige Sultan Selim am 20. September
1520 gestorben. Die Hoffnungen, welche man an den Tod desselben knüpfte,
giengen nicht in Erfüllung, denn kaum hatte sein Sohn und Nach-
folger Suleiman I. die Regierung angetreten, als er einen Behram
Tschausch (Staatsboten) nach Ofen sandte, um von Ungarn Tribut zu
fordern, und wenn dieser verweigert würde, mit Krieg zu drohen.
Um seinen Forderungen Nachdruck zu geben, befahl er dem Pascha
von Vrbosna, sogleich Jajcze zu belagern; Peter Keglevic gelang es,
den Angriff abzuwehren. Wenn auch an den Grenzen die Waffen nie
ganz ruhten und ohne Vorwissen des vSultans und des Königs unter-
nommene Raubzüge nicht als Friedensbruch angesehen wurden, so war
doch dieser auf Befehl des Sultans ausgeführte Zug und die Forde-
rung des Tributes eine Beleidigung, die nicht geduldig hingenommen
werden konnte. Bei der gänzlichen Aussichtslosigkeit auf Hilfe von
aussen hätte man den Gesandten des Sultans wenigstens so lange hin-
halten sollen, bis das Land einigermassen gerüstet gewesen wäre; statt
dessen warf man in Nachahmung der türkischen Sitte den Ueber-
bringer der beleidigenden Botschaft in den Kerker und machte den
sofortigen Ausbruch des Krieges unvermeidlich. Der Zorn des Sultans
wurde noch gesteigert, als sich in Constantinopel die Nachricht ver-
breitete, der Behram Tschausch wäre ermordet worden.
Bei der Aussicht, Ungarn werde den Kampf mit den Osmanen
diesmal allein ausfechten müssen, wurde im April 1521 ein Staatsrath
abgehalten, um Vorkehrungen für den bevorstehenden Krieg zu treffen,
namentlich aber die beiden Hanptbollwerke des Landes, Belgrad und
Szabacs, in Vertheidigungsstand zu setzen.
Die Bane von Slavonien, Franz Hedervary und der noch un-
mündige Valentin Törük, der dieses Amt nach seines Vaters Tode
erhalten hatte, ebenso dessen Vormünder, welche das Vertrauen der
Regierung nicht genossen, verweigerten Belgrad in die Hände des
Königs zu übergeben, und forderten ungestüm die Rückstellung der
zur Erhaltung der Besatzungen bereits aus Eigenem verausgabten
Summen. Sie wollten nicht, dass der zum Befehlshaber von Belgrad
ausersehene Andreas Bäthory Verstärkungen hinführe, denn Mann-
schaft wäre dort genug, man möge die Festungen nur mit Geld,
Lebensmitteln, Geschützen und Munition hinlänglich versehen. Szabacs
hatte nur 100, Belgrad, Ungarns Hauptbollwerk an der Donau, nur
700 Mann verlässliche Besatzung; beiden fehlte es an Munition, und
die Belgrad entnommenen Geschütze, welche Zäpolya bei seinem un-
— 203 —
glücklichen Zuge gegen Semendria (1515) verloren hatte, waren seit-
her noch nicht ersetzt worden.
Nachdem der Staatsrath den Anforderungen der Bane nicht ent^
sprechen konnte, überliessen diese ihren Untergebenen die Hut der
ihnen anvertrauten I'estungen und zogen sich auf ihre Landsitze
zurück. Den Schiffsleuten auf den Kriegsfahrzeugen der Donau, die
seit drei Jahren keinen Sold erhalten und auf Raub angewiesen waren,
konnte man es nicht verübeln, dass sie nach Ofen kamen, und, als
man sie dort mit Worten vertröstete, mit ihren Schiffen wieder hinab
fuhren und sich zerstreuten. Da alles blieb wie zuvor, ist es wahr-
scheinlich, dass der in Parteien zerfallene Staatsrath zu keinem Be-
schlüsse kommen konnte und sich auflöste, ohne etwas zur Rettung
des Vaterlandes angeordnet zu haben. Während an der Grenze der
Krieg schon entbrannt war, dachte man am Hofe zu Ofen nur an
Vergnügungen.
Mitte Februar 1521 war Sultan Suleiman von Constantinopel
aufgebrochen; in Sophia stiess Ferhadpascha mit grossen Vorräthen
an Munition und Kriegsgeräthen, dann 30.000 Kameelen, welche in
Asien zusammengetrieben und dem Heere über dem Bosporus nach-
gezogen waren, zum türkischen Lager; die christliche Bevölkerung der
europäischen Sandschake musste die Lebensmittel liefern, mit welchen
die Kameele beladen wurden. Von Nissa aus wurde Achmedpascha,
der Beglerbeg von Rumili, voraus gegen Szabacs gesendet. Von den
Rennern und Brennern, in zwei Haufen getheilt, giöug einer, von Mo-
hammed Michaloghli befehligt, gegen Siebenbürgen, während der andere,
von Omarbegoghli angeführt, dem Lager des Sultans vorauszog. Mit
1000 Janitscharen, den Sipahis und Asaben wandte sich der Gross-
vezier Piripascha gegen Belgrad, während Suleiman selbst der Heeres-
abtheilung Achmedpascha's gegen Szabacs folgte.
Die Kunde vom Aufbruche des Sultans gegen Ungarn weckte
endlich dessen Regierung zu grösserer Thätigkeit. Ende Juni wurde
zu Ofen ein Reichstag gehalten, der den Bannerherren und Gespan-
schaften anbefahl, ihre Kriegsmannschaften unverzüglich nach Tolna,
wo das Heer sich sammeln sollte, abgehen zu lassen und die Mittel
zu beschaffen, damit auch der König Truppen hinführen könne.
An den Papst und alle christlichen Mächte wurde über die drohende
Gefahr berichtet und um Hilfe gebeten. Erzherzog Ferdinand sandte
3000 Mann, König Sigismund von Polen 2000 Mann Fussvolk und
500 Reiter; nur Böhmen zeigte eine schimpfliche Gleichgiltigkeit, die Stände
waren taub für den Hilferuf ihres Königs, und die Krieger traten,
- 204 —
trotz dessen Verbotes, lieber in den Dienst des Königs Franz von Frank-
reich wider Kaiser Karl V., weil dieser ihnen mehr Sold zahlte, als
Ludwig gewähren konnte. Venedig sandte 30.000 Ducaten. Alle Hilfe
von auswärts kam aber zu spät. Erst einige Tausend Ungarn befanden
sich im Lager zu Tolna, da war Szabacs schon erobert und Belgrad
hart bedrängt.
Als Achmedpascha vor Szabacs anlangte, führte dort anstatt der
beiden Sulyok, die ihren Posten verlassen hatten, der tapfere Simon
Bogody den Befehl; er schwur, mit seiner Mannschaft den ihm anver-
trauten Platz bis zum letzten Athemzuge zu vertheidigen, und hielt
seinen Eid. Am 7. Juli, als die Mauern in Schutt geschossen und die
Gräben mit Faschinen angefüllt waren, versuchte die auf 60 Mann
zusammengeschmolzene Besatzung noch einen Ausfall und erwartete
dann den Sturm, der allen das Leben kostete; aber auch 700 Türken
fielen vor den Mauern des Platzes. Als Suleiman am folgenden Tage
in denselben einzog, waren die Köpfe der Vertheidiger längs des Weges
auf Pfähle gesteckt.
Suleiman liess Szabacs verstärken und befahl, eine Brücke über
die Save zu schlagen, um nach Syrmien zu kommen. Er selbst mit
allen Agas des Heeres und des Hofes überwachten mit Stöcken in
der Hand die Arbeiter. Neun Tage lang ward an der Brücke ge-
arbeitet, während welcher Zeit die Nachricht einlief, dass Semlin in
die Hände der Grossveziers gefallen wäre, dass die Schlossfrau von
Kulpinic (Kulpin an der Bega?) ihr Schloss verlassen habe, und dass
Jahjapascha's Sohn, Balibeg, auf einem Streif zug ein Paar Schlösser
erol)ert und 60 Köpfe abgeschlagen habe. Am zehnten Tage — den
19. Juli — stand die Brücke, 1800 Ellen lang, zum Uebergange für
das Heer bereit, doch wurde sie durch Flochwasser wieder zerstört,
so dass man erst den 27. Juli den Fluss übersetzen konnte.
Einen Monat lang war der Grossvezier bereits vor Belgrad ge-
standen. Avo Blasius Olah und Johann Both befehligten, als Suleiman
am 1. August vor der Festung erschien. Schon früher hatten zwei ser-
bische Ueberläufer dem Grossvezier verrathen gehabt, dass der schwächste
Theil der Mauern am Zusammenfluss der Donau und Save wäre, wes-
halb er, um schweres Geschütz dieser Stelle gegenüber auf der Kriegs-
insel aufführen zu können, Semlin nehmen liess, wobei Markus Szkubio
mit 400 Schiffsleuten ihren Tod fanden. Schon am Tage seiner An-
kunft befahl der Sultan einen Sturm auf Belgrad, bei dem 600 Mann
unnütz geopfert wurden.
— 205 -
Am 8. August eröffneten die Türken von drei Seiten Angriffe
auf die Stadt; alle wurden zAvar mit grossem Verluste für die Angreifer
abgewiesen, die ungarische Besatzung war dabei aber auch schon auf
400 Mann zusammengeschmolzen und sah sich zum Rückzug in die
oljere Festung genöthigt. Avohin ihr die Serben — von den Befehls-
habern nur widerwillig aufgenommen — folgten. Diese vertheidigten
nun heldenmüthig das Bollwerk der Christenheit und hatten schon
mehr als 20 Stürme abgeschlagen, als Suleiman auf eines französischen
oder italienischen Renegaten Vorschlag den grössten Thurm der Stadt,
von den Ungarn der »Meilenthurm« — »Milliaria« — genannt,"^) unter-
minieren und sprengen liess. Auf Andrängen der serbischen Einwohner
ergab sich nun die Besatzung, Avelche alle Hoffung auf Rettung auf-
gegeben hatte, nach öOtägigem Widerstände am 28. August gegen Zu-
sicherung freien Abzuges. Wie schon oft, wurde das gegebene Ver-
sprechen nicht eingehalten, Olah und Both mit den meisten Ungarn
Avurden niedergehauen, die Serben aber in der Umgebung von Con-
stantinopel angesiedelt, wo noch heute ein Dorf den Namen »Belgrad«
führt. Zur Wiederherstellung der eroberten Festung wurden 20.000 Wa-
lachen aufgeboten, als Besatzung blieben daselbst 3000 Janitscharen
unter Balibeg's Befehl. Mit dem Falle Belgrads kamen auch die syr-
mischen Schlösser, darunter Slankamen, Mitrowitz, Carlowitz und Illok
in die Hände der Türken, die sie nicht besetzten, iedoch zum Theil
zerstörten.
Während der Belagerung von Belgrad und Szabacs hatte Bäthory
in Tolna einige tausend Mann versammelt, Zäpolya aber, auf dessen
Zuzug man sehnlichst wartete, kam nicht, entweder Aveil ihn die Ereignisse
i]i der Walachei festhielten, oder weil er sich mit seinem Feinde, dem
Palatin, nicht vereinigen Avollte. ^) Bäthory war zwar mit seinen wenigen
Truppen bis Mitrowitz vorgerückt, Szabacs aber war bereits gefallen.
Er musste vor dem Pascha von Bosnien, der mit 17.000 Mann
gegen Syrmien heranzog, zurückweichen und sah aus dem Lager bei
-) Serben und Türken nennen den Thnrm »Neboise« (Fürchte nicht!). Der
»Meilenthurm« — wohl so genannt, weil aus grosser Entfernung sichtbar — muss
an der Umfassungsmauer der oberen Festung gestanden sein, und ist wohl schon
lange durch späteren Umbau derselben verdrängt worden. Irrthümlich wird jetzt ein
Thurm am Wasser »Neboise« genannt.
^) Die Aeusserung des venetianischen Gesandten: »Der Vayda (Zapolya) würde
nicht danach fragen, wenn das Land verloren gienge, damit er Gelegenheit fände,
es mit Hilfe Siebenbürgens wieder zu gewinnen und sich zum König aufzuwerfen,«
macht das letztere wahrscheinlich.
- 206 -
Titel der Einnahme von Belgrad und der Verheerung des Landes
müssig zu.
Nachdem Suleiman, dessen Heer durch Kämpfe und Krankheiten
stark gelitten hatte. Belgrad mit 200, Szabacs mit 20 neuen G-eschützen
ausgerüstet, in beiden Plätzen ( Jbrigkeiten eingesetzt, die Belgrad gegen-
überliegenden Auen ausgerodet und das schon früher auf den Höhen
südlich der Stadt zur Beobachtung von Belgrad erbaute Schloss Avala
verstärkt hatte, kehrte er nach Constantinopel zurück,
Mohammedbeg, der sich vom Hauptheere Suleiman's gegen
Siebenbürgen abgetrennt hatte, gelangte nur in die Walachei, wo er
unumschränkt herrschte. Er bemächtigte sich des siebenjährigen Sohnes
des verstorbenen Woywoden und sandte ihn nach Constantinopel. Die
Bojaren wählten nun einen gewesenen Mönch, Radul, zum Fürsten. Die an
den Sultan mit der Bitte um seine Bestätigung gesandten Abgeord-
neten wurden erwürgt, ihre Diener mit abgeschnittenen Ohren und
Nasen zurückgesendet. Mohammed schlug nun Radul und erklärte die
Walachei als Sandschak (Statthalterschaft). Als das Land Zapolya's
Hilfe erbat, verständigte sich Mohammedbeg mit den Bojaren, der
türkische Abgeordnete aber, welcher Radul die Insignien der Fürsten-
würde überbringen sollte — Fahne, Haube und Keule — erschlug ihn
mit letzterer gelegentlich der Investition. Ein zweiter Radul. ein Ver-
wandter Bessaraba's, kämpfte nun bei Glubavy und Kieschan anfangs
mit Grlück um die Herrschaft; in einem dritten Grefecht geschlagen,
wandte er sich an Zapolya um Hilfe. Mit ungarischen Truppen schlug nun
Radul in einem Treffen, das vom Morgen bis zum Abend währte, bei
Grumatz den Mohammedbeg, wurde aber dann selbst geschlagen und
zur Flucht nach Siebenbürgen genöthigt. Nun rückte Zapolya mit
30.000 Mann in die Walachei ein und setzte Radul wieder auf den
Fürstenthron, während Mohammedbeg sich über die Donau zurückzog.
Zapolya unterstützte Radul nicht weiter und galj ihm den Rath, sich
mit der Pforte auszugleichen, den er auch befolgte.
Nach dem Verluste Belgrads Avar es in Ungarn wohl auch der
Ausfluss einer augenblicklichen patriotischen Aufwallung, wenn man
auf dem Reichstage, Ende 1521, mit Beiseitesetzung alles Parteihaders,
sich mit der Beschaffung der Mittel zur Vertheidigung des Landes be-
fasstc und die Ernennung eines tapferen und kriegserfahrenen Mannes
zum Obercapitän im südlichen Ungarn verlangte. Die Wahl fiel auf
Paul Tomori, der sich sowohl in den Kämpfen gegen die Türken, wie
gegen die aufständischen Bauern hervorgethan hatte. Der rasch auf-
einanderfolgende Tod zweier Bräute war Tomori wie eine Mahnung
— 207 —
Gottes erscliicnen, seine kriegerische Laufbahn zu verlassen und in
den Orden der Franciscaner zu treten. Als ihn nun die gefahrvolle
Lage des Landes aus seiner Einsamkeit rief, verlangte der Adel seine
Ernennung zum Obercapitän und zugleich zum Erzbischof von Ka-
locsa; doch weigerte er sich lange, diese hohe Stellung anzunehmen,
und fügte sich erst dem Befehle des Papstes Hadrian VL, der seinem
1521 verstorbenen Vorgänger Leo X. auf dem römischen Stuhle ge-
folgt war,^)
Die Erklärung des Königs, im Frühjahr einen Feldzug zur Wieder-
eroberung Belgrads unternehmen zu wollen, wurde mit Begeisterung
aufgenommen; nahezu unerschwingliche Steuern wurden bewilligt, eine
allgemeine Insurrection und die Aufstellung eines stehenden Heeres in
Aussicht gestellt. Von den Steuern floss aber wenig ein, und die In-
surrection kam nicht mehr zu Stande, als keine augenblickliche Grefahr
drohte, weil der Sultan 1522 Rhodus belagerte.'^)
Auf eine wesentliche Unterstützung von auswärts konnte Uno-arn
in einem Kriege gegen die Osmanen nicht rechnen. Der erbitterte
Kampf Kaiser Karl's V. mit Franz L von Frankreich, der später, 1525,
mit der Grefangennahme des Letzteren endete — zunächst wohl um die
Herrschaft in Italien, in der Tliat aber um die Erhaltung des Kaiser-
thums geführt — wurde dem Kaiser aufgedrungen. Franz I, strebte
nach dem Kaiserthrone, für welche die Herrschaft über Italien nur
die erste Stufe gewesen wäre. Karl V, hätte daher auch durch Ver-
zicht auf Italien seine Macht für die Erhaltung Ungarns nicht ein-
setzen können. Franz I. scheute sich nicht, den Sultan zum Kriege wider
die Ungarn zu reizen, um den Erzherzog Ferdinand, dessen Länder
hiedurch ebenfalls gefährdet waren, festzuhalten.*') Auch das Ueber-
handnehmen der Reformation in Deutschland war mit Ursache, dass
der Plan eines Türkenkrieges, Aveil von Rom ausgehend, sich dort
keiner Volksthümlichkeit erfreute.
*) Adrian von Utrecht — Papst Hadrian VI. — war früher Professor an der
Universität zu Löwen und Lehrer Kaiser Karl's V., durcli den er auch in diese hohe
Stellung gelangte. »Einen würdigeren Mann«, sagt Eanke, »hatte die Papstwahl lange
nicht getroffen. Sein Streben gieng dahin, einen Waffenstillstand, wenn nicht einen
Frieden zwischen dem Kaiser und König Franz I. herbeizuführen, um indessen einen
Feldzug gegen die Türken unternehmen zu können.«
^) Erst nach sechsmonatlicher Vertheidigung durch die Johanniter wurde Ehodus
eingenommen.
®) Franz I. wandte sich aus seiner Gefangenschaft zu Madrid an den Sultan
um Hilfe und bediente sich, Weährend er mit Karl V. um seine Freilassung verhandelte,
Frangepan's als Unterhändler, um den Sultan zu einem Angriffe auf Ungarn zu ver-
leiten, durch den er den Kaiser am empfindlichsten zu treffen meinte.
— 208 -
Wenn auch auf dem Reiclistag^e zu Nürnberg im März 1522
über eine Türkenhilfe berathen wurde, und der Kaiser auf die zum
Römerzuge bewilligten Gelder verzichtete, so war das Ergebniss doch
nur, dass im Mai nächsten Jahres 4000 Mann Fussvolk und 20 Ge-
schützmeister nebst 100 Centner Pulver nach Ungarn abgeschickt
werden sollten; ob sie auch hinkamen, ist nicht bekannt.
In Voraussicht, dass die Türkeneinfälle demnächst auch wieder
die österreichischen Erbländer überschwemmen würden, verlangten die
Krainer Stände schon im Jänner 1520 die Besetzung des croatischen
Landstriches zwischen der Una und Kulpa zur Sicherung des eigenen
Landes, und die Befestigung des Hauptschlosses zu Laibach sowie
der Städte Möttling und St. Veit am Pllaum (Fiume). Als nun Sulei-
man im Jahre 1521 den Feldzug gegen Ungarn eröffnete, berieth man
auf dem Landtage zu Krems über die Widerstandsmittel der Erblande:
vergeblich aber verlangte der kaiserliche Commissär die Verdoppelung
der bisher dafür bestimmten Auflagen. Man organisierte in Krain
auch einen Kundschaftsdienst, der sich bis Bosnien erstreckte und die
Nachrichten A^on Einfällen schleunigst weit in das Land hinein aus-
breiten sollte. Auch sonstige Vorkehrungen zur Vertheidigung wurden
getroffen, die sich bald als nicht überflüssig erwiesen, denn schon jetzt
waren kleinere Raubzüge an der Tagesordnung.
Im Frühjahr 1521 fiel eine grössere Raubschar aus Bosnien
durch Croatien in Krain ein, ermordete am Palmsonntag in der Kirche
zu Slavin in der Poik den Priester am Altare nebst vielen Andächtigen,
streifte dann durch drei Tage über Adelsberg, Zirknitz und Reifnitz
nach Gottschee. und kehrte mit Beute beladen über Croatien zurück.
Die vom Krainer Landtage beschlossenen Vertheidigungsmassregeln
erwiesen sich als ungenügend, stiessen auch bei der Bevölkerung auf
Widerstand und konnten einen ähnlichen Raubzug im Frühjahr des
nächsten Jahres nicht verhindern, wobei die Umgebung von Möttling
besonders litt.^)
Diese Einfälle nach Krain sowie auch nach Dalmatien veranlassten
den Erzherzog Ferdinand, zur Sicherung seiner eigenen Länder die auf
das Aeusserste bedrohten croatischen Grenzorte mit österreichischen
Truppen (3000 Mann unter dem Oberbefehl des Feldhauptmannes in
Laibach, Katzianer) zu besetzen. Es waren daher auch österreichische
') Der Landescomthur des Deutschen Ordens zu Möttling schrieb damals: »Im
Lande Krain, zumal in der Gegend von Möttling-, sei nichts anderes zu vermuthen,
als dass der Türke dort bald alles Volk in ewige Gefangenschaft hinwegtreiben
werde.« (Dimitz, Geschichte Krains, I, 107.)
- 225 —
zur Rechenschaft zu ziehen, weiters wären ausser den Banderien
durch die Magnaten noch zahlreiche Truppen zu erhahen, alle Edel-
leute hätten persönlich in das Feld zu ziehen und alle ihre Unter-
thanen zu bewaffnen, um ein fünftel, im Nothfalle alle in das Lager
zu schicken; für Siebenbürgen und Slavonien wären die bisher
üblichen Anordnungen beizubehalten; in der Leitung der Truppen
wolle der König auf den Rath erfahrener Männer achten und an die
Spitze des Heeres einen oder mehrere bewährte Führer stellen. Ferner
meinten die Stände, dass durch die gefassten Beschlüsse das königliche
Ansehen unverletzt aufrecht erhalten bliebe, und dass sie die Ein-
nahmsquellen bezeichnet hätten, welche zur Deckung aller Bedürfnisse
vollkommen ausreichten. Schliesslich baten sie den König, er möge
seine Macht gebrauchen, denn wenn eine Gefahr das Land ereile, dann
belaste nicht sie die Verantwortlichkeit.
Der König antwortete hierauf, dass er die Aeusserungen ihres
guten Willens gerne entgegennehme und bereit sei, alles zu thun, was
in seiner Macht stehe. Allein die Vertheidigung des Landes und die
Aufrechthaltung der königlichen Autorität erfordert Geld, und die
Stände hätten den Wert der königlichen Einkünfte weit überschätzt:
er werde thun, was er im Stande ist. aber Unmögliches kann man
von ihm auch nicht verlangen. Deshalb verwahre er sich dagegen, dass
beim Hereinbrechen einer Landesgefahr ihn keine Verantwortung belaste.
In seinen Berichten nach Rom sagt Baron Burgio: »Eine solche
Komödie spielen der König und seine Unterthanen mit einander.«
Nicht mit Unrecht schildert Burgio die Lage des Landes als völlig
hoffnungslos und meint, der Papst wäre kaum in der Lage, dem Lande
die za seiner Vertheidigung nöthigen Mittel zu geben; wenig zu geben,
heisse so viel, wie das Geld zum Fenster hinauswerfen; Avenn der Papst
in der Lage wäre. 200.000 Ducaten zu senden, so Avürde das vielleicht
zur Vertheidigung des Landes ausreichen und er würde damit sicher
eine ruhmvolle That ausführen, könne er es aber nicht, so möge er
ihn unter passendem Vorwand e abberufen, um nicht Zeuge der un-
vermeidlich hereinbrechenden Katastrophe sein zu müssen. Die noch
in seinen Händen befindlichen Geldsummen wären dem Erzbischof von
Kalocsa zur Verfügung zu stellen, um ihn zur Beibehaltung des Ober-
commandos zu bewegen und Peterwardein in Vertheidigungszustand zu
setzen; Tomori sei die bedeutendste Persönlichkeit im ganzen Lande,
und Peterwardein dermalen der wichtigste Platz in selbem.
Abermals bestimmte der Papst 50.000 Ducaten für die drin-
gendsten Auslagen, auch widmete er alle in Ungarn für Rom ein-
Kiipelwieser, Ungarns Kämpfe mit den Ositanen. 2. Auft. 15
- 22G —
gehenden Taxen der Vertheidigung des Landes, und gestattete nicht
nur die Besteuerung, sondern auch den Verkauf von Kirchengütern.
Auch ein Ablass für die Kämpfer gegen die Ungläubigen wurde er-
lassen und Säumige mit Kirchenstrafen bedroht. Tomori's Ernennung
zum Obercapitän der i'ömischen Kirche änderte nichts an seiner Stellung.
Seit dem Tode des Königs Mathias geschah in Ungarn alles,
um die königliche Macht zu schwächen, und als man sich nicht mehr
zu helfen wusste, übertrug man die volle Herrschergewalt wieder dem
König und machte ihn verantwortlich für die Erfolge. Ein fest ent-
schlossener und einsichtsvoller Fürst wäre vielleicht im Stande ge-
wesen, die verworrenen Zustände zu bessern, in der Hand des Königs
Ludwig aber, der seine sorglose Lebensweise auch jetzt noch fortsetzte,
war die königliche Gewalt ein nutzloses Werkzeug. Die Königin Maria
bemühte sich, die Staatsgeschäfte immer mehr in die Hand zu nehmen,
ihre gute Absicht kann nicht bezweifelt werden, auch fehlte es ihr
nicht ganz an Einfluss auf ihren Gemahl, allein sie kannte die Ver-
hältnisse und die Menschen nicht genau, hatte für die Eigenthümlich-
keiten der Ungarn wenig Verständniss, und begieng manche MissgrifiFe,
die man der wenig beliebten Fürstin doppelt übel nahm.
Die Wahl eines Feldherrn beschäftigte den König und dessen
Umgebung lebhaft, man konnte aber zu keinem Entschlüsse kommen.
Unter den weltlichen Herren wäre nur Zäpolya die Fähigkeit zur
Führung eines grösseren Heeres zuzumuthen gewesen, und er machte
auch Anspruch auf die Stelle eines obersten P^ührers, allein am Hofe
hatte man kein Vertrauen zu ihm und wollte ihn übergehen. Um ihm
weniger Grund zu einer Beschwerde zu geben, dachte man an einen
auswärtigen Feldherrn und wandte sich an Niklas Salm, einen Feld-
herrn des Kaisers; dieser entschuldigte sich mit seinem Alter, thatsächlich
aber scheute er sich, eine Aufgabe zu übernehmen, die mit so schwerer
Verantwortung so wenig Aussicht auf Erfolg hatte. Auch an Christoph
Frangepan wandte man sich vergeblich; er konnte die ihm angethane
Schmach nicht vergessen und sah nicht ohne Schadenfreude den Ein-
tritt der folgenden Katastrophe. ^)
Am 2. Juni erklärte der König den in Ofen anwesenden
Magnaten und Gesandten fremder Mächte, dass er persönlich ins Feld
ziehen möchte, allein er könne sich nicht rühren, weil ihm 30.000 Gold-
^) In einem Briefe Frangepan's vom 5. September 1526, also wenige Tage
nach der Niederlage der Ungarn, sagte er : »Wenn die Ungarn den Türkenkaiser
besiegt hätten, wer könnte unter ihnen leben, oder eine Stellung unter ihnen an-
nehmen? Wann wird ihr Hochmuth ein Ende nehmen?«
— 227 —
gülden zur Aufstellung und Ausrüstung seines Banderiums fehlten.
Eurgio erbot sich, 500 Gulden aus eigenem beizusteuern, wenn sich
ausser ihm noch 59 Personen zu gleichem Opfer bereit fänden; so
Avurde gerade nur der verlangte Betrag aufgebracht. Die Verkündung
einer allgemeinen Erhebung wurde nun beschlossen und der König
erklärte, am 2. Juli in Tolna eintreffen und das Heer persönlich gegen
die Türken führen zu wollen. So tief war das Ansehen des Königs
schon gesunken, dass er, während Bischöfe und Magnaten in Ueppig-
keit strotzten und sich aller einträglichen und einflussreichen Stellen
im Staate bemächtigt hatten, fast auf Almosen angewiesen war.
Die vom Papste genehmigte Verwertung der Kirchengüter ent-
sprach den gehegten Erwartungen nicht; die Durchführung derselben
geschah zu spät und mit zu wenig Gewissenhaftigkeit, um die nach-
folgenden Ereignisse wesentlich beeinflussen zu können. Einzelne Forde-
runfi^en wurden befriedigt. So erhielten die Tschaikisten in Peterwardein
und die Besatzung von Jajcze je 3000, einige Capitäne 6000 Gulden,
Graf Hardegg wurde mit 5000 Gulden zum Einkaufe von Waffen
nach Wien geschickt. Abgesandte des Palatins, der zur Vertheidigung
der Drau-Linie nach Essegg abgegangen war, sowie jene der Be-
satzungen von Peterwardein, Temesvar, Klissa und noch von anderen
Orten mussten nach langem Warten in der Regel unbefriedigt abziehen.
Auch die Ausrüstung des königlichen Banderiums begegnete wieder
Schwierigkeiten, und der König wandte sich abermals an den Nuntius,
als dieser 25.000 Ducaten erhalten und den Kämmerer Hannibal von
Karthago zur Anwerbung von Söldnern nach Mähren geschickt hatte.
Der Anforderung des Königs entsprach diesmal Burgio aber erst, nach-
dem er sich einen Schuldschein ausstellen Hess, in dem König Ludwio-
sich verpflichtete, alle vom Papste erhaltenen Beträge zurückzuzahlen, im
Falle der unter seiner Anführung geplante Feldzug nicht stattfinden sollte.
Unterdessen war der Sultan, nachdem er die Gräber seiner Ahnen
besucht hatte, Montag, den 23. April (einem nach türkischem Gebrauche
besonders günstigen Tage), mit mehr als 100.000 Mann und 300 Kanonen
von Constantinopel aufgebrochen. Der Marsch der türkischen Truppen
zeichnete sich durch strenge Mannszucht und grosse Ordnung aus;
bei Lebensstrafe war es verboten, die Saaten zu betreten, Pferde hinein-
zutreiben oder sie ihrem Besitzer wegzunehmen. An den Rasttagen
wurde Divan gehalten, an einem derselben wurden die moldauischen
Gesandten, welche den Tribut brachten, vorgestellt. Starke Regengüsse
machten den Marsch über den Hämus sehr beschwerlich. Um das Ge-
dränge im Passe der Trajanspforte nicht zu vermehren, musste die
15*
— 228 —
anatolische Reiterei, die in Philippopel zum Heere des Sultans stiess.
durch den nördlich gelegenen Pass von Isladi ziehen. Im Lager bei
Sophia trennte sich der Grossvezier Ibrahim^) vom Sultan, indem er
vorauszog.
Sobald in Ofen sichere Nachrichten über die Annäherung des
Sultans eintrafen, beschloss der Staatsrath, dass der erste Versuch zur
Abwehr an der Save unternommen werden sollte. Dem Palatin, mehreren
Prälaten, Magnaten und Comitaten wurde in der zweiten Hälfte Juni
der Auftrag ertheilt, ihre Banderien unverzüglich in Tomori's Lager
zu führen, um sie an der Grenze verwenden zu können. Allein der
Erfolg entsprach nicht den Erwartungen. Viele zögerten auch jetzt
noch, die Opfer zu bringen, welche die Ausrüstung und Absendung
der Banderien erheischten; sie bezweifelten die Wirklichkeit der Gefahr
und verbreiteten das Gerücht, der Sultan wage nicht, die Save zu
übersetzen, ja, es fanden sich auch solche, welche die verlassene Lage
Tomori's mit Schadenfreude erfüllte. Nur der Abt von Szegszard. dann
Valentin Török und Blasius Ilaskay erschienen persönlich; der Graner
Erzbischof und sein Domcapitel. sowie der Bischof von Fünfkirchen
schickten einige Hundert Bewaffnete.
Tomori legte ein besonderes Gewicht auf das Erscheinen des
Palatins, der als erster Bannerherr des Landes den Ständen mit gutem
Beispiel vorangehen sollte. Bathory beeilte sich aber nicht und gab
auf wiederholte Aufforderung des Königs, sich an die Grenze zu be-
geben, zur Antwort, er könne nur an der Spitze eines seiner Stellung
entsprechenden Heeres ins Feld ziehen, mit Bauernvolk erscheine er
nicht im Lager. Anstatt an die Save zu gehen, kam Bathory Anfangs
Juli nach Ofen und verlangte, dass der König sich persönlich an die Spitze
des Heeres stelle, da sonst der Adel nicht zu den Waffen greifen würde. '^)
Tomori's Entrüstung erreichte damals ihren Höhepunkt, und er
gab dieser Empfindung in seinen Briefen auch rückhaltlos Ausdruck.
Das Land stand dem Feinde off'en, ein Heer, welches ihn hätte auf-
halten können, war nicht vorhanden, und die Festungen auf seinem
Wege befanden sich in einem Zustande, der sie zu längerem Wider-
■*) Ibrahim war der Sohn eines Fischers an der Ostküste des Adriatischen
Meeres. Von Seeräubern geraubt, gelangte er seiner Schönheit und seiner musikalischen
Talente wegen in den Besitz des Sultans Suleiman; mit Gunstbezeugungen überhäuft,
wurde er dessen Vertrauter, Freund und endlich als Grossvezier dessen Schwager.
Durch seinen Uebermuth die Eifersucht des Sultans hervorrufend, wurde er aber 1536
im Serail erwürgt.
^) Es scheint, dass dem Palatin. dem man kein Vertrauen schenkte, auch der
Gehorsam versagt wurde.
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Stande unfähig machte. Das ehemals feste Slankamen lag in Ruinen
Für das Schloss Titel ernannte der König zwei Schlossvögte, gab ihnen
aber weder Geld noch Waffen; der Nuntius gab ihnen noch 1500 Gulden,
um 100 Fusssoldaten anzuwerben. Peterwardein endlich, der wichtigste
feste Platz, der seit dem Falle Belgrads und Severins als der Schlüssel
des Landes angesehen wurde, war bis in die jüngste Zeit vernachlässigt
und wurde erst von Tomori, der es als Hauptquartier wählte, in Ver-
theidigungszustand gesetzt.
In weitem Bogen von der Donau umspült, liegt Peterwardein
auf dem bei 200 Fuss hohen Ausläufer des Fruslca-Gora-Gebirges, das
an der Westseite gegen den Strom steil abfällt, und nur an der Süd-
seite vom Gebirge aus dem Feinde eine schmale Angriffsfront bietet.
In dem unter der Festung angesiedelten Stadttheil befand sich die
Haaptstation der Tschaikisten — aus Serbien und den unteren Donau-
o-egenden vor der türkischen Herrschaft geflüchteter Leute, welche
früher als Bemannung der Donauflotille unterhalb Belgrads verwendet
wurden. Unregelmässig besoldet und an Allem Mangel leidend, hatten
sich die Tschaikisten zerstreut und konnten jetzt nur mehr mit Mühe in der
Stärke von ungefähr 1000 Mann gesammelt und neu organisiert werden.
An der Morava traf der Sultan wieder mit dem Gross vezier zu-
sammen und ertheilte ihm den Befehl, mit 40.000 Mann voraus gegen
Peterwardein aufzubrechen. Balibeg, der Befehlshaber in Belgrad, hatte
den Befehl, eine Brücke über die Save zu schlagen; heftige Regen-
güsse verzögerten die Arbeit. Als die Brücke in der zweiten Hälfte
Juni fertig war. zog Balibeg über dieselbe und schlug bei Semlin sein
Lager auf. Wenige Tage später traf der Grossvezier vor Belgrad ein,
wo die Sandschak-Bege von Bosnien und der Herzegowina, sowie eine
von Janitscharen besetzte Donauflotille von 800 Schiffen unter Micha-
loghli, Iskenderoghli und Taschibeg sich mit ihm vereinten. Am
11. Juli übersetzte auch der Grossvezier den Fluss. Am 15. Juli, dem
Bairamfeste, gerade drei Monate nach seinem Aufbruche von Constan-
tinopel, traf Sultan Suleiman in Belgrad ein.
Tomori, der die Vertheidigung der Save-Linie aufgeben musste,
liess in Peterwardein eine der Grösse der Festung entsprechende Be-
satzung zurück — ungefähr 1000 Mann, darunter die Hälfte päpstlicher
Soldtruppen — und zog mit seinen Truppen auf das linke Donauufer, wo
er an der Stelle, wo jetzt Neusatz liegt, ein verschanztes Lager errichtete.
Die Aufmerksamkeit des ganzen Landes, ja man kann sagen
Europas, war jetzt auf Peterwardein gerichtet; man glaubte allgemein,
dass der Fall dieser Festung den Untergang Ungarns nach sich ziehen
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müsse. Tomori hoffte, dass die Festung bis zum Eintreffen eines Ent-
satzheeres Widerstand leisten könne. In Ofen war man froh, dass der
Sultan sich zur Belagerung der Festung entschlossen hatte und nicht
gerade auf die Hauptstadt losgegangen war, denn es wurde dadurch
Zeit für die Organisation des Heeres gewonnen.
Gleich nach seinem Eintreffen vor Peterwardein begann der
Grossvezier die Belagerungsarbeiten ; er äusserte sich, die Festung sei
für ihn ein kleiner Bissen, der kaum zum Frühstück ausreiche. Sturm-
leitern wurden gleich vorgerichtet und schon am 15. Juli der erste
Sturm unternommen; die Besatzung schlug ihn ab, und die Tschaikisten,
von Tomori's Kanonen unterstützt, brachten der türkischen Flotille er-
hebliche Verluste bei. In der folgenden Nacht schickte Ibrahim eine
Heeresabtheilung an das jenseitige Ufer der Donau, so dass der Kampf
gegen Tomori den ganzen folgenden Tag über bis spät Abends zu
Wasser und zu Land — jedoch ohne entscheidenden Erfolg — ge-
führt wurde. Tomori hielt nun Kriegsrath, und alle seine Unter-
anführer erkannten, dass sie, in den Verschanzungen bei Neusatz sich
selbst überlassen, dem stets wachsenden Gegner nur kurze Zeit Wider-
stand leisten könnten und in erfolglosem Kampfe untergehen müssten.
Wenn sie hingegen sich dem Heere anschliessen. dessen Eintreffen zum
Entsätze der Festung unter Führung des Königs demnächst erwartet
wurde, könnten sie mit Hoffnung auf Erfolg eine Schlacht annehmen
und Peterwardein entsetzen. Deshalb verliess Tomori sofort sein Lager
und gieng entlang der Donau nach Bäcs. Hier sendete er den Bischof
von Bosnien an den König mit der Meldung: »Peterwardein könne
sich noch acht bis zehn Tage halten; wenn ihm entsprechende Unter-
stützung zukäme, wäre er bereit, umzukehren und sich mit dem Feinde
zu schlagen.«
Die Besatzung von Peterwardein unter dem tapferen Georg Alapi
Hess auch nach Abzug Tomori's den Muth nicht sinken und zog sich,
als es bei einem zweiten Sturm den Türken gelungen war. in die
untere Stadt einzudringen, in das Schloss — jetzt die obere Festung
— zurück. Der Grossvezier, nun überzeugt, dass selbes nicht so
leicht zu nehmen wäre, als er dachte, entschloss sich nun zu einer
regelmässigen Belagerung. Nach mehrtägiger Beschiessung stürzten
einige grössere Gebäude in der Festung zusammen und an mehreren
Stellen wurden die Stadtmauern durchbrochen. Trotzdem schlug die
Besatzung noch zwei Stürme zurück und versuchte einen Ausfall, bei
welchem dem Feinde grosse Verluste beigebracht wurden. Als aber
der Grossvezier unter den Mauern des Schlosses Minen anlegte, und
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am 28. Juli — dem zwölften Tag der Belagerung — durch das Auf-
flattern derselben unter der Besatzung grosse Verwirrung entstanden
Avar, ordnete er einen Hauptsturm an, dem das zusammengeschmolzene
Häuflein der Vertheidiger nicht widerstehen konnte. Jn erbittertem
Kampfe fand die Mehrzahl derselben den Tod, nur 90 Mann hatten
sich in einen Thurm zurückgezogen und setzten hier den Widerstand
fort; als ihnen der Grossvezier freien Abzug zusicherte, legten auch
sie die Waffen nieder.
Am 30. Juli langte der Sultan vor Peterwardein an. Schon der
Ueberbringer der Nachricht vom Falle der Festung wurde reich be-
schenkt. Unter Vortragung von 500 aufgespiessten Köpfen zog Ibrahim
dem Padischah entgegen; die Eroberer wurden reichlich belohnt. Zu-
gleich traf hier die Nachricht von der Einnahme von Mitrowitz durch
bosnische Bege ein.
Das Lager der Türken hatte sich von Peterwardein längs der
Donau bis Illok hingezogen. Durch den hartnäckigen Widerstand
Peterwardeins gewarnt, beschloss der Grossvezier, das Schloss von
Illok regelmässig zu belagern. Nachdem dasselbe durch mehrtägige
Beschiessung erheblichen Schaden gelitten hatte und ein Entsatz nicht
zu hoffen war, Hess sich die Besatzung — wahrscheinlich jene 300 Mann,
welche der Nuntius kürzlich dahin gesendet hatte — in Unterhandlungen
ein. Der Grossvezier sicherte ihr freien Abzug zu, und der Sultan
beschenkte zwölf Mann derselben mit Kaftanen.
Zur selben Zeit erschienen Abgesandte der Besatzung des Schlosses
Erdöd und der Bevölkerung von Essegg im türkischen Lager, über-
reichten die Schlüssel und baten um Schonung. Am 9. August verliess
das Heer das Lager bei Illok und setzte den Marsch unter fort-
währenden Regengüssen, welche die Strassen fast ungangbar machten,
gegen Essegg fort.
Während die Besatzung von Peterwardein den Entscheidungs-
kampf kämpfte und Tomori in Bäcs mit Ungeduld die Ankunft des
Entsatzheeres erwartete, entschloss sich der König endlich, ins Feld
zu ziehen, und brach auf Drängen des Adels am 20, Juli an der Spitze
von kaum 4000 Mann — darunter bei 600 Böhmen und Mährer —
aus der Ofner Festung gegen Tolna auf, wo das Heer sich sammeln
sollte. Die Königin, der Primas, der Palatin und der Kanzler gaben
ihm das Geleite. Langsame Bewegung in kurzen Tagmärschen sollte
den Magnaten Zeit lassen, dem Beispiele des Königs zu folgen, und
den Anschluss ihrer Banderien, sowie jener der Comitate, und die
— 232
Kalocsct
Földoär^
Fnks)^
Tohutk
Szegszccrdj
FUnfo BaUm
Kirchen a^JbatjDu-Szfikcsö
Ankunft der noch immer erhofften Hilfstruppen aus den Nachbarländern
ermöglichen.
Beim Aufbruche aus Ofen berechnete man. dass aus Unofarn
ohne Siebenbürgen ein Heer von 50.000. aus Böhmen und Mähren
bei 16.000 Bewaffnete zusammenkommen dürften. Durch das Fern-
bleiben der Croaten verminderte sich schon die Zahl der Ungarn.
Aus Böhmen traf nur jener Theil im Lager des Königs ein — wann
und wo ist unbestimmt — welcher Anfangs Juli von dort aus^ezosren
war. Bei selbem befand sich Heinrich von Rosenberg mit 600 Mann
Fussvolk und 200 schweren Reitern; er
erkrankte unterwegs und musste in Zwettl
zurückbleiben, wo er am 18. August
starb. Von Böhmen betheiligten sich
ferner noch: Graf Stephan Schlick,
Johann Bustehradsky von Kolowrat.
Burian von Gutstein, Heinrich Kutnauer
von Kutnow, Heinrich Hlozek von Zam-
bach und der Unterkämmerer Jakob
Kiszersky mit Leuten der Städte Saaz.
Laun, Kaaden, Brüx, Tabor und anderen,
während der grössere Theil, den der
Statthalter Lew von Rozmital erst nach
Befragen des Landtages am 18. Juli
abgehen und absichtlich so langsam
marschieren Hess, dass er zu spät kommen
musste, die ungarische Grenze gar nicht
überschritt.
In geringer Entfernung von der
Stadt, zu Erd, machte der König Halt
und nahm Abschied von der Königin, welche nach Ofen zurückkehrte.
Abermals wurde die Frage erörtert, wem man die Führung des
Heeres übertragen könne. Der Plan, drei Obercapitäne, den Palatin.
Tomori und Johann Zapolya, damit zu betrauen, wurde verworfen.
Den 25. Juli verlegte der König sein Quartier nach Ercsi. Hier
traf ihn auch der Bischof von Bosnien, welchen Tomori zur Betreibung
der schleunigen Absendung eines Entsatzheeres für Peterwardein ent-
sendet hatte. Tomori Hess dem König auch den Rath ertheilen, er möge,
falls er eine Hilfe nicht schicken könne, lieber mit dem Sultan Unter-
handlungen anknüpfen, und im schlimmsten Falle selbst durch Ver-
sprechen von Tribut ihn zum Rückzug bewegen. So berechtigt dieser
König Ludwig's II. Zug
nach Mohäcs,
_,_,_,_ Tomori's Rückzug von
Peterwardein
•— •— Sultan Suleiman's I. Zug
gegen Mohäcs
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Rath auch gewesen sein mag, so konnte ihn der König doch nicht
befolgen; der Adel, der sich stets einem Friedensschluss widersetzt hatte,
würde einen Frieden unter so demüthigenden Bedingungen als Landes-
verrath betrachtet und das Land leicht in noch grössere Gefahr ge-
stürzt haben, als wie sie vom Feinde drohte. Man einigte sich deshalb
in dem Beschlüsse, der Palatin solle voraus nach Tolna eilen, und
sich dort mit Tomori vereinigen; der König aber setze seinen Vor-
marsch fort, und kämpfe dann in offener Feldschlacht mit dem
Feinde.
Einige Tage später traf im Lager des Königs aus Siebenbürgen
die Meldung ein, dass Johann Zapolya bereit sei, die Befehle des
Königs zu vollführen, aber nicht wisse, was er thun solle; erstlich habe
man ihn nach Ofen berufen, dann nach der Walachei geschickt, damit
er im Vereine mit den Woywoden der Moldau und Walachei dem
Sultan in den Rücken falle, ^) und der jüngste Befehl beseheide ihn
nach Tolna. Er bitte deshalb um bestimmte Weisungen, und führte
zugleich an, dass der Feldzug in die Walachei bereits unausführbar
sei, da der dortige Woywode mittlerweile gezwungen worden war.
seinen Sohn als Geisel in das Lager des Sultans zu schicken.
Schon am 19. Juli war von Ofen Stephan Bathory, der Sohn
des Palatins, an Zapolya gesendet worden, mit dem bestimmten Befehl,
sein Heer, das bei 40.000 Mann zählte, nach Tolna zu führen. Wenn
Zapolj^a noch nicht aufgebrochen war, so musste ihn dieser Befehl
spätestens am 24. Juli in Weissenburg getroffen haben. Nun wurde
noch der Propst Statilio mit dem nachdrücklichen Befehl des Königs,
in Eilmärschen nach Tolna zu ziehen und unterwegs noch alle waffen-
fähige Mannschaft mitzunehmen, an Zapolya gesendet. Wenn der letzte
Befehl nicht überhaupt zu spät kam, um die Lage des königlichen
Heeres wesentlich zu beeinflussen, so sah sich Zapolya auch nicht
veranlasst, seinen Marsch zu beschleunigen, und blieb vorläufig in
Szegedin stehen.
Die gegen Zapolya erhobene Beschuldigung, dass er es mit
dem Sultan gehalten habe, ist zwar nicht erwiesen, dass er aber
^) Der jugendliche Woywode der Moldau berichtete im Juli 1526, dass er nach
dem vom Sultan erhaltenen Befehle mit seinem IJeere in das türkische Lager eilen
solle; er werde aber nicht gehorchen, sondern sei bereit, mit dem Woywoden der
Walachei gegen den Sultan ins Feld zu ziehen und sich an der Donau mit Zapolya
zu vereinigen, damit sie dann den Sultan im Rücken angreifen oder ihn zum Rückzug
zwingen könnten. Die Anhänglichkeit der beiden Woywoden an die ungarische Krone
war nicht über jeden Zweifel erhaben, weshalb das Project misstrauisch aufgenommen»
schliesslich aber doch Zapolya beauftragt wurde, in die Walachei einzufallen.
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die Lage des Königs mit Schadenfreude betrachtete, vielleicht auch aus
derselben Nutzen zu ziehen hoffte, ist nicht zu bezweifeln.')
Der König setzte den Marsch über Adony, Duna-Pentele und
Földvar fort und erreichte am 4. August Paks. Hier erhielt er die
Kunde vom Falle Peterwardeins. Diese Trauerbotschaft verbreitete sich
eiligst im ganzen Lande. Unter Herumtragung eines blutigen Schwertes
— einer alten ungarischen Sitte entsprechend — wurden in den Comi-
taten die Stände aufgefordert, jetzt, in der Stunde der höchsten Gefahr,
sämmtliche Unterthanen zu bewaffnen.
Am 6. August traf der König in Tolna ein. Er bezog mit seinem
Hofstaate die nahe gelegene Ortschaft St. Georgen; seine Truppen
lagerten in der Stadt und Umgebung. Jetzt sammelten sich allmählich
geistliche und weltliche Herren im Lager daselbst. Es erschienen:
Georg Zapolya, der Bruder des Woywoden, mit meist in Mähren und
Ober-Ungarn angeworbenen 1100 Reitern und 300 Mann'Fussvolk, der
Erlauer Bischof Paul Varday, der Grosswardeiner Bischof Franz Perenyi
und andere; die Comitate dagegen bekundeten keinen grossen Eifer
in ihren Rüstungen.
Der Nuntius, welcher in Ofen geblieben war, bemühte sich auch,
mit päpstlichem Gelde Leute anzuwerben, und sandte noch einige
Tausend Mann Fussvolk, dem ein dreimonatlicher Sold ausbezahlt
wurde, dem König nach. Eine von ihm angeworbene Schar von
1500 Reitern wurde von dem Polen Leonhard Gnojensky befehligt.
Die von Burgio angeworbenen Truppen bestanden meist aus aus-
gesuchten Leuten, und waren am besten ausgerüstet, während die
Disciplin der übrigen Truppen viel zu wünschen übrig liess. Die Fälle,
dass Söldner, nachdem sie ihre Löhnung empfangen hatten, die Fahne
verliessen und nach Hause liefen, waren nicht selten. Burgio selbst,
der den Vorgängen im Lager nicht ohne bange Sorge folgte, entschloss
sich, dem König nachzufolgen; allein die in Ofen noch anwesenden
'') Erzherzog Ferdinand, dem später Zapolya ah Rivale gegenüberstand, sagt
von ihm, dass er. von Herrschsucht getrieben, dem Befehle des Königs nicht gehorcht,
den zweifelhaften Ausgang des Krieges aus der Ferne beobachtet habe, und durch
seine absichtliche Verspätung der Urheber des Verderbens bei Mohacs geworden sei.
Würde Ferdinand nur den mindesten Beweis gehabt haben, dass Zapolya mit dem
Sultan gegen den König conspiriert habe, so würde er auch nicht versäumt haben,
diese Anschuldigung an massgebender Stelle vorzubringen. Massaro, ein italienischer
Agent, der mit Zapolya in freundschaftlichen Beziehungen stand, sagte schon im
Jahre 152B von ihm, dass er gerne sehen würde, wenn das Reich in Gefahr käme,
damit er dasselbe mit Hilfe der Siebenbürger erretten und für sich den ungarischen
Thron gewinnen könne.
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Magnaten machten darauf aufmerksam, dass man im Lager Geld von
ihm verlangen werde, und wenn er keines habe, werde er von Seite
des ungezügelten Haufens der Edelleute Beleidigungen ausgesetzt sein.
In der Ueberzeugung, dass er auch in Ofen wichtige Aufgaben zu
erfüllen habe, entschloss er sich, an der Seite der Königin zu bleiben.
Um seiner Entfernung, wenn ihm Gefahr drohte, oder er auch sonst
sie für wünschenswert hielt, nicht den Anschein einer Flucht oder
einer Preisgebung des Landes zn geben, erhielt er vom Papste die
Weisung, nach Polen zu gehen, um dort Hilfe für Ungarn zu erwirken,
später aber nach Rom zurückzukehren. Burgio dankte dem Papst für
seine Fürsorge, erwiderte aber: »er halte jetzt, nachdem das türkische
Heer so nahe sei, es für seine Pflicht, den Ausgang des Feldzuges in
Ungarn abzuwarten. Er kenne ganz wohl die Gefahr, welcher er aus-
gesetzt sei; an selbe sei aber nicht zu denken, sobald die Ehre in Frage
stehe. Wenn der König sich zur Annahme einer Schlacht entscheide,
werde er dabei nicht fehlen.« Die unerwartet rasche Entwicklung der
Ereignisse verhinderte die Verwirklichung dieser Absicht.
Im Lager za Tolna wurden die Berathungen über die Fest-
stellung des Kriegsplanes gepflogen. Die Meisten verlangten, dass der
König an die Drau ziehen und dort dem Sultan eine Schlacht liefern
sollte. Die Macht des Feindes wurde unterschätzt, die eigenen Kräfte
aber viel zu hoch angeschlagen. Der Kanzler Brodaric mahnte zur
Vorsicht und schlug vor, der König möge in Tolna bleiben, der Palatin
dagegen bis an die Drau vorgehen.
Der König billigte diesen Rath mit dem Hintergedanken, dass,
falls es dem Palatin nicht gelingen sollte, den Sultan an der Drau
aufzuhalten, er nach Croatien ziehe, wo er in den von Frangepan
gesammelten Truppen und den mit österreichischen Besatzungen ver-
sehenen Festungen einen sicheren Halt linden, vielleicht auch die
türkische Macht theilen oder ihrem Stosse eine andere Richtung geben
könne. Brodaric blieb aber mit seinem Vorschlage allein, man nannte
ihn feige und furchtsam, so dass der König die Zustimmung zum
Zuge des Palatins nur durch das Versprechen, ihm einige Tage später
folgen zu wollen, erlangen konnte. Doch auch in dieser Weise vollzog
der Palatin den Befehl nicht; die Edelleute, welche mit ihm ziehen
sollten, erklärten, sie gehen im Sinne ihrer Privilegien nur unter der
Führung des Königs gegen den Feind. Diese Aeusserung brachte eine
Deputation dem König mit dem Beifügen: »Wie das türkische Heer
vom Sultan geführt wird, so möge auch der König sich an die Spitze
des ungarischen Heeres stellen.« In drohendem Tone verlangte der
— 2-66 -
Sprecher eine Antwort, ob der König bereit sei, sich zu schlagen;
wenn nicht, würden sie selber für die Vertheidigung des Landes
Sorge tragen.
Der König verbarg seine Aufregung nicht und erwiderte gereizt:
j Jedermann sucht hinter mir Schutz und Ausflucht, ich bin bereit,
mich für das Land jeder Gefahr auszusetzen. Damit Niemand seine
Feigheit dadurch decke, oder die Verantwortung auf mich schiebe, so
werde ich mit Gottes Hilfe morgen aufbrechen und dahin gehen, wo-
hin man ohne mich nicht gehen will.«
In der That verlegte der König am 14. August sein Lager nach
Szegszard. am 16. nach Batta, von hier sandte er den Bischof von
Erlau mit einem Auftrage nach Ofen; um den Schein der Feigheit
von sich abzuwälzen, liess sich derselbe ein Zeugniss ausstellen, dass
er sich gegen seinen Willen aus dem Lager entferne.*)
Nachdem vorauszusehen war, dass nur wenige Tage das Heer
von einem Zusammenstosse mit dem Feinde trennen, konnte man die
Bestellung eines obersten Feldherrn nicht länger hinausschieben. Johann
Zapolya, wohl der geeignetste Mann, war noch nicht zugegen; ob er
rechtzeitig eintreffen könne und auch wolle, schien zweifelhaft. Bathory.
als Palatin zur Uebernahme des Oberbefehls berufen, hatte seine Un-
fähigkeit eben zu deutlich dargethan. Nach Anhören seiner Umgebung
betraute endlich der König den Erzbischof Paul Tomori mit dem Ober-
befehl und gab ihm den Bruder des Siebenbürger Woywoden, Georg
Zapolya, bei. Tomori, von den Türken gefürchtet und im kleinen
Kriege wohl bewährt, fühlte sich seiner Aufgabe nicht gewachsen, er
bat den König vergeblich, diese verantwortliche Stellung ablehnen zu
dürfen, und Zapolya mag wohl darauf vertraut haben, dass sein Bruder
noch rechtzeitig eintreffen werde, worauf er sich in den Hintergrund
zurückziehen könne.
Da die Umgebung von Batta zur Entwicklung des zur Hälfte
aus Reiterei bestehenden Heeres zu wenig Raum bot, wurde beschlossen,
bei Mohacs ein Lager zu beziehen und den Feind in der Ebene,
welche sich um diesen Ort ausbreitet, zu erwarten.
Nachdem die Türken die Richtung gegen Essegg eingeschlagen
hatten, waren Tomoris Truppen bei Bezdan auf das rechte Donau-
ufer übergegangen und standen bereits mit den von Peter Perenyi
aus der Temeser Gebend herbeigeführten Mannschaften — zusammen
^) Eine ähnliche Erklärung hatte der König dem Alexius Thurzo ausgestellt,
den er mit seinen Truppen bei der Königin liess, damit er sie im Nothfalle in Sicher-
heit bringen könne.
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bei 6000 Mann — bei Baranyavar, 24 Kilometer südlich von Mohäcs,
wo sie den Anschluss an das Lager des Königs suchen sollten. Der
König selbst verblieb vorläufig in Duna-Szekcsö, 13 Kilometer nörd-
lich von Mohacs zurück, weil sein Gepäck noch nicht angelangt war;
der Verkehr des Königs mit dem Heere war hiedurch wesentlich be-
einträchtigt.
Flüchtlinge und Spione hatten aus dem türkischen Lager die
Nachricht verbreitet, dass das türkische Heer meist aus feigem Gesindel
bestehe, von welchem kaum jeder zehnte Mann bewaffnet sei, und dass
die türkischen Geschütze zumeist von Christen — Deutschen und
Italienern — bedient würden, welche sie im entscheidenden Augen-
blick gegen die eigenen Truppen richten würden. Dass derartige Nach-
richten in der grossen Menge Glauben fanden, ist wohl begreiflich,
unwahrscheinlich aber, dass auch Tomori diesen Glauben getheilt haben
soll;^) doch dürfte er der allgemeinen Meinung im ungarischen Heere
ernstlich entgegenzutreten, nicht mehr für rathsam gehalten haben. Man
hielt sich in seinem Lager des Sieges gewiss, sprach nur mit Ver-
achtung von den Türken und brandmarkte alle, welche einen Zusammen-
stoss mit dem Feinde verzögerten, als Feiglinge und Verräther. Im
Befehle, sich in das Lager bei Mohäcs zu begeben, erblickten sie eine
Hinterlist; man wolle sie vom Feinde entfernen; die an Unthätigkeit
gewöhnten Herren denken an die Flucht; der König möge zu ihnen
kommen und den Kampf je eher beginnen. Sie baten Tomori, dass
er den König aus dem Kreise der unfähigen Pfafi'en und der kampf-
scheuen Herren befreien möge. ^^)
Das türkische Heer, welches am 8. August von Illok aufgebrochen
war und des anhaltenden Regenwetters sowie der schlechten Strassen
halber sich nur sehr langsam bewegen konnte, zog, ohne ferner Wider-
^) Fraknoi, »Ungarn vor der Schlacht bei Mohacs«, sagt: »Auch Tomori
stimmte den Nachrichten bei.«
'") Die Abneigung der Truppen Tomori's, sich mit den Truppen des Königs
bei Mohäcs zu vereinen, mag wohl in dem Umstände eine nicht unberechtigte Be-
gründung finden, dass man der Entwicklung des türkischen Heeres beim Austritt aus
den Sümpfen zwischen der Donau und Drau viel wirksamer entgegentreten konnte
wie in der Ebene. Kapolnai, »A Mohäcsi hadjärat«, S. 200, sagt: »das türkische Heer
zwischen Darda und Bellye hätte sich in sehr ungünstiger Lage befunden«, und
meint, »wenn der König Tomori's Rath befolgt und vor Baranyavar die Spitze der
feindlichen Colonnen aufgehalten hätte, so würden die Türken einen empfindlichen
Verlust erlitten und kaum einen Sieg errungen haben«. Dass die Truppen Tomori's meist
aus der Donaugegend waren und sie ihre Güter, ihren häuslichen Herd nicht der
Verwüstung des Feindes preisgeben wollten, mag auch zu dem Wunsche, hier, und
nicht erst im Innern des Landes den Feind zu bekämpfen, beigetragen haben.
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stand zu finden, erst am 13. August in Essegg ein. Der Bau einer
Brücke über die Drau, mit dem von Belgrad heraufgebrachten vor-
bereiteten Materiale, wurde sogleich begonnen. Um den Brückenschlag
zu beschleunigen, Hess der Sultan sein Zelt an dem Ufer des Flusses
aufschlagen. Nach fünf Tagen war die Brücke in der Länge von
200 Meter vollendet. Am 20. August übersetzte die erste türkische
Abtheilung den Fluss und vertrieb den am jenseitigen Ufer lagernden
ungarischen Posten. ^^) Nach Uebergang des ganzen türkischen Heeres, den
22. August, wurde Essegg verbrannt, und die Brücke zerstört, um
sowohl dem eigenen Heere den Rückzug, als auch einem etwa aus
Croatien kommenden Feinde das Ueberschreiten des Flusses unmöglich
zu machen.
Als die Nachricht von der Annäherung der Türken in das Lager
der Ungarn gelangte, machte sich in der Umgebung des Königs, haupt-
sächlich unter dem Einflüsse des Kanzlers Brodaric und wohl auch
in Folge der unabhängig von einander angelangten Meldungen Johann
Zapolya's und Christoph Frangepan's, dass sie rechtzeitig im Lager
des Königs nicht eintreffen können, die Ansicht geltend, dass es rath-
sam wäre, sich nach Ofen zurückzuziehen und dort die Ankunft der
in Ober-Ungarn und um Stuhl weissenburg sich sammelnden Banderien
sowie der aus Oesterreich, Böhmen und Mähren anrückenden Söldner-
scharen abzuwarten, und nicht hier mit so geringen Kräften eine
Schlacht zu wagen, in welcher der König, sowie das Land der grössten
Gefahr ausgesetzt wären. Johann Zäpolya, den der von Ercsy aus ab-
gesendete Befehl, sich dem Heere des Königs in Tolna anzuschliessen,
noch in Weissenburg fand, hätte rechtzeitig selbst mit Aufbietung aller
Kräfte kaum eintrefien können.
Noch am 25. August suchte der Kanzler die Herren im Lager
für seine Ansicht zu gewinnen; hier war aber Kampflust und Selbst-
überschätzung vorherrschend, und wirkungslos verklang daher jede ver-
nünftige Warnung.
Um über das weitere Vorgehen einen Beschluss zu fassen, berief
nun der König die Feldhauptleute und Herren zu einer Berathung;'2j
") Frakn6i, »Ungarn vor der Schlacht bei Mohäcs«, S. 299, sagt: »Tomori
wäre am 18. August mit .5000 Mann gegen Essegg gezogen, um dem Sultan den
Uebergang über die Drau zu verwehren, nachdem aber am 20. das türkische Heer
schon zum Theile am linken Ufer stand, wäre er wieder nach Barsnyavär zurück-
g'ekehrt.«
'-) Fraknoi, »Ungarn vor der Schlacht bei Mohacs«, S. 300, verlegt diese
Berathung auf den 26. August, nachdem aber an diesem Tage die Türken schon bei
Baranyavär anlangten, müsste sie spätestens schon den 25. stattgehabt haben.
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auf des Königs bestimmte Frage: »Soll eine Schlacht angenommen oder
vertagt werden?« sprach die grosse Menge, Tomori an der Spitze,
sich gegen jede Vertagung aus. Auf die Frage, wie gross Tomori die
Stärke des Feindes schütze, erwiderte dieser: »Das gesammte ungarische
Heer betrage wohl kaum mehr 20.000 Mann, das des Feindes wohl
300.000 Mann, vor dieser Zahl dürfe man aber nicht erschrecken, denn
es wäre meist feiges Gesindel, während das auserlesene Kriegs volk dar-
unter kaum auf 70.000 Mann zu schätzen wäre.« Tomori mag. als
er die Annahme einer Schlacht für unvermeidlich erklärte, wohl nur
der allgemeinen Stimmung Rechnung getragen haben. Die Stärke des
türkischen Heeres mag Tomori wohl übertrieben geschätzt haben; wenn
dieselbe auch schon beim Ausmarsche 100.000 Mann betragen hat, und
der Zufluss an Mannschaft bis zum Uebergange über die Save nicht
unbedeutend war, so ist doch hievon eine grosse Zahl als Diener u. dgl.
in Abschlag zu bringen; gegen 60.000 bis 70.000 Mann mag der
Gefechtsstand aber immerhin noch betragen haben. '^)
Während der Berathung kamen aus Tomori's Lager Boten, die
zuerst den König allein zu sprechen verlangten, dann aber vor dem
Kriegsrathe erschienen und forderten, sich der Schlacht nicht weiter zu
widersetzen. Sie erklärten: »Der Sieg ist unser, wir wissen, worin die
Macht der Türken besteht, benützen wir das Glück, welches die Gnade
Gottes uns bietet! Kommt mit dem König in unser Lager, das dem Feinde
näher liegt wie eures und zum Angriffe geeigneter ist! Wer es wagt^
dem König: anders zu rathen. den hauen wir in Stücke, und wenn
ihr länger zögert, zerstören wir euer Lager!« Diese Drohung machte
alle verstummen, wenn sie so vermessene Hoffnungen auch nicht theilten.
Es wurde nun beschlossen, dass der König die Schlacht annehme,
jedoch auf dem Felde von Mohacs.^-*) Tomori eilte nun in sein Lager
und erklärte, dass eine Schlacht auf dem Felde von Mohäcs ange-
nommen würde; er wurde mit Jubel empfangen, und seine Truppen
fanden sich auch bereit, sich dem Lager des Königs anzuschliessen.
'2) Kapolnai, »A Mohäcsi badjärat', S.192, sagt: »Gleichzeitige Geschichtsschreiber
schätzen zwar das türkische Heer auf 100.000 Mann und 300 Geschütze, da aber bei
dem zum grossen Theil aus Lehenstruppen bestehenden Heere zwei Drittheile auf
Diener, Fuhrleute etc. zu rechnen sind, kann man als Gefechtsstand nur 30.000 bis
■40.000 Mann annehmen.« Da man die Lehenstruppen, die zum grössten Theil in
beständigem Kampfe an den Grenzen verwendet waren, doch auch zu den kriegsgeübten
Truppen rechnen muss, halte ich diese Schätzung für zu gering.
") Bischof Perenyi sagte nach dieser Scene zum König: »Am Tage der Schlacht
wird der Bruder Paul (Tomori) mit 20.000 Ungarn in das Himmelreich eingehen, möge
doch Eure Majestät den Kanzler Brodariii nach Kom senden, damit der Papst diesen
Tag als das Fest der 20.000 ungarischen Märtyrer in das Brevier eintrage.«
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In den letzten Tagen kamen auch Schiffe mit Kanonen — dar-
unter neun von Wien gesendete — und das Gepäck des Königs an,
der sich nun erst nach Mohacs begab. Auch noch andere Verstärkungen
langten an; Alexius Thurzö brachte 200 Schützen; Franz Batthyany,
der Ban von Croatien, Johann Tahy, der Prior von Vrana. Johann
Banffy und Andere rückten mit 3000 Reitern und einigem Fussvolk,
Simon P]rdödy. Bischof von Agram, und sein Bruder Peter mit
700 Croaten ein. Johann Bornemisza schickte mit Stephan Azel
300 Reiter; Johann Szerecsen führte mehrere hundert Mann aus Fünf-
kirchen herbei, '') wodurch die Zahl der Streiter auf ungefähr 28.000
— darunter die Hälfte Reiter — und die der Geschütze auf 80 anwuchs.
Das türkische Heer hatte nach dem 20. August den Vormarsch
von Essegg angetreten und setzte ihn unter den ungünstigsten Ver-
hältnissen fort. Der anhaltende Regen verwandelte die ganze Gegend
zwischen der Donau und Drau nahezu in einen Sumpf, aus dem nur
die auf Elrdwellen liegenden Dörfer hervorragten. Erst den 26. August
langte das Heer, nachdem es eine kaum 30 Kilometer weite Strecke
zurückgelegt hatte, bei Baranyavar an. Der ausgetretene Karasicza-
bach konnte nur hier überschritten werden. Der Sultan musste daher
das aiif mehreren Wegen vorrückende Heer hier sammeln und hielt im
Lager daselbst zwei Rasttage.
Am rechten Ufer der Donau liegt Mohäcs, am Rande einer bis
10.000 Schritte nach Westen ausgebreiteten Ebene, welche oberhalb
bei der Mündung des Baches Csele in den Strom beginnt und unter-
halb am Karasiczabach endet. Im Osten wird diese Ebene von der
in mehrere Arme gespaltenen Donau uud ihrem Ueberschwemmungs-
gebiete begrenzt, das — seither durch Abzugsgräben trocken gelegt
— damals versumpft und von mehreren todten Armen durchzogen,
zum Theil bewaldet war. Im Westen der Ebene zieht sich eine 30 bis
40 Meter hohe, durch mehrere Einschnitte durchbrochene Erderhebung
hin. auf welcher jetzt die Orte Lanczuk, Nagy-Nyarad, Maisz liegen,
und einst eine Kirche mit mehreren Häusern stand, die von den Türken
»Pusu kilise«, d.i. »Kirche des Hinterhaltes«, genannt wurde, welcher
Name der Gegend bis heute als »Buziglica« blieb; *^) hier senkt sich
'^) Der Sage nach soüen es Studenten gewesen sein;- die Reste der Fahne,
welche sie geführt haben sollen, werden noch heute in der Domkirclie zu Fünfkirchen
vorgezeigt.
^'') Noch sind Fundamente zu finden, welche den einstigen Bestand eines
grosseren Gebäudes, vielleicht Klosters, und einer Kirche sowie einiger Wohnhäuser
anzeigen, auch werden Gruben zur Aufbewahrung des Getreides — Silos — wie sie
jetzt noch in Ungarn gebräuchlich sind, gefunden.
- 2-11 —
die Strasse von Baranyavnr gegen Mohacs in die Ebene herab.
Wo diese Strasse das Uebersebwemmungsgebiet der Donau be-
rührt, führt sie an einem jetzt Türkenhügel genannten, bei fünf Meter
hohen Erdaufwurf vorüber, von dessen Höhe man den gegen Mohäcs
gelegenen Theil der Ebene übersieht. Die Ebene — jetzt durch Drainage-
Gräben geregelt, und meist Ackerboden — war mit Feldern und Hut-
weiden, zum Theil auch mit Wald bedeckt. Ein geschlossener, grösserer
Wald bedeckte einen Theil der Ebene zwischen Mohacs und Lancsuk
längs der Strasse gegen Fünfkirchen, welcher als Thiergarten des
Bischofs benannt wurde, ^''j Auf dem südlichen Theil der Ebene war
längs des Fusses der Erderhebiing sowie von der Nyarader Höhe bis
zur Donauniederung Wald, welcher sich bis gegen Földvär (Satoristie)
hinzog. '^)
Obwohl man das türkische Heer in der Nähe wusste — schon
seit 26. August fanden Zusammenstösse zwischen streifenden türki-
schen Horden und den ungarischen Vorposten statt — hatte man am»
28. August im ungarischen Lager doch keine genauere Kenntniss über
die Vorgänge im Feindeslager; dass das türkische Heer am nächsten
Tage aufbrechen würde und dann eine Schlacht unmittelbar bevorstände.
war wohl vorauszusehen.
Tomori setzte nun mit den Feldhauptleuten den Schlachtplan
fest. Die Fremden, welche dem Kriegsrath beiwohnten, besonders der
Pole Grnojenski, erwogen in nüchterner Weise die Fälle der Schlacht
und gaben den Rath, aus der grossen Anzahl von Fuhrwerken, welche
das Heer begleiteten, eine Wagenburg zu errichten und unter deren
Schutz den Angriff abzuwarten. Die ungarischen Herren aber legten
wenig Gewicht darauf; sie meinten, dass hiezu auch nicht mehr Zeit
wäre, und beschlossen, dem Feinde in offenem Felde entgegenzutreten.
Unter dem Eindrucke der über das türkische Heer verbreiteten Nach-
richten rechnete man auf sicheren Erfolg und glaubte weniger durch
entsprechende taktische Verfügungen, als durch muthiges Vorgehen
im ersten kräftigen Anstürme die Schlacht zur Entscheidung bringen
zu können.
Zur Aufstellung des ungarischen Heeres wurde die Ebene südlich
von Mohacs zwischen den Orten N.-Nyarad und Kölked gewählt. Der
*'') Fraknöi, »Ungarn vor der Schlacht bei Mohäcs«, S. 305, sagt: »wo
heute der Thiergarten des Bischofs von Fünfkirchen sich befindet« ; die Lage dieses
Thiergartens, dessen letzter Rest noch als »Körtvelyer Eevier-ä; besteht, ist nur mehr
in der Erinnerung der ältesten Leute bekannt.
'^) Noch Karten und Ansichten avis dein vorigen Jahrhundert bringen diese
Waldpartien.
Kupel wieser, Ungarns Kämpfe mit den Osmaneii. 2. Aufl. lli
242 —
Schlacht bei Mohäcs, 29. August 1526.
Uebersichtskarte.
Bewegung während der
Schlacht.
1', 2', 3' Angriff des ersten Treffens der
Ungarn.
e', /' Vorrückung Balibeg's und Chosrev-
beg's.
SteUung heider Heere
zu
Beginn der Schlacht.
Ungarn
Annähernder
Gefechtsstand
Erstes Treffen.
1. Rechter PlÜKel unter
Battyäny und Tahy .
2. Cenirum unter dem
Oberbefehl . . . .
3. Linker Flügel unter
Herenyi
Zweites Treffen.
i. Kämmerer des Königs
unter Tarozay . . .
5. Rannerhenen unter
Korlatkövy . . . .
6. Söldner unter Trepka
und Schlick . . . .
7. Banrierinm des Königs
unter Dragfy . . .
8. Leichte Truppen . .
Lager.
9. Landsknechte . . .
Türken
Erstes Treffen
unter Ibrahim Pascha
a) Ruiuelier
b; Janitscharen . . . .
Zweites Treffen
^lnter B'-hram Pascha
c) Janitscharen . . . .
d) Anatolier
Seiten-Colonne.
e) Rosnische Reiter unter
Balibeg ....
f) Bosnische Heiter unter
Chosrevbeg .
g) Gelolgp de-i Sultans .
3000
3000
3000
1000
10000
2000
5000
1000
Zusammen
140U0 481)00 300
Schlacht
bei
Mohäcs.
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Mohacs
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— 244 —
linke Flügel lehnte sich an die Donauniederung, den rechten Flügel
glaubte man durch die möglichste Ausdehnung der Schlachtlinie hin-
reichend gesichert und unterliess daher, die Erhebung gegen N.-Nyarad
besonders zu beachten.
Dass man auch die Möglichkeit eines ungünstigen Ausganges
der Schlacht im Auge hatte, zeigen die für diesen Fall zur Rettung
des Königs getroffenen Vorkehrungen. Einige meinten, man solle dem
König entfernt vom Schlachtfelde einen Standort anweisen, wogegen
eingewendet wurde, das Heer wünsche ihn in seinen Reihen zu sehen.
Der Vorschlag, jemand von ähnlichem Aussehen in des Königs Rüstung
zu stecken, wurde als desselben unwürdig verworfen. Endlich kam
man überein, dass Caspar Ratkay, Valentin Török und Johann Kallav,
die Ludwig's Vertrauen genossen, ihn während der Schlacht hüten
und im Falle eines üblen Ausganges aus derselben geleiten sollten.
Am 29. August — einem schönen Sommermorgen nach lange
anhaltendem Regen — bezogen die Truppen die ihnen angewiesenen
Plätze. Im ersten Treffen wurde das Fussvolk, bei 10.000 Mann, in
langer dünner Reihe, vor demselben und in den Zwischenräumen ver-
theilt die 80 Geschütze aufgestellt. Als Führer werden genannt Anton
Palöczy, Franz Drugeht, Gabriel Perenyi, Thomas Szecsy, Andreas
Bathory und Emerich Czibak. An beiden Flügeln standen Reiterhaufen,
ungefähr je 2000 Mann stark; der rechte von Batthyany und Tahy.
der linke von Peter Perenyi, dem Grafen von Temesvar, geführt. Das
ganze Treffen dürfte eine Ausdehnung von 4000 Schritten genommen
haben. Das Hintertreffen bestand zumeist aus Reiterei und nur wenigem
Fussvolk, das an den Flügeln vertheilt war. Die Reitermassen standen
hintereinander, in erster Reihe imter Führung Nikolaus Tarczay's, die
Kämmerer des Königs mit ihren Dienstmannen, '") in zweiter Reihe
die Barone mit ihren Kriegsleuten unter Korlatköv}^, in dritter Reihe
die Söldner aus Böhmen und Mähren unter Trepka und Schlick, jeder
der Reiterhaufen ungefähr 3000 Mann, endlich das Banderium des
Königs, 1000 gepanzerte Reiter mit der Reichsfahne unter dem ludex-
curiae Johann Dragfy; an den Flügeln vertheilt standen 2000 Mann
leichte Fusstruppen. Im Lager bei Mohäcs, ungefähr 5000 Schritte
südlich der Stadt.'-") um welches aus den vorhandenen 500 Fahrzeugen
eine Art Wagenburg hergestellt war, verblieben 2000 Landsknechte.
'■') Unter den »Kämmerern des Königs« dürften wohl die von den Krongütern
beigestellten Banderien zu verstehen sein, wärend das Banderium des Königs aus
angeworbenen, wohlausgerüsteten Keltern bestanden hat.
•") Brodaric sagt, das Lager w.äre zwei Meilen südlich von Mohäcs gewesen,
worunter er wohl italienisclie Miglien = 25*10 Schritte, gemeint haben dürfte.
^ 245 —
In der Umgebung König Ludwig's, der. sobald die Abtheilungen
in ihre Stellungen eingerückt waren, mit dem Palatin ihre Reihen
durchritt und an Truppen oder einzelne Leute einige aufmunternde
Worterichtete, während letzterer Ansprachen an das Heer hielt, befanden
sich die beiden Oberbefehlshaber, der Erzbischof von Gran, die
Bischöfe von Agram, Grosswardein, Fünfkirchen, Neutra, Raab, Waizen
und der Bischof von Bosnien, ferner der Palatin und der Kanzler
nebst mehreren weltlichen Bannerherren.
Das erste Treffen sollte den Kampf auf der ganzen Linie gleich-
zeitig beginnen und sich mit voller Kraft auf das Vordertreffen der
Türken werfen • Avürde letzteres — wie sicher erwartet wurde — im
ersten Anlauf geworfen, so sollten die Reitermassen eingreifen, mit
den Flüchtigen zugleich die rückwärtigen Treffen durchbrechen und
die Niederlage der Türken vollenden. Es sollte aber anders kommen!
Indessen waren die Türken am 29. August nach dem Gebete
mit Tagesanbruch aus dem Lager um Baranyavar aufgebrochen. Der
Sultan hatte nicht die Absicht, noch am selben Tage eine Schlacht
zu liefern, daher das Heer den Marsch in gewöhnlicher Ordnung
antrat. Die Grenzbege waren an der Spitze des Heeres: Balibeg von
Belgrad — wohl der hervorragendste von Suleiman's Heerführern —
mit 5000 ausgesuchten Reitern führte die Vorhut; diesem folgte Chos-
revbeg mit den bosnischen Lehenstruppen, 2') dann kam der Gross-
vezier Ibrahim mit 2000 mit Feuergewehren bewaffneten Janitscharen,
einem Theil der Geschütze und den übrigen rumelischen Truppen;
ferner Behram Pascha mit den anatolischen Truppen und den dazu-
gehörigen Geschützen; endlich der Sultan selbst mit dem Rest der
Janitscharen (bei 10.000 Mann) und der Geschütze, deren das
türkische Heer bei 300 hatte, von seinen sechs Rotten der regel-
mässigen Reiterei und seiner Leibwache umgeben. ^'^) Nachdem das
türkische Heer die Marschordnung möglichst einhielt, dürfte selbes
bei dem streitbaren Stand von 60.000 bis 70.000 Mann immerhin im
Marsche eine Ausdehnung von beiläufig 50.000 Schritten oder fünf
bis sechs Gehstunden benöthigt haben.
Balibeg hatte schon bei dem Abmärsche aus dem Lager den
Befehl erhalten, von Buziglica aus unter dem Schutze der die Ebene
^') Hammer, II, S. 52, verweist den Chosrevbeg in die Nachhut, während
in Suleiman's Tagebuch (Szuleiman Naploi, kS. 315) letzterer dem Balibeg folgte.
'-) Ueber die Vertheilung der Geschütze sprechen türkische Quellen sich nicht
genau aus, Käpolnai (S. 444) vertheilt sie gleichmässig zwischen den rumelischen und
anatolischen Truppen.
— 24G -
begrenzenden Erderhebung und der Wälder zur Bedrohung der rechten
Flanke des Feindes gegen N.-Nyarad vorzugehen und dort das Ein-
greifen der Hauptcolonnen abzuwarten. Ungefähr um 10 Uhr Vor-
mittags bei Buziglica angelangt, dürfte der Sultan erfahren haben,
dass das ungarische Herr kampfbereit vor Mohacs stehe. Im Kriegs-
rathe dürfte hier beschlossen Avorden sein, dass Chosrevbeg mit weiteren
5000 Mann der Vorhut Balibeg's folge, das Heer selbst aber gegen
Abend den Ungarn gegenüber ein Lager beziehe."^)
Unbemerkt von den Ungarn entwickelte sich nun das türkische
Heer während des Vormarsches; das erste Treffen, die Rumelier, blieb
durch den Wald gedeckt unter Waffen stehen, bis die Anatolier und
die Janitscharen sich entwickelt hatten. Als in den Nachmittagsstunden
ein heftiges Gewitter losbrach, das jede Bewegung erschwerte, ordnete
der Sultan an, den Wald zu verlassen und so weit vorzurücken,
um ein Lager beziehen zu können.
Beim ungarischen Heere verstrich der Tag in ungeduldiger Er-
wartung. Bald nach Sonnenaufgang trat wieder Regen ein und als in
den Nachmittagsstunden das Gewitter losbrach, wollten die unthätigen
und doch ermüdeten, auch zur Unbotmässigkeit geneigten Trappen
in der Meinung, die Türken wollten nicht mehr angreifen, schon in
das Lager zurückkehren. Endlich nahm man gegen N.-Nyarad, aus dem
dort gelegenen Walde kommend, einzelne Reiterhaufen wahr. Tomori
hielt dieselben nur für eine streifende Abtheilung, Avelche mit Um-
gehung des Heeres das Lager beunruhigen wollte, und entsendete mit
Zustimmung des Königs Ratkay nebst den übrigen Hütern desselben
mit einigen Reitern, um die vorbrechende Horde zu zerstreuen, dann
aber wieder in die Schlachtordnung zurückzukehren.
Als der Himmel sich wieder aufhellte, war das türkische Heer
aus dem Walde herausgetreten. Das erste Treffen — die Rumelier,
ein Theil der Janitscharen und der Geschütze unter Ibrahim Pascha —
war bis gegen Földvar vorgegangen. Im zweiten Treffen standen nebst
^^) Hammer, II, 52, fiibrt aus türkischen Quellen mit vielen unwesentlichen
Angaben die Abhaltung dieses Kriegsrathes an und verlegt ihn unmittelbar auf das
Gefechtsfeld, also viel zu spät, um noch Verfügungen treffen zu können. Hier mag
es auch gewesen sein, dass der Sultan — wie Hammer nach türkischen Quellen
berichtet — unter Jubelbezeugung des Heeres, mit erhobenen Händen den Beistand
Gottes anflehte. Hammer lässt auch das türkische Heer sich in drei Treffen entwickeln
— im Widerspruch mit dem Tagebuch Suleiman's — und bringt wie auch Kemal-
paschasade die Fabel, dass die beiden Vordertreffen den Befehl hatten, zurück-
zuweichen und sich zu öffnen, um den Feind vor dem letzten Treffen desto besser
vernichten zu können.
- 247 -
10.000 Janitscharen und den Geschützen die Anatolier unter Behram
Pascha, hinter denselben der Sultan mit seinem Gefolge.
Als nun die Ungarn das Vorgehen der Türken wahrnahmen,
eröffneten sie, in der Meinung, letztere wollten zum Angriff vorgehen,
den Kampf. Die Wirkung der ungarischen Geschütze scheint sich nun
als sehr ungenügend erwiesen zu haben, denn Tomori gab sogleich
das Zeichen zum Angriff. 2^) Das Mitteltreffen, dem der linke Flügel
folgte, stürzte sich nun auf die Rumelier, die, eben im Begriffe zu
lagern, ihr Gepäck ablegten und die Tragthiere zurückschickten. Ganz
unvorbereitet, wurden sie mit leichter Mühe in die Flucht getrieben.
Andreas Bathory, des Palatins Bruder, eilte nun unter dem Ein-
dracke des augenblicklichen Erfolges mit dem Rufe zurück: »Die
Feinde fliehen, unser ist der Sieg!« Die Reitermassen griffen nun in
das Gefecht ein. Hat Tomori oder der König den Befehl hiezu er-
theilt? Sind sie, den geträumten sicheren Erfolg vor Augen, aus
eigenem Antriebe vorgegangen? und: Wie haben sich die hinter-
einanderstehenden Reitermassen zum Gefechte entwickelt? Das sind
Fragen, die nun nicht mehr beantwortet werden können! Thatsache
ist, dass von diesem Augenblicke an jede Leitung der Schlacht ver-
loren war.
Die Reitermassen warfen sich nun auf das zweite indessen ge-
ordnete Treffen der Türken. Einzelne Reiter drangen sogar bis in die
Nähe des Sultans vor, wo sie von seinen Leibwachen niedergemacht
wurden.-'"') Hier wurden sie aber von dem im Feuergefechte wohl-
geübten Janitscharen, sowie von den vor selben stehenden Geschützen,
welche mit ihren durch Ketten verhängten Fahrzeugen eine Art
Barricade bildeten, mit so heftigem Feuer überschüttet, dass ein
weiteres Vordringen unmöglich war. Nur kurze Zeit kam der Kampf
zum Stehen; was von den Ungarn dem heftigen Feuer nicht erlag,
musste aber bald die Flucht ergreifen.
Während des Vorganges bei dem Mitteltreffen und des Ein-
greifens der Reitermassen wurde der rechte Flügel der Ungarn nur zu
bald gewahr, dass von den Nyarader Höhen nicht einzelne Schwärme
vorgehen, sondern ein ernster Angriff zu erwarten war, der seine
rechte Flanke sowie den Rücken bedrohte. Er musste daher seine
-*) Käpolnai meint, die Geschosse der Ungarn hätten die Türken wegen zu
grosser Entfernung nicht erreicht, weshalb Tomori den Angriff sogleich anordnete.
-'■) Türkische Quollen berichten, dass 32 edle Ung'arn sich dem Tode geweiht
hätten, um den Sultan zu verderben, und auch bis zu den Leibwachen vorgedrungen
wären, wo sie niedergehauen wurden. Ungarische Quellen erwähnen dies nicht, ebenso
auch nicht, dass der Krmig in der Schlacht verwundet worden wäre.
— 248 —
ganze Kraft wohl im Vereine mit dem bei den Reitermassen ein-
getheilten Fussvolke nach rechts wenden. Als nun aber auch die Aus-
dehnung der türkischen Gefechtslinie ■ — ■ sie nahm nahezu die ganze
Breite der Ebene ein — zur Geltung kam, konnte er dem Drucke
Balibeg's nicht widerstehen und ergriff, sich auch im Rücken bedroht
sehend, die Flucht gegen die Donau.
Nun trat die für das ungarische Heer so verderbliche Katastrophe
ein. Die Fliehenden des rechten Flügels rissen den Rest der zerstreuten
Reitermassen mit sich gegen die Donau. Nach kaum zweistündigem
Ringen war die Schlacht beendet, das ungarische Heer vernichtet;
was nun folgte, war kein Kampf mehr.
Gegen 20.000 Ungarn lagen todt auf dem Schlachtfelde oder
hatten in den Wellen der Donau ihr Grab gefunden; 2000 Mann —
der Besatzung des Lagers angehörend oder dahin geflüchtet — wurden
gefangen, nur Wenigen gelang es, begünstigt durch den Eintritt eines
heftigen Gewitters, in wilder Flucht zu entkommen.
Unwillkürlich stellt man die Frage: Wie war es möglich, in der
Zeit von wenigen Stunden ein so grosses Heer zu vernichten? Die
Antwort findet man nicht in der geringeren Zahl der Ungarn allein,
sondern auch in der Zusammensetzung des ungarischen Heeres, dem
jede einheitliche Organisation fehlte; die Verwendung desselben —
diesem Umstände vollkommen entsprechend — konnte kaum einen
anderen Erfolg erwarten lassen. Die Geschütze der Ungarn fanden
keine Verwendung; ihr Fussvolk — zum Theil noch Bogenschützen,
nur zum geringen Theil mit Feuergewehren ausgerüstet — verwertete
die Fernwirkung ihrer Waffen gar nicht, sondern warf sich gleich zu
Beginn der Schlacht in das Handgemenge, wo ihr der überlegene
Muth und wohl auch die Ueberraschung des Feindes einen geringen
Erfolg sicherte. Von einer Seite wird behauptet, Tomori, der Feldherr,
habe sich an die Spitze des ersten Treffens gestellt und dort den Tod
gefunden — vielleicht ihn auch gesucht — womit jede Leitung der
Schlacht verloren war; ebenso soll Georg Zäpolya, von dem über-
haupt wenig die Rede ist, gefallen sein, und von dem wenig selbst-
ständigen König war ein energisches und zielbewusstes Eingreifen nicht
zu erwarten. Hat Tomori, wie auch behauptet wird, sich recht-
zeitig aus dem Gewühle der Schlacht gerettet und erst später den Tod
gefunden, so müsste er wohl das Bewusstsein gehabt haben, dass ihm
bereits jede Einflussnahme auf den Gang der Schlacht benommen war.
Das Vorbrechen der Reitermassen scheint zu früh und in sehr ge-
drängter Form stattoefunden und sich auf einen Punkt des Feindes
- 249 —
beschränkt zu haben; der Ungarn erstes Treffen dürfte von den Reitern
überritten worden sein, da die Massen gleich vor die Front der
Janitscharen und ihrer Geschütze gelangten, wo sie dem heftigen
Feuer, vor dem sie ihre Eisenpanzer nicht schützten, erlagen. Ein un-
glückliches Zusammentreffen mit den Flüchtigen ihres rechten Flügels
vollendete dann die Niederlage der Ungarn, die umso verhängnissvoller
war, als die Türken keine Gefangenen machten, sondern niederhieben,
was ihnen in den Weg kam.
Unter den Todten befanden sich der Erzbischof von Gran und
fünf Bischöfe, ferner Korlatkövy, Trepka, Schlick, Johann Batthyany,
Gabriel Perenyi, dann noch gegen 20 Magnaten und 500 andere Edel-
leute, und wohl auch die beiden Oberbefehlshaber Paul Tomori und
Georg Zäpolya. ^*') Von den böhmischen Herren, die ins Lager des
Königs gekommen waren, sah nur Heinrich Zlozek seine Heimat
wieder.
Unter den Wenigen, die sich aus der Schlacht gerettet hatten,
befand sich der Palatin Stephan Bathory, der bei Zeiten im Wagen
entkommen war, Peter Perenyi, Franz Batthyany und der Kanzler
Brodaric.
Als über den Ausgang der Schlacht kein Zweifel mehr Avar, be-
schloss König Ludwig, die Flucht zu ergreifen, und schlug mit seiner
Umgebung den Weg gegen Ofen ein. In der Verwirrung zerstreuten
sich bald seine Begleiter und als er am Bache Csele anlangte, waren
nur Wenige mehr bei ihm. Dieser sonst unbedeutende Bach war in
Folge der Regengüsse und des Stauwassers der Donau hoch gestiegen.
Bei dem Uebersetzen desselben konnte das ermüdete Pferd des Königs
das steile, schlüpfrige Ufer nicht erklimmen; sich überschlagend,
stürzte es in das Wasser zurück und begrub , den Reiter unter sich.
Von den Begleitern des Königs fand Stephan Atzel bei dem Versuche,
ihn zu retten, den Tod in den Wellen, während Ubald Zettwitz von
Lorenzdorf in der Furcht vor Verfolgung die Flucht fortsetzte und
die Nachricht vom Tode des Königs nach Ofen brachte.-')
-'') Die Leichen Tomori's und Georg Zjijiolya's scheinen von den Türken nach
der Schlacht nicht aufgefunden worden zu sein.
-') Allg-emein verbreitet ist die Nachricht, dass König Ludwig II. auf diese
Weise den Tod in den Wellen des Baches gefunden habe. Auffallend ist es, dass die
Leiche des Königs mehrere Monate später in einem Grabe nächst dem Bache ohne
Rüstung, sonst aber ihres Schmuckes nicht beraubt, aufgefunden wurde, während man
aller Wahrscheinlichkeit nach hätte schliessen können, dass selbe bei falleniem
Wasserstande aus dem Bache in die Donau getragen worden und in den Wellen der-
selben unbeachtet verschwunden sein dürfte. Es ist daher begreiflich, dass die erst
— 250 —
Der Grösse seines Sieges sich nicht bewusst, und in der Meinung,
doch noch ein grösseres Heer vor sich zu haben, unterliess der Sultan,
bei Eintritt der Nacht die Verfolgung fortzusetzen, und blieb bis zum
Morgen gerüstet und kampfbereit auf dem Schlachtfelde stehen, am
Morgen erst bezog er sein Lager. Vor seinem Zelte ^^) wurden
2000 Köpfe, darunter jene der Bischöfe und vieler Edler, aufgeschlichtet.
In feierlichem Divan wurden nun die Heerführer mit Ehrenkleidern,
der Grossvezier mit einem wertvollen Reiher beschenkt. Die Defter-
dare erhielten den Auftrag, die Todten zu zählen und zu begraben;
des letzteren Auftrages entledigten sie sich, indem sie die Leichen in
die Donau werfen Hessen. Die Zählung ergab 20.000 Leichen von
Fussgängern und 4000 von bepanzerten Reitern, sowohl Ungarn als
Türken.'-'^) Wie gross die Verluste der Türken waren, ist nicht zu
ermitteln, dass sie aber grösser waren, als Sultan Suleiman sie in
seinem Tagebuche selbst angibt, indem er sagt: »Nur 50 — 60 Türken
wurden Märtyrer«, ist selbstverständlich.
Am Abend des 30. August kam Johann Zapolya zu Wagen von
Szegedin an die Donau, konnte des Hochwassers wegen nicht mehr
nach Tolna übersetzen und kehrte wieder zurück, als er von der
unterdessen eingetretenen Katastrophe Kenntniss erhielt.
Am 3. September trat das türkische Heer den Marsch gegen
Ofen an. Vorher wurden Mohacs und alle umliegenden Orte nieder-
gebrannt, alle Gefangenen und sämmtliche männlichen Einwohner, die
sich nicht rechtzeitig über die Donau in Sicherheit gebracht hatten,
ermordet, nur die Weiber auf Befehl des Sultans geschont.
Nach Ofen war die Nachricht von der verlorenen Schlacht und
dem Tode des Königs Ludwig schon am 30. August gelangt. Die
Königin Maria verliess sofort mit ihrer Umgebung die Stadt und zog
sich nach Pressburg zurück.
Ohne auf Widerstand zu stossen, drang Suleiman bis Ofen vor,
zu dessen Vertheidigung nicht die geringste Vorkehrung getroffen war.
später bekannt gewordenen Angaben eines Zeitgenossen des Königs, Szerem György
(Georgius Sirmiensis, Hofkaplan Ludvvig-'s und später Zäpolya's), welche denselben als
Opfer eines Mordes darstellen, wenn sie auch als unwahrscheinlich wenig Glauben
fanden, doch nicht ganz unbeachtet blieben.
■'') Das Lager der Türken war bei Földvar oder Sätoristie (ungefähr mit Zelt-
ort zu übersetzen) aufgeschlagen. Später, 1530, Hess Hasanbeg, der Statthalter in Ofen,
an der Stelle, wo das Zelt des Sultans stand, einen Köschk (Kiosk, auch Villa) er-
bauen und einen Brunnen graben.
'-°) Einen Tag und eine Nacht hindurch sah man an Belgrad Tausende von
Leichen vorüberschwimmen.
— 251 —
Die Sclilüsseln der Stadt wurden dem Sultan bis Földvär entgegen-
gebracht, am 10. September 1526 hielt er seinen Einzug in die Haupt-
stadt Ungarns. Ofen wurde, obwohl der Stadt beim Einzüge des Sul-
tans Schonung zugesagt war, geplündert und eingeäschert. Vergeblich
suchte der Sultan dem wilden Treiben seiner Horden Einhalt zu thun,
nur die von ihm selbst bewohnte Burg blieb verschont.
Inzwischen dehnten Raubhorden ihre Züge über das Land aus.
Um Ofen wurden die Landhäuser des Adels zerstört. Visegrad retteten
Bauern und Mönche. Das von der Besatzung verlassene Castell in
Gran vertheidigte der Trabantenhauptmann Michael Nagy. Unweit
Marös hatten die aus ihren Ortschaften geflohenen Bewohner ein ver-
schanztes Lager errichtet; um es einzunehmen, brachten die Türken
Geschütze mit, und machten dann die Vertheidiger sammt ihren Fa-
milien — bei 25.000 Menschen — nieder. Andere befestigte Plätze,
wie Tata, Komorn und Stuhlweissenburg, blieben verschont. In Fünf-
kirchen, das sich gegen Zusicherung der Schonung ergab, wurden die
Einwohner auf dem Marktplatze versammelt und niedergemacht. Selbst
bis an die Grenzen von Oesterreich und Steiermark, wo seit 1525 der
Feldhauptmann Niklas Salm den Oberbefehl führte und die Landes-
aufgebote zusammengezogen hatte, breiteten sich die Raubzüge der
Türken aus.
Am 17. September verlegte dsr Sultan nach Herstellung einer
Brücke sein Lager nach Pest. Die Schätze der königlichen Burg in
Ofen, die gesammelten Kunstwerke und des Königs Mathias Corvinus
reichhaltige Bibliothek wurden auf Schiffe verladen, um nach Con-
stantinopel gebracht zu werden, wo sie wenig beachtet, zum Theil
verschleudert, zum Theil bis in die neueste Zeit verborgen gehalten
wurden.
Am 25. September trat das türkische Heer, nachdem auch Pest
geplündert und niedergebrannt worden war, den Rückzug an. Die
Horden Balibeg's waren dem Heere vorausgezogen und hatten das
Land zwischen der Donau und Tlieiss in eine Wüste verwandelt,
weshalb der Rückmarsch beschleunigt werden musste. Ein Theil des
Heeres unter dem Grossvezier zog gegen Szegedin, das niedergebrannt
Avurde; mit dem anderen Theile zog der Sultan längs des linken Donau-
ufers bis Peterwardein, wo sich beide Heerestheile am 7. October
vereinigten. Die Einwohner von Szabadka vertheidigten sich glücklich
in einem verschanzten Lag-er. dageo-en Avurden die Einwohner von
Bäcs, die sich in die befestigte Kirche geworfen hatten, nach längerer
Gegenwehr niedergehauen.
— 252 —
Zwischen Bacs und Peterwardein hatten sich mehrere tausend Be-
wohner der Umgebung in Donau- Auen geflüchtet und dort ein Lager
errichtet.'^*') Die Erstürmung desselben kostete den Türken beinahe
ebensoviel Todte und Verwundete wie die Schlacht bei Mohacs; hier
fielen der Aga der Janitscharen, nebst ihrem zweiten Anführer, und
der Tschauschbascha (Generalstabs-Chef). Im Lager bei Titel be-
unruhigten Batthyäny und Radovich das osmanische Heer.
Die BevölkerungUngarns verlor im Jahre 1526 an200.000Menschen,
die von den Tüi'ken durchzogenen Landstriche glichen einer voll-
ständigen Wüste.
Nach Zurücklassung einer Besatzung in Peterwardein, avo das
türkische Heer fünf Tage zum Brückenschlag brauchte, setzte der
Sultan den Rückmarsch fort und traf am 23. November, nach sieben-
monatlicher Abwesenheit, in Constantinopel ein, von avo ihn gleich
wieder eine Empörung in seinem weiten Reiche nach Kleinasien rief.
Die Absicht, ganz Ungarn zu erobern, mag Sultan Suleiman bei
seinem Aufbruche von Constantinopel Avohl nicht gehabt haben; dass
es ihm aber so leicht gemacht werden würde, bis in die Hauptstadt
Ungarns vorzudringen, glaubte er selbst kaum. Der bevorstehende
Eintritt des Winters, die Zusammenziehung einer beträchtlichen Macht
bei Agram unter Christoph Frangepan,^') die schon im Anmärsche
gegen Stuhlweissenburg war, der Zuzug böhmischer und mährischer
Truppen, die schon bis Raab gelangt Avaren, und der Aufruf des Erz-
bischofs A'on Erlau, Paul Varday, an die oberungarischen Städte, sich
zur Vertheidigung des Landes zu erheben, all dies mag wohl beigetragen
haben, dass Suleiman die errungenen Vortheile nicht in vollem Masse
ausnützte und den Rückzug so bald antrat.
Zapolya, der schon Avährend der Schlacht bei Mohacs in der
Gegend von Szegedin stand, zog sich an das linke Theissufer bis gegen
Fegyvernek und später bei der Annäherung der Türken — jedem
Zusammenstosse ausweichend — bis Tokay zurück. Dass Zapolya schon
damals nach der ungarischen Krone strebte, ist gewiss; dass er darüber
mit dem Sultan selbst oder mit dem Grossvezier in Unterhandlung
stand, ist zwar nicht erAviesen, jedoch sehr wahrscheinlich, ^^j und dass
'^^) Die Reste dieser Verschanzung sind noch nördlich von Palänka unter dem
Namen Türkenschanze vorhanden.
■*') Erzherzog' Ferdinand Hess 50O Reiter zum Heere Frangepan's stossen.
^^) Der türkische Geschichtsschreiber Solaksade berichtet, dass Sultan Suleiman
schon im September 1526 während seines Aufenthaltes in Ofen den Magnaten die
Versicherung gegeben habe, dass er Johann Zapolya fortan als ihren König aner-
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er sich der Gunst des Sultans durch sein Verhalten versichern wollte,
um dieses Ziel zu erreichen, ist kaum zu bezweifeln.
Nach dem Abzüge der Türken herrschte in dem zum Theile ver-
wüsteten Lande die grösste Verwirrung. Während die Raubzüge der
Türken an den Grenzen nicht aufliörten, bildeten sich im Süden
Ungarns Räuberbanden, welche sich je nach ihrem Vortheile den
politischen Parteien anschlössen und so die Verwirrung vermehrten.
Die zwei einander bekämpfenden politischen Parteien, die sich
schon unter den letzten Königen gebildet hatten, bestanden auch jetzt
noch. Die Hofpartei, deren vornehmstes Glied der Palatin Bäthory
war, schloss sich der verwitweten Königin Maria an, welche sich nach
Pressburg zurückgezogen hatte. Die Oppositionspartei unter Johann
Zäpolya, der mit seinem Heere noch an der Theiss stand, hielt schon
im October 1526 eine Versammlung in Tokay ab, wo dessen Wahl
zum König besprochen und, in der Hoffnung einen Ausgleich mit
Ferdinand treffen zu können, seine Vermählung mit der Witwe König
Ludwig's in Aussicht genommen worden war. Zapolya zum König aus-
zurufen, wagte man noch nicht, doch berief man einen Reichstag nach
Stuhlweissenburg, wo er am 11. November von seiner Partei zum
König gewählt und auch gekrönt Avurde.
Hätte Zapolya nach der Schlacht bei Mohacs das durch Verluste
geschwächte und in sehr gelockerter Ordnung zurückkehrende türkische
Heer angegriffen und — was durchaus nicht ausser dem Bereiche der
Möglichkeit war — auch geschlagen, so hätte ihm bei dem Umstände,
dass er Siebenbürgen und den grössten Theil von Ungarn mit der
Hauptstadt Ofen bereits in Händen hatte, die Herrschaft im Lande
kaum bestritten werden können.
Mit dem Verluste der Schlacht bei Mohacs hatte Ungarn auf-
gehört, eine Vormauer der Christenheit zu sein. Bei den nun über
Ungarn hereinbrechenden Verhältnissen konnte es dem Eindringen der
asiatischen Horden nicht mehr widerstehen und war nahe daran, sowie
die nördlichen Balkanländer, in volle Abhängigkeit von den Türken
zu gelangen, es musste nun selbst beschützt und von den Türken be-
freit werden. Lange schon war vorauszusehen, dass der Augenblick
eintreten Averde. in dem Ungarn allein seiner nächsten Aufgabe nicht
kennen und ihm als solchen seinen mächtigen Schutz angedeihen lassen werde. Wenn
diese Angabe richtig ist, so wäre das Verhalten Z/ipolya's wohl zu erklären.
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mehr gewachsen sein würde. Bei der Eifersucht Frankreichs auf
Deutschland konnte es trotz der oft ehrlichen Bemühungen der Päpste
nie gelingen, ein gemeinschaftliches Eingreifen der christlichen Mächte
Europas zu Gunsten Ungarns zu Stande zu bringen. Es machte sich daher
die Nothwendigkeit immer mehr geltend, die zunächst bedrohten Länder
— die österreichischen Erblande und Böhmen — aneinander zu gliedern
und mit Ungarn ein Staatengebilde zu schaffen, das dem Andränge
derselben zu widerstehen vermochte. Die Przemisliden und Luxem-
burger in Böhmen, die ungarischen Könige seit Sigismund, und endlich
das Haus Habsburg suchten abwechselnd von Prag, von Ofen und
endlich von Wien aus eine Macht zu gründen, welche dieser Aufgabe
gewachsen wäre, und erst unter Habsburgs Scepter gelang es, die
türkische Macht vor den Mauern Wiens zu brechen und Ungarn nach
mehr wie anderthalb Jahrhunderte währenden schweren Kämpfen von
seinem Erbfeinde zu befreien und für das Land auf neuen Grundlagen
eine staatliche Existenz zu gründen, welche es in christlicher Cultur
erblühen machte mehr denn je.
Mögen die Völker der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht
vergessen, dass sie ihre Freiheit und ihren Bestand auch jetzt nur
erfüllen können »mit vereinten Kräften«.
Soeben ist bei W. Bi'aumüUer in Wien erschienen, und durch alle Buch-
handlungen um den Preis von 1 fl. 50 kr. zu beziehen:
Die Kämpfe
Oesterreichs mit den Osmanen
vom Jahre 1526 Ms 1537.
(Die Belagerung von Wien 1529 und von Güns 1532 enthaltend.)
Von
L. Kuiielwieser
k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant.
BRIGHAM YOUNG UNIVERSITY
3 1197 22450 6383
y^rm^^^i^aif^-s^:
Druck von Friedrich Jasper in Wien.