Skip to main content

Full text of "Die krankhaften Geschwülste"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



„Google 






L^ 



„■■i.,Coo>|lc 



„Google 



„Google 



Die 



KRANKHAFTEN GESCHWÜLSTE. 



Dreissig Vorlesungen, 

gehalten 
w&brend des Winlersemeslerj I8(i! — 1863 an der Uniiersim zu Berlin 

KÜDOLT VntCHOW, 



II. Band. f. Ilälfte. ^ 



Bogen 1 - 18. 

»I Pummiiinie, MiUnome, Gliome, SBrkoil( 



:,18 IT. 3,J-.i; 



-j 



Berlin, 1864. 
Verlag von August Hirschwald. 

IlDter den Linden No. 6S. 

i.,Cooglc 

i^il eehrten. Ali-. uinsleheDde Bemerkynz zu lesei. 



Die weitere Veröffentlichung des Werkes ist wider Er- 
warten lange verzögert worden, weil der Autor sich 
aas wissenschaftlichen Gründen genöthigt gesehen 
hat, das gesammte Gebiet der Sarkome einer er- 
neuten, eingehenden PrüfuDg za unterziehen. Um 
die Herausgabe nicht zu lange hinauszuschieben, 
wird hiermit die erste Hälfte des zweiten Bandes 
dem Pnblicum übergeben; der Druck der zweiten 
Hälfte, welche zugleich den Schluss des Werkes 
bringen ' soll, wird soviel als möglich besdüeonigt 
werden. 

Die Veria^iidliug. 



ly Google 



Die 

krankhaften Geschwülste. 



Dreissig Vorlesungen, 

gebalten 
vlbrcBil des Wiilerscveslers IS6?— IS63 in der UniicrsiUU in Berlin 

Rndolf TirchoT, 






Kwcller land. Erste Hälfle. 

Osteome, Psfimmomc, Melnuoine, Gliome, Sarki 




lyCoogle 






D,oi,z,db,Coo<^le 



Siebzehnte Vorlesung. 



Ostci 

UstntelHMiuig dar 0(t*«H tob iiad«r«n oiilfid 







>(hnli.lt ie> H 


iikei: loltltr, 






jn. Sfl» «n 




















D 


«. hfparpLuttlicbaii Oitaumt; Eioitoaen. ÜDtuxikaldii 




„ «plpb,.»» 






Ton Enchond 


oin: Wiicba- 






( Vorkonmon 










■ naBUde- 




itweb« li*r*«rgahtnd(o B>..)t<»*n. Dl" hiitorticb. D 


«Irin: Btil.tth 


ng der El- 














o«d Hjp.to 








giDle. Pmrtlelle 


Hn«™«to" 








Knfa, Hfiru, 




Wlfb.1. 






B 


«alsten du Belitdtli: BuHt and geitiulu, Eiuiere nnd Inn 


r., «poBgii» 


Dd alftDlMl- 






EmiubiiiiB OB 


Dmblldung. 






ttm KnoebsDi 




B 




eben Orbllil-O 








CyiMobildung 


Oiteams 










D 


• Ztha-QntchvüLalt: Danttl-Eioilota, Dentei prolIhTl. O 


onlonm; V«r 


hlltDiaa inm 



Zuhnalekctiaii nnd lui BaUDtli>Q der 
Odontoma und EiDilsaan der Zibsbh 
kuseban, DlalociulBB der ZUiiia; SlerethShla, Orl 

Oiteome daa BctmllErbliltaa, dar BaekenkuaclMii, dar 1 
Zehe. Gtchüacbe AnachweUniigeii (Tophi), Zun, 

Ditcantinalrlleh* Oal«oma dai Periotli. 1 
apIiUntn Kno 



Hyiom d 



a, OliikSrpu. LnngtB. Hau 



„ibiCoogle 



2 Siebzehnte VorlesDog. 

■Ule KnocbeagfiBcbwÜlste (kodchernea Geechwülste) im enge- 
reo Sinne des Wortes unterecheiden eich Ton den bloes ossi- 
ficirenden Geschwülsten anderer Art wesentlich dadurch*), dass 
ihre Entwickelung regelmässig zur Knochenbitdung tendirt, dass 
diese Knochenbildnng sich als die eigentliche Akme ihrer Ent- 
wickelung darstellt, und nicht als ein blosser Zufall, der eintreten 
kann, aber nicht einzutreten braucht, dass also die ganze Ent- 
wickelung von vorn herein auf die Bildung von Knochen Bubstanz 
angelegt ist Es lässt sich daher die Grenze, welche die Knocben- 
geschwülste, die Exostosen, wie man früher ganz allgemein sagte, 
die Osteoide, wie man in der Wiener Schule s^t, oder besser, 
die Osteome**) von den bloss ossificirenden Enchondromen, 
Fibromen, Lipomen und so vielen anderen Geschwülsten schei- 
det, im Grossen sehr wohl feststellen, indem wir jedesmal 
diejenigen Geschwülste als Osteome bezeichnen werden, bei 
denen wir die Ossi&cation als das regelmässige, typische, man 
kann wohl sagen nothwendige Ende ihrer Entwickelung er- 
kennen (Bd. I., S. 290). Es versteht sieb von selbst, dass ancb 
in diesen Gewächsen vor dem koj^chemen Stadium ein nicht 
knöchernes vorbeigeht, dass ein knorpeliges oder bindegewebiges 
oder ii^end ein wenigstens der Reihe der Bindesubstanzen 
angehfiriges Gewebe die Grundlage der Yerknöcherung bildet. 
Aber das sind die Anfinge, während die Geschwulst als solche 
benrtbeilt werden muss in dem Zeitpunkt, wo sie fertig ist Zu- 
weilen kann allerdings die Grenze zwischen wirklichem Osteom 
und nur ossificirenden Gewächsen sehr zweifelhaft sein. In der 
Regel sind diess Mischformen, bei denen man, wie wir das bei 
anderen Geschwulstartec sahen, nach gewissen allgemeinen Re- 
geln zn entscheiden hat, in welche Kategorie die Bildung zu 
setzen ist. Findet sich, wie das nicht ungewöhnlich ist, eine zu- 
sammengesetzte Geschwulst, von welcher ein Theil regelmässig 
ossificirt, während ein anderer nicht ossificirt, so werden wir die 
Bezeichnung von dem hernehmen, was den Hauptbestandtbeil 
der Geschwulst ausmacht. 



*) Virchow. Ueber ossificireude Geschwülste. Dentsche Klinik. iS5S. 
No. 49. S. 481. 

**) Dieser Name scheint znerst von Hooper (Morbid ftOAtoroy of the 
hamsD brain. Lond. 1828. p. 14) gebrsoctit in sein. 



lyCoogle 



VarietSteD des Osteoma. 3* 

Dabei musB ich aber im Voraus auf Eiaea aufmerksam ma- 
chen, was unter Umst&nden das Urtheil nicht wenig trüben kann. 
Die Osteome nehmlieh zeigen nicht selten ähnliche Stadien der 
Entwickelung, wie die Knochen des Körpers selbst*). Während 
bei den kleiasten Osteomen die ganze Masse ans Knochen- 
gewebe (Tela ossea) zusammengesetzt ist, so pflegen, wenn 
diese GeschwfllBte eine gewisse Grösse erreichen, regelmässig 
noch andere Theile hinzuzukommen. Erstlich Gefässe mit allem 
Zubehör, so dass wir dann die sogenannten GefSss- oder Mark- 
kanäle, nicht selten inmitten eines ausgebildeten Lamellensystems, 
antrefien. Weiterhin findet sich an der Oberfläche ein etwas 
dichteres Lager Ton Bindegewebe , ähnlich einem periostealen, 
oder auch wohl wirklicher Knorpel, ähnlich dem Articularknorpel. 
Sodann entwickelt sich inmitten der Geschwulst nicht selten Mark, 
(Medulla), so dass er im Innern spongißs (cancellös) wird; ja 
endlich bildet sich ausser den Markräumen auch wohl eine wirk- 
liche Markhohle (Gavitas medullaris), und wenn wir die Geschwulst 
durchschneiden, so stellt sich uns ein ähnliches Bild dar, wie 
wenn wir einen Röhrenknochen durchschneiden. Man kann da- 
her sofort drei Varietäten unterscheiden: das Osteoma dumm 
8. eburneum, wo fast nur Knochengewebe mit Gelassen und 
Beinhaut vorhanden ist; das Osteoma spongiosum, wo ausser^ 
dem im Innern eine schwammige Knochenmasse liegt, deren Räume 
mit Mark gefüllt sind, und das Osteoma medullosum s. mye- 
lodes, wo grosse Höhlen mit Mark bestehen, und das Mark manch- 
mal den grössten Theil des Gewächses ausmacht. Diese Varie- 
täten entsprechen ungeßihr, obgleich bei Weitem nicht ganz, 
den drei Formen, welche die früheren Autoren*") als Exosto- 
sis dnras. eburnea, Esostosisspongiosa und Spina ven- 
tosa bezeichneten. 

Das sind Verschiedenheiten, wie sie auch bei den Knochen 
d«s gewöhnlichen Skelets bestehen. Wenn wir einen Vomer oder 
eine Nasenmuschel oder die einzelnen Theile des Siehbeins be- 
trachten, da haben wir ja auch nichts weiter als Tela ossea, höch- 
stens mit etwas Geissen und Periost. Im Os petrosum erreicht die- 



•) Cellularpathologie. 3. Aufl. S. 44, 76, 383. 
") Jean-Louia Petit. Traite des maladies des oa. Paris. 1735. 
T.II. p.357,359. ClosaiuB. Krankheiten der Knochen. Tübiog. 1798. S. 112. 



lyCoogle 



■ i Siebzebate VorleBnng. 

ser Zustand seine grßsste Yollkommenlieit. Betrachten wir dagegen 
die WirbelkJtrper oder das Brustbein, so zeigt sich viel spongiQse 
Substanz, aber keine Markhöhle. Nehmen wir endlich einen gros- 
sen Böhrenknochen, so finden wir das Mark in einer wirklichen 
Höhle. Gerade wie die kleinen Knochen fast ganz aus einem ein- 
zigen Gewebe, der Tela ossea, bestehen, die grossen dagegen eine 
Zusammensetzung aus einer Reihe von Geweben zu einem Organ 
reprSsentiren , (denn ein Röhrenknochen ist ja ein vollständiges 
Organ *) mit einer Menge von Besonderheiten,) so zeigen auch die 
Osteome eine Reihe von Uebergängen von einfachen, fast nur aus 
Tela ossea bestehenden Geschwülsten, die einen rein bistioiden 
Charakter (Bd. I., S. 122) haben, bis zu den vollendetsten Formen, 
die einem organartigen, ganzen Knochen des Skelets entsprechen. , 

Diese letzteren können natürlich ausserordentlich mannich- 
faltige Gestaltungen haben. Ihre äussere Form gleicht nur selten 
derjenigen der normalen Knochen; im Gegentheil, wie wir nach- 
her sehen werden, sie können unter Umständen eine sehr unge- 
wöhnliche Erscheinung darbieten, indem sie eine mehr rundliche 
Gestalt annehmen. Auch ihre innere Einrichtung weicht öfters 
insofern ab, aJs innerhalb einer dichten Knochenschale irgend 
eine grössere Menge von weicher Substanz enthalten ist, z. E. 
Fettgewebe, so dass auf einem Durchschnitt das Ding aussieht, 
wie eine Fettcyste. Allein im Wesentlichen ist es doch dasselbe, 
wie wenn wir einen Röhrenknochen durchschneiden, der innen 
das fettige Mark, nur nicht in einer runden, sondern in einer 
langen Höhle enthält 

Man muss femer darauf gefasst sein, jene Verschiedenhei- 
ten des Marks selbst zu linden, die auch die verschiedenen 
Knochen des Skelets darbieten je nach den Verschiedenheiten 
der Ernährung des einzelnen Knochens und des ganzen Indi- 
viduums**). Denn das Mark stellt sich nicht nur an verschie- 
denen Knochen, sondern auch an denselben Knochen zu ver- 
schiedenen Zeiten in ganz verschiedenen Zuständen, gleichsam 
als ein ganz verschiedenes Gewebe dar. Einmal als rothes 
Mark, wie wir es in allen jungen Theilen finden, wie es aber an 
manchen Knochen, z. B. den Wirbelkörpern, permanent ist; dann 



•) CellalarpatUoIogie. S. 27. 
••) EbcDdas. S. 388. 



lyCOOglC 



MsdallCae OatetHne. 5 

als das gewöhnliche gelbe Mark, wo die einzelnea Zellen Fett 
aufnehmen, nnd die ganze Masse eich als znsammenhilngendes 
Fettgewebe darstellt; und drittens als das gallertartige Mark, 
wo das Mark in eine Art Ton Schleimgewebo (Bd. I., S. 399) 
umgesetzt wird und die Zellen in einer sehr weichen, saftreichen 
InterceUalarsubstanz enthalten sind. Letztere Form, wo die In- 
tercellularsnbstanE h&ufig mit einer sehr reichlichen, albuminbalti- 
gen Flfissigkeit geti^nkt ist, fand ich zuerst in der Osteomalacie *), 
später aber sehr häufig bei allerlei atrophischen Zuständen. Diese 
drei Zustände können auch in den Osteomen vorkommen, und da- 
nach kann das Innere derselben sehr verschieden erscheinen. Da- 
durch sind die grOssten Verwechselungen herbeigeführt worden, in- 
dem man nicht daran festhielt, dass die Markmasse erst ein späteres 
Entwickelungsprodukt in einem pathologischen Knochen ist, son- 
dern annahm, dass sie den Charakter der Geschwulst als solcher 
bestimme. Vom genetischen Standpunkte aus muss man alle diese 
Formen zu den Osteomen rechnen. Insbesondere darf man nicht, 
wie es hier nnd dort geschehen ist, einzelne, besonders mark- 
reiche Formen unter dem Sammelnamen der Myeloidge- 
schwülste**) abgrenzen, insofern das Mark (Myelos), wel- 
ches wir finden, zu der Geschwulst in demselben Verhältniss 
steht, wie das Mark, welches das Innere eines gewöhnlichen Kno* 
chens erfüllt, zu dem Knochen aJs Ganzem. Auch ist das Mark 
eigentlich nicht in dem Sinne, wie wir ihn sonst in der Histolo- 
gie nehmen, ein besonderes typisches Gewebe, sondern es nimmt 
vielmehr bald diesen, bald jenen Typus an und erscheint bald 
im Zustande des Fett-, bald in dem des Schleim-, bald in dem 
des Granulatioosgewebes. 

Dass man die Zusammengehörigkeit des Markes mit dem 
Knochen so vielfach übersehen hat, ist freilich nicht bloss eine 



•) Mein Archiv. Bd. IV. 8. 307. 
**) Ich verde auf das Hyeloid bei den Sarttomen zurdckkommeii , mass 
aber schon hier bemerken, iäasB man unter jenem Namen meiner Meinung 
nach bald niarkreiclie Osteoioe, bald vitkliche Sarkome zasammengefasat 
bat. Was Paget (Lecture^ 11. p 212) zuerst als Hyeloid bescbrieben bat, 
gebort wohl zum grössten Theil in die Sarkomreihei dagegen finden sich 
unter den von Eug. Nelaton (D'une nouvelle espece de tumeurs bönignes 
des OB ou tumeurs a nijf^loplaies. Paris. 1860.) zusammen gestellten Fällen, 
namcDtlicb in seiner hiatortachen Uebersicbt (p. 2i0 sq.), nicht wenige, 
welche ich zum Oateom zu reebnen geneigt wäre. 



lyCoogle 



Q Siebzehnte VoTlesnng. 

Eigenschaft der Onkologen. Ich habe ecbon früher darauf hin- 
gewiesen, wie sehr man sich eine genetische Einsieht in die Ge- 
schichte des nonoalen Knochens dadurch erschwert hat, d&sB 
man hauptsächlich den macerirteo, also den seiner Weichtheile 
beraubten Knochen, oder, anders ausgedrftckt, dass man mehr 
den Knochen als Gewebe und nicht den Knochen als Organ 
ins Ange fasate*). Die Gewohnheit der alten Anatomen und 
Chirurgen (und man darf nicht übersehen, dass gerade die Chi- 
rurgen vielfach zugleich die Anatomen von Fach waren), auch 
die Knochengeschwülste zu maceriren und die trockenen Präpa- 
rate in ihren Sammlungen aufzubewahren, lenkte natürlich die 
Aufmerksamkeit ganz von den Weichtheilen ab. Ein Enchondrom 
mit knOchemer Schale kann nach der Maceration ebenso aas- 
sehen, wie ein Osteom mit grosser Markhdhle oder wie ein cen- 
trales Sarkom des Knochens oder wie eine centrale Caries mit 
Periostose. Alle diese Zustände vereinigte man daher unter dem 
Namen des Winddorns (Spina ventosa, Ventositaa spinae), in- 
dem man eine alte pneumatologische Tradition des Orients**) 
missverstand und eine Bezeichnung, die ursprünglich rein ätiolo- 
gisch war, im anatomischen Sinne aufiasste. 

Lässt es sich nachweisen, dass durch eine selbständige 
Froliferation des Markes eine hyperplastische Geschwnlst entsteht, 
welche das umgebende Knochengewebe ausdehnt, so liegt aller- 
dings die Versuchung nahe, dafür einen besonderen Namen 
zu wählen und eine neue Gescbwulstspecies aufzustellen. Le- 
bert***) hat einen Fall beschrieben, wo bei einem jungen Mäd- 
chen durch eine Hypertrophie der „Markhaut" eine ungeheure 
Geschwulst der oberen Hälfte der Tihia entstanden sein soll. 
Allein, abgesehen davon, dass es eine Markhaut nicht giebt, ist 
in dem Falle auch nicht nachgewiesen, dass die Geschwulst über- 
haupt vom Mark ausging. Der regelmässige Gang der Entwicke- 
lung meduUöser Osteome ist vielmehr derselbe, welcher bei dem 
normalen Dickenwachstbum der Röhrenknochen so gut zu beob- 
achten ist, dass nehmlich zuerst Knochengewebe entsteht und 



•) Mein Archiv. 1858. Bd. XIII. S. 332. 

**) Äugustin. De spina veatosa oäsium. Dias, inaug. Hai. 1T9T. p. 7. 
•••) Lebert Physiologie pathologique. IL p. 229. Er nennt die Ge- 
schwulst Ost^ophyte provenant de la membrane m^duUaire und glaubt, was 
gewiss irrig ist, äass diese Form mit der sog. Faedartbrocace Qbereiastimme. 



lyCoogle 



Hyperplutiache und heteroi^tiKbe Osteome. 7 

dies sich sp&ter wieder in Mark umsetzt. Dieser Gang ist also 
genaa der umgekehrte von dem, welchen Ginge*) bei dem 
TOD ihm beschriebeneD Osteophyton gelatinosum, welches 
wenigstens zum Theil hierher gehört, annahm, indem er zuerst 
eine Gallerte sich ergieseen and diese ossificiren liess. 

Wäre die Gallerte das Primäre, w5re sie ans einer Hyper- 
plasie von gallertigem Mark hervorgegangen, bo wärde die Ge- 
schwulst eben ein Myxom sein (Bd. I., S. 422). Ein neuer Name 
würde sich hier nicht rechtfertigen lassen. Dasselbe gilt für den 
Fall, dass ans dem gewöhnlichen fetthaltigen Mark eine byper- 
plastische Geschwulst eatBt&Dde; diess würde ein Lipom sein. 
Mnr ßr den Fall, daes ans rothem Mark, welches in dem Gra- 
DnlationeznBtaode verharrt, ein homologes Gewächs sich bildet, 
würde man nm einen Namen in Verlegenheit sein und es läge 
nahe, ein Myelom zn construiren. Jedoch fehlt bis jetzt ein 
sicherer Nachweis einer solchen Entwickelung, ebenso wie wir 
Doch keinen Fall von Lipom des Knochenmarkes kennen. Denn 
alle jene Beispiele von fettgefüllten Knochenanswüchsen, wie sie 
seit Morgagni**) und Dupuytren***) bekannt sind, gehören 
genetisch in die Osteomreihe. 

Diese Bemerkungen voraafgeschickt, zeigt sich eine weitere 
durchgreifende Verschiedenheit der Osteome darin, dass dieselben 
bald als einfach hyperplastiscbe, also homologe Gewächse 
erscheinen, welche durch einen £xcess von Bildung an schon 
exietirenden Knochen entstehen, bald vollkommen heteropla- 
stisch auftreten, also an Theilen, die in keiner Weise in ihren 
natürlichen Anlagen dazu bestimmt sind, Knochen zu erzeugen. 
Es ist dieselbe Verschiedenheit, die wir erst in der letzten Vor- 
leBnng bei Gelegenheit der Knorpelgeschwfitste besprochen haben; 
nur zeigt sich darin eine grosse Verschiedenheit, dass, während 
die heteroplastischen Chondrome verhältnissmässig sehr häufig 
und wichtig sind, die faeteroplastischen Osteome sehr selten vor- 
kommen und keine sehr erhebliche Bedeutung erlangen. Es be- 
steht femer der noch wichtigere Unterschied, dass, während die 
heteroplastischen Enchondrome und Osteoidchondrome nicht selten 

•) Ginge. Atlaa der pathol. Änat. Lief. II. Taf. IV., V. S. 3. 
**) HorgagDi. De eedibUB et canais moiborum. Epiat. L. art 60. 
***) Dupujtreo. Jonrn. nnir. et hebd. 1983. Dec. (bei Stanley. Di- 
eeswes of bones. p. 153). 



ly Google 



8 Biebzehote Vorlesaag. 

eine malig;iie Beschaffenheit annehmen, diess von den betero- 
plastischen KnochengeschwöUten nicht gesagt werden kann. 
Wollte man wirklich gewisee bösartige Osteoidchondrome und 
ossificirende Sarkome zu den Osteomen rechnen, so müsste man 
sie als hyperplastische auffassen, da sie wesentlich an Knochen 
vorkommen. 

In beiden Fällen, mag die Bildung hyperplastisch oder he- 
teroplastisch sein, geht sie aus einem Matricular-Gewebe hervor, 
welches entweder mehr dem gewöhnlichen Bindegewebe, oder 
mehr dem Knorpel, oder dem Mark, oder irgend einer anderen, der 
Bindegubstanzreihe zuzurechnenden Formation angehört. Auch 
ist die Entwickelung dieselbe, wie wir sie bei dem gewöhnlichen, 
normalen Knochen kennen. Als Regel kann man aber sagen, 
dass die Osteome viel seltener aus knorpeligen Grundlagen her- 
vorgehen, als aus bindegewebigen. Diejenigen Formen, welche 
wirklich aus Knorpel entstehen, bilden eine ganz besondere Reihe, 
welche von den anderen vollständig abgetrennt werden kann; 
es ist diess eine ganz bestimmte Kategorie von knöchernen Ge- 
wächsen. Sie ist unter Umständen sehr schwer zu trennen von 
dem ossiticirenden Enchondrom, und man begreift leicht, dass 
es da zuweilen willkflrlich wird, in welche Kategorie wir eine 
solche Geschwulst rechnen wollen. 

Die hyperplastischen Knochengesehw&lste sind bis 
in die neuere Zeit hinein fast allgemein mit dem schon von 
Galen in seinem Bache über die widematfirlichen Geschwölste 
angeführten Aasdmcke der Exostosen (Knochenauswfichse) be- 
zeichnet worden. Freilich fasste man unter diesem Namen auch 
wieder andere Geschwülste der Knochen, wenn sie nur überhaupt 
Knochensubatanz enthielten, zussunmen, gleichviel ob sie gut- 
oder bösartig waren, ob sie Eiter, Krebs oder andere Masse um- 
schlossen*). Erst in der neueren Zeit hat man, besonders anf 
die Ermahnung von Morgagni**) hin, angefangen, soi^ltiger 



•) Rnjech. TheeaurnB »Dat. X. No. CLXXVllI. Tab. II. fig. 4-6. Du 
Veroey. Trait^ dea maUdies des ob. Paris. 1751. T. IL p. 474. J.L.Petit. 
I. c. p 357, 40Ü, 478. S. Pallas. Practiscbe Äaleituag, die KnocheoLrank' 
beiten zu heilen. Berlin u. Strals. 1770. S. 208. A. Gooper and B. Tra- 
vers. Sargical Essays. Lond. 1818. P, I. p. 156. 

**) Morgagni. De sediliaa etc. Epiat L. art. 56—57. 



lyCoogle 



KDorp«lige Exostme. 9 

m sein und namentlich swei VoninBBetEnngen an den Ntmen 
der Exostose zu knüpfen, nehmlicfa die, dass der wesentliche 
Antheil derselben knOcheni sei and dass der Auswachs von einer 
beschränkten Stelle eines Knochens ausgehe. 

Man bat ferner in Beziehung auf die Verbindung des Aus- 
wuchses mit dem alten Knochen zwei verschiedene Formen un- 
terschieden, nehmlicfa die epiphysären und die parenchy- 
matösen. Als epiphysär oder besser, als epiphysenfthnlich hat 
man solche Exostosen bezeichnet, welche sich als ein in seiner 
Ansdehnong deutlich abzugrenzender Anhang des Knochens dar- 
stellen, während man parenchymatös jene genannt hat, welche 
gleichsam einen Körper mit dem alten Knochen bilden und so 
unmerklich io ihn Übergehen, dass eine eigentliche Grenze nicht 
zu erkennen ist Diese Unterscheidnng ist von keinem durchgrei- 
fenden Werthe. Dieselbe Exostose kann in ihrer Jugend paren- 
chymatös und später epiphysSr erscheinen ; an demselben Knochen 
können neben einander, offenbar aus gleicher Ursache entstanden, 
beide Formen sitzen; ja, nicht wenige Fälle kommen vor, wo 
selbst ein geübter Beobachter in grossen Zweifeln sein wird, ob 
er den Auswachs in die eine oder andere Kategorie rechnen soll. 

Ungleich wichtiger erscheint die Unterscheidung nach den 
genettechen Verhältnissen. Hier tritt uns zunächst, als die am 
meisten eigenthümliche, jene Form entgegen, welche man seit 
Astley Cooper*) mit dem Namen der Exostosis cartila- 
ginea bezeichnet hat. Der englische Chirurg gebrauchte diese 
Bezeichnung in doppelter Weise ; er sprach nehmlich von inneren 
und von äusseren knorpeligen Exostosen. Das, was er die innere ' 
knorpelige Exostose genannt hat, scheint ziemlich übereinzu- 
stimmen mit dem, was wir jetzt Enchondrom nennen (Bd. I., 
S. 437, 491); dagegen das, was er die äussere genannt hat, ge- 
hört znm Theil in eine andere Kategorie. Diese letzteren Fälle 
habe ich hier allein im Auge. Bei ihnen finden wir an der 
Oberfläche der befallenen Knochen Auswüchse, welche aus ge- 
wöhnlicher, sei es compacter, sei es spongiöser Knochenmasse 
zusammengesetzt, aber an ihrer Oberfläche mit einer dünneren 
Knorpellage bekleidet sind, ähnlich wie die Gelenkenden gewöhn- 
licher Knochen. Der einzige Unterschied, der jedoch nicht für 



•) A. Cooper and B. Travers 1. c p. 155, . 



lyCoogle 



10 Siebzehnte Vorlesung;. 

alle Fälle zntrifft, pflegt darin zu bestehen, dasa die Knorpellage 
nicht continuirlich, soadem uaterbrocben iBt. Die Oberfläche ist 
meiBt etwas uneben und höckerig; die Höcker tragen den Knor- 
pelübftrzug, während die übrigen Steilen von einer oft sehr com- 
pacten Rindenschicht begrenzt eiad. Zuweilen findet sich über 
der Exostose eine Art von Gelenkhöhle, durch einen neugebilde- 
ten Synovialsack *) gebildet; in einzelnen Fällen, wo die Exostose 
in nächster Nabe eines grösseren Gelenkes, z. ß. des Kniege- 
lenkes**) sitzt, erstreckt sich auch wohl die Gelenkhöhle bis 
auf den Auswacbs. In der Regel aber sind diese Exostosen in 
lockeres Bindegewebe eii^eschloasen, welches mit ihrer Oberfläche 
selbst zusammenhängt 

Abgesehen von dieser Be- 
'"«■ 1««- Sonderheit, gewinnen dieknor- 

peligen Exostosen dadurch eine 
grössere Bedeutung, daas sie 
einen progressiven Charakter 
haben, dass sie in Folge des- 
sen eine verhältnissmässig be- 
trächtliche Grösse erreichen 
und auf die Nachbartbeile einen 
oft sehr nachtheiligen Einfluas 
ausüben. Die Frage nach ihrer 
Bildung hat dessbalb ein grös- 
seres Interesse. Leider wissen 
wir aber über ihre erste Ent- 
stehung, wenn wir nicht auf 
die früher von mir mitgetheil- 
ten Erfahrungen über die Ec- 
chondrosis ossifica (Bd. L, 
S. 440) zurückgehen wollen, 
nichts Sicheres. Dagegen lässt sich das spätere Wachsthnm sehr 



Fig. 108. Koorpelige, spongiöse Exostose des Fem ur, mit sehr breit«r, 
4—6 Cent hoch an der inneren Seile, 5 Cent, aber der GeleokflSche dea 
Condylua sitzender Basis, und einer stark hOckerigeD, überknorpelten Ober- 
fläche. Der Auswuchs ragt 3 Cent, weit hervor, ist in seinem Innern spon- 
giSs und mit weiten Harkhöhlen versehen, an seiner OberflSche Etellenweiae 
mit einer compacten Rinde versehen (Präparat No. 436.). 

•) Syme. Edinb. Monfhlj Journ. 1854. Jan. 
") Stanley. Diseases of bones. p. IGO. 



lyCoogle 



Knorpelige Exostose. 11 

genau flberBehen. Die Erfobruag lehrt nehmlich, dase dasselbe 
gerade so geschieht, wie das lAngenwachstham der ROhren- 
koochen. Der Knorpelüberzug wuchert an derjenigen Seite, mit 
der er auf dem Knochen aufsitzt, und erzeugt neue Knorpellagen, 
die ihrerseits wieder zuerst verkalken, später ossificiren, und so 
immer neue Lagen tod Knochensubstanz auf die schon beste- 
hende Exostose absetzen'). 

So lange diese Auswüchse klein sind, so bestehen sie aus 
einer oft ziemlich dichten Knochensubstanz, die mehr mit der 
compacten Rindenschicht übereinstimmt. Erreichen sie aber eine 
gewisse GrOsse, so werden sie in der Regel innen spongiüs. Es 
bilden sich Markrlume, welche sich endlich zu grösseren CaTiti- 
ten zusammensetzen, die dann späterhin mit der Hedullarhöhle 
des Knochens zosammenhängen. Ein Röhrenknochen, der eine 
solche Exostose hervorbringt, bekommt dadurch einen seitlichen 
Auswuchs , ganz ähnlich , wie wenn ein Baum einen starken 
Nebenast treibt"*). 

Die gewöhnlichsten Orte, wo diese Form von Exostose vor- 
kommt, sind die langen Röhrenknochen, insbesondere der Ober- 
arm, der Oberschenkel und die Tibia***). Hier sind es namentlich 
die Gegenden, wo die starken Muskelinsertionen liegen, also an 
dem Oberarm und der Tibia das obere, an dem Oberschenkel 
das untere Ende des Knochens. Nächstdem scheinen namentlich 
die platten Knochen und zwar am meisten das Schulterblatt und 
das Darmbein ausgesetzt zu sein. Das grOsste Beispiel davon, 
welches mir vorgekommen ist und von dem ich überhaupt Kennt- 
niss habe, fand ich bei einem älteren Manne am rechten Darm- 
bein f). Es war eine mannskopfgrosse Geschwulst, welche zum 
grosseren Theile nach aussen entwickelt war und welche eine so 
umfangreiche Markhohlenbildung zeigte, dass ich um so mehr 
im Zweifel über die Natur der Geschwulst war, als sich zugleich 
ein Krebs des Magens und der epigastrischen Drüsen vorfand. 



*} Lister. Edinb. monthly Journ. 1S54. Jan. p. 7. Yirchov. Ent< 
Wickelung de» Sc hädelg rundes. S. b'2. Billroth. Beiträge zur patbol. 
Histologie. S. HS. 

•') Man vergleiche den sehr charakteristi sehen Fall bei Cooper, Sur- 
gical OBsays. P. 1. PI. VIII. fig. 1. p. 198. 

"*) Dubourg (Bullet, de la Soc. anat. 1828. p. 2) beschreibt eine ge- 
stielte knorpelige Exostose ans der Oberkieferböhle. 
t) Präparat No. 126a. vom Jahre 1868. 



lyCoogle 



12 Siebzehnte Vorlesung. 

Heine AnfoierkEiamkeit war daher Anfangs mehr anf das weiche 
Gewebe gerichtet, welches die grossen Knochenhöhlen füllte. 
Allein die genaueste Untersuchung zeigte darin nichts, wag tod 
der Zusammensetzung des Knochenmarkes abwich. Freilich wa- 
ren bis Wallaassgrosse Räume darin, welche ein ganz weiches, 
zum Theil rothes, zum Theil gelbes Gewebe enthielten, und die 
Knochenbalken, welche dieselben umgrenzten, waren der Masse 
nach 80 gerii^, dass sie kaum in Betracht zu kommen schienen. 
Aber dieses Verhältniss änderte sich an verschiedenen Orten, in- 
dem hier ein feinmaschiger, einfach spongiöser Bau hervortrat, wo 
die kleinen Räume gewöhnliches, rothes, zellen- und gefässreiches 
Mark enthielten. In den grosseren Bäumen fand sich mehr und 
mehr fetthaltiges Mark, so dass über die homologe Natur des 
Gewächses kein Zweifel bleiben konnte. Aussen nngsumber eine 
feste Knochenschale, bedeckt von einem derben Periost, bei dessen 
Abziehen hier und da flache Knorpelinseln zum Vorschein kamen. 
Das Ganze stellt also ein sehr charakteristisches Beispiel eines 
organoiden Osteoms dar. 

In wie weit diese spongifise und medullßse Exostose 
von der sogenannten elfenbeinernen (Exostosis ebumea) ge- 
netisch verschieden ist, hat sich bis jetzt nicht ganz vollständig 
ergründen lassen, weil man bei vielen elfenbeinernen Exostosen 
keine genaueren Anhaltspunkte über ihre Eatstehungsgeschichte 
besitzt. In einzelnen Fällen ist allerdings die Verbindung von 
Knorpel mit elfenbeinerner Knochensubstanz dargetban worden*), 
doch ist dies nicht die Regel. Ich werde nachher noch her- 
vorheben, dass gerade für die elfenbeinernen Exostosen in vie- 
len Fällen ein anderer Ursprung nachzuweisen ist, und ich kann 
daher sagen, dass die grösseren knorpeltragenden Exostosen 
meist schwammig im Innern sind. 

Bei der knorpeligen Exostose handelt es sich also gleichsam 
um eine Theilung des Knochens. Ein Röhrenknochen, statt nach 
einer Richtung sich zu entwickeln, wächst nach zwei Richtungen 
hin, die unter rechtem Winkel gegeneinander stehen. Ein platter 
Knochen, wie das Schalterblatt (Fig. 109. — 1 10.) oder das Darm- 
bein, bildet seine Auswüchse nicht selten nach seinen zwei Flä- 



2 Paget. Lectures. 11. p. 332 (Fall vom Humerus aus dem Uoseum 
dinburger UniTeKität). 



lyCoogle 



Knorpelige Eiostose. 

^. 10». 



Fig. 109. Knorpelige Eiostose des rechten Schulterblattes, von Herrn 
Carl Textor regecirt, von einem 3 Jahre und 2 Monate alten Mädchen. 
A der vordere, grössere, die Achselhöhle IHIlende, B der hintere Tb eil der- 
selben; C die Durchaägnnggfläche des Knochens, a b gerade nnter dem 
Gelenkfortsatie. Vgl. Hein Archiv, Bd. IV. S. 4. Taf. I. Fig. 11. 

Fig. 110. Durchschnitt von Fig. 109. A der vordere, B der hintere 
Umfang, C die Durcb schnittssteile. Von letzterer bis a und b bat die Ge- 
Bcbwulst eine feste Rinde von dichter Knocbenmasse von \—\"''Dic'£f^; die 
Fläche a c 6 ist grossentheils von Knorpel überzogen. Innen eineapongiöse 
Hasse, welche bei d, d, d immer dichter nnd fester wird, bei e, e, e, e da- 
gegen in grosse MarkbSbleo übergebt, welche ^ — V' Durchmesser hatten. 
Archiv. Bd. IV. Taf. I. Fig. IV. 



lyCoogle 



14 Siebzehnte TorleBnng. 

chen hin, eo dass der eine oacli innen, der andere nacb aussen 
gerichtet ist. Ja, die grössere Masse von Gewebe fallt zuweilen 
auf die Auswflehse, die kleinere auf die ursprünglichen Knochen. 

Die Hauptfrage bleibt, wo kommt der Knorpel her, welcher 
das Material für das progressive Seitenwacbsthum liefert? Dieser 
Funkt ist bis jetzt keineswegs vollständig ermittelt worden. Man 
weiss, dass sehr viele von diesen Formen, ähnlich den Enchon- 
dromen, schon sehr frfib in den ersten Lebensjahren existiren 
und dass sie im Laufe der Entwickelungszeit weiterwachsen, ähn- 
lich wie die Knochen selbst sich vergrössern. Es liegt daher 
nahe, anzunehmen, dass schon in der früheren Bildungsgescbichte 
der Knochen der Grund für die Deviation der Eatwickelnng ge- 
legt wird. Da die meisten Knochen ursprünglich knorpelig an- 
gelegt werden, so lässt es sich denken, dass an jedem ihrer 
Theile ein gewisser Abschnitt dieses Primordialknorpols eine selb- 
ständige Entwicklung machen kann, wie der früher (Bd. L, S. 448) 
erwähnte Fall von Dufour*) so schlagend beweist. Die Erfahrung 
ei^iebt aber, dass solche Exostosen besonders häutig iui Funkten 
vorkommen, wo noch längere Zeit hindurch Knorpel fortbesteht. 
So namentlich in der Gegend, wo der Epiphysenknorpel der 
Röhrenknochen mit dem Diaphysenknorpel zusammenstOsst, und 
wo bekanntlich an den meisten Knochen noch bis gegen die Fu- 
bertät hin der Epiphysenknochen von dem Diaphysenknochen 
durch eine intermediäre Knorpelschicht getrennt ist. Da liegt 
es sehr nahe zu vermnthen, dass aus diesem Zwiscbenknorpel 
in einer relativ frühen Zeit des Lebens dnrcb eine Reizung, 
welche die Oberfläche trifft, eine ungewöhnliche seitliche 
Wucherung erzeugt wird. 

Nimmt man das untere Ende eines Femur, wo zwischen 
Dia- und Epiphyse beim Menschen von ungefähr 16, 17 Jahren 
noch quer durch ein Knorpelstreifea geht, und denkt man sich, 
es wäre eine Wucherung von da ausgegangen, welche sich mehr 
und .mehr herausschiebt, so würde das entstehen, was wir in 
Fig. 108. vor uns haben. Es würde also etwas Aehnliches die 
Grundlage sein, wie ich es bei gewissen Eccbondrosen neulich 
geschildert habe (Bd. L, S. 439), dass von der Oberfläche der Syn- 



*) Dnfour. Bullet, de I» Soc. anat. Ann. 26, p. 85. Lebert Traite 
d'aaat. path. T. 1. p. 232. PI. XXXI. fig. 2 -i. 



lyCoogle 



Knorpelig« Eioetos«. 15 

ehondrose her eine particiilare Eatwickelung aasgefat, die nach- 
her oesiüoireD kann, ja dann sogar OBsiüciren kann, wenn die 
Unterlage noch knorpelig ist. Diese knjjchernen Ecchondrosen kttn- 
a^ nnter Ums^nden ihren Knorpel ganz and gar verzehren, wie 
ich es von den sphenooccipitalen schon lange gezeigt habe*) nnd 
wie ich nenlich von den costalen erwähnte (Bd.L, S. 448). Wäre 
die Annahme richtig, dass die knorpelige Exostose Qberfaaapt auf 
diese Art entsteht, so konnte sie in die Reihe der ossiticirenden 
Ecchondrosen gerechnet werden. Wenn ich sie bei den Osteomen 
mit anflüihre, so geschieht es, abgesehen davon, dass der Knor- 
pel hier regelmässig als ein mehr transitorisches Gewebe, der 
Knochen als typisches Ende der Bildung erscheint, auch aus 
dem Grunde, weil diese Art der Entwickelung bis jetzt nicht 
sicher festgestellt ist. Es ist diess nur eine Vermuthnng, die je- 
doch gestützt wird durch die wohl constatirte Thatsache, wie 
deren eine Reihe in gut beobachteten Fällen *•) vorliegt, dass diese 
Bildungen ans einer sehr frühen Zeit des X^bens her datiren. 

Allein wir wissen, dass unter Umständen auch Knorpel im 
Periost erzeugt wird. Das geschieht nicht allein nach Fracturen, 



*) V i rch «r. Entwickelnog des Schadel|rDiides. S. 51. Taf. VI. fig. 14-16. 
**} Scbon inebreie F&lle tod Cooper sind recht chiirakteriBÜBch. Eine 
48jSbrige Frau hatte eine grosse, gestielte Exostose an der vorderen Seite 
dea oberen Endes der Tibta, welche nach ihrer Aussage in ihrer Kindheit 
begonnen hatte und 44 Jahre bestand (Surg. essajs. 1. p. 198. PI. 8. fig. 1.). 
Ein 24jahriger Bursch trug über dem inneren Coudylus eine aufwärts ge- 
richtet« Exostose am Oberschenkel, an welcher Stelle er vor 14 Jahren beim 
Springen Qber einen Pfahl zum ersten Mal Schmerz empfunden hatte (p. 205. 
FI. 8. &g. 6.). Ein lljähriges Mädchen hatte gleichfalls über dem inneren 
Gondylue in der Insertionslinie des Triceps eine knorpelige Exostose, die 
8 HoDftte rorber zu^llig entdeckt war (p. 203). — Syme fEdinb. .llonthly 
Joum. 1854. Jan.) erklärt, dass die Neigung zur Bildung solcher Exostosen 
um die Zeit der Pubertät am grOssten sei, dass sie später stationär werden 
und nicht weiter wachsen. — Langenbeck (W. Busch. Chirurg. Beobach- 
tungen. Berlin. 1854. S. 288) entfernte eine knorpelige Exostose, welche an 
der inneren vorderen Seite des linken Oberarmes, in der HObe der Insertion 
des Deltoides sass, bei einem Tjäbrigen Mädchen, das schon mit l^Jabre 
daselbst eine kleine Hervorragung gehabt hatte. — Hodgson (Stanley. 
Illustrations. PI. 14. fig. b.) eistirpirte bei einem Hjäbrigen Mädchen an 
der unteren und inneren Seite des Oberschenkels eine ähnliche Geschwulst. — 
Carl Textor (Mein Archiv. 1852. Bd. IV. S. 4. Taf. I. Fig. 2—4.) resecirte 
einen Theil des rechten Sohulterblattes wegen der in Fig, 109 — 110. abge- 
bildeten Exostose bei einem 2jährigen Mädchen, welche zuerst vor IJ Jahre 
bemerkt war; auch am linken Schulterblatt fand sich ein erbsengrosser, bar- 
ter AuBwucba. — Auch der von mir beschriebene (Entwickelung des Schä- 
delgrundes. S. 52) und von demselben Chirurgen operirte Fail von der Sca- 
pnla stammte von einem jungeu Mädchen. — Billroth (Beiträge znrpath. 
Histologie. S. 117) führt 9 Fälle bei Individaen von 6 — 21 Jahren auf 

D,gt,ZBdbyCOO<^Ie 



]6 Siebiehnta Vorloanog. 

bei der CaUuBbildang, Boodem auch an Stellen, wo durch nnge- 
wahnliche Anlagerung von Knochentfaeilen z. B. bei Luxationen 
und SubluxatioDen, durch anhaltenden Druck auf das Periost ein 
KeizuDgszustand gesetzt wird, und es ist daher immerhin möglich, 
daes ohne eine primäre Deviation der Knorpeleotwickelung auch 
in einer späteren Zeit des Lebens eine derartige Rnorpelbildung 
aus dem Periost zu Stande kommen könnte. Dafür spricht we- 
nigstens ein Fall von Regnoli*), wo ein 43jähriger Lastträger 
am absteigenden Ast des Sitzbeiaes, freilich ohne bekamite Ur- 
sache, unter Schmerzec eine knorpelige Exostose bekam. 

Sehr viel näher liegt die Entwickelung aus ursprüngli- 
chem (embryonalem) Knorpel bei einzelnen anderen Formen, 
die nicht immer den Charakter der Exostosis cartilaginea bewah- 
ren, und von denen ich nur eine anfahren will, die in neuerer 
Zeit hauptsächlich die Aufmerksamkeit der Geburtshelfer in An- 
spruch genommen hat und welche das Stachelbecken (Akan- 
thopelys, PelvJB spinosa) erzeugt**). In einem Präparat unserer 
Sammlang***) findet sich jederseits an der Stelle, welche unge- 
fähr der hinteren Grenze des Ob pubis entspricht, wo es mit dem 
Os ilium zusammenstösst, eine stachelige, nach innen und oben 
gehende Hervorragung, von denen die rechts etwas mehr ausge- 
bildet und 5 Hm. hoch ist, mit einer länglichen, 9 Mm, langen 
Basis aufsitzt und ganz scharf endigt. Beide sitzen etwas nach 
innen von der Gegend der Synostosis ilio-pnbica, in der Richtung 
der Linea arcuata superior. Einzelne Geburtshelfer meinen, dass 
solche Stacheln unter Umständen eine Verletzung des schwange- 
ren Uterus erzeugen und die Veranlassang von Rupturen bilden 
können. Die Lokalität, an welcher sich diese sehr häufig sym- 
metrischen Stachelbildungen finden, entspricht ungefthr, wenn 
auch nicht immer ganz exact, der Gegend, wo die drei Knochen, 
welche die Beckenhälfte bilden, ursprünglich zusammeostossen, 
wo zwischen Os pubis, Os ilium und Os ischü ursprünglich eine 



*) RegQoli. OsserT. cbirurg. Pisa. 1836. Scbmidt's Jahrb. Bd. XXIX. 
S. 363. 

**) H. F. Kilian. SchilderuDgea neoer Beckenformen und ibres V«r- 
haltens im Lebeo. Tb. II. Akautbopelys. Mannli. 1854. Lambl- Prager 
VierteljahraBchr. 1855 Jahrg. XII. Bd. 1. S. 142. A. L. WallmBlIer. Par- 
tna memorabilta in ioatituto obstetrido Berolioensi obaervatus. Disa. inaog. 
Berol. 1856. Verband), der Berliner geburtsh. Gesellscbaft X. S. 59. 

•**) Piiparat No. 5. vom Jahre 18ÖT. 



lyCoogle 



EiostoBen ans Bindegewebe. 17 

KnOTpelfiige liegt, die hier an die Oberfläche tritt. Es iet da- 
her sehr wahrscheinlich •), dasB hier Spinae oder Cristae ent- 
steheo, wie die früher erwähnte Ecchondrosis epheno-oceipiialis 
oder, was vielletcht noch mehr entspricht, wie das Tuberculum 
jugnlare s. anonymum an der Grenze von KOrper und Bogenstäcken 
d«r Vertebra occipitalis. Allein die Entwickelung ist am Becken 
noch nicht sicher gestellt, and man kann um so weniger darüber 
aburtheilen, ob diese Bildung in die Reihe der Ecchondrosen gerech- 
net werden musSj als sie manchmal mehr nach innen, etwa ent- 
sprechend dem Ansätze der Fascien, liegt und daher auch in die 
Kategorie der tendinösen Exostosen gehleren kann. — 

Sehen wir Ton den knorpeligen Exostosen und TOn den 
schon früher (Bd. I, S. 449) specieller voi^eführten Bildungen an 
den Gelenken, welche die sogenannten freien Ktirper constituiren, 
ab, so entsteht die grosse Hehrzahl der anderen Exostosen ans 
Bindegewebe, welches seinerseits wieder ans präesistirendem 
Bindegewebe oder aus irgend einem verwandten Gewebe erzeugt 
sein kann. Natürlich steht hier die Beinhaut obenan; ihre Be- 
ziehungen zur Exostosenbildung sind so deutlich, dass schon seit 
den berühmten Versuchen von du Hamel**) diese Entstehungs- 
art nicht zweifelhaft sein konnte. Die wahre Erkenntniss wurde 
nur dadurch verhindert, dass man einen besonderen Saft, oder, 
wie man später sagte, ein Exsudat als Vermittelungsglied hinstellte, 
und dass erst durch meine Beobachtungen über die directe Ossi- 
fication des Bindegewebes *•*) ein ganz sicherer Boden gewonnen 
wurde. Der alte Begriff der Exostose hatte allerdings die Vor- 
aussetzung, dass der Auswuchs aus dem Knochen selbst hervor- 
gehe, etwa so, wie es bei der knorpeligen Exostose wahrschein- 
lich geschieht, und noch lange, nachdem schon die genetische 
' Bedeutung des Periostes festgestellt war, unterschied man zwei 
verschiedene Arten der Exostose. Boerhaavef) hat diese am 
schärfsten so unterschieden, dass er die eine durch Verdickung 
und Verknöcherung des Periostes, die andere durch Auseinander- 



*) Vircbow. Entw. dea Schädelgrundes S. 54. vgl. S. U n. 67. Ver- 
tutodlnngen der Berliner gebartsb. Geaellsch. 1857. X. S. 67. 

••) Dn Hamel. Mem. de l'Acad. rojale des scienccB- Ana. 1743. Mem. 
6. BDr les 08. Obs. 31. sq. 

"•) Mein Archiv. 1847. Bd. I. S. 135. Wßrabnrger Verhaodl. Bd. II. S. 158. 
Cellalarpatbologie. 3. Aufl. S. 398. fig. 138—139. 
+) Boeibaave. Praelectiones ad Instit. §. 711. 

Vlrehow, QMcbwülile. 3. 2 



lyCoogle 



18 Siebzehnte Vorteenng. 

weicLen der Knochenlamelleii selbst entstehen liees. Pallas*) 
geht so weit, dass er nur diejenigen als wahre Exostosen gelten 
lässt, welche ihren Sitz in der Substanz des Knochens selbst 
haben, und diejenigen falsche (epuriae) nennt, welche ihren Sitz 
in der Beinhaut und deren Gefässen haben. Etwas unklar ist 
die weitere Scheidung in solche per infiltrationem und solche per 
extravasationem (par epanchement), doch mag dei^elben ein 
ähnlicher Gedanke zu Grunde liegen**). 

Die „wahren" Exostosen in diesem Sinne, welche unge&br den 
später sogenannten pareachymatSsen entsprechen dürften, Liess man 
besonders häufig so entstehen, dass der Knochen an der befiUlenen 
Stelle erweichte, indem seine Salze, etwa durch eine Sänre, weg- 
genommen würden, dass die erweichten Stellen durch Infiltration 
neuer Säfte anschwellen und dann wieder ossificiren. Man kann 
nicht sagen, dass ein solcher Gang unmöglich sei oder nicht vor- 
komme. In der That entstehen so gewisse Knochenauswüohse, 
die ich Enochengranulationen genannt habe***), die aber 
von Anderen geradezu als Exostosen bezeichnet sind, bei der 
Vemarbung von Knocheng^chwflren, wie man das so häufig bei 
tiefgreifenden Geschwüren des Unterschenkels (sogenannten Fnss- 
geschwüren) sehen kannf). Aber auch hier muss sich das Kno- 
chengewebe erst in ein weicheres Bindegewebe umwandeln oder 
dasselbe erzeugen, und erst dieses bildet den Knochen. 

Immerhin ist diess der seltnere Fall, und auch von den wah- 
ren Exostosen kann es nicht bezweifelt werden, dass sie am häu- 
tigsten aus anderem Bindegewebe und namenäich direct aus dem 
Feriost erzeugt werden. Diese sitzen an der Oberfläche eines Kno- 
chens entweder in der Art, dass man noch deutlich eine Unter- 
scheidung machen kann zwischen der neugebildeten Knochen- 
masse und der alten, oder so, dass beide vollständig mit einander 
in Verbindung stehen und in einander übergehen. 

Von diesem Umstände hat man in neuerer Zeit vielfach Ver- 
anlassung genommen, eine zuerst von Lohsteinff) i 



•) S. Pallas a. a. 0. S. 209. 
") Du Verney 1. c. II. p. 474. 
••*) Archiv I. S. 137. 
t} A n d r. B n n. Tabuke ossium morbo&orum praccipue thesauri Hoviani. 
AmBtel. 1788. Fase. lil. Tab. XXII. 

tt) Lobsteio. Paltaol. Anat IL S. 123. 



lyCoogle 



Osleopbyte und GxostoseD. 19 

UotorscheiduDg uizuaehmen, indem man die bloa lose anfsiteen- 
den, scheinbar bloa angelagerten mit dem Namen der Osteo- 
phyten belegt hat, während man denjenigen, welche in einer 
festen nnd dichten Verbindang mit dem Knochen stehen, den iüten 
Namen der Exostosen belassen hat Lobatein selbst hielt noch 
an der Voraussetzung test, dass die Exostose wirklich aus der Sub- 
stanz des Knochens heraus, oder, wie er sagt, zwischen den Schich- 
ten der compacten Knochensubstanz sich entwickele. Das Osteophyt 
dagegen werde durch eine Verknflcherung der den Knochen um- 
gebenden Gewebe bedingt, und zwar das diSiiee durch eine Ver- 
knOchening des ^die Beinhaut mit dem Knochen verbindenden 
Zellgewebes", das fasemetzflJrmige durch eine Verknöcherung 
der Beinhaut selber, das blätterige und griffeiförmige durch eine 
VerknOehening der sehnigen und aponenrotischeo Fasern, das 
blnmenkohlartige und eynostotische endlich durch eine VerknO- 
ehening des Interstitialgewebes der den alterirten Knochen um- 
gebenden Muskeln*). 

In dieser Aufstellung ist ein sehr grosser Fortschritt gege- 
ben, insofern hier nicht mehr blos von der Beinbant, sondern 
aach von extraperiostealen Geweben, von den Sehnen und Fascien, 
von dem interstitiellen Muskelgewebe, also, wie wir heute sagen 
würden, von dem Bind^ewebe in der Nähe der Knochen aber- 
haopt die Rede ist. Aber am wen^sten ist damit ein durch- 
greifender Unterschied von der wahren Exostose g^eben, denn 
auch diese liegt nicht zwischen den Schichten der compacten 
Substanz, sondern aof derselben, and der einzige Unterschied, 
' der anch später von der Wiener Schule besonders betont worden 
ist, besteht darin, dass die Grenze zwischen der Exostose and 
dem alten Knochen schwer erkennbar ist, während sie bei den 
Osteophyten leichter bemerkt wird, ja das Osteophyt zuweilen 
sehr lose aufliegt. 

Als R^l muBB daher betrachtet werden, dass auch die Ex- 
ostose apponirt, von aussen angewachsen iüt, und im Ganzen 
kann man wohl s^en, dass, wenn man Oberhaupt einen Unter- 
schied zwischen Osteophyten und Exostosen in diesem Sinne 
machen will, die Osteophyten jnnge Exostosen, und die Exosto- 
sen alte Osteophyten sind. Die neugebildeten Schichten liegen 



•) Ebendaselbst. S. 132. 



lyCoogle 



20 Siebzehn!« Vorlesung. 

zuerst lose an, später vereinigen sie sieb dichter und dichter mit 
dem Knochen, und sind schliesslich nicht mehr von ihm zu 
trennen. Der Unterschied zwischen Osteopbyt und Exostose ist 
daher theils ein conventioneller, theils ein scholastischer, und 
man darf sich nicht wundem, wenn beide Äusdr&cke vielE^b 
promiscue gebraucht werden. Im Allgemeinen muss man nur 
festhalten, dass der Begriff des Osteophytes der weitere ist, in- 
sofern er weit über das onkologische Gebiet hinausgreift. Das 
diffuse Osteophyt hat nicht das Mindeste von einer Geschwulst 
aa sich; es sind ausgedehnte, aber flache Knochenneubildungen 
an der OberSäche alter Knochen, wie sie durch difiiise Periostitis 
hervorgebracht werden. DassLobstcin ihren inneren und noth- 
wendigen Zusammenhang mit denjenigen Zuständen, die er als 
corticale Osteoporose und supracorticale Osteosklerose schildert*), 
nicht erkannt hat, lag an der mangelhaften Kenntniss, welche 
man in seiner Zeit über die Knochenentwickelung überhaupt 
hatte; sonst hätte er sich leicht überzeugen müssen, dass alle 
diese Processe darin übereinkommen, dass sie der Periostitis ent- 
weder angehören, oder doch auf das Nächste verwandt sind, dass 
sie alle der irritativen Reihe zuzurechnen sind und dass sie 
sich nur dadurch unterscheiden, dass die ossiäcirenden Schichten 
bald nur aus der Beinhaut, bald auch aus dem umgebenden Binde- 
gewebe hervorgehen, und dass im ersteren Falle bald nur die tie- 
fen, bald auch die oberflächlichen Lager der Beinhaut dabei be- 
theiligt sind. Allein auch in dieser Beziehung ist Osteophyt 
der allgemeinste Ausdruck für corticale oder sapra- 
corticale Knocbenneubildung, also för die neue Knocben- 
masse, welche die Periostitis im engeren oder weiteren Sinne 
des Wortes hervorbringt; Exostose bezeichnet das kleinere Ge- 
biet von Osteophyten, welche sich auf eine umschriebene Stelle der 
Knochenoberfläche beschränken und in Form einer Gesehwulst 
zur Erscheinung kommen. Sie stellen also eines der ausgezeich- 
netesten Beispiele für die schon früher wiederholt besprochene 
Beziehung von Geschwülsten zu chronisch entzünd- 
lichen Processen-dar. 

In dieser Beziehung ist zu bemerken, dass man inner- 



*) Han vergleiche die Abbildungen yod LobBtein, Traitä d'anat patb. 
Paris. 1833. T. II PI. IL-VlI., insbesondere PI. III. a. PI. IV. fig. 1. 



lyCoogle 



FerioBtoMo und HyperMtosen. 21 

halb des Gebietes der Oeteophyten seit längerer Zeit ansser dea 
ExoBtOBea noch die Periostosea imd Hyperostosen unter- 
scheidet Wenn man von einer Exostose spricht, so meint man 
eine Bildung mit mehr circumscripter Basis, während Periostose 
eine Anschwellung ausdrückt, welche sich über einer grosseren 
Grundfi&che erhebt, and Hyperostose dasselbe für einen ganzen 
Knochen oder wenigstens für einen ganzen Abschnitt eines Kno- 
chens bezeichnet. Je grösser ein Knochen ist, um so prUciser 
treten natürlich diese Differenzen hervor, und man ist daran ge- 
wöhnt, bei grossen Knochen, z. B. bei Röhrenknochen, die mei- 
sten Periostosen und Hyperostosen nicht mehr in die Reihe der 
Geschwülste zu rechnen. Bei kleinen Knochen dagegen i&llt dies 
Alles zusammen, denn die Periostose oder Hyperostose kann 
sich ebenso darstellen, wie an einem grossen Knochen eine Ex- 
ostose. Das sind ganz conventionell gebrauchte Begriffe, welche 
keine scharfe Differenz darbieten. 

Am besten liest sich dies an den Hyperostosen der 
Gesichts- und Sch&delknochen erläutern, welche an sich 
wegen der besonderen Stärke der Erkrankung vor fast allen an- 
deren ähnlichen Erkrankungen hervortreten und deren mehr dif- 
fuse Formen schon seit Malpighi*) die Anrmerksamkeit der 
Beobachter in hohem Maasse erregt haben. Im Laufe der Zeit hat 
sich eine gewisse Reihe von berühmten Schädeln dieser Art zu- 
sammei^efonden**), aber ihre Bedeutung für die hier zunächst in 
Rede stehende Form der Hyperostose ist wenig hervorgehoben wor- 
den, weil der Einfluss dieser Veränderung auf die Schädelhöhle, 
ihren Inhalt und ihre verschiedenen Oeffnungen ganz natürlich 
Hauptgegenstand der Betrachtung wurde. Auch ist diese dißiise 
Hyperostose gerade am eigentlichen Schädel eine mehr gleich- 
HÄssige, so dass besondere Unebenheiten nur selten hervortreten, 
und eine Geschwulst im engeren Sinne des Wortes gewöhnlich 



*) Halpighi. Opera posthuma. I^nd. 1697. p. 49. 
**) Jsdelot. DescriptioD anatoiaique d'une t€te humiune extnordinaire. 
Paria. 1799. Uebeisetzt von Heun. Jena. 1805. Bojanua, Froriep'a NotiTien. 
1S38. Bd. XV. No. 9. Otto. Neue seltene Beobachtungen aus der Anatomie, 
Physiologie n. Pathologie. Berlin. 1824. S. 2. Jlg. Einige aaatomiBclie Be- 
obachtungen. Prag. 1821. Ger. Violik. Specimen anat. path. inaug. de 
hyperostosi cranii. Amstelod. 1848. J. F. H. Albere. Jeoaiache Annalen. 
1861. Bi. IL S. 1. Hnschke. lieber Cranioacleroaia totalis rhachitica und 
verdickte SchSdel Oberhaupt. Jena. 1858. 



oogle 



92 Siebiehnte Vorlesung. 

nicht vorliegt. Anders verhfilt es eich mit den Geeicbtekooclien, 
welche in manchen F&Uen in höherem bTaasse leiden, ale die 
Schädelknochen und an welchen sich die einzelnen Knochen oder 
selbst einzelne Theile derselben in Form grösserer, meist flaeh- 
mndticher Anschwellungen erheben. Dies kommt namentticb an 
den Kieferknochen vor und manche dahin gehörigen Fälle sind 
geradezu als Exostosen der Kiefer beschrieben worden. 

Unter diesen ist vielleicht am meisten bemerkenswerth der 
Fall von Forcade*). Dieser Chirurg hatte einen Sohn, der 
bis zu seinem 12. Jahre (1734), bis auf eine Erkrankung an den 
Poeken, gesund war. Damals Öffnete ihm sein Vater eine „Thrä- 
nenabsetzung" am inneren Winkel des rechten Auges, die sehr 
lange eiterte. Während dieser Zeit entstand eine mandelgrosse 
Erhabeaheit am Nasenfortsatz des rechten Oberkiefers, welche so 
zunahm, dass sie im 15. Jahre die Nasenknorpel der Art zu- 
sammendrückte, dass der Knabe nur durch den Mond athmen 
konnte**). Nunmehr theilte sich die Krankheit auch dem Unter- 
kiefer mit, der nur an den Gelenken und an den AlveolarrÜn- 
dem normal blieb; die Oberkiefer, die WSnde der Augenhöhle 
mit Ausnahme des Daches, die Nasenöffnungen, der harte Gau- 
men, die Jochbeine wurden ei^ffen und schwollen zu unförm- 
lichen Massen an. Im 20. Jahre war das Gesicht monströs. Es 
entstand Exopbtbalmos mit Kurzsichtigkeit , Erschwerung d^r 
Sprache, allgemeine Trägheit, und der Kranke starb 45 Jahre alt, 
blind, an Schwindsucht. Der maeerirte Kopf wog 8^; Pfd., der 
Unterkiefer allein 3 Pfd. 6 Lth. Grosse, knollige und lappige Ex- 
ostosen von marmorner Dichtigkeit erheben sich um den Unterkie- 



•) Ich führe hier Forcade (in Perpignan), den Vater des Kranken, an, 
obwohl sonst gewöhnlich Jourdain oder Ribelt citirt werden. Der Fall 
ist Bonderharerweiae so oft beschrieben worden, dass selbst die besseren 
Autoren allmählich dahin gekommen sind, ihn doppelt anrzufQhren. Jonr- 
dain (Traite des mal. et des Operations reellement chirnrg. de la bouche. 
Paris. 1778. T. 1. p. 289. P!. HI. Ins Deutsche Obers. 1784. I. S. 334) be- 
schreibt ihn zuerst; später ist er von Ribel (Mimoirea preseot^ al'In- 
stitut. T. II. p. 336, Dissertation snr les esostoaes. Paris. 1823.) abgehan- 
delt und abgebildet worden. Lebert (Traitd d'anat. path. T. I. p. 998. 
PI. XXXII.-XXXIII.) hat ihn wiederum abbilden lassen. Er neant den Na- 
men Rybel nnd Rebel; ob Fig. I. auf Fl. XXXll. dazu gebart, giebt er 
nicht an. 

■*) Diese Stelle ist in der deutschen Uebersetiung von Lobstein'B 
Path. Anatomie. II. S. 99. ganz miss verstanden worden; im fntnzCsisclieD 
Text (Traite d'anat. path. T. II. p. 104) ist die Angabe gans richtig. 



zPcbyCOOgIC 



Leontiuia ossM. 23 

fer und die unteren AngenbOhlenrftnder. Die Knochen des Schä- 
deldaches sind verdickt, mit kleinen, flachen Auswüchsen be- 
setzt und ganz sklerosirt; Stim- und Kieferhöhle vollständig ver- 
Bchvronden. Das übrige Skelet war wegen der ungewöhnlichen 
Zartheit der Knochen auf fallend. Endlich ist noch zu hemerken, 
dass bei der Section die Gesichtsmuskeln kaum zu unterscheiden 
waren; sie hatten ein fibröses Aussehen angenommen und waren 
mit dem Zellgewebe und der Beinhaut verschmolzen. 

Ein sehr ähnlicher Schädel findet sich im Mus^e Dupuy- 
tren*), welcher sich hauptsächlich dadurch unterscheidet, dasa 
auch die oberen Ränder der Augenhöhlen von Exostosen besetzt 
sind und dass sich auf dem rechten Scheitelbein ein ganz iso- 
lirter, flachrnndlicher, fester Enoehenanswuchs findet. Der ganze 
Schädel wiegt nur 2 Pfd., der sehr difTorme Unterkiefer 6^ Unzen 
(197 Grmm.). Ueber die Geschiebte des Falles ist leider nichts 
bekannt. 

Diese schensslichen Krankheitsformen stellen für das Skelet 
genan daeselbe dar, was die Leontiasis für die Weichtheile (Bd. I., 
S. 327). Man sehe nur die AbbUdungen an, welche, aus einiger 
Entfernung betrachtet, genau den Eindruck machen, als habe man 
den Gypsabguss einer Leontiasis vor sich. Ich trage daher um 
so weniger Bedenken, den Namen der Leontiasis ossea fEkr 
sie anzuwenden, als metner Meinung nach der Krankbeitsprocess 
genau dem entspricht, was wir an den Weichtheilen Elephantiasis 
nennen. Schon, als ich letzteren Vorgang abhandelte (Bd. L, S. 312), 
habe ich die dabei vorkommenden Hyperostosen erwähnt, weiche 
in der Kegel ausser allgemeiner Anschwellung der befallenen Kno- 
chen knollige und stachelige Auswüchse derselben hervorbringen. 
Für gewöhnlieh ist diese Hyperostose mit der speckigen (fibro- 
matösen) Umwandlung der Weichtheile vergesellschaftet; in den 
seltneren Fällen, die wir hier zu bebandeln haben, ist die Bein- 
hant der Hanptsitz des Uebels. Leider fehlen bei den meisten Fäl- 
len der Leontiasis ossea sowohl Krankengeschichten, als Sections- 
berichte fiber die Weichtheile. Der Fall von Forcade ist in die- 
ser Beziehung besonders werthvoU. Noch mehr charakteristisch 



•) Mosee Dnpnytreu Descr. p. 528. No. 384. C. 0. Weber. Die Kno- 
chengesch Wülste. S. 8. Taf. V. Fig. T. Houel. Manuel d'aoat. path. conte- 
naot la description et le caUlogue dn Musee Dupuytren. Paris. 1857. 
p. 556, 557, 748. (Er citirt als Autor Cru veiihier.). 



lyCoogle 



24 Sfebiehnt« Torlesug. 

ist aber der genauer bekannte Verlauf der Krankheit in dem 
berühmten Prager Falle, den zuerst Jlg and später Wenzel 
Grnber*) beBchrieben haben: 

Ein früher ganz gesundes AfUdchen wurde im 10. Jahre 
amaurotisch und bekam einen epileptischen Anfall, welchem Mo- 
nate lang heftiger allgemeiner Kopfschmerz mit Delirien folgte. 
Als derselbe nachliess, traten häutiger convulsiviBche Anfalle eiD, 
und am Ende eines jeden solchen Anfalles zeigte sich eine 
Sose, welche den ganzen Kopf einnahm und mit Einschluss der 
Desquamation 8 — 10 Tage dauerte. Im 16. Jahre schwand das 
Gehör, der Kopf nahm zu, hellige Schmerzen, Schwere des Kopies, 
Schwäche, GemchloHigkeit u. s. f. stellten sich ein, und die arme 
Kränke starb endlich im 17. Jahre unmittelbar nach einem neuen 
Erysipel. 

Eine grössere Üebereinstimmung des Verl^fes läset sich 
nicht wohl anfünden. Erwägt man, dasa auch bei der gewöhn- 
lichen Elephantiasis der Eztremitäten, dem sogenannten Rosen- 
bein, die erysipelatösen Erscheinungen sich der Beobaehtnng oft 
genug entziehen, so kann ein solcher Mangel um so weniger in 
Betracht kommen bei einer so tiefsitzendeu Affection. Ich will 
damit in keiner Weise behaupten, dass jede Hyperostose densel- 
ben Ursprung hat; im Gegentheil kann kein Zweifel darüber sein, 
wie ich später noch genauer angeben werde, dass Traumen, Sy- 
philis, Rachitis gleichfalls Hyperostosen hervorrufen. Allein die 
hier besprochene Form ist niemals beobachtet worden, wo eine 
solche Ursache mit Sicherheit nachzuweisen war, imd wenn na- 
mentlich Huschke noch neuerlich versucht hat, die totale Schä- 
del-Hyperostose (Graniosklerose) auf Rachitis zurückzuführen, so 
liegt dieser Ansicht eine unzweifelhaft unrichtige Vorstellung von 
dem Wesen des rachitischen Proceases zu Grunde. 

Es scheint, dass ein ähnlicher Vorgang, wie die Leontiasis 
osaea ihn in der abschreckendsten Form darstellt, sich zuweilen 
über das ganze Skelet ausdehnen kann"). Dahin gdiört na- 
mentlich ein Fall von Saucerotte*"). Ein 39jähriger Mann 



•) W. Gruber. Beiträge znr ÄDatomie, Physiologie, Chirurgie etc. 
Abth, II. Prag. 1847. S. 13. 

*') Rallier. Bullet, de la Facnlt^ de m^d. de Paris. 1809. p. 94. Mus^e 
Dupuytren. No. 433. 

*") Hus^e Dapnytreti. No. 435. Lobstein (Troite d'aaat. patb. II. 
p. 108. Deutsche Uebersetiung 8.95) citirt Sancerotte H^langes de chi- 



,yCoogle 



pMtielle Hyperostosen. 25 

hatte in 4 Jahren an Körpergewicht von 119 auf 17S Pfiind zn- 
genommen, während doch die Weichtheile welk und eingefallen 
waren. Sein Kopf war so dick, dasB er eich eigens Hüte be- 
stellen inusste. Seine Augen waren so hervorgedrängt, dass sie 
mit der Stirn in einer Ebene lagen. Der Unterkiefer stand am 
einen Finger breit vor dem Oberkiefer hervor. Die WirbelsSnle, 
die SchuUerb^tter , die Schlüsselbeine, das Brustbein und die 
Rippen, die Hüftbeine waren flbermässig dick; nur die Unter- 
schenkel schienen auf den ersten Anblick normal, wenn man sie 
aber anfasste, so zeigte sich, dass die Waden eigentlich ganz 
fehlten und dass fast Alles daran knfichem war. - Periodische 
Anfälle von Dyspnoe und Coma waren die einzigen Krankheita- 
symptome*) gewesen. — 

Ich habe diese merkwürdigen Formen der Hyperostose et- 
was genauer angefahrt, weil sie für die Theorie besonders wich- 
tige Anhaltspunkte gewähren. Für die Geschwulstlehre sind die 
partiellen Hyperostosen von ungleich grösserem WerÜie, 
weil sie häufiger vorkommen und ihres begrenzten Anftretens 
wegen leicht von den mehr diffusen Processen getrennt werden, 
mit denen sie doch nothwendig zusammengehßren. Auch diese 
eigentlich geschwulstartigen Formen sind an den Gesichts- nnd 
SchSdelknochen nicht selten. 

Wolfarth") berichtet von einer compacten, äusseren Hyper- 
ostose des Schläfenbeines, welche sich in Folge einer mechani- 
schen Insultation gebildet und viele Jahre bestanden hatte. — 
Die umstehende Abbildung zeigt eine dichte, wenngleich leicht 



rurgie p.40T. Albers (Jenaische Annalen. 1851. II. S, 8), der denselbBD Fall 
mit gleichen Worten aiifQhrt, hat statt dessen ein Citat von Beyer (Trait^ 
des maladies chirurp. T. III. p. 543) abgeschrieben, welches Lobstein un- 
mittelbar vorher beibringt, welches sich aber nur auf eine Sklerose des 
Oberechenkels beüeht. J. Fr. Meckel (Handb. der path. Anat 1816. II. 1. 
S.278) scheint dagegen den selben Fall zu raeinen, tod welchem Lobsteiu 
spricht; er citirt aber dafür Sancerotte (Möm. de Tinstitut nat. Sc. phys. 
T. II. p. 114) und Noel (Roux Journal de m^decine. 1779. Mars, p, 220). 
Renard (Versuch, die Entstehung und Ernährung, das Wach sthnm und alle 
Qbrigen Veränderungen der Koocbeo im gesanden und kranken Znstande eu 
erklären. Leipi. 1803. S. 67) nimmt dies als zwei verschiedene Fälle nnd citirt 
Saacerotte (Bull, de la Soc. pbilomatique. An VII. p. 151) undNoeUSamm- 
lang auserlesener Abhandlungen für praktische Aerzte. Bd. XV. S. 541]. 

*) Falls der von Heckel erwähnte Fall damit identisch sein sollte, so 
väre noch fast vollständiger Verlust des Gesichtes und des Gedächtuiuea 
Md zu EU fügen. 

•*) Wolfarth. De OBsium tamoribus. Dis^ inaug. Wirceb. 1848. 



lyCoogle 



Siebtehat« VorteBong. 



poröse Hyperostose der linken Hälfte des Keilbeina, 
welche alle seine Theile betrifft; innen am Schädel bietet der 
Körper des Keilbeins eine Yergrösserung und Verdichtung (Skle- 
rose) dar, welche sich fortsetzt auf den grOs&l«D Theil der Ala. 
orbitalis oder minor, und in noch verstSrktem Haasse und zu- 
gleich auch aussen auf die Ala temporalis und den Processus 
pterygoides übergeht. So entsteht eine umschriebene Masse, welche 
einen harten, fühlbaren Tumor in der Schläfengegend und eine 
das Auge verdrängende Geschwulst in der Orbita erzeugt hatte. 



Fig. 111. Hyperostose der einen Hälfte dea Os sphenoides. Man sieht 
die gleichmäasige Anschwelluug der Ala temporalis (magBa), orbitalis (parva) 
ond des Processus pterygoides. Das Präparat (No. 1143.) Btamuit von einer 
Söjährigeo, an Tvphus gestorbenen und mit leichtem Eiophthairaos verse- 
henen Frau, »on der eine weitere Anamnese nicht zn erlangen gewesen ist. 
Die Hyperostose ist zagleich mit einer feinporösen Verdichtung des ganzen 
Innern verbunden und erstreckt sich bis auf den Körper des Keilbeins, 
noch ein wenig Über die Mitte nach rechts herüber. In ähnlicher Weise, vie 
die Schlifengruhe, die Augenhöhle u. e. w. n^ch aussen verkleinert sind, so 
ist auch innen der Raum der mittleren ond vorderen Sch&deignibe beein- 
trächtigt. Am meisten haben die Oeffnungen (Poramen opticum, rotundum, 
ovale, Fisaura orbitalis inferior) gelitten. Auch die innere Fläche des Stirn- 
beines zeigt eine leichte diffuse Osteophytschicht mit starker Vascularisation. 
Der PlUgelfortsatz ist daorkensdick geworden. 



lyCoogle 



Partielle Hj'perostoBen kid Kopf. 2? 

Noch auBgedelmter war äie Veräadernng in einem von K&h- 
1er*) beschriebeaeB Falle, wo eine gchwammige Exostose die 
linke Ar^en- und NaseabOhle, sowie die Fosea pterygo-palatina 
und den Raum unter dem Jocbbogen fällte, sich durch die Fib- 
Bora spbenoidalis inf. auf die Ala temporalis oss. ephen. fortsetzte, 
abwärts bia in die Gegend des letzten Backzahnes uad des Bama- 
luH pterygoidena reichte, den Proc. pteryg. und das Ob palatinum 
in sieh aufnahm n. 9. w. Voigtel**) beschreibt einen Schädel, 
wo eine starke, nindiiche, mit einer kleinen Knochenspitze verse- 
hene Exostose am rechten Orbitaltheil des Stirnbeines sass, welche 
bis an den Hahnenkamm reichte, so dass Geruchlosigkeit die Folge 
war. Nach rückwärts setzte sich die Hyperostose auf den kleinen 
nnd grossen Flf'gel des Keilbeins und die Schläfenschuppe fort; 
das Foramen opticum war sehr betilchtlich verengert Ich selbst 
fand bei einem 21jährigen, an den Pocken verstorbenen Manne eine 
partielle Atrophie und Sklerose des linken Mittellappens vom Ge- 
hirn, und entsprechend eine, wahrscheinlich sehr alte, vielleicht 
congenitale, höckerige, elfenbeinerne HyperoBtose der inneren Ober- 
fläche des Felsenbeines und der Schläfenschnppe, sowie der lin~ 
ken Hälfte und des KOrpers des Keilbeins***); von äusseren Thei- 
len war nvr der Flügelforteatz vergr&Bsert, sonst die ganze Scblä- 
fengegend eher abgeflacht. An diesen Fall scbliesst sich sehr 
eng eine andere, schon der eigentlichen Exostose zuzurechnende 
Beobachtung an, welche Leopoldf) mitgetheilt hat. Bei einem 
14jährigen Mädchen, das von Kindheit an Parese der linken Seite, 
zitternde Bewegungen der Hände, unsicheren Gang, stotternde 
Sprache n. s. w. gehabt hatte, erhob sich in der rechten mittleren 
Schädelgrube eine Exostose von 4 Zoll Höhe und eines Sechsers 
Um&Dg, welche einen Eindruck des Gehirns erzengt hatte. (Auger- 
dem bestand Hydroeephalus internus). 

Ausgedehnter war die Veränderung, wenigstens nach aussen, 
in einem nur kh'nisch, nicht anatomisch untersuchten Falle von 
T. Lystbay-f-f). Bei einem 24jährigen Kranken fand sich eine 

*) Job. VaL lleinr. KOhler. Beschreibung der physiol. und pathol. 
Pr»par»te in Loder'B Sammlung. Leipz. 1795. Th. I. S. 29. No. 100. 

•*) Voigtel. Handbuch der patholog. Anatomie. Halle. 1804. Bd. I. S. 174. 
•") Präparat (trocken) No. 4. und (feucht) No. 114. vom Jahre 1858. 
t) Leopold. Caaper's Wochenach rift. 1850. No. 12. S. 17a 
tt) ». Lysthay. Zeitschrift des Doctoren coli egi ums zu Wien. 1858. 
No. 12. (Canstatt's Jahresbericht für 1858. Bd. HI. S. 178). 



lyCoogle 



28 Siebiehnte Vorlesung. 

enomte Hyperostose des Jochbeine, des Wangenfortsatses nad der 
SchädelkDocheo der linken Seite mit Hervordrähgong des Anges 
und geschwächter Sehkraft. Die Geschwulst hatte mit dem 13, Le- 
bensjahre begonnen und sich von da an gleichmäggig ansgebildet. 
Am gewöhnlichsten sind partielle, theils einfache, theils ekle- 
rotische Hyperostosen an den Kieferknochen, insbesondere den 
Oberkiefern*). Sehr häutig ist Zahnreii"), anderemal sind 
Traamen die nächste VeraaUssung ***). Zuweilen sind es die 
äusseren Tbeile des Oberkiefers, die AWeolarfortsätze, der Naseo- 
fortsatz, welche Überwiegend befallen werden; häufiger die Rie- 
fe rh& hie f). Schon bei der Leostiasis haben wir das voll- 
ständige Verschwinden der KieferbQhlen erwähnt (S. 23). Hier 
handelt es sich jedoch nm wirkliche Geschwulstbildoi^, wo- 
bei die neue Knocbeomasse von der Wand der HOhle ausgeht, 
dieselbe ausdehnt und sich von da entw^er nach aussen ent- 
wickelt ff) oder in die Nasen-, Augen- oder SchädelhOhle er- 
streckt. A. Cooperf-ff) erwähnt einer Frau, bei welcher tob 
jedem Antrum eine Eiiostose ausging, welche eine solche Auf- 
treibuDg des Oberkiefers erzeugt hatte, dass die Äugäpfel hervor- 
gedrängt waren und unter ihnen jederseits eine grosse Anschwel- 
lung an der Wange hervortrat, zwischen welchen die comprimirte 
Nase verschwand; ein Fortsatz hatte sich durch die Orbitalplatte 
des Stirnbeines in die Scbädelhöhle geschoben und tddtliche Apo- 
plexie erzeugt. Michon*+) operirte bei einem 19Jährigen Land- 



•) 0. Hejfelder. Mein Archiv. Bd. XI. S. 527. Paget Lectnres. H. 
p. 210. Schuh. Pgendoplasmen. 1054. S. 148. 

**) John C. Warren. Surg. observ. on tnmoara. Boston. 1848. p. 127. 
**•) Schnh. Oesterreich. Zeitschr. fiir praktische Heilkande. 1862. No. 4. 
Hancock. The Lancet. 1848. Vol. II. p, 454. 

t) W. LeseDber.g. Üeber GeschwOlstB der Oberkieferhöhlen. Inang.- 
DisB. Rostock. 1856. S. 40. Howship. Practicsl Observation» in sargery and 
morbid anatomy. Lond. I8I6. p. 26. PI. II. (ig. 1. (Derselbe Fall bei Paget 
Lect II. p. 340 ans dem HuBenm Ton Längs taff. Der Fall bei Howship, 

6. 23. PI. I. ßg. 3. scheint nicht hierher zu gehüren). Ceratti. Path. anat. 
nseum. Leipz. 1851. S. 22. Taf. III. (nach Jos. Foi The nat. bist, and 
dia. of the bumao teetfa. Lond. 1814.}. 

t+) Muä^e Dupuytren. No. 383. p. 526. Atlas. PI. XVIII. fig. 1-6. 
Dieselbe Geschirulat abgebildet bei Vidal, Trait^ de path. externe. Paris. 
1846. T. III. p. 650. gg. 54—55. (Bardeisben. 2. Ansg. der dentschen 
Bearbeitung. Berlin. ISfiO. III. S. 305. fig. 30-81.). Houel (1- c. p. 748) 
dtirt als Originalbeobachter Bieschet (Bullet de laFacult^. T. IV. p. 333). 
ttt> A. Cooper and B. Travers. Snrgical essays. 1818. P. I. p. 167. 
•t) Michon. M^moires de la Soc de Chirurgie de Paria. 1851. T. IL 
p. 614. PI. IV. Abbildung der Geschwulst bei Lebert Trutä d'anat patb. 
Xtlas T. II. PI. OLXVII. ßg. 4-5. 



lyCoogle 



Hypermtosen der Qelenkenden. 29 

rnsnoe mit Glftck eioe elfenbeineme Esoetose der Kieferhöhle, 
welche 120 Gnnm. schwer, fast ganz rnod und auf dem Dnrch- 
Bchaitt geschichtet war und alle umliegendea Theile yerdrängt 
hatte. Lambl*) bildet aus dem MuBenm von Florenz ein fiber- 
ans merkwürdiges Präparat ab, wo ans der Highmors-Höble eine 
mächtige, innen elfenbeinerne, ansäen theils stacbelige, theila spon- 
giOse Knoch«ngeBcbwulst in Form eines starken Kolbens frei nach 
anssen hervortritt. Diese Beispiele genügen, um die Gefahr des 
Üebels darznthun; ihre Zahl zn vennehren, liegt um so weniger 
ein Grund vor, als selbst in den angeführten Fällen nicht ganz 
entschieden ist, ob es sich um rein perio&teale, oder um mednl- 
läre, oder gar nm knorpelige Bildungen bandelte. 

Ich übergehe, zum Theil aus demselben Grunde, hier zn- 
nüchst die sonst nahe verwandten Exostosen des Stirnbeines, des 
Unterkiefers n. s. w., um nachher darauf zurnckzakommen , und 
erwähne nur noch kurz, dass ähnliche Osteophytbildungen auch 
an anderen Theilen des Skeletes oft genug vorkommen. Die Ge- 
schichte der Arthritis nodosa (Malum senile Bd. I, S. 460) bietet 
zahlreiche Beispiele dafür. Namentlich sind es die Gelenk- 
enden der Knochen, welche zuweilen in der umfangreichsten 
Weise verändert werden. Die grösste Geschwulst dieser Art, 
welche mir vorgekommen ist, sass am Knie. Sie war Mannskopf- 
gross tmd bestand aus mächtigen Knochenwncheningen, welche 
vom Femur und der Tibia auFgingen, bei welchen aber die 
Patella nicht ganz frei geblieben war. In ähnlicher Weise findet 
man zuweilen eine Hyperostose des Collum femöris und 
des Acetabulums; genau genommen eine Periostose. Es ent- 
steht dadurch eine Knochengeschwulst, die so gross werden kann, 
dass sie in der Iieisteng^^nd als ein bedeutender Tnmor sich 
nach aussen hervorwölbt und sehr leicht za Verwechselungen 
mit malignen Forum Veranlassung geben kann. Ebenso verhsJ- 
ten sich andere Gelenke. 

Das Gleiche gilt von den Synchondrosen. Betrachtet 
man gewisse Wirbelkfirper, so zeigen sich 4aran Exostosen"), 



*) LambL Reisebericht. 8. 191. (Ans der Pr^er Tierteljabrsschrift. 
Bd. LV.}. Vgl. koch dMelbst S. 150 (Präparat ans der Sammlnng des 
Hötel-Diea in Lyon). 

") Chr. Gottl. Lndwig. Advers. med. pract. Lips. 1769. Vol. I. 
p. 140. Tab. 



lyCoogle 



30 Si^iehnte Vorlesung. 

welche von den Rändern derselben auBgehen, mehr oder weniger 
über die Zwiachenwirbelmassen herüberwachsen, und endlich so- 
gar mit einander verwacbEeo können (supracartilaginäre 
Exostose). Liegen sie an Orten, wo sie der äusseren Unter- 
snchui^ zugänglicher werden, 2. B. an den Seiten- oder Hinter- 
theilen der Halswirbel, so können sie in Form von Tumoren 
nach aussen hervortreten*). Auch hier ist ihre Entwickelung in 
der Regel eine peripherische und ihre Bedeutung richtet sich nach 
der Lage und der Einwirkung auf die Nacbbartheile. Indess hat 
man diese Bedeutung wohl etwas zu hoch veranschlagt, da ihre 
Grösse meist nicht sehr bedeutend ist. Selbst die sehneren, 
nach innen, gegen den Wirbelkanal gerichteten Knochenauswüchse, 
werden leicht in ihrem pathologischen Werthe überschätzt"*), 

Seheinbar ganz anders verhalten sich jene meist kleineren 
Exostosen, welche am häufigsten am Schädeldach vorkommen, 



und zwar sowohl aussen, wie innen. Dieselben Formen, die an 
der Oberfläche des Schädels hervortreten und die man da bequem 
fühlt, bilden sich auch an der inneren Oberfläche. Man unter- 
scheidet daran leicht die f I a c h e n ( parenchymat^tsen ) von 



Fig. 112, Flache und gekoJIpfte, multiple EioBtosea der änssereu 
Fläche des StirnbeiDea. (Präparat No. 10. vom Jahre 1863.). Nat OrCsae. 

■) A. Cooper. Surg. esaaja. I. p. 159. Warren. Sni^. oba. on tn- 
moure. p. 117. 

") Willis. Transaet. of the London Patholog. Soc. 1861. Vol. XII.p. 101. 



lyCoogle 



Eiostosen des SchSdeldaches. 31 

den gestielten oder gekaOpften (epiphysären), zumal da 
sie nicht selten neben einander an demselben Scblidel sieb fin- 
den*). Es sind dieselben Verschiedenheiten, wie wir sie bei 
Warzen nnd anderen an der Hautoberfiäche vor sich gehenden 
Bildungen antreffen. Die flache Exostose bildet sanft ansteigende, 
aber dichte AnschwelluDgen von sehr verschiedener Grösse**); 
die gestielte dagegen sitzt mit einer dünneren Partie auf und 
breitet sich darüber knopflömiig aus. Der Stiel ist gewöhnlich 
nicht lang, aber doch so, dass nicht selten deutlich eine Schicht 
von fibrösem Gewebe zwischen die Oberfläche des Knochens nnd 
den Knopf sich einschiebt. Gerade dadurch kann sehr leicht die 
Vorstellong entstehen, als sei aus dem Knochen eine Masse her- 
TorgegaDgen, welche das Periost durchbohrt und sich nun jen- 
seits desselben in Form eines Knochens ausgebreitet hätte, ähn- 
lieh wie bei der neulich besprochenen Ecchondrosis spheno- 
oecipitalis (Bd. I, S. 445). 

Dieselbe Form kommt auch an der inneren Oberfläche vor, 



*) ZwUchen beiden ateht jene, schon von den Alten mit HCrnern ver- 
glichene Form des Answuchaea, deren Träger nacb Beliodor den Namen 
Dionysiaci s. Bacchici führten (Andr. Bonn. Descriptio thes. oaaiuin mor- 
bosorum llovianJ. Amstel. 1T83. p. 38. No. CCGllI.). 

**) Diagnostisch ist es von Bedeutung, dass zuweilen flache Auftreibun- 
gen der Knochen des Schädeldaches, namentlich des Stirn- und Scheitel- 
beines Torkommen, nelche den flachen Exostosen und Periostosen vollkom- 
tnen gleichen Können, während sie doch gerade das Gegentheil davon sind, 
nehmlicb blasige Hervortreibungen des Schädels mit Atrophie. 
Lambl (Mein Archiv. Bd. X. S. 346. Taf. V. Aus dem Franz- Josef-Kinder- 
spitale in Prag. 1860. Theil I. S. 1. Fig. 1—3.) hat dieser Erscheinung unter 
dem Naroen der exe nceph alitischen Protuberanzen eine sorgfältige Erörterung 
gewidmet. In der That sind die grCssten Knochen blasen durch Hervortrei- 
bnng von Hirogubstanz, obwohl nicht gerade durch Exencephalie, sondern 
durch Encephalocele oder Hydrencepbalocelo bedingt. Diese sind jedoch 
diagnostisch weniger schwierig, als die kleineren Hervortreibungen, wie sie 
namentlich durch compensa torisch es Wachsthum des Gehirns nach gewissen 
Richtungen erzeugt werden. Biuen ausgezeichneten Schädel dieser Art be- 
wahrt unsere Sammlung unter No. 277.; er war wegen einer jiHj^perostose" 
der Schläfen schuppen aufbewahrt. Als ich ihn durchsägte, erwies sich die 
Hyperostose als eine beträchtliche Auftreibung mit Verdünnung. Es ist 
dies der in meiner Arbeit über die Entwicketung des Schädel grün des S. 83 
nnd S. 86 als DoUcho-Trocbocephalus aufgeführte Schädel, der in Folge 
Ton Synostose der Pfeil- nnd der Seitentheile der Kranzn^t in anderen 
ßichtangen starke VerkürzuDgen erfahren hat. Ausser diesen Formen giebt 
ee aber nicht selten, namentlich neben der Hittellinie flache Blasen des 
Schädels, welche durch dasHervorwachsenPacehionischer Granulationen (Präp. 
No. 1315. 12. V. J. 1860) oder durch partielle blasige Oedeme der Pia raater 
(Bd I., S. 177) bedingt werden. Gerade diese haben die grösste Ueberein- 
stimmang in der Süsseren Erscheinung mit den gewöhnlichsten Formen der 
Sachen Schädel -Exostose. 



lyCoogle 



32 SiebzeliDte VorlMDDg. 

WO sie zuweilen eine besonders grosse Bedentong gewinnt, wenn 
sie einen erheblicheren Umfang erreicht und dadurch einen Eia- 
dnick oder einen Reiz auf das Gehirn ausübt*). Es sind na- 
mentlieh diese Formen, welche man schon seit langer Zeit als 
Ursachen der Epilepsie und anderer Krampfformen aufführt**). 
Wenn man sie genauer untersucht, so kann man sich immer 
überzeugen, dass ein Theil des Periosts .oder der Dura mater 
ober die Geschwulst fortläuft und dass sie sich selbst bei den 
gestielten oder geknöpften Formen'von dem Stiel oder der Basis 
her über den Knopf zurückschlägt. Das auffälligste Beispiel, 
welches ich davon sah, war eine kleinapfelgrosse Knochei^e- 
Bchwulst der vorderen Schädelgrube, die auf den ersten Anblick 
auf der inneren (freien) Seite der Dura mater aufzusitzen schien. 
Sie hatte eine überaus harte, scheinbar nackte, in rundliche Knol- 
len und Lappen ausgehende Oberfläche, welche ohne Yerbindan- 
gen mit der weichen Hirnhaut gegen den vorderen Hirnlappen 
andrängte und an demselben einen starken Eindruck erzeugt hatte. 



Das GewScbfl sass dicht neben dem unteren Ansätze der Fals 
longitudinalis (Fig. 113., /), da, wo die senkrechte Platte des 



Fig. 113. ExostoBJa eburnea mit knolliger Oberfläche und engerer Baeis 
an der inneren Fläche dea Sttrubeines, linka nicht weit von dem Ansätze der 
Falx loügitudioalia (J). (Präparat No. 73. vom Jahre 18.55). Nat. Grösse. 

*) Hehrere interessante Ffille von Hartmann, Larrey und Meuiere 
h»t firuns (Handb. der prakt. Chirurgie. 1. S. 534) zu saiDmeo gestellt. 

") Jos. Wenzel. Beobachtongen fiber den Hirnanhang fallsflchtiger 
Personen Mainz. 1810. S. 85. W. Ch. Wells. Transact. of a society for 
the improvement of med. and chir. knowledge. Lond. 1813. Vol. IIL p. 91. 
Gibb. Transact. of the Lond. Path. Soc. 1861. Vol. XIL p. 28. 



lyCoogle 



Innere ExostiMe des Stirnbeines. 33 

StirobeiaB in die horizontale übergebt. Von allen Seiten her 
griff die Dura mater unter die Geschwulst und verschwand hier. 
So erzeugte sich ganz natürlich die Voratelluag, dass das Ge- 
wächs entweder von dem Knochen ausgegangen und durch die 
Dura mater durchgewachsen sei, oder von der Dura mater aus sich 
entwickelt und Oberhaupt mit dem Knochen genetisch nichts gemein 
habe. Ein senkrechter Durchschnitt (Fig. 114.) p. „^ 

durch Geschwulst und Knochen zeigte sehr 
bald, dasB beide ganz innig zusammenhingen. 
Die sehr harte compakte Knochenmasse der 
Geschvrulst ging ohne erkennbare Grenze in 
die hintere Platte des Stirnbeines über, gerade 
in der Gegend, wo die unveränderte Stirn- 
hJlble ihr oberes Ende hatte. Diese Yerbin- j 
düng bestand nur an einer beschränkten Stelle. ' 
Im ganzen Umfange lag die Geschwulst frei- 
lich sehr dicht dem Knochen an, aber doch 
noch getrennt durch ein Blatt der Dura mater, 
von dem ans sich im gewöhnlichen Wege der 
anatomischen Präparation keine Fortsetzung auf die Oberfläche der 
Geschwnlst darstellen liess. Erst bei der mikroskopischen Unter- 
suchung eines durch die ganze Dicke eines Geschwulstlappens 
reichenden Knochenschliffes (Fig. 115.) ze^te sich eine Aber die 
Oberfläche der Exostose fortlaufende, freilich nur sehr dünne, 
fibrOse Lage, von der an einer Stelle ein Kanal mitten in die 
Geschwulst hineinging, durch welchen etwas fibr&ses Gewebe 
und Gefäsge bis nahe an den Grund des Knotens eintraten. Es 
folgt daraus, dass das gewöhnliche Yerbältniss von Dura mater 
und Knochen auch an der Exostose erhalten ist, nur dass der 
Knodien sich auf Kosten der Dura mater ungemein ausge- 
dehnt hat. 

Dieser Fall ist zugleich ein ausgezeichnetes Beispiel für die 
Exostosis eburnea. Der ganze Schnitt zeigt eine Überaus 
dichte, compakte Masse, welche auch darin mit Elfenbein eine 
gewisse Äehnlichkeit hat, dass sie eine concentrigche Zeichnung 
darbietet, entsprechend dem allmählichen schichtenweisen Wachs- 



lyCoogle 



Siebzehnte Vorleeang. 



thnni der Geschwulst. Nur gegen die Oberfläche wurde diese 
Zeichnung etwas mannichfaltiger, indem die einzelnen Knollen 
oder Lappen wieder eine besondere Schichtung besasaea. Mi- 
kroskopisch fand sich keine Spur von eigentlichem Marke und 
kanm eine Spur von Geläss- (Mark-) Kanälen. Das Gänse liees 
nur parallele, in einander übergehende Lamellen mit sonenweiBe 
reichlicher angehäuften KnochenkC^rperchen wahrnehmen. Es kann 
also kein Zweifel sein, dass die nenen Schichten aus der fibrOsen 
Hülle, dem periostealen, mit der Dura maier verwachsenen Blatte 
entstehen und dass die Geschwnlst durch Apposition von aussen 
her wächst. 

Weder der elfenbeinerne Bau, noch die epiphysftre Gestalt 



Fig. 115. Mikroskopischer Durchschnitt eines Knollens der vorigen 
Figur. Im Umfange der fibröse Üeberzug, von dem ein Gefässkanal senk- 
recht in die Masse eindringt; im Innern die parallel auf einander gelager- 
ten, ganz dichten Knochenschichten. Schwache VergrOsserung. (Durch ein 
Veraehen des Holzschneiders sind die KnochenkCrperchen zu gross ansge- 
faUen). 



lyCoogle 



SeUdel'ExoBtoMO. 85 

beweisen demnach etwas gegen das perioeteide Wachsthnm der 
Exostosen. Die epiphysäre Gestalt deutet nur darauf hin, dase 
die Enei^e des Wachsthuma an der betroffenen Stelle relativ 
gross, also der Reiz entweder ungew&linlich ntaxk. oder anhaltend 
ist Dabei kann es denn freilich leicht vorkommen, dass der 
Reiz eich auf das ganze Periost, ja noch über dasselbe hinaus 
fortsetzt imd dass auch extri^eriosteales Bind^ewebe zur Ossi- 
fikation beiträgt. Gerade an der Dura mater tritt dies sehr häufig 
ein, indem auch die niUier zum Gehirn binliegenden Lager der- 
selben , welche nicht mehr eine eigentlich periosteale Bedeutung 
haben, »ich an der Knochenbildung betheiligen. 

In jedem Falle aber, mag die Exostose flach oder gestielt 
sein, geht sie aus einer Reiaung hervor, welche der Periostitis 
nahe steht, und wenn die früher erwähnten diffusen und knolli- 
gen Hyperostosen der Schädel- und Gesichtsknochen der Ele- 
phuitiasis und Leontiasis analog sind, so gleichen die flachen 
und taberfisen Exostosen, von denen wir hier sprechen, dem 
Molluscum und den gewöhnlichen tuberösen Fibromen (Bd. I, 
S. 325, 351). Auch die Geschichte der Polysarcie und des Li- 
poms bietet vollkommene Analoga (Bd. I, S. 367). 

Die Schädelknochen zeichnen sich aber, vrie die platten Kno- 
chen überhaupt, besonders dadurch aus, dass dieselben Pro- 
zesse oft gleichzeitig auf ihrer äusseren und inneren 
Fläche vor sich gehen. Auf diesen Punkt hat schon Ever- 
ard Home*) die Aufmerkgunkeit gelenkt, und obwohl die von 
ihm mitgetheilten Fälle sich wohl nicht alle auf einfache Exosto- 
sen besiehen, so genügten sie doch , um die allgemeine Erschei- 
nung deutlich ins Licht zu stellen. Später ist besonders durch 
die Untersuchung der puerperalen Osteophyte •*) dieses Verhäit- 
niss noch mehr hervorgehoben, und es ist gewiss fär die uns 
hier beschäftigenden Voi^änge von grosser Wichtigkeit, zu er- 
wähnen, dass bei dem puerperalen Osteophyt, wie bei dem der 
Tuberkulösen, nicht blos die innere Schädel^tche neue Ansätze 



*} E. Home. Tranaaci of a societv for the improvement etc. 1812. 
Vol. HI. p. 123. 

**) Rokitansky. Specielle pathologische Anatomie. 1844. Bd. I. S. 237. 
Daerest H^m. de la Soc. med. d'observaÜon. 1841. T. U. p. 318. Vir- 
chow. Verhandlungen der Berliner GebortehüKI. Gesellschaft. 1848. Bd. III. 
8. 190. Geuimnelte Abbandl. S. 7f>2. 



lyCoogle 



86 Siebzehnte Torleanog. 

TOD Enocbenmasse erfahrt, sondern auch die fiassere, ja Sber 
diese hinaus sogar die Gesichtsknochen (Oberkiefer, Nasenbeine). 
Dieselbe gleichzeitige Entwickelung , wie sie von den diffusen 
Osteophyten gilt, findet sieb aber auch bei knotigen, und nament- 
lich kleinere Exostosen kommen nicht selten doppelseitig, wenn 
auch nicht immer an genau entsprechenden Stellen vor*). Be- 
greiflicherweise ist es nicht jedesmal so; ja, ich habe in der 
Invoktionskrankbeit (Malum senile) der Scbädelknocben einen 
Vorgang nachgewiesen**), in welchem der Äussere Schwund der 
Knochen mit innerer Hyperostose und Exostose verbunden sein 
kann. Man darf daher nie vergessen, dass der äussere Znstand 
der Scbädelknochen kein sicheres Anzeichen des inneren ist, 
dass aussen Exostosen, innen ganz normaler Knochen, und um- 
gekehrt, aussen ganz glatter Knochen und innen Exostosen sein 
können. Aber trotzdem ist die gleichzeitige äussere und innere 
ExostosenbüduDg, zumal wenn sie an genau entsprechenden 
Stellen des Schädels stattfindet, von grösster Bedeutung. 

Hauff***) hat einen sehr lehn-eichen Fall mitgetheilt, wo 
das Wachathum der Geschwulst gerade mit dem Puerperium zu- 
sammenhing. Eine 38jährige Frau bekam nach ihrer 7. Entbin- 
dung unter öfteren Kopfschmerzen eine kleine Geschwulst in der 
Schläfengrube. Mit jedem der folgenden (4) Wochenbetten Zu- 
nahme der Geschwulst unter heftigen Kopfschmerzen, Schwindel, 
Bewusstlosigkeit, Erbrechen, zuletzt Lähmung. Nach 7 Jahren 
Tod. Bei der Section fand sich eiu elfenbeinerner Knochenkeni 
von 1 Zoll Dicke im seitlichen Theile des Stirnbeines, der nach 
innen und aussen von mehr poröser Masse flberlagert war. Nach 
innen war die Oberfläche stachelig und mit zahlreichen, stumpf- 
spitzigen Knochenkegeln besetzt. 

e s te rle n f ) schildert einen nicht minder interessanten 
Fall, wo ein Sljähriger gesunder Weingärtner beim Holzf^len 
eine starke Quetschung an der Stirn erlitt. Die Stelle blieb 
schmerzhaft; nach einem halben Jahre zeigte sich eine bohnen- 



•) Präparat No. 9. vom Jahre 1860 (StifnbeiD). 
**) Warzbnrger VerhaDdlungen. Bd. IV. S. 354. Gesammelte Abhaadl. 
8. 1008, 1013. 

••') Hanff. Würtemb raedic. Correspondeaiblatt 1846. Bd. XVI. S. 36. 
t) OeBterlen. Ebendaaelbst, 1832. S. 79. Vgl. BrouB. Handb. der 
praktischen Chirargie. Bd. I. S. 533. Atlas. Abth. 1. Tsf. VUl. Fig. & 



lyCoogle 



Doppelseitig« Schldel-EzMtoBen. 37 

^Oflse, harte Erhabenheit, welche nach 12 Jahren die Grösse 
einen halben G^seeies, nach weiteren 16 Jahren die zweier 
zusammengelegten, kleinen Mannafäuste hatte. Der Mann starb 
70 Jahre alt an einer Lungenentzündung. Es fand sich eine 
eompakte Hyperostose des Stirnbeines, welche sich grossentheils 
nach aussen, jedoch auch etwas nach innen entwickelt hatte. 

Manobe andere, scheinbar ähnliche Fälle aus der älteren 
Xjteratur sind nicht ganz sicher*). Andere sind an sich freilich 
unsweifelbaft^ aber sie gehSren wenigstens zum Theil wahrschein- 
lich einer besonderen Reihe an, unter denen die Orbitaltu- 
moreo einen hervorragenden Platz einnehmen. Ich werde »if 
sie später zurückkommen und erwähne hier nur einzelne Bei- 
spiele. Zunächst den prächtigen Fall von Bonnet**), wo gleich- 
zeitig zwei beträchtliche Exostosen, eine grössere am Stirnbein, 
eine kleinere am Scheitelbein sitzen, beide nach innen und aussen 
entwickelt, fast kugelig, an der Oberfläche höckerig, innen zum 
Theil elfenbeinern, zum Theil schwammig. Einen anderen, nicht 
minder ausgezeichneten Fall aus Hunter's Museum bildet Bail- 
lie***) ab; es war eine grosaentheils elfenbeinerne Exostose 
der Orbita, welche tief in die Schädelhöhle hineinragte. Ein drit- 
tes, ähnliches Präparat ist bei Pagetf) dargestellt; andere aus 
dem Vrolik'schen Museum und aus der Prager Sammlung er- 
wähnt Lamblft); noch weitere werde ich später anführen. 

Während diese doppelseitigen Exostosen ihrer Mehrzahl nach 
der compakten Form angehören und nur gewisse schwammige 
Abschnitte zu besitzen pflegen, so sind die einseitigen unter sich 

*} Himl; (De eiostosi craaii rariore. Disa. Götting. 1832. Tgl. Brnng 
Atlu. Abth. I. Taf. Vlll. Fig. 9) beschreibt eioe Exostose des Scheitelbeins 
bei gleichzeitigem „Haricschwamin" in der Fossa anterior des Hinterhaupta- 
beines. Caspar (De exostosi cranii rariore. Dies. Ärgeotorati. 1730. in 
Haller. CoUectio disBert. Chirurg. T. I. No. IV.) dürfte eher hierher gehören. 
••) Mns^e Dupnjtren. p. 504. No. 374. Atlas PI. XV. fig. 1 — 4. 
Honel 1. c. p. 748. Percy et Laurent. Dict. des acienc. ja4ä. Paris. 
1819. T. XXXV. p. 28. P!. in. Vidal Pathol- eit. 1846. T. III. p. 115. fig. 9. 
(Bardelebeu. 1860. Bd. IJI. S. 133. Fig. 10.). Brnns. Atlas. Abth. I. 
Taf. Vlir. Fig. 12 - 14. 

•") M. Baillie. A series of engravings to illnstrate the morbid anatomy. 
Lond. 1802. Fase. X. PI. I. fig. 2. Home. Philos. Transact. 1799. VoL LXXXIX. 

L239. Albers. Atlas der path. Anat. Abth. I. Taf. XXVII. Fig. 8. Paget. 
ctnres. II. p. 235. 

t) Paget. Lectnres. II. p. 236. fig. 34. 
tt) Lambl. Reisebericht. S. 67. 



lyCoogle 



8g Siebzehnte TorleBni^. 

sehr verschiedeD, ohne dass sich jedoch ein bestiniBites gene- 
tisches Moment auffinden Hesse, welches diese VerBchiedenheit 
erklärte. Am wenigsten ist es gerechtfertigt, wie Einzelne ge- 
than haben, die elfenbeinernen Formen allgemein anf ursprüng- 
liche Chondrome sorftckzuföhren. Man muss hier wohl unter-* 
scheiden. 

Schon die älteren Beobachter haben äussere Exostosen des 
Schädeldaches von elfenbeinerner Beschaflfenheit aufgeführt. So 
erwähnt Petit*) eine Melonei^osse Exostose des. Schläfenbei- 
nes bei einem Soldaten, die seit 15 Jahren bestand, und eine 
andere, ebenfalls sehr umfangreiche Yom Scheitelbein eines jun- 
gen Mannes, der sie seit 7 Jahren trug. Brnns**) bildet eine 
compakte, Über Wallnussgrosse Exostose des Stirnbeines ab, welche 
sich bei einer 32jährigen Frau langsam entwickelt hatte. Klei- 
nere, gleichsam nur aus Yerdickungen der äusseren Knochentafel 
bestehende, Sache Exostosen sind gar nicht selten***), ja sie 
bilden geradezu die Regel. Schwammige Knochenanswfichse, na- 
mentlich solche, welche auch an der Oberfläche porlle aussehen, 
sind ungleich seltener und wahrscheinlich meist jüngeren Alters. 
Ich habe sie wiederholt gesehen, jedoch entstehen dadurch mehr 
flache Periostosen, selten eigentliche Geschwülste f). Die wirk- 
lich geschwulstartigen spongiCsen Formen gehören überwiegend 
der hinteren Hälfte des Schädels an ff). Jedoch kommen auch 
am Hinterhaupt äusserlich elfenbeinerne Exostosen vor f ff). 

Aehnliche Verschiedenheiten zeigen auch die inneren Ex- 
ostosen des Schädels. Die kleineren derselben, mOgen sie nun 
flach, oder geknOpftff) sqiü, wie sie sieh am häufigsten 



♦) J. L. Petit 1, c T. II. p. 381, 385, 433. 
**) Bruna. Handb. der prakt Chirurgie I. S. 538. Atlas Abscba. I. 
Taf. VIII. Fig. 10-11. 

♦") Präparat No. 11. vom Jahre 1801, 
t) Ein ausgezeichnetes Präparat multipler porOser Perioatoseo stellt 
der Schädel No. 37. vom Jahre 1858 in unserer Sammlung dar. Die ver- 
änderten Stellen finden sich überwiegend im Umfange der hinteren Seiten- 
fontanellen und des äusseren Gehörganges. 

tt) No. 1029. der Würzburger Sammlung. Ferner Voigtel (Path. Anat 
L S. 114), Lambl (Reisebericht S. 72, 150), Mus^e Dupuytren No. 381. 
(Beauchene. Bullet, de la Fac. 1807. p. 84. Bruns. Atlas Abth.I. Taf. VIII. 
Fig. 7.). Ferg (Gräfe und Walther. Journ. für Chirurgie. 1828.. Bd. XII. 
S. 582). 
ttf) S&ngalli. Storia dei tumori. Vol. II. p. 277. 
*t) Präparat No. 411. unserer Sammlung. 



lyCoogle 



Alters vendiNdenheitaD der Exoetosen. 39 

■m StirabeiD finden, sind gew&luilicli mehr compitkt. Gros- 
sere haben öftere im Innern eine epongiSse Beschaffenheit, 
vihrend die Oberöftche compakt iat*). Die ganz groBsen sind 
meist elfenbeinern und von hJ>ckeriger, knolliger oder eigen- 
thfimlich gevandener Oberfläche. Besonders umfängreicbe Aiis- 
wfichse dieser Art sind bei Thieren gesehen worden, am häu- 
ften bei Oohsen and ausgebend vom Keilbein, zuweilen in so 
grosser Anedehnang, dass man von einer VerknCchemng des Ge- 
liinis gesprochen hat**). Nnr an der inneren Seite der Hinter- 
haaptsscbuppe habe ich wiederholt sehr porSse, jedoch meist 
kleine Knochengescltwülste ge^nden , welche sich durch sehr 
zahlreiche und sehr weite Gefässe auszeichneten, ja stellenweise 
eiaen geradezu telangiektatischen Charakter hatten***). 

Dieser Maunichfaltigkeit gegenüber kann man sich &eilieb 
anf die Verschiedenheit der erregenden ürsacben berofen und 
die Frage aufwerfen, ob Syphilis, Rheuma, Traumen u. s. f. nicht 
ganz besondere Formen der Exostose hervorbringen. Allein 
die Erfahrung gestattet es nicht, darauf bejahend zu antworten. 
Bis jetzt kaon man sich nur auf die Eotwickelung der Auswüchse 
selbst beziehen. Schon früher (S. 19) habe ich erwähnt, dass 
das Alter der Neubildung eine grosse Verschiedenheit be- 
dingt. Wie das lose Osteophyt in ein fest adhärentes, in die 
eigentliche Hyperostose oder Exostose übergeht, so kann sich 
auch ein scliwammiges in ein compaktes und dieses wieder in 
ein schwammiges verwandehi. Dies hängt von dem gegen- 
seitigen Verhalten und den Mengen des Uarkes und Knochen- 
gewebes und namentlich auch der Gefässe ab. Sehr viele Osteo- 
pfayte sind ursprünglich porös, manche geradezu bimsteinartig; 



•) Präparat von MarjoÜn im Musee Dupuytren No. 371. p. 503. PI. XV. 
Fig. 7. (Vidal. Patb. ext. 1S46. III. p. 116. fig. 10. Bardeleben. 1860. 
III. S 133. fig. n. BruuB. Atlas. Abth. I. Taf. VIII. flg. 6.). Ferner ein 
Präparat von Bruna fPrakt Chirurgie. I. S. 530- Taf. VIll. Fig. 6.). 

**) Die berOhmte Beobachtuog von Vaüsneri (Opere fisico-raediclie. 
Vol. L p. 80) ist kürzlicli voo Lambl (Reisebericht S. 190) wieder geprüft 
worden. Im Uebrigen vergl, die Literatur bei Otto (Lehrbuch der pathol. 
AnaL des Hensuhen und der Thiere. Berlin. 1S30. I. S. 164. Note 38.) uad 
E. F. Gurlt (Lehrbuch der path. Anat. der HaussSagethiere. Berlia. 1831. 
I. S. 105. Nachträge dazu. Berlin. 1849. S. 52). Eine, urahrsebeinlich von 
der Stirnhöhle ansgegangene, ungeheure ElfenbeiDgeachwuht vom Ochsen 
erwähnt Paget (Lect. IL p. 234). 

***) Präparat No. 1788. und No. 16. vom Jahre 1869. Vgl. Sangalli. 
Btoria clinica ed anat. dei tumori. Vol. IL p. 264. Tab. IV. fig. VII. 



lyCoogle 



40 Siebieltnte VoTlesnn^ 

diese besitzen gewöholicb grosse und weite Geftese. Sp&tw 
werden die Gef^sse enger, ein Tbeil des librdsen Markes ver- 
knöchert, und der Knochen wird dadurch dichter und compakt. 
Noch später schmelzen Theile des Knochengewebes ein, indem sie 
sich in zellenretchea Hark verwandeln, und der Knochen wird 
wieder porOs oder epongiös. So kann es kommen, dass eine 
ursprünglich poröse Auflagerung (Osteoporose) entweder in ihrer 
ganzen Dicke compakt wird oder an ihrer Oberfläche eine com- 
pakte, in ihrem Innern eine spoDgiOae Schicht erzeugt. 

Allein deshalb darf man nicht den arsprfinglicben po- 
rösen und den späteren spongiöscn Zustand identtficiren: 
das Mark und die GeiUsse verhalten sich in beiden ganz ver- 
schieden. Ebensowenig ist der compakte Znstand immer der- 
selbe. Im Gegentheil lassen sich hier zwei ganz verschie- 
dene Formen unterscheiden, welche beide eine dichte, elfen- 
beinerne Beschaffenheit darbieten können. Die eine Form enl^ 
spricht der gewöhnlichen Rindensubstanz der Röhrenknochen, 
sie entsteht dadurch, dass die Markräume sich mit concentrischen 
Lamellen von Knochengewebe füllen*), welche aus einer fort- 
schreitenden Verknöchernng von Mark hervorgehen (Osteoskle- 
rose). Die andere entspricht der Cämentsubstanz der Zähne; 
sie entsteht durch Ansatz paralleler Schichten von Knochenge- 
webe auf die Oberfläche, welche unmittelbar aus der Beinhant 
oder dem umgebenden Bindegewebe hervoi^ehen (S. 34, Fig. 115.). 
Dies ist dieEburnation im engeren Sinne, ungeföhr entsprechend 
der Osteonkose von Lobstein**). Die Sklerose unterscheidet 
sich also von der Ebnrnation im engeren Sinne dadorch, dass sie 
secundär, deuterogen ist, während die Ebnrnation ein primärer, 
protogener Vorgang ist. Die Sklerose setzt Poröse oder Spon- 
giose voraus; die Ebumation setzt nichts voraus, als ein ossifi- 
kationsfahiges Vorgebilde und zwar in der Kegel Bindegewebe 
und nicht Knorpel. 

Scheidet man in dieser exakten Weise, so ist es leicht, aus 
dem Bau Rückschlüsse auf die Entstehung zu machen. Sobald 
man concentrische Lamellensysteme um die GefSsse findet, so 
ist der compakte Zustand ein secnndärer; liegen dagegen die 



*) Cellnlarpatbologie. 3. Anfl. S. 76—79. Fig. l 
'*) Lobstein. Pathol. Aoatomie. U. S. 101. 



lyCoogle 



Ban and EntttehuDg der ExoBtoien. 41 

Schiebten (oder Lamelldn) parallel der Oberfläche, bo iet er pri- 
mär. Aber im Usat sich nur mikroskopisch mit Sicheriielt 
erkennen; makroskopisch kOnnen beide Zustände elfenbeinern 
aoBseheo, mid da fast alle Beschreibungen der Autoren sich nnr 
auf die grobe Erscheipung stützen , so ist aus der blossen Be- 
zeichnung einer Exostose oder Hyperostose als einer elfenbei- 
nernen nichts zu schliessen. Dies gilt nicht blos f8r die Ex- 
ostosen des Sdiädels, sondern auch fQr die aller anderen Theile. 

Es kommt dazu, dass der alte Knochen anter der Exostose 
sich sehr Terschieden verhält. Die Exostose, wenn auch gaae 
fest mit ihm verwachsen, kann ihm doch nur aufgepflanzt sein, 
in der Art, dass man auf einem Durchschnitt die alte Rinde des 
Knochens gerade fortlaufen und die tiefer liegende spongi&se 
Snbatanz unverändert sieht. Besteht die Exostose aber länger 
und hat sie eine gewisse GrösBe, so wird nicht blos sie selbst 
häufig spongifis, sondern auch die unter ihr gelegene Knochen- 
rinde, und es stellt sich allmählich eine Continuität zwischen der 
alten spongiösen Substanz (Diploe, MarkhChle) und dem Innern 
der Exostose her, wie wir es bei der knorpeligen Exostose 
(S. 10, Fig. 108.) gesehen haben. 

Aber es kuin auch umgekehrt die alte spongiöse Substanz 
(Diploe) unter der Exostose sklerosiren. Dies geschieht in der 
Regel von Anfang an in Folge eines stärkeren, den ganzen Kno- 
dien treffeuden Reizes. Eine solche Sklerose pflegt auf den spä- 
teren Zustand der Exostose eine bestimmende Einwirkung aus- 
zuüben, welche wahrscheinlich von dem geringeren Geßssreich- 
tham des sklerotischen Gewebes abhängt. Sitzt nehmlich eine 
dichte, elfuibeineme Exostose auf einem sklerotischen Knochen, 
so bewahrt sie gewöhnlich ihren elfenbeinernen Chu-akter. Ist 
dagegen der nntergelegene Knochen spongiffs (markieich), so 
wird auch die Exostose später leicht schwammig. 

Die Sklerose unter Exostosen hat man hier und da als 
Enostose oder als innere Exostose bezeichnet. Man sollte mit 
diesen Ausdrücken vorsichtig sein. Andere haben die gegen 
innere Körperhflhlen z. B. gegen die Schädelhöhle hin gerichte- 
ten Exostosen, die ich im Vorhergehenden „innere Exostosen" 
genfldmt habe, ebenfalls Enostosen geheissen. Ein solcher Ge- 
brauch ist noch mehr verwirrend. Man bedarf des Ausdruckes 
der Knostose für gewisse Knochengewächse, welche sich im Innern 



lyCoogle 



4) Sieblehnte Vorlcinng. 

des Enoch«iB aus dem Mark bilden*). AUerdinge kaim mit 
ihrer Bildnog aneh eine inssere Angchwellnng des Knochens, 
also ein Osteophyt verbunden sein, aber dies iet nicht immer 
der Fall und deshalb sollte man, wo man die Entwickelung einer 
Geschwulst fibersehen kann, die mit äklerose des alten 
Knochens verbundenen Exostosen von den mit Osteo- 
phyt verbundenen Enostosen trennen. 

Reine Enostosen sind sehr selten oder wenigstens werden »ie 
sehr selten beobachtet, weil keine äussere Erscheinung auf ihr Be- 
steben hinweist und daher gewöhnlich nur ein Zufall zu ihrer Beob> 
acbtuDg fQbrt. Ich habe ein einzigesmal in der Diaphyse der Tibi» 
eines Kindes, gegen das Gelenkeode hin, eine 
solche Bildung gefunden; sie bestand aus einer 
ziemlich dichten, jedoch immer noch spongiösen 
Substanz. Meist treibt sich der Knochen fiusser- 
lich mehr und mehr auf, und es ist dann in der 
Regel schwer, die Natur der Bildung zu ermitteln, 
zumal da ossificirende Fibrome, Chondrome und 
Sarkome in ganz ähnlichen Verhältnissen vor- 
kommen. 
Es scheint jedoch, dass in diese Kategorie eine gevriese Zahl 
von Osteomen gehört, welche die Autoren unter dem Namen von 
Exostosen beschrieben haben, welche sich aber von diesen durch 
bestimmte Eigenschaften unterscheiden. Gruveilhier**) hat das 
Verdienst, sie unter dem Namen der Corps osseux enkyst^s 
unterschieden zu haben; nur bat er ihre Stellung zugleich da- 
durch zweifelhaft gemacht, dass er sie von den Enostosen, zu 
denen sie doch gehören, abtrennt. Er stützt seine Angaben auf 
3 Fälle (von Weiss, Maisonneuve und Jobert) von Ge- 
schwülsten der „ Fronte - Orbito - Ethmoidal - Region " , und sagt 
von diesen Geschwülsten, es seien mehr oder weniger regel- 
mässige, kugelige Massen von warziger, von tiefen Furchen durch- 
zogener Oberfläche, grosser Dichtigkeit und sehr feinem Kom, 



Fig. 116. Poröae Enostoae des spoDKiOsea Endes der Tibia eines jun- 
gen Kindea. NatQrliche Grösse. (Präparat No. 114.}. 

•) Crnveilhier (Traite d'aoat path. T. 111. p. 869) nennt daher die 
Enostosen auch Gioatoaee mödullaires. Er rechnet namentlich dabin den 
Mher (S. 37. Note 2.) erwähnten Fall aus dem Hns^e Dapaytren No. 374. 
••) Gruveilhier I. c T. HI. p. 870. 



lyCoogle 



mehr porOs als spongiOe, nnd sie seien in das Innere der Kno- 
chen 60 abgesetzt, dass sie die äasseren Lagen wie eine Tafel 
vor sich her drSngten. 

Die Knochengeschwölste der Orbitalgegeod, des 
Stirn- nnd dcB Siebbeines*) sind ebenso wichtig wegen der 
dnrch sie tierrorgebrachten Störungen (Exophthalmie, Panophthal- 
mie, HirnenfDlle), ats interessant durch ihren Ban. Allein sdiwer- 
lich gehören sie einer einzigen Kategorie an. Ein Theil von 
ihnen ist meiner Meinung nach den Enostosen zuzurechnen nnd 
auf sie paset der Name der „eingekapselteu KnochenkOrper"; ein 
anderer ist esostotischer und ein dritter vielleicht chondromatO" 
ser Natur. 

Die Bedeutung der älteren Beobachtungen ist natürlich kaum 
noch festzustellen**). Die neueren, besser beschriebenen und zum 
Theil abgebildeten Fälle unterscheiden sich untereinander znoächst 
durch den Sitz des Osteoms. Obwohl kaum ein Theil der Augen- 
höhle existirt, wo nicht Knochengeschwölste gefunden worden 
sind, so sind doch der obere nnd der innere Tboil verhältniss- 
massig am meisten ausgesetzt. Es sind dies die beiden Regionen, 
welche in Beziehung auf ihre ursprüngliche Entwickelung die 
grOsste Mannichfaltigkeit darbieten. Einerseits handelt es sich hier 
om die Stirnhöhlen, deren Ausbildung sich in ein ungleich sp&tes Le- 
bensalter hinaufzieht; andererseits ist die Zusammenfügung ver- 
schiedener Knochen an einander, namentlich des Stirnbeines, des 
Oberkiefers, des Siebbeines u. s. w. eine so dichte, dass gegen- 
seitige Störungen bei der Entwickelung sehr leicht eintreten kön- 
nen. Dazu kommt die Nähe der Nasenhöhle nnd des Thräneu- 
kanals, von denen aus unabhängig Erkrankungen ausgehen kön- 
nen, welche sich auf die Nachbarschaft fortsetzen. Es ist daher 
nicht nnr begreiflich, dass gerade diese Gegenden häutig leiden, 
sondern auch, dass es späterhin recht schwer ist, festzustellen, 



*) Oftgp. Hoppe. De eiostosibas ossk frontis. Dias- iaang. Bonn. 
1857. Stellwäg V. Garion. Ophtbalmotogie. Erlangen. 1868. Bd. II. 
Abth. II. S. 1222, 12M. DemarquaT. Trait^ des tamenre de I'orbite. 
Piria. 186a p. ÖO. E.GrBnhoff. Die KnochenauswQclise der Ortiita. Inau». 
Abbandl. Dorpat. ISül. 

•*) Thom. a Veiga. CommenL ad c 5. Sect 4. Üb. 1. Galeui de loc. 
äff. (Schenk a. Gräfenberg. Obs. med. rar. Fraocof. 1665. p. 165) Glttck- 
licbe Operation. 



lyCoogle 



44 Siebiebnte TorieiDng. 

ob eine Geachwnlst primir von deo Nasen- oder den StirDhölileD 
oder von der Augenhohle, ob sie von der äuseerea F]äche oder 
aus dem Innern dee Knochene, ob Bie endlich vom Stirnbein oder 
dem Siebbeioe oder von wo sonst ausgegangen ist. F&r alle 
diese Uöglicbkeitea giebt es in der Literatur Beispiele, ohne 
dass es überall möglich ist, die Richtigkeit ihrer Deutung featEo- 
stellen. Denn eine Geschwulst, welche ans dem Innero des 
Stirnbeines hervorgeht, kann sehr wohl später in die Stirn-, 
Äugen-, Nasen- oder Schädelhßhle vorragen. In diese Kategorie 
gehört ein Theil der schon früher erwähnten doppelseitigen 
Exostosen (S. 37). 

Von den Osteomen des Orbitaldaches und der Superciliar- 
gegend gehört ein Theil wesentlich der änssereo Fläche der 
Knochen an*). In einzelnen F&Uen, wo ein nachweisbar b'au- 
matischer Ursprung vorliegt**), wird mtui sich auf eine Periosti- 
tis beziehen können; in Fällen dt^egen, wo die Ursache nobe- 
kannt ist und wo gleichzeitig eine Äffektion der Stirnhöhlen vor- 
liegt, entsteht die Frage, ob die letztere die Veranlassung war 
oder nicht. Wiederholt hat man Granulationen***) und wirkliche 
Polypenf) der Stirnhöhlen gefunden, welche sich bis in diese 
Geschwülste hineinerstreckten, und E. Homeff) hat daher die 
Meinung aufgestellt, die Geschwülste wüchsen auf gefässreichen 
Escrescenzen , wie die Zähne anf ihrer Pulpa. Diese Ansicht 
lässt sich nicht mehr halten, seitdem man die Zahnstructur 
genau kennt. In der Regel sind die Geschwülste freilieh c(Ha- 
pakt, wenigstens in ihrem grösseren Theile, oder doch immer 



•} J. L. Petit. Traitä des mal. dea os. II. p. 432. J. V. H. Köh- 
ler 3. o. 0. S. 28. No. 96. TQrnroth in AnalecU clinica ed. JlmoDi et 
TOmroth. Hetsingfors. 1851. T. l. p. 6. Tatj.!!!. Stephenson. Ediob. Hon- 
tiklj Jonrn. 1855. March. B. Beck. Klinische Beiträge zur Histologie und 
Therapie der Paeudoplaaraen. Freib. 1857. S. 41. W. Bosch. Chirurgische 
Beobachtungen. Berlin. 18Ö4. S. 22. Bowman. Med. Times and Gaz. 186a 
Vol. II. p. 159. Transact. of the Lond. Path. Soc. 1860. Vol. XI. p. 264. 
*') Lucas. Edinb. med. and aurg. Journ. 1S05. Vol. I. p. 405. 
*•*) Stepheason a. a. 0. 
f) Viallet. Ballet, de l'Bcole de mädecine de Paris. An 13. p. 72. 
Ferner ein von Bemarquaj Tumeura de l'orbite. p. 65 ans den Annales 
de la Chirurgie franc et Strang. T. I!I. p. 242 berlibergenommener Fall; eo 
wie vielleicht ein von demselben p. 57 ans dem MnsÖe Dupnjtren No. 327. 
beigebrachter Fall. 

■H") Home. Phiios. Tranaact. Vol. LXXXIX. p. 239. 



lyCoogle 



Orbital- OetMoM. 45 

knScbem und nicht z&hnern*); sach kommt nicht selten spon- 
gifise SubBtanz in ihrem lanera vor (TOrnroth). 

Allein sicfaerlich gehören nicht alle KnocheDgeschwfllBte der 
Saperciliargdgend in diese Kat«gone. Weise**) fand eine elfen- 
beinerne Geschwulst Ton der GrOsse eines starken Eies zwischen 
den Blättern des Stirnbeines im Ntveaa der Stirnhöhle, von deren 
oberen Wand sie durch einen Zwischenraum getrennt war, wäh- 
rend sie nach unten von einer d&nnen Knochenlage bedeckt war. 
Rokitansky***) beschreibt tou einem IBj&hrigen, mit Esopb- 
thalmos behafteten Individuum eine aas der Diploe des Stirn- 
beines hervorgehende, sehr dichte, mattweisse Geschwulst, welche 
mit einem fast Enteoeigrossen , leicht gelappten Knoten in die 
vordere Scbädelgmbe, mit einem Wallnossgrossen in die Augen- 
höhle und mit einem Haselnussgrossen in die Fossa zygomatica 
reichte. Besonders charakteristisch ist in diesem Falle, dass sich 
in der Nähe, sowohl am Stirnbein, als am grossen Flflgel des 
Keilbeines kleinere derlei aus der Diploe wachsende GeschwäUte 
hnden. Buschf) openrte bei einem 18jährigen Mädchen eine 
elfenbeinerne, nach innen spongiOse und gefässreiche Geschwulst, 
welche halb Rühnereigross nach aussen hervordrang, die Stirn- 
höhle und einen Theit der Siebbeinzellen füllte, und einen Ei- 
grossen Knoten von korallenartigem Aussehen in die vordere 
Scbädelgrube sendete. Die äussere Geschwulst ging am oberen 
Orbitalrande und am Nasenfortsatz in den normalen Knochen 
Aber, war aber an ihrer Basis von einer Furche umgeben, so dass 
sie „wie ein Keil" in Aas Stirnbein eindrang. Knappft) ^w- 
lor einen 14jährigeQ Kranken, den er wegen eines Exophthalmos 
openrte; ausser einer elfenbeinernen Knochengeschwulst der Or- 
bita fand sieh eine Gänseeigrosse Exostose der vorderen Schä- 
delgrube, welche einerseits über die Mittellinie binausreichte, 
andererseits bis in die mittlere Scbädelgrube ging und zum gros- 

*) Lambl (Reisebericht S. 67) will allerdings an einzelnen Schliffen 
solcher Exostosen eine Substanz gefunden haben, die er nur mit derlUbr- 
cbeoBubstanz des Zahnes Tergleichen kann; ich habe nichts Shnliches ge- 
sehen. Nur eine Art von Cämentsub stanz kam mir vor. 
••) Weiss. Bnllet de la Soc. anat. 1852. p. 220. 
•") Rokitansky. Pathol. Änat. Wien. 1844. Bd. II. S. 210. 
t) C. Hoppe 1. c. p. 18. G.O.Weber. Ghir argische Erfahrungen nnd 
Ontersochungen. Berlin. 1859. S, 381. Taf. VHI. Fig. 7-8. 

tt) J. H. Knapp. Archiv tüi Ophthalmologie. 1861. Bd. VIU. Abth. L 



lyCoogle 



46 SiebaehnU VoTieaang. 

seo Theil aach die Stirn- und SiebbeiaaelleD erfallte. Es wird 
ansdräcklich erw&hnt, iaas sie ao mehreren Stellen die vordere und 
hintere Wand dea Stirnbeines darobbrocben hatte. Auch der frü- 
her erwähnte Fall von Baillie (S.37) gehört hierher. Nach eioer 
neaeron Bescbreibnog*) desselben war der innere and hintere Theil 
spongiSB, das üebrige elfenbeinern. Die Geschwulst lUUte die 
Stirohßhlen und den oberen Theil der linken Orbita, drang aber 
auch in die rechte ein und ragte jederseits hat 1 Zoll weit aber 
die innere und äussere Schädelfläche vor. Vorn drang sie mit 
zwei Lappen durch besondere Oeßhungen der äusseren Tafel her- 
vor; die Ränder dieser Oeffnongen waren dünn und schoben sich 
eine kurse Streike weit über die Oberfläche der Geschwulst vor. 
Dicht über dem Osteom saes eine kleine runde und flache 
KnochenerhOhnng. 

Alle diese Fälle scheinen mir zusammenzugehftren und der 
£noBtose zugerechnet werden zu mässen. Wahrscheinlich 
sind ihnen die früher mi^etheilten Fälle von Paget und Lambl 
(S. 37), sowie die von Römhild"), Pech'") und Jobertf) 
gleichfolls zuzuzählen. Dagegen muss ich es fast ganz dahinge- 
stellt sein lassen, ob eine Reihe von anderen Beobachtungen, 
welche mehr die Ethmoidal-Region der Augenhöhle betreffenff), 
in dieselbe Kategorie bezogen werden dürfen. Die Mehrzahl von 
ihnen betreffen reine OrbitaigeschwQlste oder solche, wo gleicb- 



•) Med. Timee and Gm. 1859. Vol. 11. p. 403. Das Präparat ist im 
Hunter'schen Museum No. 795. 

**) RCmhild. Diss. coatinenB noDDuUa de eiostoeibos io olla capitis. 
Gdtting. 1800. A. Förster. Atlas der mikroskopischeo pathol. Anatomie. 
Leipi. 1856. Taf. XX. Fig. II. 

***] E. A. Pech. Osteoavcoma ejasqoe speciei iDsignis deacriptio. Comm. 
inang. Wirceb. 1819. 

f) Musäe DupajtreD. No. 384B. CruTeilhier. Traitä d'anat path. 
T. III. p. 871. 

ff) SpCriDg. Abhaodl. der K<!nigl. Schwedischen Akademie der Wiaseu- 
Bchaften. üeberaetit Ton Kästner. 1750. Bd. IV. S. 20G. Taf. VlII. Fig. 1 — 2. 
Gerb, van der Meer. Dtga. exhibens historias quatuor operationum \a di- 
versis capitis regioDibas institatarom. üroniag. 1829. p. 13. Tab. 1. W. Gru- 
be r. Neue Anomalien als Beiträge zur physiol. cbirurg. nnd patb. Anatomie. 
Berlin. 1849. S. 51. Maisonneuve. Compt rend. de l'Acad. T. XXXVII. 
Gaz. des hflp. 1853. No. 95. (Uusee Dupuytreo. No. 384A, abgebildet bei 
Lebert Trait^ d'anat. path. PL CLXVU. 8g. 3.]. Leuoir. Gm. des h6p. 
1856. No. 47. BuüeL de la Soc. anat. 1858. p. 107 (Bericht von Panl). 
Alex. Mott. Amer. Journ. of med. science. 1867. Jan. Bowmaa. Med. 
Time« and Oaz. 1859. VoL II. p. 403. MaisaaiieuTe. Oai. mid. de Puris. 
1863. Oct. No. 40. p. 647. 



lyCoogle 



OrblUt-Ost«om€. 47 

zeitig FortaetXBDgen der Gescbwalst sieh in die Nasenhdhlen er- 
strecken. In zwei Stücken kommen sie freilieb mit den frflher be- 
sprochenen übereiu. Die Geschwülste waren fast alle elfeabei- 
nem und in mehreren Fällen fanden sich polypöse Änswüchäe 
der Nasenschleimbaut , wie ich sie vorher von der Schleimhaut 
der Stirnhßhlea erwähnt habe. Insbesondere war dies der Fall 
in den Beobachtungen tod Lenoir und Alex. Mott. 

Bei Gelegenheit der ersteren ist in der That die Frage an- 
geregt worden, ob die Polypen nicht selbst die Knoehenmasse 
erzeugen. Insbesondere erklärte Gloquet geradezu die Exosto- 
sen für verknöcherte Polypen und berief sich auf Erfahrungen 
an Polypen mit knöcliemer Schale and - solchen mit knöchernem 
Centrum. Indess läBst sich die Frage so nicht behandeln. Po- 
lypen sind nichts anderes als Sbromatöse, myxomatöse, lipo- 
matöse oder was sonst f&r Geschwülste, welche sich über die 
Oberfläche hinausschieben, und die Exostose ist im Verbältoiss 
znm Knochen sehr gewöhnlich dasselbe, sie ist ein knöcherner 
Polyp. Aber wober entsteht sie? Wächst sie ans dem Knochen 
oder aus der Schleimbant? Das Letztere können wir für die 
hier zu bespreehendeD Formen mit grosser Bestimmtheit zurück- 
weisen. Muicbe Orbitalgeschwülste stehen nirgends mit Schleim* 
haut in Verbindung, müssen also vom Knochen ausgegangen 
sein. Die anatomisch so genaue Beschreibung W*enzel Grn- 
ber's von einem derartigen Falle ist ganz überzeugend. Für 
die Polypen der benachbarten Schleimhäute bleibt also nichts an- 
deres übrig, als sie entweder als den Ausdruck der auf die 
Schleimhäute fortgesetzten Reizung, oder als den Ausgangspunkt 
der eich auf die Knochen fortsetzenden Reizung anzusehen. Beides 
mag gelegentlich vorkommen. 

Anders stellt sich die Sache, wenn man untersucht, ob die 
Grundlage der Entwickelang Knorpel oder Periost oder Mark war. 
Allerdings hat Rokitansky die Meinung ausgesprochen, dass 
gerade diese Exostosen aus Encbondromen entständen, aber trotz 
allen Suchens habe ich nur einen Fall in der Literatur aufge- 
funden, wo Knorpel vorkam. John Windsor*) soll am Orbi- 
taldach eine theiis knöcherne, theils knorpelige Geschwulst be- 



*) Demarquay- 
listique. 1667. p. 211), 



Traitö des tamenrs de l'orbita. p. 56 (Annales d'ocn- 



lyCoogle 



48 Siebtehote Vorlesung. 

obaehtet haben. Alte anderen Beobachter fanden an der Ober- 
fläche der Exostosen nnr Bindegewebe, and, was besonders wich- 
tig iBt, gerade an solchen Geschwülsten, welche noch in schnel- 
lem Wacfasthnm begriffen waren. In der Regel wird also nur 
noch fraglich sein, ob die Geschwulst aus der Beinhaut oder 
ans dem Marke bervorwächst, nnd hier scheint es mir, dasa 
wahrscheinlich nicht alle Orbits - Osteome dasselbe Mutterge- 
wefoe haben, dass aber ein grosser Theil wirklich als Enostose 
in der Diploe beginnt nnd erst nach und nach die Koochenschale 
durchbricht. 

Aulfallend genug ist es, dass auch bei diesen Geschwülsten 
der grOsste Theil bei jüngeren Individuen und ein grosser beim 
weiblichen Geschlecht vorkommt, dass das Wachsthum bei maa- 
eben bis in die frühesten Lehen^afare zurückgeht, also wahr- 
scheinlich mit einer Störung in der Enochenbildung zusammen- 
hängt. Die oft sehr lauge Dauer und die frühzeitige Störung 
der ganzen Region mögen auch die Polypen der Nacbbartheile 
erklären, wie möglicherweise noch andere Erkrankungen in der 
Nähe. In letzterer Beziehnng erwähne ich gewisser cystischer 
Anhänge, welche die Geschwulst besitzen kann. 

Ich habe dies Verbältniss einmal in ausgezeichneter Weise 
gesehen. Bei einem erwachsenen Manne, an dessen Orbita bei 
Lebzeiten nichts Abnormes bemerkt worden war, fand sich bei 
der Sektion eine grosse, central erweichte Geschwulst, welche 
fast den ganzen rechten Vorderlappen einnahm. Sie entleerte 
beim Anschneiden fast 3 Unzen einer ziemlich klaren, gelblichen 
Flüssigkeit und zeigte nach deren Entleerung eine unregelmäs- 
sige mit einem weichen, schleimigen Fasergewebe besetzt« und 
durch mancherlei gelbbraune Pigmente etwas bunt geftrbte Wand. 
Diese war gegen die Himsubstanz nicht scharf abgesetzt, son- 
dern ging allmälig in die Neuroglia über, so dass sich das 
Ganze als Myxoma cystoides auswies (Bd. I, S. 423). 

An diese Geschwulst fUgte sich unmittelbar eine Reihe 
theils geschlossener, theils unter eich communicirender Säcke 
von sehr verschiedener Grösse (Fig. 117, c,c), welche sich leicht 
von dem Gehirn trennten, dagegen in der vorderen Schädelgrube 
fest adhärent waren. Einzelne von ihnen waren bis Haselnuss- 
grOBS, andere dagegen ganz klein, Hanfkom- bis Linsengross. 
Alle hatten derbe, vascalarisirte nach innen glatte Wandungen, 



lyCoogle 



HyxokyBtomatOses Orbitkl-Oateom. 

Flg- 117. 



Fig. 117. Oateoma kystomatosum orbitae. Natürl. GrCsae. (Präparat 
No. 129. vom Jahre 18(10). Senkrecbter Durcbschnitt durch die Geschwulst 
uad das Stirnbein. / der perpeodiculäre Tbeil des Stirnbeines, o o' der 
Orbitaltbeil. Zwischen beiden, genau dem S apere iliarrand entaprecbend, 
schiebt sieb die elfeabeioerne (ieschwulst mit einer ctnas hügeligen Flache 
vor, ohne noch von einer normalen Knochenschale gedeckt zu sein. In dem 
vorderen Tbeil der Orbitalplatte bei □ sieht man die elfenbeinerne Hnsae in 
der Diploe, nach aussen und innen noch bedeckt von den Kindenscbichteu 
des Dermalen Knochens. Ueber o' die normalen „Zeilen" der Diploe; zwi- 
schen ihnen und der Fnostose eine dichtere, ßbrüee, nicht cystoide Masse. 
Der Durchschnitt der Geschwulst selbst ist fast ganz elfenbeinern, so je- 
doch, dass man einzelne Linien, gleichsam Andentungen von Lappenbildung, 
in ihr wahrnimmt; an £wei Stellen, mehr gegen den Umfang hin, nach oben 
nnd Torn und nach hinten und unten feiaporfise Abschnitte. Gegen die 
SchädelhChle hin ist die innere Lamelle des alten Knochens wieder durch- 
brochen und die knollige, mit grossen, multiloculären Cysten (c, c) besetzte 
Oberfläche ragt frei hervor, nur überzogen von der Dura mater. Nach oben 
hJQ zieht sich im Umfange der Gescbwulat eine tiefe Furche a berum, nur 
tum Theil gefüllt von kleineren Cysten e, dagegen mit zahlreichen hämor- 
rhagischen Pigment-Niederschlägen bedeckt. Gegen die Perpen diculärplatte 
des Stirnheines ist die Geschvfulst durch eine scharfe Grenze abgesetzt. 

Das Präparat stammt von einem 47jährigen Hanne (Schneidermeister K.), 
der am l.December 1859 in die Charit^ aufgenommen wurde. Nach einem 
Zeugnisse des Dr. Friedländer war er bis vor 3 Jahren ganz gesund ge- 
wesen, hatte die letzten swei Wioter stark gehustet und ausgeworfen, war 
seit dem letiten Frühjahr trübsinnig geworden. Vor 3 Monaten Lähranng 
der linken Gesichtshälfte, vor 10 Wochen Fieber mit fnribunden Delirien. 
Seitdem OedSchtnisssch wache, Schwindel, beständiger Stirnschmerz, Parese 
des rechten Annes nnd Beines, Secessns inscii. Während seinee Aufent- 
haltes in der Cbarite lag der Kranke meist tbeiloamlos in der Rückenlage, 
der Kopf war nach rechts gewendet, er gab aber auf einfache Fragen schnelle 
Antworten. Stirn- und Hinterbauptsschmerz, enge, aber gleiche Pupillen, 
Zange nicht abweichend, Zittern, besonders der Hände, Secessns inscii. 
Die rechte Untereitremit^t verkürzt, sowohl im Ober- als Unterschenkel, 



ly.Coogle 



50 SiebiehDte Torlesnng. 

waren aber nur massig gefQllt. Einzelne enthielten eine dünne, 
fadenziehende FlQssigkeit, andere eine zähschleimige Masse, 
welche in gewissen Abständen randlicbe oder längliche Zellen, 
getrennt durch eine amorphe oder streitige oder regelmässig ge- 
schichtete Zwischensubstanz, erblicken Hess. Bei der ferneren 
Untersuchung der Wand wies sich dieselbe als ein dichtes Bin- 
degewebe aus, das innen mit sehr kräftig entwickeltem, cylin- 
drischem Flimmerepithel bekleidet war. 

An der Stelle der vorderen Schädelgrube, wo diese Ge- 
schwulst adhärent war, zeigte sie sich nicht blos mit der Dura 
mater, sondern auch mit dem Stirnbein innig verwachsen. Beim 
Absieben schien es anfangs, als ginge sie in das letztere selbst 
hinein, denn es kam rings an der Ansatzstelle eine tiefe, den 
ganzen oberen Umfang der Geschwulst-Basis umgebende Furche 
(Fig. 117,s,) im Stirnbein zum Vorschein, deren Ränder so glatt 
waren, als ob sie mit einem scharfen Instrumente ausgeschnitten 
wären. Die Furche und die anstossenden Geschwulsttheile waren 
mit kleinen, gelbbraunen Pigmentflecken besetzt. Die Furche war 
etwa 3—4 Millim. breit und begrenzte ein nnregelni aasig höcke- 
riges Knochengewächs, welches ans dem Winkel des Frontal- und 
Orbitaltheils des Stirnbeines hervorging und die eigentliche Grund- 
lage der Gesammtgeschwulst darstellte. Es hatte fast die Grösse 
eines halben Hühnereies, maass in der Breite 3,5, in der Höbe 
3 Centim. und ging mit breiter Basis in das Innere des Stirn- 
beines über. Als das letztere von vorn her blossgelegt war, zeig- 
ten sich mehrere rundliche, durchaus glatte Höcker von sehr 
dichtem Aussehen, welche am Superciliarrand das vordere Blatt 
des Stirnbeines durchbrachen und sich nach aussen zu entwickeln 
begannen. Auf einem Durchschnitt, senkrecht durch die ganze 
Partie (Fig. 117.), ergab sich, dass die 4,8 Centim. im Durch- 
messer betragende Geschwulst aus der Diploe des Stirnbeines 

das Knie steif, dicbt über dem Gelenk eine bis auf den Knochen reichende 
Narbe. (Daraus erklärt sieb vielleicht die sonst schwer verständliche Angabe, 
dass rechts eine Parese vorhanden gewesen sei.) Schliesslich Sopor, De- 
cubitus, Tod am 33. Februar 1060. Bei der Autopsie fand sich ein starker, 
doppelseitiger Hydrocephalus internus und ein grosses cystoidee Myxom, 
welcbeg vor dem rechten, sehr stark nach rückwärts verschobenen Corpos 
striatum begann und fast den ganzen VorderUppen einnahm. Mit demsel- 
ben hing die im Text beschriebene Geschwulst, zunächst durch ihren k^sto- 
matösen Antheil, zaaamm«a. Am unteren Ende des Oa femoris Zeichen 
eines alten Bruches. 



lyCoogle 



K^atomatOse Orbital - Osteome. 51 

hervOTging und am Orbit&ltheil deutlich zwiBchen den beiden 
Tafeln deseelbeB eingeschlossen war. Nach innen und aussen 
durchbrach sie diese Tafeln, und namentlich nach oben hin 
konnte man ihre Grenze gegen das normale Knochengewebe, mit 
dem sie nur lose zusammenhing, ganz scharf erkennen. Die, 
wie die Nasenhöhle , mit zähem Schleim erfüllte Stirnhöhle 
wurde durch die Geschwulst nicht erreicht, doch war ihre 
Schleimbaut zum Theü verdickt und verkalkt. Der grösste Theil 
der Geschwulst bestand aus ganz dichtem, elfenbeinernem Ge- 
webe; nur an zwei, mehr peripherischen Stellen fand sich eine 
mehr poröse, ziemlich gefäsareiche Substanz. In dem elfeobei^ 
nernen Theil konnte man bei genauerer Betrachtung gewisse 
rundliche Abgrenzungen erkennen, gleich als ob die Geschwulst 
aus einzelnen Läppchen zusammengesetzt sei. Da, wo diese 
Masse die äussere Platte des Stirnbeines durchbrach, war sie 
zum grossen Theil nur vom Periost bedeckt. Allein der Durch- 
bruch war nicht blos am Superciliarrande erfolgt, sondern er be- 
gann auch an mehreren, zum Theil kaum Linsengrossen Stellen 
in der Orbita seihst, und an allen diesen Stellen zeigte sich die 
Geschwulst wiederum, wie in der Schädelhohle, besetzt mit 
Cysten, die Flimmerepithel trogen und Schleim enthielten. 

Es handelt sich hier also um eine sehr zusammengesetzte 
Mischgeechwulst. Sieht man auch ganz von dem cystoiden 
Mysom des Gehirns ab, so bleibt doch die Combination des 
Osteoms mit einer multiloculären Cystengeschwulst bestehen, also 
ein Osteoma kystomatosum. Ich kann nicht leugnen, dass 
der Besatz der Cysten mit Flimmerepithel die Frage nahe legt, 
ob hier nicht eine Abschnärung von Theilen der Stirnhöhlen- 
Schleimhaut vorliegt. Allein ich habe schon erwähnt, dass die 
Geschwulst mit der Stirnhöhle gar nicht communicirte, und ich 
werde später zeigen, dass sie in gewissen Stücken übereinstimmt 
mit Kystomen, welche gerade an dem entgegengesetzten £nde 
der Wirbelsäule, nämlich am Heiligenbein, vorkommen. 

Es scheint, dass dieser Fall nicht ganz vereinzelt steht. 
Auch in dem von Busch*) wird erwähnt, dass neben der Kno- 
chcsgesehwulst in dem Dach der Orbita eine Bohnengrosse Cyste 
lag, welche nach beiden Seiten hin perforirte, und dass aus der 



*) C. Hoppe L c p. 23 D. 2^. 

4* 

D,gt,ZBdbyCOO<^Ie 



52 Siebzehnte Vorlesung. 

Baais der Gesehwnlst im Schädel mehrere Cysten hervotgingen. 
Anderemal waren freilich nur Cysten vorhanden. Petit*) be- 
schreibt einen Fall, wo der Knochen selbst „koorpelig; oder 
fleiEuhig" war und die baselnuesgroBsen, mit rOthlicher Flüssigkeit 
gefüllten Blasen, eine in der Augenhöhle, eine zweite halb in 
der Augen-, halb in der Schädelhöhle, eine dritte in der mittle- 
ren Sehädelgrube , lagen. Freilieh war hier keine Knochenge- 
Bchwulst vorhanden, und es kann zweifelhaft sein, ob eine cfaoo- 
dromatöse Masse da war, indess scheint die eigenthämliche Ver- 
bindung von Cysten mit einer ausgedehnten Enochenaffektion 
diese Beobaehtang doch den mitgetheilten sehr zu nahern. Noch 
mehr gilt dies in Beziehung auf das Verhalten znm Gehirn von 
einem Falle von Delpech**), wo eine Cyste die Orbita fast 
ganz füllte, in den Schädel drang und sieh gegen drei Zoll tief 
in das Gebirn schob. 

Wenn ich mich demnach für berechtigt erachten darf, eine 
Parallele zwischen diesen Orbital-Kystomen nnd den congeni- 
talen Sacral-Hygromen zu ziehen, so glaube ich zugleich schlies- 
sen zu können, dass der Ausgaogspunkt dieser Bildungen nicht 
in der Schleimhaut der Stirnhfiblen zu suchen ist, sondern dass 
es sich wenigstens bei den Cysten um eine heteroplastische Neu- 
bildung handelt. Ist dies wirklich der Fall, was freilich erst 
durch weitere und genauere Beobachtungen festzustellen sein 
wird, so wäre weiterhin zu ermitteln, ob die Anlage zu diesen 
Mischgeschwülsten congenital ist, was ich för wahrscheinlich er- 
achte. Auf jeden Fall verdient diese interessante Aflektion eine 
viel genauere Aufmerksamkeit, als ihr bis jetzt zu Theil ge- 
worden ist. 

Bestätigt sich meine Auffassung, dass mindestens ein gros- 
ser Theil der Orbital -Osteome den Enostoscn zuzurechnen ist, 
so würde man sieh zu denken haben, ditös der Mutterknoten in 
dem Mark der Diploe entsteht durch eine ans dem Mark selbst 
hervorgehende Wucherung und Ossifikation, dass er wächst durch 
Apposition neuer Schichten, welche durch fortschreitende Wuche- 
rung des Markes erzengt werden, indem die den Motterknoten 
umgehenden Marklagen sich gleichsam zu einem Periost nmge- 



*) J. L. Petit. Traite des mal. des os. 11. p. 4S8. 
**} Detpecb. Chirurg, clin. de Uontpellier. T. 11. p. 505. 

D,3 zB<ibyCOO<^le 



Osteome der KieforknocheD. 53 

Stalten. Jedenfalls ist das ganz eicber, class die Rinde des 
Knochens sich über der EnostoBe allmälilich gchalig erhebt und 
Bchliesslich von der grösser werdenden Geschwulst einfach oder 
mehrfach durchbrochen wird. Von da an nimmt die Enostose 
allmähhch den Habitus der ExostoBe an. — 

Ändere Theile des Schädels scheinen su enostotischen Bildun- 
gen wenig geneigt zu sein, obwohl man sie vielleicht nicht ganz 
ausschliessen darf. So wird aus dem Museum von Guy's Hospi- 
tal*) eine Taabeneigrosse , gestielte, elfenbeinerne Exostose des 
Hinterhaupts, hinter dem Foramen magDum, erwähnt, welche von 
einer tiefen Furche umgeben ist, welche also ein ganz ähnliches 
VerhSltniss darbietet, wie einige der erwähnten Orbital -Osteome. 

Sehr wesentlich kommen aber hier in Betracht die Kiefer- 
knochen. Sowohl am Ober- als am Unterkiefer sind Osteome be- 
sonders häufig, und seit langer Zeit finden sich zahlreiche Angaben 
in der Literatur über schwammige, sowie über elfenbeinerne 
Exostosen derselben. Allein die Autoren haben in der Mehrzahl 
der Fälle die genetische Bedeutung derselben nicht berücksich- 
tigt, so dass es überaus schwierig ist, die einzelnen Beobachtun- 
gen zu classificiren. Diese Schwierigkeit ist kaum an irgend einem 
anderen Theile grösser, weil es sich hier nicht blos darum ban- 
delt, die Exostosen, Hyperostosen und Periostosen von den 
Enostosen zu scheiden, sondern auch darum, die Zahn - Ge- 
schwülste und am Oberkiefer'*) die Osteome der Highmors- Höhle 
211 trennen. 

Die Zahn-Geschwülste sind unter sich wiederum ver- 
schieden. Zunächst können sie an einem regelmässig entwickel- 
ten und gelagerten oder an einem unregelmässig entwickelt«Q 
und gelagerten Zahn vorkommen. Insbesondere ist es nicht sel- 
ten, dass der betroffene Zahn nicht ordnungsmässig hervorgetre- 
ten, dass er irgendwo in der Tiefe des Knochens liegen geblie- 
ben und dass die von ihm ausgehende Knochengeschwulst da- 
her im Knochen mehr oder weniger eingeschlossen ist. Solche 
Osteome von retinirten Zähnen haben begreiflicherweise mit 
Enostosen eine grosse Aehnlichkeit. — ' Sodann macht es einen 



*) S. Wilts. Catalocne of the pathologicäl preparations Id the Mu- 
Benin of Gny's Hospital. Eond. 1863. Vol. I. p. 41. No. 1074«. 

**) .1. E. F. Knorz. De maxilke Buperioria, iDprimis ejua sious mor- 
bosie affectioaibus. Diss. ioaug. Marburg. 1844. 



lyCoogle 



54 SiebEehnte Vorlnung. 

grossen Unterschied , ob das Enochengewächs von dem Zahn 
selbst ausgeht: Dental-Exostose, oder ob es von dem umge- 
benden Knochen aus eich entwickelt, sei es bloss von dem Alveo- 
lus: AI veolar-Exostose, sei es von dem Innern des Knochens, 
wie es namentlich bei den in der Tiefe retinirten Zähnen vorkommt, 
wo sich rings umher eine Knochenkapset oder Knochen- 
cyste bildet. — Endlich kommt in Betracht, dass bei den Den- 
tal - Exostosen bald nur die knöcherne Schale der Wurzel, das 
Cäment betheiligt ist, bald auch das eigentliche Zahnbein, das 
Dentin") Theil nimmt. 

Das Dental - Osteom , welches aus einer Anbildung neuer 
Cflmentsubstanz ans der Wurzelhaut des Zahnes hervoi^eht"), 
steht den gewöhnlichen Formen des Osteoms ganz parallel. Es er- 
streckt sich zuweilen über die ganze Ausdehnung der Wurzeln ein- 
zelner Zäline und stellt dann eine wirkliche Hyperostose dar*"). 
Besonders umfangreiche Anschwellun- 
, gen dieser Art kommen bei Pferden 
vor t). Anderemal beschränkt sich 
die Neubildung auf kleinere Abschnitte 
und bildet dann die Dental -Exostose 
im engeren Sinne des Wortes. Kleinere 
Geschwülste dieser Art sind überaus 
häufig, namentlich an cariösen und 
plombirten Zähnen. Sie erzeugen 
rundliehe Verdickungen der Wurzelspitzen oder flache An- 

' "' Fig. 118. Wurzel -Exostose eines cariösen Backiahnea, vod Herrn Söer- 
aen extrabirt. Nat. GrSsse. a die äussere Auslebt mit einer cariSsen Stelle 
des Zabohalses und einer dicken, gleichsam iDcapsulirendcD Koochenaufla- 
gerung beider Wurzeln. 6 ein Durchschnitt, welcher die parallelen Aufla- 
ger ungssch lebten zeigt; an der Krone zwei cariüse Stellen, von denen aus 
das Dentin in radiärer Richtung bis gegen die Zahnhöble hin verändert 
(missfarbig, gelblich) ist. 

*) Celluhirpathologie. S. Aufl. S. 83. Fig. 40. 

") Maury. Zahnarzneiknnde. A. d. Fr, Weimar. 1830. Taf. XII. iig.16-21. 
C. 3. und Jos. Linderer. Handbuch der Zihnheilkunde. Berlin. 1837. 
S. 186, 462. Taf. XIII. Fig. 1-2. J. Tomes. A course of lectures on den- 
tal physlology and surgery. Lond. 1848. p. 238. E. Aibrecht Die Krank- 
heiten der Wurzelhaut der Zähne. Berlin. 1860. S. 29. 

•••) llowship. Pract. observ. in surgery and morbid anat. Lond. 1810. 
p. Ift. PI. l. fig. 2,, e. Tomes 1. c. p. 240. fig. 94. 

+) Aleji. Pander. De dentiiim struetura. Diss. inaug. Petropoli. 1856. 
p. 18. Tab. II Am. Forget. Des anomalies dentaires et de lour iufluence 
Bur la production des maladles des oa maiillatres. Paris. 1859. p. 30. PI. 6. 
fig. 1-2. 



lyCoogle 



Dental -Oateome. 55 

sobwelinngen der Wnrzelflächen oder endlich kleine knotige oder 
kugelige SeitenauswQcbse*). 

Ganz verschieden davon sind gewisse, von Schmelz über- 
zogene, der ersten Bildung angehOrige Hyperplasien, wie sie 
die sogenannten Dentes proliferi besitzen**) und wie sie 
nicht bloB an der Krone, sondern auch am Halse nnd an dei; 
Wurzel vorkommen. Diese sind in der Regel uehr klein (Schmelz- 
tropfen). Allein sie können zuweilen eine sehr beträchtliche 
Grösse erreichen. In der Regel nehmen sie dann eine kugelige 
oder halbkugelige Gestalt an, sitzen mit einer kleinen Fläche 
am Zahn auf und haben eine etwas poröse, jedoch immerhin 
compakte, oft papilläre Oberfläche. Salter***) hat mehrere Bei- 
spiele der Art von Eck- und Weisheitszähnen unter dem Namen 
der warzigen Zähne beschrieben, darunter einen bis Wallnnss- 
grossen Auswuchs. Sie sind schwer zu unterscheiden von den 
wahren Exostosen. Denn auch diese kommen in ähnlicher Art 
vor und werden manchmal bis Taubenei gross. So weit ich sehe, 
finden sie sich besonders am oberen Theil der Wurzeln und am 
Halse, sowohl an Eek-f) als Backzähnen ft)) ^^^ ^war nicht 
Mos beim Menschen, sondern auch bei Thierenftt)- 

Allein die sonderbarsten Formen entstehen, wenn Zähne 
mit einander verschmelzen und in diesem Zustande Inder 
Tiefe der Kieferknochen zurückgehalten werden. Verschmelzun- 
gen der Zähne an sich kommen öfters vor, bald in der ganzen 

•) DuTal. Ballet, de la Fac. de mM. de Paris. 1811. p. 206. Wedl. 
GruDdzüge der pathol. Histologie. Wien. 18Ö4. S. 624. Fig. 144. Billroth. 
Mein Archiv. Bd. VIII. S. 430. 

") Albions. AddoI. aoad. Vol. I. Tab. IV. fig. 3-4. J. G. Tesmer. 
Observationes osteol. Diss. Berol. 1812. Tab. I. fig. 7—9. J. Fr. Meckel. 
Tabulae anat. pathol. Lipa. 1822. Fase. 111. Tab. XVII. fig. I. Otto. Pathol. 
Anat. Berlin. 1830. Bd. 1. S. 187, 191. Linderer a. a. 0. S. 117. Taf. VII. 
fig. 13-16. Maury a. a. 0. Taf. VIII. fig. 1. 

"•) Jamea A. Salter. Transact. of the Path. Soc. London. Vol. VI. 
p 173. PI. IX. Guy's Hosp. Rep. 1858. p.276. PI. I. 1859. p, 329. flg. 1-2. 

+) J. Fr. Meckel I. c. p. 3. Tab. XVIi. fig. VIII. — X. A. Ritter t. 
Genczick. Ueber, Exostosen und Osteophyten. Erlangen. 184ß. S. 14. 

tt) Maisonneuve. Gaz. des h6p. 1855. No. 86., sowie bei Forgef 
1. c. p. 27. PI. II. fig. 1-2. 

tt+) Otto ». a. 0. S.194 (Backzahn aus der Blumenbach'schen Samm- 
lung). Forget. p. 28. PL IL fig. 5—6. (Eckjahn eines Pferdes ans der 
Sammlung tod Alfort). Wahrscheinlich ist der Fall von Leblanc (Compt. 
read, de la Soc. de Biologie. T. 11. p. 35) mit dem tod Forget geachil- 
deiten identisch. 



lyCoogle 



56 Siebzehnte Vorlemog. 

Ausdehnong, bald blos aa deo Wurzeln, oder blos an den Kro- 
nen. Schon Geoffroy St. Hilaire*) hat darauf hingewiesen, 
dass mit dieser Verwachsung leicht Störungen der Entwickelung 
Eueammenfallen , und die Erfahrung hat in der Tbat eine Reihe 
der sonderbarsten Geschwulstbildungen kennen gelehrt. Oudet**) 
fand auf jeder Seite des Unterkiefers eine grosse, ungleiche, hier 
und da mit Schmelz überzogene Gesehwulst, die durch Ver- 
wachsung der Schneide- und Hundszähne entstanden zu sein 
schien. Forget'"*) beachreibt einen hOchst merkwürdigen Fall, 
wo eine ähnliche 23 — 30 Gentim. im Durchmesser haltende, ei- 
förmige, sehr harte Geschwulst sich an der Stelle zweier Backen- 
zähne im Unterkiefer eines 20jährigen Mannes fand, welche seit 
dem 5teD Lebensjahre sieh zu entwickeln angefangen hatte. Ob 
jedoch jedesmal eine Synostose von Zähnen Toranfgegangen seia 
muss, ist mindestens zweifelhaft. In einer Beobachtung von 
Wedlf) lag die Gescbwalst in der Gegend des Weisheitszahnes, 
ohne dass sonst ein Anhalt für die Annahme einer ursprÜDglichen 
Duplicität gewonnen wurde, und io der von Billrothff), wo die 
Wallnussgrosse Geschwulst in der Gegend des zweiten Backzah- 
nes im Oberkiefer sich fand, ist wenigstens kein genügender 
Grund tur eine solche Annahme gegeben. Es wäre daher immer- 
bin möglich, dass auch ein einziger Zabnkeim sieb zu einer der- 
artigen Geschwulst entwickeln könnte. Tomes+ft) beschreibt 
einen Fall, wo der zweite Backzahn des Unterkiefers in eine 
difforme, flache, derbe Masse, 3— 4 mal so gross, wie ein gewöhn- 
licher Backzahn verwandelt war; der ditrunter gelegene Weis- 
heitszahn besass nur eine Krone, keine Wurzel. 



*) Oeoffroy St. Hilaire. Appeudice au Bysterae deotaire des mam- 
mifereB et des oiseaui. (Forget p. 25, PI. II. flg. 3.). 

••) Ondet. NouT. Journal de.med. 1821. Tivi. p. 246 (Otto S. 193). 
Ob die von Forget p. 26 mitgetheilte Beobachtung von Oudet, die er 1609 
der Societ6 de la Facolt^ de Mädeciae vorgelegt haben soll, damit identisch 
ist, kann ich nicht entficheiden ; in dem Bulletin de la Fac. de med. de Psris 
et de la Society Stabile dnns son sein für das Jahr 1809 findet sich keine 
Erwähnung. Vidal citirt ausserdem Oudet Oict. en 30 vol., nouv. ^dit, 
T. X. p. 162. 

♦") Forget I. e. p. 16. PI. I. 
t) Wedl Path. Histologie. S. 625. fig. 145-146. Zeitschr. der k. k. 
Gesellsch. der Aerzte zu Wien. 1851. März. S. 183. Taf I. 

t+) Billroth. Mein Archiv. Bd. VHI. S. 426. Taf. XI. 
ttt) Tomes. Trausact. of the Lond. Path. Soc. Vol. II. p. 239. Tgl. 
Maury Taf. VHI. flg. 22. 



lyCoogle 



Odontome. 57 

Alle Beobaditer stimmen dBria flberein, daas der Schmelz in 
diesen Gesebnülsteo, gleichwie in den frQher (S. 55) erwähnten 
Hyperplasien, eine sehr geringe Bedeutung hat, wie er denn 
auch gaas fehlen zn kennen scheint, dass auch das Cftment nur 
in sehr mtasiger Menge sich an der Bildung betheiligt, uad daes 
die Hauptmasse ans eigentlichem Zahnbein (Dentin) gebildet wird. 
Sie kOnnen daher auch nicht im engeren Sinne des Wortes den 
Osteomen zugerechnet werden; sie sind vielmehr als Odon- 
tome zu unterscheiden. Nirgends ist mir dieser besondere Cha- 
rakter so deutlieh entgegengetreten, als in einer grosseD Ge- 
Bcbwolst „aus der Scbädelbfible eines Rindes", welche sieb in 
der Sammlung der Dresdener Veterinärschule findet und zuerst 
von Prinz untersucht ist, Leieering*), welcher sie beschreibt, 
erw&hnt sogleich ein anderes Pr&parat aus der Oberkieferiiöhle 
und ein drittes aus dem Unterkiefer eines Kalbes. Letzteres 
ist fSr die Theorie dieser Bildungen von höchstem Werthe, in- 
sofern hier der grßsste Theil der Geschwulst noch weich war 
und sich als Wucherung des Zabnkeimes auswies. Diese hatte 
sich in der Gegend des 6ten Backzahnes entwickelt, den Zahn- 
raod auseinander getrieben und war als eine 3 Zoll lange und 
7' Zoll breite polypöse Geschwulst frei zu Tage getreten. Sie 
hatte an der Oberfläche Papillen, welche stellenweise mit schon 
festgewordenem Schmelz und Dentin bekleidet waren, und sie 
bestuid selbst aus Bindegewebe, Gelassen, Elfenbeinzellen u. s. w. 
Diese Beobachtung schliesst sich unmittelbar an die, meines 
Wissens einzige in der Literatur, welche Robin**) an dem Un- 
terkiefer eines 2^jährigen Kindes machte. In einer scheinbar 
fibrOseu Geschwidst fand derselbe ebenfalls Papillen mit schon 
deatlichem Dentin und Schmelz. 

Es liegt auf der Band, dass das Odontom ein Erzeugniss 
aus der Entwickelungsperiode der Zähne sein muss. Da es we- 
sentlich aus Dentin besteht und dieses sich aus dem Schleimge- 
webe des Zahnsäckcheos entwickelt, so muss das Odontom eine 
gewisse Periode haben, wo eine Hyperplasie dieses Schleimge- 



*) Bericht Über das VeterinSrweeeQ im Königreich Sachsen fQr das Jahr 
1860, berauBKegeben von Haubner, Dresden. S. 13. 

") BobiD, Mem. de la Soc. de Biologie. 1863. S^r. III. T. IV. p. 301. 



lyCoogle 



58 Siebiebnte Vorleenng. 

webes, also ein hyperplastiscbes Myxom Torhanden ist. In 
diesem Stadium ist offenbar der von Leisering begchriebene, 
letzter will nte Fall, sowie der von Kobin zur Beobachtung ge- 
langt, und es lässt sich denken, dase gelegentlich das Myxom 
persistirt, ohne dass es zur Dentinbildnng kommt. Vielleicht 
geboren dahin manche der sogenannten Epolie-Formen. För ge- 
wisse fibri^se GeschwülBte der Kiefer hat Robin*) diese Ent- 
stehung nachgewiesen. 

Ist einmal die Z^nbildung vollendet, so bleibt tob dem 
alten Schleimgewebe nur ein kleiner Rest in der sogenannten 
Zahnpulpa zurück. Diese ist in ihrer weiteren paütologiscbui 
Ausbildung zu Geschwülsten durch- die harten Umgebungen be-- 
schränkt, und wenn sie blossgelegt wird, so vergilt sie in der 
Regel in Eiterung oder Nekrobiose oder wirkliche Nekrose. Nor 
bei caridser Eröffnung der Zahnhöhle kommt bisweilen eine po- 
lypöse Hyperplasie vor. Indess finden doch auch in der Zahn- 
pulpa gewisse harte Neubildungen statt, nur erreichen sie ge- 
wöhnlich keinen grossen Umfang. Die meisten derselben be- 
stehen aus neugebildetem Dentin**), welches mit dem soge- 
nannten Ersatz -Dentin, dentine of repaii***), wie es sich bea 
Caries und äusseren Verletzungen in der Zahnhöhle bildet, überein- 
stimmt. Sie sind also innere Odontome (Odontinoide oder Den- 
tinoide Ulrich). In anderen Fällen kommt aber, öfters unter 
dentJicber Vascnlarisation, eine innere Ossifikation f) vor, welche 
S(^ftr eine spongiöse Znsammensetzung annimmt, also eine Zahn- 
Enostose (Osteoid Ulrich), Diese kann aus der Pulpa her- 
vorgehen, doch hat Salter gezeigt, dass sie auch an der Stelle 
von früherem Dentin sich zu entwickeln vermag. Eine erheb- 
liehe praktische Bedeutung scheinen diese Bildungen nicht zu 
erlangen. Dafür haben sie aber ein nicht geringes wissenschaft- 
liches Interesse. Ich erinnere nur an die sonderbaren Vorgänge, 
welche nach Verletzungen, namentlich durch Schusswunden, in 



*) Robin. Ebendaselbst p. 214. 
") Ulrich. Zeitschr. der Wieoer Aerite. 1852, Febr. S. lil. Fig. 3. 
Wertl. Pathol. Histologie. S. 615. Fig. 141-143. 

"*) Salter. Traneact. of the Lond P»th. Soc. 1856. Vol. VlI. p. 185. 



'"J S 
PI. IX. 



t) Ulrich a. a. 0. S, 138. Fig. 1-2. Tomes. Dental physiologj and 
surgery p, 240. James Salter. Transact. of the London Pathol. Soc. 1854. 
Vol. V. p. 115. PI. IV— V. Guj's Hosp. Rep. Vol. VIJI. p. 345. 



lyCoogle 



Zabn-Ogteome. . 59 

Elephftntenz&hnen vorkommen*), Vorgänge, welche das lateresse 
GAthe'g**) in hohem Maasse in Anspruch nahmen. 

Diesen, den e^entlieheo Zahn betrefreodeD Neubildungen 
Btebea diejenigen gegenüber, welche von den Alveolen und dem 
umgebenden Knochen ausgehen. Die sogenannte Alveolar- 
ExostoBe der Neueren entsteht aus dem Periost der Alveole 
und ist in der Regel mehr eine Periostose oder Hyperostose, als 
eine Exostose. Sie beginnt nehmlich als ein loses Osteophyt, 
welches den Boden der Zahnhöhle auspolstert, mag nun der 
Zahn ausgefallen oder ansgezogen sein, oder mag er sich noch 
iu der Höhle befinden. Auch sie erreicht meist keine sehr be- 
triichtliche Ausbildung. — Viel bedeutender wird die Verände- 
rung, welche sieh im umliegenden Knochen ausbildet und theils 
vom Periost, theils vom Mark ausgeht. Der ganze Kiefer kann 
dadurch beträchtlich aufschwellen***) und Eugletch innerlich sich 
verdichten, sklerotisch werden. Am bemerkenswertheston ist dies 
bei retinirten Zähnen, um welche herum durch die genannten 
Prozesse knöcherne Schalen oder Cystenf) entstehen. 

Im letzteren Falle findet man bald eine gewisse Stelle der 
Kiefer angeschwollen, bald eine ganze Seite aufgetrieben, die 
ffeicbtheile häufig verdickt und verdichtet, darunter hartes Kno- 
chengewebe von sehr verschiedener Dicke, welches eine zugleich 
ziemlich umfangreiche Höhle umschliesst f f ). In dieser Höhle liegt 
der retinirte Zahn, häufig umgeben von Eiter, Jauche oder Granu- 
lationen. Die besondere Art dieser Produkte ist natürlich grossen 
individuellen Verschiedenheiten unterworfen , und ich bemerke 
ausdrücklich, dass in der Mehrsahl der Fälle überhaupt keine so 
umfangreichen Veränderungen vorkommen, sondern der retinirte 
Zahn sowohl selbst nahezu normal ist, als auch in seiner Umge- 

*) Die Literatur bei Bonn Descr. thea. Hoviaai p. IIa u. Otto. Path. 
Anat. I. S. 194. Ich aelbet besitze durch die Güte des Herrn Hever in 
Hamburg einen vor/.Qglichen Durchscbnitt eines solchen Zahnes. Vgl. anch 
John Goodgir. Transact. of the Royal Soc. of Edinbtirgli. 1841. Vol. XV. 
PI. I. p. 93. Lambl. Reisebericht. 8. 7G. Duval. Gaz. m6ä. de Paris. 
1850. Ho. fi. 

••) Göthe. Zur Naturwissenschaft. Bd. II. Heft 1. S. 7. Sämmtliche 

Werke. Stuttg. u. Tübingen. 1840. Bd. XXXVI. S. 376. Bd. XXVII. 8. 69. 

•••) Warren. Tumours. p. 127. Forget I. c. PI. 6. fig. 1—3. 

■f) Diese sind wohl zu unterscheiden von gewissen weichen, mit PIEssig- 

keit oder Gallerte gefGllten Cysten, welche an den Zahnwurzeln vorkommen. 

tt) Forget 1. c. p. SH. PI. 9. fig. 4. PI. 3. fig. 1-3. Paget. Lectures. 

U. p. 9t. UaUe. Beale's Archhea. VoL I. p- lOö. 



lyCoogle 



00 Siebiehnte Vorlesiing. 

bung Dor eehr mäseige Stitrungen seUt. Indeas kana naifirlicli 
auch der Fall vorkommen, dass gleichzeitig der Zaho exoetotiseh 
oder odontomatOs und der umgebende Knochen hyperostotiscb 
oder sklerotisch ist. 

Eine weitere Möglichkeit, welche die Erkenatniss des Zu- 
standes noch mebr erBchwert, ist die, dass ausser der Retention 
auch noch eine bedeutende Dislocation des Zahnes besteht. 
Am häufigsten kommt es vor, daes Oberkieferzähne entweder in 
die Kieferhöhle hineinreichen*), oder eich ganz darin befin- 
den"). Ihre Anwesenheit kann langdauemde Reisung, Hyper- 
ostose, Caries u. s. f. hervorrufen, welche sich in Form eines 
Absceeses oder einer complicirten Geschwulst darstellen •**). Otto 
erwähnt aus dem Universitäte-Maseum zu Kopenhagen einen Fall, 
wo ein Backzahn mit der Krone aufwärts in das Antnim ge- 
drungen war. Auch der dislocirte Zahn seinerseits kann erheb- 
lich verändert werden. So berichtet Duvalf) von einem Pferde- 
backzahn, der mit mehreren anderen im Sinus maxillaris lag und 
dessen Wurzeln so verändert waren, daes man Mühe hatte, in 
der runden, unförmigen Masse einen Zahn zu erkennen; klimige 
Wurzelchen (radicules) waren aussen durch ein lamellöses, innen 
durch ein netzförmiges Gewebes vereinigt. 

Deraj'tige Zahngeschwülste kOnnen an allen mßglichen Thei- 
len der Kieferknochen hervortreten z. B. am Gaumen, an der 
äusseren Seite des Ober- und Unterkiefers, in der Nasenhöhle, 
am Kinn oder am Kronenfort?atz+t). Liegen sie in einer Cyste 
eingeschlossen, so hat man sie öfters f&t beteroplastische Bil- 
dungen genommen, und es ist begreiflicherweise schwer, genau 
festzustellen, ob man ein beteroplastisches Zahn-Kystom oder 



•) Stjnlo- 
af. IX. flg. 1. 



DiaeaseB of bones. p. 279. Linderer a. a. 0. S, 141. 



**) Otto. Patbol. Anat I. S. 191. Anm. 18 und S. 192 ädid. 32. Lang. 
Deber das VoricommeD vod Zähnen im Sinus maiitlaris. Inang. Abb. TQbin- 
gen. 1844. Salter. Gnj's Hosp. Rep. 1859. Vol. V. p. 328. fig. .8. 

*") Bordeuave. Häm. de l'Acad.royale de Chirurgie. T. XII. Dnboia. 
Bullet, de l'^cole de m^d. de Paria. An. 13. (1805) p. 107. Genaonl. Lettre 
cbir. snr quelques maladiea graves du einna maiillaire. Paris. 1833. Syme. 
Bdinb. med. and surg. Journ. 1838. Oct BUaius. Schmidt's Jabrb. B£ XV. 
S. 82. Warren. Tumoara. p. 132. Glasewald. De tumore qaodam ntriua- 
que antri Higbmori. Dias, inang. Givpbiae. 1844. Pettigrew. The Lancet 
1862. Vol. IL p. 564. 

t) Dnval Bullet, de la Fae. de m^d. de Paris. 1811. p. 164. 

+t) Otto ». a. 0. S. 187. 



lyCoogle 



Oet«oiue der Kieferknochen. gl 

einen bloss dislocirten, an sich normalen Zahn vor sich habe. 
So fand Barnes*) bei einem ITjähngen Menschen nnter dem 
linken Äuge einen tieisitzenden Sack, der das Ange nach oben 
und aussen gedrängt hatte. Derselbe war schon in frflhester 
Kindheit als Erbsengrosse Anschwellung bemerkt, anfangs statio- 
när gewesen, sp&ter aber schnell gewachsen. Es zeigte sich, dass 
eine doppelte Cyste vorhanden war, von denen die hintere einen 
Zahn enthielt, welcher an der Verbindungslinie zwischen Siebbein 
und Oberkiefer festsass. Mir scheint es um so mehr wahrschein- 
lieh, dass diese, wahrscheinlich congenitale Bildung auf einen an 
sich normalen Zahn zn beziehen ist, eis bei Pferden nicht selten 
zwischen den Schftdelknochen der Basis Zähne gefunden werden, 
welche kaum eine andere Dentnng zulassen. ROll**) beschreibt, 
freilich auch als eine heteroplastische Cystenbilduag, 3 Fälle von 
Zähnen am Schläfenbein des Pferdes. In zweien lag die Kno- 
chengeecbwulst zwischen dem Schnppen- und Felsentheil und 
comprimirte den äusseren Gehörgang, und zwar war in dem 
einen derselben die Schädelwand durchbrochen and die Geschwulst 
ragte in die Schädelhfihle hinein. In dem dritten fanden sich im 
Felsentheil ausser einem isolirten zwei mit den Kronen verwachsene 
Zähne. In dieselbe Kategorie gebOrt offenbar das früher (S. 57) 
erwähnte Odontom von Prinz. — 

Rechnen wir diese Zahngeschwfilste und die schon früher 
besprochenen Hyperostosen ab, so bleibt noch eine gewisse Zahl 
von Osteomen der Kieferknochen, welche in ihrer Mehrzahl der 
compakten, häufig sogar der elfenbeinernen Form angehören. 
Sie finden eich seltener am Oberkiefer***), häufiger am Unter- 
kieferf)- Da es mir an eigenen Beobachtungen über dieselben 
fehlt, so wage ich nicht zu entscheiden, ob darunter Enostosen 
vorkommen und welche Fälle etwa dahin za rechnen sind. Nicht 
unwahrscheinlich ist es, dass die mehrfach citirte Beobachtung 

*) BaTDes. Med. chir. Tranaact. Toi. IV. p. S16. 

**) ßöll. Zeitscbr. d. k. k. OeBellscbaft der Aerate in Wien. 1851. HSn. 
Heft a. S. XLIir. 

*»)Rnet. Aufeitze und AbhaDdlungeD. Berlin. 1834. S. 266. Otto. 
Path. Anat. I. S. 180. Musee Dupuytren. Ko. 383. p.526. PI. XV] II. flf. 1-5. 
f) Rouz. M^moires sur les esostoses. p. 9. Geoczick a. %. 0. S.S. 
Taf. II. fig, 6-7. Warren. Tumoura. p. 111. PI. XII. Paget. Lectnrei- 
II. p. 237. C. 6. Wirth. De resectione mandibotae partiali. Dibb. ioang. 
Bonn. 1854. (C. 0. Weber a. a. 0. S. 13. Taf. II. fig. 4. Taf. IV. &g. 1.). 
Hnlke. Beale's Archites. VoL I. p. 105. 



lyCoogle 



63 Siebxfehnte VoHeanig. 

von Hiltoa*), 'WO sich eiae grosse EnoelieDgegchwnlBt des 
OberkieferB BpontaQ ablegte und ein grosses Loch zurfickliess, 
durch welches mui in den Pharynx hineinsehen konnte, eich auf 
eine Enostose bezieht. Jedoch verdient dieser Funkt neue nnd 
genauere Untersuchung. — 

Von einzelnen Enochengewäcbsen des Schulterblattes 
und des Beckens habe ich schon früher (S. U — 13) bei Gele- 
genheit der knorpeligen Exostosen gebändelt. Sieht man von 
denjenigen noch zu besprechenden Fällen, wo es sich wesent- 
lich um unförmige Callusmassen nach Fraktur handelt, sowie Ton 
den osaificirenden Eochondromea n. s. w. ab, so stimmen die 
meisten hier vorkommenden knöchernen Gewächse mit Ata frü- 
her besprochenen darin überein, dass sie spongiös und markreich 
zu sein pflegen. Ich möchte daher auch annehmen, dass sie 
meist des gleichen Ursprungs sind. Unter ihnen sind die des 
Beckens") von besonderer Wichtigkeit, weil sie wichtige Geburts- 
hinderDisse hervorrufen können. 

Sehr häuhg sind Osteome iui den Knochen der Extremi- 
täten. Einzelne Formen sind schon erwähnt (S. 29), auf an- 
dere werde ich alsbald zurückkommen. Hier beschrlUtke ich 
mich auf eine einzige, welche, obwohl meist von sehr geringer 
Ausdehnung, doch die Ursache sehr grosser Unbequemlichkeiten 
werden kann, ich meine die Exostose der grossen Zehe***). 
Man musB hier zweierlei Formen wohl unterscheiden. Die erste, 
aufweiche insbesondere durch A. Cooper,Liston+)undDnpuy- 
trenft) ^'e Aufmerksamkeit gelenkt wurde, sitzt gewöhnlich 
auf der oberen Fläche der letzten Phalanx, zumal am Innern Rande 
derselben, entweder nnter dem Nagel, oder tui der Seite dessel- 
ben (Exostosis subunguealis). In seltenen Fällen kommt 
sie auch an der ersten Phalanx der grossen oder an der letzten 



♦) Hilton. Guv'b Hosp. Rep. 1836. Vol. I. p. 495 (No. 1666" des 
HuseuiDB. Wilkg Cataloaue). Eine faustgrosee elfenbeinerne Exostose, 
die sich von selbst aus der Nasenhöhle eines Pferdes abgelöst hatte, er- 
wähnt Otto (Path. Anat. I. S. 153 Änm. 18) aas dem Ueckel'acben Ma- 
Beum in Halle. 

") Vgl. die Literatur bei Otto Path. Anat I. S. 217 und C. 0. Weher. 
KnochengeBchRQIfite. S. 16, 61. 

*♦•) Vgl. die Literatur bei C. 0. Weber. Knochengeachwülete. 8. 63. 
Legoustie. Revue m4d. chir. 1850. Juillet. 

t) Liston. Edinb. med. and surg. Journ. Vol. XXVL 
•H-) Dapnjtren. Klin. cbir. Vorträge. Aus dem Franz. Leipzig. 1831. 
Bd. IL 1. S. 161. 



lyCoogle 



GiostoM der groatea Zehe. fiS 

der kleioeu Zehe*) vor. Ueberwiegend h&nfig findet sie sich bei 
jugendlichen Individuen, wo sie meist langsam wächst, sich all~ 
mählich bis zu einer HChe von ^ — i " erbebt und theils durch 
grosse Schmerzhaftigkeit**), theils durch spätere Yerscbwärung 
der Haut höchst unangenehm wird. Die Geschwulst beeteht meist 
aus einem dichten, aber doch porösen Knochen, dessen Oberfläche 
von einer, manchmal den knöchernen Antbeil ^m Dicke über- 
treffenden Beinhaut***) überzogen ist Nur Paget fand in einem 
Falle an der Oberfläche eine Knorpellage; Schuh+) dagegen, 
der eine scheinbar knorpelige Schicht bemerkte, erkannte bei 
genauerer Untersuchung, dass sie ganz aus Epidermiszellen zu- 
sammengesetzt war, also dem Nagel angehörte und Lebertf f) 
vermisste in einem ähnlichen Falle wenigstens die Knorpelstruc- 
tnr. Wenn daher dieses Gewächs auch im Allgemeinen der 
Evolutionsperiode angehört, so scheint es doch kaum, dass man 
es der knorpeligen Exostose zurechnen darf. Kommt wirklich 
Knorpel an seiner Oberfläche vor, so ist es wenigstens fraglieh, 
ob derselbe nicht erst später angebildet ist, wie das bei promi- 
nenten und häufigen mechanischen Insultationen ausgesetzten Kno- 
chen v Ursprüngen nicht ungewöhnlich ist. Camperftt) spricht von 
Warzen unter dem Nagel der grossen Zehe; möglicherweise sind 
sie die Grundlagen der Exostosenbildung. Indess ist dies un- 
sicher, da, wie Stanley gezeigt hat, manche an ihrer Oberfläche 
mit Granulationen bedeckte Exostosen für blosse Warzen ange- 
sehen sind. 

Wesentlich davon verschieden ist die zweite Form, welche 
durch den Druck unzweckmässiger Stiefel und Schuhe, insbeson- 
dere an dem Gelenk zwischen dem ersten Metatarsalknochen und 
der ersten Phalanx des Hallux erzeugt wird'f). In Folge der 
Neigung unserer Schuhmacher, die Stiefel vorn in Spitzen aus- 



•) Paget. Lect. II. p. 239. 

") A. Cooper. Siirg, eaaajB. P. 11. p. 164. Stanley. Diseases of the 
bones. p. 163, 156, 159. 

•*•) Follin. Corapt reiid. de la Soc. de Biol. 1850. p. 178. Fischer. 
Ballet, de la Soc. aoat. 1861. p. 129. Trelat. Ebendas. p. 325. 
t) Schuh. Oesterr. Zeitachr. für prakt. Heilk. 1062. No. 4. 
tt) Lebert Pathol. physiol. T. 11. p. 220. PI. XVII. fig. 6. 
ttf) Peter Camper. Abhaadluag über den besten Schuh. Aus dem 
Holland, von Jacquin. Wien. 1TS3. S. 52. 

*f) Rob. Proriep. De oasis metatarsi primi exostosi. Berol. 1834. 
BroCB. Ballet, de la Soc. soat. 1852. p. 60. 



lyCoogle 



64 Siebiehnte VorieBUiig. 

laufend za machen (eine Form, welche diametriü der wirklichen 
BtlduDg des Fasses entgegengeBetzt ist), wird die grosse Zehe 
sehr häutig nach anssen dislocirt, ja schliesslich sublnxirt, and 
es wird dann ein Theil der ursprungliehea Geleokä&chen des 
Metatarsalknochens in dem Maasee, als der Hallus nadi aussen 
herflberrflckt, exponirt, so dass er mittelbar mit dem Stiefel in 
Berdhning tritt. Von dieser Gegend ans entstehen nachher aus- 
serordentlich leicht flache Exostosen und zwar meist mehrfache, 
so dasH der ganze Gelenkrand hfickerig, unr^elmässig, endlich 
periostotisch wird. Ueber dieser Fläche findet sich dann ein 
grosser Schleimbeutel , der nicht selten der Sitz entzflndlicher 
StOruagen wird, mitunter vereitert, aufbricht und Geschwüre bildet 
Der ganze Vorgang trägt daher, abgesehen von der Dislocation, 
vollkommen den Character einer chronischen Feriarthritis an sich, 
wie Richard Volkmann*) sehr richtig auseinandergesetzt hat; 
nur scheint es mir, dass dieser Beobachter irrt, wenn er die 
Dislocation nicht als eine von anssen bedingte und primäre, son- 
dern als eine von der Entzündung abhängige und darum secun- 
däre dargestellt hat. 

Ich bemerke endlich, dass sowohl von der einen, wie der an- 
deren Art der Exostosen des Hallux die eigentlichen gichti- 
schen Anschwellungen (Tophi arthritici) wohl zu unterschei- 
den sind, welche gerade an dem zuletzt genannten Gelenk bei 
Podagrikern eine sehr beträchtliche Grösse und eine knollige 
Gestalt annehmen können. Ihre Uaterscheidang ist nicht schwie- 
rig, da sie überhaupt keine Neubildungen organischer Art sind, 
sondern nur aus mOrtelartigen Anhäufungen hamsaurer Salze be- 
stehen. — 

Weitere Beispiele von einfachen Exostosen einzelner Theile 
aufzuzählen, halte ich für überflflssig, da es dann nlithig wird, 
däs ganze Skelet durchzugehen. Denn selbst die kleinen Knochen, 
wie das Zungenbein**), die Gehörknöchelchen •**), können der Sit« 
knöcherner Auswüchse werden. 

Dagegen sind hier noch die überaus seltenen discontinuir- 
lichen und demnach beweglichen, periostealen Exostosen zu er- 



1 Archiv. Bd. X. S. 297. 

p. 117. 

BeBchreibung der patbol. Priparate za Wflrzbnrg. 
Toyabee. Med. Tim«8 and Gai. 1859. Dec. p. 589. 



lyCoogle 



DtscontiBiiirliche Osteom« der Knochen. g5 

w&bnen. Eines der merkwGrdigsten Gewäcbse dieser Art*) bil- 
dete eine 10 Pfund schwere Geschwulst am Hinterhaapte, welcbe 
innen elfenbeinern war, aber Räume mit gelbem Mark enthielt. 
Sie bestand seit dem 6ten Lebensjahre, sollte wiederholt aufge- 
brochen und nach einem Kopfausschlage entstanden sein. Otto**) 
beschreibt einen „durch Sehnen an seiner Basis angehefteten", 
sehr grossen Enochenauswaebs, der vom Rande des Stirnfort- 
satzes am Jochbein anfing, sich dicht vor der AngenhOhle bis 
zur Gegend der Rolle fortsetzte und einen langen Fortsatz zum 
Oberkiefer schickte. Ich selbst habe zweimal eine solche bewegliche 
Geschwnlst, freilich nnr an Lebenden, beobachtet: dsß eine Mal 
bei einem 48jährigen Gretin am Schädel, wo die Geschwulst nach 
einem Schlage entstanden sein sollte ***), das zweite Mal bei einem 
67J5hrigen Manne, wo die damals fiber Faustgrosse Geschwulst, 
welche beide Seiten des Stirnbeines fiberdeckte, vor 30 Jahren 
durch das Auffallen eines Balkens hervoi^erufen warf). 

Solche Falle, wo die Geschwulst primär im Periost, aber 
wahrscheinlich nicht in den tiefeten Lagen desselben entstanden 
ist, mnsa man aber wohl trennen von jenen Exostosen, 
die erst nachträglich durch eine Fraktur von ihrer Basis abge- 
trennt worden sind ff). Beide Formen kennen späterhin mit 
dem Knochen verschmelzen. Dazu kommt noch eine dritte 
Möglichkeit, nämlich die, dsss ein durch Fraktur abge- 
sprengter Knochentheil sich hyperostotiseh vergrössert. So 
entfernte Wagner+ft) bei einem Mädchen ein grosses, poröses, 
aber sehr festes Osteom, welches nach einem Sturze von einem 
Henwagen sich am Tnber ischii gebildet hatte. Es lag beweglich 
in fibrOsen Dmhilllungen. Der Fall hat manche Aehnlichkeit mit 
einem von Azam*+) beobachteten, wo ein 26jähriges Franenzim- 
mer, während es beschäftigt war, Wasser ans einem Brunnen zu 

*) Es ist begt^hriebeo in einer dem Di. J. Bosch gewidmeten Jnbel- 
scbrift des deutacbcD arztlichen Vereins zu St Petersburg. 1838 (Bruns. 
Pfakt. Chirnrgie. I. S. 99. Taf. I. Fig. 9-11.). 

■*} Otto. Seltene Beobacbtangen. Heft 1. S. 79. 

***) Würzburger Verbandl. Bd. fll. S. 262. Gesammelte Abhandl. S. 954. 
+) Caostatt's Jahresbericht für 1852. Bd. IV, S. 276. 
ft) Ghassaignac. Gaz. des. hQp. 1867. No. 42. Stanley. Diseases 
of bones. p. löl. Blachez. Bullet, de la Soc. anat 1857. p. 64. 

fit) Wagner. Tageblatt der 38. Versammlung deutscher Naturforscher 
und Aerzte. Stettin. 1663. No, 6. S. 58. 

*-f) Azam. Journ. de ra^d. de Bordeaux. 1861. p. 475 (Canstatt's Jah- 
reaber. fflr 1861. Bd. IV. 8. 260). 

VlTshDir, Ouot*«Ul*. S. K 



lyCoogle 



66 Siebiehote Vorleaang. 

ziehen, pldtzlich in der ÄcheelhCtble einen Schmerz empiand, und 
ein zweimaligeB dentlicheB Krachen hOrte, wobei sie rückwärts 
niederfiel. Beim Zafühlen entdeckte sie einen Nussgrosseo harten 
Knoten. Von da ab dauerhafte Beschwerden, namentlich Schmer- 
zen. Bei der nach einiger Zeit ausgeführten Esstirpation zeigte 
eich ein mit der Sehne und einzelnen Muskelbündeln des Latis- 
simns dorsi verwachsener Knochen, der aas grob nnd fein areo- 
lärem Knochengewebe von radiärer Anordnung l>estand und innen 
eine Erbsengrosse, mit einer grauweissen aus Zellen und Faeern 
bestehenden Masse erfüllte HShIe enthielt. Es liegt hier gewiss 
nahe, daran zu denken, dass ein Stück von der Scapula abge- 
splittert war und sich in ähnlicher Weise vergrOssert hat, wie es 
bei Brüchen der Patella*) mit grosser Dislocation der Bruch- 
stücke geschieht. Auf einen sehr merkwürdigen Fall vom Ober- 
schenkel werde ich später (S. 74) zurückkommen. — 

An diese schon über das engere Gebiet des Knochens hin- 
auagreifenden Osteome schliessen sieh zunächst die Knoehenge- 
schwülste an, welche in denjenigen bindegewebigen, sehnigen 
oder fibrösen Apparaten entstehen, die unmittelbar mit dem Pe- 
riost und mit dem Knochen zusammenhängen. Es kommen hier 
zunächst in Betracht einerseits die Ansätze von Muskelseh- 
nen an die Knochen und an das Periost, und anderereeits die 
Insertionen von fibrösen Häuten der verschiedensten Art, 
namentlich von Fascien. Bekanntlich zeigen die meisten Knochen 
im solchen Insertionsstellen schon normal gewisse Yorsprünge, die 
sich je nach der Ausdehnung der Insertion bald linien-, bald 
hOckerförmig darstellen, die aber je nach der Entwickelung und 
Tbätigkeit des Individuums in Beziehung auf ihre Grösse die 
mannichfaltigsten Schwankungen diu:bieten. Blosse Linien werden 
zn Leisten oder Kämmen (Cristae), blosse Böcker zu Knoten, 
Dornen oder Anwüchsen (Tubercula, Spinae, Tubera, Apophyses). 
Die pathologischen Formen finden daher in der normalen und 
vergleichenden Anatomie zahlreiche Analogien; namentlich ist es 
nicht selten, dass bei einem oder dem andern Thiere sich ein 
sehr starker Knoten oder Anwuchs zeigt, wo der Mensch fQr ge- 
wöhnlich nur einen schwach angedeuteten Höcker besitzt Bil- 



*) MalKaigne. Trait^ des fractarea et des laxations. Pam. 1847. T. I. 
.. 757. PI. XIV. fig. 6-7. Präp. nneerer Sammlung No. 78. t. J. 186X u. 722. 

D,= zB<!byCOO<^le 



EsoBtoBÜ ftpoph;tica. 67 

det Bich dieser gelegentlich stärker aas, so entstellt dadaroh eine 
gewisse Thierähnlichkeit (Theromorpliie), die vom Standpunkte 
des Tergleichenden Anatomen als eine normale, vom Standpunkte 
des praktischen Äretes, namentlich des Chirurgen als eine patho- 
logische Erscheinung sich darstellt Es liegt daher nahe, dass 
die Gebietsgrenzen eich hier vielfach verschieben, und dasa der 
eine das als Osteom oder Exostose aoffasst, was der andere ein- 
fiich als Mnskelapophyse betrachtet. Ich erinnere in dieser Be- 
siehung vor Allem an die sogenannten Processus sapracon- 
dyloidei*) der grossen BChreaknochen, besonders des Ober- 
arms und Oberschenkels, welche sich mit den supracondyloidea- 
len Exostosen untrennbar vermischen; ferner an die Exostose 
des Trochanter minor, welche sich in die Sehne des Moscutus 
iliopsoas fortsetzt**), sowie an die der Tuberositas radii, welche 
in den Biceps übergreift *••). 

In der That gibt es hier kein anderes Kriterium, als die 
GrOsse. Wird ein normaler Knochenaaswuchs oder eine normale 
Knochenlinie hyperostotischt), so ist es eben eine Knochenge- 
schwulst. Nur nimmt sie in dem grossen Gebiet der Osteome 
eine besondere Stellung ein. Genetisch ist zwischen dem nor- 
malen Knochenauswnchs und derExostosis apophytica keine 
Verschiedenheit; beide entstehen durch eine von der Knochen- 
fläche ausgehende, progressive Ossifikation des Bindegewebes, 
welches die Sehne, die Fascie, der Muskel enthält Die blosse 
Thieranalogie kann nichts entscheiden, denn sonst wäre ein 
grosser Knochenaaswnchs, der an die Stelle einer Sehne tritt, 
ein normales Gebilde auch beim Mensi^en, bei dem doch die 
Sehaeo normal nicht osaiticiren, und zwar bloe deshalb, weil es 
gewisse Thiere giebt, wo die Sehnen regelmässig verknOchem. 
Namentlich bei Vögeln finden sieh oft sehr lange Ossifikationen 
der Sehnen im Normalzustand. Wer Patenbraten speist oder 
sonst einen edleren Vogel geniesst, der wird ganz gewöhnlich 



*) Otto. De rarioribus quibasdam sceleti humam cum animaliam ace- 
leb) aD&logiis. Vratiel. 183t). W. Grober. Monographie dea Canalis anpra- 
condvloideaa humeri nnd der Proceaeua aupracondyloidei bumeri et femoria 
der Säugethiere und dea Menschen. St Petersburg. 1856. 

**) C. 0. Weber. KDoctaengeechwülBte. S. 7, SO. Wilks. Catalogne 
Guy'e Hoap. Hugenm No. 136ä. p. 200. 
*») WedL PatboL HUtologie. S. 606. 
t) Hesaelbacb. Beacbieibong der patb. Präparate zn Wtlnbiirg. 8. 136. 



lyCoogle 



4g Siebiehnte Vorlmmig. 

feine KnochenbftlkeheR an der Stelle der Sehnea finden*). Dies 
darf nieht bindern, die ExostoBia tendiaea znznlaBtien. 

Ferner giebt es bei sehr Tielen Wirbelthieren typische 
Enochenyorsprünge, Rollen, am welche sich Hnskeln legen, 
oder kleine Ringe, durch welche Muskeln hindurcblanfen , an 
Stellen, wo sie bei Menschen nicht regelniäesig vorkommeD, wo sie 
sich aber unter besonderen Verhältniseen erzeugen und sich dann 
wie Exostosen verhalten. Auch hier ist es oft sehr willkflrlich, ob 
man diese Bildungen als blosse Theromorphie, gleichsam als einen 
Gegenstand der normalen Anatomie ansprechen will oder nicht 
Der descriptive Anatom wird sich leicht fSr das Erstere entschei- 
den, wie esHyrtl") in seiner Monographie Ober die Trochlear- 
fortsätze thnt H&nfig sind es aber unzweifelhaft pathologische 
, Bildungen, welche durch ihre Grösse wesentliche Störungen er- 
zeugen und den Träger sehr incommodiren können. 

Hyr tl beschreibt ganz grosse Gebilde dieser Art von den Puss- 
wurzelknochen , von den Gelenkenden der Tibia und des Radius 
und er rechnet aach die früher (S. 16) erwähnte Spina des Stachel- 
heckens hierher. Ich will darüber nicht rechten, denn wenn das 
praktische Bedürfniss uns zwingt, eine Exostosis trochlearis 
anzunehmeo, BO wird doch nicht verkannt werden können, dass 
sie an einer gewissen Grenze mit einem etwas grossen, an sich 
typischen Processus trochlearis zusammenfielt. 

Es kommt hinzu, dass die Geschichte des Kranken uns 
nicht selten belehrt, dass die Geschwulst von einer bestimmten 
mechanischen Yerletzuri^ her datirt, dass also die Ver^ößsernng 
des normalen Gebildes nicht auf eine blosse Steigerung gewöhn- 
licher WachsthnmsTOi^änge, sondern auf ein zweifellos krank- 
haftes Ereignigs, auf eine* pathologische Yergrössemng eines nor- 
malen Gebildes hinföbrt. Därfen wir daher kein Bedenken tra- 
gen, solche Gewächse als pathologische zn betrachten, so lässt es 
sich doch nicht verkennen, dass ihre Beziehung zu präexistärenden 
nonnalen Theilen die Localität, die Frädilection nnd selbst die 
Bildung in hohem Maasse erklären hilft. 

Meiner Meinung nach gehört in dieses Gebiet der apophy- 
tischen, tendinösen und trochlearen Exostosen ein grosser Theil 

*) Otto. Pathol. Änai I. S. 211. Anm.S. 

") Jos. Hyrtl. Uebei die Trochlearforts&tze der menscblicben KoocbeD. 
Wien. 186a 



lyCoogle 



TendinOse und trochleare Esostosen. gg 

deöflnigfln KnochenauswAchse, welche insbesoadere aa den grOs- 
Beren ROhreoknochen beitchrieben sind. Aber freilieli ist ee scbwer, 
ans den einzelaen Beeehreibungen , ja aas einzelnen macerirteu 
oder resecirten Präparaten noch nachträglich nacbzuweisen , ob 
sie hierher zu zählen Bind oder ob sie der gewöhnlichen Exosto- 
senreibe angehören. Ja sogar die Grenze gegen die knorpeli- 
gen Exostosen ist nicht scharf, da, wie Hyrtl erwähnt und ich 
bestätigen kann, auch gewChnlicbe Trochlearfortsätze an der 
Seite, wo Sehnen an ihnen vorüberlanfen und eine Art von Ar- 
tikulation (Articulaüo osseo-tendinosa) stattfindet mit Knorpel 
Aberzogen sein können. Auch an einem grossen, nach oben ge- 
richteten Processus supracondyloideus humeri*) habe ich eine 
knorpelige Spitze gesehen. 

Die eigentlichen Prädilectionsstellen dieser Exostosen sind das 
nntere Ende und namentlich die innere Seite des Oberschenkels, 
das obere Drittel des Oberarms und die Enden der Tibia. Die 
Richtung des Knochenauswuchses, welche der Bichtuag des Mus- 
kel- oder Sehnenansatzes entspricht, giebt hier oft gute Anhalts- 
punkte, aber nicht durchgreifende. So steht der Processus su- 
pracondyloideus femoris internus, obwohl er dem Muskelansatz des 
Uasculus gastrocnemius internus dient, nicht immer nach unten, son- 
dern nach oben **). Mehr entscheidet die Form. Die tendinösen 
Exostosen sind nach der Maceration mehr balken- oder stachel- 
förmig*"), die muskulösen mehr höckerig oder knollig, die apo- 
neurotischen mehr platt oder leistenf^rmig. Letztere sitzen, 
der Insertion der Fascien und Zwischeaknochenbänder gemäss, 
in der Regel an der Diapbyse des Knochens (vgl. Bd. I. 
S. 312, Fig. 54,), Eines der grössten Präparatef) der Art in un- 
serer Sammlung stellt eine balbhandgrosse, blattförmige, auf der 
Fläche gebogene Knochenmasse dar, welche sich in einer Län- 
geoausdehnnng von fiber 3 Zoll von der Mitte des Oberschenkels 
an seiner äusseren Seite mehr als 2 Zoll hoch erbebt. 

Fast alle diese Exostosen hängen mit dem unterliegenden 
Knochen innig zusammen, sind an ihrer Oberfläche mit einer com- 
pacten Rinde aberzogen, innen dagegen spongiös. Bei einem be- 



•) Präparat No. 1. lora Jahre 1864. 
••) W. Gruber a. a. 0. Taf. Il-III. 
•••) Präparat No. 401. 
t) Präparat No. 297. Tom Jahre 1858. 



lyCoogle 



70 Siebzehnte ToiIesnDg. 

tr&chtlichen Umfange enthalten sie nicht selten grosse HarkhOhlen, 
welche mit der alten Markhflhle des Knochens oder wenigstens 
mit seiner spongittsen Substanz commnaiciren. Äensserlich ver- 
halten sie sich verschieden. Die apophytiscben Formen haben 
ein Periost, an welches sich Sehnen oder Mnsketbänche ansetzen, 
tragen aber ausserdem nicht selten Sehleimbentel. Die troch- 
learen haben hänfig eine Art von GelenkflSche. Die tendinOsen 
und aponeurotiscben dagegen sind freilich anch von Bindegewebe 
umgeben, jedoch geht dies meist ununterbrochen in die Sehnen 
oder Faseien fort, ohne dass eine bestimmte Grenze hervortritt. 

Einzelne dieser Formen kommen auch discontinuirlich 
vor, nnd man kann hier in Zweifel geratben, ob man sie noch 
als hyperplastiscbe zulassen soll. Jedenfalls bilden sie einen 
gewissen Uebergang zu den heteroplastischen Osteomen. Dies 
ist namentlich der Fall an Sehnen, Fascien und Muskeln. Nur 
muss man sieh hier wohl vorsehen, nicht etwa blosse Veriialkon- 
gen (Petrificationen ) mit wahren Yerknöcfaernngen (Ossificatio- 
nen) zu verwechseln*). Denn zuweilen kommen sowohl an den 
Muskeln, als an den Sehnen ausgedehnte Yerkalknngen vor, wie 
in einem bemerkenewerthen, jedoch falsch gedeuteten Fall von 
Herrn. Meyer*"), wo ein grosser Theil der Unterschenkel- 
mnskeln gänzlich verkalkt war. Die vnihre Ossification geht 
inuner von dem Bindegewebe, also in den Muskeln von dem 
interstitiellen Gewebe aus, während die Verkalkung die Primitiv- 
bfindel selbst betrifft. 

Die discontinuirlichen Sehnenknochen haben manche 
Äeholichkeit mit den Sesambeinen und kommen mitunter, z. B. 
an den Füssen, in ganz analoger Lage vor, so dass man sie ge- 
wissermaassen als neugebildete Sesambeine betrachten kann. Ein 
sehr grosses Knochenstück der Art findet sich an einem Präparat *••) 
unserer Sammlung in der Sehne des Triceps brachii kurz über ihrer 
Insertion an Asts Olecranon. Lobsteinf) beobachtete bei einem 



•) Cellularpathologie. 3. Aufl. S. 343. 
••) H. Hever. Zeitachr. f. rationelle Medicin, 1851. Nene Folge Bd. I. 
S. 82. 
••') Präparat No. 84. vom Jahre 1861. 
t) J. F. Lobsteio. Rapports anr les travaux exäcutes ä Tamphith^tre 
d'anat. de Strasbourg. 1805. p. 10. 



lyCoogle 



DiBCODtinairUehe Sehnenknochen. 71 

etwa 50 Jahre alten Manne in den Sehnen des GaBtrocnemms der 
einen Seite zwei abgeplattete EnOchelcben; er eitirt Heister, 
Camper und Bärot, welche ähnliche Beobachtnngea gemacht 
haben nnd geradezu von Sesambeinen spreclien. 

In dieselbe Kategorie gehört eine ziemlich hänfig vorkom- 
mende Form von Osteomen, welche vom Becken aus sich ent- 
wickeln, und namentlich von dem vorderen Rande des Os pubis 
nnd ischii in die verschiedenen Muskel- und Fascienans&tze des 
Oberschenkels hineinreichen. Diese Ossa praepubica*) findet 
mau verhältaissmäs&ig am häufigsten bei Leuten, die entweder ein 
Handwerk treiben, wobei zahlreiche mechanische Insultationen die- 
ser Gegend stattfinden, z. B. bei Sattlern nnd Schustern, welche 



Fig. 119. Reitknochen am Oa pabis von einem Siteren Hanne. Hau 
sieht oben einen schräg von oben her gerührten Durchachaitt des horizontalen 
Astes doB Schambeins mit dem Anfange des absteigenden Astes. An den- 
selben echliesst eich das spoDgiöse Osteom, welches auf dieser Seite dis- 
continuirlich und durch einen derben, pseudoligameD tosen Streif leicht be- 
weglich an das Schambein angeheftet ist Am Ende gebt es in die sehnigen 
und muekulösen Theile des Oberschenkels über. In der pseudoligainentösen 
UasBe sieht man noch einen kleineren, accessori scheu Kuochenkeni. Prä- 
parat No. 109. vom Jahre 1861. Natürliche Grösse. 

•) W. Graber. St Petersburger med. Zeitung. 1861. Bd. I. S. 345. 
Taf. VII. 



lyCoogle 



72 Siebzehnte Vorl^nng. 

auf diese Tbeile fortwährend klopfen *), oder bei Leuten, die sehr 
starke Anstrengnagen gerade dieser Muekeln machen, Damentlich 
bei solchen, die angestrengt reiten. Man kann sie in solchen Fällen 
geradezuReitknochen nennen. Sie erzeugen sehr eigenäiümliehe 
Erscheinungen, indem sie manchmal fest mit dem Schambein zu- 
sammenhängen, manchmal beweglich sind und eine Art von peeudo- 
ligamentOser oder faserknorpeliger Artikulation besitzen. Idi 
fand einmal bei einem alten Reiter auf einer Seite einen beweg- 
lichen Knochen (Fig. 119.), auf der anderen einen fest yerbundenen. 
Auf einem Durchschnitt zeigte sich eine feste Rindenschicht und 
eine sehr reichliche spongiöse Substanz innen. Sangalli") be- 
sehreibt von einem 24jährigen Cavalleristen, der an Wirbelcaries 
und Psoasabscess zu Grunde ging, einen cylindrischen Knochen 
von 2 Centim. Länge aus dem untern Ende des M. iliacns 
internus. 

An diese Reitknochen schliessen sich die mehrfach beschrie- 
benen Exercirknochen an, die namentlich bei dem früheren 
preussischen Esercirreglement häufiger gebildet wurden in den 
MuskeläDsätzen des linken Armes, namentlich des Deltamuskels, 
wo durch das Anschlagen des Gewehrlaufs besonders intensive Rei- 
zungen, Sngillationen, sehmerzliafte Anschwellungen -vorkamen***). 
Wahrscheinlich entstehen sie in dem durch entzündliche Proeesse 
verdichteten und verdickten Bindegewebe. H a s s e f) fand sie 
unter 600 Rekruten, welche ^ Jahr und darüber gedient hatten, 
ISmal; sie varürten zwischen der Grösse einer Erbse bis zu der 
eines Gänseeis, sassen in der Regel mittelst der Sehne des Del- 
toides ziemlich fest am Oberarm und hatten eine unregelmässige, 
oben breite, nach unten spitz zulaufende Gestalt und eine höcke- 
rige, zuweilen mit scharfen Spitzen besetzte Oberfläche. Die ex- 
stirpirten waren durchschnittlich 3 — 5 Zoll lang, 1 — 2 Zoll breit, 
hatten einen Umfang von 4—5 Zoll und wogen 2^^ Drachmen bis 



•) Renard {Versuch über die Ernährung u. s. w. der Knochen. Leipz. 
1803 S. 130) citirt anch Angaben, wo nach dem Tragen von Bruchbändern 
KnochenausnOchee am Schambein entstanden sein sollen (British Hercarv. 
1790. No. n. Sönimering. Knochenlehre. S. 116). 
••) Sangalli. Storia dei turaori. II. p. 281. 
•••) Knhn. Gräfe und Waltber. Journal. 1830. Bd. XIV. S. 142. 
t) Hasse. Med. Zeitaug dea Vereins fQr Heilkunde in PTeussen. 1833. 
No. 3. S. 12. 



lyCoogle 



Aetülogie der OsteonM. f3 

lUnze. Hiesober*) und Otto**) haben ihre Uebereinstimmimg 
mit wahrem Knochen mikroskopiBch dargethan. 

Indess kommen guiz ähnliche Bildungen auch anderweit 
Tor. Rokitansky***) erwähat einen anBehnlicben walzenförmi- 
gen Knochen schwammiger Strnctur ans dem linken Biceps bracbii 
einer Frau; SangalH einen spongiöaen Knochen ans dem mitt- 
leren Theil des M. digastricns; Schub einen ans dem Vastus 
exteniui eines Weibes; Billrothf) einen aus dem Ädductor 
magnus. äub dem Zwerchfell hat Ottoff) Knochenbildung an- 
geßlbrt; ich selbst habe Handtellei^rosse Knochenplatten du'io 
gefunden. — 

In Beziehung auf die Aetiologie der hyperplastischea 
Osteome hat man sich der Tbatsache nicht Terschliesseo können, 
daes örtliche Einwirkungen in sehr zahlreichen Fällen die Ver- 
anlassung waren. Ganz bestimmte, meist sehr grobe, mecha- 
nische Insultationen bilden erfabrungsgemäss die gewöhnlichen 
Ausgangspunkte der Störung, nnd wie schon frfiher nachgewie- 
sen ist (S. 20), diese Störung stellt sich wesentlich ^s eine irri- 
tative, häutig geradezu entzündliche dar, so dass eine Grenze 
zwischen knöchernen Entzändungsprodukten und Osteomen über- 
haupt nicht gezogen werden kann. Nirgends ist dies deutlicher, 
als in der Elephantiasis (S. 23) , sowie bei gewissen an sich 
regenerativen Knochenneubildungen, welche durch blosse Hete- 
rometriefft) in Osteome übergeben. Ich erinnere an den nicht 
seltenen Fall, wo an den Enden ampntirter 'f) Knochen grosse, weit- 
hin in die Nachbarschaft hineingreifende Knochenauswüchse entste- 
hen, die man nicht umhin kann, Exostosen zu nennen, und die durch 
ihre Einwirkung auf Nerven, Aluskeln u. s. f. sehr schwere Zufölle 
hervorrufen können. In einzelnen Fällen bilden diese Auswüchse 



*) Miescher. De iaflammatioDe OBsiam. Dibs. ina,ug. Berol. 1836. ];> 46. 
••) J. 11. Otto. De osaium geDCai pathologica. Diss. ioaug. Berol. 1837. 
p. 17, 28. 

"•) Rokitansky. Pathol. Aoat. 1856. Bd. II. S. 225. Es ist dies wohl 
derselbe Fall, den Scbuh (Pseudoplafimen. S. 152) ala verknOclierteB Fibroid 
aaffQhrt. 

f) Billroth. Beitrage zur pathologischen Histologie. S. 116. 
tt) A. W. Otto. Seltene Beobachtungen zur Anat., Phye. und Path. 
Heft I. S. 33. 
t+t) Cellularpathologie. 3 Aufl. S. 60. 
't) Präparat No. 37Tb. Walter. Museum aoat. Berol. 1805. p. 443. 
No. 2239. 

D,3 zB<ibyCOO<^Ie 



7i Siebiehnte VwleBnog. 

die amfongreichsteD KnoclieQgeschwfilste *). Ebenso verhftlt ob 
sich mit Frakturen, wo darch die Änhänfiing von Galks um die 
Bruchenden sehr beträchtliche KDOchenmassen neuer BilduDg und 
zwar nicht bloss unmittelbar am Knochen, sondern bis tief in die 
Muskeln hinein**) entstehen kOnnen. Es ist dies der unter dem 
Namen des Callns luxurians***) besehriebeue Zustand. Ein 
bloss quantitativer Excess eines an sich ganz zweckmässigen, 
phyHiologischen Vorgangs kann hier ein bleibendes patholc^sehes 
Erzeugniss herv orbringen f). Am meisten tritt dies nächst den 
Kippenft) an den platten Knochen, namentlich an dem Sehnlter- 
blatt+tt) und den Beckenknochen 'f) hervor, wo die Callusmasse 
nicht bloss sehr hoch über die Knoehenfläche hervortritt, son- 
dern anch sehr nnregelmässige , ästige und stachelige Formen 
annehmen kann. Ob eine solche Callusmasse später selbstän- 
dig fortzuwachsen vermag, dass ist weniger sicher, aber nach 
manchen Beobachtungen sehr wahrscheinlich. Namentlich in sol- 
chen Fällen, wo der Cdlns neuen mechanischen Reiznngen aus- 
gesetzt wird, scheint aus dem nrngebenden, penostarttgen Binde- 
gewebe in gleicher Weise eine Anbildung neuer Knochen schichten 
geschehen zu kennen, wie an einem normalen, gereizten Knochen. 
Auch hat van Heekeren*'t) gezeigt, dass die Richtung der 
luxuriirenden Callnsmassen zuweilen deutlich den Huskel- und 
Sehnenansätzen entspricht. 

Ein überaus merkwürdiger Fall, auf den ich schon früher 
(S. €6) hinwies, ist folgender: Bei der Autopsie eines 52jäh- 
rigen, an Langenechwindsncht verstorbenen Mannes fand idi in 



*) P. G. Tan Hooro. Dias, de iis, qua» ia partibua mambri, prseBertin 
osseiB, amputatione vnlueTatiB, notauda Buot Lugd. Bat. 1603. p. 110. Tab. IL 
fig. i.-ir. 

**) Cellularpathologie. 8. 404. 

***) J. vaD Heekeren. De osteogeaesi praetentatorali. Lngd. Batar. 
1797. p. 34. Fig. I.-IV. 

t) Halfaigoe. Traite des fract et des lux. T. I. p 345. E. Oarlt 
Handb. der Lehre von den KnocbenbrUchen. Berlin. 1862. Tb. I. S. 731. 
R. W, Sraith, A treatise od fractures in the vicinity of jointo and dialo- 
cations. Dublin. 1847. p. 39, 93, 99. 

tt) Walter 1. c. p. 141. No. 2235. Vgl. Präparat Ho. 18. »om Jahre 1858 
in unserer Sammlung, 
ttt) Präparat No. i. »om Jahre 1863. 
*f) Duret. Bnllet. de la Facutt^ et de la Soc. de m4ä. 1810. p. 148. 
Gurlt a. a. 0. S. 292. fig. 99.-100. 
•*f) Tan Heeiceren 1. c p. 44. 



lyCoogle 



Oalina luxnrisiis. 7$ 

der Gegend des rechten Hfiftgelenkes*) eine harte Geechwnlat 
von der GrOsse des Kopfes eines 6jährigen Kindes. Sie schien 
eine einzige, zusammenhängende Masse zu bilden. Allein bei 
genanerer UnterBuchnng zerlegte sie sich in zwei grössere Ab- 
schnitte, welche sehr innig, aber doch beweglieh an einander 
geffigt waren nnd zwischen welchen sich eine, gleichsam in zwei 
Kammern, eine obere und eine untere, getheilto, reichlich mit 
Synovia gefüllte Gelenkhdhle vorfand. Der eine Abschnitt e&ss in 
der Gegend des Acetabulums, Ton dem keine Spar fihrig 
war, fest auf, war etwa zwei Fäuste gross, ragte ziemlich gerade 
nach vom hervor nnd reichte nach unten bis in das Niveau des 
Taber ischii, nach hinten bis auf die Fläche des Darmbeines. 
Ihr äusserer Theil hatte eine etwas schief nach hinten und aussen 
gerichtete, im Grossen platte Fläche, welche mit der zweiten 
Hauptmasse eine Art von neuer Artikulation bildete. Aber es war 
eine ebumirte, stellenweise ganz knorpellose, wellig ausgeschlif- 
fene F^che, wie man sie bei der Arthritis deformans findet. 
Auf einem senkrechten Durchschnitt durch die ganze Masse 
konnte man den alten Knochen ziemlieh deutlich abgrenzen; ja, 
von aussen her Hess sich bis weit nach innen, mitten durch den 
knöchernen Knollen hindurch, ein halbmondförmiger Knorpelstreif 
verfolgen, der Rest des alten Knorpelflberzuges des Schenkel- 
kopfes. Nur in der Gegend des Pfannengrundes hing continuirlich 
mit demselben der erwähnte Auswuchs zusammen, welcher sich 
als ein grosser, 12 Centm. im Durdimesser haltender Pilz nach 
röm ausbreitete. Am dicksten war derselbe an seinem linken 
(inneren) Theile, der unter einer compakten Rindenschicht eine 
sehr lose Diploe mit grossen Markhöhlen und viel fettigem Mark 
enthielt. Der rechte (äussere) Theil dagegen war ungleich dich- 
ter, feinporOs und gegen die vorher erwähnte, neue Articnlations- 
fläche hin vollständig elfenbeinern. Sowohl das Foramen obtu- 
ratorinm, als die innere Fläche des Beckens zeigten nicht die 
mindesten Abweichungen. — Die zweite Hauptmasse sass in ähn- 
licher Weise am Oberschenkel fest, an welchem von Kopf nnd 
Hals nicht die mindesten Spuren zu bemerken waren. Der Tro- 
chanter major und die Diaphyse des Knochens waren unverän- 
dert, nur an der inneren Seite sass ihnen eine grosse Knochen- 



■) Prkpantt Ho. 15, Tom Jabre 18&8. 

D,3 zB<ibyCOO<^Ie 



76 Siebiehnta ToriaiiiDg. 

masse tat, welche, entsprechead der yorher erwUntui Articala- 
tioD, gleichfalls eine 13 Centm. hohe, bis 8 Ceatin. breite, ebor- 
nirte und polirte Gelenkä&che besoss. Auf einem DDrchscbDitt 
zeigte BJch die SqbBtanz der DiaphyEe ond des Trocbaoter normal, 
insbesondere die Markhöhle und die epongiOee Substanz unver- 
ftndert, dagegen ging an der Stelle des noch deutlich zu erken- 
nenden Ansatzes des verloren gegangenen Collum femoris eine 
mehr platte Knocbeomasee hervor, welche sich sowohl nach oben, 
als nach unten und zu den Seiten pilzförmig umschlug und ins- 
besondere nach unten sich weit aber die alte Enochenriode ver- 
breitete, mit welcher sie fest rerwachsen war. Von einer Ein- 
keilung in den Hals war nichts wahrzunehmen. — Endlich fand 
sich noch im Umfange dieser Masse eine Reihe von Corpora 
mobilia, namentlich 4 grössere. Eines von diesen war gans lose, 
hatte die Gestalt eines Meniscus und bestand auf der coavexen 
Seite aus einer harten, knöchernen, etwas lappigen Schale, auf 
der concavea aus mehreren, durch Einschnitte von einander ge- 
trennten, knorpeligen und mit zottigen Auswüchsen besetzten 
Lappen. Der grösste Gelenkkörper lag am oberen umfange. Er 
hatte die Grösse und ungefähre Gestalt eines GalcimeDs, war 
groBSentheils knöchern und noch adhärent Zwei andere, etwas 
kleinere befanden sich am unteren Umfange. Um das Ganze 
echloss sich die sehr verdickte und an vielen Stellen mit zottigen 
Anewüchsen besetzte Gelenkkapsel. 

Der Fall gehört gewiss zur Reihe der Osteome. Was seine 
Deutung anlangt, so kann sie auf den ersten Blick unsicher er- 
scheinen. Man hat zn wählen zwischen einem Bruch des Schen- 
kelhalses mit Ankylose des Eopfes und Callus kxurians einer- 
seits, und einer Arthritis deformans mit vollständiger Abschleifiuig 
des Caput und Collum femoris und colossaler Hyperostose an- 
dererseits. Im ersteren Falle ist der grosse Knochenpiiz des 
Acetabulums als der ankylosirte und osteomatös gewordene 
Scheokelkopf, im zweiten als eine aus der Pfanne hervorge- 
wachsene Enochenwncherung zu betrachten. Ich entscheide mich 
in voller Sicherheit fär die erstere Möglichkeit, also Inr ein 
Osteoma fracturae, weil gar kein Zweifel darüber bestehen 
kann, dass die grosse, in der Pfannengegend vorhandene Kno- 
cheomasse wirklich dem von dem Halse getrennten Sehenkelkopf 
»igehört Ich bemerke dabei, dass nach Ausweis dea Eranken- 



lyCoogle 



Fraetsr - Oateom«. 77 

jotirnsla der Mann angegeben hatte, er habe vor 32 Jahren den 
rechten Oberschenkel „verrenkt*'. Änch ist mir kein einziger 
Fall bekannt, wo bei Arthritis defonnans ans der Gelenkfläche 
seibat eine aneh nnr annähernd entwickelte Knochenmaese her- 
vorgewaehsen wftre, während ich secvndäre Synostose des Schen- 
kelkopfes nach Fraktnr des Schenkelhalses auch sonst gesehen 
habe. Dazo kommt, daes das andere Hüftgelenk und die son- 
stigen Gelenke nichts Aehnlichee zeigten. — 

Noch eine andere Möglichkeit habe ich im Anechlnese daran 
zn erwähnen, nehmlich die Bildung einer nenen Pfanne 
anf dem Sande des horizontalen Schambeinastes bei Luxation 
des Schenkelkopfes nach oben. Hier kann sich frei über nnd 
anf dem Schambein eine neue, grosse Knochenschale bilden, 
welche änsserlieh ein Osteom simulirt*). — 

Endlich ist bei den Frakturen noch em Fall zn beräck- 
sichtigen. Sind die Bruchenden bedeutend gegen einander ver- 
schoben nnd erfolgt die Vereinigung in dieser Terschiebungs- 
Slellnng, so kann eines oder das andere der beiden Bruchenden 
sehr weit über die Fläche des neuvereinigten Knochens hervor- 
stehen und in späterer Zeit den Eindruck einer Esostese machen. 
Ich habe dies am deutltclisten in einem Fall**) gesehen, wo am 
oberen Dritttheil des Oberarmes ein länglicher, 1 Zoll langer and 
\ ZoU breiter Enochenvorsprung aus dem sonst ziemlich regel- 
mäss^ gebildeten Oberarmbein, einen Querfinger breit unter dem 
Halse nach aussen hervortrat Erst nach dem Durchsl^n zeigte 
sich, dass die MarkhOhle der Diaphyse sich unmittelbar in die- 
sen Yorsprung fortsetzte und dass ein Theil der alten Binde die 
Verbindung derselben mit der spongiösen Substanz des oberen 
Endes des Hnmenis unterbrach. Solche Fälle***) kOnnen leicht 
irre fähren, zumal wenn sie lange Zeit nach der geschehenen 
Fraktur zur Beobachtung kommen, wo keine Anamnese mehr en 
erlangen ist nnd die Knochen nebst dem Callus im Laufe der 
J^re manche Veränderung erf^ren haben. Nor die Verkürzung 
■ des Knochens bleibt als ein bestimmter Anhaltspunkt bestehen. — 



*) VQrzbnrger Samnilang. üo- 867. 
•*) Pr&parat No. 110. 

•••) van Heekeren 1. c. p. 87. Rob. Wilh. Smith. A treatise on 
fractures in tbe Ticinity of jointe- p. 193. L. Tb u dich um. Ueber die am 
oberen Eode des Humeraa vorkommeaden Knöcbenbrüche. Inang. DIbs. 
Giessen. ISöl. S. 85. 



lyCoogle 



78 Siabiehota Vorieantg. 

Ausser dea traumatischeD and soDStigen mechanisehen Reizen 
ist nnter deo Ertlich wirkenden Ursachen vor Allem die Anwe- 
senheit anderer Entsfindungsreize zu erwähnen. Die schon oben 
(S. 53) besprochene Geschichte der Kiefer -Osteome in Folge 
von Anomalien ond Krankheiten der Zähne giebt ein sehr cha- 
rakteristisches Beispiel dafür. Ebenso die schon mehrfach er- 
wähnte (S. 18,29) Fortpflansimg entzündlicher Prozesse von der 
Nachbarschaft anf das Periost und d^ Knochengewebe, wie sie 
bei Elephantiasis, HautgeschwDren, Tinea, Periarthritis vorkommt. 

Manche haben nun freilich diesen örtlichen Ursachen gegea- 
Qber auf die häufigen Fälle verwiesen, wo gewisse „Ällgemein- 
krankheiten", insbesondere Rheuma, Arthritis, Syphilis, Skor- 
but, Rachitis Knochengeschwülste erzeugten. Unzweifelhaft ist 
das Gebiet dieser Zuetände, namentlich früher, zu weit ausge- 
dehnt worden, und wir können wohl sagen, dass der Skorbut 
gegenwärtig fast ganz ausgeschlossen ist und dass die gichtisehen 
Knochenanechwellungen keine Gewächse, sondern nur Ablagerun- 
gen sind (S. 64). Allein von anderen sogenannten „Dyskrasien", 
insbesondere von den rheumatischen, syphilitischen, rachitischen 
Zaständen lässt sich ein solcher Einfluss nicht in Abrede stellen*). 
Trotzdem darf man diesen Einfluss nicht überschätzen, und na- 
mentlich von der Rachitis muBs ich erklären, dass eine ausge- 
dehnte Einwirkung derselben auf die Bildiuig wirklicher Osteome 
meiner Meinung nach bis jetzt nicht dargethan ist. Das Einzige 
wenigstens, was ich von ihr gesehen- habe, sind flache, zuweilen 
sehr ausgedehnte, äussere Periostosen des Schädeldaches und 
Hyperostosen der Röhrenknochen. Nur bei fötaler Rachitis fand ich 
an den vorderen Rippenenden innere, hakenförmige Auswüchse**). 

Was Rheumatismus und Syphilis betrifft, so darf man 
sich auch nicht dabei beruhigen, nur die „allgemeinen" Ureachen 
hinzustellen. Denn die AfTektion eines einzelnen Knochens wird 
immer abhängig gedacht werden müssen von einer örtlichen Eän- 
Wirkung. Für die Syphilis ist dies seit langer Zeit anerkannt***), 
und ich habe es besonders betontf), dass die Piädilection der- 



*) KlnyskinB. Aanal, de la Soc. de m^d. de Gand. Aon. XVIII 
vr. n. (Canetatt's Jahreebericht für 1862. Bd. 111. 8. 171). 

") Virchow. Archi». Bd. V. S. 490. 
•••) du Verney L c II. p. 477. 

t) Mein ArchiT. Bd. XV. S.266. 



lyCoogle 



Aetiologi« der Oatoome. 79 

jenigen Knochen, welche dicht nnter der Haot, nicht bedeckt von 
Muskehi oder dickeren Schichten von Weichtbeilen , liegen, nur 
so zu erkl&ren ist, dasB sie äuBBeren, mechanischen und ther- 
mischen Einflüssen mehr ausgesetzt sind. Aehnliches gilt, wenn- 
gleich in geringerem Maasee, von dem RheumatiemuB. 

Hier scheint jedoch ein anderer Umatand schwer in das Ge- 
wicht zu fallen, nehmlich die Pr&dispositioQ. Wenn wir diese 
als eine Ertliche Scbw&che oder ünTollkommenhett der Gewebe 
auffasBen (B. I, S. 64), so wttrde es sich darum bandeln, 
daSB diese Gewebe entweder von vornherein unvollkommen 
gebildet, oder durch mangelhafte Ernährung, durch fiber- 
mSssige Tbätigkeit oder durch frühere Krankheiten in einen 
Zustand von Schwäche nachträglich versetzt Bind. Ist die Pr&- 
disposition sehr gross, so kann die besondere erregende Ursache 
z. B. die rheumatische sehr gering sein und doch die Wucherung 
hervorrufen, welche zum Osteom führt; die rheumatische Ursache 
wird dann fSr die Vorstellung in den Hlatergmnd treten und 
nur die Disposition wird als wesentlidi erscheinen. Ist dagegen 
die Disposition nur schwach, bedarf es einer grosseren erregen- 
den Ursache, so wird letztere für die Vorstellung im Vordergründe 
stehen. Nur so erklärt sich, dass man nnter im Allgemeinen 
Kleicben VerbSltnissen ganz verschiedene ätiologische Momente 
betont; man wählt eben ans zwei gleichzeitig vorhandenen Be- 
dingungen bald die eine, bald die andere. 

Die Geschichte der Hyperostosen und Exostosen am Schädel 
ist in dieser Beziehung sehr lehrreich. Ein fiberwiegend grosser 
Theil von ihnen kommt an demjenigen Theiten vor, welche nicht 
von Haskeln bedeckt sind. Ein Stoss, eine Erkältung kann die 
Veranlassung zu der ossidcirenden Wucherung abgeben. Ist der 
Ste^ sehr stark, die Er^ltung Behr schwer, so nennt jedermann 
die entstehende Knochengeschwulst traumatisch oder rheumatisch. 
Entsteht dagegen die Wucherang scheinbar spontan, so sucht 
maa nach der Prädisposition oder vielmehr in dem traditionellen 
Gange nach der Dyskrasie. Man spricht von der syphilitiBchen 
Exostose, von dem puerperalen Osteophyt Bei der Syphilis 
kommt nnn freilich das specifische Moment in Betracht, und ich 
werde später noch darauf zurückkommen; aber waB ist das Be- 
sondere des Puerperiums? Für mich steht das puerperale 



lyCoogle 



80 Siebzehnte Torleaang- 

Osteopbyt anf gleidier Linie mit der pnerperalen Endocarditie*), 
mit dem puerperalen Rheumatismna. Ich Bebe in dem pnerpera- 
len Zneiand eben Dor eine Prädieposition, welche nnter Umstän- 
den sehr stark wird nnd dann ungewöhnliche Ei^ebnisse liefert 
(S. 36). FSUt diese erworbene Prädiapoaition überdies mit einer 
nrsprfingliehen z. B. mit Chlorose") zusammen , so wird sie na- 
tfirlich eine noch grössere Bedeutung erlangen. 

Diese Beobachtungen haben einen besonderen Wertb für die 
Beurtheilung der vielfachen Osteome. Schon seit langer 
Zeit kennt man Fälle von ausgezeichneter Mnltiplicität der Ex- 
ostosen"*). Dabei mnss man aber tob Tomherein wohl unter- 
scheiden zwischen denjenigen knöchernen Geschwülsten, welche 
auch in innem Oi^anen, namentlich Weichtheilen , Metastasen 
machen, den Osteoiden Job. Mflller's, von denen ich einen 
Theil unter dem Abschnitt von den Oeteoidchondromen schon 
abgehandelt habe (Bd. I. S. 527), und den eigentlichen Osteomen, 
welche nur an Knochen oder in ihrer nächsten Nähe vorkommen. 
Hnltiplicität bedeutet hier also nur das Zusammenfallen mehrerer 
oder zahlreicher, nicht bloss der Natur, sondern auch dem Sitee 
des Hebels nach homologer Erkrankungen, ganz in derselben Art, 
wie wir die Hnltiplicität der Fibrome und Mollusken, der Lipome 
und Atherome besprochen haben (Bd. I. S. 38, 228, 325, 333, 
351, 390). Es ist im Wesentlichen immer das Knochensystem, 
oder, wenn man etwas weiter greifen will, der Bewegungsappa- 
rat, der hier in Frage kommt. 

Denn allerdings greift die Osteombildung häufig in die Seh- 
nen und Muskeln über, ja sie kann gamz vorwiegend in den- 
selben vorkommen. Abernethy sah einen 14jährigen Jungen, 
dessen Rücken durch hügelige Auflageningen auf die Domfort- 



*) Vircho«. Honatsachrift für OdbartakuDde. 1868. Bd. XI. S. 409. 
Weatphal. Mein Archiv. Bd. XX. S. 542. 



") Cetlularpatholoeie. 3. Aufl. S. 210. 
•••) Aberoethr. Lee 



••) Abernethy. Lecturea on eurgery. p. 169, Dupuytren. Legone 
orales. T. II. p. 101. Lobstein. Path. Anat Bd. IL S. 133. Otto. Pathol. 
Anat Bd. L 8. 152. Anm. 11. Stanley. Diseasea of the bones. p. 214. 
C. 0. Weber. Knoeh enges chwölate. S. f, iO. Crnveilhier. Trsitö d'anat. 

Sith. T. ni. p. 874. Hngaier. Gai. des höp. 1857. No. 49. G. Fiacher. 
:ittheilungen aua der Chirurg. üniTersitStBklinik za Gattingen. Hannover. 
1861. Morel LavalUe. Bullet, de la Soc. de chirarg. T. L p. 76. Erich- 
aen. Med. Times and Gaz. 1860. Vol. L p. 317. Hutchinson. Kbendas. 
Barwell. The Lancet. 1861. Vol. II. p. 446. 



lyCoogle 



OMificirende Di»these. gl 

Sätze bedeutend entstellt war. Der Kopf war dvrck Yerknöcbc- 
ni^ des Ligatn. nuchae festgestellt An beiilen Oberarmen saasen 
Exostosen und die eebaigen Bänder der Achseln waren in Knocben 
Yerwaadelt, so daea die Arme ganz dicht an der Brust festge- 
halten wurden. Am Becken fand sich gleichfalls eine Exostose, 
uud Tersehiedene andere bildeten sich zu verschiedenen Zeiten 
und verschwanden wieder. Stieas er sich irgendwo, so folgte 
jedesmal eine temporäre Ablagerung von „erdiger Substanz" ; 
hatte er Zahnweh, so erscbieu eine Exostose am Unterkiefer. 
Dieser Fall, der nur während des Lebens beobachtet wurde, kann 
allerdings zweifelhaft sein in Beziehuag auf die Natur der „Ab- 
lagerungen", und nameDtlicIi dag Wiederverschwinden spricht 
eher daffir, daes es sich nicht um wirkliche Exostosen, sondern 
nar um „erdige Ablagerungen" handelte. Indess hat Hawkins*) 
den Fall eines 32jährigen Mannes beschrieben, der an zahlreichen 
Stellen des EOrpers knöcherne Ablagerungen und zwar einzelne 
ausser Verbindung mit dem Skelet hatte. Eine derselben wurde 
durch Operation entfernt, und es zeigte sich, dass sie eine dent* 
lieh knOcheme spongiOse Substanz, eine äussere Schale, Periost 
und Knorpel führte; nichtsdestoweniger verkleinerten sich sämmt- 
liche Geschwülste, ja einige derselben verschwanden gänzlich unter 
dem Gebrauche von Jodkali, Sarsaparille, Merkur und Schwefel- 
säure. 

Ablagerungen,, welche über die Knochengrenzen hinausgingen 
and zum Theil in den Fascien, zum Theil unter der Haut lagen, 
erw^int auch Hutchinson von einem 12jährigen Knaben, bei 
dem die Gelenke der Oberextremität zum grossen Theil ankylo- 
sirt waren, und der über dem einen Oberann eine der Länge 
nach berablaufende Knochenleiste trug, welche den äusseren Con- 
dylus um 2 Zoll überragte. Die Weichtheile waren mehr be- 
theiligt, als die Knochen. — Noch mehr tritt dies hervor in einem 
Falle von Henry**): Ein liJjähriger Arbeiter bemerkte zuerst 
eine schmerzhafte Anschwellung des rechten Handgelenks, welche 
allmählich auf alle Muskeln des Vorderarms bis zum Ellbogen 
fortschritt und sie in eine solide Masse verwandelte; sodann 
worden das linke Glied, dann der rechte Unterschenkel, di« 



•) HawkiD 
•*) Henry. 

Vlreks«, OMobirBIita. 3. 



lyCoogle 



83 Stebiehnte Vorleanng. 

Sehultem und Hände ergriffen. Rogers*) fand bei einem 30jah- 
rigen Manne einen grossen Theil der Haie-, Brust- nnd Rflcken- 
muskelD, sowie die um den lYochanter ganz oder tbeilweise 
in Knochen umgewandelt; die Scapnla war mit knOchenien 
Auswüchsen besetzt und an die Rippen tixirt; die Pectorales 
untereinander verBchmolzen und durch Knocbensnbstanz an die 
Rippen befestigt. Die sehnigen Theile der Muskeln ganz frei. 
Skinner**) hat eine ganz ahnliche Beobachtung bei einem 
13jährigen Knaben gemacht und zugleich bemerkt, dass auf jeden 
Schlag eine Änschwellnng unter Schmerzh^igkeit und leichtem 
Fieber folgte. Mtmche ähnliche Fälle aus älterer nnd neuerer 
Zeit schliessen sidi hier an'**). 

Während hier die Neigung zur Ossitication ganz in die Mus- 
keln überzugehen scheint, so lässt sich eine andere weit grossere 
Reihe von Fällen anftählen, wo sie mehr und mehr auf die 
Knochen zurückgeht. Freilich bleiben die Insertionen der IS-as- 
keln, Sehnen und Ligamente immer die PrädilectionssteUen't'). 
Manche Beobachter haben dies geleugnet, allein sie haben keine 
Gel^enbeit zu anatomischen Untersuchungen gehabt, und die 
bloss klinische Untersuchung täuscht hier leicht. Larreytt) ^^ 
sehr gut von dem Skelet eines Sträflings, welches sowohl an den 
Knochen der Gliedmaassen, als am Schambeine gro'sse knOcheme 
Dornen besass, es hätten sich daran ebenso viele gefunden als Mus- 
kelansätze, und obwohl die Basis der Exostosen vom Knochen 
ausging, so habe sich doch ihre Spitze im Fleische verloren. Aller- 
dings ist dies nicht so zu verstehen, dass derartige Exostosen im 
engsten Sinne tendinOs, muskulär oder aponearotisch sind, oder, 
wie man früher zu sagen pflegte, dass der Knochen durch den 



*) David L. Rogers. Aiuer. Journ. of the med. bc. Vol. XIII. (bei 
Sa.in. D. Gross. Elemente of pathol. anatoiDv. Philad. 1845. p. 312). 

") Will. SkiDDer. Med. Times and Gaz. 1861. Vol. 1. p. 413. 
"*) Bertraudi. Lehre von den KnocheDkrankheiten. Aus dem Italie- 
nischen. Dresd. u. Leipi. 1792. 8. 289 (Fälle von Pringle u. Coppin). 
Lobstein. Path. AuaL Bd. II. S. 305 (Fälle von Lientaud, Portal, 
Jseuflamm und ihm selbst). Stanlev. Diseases of bones. p. 216 (Skelet 
aus dem Museum des Roval College of Surgeoiis. No. 33G7. Catal. Vol. V. 
p. ]3ä). Testelin und baubresse. Gaz. m<^d. 1839. Mo. 11. WilkiDson. 
Lond. med. Gaz. 1846. No. 12. 

t) C. 0. Weber. Koocbeogeschwülste. S. 7. Cruveilhier I. c. 
p. 874 (Beschreibung des Skeletes No. 436. aus dem Mus^e Dupuytren, 
vrelcbes von Brescbet geschenkt ist). 

tt) Larrey. Journ. compt. du dioi des sc. m^d. T. VIU. p. 108. 



lyCoogle 



Holtiple ExostoBeo. g3 

Zng der Sehnen, Muskeln u. s. w. ausgezogen (expandirt) ist; 
es ist eben die ganze Region, welche sich in allerlei Höcker, 
Zacken und Stachel erhebt. Aber unzweifelhaft sind diese Exosto- 
sen nicht mehr periosteal, sondern sie stellen im Tollkommengten 
Maasse die von Lobstein*) mit dem Namen der Osteophyte 
belegte, extraperiosteale oder, wie ich sagen würde, parosteale 
Knochenwncherung dar. Aach ist es ziemlich regelmässig, daes 
nur in der Nähe der Epiphysen und Knorpelränder die Auswüchse 
vorkommen, nicht an den Diaphysen. 

Einer der ausgezeichnetsten Fälle dieser Art ist der von Hrn. 
Ebert") beobachtete, dessen Skelet***) sieh in unserer Samm- 
lang findet. Er hat zugleich in ätiologischer Beziehung einen 
sehr grossen Wertb. Ein lOjShriger, bis dahin gesunder, nur 
etwas bleicher und schwächlicher Knabe bekam in Folge eines 
im November 1858 erfolgten Sturzes ins Wasser einen heftigen 
Geberhaften Gelenk- und Muskelrheumatismus mit gastrischen 
Störungen. An den Knochenenden der Extremitäten und den 
Rippen fanden sich bald nachher Anftreibungen, welche als rachi- 
tische betrachtet wurden. Es gelang, den Rheumatismus zu be-r 
seitigen, und der Knabe blieb, nachdem er Anfangs März 18fiO 
aus der Charit^ entlassen war, wohl bis zum November. Da 
stellten ^oh von Neuem äusserst heftige Schmerzen eiu, auch 
bei passiven Bewegungen und Druck; dabei Fieber, das sich 
Abends steigerte. Der Knabe wurde wieder in die Charite 
gebracht, und hier fand man ausser einer hügeligen Auftreibung 
des Kreuzbeines mehr als 20 Exostosen der verschiedensten Kno- 
chen. Unter dem Gebrauche von Jodkali schnelle Besserung, 
so dass der kleine Kranke schon Ende December gesund er- 
schien und wieder gehen konnte. Anfangs Januar wieder heftige 
Schmerzen am rechten Trochanter mit Fieber, die sich bei loca- 
1er Antiphlogose und Derivation, sowie Jodkaligebrauch schnell 
hoben, aber eine neue Bohnengrosse Exostose zurückliessen. Bald 
nachher dieselben Zufälle an einer Rippe. Diese wiederholten 
sich an verschiedenen Stellen in Zwischenräumen von 14 Tagen 
bis 4 Wochen, so dass man im Mai 1861 schon 65 Exostosen 



•) Lobatein. Atlas. T. II. PI. V. I^g. 1. 
••) EberL Dentsche Klinik. 1862. Ho. 9. 
"•) Präparat No. 12. Yora Jahre 1861. 



lyCoogle 



Siebzehnte Vorlesung. 

zählte. Inzwischen bildeten eich seit dem AprQ 
die Zeichen einer Endo-Pericarditia und Pleu- 
ritis aus, Leber und Milz schwollen an, As- 
cites, Anasarca, Albuminurie traten ein. End- 
lich imJuni 1861 erfolgte der Tod. 

Die Autopsie beetäligte die bei Lebzeiten 
gemachten Beobachtungeo. Sie ergab ins- 
besondere , daas die gefühlten Enocheoge- 
schwfllste fast ohne Ausnahme spongifise Ex- 
ostosen waren, welche am stärksten an den 
langen Röhrenknochen und den Rippenenden, 
nächstdem an dem Becken und den Schulter- 
blättern ausgebildet waren; die Wirbelsäule 
war fast ganz frei und am Kopfe fand sich 
ausser flachen porösen Periostosen von ge- 
ringer Ausdehnung am hinteren Umrange der 
Scheitelbeine keine anfällige Veränderung. 
Ueberall sassen die Exostosen am Ossifika- 
tionsraode der knorpeligen Enden, so zwar, 
dass sie wesentlich dem jüngsten Theile der 
Diaphyse angehörten. Sie begannen, wie man 
besonders schön an den Wirbelkörp^m sehen 
konnte, als kleinere, rundliche Knöpfe, die 
wie Hirsekörner oder Erbsen an den Knochen 
anfsassen. Wo sie weiter ausgebildet waren, 
da ragten sie in Fonn von dickeren Zapfen 
und Knorren, gewöhnlich in der Richtung der 
muskulösen oder tendinösen Ansätze, hervor, 
theils mit einer glatten, zugespitzten und von 
einer compakten Rinde umgebenen, theils mit 
einer rauhen, porösen und etvras gedrflckten 
Fläche. Am Umfange der Scapulae, besonders 



Fig. 130. Multiple scbirammige Eiostoaeo dea 
Ober- und Unterschenlcels von einein lOjäbrigen Kna- 
beo, Überall die Enden der Diaphjsen bis unmittel- 
bar an die Intermediärknorpel einnehmend. Die Fi- 
bula an ihrem unteren Ende durch den Druck der 
Exostosen der Tibia abgeplattet und n^h auesen ge- 
krümmt. (Präparat No. lä. vom Jabre 1861). Genau 
V der natllrl. Grtiase. 



lyCoogle 



Multiple Eiostoaen. 85 

an der rechten, sage eine grosBe Zahl, theils und zwar hauptBäch- 
lich nach innen, theils nach aussen gerichteter, meist gestielter 
Erhabenheiten. Die Beckeoknochen zeigten denselben, eigentlich 
noch dichteren Besatz, besonders nach iDnen, so jedoch, dass 
ein jeder der ursprAnglichen Knochen (Os ilium, Os pubis, Os 
ischii) in seinem ganzen Umfange, also auch an der Synchon- 
drosis iliopobica und iscbiopubica die Höcker hatte. Am meisten - 
jedoch trat die Veränderung an den Armen und Beinen hervor, 
wo die Gelenkenden zu unförmlichen, knorrigen Massen umge- 
staltet waren. An allen diesen Punkten konnte man zweierlei 
Veränderungen darthun : sunächst eine allgemeine Hyperostose 
mit Verdickung und Anschwellung, sodann auf dieser hyper- 
ostotischen Basis und zum Theil daneben grosse und kleine, 
glatte und rauhe, einfache «nd zusammengesetzte Auswüchse, die 
in der Regel an den oberen Enden nach unten, an den unteren 
nach oben gerichtet waren, hier und da jedoch auch rechtwin- 
kelig hinausstandea. Die Zahl aber dieser Auswüchse war sehr 
viel grosser, als sie hei Lebzeiten gezählt war. 

Dieser Fall unterscheidet sich in seinem so scharf ausge- 
prägten Verlaufe allerdings von sehr vielen anderen. Denn es 
ist viel häufiger, dass die Entwickelung der Geschw&lste ganz 
schmerzlos, ja lange Zeit ganz unbemerkt verläuft (Morel-La- 
vallee, Earle), oder wenigstens nur zeitweilig schmerzhaft ist 
(Erichsen). Nichtsdestoweniger lässt sich keine scharfe Schei- 
dung machen. Denn der Fall stimmt andererseits in wesentli- 
chen Punkten mit der grossen Mehrzahl der sonst bekannten 
flberein. So namentlich in dem jugendlichen Alter des Kranken, 
in dem Bau der Exostosen, und in ihrem Sitze. Sieht man nur 
auf den Verlauf und die Resultate, so würde man kaum ein Be- 
denken tragen können, die Krankheit als Rheumatismus no- 
dosus (Arthritis nodosa, Bd. ], S. 460) anzusprechen. Allerdings 
ist man gewohnt, diese als eine mehr den höheren Altersklassen 
eigenthämliche Krankheit, ja geradezu als Malum senile anzu- 
sprechen. Aber sie zeigt nicht blos dieselbe Verschieden- 
heit, dass sie zuweilen sehr schmerzhaft und paroxysnienhaft auf- 
tritt, zuweilen ganz schleichend und unbemerkt sich entwickelt, 
sondern sie besitzt auch dieselbe Neigung znr Bildnng knöcher- 
ner Geschwülste in der Form von Hyperostosen, Periostosen, 



lyCoogle 



86 Siebsehnta Votlesnng. 

ExoBtoaen nnd Osteopbyten, sie hat dieselbe Fähigkeit mr Mul- 
tiplication der ErkrMikungBheerde, sie bef&llt, wie die multiplen 
Exostosen eB thuD, überwiegend Läufig die Extremitäten und läsat 
den Kopf, namentlich den Schädel frei. Ich sehe daher in der 
That keinen Grund, beide Reihen auseinander zu halten; ich 
würde sie nur als senile und infantile Varietäten deB 
Rheumatismus nodosus von einander unterscheiden. 

Die weitere Untersuchung moss ergeben, ob diese Auffassung 
für alle Fälle von multipler, nicht aus Knorpel hervorgehen- 
der Osteombildung berechtigt iet, wo nicht Syphilis nachge- 
wieeen werden kann. Das ist im Augenblick nicht auszu- 
machen. Nur d^ möchte ich betonen, dass die früher (S. 80 
— 82) erwähnten Beobachtungen von multiplen Muakel-Osteo- 
men hier- unmittelbar anzureihen sein dürften. Ich selbst habe 
freilich nur ein einziges Mal und zwar nur am Lebenden im 
Laufe eines mit Endocarditis verbundenen Muskulär- Rheuma- 
tismus den rechten Deltamuskel nach 9monatlicher Dauer der 
Krankheit ganz hart, unbeweglich und scheinbar knOchern gefun- 
den, aber ich erinnere an die Verkalkungen und Ossifikationen, 
welche so oft neben chronischer, rheumatischer Endocarditis in 
den benachbarten Theilen der Ilerzwand gefunden werden. 

Das Zurückgeben auf andere „Allgemein krankhetten" iet in 
den Thatsaehen nicht begründet. Syphilis ist in allen, mit 
Anamnese versehenen Fällen von multipler Exostosenbildung der 
Extremitäten ausdrücklich zurückgewiesen, und wo ich hereditäre 
Knochensyphilis gesehen habe, da bildete sie keine Elxostosen, 
sondern flache Hyperostosen und Periostosen, welche gerade an 
den Stellen sassen, wo die multiplen Exostosen nicht vorzukom- 
men pflegen, nehmlich an den Diaphysen der Röhrenknochen 
und an den Schädelknoeben. Auch bei der erworbenen Lues, wo 
freilich Exostosen oft genug vorkommen, und wo sie nicht selten 
vielfach sind, wo sogar Gelenkentzündungen besonderer Art ent- 
stehen, sind es doch nicht wesentlich die Knochenenden, welche 
die Exostosen hervorbringen. 

Nicht viel besser ist es mit der Rachitis. In dem von 
mir weitläufiger mitgetheilten Falle- (S. 83) hatte man freilich die 
Anschwellungen der Knochenenden als rachitische gedeutet; sie 
erwiesen sich aber als hyperostotisch. Nur in einem Falle von 



lyCoogle. 



Erbliche und eoDgenitale Exostoaen. g7 

Stanley*) schien der zwei^hafte, mit knunmen EnieeD ver- 
aehene Mann rachitisch gewesen zu sein. Ueberdies ist mir, 
mit Ausnahme der schon erwähnten (S. 38) Periostosen des Schä- 
deldaches, von eiaer rachitischen Exostose, von der die frühere 
Autoren häufig genug sprechen, wenigstens bei unzweifelhafter 
erworbener Kachitix, nie etwas vorgekommen. 

Gane anders verhält es sich mit der Prädisposition, die 
ich willig anerkenne. Hier ist zunächst die Erblichkeit zu 
erwähnen. In einem Falle von Lloyd**) hatte der 6,iährige 
Knabe zahlreiche, meist symmetrische Esostoseo, zumal an den 
Extremitäten-Knochen; der Vater trug ähnliche am Scheitel, Ober- 
arm, der ersten Phalanx des rechten Zeigefinger», den Oberschen- 
keln und der Tibia, und er gab an, dass 4 seiner Vettern mflt- 
terlieher Seite daran litten. Stanley**') besehreibt eine andere 
Familie, wo der Grossvater, der Vater und zwei Enkel damit be- 
haftet waren. Cruveilhier+) erwähnt 2 an multiplen Exostosen 
leidende Schwestern aus dem Wallis. Nasttt) berichtet von einem 
Manne, der in seinem 20sten Jahre eine Geschwulst am unteren 
Ende der Tibia bemerkte, welche langsam wuchs und die Grösse 
eines Kindskopfes erreichte; auch am Oberarm und am oberen 
Ende der Tibia waren kleine Auswüchse zu fühlen. Der älteste 
Sohn dieses Mannes zeigte schon in seinem zweiten Lebensjahre 
ähnliche kleine Geschwülste am Ober- und Unterschenkel, am 
Oberarm und an mehreren Rippen. Auch bei Thieren kommt 
AehnÜches vorfft)- 

An diese hereditären Fälle schliessen sich die congenita- 
len't) an. In dem schon erwähnten (S. 81) Falle von Hutchin- 
son bemerkte die Hebamme die Deformitäten unmittelbar nach der 
Geburt; in dem von Dupuytren wurden sie wenigstens schon im 
Säuglingsalter wahrgenommen. Auch die discoatinuirlichen Osteome 
kommen, wenigstens in Anlagen, congenital vor. J. F. Meckel**f) 



*) Stanley. Med. Times and Gaz. 1835. July. p. 39. 
") Stanley. Diseases of bones. p. S13. Paget. Lectnres. II. p. 244. 
•") Stanley 1. c. p. 212. 
t) Cruveilhier. Trait^ d'anat. path. T. III. p. 874. 
+4) Nast. De ostcophytis et eiostosibus. Diss iaaug. Berol. 1857. p.28. 
ttt) Otto. Patbol. Anat. Bd. I. S. 152. Anm. 9. 
*i) E. Vix. Beiträge znr Kenotnisa der angeborenen multiplen Ex- 
ostosen. Inaug. Abb. Giessen. 1856. 

*'f) J. Fr. Uecbel. Anat. physiol. BeobachtuDgen und Untersnehnngen. 
H^le. 1822. S. 22. 



lyCoogle 



88 Siebzehnte VorleBiug. 

fiind bei einem nu^itischen neagebornen Kinde ein kleines festes 
KnocheDCODcrement im linken Schulterblattbeber, und Otto*) sah 
bei einem Knaben als angebornen Zustand ein grosses, kantig 
vorstehendes Knorpelstfick im Stemomastoidens. 

Weiterhin zeigt sich eine ganz nngewöhnlich stark hervor- 
tretende Prädisposition in der Zeit des Knocbenwacbsthams. 
Gerade die grOsste Zahl der im engeren Sinne als multiple Ex- 
ostosen bezeichneten Fälle sind bei ganz jungen oder doch jugend- 
lichen Personen beobachtet**); wenn sie später zur Beobach- 
tung kamen , so liess sich wenigstens der Anfang der Bildung 
häufig bis in sehr frühe Lebensjahre zurGekverfolgen. In diesem 
Punkte stimmen sie mit den knorpeligen und Zahn - Exostosen 
fiberetn. Ans der statistischen Zusammenstellung von Weber***) 
geht hervor, dass, selbst wenn man alle Arten von Exostosen 
zusammenrechnet, doch die Mehrzahl auf die Zeit bis zum 20sten 
Lebensjahre Hillt. Die grosse Prädisposition des noch im 
Wachsen begriffenen Knochens läset sich also gewiss nicht 
verkennen. 

Im höheren Lebensalter, namentlich im eigentlichett Grei- 
senalter beginnt eine neue Disposition, welche einerseits mit 
der fortschreitenden Markbildnng (excentrischen Atrophie) der 
Knochen, zuweilen mit einer Art von Osteomalacie f), zusammen- 
hängt, anderereeits mit der „Knotengicht" , dem Malum senile, 
in naher Beziehung steht. Indess trifft gerade hier das zu, was 
ich früher erwähnte (S. 79); man legt weniger Gewicht auf die 
Prädisposition, als auf die Veranlassung, weniger Gewicht über- 
haupt auf die Exostose, als auf den Krankheitsprocess, und daher 
spricht man von Exostosen gewöhnlich erst dann, wenn die 
Knochenneubildung eine besondere Hohe erreicht. 

In allen diesen Fällen kann man auf einen gewissen Ällge- 
meinzustaiid zurückgehen, den man immerhin mit dem herkömm- 
lichen Namen der Diathesis ossifica s. ossea belegen mag. 
Nur darf man daraus nicht einfach eine specifische, knöcherne, 

♦) Otto. Pathol. Anat. I. S. 256. Anm. 6. 

•*) Grognier fand anch bei einem jungen Pferde fast an allen Rippen, 
Bowie an den Wjrbelbeinen Biostoaen; einige Sternalrippen hatten an ver- 
schiedenen Stellen eine Dicke von melir als 2 Zoll (lt. L. Schwab. Mate- 
rialien zu einer path. Anat. der Hausthiere. Lief. I. München. 1615. S. 32). 
•") C. 0. Weber. KnochengehchwülBte. S. 47. 
t) LobBtein. Pathol. AnaL IL S. 134. Atlas IL PI. VI - VU. 



lyCoogle 



Diathesis ouifica. 89 

kalkige oder erdige Dyskrasie machen. Ich habe frOiier darge- 
than, dase es eiae gewisee kalkige oder erdige DyBkrasie gibt, 
welche Kalkmetastasea erzeugt*). Allein dabei handelt es sich 
einereeits nicht um multiple Affektionen des Skelete oder des 
Bewegnngaapparates, sondern um Becondäre*Erkraaknngen innerer 
Theile, anderereeite nicht um VerknOcherungen, Bondern um ein- 
fache Verkalkungen. Dieser Zustand steht der eigentlichen Gicht 
n^er. Dass er sowohl, als die Gicht und als die Diathesis 
ossiüca noch wieder von den bösartigen, Metastasen bildenden 
Osteoidgeschwülsten zu scheiden sind, brauche ich nicht weiter 
anszuiuhren. Nur von der Diathesis ossifica sei gesagt, dass die 
durch sie erzeugten Exostosen immer zu der Kategorie der im 
Sinne der früheren Autoren sogenannten Exostosis benigna gebfiren. 
Weiterhin ist es aber klar, dass die ossiücirende Diathese 
auch nicht als eine specihsche Krankheit betrachtet werden kann. 
Ich will gar nicht davon sprechen, dass doch auch die Constitution 
nelle Lues eine Art von osaiticirender Diathese setzt-, ich will 
nur darauf hinweisen, dass nicht alle Fälle von multiplen Ex- 
ostosen unter sich völlig übereinstimmen. Als Beispiel kann eine 
Beobachtung von Roux (de Brignolles) dienen**). Bei einem 
14jährigen Mädchen fanden sich 3 Knoohengeschwfliste. Die 
eine, seit frühester Kindheit vorhanden, reichte vom Jochbogen 
bis zur Mitte der Wange; die andere sass zwischen den Ansätzen 
des TrapeziuB, die dritte an der linken Schläfe; beide letzteren 
bestanden vom 8teo Jahre an. Beide wurden wegen der DifTor- 
mität exstirpirt; sie waren sehr hart, höckerig und unregelmässig. 
Auf dem Durchschnitt erschien die eine gleichmässig, weiss und 
elfenbeinern, die andere, welche eine maulbeerflirmige Oberfläche 
hatte, hart, steinig, stuckartig. Robin fand regelmässiges, theil- 
weise in concentrischen Lamellen abgelagertes Knochengewebe 
mit wenig Markkanälen und dazwischen Züge eines verkalkten 
Fasemetzes, wie bei Uteruslibroiden. — Sowohl dem Sitze, als der 
StnictttT nach wichen diese Geschwülste, die doch multipel 
waren und elfenbeinerne Osteome darstellten, von den gewöhn- 
lichen ab, und es wäre ganz willkürlich, wenn man sie einfach 
mit den letzteren zusammenwerfen wollte. 



•) Archiv. Bd. VIII. S. 103. Bd. IX. S. 618. Cellularpathol. 3. Aufl. S. 345. 
••) R«nx. Gaz. dee höp. 1857. No. 49. 

D,3 zB<ibyCOO<^Ie 



90 Siebiehnt« VorleBODg. 

Es wird sich daher empfehlen, wenn man von vornherein 
unter den multiplen Exostosen mehrere Gruppen unterscheidet, 
welche ätiologisch and genetisch auseinander za halten sind. Nur 
eine davon, aber wahrscheinlich die grfisete, gehört dem Rheu- 
matismus nodoBus aft, mag nun die FrädispositioD congenital, 
möglicherweise hereditär, oder in der Kindheit oder erst in dem 
Greisenalter erworben sein. ~ 

Ueber die weitere Geschichte und Bedeutung der hyperpla^ 
stischen Osteome habe ich wenig hinzuzufügen. Es ist schon aus- 
geführt, dasB die Mehrzahl von ihnen, selbst die knorpeligen, in 
späterer Zeit stationär zu werden pflegen, indem ihr Wachs- 
thum mit Verzehrung der Hatrix aufhört. Sie können dann durch 
ihre GrJtsse und Lage sehr unbequem, ja in hohem Maasse ge- 
fährlich werden; sie können Geburtshindemisse, Esophthalmos, 
Epilepsie, Hemmungen der Bewegung, der Circulation, Nervenzn- 
(äile bedingen'), aber doch immer nur per accidens. Ihrem 
Wesen nach sind sie gutartig und von rein localer Bedeutung. 
Dasselbe gilt von den progressiven Osteomen, bei denen das 
Wachsthum fortgeht, angeregt durch neue, traumatische Einwir- 
kungen, durch Erkältungen, Puerperium u. s. w. Freilich werden 
sie durch ihre oft sehr beträchtliche Grösse noch mehr incommo- 
diren. Sitzen sie nach aussen, so entsteht leicht über ihnen 
eine chronische oder acute Entzündung der Weichtheile, welche 
zu Indurationen, Yerschwäniagen, selbst Brand föhren mag: sie 
selbst können sieh entzünden, cariös und nekrotisch werden**), 
möglicherweise dadurch abgetrennt werden; sie können sich mit 
fungOsen Granulationen bedecken und 'bedenklich aussehende Ge- 
schwüre unterhalten. Aber trotzdem bleiben sie Loc^äbel. — 

Es erübrigt endlich noch, die heteroplastischen Osteome 
zu besprechen, von denen ich schon erwähnte, dass sie keine 
80 erhebliche Bedeutung haben. Sie entstehen in Weichtheilen, 
in der Regel aus verdichtetem oder neugebildetem Bindegewebe. 
Schon die Geschichte der discontinuirlichen, periostealen, tendi- 
DÖsen und muscntOsen Osteome bildet gewiss Annäherungen zur 
eigentlichen Heteroplasie dar. An sie schliessen sich zunächst ge- 

*) Vgl. eine gr^lssere Zahl solcher FSIIe bei C. 0. Weber Knoclienge- 
BchwaiBte. S. 25—28. 

") C. 0. Weber a. a. 0. S. 34. 



lyCoogle 



PMosteale Osteome. 91 

wisse, seltener voritommende Osteome in der Nähe der Knochen 
an, welche nicht unmittelbar oder nur sehr lose mit dem Bewe- 
gUDgsapparat znsiunmenbängeD and welche ich daher als par- 
osteale naterecheiden will. Fälle dieser Art sind nameotlich von 
der Handwurzel bekaoDt*), doch muss man wohl beachten, dass 
an denselben Stellen verkalkende und verknOcbernde Fibrome, 
Lipome und Chondrome vorkommen kOnnen (Bd. I. S. 353, 393, 
510). Sehr o^e stehen diesen parostealen Formen die nicht 
selten in Folge chronischer Pleuritis sich bildenden, oft sehr um- 
fangreichen**) knöchernen Platten der Costalpleura, welche frei- 
lich sehr unvollkommene Knocheostruetur besitzen, und welche 
wohl zu unterscheiden sind von den ungleich selteneren Hyperosto- 
sen und Periosten der Rippen bei sehr tiefgreifender Gostalpleu- 
ritis. Bakitansky***) vergleicht mit diesen, in fibroiden Schwar- 
ten seröser Häute vorkommenden Bildungen eine etwa Thaler- 
stäckgrosse, hOckerige Knochenplatte, die er in einer Narbe am 
Rumpfe fand. H. Meyerf) beschreibt 6 harte Knochentäfelchen, 
die in der Haut einer alten syphilitischen Person in der Nähe 
eines alten Geschwürs des Unterschenkels vorkamen; die Tibia 
war gleichzeitig mit flachen Osteophyten besetzt. E. Wagnerft) 
beobachtete eine ganz ähnliche Bildung eines innen spongiösen 
Knochens an einem Fussgeschwür. 

Zu diesen parostealen Bildungen kann man auch noch ge- 
wisse neue Knochen rechnen, welche sich an chronisch entzünde- 
ten Gelenken öfters finden. Ich meine damit nicht die^ schon 
früher abgehandelten bald sitzenden, bald gestielten, bald freien 
GeleokkÖrper (Bd. I., S. 449), sondern grössere, plattenfßrmige 
oder ästige Gebilde, welche ausserhalb des eigentlichen Gelenkes, 
welches der Sitz der Erkrankung ist, entstehen. Sie stehen zu 
dem chronischen Tumor albus in einem ähnlichen Verbättuiss, 
wie manche Hyperostosen zu der Elephantiasis. Die grösste Bil- 
dung dieser Art fand ich an einem Ellenbogengelenk f+f), wo sie 
nach der Maceration sich als ein unregelmässiger, gabelförmiger, 



') Paget. LectureB. II. p. 82. Hewitt. The Lancet. 1850. Vol. II. 
p. 266. 

") Präparat No. 9. vom Jahre 1857. 
•") Rokitausky. Pathol. AnaL 1844. Bd. 11. S. 47. 

t) }l. Meyer. Zeitechr. für rat. Med. Neue Folge. Bd. I. S. S3. 
tt) ^- Wagner. Archiv f. physiol. HeÜk. 1859. S. 413. 
ttt) Präparat No. 37. vom Jahre 1859. 



lyCoogle 



98 SMuefantA Torierang. 

nirgends mit dem Knochen in Verbindung stehender Efirper aus- 
wies. Ee war dadurch eine eigeDthfimliche Form von Gelenk- 
Steifigkeit entstanden. Am Hüftgelenk habe ich &fter ähnliche, 
jedoch meist kleinere extraarticuläre Knochen gefanden. 

Die verbältniHimftSBig griieste Disposition zni Prodnction hete- 
roplaetiscber Osteome zeigt jedoch ein System, bei dem man das 
am wenigsten erwarten sollte, nehmlicb das Nervensystem, und ge- 
rade die Centralapparate. Namentlich die H&ute des Gehirns 
und Rückenmarks sind so oft der Sitz solcher Bildungen, dass die- 
selben za den gewühnlicheren Verändenmgen gehören. Die 
Arachnoides cerebralie*) liefert im Allgemeinen nur kleine 
Formen, die von der Oberfiäche her als einfache, ebene Flittchen 
erscheinen, nach innen hin aber gewChnlich spitzige Yoreprünge 
haben. Sie finden sich am h&ufigsten an der Gonvexität des Gross- 
hirns, besonders Über den Vorderlappen**), also ziemlich genau 
entsprechend demjenigen Theile des Schädels , wo innere Oeteo- 
phyte, Hyperostosen und Exostosen am häufigsten sind. Aehn- 
liche Bildungen und vielleicht ebenso häufige zeigen sich anob 
an der Arachnoides spinalis; aber hier ist gewöhnlich die 
Knochenstmctnr weniger ausgebildet, und sie werden daher h&n- 
figer unter dem Namen von knorpeligen oder halbknorpeligen 
Plättchen*") erwähnt. Indess sind sie niemals eigenüich knorpe- 
lig. Sie gehen aus einer sehr derben, osteoiden Anlage hervor, 
deren Stmctnr am meisten mit derjenigen des „Enocbenknor- 
pels" (Bd. I. S. 472, 530) übereinstimmt: eine bald concentrisch, 



•) Präparat No. 130c. vom Jahre 1860, 128 vom Jahre 1861. 
") Ed. Sandifort. Obs. anat patb. Lib. III. p. 45. Grediog in 
den Advers. med. pract Lips. 1771. Vol. II. p. 483. 1772. Vol. III. 

£«26. Voigtel. Path. Anat. II. S, 83. Otto. Path. Anat. I. S. S92. 
ooper. Morbid anatomy of the human brain. PI. V. fig. 2. Wedl. Path. 
Histol. S. .'>97. fig. 133-134. Shaw. Tcansact of the Path. Soc. Und. 
Vol. V. p. 18. 

"*) MorKagni. De eedibua et causia morb. Lib. II. Epist. XXV. no. 9. 
Ollivier. Ueber das RQckeDraark und seine Krankheiten. Aus dem Franz. 
von Radius. Leipzig. 1828. S. 241. Sämmering in den Zusätzen luBail- 
lie's Anat. des krankh. Baues. Berlin. 1794. S. 248. Lobstein. Rapports 
sur les trasau» ei^c. ä l'amph. d'anat. de Strasbourg. 1805. p. 75. Bright 
Guy's Hosp. Rep. 1836. Jan. No. 1. p. 33. Hodgkin. Lect. od morbid 
anatoniy of the serous and iducouh membraaes. Lond. 1836. Vol. I. p. ÖS. 
Brinton. Tranaact. of the Lond. Path. Soc. Vol. II. p. 18. Qnain. Eben- 
daselbst, p. 25. Wilks. Catal. Guy's Hosp. Mus, No. 15e2»*,M,M, so. JO. 
Transact. of the Lond. Patb. Soc. Vol. XI. p. 7. J. v. Lenhoeeek. Zeit- 
schrift rar prakt. Heilk. 1859. S. 61. Lebert. Traitä d'anat path. PI. CIV. 
fig. 4. 



lyCoogle 



H«iriiigeml« Osteome. 93 

bald parall«! ([eschichtete, dichte Hasse mit sternflirmigen EOr- 
perchea und einer leicht Btreifigen, jedoch nkfaeza homogenen 
lotercellularsubstuiE *). Durch Verkalkung gehen sie naraentlieh 
bei alten Personen unmittelbar in Knochen ftber. Am häufigsten 
liegen sie am hintersten Umfange der Haut Qber dem Lumbar- und 
Sacraltheil in einielnen rundlichen oder eckigen Inseln, welche nach 
aussen eine platte, nach innen eine zackige, zuweilen ganz Btacheliga 
Fläche haben; zuweilen erstrecken sie sich Über den grCssten Theil 
der Spinal-Arachnoides und liegen so dicht, dass sie sich fast be- 
röhren"). Einen geschwulstartigen Charakter im gewöhnlichen 
Sinne des Wortes erreichen sie trotz ihrer Multiplicttät eigentlich 
nicht Trotzdem sind sie fftr die Theorie der multiplen Geschwülste 
nicht ohne Interesse, üeberdiee schien es mir nicht unwichtig, 
sie hier zu erwähnen, weil man eine Zeitlang geglaubt hat, in 
diesen kleinen Platten die Ursache von Tetanus, Chorea und ande- 
ren kntmpfortigen Zufällen zu finden, indem man annahm, dass 
die spitzigen FortsätEe, die sie so häufig nach innen aussenden, das 
Nervensystem stark reizten, und dass durch diesen Reiz Krampf- 
erscheinungen bedingt würden. Das ist ein Irrthum , denn wir 
finden sie sehr häufig bei Leuten, die nicht das Mindeste von die- 
Ben Erscheinungen darboten, und gerade bei au^emachten Teta- 
nusformen zuweilen gar nicht Seitdem man den Wirbelkanal 
häufiger untersucht, was namentlich seit der ersten grossen Cholera- 
Epidemie***) geschieht, hat man sie als relativ unschuldige Bildun- 
gen kennen gelernt. Nichtsdestoweniger sind sie immer ein Zei- 
chen krankhafter Reizung der Häute, und wenn sie sich in grosser 
Menge vorfinden, so ist der Reiznngsvorgaog selbst nicht gering 
m veranschlagen. 

Anders verhält es sich mit der Dura mater, namentlich 
der cerebralen, an welcher die Knocbenbüdungen nicht selten 
einen beträchtlichen Umfang (eine X^nge von 1—2 Zoll und dar- 
über bei einer Breite von ^ - f und einer Dicke von ^ — J Zoll) er- 
reichen und als ganz ausgeprägte Osteome auftreten, f) Am häu- 



*) Wedl. Pathol. Histologie. S. 600, fig. 136. 
**) Gargwell. Path. aoatoDij. Illnatretioas. AnalogouB Tissno. PI. IV. 
Bg. 3. Albers, Atlas der patb. Anat Abtb. 1. Taf. XXXI. fig. 1. oud 18. 
"*) P. PhCbiis. Ueber den Leichenbefund bei der orieDtftlJscbea Cholera. 
Berlin. 1833. S. 16. Anm. 

t) Präparate No. 913, 301 vom Jahr« 18&7., N«. U. vom Jahre 1860, 



lyCoogle 



94 Siabtehot« VMlMiing. 

figsten sind sie an demjenigea Theile der Dnra mater, welcher sieh 
aoter dem Namen der Falx longitodinalis*) zwischen die Hemi- 
sphären hjneinerstreckt, und zwar hauptsächlich in der Gegend, 
wo sie sich an die Crista galli ineerirt. Doch gibt ea auch 
manche Fälle, wo sie an der inneren Fläche der Dura über der 
Contesität der Hemisphären vorkommen und gerade in diesen 
Fällen sind sie zuweilen multipel**), während sie an der Sichel 
meist solitär sind. In jedem Falle sind sie so angeofällig, dass 
man sie schon seit langer Zeit kennt***). Während man ihnen 
aber frftfaer eine sehr grosBe Bedeutung für die EntGtehung mancher 
Nervenkrankheiten, insbesondere der Epilepsie, der Maoie beilegte, 
so hat man si^ neuerlichst vielleicht zu sehr an ihr Vorkommen 
gewohnt und flbersehen, dass sie doch immer als ein irritatives 
Erzeogniss, als das Resultat einer chronischen Pacliymeningitis 
ossifica zu betrachten sind. 

Diese meningealen Exostosen können zuweilen eine 
grosse Aehnlichkeit mit den wahren, inneren Exostosen des Schä- 
dels (S. 38) haben, Sie unterscheiden sich dadurch, dass sie 
stets durch eine fibrOse Schicht vom Knochen getrennt bleiben, 
auch wo sie dem flachen Theil der Dura angehören. Ihr discon- 
tinuirlicher, heteroplastiBcher Charakter erhält sich dauernd, wäh- 
rend die aus dem periostealen Theil der Dnra hervorgehenden 
Osteome frühzeitig mit dem Knochen verschmelsen. Nichtsdesto- 
weniger ist es von grossem Interesse zu sehen, wie ausgedehnt 
die Dura mater, »ich in den Sicheln, diese Neigung zur Enochen- 

No- 1- vom Jahre 1864, letiteres geschenkt von Herrn Dr. Techepke in 
Freienwalde a. 0. 

*) Horgagoi, welcher eine ganze Reihe ausgezeicbDeter Beispiele da- 
von erzählt (De sedibus etc. Bpiat. III. art. 20, 12. Epigt. XXV. arl. 6 - 9.), 
achreibt ihre Eatdeckiing dem neapolitaai geben Anatomen Cattui (Jsagoge 
anät. 1557. cap. 3.) zu. 

**) Morgagni. De sedibua etc. EpisL XXV. art. 6. Baillie. Uorbid 
anatoray. Engravings. Fase X. Fl. IV. fig. 3. Hooper 1. c. PL V. fig. 1. 8. 

"*) M. Baillie. Anatomie des krankhaften Baues. Aus dem Engl, von 
SSmmering. Berlin. 1794. S. 246. Lieutaud. Hist. anat. med. ed. Schle- 
gel. Goth. et Amst. 1796. Vol. 11. p. 319. Haller. Opnacula patholog. 
Laus. 1768. p. 166. Meckel. Hist. de l'Acad. roy. des sc. et belles lettres 
de Berlin. 1764. p. 66. Sandifort 1. c. p. 48. Greding I. c. Vol. H. 
p. 473. Vol. III. p. 621. Voigtel. Patbol. Anat Bd. ll. S. 20, 24. Job. 
Wenzel. Beobachtungen Aber den Hirnanhang fallsüchtiger PerBonen. Mainz. 
1810. S. 86. Gruveilhier. Eesai sur l'anat. patb. T. II. p. 16. Trait« 
d'anat patii. g^ner. T. HI. p. 835. van Heekeren I. c. p. Itl. Otto. 
Patb. Anat. I. S. 379. Anm. 10. Veiten. Casus aliquot memoratu dlgoi 
ossificAtioDum in membruiiB cerebri inveatarum. Dim. inaug. Bonn. 18S&. 



ly Google 



MeDJDgeale Oiteome. 95 

bildung besitzt, eine Erfahrung, die eine gewisse Theromorphie 
einschliesst. 

Fast immer liegen die Osteome ftuf der inneren Fläche derDnra 
parietalis calvariae, oder auf der einen oder anderen Seite dee Sichel- 
fortfiatzes platt auf, gleichsam bIs ob sie aufgeklebt oder unabhän- 
gig neben der Haut entstanden wären. Es erfordert ein sehr ge- 
naues Nachsehen, um za erkennen, dass auch hier Immer ^ine 
dfinne fibrOse Lage Ober die Oberfläche fortläuft, welche sich wie 
ein äusseres Periost verhält, namentlich Genis36 trägt Der nene 
Knochen ist fhst immer, auch in seiner Gesammtform, platt oder 
plancoDTex, so dass die freie Seite flach gewdibt ist nnd die Bän- 
der sich allmählich Terjfingen. Hänflg Isafen sie in sehr feine, 
jedoeh nicht Über die Oberfläche hervortretende Spitsen ans. Die 
innere Masse ist fast immer compact; zahlreiche Gefässkanäle 
durchziehen die Substanz, welche ans geschichteten Lamellen tod 
Knochengewebe zusammengesetzt ist*). Die benachbarte Fläche 
der Dura ist nicht selten von vascularisirten Pseudomembranen 
bedeckt; die entsprechende Hirnpartie hat einen Eindruck. 

An der Dura mater spinalis kommen ähnliche Knochenbildnn- 
gen, wie es scheint, nicht vor. Allerdings ist auch an ihr eine 
Ossification ••) beschrieben, aber nicht in der Form einer Geschwulst, 
sondern mehr in Form einer diflusen Neubildung. Diese findet sich 
auch an der harten Hirnhaut zuweilen***) in sehr grosser Ans- 
debnung. Ich habe den ganzen vorderen Abschnitt so verändert 
gesehen, dass fast die ganze Dicke der Haut in eine Reibe 
dem Knochen sehr dicht anhaftender Platten verwandelt war, 
welche nach der fteien Seite unregelmässige, bftckerige oder ziem- 
lich kurze und feine Vorgprünge besassen. Dieser Fall hat in- 
sofern allerdinge für die vorliegende Frage Bedeutung, als er zeigt, 
dasB die Dura mater eine gewisse Prädisposition zar Kno- 
cheohildung besitzt, und dass die zuweilen hervortretende Produ- 
ction multipler Osteome sich dtirch diese Prädisposition erklärt. 



*) Valentin. Repertoriuin fSr Aaat nnd Phys. Berlin. 1836. Bd. I. 
S. 320. Jul. Vogei. kones bistoloeUe path. Tab. V, fig. VII.-IX. 

•*) S. W. Wilks. TranaacL of the Path. Soc. London. Vol. VII. p. 36. 
Cruveilhier. Traite etc. T. III. p. 840. 

•") Di|oni8. DescrlpL d'une oreille du coeur extr. dilat. (bei Mor- 
gftflDi Ep. XXV. arL 8.). Cruveilhier. Essai. T. 11. p. 21. Traite. T. 111. 
p.837. Flower. Traneactof tUeLond. Patb. Soc. 1857. Vol.VUI. p.26.fig. 3. 



lyCoogle 



9@ Si«luetuite Torlening. 

Faet nir^nde habm wir eia besseres Beispiel znr ErUntenug 
der Prädisposition Qtterliaiipt, und icti denke, wenn jemand di« 
mnltiplea Osteome der Dura mater mit irgend einer andern Art 
voD multipler Gesehwulstbildung vergleicht, so wird er sich zu- 
gleicl) über die Berechtigung der Lehre von den Diathesen und 
Dyskrasiea leicht ein Urtheil bilden köanen. 

Zu den seltensten Formen gehören die im Innern der 
Centralapparate selbst vorkommeoden Osteome, wie sie ins- 
beeondere in der Hirasubstanz sich zuweilen vorfinden. Aller- 
dings ist schon seit eiaigen Jahrhunderten eine nicht gerii^e Zahl 
von Fällen in der Literatur aufbewahrt worden, in denen man 
Gehirnknochen und Gehirnsteine aufgeieichnet bat*). Di- 
dese gebßren sie nicht alle in dieselbe Kategorie. Verkalkte 
Cysticerken, SandgeschwüUte, einfache Verkalkungen sind un- 
gleich häufiger, als wirkliche Enochuigeschwnl&te mit wahrhaft 
knöchernem ßwa. Von den älteren Fällen ist dies der Mehrz^ 
nach nicht mehr auseumachen, wie man leicht aus der Zusam- 
menstellung von Lallemand**) über die Indurations ossenses er- 
sehen kann. Nur einzelne Fälle, welche sehr genan beschrieben 
oder abgebildet sind, lassen nicht fftglicb einen Zweifel zu. So 
fand Simms im Vorderlappen des Gehirns eines 10jährigen Min- 
den Mädchens, das 3—1 Jahre hindurch Zittern in den Gliedern 
gehabt hatte, eiuMi grossen, unregelmässigen, von Eiter umgebenen 
Knollen mit einer beträchtlichen inneren Höhle, der nach der 
Abbildung bei H o o p e r ***) nicht wohl etwas anderes gewesen sein 
kann, als ein wahrer Knochen. Benjaminf) beschrieb eine 
über Wallnussgrosse, von einem Periost und einer Fettgewebs- 
capsel umgebene Knochengeschwulst, welche das Corpus catlo- 
sum einnahm, von einer 3'2jährig6n blödsinnigen und rechtsseitig 
gelähmten Epileptischen; das Innere der Geschwulst bestand aus 



•) KentmariD. Lib. de calcnlis in boraiuibns.Tigur. 1565. (Bonet. 
Sepuichretum. Lib. I. Sect. I. ob». GXII.). Triller. Opusc. p. 20 Haller. 
Eiern, phjsiol. T. IV. p. 328. Grading I. c. Vol. l\. p. 488. Vol. III. p.657. 
Wendel a. a. 0. S. 94. CruTeilhier. Essai sur l'anat. path. T. IL p. 80. 
Abrah. Berg. Obserratio tumoris et oasificationis cerebelli. Diss. inaug. 
LipB. 1826. p. 21. Otto. Pathol. Anat. f. S. 127. Andral. Path. Anat 
Deutsch von Becker. Bd. I. S, 239. 

") LalUmaDd. Recbercbes anat. path. rot l'eacepbale et ses d^pen- 
dances. Paris. 1834. T. III. p. 36Ö. 

•") Hooper \. c. PL XIL fig. 7. 
f) L. Benjamin. Mein Archiv. Bd. XIV. S. 662. 



lyCoogle 



Hiro-Odteome. 97 

Bpongiösem, anch mikroskopisch nachgewiesenem Kaoehengewebe, 
desBen Räume von fettigem Mark eiDgenommen wurden. Ben- 
jamin deutet die Geschwulst als verknöchertes Lipom, indess, 
wenn man auch das capsuläre Lipom als Combination zugestehen 
musB, so ist der eigentliche Kern der Bildung doch ein mednl- 
Idaes Osteom. Ich habe ein ganz ähnliches, Jedoch nirgends mit 
Lipom in Verbindung stehendes Gewächs bei einem 27 Jahre 
alten, früher ganz gesunden Dienstmädchen, das im Wochenbett 
gestorben war, in der linken Grosshirn- Hemisphäre gefunden. 
Nicht tief unter der convexen Oberfläche, etwas hinter der Mitte 
der Hemisphäre, inmitten wenig veränderter weisser Gehimsub- 
stanz sasB ziemlich lose, nur von einem gefässreichen Bindege- 
webalager umgeben, ein randlicher, unregelmässiger, stark kir- 
Bcbengrosser Knochen; derselbe hatte eine grob maulbeerfi3rmige 
Gestalt, indem eine Reihe grösserer Hficker an der Oberfläche 
hervortrat. Unter einer sehr festen, flbrOsen j,. j^, 

Hülle kam eine äusserst schwer zu durch- 
sägende, gelbliche, durchscheinende, fast horn- 
arttg aussehende Rinde von 1 — 2 Linien Dicke, 
welche nach innen allerlei Vorsprünge bildete 
und eine -vollständige Markböhle umschloss. 
Diese enthielt wieder an einigen Stellen reines, 
fettiges Mark, war also ganz ähnlich in ihrer 
inneren Einrichtung der Markhöhle des vor- 
her beschriebenen Osteoms vom Darmbein 
(S, 1 1). Schliife durch die Rinde zeigten ein sehr dichtes, von 
zahlreichen, zum Theil fetthaltigen Markkanälen durchzogenes Kno- 
chengewebe. Nur die äusserste Rindenschicht war ganz petrih- 
cirt, ohne Zellen, glasartig homogen. Da, wo sie in das umge- 



Ktg. 121. MednllCaes, heteroplastisehea Osteom des Grosshirnea, mittCD 
durchaSgt Haa sieht aussen die io maulbcerförniige Erhöhungen auslau- 
feode, compakte Kinde mit feiner, fibröser HGlIe, innen die MarkhOhle, in 
welcher ein durchschnittener Knochenbalken mitten darin liegt. (Präparat 
No. 9a. vom Jahre 1858). Natürliche Grösse. Die Person war ihrer Angabe 
nach früher nie erheblich krank gewesen, und hatte nur in den letiten Mo- 
naten ihrer Schwangerschaft bisireilen an schnell Tora hergehen den Pluxionen 
iBiu Ko|>f gelitten. Ihre Entbindung ging gut von Statten und das Wochen- 
bett Terlief bis zum 11. Tage, massigen Stirn kopfseh merz abgerechnet, ^Un- 
stig. Dann erkältele sie sich schwer und starb schnell an jauchiger Peri- 
tonitis mit Diarrhoe. Bei der Sektion fand sich ausser dem Hirnosteoni 
noch ein frisches difFnses Osteophyt der Scbädelknoeben, auch äuBserlich. 

VlTIbow, 0<9cli>a]*le. 1. 7 



lyCoogle 



98 Siebzehnt« Torlesong. 

beade, fibrOse Gewebe öberging, seigteo sich kugelige Ealkcon- 
cremente, welche stellenweise verecbniolzen und dann das Ans- 
sehea yon Bogenannter Globularmasse darboten. — Eine andere, 
kleinere, ziemlich unregelmäSBig höckerige, aber aus deutlicher, 
compakter Knocbensubstanz gebildete Geschwulst traf ich in 
Würzburg bei einer seit ihrem zehnten Jahre an Paralysis agi- 
tans der rechten Seite leidenden 40jährigeD Frau in dem linken 
Thalamus. — Einen dritten Fall beobachtete ich *) bei einer alten 
Jungfer, die 9 Jahre geisteskrank gewesen war; hier lag ein stark 
Kirschkerngrosser, gelblicher, elfenbeinharter Knochen am vorde- 
ren Ende des Arbor vitae vom unteren Wurm des Kleinhirns dicht 
über der Decke des 4ten Ventrikels.' Feine SchlifTe zeigten sehr 
BchOne, ungewöhnlich grosse KnochenkOrperchen und vereinzelte 
Ge&sskaniile. Ringsumher war die Himsubstanz atrophirt und skle- 
rosirt, namentlich war die weisse Substanz vollkommen knorpel- 
artig dicht und hatte einen leicht gelblichen Schimmer. Die be- 
nachbarten Gyri waren sehr verkleinert, Oberhaupt schien die 
ganze Umgebung, selbst ein Theil der V entrikelwand , gegen die 
Geschwulst hereingezogen. 

In allen diesen Fällen war von Knorpel nichts wahrzuneh- 
men, vielmehr bildete eine bindegewebige Substanz die Matrix 
des Knochens. Dieses Bindegewebe ist ein irritatives Produkt der 
Neuroglia und insofern erscheint die Osteombildung als das Ende 
einer circumscripten EncepbalitiB. Es liegt daher auf der Hand, 
dass die Symptome bei Lebzeiten wenigstens längere Zeit hindurch 
aiesen Charakter der Reizung zeigen werden'"). Am meisten 
tritt dies in gewissen Fällen von chronischer Encephalomeningitis 
hervor, wo die Dura mater mit der Oberfläche des Gehirns ver- 
wächst und eine tief in die Hirnaubstanz eingreifende Sklerose 
die Folge ist. Ich habe solche Fälle beobachtet, wo ausge- 
dehnte Osteombildung in diesen sklerotischen Stellen entstanden 
war. Freilich kann dadurch leicht ein Aussehen zu Stande kom- 
men, als ob es sich wesentlich um ein meningeales Osteom h&n- 

*) SekÜoD vom 13. Jaai 1846. 
**) Chr. Vater (Hiscell. ka^i. aat. carios. Dec. III. Ann. IX. et X. 
1701 — 1105. p. 391) beechreibt sehr gut eioea solchen Fall. Eid Student 
verfiel uach längerer Hypochondrie und Wechaelfieber in allgemeinen Stu- 

Eor mit Parnljrse und Atrophie des linken Armes; xeit«eise melancholische 
elirien. Bei der Antopsie fand sich ein grosses KnocbeustQck im rechten 
Thalamus, so hart nnd weiss, wie dos FelseobeiD. 



lyCoogle 



OBteome des Hirns nnd des Aagee. 99 

(leite. Albers*) schildert einen derartigen Fall von einer 35- 
j&hrigen Fran, wo die Hälfte einer KleinhirDhemisphäre von einer , 
solchen VerknOcberung eingenommen war, um welche die H&ate 
verdickt, Yerwachsen, and die Birnsubstanz sulzig erweicht war. 
Ich habe dasselbe an der Conyexität des Groashirns gesehen. Man 
kann hier je nach Umständen von einem Osteom oder von einer 
Oasification des Gebims sprechen; darQber entscheidet nur die 
Form nnd GrOsse der Neubildung, und obwohl nicht alle Fälle 
von sogenannter Ossification des Gehirns hierher gehören, welche 
in der Literatur aufgezeichnet sind, so ist es doch auch nicht zu 
bezweifeln, dass nicht alle auf Exostosen der Schädelknoclien zu 
beziehen sind (S. 39), wie namentlich S&mmering und Otto**) 
vermnthet haben. Gerade das Kleinhirn scheint zu Verändemngen 
der Art sehr zu neigen *••). 

In vielen dieser Fälle ergiebt die Krankengeschichte nichts 
Ober die Orsachen der Erkrankung. In einzelnen sind trauma- 
tische Einwirkungen auf den Schädel angeführt. Ob sie wirklich 
die Veranlassung waren, dürfte schwer auszumachen sein; so viel 
aber ist nicht za bezweifeln, dass die Osteome auf vorausgegangene 
Reizungen und entzündliche Lobularaffektionen hinweisen. Dies 
wird namentlich durch eine ganz parallele Beihe von VerknOche- 
rangen deutlich, welche sich im Innern des Angesf) bilden. 

Verhältnissmässig am häufigsten finden sich hier kleine Os- 
teome an der freien Seite der Choroidesff), also an derjenigen 
Haut, welche das Analogon der Arachnoides darstellt. Es sind 
meist platte Knochen, welche der Gefässhaut äusserlich anzulie- 

*) Albere. ErlSuteruogen zu dem Atlas der patb. Anatomie. Bonn 
1832. Abth. 1. S. 139. vgl. Wilks Catalogue of Guj's Hosp. No. 167580. 

**) Sümmering. Zusätze zu Baillie Anatomie des kraoLh. Baues. S.268. 
Otto. Seltene Beobachtungen. Heft I. S. 79. 

"') Hooper 1, c. p. 63. Lieotaud. HUt. de l'Acad. des sc. 1737. Obs. 
anat. 8. Greding I. c. Vol. III. p. G57. Ranvier. Bullet, de la soc anat. 
1862. p. 219. 

t) Rud. Haier. Berichte der naturf Oes. zu Freiburg i. 6r. 1858. 
No. 30. S. 521. Taf. XIV. Fig. 3-*. Arn. Pagensteclier. Archiv f. 
Ophthalmologie. 1860. Bd Vll. 1. S. 99. Taf. U. 

tt) Morgagni. De sedibua. Lib. IV. Epist. LH. art. 30-31. Voigtel. 
Patb. AuaL Bd. 11. S. 97. v. Aramon. Zeitschr. Bd. I. S. 329. J. C. Sy- 
bol. Reil'» Archiv rat Physiologie. 1802. Bd. V. S. 62, Fleischmann. 
Leichenaffonngen. 1815. S. 202. Panieza. Deber den Markschwamm des 
Auges. Weimar. 1828. S. 16. Fig. 8. Schön. Patholog. Anatomie das 
meuschl. Auges. Hamb. 1828. S. 188.322. Heseelbach. Besibreibung der 
WflnburKer FrSparate S. 376. No. 489. Crnveitbier. Traite d'anat patb 
T. III. p. 858. 



lyCoogle 



100 Siebiebote Vorlesung. 

gen, oder an die Stelle der Retina getreten m eein Bchelueu nnd 
daher öftere als OssifikationoD der Retina beschrieben wurden*). 
Meist liegen sie im hinteren Abschnitte des Auges; zuweilen er- 
strecken sie sich ganz weit nach 'vom. Sie bestehen ans gutem, 
dichtem, massig gefässreichem Knochengewebe**), das in der 
Regel aus fibr^tsem Bindegewebe, zuweilen aus Knorpel***) her- 
vorgeht Als Geschwülste haben sie wenig Bedeutung; dass sie 
aber ein Auegang chronischer Choroiditis sind, ist unzweifelhaft. 
Etwas anders liegt die Sache mit den Osteomen des Glas- 
körpers, welche weit häufiger aJs wirkliche, wenn^eicb kleine Ge- 
schwülste von mehr abgegrenzter und zusammengedrängter Gestalt 
erscheinen t). Allerdings hat man sie häufig als blosse Stein- nnd 
Concrementbitdungen bezeichnet, allein schon t. Wittichft) hat 
ihre Knochennatur bestimmt nachgewiesen und ich selbst habe diese 
Beobachtung nur bestätigen können ftt)- Insbesondere bei Pferden 
ist diese Veränderung ziemlich häufig. Jedoch findet sie sich auch 
beim Menschen nicht ganz selten. In der Regel besteht gleich- 
zeitig Pbthisis (Atrophia) bulbi*t) in Folge von voranfgegangenen 
eiterigen, mit Zerstörung der Cornea verbundenen Processen. 
Manchmal ist aber die Cornea erhalten. Regelmässig geht eine 
Entz&ndung des Glaskörpers (Hyalitis) voraus, in Folge deren 
dieser Körper in eine derbe, fibröse, bald sträng-, bald kolben- 
förmige Masse zusammenschrumpft. Inmitten dieser Masse und 



*) Schon a. a. 0. S. 200. Aadral. Clioique m4dicale. Paris. 1840. 
T. V. p. 115, 121. 

") Valentin. Repertorinm für Anat. u. Phjs. Berlin. 1836. Bd. I. S.320. 
PuToari. Oaz. des hOp. 1845. No. 12S. Wedl. Path. Histologie. S. 607. 
H. Müller. Archiv f. Ophthalmologie. Bd. IV. 3. 8. 887. WOrab. Verh. 
Bd. IX. Sitz. Ber. S. LIV. Despres. Bullet, de la soc. anat. 1862. p 389. 
Kirk. Transact. of the Path. Sog. London. Vo!. VI. p. 300. PI. 5I1J. fig. 2. 
Hnlk(. El.erdas.VIll. p. 319 — 320. PI. Vll. fig. 1 — G. Obre. Ebendas. 
Vol. XI. p. 226. fig. 21. E. Hart. Ebendas. Vol. XUI. p. 212. Sichel. 
Iconographie ophtbalmologique. Paris. 18Ö2-18Ö9. p. 432,438,494. PI. LIX. 
fig 1. Stellwag \. Oarion. Ophthalmologie. Bd. U. I. S. 432. 
•") Sichel a. a. 0. p. 497. 

t) Morgagni. De sedibas. Lib. I. Epist. XIII. art 9. Sybel a. a. 0. 
S. 24, 3ö9. Schön a.a.O. S. 216, 219, 223. Stell wag t. Carion, Oph- 
thalmologie. Bd. I. S. 711. 

tt) V. Wittich. Hein Archiv. 1863. Bd. V. S. 680. 
ttt) Virchow. Archiv. 1864. Bd. VI. S. 416. 

*t) T- Animou. Klinische Darstellungen der Krankheiten des menschl. 
Auges. Berlin, 1638. Taf. XVIll. A. FOrster. Atlas der mikrosk- pathot. 
Anat. Taf. XXXV. Fig. VIIl-IX. Sichel a. a. 0. p. 439. 



lyCoogle 



Oateome der Lnogeii. 101 

twar mehr an ihrem vorderea Ende entsteht das Osteom. Ks 
liegt daher meist dicht hinter der Linse, oder wenn dieee ver- 
loren gegangen ist, an ihrer Stelle. Daraus gehen leicht Ver- 
wechselungen hervor, indem man das Osteom des Glaskörpers 
ftr eine verknöcherte Linse nimmt. Nnr ans einer solchen Ver- 
wechseliu^ wird die Angabe selbst ganz erfahrener Beohachter*) 
erklärlieh, dass sie in verkndcherten Linsen wirkliche Knocben- 
kftrperchea gefunden hätten. Denn die Linse ossiKcirt nie, sie 
kann nur petrificiren**). — 

Nicht minder sonderbar sind die Osteome an den Respira- 
tionsorganen , wo normal Knochen gar nicht vorkommt. Ich 
spreche hier nicht von der Ossitieation der Knorpel der Luftwege, 
auch nicht von den möglicherweise daraus hervorgehenden £c- 
chondroeen und Exostosen, die ich schon früher (Bd. t. S. 441) 
bebandelt habe, sondern gerade von dem Theil, wo wir Knochen 
am aUer^^'enigsten erwarten sollten, nämlich von den Lnngen 
selbst Auch hier kommt zuweilen eine sehr ausgedehnte Ver- 
kalkung (Petrification) vor, wie ich sie namentlich als meta- 
statische beeehrieben habe**). Von ihr ist hier natürlich nicht 
die Rede. Ebenso sind die Verkalkungen und Ossificatiouen der 
Pleura (S. 91) ausgeschlossen. Man muss sich ferner wohl hüten, 
die Lungensteine (Calculi pulmonales) damit zu verwechseln, 
welche nichts weiter als Petrificationen von eingedicktem Eiter 
sind. Ich meine wirkliche Geschwülste mit Knochenstrnctur, 
welche sich im eigentlichen Farenchym der Lunge entwickeln f). 

Fälle dieser Art sind ziemlich selten. Am häufigsten sind 
es vei^stelte Bildungen, welche von einem etwas festeren Punkte 
ans Enochenspitzea und Strahlen ausgehen lassen, welche sich 
durch ditö Farenchym in einer gewissen Ausdehnung verbreiten. 
Zuweilen kommen aber auch mehr geschlossene, selbst im Innern 



') Rod. Wagner. Nachrichten von der Göttinger Societät. 1851. Ho.8. 
R. Maier a.. a. 0. S. 528. 

**} Vircboir. CaDstatt'g Jahresbericht für 1851. Bd. 11. S. 19. H. Mal- 
ier. Wflrzbarger Verhaadl. 1866. Bd. VII. S. XXXV. u. XLVII. Siebe) 
a. ft. 0. p. 436. A. Pagenstecher a. a. 0. S. 115. 

•") V irch o w. Archiv. Bd. VIII. S. 103. Cellularpathologie. 3. Aufl. S. 345-46. 
t) Voigtel. Pathol. Anat. Bd. II. S. 277. OruTeilhier. Essai aar 
l'anat. path. T. II. p. 113. Traitö d'anat. path. gSner. T. 111. p. 862. Vir- 
chow. Archiv. Bd. VIII. S. 105. Luschka. Mein Archiv. Bd. X. S. 500. 
A. FCrster. Kbendas. Bd. XIll. S. 105. E. Wagner. Archiv für ph;Bio1. 
HeJlk. 1869. S. 111. Rokitansky, pathol. An^t, 1861. ^d. IIJ. S. 80, ' 



lyCoogle 



102 Siebzehnte Vorleanng 

spongiöse Osteome Tor. Manchmal sind sie Bolitftr, zuweilen 
multipel, im letzteren Falle gewöhnlich klein. 

Das grOsste Präparat, welches vrohl überhanpt bis jetzt beob- 
achtet ist, erhielt ich vor einigen Jahren von Herrn Port*) in 
Nürnberg. Es ist eine über Faus^oeee Geschwulst, welche bei 



einer 74jährigen Frau gefunden wurde, von der besondere Stö- 
rungen nicht weiter bekannt waren. Sie starb als Pfründnerin 
im Hospital. Das Osteom nimmt die linke Lungenspitze ein. 
lieber dasselbe verläuft eine mehrere Linien dicke, callöse Pleura, 
welche -sich von der Geschwulst ziemlich leicht trennt. Nach 
ihrer Ablösung erscheint eine äusserst harte, gelbliche, leicht un- 
ebene Knochenmasse, welche sich tief in das Innere erstreckt. 
Man erkennt deutlich, dass sie im Lungenparenchym selbst ent- 
wickelt ist, denn man kann grosse Geisse und Bronchien in sie 
bineinverfolgen, und auch in ihrer Mitte finden sich hie und da 
noch unveränderte, durch ihre schwarzen Flecke deutlich erkenn- 
bare Züge von Lungensubstanz. Die Hauptgeschwulst setzt sieh 



Fig. 122. Heteroplaetiaches Osteom des oberen LuDgenlappens. a ein 
Duichachnttt der Lungenarterie, b ein Bronchus mit verdickter Wand, der 
In die KnocbenmHsae eindringt, pp die stark verdickte Pleura, welche obeu 
von der ganz elfenbeinernen, leicht warzig erscheinenden Knochengeschwulst 
abgezogen ist. Die Geschwulst selbst setzt sich aus vielen unabhSogigen 
Lappen, Inseln und Knfitfhen zusammen, zwischen denen hier und da noch 
erhaltenes, schwarz gefärbtes Lungengewebe Dbrig ist (Präparat No. 173. 
vom Jahre lSö8). 

•) Jul. Port. Mittheiluns einiger seltener Sectionebefnode tob Grei- 
sen. Inaug. Abh. Wlirzburg 1858. S. i, 7. 



lyCoogle 



Lnsgen-OsteoiD. 103 

BUS mehreren, gegen einander yerschiebbarea Knoten oder Läpp- 
chen zusammen. Neben ihr öaden sieh eowoh) im oberen, als 
im unteren Lappen mehrere ganz isolirte, zum Theil bis Wallnuss- 
grosse HeerdS. Auch setzt sich eine grosse, längliche Knochen- 
masse über den Hilus hinaus nach unten hin fort, dicht unter 
dem ATediftötinum. Das übrige Lungenparenchym ist stark scbwarx 
((el^rbt, hie und da leicht emphjsemaUts und in der Nähe der 
Knochenknoten zum Theil einfach verkalkt. Auf dem Durchschnitt 
erscheint die Masse des Osteoms sehr verschiedenartig. Stellen- 
weise sieht sie porös aus, gleichsam als ob nur das Alveolai^e- 
rfist der Lunge ossiiicirt wäre; gimz compakt ist sie nur an den 
Käadem. Von diesen ragen in das umgebende Parenchym an 
fielen Stellen kleine rundliche oder längliche, manchmal wurm- 
förmige, hie und da platte und ästige Vorsprünge, hirse- bis 
hanfkorngrosB , hinein, welche sich leicht hervorheben lassen, 
dann gestielt eisclieinen, an kleinen fibrösen Fäden und Blät- 
tern hängen, und glattwandige Höhlungen (erweiterte Alveolen 
oder Lymphgefasse ?) zurücklassen. Mikroskopisch zeigt sieh 
überall sehr schönes Knochengewebe, an der Oberfläche in con- 
centrischer Auflagerung, ganz ähnlieh den elfenbeinernen Exosto- 
sen. An den porösen Stellen finden sich kreisrunde, mit Fett- 
lellen erfüllte Markräume, welche den Lungen- Alveolen so ähn- 
lieh sehen, dass Hr. Port sie damit verwechselt hat Von den 
früheren Geweben ist an vielen Orten gar nichts zu sehen; an 
anderen liegen noch Faserzüge und Pigment im Innern der Kno- 
chenbalken. Von Knorpel habe ich keine Spur wahrgenommen. 

Diese Form darf nicht verwechselt werden mit den metasta- 
tischen Osjteoidgeschwülsten , welche in ähnlicher Weise in der 
Lunge vorkommen können (Bd. l. S. D32, 534). Kleine Knochen- 
Knoten findet man öfter in der Lunge, und da kommt es manch- 
mal vor, dass man frühere Entwickelungsstadien nicht findet. 
Ich selbst habe sowohl ossificirende Enchondrome (Bd, I. S. 507), 
als auch Myxome (Bd. L S. 430) gesehen, die stellenweise in 
knöcherne Massen übergingen; ich kann aber nicht sagen, ob 
das .der regelmässige Ausgang der Lungen- Osteome ist. Jeden- 
falls besteht späterhin fast die ganze Masse aus reinem Knochen, 
welcher die Alveolen füllt und daher ein felnlappiges oder kör- 
niges Aussehen bewahrt. — 

Die seltenste und zugleich wunderbarste Form der hetero- 



lyCoogle 



104 Siebzehnte Vorlesung. 

plaBtischen Knocheogewächse mochten wohl die kleinen Oste- 
ome der Haut*) darstellea, welche sich zuweilen bei alten 
Leuteo entwickeln und sowohl wegen ihrer Multiplicität , als 
deswegen von Interesse sind, weil sie die kleinste bekannte Art 
der medullösen Osteome überhaupt darstellen. Sie erscheinen 
als kleine, sandförmige Körner in der Cutis selbst und awar meist 
in den oberflächlichea Schiebten derselben, zuweilen auch in die 
unterbaut hineinreichend. In der Regel entstehen sie wohl ans 
Bindegewebe, doch hat Wilckens an einzelnen auch knorpelige 
Stellen gesehen. Ich traf bei einem 28jährigen Manne in der 
Gesichtsbant eine grosse Menge meist hirsekorngrosser Knoten 



dieser Art. Sie stellten mikroskopisch dasselbe dar, wie ein 
markhaltiges Osteom im Grossen : man sieht ringsherum eine ziem- 



Fig. 133. Mikroskopischer Durchschnitt eines miliaren ll&Dt-OBteomes 
bei 160 maliger Vergrösserung. 1d der ganz compakteo Rinde keine Spnr 
von GefUsskanälen , Boudern nur compakte Substanz in concen Irischer An- 
ordnung mit etwas unregelmässig »ertheilten R noch enkOrperc heu. (PrSparat 
No. 109. vom Jahre 1855). 

*J M. Wilckens. lieber die Verknöchernng und Verkalkung der Hant 
und die sogenannten Hantsteine. Inaug. Abh. GötUngen. 1858. S. 18. Pig. 1—4. 



lyCoogle' 



Hetf^roplaBÜBcfae Osteome. 105 

üeh breite, gtaa elfenbeinerne, kaum geschichtete Rindenlage mit 
Epärlichen, parallel geordneten EnochenkOrperchen, innen dagegen 
eine rundliche oder buchtige HOble mit blasigem Inhalt Die älteren 
Beobachter scheinen diese Bildungen meist für blosse Concretioaen 
gehalten zu haben; wenigstens meine ich, dass manche Angaben 
z.B. die Ton Joh. Fr. Meckel*) über kleine Bantsteine in den 
Talgdrüsen auf die beschriebenen Osteome bezogen werden müs- 
sen. Ob die letzteren nnter Umständen eine beträchtlichere Grttsse 
erreichen kOnnen**), weiss ich nicht; wahrscheinlich sind diese 
grosseren Geschwülste auf Atherome mit verkalktem Inhalt (Bd. I. 
S. 229) oder mit wirklich verknöchertem Pericystium***) zu 
beziehen. — 

An fast allen andera Weicbtheilen kommen eigentliche Kno- 
chengeschwülste überhaupt nicht vor, obwohl man oft genug von 
Knoehennenbildungen gesprochen bat. Meist handelt es sich, wie 
bei dem Herzen, um blosse Verkalkungen, oder, wie bei den 
Arterien, um so flache Platten, dass sie hier ausser Betracht blei- 
ben können. Wo grössere, eigentlich gescbwulstbildende Ver- 
knöcherungen sich finden, da sind sie gewöhnlich ossificirende 
Geschwülste anderer Art. So schildert Wilksf) ein 3 — 4 Zoll 
grosses Osteotibroid, welches am Herzen attfsass, also von den 
froher so oft beschriebenen Herzknochen ganz verschieden war, 
Nur der sogenannte Penisknochenff), welcher aus dem fibrö- 
sen Septnm zu entstehen pflegt und eine Theromorphie darstellt, 
könnte zu den Osteomen gerechnet werden. 



•) Voigtel. Path. Anat. Bd. I. S. 85. 
") Wilks Catai. Gny'B Hosp. Mus. No. 165460. 
•") Wilcteoa a. a. 0. S. 2t. fig. 6-7. 

t) ffillcs. Transact. of tbe Patb. Soc. Lood. Vol. VIII. p. ICO. 
ft) W- Oruber. Heae Anomalien. S, 62. 



lyCoogle 



Achtzehnte Vorlesung. 



7. Februar 1863. 



Psamnene, Hflanene, Gli9M^ 



«ebe und mm Epllbe). Coiimllon. Die pMnmDin« ils Geicbwnlila nil blndegBuebfg« 
GruDiUigv. Indurallre und papijl&re HvperpliaU der AdergeBtcLU. Pummsoa der Dun . 
Diiler: ZiiBiQimeiiseliung. UntFrachicd von ■BndMbrtnden Eptlhellalgeich Wülsten, SIti und 
ttedsuLnDE, hjpeniliialiselie Hilur, Beilebnug in Pacbfnenlngllie und SchUfil - Bioatnaen. 
Fiammome der Hlrnaubstani. Suidkerpei In hjmpMnmv, Mlli nod tnderen Geicb>ülglcn. 

CanJuncUvi. Hiut. VerhSIKilii iwlachni Haut- und Pia-niiler-PIgneiit. 

Ibr« SldluDg Hl Scblelm-, Knorpel- und Bindegewebe ; ibr Bau. Ependym. IntanltUelle Hrpar- 
plieli dei 0«b<rni. Ilfperplastiechei Gliom: Varietüten und etruclnr ddielbea. DiSuir, 

Gebirnei; Verbiltnln lui parllelleo BkleroBS (SUsroni)! markige, fibrfie*, Hblelraige, 

Ntrian: Acoitlcna. Retlns: VsrhUt.lii tum Uarkittavamm und Bukom; anbretlmds Ex- 
ludBtF; H«UTome d«r KeHna, du anuinrDtlscbe Katieoangii; pBeudencepbalold, Ujpertropble 
der Rtdna; Entwlckelung aus. dem InUritlUsllen Gewebe der Bellnui Wacbeibum; gulr 
und bSiattig« Form. Hetaroplasllicbee Gliom. Smt. 

Wir fiiod in den Toraufgegangenen Vorlesungen diejenigen 
Geschwulstformen, welche sich an die bekannteren Gewebe der 
Bindesubstanz anreihen, durchgegangen. Was darnach von dieser 
Abtheilung noch übrig bleibt, ist ein liemlich schwieriges Gebiet, 
welches je nach Umständen bis jetzt wenigstens sehr durcheio- 
ander behandelt worden ist und für welches insbesondere sehr 
häutig promiscue der Name der Sarkome in Anwendung ge- 
bracht i:;t. Trotzdem, dass unzweifelhaft dieser Name seine volle 
Berechtigung hat, und dass ich hofTe, eine Reihe sehr wohl 
prScisirter Varietäten des Sarkoms vorführen zu können, glaube 
ich doch, dass man schon jetzt innerhalb dieses Gebietes eine 



lyCoogle 



Aendeniiig in den Gebiet der Sai^ome. 107 

gewisse Zahl voa «eiteren Scheidongea Toraehmen muae nod 
dass lielleieht auch noch von dem, was im Augenblicke ge- 
nauer zu bestimmen nicht möglich ist, eine gewisse weitere 
Zthl künftighin wird abgezweigt werden kOnnen. 

Dies gilt besonders von einer Reihe sogenannter Sarkome, 
welche an dem Nervenapparat vorkommen. Meiner Ueherzeu- 
Kong nach mnes bei ihnen eine vollständige Abtrennung statt- 
liaden, und es liegt dies um so näher, als einzelne dieser For- 
men einen ausserordentlich charakteristischen Habitus besitzen. 
Es sind in der Mehrzahl der Fälle hyperplastipcbe Gebilde, die 
ans den beE^onderen bindegewebigen Einrichtungen hervorgehen, 
welche zum Theil die Nerven und die Centralapparate umhüllen, 
Eum Theil die interstitielle Substanz zwischen den primitiven Mer- 
ven-£lementen bilden. Nach ihrem verschiedenen AusgangRpnnct 
kOnnen sie sich sehr verschieden darstellen und sehr charakte- 
ristische Eigenthümlichkeiten zeigen. Andererseits darf ich aber 
nicht verschweigen, dass niclit selten wirkliche Uebergänge zu 
Sarkomen vorkommen, dass daher auch die Grenze gerade die- 
ser Geschwülste gegen die ausgemachten Sarkome ausserordent- 
lich schwer zu ziehen ist, ja dass es Fälle giebt, wo ich mir 
nicht getrauen würde zu sagen, ob man das Ding betrachten 
solle als eine blos hyperplastische Entwickelung, oder als etwas 
nesentltch Anderes. In noch viel höhereni Maasse gilt dies na- 
tSrlich von der Literatur, aus welcher überhaupt nur sehr wenige 
genauer untersuchte und beschriebene Beispiele beigebranht wer- 
den können. 

unter diesen Formen zeichnet sich eine sehr aufi&llig aus 
durch die Anwesenheit eines an sich sehr charakteristischen Be- 
Btandtbeiles , nehmlich des Gehirnsandes, — derselben Bil- 
dung, wie wir sie in einer bekannten Anhäufung (Acervulus ce- 
rebri) an dem vorderen Umfang der Glandula pinealis erwach- 
sener Personen sehr hüufig antreffen und wie sie in den Plexus 
choroides und an manchen anderen Stellen der Häute (Dura 
matei' cerebralis und ftpinalis, Arachnoides, besonders in den 
Pacchionischen Warzen) sich oft ziemlich reichlich verbreitet fin- 
det*). Die Menge, in welcher Gehirnsand in solchen Geschwül- 



■) Vircbow. WOrzb. Verh. 1851. Bd. 11. 8 63. Arlidge. British 
aud foreigD med. chir. Kevievr. 1854. OcL No. XJiVll!. p. 411. 



lyCoogle 



108 Achtzehnte Vorlesung. 

BteD enthalten ist, wird häufig so eehr gross, dass man eehon 
beim Schneiden, beim Zufuhlen, ja durch das Gesicht die Köt- 
oer sehr deutlich unterscheiden kann. Man kann daher die Ge- 
schwulst geradezu als Gebirnsandgeschwulst bezeichneo, 
wofür sich der Name des Psammoma*) empfehlen würde 
(Psammos = Sand). 

leb mnss aber sofort bemerken, dass nicht alle Geschwülste 
oder geschwulslartigen Hcerdo am Gehirn, welche eandartige Ge- 
bilde enthalten, in dieselbe Kategorie versetzt werden dfirfeD. 
Wenige Theile des K&rpers haben eine so grosse Neignng, unter 
pathologischen Verhältnissen Kalk in sich abzulagern, als das 
Gehirn und seine Umgebungen. Hier meine ich nur solche Ge- 
schwülste, in welchen die sandartigen Massen den normal am 
Gehirn der Erwachsenen vorkommenden analog sind. Man kann 
zweierlei Kategorien davon unterscheiden. Entweder nehmlich 
liegt der Sand im Innern von Bindegewebsbündeln in den aller- 
m an nieh faltigsten und sonderbarsten Formen; er bildet feste Cy- 
linder, Kolben, Balken, Stacheln oder Kugeln, welche von Binde- 
gewebe umgeben und durch dasselbe an andere Theile derGeachwulst 
festgeheftet sind. Die Kalkkörper haben manchmal eine grosse 
Aehnlichkeit mit den feinsten Osteomformen, welche in wahrhaft 
mikroskopischer Grösse vorkommen können. — Oder der Sand 
liegt mehr lose in und zwischen den Theilen, so dass die ein- 
zelnen Körper desselben leicht zu isoliren sind. In diesem Fall 
bildet er meist rundliche oder eiförmige KDrner, manchmal anch 
grössere, zusammengesetzte Conglomerate (Fig. 124 g). Die ein- 
zelnen Körner zeigen, ähnlich wie der Zirbelsand, eine concen- 
triscbe Znsammensetzung, eine sehr regelmässige Schichtung ans 
feinen, einander einscbliessenden Lagen einer homogenen Substanz, 
die bis zu einem sehr kleinen Gentralkorn in ziemlich geringen 
Abständen in einander geschachtelt sind. In diese concentriscben 
Schichten wird in der Regel Kalk so abgelagert, dass er zuerst das 
Centrum füllt, und dass später Schicht um Schicht der äusseren La- 
gen davon durchdrungen wird, bis endlich die ganzen Körper in 
scheinbar homogene Kalkkugeln verwandelt werden, die beim Druck 



*) HeJnr. Hecke) (Hikrogeologie. Berlin. 1356. S. 2M) proponirt „ftlr 
Liebhaber" Acerfuloma. Da Acervulus nicht den GehirnBand , aondern das 
ko der Glandula pinealie vorkommende Häufchen bezeichnet, bo paset diese 
ßeaeii^nang nicht. 



lyCoogle 



S&ndbtirper der Psunmonie. 
FIc. isi. 



in Stücke, gewOhDlich mit radialea Sprüngen, zerbrechen. Durch 
Säuren kann man den Kalk leicht ausziehen und die organische 
Grundlage wieder darstellen. Hat die Bildung ein gewissee Alter, 
io trift man nur noch um die grSBseren Körner herum einzelne 
Lamellen, die nicht verkalkt sind. Sowohl durch ihre Zusammen- 
setzung, namentlich ihre chemische Beschaffenheit, als auch durch 
ihre Grösse und Härte unterscheiden sich diese Sandkörper sehr 
wesentlich von den Oorpuscula amylacea*), mit denen sie nicht 



Fig, 124. Hikroskopische Ansicbt der BeEtaadtbeile eioes Psammomeg 
der Dura mater. VergiCsseruDg 280. Man siebt die einzelnen Sandkörper 
mit den eoch unverkalkten, äusseren Schichten, links isolirt, rechte im Zu- 
ummenhange mit der flbrigen Substanz. An mehreren Stellen Zwillings- 
türper, bei g ein aua 3 ursprQn gl leben Körpern durch Dmlagerung neuer 
Schichten hervorgegangen es CoDglomerat. v ein Gefäsa, das sich in die 
Hasee veräatelt. 

*) Ich bemerke dabei, daes ich ror Zeiten den Gehirnsand mit den 
Cknpora amylacea unter demselben Namen aufgeführt habe (Würzb. Verh. 
185t. Bd. 11. S. 53). Nachdem ich jedoch die Jodreaction der wahren Cor- 
pora amylacea gefunden hatte (Archiv. 18&3. Bd. VI. S. 135), unterschied 
tch dieselben sehr ßenau von dem Hirosand nnd anderen ähnlichen Oebil- 
deu (Archiv. 1855. Bd VI». S. 140. Würib. Verb. Bd. VII. S. 228. Cellu- 
larpatbologie. 3, Au6. S. 330), welche eich chemisch ganz anders verbalteu. 
Manche Beobachter haben jedoch auch noch später die von mir gebrauchte 



lyCoogle 



110 Achtzehnte Vorlesnng. 

blos ao den Plosna choroideB, Etondern auch in eolchen Ge- 
schwülsten*) verwechselt worden sind. 

Es ist schwer, mit Sicherheit zu ermitteln, wie diese Gebilde 
entetehen: ob sie Abkömmlinge von Zellen Bind, ob sie aus 
der Intercellularsubstanz des. Bindegewebes hervorgehen, oder 
endlich, ob sie blosse Concretionen sind. Heiner Meinung nach 
darf man diese Frage nicht einseitig beantworten , sonst kommt 
man leicht zu Irrthümern und Verwechselungen, 

Es giebt auch ohne Geschwulstbildung an manchen Stellen 
des Gehirns, insbesondere sehr häutig an verschiedenen Stellen 
der Ärachnoides und der Dura mater Sandbildungen, bei denen 
das Bindegewebe in seiner ganzen Substanz verkalkt. Auch hier 
tritt nach der Ablagerung der Kalksalze oft ein concentrischer 
Bau deutlich zu Tage. An der Ärachnoides basilaris, namentlich 
im Umfange der Varolsbrücke und des Trichters sind nicht sel- 
ten kleine, zottige, polypöse, manchmal verästelte Auswüchse zu 
sehen, deren freies Ende theilweise oder vollständig verkalkt ist, 
oder die kalkige concentrische Körper enthalten**). Ganz ähn- 
liche finden sich an den Processus choroides***), an der Zirbel f), 
an der Auskleidung des Meatns auditorius internus ff). Aber 
keineswegs gehören alle Sandkörper der genannten Theile in 
diese Kategorie, namentlich ist der grössere Theil der in den 
Adergeflechten und der Zirbel vorkommenden Sandgebilde an- 
derer Art. 

Nun hat einer unserer sorgtUltiggten Irrenärzte , L n d w i g 
Keyer in Hamburg, eine Reihe von Beobachtungen publicirt, 
wonach sehr gewöhnlich ähnliche Gebilde aus Zellen und zwar 
aus Elementen das epithelialen Ueberzuges der Ärachnoides her- 
vorgehenfff). Ich gestehe, dass ich mich bis jetzt nicht habe 

Bezeichnung festgehalten, was jetzt nar ku IrrthDmem VeranlaasoDg geben 
kann. Buak (Jonrn. of niicroBc. Bcience. 1854. No. VI. p. IGT) gebraucht 
Aen Namen der Corpora chalcedonica, indees scheint mir der alte Name dea 
Sandeä (Arena) oder der Snndkörper (Corpora arenacea) ganz aDsreicfaend. 
*) Arm. Stobbe. De corpuaculis am}>[aceb. Diss. inaug. Regiom. 
185T. p. 24. 

**) Vircbo». Arcbif. Bd. Vlll. S. 407. Entniekelang des ScbUel- 
ernndes. S. 92. 

***) R. lUckel. Hein Archiv. 16&9. Bd. XVI. S. S6T. 
t) Kelliker. Gewebelehre, 5. Anfl. 1859. S. 326. Fig 165, 1. 
++) A. Böttcher. Meio Archiv. 1857. Bd. XII. S 104. Taf. V. Fig. 5. 
ttf) Ludwig Meyer. Mein Arehi». 1859. Bd. XVII. S. 217. Taf. III. 
Fig. 5-6. 



lyCoogle 



Natpr der SandbOrper. Hl 

flberzetsgen kOnaen, ob das wirklich immer ZellenelemeDte des 
Epithels Bind, oder ob nicht auch zellige Elemente dea Binde- 
gewebes Fieh allmählich in echalige KOrper nmbilden kJtnnen, 
welche später der Sitz von Verkalkungen werden. Da aber, wie 
wir spater sehenwerdeo, in gewissen Geschwülsten Zellen mit 
epithelialem Charakter allerdings verkalken, so ist es leicht 
mflglich, dass auch normal verschiedene Modi nebeneinander vor- 
kommen. Ganz sicher ist wenigstens die oben erwSbnte Ver- 
kalkung des ganzen Bindegewebes, nicht blos, wie Meyer*) viel- 
leicht etwas zu sehr hervorgehoben hat, als blosse Vorbereitung 
zur Ossification, sondern als definitive und bleibende Petri- 
fication. 

FAr mich Ut es aber auch ausgemacht, dass ein grosser Theil 
der SandktVrper überhaupt keiner im engeren Sinne organischen 
Formation angehört, sondern einfach in die Reihe der Concre- 
tionen zu setzen ist. Dahin rechne ich die meisten runden oder 
rundlichen, losen oder leicht isolirbaren Gebilde, wie sie in dei 
Zirbel, den Adei^eflechten und vielen Geschwülsten vorkommen. 
Man kann sie von den kleinsten Formen an beobachten (Fig. 125.), 
kleiner als menschliche Blutkörperchen, und schon dann lassen 
sich nach Auflösung der Kalksalse Schichtnagen an ihnen wahr- 
nehmen. Ilir weiteres Wachsthum erfolgt zunächst durch Um- 
lagerung neuer weicher Schichten, später durch Zusammeol!^;e- 
mng und gemeinsame Umhüllung mehrerer. Kerne oder Zellen 
sind an ihnen nirgend wahrzunehmen. Dies spricht entschieden 
für eine mehr unorguiische Entstehung. Ich lasse es dahin ge- 
stellt, ob die von mir früher aufgestellte**) Meinung richtig ist, 
dass die Umlagerung durch Fibringerinnsel erfolge oder nicht. 
Rokitansky***) spricht von „sogenannten Zellenincnistationen", 
welche durch Verknüeherung von Trümmern der Nervensubstanz 
entstehen sollen. Vielleicht denkt er dabei an ausgetretenes 
Myelinf), und ich kann nicht leugnen, dass mir dieser Gedanke 
auch sehr oft gekommen ist Aber dagegen lässt sich bemerken, 
dass die Sandbilduo^en am häutigsten da vorkommen, wo am 
wenigsten Myelin vorhanden ist, dass die organische Substanz 

■) L. Ueyer. Mein Archiv. 1860. Bd. XIX. S. 183. 
") Virchow. Würzb. Verh 1850. Bd IL S. 53. 
*"} Rokitausky. Path. Anat. 1856. Bd. II. S. 413. Fig. iO. 
t) Cellularpathologie. 3. Aufl. S. 320. Fig. 87. 



lyCoogle 



113 Achtielinte VoHesiiiig. 

des Sandes gar keine chemische Äehnlicbkeit mit Myelis be- 
sitzt, und dasB wenigstens sehr ähnliche conceotriscbe Concre- 
tioaen aus KalksaJzen auch in eiofacben Flfissigkeiten z. B. 
Harn und Galle vorkommen*). Mfm wird daher wohlthun, vor- 
läufig diese Art von SaadkOrpem nur als eine nnorganische 
Ausstattung gewisser Gewebsformen und als Begleiter gewisser 
pathologischer Processe anzuseben, nnd wenn sie in Geschwülsten 
TOrkommt, die Stellung der letzteren nur zum Tbeil nach den 
Sandkdrpern, zum wesentlichen Tbeil nach der constituirenden 
Gewebsart zn bestimmen. 

Die Geschwulstfonn, von der ich hier handele, ist aber an- 
zweifelhaFt nicht eine epitheliale, sondern eine bindegewebige. 
Am häufigsten entsteht sie durch langsame Hyperplasie an den- 
jenigen Theilen, welche auch normal grössere Quantitäten tod 
Sand führen, namentlich an den Plexus cfaoroides, am häufigsten 
an denen der Seitenventrikel. Da kann es oft zweifelhaft sein, 
ob man das Ding eine Geschwulst nennen soll, denn bekannter- 
maassen haben diese Plexus an dem Punkte, wo sie sich zum 
absteigenden Hörn herumschlagen, eine stärkere Entwickelung, 
den von den WenzeTs sogenannten Glomus, der schon bei 
massiger VergrOaserung sich wie eine kleine Geschwulst daretellt. 
Jedoch läset sicli bei einiger Uebung die Grenze leicht fin- 
den. Atanchmal wachsen aus der Substanz der Plexus papilläre 
Gebilde**) hervor, welche aus Bindegewebe besteben. Werden 
sie grösser und älter, so verdichtet sich das Bindegewebe, es 
entstehen Sandkörper, und der Auswuchs erscheint lür das blosse 
Auge wie ein knorpelartiger Knopf. Solche Gebilde siebt man 
besonders häufig an dem neben der Medolla oblongata frei zu 
Tage tretenden Theil des Plexus chor. quartus, zuweilen auch 
innerhalb der vierten Hirnhöhle. Bringt man sie unter das Mi- 
kroskop, so sind sie voll von Sandkörpem (Fig. 125.). Am 
Glomus entsteht häufiger eine indurative Hyperplasie, welche bis 



*) Ich mache ditrauf aufmerksam, dasa bei der Cotersnchuag lon Spiritos* 
Präparaten sowohl am Gebirn und Rückenmark, ata auch an Merveo sehr 
oft kugelige Klampen toq Nervenfett und Myelin gefunden werden, welche 
cadaveröse Ausscheidungen sind, aber mauuhmal Sandkürncheu in hohem 
HaasBO gleichen. 

**) Luschka. Die Adei^eSechte des meDschlichen Gehirns. Berlin. 
1855. S. 118. Taf. II. Fig. 9. 



lyCoogle 



pBanmoine der Adergcdechte. 

Fl«. J2y 



Wallnusegrosse Geschwülste bildet*). Daes alle dieee Bildungen 
einen irritativen Ursprung haben, genisBermaasseD Producte chro- 
niBcher Eotzündung sind, geht schon aus ihrem Bau hervor, er- 
liellt aber noch viel deutlicher aus ihrem Vorkommen bei ehro- 
nischen Reizangen der Tela choroides und des Ependyms, wie 
sie bei Geistes- und Krampflcranken nicht selten sind. 

Noch viel aufTallender aber sind diese Bildungen, wenn sie 
Beheinbar beteroplaaliech vorkommen. Das ist am häufigsten an 



Fig. 13Ö. Polypöses Psammom des Adergeflechtes der 4. HirabChle. 
VergrSsseruag 135. In der bindegewebigen GTandsubstani zafalreicbe, zum 
Tbeil ganz kleioe Sftodkörper. 

*) G. H. Bergmaoa. Neue Untersuchungen über die innere Organi- 
sattoD des Üebirns. Kann. 1831. H. 12. J. M. E. van Gbert. Disquis. aoat. 
path. de plexubus choroideis. Traj. ad Rben. 1837. p. 81. B. Häckel 
». a. 0. S. 270. 



liCoogle 



114 Achtzehnte Vorleeang. 

der Dura mater der Fall. Eine nicht geringe Anzahl der nach 
innen gehenden sogenannten Sarkome der Dura mater gehören 
in dieses Gebiet. Die Menge von Sand, die sie enthalten, ist 
manchmal so ausserordentlich gross, dass man von dem anderen 
Gewebe, welches noch daen kommt, sehr wenig wahrnimmt, wäh- 
rend dieses anderemal den Hauptbestandtheil ausmacht. Dieses 
andere ist ein sehr loses Stroma von ft^cicnl&rem Bindegewebe 
mit verhältnissmässig weiten Gefftssen (Fig. 124 y), welche sich 
in allen Richtungen dnrch die Geschwulst verbreiten, ähnlich wie 
das an den Plexus der Fall ist. — Schon aus diesem Umstände 
kann man schliessen, dass es sich nicht um eine oberflächliche, 
epitheliale Bildung handelt, da ja in die Kpithelien keine Gefösse 
hineingehen. Dazu kommt, dass auch im Innern der Geschwülste 
ausser den runden Sandkörpern nicht selten längliche, cylin- 
drische, kolbenfitrroige , spitzige und andere Gebilde vorkommen, 
welche sich als verkalkte Bindegewebsbalken ausweisen. Zuwei- 
len bilden die letzteren sogar den Hauptbestandtheil. — Endlich 
ist noch ein anderer Umstand zu erwähnen. In der Regel sieht 
man deutlich, dass an einer solchen Geschwulst äusserlich eine 
festere, derbere Lage wie eine Kapsel Aber das Ganze fortlfiuft 
und die innere Masse eine lose sandige Anhäufung darstellt, in 
welche von der Basis her die Gefasse in grosser Menge hinein- 
gehen *). 

Aber freilich giebt es auch eine Sand haltige Epithelial- 
geschwulst an denselben Gegenden, welche zuweilen sehr ähn- 
lich erscheinen kann, zumal wenn gleichzeitig mit den verkalk- 
ten Zellen auch verkalkte Bindegewebsbfindel vorhanden sind. 
Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Art hat Glelland**) be- 
schrieben. Es ist daher sehr misslich, aus der Literatur Fälle 
zu citiren, welche nicht ganz genau geschildert sind***), und ich 
beschränke mich daher im Folgenden wesentlich auf meine eige- 
nen Beobachtungen. 

Damach ist der häufigste Sitz der reinen Psammome die 



*) Hierher gebOrt wohl die von Gluge (Atlae de 
tomie. 1850. Lief. XVI. Taf. II. Fig. 7) erwähole Cyste 
der Dura mater. 

") JobD Glellaad. Glasgow med. Jonrn. 1863. July. p. 148. fig. 1 
***) Sehr wahrscheinlich gehört hierher eio Fall vom Tenlorium 
Aadral Cliuique mädicale. Paris. 1840. T. V. p. 5. 



lyCoogle 



Psamnione der Dora inater. 115 

parietale Dnra mater, seltener das Teotorium und die Fak. 
Sowohl an der inneren Seite des oberen Absefanittes, als an der 
Basis, und zwar am h&nfigsten im vorderen Tbeil derselben sitzen 
diese Geschwälete, meist als halbkugelige, selten aber Kirschen- 
groese, entweder ebene, oder maulbeerfOrmige Körper auf. Sie 
haben eine röthlich-weisse oder auch markig-weisse Farbe, ziem- 
lich derbe GoDsistenz, sind äusserlich ziemlich glatt, lassen aber 
schon beim Durchschneiden ihre sandige Beschaffenheit leicht 
erkennen. Von der Dura mater lösen sie sich ohne grosse Ge- 
walt ab, indem sie eine weiche, etwas filzige Fläche zurttck- 
lassen. Mit der Pia mater büngen sie gewöhnlich nicht zusam- 
men. Bringt man sie in Wasser, so entfaltet sich das lose Bal- 
kenwerk ihres Innern, und die sandigen Theile lösen sich los 
oder hängen frei zu Tage. 

Die grossere Wichtigkeit haben diejenigen an der Basis. 
Sie wirken hauptsächlich durch den Druck, den sie auf die um- 
liegenden Himtheile oder Nerven hervorbringen, so dass weniger 
ihre Grösse, als vielmehr ihre Localität über den Grad ihrer 
Bedeutung entscheidet. Regelmässig entsteht eine atrophische 
Grube an der Himoberfläche oder eine Compression der betrof- 
fenen Nerven. 

Ich führe nur zwei solche Fälle speciell an: 
Einmai fand ich eine solche Geschwulst (Fig. 126.) gerade 
über einer Exostose des Keilbeines, welche wahrscheinlich auf 
eine mechanische Insultation zu be- 
ziehen war. .Sie befand sich dicht hin- 
ter der Grista galli und dem Ansätze 
der grossen Sichel in der Median- ■ 
linie, war über Eirschengross, sass 
breit auf der harten Hirnhaut auf 
und bildete eine abgeflacht kugelige, 
ganz schwach lappige, blass-grau-röth- 
liche Hervorragung. Ziemlich starke 



Fig. 136. Psammom der Dora mater, aaf einer schwammigen Exostose 
dea Planum gpheoo-ettimoidale aufaitzend, von einer Geisteskranken. Sagit- 
taler Durcbachnitt. Nach links der Anfang der Grista ^alli, nach recht« das 
Planum sphenoidale, nach unten die HClilen des Keilbeine». (PrSparat Ho. 51. 
Tom Jahre 1857). NaL Gröase. Zugleich fand sich schiefe Dolichocephatie, 
schwache Biostose an der Pfeiloabt, leichte hämorrhagische PachymeDingitis. 



lyCoogle 



\IQ Achtiehnte VorlMiug. 

"'■ "'■ Gefäsee stiegea tob der Baeii her 

anf. Ihr Darchscboitt war ziemlich 
dicht, blass, leicht lappig. Am rech- 
ten Vorderlappen ein entgprecheader 
Eindruck. Ein anderes Mal (Fig. 127.) 
sass die etwa MaulbeergrosBe, blasB- 
rßthlich-graae, massig weiche, kernig- 
lappig aussehende Geschwulst anmittel- 
bar im IntroituB meatus auditorii in- 
tern!; hier hatte sie die Nervi facialis 
und acüsticus comprimirt und eine Läh- 
mung derselben herbeigeführt Ganz 
ähnliche Fälle erwähnen Andere*). 
Diese Psammome der harten Hirnhaut haben den Anschein 
der vollkommenen Heteroptasie, weil man an ihrer Matrix, der 
harten Haut, keine ähnliche Bildung normal vennuthet Allein 
diese Voraussetzung ist unrichtig. Schon Sömmering**) er- 
wähnt, dass er einmal auf der inwendigen Seite der harten Hirn- 
haut an einer Stelle etwas Sandiges fand, welches vollkommen 
in Ansehung der Farbe, Durchsichtigkeit und Goosistenz dem 
Himsande, den man an der Zirbel finde, gleich war. Aehnlichea 
beschreiben Arlidge'**) und Wedlf). Achtet man etwas ge- 
nauer auf die BesehafTenheit der inoern Fläche der Dura, so 
fallt es nicht schwer, sich zu überzeugen, dass dieses „Sandige" 
etwas sehr gewöhnliches ist. Bei älteren Personen, fiberhaupt 
bei Erwachsenen bemerkt man, am häufigsten an der Basis des 
Schädels, besonders leicht vor der Sella turcica, jedoch auch 
unter dem Schädeldach, etwas unebene, zuweilen leicht vascu- 
larisirte Stellen, und wenn man diese genau untersucht, so ent- 

Fig. 127. Psammom der Dura mater am Eiugajig dee rechten inneren 
GehSrganges, voD einer OeiGteskranken. Dasselbe sitzt nach vorn and oben 
mit breiter Basis aaf, berQhrt die eintretenden Nerven, ohne mit ihnen ver- 
wachsen zu seiu und setzt sich noch eine Lleine Strecke in den OehCrgang 
fort. (Präparat No. 230. vom Jahre 1858). Nat. Grösse, c Processus cü- 
noides posterior dexter. » Os petrosum. / Foramen magnum, m Ansatz des 
Tentorium. Gleichzeitig fand sich an der linken Seite des Stirnbeines, dicht 
neben der Mittellioie, eine stark über \ Zoll im Durchmesser betragende, 
Bache Hervorragung, 

*) H. Meckel. Mikrogeologie. S. 264. Stobbe 1. c p. 24. 
*•) Sömmering in den Zusätzen zu Baillie'sÄnat.d.kraDkh.Baueg.S.266. 
***) Arlidge. British and for. med. chir. Review. 18ö4. Oct p. 476. 

t) Wedl. Paul. Histol. S. 406. Fig. 79. 



lyCoogle 



Irritatif«r UnpniDg der pMmmonie. 117 

balteo sie oft s^lreiche SandkOrper. Hag man immerhia da- 
Tfiber streiten, ob sie normal sind; sie ündeD sich wenigstens 
nabeza so h&nfig, wie die Saadk4}rper der Zirbel und der Ader- 
geflecbte, und daher können auch die Psammoine der Dura als 
hyperplastiscbe Bildungen betrachtet werden. 

Anch in anderer Beziehung lassen sich Anknflpfnngspnnkte 
mit gewöhnlichen Reiznngäzust&nden aufHnden. Nicht selten 
besteht neben dem Psammom eine ausgedehnte Pachymeningitis 
chronica, und die Geschwulst erscheint gleichsam als das höchste 
Produkt der Entzfindung. Selbst an der Dura mater spinalis 
habe ich eine Pachymeningitis arenosa beobachtet, bei welcher 
die innere Fläche der Membran so dicht mit SandkOrpem be- 
setzt war, als ob sie damit gepflastert wäre. Zuweilen finden 
sich auch mehrere*) kleinere und grossere Psammome auf einer 
diffus erkrankten Partie. Einmal sah ich dies bei eiaem Manne, 
dessen Krankheit bekanntermaassen von starken traumatischen 
Einwirkungen auf den Schädel her datirte. Dazu kommt, dass 
der benachbarte Knochentheil nicht selten merkliche Verände- 
rungen, namentlich Exostosen oder Eindrücke zeigt. Einen sol- 
dien Fall (Fig. 136.) habe ich schon erwähnt. Dasselbe fand 
ich ganz vor Kurzem bei einer alten Frau, wo das rechte Schei- 
telbein eine umgrenzte, flachrundliche, leicht zugespitzte innere 
Exostose hatte, nnd, genau dieser Stelle entsprechend, an der 
inneren Fläche der Dura ein Kirschengrosses Psammom sass**). 
Tflngel***) beschreibt einen andern Fall, wo bei einer 58jäh- 
rigen Person, die an Kopfweh, Schwindel, linksseitiger Pa- 
rese u. s. w. gelitten hatte, eine Hühnereigrosse Geschwulst 
unter dem Teotorium in der hinteren Schädeigmbe auf einer 
verdickten nnd „innen aufgeblähten*' Stelle des Knochens aufsass. 

Was die Psammome der Hirnsubstanz selbst betrifft, so ist 
es hier noch viel schwieriger, eine Grenze zu finden, wo die 
blosse Steinbildung (S. 96) aufhört und die Psammombildung 
anfängt Den bemerkenswerthesten Fall berichtet Bergmannf). 



*) W. Krasse. Nachrichten von der G. A. UDivergitSt und der K. Ges. 
der WisseosGhsften zo GOttineen. 1863. No. 18. S. 338. 
") Priparat No. 28. vom Jahre 1864. 

***) C. TUngel. Klinische HittheiluDgen von der medic. Abt^eilung des 
Allg. RraakeDhnuses in Hamburg aus dem Jahre 1859. Hamb. 1S61. S. Sl. 
t) Bergmann ». a. 0. S. 14. 



lyCoogle 



118 Acbtiebot« Vorlesnng. 

Bei einer blOdsinaigea Epileptiecbea foad er am Bodea des 
lipkeD Ventrikels, dicht hinter dem Hakenbündel, neben dem 
Sehnerven, nnter der Oberfläche einen WallnusegrosseD, 3 Drach- 
men 27 Gran wiegenden Körper, der bis in daa Vorderhorn 
ragte und aus einem dichtgedrängten Conglomerate heller, kogel- 
rnnder, sandartiger Körper bestand, welche durch eine weiche, 
lehmgelbliche Substanz zusammengehalten wurden. Durchbrochen 
zeigte er nach einer Seite hin eine kleine Höhle, einer Druse 
ähnlich. In dieselbe Kategorie gehören wahrscheinlich manche 
filtere Fälle*); von neuereo erwähne ich die von Arlidge**), 
H. Ueckel***), Rokitanskyt)' Ich habe deren beobachtet, 
die 80 voll von Sand waren, dass, wenn man ein Stück davon 
in Waeser brachte und darin etwas ausspülte, sich wie ein 
kieseliger Niederschlag auf dem Boden bildete +t)- — 

An Orten, welche entfernt tiind Ton den Centralnervenappa^ 
raten, habe ich selbst eine analoge Geschwulstbildung nicht ge- 
sehen. Einzelne Erscheinungen scheinen allerdings daranf hiozn- 
weisen, dass auch noch anderswo etwas ähnliches vorkommen 
könne, und ich will deshalb auf einige andere Orte im Körper 
aufmerksam machen, wo Sandbildungen in ähnlicher Weise beob- 
bachtet sind. Zunächst ist das in den Lymphdrüsen der Fall, 
loh habe namentlich in den submaxillaren und epigaetrischen 
Lymphdrüsen, nicht in wirklichen Geschwülsten, sondern in eio- 
fiach hyperplastisch vergrösserten Lymphdrüsen dieselben cod- 



*) Otto. Pathol Anat. I. S. 428. LalleroaDd. Recberches anat path. 
snr TeDcephale. Paris. 1834. T. IH. p. 116. Andral. Glintqu« m^dical«. 
T. V. p. 697. 

") Arlidge a. a. 0. p. 471. 

"*) H. Heckel, Mikrogeologie. S. 964. 
t) KokitaDBkv a. a. 0. Derselbe Fall bei Bamberger. WDrzb. Verb. 
Bd. VI. S. 3G2. 

it) Bei dieser Gelegenheit darf ich «obl einer sonderbaren Eracheinune 
ern'&hDen , die öfters bei den Versteinerungen dee Gehirns aufgeführt wird. 
Es scheint, dass bei Leichen unter gewissen Verhältnissen eine Petrification 
der sich zersetzenden Hirmnasse eintreten kann. Otto (Pathol. Anat. I. 
S. 428) begchreibt eine solche Masse, die er freilich eine Exostose nennt, 
ans einem macerirten Scbädel. Brova (Bullet, de la Soc. anat. 18S2. p. 104) 
fond sie in einem aufgegrabenen Schädel, doch wurde in diesem Falle durch 
Ordonnez (Ebendas. p. 193) die posthnme Natur der Bildung dargethan. 
HCgiicberneise gehOrt dabin auch das Ton Domeier (Jonrnal d«r sob). 
medic. Literatur von Hufeland, Scbreger and Barles. Bd. I. S. 2d8) aus der 
kCnigl. Fossilien- Sammlung zu Lissabon bescbriebene „vOllig verkuJIcberte" 
Qebim eines Geistes knoken, 



ly Google 



SsDdkdfper der LjnfiiMmetL 119 

eentrisch geBcbichtcten und verkalkten Gebilde*) ugetroffea, 
wie Bie in der Zirbel gewöhnlicli eiad. Auch in der Mibs kommt 
gelegentlicb etwas derartiges vor. Ebenso tinden sich au der 
Alboginea des Hodens und des Eierstocke Pseudomembranen und 
AuswQcbse, von denen letztere wie kleine Psammome oder ge- 
nauer wie kleine Adergeflecbte sieb danFtelleo, indem sie aus 
einem gefösRreicben Bindegewebe besteben, in welchem ver- 
kalkte und concentriscb gescbicfatete KOrper liegen**). Es konnte 
also unter Umständen an solchen Orten eine wirklich geschwutst- 
artige Entwickelung vorkommen, jedoch ist mir wenig der Art 
bekannt geworden. Allerdings werden einzelne Beobachtungen 
mitgetbeilt, welche auf eine Generalisation hinweisen sollen, aber 
sie erweisen sich bei genauerer Prfifung als unzulässig. So hat 
Günsbnrg***), der die Kalkkörper freilich unter dem Namen 
Ton Corpora amylacoa beschrieben bat, was sie unzweifelhaft 
nicht waren, einen Fall veröffentlicht, den er zu den Colloid- 
geächwütsten zählt, der aber viel wahrscheinlicher eu den Can- 
croiden zu stellen ist. Nur eine Beobachtung von Billrothf) 
Bchliesst sieb an das von mir erwähnte Beispiel von den Lymph- 
drüsen an. In einer Hahnereigrossen Submaxillargescbwalst, die 
bei einem 21j&hrigen Mädchen langsam entstanden war, fand er 
ausser käsigen und narbigen Theüen byperplastiscbe, mit cha- 
rakteristischen SandkOrpem durchsetzte Stellen. — 

Eine zweite Art von Ge&chwfilste'n, die sich als eine wesent- 
heb hyperplastische Bildung darstellt, findet sich in freilich sehr 
seltenen Fällen an der Pia mater (Arachnoides), nehmlich eine 
Art der Pigmentgeschwulst, Melanose oder besser Mela- 
nomaff). Die Pia mater hat in einer gewissen Entwickelungszeit, 
gewöhnlich schon nach der Pubertät, insbesondere im Umfange 
Mednlla obloogata und am Anfange der Medutia spinidis, in der 
der Regel pigmentirte BindegewebskOrper^ ihre oft sehr grossen 

*) Virchow. WOrzburger VerhaDdl. 1856. Bd. VII. S. 238. 

**) Vircbotv. Ebendagelbst. 1860. Bd. I. S. Hi. 

"*) Gflnsburg. Zeitschr. f. klin. Hedicio. 1854. Bd. V. S. 205. 

t) BillToth. Beitrags zur pathol. HUtologie. Bertio. 1858. S. 188. 
Taf. IV. Fig. 8. 

ft) Eis dürfte wobi am zweckin ässigsten sein, diesen zuerst von Cars- 
wetl (lUuBtratioDB of tbe elementary forms of diaeaae. Lood. 1638.) fQr die 
nelauotiBcben GeschnDlste überhaupt gebranchten Namen auf die hier zu 
Bebildernde Gruppe zn begcbränken nnd ibn namentlieb nicht anf die mela- 
notigcheu Sarkome und Krebse aasiudeboei), 



lyCoogle 



120 AehtMbntc Vorierang. 

BpindalfOnnigeD oder verästelten Elemente ffillen eich so stark 
mit Pigment, dasB, wenn die geftrbten Zellen mehr vereinzelt 
sind, die Stellen ein fleckiges, leicht brinnlicbes, wenn das Pig- 
ment d^egen dichter ist, ein raucbgraues oder scbwärzliehbräan- 
licbes Ansehen beltommen*). Es ist dieselbe Form von Zeilen, 
welche wir in der Cboroides oculi antreffen**), einer Haat, 
welche ja an sich mit der Pia mater ihrer Dignität nach ftber- 
etnstimmt, sich aber dadurch unterscheidet, dass sie im hficbsten 
Maasse diese Figmentirung darbietet. Die Ansdehnung, in der 
dieselbe vorkommt, ist aber auch an der Cboroides sehr ver- 
schieden; an der Pia mater cerebralis wechselt das noch melir, 
so dass bei manchen Leuten sich an der gansen Basis cerebri 
pigmentirte Zellen finden, während sie bei anderen selbst an 
der Medülla in nur geringer Menge vorhanden sind. 

Innerhalb dieses Gewebes geschieht mitunter eine hyper- 
plastische Entwicketung, die unter Vennehning der zelligen Ele- 
mente, aber zugleich unter stärkerer Fallung derselben mit 
Pigment verläuft. Wird die Zahl der zelligen Theile sehr ^oss 
und erreichen die einzelnen eine sehr beträchtliche GrCsse, dann 
kommen wir in die Lage, dass man keine Grenze gegen die 
entsprechende Sarkomform aufstellen kann, während auf der an- 
dern Seite die Uebergänge zu dem gewöhnliehen pigmentirtea 
Bindegewebe so nahlreieh sind, dass man unzweifelhaft nieht 
die ganze Erscheinung als eine sarkomatöse auffassen kann. 

Ich habe einen solchen Fall beschrieben •*•), wo alle Ueber- 
gänge von einzelnen zerstreuten und diffusen Färbungen bis zu 
geschwulstartigen braunen nnd schwarzen Knoten vorkamen. 
Sie fanden sich an der Basis cerebri nnd cerebelli, am Pons 
nnd an der MeduUa spinalis. An letzterer waren sie in deren 
ganzer Ausdehnung verbreitet, und namentlich gegen das Ende 
hin traten förmliche Knoten hervor, namenüieh an den letzten 
Spinalnerven, wo sie sich wie schwarze Neurome darstellten. 
Nirgends reichte die Färbung über die IntervertebrallOcher hinaus. 
Am auffälligsten war dieser Vorgang aber an den Gehimnerven. 
Diese waren in charakteristischer Weilte jedesmal bis an die 



') Valeotin. Verlauf der Enden der Nerven. S. 43. Virchow, Archiv. 
1659. Bd. XVI. S 180. 

") T. Wittich. Mein Archiv. 1866. Bd. IX. S. 194. 
"') Virchow. Archiv. Bd. XVI. S. 181. 



lyCoogle 



HelaDorae der «ebbeo Hirohaat. ]2l 

Flg. I». 



KDoctLeDl6cher mit Melanommaase besetzt, während sie jen- 
seits der Löcher vollkommen frei davon waren. An keiner 
Stelle griff die Veränderung von den Häuten auf die Substanz 
des Hirns oder Rückenmarks über; anch der Olfaetorius 
und Opticus waren mehr äusserlich von schwarzer Masse ein- 
gehüllt. Dagegen an den spinalen und cerebrospinalen Nerven 
drang die Masse in das Innere, zwischen die einzelnen Nerven- 
bündel ein, und am Gangtioo Gasseri dnrehsetzte sie die ganze 
Substanz. Alle anderen Theile des Körpers waren frei davon. 
Der Kranke war ein Kupferdrucker von einigen 30 Jahren, der 
früher mehrmals an Bleikotik gelitten hatte und zuletzt unvollstän- 
dige Lähmungen und fast vollständige Amaurose bekommen hatte. 
-^ Einen analogen, in anderer Beziehung sehr merkwürdigen 



Fig. 128. Maltiple Melanome der Pia mater baailaria, am stärksten um 
die HedalU oblongata, den Pona, die Possa Sylvii, Fiesara longit. (Prip. 
No. 266a. vom Jahre 1859). 

Fig. 128. Da-s untere Ende des Rückenmarltes Ton Fig. 128. mit mul- 
tiplen MelaDomen d«r weichen Haut, it'elrfac an den Nervenvnrzeln knotige 
AD8cliwelluDg«n bilden. (Präparat üo. S&6b. vom Jahre 18&8). 



lyCoogle 



129 Achtsdmte Torlmaog. 

Fall hat Rokitansky*) beobachtet. Bei einem 14j&hrigen blöd- 
sinnigeD Mädchen, welches ein ungeheures Pigmentmal Aber den 
ganzen Rucken und die Seitentheile des Rumpfes, sowie zahl- 
reiche, wulstförmig vorspringende, kleinere braune Naevi an 
allen möglichen Theilea der KOrperoberfl&che hatte, fand sich 
eine ausgedehnte, schwarzbraune Färbung der Ärachnoides cere- 
braliti, welche sich auch über die Gonvexität erstreckte, ebenso 
der Äracbnoides spinalis; zugleich leicht bräunliche Färbung der 
Nervenscheiden im Schädel und Rückgrahtskanal, kleine, bis 
linsengrosse, prominente PigmeatSecke am Ependym der Seiten- 
veotrikel und schwarze Färbung der Ädergeflechte. 
J.'-' Ganz ähnliche Geschwülste, wie diese, scheinen als eine by- 
perplastiäche Entwickelung auch aus der schon vorher erwähnten, 
entsprechenden Haut des Auges, aus derChoroides und Iris her- 
vorgehen zn können; aber die Beobachtungen sind selten, und man 
hat sie gewöhnlich in die Reihe der Krebse oder Melrosen hinein- 
gerechnet. Sichel**) unterscheidet eine einfache Melanose von 
der krebsigen, und er will die erstere sogar geheilt haben, in- 
dem eine Atrophie des Auges eingetreten sei. Indess bringt er 
keine entscheidenden Thatsachen bei. Mit einiger Sicherheit 
kann man eigentlich nur auf die angebomen Melanome zurück- 
gehen, wie sie v. Gräfe***) von der Iris beschreibt. Daran 
schiiesBen sich gewisse Melanome der Conjunctiva und der Scle- , 

rolica, besonders am Hornhautrande f) , wo normal bei manchen | 

Thieren stark pigmentirte Bindegewebszellen vorkommen. Diese | 

Geschwülste mOgen nicht selten zur Zeit der Exstirpation sarco- | 



*} Rokitanek;. M\g. Wiener Med. Zeitang. 1861. No. 16. S. 118. 
Eiuf Abbildung voa der Haut fiDdet sich in Rokitansky P&th. Aaat. 1&56. 
Bd. II. S. 73. Fig. 4. 

**) J. Sichel. IcDDognipfaie ophthalmolosiqne. Paris. 1852— 18ä9. p. &S&, 
539. PI. UV. fig. 3. 

•") A. T. Gräfe. Archiv fDr Ophthalmologie. Bd. VII. 2. S. 36. Taf. I. 
Fig. 8a u. b. *gl. Bd. I. 1. S. 414. 

t) Heister. lastit. chirurg. Tab. XVHI. 6g. 14. Wardrop. Essays 
on the morbid anat. of the human eye. Load. 1808. Vo). I. p. 31. B. Tra- 
Tors. A Synopsis of the diseases of the eye. Lond. 1820. p. 102, 394. 
PI. II. fig. 2 and 4. White Cooper. Lond. med. Gaz. 1842. Dec. War- 
reo. Tumours. p. 518. Pamard. Revae med. chir. 1852. Dec. Oanstatta 
Jahresb. für 1863. Bd. lY. S. 213. Wartomont. Gaz. bebd. de m^d. et 
de chir. 1866. p. 41T. E. Jäger. SUar und StaaropefatioDeu. S. 63. Hed- 
daeuB. Archiv f. Ophthalmologie. Bd. VIII. 1. S. 314. Joho Williams. 
Ophthalm. Uosp. Reports. 1859. Oct p. 130. Poland. Ebendae. 1868. Jolj. 
p. 171. Cnrling. Und. Path. Soc. Tranaact VoL VIU. p. 318. 



lyCOOglC 



HeUnome und Gliome. 123 

maUls sein, aber die Zahl glücklich Tollzog«Ber Openttooen ist 
TerhJUtoisemääBig gross. 

Später, wenn wir die Melanosen genauer beFprecheo werden, 
habe ich hervorzuheben, dase auch an anderen Theilen, nament- 
lich an der Haut, Melanome vorkommen, die bis zu gewissen 
Stadien hin sich als hyperplastische Entwickelungen vdh pigmen- 
tirtem Bindegewebe darstellen und erst auf einer gewiesen Ent- 
wicketnogshobe den sareomatOsen Charakter tuinehmen. Die Be- 
üefaung dieser in der Mehreahl der Fälle angebornen Hantme- 
Imome zn den arachnoidealen ist in dem oben erwfthnten Falle 
von Rokitansky in hohem Haasse deutlich, und sie ist nm so 
mehr zn beachten, als nach den Er^ruogeo von Mohnicke*) 
ind Gubler**) die Färbung der Arachnoides bei geerbten Ra<;en 
überhaupt eine danklere sein soll. Der Zasammenhang der Iris- 
Farbe mit dem Hautcolorit liegt ofTen zu Tage. — 

Es erfibrigt jetzt noch eine dritte, den Nerveocentren gewöhn- 
liche Geschwulstart, diejenige nehmlich, welche aus der inter- 
stitiellen Substanz, der Neuroglia, hervorgeht. Ich habe diese 
Substanz Irüher schon, bei Gelegenheit der Myxome (Bd. I. S. 400) 
koTE besprochen. Bildet sie die ganse Geschwulstmasse, so kann 
man diese bezeichnen als Hyperplasie der Neuroglia, oder nach 
der Etymologie, die wir acceptirt haben, als Glioma. 

Die Aehnlichkeit in der Beschaffenheit der Substanz gewisser 
Geschwülste mit der Beschaffenheit der Hirn- oder Nervensab- 
stanz ist schon von Burns***) erkannt worden und I&ngst 
in die technische Sprache übergegangen. Abernethyf) gebraucht 
loerst den Namen des Marksarkoms, MeduUary sarcoma, 
welches er von dem carcinomatOsen Sarkom streng unter- 
schied; er erklärte, dass es, von Weitem betrachtet, viel Aehn- 
lichkeit mit der Himsnbstanz darbiete, indess legte er noch kein 
weiteres Gewicht auf diese Vergleichung. Laennecff) ging in 
der Terminologie noch einen Schritt weiter, indem er geradezu 
den Namen der hirnartigen Geschwulst, des Encephaloids, 



*) Hobnicke. Ueio Arcbir. 1859. fid. XVI. S. 180. 
•*) Üubler. Hern. <te la boc. d'aDthropologie. Paris. 1860. T. 1. p. &T. 
Journ. de la FLysiol. Paria. 1860. T. III. p. 157. 
***) Jobn 6 Urne. Disb- od ioäRmmatioQ. 1600. 
t) Aberaetby. Surgical observationB. 1801. Dentsch von Hecbel. 
1809. S. 35. 
tf) LseBuec. Dict. des aciences medic. T. U. p. 65. 



lyCoogle 



134 Aehtiehate VadMimf. 

Tumeur eaoöphaloide ou c^r^riforme anwendete. Andere gleiob- 
zeitige Schriftsteller fuhren fort, den von Hey*) eingefQhrten 
Ausdruck des BLatBchwammes, FanguB haematodes bq ge- 
brauclim, und erst seit MauDoir**) gewohnte man sich daran, 
die in dieser Bezeichnung znsammengefassteD GeechwQlste in den 
eigentlichen BlutEchwamm (Fungus haematodes) und den Mark- 
schwamm (Fungus medollaris) zu trennen. Ich will sogleich hin- 
zuffigeu, dass auch die Melanosen in diesen Formen mit «lUial- 
ten waren. Der Blutschwamm kaun hier zunächst ausser Be- 
trachtung bleiben; wir werden darauf bei den Angiomen znrfiek- 
kommen. Nur das will ich bemerken, dass auch diese Bezeich- 
nung noch luDge Zeit hindurch in dem Terscbiedensten Sinne 
angewendet worden ist und dass sie im Munde vieler Aerzte 
immer floch den alteu, vieldeatigen Begriif H e y 's behalten hat***). 

Im Allgemeinen kaun man aber annehmen, dass das Mark- 
sarkom bei englischen, der Marksehwamm bei deutschen, das 
Encephaloid bei französischen Autoren sich ungeführ anf Ge- 
schwülste gleichen Aussehens bezogen hatf). Hooperff) bat 
daffir noch den Namen des Cephaloma erfunden, den auch Cars- 
wellfft) annahm und den Craigie*t) in Encephaloma ver- 
stärkte. Es kann ferner nicht bezweifelt werden, dass die meisten 
Autoren nur die äussere Aehniichkeit meinten, und dass sie mit 
den erwähnten Namen eine bösartige Geschwulst, die weiche 
Form des Krebses (Carcinoma medulläre, Soft Cancer) bezeichnen 
wollten. Nur Maunoir und einige andere Schriftsteller da<^ten 
an eine innere Uebereinstimmung und leiteten den Markschwamm 
aus einer Ergiessung von Nervenmark ab. 

Erst mit dem Beginn der mikroskopischen Untersuchungen 
nahmen die Ansiebten einen bestimmteren Chu'akter an. Man 
konnte sieb leicht Gberzeugen, dass Nervenmark oder, wie ich 



*) Hey. Practical observations oii sorgery. Lond. 1803. 
**) HauDoir. Memoire snr les fongOB m^dullaire et b^matöde. Farii 
et Göneve. 1820. 

***) Mejen. Unters. Qber die Natur parafiitischer OeachvQlste, insbeg. 
Ober den Mark- und BlaUcbwama). Berlin. 1838. S. 53, 59. Phil, tod 
Waltber. System der Cbirurgiö. Berlin. 1ÖS8. S. 41Ö. Ruet. Aufsätze und 
Abhandlungen. I. S. 292. 

t) C. F. Heusinger. System der Histologie. Eisenacb. 182?. I. S. 96. 
ff) ßooper. Morbid anatomy of the humui brain. p. 13. 
+t+) Carswell. Path. Anat. Art. Carcinoma. 
*f) Craigie, Elemeat* of gener. and pttthol. anatomy. p. 85S. 



lyCoogle 



Encephftloide naA Fflendaneephaloide. 135 

9ige, UyeKn nicht die wesentlicbe Subutatu dieBer GeschvOlste 
bildet, BOndem dasB sie in der Reg«l andere, namentlich zellige 
Bestandtbeile (KQgelcben d«r Ulteren Beschreiber) in Torwiegen- 
der Hasse enthalten. Allerdinge Bind auch diese noch ton Ein- 
lelnen, wie TOn Ehrenberg*), als nerTöse Theile betrachtet 
worden, aber die Mehrzahl wendete sich doch der Ansicht zu, 
iass sie vielmehr eine „accid enteile" und zwar heterologe Nen- 
büdnng seien, nnd so ist es gekommen, daas endlich fast 
niemand mehr Bedenken trug, alle Geschwülste dieser Art ein- 
fuh sum Krebs zu rechnen. Carcinoma medulläre s. eacepba- 
loidfis wurde ein nahezu eben so umfassender Begriff, wie einst* 
mals Fnngns haematodes. 

Eoeepbaloid oder Gephalom in dieser Anffaeeung bedeutet 
demnaeb nur die äussere Aeholichkeit mit Htrusubstanz. Als 
sich nun wieder Zweifel erhoben, ob wirklich alle Encephaloide 
Krebse seien, ist man in die sonderbare Lage gekommen, ans 
der Gruppe der Encephaloide wiederum Pseudencephaloide**) 
aasEUBcheiden. Altein es liegt auf der Hand, dass mit diesem 
Namen nicht auszukommen ist. Das wahre Encephaloid und 
Cephalom sollte auch wirklich ein Analogen dessen sein, was es 
bezeichnet, also ein nervQses Gebilde. DafBr passt der Name 
Meurom. Fflr solche GeschwOlste, welche nur ftnsserlich dem 
Hirn- und Nervenmark ähnlich sind, mag man immerhin den 
einmal gebräucblicfaen adjectiviscben Zusatz medullär oder ence- 
phaloid anwenden, nnd also ron Sarcoma medulläre, Carcinoma 
enccphaloides , Myxoma medulläre u. s. w. sprechen; hier be- 
deutet der Znsatz nichts anderes, als zelleureich. Welche Natur 
die Zellen haben, ist gleichgültig. 

Wenn es aber Geschwülste giebt, welche eine nähere, histo- 
logische nnd genetische Bedeutung zum Nervensystem haben, 
ohne doch nervös zu sein, so verdienen diese offenbar einen be- 
sooderen generischen Namen. Die Bezeichnung der Neurome 
pasBte auf sie nur so lange, als man ihnen wirklich nervöse Be< 
standtheile zuschreiben durfte. Früher, wo mim so ziemlich das 
ganze Him und Rückenmark als nervös betrachtete, war eine 
weitere Scheidung nicht möglich. Seitdem ich aber einen erheb- 



, JDg € _ _ . __ 

SteleBorganes bei Uenschen noä Tbiereo. Berlin. 1836. S. 41. 
**) Sichel. Iconograpbi« ophtbftbnologiqae. p. 582, 



lyCoogle 



126 Achtiehnte Varleioog. 

lieheo Antbeil, gerade in deo Centralorganen , als eine fntersti- 
tielle Biadesubstanz uater dem Namen der Nean^lia auBgescUeden 
habe*}, ist auch die MJ>gIichkeH gegeben, eine nur an» ihr her- 
vorgehende, ohne BetheiligUDg der nervOeen Elemente entstehende 
Neubildung sowohl von den Neuromen, als Ton den Carcinomen 
zu scheiden, und nur diese ist es, für welche ich den Namen 
des Glioms aufstelle. 

Das Vorkommen eines interstitiellen Gewebes, wie es Reil 
für die Nerven nachgewiesen hatte, ist zuerst am Rückenmark, 
nachdem das Verfahren der Darstellung von Villars gefunden 
war, TOQ Eeuffel**) dargethan worden. Allein später ist man, 
bis aaf wenige Ausnahmen z. B. Fr. Arnold, davon zur&ck- 
gekommen, weil man keine Uebereinstimmang dieses Gewebes in 
seiner Struktur mit dem interstitiellen Gewebe anderer Organe 
an&ufindea vermochte. Denn in der That passt der von Ken f fei 
gew&hlte Name eines fibrOsen Gewebes nur wenig. Selbst da, 
wo diese Substanz am reinsten auftritt, an der Oberflädie der 
Gehirn- und Rückenmarkshßhlen, nahm man sie daher später 
ffir eine nervöse. Ich habe ihre Existenz zuerst an dem Epen- 
dym der Bimhßhlen nachgewiesen***) und gegen die An- 
griffe von Bruch undHenle vertheidigtf). Bei weitergehenden 
Untersuchungen &nd ich, dass das Ependym sich continnirlich 
zwischen die nervösen Elemente des Geliims und des Rücken- 
markes fortsetze, hier die von mir als Neoroglia (Nervenkitt) be- 
nannte Substanz bilde und als solche die Grandlage bestimmter 
pathologischer Processe werde ff). Näcbstdem ist es besonders 
Bidderfft) gewesen, der dies«' Substanz seine Anfmerksamküt 
schenkte; indem er ihr aber ein znm Tbeil zu grosses Ge- 
wicht beilegte, hat anch er wieder zahlreiche Angriffe der Gegner 
hervorgerufen. Nichtsdestoweniger ist die Zahl der Znstimmen- 

*) Virchow. Archiv. Bd. VI. S. 138. (1853). CellDlu-pathologie. 
3. Anfl. S. 253. 

**) 0. 0. Tb. Kenffel. De iD«datla spinal). Disa. inang. Hat. 1811). 
Reil und AuteDrieth's Archiv f. d. Pbjsiol. Halle. 1810. Bd. I. S. lei. 

•**) Virchow. Zeitoehr. f. Psychiatrie. 1846. S. 242. Gesannnelte Ab- 
haDdloDgen. S. 887. 

i) Virchow. Archiv. 1849. Bd. 111. S. 245. 1853. Bd. V. S. 592. 
tt) Virchow. Archiv. 1853. Bd. VI. S. 136. 1855. Bd. Vlll. S. MO. 
Geeammelte Abhandl. 1856. S. 688, 890. Eotwickelung des Seh ädelgni ödes. 
1857. S. 92, 94, 101. 

ftf) Bidder und Kopffer. DuterauchuDgen Ober d. Textur desR&cfcen- 
markes nod die Entwickelnng seiner PonoeleEDent«. Leipsig. 1867. S. 8 ff. 



lyCoogle 



Nfttnr der Nenroglia. 127 

den*) mit jedem Jahre grOetier geworden, nnd es steht nicht 
mehr die Existenz des Gewebes, sondern nur noch seine AnS' 
dehnnng und seine Zuaammensetznng in Frage. 

Was die Ansdehniuig betrifft, so ist der schwierigste Pnnkt 
die grane Substanz und die Unterscheidung der gliOsen nnd ner- 
Tfisen Tbeile. Schon in den eigenütch gangliöaen Abschnitten ist 
die Trennung sehr schwer, da anch kleinere Ganglienzellen vor- 
kommen und eine specifische Unterscheidung bis jetzt nicht ge- 
funden ist. Aber noch mehr Bedenken eiTegen die KOmersehich- 
ten an der Hirnrinde, oamentlicb an den Windungen des Klein- 
hirns, wo selbst die genauesten Untersucher**) noch immer im 
Zweifel sind, wie gross der Antbeil der gliOsen Substanz eigent- 
lich ist. 

Die Beschaffenheit der Neuroglia ist, wie ich von Anfang 
an hervoi^ehoben habe, an den verschiedenen Stellen sehr 
verschieden. Schon ihr gröberer Bau ist manchmal fester und 
dann dem Bindegewebe ähnlicher, manchmal so weich, daas man 
eine ganz formlose (amorphe) oder kömige (granuHlre) Substanz 
vor sich zu haben glaubt. Trotzdem bietet die Zusammensetzung 
keine grösseren Verschiedenheiten, als die anderer Gewebe der 
Biadesubstauz-Reihe, und es kommt nur darauf an, sich das all- 
gemeine Verhältniss klar zu machen. 

Die Zusammensetzung der Neuroglia ist, wo sie am aller- 
meisten charakteristisch ist, so, dass man in einer sehr weichen 
nnd daher überaus leicht zerstörbaren, durch Druck, Wasserzu- 
satz n. B. w. sich sofort ändernden Grundsubstanz, welche, frisch 



*) Kalliker. Oevrebelehre. 3. AnSage. S. 317. J. v. Lenhossek 
SitiDDgBberichte der naturw. mathcm. Glasae der k. Akad. der Wisseoscb. 
Wieo. 1SÖ8. Bd. XXX. S. 44. Nene UotereuchuDgeD Über den feiuereo &■■ 
des centraleo Nerveng veteius des HeoBchen. Wien. 1858. I. S. 20. J»cubo- 
«itsch. Compt. rend.' de l'acad. des Bcienc. 16Ö8. T. XLVII. AOut. Ooll. 
Beitr&ge zur fetaeren Anatomie dee menschl. RQckenmarkeg. Zürich. 1860. 
S. S. Trask. ContnbutioDS to the anatomy of tbe spinal cord. San Fran- 
cisco. 1860. p. 7. C. FrommaDD, Untergnchongen über die normale nnd 
pathologische Anatomie des Rücken maikes. Jena. 1864. I. S. 28. 

**) J. Gerlach. Mikroskopische Studien aus dem Gebiete der mensch). 
Morphologie. Erlang. 1858. S. 13. Rud. Berlin. Beitrag mr Straktorlehre der 
Oroesh im Windungen. Inaug. Abb. Erlang. 1856. S. 17. Nie. Hess. De cere- 
belli gjroTum teztiira disquisitiones microscopicae. Diss. inaug. Dorp. 1858. 

8. 83. Edm. Stephany. Beiträge znr Histologie der Rinde des grossen 
ehims. Dorp. 1860. S. 15. Uffelmann. Zeitschr. f. rationelle Hedicin. 
186S. 3. Reihe. Bd. XIV. S. ^32. Franz Eilb. Schulze. Üeber den fei- 
neren Bau der Rinde des kleinen Gehirns. Rostock. 1863. S. 9. 



lyCoogle 



128 AchtMhnt« Vorlesung. 

onterBnaht, gewöholieh unter dem Mikroskop ein feinkörniges 
Aussehen darbietet, rundliche oder linsenförmige oder spindelför- 
mige oder verästelte zellige Theile findet, die in gewissen Ent- 
fernungen von einander liegen. E» hat also die Einrichtung eine 
gewisse Aehalichkeit mit der Knorpelstructur, nur dass die Zellen 
keine Kapseln haben, und dass die IntercellularsubEtanz nicht 
fest und bydia ist, sondern weich und punktirt oder körnig er- 
scheint. Noch näher steht vielleicht das Scbleimgewebe, nament- 
lich das des jagendlichen Glaskörpers, vrenngleich hier die Inter- 
cellularsubstanz eine fast zerfiiessende Weichheit besitzt. Erhärtet 
man die Neuroglia, sei es mit Alkohol, sei es mit Gbromsäure, 
so bekommt man bei recht feinen Schnitten eine Art feinsten 
Netzwerkes zu sehen. Die Substanz erseheint so, als ob sie von 
zarten, in allen Riebtungen sich kreuzenden Fibrillen durchsetzt 
wäre'), von denen es schwer zu sagen ist, ob sie präexistiren 
oder durch Coagulation aus der ursprünglichen Substanz hervor- 
gegangen sind. Es sieht manchmal so aus, als ob man ein fei- 
nes Fibrinnetz vor sich hätte, in welchem farblose Blutkörper 
eiogeschlossui sind. Für die Präesisteuz dieses Netzes, für 
welche sich Max Schultze**) erklärt hat, scheint mir nament- 
lich der Umstand zu sprechen, dass dasselbe bei den verschie- 
densten Erhärtungsmethoden in gleicher Weise hervortritt, und 
dass es bei pathologischen Verdichtungen der Substanz auch 
ohne künstliche Erhärtung sichtbar wird. 

Die zelligen Elemente, welche diese Substanz enthält, siod 
frisch ausserordentlich gebrechlich, so dass sie beim Zerschnd- 
den, Zerdrücken oder Zerzupfen der Substanz in der Mehrzahl 
zu Grunde gehen und man gewöhnlich nur Kerne erblickt, um- 
geben von etwas loser Substanz, welche nicht sehr verschieden 
aussieht von der Intercellularsubstanz. Man beschrieb daher 
früher immer nur eine feinkörnige, mit Kernen durchsetzte Sub- 
stanz, und von dieser nahm man noch vor wenigen Jahren fast 
allgemein an, dass sie nervöser Natur sei und die Querleitung zwi- 
schen den Nervenfasern vermittele. Man kann sich aber, wenn 



*) Virchow. Archiv. 1855. Bd VIII. S. 540. C«lluUrpatboloräe. 
3. Aufl. S. 258. Stephany a. a. 0. S. 15. Fig. II.-IV. Kölliker. Ge- 
webelehre. 4. ÄBfl. 186a. S. 304. Fig. ItiS. F. E. ScliaUe a. a. 0. S. 13. 
**] Max Schultze. Observationes de retinae stnictuia pfliiiti<»i. Bodo. 
1869. p. 18. 



lyCoogle 



Bku der Nearoglis. . 129 

man einigermaaBsen vorsichtig uatereucht, auch an friechen Ob- 
jeoten mit Bestimmtheit flberzeugen, dass hier wirklich zellige 
Thetle*) vorbtuiden sind. Sehr unsicher ist es aber, ob diese 
Zellen rand oder TerüBtelt sind. An erh&rteten Prkparaten sieht 
es oft so aas, als sei das Fibrillen-Netz selbst durch Ansl&afer 
der Zellen gebildet. 

In dieser Beziehung ist es sehr z\x bedauern, daas wir über 
die physiologtBche Bedeutung mancher Theile so venig Sicheres 
wissen. In der Zirbel (Glandula pinealis), welche in vielen 
Stücken wie ein blosses Ependymgebilde erscheint, &aAea sich 
auch bei der frischesten Untersuchung zahllose Zellen, welche 
einen sehr weichen, schwach kOmigen Kßrper und zahlreiche, 
blasse, oft verästelte Fortsätze besitzen, so dass sie den Neu- 
roglia-Zellen in Erfaärtunga-PrILparaten in hohem Maasse gleichen. 
Andererseits finden sich an dem frisch mehr gallertähnlichen 
Ependym der Rautengrnbe und des Rückenmarkes sternförmige, 
oft stark verästelte Zellen, neben denen noch eine librilläre oder 
neteförmige Gmndsubstanz vorkommt. Ich möchte daher glau- 
ben, dass, wie im Schleimgewebe, Beides, fibrillär-veTästelte Zellen 
und netzförmige Grundsubstiuiz , vorkommen kann, jedoch nicht 
an allen Orten. 

Denn an gewissen Stellen ändert sich der weiche Zustand 
der Neuroglia auch normal in einen harten um. An der Ober- 
fläche der Ventrikel, wo die Nervenelemente mehr und mehr 
verschwinden und die Substanz in ihrer Reinheit hervortritt**), 
wird sie zugleich dichter, und gegen die Oberfläche hin nimmt 
sie stellenweise einen ausgesprochen fibrillären Charakter ein, 
während die Zellen mehr länglich, linsen- oder spiodelfürmig 
werden. Dieses Gewebe, welches einen üebergang zu dem ge- 
wöhnlichen Bindegewebe darstellt, bildet das Ependym***) der 
Himventrikel und des Rückenmarksk^ials. 

Das gliöse Gewebe wird zuweilen der Ausgangspunkt hyper- 



*) CeUnlarpathologie. 8. AaS. S. 259. Fig. 102. 
") Ebendaselbst S 256. Fig. 101. 

***) Purkinje hatte diesen Namen der nach ihm blos epitbelialen Haut 
der BirnhOhlen gegeben, deren Zellen nnmittelbar anf den Nervenfasern auf- 
Bilzea sollten. Ich habe den Namen auf den ganseu Ueberzug ausgedehnt, 
Ton «elchem der gliOse Antheil die Hanptmasse bildet. 

Vfreho«, Oucliwlilite. 3. a 



lyCoogle 



130 Ächtzebnt» Torleanng. 

pI&stiBch«r EntwickeluDgen, die in einer verm^rten Erseogang 
von Zellea sowohl, als von IntercellularBubstanz bestehen. Äncb 
diese Hyperplasie kann, wie andere analoge, mehr diffas sein, 
so dasB sie sich gleichmSssig über ganze Abschnitte des Gehirns 
oder anch wohl über das ganze Gehirn erstreckt Letztere Form, 
eine der Arten der sogenannten Hypertrophie des Gehirns, 
habe ich als interstitielle Hyperplasie beschrieben*). Sie 
erscheint klinisch zuweilen nnter dem Bilde des Hydrocephalos 
(Hydrocepbaloid). Ungleich häufiger und local viel bedeutender 
siad die partiellen Hyperplasien, die sich in der Form 
von GeschwülsteD darstellen. Sie eiod zugleich viel schwieriger 
zu erkennea, weil sie in verschiedenen Varietäten vorkommen, 
die sich wesentlich dadurch unterscheiden, dass die einen mehr 
zellige Elemente enthalten, oft so viel, dass an einzelnen Stellen 
fast nur noch Zellen zu existiren scheinen, andere wieder brei- 
tere Massen von Zwischeosubstanz entwickeln, welche an mil- 
chen ganz weich und zart ist, an anderen dagegen eine so grosse 
Festigkeit und Derbheit gewinnt, dass die Geschwulst sich mehr 
an gewisse fibröse und knorpelige Formen annähert. Dazu kommt, 
dass die Gef^se, welche in die Geschwulst eingehen, sich zu- 
weilen ausserordentlich reichlich entwickein und eine grosse 
Weite erreichen, so dass die Geschwulst einen förmlich telan- 
giektatiscben Charakter annimmt. Man kann darnach weiche 
und harte Gliome, oder noch genauer zelleareiche oder me- 
dulläre, fibröse und telangiektatische unterscheiden. Zu- 
weilen nimmt ein Theil der Geschwulstsubstanz den Habitus des 
Schleimgewebes an, und man bekonunt eine Misebgescbwulst, 
Sfyxoglioma von oft sehr überraschendem Aussehen. 

Die innere Zusammensetzung der Gliome scbliesst sieb der 
etwas variablen Struktur der Keuroglia an und zwfu* in der Art, 
dass die Beschaffenheit des Muttergewebes zunächst auch die Be- 
schaffenheit der Neubildung bestimmt, dass aber bei weiterer 
Entwickelung das letztere seinen selbständigen Bildungsgang 
einschlägt. Gliome am Ependym sind gewöhnlich härter, solche 
der Himsubstanz weicher j aber nicht selten nehmen auch die 
letzteren, inmitten der weissen oder grauen Hünsubstanz, eine 



*) Virchow Entwickelung dea Schädelgiandea. S. 100. 



lyCoogle 



BkQ der QHome. 181 

auffällige H&rte an. Wahrscheinlicli gehOreo in diese Kategorie 
manche der als Chondrome*) geacbilderten Formen. 

GKome der Himsabstanz, welche die reinste Form der Hy- 
perplasie darstellen, lassen frisch nnr schwer volltcommene Zellen 
erkennen; sie scheinen, wie die normale Nenroglia, nur ans einer 
körnigen Snbstans mit Kernen zu bestehen. Nach der Härtnng 
sieht man die erwÜmten Fibrillen-Netze. Aber, wo neue Ver- 
indernngen, z. B. Fettmetamorphose, erfolgen, da treten sofort 
dentliche Zellkörper an den Stellen hervor, wo vorher nur Kerne 
ZD sehen waren. Die Kerne ihrerseits sind sowohl der Zahl, als 
der Grösse nach in den einzelnen Fällen oder auch in den ein- 
zelnen Abschnitten derselben Geschwulst sehr verschieden. Manch- 
mal liegen sie in grosseren Abst&nden von einander, theils einzeln, 
tfaeils zn zwei und mehreren; anderemal sind sie so dicht gelagert, 
wie die Kerne in den Körnerschichten der Retina. In beiden 
Fillen können sie kleiner oder grösser sein. Sind sie klein, etwa 
von der Grfisse derer in der Kleiahimrinde, so erscheinen sie 
mehr gleichmässig; werden sie grösser, so zeigen sie stets körni- 
gen Inhalt und Kernkörperchen. — In anderen Fällen sind auch 
schon frisch die Zellen deutlich isolirbar. Ihre Formen sind in 
derselben Geschwulst oft sehr verschieden. Zuweilen sind es 
ganz kleine, eng um die Kerne gelagerte Zellen, welche sehr feine, 
einfache Ausläufer besitzen und unter einander anastomosiren, wie 
die sogenannten Körnchen der Rindensubstanz. So kann inmitten 
der weissen Hirnsubstanz eine Neubildung vorkommen, welche 
die Körnerschichten der grauen Rinde zu wiederholen scheint. 
Anderemal sind die Zellen grösser, namentlich die Zellkörper 
nmfongreicher , die Zellen selbst entweder rund, oder Spindel-, 
oder sternförmig, im letzteren Falle mit langen Fortsätzen. Neben 
diesen Zellen gelingt es oft, einzelne, fiberaus lange Gebilde zn 
isoliren, welche wie einfache Fasern aussehen, aber an gewissen 
Stellen in einer spindelförmigen Ausbuchtung einen Kern enthalten, 
Sie gleichen bald den Radiärfasem der Retina**), bald den langen 
Spindelzellen, welche ich zwischen den Elementen der Zirbel 



*) Vgl. Bd. I. S. 503. Arnn. Lallemand. RechercheB anat path. snr 
l'encöphale. Paris. 1834. T. HI. p. 86, 39, 41, 69. 

••) CellBlarpathologie. S. AuS. S. 282. Fig. 92, B, C. 



lyCoogle 



133 Achteehnte Vorlesung. 

und des Hiroanhaoges*) finde. Am h&nfigsten liegen sie in der 
nächBten Umgebmig der Geßtsse, um welche sie zuweileo eine 
dichte Scheide bilden ; jedoch kommen sie auch getrennt Ton den 
Geffiseen, mitten in dem anderen Gewebe vor. 

Waa die Intercellularsnbstanz betrifft, so ist sie auch in den 
grosazelligen Gliomen fifters ganz weich, kSmig und zerfliessend. 
In manchen Fällen, den eigentlich medullären, vermindert sie 
sie sich so sehr, dass die Zellen fast unmittelbar an einander 
etossen und dass die genaueste Beobachtung dazu gehört, sich 
von der Anwesenheit einer Intercellularsnbstanz überhaupt eine 
Anschauung zu verschaffen. Die Zellen reichen dann fast un- 
mittelbar bis an die Gefässe und ea kann leicht geschehen, dass 
man beim Zerzupfen eine Art von Stroma oder Gerfist bekommt, 
in welchem die Zellen liegen, gleichsam als ob es ein Garcinom 
wäre ; die sogenannten Balken des Gerüstes sind jedoch nichts 
anderes, als leere, zum Theil sehr dickwandige Ge^se, und die 
ihnen anliegenden Zellen haben weder den Charakter noch die 
Anordnung epithelialer Elemente. 

Die weichen Gliome stehen, wie achon erwähnt, den Myxo- 
men sehr nahe und es giebt manche Miachformen aus beiden. 
Die Intercellularaubatanz ist hier in mllasiger Menge vorhanden 
und man sieht in ihr ausser einer homogenen Flüssigkeit mehr 
oder weniger fibrilläre Theile. Diese sind bei den mehr schlei- 
migen Gliomen in sehr regelmässigen Netzen iuigeordnet, deren 
Knotenpunkte die Zellen und Kerne enthalten, und ea entsteht 
dadurch ein mikroskopisches Bild, welches mit der Anordnung 
der Neuroglia spinalis und des Perineuriums eine grosse Aehnlich- 
keit darbietet, nur dasa das Gewebe viel toser ist und dass In 
den Netzen keine Nervenfasern enthalten sind. Nimmt die Weite 
der Maschen zu und häuft sich in ihnen Schleimstoff an, so geht 
diese Varietät unmittelbar in das Myxom über; nehmen dagegen 
die Zellen an Zahl bedeutend zu, so werden die Netze enger, 
und es zeigt sich ein wahres Medullargliom, welches in ein Me- 
duUarsarkom übergehen kann, indem die Zellen an GrOsse und 
innerer Ausstattung sich noch immer weiter entwickeln. Der- 
artige Ueber^nge zwischen Myxom, Gliom und Sarkom finden 



EntvickeloDg dea Sch&delgrandea- S. 91. Taf. Tl. 

D,3t,ZBdbyCOO<^le 



Hftrte Olioioe. 133 

aich ia derselben Geschwulst, nad gerade die grCsstea Bildimgai 
der Art, wie ich sie namentlich im Hinterlappen des Grosshims 
bis zu FauBtgrösee gesehen habe, gehören dieser Mischform an. 
Entwickeln sieh auch die Gef&ese sehr reichlich, so kann man 
typische Bilder des Fangus haematodee vor eich zu haben glau- 
ben. Denn bei anschwellendem Wachsthum drängt sich die Ge- 
schwulst in die Seitenventrikel und fällt einzelne Abschnitte der- 
selben. 

Die harten Gliome stehen im Allgemeinen den Fibromen 
nkher, und in einzelnen Fällen kuin man geradezu von Combi- 
nationen, also von Fibrogliomen sprechen. Häufig sind nur ein- 
zelne Theile der Gesehwulst und nicht die ganze Masse dersel- 
ben in dem festen Zustuide; die Geschwulst enthält dann einen 
oder mehrere harte Kerne oder Abschnitte, und diese erreichen 
wohl eine solche Dichtigkeit, dass sie dem Faserknorpel glei- 
chen. Wirkliche Knorpelatmktur habe ich jedoch niemals wahr- 
genommen. In den Fibrogliomen finde ich eine sehr dichte, 
bald bündeiförmig, bald lameUär angeordnete, nur wenig fibril- 
l&re Grundsabstanz, welche die gewöhnlich kleinen, jedoch nicht 
selten mit mehreren feinen und glänzenden Kernen versehenen 
Zeilen entiiält. In den einfach harten Gliomen dagegen sind 
feinste Fibrillen in der Grundsubstanz sehr deutlich; man kann 
sie in langen Fäden isoliren. Sie bilden nicht, wie bei den 
Hyxogliomen, Netze, sondern liegen mehr in parallelen Richtun- 
gen, vielfach Dater einander verfilzt. Anderemale ist eine Isoli- 
rong längerer Fibrillen unmöglich , und man findet nur eine 
scheinbar kOrnige oder feinreticuläre Grundsubstanz, aus der sehr 
kurze, steife Fäserchen sieh ablOsen lassen. Dies ist nament- 
lich in den mehr sklerotischen Formen der Fall. Nur selten 
nähern sich die harten Gliome in ihrem Bau den weichen in- 
sofern, als ihr Gewebe gleichfalls ein gröberes Netz von Zellen 
nnd Fasern zeigt*). 

Die nervOsen Elemente, die normal in der Neuroglia liegen 
nnd von ihr amschlossen werden , finden sich in den Geschwül- 
sten nicht mehr vor. Nur im Umfange derselben kann man sie 



•) Präparat Ho. 1370. FesteB, fanatgroeseB , geßssreicbes Gliom dee 
Qinterlappeos, in den Seitenveatriicel Torspringend , mit ieicht lappigem, 
ndiirem Bau. 



lyCoogle 



134 Achtzeknte Vorieiot^. 

Doch erkennen, w&brend schon in der swischen ihnen befindlichen 
Nenroglia die Kern- und Zeltenwnchenuig nachweisbar ist. Ge- 
ben die Geachwülste von dem Epeadym aas, so verEtebt es sieh 
TOn selbst, dass keine Nerven darin sind, weil das Gewebe anch 
normal an dieser Stelle nervenlos ist. Dagegen enthalten sie, 
wie das normale Ependym, zuweilen Corpora amylacea. 

Aber diese Gliome des Ependyms haben Terb&ltaissmäasig 
die geringste Bedeutung. Gewöhnlich sind es feinkörnige oder 
warzige Bildungen *), am häufigsten an der Oberfläche der Seiten- 
ventrikel bei Hydrocephalns chronicus, jedoch anch ohne densel- 
ben"). Sie bestehen meist aus einer dichteren, manchmal knor- 
pelharten, oft gefässlosen Wucherung des Gewebes, in welcher 
man anfangs zahlreiche kleine Zellen, später mehr überwiegend 
faserige Intercellularsubstanz triJft. Einigemal hat man sie ver- 
knöchert gefunden. Die bedeutendste Grösse, welche sie errei- 
chen, ist gewöhnlich kaum die eines Kirachkernä ; das sind schon 
seltene Formen. Nnr am Ependym des vierten Ventrikels habe 
ich grössere Bildungen gesehen. Ein kirschengrosses , sehr fe- 
stes, an der Oberfiäche schwach lappiges Gliom unserer Samm- 
lung***) sitzt am linken Rande des vierten Ventrikels, mehr nach 
hinten zu, ziemlich beweglich, zum Theil mit der Pia mater ver- 
wachsen, so dass es leicht als ein Zubehör derselben betrachtet 
werden kann. Es hat sich bei seiner zunehmenden Vergrfisserung 
in den Ventrikel geschob^ und bedeckt die Rautengmbe gänz- 
lich. Etwas weiter nach vorn sitzt, gleichfalls am Rande des 
Ventrikels nnd mit dem Plexus choroides in Verbindung, ein zwei- 
tes, hanfkorngrosBes Knötchen. Gleichzeitig hatte Hydrocepha- 
lns bestanden. — In einem anderen Präparate findet sich eine 
mehr diffuse, fibröse Hyperplasie des Ependyms des vierten Ven- 
trikels in Verbindung mit Hydrocele ventricularis (Bd. I., S. 183 
— '184). Die Hyperplasie setzt sich in sehr deutlich erkennbarer 



*) J. G. Brnnoer. Ephem. Acad. Caee. Leop. 1694. Dee. 111. Add. I. 
p. 24a. Rokitansky. Path. Anat. 1844. Bd. IL S. 748. Lebert. Phjsiol. 
path. 1845. T. II. p. 66. Virthow. Zeitschr. t Psychiatrie. 1846. S. 242. 
OeBaminelte Abhandl. S. 8H6. Lambl. Aus dem ^rsDi-JoBef-KiDderBpitui 
ZD Prag. 1860. Th. I. S. 60. Taf. VI. Ä u. B C. Tüngel. Klinische Mit- 
theiluDgen aus dem Allg. Krankenhauae in HttmbuTg aas dem Jahre 18&8. 

**) Präparate No. 359. Tom Jabre 1858, 12Sb von 1B59, 106 nod 259 
von 1860. 

•*•) Präparat Ko, 1277. 



lyCoogle 



OUoBM de« BpendTna. I35 

Weise in den Anfang des centralen £pendymfad«i8 vom Bfick«i- 
mark fort und biltjet über dem Ansätze dei verlängerten Markes 
an der Varolsbröcke eine fast knorpelartige, 3 — 4 Linien dicke, 
gescbwnlstartige AoBchwellnng. Der Fall ecbeint theils congeni- 
taler, theilB tranmatisclier Natur tu sein*), lehrt aber sehr gut 
den Uebet^ang chronischer ReizangSEust&nde dieser Gegend in 
Geschwulstbildang. 

In der eigentlichen Hirüsabstanz gehören fanstgrosse, 

*) Priparat No. 19. vom J&bfe 1659. Dasselbe stammt tod einem 
SSjährigen Bäcker, der ah Kiod viel gekränkelt und an DrQgeD gelitten 
haben wollte. Im 20. Lebensjahre ßlU er pldtzlJch aaf der Strasee, nach- 
dem Wadenkrämpfe Torhergegangen, am und bleibt 4 Twe bewugetloe; dar- 
nach grosse Mattigkeit, sonst keine Störung. Im 27. Jahre eiDe Lungen- 
BntzQadung, nach welcher zeitweilig schmerzbafte Zuckungen in der linken 
Untere xtremität auftraten. 10 Jahre vor seinem Tode erhielt er durch den 
Rückschlag eines Hebels beim Aufwinden von Säcken einen schweren Schlag 
an die linke (?nach der Sektion wahrscheinlich rechte) Seite des Kopfes, 
der ihn bewuttstloe zn Boden warf und ihm eine Wunde zufügte. Nach 
10 Minuten kam er wieder ku sich, mnsste einen Tag seioe Arbeit ausBCtzen, 
hatte aber weiter keine Beschwerde; die Wunde heilte in 6 Tagen. Anfang 
December 1Ö58 wurde er ohne besondere Ursache gleichgültig und lerstimmt, 
verlor das Gedächt nise, bekam Schwindel, Kopfschmerz, Doppejseheo, Stuhl- 
verstopfung, häufiges Harnlassen. Anfang Februar 1859 gesellte sich dazu 
sehr lästiges Brbrechen nach dem Essen, Mattigkeit und Abmagerung. Da- 
bei blieben die Bewegungen der Augen und der Pupille, sowie die Sensi- 
bilität normal, die Zonge wurde gerade herausgestreckt, der Puls sank bia 
auf 64— ÖG Schläge Schliesslich wurde der Kopf benommen, auf dem Schä- 
del fand sich eine schmerzhafte Stelle, das Sprechen wurde behindert, der 
Harn unwillkBrlich gelassen. Tod am 29. April 1860, (Nach den Aufzeich- 
nnngen des llenn Dr. Jos. Me^er). Bei der Sektion fand sich ein un- 
regelmässiger Schädel mit vorapnngender Stirnnaht-Gegend; die linke Seite 
des Schädels hvperämiach und mit corticaler Atrophie. Rechts etwas vor 
dem Tuber parietale eine etwa i" lange, 4"* breite Vertiefung mit nnregel- 
mässigem Grund und abgeglätteten Rändern; in der Nähe eine flache Ex- 
ostose Sehr starker Hydrocephslus aller Ventrikel. Das Epeodym der 
SeitenhCblen verdickt und körnig; Fornix und Thalamus in grosser Ausdeh- 
nnng mit dem Velum und den Plexus choroides verwachsen. Zirbel klein. 
Das Epend;rm der 4. HShle, namentlich in der Rautengrube und bis etwas 
vor die Striae acnsticae knorpelartig verdickt, durchschnittlich 2'" stark. 
Die im Text erwähnte, nach vorn gelegene Anschwellung hatte an der 
OberBäche eine mehr gelbbraune, leicht ins grünliche ziehende Farbe 
(hämorrhagisch). Nach hinten hin fanden sich mehrere, ziemlich weit hioaus- 
reichende, mit sehr verdickten Wänden versehene Ausstil Ipungen, besonders 
rechts. Eine davon ist über 6'" lang und erstreckt sich in die Substanz 
der rechten Kleinhirnhemisphäre; eine andere, weniger grosse geht links 
von der gewebnlichen Stelle neben der Medulla obl. nach aussen. Eine 
dritte kleinere liegt nahe an der Mittellinie nach hinten; sie bat gleichfalls 
eine gelbbraune Wand und nnischliesst noch eine andere, beinahe Erbsen- 
grosse, einem zusammengefallenen Sack ähnliche, rechts der Pia mater ad- 
härente, ganz weisse Masse. Beiderseits, besonders links, reicht von den) 
Ependym aus eine dichtere, weisse Masse bis zum Markkern. 



ly Google 



13Q AehtMhDte Vorlwnng. 

manchmal kindskopfgrosse Gliome keineeweges zu den Selten- 
heiten. Gewöhnlich Bind sie verkannt worden; man hat sie bald 
als Gehirnkrebse, bald als Sarkome bezeichnet. leh selbst habe 
früher einen Theil der hierher zu rechnenden BilduDgen unter 
dem Namen von Sarkomen beschrieben*). In der Thal hat die 
Unterseheidnng der Gliome von den Sarkomen ihre grossen 
Schwierigkeiten, da wirkliche Uebergänge oft genug vorkommen, 
und es in manchen Fällen sehr willkürlich ist, in welche Gruppe 
man die Geschvmlst rechnen will. Je weicher und zellenreicher 
die Geschwulst ist, um so zweifelhafter wird ihre Stellang. Bei 
den harten Formen dagegen wird mtm eher Bedenken tragen, 
wo man die Grenze der Geachwalstbildung setzen soll, da nicht 
selten partielle Sklerosen vorkommen, welche, mögen sie 
nun einfach, oder mehrfach sein, doch so umschrieben sind, dass 
man sie sehr wohl als Gescbwulstformen ansehen könnte. Ro- 
bin**), welcher mehrere solcher Fälle untersucht hat, hilft sieh 
mit dem schon von Craigie***) fär die „einfache Himgeschwulst" 
^brauchten Namen desSkleroms. Meiner Meinung nach muss 
hier die innere Zusammensetzung entscheiden, demi eine scharfe 
Grenze gegen die normalen Hirntheile haben in der Regel we- 
der die Sklerosen, noch die Gliome. Ich gebrauche den Namen 
der Sklerose so lange, als in der Anscliwellung noch nervöse Theile 
unzweifelhafter Art vorhanden sind, und die zellige Wucherung 
keinen überwiegenden Äntheil an der Bildung nimmt. In einem 
solchen Falle wird man nicht fehl gehen, wenn man eine chro- 
nische, interstitielle lobuläre Encephalitis aufstellt. Fehlen da- 
gegen die nervösen Theile und ist die Wuchemng der Neuroglia- 
Zellen (myelocytes von Roh in) beträchüich, so nenne ich die 
Bildung Gliome. 

Offenbar hat Robinf) das Verdienst, einen Theil der 
hierher zu rechnenden Geschwülste, nehmlich die härteren, 
richtig gedeutet zu haben, aber er ist nach meiner Äuffassui^ 
zu weit gegangen, wenn er auch tuberkulöse Formen hierher ge- 



•) Virchow. Archiy. Bd. I. S. 198. 
") Robin. Oaz. laii. 1854. Juillet No. 30. (Fall von Schnepf). 1856. 
Hai. No. 18. (FaU tdd fsambert). 1856. F^vr. No. 5. 
'") Crkigie. Eleraenta of gen. xni path. »nat. p. 332. 
t) RobiD. Gai. mid. 18Ci6. No. &. p. 75. 



lyCoogle 



Otiono d«r Hinunb«tuu. 197 

rechnet bat*). Auch Lenbaflcher**) beschreibt eine „Binde- 
gewebswacbeniDg" im Gehirn, welche hierher gehören dürfte. 
Ebenso scheint mir mindestens einer der von Sangalli***) un- 
ter dem Naoien der partiellen Hypertrophie des Gehimg beBchrie- 
beoen Fälle als Gliom aufgefasst werden zu müssen. Ein Fall 
von Ärlidgef) schlieBst sieb unmittelbar an die Beobachtun- 
gen Robin'»; es war eine harte, umschriebene Geschwulst an 
der Convexität, unmittelbar unter einer Adhäsion der Dura ma- 
ter. Sonst ist mir, bis auf eine sehr feine Bemerkung von Lob- 
stein ff), nichts vorgekommen, namentlich was die weichen, 
markigen Formen betnift, woraus man sebliessen konnte, dass 
die Beobachter das eigentliche Sachverbältniss erkannt hätten. 

Die meisten Gliome lassen überhaupt keine scharfe Grenze 
gegen die Gefairnsubstanz erkennen. An der Oberääcbe, sowohl 
an der äusseren, wie an der inneren, gegen die Ventrikel gerich- 
teten, sehen sie oft wie einfache Hyperplasien aus. Ein Gliom 
des Thalamus wOlbt sich gegen die Hirnhöhle, wie wenn der 
Thalamus äussepit vergrOssert w&re. Ein Gliom des Hinterlap- 
peas ragt in das absteigende Hörn, wie ein neuer Thalamus. Ein 
Gliom der Conveikität erscheint wie ein colossal verbreiterter 
Gyrus. Selbst wenn man sie frisch durchschneidet, macht sich 
die Grenze gewöhnlich nur bemerkbar durch die stärkere Vascn- 
larisation, durch die bald geringere, bald grossere Consistenz und 
durch die mehr durchscheinende, häufig mehr bläulich weisse Be> 
sebaffenheit , welche die Geschwulstmasse im Gegensatz zu der 

*) Robin. Gm. hebd. de m^d. et de chir. 1806. p. 212. Dieselbe Anf- 
hsanng bat spfiter auch RJodfleiech (Hein Ärchir. 1663. Bd. XXVI. 
S. 477) anigesprochen. 

**) LeubDBCheT. Hein Archiv. 18Ö8. Bd. XIII. S. 496. 

***) SftDgallJ. tiu. med. italiana. Lombardia. 1868. No. 30. 
f) Arlidge. Beale'a ArchiTes. Vol. IL p. 2.-i. 

ff) J. F. LobateJQ (Rapports snr lea travaui eiäcut^s i rftmphith. 
d'anat. de Straab. 1806. p. 68) beschreibt iwei baselnussgroBee Gesehwülste 
des KleinhirDB , derea Oewebe er mit dem des UiroanbangeB vergleicht. 
Darauf filhrt er fort: J'avone qae je ae sais qoel Dom il faut donner i cette 
esp^ce d'alt^ration de la snbstance cerebrale. Ce n'etait oi od steatAme, 
ni nn equirre, oi un fongue. Peut-Stre cette alt^ratioD est partienli^re au 
cerveau. Je me pennettrai de remarquer ä cette occasion, qne plus nouB 
avaDQone dans lae recherches d'aoatomie pntfaologiqnc, plas none reocontroiH 
des Gbangemena d'or)(aaieatioii, des masses orgaDiB^ea ou ioorgsDiqneB non- 
velles, qai ne se rapporteat a ancnne dee d^nominations dont nous noua 
aertoDB poor qualifier certaioes maladiea. II seroit a d^irer que Ton s'oc- 
capat de la Domenclatore des objets eo niSine tempg que de lonr descriptioo, 
aän de mettie de Tordre dans les id^es et d'^^iter de longoes p^phraaei, 



lyCÖOgle 



ÄchtxdiBte Vorieenng, 

Flf- iiO. 



rein weissen und zugleich etwas trüben Nervenmasse hat. Die 
Grenze, namentlich gegen die graue Substanz, ist aber mit blossem 
Ange manchmal gur nicht zu erkennen. An Spirituspräparaten 
wird die Unterscheidung fast unmöglich, weil durch die Coagnla- 
tion die ganze Masse ein trilbweisses Aussehen annimmt; man 
erkennt die Geschwulst nur an den Stellen deutlich, wo sie einen 



Fig. 130. Gefäasreiches, markiges Gliom der Grossbirn rinde. Präparat 
No. 53. vom Jahre 18tj3. Nat. GrögBS. Von einem STjährigen Scbneider, 
der froher an rechtsseitiger Otorrhoe gelitteo, 3 Wochen \or Beinern Tode 
zuerst Kopfschmerzea bekommen und 8 Tage später einen 21 Stunden 
dauernden Anfall mit Bewusetlosigkeit gehabt haben sollte; in der letzten 
Zeit starke Kopfscbmenen öer rechten Seite, Puls Ton 44 Schlägen, keine 
Lähmung, Somnolenz. Ea fand eich unter dem rechten Tuber parietale eine 
blasse Anschwellung der Grosshirnhemispbäre , scheinbar fluktuirend, auf 
dem Durchschnitt ein Kartoffel gross er , sehr gefässreicher, weicher Knoten 
von stelienweis markigem, stelleiiweis braun rölhlichem, gegen die Oberfiäche 
hin leicht ra diär^e streif tem Gewebe. SchnittSäche feucht, im hinteren Theil 
eine kleine, mit Flüssigkeit gefüllte Buhle. Die äussere Begreuznng nach 
vorn, wo die stärkste Get^ssentwickelung ist, ziemlich scharf; an dem Obri- 
gen Umfange geht das weis such graue Gewebe der Geschwulst uumerklich 
in das austossende Hirnparenchym über. Die mikroskopiscbe Untersuchung 
zeigte zahlreiche, meist etwas dickwandige Geisse, welche ziemlich derbe 
Balken und Netze bilden, um welche herum das Oberans zelleureiche Gewebe 
liegt. An diesem sieht man frisch eine sehr weiche, körnige Grundsubatani 
mit viel scheinbar freien, rundlichen oder ovalen Kernen. Die Mehr- 
zahl von diesen ist klein, etwas glänzend, uuge&hr von der GrOsse der 
Körnchen der Retina. Auch liegen sie an manchen Orten so dicht and 
bündelweig, wie diese. Uanche sind aber grSsser und mit deutlichen Kern* 
körpereben versehen, durchschnittlich von der Grüsse der Schleimkörpercben- 
Kerne. Zellen isoiiren sich ziemlich leicbt und erscheinen dann theils in 
rundlicher, theils in sternförmiger Gestalt, auch wohl als kurze Spindeln. 
Nach dem Härten sieht die Grundsubstanz fein faserig und netzig ans, nnd 
man erkennt um die meisten, auch kleineren Kerne eine besondere Um- 
höllungsschicht. In grossen Abschnitten der Geschwulst besteht Fettmeta- 
morphose der Zellen. 



lyCoogle 



Himorrtwi^che Gliome des Eirna. 139 

guiz besonderen, t. B. einen wesentlich vaBCnlOsen Charakter 
annimmt. Bei weichen, zellenreicheu Gliomen ist der üebergang 
in die normale HimsubsCanz gewöhalich ganz unmerklich, and 
sie erscheinen m^r wie einfache weiche Anschwellungen, zu- 
weilen wie lobuläre Erweichungen der HiroBuhstanz. Miir bei 
den härteren Formen macht sich durch die Consistenz die Ab- 
grenzung etwas schärfer. Aber in der Regel sind auch diese Gliome 
nicht durch ihre ganze Dicke hart; häufiger haben sie einen här- 
teren Kern und eine weichere Peripherie, oder auch wohl meh- 
rere härtere Stellen inmitten einer grösseren weichen Masse. 

Die Gliome sind also meistens sehr weiche, leicht zerdrück- 
bare, weisslich, wie man gewöhnlich sagt, medullär aussehende 
Geschwülste, die nur dadurch, dass die Gefösse in ihnen eich 
reichlicher entwickeln und zugleich immer weiter werden, ein rosi- 
ges, manchmal ein bläuliches, zuweilen ein sehr charakteristisches 
hortensiafarbiges Aussehen annehmen. Letzteres zeigt sich na- 
mentlich an solchen Stellen, wo die Gefässe aus einer gewissen 
Tiefe dnrchschimmerQ; wo sie wirklieh, sei es an der Oberfläche, 
sei es auf Durchschnitten, zu Tage liegen, da sieht man auch 
mit blossem Auge gewöhnlich ihre St^me und Aeste sehr deut- 
hch. In den höchsten Graden der Yascularisation werden sie 
sehr leicht der Sitz von Haemorrhagien, welche dann für den 
weiteren Verlauf in hohem Grade bestimmend werden können. 
Das erste Wachsthum erfolgt meistentheils langsam, so dass 
grössere Störungen, wie man sie sonst bei der Grösse und dem 
Sitze dieser Gewächse erwarten sollte, oft erst spät eintreten. 
Es kommt vor, dass man bei Leuten, die fast gar keine Sym- 
ptome gehabt haben, solche Geschwülste ündet; sobald aber der 
vasculöse oder haemorrhagische Charakter und damit die Mög- 
lichkeit acuter Schwellungen hervortritt, so kann ein wirklich 
apoplektischer Verlauf stattfinden; ja, es ist nicht leicht, 
manche Gliome selbst anatomisch von einfachen apoplektischen 
Blntheerden zu unterscheiden. Das Nächste, was in einem sol- 
chen Falle die Aufmerksamkeit erregen muss, ist der Sitz. Die 
gewöhnliche hämorrhagische Apoplexie hat bekanntlich sehr ty- 
pische Sitze, und gerade diejenigen Orte, wo Gliome am häufig- 
sten vorkommen, nehmlich die weisse Substanz der Hemisphären, 
namentlich der Hinter- und Vorderlappen, sowie die Oberfläche 
des Grosshims, pflegen bei gewöhnliehen Apoplexien nicht ge- 



lyCoogle 



140 Achti«faDte VorieBDng. 

troffen m werden. Anatomiscb handelt es sich also nunentlieh 
dämm, die hämorrbagiechen Gliome tod den traamatischen Rk- 
morrhagien, tob der acuten Encephalitis (rothen Erweichnng) 
und von den Blutergflssen aas geborstenen Änenrygmen der Hirn- 
arterien zu naterscheiden , wae znweilen nur bei der sorgf&ltig- 
8tea Untersnchnng mdglich ist*). 



*) Als BeiBpiel niög« folgender Fall dienen: Bin öSjähriger Tischler 
wurde Am 23. Januar iä&8, angeblicb wegen Schlngfluss, in die Cbaritä unf- 
genommen. Sehr echlecbte Angaben des Kranken, Sensorium sehr benom- 
men, kein Kopfschmerz, keine HiUe. Starkes Zittern der Hände und Rumpf- 
muskeln, jedoch ohne Convulgionen. Sehen und H^ren normal. SecessuB 
ioseiL Puls mässif; voll, nicht beacbleanigt. Tod im Sopor am 3. Februar. 
Autopsie: Linke Hirnbemispbäre sehr vergröaaert, Gjri abgeBacbt nud her- 
vorgedrSngt. Eine grosse, gescbiruldtartige Masse eratrecKt sich vom vor- 
deren Ende des Corpus calloaum aus in die Substanz der Heraiapbftre narh 
vorn und links; sie springt in den rechten Ventrikel nur wenig, in den 
linkan stark berein, und erreicht mit einem Theil ihres Umfangea die con- 
veie Oberflache etwas oberhalb des Endes der S^lviscben Grube. Hier 
ist die Pia mater mit diffusem Extravasat in nilesiger Menge erfQllt, die 
Gef^se stark erweitert. Auf dem Durchschnitt zeigt sich ein stark apfet- 
groeser, 3Ü" langer, 1^" dicker, rundlicher Heerd, innen ans einem «ei- 
chen, gelb-rCthlichen, von ungewähnlich starken Gefässen und zahlrei- 
chen Blalinliltrationcn durchzogenen und dadurch in grosser Ausdehnung 
dunkelrotb ansseliendeu Gewebe gebildet. Nach hinten hat dasselbe eine 
losere, etwas maschige Beschaffenheit; nach vorn und aussen enthält es 
mehrere mächtige, frische Ejlrarasal gerinn sei, too denen einzelne über 
wallnuBBgrosa sind. Ringsumher sehr dichte GefiUs Injektion, Eine scharfe 
Grenze gegen die Nachbarschaft ist nirgends zu sehen. Die umliegende 
HirDsubstanz sehr feucht, fast fluktuirend, mit gelblichem Sernm reichlich 
getränkt Die llirnhDhlen erweitert und voll Plllgsigkeit. — Es entstand 
nnn die Frage, um was es sich handelte. Auf den ersten Blick schien gar 
Keine Geacbwnlst, sondern nur ein hämorrhagischer Heerd vorzuliegen, dessen 
Entst«bang auf eine vorhergegangene GeOsaanomalie bezogen werden konnte. 
Auch die mikroskopiacbe Untersuchung ergab anfangs fast nichts, als Blut, 
Gefäsae und grosse, zahlreiche KBrnchenkugeln, wie sie in der gelben Hirn- 
erweicfanng vorkommen. Es bedurfte eines sehr anhaltenden nnd sorgf&ltj- 
gen Sachena, um sich von der Anwesenheit einer Geschwuletstruktur zu 
flberzeugen. Sehr schön zeigte sich diese an dem Süsseren Umfange, nahe 
unter der Hirnrinde, jedoch auch an manchen anderen Stelleo, seibat da wo 
die Bildung an weisse Hirnaubstanz grenzte, und in grosseren, von Blut 
mehr freien Abschnitten im Innern des Heerdea. Hier waren die Zellen 
prävalirend, die Intercellularaubetanz apSrlich, aehr zart, die Zellen relativ 
klein, meist spindel- oder sternförmifi, ihre Kerne ziemlich gross und sehr 
deutlich. An manchen Orten hatten die zelligen Massen eine deutlich radiäre 
Anordnung, an anderen folgten sie dem VerUufe der Qberaos grossen, viel- 
fach ektatischen Ge^se. An anderen Orten dagegen sah man den Ueber- 
ßang der gewöhnlichen Neuroglia in das Geschwulstgewebe aehr deutlich, 
indem die Zellen sich vergrCaaerten nnd vermehrten , w&hrend die weiche, 
körnige Intercellularaubatanz noch reichlich vorhanden war. Stellenweis 
ging dieser Zustand durch Fett mel amorph ose der Zelten unmittelbar in Er- 
weiehang aber. (Präparat No. 10. roro ^ahre 1858). 



lyCoogle 



H&morrtiftgiBcbe and klsige Hirn - Oliome. 141 

Die h&morrbagischea Gliome sind aber nicht bloB frisch 
recht schwer zu erkeaseii, BOndera ooch mehr ist dies der Fall, 
wenn die Hftmorrhagie älter ist. Die Blutung ist fast immer eine 
parenchymatöse: das Blut liegt inmitten der Geschwulst und 
swischen ihren Elementen und erzeugt dadurch eine mehr oder 
weniger starke Ailbchwellnng. Ist es reichlich, so gerinnt es 
zu dtchten Thromben, welche sich sehr bald durch Abgabe 
TOQ Wasser verdiditen, trocken werden und endlich sich ent- 
fllrben. Es bleiben dann feste, gelbweisse, br&unliche, grOn- 
liche, gelbrOthliche oder wie sonst geerbte Knoten von käse- 
artiger Consistenz zurück, welche am meisten Aebnliebkeit mit 
den bekannten „ Fibrinkeilen " der Hilz und Nieren, namentlich 
aber mit alten Thromben (Hämatomen) der Placenta (Bd. I, S. 416) 
haben, wel^^e aber auch sehr leicht mit anderweitigen käsigen 
Zuständen, z. B. mit Tuberkeln, GnmmigeEchwülsten verwechselt 
werden können. Geschehen im Laufe der Zeit wiederholte Hü- 
morrhagien, so liegen alte und neue Massen mannichfach durch- 
und neben einander, und gerade dann ist der Farbenreichthum 
besonders gross. Ein Theil des Blutes, welcher mehr zusammen- 
hängende Thromben bildet, erzeugt grossere weissUche oder hell- 
gelbe, käsige oder „tibrinOse" Knoten; ein anderer, der mehr 
zerstreut liegt, geht früh in allerlei difTuse, kOmige and krystal- 
linische Pigmente von gelber, rother oder brauner Farbe Aber; 
die frischesten Theile des Blutes endlich zeigen sich als dnnkel- 
rotlie, zuweilen schwarzrothe oder bei tieferer L(^e als blaurothe 
Massen. Das Alles zusammen giebt ein äueserst buntes und 
zugleich sehr mannichfaltiges Bild*). 



•) Eine Mjährige Schotimannswittwe wurde am 8. März 1858 wegen 
Hemiplegie in die Charit^ aufgenommen. Man fand Bie ganz sprachlos, 
wenngleich das BewuBstsein nur wenig beeinträchtigt schien. Der Zustand 
BoUte seit 3 Taften besleben. Keine Schmerzen, PupilleQ normal, Pols tod 
84 Schlägen, leichte Lähmung der linken Gesichtshälfte und des linken 
Beines, stärkere des linken Armes , Zunge und Uvala nach rechts gerichtet, 
Sensibilität im Gesicht erbeblich, am Arm weniger, am Bein fast gar nicht 
gestCrt, Harn verbal long. Man diagnosticirt eine Apoplexie. Da sich con- 
gestive Anßlle zeigen, so wird eine locale Bluten tiiehung nnd kalte üeber- 
giessungen angewendet Darnach Bägserung: das Bein wird voll ständig frei, 
der Arm kann wenigstens bis zu einem rechten Winkel ßektirt werden. 
Aber die Sprache wird nicht gebessert. Inzwischen stellen sich erschöpfende 
DiarrbCeo ein, die Kräfte sinken, nnd die Kranke geht schliesslich an hjpo- 
Btatischer Pneumonie am 14. Mai 1858 zu Grande. Bei der Sektion die 
linke OrosBhimhemisi>häre sehr TergrOssert, nach recht« herQberdrBngend. 
Die Dnr« mater adhftrirt hier an einer etwa AchtgioschenstSck grossen Stelle 



oogle 



1^ Achtiehnt« Vorlesnog. 

Freilieh ist dieß nicht charaVteriatisch ftlr das Gliom. Telan- 
giektatische Myxome oder Sarkome könnwi ganz ähnliche Zu- 
B^nde eingehea, und ea ist eine feinere Untersnehimg immer 
nOtfaig. Aber jedenfalls berechtigt das beschriebene AtiBsehen 
niebt, besondere Geechwulstepecies daraus zu machen. Die Farbe 
allein kann den Terschiedenstea GeschwAlBteit eigenthfimlich sein. 
So ist unter dem Namen des Chloroma eine, besonders hSufig 
am Gehirn und seinen Häuten gesehene, grfine Geschwulst be- 
schrieben worden*), die jedenfalls in sehr verschiedene Gattnn- 
gen untergebracht werden mnss. 

Bei manchen Gliomen zeigt sich mitten in der Substanz eine 
Fettmetamorphose der Elemente, die eine gewisse Aehnlich- 
keit mit den Vorgängen der gelben Himerweichung darbietet**). 
Dann zerfliesst die Intercellularsubstanz, und es bilden sich HOh- 



sehr fest; die Pia ist in groBser Aaedehnnog verdickt und mit zahlraictaen 
seimigen Warzen beBettt. Unter der adbäreaten Steile, etwas oberhalb des 
EndeB der Fossa Sylvii, findet sich eine Geschwulst, welche SJ" lang, Ij" 
tief nnd IJ" im Flächen da rcbmess er misst and sich sehr derb schneidet. 
Sie besteht auf dem Durchschnitt aus mehreren gelbweissen, kfisigen Kno- 
ten, von denen man hinter einander 3 stärkere, durchschnittlich kirschen- 
grosae niiterscheidet , die in eine weichere, verschiedentlich gefärbte Hasse 
eingesetst sind. Naroentlieh nach innen greift bis tief in die weisse 
Hirngubstanz eine stellenweis gelbgrQne, steüenweia rostfarbene, von sehr 
weiten Get&ssen dnrchzogene Lage über, ans der sich eine weisliche 
Flüssigkeit auspressen iässt. Nach aussen haben dis Knoten zunächst 
intensiv citronen färben e Ränder, in welche sich einzelne mennigrothe Strei- 
fen einmischen. Sodann folgt eine bis {" dicke, schon für das blosse Ange 
radiär geordnete, granröthliche, ziemlich derbe Schicht, welche bis zur Ober- 
Sache reicht und mit den Himhänten Bklerotisch verwachsen ist. Ein zwei- 
ter, fast volbttodig eiförmiger, mehr gleichmäsaiger Knoten liegt in der 
rechten Hemisphäre vor dem Anfange der Sylvischen Grube im Vorderlappen, 
fast unmittelbar an der Basis. Derselbe besteht zum grossen Theil aus 
einer trockenen, opaken, fast käseartigen, hier nnd da leicht schwefelgelben 
Masse, ist nach aussen begrenzt von einer weicheren, graurothen Schicht, 
nach innen von einer ganz weichen, äusserst geßssreichen Lage. Beide 
Knoten hatten also manche Aehnlichkeit mit syphilitischen Gummigewäch- 
sen. Wenn ich sie trotzdem als Gliosarkome anspreche, so geschieht es, 
weil die mikroskopische Untersuchung in den weichen Tbeilen überall eine be- 
deutend Ober das Haass gewSholicher Bvphili tisch er Wucherung hinausgebende 
i^llenbildung ergab, die an manchen Stellen in eine ganz sarkomat^se Form 
(lange Spindelzellen in dichtester Anordnung) Überging. Auch die käsigen 
Stellen enthielten zalilreiche, zellige Anhäufungen, untermischt mit allerlei Pig- 
mentmassen (BImatoidin). (Präparat No. 67. vom Jahre 1858). Ausserdem 
ergab die Sektion noch njperplas tische Knoten der Nebennieren, der Nieren 
und der Leber, Granularatrophie der Nieren, chronische Metritis mit Poljpen- 
und Mjombildung, chronische Dysenterie mit FoUicularabscessen. 
•) Canstatt's Jahresbericht fllr 1854. Bd. II. S. 42. 
") Vircbow. Archiv. Bd. L S. 198. 



lyCoogle 



Verlauf der BirD-Oliome. 143 

loogen, ganz fthnlich wie bei der gelben HiraerweicbiiDg, 
welche ebenfalls ein an der Neuroglia verlaufender, aus fettiger 
Degeneration der Elemente und SchmeUung der Intercellnlar- 
Bubstanz herTOrgeheoder ZuEitand igt*). So kann die Ge- 
scbwalst eine Art von cystoidem Charaiiter annehmen, und 
man findet Höhlungen, erffillt von einer noch mit Kfimchenkugeln 
untermischten, sonst aber klaren FlüSBigkeit. Von wirklich cysti- 
schen Formen unterecbeidet sich dieee dadurch, daes sie keine 
glatte, scharf abgegrenzte, Bondern eher eine nach innen raube 
oder zottige**) Wand besitzt, und dass nicht selten mitten durch 
die Hehle grossere, noch permeable Geßlsse frei rerlaofen, welche 
durch die Schmelzung des umgebenden Gewebes biosgelegt Bind. 
Die Geschwulst iat also keine reine Cyste im engeren Sinne des 
Wortes; es ist nur ein cystoider Zustand. 

Sowohl die Fettmetamorphose, als die cystoide Erweichung 
vergesellschaften sich zuweilen mit parenchymatöser Blutung und 
f&hren apoplektiscL zum Tode. Diese Form ist anatomisch am 
schwierigsten zu enträthseln, weil möglicherweise &ber grosse 
Strecken gar keine histologischen Elemente vorkommen, welche 
über den Charakter der Bildung Anfschluss geben. Namentlich 
in der Mitte der Geschwulst findet sich zuweilen nur hämorrha- 
gisches und fettiges Material neben grosseren , vielleicht gleich- 
falls fettig metamorpbosirten Geissen. Man mnss dann bis zu 
den äassersten Randschichten fortgehen, um die eigentlichen Ge- 
schwulstelemente in floridem Zustande zu sehen; hier aber zei- 
gen sie sich denn auch nicht selten in üppigster Fülle. — 

Der Verlauf der Gliome ist im Allgemeinen ein langsamer, 
vnd es erklärt sich daraus, dass sie oft zu einer sehr beträcht- 
lichen Grosse anwachsen, ohne irgend welche Zufälle hervorzu- 
rufen. Die harten, mehr entzQndlichen Formen lassen sich aller- 
dings zuweilen auf ganz bestimmte Veranlassungen zurückfahren, 
wie am besten die mit Ventricular- Hydrops verbundenen, epen- 
dymatischen Formen beweisen. Bei den weichen dagegen ver- 
liert sich ihr Anfeng fast immer in eine ganz unsichere Feme, 
und man erfährt in der Regel gar nichts über die Örtliche Dr- 



*} Ebeoduelbat. Bd. X. 8. 407. 

'*) Tilpaiat No. 546.: Gefäeareicheg, cyetoidee Gliom der Obeififtcba 
drossbinis. 



lyCoogle 



144 Achttehnte Vorleenng. 

Sache. In einem sehr charakteristischeo Falle*), wo eich neben 
starkem Hydrocepholas int. ein g^en den Ventrikel bervordr&n- 
gende» Gliom des rechten Binterlappens Fand, reichten -die aoa- 
mnestiscben Thatsachen bia auf 7 Jahre zurück. In anderen wiede- 
rom waren bis kurze Zeit vor dem Tode gar keine Zufälle be- 
meritt, nnd der Eintritt derselben datirte offenbar Ton dem Zeit- 
punkte, wo mit der Geschwulstbildung gans besondere Ereignisse 
Bich complicirten. Von diesen sind namentlich zweierlei zu er- 
w&bnen. 

Das erste ist die mit der weiteren Entwicklung so oft ver- 
bundene Aasbildung der GefUsse. Damit ist die Möglichkeit gros- 
ser Fluxionen (Congestionen) gegeben, welche acute VoIamenB- 



*) Eid 40j3hriger Fapiermacher wurde am 3. Uärz 1860 wegeo .Epi- 
lepsie' in die Charit^ aufgenommen. Er gab an, dass er frfifaer 5 Jabre 
lang an Henklopfen gelitten habe; dieeea habe nachgeiaaseo , als sich 
vor 7 Jahren ohne bekannte Ursache Krämpfe einstellten. Diese waren theila 
foUst&ndige, mit Verlust des Bewnsstseins verbundene, theils DovollstSndige. 
Regelmässig begannen sie mit schmerzhaftem Zucken im linken Bein , eu- 
veilen zugleich mit krampfhafter Streckung des Unterschenkels , starker 
Bmstbeklemmnng und starkem und schnellem Heraklopfen; dann folgte der 
linke Arm. Bei heftigen ÄnffiUen wurde anch die rechte Seite eigrifFen, 
ein Gefühl der Zusammengehnilrang der Brust, das sich znni Balse fort- 
setzte, ging dem Eintritt der Bewnsatlosigkeit voraus. Der Kopf wurde 
dann hin und hergeworfen, die Augen verdreht, die ObeiSippe zerbissen, 
die Zunge selten vorgestreckt, die ExtremitSteu herum geschleudert. Dia 
Anfttle traten gruppenweise, bis zu 14 in einer Grnppe, mit ZwischenrSninen 
zwischen den Anföllen bis zu 1 Stunde und zwiecbeo den Gruppen bis eo 
J4 — 3 Stunden, auf. Die geistige Thätigkeit ungestört. Durch ertliche 
Blotentziehungen , kalte Uebergiessnngen , innerlich Zink wurde sowohl die 
Zahl, als die Heftigkeit der An^Ue sehr gemindert, und es trat in 5 Woeheu 
nur ein Anfall mit Bewusstlosigkeit ein. Im April nahm die Häu6gkeit 
wieder zu, namentlich waren Öfters schwache Znukungen vorhanden. Ein 
Haarseil im Nacken, Zincum valeriatiicam , Kissiuger Bitterwasser scbieaeD 
dem Kranken gut zu thnn. Allein im Mai zeigten eich Spuren von Atiena- 
tion, der Kranke lief umher, ohne seine Umgebungen za erkennen, sang 
laut, n. e. w. Am 10. Juni ein heftiger Anfall, namentlich mit ErgriSensein 
der rechten Seite, und mit Bewusstlosigkeit. Dieser wiederholte sich lOmal 
in einem Tage. In den Zwischenzeiten war der Kranke soporös; es ent- 
wickelte sich schnell Lungenödem, welches den Tod brachte. Die Antopsie 
zeigte ein stark apfelgrosses Gliom des rechten Hinterlappens, welches im 
Innern eine grosse, mit etwas rauben, unebenen Wänden versehene HOhle, 
^efSUt mit etwa i Unien trüber Flüssigkeit enthielt Um die Höhle hemm, 
jedoch ganz unmerklich in das normale Gewebe übergehend, eine bis zn 
5—6*" dicke, feste Masse, welche gegen die Höhle einzelne balkige Verlän- 
gerungen machte und hier eine überwiegend aus grosskernigen, zum Theii 
radilr geordneten Spindelzellen zusammengesetzte Wucherung bildete. Wei- 
ter nach aussen kam man auf nerveniose Stellen, an denen die Nenroglia 
fast rein, nur mit etwas mehr Zellen, vorhanden war. (PrSparat No. 117. 
Tom Jfthre 1860). 



lyCoogle 



Folgen der HfrngUome. J45 

iodernngeD der Geschwulst hervorbringen und plötzliche Erechei- 
Dangen des Hiradiuckes (Benommenheit, Sopor, Lähmung) oder 
der Hirnreizimg (Schmerz, Aufregung, Kriwupfe) zur Folge haben. 
Geht die Fluxion in Hämorrbagie über, so kann sie alle Sym- 
ptome der Apoplexie mit sieb fahren, ja es kann den Ein- 
druck machen, als liege eine geauine Apoplexie vor. Mit äer 
Gerinnang des Extravasates, der Resorption seiner flüssigen Theile, 
der Pigmentumwandlung der Blutkörperchen kiuio ein kürzerer 
oder längerer Nachlass eintreten, der nachher wieder durch einen 
ipoplektischen , vielleicht t&dtlichen Anfall unterbrochen wird. 
Bleibt es bei der blossen Fluxion, so kann der Aniall sehr schnell 
vorübergehen und scheinbar völliges Wohlsein zurücklassen. 
Wiederholen sich aber diese Animie, so tritt meist auch in der 
Umgebung der Geschwülste eine progressive Erweiterung, zu- 
weilen eine ausgedehntere Neubildung von Ge&ssen ein, und es 
entwickeln sich entzündliche, meist unter dem Bilde der Erwei- 
chung verlaufende Processe. 

Das zweite Secundär-Ereigniss ist die Entwickelung eines 
Hydrocephalus ventricularis. Dieser fehlt bei längerer 
Dauer des Uebels sehr selten, gleichviel wo die Geschwulst sitzt, 
was beweist, dass, sei es die Reisung, sei es die Circulations- 
stOrung, weit ausgedehnter ist, als man nach der Lage der Ge- 
schwulst erwarten sollte. Am meisten tritt dieser Hydroceph^us 
natürlich dann hervor, wenn die Neubildung so liegt, dass sie 
auf grössere Venenstainme oder Sinus ihren Druck unmittelbar 
ausübt. Diess gilt namcDtltch von den Gliomen des Thalamus 
opticus und des Hinterlappens, welche die Veuae choroideales, 
die Vena magna Galeni oder den Sinns transversus comprimiren. 
Bier erreicht der Hydrocephalus einen colossalen Grad. 

Aber weder die Fluxionen und Hämorrhagien, noch der 
consecuttve Hydrocephalus sind dem Gliome speciell zuzuschrei- 
ben. Das Hirnsarkom, welches dem Gliome so nahe verwutdt 
ist, macht ganz ähnliche Erscheinungen. Dagegen hat der Ge- 
hirpkrebs, der so häutig mit derartigen Zufällen geschildert wird, 
meiner Erfuhrung nach weit weniger eine Neigung zu Suxionären 
und hämorrhagischen Zufällen, vras wohl mit seiner meist gerin- 
geren Vasculansation zusammenhängt. Diese Unterscheidung ist 
desshalb von einiger Wichtigkeit, weil namentlich bei den Gliomen 
die Frage ihrer Heilbarkeit nicht von vornherein abgelehnt 



lyCoogle 



149 AcbteehDte VorletoDf. 

werden kann. Regressive Erscheinaogen, insbesondere FettmeU- 
morphose, kommen in grossem Umfange bei ihnen vor. Damit 
ist auch die Möglichkeit der Resorption gegeben, nnd es würde 
sich nur danim handeln , ob anch die Weiterentwickelung neuer 
tieschwulstlagen im Umfange des einmal bestehenden Ileerdes 
therapeutisch gehindert werden kann. Ich leugne nicht, dass 
bis jetzt keine Thatsacben bekannt sind, welche dafür sprechen, 
aber die Dnterguchui^ ist noch wenig darauf gelenkt wordeD. 
Jedenfalls sind temporäre Nachlfisse, selbst fSr Uingere Zeit sn 
erzielen*), und auch das ist unter UmstSnden ein grosser Gewinn 
fQr die Kriuiken und ihre Familien. 



•) Eine 99jilhrige Schubmacbersfrau wurde am 13. November 1860 wegen 
Schwindels in die Charit^ gesvbickt. Sie gab an, seit 6 Wochen mehrere 
Male Abs Tages heftige Kopfschmerzen, vorzüglich in der Scheitelgegend, zu 
haben; dabei Schwere im Kopf, Schwindel nnd Flimmeraehen , nnsii^berer 
Gang, AppetitmangeJ, Uebellieit und Brechneignng. Man fand bei der Auf- 
nahme einen Puls von öi Schlägen, etwas benommencB Senaorium, träge 
Pupillen, normale Tbätiglieit der Augenmuskeln, leichte Uotilit&tsstArniigen 
der gsnsen linken KCrperhSlfte, falsche Localisirung der Tasteindrücke 
Trotz Blutegel und kalter Uebergiessungen in den uäubsteu Tagen Anfälle 
heftiger Kopfschmerzen, welche Apathie und Abgeschlagenheit lurQcklasseni 
Qberdiea Schmerz im Nacken, Unruhe, Uebelkeit. Dabei ein Puls von 18 Schii- 
gen. Es wird Calomel bis zur Salivation gegeben. Darnach tritt im Laufe 
des December allgemeine Besserung ein, obwohl noch jeden Tag von 9 Uhr 
Iforgens bis G Uhr Abends leichtere An^lle fortbestehen. In den folgenden 
Monaten igt das Befinden so, daas man an blos hysterische Zustände denkt 
Erst im April wieder mehr Schmerzen im Hinterkopf, Druck auf die Angeo, 
Schwindel. Trota des Gebrauches von Jodkali Verschtechterung, die im Hai 
zunimmt: starke Benommenheit, heftige Schmerzen im Kopfe, zugleich 
schmerzhafte Anschwellung des Froc. spin. vertebr. II, mehr anf dar rechten 
Seite. Anfangs anf ernenten Calomel- Gebrauch und ein Baajseil Nachlass; 
allmählich aber zunehmende Paralyse der ganzen linken KCrperfailfte und 
der Sphincteren; Oedem des linken Armes, Qesichtsschwlche, so dass nur 
noch Hell und Dunkel unterschieden wurde. Tod unter lunehmeuder 
Schwäche am 6. Juni 1861. Autopsie: Beiderseits an den Scheitelbeinen 
nach aussen von den Tubera vertiefte, etwas rothe Stellen mit flacher [)vper- 
ostose der Ränder. Die innere Fl&che der SchSdelknocben rauh, die Glas- 
tafel von tiefen Ge^srinnen durchfurcht, nnter dem rechten Scheitelbeine 
die Glastafe! fast ganz geschwunden und nur noch ein feines, weisstiches 
Hkutrelief von ihr Dbrig. Die entsprechenden Stellen der Dnra stärker vas- 
cularisirt, jedoch nicht verdickt. Unter dem rechten Tuber parietale eine 
stark floktuirende Anscbwellnng der Hirnoherfläche von gelblich weisser Farbe; 
die Oyri hier abgeplattet und verbreitert. Ebenso zeigt sich nach ErCfT- 
DQUg der, besonders links, sehr weiten nnd mit Flüssigkeit gefällten Ven- 
trikel Ober dem recbteu Corpus striatum eine k Ersehen grosse, htäulich dnrcfa- 
Bcheioende, weiche Anschwellung, deren Umgebung etwas hämorrhagisch 
gefärbt ist. Auf dem Durchschnitt findet sich zwischen beiden Punkten 
(Convexität nnd Ventrikel flache) eine 3j— 2)" im Durchmesser haltende Ge- 
schwulst. Dieselbe besteht wesentUch ans einem gelblich grau eu Gallertge- 
webe, in dem hier und da weissliche, scheinbar fettige Zeichnungen, zahl- 
reiche grossere GeKsse und Terschiedentlicb frische hSmorrbagische Züge 



lyCoogle 



Natur der Hirngliome, 147 

MeistentheUa sind die Hiragliome soltt&r. Dieas gilt na- 
mentlicb f&r die weichen Formen, während die sklerotiBcheB 
Öfters multipel sind. Auch greifen sie nicht ober die Nenro- 
glia hinaus. Die äusseren Häute können bei oberflächlieber Lage 
der Geschwulst an dieselbe oder an deren Umgebung angewach- 
sen sein, aber sie sind lirei von der Geächwnlstbildimg. Auch 
andere Organe pflegen nicht an dem Processe betheiligt zu seinj 
etwa mit alleiniger Ausnahme der Retina, welche wir bald nach- 
her besprechen werden. Man kann daher sagen, dass die Hirn- 
gliome in ungewöhnlich hohem Grade als örtliche Uebel wirken 
und , Bo Echwere Zufälle sie auch hervorrufen mögen, doch keine 
bösartige Natur besitzen. Die harten Formen, sowie die epen- 
dymatischen echliesgen eich äberdiess ja ohne Weiteres an ge- 
wisse chronisch ents&ndliche Processe an. Aber auch die wei- 
chen Formen seheinen sehr häufig durch ganz örtlich einwirkende 
Ursachen hervorgerufen zu werden. In manchen Fällen ist ein 
Trauma, das vielleicht eine leichte flirnqnetschung hervorbrachte, 
die Veranlassung. In anderen lässt sich dies freilich anamne- 
stisch nicht nachweisen; dagegen spricht der Site des Uebels*) t%r 
eine örthche Ursache. Nach meinen Erfahrungen ist der gewöhn- 
Uchste Sitz einer der Hinterlappen und nächstdem der obere und 
seitliche Umfang der Grosshim- Hemisphären, also gerade dieje- 



uud Knoten hervortreteD. Däs Ganze bietet daher ein sehr bnnteä Aus- 
äehen und aehr we^bsetode Coudittteoz zustände. Die Alae orbitales sehr 
atrophirt Im Auge bb auf kleine Ekcbjmoaea der Hetioae keine Verän- 
derungen; der Opticus Hüheiobar normal, die Papille sehr klein. Die mi- 
kroakopieche Uoterxuchuug zeigte, dasa die grosse Geschwulst eie Hyxo- 
glioma haemorrhagicum war, iu dem grosse Abschuitte sieb ganz rein 
mjxofflatüä verbleitet). An ihnen nebmlicli sah man breite Inteicellu lärm aasen 
von reinem, homogeuem Schleim, in welchem grössere, meist rundliche Kern- 
Zeilen in u» regelmässigen Abständen an einander lagen. Den weissen Zo- 
gen entsprechend nabm die Zahl dieser Zellen zu , die Intercellularsubstanz 
ab, und üo kam man an die mehr gliomatösen Steilen, wo eine körnig- 
netzige Intercellularsubstanz die sehr zahlreichen, mehr spindel- und netz- 
förmigen Zellen zusammenhielt. (Präparat Mo. 1^. vom .fahre IStil). 

*) Ausser den echon angeführten Fällen erwShne ich noch ein grosses, 
solitäres, telangiektatiaches Gliom des Vorderlappens (Prfiparat No. 166. vom 
Jahre lötil) von einem äöjälirigea Weber, der längere Zeit an heftigem, 
fixem Kopfschmerz gelitten, Verengerung der rechten Pupille, Strabismus, 
endlich Somnolenz und Krämpfe bekommen hatte. Die Sektion ergab ausge- 
dehnte Atrophie der Ülastafel, Verdünnung und starke VascuJarisation der 
Dura mater, grosse Ausdehnung des Gehirns und Abplattung der G^ri, be- 
sonders rechte, Hüssige Erweiterung der Ventrikel. Der rechte zam grossen 
Theil gefQUt durch eine markig anasehende Geschwulst, welche fost den 
ganzeu Vorderlappen einnimmt, über 3 Zoll lang, 2 Zoll hocli ist, ihrem grüsse- 

10* 



lyCoogle 



^48 AchUehnte Vorlesung. 

nigen Theile, w.elcbe bei traumattschea Einwirkni^en (Sehlag, 
Fall auf den Hinterkopf u. b. w.) am leichtesten getroffen wer- 
den. GeBchwälate der grossen Gentralganglien (Seh- und Strei- 
fenhügel) sind in der Regel Sarkome oder Krebse. 

Hyperplaelische Gliome kommen suweilen congenital vor. 
Ob von den als partielle Hypertrophie des Gehirns beschriebenen 
F&llen mit und ohne Ectopie (Encephalocele) manche hierher ge- 
boren, wage ich nicht zu bestimmen; jedenfalls spricht die bald 
zu erwähnende Form der congenitalen Sacralgeschwulst sehr für 
eine solche Möglichkeit. Ich habe einen Fall gesehen, wo so- 
gar bei zwei Kindern derselben Mutter eine Gliombildung sich 
wiederholt zu haben scheint. Das erste Mal war die Untersn- 
chung TOD einem anderen Arzte ausgef^rt worden, der die Ge- 
schwulst ftlr Krebs gehalten hatte. Das zweite Mal haben wir 
selbst durch die Güte des Herrn Dr. Strassmann Gelegenheit 
gehabt, die Untersuchung machen zu können; es ergab sich, dass 
es sklerotische Gliome waren, die in Form harter Tumoren aus 
der Hirnmiisse sich hervorgewölbt hatten. Gleichzeitig fanden 
sidi sonderbare Myome am Herzen*). — 

Ich füge hier eine Geschwulstform an, von der ich es dahin 
gestellt sein lassen muss, ob sie im engeren Sinne des Wortes 
als Gliom aufzufassen ist, die Hyperplasie der ZirbeL Bei 
der Unsicherheit über die physiologische Bedeutung des Organs 
und seiner Elemente vermag ich es natürlich nicht zu entschei- 
den, ob die durch wuchernde Yennehning dieser Elemente ent- 
stehende Geschwulst nicht vielmehr zu den Nenromen gerechnet 
werden muss. Allein ich kann behaupten, dass manche Gliome 
der Hirnsnbstanz den hyperplastischen Tumoren der Zirbel so- 
wohl äusserlich, als in der Beschatfenheit ihrer Elemente höchst 
ähnlich sehen. Anch hat meines Wissens noch niemand die ner- 
vöse Natur der vielstrahligea Zellen der Zirbel (S. 129) bestimmt 
dai^ethan. 

Die Hyperplasie der Zirbel muss wohl von dem Hydrops 
eysticus conarii (Bd. I. S. 184) unterschieden worden, wel- 



ren Theil nach aus einer randen, enttarbten, b et Igrau bräunlichen Hasse be- 
steht. Im unteren Theil des Vorderlappens noch eine zweite Geschwulst 
lon^^Zoll Durcbinesser, nach vorn mit einer blutgefmitea Höhle versehen. 
V V. RHRltlinehmiHfln. Verhandl. der Berliner geburtahülfl. GeBell- 



lyCoogle 



Hjperplaaie der Zirbel ond der NebeonieTen. Hfl 

eher dariR besteht, dags die kleine, am Grunde der Zirbel ge- 
legene HOhle sich schliesHt und unter Änhäufnog wässeriger FlDs- 
sigkeit sich sehr bedeutend erweitert. Aeneserlich und sympto- 
matologifich kSnnen beide Zustände ganz gleich sein. Die Hyper- 
plasie bildet eine solide, graurötli liehe, schwach lappige oder 
auch glatte, rundliche Geschwulst, welche bis Wallnussgross und 
darüber werden kann. Auf dem Durschsehnitt zeigt sie das be- 
kannte graue, feuchfe, mit GefUssea reichlich durchzogene Ge- 
webe der Zirbel, in dem bei älteren Personen auch Sandkörper 
in grösserer Zahl nicht zu fehlen pflegen. Histologisch sind die 
zelligen Elemente etwas grOsser und fester, als normal. 

Obwohl die älteren Beobachtungen in Beziehung auf die Na- 
tur der Geschwulst nicht ganz zuverlässig sind, so stimmen sie 
doch mit meiner Erfahrung Qberein, da&s die Hyperplasie sehr 
fr&hzeitig auftreten kann*). Ich selbst sah die VergrOsserung 
schon bei einem 6jährigen, nach den Masern unter Erscheinun- 
gen der Arachnitiij gestorbenen Knaben , bei dem die Autopsie 
nur eine starke Hyperämie der Marksubstanz ergab. Aber auch 
bei älteren Personen kommt die Hyperplasie vor**). So sah 
ich sie erst neuerlichst bei derselben Frau, von der ich frü- 
her (S. 117) das Psammom der Dura mater erwähnte***). Ob 
von den als Krebs beschriebenen Fällen der Zirbel manche hier- 
her gehören, vermag ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls haben 
die meisten dieser Anschwellungen eine grosse Bedeutung för die 
Gehirnzustände. Sie wirken theils durch Druck auf die Vier- 
hfigel, theils durch Compression der Vena magna^ Galeni, welche 
ihrerseits leicht die Ursache von Hydrocephalas wird. — 

Mit einer gewissen Zaghaftigkeit erwähne ich hier noch einer 
geEcbwuIstartigen Bildung, nehmlich partieller Hyperplasien 
der Marksobstanz der Nebennieren. Bekanntlich ist von 
vielen neueren Beobachtern diese Substanz für eine wesentlich 
nervöse angesehen worden. Es ist möglich, aber der schon frä- 



*) Morgagoi. De aedibua et caugis morborum. Epist. I. art. 2. (ISjäh' 
riger Koabe). Job. Fr. Meckel. Deutsches Archiv flir die Physiologie. 
1815. Bd. 1. S. 644 (Sjähriger Knabe). Oeeterlen. Jahrb. fQr praktische 
Heilkunde. 164ö. S. 409 (Sjährigee Kind). 

**) Gilb. Blane. Transact. of a society for the improvement of med. 
and chimrg. knovrledge. Lond. 1800. Vol. II. p. 196. Lieutaud. Hist 
aoat. med. Ooth. et Amst 1796. Vol. U. p. 363 CLib. III. oba. 177). 
•••} Pr&parst No.2b. vom Jahre 1864. 



lyCoogle 



150 Achtzehnte Vorleaang. 

her von wir hervorgehobene •) Umstand, dass ausser den gewöhn- 
lichen Elementen der Marksubetanz sympathische Ganglienzellen, 
zuweilen in beträchtlicher Menge, darin vorkommen, fordert we- 
oigstens zn einiger Yorsicht auf. Andererseits läset sich nicht 
leugnen, dass die gewöhnlichen Elemente (sehr zarte, blasse, 
schwach kOrnige, theils BternfQrmige, tbeils unregelmässige Zellen 
mit verhältnissmässig groHsen Kernen und Kernkörperchen) der 
Marksubstanz der Nebennieren nicht wenige UebereinstimmuDg 
mit den Elementen der Zirbel zeigen, und das ist der Grund, 
wesshalb ich die betreffeaden Geschwülste vorläufig den Gliomen 
anreihe. Man findet nehmlieh zuweilen die Nebennieren knotig 
aufgetrieben, in der Art, dass 3, 4 und mehrere erbsen- bis 
kirschet^roese, rundliche Anschwellungen auf ihrer Fläche her- 
vortreten. Schneidet man ein, so sieht man diese aus der Mark- 
Bubstanz hervorgehen, und da sie dieselbe Zusammensetzung zei- 
gen, 80 liegt wenigstens kein Bedenken vor, sie als partielle 
Hyperplasien zu bezeichnen. Einmal fand ich sie sogar in dem* 
seihen Fall mit Gliomen des Hirne (S. 142, Anm.). — 

Das Gliom scheint ansserdem an einer bestimmten Kegion 
vorzukommen, oehmlich am unteren Ende der Nervenaxe, si% 
eine Art der so vieldeutigen und vielgestaltigen congenitalen 
Sacralgeschwfllste. In einem Falle**) sah ich, dass der Stiel 
des Gewächses sich continuirlicb in den Wirbelkanal fortsetzte 
nnd mit dem Filum termin^e zusammenhing. Man muss sich 
dabei, wie wir ja schon früher (Bd. I. S. 177) bemerkt haben, 
erinnern, dass das Bückenmark ursprünglich bis an das Ende 
des Wirbelkanals reicht. Findet nun da eine hyperplastische Ent- 
wickeluDg der Neuroglia Statt, so kann das Gewächs hervortre- 
ten, die Schliessung des Wirbelkanals hindern und sich in Gestalt 
einer grossen Geschwulst am Anus und Steissbein hervordrängen. 
Die innere Substanz dieser Geschwulst hatte eine grosse Aehn- 
lichkeit mit Himmasse, namentlich mit der Kleinhirn-Rinde. Sie 
war massig gefössreich, von markigem Aussehen, weicher Gonsistenz 
und mehr homogener Beschaüenheit , und enthielt histologisch 
in einer sehr weichen körnigen Gmodsabstanz eine grosse Masse 

*) Virchow. ArchiT. 1857. Bd. Xll. S. 483. 
") Virchow. Verhandinngen der gebartsh. Gesellscb. 1868. Bd. X. 
S. t>8. Honataechrift fflr Oeburteknode. 1867. Bd. IX. S. 269. PiSparat 
No. 66. Tgm Jahre 1867. 



lyCoogle 



OlJom« d«r HiraaerveD. 151 

kleiaerer uad grftBBorer Kerne und Zellen, in ähnlicher An- 
ordnung, wie sie sich in der RindenBubstans des Kleinhirns finden. 
Allein nicht jedesmal, wo sich eine eolche Bildung in congeni- 
talen Sacralgeschwalsten findet, ist man berechtigt, sie als bloBse 
Hyperplasie aufzufassen; ich habe später*) anch in solchen, welche 
von dem Spinalkanal ganz getrennt waren, dasselbe Gewebe an- 
getroffen, wo es nur als beteroplastisclie fiildnng zn deuten 
war. Ich werde darauf bei den Teratomen zurückkommen, er- 
wähne es aber hier, da es für einige andere Fälle von Bedeu- 
tung ist. — 

Weiterhin habe ich zu gedenken der Form, welche an den 
Nerven, insbesondere an den Hirnnerven, vorkommt, welche 
als unmittelbare Ausstülpungen der Hirnsnbstanz sich darstellen, 
am häufigsten am Acusticua. Es giebt eine gewisse Zahl von 
sogenannten Neuromen des Acustieue, welche wesentlich aus der 
Nenroglia (Perineurium) hervorgehen. Ob auch in den periphe- 
rischen Nerven dasselbe stattfindet, ist wenig sicher, weil eine 
genaue Revision der Neurome nicht stattgefunden hat, seitdem 
man die genauere Kenntniss sowohl von deiyenigen Formen ge- 
wonnen hat, die ich neulich schon erwähnte, nehmlich von den 
myxomatOsen, als auch von den eigentlichen, wahren Neuromen ; 
indessen nach den älteren Beschreibungen halte ich es nicht für 
unwahrscheinliüh. 

Endlich ist in diese Reihe hineinzubringen eine gewisse Zahl 
von Geschwülsten der Retina, die in der letzten Zeit meist 
unter dem Nunen von Carcinoma bulbi gingen. Es sind pro- 
gressive Entwickelungen aus dem weichen Bindegewebe der Re- 
tina, welche in ihrer Zusammensetzung ziemlich vollständig über> 
einstimmen mit den beschriebenen Hirogeschwülsten. Gerade 
hier ist aber die Grenze gegen die Sarkomform sehr schwer zu 
ziehen, und es wird einer sehr sorgfältigen weiteren Beobachtung 
bedürfen, um innerhalb des Gebietes der Retinalgeschwülste die 
gliomatösen auszusondern, was für die Prognose vielleicht von 
sehr erheblicher Bedeutung sein dürfte. 

Die Frage über die Natur der markigen Geschwülste der 
Retina ist schon seit langer Zeit Gegenstand des Streites gewesen. 



•) Virchow, Verhaodlungeii der geburtshölfl, Gesellseh. 1868. Bd. XV. 



lyCoogle 



Igg Achteehnte Voilesung. 

Eb ist namentlich das Verdieiuit Wardrop's*), nicht nur diese 
Frage angeregt, sondern auch gezeigt za haben, dags es soge- 
nannte Krebse oder wie er sagte, Schwämme des Anges giebt, 
welche nur von der Retina ausgehen, unter Verödung des Glas- 
körpers die hintere Angenkammer fallen, die Choroides frei lassen 
und eine becherförmige Masse bilden, welche einerseits mit dem 
I^ervus opticus, andererseits mit der Ora serrata zusAmmenhängt. 
Maunoir**) hat diese Erfahrung aufgenommen und darnach seine 
schon erwähnte (S. 124) Lehre von dem Markschwamm ausge- 
bildet. Seitdem hat man lange Zeit in der Ophthalmologie Mark- 
schwamm (Fungus medullaris, Sarcoma medulläre, Fungoides) 
und Krebs (Cancer, Seirrhus, Carcinoma) unterschieden •**), und 
zwar in einem wesentlich anderen Sinne, als Joseph Beer+) 
eine Exophthalmia fungosa s. sarcomatosa von der Exopbthalmia 
Ecirrhosa und carcinomatosa getrennt hatte. Denn bei ihm ging der 
FanguB von der Bindehaut, bei den Späteren von der Netzhaut ans. 
Natürlich knüpfte sich an diese Unterscheidung leicht der 
Gedanke von der mehr gutartigen Natur des Fungus. Für eine 
solche schien einerseits der dauernd glückliche Erfolg mancher 
nach Markschwamm vorgenommener Exstirpationen des Augesfi*^. 
andererseits die spontane, unter Schrumpfung des Augapfel-' 
(Fhthisis s. Atropbia bulbi) verlaufende Rückbildung des Uebeh 
zu sprechen. Freilich waren beide Fälle nicht nur selten, son- 
dern auch contestabel, und die Mehrzahl der Beobachter blieb 
daher schliesslich bei der Einheit der Krankheit als einer carci- 
nomatösen stehen. Nur Einzelne hielten daran fest, den Mark- 
schwamm in eine nähere Beziehung zu den nervösen Theilen zu 
setzen, insbesondere ihn geradezu als eine Hypertrophie der 
Nerven zu bezeichnen ff f). 

") Wardrop. Observationa on fnngnB haematodes. p. 193, 
**) Maunoir, M^m. aur lea fongoa med. et hemat. p. 21. 
**•) Weller. Die Krankheiten des nienachliehen Augea. 4. Aufl. Berlin. 
1830. S. 405, 447. K. Bimly. Die Krankheiten nnd Miasbildungen des 
uienachl. Augea. Berlin.' 1843. Bd. 1. S. 501, 509. Warren. Obeerv. on 
tiiDiotirs, p. 512. 

t) J. Beer. Lehre von den Augenkrankheiten. Wien, 1817. Bd. II. S. 222. 
tt) Eine Znaammenstellung solcher Fälle bei C. G. Lincke. Tractatos 
de fungo raedullari ocuU. Lips. 1834. p. 141. vgl. Bob. B. Carter. Med. 
Tiinea and Qaz. 1863. Dec. p. 583. 

ftt) K. Canatatt. Ueber den Markschwanini des Augea und das aroan- 
rotiache Katzenauge. Wiirzb, 1831. S. 58. I], de ZtmmermaDn, Dias 
inaug. pertractauB fungnm medullärem oculi. Vienn. 1832, p. 38. 



lyCoogle 



Markichwftmm des Auges, 153 

Die ^atomische Uotersuchung konnte natürlich hier allem 
entscheiden. Denn die Bösartigkeit haftet an eehr verBchiedenen 
StraktarriMnenten (Bd. I, S. 31), und es handelt sich vielmehr 
um die Skala der B(}sartigkeit, als um die absolute Scheidnog 
von gut" nnd bOsartig. Aber leider ergiebt die grobe anato- 
mische Untersucbong nicht viel mehr, als die allerdings unzwei- 
felhafte Thatsache, dase weiche Geschwülste von der Retina aue- 
gehen. Weller*) erwShnt eine» amaurotischen Auges, in wel- 
chem die ganze Netzhaut mit groBsen braunrOthlichen und getblich- 
weiasen, sich tief in den Glaskörper hineinerstreckenden Aus- 
wüchsen besiet war, aber er unterscheidet diese Brkrankung noch 
TOD dem Markschwamm. Unter den Fällen, welche speeiell hier- 
her gehören, ist am hftufigsten der von Saunders**) reprodncirt 
worden. Ein 9 Monate altes Kind erkrankte zuerst auf dem 
linken Auge, welches schliesslich als eine apfelgrosse, rothe Masse 
ans der Augenhohle hervortrat. Im Alter von 15 Monaten wurde 
das rechte Auge ergriffen. Drei Monate später starb das Kind und 
~ i'and die Retina dieses Auges in eine fungOse, in kleine 
.ben getheilte Geschwulst amgewandelt, welche den Kaum 
rlaskOrpers und der Linse einnahm und von der Ghoroides 
darch eine bübe, gerinnbare Flüssigkeit getrennt war. Der linke 
Augapfel war ganz in eine harte, tibröse und gefössreiche Masse 
verwandelt, in welcher die einzelnen Theile nicht mehr sn er- 
kennen waren. Lincke***) berichtet von einem Kinde, bei dem 
dessen Mutter schon in der 5. Woche nach der Geburt nach einer 
doppelseitigen Ophthalmie das Katzenauge (es war das linke) 
bemerkte und das in der 30. Woche starb. Aach hier fond 
sich NetzhantahlOsnng dnrch eine gelbliche Flüssigkeit, die Netz- 
baat selbst trichterförmig gefaltet und an ihrer äusseren Fläche 
mit einer halb haselnussgrossen, J " langen, sehr weichen, pulpO- 
sea, weiss und hirnähnlich aussehenden, an der Oberfläche lappi- 
gen Geschwulst besetzt. Aehnliche Fälle haben auch Waref), 



•) Weller a. a. 0. S. 358. 
**) Sannders. A treatise on some practical points reiating to the dis- 
eases of the eye. Lond. )816. p. 145. Pi. II. flg. 6. Derselbe Fall findet sich 
bei Wardrop (Obs. od fungua haem. p. 47, 193), Weller (a. ». 0. S. 607. 
Taf m. fig. 5.) Dod LiDcke (1. c. p. 160, Tab. Ul. tig. 5) beschriebeD und 
abgebildet 

"•) Lincke 1. c. p. 54. Tab. I. fig- 1-2- Tab, 111. fig. 4. 
f) Wardrop. Obs. on fangus haem. p. 66. 



lyCoogle 



]54 Achtiehnt« Vorlesung. 

Haekensie*), Fritschi") beobachtet. BeBOodere sorgfältig 
beschreibt Panizza"*) einea Fall, der sowohl bei Lebzeiten, 
als nach der Esstirpation des Bulbus die gröeet« Ähnlichkeit 
mit bösartigem Markscbwamm darbot und doch günstig verlief. 
Hier fand sich die Ghoroides ganz normal, die mit den äusseren 
Theilen der Betina zusammenhängende Masse der Geschwalst 
durch serÖBe Flüssigkeit von der Choroides abgetrennt; nach der 
Ablösung der Geschwulst blieb ein trichterförmiger Strang zu- 
rück, der von der Linse zum Opticus ging. 

Man kann hier, wie in ähnlichen Fällen, die Frage aufwer- 
fen, ob die Geschwulstmasse nicht einfach der hinteren Fläche 
der Retina aufgelagert war. In der That hat Sichelt) ^ii^ß Reihe 
solcher Fälle, sowohl vom Menschen, als vom Pferde, unter dem 
Namen der Bubretinalen Exsudate beschrieben und die 
Bcheinbare Geschwnlstmasse als plastisches, eiteriges, eingedick- 
tes Exsudat gedeutet. Nun ist ja fainieicbend bekannt, dass sub- 
retinale Exsudate mit Ablösung der Netzhaut von der Aderhaut 
vorkommen, gewöhnlich freilich in der von Wardropf-f-) mit 
dem Namen des Hydrops choroidis bezeichneten fiOssigeD Form; 
es iet aber nicht zu leugnen, dass hier auch Eiter vorkommen 
mag. Aber jedenfalls pflegt dieser in flüssiger Form und nicht 
als eine feste Anhäufung vorzukommen. Auch hat Sichel den 
Nachweis des Eiters in jenen Fällen nicht geführt, und das von 
ihm gelieferte Beispiel einer traumatischen eiterigen Endophthal- 
mitis vom Kaninchen ftt) giebt ein Bild, welches sich so sehr 
unterscheidet von den Fällen beim Menschen, dass ich seine Deu- 
tung dieser Fälle um so mehr für eine willkürliche halten muss, 
als er andererseits behauptet, wirkliches Enoephaloid des Auges 
durch anttphlogistisehe Behandlung geheilt zu haben *t)- 

Die spontane Rückbildung krebsartiger Uebel des inneren 



*) W. Mackenzie. Praktische Abhandlung Über die Krankheiten des 
Auges. Ana dem Engl. Weimnr. I>i32. S. 531. 

**) J. Fritscbi. Die bösartigen Seh warn mge wachse des Augapfels und 
seiner nächsten Umgebung. Freib. im Br. 1843. S. 215. 

***) Bartül. V»ai7.z.a.. Ueber den Markschwamm des Auges. Dentscb. 
Weimar. 1828. S. 7. Fig. 4-7. 

t) Sichel. IcOQOgraphie ophthalm. p. 505. PI. XLIX. Fig. l-Ö. 

tt) ff ardrop. Essays oo the morbid aoatomv of tbe human eye. Lood. 
1818. Vol. II. p. 64. PI. XV. 

+++) Sichel ebendas. p. 513. PI. L. Fig. 1, 

•t) Sichel ebendas. p. 573, 



lyCoogle 



Hurlcechwamm des Auges. {55 

Anges ist schon von früheren Beobachtern angegeben*), ab« 
welcher Natnr diese TJebel waren, wissen wir nicht. Heiner 
Meinung nach ist ee sehr wahrscheiotich, dass e» Gliome warea, 
aber beweisen iSsst es sich nicht. Eine 2eit lang hat man frei- 
lich geglaubt, der eigeathömlich metallische, zuweilen goldgelbe 
Glanz des Angenhintergrundes, von welchem Beer*'), jedoch 
ohne alle weitere Ausführung ober die Natur des Uebels, den 
Namen des amaurotischen Katzenauges hergenommen hatte, 
sei ein specifisches Zeichen des Krebses. Aber es bat sich im- 
mer bestimmter herausgestellt, was die besseren Beobachter schon 
lange wussten, dase dieses Aussehen bei den verschiedensten 
subretioalen Producten, namentlich auch bei Hydrops choroidis 
internus, vorkommt***). Nachdem A. v. Gräfe t) «s endlich 
wabfBcheinlich gemacht hat, dass wenigstens das goldgelbe Aus- 
sehen von einer Fettmetamorphose der Retina herrührt, hat es 
vollends seine Bedeutung verloren. 

Es künnte sich daher nur fragen, ob jene festen Massen durch 
iriraad einen anderen Process erzeugt würden. Der Einwand 

Radiustt), dass die heilenden Fälle auf Hydrops choroidis 
' eziehen seien, ist für die anatomisch untersuchten nicht zu* 
lasBig. Dag^en ist die Meinung aufgestellt worden, dass sie 
skrophnlöser+tt) oder g»"" tuberkulöser »f) Natur seien. Was 
die Skrophulose angeht, so würde sie nichts entscheiden, denn 
ihre gewöhnlichen Produkte sind gerade hyperplastische. Wahre 
Tuberkulose aber dürfte am wenigsten eine solche Neigung zu 
spontaner Heilung zeigen ; zum mindesten ist letztere dabei niemals 
nachgewiesen worden. Auch die traumatis^e Entstehung kann hier 



•) V. A m m o n. Hecker's literar. Änoiilen der ges. Heilk. 1829. Bd, XIU. 
S. 82. Kliniscbe Darstellung der Krankb. des meoBchl. Augea. Berlin. 1838. 
T»f. XXI. Fig. I-X. Prael. Gräfe und Walther's Journal. 1830. Bd, XIV. 
S. 584. Trarers. Med. chir. Transact. 1829. Vol. XV. p. 236. Weller 
a. a. 0. S. 411, 413. 

••) Beer a. a. 0. Bd. 11. S. 495. 

"•) Weller a. a. 0. S. 373. Hlmly a. a. 0. Bd. I. S. 510. Bd. 11. 
S. 376. Lincke 1. c. p. 42. Sichel ». a. 0. p. 566. PI. LVI. fig. 1,2,4. 
Dalryraple. Transact. of the Loud. Path. Soc. 1847. Vol. I. p. 139. 

t) V. Gräfe. Archiv f. Ophthalmologie. 1856. Bd. II. 1. S. 219. 1868. 
Bd. IV. 2. S. 227. 

tt) RadiDB. V. Ammons ZeitscbrifL Bd. II. S. 51. 
tt+) Weller a. a. 0. S. 412. Chelias. Handb. der Augenheilkunde. 
Stnttg. 1889. S. ÖOI. Fritschi a. s. 0. S. 417. 

*t) Poland. Ophthalmie Hoap. Rep. 1858. July. p. 172. 



lyCoogle 



156 Achtzehnte TorlesDiig. 

Dicht entscheiden , da maoche ganz bösartig verlaniende Ge- 
schwOlBte d«B Angapfels nach ScblSgen nad SUVSBen anf das 
Auge sieh entwickeln. 

Es folgt aus dem Mitget heilten, dass nur anf dem Wege 
einer genauen histologiEcben UnterRuchung eine Entscheidong 
möglich ist. Eine solche wurde zuerst von Bernh. Langen- 
beck*) vorgenommen. In einem fichon von Möhry**) unter dem 
Namen des Fungus medallaris beschriebeacn Präparate, bei dem 
freilich die Erkrankung bis zum Chiatima zurückreichte, glaubte er 
doch nnr die Elemente des Opticus und der Retina, also eine 
Hypertrophie erkennen zu kGnnen. Weiterhin schildert er kleine 
Geschw&Iste der Netzhaut, die bis 2ur doppelten Grfisse eines 
Hohnkomes reichten, unter dem Namen von Nenromen der Re- 
tina***); sie sassen in der „ Corticalsubstanz " der Netzhant und 
waren nach Langeobeck's Ansicht aus einer Zunahme der Mark- 
kügelchen hervorgegangen. Diese Angaben waren, wie es der 
mangelhafte Zustand des damaligen Wissens ober die feinere 
Anatomie der Netzhaut mit sich brachte, noch sehr unsicher; 
indess zeigen sie doch, dass der einmal angeregte Gedanke nicht 
verloren ging. 

Die nächstfolgenden Beobachter blieben bei der Ueberein- 
stimmung mit Carcinoma medulläre Kteben. Namentlich v. Rappf) 
wies in einem Falle etwas unregelmässige „Kugeln" mit körni- 
gem Inhalt, in einem anderen geschwänzte Körperchen nach. 
Fritschi+t) wnterschied ein „zelliges" Grundgewebe, welches 
grössere, gleichsam lappige Abtheilungen bildet und die zahl- 
reichen Gefässe trägt, und darin eingebettet die markige, ans ecki- 
gen, elliptischen nnd runden „Kugeln" bestehende Masse. Die 
Kugeln, welche sich vielfach wie zu einer Faser aneinanderreihten, 
standen der Grösse nach zwischen den Kfigelchen des Hirnmarkes 
und denen der Gorticalsubstanz des Gehirns. So richtig diese 
Beschreibung im Grossen ist, so wenig belehrt sie uns über die 
Stellung der Geschwulst. Erst Robin erklärte in einem Falle 



*) B. Lsngenbeck. De retina Observation es anatomico-pathologicae, 
Qotting. 1836. p. 168. 

**) A. MDhry. Ad fungl raedullaris oculi bisloriam sjmbolae aliquot. 
Gotting. 1833. p. 35. 

•") Langenbeck 1. c. p. 170. Taf. IV. a-c. 

t) V. Rapp. T. Ammoo's Monatsschrift. 1840. B<J. 111. S. 391, 
tt) Fritschi ». s. S. 2M. 



lyCoogle 



Hyperplasie der lUtioa. 157 

Toa Sichel*), für welchen dieser eben den Namen des Pseuden- 
cepbaloids aufgestellt hat, die markige Geschwulst der Retina lei 
ausschliesslich ans oormalea Klemeaten Eusammeogesetzt, welch« 
baaptsächlich den „Köruem" (myelocytes) der hinteren Schichten 
entsprechen, und er wiederhotte hei dieser Gelegenheit die schon 
von Wardrop ausgesprochene Ansicht, daes Oberhaupt ein Krebs 
der Netshant noch nicht nachgewiesen sei. Uandl**) bestätigte 
das NicfatTorkommen der sogenannten Krebszellen in Aea Ge- 
schwülsten der Retina, glaubte aber nichtsdestoweniger diese für 
Krebse halten zu dürfen. Lebert***) dagegen bestritt diese 
Angabe, indem er das Vorkommen der specifiachen Krebszellen 
aufrecht zu erbalten suchte. Nichtsdestoweniger haben auch spä- 
tere Beobachter sich in anderem Sinne aussprechen mfissea, 
und Lebertt) selbst hat einen Fall von „atrophischem Krebs" 
des Auges mitgetheilt, der gegen ihn zeugt. Hulmeft) hat 
einen bösartig verlaufenden Fall beschrieben, wo nur gans 
kleine, rundliche, etwas unregelmässige Zellen die Retinal-Ge- 
schwulst zusammensetzen; freilich erwähnt er nichts von der 
'ientit&t dieser Elemente mit denen der normalen Netzhaut, 
.uch die Beschreibungen, welche Hulke't'f't') von medullären 
krebsen der fietina und des Opticus liefert'f), stimmen wenig 
mit den sonst bekannten Formui des Krebses. Dagegen hat 
Schweigger**f), mit grosser Bestimmtheit die Bildung einer 
markigen Betinalgeschwulst aas einer Hyperplasie der K0mer- 
schiebt nachgewiesen, und sowohl Heinr. Müller •••f) als 
Klebs***ff) fanden, freilich unter etwas anderen Verhältniasen, 
beträchtliche „Hypertrophie" der Netzhaut und der Aderhaut. Ob 

*} Sichel Gu. m^d. de Paris. ItiÖT. No. 80. p. 4T2. koDogr. opLtb. 
p. &82. PI. LXV. fig. 8-15. 

■') HandL Anatomie microBCopique. Paris. 1848—1857. T. II. p. 353, 
•*') Lebert. TraiW dea maladies caDcöreuees. p. 844, 
t) Lebert. Trait^ d'anat. path. T. I. p. 320. PI. XUII. lig. 1-3. 
tt) Hnlme. Traneact. of the Path. Soc. London. 1«5Ö. Vol. IX. p. 3ti6. 
PI. XI. fifi. 5-ti. Beale's Arcbives. Vul. 1. p. 238. 

tt+) Hulke. The Royal London Ophth. Hosp. Reports. 18lia VoL IV. 
1. p. 66. 

*t) Galenzowgliy (Monit des höp. 1860. Canatatt's Jabresb. fUr 18iiO. 
Bd. IlL S. 102) bespricht eine vielleiuht hierher gehörige Geacbwulst, die 
jedoch nnr ophthalmoskopisch untersucht zu sein scheint. 

"t) Schweigger. Archiv f. Ophthalmologie. Bd. VL 2. S. 324. 'I'af IV. 
Fig. a— 12, vgl. V. üräfe. Ebendas. Bd. Vü. 2. S. 46. 
***t) U. MUller. Würzb. VerhandL l»5ä. Bd. IX. SiU.-Ber. S. LXl. 
*"tt) Kleba. Hein Archiv. 1802. Bd..XXV. S. ZTl. T»f. ü. Fig. 6-7. 



lyCoogle 



I5S Achtzehnte VorlesQQg. 

der Fall von D4zaneanx *) von einer scheiabar gutartigen 
„fibröeen" Geschwulst in der Gegeod der Papille hierher gehßrt, 
wage ich nicht sn entscheiden. 

Wenn es daher nicht mehr zweifelhaft sein kann, dass es 
eine besondere, ans relativ homologen Elementen zusammei^- 
setzte Retinalgeschwulst giebt, so muss die Frage nach ihrer kli- 
nischen Bedeutung zunächst zurückstehen. Vielmehr ist zuerst 
zu entscheiden, ob die Elemente der Geschwulst wirklich ans 
dem Nervengewebe hervorgehen. Schon einige frühere Beobach- 
ter, namentlich Dzondi*') und Kluge*"), liessen den Mark- 
BChwamm aus dem Zellgewebe und zwar den des Auges aus dem 
Neurilem des Opticus hervorwachsen. Aber dieser Nerv ist im An- 
fottge wenigstens meist ganz unbetbeiligt; das Gewächs beginnt 
in der Netzhaut, und es handelt sich daher dämm, ob ihre Ele- 
mente im Sinne Langenbeck's nerv&se sind oder nicht. Die 
Möglichkeit einer solchen Unterscheidung ist erst durch die ge- 
naueren Untersuchungen Heinr. Müller's und seiner Nachfolger 
eröffnet worden. Ich selbst habe schon vor längerer Zeit auf ein 
interstitielles Gewebe der Netzhaut hingewiesen, welches in man- 
ohen Fällen der Sitz fettiger Metamorphosen wirdf). Andere 
Beobachter sind ungleich weiter gegangen. Namentlich Blessigft) 
sprach geradezu den grössten Theil der Retina als Bindegewebe 
an, und Max Schultzeftt)! ^^^ es zuerst gelang, die feinere 
Analogie mit dem Zwischengewebc des Gehirnes zu zeigen, nahm 
wenigstens einen sehr grossen Theil der Kömer- und Zwischen- 
körnersehichten als bindegewebig. Noch jetzt ist diese Streit- 
frage nicht völlig erledigt; ich trage aber kein Bedenken, mit 
SchultEe ausser den eigentlich bindegewebigen Stützfasern ins- 
besondere die Zwischenkörnerschicht und gewisse Bestandtbeile 



*) Dezaneaoi. Qa.z. des böp. 1856. No. lOS. Caogtatt's Jahresber. 
f. 1856. Bd. IV. S. 391. 

") DzoDdi. LehrbDch der Chirurgie. Halle. 1S34. Bartcky. Dias. 
iDdug. siatens observationem singnlareni fungi medullaris in corde. Hai. 
1819. p. 41. 

•") Betschier. Rust'a Magazin. Bd. XIII. 8. 212. 
t) Vircbow. Archiv. 1856. Bd. X. S. 177, 408. WÜrib. Verh. .1869- 
Bd. X. SitiungH-Berichte S. XXXVI. 

tt) Bleasig. De retinae textura disquisitionea microscopiuae. Disa. 
iaaog. Dorpat. 1865. p. 83. 

t+t) M. Schnitze. Otiservationea de retinae etructura penitiori. Bonn. 
1859. p. 8. FQr den Opticus vgl. Ktebs. Mein Archiv. 1860. Bd. XIX. S.321. 



lyCoogle 



Gliom der Retiru. 159 

der Rönwrsehichten als iaterstitieiles Gewebe aozuseheii asd 
letztere der Nearoglia der Centralorgane parallel ea setzeD. 

Aus diesem Gewebe gehen die GeschwOlste hervor, welche 
ich Gliome der Retina nenne. Aber freilich gehen aus demsel- 
ben auch miuicherlei entzündliche Nenbildungen, sowie andere 
Geschwülste hervor, welche ich nach der von mir angenommenen 
EiatheUnng zn den Sarkomen stellen mnss. Dahin zählen insbe- 
sondere die mehr groBBzelligra Geschwülste, welche die meisten 
Autoren als Uarkschwämme , Enceph^ide oder geradezu als 
Krebse bezeichnen. Letzteres halte ich für unrecht; wahre Krebse 
gehSren auch nach meinen Beobachtungen zu den grdssten Sel- 
tenheiten an der Netzhant; was nicht Gliom ist, kann in der 
Regel ohne Weiteres als Sarkom betrachtet werden. Die Haupt- 
schwierigkeit liegt aber darin, dass anch hier Mischformen vor- 
kommen. Ich habe Geschwülste gesehen, welche unmittelbare 
Uebergünge von dem Gliom zum Sarkom darstellten; am 
deutlichsten in einem von Herrn t. Gräfe exgtirpirten Auge 
eines 3 jährigen Kindes*). Ein solcher Uebergang ist vielleicht 
sehr häufig; wenigstens scheint mir diese Voraussetzung am besten 
die Mannichfaltigkeit des Verlaufes zu erklären. 

Dazu kommt, dass eine scharfe Grenze zwischen Gliomen nn<l 
entzündlichen Neubildungen der Netzhant nicht besteht. 
Wie jede hyperplastische Entwickelung je nach Umständen einen 
entzündlichen und einen nicht entzündlichen Verlauf nehmen 
kann, so ist es auch hier der Fall. Die Eriahrnng lehrt, dass 
gar nicht selten der An&ng des „Marksc^wammes" mit einer 
Ophthalmie zaeammen&Ut Der Name Gliom passt von dem 
Augenblicke an, wo die Neubildung, mag sie auch entzündlich 
sein, einen mehr dauernden Charakter und eine gescbwulstartige 
Form annimmt, natürlich immer vorausgesetzt, dass sie aos ho- 
mologen Elementen aufgebaut ist. Eine eiterige Retinitis kann 
niemals ein Gliom erzeugen. 

Aus dieser Darstellung geht hervor, dass die älteren Be- 
schreibungen nur mit grosser Yoraicht zu verwerthen sind. In 
den meisten Fällen ist es durchaus nicht mehr festzustellen, ob 
die Geschwulst ein einfaches oder entzündliches Gliom, ob sie 
ein Sarkom oder ein Gliosarkom war. Die Behauptung von 



•) Archiv för Ophthalmologie. 1860. Bd. VIL 2. S. 45. 



lyCoogle 



160 Ac&tiehnte Vorlesang. 

Travere*) kaon icb nicht zagestehflo, dass diwelbe Geschwulst 
ganz verBchiedene EigeDschaften aaaehme, je nachdem sie von 
verschiedenen Geweben ausgehe, dasa alBO blaue und schwarze 
Knoten den FuDgns der Cboroides, madige den des Opticus und 
des Gehirnee, braune fibrßse den der Sclerotica charakterisirMi, 
dsBH aber diese trotzdem g&mmtlicb identisch seien. Auch ia 
dftr Aderhaut giebt es primär markige Knoten und auch Ge- 
schwülste der Sclerotica können ungefärbt sein. Es giebt hier 
ganz verschiedene Geschwulstarten. Nur diejenigen, welche von 
der Netzbant ausgehen, sind meiner Meinang nach sämmtlicb 
entweder Gliome, oder Gliosarkome, oder Sarkome, und wenn 
auch ich diese in der weiteren Besprechung nicht ganz ansMU- 
anderhalte, so geschiebt es theüs wegen der häutigen Gombi- 
nation derselben, theils wegen des fiberhaupt so geringfügigen, 
mir zu Gebote stehenden Materials. 

Schon aus den angefahrten Bgjspielen wird hervorgegangen 
sein, dasa der Sitz der Gliombildung dn ziemlich typischer ist 
Die inneren, dem Glaskörper zunächst liegenden Theile der Netz- 
haut, welche haeptsächlich die Opticus-Ausbreitong enthalten, sind 
bei der Gliombildnhg, soviel es scheint, wenig oder doch erst 
Bfit betbeiligt. Freilich giebt es auch hiu* eine interstitielle 
WncberuDg, weldie praktisch von grossem Interesse ist; ich meine 
die Anschwellung der Papilla optici bei Gehirnge- 
schwftlsten, auf welche A. v. Gräfe zuerst die Aufmerkeam- 
keit gelenkt hat und bei welcher von mir und Schweigger eine 
hyperplastiscbe Wucherung des interstitiellen Gewebes als Grand 
der Intnmescenz erkannt worden ist**). Gewiss ist diw ein sehr 
interessantes Ereigniss wegen der Analogie der Processe im Ge- 
hirn und im Auge. Gräfe sah es ausschliesslich bei „Su'komen" 
des Gebims. In einem dieser Fälle, der in unserer Sammlung 
aufbewahrt wird""*), handelt es sich um ein weiches, sehr blut- 
reiches, beinahe faustgrosses Gliom des Hinterlappens mit sehr 
schöner, netzförmiger Anordnung der Elemente, welches in den 
Seitenventrikel vorspringt. Allein die Wucherung fährt, soweit 
bis jetzt die Thatsaehen vorliegen, an der Betina nur zu flacbra 



•) B. Travers. SvDOpsis of the diseases of the eye. p. 222. 
") Archiv fttr Ophthalmologie. 1860. Bd. VII. 2. S. 58, 62, 64. 
'•) Pr&parat No. 26. Tom Jahre 1869. 



lyCoogle 



Qliom der Retioa. Igl 

ÄDschwetlm^en , siebt zur eigeotlicben Gliombildnng. Letztere 
geht vieimeiir von dea äuBseren, der Gfaoroides zugewendetea 
Schiebten der Netzhaut aus. Daraus, erklärt sich die so oft ge- 
äusserte Ansicht, dass der „Krebs" sieh zwischen Netzbaut und 
Aderhant entwickele, oder dass er blos ein subretinales Exsudat 
sei. 

Gewöhnlich geschieht allerdings frühzeitig eine Ablösung der 
wuchernden Netzhaut von der Aderhaut durch wässerige Flüssig- 
keiten. Die Netzhaut drängt sich nach innen hin, gegen den Glas- 
körper, buchtig oder knotig vor, bleibt manchmal nur an der 
Papille des Sehnerven und an der Ora serrata sitzen und bildet 
so um den verkleinerten Glaskörper einen dickwandigen, nach 
vorn offenen Trichter. Begreiflicherweise 
enthält dieser in seinen inneren Lagen die '*'' '*'' 

festeren, entweder hypertrophischen, ver- 
dichteten, oder mehr normalen Bestandtheile, 
während die äusseren die weiche .Wuche- 
ruDg bilden. Diese lässt sich zuweilen von 
der inneren Masse bo abschälen oder losspä- 
len, dass die inneren Theile als etwas be- 
sonderes und für sieb bestehendes, die äus- 
seren nur als etwas aufgelagertes erscheinen. 
Ich habe dies ganz neuerlichst an dem von Herrn v. Gräfe ex- 
stirpirten Auge*) eines 3jährigen Mädchens sehr deutlich gese- 



Fig. 131. Gliom der Netzbaut mit Hj^drops choroidis internas. Ori- 
giaalabbildnog nacb dem von Herrn Scbweigger im Archiv f. Ophthalmol. 
VI. 2, Taf. IV. Fig. 9. mitgetheilten Falle. Vom linken Auge eines 5jährigeD 
Knaben. Natürliche GrQsae. 

•) Präparat No. 4, vom Jahre 1864. In diesem Falle erfüllte die mar- 
kige Masse die ganze hintere Augenkamnier. Eine hydropische Hüble fand 
sitb nicht vor. Aber der grössere Theil der Masse war sehr weich , liess 
sich leicht abspülen, nnd es blieb zuleti^t, wie in dem Fall von Pauizza, 
ein derberer Strang zurück, der von dem Opticus zum Rande der Linse 
ging, und deutlich einen nach vorn geöffneten Trichter bildete, dessen 
innere Fläche gefaltet, aber glatt war, während die äussere rauh, nneben 
und mit Geschwulst refiten besetzt erschien. Die grössten und festesten die- 
ser Reste Sassen ganz nach hinten in der Nähe des Opticus-Eintrittes. Mi- 
kroskopisch zeigte sich die innerste Haut aus einer derben , ziemlich ho- 
mogenen, nar auf ihrer inneren ObcrSäcbe ganz feinkörnigen, elastischen 
Haut gebildet, während die GeschwnUtraasse überall eine dichtes Aggregat 
von meist runden Zellen darstellte, von denen die gröseten kaum die GrGsse 
farbloser Blutkörperchen überschritten, dagegen mit relativ grossen, einfachen 
oder doppelten Kernen versehen waren. In der dächeten Nähe der Eintritts- 
stelle des Opticus war die sonst normale Cboroides zu einer, an ihrer stärk- 



oogle 



162 Ächteehnte VoiIeaiiDg. 

heu, und bin feet flberzeugt, dass die früher (S. 153 und 154) 
erwähnteo Beobachtungen*) von Panizea, Liacke, Saun- 
ders u. A. ganz analoger Natur waren. Diese Ablösbarkett 
und der kleinzellige Charakter der Bildung haben wohl am mei- 
sten dazu beigetragen, diese Fälle auf akrophnlCse Retinitis oder 
Choroiditis zu beziehen. Dabei darf man jedoch nicht fiber- 
seben, dass einfache, mehr indurative Verdickungen der Retina, 
welche freilieh manche Üeber^oge zu Gliomen erkennen lasBen, 
schon seit längerer Zeit bei Hydrops choroidis internus bekannt 
sind"). 

Anderemal bleibt die Netzhaut auf der Aderhaut liegen 
oder verwächst geradezu mit ihr. Jedenfalls nimmt ihre Dicke 
mehr und mehr zu, der Raum für den Glaskörper wird immer 
mehr beschränkt und der ganze hintere Abschnitt des Anges 
fttUt sich allmählich mit dem Gewächs. Die Netzhaut faltet sich 
dabei nach innen, so dass ihre einzelnen Wülste auf einander zu 
Fig. 13S. liegen kommen und auf dem Durchschnitt 

des Auges scheinbar nur eine einzige, ge- 
wundene Masse das ganze Innere zu erfül- 
len scheint. Aber selbst in einem solchen 
Fall (Fig. 132.) habe ich noch die Mem- 
brana limitans und die Ansätze der Stütz- 
fasern nachweisen können. Dabei kann 
der äussere Umfang und die Gestalt des 
Augapfels noch fast unverändert sein. 
In der Regel ist es nicht die ganze Netzhaut, welche diffus 
erkrankt Die Geschwulst geht von einem bestimmten Heerde 
aus und wächst, theils indem dieser Heerd sich durch innere 
Wucherung vergrössert, theils indem neue Heerde in der Nach- 



steo Erhebung ungeMr 1^'" dickea Platte von grau durchscheiDendem 
Aussehen angeschwotlen ; hier faud sich gleichfalls eine ganz dichte Wuche- 
rnng analoger, kleiner Zellen von meist rundlicher Gestalt, zwischen denen 
jedoch pismentJrte Elemente des Mnttergewebea noch stellenweis erhalten 
waren. Sclerottca und Opticus norm»!. GlaakSrper geschwanden. Vgl. S. 164. 

Fig. 132. Gliom der Netzhaut mit vollständiger Erfüllung der hinteren 
Aagenkammer. Präparat Ko. 54. vom Jahre 1863, unserer Sammlung von 
äerrn Schweigger überlassen. Die äusseren Augenhänte normal. 

•) Vgl. auch John S. France. Gny's Hosp. Rep. 1857. Ser. lil. Vol. III. 
p. 197. PI V. fig. 1. 

") Sybel. Reil's Archiv. Bd. V. S. 358. Ilimly a. a. 0. Bd. II. 
S. 376, 391. 



lyCoogle 



Gliom der Retiaa. 183 

barachaft auftreten. Daher zeigt die Bildung, wenn eie groBB ist, 
ein l^piges Aassehen auf dem Durchschaitt , und gewisse Theile 
der Betiaa sind auch später dicker, andere dfinner. 

Geht das Wachsthum weiter, so schwillt das Avgß im Gan- 
zen an, die Linse und die Iris werden nach vom gedr&ngt, die 
Cornea prall gespannt, die äusseren Tbeite injiciren und vascu- 
larisiren sich mehr und mehr, und endlieh erfolgt der Dnrchbruch 
des Gewüchses. Am gewöhnlichsten geschieht derselbe nach vom 
am Bande der Bomhant oder dnrch dieselbe, seltener durch die 
Sderotica, am seltensten nach hinten hin. Von da an beginnt 
der eigentlich fungöse Zustand, die Exophthalmia fun- 
gosa. Dei' Luft ausgesetzt nimmt der Schwamm ein dunkel- 
rotbes Aussehen an, blutet leicht, sondert viel Flössigkeit ab, 
und wichst mit grosser Schnelligkeit. 

Diese Form mag wohl in der Regel schon eine Mischform, 
eine Gombination mit Sarkom sein. Die Grenze des eigentlichen 
Glioms wird meiner Meinung nach durch die Grösse und Form 
der Elemente bezeichnet. So lange die einzelnen Kerne und 
Zellen die Grösse der normalen Elemente der Kömerschichten 
nicht oder nur um ein Massiges fiberschreiten, so lange kann 
man die Wucherung als einfache Hyperplasie auffassen. Werden 
sie aber grösser als gewöhnliche Schleimkörperchen, wachsen 
namentlich ihre Kerne noch mehr an, enthalten die einzelnen 
Zellen mehrere grosse, stark entwickelte Kerne oder nehmen 
die Zellen durchweg eine spindelförmige Gestalt an, so tritt da- 
mit meiner Meinung nach der Sarkom -Charakter ein. 

Was das reine Gliom betritt, so entwickelt es sich zunächst 
von den Körner- und Zwischenkörnersehichten. Es kann daher, 
wie indem Fall von Bobin*), vorkommen, dass die Stäbchen noch 
erhalten sind; später gehen sie zu Grunde. Gewöhnlich aber, wie 
schon erwähnt, erhält sich die Limitans interna sehr lange und 
die von ihr ausgehenden Stutzfasern verdicken sich so, dass sie 
die Gesehwulst in eine Reihe von Segmenten oder Lappen zer- 
legen**). Die Hauptmasse der Geschwulst aber bilden ungeheure 
Anhäufungen von Kernen und Zellen. Erstere stimmen manch- 
mal ganz mit den kleinen, runden, leicht glänzenden Kernen der 



*) RobiD bei Sichel. Iconogr. PI. LXV. fig. 14. 
") Schweigger. Arcbiv f. Ophthalmologie. Bd. VI. : 



oogle 



164 Achtzehnte Vorleaung. 

KOmerschictatea äberein, anderemad sind sie grQsser und mehr 
kOrnig. Die Zellen sind gleichfalls klein, mit sehr mUsBigem 
ZellkOrper, der in der Regel eine rnnde, zuweilen eine mehr on- 
regelm&ssige, mit feinen Fortsätzen vereehene Gestalt hat. Nicht 
selten trifft man sie, wie schon Fritschi sab (S. 156), in mehr- 
fachen Reihen neben einander, wie eie auch in der normalen Re- 
tina vorkommen. Diese Haufen kann man am besten mit Mais- 
kolben vergleichen. Hier und da isotiren eich längere Faserzellea 
mit sehr langen Fortsätzen und einem sehr schlanken und kurzen 
Zelikörper, auch bangen wohl mehrere derselben unter einander 
zasammen. Ton Intercellularsubstanz nimmt man wenig wahr. 
Sie erscheint frisch als eine amorphe, feinkörnige Masse, die ge- 
härtet eine fein netzförmige BescbaBenheit zeigt. Dazu kommen 
endlich massig zahlreiche, aber zum Theil recht weite Ge^se, 
welche das Gewebe nach aJlen Richtungen durchziehen. Nament- 
lich nach der Perforation und der Bildung einer äusseren Wuche- 
rung nehmen sie so sehr zu, dass auch manche neuere Autoren*) 
den Namen des Blutschwammes (Fungus haematodes) dafOr bei- 
behalten haben. 

So ist die Beschaffenheit frisch wuchernder Gesehwülste. 
In älteren finden sich manche Zeichen des Zerfalls, namentUch 
fettige und kalkige Massen. Letztere hat Robin beschriebwi. 
Erstere fand idi unter der Form weisser Eßmer oder ElfimpchMi 
in grosser Ausdehnung in dem schon erwähnten Gliom des 3jÜi~ 
rigen Mädchens (S. 161), welches durch seine Weichheit und 
AblOsbarkeit von dem inneren Ketinalstraj^e schon zeigte, dass 
es in eine Art von Verwitterung gerathen sei. Sehr wahrschein- 
lich iät dies der Anfang spontaner Rückbildung. 

Die eigentliche Gescbwolstmasse stellte hier eine weichbreüge 
Substanz von milchiger Farbe dar, in welcher schon für das blosse 
Auge zahlreiche, kreidig aussehende Punkte oder EOmchen her- 
vortraten. Letztere bestanden fast ganz aus FettkOmchenzellea 
und FettkOrnchenkugeln und zerfielen bei leichtem Druck in 
einen fettigen Detritus. Eine solche Masse ist nach allgemeinM- 
Er^rung zur Resorption seiir geeignet, und ich möchte glauben, 



•J W. Lawrence. A treatUe od the diseases of the eye. Lond. 1833. 
p. 604 W. Hackeazie: A practica! treatise od the diseaaea of the eye. 
Lond. 1836. p. 616. 



lyCoogle 



Maligne Gliome der Retioa, 165 

dass gerade dieser Fall jene Beobacbtnngen sehr gut erlfintert, 
wo eine Geschwulst, sei es ftr immer, Bei es für einige Zeit, 
sich verkleinert und zDrQckgebildet hat. Denn ausser dem AnB- 
gange in vollständige Atrophie ist mehrfach*) .beobachtet wor- 
den, dass die Geschwulst eine längere Zeit stationär war und 
dano (bei Mackenzie erst nach 3 Jahren) wieder lebendig 
wurde und schnell anwuchs. 

Ueberaus schwierig ist die Frage, ob die Gliome der Netz- 
haut infektiöse Eigenschaften besitzen, ob sie sich hetero- 
plastisch fortsetzen kflnnen. Schon die fr&her (S. 157) erwähnten 
Angaben von Mandl, Hulme und Hulke sprechen dafür, dass 
sie Geschwülste mit krebsbaftem Verlauf vor sich gehabt haben. 
Nun mnss man freilich sorgfllltig das blosse Perforiren und fun- 
^se Hervorwuchem der Masse von Krebshaftigkeit unterscheiden. 
Pockels**) hat einen Fall berichtet, wo die Geschwulst nicht 
weit vom Opticus - Eintritt die Choroides an einer kleinen Stelle 
durchbrochen hatte, ohne dass deren Gewebe sonst erheblich 
verändert gewesen wSre. Allein anderemal erkranken die Nach- 
bargewebe in bestimmter Weise. Ich will dabei ganz absehen 
von den älteren Beobachtungen, wo nicht blos das Entstehen 
neuer Markschwammknoten ausserhalb des Auges, am Opticus, 
an der Sclerotica, im Fettgewebe der Orbita, sondern auch ein 
Fortkriechen längs des Opticus zur Dura mater und zum Gehirn 
erwähnt sind, obwohl die Anschwellimgen der Papilla optici bei 
Hirngliomen zu einer Vergleichnng auffordern. Ich beschränke 
mich auf ein Paar genauer untersuchte Fälle. In dem schon er- 
wähnten regressiven Gliom (S. 161, Anm.) war die Choroides zum 
Theil mit einer ähnlichen Wucherung erföllt, wie diejenige, welche 
aus der Retina hervorgegangen war, und ein Vergleich mit chro- 
nischer Choroiditis **•) zeigte, dass sie sich von einfacher ent- 
zflndlicher Wucherung unterschied. Rindfleisch +) hat eine 
Netzhautgeschwulst beschrieben, welche ganz aus kleinen, den 
Elementen der EOmerscbicht analogen Elementen bestand ; neben 



•) Vgl. die Beobachtungen von Hayes, Weller, Bauer nnd Mackei 
Bbei Cinckel. c. p. 25. sowie John F. France I. e. p. 197. PI. V. f~ 



-, c- P.] 

") Pnckels. Gräfe und Walther. Jonrnal. 1824. Bd. VI. S. 353. 
•••) Präparat No. 167. vom Jahre 1861. 
t) Rindfleiach and Homer. Klinisches Honatsblatt fQr Angenheil- 
kunde. 1863. S. 341. 



lyCoogle 



iOQ Achtzehnte Vorlesung. 

ihr, aber ganz naabhäDgig davon, fand sich ein kleiner, ähnlich 
zusammengesetzter Knoten zwischen Choroides und Sclerotica; 
auch war der Opticus von äbnlicben kleinen Hoerdeo durchsetzt. 
In unserer Sammlung befindet sich ein noch complicirteres Prä- 
parat. Das Innere des etwas geschrumpften Bulbus ist fast ganz 
mit fester Masse gefüllt. Hinter der unmittelbar an die Hornhaut 
gedrängten Linse liegt eine ziemlicli compakte Masse von im All- 
gemeinen weisslich markigem Aussehen. Darin unterscheidet man 
ziemlich weit gegen die Mitte hin zusammengedrängte und ge- 
pj ^ faltete Züge von schwarzer Beschaffenheit, 

welche sic^ convergirend in der Richtung 
gegen die Eintrittsstelle des Opticus er- 
strecken, aber am stärksten hinter der Linse 
hervortreten und an einer Stelle harte, 
I kalkige Stellen enthalten. Dies sind offen- 
I bar Reste der Aderhaut. Nach innen davon 
liegt markige Masse, aber auch nach aussen 
davon findet sich eine, stellenweise bis zu 
4 Linien dicke Lage markiger Substanz, 
welche ringsum von der etwas verdickten Sclerotica umgeben 
wird. Nach vorn hat sieh ein breiter Schwamm durch den Hom- 
hautrand hervorgedrängt. Nach hinten sieht man den sehr ge- 
schrumpften und von verdickter Seheide umgebenen Opticus durch 
starke, knotige Anhäufiingen von Geschwulstmasse verlaufen, 
welche dasselbe Aussehen zeigt, vrie die innere. Sie reicht bis 
um den hinteren Umfang des Bulbus hemm und hängt äusserlich 
mit der Sclerotica fest zusammen. Die mikroskopische Unter- 
suchung zeigt überall dieselben Elemente, sehr kleine, dicht ge- 
drängte Zellen, mit dem einzigen Unterschiede, dsss innen die 
runden, aussen die spindelförmigen vorwiegen. 

Es scheint demnach nichts anderes übrig zu bleiben, als die 
Annahme gewisser maligner, infektiöser Gliome der Retina, 
welche heteroplastische Brut hervorbringen. Rindfleisch 
will sie MedoUarsarkome oenneß. Ich mOchte vor der Hand die- 
sen Vorschlag wenigstens nicht allgemein aufnehmen, da gerade 
manche Geschwülste mit den kleinsten und am meisten homolo- 



Fig. 133. Glioma malignum intraocalare perforaOB. (Präptirat Mo. 166. 
vom Jahre 18Ö7). Natfirl. Gr<3sse. 



lyCoogle 



HeteFoplMtischfl Qliome. 137 

gen Elementen dieBe Eigenschaften zeigen, und da der Begriff 
der Sarkome ganz verrückt würde, wenn wir nicht mehr die 
anatomischen und genetischen, sondern die physiologischen Eigen- 
schaften als maasBgebende betrachteten. DaBS es aber Uebergänge 
zu Sarkom giebt, habe ich schon heirorgehoben nnd dass gerade 
diese Gliosarkome am meistea Bedenken erzeugen, gestehe 
ich vollkommen zu. Der Gegenstand verdient eine weitere, ein- 
gehende Prüfung, ehe man ihn als definitiv festgestellt betrach- 
ten kann*). 

Ich füge endlich noch hinzu, dasa das Gliom der Betina ganz 
aberwiegend eine Eigenthümiichkeit des frühesten Kindesaltera 
ist Travers") exstirpirte mit dem glücklichsten Erfolge das 
Ange eines Smonatlichen Kindes, dessen hintere Augenkammer 
ganz mit einer opaken, speckigen Masse gefüllt war; man nahm 
an, dass die Bildung congenital sei. In dem Fall von Lincke 
(S. 153) liegt eine solche Annahme noch näher und die Analogie 
der congenitalen Hirn- und Sacralgliome unterstützt die Annahme. 
Anderemal werden Augenentzündungen, Stösse und Schläge auf 
das Auge, voranfgegangene Exantheme als veranlassende Ur- 
sachen aufgeführt. Dürfte man die Erfahrungen über den 
„Markschwamm* des Auges ganz heranziehen, so läge sogar, ein 
sehr eigenthümliches hereditäres Verhältniss vor, Lerche***) 
beobachtete diese Krankheit bei 3 Knaben und 1 Mädchen anter 
7 Kindern derselben Familie; Sichelf) sah sie bei 4 Kindern 
derselben Mutter. — 



*) Kürzlich übergab mir Herr voQR'eckliagfanaaeD ein acboD durch - 
achnittenes, von Herrn von Gräfe eiatirpirtes Äuge, welches sowohl narh 
hinten fast ganz von eiaer laarlcigen H»sse umtvacbsen, als auch innen 
grossenthciia damit erfüllt war. Dieselbe bestand überall aus einer den 
gliüsen gleichenden, sehr feinzeüigen Wucherung, nntermiBcht'mit Italkigen 
Bröckeln. Der intraoculare Tbeil des Gewächses gehörte wesentlich der 
Gboroidea an Von der Netzbaut konnte ich nirgend etwas auffinden, doch 
schien sie erst nachträglich verloren gegangen zu sein. Dagegen war der 
Opticos bis zur Durcbachnittsstelle , auf eine Länge von wenigstens j Zoll, 
zu einer mehr als gSnaeki et dicken Masse angeschwollen, nnd ganz und gar 
in eine markige, ebenso feinzellige Masse umgewandelt, deren Entwickelung 
aus dem interstitiellen Gewebe sich sehr deutlich nachweisen Hess {Präp. 
Mo- ä. vom Jahre 18t>4). 

") Travers. Synopsis, p. 203, 400. PI. III. fig. 7. 
•") Lerche. Vermischte Abhandlungen aus dem Gebiete der Heilkunde 
von einer Gesellschaft praktischer Aerzte in St. Petersburg. 1821. 1. Samml, 
No. li. S. 196. 

t) Sichel. Iconogr. ophth. p. 574. PI. LVI. 6g. 5-6. PI. LVII. 



lyCoogle 



16g . Achtzehnte VorleanDg. 

Weim die primäre Heteroplasie der Gliome big jetzt nur 
in teratoiden GeschwülBten von mir constatirt ist, so will ich 
damit doch die Mtlglicbkeit nicht auBschlieBsen , dase bei weiter- 
gebender Forschang auch noch andere Orte im Körper ab Aus- 
gangspunkte gefunden werden. Für jetzt kann ich nur eine Ge- 
schwulstform auffahren, welche ich wenigstens vorläufig den Glio- 
men anschliessen möchte: das sind gewisse Markgeschw&lste 
der Nieren, die ich freilich früher auch Sarkome genannt habe. 
Es sind in der Regel kleine, erbsen- his kirschengrosse Knoten 
von ganz entschieden medullärem Aussehen, welche sich an der 
Oberfläche des Organs, jedoch in' der Rindensnbetanz, entwickeln. 
Sie haben eine weiche, sehr zarte, durchscheinend weisse Be- 
schafi'enheit und enthalten wenig Blutgefässe. Manchmal sind sie 
soU^r, manchmal mehrfach. Man hat sie wohl meist als wirk- 
lich krebsige Bildungen aufgefasst, aber sie kommen ganz unab- 
hängig für sich vor und ihre Zusammensetzung unterscheidet sie 
wesentlich von krebsigen Formen. Denn sie enthalten keine 
epithelialen, sondern, wie die Gliome, zahlreiche kleine rundliche 
oder sternförmige Elemente, die in einer weidien Grundsubstanz 
liegen und aus dem interstitiellen Bindegewebe der Niere durch 
progressive Wucherung hervorgehen. Meist kann mtm neben ihnen 
ausgedehntere interstitielle Nephritis, sei es in ihren frischereu, 
sei es in ihren atrophischen Stadien, nachweisen*); ja, in ein- 
zelnen Fällen von Gianularatrophie und zwar gerade in ihren 
höchsten Graden geht heerdweise aus dem Interstitialgewebe eine 
knotige, hyperplastische Wucherung hervor, welche die Oberfläche 
der Niere in zahlreiche, unregelmässige , grauweisse oder rein 
weisse Knollen erhebt**). Nicht immer erreichen in diesen letz- 
teren die Zellen jene vollkommnere Entwickelung, wie in den 
mehr unabhängigen, zuerst erwähnten Gescbwfilsten , aber der 
Process selbst ist nicht davon zu unterscheiden. — 

Bei den Sarkomen werden wir Gelegenheit haben, gewisse 

•) 0. Beckmann. Mein Ärchir, Bd. VI, S. 71. trI. Bd. XX. S. 30. 
**) A. Beer. Die Biadesnbstauz der menschlichen Miere. Berlin. 1859. 
S, 167. (Förster citirt eine andere Stelle bei Beer S. 65, dlein der dort 
behandelte Fall gehört in eine ganz andere Kategorie. Es war ^:in Fall von 
CODstitutioneller Sjfphilis, den ich in meinem Archiv Bd. XV. 6 284, freilich 
ohne BerOcIcsichtigDDg der sehr geringfügigen Nierenf.ecke, genauer be- 
handelt habe). 



lyCoogle 



Gliosatkom. 169 

Formen zu besprechen, welche sich den Gliomen auf das Nächste 
aaschliessen und welche ich daher als Gliosarkome bezeichne. 
Biese tinden sich nicht blos an Orten, wo Neuroglia pi^xistirt, 
e^ondern an vielen anderen. Möglicherweise werden sich manche 
von ihnen später als heteroplastische Gliome ausscheiden lai^sen ; 
l^r jetzt musB es genügen, die Forscher auf diese Analogie hin- 
gewiesen zn haben. 



lyCoogle 



Neunzehnte Vorlesung. 



a r k 





tlebiin; lu Polypen und Bchwlmingn 


(FoDgi). D« Sarkom dsr Ntueren: Mfduliirj.rkom (Fn 


ngue nedullnrle) und Uedulliirarclnam. 


VerwLrrong fn liet tcclinlicbeD Spricbm dis Benetton; 


Venucba den Hamen la beieittgen. 








cialtypug in demeelben. Eihallnng dei 




nd Conhlnulonen: Fibroeircomi nnd 








cbvulet. Hillgne fibröse, rocuirliende 




; MiKbform (8arconia cittinomiloilM). 




d Gnllcnkreb» (Cjircfnoina hi.ltnnio). 


Basinlge« Osteoid und ujslficlrendes (oiteoWai) Circf 


om. HalignlUt der garkome. 




Parenehyöii der Bukome mit »ildcm 







lige (medulliie, eneeptalolde) , grossiellige und klelnieUige Formen. TclangtektalDelie und 
polypftie lind (nngöae. — Feinere Znaammenieliung: 1} Zellen: Allgemein« Formen. » Du 

eellnlue, Plaamom): Splndeliellen (gsgcliwinite oder liliroplaaliaeha EörperJ. ibre ZuHmmen- 
setiung, ihre Aebnllcbkeil mit UnikelieUen. Anerdnang in BlUtem, Bündeln oder Balken 

Freie Kerne: Faserkemgeicbwulst ifibronnelelre G.). o) Di9 Hundrelleniivrkom [8. globo- 

NenrogKa, Oriaulatianen. Petlmetamorpboie und Pigmenttmng, Cnleracbied von Srebi; 
LigerungiTerliillnliB. Sebeinbar nlieoUrer Bnn: Gefiiinelie, alte Gewebsreite, Intenellulini 
KeMcnlum. Grannlitionslbnllcber Bau : Fiachmilcbgeictawolst, Kropbnlfiaet oder DrüseaHrkom. 

Vielkernlge Zellen (Hnltenellen . Myeloplaxen). — Die ^arkomielUn aX Farenibymiellu. 
HlBchrermeD des Sirkomg mit Krebs. — 2) InteriellnUrlnbl tani: Cbemlacbe Hmtoi: 
leimgebende, albumlnSse. casetnGee, mucinSia. Morpbologliebe Beschaffenbelt: fibrlOire, ker- 
nige und netilge, homogene. Carlilagtnesreni und VerknBcHerung. — S) QetSsse; Vorkom- 
men. Blutungen: bimorrhigisrhe Infarkte, Pigmentbildnng, Pareachymfarbe. 

EnlwIckeluDg: Uatriculargcvebe. Die Jagendiuatfaide. 

Aetiologio: 1) Die malignen Warzen (Verrucae oancroaa« et jarcomatosi.e) und USler 
(Naevi miJlgnl). Fleiechwanm (Vermeao cameae >. mollee). Gefärbte MUer (PigmenOnller, 
Spilue, Uelu); >erJChiedenB Formen. Amelsenituncn (Mjrmaciae). Bntwlekelung an iarto. 

Zähne, Besunldriioo, Knochen. 3) tobenaaller: böliorss und JÜngerei. 4) ConalltalioB: 



Sarkome. 171 

Htliino» d« Phrde. Uultipla avksine. t) VoraorgaRiingsne StGrDDgen: Kelold 
(Hirbsn-Biutom), ReltuDgen und EntilndanEaD : Svkome d«T Zehen, d«i Aufei UDit dei 
eerSun HKnU. TnameD. «) Haltereeveba: Elnfluei der ennn Loullllt iiif primäre nnd 
eccnadire Kaateii. T) Infectlon and Cantiglan: SrlUche Infectioii, Beignng lu locilen 
Beddlien (RapoUuUUon). DlicoatiDulrllcbe InTectlon md DltHmlmtiDD. UaUalue. Gering« 
Bttlielligang der LymplidrSgeii. Dyakraale. eurkom-HUsnia: Zellen oder BUM, Bewegung 

Oertllchsr TarlinF: RaliÜTe Diueibafüglieit dar Surbonu. Kalna iponbi» Bcllong. Putlella 
Rückbildung: FeUmatunorpboBe, bielge Veidichtung ItuberkeUrUga HaUnorpboie), feltiga 

Frognsie: eiti, OrEue, InrBcttDninhlgkeil. Uillgnltil ; VarhiltDiii mm Krebi; bagcbriukt« 
BSiuCigkalE. Benigne und maligna Perioden üenelben Geichwulit Zone der latenten Ei- 
krukung. VerbUInlti der Srtlii^ben Haltung an Dlnamlmatlau und UcUiUh. Krllerlan 
der nulignui Ptrlnde: Adbirana und Perforation der Sebeldeoinde. Bcila dar HailgnltU: 
Reiobtbum an Zellen und SiTteo, Klelnielilgkelt, analomlicha Blurtrtatungan des Organe. 
UreprÜiiBllelM Dyakriala: Kelannie. 

Oenanere GeachlchM dm Helanoea. ConatitutioiHlla BeilehuugeD derselbsn bei Pfeiden und 
Ueuecben. Beiiehung la anderen FarbMoffen (Haar*, Haut, Hirn). Vergleich mll der Blonca- 



Oeaetalcbta: VentniiUa apiuae (Spina venloaa), Osteoseeatoni. Eioatoae; Bpulls; da> b. 
Osteoid Dud der Oeteoldkrehl. Daa Hrelold. Forintn du Knochanurkosa: iuMtr. 
03t«>le> and Innere (njelogeDe). I) Perloa teale Sarkome, Bau und Zuaammeni 
Form der Zellen: Spindel-. Rund-, Btem- nnd Rieaeniellen. Compllclrta Zuaaniinaii 



mrertion und Helastaae; Lungen. GnUrlige Formen : Epulü perieete 


IIa. harte und »eiche 


Form, Bau, ReeidlvBblekait und (reaiender Charicler. Corllcale Osleo 


arkoma mit .ieikeml- 


gan Zellen. S) Myelogene Sarkome; (Fungus haemalodea, Bpleuold 


Knochancyalen, Mje- 


loide). Beiiehung anm Knochenmark. Schaltga SarHome; Welch« For 


men , Porten Iwlckelu Dg 








Fibrome oder Oaleoid- 




ulaartige Geechwulst) 








bebuipteie Benign lUt, 




N^hbarseb^, Meta- 


«aae. Maligne Spiudal- nud RimdwUanaarkome. Praktisehe Geaichtspu 


nkle. 3) ParoBteBl« 


Sarkome: oeUoide und medulläre Formen. 






iilgsichwliiate. Fuo- 








tastue. Verglaich mll 



Kreba, Orbltalgeschnülate. 

I der lerSaau und BehlelmhSnte. SolMr« und multi 
und polypöse Formen. Hagenpolypen. Uterus, Uagen, Masi 

Hoden (Bardocele). Cysllgche und polypSie Poimeo. FroguoBe. 
e der Lymphdrüsen: PrimSra nnd socundSre Formen, 
etinalgeach wülate. 



D,oi,z,db,Coo<^le 



Neunzehnte Vorlesung. 



Wir kommen jetzt ao ein wichtiges und zugleich Dicht wenig 
streitiges Gebiet, an das der Sarkome (Fteischgeschwülste, 
Tumores carnei a. camosi), - ein Gebiet, weldiee einen Namen 
aus den Attesten Zeiten trägt, aber welches noch bis anf 
den heutigen Tag keinesweges so gesichert ist, dass selbst der 
Name eine allgemeine Anerkennung gefunden hätte (Bd. I., S. 17). 
Galen*) sagt, dass man als Sarkom das widernatürliche Wachs- 
thum des Fleisches in der Nasenhöhle benenne, und er bemerkt 
ausdr&cklicb , dass man auch Polypen in diese Kategorie ein- 
begreife. Im Allgemeinen hat sich diese Auffassung bis in die 
neuere Zeit erhalten**), indess findet sich der Name bis gegen 
das Ende des vorigen Jahrhunderts im Ganzen wenig in Gebrwich. 
In den medicinischen Schriften ist fast nur von Sarkomen des 
Uterus im Sinne fleischiger oder polypöser Auswüchse die Rede *•*). 
Bei den Chirurgen machte sich hier und da schon früher eine 
andere Auffassung geltend, indem man auch gewisse tiefsitzende, 
dem eigentlichen Fleisch und benachbarten Theilen angehörige 
Geschwülste so benanntet). Man meinte damit in der Regel 
weichere, schmerzlose, rundliche VoUgeschwülste, aus einer Ver- 
flechtung faseriger Theile gebildet, von der Haut überzogen, mit 
wenig Blutgetässen und im Allgemeinen von mehr gutartiger 
Natur ff). Man Hess sie gelegentlich sich entzünden, in Eite- 



*) GalenoB. Definitiones medicae: Sarcoma est iuerementum carnis 
{ua^Käi av^tjtttg) in naribus , naturae modiim excedena. Polypös quoqne 
sarcoma quoddam est.. DifFert sarcoma a polypo magnitndine et structura. 
Ausserdem ist boi ibm von einer SaTcosis uteri, jedooh in einem ganz anderen 
Sinne die Rede. 

**] J. B. Palletta. Eiercitationes pathologicae. Mediol. 18S6. P. II. 
p. 8G: Etsi polypus et sarcoma uno eodemque nomine aecipiantur, qoia 
carnei esse crednntur, matti tarnen dietinguunt ob diversam utrinsque in- 
dolem, nam polypös niagis accedit ad animalculi, cujus nomen prasfert, 
fignram et sobstantiam, mollior, gtutinosaa est et solutus et plerumque sa- 
nabilis. Alterum Tero ioformius, Tatae radicis, fibratae et refractariae, vici- 
nis conoexom, viz removeri potest. 

•") Ruysch. Thesauras anat. III. Do- VII. 2. Observ. auat chirarg. 
28, 29, 58. van Swieten. Comroent. it aphor. ßoerh. T. IV. p. 698. 
Sandifort. Observ. anat. path. Lib. I. p. 111. 

t) P. Barbette. Opera chirurg. anat. Lugd. Bat. lt>72. P. III. p. 46. 

tt) Job. Astruc. Abhandlung von Geschwülsten und OescbwQren. Aus 
dem Franz. von Rumpelt Mit Zus&tzen von Hebenstreit. Dresd. n. Leipz. 
1791. Tb. li. S. 226, 237. Plenk. Nenes Lehrgebäude von OeschvObten. 
Dresd. u. Leipz. 1776. S. 176. 



lyCoogle 



Sukome nnd Fauien. 173 

mng, Skinh oder ErebB abergeben. Damit war aber wenig ge- 
holfen, nad wenn man gegenw&rtig pr&ft, was damals Sarkom 
geheiBsen hat, so kann es nicht zweifelhaft bleiben, dass Fibrome, 
Lipome, Chondrome nnd alle möglichen anderen Geschwfilste 
mit wirklichen Krebsen und Sarkomen zusammengeworfen worden 
8iad. Die grosse Mehrzahl der Chirurgen*) blieb jedenfalls dabei 
stehen, Schwämme (Fungi) und Sarkome als identisch, 
also auch für das Sarkom die fnngöBe oder Pitzform (Bd. I., S. 9) 
als wesentlich anzusehen**). Nur in der Dermatologie erhielt das 
Sarkom ein ausgedehnteres Gebiet; wenigstens bezeichnet schon 
Lorry***) gewisse „unförmliche fleischige Massen", die theils 
aus feigenttrtigeu Geschwülsten durch Entzündung derselben her- 
vorgehen, theils angeboren sind und erst spät wachsen, als 
Sarkome. 

Noch später hat man den Ausdruck weiter ausgedehnt, 
und man kann wohl sagen, dass am Anfange des gegenwärtigen 
Jahrhunderts fast alles, was nicht einen cystischen Bau hatte, 
was nicht ungewöhnlich hart war und was nicht durch eine be- 
sondere Neigung zu Ulceration und Schmerzhaftigkeit sich aus- 
zeichnete, was man also nicht Balggeschwnlst, Steatom, £x0iitose 
oder Krebs (Skirrhus und Cancer) nannte, in die Kategorie der 
Sarkome gerechnet worden ist. Insbesondere war hier der Einfluss 
Ton Abernethyt) entscheidend, der den Vorschlag machte, 
ein ganzes Geschlecht von Geschwülsten mit diesem Namen zu 
belegen und innerhalb desselben wieder eine Reihe von Arten 
zu unterscheiden. Als solche bezeichnete er das gewöhnliche, 
vascularisirte oder organisirte Sarkom, das Fettsarkom, das pan- 
kreatische Sarkom, das Balg -Sarkom, das Brustdrüsen -Sarkom, 
das tuberkulöse, das markige (medulläre) und da» carcinomatöse, 
also mit Ausnahme der knöchernen und der Geiässgeschwölste so 
ziemlich Alles, was man ausser den eigentlichen Balggeschwülsten 



*) Vgl. di« LiteratDr bei J. GrasUuis. EierciUtio med. chirarg. de 
Bcir"ho et carcioomate, in qua etiam fuDgi et sarcomata pertractantur. 
Amstel. 1741. p. 42. 

") Manget (Bibi. chir. Geoev. 1721. T. IV. p. 35) erklärt die Sarkome 
fQr Eicrescentiae carDeaej er uaterscheidet ein Scleroaarcoma (p. 81), Myio- 
Barcoma (p. 64) uad Lepidum sarcoma (p. S2). 

***) Lorry. AbbandluDg von den Krankheiteti der Baut. Aus dem Lat. 
TOD Held. Leipz. 1779. Bd. U. S. 379. 

t) John Abernethy. Med. chir. Beobachtungen. Deutsch von J. Fr. 
Heckel Üalle. 1809. S. 14 ff. 



lyCoogle 



\ 

174 Nenniöhat« Vorlesung. 

von Psendoplaemea (Gewächsen) ksaate. Die meisten dieeer 
Namen sind freiDcb niemals in die allgMneiiie medicintsehe 
Sprache aufgenommen worden, indess blieben doch das «infacbe 
Sarkom, das Balgsarkom (Cystosarkom) and dae Marksarkom 
(Sarcoma medallare) stehen, zu denen noch dag Gallertaarkom 
(Sarfioma gelatiaosnm s. colloides) nnd das KDochensarkom 
(Osteosarcoma) hinzugef^ wurden. Dabei Übersah man meist, 
dass Äberaethy den Namen des Sarkoms in einem sehr allge- 
meinen Sinn gebraucht hatte und keineswegs die sämmtlichen, 
von ihm aufgestellten Arten als Bildungen desselben Gmndtypns 
angesehen wissen wollte. Eine einheitliche Grnndanscbanung war 
aber gewiss ein logisches Erfordemiss, und es erschien daher 
als ein wirklicher Fortschritt, dass durch die Arbeiten von Hey, 
Wardrop, Laennec u. A. das Medullarsarkom unter dem Na- 
men des Fungus haematodes und 3)ednllaris, des Encephaloids 
ganz und gar abgetrennt wurde (S. 123). 

Durch diese Abtrennung wurde aber, ohne dass es die Ur- 
heber wollten, das Medullarsarkom dem carcinomatOsen Sarkom 
Abernethy's, dem eigentlieheu Krebs so sehr genfthert, dass 
sehr bald Medullarsarkom und MeduUarcarciaom gleichbedeutend 
wurde. Die schon von Grasbuis*) dargethane Verwandschaft 
der Fungen und Sarkome mit Skirrhen und Garcinomen fand 
eine immer grössere Zahl von Anh&ngeni, and namenüicb in 
Deutschland wurde die Frage durch die Autoritftt von Job. Fr. 
Heckel und Phil. v. Walther**) für längere Zeit in dem 
Sinne der Identität YOn Blutschwamm, Markschwamm und Ke- 
lanose entschieden (S. 124). Was blieb nun för das Sarkom 
flbrig? Manche Augenärzte***) behielten den Ausdruck für 
allerlei warzige und granulöse Auswüchse (Caninculae) der Horn- 
haut und Bindehaut, für den Pannus carnosaa bei, ohne überhaupt 
eine bestimmte anatomische Vorstellung daran zu knüpfen. Wal- 
therf) entsehloss sich später sogar kurzweg, jede durch Hypertro- 
phie ohne Form- und Mischungsreränderuag entstandene Volnmens- 



*} OrasbuiB 1. c. p. 56, 65. 
**) Heckel. Path. Anat If. S. S. 297. PhiL y. Walther. Jonniftt fOr 
Cbirargie und Aagenheilkuade. 1823. Bd. V. S. 252, 564. 

***} Karl Bimlj. Die Krankheiten und HisBbildnngen des nienBchl. 
Auges nnd deren fleilnog. Berlin. 1843. Bd. U. S. 16. VFeller. Die 
Krankheiten des menschl. Anges. 4. Aufl. Berlin. 1830. S. 187. 
t) Phil. V. ffalther. System der Chirurgie. S. 882. 



^Google 



Dm Oebiet der Sarkome. 175 

vergröBsenuig eines Oiganes Sarkom zn nennen, und diese Be- 
zeichnung auf gewöhnliche Hyperplasien der Tonsillen und Paro- 
tidei!, auf Kropf und Leberphygkonie ^Rüzuwenden. Nur Stro- 
meyer*) verstuid darunter GeBchwÜlste, welche ans einer ge- 
f^sreichen, in Beiner Struktur dem neugebildeten Fleieclie, den 
Granulationen ähnlichen Zellstoffe gebildet seien, und er rechnete 
dahin nicht nur die Fibroide und Cystosarkome , sondern atich 
gewisse Melanoaen, während ep-die einlachen Hypertrophien und 
den Markschwamm auf das BeBtimmteste ausschloBs. So entstand 
am Ende eine Yerwirrnng der Sprache, wobei eine Verständigung 
beinidie ganz nnmöglich schien, nnd wobei jeder ziemlich will- 
kürlich denselben Namen auf die verschiedensten Gewächse in 
Anwendung brachte. 

Gerade diese Willkür hat dann den ^flcksehli^ herbeige- 
führt, als man an die feinere anatomische und histologische Be- 
gründung der Geschwülste ging. Man meinte, es bliebe nichts 
übrig, als einen so viel gemissbrauchten und so unsicheren Na- 
men ganz und gar abzuschalfen, und alle die verschiedenen Arten 
von Gewächsen, die man darunttr verstanden hatte, auf andere 
Weise zn bezeichnen. Ich hätte an sich gegen einen solchen 
Versuch nichts einzuwenden; ich'theile, sogar die Meinung, dass 
es nöthig ist, nicht blos die eigentlichen Carcinome, sondern 
auch die Fibrome, Lipome, Chondrome n. f>. f. so viel als mög- 
lich auszusondern. Auch habe ich durch die Begründung der 
Myxome**), der Osteoidcbondrome, der Gliome urs. f. das Gebiet 
der Sarkome schon sehr erheblich verkleinert. Aber ich finde 
es doch nöthig, nach dieser Aussonderung das Sarkom beizube- 
halten , weil in der That eine innere Nothwendigkeit vorhanden 
ist, einen besonderen Namen iät gewisse, der Bindesnbstanzreihe 
aogehOrige Geschwülste zu reserviren, für welche wir wohl einen 
allgemeinen Typus der histologischen Entwickelung aufsteliea 
können, l^r welche wir aber nicht im Stande sind, im Beson- 
deren unter den normalen Körpergeweben so strenge Analoga 
zu finden, wie wir sie bei den bisher besprochenen Gewachsen 
angetroffen haben.. 



•) L. Stromeyer. Handbuch der Chirurgie. Bd. I. S. 246. 
*♦) Birkett (Gnj's Hosp. Rep. 1858. Ser.IlI. Vol. IV. p. 234-24S) be- 
gebreibt eiue Reihe aasgezeichueter Uyiome als eine besondere Unterart der 
übroplas tischen OeschimlBt. 



lyCoogle 



176 Neauiehnte Vorlegang. 

Wenn man alle die vereehiedenen GeBchwuletartea, die wir 
bis jetzt als Analoga der Bindegewebssnbstanzen besprochen ha- 
ben, einzeln durchgeht, so ergiebt eich, dass jede von ihnen der 
Ausgaogapunkt einer weiteren Entwickelang werden, gewisser- 
maassen einen Uebergang machen kann zu ii^end etwas, was 
dem allgemeinen Typus nach allerdings noch mit dem Haup^e- 
webe abereinstimmt, im Einzelnen jedoch davon verschieden ist. 
Man hat dies schon seit langer Zeit eine Degeneration ge- 
nannt; ich beschrieb es*) genauer als Uebergangsfähigkeit 
einer Geschwulstart in eine andere (Transformation, Meta- 
plaBie). £b geschieht eine solche Verwandlung bei den Ge- 
schwOlsten der Bindesubstanz-Reihe in der Art, dass die Beson- 
derheit des einen oder anderen Gewebes, welche zum Theil und 
mebt bestimmt wird durch die Beschaffenheit der Intercellnlar- 
enbstanz, zum Theil durch die Beschaffenheit der zelligen Ele- 
mente, eine wesentliche Abweichung erffthrt, indem die Zellen fQr 
sich eine immer stärkere Entwickelung machen, und zwar sowohl 
in der Richtung, dass sie sich bedeutend vergrOssem, als anch 
in der anderen Richtung, dass sie sich bedeutend vermehren. Je 
vollständiger eine solche Fortentwickelung der Fibrome, Myxome, 
Chondrome, Osteome, Melanome, Gliome zu zellenreichen nnd 
zugleich grosBzell^en Geschwülsten stattfindet, je mehr damit 
der frühere Charakter verloren geht und gewissermaassen im 
Sinne von Bruns") eine Zellengeschwulst (Tumor cellu- 
losus) entsteht, ohne dass jedoch die Zellen aufhören, 
den allgemei nen Typus des Gewebes, aus dem sie sich 
entwickelt haben, an sich zu tragen, um so mehr halt« 
ich mich für berechtigt, das Ding ein Sarkom zu nennen. Neh- 
men dagegen die Zellen einen anderen Charakter an, schlagen 
sie eine heteroplastische Entwickelung ein, werden sie also 
z. B. zu Epith^alzellen, so ist dies kein Sarkom mehr, sondern 
ein Cancroid, Carcinom oder Kystom. Und ich will gleich hier 
darauf aufmerksam machen, dass nicht blos Fibrome, Myxome, 
Gliome, Melanome eine Metaplasie zu Krebs eingehen kOnnen, 
nnd dass dies bei dem Enchondrom sogar die gewöhnlichere Art 
der Metaplasie ist (Bd. 1., S. 473), sondern dass dies auch, wie die 



•) Virchow. Würzb. Verhaadl. 1850. Bd. I. S. 138. 
*') Brnne. Handbuch der praklischen Chirurgie. Bd. 1. S. 95. 



zPcbyCOO^IC 



Definidon des Sarkoms. X77 

älteren Beobachter annahmen (S. 172) in einer gewissen Weise 
beim Sarkom vorkommt. 

Das Sarkom iBt also Ar mich eine ganz wohl definirbare 
Formation. Ich verstehe darunter eine solche, deren Gewebe 
der allgemeiaeo Grnppe nach der Bindesnbstanzreihe 
angehört, und die eich von den scharf za trennenden 
Species der bindegewebigen Gruppen nur durch die 
vorwiegende Entwickelung der xelligen Elemente un- 
terscheidet*). Unter allen Yerhültnissen bleibt demnach der 
GesarnrnttypuH fortbestehen, nehmüch ein Gewebe, in welchem 
Zellen und IntercellularsubBtanz, selbst wenn die letztere auf ein 
Minimum reducirt wird, noch zu einer relativ festen und in sich 
eohärenten Struktur vereinigt sind, zu einer Struktur, welche 
Gefäase in sich authimmt und welche sich in continuirlichem Zu- 
sammenhaDge mit den Dachbarlicben Geweben der Bindesubstanz 
befindet. Dadurch unterscheidet sich das Sarkom wesentlich von 
allen Epithelialformationen und namentlich von allen Krebsen und 
cystischen Geschwfllsten, wo die wesentlichen Theile sich als 
etwas Getrenntes, neben dem Alten Bestehendes darstellen, wo 
die specifischen Elemente der Geschwulst nicht continuirlicb, 
sondern mehr oder weniger discoatinuirlich , blos per contiguum 
dem übrigen Gewebe angelagert sind. 

Ist das nun der allgemeine Charakter des Sarkoms, so mflssen 
wir freilich eine grosse Reihe von Dnterabtheilungen desselben 
machen. Ich hatte mich früher") darauf beschränkt, nur zwei 
Ünterabtheilungen aufzustellen,' nehmlich das faserige und das 
faserig-zellige Sarkom, eine Unterscheidung, welche nachher 
von mehreren Autoren angenommen ist. Aber sie genügt nicht; 
sie hat nur Werth für die bindegewebige (fibromatöse) Form, 
welche freilich die gewJJhnlichste ist. Gegenwärtig mnss man 
viel weiter gehen, und ebenso viele Unterabtheilungen aufstellen, 
als wir bis jetzt besondere Geschwülste der Bindesubstanzreihe 
besprochen haben. In dem einzelnen Fall schliesst das Sarkom 
sieh nehmüch zunächst entweder an ein Fibrom, oder an ein 
Myxom, Chondrom, Osteom, Gliom, oder was wir sonst gehabt 
haben. Ich habe bei den meisten dieser Arten schon hervorge- 



•) Virchow. Cellularpathologie. 3. Aufl. S. 450. 
••) Virchow. Archiv. 1847. Bd. I. S. 195-200. 

Virebov, OuihinliM. 3. 



lyCoogle 



178 MeuDtebnte Vorlesnog. 

hoben (Bd. I., S. 349, 404, 407, 473. Bd. IL, S. 120, 132, 136, 
159, 163), dasB es bei ihnen gewisse Uebergänge zum Sarkom 
giebt, und dass in einzelnen Fällen es schwer zu sagen ist, ob wir 
die GeBchwulst ein Sarkom nennen oder sie in die gewQhnlicbe 
Reihe bineinnehmen Bollen. Ja es ist mOglicb, dass in einer Ge- 
schwulst einzelne Abschnitte rein fibrJJs oder rein schleimgewebig 
oder rein knOcbern sind, während andere durch den hochentwickel- 
ten zelligen Charakter der Gewebsmasse sich ganz von dem beeon- 
deren Typus entfernen und sarkomattts erscheinen. In manchen 
Fällen kommt es vor, dass diese Combination sieh noch mehr stei- 
gert, indem an demselben Tumor drei, vier, fünf solcher verschie- 
denen Gewebe miteinander zusammengehen, z. B. ein Theil knO- 
chem, ein anderer knorpelig, ein dritter fibrös ist, ein vierter 
endlich den specifisch sarkomatCsen Charakter an sich trägt. Hätte 
man diese letztere Stelle nicht, so wfirde man die Geschwulst in eine 
der vorher besprochenen Species oder in eine Combination dersel- 
ben hineinsetzen. Sobald aber ein mehr unabh&igiger, mehr selbst- 
ständiger Gang der Zellenentwickelung beginnt, so verschwin- 
det nach und nach der Charakter, durch den sich mehr oder 
weniger alle bindegewebigen Substanzen auszeichnen, nehmlich 
der, dass die Zellen gegenüber der Intercellularsubstanz dem 
Räume nach etwas in den Hintergrund treten und eine schein- 
bar untergeordnete Position einnehmen. Von dieser Zeit an wer- 
den wir von einem Sarkom sprechen, und damit nicht nur eine 
anatomisch, sondern auch klinisch, namentlich prognostiscb äusserst 
wichtige Unterscheidung gewinnen.- 

Man könnte freilich auch anders argomentiren : Wenn unter 
gewissen Verhältnissen die verschiedensten Gewächse der Binde- 
substanzreihe sich zu Sarkomen entwickeln, so könnte es viel- 
leicht am gerathensten erscheinen, das Sarkom ganz aufzugeben 
und dafür jeder der anderen Species eine sarkomatöse Varietät 
anzureihen. Statt eines Sarcoma tibrosum oder Fibrosarcoma 
erhielten wir dann ein Fibroma sarcomatosum; statt eines Sar- 
coma mucosum oder Myxosarcoma ein Myxoma sarcomatosum. 
Ich vyürde diese Anordnung, welche ich für gewisse Combina- 
tionen als unentbehrlich betrachte, für die ganze Abtheilung an- 
nehmen, wenn alle Sarkome ein Stadium hätten, wo sie wirklich 
Fibrom oder Myxom oder sonst eine der erwähnten Geschwülste 
wären, und wenn dieses Stadium als ihre eigentliche Äkme, oder 



lyCoogle 



Sftrkom- Arten X79 

mit aad«rea Worten, wenn die sarkomatAae Bildung nur als eine 
^^Entartui^;;'' bezeichnet werden konnte (Bd. I., S. 97). Allein 
viele Sarkome geben namittelbar aus dem Grannlationsstadinm 
in ibre höhere Entwickelang über, ohne dass sie jemals ans wirk- 
lichem Bindegewebe, Scbleimgewebe, Neuroglia odet sonst einem 
typischen Gewebe der Bindesubstanz bestanden haben. Noch 
viel mehr entscheidet aber die Erfahrung, dass ein Sarkom, wel- 
ches sich vielleicht aus einem Fibrom, Myxom, Melanom ent- 
wickelt hat, nachher durch Infektion Tochterknoten hervorbringt, 
welche nicht etwa auch ihrerseits znerst Fibrome, Myxome oder 
Melanome sind, sondern sofort Sarkome werden, d. h. nicht an 
den besonderen und specifischen Charakter der Entwickelung 
eines bestimmten KOrpergewebes, sondem nur an den allgemei- 
nen Charakter derselben gebunden sind, und gerade dieser letz- 
tere Charakter entscheidet auch über den klinischen Wertb. Nach 
allgemeinen Gmnds&tzen der Terminologie müssen wir daher bei 
dem Sarkom stehen bleiben (Bd. I., S. 289). Das hindert jedoch 
nicht, dasB wir in solchen Fällen, wo eine unzweifelhafte Meta- 
plasie eines einfachen Gewüchses, z. B. eines Fibroms oder Glioms 
in ein Sarkom stattfindet, und zwar so lange, als von dem ur* 
sprßnglichen Gewächs noch erhebliche TJeberreste vorbanden sind, 
von einem sarkomatösen Fibrom oder Gliom sprechen. 

Erfahrungsgemäss sind alle Versuche, die Sarkome ganz und 
gar aufzulösen in eine Reihe von getrennten, unabh&ngigeo und eo- 
ordinirten Species, je nachdem in ihnen bald nach der einen, bald 
nach der anderen Richtung liin irgend ein besonderer Gewebstypus 
(Specialtypufi) mehr hervortritt, an dem Umstände geschei- 
tert, dass man bei der allgemeinen Classitication der Geschwülste 
gewisse Formen übrig behält, welche sich den Specialtypen 
nicht fügen, und es ist gewiss sehr lehrreich xa sehen, dass 
auch die entschiedensten Gegner des Sarkoms schliesslich ge- 
Qßthigt gewesen sind, an seiner Stelle neue Arten von Ge- 
schwülsten aufzustellen. Sie kämpften mehr gegen den Namen 
als gegen die Sache. Nehmen wir das bekannteste Beispiel: 
Wenn das StrukturverhäUniss eines Gewficbses sich im AUge- 
meinea mehr an das der fibrösen Geschwülste anschliesst und 
eich nur dadurch von dem der gewöhnlichen Fibrome unter- 
scheidet, dass die zelligen Elemente, in der Regel Spindelzellen, 
ungemein reichlich vorbuiden sind, so bat man sowohl in Fraak- 



lyCoogle 



180 NeuDiehnt« VorleeuDg. 

reich, als ancli zam Tbeil in Englaad, dem Vorschli^ von Le- 
bert*) folgend, sie fibroplaatische Geschwülste genannt, von 
der früher") allgemeio angenommeneD Vorstellung Schwaan'a 
ausgehend, dass ans den Spindelzellen (geschwänzten KOrperchea) 
unmittelbar durch Zerspaltnng ihres Körpers die faserige Masse 
des Bindegewebes entstehe. Es sollte al^o tibroplastische Ge- 
schwulst bedeuten eine Geschwulst, in welcher fibroplastische Kör- 
per oder faserbüdendS Zellen in besonders grosser Masse vorhan- 
den seien. Der Name ist aber in doppelter Beziehung schlecht: 
einmal, weil die spindelförmigen Zellen überhaupt nicht aus sich 
selbst, aus einer Zerklüftung ihrer Substanz die Fasern des Binde- 
gewebes erzengen, letztere vielmehr der Intercellnlarsubstanz an- 
gehören; andermal deshalb, weil eine solche Erzeugung, wenn sie 
wirklich sonst etwa stattfände, gerade in diesen Geschwülsten nicht 
besteht. Denn es ist ja eben der Charakter dieser Geschwülste, 
dass die zelligen Theile qua zellige Theile persistiren und dass sie 
keine Entwickelung zu vollendetam Bindegewebe durchmachen. 
Machten sie diese Entwickelung, erzeugten sie regelmässig eine 
fibrilläre Intercellnlarsubstanz in erheblichem Maasse, wären die 
Zellen also faserbildend, so würde die Geschwulst ganz einfach ein 
Fibrom sein. Aber gerade die massenhafte und üppige Zellenbil- 
dung stellt die Akme, die eigentliche Florescenz (Bd. I., S. 97) der 
Geschwulst dar. Daher ist der neue Name unzulässig, ja er ist 
scbüdlich gewesen, weil er von vom herein die Yermuthung mit 
sich brachte, dass die fibroplastische Geschwalst, als eine aus 
gewöhnlichem jungen unreifen oder Uebergange-Bindegewebe zu- 
sammengesetzte, keine gefahrvolle Bedeutung habe, vielmehr im 
Allgemeinen als eine gutartige Bildung zu betrachten sei***). Erst 
nach sehr herben Erfahrungen hat man diese Auffassung wieder 
überwunden; die Generalisation der fibroplastischen Geschwülste 
musste erst wieder entdeckt werden, während der constitutionelle, 
bösartige Charakter vieler Sarkome längst bekannt war. Die fibro- 
plastische Geschwulst ist nichts anderes, als das Spindelzellen- 
Sarkom oder das Sarcoma fasciculatum anderer Autoren. 



•) Lebert Phjaiologie pathoiogique. Paria. 1845. T. II. p. 120. 
••) Cellularpathologie. 3. Aufl. S. 39. Fig. 20 ß. 

*•*) Lebert. Abhandlungen aus dem Gebiete der praktischen Chiroi^ie 
ad der path. Physiol. Berlin. 1848. S. 132, 241. 



lyCoogle 



RefonnvenucheiD dor Sftrkomlehre. Igl 

Paget*) hat einen anderen Weg eingeechlagen, indem er 
einen Tbeil der Sarkome mit dem Namen von malignen 
fibrÖBen Geschwülsten bezeichnete, einen zweiten als re- 
eurrirende fibroide Geschwülste abtrennte, und dazu noch 
eine dritte Kategorie Mgte, die schoa mehrfach berührten Mye- 
loidgeschwülste. In Beziehung anf die beiden ersteren hat 
er also gewisse physiologische Eigenschaften, nehmlich die Ma- 
lignilät und die Becnrrenz als Namen gebend betrachtet, was 
gegenüber dem als richtig erkannten bigtologiscben Princip der 
Eintbeilung nicht zulässig ist. Was die Myeloidform anlegt, 
so habe ich schon neulich (S. 5) bervoi^eboben , dass in man- 
chen Geschwülsten eine Äebnlichkeit einzelner Elemente mit ge- 
wissen Zellen des Knochenmarkes unzweifelhaft vorkommt. Aber 
ein Theil dieser Gesehwülste gehört den medullären Osteomen 
an, andere sind zu anderen Gruppen (Lymphomen) zu stellen, 
ein anderer endlich kann bei den Sarkomen belassen werden. 
Ich komme darauf zurück, will aber schon hier bemerken, dass 
ich auch nicht jedes Sarkom ein myeloides nennen möchte, wel- 
ches die betrefTeaden vielkernigen Zellen enthält Denn diese 
sind nicht etwa specifische und constante Bestandtheile des Kno- 
chenmarkes, sondern sie entsprechen nur einem zugigen Ele- 
ment, welches sich bisweilen im Mark und bisweilen anderswo 
lindet 

Andere Beobachter wiederum, und dag ist eine grosse Zahl 
sowohl von Chirurgen, als von Anatomen gewesen, haben ge- 
glaubt, einen sehr grossen Theil der Sarkome ihrer Bösartigkeit 
willen unmittelbar zu den Krebsen rechnen und sie geradezu mit 
dem Namen der Garcinome belegen zu müssen. In früherer 
Zeit half man sich, wie schon erwähnt, damit, dass man unter 
Umständen ein Sarkom degeneriren, krebsig werden liess; in 
neuerer Zeit hat man, von der willkürliehen Annahme der Un- 
veränderlichkeit der Gescbwulsttypen ausgehend, diesen Gedan- 
ken so sehr zurückgewiesen, dass man entweder das betreffende 
Gewächs geradezu Krebs nannte, oder ihm die krebshafte Natur 
ganz und gar absprach. Meiner Erfahrung nach (S. 175) liegt der 
Grundirrthum hier in der Beobachtung. Es giebt wirkliche 

urgical pathology. LoDd. 1853. Vol. 11. p. 151, 



lyCoogle 



182 Neunzehnte Vorlesung 

Mischformen von Sarkom und Careinom: Geschwfilete, in 
denen gewisse Abschnitte sarkomatOs (fibroplaBtisch), andere car- 
cmomatfla sind. Man kann daher, freilich in einem anderen Sinne, 
als Äbernethy, wirklich von einem Sarcoma carcinoma- 
todee sprechen. Eine solche Geschwulst wird natürlich auch 
die physiologischen Eigenschaften beider Species haben and die 
Halignität wird gewissermaassen eine doppelte sein. In diesen 
Fällen mag es vorkommen, dass wirklich das Sarkom krebsig 
entartet, aber gewiss ist dies in der Regel nicht so zu verstehen, 
dass die schon entwickelten Sarkomelemente sieb in Erebselemente 
umwandeln oder dass sie Krebselemente erzengen. Vielmehr gehen 
die Krebselemente meistentheils, soviel ich gesehen habe, neben 
den Sarkomelementen ans dem Muttergewebe oder dem Granu- 
latiODsgewebe hervor, und es wachsen demnach Sarkom und 
Careinom mit einander , wie zwei Aeste desselben Stammes. 
Dabei ist es aber sehr wohl möglich, dass sie nicht vollkommen 
synchronisch wachsen, und nach meinen Erfahrungen muss ich 
schliessen, dass in solchen Fallen die frfihere Entwickelung sar- 
comatOs, die spätere carcinomatös ist. So entsteht eme zusam- 
mengesetzte Geschwulst ( dögöneration composee Laennec) von 
gemischtem Typus, welche zuerst einfach war, und von der man 
daher, wenn man mehr die groben Verhältnisse im Auge be- 
hält, wohl sagen kann, es sei ein Sarkom carcinomatös geworden, 
und es habe sich der Typus des Gewächses verändert. Diejeni- 
gen aber, welche die Invariabilität des Typus behaupteten, waren 
natürlich genöthigt, den Schluss zu ziehen, dass der Typus von 
vornherein der carcinomatOse gewesen sei. 

Am fffibesten ist dies bei den geförbten Sarkomen, den so- 
genannten Melanosen geschehen. In älterer Zeit pflegte man 
diese Form von den krebsigen Geschwülsten gar nicht zu unter- 
scheiden nnd es ist ziemlich schwer, aus den Beschreibungen 
noch herauszufinden, was hierher gehOrL Eines der vorzüglich- 
sten Beispiele finde ich bei Fabricius Hildanus*), der eine 
Melanose als Ficus cancrosns in oculi dextri orbit» beschreibt. 
Auch noch die Beobachter im Anfange des gegenwärtigen Jahr- 
hunderts unterschieden die Melanose nicht von dem Blut- und 



*) Fabricias Hilda^nus. Obs. et curat, chinirg. Cent 1. Obs. I. 
p. 33. MaterU iostai atramenti nigra erat oihilque aliud quam Bangninis hex. 



lyCoogle 



HelaooM. 183 

HarkBchwamm*); ja in der Veterinärkande verwechselte man 
sie mit Hämorrhoiden**). Erst Laennec***) stellte den Namen 
der Melanose auf und gab damit den Untersuchungen einen be- 
stimmteren Ausgangspunkt Aber zugleich legte er den Grund 
sn der äussersten Verwirrung, indem er das Gebiet der Melanose 
auf alte schwarzen Zustände der einzelnen KOrpertheile mit Aus- 
nabme des Lungenschwarz ausdehnte. Er unterschied einge- 
kapselte (incystirte), nicht eingekapselte, infiltrirte nnd frei an 
der Oberfläche der Organe abgelagerte Melanosen, betrachtete 
aber alle zusammen als eine esp^ce de cancer. Die nachfolgen- 
den Scbriftstellerf) haben diese verschiedenen Formen nicht bloe 
KugelasBen, sondem zum Theil noch erweitert, und man ist so 
nicht bloB zu Unterscheidungen zwischen gut- nnd bösartiger, 
sondern auch zu solchen zwischen wahrer und falscher Melanose 
gekommen. Die Forschung ist dadurch von dem eigentlichen 
Kern der Frage immer weiter abgeleitet worden, indem sie sich 
mehr dem Farbstoff, als der eigentlichen Gewebsmasse zuwen- 
dete. Dies war um so mehr bedenklich, als man wesentlich 
den schwarzen Farbstoff im Auge hatte, während in Wahrheit 
der Farbstoff der fraglichen Geschwülste mehr braun, als schwarz 
ist und daher nicht nur wirklich schwarz erscheinende, sondem 
auch braune, brannschwarze, graubraune und gefleckte Gewächse 
in Frage kommen. 

Der Gedanke Laennec's von der krebsartigen Natur der 
Melanosen fand seinen schärfsten Ausdruck in der von Ali- 
bertff) gewählten Bezeichnung des Cancer melanä (Gancmm 
melaneum), welchen er noch von dem durch Jurine aufgestell- 



*) Wardrop. Obser*. oa fungns haematodea. p. 69, 74, 81. PI. III. 
fig. 1, 3. Allan Borns. Anatomv of head aad neck. Bdinb. 1811. p. S49. 

*•) BrngnoDs. Von der Zucht der Pferde, Esel nnd Hanltbiere, and 
von den gewChnlichsten GegtStkrankheiten. Aus dem It.-ilieD. von Fehmer. 
Prag. 1790. S. 61. 

***) Laenoec. Bulletin de l'Ecole de m^deciDB de Paris. 1806. No. II. 
p. 24. Traitä de ranscultatioo m^diate. T. I. p, 288. 

t) Mf!rat Dict. des sc. med, Paiis. 1819. T. XXXII. p. 183. Lob- 
atein. Path. Anat. 1. S. 392. Andral. Path. Anat. Deutech von Becker. 
I. 8. 346. Carswell. lllaatrations. Art. Helaooma. Ginge. Atlas. Lief. III. 

tt) Alibert. Noaologie naturelle (1817) Paris- 18S8. p. 641, 550. PI. J. 
et K. Ich bemerke dabei, dass der ron Alibert PI. K. abgebildete Fall 
von Cancer melan^ wiedergegeben ist von Savenko (Tentamen path. anat. 
de melanoG). Petrop. 182Ö. Tab. I.), daes er aber auch identisch ist mit der 
von Laennec in seinem Tiaitä d'aaecn lt. m^d. im Detail gebrachten Obs. 32. 



D,gt,ZBdHi.COO<^Ie 



Ig4 NeuDKehnte VorleHtiDg. 

ton Cancer anthracine uaterscbied, obwohl der erstere nach sei- 
ner Beschreibung nur die multiple, der letztere die eolittre Form 
des Uebels darzuBtellen scheint. Ja, er liefert BeBchreibung und 
Abbildung*) von einer dritten Form, die er Cancer globuleax 
nennt, welche offenbar gleichfalls hierher gehört. In Deutschland 
hielt man nach dem Vorgänge von Job. Fr. Meekel, Phil. 
V. Walther und Meyen**) daran fest, in der Melanose eine 
Art des Markschwammes zusehen und erst seit Job. Müller***) 
wurde der Name des Carcinoma melanodes und damit die Ein- 
ordnung der Melanosen als eine Varietät des Krebses fast allge- 
mein angenommen. Nur einzelne Schriftsteller beharrten dabei, 
die Melanose für sich zu betrachten und sie gelegentlich mit an- 
deren Geweben in Yerbindang treten zu lassen. So Garswell, 
namentlich aber Lebertf), der geradezu die essentielle Melanose 
von der combinirten trennt. 

Stromeyer war wohl der erste, welcher von melanotischen 
Sarkomen sprach, aber seine Ansicht blieb ohne EJnfluss, da er 
keine genaueren Angaben machte. leb habe mich bemüht, nicht 
nur diese Form bestimmter featKustellen, sondern auch ihren 
Unterschied Yon dem melanotiscben Krebs nachzuweisen ff). Seit- 
dem haben einzelne Beobachter ftt) ^^^ melanotisehe Sarkom 
anerkannt, allein die Mehrzahl nimmt noch jetzt alle Melanosen 
als Carcinome (Pigmentkrebse). Natürlich ist damit die Anwen- 
dung des Ausdruckes der Melanose auf blosse Flüssigkeiten mit 
schwarzer Farbe, sowie auf blosse Cysten mit schwarzem (hä- 
morrhagischem) Inhalt und auf blosse schwarze Färbungen ge- 



Sonderbarerweise erwähnt keiner von beiden Antoren (Alibert nnd Laen- 
nee) des anderen; anch giebt jeder einen anderen Namen der betreffenden 
Kranken an, wBhrend doch sonst Alleg , der beobachtende Interne, das 
Hospital, der Befund, vielfach bis anf die Ausdrücke fibereinstimmt. End- 
lich minrat auch noch Breschet (Joum. de physiol. eip^rim. par Magendie. 
Paris. 1S21. p. 36ä) dieselbe Beobachtung fQr sich in Anspruch. 
•) Alibert Ebendaselbst, p. 541, H8. PI. H. 

") Meekel. Path. Anat. IL 1. S. 297. ffalther. Journal f. Chir. n. 
Augenheilk. Bd. V. S. 664. Heyen. Unters. Qber die Natnr parasitischer 
OeschwQlste. Berlin. 1828. S. 63. 

"") Job. Müller. Ueber den feineren Bau der Geschwülste. S. 18, 
■i") Lebert. Traitd d'anat. path. T. I. p. 122. 
tt) Vircbow. Archiv. 1847. Bd. I. S. 470. 
tt+) G. Simon. Hautkrankheiten. 2. Aufl. S. 267. R. Maier. Berichte 
der naturf. Ge«. zu Freiburg. i. Br. 1868. Mo. 30. C. 0. Weber. Chir. Er- 
fahrnngen u. Untersuchnngen. S. 336. Grobe in V i dal - Bardeleben. Chi- 
rurgie. Berlin. 1863. Bd. I. S. 661. 



lyCoogle 



TreDDDDg der Helanosen in Ginppen. X85 

wisser Oi^ane ansgescblosaen, welche die Mheren Beobachter 
sämmtlicb mit heranzogen, aber es ist dafür eine Einseitigkeit 
der Auffassung festgestellt, welche gerade in praktischer Bezie- 
hung sehr beklagenswerth ist Meiner Meinung nach ist das Ge- 
biet der melaaotischen GescbwQlete in drei ganz getrennte Grup- 
pen zu zerlegen: die einfachen Melanome, die Melano- 
sarkome und die Melanocarcinome. Dass diese unter sich 
bestimiote Beziehnngen haben and unter Umständen in einander 
übergehen kOnnen, halte ich für richtig, wie die weitere Ausfüh- 
ruDg ergeben wird, aber das darf uns nicht abhalten, diese Grup- 
pen in der Analyse zu trennen. Leider erschwert die gewöhn- 
liche Bearbeitung in der Literatur diese Trennung auf das Aeusserste, 
ja es ist bei vielen Einzelfällen unmöglich, nachträglich heraus- 
zubringen, welcher Gruppe sie angehört haben mOgen. Anderer- 
seits ist es nicht möglich, ganz auf die Literatur zu verzichten, 
und ich bemerke daher im Voraus, dass ich im Nachfolgenden 
öfters genöthigt sein werde, Fälle zu citiren, von denen es zum 
Theil wahrscheinlich ist, dass sie nicht zu den Sarkomen, sondern 
zu den Garcinomen oder wenigstens zu den Mischformen mit 
CarciDom gehören. Eine spätere Zeit wird eine correctere Dar- 
stellung mögUcb machen; für jetzt mag es genügen, darauf hin- 
zuweisen, dass eine nicht unbeträchtliche Zahl von melanotiechen 
Geschwülsten, namentlich der Haut und des Auges, zum Sarkom 
gehören. Natürlich ist damit die Frage der Bösartigkeit in kei- 
ner Weise abgeurtheilt; im Gegentheil gestehe ich zu, dass die 
Melanosarkome als solche sehr bösartig sein, ja dass sie sogar 
metaplastiscb in Krebse übergehen können, aber ich schliesse 
daraus nicht, dass sie Krebse sind. Sie verhalten sich in dieser 
Beziehung nicht anders, wie die Enchondrome. 

Nächst den Melanosen sind es die Medullarsarkome gewe- 
sen, welche allmählich fast ganz von den Medullarcarcino- 
men aufgenommen worden sind. Da ich schon wiederholt diesen 
Pnnkt besprochen habe (S. 123, 152), so will ich hier nicht darauf 
zurückkommen. Wohl aber muss ich zwei andere Streitpunkte 
berühren, welche durch Joh. Müller aufgeworfen sind. Einer- 
seits waren es gewisse bösartige Formen von faserzelligen und 
gallertigen Geschwülsten, welche ihn bestimmten, ein Carci- 
noma fasciculatum (Bündelkrebs) aufzustellen, welches er in 
sehr bezeichnender Weise mit dem hyalinen Carcinom ver- 



lyCoogle 



186 Neomebnt« Vorlegang. 

einigte*). Andererseits fand er ei nOthig, eine zweite Grappe 
von Geschwüläten auszuscheiden, die er freilich ausdrücklich von 
den Krebsen sonderte, aber als sehr bösartige beseichnete; das 
waren die von ihm so genannten ossificirenden Schwämme 
oder Osteoidgeschwülste**). Diese VorschlÄge sind nach- 
her von vielen Seiten acceptirt, und nur dahin modificirt worden, 
dass auch das Osteoid oft als Carcinoma osteoides dai^e- 
stellt worden ist. 

Das MaasBgebende bei dieser Zusammenstellung mit den 
Krebsen ist hauptsächlich die Erfahrung gewesen, auf welche ich 
schon vor 15 Jahren in aller Bestimmtheit hingewiesen habe***), 
dass die Sarkome keinesweges, wie manche Autoren f) meinten, 
gutartige Geschwülste sind, welche hSchstens lokal recurrirten, 
sondern dass sie auch in benachbarten Lymphdrüsen auftauchen, 
in eotferateren Organen sich entwickeln und endlich in der äusser- 
steo GeneralisatioD im Körper vorkommen, also die ganze Ma- 
lignität krebsartiger Formen darbieten können. Das ist eine Jetzt 
allgemein anerkannte Erfahrung. Allein dieser Umstand giebt in 
keiner Weise die Berechtigung, die Geechwnlst Krebs zu nennen, 
wenn anders mit Krebs man eine bestimmte Stnietar bezeichnen 
will. Soll Krebs nur so viel als „Raubtbier unter den Geschwül- 
sten" heissen, dann ist der Name freilich gleichgültig; dann 
muss man sich nur unter den Geschwülsten alle die Formen mer- 
ken, welche so schlimme Eigenschaften haben kftnnen. Ich meine 
aber, dass man diesen Versuchen gegenüber doch genöthigt ist, 
auf dem alten Namen bestehen zu bleiben, wie ich es von An- 
fang an gethan habe und wie es in Deutschland nachher von 
allen denen geschehen ist, welche sich epecieller mit diesen Ge- 
schwülsten beschäftigt babenff). Auch ist der Namen, wie mir 



*} Uflller. Ueber den feineren Bau der GeBchwQhte. S. 22. 

") Möller. Archiv f. Anat. Phjs. und wieseiiBchattl. Med. 1843. S. 39G. 
*") Virchow. Medicinische Reform. 1849. No 51. S. 271. Vgl. mein 
Handbuch der Spec. Path. u. Therapie. 1854. Bd. I. S. 347, 349. 

■f) Joh, Müller. Deber den feineren Bau der Geschwülste. 8. 29. 
B. Reinhardt Path. aoat. UnterBuchungen. Berlin. 18Ö2. S. 123. 

■ft) A. Förster. Handb. der allg. pathol. Anatomie. Leipz. 1865. S. 219. 
B. Beck. Pseudoplasmen. Freib. 1867. S. 44. C. 0. Weber. Chimrgische 
Erfahrungen ond Untersuchungen. Berlin. 1859. S. 361. Billroth. Die Ein - 
tbeilung, Diagnostik and Prognostik der GeBchvSlste. Berlin. 1859. S. IS- 
Hein Archiv. 1860. Bd. XVIII. S. 84. Senftlebeo. Archiv f. klin. Chir. 



lyCoogle 



Wildes Fleücb und Sarkom. 187 

Bcheiat, TOlistSiidig gut gewählt, da er nicht bloB die fleischige 
BeschaffeDheit, die Vascularisation, das Weiche, das mehr Gleich- 
massige des Baaes, welches diese Geschwülste in der Regel 
haben, sondern auch den ZusammeDhang, den continnirlichen 
Oebergang zu den Nachbartheilen deutlich festhält, nnd zugleich 
die Aehnlichkeit ausspricht, welche das Sarkom-Gewebe mit den 
verschiedenen Formen von sogenanntem wilden Fleisch, — 
Sarkes, wie die Alten sagten, Carnnculae, Garo luxurians, 
oder Hjpersarcosis*) — besitzt. Mit dieser Bezeichnung meint 
man bekanntlich weiche Wucherungen, die auf allen möglichen 
WnndSäcfaen erscheinen und je nach ihrer Masse sogenannte 
Granulationen oder Fungosi täten bilden können. Aber 
nicht blos mit dem wilden Fleisch, sondern auch mit jungem, 
sich eben entwickelndem, wahrem Fleisch, mit Muskeln besteht 
eine gewisse Aehnlichkeit, wie wir später noch sehen werden. 
Eine Unklarheit liegt daher in keiner Weise in der Bezeichnung 
Sarkom; es sind ganz bestimmte Dinge, die man im Auge hat, 
und wenn die einzelnen Unterabtheilungen, die sich ganz natfir- 
lich ergeben, sich auf das Engste an bestimmte Gewebs- und 
Geschwulstarten anschliessen, so haben wir nachzuforschen: wie 
verhält es sich mit ihren physiologischen Eigenschaften, wie steht 
die Geschwulst in Beziehung auf Malignität, welche prognostischen 
und therapeutischen Gesichtspunkte bietet sie dar? — 

Wenn wir nach diesen einleitenden Betrachtungen die allge- 
meine Geschichte des Sarkoms specieller verfolgen , so wird 
schon aus dem Mitgetbeilten hervorgehen , dass es , gegenflber 
den bisher besprochenen Arten von Geschwülaten, ziemlich schwer 
ist, eine allgemeine Beschreibung des Sarkoms zu geben, da 
dasselbe eine nngleich grössere Manniehfaltigkeit der inneren Zu- 
stände darbietet, als die einzelnen der bis jetzt aufgezählten Ge- 
wächse. Insbesondere erlangt es durch die einseinen Lokalitäten, 
an denen es entsteht, oder genauer gesagt, durch die verschie- 
denen Muttergewebe, aus denen es hervorwächst, leicht gewisse 
Eigenthflmlichkeiten , die nicht blos die besondere Entwickelung 



mtil. Bd. 1. S. 111. Grohe in Bardelcbeu - Vi'dal. Lehrbnch der Cbir. u. 
Operationslehre. Berlin. 1863. Bd. I. S. 524. 

*) A. Par^eug. Opera fhinirg. Franrof. ad Moen. 1594. Lib. XIl. cap. 7. 



lyCoogle 



ISS NeuDzehnte VorleauDg. 

des MutterkDotens , sondern auch die der Tocbterkooten bestim- 
men. Letztere sind demnach von dem Muttergewebe, welches 
sie hervorbringt, verhältnissmä^ig , wenngleich nicht ganz und 
gar, unabhängig. 

Obwohl nun jedes Gewebe der Bindesubstans - Beihe als 
Matrix für das Sarkom dienen kann, so hat doch Grashuis*) 
Recht, wenn er das eigentliche Zell- oder Bindegewebe als 
den FrädileetioDSort bezeichnet. Nächst ihm sind hauptsäch- 
lich die weichen Btndesub5tanzen : das Sehleimgewebe , die 
Neuroglia und die verschiedenen Zustände des Knochenmarked, 
aufzuzählen; nur das eigentliche Fettgewebe zeigt eine viel ge- 
ringere Neigung zur Sarkomatose als zur Carcinose. Von den 
harten ist das Knochengewebe mehr prädisponirt, als das Knorpel- 
gewebe, von dem nur die früher beschriebene (Bd. L, S. 472, 530) 
osteoide Form, der Haut- oder Knochenknorpel, ein häutigerer 
Ausgangspunkt wird. Somit erhalten wir als Varietäten des Sar- 
koms zui^chst folgende: 

1) Sarcoma fihrosum, Fibrosarcoma, Fasersarkom, 

2) Sarcoma mucosum s. gelatinostim s. colloides, Myxo- 
sarcoma, Schleimsarkom, 

3) Sarcoma gliosum, Glioearcoma, 

4) Sarcoma melanoticum, Melanosareoma, Pigmentsarkom, 

5) Sarcoma cartilaginosum , Chondrosarcoma, Knorpel- 
sarkom, 

6} Sarcoma osteoides, Osteoaarcoma, Osteoidsarkom. 
Dabei ist es eben so wenig ausgeschlossen, wie bei den einfachen 
Gewächsen, dass mehrere Varietäten sieh in derselben Geschwulst 
combiniren, dass also z. B. einzelne Theile mehr fibrSs, tuidere 
mehr mucCs oder gliOe, einzelne knorpelig und andere knöchern 
sind. Die Bezeichnung geschieht auch hier nach dem Hanpt- 
hestandtbeil. 

Der Gonsistenz nach lassen sich die Sarkome, wie fast alle 
krankhaften Gewächse, in zwei grosse Gruppen trennen: die 
harten und die weichen. Die ersteren sind längere Zeit hin- 
durchunter dem Namen der Steatome oder Spec kg esehwölste 
mitgegangen, von dem wir schon früher (Bd. L, S. 13, 325, 365, 
457) gesehen haben, dass manche andere Geschwulstform denselben 



•) Grashuis 1. c. p. 67. 



lyCoogle 



Varietäten ond Formen dea Sarkoms. 1A9 

gleichfalls getragen hat. Die weichen liefern die Gruppe der 
Fleischgeschwfllste im engeren Sinne des Wortes, Ton denen 
man erst seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts angefangen 
bat, die Harkgeschwülste als eine besondere Kategorie zu 
trennen. Unsere Varietäten entsprechen diesen Verschiedenheiten 
nur im Grossen. Han kann allerdings sagen, dass das Fibro-, 
Chondro- nnd Osteosarkom den harten, das Myxo-, Glio- und 
Melanosarkom den weichen Formen entsprechen, aber, wie das 
Melanosarkom bald grössere, bald geringere Consistenz zeigt, so 
ist auch das Fibrosarkom sehr wechselnd und selbst die Chondro- 
nnd Osteosarkome haben oft genug grosse Abschnitte von be- 
trächtlicher Weichheit. Ueberwiegend ist es die Beschaffenheit 
und Reichhaltigkeit der Intercellularsubstanz, welche die Con- 
sistenzzustände bestimmt. 

Es kann aber auch bei allen Varietäten vorkommen, dass 
die zelligen Elemente an gewissen Stellen der Geschwulst, bei 
einzelnen Formen auch durch die ganze Geschwulst, so reichlich 
werden, dass dadurch der Charakter hauptsächlich bestimmt wird 
und der Specialtypus des Muttergewebes ganz und gar verloren 
geht Diese zellenreichen Formen sind natfirlicb auch immer 
besonders weich, da sie eine geringere Menge der die Consistenz 
bestimmenden Intercellularsubstanz führen. Sie stellen im Grossen 
die markartigen , medullären (nicht mednllCsen) oder encepha- 
loiden Formen dar: Sarcoma medulläre. Dabei versteht es 
sich von selbst, dass das MeduUarsarkom nicht einfach neben 
dem Fibro-, Myxo-, Glioearkom steht, sondern dass jedes der 
letzteren durch Zunahme der Zellen medullär werden kann. So 
bekommen wir also ein Fibrosarcoma medulläre, Myxosareoma 
medulläre n. 8. f. Vielleicht wäre es zweckmässiger, den so 
leicht misszuTerstehenden Ausdruck des Markigen (Medullären) 
ganz zu vermeiden und dafQr den Zellenreichthum , der damit 
bezeichnet werden soll, geradezu einzusetzen. Denn man kann 
sagen, dass in der pathologischen Sprache markig = zellenreich 
ist, und das Sarcoma medulläre lässt sich daher viel präeiser 
als Sarcoma multicellulare bezeichnen. Wenn ich nichts 
destoweniger die alte Bezeichnung in der Regel beibehalte, so 
geschieht es hauptsächlich ihrer grossen Bequemlichkeit nnd Kürze 
wegen, die sich durch nichts anderes ersetzen lässt. 



lyCoogle 



190 Nenntehnt« Vorlesong. 

Was die Formen der Zellen betrifft, bo sind sie für diese 
Betrachtung gleicbgültig. Ein Tielzelliges Sarkom k^n ebenso 
markartig ausBehen, wenn m ganz aas Spindelzellen besteht, alä 
wenn es mir runde Zellen enthält. Freilich ist das Letztere ge- 
wöhnlicher, aber es giebt doch nicht selten Fälle des vollkom- 
mensten „Markschwammes", wo sich nur Spindelzellen finden. 

Auch die Grösse der Zellen entscheidet nicht über das Aus- 
sehen, obwohl dieselbe den äusaersten Schwankungen unterwor- 
fen ist. Man kann darnach alle Sarkome, nicht blos die zellen- 
reichen, in zwei grosse Gruppen, die groBBzelligen und klein- 
zelligen eintheilen. Die kleinzelligen *) haben am meisten Äehn- 
lichkeit mit den Gliomen und gewisBen Formen der GiuiulationeD 
in pathologischer, sowie mit den Eßmerschichten des Gehirns 
und der Netzhaut, zuweilen auch mit der Markmasse der Lymph- 
drüsen und dem jungen Knochenmark im phyBioIogischen Zustande. 
Man hat sie daher auch geradezu als Sarkome mit Grannlations- 
ähnlicher Struktur bezeichnet**). Nach meiner Eintheilung ge- 
hören sie wesentlich dem GHo- und Hysosarkom an, und ich 
würde z. B. eine solche Form Glio- oder Myxosarcoma parri- 
cellulare nennen. Die grosszelligen dagegen Bind überwiegend 
häufig Fibro- und Melanosarkome, doch kommen auch Myxo- 
sarkome mit sehr grossen Elementen vor. Darnach erhalten wir 
ein Myxosarcoma magnicellulare u. s. f. Ja es giebt gewisse 
Sarkome, namentlich die sogenannten Myeloide, welche förmliche 
Riesenzellen führen: Sarcoma gigantocellulare. 

Endlich kann in jeder Varietät die Geßissentwickelnng einen 
so vorwiegenden Charakter annehmen, dass ganze Abschnitte 
dadurch ein besonderes Aussehen gewinnen: Sarcoma telan- 
giectodes. Dieses ist zugleich sehr geneigt zu inneren oder 
äusseren Blutungen: Sarcoma haemorrhagicum, und stellt 
in dieser Gestalt eine der Formen des früher so genannten Blut- 
BchwammeB, Fungus haematodeB dar. 

Entwickelt sich die Geschwulst im Innern eines Organes, das 
Bie ganz erfüllt, so kann sie sich als blosse „Infiltration" oder 
„Hypertrophie" desselben darstellen: Sarcoma diffusum. So 



•) C. 0. Weber. Chirurgiecbe Erfahrungen und Dnter&ncbuti gen. S. 3S8. 
") Billroth. MeiD ArchiT. Bd. XVHl. S. 88. Senftleben. Archi» 
für klin. Chirurgie. Bd.1. S. 117. 



lyCoogle 



Saikomformen. 191 

geschidit u aa den Muskeln, an der weiblichen Brust*), an 
den Hoden (Sarcocele). Allein niemals ist dies im Sinne Phil. 
T. Walther's eine einfache Hyperplasie. Die Wucherung ge- 
schiebt im interstitiellea Gewebe, während die gpecifischen Ele- 
mente (MaBkelfasern, Drfisenzellen) häufig atrophiren, und unter 
gewissen Verhältnissen die natfirüchen HJ>hleD und Kanäle sich 
cystisch erweitern: Cystosarcoma. 

Freilich ist der Name des Cystosarkoms ein sehr vieldeu- 
tiger und er wird vielfach in einem anderen Sinne gebraucht, 
lasbesondere wird er nicht selteo angewendet zur Bezeichnung 
multilocnlärer Cystolde oder, wie ich lieber sage, Kystome, oder 
für Combinationen von Sarkom mit Kystom, wofür man wohl 
zweckmässiger Ky Stoma sarc omatos um oder Sarcoma 
kystomatosum sagt, je nachdem der eine oder andere Be- 
standtheü vorwaltet. Davon verschieden ist wieder der Fall, 
wo ein Sarkom in eine schon bestehende Cyste hiaeinwächst, 
wie es am Eierstock und an der Brust zuweilen vorkommt: 
Cystis sarcomatosa. Ferner kann auch ein Sarkom durch 
partielle Erweichung und Yerflasaigung stellenweise Hohlnngen, 
cystoide Räume bekommen, die sieb jedoch von wahren Cysten 
dnreh den Mangel einer besonderen Membran unterscheiden: 
Sarcoma cysticum s. lacunare. Eadlicb kommt es vor, 
dasB ein Sarkom durch eine festere Hülle eingekapselt, wie 
man wohl gesagt hat, incysdrt wird. So giebt es weiche Sar- 
kome der Knochen, welche eine knOcherne Schale haben. Ins- 
besondere aber geh(trt hierher ein Theil der schon von Laennec 
unterschiedenen, eingekapselten Melanosen (Melanose enkyst^e). 
Allerdings sind darunter manche Dinge beschrieben worden, 
welche weder den Melanosen im engeren Sinne des Wortes, 
noch überhaupt den Froliferationa-Geschwülsten (Gewächsen) zu- 
gerechnet werden dürfen z. B. Eierstockscysten mit schwarzem, 
hämorrhagischem Inhalt. Aber es giebt unzweifelhafte Melano- 
sarkome, welche durch fibrOse Kapseln oder Schalen eiogeschlos- 
sen sind. Ich habe sie in der Orbita und in der Leber überaus 
deutlich gesehen. Ist der Inhalt fest, so wird man die Analogie 



•) Billroth (Hein Archiv. Bd. XVI [I. S. GO) gebraucht für diese Form 
den, wie mir Bcheint, nicht glDcklich gewählten Namen des adenoiden 
Sarkoms. 



lyCoogle 



]^93 NeDDxehnt« Vorluang. 

mit den erw&hnten Enochen -Sarkomen leicht erkennen; ist da- 
gegen der Inhalt weich, eo ist die Aehnlichkeit mit hämorrha- 
giechen Cysten recht groae. Das sind Sareomata incapsn- 
lata. Alle diese Formen mOohte ich von dem Cystosarkom 
uiBScheiden nnd diesen Namen aar (ür die Fälle bestehen lassen, 
wo ein Sarkom mit cystischer Erweiterung präexistirender Ka- 
näle oder Hohlen verbunden ist 

Am häufigsten wächst aber das Sarkom in der knotigen Form: 
Sarcoma tuberosum (Loupe sarcomateuse der älteren franzö- 
sischen Autoren, tuberculated sarcoma von Abernethy). Es 
entsteht zuerst ein solitärer Knoten, der sich vergrOssert. Nach 
längerer oder kürzerer Zeit bildet sich durch Infektion (Contagion) 
des Nachbargewebes ein neuer, accessoriscber Knoten ; dies wie- 
derholt sich, die neuen Knoten fugen sich an den alten nnd er- 
scheinen dann wie Lappen eines einzigen Gewächses: Sarcoma 
lobulare. Liegen solche Geschw&lste an Oberflächen, so schie- 
ben sie sich allmählich hervor. Sitzen sie au der Haut, an einer 
Schleimhaut oder serOsen Haut, so treten sie über dieselbe her- 
vor und bilden endlich Polypen oder Pilze (Schwämme): Sar- 
pi jjj coma polyposum s. fua- 

gosnm (Polypus s. Ficaa s. 
Fungus camoBus). Die grosse 
Häufigkeit, in welcher gerade 
diese Form vorkommt, erklärt 
es, dass man so lange Poly- 
pen, Fungeo und Sarkome 
einfach zusammengeworfen 
hat, ein Irrthum, der nicht 
oft genug bekämpft werden 
kann. Polypen und Fnngen 
sind nur äussere Erscheinungs- 
formen, welche das innere 
Wesen nicht erkennen, son- 
dern höchstens vermathen 
lassen. Dass sie bei Sarkom 
häufiger vorkommen, als bei Krebs, folgt aus der geringeren In- 



Fig. 134. GroBses, fungOses SpiDdehelleDg&rkom dea FossrOckeDB. 
(Prtpanit No. 527.). 

D,gt,ZBdbyCOO<^le 



Histologie dar Bukome. 193 

fektioiiakraft der Sarkome. Denn diese bleiben iSngeF auf den 
Matterknoten und wenige acceBsorische Knoten beschr&nkt und 
bilden daher grossere und mehr ungeregelte HfiTTorragongeo. 
Aach begttuBtigt die besondere Neigung der häutigen Änsbreiton- 
gen (äussere Haut, Fascien, Periost) snr Sarkombildung die fnn- 
gOse Erscheinung. 

Was die feinere Zasammensetzong angebt, so ergibt sich 
aus dem Mitgetheilten, dass die Bes£baffenheit der Intercellnlar- 
Bubstansea allerdings vielfach die Varietät des Sarkoms bestimmt, 
aber nicht das Sarkom als solches. Für dieses sind vielmehr 
die Zellen entscheidend. Bei den Zellen kommt es wiederum 
nieht so sehr auf die Zahl derselben, als auf ihre Entwicklung 
an. Die Zahl bestimmt das markartige (medulläre) Ausseben 
und gibt eher Gel^enheit zu Verwechselungen mit lymphoiden 
und epithelioiden , namentlich krebsigen Gewächsen, als dass 
sie uns aber die Natur der Geschwulst belehrt. Sie bat nur 
Bedeutung in Verbindung mit der GrRsse und Ausstattung der 
Zellen selbst. 

Die Zellen zeigen uns in allen Sarkomen bekannte 
Zellen der Bindesubstanz-Gebilde, aber in gewisser- 
maassen hypertrophischen Zuständen. Sie sind oft co- 
loasale Gestaltungen von Elementen, die normal eine sehr mas- 
sige Entwiekelung erreichen. Schon bei schwachen Vei^sse- 
mngen sieht man deutlich Formen, die sonst erst bei starker 
Vergrösaerung und sehr sorgsamer Präparation erkannt werden. 
Namentlich die Kerne und KemkOrperchen sind in der Regel 
sehr kräftig entwickelt, ja die Kerne haben zuweilen so unge- 
heure Grossen, dass sie beinahe den Umfang der grOssten nor- 
malen Zellen erreichen. Wie im normalen Zustande des Binde- 
gewebes*), findet man auch im Sarkom runde, spindelförmige 
und BteridOrmige Zellen, manchmal alle diese Formen in der- 
selben Grachwulst, manchmal nur eine einzige. Ueberwiegen 
die runden, so wird das Sarkom leicht mit Krebs verwechselt; 
sind d^egen die spindelförmigen vorwaltend, so spricht man 
von fibroplastischer Geschwulst^ Sternförmige Zellen von unge- 
wöhnlicher Grosse kOnnen in Myxosarkomen der Nervencentren 



•) Virohow. Wflrab. Verh. 1851. Bd. U. S. 166. 



lyCoogle 



194 Nenniehitt« VwleannK. 

Meht ta Verweobselangen mit vielstrahligen GanglienMÜen and 
stur Annahme einer Nervengeschwulat VeranlaBsnng geben*). 

Ea hat eine gewisse Bequemlichkeit fOr die Sprache, die 
verschiedeaen Sarkome nach den TerBcfaiedenen Formen ihrer 
Zellen zu bezeichnen. Nur muBS man von vom berein darauf 
vorbereitet sein, diese Bezeichnung nicht durchfahren zu kOnnen, 
da es nicht ungewöhnlich ist, dass dasselbe Sarkom an verBchie- 
denen Abschnitten, zuweileä anch dicht neben einander die aller- 
verschiedensten Zellformen enthält. Ein HelanoBarkom kann ganz 
aus Spindelzellen zusammengesetzt sein und ohne Weiteres als 
Spindelzelleasarkom bezeichnet werden, aber es kann auch grossen- 
theils Netz- oder Rundeellen entbalten, nnd es ist daher gewiss 
vorzusiehen, nicht etwa das Melanosarkom nach diesen verschie- 
denen Formen zu zerspalten, sondern vielmehr innerhalb dessel- 
ben wieder UnterabÜieiluDgen zu machen, je nachdem die Zellen 
mehr diese oder jene Gestaltung annehmen. Gfmz ähnlich verhält 
es sich mit Fibro- und HyzoBarkomen. 

Unter diesen, der Zellenform nach zu untersdieidenden Unter- 
abtheilungen ist das Netzzellensarkom (Sarcoma reticulo- 
cellulare) am schwierigsten von den einfachen Gewächsen der 
Bindesubstuizreihe zu unterscheiden, weil es den IJoimalverhält- 
niseeo in der That am nächsten steht. Die Grenze desselben 
gegenüber den Fibromen, Myxomen, Osteoidchondromen, Osteo- 
men, Melanomen ist Überhaupt eine sehr schwankende, und man 
wSrde diese Abtheilung vielleicht ganz mit den typischen Ge- 
wächsen vereinigen können, wenn sie nicht durch ihren häufigen 
Uebei^ang in die Spindel- und Rundzellensarkome, durch die 
starke Entwickelang und die Zahl der Zellen, endlich durch ihre 
physiologischen Eigenschaften die Trennung forderte. Melanosar- 
kome der Haut kOnnen sich von „hypertrophischem Coriimi*' nur 
durch ihre gefärbten Zellen unterscheiden**); sie bestehen an^ng- 
tich zuweilen nur ans pigmenthaltigen, anastomosirenden Stemzel- 
len. Aber je mehr sie sich entwickeln, um so mehr schwindet die 
Intercellularsubstacz, die Zellkörper werden immer grösser, ihre 
AusUlufer immer breiter, und zuletzt sieht man fast nichts, als 



*) Beale. ÄichiTSB of medicine. Vol. I. p.52. PI. IX. fig. 4— 5. Grohe 
in Vidal-Bardeleben'B Cfairorgie. ims. Bd. I. S. 651. 
**} Schnk. Fath. u. Ther. dei Pseudoplwiuon. S. 412. 



lyCoogle 



Spin4eli«ll«naarkoiii. 



196 



dicke, Bchwarzbranne Pigmenthaofen, wie sie im normaleo Ge- 
webe nirgend TOrkommen. Ganz fthnlich verhalten sich mMche 
Kyxo- nnd Gliosarkome, ja sogar gewisse Chondro- nod Osteoid- 
earkome, wo die anastomosirenden Sternzellen eine solche Grfisee 
nnd die IntercellnlarBubgtanz eine solche Vermindening erfahren, 
daes wir ans der normalen Histologie keine Porallel-Beispiele anf- 
stellen kßnnen. 

Am günstigsten ftr die Diagnose nnd daher am frühesten 
unterschieden sind die Spindelzellensarkome (fibroplastiseben 
Geschwülste) weil sich die Spindelzellen, wenn wenig oder sehr 
weiche Intercellnlarsab- 

stanz yorhanden ist, in "'' *"' 

der Regel überaus leicht 
isoliren lassen, nnd wenn 
reichlichere oder dichtere 
latercellularsnbatanz sie 
zasammenhUt, sie sehr 
leicht, znmal nach Zusatz 
-von Essigsäure, zu erken- 
nen sind. Die einzelnen 
Zellen bestehen aus einem 
meist etwas derberen Zell- 
kitrper, der in der Regel 
in der Eerageguid eine 
stärkere Anschwellung be- 
sitzt nnd nach zwei Sei- 
ten in feine, zuweilen 
überaus lai^:e Forts&tze 
oder Strahlen (Sdiwanze, 
daher geschwänzte 
Kttrperehen) ausläuft. 
Bei recht regelmässiger 
Entwickelung iindet sich 
jederseits nur ein solcher 

Fig. 135. Einzelne, grosse Spiadelzelleu ans einem Sarcoma foHOcel- 
lolare der RQckeDmarkshäute (Präparat No. 57. vom Jahre 1663). a eine 
e«hr lange Zelle mit weithin laufe nden Fortg&teen, too deoen der untere am 
Ende veräatelt igt 6 kleinere Pasenelle, der Kern mit einem, bei e mit 
2 Nncleolis. d eine Faserzelle mit sehr grossem Kern, der "eine Fortsatz 
abgerissen, e, / Paserzellen mit 3 Kernen. Vergr. 860. 




IS» 



lyCoogle 



196 NeuQzebiit« Vorleenng. 

Fortsatz; bei sehr fippiger Wachenmg dagegen treiben neben 
einander mehrere, zuweilen wieder veristelte Fortsätze hervor, 
und die Spindel- oder Faaerzelle n&bert sich mehr und mehr 
der Stern- und Netszelle. In der Tbat gibt es xwiechen diesen 
2wei Formen keine scharfe Grenze. Oft entscheidet nnr die 
Richtung des Schnittes darüber, ob man Spindel- oder NetzseUea 
erblickt Dieselbe Zeile kann auf einem LäagSBchnitt als Spin- 
deUelle, auf einem Querschnitt als Netzzelle erscheinen. 

Die reinen, glatten, zweistrahligen (diklonen) Spindelzellen 
liegen gewöhnlich mehr oder weniger parallel, bald durch reich- 
liche Intercellularsubstanz getrennt, bald fast unmittelbar an ein- 
ander grenzend. Im letzteren Fall entsteht eine sehr grosse 
Aehnlichkeit mit gewissen epithelioiden Bildungen, wie sie be- 
sonders in einzelnen Kankroiden vorkommen. Denn auch Epi- 
thelialzellen, besonders aus Pflaster- und üebergangsepithel, 
können zwei längere Fortsätze haben, und wenn sie auf der 
Kante stehen, in hohem Maasse den SpindekeUen der Sarkome 
gleichen. Häufig unterscheiden sie sich durch die harte, hornige 
Beschaffenheit der Membranen; noch mehr durch die platte, breite 
Gestalt des Zellkörpers, welche beim Umwälzen deutlich hervor- 
tritt. Indess gibt es doch Fälle, wo man bei grOsster Sorgfalt 
nur mit Uühe zu einem endgältigen Urtheil kommt Die Zellen 
sind zuweilen anch in Kankroiden sehr zart und sie &]ten nnd 
schieben sich so zusammen, dass anch beim ümwäUcm ein mehr 
spindelförmiges Bild erscheint. Die Geßssepithelien*) können als 
ein Beispiel aus der normalen Histologie &a diesen Fall gelten. 
Hier sind Querschnitte durch die Geschwulst am meisten ent- 
scheidend. Sie zeigen bei Kankroiden die alveoläre Anordnung 
und die platte Gestalt der Zellen am deutlichsten. 

In recht schön gebildeten Spindelzellensarkomen setzen sich 
aus den Zellen gröBsere Züge, Blätter oder Bfindel zusammen, so 
dass man von einem Blätter- oder Bflndelsarkom (Sarcoma 
lamellosum s. fasciculatum) sprechen kann. Geht die Ent^ 
Wickelung sehr gleichmässig von einem gewissen Mittelpunkte ans 
peripherisch weiter, so entsteht dadurch ein sehr charakteristlBcher 
radiärer Bau, ein immer weiteres Ausstrahlen der Züge, wel- 
ches eine pilzförmige, fungOse Entfaltung des Gesammtgebildea 



*) GeUularpathoJogie. 3. Aufl. S. 111. Fig. 55. 

U,s ze<ibyCOOgle 



Bfindel-' aod Blitteraftrkom. 

Flg. ist. 



bedingt. Findet dagegen eine solche radiäre Entwiekelnng von 
mehreren Pankten aus statt, ohne irgendwo eine besondere Höhe 
ztt erreichen, so folgt eine gewisse Mannichfaltigkeit des inneren 
Banes, eine Verflechtung und Verfilzung, eine balkige Einrichtung, 
welche bei starker Ausbildung der Gelasse eine Art caveroöser 
Zusammensetzung hervortreten läsBt. Ein solches Balkensar- 
kom (Sarcoma trabeculare) wird natürlich auf einem Durch- 
schnitt sowohl Längs-, als Quer- und Sehiefschnitte der Balken 
zeigen, je nachdem der Schnitt der Längsaxe der Balken parallel 
oder auf dieselbe senkrecht oder schräg gerichtet ist, und da die 
Längsase der Spindelzellen zugleich mit der Länpase der Bal- 
ken zusunmenfällt, so werden anch in dem mikroskopischen 



Fig. 136. Natürliche Anordnung der Zellen aus demselben Präparat, 
wie Fig. 135. Links ein balkenartiger Zug dicht gedrängter Faserzellen, 
von dem nach rechte eine radiäre Abzweigung von Zellen stattSndet. Ver- 
^OBserang 3&0. 



lyCoogle 



jgg Neaazebnte Vorlegiu^. 

Bilde io deniBelben Geeichtefelde bald die ganzen SpiDdelzellen oder 
LäDgsdurcbschnitte derselben, bald Quer- und Schiefochnitte zu 
sehen Bein. 

Dieses Bild kann wiederum leicbt zu YerwechBelungen mit 
krebaigen Geschwülsten Veranlassung geben*). Sind die Quer- 
schnitte der Spindelzelien rund, so kann man leicht glauben, an 
der Stelle eines querdurcbscbnittenen Bfindels eine Gruppe run- 
der Zellen zu sehen, und man wird dann leicht geneigt sein, 
auf einen areolären Bau zu scbliessen. Sind die Kßrper der 
Zellen nicht sehr dick, wie es häufig der Fall ist, so werden 
ihre Querscboitte linsenförmig aussehen, und auch dann lassen 
sie sieh schwer von gewissen epithelialen Formen unterscheiden. 
Hier hilft nur eine sorglaltige Untersuchung, wobei dieselbe Re- 
gion in verschiedenen Richtungen zur Beobachtung gelangt 

Die Kerne der Spindelzellen sind in der Regel länglich 
eiförmig. Werden sie sehr gross, so verbreitern sie sich und 
nehmen dann eine mehr rundliche Gestalt an. In diesem Falle 
sind sie aber nicht kugelig, sondern abgeplattet, linsenförmig, 
wie man sich auf Längsschnitten , die senkrecht auf die Fläche 
gerichtet sind, sowie auf Querschnitten leicht überzeugen kann. 
Auf solchen Schnitten erscheinen daher die Kerne verhältniss- 
mässig viel kleiner, als sie in Wahrheit sind. Meist ist nur ein 
Kern vorhanden, doch sind die Zellen nicht selten, in denen 
sich zwei und mehrere Kerne befinden. Jeder von ihnen hat 
scharfe Contonren, eine derbe, gewöhnlich stark körnige Be- 
achafl'enheit und ein oder mehrere, glatte, gleichmässige, glän- 
zende Kernkörperchen. 

Der eigentliche Zellkörper besteht aus einer mehr blassen, 
jedoch gleichfalls körnigen, häufig durch eine sehr deutliche und 
derbe Membran begrenzten Masse. Bei den melanotischen Spin- 
delzellen-Sarkomen ist er der eigentliche Träger des Pigmentes, 
wie man namentlich an gemischten, zum Theil geförbten, zum Theil 
ungefärbten Geschwülsten deutlich sieht. Ist der Körper kräftig 
gebildet und nicht gefärbt, so sieht man zuweileA an ihm weitere 
Zeichnungen, welche auf einen mehr zusammengesetzten Bau hin- 
weisen. In einzelnen Fällen finde ich ihn längsstreifig, in an- 
deren mehr oder weniger querstreifig, so dass, wie ich schon 



•) Rokitansky. Path. AnatS. AaS. Bd. L S. 291—292. Fig. 113. u.l20. 



lyCoogle 



Spindeliallea der Sarkome. 199 

friilier beschrieben habe*), ein mnskelartiges Änsseheo hervortritt. 
Es m^ dahin gestellt bleiben, ob nicbt eiasetae nenere Angaben 
von pathologisch nengebildeten MaBkelfasem sich auf solche Zel- 
len beziehen. Aber jedenfalls hat Billroth**) Recht, wenn 
er die grosse Aehnlicbkeit der Spindelzellea mit jungen Mnskel- 
nnd Nervenzellen hervorhebt***). InsboBOndere ist es in hohem 
Maasae schwierig, einen durchgreifenden UnterBchied derselben von 
den organischen oder glatten Muskelfasern aofzußndea und gewisse 
Arten von Myomen von den Spindelzellen-Sarkomen zu trennen. 
Die Grösse der Kerne und KernkQrperchen, die häufigen Fort- 
sätze und Aueläufer, die Länge und Feinheit der letzteren, die 
mehr körnige BeschafTenbett des Zellkörpers bezeichnen die Sar- 
komzellen, aber auch diese Eigenschaften sind nicbt so coustant, 
dass nicbt selbst die geübtesten Beobachter gelegentlich in grosse 
Schwierigkeiten gerathen können. Schon aus diesem Grunde ist 
es gewiss gerechtfertigt, den Kamen der Fleischgeachwulst, des 
Sarkoms festzuhalten. Andererseits kann ich nicht zugestehen, 
was Billroth behauptet, dass diese Gewebsform im fötalen 
Bindegewebe Überhaupt nicht vorkomme. Ganz richtig batMül- 
lerf) die geschwänzten Körperchen des Sarkoms mit den schon 
von Froriep und Schwaun in jungem Bindegewebe nachge- 
wiesenen spindelförmigen Körperchen identificirt, und die fibro- 
plastischen Körperchen Lebert's sind nichts anderes. Die älte- 
ren Beobachter irrten nur dwio, dass sie diese Körpereben im 



•) Virohow. Würzburger Verhsndl. 1850. Bd. I. S. 190. .An FaBflr- 
zellen der vergchiedensten Theile, namentlich in jungem psthologischeo 
Gewebe, sieht man die Kemgegend, zuweileo aber auch die oächstgelege- 
nen Theile wie quergestreift, jedocii so, dasa die Querstreifen nicht die 
gleich massigen , continnirlicben Varicosititen bilden, die man an eigent- 
lichen Muskeln der Art sieht Der Theil erscheint mehr gerippt, wie eine 
Reihe Ton Funkten, die sich natnentlich da, wo Längsfalten der Membran 
sind, dentlich zeigen und von der Höhe der Falten allmählich in kurzen 
Linien auslaufen. In manchen Fällen nehmen diese Linien aber so sehr zu, 
dass man den Gedanken einer Qaeretreifung kaum aufgeben kann, und 
es möchte sich daher auch in dieser Richtung die Frage erheben, ob nicht 
die Qnerstreifung der Muskeln nur die stärkere Entwickelung einer Eigen- 
schaft sei, welche auch anderen faserigen Elementen zukommt und nichts 
Specifiscbes an sich hat." 

♦•) Lambl. Aus dem Franz- Joseph -SpiUl. 8. 193. Taf. XII. Fig. B.J. 
Sanealli. Storia dei tumori. II. p. 171. Tav. IL fig. 8. Billroth. Mein 
Arehi». Bd. IX. S. 179. 

•••) Billroth, Ebendaselbst. Bd. XVIII. S. 85. 
t) Job. Mailer. Ueber den feineren Bau der QeachwUlste. S. 6, 21. 
Taf. li. Kg. 16 - 17. 



lyCoogle 



300 NenDiehnte Vorlesang. 

entwickelten Bindegewebe und zwar mit der FaBerbildnng unter- 
geben liessen, während ich ihre Pereigtenz dargethan habe. Die 
GewebBform ist also gewiss vorhMden, aar ist es richtig, dass 
die einzelnen Gewebselemente im normalen Bindegewebe, weder 
im unreifen, noch im reifen, jene Hohe und Selbständigkeit er- 
reichen, wodurch sich eben das Sarkom aaszeichnet. Will man 
ein physiologisches Beispiel dafür, so kann man es in der men- 
Btmalen and puerperalen Wachemng der Uterinscfaleimhaut, in 
der sogenannten Decidua*) finden. 

Die hauptsächlichste Verschiedenheit zeigt sich darin, daes 
in miwohen Sarkomen und in manchen Theilen tou Sarkomen die 
Spindelzellen fast ohne Intercellnlarsubstanz die ganzen Bnndel 
zusammensetzen. Allein gewöhnlich kann man doch von solchen 
Stellen aus einen allmählichen Üebergang zu anderen verfolgen, 
an denen sich in immer grösserer Menge eine fibrilläre oder 
homogene Substanz zwischen den Zellen zeigt, während doch die 
Zellen denselben Typus beibehalten. Auch ist nicht zu bezwei- 
feln ^ dass eine fast reinzellige Zusammensetzung b^kiger Zdge 
im normalen Entwickelungsgange mancher Bindegewebsmaesen 
vorkommt. Ist es daher nicht immer leicht, die Bündel- and 
Balkensarkome auf physiologische Vorbilder zu beziehen, so ist 
es doch nicht unmöglich. Nur gibt es keine so typische Stelle, 
dass mim davon den Namen hernehmen könnte. Ich würde mich 
daher begnflgen, den Namen des Spindelzellen-Sarkoms (Sar- 
coma fusocellulare) beizubehalten. Die Bezeichnung des 
Fibrosarkoms deckt diesen nicht ganz, da es auch Melanosarkome 
mit Spindelzellen (S. 194) und Fibrosarkome mit runden Zellen 
gibt und andererseits in manchen fusocellulären Medullarsarkomen 
die faserige Intercellulareobstanz fast ganz fehlt. Der neuerlich von 
Follin**) vorgeschlagene Name des Pias moma scheint mir ganz 
unzulässig, da man bei Plasma immer an Fibrin denken wird. 

Die meisten Beobachter haben in den fusocellulären Sar- 
komen ausser den Spindelzellen und einer mehr oder weniger 
reichlichen Zwischensubstanz noch der freien Kerne gedacht 
So lange die Schleiden-Schwann'sche Zellentbeorie in Gel- 
tung stand, betrachtete man diese Kerne als die Anfänge der neuen 



•) Job. Möller b. a. 0. S. 44. 
•*) Follin. Tiaitä Mtaeat. de path. ext Paris. 1861. T. I. p. 1 



lyCoogle 



RundzelleDHUkom. 301 

Entwickdimg und sie schienen insofern eine ganz besondere Be- 
deutung zn haben. Meiner Heinnng nach sind sie immer erst 
doreh ZerstSning von Zellen, namentlich bei der Präparation der 
Objccte, frei geworden. Je sorg^tiger man nnteraucht , um so 
weniger findet man davon and in gut gehärteten Objekten fehlen 
sie ganz. In frischen Geschwülsten dagegen sind die Zellen za- 
. weilen so leicht zerstörbar, dass man bei der gewöhnlichen Un- 
tersttchnng, namentlich nach Zusatz von Wasser zu dem Object, 
gar nichts von Zellen, Bondem nur freie Kerne findet Niemand 
hat grJSsBeres Gewicht aof diese Kerne gelegt, als Bennett*), 
welcher darnach besondere Geschwülste als Faserkernge- 
schwülste (fibro-nucleated cancroid growths) bezeichnet. In*' 
dess gesteht er doch zn, dass diese Stmktnr „manchen sarkomatü- 
sen und osteomedullären Geschwülsten" zukomme. Paget**) reiht 
sie seinen recurrirenden Fibroidgeschwülsten, Rokitansky"*) 
seinem Carcinoma fasciculatum an. Die Mehrzahl von ihnen sind un- 
zweifelhaft Sarkome, obwohl nicht alle fusocelluläre, wie wir sofort 
sehen werden; indess kommt eine ühnliche Erscheinung auch bei 
Krebsen, Gliomen, Fibromen u. s. w. vor, und man darf nicht aus 
der einen Erscheinung sofort eio bindendes Urtheil fallen f). — 
Noch viel grösser, als bei den Spindelzellensarkomen sind 
die Schwierigkeiten der Diagnose bei den Rundzellenaarko- 
men (S. globocellularia), zumal den medullären. Die Mehrzahl 
der Beobachter idetitificirt sie mit Markachwamm im Sinne von 
Carcinoma medulläre, in der That gibt es keine schwierigere 
Aufgabe im Gebiete der Onkologie, als unter gewissen Umstän- 
den das rundsellige Medullargarkom vom Carcinom zu unter- 
scheiden. Das entscheidende Kriterium ist das Ver- 
hältniss zur Intercellularsabstaoz. So lange man an 
den Zellen noch eine Fähigkeit zur Abscheidung von Intercellnlar- 
Bubstanz oder eine Erhaltung ihres Verbältaisses zur Intercellular- 
Bubstanz wahrnimmt, so lange ist man sicher, keinen Krebs zu 



&nd cancroid growtba. p. 176. 

ng. OD, CO, tr», 33, l-£2, 12t. 

") Paget. Lectureg on eorgery. Vol. II. p. 166. fig. 18. 
•••) Rofcitanaky. Path. Anat, S. Aufl. Bd. I. S. 290. fig. 117. 
t) Einzelne Fälle bei HnrchiaoQ. Edmb. monthly Journ. 1852. Jud. 
p. 487. Bryant. Gnj'a Hosp. Rep. 18G3. Ser. in. Vol. IX. p. 245. Wilks. 
Ebenda«. 1856. Vol. II. p. 148. PI. IV. fig. 2. C. 0. Weber. Chirurgische 
Erfahrungen und Beobachtungen. 8.448. Taf. VII. Fig. 10 u. 11. Förster. 
Atlas der mikr. path. Anat. Taf. XX. Fig. 5. 



lyCoogle 



, 202 Nennzehnte YorlsBang. 

haben, denn dieser zeichnet sich eben dadurch ans, dass seine 
Zellen als solcbe, gleicbsam rein Bicb erhalten und nur in ein 
näheres Verbältaigg zu anderen Zellen treten. Mit Recht beto^ 
man daher den alveolären Bau des KrebBes und die Füllung seiner 
Alveolen mit dichtgedrängten, apithelioiden Zellen. 

Jede Varietät des Sarkoms kann Rundzellen führen. Bei 
dem Gliosarkom ist dies gewöhnlich, bei dem Myxosarkom hänlig. 
Aber selbst das Fibro- and Osteoidaarkom kdnnen wesentlich Rand- 
zellen enthalten, ohne dass ihre Fähigkeit, tibnlläre oder knOcherne 
InterceUularsubstanz zu erzeugen, dadurch aurgehoben wird. Es 
mag dies auf den ersten Blick auffällig erscheinen, wenn man 
sieh an bestimmte Schemata gewfihnt hat. Aber man erinnere 
sich nnr, dass in sehr verbreiteten Geweben der Bindesubstanz 
runde Zellen immerfort persistiten. Ein vorzügliches Beispiel 
dafQr liefert uns das Knochenmark: Untersucht man das rothe 
Mark in' den Knochen eines Neugeborenen , so findet man darin 
ein zartes Schleimgewebe mit äusserst zahlreichen, kernhaltigen 
Rnndzellen in den verschiedensten Grossen. In manchen Knochen, 
wie in den Wirbelkörpera, erhält sich dieser Zustand das ganze 
Leben hindurch, und man kann daher hier die Bchönsten Paradig- 
men für die rundzelligen Sarkome finden. Kommen doch selbst 
Pigmeotzellen vor*), so dass man an Melaoosarkom erinnert 
wird. Man könnte daher höchstens die Frage aufwerfen, ob 
man nicht eine ganze Klasse von Sarkomen als blosse Enochen- 
markgeschwülste , als Myelome führen sollte. Aber ich habe 
schon früher (S. 4) darauf hingewiesen, dass das Enocheo- 
mark kein besonderes Gewebe, sondern in seiner Reife bald 
Schleim-, b^d Fettgewebe ist und in seinen Jugendzuständen mit 
dem Gewebe der Granulationen übereinstimmt. Das Myxoaarkom 
kann daher zuweilen in seiner Zusammensetzung dem Knochen- 
mark höchst ähnlich eein, ja es gibt eine Dnterabtheilung des- 
selben, welche ich geradezu als Myxosarcoma medullosnm 
s. myelodes bezeichnen will. Wollte man den sarkomatösen 
Charakter dieser Form nicht zugestehen, so würde nichts übrig 
bleiben, als dieselbe einfach zum Myxom zu rechnen, dessen me- 
dulläre Formen (Bd. I. S. 402) allerdings auf das Nächste ver- 
wandt sind. Indess steht bald die Grösse und Entwickelung, 



•) Virchow. Entw. dea Schädelgrundea S. 36, 

U,= ze.byCOOgle 



Hjso- und Oliooarkoni. 



bald die ungeheure Zahl der Elemente, sowie der hJtchst in- 
fektiöse Charakter und die häufige Gombination mit anderen 
Sarkomfonuen entgegen, und es wird wohl genügen, die nahe 
Verwandtschaft mit dem Myxom angegeben zu haben. Niemand 
wird geneigt sein, ein rundzelliges Melanosarkom desswegea 
Myxom oder Myelom zu nennen, weil es Knochenmark mit pig- 
mentirten Zellen und schleimiger Grundsubstanz gibt. 

Die Gliosarkome haben in der Struktur der Neuroglia, beson- 
ders der Rörnerschicbten der Retina und des Gehirns deutliche Vor- 
bilder, nicht bloa was Gestalt und Form der Elemente, sondern 
auch was Anordnung betrifTt. Ihre meist kleinen Elemente liegen 
häufig in zueammenhängenden Reihen, gleichsam in Form von 
Kolben; ja, diese können durch grosse Abschnitte des Gewächses 
so entwickelt sein, dass dadurch ein radiäres, gestreiftes Ansehen 
entsteht und dass das Gewebe beim Zerreissen sich in Form von 
Bündeln trennt (Fig. 138). Man hat auch solche Sarkome als 
fasciculirte bezeichnet; es genügt, sie Radiär-Sarkome zu nen- 
nen, denn Bündel liegen dabei eigentlich nicht vor. Auch bei ihnen 
lässt sich die Frage aufwerfen, ob man sie nicht mit den Gliomen 

Pis. 137. Mikroakoptscbe Zusammenset/.ung des in Fig. 147 abgebil- 
deten Myxosarkoms des Schädels, c, c', c" weite Capillargelasse. i, i', i'' 
[ntercellularaubstanx von sehr wei::lier, schleimiger Bescfaatfenheit, nachdem 
Härten eine bald zusamnietihängeode, biild iacuoäre Masse bildend, in wel- 
cher die liemlich reichlichen und grossen, jedoch sehr verscbieden grossen 
kernhaltigen Randzellen eingebettet sind- Vergr. 3ö0. 



lyCoogle 



201 Neniuefaate Vorluuaf. 

TereJDigen und von den Sarkomen abtrennen sollte. Aber wir haben 
Bchon bei der Betrachtung der hyperplastiseben Gliome (S. 159) 
gefunden, dasg neben ihnen und zum Theil mit ihnen combiuirt 
GeBchwulstformeu vorkommen, welche wegen der GrOsse und 
Gestalt ihrer Zellen, also wegen des progreesiven Wachsthums 
ihrer Elemente sich als etwas Besonderes erweisen. Noch mehr 
ist dies bei den heteroplastischen Formen der Fall, wo der Spe- 
cialtypus der Neuroglia sehr verwischt wird und gewisse Theile 
der Geschwulst oft mehr Aehnliehkeit mit Lymphdrüsen oder Gra- 
nulationen zeigen, als mit bekannten Tbeilen gliOser Substanz. 
Erwägt man ausserdem die noch immer nicht gans gehobene 
Unsicherheit über die feinere Zusammensetzung der letzteren, so 
wird es wohl um so mehr geboten sein, hier nicht vor der Zeit 
zu vereinigen, sondern vielmehr den im Allgemeinen mehr frucht- 
bringenden Weg der Trennung zu verfolgen. 

Was die feinere Untersuchung der Kundzellensarkome be- 
trifft, so sind Irrthümer gewöhnlieh. Namentlich sind die Zell- 
körper noch viel häufiger so gebrechlich, dass nach der Prä- 
paration zuweilen keine einzige unversehrte Zelle auf dem Ob- 
jectglase liegt. Statt ihrer sieht man sogenannte freie oder 
nackte, meist sehr blasse Kerne, die ein ungeübter Beobachter 
leicht mit Zellen verwechselt, zumal da sie gewöhnlich grosse 
Kemkörper (Nucleoli) enthalten, welche dann für Kerne (Nuclei) 
gehalten werden, und da sie ihrerseits nicht selten die Grösse 
gewöhnlicher Rundzellen erreichen. Diese Gebrechlichkeit der 
Zellen ist so auffällig, dass ich seit längerer Zeit in jedem Fall, 
wo eine frisch untersuchte Geschwulst überwiegend aus grossen, 
nackten Kernen mit grossen, glänzenden Kemkörperchen zu be- 
stehen scheint, bis auf Weiteres vermuthe, es liege ein Sar- 
kom vor. 

Am leichtesten orieotirt man sich bei so weichen Sarkomen 
Über die eigentlichen Zellen, wenn irgendwo eine Fettmetamor- 
phose eingetreten ist; durch die Fettkörnchen wird nicht nur der 
Umfang des Zellkörpers deutlich, sondern es tritt sonderbarer- 
weise für eine gewisse Zeit eine grössere Festigkeit oder Gohae- 
renz des Protoplasma's ein*). Noch weit deutlicher aber werden 



lyCoogle 



BnudsaUeiiBuktHn. 205 

di« ZellkOrper, wenn eine Pigmentirnng stattfindet. Wie ich sehon 
vor längerer Zeit dargethan habe*), ao i^rbt sich der eigent- 
liche Zellk&rper, das sogenannte Protoplasma (Zelleninhalt), wäh- 
rend der Kern frei bleibt, und zwar entweder durch einen mehr 
diffasen, die ganze Masse durchdringenden Farbstoff, oder durch 
ftu-bige, die Masse durchsetzende Kömer. Diese Figmentining 
leistet {Ulf natüriichem Wege dasselbe, was man in neuerer Zeit 
durch Erhärtung und künstliche Imbibition der Zellen mit Färb' 
Stoffen SU erzielen gesucht hat Der Contour der Zellen tritt mit 
grosser Deutlichkeit hervor, und man unterscheidet auf das Leich- 
teste alle einzelnen Theile derselben. In Fällen, wo gefärbte 
und angefärbte Theile in derselben Geschwulst vorkonunen, ist 
dieser Anhalt von besonderer Wichtigkeit. 

Fehlen die fettigen und farbigen Theile, wie in den frischen 
HeduUarsarkomen gewöhnlich, so erfordert es die gißsste Vor* 
sieht bei der Fräparation, häufig vorherige Härtung der Objecto 
in Alkohol, Ghromsäure u. dgl., nm sich von der zelligen Natur 
der Elemente und von der wirklich intracellulären Lage der 
Kerne zu überzeugen. Nicht selten trifft man dann 2 und meh- 
rere Kerne in einem ZellkOrper, dessen Substanz eine feinkörnige 
Beschaffenheit zu besitzen pflegt. Die Gestalt der Zellen ist 
manchmal vollkommen kugelig, häufig etwas nnregelm&ssig rund- 
lich, eiförmig oder linsenförmig. Schon dadurch sind sie von 
den gewöhnlichen Epithelialbildungen der Oberflächen, mögen sie 
nun physiologisch oder pathologisch entstanden sein, also auch 
von den meisten Krebszellen zu unterscheiden. Dagegen gleichen 
sie nicht selten den Schleimkörperchen und manchen Drüaen- 
zellen, sowohl der Gestalt, als auch der Grösse nach, und es 
dflrfte schwer sein, an den einzelnen Zellen so bestimmte Konn- 
zeichen aufzufinden, dass man daran derartige Sarkomzellen von 
Schleim- und Drflsenkörperchen sicher zu unterscheiden im Stande 
wäre. Allerdings werden die Sarkomzellen in der Regel grösser, 
als diese; auch pflegt der Kern und das Kernkörperchen grösser, 
klarer, schärfer contourirt zu sein; indess sind das keine con- 
Btanten Unterschiede. 

Fflr diese Fälle kenne ich nur eine diagnostische Möglich' 



•) Yirchow. ÄrchiT. 1847. Bd. I. S. 470. Taf. IH. Fig. 9. 
HaatkrankheiteB. 2. Aufl. S. 367. Tot V. Fig. 24. 



lyCoogle 



306 Nennzehnte Torltanng. 

keit: das ist dag LageranggTerhlltniss. Niemals ist der 
fiau der Sarkome im eigentlicheD Sinne des Wortes alveolftr, so 
dasB die Zellen, wie bei krebsigeo Geschwülsten, in besonde- 
ren Maschenräamen eines Gerüstes banfenweise gelagert wären. 
Vielmehr bleibt der Generaltypus des Bindegewebes erhalten; 
die .Zellen sind von gewissen Mengen von Intercellnlarsubstanz 
nmgeben, also von einander getrennt. Freilich kann auch diese 
Intercellularsubstanz auf einen fast verschwindenden Bestand be- 
schränkt und so weich sein, dass sie nahezn unerfindlich wird, 
aber auch dann bleibt ein mehr continuirliches, mehr homogenes, 
nicht ein maschiges Gewebe übrig. Ein Anschein von Maschen- 
bildung kann dadurch entstehen, dass Gefässe sich durch das 
Gewebe in weiteren oder engeren Netzen vertheilen, manchmal 
begleitet von einer grosseren oder gerii^eren Bindegewebsscheide. 
Dieses Gefäesnetz l&sst sich isoliren und kann für ein gewöhn- 
liches Maschennetz, Stroma, genommen werden, Uinlich dem 
earcinomatösen. Allein bei einiger Vorsicht Iftsst sieh doch ein 
Unterschied feststellen. Haben die Ge^se starke Scheiden, so 
haben auch die Sarkomzellen in der Regel eine krfiftigere Inter- 
ceUnlarsnbfltanz ; sind dagegen die Gefösse fast nackt, so liegen 
die Sarkomzellen ihnen fast unmittelbar an, ohne doch den An- 
schein eines aufsitzenden Epithels anzunehmen, and dann sichert 
gerade diese Vascularisation eines scheinbar rein zelligcm Gewebes 
die ErkenntnisB. 

Ausser den Geftssnetzen kennen aber noch andere Einrich- 
tungen den Eindruck eines aJveolaren Typus hervorbringen. Zu- 
nächst ist es nicht ungewöhnlich, dass sich inmitten weicherer 
Sarkome einzelne, zuweilen sogar sehr regelmässige Zflge von 
festerem Gewebe erhalten oder auch bilden. Namentlich kflnnen 
zwischen den einzelnen, manchmal nur mikroskopischen Heerden, 
aus welchen das Gesohwulstganze erwächst, Reste des frühe- 
ren Gewebes stehen bleiben, welche ein Maschennetz darstellen, 
nie wir es beim Enchondrom kennen gelernt haben (Bd. I. S. 491). 
Bei vielen Sarkomen ist es sogar charakteristisch, dass sich mit- 
ten in der Wucherung die früheren Gewebe zum Theil ganz un- 
versehrt erhalten*). MuskelbQndel, Nervenstämmchen, selbst ein- 
zelne Bindegewebsbündel bleiben lange ganz unverändert, während 



*) Joh. Hailer. Deber den feineren fiftn der Geachwfllite. S. 33,87. 



lyCoogle 



Scbeiabar alTeolber B»a der Sarkome. 207 

rings nmher Alles mit der GeecbwuIstmasBe erf&llt ist. Selbst 
bei Büadelsarkomea kommt es ¥or, dass um die einzelnen ans 
Spindelzellen xusammeDgesetzten Züge und Balken festere Um- 
hüllongen greifen. Macht miui durch solche Theile Querschnitte, 
so sieht man nicht bloss zahlreiche runde Formen in einem 
scheinbaren Uasehenraume, sondern man kann auch diese runden 
Formen auBpinsela und den Kaum leeren. Auf einem Längs- 
schnitt findet man an denselben Stellen Züge von Spindelzellen. 

Sodann ist es nicht ungewöhnlich, dass zwischen den Sar- 
komzellen und um dieselben ein feineres Netz (Reticulum) liegt, 
welches theils einfache IntercellnlarsubstanE, theils ein 
schwaches Interstitialgewebe darstellt Sind die Sarkom- 
zellen sehr gross, wie es bei den sogenannten Myeloidformon vor- 
kommt, so bleiben nach ihrer Entfernung (Ausspülnag, Auspin- 
selong) verbältnissmässig grosse Maschenräume zurück, welche, 
zumal an gut gehärteten Objecten, ganz den Eindruck eines Al- 
veolargewebes erzeugen. Aber ich erinnere daran, dass man 
dasselbe Bild gewinnen kann, wenn man gehärtetes Fettgewebe 
aospinselt oder wuia man die grosszellige Wucherungsschicht 
des wachsenden Gelenkknorpels ihrer Zellen beraubt Hier kommt 
es nur darauf an , sich zu überzeugen , wag vor dem Ausspülen 
oder AuBpinsetn in den Lücken enthalten war. 

Ziemlich schwierig vrird die Sache aber bei den feinzelligen 
Formen, zumal bei Gliosarkomen. Di^e verhalten sich zuweilen 
wie Lymphdrüsen. Die Zellen liegen sehr dicht umschlossen 
von einem ebenso zarten, als engmaschigen Netzwerk, welches 
häufig so weich ist, dass es ft'isch kaum darzustellen ist, welches 
aber nach dem Härten deutlicher hervortritt Dasselbe bildet jedoch 
ebenfalls Züge, welche, je nachdem sie mehr der lünge oder der 
Quere nach getroffen werden, sich verschieden verhalten. Auf 
Längsschnitten erscheinen parallele Leisten, welche durch Quer- 
balken untereinander verbunden sind. Billrotb*) hat diese 
Fona, welche er als Sarkom mit granulationsähnlicher Struktur 
besehreibt, sehr gut dargestellt. Auf Querschnitten dagegen sieht 
man sehr regelmässige Gitter, welche in gewissen Abständen 
durch etwas derbere Balken von Interstitialgewebe in Felder 
oder Abtheilungen zerlegt werden. Ueberall sind die Lücken des 



*) Billroth. Mein Archiv. Bd. 2VIII. S. 88. Ta£. T. Fig. 18. 



lyCoogle 



Neunzehnte Torlesnng. 



Gitters ureprfinglich TOn Zellen erftUt. Aber die Zellen liegen 
weder haufenweise, noch haben sie epithelialen Charakter. Sie 
gleichen vielmehr am meisten den Lymphkörperchen*), von 
denen sie sich freilich oft durch die Grösse ihrer Kerne, manch- 
mal auch durch die Gr{(sse der Zellen unterscheiden. Doch 
gibt es auch MeduUarsarkome mit ganz kleinen Zellen und Kernen. 
Natürlich sind gerade GeBchwüIste dieser Zusammensetzung 
zugleich in hohem Uaasse zellenreich und daher von ausgezeich- 
net markigem Bau. Die Verwechselung mit Markkrebs liegt 
daher um so mehr nahe, als die weiche und zerdrQckbare Be- 
schaffenheit des Gewebes auch die Bildung eines markigen Saftes 
beim Druck sehr begünstigt In einer Beziehung passt auf sie 
die Beschreibung, welche Alex. Monro jun.**) \on der von 
ihm sogenannten Fischmilch-Geschwulst (milt-like tumonr) 
gegeben hat; ich habe einigemale weiche, milchigweisse, ganz 
homogen aussehende Gewächse gesehen, welche die höchste Aebn- 
lichkeit im äusseren Ausseben mit Fischmilch darboten. Mikro- 
skopisch dagegen stimmen sie am meisten mit den, von mehreren 



Fig. 148. Die relativ kleinen, hie and da in der Tbeiluug begriffenen 

Rundzellen sind in einem sehr feinen Reticuluin eingeBchlossen, welches 
erat nach der Bärtnng nnd Auspioselung ganz deutlich wurde. Sie bilden 
lange ZOge nud Kolben, welche fGr sich betrachtet ein faat alveolärea Ver- 
hältnisa zeigen. Vergr. 350. 

*) Cellulaipathologie. 3. ÄnS. S. 164, 166. Fig. 68, B. 69. 
") A. Monro Jon. The morbid anatomj of the human gutlet, etomacb 
aod int«Btinea. Edinb. ISll. p. 160. FL V. 



lyCoogle 



RieseDiellfiD d«r Sarkome. 209 

Autoren der neneren Zeit als Drfisen'Sarkome bezeichneten 
Geschwülsten. 

Unter diesem Namen sind namentlich durch Langenbeck*) 
gewisse, zunächst tdd den Lymphdrüeen ausgehende und daher 
auch wohl als skrophulöse Sarkome aufgeführte Fälle be- 
schrieben worden, die sich von den eigentlich skrophulösen Ge- 
scbwOlsten durch ihr bedeutendes Wachstbum, durch den Mangel 
käsiger Umbildung und durch ihre geringe Neignng zur Erweichung 
und Verschwäning unterscheiden. Indess ist ihre Grenze gegen 
die einfachen Hyperplasien der Lymphdrüsen schwer zu ziehen**), 
und man wird im Allgemeinen das Drüsen-Sarkom in der hier 
gemeinten primären Form (zum Unterschiede von den secundären 
Erkrankungen der Lymphdrüsen in Folge anderweitiger Sarko- 
matose) nur da zulassen können, wo seine Elemente sieh we- 
sentlich Ton denen der normalen Drüse unterscheiden. Wir wer- 
den bei den lymphatischen Geschwülsten darauf zurückkommen, 
imd ich bemerke daher nur, dass die Gliosarkome in der Regel 
schon durch ihre Weichheit, namentlich durch die Zartheit ihres 
intercellularen Reticulums sich ganz wesentlich von den letzteren 
unterscheiden. 

Eine andere Art von scheinbarem Alveolenbau kommt durch 
die zuweilen colossale Grösse, welche einzelne Sarkomzellen er- 
reichen, zu Stande. Durch ihr ungeheures Wachsthum schaffen 
sie sich gewissermaassen Alveolen, Bäume, indem sie die um- 
liegenden Theile auseinander drängen. Diese Riesenzellen 
sind schon seit längerer Zeit in den Sarkomen beobachtet wor- 
den ; man nannte sie gewJthnlich Mutterzellen, weil sie 
sehr zahlreiche Kerne enthalten und dadurch die Vermuthung 
erregten, dass sie zur Erzeugung neuer Brut bestimmt seien. 
Häufig kann man ihre Entwickelungastadien in einem einzigen 
Objekte dicht neben einander sehen: Ton einfachen, gewöhn- 
lichen Zellen mit Kern und Kernkßrperchen bemerkt man alle 
Uebergänge zu grösseren, mit 3 and mehr Kernen versehe- 
nen, bis man endlich so grosse Gebilde vor sich hat, dass sie 
alle bekannte Zellengrüssen weit hinter sich lassen und eigent- 

*) Billroth. Die Eintheilang, Diagoostik uud Progaostik der Oe- 
Bchwülste. S. 20. 

**) Lambl. Ans dem FraDi-Joseph-KinderspiUle in Frag. 1860. Bd. ]. 
S. 213. Taf. XX. 



', QoDhwGlna. S. 



u 



lyCoogle 



Nenniehate Vorlesiiiig. 




lieh nur nocb eine einzige schlagende Vergleichung unter den 
Geweben des thierischen Körpers möglich ist, nehmlich die mit 
Eizellen*). Nächstdem kann man an wachsende Muskel- 
zellen und Muskelprimitivbündel**) erinnern. Diesen gleicben 
sie auch dadurch, dass die Zahl ihrer Kerne immer mehr zu- 
nimmt, so sehr, dass zuweilen 20, 30, ja 100 Kerne in einem 
einzigen ZellenkOrper liegen. Manchmal finden sich dieselben mehr 
haufenweise auf einzelne Theile des Zellkörpere zusammengedrängt; 
nicht Seiten aber liegen sie dicht unter der Oberfläche in einer 
peripherischen Zone so, dass die mittleren von der Fläche, die 
äusseren von der Seite oder Kante her gesehen werden , und 
dass ein Bild entsteht, sehr ähnlich jenem, das ein Ei nach einer 
gewissen Dauer der Furchungsvorgänge darbietet 



Fig. 139. Riesenzelleu (Myeloidzelleu, Mj^eloplaxen) ans einem mal- 
tiplen, telangiekta tisch - b am orrbagischen Sarkom des Baucbfella (PrSparat 
No. 120. vom Jahre 1864) neben jungen und kleinen Blementeo. a,a ein- 
fache, einkernige, kleine Rundzellen (Primordial- oder BildnogGielleit). b eo- 
genannte freie oder nackte Kerne, c grössere RundzeUen mit fortBcbreiten- 
der Kerntbeilung. d kleinere, vielkernige Zellen, e vielkernige Rieeenzelle 
mit grossem ZellkJirper, der ringsam und besonders nach der lioken Seite 
bin feinkSrnigee Protoplasma zeigt. / eine noch grössere Riesenzelle, 
welche einen gleiihfalle mit zabireicben Kernen gefüllten Anbang besitzt; die 
centralen Kerne von der Fläche geaeben und rundlich-eifOnnig, die peri- 
pberiscben auf der Kante stebeud und scbmal. VergrCsaerung 280. 

*) Cellularpathologie. 3. Anfl. S. 13, Fig. 7. 
••) Ebendaselbst. S. 286, Fig. 110. 



lyCoogle 



RiesmielleD der Sarkome. 311 

Dia Kerne sind in der Regel ziemlich gross, aber etwas 
blaßs, ihr Rand emcbeint hell glänzend, ihr iDneres gchwaeh- 
kOrnig and durch ein oder mehrere KerahOrperchen ausgezeich- 
net. Der eigentliche ZellkOrper besteht ans einer dichten, stets 
feiakOmigen Substanz, welche manchmal eine gelbliche oder grün- 
liche Farbe besitzt und dann so dicht zu sein pflegt, dass mao 
die eingeschlossenen Kerne kaum wahrzunehmen vermag. Essig- 
B&nre klärt sie auf und macht die Kerne deutlicher; nacbheriger 
Zusatz von Salzen scbl&gt sie wieder nieder und macht sie trübe. 
Zuweilen wird der ZellkOrper der Sitz einer Fettmetamorphose, 
während die Kerne noch persistiren ; dann entsteht ein sehr zier- 
liches Bild, indem die Kemstellen wie regelmässige helle Lücken 
in der stark körnigen, das Licht wenig durchlassenden und daher 
dnoklen, fast seliwärzlich erscheinenden Masse des ZellkOrpers 
hervortreten. In ähnlicher Weise können Verkalkungen statt- 
finden. 

Schon Johannes Müller*) erwähnte das Yorkommen sol- 
cher Gebilde im „Sarcoma eellulare". Aber er betrachtete sie 
nicht als charakteristisch, da er ähnliche auch in Krebsen und 
Enchondromen ^d. Er nannte sie Mntterzellen , indem seiner 
Meinung nach die eigentlichen Zellkerne in der Zellwand lagen, 
diese Kerne jedoch in der Zellhöble sich befänden und zur Er- 
zeugnng neuer Zellen bestimmt seien. Rokitansky**) hat diese 
AnfEassung angenommen und sie bis in die neueste Zeit festge- 
hfdten. Erst Lebert'**) jedoch legte einen besonderen Werth 
auf diese Gebilde für die Zusammensetzung fibroplastischer Ge- 
schwülste. Er behielt den Namen der Mutterzellen bei und nahm 
nur für gewisse Formen , bei denen das kemreiehe Gebilde 
wieder von Spindelzellen eingewickelt war, den Namen der 
„concentriscben fibroplastischen Kugeln" anf). Ohne auf diese 
Beobachtungen einzugehen, heschrieh Scbuh-j-t) diese auch von 
ihm so genannten Matterzellen als spedfigche Eigenthümlichkeit 



*) Job. Hflller. Ueber den feineren Bau der GeschwUlete. S. 6. 
") Rokitansky. Lehrbucb der patb. Anat 1855. Bd. I. S. 91, Fig. 29. 
•**) Lebert. Physiologie pathoiogiquö. T. II. p 126. PL XHI. fig. 11. 
PI. XIV. Sg. a, 6., 9., 13. Cbirurgiscbe Abbau dl uDgeo. S. 134. 

t) Lebert. Trait^ d'anat. patb. T. L p. 185. PI. XXVU. fig. 5. 
tt) Scbnh. Ueber die ErkeoutnisB der Pseudoplasmeti. Wien. 1861. 
S. 211. 



14* 



lyCoogle 



312 Nenmehate Vorlesang. 

der Epnlis. Inzwischen hatte Robin*) dieselben Gebilde in 
oonnalein , namentlich jungem Knochenmark aufgefunden. Da 
er sie »icbt f&r wirkliche Zellen hielt, 8o beEeicIinete er sie als 
Myäloplaxes (Markplatten, piaques s plasieurs noyaux) und er- 
wähnte ihr Vorkommen in gewiBsen, bis dahin meist als Krebe 
benannten KnochengeBchw Olsten. Paget**) verfolgte zunächst 
diesen Gedanken weiter und nannte diese Geschwülste Myeloide 
(Markgeschwülste). Seit jener Zeit ist in England diese Be- 
zeichnung fast allgemein aiiKenommen worden, nnd obwohl so- 
wohl Lebert, als Paget auch bei Geschwülsten der Weichtheile 
ähnliche Gebilde aufgefunden hatten, so ist doch die weitere Ge- 
schichte des Myeloids fa<t ausschliesslich an die Knochen ge- 
knüpft worden. Am meisten tritt dies in dem neuesten Werke 
von £ug6ne N^laton***) hervor, der die Weichtheile gant 
ans der Betrachtung läset und die myeloplaxische Geschwulst 
wesentlich als eine Hyperplasie ( Hypergenese ) des Knochen- 
markes ansieht 

Wir werden später auf die Frage des Myeloids noch zu- 
rückkommen, aber ich muss schon hier bemerken, dass meiner 
Meinung nach gar kein Bedenken besteht, die fraglichen Gebilde 
als Zell«n zu bezeichnen. Ich habe schon früher geeeigtl), dass 
sie nicht nur aus einfachen Eemzetlen entstehen, indem deren Kern 
sich wiederholt theilt und der guize Körper sich vergrössert, 
sondern dass sie auch in ihrer höchsten Ausbildung sich noch 
wie Zellen verhalten. Denn man kann an ihrer Oberfläche eine 
zusammenhängende, von dem Inhalt ablJ>&bare Haut zur Erschei- 
nung bringen. Andererseits finden sich ganz ähnliche Gebilde 
auch an anderen Orten z. B. in einfach vergrOsserten Lymph- 
drüsen, in jungen Tuberkeln tf), sowie in freilich sehr viel gerin- 
gerer Grösse und Ausbildimg in skrophulOsen und typhösen Drü- 
senanschwellungen ttt)- ^^ ^^'^ daher jedenfalls besser thun, 
den schon von Paget gebrauchten Namen der vielkernigen 



*) Robiu. Compt. reod. de la Soc. de Biologie. 1849. p. 119. 
") Paget Lectures od surg. path. Vol. II. p. 212. fig. 31B. 
***) E. Nelaton. D'ane nouvelle eBpece de tumearg b^oigoes des ob 
on tutneurH k niveloplaieg. Paris. 1860. 

t) Vircbow. Archiv. Bd. XIV. S. 47. Abbild. 
t+) EbeodaselbBt. S. 48. 
ttt) Virchow. WDnburger VerhaDdtungea. 1860. Bd. I. S. 83-86. 
Wilkg. Odj'b Hosp. Rep. 1856. Ser. Ul. VoX II. p. 13& PL V. fig. 6. 

UirzPcbyCOOgle 



Riwenielleiukrkom. gl 3 

Zellen (many-nncleated cells, mnltiDBcle&re Zellen) oder noch 
besser der yielkernigen RieeeoEellen für sie zn gebrauchen, 
ale die gewiss sehr präjudicirliche Bezeichnung der Myeloplasea 
beizubehalten. 

Diese vielkemigen Zellen können nun eine solche Grösse 
erreichen, dase sie mit grösster Leichtigkeit vom blossen Auge 
wt^i^enommen werden. Sie erlangen zuweilen einen Durch- 
messer von iV — tV Millimeter und noch darüber. Fallen sie 
aus dem Gewebe ans, so bleiben Lücken zurttck, welche sich 
natürlich noch leichter, zumal in feinen Schnitten, erkennen lassen, 
und es liegt nahe, diese Lücken mit Krebsalveolen auf eine Stufe zu 
stellen, während doch jede einzelne Lücke nur einer Zelle entspricht 
(Fig. 158.), und das Verhältniss im Wesentlichen dasselbe ist, wie 
bei einem ganz kleinzelligen Gliosarkom. Immerhin geben diese 
Zellen der Geschwulst ein eigenthümlicbes Gepr&ge, und wenn 
man für das ganze Gewächs einen Namen daraus ableiten will, 
80 dürfte sich die Bezeichnung des Riese nzellenearkoma 
(Sarcoma gigantocellulare) gewiss mehr empfehlen, als 
der in hohem Maasse präjudicirliche des Myeloids oder der mye- 
loplaxischen Geschwulst 

Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass weder die 
Zahl der Kerne, noch die Grösse der Zellen den Sarkomen allein 
eigenthümlich ist. Zahlreiche Beobachter haben Ton Anfang 
an den Krebsen das Vorkommen der sogenannten Mutterzellen 
als eine besonders häufige Eigenthümlichkeit zugesprochen, und 
in der That findet man hier zuweilen Elemente von ausserordent- 
licher Grösse mit 6 — 13 und mehr Kernen. Allerdings sind die 
ganz grossen Gebilde mit Hunderten von Kernen und dem eigen- 
thümlich undurchsichtigen, kömigen Zellkörper ein Vorrecht der 
Sarkome, aber nicht immer erreichen sie eine solche Entwicke- 
Inng und dann gehört eine grosse Aufmerksamkeit dazu, die 
Diagnose zu treffen. Meiner Meinung nach entscheidet in diesem 
Falle der Umstand, ob nur eine einzige Kiesenzelle die soge- 
nannte Alveole füllt oder ob eine Gruppe von ihnen zusammen 
in einer wirkliehen Alveole enthalten ist. Nur in letzterem Falle 
ist der Erebscharakter gewahrt, und dajin zeigen sich neben den 
vielkemigen Zellen gewöhnlich auch andere mit einfachen, aber 
ganz auffallend grossen, man kann sagen, Kiesenkernen, die ich 
in Sarkomen nie bemerkt habe. 



Google 



214 N«iDS6luito VurlesBDg. 

Für die grSiKre Diagnose folgt aus dieser DarBtellnng, dass 
die Sarkome nicht, wie die Carcinome, einen aus wirklichen 
Höblongen ansdrackbaren Saft oder Alveolen-Inhalt besitzen, dass 
sie überhaupt keine regelmässige Zusammensetzung aus histo- 
logisch differenten Theilen nach Art eines zusammengesetzten 
Organee haben, sondern' dass sie eine mehr gleichmüssige, za- 
sammenh&ngende Masse bilden. Die zelligen Elemente da- 
rin verhalten sieh, wie Parenehymzellen und nicht wie 
Oberflächen -Zellen (Epithel, Krebs), und das Ganze der Ge- 
schwulst ist mehr histioid, als organoid (Bd. I., S. 122). 
Ist das Sarkom weich, so iSsst es sieh im Ganzen leicht ser- 
drücken und in eine pulpöse oder milchige Masse serqnelscheo, 
aber diese Masse ist nicht einfach trennbar von einem etwa zu- 
rückbleibenden Stroma. Wenigstens ist dieses Stroma kein regel- 
mässiges, typisches Alveolargebilde. Nichts destoweoiger wird 
man leicht ermessen, dass bei recht weichen Formen die Aehn- 
lichkeit zwischen Medullarsarkom and MeduUarcarcinom eine 
recht grosse ist, nnd die Forschung muss aatfirlich um so mehr 
auf Hindernisse stossen, wenn- es richtig ist, wie ich angegeben 
habe (S. 181), dass Mischformen von Krebs und Sarkom 
vorkommen. Geht an gewissen Stellen die Zellenhildung so 
rasch vor sich, dass keine Intercellularsubstanz mehr gebil- 
det wird, und nehmen die Zellen bei ihrer weiteren Ausbildmig 
einen epithelialen Charakter an, so wird hier ein Careinom oder 
ein Kystom entstehen. So lange aber noch Intercellularsahstanz 
gebildet wird und so laim;e die Zellen den Bindegewebscharakter 
bewahren, so lange sollte man nur von Sarkom sprechen. 

Es scheint, dass alle Varietäten des Sarkoms solche Misch- 
formen bilden können. Am häufigsten sah ich sie bei melanoti- 
sehen Geschwülsten, indess kommen sie auch bei Myxo-, Glio- 
und selbst bei Oateoidsarkomen vor. Nur muss man hier nicht 
zu weit gehen. Jeder rasch wuchernde Krebs kann ein Gerüst 
aus jungem Binde- oder Schleimgewebe haben, welches für sich 
betrachtet den Eindruck eines Spindelzellensarkoms darbietet. 
Insofern könnte maji sagen, dass jede solche Geschwulst eine 
MischgescJiwulst sei. Dieser Gedanke liegt in der That sehr nahe, 
wenn man in gewissen melanotischen Krebsen ein Gerüst mit 
pigmentirten Zellen findet, welche von den mehr epithelialen Zellen 
des Alveolen-Inhaltes ganz verschieden sind, wie es nunentlicfa in 



lyCoogle 



BeiieliuDg iwischra Kreba Qnd Sarkom. 315 

msiiebea geflecktea oder getiegertea Melanosen der Fall 
ist. Allein hier sind doch immer die Zellen des AlTeoleD-Inhaltes 
die Hanpteacbe, indem sie den eigentlichen Geschwulst-Charakter 
bestimmen. Anders verhält es sich bei dem, was ich als Sar- 
eoma oarcinomatosum bezeichne. Hier tragen ganze, zuwei- 
len grosse Abschnitte der Geschwulst den unverkennbaren Cha- 
rakter des Sarkoms, z. B. den des SpindelzeUensarkoms (der 
tibroplastischen Geschwulst); andere, bald kleinere, bald grössere 
dagegen haben den alveolären Bau, wobei die Zellen des Alveolen- 
Inhaltes von denen des Gerüstes verschieden sind. 

Am schwierigsten sind gewisse Formen, wie ich sie mehr- 
mals an der weiblichen Brust gesehen haben, wo das Gerüst 
nicht mehr ans zellenhaltigem Bindegewebe, sondern aus einem 
einfachen, zellenlosen Netz- oder Balkenwerk von grosser Fein- 
heit besteht, wo aber trotzdem die Räume dieses Netzes mit 
einer dichten Zellenmasse erfüllt sind, die sich nach der Härtung 
der Präparate leicht anspinseln lässt. Diese Formen stehen den 
Gliosarkomen sehr nahe und unterscheiden sich auf den ersten 
Blick nur durch die Zahl der in den einzelnen Alveolen enthal- 
tenen Zellen von denselben. Allein die Zellen selbst haben den 
Bau und die Anordnung epithelialer, namentlich drüsiger Zellen, 
und desshalb trage ich kein Bedenken, auch diese Geschwulst- 
form zu der krebsigen oder kankroiden Gruppe zu rechnen. 

Dabei verkenne ich nicht, dass nicht jede drüsenartige An- 
ordnung auf epitheliale Zusammensetzung zurückzuschliessen er- 
laubt. Die Nebennieren geben fär die normale Histologie eine 
solche Anordnung, und ihnen gleichen manche Sarkomformeo, 
die ich vorläufig als carcinomatöse Mischgeschwülste bezeichne, 
von denen ich die Möglichkeit noch nicht aufgebe, sie vielleicht 
später in noch näbere Beziehung zu den Sarkomen zu setzen und 
von den Carblnomen ganz und gar zu trennen. — 

Die Intercellularsubstanz der Sarkome ist selten rein 
bindegewebig (leimgebend). Meist enthält sie einen reichlicheren 
Gehalt an albuminOsen, caseinOsen oder mucinCsen Bestandthei- 
len, so däss beim Kochen, beim Eintauchen in Alkohol, beim 
Zusatz von Essigsäure körnige und membranßse Niederschläge 
leicht erfolgen. Müller*) unterscheidet daher gewisse Formen 

') J. Möller. Ueber den feinereD Bau der GeBchwflUte. S. 21. 



lyCoogle 



216 Neanzeknt« Vorlesung. 

geradezu als albuminCse Sarkome; man kann mit Docb mehr 
Recht manche als caseinöse bezeichnen; denn ein grosser Theil 
der weichen Formen enthält einen Saft, der durch organische Säuren 
in minimo des Zusatzes gefMlt, in masimo desselben gelöst wird. 
Ihnen zunächst stehen die mucinOseD Formen (Myxosarkom). 
Diese zeigen alle Ueberginge zu wirklichen Myxomen, zunächst 
durch die schon verwandte Yarie^t des MeduUarmyxoms (Bd. I., 
S. 402). Indess sind diese chemischen Unterschiede nicht gross 
genug, um darauf allein eine Diagnose der Unterarten begründen 
zu kennen. Denn es ist nicht selten, das» eine mvcinOse Va- 
rietät zugleich caseinös ist und dass man bei Zufögung von Essig- 
säure zuerst einen starken, kOmigen, weissen Niederschlag (Ca- 
sein) erhält, der sich nach und nach wieder auH&st, während 
sich ein feinerer, faden- oder hautartiger (Mucin) bildet, welcher 
persistirt. Auch kann dieselbe Geschwulst leimgebende Theile 
neben albuminösen oder mucinOsen enthalten. Ks ist daher im- 
mer nothwendig, neben den chemischen Merkmalen auch die 
histologischen ins Äuge zu fassen. 

Mikroskopisch kann man hauptsächlich dreierlei Zustände 
der Intercellularsubstauz unterscheiden: homogene, körnige 
und fibrilläre. Fibrillen sind zuweilen sehr ausgebildet, frei- 
lich nicht in der lockigen und lose fascicu^ren Anordnung, wie 
im gewöhnlichen Bindegewebe und in den weichen Fibromen, son- 
dern dichter, steifer und mehr gestreckt. Fibrosarkome mit reich' 
lieber Intercellularsubstanz stehen daher den Fibromen sehr nahe 
und nur der Reichthum und die EntwickeluDg der Zellen gibt 
hier Anhaltspunkte £ur Trennung. In den grosszelligen Fibro- 
sarkomen, welche meist fasocellulär sind, ist die Erkenntniss 
leicht; in den kleinzelligen dagegen, namentlich wenn sie ^o- 
cellulär oder scheinbar tibronudeär sind, gehört eine grosse 
Aufmerksamkeit zu einer sicheren Scheidung. Noch schwieriger 
ist die Unterscheidung von manchen Formen der Myome (Fibroide), 
insofern die grösseren Spindelzellen den glatten Muskelzellen sehr 
ähnlich sind. 

Körnig erscheint die Intercellularsubstanz am hStafigsten in 
den Gliosarkomen , wo sich bei frischer Untersuchung das zer- 
flossene Material der Zellkörper (Protoplasma) häufig so innig 
mit der Intercellularsubstanz mischt, dass man nur Kerne in einer 
amorph-kömigen Grundmasse vor sich sieht. Härtet man diese 



lyCoogle 



iDtercellDhranbetaius der Sarkome. 217 

Masse, welche frisch gew5hnlich caseinOse, zuweilen leicht mnci- 
ndse Reactionea bietet, so gewinnt man ein feinea Netz, welches 
die Zellen umfasst und dann ans ziemlich glatten Bälkchen 
(Fig. 138.) zu bestehen scheint Auch manche kleiazellige Myxo- 
sailtome haben ganz ähnliche Zwischenstibatanz. 

Homogen endlich erweiBt sich die Intercellularsnbstanz in 
sehr Yersehiedener Weise. Zunächst bei manchen Myxosarkomen, 
wo die Zellen in einer ganz hyalinen, gallertartigen Schleimmasse 
vertheilt sind. Allein in der Regel ist dfeselbe von einer gewis- 
sen Menge von Fasern darchzogen, welche sich von gewöhnlichen 
Bindegewebsfasern durch grössere Breite und dunklere Contaren 
zu nnterscheiden pflegen. Auch werden sie von Essigsäure we- 
niger angegriffen. Si^ verlaufen zuweilen bündelweise, meist mehr 
vereinzelt und deutlich verfilzt oder verwebt — Aber auch gewisse 
Fibrosarkome erreichen einen solchen Grad von Dichtigkeit, dass 
man die Fibrillen kaum noch wahrnimmt und die Intercellularsub- 
stanz auf den ersten Blick fast homogen erscheint. Sehr schdn 
sieht man dies bei den seltenen Formen festerer Fibrosarkome im 
Gehirn, welche dann leicht für Knorpelgeschwfllste genommen 
werden können. Hier ist dieser Charakter von vorn herein der 
Geschwulst eigenthümlich. Anders ist es in jenen Fällen, wo sich 
erst secundär eine Art von Sklerose macht, durch welche die 
Grundsubstanz eine Cartilaginescenz erreicht, die dem Zustande 
der eigentlichen Enorpelsubstanz , zumal dem Osteoidknorpel 
(Bd. I-, S. 463) näher und näher tritt. Auch geht diese Verdich- 
tung in der Regel der Verkalkung und wahren Verknöcherung 
vorauf, und sie bildet den gewöhnlichen Entwickelungsgang der 
Osteosarkome (Osteoide). 

Sollte Jemand noch darüber im Zweifel sein, in welcher 
Weise die Umwandlung der verschiedenen Intercellularsubstanzen 
in einander stattfindet, so wird er sich nirgends besser, als an 
Sarkomen davon überzeugen können. Bie allmähliche Umbildung 
einfach fibrillärer oder schleimiger Massen in ganz dichte oder homo- 
gene geschieht in gewissen Chondro- und Osteosarkomen in so 
schneller Weise, dass man in demselben mikroskopischen Gesichts- 
felde alle Uebergänge von dem einen zum andern sehen kann*). Auf 



Archir. Bd. 111. S. 224. ^Vürzburgai Verband langen 



lyCoogle 



218 Nenniehnte Vorlesung. 

der einen Seite liegen die Zellen noch dicht an einander, von 
einem Bchwachen Fasernets umhüllt; anf der anderen ist jede in 
eine sklerotische, bald verkalkende Gmndsubatanz eingeschlossen, 
welche knorpelige Dichtigkeit nnd knorpeligen Glanz besitzt und 
welche sich vom wahren Knorpel nur dadurch unterscheidet, dass 
keine getrennten Kapseln um die Zellen vorhanden sind, bod- 
dern die Grandäubstanz ein Gitter bildet mit Lflcken, in welchen 
runde oder sternförmige oder anastomosirende Zellen liegen. 
Die Grösse dieser Zellen sichert gewöhnlich die Diagnose gegen- 
über den einfachen verkalkenden und verknöchernden Fibromen, 
Chondromon u. s. w. Hat man Gelegenheit, diese verschiedenen 
Zustände als Üebergänge in derselben Geschwulst zu sehen, eo 
wird auch die Unterscheidung vom Krebs ziemlich leicht. Denn 
niemals geht die eigentliche Zellenmasse eines Krebses solche 
Metamorphosen ein. 

Was endlich die Gefässe*) anlangt, so ist ihr grösserer 
Reichthum ein bequemes Unterscheidungsmerkmal von den ge- 
wöhnlichen Fibromen. Alle Sarkome, auch die weissen nnd 
schwarzen, enthalten Ge^se. Von den Melanosen hat man dies 
früher vielfach bezweifelt, und man hielt sie deshalb fär blos 
unorganische Äblageruugen. Allein abgesehen von den Melano- 
sen der äusseren Haut, welche nicht selten ans blutenden Warzen 
and Malern hervorgehen, haben alle Melanosen Geftsse, manche so- 
gar sehr viele und sehr weite. In manchen Sarkomen dominiren, 
wie schon erwähnt (S. 190), die Geisse, und zwar sowohl durch 
Zahl, als durch Weite. Sie bilden zahlreiche, oft sehr enge Netze, 
besondere gegen die freien Oberflächen hin, Ihre Anwesenheit 
begünstigt natürlich sowohl das schnellere Wachsthum, als auch 
den grösseren Saftreichthnm und somit die InfektionsfShigkeit 
der Geschwulst. Wird die Oberflftehe blossgelegt, so n&sst die- 
selbe leicht durch die fortwährende wässerige Transsudation; 
auch blutet sie leicht, sowohl bei Berührungen, als spontan, bei 
innerer Fluxion. Nur die harten Sarkome, namentlich gewisse 
Fibrosarkome , denen B il 1 r o t h **) desshalb den Namen der 
„wachsglanzend speckigen" beilegt, ungefähr in dem Sinne, vne 
die älteren Beobachter von Steatomen sprechen, machen 



•) C. 0. Weber. MeiQ Archiv. Bd. XXIX. S. 100. 
♦•) Billroth. Beiträge zur pathol. Histologie. S. 9i. 



lyCoogle 



Geftrbte vbA bftmorrluigisclie Sarkome. 219 

in dieeer Beziehung ein« Ausnahme. Aber aDch Dach innen ge- 
hen oft beti^htliche Blntangen, so dass der „Schwamm" sich 
dnrcl) pareochymatOse Extravasate in ganz knrzer Zeit sehr be- 
deutend aufblähen kann. 

Diese hämorrhagischen Infarkte können wieder der 
AasgangBpnnkt ffir Pigmentbildnngen werden, welche man 
wobl von dem aatochthonen Pigmente unterscheiden rauSB. In ein- 
lekieo Fällen ist die Unterscheid ang freilich recht schwierig, und 
es ist leicht begreiflich, dass manche Forscher alles Pigment ans 
Bltttkflrperchen hervoi^eben lieseen*). Ich habe diese Frage bei 
Gelegenheit der sogenannten Blutkörperchen haltenden Zellen dis- 
catirt**) und gezeigt, dass in telangiektatisehen Schwämmen aller- 
dtngs eine Aufnahme von Blutkörperchen in Zellen und eine spätere 
Metamorphose derselben zu Pigment stattfindet. Allein in diesen 
Sarkomen findet sich regelmässig ausser dem in Zellen enthal- 
tenen Pigment auch ähnliches frei, welches direct aus den Me- 
tamorphosen des interstitiellen Extravasates hervorgegangen ist. 
Beide können gelb, roth, braun oder schwarzbraun sein, und im 
letzteren Falle mit dem autochthonen Pigmente verwechselt werden. 
Ob letzteres in iigend einer Beziehung zu dem Hämatin steht, kann 
ich nicht sagen; jedenfalls stammt es nicht aus Extravasat, und 
wenn man seine Beziehungen zu dem' normalen Pigmente der 
äusseren Haut, der Ghoroides und Arachnoides ins Auge fasst, 
so wird man sich gewiss eher geneigt finden, anzunehmen, dass 
es einer metabolischen Tbätigkeit der Zellen selbst seine £nt- 
stehnng verdankt. Auf alle Fälle ist also ein gewisser Unter- 
schied zwischen den eigentlich melanotischen und den hä- 
morrhagisch-gef&rbten Geschwülsten **•); nur darf man nicht 
übersehen, dass beide Zustände in dei^elben Geschwulst neben 
einander vorkommen kOnnen. 

Dazu kommt endlich, dass in einzelnen Sarkomen ausser der 
eigentlichen Melanose und der hämorrhagischen Pigmentimng noch 



•) Engel. Zeitscbr. der Wiener Aerzte. 1845. Fig. 8-10. 1846. S. 16. 
Ecker. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Bd. II. S. 276. 

••) Virchow. Archiv. Bd. IV. S. 630. Bd V. S. 405. 

*•■) Birkett. Guy's Hosp. Rep. 1857. Ser. III. Vol. m. p. 334, 335. 
Fanvel et Ordonnez. Bullet, de la Soc. anat. 1858. p. 121. Der letztere 
nnterscheidet Tumeara mölanigues propreiuent dites form^es par l'hyper- 
g^n^se de la raatiere pigmentaire und TnmearB m^Ianiquea par epancfaement 
Baugnin. 



lyCoogle 



220 Neoniehnt« VorieBong. 

eine eigientbümliche FSrbuDg vorkommt, welche gewissen GewebB- 
elementen anhaftet, wie die JduBkelfarbe den MuskelprimitiTbün- 
deln. Diese eigentliche Farenchymfarbe findet sich am anf- 
f&lligsten bei manchen Epuliden, welche ein frelbbräunliehes, 
gränliches oder rostigee Aussehen haben kOnnen. Am meisten 
sind es die vielkernigen Riesenzellen (Myeloplaxeo), welche die 
Farbe tragen (S. 211), leb lasse es dahin gestellt, ob in dieselbe 
Kategorie nicht wenigstens ein Theil desjenigen gehört, was man 
als grünen Krebs, Chloroma bezeichnet hat; zum mindestui 
bildete Lebert*) aus einer berühmten Geschwulst der Art grosse, 
vielkemige Zellen ab, welche die Farbe, wenn auch nur schwach, 
an sich trugen. — 

Nachdem wir so den Ban des Sarkoms dargelegt haben, 
wird es zunächst unsere Aufgabe sein, seine Entwickelungs- 
gescbichte zu betrachten. Wir hatten schon gesehen, dass 
gerade bei dem Sarkom eine nähere Beziehung desselben zn ge- 
wissen normalen Geweben die Aufmerksamkeit der Beobachter 
erregt hat. Die Beziehung des Markschwammes zu den Nerven, 
der Melanose zur Cboroides bulbi, des Osteosarkoms and Osteoids 
znm Knochengewebe und zur Beinhaut, des Myeloids zum Kno- 
chenmark drängte die ältere Auflassung, dass die Schwämme und 
Sarkome ans dem Zellgewebe hervorgingen, in den Hintergrund, 
aber immer blieb doch die Vorstellung bestehen, dass es sich 
hier mehr um eine Art von Hypertrophie, als um beterologe 
Neubildung handele. Freilich waren auch die Anhänger dieser 
Ansicht bis in die neueste Zeit der Ansicht, dass die nenen 
Theile aus einem plastischen Essudate oder Blastem neben den 
alten Theilen hervorwächsen, indess war das kein Ergebniss der 
Beobachtung, sondern nur eine VeraUgemeinerung der damals 
herrsehenden Doctrin der Neubildung überhaupt. 

In meine Auffassung übersetzt, heisst dies vielmehr, dass das 
Bindegewebe, das Knochengewebe, die Beinhaut und das Mai^ der 
Knochen, die Cboroides bulbi wirklich die Muttergewebe (Matrices) 
des Sarkoms sind, in der Art, dass die Elemente des Sarkoms 
Abkömmlinge der Elemente jener Gewebe, also der Bindegewebs- 
Knochen-, Mark- und Pigmentzellen sind. Nirgends lässt sich 
diess besser in fortlaufender Reihe der Entwickelungen beobachten, 

•) Lebert. Trait^ d'anat path. T. 1. p. 323, PI. 45. fig. 1-4. 



lyCoogle 



Entatohnng dei Sukoms. 221 

tÜB beim Svkom, weil sein Gewebe eine BO dentlicbe Continai- 
t&t mit den Muttergeweben beBitst und die Ueberg&nge von einem 
zum anderen sehr bequem sichtbar zu machen Bind. Auch daa 
Uebergreifea des Sarkoms in die angeBteckteo Nacbbartheile bie- 
tet vielfache Gelegenheit za aolchen Beobachtungen. Man eieht 
die progresBive Beibe von den ersten Kerntheilungen*) bis zu 
oft sehr reicher Zelienbildung in demselben mikroskopiechea Ob- 
jekte deutlich, und wo zusammengesetzte Organe, wie Maskelo, 
Nerven, Drßsen befallen werden, da erhalten sich die speci- 
fiscbea Element« derselben gewöhnlich lange genug, um auch un- 
geübten Beobachtern die üeberzeugnng za geben, dasa nicht 
diese specifiaohen Elemente, aondern das interstitielle Gewebe 
der Ausgangspunkt der Neubildung ist 

Die nahe fieaiehung des Sarkoms in diesen jungen Zuständen 
zu den anderen Gewächsen aus der Bindesubstanz- Reibe zeigt 
sich darin, dasB die jungen Theile, also bei grosseren Sarkomen 
die peripherischen, manchmal ganz und gar den Ban eines die- 
Ber anderen Gewächse besitzen. Die jüngsten Stellen melano- 
ÜBcher Sarkome bestehen &st ganz aus denselben Spindel- and 
netzförmigen, aber gefärbten Bindegewebezellen, welche die ein- 
focben Melanome zusammensetzen; erst nach und nach werden 
die Zellen zahlreicher und grosser, die Zwischensubstanz spär- 
licher und zuletzt sieht man nur Zellen ohne Zwischensubstanz 
oder mit sehr geringer InterceUularmasse. Die Fibrosarkome 
haben in der Jagend fast einen libromatOsen Charakter; später 
vrird das tibrilläre Zwischengewebe spärlicher und der zellige Ban 
vorwiegend**). Bei Chondrosarkomen findet man die frischesten 
Erkruiknngen zuweilen ganz knorpelig. Selbst metastatische 
Heerde stimmen manchmal in dieser Entwickelung überein. 

Anderemal geht auch das Sarkom durch ein deutlichea Gra- 
niüationsBtadium (Bd. I., S. 89) hindurch, ja zuweilen bat dieses 
Stadium eine Daner von vielen Jahren. Diese Formen pflegen 
von Anfang an sehr zellenreich zu sein und bald den medullären 
Habitus anzunehmen. Sie sind zugleich weicher und in höherem 
Grade suspect, wie die anderen. Aber auch harte Sarkome neh- 



•) Virchow. Cellnlarpathologie. 3. Aufl. S. 284. fig. 108. 
••) Ebendaselbst. S. 4&1. Fig. I&O. 



lyCoogle 



2S3 Neaniehnte VorluaBg. 

men später nicht sehen dieeen grannlirendea Charakter an, wenn 
durch irgend welche Reizung, sei ea eine äussere, sei es eine 
innere (conatitutionelle) ein beschleuoigteB Wachathnm in ihnen 
beginnt Die neuen Gewebstbeile, welche dann angesteckt wer- 
den, gehen alsbald in eine feinzellige Wucherung ftlrar, und diese 
ertiSlt sich entweder als solche, um nachher zu zerfallen, oder 
sie macht ihrerseits durch allmähliges Wachstbum der Zellen und 
Abscheidung der IntercellalarsnbBtanz einen dem Matterknoten 
analogen Entwickeluugsgang durch. 

Diese Mannichfaltigkeit der Bildung begreift sich, wenn man 
die Aetiologie des Sarkoms ins Auge fosst. Es ist dies aller- 
dings eine schwierige Frage, namentlich deshalb, weil die Lite- 
ratur nur wenige sichere Beobachtungen enth&lt und die Ver- 
wechselung mit Krebs in einer fast unentwirrbaren Weise statte 
gefunden hat. Indess trage ich kein Bedenken, an der Hand 
meiner eigenen Erfohmngen in dieses Gebiet einzutreten, nnd 
wenn ich hier nnd da auch solche Beobachtungen, welche viel- 
leicht oder wahrscheinlich dem Krebs angeh^tren, mit anfahre, 
so wird diese Untersuchung doch, wie ich hoffe, fßr weitere 
Beobachtungen um so mehr anregend wirken. 

Zunftcbst hebe ich hervor, äsBB an sehr vielen Orten die 
Entwicketung des Sarkoms schon auf sehr frühe Zeiten des Le- 
bens zurfickffihrt, und dass namentlich an der Oberfl&che des 
E&rpers, wo wir etwas bestimmtere Anamnesen haben, oft con- 
genitale VerhSltnisse oder wenigstens in sehr früher Ja- 
gend bemerkte Znst&nde in Betracht kommen. Schon die 
alten Beobachter haben mehrfach erwähnt, dass an der Haut 
kleinere Knoten in Form von allerlei warzigen Gebilden besteheD 
kennen, welche oft viele Jahre lang in einem ruhigen Zustande 
sich befinden, wie man zu sagen pflegt, stationär bleiben, dann 
aber späterhin, sei es nach irgend einer besonderen Einwirkung, 
sei es in einem höheren Lebensalter, anfangen, der Sitz einer 
gesteigerten Thätigkeit zu werden, — einer Thätigkeit, die hSofig 
uater allerlei Veränderungen der Sensation, anfangs juckenden, 
später schmerzhaften Empfindungen beginnt, von einem vermehr- 
ten Wachsthum gefolgt wird und endlich zur Bildung einer gros- 
seren, an ihrer Oberfläehe nlcerirenden Geschwulst führen kann. 
Daher stammt die alte Eintheilung der Wiwzen in gut- und bOs- 



lyCoogle 



artige, und ala bösartig bat man oamentlich seit Aetiue*) die 
grfiaaere Form des Thymus (Bd. I. S. 343), welche man aact 
Sycosis**) oder Fieus nanate, bezeichnet Später hat man 
das alles zasammengeworfen anter dem Namen von Krebs und 
diese Form geradezu Verruca cancrosa***), Fungns s. 
Ficna cancrosnsf) genaont Bier muss man unterscheiden. 
Es giebt in der Tbat icrebeige und kaukroide Gewächse, welche 
aus Warzen hervorgehen, aber es giebt auch Verrucae sarco- 
matosae, welche sich in jeder Beziehung an die hier in Bede 
stehenden Gewächse anschliessen. 

In diese Kategorie gehjjrt iusbesoadere eine Reihe von wei- 
chen oder Fleisch- Warzen, Verrucae moUes s. carneae, die 
man hier und da wohl auch mit in die MoUuskengruppe gerech- 
net hat (Bd. I. S. 222), die aber davon zu unterscheiden sind. 
Manche von ihnen sind angeboren und geboren in diejenige 
Gruppe der Mnttermäler (Naevi matemi, Moles, Eavies, Ta- 
ches), welche unter dem Namen des Naevus tuberculosus s. hy- 
pertrophicna bekannt sind. Plenckff) nennt sie geradezu Nae~ 
Tus malignus. Allein nicht selten entwickeln sich ähnliche Ge- 
bilde erst in einer späteren Zeit des Lebens; namentlich findet 
man sie bei älteren Leuten After in grosser Zahl am Gesicht und 
Rompfftt). Die Haut bildet dabei ganz schwach ansteigende 
Anschwellungen mit glatter, zuweilen auch anebener, hügeliger 
oder geradezu warziger Oberfläche. Die Epidermis und das Bete 
Ualpighi, welche Aber die Anschwellung hinweggehen, sind in der 
Regel wenig verändert; zuweilen ist der Ueberzug etwas stärker, 



•) Aetins. Lib. XIV. cap. IV. p. 8. ed. Proben. 
**) CeleuB. Lib- VI. arL 3. definirt Sycosis als ein OeschwGr, ans vel- 
cbem Fleisch hervorwachgt , jedoch ist diese Definition nie allgemeiu ange- 
nommen worden. 

'••) van Swieteo. Comm. in Boerhaavii aphor. 1745. T. I. p. 879, 
Sevens. Disa. inang. de fungo cancroso ex verruca orto. Argentor. 1772. 
Kraamwinkel. Spec path. chir. eihibene observatJones Verrucae caa- 
croeae. Traj. ad Rb. 1843. Hichon. Du Cancer cutane. These de Paris. 
1846. p. 44. Butcher. Dablin Qnarterly Joorn. of med. Bcience. 1866. 
Not. p. 269. Oollis. Ebendas. 1860. May. p. 319. 

f) Fabricins Hildaons. Observ. et cnrat chirorg. Ceotaria. Basil. 
1606. I. ObB. 1—2. III. Obs. 89. VL Obs. 79. 

tt) Jos. Jac. Flenck. Doctrina de morbis cntaneis. Viennae. 1776. 
p. 35. Er sagt eehoa p. 36: Maevi magni, qai vera sarcomata saut 
tff) Die Beechreibungeo, welche Rayer (Traitö des mal. de la peaa. 



lyCoogle 



224 Neuiuehnte Vorlesung. 

DÜmals erreicht er aber die Mächtigkeit, wie bei den harten 
Warzen. Macht man einen Durchschnitt, bo sieht man die Epi- 
dermisBcbicht sAb ein gleichmäBeiges, seltener hflgeliges X^ager 
aber die Gesehwulst hinweglaufen. Diese letztere sitzt demnach 
wesentlich in der Cutis. Gewöhnlich nimmt sie den eigentlichen 
Papillarkörper und ein gewisses Stack von dem Dermagewebe ein; 
nur selten greift sie durch die ganze Dicke der Cutis oder selbst in 
die Unterhaut Jedesmal setzt sie sich aber schon für das blosse 
Auge TOD dem derberen und weisseren Gewebe der Cutis ab, 
indem sie eine mehr durchscheinende, hellgraue oder hellgelb- 
liche, manchmal grauröth- 
^'' '*"' liehe, weichere, saftreiche, zu- 

weilen gallertige*) Beschaf- 
fenheit zeigt, und nicht sel- 
ten eine gröbere Vascularisa- 
tion besitzt. Untersncht man 
dieses Gewebe, so findet man, 
dass es gewfihnlich sehr reich 
an Zellen ist, ja manchmal 
East ganz und gar aus rela- 
tiv kleinen Zellen mit sehr 
geringer and weicher Intereellularsubstanz besteht. Macht man 
einen Durchschnitt und bringt ihn im Zusammenhang unter das 
Mikroskop, so scheint zuweilen das ganze Gewebe nur aus einer 
feinkörnigen Grundsubstanz mit eingesprengten Kernen zu beste- 
hen. Wie in den sogenannten fibronucleären Geschw&bten, haben 



Pig. 140. Mikroakopischer Durcbsohoitt einer Verruca carnea tod der 
Baacfahaut einer erwachsenen PersoD. In der Masse selbst erkennt man zn- 
nSchat die glänzenden Kernkdrperchen, nächstdem um diese die meist eiför- 
migen Kerne. Wirkliche Zellkörper treten nur am Rande bei a hervor, wo 
die Mehrzahl als Spindelzellen erscheint. Vergrösserung 300. 
Paria. 1827. T. U, p.297), Krämer (üeber Condylome und Warzen. S. 64) 
und y. Bärensprung (Beiträge zur Anat u, Phjs. der mensebl. Haat 
S. 72) von den Fleischvarzen entworfen haben, leiden vielfach an der Ver- 
wechaelung derselben mit dem Akrocbordon (Bd. I., S. 2S3), Dagegen 
treffen die Schilderungen von G. Simon (Die Hautkrankheiten. Berlin. 1861. 
S. 231) und Wedl (Path. flistol. S. 452) ziemlich gut zu. 

*} Geinitz (Deutsche Klinik 1862, No. 40.) hat vor einiger Zeit eine 
„bis jetzt TOD den Chirurgen übersehene Form von Gallertgeschwfllaten" 
der Haut beschrieben, welche meiner Meinung nach mit den Pleischwarzen 
identiach iet 



lyCoogle 



diese glänzende Nndeoli, welche am deutlichsten aoB der Ge- 
Bammtmasse hervorleuehten. Wirkliche Zellen sieht man oft nnr 
an den Rändern (Fig. 140a.)- Zerreisst man die Masse, so wer- 
den diese Theile frei, und man be- 
kommt sowohl ganze Zellen (Fig. '' 
141., A), als auch zahlreiche söge- A ,^ 
nannte nackte Kerne (Fig. 141. B). ® f^ 'n <S) 
Letztere sind überwiegend oval, Ter- ^ ^ -^ S^-^ 
hältnissmäseig klar und glatt, mit ^ ^^ rs (S^ 
glänzenden Kernkörperchen verse- ^ d^^ 
hen, nnd ßchrumpfen nach Essigsäure- (^ 
Zosatz unter Faltung. Die Zellen sind 

bald rundlich, bald spindelförmig mit 3 oder mehr Fortsätzen, 
bald gemischt. Sie haben einen weichen, schwach kOmigen Kör- 
per von sehr verschiedener Grösse, so dass der Kern zuweilen 
den grössten Theil ihrer Substanz darstellt, anderemal dagegen 
nur einen massigen Äntheil derselben ausmacht. Die Struktur 
dieser Warzen schliesst sieii daher bald mehr derjenigen der 
sogenannten iibroplastisohen , bald derjenigen der fibronucleären 
Gewächse an, findet aber in der Zusammensetzung der Wund- 
granulation die vollständigste Analogie. 

Man würde dieses Warzengewebe daher vielleicht einfach 
ein GranulatioQSgewebe nennen können, wenn die Zellen selbst 
nicht eine mehr persistente Beschaffenheit besässen, so dass das 
Gewebe sich dauerhaft erhalten kann, während bekanntlich 
blosse Granulationsgewebe vorübergehende Strukturen, transito- 
rische Bildungen sind, die sich entweder bald weiter entwickeln, 
oder zurückgehen. Von den allerdings perennirenden Mollusken 
unterscheiden sich diese Formen durch ihren grossen Zellenreich- 
thnm und ihre weiche IntercellutarBubstanz. Sie verdienen daher 
eine Bezeichnung für sich, wie sie in dem Namen der Fleisch- 
warzea ganz vortrefflich gegeben ist. Eine Fleischwarze ist, ge- 
nau genommen, ein unvollständig entwickeltes Sarkom, und wenn 
sie frühzeitig eine starke Entwickelung macht, so wird man eine 



Fig. 141. Isolirte ElemeDtartheile ans dem Präparat Fi|. 140. Bei ,4 
Zellen veracbiedeaeT Grösse und Forio, bei B sogeaannte freie Kerne. Ver- 
grCeBernng 5O0. 

Tlmhow, GatchwüUn. 1. 15 



lyCoogle 



226 Neunzehote TorleBnng 

Grenze gegen das Sarkom kaum ziehen kf^nnen. Holmes hat 
zwei congenitale GescbwQlste von kleinen Kindern beschrieben, 
welche hierhin gehören. Bei einem U Tage f^ten Kinde fand 
sich unter einem Muttermal am Nacken eine 2 Zoll grosse Ge- 
schwulst, die vom Ohr bis zur Scapula reichte und ein rapides 
Waclisthum machte; ihre Structur war theils fibroplastisch, theils 
fibronacleär*). Bei einem 7 Wochen alten Kinde kam eine ähn- 
liche Geschwulst in der Orbita TOr**). 

Ausser den einfachen Fleisehwarzen finden sich oft genug, 
zuweilen gleichzeitig, gefärbte, welche in der Regel schon 
änsserlich ein dunkles, manchmal schwärzliches Aussehen dar- 
bieten und daher ähnlich sind manchen mit stark pigmentirtem 
Rete versehenen Warzenbildungen, von welchen sie sich dadurch 
unterscheiden, dass bei ihnen auch das unterliegende veränderte 
Cntisgewebe pigmentirt ist Es kann freilich sein , dass auch 
bei ihnen eine gefärbte Rete-Schicht über die Oberfläche hinweg- 
geht, aber auch in dem Bindegewebe selbst liegt Pigment, wel- 
ches bei den meisten bi^unlich, bei einzelnen geradezu schwärz- 
lich ist. Sie stellen also in dem früher (S. 119) von mir an- 
gegebenen Sinne wahre Melanome dar. Am häufigsten finden 
sie sich am Rumpf, besonders am Rücken*") und im Gesicht 
Manche von diesen Warzen scheinen erblich zu sein und zu 
den hereditären Naevusformen zu gehören, obwohl sie sich von 
dem gewöhnlichen einfachen Naevns durch die Besonderheit 
ihres Baues auszeichnen. Ich habe ein solches erbsengrosses 
Melanom der Superciliargegend bei einem Manne exstirpirt, wel- 
cher angab, dass seine Mutter an derselben Stelle eine ähnliche 
schwarze Warze gehabt habe. Jeden£ills sind sie häufig con- 
genital und bilden eine Äbtheilung der sogenannten Pigment- 
mäler (Naevus pigmentatas, Spilus). Letztere unterschei- 
den sich aber, wie schon angedeutet, unter einander wesentlich 
nach dem Sitze des Pigmentes. In den gewöhnlichen flachen 
Mälernf) liegt dasselbe, ähnlich wie bei Ephelis, Lentigo und 

*) Holmes. Tranaact. of the Path. Soc. London. Vol. XU. p. 306. 
PI. IX. fig. 5-9. 

") Holmes. Ebendas. Vol. XIV. ^ 248. 

•") Ein sehr gotes Beispiel bildet H. W. Berend (Casper's Wochen sehr. 
1M9. S. 603, Fig. 3.) ab. 

t) Rayer a. a. 0. p. 229. v. Bärensprung a. a. 0. S. 67. La- 
boDlbäoe. Snr le naevas en geuäral. These de Paris. 1864. p. 12. 



lyCoogle 



Gefirbte FleüchTsnen. 227 

Chloasma*), nur in den Zellen des Rete Malpighii. Bier da- 
gegen bildet die Haat eine leichte, mehr glatte Anschwellung, 
and das Pigment kommt auch in den Bindegewebsköipercben 
vor, wie aaeret von Gnst. Simon") nachnewiesen worden int 
Die Beschreibung, welche Celsus***) von der im Altertbum als 
Uelas bezeichneten Haataffeküon liefert, scheint sich auf die 
erstere Art zu beziehen, denn er läset sie nach gewissen Vor- 
bereitungen abreiben. Von dem Melas der Späteren, welches man 
sum Aussatz (Lepra Arabum, Elephantiasis Graecorum) gerech- 
net hat, ist dieselbe ganz verschieden, and wenn Rayerf) 
endlich sogar Melas icteras und Melanosis identificirte, so schien 
die Verwirrung fast unlösbar. Denn Melanosis sollte wenigstens 
nicht auf blosse Hautfärbnngen angewendet werden. 

Genau genommen, muss man bei den Pigmentzuständen der 
Haut, ganz abgesehen von den Mykosen und Telangiektasien, so- 
wie von den melanotiscben Sarkomen und Carcinomen, 4 ver- 
schiedene Zustände unterscheiden: 

1) einfache Pigmentirnng des Rete Malpighü ohne erheb- 
liche Veränderung der Catis, 

2) Pigmentirnng der Cutis ohne erhebliche Veränderung des 
Rete Malpighü und der Epidermis, 

3) Pigmentirnng des Bete bei sonst ungef^bten Mälem, War- 
zen, Indurationen, Hyperplasien u. s. f., 

4) Figmentirung des Rete bei gleichzeitiger Pigmentirung 
der Cutis, welche ausserdem in Form eines Males, einer 
Warze, einer Induration u. s. f. angeschwollen sein kann. 

In das uns hier beschäftigende Gebiet ft) gehören gewisse 
Fälle aus den drei letzteren Kategorien , von denen jedoch nur 
die zweite und vierte zum Melanom, die dritte dagegen zum Fi- 
brom (6d. I., S. 309) zu zählen sind. Aeusserlich kann das 



•) Der Name Chloasina ist Ton Job, Peter Kraok (De cnraDdis hom. 
morbis epitome. Maanh. 1T93. Lib. IV. p. S7) eiagefiibrt worden und offenbar 
nicht einfach auf Pityriasis versicolor zu beziehen , wie jetzt so oft ge- 
schieht 

") G. Simon a. a. 0. 

••') CelBua. Medicinae Lib. V. art. 16, 19. 
t) Rajer a. a. 0. S.220. 

ff) Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass bei dem sogenannten He- 
lasma saprareoale (Broncelcrankbeit, bronzed skin, Morbus Addiaonii) 
in der Regel die erste, zuweilen auch die vierte Kategorie vorkommt. 



lyCoogle 



228 Nenntebote Voriesnng. 

Fibrom mit geübtem Rete dem Melanom sehr ähnlich sein; 
auf einem DurchBchnitt zeigt sich alsbald die Verschiedenheit. 
Kommt es zur Metaplasie, so gehen aus den fibromatösen Formen 
ungefärbte, aus den melanomatösen gefärbte Sarkome oder Krebse 
hervor, gleichviel wie die Farbe des Rete war. Der Grad der 
Sättigung der Farbe allein entscheidet nicht ^ber die Frage von 
dem Sitze der Farbe; ich habe ganz schwarze Melanome gese- 
hen, bei denen das Rete nur in den interpapi Hären Einsenknngen 
hellbraun gefärbt war, während in anderen, mehr schwarzbraunen 
der Hauptantheil in dem sehr verdickten Rete gelegen war. 

Letzteres zeigt sich sehr schon in einem Präparate nnserer 
Sammlung (No. 756.), wo an einem stark braun gefärbten Scro- 
tum zahlreiche kleine schwarze Warzen sitzen. Hier ist das Rete 
sehr dick und intensiv gelbbraun, jedoch in ganz diffuser Fär- 
bung; die Papillen sind sehr lang und in ihrem Ceotrum liegen 
grosse, längliehe Zellen, ganz mit dunkelbraunem, kernigem Pig- 
ment erfüllt; hier und da kann man sie nach dem Verlaufe der 
Gefässe noch bis in die eigentliche Cutis verfolgen. — Ganz ver- 
schieden davon waren schwarze Maler, welche sich an mehreren 
Stellen (Arme, Rumpf) bei einer fetten Frau in den mittleren 
Jfüiren neben einem ganz bellgelblichen Naevus pilosus des Ar- 
mes fanden. Man konnte die Epidermis leicht abstreifen und 
sah dann eine grauschwarze Erhebung der Haut. Ein mikro- 
skopischer Durchschnitt zeigte eine dünne, fast eben fortlaufende 
Epidermi&tage ; darunter ein 
"•^ '*'' wenig starkes Rete , welches 

nur in den Einsenkungen zwi- 
schen den Papillen lebhaft 
braun gefärbt war. Dagegen 
waren die Papillen selbst 
stellenweise, besonders gegen 
ihre Enden hin, so dicht mit 
braunem, körnigem Pigment erfüllt, dass man nichts weiter sehen 
konnte. Gegen die Basis hin nahm das Pigment ab, doch setz- 

Fig. 143. Mikroskopischer Durchschnitt eines Naevua melas vom Rumpfe. 
Die Oberfläche ist von einer ziemlich glatten, nur hier und da leicht hüge- 
ligen Epidermislage e überzogen, welche nngeßlrbt ist; damnter liegt dag 
an einzelnen Stellen hellgelb, an anderen, namentlich zwischen den Papillen 



lyCoogle 



Pleischwuzeii. 229 

tea sich stellenweise noch Zfige von grösBeren PigmentzelleD in 
die CutiB fort. Letztere war nnter der yeränderten Stelle ganz 
erfSllt TOD parallelen and anaBtomosirenden Zagen kleiner, kern- 
reicher Zellen, so daea das elastische Gewebe ganz verschwunden 
war. Diese Zeltenwucherung setzte sich in die Pi^illen und zwar 
zanSchst in ihr Centnim fort, griff jedoch an ihren Spitzen durch 
die ganze Dicke derselben. In diesen kleinen Zellen lag das 
Pigment, aber nur an gewissen Stellen. Somit stellte dieser Fall 
ein mit einer gewöhnlichen, ungefärbten Fleischwarze combinir- 
tes Melanom dar, — eine Combination, welche sehr gut die spä- 
ter 80 aufi^llig hervortretende BJldnng eines ungefärbten Sar- 
koms oder Krebses mit theilweiser Melanose erklärt. 

Sowohl die gefärbten, als die ungefärbten Fleischwarzen be- 
sitzen häufig eine Eigenthümlichkeit, welche die Alten den so- 
genannten Ameisenwarzen (Myrmeciae s. Formicae. Bd. I., S. 344) 
zuschrieben, nehmlich dass sie gelegentlich der Sitz besonderer, 
stechender, beissender oder brennender Empfindungen werden, 
wobei auch wohl Röthung, WärmegeffihI und wenn das Mal sehr 
ausgedehnt ist, eigenthümliche Absonderungen stattfinden*). Je- 
denfatls geht ibrer späteren, mehr malignen Entwickelung sehr 
gewdhnlich eine gewisse Empfindlichkeit, manchmal ein Jacken, 
anderemal ein Stechen oder Brennen vorher, welches die Kran- 
ken veranlasst, Hie Stelle zu reiben oder zu kratzen, zuweilen 
bis zum Bluten und "Wundwerden. In dieser Zeit des Wachs- 
thnms findet man eine sehr ausgedehnte Kern- und Zellenwuche- 



schwarzbrann geßrbte Rete. Die Papillen p, p', p" siod stark entwickelt; 
sie zeigen einen bellen Sanm und einen stark tirann geßrbten Grnndstock, 

der bei p' und p" nach oben hin seitliche Auabnchtungen darbietet. Das 
Pigment bestand aus gelbbraunen, sehr feinen Körnchen, die zum Theil 
deutlich in Zellen eingCBchlossen waren, znm Theil grössere, seb: loae, bßim 
Drnck leicht anseinanderf allen de Haufen bildeten. Gegen die Basis der 
Papillen nahm das Pigment ab, doch liess es sich stellenweise, z, B. bei 
p" in strich förmiger Anordnung noch bis in die Cutis verfolgen. Zwischen 
einzelnen Papillen lagen grosse, zwiebelfürmige Epidermiskugeln g. Unter 
dem Centrum des Kaevus war auch der horizontale Theil des PapillarkCr- 
pers nnd die oberSächlicbe Cutisschicht von einer feinzelligen Masse n ein- 
genommen, deren histologische Struktur der in Fig. 140. abgebildeten glich, 
und die im Ganzen ^bloa war. Sie lag in grösseren, der Oberfläche pa- 
rallelen oder unter stumpfen Winkeln gegen dieselbe einsetzenden Zü^en, die 
unter einander vielfach anaatomosirten. Erst in der Tiefe folgte das elastische 
Gewebe der unveränderten Cutislagen c. Vergrösserung 12. 

*) Dumäril. Bullet, de la Fac. et de la Soc. de m^d. 1810. p. 24. 



lyCoogle 



230 Nanniehote Vorlesung. 

mag im Inneren, welche der präeziatirenden Aoordonug der Ele- 
mente folgt und zuweilen*) sehr genau die langen Züge oder 
Netze der BindegewebskOrperchen wiedergiebt. 

Diese Arten von Warzen und M&lem sind es, welche spä- 
ter, sei es dass locale Reize anhaltend auf den Theil einwir- 
ken, wie das durch die Reibung von Kloidungsstficken , durch 
die Berührung mit allerlei scharfen Stofien geBchehen kann, sei 
es dass einmalige Verletzungen, namentlich Verwundungen statt- 
finden, sei es unter dem Einfluss anderer Erkrankungen, nament- 
lich acuter Exantheme und hier wieder besonders der Pocken, 
sei es endlich aus bis jetzt unbekannten Ursachen, die m»i ge- 
wöhnlich in die Constitution setzt, in Sarkome übergeben können. 
Die einfachen Fleischwarzen pflegen dabei auch einfache Medol- 
larsarkome, die geerbten dagegen Melanosarkome zu erzeugen. 
Freilich ist dabei YorauB|[;esetzt, dass man den Namen hauptsäch- 
lieh nach den gefärbten Theiien wählt. Denn ein Naevus spilns 
kann seiner Hauptmasse nach ein ungeförbtes Sarkom bilden, yon 
welchem nur einzelne, namentlich peripherische Theile in der 
ausgezeichnetesten Weise melanotisch werden. Es ist dies einer 
der besten Beweise für die Identität der gefärbten und ungefärb- 
ten Formen. 

Dass di^e Art der Entstehung bei den ungeftrbten Sarko- 
men der Au&nerksamkeit der Beobachter meist entgangen ist, 
erklärt sich wohl nur daraus, dass man die Melanosen ganz all- 
gemein Ton den Sarkomen getrennt und die ungefärbten Sarkome 
als Krebse gedeutet hat Da nun in der That auch kankroide 
Gewächse aus Warzen entstehen, so ist die Unterscheidung zuwei- 
len schwierig genug **). lodess giebt es doch schon manche äus- 
sere Anhaltspunkte. Die sarkomatöse Geschwulst behält in der 
B^el ein warzenartiges Aussehen. Sie sitzt bald breit, bald 
dünner gestielt auf, schiebt sich mit einer flachmndlichen, un- 
. ebenen, höckerigen Oberfläche hervor, bekommt bald umgeworfene 
Ränder und damit das eigenthümliche pilzäbnliche Aussehen, be- 



*) Sehr schon zeigt dies ein Präparat unserer Sammlnng (No. 64S.). 
**) Paget (Med. Times and Oaz. 1864. Vol. I. Jan. p. ÖS) hat ganz rich- 
tig neben Melanoseu and Epitbelialkrebeen eine dritte Art von Geschwül- 
sten beschrieben, die ans Mälem entstehen, aber er ist mit ihrer bistolo- 
gischen Dentnng nicht rocht zu Stande gekommen. 



lyCoogle 



Warzen -Sarkom. 281 

ginnt m n&ssen, Ernfiten zn bilden und zeigt endlich eine feuchte, 
jedoch sehr wenig abBondemde und wenig ulcerirende, rothe 
FULche. Macht man einen Durchschnitt, so erseheint bis in eine 
Tiefe TOn 8 — 4 Linien und darüber die Haut durch eine sehr 
feuchte, glänzende und dnrcbscheinende, zuweilen mehr gal- 
lertig graue, zuweilen mehr markig weissliche Masse ereetzt, 
welche gegen die Tiefe bin eine rundlich lappige Anordnung, im 
Ganzen eine radiäre Bildung zeigt und zuweilen grosse GefUsse, 
Extrayasathaufen u. dgl. enthält. Die mikroskopische Analyse 
ergibt meist eine ganz dichte, zellige Zusammensetzung: die Zel- 
len selbst grosskemig, meist spindell^rmig, yon weicher Be- 
schaffenheit. 

Eine der ersten Geschwfilste, welche ich überhaupt genauer un- 
tersucht habe, stellte zuffilligerweise ein vorzQgliches Beispiel dieser 
Bildung dar. In der Klinik des Herrn Jüagken wurde am 1. No- 
vember 1844 einer Bauersfrau ein aus einer alten Warze ent- 
standenes , exulcerirtes Gewächs aus der Kniekehle exstlrpirt. 
Zu dieser Zeit bestand schon eine wahrscheinlich von einer 
Lymphdrüse ausgegangene Geschwulst der Schenkelgrube. Das 
exstirpirte Gewächs hatte die Grösse eines Borsdorfer Apfels 
und eine höckerig -warzige, rotbbratine Oberfläche, von welcher 
ein schwach alkalisches, eiweissreiches Secret mit Eiterkörper- 
chen und spärlichen Epidermiszellen abgesondert wurde. Es sass 
auf einem dünnen Stiele , den es ringsum pilzförmig über- 
ragte. Beim Durchschnitt trat viel Blut aus den Gelassen. Nach 
dem Abspülen desselben sah man zu 
äusserst eine dünne , undurchsich- 
tig weissliche, stellenweis gelbliche 
Schicht (Fig. 143., a) , darunter eine 
breitere, nierenfbrmige Lage von gal- 
lertigem Aussehen und lappiger An- ^^^ 
Ordnung (i), welche namentlich gegen " / 
die Oberfläche hin zahlreiche Blut- 
gefässe enthielt. Der Stiel der Geschwulst bestand hauptsächlich 
aus Fett- und Fasergewebe, welches sich continuirlich in das 

Fig. 143. Durchschnitt einer Verruca sarcomatosa poplitia. a die 
epidertaoidale, in Eiterung begriffene Schiebt, b die Sarkom-Zone, c eiu 
besonderer Lappen, e die normale Epidermis der Umgebung, d die Cutis, 
p der Panaicnius adipoaus. 



lyCoogle 



232 Neontebnte Vorieamig. 

Uaterhautfett (p) fortsetzte. Es''koDnte'daber kein Zweifel blei- 
ben, dass die gallertige Schicht wesentlich aus der Cutis (d) her- 
Torgegangen sei, obwohl sie etwas in die Dnterhaut übergriff, aicfa 
auch in dieser ein kleiner, selbständiger Knoten (c) entwickelt 
hatte. Die mikroskopische Untersucbnng lehrte, dass die äassere 



1} / 






Lage hauptsächlich aus relativ kleinen, granulirt aussehenden 
Zellen (Fig. 144., B) bestand, die nach Essigsäurezusatz mehr- 
lache Kerne in einer ziemlich engen UmhflUungshaut (Fig. 144., C) 
zeigten; daneben einzelne normale Epidermiszellen. Dies war 
also eine wirklich eiterige, aus der Oberhaut abzuleiteode Eot- 
wickelung. Die gallertige Schicht enthielt fast nur zellige Ele- 
mente, und zwar besonders breite Spindelzellen (Fig. 144., A,/,/,i) 
mit sehr grossen Kernen; häufig sah man freie Kerne mit 1 — 3j 
stark glänzenden, grossen Kernkörperehen (n, n, n). 

Es war dies gewiss ein sehr charakteristischer Fall. Aber 
es war in damaliger Zeit äusserst zweifelhaft, wie man ihn deu- 
ten sollte. Ich fragte unsere beiden erfahrensten Autoren um 
Rath. Robert Froriep war geneigt, die Geschwulst für eine 
hyperplastische, den Granulationen sich anschliessende Bildung 



Fig. 144. Elemeote der Geachwulet in Fig. 143. A die Elemente der 
Gallertzone (Fig. 143, *): /,/ grosse Spindeliellen mit grossen, ovalen Ker- 
nen und 1—3 Kernltörperchen , g runde Zellen mit kteineren, zum Theil 
doppelten Kernen, ; eine Gruppe zum Tbeil un rege! massiger Zellen, Docb 
im Zusammenhaog, k ein Fragment einer colossalen Faserzelle mit sehr 
grossem Kern aud Kernkürperchen, n, u, n freie, kleinere und grossere Kerne 
mit KerukörpercbeD, n- grosser freier Kern mit stäbchenförmigem Nucleolua, 
kuri vor der Theilung desselben. B frische, C mit Essigsäure bebandelte 
Biterkarpercben ans der Schicht a der Geschwulst io Fig. 144. Vergr. 350. 



lyCoogle 



Waraen • Sukom. 238 

der Haat za erklh^n; Jobannee Müller fand, wenigstens 
äasserlich, Zeichen eines Carcinoma reticulare. Nach meinen 
gegenwärtigen Erfahrungen darf ich sagen, dasa niemals ein 
besseres Beispiel von Verruca sarcomatosa beobachtet ist. 

In der Literatur ist es freilich schwierig, Belege zu finden, 
da die meisten solcher Fälle ohne genauere Dntersnchnng bald 
für Schwämme, bald für Krebse erklärt wurden. Sehr wahr- 
scheinlich ist hierher eine Beobachtmig Walther's*) zurechnen: 
Ein Student hatte zwei Mnttermäler am Unterschenkel mit zur 
Welt gebracht; eines davon vergrOsserte sich so, dass es im 
20. Lebensjahre eine flache Geschwulst bildete. Diese wurde ex- 
Btirpirt, recidivirte aber and der Tod erfolgte unter Metastasen 
auf die Langen. Nach der Beschreibung handelte es sich am 
tetangiektatische Sarkome. Ueber die so häufig berichtete Ver- 
wandlung Ton Telangiektasieo in Schwämme haben wir leider nnr 
wenige üntersucbuDgen. Senftleben**) schildert den Fall eines 
3 wöchentlichen Knaben, bei dem ein congenitaler, wenige Tage 
nach der Geburt verwundeter Naevus am Oberschenkel in eine ear- 
komatOse Geschwulst überging, die einmal recidivirte. Eines der 
besten Beispiele von Warzen-Sarkom erwähnt Larrey***) von 
einem Soldaten, bei dem eine kleine Geschwulst in der linken Ge- 
sässgegend seit der Kindheit bestanden hatte, ohne sich zu verän- 
dern, dann aber unter dem Drucke des Säbelgartes zu wachsen an* 
fing, schmerzhaft wurde und nach der Exstirpation recidivirte. Die 
Untersuchung ergab eine fibroplastische Geschwulst. Birkettf) 
entfernte eine „fibroplagtische" Geschwulst vom Rücken eines 38 ju- 
ngen Mannes, der an dieser Stelle einen kleinen angeborenen Tumor 
gehabt hatte. Dieser war operirt worden, als der Kranke 2 Jahre 
alt war; im Alter von 19 Jahren war er nochmals durch Aetz- 
mittel zerstört, war aber langsam nachgewachsen. Zwei Jahre 
nach der letzten Exstirpation war die Narbe gesund. Ich selbst 
hatte später mehrmals Gelegenheit, ähnliche Fälle zu sehen. 
Damnter war für die Anschauung des Fnngus besonders inter- 

*) Phil. V. Walther in seinem und OrSfe's Joarnal. 1823. Bd. V. 
S. 261. vgl. MttUer'a Archiv. 1843. S. 438. 

") SenftlebeD. Archiv för kÜDische Chirurgie. 1861. Bd. I. 3.118. 
**•) Larrey. Union med. 1852. No. 10. p. 43. Gaz. des hdp. 1852. 
No. 35. p. 140. Derselbe Fall vonLecointe. Bullet, de la Soc. anat 1852. 
p. 97. 

t) WilkB. CatalDgne of the Maeeum of Gays Hospital. No. 1652^^ 



lyCoogle 



334 Neunzehnte Vorleanng. 

*■'» "'■ eaeant eine Geschwulat der Kopf- 

achwarte, welche sich als ein ro- 
tfaer, fast nackter Knoten zwiscbea 
den Haaren berrorgeschoben hatte 
^und äusserlich nicht geringe Aehn- 
lichkeit mit gewissen Kankroidfor- 
men darbot (Fig. 145.)- Auf dem 
Durchschnitt und bei genauerer Un- 
tersuchung zeigte sich aber dieselbe 
Eigenthümlichkeit, wie in den rein- 
sten Spindelzellensarkomen. 
Bei den Melanosen ist die Entstehung aus Mälem und War- 
zen viel langer bekannt. Schon Wardrop*) erwähnt die Ent- 
Wickelung eines „krebsigen" Geschwürs ans einer schwarzen 
Warze der Bauchhaut bei einem 12jährigen Mädchea, welches 
an dem Uebel zu Grunde ging, und Norris**) erzählt die Ge- 
schichte eines an Melanose oder, wie er sf^t, an fnngoider Krank- 
heit leidenden Mannes, dessen Vater, Brüder und Kinder sämmtr 
lieh verschiedene Maler trugen; der Vater starb wahrscheinlich 
an derselben Krankheit und der jüngste Sohn hatte ein Mal ge- 
nau an derselben Stelle, wo die Krankheit bei dem Manne ihren 
Ausbruch machte. Trotz dieser sehr charakteristisdien Fälle wurde 
die allgemeine Aufmerksamkeit auf den ätiologischen Zusammen- 
hang der Melanosen mit Malern erst durch Schilling***) und 
Dav. Williamsf)! besonders aber durch Paget++) gelenkt, 
und Pembertonftt)) obwohl er manche vor ihm pnblioirte 



Fig. 145. Fungöses weisseB Spindehellensarkom (Fibrosarcoma fuso- 
cellalare medulläre) der behaarten Kopfhaut, oberflächlich erodirt, mit grob- 
warziger Oberflächp. Von Herrn Friedberg eistirpirt. (Präparat No, 61. 
Tom Jahre 1859). Natürliche Grösse. 

•) Wardrop. Obs. on fungus haematodea. p. 189. 
") Norris. Edinb. med. and surg. Journal 1820. Oct p. 562. 
"*) Ed. ächilling. De melanosi. Dias, ioaug. Virceburg. 1831. p. 34, 
41, 46. 

+) Williams. Traosact. o( the Provincial med. and surg. Association. 
London. 1833, Vol. I. p. 244. (Vorzfigliche Abbildung von multipler Haut- 
melanose). 

ff) Paget. Lectures ousurgical patbology. Vol. II. p. 490. Med. Times 
and Gut. 1864. Vol. I. p. 58. 

+tt) Oliver Peraberton. Observations on the history, pathology and 
treatment of caucerous diseases. Part 1. Melanosis. Lond. 1858. p. 3, 19. 



lyCoogle 



Wanen-HeluioM. S35 

BeobaebtaDgen*) nicbt kennt, reebnet doch, dass unter 34 Fäl- 
len TOD Melsnoee der Haut oder der Unterbaut 15 in oder neben 
coagenitalen Mfilem oder Warsen entstasdea waren. In der neue- 
ren Zeit sind, wenn man ancb die Fälle von bösartigen Melano- 
sen der Gonjunctiva nnd Sclerotica (S. 1 2'2) ausser Betracht lässt, 
immer mebr analoge Beobachtungen hinzugekommen**), und 
selbst die Geschichte der Gef&ssm&ler (Naevi vasculosi s. telan- 
giectodes) bietet mehrere Beispiele***) davon dar, was ja an sich 
nicbt auffallen kann. Denn einerseits gibt es gewisse Beziehun- 
gen zwischen Melanose und Telangiektasie (S. 219), andererseits 
ist es nicht ungewjjhnlich, dass an Gef^ssmSlern sowohl die Zel- 
len des Ret« Malpigfaii, als auch die BindegewebskOrpercben 
der Cutis Pigment fflhren+). 

Die Mehrzahl dieser Fälle ist entweder als Melanose oder 
melanotische Geschwulst überhaupt, oder als melanotiscber Krebs 
bezeichnet, und von vielen ist es unmßglich auszumachen, wohin 
sie eigentlich gehurt haben. Aber es kann nicht bezweifelt wer- 
den, dass nicht ajle Fälle in dieselbe Kategorie gehören, und 
dass auch hier sowohl Melanocarcinome, als Melanosarkome vor- 
kommen. Von manchen B<;obachtungen läset sich dies aus den 
Beschreibungen noch jetzt nachweisen. Ich eelbstff) habe min- 
destens ein halbes Dutzend solcher Fälle untersucht, von denen 
die grossere Zahl Melanosarkome, einige aber positiv Krebse 
waren. Letztere zeichneten sich durch ausgezeichnet deutlichen 
alveolären Bau und dichte Ausfüllung der Alveolen mit gross- 
zelligen Elementen aus; erstere dagegen hatten in der Regel 
beistimmt Bindegewebsstmctar und entweder sehr deutliche netx- 



*) Ooelen. Diss. inaug. continepB Donaullas obaervatiooes in cliuico 
chiniT^ico Gl. Broera factas. Harlemi. 1847. p. 95. fig. 6—8. H. W. Beread. 
Casper'B Wochenschrift. 1849. No. 32. S. 50B. Fig. 1-2. E. Tröltsoh. Ein 
Fall Ton Cancer melanodea. Inang. Abh. Äagsb. 1857. Taf 1. — II. 

••) Doiman. Transact of the London Path. Soc Vol. X. p. 266. 
H. ThompHon. Ebenda». Vol. XIl. p. 206. Brjant Ebeodas. Vol. XIV. 
p. 246. Guy's Hosp. Rep. 1863. Ser. 3. Vol. IX. p. 259. Bruns. Handb. 
der prakt. Chirargie. Abtb. II. Bd. I. 8. 185. Biltroth. Eintheilung, Dia- 
gnostik und Prognostik der GeschwßUte. S. 37. B, Langenbeck. Deatscbe 
Klinik. 1860. S. 170. S. Wilka. Guy'e Hosp. Rep. 1858. Ser. 3. Vol. IV. 
p. 83: 

••♦) Benoett. On cancerons and cancroid growths. p.91. Fergnseon. 
The Laneet. 1852. Vol. II. p. 176. Med. Times. 1865. Nov. Gentilfiomme. 
Bnllet. de la boc. anat. 1862. p. 378. 

t) Virchow. Archiv. Bd. VI. S. 562. 

tt) VirchoT. Deatsche Klinik. 1860. S. 169. 



lyCoogle 



336 NeuDsehnte VorieanDg. 

förmige oder sehr entwickelte Bpjndelf&rmige Elemente mit apix- 
licber, ungeßrbter Intercellularsubetanz. Aus Gef&BBm&lern her- 
vorgegangene MelanOBen habe ich nicht gesehen; die in der 
Literatur befindlichen Fälle scheinen sieh auf wirklichen Erebs 
zu beziehen. Aeussere Merkmale zwischen Melanosarkom und 
Melanocarcinom kenne ich nicht; wie das letztere, ist auch das 
eratere bald fleckig, bald durch nnd durch geßirbt Schon vor 
längerer Zeit habe ich ein von Dieffenbaeh exstirpirtes Me- 
lanosarkom beschrieben*), welches zum grossen Theil unge- 
färbt war. Anderemal fand ich nur ganz kleine Stücke, na- 
mentlich an der äussersten Oberfläche, braun oder schwarz, 
während die ganze übrige Geschwulst ein blassgraues oder weiss- 
liches Gewebe besass. Kichts desto weniger können die sectm- 
dären Knoten, welche später entstehen, ganz und gar melanotisch 
sein**). Am seltensten sah ich ganz und gar gefärbte Ga- 
sig. I«. 



Fig. 146. Lappiges, raelunotiscbes SpiadelzellenHarkoiD der Uotarhant 
am Halse, voo Herrn ßerend eiatirpirt. Bei a die Gegend der Narbe vor 
der ersten Operation, c, c Cutis. Bei b der tiefate Theil der OeschwnlBt, 
die hier durch derbe, fibröse UüUen eingekapselt ist. An jedem Knoten 
(Lappen) ist die änsserste Schicht tief sepiabrann, die innere heller und an 
einzelnen Stellen fast farblos. Natnrl. Grösse. 

•) Virchow. Archiv. 1847. Bd. I. S. 470. vgl. 0. Simon. Hantkrank- 
heiten. Berlin. 1851. S. 267. Taf. V. Fig. 23-24. 

**) Ein aasgezeichnetes Präparat dieser Art erhielt ich vor Kurzem von 
Herrn v. Gräfe. Es war eine über Wallnuesgrosse sarkomatöae Warze, 
welche Bich am unteren Augenlide bei einem Manne (gebildet hatte. Sie 
war atiBeen theils schwarzbraun, theils von einer blutigen, braunrothen Kruete 
bedeckt. Innerlich bestand eie fast ganz aus einem, wie AustemSeisch aua- 
eehendeo, durchscheinend grauweissen, sehr zarten, fast fluktuirenden Ge- 
webe mit zahlreichen, gegen die Oberfläche weiter werdenden Geßtesen und 



lyCoogle 



Aetiologie der Sukome. 237 

schwülste. Das ecb&Dste Beispiel dafSr bietet eioe voo Herrn 
Berend extirpirte and schon früher von ihm ihrem Verlaufe oacb 
beschriebene *), beinahe faustgrosse Geschwulst, welche derselbe mir 
freundlichst zur Untersuchung überlassen hat. Dieselbe stammte 
Tom Halse einer 34jfthngen Frau, welche seit ihrer Geburt einen 
schwarzbraunen Fleck von der Grösse einer Linse am Zipfel des 
linken Ohres getragen hatte. Während l^ Jahren war derselbe 
gewachsen und hatte eine kleinwallnassgrosse Geschwulst gebildet. 
Dieselbe war vor 13 Monaten von einem Arzte fortgenommen 
worden, indess war bereits 14 Tage nach der Operation am 
Halse eine erbsengrosse Geschwulst bemerkt, aus welcher schnell 
das grosse Aftergewächs hervorgegangen war. Dieses wurde 
mit anfangs gutem Erfolge ausgeschält, doch scheint ^ich später 
ein neues Recidiv gebildet zu baben, woran die Kranke zu Grunde 
gegangen ist. Das ausgeschnittene Gewächs (Fig. 146.) zeigt im 
höchsten Grade lappigen Bau. Die Lappen, traubenfdrmig zu drei 
grösseren Gruppen zusammengeordnet, sind von einer derben, 
weniger gefärbten Fasermasse gleichsam eingekapselt und scheinen 
zugleich daran, wie an Stielen, zu bangen; sie bestehen aus einer 
theils Sepia-, theils umbrafarbenen, sehr dichten Masse, welche 
grossentheils ans gefärbten Spindelzellen und nur stellenweise &m 
runden Zellen zusammengesetzt ist — 

Eine zweite Art der Entstehung, welche bei den Sarko- 
men beobachtet wird, und auf welche ich schon hingewiesen 
habe (Bd. L, S. 64), ist die, dass irgend eine schon von der frü- 
hesten Entwickelung her bestehende Störung, die sieh nicht ge- 
rade in der Bildung einer Geschwulstanlage , sondern in einer 
Schwächung oder Unvollkommenheit des T heil es kund 
giebt, existirt. Allerdings ist diese Prädisposition weniger leicht 
nachweisbar, als die bei Muttermälern, jedoch besteht sie wahr- 
scheinlich sehr viel häutiger, als wir bis jetzt annehmen. Paget**) 
schildert eine „Faserkerngeschwulst" vom Vorderarm eines lOjäh- 
rigen Knaben, der von der Geburt an dieser Stelle eine kleine 



puench^matOBen Bxtravuateii. Nor ein kleiner Tbeil der OberRächa war 
melanoüsch. Ueberall die schtiDSteo, groseea SpiDdelzellen. Im Umkreiee 
dieser Warie batten eich zahlreiche, Ueine, bis Kirsdikern grosse Knoten 
gebildet, die gaoz nod gar melaootigch waren und mikroskopisch an man- 
eben Stellen wie das dichteBte Choroides-Oewebe anssaheo. 
•) H. W. Berend a. a. 0. S. 605. Fig. 1-2. 
*•) Paget. Lectuiee. Vol. II. p. 168. 



lyCoogle 



238 Nnasehnte Torlesang. 

Einkerbung (indentation ) gehabt hatte; als er 2 Jahre alt war, 
hatte an derselben eine leichte Verwundang stattgefanden und 
seitdem begann die Geschwulst eich zu entwickeln. Hit 4 Jah- 
ren wurde sie exstirpirt, kehrte aber bald wieder nad mit 10 Jah- 
ren hatte Bie schon 3 — 3^" im DurchmesBer. Eine so bestimmte 
Anamneee liegt selten vor, aber die Beschaffenheit der Matterge- 
webe leitet uns manchmal ziemlich sieher. In dieser Beziehang 
erwähne ich zunächst die Umgebung des Nabels, welche so 
viele Unregelmässigkeiten in ihrer Ausbildung zeigL Einen sehr 
charakteristiRchen Fall von einem Hjährigen Mädchen, bei dem 
der Anfang der Geschwulst schon bis in die frühe Jngend zurfiek- 
reichte, beschreibt Leydhecker'); ein vorzügliches Präparat 
von Myxoßarkom des Nabels findet sich in unserer Sammlung**). 
Es zeigt auf das Deutlichste den Uebei^ang zu den Nabel -My- 
xomen (Bd. L, S. 417). Einen Fall von gestielter „Faaerkem- 
geschwulst" am Nabel einer SOjäbrigen Frau erwähnt Bryant***), 
jedoch sollt« dieselbe sieb binnen 3 Monaten nach einem Stosse 
entwickelt habenf). — Daran schliessen sich die Zahn-Sar- 
kome, von denen eiD nicht anbeträchtlicher Theil des Gebietes der 
sogenannten Epuliden gebildet wird. Auch dies kOnnen gallert- 
artige, mysomatOse Formen sein, doch sind Spindel- und Riesen- 
zellensarkome die gewöhnlichen. Wahrscheinlich ist dabei von 
weeentlicbem Einflüsse der erste Ausgangspunkt, oh nefamlich das 
Schleimgewebe des Zahnsäckchenstf) oder die Pulpa des ent- 



*) Lejdhecker. Zur Diagnose der sarkomatOsen GeBchwQlste. Inang. 
Difls. GiesBCD. Iöö6. S. 32. Fig. 6. 

•') Präparat No. 487. 

••*) Bryant. Goj'b Hoep. Rep. 1863. 3. Ser. Vol. IX. p. 246. Transaci 
of the Path. Soc. Lond. Vol. VIII p. 3d8. 

t) Eine polypOae Geechwulst Tom Nabel eines Neugeboraen erhielt ich 
kürzlich tod Herrn Dr. Gerdes aus Fedderwarden. Dieselbe bat in ihren 
Süsseren Lagen allerdings einen ganz sarkomatOsen Bau (Gefiecht ans Spin- 
delzellen mit seh leim ig -faseriger Intercellularsobstanz}, aber ihr Inneres be- 
steht aus unvollständig entwickeltem Fettgewebe und sehr grossen Gemsen, 
bat also einen mehr zusammengesetzten, organoiden Ban und erscheint 
gleichsam als ein accessorisches Nabelstrang-Gebilde. Sie sass unmittelbar 
neben dem Nabelstrang an. 

tt) Grohe (Mein Archiv. Bd. XXIX. S. 209. Taf. VIII. Fig. 3-4.) be- 
schreibt eine von den ZahosSckcben des Zwischenkiefers nnd den Alveolen 
anageheude Gescbwalst von einem 5jährigen Knaben , die er als mela- 
notisches Garcinom bezeichnet. Nach dem groben Verhalten hat diese, tod 
mir gesehene Geschirulst mehr den Habitus eiues osteoiden Sarkoms, wel- 
ches sich nur durch sein schwarzgeflecktes Aussehen anszeichnet. Die mi- 
kiöskopiache Unteiauchung zeigt fiberwiegend fibröse, osteoide und knö- 



lyCoogle 



Aetiologie der Sarkome. 239 

wickelten Zahnes oder das den Zahn umgebende Gewebe (Periost 
oder KDOcben) als Matrix dient. — Weiterhin ist zu erinnern 
an die Häufigkeit der Sarkombildung in den Sexualdrasen, 
insbesondere zur Zeit der Pubertät und des Blüthenalterg, 
also in einer Periode, wo ihr Gewebe durch neue Bildungsvor- 
gänge zum zweiten Male in einen Zustand von Vulnerabilität 
versetzt wird. — Ganz besonders wichtig aber iKt in dieser Bezie- 
hung das häufigere Vorkommen von sarkomatfisen Geschwülsten 
an Knochen gegen das Ende der Wacbsthumsperiode, wo die 
definitive Ordnung ihrer inneren Zusammensetzung, namentlich das 
gegenseitige Verbältniss von Mark und Knochengewebe fest- 
gestellt wird und wo gerade in beiden mancherlei Veränderungen 
vorgehen. — 

In dritter Linie ist unter den prädisponirenden Momenten das 
Lebensalter zu erwähnen. Fälle von congenitalem Sarkom 
sind fast gar nicht bekannt; ausser den schon erwähnten Beob- 
achtungen von Holmes (S. 226) und einzelnen, der congeni- 
talen Elephantiasis sehr nahe stehenden Fällen*) kann man 
eigentlich nur die congenitalen Warzen und Maler (S. 322) an- 
führen, von denen man allerdings sagen darf, dass sie der An- 
lage nach Sarkome sind. Aber ihre eigentliche Entwickelung zn 
Sarkomen föllt doch gewöhnlich erst in ein höheres, ja nicht sel- 
ten in das höchste Lebengalter. Im Allgemeinen ist das Sarkom 
mehr eine Geschwulst des reifen Alters. Nur an den Knochen 
kommt es häufiger in der Entwickelungszeit vor, und hier steht 
wiederum die sogenannte Myeloidgesehwulst im Vordei^runde"), 
von der Billroth***) einen scheinbar congenitalen Fall (auf 
der Mitte der Tibia bei einem 31jährigen Manne beobachtet) mit- 



cberne Theile, aber durch das Gaoze verbreitet ein kaaalfdrmigea Netz, wel- 
ches PigmeatzelleD in grosser Zahl enthält. Man darf daher wohl eine 
Mhchform anaehmeD. Auf alle Fälle ist ee ein sehr bezeinliDeader Fall für 
das Entstehen einer melanotischeD Qeschaalst aus einem coagenital unregel- 
mässig entwickelten Theile. 

•) D^in gehört der Fall von Bryant (Gny's Hosp. Rep. 1863. Ser.lII. 
Vol. IX. p. S4ö), vo eine der „flbrOsen Natnr" sich nähernde fibroplaatische 
Geschwubt die kleine Zehe einnabra. Vgl. auch oben S. 238 Note *). 

••) H. G raj (Med. chir. Tranaact. 1866. Vol. XXXIX. ' p. 145) zählt 
14 Fälle aof, die sämmtlich bei Leuten zwischen 15 und 36 Jahren gefun- 
den wurden. 
•") Billroth. Beiträge zur pathol. Hiatologie. S. 105. Tat III. Fig.3— 5. 



lyCoogle 



240 Nemuehnte Vorleatiiig. 

theilt. Nächstdem folgen die fibroplaetiaeheo Geschwülste') 
and Osteoide**). Die Dispositioa im Grossen wächst in dem 
Maasse, als durch voraafgeg&ngeae Krankheiten, erschöpfenden 
Gelirauch, anhaltende Ernährungsstö rangen Verändenragen der 
Gewebe herbeigefährt werden. Am deutlichsten tritt dies bei den 
gefärbten Sarkomen hervor. Bei den Tbierärzten ist es seit lange 
aasgemacht, dass'die Melanose hauptsächlich bei älteren Pferden 
vorkommt, und ich finde nur eine einzige abweichende An- 
gabe***). Für die Melanose des Menschen (freilich die mela- 
notiscbeo Krebse eingerechnet) geht ans der Zusammenstellung 
von Eiseltt) Aber 104 Fälle hervor, dass 53 pCt der Kran- 
ken zwischen 40 — 60 Jahren und 78 pCt. über 30 Jahre alt 
waren. Wenn er zugleich angiebt, dass kein Fall von Mensches 
unter 10 Jahren bekannt sei, so ist diegs nicht richtig, da schon 
Pemberton+t) deren einige aufgeführt hat. Indess sind dies 
überaus seltene Ausnahmen, und es ist sogar möglich, dass diese 
Beobachtungen nicht einmal zur eigentlichen Melanose gehören. 
Wenigstens geht aus einem von Birkettfff) von einem I2jäh- 
rigen Mädchen als Cancer melanodes beschriebenen Falle her- 
vor, dass hämorrhagisch -gefärbte Geschwülste (S. 219) unter 
solchen Verhältnissen vorkommen. 

Vor allen bemerkenswerth ist aber die Geschichte des me- 
lanotischeu Sarkoms beim Pferde. Es ist schon lange 
bekannt, dass gewöhnlich hellfarbige Thiere, besonders Schimmel, 
an dieser Krankheit leiden, am häufigsten im Umfange des Afters 
oder am Scliwanze'f). Ich habe Geschwülste von beiden Lo- 



*) Bryant (a. a. 0. p. 241) sah die meiaten bei Leuten zwiscben 
20-äO Jahren; Lebert (Traite d'anat. path. T. I. p. 188) berechnet unter 
60 Fälleo 16 fQr das Alter bis zu 30 Jahren, 29 Kr das Alter zviscben 
30-50 Jahren. 

**) Paget (Lect. od sorg. patb. Vol. II. p. 503) berechnet nnter 19 Fäl- 
len 6 zwischen 10 — 20 Jahren, 9 zwiscbeD 20—30, i zwischen 30 — 40, 

•") Wra. Smith (The Veterinarian. 1850. Vol. XXIII. p- 383) berichtet 
von einer Schimmelstute mit einer melano tischen Geschwulst am Oberschen- 
kel, die schon bemerkt wurde, als sie noch Füllen war. 

f) Eisen. Prager Vierteljahrssehr. 1862. Bd. LXXVI. S. 52. 

tt) Pemberton 1. c. p. 18-19. 
ttt) Birkett. Gljs Hosp. Rep. 1857. Ser. III. Vol. III. p. 333. 

*t) Abbiidungeo bei G. A. Noack (Diss. inaog. de melanosi cum in ho- 
mioibas, tnni in eqais obveniente. Lips. 1826. Taf. 1—11.) vom Anus, too 
der Vulva und nnter der Scapula, bei Garswell (Path. Anatom; Art. He- 
lanoma. PI. I. Fig. S. und 6.) voo der Hant nnd ans dem Zellgewebe, bei 



lyCoogle 



Melanoie der Pferde. 241 

calitäteo unterencht und die bestimmteste Sarkom -Strnctnr daran 
^efnnden, nur dasB Öfters der Gebalt aa Zellen aicfat so reich* 
lieh ist, wie beim MeDBcben. Die am Schwänze bilden zuweilen 
grosse, pilzförmige AnswGchse, welche wenig Neigung zur Ver- 
ecbwäning zeigen. Auch haben sie geringe Neigung zur Meta- 
stase und ihre Prognose ist bei rechtzeitiger Kxstirpation nicht 
nngünstig*). Gerade von ihneo ist durch Brugnone, Prinz 
u. A. die Erblichkeit sicher dargethan. Brugnone**), der 
zuerst, freilich unter dem Namen der Hämorrhoiden, diese Af- 
fektion bei Pferden erwähnt zu haben scheint, berichtet, daes 
ein Schimmelhengst die Krankheit in das Gestüt von Ghivasso 
(Sardinien) brachte nnd dass seine Nachkommen, sowohl männ- 
lichen, als weiblichen Geschlechts, davon befallen wurden, und 
Gohier*") erzählt nach einer Mittheilung von Gollety-La- 
tournelle, dass ein mit schwarzen Knoten behafteter jnnger 
Schimmelhengst (1784) auf alle seine Nachkommen mit weissen 
Haaren die' Krankheit vererbte, während alle, die eine andere 
Farbe hatten, frei blieben. Die Krankheit verbreitete sich über 
die ganze Provißz Bresse und die Nachbargegenden. Wie ich 
schon früher (Bd. I., S. 64) erwähnte, sind überhaupt die weissen 
Thiere „schwächer" d. h. vulnerabler, und die weissen Haut- 
etellea unterscheiden sich sogar bei der Gerberei durch geringere 
Resistenz von den get^bteo. 

Es giebt ferner wenige Arten von faeteroplastischen Ge- 
wächsen, bei welchen in so ausgezeichneter Weise eine Multi- 
plicität in homologen Geweben hervortritt, wie bei gewissen 
Sarkomen. Es zeigt sich diess bei manchen Sarkomen der 
Knochen, sowohl den eigentlichen Osteosarkomen, als den Me- 
duUarsarkomen der spongiösen Substanz, welche so oft mit Krebs 
verwechselt und für die ursprünglich dyskraäische Natur des 
multiplen Processee citirt werden. Aehnliehes findet sich bei 

Glage (Atlas der pathol. Anat. Lief. III. Taf. 1. Fig. 1—3) aas der Achsel- 
höhle, bei Lebert {Trait^ d'anat. path. T. I. p. 116, 121. PI. XV ) von den 
LoDgen, dem Herzen u. g. f. 

*) A. Schmid. Zeitachr. für die geeammte Thierheilk. und Viehzucht 
Qiessen. 184B. Bd. XIII. S. 145. Vatel. Journ. prat de med. vät^r. 1826. 
p. im Barloff. Edinb. Monthly Jonro. 1851. Aug. p. 191. 
") BrngQone a. a. 0. S. 61. 

"•) Gohier. Möm. et obsarv. snr ]a Chirurgie et la m^decioe v4t4n- 
naires. Lyon. 1813. T. 1. p. 324. (Memoire snr des eepecee de Terruee od 
de tnmenra noires, particnlieres «ux cheTanx gris et blsnee). 



16 

D,gt,ZBdbyCOO<^Ie 



243 Nenniehntfl Vorlesnng. 

gefärbten und nngefärbtea Sarkomen der Hant. Aber es He^ 
auf der Haud, dass diene Art der Multiplicität, wo immer 
wieder dasselbe Gewebe, nur an verschiedenen Orten, der Sitz 
der Eruption wird, am wenigsten för eine Dyakrasie, vielmehr 
ganz und gar für eine coostitutionelle StOrung im Gewebe spricht 
Daran schlieest sieb die Reihe von Formen, wo wir un- 
zweifelhaft die erste Entstehung der Störung von einem Trauma 
ausgehen sehen, wie das bei einer Reihe von äneseren Organen 
von den Kranken auf das bestimmteste angegeben wird. In 
manchen Fällen ist die Sache augenfällig. Diess gilt namentlich 
ffir die Sarkome der Narben, welche einen Tfaeii der soge- 
nannten Cheloide oder Keloide darstellen (Bd. I., S. 65). Frei- 
ilicfa ist dieser Name ein Überaus nnbestimmter, und die unter ihm 
beschriebenen Zustände sind gar verschiedenartig. Retz*) hatte als 
Dartre de graisse eine besondere Veränderung der Haut geschildert, 
bei welcher sich harte, narbenartige Stränge in derselben bilden. 
Alibert") beschrieb ähnliche Zustände zuerst als ^ankroide, 
später***) als Keloide. Sie sollten geschwnlstartig auftreten, und, 
wie es die Alten vom Garcinom angeben, scbeerenartige Fort- 
sätze in. die Nachbarschaft aussenden, so daas sie endlich fflne 
grosse Aehnlichkeit mit frischen, aber tief greifenden firandnar* 
ben darbStenf). Der Name Keloid (von hi]A,(«, Narbe) oder 
wie Breschetff) sagt, Cheloid (von otMi. Krebsscheere, Vo- 
gelkralle) D^m aber schnell eine doppelte Bedeutung an, indem 
er bald auf bloss narbenätnlicbe Bildungen angewendet wurde, 
bald auf solche, die in und aus Narben entstehen. Schon 
Alibertfft) unterschied wahre und falsche Keloide (Keloides 
genninum et spurium), wobei er unter die falschen die ans Nar- 
ben entstehenden rechnete. Von Carcinoma, Ksthiomenos a. dgl. 
seien sie verschieden, aber sie kämen erblich vor. Addi- 
son'f) hat die Verwirrung wesentlich gesteigert, indem er 



•) Retz, Des tnaladies de la peau et de cellea de Tesprit. Paria, 1790, 
p. 55. 

**) Alibert Deecription des maladiea de la peau. Paris. 1806. p. 113. 
Atlas. Tab. 28. et 29. 

•") Alibert. Clinique de l'böp. St. Lonia. Paria. 1833. p. 209. PL 36. 
t) Rayer. Traite des malad, de U peau. Paria. 1827. T. II. p. 509. 
tt) Brescbet. Dict de aii<i. Paria. 1825. T. XII. p- 617. 
t+t) Alibert. Cliniqne de l'höp. St Louia. p 209. 
■f) Thom. Addison. Med. cbir. Trauaact. Igöl. Vol. XX2VU. p. 27. 



lyCoogle 



Keloid. 243 

noch wieder ein w^res Keloid von dem Keloid Alibert's tren- 
nen wollte. Dieses Bei nichts als eine fibrÖBe GeBchwuUt der 
Unterhaat; das wahre Keloid dagegen sei eine weit schlimmero 
Krankheit, welche sich über grosse Abschnitte des KOrpers ver- 
breite, dieselben zur Verdichtung und Retraction führe, oberfläch- 
lich alcerire oder knotige Anschwellungen bilde, an mehreren 
Orten sich entwickele u. b. {. Es ist schwer, diese AuKaben anf 
ihre thateftehlichen Grundlagen znrückzurühren. Manches davon 
scheint sich anf Fälle von partiellem Sklerem oder Sklerodermie 
(Bd. I. S. 302. Anm.) zn beziehen, wie ich sie allerding» auch 
beobachtet habe; Anderes erinnert geradezu an Aussatz nnd Sy- 
philis. Jeden£alls genügt es an dem wahren und talgchen Ke- 
loid Alibert'ß vollständig, und die neuerlich von Sedgwick*) 
und Longmore**) zur Unterstütznng Addieon's mitgetheil- 
ten Fälle, welche letzterer unter dem Namen Kelis auffuhrt, 
bestätigen eben nur, was schon lange bekannt war, dass neben 
der aus einer Narbe hervorgehenden Form eine sehr auffällige, 
spontane Form existirt. Manche Schriftsteller, wie Schuh*'*) 
nnd Wedlf), beschränken den Namen des Keloids auf diese 
letztere; andere haben ihn, wie Warrentf), sehr weit aus- 
gedehnt Am besten dürfte es daher sein, mit Diebergfff) 
drei ganz verschiedene Arten zu trennen: das spontane Ke- 
loid, das Narben-Keloid (Keloide cicatricielle) und die war- 
zige Narbengeschwulst. 

Die Hauptfrage bleibt die nach der Natur des üebels, und 
hierauf ^sst sich nur antworten, dasa von Anfang an nur die 
Äussere Erscheinung für die Wahl der Bezeichnung maassgebend 
gewesen ist. Wie aber fast alle Bezeichnungen, die nur von der 
äusseren Form hergenommen sind, sich anf dem Wesen nach ver- 
schiedene Geschwülste beziehen , so ist es auch hier geschehen. 
Ein gewisser Theil der Keloide hat sich als wirklich krebs- 
artig (kankroid), ein anderer als fibromatOs ausgewiesen, ein- 



•) Sedgwick. Traosact of the Path. Soc. Lond. Vol. XII, p. 234. 
••) Tb. Longraore. Med. chir. Transatt 18B3. Vol. XLVI. p. 106. PI. IV. 
*••) Schah. pBeudoplasmeD. Wien. 1M54. S. 90. 
f) Wedl. Pathol. Histologie. S. 4ßl. Fig. 93. 
if) Warren. Surg, oba. on tuiuonre. p. 41. 
ttt) Dieberg. Deatgche KUnik. 1862. No 33. 

16* 



lyCoogle 



244 NeunzehDte Torleanng. 

zelne Bind aypbflitisch, einzelne endlich sarkomatOs*). Manche 
Fälle**) sind überhaupt nicht so genau untersucht, daBS man be- 
stimmt Bagen kann, wohin sie gehören. Es dürfte sich daher aller- 
dine:s empfehlen, die verschiedenen Narbengeschwülste**'), 
d. b. die aus Narben hervorgegangenen GewUchse künftig von 
den Eeloiden auszuscheiden und nur die narbenartig anssebea- 
deo, aber spoctau oder protopathisch entstandenen so zn nennen. 
Von diesen kann man zweierlei unterscheiden. Die eine Form, 
und zwar gerade diejenige, welche Alibert zuerst als Kankroid 
beschrieb, bildet in der Regel längliche, erhabene, häufig rotb 
nnd gjatt aussehende, einer einfachen gereizten Schnittnarbe ähn- 
liche Anschwellungen ; sie dürfte nicht selten ein wirkliches Sar- 
kom darstellen. Die andere Form zeichnet sich durch zahlreiche 
Ausläufer aus, die wieder unter einander anastomosiren nnd ein 
zuweilen sehr ausgedehntes Gitter bilden können; sie gleicht am 
meisten bypertrophiBchen Brandnarben nnd möchte wohl durch- 
schnittlich mehr fibromatös sein. Manche Schriftsteller haben 
ausserdem noch von Eeloiden gesprochen, wenn eine oberfiäcb- 
liche, harte Geschwulst der Haut eine grosse Neigung zu Rück- 
mien nach der Exstirpation in oder neben der Narbe zeigte, 
wie es gerade bei Sarkomen {ifter vorkommt; hier scheint mir 
ein blosser Missbrauch des Namens Keloid vorzuliegen. 

Allerdit^s ist die Grenze etwas schwer zu ziehen. Auch 
manche Narbengeschwülste haben eine so grosse Hartnäckigkeit 
im Repnllnliren, dass sie den schlimmsten Sarkomformen gleich- 
stehen. Wenn nun die Narbe nach der Exstirpation einer Ge- 
schwulst entsteht, so kann es zweifelhaft sein, ob man die neue 
Geschwulst als Recidiv der alten oder als Erzeugniss der Narbe 
betrachten soll. Dieser Zweifel ist namentlich dann berechtigt, 
wenn die neue Geschwulst nicht aus der eigentlichen Exstirpa- 
tionsnarbe, sondern aus einer mehr accidentellen Narbe der Nach- 



*} Lebert Gaz. des hfip. 18Ö2. p. 588, 596. Traitä des maladiee 
canc^reusea. p. 682. Traitö d'aoat. path. T. I. p. 177, 179, 190, 193, 202. 
PI. XXVI. fig. 1-8. Follin. Trait^ element. de pathologie externe. Paris. 
1861. T.I. p.511. Davis. Transact. of the Path. Soc. Und. Vol. XD. p. 220. 

•*) DabJD gehiSren auch die sonst so interessanten Fälie von Caesar 
Hawkins (Gases of vaitj tamours in cicatrices. Med. cbir. Transact. 1835. 
Vol. XIX. p. 19). , 

*'*) Follin. Etndes snr les v^^tatioos des niedres et des cicatrices- 
Gaz. des h6p. 1819. Jnin. 



lyCoogle 



Nuben-Subom. 245 

bargchafc, z. B. aus einem BlutegelBtich oder aus einer Sntnr- 
stelle hervorgeht. Dafür giebt es mehrere Beobachtungen. Eine 
der interesaanteeten befindet sich bei Warren*): Eine Dame 
hatte zuerst vor 6 Jahren eine schmerzhafte Geschwulst der 
Schulter bemerkt; sie wurde abgetragen, kehrte aber wieder imd 
wurde nach einiger Zeit wiederum operirt. Nach der Heilung 
kam nicht blos aus der eigentlichen Narbe eine neue Geschwulet 
herTor, sondern auch aus den 6 Stichnarben, welche Ton den 
angelegten Nadeln zurückgeblieben waren, erhoben sich kleine 
Knoten. Miehon**) erlebte etwas ganz Aehnliches: Eine junge 
Frau bekam eine ovale harte Geschwulst in der Haut der Schul- 
ter. Dieselbe wurde abgetragen und nach der Heilung der Wunde 
wuchs aus derselben nicht btos eine neue, ganz ähnliche Ge- 
schwulst, sondern es entstand auch aus jedem der Nadelfticbe 
ein Fortsatz von veränderter Haut, so dass die Geschwulst gleich- 
sam FQsse bekam. Eine neue ausgedehntere Exstirpation brachte 
dauernde Heilung. — Andermal erfolgt das Recidiv nur aus der 
Narbe. Velpeau***) schildert des Genaueren den Fall einer 
jungen Dame, welche sich eine kleine warzenartige Geschwulst 
nach innen von der rechten Brust aus blossen Schi>nheits-Rück- 
sicbten operiren Hess; einen Monat nach der Heilung wurde die 
Narbe roth, hart und vorspringend und nach 6 Monaten war sie 
einen Finger breit und dick. Eine neue Operation brachte ein 
Becidiv; eine dritte desgleichen. Darauf stand die Dame von 
weiteren Versuchen ab und das TJebel schien sich später zu ver- 
kleinern. — Fast in allen diesen Fällen ist die Natur der Ge- 
schwfllete nicht genauer festgestellt. Nur einigemal ist die sar- 
komatOse Natur deutlich nachgewiesen. So beschreibt Ben- 
nettf) ein Medullarsarkom von einem 31jährigen Manne, der 
17 Jahre, nachdem er von einem Pferde in den Arm gebissen 
war, an derselben Stelle die Geschwulst bekam. Brnnstf) 
operirte einen SSjäbrigen Mann an einer melanotischen Ge- 
schwulst der Unterlippe, welche vor 10 Jahren nach einem 
Bisse entstanden, vor 3 Jahren esstirpirt, dann aber zuräckge- 



•) Warren. Tanionrs. p. 45. PI. III. 
**) Uichoa. Du cancer cutan^. 'l'heae de concoura. Paris. 1848. p. 141. 
***} Velpeau. Traite des malad, du sein. Paria. 1854. p. 469. 

f) John Hußh. Bennett. Od caoveroDa and cancroid growths. p. 105. 
tt) Bruns. Uandb. der prakt. Chirurgie. Abth. II Bd. I. S. 460. 



lyCoogle 



246 Neanzehnte Vorlesnag. 

kehrt war. Nach der Beechreibung halte ich sie für ein Metaoo- 
ßarkom. 

In manchen Fällen treten gerade diefie Formen bei conge- 
nitalen Schäden auf. W a r r en •) exHtirpirte einer jungen 
Dame ein grosBes Mal an der Schulter; einige Monate später 
hatte sich aus der Narbe ein Aaswuchs gebildet, der wieder ana- 
gescfanitten wurde; die Wunde heilte erst unter einer Mercurial- 
behandlung. Gramer**) erzählt von einem Mädchen, bei dem, 
als es 1 Monat alt war, ein rothes Mal am Rücken bemerkt 
wnrde; im 3. Monat bekam es die Pocken und nun bildeten sich 
an dem Male 2 GeschwAlste, die im Alter von 6 Jahren durch 
Operation entfernt wurden. In den nächsten 3 Jahren bildeten 
sich an der Narbe und in deren Umgebung eine grosse Menge 
kleinerer und grösserer Knoten aus. Pemberton***) theilt 
die Beobachtong einer melanotiechon Geschwulst von der Wange 
eines 53jährigeii Mannes mit, welche sich aus einem Male ent- 
wickelt hatte, nachdem dasselbe heim Rasiren verwundet worden 
war. — 

Den Narben-Sarkomen zunächst stehen diejenigen Formen, 
welche sich, am häufigsten an der äusseren Haut und in der 
Nähe, nach wiederholten Reizungen nnd Entzündun- 
gen entwickeln. Bendzf) theilt den Fall eines 35jährigen 
Mannes mit, bei dem sich durch den Reiz eines cariOsen Zahnes 
eine Excoriation an der inneren Fläche der Oberlippe bildete, 
welche nicht heilte nnd ein grosses melanotisches Geschwür er- 
zeugte; auch die SubmaxiUaris ging ia eine schwarze Geschwulst 
Über. Birkett+t) berichtet von einem 19jährigon Menschen, 
der seit 6 — 7 Jahren eine Geschwulst am Vorderarm genau an 
der Stelle bemerkt hatte, wo ihn der Henke) eines Korbes, den 
er immer zu tragen pflente, druc.kie. Bei der Exstirpatiou zeigte 
sich , dasR die „fibroplaslische" Geschwulst unter dem M. flexor 
sablimis sich entwickelt hatte. Vixfff) erzählt von einem 



•) Warren 1. c. p. 49. 

**) A. Gramer. Nederlaodsch Lancet. 1849 — 1850. 2. Ser. V. Jaarg. 
Bl. 590. PI. V. 

**•) Pemberton a. a. 0. p. '23. PI. II. 
t) Bendz, Gräfe n. Walther. Journal för Chirargie und Aagenbeilk. 
1835. Bd. XXIII. S. 117. 

tt) Birkett. The Laocet. 1854. Vol. I. p. 906. 
ttt) E- Vis. Archiv f. klin. Chirurgie. 1862. Bd. 11. S. 102. 



,y Google 



Sarkome ang Ortlirher Rflimng. 247 

67jäfarig«a Manne, dem vor 7 Jahren eine mehrere Fänete grosse 
Geschwulst der Banchdecken abgetragen war und bei dem sich nach 
dieser Zeit ein Sarkom am Scheitel bildete, an einer Stelle, wo 
der Kopf haarlos war und durch das Tragen von Last«a häutig 
ioBoltirt wurde. — Ganz besonders interessant ist in dieser Bezie- 
hung die Prävalenz der Erkrankungen an einer gauz besonderen 
Localität, nehmlich am Fusse, besonders an der grossen Zehe. 
In der Regel geht das Sarkom hier ans sehr langdauernden Än- 
schwellnngen, Entzündungen oder VerschvAruagen hervor; zuwei- 
len stellt es sich zuerst unter der Form der sog. Onychia maligna 
8. fungoss dar. Lücke*) beschreibt ein sarkomatöses Ge- 
schwür von einem 19jährigen Mädchen, das sich zuerst beim 
Reisigsuchen die grosse Zehe verletzte, dann Gangrän bekam, 
die Exarticulation zweier Zehen erlitt und darnach eine Wunde 
zarQckbehielt , welche nicht heilen wollte, später vernachlässigt 
und vielfach insultirt und endlich nach einem halben Jahre sar- 
komatOs wurde. Lebert**) untersuchte eine fibroplastische 
Geschwulst der grossen Zehe bei einer 46jährigea Kdcbin, welche 
seit 20 Jahren sich zu entwickeln angefangen hatte. Viel häu- 
figer sind Melanosen am Fusse. Schon Beclard***), sowie 
Rayer und OUivierf) beobachteten solche Fälle. JTont- 
gomerytt) sab bei einem '29jährigen Schwarzen von Mada- 
gascar aus einer kleinen wunden Stelle des Fusses hinnen 18 
Monaten eine blumenkohlförmige Geschwulst hervorgegangen; 
Amputation nnierbalb des Knies; Tod durch metastatische und 
secundäre Melanose. Bendzfff) schreibt von einem 36 jährigen 
Manne, welcher seit einem Jahre eine melanotiBche ulcerOse Ge- 
schwulst am Fusse trug, welche aus einem Geschwür hervorge- 
schössen war, das zuerst vor 3 Jahren ans einem Frostsehaden 
entstanden und seitdem wiederholt aufgebrochen war. Glnge't) 
schildert eine melanotische Geschwulst, die offenbar ein Sarkom 
war, vom letzten Gliede der grossen Zehe einer etwa 70j5hrigen 
Frau, die ausserdem 2 blauschwarze Knoten in der Haut der 



*) A. Lücke. Mein Archiv. 1862. Bd. XXIV. S. 188. 
••) Lebert. Physiologie pathol. T. II. p. 136. PI. XIII. fig. 6—8. 
•*') Alibert. Nosol. natur. p. 663 
t) Rayer. Traite dea malad, de la peau. Paris. 1835. T. lU. p. 69 
tt) Montgomerj. The Laoret 1844. Vol. IL p. 280. 
t++) Bende a. a. 0. S. 114. Taf. III. fig. 2—4. 
*t) Gluge. Atlas der pathoL Anat. Lief. UI. Taf. L Fig. 5-6. 



lyCoogle 



248 Nennsehate Vorlesnng. 

Brost hatte. Bennett*) beobachtete eine zum Theil scbwuxe 
„Faserkerageschwulat" am Fn»Be eines 39j&hrigen ManneB, bei 
dem Bich YOr 3 Jahren in Folge des Tragens eines engen Sehn- 
hea zwischen der 3. und 4. Zehe eine Induration gebildet hatte, 
die zu einer melanotischen Geschwulst anwuchs und eine tiefe 
Fissur bekam. Hutchinson**) sab bei einer 60jäbrigen Fran 
eine seit 8 Monaten bestehende Oujchia, welche nicht heilen 
wollte; 2 Jahre später fand sich eine gemischte, schwarz- weisse 
Geschwulst. Allerdings sind die meisten dieser FSlle nicht so 
genau untersucht, dass man sie bestimmt als Sarkome ausgeben 
konnte. Es kommen an denselben Stellen ganz bestimmt auch 
melanotische Krebse vor***), indess werden wir später sehen, 
dasB auch sie einen traumatischen Anfang haben können. Frei- 
lich ist in manchen Fällen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, 
dass schon der erst« Anfang des Leidens durch Melanose be- 
dingt war, da es ja Fälle giebt, wo auch am Fusse ge- 
schlossene melanotische Knoten vorkommenf), indess sind dodi 
einzelne Fälle, wie der von Hutchinson, kaum zweifelhaft. 
Ich habe schon vor längerer Zeit das Vorkommen von Pigment 
in den Zellen der rostfarbenen Granulationen eines einfachen 
Knocbengeschwürs am Fusse beobachteti-t), und es scheint mir, 
dass nicht allzuviel dazu gehört, um aus ihnen ein melanotisehes 
Sarkom hervorgehen zu lassen. 

Etwas Bcbwieriger ist der Verlauf der Melanosen des inne- 
ren Auges zu beurtheilen, indess giebt es doch'auch hier nicht 
wenige Fälle, in welchen chronisch entzündliche Zufälle dem Er- 
scheinen der Geschwulst voraufgeben ff f). Manche dieser Zufälle, 
die Röthung der äusseren Theile, die oft sehr grosse Schmerz- 
haftigkeit, die stärkeren Absonderungen, mögen als secundäre, als 



*) Bennett Edinb. tHonthl; Jouru. 1851. Aag. p. 189. 
") Hutchinson. Transact. of the Pathol. Soc. Lond. Vol. VKI. p. 404. 
***} Groeoe. De carcinomate melanode. Diss. bang. Orjph. 1861. p.20. 
Derselbe Fall ist von Grohe (Vidal-Bardeleben. 4. Ausg. Berlin. 1&63. 
Bd. 1. S. 652) als Sarkom beschrieben, hat sich aber bei wiederholter Un- 
tersuchung als Carcinom erwiesen. 

t) Birkett. Med. Times and Oaz. 1854. Nov. No. 227. FergnsBon. 
The Lancet. 18äT. Vol. I. p. 290. British med. Journ. 1857. No. 7. 
+t) Virehow. Archiv. Bd. 1. S. 403. Taf. 111. Fig. 3. 
fft) Lawrence (A Treatise on the diseases of tbe eye. Lond. 1633. 
p. 636) sagt gans allgemein: „die Melanose beginnt mit EntiDndnng des 
Anges und Schmerz im Kopf; Amaurose fotgt^'. 



lyCoogle 



EntiHndliclie EBtstebnng der MelaooBan. 249 

FolgeB der durch die Eatwickelnng der Gescbwulet hervorge- 
rnfeaen Reizung der Gesciiwulst zu betrachten eein, allein in ein- 
zelnen Beobachtungen war der Zusammenhang der Geschwulat- 
bildnng mit ganz alten, allem Änecheia nach einfach entzüod- 
lichea Zuständen des Auges so aufiällig, dass er für die Betrach- 
tung nicht wohl abzuweisen ist. In einem Falle von A. Coo- 
per*) bei einer 46jährigeD Frau hatte die Entzündung, welche ' 
Trühnng der Hornhaut mit eich brachte, seit 2 Jahren bestanden; 
in einem von Rosas**) war die 50jährige Frau in Folge einer 
Verletzung beim Holzspalten vor 4 Jahren erblindet und hatte 
seitdem zeitweise schneidende Schmerzen, die aus dem Innern 
der Orbita über den ganzen Kopf zogen ; in einem von Bowman***) 
war der 5Üjährige Kranke vor 20 Jahren in Folge einer heftigen 
Ejitzündung erblindet und es hatte sich Atrophia bulbi gebildet, 
jedoch waren immer neue entzündliche Anlalle eingetreten. Eine 
esacte Beweisfühning lässt sich auf solche Fälle freilich nicht 
begründen, und wenn Fritschif) bezweifelt, dass in der Be- 
obachtung von Boyer und Roastt). ** ^^ Jahre nach der 
Verletzung des Auges durch einen Fenerstein-Splitter und darauf 
erfolgter Atrophie des Bulbus bei einem 60jährigen Manne eine 
Melanose der Conjunctiva bulbi eintrat, letztere die Folge der 
Verletzung war, so ist dagegen nicht viel zu st^en. Aber 
sicherlich muss doch ein krankhafter Reiz der Geschwulstbildnng 
voraufgegsngen sein, und dass dieser in vorau%egangeDen ent- 
xündlicben Vorgängen gesucht werden darf, scheint mir im Zu- 
sammenhalt aller ätiologischen Erfahrungen wohl berechtigt. 
Dazu kommt aber noch die andere Thatsaobe, dass bei der Me- 
lanose nicht nur die noch erhaltenen Häute des Auges, nament-i 
Heb die Sclerotica, sich sehr beträchtlich verdicken, sondern dasa 



*) Savenko I.e. p. 3S. Tab. II. Derselbe Fall bei Travera. S^nopsie 
of the diseaBes of the eye. Lond. 1820. p. 416. PI. VI. ög. 2. 

**) Prnacha. AbbandluDg über die Melanosis dea Aogapfela. Wien. 
1831. S. 33. Taf. 

•") Hnlke. The Royal Lond. Ophtb. Hosp. Rep. Vol. HI. p. 279. 
TriwiBact of the Lond. Path. Soc. VoL VIII. p. 320. PI. VU. fig. 7. Eineu 
Fall, wo die Aboahme des SehvermögeoB bei eiDem 41jährigen Manne seit 
9 Jahren bestand und der Bulbus ganz atrophisch geworden war, beschreibt 
Hackenzie (A pract. treatlse oo the diseases of the eye. Lond. 1835. 
2. Ed. p. 662). 

t) Fritschi a. a. 0. S. 69. 

tt) Boyer et Roux. La Laacette fianc. T, Jll. p. 89. 



lyCoogle 



250 Nenniebute VorleBnog. 

anch die Secnnd&rknoten in der Orbita, js sogar die metatasta- 
tiBcben Knoten in der Leber und anderen Organen sidi mit 
dicken, callOsen Kapseln umgeben (incyatiren), welche ganz wie 
EntEfindangsschwielen aaesehen, bei feinerer UnterBuebung aber 
wieder Pigment entbalten nud sich zur weiteren Wucherung an- 
schicken. 
• Es giebt auch andere Sarkomformen, welche in ganz ähn- 
licher Weise bald mit anhaltender, bald mit anfallsweiBer Sefamerz- 
haftigkeit einhergeben, wie wir bei den Sarkomen der Knochen 
solche Beispiele aui!tkhren werden. Kommt dazu ein bestimmter 
Zusammenhang mit Toraufgegangenen rheumatigchen Leiden , so 
wird man die entzündliehe Form des Üebela kaum in Abrede 
stellen kfinnen. Nirgends aber tritt dieselbe so deutlich hervor, 
wie bei den serOsen Häuten. Sowohl durch continuirliche 
Verbreitung von der Nachbarschaft her, als auch in eigentlich - 
metastatiacher Form kommt eine bald bloss vielfache, bald ganz 
continuirliche Eruption von Sarkommasse auf der Pleura, dem 
Fericardinm, dem Peritoaäum vor, und diese beginnt manchmal 
Dacbweisbar unter der Erscheinung einer Pleuritis, Periearditis, 
Peritonitis, ja man findet zuweilen noch spät neben der schon ganz 
ausgemachten Sarkombildung die entzündlichen Produkte*). — 

Ich will hier keine Zusammenstellung von solchen Fällen 
geben, wo bestimmte äussere Verletzungen als Ausgangs- 
punkt der Sarkombildung erscheinen. Für die Sarkome der 
Knochen giebt es zahlreiche Beispiele**). Ebenso verhält 
es sich mit der von den Alten sogenannten Sarkoeele, wo nach 
starken Contnsionen des Hodens, die mit entzfindlichen Erschei- 
nungen anheben, sich nach und nach die Geschwulst entwick^L 
An der weiblichen Brust beginnt in Folge von Stöseen, die anf 
dieselbe stattfinden, sehr oft eine Knotenbildung, von der die 
Patientinnen auf das allerbestimmteste angeben: gerade von 
dem Augenblicke an haben wir eine Anschwellung entstehen 
sehen, die sich ausgebreitet hat und die der Grund des gegen- 
wärtigen Uebels ist. Ich will es gern zugestehen, man kann alle 
diese Dinge bezweifeln, wie das oft geschieht, und man kuin 



*) Bei den KnoRbeusarkomen werde ich einen solchen Fall im Genaneren 
mitthetlea. 

") Senftleben. Arohiv f. klin. Chirurgie. Bd. II. S. 140, 159. 



lyCoogle 



Btnflasa des Hnttergewebea auf das Sarkom. 251 

sich darauf Btetfen, die Sache nicht begraifen za wollen, ja sie 
unbegreiflich su machen; aber die Angaben sind ebenso präcie hier, 
wie wir sie bei anderen GeschwQlsten , z. 6. den Oeteomeo und 
Chondromen, haben, wo wir den Process volllcommen begrei- 
fen. Die Schwierigkeit liegt hier nur darin, dass eine ungleich 
zellenreichere Masse entsteht. Aber man kann sich ja vorstellen, 
dass, wenn besondere Abweichungen in dem Ernährungszustände 
des Individuums oder dee Theils bestehen, wenn also eine be- 
sondere Prädisposition, wie eie früher nachgewiesen wurde, vor- 
handen ist, der gewöhnliche Gang der Entwickelnng nicht ein- 
tritt und daMr ein abweichender, schnellerer oder mehr pro- 
gressiver sieh einfindet. — 

Bei den Sarkomen zeigt sich endlich in einem ungemein hohen 
Maasse der bestimmende Einflnss, welchen die ursprüng- 
liche Loealität, das Muttergewebe auf die Entwicke- 
lnng des ersten Gewächses ausflbt*). Kaum irgendwo 
sonst bei den malignen Formen erkennt man in einem so hohen 
Maasse den Einfluss der Mutteriocalität, wie hier. An der Ober- 
fläche der Knochen überwiegt bei der Sarcomatose in der Regel 
die Disposition zu knCchemen Produkten, während die aus der 
Markhöhle hervorgehenden Sarkome mehr weiche, markige, zellen- 
reiche Formen darstellen. An der äusseren Haut, an der Choroides 
oculi bilden sich sehr häutig pigmentirte Gewächse; an den cen- 
tralen Nervenapparaten sind es Geschwülste, die sich mehr der 
weicheren Beschatfenbeit der Himinterstitialsnbstanz anschtiessen, 
die daher oft in ihrem Aussehen dem Hirnmark so sehr ähnlich 
sind, dass auf sie der Name des Encepbaloids ar^wendet wor- 
den Ut. An fibrösen Häuten, besonders an Fascien, an der Scle- 
rotica des Anges, an der Dura mater entstehen leicht B&ndel- 
sarkome mit grossen SpindelzeÜen ; in den Drüsen dagegen über- 
wiegen weiche, gallertige oder pulpöse Schwämme mit sehr zar- 
ter Intercellnlarsubstanz. 

Diese Eigenthfimlichkeiten, die durch die Natnr des Mutter- 
gewebes bestimmt werden, sind so ausgezeichnet, dass sie auch 
nachher wie eine Erbschaft sieb erhalten an den Secundärpro- 
dukten, die durch Contagion oder Infection entstehen. Wenn an 
einem Knochen ein Osteoidsarkom (Osteoid) sich bildet, so kann 



•) Virchow. Archiv. Bd. I. S. 479. 



lyCoogle 



262 Nennzehnt« VurleaDBg. 

daegelbe neben dem Knochen neue Knoten in den Weiehtheilen 
erzeugen oder hervorrufen, die auch wieder ossificiren; ja es 
kann Bein, daes in der nächsten Lympbdrüsenkette oder in ganz 
entfernten inneren Organen nachher ossificirende Sarkome zn 
Stande kommen. Dies ist besonders oft der Fall in den Langen, 
wo sich bald einzelne ganz groBse, bald zahlreiche kleine Ge- 
schwülste anebilden, von denen jede mindestens ihr knOchemes 
Centrum hat. — Aber nicht jedes Sarkom am Knochen ist ein 
Osteosarkom; es kann ja ein weiches Sarkom z. B. ein Myxo- 
Sarkom aas dem Knochen hervorgehen. Kommen in einem boI- 
cheo Falle Becund&re Knoten zur Entwickelnng, eo sind dieselben 
ebenfalls weich, wie der Mutterknoten, und die Aehnlicbkeit 
mit Knochenkrebs kann zum Verwechseln gross sein. — Aehn- 
lich verhält es sieh mit den melanotischen Sarkomen. Wie gross 
ist zuweilen die Zahl secundärer Melanosen, welche sich in dem- 
selben Fall nach einem gefärbten Sarkom des Auges oder der Haut 
bilden! Und weon auch nicht alle Metastasen ohne Ausnahme 
jedesmal melanotisdi sind, sondern zuweilen einzelne ungefärbte 
Knoten vorkommen, so ist doch die Mehrzahl jedesmal schwarz 
und zuweilen ist es jeder einzelne. Wie enei^isch ist hier der 
Infectionsstotfl 

Dieser Einfluss der ersten Localität, der sich durch die 
ganze Reibe der Secandärbildungen fortsetzt und der nur dadurch 
vermittelt werden kann, dass von dem Muttei^ewebe aus eine 
bwtimmende Einwirkung stattfindet, widerstreitet der Annahme 
einer primär dyskrasischen Natur des Vorganges. Allerdings 
bat man, ausgebend von der Malignität, sehr gewöhnlich ange- 
nommen, dass eine primäre specitische Dyskrasie eiistire. So 
hat man eine melanotische Dyskrasie aufgestellt, um die Mela- 
BOBe zu erklären. 

Wäre eine solche specifische Dyskrasie primär vorhanden, 
dann würde man unzweifelhaft nicht einen einzigen primären 
Heerd haben, Yon welchem aus der Process sich in der Richtung 
der SaftstrSmuQgen und der Gommnnicationen verbreitet, sondern 
wir würden die Ausbrüche an allen möglichen Stellen erfolgen 
sehen, und zwar ohne einen bestimmten Plan; wir würden nicht 
von vorn herein schätzen kutanen, wo wir neue Produkte finden 
werden, sondern das würde rein dem Zufall anheim gegeben 
sein. Handelt es sich um ein Osteoidsarkom , wo sich grosse 



lyCoogle 



Sukom-DTskruie. 253 

Enocbenmassen finden, da wird Niemand eine knOcheme Dys- 
krasie annehmen wollen. Wir können höchstens annehmen, dass 
zellige Elemente davon fortgeleitet und nach wo anders hinge- 
bracht werden, Elemente, welche die besondere Eigenthümlic^keit 
der Entwickelong in sich enthalten nnd anf die Nachbartheile inä* 
cirend wirken, oder dass Säfte, welche sich von der Geschwulst 
aus verbreiten, nach Art eines Seminium, wie wir das besprochen 
haben, die ÄnsteckuDg machen. Jedenfalls erfolgt die Ansteckung 
von Ort zu. Ort, von Gewebe zo Gewebe, von Organ zu Organ*). 

Die infektiöse Natur der Sarkome zeigt sieb in einer drei- 
fochen Weise: Fast allgemein, selbst bei den sonst am meisten 
gutartigen Formen findet sich die continuirlicbe Infektion 
der Nachbarschaft. Zunächst erstreckt sich diese auf das 
homologe Nachbargewebe, welches in immer grösserer Aus- 
dehnung, manchmal ziemlich continuirlicb erkrankt. Die Him- 
und Rückenmarksearkome gehören in diese Reihe ; bei ilmen fin- 
det ein Uebergreifen in beterologe NaehbartJieile sehr selten statt, 
und ein eigentlich tappiger Bau, wie er dem heerdweisen Wachs- 
tfaum entspricht, ist selten ausgesprochen. Auch die Sarkome 
der Knochen bleiben lange auf die Enochengrenie beeebränkt 
und stellen einlache, radiär auswachsende Knoten dar. Ebenso 
verbalten sich viele Sarkome der fibrösen Häute. Allein die In-. 
fektion erstreckt sich oft viel weiter, als die scheinbare Ge- 
sehwulstgrenze nnd daher erklärt sich die so oft constatirte 
Neigung zu localen Recidiven (Repullulation der Fran- 
zosen), selbst nach scheinbar vollständiger Exstirpation, wo- 
durch sich sogar die sonst am meisten gutartigen Formen der 
einfiachen Narben -Sarkome (Eeloide) und der Epulid«i aus- 
zeichnen. 

Allein sehr gewöhnlich schreitet die continuirlicfae Infektion 



*) MQgl ich er weise kommt auch eine Aneteckung von Indiiidaam zu la- 
dividuam, also elae wirkliebe Contagion ror. Ein Kranker lon Bieelt 
(Prager Vierteljahrs sehr. 1861. Bd. 70. S. UO), der au Melanose litt, be- 
hauptete, sich bei Pferden angesteckt zn haben und Klencke (Häser'a Arch. 
1848. Bd. IV. Beft 4) vill sogar mit Glück Impfnogen von MetanoBen des 
Pferdes auf ein anderes Pferd und einen Hand vorgeuomnien haben. Indees 
ist diese Angabe mit einiger Vorsicht aufzunehmen, da Gohier (Mem. p.338) 
gerade das Gegentheil berichtet: Impfungen auf Pferde (Braune und Fflchge), 
Egel nnd Hunde waren ohne Erfolg. Ich selbst habe Melanosen vom Meti- 
sclien ohne Erfolg in Wunden der Baut beim Hund und Kaninchen ge- 
bracht 



lyCoogle 



254 Nennieluit« Vorleanng. 

tuieh anf heterologe Nachbartheile fort. Sarkome der Drflsea 
(Bntst, Boden, Speicheldrüsen) setzen sich auf das umliegende 
Bindegewebe, die Fettkapeel, die äussere Haut fort. Sarkome 
der Magenscbleimhaiit greifen in die Muskelhaut uad das snb- 
BerOee Gewebe ftber. Sarkome der Cboroides oeuli breiten eich 
in dem Fett der Orbita und im Sehnerven ans. Allerdings sind 
efl wesentlich Gewebe der Bindesubstanz, welche die Leitung 
flbemehmen, aber doch die allerversehiedensten. Nur die Knor- 
pel erweisen eich im höchsten Haasse widerstandsfähig; sie wer- 
den fast nie betheiligt. Ihnen zunächst stehen die fibrOsen Häute, 
welche sehr lange Zeit hindurch eine Schranke bilden. Uan 
sieht dies nicht blos bei den intraocnl&ren Sarkomen, wel<^e 
sehr lange durch die Sclerotica sequestrirt bleiben, sondern be- 
sonders bei den Sarkomen der Knochen, welche durch die äussere, 
mehr elastische Lage der Beinhaut und die umgebenden Fascien 
2nm grossen Nutzen der Kranken anhaltend abgeschlossen wer- 
den können. Auch die Warzen-Sarkome am Papillarkörper der 
äusseren Haut finden an den elastischen Schichten der Cutis eine 
wirkungsvolle Schranke. Nichtsdestoweniger werden diese Wider- 
stände allmählich überwunden, und die Infektion ergiesst sich 
dann gewöhnlich schnell in die weichere Nachbarschaft*). Am 
sehlimmsten sieht man dies bei den Sarkomen des Auges, die 
durch die Knochenlftcher bis in den Schädelranm fortwnchern. 

Die discontinuirliche Infektion äussert sich in einer 
etwas späteren Zeit. Gerade bei den Sarkomen zeigt sich in 
ansgezeidineter Weise die Dissemination durch Bildung neuer 
Heerde und Knoten im Umkreise des Mutterknotens. Manchmal 
liegen die Tochterknoten, mOgen sie nun an homologen oder an 
heterologen Geweben auftreten, sehr nahe an dem Mutterknoten, 
so dass sie fast wie Erzeugnisse einer continnirlieben Infektion 
erscheinen. Allein sie unterscheiden sich dadurch, dass ein ge- 
wisser, wenn auch massiger Zwischenmum normalen Gewebes 
dazwischen liegt, und d^s die Gesammtheit der erkrankten Re- 
gion als ein stark höckeriges, vielknotiges Gebilde erscheint. — 
Anderemal werden die Zwischenräume grösser, so dass Zolllange 
Strecken und darüber frei bleiben, und jeder Tochterknoten als 



*) Ftlr das Osteosarkom bildet dies sehr gut ab Hodekin (Med. chir. 
TranBaci. 1829. Vol. XV. PI. V. fig. 2.). 



lyCoogle 



HetutueD d«r Sukome. 255 

eine sfllbständige Bildung persistirt Dies kommt namentlich an 
der äusseren Haut, am hSnügsten bei melanotischen Sarkomen 
vor. An den serOsen Bftnten, besonders dem Baucb- und Bruat- 
feU sind die Zwisehem^nme zaveilen noch grosser, and das grosse 
Netz wird dnrch solche dieseminirte Kootea zuweilen in ein ganz 
knotiges Blatt Terwandelt. In manchen Fällen beschränkt sich 
die M&ligoität der Sarkome auf diese DisBemination und die lo- 
cale RecQtrenz. 

Anderemal dagegen zeigt Bich die diecontinuirliche Infektion 
in der Form der eigentlichen Metastase: ee treten die secun- 
dären oder hier häufig tertiären Knoten in den Lymphdrüsen, 
den Lungen, Nieren, der Leber, dem Gehirn, den Knochen oder 
sonst wo auf. Die äussere Erscheinungsform dieser Metastasen 
unterscheidet sie nicht von den eigentlidi krebsigeo. Sitzen sie 
im Innern der Organe, bo bilden sie, wie diese, kugelige EJioten 



Fig. 147. HetsBUtiachea Rnadzellensarkom (H;riosarcoina globocella- 
Ure) deB Ob parietale mit schwacher Andeutung einer kDÖcheroeo Schale 
in tlm^Bge. Ansicht tod der ScbSdelhfihle aaa. Der KnochcB ist hier 



ij,CoogIe 



g56 Neuniebnto VorleatlDg. 

von sehr regelmässiger Gestalt, welche audi auf dem DnrchschDitt 
gehr gewöhnlich daeselbe weiasliche, markige Änssehen darbieten, 
wie der ächte Markkrebs. Dieser hat allerdings häufiger ein 
etwas mehr durchscheinendes, bläulich- weisses Aussehen, wäh- 
rend der Markscbwamn) in Beinen reinsten Fonnen auf der 
Schnittfläche milchigweiss, mehr undurchsichtig erscheint. Sitsen 
die Metastasen nahe der Oberfläche, jedoch noch innerhalb des 
Organs, so bilden sie mehr halbkugelige, gegen die Oberfläche 
hin abgeplattete oder seicht hervortretende Knoten. Aber beson- 
ders häufig finden sich Knoten, welche der Oberfläche selbst an- 
gehören und welche ali^dann die Pilzform der äusseren Schwämme 
wiederholen. Ad der Pleura, dem Peritonaeum und der Dara 



rauh, mit Oeteoph^tlsgen bekleidet, .welche in hobem Msiasse von veiten 
OefiigBeQ dnrcbzogen Bind und «um Theil in stachelige und blätterige, die 
OeschwOlete bedeckende Auswüchse fortgehen. Beide Knoten waren mit 
der Dura mater verwacheen, hatten sie jedoch nicht darchbrochen und das 
Gehirn zeigte daher nur starke Vertiefungen an diesen Stellen. Ancb nach 
aussen ragten die GeschnüUte hervor, waren hier jedoch fast ganz ohne 
Andeutung einer Knocbenschale. Sie sassen al?o baupteäctilicb in der Diplo£. 
Durch schnitten zeigten sie ein gallertiges, dunkelrotbes, nur undeatlich lap- 
piges Gewebe. (PrSparat No. 76b. vom Jahre 1861). Natürl. Grösse. 

Das PrSparat stammt von einem 25jährigen Dienstknecbt, der am 9. Jan. 
1661 starb. Derselbe hatte seit dem Uärz 1B59 nach dem Heben einer 
schweren Last lebhafte Schmerzen im Kreuz und Genick, sowie Stiche anf 
der Brust bei der Inspiration verspürt. Im October lieasen dieselben nach, 
dagegen bildete sich um Pfingsten, nachdem reissende Schmerzen im Ver- 
laufe des N. infraorbitalis vorangegangen waren, eine Bervortreibung des 
linken Augapfels. Die Geschwulst wuchs schnell, doch konnte der Mann 
noch im August grössere Schrift lesen. Nachdem Terscbiedene Punktionen 
vergeblich gemacht waren, wurde im November der Bulbus mit der dahiuter- 
gelegenen Geschwulst exstirpirt. Allein sehr bald wncherte eine weiche, 
schwammige, fast fluktnirende Geschwulst hervor, welche bald die Lidspalte 
fiberragte und sich bis in die Schläfengegend ausdehnte. Auch zeigte sich 
Ischurie und eine bis in die Fossa jugularis reichende Geschwulst des Ma- 
nubrium sterni. Keissende Schmerzen traten abwechselnd in den Gelenken 
der Arme und Beine auf. Zuerst Schmerzen im linken Arm mit Flexion 
der Hand, Taubheit und dem Gefühl der Lähmung, dann Schmerzen und 
LShmuDg des linken Beines, dann des rechten Beines und Armes. Im 
December liesson die Schmerzen in dem Gesiuht nach , dagegen traten 
andere im Kreuz auf, die bei jeder Bewegung zunahmen. Auch bestand 
2 Tage lang Incontinenz der Blase und des Afters. Endlich zeigten sich 
Geschwülste über der Nasenwurzel und am rechten Tuber parietale; 
die Schmerzen in den Oberextremitäten, besonders der linken, steigerten 
sich und eines Tages trat beim Aufrichten im Bett eine Fraktur des linken 
Oberarmkopfes ein. Dabei Fieber, Abmagerung, Decubitus, schliesslich 
Tod. — Die Autopsie ergab Myxosarkome des 11. und 12. Brustwirbels, meh- 
rerer Rippen, beider Scheitelbeine, des Brustbeins und des linken Oberarms; 
aoBserdero eine grosse, fungöse, auch naich der Schädeihfihle vordringende 
Geschwulst der Orbita. 

Eine mikroskopische Abbildang des Gewebse findet sieb S. 203 in Pig. 137. 



lyCoogle 



Infektionsweise der Sarkome. 2&7 

mater sind diese metaatatischen Filze manchmal zahlreicher, als 
die Knoten der anstoaaenden Eingeweide. Nalürlicb haben auch 
diese Metastasen wieder die Fälligkeit der Infektion und zwar 
namentlieli der Infektion der Nacbbart heile. Gerade an den se- 
rO^en Häuten breiten sich von den ersten Metastasen aus die sar- 
komatSsen Wucherungen in einzelnen Fällen über die ganze Aus- 
dehnung denielben aus. (S. 250), so dasa sie zusammenhängende 
Ueberzüee von groBt^er Mäebrigkeit darstellen. 

Dabei zeigt sich eine gewisse EigenthQmlichkeit, welche ge- 
rade die Sarkome unter den mulignen Gewäthsen auszeichnet, 
nehmlicb die häufige Immunität der Lymphdrüsen*). 
In nitht seltnen Fällen erkranken entferntere Orttane, wie die 
Lungen oder Leber, oline dass die zwisihengelegenen Lymph- 
drösen die gli'icbe Veränderung zeigen; ja, wie Grobe**) mit 
Recht hervorgehoben hat, die zu diesen Organen gehörigen Lymph- 
drüsen z. B. die bronchialen und media-tinalen', erkranken häu- 
figer, als die dem Ürsprungsheerde zunSi-bst gelegpuen. Bei den 
Krebsen ist gerade das Umgekehrte die Regel. Damit fällt die 
Erfahrung ziLiammen, dass ausgedehntere AnfOllungen der Lymph- 
gefässe mit Sarkommasse fast gar nicht bekannt sind. 

Diese Erfahrung scheint darauf hinzudeuten, dass die meta- 
statische Infektion bei den Sarkomen hauptsächlich dnreh 
das Blut erfolgt, dass also dass Seminium von den primären 
Knoten in die Geisse übergeht. Bei den Melanosen hat man 
sich am häufigsten die Aufgabe gestellt, die Vemnreinigung des 
Blutes nachzuweisen, und es ist das Vorkommen von Pigment- 
k&rnem innerhalb der Gefäii^se auch von einzelnen Beobachtern 
angegeben worden***). Allein diese Beobachtungen können nicht 
als beweisend angesehen werden. Auch bei der Melanaemief) 
kommen Pigmentkümer und sogar Pigmentzellen im Blute vor, 
ohne dass deshalb Figmentgesehwfllgte entstehen. Andererseits 



*) Nach der Zusammenstellung »on Pemberton fand sich Melauose der 
Lvinphdräsen iiiit«r 33 Fällen 11 Mal, nach der von Eiaelt nnler 50 P&llen 
22 Hai, dagegen Melanose der Leber je 16 und 28, der Lungen je 12 und 
24 Mal. 

••) Grobe in Vidal-Bardeleben a. a. 0. S. 538. 

•••) Holmes Coote. The Lancet. 1846. Äug. II. 5. Ginge. AUaa der 
path. Anat. Art. Melanose. S. 6. 

t) Virchow. Cellularpatbologie. 3. Aufl. S. 200. Fig. 88. 

Virebow. OMOliwilUU. 1. IT 



lyCoogle 



258 NenDsehote Vorlesaag. 

bilden sich in thrombotischen GefSssen*) wirkliche Pigmente, 
welche nichts mit der Melanose zu thun haben, und gelbst nach 
dem Tode können im Blut gewisse Paeudomelanosen**) ent- 
stehen, welche zu Verwechselungen Veranlassung geben. Mau 
tnuss daher hier sehr vorsichtig sein. Meine Ansicht von der 
Infektion des Blutes stützt sich nicht sowohl auf den direkten 
Nachweis körperlicher Theile, welche doch nicht blos Kömer, 
sondern wirkliche Zellen oder mindestens Kerne sein sollten, als 
vielmehr auf die Chronologie und Phänomenologie der Secnndär- 
knoten. Gerade bei den am meisten auiigezeichneten Formen 
z. B. bei den Osteoidsarkomen habe ich wiederholt Metastasen 
in den Lungen gesehen, ohne dass irgend ein zwischen gelegenes 
Or^an, namentlich ohne dass irgend eine Lymphdrüse analog 
erkrankt gewesen wäre. 

Was nun die Frage nach der inticirenden Substanz, dem 
Sarkom-Miasma anbelangt, so lägst sich nicht leugnen, dass 
ungewöhnlich viele Umstände dafür sprechen, dass dieselbe wirk- 
lich durch Zellen dargestellt wird. Hierfür zeugt zunächst die 
Multiplicität mancher Sarkome der serösen Häute bei 
gleichzeitiger Beschränkung derselben auf eine ein- 
zige Höhle, wie es namentlich in der Bauchhöhle vorkommt. 
Ich habe früher eine eigenthümliche Krankheit des Rindviehes 
beschrieben***), die sogenannte Perlsucht oder Frwzosenkraak- 
heit, bei welcher dies in der aufiUlligsten Weise vorkommt. Ob- 
wohl ich diese Krankheit als eine Art von Sarkomatose deuten 
zu müssen glaubte, so wiU ich doch auf sie nicht das Haupt- 
gewicht legen. Aber ganz ähnliche Fälle kommen auch beim 
Menschen vor. Wäre eine einfache Flüssigkeit der Träger 
des Miasma's, so würde wahrscheinlich auch immer eine mehr 
diffuse Erkrankung des Bauchfelles oder wenigstens gewisser Ke- 
gionen desselben vorkommen, wie ich sie freilich zuweilen an 
der Escavatio rectovesicalis oder in Bruchsäcken gesehen habe. 
Aber in der Regel finden sieh zahlreiche Knoten, welche von 
einander getrennt sind und die verschiedensten Theile der inne- 

•)Vlrchow. Archiv. Bd. I. S. 400. 

**) Vircfaow. Gesammelte Abbandl. S. ?B0. Note. Grohe. Mein Ajvh. 
Bd.- XX. S. 807. 

"•) Virchow. Würib. Vorliaadl. Bd. VII. S. 143. 



lyCoogle 



DisBflmiuatioD der Sarkome. 269 

ren Bauchfläche und der Oberfläche der Unterleibsorgaoe ein- 
nehmen. 

Aehnlich verhält es eich mit manchen Di^seminationeii an 
der Hant und Unterhant, wie sie am häufigsten bei Warsen-Sar- 
komen vorkommen. Im Umkreise der znerst erkrankten Stelle 
brechen immer neue, zuweilen ziemlich entfernte Knötchen her- 
vor, sei es, dass der Mutterknoten exstirpirt worden ist, sei es 
dass er sitzen blieb. Am aufTälligsten und am häutigsten beob- 
achtet ist dies bei den Melanosen, wo man die Entstehung der 
neuen Knoten von der Bildung der kleinsten schwarzen Pünkt- 
chen und Stippchen an verfolgen kann. Manchmal liegen die 
neuen Eruptionsstellen in der Richtung der Blut- und Saftströ- 
muogen. Der Mutterknoten war %. B. an dem Fusse, die Toch- 
terknoten am Unter- oder Oberschenkel, oder der Mutterknoten 
wuchs am Auge, die Tochterknoten im retroocuUren Fett oder 
um den Opticus. Anderemal dagegen liegen die neuen Knoten 
ausserhalb der Stromrichtung oder geradesweges ge- 
gen dieselbe. Eine Melanose am Augenlid erzeugt Tochterknöt- 
chen an der Coojunctiva bulbi, nach einer Melanose der Orbita folgt 
die analoge Erkrwikung der Parotis oder der Pia mater cere- 
bralis an der Convexit&t der Hemisphären. In solchen Falten 
wfirde die Dissemination sich am leichtesten erklären, wenn man 
* sie auf bewegliehe, wandernde Zellen beziehen könnte, wie 
sie von v. Reoklinghausen und mir*) in pathologischen Bil- 
dungen nachgewiesen sind. Nur fehlt gerade für die hier in 
Frage kommenden Formen noch der unmittelbare Nachweis. 

Jedenfalls würde ich aber auch in diesen Fällen, wie sonst 
(Bd. I., S. 55), die disseminirenden Zellen , wenn sie nachgewie- 
sen werden kjjnnen, nicht für die Aasgangspunkte der neuen 
Bildungen selbst, nicht für wirkliche Matrices halten, sondern nur 
für Erreger, welche das Gewebe der secundär erkrankenden Stel- 
len zn der Neubildung anreizen. Gerade bei secundärer Mela- 
nosenbildung bähe ich mit zuerst die Proliferation des Binde- 
gewebes in der Parotis beobachtet**) und nachher diese Beob- 
achtung vielfach bestätigt. Man sieht die junge Wucherung von 
der feinsten Kerntheilung an bis zu der ausgeprägtesten Zellen- 

*) T. Recklin^haiiBen. HeiD Archiv. Bd. XXIX. 8. 167. Yirchow. 
EbendM«lbHt S. 237. Vgl. dieses Werk Bd. I. S. 469. 
**) CeUalarpathologie. 3. Aufl. S. 284. Fig. 108. 



lyCoogle 



200 Nemuehnte VorlMong. 

wuebernng. Aach darf wohl daran erinnert werden, dase selbst 
bei der anfKetnaehteäten , universellen Melanose einzelne ganz 
unjceftrbte Tocbterkooten vorkommen*), deren Bildung sieb leicht 
begreift, wenn man sie aus dem ua<?efärbten Bindegewebe und 
nicht ans gel^rbten Seminalzellen ableitet. 

Sind aber die Zellen nur Träger des Miasmä's , der infiei- 
renden Substanz, so wird man auch eine direkte Wirkung dieses 
Miasmas ohne Vennittelung von Zellen fUr gewisse Fälle zugeben 
mOssen. Darüber lässt sich etwas Genaueres vor der Hand nicbt 
sagen. Vielfach ist diese Frage, freilich in etwas ungenauer 
Formulining, bei den Melanosen aufgeworfen worden, und ich 
behalte mir vor, darauf noch zurückzukommen. Hier genügt es 
zun&bst, die Malignität der Sarkome des Genaueren dargelegt 
zu haben. — 

In dem Mitgetheilten ist zusleich ein grosstr Theil desjeni- 
gen enthalten, was über den Verlauf der Sarkome gesagt wer- 
den kann. Indem die Elemente desselben sich wie eigentliche 
Parencliymzellen verhalten, so theilen sie aoch die Eigenschaft 
der relativen Dauerbaftickeit, durch welche Paremhyrnzellen mehr 
oder weniger ausgezeichnet sind. Daraus folgt wiederum die 
relative Dauerhaftigkeit der Geschwulst als Ganzen, welche 
zuweilen viele Jahre als sol-he perwistiren kann. Ein con- 
Btatirter Fall spontaner Heilung von Sarkom ist mir 
nicht begannt geworden**). Ich will damit nicht sagen, 
dass eine freiwillige Rückbildung unmöglich sei. In gewissen 
Abschnitten ist sie sogar nicht selten, aber gerade derartige Ge- 
wächse haben gewöhnlich eine fortschreitende, man möchte sa- 
gen, fressende Neigung znr Infektion der Nachbarschaft, und die 
neue Erkrankung der Peripherie übertrifft meist die durch rück- 
Bchreitende Prozesse im Innern gewonnene Besserung. 

Diese partielle Rückbildung erfolgt auf dem Wege der 
Fettmetamorphose***), welche an den Zellen stattfindet und 
sie nach und nach in KOmchenzellen, Körnchenkugeln und 
schliesslich in emulsiven, fettigen Detritus verwandelt Es giebt 
keine Art von Sarkorozellen, an welchen diese Rückbildung nicbt 

•) Virchow. Archiv. Bd I. S. 473. 
**) Eioen acheiobar zorQckgebildeten Fall von Epalis verde ich spSler 
anfBhren. 

•••) Virchow. Archiv. Bd. I. S. 147, X96. 



lyCoogle 



ROckbildnitg der Sukome. 261 

gelegentlieb zu beobacbten wäre. Sie kommt ebea so sehr bei 
den grösBten Spiodel- und Netzzellen, wie bei den vielkOroigen 
KieBenselleD (Alyeloplaxeo) und bei den kleinsten Kugelzellen 
vor. Im Ällgemeioen kann man sagen, dass die zellenreicheo 
Sarkome, sowie überhaupt die schnell wachsenden Formen am 
meisten dazu neigen. Hier geschieht es, dass ganze Abschnitte 
der Geschwulst auf einmal in die Rückbildung verfallen. In die- 
sem Falle macht sich die Veränderung schon für das blosse Auge 
bemerkbar durch die trübe, gelbe, gelbweisse oder weissgelbe 
Farbe, welche die fettig metamorphosirten Theiie darbieten, 

Bei den harten Formen, namentlich bei den Fibrosarkomen, 
läset sich kaum bezweifeln, dass durch die Fettmetamorphose 
öfters der Eintritt einer Resorption eingeleitet wird. Die betref- 
fenden Theiie sinken ein, nehmen ein festeres, narbenartiges Aus- 
sehen an und zeigen später ein sehr zellenarmes Fasergewebe. 
Anders verhält es sich mit den weichen Formen. Bei manchen 
derselben, namentlich bei medullären Glio- und Myxosarkomea, 
nehmen die regressiven Stellen ein fleckiges AuF^sehen und eine 
mehr breiige fieschaffenheit an. Zuweilen ist damit eine theil- 
weise Resorption Terbunden : die Stellen erscheinen troekner, 
gelber , sie erfahren eine Art von käsiger Verdichtung, 
welche eine gewisse Aehnlichkeit mit den späteren Stadien der 
Tuberkulose darbieten kann und die ich daher früher auch als 
tuberkelartige Metamorphose oder Tuberkulisation be- 
zeichnet habe'). Sie unterscheidet sieb von der wirklichen tn- 
berkalOsen Käsebildung durch ihre grössere Lockerheit und Feuch- 
tigkeit, ist aber am schwierigsten zu unterscheiden von der Ver- 
käsung syphilitischer Gummigeschwülste. Ja, ich kann nicht 
leugnen, daas es, namentlich am Gehirn, Fälle giebt, in denen ich 
vom blOB anatomischen Standpunkte aus eine sichere Grenze zwi- 
schen Gnmmata und käsigen Gliosarkomen nicht su ziehen weiss. 

Anderemal ist die Folge der Fettmetamorphose Erwei- 
ch u ng. Dies ist namentlich dann der Fall , wenn inmitten 
grosser Markschwämme mit reicherer Vascularisation sehr um- 
fangreiche Verfettung eintritt. Gewöhnlich greift diese auch auf 
die Gefässwandungen selbst Über, und es erklärt sich wohl daraus, 
dass auch nieht selten Geßissrupturen nnd parenchymatöse Blu- 

•) Virchow. Wflriburger Verhandlungen. Bd. II. S. 78. 



lyCoogle 



262 Nemuehnte Vorlesong. 

tuRgen hinzutreten. In solchen F&Uen pflegt die Erweit^ang 
in wirkliche Ulceration fortzugehen. Anderemal dagegen wird 
das durch die Fettmetamorphose zerfallene Material resorbirt, die 
Lücke aber wegen der Resistenz des peripherischen Geschwulst- 
gewebes nicht durch Nachsinken des letzteren ausgefällt, vielmehr 
das Resorbirte durch serOse Flüssigkeit ersetzt. So entsteht eine 
Art von Cyste , wie ich sie namentlich bei Hirnsarkomen Öfters 
gesehen habe. Will man diese Form Cystosarkom nennen, so 
darf man sie nicht mit anderen cyatischen Formen verwechseln, 
welche eine gewisse äussere Äehnlicbkeit damit haben (S. 191). 

Von der fettigen Erweichung verschieden ist die gewöhnlich 
sogenannte Erweichung, welche durch die fortschreitende 
Wucherung der zelligen Theile bedingt wird. Hierbei handelt es 
sich nicht um einen Zerfall der F.lemente, also nicht um einen 
regressiven Process, sondern nur nm einen Zerfall der Geschwulst 
durch das Ueberhandnehmcn der zelligen Theile und das \er- 
BChwinden derlntercellularsubstaoz, also um einen progressiven Pro- 
cess. Dieser ist der gewöhnliche Vorläufer der Verschwärung. 

Im Ganzen neigen die Sarkome wenig zur Ulceration. Aber 
es giebt keine Form derselben, welche nicht endlich aufbrechen 
und ein Geschwür liefern könnte. Die harten Formen, welche 
zugleich in der Regel ein langsameres Wachathum haben, bleiben 
am längsten geschlossene Gesehwülste und erreichen daher zu- 
weilen eine colossale Grösse. Liegen sie an einer Oberfläche, 
wo sie äusseren Reizen leichter zugänglich sind, so wird die sie 
bedeckende Haut gewöhnlich mehr und mehr gerOthet, endlich 
kommen kleine Blutungen, es bilden sich Krusten und SchOrfe, 
unter denen manchmal eine ganz einlache Eiterung besteht, so 
lange noch mehr normale Theile die Decke bilden, und nur lang- 
sam greift die Verschwärung in die eigentliche Substanz des Ge- 
wächses über. Aber auch dann schreitet sie zuweilen sehr träge 
weiter, die Absonderung bleibt spärlich, sie i^t mehr wSsserig 
oder blutig-wä.-'seng, der Geschwürsgrund ist derb, wenig uneben 
und oft kraterfi>rmig auf der Hohe des Gescbwulstknotens. Bei 
den weichen, namentlich den zellenreichen Formen dagegen ver- 
grössert sich das Geschwür schnell, die Absonderung ist reich- 
lich, häufig blutig, oft faulig, der Geschwürsgrund uneben, zottig, 
fungOs, dem krebsigen in hohem Maasse ähnlich. UlcerOse Me- 
lanosarkome liefern natürlich eine schwarze, dinteoähnliche Ab- 



lyCoogle 



Prognose der Sukoroe. 263 

sonderong. Ist die' janchig-faalige Zerstfirunt; sehr erheblich, so 
kann sie bis in die grOsste Tiefe eindriDgen. Namentlich bei 
Knochenaarkomen kommt es vor, das» die Verjauchung von der 
äusseren Haut bis in dan Innere der Knochen greift und grost^e 
Kloaken erzengt. Bei eigentlichen Osteosarkomen (Osteoiden) 
werden grosse Stücke der neugebildeten Knochentbeile nekrotisch 
und mit ausgestossen. Bei weichen Sarkomen der Knochen da- 
gegen entstehen Hohlen von beträchtlichem Umfange, ans denen 
Jauche, Blut und Geschwulstfetzen sich entleeren. 

Immerhin ist das uicerative Stadium bei den Sarkomen das 
weniger wichtige. Ihre prognostische Bedeutung wird am 
meisten bestimmt einerseits durch Sitz nnd Grosse der Geschwulst, 
andererseits durch ihre Infektionsfähigkeit. Eine eigentliche Ka- 
chexie, wie sie bei den Krebsen so viel beschrieben ist, tritt sel- 
ten und dann erst spät hervor. Ausgedehnte, namentlich mit 
Blutungen verbundene ülceration oder die Erkrankung wichtiger 
Organe der allgemeinen Ernährung kOnnen auch beim Sarkom 
alle Erscheinungen der Oligämie, des Marasmus und der Inani- 
tion hervorrufen , aber Beides ist ungleich seltener als bei den 
Carcioomen. Es kommt dazu, dass der Verlauf der Sarkome in 
der Reget ein mehr latenter ist und dass namentlich jene Sehmerz- 
hafcigkeit, welche glekhfalla bei vielen Krebsen so autfällig ist, 
häutig fehlt. Am gewöhnlichsten kommt sie bei gewissen Kno- 
chensarkomen, sowie bei den inneren Melanosen des Auges Tor, 
jedoch haben wir schon gesehen, dass sie hier möglicherweise 
auch auf entsflndliehe Stadien des Uebels zu beziehen igt. Ich 
will nicht behaupten, dass dies ffir die ganze Daner der Erkran- 
kung gilt, vielmehr halte ich es für wahrscheinlich, dass in den 
späteren Stadien der Druck auf die Nerven nnd die Spannung 
der Theile, wie anderer Orten, die Ursache des Schmerzes ist. 
Der Umstand, dass man selbst im Mittelpunkt alter und grosser 
Sarkome noch ganz kleine Nerven intakt vorfindet, erklärt sehr 
gut die gelegentliche Schraerzhaftigkeit einzelner Sarkome, welche 
fQr die grosse Mehrzahl entschieden ausgeschlossen werden kann. 

Von vorwiegender Bedeutung ist der Sitz der Sarkome 
mit den daraus hervorgebenden Störungen, welche natürlich mit 
der wachsenden Grösse der Geschwulst zunehmen. Schon lange 
haben die Thierärzte nachgewiesen, wie gross die Bedeutung 
dieses Umstandes für den klinischen Verlauf der Melanosen des 



lyCoogle 



264 > Neuoiehote VorleiuBg. 

Pferdes ist. Insbesondere die zuweilen coloaaalen Geschwälete 
im Thorax bringen unmittelbare Lebenggefahr, während die Ge- 
neralisation an sich ziemlich gut ertragen wird*). Beim Men- 
Bchen stehen diesen Erfahrungen am nächsten diejenigen, welche 
die grossen Mediastinal-Sarkome liefern, welche durch den Dmck 
auf die Luftwege und GelSsse, durch Uebergreifen auf den Hera- 
beutel und die Lungen die schlimmsten Gefahren bringen. Sehr 
umfangreiche Eierstocks-Sarkome können ohne erhebliuheo Scha- 
den bestehen, bo lange sie nicht durch Druck auf Harnblase oder 
üreteren, auf Durm oder Gefässe wichtige SecundärstQrnngen 
setzen. Sehr kleine Sarkome der Rückenmarksbäute oder der 
Birnsubstanz kttnnen dagegen die allerwichtigsEeo Symptome be- 
dingen, wenn sie an Orten von prtncipaler Bedeutung ^^ich ent- 
wickeln. Will man sich ein Bild von der nach dem Sitze und 
der Grfiatie wechselnden Bedeutung bestimmter Sarkomformen 
machen, so bieten die des Oberkiefers wohl das beste Beispiel. 
Während die kleineren und die mehr gegen die Zahnränder hin 
entwickelten verhältnissmässig unschuldig erscheinen, bedingen 
die grossen, welche den Kiefer ausdehnen, sich in die Nasenhöhle, 
in den Schlund vordrängen, die Bchwerstea Zufälle, indem sie 
das Äuge dislociren, die Knochen atrophiren, in die Schädelhohle 
eindringen u. s f. 

Es ist leicht zu ermessen, dass ober der Gefahr dieser rein 
örtlichen Zuteile die Frage nach der Infektionsfähigkeit der 
Geschwulst häufig in den Hintergrund tritt. Denn das praktische 
Handeln des Chirurgen wird durch jene Gefahr unmittelbar be- 
stimmt. Allein unerheblich ist deshalb jene andere Frage von 
der Infektionsfähigkeit nicht, denn ihre Beantwortung entscheidet 
auch in den Fällen , wo die Operation als solche unzweifelhaft 
gefordert wird, aber die Ausdehnung, in welcher sie vorznnehmea 
ist, und in den übrigen Fällen über die Zeit und die Porm, in 
welcher sie ausgeführt werden soll. Ob man exstirpirt oder re- 
eecirt oder amputirt, davon kann ja mOglieherweise das ganze 
künftige Geschick des Kranken abhängen. 

Gerade bei den Sarkomen zögert man oft viel länger mit 
der Operation, weil die Geschwulst ein unschuldiges Aussehen 



*) H. Boulej. Recueil de m^d. v^ter. prat. Paris. 1851. 5e Sir. T. VID. 



lyCoogle 



Prognose der Sarkoin«. 265 

bat, Tielleicht sehr' langsam wächst, unscbmerzhaft iet, keine Nei- 
gung zur ülceration oder Erweichung zeigt und den Kranken nur 
massig belästigt. Auch die relative Immunität der Lymphdrüsen 
tiägt zur Stellung einer günstigen Diagnose viel bei. Darüber 
versäumt man leicht die Zeit der gflnstigen Prognose, wo die 
Geschwulst wirklich ein Örtliches Uebel ist und bequem und volU 
ständig entfernt werden kann. Inzwischen schreitet die Infektion 
in die Nachbarschaft fort, vielleicht disseminiren sich die Keime 
in grösserer Ausbreitung oder es beginnen schon entfernte Meta- 
stasen. Kommt man dann später doch zur Operation, so brechen 
nach derselben an verschiedenen Orten mit grosserer Gewalt die 
neuen Knoten hervor. Dann wirft sich die Frage auf, ob die 
Geschwulst, die man früher vielleicht für eine einfache Hyper- 
trophie oder ein rein örtlichee, gutartiges Uebel gehalten hatte, 
nicht ein Krebs war? 

Für fast jede einzelne Sarkomform ist im Laufe der letzten 
50 Jahre die Behauptung aufgestellt worden, dass sie an sich ein 
rein Örtliches, gutartiges Uebel sei. Die Melanose, die fibro- 
plastische Geschwulst, das Myeloid sind von namhaften Beob- 
achtern als solche örtliche und gutartige Uebel bezeichnet worden. 
Ein Fall nach dem anderen hat diese Auffassung widerlegt. Die 
ersten schlimmen Fälle hat man gewöhnlich als Ausnahmen be- 
trachtet oder als Combinationen mit bösartigen Formen, namentlich 
Krebs gedeutet, bis allmählich die Ueberzeugung sich festgestellt hat, 
dasB auch diese Sarkome als solche bösartig sein können. Von 
dieser Möglichkeit sind dann wieder andere zu der allgemeinen 
Behauptung fortgeschritten, dass sie bösartig oder, wie der prak- 
tische Chirurg zu sagen liebt, krebsig sind. So ist aus der 
Melanose der melanotische , aus der Übroplastischen Geschwulst 
der Bfindelkrebs geworden und von dem Myeloid wird es wahr- 
scheinlich nicht lange dauern, dass man auch eine besondere 
Krebsform daraus macht. 

Wie schwierig die Beantwortung dieser Frage ist, zeigt dtis 
Beispiel eines so sorgtältigen Beobachters, wie Benno Rein- 
hardt*), welcher erklärt, dass das Cystosarkom der weiblichen 
Brust einen höheren Entwickelungsgrad der BrustdrOsenhyper- 
trophie darstellt und dass nach der Exstirpation eines solchen 

*) B. Reinhardt. ÄDnalen der Charit^ Bd. II. S. 18. 



lyCoogle 



266 NeoDzehnte Torlesuog. 

krebsige Degenerationen in den verschiedensten Organen auftre- 
ten kOnnen. Aehnliche Aufstellungen haben andere Beobachter*) 
an auderen Orten gemacht, wie ich namentlich bei den Sarkomen 
der Knochen genauer nachweisen werde. Ich halte dies fKr eine 
falsche Deutung. Ein Fibrom kann durch Metaplasie in einem 
Fibrosarkom werden, obwohl auch dies gewiss sehr selten der 
Fall ist, wenn einmal das Fibrom fertig ist; das Fibrosarkom 
kann durch flppige Zellen Wucherung medullär werden und die 
Metastasen, die es macht, können dies in noch höherem Grade. 
Aber trotz aller Medullarität find sie Sarkome, und ein sicheres 
prognostisches Urtbeil wird sich nur gewinnen lassen, wenn man 
daran festhält, dass die Sarkome an sich weder gutartig, noch 
bösartig sind, dass sie vielmehr eine unschuldige Periode 
haben, später aber bösartig werden können, und dass 
in Beziehung auf diese beschränkte Bösartigkeit eine 
gewisse Stufenreihe zwischen den verschiedenen Un- 
terarten des Sarkoms besteht. 

Diese Stufenreihe lässt sich aber nicht ganz einfach aufstel- 
len. Man kann sie nur nacii den drei Graden der Bösartigkeit 
(iocale Infektion, Dissemination in die Nachbarschaft und Meta- 
stase in die Entfernung) aufstellen. Fast jede Sarkomart hat eine 
gewisse Neigung zu örtlichen Recidiven. Manche Schw&mme 
werden 4 — 5 Mal und noch öfter an derselben Stelle operirt. 
Meiner Meinung nach erklärt sich dies aus dem Umstände, dass 
die Zone der latenten Erkrankung ungleich weiter hinaus- 
grei^, als man nach Gefühl und Aussehen erwarten sollte, und 
dass daher sehr häufig die Operatiun nicht tief und umfangreich 
genug geschieht. Würde man regelmässig die Schnittflächen des 
exsttrpirten Theils genau untersuchen, so wQrde man sich von der 
Unvollsründigkeit der Operation meist sofort überzeugen können. 
Statt dessen lässt man sich oft nur durch den weiteren Verlauf 
belehren, und man kann von Glück sagen, wenn endlich, viel- 
leicht erst nach der dritten oder vierten, hinreichend tiefen oder 
umfangreichen Exstirpation oder gar erst nach einer Resection oder 
Amputation trotz aller voraufgegangenen Recidive eine dauerhafte 
Heilung erzielt wird. Selbst bei den schlimmsten Formen, wie 

') Birkett. Guj'g Hosp. Rep. 1858. Ser. )I[. Vol. IV. p, 263. 



lyCoogle 



ProgDoee und liebaodlnog der Sarkome. 367 

bei der Melanose, giebt es FUle, wo eine danerhafte 9rtliche 
Heilung erfolgte. 

Aber freilich schntst die Ortliche Heilung nur dann vor Dis- 
Eemination und Metastase, wenn sie rechtzeitig herbeigeführt ist. 
Leider fehlt dasjenige Zeichen, welches uns bei den Krebsen mit 
einer gewissen Sicherheit leitet, die Aflektion der Lymphdrüsen, 
bei den Schwämmen nur zu oü, und die Latenz sowohl der 
Diseemination, als selbst der schon begonnenen He> 
tastase täuscht auch den erfahrenen Beobachter. Man wird da- 
her immerhin auch in einer späteren Zeit in der Regel operiren 
müssen, da ein bestimmtes Zeitmaass für den Eintritt der nn- 
gänstigeren Zufälle eben nicht existirt, und da mit Ausnahme 
der Melanose f<^r alle Unterarten des Sarkoms gelungene Fälle 
danerhafter Heilung selbst nach langer Dauer des Uebels vor- 
liegen. Auch bei der Melanose ist die Möglichkeit vollständiger 
Heilung keinesweges ausgeschlossen; die.unkritische Beobachtung, 
welche zwischen Melanomen, Melanosiarkomen und Melanocarci- 
nomen nicht unterschied, hat nur die Frage in eine för den Augen- 
blick unlösbare Verwirrung gebracht. 

Einzelne Sarkomarten sind gerade umgekehrt in ein zu gün- 
etiges Licht gestellt worden, weil in der Regel eine dauerhafte Hei- 
lung zu Stande kommt. Dabin ^ähle irh insbesondere das Spindel- 
zellensarkom (die tibroplasti^che Geschwulst) und das Riesen- 
zellensarkom (Myeloidgeschwulst). Beide gehen fehr häufig Ton 
relativ harten Theilen, das erstere von Fascien oder Häuten, das 
andere von Knochen aus, welche sogleich von vornherein in gros- 
serer Ausdehnung mitentfernt werden. Auch haben sie unzwei- 
felhaft geringere Neigung zur Verbreitung in die Nachbarschaft 
oder in die Ferne. Aber die Möglichkeit dazu fehlt auch bei 
ihnen nicht. Sie ist bis jetzt nur bei den ganz harten Fibro- 
Sarkomen, welche den Fibromen nahe stehen, !io namentlich bei 
den Narbensarkomen, fast ganz auszuschliessen. Ausserdem zei- 
gen gewisse Organe, z. B. das Gehirn, eine ungewjjhnlich geringe 
Neigung zur Propagation des Uebels. 

Der Chirurg hat hauptsächlich zwei Kennzeichen der dro- 
henden Infektionsgefahr. Das erste ist die sogenannte Adhä- 
renz, welche das Herüberwachsen der Geschwulst von ihrem 
Matricnlargewebe in die Nachbarschaft, das Hervorwuchem neuer 
Geschwulsttheile in dem Nachbargewebe bezeichnet Dies ist 



lyCoogle 



ggg Neaniebnte Vorleaang. 

oiFenbsr ein höherer Grad der ftitlicheo Infektion, als die vorher 
erwähnte latente Zone des Muttergewebes selbst. Das zweite ist 
die Perforation härterer Scheidewände, welche die Geschwulst 
in ihrer Ausbreitung hinderten. Die Erfahrung lehrt nehmlich, 
dtiBs manche Sarkome längere Zeit sequestrirt werden durch 
resistentere Umgebungen. Am meieten widerstehen knorpelige 
Schichten. Die Sarkome der Gelenkenden begrenzen sich fast je- 
desmal an dem Gelenkknorpel, so dass die GelenkhChlen lange 
geschätzt bleiben. Später umwächst das Sarkom nicht selteo 
den Knorpel, dringt von aussen in das Gelenk ein und der Knor- 
pel kann ganz in Sarkommasse eingeschlossen werden, aber er 
zeigt fast gar keine Fähigkeit, sich anstecken zu lassen. Eine 
ähnliehe, wenngleich geringere Resistenz findet sich an anderen 
festen Geweben, namentlich den fibrösen Häuten, den Wandui^en 
grosserer Gewisse. So lange ein Sarkom im Knochen eiogeschlos- 
sen ist, so lange fehlt die Dissemination in die Umgebung fast 
ganz. Wird die Knochenrinde oder gar die Beinhaut endlieh 
darchbrocbeo, dann beginnt mit einem Male ein rapideres Wachs- 
tbum. Aehnlich verhält es sich mit den Sarkomen des inneren 
Auges, die von der RetJna oder Choroides ausgehen and lange 
Zeit in dem Bulbus eingeschlossen bleiben. Durchbrechen sie 
endlich die Sklerotica, die gewftbnlicb beträchtlichen Widerstand 
leistet, und erscheint erst ein kleiner Tumor ausserhalb dieser 
Haut, dann beginnt das "Wachsthum mit grosser Rapidität vor- 
wärts zn sehreiten. Ebenso verhält es sich auch mit den Fascien. 
Die an sich so schlimmen Sarkome an den Gelenkenden der 
Röhrenknochen liegen eine gewisse Zeit lang subfascial. Je stär- 
ker die Geschwulst wächst, um so mehr wird die Fascie ge- 
spannt, um so stärker ist also auch ihr Rückdruck, und so lange 
die Fiiscie unversehrt bleibt, ist der Organismus relativ geschützt. 
Wird aber die Fascie durchbrochen, dann beginnt das Wachs- 
thum lokal sehr stark zu werden und die Fropagation in die 
Ferne pflegt sich einzustellen. 

Nach diesen umständen muss man die Beartheilnng der ein- 
zelnen Fälle auffassen und niemals aus dem Auge verlieren, dass 
die Halignltät der Sarkome nicht nach einer absolut gältigen und 
feststehenden Skala zu entscheiden, sondern mit stetiger Berück- 
siclitignng der individuellen Verhältnisse sowohl des Kranken, 
als des befaUenen Organs abzusehätzen ist. Die Krfahmng des 



lyCoogle 



HalignititMkftla der Sarkome. 269 

einen Falles iet fQr die Beurtheilnng eines anderen oft ganz trtl- 
gerisch, nnd allgemeine Regeln Über MaligaiOt gelten eigentlich 
nnr für die MednllarBxrkome, insbesondere für die gefärbten, die 
gewfthDlich sogenannten MelaDosen. 

Im Ganzen ist nehmlich die Malignitftt grosser bei solchen 
Sarkomen, welche sehr reich an Zellen nnd namentlich an klei- 
nen Zellen sind. Diese Formen sind in der Begel zngleicb weich, 
denn je mehr Zellen Torhandea Bind, um so geringer wird die 
Consistenz, um so loser der Zusammenhang; die Geschwfilste be- 
kommen eine fast fluctuirendo BeächafFenheit; sie erweichen leicht, 
nlceriren leicht, bluten leicht und ihre Elemente sind leicht be- 
weglich. Alle Medullarsarkome sind in hohem Grade snspect; 
wo man ein solches ausschneidet, hat man immer eine zweifel- 
hafte Prognose zn stellen. Nur bei sehr frischen, noch vfilUg 
lokalen Geschwfilsten, wie man sie besonders an Knochen findet, 
wird durch eine recht frühzeitige Operation eine sichere Heilung 
erzielt. Sehr hfiufig ist es aber der Fall, dass, wenn der Schwamm 
bereits eine gewisse Grösse erreicht bat, zur Zeit, wo er esstir- 
pirt wird, Jn inneren Organen schon neue firuptions^stellen sieh 
gebildet haben, welche den Tod unter kachektischen ZußUlen 
herbeiführen. Auf die Form der Zellen kommt dabei nichts an; 
ob sie rund, oder geschwänzt, oder sternförmig sind, das ist 
gleichgOltig; sie müssen nur reichlich vorbanden sein. Dagegen 
igt die Grosse der Zellen nicht ohne Bedeutung. Alle klein- 
zelligen Sarkome sind gefährlicher als die grosszel- 
liges. Selbst weiche Sarkome mit den vielkernigen Riesenzellen 
geben eine verhältnissmässig sehr günstige Prognose; die Fibro- 
sarkome mit colossalen Spindelzellen sind meist solitär. Die klein- 
zelligen Glio- und Mysosarkome dagegen stehen in Beziebang 
anf Maligait&t den Krebsen kaum nach. 

Die Beschaffenheit des Organs, seine Verbindun- 
gen mit dem übrigen Körper, namentlich seineBezie- 
hungen zum Blut- und Lymphgefässsystem sind aber 
eben so wichtig, als die Zusammensetzung der Geschwulst. Sar- 
kome des Hodens neigen viel mehr zur Metastase, als die des 
Eierstocks, obgleich gewöhnlich beide mndzellige Elemente be- 
sitzen. Die SpindelzeUensarkome des Gehirns sind fast ohne 
Ansnahme solitär, während die der Knochen öfters multipel auf- 
treten. Sarkome der Fascien gehen eine günstigere Prognose, 



lyCoogle 



^0 Meau£ahDt6 Vorlesung. 

solche der Schlaiinh&ate bringen frflh Erkranksog^ der Lympb- 
drfiseD und entfernterer Organe. Man kann daher sagen, dasa 
dieselbe Geschwulst je nach ihrer Terachiedenen Lo- 
ealität und wiederum an derselben Localität je nach 
den Yerschiedenen VerhaUnissen eine sehr verschie- 
dene Dignität haben kann. 

Allerdings sind verschiedene Organe sehT verschieden dispo- 
nirt zur Hervorbringung der einzelnen Sarkomarten. Weiche, und 
an sich zellenreiche Gewebe erzeugen auch häufiger zellenreicbe 
Sarkome. Dahin gehört namentlich das Interstitialgewebe der 
Muskeln und vieler Drüsen, insbesondere das der Brust, dee Ho- 
dens, des Eierstocks; dabin gehört das Knochenmark, das Ge- 
webe mancher Schleimhäute. In der Augen-, Brust- und Bauch- 
höhle findet man zuweilen die umfangreichsten Medullarsarkome, 
solche von Mannskopfgrösso und dar&ber, von denen man selten 
angeben kann, von welchem Theile sie ihren Ausgang genommen 
haben. Die Mediastinal-Sarkome gehören zu den grfissten 
und gefährlichsten aller Sarkome. Sie sind fast immer kleinzellig 
nnd von so ausgesprochea lymphdrüsenartigem Ban, dass man im 
Zweifel sein kann, ob sie überhaupt zu den Sarkomen zu rechnen 
sind. Ihr Ausgang iet selten nach- 
'''''' '*^' zuweisen. Man kann an die Lymph- 

drüsen dee Mediastinums oder der 
Lungenwurzel , an die Thymusdrüse 
denken, aber sie haben in der Regel 
eine solche Ausdehnung, dass ihr 
Mutterboden nicht mehr zu ermitteln 
ist. — Ihnen sehr nahe stehen ge- 
wisseOrbital-Sarkome,von denen 
man kanm umhin kann anzunehmen, 
dass sie aus dem Fettgewebe der 
Aügenhi}hle hervorwuchern. Es sind 
in der Regel lappige Geschwülste, 



Fig. 148. Lappiges, kleinzelliges Gliosarkom der Orbita, gaoz ansBer- 
halb des Bulbus, jedocb um den Opticus o entwickelt. Bei c die gefaltete 
Cornea, binter weleber das atropbieche, g»nz gerunzelte, prolabirte Ango 
liegt. Die Augenmuskeln m vor der GescbwuUt. (Präparat No. 11. vom 
Jahre 1862). Kalilrliihe Grösse. (Hierzu gehürt die mikroskopiscbe Ab- 
bildung S. 208. Fig. 138.). 



lyCoogle 



Prognose der S&rkoine nach den Organen. 271 

welche hinter dem Augapfel entstehen, denselben hervordräDgen 
und nicht selten BchliesBlich ihn zur Atrophie bringen, ohoe daes 
einer der im engeren Sinne zum Auge gehörigen Theile an der 
Geechwulstbitdung betbeiligt ist. Alle Fälle, die ich davon sab, 
waren vielzellig und entweder sehr kleinzellige Gliosarkome oder 
Myxosarkome. — Die tiefBitzenden Cervical-Sarkome, die 
sich zuweilen bis in den Thoras-Raum hineinBchieben*), sind 
noch unsicherer in Beziehung auf ihren Ausgangspunkt, insofern 
hier die Lymphdrüsen in hohem Maasse verdächtig sind, aber 
ebenso gut Fascien, Muskeln oder Gefiässscheiden beschuldigt 
werden können. — Manche der seit Lobstein**) bekannten 
Ketroperitonäalgeschwiilste sind reine, medulläre Spiadel- 
zellensarkome ***). Man kOnnte vermuthen, dass sie aus dem 
lockeren Fettgewebe dieser Gegenden liervorgehen, indess ist es 
naoh ihrem Bau viel wahrscheinlicher, dass libröse Häute, nament- 
lich Fascien der Ausgangspunkt sind. Einen gehr interessanten 
Fall dieser Art aus dem Becken, welcher ausgedehnte Thrombo- 
sen der Venen hervorgebracht hatte, habe ich vor längerer Zeit 
mitgetheiltt)- — Aehnliche Zweifel erhoben sich auch bei den zu- 
weilen ungeheuer grossen Medullarsarkomen, die in der Tiefe der 
Extremitäten, namentlich des Oberschenkels wachsen. Bei 
einzelnen derselben scheint es mir nicht zweifelhaft, dass sie aus 
dem Interatitialgewebe der Muskeln entstehen, doch fähren andere 
vielleicht gleichfalls auf Lymphdrüsen, Fascien oder Gefäasschei- 
denft) zurück. — Jedenfalls ist der Eioflusa des Mutterbodens auf 
den Zellenreichthum und somit auf die Hervorbringung der Mark- 
schwämme nicht gering anzuschlagen. 

Noch mehr zeigt sich ein solcher bei den Melanosen. 
Viele der sogenannten melanotischen Geschwülste sind nehm- 



•) Bonlara. Ballet, de Ja Soc anat. 18&2. p. 134. 

") Lobstein. Patbol. Anat. I. S. 383. 

"•) Erat kQrzlkh erhielt ich durch Herrn Dr. G. Siegmund ein über 
Hanne köpf grosses SpindeUellengarkom, welches eich zwisrhen den Blättern 
des Gekröses bis dicht an den Ansatz desselben an den DSondarm hin ent- 
wickelt hatte. Es war an seiner Oberfläche mit der Harnblase und dem 
DteruB verwachsen und hatte bei Lebzeiten den Eindruck einer grossen 
Dteringeschwulst gemacht. Gleichzeitig fanden sich ein Paar grosse, kuglige 
Metastasen in der Leber (Präparat Ko. 90. vom Jahre 1864). 
t) Virchow. Gesammelte Abhandl. S, 666. 

tt) B. Langenbetk. Archiv f. ttin. Chirurgie. Bd. I. S. 60. 



lyCoogle 



372 NeuDxehnte Vorlesung. 

lieh eigentlich nichts als pigmeDtirte Mednllaraarkome; 
das heiEgt, die Zellen, welche die Geschwulst zu^ammensetzea, 
enthalten mehr oder weniger Pigment. Dass die Melanosarkome 
in der Regel nichts anderes, als Medallarearkome mit pigmea- 
tirten Zellen Bind, ersieht man auf das Klarste aus den so häu- 
figen Beispielen, wo dieselbe Geschwulst pigmentirte und nicht 
pigmentirte Lappen, oder derselbe Lappen braune oder schwarze 
nnd rein markig-weisse Stellen hat, oder wo bei demselben In- 
dividuum an einzelnen Orten melanotiscbe , an anderen markige 
Geschwülste von sonst ganz gleichem fiau vorkommen. Die Lo- 
kalität entscheidet bei den Tochterknoten weniger, als bei der 
Huttergeschwulst. Diese entsteht fast immer an einem farbigen 
Gewebe, am häutigsten an der Ghoroides oculi oder der Haut, 
manchmal an den Nebennieren oder den Samenbläschen; die 
Tochterknoten dagegen können mitten in der weissen Himsnb- 
sunz oder im Eierstock liegen und doch ganz schwarz sein. 
Hier rouss also die Intensität des Infektionsstoffes bestimmend 
sein. 

Freilich liegt anch die Annahme einer ursprGnglichen 
Dyskrasie nirgends näher, als bei den Melanosen. Schon Bre- 
scbet*) glaubte, ans den bis dahin bekannten chemiechen Ana- 
lysen Bcbliessen zu mfiasen, da«s der färbende Stoff nichts ande- 
res, als verändertes Blut sei; Bensinger**) nahm ausserdem 
noch eine besondere Beziehung zur Fettabsondernng an und ideo- 
tificirte die normalen Pigmente geradezu mit der Atra bilis der 
Alten. Nichts schien mehr gerechtfertigt, als die Vorstellung, 
dass das veränderte Blutroth nebst einzelnen anderen Tbeileo 
ans den GefUssen abgesetzt werde und die Geschwulst bilde. 
Aber man darf dabei nicht Qbersehen, dass viele Jahre lang alle 
Beobachter die Substanz der Melanosen als nicht organisirt, als 
blosses Depositum betrachteten, dass sie ihr sogar die Gefässe 
abstritten. Mit dem Nachweis nicht nur der Gefässe, sondern 
einer sehr reichen Organisation sind alle diese Betrachtungen 
ihrer Unterli^e beraubt. 

Die melanotiscbe Geschwulst besteht für uns wesentlich ans 



*) BreecheL JonrnaJ de lä phjBiologie par Magendie. 1831. T. T. p. 371. 

**) 0. F. llenainger. llDtersucbungen über die anomale Kohlen- und 

PigmentbilduDg in dem meDscblicbeo Körper. Eisenach. 1SS3. S. 187—190. 



lyCoogle 



Dia Fnge der Dj^slcrasie bei den HelannseD. 273 

einer ZasammenordnnDg zelliger Elemente, welche die Trftger dee 
Farbstoffes sind. Erst, wenn sie zerfallen, wird derselbe frei, und 
wenn dies hier nnd da in grosBer Ausdehnung geschieht, bo be- 
greift sich dies, wenn man sieht, wie häufig gerade in Melanosen 
deB Auges inmitten der Geschwulst die ausgedehntesten Fettr 
metamorphosen vorkommen. Sind aber Zellen die Triger des 
Farbstoffes, so fragt es Bich, wie kommen sie zu demselben? Er- 
zeugen sie ihn oder beziehen Bie ihn von irgend woher? Diese 
Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ich habe schon früher 
durch eine Znsammenstellung der bekannten chemischen Ana- 
lysen des Farbstoffes dargethan*), dasB sich darans ein bestimm- 
ter ScblusB nicht ziehen lässt. Andererseits lässt sich nicht leng- 
nen, doss manche Hämatin- Derivate eine grosse, sowohl ehe- 
mische, als morphologische Aehnlichkeit mit dem melanotischen 
Pigment besitzen, ja dasB wirklich hämorrhj^Bche Färbungen 
in den Sarkomen vorkommen (S. 219). Nichtsdestoweniger kann 
ich nicht zugestehen, dass der gewöhnliche Farbstoff der Mela- 
nosen aus Extravasat hervorgeht. Er verhält sich bald wie das 
Pigment des Kete Malpighii, bald wie das der Bindegewebsstrata 
(nicht des Epithels) der Iris und Choroides, bald wie das der 
Nebennieren. Aber von allen diesen Pigmenten wissen wir bis jetzt 
nicht, ob sie durch metabolische Thätigkeit der Zellen Belbst 
entstehen, oder aus den Säften des Körpers aufgenommen und 
abgelagert werden. 

Gewisse Beobachtungen scheinen allerdings darauf hinzudeu- 
ten, dasB es sich bei der Melanose nicht um eine ganz locale 
Erscheinung handelt. D^in gehören vor allen die Erfahrungen 
bei den Pferden. Wie schon erwähnt (S. 240), sind es fast 
ohne Ausnahmen Schimmel, oder, genauer gesagt, weisse und 
graue Pferde, bei denen sich die Melanosen bilden. Nun sind 
aber bekanntlich diese Thiere gewöhnlich nicht von Geburt an 
hell. Weissgeborne Pferde gehören zu den Seltenheiten und 
sind nur in einzelnen Gestüten sorgsam gezogen worden**); die 
gewöhnlichen weissen und grauen Pferde werden fuchsfarbig, 



•) Virchow Archiv. Bd. I. S. «7-81. 

") Eric Viborg. Samtlige Veterinair-Afhaadlinger. Kjöbenh 1820. 
Bd. I. S. 396. Dietrichs Handb. der prakt. PferdekenDtniBs. Berlin 
884. S. 25. Kreutzer. Grundrias der ges. VeterioärmediciD. Erl. 
1863. S. 26. 



lyCoogle 



274 Nenniehnt« Vorlesong. 

braun oder schwarz geboren und beginnen erst mit 6—10 Wochen 
grane Haare zu bekommen. Gerade diese weiss gewordenen 
oder gemischten Schimmel sind für die Erzeugung der Mela- 
nose besonders disponirt und zwar so sehr, dass Trousseau 
und Leblanc*) behaupteten, fast alle weissen und grauen Pferde 
litten wenigstens melanotische Achsel- oder Leistendrüsen. Go- 
hier*') berichtet, dass die Bautknoten in den hereditären Fäl- 
len in einem Alter von 2 — 3 Jahren erscheinen; meist ist die 
erste Eruption in einer ungleich späteren Zeit beobachtet. Obwohl 
das Allgemeinbefinden der Thiere dabei flberaus wenig oder gar 
nicht leidet, und die HanptstOrungen mehr von der L^e der 
Geschwülste abhängig und mechanischer Art sind (S. 263), so 
scheint es doch, dass gewisse Veränderungen, namentlich an den 
Haaren auf die bevorstehende Erkrankung hinweisen. Französi- 
sche Thierärzte **•) erfuhren zuerst von Arabern in Algier, dass 
solche Pferde eine eigenthömlich wellige, krause Beachaifenheit der 
Haare in Schwanz nnd Mähne zeigen, wobei die Haare trocken, 
rauh anznfQhlen , brüchig, leicht auszureissen seien und ihre Ge- 
schmeidigkeit nnd ihren Glanz verloren haben. Gewiss sind 
dies Alles Erscheiaungen, welche auf eine constitntionelle Be- 
sonderheit hinweisen, und wenn man die Coincidenz der Haar- 
veränderung mit der Melanosenbildung ins Auge fasst, so kann 
man leidit mit Haycockf) dahin kommen, den Pigmentdefect 
der Haare als ursächliche Bedingung des Pigmentexcesses der 
Geschwülste, das Pigment der Geschwülste als metastatische Ab- 
lagerung des Haarpigmente oder, wie Trousseau und Leblanc 
sagen, als Folge der gehinderten Ausscheidung des Farbstoffes 
aus dem Blute aufzufassen. 

Beim Menschen giebt es gewisse analoge Erscheinungen. 
Allerdings linde ich nur eine ganz entsprechende Angabe von 
Fergus8on++). Er operirte bei einem 45j5hrig6n Manne eine 
nicht coi^enitale Telangiektasie am Nabel. An der Narbe er- 



*) TrouSBean et LebUnc. Arch. g^D^r. de mM. 1828. T. XVI. 
p. 183. 

") Gohier 1. c. p. 330. 

•") Prangä et Goubaax. Recueil de med. vötör. prat. Paris 1851, 
3. S^r. T. Vlll. p. 931. 

t) Haycock. The Veterinerian. 1817. VoL XX. p. 377. 
tt) FergusBon. The Lancet. 1852. VoL H. p. 176. Med. Times and 
Gm. 1855. Mov. 



lyCoogle 



CoDBtitationelle Natnr der Melanose. 275 

scbiea in kurzer Zeit eine melanotische Geschwulst, die wiedemm 
exBtirpirt wurde. Bald nachher zeigte sich eine Melanose in der 
Leiste, die gleichfalls durch Operation entfernt wurde. Darauf 
neue Knotenbildung um die Narbe der Muttergeechwulst und im 
Bauche mit tödtlichem Äusgai^e. Während dieser Zeit wurden 
die schwarzbraunen Haare des Mannes fleckweise am Kopf und 
aa anderen Theileo weiss ; die der Äng^lider , der Brauen, 
der Scham u. s. w. wechselten im Laufe eines Jahres vollkom- 
men ihre Farbe. Fergnsson deutet diese Erscheinung ganz im 
Sinne der Thierärzte. Langenbeck*) giebt an, die Entwicke- 
Inng einer melanotischen Geschwulst mit dem Erblassen eines 
Naevua zusammenfallen gesehen zu haben. Jedenfalls sind dies 
ÄBsnahmslalle , denen andere gegenfiberstehen , wo, sei es schon 
sehr früh, sei es in der letzten Zeit der Krankheit, eine allge- 
meinere dunkle Färbung der Haut beobachtet wurde "•), und wir 
wissen vom Menschen nur das sicher, daes gewisse congenitale 
Maler und Warzen zur Melanosenbildung disponiren (S. 234). Ob 
die weisse Race gegenüber der schwarzen mehr zur Melanose 
neigt, ist bei dem Mangel sicherer Nachrichten zweifelhaft; ich 
habe allerdings nur den einen Fall von Montgomery (S. 247) 
gefunden, wo diese Geschwulstform beim Neger beobachtet wäre, 
aber unsere Kenntnisse über die Krankheiten der Neger sind 
überhaupt sehr mangelhaft. 

Nichtsdestoweniger lässt sich eine gewisse Analogie zwischen 
den weissen mit Pigmentmälern versehenen Menschen und den 
weissgewordenen , meist gefleckten Pferden nicht verkennen. 
Schon bei den Melanomen habe ich auf gewisse Uebereinstim- 
mungen des Hautpigmentes sowohl in seinen normalen, als in 
seinen abnormen Zuständen mit dem Pigment der Iris, der 
Cboroides oculi und der Arachnoides hingewiesen (S. 120) und 
es ist vielleicht nicht ohne Bedeutung, dass in einigen Fällen 
von Melanose bei Schimmeln auch eine stärkere Färbung der 
Arachnoides um die Medulta oblongata gefunden ist***). Gewiss 
verdienen diese Erscheinungen eine gr<3ssere Aufmerksamkeit; 



*) B. Laneenbeck. Deutsche Klinik. 1860. S. 170. 
") Alibert. NoboI. natur. p. 651. D. Williama I. c. p. 262 
venko 1. c. p. 12. 

•••) LaureuB d'Älby. Jonm. prat. de radd. yit4t. 1829. p. 513. 
cock 1. c. p. 376. 

18» 



lyCoogle 



276 Nenniehnte Torlesni^. 

wenn sich aber auch dorch weitere Erfahrungen eine etwas uidere 
Auffassimg ergeben sollte, so wird doch eine gewisse constitutio- 
nelle Bedeutung der Melanosen nicht in Abrede zu stellen sein. 

Der Gedanke, dass bei den Melanosen ein bestimmter Farbstoff 
im Blute existire, schien durch die Beobachtungen von Eiselt*) 
fiber das Vorkommen von schwarzem oder wenigstens an der Loft 
und durch Zusatz yon Säuren sich schwärzendem Harn um so mehr 
eine besondere Bestätigung zu finden, als schon einzelne ältere 
Beobachtungen**) dieses Vorkommen erwähnen und Bendz***) 
darauf in Verbindung mit anderen geerbten Absonderungen sogar 
eine diagnostische Lehre gegründet hat. Hoppe>Seylerf), der 
in mehreren Fällen die Angabe von Eiselt bestätigte, hat gezeigt, 
dass dieser Harn, sehr reich ist an Indican, dass er aber die 
schwärzende Eigenschaft nur in einem höheren Grade zeigt, als 
anderer Harn, mit anderen Worten, dass er keinen specifischen 
Farbstoff enthält. Ich selbst habe früher die Chromaturie ge- 
nauer studirt nnd namentlich ihre Seziehungen zur Leberthätig- 
keit und zur Hämatinumsetzung hervorgehoben ff)- Damach er- 
scheint es mir sehr fraglich, ob die Chromaturie mit der Bildung 
melanotischer Geschwülste als solcher zusammenhängt, oder ob 
sie nicht vielmehr, wie wenigstens in den Fällen von Eiseltfff) 
wahrscheinlich ist, die Entwickelang secundärer Melanosen in der 
Leber und demnach Erkrankungen dieses Organs begleitet. Jeden- 
falls ist die Identität des Harnfarbstoffes mit dem Geschwulst- 
farbstoff nicht nur nicht nachgewiesen, sondern eher unwahr- 
scheinlich. Ja, in den Fällen von Bolze*t), welche Eiselt 
zur Unterstützung seiner Ansicht anzieht, ist sogar ein ganz 
unzweifelhafter Zusammenhang der Harnzustände mit fieberhaften 
Bewegungen, die nichts mit der Geschwulsbildung zu thun hat- 



•) Eiaelt. Prager Viert«liabrBChr. 18G1. Bd. LXX. S. 107. 1Ö62. 
Bd. LXXVI. S. 46. 

•*) NorriB 1. c. Schilling I. c. D. Williams 1. c. p. 255. 
•") Bendi in Gräfe nnd Walther Jonrn&I f. Cbirureie und Angenheilk. 
1835. Bd. XXXU- S. 626. 

+) Hoppe-SBYler. Mein Archiv. 1863. Bd. 5XVII. S. 390. 
t+) Vjrchow. Archiv. 1854. Bd. VI. S. 259. Vgl. Wttrzb. Verh. 
Bd. 11. S. 303. 

ttt) I'ad vergleiche namentlich den zweiten Fall. (Prager Viertetjschr. 
Bd. 70. S. 110.) 

•t) Bolze. Prager Vierteljahraachr. 1860. Bd. 6G. S, 140. 



lyCoogle 



Tergleichnng der UeUooBen mit utdereo VerArbangen. 277 

Ich kann daher Dm so weniger nnterlaBsen, noch aof eine 
andere Analogie hinzuweisen, welche freilich ebenfolls ao dunkel 
iet, dass sie vor der'Hand nicht viel erkl&rt; ich meine die 
nach Erkrankungen der Nebennieren beobachtete 
Bronzekrankheit (Morbus Addisonii). Der Farbstoff, der 
sich hier in dem Ret« Malpighü, und zwar nicht selten fleck- 
weise, in der Form des Melasma oder des Spilus, ablagert and 
der, wie ich wenigsten in einem Falle mit Herrn v. Reckling- 
hausen sah, auch in dem Bindegewebe der Papillen und der 
Cutis vorkommen kann, gleicht in Farbe, Vertheilung und An- 
ordnung in hohem Maasse dem der Melanosen. Andererseits 
findet sich in den Nebennieren, in einer zwischen Gorttcal- und 
Medullaranbstanz gelegenen, von mir als Intermediärschicht be- 
zeichneten Lage sehr gewöhnlich ein gelbbrauner Farbstoff, der 
Ton älteren Autoren seit Bartholin öfter als atrabilär bezeich- 
net ist. Ja, man kann 3fm;en, dass diese IntermediärBchicht in 
ihrem Baa eine nicht geringe Aehnltchkeit mit gewissen Melano- 
sen, namentlich mit melanotischen Garcinomen hat. Erwägt 
man nun, dass die Zerstörung der Substanz der Nebennieren 
dnrch krankhafte Vorgänge nicht selten die Bronzekrankheit nach 
sich zieht, so ist darin eine neue Analogie mit den Fällen von 
Melanose gegeben, die mit Weieswerden der Haare und Erblas- 
sen von Naevis zusammen fallen. 

Endlich konnte man auch an die nach Intennittens auftre- 
tende Melanämie*) erinnern , bei welcher schwarze EOrner 
in den zelligen Elementen der Milz und Leber, freilich nicht in 
Form von Geschwülsten, entstehen und später ins Blut fibergehen. 

Immerhin gewähren alle diese Thatsachen keinen geeigneten 
AafeeblusB über das Wesen des mehinotischen Prozesses, und 
wenn man auch den constitutionellen Charakter desselben noch 
so sehr hervorhebt, so lässt sich doch nicht leiten, dass die 
Natur des Mattergewes eine weit bestimmtere und vielmehr ver- 
ständliche Erläut«ruug giebt. Der einzige Fall, wo dies nicht 
ganz zutrifft, ist die Entstehung primärer melanotischer Knoten 
im Unterhaut-Fettgewebe, welche zuweilen beobachtet wird. 
Hier kann man nur an die Erfahrung erinnern, dass atrophiren- 
des Fett häufig sehr stark gefärbt, ja geradezu gelbbraun wird. 

*} Cellalarpathotogi«. 3. Aufl. S. 307. Fig. 83. 



lyCoogle 



278 NeomehBte YoileBnng;. 

Diese Färbung ist ganz TersctaiedeD von der nach parenchyma- 
tösen Blutungen zurückbleibenden, die sich allerdings auch sehr 
weit im Unterhautfett verbreitet und hauptsächlich an dem inter- 
stitiellen Bindegewebe haftet. Hat eine von beiden Färbungen 
mit der Melanose etwas zu thun, so liegt es zunächst gewiss 
näher, au die erstere zu denken, wenn auch manche schon er- 
wähnten (S. 219) Erfahrungen die zweite Möglichkeit unterstätzen. 

Aber auch in Beziehung auf diese ist zu bemerken, dass die 
hämorrhagische Färbung für eich in der Regel kein eigentliches 
Melanosen-AuBsehen giebt, sondern mehr gelbe, bratine, rostfarbene 
Zeichnungen macht. Bei den beiden gewöhnlichsten Melanosen, 
denen des inneren Auges und denen der Haut*), ist manchmal 
von Extravasationen gar. nichts wahrzunehmen. Allerdings be- 
ginnt die Färbung als eine didiise Ti^nknng der Zellkßrper mit 
einem schmutzig gelbbraunen Stoff, aus dem sich erst bei einer 
gewissen Höhe der Erkrankung braune Kömer ausscheiden. Aber 
ob dieser Farbstoff eingedrungen ist oder nicht, ist unbekannt. 
Der Anschein spricht mehr fQr das Erstere, da nicht selten dicht 
neben den gefärbten Zellen ungefärbte derselben Art liegen. 

Sowohl runde, als Spindel- und sternförmige Zellen können 
pigmentirt werden Erreicht die Pigmentinutg einen sehr hohen 
Grad, so zeigen freilich fast alle Zellen eine grosse Neigung, 
rund zu werden, und daher kommt es, dass man eo häufig io 
den j&ngeren Sarkomen nur spindelförmige, in den älteren ent- 
weder nur runde oder ein Gemisch von beiden vorfindet. Ein 
krebsiger Zug ist durch die Kundung der Zellen an sich nicht 
ausgesprochen. 

Betrachten wir nun ihrer Wichtigkeit wegen die Melano- 
sen des Auges etwas genauer, so giebt es darunter theila ein- 
fache Sarkome, theils Carcinome, theils Mischformen beider, ganz 
abgesehen davon, dass gelegentlich auch in anderen Geschwnbten 
z. B. in Gliomen, pigmentirte Stellen vorkommen. Von den Sar- 
komen musB man drei, dem Ausgangspunkt nach verschiedene 
Formen unterscheiden. 



•J Eiselt (Prager Vierteljahrsschr. Bd. LXXVI. S. 54) berechnet unter 
104 FälleQ als primären Sitz der Melanose das Auge 47, die Haut (mit Ein- 
achluaa der tjoterhaut) 40 mal. Waa die Angaben über den primären Sitz 
in inneren Organen augeht, ao betrachte ich dieselben der Mehrzahl nach 
als hCchat zweifelhaft. 



lyCoogle 



Gntane and orbitale HelanoBukome des Aages. 279 

Die primär äusseren Melaaosarkome des Ängee 
kommen an denselben Stellen, wie die Uelanome (S. 123), vor, 
nehmlicb an der Hornbautgrenze, wo sie sich als äachrundliche, 
bäufig etwas k6mig oder lappig auBsehende ng. tu. 

Geschwülste von graubräunlicher, brauner 
oder schwarzer, häufig etwas fleckiger Farbe 
erheben. Zuweilen waciisen sie über die 
ganze Hornhaut, und zwar unter dem Epithel 
derselben, wie ein Pannus earneus fort. Wer- 
den sie grösser, so wird auch ihre Oberfläche 
unregelmäsßiger, höckeriger, und sie stellen 
dann eine der von den älteren Schriftstellern 
unter dem Namen des Stapbyloma racemosum 
beschriebenen Formen dar. Sie enthalten meist sehr schöne, ge- 
färbte und ungefärbte Spindelzellen. 

Diesen, gleichsam cutanen Formen zunächst stehen die or- 
bitalen Melanosen*), welche aller Wahrscheinlichkeit nach 
von dem Fettgewebe der Äugenhöhle ausgehen, also den sub- 
cutanen PigmMit-Geschwülsten parallel sind. Sie liegen hinter 
oder neben dem Auge, bedii^en deshalb entweder Exophthalmos 
(Orbitocele), ober drängen sich neben dem Augapfel hervor. Die 
in der Literatur aufgezeichneten Fälle**) sind zum grossen Theil 
schwer zu classificiren. Einerseits scheint es, dass auch hier 
wirklicher Krebs vorkommt; andererseits ist eine Verwechselung 
mit seeundären , ursprünglich intraoculären Melanosen um so 
leichter, als diese sich nicht selten auf das Orbitalfett fortsetzen, 
und hinwiederum primär orbitale Melanosen später ins Ange 
hineinwachsen können. Wenigstens scheinen mir gewisse Fälle 
nicht anders erklärlich. So hat Lebert***) einen Fall, wo die 



Fig. 149. Reines melaoottscbes Spindelzellensarkom der Oonjunctiva 
Dod Goroea. Das iaoere Auge ist gasz frei. Die Geschwulst ist leicht 
lappig; einzelne Lappeo heller, andere dnnkler, alle gefleckt. (Präp. No. 6Tt>.) 
NatBrliche Grösse. 

•) Demarqnay- Trait^ des tumeurB de l'orbite. p. 456. 
") Chomel. Nouvean Journ. de m6A. 1818. T. III. p. 41. BuissoD. 
Arch. gener. 1852. Mai. p. 24. Curling. Traoaact. of the Path. Soc. Lond. 
Vol. VIII. p. 318. Lebert. Trait^ d'anat. path. T. I. p. 320. PI. XLIII. 
fig. 8-9. 0. 0. Weber. Chirurg. Erfahrungen. S. 335. 

•") Lebert. Ebendaselbst. PI. XLIII. flg. 4 — 7. Dieselbe Beobachtnug 
bei Sichel Iconogr. dphthalm. p. 560. PL LV. fig. 4-7. 



lyCoogle 



280 MeuDiehnte VorlesnDg. 

sehr grosse (wabrscheinlich sarkomaUse) Geschwulst hinter dem 
Auge lag, aber einige Millimeter weit in den Grund des Auges 
eindrang und die Retina mitergriffen hatte. Unsere Sammlung 
besitzt einen ganz äbnüehen Fall: Die sehr umfangreiche Ge- 
schwulst liegt hinter dem Bul- 
bus um den Opticus her bis 
dicht an die Sclerotica. Sie 
besteht aus mehreren, mit dicker 
ÜbrOser Schale versehenen Lap- 
pen, innerhalb deren eine wei- 
chere , zum grd^sen Theile 
schwarze, zum kleineren weiss- 
liche, weichfaserige Masse auf- 
gehäuft ist, welche fast ganz 
aus dicht gedrängten Spindel- 
zellen besteht. Die helleren 
Theile reichen bis an die Eintrittsstelle des Sehnerven, desseD 
Seheide sehr verdickt ist und zunächst, nach aussen von dem Ner- 
venstränge, eine schwärzliehe Schicht umschliesst. Von der Ge- 
gend des OpticuB-Eintrittes erstreckt sich eine, fast den ganzen 
hintern Abschnitt des Auges füllende, grossentheils schmutziggraue 
oder bräunlichgraue, gefleckte, in ihrem vorderen Theile fast ganz 
schwarze Geschwulst nach vom, die an einer Stelle schon eine 
Adhärenz mit dem Hornhautrande eingegangen ist, und die gleich- 
falls hauptsächlich Spindelzellen enthält. Mit der Choroides bat 
sie nur an einer Stelle, nahe am Opticus- Eintritt, einen Znsam- 
menbang; im Uebrigen ist diese sowohl nach Lage, als nach 
Aussehen ziemlich normal. Die Retina dagegen ist mit der Ge- 
schwulst innig verschmolzen. Hier scheint kaum ein Zweifel zu 
sein, dass die intraoculäre Geschwulst erst eine secundäre Ver- 
grösseruDg der ursprünglichen Orbitageschwulst ist. 

Fig. 150. Grosses orbitales Helanosarkom , ia der Nähe des Opticns- 
EiDtrittes coQtinairlicb in das lauere des Auges reichend und hier eine bis 
zur Pupille vordriugende Geschwnlat von buntem, leicht lappigem Ansseben 
bildend. Das etwas comprimirte und bervorgetriebene Auge ist eröffnet und 
mau sieht im Hintergründe die Cornea c von innen. Die Conjunctiva scle- 
roticae m sehr stark verdickt, aber nicht laelanotiach. Der Opticus o von 
einer zwischen dem eigentliehen Nervenstrang und dem Neutilera gelegenen 
melanotischen Schicht uingebeD. Die Geschwulst ist an den meisten Stellen 
sehr weich und vielfach in fettiger Rückbildung. (Präparat No. 266. vom 
Jahre 1858). MatQrliche Grösse. 



ly Google 



Primär innere HelsaoBarkome des Anges. 281 

Ganz verschieden davon Bind die primär inneren Mela- 
nosarkome, welche am hänfigBten von der Choroides und zwar 
von ihrem hinteren Theile ausgeben. Wie groBB ihr Gebiet ist 
und wie viel namentlich von den Melanosen der Iris in dasselbe 
hineingebort, wird sieh erst bei einer ungleich genaueren Dnter- 
-guchung, als sie bis jetzt meist ausgeführt worden ist, übersehen 
lassen. Denn nach meiner Erfahrung muss ich erklären, dase 
sowohl meläQOtische Krebse, als Miachformen, namentlich ein 
Melanosarcoma carcinomatodes , an denselben Orten vorkommen. 
Das eigentliche Sarkom entsteht, wie es scheint, gewöhnlich in 
dem pigmentirten Bindegewebe der Choroides*), in der Art, 
dass anfangs nicht nur die Retina und Sclerotica, sondern auch 
das epitheliale Lager von Pigmentzellen unversehrt über die Ge- 
schwulst fortlaufen ••). Später verbindet sich leicht eine Ablö- 
sung der Netzhaut durch cmente, rothe oder braune Fiässigkeit 
damit und es kommt vor, dass die Netzhaut unter Atrophie des 
Glaskörpers sich gegen die Mitte des hinteren Augenabschnittes 
zusammendrängt und wie ein Trichter von der Papilla optici zum 
Rande der Linse zieht***). Mit der Sclerotica tritt gewöhnlich 
bald eine Adhärenz ein, welche so innig wird, dass man glauben 
kann, das Gewächs gehe anmittelbar von ihr und nicht von der 
Choroides ans. In dem Haase, als die Geschwulst wächst, füllt 
sie allmählich den ganzen Ranm hinter der Linse ans, drängt 
diese nach vom gegen die Hornhaut, dehnt das Auge ans und 
bildet zugleich, unter Atrophirung der Retina, eine fast solide 
Äusfüllnngsmaasse desselben. Früher oder später überschreitet 
Bie die Grenzen des Bulbus und zwar je nach Umständen auf 
drei verschiedenen Wegen. Manchmal setzt sie sich schon früh 
in des Sehnerven fort, indem von der Lamina cribrosa aus 
zuerst schwarze Züge in dem Perineurium auftreten (Fig. 151o), 
welche sich zwischen den Nervenfasern aUmählicb rückwärts er- 
strecken und, indem sie reichlicher und dicker werden, nicht nur 
den Nerven aufblähen , sondern auch eine Fortsetzung der 
Erkrankung in die Augenhöhle und selbst in die Schädel- 



•) Saveoko 1. e. p. 33. Tab. II. fig. 2. 

••) J. W. Hulke. The Royal Ophth. Hosp. Rep. Vol. IV. P. I. p. 81. 
•••) Dor. Archiv f. Ophthaltaoiope. Bd. VI. 2. 8. 248. Hulke I. c. 
Vol. HI. No. in. p. 281. flg. A. V. Gr&fa Archiv für Ophthalm. Bd. VII. 
2. S. 41. 



lyCoogle 



S83 NeDusehnte TorlestiDg. 

pig. IM. höhle möglich machen. Oder es erfolgt 

eine wirkliche Perforation, gewöhnlich 
'^ durch deu Hornhaatrand (Fig. 151c), 
zuweilen durch die Sclerotiea ; die 
schwarze Masse dringt durch die Oeff- 
nuDg vor und breitet eich jenseits der- 
selben als ein schwarzer, zu Blutungen 
geneigter Pilz aus, welcher wächst und 
leicht zu ulcerösen Zuständen führt 
Oder endlich, es erscheint jenseite der 
Sclerotiea ein und der andere schwarze 
Knoten (Fig. 151 m' m'), selten in deut- 
lichem Znsammenhange mit dem intraoculären Gewächs, meist 
als ein scheinbar unabhängiges Gebilde*). Indess zeigt die mi- 
kroskopische Untersuchung gewöhnlich die progressive Erkran- 
kung der Sklerotical-Elemente. Sind einmaJ solche Nebenkno- 
ten vorhanden, so schreitet die Ausbreitung in der Orbita rageh 
vorwärts. 

Sehr oft sind diese Melanosen keineswegs durch und darch 
gefärbt. Geiade die Sarkome sind häufig gefleckt, ans weissen 
oder grauen und schwarzen oder braunen Abschnitten gemischt, 
doch können sie auch ein ganz dichtes, sepiafarbenes Ansehen 
zeigen. Möglicherweise ist das gefleckte Aussehen davon abhän- 
gig, dass ursprünglich ungefärbte Gebilde, wie die Retina, der 
Opticus und die Sclerotiea, an der Erkrankung theilnehmen und 



Fig. 151. Choroideales Melanosarkom des Bulbus, welches Dach vorn 
und hinten fortwuchert. Von Herrn v. Gräfe ejstirpirt. Die ursprOugliche 
Geschwulst fQUt fast den gamea Raum des Augapfels und hat die sehr ab- 
gedachte Linse bis dicht an die Cornea c vorgetrieben. Letztere ist von 
anssen eingedrückt durch oineu grossen lappigen melanotischen Knoten n, 
der im Rande der Hornhaut von innen her durchgebrochen ist. Nach hin- 
ten finden eich mehrere kteiaeie, von schwieligem Bindegewebe umhüllte 
Knoten tu' m' dicht an der Sclerotiea und dem Opticus-Eintritt, ohne dass 
jedoch ein unmittelbarer Zusammenhang mit der intrabulbären Geschwulst 
zu erkennen ist. Der Opticus o zeigt eine von der Lamina cribrosa in das 
Perineurium (interstitielle Gewebe) streiflg hineindringende melanotische 
Hasse, während aussen im Neurilem auf der einen Seite (in der Zeichnung 
rechts) eine nur ganz schwach gefärbte, auf der anderen dagegen eine ganz 
schwarze Geschwulstmasse liegt. Die innere Geschwulst ist etwas fleckig 
mit helleren und dunkleren Partien. Die helleren sind zeltenieicher and 
zum Theil in Fettmetamorphose. (Präparat No. 6. vom Jahre 1863.). Nat 
Grösse. 

■) Poiand. Ophthalmie Hosp. Rep. 1856. Jnlj. p. 170. fig. 



lyCoogle 



Helanoaarkom dea Auges. ggS 

ungefärbte Brot liefern , aber auch schon an der arsprünglichen 
Choroidealgeschwulst finden sich manchmal ungefärbte Abschnitte 
oder Elemente, Namentlich bei den extraoculären Knoten ist 
nicht selten ein Theil ungefärbt, während ein anderer die dun- 
kelste Figmentirung zeigt. Manche Stellen sind auch ziemlich 
stark geröthct, denn es ist kein Zweifel, dass die Melanose regel- 
mässig vascnlarisirt ist. 

Im Feioeren erweist sich die Geschwulst zuweilen fast allein 
aus Spindelzellen zusammengesetzt; eehr gewöhnlich änden sich 
aber auch Stern- und Netzzellen, ja nicht selten auch Rundzellen, 
zumal in den weicheren Theilen*), Alle sind regelmässig mit 
grossen, oft sehr schönen Kernen und Kernkörperehen TerBehen. 
Ihre Pigmentirong**) ist stets verschieden von detjenigen der 
Pigmentzellen des Epithelialstratnms der Choroides und Uvea, 
dagegen stimmt sie ganz nberein mit derjenigen der Zellen der 
Lamina fasca und des Parenchyms der Iris. Es ist mikrosko- 
piech ein braunes, anfangs diffuses, später körniges Pigment. An 
manchen Stellen finden sich auch Blutkörpercbenbaltige Zellen 
und freie, mehr rothe oder braunrothe Pigmentkörner, welche auf 
innere Hämorrhagien hindenten. An anderen Stellen wieder fin- 
det in grosser Ausdehnung, selbst an pigmentirten Zellen, eine 
Fettmetamorphose statt, mit der ein Zerfall und eine partielle 
Erweichung verbunden ist. Die Intercellularsubstanz ist sehr ver- 
schieden, mehr entsprechend den jedesmaligen Muttergeweben. 
Wo die Sclerotica mit erkrankt, da sieht man zwischen den Pig- 
mentzellen die dichtesten Faserlamellen ; an der Choroides selbst 
liegt eine Bebr zarte, schwach fibriUäre Zwischensubstaaz zwischen 
den Zellen, nur hie und da durch einen derberen Gefässbalken 
oder einen Nervenstrang unterbrochen; in den itmersten Theilen 
fehlt die Intercellularsubstanz häufig fast ganz. 

Das Fortschreiten der Erkrankung studirt man am besten 
an dar Sclerotica. Hier sieht man zuerst die Elemente sich ver- 
grossem und die Kerne sich vermehren. Alleia sehr schnell 
färben sich diese Elemente braun, so dass zu einer Zeit, wo die 
Struktur des alten Gewebes noch ziemlich unversehrt ist, schon 



*) Hulke. Transact. of the Path. Soc. Lond. 1857. Vol. VIII. p. ; 
l. PI. VII. fig. 7 — 8. 
•♦) Virchow. Archir. Bd. IV. S. 631. 



lyCoogle 



284 Nennzehnte Vorlesnng. 

eiae vollständige Pigmentining der Zelleo atattgefnadeo hat Diese 
pigmentirEen Zellen theilen sich weiterhin nnd versehren mehr 
und mehr die Intercellularsubstanz. 

Dass der un<prÜDg1iche Mutterboden, das Choroidealgewebe, 
die eige thümliche Richtung der GeBchwalsteatwickeluDg bestimmt, 
kann wohl nicht zweifelhaft sein. Freilich giebt es auch Fälle 
von ungefärbtem Sarkom, die primär in der Ghoroides auftraten. 
Ich habe selbst einen solchen Fall untersucht"), der nicht zwei- 
felhaft sein konnte, da sich wesentlich Spindelzellen fanden; 
Hulke") besehreibt einen ganz ähnlichen als Mednllarkfebs. 
Möglicherweise ist hier der weniger pigmentirto innere Theil der 
Ghoroides der Ausgangspunkt. Indess kommen auch ungefärbte 
Sarkome, namentlich solche mit vielkernigen Zellen, an Stellen 
vor, wo normal fast nur pigmentirtes Gewebe liegt. Ich sah ein 
solches von der Iris***). Hulke beschreibt einen anderen Fall, 
der wahrscheinlich von der Ghoroides ausgingt), ^ftss auch 
diese Erscheinung einen Örtlichen Grund hat, bezweifle ich nicht, 
obwohl ich ihn nicht anzugeben vermag; jedenfalls ist das aicher, 
dass metastatische Melanosen im Innern des Auges kaum jemals 
vorkommen, ganz entsprechend dem frnher von mir entwickelten 
Gesetze (Bd. I., S. 69). Polandtt)i der gerade umgekehrt die 
Melanose des Auges im Allgemeinen als eine secundäre Krank- 
heit bezeichnet, yerschliesst sich mit dieser Auffassung den eigent- 
lichen Zugang zu der Erkenntniss des Vorganges. 

Die Erfahrung lehrt vielmehr, dass vom Auge aus die In- 
fektion, Dissemination und Metastase in der geßhrlichsten Weise 
fortschreitet. Der gewChnliehste Weg ist nach' innen gegen die 
Augen- und Schädelböble hin, wo am häufigsten die weiche Hirn- 
haut befallen wird. Weiterbin sind es namentlich die Leber, die 



•) V. Gräfe. Archiv f. Ophthalmologie, Bd. IV. 2. S. 223. 
") Hulke. Ophth. Hosp. Rep. Vol. IV. P. I. p. 85. 
"■) T. Gräfe. Archiv f. Ophthalmologie. Bd. VII. 2. S. 38. 
t) Hulke 1. c. Vol. III. p. 283. 
tt) Poland I. c. p. 170. Die einzigen, mir bekannten Fälle, wo man 
die Helanose dee Augea als metastatiach anaehen konnte, beziehen gich anf 
äussere. In dem von Chomel (a. a. 0.) war eine Orbital-Meianose mit 
grossen Leberknoten combinirt; in dem von Sichel (Iconogr. ophth. p 536) 
waren Pigmentflecke in der Sclerotica und eine Infiltration in der Scheide 
dea Opticus bei ausgebreiteter Melanose dea Gehirns und der Uoterleiba- 
organe, aber mnglicherweise bei gleichzeitiger innerer Melanose dea anderen 
Auges. 



lyCoogle 



Prognose des Äugen - HelaDosarkoms. 28Ö 

Nierea, die Longen, das Herz und der Digestionstractus, die 
Lymphdrflaen und die Schilddrüse, welche heimgesucht werden. 
Ob es Waaderzellen sind, welche dabei die Vennittler spielen, 
musB eret durch genauere Beobachtungen festgestellt werden. Der 
Umstand, dass selbst bei anderen Erkrankungen -des inneren 
Auges eine bis jetzt freilich immer als rein mechanisch betrach- 
tete*) Einwanderung von Pigment aus der Choroides in die Retina 
stattfindet, sowie der andere, dasg man in den Gefässen der Um- 
gebung bei Melanose Pigment gesehen haben will**), sprechen ffir 
jene Möglichkeit, welche jedenfalls das discontinuirliche Vorkom- 
men disseminirter Melanose an den Hirnhäuten und der Parotis 
besser erklärt, als die Leitung blosser FlQssigkeiten. 

Die Gefahr wird wahrscheinlich noch gesteigert, wenn die 
Melanose nicht einfach sarkomatös, sondern gemischt, sarkomato- 
earcinomatös ist. Ich habe das Sarcoma carcinomatodes wieder- 
holt beobachtet, am deutlichsten in einem Falle, wo Herr t. Gräfe 
ein glaukomatöses Auge esstirpirt hatte, dessen hinterer Raum 
fast ganz Ton einer bunten Gescbwulstmasse eingenommen war, 
welche nach vorn bis in das Corpus ciliare und in die Sclerotica 
flbergriff und welche nach hinten liellbraune fungöse Wucherungen 
am äusseren Umfange des Bulbus erzeugt hatte. Diese letzteren 
sowohl, als mehrere grössere Abschnitte der inneren Masse hat- 
ten den reinen Spindelzellensarkom -Charakter, während andere 
innere Abschnitte, sowie die Erkrankung des Ciliarkörpers grosse 
Alveolen mit pigmentirtem Stroma und einem grosszelligen Al- 
veolen - Inhalt zeigten. Nach einiger Zeit bildete sich ein Reci- 
div in der Orbita in der Form der Melanose enkyst6e, welches 
fast rein carcinomatös war. — 

Primäre Melanosarkome innerer Organe sind fast gar 
nicht bekannt. Einzelne entgegenstehende Angaben bezieben sich 
auf das Vorkommen anderer gefärbter Geschwülste, in welchen 
das Pigment aus stockendem oder extravasirtem Blute hervorge- 
gangen war, die also deni Gebiet der eigentlichen Melanose 



•) Junge. Archiv f. Ophthalm. Bd. V. 1. S. 69, 79. Schweigger. 
Ebendas. S. 107. Bd. V. 2. S. 221, 236. Maes in Dondera Tweede jaarlijksch 
verslag over het Nederl. Gastbuis voor ooglijders. Utrecht t«(il. Bl. 266. 
Bollittg Pope. WUrzb. med. Zeitschr. 18ti2. Bd. 111. S. 244. Ä. Pagen- 
stecher. Ebendas. S. 399. 

**) Holmes Goote. The Lancet 1846. Äug. II. 6. 



lyCoogle 



286 HeuDzehnte Vorlesung. 

nicht angehören •*•). Zuweilen hat man die Leber f) als Primär- 
sitz der Melanose angeschnldigt. Allein in den meisten dieser 
Fälle waren doch auch Knoten in der Haut, im ünterhautgewebe 
oder in der Orbita vorhanden, und es ist sehr- wahrscheinlich, 
dass diese die Primarleidea waren. Wie bei dem Sogenannten 
Leberkrebs, bo kommt es auch bei der Melanose Tor, dass die 
metastatiscbe Erkrankung der Leber einen Umfang erreicht, gegen 
welchen die Grösse der Primärknoten fast verschwindend klein 
ist, aber dies beweisst nur, dass die Leber ein besondere gün- 
stiger Eeimboden für die Melanose ist. Ein Fall, in dem die 



Fig. 153. MetaBtatisches melanotiacheg Radiäraarkoio der Leber. Mao 
sieht zahlreiche grössere und kleinere HerTortreibuogen der Oberfläche, die 
meisten flachrundüth, einzelne schwach genabelt Iq der Regel haben sie in 
der Mitte eine derbere und hellere Stelle, Dm welche die schwarzen Hassen 
radiär-baumförmig geordnet sind. A.uf einem Einschnitte in die Leber sieht 
man das Verhältniss im Innern des Organs. (Präparat No. 814a.). Etwa in 
halber natürlicher Grösse. 

•) So beschreibt Warren (Obs. on tumours p. 65) eine incystirte Muskel- 
Melanose, die offenbar nichts anderes, als ein alter Ilämatomknoten war, 
und von seinem Fall von maligner Melanose im Muskel (p. 71) ist es wenig- 
stens zweifelhaft, ob nicht die primäre ASektion einem oberflächlichen Theile 
angehört j^at. 

") Chomel a. a. 0. 0. G. Natorp. Diss. sistens historiam morbi de 
melanosi cordis, hepatis totiusque telae cellulosae. Berol. 1836. 



lyCoogle 



Melanosarkom der Leber und des Darms. 287 

gewöhnlichen Primäretellen frei gewesen zu eein scheinen und 
doch eine höchst ausgedehnte Entwickelui^ eines meknotischeD 
SpindelzellensarkoniB in der Leber stattgefunden hatte, ist von 
Lebert*) beobachtet worden. Derselbe unterscheidet sich durch 
den Charakter einer mehr diffusen „Infiltration" des ganzen Or- 
gans von den gewöhnlichen Fällen der Metastase. Denn in die- 
sen bilden sich gewöhnlich einzelne, grössere, scharf umgrenzte 
Kngelknoten, welche freilich sehr zahlreich sein können. Zuwei- 
len sind sie rein schwarz oder schwarzbraun; manchmal jedoch 
wechseln auch in ihnen gefärbte und ungefärbte Stellen und es 
kommt sogar vor, dass sie den unebenen, narbenartigen Charak- 
ter rückgängiger Krebse darbieten (Fig. 152), ohne dass sie 
jedoch aufhören, Spindelzellen-Sarkome zu sein. In recht ausge- 
prägten Fällen zeichnen sie sich durch die radiäre, zuweilen fast 
fasciculäre Anordnung der einzelnen Geschwulsttheilchen um ein 
gemeinschaftliches Centrum sehr deutlich vor dem Krebse aus. 

Auch die anderen Oi^ane des chylopoetiscben Systems sind 
der primären Melanose wenig ausgesetzt. Nur am Mastdarm ist 
das melanotische Sarkom als Primärleiden sicher beobachtet*), 
was um so bemerkenswerther ist, als dies gerade eine der Prä- 
dilectionsstellen beim Pferde ist. Dagegen sind Metastasen auf 
Magen und Darm, sowohl bei Melanosen der Haut, als bei denen 
des Auges nicht selten und sie verdienen ihrer Eigenthümlichkeit 
wegen eine besondere Erwähnung: Sie stehen gewissermaassen 
denen der äusseren Haut am nächsten, insofern sie von der 
Schleimhaut, also von der Oberfläche ausgehen und hier zuerst 
in Form der kleinsten schwarzen Flecke oder Stippchen erschei- 
nen. Werden sie grösser, so greifen sie in das submucOse Ge- 
webe und noch tiefer, bilden zunächst rundliche, erbsenfönnige 
Knoten, später mehr flache oder flachrundliche Anschwellungen, 
die eine grosse Neigung znr Ulceration besitzen. Man findet sie 
zuweilen in ungeheurer Zahl durch den Magen und den ganzen 



*} FrerichB. Klinik der Leberkrackheiten. Braunachv. 1861. Bd. II. 
S. 286, 319. Fig. 20—21. Herr Frerichs hatte die Oöta, mir eine colo- 
rirte Abbildung dieser Leber zu zeigen, velche das eigentbümliche Wesen 
diesee Falles noch deutlicher darthat, als der UohBchnitt in seioem Werke. 
Er erinnerte sich noch eines zweiten, ähnlichen Falles. 

**) R. Maier. Bericht der naturf. Ges. zd Freibnrg in Breisg. 1858. 
No. 30. Taf. XIV. flg. 1. leb selbst habe einen Fall von Helanosarcoma car- 
cinomatodes mit sehr malignem Verlauf untersncht. 



lyCoogle 



Nenozehnte Vorlegung. 



Verlauf des Darms verbreitet. Sie sind den krebBig-melanotischeo 
Geschwüren ho ähnlich, dass nur die mikroskopische UntersuchnK 
eine Unterscheiduag möglieb macht. 

Nicht minder aufTälltg sind die Metastasen auf die wei- 
chen Häute des Gehirns und des Räckenmarks, fQr 
welcLe es in der ganzen Gesehwulstgeachichte kaum eine Ana- 
logie giebt. Sie sind gewöhnlich im böchsten Grade multipel, 
verbreiten sieh im Umfange der Gefässe an den verschiedensten 
Stellen, erscheinen zuerst punktförmig, dann feinknotig nnd zu- 
letzt ganz diHus, greifen später auf die Substanz des Gehirns, des 
Rückenmarks oder der Nerven über und bedingen so die schwer- 
sten Zufalle. In einem Falle sab ich fast die ganze Dicke des 
Rückenmarks von einem solchen, ans der Arachnoides spinalis 
hervorgewucberten Melanosarkom durchdrungen. 



Fig. 153. Metastatieche ulcerosa MelaooBarkorae des DuodeoiimB. Bei 
p der PjloTUS. Neben grossen, Sachen, mit diateDäbQÜcher Masse erfDIIten 
GeschwQreD, die eiaeo scbarf abgesthoittenes, leicht erhabenen Santo und 
nahezu rundliche Gestalt haben, sieht man zahlreiche miliare Knötchen 
bis SU blossen Flecken, die frisch fast wie Diotenflecke anssahen. (Präp. 
Mo, %üb.). Nahezu natttrliche Grasse. Von demselbeo Fall, wie Fig. 162. 



lyCoogle 



„Google 



„Google 



„Google 



„Google 



r 



„Google 



„Google