BURCKHARDT
DIE KULTUR DER RENAISSANCE
JACOB BURCKHARDT
DIE KULTUR
DER RENAISSANCE
IN ITALIEN
GROSSE ILLUSTRJERTE PHAI DON -AUSGABE
ALLE RECHTE AN TEXT UND BILDERN VORBEHALTEN
PHAIDON-VERLAG- WIEN
|^
DRUCK DES TEXTES: OFFIZIN HAAG DRUGULIN AG. IN LEIPZIG
DRUCK DER BILDER: WAGNERSCHE UNIVERSITATSBUCHDRUCKEREI IN INNSBRUCK
VORBEMERKUNG
Der Wunsch, von den großen Denkmälern des Schrifttums verschwenderisch
geformte Buchausgaben zu besitzen, ist geistig wohl begründet und fern von
bibliophiler Ziererei. — Burckhardts geschlossenste Arbeit, gerundet als Stil-
kunstwerk und als Gedankenwelt, seine ,,KuUur der Renaissance in Italien"
gehört zu den Standbüchern der deutschen Literatur; diese Wertung gibt der
vorliegenden Ausgabe ihre ehrliche Sonderberechtigung. Wo nur Anspruch
auf Belehrung gestellt wird und die Lust des Besitzes am Wohlgeformten
nicht stärker spricht, erfüllen jene vielen Ausgaben, die billiger zu. bekommen
sind als die unsere, noch immer ihren Gebrauchszweck.
Unser Bemühen bei Herstellung des Bandes war also, für einen bedeutenden
Gehalt eine bedeutende Gestalt zu finden. Mehr als solche Arbeit am Äuße-
ren konnte in diesem Falle nicht getan werden: vielleicht aber wurde dadurch
für viele die Erneuerung eines Erbgutes bewirkt.
DER PHAIDON-VERLAG
ÜBERSICHT
ERSTER ABSCHNITT
DER STAAT ALS KUNSTWERK
ZWEITER ABSCHNITT
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
DRITTER ABSCHNITT
DIE WIEDERERWECKUNG
DES ALTERTUMS
VIERTER ABSCHNITT
DIE ENTDECKUNG DER WELT
UND DES MENSCHEN
FÜNFTER ABSCHNITT
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
SECHSTER ABSCHNITT
SITTE UND RELIGION
ANHANG
DIE KULTUR DER RENAISSANCE
IN BILDERN
ERSTER ABSCHNITT
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Im wahren Sinne des Wortes führt diese Schrift den Titel eines bloßen
Versuches, und der Verfasser ist sich deutlich genug bewußt, daß er mit
sehr mäßigen Mitteln und Kräften sich einer überaus großen Aufgabe
unterzogen hat. Aber auch wenn er mit stärkerer Zuversicht auf seine
Forschung hinblicken könnte, so wäre ihm der Beifall der Kenner kaum
sicherer. Die geistigen Umrisse einer Kulturepoche geben vielleicht für
jedes Auge ein verschiedenes Bild, und wenn es sich vollends um eine
Zivilisation handelt, welche als nächste Mutter der unsrigen noch jetzt
fortwirkt, so muß sich das subjektive Urteilen und Empfinden jeden
Augenblick beim Darsteller wie beim Leser einmischen. Auf dem weiten
Meere, in welches wir uns hinauswagen, sind der möghchen Wege und
Richtungen viele, und leicht könnten dieselben Studien, welche für diese
Arbeit gemacht wurden, unter den Händen eines andern nicht nur eine
ganz andere Benützung und Behandlung erfahren, sondern auch zu
wesenthch verschiedenen Schlüssen Anlaß geben. Der Gegenstand an
sich wäre wichtig genug, um noch viele Bearbeitungen wünschbar zu
machen, Forscher der verschiedensten Standpunkte zum Reden aufzu-
fordern. Einstweilen sind wir zufrieden, wenn uns ein geduldiges Gehör
gewährt und dieses Buch als ein Ganzes aufgefaßt wird. Es ist die wesent-
lichste Schwierigkeit der Kulturgeschichte, daß sie ein großes geistiges
Kontinuum in einzelne scheinbar oft willkürliche Kategorien zerlegen
muß, um es nur irgendwie zur Darstellung zu bringen. — Der größten
Lücke des Buches gedachten wir einst durch ein besonderes Werk über
„die Kunst der Renaissance" abzuhelfen; ein \"orsatz, welcher nur ge-
ringernteils hat ausgeführt werden können.^
Einleitimg
Der Kampf zwischen den Päpsten und den Hohenstaufen hinterließ politischer
zuletzt Italien in einem politischen Zustande, welcher von dem des
übrigen Abendlandes in den wesentlichsten Dingen abwich. Wenn in
Frankreich, Spanien, England das Lehnssystem so geartet war, daß es
nach Ablauf seiner Lebenszeit dem monarchischen Einheitsstaat in die
Burckhardt 1
Zustand im
13. Jahrh.
2 DER STAAT ALS KUNSTWERK
Arme fallen mußte, wenn es in Deutschland wenigstens die Einheit des
Reiches äußerlich festhalten half, so hatte Italien sich ihm fast völlig
entzogen. Die Kaiser des 14. Jahrhunderts wurden im günstigsten
Falle nicht mehr als Oberlehnsherrn, sondern als mögliche Häupter
und Verstärkungen schon vorhandener Mächte empfangen und geachtet;
das Papsttum aber mit seinen Kreaturen und Stützpunkten war gerade
scark genug, jede künftige Einheit zu verhindern, ohne doch selbst eine
Die schaffen zu können^. Zwischen den beiden waren eine Menge politischer
"vilmdt*^ Gestaltungen — Städte und Gewaltherrscher — teils schon vorhanden,
teils neu emporgekommen, deren Dasein rein tatsächlicher Art war^.
In ihnen erscheint der moderne europäische Staatsgeist zum erstenmal
frei seinen eigenen Antrieben hingegeben; sie zeigen oft genug die fessel-
lose Selbstsucht in ihren furchtbarsten Zügen, jedes Recht verhöhnend,
jede gesunde Bildung im Keim erstickend; aber wo diese Richtung über-
wunden oder irgendwie aufgewogen wird, da tritt ein neues Lebendiges
in die Geschichte: der Staat als berechnete, bewußte Schöpfung, als
Kunstwerk. In den Stadtrepubliken wie in den Tyrannenstaaten prägt
sich dies Leben hundertfaltig aus und bestimmt ihre innere Gestalt so-
wohl als ihre Politik nach außen. Wir begnügen uns mit der Betrachtung
des vollständigeren, deutlicher ausgesprochenen Typus desselben in den
Tyrannenstaaten.
Der Staat Der innere Zustand der von Gewaltherrschern regierten Territorien
hatte ein berühmtes Vorbild an dem Normannenreiche von Unteritalien
und Sizilien, wie Kaiser Friedrich II. es umgestaltet hatte*. Aufgewach-
sen unter Verrat und Gefahr in der Nähe von Sarazenen, hatte er sich
frühe gewöhnt an eine völlig objektive Beurteilung und Behandlung der
Dinge, der erste moderne Mensch auf dem Throne. Dazu kam eine nahe,
vertraute Kenntnis von dem Innern der sarazenischen Staaten und ihrer
Verwaltung, und jener Existenzkrieg mit den Päpsten, welcher beide
Parteien nötigte, alle denkbaren Kräfte und Mittel auf den Kampfplatz
zu führen. Friedrichs Verordnungen (besonders seit 1231) laufen auf
die völlige Vernichtung des Lehnstaates, auf die Verwandlung des Vol-
kes in eine willenlose, unbewaffnete, im höchsten Grade steuerfahige
Masse hinaus. Er zentralisierte die ganze richterliche Gewalt und die
Verwaltung in einer bisher für das Abendland unerhörten Weise; kein
Amt mehr dujfte durch Volkswahl besetzt werden, bei Strafe der Ver-
wüstung des betreffenden Ortes und Degradation der Bürger zu Hörigen.
Mohammt- Die Stcucrn, beruhend auf einem umfassenden Kataster und auf moham-
Einwirkung medanischcr Routine, wurden beigetrieben mit jener quälerischen und
grausamen Art, ohne welche man dem Orientalen freilich kein Geld aus
den Händen bringt. Hier ist kein Volk mehr, sondern ein kontrollier-
DER STAAT ALS KUNSTWERK
barer Haufe von Untertanen, die z. B. ohne besondere Erlaubnis nicht
auswärts heiraten und unbedingt nicht auswärts studieren durften; — die
Universität Neapel übte den frühsten bekannten Studierzwang, während
der Orient seine Leute wenigstens in diesen Dingen frei ließ. Echt mo-
hammedanisch dagegen war es wiederum, daß Friedrich nach dem gan-
zen Mittelmeer eigenen Handel trieb, viele Gegenstände sich vorbehielt
und den Handel der Untertanen hemmte. Die fatimidischen Kalifen
mit ihrer Geheimlehre des Unglaubens waren (wenigstens anfangs) tole-
rant gewesen gegen die Religionen ihrer Untertanen; Friedrich dagegen
krönt sein Regierungssystem durch eine Ketzerinquisition, die nur um
so schuldvoller erscheint, wenn man annimmt, er habe in den Ketzern
die Vertreter freisinnigen städtischen Lebens verfolgt. Als Polizeimann-
schaft im Innern und als Kern der Armee nach außen dienten ihm end-
lich jene aus Sizihen nach Luceria und nach Nocera übergesiedelten
Sarazenen, welche gegen allen Jammer taub und gegen den kirchlichen
Bann gleichgültig waren. Die Untertanen, der Waffen entwöhnt, ließen
später den Sturz Manfreds und die Besitznahme des Anjou leicht und
willenlos über sich ergehen; letzterer aber erbte diesen Regierungsmecha-
nismus und benützte ihn weiter.
Neben dem zentralisierenden Kaiser tritt ein Usurpator der eigentüm-
lichsten Art auf: sein Vicarius und Schwiegersohn Ezzehno da Romano.
Er repräsentiert kein Regierungs- und Verwaltungssystem, da seine Tä-
tigkeit in lauter Kämpfen um die Herrschaft im östlichen Oberitalien
aufging, allein er ist als politisches Vorbild für die Folgezeit nicht minder
wichtig als sein kaiserlicher Beschützer. Alle bisherige Eroberung und
Usurpation des Mittelalters war entweder auf wirkliche oder vorgegebene
Erbschaft und andere Rechte hin oder gegen die Ungläubigen oder Ex-
kommunizierten vollbracht worden. Hier zum erstenmal wird die Grün-
dung eines Thrones versucht durch Massenmord und endlose Scheußlich-
keiten, d. h. durch Aufwand aller Mittel mit alleiniger Rücksicht auf
den Zweck. Keiner der Spätem hat den Ezzelino an Kolossalität des
Verbrechens irgendwie erreicht, auch Cesare Borgia nicht, aber das
Beispiel war gegeben, und Ezzelinos Sturz war für die Völker keine
Herstellung der Gerechtigkeit und für künftige Frevler keine Warnung.
Umsonst stellte in einer solchen Zeit S. Thomas von Aquino, der ge-
borene Untertan Friedrichs, die Theorie einer konstitutionellen Herr-
schaft auf, wo der Fürst durch ein von ihm ernanntes Oberhaus und eine
vom Volk gewählte Repräsentation unterstützt gedacht wird. Derglei-
chen verhallte in den Hörsälen, und Friedrich und Ezzelino waren und
blieben für Itahen die größten politischen Erscheinungen des 13. Jahr-
hunderts. Ihr Bild, schon halb fabelhaft widergespiegelt, ist der wichtig-
Die
Herrschaft
Ezzelinos
Einfluß
Friedrichs
und
Ezzelinos
A DER STAAT ALS KUNSTWERK
ste Inhalt der „hundert aUen Novellen", deren ursprüngliche Redaktion
gewiß noch in dies Jahrhundert fällt*. Ezzelino wird hier bereits mit einer
scheuen Ehrfurcht geschildert, welche der Niederschlag jedes ganz großen
Eindruckes ist. Eine ganze Literatur, von der Chronik der Augenzeugen
bis zur halbmythologischen Tragödie, schloß sich an seine Person an*.
Henscherdes Die größcm Und kleinern Gewaltherrschaften des 14. Jahrhunderts
14. jahrh. ygj.j.2(-gj^ g3 häufig genug, daß Eindrücke dieser Art nicht verloren waren.
Ihre Missetaten schrien laut, und die Geschichte hat sie umständlich
verzeichnet, aber als ganz auf sich selbst gestellte und danach organi-
sierte Staaten haben sie immerhin ein höheres Interesse.
Die bewußte Berechnung aller Mittel, wovon kein damaliger außer-
italischer Fürst eine Idee hatte, verbunden mit einer innerhalb der Staats-
grenzen fast absoluten Machtvollkommenheit, brachte hier ganz beson-
dere Menschen und Lebensformen hervor'. Das Hauptgeheimnis der
Herrschaft lag für die weisern Tyrannen darin, daß sie die Steuern
Finanzen mögllchst SO licßcn, wlc sic dieselben angetroffen oder am Anfange ein-
gerichtet hatten: eine Grundsteuer, basiert auf einem Kataster; be-
stimmte Konsumsteuern und Zölle auf Ein- und Ausfuhr, wozu noch
die Einnahmen von dem Privatvermögen des herrschenden Hauses ka-
men; die einzige mögliche Steigerung hing ab von der Zunahme des all-
gemeinen Wohlstandes und Verkehres. Von Anleihen, wie sie in den
Städten vorkamen, war hier nicht die Rede; eher erlaubte man sich
hier und da einen wohlberechneten Gewaltstreich, vorausgesetzt, daß er
den ganzen Zustand unerschüttert ließ, wie z. B. die echt sultanische
Absetzung und Ausplünderung des obersten Finanzbeamten*.
Der Hof Mit dicscu Einkünften suchte man auszureichen, um den kleinen Hof,
die Leibwache, die geworbene Mannschaft, die Bauten — und die Spaß-
macher sowohl als die Leute von Talent zu bezahlen, die zur persön-
lichen Umgebung des Fürsten gehörten. Die Illegitimität, von dauern-
den Gefahren umschwebt, vereinsamt den Herrscher; das ehrenvollste
Bündnis, welches er nur irgend schließen kann, ist das mit der höhern
geistigen Begabung, ohne Rücksicht auf die Herkunft. Die Liberalität
(Mildekeit) der nordischen Fürsten des 13. Jahrhunderts hatte sich auf die
Ritter, auf das dienende und singende Adelsvolk beschränkt. Anders der
monumental gesiimte, ruhmbegierige italienische Tyrann, der das Talent
als solches braucht. Mit dem Dichter oder Gelehrten zusammen fühlt er
■ sich auf einem neuen Boden, ja fast im Besitz einer neuen Legitimität.
Weltbekannt ist in dieser Beziehung der Gewaltherrscher von Verona,
Abh.6 Can Grande dclla Scala, welcher in den ausgezeichneten Verbannten
DER STAAT ALS KUNSTWERK 5
an seinem Hofe ein ganzes Italien beisammen unterhielt. Die Schrift-
steller waren dankbar; Petrarca, dessen Besuche an diesen Höfen so strenge
Tadler gefunden haben, schilderte das ideale Bild eines Fürsten des uas damalige
14. Jahrhunderts». Er verlangt von seinem Adressaten — dem Herrn „emcb^
von Padua — vieles und Großes, aber auf eine Weise, als traute er es
ihm zu. „Du mußt nicht Herr deiner Bürger, sondern Vater des Vater-
landes sein und jene wie deine Kinder lieben^", ja wie Glieder deines
Leibes. Waffen, Trabanten und Söldner magst du gegen die Feinde
wenden — gegen deine Bürger kommst du mit dem bloßen Wohlwollen
aus; freihch meine ich nur die Bürger, welche das Bestehende lieben,
denn wer täglich auf Veränderungen sinnt, der ist ein Rebell und Staats-
feind, und gegen solche mag strenge Gerechtigkeit walten!" Im einzelnen
folgt nun die echt moderne Fiktion der Staatsallmacht; der Fürst soll
für alles sorgen, Kirchen und öffentliche Gebäude herstellen und unter-
halten, die Gassenpolizei aufrechthalten^i, Sümpfe austrocknen, über
Wein und Getreide wachen; die Steuern gerecht verteilen. Hilflose und
Kranke unterstützen und ausgezeichneten Gelehrten seinen Schutz und
Umgang widmen, indem dieselben für seinen Nachruhm sorgen würden.
Aber welches auch die allgemeinen Lichtseiten und die Verdienste Gefahren der
, , , j Tyrann!?
einzelner gewesen sein mögen, so erkannte oder ahnte doch schon das
14. Jahrhundert die geringe Dauer, die Garantielosigkeit der meisten
dieser Tyrannien. Da aus innern Gründen politische Verfassungen wie
diese genau um so viel haltbarer sind, als das Gebiet größer ist, so waren
die mächtigeren Gewaltherrschaften stets geneigt, die kleinern zu ver-
schlingen. Welche Hekatombe kleiner Herrscher ist nur allein den Vis-
conti in dieser Zeit geopfert worden! Dieser äußern Gefahr aber ent-
sprach gewiß fast jedesmal eine innere Gärung, und die Rückwirkung
dieser Lage auf das Gemüt des Herrschers mußte in den meisten Fällen
überaus verderblich sein. Die falsche Allmacht, die Aufforderung zum
Genuß und zu jeder Art von Selbstsucht von der einen, die Feinde und
Verschwörer von der andern Seite machten ihn fast unvermeidlich zum
Tyrannen im übeln Sinne. Wäre nur wenigstens den eigenen nächsten
Blutsverwandten zu trauen gewesen! Allein wo alles illegitim war, da
konnte sich auch kein festes Erbrecht, weder für die Sukzession in der Mangelhaftes
Herrschaft, noch für die Teilung der Güter bilden, und vollends in dro-
henden Augenblicken schob den unmündigen oder untüchtigen Fürsten- .
söhn ein entschlossener Vetter oder Oheim beiseite, im Interesse des
Hauses selbst. Auch über Ausschluß oder Anerkennung der Bastarde
war beständiger Streit. So kam es, daß eine ganze Anzahl dieser Fami-
lien mit unzufriedenen, rachsüchtigen Verwandten heimgesucht waren;
ein Verhältnis, das nicht eben selten in offenen Verrat und in wilden
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Familienmord ausbrach. Andere, als Flüchtlinge auswärts lebend, fassen
sich in Geduld und behandeln auch diese Sachlage objektiv, wie z. B.
jener Visconti, der am Gardasee Fischnetze auswarf^*; der Bote seines
Gegners fragte ihn ganz direkt: wann er wieder nach Mailand zurück-
zukehren gedenke? und erhielt die Antwort: „nicht eher, als bis die
Schandtaten jenes über meine Verbrechen das Übergewicht erlangt
haben v/erden". Bisweilen opfern auch die Verwandten den regierenden
Herrn der allzusehr beleidigten öffcnthchen Moral, um dadurch das
Gesamthaus zu retten^'. Hier und da ruht die Herrschaft noch so auf der
Gesamtfamilie, daß das Haupt an deren Beirat gebunden ist; auch in
diesem Falle veranlaßte die Teilung des Besitzes und des Einflusses leicht
den bittersten Hader.
Der Pomp Bci den damaligen florentinischen Autoren begegnet man einem durch-
gehenden tiefen Haß gegen dieses ganze Wesen. Schon das pomphafte
Aufziehen, das Prachtkostüm, wodurch die Gewaltherrscher vielleicht
weniger ihrer Eitelkeit Genüge tun als vielmehr Eindruck auf die Phan-
tasie des Volkes machen wollten, erweckt ihren ganzen Sarkasmus.
Wehe wenn ihnen gar ein Emporkömmling in die Hände fällt wie der
neugebackene Doge Agnello von Pisa (1364), der mit dem goldenen
Zepter auszureiten pflegte und sich dann wieder zu Hause am Fenster
zeigte, „wie man Reliquien zeigt", auf Teppich und Kissen von Gold-
stofi" gelehnt; kniend mußte man ihn bedienen wie einen Papst oder
Abscheu der Kaiscr^*. öfter aber reden diese alten Florentiner in einem erhabenen
Florentiner £j,j,5|. Dantc^* erkennt und benennt vortreff"lich das Unadclige: Ge-
meinverständige der neufürstlichen Hab- und Herrschgier. ,,Was tönen
ihre Posaunen, Schellen, Hörner und Flöten anders als herbei zu uns,
ihr Henker! ihr Raubvögel!" Man malt sich die Burg des Tyrannen hoch
und isoliert, voller Kerker und Lauschröhren ^', als einen Aufenthalt
der Bosheit und des Elends. Andere weissagen jedem Unglück, der in
Tyrannendienste gche^' und bejammern am Ende den Tyrannen selbst,
welcher unvermeidlich der Feind aller Guten und Tüchtigen sei, sich
auf niemanden verlassen dürfe, und den Untertanen die Erwartung
seines Sturzes auf dem Gesicht lesen könne. ,,So wie die TjTannien
entstehen, wachsen und sich befestigen, so wächst auch in ihrem Innern
verborgen der Stoff mit, welcher ihnen Verwirrung und Untergang
bringen muß^^." Der tiefste Gegensatz wird nicht deutlich hervor-
gehoben: Florenz war damals mit der reichsten Entwicklung der Indivi-
dualitäten beschäftigt, während die Gewaltherrscher keine andere In-
, dividualität gelten und gewähren ließen als die ihrige und die ihrer
nächsten Diener. War doch die Kontrolle des einzelnen Menschen bis
' aufs Paßwesen herab schon völlig durchgeführt^'.
DER STAAT ALS KUNSTWERK y
Das Unheimliche und Gottverlassene dieser Existenz bekam in den
Gedanken der Zeitgenossen noch eine besondere Farbe durch den noto-
rischen Sternglauben und Unglauben mancher Herrscher. Als der letzte
Carrara in seinem pestverödeten Padua (1405) die Mauern und Tore
nicht mehr besetzen konnte, während die Vcnetianer die Stadt um-
zingelten, hörten ihn seine Leibwachen oft des Nachts dem Teufel
rufen: er möge ihn töten!
Die vollständigste und belehrendste Ausbildung dieser Tyrannis des Die visconU;
14. Jahrhunderts findet sich wohl unstreitig bei den Visconti in Mai- ''"^
land, von dem Tode des Erzbischofs Giovanni (1354) an. Gleich meldet
sich in Bernabo ganz unverkennbar eine Familienähnlichkeit mit den am. 5
schrecklichsten römischen Imperatoren^"; der wichtigste Staatszweck ist
die Eberjagd des Fürsten; wer ihm dareingreift, wird martervoll hin-
gerichtet; das zitternde Volk muß ihm 5000 Jagdhunde füttern, unter
der schärfsten Verantwortlichkeit für deren Wohlbefinden. Die Steuern
werden mit allen denkbaren Zwangsmitteln emporgetrieben, sieben Töch-
ter, jede mit 100 000 Goldgulden ausgestattet und ein enormer Schatz
gesammelt. Beim Tode seiner Gemahlin (1384) erschien eine Notifi-
kation ,,an die Untertanen", sie sollten, wie sonst die Freude, so jetzt
das Leid mit ihm teilen und ein Jahr lang Trauer tragen. — Unver-
gleichlich bezeichnend ist dann der Handstreich, womit ihn sein Neffe
Giangaleazzo (1385) in seine Gewalt bekam, eines jener gelungenen
Komplotte, bei deren Schilderung noch späten Geschichtschreibcrn das
Herz schlägt*^. Bei Giangaleazzo tritt der echte Tyrannensinn für das ciangaieazzo
Kolossale gewaltig hervor. Er hat mit Aufwand von 300000 Goldgulden
riesige Dammbauten unternommen, um den Mincio von Mantua, die
Brenta von Padua nach Belieben ableiten und diese Städte wehrlos
machen zu können*^, ja es wäre nicht undenkbar, daß er auf eine Trocken-
legung der Lagunen von Venedig gesonnen hätte. Er gründete^^ ,,das
wunderbarste aller Klöster", die Certosa von Pavia, und den Dom
von Mailand, ,,der an Größe und Pracht alle Kirchen der Christenheit
übertrifft", ja vielleicht ist auch der Palast in Pavia, den schon sein
Vater Galeazzo begonnen und den er vollendete, weitaus die herrlichste
Fürstenresidenz des damaligen Europas gewesen. Dorthin verlegte er
auch seine berühmte Bibliothek und die große Sammlung von Reli-
quien der Heiligen, welchen er eine besondere Art von Glauben widmete.
Bei einem Fürsten von dieser Sinnesart wäre es befremdlich, wenn er Dessen !eut.>
nicht auch im politischen Gebiet nach den höchsten Kronen gegriffen ^°
hätte. König Wenzel machte ihn (1395) zum Herzog; er aber hatte
8 DER STAAT ALS KUNSTWERK
nichts Geringeres als das Königtum von Italien^* oder die Kaiserkrone
im Sinne, als er (1402) erkrankte und starb. Seine sämtlichen Staaten
sollen ihm einst in einem Jahre außer der regelmäßigen Steuer von
1200000 Goldgulden noch weitere 800000 an außerordentlichen Sub-
sidien bezahlt haben. Nach seinem Tode ging das Reich, das er durch
jede Art von Gewalttaten zusammengebracht, in Stücken, und vorder-
hand konnten kaum die altern Bestandteile desselben behauptet werden.
Was aus seinen Söhnen Giovan Maria (f 1412) und Filippo Maria
(t 1447) geworden wäre, wenn sie in einem andern Lande und ohne
von ihrem Hause zu wissen, gelebt hätten, wer weiß es? Doch als Erben
.dieses Geschlechtes erbten sie auch das ungeheure Kapital von Grau-
samkeit und Feigheit, das sich hier von Generation zu Generation auf-
gesammelt hatte.
Giovan Maria Giovau Maria ist wiederum durch seine Hunde berühmt, aber nicht
mehr durch Jagdhunde, sondern durch Tiere, die zum Zerreißen von
Menschen abgerichtet waren und deren Eigennamen uns überliefert
sind wie die der Bären Kaiser Valentinians I.** Als im Mai 1409 wäh-
rend des noch dauernden Krieges das verhungernde Volk ihm auf
der Straße zurief: Face! Face! ließ er seine Söldner einhauen, die 200
Menschen töteten; darauf war bei Galgenstrafe verboten, die Worte
Face und Guerra auszusprechen und selbst die Fricster angewiesen,
statt dona nobis pacem, zu sagen tranquillitatem! Endlich benützten
einige Verschworene den Augenblick, da der Großkondottiere des wahn-
sinnigen Herzogs, Facino Cane, todkrank zu Favia lag, und machten
den Giovan Maria bei der ICirche S. Gottardo in Mailand nieder; der
sterbende Facino aber ließ am selbigen Tage seine Offiziere schwören,
dem Erben Filippo Maria zu helfen, und schlug selber^' noch vor, seine
Gemahlin möge sich nach seinem Tode mit diesem vermählen, wie
denn auch baldigst geschah; es war Beatrice di Tenda. Von Fihppo
Maria wird noch weiter zu reden sein.
Und in solchen Zeiten getraute sich Cola Ricnzi auf den hinfalligen
Enthusiasmus der verkommenen Stadtbevölkerung von Rom eine neue
Herrschaft über Italien zu bauen. Neben Herrschern wie jene ist er von
Anfang an ein armer, verlorener Tor.
Hirrechcrdes Dic Gcwulthcrrschaft im 15. Jahrhundert zeigt einen veränderten
Charakter. Viele von den kleinen Tyrannen und auch einige von den
größern, wie dic Scala und Carrara, sind untergegangen; die mächtigen
haben sich arrondiert und innerlich charakteristischer ausgebildet; Nea-
pel erhält durch die neue aragonesische Dynastie eine kräftigere Rieh-
DER STAAT ALS KUNSTWERK g
tung. Vorzüglich bezeichnend aber ist für dieses Jahrhundert das Streben
der Kondottieren nach unabhängiger Herrschaft, ja nach Kronen; ein
weiterer Schritt auf der Bahn des rein Tatsächhchen und eine hohe
Prämie für das Talent wie für die Ruchlosigkeit. Die kleinern Tyrannen,
um sich einen Rückhalt zu sichern, gehen jetzt gern in Dienste der
größern Staaten und werden Kondottieren derselben, was ihnen etwas
Geld und auch wohl Straflosigkeit für manche Missetaten verschafft,
vielleicht sogar Vergrößerung ihres Gebietes. Im ganzen genommen
mußten Große und Kleine sich mehr anstrengen, besonnener und be-
rechneter verfahren und sich der gar zu massenhaften Greuel enthalten;
sie durften überhaupt nur so viel Böses üben als nachweisbar zu ihren
Zwecken diente — so viel verzieh ihnen auch die Meinung der Un-
beteiligten. Von dem Kapital von Pietät, welches den legitimen abend-
ländischen Fürstenhäusern zustatten kam, ist hier keine Spur, höchstens
eine Art von hauptstädtischer Popularität; was den Fürsten Italiens
wesentlich weiter helfen muß, ist immer Talent und kühle Berechnung.
Ein Charakter wie derjenige Karls des Kühnen, der sich mit wütender Kontrast
Leidenschaft in völlig unpraktische Zwecke hinein verbiß, war den der'Kühnen
Italienern ein wahres Rätsel. ,,Die Schweizer seien ja lauter Bauern,
und wenn man sie auch alle töte, so sei dies ja keine Genugtuung für
die burgundischen Magnaten, die im Kampfe umkommen möchten!
Besäße auch der Herzog die Schweiz ohne Widerstand, seine Jahres-
einkünfte wären deshalb um keine 5000 Dukaten größer usw.^'" Was
in Karl Mittelalterliches war, seine ritterlichen Phantasien oder Ideale,
dafür hatte Italien längst kein Verständnis mehr. Wenn er aber vollends
den Unterführern Ohrfeigen erteilte^ und sie dennoch bei sich behielt,
wenn er seine Truppen mißhandelte, um sie wegen einer Niederlage zu
strafen, und dann wieder seine Geheimräte vor den Soldaten blamierte
— dann mußten ihn die Diplomaten des Südens verloren geben. Lud-
wig XL aber, der in seiner Politik die italienischen Fürsten innerhalb
ihrer eigenen Art übertrifft, und der vor allem sich als Bewunderer des
Francesco Sforza bekannte, ist im Gebiet der Bildung durch seine vulgäre Abb. zs, .^i
Natur weit von jenen Herrschern geschieden.
In ganz merkwürdiger Mischung liegt Gutes und Böses in den italie-
nischen Staaten des 15. Jahrhunderts durcheinander. Die Persönlichkeit
der Fürsten wird eine so durchgebildete, eine oft so hochbedeutende,
für ihre Lage und Aufgabe so charakteristische^*, daß das sittliche Ur-
teil schwer zu seinem Rechte kommt.
Grund und Boden der Herrschaft sind und bleiben illegitim, und ein Illegitimität;
Fluch haftet daran und will nicht davon weichen. Kaiserliche Gut- j'^"^^*^
heißungen und Belehnungen ändern dies nicht, weil das Volk keine
lO
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Notiz davon nimmt, wenn seine Herrscher sich irgendwo in fernen
Landen oder von einem durchreisenden Fremden ein Stück Pergament
gekauft haben 3". Wären die Kaiser etwas nütze gewesen, so hätten sie
die Gewaltherm gar nicht emporkommen lassen, — so lautete die Logik
des unwissenden Menschenverstandes. Seit dem Römerzuge Karls IV.
haben die Kaiser in Italien nur noch den ohne sie entstandenen Gewalt-
zustand sanktioniert, ohne ihn jedoch im geringsten anders als durch
Urkunden garantieren zu können. Karls ganzes Auftreten in Italien
ist eine der schmählichsten politischen Komödien; man mag im Matteo
Villani^i nachlesen, wie ihn die Visconti in ihrem Gebiete herum und
endlich daraus wegeskorticren, wie er eilt gleich einem Meßkaufmann,
um nur recht bald für seine Ware (die Privilegien nämlich) Geld zu
erhalten, wie kläglich er in Rom auftritt, und wde er endlich, ohne einen
Schwertstreich getan zu haben, mit seinem vollen Geldsack wieder über
die Alpen zieht*^. Sigismund kam wenigstens das erste Mal (1414) in der
guten Absicht, Johann XXI II. zur Teilnahme an seinem Konzil zu be-
wegen; damals war es, als Kaiser und Papst auf dem hohen Turm von
Cremona das Panorama der Lombardie genossen, während ihren Wirt,
Abb. 77 den Stadttyrannen Gabrino Fondolo, das Gelüste ankam, beide herunter-
zuwerfen. Das zweite Mal erschien Sigismund völhg als Abenteurer;
mehr als ein halbes Jahr hindurch saß er in Siena wie in einem Schuld-
Ahh. t39 gefängnis, und konnte nachher nur mit Not zur Krönung in Rom ge-
Friediichni. langen. Was soll man vollends von Friedrich III. denken? Seine Be-
suche in Italien haben den Charakter von Ferien- oder Erholungsreisen
auf Unkosten derer, die ihre Rechte von ihm verbrieft haben wollten,
oder solcher, denen es schmeichelte, einen Kaiser recht pomphaft zu be-
Abb. S4 Wirten. So verhielt es sich mit Alfons von Neapel, der sich den kaiser-
lichen Besuch 150000 Goldgulden kosten ließ^. In Ferrara^* hat Fried-
rich bei seiner zweiten Rückkehr von Rom (1469) einen ganzen Tag
lang, ohne das Zimmer zu verlassen, lauter Beförderungen, achtzig an
der Zahl, ausgespendet; da ernannte er cavalieri, conti, dottori, Notare,
und zwar conti mit verschiedenen Schattierungen, als da waren: conte
Palatino, conte mit dem Recht dottori, ja bis auf fünf dottori zu er-
nennen, conte mit dem Recht Bastarde zu legitimieren, Notare zu
kreieren, unehrliche Notare ehrlich zu erklären usw. Nur verlangte sein
Kanzler für die Ausfertigung der betreffenden Urkunden eine Erkennt-
lichkeit, die man in Fcrrara etwas stark fand^*. Was Herzog Borso dabei
dachte, als sein kaiserlicher Gönner dergestalt urkundete und der ganze
kleine Hofsich mit Titeln versah, wird nicht gemeldet. Die Humanisten,
welche damals das große Wort führten, waren je nach den Interessen
geteilt. Während die einen^* den Kaiser mit dem konventionellen Jubel
DER STAAT ALS KUNSTWERK II
der Dichter des kaiserlichen Roms feiern, weiß Poggio^' gar nicht mehr, Abb. 124
was die Krönung eigentlich sagen solle; bei den Alten sei ja nur ein sieg-
reicher Imperator gekrönt worden, und zw^ar mit Lorbeer.
Mit Maximihan I. beginnt dann eine neue kaiserliche Pohtik gegen Das KaiMr-
Italien, in Verbindung mit der allgemeinen Intervention fremder Völker. !"™ ond «ü«
' 00 Intervention
Der Anfang — die Belehnung des Lodovico Moro mit Beseitigung seines
unglücklichen Neffen — war nicht von der Art, welche Segen bringt.
Nach der modernen Interventionstheorie darf, wenn Zweie ein Land zer-
reißen wollen, auch ein Dritter kommen und mithalten, und so konnte
auch das Kaisertum sein Stück begehren. Aber von Recht u. dgl. mußte
man nicht mehr reden. Als Ludwig XII. (1502) in Genua envartet Abb. 133
wurde, als man den großen Reichsadler von der Fronte des Hauptsaales
im Dogenpalast wegtilgte und alles mit Lilien bemalte, frug der Ge-
schichtschreiber Senarega^ überall herum, was jener bei so vielen
Revolutionen stets geschonte Adler eigentlich bedeute und was für An-
sprüche das Reich auf Genua habe? Niemand wußte etwas anderes als
die alte Rede: Genua sei eine camera imperii. Niemand wußte über-
haupt in Italien irgendwelchen sichern Bescheid über solche Fragen.
Erst als Karl V. Spanien und das Reich zusammen besaß, konnte er .ub. 131
mit spanischen Kräften auch kaiserliche Ansprüche durchsetzen. Aber
was er so gewann, kam bekanntlich nicht dem Reiche, sondern der
spanischen Macht zugute.
Mit der politischen Illegitimität der Dynasten des 15. Jahrhunderts oieoneuiche
hing wiederum zusammen die Gleichgültigkeit gegen die legitime Ge- ' '"'*'
burt, welche den Ausländem, z. B. einem Comines, so sehr auffiel. Sie
ging gleichsam mit in den Kauf. Während man im Norden, im Haus
Burgund etwa, den Bastarden eigene bestimmt abgegrenzte Apanagen,
Bistümer u. dgl. zuwies, während in Portugal eine Bastardlinie sich nur
durch die größte Anstrengung auf dem Throne behauptete, war in
Italien kein fürstliches Haus mehr, welches nicht in der Hauptlinie
irgendeine unechte Deszendenz gehabt und ruhig geduldet hätte. Die
Aragonesen von Neapel waren die Bastardlinie des Hauses, denn Aragon
selbst erbte der Bruder des Alfons I. Der große Federigo von Urbino war Abt. 42. 56
vielleicht überhaupt kein Montefeltro. Als Pius IL zum Kongreß von
MantHa (1459) reiste, ritten ihm bei der Einholung in Ferrara ihrer acht
Bastarde vom Haus Este entgegen^', darunter der regierende Herzog
Borso selbst und zwei uneheliche Söhne seines ebenfalls uneheUchen
Bruders und Vorgängers Leonello. Letzterer hatte außerdem eine recht-
mäßige Gemahlin gehabt, und zwar eine uneheliche Tochter Alfons' I.
von Neapel von einer Afrikanerin". Die Bastarde wurden auch schon
deshalb öfter zugelassen, weil die ehehchen Söhne mii.orenn und die
12
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Gefahren dringend waren; es trat eine Art von Seniorat ein, ohne weitere
Rücksicht auf echte oder unechte Geburt. Die Zweckmäßigkeit, die
Geltung des Individuums und seines Talentes sind hier überall mäch-
tiger als die Gesetze und Bräuche des sonstigen Abendlandes. War es
doch die Zeit, da die Söhne der Päpste sich Fürstentümer gründeten!
ivukwpise Im 1 6. Jahrhundert unter dem Einfluß der Fremden und der beginnen-
d«i6.jahrh. ^^^ Gegenreformation wurde die ganze Angelegenheit strenger ange-
Abb.240 sehen; Varchi findet, die Sukzession der ehelichen Söhne sei ,,von der
Vernunft geboten und von ewigen Zeiten her der Wille des Himmels"."
Kardinal Ippolito Medici gründete sein Anrecht auf die Herrschaft über
Florenz darauf, daß er aus einer vielleicht rechtmäßigen Ehe entsproßt,
oder doch wenigstens Sohn einer Adligen und nicht (wie der Herzog
Alessandro) einer Dienstmagd sci*^. Jetzt beginnen auch die morgana-
tischen Gefühls-Ehen, welche im 15. Jahrhundert aus sittlichen und poli-
tischen Gründen kaum einen Sinn gehabt hätten.
KondottiercD Die höchstc Und meistbewunderte Form der Illegitimität ist aber im
"^rüTder" 1 5- Jahrhundert der Kondottiere, der sich — welches auch seine Abkunft
Abb.ög—si sei — ein Fürstentum erwirbt. Im Grunde war schon die Besitznahme
von Unteritalien durch die Normannen im i I.Jahrhundert nichts an-
deres gewesen; jetzt aber begannen Projekte dieser Art die Halbinsel in
dauernder Unruhe zu erhalten.
Die Festsetzung eines Soldführers als Landesherrn konnte auch ohne
Usurpation geschehen, wenn ihn der Brotherr aus Mangel an Geld und
Leuten abfand*^; ohnehin bedurfte der Kondottiere, selbst wenn er für
den Augenblick seine meisten Leute entließ, eines sichern Ortes, wo er
Winterquartier halten und die notwendigsten Vorräte bergen konnte.
Abb. 66 Das erste Beispiel eines so ausgestatteten Bandenführers ist John Hawk-
wood, welcher von Papst Gregor XI. Bagnacavallo und Cotignola er-
hielt. Als aber mit Albcrigo da Barbiano italienische Heere und Heer-
führer auf den Schauplatz traten, da kam auch die Gelegenheit viel
näher, Fürstentümer zu erwerben, oder wenn der Kondottiere schon
irgendwo Gewaltherrscher war, das Ererbte zu vergrößern. Das erste
große Bacchanal dieser soldatischen Herrschbegier wurde gefeiert in dem
Herzogtum Mailand nach dem Tode des Giangaleazzo (1402); die Re-
gierung seiner beiden Söhne (S. 8) ging hauptsächlich mit der Vertil-
gung dieser kriegerischen Tyrannen dahin, und der größte derselben,
Facino Cane, wurde samt seiner Witwe, samt einer Reihe von Städten
und 400000 Goldgulden ins Haus geerbt; überdies zog Beatrice di Tenda
die Soldaten ihres ersten Gemahls nach sich**. Von dieser Zeit an bildete
VcrhSltnis
dcj Kondot- sj(-ji dann jenes über alle Maßen unmoralische Verhältnis zwischen den
lioren zum
Brothcm. Regierungen und ihren Kondotticrcn aus, welches für das 15. Jahr-
DER STAAT ALS KUNSTWERK IQ
hundert charakteristisch ist. Eine alte Anekdote**, von jenen, die nirgends
und doch überall wahr sind, schildert dasselbe ungefähr so: Einst hatten
die Bürger einer Stadt — es soll Siena gemeint sein — einen Feldherrn,
der sie von feindlichem Druck befreit hatte; täglich berieten sie, wie er
zu belohnen sei und urteilten, keine Belohnung, die in ihren Kräften
stände, wäre groß genug, selbst nicht wenn sie ihn zum Herrn der Stadt
machten. Endlich erhob sich einer, und meinte: Laßt uns ihn umbringen
und dann als Stadtheiligen anbeten. Und so sei man mit ihm verfahren
ungefähr wie der römische Senat mit Romulus. In der Tat hatten sich
die Kondottieren vor niemand mehr zu hüten als vor ihren Brotherren;
kämpften sie mit Erfolg, so waren sie gefährlich und wurden aus der
Welt geschafft wie Roberto Malatesta gleich nach dem Siege, den er für ^^i. 74, 75
Sixtus IV. erfochten (1482); beim ersten Unglück aber rächte man sich
bisweilen an ihnen wie die Venezianer am Carmagnola (1432)**. Es
zeichnet die Sachlage in moralischer Beziehung, daß die Kondottieren
oft Weib und Kind als Geißeln geben mußten und dennoch weder Zu-
trauen genossen noch selber empfanden. Sie hätten Heroen der Ent-
sagung, Charaktere wie Belisar sein müssen, wenn sich der tiefste Haß
nicht in ihnen hätte sammeln sollen; nur die vollkommenste innere Güte
hätte sie davon abhalten können, absolute Frevler zu werden. Und als
solche, voller Hohn gegen das Heilige, voller Grausamkeit und Verrat
gegen die Menschen, lernen wir manche von ihnen kennen, fast lauter
Leute, denen es nichts ausmachte, im päpstlichen Banne zu sterben. Zu-
gleich aber entwickelt sich in manchen die Persönlichkeit, das Talent,
bis zur höchsten Virtuosität und wird auch in diesem Sinne von den
Soldaten anerkannt und bewundert; es sind die ersten Armeen der neuern
Geschichte, wo der persönliche Kredit des Anführers ohne weitere Neben-
gedanken die bewegende Kraft ist. Glänzend zeigt sich dies z. B. im
Leben des Francesco Sforza*'; da ist kein Standesvorurteil, das ihn hätte Die Fami!«
hindern können, die allerindividuellste Popularität bei jedem einzelnen ^jj ^g
zu erwerben und in schwierigen Augenblicken gehörig zu benützen; es
kam vor, daß die Feinde bei seinem Anblick die Waffen weglegten und
mit entblößtem Haupt ihn ehrerbietig grüßten, weil ihn jeder für den
gemeinsamen „Vater der Kriegerschaft" hielt. Dieses Geschlecht Sforza
gewährt überhaupt das Interesse, daß man die Vorbereitung auf das
Fürstentum von Anfang an glaubt durchschimmern zu sehen**. Das jacopo
Fundament dieses Glückes bildete die große Fruchtbarkeit der Familie;
Francescos bereits hochberühmter Vater Jacopo hatte zwanzig Ge-
schwister, alle rauh erzogen in Cotignola bei Faenza, unter dem Ein-
druck einer jener endlosen romagnolischen Vendetten zwischen ihnen
und dem Hause der Pasohni. Die ganze Wohnung war lauter Arsenal
Sforza
J.!
Sforza
14
DER STAAT ALS KUNSTWERK
und Wachtstube, auch Mutter und Töchter völlig kriegerisch. Schon im
dreizehnten Jahre ritt Jacopo heimlich von dannen, zunächst nach
Panicale zum päpstlichen Kondottiere Boldrino, demselben, welcher
dann noch im Tode seine Schar anführte, indem die Parole von einem
fahnenumsteckten Zelte aus gegeben wurde, in welchem der einbalsa-
mierte Leichnam lag — bis sich ein würdiger Nachfolger fand. Jacopo,
als er in verschiedenen Diensten allmählich emporkam, zog auch seine
Angehörigen nach sich und genoß durch dieselben die nämhchen Vor-
teile, die einem Fürsten eine zahlreiche Dynastie verleiht. Diese Ver-
wandten sind es, welche die Armee beisammenhalten, während er im
Castel dcir novo zu Neapel liegt; seine Schwester nimmt eigenhändig
die königlichen Unterhändler gefangen und rettet ihn durch dieses Pfand
Seine vom Todc. Es deutet schon auf Absichten von Dauer und Tragweite,
A.jssc eu ^^g Jacopo in Geldsachen äußerst zuverlässig war und deshalb auch
nach Niederlagen Kredit bei den Bankiers fand; daß er überall die
Bauern gegen die Lizenz der Soldaten schützte, und die Zerstörung er-
oberter Städte nicht liebte; vollends aber, daß er seine ausgezeichnete
Konkubine Lucia (die Mutter Francescos) an einen andern verheiratete,
um für einen fürstlichen Ehebund verfügbar zu bleiben. Auch die Ver-
mälilungen seiner Verwandten unterlagen einem gewissen Plan. Von der
Gottlosigkeit und dem wüsten Leben seiner Fachgenossen hielt er sich
ferne; die drei Lehren, womit er seinen Francesco in die Welt sandte,
lauten: rühre keines andern Weib an; schlage keinen von deinen Leuten
oder, wenn es geschehen, schicke ihn weit fort; endlich: reite kein hart-
mäuliges Pferd und keines, das gerne die Eisen verliert. Vor allem aber
besaß er die Persönlichkeit, wenn nicht eines großen Feldherrn, doch
eines großen Soldaten, einen mächtigen, allseitig geübten Körper, ein
populäres Bauerngesicht, ein wunderwürdiges Gedächtnis, das alle Sol-
daten, alle ihre Pferde und ihre Soldverhältnisse von vielen Jahren her
kannte und aufbewahrte. Seine Bildung war nur italienisch; alle Muße
aber wandte er auf Kenntnis der Geschichte und ließ griechische und
lateinische Autoren für seinen Gebrauch übersetzen. Francesco, sein noch
Franc, sforia ruhmvoUercr Sohn, hat von Anfang an deutlich nach einer großen Herr-
"""piccJirö"" Schaft gestrebt und das gewaltige Mailand durch glänzende Heerführung
und unbedenklichen Verrat auch erhalten (1447 — 1450).
Sein Beispiel lockte. Aeneas Sylvius*' schrieb um diese Zeit: „in unserm
verändcrungslustigen Italien, wo nichts fest steht und keine alte Herr-
schaft e.Kisticrt, können leicht aus Knechten Könige werden." Einer aber,
der sich selber „den Mann der Fortuna" nannte, beschäftigte damals
vor allen die Phantasie des ganzen Landes: Giacomo Piccinino, der Sohn
des Nicolö. Es war eine offene und brennende Frage: ob auch ihm die
DER STAAT ALS KUNSTWERK
15
Gründung eines Fürstentumes gelingen werde oder nicht? Die größern
Staaten hatten ein einleuchtendes Interesse es zu verhindern, und auch
Francesco Sforza fand, es wäre vorteilhaft, wenn die Reihe der souverän
gewordenen Soldführer mit ihm selber abschlösse. Aber die Truppen und umerfe-anf!
Hauptleute, die man gegen Piccinino absandte, als er z. B. Siena hatte ^ *^^™
für sich nehmen wollen, erkannten"" ihr eigenes Interesse darin, ihn zu
halten: „Wenn es mit ihm zu Ende ginge, dann könnten wir wieder den
Acker bauen." Während sie ihn in Orbetello eingeschlossen hielten, ver-
proviantierten sie ihn zugleich und er kam auf das Ehrenvollste aus der
Klemme. Endlich aber entging er seinem Verhängnis doch nicht. Ganz
ItaUen wettete was geschehen werde, als er (1465) von einem Besuch bei
Sforza in Mailand nach Neapel zum König Ferrante reiste. Trotz aller
Bürgschaften und hohen Verbindungen ließ ihn dieser im Castel nuovo Abb. 3
ermorden". Auch die Kondottieren, welche ererbte Staaten besaßen,
fühlten sich doch nie sicher; als Roberto Malatesta und Federigo von
Urbino (1482) an einem Tage, jener in Rom, dieser in Bologna starben,
fand es sich, daß jeder im Sterben dem andern seinen Staat empfehlen
ließ**! Gegen einen Stand, der sich so vieles erlaubte, schien alles erlaubt.
Francesco Sforza war noch ganz jung mit einer reichen kalabresischen
Erbin, Polissena Ruffa, Gräfin von Montalto, verheiratet worden, welche
ihm ein Töchterchen gebar; eine Tante vergiftete die Frau und das Kind
und zog die Erbschaft an sich**.
Vom Untergang Piccininos an galt das Aufkommen von neuen Kon- späte«
dottierenstaaten offenbar als ein nicht mehr zu duldender Skandal; die vier Kondotu-rm
„Großstaaten" Neapel, Mailand, Kirche und Venedig schienen ein
System des Gleichgewichtes zu bilden, welches keine jener Störungen
mehr vertrug. Im Kirchenstaat, wo es von kleinen Tyrannen wimmelte,
die zum Teil Kondottieren gewesen oder es noch waren, bemächtigten
sich seit Sixtus IV. die Nepoten des Alleinrechtes auf solche Unter-
nehmungen. Aber die Dinge brauchten nur irgendwo ins Schwanken zu
geraten, so meldeten sich auch die Kondottieren wieder. Unter der kläg-
lichen Regierung Innocenz VIII. war es einmal nahe daran, daß ein
früher in burgundischen Diensten gewesener Hauptmann Boccalino sich
mitsamt der Stadt Osimo, die er für sich genommen, den Türken über-
geben hätte**; man mußte froh sein, daß er sich auf Vermittlung des
Lorenzo magnifico hin mit Geld abfinden ließ und abzog. Im Jahre
1495, bei der Erschütterung aller Dinge infolge des Krieges Karls VIII.,
versuchte sich ein Kondottiere Vidovero von Brescia**; er hatte schon
früher die Stadt Cesena durch Mord vieler Edeln und Bürger einge-
nommen, aber das Kastell hielt sich, und er mußte wieder fort; jetzt,
begleitet von einer Truppe, die ihm ein anderer böser Bube, Pandolfo
j6 der STAAT als KUNSTWERK
Malatesta von Rimini, Sohn des erwähnten Roberto und venezianischer
Kondottiere, abgetreten, nahm er dem Erzbischof von Ravenna die
Stadt Castelnuovo ab. Die Venezianer, welche Größeres besorgten und
ohnehin vom Papst gedrängt wurden, befahlen dem Pandolfo „wohl-
meinend", den guten Freund bei Gelegenheit zu verhaften; es geschah,
obwohl „mit Schmerzen", worauf die Ordre kam, ihn am Galgen sterben
zu lassen. Pandolfo hatte die Rücksicht, ihn erst im Gefängnis zu er-
drosseln und dann dem Volk zu zeigen. — Das letzte bedeutendere Bei-
spiel solcher Usurpationen ist der berühmte Kastellan von Musso, der
bei der Verwirrung im Mailändischen nach der Schlacht bei Pavia (1525)
seine Souveränität am Comer See improvisierte.
Di< kleiner. n Im allgemeinen läßt sich von den Gewaltherrschern des I5.jahr-
ensc a ca j^^j^j^gj-fg sagcu, daß die schlimmsten Dinge in den kleinern und kleinsten
Herrschaften am meisten sich häuften. NamentUch lagen hier für zahl-
reiche Familien, deren einzelne Mitglieder alle ranggemäß leben wollten,
die Erbstreitigkeiten nahe; Bernardo Varano von Camerino schaffte
(1432) zwei Brüder aus der Wclt*^, weil seine Söhne mit deren Erbe
ausgestattet sein wollten. Wo ein bloßer Stadtherrscher sich auszeichnet
durch praktische, gemäßigte, unblutige Regierung und Eifer für die
Kultur zugleich, da wird es in der Regel ein solcher sein, der zu einem
großen Hause gehört oder von der Politik eines solchen abhängt. Dieser
Art war z. B. Alessandro Sforza^', Fürst von Pesaro, Bruder des großen
Francesco und Schwiegervater des Federigo von Urbino (f 1473). Als
guter Verwalter, als gerechter und zugänglicher Regent genoß er nach
langem Kriegsleben eine ruhige Regierung, sammelte eine herrliche
Bibliothek und brachte seine Muße mit gelehrten und frommen Ge-
Abb.9—11 sprächen zu. Auch Giovanni H. Bentivoglio von Bologna (1462 — 1506),
dessen Politik von der der Este und Sforza bedingt war, läßt sich hieher
zählen. Welche blutige Verwilderung dagegen finden wir in den Häusern
der Varani von Camerino, der Malatesta von Rimini, der Manfreddi
von Faenza, vor allem der Baglioni von Perugia. Über die Ereignisse
im Hause der letztern gegen Ende des 15. Jahrhunderts sind wir durch
ausgezeichnete Geschichtsquellen — die Chroniken des Graziani und des
Matarazzo^* — besonders anschaulich unterrichtet.
Die Bagii- Dic BagHoncn waren eines von jenen Häusern, deren Herrschaft sich
°PeraT' lücht zu einem förmlichen Fürstentum durchgebildet hatte, sondern
mehr nur in einem städtischen Primat bestand und auf großem Familien-
reichtum und tatsächlichem Einfluß auf die Ämterbesetzung beruhte.
Innerhalb der Familie wurde einer als Gesamtoberhaupt anerkannt;
doch herrschte tiefer, verborgener Haß zwischen den Mitgliedern der
verschiedenen Zweige. Ihnen gegenüber hielt sich eine gegnerische Adels-
DER STAAT ALS KUNSTWERK ly
partei unter Anführung der Familie Oddi; alles ging (um 1487) in Waffen,
und alle Häuser der Großen waren voller Bravi; täglich gab es Gewalt-
taten; bei Anlaß der Beerdigung eines ermordeten deutschen Studenten
stellten sich zwei Kollegien in Waffen gegeneinander auf; ja bisweilen
Heferten sich die Bravi verschiedener Häuser Schlachten auf offener
Piazza. Vergebens jammerten Kaufleute und Handwerker; die päpst-
lichen Governatoren und Nepoten schwiegen oder machten sich bald
wieder davon. EndHch müssen die Oddi Perugia verlassen, und nun wird Vertreibung
die Stadt eine belagerte Feste unter der vollendeten Gewaltherrschaft
der Baglionen, welchen auch der Dom als Kaserne dienen muß. Kom-
plotten und Überfällen wird mit furchtbarer Rache begegnet; nachdem
man (im Jahre 1491) 130 Eingedrungene zusammengehauen und am
Staatspalast gehenkt, wurden auf der Piazza 35 Altäre errichtet und drei
Tage lang Messen gelesen und Prozessionen gehalten, um den Fluch von
der Stätte wegzunehmen. Ein Nepot Innocenz' VHI. wurde am hellen
Tage auf der Gasse erstochen, einer Alexanders VI., der abgesandt war
um zu schlichten, erntete nichts als offenen Hohn. Dafür hatten die bei-
den Häupter des regierenden Hauses Guido und Ridolfo häufige Unter-
redungen mit der heiligen wundertätigen Dominikanernonne Suor Co-
lomba von Rieti, welche unter Androhung großen künftigen Unheils
zum Frieden riet, natürlich vergebens. Immerhin macht der Chronist
bei diesem Anlaß aufmerksam auf die Andacht und Frömmigkeit der
bessern Peruginer in diesen Schreckensjahren. Während (1494) Karl VIII. Abb. 132, 137
heranzog, führten die Baglionen und die in und um Assisi gelagerten
Verbannten einen Krieg von solcher Art, daß im Tal alle Gebäude dem
Boden eben, die Felder unbebaut lagen, die Bauern zu kühnen Räubern
und Mördern verwilderten, und Hirsche und Wölfe das emporwuchernde
Gestrüpp bevölkerten, wo letztere sich an den Leichen der Gefallenen,
an ,, Christenfleisch", gütlich taten. Als Alexander VI. vor dem von Abb. 150
Neapel zurückkehrenden Karl VIII. (1495) nach Umbrien entwich, fiel Absichtendes
es ihm in Perugia ein, er könnte sich der Baglionen auf immer entledigen;
er schlug dem Guido irgendein Fest, ein Turnier oder etwas dergleichen
vor, um sie irgendwo alle beisammen zu haben, aber Guido war der
Meinung, ,,das allerschönste Schauspiel wäre, alle bewaffnete Mann-
schaft von Perugia beisammen zu sehen", worauf der Papst seinen Plan
fallen ließ. Bald darauf machten die Verbannten wieder einen Überfall,
bei welchem nur der persönlichste Heldenmut der Baglionen den Sieg
gewann. Da wehrte sich auf der Piazza der achtzehnjährige Simonetto
Baglione mit wenigen gegen mehrere Hunderte, und stürzte mit mehr
als zwanzig Wunden, erhob sich aber wieder, als ihm Astorre Baglione
zu Hilfe kam, hoch zu Roß in vergoldeter Eisenrüstung mit einem Falken
Burckliardt 2
Papstes
l8 DER STAAT ALS KUNSTWERK
auf dem Helm: „dem Mars vergleichbar an Anblick und an Taten
sprengte er in das Gewühl."
Damals war Raffael als zwölfjähriger Knabe in der Lehre bei Pietro
Perugino. Vielleicht sind Eindrücke dieser Tage verewigt in den frühen
kleinen Bildchen des hl. Georg und des hl. Michael; vielleicht lebt noch
etwas davon unvergänglich fort in dem großen St. Michaelsbilde, und
wenn irgendwo Astorre Baghone seine Verklärung gefunden hat, so ist
Abb.6i es geschehen in der Gestalt des himmlischen Reiters im Heliodor.
zwieirachtim Die Gcgncr waren teils umgekommen, teils in panischem Schrecken
BagUoom gewichen, und fortan keines solchen Angriffes mehr fähig. Nach einiger
Zeit wurde ihnen eine partielle Versöhnung und Rückkehr gewährt.
Aber Perugia wurde nicht sicherer noch ruhiger; die innere Zwietracht
des herrschenden Hauses brach jetzt in entsetzlichen Taten aus. Gegen-
über Guido, Ridolfo und ihren Söhnen Gianpaolo, Simonetto, Astorre,
Gismondo, Gentile, Marcantonio u. a. taten sich zwei Großneffen, Gri-
fone und Carlo Barciglia zusammen; letzterer zugleich Neffe des Fürsten
Varano von Camerino und Schwager eines der früheren Verbannten,
Jeronimo dalla Penna. Vergebens bat Simonetto, der schlimme Ahnun-
gen hatte, seinen Oheim kniefällig, diesen Penna töten zu dürfen. Guido
PeruRiner vcrsagtc CS ihm. Das Komplott reifte plötzlich bei der Hochzeit des
Astorre mit der Lavinia Colonna, Mitte Sommers 1500. Das Fest nahm
seinen Anfang und dauerte einige Tage unter düstern Anzeichen, deren
Zunahme bei Matarazzo vorzüglich schön geschildert ist. Der anwesende
Varano trieb sie zusammen; in teuflischer Weise wurde dem Grifone die
Alleinherrschaft und ein erdichtetes Verhältnis seiner Gemahlin Zenobia
mit Gianpaolo vorgespiegelt und endlich jedem Verschworenen sein be-
stimmtes Opfer zugeteilt. (Die Baglionen hatten lauter geschiedene Woh-
nungen, meist an der Stelle des jetzigen Kastells.) Von den vorhandenen
Bravi bekam jeder 15 Mann mit; der Rest wurde auf Wachen ausgestellt.
In der Nacht vom 15. Juli wurden die Türen eingerammt und der Mord
an Guido, Astorre, Simonetto und Gismondo vollzogen; die andern konn-
ten entweichen.
Als Astorres Leiche mit der des Simonetto auf der Gasse lag, verglichen
ihn die Zuschauer ,,und besonders die fremden Studenten" mit einem
alten Römer; so würdig und groß war der Anblick; in Simonetto fanden
sie noch das Trotzigkühne, als hätte ihn selbst der Tod nicht gebändigt.
Die Sieger gingen bei den Freunden der Familie herum und wollten sich
empfclilcn, fanden jedoch alles in Tränen und mit der Abreise auf die
Landgüter bcscliäfligt. Aber die entronnenen Baglionen sammelten
draußen Mannschaft, und drangen, Gianpaolo an der Spitze, des fol-
genden Tages in die Stadt, wo andere Anhänger, soeben von Barciglia
DER STAAT ALS KUNSTWERK IQ
mit dem Tode bedroht, schleunigst zu ihm stießen; als bei S. Ercolano
Grifone in seine Hände fiel, überließ er es seinen Leuten, ihn nieder-
zumachen; Barciglia und Penna aber flüchteten sich nach Camerino zum
Hauptanstifter des Unheils, Varano; in einem Augenblick, fast ohne
Verlust, war Gianpaolo Herr der Stadt.
Atalanta, Grifones noch schöne und junge Mutter, die sich tags zuvor Ataianta
samt seiner Gattin Zenobia und zwei Kindern Gianpaolos auf ein Land- '"^ """^
gut zurückgezogen und den ihr nacheilenden Sohn mehrmals mit ihrem
Mutterfluche von sich gewiesen, kam jetzt mit der Schwiegertochter her-
bei und suchte den sterbenden Sohn. Alles wich vor den beiden Frauen
auf die Seite; niemand wollte als der erkannt sein, der den Grifone er-
stochen hätte, um nicht die Verwünschung der Mutter auf sich zu ziehen.
Aber man irrte sich; sie selber beschwor den Sohn, denjenigen zu ver-
zeihen, welche die tötlichen Streiche geführt, und er verschied unter
ihren Segnungen. Ehrfurchtsvoll sahen die Leute den beiden Frauen
nach, als sie in ihren blutigen Kleidern über den Platz schritten. Diese
Atalanta ist es, für welche später Raffael die weltberühmte Grablegung
gemalt hat. Damit legte sie ihr eigenes Leid dem höchsten und heiligsten
Mutterschmerz zu Füßen.
Der Dom, welcher das meiste von dieser Tragödie in seiner Nähe ge-
sehen, wurde mit Wein abgewaschen und neu geweiht. Noch immer
stand von der Hochzeit her der Triumphbogen, bemalt mit den Taten
Astorres und mit den Lobversen dessen, der uns dieses alles erzählt, des
guten Matarazzo.
Es entstand eine ganz sagenhafte Vorgeschichte der Baglionen, welche
nur ein Reflex dieser Greuel ist. Alle von diesem Hause seien von jeher
eines bösen Todes gestorben, einst 27 miteinander; schon einmal seien
ihre Häuser geschleift und mit den Ziegeln davon die Gassen gepflastert
worden u. dgl. Unter Paul HL trat dann die Schleifung ihrer Paläste
wirklich ein.
Einstweilen aber scheinen sie gute Vorsätze gefaßt, in ihrer eignen Fortwirken
Partei Ordnung geschafft und die Beamten gegen die adligen Böse- "^
wichter geschützt zu haben. Allein der Fluch brach später doch wieder
wie ein nur scheinbar gedämpfter Brand hervor; Gianpaolo wurde unter
Leo X. 1520 nach Rom gelockt und enthauptet; der eine seiner Söhne,
Orazio, der Perugia nur zeitweise und unter den gewaltsamsten Um-
ständen besaß, nämlich als Parteigänger des ebenfalls von den Päpsten
bedrohten Herzogs von Urbino, wütete noch einmal im eigenen Hause
auf das gräßlichste. Ein Oheim und drei Vettern wurden ermordet,
worauf ihm der Herzog sagen ließ, es sei jetzt genügt*. Sein Bruder
Malatesta Baglione ist der florentinische Feldherr, welcher durch den
2*
20 DER STAAT ALS KUNSTWERK
Verrat von 1530 unsterblich geworden, und dessen Sohn Ridolfo ist jener
letzte des Hauses, welcher in Perugia durch Ermordung des Legaten
und der Beamten im Jahr 1534 eine nur kurze aber schreckUche Herr-
schaft übte.
Die Den Gewaltherrschern von Rimini werden wir noch hie und da be-
^'^'^Rtairi gcgncn- Frevelmut, Gottlosigkeit, kriegerisches Talent und höhere Bil-
dung sind selten so in einem Menschen vereinigt gewesen wie in Sigis-
Abb.7,8 mondo Malatesta (f 1467). Aber wo die Missetaten sich häufen, wie in
diesem Hause geschah, da gewinnen sie das Schwergewicht auch über
alles Talent und ziehen die Tyrannen in den Abgrund. Der schon er-
wähnte Pandolfo, Sigismondos Enkel, hielt sich nur noch, weil Venedig
seinen Kondottiere trotz aller Verbrechen nicht wollte fallen lassen; als
ihn seine Untertanen (1497) aus hinreichenden Gründen^" in seiner
Burg zu Rimini bombardierten und dann entwischen ließen, führte ein
venezianischer Kommissär den mit Brudermord und allen Greueln Be-
untergang flecktcn wicdcr zurück. Nach drei Jahrzehnten waren die Malatesten
arme Verbannte. Die Zeit um 1527 war, wie die des Cesare Borgia, eine
Epidemie für diese kleinen Dynastien, nur sehr wenige überlebten sie
und nicht einmal zu ihrem Glück. In Mirandola, wo kleine Fürsten aus
dem Hause Pico herrschten, saß im Jahr 1533 ein armer Gelehrter, Lilio
Grigorio Giraldi, der aus der Verwüstung von Rom sich an den gast-
lichen Herd des hochbejahrten Giovan Francesco Pico (Neffen des be-
rühmten Giovanni) geflüchtet hatte; bei Anlaß ihrer Besprechungen über
das Grabmal, welches der Fürst für sich bereiten wollte, entstand eine
Abhandlung^^, deren Dedikation vom April jenes Jahres datiert ist. Aber
wie wehmütig lautet die Nachschrift: ,,im Oktober desselben Jahres ist der
unglückliche Fürst durch nächtlichen Mord von seinem Brudersohn des
Lebens und der Herrschaft beraubt worden, und ich selber bin in tiefem
Elend kaum mit dem Leben davongekommen."
Pandolfo Eine charakterlose Halbtyrannei, wie sie Pandolfo Petrucci seit den
"^ siena" I490er JaliTcu in dem von Faktionen zerrissenen Siena ausübte, ist kaum
der nähern Betrachtung wert. Unbedeutend und böse, regierte er mit
Hilfe eines Professors der Rechte und eines Astrologen und verbreitete
hie und da einigen Schrecken durch Mordtaten. Sein Sommervergnügen
war, Steinblöcke vom Monte Amiata hinunterzurollcn, ohne Rücksicht
darauf, was und wen sie trafen. Nachdem ihm gelingen mußte, was den
Schlausten mißlang — er entzog sich den Tücken des Cesare Borgia —
starb er doch später verlassen und verachtet. Seine Söhne aber hielten
sich noch lange mit einer Art von Halbhcrrschaft.
Aragoncsen
)n Neapel.
.Ifons dor
Große trachten. Das Lchnswesen, welches hier seit der Normannenzeit als
von Neapel. Yqj^ ^\^^ wichtigcm Dynasticn sind die Aragonesen gesondert zu be-
DER STAAT ALS KUNSTWERK 21
Grundherrschaft der Barone fortdauert, färbt schon den Staat eigentüm-
lich, während im übrigen Italien, den südlichen Kirchenstaat und wenige
andere Gegenden ausgenommen, fast nur noch einfacher Grundbesitz
gilt und der Staat keine Befugnisse mehr erblich werden läßt. Sodann
ist der große Alfons, welcher seit 1435 Neapel in Besitz genommen
(f 1458), von einer andern Art als seine wirklichen oder vorgeblichen
Nachkommen. Glänzend in seinem ganzen Dasein, furchtlos unter seinem
Volke, von einer großartigen Liebenswürdigkeit im Umgang, und selbst
wegen seiner späten Leidenschaft für Lucrezia d'Alagna nicht getadelt,
sondern bewundert, hatte er die eine üble Eigenschaft der Verschwen-
dung*^, an welche sich dann die unvermeidlichen Folgen hingen. Frevel-
hafte Finanzbeamte wurden zuerst allmächtig, bis sie der bankerott ge-
wordene König ihres Vermögens beraubte; ein Kreuzzug wurde ge-
predigt, um unter diesem Vorwand den Klerus zu besteuern; bei einem
großen Erdbeben in den Abruzzen mußten die Überlebenden die Steuer
für die Umgekommenen weiter bezahlen. Unter solchen Umständen war
Alfons für hohe Gäste der prunkhafteste Wirt seiner Zeit (S. 10) und froh
des unaufhörlichen Spendens an jedermann, auch an Feinde; für lite-
rarische Bemühungen hatte er vollends keinen Maßstab mehr, so daß
Poggio für die lateinische Übersetzung von Xenophons Kyropädie
500 Goldstücke erhielt.
Ferrante^, der auf ihn kam, galt als sein Bastard von einer spanischen Ferrante
Dame, war aber vielleicht von einem valenzianischen Marranen erzeugt.
War es nun mehr das Geblüt oder die seine Existenz bedrohenden Kom-
plotte der Barone, was ihn düster und grausam machte, jedenfalls ist er
unter den damaligen Fürsten der schrecklichste. Rastlos tätig, als einer
der stärksten politischen Köpfe anerkannt, dabei kein Wüstling, richtet
er alle seine Kräfte, auch die eines unversöhnlichen Gedächtnisses und
einer tiefen Verstellung auf die Zernichtung seiner Gegner. Beleidigt in
allen Dingen, worin man einen Fürsten beleidigen kann, indem die An-
führer der Barone mit ihm verschwägert und mit allen auswärtigen Fein-
den verbündet waren, gewöhnte er sich an das Äußerste als an ein AU-
tägHches. Für die Beschaffung der Mittel in diesem Kampfe und in sdn zwang-
seinen auswärtigen Kriegen wurde wieder etwa in jener mohammeda-
nischen Weise gesorgt, die Friedrich II. angewandt hatte: mit Korn und
Öl handelte nur die Regierung; den Handel überhaupt hatte Ferrante
in den Händen eines Ober- und Großkaufmanns, Francesco Coppola,
zentrahsiert, welcher mit ihm den Nutzen teilte und alle Reeder in
seinen Dienst nahm; Zwangsanleihen, Hinrichtungen und Konfiskatio-
nen, grelle Simonie und Brandschatzung der geistlichen Korporationen
beschufen das übrige. Nun überließ sich Ferrante außer der Jagd, die
22
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Alfonso von
Kalabrieu
er rücksichtslos übte, zweierlei Vergnügungen: seine Gegner entweder
lebend in wohlverwahrten Kerkern oder tot und einbalsamiert, in der
Tracht, die sie bei Lebzeiten trugen'*, in seiner Nähe zu haben. Er
kicherte, wenn er mit seinen Vertrauten von den Gefangenen sprach;
aus der Mumienkollektion wurde nicht einmal ein Geheimnis gemacht.
Seine Opfer waren fast lauter Männer, deren er sich durch Verrat, ja an
seiner königlichen Tafel bemächtigt. Völlig infernal war das Verfahren
gegen den im Dienst grau und krank gewordenen Premierminister Anto-
nello Petrucci, von dessen wachsender Todesangst Ferrante immerfort
Geschenke annahm, bis endlich ein Anschein von Teilnahme an der
letzten Baronenverschwörung den Vorwand gab zu seiner Verhaftung
und Hinrichtung, zugleich mit Coppola. Die Art wie dies alles bei
Caracciolo und Porzio dargestellt ist, macht die Haare sträuben. —
Von den Söhnen des Königs genoß der ältere, Alfonso, Herzog von Kala-
brien, in den spätem Zeiten eine Art Mitregierung; ein wilder, grau-
samer Wüstling, der vor dem Vater die größere Offenheit voraus hatte
und sich auch nicht scheute, seine Verachtung gegen die Religion und
ihre Bräuche an den Tag zu legen. Die bessern, lebendigen Züge des
damaligen Tyrannentums muß man bei diesen Fürsten nicht suchen;
was sie von der damaligen Kunst und Bildung an sich nehmen, ist Luxus
oder Schein. Schon die echten Spanier treten in Italien fast immer nur
entartet auf; vollends aber zeigt der Ausgang dieses Marranenhauses
(1494 und 1503) einen augenscheinlichen Mangel an Rasse. Ferrante
stirbt vor innerer Sorge und Qual; Alfonso traut seinem eigenen Bruder
Fedcrigo, dem einzigen Guten der Familie, Verrat zu und beleidigt ihn
auf die unwürdigste Weise; endlich flieht er, der bisher als einer der
tüchtigsten Heerführer Italiens gegolten, besinnungslos nach Sizilien und
läßt seinen Sohn, den jüngeren Ferrante, den Franzosen und dem allge-
meinen Verrat zur Beute. Eine Dynastie, welche so regiert hatte wie
diese, hätte allermindestens ihr Leben teuer verkaufen müssen, wenn
ihre Kinder und Nachkommen eine Restauration hoffen sollten. Aber:
jamais homme crucl ne fut hardi, wie Comines bei diesem Anlaß etwas
einseitig und im ganzen doch richtig sagt.
Dci letzte
Visconti
Echt italienisch im Sinne des 15. Jahrhunderts erscheint das Fürsten-
tum in den Herzogen von Mailand ausgebildet, deren Herrschaft seit
Giangaleazzo schon eine völlig ausgebildete absolute Monarchie dar-
stellt. Vor allem ist der letzte Visconti, Filippo Maria (i4?2 — 1447) eine
höchst merkwürdige, glücklicherweise vortrefflich geschilderte'* Pcrsön-
keit. Was die Furcht aus einem Menschen von bedeutenden Anlagen in
hoher Stellung machen kann, zeigt sich hier, man könnte sagen, mathe-
DER STAAT ALS KUNSTWERK
23
matisch vollständig; alle Mittel und Zwecke des Staates konzentrieren
sich in dem einen der Sicherung seiner Person, nur daß sein grausamer
Egoismus doch nicht in Blutdurst überging. Im Kastell von Mailand,
das die herrlichsten Gärten, Laubgänge und Tummelplätze mit umfaßte,
sitzt er, ohne die Stadt in vielen Jahren auch nur zu betreten; seine
Ausflüge gehen nach den Landstädten, wo seine prächtigen Schlösser
liegen; die Barkenflotüllc, die ihn, von raschen Pferden gezogen, auf
eigens gebauten Kanälen dahin führt, ist für die Handhabung der ganzen
Etikette eingerichtet. Wer das Kastell betrat, war hundertfach beobach-
tet; niemand sollte auch nur am Fenster stehen, damit nicht nach außen
gewinkt würde. Ein künstliches System von Prüfungen erging über die,
welche zur persönlichen Umgebung des Fürsten gezogen werden sollten;
diesen vertraute er dann die höchsten diplomatischen wie die Lakaien-
dienste an, denn beides war ja hier gleich ehrenvoll. Und dieser Mann
führte lange, schwierige Kriege und hatte beständig große politische
Dinge unter den Händen, d. h. er mußte unaufhörhch Leute mit um-
fassenden Vollmachten aussenden. Seine Sicherheit lag nun darin, daß
keiner von diesen keinem traute, daß die Kondottieren durch Spione
und die Unterhändler und höhern Beamten durch künstlich genährte
Zwietracht, namentlich durch Zusammenkoppclung je eines Guten und
eines Bösen irre gemacht und auseinandergehalten wurden. Auch in
seinem Innersten ist Filippo Maria bei den entgegengesetzten Polen der
Weltanschauung versichert; er glaubt an Gestirne und an blinde Not-
wendigkeit und betet zugleich zu allen Nothelfern; er liest alte Autoren
und französische Ritterromane. Und zuletzt hat derselbe Mensch, der
den Tod nie wollte erwähnen hören** und selbst seine sterbenden Günst-
linge aus dem Kastell schaffen ließ, damit niemand in dieser Burg des
Glückes erbleiche, durch Schließung einer Wunde und Verweigerung
des Aderlasses seinen Tod absichthch beschleunigt und ist mit Anstand
und Würde gestorben.
Sein Schwiegersohn und endlicher Erbe, der glückliche Kondottiere
Francesco Sforza (1450 — 1466, S. 14), war vielleicht von allen Itahenern
am meisten der Mann nach dem Herzen des 15. Jahrhunderts. Glän-
zender als in ihm war der Sieg des Genies und der individuellen Kraft
nirgends ausgesprochen, und wer das nicht anzuerkennen geneigt war,
durfte doch immerhin den LiebUng der Fortuna in ihm verehren. Mai-
land empfand es offenbar als Ehre, wenigstens einen so berühmten Herr-
scher zu erhalten; hatte ihn doch bei seinem Eintritt das dichte Volks-
gedränge zu Pferde in den Dom hineingetragen, ohne daß er absteigen
konnte*'. Hören wir die Bilanz seines Lebens, wie sie Papst Pius IL,
ein Kenner in solchen Dingen, uns vorrechnet*®. „Im Jahr 1459, als der
Francesco
Sforza
Abb. 41
Sein Glück
2A, DER STAAT ALS KUNSTWERK
Herzog zum Fürstenkongreß nach Mantua kam, war er 60 (eher 58) Jahre
alt; als Reiter einem Jüngling gleich, hoch und äußerst imposant an Ge-
stalt, von ernsten Zügen, ruhig und leutselig im Reden, fürsthch im
ganzen Benehmen, ein Ganzes von leiblicher und geistiger Begabung
ohnegleichen in unserer Zeit, im Felde unbesiegt • — das war der Mann,
der von niedrigem Stande zur Herrschaft über ein Reich emporstieg.
Seine Gemahlin war schön und tugendhaft, seine Kinder anmutig wie
Engel vom Himmel; er war selten krank; alle seine wesentlichen Wünsche
erfüllten sich. Doch hatte auch er einiges Mißgeschick; seine Gemahhn
tötete ihm aus Eifersucht die Geliebte; seine alten Waffengenossen und
Freunde Troilo und Brunoro verließen ihn und gingen zu König Alfons
über; einen andern, Ciarpollone mußte er wegen Verrats henken lassen;
von seinem Bruder Alessandro mußte er erleben, daß derselbe einmal
die Franzosen gegen ihn anstiftete; einer seiner Söhne zettelte Ränke
gegen ihn und kam in Haft; die Mark Ankona, die er im Krieg erobert,
verlor er auch wieder im Krieg. Niemand genießt ein so ungetrübtes
Glück, daß er nicht irgendwo mit Schwankungen zu kämpfen hätte.
Der ist glücklich, der wenige Widerwärtigkeiten hat." Mit dieser nega-
tiven Definition des Glückes entläßt der gelehrte Papst seinen Leser.
Wenn er hätte in die Zukunft blicken können oder auch nur die Kon-
sequenzen der völlig unbeschränkten Fürstenmacht überhaupt erörtern
wollen, so wäre ihm eine durchgehende Wahrnehmung nicht entgangen:
die Garantielosigkeit der Familie. Jene engelschönen, überdies sorgfältig
und vielseitig gebildeten Kinder unterlagen, als sie Männer wurden, der
ganzen Ausartung des schrankenlosen Egoismus. Galeazzo Maria (1466
bis 1476), ein Virtuose der äußern Erscheinung, war stolz auf seine
schöne Hand, auf die hohen Besoldungen, die er bezahlte, auf den Geld-*
kredit, den er genoß, auf seinen Schatz von zwei Millionen Goldstücken,
auf die namhaften Leute, die ihn umgaben, und auf die Armee und die
Vogcljagd, die er unterhielt. Dabei hörte er sich gerne reden, weil er
gut redete, und vielleicht am allerfließendsten, wenn er etwa einen vene-
zianischen Gesandten kränken konnte*^. Dazwischen aber gab es Launen
wie z. B. die, ein Zimmer in einer Nacht mit Figuren ausmalen zu lassen;
es gab entsetzliclie Grausamkeiten gegen Nahestehende, xmd besinnungs-
lose Ausschweifung. Einigen Phantasten schien er alle Eigenschaften
eines Tyrannen zu besitzen; sie brachten ihn um und lieferten damit
den Staat in die Hände seiner Brüder, deren einer, Lodovico il Moro,
nachher mit Übergehung des eingekerkerten Neffen die ganze Herr-
schaft an sich riß. An diese Usurpation hängt sich dann die Intervention
der Franzosen und das böse Schicksal von ganz Italien. Der Moro ist
Abb. 14—77 aber die vollendetste fürstliche Charakterfigur dieser Zeit und erscheint
Galeazzo
Maria
Abb. 23
Lodovico
Moro
DER STAAT ALS KUNSTWERK 25
damit wieder wie ein Naturprodukt, dem man nicht ganz böse sein kann.
Bei der tiefsten Immoralität seiner Mittel erscheint er in deren An-
wendung völhg naiv; er würde wahrscheinhch sich sehr verwundert
haben, wenn ihm jemand hätte begreiflich machen wollen, daß nicht
nur für die Zwecke, sondern auch für die Ä'Iittel eine sittliche Verant-
wortung existiert; ja, er würde vielleicht seine möglichste Vermeidung
aller Bluturteile als eine ganz besondere Tugend geltend gemacht haben.
Den halbmythischen Respekt der Italiener vor seiner politischen Force
nahm er wie einen schuldigen Tribut'" an; noch 1496 rühmte er sich:
Papst Alexander sei sein Kaplan, Kaiser Max sein Kondottiere, Venedig
sein Kämmerer, der König von Frankreich sein Kurier, der da kommen
und gehen müsse, wie ihm beliebe'^. Mit einer erstaunlichen Besonnen-
heit wägt er noch in der letzten Not (1499) die möghchen Ausgänge ab,
und verläßt sich dabei, was ihm Ehre macht, auf die Güte der mensch-
lichen Natur; seinen Bruder Kardinal Ascanio, der sich erbietet, im
Kastell von Mailand auszuharren, weist er ab, da sie früher bittern
Streit gehabt hatten: ,,Monsignore, nichts für ungut. Euch traue ich
nicht, wenn Ihr schon mein Bruder seid" — bereits hatte er sich einen
Kommandanten für das Kastell, diese „Bürgschaft seiner Rückkehr",
ausgesucht, einen Mann, dem er nie Übles, stets nur Gutes erwiesen'^.
Derselbe verriet dann gleichwohl die Burg. — Im Innern war der Moro innere
bemüht, gut und nützlich zu walten, wie er denn in Mailand und auch '^lerung
in Como noch zuletzt auf seine Beliebheit rechnete; doch hatte er in
den spätem Jahren (seit 1496) die Steuerkraft seines Staates übermäßig
angestrengt und z. B. in Cremona einen angesehenen Bürger, der gegen
die neuen Auflagen redete, aus lauter Zweckmäßigkeit insgeheim er-
drosseln lassen; auch hielt er sich seitdem bei Audienzen die Leute
durch eine Barre weit vom Leibe'^, so daß man sehr laut reden mußte,
um mit ihm zu verhandeln. — An seinem Hofe, dem glanzvollsten von
Europa, da kein burgundischer mehr vorhanden war, ging es äußerst
unsittlich her; der Vater gab die Tochter, der Gatte die Gattin, der
Bruder die Schwester preis'*. Allein der Fürst wenigstens blieb immer
tätig und fand sich als Sohn seiner Taten denjenigen verwandt, welche
ebenfalls aus eignen geistigen Mitteln existierten, den Gelehrten, Dich-
tern, Musikern und Künstlern. Die von ihm gestiftete Akademie'^ ist
in erster Linie in bezug auf ihn, nicht auf eine zu unterrichtende Schüler-
schaft vorhanden; auch bedarf er nicht des Ruhmes der betreffenden
Männer, sondern ihres Umganges und ihrer Leistungen. Es ist gewiß,
daß Bramante am Anfang schmal gehalten wurde'^; aber Lionardo Abb. .,os
ist doch bis 1496 richtig besoldet worden — und was hielt ihn überhaupt
an diesem Hofe, wenn er nicht freiwilHg blieb? Die Welt stand ihm
26 DER STAAT ALS KUNSTWERK
offen wie vielleicht überhaupt keinem von allen damaligen Sterblichen,
und wenn irgend etwas dafür spricht, daß in Lodovico Moro ein höheres
Element lebendig gewesen, so ist es dieser lange Aufenthalt des rätsel-
haften Meisters in seiner Umgebung. Wenn Lionardo später dem Cesare
Borgia und Franz I. gedient hat, so mag er auch an diesen das außer-
gewöhnliche Naturell geschätzt haben.
Die letiten Vou dcu Söhucn dcs Moro, die nach seinem Sturz von fremden Leuten
Ab7^2 schlecht erzogen waren, sieht ihm der ältere, Massimiliano, gar nicht
mehr ähnlich; der jüngere, Francesco, war wenigstens des Aufschwunges
nicht unfähig. Mailand, das in diesen Zeiten so viele Male die Gebieter
wechselte und dabei unendlich litt, sucht sich wenigstens gegen die
Reaktionen zu sichern; die im Jahre 151 2 vor der spanischen Armee
und Massimiliano abziehenden Franzosen werden bewogen, der Stadt
einen Revers darüber auszustellen, daß die Mailänder keinen Teil an
ihrer Vertreibung hätten und, ohne Rebellion zu begehen, sich einem
neuen Eroberer übergeben dürften'^. Es ist auch in politischer Bezie-
hung zu beachten, daß die unglückliche Stadt in solchen Augenbhcken
' des Überganges, gerade wie z. B. Neapel bei der Flucht der Arago-
i nesen, der Plünderung durch Rotten von Bösewichtern (auch sehr vor-
nehmen) anheimzufallen pflegte.
Die Gon- Zwci bcsondcrs wohl geordnete und durch tüchtige Fürsten vertre-
lapen von ^^^^ Herrschaften sind in der zweiten Hälfte des fs. Jahrhunderts die
Mantua *-' *J
Abb. 35 der Gonzagen von Mantua und der Montefcltro von Urbino. Die Gon-
zagen waren schon als Familie ziemlich einträchtig; es gab bei ihnen
seit langer Zeit keine geheimen Mordtaten und sie durften ihre Toten
Abb.jg.is.io Zeigen. Marchese Francesco Gonzaga^* und seine Gemahlin Isabella von
Este sind, so locker es bisweilen hergehen mochte, ein würdevolles und
einiges Ehepaar geblieben und haben bedeutende und glückliche Söhne
erzogen in einer Zeit, da ihr kleiner, aber hochwichtiger Staat oft in
der größten Gefahr schwebte. Daß Francesco als Fürst und als Kon-
dottiere eine besonders gerade und redliche Politik hätte befolgen sollen,
das würde damals weder der Kaiser, noch die Könige von Frankreich,
noch Venedig verlangt oder gar erwartet haben, allein er fühlte sich
wenigstens seit der Schlacht am Taro (1495), soweit es die Waffenchre
f betraf, als italienischen Patrioten und teilte diese Gesinnung auch seiner
Gemahlin mit. Sie empfindet fortan jede Äußerung heldenmütiger Treue,
wie z. B. die Verteidigung von Faenza gegen Cesare Borgia als eine
Ehrenrettung Italiens. Unser Urteil über sie braucht sich nicht auf die
Künstler und Schriftsteller zu stützen, welche der schönen Fürstin ihr
Mäzenat reichlich vergalten; ihre eigenen Briefe schildern uns die un-
erschütterlich ruhige, im Beobachten schalkhafte und liebenswürdige
DER STAAT ALS KUNSTWERK
27
Frau hinlänglich. Bembo, Bandello, Ariosto und Bernardo Tasso sandten Abb. 246, ^5.
ihre Arbeiten an diesen Hof, obschon derselbe klein und machtlos und
die Kasse oft sehr leer war; einen feinern geselligen Kreis als diesen
gab es eben seit der Auflösung des alten urbinatischen Hofes (1508)
doch nirgends mehr, und auch der ferraresische war wohl hier im wesent-
lichen übertroffen, nämhch in der Freiheit der Bewegung. Spezielle Ken-
nerin war Isabella in der Kunst, und das Verzeichnis ihrer kleinen,
höchst ausgesuchten Sammlung wird kein Kunstfreund ohne Bewegung
lesen.
Urbino besaß in dem großen Federigo (1444 — 1482), mochte er nun Fejerigo
ein echter Montcfcltro sein oder nicht, einen der vortrefflichsten Re- ^j;,. 5«°
Präsentanten des Fürstentums. Als Kondottiere hatte er die politische
Moralität der Kondottieren, woran sie nur zur Hälfte schuld sind; als
Fürst seines kleinen Landes befolgte er die Politik, seinen auswärts ge-
wonnenen Sold im Lande zu verzehren und dasselbe möglichst wenig
zu besteuern. Von ihm und seinen beiden Nachfolgern Guidobaldo Abb. 59
und Francesco Maria heißt es: „sie errichteten Gebäude, beförderten
den Anbau des Landes, lebten an Ort und Stelle und besoldeten eine
Menge Leute; das Volk liebte sie"'*. Aber nicht nur der Staat war ein
wohlberechnetes und organisiertes Kunstwerk, sondern auch der Hof,
und zwar in jedem Sinne. Federigo unterhielt 500 Köpfe; die Hof- oervoUkon.-
Chargen waren so vollständig wie kaum an den Höfen der größten "'"
Monarchen, aber es wurde nichts vergeudet, alles hatte seinen Zweck
und seine genaue Kontrolle. Hier wurde nicht gespielt, gelästert und ge-
prahlt, denn der Hof mußte zugleich eine militärische Erziehungsanstalt
für die Söhne anderer großer Herren darstellen, deren Bildung eine
Ehrensache für den Herzog war. Der Palast, den er sich baute, war
nicht der prächtigste, aber klassisch durch die Vollkommenheit seiner
Anlage; dort sammelte er seinen größten Schatz, die berühmte Biblio-
thek. Da er sich in einem Lande, wo jeder von ihm Vorteil oder Ver-
dienst zog und niemand bettelte, vollkommen sicher fühlte, so ging er
beständig unbewaffnet und fast unbegleitet; keiner konnte ihm das
nachmachen, daß er in offenen Gärten wandelte, in offenem Saale sein
frugales Mahl hielt, während aus Livius (zur Fastenzeit aus Andachts-
schriften) vorgelesen wurde. An demselben Nachmittag hörte er eine
Vorlesung aus dem Gebiet des Altertums und ging dann in das Kloster
der Ciarissen, um mit der Oberin am Sprachgitter von heiligen Dingen
zu reden. Abends leitete er gerne die Leibesübungen der jungen Leute
seines Hofes auf der Wiese bei S. Francesco mit der herrlichen Aussicht,
und sah genau zu, daß sie sich bei den Fang- und Laufspielen vollkom-
men bewegen lernten. Sein Streben ging beständig auf die höchste Leut-
28
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Seligkeit und Zugänglichkeit; er besuchte die, welche für ihn arbeiteten,
in der Werkstatt, gab beständig Audienzen und erledigte die Anliegen
der einzelnen womöglich am gleichen Tage. Kein Wunder, daß die Leute,
wenn er durch die Straßen ging, niederknieten und sagten: Dio ti
mantenga, Signore! Die Denkenden aber nannten ihn das Licht Ita-
Guidobaido liens^". — Sein Sohn Guidobaldo, bei hohen Eigenschaften von Krank-
heit und Unglück aller Art verfolgt, hat doch zuletzt (1508) seinen
Staat in sichere Hände, an seinen Neffen Francesco Maria, zugleich
Ncpotcn des Papstes Julius IL, übergeben können, und dieser wieder-
um das Land wenigstens vor dauernder Fremdherrschaft geborgen. Merk-
würdig ist die Sicherheit, mit welcher diese Fürsten, Guidobaldo vor
Abb. 83 Cesare Borgia, Francesco Maria vor den Truppen Leos X. unterducken
und fliehen; sie haben das Bewußtsein, daß ihre Rückkehr um so leichter
' und erwünschter sein werde, je weniger das Land durch fruchtlose
Verteidigung gelitten hat. Wenn Lodovico Moro ebenfalls so rechnete,
so vergaß er die vielen andern Gründe des Hasses, die ihm entgegen-
wirkten. — Guidobaidos Hof ist als hohe Schule der feinsten Gesellig-
keit durch Baldassare Castiglione unsterblich gemacht worden, der seine
Ekloge Tirsi (1506) vor jenen Leuten zu ihrem Lobe aufführte, und
später (15 18) die Gespräche seines Cortigiano in den Kreis der hoch-
gebildeten Herzogin (Elisabetta Gonzaga) verlegte.
Die Regierung der Este in Ferrara, Modena und Reggio hält zwi-
schen Gewaltsamkeit und Popularität eine merkwürdige Mitte^^. Im
Innern des Palastes gehen entsetzliche Dinge vor; eine Fürstin wird
wegen vorgeblichen Ehebruches mit einem Stiefsohn enthauptet (1425);
eheliche und uneheliche Prinzen fliehen vom Hof und werden auch in
der Fremde durch nachgesandte Mörder bedroht (letzteres 1471); dazu
beständige Komplotte von außen; der Bastard eines Bastardes will dem
einzigen rechtmäßigen Erben (Ercole I.) die Herrschaft entreißen; später
(1493) soll der letztere seine Gemahlin vergiftet haben, nachdem er er-
kundet, daß sie ihn vergiften wollte, und zwar im Auftrag ihres Bruders
Ferrante von Neapel. Den Schluß dieser Tragödien macht das Komplott
zweier Bastarde gegen ihre Brüder, den regierenden Herzog Alfons I.
und den Kardinal Ippolito (1506), welches bei Zeiten entdeckt und mit
Fiskaiitst lebenslänglichem Kerker gebüßt wurde. — Ferner ist die Fiskalität in
diesem Staate höchst ausgebildet und muß es sein, schon weil er der be-
drohteste unter allen großen und mittlem Staaten von Italien ist und
der Rüstungen und Befestigungen in hohem Grade bedarf. Allerdings
sollte in gleichem Maße mit der Steuerkraft auch der natürliche Wohl-
stand des Landes gesteigert werden, und Marchese Niccolo (j 1441)
1 wünschte ausdrücklich, daß seine Untertanen reicher würden als andere
Abb. 248
Abb. 60
Die Este ii
Ferrara.
Hausgreuel
Abb. 2
DER STAAT ALS KUNSTWERK
29
Völker. Wenn die rasch wachsende Bevölkerung einen Beleg für den
wirkhch erreichten Wohlstand abgibt, so ist es in der Tat ein wichtiges
Faktum, daß (1497) in der außerordentlich erweiterten Hauptstadt keine
Häuser mehr zu vermieten waren^^. Ferrara ist die erste moderne Stadt
Europas; hier zuerst entstanden auf den Wink der Fürsten so große,
regelmäßig angelegte Qiiartiere; hier sammelte sich durch Konzentra-
tion der Beamtenschaft und künstlich herbeigezogene Industrie ein Resi-
denzvolk; reiche Flüchtlinge aus ganz Italien, zumal Florentiner, wur-
den veranlaßt, sich hier anzusiedeln und Paläste zu bauen. Allein die
indirekte Besteuerung wenigstens muß einen eben nur noch erträglichen
Grad von Ausbildung erreicht haben. Der Fürst übte wohl eine Für-
sorge, wie sie damals auch bei andern italienischen Gewaltherrschern,
z. B. bei Galeazzo Maria Sforza vorkam: bei Hungersnöten ließ er
Getreide aus der Ferne kommen^ und teilte es, wie es scheint, umsonst
aus; allein in gewöhnlichen Zeiten hielt er sich schadlos durch das
Monopol, wenn nicht des Getreides, doch vieler andern Lebensmittel:
Salzfleisch, Fische, Früchte, Gemüse, welch letztere auf und an den Wäl-
len von Ferrara sorgfältig gepflanzt wurden. Die bedenklichste Ein- .^mtenerkauf
nähme aber war die von dem Verkauf der jährlich neubesetzten Ämter,
ein Gebrauch, der durch ganz Italien verbreitet war, nur daß wir
über Ferrara am besten unterrichtet sind. Zum Neujahr 1502 heißt
es z. B. : die meisten kauften ihre Ämter um gesalzene Preise (salati);
es werden Faktoren verschiedener Art, Zolleinnehmer, Domänenver-
walter (massari), Notare, Podestäs, Richter und selbst Capitani, d. h.
herzogliche Oberbeamte von Landstädten einzeln angeführt. Als einer
von den „Leutefressern", welche ihr Amt teuer bezahlt haben und
welche das Volk haßt ,,mehr als den Teufel", ist Tito Strozza genannt,
hoffentUch nicht der berühmte lateinische Dichter. Um dieselbe Jahres-
zeit pflegte der jeweilige Herzog in Person eine Runde durch Ferrara
zu machen, das sog. Andar per Ventura, wobei er sich wenigstens von
den Wohlhabendem beschenken ließ. Doch wurde dabei kein Geld,
sondern nur Naturalien gespendet.
Der Stolz des Herzogs*' war es nun, wenn man in ganz Italien wußte, "rdnungund
daß in Ferrara den Soldaten ihr Sold, den Professoren der Univer-
sität ihr Gehalt immer auf den Tag ausbezahlt wurde, daß die Soldaten
sich niemals eigenmächtig am Bürger und Landmann erholen durften,
daß Ferrara uneinnehmbar sei und daß im Kastell eine gewaltige Summe
gemünzten Geldes liege. Von einer Scheidung der Kassen war keine
Rede; der Finanzminister war zugleich Hausminister. Die Bauten des
Borso (1430 bis 1471), Ercole I. (bis 1505) undAlfonsI. (bis 1534) waren Abb.ii—ts,
sehr zahlreich, aber meist von geringem Umfang; man erkennt darin ^'
QO DER STAAT ALS KUNSTWERK
ein Fürstenhaus, das bei aller Prachtliebe — Borso erschien nie anders
als in Goldstoff und Juwelen — sich auf keine unberechenbare Aus-
gabe einlassen will. Alfonso mag von seinen zierlichen kleinen Villen
ohnehin gewußt haben, daß sie den Ereignissen unterliegen würden,
Bclvedere mit seinen schattigen Gärten, wie Montana mit den schönen
Fresken und Springbrunnen.
Aüsbuduug Die dauernd bedrohte Lage entwickelte in diesen Fürsten unleugbar
sänuchkeit ^^"^ großc persönliche Tüchtigkeit; in einer so künstlichen Existenz
konnte sich nur ein Virtuose mit Erfolg bewegen, und jeder mußte sich
rechtfertigen und erweisen als den, der die Herrschaft verdiene. Ihre
Charaktere haben sämtlich große Schattenseiten, aber in jedem war
etwas von dem, was das Ideal der Italiener ausmachte. Welcher Fürst
des damaligen Europas hat sich so sehr um die eigene Ausbildung bc-
Aöi,. IS müht wie z. B. Alfonso I.? Seine Reise nach Frankreich, England und
den Niederlanden war eine eigentliche Studienreise, die ihm eine ge-
nauere Kenntnis von Handel und Gewerben jener Länder eintrug**.
Es ist töricht, ihm die Drechslerarbeit seiner Erholungsstunden vorzu-
Aib. 9-', 404 werfen, da sie mit seiner Meisterschaft im Kanonengießen und mit seiner
vorurteilslosen Art, die Meister jedes Faches um sich zu haben, zu-
sammenliing. Die italienischen Fürsten sind nicht wie die gleichzeitigen
nordischen auf den Umgang mit einem Adel angewiesen, der sich für
die einzige beachtenswerte Klasse der Welt hält und auch den Fürsten
in diesen Dünkel hineinzieht; hier darf und muß der Fürst jeden kennen
'- und brauchen, und ebenso ist auch der Adel zwar der Geburt nach ab-
geschlossen, aber in geselliger Beziehung durchaus auf persönliche, nicht
auf Kastengeltung gerichtet, wovon unten weiter zu handeln sein wird.
Loyalität Die Stimmung der Ferraresen gegen dieses Herrscherhaus ist die
merkwürdigste Mischung aus einem stillen Grauen, aus jenem echt
italienischen Geist der wohlausgesonnenen Demonstration, und aus völlig
moderner Untertanenloyalität; die persönliche Bewunderung schlägt in
ein neues Pflichtgefühl um. Die Stadt Ferrara setzte 1451 dem (1441)
verstorbenen Fürsten Niccolö eine eherne Reiterstatue auf der Piazza;
Borso genierte sich (1454) nicht, seine eigene sitzende Bronzestatue in
die Nähe zu setzen, und überdies dekretierte ihm die Stadt gleich am
Anfang seiner Regierung eine „marmorne Triumphsäule". Ein Ferrarese,
der im Auslände, in Venedig, über Borso öffentlich schlecht geredet,
wird bei der Heimkehr denunziert und vom Gericht zu Verbannung und
Gütercinzichung verurteilt, ja beinahe hätte ihn ein loyaler Bürger vor
dem Tribunal niedergestoßen; mit dem Sit ick um den Hals geht er
Polizei und 2um Herzog und erfleht völlige Verzeihung. Überhaupt ist dies Fürsten-
Beamten- !• 1
koutroUe tum mit Spähern gut versehen, und der Herzog in Person prüft täglich
DER STAAT ALS KUNSTWERK 3I
den Fremdenrapport, auf welchen die Wirte streng verpflichtet sind.
Bei Borso*^ wird dies noch in Verbindung gebracht mit seiner Gast-
freundschaft, die keinen bedeutenden Reisenden ungeehrt woUte ziehen
lassen; für Ercole I.*' dagegen war es reine Sicherheitsmaßregel. Auch
in Bologna mußte damals, unter Giovanni II. Bentivoglio, jeder durch-
passierende Fremde an dem einen Tor einen Zettel lösen, um wieder
zum andern hinaus zu dürfen*^. — Höchst populär wird der Fürst, wenn
er drückende Beamte plötzlich zu Boden schmettert, wenn Borso seine
ersten und geheimsten Räte in Person verhaftet, wenn Ercole I. einen
Einnehmer, der sich lange Jahre hindurch vollgesogen, mit Schanden
absetzt; da zündet das Volk Freudenfeuer an und läutet die Glocken.
Mit einem ließ es aber Ercole zu weit kommen, mit seinem Polizei-
direktor oder wie man ihn nennen will (capitaneo di giustizia) Gregorio
Zampante aus Lucca (denn für Stellen dieser Art eignete sich kein Ein-
heimischer). Selbst die Söhne und Brüder des Herzogs zitterten vor
demselben; seine Bußen gingen immer in die Hunderte und Tausende
von Dukaten, und die Tortur begann schon vor dem Verhör. Von den
größten Verbrechern ließ er sich bestechen und verschaffte ihnen durch
Lügen die herzogliche Begnadigung. Wie gerne hätten die Untertanen
dem Herzog loooo Dukaten und drüber bezahlt, wenn er diesen Feind
Gottes und der W'elt kassiert hätte! Aber Ercole hatte ihn zu seinem
Gevatter und zum Kavaliere gemacht, und der Zampante legte Jahr
um Jahr 2000 Dukaten beiseite; frcihch aß er nur noch Tauben, die
im Hause gezogen wurden und ging nicht mehr über die Gasse ohne
eine Schar von Armbrustschützen und Sbirren. Es wäre Zeit gewesen,
ihn zu beseitigen; da machten ihn (1496) zwei Studenten und ein ge-
taufter Jude, die er tödlich beleidigt, in seinem Hause während der
Siesta nieder und ritten auf bereitgehaltenen Pferden durch die Stadt,
singend: ,, Heraus, Leute, laufet! wir haben den Zampante umgebracht."
Die nachgesandte Mannschaft kam zu spät, als sie bereits über die
nahe Grenze in Sicherheit gelangt waren. Natürlich regnete es nun
Pasquille, die einen als Sonette, die andern als Kanzonen. — Anderer- xeunahme
seits ist es ganz im Geiste dieses Fürstentums, daß der Souverän seine
Hochachtung vor nützlichen Dienern auch dem Hof und der Bevölke-
rung diktiert. Als 1469 Borsos Geheimrat Lodovico Casella starb, durfte
am Begräbnistage kein Tribunal und keine Bude in der Stadt und kein
Hörsaal in der Universität offenstehen; jedermann sollte die Leiche
nach S. Domenico begleiten, weil auch der Herzog mitziehen würde.
In der Tat schritt er — „der erste vom Haus Este, der einem Unter-
tan an die Leiche gegangen" — in schwarzem Gewar.de weinend hinter
dem Sarge her, hinter ihm je ein Verwandter Casellas von einem Herrn
kums aa der
Trauer der
Fürsten
DER STAAT ALS KUNSTWERK
32
vom Hof geführt; Adlige trugen dann die Leiche des Bürgerlichen
aus der Kirche in den Kreuzgang, wo sie beigesetzt wurde. Überhaupt
l ist das offizielle Mitempfinden fürstlicher Gemütsbewegungen zuerst in
diesen italienischen Staaten aufgekommen^'. Der Kern hiervon mag
seinen schönen menschlichen Wert haben, die Äußerung, zumal bei
den Dichtern, ist in der Regel zweideutig. Eines der Jugendgedichte
Ariostos'", auf den Tod der Lianora von Aragon, Gemahhn des Ercole I.,
enthält, außer den unvermeidlichen Trauerblumen, wie sie in allen
Jahrhunderten gespendet werden, schon einige völlig moderne Züge:
,, Dieser Todesfall habe Ferrara einen Schlag versetzt, den es in vielen
Jahren nicht verwinden werde; seine Wohltäterin sei jetzt Fürbitterin
im Himmel geworden, da die Erde ihrer nicht würdig gewesen; freilich,
die Todesgöttin sei ihr nicht wie uns gemeinen Sterbhchen mit blutiger
Sense genaht, sondern geziemend (onesta) und mit freundhchem Ant-
verherr- Htz, daß jcdc Furclit vcrscliwand." Aber wir treffen noch auf ganz
iichungfuret- ^j^jjgj.g Mitgefühle; Novellisten, welchen an der Gunst der betreffenden
lieber Lieb- ° ' '
Schäften Häuscr allcs liegen mußte und welche auf diese Gunst rechnen, erzählen
uns die Liebesgeschichten der Fürsten zum Teil bei deren Lebzeiten®^
in einer Weise, die spätem Jahrhunderten als der Gipfel aller Indiskre-
tion, damals als harmlose Verbindlichkeit erschien. Ja lyrische Dichter
bedichteten die beiläufigen Passionen ihrer hohen, dabei legitim ver-
Abb.227 mahlten Herren, Angelo Poliziano die des Lorenzo magnifico, und mit
Abb. 130 besonderem Akzent Gioviano Fontane die des Alfonso von Kalabrien.
Das betreffende Gedicht'- verrät wider Willen die scheußliche Seele des
Aragonesen; er muß auch in diesem Gebiete der Glücklichste sein,
sonst wehe denen, die glücklicher wären! — Daß die größten Maler,
z. B. Lionardo, die Mätressen ihrer Herrn malten, versteht sich von selbst.
Der Pomp Das estcnsischc Fürstentum wartete aber nicht die Verherrlichung
der Este jj^j-ch andere ab, sondern es verherrlichte sich selbst. Borso ließ sich
Abb. 356 '
im Palazzo Schifanoja in einer Reihe von Regentenhandlungen ab-
malen, und Ercole feierte (zuerst 1472) den Jahrestag seines Regierungs-
antrittes mit einer Prozession, welche ausdrücklich mit der des Fron-
leichnamsfestes verghchen wird; alle Buden waren geschlossen wie an
einem Sonntag; mitten im Zuge marschierten alle vom Haus Este, auch
die Bastarde, in GoldstofT. Daß alle Macht und Würde vom Fürsten
ausgehe, eine persönliche Auszeichnung von seiner Seite sei, war an
diesem Hofe schon längst'^ versinnbildlicht durch einen Orden vom
goldenen Sporn, der mit dem mittelalterlichen Rittertum nichts mehr
zu tun hatte. Ercole L gab zum Sporn noch einen Degen, einen gold-
gestickten Mantel und eine Dotation, wofür ohne Zweifel eine regel-
mäßige Aufwartung verlangt wurde.
DER STAAT ALS KL'NSTWERK 33
Das Mäzenat, wofür dieser Hof weltberühmt geworden ist, knüpfte Das Mäzeuat
sich teils an die Universität, w^elche zu den vollständigsten Italiens
gehörte, teils an den Hof- und Staatsdienst; besondere Opfer wurden
dafür kaum gebracht. Bojardo gehörte als reicher Landcdelmann und
hoher Beamter durchaus nur in diese Sphäre; als Ariost anfing, etwas Abb. 232
zu werden, gab es, wenigstens in der wahren Bedeutung, keinen mai-
ländischen und keinen florentinischen, bald auch keinen urbinatischen
Hof mehr, von Neapel nicht zu reden, und er begnügte sich mit einer
Stellung neben den Musikern und Gauklern des Kardinals IppoUto, Abb 357. jsf
bis ihn Alfonso in seine Dienste nahm. Anders war es später mit Tor-
quato Tasso, auf dessen Besitz der Hof eine wahre Eifersucht zeigte.
Gegenüber von dieser konzentrierten Fürstenmacht war jeder Wider- Reste jer ai-
stand innerhalb des Staates erfolglos. Die Elemente zur Herstellung '™
einer städtischen RepubHk waren für immer aufgezehrt, alles auf Macht
und Gewaltübung orientiert. Der Adel, politisch rechtlos, auch wo er
noch feudalen Besitz hatte, mochte sich und seine Bravi als Guclfen
und Gibellinen einteilen und kostümieren, sie die Feder am Barett
oder die Bauschen an den Hosen" so oder anders tragen lassen — die
Denkenden, wie z. B. Machiavclli**, wußten ein für allemal, daß Mai- .«(■. »5<
land oder Neapel für eine Republik zu ,, korrumpiert" waren. Es kom-
men wunderbare Gerichte über jene vorgeblichen zwei Parteien, die
längst nichts mehr als alte, im Schatten der Gewalt am Späher gezogene
Famihengehässigkeiten waren. Ein italienischer Fürst, welchem Agrippa
von Nettesheim** die Aufhebung derselben anriet, antwortete: ihre Hän-
del tragen mir ja bis 12000 Dukaten Bußgelder jährhch ein! — Und
als z. B. im Jahre 1500 während der kurzen Rückkehr des Moro in
seine Staaten die Guelfen von Tortona einen Teil des nahen französi-
schen Heeres in ihre Stadt riefen, damit sie den Gibelhnen den Garaus
machten, plünderten und ruinierten die Franzosen zunächst allerdings
diese, dann aber auch die Guelfen selbst, bis Tortona völlig verwüstet
war". — Auch in der Romagna, wo jede Leidenschaft und jede Rache
unsterbUch waren, hatten jene beiden Namen den politischen Inhalt
vollkommen eingebüßt. Es gehörte mit zum politischen Irsinn des armen
Volkes, daß die Guelfen hier und da sich zur Sympathie für Frankreich,
die Gibellinen für Spanien verpflichtet glaubten. Ich sehe nicht, daß
die, welche diesen Irrsinn ausbeuteten, besonders weit damit gekommen
wären. Frankreich hat Italien nach allen Interv'cntionen immer wieder
räumen müssen, und was aus Spanien geworden ist, nachdem es Italien
umgebracht hat, das greifen wir mit den Händen.
Burckhardt 3
OA DER STAAT ALS KUNSTWERK
Die ver- Doch wif kehren zum Fürstentum der Renaissance zurück. Eine voll-
schwöningen j^^j^j^^jj j-ginc Sccle hätte vielleicht auch damals räsoniert, daß alle
Gewalt von Gott sei, und daß diese Fürsten, wenn jeder sie gutwillig
und aus redlichem Herzen unterstütze, mit der Zeit gut werden und
ihren gewaltsamen Ursprung vergessen müßten. Aber von leiden-
schaftlichen, mit schaffender Glut begabten Phantasien und Gemütern
ist dies nicht zu verlangen. Sie sahen, wie schlechte Ärzte, die Hebung
der Krankheit in der Beseitigung des Symptoms und glaubten, wenn
man die Fürsten ermorde, so gebe sich die Freiheit von selber. Oder
sie dachten auch nicht so weit, und wollten nur dem allgemein verbrei-
teten Haß Luft machen, oder nur eine Rache für Familienunglück oder
persönUche Beleidigungen üben. So wie die Herrschaft eine unbedingte,
aller gesetzlichen Schranken entledigte, so ist auch das Mittel der Gegner
ein unbedingtes. Schon Boccaccio sagt es offen^^: ,,Soll ich den Gewalt-
herrn König, Fürst heißen und ihm Treue bewahren als meinem Obern?
Nein! denn er ist Feind des gemeinen Wesens. Gegen ihn kann ich
Waffen, Verschwörung, Späher, Hinterhalt, List gebrauchen; das ist
ein heiliges, notwendiges Werk. Es gibt kein lieblicheres Opfer als
Tyrannenblut." Die einzelnen Hergänge dürfen uns hier nicht be-
schäftigen; Machiavelli hat in einem allbekannten KapitcP* seiner Dis-
corsi die antiken und modernen Verschwörungen von der alten griechi-
schen Tyrannenzeit an behandelt und sie nach ihrer verschiedenen
Anlage und ihren Chancen ganz kaltblütig beurteilt. Nur zwei Be-
merkungen: über die Mordtaten beim Gottesdienst und über die Ein-
wirkung des Altertums mögen hier gestattet sein.
Der Kirch™- Es War fast Unmöglich, der wohlbewachten Gewaltherrscher anders-
wo habhaft zu werden als bei feierlichen Kirchgängen, vollends aber
war eine ganze fürstliche Familie bei keinem andern Anlaß beisammen-
zutreffen. So ermordeten die Fabrianesen^"" (1435) ihr Tyrannenhaus,
die Chiavelli, während eines Hochamtes, und zwar laut Abrede bei
den Worten des Credo: Et incarnatus est. In Mailand wurde (1412)
Herzog Giovan Maria Visconti am Eingang der Kirche S. Gottardo,
(1476) Herzog Galeazzo Maria Sforza in der Kirche S. Stefano ermordet,
und Lodovico Moro entging einst (1484) den Dolchen der Anhänger
der verwitweten Herzogin Bona nur dadurch, daß er die Kirche S. Am-
brogio durch eine andere Tür betrat, als dieselben erwartet hatten.
Eine besondere Impietät war dabei nicht beabsichtigt; die Mörder Ga-
leazzos beteten noch vor der Tat zu dem Heihgen der betreffenden Kirche
und hörten noch die erste Messe daselbst. Doch war es bei der Ver-
schwörung der Pazzi gegen Lorcnzo und Giuliano Mcdici (1478) eine
Ursache des teilweisen Mißlingens, daß der Bandit Montesecco sich
mord
DER STAAT ALS KUNSTWERK
35
zwar für die Ermordung bei einem Gastmahl verdungen hatte, den
Vollzug im Dom von Florenz dagegen verweigerte; an seiner Stelle
verstanden sich dann Geistliche dazu, „welche der heiligen Orte ge-
wohnt waren und sich deshalb nicht scheuten^"^."
Was das Altertum betrifft, dessen Einwirkung auf die sittlichen und Einwirkung
speziell auf die politischen Fragen noch öfter berührt werden wird, "ums"
so gaben die Herrscher selbst das Beispiel, indem sie in ihrer Staats-
idee sowohl als in ihrem Benehmen das alte römische Imperium oft
ausdrücklich zum Vorbild nahmen. Ebenso schlössen sich nun ihre
Gegner, sobald sie mit theoretischer Besinnung zu Werke gingen, den
antiken Tyrannenmördern an. Es wird schwer zu beweisen sein, daß
sie in der Hauptsache, im Entschluß zur Tat selbst, durch dies Vor-
bild seien bestimmt worden, aber reine Phrase und Stilsache blieb die
Berufung auf das Altertum doch nicht. Die merkwürdigsten Aufschlüsse
sind über die Mörder Galeazzo Sforzas, Lampugnani, Olgiati und Vis-
conti vorhanden ^''^. Sie hatten alle drei ganz persönliche Motive, und
doch kam der Entschluß vielleicht aus einem allgemeinern Grunde.
Ein Humanist und Lehrer der Eloquenz, Cola de' Montani, hatte unter
einer Schar von sehr jungen mailändischen Adligen eine unklare Be-
gier nach Ruhm und nach großen Taten für das Vaterland entzündet
und war endlich gegen die zwei erstgenannten mit dem Gedanken
einer Befreiung Mailands herausgerückt. Bald kam er in Verdacht,
wurde ausgewiesen und mußte die Jünglinge ihrem lodernden Fanatis-
mus überlassen. Etwa zehn Tage vor der Tat verschworen sie sich Der
feierhch im Kloster S. Ambrogio; ,,dann", sagt Olgiati, „in einem ab- ^""^'p^'™"
gelegenen Raum vor einem Bilde des heiligen Ambrosius erhob ich
meine Augen und flehte ihn um Hilfe für uns und sein ganzes Volk."
Der himmlische Stadtpatron soll die Tat schützen, gerade wie nach-
her S. Stephan, in dessen Kirche sie geschieht. Nun zogen sie noch viele
andere halb in die Sache hinein, hatten im Hause Lampugnani ihr
allnächtliches Hauptquartier und übten sich mit Dolchscheiden im
Stechen. Die Tat gelang, aber Lampugnani wurde gleich von den Be-
gleitern des Herzogs niedergemacht und die andern ergriffen. Visconti
zeigte Reue, Olgiati blieb trotz aller Tortur dabei, daß die Tat ein
Gott wohlgefälliges Opfer gewesen und sagte noch, während ihm der
Henker die Brust einschlug: „Nimm dich zusammen, Girolamo! Man
wird lange an dich denken; der Tod ist bitter, der Ruhm ewig!"
So ideal aber die Vorsätze und Absichten hier sein mochten, so Katuinaner
schimmert doch aus der Art und Weise, wie die Verschwörung betrieben
wird, das Bild gerade des heillosesten aller Konspiratoren hervor, der
mit der Freiheit gar nichts gemein hat: des Catilina. Die Jahrbücher
nß DER STAAT ALS KUNSTWERK
von Siena sagen ausdrücklich, die Verschwörer hätten den Sallust stu-
diert, und aus Olgiatis eigenem Bekenntnis erheUt es mittelbar ^''^. Auch
sonst werden wir diesem furchtbaren Namen wieder begegnen. Für
das geheime Komplettieren gab es eben doch, wenn man vom Zweck
absah, kein so einladendes Muster mehr wie dieses.
Fioreni und Bci dctt Florentinern, sooft sie sich der Medici entledigten oder ent-
die Tyrannen jgjjggj^ wollten, galt der Tyrauncnmord als ein offen zugestandenes
Ideal. Nach der Flucht der Medici im Jahre 1494 nahm man aus ihrem
Abb. 63 Palast Donatellos Bronzegruppe^"* der Judith mit dem toten Holofernes
und setzte sie vor den Signorenpalast an die Stelle, wo jetzt Michel-
angelos David steht, mit der Inschrift: exemplum salutis publicae cives
posuere 1495. Ganz besonders aber berief man sich jetzt auf den Jün-
gern Brutus, der noch bei Dante^"* mit Cassius und Judas Ischariot im
untersten Schlund der Hölle steckt, weil er das Imperium verraten.
Pietro Paolo Boscoli, dessen Verschwörung gegen Giuliano, Giovanni
und Giulio Medici (1513) mißlang, hatte im höchsten Grade für Brutus
geschwärmt und sich vermessen ihn nachzuahmen, wenn er einen Cas-
sius fände; als solcher hatte sich ihm dann Agostino Capponi ange-
schlossen. Seine letzten Reden im Kerker^"*, eines der wichtigsten Akten-
stücke über den damahgen Religionszustand, zeigen, mit welcher An-
strengung er sich jener römischen Phantasien wieder entledigte, um
christlich zu sterben. Ein Freund und der Beichtvater müssen ihn ver-
sichern, S. Tliomas von Aquino verdamme die Verschwörungen über-
haupt, aber der Beichtvater hat in späterer Zeit demselben Freunde
insgeheim eingestanden, S. Thomas mache eine Distinktion und er-
laube die Versciiwörung gegen einen Tyrannen, der sich dem Volk
gegen dessen Willen mit Gewalt aufgedrungen. Als Lorenzino Medici
den Herzog Alessandro (1537) umgebracht und sich geflüchtet hatte,
erschien eine wahrscheinlich echte, mindestens in seinem Auftrage ver-
faßte Apologie^"' der Tat, worin er den Tyrannenmord an sich als
das verdienstlichste Werk preist; sich selbst vergleicht er, auf den Fall,
daß Alessandro wirklich ein echter Medici und also (wenn auch weit-
läufig) mit ihm verwandt gewesen, ungcschcut mit Timoleon, dem
Brudermörder aus Patriotismus. Andere haben auch liier den Vergleich
mit Brutus gebraucht, und daß selbst Michelangelo noch ganz spät Ge-
danken dieser Art nachgehangen hat, darf man wohl aus seiner Brutus-
Abh. 263 büste (im Bargcllo) sciiließen. Er ließ sie unvollendet, wie fast alle
seine Werke, aber gewiß nicht, weil ihm der Mord Cäsars zu schwer
auf das Herz gefallen, wie das darunter angebrachte Distichon meint.
Das Volk und Einen Massenradikalismus, wie er sich gegenüber den neuern Mon-
die Ver _ _ . ,
schwörer archien ausgebildet hat, würde man in den Fürstenstaaten der Re-
DER STAAT ALS KUNSTWERK 37
naissance vergebens suchen. Jeder einzelne protestierte wohl in seinem
Innern gegen das Fürstentum, aber er suchte viel eher sich leidlich
oder vorteilhaft unter demselben einzurichten als es mit vereinten Kräften
anzugreifen. Es mußte schon so weit kommen, wie damals in Camerino,
in Fabriano, in Rimini (S. 20), bis eine Bevölkerung ihr regierendes
Haus zu vertilgen oder zu verjagen unternahm. Auch wußte man in
der Regel zu gut, daß man nur den Herrn wechseln würde. Das Gestirn
der Republiken war entschieden im Sinken.
Einst hatten die italienischen Städte in höchstem Grade jene Kraft unterging
entwickelt, welche die Stadt zum Staate macht. Es bedurfte nichts ",/<,Vr
weiter, als daß sich diese Städte zu einer großen Föderation verbündeten;
ein Gedanke, der in Italien immer wiederkehrt, mag er im einzelnen
bald mit diesen, bald mit jenen Formen bekleidet sein. In den Kämpfen
des 12. und 13. Jahrhunderts kam es wirklich zu großen, kriegerisch
gewaltigen Städtebünden, und Sismondi (II. 174) glaubt, die Zeit der
letzten Rüstungen des Lombardenbundes gegen Barbarossa (seit 11 68)
wäre wohl der Moment gewesen, da eine allgemeine italienische Föde-
ration sich hätte bilden können. Aber die mächtigeren Städte hatten
bereits Charakterzüge entwickelt, welche dies unmöghch machten: sie
erlaubten sich als Handelskonkurrenten die äußersten Mittel gegen-
einander und drückten schwächere Nachbarstädte in rechtlose Abhängig-
keit nieder; d. h. sie glaubten am Ende doch einzeln durchzukommen
und des Ganzen nicht zu bedürfen, und bereiteten den Boden vor für
jede andere Gewaltherrschaft. Diese kam, als innere Kämpfe zwischen
den Adelsparteien unter sich und mit den Bürgern die Sehnsucht nach
einer festen Regierung weckten und die schon vorhandenen Soldtruppen
jede Sache um Geld unterstützten, nachdem die einseitige Parteiregie-
rung schon längst das allgemeine Bürgeraufgebot unbrauchbar zu finden
gewohnt war^"^. Die Tyrannis verschlang die Freiheit der meisten Städte;
hie und da vertrieb man sie, aber nur halb, oder nur auf kurze Zeit;
sie kam immer wieder, weil die Innern Bedingungen für sie vorhanden
und die entgegenstrebenden Kräfte aufgebraucht waren.
Unter den Städten, welche ihre Unabhängigkeit bewahrten, sind zwei
für die ganze Geschichte der Menschheit von höchster Bedeutung:
Florenz, die Stadt der beständigen Bewegung, welche uns auch Kunde
hinterlassen hat von allen Gedanken und Absichten der einzelnen und
der Gesamtheit, die drei Jahrhunderte hindurch an dieser Bewegung
teilnahmen; dann Venedig, die Stadt des scheinbaren Stillstandes und
des politischen Schweigens. Es sind die stärksten Gegensätze, die sich
Die Stadt
og DER STAAT ALS KUNSTWERK
denken lassen, und beide sind wiederum mit nichts auf der Welt zu
vergleichen.
Venedig Venedig erkannte sich selbst als eine wunderbare, geheimnisvolle
Abb.io7-i2z Schöpfung, in welcher noch etwas anderes als Menschenwitz von jeher
wirksam gewesen. Es gab einen Mythus von der feierlichen Gründung
der Stadt: am 25. März 413 um Mittag hätten die Übersiedler aus
Padua den Grundstein gelegt am Rialto, damit eine unangreifbare,
heilige Freistätte sei in dem von den Barbaren zerrissenen Italien.
Spätere haben in die Seele dieser Gründer alle Ahnungen der künftigen
Größe hineingelegt; M. Antonio Sabellico, der das Ereignis in prächtig
strömenden Hexametern gefeiert hat, läßt den Priester, der die Stadt-
weihe vollzieht, zum Himmel rufen: ,,Wenn wir einst Großes wagen,
dann gib Gedeihen! Jetzt knien wir nur vor einem armen Altar, aber
wenn unsere Gelübde nicht umsonst sind, so steigen dir, o Gott, liier
einst hundert Tempel von Marmor und Gold empor i"'!" — Die Insel-
stadt selbst erschien zu Ende des 15. Jahrhunderts wie das Schmuck-
kästchen der damahgen Welt. Derselbe Sabellico schildert sie als sol-
ches^" mit ihren uralten Kuppelkirchen, schiefen Türmen, inkrustierten
Marmorfassaden, mit ihrer ganz engen Pracht, wo die Vergoldung der
Decken und die Vermietung jedes Winkels sich miteinander vertrugen.
Er führt uns auf den dichtwogenden Platz vor S. Giacometto am Rialto,
wo die Geschäfte einer Welt sich nicht durch lautes Reden oder Schreien,
sondern nur durch ein vielstimmiges Summen verraten, wo in den
Portiken^^ ringsum und in denen der anstoßenden Gassen die Wechsler
und die Hunderte von Goldschmieden sitzen, über ihren Häuptern
Läden und Magazine ohne Ende; jenseits von der Brücke beschreibt
er den großen Fondaco der Deutschen, in dessen Hallen ihre Waren
und ihre Leute wohnen, und vor welchem stets Schiff an Schiff im Kanal
liegt; von da weiter aufwärts die Wein- und Ölfiotte und parallel damit
am Strande, wo es von Facchincn wimmelt, die Gewölbe der Händler;
dann vom Rialto bis auf den Markusplatz die Parfümeriebuden und
Wirtshäuser. So geleitet er den Leser von Qiiartier zu Quartier bis
hinaus zu den beiden Lazaretten, welche mit zu den Instituten hoher
Zweckmäßigkeit gehörten, die man nur hier so ausgebildet vorfand.
Fürsorge für die Leute war überhaupt ein Kennzeichen der Venezianer,
I im Frieden -wie im Kriege, wo ihre Verpflegung der Verwundeten,
selbst der feindlichen, für andere ein Gegenstand des Erstaunens war"^.
Was irgend öffentliche Anstalt hieß, konnte in Venedig sein Muster
finden; auch das Pensionswesen wurde systematisch gehandhabt, so-
gar in betreff der Hinterlasscncn. Reichtum, politische Sicherheit und
Weltkenntnis hatten hier das Nachdenken über solche Dinge gereift.
DER STAAT ALS KUNSTWERK 3g
Diese schlanken, blonden Leute nut dem leisen, bedächtigen Schritt Die
und der besonnenen Rede, unterschieden sich in Tracht und Auftreten
nur wenig voneinander; den Putz, besonders Perlen, hingen sie ihren
Frauen und Mädchen an. Damals war das allgemeine Gedeihen, trotz
großer Verluste durch die Türken, noch wahrhaft glänzend; aber die
aufgesammelte Energie und das allgemeine Vorurteil Europas genügten
auch später noch, um Venedig selbst die schwersten Schläge lange über-
dauern zu lassen: die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien, den
Sturz der Mamelukenherrschaft von Äg^^ten und den Krieg der Liga
von Cambrai.
Sabelhco, der aus der Gegend von Tivoli gebürtig und an das un- Der suat
genierte Redewerk der damaligen Philologen gewöhnt war, bemerkt
an einem andern Orte'^ mit einigem Erstaunen, daß die jungen Nobili,
welche seine Morgenvorlesungen hörten, sich gar nicht auf das Politi-
sieren mit ihm einlassen wollten: ,,Wenn ich sie frage, was die Leute
von dieser oder jener Bewegung in ItaUen dächten, sprächen und er-
warteten, antworteten sie mir alle mit einer Stimme, sie wüßten nichts."
Man konnte aber von dem demoralisierten Teil des Adels trotz aller
Staatsinquisition mancherlei erfahren, nur nicht so wohlfeilen Kaufes.
Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gab es Verräter in den höchsten Die verrät«
Behörden"*; die Päpste, die italienischen Fürsten, ja ganz mittelmäßige
Kondottieren im Dienst der Republik hatten ihre Zuträger, zum Teil
mit regelmäßiger Besoldung; es war so weit gekommen, daß der Rat
der Zehn für gut fand, dem Rat der Pregadi wichtigere politische Nach-
richten zu verbergen, ja man nahm an, daß Lodo\ico Moro in den
Pregadi über eine ganz bestimmte Stimmenzahl verfüge. Ob das nächt-
liche Aufhenken einzelner Schuldigen und die hohe Belohnung der
Angeber (z. B. sechzig Dukaten lebenslängliche Pension) viel fruchteten,
ist schwer zu sagen; eine Hauptursache, die Armut vieler Nobili, ließ
sich nicht plötzhch beseitigen. Im Jahre 1492 betrieben zwei Nobili
einen Vorschlag, der Staat solle jährlich 70000 Dukaten zur Vertröstung
derjenigen armen Adligen auswerfen, welche kein Amt hätten; die
Sache war nahe daran, vor den großen Rat zu kommen, wo sie eine
Majorität hätte erhalten können — als der Rat der Zehn noch zu
rechter Zeit eingriff und die beiden auf Lebenszeit nach Nicosia auf
Zypern verbannte^*. Um diese Zeit wurde ein Soranzo auswärts als
Kirchenräuber gehenkt und ein Contarini wegen Einbruchs in Ketten
gelegt; ein anderer von derselben Familie trat 1499 vor die Signorie
und jammerte, er sei seit vielen Jahren ohne Amt, habe nur 16 Dukaten
Einkünfte und neun Kinder, dazu 60 Dukaten Schulden, verstehe kein
Geschäft und sei neulich auf die Gasse gesetzt worden. Man begreift,
DER STAAT ALS KUNSTWERK
40
daß einzelne reiche Nobili Häuser bauen, um die armen darin gratis
wohnen zu lassen. Der Häuserbau um Gottes willen, selbst in ganzen
Reihen, kommt in Testamenten als gutes Werk vor"^.
Dicgesuiuien Wenn die Feinde Venedigs auf Übelstände dieser Art jemals ernst-
'^""*' liehe Hoffnungen gründeten, so irrten sie sich gleichwohl. Man könnte
glauben, daß schon der Schwung des Handels, der auch dem Geringsten
einen reichlichen Gewinn der Arbeit sicherte, daß die Kolonien im öst-
lichen Mittelmeer die gefährlichen Kräfte von der Politik abgelenkt
haben möchten. Hat aber nicht Genua, trotz ähnlicher Vorteile, die
sturmvollste politische Geschichte gehabt? Der Grund von Venedigs
Unerschütterhchkeit liegt eher in einem Zusammenwirken von Um-
ständen, die sich sonst nirgends vereinigten. Unangreifbar als Stadt,
■ hatte es sich von jeher der auswärtigen Verhältnisse nur mit der kühlsten
■ Überlegung angenommen, das Parteiwesen des übrigen Italiens fast
ignoriert, seine Allianzen nur für vorübergehende Zwecke und um
möglichst hohen Preis geschlossen. Der Grundton des venezianischen
Gemütes war daher der einer stolzen, ja verachtungsvollen Isolierung
und folgerichtig einer stärkern Solidarität im Innern, wozu der Haß
des ganzen übrigen Italiens noch das Seine tat. In der Stadt selbst
hatten dann alle Einwohner die stärksten gemeinschaftlichen Interessen
gegenüber den Kolonien sowohl als den Besitzungen der Terraferma,
indem die Bevölkerung der letztern (d. h. der Städte bis Bergamo)
nur in Venedig kaufen und verkaufen durfte. Ein so künstlicher Vorteil
konnte nur durch Ruhe und Eintracht im Innern aufrechterhalten wer-
den • — das fühlte gewiß die übergroße Mehrzahl, und für Verschwörer
war schon deshalb hier ein schlechter Boden. Und wenn es Unzufrie-
dene gab, so wurden sie durch die Trennung in Adlige und Bürger
auf eine Weise auseinandergehalten, die jede Annäherung sehr er-
schwerte. Innerhalb des Adels aber war den möglicherweise Gefähr-
lichen, nämlich den Reichen, eine Hauptquelle aller Verschwörunger,
der Müßiggang, abgeschnitten durch ihre großen Handelsgeschäfte und
Reisen und durch die Teilnahme an den stets wiederkehrenden Türken-
kriegen. Die Kommandanten schonten sie dabei, ja bisweilen in straf-
barer Weise, und ein venezianischer Cato weissagte den Untergang der
Macht, wenn diese Scheu der Nobili, einander irgend wehe zu tun,
auf Unkosten der Gerechtigkeit fortdauern würdc^^'. Immerhin aber
gab dieser große Verkehr in der freien Luft dem Adel von \'cnedig
»er R.it d.r ciuc gcsundc Richtung im ganzen. Und wenn Neid und Ehrgeiz durch-
aus einmal Genugtuung begehrten, so gab es ein offizielles Opfer, eine
Behörde und legale Mittel. Die vicijährige moralische Marter, welcher
Abb. 117 der Doge Francesco Foscari (starb 1457) vor den Augen von ganz
DER STAAT ALS KUNSTWERK 4I
Venedig unterlag, ist vielleicht das schrecklichste Beispiel dieser nur
in Aristokratien möglichen Rache. Der Rat der Zehn, welcher in alles
eingriff, ein unbedingtes Recht über Leben und Tod, über Kassen
und Armeebefehl besaß, die Inquisitoren in sich enthielt, und den Fos-
cari wie so manchen Mächtigen stürzte, dieser Rat der Zehn wurde
alljährlich von der ganzen regierenden Kaste, dem Gran-consiglio, neu
gewählt, und war somit der unmittelbarste Ausdruck derselben. Große
Intrigen mögen bei diesen Wahlen kaum vorgekommen sein, da die
kurze Dauer und die spätere Verantwortlichkeit das Amt nicht sehr
begehrenswert machten. Allein vor diesen und andern venezianischen
Behörden, mochte ihr Tun noch so unterirdisch und gewaltsam sein,
flüchtete sich doch der echte Venezianer nicht, sondern er stellte sich;
nicht nur weil die Republik lange Arme hatte und statt seiner die Familie
plagen konnte, sondern weil in den meisten Fällen wenigstens nach
Gründen und nicht aus Blutdurst verfahren wurde "^. Überhaupt hat
wohl kein Staat jemals eine größere moralische Macht über seine An-
gehörigen in der Ferne ausgeübt. Wenn es z. B. Verräter in den Pregadi
gab, so wurde dies reichlich dadurch aufgewogen, daß jeder Venezianer
in der Fremde ein geborncr Kundschafter für seine Regierung war.
\'on den venezianischen Kardinälen in Rom verstand es sich von selbst,
daß sie die Verhandlungen der geheimen päpsthchen Konsistorien nach
Hause meldeten. Kardinal Domenico Grimani ließ in der Nähe von
Rom (1500) die Depeschen wegfangen, welche Ascanio Sforza an seiner.
Bruder Lodovico Moro absandte, und schickte sie nach Venedig; sein
eben damals schwer angeklagter Vater machte dies Verdienst des Soh-
nes öffentUch vor dem Gran-consiglio, d. h. vor der ganzen Welt, gel-
tend»!«.
Wie Venedig seine Kondottieren hielt, ist oben (S. 13) angedeutet Verhältnis zu
worden. Wenn es noch irgendeine besondere Garantie ihrer Treue düttieren
suchen wollte, so fand es sie etwa in ihrer großen Anzahl, welche den ■tt't'-yo
V^errat ebensosehr erschweren als dessen Entdeckung erleichtern mußte.
Beim Anblick venezianischer Armeerollen fragt man sich nur, wie bei
so bunt zusammengesetzten Scharen eine gemeinsame Aktion möglich
gewesen? In derjenigen des Krieges von 1495 figurieren^" 15526 Pferde
in lauter kleinen Posten; nur der Gonzaga von Mantua hatte davon
1200, Gioffredo Borgia 740; dann folgen sechs Anführer mit 700 bis
600, zehn mit 400, zwölf mit 400 — 200, etwa vierzehn mit 200 — 100,
neun mit 80, sechs mit 60 — 50 usw. Es sind teils alte venezianische
Truppenkörper, teils solche unter venezianischen Stadtadligen und Land-
adhgen, die meisten Anführer aber sind Fürsten und Stadthäupter oder
Verwandte von solchen. Dazu kommen 24000 Mann Infanterie, über
42
DER STAAT ALS KUNSTWERK
deren Beischaffung und Führung nichts bemerkt wird, nebst weitern
3300 Mann wahrscheinlich besonderer Waffengattungen. Im Frieden
waren die Städte der Terraferma gar nicht oder mit unglaubHch ge-
ringen Garnisonen besetzt. Venedig verHeß sich nicht gerade auf die
Pietät, wohl aber auf die Einsicht seiner Untertanen; beim Kriege
Auswärtige dcr Liga von Cambrai (1509) sprach es sie bekanntlich vom Treueid
''°''"'' los, und ließ es darauf ankommen, daß sie die Annehmlichkeiten einer
feindlichen Okkupation mit seiner milden Herrschaft vergleichen wür-
den; da sie nicht mit Verrat von S. Markus abzufallen nötig gehabt
hatten und also keine Strafe zu fürchten brauchten, kehrten sie mit dem
größten Eifer wieder unter die gewohnte Herrschaft zurück. Dieser
Krieg war, beiläufig gesagt, das Resultat eines hundertjährigen Geschreies
über die Vergrößerungssucht Venedigs. Letzteres beging bisweilen die
Fehler allzu kluger Leute, welche auch ihren Gegnern keine nach ihrer
Ansicht törichten, rechnungswidrigen Streiche zutrauen wollen^^. In
diesem Optimismus, der vielleicht den Aristokratien am ehesten eigen
Abb. i!6 ist, hatte man einst die Rüstungen Mohammeds II. zur Einnahme
Abb. 132 von Konstantinopel, ja die Vorbereitungen zum Zuge Karls VIII.
völlig ignoriert, bis das Unerwartete doch geschah ^'^. Ein solches Er-
eignis war nun auch die Liga von Cambrai, insofern sie dem klaren
Abb. 133,154 Interesse der Hauptanstiftcr, Ludwig XII. und Julius IL, entgegenhef.
Im Papst war aber der alte Haß von ganz Italien gegen die erobernden
Venezianer aufgesammelt, so daß er über den Einmarsch der Fremden
die Augen schloß, und was die Politik des Kardinals Amboise und seines
Königs betraf, so hätte Venedig deren bösartigen Blödsinn schon lange
als solchen erkennen und furchten sollen. Die meisten übrigen nahmen
an der Liga teil aus jenem Neid, der dem Reichtum und der Macht
als nützliche Zuchtrute gesetzt, an sich aber ein ganz jämmerliches
Ding ist. Venedig zog sich mit Ehren, aber doch nicht ohne bleibenden
Schaden aus dem Kampfe.
Die Heimat Eine Macht, deren Grundlagen so kompliziert, deren Tätigkeit und
Interessen auf einen so weiten Schauplatz ausgedehnt waren, ließe sich
gar nicht denken ohne eine großartige Übersicht des Ganzen, ohne
eine beständige Bilanz der Kräfte und Lasten, der Zunahme und Ab-
nahme. Venedig möchte sich wohl als den Geburtsort der modernen
Statistik geltend machen dürfen, mit ihm vielleicht Florenz und in
zweiter Linie die entwickelteren italienischen Fürstentümer. Der Lchns-
staat des Mittelalters bringt höchstens Gesamtverzeichnisse der fürst-
lichen Rechte und Nutzbarkeiten (Urbarien) hervor; er faßt die Pro-
duktion als eine stehende auf, was sie annäherungsweise auch ist, so-
lange es sich wesentlich um Grund und Boden handelt. Diesem gegen-
DER STAAT ALS KUNSTWERK ^3
über haben die Städte im ganzen Abendlande wahrscheinlich von frühe
an ihre Produktion, die sich auf Industrie und Handel bezog, als eine
höchst bewegliche erkannt und danach behandelt, allein es bheb — selbst
in den Blütezeiten der Hansa — bei einer einseitig kommerziellen Bilanz.
Flotten, Heere, politischer Druck und Einfluß kamen einfach unter
das Soll und Haben eines kaufmännischen Hauptbuches zu stehen.
Erst in den italienischen Staaten vereinigen sich die Konsequenzen
einer völligen politischen Bewußtheit, das Vorbild mohammedanischer
Administration und ein uralter starker Betrieb der Produktion und des
Handels selbst, um eine wahre Statistik zu begründen^^. Der unter-
itahsche Zwangsstaat Kaiser Friedrichs H. (S. 2 f.) war einseitig auf
Konzentration der Macht zum Zwecke eines Kampfes um Sein oder
Nichtsein organisiert gewesen. In Venedig dagegen sind die letzten
Zwecke Genuß der Macht und des Lebens, Weiterbildung des von
den Vorfahren Ererbten, Ansammlung der gewinnreichsten Industrien
und Eröffnung stets neuer Absatzwege.
Die Autoren sprechen sich über diese Dinge mit größter Unbefangen- Popuiaiio-
heit aus^*. Wir erfahren, daß die Bevölkerung der Stadt im Jahr 1422
190000 Seelen betrug; vielleicht hat man in Italien am frühesten an-
gefangen, nicht mehr nach Feuerherden, nach Waffenfähigen, nach
solchen, die auf eigenen Beinen gehen konnten u. dgl., sondern nach
anime zu zählen und darin die neutralste Basis aller weitern Berech-
nungen anzuerkennen. Als die Florentiner um dieselbe Zeit ein Bünd-
nis mit Venedig gegen Filippo Maria Visconti wünschten, \vies man sie
einstweilen ab, in der klaren, hier durch genaue Handelsbilanz belegten
Überzeugung, daß jeder Krieg zwischen Mailand und Venedig, d. h.
zwischen Abnehmer und Verkäufer, eine Torheit sei. Schon wenn der
Herzog nur sein Heer vermehre, so werde das Herzogtum wegen so-
fortiger Erhöhung der Steuern ein schlechterer Konsument. ,, Besser man
lasse die Florentiner unterliegen, dann siedeln sie, des freistädtischen
Lebens gewohnt, zu uns über und bringen ihre Seiden- und Wollen-
weberei mit, wie die bedrängten Lucchesen getan haben." Das Merk-
würdigste aber ist die Rede des sterbenden Dogen Mocenigo (1423) an Abb. ns
einige Senatoren, die er vor sein Bett kommen ließ^^. Sie enthält die
wichtigsten Elemente einer Statistik der gesamten Kraft und Habe
Venedigs. Ich weiß nicht, ob und wo eine gründliche Erläuterung dieses
schwierigen Aktenstückes existiert; nur als Kuriosität mag folgendes
angeführt werden. Nach geschehener Abbezahlung von 4 Millionen Das sou und
Dukaten eines Kriegsanlehens betrug die Staatsschuld (il monte) damals
noch 6 Mill. Dukaten. Der Gesamtumlauf des Handels (wie es scheint)
betrug 10 Mill., welche 4 Mill. abwarfen. (So heißt es im Text.) Auf
Verspätung
der Renais-
sancp
Offizielk
Andacht
.Abb. in, 166,
167
AA DER STAAT ALS KUNSTWERK
3000 Navigli, 300 Nävi vind 45 Galeeren fuhren 17000 bzw. 8000 und
1 1 000 Seeleute. (Über 200 Mann pro Galera.) Dazu kamen 16000
Schiffszimmcrleute. Die Häuser von Venedig hatten 7 Mill. Schätzungs-
wert und trugen an Miete eine halbe Million ein^^^. Es gab 1000 Adlige
von 70 bis 4000 Dukaten Einkommen. — An einer andern Stelle wird
die ordentHche Staatseinnahme in jenem selben Jahre auf i looooo Du-
katen geschätzt; durch die Handelsstörungen infolge der Kriege war
sie um die Mitte des Jahrhunderts auf 800000 Dukaten gesunken^'.
Wenn Venedig durch derartige Berechnungen und deren praktische
Anwendung eine große Seite des modernen Staatswesens am frühesten
vollkommen darstellte, so stand es dafür in derjenigen Kultur, welche
man damals in Italien als das Höchste schätzte, einigermaßen zurück.
Es fehlt hier der literarische Trieb im allgemeinen und insbesondere
jener Taumel zugunsten des klassischen Altertums^^. Die Begabung zu
Philosophie und Beredsamkeit, meint Sabellico, sei hier an sich so groß
als die zum Handel und Staatwesen; schon 1459 legte Georg der Trape-
zuntier die lateinische Übersetzung von Piatos Buch über die Gesetze
dem Dogen zu Füßen und wurde mit 150 Dukaten jährlich als Lehrer
der Philologie angestellt, dedizierte auch der Signorie seine Rhetorik '^^.
Durchgeht man aber die venezianische Literaturgeschichte, welche
Francesco Sansovino seinem bekannten Buche ^^^ angehängt hat, so er-
geben sich für das 14. Jahrhundert fast noch lauter theologische, juri-
dische und medizinische Fachwerke nebst Historien, und auch im 1 5. Jahr-
hundert ist der Humanismus im Verhältnis zur Bedeutung der Stadt
bis auf Ermolao Barbaro und Aldo Manucci nur äußerst spärlich ver-
treten. Die Bibliothek, welche der Kardinal Bessarion dem Staat ver-
machte, wurde kaum eben \or Zerstreuung und Zerstörung geschützt.
Für gelehrte Sachen hatte man ja Padua, wo freilich die Mediziner und
die Juristen als Verfasser staatsrechtlicher Gutachten weit die höchsten
Besoldungen hatten. Auch die Teilnahme an der italienischen Kunst-
dichtung ist lange Zeit eine geringe, bis dann das beginnende 16. Jahr-
hundert alles Versäumte nachholt. Selbst den Kunstgeist der Renaissance
hat sich Venedig von außen her zubringen lassen, und erst gegen Ende
des 15. Jahrhunderts sich mit voller eigener Machtfülle darin bewegt.
Ja es gibt hier noch bezeichnendere geistige Zögerungen. Derselbe Staat,
welcher seinen Klerus so vollkommen in der Gewalt hatte, die Besetzung
aller wichtigen Stellen sich vorbehielt, und der Kurie einmal über das
andere Trotz bot, zeigte eine offizielle Andacht von ganz besonderer
Färbung ^^'. Heilige Leichen und andere Reliquien aus dem von den
Türken eroberten Griechenland werden mit den größten Opfern er-
worben und vom Dogen in großer Prozession empfangen'^*. Für den
DER STAAT ALS KUNSTWliRK
45
ungenähten Rock beschloß man (1455) bis 10 000 Dukaten aufzuwenden,
konnte ihn aber nicht erhalten. Es handelte sich hier nicht um eine
populäre Begeisterung, sondern um einen stillen Beschluß der höhern
Staatsbehörde, welcher ohne alles Aufsehen hätte unterbleiben können
und in Florenz unter gleichen Umständen gewiß unterblieben wäre. Die
Andacht der Massen und ihren festen Glauben an den Ablaß eines
Alexander VI. lassen wir ganz außer Betrachtung. Der Staat selber aber,
nachdem er die Kirche mehr als anderswo absorbiert, hatte wirklich
hier eine Art von geistlichem Element in sich, und das Staatssymbol,
der Doge, trat bei zwölf großen Prozessionen^^ (andate) in halbgeist-
licher Funktion auf. Es waren fast lauter Feste zu Ehren politischer Er-
innerungen, welche mit den großen Kirchenfesten konkurrierten; das
glänzendste derselben, die berühmte Vermählung mit dem Meere, jedes-
mal am Himmelfahrtstage. Abb. no
Die höchste politische Bewußtheit, den größten Reichtum an Ent- piorem
wicklungsformen findet man vereinigt in der Geschichte von Florenz, '*''^-9^-
welches in diesem Sinne wohl den Namen des ersten modernen Staates
der Welt verdient. Hier treibt ein ganzes Volk das, was in den Fürsten-
staaten die Sache einer Familie ist. Der wunderbare florentinische Geist,
scharf räsonierend und künstlerisch schaffend zugleich, gestaltet den
politischen und sozialen Zustand unaufhörlich um und beschreibt und
richtet ihn ebenso unaufhörlich. So wurde Florenz die Heimat der
politischen Doktrinen und Theorien, der Experimente und Sprünge,
aber auch mit Venedig die Heimat der Statistik und allein und vor
allen Staaten der Welt die Heimat der gescliichtlichen Darstellung im
neuern Sinne. Der Anblick des alten Roms und die Kenntnis seiner
Geschichtschreiber kam hinzu, und Giovanni Villani gesteht^^*, daß er
beim Jubiläum des Jahres 1300 die Anregung zu seiner großen Arbeit
empfangen und gleich nach der Heimkehr dieselbe begonnen habe; allein
wie manche unter den 200000 Rompilgern jenes Jahres mögen ihm an
Begabung und Richtung ähnlich gewesen sein und haben doch die Ge-
schichte ihrer Städte nicht geschrieben! Denn nicht jeder konnte so
trostvoll beifügen: ,,Rom ist im Sinken, meine Vaterstadt aber im Auf-
steigen und zur Ausführung großer Dinge bereit, und darum habe ich
ihre ganze Vergangenheit aufzeichnen wollen und gedenke damit fort-
zufahren bis auf die Gegenwart und soweit ich noch die Ereignisse er-
leben werde." Und außer dem Zeugnis von seinem Lebensgange er-
reichte Florenz durch seine Geschichtschreiber noch etwas weiteres:
einen größeren Ruhm als irgendein anderer Staat von Italien ^'^.
Nicht die Geschichte dieses denkwürdigen Staates, nur einige An- objektive.
politisches
deutungen über die geistige Freiheit und Objektivität, welche durch B,.wußtsein
nes Räsonne
ment
^6 DER STAAT ALS KUNSTWERK
diese Geschichte in den Florentinern wach geworden, sind hier unsere
Aufgabe.
Um das Jahr 1300 beschiicb Dino Compagni die städtischen Kämpfe
seiner Tage. Die politische Lage der Stadt, die innern Triebfedern der
Parteien, die Charaktere der Führer, genug das ganze Gewebe von
nähern und entferntem Ursachen und Wirkungen sind hier so geschil-
dert, daß man die allgemeine Superiorität des florentinischen Urteilens
und Schilderns mit Händen greift. Und das größte Opfer dieser Krisen,
Abb. 213 Dante Alighieri, welch ein Politiker, gereift durch Heimat und Exil!
Er hat den Hohn über das beständige Ändern und Experimentieren an
der Verfassung in eherne Terzinen gegossen^*, welche sprichwörtlich
bleiben werden, wo irgend ähnliches vorkommen will; er hat seine Hei-
mat mit Trotz und mit Sehnsucht angeredet, daß den Florentinern das
und aiigen.ci- Hcrz bcbcn mußte. Aber seine Gedanken dehnen sich aus über Italien
und die Welt, und wenn seine Agitation für das Imperium, wie er es auf-
faßte, nichts als ein Irrtum war, so muß man bekennen, daß das jugend-
liche Traumwandcln der kaum geborenen politischen Spekulation bei ihm
eine poetische Größe hat. Er ist stolz, der erste zu sein, der diesen Pfad
betritt ^^', allerdings an der Hand des Aristoteles, aber in seiner Weise
sehr selbständig. Sein Idealkaiser ^ist ein gerechter, menschenhebender
nur von Gott abhängender Oberrichter, der Erbe der römischen Welt-,
herrschaft, welche eine vom Recht, von der Natur und von Gottes Rat-
schluß gebilligte war. Die Eroberung des Erdkreises sei nämhch eine
rechtmäßige, ein Gottesurteil zwischen Rom und den übrigen Völkern
gewesen, und Gott habe dieses Reich anerkannt, indem er unter dem-
selben Mensch wurde und sich bei seiner Geburt der Schätzung des
Kaisers Augustus, bei seinem Tode dem Gericht des Pontius Pilatus
unterzog usw. Wenn wir diesen und andern ^\rgumenten nur schwer
folgen können, so ergreift Dantes Leidenschaft immer. In seinen Briefen ^^
ist er einer der frühsten aller Publizisten, vielleicht der frühste Laie, der
Tendenzschriften in Briefform auf eigene Hand ausgehen ließ. Er fing
damit beizeiten an; schon nach dem Tode Beatrices erließ er ein Pamphlet
über den Zustand von Florenz „an die Großen des Erdkreises", und auch
die spätem offenen Schreiben aus der Zeit seiner Verbannung sind an
lauter Kaiser, Fürsten und Kardinäle gerichtet. In diesen Briefen und
in dem Buche „von der Vulgärsprache" kehrt unter verschiedenen
Formen das mit so vielen Schmerzen bezahlte Gefühl wieder, daß der
Verbannte auch außerhalb der Vaterstadt eine neue geistige Heimat
finden dürfe in der Sprache imd Bildung, die ihm nicht mehr genommen
werden könne, und auf diesen Punkt werden wir noch einmal zurück-
kommen.
DER STAAT ALS KUNSTWERK ^J.y
Den Villani, Giovanni sowohl als Matteo, vei-danken wir nicht sowohl Fioren-
tiefe politische Betrachtungen als vielmehr frische, praktische Urteile Statistik
und die Grundlage zur Statistik von Florenz, nebst wichtigen Angaben
über andere Staaten. Handel und Industrie hatten auch hier neben dem
politischen Denken das staatsökonomische geweckt. Über die Geldver-
hältnisse im großen wußte man nirgends in der Welt so genauen Be-
scheid, anzufangen von der päpsthchen Kurie zu Avignon, deren enormer
Kassenbestand (25 Mill. Goldgulden beim Tode Johanns XXII.) nur
aus so guten Quellen'^' glaublich wird. Nur hier erhalten wir Bescheid
über kolossale Anleihen, z. B.: des Königs von England bei den floren-
tinischen Häusern Bardi und Peruzzi, welche ein Guthaben von i 365000
Goldgulden — eigenes und Kompagnie-Geld — einbüßten (1338) und
sich dennoch wieder erholten^*". Das Wichtigste aber sind die auf den
Staat bezüglichen Angaben^*^ aus jener nämhchen Zeit: die Staatsein-
nahmen (über 300000 Goldgulden) und Ausgaben; die Bevölkerung der
Stadt (hier noch sehr unvollkommen nach dem Brotkonsum in bocche,
d. h. Mäulern, berechnet auf 90000), und die des Staates; der Über-
schuß von 300 bis 500 männhchen Geburten unter den 5800 bis 6000
alljährlichen Täuflingen des Battistero^*^; die Schulkinder, von welchen
8 bis 10 000 lesen, 1000 bis 1200 in 6 Schulen rechnen lernten; dazu
gegen 600 Schüler, welche in vier Schulen in (lateinischer) Grammatik ■4*»- '99
und Logik unterrichtet wurden. Es folgt die Statistik der Kirchen und
Klöster, der Spitäler (mit mehr als 1000 Betten im ganzen); die Wollen- Abb.374,3-5.
Industrie, mit äußerst wertvollen Einzelangaben; die Münze, die Ver-
proviantierung der Stadt, die Beamtenschaft u. a. m.^^ Anderes erfährt
man beiläufig: wie z. B. bei der Einrichtung der neuen Staatsrenten
(monte) im Jahr 1353 u. f. auf den Kanzeln gepredigt wurde, von den
Franziskanern dafür, von den Dominikanern und Augustinern da-
gegen"^; vollends haben in ganz Europa die ökonomischen Folgen des Der schwarze
schwarzen Todes nirgends eine solche Beachtung und Darstellung ge-
funden, noch finden können wie hier^*^. Nur ein Florentiner konnte uns
überliefern: wie man erwartete, daß bei der Wenigkeit der Menschen
alles wohlfeil werden sollte, und wie statt dessen Lebensbedürfnisse und
Arbeitslohn auf das Doppelte stiegen; wie das gemeine Volk anfangs gar
nicht mehr arbeiten sondern nur gut leben wollte; wie zumal die Knechte
und Mägde in der Stadt nur noch um sehr hohen Lohn zu haben waren;
wie die Bauern nur noch das allerbeste Land bebauen mochten und das
geringere liegen ließen usw.; wie dann die enormen Vermächtnisse
für die Armen, die während der Pest gemacht wurden, nachher
zwecklos erschienen, weil die Armen teils gestorben teils nicht mehr
arm waren. Endlich wird einmal bei Gelegenheit eines großen Vcr-
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Abb. 370
Verbindung
Abb, ^r j
48
mächtnisses, da ein kinderloser Wohltäter allen Stadtbettlern je sechs
Denare hinterließ, eine umfassende Bettelstatistiki^von Florenz versucht.
Diese statistische Betrachtung der Dinge hat sich in der Folge bei den
von Statistik pioj-cntinern auf das reichste ausgebildet: das Schöne dabei ist, daß sie
und Kultur .
den Zusammenhang mit dem Geschichtlichen im höhern Sinne, mit der
allgemeinen Kultur und mit der Kunst in der Regel durchblicken lassen.
Eine Aufzeichnung vom Jahr 14221^' berührt mit einem und demselben
Federzug die 72 Wcchselbuden rings um den Mercato nuovo, die Summe
des Barverkehrcs (2 Mill. Goldgulden), die damals neue Industrie des
gesponnenen Goldes, die Seidenstoffe, den Filippo Brunellesco, der die
alte Architektur wieder aus der Erde hervorgräbt, und den Lionardo
Aretino, Sekretär der Republik, welcher die antike Literatur und Bered-
samkeit wieder erweckt; endlich das allgemeine Wohlergehen der damals
politisch ruhigen Stadt und das Glück Italiens, das .sich der fremden
Soldtruppen entledigt hatte. Jene oben (S. 43) angeführte Statistik von
Venedig, die fast aus demselben Jahre stammt, offenbart freilich einen
viel größern Besitz, Erwerb und Schauplatz; Venedig beherrscht schon
lange die Meere mit seinen Schiffen, während Florenz (1422) seine erste
eigene Galeere (nach Alessandria) aussendet. Allein wer erkennt nicht
in der florentinischcn Aufzeichnung den höhern Geist? Solche und ähn-
hche Notizen finden sich hier von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, und zwar
schon in Übersichten geordnet, während anderwärts im besten Falle
einzelne Aussagen vorhanden sind. Wir lernen das Vermögen und die
Geschäfte der ersten Medici approximativ kennen; sie gaben an Almosen,
öffentlichen Bauten und Steuern von 1434 bis 1471 nicht weniger als
663 755 Goldgulden aus, wovon auf Cosimo allein über 400000 kamen^**,
und Lorenzo magnifico freut sich, daß das Geld so gut ausgegeben sei.
Nach 1478 folgt dann wieder eine höchst wichtige und in ihrer Art voll-
ständige Übersicht^** des Handels und der Gewerbe der Stadt, darunter
mehrere, welche halb oder ganz zur Kunst gehören: die Gold- und
Silberstoffe und Damaste; die Holzschnitzerei und Marketterie (Intarsia);
die Arabeskenskulptur in Marmor und Sandstein; die Porträtfiguren in
Wachs; die Goldschmiede- und Juwelierkunst. Ja, das angeborene Talent
der Florentiner für die Berechnung des ganzen äußern Daseins zeigt sich
auch in ihren Haus-, Geschäfts- und Landwirtschaftsbüchern, die sich
wohl vor denen der übrigen Europäer des 15. Jahrhunderts um ein nam-
haftes auszeichnen mögen. Mit Recht hat man angefangen, ausgewählte
Proben davon zu publizieren^^"; nur wird es noch vieler Studien
bedürfen, um klare allgemeine Resultate daraus zu ziehen. Jeden-
falls gibt sich auch hier derjenige Staat zu erkennen, wo sterbende
Väter testamentarisch^^' den Staat ersuchten, ihre Söhne um 1000
Der Reich-
tum der
Medici
Abb. 99, 100
DER STAAT ALS KUNSTWERK 49
Goldgulden zu büßen, wenn sie kein regelmäßiges Gewerbe treiben
würden.
Für die erste Hälfte des 1 6. Jahrhunderts besitzt dann vielleicht keine
Stadt der Welt eine solche Urkunde wie die herrliche Schilderung von
Florenz bei Varchi ist^^*. Auch in der beschreibenden Statistik wie in Abt. 240
so manchen andern Beziehungen wird hier noch einmal ein Muster hin-
gestellt, ehe die Freiheit und Größe dieser Stadt zu Grabe geht^^.
Neben dieser Berechnung des äußern Daseins geht aber jene fort- Die
laufende Schilderung des politischen Lebens einher, von welcher oben
die Rede war. Florenz durchlebt nicht nur mehr politische Formen und
Schattierungen, sondern es gibt auch verhältnismäßig mehr Rechen-
schaft davon als andere freie Staaten Italiens und des Abendlandes über-
haupt. Es ist der vollständigste Spiegel des Verhältnisses von Menschen-
klassen und einzelnen Menschen zu einem wandelbaren Allgemeinen.
Die Bilder der großen bürgerlichen Demagogien in Frankreich und
Flandern, wie sie Froissart ent\virft, die Erzählungen unserer deutschen
Chroniken des 14. Jahrhunderts sind wahrlich bedeutungsvoll genug,
allein an geistiger Vollständigkeit, an vielseitiger Begründung des Her-
ganges sind die Florentiner allen unendlich überlegen. Adelsherrschaft,
Tyrannis, Kämpfe des Mittelstandes mit dem Proletariat, volle, halbe
und Scheindemokratie, Primat eines Hauses, Theokratie (mit Savona-
rola), bis auf jene Mischformen, welche das mediceische Gewaltfürsten-
tum vorbereiteten, alles wird so beschrieben, daß die innersten Beweg-
gründe der Beteiligten dem Licht bloßliegen^^*. Endlich faßt Macliia- Dk
velli in seinen florentinischen Gescliichten (bis 1492) seine Vaterstadt
vollkommen als lebendiges Wesen und ihren Entwicklungsgang als einen
individuell naturgemäßen auf; der erste unter den Modernen, der dieses
so vermocht hat. Es liegt außer unserm Bereich, zu untersuchen, ob und
in welchen Punkten Machiavelli willkürlich verfahren sein mag, wie er
im Leben des Castruccio Castracane — einem von ihm eigenmächtig
kolorierten Tyrannentypus — - notorischerweise getan hat. Es könnte in
den Storie fiorentine gegen jede Zeile irgend etwas einzuwenden sein
und ihr hoher, ja einziger Wert im ganzen bliebe dennoch bestehen.
Und seine Zeitgenossen und Fortsetzer: Jacopo Pitti, Guicciardini, Segni,
Varchi, Vettori, welch ein Kranz von erlauchten Namen! Und welche
Geschichte ist es, die diese Meister schildern! Die letzten Jahrzehnte der
florentinischen Republik, ein unvergeßlich großes Schauspiel, sind uns
hier vollständig überliefert. In dieser massenhaften Tradition über den
Untergang des höchsten, eigentümlichsten Lebens der damaligen Welt
mag der eine nichts erkennen als eine Sammlung von Kuriositäten
ersten Ranges, der andere mit teuflischer Freude den Bankerott des
Borckhardt 4
Geschicht-
schreiber
Das Grund-
übe! des
Staates
Abb. 3.15
Die
Verfassungs-
iiKierungen
CO DER STAAT ALS KUNSTWERK
Edeln und Erhabenen konstatieren, ein dritter die Sache als einen großen
gerichthchcn Prozeß auseinanderlegen — jedenfalls wird sie ein Gegen-
stand nachdenkhcher Betrachtung bleiben bis ans Ende der Tage. Das
Grundungiück, welches die Sachlage stets von neuem trübte, war die
Herrschaft von Florenz über unterworfene, ehemals mächtige Feinde
wie die Pisaner, was einen beständigen Gewaltzustand zur notwendigen
Folge hatte. Das einzige, frcihch sehr heroische Mittel, das nur Savona-
rola hätte durchführen können und auch nur mit Hilfe besonders glück-
licher Umstände, wäre die rechtzeitige Auflösung Toskanas in eine
Föderation freier Städte gewesen; ein Gedanke, der erst als weit ver-
sj)äteter Fiebertraum einen patriotischen Lucchesen^** (1548) auf das
Schafott bringt. Von diesem Unheil und von der unglücklichen Guelfen-
sympathie der Florentiner für einen fremden Fürsten und der daherigen
Gewöhnung an fremde Interventionen hängt alles weitere ab. Aber wer
muß nicht dieses Volk bewundern, das unter der Leitung seines heiligen
Mönches in einer dauernd erhöhten Stimmung das erste italienische
Beispiel von Schonung der besiegten Gegner gibt? während die ganze
Vorzeit ihm nichts als Rache und Vertilgung predigt! Die Glut, welche
hier Patriotismus und sittlich-religiöse Umkehr in ein Ganzes schmilzt,
sieht von weitem wohl bald wieder wie erloschen aus, aber ihre besten
Resultate leuchten dann in jener denkwürdigen Belagerung von 1529 — 30
wieder neu auf. Wohl waren es „Narren", welche diesen Sturm über
Florenz heraufbeschworen, wie Guiciardini damals schrieb, aber schon
er gesteht zu, daß sie das unmöglich Geglaubte ausrichteten; und wenn
er meint, die Weisen wären dem Unheil ausgewichen, so hat dies keinen
andern Sinn als daß sich Florenz völlig ruhmlos und lautlos in die Hände
seiner Feinde hätte liefern sollen. Es hätte dann seine prächtigen Vor-
städte und Gärten und das Leben und die Wohlfahrt unzähliger Bürger
bewahrt und wäre dafür um eine der größten sittlichen Erinnerungen
ärmer.
Die Florentiner sind in manchen großen Dingen Vorbild und frühster
Ausdruck der Italiener und der modernen Europäer überhaupt, und so
sind sie es auch mannigfach für die Schattenseiten. Wenn schon Dante
das stets an seiner Verfassung bessernde Florenz mit einem Kranken
verglich, der beständig seine Lage wechselt, um seinen Schmerzen zu
entrinnen, so zeichnete er damit einen bleibenden Grundzug dieses
Staatslcbcns. Der große moderne Irrtum, daß man eine Verfassung
machen, durch Berechnung der vorhandenen Kräfte und Richtungen
neu produzieren könnc^^", taucht zu Florenz in bewegten Zeiten immer
wieder auf, und auch Machiavelli ist davon nicht frei gewesen. Es bilden
sich Staatskünstlcr, welche durch künstliche Verlegung und Verteilung
DER STAAT ALS KUNSTWERK 5I
der Macht, durch höchst filtrierte Wahlarten, durch Scheinbehörden
u. dgl. einen dauerhaften Zustand begründen, groß und klein gleich-
mäßig zufriedenstellen oder auch täuschen wollen. Sie exemplicren da-
bei auf das naivste mit dem Altertum und entlehnen zuletzt auch ganz
offiziell von dort die Parteinamen, z. B. ottimati, aristocrazia"' usw.
Seitdem erst hat sich die Welt an diese Ausdrücke gewöhnt und ihnen
einen konventionellen, europäischen Sinn verliehen, während alle frühern
Parteinamen nur dem betreffenden Lande gehörten und entweder un-
mittelbar die Sache bezeichneten oder dem Spiel des Zufalls entstamm-
ten. Wie sehr färbt und entfärbt aber der Name die Sache!
Von allen jedoch, die einen Staat meinten konstruieren zu können"^, MachiaveUi
ist MachiaveUi ohne Vergleich der Größte. Er faßt die vorhandenen '"'''• ^^^
Kräfte immer als lebendige, aktive, stellt die Alternativen richtig und
großartig und sucht weder sich noch andere zu täuschen. Es ist in ihm
keine Spur von Eitelkeit noch Plusmacherei, auch schreibt er ja nicht
für das Pubhkum, sondern entweder für Behörden und Fürsten oder für
Freunde. Seine Gefahr hegt nie in falscher Genialität, auch nicht im
falschen Ausspinnen von Begriffen, sondern in einer starken Phantasie,
die er offenbar mit Mühe bändigt. Seine poHtische Objektivität ist aller-
dings bisweilen entsetzlich in ihrer Aufrichtigkeit, aber sie ist entstanden
in einer Zeit der äußersten Not und Gefahr, da die Menschen ohnehin
nicht mehr leicht an das Recht glauben noch die Billigkeit voraussetzen
konnten. Tugendhafte Empörung gegen dieselbe macht auf uns, die wir
die Mächte von rechts und links in unserem Jahrhundert an der Arbeit
gesehen haben, keinen besonderen Eindruck. MachiaveUi war wenig-
stens imstande, seine eigene Person über den Sachen zu vergessen. Über-
haupt ist er ein Patriot im strengsten Sinne des Wortes, obwohl seine
Schriften (wenige Worte ausgenommen) alles direkten Enthusiasmus bar
und ledig sind und obwohl ihn die Florentiner selber zuletzt als einen
Verbrecher ansahen^^^. Wie sehr er sich auch, nach der Art der meisten,
in Sitte und Reden gehen ließ, — das Heil des Staates war doch sein
erster und letzter Gedanke. Sein vollständigstes Programm über die Ein-
richtung eines neuen florcntinischen Staatswesens ist niedergelegt in der
Denkschrift an Leo X.^^", verfaßt nach dem Tode des Jüngern Lorenzo seine ver
Medici, Herzogs von Urbino (starb 15 19), dem er sein Buch vom Fürsten ^^"""^
gewidmet hatte. Die Lage der Dinge ist eine späte und schon total ver-
dorbene, und die vorgeschlagenen Mittel und Wege sind nicht alle
moralisch; aber es ist höchst interessant zu sehen, wie er als Erbin der
Medici die Republik, und zwar eine mittlere Demokratie einzuschieben
hofft. Ein kunstreicheres Gebäude von Konzessionen an den Papst, die
speziellen Anhänger desselben und die verschiedenen florentinischen
1-2 DER STAAT ALS KUNSTWERK
Interessen ist gar nicht denkbar; man glaubt in ein Uhrwerk hinein-
zusehen. Zahheiche andere Prinzipien, Einzelbemerkungen, Parallelen,
Seine politische Perspektiven usw. für Florenz finden sich in den Discorsi,
Discora. cjarunter LichtbUcke von erster Schönheit; er erkennt z. B. das Gesetz
einer fortschreitenden, und zwar stoßweise sich äußernden Entwickelung
der Republiken an und verlangt, daß das Staatswesen bcweghch und
der Veränderung fähig sei, indem nur so die plötzhchen Biuturteile vind
Verbannungen vermieden würden. Aus einem ähnlichen Grunde, näm-
hch um Privat-Gewalttaten und fremde Interventionen („den Tod aller
Freiheit") abzuschneiden, wünscht er gegen verhaßte Bürger eine ge-
richtUche Anklage (accusa) eingeführt zu sehen, an deren Stelle Florenz
von jeher nur die Übelreden gehabt habe. Meisterhaft charakterisiert
er die unfreiwilhgen, verspäteten Entschlüsse, welche in Republiken bei
kiitischen Zeiten eine so große Rolle spielen. Dazvöschen einmal ver-
führt ihn die Phantasie und der Druck der Zeiten zu einem unbedingten
Lob des Volkes, welches seine Leute besser wähle als irgendein Fürst
und sich „mit Zureden" von Irrtümern abbringen lasse"^. In betreff
der Herrschaft über Toskana zweifelt er nicht, daß dieselbe seiner Stadt
gehöre, und hält (in einem besondern Discorso) die Wiederbezwingung
Pisas für eine Lebensfrage; er bedauert, daß man Arczzo nach der Re-
bellion von 1502 überhaupt habe stehen lassen; er gibt sogar im allge-
meinen zu, italienische Republiken müßten sich lebhaft nach außen be-
wegen und vergrößern dürfen, um nicht selber angegriffen zu werden
und um Ruhe im Innern zu haben; allein Florenz habe die Sache immer
verkehrt angefangen und sich Pisa, Siena und Lucca von jeher tötlich
verfeindet, während das „brüderlich behandelte" Pistoja sich freiwillig
untergeordnet habe.
Siena Es wärc Unbillig, die wenigen übrigen Republiken, die im I5.jahr-
Abb. 10s. 106, hundert noch existierten, mit diesem einzigen Florenz auch nur in Paral-
'7-1 '73
lele setzen zu wollen, welches bei weitem die wichtigste Werkstättc des
italienischen, ja des modernen europäischen Geistes überhaupt war.
Siena litt an den schwersten organischen Übeln, und sein relatives Ge-
deihen in Gewerben und Künsten darf liierübcr nicht täuschen. Aeneas
Sylvius^^^ schaut von seiner Vaterstadt aus wahrhaft sehnsüchtig nach
den „fröhUchen" deutschen Reichsstädten liinüber, wo keine Konfis-
kationen von Habe und Erbe, keine gewalttätigen Behörden, keine
<;,.nua Faktionen das Dasein verderben^**. Genua gehört kaum in den Kreis
unserer Betrachtung, da es sich an der ganzen Renaissance vor den
Zeiten des Andrea Doria kaum beteiligte, weshalb der Rivierese in
ItaUen als Verächter aller höhern Bildung^** galt. Die Parteikämpfe
zeigen hier einen so wilden Charakter und waren von so heftigen Schwan-
DER STAAT ALS KUNSTWERK
53
kungen der ganzen Existenz begleitet, daß man kaum begreift, wie die
Genuesen es anfingen, um nach allen Revolutionen und Okkupationen
immer wieder in einen erträglichen Zustand einzulenken. Vielleicht ge-
lang es, weil alle, die sich beim Staatswesen beteiligten, fast ohne Aus-
nahme zugleich als Kaufleute tätig waren ^'*. Welchen Grad von Un-
sicherheit der Erwerb im großen und der Reichtum aushalten können,
mit welchem Zustand im Innern der Besitz femer Kolonien verträglich
ist, lehrt Genua in überraschender Weise.
Lucca bedeutet im 15. Jahrhundert nicht viel.
Wie nun die meisten italienischen Staaten in ihrem Innern Kunstwerke,
d. h. bewußte, von der Reflexion abhängige, auf genau berechneten
sichtbaren Grundlagen ruhende Schöpfungen waren, so mußte auch ihr
Verhältnis zueinander und zum Ausland ein Werk der Kunst sein. Das
sie fast sämtlich auf ziemlich neuen Usurpationen beruhen, ist für ihre
auswärtigen Beziehungen so verhängnisvoll wie für das Innere. Keiner
erkennt den andern ohne Rückhalt an; dasselbe Glücksspiel, welches bei
Gründung und Befestigung der eigenen Herrschaft gewaltet hat, mag
auch gegen den Nachbar walten. Hängt es doch gar nicht immer von
dem Gewaltherrscher ab, ob er ruhig sitzen wird oder nicht. Das Be-
dürfnis sich zu vergrößern, sich überhaupt zu rühren ist allen Illegitimen
eigen. So wird Itahen die Heimat einer „auswärtigen Politik", welche
dann allmählich auch in andern Ländern die Stelle eines anerkannten
Rechtszustandes vertreten hat. Die völlig objektive, von Vorurteilen wie
von sittlichen Bedenken freie Behandlung der internationalen Dinge er-
reicht bisweilen eine Vollendung, in welcher sie elegant und großartig
erscheint, während das Ganze den Eindruck eines bodenlosen Abgrundes
hervorbringt.
Diese Ränke, Liguen, Rüstungen, Bestechungen und Verrätereien
machen zusammen die äußere Geschichte des damaligen Italiens aus.
Lange Zeit war besonders Venedig der Gegenstand allgemeiner An-
klagen, als wollte es ganz Italien erobern oder allgemach so herunter-
bringen, daß ein Staat nach dem andern ihm ohnmächtig in die Arme
fallen müsse ^**. Bei näherm Zusehen wird man jedoch inne, daß dieser
Weheruf sich nicht aus dem Volk, sondern aus der Umgebung der Für-
sten und Regierungen erhebt, welche fast sämtlich bei ihren Untertanen
schwer verhaßt sind, während Venedig durch sein leidUch mildes Re-
giment ein allgemeines Zutrauen genießt^^". Auch Florenz, mit seinen
knirschenden Untertanenstädten, fand sich Venedig gegenüber in mehr
als schiefer Stellung, selbst wenn man den Handelsneid und das Fort-
schreiten Venedigs in der Romagna nicht in Betracht zog. Endlich
Auswärtigt
Politik
Bedrohung
\"enedigs
Cj_ DER STAAT ALS KUNSTWERK
brachte es die Liga von Cambrai (S. 42) wirklich dahin, denjenigen
Staat zu schwächen, den ganz Italien mit vereinten Kräften hätte stützen
sollen.
Die Fremden Allein auch allc übrigen versehen sich des Allerschlimmsten zuein-
ander, wie das eigene böse Gewissen es jedem eingibt, und sind fort-
während zum Äußersten bereit. Lodovico Moro, die Aragonesen von
Neapel, Sixtus IV. hielten in ganz Italien die allergefährlichste Unruhe
wach, der Kleinem zu geschweigen. Hätte sich dieses entsetzliche Spiel
nur auf Italien beschränkt! Allein die Natur der Dinge brachte es mit
sich, daß man sich nach fremder Intervention und Hilfe umsah, haupt-
sächlich nach Franzosen und Türken.
Französische Zuuächst siud die Bevölkerungen selber durchweg für Frankreich ein-
sympathien genommen. Mit einer grauenerregenden Naivität gesteht Florenz von
jeher seine alte guelfische Sympatliie für die Franzosen ein^*^. Und als
Karl VIII. wirklich im Süden der Alpen erschien, fiel ihm ganz Italien
mit einem Jubel zu, welcher ihm und seinen Leuten selber ganz wunder-
lich vorkam^^'. In der Phantasie der Italiener (man denke an Savona-
rola) lebte das Idealbild eines großen, weisen und gerechten Retters und
Herrschers, nur war es nicht mehr wie bei Dante der Kaiser, sondern
der kapetingische König von Frankreich. Mit seinem Rückzug war die
Täuschung im ganzen dahin, doch hat es noch lange gedauert, bis man
Abb. 13^ einsah, wie vollständig Karl VIII., Ludwig XII. und Franz I. ihr wahres
Vei^hältnis zu Italien verkannten und von welch untergeordneten Be-
weggründen sie sich leiten ließen. Anders als das Volk suchten die
Fürsten sich Frankreichs zu bedienen. Als die französisch-englischen
Kriege zu Ende waren, als Ludwig XI. seine diplomatischen Netze nach
allen Seiten hin auswarf, als vollends Karl von Burgund sich in aben-
teuerlichen Plänen wiegte, da kamen ihnen die italienischen Kabinette
von allen Seiten entgegen, und die französiche Intervention mußte früher
oder später eintreten, auch ohne die Ansprüche auf Neapel und Mailand,
so gewiß, als sie z. B. in Genua und Piemont schon längst stattgefunden
hatte. Die Venezianer erwarteten sie schon 1462^'°. Welche Todesangst
Herzog Galeazzo Maria von Mailand während des Burgunderkrieges
ausstand, als er, scheinbar sowohl mit Ludwig XL als mit Karl verbün-
det, den Überfall beider fürchten mußte, zeigte seine Korrespondenz^"
Versucheines in schlagcndcr Weise. Das System eines Gleichgewichtes der vier italie-
'''™'J'. nischen Hauptstaaten, wie Lorenzo magnifico es verstand, war doch nur
das Postulat eines lichten, optimistischen Geistes, welcher über frevelnde
Exjjcrimentalpolitik wie über florcntinischcn Guelfen-Aberglauben hin-
aus war und sich bemühte, das Beste zu hoffen. Als Ludwig XL ihm
im Kriege gegen Ferrante von Neapel und Sixtus IV. Hilfstruppen an-
DER STAAT ALS KUNSTWERK 55
bot, sagte er: „Ich vermag noch nicht, meinen Nutzen der Gefahr ganz
Itahcns vorzuziehen; wollte Gott, es fiele den französischen Königen nie-
mals ein, ihre Kräfte in diesem Lande zu versuchen! wenn es dazu
kommt, so ist Italien verloren^'^." Für andere Fürsten dagegen ist der
König von Frankreich abwechselnd Mittel oder Gegenstand des Schrek-
kens, und sie drohen mit ihm, sobald sie aus irgendeiner Verlegenheit
keinen bequemeren Ausweg wissen. Vollends glaubten die Päpste, ohne
alle eigene Gefahr mit Frankreich operieren zu dürfen, und Innocenz VIII.
meinte noch, er könne schmollend sich nach dem Norden zurückziehen,
um von da mit einem französischen Heere als Eroberer nach Italien zu-
rückzukehren^".
Denkende Menschen sahen also die fremde Eroberung schon lange uie Aera der
vor dem Zuge Karls VIII. voraus^^*. Und als Karl wieder über die "iooen"
Alpen zurück war, lag es erst recht klar vor aller Augen, daß nunmehr
eine Aera der Interventionen begonnen habe. Fortan verflicht sich Un-
glück mit Unglück, man wird zu spät inne, daß Frankreich und Spanien,
die beiden Hauptintervenienten, inzwischen moderne Großmächte ge-
worden sind, daß sie sich nicht mehr mit oberflächlichen Huldigungen
begnügen können, sondern um Einfluß und Besitz in Italien auf den Tod
kämpfen müssen. Sie haben angefangen, den zentralisierten italienischen
Staaten zu gleichen, ja dieselben nachzuahmen, nur in kolossalem Maß-
stab. Die Absichten auf Länderraub und Ländertausch nehmen eine
Zeitlang einen Flug ins Unbedingte hinaus. Das Ende aber war bekannt-
lich ein totales Übergewicht Spaniens, welches als Schwert und Schild
der Gegenreformation auch das Papsttum in eine lange Abhängigkeit
brachte. Die traurige Reflexion der Philosophen bestand dann einzig
darin, nachzuweisen, wie alle die, welche die Barbaren gerufen, ein
schlechtes Ende genommen hätten.
Offen und ohne alle Scheu setzte man sich im 15. Jahrhundert auch verbimiun-
mit den Türken in Verbindung; es schien dies ein Mittel politischer '^'ruTkei/'
Wirkung wie ein anderes. Der Begriff" einer solidarischen ,, abendländi-
schen Christenheit" hatte schon im Verlauf der Kreuzzüge bisweilen
bedenklich gewankt, und Friedrich II. mochte demselben bereits ent-
wachsen sein; allein das erneute Vordringen des Orients, die Not und
der Untergang des griechischen Reiches hatte im ganzen wieder die
frühere Stimmung der Abendländer (wenn auch nicht ihren Eifer) er-
neuert. Hiervon macht Italien eine durchgängige Ausnahme; so groß
der Schrecken vor den Türken und die wirkliche Gefahr sein mochte,
so ist doch kaum eine bedeutendere Regierung, welche nicht irgend ein- Die
mal frevelhaft mit Mohammed II. und seinen Nachfolgern einverstanden I'^^'/IT«"
gewesen wäre gegen andere italienische Staaten. Und wo es nicht gc-
56
DER STAAT ALS KUNSTWERK
schah, da traute es doch jeder dem andern zu — • es war noch immer
nicht so schhmm als was z. B. die Venezianer dem Thronerben Alfons
von Neapel schuld gaben, daß er Leute geschickt habe, um die Zisternen
von Venedig zu vergiften^'*. Von einem Verbrecher wie Sigismondo
Malatesta erwartete man nichts Besseres, als daß er die Türken nach
Italien rufen möchte"*. Aber auch die Aragonesen von Neapel, welchen
Mohammed — angeblich von andern italienischen Regierungen^'' auf-
gereizt — eines Tages Otranto wegnahm, hetzten hernach den Sultan
Bajazeth II. gegen Venedig^'^. Ebendasselbe ließ sich Lodovico Moro
zuschulden kommen; ,,das Blut der Gefallenen und der Jammer der bei
den Türken Gefangenen schreit gegen ihn zu Gott um Rache", sagt
der Annalist des Staates. In Venedig, wo man alles wußte, war es auch
bekannt, daß Giovanni Sforza, Fürst von Pesaro, der Vetter des Moro,
die nach Mailand reisenden türkischen Gesandten beherbergt hatte^".
Dit Pärsie Von den Päpsten des 15. Jahrhunderts sind die beiden ehrenwertesten,
Nikolaus V. und Pius II., in tiefstem Kummer wegen der Türken ge-
storben, letzterer sogar unter den Anstalten einer Kreuzfahrt, die er
selber leiten wollte; ihre Nachfolger dagegen veruntreuen die aus der
ganzen Christenheit gesammelten Türkengelder und entweihen den dar-
auf gegründetenAblaß zu cinerGeldspekulation für sich^^". InnozenzVIII.
Abb. US gibt sich zum Kerkermeister des geflüchteten Prinzen Dschem her, gegen
ein von dessen Bruder Bajazeth II. zu zahlendes Jahrgeld, und Ale-
xander VI. unterstützt in Konstantinopel die Schritte des Lodovico
Moro zur Förderung eines türkischen Angriffes auf Venedig (1498),
worauf ihm dieses mit einem Konzil droht^^^ Man sieht, daß das be-
rüchtigte Bündnis Franz I. mit Soliman II. nichts in seiner Art Neues
und Unerhörtes war.
i)if Bevoike- Übrigens gab es auch einzelne Bevölkerungen, welchen sogar der
Übergang an die Türken nicht mehr als etwas besonders Schreckliches
erschien. Selbst wenn sie nur gegen drückende Regierungen damit ge-
droht haben sollten, so wäre dies doch ein Zeichen, daß man mit dem
Gedanken halbenweges vertraut geworden war. Schon um 1480 gibt
Battista Mantovano deutlich zu verstehen, daß die meisten Anwohner
der adriatischen Küste etwas der Art voraussähen und daß nament-
lich Ancona es wünsche'*^. Als die Romagna unter Leo X. sich sehr
bedrückt fühlte, sagte einst ein Abgeordneter von Ravenna dem Legaten
Kardinal Giulio Medici ins Gesicht: „Monsignore, die erlauchte Re-
publik Venedig will uns nicht, um keinen Streit mit der Kirche zu
bekommen, wenn aber der Türke nach Ragusa kommt, so werden wir
.,. . , , uns ihm übergeben*^."
binc Aufgabe ^
Spaniens .\ngcsichts dcr damals schon begonnenen Unterjochung Italiens durch
DER STAAT ALS KUNSTWERK 57
die Spanier ist es ein leidiger, aber doch gar nicht grundloser Trost,
daß nunmehr das Land wenigstens vor der Barbarisicrung durch die
Türkenherrschaft geschützt war^^*. Sich selber hätte es bei der Ent-
zweiung seiner Herrschaft schwerlich vor diesem Schicksal bewahrt.
Wenn man nach all diesem von der damaligen italienischen Staats- Objektivität
kunst etwas Gutes sagen soll, so kann sich dies nur auf die objektive,
vorurteilslose Behandlung solcher Fragen beziehen, welche nicht durch
Furcht, Leidenschaft oder Bosheit bereits getrübt waren. Hier gibt es
kein Lehnswesen im nordischen Sinne mit künstlich abgeleiteten Rech-
ten, sondern die Macht, welche jeder besitzt, besitzt er (in der Regel)
wenigstens faktisch ganz. Hier gibt es keinen Geleitsadel, welcher im
Gemüt der Fürsten den abstrakten Ehrenpunkt mit all seinen wunder-
lichen Folgerungen aufrechthielte, sondern Fürsten und Ratgeber sind
darin eins, daß nur nach der Lage der Dinge, nach den zu erreichenden
Zwecken zu handeln sei. Gegen die Menschen, die man benützt, gegen
die Verbündeten, woher sie auch kommen mögen, existiert kein Kasten-
hochmut, der irgend jemanden abschrecken könnte, und zu allem
Überfluß redet der Stand der Kondottieren, wo die Herkunft völlig
gleichgültig ist, vernehmlich genug von der wirklichen Macht. Endlich
kennen die Regierungen, als gebildete Despoten, ihr eigenes Land und
die Länder ihrer Nachbarn ungleich genauer, als ihre nordischen Zeit-
genossen die ihrigen, und berechnen die Leistungsfähigkeit von Freund
und Feind in ökonomischer wie in moralischer Hinsicht bis ins einzelste;
sie erscheinen, trotz den schwersten Irrtümern, als geborene Statistiker.
Mit solchen Menschen konnte man unterhandeln, man konnte sie Die unter-
zu überzeugen, d. h. durch tatsächliche Gründe zu bestimmen hoffen. '" ""*
Als der große Alfonso von Neapel (1434) Gefangener des Filippo Maria Abb. -74
Visconti geworden war, wußte er diesen zu überzeugen, daß die Herr-
schaft des Hauses Anjou über Neapel statt der scinigcn die Franzosen
zu Herrn von Italien machen würde, und jener ließ ihn ohne Lösegeld
frei und schloß ein Bündnis mit ihm"*. Schwerlich hätte ein nordischer
Fürst so gehandelt und gewiß keiner von der sonstigen Moralität des
Visconti. Ein festes Vertrauen auf die Macht tatsächUcher Gründe
beweist auch der berühmte Besuch, welchen Lorenzo magnifico — Abb. 07
unter allgemeiner Bestürzung der Florentiner — dem treulosen Ferrante
in Neapel abstattete, der gewiß in der Versuchung und nicht zu gut
dazu war, ihn als Gefangenen dazubehalten ^^^ Denn daß man einen
mächtigen Fürsten verhaften und dann nach Ausstellung einiger Unter-
schriften und andern tiefen Kränkungen wieder lebendig entlassen
könne, wie Karl der Kühne mit Ludwig XI. zu Peronne tat (1468),
erschien den Italienern als Torheit, so daß Lorenzo entweder gar nicht
kQ der STAAT ALS KUNSTWERK
mehr oder ruhmbedeckt zurückerwartet wurde. Es ist in dieser Zeit
zumal von venezianischen Gesandten eine Kunst der pohtischen Über-
redung aufgewandt worden, von welcher man diesseits der Alpen erst
durch die Italiener einen Begriff bekam, und welche ja nicht nach
den offiziellen Empfangsreden beurteilt werden darf, denn diese ge-
hören der humanistischen Sclmlrhetorik an. An Derbheiten und Naivi-
täten fehlte es im diplomatischen Verkehr auch nicht^^, trotz aller
sonst sehr entwickelten Etikette. Fast rührend aber erscheint uns ein
Geist wie Machiavelli in seinen ,,Legaziom". Mangelhaft instruiert,
kümmerlich ausgestattet, als untergeordneter Agent behandelt, verliert
er niemals seinen freien, hohen Beobachtungsgeist und seine Lust des
anschaulichen Berichtens. — Von dem Studium des Menschen, als Volk
wie als Individuum, welches mit dem Studium der Verhältnisse bei die-
sen Italienern Hand in Hand ging, wird in einem besonderen Abschnitte
die Rede sein.
Der Krieg als Auf wclchc VVcisc auch der Krieg den Charakter eines Kunstwerkes
Abb'ss—96 annahm, soll hier nur mit einigen Worten angedeutet werden. Im abend-
ländischen Mittelalter war die Ausbildung des einzelnen Kriegers eine
höchst vollendete innerhalb des herrschenden Systems von Wehr und
Waffen, auch gab es gewiß jederzeit geniale Erfinder in der Befestigungs-
und Belagerungskunst; allein Strategie sowohl als Taktik wurden in
ihrer Entwicklung gestört durch die vielen sachlichen und zeitlichen
Beschränkungen der Kriegspflicht und durch den Ehrgeiz des Adels,
welcher z. B. angesichts der Feinde um den Vorrang im Streit haderte
und mit seinem bloßen Ungestüm gerade die wichtigsten Schlachten,
wie die von Crecy und Maupertuis, verdarb. Bei den Italienern dagegen
herrschte am frühsten das in solchen Dingen andersgeartete Söldner-
reuerwaifen wcscn vor, Und auch die frühe Ausbildung der Feuerwaffen trug ihrer-
seits dazu bei, den Krieg gleichsam zu demokratisieren, nicht nur
weil die festesten Burgen vor den Bombarden erzitterten, sondern weil
die auf bürgerlichem Wege erworbene Geschicklichkeit des Ingenieurs,
Stückgießers und Artilleristen in den Vordergrund trat. Man empfand
dabei nicht ohne Schmerz, daß die Geltung des Individuums — die
Seele der kleinen, trefflich ausgebildeten italienischen Söldnerheere —
durch jene von ferne her wirkenden Zerstörungsmittel beeinträchtigt
wurde, und es gab einzelne Kondottieren, welche sich wenigstens gegen
das unlängst in Deutschland erfundene*^* Handrohr aus Kräften ver-
Abb. 76 wahrten; so ließ Paolo Vitclii^*" den gefangenen feindlichen Schiop-
pcttieri die Augen ausstechen und die Hände abhauen, während er
die Kanonen als berechtigt anerkannte und gebrauchte. Im großen
und ganzen aber ließ man die Erfindungen walten und nützte sie nach
DER STAAT ALS KUNSTWERK 5g
Kräften aus, so daß die Italiener für die AngrifTsmittel wie für den
Festungsbau die Lehrer von ganz Europa wurden. Fürsten wie Federigo
von Urbino, Alfonso von Ferrara, eigneten sich eine Kennerschaft des Kenner und
Faches an, gegen welche selbst die eines Maximilian I. nur oberfläch-
lich erschienen sein wird. In Italien gab es zuerst eine Wissenschaft
und Kunst des gesamten im Zusammenhang behandelten Kriegswesens;
hier zuerst begegnen wir einer neutralen Freude an der korrekten Krieg-
führung als solcher, wie dies zu dem häufigen Parteiwechsel und zu
der rein sachlichen Handlungsweise der Kondottieren paßte. Während
des mailändisch-venezianischen Krieges von 145 1 und 1452, zwischen
Francesco Sforza und Jacopo Picinino, folgte dem Hauptquartier des
letztern der Literat Porcellio, mit dem Auftrage des Königs Alfonso
von Neapel, eine Relation^^^ zu verfassen. Sie ist in einem nicht sehr
reinen, aber fließenden Latein im Geiste des damaligen humanistischen
Bombastes geschrieben, im ganzen nach Cäsars Vorbild, mit eingestreu-
ten Reden, Prodigien usw.; und da man seit hundert Jahren ernstlich
darob stritt, ob Scipio Africanus major oder Hannibal größer gewcsen^*^,
muß sich Picinino bequemen, durch das ganze Werk Scipio zu heißen
und Sforza Hannibal. Auch über das mailändische Heer mußte objektiv
berichtet werden; der Sophist ließ sich bei Sforza melden, wurde die
Reihen entlang geführt, lobte alles höchlich und versprach, was er hier
gesehen, ebenfalls der Nachwelt zu überliefern 1^^. Auch sonst ist die
damalige Literatur Italiens reich an Kriegsschilderungen und Aufzeich-
nungen von Stratagemen zum Gebrauch des beschaulichen Kenners
sowohl als der gebildeten Welt überhaupt, während gleichzeitige nordi-
sche Relationen, z. B.: Diebold Schillings Burgunderkrieg, noch ganz
die Formlosigkeit und protokollarische Treue von Chroniken an sich
haben. Der größte Dilettant, der je als solcher^^* im Kriegswesen auf-
getreten ist, Machiavclli, schrieb damals seine ,,arte della guerra". Zweikämpfe
Die subjektive Ausbildung des einzelnen Kriegers aber fand ihre voll-
endetste Äußerung in jenen feierlichen Kämpfen von einem oder meh-
reren Paaren, dergleichen schon lange vor dem berühmten Kampfe
bei Barletta (1503) Sitte gewesen ist^*^. Der Sieger war dabei einer Ver-
herrlichung gewiß, die ihm im Norden fehlte: durch Dichter und Hu-
manisten. Es liegt im Ausgang dieser Kämpfe kein Gottesurteil mehr,
sondern ein Sieg der Persönlichkeit und — für die Zuschauer — der
Entscheid einer spannenden Wette nebst einer Genugtuung für die Ehre
des Heeres oder der Nation.
Es versteht sich, daß diese ganze rationelle Behandlung der Kriegs- KrieRsijreuei
Sachen unter gewissen Umständen den ärgsten Greueln Platz machte,
selbst ohne Mitwirkung des politischen Hasses, bloß etwa einer ver-
6o DER STAAT ALS KUNSTWERK
sprochenen Plünderung zuliebe. Nach der vierzigtägigen Verheerung
Piacenzas (1447), welche Sforza seinen Soldaten hatte gestatten müssen,
stand die Stadt geraume Zeit leer und mußte mit Gewalt wieder be-
völkert werden^ä». Doch will dergleichen wenig sagen im Vergleich
mit dem Jammer, den nachher die Truppen der Fremden über Itahen
brachten; besonders jene Spanier, in welchen vielleicht ein nicht abend-
ländischer Zusatz des Geblütes, vielleicht die Gewöhnung an die Schau-
spiele der Inquisition die teuflische Seite des Natur entfesselt hatte.
Wer sie kennenlernt bei ihren Greueltaten von Prato, Rom usw. hat
es später schwer, sich für Ferdinand den Katholischen und Karl V. im
höhern Sinne zu interessieren. Diese haben ihre Horden gekannt und
dennoch losgelassen. Die Last von Akten aus ihrem Kabinett, welche
allmählich zum Vorschein kommt, mag eine Quelle der wichtigsten
Notizen bleiben — einen belebenden politischen Gedanken wird nie-
mand mehr in den Skripturen solcher Fürsten suchen.
DJS Papst Papsttum und Kirchenstaat^'', als eine ganz ausnahmsweise Schöp-
,,,'"" fung, haben uns bisher, bei der Feststellung des Charakters itahenischer
Abb. T4t~i64 OJ ' o
Staaten überhaupt nur beiläufig beschäftigt. Gerade das, was sonst
diese Staaten interessant macht, die bewußte Steigerung und Kon-
zentration der Machtmittel, findet sich im Kirchenstaat am wenigsten,
indem hier die geistliche Macht die mangelhafte Ausbildung der welt-
lichen unaufhörlich decken und ersetzen hilft. Welche Feuerproben hat
der so konstituierte Staat im 14. und beginnenden 15. Jahrhundert aus-
gehalten! Als das Papsttum nach Südfrankreich gefangen geführt wurde,
ging anfangs alles aus den Fugen, aber Avignon hatte Geld, Truppen
und einen großen Staats- und Kriegsmann, der den Kirchenstaat wieder
völlig unterwarf, den Spanier Albornoz. Noch viel größer war die Ge-
fahr einer definitiven Auflösung, als das Schisma hinzutrat, als weder
der römische noch der avignonesische Papst reich genug war, um den
von neuem verlorenen Staat zu unterwerfen, aber nach der Herstellung
der Kircheneinheit gelang dies unter Martin V. doch wieder, und ge-
lang abermals, nachdem sich die Gefahr unter Eugen IV. erneuert
hatte. Allein der Kirchenstaat war und blieb einstweilen eine völlige
Anomalie unter den Ländern Italiens; in und um Rom trotzten dem
Papsttum die großen Adelsfamilicn der Colonna, Savelli, Orsini, An-
guillara usw.; in Umbrien, in der Mark, in der Romagna gab es zwar
jetzt fast keine jener Stadtrepubliken mehr, welchen einst das Papst-
tum für ihre Anhänglichkeit so wenig Dank gewußt hatte, aber dafür
eine Menge großer und kleiner Fürstenhäuser, deren Gehorsam und
DER STAAT ALS KUNSTWERK 6l
Vasallentreue nicht viel besagen wollte. Als besondere, aus eigener
Kraft bestehende Dynastien haben sie auch ihr besonderes Interesse,
und in dieser Beziehung ist oben (S. i6f., 26 f.) bereits von den wichtig-
sten derselben die Rede gewesen.
Gleichwohl sind wir auch dem Kirchenstaat als Ganzem hier eine seine
kurze Betrachtung schuldig. Neue merkwürdige Krisen und Gefahren 'i^^!',"',','™
kommen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts über ihn, indem der Geist
der italienischen Politik von verschiedenen Seiten her sich auch seiner
zu bemächtigen, ihn in die Pfade seiner Räson zu leiten sucht. Die
geringern dieser Gefahren kommen von außen oder aus dem Volke,
die größern haben ihre Qiielle in dem Gemüt der Päpste selbst.
Das transalpinische Ausland darf zunächst außer Betracht bleiben.
Wenn dem Papsttum in Italien eine tödliche Bedrohung zustieß, so
hätte ihm weder Frankreich unter Ludwig XL, noch England beim
Beginn der Rosenkriege, noch das einstweilen gänzlich zerrüttete Spa-
nien, noch auch das um sein Basler Konzil betrogene Deutschland die
geringste Hilfe gewährt oder auch nur gewähren können. In Itahen siudpimkie
selber gab es eine gewisse Anzahl Gebildeter und auch wohl Ungebil-
deter, welche eine Art von Nationalstolz darein setzten, daß das Papst-
tum dem Lande gehöre; sehr viele hatten ein bestimmtes Interesse da-
bei, daß es so sei und bleibe; eine gewaltige Menge glaubte auch noch
an die Kraft der päpstlichen Weihen und Segnungen"^, darunter auch
große Frevler, wie jener Vitellozzo Vitclli, der noch um den Ablaß
Alexanders VI. flehte, als ihn der Sohn des Papstes erwürgen ließ^''^.
Allein alle diese Sympathien zusammen hätten wiederum das Papst-
tum nicht gerettet gegenüber von wahrhaft entschlossenen Gegnern,
die den vorhandenen Haß und Neid zu benützen gewußt hätten.
Und bei so geringer Aussicht auf äußere Hilfe entwickeln sich gerade
die allergrößten Gefahren im Innern des Papsttums selber. Schon in-
dem dasselbe jetzt wesentlich im Geist eines weltlichen italienischen
Fürstentums lebte und handelte, mußte es auch die düstern Momente
eines solchen kennenlernen; seine eigentümliche Natur aber brachte
noch ganz besondere Schatten hinein.
Was zunächst die Stadt Rom anbetrifft, so hat man von jeher der- Die siadi
gleichen getan, als ob man ihre Aufwallungen wenig fürchte, da so
mancher durch Volkstumult vertriebene Papst wieder zurückgekehrt
sei und die Römer um ihres eigenen Interesses willen die Gegenwart
der Kurie wünschen mußten. Allein Rom entwickelte nicht nur zu-
zeiten einen spezifisch antipäpstlichen Radikalismus^"", sondern es zeigte
sich auch mitten in den bedenklichsten Komplotten die Wirkung un-
sichtbarer Hände von außen. So bei der Verschwörung des Stefano
Rom unter
N'irolaus \'.
02 DER STAAT ALS KUNSTWERK
Porcari gegen denjenigen Papst, welcher gerade der Stadt Rom die
größten Vorteile gewährt hatte, Nikolaus V. (1453). Porcari bezweckte
einen Umsturz der päpsthchen Herrschaft überhaupt und hatte dabei
große Mitwisser, die zwar nicht genannt werden^"^, sicher aber unter
den italienischen Regierungen zu suchen sind. Unter demselben Ponti-
fikat schloß Lorenzo Valla seine berühmte Deklamation gegen die Schen-
kung Konstantins mit einem Wunsch um baldige Säkularisation des
Kirchenstaates ^''^.
unterPiusii. Aiicli die catilinarisclie Rotte, mit welcher Pius II. (1459) kämpfen
'"^ mußte*"^, verhehlte es nicht, daß ihr Ziel der Sturz der Priesterherr-
schaft im allgemeinen sei, und der Hauptanführer Tiburzio gab Wahr-
sagern die Schuld, welche ihm die Erfüllung dieses Wunsches eben auf
dieses Jahr verheißen hätten. Mehrere römische Große, der Fürst von
Tarent und der Kondottiere Jacopo Piccinino waren die Mitwisser und
Beförderer. Und wenn man bedenkt, welche Beute in den Palästen
reicher Prälaten bereitlag (jene hatten besonders den Kardinal von
Aquileja im Auge), so fällt es eher auf, daß in der fast ganz unbewachten
Stadt solche Versuche nicht häufiger und erfolgreicher waren. Nicht
umsonst residierte Pius lieber überall als in Rom, und noch Paul II.
hat (1468) einen heftigen Schrecken wegen eines wirklichen oder vor-
gegebenen Komplottes ähnlicher Art ausgestanden^"*. Das Papsttum
mußte entweder einmal einem solchen Anfall unterliegen oder gewalt-
sam die Faktionen der Großen bändigen, unter deren Schutz jene
Räuberscharen heranwuchsen.
siitusiv. Diese Aufgabe setzte sich der schreckliche Sixtus IV. Er zuerst hatte
Rom und die Umgegend fast völlig in der Gewalt, zumal seit der Ver-
folgung der Kolonnesen, und deshalb konnte er auch in Sachen des
Pontifikates sowohl als der italienischen Politik mit so kühnem Trotz
verfahren und die Klagen und Konzilsdrohungen des ganzen Abend-
landes verachten. Die nötigen Geldmittel lieferte eine plötzHch ins
Schrankenlose wachsende Simonie, welche von den Kardinalsernennun-
gen bis auf die kleinsten Gnaden und Bewilligungen herunter sich alles
unterwarf Sixtus selbst hatte die päpstliche Würde nicht ohne Be-
stechung erhalten.
vt Ncpotis- Eine so allgemeine Käuflichkeit konnte einst dem römischen Stuhl
Abh 7j"j iks "'^'^ Schicksale zuziehen, doch lagen dieselben in unberechenbarer
Ferne. Anders war es mit dem Nepotismus, welcher das Pontifikat
selber einen Augenblick aus den Angeln zu heben drohte. Von allen
Nepotcn genoß anfangs Kardinal Pietro Riario bei Sixtus die größte
und fast ausschließliche Gunst; ein Mensch, welcher binnen kurzem
die Phantasie von ganz Italien beschäftigte^"*, teils durch Ungeheuern
DER STAAT ALS KUNSTWERK 63
Luxus, teils durch die Gerüchte, welche über seine Gottlosigkeit und
seine politischen Pläne laut wurden. Er hat sich (1473) mit Herzog
Galeazzo Maria von Mailand dahin verständigt, daß dieser König der
Lombardie werden und ihn, den Nepoten, dann mit Geld und Truppen
unterstützen solle, damit er bei seiner Heimkehr nach Rom den päpst-
lichen Stuhl besteigen könne; Sixtus würde ihm denselben, scheint es,
freiwillig abgetreten haben ^'". Dieser Plan, welcher wohl auf eine Säku-
larisation des Kirchenstaates als Folge der Erblichmachung des Stuhles
hinausgelaufen wäre, scheiterte dann durch Pietros plötzliches Absterben.
Der zweite Nepot, Girolamo Riario, blieb weltlichen Standes und tastete
das Pontifikat nicht an; seit ihm aber vermehren die päpstlichen Ne- Der Nepot
poten die Unruhe Italiens durch das Streben nach einem großen Fürsten-
tum. Früher war es etwa vorgekommen, daß die Päpste ihre Oberlehns-
herrlichkeit über Neapel zugunsten ihrer Verwandten geltend machen
wollten^*®; seit Calixt HI. aber war hieran nicht mehr so leicht zu den-
ken, und Girolamo Riario mußte, nachdem die Überwältigung von
Florenz (und wer weiß wie mancher andere Plan) mißlungen war,
sich mit Gründung einer Herrschaft auf Grund und Boden des Kirchen-
staates selber begnügen. Man mochte dies damit rechtfertigen, daß die
Romagna mit ihren Fürsten und Stadttyrannen der päpstlichen Ober-
herrschaft völlig zu entwachsen drohte, oder daß sie in kurzem die Beute
der Sforza und der Venezianer werden konnte, wenn Rom nicht auf
diese Weise eingriff. Allein wer garantierte in jenen Zeiten und Ver-
hältnissen den dauernden Gehorsam solcher souverän gewordener Ne-
poten und ihrer Nachkommen gegen Päpste, die sie weiter nichts mehr
angingen? Selbst der noch lebende Papst war nicht immer seines eigenen
Sohnes oder Neffen sicher, und vollends lag die Versuchung nahe, den
Nepoten eines Vorgängers durch den eigenen zu verdrängen. Die Rück-
wirkungen dieses ganzen Verhältnisses auf das Papsttum selbst waren
von der bedenklichsten Art; alle, auch die geistlichen Zwangsmittel
wurden ohne irgendwelche Scheu an den zweideutigsten Zweck ge-
wandt, welchem sich die andern Zwecke des Stuhles Petri unterordnen
mußten, und wenn das Ziel unter heftigen Erschütterungen und all-
gemeinem Haß erreicht war, so hatte man eine Dynastie geschaffen,
welche das größte Interesse am Untergang des Papsttums hatte.
Als Sixtus starb, konnte sich Girolamo nur mit äußerster Mühe und
nur durch den Schutz des Hauses Sforza (dem seine Gemahlin an- Abb..u,5--
gehörte) in seinem erschwindelten Fürstentum (Forli und Imola) halten
Bei dem nun (1484) folgenden Konklave — in welchem Innocenz VIII
gewählt wurde — trat eine Erscheinung zutage, welche beinahe einer Simonie
neuen äußern Garantie des Papsttums ähnlich sieht: zwei Kardinäle,
Inno-
cenz VIII.
und die
64 DEK STAAT ALS KUNSTWERK
welche Prinzen regierender Häuser, sind, lassen sich ihre Hilfe auf das
schamloseste durch Geld und Würden abkaufen, nämlich Giovanni
d'Aragona, Sohn des Königs Ferrante, und Ascanio Sforza, Bruder
des Moro^"'. So waren wenigstens die Herrscherhäuser von Neapel und
Mailand duixh Teilnahme an der Beute beim Fortbestand des päpst-
lichen Wesens interessiert. Noch einmal beim folgenden Konklave, als
alle Kardinäle bis auf fünf sich verkauften, nahm Ascanio ungeheure
Bestechungen an, und behielt sich außerdem die Hoffnung^^" vor, das
nächstemal selber Papst zu werden.
Auch Lorenzo magnifico wünschte, daß das Haus Medici nicht leer
ausgehe. Er vermählte seine Tochter Maddalena mit dem Sohn des
neuen Papstes, Franceschetto Cybö und erwartete nun nicht bloß
allerlei geistliche Gunst für seinen eigenen Sohn Kardinal Giovanni
(den künftigen Leo X.), sondern auch eine rasche Erhebung des Schwie-
gersohns^^. Allein in letzterm Betracht verlangte er Unmögliches. Bei
Innocenz VHI. konnte von dem kecken, staatengründenden Nepotis-
mus deshalb nicht die Rede sein, weil Franceschetto ein ganz kümmer-
licher Mensch war, dem es, wie seinem Vater, dem Papste, nur um den
Genuß der Macht im niedrigsten Sinne, namentlich um den Erwerb
großer Geldmassen*^, zu tun sein konnte. Die Art jedoch, wie Vater
und Sohn dies Geschäft trieben, hätte auf die Länge zu einer höchst
geHihrhchen Katastrophe, zur Auflösung des Staates, führen müssen.
\ „kauf dn Hatte Sixtus das Geld beschafft durch den Verkauf aller geisthchen
Gnaden und Würden, so errichten Innocenz und sein Sohn eine Bank
der weltlichen Gnaden, wo gegen Erlegung von hohen Taxen Pardon
für Mord und Totschlag zu haben ist; von jeder Buße kommen 150 Du-
katen an die päpstliche Kammer, und, was darübergeht, an France-
schetto. Rom wimmelt namentlich in den letzten Zeiten dieses Ponti-
fikates von protegierten und nicht protegierten Mördern; die Faktionen,
mit deren Unterwerfung Sixtus den Anfang gemacht, stehen wieder in
voller Blüte da; dem Papst in seinem wohlverwahrten Vatikan genügt
es, da und dort Fallen aufzustellen, in welchen sich zahlungsfähige Ver-
brecher fangen sollen. Für Franceschetto aber gab es nur noch eine
Hauptfrage: aufweiche Art er sich, wenn der Papst stürbe, mit mög-
lichst großen Kassen aus dem Staube machen könne? Er verriet sich
einmal bei Anlaß einer falschen Todesnachricht (1490); alles überhaupt
vorhandene Geld — den Schatz der Kirche — wollte er fortschaffen,
und als die Umgebung ihn daran hinderte, sollte wenigstens der Türken-
prinz Dschcm mitgehen, ein lebendiges Kapital, das man um hohen
Preis etwa an Ferrante von Neapel verhandeln konnte*". Es ist schwer,
politische Möglichkeiten in längst vergangenen Zeiten zu berechnen;
Begnadi-
sungen
DER STAAT ALS KUNSTWERK 65
unabweisbar aber drängt sich die Frage auf, ob Rom noch zwei oder
drei Pontifikate dieser Art ausgehalten hätte? Auch gegenüber dem
andächtigen Europa war es unklug, die Dinge so weit kommen zu
lassen, daß nicht bloß der Reisende und der Pilger, sondern eine ganze
Ambassade des römischen Königs Maximilian in der Nähe von Rom
bis aufs Hemd ausgezogen wurde und daß manche Gesandte unter-
wegs umkehrten, ohne die Stadt betreten zu haben.
Mit dem Begriff vom Genuß der Macht, welcher in dem hoch- Aiexandervi.
begabten Alexander VI. (1492 — 1503) lebendig war, vertrug sich ein Abb. 155, ist,
solcher Zustand freilich nicht, und das erste, was geschah, war die
einstweilige Herstellung der öffentlichen Sicherheit und das präzise
Auszahlen aller Besoldungen.
Strenge genommen dürfte dieses Pontifikat hier, wo es sich um ita-
lienische Kulturformen handelt, übergangen werden, denn die Borgia
sind so wenig Italiener als das Haus von Neapel. Alexander spricht
mit Cesare öffentlich spanisch, Lucrczia wird bei ihrem Empfang in Abb. 17
Ferrara, wo sie spanische Toilette trägt, von spanischen Buffonen an-
gesungen; die vertrauteste Hausdienerschaft besteht aus Spaniern, eben-
so die verrufenste Kriegerschar des Cesare im Krieg des Jahres 1500, Abb.s^.g^
und selbst sein Henker, Don Micheletto, sowie der Giftmischer Sebastian
Pinzon Cremonese scheinen Spanier gewesen zu sein. Zwischen all
seinem sonstigen Treiben erlegt Cesare auch einmal spanisch kunst-
gerecht sechs wilde Stiere in geschlossenem Hofraum. Allein die Kor-
ruption, als deren Spitze diese Familie erscheint, hatten sie in Rom
schon sehr entwickelt angetroffen.
Was sie gewesen sind und was sie getan haben, ist oft und viel ge-
schildert worden. Ihr nächstes Ziel, welches sie auch erreichten, war
die völlige Unterwerfung des Kirchenstaates, indem die sämtlichen^i*
kleinen Herrscher — meist mehr oder weniger unbotmäßige Vasallen
der Kirche — vertrieben oder zernichtet und in Rom selbst beide
große Faktionen zu Boden geschmettert wurden, die angeblich guelfi-
schen Orsinen so gut wie die angeblich gibcllinischen Colonnescn. Aber
die Mittel, welche angewandt wurden, waren so schrecklich, daß das
Papsttum an den Konsequenzen derselben notwendig hätte zugrunde
gehen müssen, wenn nicht ein Zwischenereignis (die gleichzeitige Ver-
giftung von Vater und Sohn) die ganze Lage der Dinge plötzlich ge-
ändert hätte. — Auf die moralische Entrüstung des Abendlandes aller-
dings brauchte Alexander nicht viel zu achten; in der Nähe erzwang
er Schrecken und Huldigung; die ausländischen Fürsten ließen sich
gewinnen, und Ludwig XII. half ihm sogar aus allen Kräften, die Be-
völkerungen aber ahnten kaum, was in Mittelitalien vorging. Der ein-
Burckhardt 5
(ici.lhreil von
aiiDeii
66 DER STAAT ALS KUNSTWERK
zige in diesem Sinne wahrhaft gefährhche Moment, als Karl VIII. in
der Nähe war, ging unerwartet glücklich vorüber, und auch damals
handelte es sich nicht um das Papsttum als solches^^^, sondern nur um
Verdrängung Alexanders durch einen bessern Papst. Die große, blei-
bende und wachsende Gefahr für das Pontifikat lag in Alexander selbst
und vor allem in seinem Sohne Cesare Borgia.
simonk- In dcm Vater waren Herrschbegier, Habsucht und Wollust mit einem
starken und glänzenden Naturell verbunden. Was irgend zum Genuß
von Macht und Wohlleben gehört, das gönnte er sich vom ersten Tage
an im weitesten Umfang. In den Mitteln zu diesem Zwecke erscheint
er sogleich völlig unbedenklich; man wußte auf der Stelle, daß er die
für seine Papstwahl aufgewandten Opfer mehr als nur wieder einbringen
würde ^^, und daß die Simonie des Kaufes durch die des Verkaufes
weit würde überboten werden. Es kam hinzu, daß Alexander von seinem
Vizekanzellariat und andern frühern Ämtern her die möglichen Geld-
quellen besser kannte und mit größerm Geschäftstalent zu handhaben
wußte als irgendein Kuriale. Schon im Laufe des Jahres 1494 geschah
es, daß ein Karmeliter Adamo von Genua, der zu Rom von der Simonie
gepredigt hatte, mit zwanzig Wunden ermordet in seinem Bette gefunden
wurde. Alexander hat kaum einen Kardinal außer gegen Erlegung
hoher Summen ernannt.
Cesare Borgia Als abcr der Papst mit der Zeit unter die Herrschaft seines Sohnes
Abb. 83, 84 gej-jet, nahmen die Mittel der Gewalt jenen völlig satanischen Charak-
ter an, der notwendig auf die Zwecke zurückwirkt. Was im Kampf
gegen die römischen Großen und gegen die romagnolischen Dynasten
geschah, überstieg im Gebiet der Treulosigkeit und Grausamkeit so-
gar dasjenige Maß, an welches z. B. die Aragonesen von Neapel die
Welt bereits gewöhnt hatten, und auch das Talent der Täuschung
war größer. Vollends grauenhaft ist die Art und Weise, wie Cesare
den Vater isoliert, indem er den Bruder, den Schwager und an-
dere Verwandte und Höflinge ermordet, sobald ihm deren Gunst
beim Papst oder ihre sonstige Stellung unbequem wird. Alexander
mußte zu der Ermordung seines geliebtesten Sohnes, des Duca di
Gandia, seine Einwilligung geben^', weil er selber stündlich vor Ce-
sare zitterte.
Welches waren nun die tiefsten Pläne des letztern? Noch in den
letzten Monaten seiner Herrschaft, als er eben die Kondottieren zu
Sinigaglia umgebracht hatte und faktisch Herr des Kirchenstaates war
(1503), äußerte man sich in seiner Nähe leidlich bescheiden: Der Her-
zog wolle bloß Faktionen und Tyrannen unterdrücken, alles nur zum
Nutzen der Kirche; für sich bedinge er sich höchstens die Romagna
DER STAAT ALS KUNSTWERK 67
aus, und dabei könne er des Dankgefühles aller folgenden Päpste sicher
sein, da er ihnen Orsinen und Colonnesen vom Halse geschafft^®. Aber seine
niemand wird dies als seinen letzten Gedanken gelten lassen. Schon
etwas weiter ging einmal Papst Alexander selbst mit der Sprache heraus,
in der Unterhaltung mit dem venezianischen Gesandten, indem er
seinen Sohn der Protektion von Venedig empfahl: ,,Ich will dafür sor-
gen, sagte er, daß einst das Papsttum entweder an ihn oder an Eure
Republik fällt^^." Cesare freilich fügte bei: es solle nur Papst werden, aufdenpäpst-
wen Venedig wolle, und zu diesem Endzweck brauchten nur die vene- ''^'""^ ^°'^
zianischen Kardinäle recht zusammenzuhalten. Ob er damit sich selbst
gemeint, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls genügt die Aussage des
Vaters, um seine Absicht auf die Besteigung des päpstlichen Thrones
zu beweisen. Wiederum etwas mehr erfahren wir mittelbar von Lucrezia
Borgia, insofern gewisse Stellen in den Gedichten des Ercole Strozza
der Nachklang von Äußerungen sein dürften, die sie als Herzogin von
Ferrara sich wohl erlauben konnte. Zunächst ist auch hier von Cesares
Aussicht auf das Papsttum die Rede^", allein dazwischen tönt etwas
von einer gehofften Herrschaft über Italien im allgemeinen^^, und am
Ende wird angedeutet, daß Cesare gerade als weltlicher Herrscher
das Größte vorgehabt und deshalb einst den Kardinalshut niedergelegt
habe^^. In der Tat kann kein Zweifel darüber walten, daß Cesare,
nach Alexanders Tode zum Papst gewählt oder nicht, den Kirchen- und dessen
Staat um jeden Preis zu behaupten gedachte, und daß er dies, nach allem,
was er verübt hatte, als Papst unmöglich auf die Länge vermocht
hätte. Wenn irgendeiner, so hätte er den Kirchenstaat säkularisiert^^
und hätte es tun müssen, um dort weiter zu herrschen. Trügt uns nicht
alles, so ist dies der wesentliche Grund der geheimen Sympathie, womit
Macchiavell den großen Verbrecher behandelt; von Cesare oder von
niemand durfte er hoffen, daß er ,,das Eisen aus der Wunde ziehe",
d. h. das Papsttum, die Quelle aller Intervention und aller Zersplitte-
rung Italiens, zernichte. — Die Intriganten, welche Cesare zu erraten
glaubten, wenn sie ihm das Königtum von Toskana spiegelten, wies
er, scheint es, mit Verachtung von sich^^*.
Doch alle logischen Schlüsse aus seinen Prämissen sind vielleicht
eitel — nicht wegen einer sonderlichen dämonischen Genialität, die
ihm sowenig innewohnte als z. B. dem Herzog von Friedland — , son-
dern weil die Mittel, die er anwandte, überhaupt mit keiner völlig
konsequenten Handlungsweise im großen verträglich sind. Vielleicht
hätte in dem Übermaß von Bosheit sich wieder eine Aussicht der Ret-
tung für das Papsttum aufgetan, auch ohne jenen Zufall, der seiner Herr-
schaft ein Ende machte.
Säkulari-
sation
68 DER STAAT ALS KUNSTWERK
1)1^ irratio Wenn man auch annimmt, daß die Zernichtung aller Zwischen-
herrscher im Kirchenstaate dem Cesare nichts als Sympathie eingetragen
hätte, wenn man auch die Schar, die 1503 seinem Glücke folgte — die
besten Soldaten und Offiziere Italiens mit Lionardo da Vinci als Ober-
ingenieur — , als Beweis seiner großen Aussichten gelten läßt, so gehört
doch anderes wieder ins Gebiet des Irrationellen, so daß unser Urteil
darob irre wird wie das der Zeitgenossen. Von dieser Art ist besonders
die Verheerung und Mißhandlung des eben gewonnenen Staates^^^,
den Cesare doch zu behalten und zu beherrschen gedenkt. Sodann der
Zustand Roms und der Kurie in den letzten Jahren des Pontifikates.
Knnordungen Sei CS, daß Vatcr und Sohn eine förmliche Proskriptionsliste entworfen
hatten^^*, sei es, daß die Mordbeschlüsse einzeln gefaßt wurden — die
Borgia legten sich auf heimliche Zernichtung aller derer, welche ihnen
irgendwie im Wege waren oder deren Erbschaft ihnen begehrenswert
schien. Kapitalien und fahrende Habe waren noch das wenigste dabei;
viel einträglicher für den Papst war es, daß die Leibrenten der betref-
fenden geistlichen Herren erloschen und daß er die Einkünfte ihrer
Ämter während der Vakanz und den Kaufpreis derselben bei neuer
Besetzung einzog. Der venezianische Gesandte Paolo Capello^' meldet
im Jahre 1500 wie folgt: ,,Jede Nacht findet man zu Rom 4 oder 5 Er-
mordete, nämlich Bischöfe, Prälaten und andere, so daß ganz Rom
davor zittert, von dem Herzog (Cesare) ermordet zu werden." Er selber
zog des Nachts mit seinen Garden in der erschrockenen Stadt herum*^,
und es ist aller Grund vorhanden zu glauben, daß dies nicht bloß ge-
schah, weil er, wie Tiberius, sein scheußlich gewordenes Antlitz bei
Tage nicht mehr zeigen mochte, sondern um seiner tollen Mordlust
ein Genüge zu tun, vielleicht auch an ganz Unbekannten. Schon im
Jahr 1499 war die Desperation hierüber so groß und allgemein, daß
das Volk viele päpstliche Gardisten überfiel und umbrachte^'. Wem
aber die Borgia mit offener Gewalt nicht beikamen, der unterlag ihrem
verRiftimgen Gift. Für diejenigen Fälle, wo einige Diskretion nötig schien, wurde
jenes schneeweiße, angenehm schmeckende Pulver^" gebraucht, welches
nicht blitzschnell, sondern allmählich wirkte und sich unbemerkt jedem
Gericht oder Getränk beimischen ließ. Schon Prinz Dschcm hatte davon
in einem süßen Trank mitbekommen, bevor ihn Alexander an Karl VIII.
auslieferte (1495), und am Ende ihrer Laufbahn vergifteten sich Vater
und Sohn damit, indem sie zufällig von dem für einen i-eichen Kar-
dinal bestimmten Wein genossen. Der offizielle Epitomator der Papst-
Abb. ijt, geschichte, Onufiio Panvinio^', nennt drei Kardinäle, welche Alexan-
der hat vergiften lassen (Orsini, Ferrerio und Michiel) und deutet
einen vierten an, welchen Cesare auf seine Rechnung nahm (Giovanni
DER STAAT ALS KUNSTWERK
69
Borgia); es möchten aber damals selten reichere Prälaten in Rom ge-
storben sein ohne einen Verdacht dieser Art. Auch stille Gelehrte,
die sich in eine Landstadt zurückgezogen, erreichte ja das erbarmungs-
lose Gift. Es fing an, um den Papst herum nicht mehr recht geheuer
zu werden; Blitzschläge und Sturmwinde, von welchen Mauern und
Gemächer einstürzten, hatten ihn schon früher in auffallender Weise
heimgesucht und in Schrecken gesetzt; als 1500^^ sich diese Erschei-
nungen wiederholten, fand man darin „cosa diabolica". Das Gerücht
von diesem Zustande der Dinge scheint durch das stark besuchte^^
Jubiläum von 1500 doch endlich weit unter den Völkern herumgekom-
men zu sein, und die schmachvolle Ausbeutung des damaligen Ablasses
tat ohne Zweifel das übrige, um alle Augen auf Rom zu lenken^*.
Außer den heimkehrenden Pilgern kamen auch sonderbare weiße Büßer
aus Italien nach dem Norden, darunter verkappte Flüchtlinge aus dem
Kirchenstaat, welche nicht werden geschwiegen haben. Doch wer kann
berechnen, wie lange und hoch das Ärgernis des Abendlandes noch
hätte steigen müssen, ehe es für Alexander eine unmittelbare Gefahr
erzeugte. ,,Er hätte", sagt Panvinio anderswo^^, ,,auch die noch übri-
gen reichen Kardinäle und Prälaten aus der Welt geschafft, um sie zu
beerben, wenn er nicht, mitten in den größten Absichten für seinen Sohn,
dahingerafft worden wäre." Und was würde Cesare getan haben, wenn
er im Augenblicke, da sein Vater starb, nicht ebenfalls auf den Tod
krank gelegen hätte? Welch ein Konklave wäre das geworden, wenn
er sich einstweilen, mit all seinen Mitteln ausgerüstet, durch ein mit
Gift zweckmäßig reduziertes Kardinalskollegium zum Papst wählen ließ,
zumal in einem Augenblick, da keine französische Armee in der Nähe
gewesen wäre! Die Phantasie verliert sich, sobald sie diese Hypothesen
verfolgt, in einen Abgrund.
Statt dessen folgte das Konklave Pius'III. und nach dessen baldigemTode
auch dasjenige Julius' II. unter dem Eindruck einer allgemeinen Reaktion.
Welches auch die Privatsitten Julius' IL sein mochten, in den wesent-
lichen Beziehungen ist er der Retter des Papsttums. Die Betrachtung
des Ganges der Dinge in den Pontifikaten seit seinem Oheim Sixtus
hatte ihm einen tiefen Einblick in die wahren Grundlagen und Be-
dingungen des päpstlichen Ansehens gewährt, und danach richtete er
nun seine Herrschaft ein und widmete ihr die ganze Kraft und Leiden-
schaft seiner unerschütterlichen Seele. Ohne Simonie, unter allgemeinem
Beifall stieg er die Stufen des Stuhles Petri hinan, und nun hörte wenig-
stens der eigentliche Handel mit den höchsten Würden gänzlich auf.
Julius hatte Günstlinge und darunter sehr unwürdige, allein des Ne-
potismus war er durch ein besonderes Glück überhoben: sein Bruder
Die letzten
Jahre
Julius II.
■iiib. JS3, 154
Seine
Keaktion
yO DER STAAT ALS KUNSTWERK
Abh. 151 Giovanni dcUa Rovere war der Gemahl der Erbin von Urbino, Schwe-
Abb.sg ster des letzten Montefeltro Guidobaldo, und aus dieser Ehe war seit
1491 ein Sohn, Francesco Maria della Rovere, vorhanden, welcher zu-
gleich rechtmäßiger Nachfolger im Herzogtum Urbino und päpstlicher
Nepot war. Was nun Julius sonst irgend erwarb, im Kabinett oder
durch seine Feldzüge, das unterwarf er mit hohem Stolz der Kirche
und nicht seinem Hause; den Kirchenstaat, welchen er in voller Auf-
lösung angetroffen, hinterließ er völlig gebändigt und durch Parma
und Piacenza vergrößert. Es lag nicht an ihm, daß nicht auch Ferrara
Abb. 141 für die Kirche eingezogen wurde. Die 700000 Dukaten, welche er be-
ständig in der Engelsburg liegen hatte, sollte der Kastellan einst nie-
mandem als dem künftigen Papst ausliefern. Er beerbte die Kardinäle,
ja alle Geistlichen, die in Rom starben, und zwar auf rücksichtslose
Weise^^', aber er vergiftete und mordete keinen. Daß er selber zu Felde
zog, war für ihn unvermeidlich und hat ihm in Italien sicher nur ge-
nützt zu einer Zeit, da man entweder Amboß oder Hammer sein mußte,
und da die Persönlichkeit mehr wirkte als das besterworbene Recht.
Wenn er aber trotz all seines hochbetonten: „Fort mit den Barbaren!"
gleichwohl am meisten dazu beitrug, daß die Spanier in Italien sich
recht festsetzten, so konnte dies für das Papsttum gleichgültig, ja viel-
leicht relativ vorteilhaft erscheinen. Oder war nicht bis jetzt von der
Krone Spaniens am ehesten ein dauernder Respekt vor der Kirche zu
pptsöniich erwarten ^^, während die italienischen Fürsten vielleicht nur noch frevel-
"""' hafte Gedanken gegen letztere hegten? — Wie dem aber sei, der mäch-
tige originelle Mensch, der keinen Zorn herunterschlucken konnte und
kein wirkliches Wohlwollen verbarg, machte im ganzen den für seine
Lage höchst wünschbaren Eindruck eines ,,Pontefice terribile". Er konnte
sogar wieder mit relativ gutem Gewissen die Berufung eines Konzils
nach Rom wagen, womit dem Konzilsgeschrei der ganzen europäischen
Opposition Trotz geboten war. Ein solcher Herrscher bedurfte auch
eines großartigen äußern Symboles seiner Richtung; Julius fand das-
Abb. i43-'n selbe im Neubau von St. Peter; die Anlage desselben, wie sie Bramante
wollte, ist vielleicht der größte Ausdruck aller einheitlichen Macht
überhaupt. Aber auch in den übrigen Künsten lebt Andenken und Ge-
stalt dieses Papstes im höchsten Sinne fort, und es ist nicht ohne Bedeu-
tung, daß selbst die lateinische Poesie jener Tage für Julius in andere
Flammen gerät als für seine Vorgänger. Der Einzug in Bologna, am
Ende des ,,Itcr Julii secundi", von Kardinal Adriano da Corneto, hat
einen eigenen prachtvollen Ton, imd Giovan Antonio Flaminio hat in
einer der schönsten Elegien*^ den Patrioten im Papst um Schutz für
Italien angerufen.
DER STAAT ALS KUNSTWERK "Jl
Julius hatte durch eine donnernde Konstitution^* seines lateranen-
sischen Konzils die Simonie bei der Papstwahl verboten. Nach seinem l™ x.
Tode (1513) wollten die geldlustigen Kardinäle dies Verbot dadurch
umgehen, daß eine allgemeine Abrede proponiert wurde, wonach die
bisherigen Pfründen und Ämter des zu Wählenden gleichmäßig unter
sie veiteilt werden sollten; sie würden dann den pfründenreichsten
Kardinal (den ganz untüchtigen Rafael Riario) gewählt haben 2*". Allein
ein Aufschwung hauptsächlich der Jüngern Mitglieder des heil. Kolle-
giums, welche vor allem einen liberalen Papst wollten, durchkreuzte
jene jämmerliche Kombination; man wählte Giovanni Medici, den be-
rühmten Leo X. ■■ii'>> '5«
Wir werden ihm noch öfter begegnen, wo irgend von der Sonnen-
höhe der Renaissance die Rede sein wird; hier ist nur darauf hinzu-
weisen, daß unter ihm das Papsttum wieder große innere und äußere
Gefahren erlitt. Darunter ist nicht zu rechnen die Verschwörung der
Kardinäle Petrucci, Sauli, Riario und Corneto, weil diese höchstens
einen Personenwechsel zur Folge haben konnte; auch fand Leo das
wahre Gegenmittel in Gestalt jener unerhörten Kreation von 31 neuen
Kardinälen, welche noch dazu einen guten Effekt machte, weil sie zum
Teil das wahre Verdienst belohnte.
Höchst gefährlich aber waren gewisse Wege, auf welchen Leo in den piäne auj
zwei ersten Jahren seines Amtes sich betreten ließ. Durch ganz ernst- ''*'" "''''^"
liehe Unterhandlungen suchte er seinem Bruder Giuliano das König-
reich Neapel und seinem Neffen Lorenzo ein großes oberitaUsches Reich
zu verschaffen, welches Mailand, Toscana, Urbino und Ferrara um-
faßt haben würde^*^. Es leuchtet ein, daß der Kirchenstaat, auf solche
Weise eingerahmt, eine mediceische Apanage geworden wäre, ja man
hätte ihn kaum mehr zu säkularisieren nötig gehabt.
Der Plan scheiterte an den allgemeinen politischen Verhältnissen;
Giuliano starb beizeiten; um Lorenzo dennoch auszustatten, unter-
nahm Leo die Vertreibung des Herzogs Francesco Maria dclla Rovere
von Urbino, zog sich durch diesen Krieg unermeßlichen Haß und
Armut zu, und mußte, als Lorenzo 1519 ebenfalls starb'''*^, das müh-
selig Eroberte an die Kirche geben; er tat ruhmlos und gezwungen,
was ihm, freiwillig getan, ewigen Ruhm gebracht haben würde. Was
er dann noch gegen Alfonso von Ferrara probierte und gegen ein paar
kleine Tyrannen und Kondottieren wirklich ausführte, war vollends Die Groß-
nicht von der Art, welche die Reputation erhöht. Und dies alles, wäh-
rend die Könige des Abendlandes sich von Jahr zu Jahr mehr an ein
kolossales politisches Kartenspiel gewöhnten, dessen Einsatz und Ge-
winn immer auch dieses oder jenes Gebiet von Italien war^*^. Wer wollte
mächte
'J2 DER STAAT ALS KUNSTWERK
dafür bürgen, daß sie nicht, nachdem ihre heimische Macht in den
letzten Jahrzehnten unendHch gewachsen, ihre Absichten auch einmal
auf den Kirchenstaat ausdehnen würden? Noch Leo mußte ein Vor-
spiel dessen erleben, was 1527 sich erfüllte; ein paar Haufen spanischer
Infanterie erschienen gegen Ende des Jahres 1520 — aus eigenem An-
trieb, scheint es — an den Grenzen des Kirchenstaates, um den Papst
einfach zu brandschatzen 2", Hcßen sich aber durch päpsthche Truppen
zurückschlagen. Auch die öffentliche Meinung gegenüber der Korrup-
tion der Hierarchie war in den letzten Zeiten rascher gereift als früher,
und ahnungsfähige Menschen, wie z. B. der jüngere Pico von Miran-
dola^'*^, riefen dringend nach Reformen. Inzwischen war bereits Luther
aufgetreten.
Hadrianvi. Unter Hadriau VI. (1521 — 1523) kamen auch die schüchternen und
wenigen Reformen gegenüber der großen deutschen Bewegung schon
zu spät. Er konnte nicht viel mehr als seinen Abscheu gegen den bis-
herigen Gang der Dinge, gegen Simonie, Nepotismus, Verschwendung,
Banditenwesen und Unsittlichkeit an den Tag legen. Die Gefahr vom
Luthertum her erschien nicht einmal als die größte; ein geistvoller
venezianischer Beobachter, Girolamo Negro, spricht Ahnungen eines
nahen, schrecklichen Unheils für Rom selber aus^*^.
Clemens VII Unter Clcmens VII. erfüllt sich der ganze Horizont von Rom mit
'*' Dünsten gleich jenem graugclben Schirokkoschleier, welcher dort bis-
weilen den Spätsommer so verderblich macht. Der Papst ist in der
nächsten Nähe wie in der Ferne verhaßt; während das Übelbefinden
der Denkenden fortdauert^*', treten auf Gassen und Plätzen predigende
Eremiten auf, welche den Untergang Italiens, ja der Welt weissagen
und Papst Clemens den Antichrist nennen^**; die colonnesische Faktion
erhebt ihr Haupt in trotzigster Gestalt; der unbändige Kardinal Pompeo
Colonna, dessen Dascin^*^ allein schon eine dauernde Plage für das
Papsttum war, darf Rom (1526) überfallen in der Hoffnung, mit Hilfe
Abb. 139 Karls V. ohne weiteres Papst zu werden, sobald Clemens tot oder ge-
fangen wäre. Es war kein Glück für Rom, daß dieser sich in die Engels-
burg flüchten konnte; das Schicksal aber, für welches er selber auf-
gespart sein sollte, darf schlimmer als der Tod genannt werden.
Die venvii- Duich clnc Reihe von Falschheiten jener Art, welche nur dem Mäch-
ligen erlaubt ist, dem Schwächern aber Verderben bringt, verursachte
Clemens den Anmarsch des spanisch-deutschen Heeres unter Bourbon
und Frundsberg (1527). Es ist gcwiß^^", daß das Kabinett Karls V.
ihm eine große Züchtigung zugedacht hatte und daß es nicht voraus-
berechnen konnte, wie weit seine unbezahlten Horden in ihrem Eifer
gehen würden. Die Werbung fast ohne Geld wäre in Deutschland er-
sluntJ Roms
DER STAAT ALS KUNSTWERK 73
folglos geblieben, wenn man nicht gewußt hätte, es gehe gegen Rom.
Vielleicht finden sich noch irgendwo die schriftUchen eventuellen Auf-
träge an Bourbon, und zwar solche, die ziemlich gelinde lauten, aber
die Geschichtsforschung wird sich davon nicht betören lassen. Der
katholische König und Kaiser verdankte es rein dem Glücke, daß Papst
und Kardinäle nicht von seinen Leuten ermordet wurden. Wäre dies
geschehen, keine Sophistik der Welt könnte ihn von der Mitschuld los-
sprechen. Der Mord zahlloser geringerer Leute und die Brandschatzung
der übrigen mit Hilfe von Tortur und Menschenhandel zeigen deut-
lich genug, was beim ,,Sacco di Roma" überhaupt möglich war.
Den Papst, der wieder in die Engclsburg geflüchtet war, wollte Folgen und
Karl V., auch nachdem er ihm ungeheure Summen abgepreßt, wie es
heißt, nach Neapel bringen lassen, und daß Clemens statt dessen nach
Orvieto floh, soll ohne alle Konnivenz von spanischer Seite geschehen
sein**i. Ob Karl einen Augenblick an die Säkularisation des Kirchen-
staates dachte (worauf alle Welt'^*^ gefaßt war), ob er sich wirklich durch
Vorstellungen Heinrichs VHL von England davon abbringen ließ, dies Abb 136
wird wohl in ewigem Dunkel bleiben.
Wenn aber solche Absichten vorhanden waren, so haben sie in keinem
Falle lange angehalten; mitten aus der Verwüstung von Rom steigt
der Geist der kirchlich-weltlichen Restauration empor. Augenblick-
lich ahnte dies z.B.: Sadoleto^^. ,,Wenn durch unsern Jammer", schreibt
er, „dem Zorn und der Strenge Gottes genuggetan ist, wenn diese furcht-
baren Strafen uns wieder den Weg öffnen zu bessern Sitten und Gesetzen,
dann ist vielleicht unser Unglück nicht das größte gewesen . . . Was
Gottes ist, dafür mag Gott sorgen, wir aber haben ein Leben der Besse-
rung vor uns, das uns keine Waffengewalt entreißen mag; richten wir
nur Taten und Gedanken dahin, daß wir den wahren Glanz des Priester-
tums und unsere wahre Größe und Macht in Gott suchen."
Von diesem kritischen Jahre 1527 an war in der Tat so viel gewonnen,
daß ernsthafte Stimmen wieder einmal sich hörbar machen konnten.
Rom hatte zuviel gelitten, um selbst unter einem Paul HI. je wieder Abb. 15s
das heitere grundverdorbene Rom Leos X. werden zu können.
Sodann zeigte sich für das Papsttum, sobald es einmal tief im Leiden
war, eine Sympathie teils politischer, teils kirchlicher Art. Die Könige Verhältnis zu
konnten nicht dulden, daß einer von ihnen sich ein besonderes Kerker-
meisteramt über den Papst anmaßte und schlössen u. a. zu dessen Be-
freiung den Vertrag von Amiens (18. August 1527). Sie beuteten damit
wenigstens die Gehässigkeit aus, welche auf der Tat der kaiserlichen
Truppen ruhte. Zugleich aber kam der Kaiser in Spanien selbst emp-
findlich ins Gedränge, indem seine Prälaten und Granden ihm die
74
DER STAAT ALS KUNSTWERK
nachdrücklichsten Vorstellungen machten, sooft sie ihn zu sehen be-
kamen. Als eine große allgemeine Aufwartung von Geistlichen und
Weltlichen in Trauerkleidern bevorstand, geriet Karl in Sorgen, es
möchte daraus etwas Gefährliches entstehen in der Art des vor wenigen
Jahren gebändigten Komunidadenaufruhrs; die Sache wurde unter-
sagt^**. Er hätte nicht nur die Mißhandlung des Papstes auf keine Weise
verlängern dürfen, sondern es war, abgesehen von aller auswärtigen
Politik, die stärkste Notwendigkeit für ihn vorhanden, sich mit dem
furchtbar gekränkten Papsttum zu versöhnen. Denn auf die Stimmung
Deutschlands, welche ihm wohl einen andern Weg gewiesen hätte,
wollte er sich so wenig stützen als auf die deutschen Verhältnisse über-
haupt. Es ist auch möglich, daß er sich, wie ein Venezianer meint,
durch die Erinnerung an die Verheerung Roms in seinem Gewissen
Dassuhngeid beschwcrt fand^^* und deshalb jene Sühne beschleunigte, welche be-
siegelt werden mußte durch die bleibende Unterwerfung der Floren-
tiner unter das Haus des Papstes, die Medici. Der Nepot und neue
Herzog, Alessandro Medici, wird vermählt mit der natürlichen Tochter
des Kaisers.
In der Folge behielt Karl durch die Konzilsidee das Papsttum wesent-
lich in der Gewalt und konnte es zugleich drücken und beschützen.
Jene größte Gefahr aber, die Säkularisation, vollends diejenige von
innen heraus, durch die Päpste und ihre Nepoten selber, war für Jahr-
hunderte beseitigt durch die deutsche Reformation. So wie diese allein
dem Zug gegen Rom (1527) Möglichkeit und Erfolg verliehen hatte,
so nötigte sie auch das Papsttum, wieder der Ausdruck einer geistigen
Weltmacht zu werden, indem es sich an die Spitze aller ihrer Gegner
Das Papst stcllcn, sicli aus der „Versunkenhcit in lauter faktischen Verhältnissen"
^c^ en- emporraffen mußte. Was nun in der spätem Zeit des Clemens VIT.,
reforraation untcr Paul IIl., Paul IV. uud ihren Nachfolgern mitten im Abfall
halb Europas allmählich heranwäclist, ist eine ganz neue, regenerierte
Hierarchie, welche alle großen, gefährlichen Ärgernisse im eigenen
Hause, besonders den staatengründenden Nepotismus"* vermeidet und
im Bunde mit den katholischen Fürsten, getragen von einem neuen geist-
lichen Antrieb, ihr Hauptgeschäft aus der Wiedergewinnung der Ver-
lorenen macht. Sie ist nur vorhanden und nur zu verstehen in ihrem
Gegensatz zu den Abgefallenen. In diesem Sinne kann man mit voller
Wahrheit sagen, daß das Papsttum in moralischer Beziehung durch
seine Todfeinde gerettet worden ist. Und nun befestigte sich auch seine
politische Stellung, freihch unter dauernder Aufsicht Spaniens, bis zur
Unantastbarkeit; fast ohne alle Anstrengung erbte es beim Aussterben
seiner Vasallen (der legitimen Linie von Este und des Hauses dclla
DER STAAT ALS KUNSTWERK 75
Rovere) die Herzogtümer Ferrara und Urbino. Ohne die Reformation
dagegen — wenn man sie sich überhaupt wegdenken kann — wäre
der ganze Kirchenstaat wahrscheinlich schon längst in weltliche Hände
übergegangen.
Zum Schluß betrachten wir noch in Kürze die Rückwirkung dieser
politischen Zustände auf den Geist der Nation im allgemeinen.
Es leuchtet ein, daß die allgemeine poUtische Unsicherheit in dem Der patno-
Italien des 14. und 15. Jahrhunderts bei den edlern Gemütern einen "^""^
patriotischen Unwillen und Widerstand hervorrufen mußte. Schon Dante
und Petrarca^" proklamieren laut ein Gesamtitalien, auf welches sich
alle höchsten Bestrebungen zu beziehen hätten. Man wendet wohl ein,
es sei dies nur ein Enthusiasmus einzelner Hochgebildeter gewesen, von
welchem die Masse der Nation keine Kenntnis nahm, allein es möchte
sich damals mit Deutschland kaum viel anders verhalten haben, ob-
wohl es wenigstens dem Namen nach die Einheit und einen anerkann-
ten Oberherrn, den Kaiser, hatte. Die erste laute literarische Verherr-
lichung Deutschlands (mit Ausnahme einiger Verse bei den Minne-
sängern) gehört den Humanisten der Zeit Maximilians I. an^^' und
erscheint fast wie ein Echo italienischer Deklamationen. Und doch war
Deutschland früher faktisch in einem ganz andern Grade ein Volk
gewesen als Italien jemals seit der Römerzeit. Frankreich verdankt
das Bewußtsein seiner Volkseinheit wesentlich erst den Kämpfen gegen
die Engländer, und Spanien hat auf die Länge nicht einmal vermocht,
das engverwandte Portugal zu absorbieren. Für ItaUen waren Existenz unmaguch-
und Lebensbedingungen des Kirchenstaates ein Hindernis der Einheit ^"^^^^
im großen, dessen Beseitigung sich kaum jemals hoffen ließ. Wenn dann
im politischen Verkehr des 15. Jahrhunderts gleichwohl hier und da
des Gesamtvaterlandes mit Emphase gedacht wird, so geschieht dies
meist nur, um einen andern, gleichfalls italienischen Staat zu kränkcn^^'.
Die ganz ernsten, tiefschmerzlichen Anrufungen an das Nationalgefühl.
lassen sich erst im 14. Jahrhundert wieder hören, als es zu spät war,
als Franzosen und Spanier das Land überzogen hatten. Von dem Lokal-
patriotismus kann man etwa sagen, daß er die Stelle dieses Gefühles
vertritt, ohne dasselbe zu ersetzen.
ZWEITER ABSCHNITT
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
In der Beschaffenheit dieser Staaten, RepubHken wie Tyrannien, liegt
nun zwar nicht der einzige, aber der mächtigste Grund der frühzeitigen
Ausbildung des Italieners zum modernen Menschen. Daß er der Erst-
geborne unter den Söhnen des jetzigen Europas werden mußte, hängt
an diesem Punkte.
Gegensatz Im Mittelalter lagen die beiden Seiten des Bewußtseins — nach der
""'aiie'r'^ Wclt hin uud nach dem Innern des Menschen selbst — wie unter einem
gemeinsamen Schleier träumend oder halbwach. Der Schleier war ge-
woben aus Glauben, Kindesbefangenheit und Wahn; durch ihn hindurch-
gesehen erschienen Welt und Geschichte wundersam gefärbt, der Mensch
aber erkannte sich nur als Rasse, Volk, Partei, Korporation, Familie oder
sonst in irgendeiner Form des Allgemeinen. In Italien zuerst verweht
dieser Schleier in die Lüfte; es erwacht eine objektive Betrachtung
und Behandlung des Staates und der sämtlichen Dinge dieser Welt über-
haupt; daneben aber erhebt sich mit voller Macht das Subjektive;
der Mensch wird geistiges Individuum^^" und erkennt sich als solches.
So hatte sich einst erhoben der Grieche gegenüber den Barbaren, der
individuelle Araber gegenüber den andern Asiaten als Rassenmenschen.
Es wird nicht schwer sein nachzuweisen, daß die politischen Verhält-
nisse hieran den stärksten Anteil gehabt haben.
Das Er- Schon in viel frühern Zeiten gibt sich stellenweise eine Entwicklung
der auf sich selbst gestellten Persönlichkeit zu erkennen, wie sie gleich-
""='' zeitig im Norden nicht so vorkommt oder sich nicht so enthüllt. Der
Kreis kräftiger Frevler des lo. Jahrhunderts, welchen Liutprand schil-
dert, einige Zeitgenossen Gregors VII. (man lese Benzo von Alba), einige
Gegner der ersten Hohenstaufen zeigen Physiognomien dieser Art. Mit
Ausgang des 13. Jahrliunderts aber beginnt Italien von Persönlichkeiten
zu wimmeln; der Bann, welcher auf dem Individualismus gelegen, ist
hier völlig gebrochen; schrankenlos spezialisieren sich tausend einzelne
Gesichter. Dantes große Dichtung wäre in jedem andern Lande schon
deshalb unmöglich gewesen, weil das übrige Europa noch unter jenem
wachen der
Pereönlich-
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
77
Herrscher
Die Unter-
tanen
Banne der Rasse lag; für Italien ist der hehre Dichter schon durch die
Fülle des Individuellen der nationalste Herold seiner Zeit geworden.
Doch die Darstellung des Menschenreichtums in Literatur und Kunst,
die vielartig schildernde Charakteristik wird in besondern Abschnitten
zu besprechen sein; hier handelt es sich nur um die psychologische Tat-
sache selbst. Mit voller Ganzheit und Entschiedenheit tritt sie in die
Geschichte ein; Italien weiß im 14. Jahrhundert wenig von falscher Be-
scheidenheit und von Heuchelei überhaupt; kein Mensch scheut sich da-
vor, aufzufallen, anders zu sein und zu scheinen^*^ als die andern.
Zunächst entwickelt die Gewaltherrschaft, wie wir sahen, im höchsten Die Gewalt
Grade die Individualität des Tyrannen, des Kondottiere^*^ selbst, so-
dann diejenige des von ihm protegierten aber auch rücksichtslos ausge-
nützten Talentes, des Geheimschreibers, Beamten, Dichters, Gesellschaf-
ters. Der Geist dieser Leute lernt notgedrungen alle seine Innern Hilfs-
quellen kennen, die dauernden wie die des Augenblickes; auch ihr Le-
bensgenuß wird ein durch geistige Mittel erhöhter und konzentrierter,
um einer vielleicht nur kurzen Zeit der Macht und des Einflusses einen
größtmöglichen Wert zu verleihen.
Aber auch die Beherrschten gingen nicht völlig ohne einen derartigen
Antrieb aus. Wir wollen diejenigen ganz außer Berechnung lassen,
welche ihr Leben in geheimem Widerstreben, in Verschwörungen ver-
zehrten, und bloß derer gedenken, die sich darein fügten, reine Privat-
leute zu bleiben, etwa wie die meisten Städtebewohner des byzantinischen
Reiches und der mohammedanischen Staaten. Gewiß wurde es z. B. den
Untertanen der Visconti oft schwer genug gemacht, die Würde des Hauses
und der Person zu behaupten, und Unzählige mögen durch die Knecht-
schaft am sittlichen Charakter Einbuße erlitten haben. Nicht so an dem,
was man individuellen Charakter nennt; denn gerade innerhalb der all-
gemeinen politischen Machtlosigkeit gediehen wohl die verschiedenen
Richtungen und Bestrebungen des Privatlebens um so stärker und viel-
seitiger. Reichtum und Bildung, soweit sie sich zeigen und wetteifern
durften, in Verbindung mit einer noch immer großen munizipalen Frei-
heit und mit dem Dasein einer Kirche, die nicht, wie in Byzanz und in
der islamitischen Welt, mit dem Staat identisch war — alle diese Ele-
mente zusammen begünstigten ohne Zweifel das Aufkommen individu-
eller Denkweisen, und gerade die Abwesenheit des Parteikampfes fügte
hier die nötige Muße hinzu. Der politisch indifferente Privatmensch mit
seinen teils ernsten, teils dilettantischen Beschäftigungen möchte wohl in
diesen Gewaltstaaten des 14. Jahrhunderts zuerst vollkommen ausge-
bildet aufgetreten sein. Urkundliche Aussagen hierüber sind freilich nicht
zu verlangen; die Novellisten, von welchen man Winke erwarten könnte,
Deren
Privatleben
78
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
schildern zwar manchen bizarren Menschen, aber immer nur in ein-
seitiger Absicht und nur soweit dergleichen die zu erzählende Geschichte
berührt; auch spielt ihre Szene vorwiegend in republikanischen Städten.
Die In diesen letztern waren die Dinge wieder auf andere Weise der Aus-
RepubUken j^ü^jy^g dcs individucllcn Charakters günstig. Je häufiger die Parteien
in der Herrschaft abwechselten, um so viel stärker war der einzelne ver-
anlaßt, sich zusammenzunehmen bei Ausübung und Genuß der Herr-
schaft. So gewinnen zumal in der florentinischen Geschichtet^ die Staats-
männer und Volksführer ein so kenntliches persönliches Dasein wie sonst
in der damaligen Welt kaum ausnahmsweise einer, kaum ein Jacob von
Artcvelde.
Die Leute der unterlegenen Parteien aber kamen oft in eine ähnliche
Stellung wie die Untertanen der Tyrannenstaaten, nur daß die bereits
gekostete Freiheit oder Herrschaft, vielleicht auch die Hoffnung auf deren
Wiedergewinn ihrem Individualismus einen höhern Schwung gab. Ge-
rade unter diesen Männern der unfreiwilligen Muße findet sich z. B. ein
Agnolo Pandolfini (starb 1446), dessen Schrift „Vom Hauswesen'^**" das
erste Programm einer vollendet durchgebildeten Privatexistenz ist. Seine
Abrechnung zwischen den Pflichten des Individuums und dem unsichern
und undankbaren öffentlichen Wesen^*^ ist in ihrer Art ein wahres Denk-
mal der Zeit zu nennen.
Das Exil Vollends aber hat die Verbannung die Eigenschaft, daß sie den Men-
schen entweder aufreibt oder auf das höchste ausbildet. „In all unsern
Abb. 130 volkreichen Städten", sagt Gioviano Pontano^sß, „sehen wir eine Menge
Leute, die freiwillig ihre Heimat verlassen haben; die Tugenden nimmt
man ja überallhin mit." In der Tat waren es bei weitem nicht bloß förm-
lich Exilierte, sondern Tausende hatten die Vaterstadt ungeheißen ver-
lassen, weil der politische oder ökonomische Zustand an sich unerträg-
lich wurde. Die ausgewanderten Florentiner in Ferrara, die Lucchesen
in Venedig usw. bildeten ganze Kolonien.
Der Kosmo. Der KosmopoHtismus, welcher sich in den geistvollsten Verbannten
pohtismus gn^^jckelt, ist eine höchste Stufe des Individualismus. Dante findet, wie
Abb. 113-218 '
schon erwähnt wurde (S. 46) eine neue Heimat in der Sprache und Bil-
dung Italiens, geht aber doch auch darüber hinaus mit den Worten:
„meine Heimat ist die Welt überhaupt^*'!" — Und als man ihm die
Rückkehr nach Florenz unter unwürdigen Bedingungen anbot, schrieb
er zurück: ,,kann ich nicht das Licht der Sonne und der Gestirne über-
all schauen? nicht den edelsten Wahrheiten überall nachsinnen, ohne
deshalb ruhmlos, ja schmachvoll vor dem Volk und der Stadt zu er-
scheinen? Nicht einmal mein Brot wird mir fehlen^®!" Mit hohem Trotz
legen dann auch die Künstler den Akzent auf ihre Freiheit vom Orts-
der Persön-
lichkeit
seitigen
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS ^Q
zwang. „Nur wer alles gelernt hat", sagt Ghiberti^*', „ist draußen nir-
gends ein Fremdling; auch seines Vermögens beraubt, ohne Freunde,
ist er doch der Bürger jeder Stadt und kann furchtlos die Wandelungen
des Geschickes verachten." Ähnlich sagt ein geflüchteter Humanist: ,,Wo
irgendein gelehrter Mann seinen Sitz aufschlägt, da ist gute Heimat^'*."
Ein sehr geschärfter kulturgeschichthcher Blick dürfte wohl imstande voUendung
sein, im 15. Jahrhundert die Zunahme völlig ausgebildeter Menschen
schrittweise zu verfolgen. Ob dieselben das harmonische Ausrunden
ihres geistigen und äußern Daseins als bewußtes, ausgesprochenes Ziel
vor sich gehabt, ist schwer zu sagen; Mehrere aber besaßen die Sache,
so weit dies bei der UnvoUkommenheit alles Irdischen möglich ist. Mag
man auch z. B. verzichten auf eine Gesamtbilanz für Lorenzo magnifico,
nach Glück, Begabung und Charakter, so beobachte man dafür eine
Individualität wie die des Ariosto hauptsächlich in seinen Satiren. Bis
zu welchem Wohllaut sind da ausgeglichen der Stolz des Menschen und
des Dichters, die Ironie gegen die eigenen Genüsse, der feinste Hohn
und das tiefste Wohlwollen.
Wenn nun dieser Antrieb zur höchsten Ausbildung der Persönlichkeit d» viei-
zusammentraf mit einer wirkhch mächtigen und dabei vielseitigen Natur,
welche sich zugleich aller Elemente der damaligen Bildung bemeisterte,
dann entstand der ,, allseitige Mensch", l'uomo universale, welcher aus-
schließlich Italien angehört. Menschen von enzyklopädischem Wissen
gab es durch das ganze Mittelalter in verschiedenen Ländern, weil dieses
Wissen nahe beisammen war; ebenso kommen noch bis ins 12. Jahr-
hundert allseitige Künstler vor, weil die Probleme der Architektur relativ
einfach und gleichartig waren und in Skulptur und Malerei die darzu-
stellende Sache über die Form vof-herrschte. In dem Italien der Renais-
sance dagegen treffen wir einzelne Künstler, welche in allen Gebieten
zugleich lauter Neues und in seiner Art Vollendetes schaffen und dabei
noch als Menschen den größten Eindruck machen. Andere sind allseitig,
außerhalb der ausübenden Kunst, ebenfalls in einem ungeheuer weiten
Kreise des Geistigen.
Dante, welcher schon bei Lebzeiten von den einen Poet, von den an-
dern Philosoph, von Dritten Theologe genannt wurde^'^, strömt in all
seinen Schriften eine Fülle von zwingender persönlicher Macht aus, der
sich der Leser unterworfen fühlt auch abgesehen vom Gegenstande.
Welche Willenskraft setzt schon die unerschütterlich gleichmäßige Aus-
arbeitung der Divina Commedia voraus. Sieht man aber auf den Inhalt,
so ist in der ganzen äußern und geistigen Welt kaum ein wichtiger Gegen-
stand, den er nicht ergründet hätte und über welchen seine Aussage —
oft nur wenige Worte — nicht die gewichtigste Stimme aus jener Zeit
8o ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
wäre. Für die bildende Kunst ist er Urkunde — und wahrlich noch um
wichtigerer Dinge willen als wegen seiner paar Zeilen über die damaligen
Künstler; bald wurde er aber auch Quelle der Inspiration^'^
charakterdes Das 1 5. Jahrhuudcrt ist zunächst vorzüglich dasjenige der vielseitigen
15. ahrh ^fenschgn. Keine Biographie, welche nicht wesentliche, über den Dilet-
tantismus hinausgehende Nebenbeschäftigungen des Betreffenden nam-
haft machte. Der florentinische Kaufmann und Staatsmann ist oft zu-
gleich ein Gelehrter in beiden alten Sprachen; die berühmtesten Huma-
nisten müssen ihm und seinen Söhnen des Aristoteles Politik und Ethik
vortragen^"; auch die Töchter des Hauses erhalten eine hohe Bildung,
wie denn überhaupt in diesen Sphären die Anfänge der höhern Privat-
erziehung vorzüglich zu suchen ist. Der Humanist seinerseits wird zur
größten Vielseitigkeit aufgefordert, indem sein philologisches Wissen
lange nicht bloß wie heute der objektiven Kenntnis des klassischen Welt-
alters, sondern einer täglichen Anwendung auf das wirkliche Leben die-
nen muß. Neben seinen plinianischen Studien^'* z. B. sammelt er ein
Abb. ig.,-797 Museum von Naturalien; von der Geographie der Alten aus wird er
moderner Kosmograph; nach dem Muster ihrer Geschichtschreibung
verfaßt er Zeitgeschichten; als Übersetzer plautinischer Komödien wird
er wohl auch der Regisseur bei den Aufführungen; alle irgend ein-
dringlichen Formen der antiken Literatur bis auf den lukianischen
Dialog bildet er so gut als möglich nach, und zu dem allen funktio-
niert er noch als Geheimschreiber und Diplomat, nicht immer zu sei-
nem Heil.
Die All Über diese Vielseitigen aber ragen einige wahrhaft Allseitige hoch em-
L B'ib P"'^" ^^^ ^^^ *^^^ damaligen Lebens- und Bildungsinteressen einzeln be-
trachten, mag hier, an der Schwelle des 15. Jahrhunderts, das Bild eines
Abb 40c, jener Gewaltmenschen seine Stelle einnehmen: Leon Battista Alberti.
Seine Biographie ^'^ — nur ein Fragment — spricht von ihm als Künstler
nur wenig und erwähnt seine hohe Bedeutung in der Geschichte der
Architektur gar nicht; es wird sich nun zeigen, was er auch ohne spe-
ziellen Ruhm gewesen ist.
In allem, was Lob bringt, war Leon Battista von Kindheit an der erste.
Von seinen allseitigen Leibesübungen und Turnkünsten wird Unglaub-
liches berichtet, wie er mit geschlossenen Füßen den Leuten über die
Schultern hinwegsprang, wie er im Dom ein Geldstück emporwarf, bis
man es oben an den fernen Gewölben anklingen hörte, wie die wildesten
Pferde unter ihm schauderten und zitterten — denn in drei Dingen wollte
er dem Menschen untadelhaft erscheinen: im Gehen, im Reiten und im
Reden. Die Musik lernte er ohne Meister, und doch wurden seine Kom-
positionen von Leuten des Faches bewundert. Unter dem Drucke der
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS 8l
Dürftigkeit studierte er beide Rechte, viele Jahre hindurch, bis zu schwe- l. B.uberii
rer Krankheit durch Erschöpfting; und als er im 24. Jahre sein Wort-
gedächtnis geschwächt, seinen Sachensinn aber unversehrt fand, legte
er sich auf Physik und Mathematik und lernte daneben alle Fertigkeiten
der Welt, indem er Künstler, Gelehrte und Handwerker jeder Art bis
auf die Schuster um ihre Geheimnisse und Erfahrungen befragte. Das
Malen und Modellieren — namentlich äußerst kenntlicher Bildnisse,
auch aus dem bloßen Gedächtnis — ging nebenein. Besondere Bewun-
derung erregte der geheimnisvolle Guckkasten^'^, in welchem er bald
die Gestirne und den nächtlichen Mondaufgang über Felsgebirgen er-
scheinen ließ, bald weite Landschaften mit Bergen und Meeresbuchten
bis in duftige Fernen hinein, mit heranfahrenden Flotten, im Sonnen-
glanz wie im Wolkenschatten. Aber auch, was andere schufen, erkannte
er freudig an und hielt überhaupt jede menschliche Hervorbringung, die
irgend dem Gesetze der Schönheit folgte, beinah für etwas Göttliches^''.
Dazu kam eine schriftstellerische Tätigkeit zunächst über die Kunst
selber, Marksteine und Hauptzeugnisse für die Renaissance der Form,
zumal der Architektur. Dann lateinische Prosadichtungen, Novellen
u. dgl., von welchen man einzelnes für antik gehalten hat, auch scherz-
hafte Tischreden, Elegien und Eklogen; ferner ein italienisches Werk
„vom Hauswesen" in vier Büchern^'*, ja eine Leichenrede auf seinen
Hund. Seine ernsten und seine witzigen Worte waren bedeutend genug,
um gesammelt zu werden; Proben davon, viele Kolumnen lang, werden
in der genannten Lebensschilderung mitgeteilt. Und alles, was er hatte
und wußte, teilte er, wie wahrhaft reiche Naturen immer tun, ohne den
geringsten Rückhalt mit, und schenkte seine größten Erfindungen um-,
sonst weg. Endlich aber wird auch die tiefste Quelle seines Wesens nam-
haft gemacht: ein fast nervös zu nennendes, höchst sympathisches Mit-
leben an und in allen Dingen. Beim Anblick prächtiger Bäume und
Erntefelder mußte er weinen; schöne, würdevolle Greise verehrte er als
eine „Wonne der Natur" und konnte sie nicht genug betrachten; auch
Tiere von vollkommener Bildung genossen sein Wohlwollen, weil sie von
der Natur besonders begnadet seien; mehr als einmal, wenn er krank
war, hat ihn der Anblick einer schönen Gegend gesundgemacht^". Kein
Wunder, wenn die, welche ihn in so rätselhaft innigem Verkehr mit der
Außenwelt kennen lernten, ihm auch die Gabe der Vorahnung zuschrie-
ben. Eine blutige Krisis des Hauses Este, das Schicksal von Florenz und
das der Päpste auf eine Reihe von Jahren hinaus soll er richtig geweis-
sagt haben, wie ihm denn auch der Blick ins Innere des Menschen, die
Physiognomik, jeden Moment zu Gebote stand. Es versteht sich von selbst,
daß eine höchst intensive Willenskraft diese ganze Persönlichkeit durch-
Burckhardt 6
82 ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
drang und zusammenhielt; wie die Größten der Renaissance sagte auch
er: „Die Menschen können von sich aus alles, sobald sie wollen."
Abb. 408 Und zu Alberti verhielt sich Lionardo da Vinci, wie zum Anfänger
der Vollender, wie zum Dilettanten der Meister. Wäre nur Vasaris Werk
hier ebenfalls durch eine Schilderung ergänzt wie bei Leon Battista! Die
Ungeheuern Umrisse von Lionardos Wesen wird man ewig nur von ferne
ahnen können.
*
Der Rub.n Dcr bishcr geschilderten Entwicklung des Individuums entspricht
auch eine neue Art von Geltung nach außen: der moderne Ruhm^".
Außerhalb Italiens lebten die einzelnen Stände jeder für sich mit seiner
einzelnen mittelalterlichen Standesehre. Der Dichterruhm der Trouba-
dours und Minnesänger z. B. existiert nur für den Ritterstand. In Italien
dagegen ist Gleichheit der Stände vor der Tyrannis oder vor der Demo-
kratie eingetreten; auch zeigen sich bereits Anfänge einer allgemeinen
Gesellschaft, die ihren Anhalt an der italienischen und lateinischen Lite-
ratur hat, wie hier in vorgreifender Weise bemerkt werden muß; dieses
Bodens aber bedurfte es, um jenes neue Element im Leben zum Keimen
zu bringen. Dazu kam, daß die römischen Autoren, welche man emsig
zu studieren begann, von dem Begriff des Ruhmes erfüllt und getränkt
sind und daß schon ihr Sachinhalt — das Bild der römischen Weltherr-
schaft — sich dem italienischen Dasein als dauernde Parallele aufdrängte.
Fortan ist alles Wollen und Vollbringen der Italiener von einer sittlichen
Voraussetzung beherrscht, die das übrige Abendland noch nicht kennt.
Dante Wiederum muß zuerst Dante gehört werden, wie bei allen wesent-
Abb.213 jj(-jjgj^ Fragen. Er hat nach dem Dichterlorbeer^^ gestrebt mit aller
Kraft seiner Seele; auch als Publizist und Literator hebt er hervor, daß
seine Leistungen wesentlich neu, daß er der erste auf seinen Bahnen
nicht nur sei, sondern auch heißen wolle^". Doch berührt er schon in
seinen Prosaschriften auch die Unbequemlichkeiten eines hohen Ruhmes;
er weiß, wie manche bei der persönlichen Bekanntschaft mit dem be-
rühmten Manne unbefriedigt bleiben, und setzt auseinander, daß hieran
teils die kindische Phantasie der Leute, teils der Neid, teils die eigene
Unlauterkeit des Betreffenden Schuld sei^*^. Vollends aber hält sein gro-
Aib.iis ßes Gedicht die Anschauung von der Nichtigkeit des Ruhmes fest, wenn-
gleich in einer Weise, welche verrät, daß sein Herz sich noch nicht völlig
von der Sehnsucht danach losgemacht. Im Paradies ist die Sphäre des
Merkur der Wohnsitz solcher Seligen'^'', die auf Erden nach Ruhm ge-
strebt und dadurch den ,, Strahlen der wahren Liebe" Eintrag getan
haben. Hochbezeichnend aber ist, daß die armen Seelen im Inferno von
Dante verlangen, er möge ihr Andenken, ihren Ruhm auf Erden er-
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS 83
neuern und wach halten ^^, während diejenigen im Purgatorio nur um
Fürbitte flehen^*; ja in einer berühmten Stelle^' wird die Ruhmbegier
— lo gran disio dcll' ecccllenza — schon deshalb verworfen, weil der
geistige Ruhm nicht absolut, sondern von den Zeiten abhängig sei und
je nach Umständen durch größere Nachfolger überboten und verdun-
kelt werde.
Rasch bemächtigt sich nun das neu aufkommende Geschlecht von
Poetenphilologen, welches auf Dante folgt, des Ruhmes in doppeltem oiezeiebrität
Sinn: indem sie selber die anerkanntesten Berühmtheiten Italiens werden "^^(""^
und zugleich als Dichter und Geschichtsschreiber mit Bewußtsein über
den Ruhm anderer verfügen. Als äußeres Symbol dieser Art von Ruhm
gilt besonders die Poetenkrönung, von welcher weiter die Rede sein wird.
Ein Zeitgenosse Dantes, Albertinus Musattus oder Mussatus, zu Padua
von Bischof und Rektor als Dichter gekrönt, genoß bereits einen Ruhm,
der an die Vergötterung streifte; jährlich am Weihnachtstage kamen
Doktoren und Scholaren beider Kollegien der Universität in feierlichem
Aufzug mit Posaunen und, scheint es, mit brennenden Kerzen vor sein
Haus, um ihn zu begrüßen^** und zu beschenken. Die Herrlichkeit
dauerte, bis er (1318) bei dem regierenden Tyrannen aus dem Hause
Carrara in Ungnade fiel.
In vollen Zügen genießt auch Petrarca den neuen, früher nur für Petrarra
Helden und Heilige vorhandenen Weihrauch und überredet sich sogar •"^. "-^
in seinen spätem Jahren, daß ihm derselbe ein nichtiger und lästiger
Begleiter scheine. Sein Brief ,,an die Nachwelt"^' ist die Rechenschaft
des alten, hochberühmten Mannes, der die öffentliche Neugier zufrieden-
stellen muß; bei der Nachwelt möchte er wohl Ruhm genießen, bei den
Zeitgenossen aber sich lieber denselben verbitten^'"; in seinen Dialogen
von Glück und Unglück^^i hat bei Anlaß des Ruhmes der Gegenredner,
welcher dessen Nichtigkeit beweist, den stärkern Akzent für sich. Soll
man es aber strenge nehmen, wenn >:s Petrarca noch immer freut, daß
der paläologische Autokrator von Byzanz^*^ ihn durch seine Schriften
so genau kennt wie Kaiser Karl IV. ihn kennt? Denn in der Tat ging
sein Ruf schon bei Lebzeiten über Italien hinaus. Und empfand er nicht
eine gerechte Rührung, als ihn bei einem Besuch in seiner Heimat Arezzo Kultus der
die Freunde zu seinem Geburtshaus führten und ihm meldeten, die Stadt
sorge dafür, daß nichts daran verändert werden dürfe^^^! Früher feierte
und konservierte man die Wohnungen einzelner großer Heiligen, wie
z. B. die Zelle des S. Thomas von Aquino bei den Dominikanern in
Neapel, die Portiuncula des S. Franciscus bei Assisi; höchstens genossen
noch einzelne große Rechtsgelehrte jenes halbmythische Ansehen, wel-
ches zu dieser Ehre fühlte; so benannte das Volk noch gegen Ende des
6*
Geburts-
häuser
84
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
Kultus der
Gräber
Abb. I
Abb. 220
Abb. 22g
Berühmte
Männer des
Altertums
14. Jahrhunderts zu Bagnolo unweit Florenz ein ahcs Gebäude als
„Studio" des Accursius (geb. um 1150), ließ aber doch geschehen, daß
es zerstört wurde^^*. Wahrscheinlich frappierten die hohen Einnahmen
und die politischen Verbindungen einzelner Juristen (als Konsulenten
und Deduktionenschreiber) die Einbildungskraft der Leute auf lange
hinaus.
Zum Kultus der Geburtshäuser gehört der der Gräber berühmter
Leute^^^; für Petrarca kommt auch noch der Ort, wo er gestorben, über-
haupt hinzu, indem Arquato seinem Andenken zu Ehren ein Lieblings-
aufenthalt der Paduaner und mit zierlichen Wohngebäuden geschmückt
wurde^^* — zu einer Zeit, da es im Norden noch lange keine ,, klassischen
Stellen" sondern nur Wallfahrten zu Bildern und Reliquien gab. Es wurde
Ehrensache für die Städte, die Gebeine eigner und fremder Zelebritäten
zu besitzen, und man erstaunt zu sehen, wie ernstlich die Florentiner
schon im 14. Jahrhundert — lange vor S. Croce • — • ihren Dom zum
Pantheon zu erheben strebten. Accorso, Dante, Petrarca, Boccaccio und
der Jurist Zanobi della Strada sollten dort Prachtgräber erhalten^*'.
Noch spät im 15. Jahrhundert verwandte sich Lorenzo magnifico in
Person bei den Spoletinern, daß sie ihm die Leiche des Malers Fra Filippo
Lippi für den Dom abtreten möchten, und erhielt die Antwort: sie hätten
überhaupt keinen Überfluß an Zierden, besonders nicht an berühmten
Leuten, weshalb er sie verschonen möge; in der Tat mußte man sich
mit einem Kenotaphium begnügen. Und auch Dante blieb trotz allen
Verwendungen, zu welchen schon Boccaccio mit emphatischer Bitter-
keit die Vaterstadt aufstachelte^**, ruhig bei S. Francesco in Ravenna
schlafen, ,, zwischen uralten Kaisergräbern und Heiligengrüften, in ehren-
vollerer Gesellschaft als du, o Heimat, ihm bieten könntest". Es kam
schon damals vor, daß ein wunderlicher Mensch ungestraft die Lichter
vom Altar des Kruzifixes wegnahm und sie an das Grab stellte mit den
Worten: Nimm sie, du bist ihrer würdiger als jener — der Gekreuzigte^**.
Nunmehr gedenken auch die italienischen Städte wieder ihrer Mit-
bürger und Einwohner aus dem Altertum. Neapel hatte vielleicht sein
Grab Virgils nie ganz vergessen, schon weil sich ein halbmythischer
Begriff an den Namen geknüpft hatte. Padua glaubte vollends noch im
16. Jahrhundert nicht nur die echten Gebeine seines trojanischen Grün-
ders Antenor, sondern auch die des Titas Livius zu besitzen'"'. ,,Sul-
mona", sagt Boccaccio*"^, ,, klagt, daß Ovid fern in der Verbannung be-*
graben sei, Parma freut sich, daß Cassius in seinen Mauern schlummere."
Die Mantuancr prägten im 14. Jahriiundcrt eine Münze mit dem Brust-
bild Virgils und stellten eine Statue auf, dir ilm vorstellen sollte; aus
mittelalterlichem Junkerhochmut^''^ ließ sie der Vormund des damaligen
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS 85
Gonzaga, Carlo Malatesta, 1392 umstürzen und mußte sie, weil der
Ruhm des alten Dichters stärker war, wieder aufrichten lassen. Vielleicht
zeigte man schon damals zwei Miglien von der Stadt die Grotte, wo einst
Virgil meditiert haben sollte^"^, gerade wie bei Neapel die Scuola di Vir-
giüo. Como eignete sich die beiden Plinius zu^"^ und verherrlichte sie
gegen Ende des 15. Jahrhunderts durch sitzende Statuen in zierHchen
Baldachinen an der Vorderseite seines Domes.
Auch die Geschichtschrcibung und die neugeborene Topographie rieh- Der Ruhm
ten sich fortan darauf ein, keinen einheimischen Ruhm mehr unverzeich- ™"ä^^''"°p°-
net zu lassen, während die nordischen Chroniken nur erst hie und da
zwischen Päpsten, Kaisern, Erdbeben und Kometen die Bemerkung
machen, zu dieser Zeit habe auch dieser oder jener berühmte Mann
„geblüht". Wie sich eine ausgezeichnete Biographik, wesentlich unter
der Herrschaft des Ruhmesbegriffes, entwickelte, wird bei einem andern
Anlaß zu betrachten sein; hier beschränken wir uns auf den Ortspatrio-
tismus des Topographen, der die Ruhmesansprüche seiner Stadt ver-
zeichnet.
Im Mittelalter waren die Städte stolz gewesen auf ihre Heiligen und
deren Leichen und Reliquien in den Kirchen^"^. Damit beginnt auch
noch der Panegyrist von Padua um 1450, Michele Savonarola^"^ seine Padua und
Aufzählung; dann aber geht er über auf ,, berühmte Männer, welche '^' ^^[°°^
keine Heiligen gewesen sind, jedoch durch ausgezeichneten Geist und
hohe Kraft (virtus) verdient haben, den Heiligen angeschlossen zu wer-
den (adnecti)" — ganz wie im Altertum der berühmte Mann an den
Heros angrenzt^"^. Die weitere Aufzählung ist für jene Zeit bezeichnend
im höchsten Grade. Zuerst folgen Antenor, der Bruder des Priamus, der
mit einer Schar flüchtiger Troer Padua gegründet; König Dardanus, der
den Attila in den euganeischen Bergen besiegte, ihn weiterverfolgte und
zu Rimini mit einem Schachbrett totschlug; Kaiser Heinrich IV., der
den Dom erbaut hat; ein König Marcus, dessen Haupt in Monsehce
aufbewahrt wird; — dann ein paar Kardinäle und Prälaten als Stifter Legende und
von Pfründen, Kollegien und Kirchen; der berühmte Theologe Fra AI- '^*^'"'^'"'
berto, der Augustiner, eine Reihe von Philosophen mit Paolo Vencto
und dem weltbekannten Pietro von Abano beginnend; der Jurist Paolo
Padovano; sodann Livius und die Dichter Petrarca, Mussato, Lovato.
Wenn an Kriegszelebritäten einiger Mangel zu verspüren, so tröstet
sich der Autor mit dem Ersatz von gelehrter Seite und mit der größern
Dauerhaftigkeit des geistigen Ruhmes, während der Kriegsruhm oft mit
dem Leibe begraben werde und, wenn er dauere, dies doch nur den Ge-
lehrten verdanke. Immerhin aber gereiche es der Stadt zur Ehre, daß
wenigstens berühmte auswärtige Krieger auf eigenes Begehren in ihr be-
86 ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
graben lägen: so Pietro de Rossi von Parma, Filippo Arcclli von Piacenza,
Abb. 6g, 71 besonders Gattamelata von Narni (starb 1443), dessen ehernes Reiterbild
„gleich einem triumphierenden Cäsar" bereits bei der Kirche des Santo
aufgerichtet stand. Dann nennt der Verfasser Scharen von Juristen und
Medizinern, Adelige, welche nicht bloß wie so viele ,,die Ritterwürde
empfangen, sondern sie auch verdient hatten", endlich berühmte Mecha-
niker, Maler und Tonkünstler. Den Beschluß macht ein Fechtmeister
Michele Rosso, welcher als der berühmteste seines Faches an vielen
Orten gemalt zu sehen war.
AUgemeincs Ncbcn solchcn lokalen Ruhmeshallcn, bei deren Ausstattung Mythus,
^ ''°° Legende, literarisch hervorgebrachtes Renommee und populäres Erstau-
nen zusammenwirken, bauen die Poeten-Philologen an einem allgemei-
nen Pantheon des Weltruhms; sie schreiben Sammelwerke: von berühm-
ten Männern, von berühmten Frauen, oft in unmittelbarer Abhängigkeit
von Com. Nepos, Pseudo-Sueton, Valerius Maximus, Plutarch (Mulie-
rum virtutes), Hieronymus (de viris illustribus) usw. Oder sie dichten
von visionären Triumphzügen und idealen, olympischen Versammlun-
gen, wie Petrarca namentlich in seinem Trionfo della fama, Boccaccio
in seiner Amorosa visione, mit Hunderten von Namen, wovon mindestens
drei Vierteile dem Altertum, die übrigen dem Mittelalter angehören^"*.
Allmählich wird dieser neuere, relativ moderne Bestandteil mit größerem
Nachdruck behandelt; die Geschichtschreiber legen Charakteristiken in
ihre Werke ein, und es entstehen Sammlungen von Biographien berühm-
ter Zeitgenossen, wie die von Filippo Villani, Vespasiano Fiorentino und
Abb. 24t. 244 Bartolommeo Facio^*", zuletzt die von Paolo Giovio.
DerKuhmim Dcr Nordcu aber besaß, bis Italien auf seine Autoren (z. B. auf Tri-
themius) einwirkte, nur Legenden der Heiligen und vereinzelte Ge-
schichten und Beschreibungen von Fürsten und Geistlichen, die sich
noch deutlich an die Legende anlehnen und vom Ruhm, d. h. von der
persönlich errungenen Notorietät wesentlich unabhängig sind. Der Dich-
terruhm beschränkt sich noch auf bestimmte Stände, und die Namen
der Künstler erfahren wir im Norden fast ausschließlich nur, insofern
sie als Handwerker und Zunftmenschen auftreten.
Die Literatur Dcr Poct-Philolog in Italien hat aber, wie bemerkt, auch schon das
,'V "'" stärkste Bewußtsein davon, daß er der Austeiler des Ruhmes, ja der Un-
tejjenn des ' ' J
Ruhmes Sterblichkeit sei; und ebenso der Vergessenheit^'". Schon Boccaccio klagt
über eine von ihm gefeierte Schöne, welche hartherzig blieb, um immer
weiter von ihm besungen und dadurch berühmt zu werden, und ver-
.4bb. 242 deutet ihr, er wolle es fortan mit dem Tadel versuchen'". Sannazaro
droht dem vor Karl VIII. feig geflohenen Alfonso von Neapel in zwei
Abb. 227 prächtigen Sonetten mit ewiger Obskurität''^. Angelo Poliziano mahnt
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS 8?
(1491) den König Johann von Portugal*" in betreff der Entdeckungen
in Afrika ernstlich daran, beizeiten für Ruhm und Unsterblichkeit zu
sorgen und ihm das Material „zum Stilisieren" (operosius excolenda)
nach Florenz zu übersenden; sonst möchte es ihm ergehen wie all jenen,
deren Taten, von der Hilfe der Gelehrten entblößt, „im großen Schutt-
haufen menschlicher Gebrechlichkeit verborgen liegen bleiben". Der
König (oder doch sein humanistisch gesinnter Kanzler) ging darauf ein
und versprach wenigstens, es sollten die bereits portugiesisch abgefaßten
Annalen über die afrikanischen Dinge in italienischer Übersetzung nach
Florenz zur lateinischen Bearbeitung verabfolgt werden; ob dies wirk-
lich geschah, ist nicht bekannt. So ganz leer, wie dergleichen Präten-
sionen auf den ersten Blick scheinen, sind sie keineswegs; die Redaktion,
in welcher die Sachen (auch die wichtigsten) vor Mit- und Nachwelt
treten, ist nichts weniger als gleichgültig. Die italienischen Humanisten
mit ihrer Darstellungsweise und ihrem Latein haben lange genug die
abendländische Lesewelt wirklich beherrscht, und auch die italienischen
Dichter sind bis ins vorige Jahrhundert weiter in allen Händen herum-
gekommen als die irgendeiner Nation. Der Taufname des Amerigo Ves- Abb. tss
pucci von Florenz wurde seiner Reisebeschreibung wegen zum Namen
des vierten Weltteils, und wenn Paolo Giovio mit all seiner Flüchtigkeit
und eleganten Willkür sich dennoch die Unsterblichkeit versprach*'^, so
ist er dabei nicht ganz fehlgegangen.
Neben solchen Anstalten, den Ruhm äußerlich zu garantieren, wird unbedingte
hie und da ein Vorhang hinweggezogen, und wir schauen den kolossal- " "*"' '
sten Ehrgeiz und Durst nach Größe, unabhängig von Gegenstand und
Erfolg, in erschreckend wahrem Ausdruck. So in Machiavellis Vorrede Abb. 234
zu seinen florentinischen Geschichten, wo er seine Vorgänger (Lionardo,
Aretino, Poggio) tadelt wegen des allzu rücksichtsvollen Schweigens in
betreff der städtischen Parteiungen. ,,Sie haben sich sehr geirrt und be-
wiesen, daß sie den Ehrgeiz der Menschen und die Begier nach Fort-
dauer des Namens wenig kannten. Wie manche, die sich durch Löb-
liches nicht auszeichnen konnten, strebten danach durch Schmähliches!
Jene Schriftsteller erwogen nicht, daß Handlungen, welche Größe an
sich haben, wie dies bei den Handlungen der Regenten und Staaten der
Fall ist, immer mehr Ruhm als Tadel zu bringen scheinen, welcher Art
sie auch seien und welches der Ausgang sein möge*^*." Bei mehr als
einem auffallenden und schreckhchen Unternehmen wird \on besonne-
nen Geschichtschreibern als Beweggrund das brennende Verlangen nach
etwas Großem und Denkwürdigem angegeben. Hier offenbart sich nicht Das Hero-
eine bloße Ausartung der gemeinen Eitelkeit, sondern etwas wirklich
Dämonisches, d. h. Unfreiheit des Entschlusses, verbunden mit Anwen-
stra tische
88 ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
dung der äußersten Mittel, und Gleichgültigkeit gegen den Erfolg als
solchen. Machiavelli selber faßt z. B. den Charakter des Stefano Porcari
(S. 62) so auf^^^; von den Mördern des Galeazzo Maria Sforza (S. 34)
sagen ungefähr dasselbe die Aktenstücke; die Ermordung des Herzogs
Alessandro von Florenz (1537) schreibt selbst Varchi (im 5. Buch) der
Ruhmsucht des Täters Lorcnzino Medici (S. 36) zu. Noch viel schärfer
hebt aber Paolo Giovio^^' dieses Motiv hervor; Lorenzino, wegen der
Verstümmelung antiker Statuen in Rom durch ein Pamphlet des Molza
an den Pranger gestellt, brütet über einer Tat, deren ,, Neuheit" jene
Schmach in Vergessenheit bringen sollte, und ermordet seinen Ver-
wandten und Fürsten. — Es sind echte Züge dieser Zeit hoch aufgeregter,
aber bereits verzweifelnder Kräfte und Leidenschaften, ganz wie einst
die Brandstiftung im Tempel von Ephesus zur Zeit des Philipp von
Mazedonien.
Spott und Das KoiTcktiv nicht nur des Ruhmes und der modernen Ruhmbegier,
.^.^''^ . sondern des höher entwickelten Individualismus überhaupt ist der mo-
derne Spott und Hohn, womöglich in der siegreichen Form des Witzes.
Wir erfahren aus dem Mittelalter, wie feindliche Heere, verfeindete
Fürsten und Große einander mit symbolischem Hohn auf das Äußerste
reizen, oder wie der unterlegene Teil mit höchster symbolischer Schmach
beladen wird. Daneben beginnt in theologischen Streitigkeiten schon hie
und da, unter dem Einfluß antiker Rhetorik und Epistolographie, der
Witz eine Waffe zu werden, und die provenzalische Poesie entwickelt
eine eigene Gattung von Trotz- und Hohnliedern; auch den Minne-
sängern fehlt gelegentlich dieser Ton nicht, wie ihre politischen Gedichte
Der Spott zcigcn*^*. Aber ein selbständiges Element des Lebens konnte der Witz
doch erst werden, als sein regelmäßiges Opfer, das ausgebildete Indi-
viduum mit persönlichen Ansprüchen, vorhanden war. Da beschränkt
er sich auch bei weitem nicht mehr auf Wort und Schrift, sondern wird
tatsächlich: er spielt Possen und verübt Streiche, die sogenannten burle
und beffe, welche einen Hauptinhalt mehrerer Novellensammlungen
ausmachen.
Die ,, Hundert alten Novellen", welche noch zu Ende des 13. Jahr-
hunderts entstanden sein müssen, haben noch nicht den Witz, den Sohn
des Kontrastes, und noch nicht die Burla zum Inhalt^^*; ihr Zweck ist
nur, weise Reden und sinnvolle Geschichten und Fabeln in einfach
schönem Ausdruck wiederzugeben. Wenn aber irgend etwas das hohe
Alter der Sammlung beweist, so ist es dieser Mangel an Hohn. Denn
gleich mit dem 14. Jahrhundert folgt Dante, der im Ausdruck der Ver-
achtung alle Dichter der Welt weit hinter sich läßt und z. B. schon allein
und das
Individuum
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS 89
wegen jenes großen höllischen Genrebildes von den Betrügern^^" der
höchste Meister kolossaler Komik heißen muß. Mit Petrarca beginnen ^^
schon die Witzsammlungen nach dem Vorbilde des Plutarch (Apoph-
thegmata, usw.). Was dann während des genannten Jahrhunderts sich Der norenti-
in Florenz von Hohn aufsammelte, davon gibt Franco Sacchetti in seinen "'^ "
Novellen die bezeichnendste Auswahl. Es sind meist keine eigentlichen
Geschichten, sondern Antworten, die unter gewissen Umständen ge-
geben werden, horrible Naivitäten, womit sich Halbnarren, Hofnarren,
Schälke, liederliche Weiber ausreden; das Komische liegt dann in dem
schreienden Gegensatz dieser wahren oder scheinbaren Naivität zu den
sonstigen Verhältnissen der Welt und zur gewöhnlichen Moralität; die
Dinge stehen auf dem Kopf Alle Mittel der Darstellung werden zu
Hilfe genommen, auch z. B. schon die Nachahmung bestimmter ober-
italienischer Dialekte. Oft tritt an die Stelle des Witzes die bare freche
Insolenz, der plumpe Betrug, die Blasphemie und die Unfläterei; ein
paar Kondottierenspäße^^ gehören zum Rohesten und Bösesten, was
aufgezeichnet ist. Manche Burla ist hochkomisch, manche aber auch ein
bloß vermeintlicher Beweis der persönhchen Überlegenheit, des Trium-
phes über einen andern. Wieviel man einander zugute hielt, wie oft das
Schlachtopfer durch einen Gegenstreich die Lacher wieder auf seine
Seite zu bringen sich begnügten, wissen wir nicht; es war doch viele
herzlose und geistlose Bosheit dabei, und das florentinische Leben mag
hiedurch oft recht unbequem geworden sein^^. Bereits ist der Spaß- Die
erfinder und Spaßerzähler eine unvermeidliche Figur geworden, und es ' ^'"^ "
muß darunter klassische gegeben haben, weit überlegen allen bloßen
Hofnarren, welchen die Konkurrenz, das wechselnde Publikum und das
rasche Verständnis der Zuhörer (lauter Vorzüge des Aufenthaltes in
Florenz) abgingen. Deshalb reisten auch einzelne Florentiner auf Gast-
rollen nach den Tyrannenhöfen der Lombardei und Romagna heruni^^^
und fanden ihre Rechnung dabei, während sie in der Vaterstadt, wo
der Witz auf allen Gassen lief, nicht viel gewannen. Der bessere Typus
dieser Leute ist der des amüsanten Menschen (l'uomo piacevole), der
geringere ist der des Buffone und des gemeinen Schmarotzers, der sich
an Hochzeiten und Gastmählern einfindet mit dem Räsonnement: ,,wenn
ich nicht eingeladen worden bin, so ist das nicht meine Schuld." Da und
dort helfen diese einen jungen Verschwender aussaugen^^^, im ganzen
aber werden sie als Parasiten behandelt und verhöhnt, während höher-
stehende Witzbolde sich fürstengleich dünken und ihren Witz für etwas
wahrhaft Souveränes halten. Dolcibene, welchen Kaiser Karl IV. zum
„König der italienischen Spaßmacher" erklärt hatte, sagte in Ferrara
zu ihm: „Ihr werdet die Welt besiegen, da Ihr mein und des Papstes
00 ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
Freund seid; Ihr kämpft mit dem Schwert, der Papst mit dem Bullen-
siegel, ich mit der Zunge^^*!" Dies ist kein bloßer Scherz, sondern eine
Abb.i^r Vorahnung Pietro Aretinos.
Ariotto mui Die beiden berühmtesten Spaßmacher um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts waren ein Pfarrer in der Nähe von Florenz, Ariotto, für den
feinern Witz (facezie), und der Hofnarr von Ferrara, Gonnclla, für die
BufTonerien. Es ist bedenklich, ihre Geschichten mit denjenigen des
Pfaffen von Kaienberg und des Till Eulenspicgel zu vergleichen; letztere
sind eben auf ganz andere, halbmythische Weise entstanden, so daß ein
ganzes Volk daran mitgedichtet hat, und dcß sie mehr auf das Allgemein-
gültige, Allverständliche hinauslaufen, während Ariotto und Gonnclla
historisch und lokal bekannte und bedingte Persönlichkeiten waren. Will
man aber einmal die Vergleichung zulassen und sie auf die ,, Schwanke"
der außeritalienischen Völker überhaupt ausdehnen, so wird es sich im
ganzen finden, daß der ,, Schwank", in den französischen Fabliaux^^' wie
bei den Deutschen, in erster Linie auf einen Vorteil oder Genuß berech-
net ist, während der Witz des Ariotto, die Possen des Gonnella sich gleich-
sam Selbstzweck, nämlich um des Triumphes, um der Satisfaktion willen
vorhanden sind. (Till Eulenspiegel erscheint dann wieder als eine eigen-
tümliche Nuance, nämlich als der personifizierte, meist ziemlich geist-
lose Schabernack gegen besondere Stände und Gewerbe.) Der Hofnarr
des Hauses Este hat sich mehr als einmal durch bittern Hohn und aus-
gesuchte Rache schadlos gehalten*^.
Die späß. Die Spezies des uomo piacevolc und des Buffone haben die Freiheit
■™^ ' von Florenz lange überdauert. Unter Herzog Cosimo blühte der Bar-
lacchia, zu Anfang des 17. Jahrhunderts Francesco Ruspoli und Curzio
Marignolli. Ganz merkwürdig zeigt sich in Papst Leo X. die echt floren-
tinische Vorliebe für Spaßmacher. Der auf die feinsten geistigen Genüsse
gerichtete und darin unersättliche Fürst erträgt und verlangt doch an
seiner Tafel ein paar witzige Possenreißer und Freßkünstler, darunter
■ffti'- 3?o zwei Mönche und einen Krüppel^**; bei festlichen Zeiten behandelte er sie
mit gesucht antikem Hohn als Parasiten, indem ihnen AfTcn und Raben
unter dem Anschein köstlicher Braten aufgestellt wurden. Überhaupt
behielt sich Leo die Burlc für eigenen Gebrauch vor; namentlich gehörte
es zu seiner Art von Geist, die eigenen Lieblingsbeschäftigungen — Dich-
tung und Musik — bisweilen ironisch zu behandeln, indem er und sein
Abb. 35s Faktotum Kardinal Bibbicna die Karikaturen derselben beförderten^".
Beide fanden es nicht unter ihrer Würde einen guten alten Sekretär mit
allen Kräften solange zu bearbeiten, bis er sich für einen großen Musik-
Harabaiio thcorctiker hielt. Den Improvisator Baraballo von Gaeta hetzte Leo durch
beständige Schmeicheleien so weit, daß sich derselbe ernstlich um die
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS gi
kapitolinische Dichterkrönung bewarb; am Tage der mediceischen Haus-
patrone S. Cosmas und S. Damian mußte er erst, mit Lorbeer und Pur-
pur ausstaffiert, das päpstliche Gastmahl durch Rezitation erheitern und,
als alles am Bersten war, im vatikanischen Hof den goldgeschirrten Ele-
fanten besteigen, welchen Emanuel der Große von Portugal nach Rom
geschenkt hatte; während dessen sah der Papst von oben durch sein
Lorgnon^^ herunter. Das Tier aber wurde scheu vom Lärm der Pauken
und Trompeten und vom Bravorufen und war nicht über die Engels-
brücke zu bringen.
Die Parodie des Feierlichen und Erhabenen, welche uns hier in Ge- dir Parodie
stalt eines Aufzuges entgegentritt, hatte damals bereits eine mächtige
Stellung in der Poesie eingenommen^'^. Freilich mußte sie sich ein an-
deres Opfer suchen, als z. B. Aristophanes durfte, da er die großen
Tragiker in seiner Komödie auftreten ließ. Aber dieselbe Bildungsreife,
welche bei den Griechen zu einer bestimmten Zeit die Parodie hervor-
trieb, brachte sie auch hier zur Blüte. Schon zu Ende des 14. Jahr-
hunderts werden im Sonett |>etrarchische Liebesklagen und anderes der
Art durch Nachahmung ausgehöhnt; ja das Feierhche der vierzehnzeihgcn
Form an sich wird durch geheimtuenden Unsinn verspottet. Ferner lud
die göttliche Komödie auf das stärkste zur Parodierung ein, und Lorenzo
magnifico hat im Stil des Inferno die herrlichste Komik zu entwickeln
gewußt. (Simposio, oder: i Beoni.) Luigi Pulci ahmt in seinem Morgante .4^.239
deutlich die Improvisatoren nach, und überdies ist seine und Bojardos
Poesie, schon insofern sie über dem Gegenstande schwebt, stellenweise
eine wenigstens halbbewußte Parodie der mittelalterlichen Ritterdich-
tung. Der große Parodist Teofilo Folengo (blühte um 1520) greift dann
ganz unmittelbar zu. Unter dem Namen Limerno Pitocco dichtet er
den Orlandino, wo das Ritterwesen nur noch als lächerliche Rokoko-
einfassung um eine Fülle moderner Einfälle und Lebensbilder herum
figuriert; unter dem Namen Merlinus Coccajus schildert er die Taten
und Fahrten seiner phantastischen Landstreicher, ebenfalls mit starker
tendenziöser Zutat, in halblateinischen Hexametern, unter dem komi-
schen Scheinapparat des damaligen gelehrten Epos. (Opus Maccaroni-
corum). Seitdem ist die Parodie auf dem italischen Parnaß immer-
fort, und bisweilen wahrhaft glanzvoll, vertreten gewesen.
In der ganzen Zeit der mittlem Höhe der Renaissance wird dann auch Theorie des
der Witz theoretisch zergliedert und seine praktische Anwendung in der
feinern Gesellschaft genauer festgestellt. Der Theoretiker ist Gioviano
Pontano'^; in seiner Schrift über das Reden, namentlich im vierten Buch, Ahh. jto
versucht er durch Analyse zahlreicher einzelner Witze oder facetiae zu
einem allgemeinen Prinzip durchzudringen. Wie der Witz unter Leuten
g2 ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
Abb. 2^s von Stande zu handhaben sei, lehrt Baidassar Castiglione in seinem
Cortigiano^*. Natürlich handelt es sich wesentlich nur um Erheiterung
dritter Personen durch Wiedererzählung von komischen und graziösen
Geschichten und Worten; vor direkten Witzen wird eher gewarnt, indem
man damit Unglückliche kränke, Verbrechern zu viele Ehre antue und
Mächtige und durch Gunst Verwöhnte zur Rache reize, und auch für
das Wiedererzählen wird dem Mann von Stande ein weises Maßhalten
in der nachahmenden Dramatik, d. h. in den Grimassen, empfohlen.
Dann folgt aber, nicht bloß zum Wiedererzählen, sondern als Paradigma
für künftige Witzbildner, eine reiche Sammlung von Sach- und Wort-
witzen, methodisch nach Gattungen geordnet, darunter viele ganz vor-
treffliche. Viel strenger und behutsamer lautet etwa zwei Jahrzehnte
Abb. 231 später die Doktrin des Giovanni della Casa in seiner Anweisung zur
guten Lebensart^^; im Hinblick auf die Folgen will er aus Witzen und
Burle die Absicht des Triumphierens völlig verbannt wissen. Er ist der
Herold einer Reaktion, welche eintreten mußte.
DieLästening lu dcr Tat waf Italien eine Lästerschule geworden wie die Welt seit-
dem keine zweite mehr aufzuweisen gehabt hat, selbst in dem Frank-
reich Voltaires nicht. Am Geist des Vcrneinens fehlte es dem letztern
und seinen Genossen nicht, aber wo hätte man im vorigen Jahrhundert
die Fülle von passenden Opfern hernehmen sollen, jene zahllosen hoch
und eigenartig entwickelten Menschen, Zclebritäten jeder Gattung,
Staatsmänner, Geistliche, Erfinder und Entdecker, Literaten, Dichter
und Künstler, die obendrein ihre Eigentümlichkeit ohne Rückhalt walten
ließen? Im 15. und 16. Jahrhundert existierte diese Heerschar, und neben
ihr hatte die allgemeine Bildungshöhe ein furchtbares Geschlecht von
geistreichen Ohnmächtigen, von geborenen Krittlern und Lästerern groß-
gezogen, deren Neid seine Hekatomben verlangte; dazu kam aber noch
der Neid der Berühmten untereinander. Mit letzterem haben notorisch
Abb.iQf, die Philiologen angefangen: Filelfo, Poggio, Lorenzo Valla u.a., wäh-
rend z. B. die Künstler des 15. Jahrhunderts noch in fast völlig fried-
lichem Wettstreit nebeneinander lebten, wovon die Kunstgeschichte Akt
nehmen darf
In Florenz Dcr große Ruhmesmarkt Florenz geht hierin, wie gesagt, allen andern
Städten eine Zeitlang voran. „Scharfe Augen und böse Zungen" ist das
Signalement der Florentiner^*. Ein gelinder Hohn über alles und jedes
Abb. 234 mochte der vorherrschende Alltagston sein. Machiavelli, in dem höchst
merkwürdigen Prolog seiner Mandragola, leitet mit Recht oder Unrecht
von der allgemeinen Mcdisance das sichtbare Sinken der moralischen
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS 93
Kraft her, droht übrigens seinen Verkleinern damit, daß auch er sich
auf Übelreden verstehe. Dann kommt der päpstliche Hof, seit langem ein in Rom
Stelldichein der allerschlimmsten und dabei geistreichsten Zungen. Schon
Poggios Facetiae sind ja aus dem Lügenstübchcn (bugiale) der aposto-
lischen Schreiber datiert, und wenn man erwägt, welche große Zahl von
enttäuschten Stellenjägern, von hoffnungsvollen Feinden und Konkur-
renten der Begünstigten, von Zeitvertreibern sittenloser Prälaten bei-
sammen war, so kann es nicht auffallen, wenn Rom für das wilde Pasquill
wie für die beschaulichere Satire eine wahre Heimat wurde. Rechnet
man noch gar hinzu, was der allgemeine Widerwille gegen die Priester-
herrschaft und was das bekannte Pöbelbedürfnis, den Mächtigen das
Gräßlichste anzudichten, beifügte, so ergibt sich eine unerhörte Summe
von Schmach^'. Wer konnte, schützte sich dagegen am Zweckmäßigsten
durch Verachtung, sowohl was die wahren als was die erlogenen Be-
schuldigungen betraf, und durch glänzenden, fröhhchen Aufwand*^.
Zartere Gemüter aber konnten wohl in eine Art von Verzweiflung fallen,
wenn sie tief in Schuld und noch tiefer in üble Nachrede verstrickt wa-
ren^*. AUmähhch sagte man jedem das Schlimmste nach, und gerade
die strengste Tugend weckte die Bosheit am sichersten. Von dem großen
Kanzelredner Fra Egidio von Viterbo, den Leo um seiner Verdienste
willen zum Kardinal erhob und der sich bei dem Unglück von 1527
auch als tüchtiger populärer Mönch zeigte'*", gibt Giovio zu verstehen, ciovio
er habe sich die asketische Blässe durch Qualm von nassem Stroh u. dgl. ' "'''' '*''
konserviert. Giovio ist bei solchen Anlässen ein echter Kuriale'*^; in der
Regel erzählt er sein Histörchen, fügt dann bei, er glaube es nicht, und
läßt endhch in einer allgemeinern Bemerkung durchbhcken, es möchte
doch etwas dran sein. Das wahre Brandopfer des römischen Hohnes aber
war der gute Hadrian VI.; es bildete sich ein Übereinkommen, ihn Hohn auf
durchaus nur von der burlesken Seite zu nehmen. Mit der furchtbaren
Feder eines Francesco Berni verdarb er es gleich von Anfang an, indem
er drohte — nicht die Statue des Pasquino wie man'*^ sagte — sondern
die Pasquillanten selber in die Tiber werfen zu lassen. Die Rache dafür
war das berühmte Capitolo „gegen Papst Adriano", diktiert nicht eigent-
lich vom Haß, sondern von der Verachtung gegen den lächerlichen hol-
ländischen Barbaren; die wilde Drohung wird aufgespart für die Kardi-
näle die ihn gewählt haben. Berni und andere^'*' malen auch die Um-
gebung des Papstes mit derselben pikanten Lügenhaftigkeit aus, mit wel-
cher das heutige Pariser Feuilleton das So zum Anders und das Nichts
zum Etwas verkünstelt. Die Biographie, welche Paolo Giovio im Auf-
trag des Kardinals von Tortosa verfaßte, und welche eigentlich eine Lob-
schrift vorstellen sollte, ist für jeden, der zwischen den Zeilen lesen kann,
Aretino
Abb. 24y
QA ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
ein wahrer Ausbund von Hohn. Es liest sich (zumal für das damalige
Italien) sehr komisch, wie Hadrian sich beim Domkapitel von Saragossa
um die Kinnlade des S. Lambert bewirbt, wie ihn dann die andächtigen
Spanier mit Schmuck und Zeug ausstatten, „bis er einem wohlheraus-
geputzten Papst recht ähnlich sieht" wie er seinen stürmischen und ge-
schmacklosen Zug von Ostia gen Rom hält, sich über die Versenkung
oder Verbrennung des Pasquino berät, die wichtigsten Verhandlungen
wegen Meldung des Essens plötzlich unterbricht und zuletzt nach un-
glücklicher Regierung an allzuvielem Biertrinken verstirbt; worauf das
Haus seines Leibarztes von Nachtschwärmern bekränzt und mit der In-
schrift Liberatori Patriae S. P. Q^. R. geschmückt wird. Freilich, Giovio
hatte bei der allgemeinen Renteneinziehung auch seine Rente verloren
und nur deshalb zur Entschädigung eine Pfründe erhalten, weil er ,,kein
Poet", d. h. kein Heide sei. Es stand aber geschrieben, daß Hadrian das
letzte große Opfer dieser Art sein sollte. Seit dem Unglück Roms (1527)
starb mit der äußersten Ruchlosigkeit des Lebens auch die frevelhafte
Rede sichtlich ab.
pietro Während sie aber noch in Blüte stand, hatte sich hauptsächlich in
Rom, der größte Lästerer der neuern Zeit, Pietro Aretino, ausgebildet.
Ein Blick auf sein Wesen erspart uns die Beschäftigung mit manchen
Geringern seiner Gattung.
Wir kennen ihn hauptsächlich in den letzten drei Jahrzehnten seines
Lebens (1527 — 1556), die er in dem für ihn einzig möglichen Asyl Ve-
nedig zubrachte. Von hier aus hielt er das ganze berühmte Italien in
einer Art von Belagerungszustand; hieher mündeten auch die Geschenke
auswärtiger Fürsten, die seine Feder brauchten oder fürchteten. Karl V.
und Franz I. pensionierten ihn beide zugleich, weil jeder hoffte, Aretino
würde dem andern Verdruß machen; Aretino schmeichelte beiden,
schloß sich aber natürlich enger an Karl an, weil dieser in Italien Mei-
ster blieb. Nach dem Sieg über Tunis (1535) geht dieser Ton in
den der lächerlichsten Vergötterung über, wobei zu erwägen ist,
daß Aretino fortwährend sich mit der Hoffnung hinhalten ließ, durch
Karls Hilfe Kardinal zu werden. Vermutlich genoß er eine spezielle
Protektion als spanischer Agent, indem man durch sein Reden oder
Schweigen auf die kleinern italienischen Fürsten und auf die öffentUche
Meinung drücken konnte. Das Papstwesen gab er sich die Miene gründ:
licli zu verachten, weil er es aus der Nähe kenne; der wahre Grund
war, daß man ihn von Rom aus nicht mehr honorieren konnte und
wollte^". Venedig, das ihn beherbergte, beschwieg er weislich. Der
Rest seines Verhältnisses zu den Großen ist lauter Bettelei und gemeine
Erpressung.
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS g^
Bei Aretino findet sich der erste ganz große Mißbrauch der PubHzität scine Publi-
zistik und
sein Wert
ZU solchen Zwecken. Die Streitschriften, welche hundert Jahre vorher
Poggio und seine Gegner gewechselt hatten, sind in der Absicht und im
Ton ebenso infam, allein sie sind nicht auf die Presse, sondern auf eine
Art von halber und geheimer Publizität berechnet; Aretino macht sein
Geschäft aus der ganzen und unbedingten; er ist in gewissem Betracht
einer der Urväter der Journalistik. Periodisch läßt er seine Briefe und
Artikel zusammendrucken, nachdem sie schon vorher in weitern Kreisen
kursiert haben mochten^**.
Verglichen mit den scharfen Federn des 1 8. Jahrhunderts hat Aretino
den Vorteil, daß er sich nicht mit Prinzipien beladet, weder mit Auf-
klärung noch mit Philantropie und sonstiger Tugend, noch auch mit
Wissenschaft; sein ganzes Gepäck ist das bekannte Motto: ,,Veritas"
odium parit. Deshalb gab es auch für ihn keine falschen Stellungen, wie
z. B. für Voltaire, der seine Pucelle verleugnen und anderes lebenslang
verstecken mußte; Aretino gab zu allem seinen Namen, und noch spät
rühmt er sich offen seiner berüchtigten Ragionamenti. Sein literarisches
Talent, seine lichte und pikante Prosa, seine reiche Beobachtung der
Menschen und Dinge würden ihn unter allen Umständen beachtenswert
machen, wenn auch die Konzeption eines eigentlichen Kunstwerkes, z. B.
die echte dramatische Anlage einer Komödie ihm völlig versagt blieb;
dazu kommt dann noch außer der gröbsten und feinsten Bosheit eine
glänzende Gabe des grotesken Witzes, womit er im einzelnen Fall dem
Rabelais nicht nachsteht^**.
Unter soeben Umständen, mit solchen Absichten und Mitteln geht Verhältnis zu
er auf seine Beute los oder einstweilen um sie herum. Die Art, wie er "^" "/"=■
' niscnen
Clemens VII. auffordert, nicht zu klagen, sondern zu verzeihen^'", wäh- Fürsten
rend das Jammergeschrei des verwüsteten Roms zur Engelsburg, dem
Kerker des Papstes, empordringt, ist lauter Hohn eines Teufels oder
Affen. Bisweilen, wenn er die Hoffnung auf Geschenke völlig aufgeben
muß, bricht seine Wut in ein wildes Geheul aus, wie z. B. in dem Capitolo
an den Fürsten von Salerno. Dieser hatte ihn eine Zeitlang bezahlt und
wollte nicht weiter zahlen; dagegen scheint es, daß der schreckliche
Pierluigi Farnese, Herzog von Parma, niemals Notiz von ihm nahm.
Da dieser Herr auf gute Nachrede wohl überhaupt verzichtet hatte, so
war es nicht mehr leicht, ihm wehe zu tun; Aretino versucht es, indem
er^*® sein äußeres Ansehen als das eines Sbirren, Müllers und Bäckers
bezeichnet. Possierlich ist Aretino am ehesten im Ausdruck der reinen,
wehmütigen Bettelei, wie z. B. im Capitolo an Franz I., dagegen wird
man die aus Drohung und Schmeichelei gemischten Briefe und Gedichte
trotz aller Komik nie ohne tiefen Widerwillen lesen können. Ein Brief
96
ENTWICKLUNGS DES INDIVIDUUMS
und zeie wic dcr an Michelangelo vom November 1545'*' existiert vielleicht nicht
ein zweites Mal; zwischen alle Bewunderung (wegen des Weltgerichtes)
hinein droht er ihm wegen Irreligiosität, Indezenz und Diebstahl (an
den Erben Julius' II.) und fügt in einem begütigenden Postskript bei:
„ich habe Euch nur zeigen wollen, daß, wenn Ihr divino (di-vino) seid,
ich auch nicht d'aqua bin." Aretino hielt nämlich darauf — man weiß
kaum, ob aus wahnsinnigem Dünkel oder aus Lust an der Parodie alles
Berühmten — daß man ihn ebenfalls göttlich nenne, und so weit brachte
er es in der persönlichen Berühmtheit allerdings, daß in Arezzo sein
Geburtshaus als Sehenswürdigkeit der Stadt galt^^°. Andererseits freilich
gab es ganze Monate, da er sich in Venedig nicht über die Schwelle
wagte, um nicht irgendeinem erzürnten Florentiner wie z. B. dem jungem
Strozzi in die Hände zu laufen; es fehlte nicht an Dolchstichen und ent-
setzlichen Prügeln'*^, wenn sie auch nicht den Erfolg hatten, welchen
ihm Berni in einem famosen Sonett weissagte; er ist in seinem Hause
am Schlagfluß gestorben.
verhiitnis zu In der Schmeichelei macht er beachtenswerte Unterschiede; für Nicht-
costoo Italiener trägt er sie plump und dick auf'^^, für Leute wie den Herzog
Cosimo von Florenz weiß er sich anders zu geben. Er lobt die Schönheit
des damls noch jungen Fürsten, der in der Tat auch diese Eigenschaft
mit Augustus in hohem Grade gemein hatte; er lobt seinen sittlichen
Wandel mit einem Seitenblick auf die Geldgeschäfte von Cosimos Mutter
Maria Salviati, und schließt mit einer wimmernden Bettelei wegen der
teuren Zeiten usw. Wenn ihn aber Cosimo pensionierte^*^, und zwar
im Verhältnis zu seiner sonstigen Sparsamkeit ziemlich hoch (in der
letzten Zeit mit 160 Dukaten jährlich), so war wohl eine bestimmte
Rücksicht auf seine Gefährlichkeit als spanischer Agent mit im Spiel.
Aretino durfte in einem Atemzug über Cosimo bitter spotten und schmä-
hen und doch dabei dem florentinischen Geschäftsträger drohen, daß
er beim Herzog seine baldige Abberufung erwirken werde. Und wenn
der Medici sich auch am Ende von Karl V. durchschaut wußte, so
mochte er doch nicht wünschen, daß am kaiserlichen Hofe aretinische
Witze und Spottverse über ihn in Kurs kommen möchten. Eine ganz
hübsch bedingte Schmeichelei ist auch diejenige an den berüchtigten
Marchese von Marignano, der als ,, Kastellan von Musso" einen eigenen
Staat zu gründen versucht hatte. Zum Dank für übersandte hundert
Skudi schreibt Aretin: ,,Alle Eigenschaften, die ein Fürst haben muß,
sind in Euch vorhanden, und jedermann würde dies einsehen, wenn
nicht die bei allen Anfangen unvermeidHche Gewaltsamkeit Euch noch
als etwas rauh (aspro) erscheinen ließe***".
seineRciigion Man iiat häufig als etwas Besonderes hervorgehoben, daß Aretino
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS 97
nur die Welt, nicht auch Gott gelästert habe. Was er geglaubt hat, ist
bei seinem sonstigen Treiben völlig gleichgültig, ebenso sind es die
Erbauungsschriften, welche er nur aus äußern Rücksichten^^* verfaßte.
Sonst aber wüßte ich wahrlich nicht, wie er hätte auf die Gotteslästerung
verfallen sollen. Er war weder Dozent noch theoretischer Denker und
Schriftsteller; auch konnte er von Gott keine Geldsummen durch Dro-
hungen und Schmeicheleien erpressen, fand sich also auch nicht durch
Versagung zur Lästerung gereizt. Mit unnützer Mühe aber gibt sich
ein solcher Mensch nicht ab.
Es ist ein gutes Zeichen des heutigen italienischen Geistes, daß ein
solcher Charakter und eine solche Wirkungsweise tausendmal unmög-
lich geworden sind. Aber von selten der historischen Betrachtung aus
wird dem Aretino immer eine wichtige Stellung bleiben.
Bnrckhardt
DRITTER ABSCHNITT
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Konkurrenz Auf dicsem Punktc unserer kulturgeschichtlichen Übersicht angelangt,
""Kränen™ rnüsscn wir des Altertums gedenken, dessen ,, Wiedergeburt" in ein-
seitiger Weise zum Gesamtnamen des Zeitraums überhaupt geworden
ist. Die bisher geschilderten Zustände würden die Nation erschüttert
und gereift haben auch ohne das Altertum, und auch von den nachher
aufzuzählenden neuen geistigen Richtungen wäre wohl das meiste ohne
dasselbe denkbar; allein wie das Bisherige so ist auch das Folgende
doch von der Einwirkung der antiken Welt mannigfach gefärbt, und
wo das Wesen der Dinge ohne dieselbe verständlich und vorhanden
sein würde, da ist es doch die Äußerungsweise im Leben nur mit ihr und
durch sie. Die ,, Renaissance" wäre nicht die hohe weltgeschichtliche
Notwendigkeit gewesen, die sie war, wenn man so leicht von ihr ab-
strahieren könnte. Darauf aber müssen wir beharren, als auf einem
Hauptsatz dieses Buches, daß nicht sie allein, sondern ihr enges Bünd-
nis mit dem neben ihr vorhandenen italienischen Volksgeist die abend-
ländische Welt bezwungen hat. Die Freiheit, welche sich dieser Volks-
Gradc der gcist dabei bewahrte, ist eine ungleiche und scheint, sobald man z. B.
nur auf die neulateinische Literatur sieht, oft sehr gering; in der bil-
denden Kunst aber und in mehrern andern Sphären ist sie auffallend
groß, und das Bündnis zwischen zwei weit auseinander liegenden Kultur-
epochen desselben Volkes erweist sich als ein, weil höchst selbständiges,
deshalb auch berechtigtes und fruchtbares. Das übrige Abendland
mochte zusehen, wie es den großen, aus Italien kommenden Antrieb
abwehrte oder sich halb oder ganz aneignete; wo letzteres geschah,
sollte man sich die Klagen über den frühzeitigen Untergang unserer
mittelalterlichen Kulturformen und Vorstellungen ersparen. Hätten sie
sich wehren können, so würden sie noch leben. Wenn jene elegischen
Gemüter, die sich danach zurücksehnen, nur eine Stunde darin zubrin-
gen müßten, sie würden heftig nach moderner Luft begehren. Daß
bei großen Prozessen jener Art manche edle Einzelblüte mit zugrunde
geht, ohne in Tradition und Poesie unvergänglich gesichert zu sein.
Einwirkung
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS 99
ist gewiß; allein das große Gesamtereignis darf man deshalb nicht un-
geschehen wünschen. Dieses Gesamtereignis besteht darin, daß neben
der Kirche, welche bisher (und nicht mehr für lange) das Abendland
zusammenhielt, ein neues geistiges Medium entsteht, welches, von Ita-
lien her sich ausbreitend, zur Lebensatmosphäre für alle höher gebilde-
ten Europäer wird. Der schärfste Tadel, den man darüber aussprechen
kann, ist der der Unvolkstümlichkeit, der erst jetzt notwendig eintreten-
den Scheidung von Gebildeten und Ungebildeten in ganz Europa.
Dieser Tadel ist aber ganz wertlos, sobald man eingestehen muß, daß
die Sache noch heute, obwohl klar erkannt, doch nicht beseitigt werden
kann. Und diese Scheidung ist überdies in Italien lange nicht so herb
und unerbittlich als anderswo. Ist doch ihr größter Kunstdichter Tasso
auch in den Händen der Ärmsten.
Das römisch-griechische Altertum, welches seit dem 14. Jahrhundert DasAitertmn
so mächtig in das italienische Leben eingriff, als Anhalt und Quelle der
Kultur, als Ziel und Ideal des Daseins, teilweise auch als bewußter
neuer Gegensatz, dieses Altertum hatte schon längst stellenweise auf
das ganze, auch außeritalienische Mittelalter eingewirkt. Diejenige Bil-
dung, welche Karl der Große vertrat, war wesentlich eine Renaissance,
gegenüber der Barbarei des 7. und S.Jahrhunderts, und konnte nichts
anderes sein. Wie hierauf in die romanische Baukunst des Nordens
außer der allgemeinen, vom Altertum ererbten Formengrundlage auch
auffallende direkt antike Formen sich einschleichen, so hatte die ganze
Klostergelehrsamkeit allmählich eine große Masse von Stoff aus römi-
schen Autoren in sich aufgenommen und auch der Stil derselben blieb
seit Einhard nicht ohne Nachahmung.
Anders aber als im Norden wacht das Altertum in Italien wieder ■° "='1'''"
auf. Sobald hier die Barbarei aufhört, meldet sich bei dem noch halb
antiken Volk die Erkenntnis seiner Vorzeit; es feiert sie und wünscht
sie zu reproduzieren. Außerhalb Italiens handelt es sich um eine ge-
lehrte, reflektierte Benützung einzelner Elemente der Antike, in Italien
um eine gelehrte und zugleich populäre sachliche Parteinahme für das
Altertum überhaupt, weil dasselbe die Erinnerung an die eigene alte
Größe ist. Die leichte Verständlichkeit des Lateinischen, die Menge
der noch vorhandenen Erinnerungen und Denkmäler befördert diese
Entwicklung gewaltig. Aus ihr und aus der Gegenwirkung des inzwi-
schen doch anders gewordenen Volksgeistes, der germanisch-langobardi-
schen Staatseinrichtungen, des allgemein europäischen Rittertums, der
übrigen Kultureinflüsse aus dem Norden und der Religion und Kirche
erwächst dann das neue Ganze: der modern italienische Geist, welchem es
bestimmt war, für den ganzen Okzident maßgebendes Vorbild zu werden.
7»
lOO DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Wie sich in der bildenden Kunst das Antike regt, sobald die Barbarei
aufhört, zeigt sich z. B. deutlich bei Anlaß der toskanischen Bauten
Lateinische dcs 12. Und der Skulpturen des 13. Jahrhunderts. Auch in der Dicht-
v°a^rtiter kunst fehlen die Parallelen nicht, wenn wir annehmen dürfen, daß der
größte lateinische Dichter des 12. Jahrhunderts, ja der, welcher für
eine ganze Gattung der damaligen lateinischen Poesie den Ton an-
gab, ein Italiener gewesen sei. Es ist derjenige, welchem die besten
Stücke der sogenannten Carmina Burana angehören. Eine ungehemmte
Freude an der Welt und ihren Genüssen, als deren Schutzgenien die
alten Heidengötter wieder erscheinen, strömt in prachtvollem Fluß
durch die gereimten Strophen. Wer sie in einem Zuge liest, wird die
Ahnung, daß hier ein Italiener, wahrscheinlich ein Lombarde spreche,
kaum abweisen können; es gibt aber auch bestimmte einzelne Gründe
dafür^^*. Bis zu einem gewissen Grade sind diese lateinischen Poesien
der Clerici vagantes des 12. Jahrhunderts allerdings ein gemeinsames
europäisches Produkt, mitsamt ihrer großen auffallenden Frivolität, allein
der, welcher den Gesang de Phyllide et Flora und das Aestuans interius
etc. gedichtet hat, war vermutlich kein Nordländer, und auch der feine
beobachtende Sybarit nicht, von welchem Dum Dianae vitrea sero
Die Renais- lampas oritur (S. 8g) herrührt. Hier ist eine Renaissance der antiken
derMm'en Wcltanschauung, die nur um so klarer in die Augen fällt neben der
mittelalterlichen Reimform. Es gibt manche Arbeit dieses und der näch-
sten Jahrhunderte, welche Hexameter und Pentameter in sorgfältiger
Nachbildung und allerlei antike, zumal mythologische Zutat in den
Sachen aufweist und doch nicht von ferne jenen antiken Eindruck her-
vorbringt. In den hexametrischen Chroniken und anderen Produktionen
von Guglielmus Appulus an begegnet man oft einem emsigen Studium
des Virgil, Ovid, Lucan, Statius und Claudian; allein die antike Form
bleibt bloße Sache der Gelehrsamkeit, gerade wie der antike Stoff bei
Sammelschriftstellern in der Weise des Vincenz von Beauvais oder bei
dem Mythologen und Allegoriker Alanus ab Insulis. Die Renaissance
ist eben nicht stückweise Nachahmung und Aufsammlung, sondern
Wiedergeburt, und eine solche findet sich in der Tat in jenen Gedichten
des unbekannten Clericus aus dem 12. Jahrhundert.
DasAUertiMn Dic großc, allgemeine Parteinahme der Italiener für das Altertum
.1,14. ,a„i. ^^^^ beginnt erst mit dem 14. Jahrhundert. Es war dazu eine Ent-
wicklung des städtischen Lebens notwendig, wie sie nur in Italien und
erst jetzt vorkam: Zusammenwohnen und tatsächliche Gleichheit von
Adligen und Bürgern; Bildung einer allgemeinen Gesellschaft (S. 82),
welche sich bildungsbedürftig fühlte und Muße und Mittel übrig hatte.
Die Bildung aber, sobald sie sich von der Phantasiewelt des Mittel-
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS lOl
alters losmachen wollte, konnte nicht plötzlich durch bloße Empirie
zur Erkenntnis der physischen und geistigen Welt durchdringen, sie
bedurfte eines Führers, und als solchen bot sich das klassische Altertum
dar mit seiner Fülle objektiver, evidenter Wahrheit in allen Gebieten
des Geistes. Man nahm von ihm Form und Stoff mit Dank und Bewun-
derung an; es wurde einstweilen der Hauptinhalt jener Bildung^".
Auch die allgemeinen Verhältnisse Italiens waren der Sache günstig;
das Kaisertum des Mittelalters hatte seit dem Untergang der Hohen-
staufen entweder auf Italien verzichtet oder konnte sich daselbst nicht
halten; das Papsttum war nach Avignon übergesiedelt; die meisten
tatsächlich vorhandenen Mächte waren gewaltsam und illegitim; der
zum Bewußtsein geweckte Geist aber war im Suchen nach einem neuen
haltbaren Ideal begriffen, und so konnte sich das Scheinbild und Postu-
lat einer römisch-italischen Weltherrschaft der Gemüter bemächtigen, nie römische
ja eine praktische Verwirklichung versuchen mit Cola di Rienzo. Wie jchaft"
er, namentlich bei seinem ersten Tribunat, die Aufgabe anfaßte, mußte
es allerdings nur zu einer wunderlichen Komödie kommen, allein für
das Nationalgefühl war die Erinnerung an das alte Rom durchaus
kein wertloser Anhalt. Mit seiner Kultur aufs neue ausgerüstet fühlte
man sich bald in der Tat als die vorgeschrittenste Nation der Welt.
Diese Bewegung der Geister nicht in ihrer Fülle, sondern nur in ihren
äußern Umrissen, und wesentlich in ihren Anfängen zu zeichnen, ist
nun unsere nächste Aufgabe^^.
Vor allem genießt die Ruinenstadt Rom selber jetzt eine andere oie Ruinen
Art von Pietät als zu der Zeit, da die Mirabilia Romae und das Sammel- .1°° .°'"
' Abb. 26Ä-277
werk des Wilhelm von Malmesbury verfaßt wurden. Die Phantasie
des frommen Pilgers wie die des Zaubergläubigen und des Schatz-
gräbers tritt in den Aufzeichnungen zurück neben der des Historikers
und Patrioten. In diesem Sinne wollen Dantes Worte^** verstanden
sein: Die Steine der Mauern von Rom verdienten Ehrfurcht, und der
Boden, worauf die Stadt gebaut ist, sei würdiger als die Menschen
sagen. Die kolossale Frequenz der Jubiläen läßt in der eigentlichen
Literatur doch kaum eine andächtige Erinnerung zurück; als besten
Gewinn vom Jubiläum des Jahres 1300 bringt Giovanni Villani (S. 45)
seinen Entschluß zur Geschichtschreibung mit nach Hause, welchen
der Anblick der Ruinen von Rom in ihm geweckt. Petrarca gibt uns
noch Kunde von einer zwischen klassischem und christlichem Altertum
geteilten Stimmung; er erzählt, wie er oftmals mit Giovanni Colonna
auf die riesigen Gewölbe der Diocletiansthermen hinaufgestiegen^*"; hier,
in der reinen Luft, in tiefer Stille, mitten in der weiten Rundsiclit
redeten sie zusammen, nicht von Geschäften, Hauswesen und Politik,
I02
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Letzte große
Zerstö-
rungen
sondern, mit dem Blick auf die Trümmer ringsum, von der Geschichte,
wobei Petrarca mehr das Altertum, Giovanni mehr die christliche Zeit
vertrat; dann auch von der Philosophie und von den Erfindern der
Künste. Wie oft seitdem bis auf Gibbon und Niebuhr hat diese Ruinen-
welt die geschichtliche Kontemplation geweckt.
Dieselbe geteilte Empfindung offenbart auch noch Fazio degli Uberti
in seinem um 1360 verfaßten Dittamondo, einer fingierten visionären
Reisebeschreibung, wobei ihn der alte Geograph Solinus begleitet wie
Virgil den Dante. So wie sie Bari zu Ehren des S. Nicolaus, Monte Gar-
gano aus Andacht zum Erzengel Michael besuchen, so wird auch in
Rom die Legende von Araceli und die von S. Maria in Trastevere
erwähnt, doch hat die profane Herrlichkeit des alten Rom schon merk-
lich das Übergewicht; eine hehre Greisin in zerrissenem Gewand — es
ist Roma selber — erzählt ihnen die glorreiche Geschichte und schil-
dert umständlich die alten Triumphe'^'; dann führt sie die Fremdlinge
in der Stadt herum und erklärt ihnen die sieben Hügel und eine Menge
Ruinen — che comprender potrai, quanto fui bella! —
Leider war dieses Rom der avignonesischen und schismatischen Päpste
in bezug auf die Reste des Altertums schon bei weitem nicht mehr,
was es einige Menschenalter vorher gewesen war. Eine tödliche Ver-
wüstung, welche den wichtigsten noch vorhandenen Gebäuden ihren
Charakter genommen haben muß, war die Schleifung von 140 festen
Wohnungen römischer Großen durch den Senator Brancaleone um 1258;
der Adel hatte sich ohne Zweifel in den besterhaltenen und höchsten
Ruinen eingenistet gehabt^*^. Gleichwohl blieb noch immer unendlich
viel mehr übrig, als was gegenwärtig aufrecht steht, und .namentlich
mögen viele Reste noch ihre Bekleidung und Inkrustation mit Marmor,
ihre vorgesetzten Säulen und anderen Schmuck gehabt haben, wo jetzt
nur der Kernbau aus Backsteinen übrig ist. An diesen Tatbestand schloß
sich nun der Anfang einer ernsthaften Topographie der alten Stadt an.
In Poggios Wanderung durch Rom^^ ist zum erstenmal das Studium
der Reste selbst mit dem der alten Autoren und mit dem der Inschriften
(welchen er durch alles Gestrüpp hindurch'** nachging) inniger ver-
bunden, die Phantasie zurückgedrängt, der Gedanke an das christliche
Rom geflissentlich ausgeschieden. Wäre nur Poggios Arbeit viel aus-
gedehnter und mit Abbildungen versehen! Er traf noch sehr viel mehr
Erhaltenes an als achtzig Jahre später Raffacl. Er selber hat noch das
Abb. 140 Grabmal der Caccilia Metella und die Säulenfronte eines der Tempel
am Abhang des Kapitols zuerst vollständig und dann später bereits
halbzerstört wiedergesehen, indem der Marmor noch immer den un-
glückseligen Materialwert hatte, leicht zu Kalk gebrannt werden zu
Das Rom
Poggios
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
103
können; auch eine gewaltige Säulenhalle bei der Minerva unterlag
stückweise diesem Schicksal. Ein Berichterstatter vom Jahre 1443 meldet
die Fortdauer dieses Kalkbrennens, „welches eine Schmach ist; denn
die neuern Bauten sind erbärmlich, und das Schöne an Rom sind die
Ruinen^**". Die damaligen Einwohner in ihren Kampagnolenmänteln
und Stiefeln kamen den Fremden vor wie lauter Rinderhirten, und in
der Tat weidete das Vieh bis zu den Banchi hinein; die einzige gesellige
Reunion waren die Kirchgänge zu bestimmten Ablässen; bei dieser
Gelegenheit bekam man auch die schönen Weiber zu sehen.
In den letzten Jahren Eugens IV. (starb 1447) schrieb Blondus von
Forli seine Roma instaurata, bereits mit Benützung des Frontinus und
der alten Regionenbücher, sowie auch (scheint es) des Anastasius. Sein
Zweck ist schon bei weitem nicht bloß die Schilderung des Vorhande-
nen, sondern mehr die Ausmittelung des Untergegangenen. Im Ein-
klang mit der Widmung an den Papst tröstet er sich für den allgemeinen
Ruin mit den herrlichen Reliquien der Heiligen, welche Rom besitze.
Mit Nicolaus V. (1447 — 1455) besteigt derjenige neue monumentale Die Päpsie
Geist, welcher der Renaissance eigen war, den päpstlichen Stuhl. Durch
die neue Geltung und Verschönerung der Stadt Rom als solcher wuchs
nun wohl einerseits die Gefahr für die Ruinen, andererseits aber auch
die Rücksicht für dieselben als Ruhmestitel der Stadt. Pius II. ist ganz Pms 11 ais
erfüllt von antiquarischem Interesse, und wenn er von den Alter-
tümern Roms wenig redet, so hat er dafür denjenigen des ganzen
übrigen Italiens seine Aufmerksamkeit gewidmet und diejenigen der
Umgebung der Stadt in weitem Umfange zuerst genau gekannt und
beschrieben^"*. ^Allerdings interessieren ihn als GeistHchen und Kosmo-
graphen antike und christliche Denkmäler und Naturwunder gleich-
mäßig, oder hat er sich Zwang antun müssen, als er z. B. niederschrieb:
Nola habe größere Ehre durch das Andenken des St. Paulinus als
durch die römischen Erinnerungen und durch den Heldenkampf des
Marcellus? Nicht daß etwa an seinem Reliquienglauben zu zweifeln
wäre, allein sein Geist ist schon offenbar mehr der Forscherteilnahme
an Natur und Altertum, der Sorge für das Monumentale, der geist-
vollen Beobachtung des Lebens zugeneigt. Noch in seinen letzten Jahren
als Papst, podagrisch und doch in der heitersten Stimmung, läßt er sich
auf dem Tragsessel über Berg und Tal nach Tusculum, Alba, Tibur.
Ostia, Falerii, Otriculum bringen und verzeichnet alles, was er gesehen;
er verfolgt die alten Römerstraßen und Wasserleitungen und sucht die
Grenzen der antiken Völkerschaften um Rom zu bestimmen. Bei einem
Ausflug nach Tibur mit dem großen Federigo von Urbino vergeht die
Zeit beiden auf das angenehmste mit Gesprächen über das Altertum
I04
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
und dessen Kriegswesen, besonders über den trojanischen Krieg; selbst
auf seiner Reise zum Kongreß von Mantua (1459) sucht er, wiewohl
vergebens, das von Plinius erwähnte Labyrinth von Clusium und besieht
am IVIincio die sogenannte Villa Virgils. Daß derselbe Papst auch von
den Abbreviatoren ein klassisches Latein verlangte, versteht sich bei-
nahe von selbst; hat er doch einst im neapolitanischen Krieg die Arpi-
naten amnestiert als Landsleute des M. T. Cicero, sowie des C. Marius,
nach welchen noch viele Leute dort getauft waren. Ihm allein als Kenner
und Beschützer konnte und mochte Blondus seine Roma triumphans
zueignen, den ersten großen Versuch einer Gesamtdarstellung des römi-
schen Altertums.
Das Altertum In dicscr Zeit war natürlich auch im übrigen Italien der Eifer für
™Roms *^i^ römischen Altertümer erwacht. Schon Boccaccio^*' nennt die Ruinen-
welt von Bajae ,, altes Gemäuer, und doch neu für moderne Gemüter";
seitdem galten sie als größte Sehenswürdigkeit der Umgegend Neapels.
Schon entstanden auch Sammlungen von Altertümern jeder Gattung.
Ciriaco von Ancona durchstreifte nicht bloß Italien, sondern auch andere
Länder des alten Orbis terrarum und brachte Inschriften und Zeich-
nungen in Menge mit; auf die Frage, warum er sich so bemühe, ant-
wortete er: um die Toten zu erwecken^*®. Die Historien der einzelnen
Städte hatten von jeher auf einen wahren oder fingierten Zusammen-
hang mit Rom, auf direkte Gründung oder Kolonisation von dort aus
hingewiesen^^^; längst scheinen gefällige Genealogen auch einzelne Fa-
milien von berühmten römischen Geschlechtern deriviert zu haben.
Abstammung Dlcs lautctc SO angenehm, daß man auch im Lichte der beginnenden
Römern Kritik dcs 15. Jahrhunderts daran festhielt. Ganz unbefangen redet
Pius IL in Viterbo^'" zu den römischen Oratoren, die ihn um schleunige
Rückkehr bitten: ,,Rom ist ja meine Heimat so gut wie Siena, denn
mein Haus, die Piccolomini, ist vor alters von Rom nach Siena ge-
wandert, wie der häufige Gebrauch der Namen Aeneas und Sylvius
in unserer Familie beweist." Vermutlich hätte er nicht übel Lust gehabt,
ein Julier zu sein. Auch für Paul IL — Barbo von Venedig — wurde
gesorgt, indem man sein Haus, trotz einer entgegenstehenden Abstam-
mung aus Deutschland, von den römischen Ahenobarbus ableitete, die
mit einer Kolonie nach Parma geraten und deren Nachkommen wegen
Partciung nach Venedig ausgewandert seien*'^. Daß die Massimi von
Q^. Fabius Maximus, die Cornaro von den Corneliern abstammen woll-
ten, kann nicht befremden. Dagegen ist es für das folgende 16. Jahr-
hundert eine recht auffallende Ausnahme, daß der Novellist Bandello
sein Geschlecht von vornehmen Ostgoten (I. Nov. 23.) abzuleiten sucht.
Kehren wir nach Rom zurück. Die Einwohner, ,,die sich damals
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
105
Leiche
Römer nannten", gingen begierig auf das Hochgefühl ein, welches ilinen
das übrige Italien entgegenbrachte. Wir werden unter Paul IL, Sixtus IV.
und Alexander VI. prächtige Karnevalsaufzüge stattfinden sehen, welche
das beliebteste Phantasiebild jener Zeit, den Triumph altrömischer
Imperatoren, darstellten. Wo irgend Pathos zum Vorschein kam, mußte
es in jener Form geschehen. Bei dieser Stimmung der Gemüter geschah
es am 18. April 1485, daß sich das Gerücht verbreitete, man habe die Die römische
wunderbar schöne, wohl erhaltene Leiche einer jungen Römerin aus
dem Altertum gefunden^'^. Lombardische Maurer, welche auf einem
Grundstück des Klosters S. Maria nuova, an der Via Appia, außerhalb
der Caecilia Metella, ein antikes Grabmal aufgruben, fanden einen
marmornen Sarkophag angeblich mit der Aufschrift: Julia, Tochter
des Claudius. Das Weitere gehört der Phantasie an: die Lombarden
seien sofort verschwunden samt den Schätzen und Edelsteinen, welche
im Sarkophag zum Schmuck und Geleit der Leiche dienten; letztere
sei mit einer sichernden Essenz überzogen und so frisch, ja so beweglich
gewesen wie die eines eben gestorbenen Mädchens von 15 Jahren;
dann hieß es sogar, sie habe noch ganz die Farbe des Lebens, Augen
und Mund halb offen. Man brachte sie nach dem Konservatoren-
palast auf dem Kapitol, und dahin, um sie zu sehen, begann nun eine
wahre Wallfahrt; viele kamen auch, um sie abzumalen; ,,denn sie war
schön, wie man es nicht sagen noch schreiben kann, und wenn man es
sagte oder schriebe, so würden es, die sie nicht sahen, doch nicht glauben".
Aber auf Befehl Innocenz' VIII. mußte sie eines Nachts vor Porta Pin-
ciana an einem geheimen Ort verscharrt werden; in der Hof halle der
Konservatoren blieb nur der leere Sarkophag. Wahrscheinlich war über
den Kopf der Leiche eine farbige Maske des idealen Stiles aus Wachs
oder etwas ähnlichem modelliert, wozu die vergoldeten Haare, von
welchen die Rede ist, ganz wohl passen würden. Das Rührende an der
Sache ist nicht der Tatbestand, sondern das feste Vorurteil, daß der
antike Leib, den man endlich hier in Wirklichkeit vor sich zu sehen
glaubte, notwendig herrlicher sein müsse als alles, was jetzt lebe.
Inzwischen wuchs die sachliche Kenntnis des alten Rom durch Aus-
grabungen; schon unter Alexander VI. lernte man die sogenannten Gro-
tesken, d. h. die Wand- und Gewölbedekorationen der Alten kennen und
fand in Porto d'Anzio den Apoll vom Bclvedere; unter Julius II. folgten
die glorreichen Auffindungen des Laokoon, der vatikanischen Venus, des
Torso, der Kleopatra u. a. m.^'^; auch die Paläste der Großen und Kar-
dinäle begannen sich mit antiken Statuen und Fragmenten zu füllen.
Für Leo X. unternahm Raffael jene ideale Restauration der ganzen alten
Stadt, von welcher sein (oder Castighones) berühmter Brief spricht*'*.
Die neuen
Aus-
grabungen
I06 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Nach der bittern Klage über die noch immer dauernden Zerstörungen,
namentHch noch unter Julius II., ruft er den Papst um Schutz an für
die wenigen übriggebliebenen Zeugnisse der Größe und Kraft jener
göttlichen Seelen des Altertums, an deren Andenken sich noch jetzt
diejenigen entzünden, die des Höhern fähig seien. Mit merkwürdig
durchdringendem Urteil legt er dann den Grund zu einer vergleichen-
und den Kunstgeschichte überhaupt und stellt am Ende denjenigen Begriff
""" von ,, Aufnahme" fest, welcher seitdem gegolten hat: er verlangt für
jeden Überrest Plan, Aufriß und Durchschnitt gesondert. Wie seit die-
ser Zeit die Archäologie, in speziellem Anscliluß an die geheiligte Welt-
stadt und deren Topographie, zur besondern Wissenschaft heranwuchs,
wie die vitruvianische Akademie wenigstens ein kolossales Programm^'^
Das leonische aufstclltc, kann nicht weiter ausgeführt werden. Hier dürfen wir bei
Leo X. stehenbleiben, unter welchem der Genuß des Altertums sich
mit allen andern Genüssen zu jenem wundersamen Eindruck verflocht,
welcher dem Leben in Rom seine Weihe gab. Der Vatikan tönte von
Gesang und Saitenspiel; wie ein Gebot zur Lebensfreude gingen diese
Klänge über Rom hin, wenn auch Leo damit für sich kaum eben er-
reichte, daß sich Sorgen und Schmerzen verscheuchen ließen, und
wenn auch seine bewußte Rechnung, durch Heiterkeit das Dasein zu
verlängern''*, mit seinem frühen Tode fehlschlug. Dem glänzenden
Bilde des leonischen Rom, wie es Paolo Giovio entwirft, wird man sich
nie entziehen können, so gut bezeugt auch die Schattenseiten sind:
die Knechtschaft der Emporstrebenden und das heimliche Elend der
Prälaten, welche trotz ihrer Schulden standesgemäß leben müssen'",
das Lotteriemäßige und Zufällige von Leos literarischem Mäzenat, end-
Abb. 252 lieh seine völlig verderbliche Geldwirtschaft'"*. Derselbe Ariost, der
diese Dinge so gut kannte und verspottete, gibt doch wieder in der sech-
sten Satire ein ganz sehnsüchtiges Bild von dem Umgang mit den hoch-
gebildeten Poeten, welche ihn durch die Ruinenstadt begleiten würden,
von dem gelehrten Beirat, den er für seine eigene Dichtung dort vor-
fände, endlich von den Schätzen der vatikanischen Bibliothek. Dies,
und nicht die längst aufgegebene Hoffnung auf mediceische Protektion,
meint er, wären die wahren Lockspeisen für ihn, wenn man ihn wieder
bewegen wollte, als ferraresischer Gesandter nach Rom zu gehen.
Ruiuen- Außcr dcm archäologischen Eifer und der feierlich patriotischen Stim-
sentimen - j^^j^g ^gcktcu dic Ruiucu als solche, in und außer Rom, auch schon
eine elegisch-sentimentale. Bereits bei Petrarca und Boccaccio finden
sich Anklänge dieser Art (S. 102); Poggio (102) besucht oft den Tem-
pel der Venus und Roma, in der Meinung, es sei der des Castor
und Pollux, wo einst so oft Senat gehalten worden, und vertieft sich
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS IO7
hier in die Erinnerung an die großen Redner Crassus, Hortensius,
Cicero. Vollkommen sentimental äußert sich dann Pias II. zumal bei
der Beschreibung von Tibur^"', und bald darauf entsteht die erste
ideale Ruinenansicht nebst Schilderung bei Polifilo^'': Trümmer mäch-
tiger Gewölbe und Kolonnaden, durchwachsen von alten Platanen,
Lorbeeren und Zypressen nebst wildem Buschwerk. In der heiligen
Geschichte wird es, man kann kaum sagen wie, gebräuchlich, die Dar-
stellung der Geburt Christi in die möglichst prachtvollen Ruinen eines
Palastes zu verlegen^i. Daß dann endlich die künstliche Ruine zum
Requisit prächtiger Gartenanlagen wurde, ist nur die praktische Äuße-
rung desselben Gefühls.
Unendlich wichtiger aber als die baulichen und überhaupt künstle- Die alten
rischen Reste des Altertums waren natürlich die schriftlichen, griechi- ■,"'°j^^'"
sehe sowohl als lateinische. Man hielt sie ja für Quellen aller Erkennt-
nis im absolutesten Sinne. Das Bücherwesen jener Zeit der großen
Funde ist oft geschildert worden; wir können nur einige weniger be-
achtete Züge hier beifügen^^.
So groß die Einwirkung der alten Schriftsteller seit langer Zeit und
vorzüglich während des 14. Jahrhunderts in Italien erscheint, so war
doch mehr das Längstbekannte in zahlreichere Hände verbreitet als
Neues entdeckt worden. Die gangbarsten lateinischen Dichter, Histori-
ker, Redner und Epistolographen nebst einer Anzahl lateinischer Über-
setzungen nach einzelnen Schriften des Aristoteles, Plutarch und weniger
andern Griechen bildeten wesentlich den Vorrat, an welchem sich die
Generation des Boccaccio und Petrarca begeisterte. Letzterer besaß und
verehrte bekanntlich einen griechischen Homer, ohne ihn lesen zu
können; die erste lateinische Übersetzung der Ilias und Odyssee hat
Boccaccio mit Hilfe eines kalabresischen Griechen, so gut es ging, zu-
stande gebracht. Erst mit dem 15. Jahrhundert beginnt die große Reihe
neuer Entdeckungen, die systematische Anlage von Bibliotheken durch
Kopieren und der eifrigste Betrieb des Übersetzens aus dem Griechi-
schen^**^.
Ohne die Begeisterung einiger damaliger Sammler, welche sich bis Dieselben im
zur äußersten Entbehrung anstrengten, besäßen wir ganz gewiß nur
einen kleinen Teil, zumal der griechischen Autoren, welche auf
unsere Zeit gekommen sind. Papst Nicolaus V. hat sich schon als Mönch
in Schulden gestürzt, um Kodizes zu kaufen oder kopieren zu lassen;
schon damals bekannte er sich offen zu den beiden großen Passionen
der Renaissance: Bücher und Bauten^*. Als Papst hielt er Wort; Ko-
pisten schrieben und Späher suchten für ihn in der halben Welt, Perotto
erhielt für die lateinische Übersetzung des Polybius 500 Dukaten, Gua-
I08 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
rino für die des Strabo looo Goldgulden und sollte noch weitere 500
erhalten, als der Papst zu früh starb. Mit 5000 oder, je nachdem man
rechnete, 9000 Bänden^^ hinterließ er diejenige eigentlich für den Ge-
nie brauch aller Kurialen bestimmte Bibliothek, welche der Grundstock der
^Abb°io''-lo6 Vaticana geworden ist; im Palaste selber sollte sie aufgestellt werden, als
dessen edelste Zier, wie es einst König Ptolemaeus Philadelphus zu
Alcxandrien gehalten. Als er wegen der Pest mit dem Hofe nach Fa-
briano zog, nahm er seine Übersetzer und Kompilatoren dalün mit,
auf daß sie ihm nicht wegstürben.
Die Florentiner Niccolo Niccoli^*, Genosse des gelehrten Freundes-
kreises, welcher sich um den altern Cosimo Medici versammelte, wandte
sein ganzes Vermögen auf Erwerb von Büchern; endlich, da er nichts
mehr hatte, hielten ihm die Medici ihre Kassen offen für jede Summe,
die er zu solchen Zwecken begehrte. Ihm verdankt man die Vervoll-
ständigung des Ammianus Marcellinus, des Cicero de oratore u. a. m.;
er bewog den Cosimo zum Ankauf des trefflichsten Plinius aus einem
Kloster zu Lübeck. Mit einem großartigen Zutrauen lieh er seine
Bücher aus, ließ die Leute auch bei sich lesen, soviel sie wollten, und
unterredete sich mit ihnen über das Gelesene. Seine Sammlung, 800
Bände zu 6000 Goldgulden gewertet, kam nach seinem Tode durch
Cosimos Vermittlung an das Kloster S. Marco mit Bedingung der
Öffentlichkeit.
Poggio Von den beiden großen Bücherfindern Guarino und Poggio ist der
letztere*^', zum Teil als Agent des Niccoli, bekanntlich auch in den
süddeutschen Abteien tätig gewesen, und zwar bei Anlaß des Konzils
von Konstanz. Er fand dort sechs Reden des Cicero und den ersten
vollständigen Quintilian, die Sangaliensische, jetzt Züricher Handschrift;
binnen 32 Tagen soll er sie vollständig, und zwar sehr schön abgeschrie-
ben haben. Den Silius Italiens, Manihus, Lucretius, Val. Flaccus, Ascon.
Pedianus, Columella, Celsus, A. Gellius, Statins u. m. a. konnte er
wesentUch vervollständigen; mit Lionardo Aretino zusammen brachte
er die zwölf letzten Stücke des Plautus zum Vorschein, sowie die Ver-
rinen des Cicero.
Aus antikem Patriotismus sammelte der berühmte Grieche Kardinal
Bessarion^** 600 Kodizes, heidnischen wie christlichen Inhalts, mit un-
geheuren Opfern, und suchte nun einen sichern Ort, wohin er sie stiften
könne, damit seine unglückliche Heimat, wenn sie je wieder frei würde,
ihre verlorene Literatur wiederfinden möchte. Die Signorie von Venedig
(S. 44) erklärte sich zum Bau eines Lokales bereit, und noch heute
bewahrt die Marcusbibliothek einen Teil jener Schätze^*.
Das Zusammenkommen der berühmten mediceischcn Bibliothek hat
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
109
eine ganz besondere Geschichte, auf welche wir hier nicht eingehen
können; der Hauptsammler für Lorenzo magnifico war Johannes Las-
caris. Bekanntlich hat die Sammlung nach der Plünderung des Jahres
1494 noch einmal stückweise durch Kardinal Giovanni Medici (Leo X.)
erworben werden müssen.
Die urbinatische Bibliothek^^" (jetzt im Vatikan) war durchaus die Die
Gründung des großen Federigo von Montefeltro (S. 27), der schon als ^.„^ urbino
Kjiabe zu sammeln begonnen hatte, später beständig 30 bis 40 Skrittori
an verschiedenen Orten beschäftigte und im Verlauf der Zeit über
3000 Dukaten daranwandte. Sie wurde, hauptsächlich mit Hilfe
Vespasianos, ganz systematisch fortgesetzt und vervollständigt, und was
dieser davon berichtet, ist besonders merkwürdig als Idealbild einer
damaligen Bibliothek. Man besaß z. B. in Urbino die Inventarien
der Vaticana, der Bibliothek von S. Marco in Florenz, der viscontini-
schen Bibliothek von Pavia, ja selbst das Inventar von Oxford, und
fand mit Stolz, daß Urbino in der Vollständigkeit der Schriften des
einzelnen Autors jenen vielfach überlegen sei. In der Masse wog viel-
leicht noch das Mittelalter und die Theologie vor; da fand sich der
ganze Thomas von Aquino, der ganze Albertus magnus, der ganze
Bonaventura usw.; sonst war die Bibliothek sehr vielseitig und ent-
hielt z. B. alle irgend beizuschaffenden medizinischen Werke. Unter
den „Moderni" standen die großen Autoren des 14. Jahrhunderts, z. B.
Dante, Boccaccio mit ihren gesamten Werken obenan; dann folgten
25 auserlesene Humanisten, immer mit ihren lateinischen und italieni-
schen Schriften und allem, was sie übersetzt hatten. Unter den griechi-
schen Kodizes überwogen sehr die Kirchen\'äter, doch heißt es bei
den Klassikern u. a. in einem Zuge: alle Werke des Sophokles, alle
Werke des Pindar, alle Werke des Menander — ein Kodex, der offen-
bar frühe^*^ aus Urbino verschwunden sein muß, weil ihn sonst die
Philologen bald ediert haben würden.
Von der Art, wie damals Handschriften und Bibliotheken entstanden, Kopisten und
erhalten wir auch sonst einige Rechenschaft. Der direkte Ankauf eines ,/,,"'
o .•^on. 20J—212
altern Manuskriptes, welches einen raren oder allein vollständigen oder
gar nur einzig vorhandenen Text eines alten Autors enthielt, blieb
natürlich eine seltene Gabe des Glückes und kam nicht in Rechnung.
Unter den Kopisten nahmen diejenigen, welche Griechisch verstanden,
die erste Stelle und den Ehrennamen Scrittori im vorzugsweisen Sinne
ein; es waren und blieben ihrer wenige, und sie wurden hoch bezahlt*'^.
Die übrigen, Copisti schlechtweg, waren teils Arbeiter, die einzig da-
von lebten, teils arme Gelehrte, die eines Nebengewinnes bedurften.
Merkwürdigerweise waren die Kopisten von Rom um die Zeit Nico-
HO DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
laus' V. meist Deutsche und Franzosen^^*, wahrscheinlich Leute, die
etwas bei der Kurie zu suchen hatten und ihren Lebensunterhalt her-
ausschlagen mußten. Als nun z. B. Cosimo Medici für seine Lieblings-
gründung, die Badia unterhalb Fiesole, rasch eine Bibliothek gründen
wollte, ließ er den Vespasiano kommen und erhielt den Rat: auf den
Kauf vorrätiger Bücher zu verzichten, da sich, was man wünsche,
nicht vorrätig finde, sondern schreiben zu lassen; darauf machte Co-
simo einen Akkord mit ihm auf tagtägliche Auszahlung, und Vespasiano
nahm 45 Schreiber und lieferte in 22 Monaten 200 fertige Bände*'*.
Das Verzeichnis, wonach man verfuhr, hatte Cosimo von Nicolaus V.*'^
eigenhändig erhalten. (Natürlich überwog die kirchliche Literatur und
die Ausstattung für den Chordienst weit das übrige.)
Die Handschrift war jene schöne neuitalienische, die schon den An-
blick eines Buches dieser Zeit zu einem Genuß macht, und deren An-
fang schon ins 14. Jahrhundert hinaufreicht. Papst Nicolaus V., Poggio,
Giannozzo Mannetti, Niccolo Niccoli und andere berühmte Gelehrte
waren von Hause aus Kalligraphen und verlangten und duldeten nur
Schönes. Die übrige Ausstattung, auch wenn keine Miniaturen dazu-
kamen, war äußerst geschmackvoll, wie besonders die Kodizes der Lau-
renziana mit ihren leichten linearen Anfangs- und Schlußornamenten
beweisen. Das Material war, wenn für große Herren geschrieben wurde,
immer nur Pergament, der Einband in der Vaticana und zu Urbino
gleichmäßig ein Karmosinsamt mit silbernem Beschläge. Bei einer
solchen Gesinnung, welche die Ehrfurcht vor dem Inhalt der Bücher
durch möglichst edle Ausstattung an den Tag legen wollte, ist es be-
greiflich, daß die plötzlich auftauchenden gedruckten Bücher anfangs
auf Widerstand stießen. Federigo von Urbino ,, hätte sich geschämt",
ein gedrucktes Buch zu besitzen**^.
Bficherdnick Dic müdcn Abschreiber aber — nicht die, welche vom Kopieren
lebten, sondern die vielen, welche ein Buch abschreiben mußten, um
es zu haben — jubelten über die deutsche Erfindung'^'. Für die Ver-
vielfältigung der Römer und dann auch der Griechen war sie in Italien
bald und lange nur hier tätig, doch ging es damit nicht so rasch, als
man bei der allgemeinen Begeisterung für diese Werke hätte denken
sollen. Nach einiger Zeit bilden sich Anfänge der modernen Autors-
und Verlagsverhältnisse,'** und unter Alexander VI. kam die präventive
Zensur auf, indem es jetzt nicht mehr leicht möglich war, ein Buch zu
Abb. .'96 zernichten, wie noch Cosimo sich es von Filclfo ausbedingen konnte'".
Wie sich nun allmähhch, im Zusammenhang mit dem fortschreiten-
den Studium der Sprachen und des Altertums überhaupt, eine Kritik
der Texte bildete, ist sowenig ein Gegenstand dieses Buches als die
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS III
Geschichte der Gelehrsamkeit überhaupt. Nicht das Wissen der Ita-
liener als solches, sondern die Reproduktion des Altertums in Lite-
ratur und Leben muß uns beschäftigen. Doch sei über die Studien
an sich noch eine Bemerkung gestattet.
Die griechische Gelehrsamkeit konzentriert sich wesentlich auf Flo- (Jbersicht des
renz und auf das 15. und den Anfang des 16. Jahrhunderts. Was Petrarca ^tudi^^
und Boccaccio angeregt hatten*'"', scheint noch nicht über die Teilnahme
einiger begeisterten Dilettanten hinausgegangen zu sein; andererseits
starb mit der Kolonie gelehrter griechischer Flüchtlinge auch das Stu-
dium des Griechischen in den 1520er Jahren wcg*°i, und es war ein
rechtes Glück, daß Nordländer (Erasmus, die Estienne, Budeus) sich
desselben inzwischen bemächtigt hatten. Jene Kolonie hatte begonnen
mit Manuel Chrysoloras und seinem Verwandten Johannes, sowie mit
Georg von Trapezunt, dann kamen um die Zeit der Eroberung Kon-
stantinopels und nachher Johannes Argyropulos, Theodor Gaza, Dc-
metrios Chalcondylas, der seine Söhne Theophylos und Basilios zu tüch-
tigen Griechen erzog, Andronikos Kallistos, Markos Musuros und die
Familie der Lascaris, nebst andern mehr. Seit jedoch die Unterwerfung Abb. 199
Griechenlands durch die Türken vollständig war, gab es keinen neuen
gelehrten Nachwuchs mehr, ausgenommen die Söhne der Flüchtlinge
und vielleicht ein paar Candioten und Cyprioten. Daß nun ungefähr
mit dem Tode Leos X. auch der Verfall der griechischen Studien im Dessen frühe
allgemeinen beginnt, hatte wohl zum Teil seinen Grund in einer Ver- " ™*
änderung der geistigen Richtung überhaupt*^^, und in der bereits ein-
getretenen relativen Sättigung mit dem Inhalt der klassischen Literatur;
gewiß ist aber auch die Koinzidenz mit dem Aussterben der gelehrten
Griechen keine ganz zufällige. Das Studium des Griechischen unter den
Italienern selbst erscheint, wenn man die Zeit um 1500 zum Maßstab
nimmt, gewaltig schwunghaft; damals lernten diejenigen Leute griechisch
reden, welche es ein halbes Jahrhundert später noch als Greise konnten,
wie z. B. die Päpste Paul III. und Paul IV. *^^ Gerade diese Art von
Teilnahme aber setzte den Umgang mit geborenen Griechen voraus.
Außerhalb Florenz hatten Rom und Padua fast immer, Bologna,
Ferrara, Venedig, Perugia, Pavia und andere Städte wenigstens zeit-
weise besoldete Lehrer des Griechischen*"*. Unendlich viel verdankte
das griechische Studium der Offizin des Aldo Manucci zu Venedig,
wo die wichtigsten und umfangreichsten Autoren zum erstenmal grie-
chisch gedruckt wurden. Aldo wagte seine Habe dabei; er war ein
Editor und Verleger, wie die Welt wenige gehabt hat.
Daß neben den klassischen Studien auch die orientalischen einen orientalische
ziemlich bedeutenden Umfang gewannen, ist wenigstens hier mit einem S"""™
112 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Worte zu erwähnen. An die dogmatische Polemik gegen die Juden
knüpfte sich zuerst bei Giannozzo Mannetti"^, einem großen florentini-
schen Gelehrten und Staatsmann (t 1459), die Erlernung des Hebräi-
schen und der ganzen jüdischen Wissenschaft; sein Sohn Agnolo mußte
von Kindheit auf Lateinisch, Griechisch und Hebräisch lernen; ja Papst
Nicolaus V. ließ von Giannozzo die ganze Bibel neu übersetzen, indem
die philologische Gesinnung jener Zeit darauf hindrängte, die Vulgata
aufzugeben^"*. Auch sonst nahm mehr als ein Humanist das Hebräische
lange vor Reuchlin mit in seine Studien auf, und Pico della Mirandola
besaß das ganze talmudische und philosophische Wissen eines gelehrten
Rabbiners. Auf das Arabische kam man am ehesten von seiten der
Medizin, welche sich mit den altern lateinischen Übersetzungen der
großen arabischen Ärzte nicht mehr begnügen wollte; den äußern An-
laß boten etwa die venezianischen Konsulate im Orient, welche italie-
nische Ärzte unterhielten. Hieronimo Ramusio, ein venetianischer Arzt,
übersetzte aus dem Arabischen und starb in Damaskus. Andrea Mongajo
von Belluno*"' hielt sich um Avicennas willen lange in Damaskus auf,
lernte das Arabische und emendierte seinen Autor; die venezianische
Regierung stellte ihn dann für dieses besondere Fach in Padua an.
Pico ddia Bei Pico müssen wir hier noch verweilen, ehe wir zu der Wirkung
Mirandola j^^ Humanlsmus im großen übergehen. Er ist der einzige, welcher
Abb. 332 ^ <o «J '
laut und mit Nachdruck die Wissenschaft und Wahrheit aller Zeiten
gegen das einseitige Hervorheben des klassischen Altertums verfochten
hat*"*. Nicht nur Averrhoes und die jüdischen Forscher, sondern auch
die Scholastiker des Mittelalters schätzt er nach ihrem Sachinhalt;
er glaubt, sie reden zu hören: ,,Wir werden ewig leben, nicht in den
Schulen der Silbenstecher, sondern im Kreis der Weisen, wo man
nicht über die Mutter der Andromache oder über die Söhne der Niobe
diskutiert, sondern über die tiefern Gründe göttlicher und mensch-
licher Dinge; wer da nähertritt, wird merken, daß auch die Barbaren
den Geist (Mercurium) hatten, nicht auf der Zunge, aber im Busen."
Im Besitz eines kräftigen, durchaus nicht unschönen Lateins und einer
klaren Darstellung verachtet er den pedantischen Purismus und die
ganze Überschätzung einer entlehnten Form, zumal wenn sie mit Ein-
seitigkeit und Einbuße der vollen großen Wahrheit in der Sache ver-
bunden ist. An ihm kann man inne werden, welche erhabene Wendung
die italienische Philosophie würde genommen haben, wenn nicht die
Gegenreformation das ganze höhere Geistesleben gestört hätte.
Antikisicrung Wer warcn nun diejenigen, welche das hochverehrte Altertum mit
der Bildung ^^^ Gcgcnwart vermittelten und das erstcre zum Hauptinhalt der Bil-
dung der letztern erhoben?
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
113
Es ist eine hundcrtgestaltige Schar, die heute dieses, morgen jenes
Antlitz zeigt; so viel aber wußte die Zeit und wußten sie selbst, daß
sie ein neues Element der bürgerlichen Gesellschaft seien. Als ihre
Vorläufer mögen am ehesten jene vagierenden Kleriker des 12. Jahr-
hunderts gelten, von deren Poesie oben (S. 100 f) die Rede gewesen
ist; dasselbe unstete Dasein, dieselbe freie und mehr als freie Lebens-
ansicht, und von derselben Antikisierung der Poesie wenigstens der
Anfang. Jetzt aber tritt der ganzen wesentlich noch immer geistlichen
und von Geistlichen gepflegten Bildung des Mittelalters eine neue Bil-
dung entgegen, die sich vorzüglich an dasjenige hält, was jenseits des
Mittelalters liegt. Die aktiven Träger derselben werden wichtige Per-
sonen*"*, weil sie wissen, was die Alten gewußt haben, weil sie zu schrei-
ben suchen wie die Alten schrieben, weil sie zu denken und bald auch
zu empfinden beginnen, wie die Alten dachten und empfanden. Die
Tradition, der sie sich widmen, geht an tausend Stellen in die Re-
produktion über.
Es ist von Neuern öfter beklagt worden, daß die Anfänge einer un- ihre Nacb-
gleich selbständigem, scheinbar wesentlich italienischen Bildung, wie
sie um 1300 in Florenz sich zeigten, nachher durch das Humanisten-
wesen so völlig überflutet worden seien*^". Damals habe in Florenz
alles lesen können, selbst die Eseltreiber hätten Dantes Kanzonen ge-
sungen, und die besten noch vorhandenen italienischen Manuskripte
hätten ursprünglich florentinischen Handarbeitern gehört; damals sei
die Entstehung einer populären Enzyklopädie wie der „Tesoro" des
Brunetto Latini möglich gewesen; und dies alles habe zur Grundlage
gehabt eine allgemeine Tüchtigkeit des Charakters, wie sie durch die
Teilnahme an den Staatsgeschäften, durch Handel und Reisen, vor-
züglich durch systematischen Ausschluß alles Müßigganges in Florenz
zur Blüte gebracht worden war. Damals seien denn auch die Floren-
tiner in der ganzen Welt angesehen und brauchbar gewesen, und nicht
umsonst habe Papst Bonifaz VHI. sie in eben jenem Jahre das fünfte
Element genannt. Mit dem stärkern Andringen des Humanismus seit
1400 sei dieser einheimische Trieb verkümmert, man habe fortan die
Lösung jedes Problems nur vom Altertum erwartet und darob die
Literatur in ein bloßes Zitieren aufgehen lassen; ja der Untergang
der Freiheit hänge hiermit zusammen, indem diese Erudition auf einer
Knechtschaft unter der Autorität beruhte, das munizipiale Recht dem
römischen aufopferte und schon deshalb die Gunst der Gewaltherr-
scher suchte und fand.
Diese Anklagen werden uns noch hie und da beschäftigen, wo dann ihre unver-
ihr wahres Maß und der Ersatz für die Einbuße zur Sprache kommen
114
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
wird. Hier ist nur vor allem festzustellen, daß die Kultur des kräftigen
14. Jahrhunderts selbst notwendig auf den völligen Sieg des Humanis-
mus hindrängte und daß gerade die Größten im Reiche des speziell
italienischen Geistes dem schrankenlosen Altertumsbetrieb des 15. Jahr-
hunderts Tür und Tor geöffnet haben.
Dante Vor allem Dante. Wenn eine Reihenfolge von Genien seines Ranges
.jij-rj, jj^ italienische Kultur hätte weiterführen können, so würde sie selbst
bei der stärksten AnfüUung mit antiken Elementen beständig einen
hocheigentümlich nationalen Eindruck machen. Allein Italien und das
ganze Abendland haben keinen zweiten Dante hervorgebracht, und so
war und blieb er derjenige, welcher zuerst das Altertum nachdrücklich
in den Vordergrund des Kulturlebens hereinschob. In der Divina Com-
media behandelt er die antike und die christliche Welt zwar nicht als
gleichberechtigt, doch in beständiger Parallele; wie das frühere Mittel-
alter Typen und Antitypen aus den Geschichten und Gestalten des Alten
und des Neuen Testamentes zusammengestellt hatte, so vereinigt er in
der Regel ein christliches und ein heidnisches Beispiel derselben Tat-
sache*^^. Nun vergesse man nicht, daß die christliche Phantasiewelt und
Geschichte eine bekannte, die antike dagegen eine relativ unbekannte,
vielversprechende und aufregende war und daß sie in der allgemeinen
Teilnahme notwendig das Übergewicht bekommen mußte, als kein
Dante mehr das Gleichgewicht erzwang.
Petrarca Pctrarca lebt in den Gedanken der meisten jetzt als großer italienischer
4bb. 221,222 j^ichter; bei seinen Zeitgenossen dagegen kam sein Ruhm in weit höhe-
rem Grade davon her, daß er das Altertum gleichsam in seiner Person
repräsentierte, alle Gattungen der lateinischen Poesie nachahmte und
Briefe schrieb, welche als Abhandlungen über einzelne Gegenstände des
Altertums einen für uns unbegreiflichen, für jene Zeit ohne Handbücher
aber sehr erklärlichen Wert hatten.
Boccaccio Mit Boccaccio verhält es sich ganz ähnlich; er war 200 Jahre lang in
■"^•'-" ganz Europa berühmt, ehe man diesseits der Alpen viel von seinem
Decamerone wußte, bloß um seiner mythograpliischen, geographischen
und biographischen Sammelwerke in lateinischer Sprache willen. Eines
derselben, ,,De genealogia Deorum", enthält im 14. und 15. Buch einen
merkwürdigen Anhang, worin er die Stellung des jugendlichen Humanis-
mus zu seinem Jahrhundert erörtert. Es darf nicht täuschen, daß er
immerfort nur von der „Poesie" spricht, denn bei näherem Zusehen
wird man bemerken, daß er die ganze geistige Tätigkeit des Poeten-
Philologen meiiit^^. Diese ist es, deren Feinde er auf das schärfste be-
kämpft: die frivolen Unwissenden, die nur für Schlemmen und Prassen
Sinn haben; die sophistischen Theologen, welchen Helikon, der kasta-
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I I5
lische Quell und der Hain des Phöbus als bloße Torheiten erscheinen;
die goldgierigen Juristen, welche die Poesie für überflüssig halten, inso-
fern sie kein Geld verdient; endlich die (in Umschreibung, aber kennt-
lich gezeichneten) Bettelmönche, die gern über Heidentum und Im-
nioralität Klage führen*'^. Darauf folgt die positive Verteidigung, das
Lob der Poesie, namentlich des tiefern, zumal allegorischen Sinnes, den
man ihr überall zutrauen müsse, der wohlberechtigten Dunkelheit, die
dem dumpfen Sinn der Unwissenden zur Abschreckung dienen dürfe.
Und endlich rechtfertigt der Verfasser das neue Verhältnis der Zeit zum Humanismus
Heidentum überhaupt, in klarer Beziehung auf sein gelehrtes Werk*i*. "° "^ ^""'
Anders als jetzt möge es allerdings damals sich verhalten haben, da die
Urkirche sich noch gegen die Heiden verteidigen mußte; heutzutage —
Jesu Christo sei Dank! — sei die wahre Religion erstarkt, alles Heiden-
tum vertilgt, und die siegreiche Kirche im Besitz des feindlichen Lagers;
jetzt könne man das Heidentum fast (fere) ohne Gefahr betrachten und
behandeln. Es ist dasselbe Argument, mit welchem sich dann die ganze
Renaissance verteidigt hat.
Es war also eine neue Sache in der Welt und eine neue Menschen-
klasse, welche dieselbe vertrat. Es ist unnütz, darüber zu streiten, ob
diese Sache mitten in ihrem Siegeslauf hätte stillhalten, sich geflissent-
lich beschränken und dem rein Nationalen ein gewisses Vorrecht hätte
wahren sollen. Man hatte ja keine stärkere Überzeugung als die, daß
das Altertum eben der höchste Ruhm der italienischen Nation sei.
Dieser ersten Generation von Poeten-Philologen ist wesentlich eine Die Poeten-
symbolische Zeremonie eigen, die auch im 15. und 16. Jahrhundert au. .23
nicht ausstirbt, aber ihr höchstes Pathos einbüßt: die Poetenkrönung mit
einem Lorbeerkranz. Ihre Anfänge im Mittelalter sind dunkel, und zu
einem festen Ritual ist sie nie gelangt; es war eine öffentliche Demon-
stration, ein sichtbarer Ausbruch des literarischen Ruhmes*'* und schon
deshalb etwas Wandelbares. Dante z. B. scheint eine halbreligiöse Weihe
im Sinne gehabt zu haben; er wollte über dem Taufstein von San Gio-
vanni, wo er und wie Hunderttausende von florentinischen Kindern ge-
tauft worden war, sich selber den Kranz aufsetzen*'*. Er hätte, sagt sein
Biograph, ruhmeshalber den Lorbeer überall empfangen können, wollte
es aber nirgends als in der Heimat und starb deshalb ungekrönt. Weiter
erfahren wir hier, daß der Brauch bisher ungewöhnlich war und als von
den Griechen auf die alten Römer vererbt galt. Die nächste Reminiszenz
stammte wohl in der Tat von dem nach griechischem Vorbild gestifteten
kapitolinischen Wettkampf der Kitharspieler, Dichter und anderer Künst-
ler, welcher seit Domitian alle fünf Jahre gefeiert worden war und mög-
licherweise den Untergang des Römischen Reiches um einige Zeit über-
8*
I i6 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
lebt hatte. Wenn nun doch nicht leicht wieder einer wagte sich selber
zu krönen, wie es Dante gewollt, so entstand die Frage, welches die
krönende Behörde sei? Albertino Mussato (S. 83) wurde um 1310 zu
Padua vom Bischof und vom Rektor der Universität gekrönt; um Pe-
trarcas Krönung (1341) stritten sich die Universität Paris, welche gerade
einen Florentiner zum Rektor hatte, und die Stadtbehörde von Rom;
ja sein selbstgewähltcr Examinator, König Robert von Anjou, hätte
gern die Zeremonie nach Neapel verlegt, Petrarca jedoch zog die Krö-
nung durch den Senator von Rom auf dem Capitol jeder andern vor.
Einige Zeit blieb diese in der Tat das Ziel des Ehrgeizes; als solches
lockte sie z. B. den Jacobus Pizinga, einen vornehmen sizilischen Beam-
Aospmchdrr tcu*^'. Da crschicn aber Karl IV. in Italien, der sich ein wahres Ver-
Kaiserdaraui gjjyggn daraus machtc, eiteln Menschen und der gedankenlosen Masse
durch Zeremonien zu imponieren. Ausgehend von der Fiktion, daß die
Poetenkrönung einst Sache der alten römischen Kaiser gewesen und also
jetzt die seinige sei, bekränzte er in Pisa den florentinischen Gelehrten
Abh. 2.'9 Zanobi della Strada*i^, zum großen Verdruß Boccaccios (a. a. O.), der
diese laurea pisana nicht als vollgültig anerkennen will. Man konnte in
der Tat fragen, wie der Halbslawe dazu komme, über den Wert italie-
nischer Dichter zu Gerichte zu sitzen. Allein fortan krönten doch reisende
Kaiser bald hier bald dort einen Poeten, worauf im 15. Jahrhundert die
Päpste und andere Fürsten auch nicht mehr zurückbleiben wollten, bis
zuletzt auf Ort und Umstände gar nichts mehr ankam. In Rom erteilte
zur Zeit Sixtus' IV. die Akademie*^^ des Pomponius Laetus von sich aus
Lorbeerkränze. Die Florentiner hatten den Takt, ihre berühmten Hu-
manisten zu krönen, aber erst im Tode; so wurde Carlo Aretino, so
Abb. 237 Lionardo Aretino bekränzt; dem erstem hielt Matteo Palmieri, dem
letztern Gianozzo Mannetti die Lobrede vor allem Volk, in Gegenwart
der Konzilsherren; der Redner stand zu Häupten der Bahre, auf welcher
in seidenem Gewände die Leiche lag*^". Außerdem ist 'Carlo Aretino
durch ein Grabmal (in S. Croce) geehrt worden, welches zu den herr-
lichsten der ganzen Renaissance gehört.
DieUnivcrsi- Dic Eiuwirkung des Altertumes auf die Bildung, wovon nunmehr zu
handeln ist, setzte zunächst voraus, daß der Humanismus sich der Uni-
versitäten bemächtigte. Dies geschah, doch nicht in dem Maße und
nicht mit der Wirkung wie man glauben möchte.
Die meisten Universitäten in Italien*-^ tauchen im Lauf des 13. und
14. Jahrhunderts erst recht empor, als der wachsende Reichtum des
Lebens auch eine strengere Sorge für die Bildung verlangte. Anfangs
hatten sie meist nur drei Profcssuren: des geistlichen und weltlichen
Rechtes und der Medizin; dazu kamen mit der Zeit ein Rhetoriker, ein
täten
Abb. n)8—20X
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I I y
Philosoph und ein Astronom, letzterer in der Regel, doch nicht immer,
identisch mit dem Astrologen. Die Besoldungen waren äußerst verschie-
den; bisweilen wurde sogar ein Kapital geschenkt. Mit der Steigerung
der Bildung trat Wetteifer ein, so daß die Anstalten einander berühmte
Lehrer abspenstig zu machen suchten; unter solchen Umständen soll
Bologna zu Zeiten die Hälfte seiner Staatseinnahmen (20000 Dukaten)
auf die Universität gewandt haben. Die Anstellungen erfolgten in der
Regel nur auf Zeit*^, selbst auf einzelne Semester, so daß die Dozenten
ein Wanderleben führten wie Schauspieler; doch gab es auch lebens-
längliche Anstellungen. Bisweilen versprach man, das an einem Orte
Gelehrte nirgends anderswo mehr vorzutragen. Außerdem gab es auch
unbesoldete, freiwilHge Lehrer.
Von den genannten Stellen war natürlich die des Professors der Rhe- sieUungder
torik vorzugsweise das Ziel des Humanisten; doch hing es ganz davon '^aidbst™
ab, wie weit er sich den Sachinhalt des Altertums angeeignet hatte, um
auch als Jurist, Mediziner, Philosoph oder Astronom auftreten zu können.
Die Innern Verhältnisse der Wissenschaft wie die äußern des Dozenten
waren noch sehr beweglich. Sodann ist nicht zu übersehen, daß einzelne
Juristen und Mediziner weit die höchsten Besoldungen hatten und be-
hielten, erstere hauptsächlich als große Konsulenten des sie besoldenden
Staates für seine Ansprüche und Prozesse. In Padua gab es im 15. Jahr-
hundert eine juridische Besoldung von 1000 Dukaten jährlich^^ und einen
berühmten Arzt wollte man mit 200 Dukaten und dem Recht der Praxis
anstellen*^*, nachdem derselbe bisher in Pisa 700 Goldgulden gehabt
hatte. Als der Jurist Bartolommeo Socini, Professor in Pisa, eine vene-
zianische Anstellung in Padua annahm und dorthin reisen wollte, ver-
haftete ihn die florentinische Regierung und wollte ihn nur gegen eine
Kaution von 18000 Goldgulden freilassen*^*. Schon wegen einer solchen
Wertschätzung dieser Fächer wäre es begreiflich, daß bedeutende Philo-
logen sich als Juristen und Mediziner geltend machten; andererseits
mußte allmählich, wer in irgendeinem Fache etwas vorstellen wollte,
eine starke humanistische Farbe annehmen. Anderweitiger praktischer
Tätigkeiten der Humanisten wird bald gedacht werden.
Die Anstellungen der Philologen als solcher jedoch, wenn auch im
einzelnen Fall mit ziemlich hohen Besoldungen*^^ und Nebenemolumen-
tcn verbunden, gehören im ganzen zu den flüchtigen, vorübergehenden,
so daß ein und derselbe Mann an einer ganzen Reihe von Anstalten
tätig sein konnte. Offenbar liebte man die Abwechselung und hoffte
von jedem Neues, wie dies bei einer im Werden begriffenen, also sehr
von Persönlichkeiten abhängigen Wissenschaft sich leicht erklärt. Es ist
auch nicht immer gesagt, daß derjenige, welcher über alte Autoren liest,
l i8 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
wirklich der Universität der betreffenden Stadt angehört habe; bei der
Leichtigkeit des Kommens und Gehens, bei der großen Anzahl verfüg-
barer Lokale (in Klöstern usw.) genügte auch eine Privatberufung. In
Neben- denselben ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts^', da die Universität
anstauen ^^^ plorcnz ihrco höchsten Glanz erreichte, da die Hofleute Eugens IV.
und vielleicht schon Martins V. sich in den Hörsälen drängten, da Carlo
Aretino und Filelfo miteinander in die Wette lasen, existierte nicht nur
eine fast vollständige zweite Universität bei den Augustinern in S. Spirito,
nicht nur ein ganzer Verein gelehrter Männer bei den Camuldulensern
in den Angeli, sondern auch angesehene Privatleute taten sich zusammen
oder bemühten sich einzeln, um gewisse philologische oder philosophische
Kurse lesen zu lassen für sich und andere. Das philologische und anti-
quarische Treiben in Rom hatte mit der Universität (Sapienza) lange
kaum irgendeinen Zusammenhang und ruhte wohl fast ausschließlich teils
auf besonderer persönlicher Protektion der einzelnen Päpste und Prälaten,
teils auf den Anstellungen in der päpsthchen Kanzlei. Erst unter Leo X.
erfolgte die große Reorganisation der Sapienza, mit 88 Lehrern, worunter
die größten Zelebritäten Italiens auch für die Altertumswissenschaft; der
neue Glanz dauerte aber nur kurze Zeit. — Von den griechischen Lehr-
stühlen in Itahen ist bereits (S. iii) in Kürze die Rede gewesen.
Im ganzen wird man, um die damalige wissenschaftliche Mitteilung
sich zu vergegenwärtigen, das Auge von unsern jetzigen akademischen
Einrichtungen möglichst entwöhnen müssen. Persönlicher Umgang, Dis-
putationen, beständiger Gebrauch des Lateinischen und bei nicht weni-
gen auch des Griechischen, endlich der häufige Wechsel der Lehrer und
die Seltenheit der Bücher gaben den damaligen Studien eine Gestalt,
die wir uns nur mit Mühe vergegenwärtigen können.
Lateinische Lateinische Schulen gab es in allen irgend namhaften Städten, und
Schulen ^^^j, |_^^j weitem nicht bloß für die Vorbildung zu den höhern Studien,
sondern weil die Kenntnis des Lateinischen hier notwendig gleich nach
dem Lesen, Schreiben und Rechnen kam, worauf dann die Logik folgte.
WesentUch erscheint es, daß diese Schulen nicht von der Kirche ab-
hingen, sondern von der städtischen Verwaltung; mehrere waren auch
wohl bloße Privatuntcrnchmungen.
Nun erhob sich aber dieses Schulwesen, unter der Führung einzelner
ausgezeichneter Humanisten, nicht nur zu einer großen rationellen Ver-
vollkommnung, sondern es wurde höhere Erziehung. An die Ausbildung
der Kinder zweier oberitalienischcr Fürstenhäuser schließen sich In-
stitute an, welche in ihrer Art einzig heißen konnten.
Freie Eraie- ^j^ j^^^ Hofc dcs Giovan Franccsco Gonzaga zu Mantua (reg. 1407
hnng:
vittorino bis 1444) trat der herrliche Vittorino da Feltre*^ auf, einer jener Men-
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I ig
sehen, die ihr Dasein einem Zwecke widmen, für welchen sie durch Kraft Abb. 240
und Einsicht im höchsten Grade ausgerüstet sind. Er erzog zunächst die
Söhne und Töchter des Herrscherhauses, und zwar auch von den letztern
eine bis zu wahrer Gelehrsamkeit; als aber sein Ruhm sich weit über
Italien verbreitete und sich Schüler aus großen und reichen Familien von
nahe und ferne meldeten, ließ es der Gonzaga nicht nur geschehen, daß
sein Lehrer auch diese erzog, sondern er scheint es als Ehre für Mantua
betrachtet zu haben, daß es die Erziehungsstätte für die vornehme Welt
sei. Hier zum erstenmal war mit dem wissenschaftlichen Unterricht auch
das Turnen und jede edlere Leibesübung für eine ganze Schule ins
Gleichgewicht gesetzt. Dazu aber kam noch eine andere Schar, in deren
Ausbildung Vittorino vielleicht sein höchstes Lebensziel erkannte: die
Armen und Talentvollen, die er in seinem Hause nährte und erzog ,,per
l'amore di Dio", neben jenen Vornehmen, die sich hier gewöhnen muß-
ten mit dem bloßen Talent unter einem Dache zu wohnen. Der Gonzaga
hatte ihm eigenthch 300 Goldgulden jährlich zu bezahlen, deckte ihm
aber den ganzen Ausfall, welcher oft ebensoviel betrug. Er wußte, daß
Vittorino keinen Heller für sich beiseite legte, und ahnte ohne Zweifel,
daß die Miterziehung der Unbemittelten die stillschweigende Bedingung
sei, unter welcher der wunderbare Mann ihm diente. Die Haltung des
Hauses war streng religiös, wie kaum in einem Kloster.
Mehr auf der Gelehrsamkeit liegt der Akzent bei Guarino von Ve- c.uarino
rona*^*, der 1429 von Nicolö d'Este zur Erziehung seines Sohnes Lionello
nach Ferrara berufen wurde und seit 1436, als sein Zögling nahezu er-
wachsen war, auch als Professor der Beredsamkeit und der beiden alten
Sprachen an der Universität lehrte. Schon neben Lionello hatte er zahl-
reiche andere Schüler aus verschiedenen Gegenden und im eigenen Hause
eine auserlesene Zahl von Armen, die er teilweise oder ganz unterhielt;
seine Abendstunden bis spät waren der Repetition mit diesen gewidmet.
Auch hier war eine Stätte strenger Religion und Sittlichkeit; es hat an
Guarino so wenig wie an Vittorino gelegen, wenn die meisten Humani-
sten ihres Jahrhunderts in diesen Beziehungen kein Lob mehr davon-
trugen. Unbegreiflich ist, wie Guarino neben einer Tätigkeit, wie die
seinige war, noch immerfort Übersetzungen aus dem Greichischen und
große eigene Arbeiten verfassen konnte.
Außerdem kam an den meisten Höfen von Italien die Erziehung der pdnzen
Fürstenkinder wenigstens zum Teil und auf gewisse Jahre in die Hände
der Humanisten, welche damit einen Schritt weiter in das Hofleben
hinein taten. Das Traktatschreiben über die Prinzenerziehung, früher
eine Aufgabe der Theologen, wird jetzt natürlich ebenfalls ihre Sache,
und Aeneas Sylvius hat z. B. zweien jungen deutschen Fürsten vom
erzieher
l-lorentini-
sche Förderer
des
I20 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Hause Habsburg*^'' umständliche Abhandlungen über ihre weitere Aus-
bildung adressiert, worin begreiflicherweise beiden eine Pflege des Hu-
manismus in italienischem Sinne ans Herz gelegt wird. Er mochte wissen,
daß er in den Wind redete, und sorgte deshalb dafür, daß diese Schriften
auch sonst herumkamen. Doch das Verhältnis der Humanisten zu den
Fürsten wird noch insbesondere zu besprechen sein.
Zunächst verdienen diejenigen Bürger, hauptsächlich in Florenz, Be-
achtung, welche aus der Beschäftigung mit dem Altertum ein Hauptziel
ihres Lebens machten und teils selbst große Gelehrte wurden, teils große
Dilettanten, welche die Gelehrten unterstützten. (Vgl. S. 107 f.) Sie sind
namentlich für die Übergangszeit zu Anfang des 15. Jahrhunderts von
höchster Bedeutung gewesen, weil bei ihnen zuerst der Humanismus
praktisch als notwendiges Element des täglichen Lebens wirkte. Erst
nach ihnen haben sich Fürsten und Päpste ernstlich darauf ein-
gelassen.
Von Niccolö Niccoli, von Giannozzo Mannetti ist schon mehrmals die
Rede gewesen. Den Niccolö Niccoli schildert uns Vespasiano als einen
Altertums Mauu, wclchcr auch in seiner äußern Umgebung nichts duldete, was
die antike Stimmung stören konnte. Die schöne Gestalt in langem Ge-
wände, mit der freundlichen Rede, in dem Hause voll herrlicher Alter-
tümer, machte den eigentümhchsten Eindruck; er war über die Maßen
reinlich in allen Dingen, zumal beim Essen; da standen vor ihm auf dem
weißesten Linnen antike Gefäße und kristallene Becher*^i. Die Art, wie
er einen vergnügungssüchtigen jungen Florentiner für seine Interessen
gewinnt*'^, ist gar zu anmutig, um sie hier nicht zu erzählen.
N. Niccoi, Piero de' Pazzi, Sohn eines vornehmen Kaufmanns und zu demselben
Stande bestimmt, schön von Ansehen und sehr den Freuden der Welt
ergeben, dachte an nichts weniger als an die Wissenschaft. Eines Tages,
als er am Palazzo del Podesta*^ vorbeiging, rief ihn Niccoli zu sich heran,
und er kam auf den Wink des hochangesehenen Mannes, obwohl er noch
nie mit demselben gesprochen hatte. Niccoli fragte ihn: wer sein Vater
sei? — er antwortete: Messer Andrea de' Pazzi; — jener fragte weiter:
was sein Geschäft sei? — Piero erwiderte, wie wohl junge Leute tun: ich
lasse mir es wohl sein, attendo a darmi buon tempo. — Niccoli sagte:
als Sohn eines solchen Vaters und mit solcher Gestalt begabt, solltest
du dich schämen, die lateinische Wissenschaft nicht zu kennen, die für
dich eine so große Zierde wäre: wenn du sie nicht erlernst, so wirst du
nicius gelten, und sobald die Blüte der Jugend vorüber ist, ein Mensch
ohne alle Bedeutung (virtü) sein. Als Piero dieses hörte, erkannte er so-
gleich, daß es die Wahrheit sei, und entgegentc: er würde sich gerne
dafür bemühen, wenn er einen Lehrer fände; — Niccoli sagte: dafür
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS 121
lasse du mich sorgen. Und in der Tat schaffte er ihm einen gelehrten
Mann für das Lateinische und für das Griechische, namens Pontano,
welchen Piero wie einen Hausgenossen hielt und mit loo Goldgulden
im Jahr besoldete. Statt der bisherigen Üppigkeit studierte er nun Tag
und Nacht und wurde ein Freund aller Gebildeten und ein großgesinntcr
Staatsmann. Die ganze Äneide und viele Reden des Livius lernte er aus-
wendig, meist auf dem Wege zwischen Florenz und seinem Landhause
zu Trebbio.
In anderm, höhern Sinne vertritt Giannozzo Mannetti*^ das Altertum. « Mannetii
Frühreif, fast als Kind, hatte er schon eine Kaufmannslchrzeit durch-
gemacht und war Buchführer eines Bankiers; nach einiger Zeit aber er-
schien ihm dieses Tun eitel und vergänglich, und er sehnte sich nach
der Wissenschaft, durch welche allein der Mensch sich der Unsterblich-
keit versichern könne; er zuerst vom florentinischen Adel vergrub sich
nun in den Büchern und wurde, wie schon erwähnt, einer der größten
Gelehrten seiner Zeit. Als ihn aber der Staat als Geschäftsträger, Steuer-
beamten und Statthalter (in Pescia und Pistoja) verwandte, versah er
seine Ämter so, als wäre in ihm ein hohes Ideal erwacht, das gemein-
same Resultat seiner humanistischen Studien und seiner Religiosität. Er
exequierte die gehässigsten Steuern, die der Staat beschlossen hatte, und
nahm für seine Mühe keine Besoldung an; als Provinzialvorsteher wies
er alle Geschenke zurück, sorgte für Kornzufuhr, schlichtete rastlos Pro-
zesse und tat überhaupt alles für die Bändigung der Leidenschaften durch
Güte. Die Pistojesen haben nie herausfinden können, welcher von ihren
beiden Parteien er sich mehr zuneige; wie zum Symbol des gemein-
samen Schicksals und Rechtes aller verfaßte er in seinen Mußestunden
die Geschichte der Stadt, welche dann in Purpureinband als Heiligtum
im Stadtpalast aufbewahrt wurde. Bei seinem Weggang schenkte ihm
die Stadt ein Banner mit ihrem Wappen und einen prachtvollen silber-
nen Helm.
Für die übrigen gelehrten Bürger von Florenz in dieser Zeit muß schon vespasiano
deshalb auf Vespasiano (der sie alle kannte) verwiesen werden, weil der
Ton, die Atmosphäre, in welcher er schreibt, die Voraussetzungen, unter
welchen er mit jenen Leuten umgeht, noch wichtiger erscheinen als die
einzelnen Leistungen selbst. Schon in einer Übersetzung, geschweige
denn in den kurzen Andeutungen, auf welche wir hier beschränkt sind,
müßte dieser beste Wert seines Buches verlorengehen. Er ist kein großer
Autor, aber er kennt das ganze Treiben und hat ein tiefes Gefühl von
dessen geistiger Bedeutung.
Wenn man dann den Zauber zu analysieren sucht, durch welchen die D'«^ M<'*ci
Abb. 99
Medici des 15. Jahrhunderts, vor allen Cosimo der Ältere (f 1464) und
122 D'E WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Lorenzo magnifico (f 1492), auf Florenz und auf ihre Zeitgenossen über-
haupt gewirkt haben, so ist neben aller Politik ihre Führerschaft auf dem
Gebiete der damaligen Bildung das Stärkste dabei. Wer in Cosimos
Stellung als Kaufmann und lokales Parteihaupt noch außerdem alles
für sich hat was denkt, forscht und schreibt, wer von Hause aus als der
erste der Florentiner und dazu von Bildungswegen als der größte der
Italiener gilt, der ist tatsächhch ein Fürst. Cosimo besitzt dann den
speziellen Ruhm, in der platonischen Philosophie*^^ die schönste Blüte
der antiken Gedankenwelt erkannt, seine Umgebung mit dieser Erkennt-
nis erfüllt, und so innerhalb des Humanismus eine zweite und höhere
Neugeburt des Altertums ans Licht gefördert zu haben. Der Hergang
wird uns sehr genau überliefert*^*; alles knüpfte sich an die Berufung
des gelehrten Johannes Argyropulos und an den persönlichsten Eifer des
Cosimo in seinen letzten Jahren, so daß, was den Piatonismus betraf,
Abb. 22s der große Marsilio Ficino sich als den geistigen Sohn Cosimos bezeichnen
durfte. Unter Pietro Medici sah sich Ficino schon als Haupt einer
Lorenzo Schulc; ZU ihm ging auch Pietros Sohn, Cosimos Enkel, der erlauchte
TtTllT Lorenzo, von den Peripatetikern über; als seine namhaftesten Mitschüler
Abb. 23S werden genannt Bartolommeo Valori, Donato Acciajuoli und Pierfilippo
Pandolfini. Der begeisterte Lehrer hat an mehreren Stellen seiner Schrif-
ten erklärt, Lorenzo habe alle Tiefen des Piatonismus durchforscht und
seine Überzeugung ausgesprochen, ohne denselben wäre es schwer, ein
guter Bürger und Christ zu sein. Die berühmte Reunion von Gelehrten,
welche sich um Lorenzo sammelte, war durch diesen höhern Zug einer
idealistischen Philosophie verbunden und vor allen andern Vereinigungen
dieser Art ausgezeichnet. Nur in dieser Umgebung konnte ein Pico della
Mirandola sich glücklich fühlen. Das Schönste aber, was sich sagen läßt,
ist, daß neben all diesem Kultus des Altertums hier eine geweihte Stätte
italienischer Poesie war und daß von allen Lichtstrahlen, in die Lorenzos
Persönlichkeit auseinanderging, gerade dieser der mächtigste heißen
darf. Als Staatsmann beurteile ihn jeder wie er mag (S. 66, 73); in die
florentinische Abrechnung von Schuld und Schicksal mischt sich ein
Ausländer nicht, wenn er nicht muß; aber eine ungerechte Polemik gibt
es nicht als wenn man Lorenzo beschuldigt, er habe im Gebiet des Gei-
stes vorzüglich Mediokritäten beschützt und durch seine Schuld seien
Abb. 40S. j.«7 Lionardo da Vinci und der Mathematiker Fra Luca Pacciolo außer
Landes, Toscanella, Vespucci u. a. wenigstens unbefördert geblieben.
Allseitig ist er wohl nicht gewesen, aber von allen Großen, welche je
den Geist zu schützen und zu fördern suchten, einer der vielseitigsten
und derjenige, bei welchem dies vielleicht am meisten Folge eines tiefern
Innern Bedürfnisses war.
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
123
Laut genug pflegt auch unser laufendes Jahrhundert den Wert der DasAitertum
Bildung überhaupt und den des Altertums insbesondere zu proklamieren, ""i^tereir
Aber eine vollkommen enthusiastische Hingebung, ein Anerkennen, daß
dieses Bedürfnis das erste von allen sei, findet sich doch nirgends wie bei
jenen Florentinern des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts. Hiefür
gibt es indirekte Beweise, die jeden Zweifel beseitigen: man hätte nicht
so oft die Töchter des Hauses an den Studien teilnehmen lassen, wenn
letztere nicht absolut als das edelste Gut des Erdenlebens gegolten hätten;
man hätte nicht das Exil zu einem Aufenthalt des Glückes gemacht wie
Palla Strozzi; es hätten nicht Menschen, die sich sonst alles erlaubten,
noch Kraft und Lust behalten die Naturgeschichte des Plinius kritisch
zu behandeln wie Filippo Strozzi^^. Es handelt sich hier nicht um Lob
oder Tadel, sondern um Erkenntnis eines Zeitgeistes in seiner energischen
Eigentümlichkeit.
Außer Florenz gab es noch manche Städte in Italien, wo einzelne
und ganze gesellschaftliche Kreise bisweilen mit Aufwand aller Mittel
für den Humanismus tätig waren und die anwesenden Gelehrten unter-
stützten. Aus den Briefsammlungen jener Zeit kommt uns eine Fülle von
persönlichen Beziehungen dieser Art*** entgegen. Die offizielle Gesinnung
der Höhergebildeten trieb fast ausschließlich nach der bezeichneten
Seite hin.
Doch es ist Zeit, den Humanismus an den Fürstenhöfen ins Auge zu An den fot-
fassen. Die innere Zusammengehörigkeit des Gewaltherrschers mit dem
ebenfalls auf seine Persönlichkeit, auf sein Talent angewiesenen Philo-
logen wurde schon früher (S. 4, 80) angedeutet; der letztere aber zog
die Höfe eingestandenermaßen den freien Städten vor, schon um der
reichhcheren Belohnungen willen. Zu der Zeit, da es schien, als könne
der große Alfons von Aragon Herr von ganz Italien werden, schrieb
Aeneas Sylvius**^ an einen andern Sienesen: ,,wenn unter seiner Herr-
schaft Italien den Frieden bekäme, so wäre mir das lieber als (wenn es)
unter Stadtregierungen (geschähe), denn ein edles Königsgemüt belohnt
jede Trefflichkeit**"." Auch hier hat man in neuester Zeit die unwürdige
Seite, das erkaufte Schmeicheln, zu sehr hervorgehoben, wie man sich
früher von dem Humanistenlob allzu günstig für jene Fürsten stimmen
ließ. Alles in allem genommen bleibt es immer ein überwiegend vorteil-
haftes Zeugnis für letztere, daß sie an der Spitze der Bildung ihrer Zeit
und ihres Landes — wie einseitig dieselbe sein mochte — glaubten stehen
zu müssen. Vollends bei einigen Päpsten**^ hat die Furchtlosigkeit gegen- B<-i den Päp-
über den Konsequenzen der damaligen Bildung etwas unwillkürlich Im-
posantes. Nicolaus V. war beruhigt über das Schicksal der Kirche, weil
Tausendc gelehrter Männer ihr liilfreich zur Seite ständen. Bei Pius IL
124 ^^^ WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
sind die Opfer für die Wissenschaft lange nicht so großartig, sein Poeten-
hof erscheint sehr mäßig, allein er selbst ist noch weit mehr das persön-
liche Haupt der Gelehrtcnrepublik als sein zweiter Vorgänger und ge-
nießt dieses Ruhmes in vollster Sicherheit. Erst Paul II. war mit Furcht
und Mißtrauen gegen den Humanismus seiner Sekretäre erfüllt, und
seine drei Nachfolger, Sixtus, Innocenz und Alexander, nahmen wohl
Dcdikationen an und ließen sich andichten soviel man wollte, — es
gab sogar eine Borgiadc, wahrscheinlich in Hexametern**^ — , waren
aber zu sehr anderweitig beschäftigt und auf andere Stützpunkte ihrer
Gewalt bedacht, um sich viel mit den Poeten-Philologen einzulassen.
Julius II. fand Dichter, weil er selber ein bedeutender Gegenstand war
(S. 70), scheint sich übrigens nicht viel um sie gekümmert zu haben.
Bei Leo X. Da folgtc auf ihu Leo X. ,,wie auf Romulus Numa", d. h. nach dem
'^' Waffenlärm des vorigen Pontifikates hoffte man auf ein ganz den Musen
geweihtes. Der Genuß schöner lateinischer Prosa und wohllautender
Verse gehörte mit zu Leos Lebensprogramm, und soviel hat sein Mäzenat
allerdings in dieser Beziehung erreicht, daß seine lateinischen Poeten in
zahllosen Elegien, Oden, Epigrammen, Sermonen jenen fröhlichen, glän-
zenden Geist der leonischen Zeit, welchen die Biographie des Jovius
atmet, auf bildliche Weise darstellten**^. Vielleicht ist in der ganzen
abendländischen Geschichte kein Fürst, welchen man im Verhältnis zu
den wenigen darstellbaren Ereignissen seines Lebens so vielseitig ver-
herrlicht hätte. Zugang zu ihm hatten die Dichter hauptsächlich um
Mittag, wenn die Saitenvirtuosen aufgehört hatten***; aber einer der
Besten aus der ganzen Schar*** gibt zu verstehen, daß sie ihm auch sonst
auf Schritt und Tritt in den Gärten wie in den innersten Gemächern
des Palastes beizukommen suchten, und wer ihn da nicht erreichte, ver-
suchte es mit einem Bettelbrief in Form einer Elegie, worin der ganze
Olymp vorkam**®. Denn Leo, der kein Geld beisammen sehen konnte
und lauter heitere Mienen zu erblicken wünschte, schenkte auf eine
Weise, deren Andenken sich in den folgenden knappen Zeiten rasch zum
Mythus verklärte**'. Von seiner Reorganisation der Sapienza ist bereits
Leos wahre (S. 1 1 7) die Rede gewesen. Um Leos Einfluß auf den Humanismus nicht
e eutunK ^^ gering zu taxieren, muß man den Blick freihalten von den vielen
Spielereien, die dabei mit unterliefen; man darf sich nicht irremachen
lassen durch die bedenklich scheinende Ironie (S. 90), womit er selbst
diese Dinge bisweilen behandelt; das Urteil muß ausgehen von den
großen geistigen Möglichkeiten, welche in den Bereich der ,, Anregung"
fallen und schlechterdings nicht im ganzen zu berechnen, wohl aber für
die genauere Forschung in manchen einzelnen Fällen tatsächlich nach-
zuweisen sind. Was die italienischen Humanisten seit etwa 1520 auf
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
125
Europa gewirkt haben, ist immer irgendwie von dem Antriebe bedingt,
der von Leo ausging. Er ist derjenige Papst, welcher im Druckprivilcgium
für den neugewonnenen Tacitus*** sagen durfte: Die großen Autoren
seien eine Norm des Lebens, ein Trost im Unglück; die Beförderung der
Gelehrten und der Erwerb trefflicher Bücher habe ihm von jeher als
ein höchstes Ziel gegolten, und auch jetzt danke er dem Himmel, den
Nutzen des Menschengeschlechtes durch Begünstigung dieses Buches be-
fördern zu können.
Wie die Verwüstung Roms 1527 die Künstler zerstreute, so trieb sie
auch die Literaten nach allen Winden auseinander und breitete den
Ruhm des großen verstorbenen Beschützers erst recht bis in die äußersten
Enden Italiens aus.
Von den weltlichen Fürsten des 15. Jahrhunderts zeigt den höchsten Das Altertum
Enthusiasmus für das Altertum Alfons der Große von Aragon, König ^J^AraToi,
von Neapel (S. 20). Es scheint, daß er dabei völlig naiv war, daß die
antike Welt in Denkmälern und Schriften ihm seit seiner Ankunft in
Italien einen großen, überwältigenden Eindruck machte, welchem er
nun nachleben mußte. Wunderbar leicht gab er sein trotziges Aragon
samt Nebenlanden an seinen Bruder auf, um sich ganz dem neuen Be-
sitz zu widmen. Er hatte teils nach-, teils nebeneinander in seinen Dien-
sten"^ den Georg von Trapezunt, den Jüngern Chrysoloras, den Lorenzo
Valla, den Bartolommeo Facio und den Antonio Panormita, welche
seine Geschichtschreiber wurden; der letztere mußte ihm und seinem
Hofe täglich den Livius erklären, auch während der Feldzüge im Lager.
Diese Leute kosteten ihn jährlich über 20000 Goldgulden; dem Facio
schenkte er für die Historia Alphonsi über die 500 Dukaten Jahres-
besoldung am Schluß der Arbeit noch 1500 Goldguiden obendrein, mit
den Worten: „Es geschieht nicht, um Euch zu bezahlen, denn Euer Werk
ist überhaupt nicht zu bezahlen, auch nicht, wenn ich Euch eine meiner
besten Städte gäbe; aber mit der Zeit will ich suchen Euch zufrieden-
zustellen." Als er den Giannozzo Mannetti unter den glänzendsten Be-
dingungen zu seinem Sekretär nahm, sagte er: ,,Mein letztes Brot würde
ich mit Euch teilen." Schon als Gratulationsgesandter von Florenz bei
der Hochzeit des Prinzen Ferrante hatte Giannozzo einen solchen Ein-
druck auf den König gemacht, daß dieser ,,wie ein Erzbild" regungslos
auf dem Throne saß und nicht einmal die Mücken abwehrte. Seine
Licblingsstätte scheint die Bibliothek des Schlosses von Neapel gewesen
zu sein, wo er an einem Fenster mit besonders schöner Aussicht gegen
das Meer saß und den Weisen zuhörte, wenn sie z. B. über die Trinität
diskutierten. Denn er war auch völlig religiös und ließ sich außer Livius Abb. 303. ^oj
und Seneca auch die Bibel vortragen, die er beinah auswendig wußte.
126 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Wer will die Empfindung genau erraten, die er den vermeintlichen Ge-
sein Kultus beincn des Livius zu Padua (S..84) widmete? Als er auf große Bitten
derEnnne- ^^^ ^^^ Venczianem einen Armknochen davon erhielt und ehrfurchts-
rungen
voll zu Neapel in Empfang nahm, mag in seinem Gemüte Christliches
und Heidnisches sonderbar durcheinander gegangen sein. Auf einem
Feldzug in den Abruzzen zeigte man ihm das ferne Sulmona, die Heimat
des Ovid, und er grüßte die Stadt und dankte dem Genius des Ortes;
offenbar tat es ihm wohl, die Weissagung des großen Dichters über seinen
künftigen Ruhm^^" wahr machen zu können. Einmal gefiel es ihm auch,
selber in antiker Weise aufzutreten, nämlich bei seinem berühmten Ein-
zug in das definitiv eroberte Neapel (1443); unweit vom Mercato wurde
eine 40 Ellen weite Bresche in die Mauer gelegt; durch diese fuhr er auf
einem goldenen Wagen wie ein römischer Triumphator*^^. Auch die Er-
innerung hieran ist durch einen herrlichen marmornen Triumphbogen
Abb. 2u im Castello nuovo verewigt. — Seine neapolitanische Dynastie (S. 27)
hat von diesem antiken Enthusiasmus wie von all seinen guten Eigen-
schaften wenig oder nichts geerbt.
Federigo von Ungleich gclchrtcr als Alfonso war Federigo von Urbino*^^, der we-
^i,^\f, niger Leute um sich hatte, gar nichts verschwendete und wie in allen
Dingen so auch in der Aneignung des Altertums planvoll verfuhr. Für
ihn und für Nicolaus V. sind die meisten Übersetzungen aus dem Grie-
chischen und eine Anzahl der bedeutendsten Kommentare, Bearbeitun-
gen u. dgl. verfaßt worden. Er gab viel aus, aber zweckmäßig, an die
Leute, die er brauchte. Von einem Poetenhof war in Urbino keine Rede;
der Herr selber war der Gelehrteste. Das Altertum war allerdings nur
ein Teil seiner Bildung; als vollkommener Fürst, Feldherr und Mensch
bemeisterte er einen großen Teil der damaligen Wissenschaft überhaupt,
und zwar zu praktischen Zwecken, um der Sachen willen. Als Theologe
z. B. verglich er Thomas und Scotus und kannte auch die alten Kirchen-
väter des Orients und Okzidents, erstere in lateinischen Übersetzungen.
Li der Philosophie scheint er den Plato gänzlich seinem Zeitgenossen
Cosimo überlassen zu haben; von Aristoteles aber kannte er nicht nur
Ethik und Politik genau, sondern auch die Physik und mehrere andere
Schriften. In seiner sonstigen Lektüre wogen die sämtlichen antiken
Historiker, die er besaß, beträchtlich vor; diese und nicht die Poeten
,,las er immer wieder und ließ sie sich vorlesen".
Die Sforza Die Sforza**^ sind ebenfalls alle mehr oder weniger gelehrt und er-
weisen sich als Mäzcnaten (S. 23, 26), wovon gelegentlich die Rede ge-
wesen ist. Herzog Francesco mochte bei der Erziehung seiner Kinder
die humanistische Bildung als eine Sache betrachten, die sich schon aus
politischen Gründen von selbst verstehe; man scheint es durchgängig
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS 127
als Vorteil empfunden zu haben, wenn der Fürst mit den Gebildetsten
auf gleichen Fuße verkehren konnte. Lodovico Moro, selber ein treff- au. 27
lieber Latinist, zeigt dann eine Teilnahme an allem Geistigen, die schon
weit über das Altertum hinausgeht (S. 33).
Auch die kleinern Herrscher suchten sich ähnlicher Vorzüge zu be- Die Este
mächtigen und man tut ihnen wohl unrecht, wenn man glaubt, sie
hätten ihre Hofliteraten nur genährt, um von denselben gerühmt zu
werden. Ein Fürst wie Borso von Ferrara (S. 29) macht bei aller Eitel- iw. 35c
keit doch gar nicht mehr den Effekt als erwartete er die Unsterblichkeit
von den Dichtern, so eifrig ihm dieselben mit einer ,, Borseis" u. dgl. auf-
warteten; dazu ist sein Herrschergefühl bei weitem zu sehr entwickelt;
allein der Umgang mit Gelehrten, das Interesse für das Altertum, das
Bedürfnis nach eleganter lateinischer Epistolographie waren von dem
damaligen Fürstentum unzertrennlich. Wie sehr hat es noch der prak-
tisch hochgebildete Herzog Alfonso (S. 30) beklagt, daß ihn die Kränk- Abb. ,}
lichkeit in der Jugend einseitig auf Erholung durch Handarbeit hinge-
wiesen***! Oder hat er sich mit dieser Ausrede doch eher nur die Literaten
vom Leibe gehalten? In eine Seele wie die seinige schauten schon die
Zeitgenossen nicht recht hinein.
Selbst die kleinsten romagnolischen Tyrannen können nicht leicht
ohne einen oder mehrere Hofhumanisten auskommen; der Hauslehrer
und Sekretär sind dann öfter eine Person, welche zeitweise sogar das
Faktotum des Hofes wird***. Man ist mit der Verachtung dieser kleinen
Verhältnisse insgemein etwas zu rasch bei der Hand, indem man ver-
gißt, daß die höchsten Dinge des Geistes gerade nicht an den Maßstab
gebunden sind.
Ein sonderbares Treiben muß jedenfalls an dem Hofe zu Rimini unter sigismondo
dem frechen Heiden und Kondotticre Sigismondo Malatesta geherrscht ^jjV
haben. Er hatte eine Anzahl von Philologen um sich und stattete einzelne
derselben reichlich, z. B. mit einem Landgut aus, während andere als
Offiziere wenigstens ihren Lebensunterhalt hatten**'. In seiner Burg —
arx Sismundea — halten sie ihre oft sehr giftigen Disputationen, in
Gegenwart des ,,rex", wie sie ihn nennen; in ihren lateinischen Dich-
tungen preisen sie natürlich ihn und besingen seine Liebschaft mit der
schönen Isotta, zu deren Ehren eigentlich der berühmte Umbau von
San Francesco in Rimini erfolgte, als ihr Grabdenkmal, Divae Isottae
Sacrum. Und wenn die Philologen sterben, so kommen sie in (oder unter)
die Sarkophage zu liegen, womit die Nischen der beiden Außenwände
dieser nämlichen Kirche geschmückt sind; eine Inschrift besagt dann,
der betreffende sei hier beigesetzt worden zur Zeit, da Sigismundus,
Pandulfus' Sohn herrschte**^. Man würde es heute einem Scheusal, wie
128
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
dieser Fürst war, schwerlich glauben, daß Bildung und gelehrter Um-
gang ihm ein Bedürfnis seien, und doch sagt der, welcher ihn exkom-
munizierte, in effigie verbrannte und bekriegte, nämlich Papst Pius II.:
,,Sigismondo kannte die Historien und besaß eine große Kunde der
Philosophie; zu allem, was er ergriff, schien er geboren*^."
Reproduk-
tion des
Altertums
Epistolo-
graphie
Zu zwei Zwecken aber glaubten Republiken wie Fürsten und Päpste
des Humanisten durchaus nicht entbehren zu können: zur Abfassung
der Briefe und zur öffentlichen, feierlichen Rede.
Der Sekretär muß nicht nur von Stiles wegen ein guter Lateiner sein,
sondern umgekehrt: nur einem Humanisten traut man die Bildung und
Begabung zu, welche für einen Sekretär nötig ist. Und so haben die
größten Männer der Wissenschaft im 15. Jahrhundert meist einen be-
trächtlichen Teil ihres Lebens hindurch dem Staat auf diese Weise ge-
dient. Man sah dabei nicht auf Heimat und Herkunft; von den vier
großen florentinischen Sekretären, die seit 1429 bis 1465 die Feder
führten**®, sind drei aus der Untertanenstadt Arezzo: nämUch Lionardo
(Bruni), Carlo (Marzuppini) und Benedetto Accoldi; Poggio war von
Terra nuova, ebenfalls im florentinischen Gebiet. Hatte man doch schon
lange mehrere der höchsten Stadtämter prinzipiell mit Ausländern be-
setzt. Lionardo, Poggio und Giannozzo Mannctti waren auch zeitweise
Geheimschreiber der Päpste, und Carlo Aretino sollte es werden. Blon-
dus von Forli und trotz allem zuletzt auch Lorenzo Valla rückten in
dieselbe Würde vor. Mehr und mehr zieht der päpstliche Palast seit
Nicolaus V. und Pius IL**" die bedeutendsten Kräfte in seine Kanzlei,
selbst unter jenen sonst nicht literarisch gesinnten letzten Päpsten des
15. Jahrhunderts. In der Papstgeschichte des Piatina ist das Leben
Pauls II. nichts anderes als die ergötzliche Rache des Humanisten an
dem einzigen Papst, der seine Kanzlei nicht zu behandeln verstand,
jenen Verein von ,, Dichtern und Rednern, die der Kurie ebensoviel
Hochgefühl Glanz verliehen, als sie von ihr empfingen". Man muß diese stolzen
Herrn aufbrausen sehen, wann ein Präzedcnzstreit eintritt, wenn z. B.
die Advocati consistoriales gleichen Rang mit ihnen, ja den Vortritt in
Anspruch nehmen*". In einem Zuge wird appelliert an den Evangelisten
Johannes, welchem die Secreta coelestia enthüllt gewesen, an den Schrei-
ber des Porsenna, welchen M. Scävola für den König selber gehalten,
an Mäcenas, welcher Augusts Geheimschreiber war, an die Erzbischöfe,
welche in Deutschland Kanzler heißen usw.**- ,,Die apostolischen Schrei-
ber haben die ersten Geschäfte der Welt in Händen, denn wer anders
als sie schreibt und verfügt in Sachen des katholischen Glaubens, der
Abb. 23}
der päpstli-
chen Kanzlei
Schätzung des
Briefstils
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I29
Bekämpfung der Ketzerei, der Herstellung des Friedens, der Vermitte-
lung zwischen den größten Monarchen? Wer als sie liefert die statisti-
schen Übersichten der ganzen Christenheit? Sie sind es, die Könige,
Fürsten und Völker in Bewunderung versetzen durch das, was von den
Päpsten ausgeht; sie verfassen die Befehle und Instruktionen für die
Legaten; ihre Befehle empfangen sie aber nur vom Papst, und sind der-
selben zu jeder Stunde des Tages und der Nacht gewärtig." Den Gipfel
des Ruhmes erreichten aber doch erst die beiden berühmten Sekretäre
und Stilisten Leos X.: Pietro Bembo und Jacopo Sadoleto. Abb. 243. n6
Nicht alle Kanzleien schrieben elegant; es gab einen ledernen Be- wert
amtenstil in höchst unreinem Latein, welcher die Mehrheit für sich hatte.
Ganz merkwürdig stechen in den mailändischen Aktenstücken, welche
Corio mitteilt, neben diesem Stil die paar Briefe hervor, welche von den ■•<** '95
Mitgliedern des Fürstenhauses selber, und zwar in den wichtigsten Mo-
menten verfaßt sein müssen*^; sie sind von der reinsten Latinität. Den
Stil auch in der Not zu wahren erschien als ein Gebot der guten Lebens-
art und als Folge der Gewöhnung.
Man kann sich denken, wie emsig in jenen Zeiten die Briefsammlungen
des Cicero, Plinius u. a. studiert woirden. Es erschien schon im 15. Jahr-
hundert eine ganze Reihe von Anweisungen und Formularen zum latei-
nischen Briefschreiben, als Seitenzweig der großen grammatikalischen
und lexikographischen Arbeiten, deren Masse in den Bibliotheken noch
heute Erstaunen erregt. Je mehr Unberufene aber mit dergleichen Hilfs-
mitteln sich an die Aufgabe wagten, desto mehr nahmen sich die Vir-
tuosen zusammen, und die Briefe Polizianos und im Beginn des 16. Jahr- Abb. 237
hunderts die des Pietro Bembo erschienen dann als die irgend erreich-
baren Meisterwerke, nicht nur des lateinischen Stiles sondern der Epi-
stolographie als solcher.
Daneben meldet sich mit dem 16. Jahrhundert auch ein klassischer
italienischer Briefstil, wo Bembo wiederum an der Spitze steht. Es ist
eine völlig moderne, vom Lateinischen mit Absicht ferngehaltene
Schreibart, und doch geistig total vom Altertum durchdrungen und
bestimmt.
Viel glänzender noch als der Briefschreiber tritt der Redner*** her- i>>e Redne
vor, in einer Zeit und bei einem Volke, wo das Hören als ein Genuß
ersten Ranges galt und wo das Phantasiebild des römischen Senates und
seiner Redner alle Geister beherrschte. Von der Kirche, bei welcher sie
im Mittelalter ihre Zuflucht gehabt, wird die Eloquenz vollkommen
emanzipiert; sie bildet ein notwendiges Element und eine Zierde jedes
erhöhten Daseins. Sehr viele festliche Augenblicke, die gegenwärtig mit
der Musik ausgefüllt werden, gehörten damals der lateinischen oder
Burckhardt 9
I30
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
italienischen Rede, worüber sich jeder unserer Leser seine Gedanken
machen möge.
Welches Standes der Redner war, galt völlig gleich; man bedurfte vor
allem des virtuosenhaft ausgebildeten humanistischen Talentes. Am Hofe
des Börse von Ferrara hat der Hofarzt, Jeronimo da Castello, sowohl
Friedrich HI. als Pias II. zum Willkomm anreden müssen***; verhei-
ratete Laien besteigen in den Kirchen die Kanzeln bei jedem festlichen
oder Traueranlaß, ja selbst an Heiligenfesten. Es war den außeritalischen
Basler Konzilsherren etwas Neues, daß der Erzbischof von Mailand am
Ambrosiustage den Aeneas Sylvius auftreten ließ, welcher noch keine
Weihe empfangen hatte; trotz dem Murren der Theologen ließen sie
sich es gefallen und hörten mit größter Begier zu***.
Überblicken wir zunächst die wichtigern und häufigem Anlässe des
öffenthchen Redens.
FeierUche Vor allem heißen die Gesandten von Staat an Staat nicht vergebens
Staatsreden Qp^-Qj-gjj. ncbcu dcr gchcimcn Unterhandlung gab es ein unvermeid-
liches Paradestück, eine öffentliche Rede, vorgetragen unter möglichst
pomphaften Umständen**'. In der Regel führte von dem oft sehr zahl-
reichen Personal einer zugestandenermaßen das Wort, aber es passierte
doch dem Kenner Pius IL, vor welchem sich gerne jeder hören lassen
wollte, daß er eine ganze Gesandtschaft, einen nach dem andern, an-
hören mußte**®. Dann redeten gelehrte Fürsten, die des Wortes mächtig
waren, gerne und gut selber, italienisch oder lateinisch. Die Kinder des
Hauses Sforza waren hierauf eingeschult, der ganz junge Galeazzo Maria
sagte schon 1455 im großen Rath zu Venedig ein fließendes Exerzitium
her***, und seine Schwester Ippolita begrüßte den Papst Pius IL auf
dem Kongreß zu Mantua 1459 mit einer zierlichen Rede*'". Pius IL
selbst hat offenbar als Redner in allen Zeiten seines Lebens seiner letzten
Standeserhöhung mächtig vorgearbeitet; als größter kurialer Diplomat
und Gelehrter wäre er vielleicht doch nicht Papst geworden ohne den
Ruhm und den Zauber seiner Beredsamkeit. ,,Denn nichts war erhabener
als der Schwung seiner Rcde*'^." Gewiß galt er für Unzählige schon
deshalb als der des Papsttums Würdigste, bereits vor der Wahl.
Empfangs- Sodaun wurdcu die Fürsten bei jedem feierlichen Empfang angeredet
und zwar oft in stundenlanger Oration. Natürhch geschah dies nur, wenn
der Fürst als Redefreund bekannt war oder dafür gelten wollte, und wenn
man einen genügenden Redner vorrätig hatte, mochte es ein Hofliterat,
Universitätsprofessor, Beamter, Arzt oder Geistlicher sein.
Auch jeder andere politische Anlaß wird begierig ergriffen, und je
nach dem Ruhm des Redners läuft alles herbei, was die Bildung verehrt.
Bei alljährlichen Beamtenernennungen, sogar bei Einführung neuernann-
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
131
ter Bischöfe muß irgendein Humanist auftreten, der bisweilen*"* in sap-
phischen Strophen oder Hexametern spricht; auch mancher neu antre-
tende Beamte selbst muß eine unumgängliche Rede halten über sein
Fach, z. B. ,,über die Gerechtigkeit"; wohl ihm, wenn er darauf geschult
ist. In Florenz zieht man auch die Kondottieren — sie mögen sein wer
und wie sie wollen — in das landesübliche Pathos hinein und läßt sie
bei Überreichung des Feldhermstabes durch den gelehrtesten Staats-
sekretär vor allem Volk haranguieren*'*. Es scheint, daß unter oder an
der Loggia de' Lanzi, der feierhchen Halle, wo die Regierung vor dem
Volke aufzutreten pflegte, eine eigenthche Rednerbühne (rostra, rin-
ghiera) angebracht war. Abb. 104
Von Anniversarien werden besonders die Todestage der Fürsten durch Leichen-
Gedächtnisreden gefeiert. Auch die eigentliche Leichenrede ist vor-
herrschend dem Humanisten anheimgefallen, der sie in der Kirche, in
weltlichem Gewände rezitiert, und zwar nicht nur am Sarge von Für-
sten, sondern auch von Beamten u. a. namhaften Leuten*'*. Ebenso ver-
hält es sich oft mit Verlobungs- und Hochzeitsreden, nur daß diese (wie
es scheint) nicht in der Kirche, sondern im Palast, z. B. die des Filelfo Atb. i^t
bei der Verlobung der Anna Sforza mit Alfonso d'Este im Kastell von
Mailand, gehalten wurden. (Es könnte immerhin in der Palastkapelle
geschehen sein.) Auch angesehene Privatleute ließen sich wohl einen
solchen Hochzeitsredner als vornehmen Luxus gefallen. In Ferrara er-
suchte man bei solchen Anlässen einfach den Guarino*'*, er möchte
einen seiner Schüler senden. Die Kirche als solche besorgte bei Trau-
ungen und Leichen nur die eigentlichen Zeremonien.
Von den akademischen Reden sind die bei Einführung neuer Profes-
soren und die bei KurseröfTnungen*" von den Professoren selbst ge-
haltenen mit dem größten rhetorischen Aufwand behandelt. Der ge-
wöhnliche Kathedervortrag näherte sich ebenfalls oft der eigentlichen
Rede*™. Au-.igs-ioi
Bei den Advokaten gab das jeweilige Auditorium den Maßstab für
die Behandlung der Rede. Je nach Umständen wurde dieselbe mit dem
vollen philologisch-antiquarischen Pomp ausgestattet.
Eine ganz eigene Gattung sind die italienisch gehaltenen Anreden an soidaten-
die Soldaten, teils vor dem Kampf, teils nachher. Federigo von Urbino*"'
war hierfür klassisch; einer Schar nach der andern, wie sie kampfgerüstet
dastanden, flößte er Stolz und Begeisterung ein. Manche Rede in den
Kriegsschriftstellern des 15. Jahrhunderts, z.B. bei Porcellius (S. 59)
möchte nur teilweise fingiert sein, teilweise aber auf wirklich gesprochenen
Worten beruhen. Wieder etwas anderes waren die Anreden an die seit
1506, hauptsächlich auf Machiavellis Betrieb organisierte florentinische
9*
132
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Miliz*^", bei Anlaß der Musterungen und später bei einer besonderen
Jahresfeier. Diese sind von allgemein patriotischem Inhalt; es hielt sie
in der Kirche jedes Quartiers vor den dort versammelten Milizen ein
Bürger im Brustharnisch, mit dem Schwert in der Hand.
Lateinische Endlich ist im 15. Jahrhundert die eigentliche Predigt bisweilen kaum
'^' mehr von der Rede zu scheiden, insofern viele Geistliche in den Bildungs-
kreis des Altertums mit eingetreten waren und etwas darin gelten wollten.
Hat doch selbst der schon bei Lebzeiten heilige, vom Volk angebetete
Abb. 106, n3 Gassenprediger Bernardino da Siena es für seine Pflicht gehalten, den
rhetorischen Unterricht des berühmten Guarino nicht zu verschmähen,
obwohl er nur italienisch zu predigen hatte. Die Ansprüche, zumal an
die Fastenprediger, waren damals ohne Zweifel so groß als je; hier und
da gab es auch ein Auditorium, welches sehr viel Philosophie auf der
Kanzel vertragen konnte und, scheint es, von Bildung wegen verlangte**^.
Doch wir haben es hier mit den vornehmen lateinischen Kasualpredigern
zu tun. Manche Gelegenheit nahmen ihnen, wie gesagt, gelehrte Laien
vom Munde weg. Reden an bestimmten Heiligentagen, Leichen- und
Hochzeitsreden, Einführungen von Bischöfen usw., ja sogar die Rede
bei der ersten Messe eines befreundeten Geistlichen und die Festrede
bei einem Ordenskapitel werden wohl Laien überlassen**^. Doch pre-
digten wenigstens vor dem päpstlichen Hof im 15. Jahrhundert in der
Regel Mönche, welches auch der festliche Anlaß sein mochte. Unter
Sixtus IV. verzeichnet und kritisiert Giacomo da Volterra regelmäßig
diese Festprediger, nach den Gesetzen der Kunst*®*. Fedra Inghirami,
als Festredner berühmt unter Julius IL, hatte wenigstens die geistlichen
Weihen und war Chorherr am Lateran; auch sonst hatte man unter
den Prälaten jetzt elegante Lateiner genug. Überhaupt erscheinen mit
dem 16. Jahrhundert die früher übergroßen Vorrechte der profanen
Humanisten in dieser Beziehung gedämpft wie in andern, wovon unten
ein Weiteres.
EmeueninK Wclchcr Art uud wclchcs Inhaltes waren nun die Reden im großen
und ganzen? Die natürliche Wohlredenheit wird den Itahenern das
Mittelalter hindurch nie gefehlt haben, und eine sogenannte Rhetorik
gehörte von jeher zu den sieben freien Künsten; wenn es sich aber um
die Auferweckung der antiken Methode handelt, so ist dieses Verdienst
nach Aussage des Filippo Villani*®* einem Florentiner Bruno Casini zu-
zuschreiben, welcher nocli in jungen Jahren 1348 an der Pest starb. In
ganz praktischen .•\bsichtcn, um nämlich die Florentiner zum leichten,
gewandten Auftreten in Räten u. a. öffentlichen Versammlungen zu be-
fähigen, behandelte er nach Maßgabe der .\lten die Erfindung, die De-
klamation, Gcstus und Haltung im Zusammenhange. Auch sonst hören
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
133
wir frühe von einer völlig auf die Anwendung berechneten rhetorischen
Erziehung; nichts galt höher, als aus dem Stegreif in elegantem Latein
das jedesmal Passende vorbringen zu können. Das wachsende Studium
von Ciceros Reden und theoretischen Schriften, von Quintilian und den
kaiserUchen Panegyrikem, das Entstehen eigener neuer Lehrbücher^^
die Benützung der Fortschritte der Philologie im allgemeinen und die
Masse der antiken Ideen und Sachen, womit man die eigenen Gedanken
bereichern durfte und mußte, — dies zusammen vollendete den Charak-
ter der neuen Redekunst.
Je nach den Individuen ist derselbe gleichwohl sehr verschieden.
Manche Reden atmen eine wahre Beredsamkeit, namentlich diejenigen,
welche bei der Sache bleiben; von dieser Art ist durchschnittlich was
wir von Pius II. übrig haben. Sodann lassen die Wunder^rirkungen,
welche Giannozzo Mannetti**^ erreichte, auf einen Redner schheßen, wie
es in allen Zeiten wenige gegeben hat. Seine großen Audienzen als Ge-
sandter vor Nicolaus V., vor Dogmen und Rat von Venedig waren Er-
eignisse, deren Andenken lange dauerte. Viele Redner dagegen benützten
den Anlaß, um neben einigen Schmeicheleien für vornehme Zuhörer
eine wüste Masse von Worten und Sachen aus dem Altertum vorzu-
bringen. Wie es möglich war, dabei bis zwei, ja drei Stunden auszu-
halten, begreift man nur, wenn man das starke damalige Sachinteresse
am Altertum und die Mangelhaftigkeit und relative Seltenheit der Be-
arbeitungen — vor der Zeit des allgemeinen Drückens — in Betracht
zieht. Solche Reden hatten noch immer den Wert, welchen wir (S. 114)
manchen Briefen Petrarcas vindiziert haben. Einige machten es aber
doch zu stark. Filelfos meiste Orationen sind ein abscheuliches Durch-
einander von klassischen und biblischen Zitaten, aufgereiht an einer
Schnur von Gemeinplätzen; dazwischen werden die Persönlichkeiten der
zu rühmenden Großen nach irgendeinem Schema, z. B. der Kardinal-
tugenden, gepriesen, und nur mit großer Mühe entdeckt man bei ihm und
andern die wenigen zeitgeschichtlichen Elemente von Wert, welche wirk-
lich darin sind. Die Rede eines Professors und Literaten von Pinacenza
z. B. für den Empfang des Herzogs Galeazzo Maria 1467 beginnt mit
C. Julius Caesar, mischt einen Haufen antiker Zitate mit solchen aus
einem eigenen allegorischen Werk des Verfassers zusammen und schließt
mit sehr indiskreten guten Lehren an den Herrscher**'. Glücklicherweise
war es schon zu spät am Abend, und der Redner mußte sich damit be-
gnügen, seinen Panegyrikus schrifthch zu überreichen. Auch Filelfo hebt
eine Verlobungsrede mit den Worten an: Jener peripatetische Aristoteles
usw.; andere rufen gleich zu Anfang: Publius Cornelius Scipio u. dgl.,
ganz als könnten sie und ihre Zuhörer das Zitieren gar nicht erwarten.
Form und
SacJiinhalt
Die Zitier-
sucht
Fingierte
Reden
Verfall der
Rlnquenz
Abb. 241
lOA DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Mit dem Ende des 15. Jahrhunderts reinigte sich der Geschmack auf ein-
mal, wcsenthch durch das Verdienst der Florentiner; im Zitieren wird
fortan sehr behutsam Maß gehalten, schon weil inzwischen allerlei Nach-
schlagewerke häufiger geworden sind, in welchen der erste Beste das-
jenige vorrätig findet, womit man bis jetzt Fürsten und Volk in Er-
staunen gesetzt.
Da die meisten Reden am Studierpult erarbeitet waren, so dienten
die Manuskripte unmittelbar zur weitern Verbreitung und Veröffent-
lichung. Großen Stegreifrednern dagegen mußte nachstenographiert
werden*^. — Ferner sind nicht alle Orationen, die wir besitzen, auch
nur dazu bestimmt gewesen, wirklich gehalten zu werden; so ist z. B.
der Panegyricus des altern Bcroaldus auf Lodovico Moro ein bloß schrift-
lich eingesandtes Werk***. Ja, wie man Briefe mit imaginären Adressen
nach allen Gegenden der Welt komponierte als Exerzitium, als Formu-
lare, auch wohl als Tendenzschriften, so gab es auch Reden auf erdich-
tete Anlässe**", als Formulare für Begrüßung großer Beamten, Fürsten
und Bischöfe u. dgl. m.
Auch für die Redekunst gilt der Tod Leos X. (1521) und die Ver-
wüstung von Rom (1527) als der Termin des Verfalls. Aus dem Jammer
der ewigen Stadt kaum geflüchtet, verzeichnet Giovio**^ einseitig und
doch wohl mit überwiegender Wahrheit die Gründe dieses Verfalls:
„Die Aufführungen des Plautus und Terenz, einst eine Übungsschule
des lateinischen Ausdruckes für die vornehmen Römer, sind durch
italienische Komödien verdrängt. Der elegante Redner findet nicht
mehr Lohn und Anerkennung wie früher. Deshalb arbeiten z. B. die
Konsistorialadvokaten an ihren Vorträgen nur noch die Proömien aus
und geben den Rest als trüben Mischmasch nur noch stoßweise von sich.
Auch Kasualreden und Predigten sind tief gesunken. Handelt es sich
um die Leichenrede für einen Kardinal oder weltlichen Großen, so
wenden sich die Testamentsexekutoren nicht an den trefflichsten Red-
ner der Stadt, den sie mit hundert Goldstücken honorieren müßten,
sondern sie mieten um ein Geringes einen hergelaufenen kecken Pe-
danten, der nur in den Mund der Leute kommen will, sei es auch durch
den schlimmsten Tadel. Der Tote, denkt man, spüre ja nichts davon,
wenn ein Affe in Trauergewand auf der Kanzel steht, mit weinerlichem
heiserm Gemurmel beginnt und allmählich ins laute Gebell übergeht.
Auch die festlichen Predigten bei den päpstlichen Funktionen werfen
keinen rechten Lohn mehr ab; Mönche von allen Orden haben sich
wieder derselben bemächtigt und predigen wie für die ungebildetsten
Zuhörer. Noch vor wenigen Jahren konnte eine solche Predigt bei der
Messe in Gegenwart des Papstes der Weg zu einem Bistum werden."
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I35
An die Epistolographie und die Redekunst der Humanisten schließen Die Abband-
wir hier noch ihre übrigen Produktionen an, welche zugleich mehr '™^
oder weniger Reproduktionen des Altertums sind.
Hierher gehört zunächst die Abhandlung in unmittelbarer oder in
dialogischer Form*^, welche letztere man direkt von Cicero herüber-
nahm. Um dieser Gattung einigermaßen gerecht zu werden, um sie
nicht als Quelle der Langenweile von vornherein zu verwerfen, muß
man zweierlei erwägen. Das Jahrhundert, welches dem Mittelalter ent-
rann, bedurfte in vielen einzelnen Fragen moralischer und philosophi-
scher Natur einer speziellen Vermittlung zwischen sich und dem Alter-
tum, und diese Stelle nahmen nun die Traktat- und Dialogschreiber
ein. Vieles, was uns in ihren Schriften als Gemeinplatz erscheint, war
für sie und ihre Zeitgenossen eine mühsam neu errungene Anschauung
von Dingen, über welche man sich seit dem Altertum noch nicht wieder
ausgesprochen hatte. Sodann hört sich die Sprache hier besonders gerne
selber zu — gleichviel ob die lateinische oder die itahenische. Freier
und vielseitiger als in der historischen Erzählung oder in der Oration
und in den Briefen bildet sie hier ihr Satzwerk, und von den italieni-
schen Schriften dieser Art gelten mehrere bis heute als Muster der
Prosa. Manche von diesen Arbeiten wurden schon genannt oder wer-
den noch angeführt werden ihres Sachinhalts wegen; hier mußte von
ihnen als Gesamtgattung die Rede sein. Von Petrarcas Briefen und
Traktaten an bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts wiegt bei den meisten
auch hier das Aufspeichern antiken Stoffes vor, wie bei den Rednern;
dann klärt sich die Gattung ab, zumal im Italienischen, und erreicht
mit den Asolani des Bembo, mit der Vita Sobria des Luigi Cornaro am- 246. 349
die volle Klassizität. Auch hier war es entscheidend, daß jener antike
Stoff inzwischen sich in besondern großen Sammelwerken, jetzt sogar
gedruckt, abzulagern begonnen hatte und dem Traktatschreiber nicht
mehr im Wege war.
Ganz unvermeidhch bemächtigte sich der Humanismus auch der Lateinische
Geschichtschreibung. Bei flüchtiger Vergleichung dieser Historien mit ^ehreibung
den frühem Chroniken, namentlich mit so herrlichen, farbenreichen,
lebensvollen Werken wie die der Villani wird man dies laut beklagen.
Wie abgeblaßt und konventionell zierlich erscheint neben diesen alles,
was die Humanisten schreiben, und zwar z. B. gerade ihre nächsten
und berühmtesten Nachfolger in der Historiographie von Florenz, Lio-
nardo Aretino und Poggio. Wie unablässig plagt den Leser die Ahnung,
daß zwischen den livianischen und den cäsarischen Phrasen eines Fa-
cius, Sabellicus, Folieta, Senarega, Piatina (in der mantuanischen Ge-
schichte), Bembo (in den Annalen von Venedig) und selbst eines Giovio
igG DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
(in den Historien) die beste individuelle und lokale Farbe, das Interesse
am vollen wirklichen Hergang Not gelitten habe. Das Mißtrauen wächst,
Abb. 2os wenn man inne wird, daß der Wert des Vorbildes Livius selbst am un-
rechten Orte gesucht wurde, nämlich*^' darin, daß er „eine trockene
und blutlose Tradition in Anmut und Fülle verwandelt" habe; ja man
findet (eben da) das bedenkliche Geständnis, die Geschichtschreibung
müsse durch Stilmittel den Leser aufregen, reizen, erschüttern — gerade
als ob sie die Stelle der Poesie vertreten könnte. Man fragt sich endlich,
ob nicht die Verachtung der modernen Dinge, zu welcher diese näm-
lichen Humanisten sich bisweilen*'* offen bekennen, auf ihre Behand-
lung derselben einen ungünstigen Einfluß haben mußte? Unwillkürlich
wendet der Leser den anspruchslosen lateinischen und italienischen
Annalisten, die der alten Art treu geblieben, z. B. denjenigen von
Bologna und Ferrara, mehr Teilnahme und Vertrauen zu, und noch
viel dankbarer fühlt man sich den bessern unter den italienisch schrei-
benden eigentlichen Chronisten verpflichtet, einem Marin Sanudo, einem
Abb. ig^ Corio, einem Infessura, bis dann mit dem Anfang des 1 6. Jahrhunderts
die neue glanzvolle Reihe der großen italienischen Geschichtschreiber
in der Muttersprache beginnt.
Absoluter In dcr Tat war die Zeitgeschichte unwidersprechlich besser daran,
wenn sie sich in der Landessprache erging, als wenn sie sich latinisieren
mußte. Ob auch für die Erzählung des Längstvergangenen, für die ge-
schichtliche Forschung das Italienische geeigneter gewesen wäre, ist
eine Frage, welche für jene Zeit verschiedene Antworten zuläßt. Das
Lateinische war damals die Lingua franca der Gelehrten lange nicht
bloß im internationalen Sinn, z. B. zwischen Engländern, Franzosen
und Italienern, sondern auch im interprovinzialen Sinne, d. h. der
Lombarde, der Venezianer, der Neapolitaner wurden mit ihrer italieni-
schen Schreibart — auch wenn sie längst toskanisiert war und nur noch
schwache Spuren des Dialektes an sich trug — von dem Florentiner
nicht anerkannt. Dies wäre zu verschmerzen gewesen bei örtlicher Zeit-
geschichte, die ihrer Leser an Ort und Stelle sicher war, aber nicht so
leicht bei der Geschichte der Vergangenheit, für welche ein weiterer
Leserkreis gesucht werden mußte. Hier durfte die lokale Teilnahme
des Volkes der allgemeinen der Gelehrten aufgeopfert werden. Wie
weit wäre z. B. Blondus von Forll gelangt, wenn er seine großen gelehrten
Werke in einem halbroinagnolischen Italienisch verfaßt hätte? Dieselben
wären einer sichern Obskurität verfallen schon um der Florentiner
willen, während sie lateinisch die allergrößte Wirkung auf die Gelehr-
samkeit des ganzen Abendlandes ausübten. Und auch die Florentiner
selbst schricl)en ja im 15. Jahrhundert lateinisch, nicht bloß weil sie
Wert des La
teinischen
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
137
humanistisch dachten, sondern zugleich um der leichtern Verbreitung
willen.
EndUch gibt es auch lateinische Darstellungen aus der Zeitgeschichte, Monographie
welche den vollen Wert der tixfflichsten italienischen haben. Sobald "" '.°^^'
pnie
die nach Livdus gebildete fortlaufende Erzählung, das Prokrustesbett
so mancher Autoren, aufhört, erscheinen dieselben wie umgewandelt.
Jener nämliche Piatina, jener Giovio, die man in ihren großen Geschichts- Abb. 233, .-^
werken nur verfolgt, soweit man muß, zeigen sich auf einmal als aus-
gezeichnete biographische Schilderer. Von Tristan Caracciolo, von dem
biographischen Werke des Facius, von der venezianischen Topographie
des Sabellico usw. ist schon beiläufig die Rede gewesen, und auf andere
werden wir noch kommen.
Die lateinischen Darstellungen aus der Vergangenheit betrafen natür-
lich vor allem das klassische Altertum. Was man aber bei diesen Hu-
manisten weniger suchen würde, sind einzelne bedeutende Arbeiten .\rbeitenuber
über die allgemeine Geschichte des Mittelalters. Das erste bedeutende <^''^'^"^'
*~' alter
Werk dieser Art war die Chronik des Matteo Palmieri, beginnend, Abb. 23?
wo Prosper Aquitanus aufhört. Wer dann zufällig die Dekaden des
Blondus von Forli öffnet, wird einigermaßen erstaunen, wenn er hier
eine Weltgeschichte „ab inclinatione Romanorum imperii" wie bei
Gibbon findet, voll von Qiiellenstudien der Autoren jedes Jahrhunderts,
wovon die ersten 3000 Folioseiten dem frühern Mittelalter bis zum Tode
Friedrichs II. angehören. Und dies, während man sich im Norden
noch auf dem Standpunkte der bekannten Papst- und Kaiserchroniken
und des Fasciculus temporum befand. Es ist hier nicht unsere Sache,
kritisch nachzuweisen, welche Schriften Blondus im einzelnen benützt
hat und wo er sie beisammen gefunden; in der Geschichte der neuem
Historiographie aber wird man ihm diese Ehre wohl einmal erweisen
müssen. Schon um dieses einen Buches willen wäre man berechtigt
zu sagen: das Studium des Altertums allein hat das des Mittelalters
mögüch gemacht; jenes hat den Geist zuerst an objektives geschicht-
liches Interesse gewöhnt. Allerdings kam hinzu, daß das Mittelalter
für das damalige Italien ohnehin vorüber war und daß der Geist es
erkennen konnte, weil es nun außer ihm lag. Man kann nicht sagen,
daß er es sogleich mit Gerechtigkeit oder gar mit Pietät beurteilt habe;
in den Künsten setzt sich ein starkes Vorurteil gegen seine Hervor-
bringungen fest, und die Humanisten datieren von ihrem eigenen Auf-
kommen an eine neue Zeit: „Ich fange an''', sagt Boccaccio*'^ „zu
hoflTen und zu glauben, Gott habe sich des italienischen Namens er-
barmt, seit ich sehe, daß seine reiche Güte in die Brust der Itafiencr
wieder Seelen senkt, die denen der Alten gleichen, insofern sie den
138
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Ruhm auf andern Wegen suchen als durch Raub und Gewalt, nämlich
Anfänge der auf dcm Pfadc dcr unvergänghch machenden Poesie." Aber diese ein-
'^""'' scitige und unbillige Gesinnung schloß doch die Forschung bei den
Höherbegabten nicht aus zu einer Zeit, da im übrigen Europa noch
nicht davon die Rede war; es bildete sich für das Mittelalter eine ge-
schichtliche Kritik, schon weil die rationelle Behandlung aller Stoffe
bei den Humanisten auch diesem historischen Stoffe zugute kommen
mußte. Im 15. Jahrhundert durchdringt dieselbe bereits die einzelnen
Städtegeschichten so weit, daß das späte wüste Fabelwerk aus der
Urgeschichte von Florenz, Venedig, Mailand usw. verschwindet, wäh-
rend die Chroniken des Nordens sich noch lange mit jenen poetisch
meist wertlosen, seit dem 13. Jahrhundert ersonnenen Phantasiegespin-
sten schleppen müssen.
Den engen Zusammenhang der örtlichen Geschichte mit dem Ruhm
haben wir schon oben bei Anlaß von Florenz (S. 45) berührt. Venedig
durfte nicht zurückbleiben; so wie etwa eine venezianische Gesandt-
schaft nach einem großen florentinischen Rednertriumph"* eilends nach
Hause schreibt, man möchte ebenfalls einen Redner schicken, so be-
dürfen die Venezianer auch einer Geschichte, welche mit den Werken
des Lionardo Aretino und Poggio die Vergleichung aushalten soll. Unter
solchen Voraussetzungen entstanden im 15. Jahrhundert die Dekaden
des Sabellico, im 16. die Historia rerum venetarum des Pietro Bembo,
beide Arbeiten in ausdrückUchem Auftrag der Republik, letztere als
Fortsetzung der erstem.
Italienische Die großen florentinischen Geschichtschreiber zu Anfang des 15. Jahr-
Gescbiciit- j^ujjjjgi-ts (S. 4q) sind dann von Hause aus ganz andere Menschen als
Schreibung ^ ^J/ o
die Lateiner Giovio und Bembo. Sie schreiben italienisch, nicht bloß
weil sie mit der raffinierten Eleganz der damaligen Ciceronianer nicht
mehr wetteifern können, sondern weil sie, wie Macchiavelli, ihren Stoff
als einen durch lebendige Anschauung*^' gewonnenen auch nur in
unmittelbarer Lebensform wiedergeben mögen und weil ihnen, wie
Abb. 23s. 240 Guicciardini, Varchi und den meisten übrigen, die möglichst weite
und tiefe Wirkung ihrer Ansicht vom Hergang der Dinge am Herzen
liegt. Selbst wenn sie nur für wenige Freunde schreiben, wie Francesco
Vcttori, so müssen sie doch aus innerm Drange Zeugnis geben für Men-
schen und Ereignisse, und sich erklären und rechtfertigen über ihre
Teilnahme an den letztern.
Und dabei erscheinen sie, bei aller Eigentümlichkeit ihres Stiles und
ihrer Sprache, doch auf das stärkste vom Altertum berührt und ohne
dessen Einwirkung gar nicht denkbar. Sie sind keine Humanisten mehr,
allein sie sind durch den Humanismus hindurchgegangen und haben
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
139
vom Geist der antiken Geschichtschrcibung mehr an sich als die meisten
jener Hvianischen Latinisten: es sind Bürger, die für Bürger schreiben,
wie die Alten taten.
In die übrigen Fachwissenschaften hinein dürfen wir den Humanis- DasAitertum
mus nicht begleiten; jede derselben hat ihre Spezialgeschichte, in wel- ■^■'■^"s^™^""^
fJ ' J r o 5 Voraus-
eher die italienischen Forscher dieser Zeit, hauptsächlich vermöge des seumg
von ihnen neu entdeckten Sachinhaltes des Altertums*'^, einen großen
neuen Abschnitt bilden, womit dann jedesmal das moderne Zeitalter
der betreffenden Wissenschaft beginnt, hier mehr, dort weniger ent-
schieden. Auch für die Pliilosophie müssen wir auf die besondem histo-
rischen Darstellungen verweisen. Der Einfluß der alten Philosophen
auf die italienische Kultur erscheint dem Blicke bald ungeheuer groß,
bald sehr untergeordnet. Ersteres besonders, wenn man nachrechnet,
wie die Begriffe des Aristoteles, hauptsächlich aus seiner frühverbreite-
ten Ethik*** und Politik, Gemeingut der Gebildeten von ganz Italien
wurden und wie die ganze Art des Abstrahierens von ihm beherrscht
war*"". Letzteres dagegen, wenn man die geringe dogmatische Wirkung
der alten Philosophen und selbst der begeisterten florentinischen Pla-
toniker auf den Geist der Nation erwägt. Was wie eine solche Wirkung
aussieht, ist in der Regel nur ein Niederschlag der Bildung im allgemei-
nen, eine Folge speziell italienischer Geistesentwicklungen. Bei Anlaß
der Religion wird hierüber noch einiges zu bemerken sein. Weit in
den meisten Fällen aber hat man es nicht einmal mit der allgemeinen
Bildung, sondern nur mit der Äußerung einzelner Personen oder ge-
lehrter Kreise zu tun, und selbst hier müßte jedesmal unterschieden
werden zwdschen wahrer Aneignung antiker Lehre und bloßem mode-
mäßigem Mitmachen. Denn für viele war das Altertum überhaupt
nur eine Mode, selbst für solche, die darin sehr gelehrt wurden.
Indes braucht nicht alles, was unserm Jahrhundert als Affektation Antikisicnmg
erscheint, damals wirklich affektiert gewesen zu sein. Die Anwendung
griechischer und römischer Namen als Taufnamen z. B. ist noch immer
viel schöner und achtungswerter als die heute beliebte von (zumal
weiblichen) Namen, die aus Romanen stammen. Sobald die Begeiste-
rung für die alte Welt größer war als die für die Heiligen, erscheint
es ganz einfach und natürlich, daß ein adliges Geschlecht seine Söhne
Agamemnon, Achill und Tydeus taufen ließ*"!, daß der Maler seinen
Sohn Apelles nannte und seine Tochter Minerva*"*. Auch soviel wird
sich wohl verteidigen lassen, daß statt eines Hausnamens, welchem
man überhaupt entrinnen wollte, ein wohllautender antiker angenom-
men wurde. Einen Heimatsnamen, der alle Mitbürger mit bezeichnete
und noch gar nicht zum Familiennamen geworden war, gab man ge-
der Nameu
Antike Um-
schreibung
vieler Dinge
Alleinherr-
schaft des
Lateinischen
Abb. 224
140 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
wiß um so lieber auf, wenn er zugleich als Heiligenname unbequem
wurde; Filippo da S. Gemignano nannte sich Callimachus. Wer von
der Familie verkannt und beleidigt sein Glück als Gelehrter in der
Fremde machte, der durfte sich, auch wenn er ein Sanseverino war,
mit Stolz zum Julius Pomponius Laetus umtaufen. Auch die reine
Übersetzung eines Namens ins Lateinische oder ins Griechische (wie
sie dann in Deutschland fast ausschließlich Brauch wurde) mag man
einer Generation zugute halten, welche lateinisch sprach und schrieb
und nicht bloß deklinable, sondern leicht in Prosa und Vers mitglei-
tende Namen brauchte. Tadelhaft und oft lächerlich war erst das
halbe Ändern eines Namens, bis er einen klassischen Klang und einen
neuen Sinn hatte, sowohl Taufnamen als Zunamen. So wurde aus
Giovanni Jovianus oder Janus, aus Pietro Pierius oder Petreius, aus
Antonio Aonius u. dgl., sodann aus Sannazaro Syncerus, aus Luca
Grasso Lucius Crassus usw. Ariosto, der sich über diese Dinge so spöt-
tisch ausläßt^"^, hat es dann noch erlebt, daß man Kinder nach seinen
Helden und Heldinnen benannte^"*.
Auch die Antikisierung vieler Lebensverhältnisse, Amtsnamen, Ver-
richtungen, Zeremonien usw. in den lateinischen Schriftstellern darf
nicht zu strenge beurteilt werden. Solange man sich mit einem einfachen,
fließenden Latein begnügte, wie dies bei den Schriftstellern etwa von
Petrarca bis auf Aeneas Sylvius der Fall war, kam dies allerdings nicht
in auffallender Weise vor, unvermeidlich aber wurde es, seit man nach
einem absolut reinen, zumal ciceronischen Latein strebte. Da fugten
sich die modernen Dinge nicht mehr in die Totalität des Stiles, wenn
man sie nicht künstlich umtaufte. Pedanten machten sich nun ein
Vergnügen daraus, jeden Stadtrat als Patres conscripti, jedes Nonnen-
kloster als Virgines Vestales, jeden Heiligen als Divus oder Deus zu
betiteln, während Leute von feinerm Geschmack wie Paolo Giovio
damit wahrscheinlich nur taten, was sie nicht vermeiden konnten. Weil
Giovio keinen Akzent darauf legt, stört es auch nicht, wenn in seinen
wohllautenden Phrasen die Kardinäle Senatores heißen, ihr Dekan
Princeps Senatus, die Exkommunikation Dirae^"*, der Karneval Lu-
percalia usw. Wie sehr man sich hüten muß, aus dieser Stilsachc einen
voreiligen Schluß auf die ganze Denkweise zu ziehen, liegt gerade bei
diesem Autor klar zutage.
Die Geschichte des lateinischen Stiles an sich dürfen wir hier nicht
verfolgen. Volle zwei Jahrhundertc hindurch taten die Humanisten
dergleichen, als ob das Lateinische überhaupt die einzige würdige
Schriftsprache wäre und bleiben müßte. Poggio^"* bedauert, daß Dante
sein großes Gedicht italienisch verfaßt habe, und bekanntlich hatte
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS IJ.I
Dante es in der Tat mit dem Lateinischen versucht und den Anfang des
Inferno zuerst in Hexametern gedichtet. Das ganze Schicksal der italie-
nischen Poesie hing davon ab, daß er nicht in dieser Weise fortfuhr^",
aber noch Petrarca verheß sich mehr auf seine lateinischen Dichtungen
als auf seine Sonette und Kanzonen, und die Zumutung, lateinisch
zu dichten, ist noch an Ariosto ergangen. Einen stärkern Zwang hat
es in literarischen Dingen nie gegeben*"*, allein die Poesie entwischte
demselben größtenteils, und jetzt können wir wohl ohne allzu großen
Optimismus sagen: es ist gut, daß die italienische Poesie zweierlei
Organe hatte, denn sie hat in beiden Vortreffliches und Eigentümliches
geleistet, und zwar so, daß man inne wird, weshalb hier italienisch,
dort lateinisch gedichtet wurde. Vielleicht gilt Ähnliches auch von der
Prosa; die Weltstellung und der Weltruhm der italienischen Bildung
hing davon ab, daß gewisse Gegenstände lateinisch — Urbi et orbi —
behandelt wurden*"*, während die italienische Prosa gerade von den-
jenigen am besten gehandhabt worden ist, welchen es einen innern
Kampf kostete, nicht lateinisch zu schreiben.
Als reinste Quelle der Prosa galt seit dem 14. Jahrhundert unbestritten Qudiendes
Cicero. Dies kam bei weitem nicht bloß von einer abstrakten Über- ^ "' '""
Zeugung zugunsten seiner Wörter, seiner Satzbildung und seiner litera-
rischen Kompositionsweise her, sondern im italienischen Geiste fand
die Liebenswürdigkeit des Briefschreibers, der Glanz des Redners, die
klare, beschauliche Art des philosophischen Darstellers einen vollen
Widerklang. Schön Petrarca erkannte vollständig die Schwächen des
Menschen und Staatsmannes Cicero*^", er hatte nur zuviel Respekt,
um sich darüber zu freuen; seit ihm hat sich zunächst die Epistolo-
graphie fast ausschließlich nach Cicero gebildet, und die andern Gat-
tungen, mit Ausnahme der erzählenden, folgten nach. Doch der wahre
Ciceronianismus, der sich jeden Ausdruck versagte, wenn derselbe nicht
aus der Quelle zu belegen war, beginnt erst zu Ende des 15. Jahr-
hunderts, nachdem die grammatischen Schriften des Lorenzo Valla
ihre Wirkung durch ganz Italien getan, nachdem die Aussagen der
römischen Literarhistoriker selbst gesichtet und verglichen waren*".
Jetzt erst unterscheidet man genauer und bis auf das genaueste die Stil-
schatticrungen in der Prosa der Alten, und kommt mit tröstlicher
Sicherheit immer wieder auf das Ergebnis, daß Cicero allein das un-
bedingte Muster sei, oder, wenn man alle Gattungen umfassen wollte:
,, jenes unsterbliche und fast himmlische Zeitalter Ciceros"*^. Jetzt
wandten Leute wie Pietro Bembo, Picrio Valeriano u. a. ihre besten Abb. 245
Kräfte auf dieses Ziel; auch solche, die lange widerstrebt und sich aus
den ältesten Autoren eine archaistische Diktion zusammengebaut*^.
142
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
gaben endlich nach und knieten vor Cicero; jetzt ließ sich Longolius
von Bembo bestimmen, fünf Jahre lang nur Cicero zu lesen; derselbe
gelobte sich, gar kein Wort zu brauchen, welches nicht in diesem Autor
vorkäme, und solche Stimmungen brachen dann zu jenem großen ge-
lehrten Streit aus, in welchem Erasmus und der ältere Scaliger die
Scharen führten.
Bedingte und Dcnn auch dic Bewunderer Ciceros waren doch lange nicht alle so
ciceroDianer cinscitig, ihn als die einzige Quelle der Sprache gelten zu lassen. Noch
im 15. Jahrhundert wagten Poliziano und Ermolao Barbaro mit Be-
wußtsein nach einer eigenen, individuellen Latinität zu streben"*, natür-
lich auf der Basis einer „überquellend großen" Gelehrsamkeit, und dieses
Ziel hat auch derjenige verfolgt, welcher uns dies meldet, Paolo Giovio.
Er hat eine Menge moderner Gedanken, zumal ästhetischer Art, zu-
erst und mit großer Anstrengung lateinisch wiedergegeben, nicht immer
glücklich, aber bisweilen mit einer merkwürdigen Kraft und Eleganz.
Seine lateinischen Charakteristiken der großen Maler und Bildhauer
jener Zeit^'* enthalten das Geistvollste und das Mißratenste neben-
einander. Auch Leo X., der seinen Ruhm darein setzte, „ut lingua
latina nostro pontificatu dicatur facta auctior""', neigte sich einer
liberalen, nicht ausschließlichen Latinität zu, wie dies bei seiner Rich-
tung auf den Genuß nicht anders möglich war; ihm genügte es, wenn
das, was er anzuhören und zu lesen hatte, wahrhaft lateinisch, lebendig
Die lateini- und clcgaut crschieu. Endlich gab Cicero für die lateinische Konver-
sation kein Vorbild, so daß man hier gezwungen war, andere Götter
neben ihm zu verehren. In die Lücke traten die in und außerhalb
Rom ziemlich häufigen Aufführungen der Komödien des Plautus und
Terenz, welche für die Mitspielenden eine unvergleichliche Übung des
Lateinischen als Umgangssprache abgaben. Schon unter Paul IL wird*^'
der gelehrte Kardinal von Thcanum (wahrscheinlich Niccolö Forti-
guerra von Pistoja) gerühmt, weil er sich auch an die schlechtesterhal-
tenen, der Personenverzeichnisse beraubten plautinischen Stücke wage
und dem ganzen Autor um der Sprache willen die größte Aufmerk-
samkeit widme, und von ihm könnte wohl auch die Anregung zum Auf-
führen jener Stücke ausgegangen sein. Dann nahm sich Pomponius
Laetus der Sache an, und wo in den Säulenhöfen großer Prälaten Plautus
über die Szene ging*^, war er Regisseur. Daß man seit etwa 1520 davon
abkam, zählt Giovio, wie wir (S. 134) sahen, mit unter die Ursachen
des Verfalls der Eloquenz.
Zum Schluß dürfen wir hier eine Parallele des Ciceronianismus aus
dem Gebiete der Kunst namhaft machen: den Vitruvianismus der
Architekten. Und zwar bekundet sich auch hier das durchgehende
sehe Konver'
sation
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
143
Gesetz der Renaissance, daß die Bewegung in der Bildung durchgängig
der analogen Kunstbewegung vorangeht. Im vorliegenden Fall möchte
der Unterschied etwa zwei Jahrzehnte betragen, wenn man von Kar-
dinal Hadrian von Cometo (1505?) bis auf die ersten absoluten Vitru-
vianer rechnet.
Der höchste Stolz des Humanisten endlich ist die neulateinische Dich- Lateinische
tung. Soweit sie den Humanismus charakterisieren hilft, muß auch sie ' '™^
hier behandelt werden.
Wie vollständig sie das Vorurteil für sich hatte, wie nahe ihr der
entschiedene Sieg stand, wurde oben (S. 140) dargetan. Man darf von
vornherein überzeugt sein, daß die geistvollste und meistentwickelte
Nation der damaligen Welt nicht aus bloßer Torheit, nicht ohne etwas
Bedeutendes zu wollen, in der Poesie auf eine Sprache verzichtete,
wie die italienische ist. Eine übermächtige Tatsache muß sie dazu be-
stimmt haben.
Dies war die Bewunderung des Altertums. Wie jede echte, rück-
haltlose Bewunderung erzeugte sie notwendig die Nachahmung. Auch
in andern Zeiten und bei andern Völkern finden sich eine Menge
vereinzelter Versuche nach diesem nämlichen Ziele hin, nur in Italien
aber waren die beiden Hauptbedingungen der Fortdauer und Weiter-
bildung für die neulateinische Poesie vorhanden: ein allseitiges Ent-
gegenkommen bei den Gebildeten der Nation und ein teilweises Wieder-
erwachen des antiken italischen Genius in den Dichtern selbst, ein wun-
dersames Weiterklingen eines uralten Saitenspiels. Das Beste, was so ihr wen
entsteht, ist nicht mehr Nachahmung, sondern eigene freie Schöpfung.
Wer in den Künsten keine abgeleiteten Formen vertragen kann, wer
entweder schon das Altertum selber nicht schätzt oder es im Gegenteil
für magisch unnahbar und unnachahmlich hält, wer endlich gegen
Verstöße keine Nachsicht übt bei Dichtern, welche z. B. eine Menge
Silbenquantitäten neu entdecken oder erraten mußten, der lasse diese
Literatur beiseite. Ihre schönern Werke sind nicht geschaffen, um irgend-
einer absoluten Kritik zu trotzen, sondern um den Dichter und viele
Tausende seiner Zeitgenossen zu erfreuen"*.
Am wenigsten Glück hatte man mit dem Epos aus Geschichten und oeschicht-
Sagen des Altertums. Die wesentlichen Bedingungen einer lebendigen '"^^ _^^
epischen Poesie werden bekanntlich niciit einmal den römischen Vor-
bildern, ja außer Homer nicht einmal den Griechen zuerkannt; wie
hätten sie sich bei den Lateinern der Renaissance finden sollen. Indes
möchte doch die Africa des Petrarca im ganzen so viele und so begei-
sterte Leser und Hörer gefunden haben als irgendein Epos der neuern
Zeit. Absicht und Entstehung des Gedichtes sind nicht ohne Interesse.
144
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Das 14. Jahrhundert erkannte mit ganz richtigem Gefühl in der Zeit
des zweiten Punischen Krieges die Sonnenhöhe des Römertums, und
diese wölke und mußte Petrarca behandeln. Wäre Silius Italicus schon
entdeckt gewesen, so hätte er vielleicht einen andern Stoff gewählt, in
dessen Ermanglung aber lag die Verherrlichung des altern Scipio Afri-
canus dem 15. Jahrhundert so nahe, daß schon ein anderer Dichter,
Abb.2ig Zanobi di Strada, sich diese Aufgabe gestellt hatte; nur aus Hoch-
achtung für Petrarca zog er sein bereits vorgerücktes Gedicht zurück*^**.
Wenn es irgendeine Berechtigung für die Africa gab, so lag sie darin,
daß sich damals und später jedermann für Scipio interessierte, als lebte
er noch, daß er für größer galt als Alexander, Pompejus und Cäsar^^i^
Wie viele neuere Epopöen haben sich eines für ihre Zeit so populären,
im Grunde historischen und dennoch für die Anschauung mythischen
Gegenstandes zu rühmen? An sich ist das Gedicht jetzt freiUch ganz
unlesbar. Für andere historische Sujets müssen wir auf die Literatur-
geschichten verweisen.
Mythoio- Reicher und ausgiebiger war schon das Weiterdichten am antiken
b^oUsche Mythus, das Ausfüllen der poetischen Lücken in demselben. Hier griff
Poesie auch die italienische Dichtung früh ein, schon mit der Teseide des
Abb.:s'>--6r, Boccaccio, welche als dessen bestes poetisches Werk gilt. Lateinisch
^^^'^"g" ' dichtete Maffeo Vegio unter Martin V. ein dreizehntes Buch zur Aeneide;
dann finden sich eine Anzahl kleinerer Versuche zumal in der Art des
Claudian, eine Meleagris, eine Hesperis usw. Das Merkwürdigste aber
sind die neu ersonnenen Mythen, welche die schönsten Gegenden Ita-
liens mit einer Urbevölkerung von Göttern, Nymphen, Genien und
auch Hirten erfüllen, wie denn überhaupt hier das Epische und das
Bucolische nicht mehr zu trennen sind. Daß in den bald erzählenden,
bald dialogischen Eklogen seit Petrarca das Hirtenleben schon beinah
völlig*^ konventionell, als Hülle beliebiger Phantasien und Gefühle
behandelt ist, wird bei späterm Anlaß wieder hervorzuheben sein; liier
handelt es sich nur um die neuen Mythen. Deutlicher als sonst irgend-
wo verrät es sich hier, daß die alten Götter in der Renaissance eine dop-
pelte Bedeutung haben: einerseits ersetzen sie allerdings die allgemeinen
Begriffe und machen die allegorischen Figuren unnötig, zugleich aber
sind sie auch ein freies, selbständiges Element der Poesie, ein Stück
neutrale Schönheit, welches jeder Dichtung beigemischt und stets neu
kombiniert werden kann. Keck voran ging Boccaccio mit seiner imagi-
nären Götter- und Hirtcnwelt der Umgebung von Florenz, in seinem
Ninfale d'Ameto und Ninfale fiesolano, welche italienisch gedichtet
sind. Das Meisterwerk aber möchte wohl der Sarca des Pietro Bembo*^
sein: die Werbung des Flußgottes jenes Namens um die Nymphe Garda,
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
145
das prächtige Hochzeitsmahl in einer Höhle am Monte Baldo, die
Weissagungen der Manto, Tochter des Tiresias, von der Geburt des
Kindes Mincius, von der Gründung Mantuas und vom künftigen Ruhme
des Virgil, der als Sohn des Mincius und der Nymphe von Andes,
Maja, geboren werden wird. Zu diesem stattUchen humanistischen Ro-
koko fand Bembo sehr schöne Verse und eine Schlußanrede an Virgil,
um welche ihn jeder Dichter beneiden kann. Man pflegt dergleichen
als bloße Deklamation gering zu achten, worüber, als über eine Ge-
schmackssache, mit niemandem zu rechten ist.
Ferner entstanden umfangreiche epische Gedichte biblischen und chnstuches
kirchlichen Inhaltes in Hexametern. Nicht immer bezweckten die Ver- ""^
fasser damit eine kirchliche Beförderung oder die Erwerbung päpst-
licher Gunst; bei den Besten, und auch bei Ungeschicktem wie Battista
Mantuano, dem Verfasser der Parthenice, wird man ein ganz ehrliches
Verlangen voraussetzen dürfen, mit ihrer gelehrten lateinischen Poesie
dem Heiligen zu dienen, womit freilich ihre halb heidnische Auffassung
des Katholizismus nur zu wohl zusammenstimmte. Gyraldus zählt ihrer
eine Anzahl auf, unter welchen Vida mit seiner Christiade, Sannazaro sannaiaro
mit seinen drei Gesängen ,,De partu Virginis" in erster Reihe stehen. ° ' ''''
Sannazaro imponiert durch den gleichmäßigen gewaltigen Fluß, in
welchen er Heidnisches und Christliches ungescheut zusammendrängt,
durch die plastische Kraft der Schilderung, durch die vollkommen
schöne Arbeit. Er hatte sich nicht vor der Vergleichung zu fürchten,
als er die Verse von Virgils vierter Ekloge in den Gesang der Hirten
an der Krippe verflocht. Im Gebiet des Jenseitigen hat er da und dort
einen Zug dantesker Kühnheit, wie z. B. König David im Limbus
der Patriarchen sich zu Gesang und Weissagung erhebt, oder wie der
Ewige thronend in seinem Mantel, der von Bildern alles elementaren
Daseins schimmert, die himmlischen Geister anredet. Andere Male
bringt er unbedenklich die alte Mythologie mit seinem Gegenstande
in Verbindung, ohne doch eigentlich barock zu erscheinen, weil er
die Heidengötter nur gleichsam als Einrahmung benutzt, ihnen keine
Hauptrollen zuteilt. Wer das künstlerische Vermögen jener Zeit in
seinem vollen Umfange kennenlernen will, darf sich gegen ein Werk
wie dieses nicht abschließen. Sannazaros Verdienst erscheint um so
viel größer, da sonst die Vermischung von Christlichem und Heid-
nischem in der Poesie viel leichter stört als in der bildenden Kunst; Einmischung
letztere kann das Auge dabei beständig durch irgendeine bestimmte, ''" '^>'^'''°''^"
greifbare Schönheit schadlos halten und ist überhaupt von der Sach-
bedeutung ihrer Gegenstände viel unabhängiger als die Poesie, indem
die Einbildungskraft bei ihr eher an der Form, bei der Poesie eher an
Buickhardt 10
1^6 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
der Sache weiterspinnt. Der gute Battista Mantuano in seinem*" Fest-
kalender hatte einen andern Ausweg versucht; statt Götter und Halb-
götter der heiligen Geschichte dienen zu lassen, bringt er sie, wie die
Kirchenväter taten, in Gegensatz zu derselben; während der Engel
Gabriel zu Nazareth die Jungfrau grüßt, ist ihm Mcrcur vom Carmel
her nachgeschwebt und lauscht nun an der Pforte; dann berichtet
er das Gehörte den versammelten Göttern und bewegt sie damit zu
den äußersten Entschlüssen. Andere Male*^* freilich müssen bei ihm
Thetis, Ceres, Aeolus usw. wieder der Madonna und ihrer Herrlichkeit
gutwillig Untertan sein.
Sannazaros Ruhm, die Menge seiner Nachahmer, die begeisterte
Huldigung der Größten jener Zeit — dies alles zeigt, wie sehr er seinem
Jahrhundert nötig und wert war. Für die Kirche beim Beginn der
Reformation löste er das Problem: völlig klassisch und doch christlich
zu dichten, und Leo sowohl als Clemens sagten ihm lauten Dank dafür.
z. itgcschitht- Endlich wurde in Hexametern oder Distichen auch die Zeitgeschichte
'" ^''^ ' behandelt, bald mehr erzählend, bald mehr panegyrisch, in der Regel
aber zu Ehren eines Fürsten oder Fürstenhauses. So entstand eine
Sphorcias, eine Borseis, eine Borgias, eine Triultias usw., freilich mit
gänzlichem Verfehlen des Zweckes, denn wer irgend berühmt und un-
sterblich geblieben ist, der blieb es nicht durch diese Art von Gedichten,
gegen welche die Welt einen unvertilgbaren Widerwillen hat, selbst
wenn sich gute Dichter dazu hergeben. Ganz anders wirken kleinere,
genreartig und ohne Pathos ausgeführte Einzelbilder aus dem Leben
der berühmten Männer, wie z. B. das schöne Gedicht von Leos X.
Jagd bei Palo*-* oder die „Reise Julius II." von Hadrian von Corneto
(S. 70). Glänzende Jagdschilderungen jener Art gibt es auch von Er-
cole Strozza, von dem eben genannten Hadrian u. a. m., und es ist
schade, wenn sich der moderne Leser durch die zugrundeliegende
Schmeichelei abschrecken oder erzürnen läßt. Die Meisterschaft der
Behandlung und der bisweilen nicht unbedeutende geschichtliche Wert
sichern diesen anmutigen Dichtungen ein längeres Fortleben, als manche
jetzt namhafte Poesien unserer Zeit haben dürften.
Im ganzen sind diese Sachen immer um so viel besser, je mäßiger
die Einmischung des Pathetischen und Allgemeinen ist. Es gibt ein-
zelne kleinere epische Dichtungen von berühmten Meistern, die durch
My^hoio- barockes mythologisches Drcinfahren unbewußt einen unbeschreiblich
gisierung j^omischen Eindruck hervorbringen. So das Trauergedicht des Ercole
Strozza**' auf Cesarc Borgia (S. 67). Man hört die klagende Rede
der Roma, welche all ihre Hoffnung auf die spanischen Päpste Calixt HL
und Alexander VL gesetzt hatte und dann Cesare für den Verheißenen
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
147
hielt, dessen Geschichte durchgegangen wird bis zur Katastrophe des
Jahres 1503. Dann fragt der Dichter die Muse, welches in jenem Augen-
blick*^ die Ratschlüsse der Götter gewesen, und Erato erzählt: auf dem
Olymp nahmen Pallas für die Spanier, Venus für die Italiener Partei;
beide umfaßten Jupiters Knie, worauf er sie küßte, begütigte und sich
ausredete, er vermöge nichts gegen das von den Parzen gesponnene
Schicksal, die Götterverheißungen würden sich aber erfüllen durch
das Kind vom Hause Este-Borgia*'"; nachdem er die abenteuerliche
Urgeschichte beider Familien erzählt, beteuert er, dem Cesare sowenig
die Unvergänglichkeit schenken zu können als einst — trotz großer Für-
bitten — einem Memnon oder Achill; endlich schließt er mit dem
Tröste, Cesare werde vorher noch im Krieg viele Leute umbringen.
Nun geht Mars nach Neapel und bereitet Krieg und Streit, Pallas
aber eilt nach Nepi und erscheint dort dem kranken Cesare unter der
Gestalt Alexanders VI.; nach einigen Vermahnungen, sich zu schicken
und sich mit dem Ruhme seines Namens zu begnügen, verschwindet
die päpstliche Göttin „wie ein Vogel".
Man verzichtet indes unnützerweise auf einen bisweilen großen Ge-
nuß, wenn man alles perhorresziert, worin antike Mythologie wohl
oder übel verwoben ist; bisweilen hat die Kunst diesen an sich konven-
tionellen Bestandteil so sehr geadelt als in Malerei und Skulptur. Auch
fehlt es sogar für den Liebhaber nicht an Anfängen der Parodie (S. 91),
z. B. in der Macaroneide, wozu dann das komische Götterfest des
Giovanni Bellini bereits eine Parallele bildet. Abb. 336
Manche erzählende Gedichte in Hexametern sind auch bloße Exer- Bwechtigung
zitien oder Bearbeitungen von Relationen in Prosa, welche letztere ^"'*f"^*!"°
der Leser vorziehen wird, wo er sie findet. Am Ende wurde bekannt- geschieht«
lieh alles, jede Fehde und jede Zeremonie, besungen, auch von den
deutschen Humanisten der Reformationszeit"**. Indes würde man un-
recht tun, dies bloß dem Müßiggang und der übergroßen Leichtig-
keit im Versemachen zuzuschreiben. Bei den Italienern wenigstens ist
es ein ganz entschiedener Überfluß an Stilgefühl, wie die gleichzeitige
Masse von italienischen Berichten, Geschichtsdarstellungen und selbst
Pamphleten in Terzinen beweist. So gut Niccolo da Uzzano sein Pia- Abb. .10
kat mit einer neuen Staatsverfassung, Machiavelli seine Übersicht der
Zeitgeschichte, ein Dritter das Leben Savonarolas, ein Vierter die Be-
lagerung von Piombino durch Alfons den Großen"! usw. in diese schwie- Abb. ss. «9
rigc italienische Versart gössen, um eindringlicher zu wirken, ebensogut
mochten viele andere für ihr Publikum des Hexameters bedürfen, um
es zu fesseln. Was man in dieser Form vertragen konnte und begehrte,
..... T^ Didaktische
zeigt am besten die didaktische Poesie. Diese nimmt im 16. Jahrhundert Poesi^
10*
IA8 die WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
einen ganz erstaunlichen Aufschwung, um das Goldmachen, das Schach-
spiel, die Seidenzucht, die Astronomie, die venerische Seuche u. dgl.
in Hexametern zu besingen, wozu noch mehrere umfassende italieni-
sche Dichtungen kommen. Man pflegt dergleichen heutzutage unge-
lesen zu verdammen, und inwiefern diese Lehrgedichte wirklich lesens-
wert sind, wüßten auch wir nicht zu sagen. Eins nur ist gewiß, daß Epo-
chen, die der unsrigen an Schönheitssinn unendlich überlegen waren,
daß die spätgriechische und die römische Welt und die Renaissance
die betreffende Gattung von Poesie nicht entbehren konnten. Man
mag dagegen einwenden, daß heute nicht der Mangel an Schönheits-
sinn, sondern der größere Ernst und die universalistische Behandlung
alles Lehrenswerten die poetische Form ausschlössen, was wir auf sich
beruhen lassen.
Eines dieser didaktischen Werke wird noch jetzt hier und da wieder
aufgelegt: der Zodiacus des Lebens, von Marcellus Palingenius, einem
ferraresischen Kryptoprotestanten. An die höchsten Fragen von Gott,
Tugend und Unsterblichkeit knüpft der Verfasser die Besprechung vieler
Verhältnisse des äußern Lebens und ist von dieser Seite auch eine
nicht zu verachtende sittengeschichtliche Autorität. Im wesentlichen je-
doch geht sein Gedicht schon aus dem Rahmen der Renaissance her-
aus, wie denn auch, seinem ernsten Lehrzweck gemäß, bereits die
Allegorie der Mythologie den Rang abläuft.
Lateinisciie Weit am nächstcu kam aber der Poet-Philolog dem Altertum in der
Lyrik, und zwar speziell in der Elegie; außerdem noch im Epigramm.
In der leichtern Gattung übte CatuU eine wahrhaft faszinierende
Wirkung auf die Italiener aus. Manches elegante lateinische Madrigal,
manche kleine Invektive, manches boshafte Billett ist reine Umschrei-
bung nach ihm; dann werden verstorbene Hündchen, Papageien be-
klagt ohne ein Wort aus dem Gedicht von Lesbiens Sperling und doch
in völliger Abhängigkeit von dessen Gedankengang. Indes gibt es kleine
Gedichte dieser Art, welche auch den Kenner über ihr wahres Alter
täuschen können, wenn nicht ein sachlicher Bezug klar auf das 15. oder
16. Jahrhundert hinweist.
Dagegen möchte von Oden des sapphischen, alkäischen usw. Vers-
maßes kaum eine zu finden sein, welche nicht irgendwie ihren moder-
nen Ursprung deutlich verriete. Dies geschieht meist durch eine rhe-
torische Redseligkeit, welche im Altertum erst etwa dem Statins eigen
ist, durch einen auffallenden Mangel an lyrischer Konzentration, wie
diese Gattung sie durchaus verlangt. Einzelne Partien einer Ode, zwei
oder drei Strophen zusammen, sehen wohl etwa wie ein antikes Frag-
ment aus, ein längeres Ganzes hält diese Farbe selten fest. Und wo
Lyrik
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I^Q
dies der Fall ist, wie z. B. in der schönen Ode an Venus von Andrea
Navagero, da erkennt man leicht eine bloße Umschreibung nach anti- Abb. 250, ^53
ken Meisterwerken*^. Einige Odendichter bemächtigen sich des Hei-
ligenkultes und bilden ihre Invokationen sehr geschmackvoll den hora-
zischen und catullischen Oden analogen Inhaltes nach. So Navagero
in der Ode an den Erzengel Gabriel, so besonders Sannazaro, der in Die oden auf
der Substituierung einer heidnischen Andacht sehr weit geht. Er feiert ' ^'
vorzüglich seinen Namensheiligen^ dessen Kapelle zu seiner herr-
hch gelegenen kleinen Villa am Gestade des Posilipp gehörte, „dort
wo die Meereswoge den Felsquell wegschlürft und an die Mauer des
kleinen Heiligtums anschlägt". Seine Freude ist das alljährliche St. Na-
zariusfest, und das Laubwerk und die Girlanden, womit das Kirchlein
zumal an diesem Tage geschmückt wird, erscheinen ihm als Opfergaben.
Auch fern auf der Flucht, mit dem verjagten Federigo von Aragon, zu
St. Nazaire an der Loiremündung, bringt er voll tiefen Herzeleides seinem
Heiligen am Namenstage Kränze von Bux und Eichenlaub; er gedenkt
früherer Jahre, da die jungen Leute des ganzen Posihpp zu seinem Feste
gefahren kamen auf bekränzten Nachen, und fleht um Heimkehr^*.
Täuschend antik erscheinen vorzüglich eine Anzahl Gedichte in ele- Gedichte ele-
gischem Versmaß oder auch bloß in Hexametern, deren Inhalt von der ^'^^" ^'"™
eigentlichen Elegie bis zum Epigramm herabreicht. So wie die Huma-
nisten mit dem Text der römischen Elegiker am allerfreisten umgingen,
so fühlten sie sich denselben auch in der Nachbildung am meisten
gewachsen. Navageros Elegie an die Nacht ist so wenig frei von Remi-
niszenzen aus jenen Vorbildern als irgendein Gedicht dieser Art und
Zeit, aber dabei vom schönsten antiken Klang. Überhaupt sorgt Na-
vagero^* immer zuerst für einen echt poetischen Inhalt, den er dann
nicht knechtisch, sondern mit meisterhafter Freiheit im Stil der Antho-
logie, des Ovid, des Catull, auch der virgilischen Eklogen wiedergibt;
die Mythologie braucht er nur äußerst mäßig, etwa um in einem Ge-
bet an Ceres u. a. ländliche Gottheiten das Bild des einfachsten Daseins
zu entwickeln. Einen Gruß an die Heimat, bei der Rückkehr von
seiner Gesandtschaft in Spanien, hat er nur angefangen; es hätte wohl
ein Ganzes werden können wie ,, Bella Italia, amate sponde" von Vin-
cenzo Monti, wenn der Rest diesem Anfang entspräche:
Salve cura Deum, mundi fclicior ora,
Formosae Veneris dulces salvete recessus;
Ut vos post tantos animi mentisque labores
Aspicio lustroque libens, ut muncre vestro
Sollicitas toto depello e pectore curas!
^amm
150 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Die elegische oder hexametrische Form wird ein Gefäß für jeden
höhern pathetischen Inhah, und die edelste patriotische Aufregung
(S. 70, die Elegie an Julius II.) wie die pomphafteste Vergötterung
der Herrschenden sucht hier ihren Ausdruck^*, aber auch die zarteste
Melancholie eines Tibull. Mario Molsa, der in seiner Schmeichelei
gegen Clemens VII. und die Farnesen mit Statius und Martial wett-
eifert, hat in einer Elegie „an die Genossen", vom Krankenlager, so
schöne und echt antike Grabgedanken als irgendeiner der Alten und
dies ohne Wesentliches von letztern zu entlehnen. Am vollständigsten
hat übrigens Sannazaro Wesen und Umfang der römischen Elegie er-
kannt und nachgebildet, und von keinem andern gibt es wohl eine so
große Anzahl guter und verschiedenartiger Gedichte dieser Form. —
Einzelne Elegien werden noch hier und da um ihres Sacliinhaltes
willen zu erwähnen sein.
D«s Epi- Endlich war das lateinische Epigramm in jenen Zeiten eine ernst-
hafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete Zeilen, eingemeißelt
an einem Denkmal oder von Mund zu Munde mit Gelächter mit-
geteilt, den Ruhm eines Gelehrten begründen konnten. Ein Anspruch
dieser Art meldet sich schon früh; als es verlautete, Guido da Polenta
wolle Dantes Grab mit einem Denkmal schmücken, liefen von allen
Enden Grabschriften ein^' ,,von solchen, die sich zeigen oder auch
den toten Dichter ehren oder die Gunst des Polenta erwerben wollten".
Am Grabmal des Erzbischofes Giovanni Visconti (starb 1354) im Dom
von Mailand liest man unter 36 Hexametern: „Herr Gabrius de Za-
moreis aus Parma, Doktor der Rechte, hat diese Verse gemacht."
Allmählich bildete sich, hauptsächlich unter dem Einfluß Martials,
auch Catulls eine ausgedehnte Literatur dieses Zweiges; der höchste
Triumph war, wenn ein Epigramm für antik, für abgeschrieben von
einem alten Stein galt*^, oder wenn es so vortrefflich erschien, daß ganz
Italien es auswendig wußte, wie z. B. einige des Bcmbo. Wenn der
Staat Venedig an Sannazaro für seinen Lobspruch in drei Distichen
600 Dukaten Honorar bezahlte, so war dies nicht etwa eine generöse
Verschwendung, sondern man würdigte das Epigramm als das, was
es für alle Gebildeten jener Zeit war: als die konzentrierteste Form
des Ruhmes. Niemand hinwiederum war damals so mächtig, daß ihm
nicht ein witziges Epigramm hätte unangenehm werden können, und auch
die Großen selber bedurften für jede Inschrift, welche sie setzten, sorg-
fältigen und gelehrten Beirates, denn lächerliche Epithaphicn z. B. liefen
Gefahr, in Sammlungen zum Zweck der Erheiterung aufgenommen zu
werden"*. Epigraphik und Epigrammatik reichten einander die Hand;
erstere beruhte auf dem emsigsten Studium der antiken Steininschriften.
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I^I
Die Stadt der Epigramme und der Inskriptionen in v'orzugsweisem in Rom
Sinne war und blieb Rom. In diesem Staate ohne Erblichkeit mußte
jeder für seine Verewigung selber sorgen; zugleich war das kurze Spott-
gedicht eine Waffe gegen die Mitemporstrebenden. Schon Pius II.
zählt mit Wohlgefallen die Distichen auf, welche sein Hauptdichtcr
Campanus bei jedem irgend geeigneten Momente seiner Regierung
ausarbeitete. Unter den folgenden Päpsten blühte dann das satirische
Epigramm und erreichte gegenüber von Alexander VI. und den Sci-
nigen die volle Höhe des skandalösen Trotzes. Sannazaro dichtete die
seinigen allerdings in einer relativ gesicherten Lage, andere aber wagten
in der Nähe des Hofes das Gefährlichste (S. 66). Auf acht drohende
Distichen hin, die man an der Pforte der Bibliothek angeschlagen^*"
fand, ließ einst Alexander die Garde um 800 Mann verstärken; man
kann sich denken, wie er gegen den Dichter würde verfahren sein,
wenn derselbe sich erwischen ließ. — Unter Leo X. waren lateinische
Epigramme das tägliche Brot; für die Verherrlichung wie für die Ver-
lästerung des Papstes, für die Züchtigung genannter wie ungenannter
Feinde und Schlachtopfer, für wirkliche wie für fingierte Gegenstände
des Witzes, der Bosheit, der Trauer, der Kontemplation gab es keine
passendere Form. Damals strengten sich für die berühmte Gruppe der coryciana
Mutter Gottes mit der hl. Anna und dem Kinde, welche Andrea San-
so\ano für S. Agostino meißelte, nicht weniger als hundertundzwanzig
Personen in lateinischen Versen an, freilich nicht so sehr aus Andacht,
als dem Besteller des Werkes zuliebe*". Dieser, Johann Goritz aus Luxem-
burg, päpstlicher Supplikenreferendar, ließ nämlich am St. Annenfeste
nicht bloß etwa Gottesdienst halten, sondern er gab ein großes Literaten-
bankett in seinen Gärten am Abhang des Kapitols. Damals lohnte es
sich auch der Mühe, die ganze Poetenschar, welche an Leos Hofe ihr
Glück suchte, in einem eigenen großen Gedicht ,,de poetis urbanis"
zu mustern, wie Franc. Arsillus tat**^, ein Mann, der kein päpstliches
oder anderes Mäzenat brauchte und sich seine freie Zunge auch gegen
die Kollegen vorbehielt. — Über Paul III. herab reichte das Epigramm
nur noch in vereinzelten Nachklängen, die Epigraphik dagegen blüht
länger und unterliegt erst im 1 7. Jahrhundert völlig dem Schwulst.
Auch in Venedig hat sie ihre besondere Geschichte, die wir mit Hilfe DasEpi-
von Francesco Sansovinos ,,Venezia" verfolgen können. Eine stehende '^"""^j]"
Aufgabe bildeten die Mottos (Brievi) auf den Dogenbildnissen des großen
Saales im Dogenpalast, zwei bis vier Hexameter, welche das Wesent-
liche aus der Amtsführung des Betreffenden enthalten**^. Dann hatten
die Dogengräber des 14. Jahrhunderts lakonische Prosainschriften, welche
nur Tatsachen enthalten, und daneben schwülstige Hexameter oder
Ve-
IC2 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
leonische Verse. Im 15. Jahrhundert steigt die Sorgfalt des Stiles; im
16. erreicht sie ihre Höhe, und bald beginnt die unnütze Antithese,
die Prosopopöe, das Pathos, das Piinzipienlob, mit einem Worte: der
Schwulst. Ziemlich oft wird gestichelt und verdeckter Tadel gegen
andere durch direktes Lob des Verstorbenen ausgedrückt. Ganz spät
kommen dann wieder ein paar absichtlich einfache Epitaphien.
Architektur und Ornamentik waren auf das Anbringen von Inschrif-
ten — oft in vielfacher Wiederholung — vollkommen eingerichtet,
während z. B. das Gotische des Nordens nur mit Mühe einen zweck-
mäßigen Platz für eine Inschrift schafft und sie an Grabmälern z. B.
gerne den bedrohtesten Stellen, den Rändern, zuweist.
Durch das bisher Gesagte glauben wir nun keineswegs den Leser
von dem eigentümlichen Werte dieser lateinischen Poesie der Italiener
überzeugt zu haben. Es handelte sich nur darum, die kulturgeschicht-
liche Stellung und Notwendigkeit derselben anzudeuten. Schon da-
Macaronische mals entstand^** übrigens ein Zerrbild davon: die sogenannte maca-
°^"' roneische Poesie, deren Hauptwerk, das Opus macaronicorum, von
Merlinus Cocains (d. h. Teofilo Folengo von Mantua) gedichtet ist. Vom
Inhalt wird noch hier und da die Rede sein; was die Form betrifft —
Hexameter und andere Verse gemischt aus lateinischen und italienischen
Wörtern mit lateinischen Endungen — , so liegt das Komische derselben
wesentlich darin, daß sich diese Mischungen wie lauter Lapsus linguae
anhören, wie das Sprudeln eines übereifrigen lateinischen Improvisators.
Nachahmungen aus Deutsch und Latein geben hiervon keine Ahnung.
sunz der Nachdcm mehrere glänzende Generationen von Poeten-Philologen
seit Anfang des 14. Jahrhunderts Italien und die Welt mit dem Kultus
des Altertums erfüllt, die Bildung und Erziehung wesenthch bestimmt,
oft auch das Staatswesen geleitet und die antike Literatur nach Kräften
reproduziert hatten, fiel mit dem 16. Jahrhundert die ganze Menschen-
klasse in einen lauten und allgemeinen Mißkredit, zu einer Zeit, da
man ihre Lehre und ihr Wi.ssen noch durchaus nicht völlig entbehren
wollte. Man redet, schreibt und dichtet noch fortwährend wie sie,
aber persönlich will niemand mehr zu ihnen gehören. In die beiden
Hauptanklagen wegen ihres bösartigen Hochmutes und ihrer schänd-
lichen Ausschweifungen tönt bereits die dritte hinein, die Stimme der
beginnenden Gegenreformation: wegen ihres Unglaubens.
Warum verlauteten, muß man zunächst fragen, diese Vorwürfe nicht
früher, mochten sie nun wahr oder unwahr sein? Sie sind schon frühe
genug vernehmlich, allein ohne sonderliche Wirkung, ofTenbar weil
man von den Literaten noch gar zu abhängig war in betreff des Sach-
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS I53
Inhaltes des Altertums, weil sie im persönlichsten Sinne die Besitzer,
Träger und Verbreiter desselben waren. Allein das Überhandnehmen
gedruckter Ausgaben der Klassiker**^, großer wohlangelegter Hand-
bücher und Nachschlagewerke, emanzipierte das Volk schon in bedeu-
tendem Grade von dem dauernden persönlichen Verkehr mit den Hu-
manisten, und sobald man sich ihrer auch nur zur Hälfte entschlagen
konnte, trat dann jener Umschlag der Stimmung ein. Gute und Böse
litten darunter ohne Unterschied.
Urheber jener Anklagen sind durchaus die Humanisten selbst. Von ihre schujn
allen, die jemals einen Stand gebildet, haben sie am allerwenigtsen
ein Gefühl des Zusammenhaltes gehabt oder, wo es sich aufraffen wollte,
respektiert. Sobald sie dann anfingen, sich einer über den andern zu
erheben, war ihnen jedes Mittel gleichgültig. Blitzschnell gehen sie von
wissenschaftlichen Gründen zur Invektive und zur bodenlosesten Läste-
rung über; sie wollen ihren Gegner nicht widerlegen, sondern in jeder
Beziehung zernichten. Etwas hiervon kommt auf Rechnung ihrer Um-
gebung und Stellung; wir sahen, wie heftig das Zeitalter, dessen lauteste
Organe sie waren, von den Wogen des Ruhmes und des Hohnes hin
und her geworfen wurde. Auch war ihre Lage im wirklichen Leben
meist eine solche, daß sie sich beständig ihrer Existenz wehren mußten.
In solchen Stimmungen schrieben und perorierten sie und schilderten
einander. Poggios Werke allein enthalten schon Schmutz genug, um
ein Vorurteil gegen die ganze Schar hervorzurufen — und diese Opera
Poggii mußten gerade am häufigsten aufgelegt werden, diesseits wie jen-
seits der Alpen. Man freue sich nicht zu früh, wenn sich im 15. Jahr-
hundert eine Gestalt unter dieser Schar findet, die unantastbar scheint;
bei weiterem Suchen läuft man immer Gefahr, irgendeiner Lästerung
zu begegnen, welche, selbst wenn man sie nicht glaubt, das Bild trüben
wird. Die vielen unzüchtigen lateinischen Gedichte und etwa eine
Persiflage der eigenen Familie, wie z. B. in Fontanes Dialog „Antonius"
taten das übrige. Das 16. Jahrhundert kannte diese Zeugnisse alle und
war der betreffenden Menschengattung ohnehin müde geworden. Sie
mußte büßen für das, was sie verübt hatte und für das Übermaß der
Geltung, das ihr bisher zuteil geworden war. Ihr böses Schicksal wollte
es, daß der größte Dichter der Nation sich über sie mit ruhiger souve-
räner Verachtung aussprach"'.
Von den Vorwürfen, die sich jetzt zu einem Gesamtwiderwillen sam-
melten, war nur zu vieles begründet. Ein bestimmter, kenntlicher Zug zur
Sittenstrenge und Religiosität war und blieb in manchen Philologen leben-
dig, und es ist ein Zeichen geringer Kenntnis jener Zeit, wenn man die ganze
Klasse verurteilt, aber viele, und darunter die lautesten, waren schuldig.
Das Maß
ihrer Schuld
Ihr Lebens-
lauf
Vergleichung
mit den
Sophisteu
ICA, DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
Drei Dinge erklären und vermindern vielleicht ihre Schuld: die über-
mäßige, glänzende Verwöhnung, wenn das Glück ihnen günstig war;
die Garantielosigkeit ihres äußern Daseins, so daß Glanz und Elend je
nach Launen der Herrn und nach der Bosheit der Gegner rasch wech-
selten; endlich der irremachende Emfiuß des Altertums. Dieses störte
ihre Sittlichkeit ohne ihnen die seinige mitzuteilen; und auch in reli-
giösen Dingen wirkte es auf sie wesentlich von seiner skeptischen und
negativen Seite, da von einer Annahme des positiven Götterglaubens
doch nicht die Rede sein konnte. Gerade weil sie das Altertum dog-
matisch, d. h. als Vorbild alles Denkens und Handelns auffaßten, mußten
sie hier in Nachteil geraten. Daß es aber ein Jahrhundert gab, welches
mit voller Einseitigkeit die alte Welt und deren Hervorbringungen ver-
götterte, das war nicht mehr Schuld einzelner, sondern höhere geschicht-
liche Fügung. Alle Bildung der seitherigen und künftigen Zeiten beruht
darauf, daß dies geschehen ist, und daß es damals so ganz einseitig und
mit Zurücksetzung aller andern Lebenszwecke geschehen ist.
Der Lebenslauf der Humanisten war in der Regel ein solcher, daß
nur die stärksten sittlichen Naturen ihn durchmachen konnten ohne
Schaden zu nehmen. Die erste Gefahr kam bisweilen wohl von den
Eltern her, welche den oft außerordentlich früh entwickelten Knaben
zum Wunderkind"' ausbildeten, im Hinblick auf eine künftige Stellung
in jenem Stande, der damals alles galt. Wunderkinder aber bleiben ins-
gemein auf einer gewissen Stufe stehen oder sie müssen sich die weitere
Entwicklung und Geltung unter den allerbittcrsten Prüfungen erkämp-
fen. Auch für den aufstrebenden Jüngling war der Ruhm und das glän-
zende Auftreten des Humanisten eine gefährliche Lockung; es kam ihm
vor, auch er könne ,, wegen angeborenen Hochsinns die gemeinen und
niedrigen Dinge nicht mehr beachten***". Und so stürzte man sich in
ein wechsclvolles, aufreibendes Leben hinein, in welchem angestrengte
Studien, Hauslehrerschaft, Sekretariat, Professur, Dienstbarkeit bei Für-
sten, tötliche Feindschaften und Gefahren, begeisterte Bewunderung und
Überschüttung mit Hohn, Übei-fluß und Armut wirr aufeinanderfolgten.
Dem gediegensten Wissen konnte der flachste Dilettantismus bisweilen
den Rang ablaufen. Das Hauptübel aber war, daß dieser Stand mit einer
festen Heimat beinahe unverträglich blieb, indem er entweder den Orts-
wechsel geradezu erforderte, oder den Menschen so stimmte, daß ihm
nirgends lange wohl sein konnte. Während er der Leute des Ortes satt
wurde und im Wirbel der Feindschaften sich übel befand, verlangten
auch eben jene Leute stets Neues (S. ii8). So manches hier auch an die
griechischen Sophisten der Kaiserzeit erinnert, wie sie Philostratus be-
schreibt, so standen diese doch günstiger, indem sie großenteils Reich-
DIE WIEJ)ERERWECKUNG DES ALTERTUMS I 55
tümer besaßen, oder leichter entbehrten und überhaupt leichter lebten,
weil sie nicht sowohl Gelehrte als ausübende Virtuosen der Rede waren.
Der Humanist der Renaissance dagegen muß eine große Erudition und
einen Strudel der verschiedensten Lagen und Beschäftigungen zu tragen
wissen. Dazu dann, um sich zu betäuben, unordentlicher Genuß, und,
sobald man ihm ohnehin das Schlimmste zutraute, Gleichgültigkeit gegen
alle sonst geltende Moral. Ohne Hochmut sind solche Charaktere vollends
nicht denkbar; sie bedürfen desselben, schon um oben schwimmend zu
bleiben, und die mit dem Haß abwechselnde Vergötterung bestärkt sie
notwendig darin. Sie sind die auffallendsten Beispiele und Opfer der ent-
fesselnden Subjektivität.
Die Klagen, wie die satirischen Schilderungen beginnen, wie bemerkt, Ankläger im
schon früh, indem ja für jeden entwickelten Individualismus, für jede
Art von Zelcbrität ein bestimmter Hohn als Zuchtrute vorhanden war.
Zudem lieferten ja die betreffenden selber das furchtbarste Material,
welches man nur zu benützen brauchte. Noch im 15. Jahrhundert ordnet
Battista Mantovano in der Aufzählung der sieben Ungeheuer^** die Hu-
manisten mit vielen andern unter den Artikel: Superbia; er schildert sie
mit ihrem Dünkel als Apollssöhne, wie sie verdrossenen und maliziösen
Aussehens mit falscher Gravität einherschreiten, dem körnerpickenden
Kranich vergleichbar, bald ihren Schatten betrachtend, bald in zeh-
rende Sorge um Lob versunken. Allein das 16. Jahrhundert machte ihnen
förmlich den Prozeß. Außer Ariosto bezeugt dies hauptsächlich ihr imi6. jahrh.
Literarhistoriker Gyraldus, dessen Abhandlung^^" schon unter Leo X.
verfaßt, wahrscheinlich aber um 1540 überarbeitet wurde. Antike und
moderne Warnungsexempel der sittlichen Haltlosigkeit und des jammer-
vollen Lebens der Literaten strömen uns hier in gewaltiger Masse ent-
gegen, und dazwischen werden schwere allgemeine Anklagen formuliert.
Dieselben lauten hauptsächlich auf Leidenschaftlichkeit, Eitelkeit, Starr-
sinn, Selbstvergötterung, zerfahrenes Privatleben, Unzucht aller Art,
Ketzerei, Atheismus, — dann Wohlredenheit ohne Überzeugung, ver-
derblichen Einfluß auf die Kabinette, Sprachpedanterei, Undank gegen
die Lehrer, kriechende Schmeichelei gegen die Fürsten, welche den
Literaten zuerst anbeißen und dann hungern lassen u. dgl. m. Den
Schluß bildet eine Bemerkung über das goldene Zeitalter, welches näm-
lich damals geherrscht habe, als es noch keine Wissenschaft gab. Von
diesen Anklagen wurde bald eine die gefahrlichste: diejenige auf Ketzerei,
und Gyraldus selbst muß sich später beim Wiederabdruck einer völlig
harmlosen Jugcndschrift**^ an den Mantel des Herzogs Ercole H. von Abb. u
Ferrara anklammern, weil schon Leute das Wort führen, welche finden,
die Zeit wäre besser an christliche Gegenstände gewendet worden als
ir5 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
an mythologische Forschungen. Er gibt zu erwägen, daß letztere im
Gegenteil bei so beschaffenen Zeiten fast der einzige unschuldige, d. h.
neutrale Gegenstand gelehrter Darstellung seien.
Das UDgiück Wenn aber die Kulturgeschichte nach Aussagen zu suchen verpflichtet
<ier Gelehrten .^^^ .^ wclchen ncbcn der Anklage das menschliche Mitgefühl vorwiegt,
so ist keine Quelle zu vergleichen mit der oft erwähnten Schrift des Pierio
Valeriano ,,über das Unglück der Gclehrten*^^" g^g jg^ geschrieben unter
dem düstern Eindruck der Verwüstung von Rom, welche mit dem Jam-
mer, den sie auch über die Gelehrten brachte, dem Verfasser wie der
Abschluß eines schon lange gegen dieselben wütenden bösen Schicksals
erscheint. Pierio folgt hier einer einfachen, im ganzen richtigen Empfin-
dung; er tut nicht groß mit einem besondern vornehmen Dämon, der
die geistreichen Leute wegen ihres Genies verfolge, sondern er kon-
statiert das Geschehene, worin oft der bloße unglückliche Zufall als ent-
scheidend vorkommt. Er wünscht keine Tragödie zu schreiben oder alles
aus höhern Konflikten herzuleiten, weshalb er denn auch Alltägliches
vorbringt. Da lernen wir Leute kennen, welche bei unruhigen Zeiten
zunächst ihre Einnahmen, dann auch ihre Stellen verlieren, Leute,
welche zwischen zwei Anstellungen leer ausgehen, menschenscheue Geiz-
hälse, die ihr Geld immer eingenäht auf sich tragen und nach geschehener
Beraubung im Wahnsinn sterben, andere, welche Pfründen annehmen
und in melancholischem Heimweh nach der frühern Freiheit dahin-
siechen. Dann wird der frühe Tod vieler durch Fieber oder Pest beklagt,
wobei die ausgearbeiteten Schriften mitsamt Bettzeug und Kleidern ver-
brannt werden; andere leben und leiden unter Morddrohungen von
Kollegen; diesen und jenen mordet ein habsüchtiger Diener, oder Böse-
wichte fangen ihn auf der Reise weg und lassen ihn in einem Kerker
verschmachten, weil er kein Lösegeld zahlen kann. Manchen rafft ge-
heimes Herzeleid, erlittene Kränkung und Zurücksetzung dahin; ein
Venezianer stirbt vor Gram, weil sein Söhnchen, ein Wunderkind, ge-
Der tiefere storbcn Ist, Und dic Mutter und deren Bruder folgen bald, als zöge das
Grund des- p^jj^j gjg ^j|g j^^ch sich. Zicmlich viele, zumal Florentiner, enden durch
selben '
Selbstmord*^, andere durch geheime Justiz eines Tyrannen. Wer ist am
Ende noch glücklich? und auf welche Weise? etwa durch völlige Ab-
stumpfung des Gefühles gegen solchen Jammer? Einer der Mitredner
des Dialoges, in welchen Pierio seine Darstellung gekleidet hat, weiß
Rat in diesen Fragen; es ist der herrliche Gasparo Contarini, und schon
bei Nennung dieses Namens darf man erwarten, daß uns wenigstens
etwas von dem Tiefsten und Wahrsten mitgeteilt werde, was sich da-
mals darüber denken ließ. Als Bild eines glücklichen Gelehrten erscheint
ihm Fra Urbano Valeriano von Belluno, der in Venedig lange Zeit hin-
bild des
Humanisten
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS IRT
durch Lehrer des Griechischen war, Griechenland und den Orient be-
suchte, noch in späten Jahren bald dieses und bald jenes Land durch-
lief, ohne je ein Tier zu besteigen, nie einen Heller für sich besaß, alle
Ehren und Standeserhöhungen zurückwies und nach einem heitern Alter
im 84. Jahre starb ohne, mit Ausnahme eines Sturzes von der Leiter,
eine kranke Stunde gehabt zu haben. Was unterschied ihn von den
Humanisten? Diese haben mehr freien Willen, mehr losgebundene Sub-
jektivität als sie mit Glück verwerten können; der Bettelmönch dagegen, uas Gegen
im Kloster seit seinen Knabenjahren, hatte nie nach eigenem Belieben
auch nur Speise oder Schlaf genossen und empfand deshalb den Zwang
nicht mehr als Zwang; kraft dieser Gewöhnung führte er mitten in allen
Beschwerden das innerlich ruhigste Leben und wirkte durch diesen Ein-
druck mehr auf seine Zuhörer als durch sein Griechisch; sie glaubten
nunmehr überzeugt zu sein, daß es von uns selbst abhänge, ob wir im
Mißgeschick jammern oder uns trösten sollen. ,, Mitten in Dürftigkeit
und Mühen war er glücklich, weil er es sein wollte, weil er nicht ver-
wöhnt, nicht phantastisch, nicht unbeständig und ungenügsam war,
sondern sich immer mit wenig oder nichts zufrieden gab." — - Wenn wir
Contarini selber hörten, so wäre vielleicht auch noch ein religiöses Motiv
dem Bilde beigemischt; doch ist schon der praktische Philosoph in San-
dalen sprechend und bedeutsam genug. Einen verwandten Charakter
in andern Umgebungen verrät auch jener Fabio Calvi von Ravenna*^*, FabioCaiw
der Erklärer des Hippokrates. Er lebte hochbejahrt in Rom bloß von
Kräutern ,,wie einst die Pythagoräer" und bewohnte ein Gemäuer, das
vor der Tonne des Diogenes keinen großen Vorzug hatte; von der Pen-
sion, die ihm Papst Leo bezahlte, nahm er nur das Allemötigste und gab
den Rest an andere. Er blieb nicht gesund wie Fra Urbano, auch war
sein Ende so, daß er wohl schwerlich im Tode gelächelt haben wird
wie dieser, denn bei der Verwüstung von Rom schleppten ihn, den fast
neunzigjährigen Greis, die Spanier fort in der Absicht, ihn zu ranzio-
nieren, und er starb an den Folgen des Hungers in einem Spital. Aber
sein Name ist in das Reich der Unvergänglichkeit gerettet, weil Raffael
den Alten wie einen Vater geliebt und wie einen Meister geehrt, weil
er ihn in allen Dingen zu Rate gezogen hatte. Vielleicht bezog sich die
Beratung vorzugsweise auf jene antiquarische Restauration des alten
Rom (S. 105), vielleicht aber auch auf viel höhere Dinge. Wer kann
sagen, wie großen Anteil Fabio am Gedanken der Schule von Athen
und anderer hochwichtiger Kompositionen RafTaels gehabt hat?
Gerne möchten wir hier mit einem anmutigen und versöhnlichen Po.nponius
Lebensbilde schließen, etwa mit dem des Pomponius Laetus, wenn uns
nur über diesen noch etwas mehr als der Brief seines Schülers Sabellicus*^^
Laetus
1^8 DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
ZU Gebote stände, in welchem Laetus wohl absichtlich etwas antikisiert
wird; doch mögen einige Züge daraus folgen. Er war (S. 140) ein Bastard
aus dem Hause der neapolitanischen Sanseverinen, Fürsten von Salerno,
wollte sie aber nicht anerkennen und schrieb ihnen auf die Einladung,
bei ihnen zu leben, das berühmte Billett: Pomponius Laetus cognatis
et propinquis suis salutem. Quod petitis fieri non potest. Valete. Ein
unansehnliches Männchen mit kleinen lebhaften Augen, in wunder-
licher Tracht, bewohnte er in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahr-
hunderts, als Lehrer an der Universität Rom, bald sein Häuschen mit
Garten auf dem Esquilin, bald seine Vigne auf dem Quirinal; dort zog
er seine Enten u. a. Geflügel, hier baute er sein Grundstück durchaus
nach den Vorschriften des Cato, Varro und Columella; Festtage wid-
mete er draußen dem Fisch- und Vogelfang, auch wohl dem Gelage im
Schatten bei einer Quelle oder an der Tiber. Reichtum und Wohlleben
verachtete er. Neid und Übclrede war nicht in ihm und er duldete sie
auch in seiner Nähe nicht; nur gegen die Hierarchie ließ er sich sehr
Pomponius frci gchcu, wic cr denn auch, die letzten Zeiten ausgenommen, als Ver-
ächter der Religion überhaupt galt. In die Humanistenverfolgung Papst
Pauls n. verflochten, war er von Venedig an diesen au.sgeliefert worden
und hatte sich durch kein Mittel zu unwürdigen Geständnissen bringen
lassen; seitdem luden ihn Päpste und Prälaten zu sich ein und unter-
stützten ihn, und als in den Unruhen unter Sixtus IV. sein Haus ge-
plündert wurde, steuerte man für ihn mehr zusammen als er eingebüßt
hatte. Als Dozent war er gewissenhaft; schon vor Tage sah man ihn
mit seiner Laterne vom Esquilin herabsteigen, und immer fand er seinen
Hörsaal schon gedrängt voll; da er im Gespräch stotterte, sprach er auf
dem Katheder behutsam, aber doch schön und gleichmäßig. Auch seine
wenigen Schriften sind sorgfaltig abgefaßt. Alte Texte behandelte keiner
so sorgfältig und schüchtern, wie er denn auch vor andern Resten des
Altertums seinen wahren Respekt bewies, indem er wie verzückt dastand
oder in Tränen ausbrach. Da er die eigenen Studien liegen ließ, wenn cr
andern behilflich sein konnte, so hing man ihm sehr an, und als er starb,
sandte sogar Alexander VI. seine Höflinge, die Leiche zu begleiten,
welche von den vornehmsten Zuhörern getragen wurde; den Exequien
in Araceli wohnten vierzig Bischöfe und alle fremden Gesandten bei.
piautus und Lactus hatte die Aufführungen antiker, hauptsächlich plautinischer
Stücke in Rom aufgebracht und geleitet (S. 142). Auch feierte er den
Gründungstag der Stadt alijährlich mit einem Feste, wobei seine Freunde
und Schüler Reden und Gediclitc vortrugen. Bei diesen beiden Haupt-
anlässen bildete sich und blieb dann auch später beisammen was man
die römische Akademie nannte. Dieselbe war durchaus nur ein freier
die römisch
Akademie
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
159
Verein und an kein festes Institut geknüpft; außer jenen Gelegenheiten
kam sie zusammen^**, wenn ein Gönner sie einlud oder wenn das Ge-
dächtnis eines verstorbenen Mitgliedes z. B. des Piatina gefeiert wurde.
Vormittags pflegte dann ein Prälat, der dazugehörte, eine Messe zu lesen;
darauf betrat etwa Pomponio die Kanzel und hielt die betreffende Rede;
nach ihm stieg ein anderer hinauf und rezitierte Distichen. Der obligate
Schmaus mit Disputationen und Rezitationen beschloß Trauer- wie
Freudenfeste, und die Akademiker, z. B. gerade Piatina selber, galten
schon früh als Feinschmecker^*'. Andere Male führten einzelne Gäste
auch Farcen im Geschmack der Atellanen auf Als freier Verein von sehr
wandelbarem Umfang dauerte diese Akademie in ihrer ursprünglichen
Art weiter bis auf die Verwüstung Roms und erfreute sich der Gastlich-
keit eines Angelus Coloccius, eines Joh. Corycius (S. 000) u. a. Wie hoch
sie für das Geistesleben der Nation zu werten ist, läßt sich so wenig
genau bestimmen, als bei irgendeiner geselligen Verbindung dieser Art;
immerhin rechnet sie selbst ein Sadoleto*^ zu den besten Erinnerungen
seiner Jugend. — Eine ganze Anzahl anderer Akademien entstanden
und vergingen in verschiedenen Städten, je nachdem die Zahl und Be-
deutung der ansässigen Humanisten oder die Gönnerschaft von Reichen
und Großen es möglich machte. So die Akademie von Neapel, welche
sich um Jovianus Pontanus versammelte und von welcher ein Teil nach
Lecce übersiedelte^**, diejenige von Pordenone, welche den Hof des
Feldherrn Alviano bildete usw. Von derjenigen des Lodovico Moro und
ihrer eigentümlichen Bedeutung für den Umgang des Fürsten ist bereits
(S. 26) die Rede gewesen.
Gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts scheint eine vollständige Um-
wandlung mit diesen Vereinen vorgegangen zu sein. Die Humanisten,
auch sonst aus der gebietenden Stellung im Leben verdrängt und der
beginnenden Gegenreformation Objekte des Verdachtes, verlieren die
Leitung der Akademien, und die italienische Poesie tritt auch hier an
die Stelle der lateinischen. Bald hat jede irgend beträchtliche Stadt ihre
Akademie mit möglichst bizarrem Namen**" und mit eigenem, durch
Beiträge und Vermächtnisse gebildetem Vermögen. Außer dem Rezitie-
ren von Versen ist aus der frühern, lateinischen Zeit herübergenommen
das periodische Gastmahl und die Aufführung von Dramen, teils durch
die Akademiker selbst, teils unter ihrer Aufsicht durch junge Leute und
bald durch bezahlte Schauspieler. Das Schicksal des italienischen Thea-
ters, später auch der Oper, ist lange Zeit in den Händen dieser Vereine
geblieben.
A Ib. a T3
Andere
Akademien
Abb. 230
Dereu
ilalisierung
VIERTER ABSCHNITT
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Frei von zahllosen Schranken, die anderwärts den Fortschritt hemm-
ten, individuell hoch entwickelt und durch das Altertum geschult, wendet
sich der italienische Geist auf die Entdeckung der äußern Welt und wagt
sich an deren Darstellung in Wort und Form. Wie die Kunst diese Auf-
gabe löste, wird anderswo erzählt werden.
Reisen der Über dic Rciscn der ItaUener nach fernen Weltgegenden ist uns hier
t.,iiener ^^^ ^j^^^ allgemeine Bemerkung gestattet. Die Kreuzzüge hatten allen
Europäern die Ferne geöffnet und überall den abenteuernden Wander-
Abb. 149 trieb geweckt. Es wird immer schwer sein, den Punkt anzugeben, wo
derselbe sich mit dem Wissensdrang verbindet oder vollends dessen
Diener wird; am frühsten und vollständigsten aber ist dies bei den
Italienern geschehen. Schon an den Kreuzzügen selbst hatten sie sich
in einem andern Sinne beteiligt als die übrigen, weil sie bereits Fiotten
Ahb.i2o.i22 und Handelsinteressen im Orient besaßen; von jeher hatte das Mittel-
meer seine Anwohner anders erzogen als das Binnenland die seinigen,
und Abenteurer im nordischen Sinne konnten die Italiener nach ihrer
Naturanlage übeihaupt nie sein. Als sie nun in allen östlichen Häfen
des Mittelmeeres heimisch geworden waren, geschah es leicht, daß sich
die Unternehmendsten dem grandiosen mohammedanischen Wander-
leben, welches dort ausmündete, anschlössen; eine ganze große Seite der
Erde lag dann gleichsam schon entdeckt vor ihnen. Oder sie gerieten,
wie die Polo von Venedig, in die Wellenschläge der mongolischen Welt
hinein und wurden weitergetragen bis an die Stufen des Thrones des
Großchans. Frühe finden wir einzelne Italiener auch schon im atlan-
tischen Meere als Teilnehmer von Entdeckungen, wie denn z. B. Genu-
esen im 13. Jahrhundert bereits die kanarischen Inseln fanden**^; in dem-
selben Jahre, 1291, da Ptolemais, der letzte Rest des christlichen Ostens,
verlorenging, machten wiederum Genuesen den ersten bekannten Vcr-
Abb. 189 such, zur Entdeckung eines Seeweges nach Ostindien**^; Columbus ist
nur der Größte einer ganze Reihe von Italienern, welche im Dienste
der Westvölker in ferne Meere fuhren. Nun ist aber der wahre Entdecker
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN l6l
nicht der, welcher zufällig zuerst irgendwohin gerät, sondern der, welcher
gesucht hat und findet; ein solcher allein wird auch im Zusammenhange
stehen mit den Gedanken und Interessen seiner Vorgänger, und die
Rechenschaft, die er ablegt, wird danach beschaffen sein. Deshalb werden
die Italiener, auch wenn ihnen jede einzelne Prioiität der Ankunft an
diesem oder jenem Strande abgestritten würde, doch immer das moderne
Entdeckervolk im vorzugsweisen Sinne für das ganze Spätmittelalter
bleiben.
Die nähere Begründung dieses Satzes gehört der Spezialgeschichte der
Entdeckungen an. Immer von neuem aber wendet sich die Bewunderung
der ehrwürdigen Gestalt des großen Genuesen zu, der einen neuen coiumbus
Kontinent jenseits der Wasser forderte, suchte und fand, und der es zu-
erst aussprechen durfte: il mondo e poco, die Erde ist nicht so groß als
man glaubt. Während Spanien den Italienern einen ^\lexander VI. sen-
det, gibt Italien den Spaniern den Coiumbus; wenige W^ochen vor dem
Tode jenes Papstes (7. Juli 1503) datiert dieser aus Jamaica seinen herr-
lichen Brief an die undankbaren katholischen Könige, den die ganze
Nachwelt nie wird ohne die stärkste Erregung lesen können. In einem
Kodizill zu seinem Testamente, datiert zu Valladolid, 4. Mai 1506, ver-
macht er ,, seiner geliebten Heimat, der Republik Genua, das Gebet-
buch, welches ihm Papst Alexander geschenkt, und welches ihm in
Kerker, Kampf und Widerwärtigkeiten zum höchsten Tröste gereicht
hatte". Es ist als ob damit auf den fürchterlichen Namen Borgia ein
letzter Schimmer von Gnade und Güte fiele.
Ebenso wie die Geschichte der Reisen dürfen wir auch die Entwicklung Kosmogra
des geographischen Darstellens bei den Italienern, ihren Anteil an der
Kosmographie, nur kurz berühren. Schon eine flüchtige Vergleichung
ihrer Leistungen mit denjenigen anderer Völker zeigt eine frühe und
augenfällige Überlegenheit. Wo hätte sich um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts außerhalb Italiens eine solche Verbindung des geograpliischen,
statistischen und historischen Interesses gefunden wie in Aeneas Sylvius? Aenea»
wo eine so gleichmäßig ausgebildete Darstellung? Nicht nur in seiner
eigentlich kosmograpliischen Hauptarbeit, sondern auch in seinen Brie-
fen und Kommentaren scliildert er mit gleicher Virtuosität Landschaften,
Städte, Sitten, Gewerbe und Erträgnisse, politische Zustände und Ver-
fassungen, sobald ihm die eigene Wahrnehmung oder lebendige Kunde
zu Gebote steht; was er nur nach Büchern beschreibt, ist natürlich ge-
ringer. Schon die kurze Skizze^*^ jenes tirolischen ^Alpentales, wo er
durch Friedrich III. eine Pfründe bekommen hatte, berührt alle wesent-
lichen Lebensbeziehungen und zeigt eine Gabe und Methode des ob-
jektiven Beobachtens und Vergleichens, wie sie nur ein durch die Alten
Burckhardt II
phische Ten-
denz
Sylviiis
l62 Olli ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
gebildeter Landsmann des Columbus besitzen konnte. Tausende sahen
und wußten wenigstens stückweise, was er wußte, aber sie hatten keinen
Drang, ein Bild davon zu entwerfen, und kein Bewußtsein, daß die Welt
solche Bilder verlange.
Wechsel- Aucli in der Kosmographie^^* wird man umsonst genau zu sondern
^EltdedtJnT suchen, wieviel dem Studium der Alten, wieviel dem eigentümlichen
undBeschrei- Gcuius der Italiener auf die Rechnung zu schreiben sei. Sie beobachten
bung
und behandeln die Dinge dieser Welt objektiv noch bevor sie die Alten
genauer kennen, weil sie selber noch ein halbantikes Volk sind und weil
ihr politischer Zustand sie dazu vorbereitet; sie würden aber nicht zu
solcher raschen Reife darin gelangt sein, hätten ihnen nicht die alten
Geographen den Weg gewiesen. Ganz unberechenbar ist endlich die
Einwirkung der schon vorhandenen italienischen Kosmographien auf
Geist und Tendenz der Reisenden, der Entdecker. Auch der dilettan-
tische Bearbeiter einer Wissenschaft, wenn wir z. B. im vorliegenden
Fall den Aeneas Sylvius so niedrig taxieren wollen, kann gerade die-
jenige Art von allgemeinem Interesse für die Sache verbreiten, welche
für neue Unternehmer den unentbehrlichen neuen Boden einer herr-
schenden Meinung, eines günstigen Vorurteils bildet. Wahre Entdecker
in allen Fächern wissen recht wohl, was sie solchen Vermittlern ver-
danken.
NatuTÄissen- Für die Stellung der Italiener im Bereich der Naturwissenschaften
müssen wir auf die besondern Fachbücher verweisen, von welchen uns
nur das offenbar sehr flüchtige und absprechende Werk Libris bekannt
ist*^^. Der Streit über Priorität gewisser einzelner Entdeckungen berührt
uns um so weniger, da wir der Ansicht sind, daß in jeder Zeit und in
jedem Kulturvolke möglicherweise ein Mensch aufstehen kann, der sich,
von sehr mäßiger Vorbildung ausgehend, aus unwiderstehlichem Drange
der Empirie in die Arme wirft und vermöge angeborner Begabung die
erstaunlichsten Fortschritte macht. Solche Männer waren Gerbert von
Rheims und Roger Bacon; daß sie sich überdies des ganzen Wissens
ihrer Zeit in ihren Fächern bemächtigten, war dann bloße notwendige
Konsequenz ihres Strebens. Sobald einmal die allgemeine Hülle des
Wahns durchgerissen, die Knechtschaft unter der Tradition und den
Büchern, die Scheu vor der Natur überwunden war, lagen die Probleme
Richtung auf masscnwcisc vor ihren Augen. Ein anderes ist es aber, wenn einem ganzen
e .mi)ine y^jj^g j^g Bctrachtcn und Erforschen der Natur vorzugsweise und früher
als andern Völkern eigen ist, wenn also der Entdecker nicht bedroht und
totgeschwiegen wird, sondern auf das Entgegenkommen verwandter Gei-
ster rechnen kann. Daß dies sich in Italien so verhalten habe, wird ver-
sichert*^^. Nicht ohne Stolz verfolgen die italienischen Naturforscher in
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
163
der Divina Commedia die Beweise und Anklänge von Dantes empirischer
Naturforschung^^'. Über die einzelnen Entdeckungen oder Prioritäten
der Erwähnung, die sie ihm beilegen, haben wir kein Urteil, aber jedem
Laien muß die Fülle der Betrachtung der äußern Welt auffallen, welche
schon aus Dantes Bildern und Verglcichungen spricht. Mehr als wohl
irgendein neuerer Dichter entnimmt er sie der Wirklichkeit, sei es Natur
oder Menschenleben, braucht sie auch nie als bloßen Schmuck, sondern
um die möglichst adäquate Vorstellung von dem zu erwecken, was er
zu sagen hat. Als spezieller Gelehrter tritt er dann vorzüglich in der
Astronomie auf, wenngleich nicht zu verkennen ist, daß manche astro-
nomische Stelle in dem großen Gedichte, die uns jetzt gelehrt erscheint. Populäre
damals allgemein verständlich gewesen sein muß. Dante appelliert, ab-
gesehen von seiner Gelehisamkeit, an eine populäre Himmelskunde,
welche die damahgen Italiener, schon als Seefahrer, mit den Alten gemein
hatten. Diese Kenntnis des Aufganges und Niederganges der Sternbilder
ist für die neuere Welt durch Uliren und Kalender entbehrlich geworden, Abb. 21s
und mit ihr ging verloren was sich sonst von astronomischem Interesse
im Volke entwickelt hatte. Gegenwärtig fehlt es nicht an Handbüchern
und Gymnasialunterricht, und jedes Kind weiß, daß die Erde sich um
die Sonne bewegt, was Dante nicht wußte, aber die Teilnahme an der
Sache ist der vollkommensten Gleichgültigkeit gewichen, mit Ausnahme
der Fachleute.
Die Wahnwissenschaft, welche sich an die Sterne hing, beweist nichts
gegen den empirischen Sinn der damaligen Italiener; derselbe wurde
nur durchkreuzt und überwältigt durch die Leidenschaft, den heftigen
Wunsch die Zukunft zu wissen. Auch wird von der Astrologie bei Anlaß
des sittlichen und religiösen Charakters der Nation zu reden sein.
Die Kirche war gegen diese und andere falsche Wissenschaften fast Einmischung
immer tolerant, und auch gegen die echte Naturforschung schritt sie
wohl nur dann ein, wenn die Anklage — wahr oder unwahr — zugleich
auf Ketzerei und Nekromantie lautete, was denn allerdings ziemlich nahe
lag. Der Punkt, aufweichen es ankommt, wäre: zu ermitteln, ob und in
welchen Fällen die dominikanischen Inquisitoren (und wohl auch die
Franziskaner) in Italien sich der Falschheit dieser Anklagen bewußt
waren und dennoch verurteilten, sei es aus Konnivenz gegen Feinde des
betreffenden, oder aus stillem Haß gegen die Naturbeobachtung über-
haupt und besonders gegen die Experimente. Letzteres wird wohl vor-
gekommen aber kaum je zu beweisen sein. Was im Norden solche Ver-
folgungen mit veranlassen mochte, der Widerstand des von den Scho-
lastikern rezipierten, offiziellen Systems der Naturkunde gegen die
Neuerer als solche, möchte für Italien weniger oder auch gar nicht in
11*
164 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Betracht kommen. Pietro von Abano (zu Anfang des 14. Jahrhunderts)
fiel notorisch als Opfer des kollegialischen Neides eines andern Arztes, der
ihn bei der Inquisition wegen Irrglaubens und Zauberei verklagte***,
und auch bei seinem paduanischen Zeitgenossen Giovannino Sanguinacci
wird man etwas ähnliches vermuten dürfen, da derselbe als Arzt ein
praktischer Neuerer war; derselbe kam mit bloßer Verbannung davon.
Endlich ist nicht zu vergessen, daß die Macht der Dominikaner als In-
quisitoren in Italien weniger gleichmäßig geübt werden konnte ais im
Norden; Tyrannen sowohl als freie Staaten zeigten bisweilen im 14. Jahr-
hundert der ganzen Klerisei eine solche Verachtung, daß noch ganz
andere Dinge als bloße Naturforschung ungeahndet durchgingen. Als
umi lies Hu- abcr mit dem 15. Jahrhundert das Altertum mächtig in den Vorder-
grund trat, war die ins alte System gelegte Bresche eine gemeinsame zu-
gunsten jeder Art profanen Forschens, nur daß allerdings der Humanis-
mus die besten Kräfte an sich zog und auch wohl der empirischen Natur-
kunde Eintrag tat*^^. Hie und da erwacht dazwischen immer wieder die
Abb. ,91. 191 Inquisition und straft oder verbrennt Ärzte als Lästerer und Nekro-
manten, wobei rüe sicher zu ermitteln ist, welches das wahre, tiefste
Motiv der Verurteilung gewesen. Bei alledem stand Italien zu Ende des
Abb. ,S7 15. Jahrhunderts mit Paolo Toscanelli, Luca Paccioli und Lionardo da
Vinci in Mathematik vmd Naturwissenschaften ohne allen Vergleich als
das erste Volk Europas da und die Gelehrten aller Länder bekannten
sich als seine Schüler, auch Regiomontanus und Copernicus. Dieser Ruhm
überlebte sogar die Gegenreformation, und noch bis heute würden die
Italiener hier in der ersten Reihe stehen, wenn nicht gewaltsam dafür
gesorgt wäre, daß die tüchtigsten Geister und die ruhige Forschung sich
Abb. 190. 191 nicht mehr zusammenfinden.
Botanik; Ein bedeutsamer Wink für die allgemeine Verbreitung des natur-
Tm ""r" geschichtlichen Interesses liegt auch in dem früh geäußerten Sammler-
sinn, der vergleichenden Betrachtung der Pflanzen und Tiere. Italien
rühmt sich zunächst der frühsten botanischen Gärten, doch mag hier
der praktische Zweck überwogen haben und selbst die Priorität streitig
sein. Ungleich wichtiger ist es, daß Fürsten und reiche Privatleute bei
der Anlage ihrer Lustgärten von selbst auf das Sammeln möglichst vieler
versclüedenen Pflanzen und Spezies und Varietäten derselben gerieten.
So wird uns im 15. Jahrhundert der prächtige Garten der Mediceischen
Villa Cari'egi beinahe wie ein botanischer Garten geschildert*"*', mit
zahllosen einzelnen Gattungen von Bäumen und Sträuchern. So im Be-
ginn des 16. Jahrhunderts eine Villa des Kardinal Triulzio in der rö-
mischen Champagna"^, gegen Tivoli hin, irdt Hecken von verschiedenen
Rosengattungen, mit Bäumen aller Art, worunter die Fruchtbäume in
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
165
allen möglichen Varietäten; endlich zwanzig Rebengattungen und ein
großer Küchengarten. Hier handelt es sich offenbar um etwas anderes
als um ein paar Dutzend allbekannte Medizinalpflanzen, wie sie durch
das ganze Abendland in keinem Schloß- oder Klostergarten fehlten;
neben einer höchst verfeinerten Kultur des Tafelobstes zeigt sich ein
Interesse für die Pflanze als solche, um ihres merkwürdigen Anblickes
willen. Die Kunstgeschichte belehrt uns darüber, wie spät erst die Gär-
ten sich von dieser Sammlerlust befreiten, um fortan einer großen
architektonisch-malerischen Anlage zu dienen. .-ub. 320-330
Auch das Unterhalten fremder Tiere ist gewiß nicht ohne Zusammen- Frcu.de
hang mit einem höhern Interesse der Beobachtung zu denken. Der
leichte Transport aus den südlichen und östlichen Häfen des Mittel-
meeres und die Gunst des italienischen Klimas machten es möglich die
mächtigsten Tiere des Südens anzukaufen oder von den Sultanen als
Geschenk anzunehmen^^^. Vor allem hielten Städte und Fürsten gern
lebendige Löwen, auch wenn der Löwe nicht gerade das Wappentier
war wie in Florenz^'^. Die Löwengruben befanden sich in oder bei den
Staatspalästen, so in Perugia und in Florenz; diejenige in Rom lag am
Abhang des Capitols. Diese Tiere dienten nämlich bisweilen als Voll-
strecker politischer Urteile^'* und hielten wohl aucli sonst einen gewissen
Schrecken unter dem Volke wach. Außerdem galt ihr Verhalten als
vorbedeutungsvoll; namentlich war ihre Fruchtbarkeit ein Zeichen
allgemeinen Gedeihens, und auch ein Giovanni Villani verschmäht
CS nicht anzumerken, daß er bei einem Wurf der Löwin zugegen ge-
wesen^'*. Die Jungen pflegte man zum Teil an befreundete Städte und
Tyrannen zu verschenken, auch an Kondottieren als Preis der Tapfer-
keit^'*. Außerdem hielten die Florentiner schon sehr früh Leoparden,
für welche ein besonderer Leopardenmeistcr unterhalten wurde*''.
Borso von Ferrara*'^ ließ seinen Löwen mit Stieren, Bären und Wild-
schweinen kämpfen.
Zu Ende des 15. Jahrhunderts aber gab es schon an mehreren Fürsten- ais wappen-
höfen wahre Menagerien (Serragli), als Sache des standesgemäßen Luxus, ^^^reimd ku-
,,Zu der Pracht eines Herrn, sagt Matarazzo*'*, gehören Pferde, nositaten
Hunde, Maultiere, Sperber u. a. Vögel, Hofnarren, Sänger und fremde
Tiere." Die Menagerie von Neapel enthielt unter Ferrante u. a. eine
Giraffe und ein Zebra, Geschenke des damaligen Fürsten von Bagdad.
wie es scheint^". Filippo Maria Visconti besaß nicht nur Pferde, die
mit 500, ja 1000 Goldstücken bezahlt wurden und kostbare englische
Hunde, sondern auch viele Leoparden, welche aus dem ganzen Orient
zusammengebracht waren; die Pflege seiner Jagdvögel, die er aus dem
Norden zusammensuchen ließ, kostete monathch 3000 Goldslücke^^
l66 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
König Emanuel der Große von Portugal wußte wohl, was er tat, als er
an Leo X. einen Elefanten und ein Rhinozeros schickte^^. Inzwischen
war bereits der Grund zu einer wissenschaftlichen Zoologie so gut wie
zur Botanik gelegt worden.
Gestüte Eine praktische Seite der Tierkunde entwickelte sich dann in den Ge-
A b. 28g, 3^0. g^^yj-gj,^ yQj^ welchen das mantuanische unter Francesco Gonzaga als das
erste in Europa galt*^. Die vergleichende Schätzung der Pferderassen
ist wohl so alt als das Reiten überhaupt, und die künstliche Erzeugung
von Mischrassen muß namentlich seit den Kreuzzügen üblich gewesen
sein; für Italien aber waren die Ehrengewinnste bei den Pferderennen
aller irgend bedeutenden Städte der stärkste Beweggrund, möglichst
rasche Pferde hervorzubringen. Im mantuanischen Gestüt wuchsen die
unfehlbaren Gewinner dieser Art, außerdem aber auch die edelsten
Streitrosse und überhaupt Pferde, welche unter allen Geschenken an
große Herrn als das fürstlichste erschienen. Der Gonzaga hatte Hengste
und Stuten aus Spanien und Irland wie aus Afrika, Thracien und Zili-
zien; um letzterer willen unterhielt er Verkehr und Freundschaft mit
den Großsultanen. Alle Varietäten wurden hier versucht, um das Treff-
lichste hervorzubringen.
Menschen- Aber auch an einer Menschenmenagerie fehlte es nicht; der bekannte
Kardinal Ippolito Mcdici^*, Bastard des Giuliano, Herzogs von Ne-
mours, hielt an seinem wunderlichen Hofe eine Schar von Barbaren,
welche mehr als zwanzig verschiedene Sprachen redeten und jeder in
seiner Art und Rasse ausgezeichnet waren. Da fand man unvergleich-
liche Voltigeurs von edlem nordafrikanischem Maurengeblüt, tatarische
Bogenschützen, schwarze Ringer, indische Taucher, Türken, welche
hauptsächlich auf der Jagd die Begleiter des Kardinals waren. Als ihm
sein frühes Schicksal (1535) ereilte, trug diese bunte Schar die Leiche
auf den Schultern von Itri nach Rom und mischte in die allgemeine
Trauer der Stadt um den freigebigen Herrn ihre vielsprachige, von hef-
tigen Gebärden begleitete Totenklage^^.
Diese zerstreuten Notizen über das Verhältnis der Italiener zur Natur-
wissenschaft und ihre Teilnahme für das Verschiedene und Reiche in
den Produkten der Natur sollen nur zeigen, welcher Lücke der Ver-
fasser sich an dieser Stelle bewußt ist. Von den Spczialwerken, welche
dieselbe überreichlich ausfüllen würden, sind ihm kaum die Namen ge-
nügend bekannt.
Enidcckuns Allein außer dem Forschen und Wissen gab es noch eine andere Art,
'!"';'",''" der Natur nahezutreten, und zwar zunächst in einem besondern Sinne.
schaftlichen '
Schönheit Die Italiener sind die frühsten unter den Modernen, welche die Gestalt
Schaft im
Mittelalter
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN 167
der Landschaft als etwas mehr oder weniger Schönes wahrgenommen
und genossen haben^*.
Diese Fähigkeit ist immer das Resultat langer, komplizierter Kultur-
prozesse, und ihr Entstehen läßt sich schwer verfolgen, indem ein ver-
hülltes Gefühl dieser Art lange vorhanden sein kann, ehe es sich in Dich-
tung und Malerei verraten und damit seiner selbst bewußt werden \\ard.
Bei den Alten z. B. waren Kunst und Poesie mit dem ganzen Menschen-
leben gewissermaßen fertig, ehe sie an die landschaftliche Darstellung
gingen und diese blieb immer nur eine beschränkte Gattung, während
doch von Homer an der starke Eindruck der Natur auf den Menschen
aus zahllosen einzelnen Worten und Versen hervorleuchtet. Sodann
waren die germanischen Stämme, welche auf dem Boden des römischen
Reiches ihre Herrschaften gründeten, von Hause aus im höchsten Sinne
ausgerüstet zur Erkenntnis des Geistes in der landschaftlichen Natur,
und wenn sie auch das Christentum eine Zeitlang nötigte, in den bisher
verehrten Quellen und Bergen, in See und Wald das Antlitz falscher
Dämonen zu ahnen, so war doch dieses Durchgangsstadium ohne Zweifel
bald überwunden. Auf der Höhe des Mittelalters um das Jahr 1200, Die Land
existiert wieder ein völlig naiver Genuß der äußern Welt und gibt sich
lebendig zu erkennen bei den Minnedichtern der verschiedenen Natio-
nen^'. Dieselben verraten das stärkste ^-litleben in den einfachsten Er-
scheinungen, als da sind der Frühling und seine Blumen, die grüne Heide
und der Wald. Aber es ist lauter Vordergrund ohne Ferne, selbst noch
in dem besondern Sinne, daß die weitgereisten Kreuzfahrer sich in
ihren Liedern kaum als solche verraten. Auch die epische Poesie, welche
z. B. Trachten und Waffen so genau bezeichnet, bleibt in der Schil-
derung der Örtlichkeit skizzenhaft, und der große Wolfram von Eschen-
bach erweckt kaum irgendein genügendes Bild von der Szene, auf
welcher seine handelnden Personen sich bewegen. Aus den Gesängen
würde vollends niemand erraten, daß dieser dichtende Adel aller Länder
tausend hochgelegene, weitschauende Schlösser bewohnte oder besuchte
und kannte. Auch in jenen lateinischen Dichtungen der fahrenden Kleri-
ker (S. 100) fehlt noch der Blick in die Ferne, die eigentliche Landschaft,
aber die Nähe wird bisweilen mit einer so glühenden Farbenpracht ge-
schildert, wie sie vielleicht kein ritterlicher Minnedichter wiedergibt.
Oder existiert noch eine Schilderung vom Haine des Amor wie bei
jenem, wie wir annehmen, italienischen Dichter des 12. Jahrhunderts?
Immortalis fieret
Ibi manens homo;
Arbor ibi quaelibet
Suo gaudet pomo;
i68
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Dante
Abb. ;ig
Petrarc.i
Abb. 221, 222
Viae myrrha, cinnamo
Fragrant, et amomo —
Coniectari poterat
Dominus ex domo*^ usw.
Für Italiener jedenfalls ist die Natur längst entsündigt und von jeder
dämonischen Einwirkung befreit. San Francesco von Assisi preist in
seinem Sonnenhymnus den Herrn ganz harmlos um der Schöpfung der
Himmelslichter und der vier Elemente willen.
Aber die festen Beweise für eine tiefere Wirkung großer landschaft-
licher Anbhcke auf das Gemüt beginnen mit Dante. Er scliildert nicht
nur überzeugend in wenigen Zeilen die Morgenlüfte mit dem fern-
zitternden Licht des sanft bewegten Meeres, den Sturm im Walde
u. dgl., sondern er besteigt hohe Berge in der einzig möglichen Absicht,
den Fernblick zu genießen^*; vielleicht seit dem Altertum einer der
ersten, der dies getan hat. Boccaccio läßt mehr erraten, als daß er es
schilderte, wie ihn die Landschaft ergreift, doch wird man in seinen
Hirtenromanen^*" die wenigstens in seiner Phantasie vorhandene mäch-
tige Naturszenerie nicht verkennen. Vollständig und mit größter Ent-
schiedenheit bezeugt dann Petrarca, einer der frühsten völlig modernen
Menschen, die Bedeutung der Landschaft für die erregbare Seele. Der
lichte Geist, welcher zuerst aus allen Literaturen die Anfänge und
Fortschritte des malerischen Natursinnes zusammengesucht und in den
,, Ansichten der Natur" selber das höchste Meisterwerk der Schilderung
vollbracht hat, Alexander von Humboldt, ist gegen Petrarca nicht
völlig gerecht gewesen, so daß uns nach dem großen Schnitter noch
eine kleine Ährenlese übrigbleibt.
Petrarca war nämlich nicht bloß ein bedeutender Geograph und
Kartograph — die früheste Karte von Italicn^*^ soll er haben entwerfen
lassen — er wiederiiolte auch nicht bloß, was die Alten gesagt hatten,
sondern der Anblick der Natur traf ihn unmittelbar. Der Naturgenuß
ist für ihn der erwünscheste Begleiter jeder geistigen Beschäftigung;
auf der Verflechtung beider beruht sein gelehrtes Anachoretenleben
in Vaucluse und anderswo, seine periodische Flucht aus Zeit und Welt^^'.
Man würde ihm Unrecht tun, wenn man aus seinem noch schwachen
und wenig entwickelten Vermögen des landschaftlichen Schildems auf
einen Mangel an Empfindung schließen wollte. Seine Beschreibung des
wunderbaren Golfes von Spezzia und Porto Venere z. B., die er des-
halb am Ende des VL Gesanges der ,,Africa" einlegt, weil sie bis jetzt
weder von Alten noch von Neuern besungen w^orden^^*, ist allerdings
eine bloße Aufzählung. Aber derselbe Petrarca kennt doch bereits die
Schönheit von Felsbildungen und weiß überhaupt die malerische Be-
bfsteigiing
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN I 69
deutung einer Landschaft von der Nutzbarkeit zu trennen*^^ Bei seinem
Aufenthalt in den Wäldern von Reggio wirkt der plötzliche Anblick
einer großartigen Landschaft so auf ihn, daß er ein längstunterbroche-
nes Gedicht wieder fortsetzt^^^. Die wahrste und tiefste Aufregung aber
kommt über ihn bei der Besteigung des Mont Ventoux unweit Avignon^^". Berg-
Ein unbestimmter Drang nach einer weiten Rundsicht steigert sich
in ihm aufs höchste, bis endlich das zufällige Treffen jener Stelle im
Livius, wo König Philipp, der Römerfeind, den Hämus besteigt, den
Entscheid gibt. Er denkt: was an einem königlichen Greise nicht ge-
tadelt werde, sei auch bei einem jungen Manne aus dem Privatstande
wohl zu entschuldigen. Planloses Bergsteigen war nämlich in seiner
Umgebung etwas Unerhörtes, und an die Begleitung von Freunden
oder Bekannten war nicht zu denken. Petrarca nahm nur seinen Jüngern
Bruder und vom letzten Rastort aus zwei Landleute mit. Am Gebirge
beschwor sie ein alter Hirte umzukehren; er habe vor fünfzig Jahren
dasselbe versucht und nichts als Reue, zerschlagene Glieder und zer-
fetzte Kleider heimgebracht; vorher und seitdem habe sich niemand
mehr des Weges unterstanden. Allein sie dringen mit unsäglicher Mühe
weiter empor, bis die Wolken unter ihren Füßen schweben, und er-
reichen den Gipfel. Eine Beschreibung der Aussicht erwartet man nun
allerdings vergebens, aber nicht weil der Dichter dagegen unempfind-
lich wäre, sondern im Gegenteil, weil der Eindruck allzu gewaltig
auf ihn wirkt. Vor seine Seele tritt sein ganzes vergangenes Leben mit
allen Torheiten; er erinnert sich, daß es heut zehn Jahre sind, seit
er jung aus Bologna gezogen, und wendet einen sehnsüchtigen Blick
in der Richtung gen Italien hin; er schlägt ein Büchlein auf, das damals
sein Begleiter war, die Bekenntnisse des hl. Augustin — allein siehe,
sein Auge fällt auf die Stelle im zehnten Abschnitt: ,,Und da gehen die
Menschen hin und bewundern hohe Berge und weite Meeresfluten und
mächtig daherrauschende Ströme und den Ozean und den Lauf der
Gestirne und verlassen sich selbst darob." Sein Bruder, dem er diese
Worte vorliest, kann nicht begreifen, warum er hierauf das Buch schließt
und schweigt.
Einige Jahrzehnte später, um 1360, schildert Fazio degli Uberti in Der duu-
seiner gereimten Kosmographie^'^ (S. 102) die weite Aussicht vom Ge-
birge Alvernia rwar nur mit der Teilnahme des Geographen und Anti-
quars, doch deutlich, als eine wirklich von ihm gesehene. Er muß aber
noch viel höhere Gipfel erstiegen haben, da er Phänomene kennt, die
sich erst mit mehr als 10 000 Fuß über Meer einstellen, das Blutwallen,
Augendrücken und Herzklopfen, wogegen sein mythischer Gefährte
Solinus durch einem Schwamm mit einer Essenz Hilfe schafft. Die Be-
moüdo
und dieLand
Schaft
I -JQ DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Steigungen des Parnasses und des Olymp^^^, von welchen er spricht,
mögen freilich bloße Fiktionen sein.
Mit dem 15. Jahrhundert rauben dann auf einmal die großen Meister
der flandrischen Schule, Hubert und Johann van Eyk, der Natur ihr
Bild. Und zwar ist ihre Landschaft nicht bloß Konsequenz ihres all-
gemeinen Strebens, einen Schein der Wirklichkeit hervorzubringen, son-
dern sie hat bereits einen selbständigen poetischen Gehalt, eine Seele,
wenn auch nur in befangener Weise. Der Eindruck derselben auf die
ganze abendländische Kunst ist unleugbar, und so bheb auch die
■^M 4i italienische Landschaftsmalerei davon nicht unberührt. Allein daneben
geht das eigentümliche Interesse des gebildeten italienischen Auges
für die Landschaft seinen eigenen Weg.
Aen. syivius Wic in dcr wissenschaftlichen Kosmographik, so ist auch hier Aeneas
Sylvius eine der wichtigsten Stimmen der Zeit. Man könnte den Menschen
Aeneas völlig preisgeben und müßte gleichwohl dabei gestehen, daß
in wenigen andern das Bild der Zeit und ihrer Geisteskultur sich so
vollständig und lebendig spiegelte, daß wenige andere dem Normal-
menschen der Frührenaissance so nahe kommen. Übrigens wird man
ihn auch in moralischer Beziehung, beiläufig gesagt, nicht ganz billig
beurteilen, wenn man einseitig die Beschwerden der mit Hilfe seiner
Wandclbarkeit um ihr Konzil betrogenen deutschen Kirche zum Aus-
gangspunkt nimmt^"".
Hier interessiert er uns als der erste, welcher die Herrlichkeit der
italienischen Landschaft nicht bloß genossen, sondern mit Begeisterung
bis ins einzelne geschildert hat. Den Kirchenstaat und das südliche
Toscana (seine Heimat) kannte er besonders genau, und als er Papst
wurde, wandte er seine Muße in der guten Jahreszeit wesentlich auf
Ausflüge und Landaufenthalte. Jetzt wenigstens hatte der längst poda-
grische Mann die Mittel, sich auf dem Tragscssel über Berg und Tal
bringen zu lassen, und wenn man die Genüsse der folgenden Päpste
damit vergleicht, so erscheint Pius, dessen höchste Freude Natur, Alter-
tum und mäßige, aber edelzierliche Bauten waren, wie ein halber
Heiliger. In dem schönen lebendigen Latein seiner Kommentarien legt
er ganz unbefangen das Zeugnis seines Glückes nieder^"^.
Seine Peru- Sein Augc crschcint so vielseitig gebildet als dasjenige irgendeines
modernen Menschen. Er genießt mit Entzücken die große panorama-
tische Pracht der Aussicht vom höchsten Gipfel des Albanergebirges,
dem Monte Cavo, von wo er das Gestade der Kirche von Terracina
und dem Vorgebirge der Circe bis nach Monte Argentaro überschaut
und das weite Land mit all den Ruinenstädten der Urzeit, mit den
Bergzügen Mittclitalicns, mit dem Blick auf die in der Tiefe ringsum
sichten
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
171
grünenden Wälder und die nahe scheinenden Seen des Gebirges. Er
empfindet die Schönheit der Lage von Todi, wie es thront über seinen
Weinbergen und Ölhalden, mit dem BHck auf ferne Wälder und auf
das Tibertal, wo die vielen Kastelle und Städtchen über dem schlän-
gelnden Fluß ragen. Das reizende Hügelland um Siena mit seinen
Villen und Klöstern auf allen Höhen ist freilich seine Heimat, und seine
Schilderung zeigt eine besondere Vorliebe. Aber auch das einzelne
malerische Motiv im engern Sinne beglückt ihn, wie z. B. jene in den
Bolsener See vortretende Landzunge, Capo di Monte: ,,Felstrcppen,
von Weinlaub beschattet, führen steil nieder ans Gestade, wo zwischen
den Klippen die immergrünen Eichen stehen, stets belebt vom Gesang
der Drosseln". Auf dem Wege rings um den See von Nemi, unter den
Kastanien und andern Fruchtbäumen, fühlt er, daß hier wenn irgend-
wo das Gemüt eines Dichters erwachen müßte, hier in ,,Dianens Ver-
steck". Oft und viel hat er Konsistorium und Segnatura gehalten oder
Gesandte angehört unter alten Riesenkastanien, oder unter Ölbäumen,
auf grüner Wiese, neben sprudelnden Gewässern. Einen Anblick wie der
einer sich verengenden Waldschlucht mit einer kühn darüber gewölbten
Brücke gewinnt er sofort seine hohe Bedeutung ab. Auch das einzelste
erfreut ihn dann wieder durch seine schöne oder vollständig ausgebildete
und charakteristische Erscheinung: die blau wogenden Flachsfelder, der
gelbe Ginster, welcher die Hügel überzieht, selbst das wilde Gestrüpp
jeder Art, und ebenso einzelne prächtige Bäume und Quellen, die ihm
wie Naturwunder erscheinen.
Den Gipfel seines landschaftlichen Schwelgens bildet sein Aufent-
halt auf dem Monte Amiata im Sommer 1462, als Pest und Gluthitze
die Tieflande schrecklich machten. In der halben Höhe des Berges,
in dem alten langobardischen Kloster San Salvatore schlug er mit der
Kurie sein Quartier auf: dort, zwischen Kastanien über dem schroffen
Abhang, überschaut man das ganze südliche Toskana und sieht in der
Ferne die Türme von Siena. Die Ersteigung der höchsten Spitze über-
ließ er seinen Begleitern, zu welchen sich auch der venezianische Orator
gesellte; sie fanden oben zwei gewaltige Steinblöckc übereinander, viel-
leicht die Opferstätte eines Urvolkes, und glaubten über dem Meere
in weiter Ferne auch Korsika und Sardinieu^''^ zu entdecken. In der
herrlichen Sommerkühle, zwischen den alten Eichen und Kastanien,
auf dem frischen Rasen, wo kein Dorn den Fuß ritzte, kein Insekt
und keine Schlange sich lästig oder gefährlich machte, genoß der Papst
der glücklichsten Stimmung; für die Segnatura, welche an bestimmten
Wochentagen stattfand, suchte er jedesmal neue schattige Plätze""^ auf —
„novos in convallibus fontes et novas inveniens umbras, quas dubiam
ind Ansich-
ten
Monte
Amiata
IT2 DIEENTDECKUNGDERWELTUNDDES MENSCHEN
facerent electionern". Dabei geschah es wohl, daß die Hunde einen
gewaltigen Hirsch aus seinem nahen Lager aufjagten, den man mit
Abb. 314 Klauen und Geweih sich verteidigen und bergaufwärts fliehen sah.
Des Abends pflegte der Papst vor dem Kloster zu sitzen an der Stelle,
von wo man in das Tal der Paglia niederschaut, und mit den Kardi-
nälen heitere Gespräche zu führen. Kurialen, die sich auf der Jagd
abwärts wagten, fanden unten die Hitze unleidlich und alles verbrannt,
eine wahre Hölle, während das Kloster in seiner grünen, kühlen Um-
gebung eine Wohnung der Seligen schien.
Dies ist lauter wesentlich moderner Genuß, nicht Einwirkung des
Altertums. So gewiß die Alten ähnlich empfanden, so gewiß hätten
doch die spärlichen Aussagen hierüber, welche Pius kennen mochte,
nicht liingereicht, um in ihm eine solche Begeisterung zu entzünden*"*.
Spätere Die nun folgende zweite Blütezeit der italienischen Poesie zu Ende
Zeugnisse ^^^ ^^ ^^^ ^^ Anfang des 16. Jahrhunderts nebst der gleichzeitigen
lateinischen Dichtung ist reich an Beweisen für die starke Wirkung
der landschafthchen Umgebung auf das Gemüt, wie der erste Blick
auf die damaligen Lyriker lehren mag. Eigentliche Beschreibungen
großer landschaftlicher Anblicke aber finden sich deshalb kaum, weil
Lyrik, Epos und Novelle in dieser energischen Zeit anderes zu tun
haben. Bojardo und Ariosto zeichnen ihre Naturszenerie sehr ent-
schieden, aber so kurz als möglich, olmc sie je durch Fernen und große
Perspektiven zur Stimmung beitragen zu lassen*''^, denn diese liegt aus-
schließlich in den Gestalten und Ereignissen. Beschauhche Dialogen-
schreiber*"* und Epistolographen können viel eher eine Quelle für das
wachsende Naturgefühl sein als Dichter. Merkwürdig bewußt hält z. B.
Bandello die Gesetze seiner Literaturgattung fest: in den Novellen selbst
kein Wort mehr als das Notwendigste über die Naturumgcbung*"', in
den jedesmal vorangehende Widmungen dagegen mehrmals eine be-
hagliche Scliilderung derselben als Szene von Gespräch und Gesellig-
.■16/.. 34- keit. Von den Briefschreibern ist leider Aretino*"* zu nennen als der-
jenige, welcher vielleicht zuerst einen prachtvollen abendlichen Licht-
und Wolkcneffckt umständlich in Worte gefaßt hat.
Genre- Docli auch bei Dichtern kommt bisweilen eine merkwürdige Ver-
flechtung ihres Gefühlslebens mit einer liebevoll, und zwar genrehaft
geschilderten Naturumgebung vor. Tito Strozza beschreibt in einer
lateinischen Elegie*"^ (um 1480) den Aufenthalt seiner Geliebten: ein
altes, von Efeu umzogcnes Häuschen mit verwitterten Heiligenfresken,
in Bäumen versteckt, daneben eine Kapelle, übel zugerichtet von den
reißenden Hochwassern des hart vorbei strömenden Po; in der Nähe
ackert der Kaplan seine sieben magern Jucharten mit entlehntem Ge-
landschaft
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN I yg
spann. Dies ist keine Reminiszenz aus den römischen Elegikern, sondern
eigene moderne Empfindung, und die Parallele dazu, eine wahre, nicht
künstlich bukolische Schilderung des Landlebens, wird uns zu Ende
dieses Abschnitts auch nicht fehlen. .^m j3..-jjä
Man könnte nun einwenden, daß unsere deutschen Meister des be-
ginnenden 1 6. Jahrhunderts solche realistische Umgebungen des Men-
schenlebens bisweilen mit vollster Meisterschaft darstellen, wie z. B
Albrecht Dürer in seinem Kupferstich des verlorenen Sohnes. Al^er
es sind zwei ganz verschiedene Dinge, ob ein Maler, der mit dem Realis-
mus großgewachsen, solche Szenerien beifügt, oder ob ein Dichter,
der sich sonst ideal und mythologisch drapiert, aus innerm Drange
in die Wirklichkeit niedersteigt. Überdies ist die zeitliche Priorität hier
wie bei den Schilderungen des Landlebens auf der Seite der italienischen
Dichter.
Zu der Entdeckung der Welt fügt die Kultur der Renaissance eine Entdeckung
noch größere Leistung, indem sie zuerst den ganzen, vollen Gehalt " ™^° ™
des Menschen entdeckt und zutage fördert®^".
Zunächst entwickelt dies Weltalter, wie wir sahen, auf das stärkste
den Individualismus; dann leitet es denselben zur eifrigsten, vielseitig-
sten Erkenntnis des Individuellen auf allen Stufen an. Die Entwicklung
der Persönlichkeit ist wesentlich an das Erkennen derselben bei sich
und andern gebunden. Zwischen beide große Erscheinungen hinein
haben wir die Einwirkung der antiken Literatur deshalb versetzen müs-
sen, weil die Art des Erkennens und Schilderns des Individuellen wie
des allgemein Menschlichen wesentlich durch dieses Medium gefärbt
und bestimmt wird. Die Kraft des Erkennens aber lag in der Zeit und
in der Nation.
Die beweisenden Phänomene, auf welche wir uns berufen, werden
wenige sein. Wenn irgendwo im Verlauf dieser Darstellung, so hat
der Verfasser hier das Gefühl, daß er das bedenkliche Gebiet der Ahnung
betreten hat und daß, was ihm als zarter, doch deutlicher Farben-
übergang in der geistigen Geschichte des 14. und 15. Jahrhunderts
vor Augen schwebt, von andern doch schwerlich mag als Tatsache an-
erkannt werden. Dieses allmähliche Durchsichtigwerden einer Volks-
seele ist eine Erscheinung, welche jedem Beschauer anders vorkommen
mag. Die Zeit wird sichten und richten.
Glücklicherweise begann die Erkenntnis des geistigen Wesens des Tempera-
Menschen nicht mit dem Grübeln nach einer theoretischen Psycho-
logie — denn dafür genügte Aristoteles — , sondern mit der Gabe der
Beobachtung und der Schilderung. Der unerläßliche theoretische Ballast
niente und
I'I.incten
174
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
beschränkt sich auf die Lehre von den vier Temperamenten in ihrer
damals üblichen Verbindung mit dem Dogma vom Einfluß der Planeten.
Diese starren Elemente behaupten sich als unauflöslich seit unvordenk-
lichen Zeiten in der Beurteilung der Einzelmenschen, ohne weiter dem
großen allgemeinen Fortschritt Schaden zu tun. Freihch nimmt es
sich sonderbar aus, wenn damit manövriert wird in einer Zeit, da
bereits nicht nur die exakte Schilderung, sondern auch eine unver-
gängliche Kunst und Poesie den vollständigen Menschen in seinem
tiefsten Wesen wie in seinen charakteristischen Äußerlichkeiten dar-
zustellen vermochten. Fast komisch lautet es, wenn ein sonst tüchtiger
Beobachter Clemens VII. zwar für melancholischen Temperamentes
hält, sein Urteil aber demjenigen der Ärzte unterordnet, welche in
dem Papste eher ein sanguinisch-cholerisches Temperament erkennen*".
Oder wenn wir erfahren, daß derselbe Gaston de Foix, der Sieger von
Ravenna, welchen Giorgione malte und Bambaja meißelte und welchen
alle Historiker schildern, ein saturnisches Gemüt gehabt habe*^. Frei-
lich wollen die, welche solches melden, damit etwas sehr Bestimmtes
bezeichnen; wunderlich und überlebt erscheinen nur die Kategorien,
durch welche sie ihre Meinung ausdrücken.
Die Dichter Im Rcichc der freien geistigen Schilderung empfangen uns zunächst
die großen Dichter des 14. Jahrhunderts.
Wenn man aus der ganzen abendländischen Hof- und Ritterdich-
tung der beiden vorhergehenden Jahrhunderte die Perlen zusammen-
sucht, so wird eine Summe von herrlichen Ahnungen und Einzelbildern
von Seelenbewegungen zum Vorschein kommen, welche den Italienern
auf den ersten Blick den Preis streitig zu machen scheint. Selbst abgesehen
von der ganzen Lyrik gibt schon der einizge Gottfried von Straßburg mit
„Tristan und Isolde" ein Bild der Leidenschaft, welches unvergängliche
Züge hat. Allein diese Perlen liegen zerstreut in einem Meere des Kon-
ventionellen und KünstUchen, und ihr Inhalt bleibt noch immer weit
entfernt von einer vollständigen Objektivmachung des Innern Menschen
und seines geistigen Reichtums.
verhaitcnckr Auch Italicu hatte damals, im 13. Jahrhundert, seinen Anteil an der
i>-nscheni or- pj^£-_ ^^^ Rittcrdichtuug durch seine Troubadouren. Von ihnen stammt
meniurScnil- o
denuig wesentlich die Kanzone her, die sie so künstlich und schwierig bauen
als irgendein nordischer Minnesänger sein Lied; Inhalt und Gedanken-
gang sogar ist der konventionell höfische, mag der Dichter auch bürger-
lichen oder gelehrten Standes sein.
Aber schon ofienbaren sich zwei Auswege, die auf eine neue, der
italienischen Poesie eigene Zukunft hindeuten und die man nicht für
unwichtig halten darf, wenn es sich schon nur um Formelles handelt.
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN I 75
Von demselben Brunetto Latini (dem Lehrer des Dante), welcher
in der Kanzonendichtung die gewöhnliche Manier der Troubadouren
vertritt, stammen die frühsten bekannten Versi sciolti, reimlose Hende-
kasyllaben*'^ her, und in dieser scheinbaren Formlosigkeit äußert sich
auf einmal eine wahre, erlebte Leidenschaft. Es ist eine ähnliche be-
wußte Beschränkung der äußern Mittel im Vertrauen auf die Kraft
des Inhaltes, wie sie sich einige Jahrzehnte später in der Freskomalerei
und noch später sogar in der Tafelmalerei zeigt, indem auf die Farben
verzichtet und bloß in einem heilern oder dunklern Ton gemalt wird.
Für jene Zeit, welche sonst auf das Künstliche in der Poesie so große
Stücke hielt, sind diese Verse des Brunetto der Anfang einer neuen
Richtung"*.
Daneben aber, ja noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, Das sonett
bildet sich eine von den vielen strenggemessenen Strophenformen, die
das Abendland damals hervorbrachte, für Italien zu einer herrschenden
Durchschnittsform aus: das Sonett. Die Rcimstellung und sogar die
Zahl der Verse schwanken"^ noch hundert Jahre lang, bis Petrarca
die bleibende Normalgestalt durchsetzte. In diese Form wird anfangs
jeder höhere lyrische und kontemplative, später jeder mögliche Inhalt
gegossen, so daß Madrigale, Sestinen und selbst die Kanzonen daneben
nur eine untergeordnete Stelle einnehmen. Spätere Italiener haben
selber bald scherzend, bald mißmutig geklagt über diese unvermeid-
liche Schablone, dieses vierzehnzeilige Prokrustesbett der Gefühle und
Gedanken. Andere waren und sind gerade mit dieser Form sehr zufrieden
und brauchen sie viel tausendmal, um darin Reminiszenzen und müßi-
gen Singsang ohne allen tiefern Ernst und ohne Notwendigkeit nieder-
zulegen. Deshalb gibt es sehr viel mehr unbedeutende und schleclite
Sonette als gute.
Nichtsdestoweniger erscheint uns das Sonett als ein ungeheurer Segen und sein wert
für die italienische Poesie. Die Klarheit und Schönheit seines Baues,
die Aufforderung zur Steigerung des Inhaltes in der lebhafter geglie-
derten zweiten Hälfte, dann die Leichtigkeit des Auswendiglernens,
mußten es auch den größten Meistern immer von neuem lieb und wert
machen. Oder meint man im Ernst, dieselben hätten es bis auf unser
Jahrhundert beibehalten, wenn sie nicht von seinem hohen Werte wären
durchdrungen gewesen? Nun hätten allerdings diese Meister ersten
Ranges auch in andern Formen der verschiedensten Art dieselbe Macht
äußern können. Allein weil sie das Sonett zur lyrischen Hauptform
erhoben, wurden auch sehr viele andere von hoher, wenn auch nur
bedingter Begabung, die sonst in einer weitläufigen Lyrik untergegangen
wären, genötigt, ihre Empfindungen zu konzentrieren. Das Sonett wurde
lyß DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
ein allgemeingültiger Kondensator der Gedanken und Empfindungen,
wie ihn die Poesie keines andern modernen Volkes besitzt.
So tritt uns nun die italienische Gefühlswelt in einer Menge von höchst
entschiedenen, gedrängten und in ihrer Kürze höchst wirksamen Bil-
dern entgegen. Hätten andere Völker eine konventionelle Form von
dieser Gattung besessen, so wüßten wir vielleicht auch mehr von ihrem
Seelenleben; wir besäßen möglicherweise auch eine Reihe abgeschlos-
sener Darstellungen äußerer und innerer Situationen oder Spiegelbilder
des Gemütes und wären nicht auf eine vorgebliche Lyiik des 14. und
15. Jahrhunderts verwiesen, die fast nirgends ernstlich genießbar ist.
Bei den Italienern erkennt man einen sichern Fortschritt fast von der
Geburt des Sonettes an; in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
bilden die neuerlich^!* so benannten ,,Trovatori della transizione" in
der Tat einen Übergang von den Troubadouren zu den Poeten, d. h.
zu den Dichtern unter antikem Einfluß; die einfache, starke Empfin-
dung, die kräftige Bezeichnung der Situation, der präzise Ausdruck
und Abschluß in ihren Sonetten u. a. Gedichten kündet zum voraus
einen Dante an. Einige Parteisonette der Guelfen und Gibellinen (1260
bis 1270) tönen schon in der Art wie seine Leidenschaft, anderes er-
innert an das Süßeste in seiner Lyrik.
Dante als Wie cr sclbst das Sonett theoretisch ansah, wissen wir nur deshalb
nicht, weil die letzten Bücher seiner Schrift ,,von der Vulgärsprache",
worin er von Balladen und Sonetten handeln wollte, entweder unge-
schrieben geblieben oder verlorengegangen sind. Praktisch aber hat er
in Sonett und Kanzone die herrlichsten Seelenschilderungen nieder-
gelegt. Und in welchen Rahmen sind sie eingefaßt! Die Prosa seiner
,,Vita nuova", worin cr Rechenschaft gibt von dem Anlaß jedes Ge-
dichtes, ist so wunderbar als die Verse selbst und bildet mit denselben
ein gleichmäßig von der tiefsten Glut beseeltes Ganzes. Rücksichtslos
gegen die Seele selbst konstatiert er alle Schattierungen ihrer Wonne
und ihres Leides und prägt dann dies alles mit fester Willenskraft in
der strengsten Kunstform aus. Wenn man diese Sonette und Kanzonen
und dazwischen diese wundersamen Bruchstücke des Tagebuches seiner
Jugend aufmerksam liest, so scheint es als ob das ganze Mittelalter
hindurch alle Dichter sich selber gemieden, cr zuerst sich selber auf-
gesucht hätte. Künstliche Strophen haben Unzählige vor ihm gebaut;
aber er zuerst ist in vollem Sinne ein Künstler, weil er mit Bewußtsein
unvergänglichen Inhalt in eine unvergängliche Form bildet. Hier ist
subjektive Lyrik von völlig objektiver Wahrheit und Größe; das meiste
so durchgearbeitet, daß alle Völker und Jahrhunderte es sich aneignen
und nachempfinden können*^". Wo cr aber völlig objektiv dichtet und
Seelenschil
derer
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
177
die Macht seines Gefühles nur durch einen außer ihm liegenden Tat-
bestand erraten läßt, wie in den grandiosen Sonetten Tanto gentile usw.
und Vede perfettamcnte usw., glaubt er noch sich entschuldigen zu
müssen*^. Im Grunde gehört auch das allerschönste dieser Gedichte
hierher: das Sonett Deh peregrini che pensosi andate usw.
Auch ohne die Di\ina Commcdia wäre Dante durch diese bloße
Jugendgeschichte ein Markstein zwischen Mittelalter und neuer Zeit.
Geist und Seele tun hier plötzlich einen gewaltigen Schritt zur Er-
kenntnis ihres geheimsten Lebens.
Was hierauf die Commedia an solchen Offenbarungen enthält, ist Die
vollends unermeßhch, und wir müßten das ganze große Gedicht, einen ^^"""1,^
Gesang nach dem andern, durchgehen, um seinen vollen Wert, in dieser
Beziehung darzulegen. Glücklicherweise bedarf es dessen nicht, da die
Commedia längst eine tägliche Speise aller abendländischen Völker
geworden ist. Ihre Anlage und Grundidee gehört dem Mittelalter und
spricht unser Bewußtsein nur historisch an; ein Anfang aller modernen
Poesie aber ist das Gedicht wesentlich wegen des Reichtums und der
hohen plastischen Macht in der Scliilderung des Geistigen auf jeder
Stufe und in jeder Wandlung^^^.
Fortan mag diese Poesie ihre schwankenden Schicksale haben und
auf halbe Jahrhunderte einen sogenannten Rückgang zeigen — ihr
höheres Lebensprinzip ist auf immer gerettet, und wo im 14., 15. und
beginnenden 16. Jahrhundert ein tiefer, originaler Geist in Italien sich
ihr hingibt, stellt er von selbst eine wesentlich höhere Potenz dar als
irgendein außeritalischer Dichter, wenn man Gleichheit der Begabung
— freilich eine schwer zu ermittelnde Sache — voraussetzt.
Wie in allen Dingen bei den Italienern die Bildung (wozu die Poesie Pnontat der
gehört) der bildenden Kunst vorangeht, ja dieselbe erst wesentlich ^er^unsT
anregen hilft, so auch hier. Es dauert mehr als ein Jahrhundert, bis das
Geistig-Bewegte, das Seelenleben in Skulptur und Malerei einen Aus-
druck erreicht, welcher demjenigen bei Dante nur irgendwie analog
ist. Wieviel oder wiewenig dies von der Kunstentwicklung anderer
Völker gilt®-'*, und wieweit die Frage im ganzen von Werte ist, kümmert
uns hier wenig. Für die italienische Kultur hat sie ein entscheidendes
Gewicht.
Was Petrarca in dieser Beziehung gelten soll, mögen die Leser des Petrarca
vielverbreiteten Dichters entscheiden. Wer ihm mit der Absicht eines
Verhörrichters naht und die Widersprüche zwischen dem Menschen
und dem Dichter, die erwiesenen Nebenliebschaften und andere schwache
Seiten recht emsig aufspürt, der kann in der Tat bei einiger Anstrengung
die Lust an seinen Sonetten gänzlich verlieren. Man hat dann statt
Burtkhardt 12
iy8 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
eines poetischen Genusses die Kenntnis des Mannes in seiner „Totalität".
Nur schade, daß Petrarcas Briefe so wenigen avignonesischen Klatsch
enthalten, woran man ihn fassen könnte, und daß die Korrespondenzen
seiner Bekannten und der Freunde dieser Bekannten entweder verloren-
gegangen sind oder gar nie existiert haben. Anstatt dem Himmel zu
danken, wenn man nicht zu erforschen braucht, wie und mit welchen
Kämpfen ein Dichter das Unvergängliche aus seiner Umgebung und
seinem armen Leben heraus ins Sichere brachte, hat man gleichwohl
auch für Petrarca aus den wenigen ,, Reliquien" solcher Art eine Lebens-
geschichte zusammengestellt, welche einer Anklageakte ähnlich sieht.
Übrigens mag sich der Dichter trösten; wenn das Drucken und Ver-
arbeiten von Briefwechseln berühmter Leute in Deutschland und Eng-
land noch fünfzig Jahre so fort geht, so wird die Armesünderbank,
auf welcher er sitzt, allgemach die erlauchteste Gesellschaft enthalten.
Ohne das viele Künstliche und Gesuchte zu verkennen, wo Petrarca
sich selber nachahmt und in seiner eigenen Manier weiterdichtet, be-
wundern wir in ihm eine Fülle herrlicher Seelenbilder, Schilderungen
seliger und unseliger Momente, die ihm wohl eigen sein müssen, weil
kein anderer vor ihm sie aufweist, und welche seinen eigentlichen Wert
für die Nation und die Welt ausmachen. Nicht überall ist der Ausdruck
gleichmäßig durchsichtig; nicht selten gesellt sich dem Schönsten etwas
für uns Fremdartiges bei, allegorisches Spielwerk und spitzfindige So-
phistik; allein das Vorzügliche überwiegt.
Boccaccio Auch Boccaccio erreicht in seinen zu wenig beachteten Sonetten*^
eine bisweilen höchst ergreifende Darstellung seines Gefühles. Der Wieder-
besuch einer durch Liebe geweihten Stätte (Son. 22), die Frühlings-
mclancholie (Son. 33), die Wehmut des alternden Dichters (Son. 65)
sind von ihm ganz herrlich besungen. Sodann hat er im Ameto die ver-
edelnde und verklärende Kraft der Liebe in einer Weise geschildert,
wie man es von dem Verfasser des Decamerone schwerlich erwarten
würde*^". Endlich aber ist seine ,,Fiammetta" ein großes, umständliches
Seclengemälde voll der tiefsten Beobachtung, wenn auch nichts weniger
als gleichmäßig durchgeführt, ja stellenweise unleugbar beherrscht von
der Lust an der prachtvoll tönenden Phrase; auch Mythologie und Alter-
tum mischen sich bisweilen unglücklich ein. Wenn wir nicht irren, so
ist die Fiammctta ein weibliches Scitcnstück zur Vita nuova des Dante,
oder doch auf Anregung v'on dieser Seite her entstanden.
Daß die antiken Dichter, zumal die Elegiker und das vierte Buch
der Aeneide, nicht ohne Einfluß^^ auf diese und die folgenden Italiener
blieben, versteht sich von selbst, aber die Quelle des Gefühls sprudelt
mächtig genug in ihrem Innern. Wer sie nach dieser Seite hin mit
Abb. iig, 220
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN I JQ
ihren außeritalienischen Zeitgenossen vergleicht, wird in ihnen den
frühsten vollständigen Ausdruck der modernen europäischen Gefühls-
welt überhaupt erkennen. Es handelt sich hier durchaus nicht darum
zu wissen, ob ausgezeichnete Menschen anderer Nationen nicht ebenso
tief und schön empfunden haben, sondern wer zuerst die reichste Kennt-
nis der Seelenregungen urkundlich erwiesen hat.
Warum haben aber die Italiener der Renaissance in der Tragödie
nur Untergeordnetes geleistet? Dort war die Stelle, Charakter, Geist
und Leidenschaft tausendgestaltig im Wachsen, Kämpfen und Unter-
liegen der Menschen zur Anschauung zu bringen. Mit andern Worten:
Warum hat ItaUen keinen Shakespeare hervorgebracht? — denn dem
übrigen nordischen Theater des i6., 17. Jahrhunderts möchten die Ita-
liener wohl gewachsen sein, und mit dem spanischen konnten sie nicht
konkurieren, weil sie keinen religiösen Fanatismus empfanden, den ab-
strakten Ehrenpunkt nur pro forma mitmachten und ihr tyrannisches,
illegitimes Fürstentum als solches anzubeten und zu verklären zu klug
und zu stolz waren^-'. Es handelt sich also einzig nur um die kurze
Blütezeit des englischen Theaters.
Hierauf ließe sich erwidern, daß das ganze übrige Europa auch nur
einen Shakespeare hervorgebracht hat und daß ein solcher Genius
überhaupt ein seltenes Geschenk des Himmels ist. Ferner könnte mög-
licherweise eine hohe Blüte des italienischen Theaters im Anzüge ge-
wesen sein, als die Gegenreformation hereinbrach und im Zusammen-
hang mit der spanischen Herrschaft (über Neapel und Mailand und
indirekt fast über ganz Italien) die besten Blüten des italienischen
Geistes knickte oder verdorren ließ. Man denke sich nur Shakespeare
selber z. B. unter einem spanischen Vizekönig oder in der Nähe des
hl. Officiums zu Rom, oder nur in seinem eigenen Lande ein paar
Jahrzehnte später, zur Zeit der englischen Revolution. Das Drama, in
seiner Vollkommenheit ein spätes Kind jeder Kultur, will seine Zeit
und sein besonderes Glück haben.
Bei diesem Anlaß müssen wir jedoch einiger Umstände gedenken,
welche allerdings geeignet waren, eine höhere Blüte des Dramas in
Italien zu erschweren oder zu verzögern, bis es zu spät war.
Als den wichtigsten dieser Umstände darf man ohne Zweifel die
große anderweitige Beschäftigung der Schaulust bezeichnen, zunächst
vermöge der Mysterien und anderer religiösen Aufzüge. Im ganzen
Abendlande sind Aufführungen der dramatisierten heihgen Geschichte
und Legende gerade Quelle und Anfang des Dramas und des Theaters
gewesen; Italien aber hatte sich, wie im folgenden Abschnitt erörtert
werden soll, den Mysterien mit einem solchen künstlerisch dekorativen
12*
Mangel der
Tragödie
Die Myste-
rien
Alb. ::go, 2g8,
299
Di
als Teindia
(k-s Dramas
Terenz
Abb. 292
180 Olli ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Prachtsinn hingegeben, daß darunter notwendig das dramatische Ele-
ment in Nachteil geraten mußte. Aus all den unzähligen kostbaren Auf-
führungen entwickelte sich dann nicht einmal eine poetische Kunst-
gattung wie die „Autos sagramentales" bei Calderon und anderen
spanischen Dichtern, geschweige denn ein Vorteil oder Anhalt für das
profane Drama.
Prauht Als letzteres dennoch emporkam, nahm es sofort nach Kräften an
der Pracht der Ausstattung teil, an welche man eben von den Mysterien
her nur allzusehr gewöhnt war. Man erfährt mit Staunen, wie reich
und bunt die Dekoration der Szene in Italien war, zu einer Zeit, da
man sich im Norden noch mit der einfachsten Andeutung der örtlich-
keit begnügte. Allein selbst dies wäre vielleicht noch von keinem ent-
scheidenden Gewichte gewesen, wenn nicht die Aufführung selbst teils
durch Pracht der Kostüme, teils und hauptsächlich durch bunte Inter-
mezzi den Sinn von dem poetischen Gehalt des Stückes abgelenkt
hätte.
Hautusima Daß man an vielen Orten, namentlich in Rom und Ferrara, Plautus
und Terenz, auch wohl Stücke alter Tragiker aufführte (S. 134, 142),
bald lateinisch, bald italienisch, daß jene Akademien (S. isSf) sich
eine förmliche Aufgabe hieraus machten, und daß die Dichter der
Renaissance selbst in ihren Dramen von diesen Vorbildern mehr als
billig abhingen, gereichte dem italienischen Drama für die betreffenden
Jahrzehnte allerdings auch zum Nachteil, doch halte ich diesen Um-
stand für untergeordnet. Wäre nicht Gegenreformation und Fremd-
herrschaft dazwischen gekommen, so hätte sich jener Nachteil gar wohl
in eine nützliche Übergangsstufc verwandeln können. War doch schon
bald nach 1520 wenigstens der Sieg der Muttersprache in Tragödie
und Komödie zum großen Verdruß der Humanisten*^^ soviel als ent-
schieden. Von dieser Seite hätte der entwickeltsten Nation Europas
kein Hindernis mehr im Wege gestanden, wenn es sich darum handelte,
das Drama im höchsten Sinne des Wortes zu einem geistigen Abbild
des Menschenlebens zu erheben. Inquisitoren und Spanier waren es,
welche die Italiener verschüchterten und die dramatische Schilderung
der wahrsten und größten Konflikte, zumal im Gewände nationaler
Erinnerungen, unmöglich maclitcn. Daneben aber müssen wir doch
auch jene zerstreuenden Intermezzi als einen wahren Schaden des
Dramas näher ins Auge fassen.
Auf- Als die Hochzeit des Prinzen Alfonso von Ferrara mit Lucrezia
l"""™'^^^" Borgia gefeiert wurde, zeigte der Herzog Ercolc in Person den erlauch-
ten Gästen die iio Kostüme, welche zur Aufführung von fünf plauti-
nischen Komödien dienen sollten, damit man sehe, daß keines zwei-
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
l8l
mal diene*^^ Aber was wollte dieser Luxus von Taffet und Kamelot
sagen im Vergleich mit der Ausstattung der Ballette und Pantomimen,
welche als Zwischenakte der plautinischen Stücke aufgeführt wurden.
Daß Plautus daneben einer lebhaften jungen Dame wie Isabella Gon- au. 20
zaga schmerzhch lang\veihg vorkam und daß jedermann sich während
des Dramas nach den Zwischenakten sehnte, ist begreiflich, sobald
man den bunten Glanz derselben in Betracht zieht. Da gab es Kämpfe
römischer Krieger, welche ihre antiken Waffen kunstgerecht zum Takte
der Musik bewegten, Fackeltänze von Mohren, einen Tanz von wilden
Männern mit Füllhörnern, aus welchen flüssiges Feuer sprühte; sie
bildeten das Ballett zu einer Pantomime, welche die Rettung eines
Mädchens von einem Drachen darstellte. Dann tanzten Narren in
Pullcinelltracht und schlugen einander mit Schweinsblasen u. dgl. m. -ttb-aeö-^ss:
Es war eine zugestandene Sache am Hofe von Ferrara, daß jede Komödie Das Baiie«
„ihr" Ballett (moresca) habe®^'. Wie man sich vollends die Aufführung
des plautinischen Amphitruo daselbst (1491, bei Alfonsos erster Ver-
mählung mit Anna Sforza) zu denken habe, ob vielleicht schon mehr
als Pantomime mit Musik denn als Drama, bleibt zweifelhaft^^. Das
Eingelegte überwog jedenfalls das Stück selber; da sah man, \on einem
rauschenden Orchester begleitet, einen Chortanz von Jünglingen in
Efeu gehüllt, in künstlich verschlungenen Figuren; dann erschien Apoll,
schlug die Lyra mit dem Plectrum und sang dazu ein Preislied auf das
Haus Este; zunächst folgte, gleichsam als Intermezzo im Intermezzo,
eine bäurische Genreszene oder Posse, worauf wieder die Mythologie
mit Venus, Bacchus und ihrem Gefolge die Szene in Beschlag nahm
und eine Pantomime — Paris auf dem Ida — vorging. Nun erst kam
die zweite Hälfte der Fabel des Amphitruo, mit deuthcher Anspielung
auf die künftige Geburt eines Herkules aus dem Hause Este. Bei einer
frühem Aufführung desselben Stückes im Hof des Palastes (1487) brannte
fortwährend ,,ein Paradies mit Sternen und andern Rädern", d. h.
eine Illumination vielleicht mit Feuerwerk, welche gewiß die beste
Aufmerksamkeit absorbierte. Offenbar war es besser, wenn dergleichen
Zutaten für sich als eigene Darstellungen auftraten, wie etwa an andern
Höfen geschah. Von den festhchen Aufführungen beim Kardinal Pietro
Riario, bei den Bentivogli zu Bologna usw. wird deshalb bei Anlaß
der Feste zu handeln sein.
Für die italienische Originaltragödie war die nun einmal gebräuch-
liche Pracht der Ausstattung wohl ganz besonders verhängnisvoll. „Man
hat früher in Venedig", schreibt Francesco Sansovino*^^ um 1570, ,,oft
außer den Komödien auch Tragödien von antiken und modernen Dich-
tem mit großem Pomp aufgeführt. Um des Ruhmes der Ausstattung
Abb. 257
Itaüenische
Tragödie
Abb.sgr.stf^,
297, 300
l82 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
(apparati) willen strömten Zuschauer von fern und nahe dazu herbei.
Heutzutage jedoch finden Festlichkeiten, die von Privatleuten veran-
staltet werden, zwischen vier Mauern statt und seit einiger Zeit hat sich
von selbst der Gebrauch so festgesetzt, daß die Karnevalszeit mit Ko-
mödien und andern heitern und schätzbaren Vergnügungen hingebracht
wird." D. h. der Pomp hat die Tragödie töten helfen.
Die einzelnen Anläufe und Versuche dieser modernen Tragiker, wor-
unter die Sofonisba des Trissino (1515) den größten Ruhm gewann,
und Komödie gehören in die Literaturgeschichte. Und auch von der vornehmern,
Abb. 394, 196 (jgjjj Plautus und Terenz nachgebildeten Komödie läßt sich dasselbe
sagen. Selbst ein Ariost konnte in dieser Gattung nichts Ausgezeich-
netes leisten. Dagegen hätte die populäre Komödie in Prosa, wie sie
Abb:t34,2}!, Machiavelli, Bibbiena, Aretino behandelten, gar wohl eine Zukunft ha-
■'*'' ben können, wenn sie nicht um ihres Inhaltes willen dem Untergang
verfallen gewesen wäre. Dieser war nämlich einstweilen teils äußerst
unsittlich, teils gegen einzelne Stände gerichtet, welche sich seit etwa
1540 nicht mehr eine so öffentliche Feindschaft bieten ließen. Wenn
in der Sofonisba die Charakteristik vor einer glanzvollen Deklamation
hatte weichen müssen, so war sie hier, nebst ihrer Stiefschwester, der
Karikatur, nur zu rücksichtslos gehandhabt gewesen.
Nun dauert das Dichten von Tragödien und Komödien unaufhör-
lich fort, und auch an zahlreichen wirklichen Aufführungen antiker
und modemer Stücke fehlt es fortwährend nicht; allein man nimmt
davon nur Anlaß und Gelegenheit, um bei Festen die standesmäßige
Pracht zu entwickeln, und der Genius der Nation hat sich davon als
von einer lebendigen Gattung völlig abgewandt. Sobald Schäferspiel
und Oper auftraten, konnte man jene Versuche vollends entbehren.
Masken- National war und blieb nun nur eine Gattung: die ungeschriebene
komüdie Commedia dell' Arte, welche nach einem vorliegenden Szenarium im-
provisiert wurde. Sie kommt der höhern Charakteristik deshalb nicht
sonderlich zugute, weil sie wenige und feststehende Masken hat, deren
Charakter jedermann auswendig weiß. Die Begabung der Nation aber
neigte so sehr nach dieser Gattung hin, daß man auch mitten in den
Aufführungen geschriebener Komödien sich der eigenen Improvisation
überließ'^", so daß eine förmliche Mischgattung sich hier und da gel-
tend machen konnte. In dieser Weise mögen die Komödien gehalten
gewesen sein, welche in Venedig Burchiello und dann die Gesellschaft
Abh.iji des Armonio, Val. Zuccato, Lod. Dolce usw. aufführtc*^^; von Burchiello
erfährt man bereits, daß er die Komik durch einen mit Griechisch
und Slavonisch versetzten venezianischen Dialekt zu steigern wußte.
Eine fast oder ganz vollständige Commedia dell' Arte war dann die
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN 183
des Angelo Beolco, genannt il Ruzzante (1502 — 1542), dessen stehende
Masken paduanische Bauern (Menato, Vezzo, Billora u. a.) sind; ihren
Dialekt pflegte er zu studieren, wenn er auf der Villa seines Gönners
Luigi Cornaro zu Code\ico den Sommer zubrachte^^. Allmählich tau- ^6». »^9
chen dann all die berühmten Lokalmasken auf, an deren Überresten
Italien sich noch heute ergötzt: Pantalone, der Dottore, Brighella, Abb. 354
Pulcinella, Arlechino usw. Sic sind gewiß großenteils sehr viel älter,
ja möglichersweie im Zusammenhang mit den Masken altrömischer
Färsen, allein erst das 16. Jahrhundert vereinigte mehrere von ihnen
in einem Stücke. Gegenwärtig geschieht dies nicht mehr leicht, aber
jede große Stadt hält wenigstens ihre Lokalmaske fest: Neapel seinen
Pulcinella, Florenz den Stenterello, Mailand den bisweilen herrlichen
Meneking^^.
Ein dürftiger Ersatz freilich für eine große Nation, welche vielleicht Ersatz durch
vor allen die Gabe gehabt hätte, ihr Höchstes im Spiegel des Dramas
objektiv zu schildern und anzuschauen. Aber dies sollte ihr auf Jahr-
hunderte verwehrt bleiben durch feindselige Mächte, an deren Auf-
kommen sie nur zum Teil schuld war. Nicht auszurotten war freilich
das allverbreitete Talent der dramatischen Darstellung, und mit der
Musik hat Italien vollends Europa zinspflichtig gehalten. Wer in dieser
Tonwelt einen Ersatz oder einen verhüllten Ausdruck für das verwehrte
Drama erkennen will, mag sich damit nach Gefallen trösten.
Was das Drama nicht geleistet hatte, darf man es etwa vom Epos Das roman-
erwarten? Gerade das italienische Heldengedicht wird scharf darob '^° * ''°'
angeklagt, daß die Haltung und Durchführung der Charaktere seine
allerschwächste Seite sei.
Andere Vorzüge sind ihm nicht abzustreiten, u. a. der, daß es seit
vierthalb Jahrhunderten wirklich gelesen und immer von neuem ab-
gedruckt wird, während fast die ganze epische Poesie der übrigen
Völker zur bloßen literargeschichtlichen Kuriosität geworden ist. Oder
liegt es etwa an den Lesern, die etwas anderes verlangen und anerkennen
als im Norden? Wenigstens gehört für uns schon eine teilweise An-
eignung des italienischen Gesichtskreises dazu, um diesen Dichtungen
ihren eigentümlichen Wert abzugewinnen, und es gibt sehr ausgezeich-
nete Menschen, welche erklären, nichts damit anfangen zu können.
Freilich, wer Pulci, Bojardo, Ariosto und Berni auf den reinen so-
genannten Gedankengehalt hin analysiert, der muß dabei zu kurz
kommen. Sie sind Künstler der eigensten Art, welche für ein entschieden
und vorherrschend künstlerisches Volk dichten.
Die mittelalterlichen Sagenkreise hatten nach dem allmählichen Er- Die sagen-
löschen der Ritterdichtung teils in Gestalt von gereimten Umarbei- ^' "^ ""
184 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
tungen und Sammlungen, teils als Prosaromane weiter gelebt. Letzteres
war in Italien während des 14. Jahrhunderts der Fall; doch wuchsen
die neu erwachenden Erinnerungen des Altertums riesengroß daneben
empor und stellten alle Phantasiebilder des Mittelalters in tiefen Schatten.
Boccaccio z. B. in seiner Visione amorosa nennt zwar unter den in sei-
nem Zauberpalast dargestellten Heroen auch einen Tristan, Artus, Ga-
leotto usw. mit, aber ganz kurz, als schämte er sich ihrer, und die
folgenden Schriftsteller aller Art nennen sie entweder gar nicht mehr
oder nur im Scherz. Das Volk jedoch behielt sie im Gedächtnis, und
aus seinen Händen gingen sie dann wieder an die Dichter des 15. Jahr-
hunderts über. Dieselben konnten ihren Stoff nun ganz neu und frei
empfinden und darstellen; sie taten aber noch mehr, indem sie unmittel-
bar daran weiterdichteten, ja sogar bei weitem das meiste neu erfanden.
Eines muß man nicht von ihnen verlangen: daß sie einen so überkom-
menen Stoff hätten mit einem vorweltlichen Respekt behandeln sollen.
Das ganze neuere Europa darf sie darum beneiden, daß sie noch an
die Teilnahme ihres Volkes für eine bestimmte Phantasiewelt anknüpfen
konnten, aber sie hätten Heuchler sein müssen, wenn sie dieselbe als
Mythus verehrt hätten®^*.
Das Kunst- Statt dessen bewegen sie sich auf dem neu für die Kunstpoesie ge-
""^ wonnenen Gebiete als Souveräne. Ihr Hauptziel scheint die möglichst
schöne und muntere Wirkung des einzelnen Gesanges beim Rezitieren
gewesen zu sein, wie denn auch diese Gedichte außerordentlich ge-
winnen, wenn man sie stückweise und vortrefflich, mit einem leisen
Anflug von Komik in Stimme und Gebärde hersagen hört. Eine tiefere,
durchgeführte Charakterzeichnung hätte zur Erhöhung dieses Effekts
nicht sonderlich beigetragen; der Leser mag sie verlangen, der Hörer
denkt nicht daran, da er immer nur ein Stück hört und zuletzt nur den
Rhapsoden vor sicli sieht. In betreff" der vorgeschriebenen Figuren ist
die Stimmung des Dichters eine doppelte: seine humanistische Bildung
protestiert gegen das inittelalterliche Wesen derselben, während doch
ihre Kämpfe als Scitenbild des damaligen Turnier- und Kriegswesens
alle mögliche Kennerschaft und poetische Hingebung erfordern und
zugleich eine Glanzaufgabe des Rezitanten sind. Deshalb kommt es
Luigi Puici selbst bei Pulci^^ zu keiner eigentlichen Parodie des Rittertums, wenn
Abb.23Q ^^j^,]^ ^jg komisch derbe Redeweise seiner Paladine oft daran streift.
Daneben stellt er das Ideal der Rauflust, seinen drolligen und gut-
mütigen Morgante, der mit seinem Glockenschwengel ganze Armeen
bändigt; ja er weiß auch diesen wiederum relativ zu verklären durch
die Gegenüberstellung des absurden und dabei höchst merkwürdigen
Monstrums Marguttc. Ein besonderes Gewicht legt aber Pulci auf diese
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
l8 =
Bojardo
beiden derb und kräftig gezeichneten Charaktere keineswegs, und seine
Gescliichte geht auch, nachdem sie längst daraus verschwunden sind,
ihren wunderUchen Gang weiter. Auch Bojardo^" steht ganz bewußt
über seinen Gestahen und braucht sie nach Beheben ernst und komisch;
selbst mit den dämonischen Wesen treibt er seinen Spaß und schildert
sie bisweilen absichthch als tölpelhaft. Es gibt aber eine künstlerische
Aufgabe, mit welcher er es sich so sehr Ernst sein läßt wie Pulci; näm-
hch die äußerst lebendige und, man möchte sagen, technisch genaue
Sclrilderung aller Hergänge. — Pulci rezitierte sein Gedicht, sobald
wieder ein Gesang fertig war, vor der Gesellschaft des Lorenzo magni-
fico, und gleichermaßen Bojardo das seinige vor dem Hofe des Ercole
von Ferrara; nun errät man leicht, auf was für Vorzüge hier geachtet
wurde und wie wenig Dank die durchgeführten Charaktere geerntet
haben würden. Natürlich bilden auch die Gedichte selbst bei sobe-
wandten Umständen kein geschlossenes Ganzes und könnten halb oder
auch doppelt so lang sein, wie sie sind; ihre Komposition ist nicht
die eines großen Historienbildes, sondern die eines Frieses oder einer
von bunten Gestalten umgaukelten prachtvollen Fruchtschnur. Sowenig
man in den Figuren und dem Rankenwerk eines Frieses durchgeführte
individuelle Formen, tiefe Perspektiven und verschiedene Pläne fordert
oder auch nur gestattet, sowenig erwartete man es in diesen Gedichten.
Die bunte Fülle der Erfindungen, durch welche besonders Bojardo
stets von neuem überrascht, spottet aller unserer jetzt geltenden Schul-
definitionen vom Wesen der epischen Poesie. Für die damalige Zeit
war es die angenehmste Diversion gegenüber der Beschäftigung mit dem
Altertum, ja der einzig mögliche Ausweg, wenn man überhaupt wieder
zu einer selbständigen erzählenden Dichtung gelangen sollte. Denn die
Poetisierung der Geschichte des Altertums führte doch nur auf jene
Irrpfade, welche Petrarca betrat mit seiner ,,Africa" in lateinischen
Hexametern und anderthalb Jahrhunderte später Trissino mit seinem
„von den Goten befreiten Italien" in versi sciolti, einem enormen
Gedichte von tadelloser Sprache und Versifikation, wo man nur im
Zweifel sein kann, ob die Geschichte oder die Poesie bei dem unglück-
lichen Bündnis übler weggekommen sei. Und wohin verlockte Dante
diejenigen, die ihn nachahmten? Die visionären Trionfi des Petrarca Abb.ijs-'f'
sind eben noch das Letzte, was dabei mit Geschmack zu erreichen war,
Boccaccios „verhebte Version" ist schon wesentlich bloße Aufzählung
historischer und fabelhafter Personen nach allegorischen Kategorien.
Andere leiten dann, was sie irgend vorzubringen haben, mit einer
barocken Nachahmung von Dantes erstem Gesang ein und versehen
sich dabei mit irgendeinem allegorischen Begleiter, der die Stelle des
Das einzig
mögliche
Epos
l86 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Virgil einnimmt; Uberti hat für sein geographisches Gedicht (Ditta-
mondo) den Solinus gewähh, Giovanni Santi für sein Lobgedicht auf
Federigo von Urbino den Plutarch*^'. Von diesen falschen Fährten
erlöste einstweilen nur diejenige epische Dichtung, welche von Pulci
und Bojardo vertreten war. Die Begierde und Bewunderung, mit der
man ihr entgegenkam — wie man vielleicht bis an der Tage Abend
mit dem Epos nicht mehr tun wird — , beweist glänzend, wie sehr die
Sache ein Bedürfnis war. Es handelt sich gar nicht darum, ob in diesen
Schöpfungen die seit unserm Jahrhundert aus Homer und den Nibe-
lungen abstrahierten Ideale des wahren Heldengedichtes verwirklicht
seien oder nicht; ein Ideal ihrer Zeit verwirklichten sie jedenfalls. Mit
ihren massenhaften Kampfbeschreibungen, die für uns der am meisten
ermüdende Bestandteil sind, begegneten sie überdies, wie gesagt, einem
Sacliinteresse, von dem wir uns schwer eine richtige Vorstellung machen,
sowenig als von der Hochschätzung des lebendigen momentanen Schil-
derns überhaupt.
Ariosto So kann man denn auch an Ariosto keinen falschern Maßstab legen,
' ^^'' '^'' als wenn man in seinem Orlando furioso*^ nach Charakteren suchen
geht. Sie sind hier und da vorhanden und sogar mit Liebe behandelt,
allein das Gedicht stützt sich keinen Augenblick auf sie und würde
durch ihre Hervorhebung sogar eher verlieren als gewinnen. Jene An-
forderung hängt aber mit einem allgemeinern Begehren zusammen,
welchem Ariosto nicht im Sinne unserer Zeit genügt; von einem so
gewaltig begabten und berühmten Dichter nämlich hätte man gerne
überhaupt etwas anderes als Rolandsabenteuer u. dgl. Er hätte sollen
in einem großen Werke die tiefsten Konflikte der Menschenbrust, die
höchsten Anschauungen der Zeit über göttliche und menschliche Dinge,
mit einem Worte: eines jener abschließenden Weltbilder darstellen, wie
die Göttliche Komödie und der Faust sie bieten. Statt dessen verfährt
er ganz wie die damaligen bildenden Künstler und wird unsterblich,
indem er von der Originalität in unserm jetzigen Sinne abstrahiert,
an einem bekannten Kreise von Gestalten weiterbildet und selbst das
schon dagewesene Detail noch einmal benützt, wo es ihm dient. Was
für Vorzüge bei einem solchen Verfahren noch immer erreicht werden
können, das wird Leuten ohne künstlerisches Naturell um so viel schwe-
rer begreiflich zu machen sein, je gelehrter und geistreicher sie sonst
Seh. Stil sein mögen. Das Kunstziel des Ariosto ist das glanzvoll lebendige ,, Ge-
schehen", welches sich gleichmäßig durch das ganze große Gedicht
verbreitet. Er bedarf dazu einer Dispensation nicht nur von der tiefern
Charakterzeichnung, sondern auch von allem strengern Zusammenhang
der Geschichten. Er muß verlorene und vergessene Fäden wieder an-
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN 187
knüpfen dürfen, wo es ihm beliebt; seine Figuren müssen kommen
und verschwanden, nicht, weil ihr tieferes persönliches Wesen, sondern
weil das Gedicht es so verlangt. Freilich innerhalb dieser scheinbar
irrationellen, willkürlichen Kompositionsweise entwickelt er eine völlig
gesetzmäßige Schönheit. Er verliert sich nie ins Beschreiben, sondern
gibt immer nur so viel Szenerie und Personenschilderung, als mit dem
Vorv/ärtsrücken der Ereignisse harmonisch verschmolzen werden kann;
noch weniger verliert er sich in Gespräche und Monologe***, sondern
er behauptet das majestätische Privilegium des wahren Epos, alles zu
lebendigen Vorgängen zu gestalten. Das Pathos liegt bei ihm nie in
den Worten**", vollends nicht in dem berühmten dreiundzwanzigsten
Gesang und den folgenden, wo Rolands Raserei geschildert wird. Daß
die Liebesgeschichten im Heldengedicht keinen lyrischen Schmelz haben,
ist ein Verdienst mehr, wenn man sie auch von moralischer Seite nicht
immer gutheißen kann. Bisweilen besitzen sie dafür eine solche Wahrheit
und Wirklichkeit trotz allem Zauber- und Ritterwesen, das sie umgibt,
daß man darin unmittelbare Angelegenheiten des Dichters selbst zu
erkennen glaubt. Im Vollgefühl seiner Meisterschaft hat er dann un-
bedenklich noch manches andere aus der Gegenwart in das große Werk
verflochten und den Ruhm des Hauses Este in Gestalt von Erschei-
nungen und Weissagungen mit hineingenommen. Der wunderbare Strom
seiner Ottaven trägt dieses alles in gleichmäßiger Bewegung vorwärts.
Mit Teofilo Folengo oder, wie er sich hier nennt, Limemo Pitocco Foiengo un
tritt dann die Parodie des ganzen Ritterwesens in ihr längst ersehntes
Recht**^, zudem aber meldet sich mit der Komik und ihrem Realismus
notwendig auch das strengere Charakterisieren wieder. Unter den Püf-
fen und Steinwürfen der wilden Gassenjugend eines römischen Land-
städtchens, Sutri, wächst der kleine Orlando sichtbarlich zum mutigen
Helden, Mönchsfeind und Räsonneur auf Die konventionelle Phantasie-
welt, wie sie sich seit Pulci ausgebildet und als Rahmen des Epos ge-
golten hatte, springt hier freilich in Splitter auseinander; Herkunft und
Wesen der Paladine werden offen verhöhnt, z. B. durch jenes Esel-
turnier im zweiten Gesänge, wobei die Ritter mit den sonderbarsten
Rüstungen und Waffen erscheinen. Der Dichter zeigt bisweilen ein
komisches Bedauern über die unerklärliche Treulosigkeit, die in der
Familie des Gano von Mainz zu Hause gewesen, über die mühselige
Erlangung des Schwertes Durindana u. dgl., ja das Überlieferte dient
ihm überhaupt nur noch als Substrat für lächerliche Einfälle, Episoden,
Tendenzausbrüche (worunter sehr schöne, z. B. der Schluß von Kap. VI)
und Zoten. Neben alledem ist endlich noch ein gewisser Spott auf Ariosto
nicht zu verkennen, und es war wohl für den Orlando furioso ein Glück,
i88
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
daß der Orlandino mit seinen lutherischen Ketzereien ziemhch bald
der Inquisition und der künstlichen Vergessenheit anheimfiel. Eine
kenntliche Parodie scheint z. B. durch, wenn (Kap. VI, Str. 28) das
Haus Gonzaga von dem Paladin Guidone abgeleitet wird, sintemal
von Orlando die Colonnesen, von Rinaldo die Orsincn und von Ruggieri
— laut Ariost — die Estenser abstammen sollten. Vielleicht war Ferrante
Gonzaga, der Patron des Dichters, dieser Anzüglichkeit gegen das Haus
Este nicht fremd.
Torq. Tasso Daß cndHch in der Gerusalemme liberata des Torquato Tasso die
Charakteristik eine der höchsten Angelegenheiten des Dichters ist, be-
weist allein schon, wie weit seine Denkweise von der um ein halbes
Jahrhundert früher herrschenden abweicht. Sein bewundernswürdiges
Werk ist wesentlich ein Denkmal der inzwischen vollzogenen Gegen-
reformation und ihrer Tendenz.
Biographik
des Mittel-
alters
Außerhalb des Gebietes der Poesie haben die Italiener zuerst von
allen Europäern den historischen Menschen nach seinen äußern und
Innern Zügen und Eigenschaften genau zu schildern eine durchgehende
Neigung und Begabung gehabt.
Allerdings zeigt schon das frühere Mittelalter bemerkenswerte Ver-
suche dieser Art, und die Legende mußte als eine stehende Aufgabe
der Biographie das Interesse und das Geschick für individuelle Schil-
derung wenigstens bis zu einem gewissen Grade aufrechthalten. In den
Kloster- und Domstiftsannalen werden manche Hicrarchen, wie z. B.
Meinwerk von Paderborn, Godehard von Hildesheim usw. recht an-
schaulich beschrieben, und von mehrern unserer deutschen Kaiser gibt
es Schilderungen, nach antiken Mustern, zumal Sueton, verfaßt, welche
die kostbarsten Züge enthalten; ja diese und ähnliche profane ,,vitae"
bilden allmählich eine fortlaufende Parallele zu den Heiligengeschichten.
Doch wird man weder Einhard noch Wippo noch Radevicus**^ nennen
dürfen neben Joinvilles Schilderung des heiligen Ludwig, welche als
das erste vollkommene Geistcsbildnis eines neueuropäischen Menschen
allerdings sehr vereinzelt dasteht. Cliaraktere wie St. Ludwig sind über-
haupt selten, und dazu gesellt sich noch das seltene Glück, daß ein
völlig naiver Schilderer aus allen einzelnen Taten und Ereignissen eines
Lebens die Gesinnung heraus erkennt und sprechend darstellt. Aus
welch kümmerlichen Qiicllcn muß man das innere Wesen eines Fried-
rich IL, eines Philipp des Schönen zusammen erraten. Vieles, was sich
dann bis zu Ende des Mittelalters als Biographie gibt, ist eigentlich
nur Zeitgeschichte tind ohne Sinn für das Individuelle des zu preisen-
den Menschen geschrieben.
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN 189
Bei den Italienern wird nun das Aufsuchen der charakteristischen
Züge bedeutender Menschen eine herrschende Tendenz, und dies ist
es, was sie von den übrigen Abendländern unterscheidet, bei welchen
dergleichen mehr nur zufällig und in außerordentlichen Fällen vor-
kommt. Diesen entwickelten Sinn für das Individuelle kann überhaupt
nur derjenige haben, welcher selbst aus der Rasse herausgetreten und
zum Individuum geworden ist.
Im Zusammenhang mit dem weitherrschenden Begriff des Ruhmes
(S. 82 f) entsteht eine sammelnde und vergleichende Biograpliik, welche
nicht mehr nötig hat, sich an Dynastien und geistliche Reihenfolgen zu
halten wie Anastasius, Agnellus und ihre Nachfolger, oder wie die Dogen-
biographen von Venedig. Sie darf vielmehr den Menschen schildern,
wenn und weil er bedeutend ist. Als Vorbilder wirken hierauf außer
Sueton auch Nepos, die viri illustres und Plutarch ein, soweit er bekannt
und übersetzt war; für literaturgeschichtliche Aufzeichnungen scheinen
die Lebensbeschreibungen der Grammatiker, Rhetoren und Dichter,
welche wir als Beilagen zu Sueton kennen**^, wesentUch als Vorbilder
gedient zu haben, auch das viel gelesene Leben Virgils von Donatus.
Wie nun biographische Sammlungen, Leben berühmter Männer, be-
rühmter Frauen, mit dem 14. Jahrhundert aufkamen, wurde schon
oben (S. 84f ) erwähnt. Soweit sie nicht Zeitgenossen schildern, hängen
sie natürlich von den frühern Darstellern ab; die erste bedeutende
freie Leistung ist wohl das Leben Dantes von Boccaccio. Leicht und
schwungvoll hingeschrieben und reich an Willkürlichkeiten, gibt diese
Arbeit doch das lebhafte Gefühl von dem Außerordentlichen in Dantes
Wesen. Dann folgen, zu Ende des 14. Jahrhunderts, die ,,vite" aus-
gezeichneter Florentiner, von Filippo Villani. Es sind Leute jedes Faches:
Dichter, Juristen, Ärzte, Philologen, Künstler, Staats- und Kriegsmän-
ner, darunter noch lebende. Florenz wird hier behandelt wie eine be-
gabte Familie, wo man die Sprößlinge notiert, in welchen der Geist
des Hauses besonders kräftig ausgesprochen ist. Die Charakteristiken
sind nur kurz, aber mit einem wahren Talent für das Bezeichnende
gegeben und noch besonders merkwürdig durch das Zusammenfassen
der äußern Physiognomie init der innern. Fortan"^* haben die Toscaner
nie aufgehört, die Menschenschilderung als eine Sache ihrer speziellen
Befäliigung zu betrachten, und von ihnen haben wir die wichtigsten
Charakteristiken der Italiener des 15. und 16. Jahrhunderts überhaupt.
Giovanni Cavalcanti (in den Beilagen zu seiner florentinischen Ge-
schichte, vor 1450) sammelt Beispiele bürgerlicher Trefflichkeit und
Aufopferung, politischen Verstandes sowie auch kriegerischer Tüchtig-
keit, von lauter Florentinern. Papst Pius IL gibt in seinen Kommen-
und der
Italiener
fuskaiiische
Biographik
Andere it.il
Gegenden
igO DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
tarien wertvolle Lebensbilder von berühmten Zeitgenossen; neuerlich
ist auch eine besondere Schrift seiner frühern Zeit"^^ wieder abgedruckt
worden, welche gleichsam die Vorarbeiten zu jenen Porträts, aber mit
eigentümlichen Zügen und Farben enthält. Dem Jakob von Volterra
verdanken wir pikante Porträts der römischen Kurie®*" nach Pius. Von
Vespasiano Fiorentino war schon oft die Rede, und als Quelle im ganzen
gehört er zum Wichtigsten, was wir besitzen, aber seine Gabe des
Charakterisierens kommt noch nicht in Betracht neben derjenigen eines
Machiavelli, Niccolö Valori, Guicciardini, Varchi, Francesco Vettori
u. a., von welchen die europäische Geschichtschreibung vielleicht so
nachdrückhch, wie von den Alten auf diesen Weg gewiesen wurde.
Man darf nämlich nicht vergessen, daß mehrere dieser Autoren in latei-
nischen Übersetzungen frühe ihren Weg nach dem Norden fanden.
Und ebenso gäbe es ohne Giorgio Vasari von Arezzo und sein unver-
gleichlich wichtiges Werk noch keine Kunstgeschichte des Nordens und
des neuern Europas überhaupt.
Von den Oberitalienern des 15. Jahrhunderts soll Bartolommeo Fazio
(von Spezzia) höhere Bedeutung haben (S. 86 Anm.). Piatina, aus dem
Cremonesischen gebürtig, repräsentiert in seinem „Leben Pauls IL"
(S. 179) bereits die biographische Karikatur. Vorzüglich wichtig aber
ist die von Piercandido Decembrio verfaßte Schilderung des letzten
Visconti"*', eine große erweiterte Nachahmung des Sueton. Sismondi
bedauert, daß so viele Mühe an einen solchen Gegenstand gewandt
worden, allein für einen größern Mann hätte vielleicht der Autor nicht
ausgereicht, während er völlig genügt, um den gemischten Charakter
des Filippo Maria und an und in demselben mit wunderwürdiger Ge-
nauigkeit die Voraussetzungen, Formen und Folgerungen einer bestimm-
ten Art von Tyi-annis darzustellen. Das Bild des 15. Jahrhunderts wäre
unvollständig ohne diese in ihrer Art einzige Biographie, welche bis
in die feinsten Miniaturpünktchen hinein charakteristisch ist. — Später-
hin besitzt Mailand an dem Gcschichtschreiber Corio einen bedeuten-
den Bildnismalcr; dann folgt der Comaske Paolo Gio\io, dessen größere
Biographien und kleinere Elogicn weltberühmt und für Nachfolger aller
Länder ein Vorbild geworden sind. Es ist leicht, an hundert Stellen
Giovios Flüchtigkeit und auch seine Unredlichkeit nachzuweisen, und
eine ernste höhere Absicht liegt ohnehin nie in einem Menschen, wie
er war. Allein der Atem des Jahrhunderts weht durch seine Blätter,
und sein Leo, sein Alfonso, sein Pompeo Colonna leben und bewegen
sich vor uns mit völliger Wahrheit und Notwendigkeit, wenngleich ihr
tiefstes Wesen uns hier nicht kund wird.
Unter den Neapolitanern nimmt Tristan Caracciolo (S. 22), soweit
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN IQI
wir urteilen können, ohne Frage die erste Stelle ein, obwohl seine Ab-
sicht nicht einmal eine streng biographische ist. Wundersam verflechten
sich in den Gestalten, die er uns vorführt, Schuld und Schicksal, ja
man könnte ihn wohl einen unbewußten Tragiker nennen. Die wahre
Tragödie, welche damals auf der Szene keine Stätte fand, schritt mäch-
tig einher durch die Paläste, Straßen und Plätze. — Die ,, Worte und
Taten Alfons des Großen", von Antonio Panormita bei Lebzeiten des
Königs geschrieben, sind merkwürdig als eine der frühsten derartigen
Sammlungen von Anekdoten und weisen wie scherzhaften Reden.
Langsam nur folgte das übrige Europa den italienischen Leistungen verhiitms
in der geistigen Charakteristik***, obschon die großen politischen und ^^te^ratu^
religiösen Bewegungen so manche Bande gesprengt, so viele Tausende
zum Geistesleben geweckt hatten. Über die wichtigsten Persönlich-
keiten der damaligen europäischen Welt sind wiederum im ganzen
unsere besten Gewährsmänner Italiener, sowohl Literaten als Diplo-
maten. Wie rasch und unwidersprochen haben in neuester Zeit die
venezianischen Gesandtschaftsberichte des i6. und 17. Jahrhunderts in
betreff der Personalschilderungen die erste Stelle errungen.
Auch die Selbstbiographie nimmt bei den Italienern hier und da seibst-
einen kräftigen Flug in die Tiefe und Weite und schildert neben dem '^^^^ ""
buntesten Außenleben ergreifend das eigene Innere, während sie bei
andern Nationen, auch bei den Deutschen der Reformationszeit, sich
an die merkwürdigen äußern Schicksale hält und den Geist melir nur
aus der Darstellungsweise erraten läßt. Es ist, als ob Dantes vita nuova
mit ihrer unerbittlichen Wahrheit der Nation die Wege gewiesen hätte.
Den Anfang dazu machen die Haus- und Familiengeschichten aus
dem 14. und 15. Jahrhundert, welche noch in ziemlicher Anzahl na-
mentlich in den florentinischen Bibliotheken handschriftlich vorhanden
sein sollen; naive, im Interesse des Hauses und des Schreibenden ab-
gefaßte Lebensläufe, wie z. B. der des Buonaccorso Pitti.
Eine tiefere Selbstkritik ist auch nicht gerade in den Kommentarien Aen syhiu
Pius IL zu suchen; was man hier von ihm als Menschen erfährt, be-
schränkt sich sogar dem ersten Anschein nach darauf, daß er meldet,
wie er seine Karriere machte. Allein bei weiterm Nachdenken wird
man dieses merkwürdige Buch anders beurteilen. Es gibt Menschen,
die wesentlich Spiegel dessen sind, was sie umgibt; man tut ihnen unrecht,
wenn man sich beharrlich nach ihrer Überzeugung, nach ihren innem
Kämpfen und tiefern Lebensresultaten erkundigt. So ging Aeneas Syl-
vius völlig auf in den Dingen, ohne sich um irgendeinen sittlichen
Zwiespalt sonderlich zu grämen; nach dieser Seite deckte ihn seine
gutkatholische Orthodoxie so weit als nötig war. Und nachdem er
Abb.39S,3i7
393
IQ2 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
in allen geistigen Fragen, die sein Jahrhundert beschäftigten, mitgelebt
und mehr als einen Zweig derselben wesentlich gefördert hatte, behielt
er doch am Ende seiner Laufbahn nocli Temperament genug übrig,
um den Kreuzzug gegen die Türken zu betreiben und am Gram ob
dessen Vereitelung zu sterben.
Boav. ceuini Auch dlc Sclbstbiograpliie des Benvenuto Cellini geht nicht gerade
auf Beobachtungen über das eigene Innere aus. Gleichwohl schildert
sie den ganzen Menschen, zum Teil wider Willen, mit einer hinreißen-
den Wahrheit und Fülle. Es ist wahrlich kein Kleines, daß Benvenuto,
dessen bedeutendste ^Arbeiten bloßer Entwurf geblieben und unter-
gegangen sind, und der uns als Künstler nur im kleinen dekorativen
Fach vollendet erscheint, sonst aber, wenn man bloß nach seinen er-
haltenen Werken urteilt, neben so vielen größern Zeitgenossen zurück-
stehen muß — daß Benvenuto als Mensch die Menschen beschäftigen
wird bis ans Ende der Tage. Es schadet ihm nicht, daß der Leser häufig
ahnt, er möchte gelogen oder geprahlt haben; denn der Eindruck
der gewaltig energischen, völlig durchgebildeten Natur überwiegt. Neben
ihm erscheinen z. B. unsere nordischen Selbstbiographen, soviel höher
ihre Tendenz und ihr sittliches Wesen bisweilen zu achten sein mag,
doch als unvollständige Naturen. Er ist ein Mensch, der alles kann,
alles wagt und sein Maß in sich selber trägt. Ob wir es gerne hören
oder nicht, es lebt in dieser Gestalt ein ganz kenntliches Urbild des
modernen Menschen.
Und noch ein anderer ist hier zu nennen, der es ebenfalls mit der
Wahrheit nicht immer soll genau genommen haben: Girolamo Cardano
von Mailand (geb. 1500). Sein Büchlein de propria vita*** wird selbst
sein großes Andenken in der Geschichte der Naturforschung und der
Philosophie überleben und übertönen wie die vita Benvenutos dessen
Werke, obwohl der Wert der Schrift wesentlich ein anderer ist. Car-
dano fühlt sich als Arzt selber den Puls und schildert seine physische,
intellektuelle und sittliche Persönlichkeit samt den Bedingungen, unter
welchen sich dieselbe entwickelt hatte, und zwar aufrichtig und ob-
jektiv, soweit ihm dies möglich war. Sein zugestandenes Vorbild, Marc
Aureis Schrift auf sich selbst, konnte er in dieser Beziehung deshalb
überbieten, weil ihn kein stoisches Tugendgebot genierte. Er begehrt
weder sich noch die Welt zu schonen; beginnt doch sein Lebenslauf
damit, daß seiner Mutter die versuchte Abtreibung der Leibesfrucht
nicht gelang. Es ist schon viel, daß er den Gestirnen, die in seiner Ge-
burtsstunde gewaltet, nur seine Schicksale und seine intellektuellen
Eigenschaften auf die Rechnung schreibt und nicht auch die sittlichen;
übrigens gesteht er (Kap. lo) offen ein, daß ihm der astrologisch er-
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DE S MENSCHEN lOg
worbene Wahn, er werde das vierzigste und höchstens das fünfund-
vierzigste Jahr nicht überleben, in seiner Jugend viel geschadet habe.
Doch es ist uns hier nicht erlaubt, ein so stark verbreitetes, in jeder Biblio-
thek vorhandenes Buch zu exzerpieren. Wer es liest, wird in die Dienst-
barkeit jenes Mannes kommen, bis er damit zu Ende ist. Cardano
bekennt allerdings, daß er ein falscher Spieler, rachsüchtig, gegen jede
Reue verhärtet, absichtlich verletzend im Reden gewesen; er bekennt
es freilich ohne Frechheit wie ohne fromme Zerknirschung, ja ohne
damit interessant werden zu wollen, vielmehr mit dem einfachen, ob-
jektiven Wahrheitssinn eines Naturforschers. Und was das Anstößigste
ist, der 76jährige Mann findet sich nach den schauerlichsten Erleb-
nissen^^", bei einem sehr erschütterten Zutrauen zu den Menschen,
gleichwohl leidlich glücklich: noch lebt ihm ja ein Enkel, noch besitzt
er sein ungeheures Wissen, den Ruhm wegen seiner Werke, ein hüb-
sches Vermögen, Rang und Ansehen, mächtige Freunde, Kunde von
Geheimnissen, und was das Beste ist: den Glauben an Gott. Nach-
träglich zählt er die Zähne in seinem Munde; es sind ihrer noch fünf-
zehn.
Doch als Cardano schrieb, sorgten auch in Italien Inquisitoren und
Spanier bereits dafür, daß solche Menschen entweder sich nicht mehr
ausbilden konnten oder auf irgendeine Weise umkamen. Es ist ein
großer Sprung von da bis auf die Memoiren des Alfieri.
Es wäre indes ungerecht, diese Zusammenstellung von Selbstbiogra- 1 uigicomao
phen zu schließen, ohne einen sowohl achtbaren als glücklichen Men-
schen zu Worte kommen zu lassen. Es ist dies der bekannte Lebens-
philosoph Luigi Cornaro, dessen Wohnung in Padua schon als Bau-
werk klassisch und zugleich eine Heimat aller Musen war. In seinem
berühmten Traktat ,,Vom mäßigen Leben*^^" schildert er zunächst
die strenge Diät, durch welche es ihm gelungen, nach früherer Kränk-
lichkeit ein gesundes und hohes Alter, damals von 83 Jahren, zu er-
reichen; dann antwortet er denjenigen, welche das Alter über 65 Jahre
hinaus überhaupt als einen lebendigen Tod verschmähen; er beweist
ihnen, daß sein Leben ein höchst lebendiges und kein totes sei. „Sic
mögen kommen, sehen und sich wundern über mein Wohlbefinden,
wie ich ohne Hilfe zu Pferde steige, Treppen und Hügel hinauflaufe,
wie ich lustig, amüsant und zufrieden bin, wie frei von Gemütssorgen
und widerwärtigen Gedanken. Freude und Friede verlassen mich nicht. . .
Mein Umgang sind weise, gelehrte, ausgezeichnete Leute von Stande,
und wenn diese nicht bei mir sind, lese und schreibe ich, und suche da-
mit wie auf jede andere Weise andern nützlich zu sein nach Kräft:en.
Von diesen Dingen tue ich jedes zu seiner Zeit, bequem, in meiner
Burckhardt 13
Abb. 24g
IQA DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Luigicora.iro schöncn Behausung, welche in der besten Gegend Paduas gelegen und
mit allen Mitteln der Baukunst auf Sommer und Winter eingerichtet,
auch mit Gärten am fließenden Wasser versehen ist. Im Frühling und
Herbst gehe ich für einige Tage auf meinen Hügel in der schönsten
Lage der Euganeen, mit Brunnen, Gärten und bequemer und zier-
licher Wohnung; da mache ich auch wohl eine leichte und vergnüg-
liche Jagd mit, wie sie für mein Alter paßt. Einige Zeit bringe ich dann
in meiner schönen Villa in der Ebene®"^ zu; dort laufen alle Wege auf
einen Platz zusammen, dessen Mitte eine artige Kirche einnimmt; ein
mächtiger Arm der Brenta strömt mitten durch die Anlagen, lauter
fruchtbare, wohl angebaute Felder, alles jetzt stark bewohnt, wo früher
nur Sumpf und schlechte Luft und eher ein Wohnsitz für Schlangen
als für Menschen war. Ich wars, der die Gewässer ableitete; da wurde
die Luft gut, und die Leute siedelten sich an und vermehrten sich, und
der Ort wurde so ausgebaut, wie man ihn jetzt sieht, so daß ich in
Wahrheit sagen kann: an dieser Stätte gab ich Gott einen Altar und
einen Tempel und Seelen, um ihn anzubeten. Dies ist mein Trost und
mein Glück, sooft ich hinkomme. Im Frühhng und Herbst besuche
ich auch die nahen Städte und sehe und spreche meine Freunde und
mache durch sie die Bekanntschaft anderer ausgezeichneter Leute,
Architekten, Maler, Bildhauer, Musiker und Landökonomen. Ich be-
trachte, was sie Neues geschaffen haben, betrachte das schon Bekannte
wieder und lerne immer vieles, was mir dient, in und an Palästen,
Gärten, Altertümern, Stadtanlagen, Kirchen und Festungswerken. Vor
allem aber entzückt mich auf der Reise die Schönheit der Gegenden
und der Ortschaften, wie sie bald in der Ebene, bald auf Hügeln, an
Flüssen und Bächen mit ihren Landhäusern und Gärten ringsum da-
liegen. Und diese meine Genüsse werden mir nicht geschmälert durch
Abnahme des Auges oder des Ohres; alle meine Sinne sind Gott sei
Dank in vollkommen gutem Zustande, auch der Geschmack, indem
mir jetzt das wenige und Einfache, was ich zu mir nehme, besser schmeckt
als einst die Leckerbissen zur Zeit, da ich unordentlich lebte."
Nachdem er hierauf die von ihm für die Republik betriebenen Ent-
sumpfungsarbeiten und die von ihm beharrlich vorgeschlagenen Pro-
jekte zur Erhaltung der Lagunen erwähnt hat, schließt er: ,,Dies sind
die wahren Erholungen eines durch Gottes Hilfe gesunden Alters, das
von jenen geistigen und körperlichen Leiden frei ist, welchen so manche
jüngere Leute und so manche hinsiechende Greise unterliegen. Und
wenn es erlaubt ist, zum Großen das Geringe, zum Ernst den Scherz
hinzuzufügen, so ist auch das eine Frucht meines mäßigen Lebens,
daß ich in diesem meinem 83. Altersjahre noch eine sehr ergötz-
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN ig^
liehe Komödie voll ehrbarer Spaßhaftigkeit geschrieben habe. Der-
gleichen ist sonst Sache der Jugend, wie die Tragödie Sache des Alters;
wenn man es nun jenem berühmten Griechen zum Ruhm anrechnet,
daß er noch im 73. Jahre eine Tragödie gedichtet, muß ich nicht
nüt zehn Jahren darüber gesunder und heiterer sein als jener damals
war? — Und damit der Fülle meines Alters kein Trost fehle, sehe ich
eine Art leiblicher Unsterblichkeit in Gestalt meiner Nachkommen-
schaft vor Augen. Wenn ich nach Hause komme, habe ich nicht einen
oder zwei, sondern elf Enkel vor mir, zwischen zwei und achtzehn
Jahren, alle von einem Vater und einer Mutter, alle kerngesund und
(soviel bis jetzt zu sehen ist) mit Talent und Neigung für Bildung und
gute Sitten begabt. Einen von den kleinern habe ich immer als meinen
Possenmacher (buffoncello) bei mir, wie denn die Kinder vom dritten
bis zum fünften Jahre geborene Buffonen sind; die größern behandle
ich schon als meine Gesellschaft und freue mich auch, da sie herrliche
Stimmen haben, sie singen und auf verschiedenen Instrumenten spielen
zu hören; ja ich selbst singe auch und habe jetzt eine bessere, hellere,
tönendere Stimme als je. Das sind die Freuden meines Alters. Mein
Leben ist also eine lebendiges und kein totes, und ich möchte mein
Alter nicht tauschen gegen die Jugend eines solchen, der den Leiden-
schaften verfallen ist."
In der „Ermahnung", welche Cornaro viel später, in seinem 95.
Jahre beifügte, rechnet er zu seinem Glück unter andern auch, daß
sein ,, Traktat" viele Proselyten gewonnen habe. Er starb zu Padua
1565, mehr als hundertjährig.
Neben der Charakteristik der einzelnen Individuen entsteht auch charakten
eine Gabe des Urteils und der Schilderung für ganze Bevölkerungen. * |<(, ™°nd
Während des Mittelalters hatten sich im ganzen Abendlande Städte, stadten
Stämme und Völker gegenseitig mit Spott- und Scherzworten verfolgt,
welche meistens einen wahren Kern in starker Verzerrung enthielten.
Von jeher aber taten sich die Italiener im Bewußtsein der geistigen
Unterschiede ihrer Städte und Landschaften besonders hervor; ihr Lokal-
patriotismus, so groß oder größer als bei irgendeinem mittelalterlichen
Volke, hatte frühe schon eine literarische Seite und verband sich mit
dem Begriff des Ruhmes; die Topographie entsteht als eine Parallele
der Biographie (S. 85). Während sich nun jede größere Stadt in
Prosa und Versen zu preisen anfing*^, traten auch Schriftsteller auf,
welche sämtliche wichtigere Städte und Bevölkerungen teils ernsthaft
nebeneinander beschrieben, teils witzig verspotteten, auch wohl so
besprachen, daß Ernst und Spott nicht scharf voneinander zu tren-
nen sind.
13*
rungen des
i6. Jahrh.
iq6 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Dittamondo Nächst einigen berühmten Stellen in der Divina Commedia kommt
der Dittamondo des Uberti in Betracht (um 1360). Hier werden haupt-
sächlich nur einzelne auffallende Erscheinungen und Wahrzeichen nam-
haft gemacht: das Krähenfest zu St. Apollinare in Ravenna, die Brun-
nen in Treviso, der große Keller bei Vicenza, die hohen Zölle von
Mantua, der Wald von Türmen in Lucca; doch finden sich dazwischen
auch Lobeserhebungen und anzügliche Kritiken anderer Art; Arezzo
figuriert bereits mit dem subtilen Ingenium seiner Stadtkinder, Genua
mit den künstlich geschwärzten Augen und Zähnen (?) der Weiber,
Bologna mit dem Geldvertun, Bergamo mit dem groben Dialekt und
den gescheiten Köpfen u. dgl.^^*. Im 15. Jahrhundert rühmt dann jeder
seine eigene Heimat auch auf Kosten anderer Städte. Michele Savonarola
z. B. läßt neben seinem Padua nur Venedig und Rom als herrlicher,
Florenz höchstens als fröhlicher gelten^^^, womit denn natürlich der
objektiven Erkenntnis wenig gedient war. Am Ende des Jahrhunderts
schildert Jovianus Pontanus in seinem ,, Antonius" eine fingierte Reise
durch Italien nur, um boshafte Bemerkungen dabei vorbringen zu
schUde- können. Aber mit dem 16. Jahrhundert beginnt eine Reihe wahrer
und tiefer Charakteristiken*^^, wie sie damals wohl kein anderes Volk
in dieser Weise besaß. Machiavclli schildert in einigen kostbaren Auf-
sätzen die Art und den politischen Zustand der Deutschen und Fran-
zosen, so daß auch der geborene Nordländer, der seine Landesgeschichte
kennt, dem florentinischen Weisen für seine Lichtblicke dankbar sein
wird. Dann zeichnen die Florentiner (S. 45, 49) gerne sich selbst*"
und sonnen sich dabei im reichlich verdienten Glänze ihres geistigen
Ruhmes; vielleicht ist es der Gipfel ihres Selbstgefühls, wenn sie z. B.
das künstlerische Primat Toscanas über Italien nicht einmal von einer
besonderen genialen Begabung, sondern von der Anstrengung, von den
Studien herleiten*^. Huldigungen berühmter Italiener anderer Gegen-
den, wie z. B. das herrliche sechzehnte Capitolo des Ariost, mochte
man wohl wie einen schuldigen Tribut in Empfang nehmen.
Von einer, wie es scheint, sehr ausgezeichneten Quelle über die
Unterschiede der Bevölkerungen Italiens können wir nur den Namen
angeben*^^. Leandro Alberti*"" ist in der Schilderung des Genius der
einzelnen Städte nicht so ausgiebig, als man erwarten sollte. Ein kleiner
anonyincr*''' Commentario enthält zwischen vielen Torheiten auch man-
chen wertvollen Wink über den unglücklichen zerfallenen Zustand um
die Mitte des Jahrhunderts**-.
Wie nun diese vergleichende Betrachtung der Bevölkerungen, haupt-
sächlich durch den italienisclu^n Humanismus, auf andere Nationen ein-
gewirkt haben mag, sind wir nicht imstande näher nachzuweisen. Jeden-
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN igy
falls gehört Italien dabei die Priorität wie bei der Kosmographie im
großen.
*
Allein die Entdeckung des Menschen bleibt nicht stehen bei der gel- schfldemng
stigen Schilderung der Individuen und der Völker; auch der äußere MenKheT
Mensch ist in Italien auf ganz andere Weise das Objekt der Betrach- -<*'• 337-3.10
tung als im Norden.
Von der Stellung der großen italienischen Ärzte zu den Fortschritten
der Physiologie wagen wir nicht zu sprechen, und die künstlerische
Ergründung der Menschengestalt gehört nicht hierher, sondern in die
Kunstgeschichte. Wohl aber muß hier von der allgemeinen Bildung
des Auges die Rede sein, welche in Italien ein objektives, allgültiges
Urteil über körperliche Schönheit und Häßlichkeit möglich machte.
Fürs erste wird man bei der aufmerksamen Lesung der damaligen
italienischen Autoren erstaunen über die Genauigkeit und Schärfe in
der Bezeichnung der äußern Züge und über die Vollständigkeit mancher
Personalbeschreibungen überhaupt"'''*. Noch heutzutage haben beson-
ders die Römer das Talent, einen Menschen, von dem die Rede ist,
in drei Worten kenntlich zu machen. Dieses rasche Erfassen des Charak-
teristischen aber ist eine wesentliche Vorbedingung für die Erkenntnis
des Schönen und für die Fähigkeit, dasselbe zu beschreiben. Bei Dichtern
kann allerdings das umständliche Beschreiben ein Fehler sein, da ein
einziger Zug, von der tiefern Leidenschaft eingegeben, im Leser ein
viel mächtigeres Bild von der betreffenden Gestalt zu erwecken vermag.
Dante hat seine Beatrice nirgends herrlicher gepriesen als wo er nur den
Reflex schildert, der von ihrem Wesen ausgeht auf ihre ganze Umgebung.
Allein es handelt sich hier nicht um die Poesie, welche als solche ihren
eigenen Zielen nachgeht, sondern um das Vermögen, spezielle sowohl
als ideale Formen in Worten zu malen.
Hier ist Boccaccio Meister, nicht im Decamerone, da die Novelle oieschönhct
alles lange Beschreiben verbietet, sondern in seinen Romanen, wo er
sich die Muße und den nötigen Schwung dazu nehmen darf. In seinem
Ameto schildert er®^* eine Blonde und eine Braune ungefähr, wie ein
Maler sie hundert Jahre später würde gemalt haben — denn auch
hier geht die Bildung der Kunst lange voran. Bei der Braunen (oder
eigentlich nur weniger Blonden) erscheinen schon einige Züge, die wir
klassisch nennen würden: in seinen Worten „la spaziosa testa e distesa"
liegt die Ahnung großer Formen, die über das Niedhche hinausgehen;
die Augenbrauen bilden nicht mehr wie beim Ideal der Byzantiner
zwei Bogen, sondern zusammen eine geschwungene Linie; die Nase
scheint er sich der sogenannten Adlernase genähert zu denken"*"*^; auch
Iq8 die ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
die breite Brust, die mäßig langen Arme, die Wirkung der schönen
Hand, wie sie auf dem Purpurgewande liegt — all diese Züge deuten
wesentlich auf das Schönheitsgefühl einer kommenden Zeit, welches
zugleich dem des hohen klassischen Altertumes unbewußt sich nähert.
In anderen Schilderungen erwähnt Boccaccio auch eine ebene (nicht
mittelalterlich gerundete) Stirn, ein ernstes langgezogenes braunes Auge,
einen runden, nicht ausgehöhlten Hals, freilich auch das sehr moderne
„kleine Füßchen", und bei einer schwarzhaarigen Nymphe bereits
„zwei spitzbübisch rollende Augen*^^" u. a. m.
Ob das 15. Jahrhundert schriftliche Rechenschaft über sein Schön-
heitsideal hinterlassen hat, weiß ich nicht zu sagen; die Leistungen
der Maler und Bildhauer würden dieselbe nicht so ganz entbehrlich
machen, wie es auf den ersten Anblick scheint, da gerade ihrem Realis-
mus gegenüber in den Schreibenden ein spezielles Postulat der Schön-
Firenzuoias hclt fortgclcbt habcH könntc^^'. Im 16. Jahrhundert tritt dann Firen-
zuola hervor mit seiner höchst merkwürdigen Schrift über weibliche
Schönheit*^. Man muß vor allem ausscheiden, was er nur von antiken
Autoren und von Künstlern gelernt hat, wie die Maßbestimmungen
nach Kopflängen, einzelne abstrakte Begriffe usw. Was übrigbleibt, ist
eigene echte Wahrnehmung, die er mit Beispielen von lauter Frauen
und Mädchen aus Prato belegt. Da nun sein Werkchen eine Art von
Vortrag ist, den er vor seinen Prateserinnen, also den strengsten Rich-
terinnen hält, so inuß er dabei sich wohl an die Wahrheit angeschlossen
haben. Sein Prinzip ist zugestandenermaßen das des Zeuxis und Lukian:
ein Zusammensuchen von einzelnen schönsten Teilen zu einer höchsten
Schönheit. Er definiert die Ausdrücke der Farben, die an Haut und
Haaren vorkommen, und gibt dem biondo den Vorzug als der wesent-
lichen und schönsten Haarfarbe*"*, nur daß er darunter ein sanftes,
dem Bräunlichen zugeneigtes Gelb versteht. Ferner verlangt er das
Haar dicht, lockig und lang, die Stirn heiter und doppelt so breit als
hoch, die Haut hell leuchtend (candido), aber nicht von toter Weiße
(bianchezza), die Brauen dunkel, seidenweich, in der Mitte am stärk-
sten und gegen Nase und Ohr abnehmend, das Weiße im Auge leise
bläulich, die Iris nicht gerade schwarz, obwohl alle Dichter nach occhi
neri als einer Gabe der Venus schreien, während doch das Himmel-
blau selbst Göttinnen eigen gewesen und das sanfte, fröhlich blickende
Dunkelbraun allbeliebt sei. Das Auge selbst soll groß gebildet sein und
vortreten; die Lider sind weiß mit kaum sichtbaren roten Äderchen
am schönsten; die Wimpern weder zu dicht noch zu lang, noch zu
dunkel. Die Augenhöhle muß die Farbe der Wangen haben*"". Das
Ohr, von mittlerer Größe, fest und wohl angesetzt, muß in den ge-
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN IQQ
schwungenen Teilen lebhafter gefärbt sein als in den flachern, der Firenzuoias
Saum durchsichtig und rotglänzend wie Granatenkern. Die Schläfen
sind weiß und flach und nicht zu schmal am schönsten*^. Auf den Wangen
muß das Rot mit der Rundung zunehmen. Die Nase, welche wesentlich
den Wert des Profiles bestimmt, muß nach oben sehr sanft und gleich-
mäßig abnehmen; wo der Knorpel aufhört, darf eine kleine Erhöhung
sein, doch nicht, daß daraus eine Adlernase würde, die an Frauen
nicht gefällt; der untere Teil muß sanfter gefärbt sein als die Ohren,
nur nicht erfroren weiß, die mittlere Wand über der Lippe leise gerötet.
Den Mund verlangt der Autor eher klein, doch weder gespitzt noch
platt, die Lippen nicht zu subtil und schön aufeinander passend; beim
zufälligen Öffnen (d. h. ohne Lachen oder Reden) darf man höchstens
sechs Oberzähne sehen. Besondere Delikatessen sind das Grübchen in
der Oberlippe, ein schönes Anschwellen der Unterlippe, ein liebreizen-
des Lächeln im linken Mundwinkel usw. Die Zähne sollen sein: nicht
zu winzig, ferner gleichmäßig, schön getrennt, elfcnbeinfarbig; das Zahn-
fleisch nicht zu dunkel, ja nicht etwa wie roter Sammet. Das Kinn sei
rund, weder gestülpt noch spitzig, gegen die Erhöhung hin sich rötend;
sein besonderer Ruhm ist das Grübchen. Der Hals muß weiß und
rund und eher zu lang als zu kurz sein, Grube und Adamsapfel nur
angedeutet; die Haut muß bei jeder Wendung schöne Falten bilden.
Die Schultern verlangt er breit, und bei der Brust erkennt er sogar
in der Breite das höchste Erfordernis der Schönheit; außerdem muß
daran kein Knochen sichtbar, alles Zu- und Abnehmen kaum bemerk-
lich, die Farbe „candidissimo" sein. Das Bein soll lang und an dem
untern Teil zart, doch am Schienbein nicht zu fleischlos und überdies
mit starken weißen Waden versehen sein. Den Fuß will er klein, doch
nicht mager, die Spannung (scheint es) hoch, die Farbe weiß wie Ala-
baster. Die Arme sollen weiß sein und sich an den erhöhten Teilen leise
röten; ihre Konsistenz beschreibt er als fleischig und muskulös, doch
sanft wie die der Pallas, da sie vor dem Hirten auf Ida stand, mit einem
Worte: saftig, frisch und fest. Die Hand verlangt er weiß, besonders oben,
aber groß und etwas voll, und anzufühlen wie feine Seide, das rosige
Innere mit wenigen, aber deutlichen, nicht gekreuzten Linien und nicht
zu hohen Hügeln versehen, den Raum zwischen Daumen und Zeige-
finger lebhaft gefärbt und ohne Runzeln, die Finger lang, zart und
gegen das Ende hin kaum merklich dünner, mit hellen, wenig geboge-
nen und nicht zu langen noch zu viereckigen Nägeln, die beschnitten
sein sollen nur bis auf die Breite eines Messerrückens.
Neben dieser speziellen Ästhetik nimmt die allgemeine nur eine unter-
geordnete Stelle ein. Die tiefsten Gründe des Schönfindens, nach wel-
200 DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
chen das Auge „scnza appello" richtet, sind auch für Firenzuola ein
Geheimnis, wie er offen eingesteht, und seine Definitionen von Leggia-
dria, Grazia, Vaghezza, Venustä, Aria, Maestä sind zum Teil, wie
bemerkt, philologisch erworben, zum Teil ein vergebliches Ringen mit
dem Unaussprechlichen. Das Lachen definiert er — wahrscheinlich
nach einem alten Autor — recht hübsch als ein Erglänzen der Seele.
Alle Literaturen werden am Ausgange des Mittelalters einzelne Ver-
suche aufweisen, die Schönheit gleichsam dogmatisch festzustellen*'^.
Allein neben Firenzuola wird schwerlich ein anderes Werk irgend auf-
kommen. Der um ein starkes halbes Jahrhundert spätere Brantome
z. B. ist ein geringer Kenner dagegen, weil ihn die Lüsternheit und nicht
der Schönheitssinn leitet.
*
Schilderung Zu dcr Entdeckung des Menschen dürfen wir endlich auch die schil-
Veh"ns "" dernde Teilnahme an dem wirklichen bewegten Menschenleben rechnen.
Die ganze komische und satirische Seite der mittelalterlichen Lite-
raturen hatte zu ihren Zwecken das Bild des gemeinen Lebens nicht
entbehren können. Etwas ganz anderes ist es, wenn die Italiener der
Renaissance dieses Bild um seiner selber willen ausmalen, weil es an
sich interessant, weil es ein Stück des großen allgemeinen Weltlebens
ist, von welchem sie sich zauberhaft umwogt fühlen. Statt und neben
der Tendenzkomik, welche sich in den Häusern, auf den Gassen, in
den Dörfern herumtreibt, weil sie Bürgern, Bauern und Pfaffen eines
anhängen will, treffen wir hier in der Literatur die Anfänge des echten
Genre, lange Zeit, bevor sich die Malerei damit abgibt. Daß beides
sich dann oft wieder verbindet, hindert nicht, daß es verschiedene
Dinge sind.
Bei Dante Wieviel irdisches Geschehen muß Dante aufmerksam und teilnehmend
angesehen haben, bis er die Vorgänge seines Jenseits so ganz sinnlich
wahr schildern konnte*'^. Die berühmten Bilder von der Tätigkeit im
Arsenal zu Venedig, vom Aneinanderlehnen der Blinden vor den Kir-
chentüren*'* u. dgl. sind lange nicht die einzigen Beweise dieser Art;
schon seine Kunst, den Seelenzustand in der äußern Gebärde darzu-
stellen, zeigt ein großes und beharrliches Studium des Lebens.
Die Dichter, welche auf ihn folgen, erreichen ihn in dieser Beziehung
selten, und den Novellisten verbietet es das höchste Gesetz ihrer Literatur-
gattung, bei dem einzelnen zu verweilen (vgl. S. 172, 197). Sie dürfen so
weitschweifig präludieren und erzählen als sie wollen, aber nicht genre-
haft schildern. Wir müssen uns gedulden, bis die Männer des Alter-
tums Lust vmd Gelegenheit finden, sich in der Beschreibung zu er-
gehen.
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN 201
Hier tritt uns wiederum der Mensch entgegen, welcher Sinn hatte Bei
für alles: Aeneas Sylvius. Nicht bloß die Schönheit der Landschaft, nicht .,i°. //^^j^
bloß das kosmogi'aphisch oder antiquarisch Interessante (S. 103, 161, 170)
reizt ihn zur Darstellung, sondern jeder lebendige Vorgang^'*. Unter den
sehr vielen Stellen seiner Memoiren, wo Szenen geschildert werden, wel-
chen damals kaum jemand einen Federstrich gegönnt hätte, heben wir
hier nur das ^Vettrudern auf dem Bolsener See hervor*'^. Man wird nicht
näher ermitteln können, aus welchen antiken Epistolographen oder Er-
zählern die spezielle Anregung zu so lebensvollen Bildern auf ihn über-
gegangen ist, wie denn überhaupt die geistigen Berührungen zwischen
Altertum und Renaissance oft überaus zart und geheimnisvoll sind.
Sodann gehören hierher jene beschreibenden lateinischen Gedichte,
von welchen oben (S. 146) die Rede war: Jagden, Reisen, Zeremonien
u. dgl. Es gibt auch Italienisches dieser Gattung; wie z. B. die Schilde-
rungen des berühmten mediceischen Turniers von Poliziano und Luca «6. ^/j
Pulci. Die eigenthchen epischen Dichter, Luigi Pulci, Bojardo und Ariost,
treibt ihr Gegenstand schon rascher vorwärts, doch wird man bei allen
die leichte Präzision in der Schilderung des Bewegten als ein Haupt-
element ihrer Meisterschaft anerkennen müssen. Franco Sacchctti macht
sich einmal das Vergnügen, die kurzen Reden eines Zuges hübscher
Weiber aufzuzeichnen®'', die im Wald vom Regen überrascht werden.
Andere Beschreibungen der bewegten Wirklichkeit findet man am
ehesten bei Kriegsschriftstellem u. dgl. (vgl. S. 59). Schon aus früherer
Zeit ist uns in einem umständlichen Gedicht^'* das getreue Abbild einer
Söldnerschlacht des 14. Jahrhunderts erhalten, hauptsächlich in Gestalt
der Zurufe, Kommandos und Gespräche, die während einer solchen vor-
kommen.
Das Merkwürdigste dieser Art aber ist die echte Schilderung des Falsche und
Bauemiebens, welche besonders bei Lorenzo magnifico und den Dich- ^j'j.^^g'^d^
tern in seiner Umgebung bemerklich wird. Landlebens
Seit Petrarca^'* gab es eine falsche, konventionelle Bukolik oder
Eklogendichtung, eine Nachahmung Virgils, mochten die Verse latei-
nisch oder italienisch sein. Als ihre Nebengattungen traten auf der
Hirtenroman von Boccaccio (S. 144) bis auf Sannazaros Arcadia, und
später das Schäferspiel in der Art des Tasso und Guarini, Werke der
allerschönsten Prosa wie des vollendetsten Versbaues, worin jedoch das
Hirtenwesen nur ein äußerlich übergeworfenes ideales Kostüm für Emp-
findungen ist, die einem ganz andern Bildungskreis entstammen**"".
Daneben aber tritt gegen das Ende des 15. Jahrhunderts jene echt Stellung der
genrehafte Behandlung des ländUchen Daseins in die Dichtung ein. ''"^™
Sie war nur in Italien möglich, weil nur hier der Bauer (sowohl der
202 D'Ii ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Kolone als der Eigentümer) Menschenwürde und persönliche Freiheit
und Freizügigkeit hatte, so hart bisweilen auch sein Los sein mochte.
Der Unterschied zwischen Stadt und Dorf ist bei weitem nicht so aus-
gesprochen wie im Norden; eine Menge Städtchen sind ausschließlich
von Bauern bewohnt, die sich des Abends Städter nennen können. Die
Wanderungen der komaskischen Maurer gingen fast durch ganz Italien;
das Kind Giotto durfte von seinen Schafen hinweg und konnte in Florenz
zünftig werden; überhaupt war ein beständiger Zustrom vom Lande
nach den Städten, und gewisse Bergbevölkerungen schienen dafür eigent-
lich geboren*^*. Nun sorgen zwar Bildungshochmut und städtischer Dün-
kel noch immer dafür, daß Dichter und Novellisten sich über den
villano lustig machcn*^^, und die Improvisier- Komödie (S. 182 f) tat
vollends das übrige. Aber wo fände sich ein Ton von jenem grausamen,
verachtungsvollen Rassenhaß gegen die vilains, der die adligen proven-
zalischen Dichter und stellenweise die französischen Chronisten beseelt?
Vielmehr*^^ erkennen italienische Autoren jeder Gattung das Bedeutende
und Große, wo es sich im Bauernleben zeigt, freiwillig an und heben
es hervor. Gioviano Pontano erzählt^* mit Bewunderung Züge von
Seelcnstärke der wilden Abruzzesen; in den biographischen Sammel-
werken wie bei den Novellisten fehlt auch das heroische Bauernmäd-
chen*®* nicht, welches sein Leben dransetzt, um seine Unschuld oder
seine Familie zu verteidigen^''.
Battisi.i Unter solchen Voraussetzungen war eine poetische Betrachtung des
Bauernlebens möglich. Zunächst sind hier zu erwähnen die einst vielge-
lesenen und noch heute lesenswerten Eklogen des Battista Mantovano
(eines seiner frühern Werke, etwa um 1480). Sie schwanken noch zwi-
schen echter und konventioneller Ländlichkeit, doch überwiegt die er-
stere. Im wesentlichen spricht daraus der Sinn eines wohldenkenden
Dorfgeistlichen, nicht ohne einen gewissen aufklärerischen Eifer. Als
Karmelitermönch mag er viel mit Landleuten verkehrt haben.
Allein mit einer ganz andern Kraft versetzt sich Lorenzo magnifico
in den bäuerischen Gesichtskreis hinein. Seine Ncncia di Barberino**''
liest sich wie ein Inbegriff echter Volkslieder aus der Umgegend von
Florenz, zusammengegossen in einen großen Strom von Ottaven. Die
Objektivität des Dichters ist derart, daß man im Zweifel bleibt, ob er
für den Redenden (den Bauernburschen Vallcra, welcher der Nencia
seine Liebe erklärt) Sympathie oder Hohn empfindet. Ein bewußter
Gegensatz zur konventionellen Bukolik mit Pan und Nymphen ist un-
verkennbar; Lorenzo ergeht sich absichtlich im derben Realismus des
bäuerischen Klcinlcbens, und doch macht das Ganze einen wahrhaft
poetischen Eindruck.
Mantovano
Lorenz'i
niagiiifiro
Abb. i"0
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN 203
Ein zugestandenes Seitenstück zur Nencia ist die Beca da Dicomano Luigi Puici
des Luigi Pulci^**. Allein es fehlt der tiefere objektive Ernst; die Beca
ist nicht sowohl gedichtet aus innerem Drang, ein Stück Volksleben dar-
zustellen, als vielmehr aus dem Verlangen, durch etwas derart den Bei-
fall gebildeter Florentiner zu gewinnen. Daher die viel größere, absicht-
lichere Derbheit des Genrehaften und die beigemischten Zoten. Doch
wird der Gesichtskreis des ländUchen Liebhabers noch sehr geschickt
festgehalten.
Der dritte in diesem Verein ist Angelo Poliziano mit seinem Rusti- i'oiiziano
kus^* in lateinischen Hexametern. Er schildert, unabhängig von Virgils
Georgica, speziell das toskanische Bauernjahr, beginnend mit dem Spät-
herbst, da der Landmann einen neuen Pflug schnitzt und die Winter-
saat bestellt. Sehr reich und schön ist die Schilderung der Fluren im
Frühling und auch der Sommer enthält vorzügliche Stellen; als eine
Perle aller neulateinischen Poesie aber darf das Kelterfest im Herbste
gelten. Auch auf italienisch hat Poliziano einzelnes gedichtet, woraus
hervorgeht, daß man im Kreise des Lorenzo bei'eits irgendein Bild aus
dem leidenschaftlich bewegten Leben der untern Stände realistisch be-
handeln durfte. Sein Liebeslied des Zigeuners^^" ist wohl eines der frühe-
sten Produkte der echt modernen Tendenz, sich in die Lage irgendeiner
Mcnschenklasse mit poetischem Bewußtsein hineinzuversetzen. Mit komi-
scher Absicht war dergleichen wohl von jeher versucht worden*^', und
in Florenz boten die Gesänge der Maskenzüge sogar eine bei jedem Kar-
neval wiederkehrende Gelegenheit hiezu. Neu aber ist das Eingehen auf
die Gefühlswelt eines andern, womit die Nencia und diese ,,Canzone
zingaresca" einen denkwürdigen neuen Anfang in der Geschichte der
Poesie ausmachen.
Auch hier muß schließlich darauf hingewiesen werden, wie die Bil-
dung der Kunst vorangeht. Von der Nencia an dauert es wohl achtzig
Jahre bis zu den ländlichen Genremalereien des Dacopo Bassano und
seiner Schule.
Im nächsten Abschnitt wird es sich zeigen, daß in Italien damals die
Geburtsunterschiede zwischen den Menschcnklassen ihre Geltung ver-
loren. Gewiß trug hiezu viel bei, daß man hier zuerst die Menschen
und die Menschheit in ihrem tiefern Wesen vollständig erkannt hatte.
Schon dieses eine Resultat der Renaissance darf uns mit ewigem Dank-
gefühl erfüllen. Den logischen Begriff der Menschheit hatte man von
jeher gehabt, aber sie kannte die Sache.
Die höchsten Ahnungen auf diesem Gebiete spricht Pico della Miran- Der Begriff
dola aus in seiner Rede von der Würde des Menschen®'^, welche wohl ^^^^^^
eines der edelsten Vermächtnisse jener Kulturepoche heißen darf Gott
204 '^'^ ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
hat am Ende der Schöpfungstage den Menschen geschaffen, damit der-
selbe die Gesetze des Weltalls erkenne, dessen Schönheit liebe, dessen
Größe bewundere. Er band denselben an keinen festen Sitz, an kein be-
stimmtes Tun, an keine Notwendigkeiten, sondern er gab ihm Beweg-
lichkeit und freien Willen. ,, Mitten in die Welt", spricht der Schöpfer
zu Adam, ,,habe ich dich gestellt, damit du um so leichter um dich
schauest und sehest alles was darinnen ist. Ich schuf dich als ein Wesen,
weder himmhsch noch irdisch, weder sterblich noch unsterblich allein,
damit du dein eigener freier Bildner und Überwinder seiest; du kannst
zum Tier entarten und zum gottähnlichen Wesen dich wiedergebären.
Die Tiere bringen aus dem Mutterleibe mit was sie haben sollen, die
höhern Geister sind von Anfang an oder doch bald hernach*^^ was sie
in Ewigkeit bleiben werden. Du allein hast eine Entwicklung, ein Wach-
sen nach freiem Willen, du hast Keime eines allartigen Lebens in dir."
FÜNFTER ABSCHNITT
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Jede Kulturepoche, die in sich ein vollständig durchgebildetes Ganzes
vorstellt, spricht sich nicht nur im staatüchen Zusammenleben, in Reü-
gion, Kunst und Wissenschaft kennthch aus, sondern sie drückt auch
dem geselhgen Dasein ihren bestimmten Stempel auf. So hatte das
Mittelalter seine nach Ländern nur wenig verschiedene Hof- und Adels-
sitte und Etikette, sein bestimmtes Bürgertum.
Die Sitte der italienischen Renaissance ist hievon in den wichtigsten Gegensatz
Beziehungen das wahre Widerspiel. Schon die Basis ist eine andere, in- ^""j,^"*^'
dem es für die höhere Geselligkeit keine Kastenunterschiede mehr, son-
dern einen gebildeten Stand im modernen Sinne gibt, auf welchen Ge-
burt und Herkunft nur noch dann Einfluß haben, wenn sie mit ererbtem
Reichtum und gesicherter Muße verbunden sind. In absolutem Sinne
ist dies nicht zu verstehen, indem die Standeskategorien des Mittelalters
bald mehr bald weniger sich noch geltend zu machen suchen, und wäre es
auch nur, um mit der außeritalienischen, europäischen Vornehmheit in
irgendeinem Rang\'erhältnis zubleiben; aber der allgemeine Zug der Zeit
war offenbar die Verschmelzung der Stände im Sinn der neuem Welt.
Von erster Wichtigkeit war hiefür das Zusammenwohnen von Adhgen zusammen-
und Bürgern in den Städten mindestens seit dem 12. Jahrhundert*'''', Ttt"/"
wodurch Schicksale und Vergnügungen gemeinschafdich wurden und
die Anschauung der Welt vom Bergschloß aus von vornherein am Ent-
stehen verhindert war. Sodann ließ sich die Kirche in Italien niemals
zur Apanagierung der Jüngern Söhne des Adels brauchen wie im Nor-
den; Bistümer, Domhermstellen und Abteien wurden oft nach den un-
würdigsten Rücksichten, aber doch nicht wesentHch nach Stammtafeln
vergeben, und wenn die Bischöfe viel zahlreicher, ärmer und aller welt-
lichen Fürstenhoheit in der Regel bar und ledig waren, so blieben sie
dafür in der Stadt wohnen, wo ihre Kathedrale stand, und bildeten
samt ihrem Domkapitel ein Element der gebildeten Bevölkerung der-
selben. Als hierauf absolute Fürsten und Tyrannen emporkamen, hatte
der Adel in den meisten Städten allen Anlaß und alle Muße, sich ein
206 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Privatleben zu schaffen (S. 77), welches politisch gefahrlos und mit jcg-
und Ausgici- lichem feinern Lebensgenüsse geschmückt, dabei übrigens von dem der
° stände reichen Bürger gewiß kaum zu unterscheiden war. Und als die neue
Poesie und Literatur seit Dante Sache eines jeden^^^ wurde, als vollends
die Bildung im Sinne des Altertums und das Interesse für den Menschen
als solchen hinzutrat, während Kondottieren Fürsten wurden und nicht
nur die Ebenbürtigkeit, sondern auch die eheliche Geburt aufhörten
Requisite des Thrones zu sein (S. 11), da konnte man glauben, ein Zeit-
alter der Gleichheit sei angebrochen, der Begriff des Adels völlig ver-
flüchtigt.
Die Theorie, wenn sie sich auf das Altertum berief, konnte schon aus
dem einen Aristoteles die Berechtigung des Adels bejahen oder ver-
neinen. Dante z. B. leitet noch*^* aus der einen aristotelischen Definition
,,Adel beruhe auf Trefflichkeit und ererbtem Reichtum" seinen Satz her:
Adel beruhe auf eigener Trefflichkeit oder auf der der Vorfahren. Aber
an andern Stellen gibt er sich damit nicht mehr zufrieden; er tadelt
sich**', weil er selbst im Paradies, im Gespräch mit seinem Ahn Caccia-
guida, der edlen Herkunft gedacht habe, welche doch nur ein Mantel
sei, von dem die Zeit beständig abschneide, wenn man nicht täglich
neuen Wert hinzusetze. Und im Convito*** löst er den Begriff nobile
und nobiltä fast gänzlich von jeder Bedingung der Geburt ab und iden-
tifiziert ihn mit der Anlage zu jedem sittlichen und intellektuellen Vor-
rang; ein besonderer Akzent wird dabei auf die höhere Bildung gelegt,
indem die nobiltä die Schwester der filosofia sein soll.
Negation Je konscquentcr hierauf der Humanismus sich die Anschauungsweise
der Italiener dienstbar machte, desto fester überzeugte man sich auch,
daß die Abstammung über den Wert des Menschen nicht entscheide.
Im 15. Jahrhundert war dies schon die herrschende Theorie. Poggio in
seinem Gespräch ,,vom Adel"*^^ ist mit seinen Interlokutoren — Niccolo
Niccoli und Lorenzo Medici, Bruder des großen Cosimo — schon dar-
über einverstanden, daß es keine andere Nobilität mehr gebe als die
des persönlichen Verdienstes. Mit den schärfsten Wendungen wird man-
ches von dem persifliert, was nach dem gewöhnlichen Vorurteil zum
adligen Leben gehört. ,,Vom wahren Adel sei einer nur um so viel weiter
entfernt, je länger seine Vorfahren kühne Missetäter gewesen. Der Eifer
für Vogelbeize und Jagd rieche nicht stärker nach Adel, als die Nester
der betreffenden Tiere nach Balsam. Landbau, wie ihn die Alten trieben,
wäre viel edler als dies unsinnige Herumrennen in Wald und Gebirge,
wobei man am meisten den Tieren selber gleiche. Eine Erholung dürfe
dergleichen etwa vorstellen, nicht aber ein Lebensgeschäft." Vollends
unadlig erscheine das französische und englische RittcrIeben auf dem
des Adels
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
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Lande oder in Waldschlössern, oder gar das deutsche Raubrittertum.
Der Mcdici nimmt hierauf einigermaßen die Partei des Adels, aber —
bezeichnend genug — nicht mit Berufung auf ein angeborenes Gefühl,
sondern, weil Aristoteles im 5. Buch der Politica den Adel als etwas
Seiendes anerkenne und definiere, nämlich eben als beruhend auf Treff-
lichkeit und ererbtem Reichtum. Allein Niccoli erwidert: Aristoteles sage
dies nicht als seine Überzeugung, sondern als allgemeine Meinung; in
der Ethik, wo er sage, was er denke, nenne er denjenigen adlig, welcher
nach dem wahren Guten strebe. Umsonst hält ihm nun der Medici den
griechischen Ausdruck für Adel, nämüch Wohlgeborenheit, Eugeneia
entgegen; Niccoli findet das römische Wort nobilis, d. h. bemerkenswert,
richtiger, indem selbiges den Adel von den Taten abhängig mache""".
Außer diesen Räsonnements wird die Stellung des Adels in den ver-
schiedenen Gegenden Italiens folgendermaßen skizziert. In Neapel ist oer Adei in
der Adel träge und gibt sich weder mit seinen Gütern noch mit dem als j^d^ft^n
schmachvoll geltenden Handel ab; entweder tagediebt er zu Hause""^
oder sitzt zu Pferde. Auch der römische Adel verachtet den Handel,
bewirtschaftet aber seine Güter selbst; ja, wer das Land baut, dem er-
öffnet sich von selbst der Adelsrang '''^; ,,es ist eine ehrbare, wenn auch
bäurische Nobilität". Auch in der Lombardei leben die Adligen vom
Ertrag der ererbten Landgüter; Abstammung und Enthaltung von ge-
wöhnüchen Geschäften machen hier schon den Adel aus"*^. In Venedig
treiben die Nobili, die regierende Kaste, sämtlich Handel; ebenso sind
in Genua Adlige und Nichtadlige sämtlich Kaufleute und Seefahrerund
nur durch die Geburt unterschieden; einige freilich lauern auch als
Wegelagerer in Bergschlössern. In Florenz hat sich ein Teil des alten
Adels dem Handel ergeben; ein anderer Teil (gewiß der weit kleinere)
erfreut sich seines Ranges und gibt sich mit gar nichts ab als mit Jagd
und Vogelbeize'"**.
Das Entscheidende war, daß fast in ganz Italien auch die, welche auf steiiung zur
ihre Geburt stolz sein mochten, doch gegenüber der Bildung und dem ' "°^
Reichtum keinen Dünkel geltend machen konnten, und daß sie durch
ihre politischen oder höfischen Vorrechte zu keinem erhöhten Standes-
gefühl provoziert w'urden. Venedig macht hier nur eine scheinbare Aus-
nahme, weil das Leben der Nobili durchaus nur ein bürgerliches, durch
wenige Ehrenrechte bevorzugtes war. Anders verhält es sich allerdings
mit Neapel, welches durch die strengere Ausscheidung und die Pomp-
sucht seines Adels mehr als aus irgendeinem Grunde von der geistigen
Bewegung der Renaissance abgeschnitten blieb. Zu einer starken Nach-
wirkung des langobardischen und normannischen Mittelalters und des
spätfranzösischen Adelswesens kam hier schon vor der Mitte des 15. Jahr-
2o8 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Hunderts die aragonesische Herrschaft, und so vollzog sich hier am früh-
sten, was erst hundert Jahre später im übrigen Italien überhand nahm:
die teilweise Hispanisierung des Lebens, deren Hauptelement die Ver-
achtung der Arbeit und die Sucht nach Adelstiteln war. Der Einfluß
Spatere Hi3- hicvon zelgtc sich schon vor dem Jahre 1500 selbst in kleinen Städten;
panisiening ^^^ j^^ Cava wlrd geklagt: der Ort sei sprichwörtlich reich gewesen, so
lange dort lauter Maurer und Tuchweber lebten; jetzt, da man statt
Maurerzeug und Webstühlen nur Sporen, Steigbügel und vergoldete
Gürtel sehe, da jedermann Doktor der Rechte oder der Medizin, Notar,
Offizier und Ritter zu werden trachte, sei die bitterste Armut einge-
kehrt"*^. In Florenz wird eine analoge Entwicklung erst unter Cosimo
dem ersten Großherzog konstatiert; es wird ihm dafür gedankt, daß er
die jungen Leute, welche jetzt Handel und Gewerbe verachteten, zur
Ritterschaft in seinem Stephansorden heranziehe'"^. Es ist das direkte
Gegenteil jener frühern florentinischen Denkweise'"', da die Väter den
Söhnen eine Beschäftigung zur Bedingung des Erbes machten (S. 48).
Die Kitler- Abcr clnc besondere Art von Rangsucht kreuzt namentlich bei den
Abh^W,4 Florentinern den gleichmachenden Kultus von Kunst und Bildung auf
eine oft komische Weise; es ist das Streben nach der Ritterwürde, welches
als Modetorheit erst recht in Schwung kam, als es bereits jeden Schatten
von eigentlicher Geltung eingebüßt hatte.
,,Vor ein paar Jahren", schreibt Franco Sacchetti'"^ gegen Ende des
14. Jahrhunderts, hat jedermann sehen können, wie sich Handwerker,
bis zu den Bäckern herunter, ja bis zu den Wollekratzern, Wucherern,
Wechslern und Halunken zu Rittern machen ließen. Weshalb braucht
ein Beamter, um als Rettore in eine Landstadt gehen zu können, die
Ritterwürde? Zu irgendeinem gewöhnlichen Broterwerb paßt dieselbe
vollends nicht. Oh, wie bist du gesunken, unglückliche Würde! von all
der langen Liste von Ritterpflichten tun diese Ritter das Gegenteil. Ich
habe von diesen Dingen reden wollen, damit die Leser inne werden,
daß das Rittertum gestorben ist'°^. So gut wie man jetzt sogar Verstor-
bene zu Rittern erklärt, könnte man auch eine Figur von Holz oder Stein,
ja einen Ochsen zum Ritter machen." — Die Geschichten, welche Sac-
chetti als Beleg erzählt, sind in der Tat sprechend genug; da lesen wir
Abb. 5 wie Bernabo Visconti den Sieger eines Saufduells und dann auch den
Besiegten höhnisch mit jenem Titel schmückt, wie deutsche Ritter mit
ihren Helmzierdcn und Abzeichen zum besten gehalten werden u. dgl.
Später mokiert sich Poggio"" über die vielen Ritter ohne Pferd und
ohne Kriegsübung. Wer die Ehrenrechte des Standes, z. B. das Ausreiten
mit Fahnen, geltend machen wollte, hatte in Florenz sowohl gegenüber
der Regierung als gegen die Spötter eine schwere Stellung'".
Karikatur
DIE GESELLIGKEIT UND Uli-; FESTE 2O9
Bei näherer Betrachtung wird man inne, daß dieses von allem Geburts- Fortdauer
adcl unabhängige verspätete Ritterwesen allerdings zum Teil Sache der "^i,'^^_"^
bloßen lächerlichen, titelsüchtigen Eitelkeit ist, daß es aber auch eine joq-s'^
andere Seite hat. Die Turniere dauern nämlich fort, und wer daran teil-
nehmen will, muß der Form wegen Ritter sein. Der Kampf in geschlos-
sener Bahn aber, und zwar das regelrechte, je nach Umständen sehr
gefährliche Lanzenrennen, ist ein Anlaß, Kraft und Mut zu zeigen,
welchen sich das entwickelte Individuum — abgesehen von aller Her-
kunft — nicht will entgehen lassen.
Da half es nichts, daß schon Petrarca sich mit dem lebhaftesten Ab-
scheu über das Turnier als über einen gefährlichen Unsinn ausgelassen
hatte; er bekehrte die Leute nicht mit seinem pathetischen Ausruf: ,,man
liest nirgends daßScipio oder Cäsar turniert hätten'^-!" Die Sache wurde
gerade in Florenz förmlich populär; der Bürger fing an, sein Turnier —
ohne Zweifel in einer weniger gefährlichen Form — als eine Art von
regelrechtem Vergnügen zu betrachten, und Franco Sacchetti'^^ liat uns Deren
das unendlich komische Bild eines solchen Sonntagsturnierers aufbehal-
ten. Derselbe reitet hinaus nach Peretola, wo man um ein Billiges tur-
nieren konnte, auf einem gemieteten Färbergaul, welchem dann durch
Bösewichter eine Distel unter den Schwanz gebunden wird; das Tier
nimmt den Reißaus und jagt mit dem behelmten Ritter in die Stadt
zurück. Der unvermeidliche Schluß der Geschichte ist die Gardinen-
predigt der über solche halsbrechende Streiche empörten Gattin'^*.
Endlich nehmen die ersten Medici sich des Turnierwesens mit einer
wahren Leidenschaft an, als wollten sie, die unadligen Privatleute, gerade
hierin zeigen, daß ihr geselliger Kreis jedem Hofe gleich stehe^^*. Schon
unter Cosimo (1459), dann unter Pietro dem altern fanden weitberühmte
große Turniere in Florenz statt; Pietro der Jüngere ließ über solchen
Bestrebungen sogar das Regieren liegen und wollte nur noch im Har-
nisch abgemalt sein. Auch am Hofe Alexanders VL kamen Turniere
vor. Als Kardinal Ascanio Sforza den Türkenprinzen Dschem (S. 64, 68)
fragte, wie ihm dies Schauspiel gefalle, antwortete derselbe sehr weise:
in seiner Heimat lasse man dergleichen durch Sklaven aufführen, um
welche es, wenn sie fielen, nicht schade sei. Der Orientale stimmt hier
unbewußt mit den alten Römern zusammen, gegenüber der Sitte des
Mittelalters.
Abgesehen von diesem nicht unwesentlichen Anhalt der Ritterwürde
gab es auch bereits, z. B. in Ferrara (S. 32) wahre Hoforden, welche
den Titel Kavaliere mit sich führten.
Welches aber auch die einzelnen Ansprüche und die Eitelkeiten der Der
Adligen und Kavaliere sein mochten, immerhin nahm der italienische
Burckhardt 14
Cortigiaiin
2IO DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Adel seine Stellung in der Mitte des Lebens und nicht an einem äußern
Rande desselben. Jeden Augenblick verkehrt er mit allen Ständen auf
dem Fuße der Gleichheit, und das Talent und die Bildung sind seine
Hausgenossen. Allerdings wird für den eigentlichen Cortigiano des Für-
sten der Adel einbedungen^^^, allein zugestandenermaßen hauptsäch-
lich um des Vorurteils der Leute willen (per l'oppenion universale) und
unter ausdrücklicher Verwahrung gegen den Wahn, als könnte der
Nichtadhge nicht denselben innern Wert haben. Der sonstige Aufent-
halt von Nichtadligen in der Nähe des Fürsten ist damit vollends nicht
ausgeschlossen; es handelt sich nur darum, daß dem vollkommenen
Menschen, dem Cortigiano, kein irgend denkbarer Vorzug fehle. Wenn
ihm dann eine gewisse Zurückhaltung in allen Dingen zum Gesetze ge-
macht wird, so geschieht dies nicht weil er von edlerm Geblüte stammt,
sondern, weil seine zarte individuelle Vollendung es so verlangt. Es han-
delt sich um eine moderne Vornehmheit, wobei doch Bildung und Reich-
tum schon überall die Gradmesser des gesellschaftlichen Wertes sind,
und zwar der Reichtum nur insofern er es möglich macht, das Leben
der Bildung zu widmen und deren Interessen im großen zu fördern.
Vollendung Jc wculgcr nuu die Unterscliiedc der Geburt einen bestimmten Vor-
zug verliehen, desto mehr war das Individuum als solches aufgefordert,
all seine Vorteile geltend zu machen; desto mehr mußte auch die Gesel-
ligkeit sich aus eigener Kraft beschränken und veredeln. Das Auftreten
des einzelnen und die höhere Form der Geselligkeit werden ein freies,
bewußtes Kunstwerk.
Schon die äußere Erscheinung und Umgebung des Menschen und die
Sitte des täglichen Lebens ist vollkommener, schöner, mehr verfeinert
als bei den Völkern außerhalb Italiens. Von der Wohnung der höhern
Stände handelt die Kunstgeschichte; hier ist nur hervorzuheben, wie
sehr dieselbe an Bequemlichkeit und harmonischer, vernünftiger Anlage
das Schloß und den Stadthof oder Stadtpalast der nordischen Großen
übertraf Die Kleidung wechselte dergestalt, daß es unmöglich ist, eine
durchgehende Parallele mit den Moden anderer Länder zu ziehen, zu-
mal da man sich seit Ende des 15. Jahrhunderts häufig den letztern an-
schloß. Was die italienischen Maler als Zeittracht darstellten, ist insge-
mein das Schönste und Kleidsamste, was damals in Europa vorkam,
allein man weiß nicht sicher, ob .sie das Herrschende und ob .sie es genau
darstellen. Soviel bleibt aber doch wohl außer Zweifel, daß nirgends
ein so großer Wert auf die Tracht gelegt wurde wie in Italien. Die Nation
war und ist eitel.; außerdem aber rechneten auch ernste Leute die mög-
lichst schöne und günstige Kleidung mit zur Vollendung der Persönlich-
keit. Einst gab es ja in Florenz einen Augenblick, da die Tracht etwas
des Indivi
duuiiis
Kleidung und
Moden
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 211
Individuelles war, da jeder seine eigene Mode trug (Anm. Nr. 261), und
noch bis tief ins 16. Jahrhundert gab es bedeutende Leute, die diesen
Mut hatten'^'; die übrigen wußten wenigstens in die herrschende Mode
etwas Individuelles zu legen. Es ist ein Zeichen des sinkenden Italiens,
wenn Giovanni della Casa vor dem Auffallenden, vor der Abweichung
von der herrschenden Mode warnt'^*. Unsere Zeit, welche wenigstens in
der Männerkleidung das Nichtauffallen als höchstes Gesetz respektiert,
verzichtet damit auf Größeres, als sie selber weiß. Sie erspart sich aber
damit viele Zeit, wodurch allein schon (nach unserm Maßstab der Ge-
schäftigkeit) jeder Nachteil aufgewogen würde.
In Venedig''* und Florenz gab es zur Zeit der Renaissance für die
Männer vorgeschriebene Trachten und für die Frauen Luxusgesetze. Wo
die Trachten frei waren, wie z. B. in Neapel, da konstatierten die Mora- Neapel
listen, sogar nicht ohne Schmerz, daß kein Unterschied mehr zwischen
Adel und Bürger zu bemerken sei'-". Außerdem beklagen sie den bereits
äußerst raschen Wechsel der Moden und (wenn wir die Worte richtig
deuten) die törichte Verehrung alles dessen, was aus Frankreich kommt,
während es doch oft ursprünglich italienische Moden seien, die man nur
von den Franzosen zurückerhalte. Insofern nun der häufige Wechsel der
Kleiderformen und die Annahme französischer und spanischer Moden''^
der gewöhnlichen Putzsucht diente, haben wir uns dainit nicht weiter
zu beschäftigen; allein es liegt darin außerdem ein kulturgeschichthcher
Beleg für das rasche Leben Italiens überhaupt in den Jahrzehnten um
1500.
Eine besondere Beachtung verdient die Bemühung der Frauen, durch Toiietteu
Toilettemittel aller Art ihr Aussehen wesentlich zu verändern. In keinem ™"'
Lande Europas seit dem Untergange des römischen Reiches hat man
wohl der Gestalt, der Hautfarbe, dem Haarwuchs von so vielen Seiten
zugesetzt wie damals in Itahen'-^. Alles strebt einer Normalbildung zu,
selbst mit den auffallendsten, sichtbarsten Täuschungen. Wir sehen hier-
bei gänzHch ab von der sonstigen Tracht, die im 14. Jahrhundert'"''
äußerst bunt und schmuckbeladen, später von einem mehr veredelten
Reichtum war, und beschränken uns auf die Toilette im engern Sinne.
Vor allem werden falsche Haartouren, auch aus weißer und gelber
Seide'^*, in Masse getragen, verboten und wieder getragen, bis etwa ein
Bußprediger die weltlichen Gemüter rührt; da erhebt sich auf einem
öfTentlichcn Platz ein zierlicher Scheiterhaufen (talamo), auf welchem
neben Lauten, Spielgeräten, Masken, Zauberzetteln, Liederbüchern und
anderm Tand auch die Haartouren'^^ zu liegen kommen; die reinigende
Flamme nimmt alles mit in die Lüfte. Die Idealfarbe aber, welche man
in den eigenen, wie in den aufgesetzten Haaren zu erreichen strebte,
14*
212
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Umgestal-
tung des
Gesichtc^s
war blond. Und da die Sonne im Rufe stand, das Haar blond machen
zu können'"^, so gab es Damen, welche bei gutem Wetter den ganzen
Tag nicht aus der Sonne gingen'-', sonst brauchte man auch Färbe-
mittel und außerdem Mixturen für den Haarwuchs. Dazu kommt aber
noch ein Arsenal von Schönheitswassern, Teigpflastern und Schminken
für jeden einzelnen Teil des Gesichtes, selbst für Augenlider und Zähne,
wovon unsere Zeit keinen Begriff mehr hat. Kein Hohn der Dichter'^,
kein Zorn der Bußprediger, keine Warnung vor früherm Verderben der
Haut konnte die Weiber von dem Gebrauch abwendig machen, ihrem
Antlitz eine andere Farbe und sogar eine teilweis andere Gestalt zu geben.
Es ist möglich, daß die häufigen und prachtvollen Aufführungen von
Mysterien, wobei Hunderte von Menschen bemalt und geputzt wurden'^',
den Mißbrauch im täglichen Leben fördern halfen; jedenfalls war er ein
allgemeiner und die Landmädchen hielten dabei nach Kräften mit'^*'.
Man konnte lange predigen, daß dergleichen ein Abzeichen von Buhle-
rinnen sei; gerade die ehrbarsten Hausfrauen, die sonst das ganze Jahr
keine Schminke anrührten, schminkten sich doch an Festtagen, wo sie
sich öffentlich zeigten'^^ — Möge man nun diese ganze Unsitte betrach-
ten als einen Zug von Barbarei, wofür sich das Schminken der Wilden
als Parallele anführen läßt, oder als eine Konsequenz des Verlangens
nach normaler jugendlicher Schönheit in Zügen und Farbe, wofür die
große Sorgfalt und Vielseitigkeit dieser Toilette spräche — jedenfalls
haben es die Männer an Abmahnungen nicht fehlen lassen.
wohigeriifhe Das Parfümieren ging ebenfalls über alles Maß hinaus und erstreckte
sich auf die ganze Umgebung des Menschen. Bei Festlichkeiten wurden
sogar Maultiere mit Salben und Wohlgerüchen behandelt'^^, und Pietro
Aretino dankt dem Cosimo L für eine parfümierte Geldsendung'^.
Kcmiichkeit Sodann waren die Italiener damals überzeugt, daß sie reinlicher seien
• .77-'.j7j ^jj, jj-g Nordländer. Aus allgemeinen kulturgeschichtlichen Gründen
kann man diesen Anspruch eher billigen als verwerfen, indem die Rein-
lichkeit mit zur Vollendung der modernen Persönlichkeit gehört, diese
aber bei den Italienern am frühesten durchgebildet ist; auch daß sie
eine der reichsten Nationen der damaligen Welt waren, spräche eher
dafür als dagegen. Ein Beweis wird sich jedoch natürlich niemals leisten
lassen, und wenn es sich um die Priorität von Reinlichkeitsvorschriften
handelt, so möchte die Ritterpoesie des Mittelalters deren ältere aufwei-
sen können. Immerhin ist soviel gewiß, daß bei einigen ausgezeichneten
Vertretern der Renaissance die ausgezeichnete Sauberkeit ihres ganzen
Wesens, zumal bei Tische, mit Nachdruck hervorgehoben wird'^'^ und
daß als Inbegriff alles Schmutzes in Italien der Deutsche gilt'^*. Was
Abb. 46 Massimiliano Sforza von seiner deutschen Erziehung für unreinliche
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 213
Gewohnheiten mitbrachte und wie sehr dieselben auffielen, erfahren wir
aus Giovio'^*'. Es ist dabei auffallend, daß man wenigstens im 15. Jahr-
hundert die Gastwartschaft wesentlich in den Händen der Deutschen
ließ"^', welche sich wohl hauptsächlich um der Rompilger willen diesem
Geschäfte widmeten. Doch könnte in der betreffenden Aussage vorzugs-
weise nur das offene Land gemeint sein, da in den größern Städten
notorisch itahenischc Wirtschaften den ersten Rang behaupteten"^. Der
Mangel an leidlichen Herbergen auf dem Lande würde sich auch durch
die große Unsicherheit erklären.
Aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts haben wir dann jene Der caiateo,
Schule der HöfHchkcit, welche Giovanni della Casa, ein geborner Flo- Abb. 231
rentiner, unter dem Titel: II Galateo herausgab. Hier wird nicht nur
die Reinh l.keit im engern Sinne, sondern auch die Entwöhnung von
allen Gewohnheiten, die wir ,, unschicklich" zu nennen pflegen, mit der-
selben untrüglichen Sicherheit vorgeschrieben, mit welcher der Moralist
für die höchsten Sittengesetze redet. In andern Literaturen wird der-
gleichen weniger von der systematischen Seite, als vielmehr mittelbar
gelehrt, durch die abschreckende Schilderung des Unflätigen'^*.
Außerdem aber ist der Galateo eine schön und geistvoll geschriebene u"d die gute
Unterweisung in der guten Lebensart, in Delikatesse und Takt über-
haupt. Noch heute können ihn Leute jedes Standes mit großem Nutzen
lesen und die Höflichkeit des alten Europas wird wohl schwerlich mehr
über seine Vorschriften hinauskommen. Insofern der Takt Herzenssache
ist, wird er von Anfang aller Kultur an bei allen Völkern gewissen Men-
schen angeboren gewesen sein und einige werden ihn auch durch Willens-
kraft erworben haben, allein als allgemeine gesellige Pflicht und als
Kennzeichen von Bildung und Erziehung haben ihn erst die Italiener
erkannt. Und Italien selbst hatte seit zwei Jahrhunderten sich sehr ver-
ändert. Man empfindet deutlich, daß die Zeit der bösen Spaße zwischen
Bekannten und Halbbckannten, der burle und beffe (S. 88 f.) in der
guten Gesellschaft vorüber ist'*", daß die Nation aus den Mauern ihrer
Städte heraustritt und eine kosmopolitische, neutrale Höflichkeit und
Rücksicht entwickelt. Von der eigentlichen, positiven Geselligkeit wird
weiterhin die Rede sein.
Das ganze äußere Dasein war überhaupt im 15. und beginnenden d« Komfort
16. Jahrhundert verfeinert und verschönert wie sonst bei keinem Volke
der Welt. Schon eine Menge jener kleinen und großen Dinge, welche
zusammen die moderne Bequemlichkeit, den Komfort ausmachen, waren
in Italien zum Teil erweislich zuerst vorhanden. Auf den wohlgcpflaster-
ten Straßen italienischer Städte'*^ wurde das Fahren allgemeiner, wäh-
rend man sonst überall ging oder ritt oder doch nicht zum Vergnügen
214 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
fuhr. Weiche elastische Betten, kösthche Bodenteppiche, Toilettengeräte,
von welchen sonst noch nirgends die Rede ist, lernt man besonders bei
den Novellisten kennen"*". Die Menge und Zierlichkeit des Weißzeugs
wird öfter ganz besonders hervorgehoben. Manches gehört schon zu-
gleich in das Gebiet der Kunst; man wird mit Bewunderung inne, wie
sie von allen Seiten her den Luxus adelt, wie sie nicht bloß das mächtige
Büfett und die leichte Etagere mit herrlichen Gefäßen, die Mauern mit
der beweglichen Pracht der Teppiche, den Nachtisch mit endlosem pla-
stischem Konfekt schmückt, sondern vorzüglich die Schreinerarbeit auf
wunderbare Weise völlig in ihren Bereich zieht. Das ganze Abendland
versucht sich in den spätem Zeiten des Mittelalters, sobald die Mittel
reichen, auf ähnlichen Wegen, allein es ist dabei teils in kindlicher,
bunter Spielerei, teils in den Fesseln des einseitigen gotischen Dekora-
tionsstiles befangen, während die Renaissance sich frei bewegt, sich nach
dem Sinn jeder Aufgabe richtet und für einen viel größern Kreis von
Teilnehmern und Bestellern aibeitet. Womit dann auch der leichte Sieg
dieser italienischen Zierformen jeder Art über die nordischen im Lauf
des 1 6. Jahrhunderts zusammenhängt, obwohl derselbe noch seine grö-
ßern und allgemeinern Ursachen hat.
Die Sprache Dic höhcrc GcsclIigkeit, die hier als Kunstwerk, als eine höchste und
der Gesell- jjg^^ß^^g Schöpfuug dcs Volkslcbcns auftritt, hat ihre wichtige Vor-
schaft
bedingung und Grundlage in der Sprache.
In der Blütezeit des Mittelalters hatte der Adel der abendländischen
Nationen eine „höfische" Sprache für den Umgang wie für die Poesie
zu behaupten gesucht. So gab es auch in Italien, dessen Dialekte schon
frühe soweit auseinandergingen, im 13. Jahrhundert ein sogenanntes
,,Curiale", welches den Höfen und ihren Dichtern gemeinsam war. Die
entscheidende Tatsache ist nun, daß man dasselbe mit bewußter An-
strengung zur Sprache aller Gebildeten und zur Schriftsprache zu machen
suchte. Die Einleitung der noch vor 1300 redigierten „hundert alten
Novellen" gesteht diesen Zweck offen zu. Und zwar wird hier die Sprache
ausdrücklich als von der Poesie emanzipiert behandelt; das Höchste ist
der einfach klare, geistig schöne Ausdruck in kurzen Reden, Sprüchen
und Antworten. Dieser genießt eine Verehrung wie nur je bei Griechen
und Arabern: ,, Wie viele haben in einem langen Leben doch kaum ein
einziges bei parlare zutage gebracht!"
Allein die Angelegenheit, um welche es sich handelte, war um so
schwieriger, je eifriger man sie von sehr verschiedenen Seiten aus be-
trieb. In diesen Kampf führt uns Dante mitten hinein; seine Schrift
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
215
„von der italienischen Sprache'"" ist nicht nur für die Frage selbst
wichtig, sondern auch das erste räsonniercnde Werk über eine moderne
Sprache überhaupt. Sein Gedankengang und seine Resultate gehören
in die Geschichte der Sprachwissenschaft, wo sie auf immer einen hoch-
bedeutenden Platz einnehmen. Hier ist nur zu konstatieren, daß schon
lange Zeit vor Abfassung der Schrift die Sprache eine täghche wichtige
Lebensfrage gewesen sein muß, daß alle Dialekte mit parteiischer Vor-
liebe und Abneigung studiert worden waren und daß die Geburt der
allgemeinen Idealsprache von den stärksten Wehen begleitet war.
Das Beste tat freilich Dante selber durch sein großes Gedicht. Der
toskanische Dialekt wurde wesentlich die Basis der neuen Idealsprache'"**.
Wenn damit zu viel gesagt sein sollte, so darf der Ausländer um Nach-
sicht bitten, indem er schlechtweg in einer höchst bestrittenen Frage der
vorherrschenden Meinung folgt.
In Literatur und Poesie mag nun der Hader über diese Sprache, der
Purismus ebensoviel geschadet als genützt, er mag manchem sonst sehr
begabten Autor die Naivität des Ausdruckes geraubt haben. Und andere,
die der Sprache im höchsten Sinne mächtig waren, verließen sich hin-
wiederum auf den prachtvoll wogenden Gang und Wohllaut derselben
als auf einen vom Inhalt unabhängigen Vorzug. Auch eine geringe
Melodie kann nämlich, von solch einem Instrument getragen, herrlich
klingen. Allein v«e dem auch sei, in gesellschafthcher Beziehung hatte
diese Sprache einen hohen Wert. Sie war die Ergänzung zu dem edeln,
stilgemäßen Auftreten überhaupt, sie nötigte den gebildeten Menschen,
auch im Alltäglichen Haltung und in ungewöhnlichen Momenten äußere
Würde zu behaupten. Schmutz und Bosheit genug hüllten sich allerdings
auch in dies klassische Gewand wie einst in den reinsten Attizismus,
allein auch das Feinste und Edelste fand in ihr einen gültigen Ausdruck.
Vorzüglich bedeutend aber ist sie in nationaler Beziehung, als ideale
Heimat der Gebildeten aller Staaten des früh zerrissenen Landes"*^. Zu-
dem gehört sie nicht nur den Adligen oder sonst irgendeinem Stande,
sondern der Ärmste und Geringste hat Zeit und Mittel übrig, sich ihrer
zu bemächtigen, sobald er nur will. Noch heutzutage (und vielleicht
mehr als je) wird der Fremde in solchen Gegenden Italiens, wo sonst
der unverständlichste Dialekt herrscht, bei geringen Leuten und Bauern
oft durch ein sehr reines und rein gesprochenes Italienisch überrascht
und besinnt sich vergebens auf Ähnliches bei denselben Menschenklassen
in Frankreich oder gar in Deutschland, wo auch die Gebildeten an der
provinzialcn Aussprache festhalten. Freilich ist das Lesenkönnen in Ita-
lien viel verbreiteter, als man nach den sonstigen Zuständen, z. B. des
Kirchenstaates, denken sollte, allein wie weit würde dies helfen, ohne
Ihre Ent-
wickelung
und weite
A'erbreitunR
2l6 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
den allgemeinen, unbestrittenen Respekt vor der reinen Sprache und
Aussprache als einem hohen und werten Besitztum? Eine Landschaft
nach der andern hat sich derselben offiziell anbequemt, auch Venedig,
Mailand und Neapel noch zur Zeit der Blüte der Literatur und zum
Teil wegen derselben. Piemont ist erst in unserm Jahrhundert durch
freien Willcnsakt ein recht italienisches Land geworden, indem es sich
diesem wichtigsten Kapital der Nation, der reinen Sprache, anschloß'***.
Der Dialektliteratur wurden schon seit Anfang des 1 6. Jahrhunderts ge-
wisse Gegenstände freiwillig und mit Absicht überlassen, und zwar nicht
etwa lauter komische, sondern auch ernste'*'. Der Stil, welcher sich
darin entwickelte, war allen Aufgaben gewachsen. Bei andern Völkern
findet eine bewußte Trennung dieser Art erst sehr viel später statt.
Dil- Puristen Die Denkweise der Gebildeten über den Wert der Sprache als Medium
der höhern Geselligkeit stellt der Cortigiano'*^ sehr vollständig dar. Es
gab schon damals, zu Anfang des 1 6. Jahrhunderts, Leute, welche ge-
flissentlich die veralteten Ausdrücke aus Dante und den übrigen Tos-
kanern seiner Zeit festhielten, bloß weil sie alt waren. Für das Sprechen
verbittet sich der Autor dieselben unbedingt und will sie auch für das
Schreiben nicht gelten lassen, indem dasselbe doch nur eine Form des
Sprechens sei. Hierauf folgt dann konsequent das Zugeständnis: das-
jenige Reden sei das schönste, welches sich am meisten den schön ver-
faßten Schriften nähere. Sehr klar tritt der Gedanke hervor, daß Leute,
die etwas Bedeutendes zu sagen haben, ihre Sprache selber bilden und
daß die Sprache beweglich und wandelbar, weil sie etwas Lebendiges
ist. Man möge die schönsten beliebigen Ausdrücke brauchen, wenn nur
das Volk sie noch brauche, auch solche aus nichttoskanischen Gegenden,
ja hie und da französische und spanische, wenn sie der Gebrauch schon
für bestimmte Dinge angenommen habe'*'. So entstehe, mit Geist und
Sorgfalt, eine Sprache, welche zwar nicht eine rein antik toskanische,
wohl aber eine italienische wäre, reich an Fülle wie ein köstlicher Garten
voller Blumen und Früchte. Es gehört sehr wesentlich mit zu der all-
gemeinen Virtuosität des Cortigiano, daß nur in diesem ganz vollkom-
menen Gewände seine feine Sitte, sein Geist und seine Poesie zutage-
treten.
Da nun die Sprache eine Angelegenheit der lebendigen Gesellschaft
geworden war, so setzten die Archaisten und Puristen trotz aller An-
ihr geringer strcngung ihrc Sache im wesentlichen nicht durch. Es gab zu viele und
"*■' treffliche Autoren und Konversationsmenschen in Toaskana selbst, wel-
che sich über das Streben jener hinwegsetzten oder lustigmachten;
letzteres vorzüglich, wenn ein Weiser von draußen kam und ihnen, den
Toskanern, dartun wollte, sie verständen ihre eigene Sprache nicht'^".
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 217
Schon das Dasein und die Wirkung eines Schriftstellers wie Machiavelli
riß alle jene Spinnweben durch, insofern seine mächtigen Gedanken,
sein klarer, einfacher Ausdruck in einer Sprache auftraten, welche eher
alle andern Vorzüge hatte als den eines reinen Trecentismo. Anderer-
seits gab es zu viele Oberitaliener, Römer, Neapolitaner usw., welchen
es lieb sein mußte, wenn man in Schrift und Konversation die Ansprüche
auf Reinheit des Ausdrucks nicht zu hoch spannte. Sie verleugnen zwar
Sprachformen und Ausdrücke ihres Dialektes völlig, und ein Ausländer
wird es leicht für falsche Bescheidenheit halten, wenn z. B. Bandello
öfter hoch und teuer protestiert: „Ich habe keinen Stil; ich schreibe nicht
florentinisch, sondern oft barbarisch; ich begehre der Sprache keine
neuen Zierden zu verleihen; ich bin nur ein Lombarde und noch dazu
von der ligurischen Grenze her'^^." Allein gegenüber der strengen Partei
behauptete man sich in der Tat am ehesten, indem man auf höhere
Ansprüche ausdrücklich verzichtete und sich dafür der großen allge-
meinen Sprache nach Kräften bemächtigte. Nicht jeder konnte es Pietro
Bembo gleichtun, welcher als geborener Venezianer zeitlebens das reinste
Toskanisch, aber fast als eine fremde Sprache schrieb, oder einem San-
nazaro, der es als Neapolitaner ebenso machte. Das Wesentliche war, daß
jeder die Sprache in Wort und Schrift mit Achtung behandeln mußte.
Daneben mochte man den Puristen ihren Fanatismus, ihre Sprachkon-
gresse'^^ u. dgl. lassen; schädlich im großen wurden sie erst später, als
der originale Hauch in der Literatur ohnehin schwächer war und noch
ganz andern, viel schlimmem Einflüssen unterlag. Endlich stand es der
Academia della Crusca frei, das Italienische wie eine tote Sprache zu
behandeln. Sie war aber so machtlos, daß sie nicht einmal die geistige
Französisierung desselben im vorigen Jahrhundert verhindern konnte
(vgl. Anm. Nr. 749).
Diese geliebte, gepflegte, auf alle Weise geschmeidig gemachte Sprache Die Konver-
war es nun, welche als Konversation die Basis der ganzen Geselligkeit
ausmachte. Während im Norden der Adel und die Fürsten ihre Muße
entweder einsam oder mit Kampf, Jagd, Gelagen und Zeremonien, die
Bürger die ihrige mit Spielen und Leibesübungen, allenfalls auch mit
Verskünsten und Festlichkeiten hinbrachten, gab es in Italien zu all
diesem noch eine neutrale Sphäre, wo Leute jeder Herkunft, sobald sie
das Talent und die Bildung dazu hatten, der Unterredung und dem
Austausch von Ernst und Scherz in veredelter Form oblagen. Da die
Bewirtung dabei Nebensache war'^, so konnte man stumpfe und ge-
fräßige Individuen ohne Schwierigkeit fernhalten. Wenn wir die Ver-
fasser von Dialogen beim Wort nehmen dürften, so hätten auch die
höchsten Probleme des Daseins das Gespräch zwischen auscrwählten
2l8 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Geistern ausgefüllt; die Hervorbringung der erhebensten Gedanken wäre
nicht, wie bei den Nordländern in der Regel, eine einsame, sondern eine
mehrern gemeinsame gewesen. Doch wir beschränken uns hier gerne
auf die spielende, um ihrer selbst willen vorhandene Geselligkeit.
Die gesetz Sie war wenigstens zu Anfang des 1 6. Jahrhunderts eine gesetzlich
" '^keT "^ schöne und beruhte auf einem stillschweigenden, oft aber auch auf einem
Abb.35^,35j laut zugestandenen und vorgeschriebenen Übereinkommen, welches sich
frei nach der Zweckmäßigkeit und dem Anstand richtet und das gerade
Gegenteil von aller bloßen Etikette ist. In derbem Lebenskreisen, wo
dergleichen den Charakter einer dauernden Korporation annahm, gab
es Statuten und förmlichen Eintritt, wie z. B. bei jenen tollen Gesell-
Abb. 407 Schäften florentinischer Künstler, von welchen Vasari erzählt'**, ein sol-
ches Beisammenbleiben machte denn auch die Aufführung der wichtig-
sten damaligen Komödien möglich. Die leichtere Geselligkeit des Augen-
blickes dagegen nahm gerne die Vorschriften an, welche etwa die nam-
hafteste Dame aussprach. Alle Welt kennt den Eingang von Boccaccios
Dekamerone und hält das Königtum der Pampinea über die Gesellschaft
für eine angenehme Fiktion; um eine solche handelt es sich auch gewiß
in diesem Falle, allein dieselbe beruht auf einer häufig vorkommenden
wirklichen Übung. Firenzuola, der fast zwei Jahrhunderte später seine
Novellensammlung auf ähnliche Weise einleitet, kommt gewiß der Wirk-
lichkeit noch viel näher, indem er seiner Gesellschaftskönigin eine förm-
liche Thronrede in den Mund legt, über die Einteilung der Zeit während
des bevorstehenden gemeinsamen Landaufenthaltes: zuerst eine philo-
sophische Morgenstunde, während man nach einer Anhöhe spaziert;
Abb. 306 dann die Tafel'^^ mit Lautenspiel und Gesang; darauf, in einem kühlen
Raum, die Rezitation einer frischen Kanzone, deren Thema jedesmal
am Vorabend aufgegeben wird; ein abendlicher Spaziergang zu einer
Die Novfiii- Quelle, wo man Platz nimmt und jedermann eine Novelle erzählt; end-
zi^öri^ütaft ^^^^ ^^^ Abendessen und heitere Gespräche „von solcher Art, daß sie
für uns Frauen noch schicklich heißen können und bei euch Männern
nicht vom Weine eingegeben scheinen müssen." Bandello gibt in den
Einleitungen oder Widmungen zu den einzelnen Novellen zwar nicht
solche Einweihungsreden, indem die verschiedenen Gesellschaften, vor
welchen seine Geschichten erzählt werden, bereits als gegebene Kreise
existieren, allein er läßt auf andere Weise erraten, wie reich, vielartig
und anmutig die gesellschaftlichen Voraussetzungen waren. Manche
Leser werden denken, an einer Gesellschaft, welche so unmoralische Er-
zählungen anzuhören imstande war, sei nichts zu verlieren noch zu
gewinnen. Richtiger möchte der Satz so lauten: auf welchen sichern
Grundlagen mußte eine Geselligkeit ruhen, die trotz jener Historien
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 219
nicht aus den äußern Formen, nicht aus Rand und Band ging, die zwi-
schen hinein wieder der ernsten Diskussion und Beratung fähig war. Das
Bedürfnis nach höhern Formen des Umganges war eben stärker als alles.
Man braucht dabei nicht die sehr idealisierte Gesellschaft als Maßstab
zu nehmen, welche Castiglione am Hofe Guidobaidos von Urbino, Pietro
Bembo auf dem Schloß Asolo selbst über die höchsten Gefühle und Le-
benszwecke reflektieren lassen. Gerade die Gesellschaft eines Bandcllo
mitsamt den Frivolitäten, die sie sich bieten läßt, gibt den besten Maß-
stab für den vornehm leichten Anstand, für das Großweltswohlwollen
und den echten Freisinn, auch für den Geist und den zierlichen poeti-
schen und andern Dilettantismus, der diese Kreise belebte. Ein bedeuten-
der Wink für den Wert einer solchen Geselligkeit liegt besonders darin,
daß die Damen, welche deren Mittelpunkte bildeten, damit berühmt
und hochgeachtet wurden, ohne daß es ihrem Ruf im geringsten schadete.
Von den Gönnerinnen Bandellos z. B. ist wohl Isabella Gonzaga, geborne
Este (S. 27) durch ihren Hof von lockern Fräulein'^", aber nicht durch
ihr eigenes Benehmen in ungünstige Nachrede geraten; Giulia Gonzaga Die großen
Colonna, Ippolita Sforza vermählte Bentivoglio, Bianca Rangona, Cecilia
Gallerana, Camilla Scarampa u. a. waren entweder völlig unbescholten
oder es wurde auf ihr sonstiges Benehmen kein Gewicht gelegt neben
ihrem sozialen Ruhm. Die berühmteste Dame von Italien, Vittoria Co-
lonna, war vollends eine Heilige. Was nun Spezielles von dem zwang-
losen Zeitvertreib jener Kreise in der Stadt, auf der Villa, in Badeorten
gemeldet wird, läßt sich nicht so wiedergeben, daß daraus die Supcriori-
tät über die Geselligkeit des übrigen Europas buchstäblich klar würde.
Aber man höre Bandello an'" und frage sich dann nach der Möglich-
keit von etwas Ähnlichem, z. B. in Frankreich, bevor diese Art von Ge-
selligkeit eben durch Leute wie er aus Italien dorthin verpflanzt worden
war. — Gewiß wurde auch damals das Größte im Gebiet des Geistes
hervorgebracht ohne die Beihilfe solcher Salons und ohne Rücksicht auf
sie; doch täte man Unrecht, ihren Wert für die Bewegung von Kunst
und Poesie gar zu gering zu schätzen, wäre es auch nur, weil sie das
schaffen halfen, was damals in keinem Lande existierte: eine gleichartige
Beurteilung und Teilnahme für die Produktionen. Abgesehen davon ist
diese Art von Sozietät schon als solche eine notwendige Blüte jener be-
stimmten Kultur und Existenz, welche damals eine italienische war und
seitdem eine europäische geworden ist.
In Florenz wird das Gesellschaftsleben stark bedingt von selten der Fioren-
Literatur und der Politik. Lorenzo magnifico ist vor allem eine Persön-
lichkeit, welche nicht, wie man glauben möchte, durch die fürstengleiche
Stellung, sondern durch das außerordentliche Naturell seine Umgebung
tinische Ge-
selligkeit
220 D"^ GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
vollständig beherrscht, eben weil er diese unter sich so verschiedenen
Menschen in Freiheit sich ergehen läßt'^^. Man sieht z. B. wie er seinen
Abb. 227 großen Hauslehrer Poliziano schonte, wie die souveränen Manieren des
Gelehrten und Dichters eben noch kaum verträglich waren mit den not-
wendigen Schranken, welche der sich vorbereitende Fürstenrang des
Hauses und die Rücksicht auf die empfindliche Gemahlin vorschrieben;
dafür ist aber Poliziano der Herold und das wandelnde Symbol des
mediceischen Ruhmes. Lorenzo freut sich dann auch recht in der Weise
Lorenzoais cincs Mcdici, sein geselliges Vergnügen selber zu verherrlichen, monu-
seJesKrT niental darzustellen. In der herrlich improvisierten ,, Falkenjagd" schil-
dert er seine Genossen scherzhaft, in dem ,, Gelage" sogar höchst burlesk,
allein so, daß man die Fähigkeit des ernsthaften Verkehrs deutlich durch-
fühlt'^^. Von diesem Verkehr geben dann seine Korrespondenz und die
Nachrichten über seine gelehrte und philosophische Konversation reich-
liche Kunde. Andere spätere gesellige Kreise in Florenz sind zum Teil
theoretisierende politische Klubs, die zugleich eine poetische und philo-
sophische Seite haben, wie z. B. die sogenannte platonische Akademie,
als sie sich nach Lorenzos Tode in den Gärten der Ruccellai versam-
melte'«".
An den Fürstenhöfen hing natürlich die Geselligkeit von der Person
des Herrschers ab. Es gab ihrer allerdings seit Anfang des 1 6. Jahr-
hunderts nur noch wenige, und diese konnten nur geringernteils in dieser
Beziehung etwas bedeuten. Rom hatte seinen wahrhaft einzigen Hof
Leos X., eine Gesellschaft von so besonderer Art, wie sie sonst in der
Weltgeschichte nicht wieder vorkommt.
Ausbildung Für die Höfe, im Grunde aber noch viel mehr um seiner selber willen,
descoriigiano ^^jj^jp^ gj^,}^ j^^,-, ^jgj. Cortigiauo aus, welchen Castiglione schildert. Es ist
Abb. 2^9 ^ ' °
eigentlich der gesellschaftliche Idealmensch, wie ihn die Bildung jener
Zeit als notwendige, höchste Blüte postuliert, und der Hof ist mehr für
ihn als er für den Hof bestimmt. Alles wohl erwogen, könnte man einen
solchen Menschen an keinem Hofe brauchen, weil er selber Talent und
Auftreten eines vollkommenen Fürsten hat und weil seine ruhige, un-
affckticrte Virtuosität in allen äußern und geistigen Dingen ein zu selb-
ständiges Wesen voraussetzt. Die innere Triebkraft, die ihn bewegt, be-
zieht sich, obwohl es der Autor verhehlt, nicht auf den Fürstendienst,
sondern auf die eigene Vollendung. Ein Beispiel wird dies klar machen:
im Kriege nämlich verbittet sich"" der Cortigiano selbst nützliche und
mit Gefahr und Aufopferung verbundene Aufgaben, wenn dieselben stil-
los und unschön sind, wie etwa das Wegfangen einer Herde; was ihn
zur Teilnahme am Kriege bewegt, ist ja nicht die Pflicht an sich, sondern
„l'honore". Die sittliche Stellung zum Fürsten, wie sie im vierten Buch
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
221
verlangt wird, ist eine sehr freie und selbständige. Die Theorie der vor-
nehmen Liebschaft (im dritten Buche) entiiält sehr viele feine psycho-
logische Beobachtungen, die aber bcssernteils dem allgemein mensch-
lichen Gebiet angehören, und die große, fast lyrische Verherrlichung
der idealen Liebe (am Ende des vierten Buches) hat vollends niciits
mehr zu tun mit der speziellen Aufgabe des Werkes. Doch zeigt sich
auch hier wie in den Asolani des Bembo die ungemeine Höhe der Bil-
dung in der Art, wie die Gefühle verfeinert und analysiert auftreten.
Dogmatisch beim Worte nehmen darf man diese Autoren allerdings
nicht. Daß aber Reden dieser Art in der vornehmern Gesellschaft voi-
kamen, ist nicht zu bezweifeln, und daß nicht bloßes Schöntun, sondern
auch wahre Leidenschaft in diesem Gewände erschien, werden wir unten
sehen.
Von den äußerlichen Fertigkeiten werden beim Cortigiano zunächst
die sogenannten ritterlichen Übungen in Vollkommenheit verlangt,
außerdem aber auch noch manches andere, das nur an einem geschulten,
gleichmäßig fortbestehenden, auf persönlichstem Wetteifer begründeten
Hof gefordert werden konnte, wie es damals außerhalb Italiens keinen
gab; mehreres beruht auch sichtlich nur auf einem allgemeinen, beinahe
abstrakten Begriff der individuellen Vollkommenheit. Der Cortigiano
muß mit allen edlen Spielen vertraut sein, auch mit dem Springen,
Wettlaufen, Schwimmen, Ringen; hauptsächlich muß er ein guter Tän-
zer sein und (wie sich von selbst versteht) ein nobler Reiter. Dazu aber
muß er mehrere Sprachen, mindestens Italienisch und Latein besitzen
und sich auf die schöne Literatur verstehn, auch über die bildenden
Künste ein Urteil haben; in der Musik fordert man von ihm sogar einen
gewissen Grad von ausübender Virtuosität, die er überdies möglichst
geheimhalten muß. Gründlicher Ernst ist es natürlich mit nichts von
allem, ausgenommen die Waffen; aus der gegenseitigen Neutralisierung
des Vielen entsteht eben das absolute Individuum, in welchem keine
Eigenschaft aufdringlich vorherrscht.
So viel ist gewiß, daß im 1 6. Jahrhundert die Italiener sowohl als
theoretische Sciiriftsteller wie als praktische Lehrer das ganze Abend-
land in die Schule nahmen für alle cdlcrn Leibesübungen und für den
hohem geselligen Anstand. Für Reiten, Fechten und Tanzen haben
sie durch Werke mit Abbildungen und durch Unterricht den Ton an-
gegeben; das Turnen, abgelöst von der Kriegsübung wie vom bloßen
Spiel, ist vielleicht zu allererst von Vittorino da Fcltre (S. ii8) gelehrt
worden, und dann ein Requisit der höhern Erziehung geblicben'^^.
Entscheidend ist dabei, daß es kunstgemäß gelehrt wird; welche Übun-
gen vorkamen, ob die jetzt vorwiegenden auch damals gekannt waren.
Seme-
Liebschaft
Seine
Fertigkeiten
Leibes-
übungen
222 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
können wir freilich nicht ermitteln. Wie sehr aber außer der Kraft
und Gewandtheit auch die Anmut als Zweck und Ziel galt, geht nicht
nur aus der sonst bekannten Denkweise der Nation, sondern auch aus
bestimmten Nachrichten hervor. Es genügt, an den großen Federigo
von Montefeltro (S. 27) zu erinnern, wie er die abendlichen Spiele
der ihm anvertrauten jungen Leute leitete.
voikssj.ieie Spiclc Und Wettübungen des Volkes unterschieden sich wohl nicht
wesentlich von den im übrigen Abendlande verbreiteten. In den See-
städten kam natürlich das Wettrudern hinzu, und die venezianischen
Regatten waren schon früh berühmt'^. Das klassische Spiel Italiens
Abk. 2<)Q war und ist bekanntlich das Ballspiel, und auch dieses möchte schon
zur Zeit der Renaissance mit viel größerm Eifer und Glänze geübt
worden sein als anderswo in Europa. Doch ist es nicht wohl möglich,
bestimmte Zeugnisse für diese Annahme zusammenzubringen.
Die Musik An dicscr Stelle muß auch von der Musik'^* die Rede sein. Die Kom-
.301-30 pggjjjfjj^ ^jjj. noch um 1500 vorherrschend in den Händen der nieder-
ländischen Schule, welche wegen der ungemeinen Künstlichkeit und
Wunderlichkeit ihrer Werke bestaunt wurde. Doch gab es schon da-
neben eine italienische Musik, welche ohne Zweifel unserm jetzigen
Tongefühl etwas näher stand. Ein halbes Jahrhundert später tritt Pa-
lestrina auf, dessen Gewalt sich auch heute noch alle Gemüter unter-
wirft; wir erfahren auch, er sei ein großer Neuerer gewesen, allein ob
er oder andere den entscheidenden Schritt in die Tonsprache der mo-
dernen Welt hinein getan haben, wird nicht so erörtert, daß der Laie
sich einen Begriff von dem Tatbestand machen könnte. Indem wir
daher die Geschichte der musikalischen Komposition gänzlich auf sich
beruhen lassen, suchen wir die Stellung der Musik zur damahgen Ge-
sellschaft auszumitteln.
Reichtum an Höchst bezeichnend für die Renaissance und für Italien ist vor allem
ns nimen en ^.^ rciclie Spezialisierung des Orchesters, das Suchen nach neuen In-
strumenten, d. h. Klangarten, und — in engem Zusammenhang da-
mit — das Virtuosentum, d. h. das Eindringen des Indi\'iduellcn im
Verhältnis zu bestimmten Zweigen der Musik und zu bestimmten In-
strumenten.
Von denjenigen Tonwerkzeugen, welche eine ganze Harmonie aus-
drücken können, ist nicht nur die Orgel frühe sehr verbreitet und ver-
vollkommnet, sondern auch das entsprechende Saiteninstrument, das
gravicembalo oder clavicembalo; Stücke von solchen aus dem Beginn
des 14. Jahrhunderts werden bekanntlich noch aufbewahrt, weil die
größten Maler sie mit Bildern schmückten. Sonst nahm die Geige
den ersten Rang ein und gewährte bereits große persönliche Zelebrität.
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
223
Bei Leo X., der schon als Kardinal sein Haus voller Sänger und Mu-
siker gehabt hatte und der als Kenner und Mitspieler eine hohe Re-
putation genoß, wurden der Jude Giovan Maria und Jacopo Sanse-
condo berühmt; ersterem gab Leo den Grafentitel und ein Städtchen"^^;
letztern glaubt man in dem Apoll auf Rafaels Parnaß dargestellt zu
sehen. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts bildeten sich dann Renommeen
für jede Gattung, und Lomazzo (um 1580) nennt je drei namhaft
gewordene Virtuosen für Gesang, Orgel, Laute, Lyxa, Viola da Gamba,
Harfe, Zither, Hörner und Posaunen; er wünscht, daß ihre Bildnisse
auf die Instrumente selbst gemalt werden möchten'*®. Solch ein viel-
seitiges vergleichendes Urteil wäre wohl in jener Zeit außerhalb Ita-
liens ganz undenkbar, wenn auch fast dieselben Instrumente überall
vorgekommen sein mögen.
Der Reichtum an Instrumenten sodann geht besonders daraus her-
vor, daß es sich lohnte, aus Kuriosität Sammlungen derselben anzulegen.
In dem höchst musikalischen Venedig'^' gab es mehrere dergleichen,
und wenn eine Anzahl Virtuosen sich dazu einfanden, so ergab sich
gleich an Ort und Stelle ein Konzert. (In einer dieser Sammlungen
sah man auch viele nach antiken Abbildungen und Beschreibungen
verfertigte Tonwerkzeuge, nur wird nicht gemeldet, ob sie jemand
spielen konnte und wie sie klangen.) Es ist nicht zu vergessen, daß
solche Gegenstände zum Teil ein festlich prachtvolles Äußeres hatten
und sich schön gruppieren ließen. Auch in Sammlungen anderer Rari-
täten und Kunstsachen pflegen sie sich deshalb als Zugabe einzu-
finden.
Die Exekutanten sind außer den eigentlichen Virtuosen entweder
einzelne Liebhaber oder ganze Orchester von solchen, etwa als ,, Aka-
demie" korporationsmäßig zusammengestellt'^. Sehr viele bildende
Künstler waren auch in der Musik bewandert und oft Meister. —
Leuten von Stande wurden die Blasinstrumente abgeraten aus den-
selben Gründen'*^, welche einst den Alcibiades und selbst Pallas Athene
davon abgeschreckt haben sollen; die vornehme Geselligkeit liebte den
Gesang entweder allein oder mit Begleitung der Geige; auch das Streich-
quartett''" und um der Vielseitigkeit willen das Klavier; aber nicht
den mehrstimmigen Gesang, ,,denn eine Stimme höre, genieße und
beurteile man weit besser". Mit andern Worten, da der Gesang trotz
aller konventionellen Bescheidenheit (S. 221) eine Exhibition des ein-
zelnen Gesellschaftsmenschen bleibt, so ist es besser, man höre (und
sehe) jeden besonders. Wird ja doch die Wirkung der süßesten Gefühle
in den Zuhörerinnen vorausgesetzt und deshalb den alten Leuten eine
ausdrückliche Abmahnung erteilt, auch wenn sie noch so schön spielten
Virtuosen
224 "-"^ GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
und sängen. Es kam sehr darauf an, daß der einzelne einen aus Ton
und Gestalt harmonisch gemischten Eindruck hervorbringe. Von einer
Anerkennung der Komposition als eines für sich bestehenden Kunst-
werkes ist in diesen Kreisen keine Rede. Dagegen kommt es vor, daß
der Inhalt der Worte ein furchtbares eigenes Schicksal des Sängers
schilderte'''^
Offenbar ist dieser Dilettantismus, sowohl der vornehmern als der
mittlem Stände, in Italien verbreiteter und zugleich der eigentlichen
Kunst näher verwandt gewesen als in irgendeinem andern Lande.
Wo irgend Geselligkeit geschildert wird, ist auch immer und mit Nach-
druck Gesang und Saitenspiel erwähnt; Hunderte von Porträts stellen
die Leute, oft mehrere, zusammen musizierend oder doch mit der
Laute usw. im Arm dar, und selbst in Kirchenbildern zeigen die Engel-
konzerte, wie vertraut die Maler mit der lebendigen Erscheinung der
Musizierenden waren. Bereits erfährt man z. B. von einem Lauten-
spicler Antonio Rota in Padua (starb 1549), der vom Stundengeben
reich wurde und auch eine Lautenschule drucken ließ'"-.
In einer Zeit, da noch keine Oper den musikalischen Genius zu
konzentrieren und zu monopolisieren angefangen hatte, darf man sich
wohl dieses Treiben geistreich, vielartig und wunderbar eigentümlich
vorstellen. Eine andere Frage ist, wieweit wir noch an jener Tonwelt
teil hätten, wenn unser Ohr sie wieder vernähme.
Das Weil. Zum Verständnis der höhern Geselligkeit der Renaissance ist end-
"'"leicr"" ^'^^ wesentlich zu wissen, daß das Weib dem Manne gleich geachtet
wurde. Man darf sich ja nicht irremachen lassen durch die spitz-
findigen und zum Teil boshaften Untersuchungen über die vermut-
liche Inferiorität des schönen Geschlechtes, wie sie bei den Dialogen-
schreibern hin und wieder vorkommen, auch nicht durch eine Satire
wie die dritte des Ariosto'""*, welcher das Weib wie ein gefahrliches
großes Kind betrachtet, das der Mann zu behandeln wissen müsse,
während es durch eine Kluft von ihm geschieden bleibt. Letzteres
ist allerdings in einem gewissen Sinne wahr; gerade weil das aus-
gebildete Weib dem Manne gleichstand, konnte in der Ehe das, was
man geistige und Seelengemeinschaft oder höhere Ergänzung nennt,
nicht so zur Blüte gelangen wie später in der gesitteten Welt des
Nordens,
durch Vor allem ist die Bildung des Weibes in den höchsten Ständen wesent-
"""^' lieh dieselbe wie beim Manne. Es erregt den Italienern der Renaissance
nicht das geringste Bedenken, den literarischen und selbst den philo-
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 225
logischen Unterricht auf Töchter und Söhne gleichmäßig wirken zu
lassen (S. 123); da man ja in dieser neuantiken Kultur den höchsten
Besitz des Lebens erblickte, so gönnte man sie gerne auch den Mäd-
chen. Wir sahen, bis zu welcher Virtuosität selbst Fürstentöchtcr im
lateinischen Reden und Schreiben gelangten (S. 126, 129). Andere
mußten wenigstens die Lektüre der Männer teilen, um dem Sachinhalt
des Altertums, wie er die Konversation großenteils beherrschte, folgen
zu können. Weiter schloß sich daran die tätige Teilnehme an der ita-
lienischen Poesie durch Kanzonen, Sonette und Improvisation, womit
seit der Venezianerin Cassandra Fedele (Ende des 15. Jahrhunderts) i'oesie,
eine Anzahl von Damen berühmt wurden"*; Vittoria Colonna kann
sogar unsterblich heißen. Wenn irgend etwas unsere obige Behaupt-
tung beweist, so ist es diese Frauenpoesie mit ihrem völlig männlichen
Ton. Liebessonette wie religiöse Gedichte zeigen eine so entschiedene,
präzise Fassung, sind von dem zarten Halbdunkel der Schwärmerei
und von allem Dilettantischen, was sonst der weiblichen Dichtung an-
hängt, so weit entfernt, daß man sie durchaus für die Arbeiten eines
Mannes halten würde, wenn nicht Namen, Nachrichten und bestimmte
äußere Andeutungen das Gegenteil besagten.
Denn mit der Bildung entwickelt sich auch der Individualismus in und indm-
den Frauen höherer Stände auf ganz ähnliche Weise wie in den Man- ''"^''"""'
nern, während außerhalb Italiens bis auf die Reformation die Frauen
und selbst die Fürstinnen, noch sehr wenig persönlich hervortreten.
Ausnahmen wie Isabeau von Bayern, Margarethe von Anjou, Isabella
von Kastilien usw. kommen auch nur unter ganz ausnahmsweisen
Verhältnissen, ja gleichsam nur gezwungen zum Vorschein. In Italien
haben schon während des ganzen 15. Jahrhunderts die Gemahlinnen
der Herrscher und vorzüglich die der Kondottieren fast alle eine be-
sondere, kenntliche Physiognomie und nehmen an der Notorietät, ja
am Ruhme ihren Anteil (S. 77). Dazu kommt allmählich eine Schar
von berühmten Frauen verschiedener Art (S. 86), wäre auch ihre
Auszeichnung nur darin zu finden gewesen, daß in ihnen Anlage,
Schönheit, Erziehung, gute Sitte und Frömmigkeit ein völlig harmoni-
sches Ganzes bildeten"*. Von einer aparten, bewußten ,, Emanzipation"
ist gar nicht die Rede, weil sich die Sache von selber verstand. Die
Frau von Stande mußte damals ganz wie der Mann nach einer ab- voiie Persan-
geschlossenen, in jeder Hinsicht vollendeten Persönlichkeit streben. Der- '""''"""
selbe Hergang in Geist und Herz, welcher den Mann vollkommen
macht, sollte auch das Weib vollkommen machen. Aktive literarische
Tätigkeit verlangt man nicht von ihr, und wenn sie Dichterin ist, so
erwartet man wohl irgendeinen mächtigen Klang der Seele, aber keine
Burckbardt 15
220 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
speziellen Intimitäten in Form von Tagebüchern und Romanen. An
das Publikum dachten diese Frauen nicht; sie mußten vor allem be-
deutenden Männern imponieren''^ und deren Willkür in Schranken
halten.
Die virago Das Ruhmvollste, was damals von den großen Italienerinnen gesagt
wird, ist, daß sie einen männlichen Geist, ein männliches Gemüt hätten.
Man braucht nur die völlig männliche Haltung der meisten Weiber
in den Heldengedichten, zumal bei Bojardo und Aiiosto, zu beachten,
um zu wissen, daß es sich hier um ein bestimmtes Ideal handelt. Der
Titel einer ,, virago", den unser Jahrhundert für ein sehr zweideutiges
Kompliment hält, war damals reiner Ruhm. Ihn trug mit vollem
<(*. M, 5^ Glänze Caterina Sforza, Gemahlin, dann Witwe des Girolamo Riario,
dessen Erbe Forli sie zuerst gegen die Partei seiner Mörder, dann später
gegen Cesare Borgia mit allen Kräften verteidigte; sie unterlag, behielt
aber doch die Bewunderung aller ihrer Landsleute und den Namen
der „prima donna d'Italia'^'". Eine heroische Ader dieser Art erkennt
man noch in verschiedenen Frauen der Renaissance, wenn auch keine
mehr solchen Anlaß fand, sich als Heldin zu betätigen. Isabella Gon-
zaga (S. 26) verrät diesen Zug ganz deutlich.
Das Weib in Fraucu dicscr Gattung konnten denn freilich auch in ihrem Kreise
Schaft Novellen erzählen lassen wie die des Bandello, ohne daß darunter
die Geselligkeit Schaden litt. Der herrschende Genius der letztem ist
nicht die heutige Weiblichkeit, d. h. der Respekt vor gewissen Voraus-
setzungen, Ahnungen und Mysterien, sondern das Bewußtsein der Ener-
gie, der Schönheit, und einer gefährlichen, schicksalsvollen Gegenwart.
Deshalb geht neben den gemessensten Weltformen ein Etwas einher,
das unserm Jahrhundert wie Schamlosigkeit vorkommt'"^, während wir
nur eben das Gegengewicht, nämlich die mächtige Persönlichkeit der
dominierenden Frauen des damaligen Italiens uns nicht mehr vor-
stellen können.
Daß alle Traktate und Dialoge zusammengenommen keine entschei-
dende Aussage dieser Art enthalten, versteht sich von selbst, so weit-
läufig auch über die Stellung und die Fähigkeiten der Frauen und
über die Liebe debattiert wird.
Was dieser Gesellschaft im allgemeinen gefehlt zu haben scheint,
war der Flor junger Mädchen"^, welche man sehr davon zurückhielt,
auch wenn sie nicht im Kloster erzogen wurden. Es ist schwer zu sagen,
ob ihre Abwesenheit mehr die größere Freiheit der Konversation oder
ob umgekehrt letztere jene veranlaßt hat.
Die Bildung Auch dcT Umgang mit Buhlerinnen nimmt bisweilen einen schein-
„j„ baren Aufschwung, als wollte sich das Verhältnis der alten Athener
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 227
ZU ihren Hetären erneuern. Die berühmte römische Kurtisane Imperia Abb. 340. js«
war ein Weib von Geist und Bildung und hatte bei einem gewissen
Domenico Campana Sonette machen gelernt, trieb auch Musik"*". Die
schöne Isabella de Luna, von spanischer Herkunft, galt wenigstens
als amüsant, war übrigens aus Gutherzigkeit und einem entsetzlich
frechen Lästermaul wunderlich zusammengesetzt'*^. In Mailand kannte
Bandello die majestätische Caterina di San Celso'*^ welche herrhch
spielte und sang und Verse rezitierte usw. Aus allem geht her\'or,
daß die berühmten und geistreichen Leute, welche diese Damen be-
suchten und zeitweise mit ihnen lebten, auch geistige Ansprüche an
sie stellten, und daß man den berühmtem Buhlerinnen mit der größten
Rücksicht begegnete; auch nach Auflösung des Verhältnisses suchte
man sich ihre gute Meinung zu bewahren^, weil die vergangene Leiden-
schaft doch einen bedeutenden Eindruck für immer zurückgelassen
hatte. Im ganzen kommt jedoch jeder Umgang in geistigem Sinne
nicht in Betracht neben der erlaubten, offiziellen Geselligkeit, und die
Spuren, welche er in Poesie und Literatur zurückläßt, sind vorherr-
schend skandalöser Art. Ja man darf sich biUig v^oindern, daß unter
den 6800 Personen dieses Standes, welche man zu Rom im Jahre 1490
— also vor dem Eintreten der Syphilis — zählte™*, kaum irgendein
Weib von Geist und höherm Talent hervortritt; die obengenannten
sind erst aus der nächstfolgenden Zeit. Die Lebensweise, Moral und
Philosophie der öffentlichen Weiber, namenthch den raschen Wechsel
von Genuß, Gewinnsucht und tieferer Leidenschaft, sowie die Heuchelei
und Teufelei einzelner im spätem Alter schildert \ielleicht am besten
Giraldi in den Novellen, welche die Einleitung zu seinen Hecatom-
mithi ausmachen; Pietro Aretino dagegen in seinen Ragionamenti zeich-
net wohl mehr sein eigenes Inneres als das jener unglücklichen Klasse,
wie sie wirklich war.
Die Mätressen der Fürsten, wie schon oben (S. 32) bei Anlaß des Fürstliche
Mätressen
Fürstentums erörtert wurde, sind der Gegenstand von Dichtem und ^^
Künstlern und daher der Jvlit- und Nachwelt persönUch bekannt, wäh-
rend man von einer Alice Perries, einer Clara Dettin (Mätresse Fried-
richs des Siegreichen) kaum mehr als den Namen und von Agnes Sorel
eine eher fingierte als wahre Minnesage übrig hat. Anders verhält es
sich dann schon mit den Geliebten der Könige der Renaissance, Franz I.
und Heinrich IL
Nach der Geselhgkeit verdient auch das Hauswesen der Renaissance Das
einen Blick. Man ist im allgemeinen geneigt, das Familienleben der """^""»^''
damaligen Italiener wegen der großen Sittenlosigkeit als ein verlorenes
15*
228
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Eraiehiine
ZU betrachten, und diese Seite der Frage wird im nächsten Abschnitt
behandelt werden. Einstweilen genügt es darauf hinzuweisen, daß die
eheliche Untreue dort bei weitem nicht so zerstörend auf die Familie
wirkt wie im Norden, solange dabei nur gewisse Schranken nicht über-
schritten werden.
Das Hauswesen unseres Mittelalters war ein Produkt der herrschen-
den Volkssitte oder, wenn man will, ein höheres Naturprodukt, be-
ruhend auf den Antrieben der Völkerentwicklung und auf der Ein-
wirkung der Lebensweise je nach Stand und Vermögen. Das Ritter-
tum in seiner Blütezeit ließ das Hauswesen unberührt; sein Leben
war das Herumziehen an Höfen und in Kriegen; seine Huldigung
gehörte systematisch einer andern Frau als der Hausfrau, und auf
dem Schloß daheim mochten die Dinge gehen, wie sie konnten. Die
Renaissance zuerst versucht auch das Hauswesen mit Bewußtsein, als
ein geordnetes, ja als ein Kunstwerk aufzubauen. Eine sehr entwickelte
Ökonomie (S. 48) und ein rationeller Haushalt kommt ihr dabei zu
Hilfe, die Hauptsache aber ist eine verständige Reflexion über alle Fragen
des Zusammenlebens, der Erziehung, der Einrichtung und Bedienung.
Das schätzbarste Aktenstück hierfür ist der Dialog über die Leitung
des Hauses von Agnolo Pandolfini™^ Ein Vater spricht zu seinen er-
wachsenen Söhnen und weiht sie in seine ganze Handlungsweise ein.
Man sieht in einen großen, reichlichen Hausstand hinein, der, mit ver-
nünftiger Sparsamkeit und mit mäßigem Leben weitergeführt. Glück
und Wohlergehen auf viele Geschlechter hinaus verheißt. Ein ansehn-
licher Grundbesitz, der schon durch seine Produkte den Tisch des
Hauses versieht und die Basis des Ganzen ausmacht, wird mit einem
industriellen Geschäft, sei es Seiden- oder Wollenweberei, verbunden.
Wohnung und Nahrung sind höchst solid; alles, was zur Einrichtung
und Anlage gehört, soll gioß, dauerhaft und kostbar, das tägliche
Leben darin so einfach als möglich sein. Aller übrige Aufwand, von
den größten Ehrenausgaben bis auf das Taschengeld der jungem Söhne,
steht hierzu in einem rationellen, nicht in einem konventionellen Ver-
hältnis. Das Wichtigste aber ist die Erziehung, die der Hausherr bei
weitem nicht bloß den Kindern, sondern dem ganzen Hause gibt.
Er bildet zunächst seine Gemahlin aus einem schüchternen, in vor-
sichtigem Gewahrsam erzogenen Mädchen zur sichern Gebieterin der
Dienerschaft, zur Hausfrau aus; dann erzieht er die Söhne ohne alle
unnütze Härte™*, durch sorgfältige Aufsicht und Zureden, „mehr mit
Autorität als mit Gewalt", und endlich wählt und behandelt er auch
die Angestellten und Diener nach solchen Grundsätzen, daß sie gerne
und treu am Hause halten.
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 229
Noch einen Zug müssen wir hervorheben, der diesem Büchlein zwar Die vuia
keineswegs eigen, wohl aber mit besonderer Begeisterung darin hervor- ■^■''•^•'
gehoben ist: die Liebe des gebildeten Italieners zum Landleben. Im
Norden wohnten damals auf dem Lande die Adligen in ihren Berg-
schlössern und die vornehmem Mönchsorden in ihren wohlverschlosse-
nen Klöstern; der reichste Bürger aber lebte jahraus jahrein in der
Stadt. In Italien dagegen war, wenigstens was die Umgebung gewisser
Städte™^ betrifft, teils die politische und polizeiliche Sicherheit größer,
teils die Neigung zum Aufenthalt draußen so mächtig, daß man in
Kriegsfällen sich auch einigen Verlust gefallen ließ. So entstand die
Landwohnung des wohlhabenden Städters, die Villa. Ein köstliches
Erbteil des alten Römertums lebt hier wieder auf, sobald Gedeihen
und Bildung im Volke weit genug fortgeschritten sind.
Unser Autor findet auf seiner Villa lauter Glück und Frieden, wor-
über man ihn freihch selber hören muß (S. 88). Die ökonomische Seite
der Sache ist, daß ein und dasselbe Gut womöglich alles in sich ent-
halten soll: Korn, Wein, öl, Futtcrland und Waldung (S. 84), und daß
man solche Güter gerne teuer bezahlt, weil man nachher nichts mehr
auf dem Markt zu kaufen nötig hat. Der höhere Genuß aber verrät
sich in den Worten der Einleitung zu diesem Gegenstande. ,,Um Flo-
renz liegen viele Villen in kristallheller Luft, in heiterer Landschaft,
mit herrhcher Aussicht; da ist wenig Nebel, kein verderblicher Wind;
alles ist gut, aoich das reine, gesunde Wasser; und von den zahllosen
Bauten sind manche wie Fürstenpaläste, manche wie Schlösser anzu-
schauen, prachtvoll und kostbar." Er meint jene in ihrer Art muster-
gültigen Landhäuser, von welchen die meisten 1529 durch die Flore-
tiner selbst der Verteidigung der Stadt — vergebens • — geopfert wurden .
In diesen Villen wie in denjenigen an der Brenta, in den lombardi- Geui des
sehen Vorbergen, am Posilipp und \'omero nahm dann auch die Ge-
selligkeit einen freiem, ländlichen Charakter an als in den Sälen der
Stadtpaläste. Das Zusammenwohnen der gastfrei Geladenen, die Jagd
und der übrige Verkehr im Freien werden hier und da ganz anmutig
geschildert. Aber auch die tiefste Geistesarbeit und das Edelste der
Poesie ist bisweilen von einem solchen Landaufenthalt datiert.
Es ist keine bloße Willkür, wenn wir an die Betrachtung des gesell-
schaftlichen Lebens die der festlichen Aufzüge und Aufführungen an-
knüpfen. Die kunstvolle Pracht, welche das Italien der Renaissance
dabei an den Tag legt^^, wurde nur erreicht durch dasselbe Zusammen-
leben aller Stände, welches auch die Grundlage der italienischen Ge-
l.andlebens
230
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Seilschaft ausmacht. Im Norden hatten die Klöster, die Höfe und die
Bürgerschaften ihre besonderen Feste und Aufführungen wie in Italien,
allein dort waren dieselben nach Stil und Inhalt getrennt, hier da-
gegen durch eine allgemeine Bildung und Kunst zu einer gemeinsamen
Höhe entwickelt. Die dekorierende Architektur, welche diesen Festen
zu Hilfe kam, verdient ein eigenes Blatt in der Kunstgeschichte, ob-
gleich sie uns nur noch als ein Phantasiebild gegenübersteht, das wir
aus den Beschreibungen zusammenlesen müssen. Hier beschäftigt uns
das Fest selber als ein erhöhter Moment im Dasein des Volkes, wobei
die religiösen, sittlichen und poetischen Ideale des letzteren eine sicht-
bare Gestalt annehmen. Das italienische Festwesen in seiner hohem
Form ist ein wahrer Übergang aus dem Leben in die Kunst.
Ihre Grund Die bcidcu Hauptformen festlicher Aufführung sind ursprünglich,
lif."™/"«, wi^ überall im Abendlande, das Mysterium, d. h. die dramatisierte
:67, 2-)». 290 heilige Gescliichte oder Legende und die Prozession, d. h. der bei
irgendeinem kirchlichen Anlaß entstehende Prachtaufzug.
Nun waren in Italien schon die Aufführungen der Mysterien im
ganzen offenbar prachtvoller, zahlreicher und durch die parallele Ent-
v«cklung der bildenden Kunst und der Poesie geschmackvoller als
anderswo. Sodann scheidet sich aus ihnen nicht bloß wie im übrigen
Abendlande zunächst die Posse aus und dann das übrige weltliche
Drama, sondern frühe schon auch eine auf den schönen und reichen
Anblick berechnete Pantomime mit Gesang und Ballett.
Aus der Prozession aber entwickelt sich in den eben gelegenen ita-
lienischen Städten mit ihren breiten™', wohlgepflasterten Straßen der
.^^.6. -v-/— '"* Trionfo, d. h. der Zug von Kostümierten zu Wagen und zu Fuß, erst
von überwiegend geistlicher, dann mehr und mehr von weltlicher Be-
deutung. Fronleichnamsprozession und Karnevalszug berühren sich hier
in einem gemeinsamen Prachtstil, welchem sich dann auch fürstliche
Einzüge anschließen. Auch die übrigen Völker verlangten bei solchen
Gelegenheiten bisweilen den größten Aufwand, in Italien allein aber
bildete sich eine kunstgerechte Bchandlungsweise, die den Zug als sinn-
volles Ganzes komponierte und ausstattete.
Heutiger Was vou dicscu Dingen heute noch in Übung ist, kann nur ein armer
Bestand Überrest heißen. Kirchliche sowohl als fürstliche Aufzüge haben sich
des dramatischen Elementes, der Kostümierung, fast völlig entledigt,
weil man den Spott fürchtet und weil die gebildeten Klassen, welche
ehemals diesen Dingen ihre volle Kraft widmeten, aus verschiedenen
Gründen keine Freude mehr daran haben können. Auch am Karne-
iw. j6< val sind die großen Maskenzüge außer Übung. Was noch weiterlebt,
v.ic z. B. die einzelnen geistlichen Masken bei Umzügen von Bruder-
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 23I
Schäften, ja selbst das pomphafte RosaUenfest zu Palermo, verrät deut-
lich, wie weit sich die höhere Bildung von diesen Dingen zurückgezogen
hat.
Die volle Blüte des Festwesens tritt erst mit dem entschiedenen Siege
des Modernen, mit dem 15. Jahrhundert ein"*", wenn nicht etwa Flo-
renz dem übrigen Italien auch hierin vorangegangen war. Wenigstens
war man hier schon ftüh quartierweise organisiert für öffentliche Auf-
fuhrungen, welche einen sehr großen künstlerischen Aufwand voraus-
setzen. So jene Darstellung der Hölle auf einem Gerüst und auf Barken
im Arno, i. Mai 1304, wobei unter den Zuschauern die Brücke alla
Carraja zusammenbrach'*^. Auch daß später Florentiner als Festkünstler,
festaiuoli, im übrigen Italien reisen konnten'**, beweist eine frühe \'er-
vollkommnung zu Hause.
Suchen wir nun die wesentlichsten Vorzüge des italienischen Fest- vorzQgedes
Wesens gegenüber dem Auslande vorläufig auszumitteln, so steht in ' '^^'
erster Linie der Sinn des entwickelten Individuums für Darstellung
des Individuellen, d. h. die Fähigkeit, eine vollständige Maske zu er-
finden, zu tragen und zu agieren. Maler und Bildhauer halfen dann
bei weitem nicht bloß zur Dekoration des Ortes, sondern auch zur
Ausstattung der Personen mit, und gaben Tracht, Schminke (S. 21 if)
und anderweitige Ausstattung an. Das Zweite ist die ^Allverständlich-
keit der poetischen Grundlage. Bei den Mysterien war dieselbe im gan-
zen Abendlande gleich groß, indem die bibHschen und legendarischen
Historien von vornherein jedermann bekannt waren, für alles übrige
aber war Italien im Vorteil. Für die Rezitationen einzelner heihger
oder profan-idealer Gestalten besaß es eine volltönende l)Tische Poesie,
welche groß und klein gleichmäßig hinreißen konnte'*^. Sodann ver-
stand der größte Teil der Zuschauer (in den Städten) die mythologi-
schen Figuren und erriet wenigstens leichter als irgendwo die allegori-
schen und geschichtUchen, weil sie einem allverbreitenden Bildungs-
kreise entnommen waren.
Dies bedarf einer nähern Bestimmung. Das ganze Mittelalter war Die Aiiegont
die Zeit des Allegorisierens in vorzugsweisem Sinne gewesen; seine und Kunst
Theologie und Philosophie behandelte ihre Kategorien dergestalt als
selbständige Wesen'**, daß Dichtung und Kunst es scheinbar leicht
hatten, dasjenige beizufügen, was noch zur Persönlichkeit fehlte. Hier-
in stehen alle Länder des Okzidents auf gleicher Stufe; aus ihrer Ge-
dankenwelt können sich überall Gestalten erzeugen, nur daß Aus-
stattung und Attribute in der Regel rätselhaft und unpopulär ausfallen
werden. Letzteres ist auch in Italien häufig der Fall, und z\var selbst
während der ganzen Renaissance und noch über dieselbe hinaus. Es
232
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
genügt dazu, daß irgendein Prädikat der betreffenden allegorischen
Gestalt auf unrichtige Weise durch ein Attribut übersetzt werde. Selbst
Dante ist durchaus nicht frei von solchen falschen Übertragungen'^*,
und aus der Dunkelheit seiner Allegorien überhaupt hat er sich be-
kanntlich eine wahre Ehre gemacht'*'. Petrarca in seinen Trionfi will
wenigstens die Gestalten des Amor, der Keuschheit, des Todes, der
Fama usw. deutlich, wenn auch in Kürze schildern. Andere dagegen
überladen ihre Allegorien mit lauter verfehlten Attributen. In den
Satiren des Vinciguerra'" z. B. wird der Neid mit ,, rauhen eisernen
Zähnen", die Gefräßigkeit als sich auf die Lippen beißend, mit wirrem
struppigem Haar usw. geschildert, letzteres wahrscheinlich, um sie als
gleichgültig gegen alles, was nicht Essen ist, zu bezeichnen. Wie übel
sich vollends die bildende Kunst bei solchen Mißverständnissen befand,
können wir hier nicht erörtern. Sie durfte sich wie die Poesie glücklich
schätzen, wenn die Allegorie durch eine mythologische Gestalt, d. h.
durch eine vom Altertum her vor der Absurdität gesicherte Kunst-
form ausgedrückt werden konnte, wenn statt des Krieges Mars, statt
der Jagdlust Diana'*^ usw. zu gebrauchen war.
Dif .\Ufgorie Nuu gab CS iu Kunst und Dichtung auch besser gelungene AUe-
F^teT gorien, und von denjenigen Figuren dieser Art, welche bei itaUenischen
Festzügen auftraten, wird man wenigstens annehmen dürfen, daß das
Publikum sie deutlich und sprechend charakterisiert verlangte, weil
es durch seine sonstige Bildung angeleitet war, dergleichen zu ver-
stehen. Auswärts, zumal am burgundischen Hofe, ließ man sich damals
noch sehr undeutsame Figuren, auch bloße Symbole gefallen, weil
es noch eine Sache der Vornehmheit war, eingeweiht zu sein oder zu
scheinen. Bei dem berühmten Fasanengelübdc von 1453'*' ist die schöne
junge Reiterin, welche als Freudenkönigin daherzieht, die einzige er-
freuliche Allegorie; die kolossalen Tischaufsätze mit Automaten und
lebendigen Personen sind entweder bloße Spielereien oder mit einer
platten moralischen Zwangsauslcgung behaftet. In einer nackten weib-
lichen Statue am Büfett, die ein lebendiger Löwe hütete, sollte man
Konstantinopel und seinen künftigen Retter, den Herzog von Burgund,
ahnen. Der Rest, nait Ausnahme einer Pantomime (Jason in Kolchis)
erscheint entweder sehr tiefsinnig oder ganz sinnlos; der Beschreiber
des Festes, Olivier selbst, kam als ,, Kirche" kostümiert in dem Turme
auf dem Rücken eines Elefanten, den ein Riese führte, und sang eine
lange Klage über den Sieg der Ungläubigen^"".
Kepräscntan- Wciin abcr aucli die Allegorien der italienischen Dichtungen, Kunst-
cs. Ks- ^^j.jjg ^j^j Yeste an Geschmack und Zusammenhang im ganzen höher
meinen *^ "
Stehen, so bilden sie doch nicht die starke Seite. Der entscheidende
Die
Mysti^rien,
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 233
Vorteil*"^ lag vielmehr darin, daß man hier außer den Personifikationen
des allgemeinen auch historische Repräsentanten desselben Allgemei-
nen in Menge kannte, daß man an die dichterische Aufzählung wie an
die künstlerische Darstellung zahlreicher berühmter Individuen gewöhnt
war. Die göttliche Komödie, die Trionfi des Petrarca, die Amorosa
Visione des Boccaccio — lauter Werke, welche hierauf gegründet sind — ,
außerdem die ganze große Ausweitung der Bildung durch das Altertum
hatten die Nation mit diesem historischen Element vertraut gemacht.
Und nun erschienen diese Gestalten auch bei Festzügen entweder völlig
individualisiert, als bestimmte Masken, oder wenigstens als Gruppen,
als charakteristisches Geleite einer allegorischen Hauptfigur oder Haupt-
sache. Man lernte dabei überhaupt gruppenweise komponieren, zu einer
Zeit, da die prachtvollsten Aufführungen im Norden zwischen un-
ergründliche Symbolik und buntes sinnloses Spiel geteilt waren.
Wir beginnen mit der vielleicht ältesten Gattung, den Mysterien^'*^.
Sie gleichen im ganzen denjenigen des übrigen Europa; auch hier
werden auf öffentlichen Plätzen, in Kirchen, in Klosterkreuzgängen
große Gerüste errichtet, welche oben ein verschließbares Paradies, ganz
unten bisweilen eine Hölle enthalten und dazwischen die eigentliche
Szena, welche sämtliche irdische Lokalitäten des Dramas nebeneinander
darstellt; auch hier beginnt das biblische oder legendarische Drama
nicht selten mit einem theologischen Vordialog von Aposteln, Kirchen-
vätern, Propheten, Sibyllen und Tugenden und schließt je nach Um-
ständen mit einem Tanz. Daß die halbkomischen Intermezzi von Neben-
personen in Italien ebenfalls nicht fehlen, scheint sich von selbst zu ver-
stehen, doch tritt dies Element nicht so derb hervor wie im Norden^"^.
Für das Auf- und Niederschweben auf künstlichen Maschinen, einen
Hauptreiz aller Schaulust, war in Italien wahrscheinlich die Übung
\del größer als anderswo, und bei den Florentinern gab es schon im
14. Jahrhundert spöttische Reden, wenn die Sache nicht ganz geschickt
ging^"*. Bald darauf erfand Brunellesco für das Annunziatenfest auf
Piazza S. Feiice jenen unbeschreiblich kunstreichen Apparat einer von
zwei Engelkreisen umschwebten Himmclskugel, von welcher Gabriel
in einer mandelförmigen Maschine niederflog, und Cecca gab Ideen
und Mechanik für ähnliche Feste an^"*. Die geistlichen Brüderschaften
oder die Quartiere, welche die Besorgung und zum Teil die Aufführung
selbst übernahmen, verlangten je nach Maßgabe ihres Reichtums wenig-
stens in den größern Städten den .aufwand aller erreichbaren Mittel uii.i ihre aus-
der Kunst. Ebendasselbe darf man voraussetzen, wenn bei großen "" " ""^
fürstlichen Festen neben dem weltlichen Drama oder der Pantomime
auch noch Mysterien aufgeführt werden. Der Hof des Pietro Riario
234 ^'^^ GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
(S. 62), der von Fcrrara usw. ließen es dabei gewiß nicht an der ersinn-
lichsten Pracht fehlen^"*. Vergegenwärtigt man sich das szenische Ta-
lent und die reichen Trachten der Schauspieler, die Darstellung der
Örtlichkeiten durch ideale Dekorationen des damaligen Baustils, durch
Abb.jgz, Laubwerk und Teppiche, endlich als Hintergrund die Prachtbauten
'95-'97 ^^gj. Piazza einer großen Stadt oder die lichten Säulenhallen eines
Palasthofes, eines großen Klosterhofes, so ergibt sich ein überaus reiches
Bild. Wie aber das weltliche Drama eben durch eine solche Ausstattung
zu Schaden kam, so ist auch wohl die höhere poetische Entwicklung
des Mysteriums selber durch dieses unmäßige Vordrängen der Schau-
lust gehemmt worden. In den erhaltenen Texten findet man ein meist
sehr dürftiges dramatisches Gewebe mit einzelnen schönen lyrisch-rhe-
torischen Stellen, aber nichts von jenem großartigen symbolischen
Schwung, der die ,, Autos sagramentales" eines Calderon auszeichnet.
Bisweilen mag in kleinern Städten, bei ärmerer Ausstattung, die
Wirkung dieser geistlichen Dramen auf das Gemüt eine stärkere ge-
wesen sein. Es kommt vor^"', daß einer jener großen Bußprediger,
von welchem im letzten Abschnitt die Rede sein wird, Roberto da
Lecce, den Kreis seiner Fastenpredigten während der Pestzeit 1448
in Perugia mit einer Charfreitagsaufführung der Passion beschließt;
nur wenige Personen traten auf, aber das ganze Volk weinte laut.
Freilich kamen bei solchen Anlässen Rührungsmittel zur Anwendung,
welche dem Gebiet des herbsten Naturalismus entnommen waren. Es
bildet eine Parallele zu den Gemälden eines Metteo da Siena, zu den
Tongruppen eines Guido Mazzoni, wenn der den Christus vorstellende
Autor mit Striemen bedeckt und scheinbar Blut schwitzend, ja aus
der Seitenwunde blutend auftreten mußte^"*.
Aulasse zu Die besonderen Anlässe zur Aufführung von Mysterien, abgesehen
Mystmra ^^^ gewisseu großcn Kirchenfesten, fürstlichen Vermählungen usw. sind
Abi. 70«, 173 sehr verschieden. Als z. B. S. Bernardino von Siena durch den Papst
heilig gesprochen wurde (1450), gab es, wahrscheinlich auf dem großen
Platz seiner Vaterstadt, eine Art von dramatischer Nachahmung (rap-
presentazione) seiner Kanonisation^"*, nebst Speise und Trank für jeder-
mann. Oder ein gelehrter Mönch feiert seine Promotion zum Doktor
der Theologie durch Aufführung der Legende des Stadtpatrons^'".
König Karl VII L war kaum nach Italien liinabgestiegcn, als ihn die
Herzoginwitwe Bianca von Savoyen zu Turin mit einer Art von halb-
geistlicher Pantomime empfing®", wobei zuerst eine Hirtenszene „das
Gesetz der Natur", dann ein Zug der Erzväter „das Gesetz der Gnade"
vorzustellen zensiert war; darauf folgten die Geschichten des Lancelot
vom See, und die ,,von Athen". Und so wie der König nur in Chieri
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
235
Fron-
leichnam
Abb. JU4
anlangte, wartete man ihm wieder mit einer Pantomime auf, die ein
Wochenbette mit vornehmem Besuch darstellte.
Wenn aber irgendein Kirchenfest einen allgemeinen Anspruch auf
die höchste Anstrengung hatte, so war es Fronleichnam, an dessen
Feier sich ja in Spanien jene besondere Gattung von Poesie (S. 234)
anschloß. Für Italien besitzen wir wenigstens die pomphafte Schilde-
rung des Corpus Domini, welches Pius II. 1482 in Viterbo abhielt*'^.
Der Zug selber, welcher sich von einem kolossalen Prachtzelt vor S. Fran-
cesco durch die Hauptstraße nach dem Domplatz bewegte, war das
wenigste dabei; die Kardinäle und reichern Prälaten hatten den Weg
stückweise unter sich verteilt und nicht nur für fortlaufende Schatten-
tücher, Mauerteppiche ^'^, Kränze u. dgl. gesorgt, sondern lauter eigene
Schaubühnen errichtet, wo während des Zuges kurze historische und
allegorische Szenen aufgeführt wurden. Man ersieht aus dem Bericht
nicht ganz klar, ob alles von Menschen oder einiges von drapierten
Figuren dargestellt wurde^^*; jedenfalls war der AufVvand sehr groß.
Da sah man einen leidenden Christus zwischen singenden Engelknaben;
ein Abendmahl in Verbindung mit Gestalt des S. Thomas von Aquino;
den Kampf des Erzengels Michael mit den Dämonen; Brunnen mit
Wein und Orchester von Engeln; ein Grab des Herrn mit der ganzen
Szene der Auferstehung; endlich auf dem Domplatz das Grab der Maria,
welches sich nach dem Hochamt und dem Segen eröffnete; von Engeln
getragen schwebte die Mutter Gottes singend nach dem Paradies, wo
Christus sie krönte und dem ewigen Vater zuführte.
In der Reihe jener Szenen an der Hauptstraße sticht diejenige des
Kardinal Vizekanzlers Roderigo Borgia — des späteren Alexander VI. —
besonders hervor durch Pomp und dunkle Allegorie^^^. Außerdem tritt
dabei die damals beginnende Vorliebe für festlichen Kanonendonner^^®
zutage, welche dem Haus Borgia noch ganz besonders eigen war.
Kürzer geht Pius II. hinweg über die in demselben Jahr zu Rom
abgehaltene Prozession mit dem aus Griechenland erworbenen Schädel
des hl. Andreas. Auch dabei zeichnete sich Roderigo Borgia durch be-
sondere Pracht aus, sonst aber hatte das Fest etw-as Profanes, indem
sich außer den nie fehlenden Musikengeln auch noch andere Masken
zeigten, auch „starke Männer", d. h. Herkulesse, welche allerlei Turn-
künste mögen vorgebracht haben.
Die rein oder überwiegend weltlichen Aufführungen waren beson-
ders an den großem Fürstenhöfen ganz wesentlich auf die geschmack- ' " " ™
volle Pracht des Anblicks berechnet, dessen einzelne Elemente in einem
mythologischen und allegorischen Zusammenhang standen, soweit ein
solcher sich gerne und angenehm erraten ließ. Das Barocke fehlte nicht;
Abb. 29S
Kanonade
WeltUche
236 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
riesige Tierfiguren, aus welchen plötzlich Scharen von Masken heraus-
kamen, wie z. B. bei einem fürstlichen Empfang (1465) zu Siena^^^
aus einer goldenen Wölfin ein ganzes Ballett von zwölf Personen hervor-
stieg; belebte Tafelaufsätze, wenn auch nicht in der sinnlosen Dimen-
sion wie beim Herzog von Burgund (S. 232); das meiste aber hatte
einen künstlerischen und poetischen Zug. Die Vermischung des Dramas
mit der Pantomime am Hofe von Ferrara wurde bereits bei Anlaß der
Poesie (S. 180) geschildert. Weltberühmt waren dann die Festlichkeiten,
Bei Kardinal wclchc Kardinal Pietro Riario 1473 in Rom gab, bei der Durchreise
der zur Braut des Prinzen Ercole von Ferrara bestimmten Lianora
von Aragon*^^. Die eigentlichen Dramen sind hier noch lauter Myste-
rien kirchlichen Inhalts, die Pantomimen dagegen mythologisch; man
sah Orpheus mit den Tieren, Perseus und Andromeda, Ceres von
Drachen, Bacchus und Adriadne von Panthern gezogen, dann die Er-
ziehung des Achill; hierauf ein Ballett der berühmten Liebespaare der
Urzeit und einer Schar von Nymphen; dieses wurde unterbrochen durch
einen Überfall räuberischer Zentauren, welche dann Herkules besiegte
und von dannen jagte. Eine Kleinigkeit, aber für den damaligen Formen-
sinn bezeichnend, ist folgende: Wenn bei allen Festen lebende Figuren
als Statuen in Nischen, auf und an Pfeilern und Triumphbogen vor-
kamen und sich dann doch mit Gesang und Deklamation als lebend
erwiesen, so waren sie dazu durch natürhche Farbe und Gewandung
berechtigt; in den Sälen des Riario aber fand sich unter andern ein
lebendes und doch völlig vergoldetes Kind, welches aus einem Brunnen
Wasser um sich spritzte*^*.
lu Bologna Andere glänzende Pantomimen dieser Art gab es in Bologna bei
Abb. 73 der Hochzeit des Annibale Bentivoglio mit Lucrczia von Este*'^"; statt
des Orchesters wurden Chöre gesungen, während die Schönste aus
Dianens Nymphenschar zur Juno Pronuba liinüberfloh, während Venus
mit einem Löwen, d. h. hier nur einem täuschend verkappten Menschen
sich unter einem Ballett wilder Männer bewegte; dabei stellte die
Dekoration ganz naturwahr einen Hain vor. In Venedig feierte man
149 1 die Anwesenheit estensischer Fürstinnen*^* durch Einholung mit
den Bucintoro, Wettrudern und eine prächtige Pantomime „Meleager"
Die ivsic im Hof des Dogenpalastes. In Mailand leitete Lionardo da Vinci*^
lonardos jj^ fcste dcs Hcrzogs und auch diejenigen anderer Großen; eine seiner
Maschinen, welche wohl mit derjenigen des Brunellesco (S. 233) wett-
eifern mochte, stellte in kolossaler Größe das Himmelssystem in voller
■ii,b. 3f7.3fS Bewegung dar; jedesmal, wenn sich ein Planet der Braut des Jüngern
Herzogs, Lsabella, näherte, trat der betreffende Gott aus der Kugel
hervor*^ und sang die \om Hofdichtcr Bellincioni gedichteten Verse
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 237
(1489). Bei einem andern Feste (1493) paradierte unter andern schon
das Modell zur Reiterstatue des Francesco Sforza, und zwar unter Abb. «j
einem Triumphbogen auf dem Kastellplatz. Aus Vasari ist weiter be-
kannt, mit welch sinnreichen Automaten Lionardo in der Folge die
französischen Könige als Herrn von Mailand bewillkommnen half. Aber
auch in kleinem Städten strengte man sich bisweilen sehr an. Als Herzog
Börse (S. 31) 1453 zur Huldigung nach Reggio kam®^*, empfing man Empfang
ihn am Tor mit einer großen Maschine, auf welcher S. Prospero, der "°p^j°'"^
Stadtpatron, zu schweben schien, überschattet durch einen von Engeln
gehaltenen Baldachin, unter ihm eine drehende Scheibe mit acht Musik-
engeln, deren zwei sich hierauf von dem Heiligen die Stadtschlüssel
und das Zepter erbaten, um beides dem Herzog zu überreichen. Dann
folgte ein durch verdeckte Pferde bewegbares Gerüst, welches einen
leeren Thron enthielt, hinten eine stehende Justitia mit einem Genius
als Diener, an den Ecken vier greise Gesetzgeber, umgeben von sechs
Engeln mit Fahnen; zu beiden Seiten geharnischte Reiter, ebenfalls
mit Fahnen; es versteht sich, daß der Genius und die Göttin den Herzog
nicht ohne Anrede ziehen ließen. Ein zweiter Wagen, wie es scheint Abb. ^oß-iyg
von einem Einhorn gezogen, trug eine Karitas mit brennender Fackel;
dazwischen aber hatte man sich das antike Vergnügen eines von ver-
borgenen Menschen vorwärtsgetriebenen Schiffswagens nicht versagen
mögen. Dieser und die beiden Allegorien zogen nun dem Herzog vor-
an; aber schon vor S. Pietro wurde wieder stille gehalten; ein hl. Petrus
schwebte mit zwei Engeln in einer runden Glorie von der Fassade
hernieder bis zum Herzog, setzte ihm einen Lorbeerkranz auf und
schwebte wieder empor®**. Auch noch für eine andere reinkirchliche
Allegorie hatte der Klerus hier gesorgt; auf zwei hohen Säulen standen
„der Götzendienst" und die „Fides"; nachdem letztere, ein schöne.-;
Mädchen, ihren Gruß hergesagt, stürzte die andere Säule samt ihrer
Puppe zusammen. Weiterhin begegnete man einem ,, Cäsar" mit sieben
schönen Weibern, welche er dem Borso als die Tugenden präsentierte,
welche derselbe zu erstreben habe. Endlich gelangte man zum Dom,
nach dem Gottesdienst aber nahm Borso wieder draußen auf einem
hohen goldenen Throne Platz, wo ein Teil der schon genannten Masken
ihn noch einmal bckompUmentierten. Den Schluß machten drei von
einem nahen Gebäude niederschwebende Engel, welche ihm unter hol-
dem Gesänge Palmzweige als Sinnbilder des Friedens überreichten.
Betrachten wir nun diejenigen FestUchkeiten, wobei der bewegte Zug
selber die Hauptsache ist.
Ohne Zweifel gewährten die kirchhchen Prozessionen seit dem frühen Dir
Mittelalter einen Anlaß zur Maskierung, mochten nun Engelkinder
238 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
das Sakrament, die herumgetragenen heiligen Bilder und Reliquien
begleiten, oder Personen der Passion im Zuge mitgehen, etwa Christus
mit dem Kreuz, die Schacher und Kriegsknechte, die heiligen Frauen.
Allein mit großen Kirchenfesten verbindet sich schon frühe die Idee
eines städtischen Aufzuges, der nach der naiven Art des Mittelalters
eine Menge profaner Bestandteile verträgt. Merkwürdig ist besonders
der aus dem Heidentum herübergenommene ^^ Schiffwagen, carrus
navalis, der, wie schon an einem Beispiel bemerkt wurde, bei Festen
sehr verschiedener Art mitgeführt werden mochte, dessen Name aber
vorzugsweise auf dem ,, Karneval" haften blieb. Ein solches Schiff
konnte freilich als heiter ausgestattetes Prachtstück die Beschauer ver-
gnügen, ohne daß man sich irgend noch der frühern Bedeutung bewußt
war, und als z. B. Isabella von England mit ihrem Bräutigam Kaiser
Friedrich IL in Köln zusammenkam, fuhren ihr eine ganze Anzahl
von Schiffwagen mit musizierenden Geistlichen, von verdeckten Pferden
gezogen, entgegen.
Aber die kirchliche Prozession konnte nicht nur durch Zutaten aller
Art verherrlicht, sondern auch durch einen Zug geistlicher Masken
geradezu ersetzt werden. Einen Anlaß hierzu gewährte vielleicht schon
der Zug, der zu einem Mysterium gehenden Schauspieler durch die
Hauptstraßen einer Stadt, frühe aber möchte sich eine Gattung geist-
licher Festzüge auch unabhängig hienon gebildet haben. Dante schil-
dert^' den „trionfo" der Beatrice mit den vierundzwanzig Ältesten der
Offenbarung, den vier mystischen Tieren, den drei christlichen und den
vier Kardinaltugenden, S. Lucas, S. Paulus und andern Aposteln in
einer solchen Weise, daß man beinahe genötigt ist, das wirkliche frühe
Obergang in Vorkommcn solcher Züge vorauszusetzen. Dies verrät sich hauptsäch-
A^t- s™"« '^'-^ durch den Wagen, auf welchem Beatrice fährt und welcher in dem
visionären Wunderwald nicht nötig wäre, ja auffallend heißen darf.
Oder hat Dante etwa den Wagen nur als wesentliches Symbol des
Triumphierens betrachtet? und ist vollends erst sein Gedicht die An-
regung zu solchen Zügen geworden, deren Form von dem Triumph
römischer Imperatoren entlehnt war? Wie dem nun auch sei, jeden-
falls haben Poesie und Theologie an dem Sinnbilde mit Vorliebe fest-
gehalten. Savonarola in seinem „Triumph des Kreuzes" stellt*^ Chri-
stus auf einem Triumphwagen vor, über ihm die leuchtende Kugel der
Dreifaltigkeit, in seiner Linken das Kreuz, in seiner Rechten die beiden
Testamente; tiefer hinab die Jungfrau Maria; vor dem Wagen Patri-
archen, Propheten, Apostel und Prediger; zu beiden Seiten die Mär-
tyrer und die Doktoren mit den aufgeschlagenen Büchern; hinter ihm
alles Volk der Bekehrten; in weiterer Entfernung die unzähhgen Haufen
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 239
der Feinde, Kaiser, Mächtige, Philosophen, Ketzer, alle besiegt, ihre
Götzenbilder zerstört, ihre Bücher verbrannt. (Eine als Holzschnitt
bekannte große Komposition Tizians kommt dieser Scliilderung ziem-
lichnahe.) Von Sabcllicos (S. 39) dreizehn Elegien auf die Mutter Gottes
enthalten die neunte und die zehnte einen umständlichen Triumphzug
derselben, reich mit Allegorien ausgestattet, und hauptsächlich interessant
durch denselben antivisionären, räumlich wirklichen Charakter, den
die reahstische Malerei des 15. Jahrhunderts solchen Szenen mitteilt.
Weit häufiger aber als diese geistlichen Trionfi waren jedenfalls die d« weitHche
weltlichen, nach dem unmittelbaren Vorbild eines römischen Impera-
torenzuges, wie man es aus antiken Reliefs kannte und aus den Schrift-
steilem ergänzte. Die Geschichtsanschauung der damaligen Italiener,
womit dies zusammenhing, ist oben (S. 82, 100) geschildert worden.
Zunächst gab es hier und da wirkliche Einzüge siegreicher Eroberer,
welche man möglichst jenem Vorbilde zu nähern suchte, auch gegen
den Geschmack des Triumphators selbst. Francesco Sforza hatte (1450)
die Kraft, bei seinem Einzug in Mailand den bereitgehaltenen Triumph-
wagen auszuschlagen, indem dergleichen ein Aberglaube der Könige
sei***. Alfonso der Große, bei seinem Einzug*^" in Neapel (1443), ent- Aiionsos Ein-
hielt sich wenigstens des Lorbeerkranzes, welchen bekanntlich Napo- Abb. 274
leon bei seiner Krönung in Notredame nicht verschmähte. Im übrigen
war Alfonsos Zug (durch eine Mauerbresche und dann durch die Stadt
bis zum Dom) ein wundersames Gemisch von antiken, allegorischen
und rein possierhchen Bestandteilen. Der von vier weißen Pferden ge-
zogene Wagen, auf welchem er thronend saß, war gewaltig hoch und
ganz vergoldet; zwanzig Patrizier trugen die Stangen des Baldachins
von Goldstoff, in dessen Schatten er einherfuhr. Der Teil des Zuges,
den die anwesenden Florentiner übernommen hatten, bestand zunächst
aus eleganten jungen Reitern, welche kunstreich ihre Speere schwan-
gen, aus einem Wagen mit der Fortuna und aus sieben Tugenden zu
Pferde. Die Glücksgöttin*^^ war nach derselben unerbittlichen Allcgorik,
welcher sich damals auch die Künstler bisweilen fügten, nur am Vorder-
haupt behaart, hinten kahl, und der auf einem untern Absatz des
Wagens befindliche Genius, welcher das leichte Zerrinnen des Glückes
vorstellte, mußte deshalb die Füße in einem Wasserbecken stehen (?)
haben. Dann folgte, von derselben Nation ausgestattet, eine Schar von
Reitern in den Trachten verschiedener Völker, auch als fremde Fürsten
und Große kostümiert, und nun auf hohem Wagen, über einer drehen-
den Weltkugel, ein lorbeergekrönter Juhus Cäsar*^*, welcher dem König .4 (»..<!?,.'«.?
in italienischen Versen alle bisherigen Allegorien erklärte und sich
dann dem Zuge einordnete. Sechzig Florentiner, alle in Purpur und
24.0 DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
Scharlach, machten den Beschluß dieser prächtigen Exhibition der fest-
kundigen Heimat. Dann aber kam eine Schar von Katalanen zu Fuß,
mit vorn und hinten angebundenen Schcinpferdchen und führte gegen
eine Türkenschar ein Scheingefecht auf, ganz als sollte das florenti-
nische Pathos verspottet werden. Darauf fuhr ein gewaltiger Turm ein-
her, dessen Tür von einem Engel mit einem Schwert bewacht wurde; oben
standen wiederum vier Tugenden, welche den König, jede besonders, an-
sangen. Der übrige Pomp des Zuges war nicht besonders charakteristisch.
Beim Einzug Ludwigs XII. in Mailand 1507^^ gab es außer dem
unvermeidlichen Wagen mit Tugenden auch ein lebendes Bild: Jupiter,
Mars und eine von einem großen Netz umgebene Italia; hernach kam
ein mit Trophäen beladener Wagen usw.
DerSiegeszuK Wo abcr iu Wirklichkeit keine Siegeszüge zu feiern waren, da hielt
die Poesie sich und die Fürsten schadlos. Petrarca und Boccaccio hatten
(S. 232) die Repräsentanten jeder Art von Ruhm als Begleiter und Um-
gebung einer allegorischen Gestalt aufgezählt; jetzt werden die Zele-
britäten der ganzen Vorzeit zum Gefolge von Fürsten. Die Dichterin
Cleofe Gabrielli von Gubbio besangt* in diesem Sinne den Borso von
Ferrara. Sie gab ihm zum Geleit sieben Königinnen (die freien Künste
nämlich), mit welchen er einen Wagen besteigt, femer ganze Scharen
von Helden, welche zu leichterer Unterscheidung ihre Namen an der
Stirn geschrieben tragen; hernach folgen alle berühmten Dichter; die
Götter aber kommen auf Wagen mitgefahren. Um diese Zeit ist überhaupt
des mythologischen und allegorischen Herumkutschierens kein Ende,
und auch das wichtigste erhaltene Kunstwerk aus Borsos Zeiten, der
Abb. isb-^sü Freskenzyklus im Palast Schifanoja, weist einen ganzen Fries dieses
Inhalts auf^*. Raffael, als er die Camera della Segnatura auszumalen
hatte, bekam überhaupt diesen ganzen Gedankenkreis schon in recht aus-
gelebter, entweihter Gestalt in seine Hände. Wie er ihm eine neue und letzte
Weihe gab, wird denn auch ein Gegenstand ewiger Bewunderung bleiben.
Tnumphe Die eigentlichen triumphalen Einzüge von Eroberern waren nur
Römer Ausnahmen. Jeder festliche Zug aber, mochte er irgendein Ereignis
verherrlichen oder nur um seiner selber willen vorhanden sein, nahm
mehr oder weniger den Charakter und fast immer den Namen eines
Trionfo an. Es ist ein Wunder, daß man nicht auch die Leichenbegäng-
nisse in diesen Kreis liineinzog*^*.
Fürs erste führte man am Karneval und bei andern Anlässen Triumphe
bestimmter altrönuscher Feldherrn auf. So in Florenz den des Paulus
Aemilius (unter Lorcnzo magnifico), den des Camillus (beim Besuch
Leos X.), beide unter der Leitung des Malers Francesco Grannacci^'.
In Rom war das erste vollständig ausgestattete Fest dieser Art der
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 24I
Triumph des Augustus nach dem Siege über Cleopatra^^, unter Paul IL,
wobei außer heitern und mythologischen Masken (die ja auch den
antiken Triumphen nicht fehlten) auch alle andern Requisite vorkamen:
gefesselte Könige, seidene Schrifttafeln mit \'olks- und Senatsbeschlüssen,
ein antik kostümierter Scheinsenat nebst Ädilen, Qiiästoren, Prätoren
usw., vier Wagen voll singender Masken, und ohne Zweifel auch Tro-
phäenwagen. Andere Aufzüge versinnlichten mehr im allgemeinen die
alte Weltherrschaft Roms, und gegenüber der wirklich vorhandenen
Türkengefahr prahlte man etwa mit einer Kavalkade gefangener Türken
auf Kamelen. Später, im Karneval 1500, ließ Cesare Borgia, mit
kecker Beziehung auf seine Person, den Triumph Julius Cäsars, elf
prächtige Wagen stark, aufführen^^, gewiß zum Ärgeriris der Jubiläums-
pilger (S. 69). — Sehr schöne und geschmackvolle Trionfi von allgemei-
ner Bedeutung waren die von zwei wetteifernden Gesellschaften in Tnon« im
Florenz 1513 zur Feier der Wahl Leos X. aufgeführten**": der eine ""
stellte die drei Lebensalter der Menschen dar, der andere die Welt-
alter, sinnvoll eingekleidet in fünf Bilder aus der Geschichte Roms
und in zwei Allegorien, welche das goldene Zeitalter Saturns und dessen
endliche Wiederbringung schilderten. Die phantasiereiche Verzierung
der Wagen, wenn große florentinische Künstler sich dazu hergaben,
machte einen solchen Eindruck, daß man eine bleibende, periodische
Wiederholung solcher Schauspiele wünschbar fand. Bisher hatten die
Untertanenstädte am alljährlichen Huldigungstag ihre symbolischen Ge- .4W. jo<
schenke (kostbare Stoffe und Wachskerzen) einfach überreicht; jetzt**^
ließ die Kaufmannsgilde einstweilen zehn Wagen bauen (wozu in der
Folge noch mehrere kommen sollten), nicht sowohl um die Tribute
zu tragen, als um sie zu symbolisieren, und Andrea del Sarto, der einige
davon ausschmückte, gab denselben ohne Zweifel die herrlichste Ge-
stalt. Solche Tribut- und Trophäenwagen gehörten bereits zu jeder
festlichen Gelegenheit, auch wenn man nicht viel aufzuwenden hatte.
Die Sienesen proklamierten 1477 das Bündnis zwischen Ferrantc und
Sixtus IV., wozu auch sie gehörten, durch das Herumführen eines
Wagens, in welchem ,, einer als Friedensgöttin gekleidet auf einem Har-
nisch und andern Waffen stand"^*^.
Bei den venezianischen Festen entwickelte statt der Wagen die Wasser- 1 «tzuge zu
fahrt eine wundersame, phantastische Herrlichkeit. Eine Ausfahrt des
Bucintoro zum Empfang der Fürstinnen von Ferrara 1491 (S. 236)
wird uns als ein ganz märchenhaftes Schauspiel geschildert**^; ihm
zogen voran zahllose Schiffe mit Teppichen und Girlanden, besetzt mit
prächtig kostümierter Jugend; auf Schwebemaschinen bewegten sich
ringsum Genien mit Attributen der Gölter; weiter unten waren andere
Burekhardt 16
Wasser
2A2 niE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
in Gestalt von Tritonen und Nymphen gruppiert; überall Gesang,
Wohlgcrüche und das Flattern goldgestickter Fahnen. Auf den Bucin-
toro folgte dann ein solcher Schwärm von Barken aller Art, daß man
wohl eine Miglic weit das Wasser nicht mehr sah. Von den übrigen
Festlichkeiten ist außer der schon obengenannten Pantomime besonders
eine Regatta von fünfzig starken Mädchen erwähnenswert als etwas
Neues. Im 14. Jahrhundert^** war der Adel in besondere Korporationen
zur Abhaltung von Festlichkeiten geteilt, deren Hauptstück irgendeine
ungeheure Maschine auf einem Schiff ausmachte. So bewegte sich z. B.
1541 bei einem Fest der Scmpiterni durch den großen Kanal ein rundes
„Weltall", in dessen offenem Innern ein prächtiger Ball gehalten wurde.
Auch der Karneval war hier berühmt durch Bälle, Aufzüge und Auf-
führungen aller Art. Bisweilen fand man selbst den Markusplatz groß
genug, um nicht nur Turniere (S. 209, 221), sondern auch Trionfi
Politisches nach festländischer Art darauf abzuhalten. Bei einem Friedensfest ^**
''''" übernahmen die frommen Brüderschaften (scuole) jede ihr Stück eines
solchen Zuges. Da sah man zwischen goldenen Kandelabern mit roten
Wachskerzen, zwischen Scharen von Musikern und von Flügelknaben
mit goldenen Schalen und Füllhörnern einen Wagen, auf welchem
Noah und David beisammen thronten; dann kam Abigail, ein mit
Schätzen beladenes Kamel führend, und ein zweiter Wagen mit einer
Gruppe politischen Inhalts: Italia zwischen Venezia und Liguria, und
auf einer erhöhten Stufe drei weibliche Genien mit den Wappen der
verbündeten Fürsten. Es folgte unter andern eine Weltkugel mit Stern-
bildern ringsum, wie es scheint. Auf andern Wagen fuhren jene Fürsten
in leibhaftiger Darstellung mit samt Dirnern und Wappen, wenn wir
die Aussage richtig deuten.
Ki.ruev.ii in Dcr eigentliche Karneval, abgesehen von den großen Aufzügen, hatte
vielleicht im 15. Jahrhundert nirgends eine so vielartige Physiognomie
Abb. 2«9 als in Rom®*". Hier waren zunächst die Wettrennen am reichsten ab-
gestuft; es gab solche von Pferden, Büffeln, Eseln, dann von Alten, von
Burschen, von Juden usw. Paul II. speiste auch wolü das Volk in Masse
vor Palazzo di Venezia, wo er wohnte. Sodann hatten die Spiele auf
Piazza Navona, welche vielleicht seit der antiken Zeit nie ganz aus-
gestorben waren, einen kriegerisch prächtigen Charakter; es war ein
Scheingefecht von Reitern und eine Parade der bewaffneten Bürger-
schaft. Ferner war die Maskenfreiheit sehr groß und dehnte sich bis-
\veilen über mehrere Monate aus***". Sixtus IV. scheute sich nicht, in
ilen volkreichsten Gegenden der Stadt, auf Campo Fiore und bei den
Banchi, durch Schwärme von Masken hindurch zu passieren, nur einem
beabsichtigten Besuch von Masken im Vatikan wich er aus. Unter
Florenz
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE 243
Innocenz VIII. erreichte eine schon früher vorkommende Unsitte der
Kardinäle ihre Vollendung; im Karneval 1491 sandten sie einander
Wagen voll prächtig kostümierter Masken, Buffonen und Sängern zu,
welche skandalöse Verse hersagten; sie waren freilich von Reitern be- Fackeku«
gleitet. — Außer dem Karneval scheinen die Römer zuerst den Wert
eines großen Fackelzuges erkannt zu haben. Als Pius II. 1459 vom
Kongreß von Mantua zurückkam***, wartete ihm das ganze Volk mit
einem Fackelritt auf, welcher sich vor dem Palast in einem leuchtenden
Kreise herum bewegte. Sixtus IV. fand indes einmal für gut, eine
solche nächtliche Aufwartung des Volkes, das mit Fackeln und Öl-
zweigen kommen wollte, nicht anzunehmen**^.
Der florentinische Karneval aber übertraf den römischen durch eine Kamevai n>
bestimmte Art von Aufzügen, welche auch in der Literatur ihr Denkmal
hinterlassen hat**". Zwischen einem Schwärme von Masken zu Fuß und
zu Roß erscheint ein gewaltiger Wagen in irgendeiner Phantasieform,
und auf diesem entweder eine herrschende allegorische Gestalt oder
Gruppe samt den ihr zukommenden Gefährten, z. B. die Eifersucht mit
vier bebrillten Gesichtern an einem Kopfe, die vier Temperamente
(S. 173) mit den ihnen zukommenden Planeten, die drei Parzen, die
Klugheit thronend über Hoffnung und Furcht, die gefesselt vor ihr
liegen, die vier Elemente, Lebensalter, Winde, Jahreszeiten usw.; auch
der berühmte Wagen des Todes mit den Särgen, die sich dann öffneten.
Oder es fuhr einher eine prächtige mythologische Szene, Bacchus und
Ariadne, Paris und Helena usw. Oder endlich ein Chor von Leuten,
welche zusammen einen Stand, eine Kategorie ausmachten, z. B. die
Bettler, die Jäger mit N>Tnphen, die armen Seelen, welche im Leben
unbarmherzige Weiber gewesen, die Eremiten, die Landstreicher, die
Astrologen,dieTeufel, die Verkäufer bestimmter Waren,ja sogar einmal il
popolo, die Leute als solche, die sich dann in ihrem Gesang als schlechte
Sorte überhaupt anklagen müssen. Die Gesänge nämlich, welche gesam-
melt und erhalten sind, geben bald in pathetischer, bald in launiger, bald
in höchst unzüchtiger Weise die Erklärung des Zuges. Auch dem Lorenzo
magnifico werden einige der schlimmsten zugeschrieben, wahrscheinlich,
weil sich der wahre Autor nicht zu nennen wagte, gewiß aber ist von
ihm der sehr schöne Gesang zur Szene mit Bacchus und Ariadne, dessen
Refrain aus dem 15. Jahrhundert zu ims herübertönt wie eine wehmütige
Ahnung der kurzen Herrlichkeit der Renaissance selbst:
Quanto e bclla giovinezza.
Che si fugge tutta via!
Chi vuol esser lieto, sia:
Di doman non c'e ccrtczza.
16*
SECHSTER ABSCHNITT
SITTE UND RELIGION
Das Verhältnis der einzelnen Völker zu den höchsten Dingen, zu
Gott, Tugend und Unsterblichkeit, läßt sich wohl bis zu einem ge-
wissen Grade erforschen, niemals aber in strenger Parallele darstellen.
Je deutlicher die Aussagen auf diesem Gebiete zu sprechen scheinen,
desto mehr muß man sich vor einer unbedingten Annahme, einer Ver-
allgemeinerung derselben hüten.
DicMoiäiitat Vor allem gilt dies von dem Urteil über die Sittlichkeit. Man wird
viele einzelne Kontraste und Nuancen zwischen den Völkern nachweisen
können, die absolute Summe des ganzen aber zu ziehen ist menschliche
Einsicht zu schwach. Die große Verrechnung von Nationalcharakter,
Schuld und Gewissen bleibt eine geheime, schon weil die Mängel eine
zweite Seite haben, wo sie dann als nationale Eigenschaften, ja als
Tugenden erscheinen. Solchen Autoren, welche den Völkern gerne all-
gemeine Zensuren, und zwar bisweilen im heftigsten Tone schreiben,
muß man ihr Vergnügen lassen. Abendländische V^ölker können ein-
ander mißhandeln, aber glücklicherweise nicht richten. Eine große
Nation, die durch Kultur, Taten und Erlebnisse mit dem Leben der
ganzen neuern Welt verflochten ist, überhört es, ob man sie anklage
oder entschuldige; sie lebt weiter mit oder ohne Gutheißen der Theo-
retiker.
So ist denn auch, was hier folgt, kein Urteil, sondern eine Reihe von
Randbemerkungen, wie sie sich bei mehrjährigem Studium der italie-
nischen Renaissance von selber ergaben. Ihre Geltung in eine um so
beschränktere, als sie sich meist auf das Leben der hölicren Stände be-
ziehen, über welche wir hier im Guten wie im Bösen unverhältnismäßig
reichlicher unterrichtet sind als bei andern europäischen Völkern. Weil
aber Ruhm und Schmach hier lauter tönen als sonst irgendwo, so sind
wir deshalb der allgemeinen Bilanz der Sittlichkeit noch um keinen
Schritt näher.
Wessen Auge dringt in die Tiefen, wo sich Charaktere und Schick-
sale der Völker bilden? wo Angeborenes und Erlebtes zu einem neuen
SITTE UND RELIGION 245
Ganzen gerinnt und zu einem zweiten, dritten Naturell wird? wo selbst
geistige Begabungen, die man auf den ersten Blick für ursprünglich hal-
ten würde, sich erst relativ spät und neu bilden? Hatte z. B. der Italiener
vor dem 13. Jahrhundert schon jene leichte Lebendigkeit und Sicher-
heit des ganzen Menschen, jene mit allen Gegenständen spielende Ge-
staltungskraft in Wort und Form, die ihm seitdem eigen ist? — Und
wenn wir solche Dinge nicht wissen, wie sollen wir das unendlicli reiche
und feine Geäder beurteilen, durch welches Geist und Sittlichkeit un-
aufhörlich ineinander überströmen? Wohl gibt es eine persönliche Zu-
rechnung und ihre Stimme ist das Gewissen, aber die Völker möge man
mit Generalsentenzen in Ruhe lassen. Das scheinbar kränkste Volk kann
der Gesundheit nahe sein, und ein scheinbar gesundes kann einen mäch-
tig entwickelten Todeskeim in sich bergen, den erst die Gefahr an den
Tag bringt.
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts, als die Kultur der Renaissance auf Bewußtsein
df-r Demora-
ihrer Höhe angelangt und zugleich das politische Unglück der Nation lisation
so viel als unabwendbar entschieden war, fehlte es nicht an ernsten
Denkern, welche dieses Unglück mit der großen Sittenlosigkeit in Ver-
bindung brachten. Es sind keine von jenen Bußpredigern, welche bei
jedem Volke und zu jeder Zeit über die schlechten Zeiten zu klagen sich
verpflichtet glauben, sondern ein Machiavelli ist es, der mitten in einer
seiner wichtigsten Gedankenreihen*" es offen ausspricht: ja, wir Italicner
sind vorzugsweise irreligiös und böse. — Ein anderer hätte vielleicht
gesagt: wir sind vorzugsweise individuell entwickelt; die Rasse hat uns
aus den Schranken ihrer Sitte und Religion entlassen, und die äußern
Gesetze verachten wir, weil unsere Herrscher illegitim und ihre Beamten
und Richter verworfene Menschen sind. — Machiavelli selber setzt hin-
zu: weil die Kirche in ihren Vertretern das übelste Beispiel gibt.
Sollen wir hier noch beifügen: ,,weil das Altertum ungünstig ein- EmfiuOdes
_ . Altertunis
wirkte?" — jedenfalls bedürfte eine solche Annahme sorgfältiger Be-
schränkungen. Bei den Humanisten (S. 153) wird man am ehesten davon
reden dürfen, zumal in betreff ihres wüsten Sinnenlebens. Bei den übrigen
möchte sich die Sache ungefähr so verhalten haben, daß an die Stelle
des christlichen Lebensideals, der Heiligkeit, das der historischen Größe
trat, seit sie das Altertum kannten (Anm. Nr. 308). Durch einen nahe-
liegenden Mißverstand hielt man dann auch die Fehler für indifferent,
trotz welcher die großen Männer groß gewesen waren. Vermutlich ge-
schah dies fast unbewußt, denn wenn theoretische Aussagen dafür ange-
führt werden sollen, so muß man sie wieder bei den Humanisten suchen,
wie z. B. bei Paolo Giovio, der den Eidbruch des Giangaleazzo Visconti,
246
SITTE UND RELIGION
Ehrgefühl
insofern dadurch die Gründung eines Reiclies ermöglicht wurde, niit
dem Beispiel des Julius Cäsar entschuldigt^^^. Die großen florentinischen
Geschichtsschreiber und Politiker sind von so knechtischen Zitaten völlig
frei, und was in ihren Urteilen und Taten antik erscheint, ist es, weil ihr
Staatswesen eine notwendig dem Altertum einigermaßen analoge Denk-
weise hervorgetrieben hatte.
Immerhin aber fand Italien um den Anfang des 16. Jahrhunderts sich
in einer schweren sittlichen Krisis, aus welcher die Bessern kaum einen
Ausweg hofften.
Beginnen wir damit, die dem Bösen aufs stärkste entgegenwirkende
sittliche Kraft namhaft zu machen. Jene hochbegabten Menschen glaub-
Das moderne tcn sic ZU erkennen in Gestalt des Ehrgefühls. Es ist die rätselhafte
Mischung aus Gewissen und Selbstsucht, welche dem modernen Men-
schen noch übrig bleibt, auch wenn er durch oder ohne seine Schuld
alles übrige, Glauben, Liebe und Hoffnung eingebüßt hat. Dieses Ehr-
gefühl verträgt sich mit vielem Egoismus und großen Lastern und ist
ungeheurer Täuschungen fähig; aber auch alles Edle, das in einer Per-
sönlichkeit übrig geblieben, kann sich daran anschließen und aus diesem
Quell neue Kräfte schöpfen. In viel wciterm Sinne, als man gewöhnlich
denkt, ist es für die heutigen individuell entwickelten Europäer eine ent-
scheidende Richtschnur des Handelns geworden; auch viele von den-
jenigen, welche noch außerdem Sitte und Religion treulich festhalten,
fassen doch die wichtigsten Entschlüsse unbewußt nach jenem Gefühl.
Es ist nicht unsere Aufgabe nachzuweisen, wie schon das Altertum
eine eigentümliche Schattierung dieses Gefühles kannte und wie dann
das Mittelalter die Ehre in einem speziellen Sinne zur Sache eines be-
stimmten Standes machte. Auch dürfen wir mit denjenigen nicht strei-
ten, welche das Gewissen allein statt des Ehrgefühls als die wesentliche
Triebkraft ansehen; es wäre schöner und besser, wenn es sich so ver-
hielte, allein sobald man doch zugeben muß, daß die bessern Ent-
schlüsse aus einem ,,von Selbstsucht mehr oder weniger getrübten Ge-
wissen" hervorgehen, so nenne man lieber diese Mischung mit ihrem
Namen. Allerdings ist es bei den Italicnern der Renaissance bisweilen
schwer, dieses Ehrgefühl von der direkten Ruhmbegier zu unterscheiden,
in welche dasselbe häufig übergeht. Doch bleiben es wesentlich zwei
verschiedene Dinge.
An Aussagen über diesen Punkt fehlt es nicht. Eine besonders deut-
liche mag statt vieler hier ihre Stelle finden; sie stammt aus der erst
neuerlich an den Tag getrctenen^^ Aphorismen des Guicciardini. „Wer
die Ehre hochhält, dem gelingt alles, weil er weder Mühe, Gefahr noch
Kosten scheut; ich habe es an mir selbst erprobt und darf es sagen und
Aussagen
darüber
SITTE UND RELIGION 247
schreiben: eitel und lot sind diejenigen Handlungen der Menschen,
welche nicht von diesem starken Antrieb ausgehen." Wir müssen frei-
lich hinzusetzen, daß nach anderweitiger Kunde vom Leben des Ver-
fassers hier durchaus nur vom Ehrgefühl und nicht vom eigentlichen
Ruhme die Rede sein kann. Schärfer aber als vielleicht alle Italiener
hat Rabelais die Sache betont. Zwar nur ungern mischen wir diesen Rabeiau
Namen in unsere Forschung; was der gewaltige, stets barocke Franzose
gibt, gewährt uns ungefähr ein Bild davon, wie die Renaissance sich aus-
nehmen würde ohne Form und ohne Schönheit^^*. Aber seine Schilde-
rung eines Idealzustandes im Thelemitenkloster ist kulturgeschichtlich
entscheidend, so daß ohne diese höchste Phantasie das Bild des 1 6. Jahr-
hunderts unvollständig wäre. Er erzählt*^* von diesen seinen Herren
und Damen vom Orden des freien Willens unter andern wie folgt:
En leur reigle n'estoit que ceste clause: Fay cc que vouldras.
Parce que gens liberes, bien nayz^^*, bien instruictz, conversans en com-
paignies honnestes, ont par nature ung instinct et aguillon qui tous-
jours les poulse ä faictz vertueux, et retire de vice: Icquel ilz nommoycnt
honneur.
Es ist derselbe Glaube an die Güte der menschüchen Natur, welcher
auch die zweite Hälfte des 1 8. Jahrhunderts beseelte und der französi-
schen Revolution die Wege bereiten half. Auch bei den Italienern appel-
liert jeder individuell an diesen seinen eigenen edeln Instinkt, und wenn
im großen und ganzen — hauptsächlich unter dem Eindruck des natio-
nalen Unglückes ^ pessimistischer geurteilt oder empfunden wird,
gleichwohl wird man immer jenes Ehrgefühl hochhalten müssen. Wenn
einmal die schrankenlose Entwicklung des Individuums eine welthisto-
rische Fügung, wenn sie stärker war als der Wille des einzelnen, so ist
auch diese gegenwirkende Kraft, wo sie im damaligen Italien vorkommt,
eine große Erscheinung. Wie oft und gegen welch heftige Angriffe der
Selbstsucht sie den Sieg davontrug, wissen wir eben nicht, und deshalb
reicht unser menschliches Urteil überhaupt nicht aus, um den absoluten
moralischen Wert der Nation richtig zu schätzen.
Was nun der Sittlichkeit des höher entwickelten Italieners der Renais- Die i'hanta-
sance als wichtigste allgemeine Voraussetzung gegenübersteht, ist die Henschaft
Phantasie. Sie vor allem verleiht seinen Tugenden und Fehlern ihre be-
sondere Farbe; unter ihrer Herrschaft gewinnt seine entfesselte Selbst-
sucht erst ihre volle Furchtbarkeit.
Um ihretwillen wird er z. B. der frühste große Hasardspicler der spicisucht
neuern Zeit, indem sie ihm die Bilder des künftigen Reichtums und der
künftigen Genüsse mit einer solchen Lebendigkeit vormalt, daß er das
Äußerste daransetzt. Die mohammedanischen Völker wären ihm hierin
24.8 SITTE UND RELIGION
ohne allen Zweifel vorangegangen, hätte nicht der Koran von Anfang
an das Spiclverbot als die notwendigste Schutzwehr islamitischer Sitte
festgestellt und die Phantasie seiner Leute an Auffindung vergrabener
Schätze gewiesen. In Italien wurde eine Spielwut allgemein, welche
schon damals häufig genug die Existenz des einzelnen bedrohte oder
zerstörte. Florenz hat schon zu Ende des 14. Jahrhunderts seinen Casa-
nova, einen gewissen Buonaccorso Pitti, welcher auf beständigen Reisen
als Kaufmann, Parteigänger, Spekulant, Diplomat und Spieler von
Profession enorme Summen gewann und verlor und nur noch Fürsten
zu Partnern gebrauchen konnte, wie die Herzoge von Brabant, Bayern
und Savoyen^^'. Auch der große Glückstopf, welchen man die römische
Kurie nannte, gewöhnte seine Leute an ein Bedürfnis der Aufregung,
welches sich in den Zwischenpausen der großen Intrigen notwendig
durch Würfelspiel Luft machte. Franceschetto Cybö verspielte z. B. einst
zweimal an Kardinal Raffaele Riario 14000 Dukaten und klagte her-
nach beim Papst, sein Mitspieler habe ihn betrogen^^. In der Folge
wurde bekanntlich Italien die Heimat des Lotteriewesens.
Rachsmhi Die Phantasie ist es auch, welche hier der Rachsucht ihren besondern
Charakter gibt. Das Rechtsgefühl wird wohl im ganzen Abendland von
jeher eins und dasselbe gewesen und seine Verletzung, so oft sie unge-
straft blieb, auf die gleiche Weise empfunden worden sein. Aber andere
Völker, wenn sie auch nicht leichter verzeihen, können doch leichter
vergessen, während die italienische Phantasie das Bild des Unrechts in
furchtbarer Frische erhält*^*. Daß zugleich in der Volksmoral die Blut-
rache als eine Pflicht gilt und oft auf das giäßlichste geübt wird, gibt
dieser allgemeinen Rachsucht noch einen besonderen Grund und Boden.
Regierungen und Tribunale der Städte erkennen ihr Dasein und ihre
Berechtigung an und suchen nur den schlimmsten Exzessen zu steuern.
Aber auch unter den Bauern kommen thyesteische Mahlzeiten und weit
sich ausbreitender Wechselmord vor; hören wir nur einen Zeugen**".
Blutrache der In der Laudschaft von .Acquapendente hüteten drei Hirtenknaben das
Vieh, und einer sagte: wir wollen versuchen, wie man die Leute henkt.
.\ls der eine dem andern auf der Schulter saß und der dritte den Strick
zuerst um dessen Hals schlang und dann an eine Eiche band, kam der
Wolf, so daß die beiden entflohen und jenen hängen ließen. Hernach
fanden sie ihn tot und begruben ihn. Sonntags kam sein Vater, um ihm
Brot zu bringen, und einer von den beiden gestand ihm den Hergang
und zeigte ihm das Grab. Der Alte aber tötete diesen mit einem Messer,
schnitt ihn auf, nahm die Leber und bewirtete damit zu Hause dessen
Vater; dann sagte er ihm, wessen Leber er gegessen. Hierauf begann
das wechselseitige Morden zwischen den beiden Familien, und binnen
SITTE CND RELIGION
249
einem Monat waren 36 Personen, Weiber sowohl als Männer, umge-
bracht.
Und solche Vendetten, erblich bis auf mehrere Generationen, auf der hohem
Seitenverwandte und Freunde, erstreckten sich auch weit in die höhern s'-^"")*
Stände hinauf Chroniken sowohl als Novellensammlungen sind voll von
Beispielen, zumal von Racheübungen wegen entehrter Weiber. Der
klassische Boden hiefür war besonders die Romagna, wo sich die Ven-
detta mit allen erdenklichen sonstigen Parteiungen verflocht. In furcht-
barer Symbolik stellt die Sage bisweilen die Vei-wilden.ing dar, welche
über dieses kühne, kräftige Volk kam. So z. B. in der Geschichte von
jenem vornehmen Ravennaten, der seine Feinde in einem Turm bei-
sammen hatte und sie hätte verbrennen können, statt dessen aber sie
herausließ, umarmte und herrlich bewirtete, worauf die wütende Scham
sie erst recht zur Verschwörung antrieb**^ Unablässig predigten fromme,
ja heilige Mönche zur Versöhnung, aber es wird alles gewesen sein, was
sie erreichten, wenn sie die schon im Gange befindlichen X'endetten ein-
schränkten; das Entstehen von neuen werden sie wohl schwerlich gehin-
dert haben. Die Novellen schildern uns nicht selten auch diese Ein-
wirkung der Religion, die edle Aufwallung und dann deren Sinken durch
das Schwergewicht dessen, was vorangegangen und doch nicht mehr zu
ändern ist. Hatte doch der Papst in Person nicht immer Glück im Frie-
denstiften: ,, Papst Paul II. wollte, daß der Hader zwischen Antonio
Caffarello und dem Hause Alberino aufhöre und ließ Giovanni Alberino
und Antonio Caffarello vor sich kommen und befahl ihnen, einander
zu küssen und kündigte ihnen 2000 Dukaten Strafe an, wenn sie ein-
ander wieder ein Leid antäten, und zwei Tage darauf wurde Antonio
von demselben Giacomo Alberino, Sohn des Giovanni, gestochen, der
ihn vorher schon verwundet hatte, und Papst Paul wurde sehr unwillig
und ließ den Alberino die Habe konfiszieren und die Häuser schleifen \ersöhnungs-
und Vater und Sohn aus Rom verbannen"*^^. Die Eide und Zeremonien, ^ ^"
wodurch die Versöhnten sich vor dem Rückfall zu sichern suchen, sind
bisweilen ganz entsetzlich; als am Sylvesterabend 1494 im Dom von
Siena^*^ die Parteien der Nove und der Popolari sich paanveise küssen
mußten, wurde ein Schwur dazu verlesen, worin dem künftigen Über-
treter alles zeitliche und ewige Heil abgesprochen wurde, ,,ein Schwur
so erstaunlich und schrecklich wie noch keiner erhört worden"; selbst
die letzten Tröstungen in der Todesstunde sollten sich in Verdammnis
verkehren für den, welcher ihn verletzen würde. Es leuchtet ein, daß
dergleichen mehr die verzweifelte Stimmung der \^ermittler als eine
wirkliche Garantie des Friedens ausdrückte, und daß gerade die wahr-
ste Versöhnung am wenigsten solcher Worte bedurfte.
Die Rache in
der öffent-
lichen Mei-
nung
Kache und
[Dankbarkeit
250 SITTE UND RELIGION
Das individuelle Rachebedürfnis des Gebildeten und des Hochstehen-
den, ruhend auf der mächtigen Grundlage einer analogen Volkssitte,
spielt nun natürlich in tausend Farben und wird von der öflfentlichen
Meinung, welche hier aus den Novellisten redet, ohne allen Rückhalt
gebilligt^^*. Alle Welt ist darüber einig, daß bei denjenigen Beleidigungen
und Verletzungen, für welche die damalige italienische Justiz kein Recht
schafft, und vollends bei denjenigen, gegen die es nie und nirgends ein
genügendes Gesetz gegeben hat noch geben kann, jeder sich selber
Recht schaffen dürfe. Nur muß Geist in der Rache sein und die
Satisfaktion sich mischen aus tatsächlicher Schädigung und geistiger
Demütigung des Beleidigers; brutale plumpe Übermacht allein gilt
in der öffentlichen Meinung für keine Genugtuung. Das ganze Indi-
viduum, mit seiner Anlage zu Ruhm und Hohn muß triumphieren,
nicht bloß die Faust.
Der damalige Italiener ist vieler Verstellung fähig, um bestimmte
Zwecke zu erreichen, aber gar keiner Heuchelei in Sachen von Prin-
zipien, weder vor andern noch vor sich selber. Mit völliger Naivität
wird deshalb auch diese Rache als ein Bedürfnis zugestanden. Ganz
kühle Leute preisen sie vorzüglich dann, wenn sie, getrennt von eigent-
licher Leidenschaft, um der bloßen Zweckmäßigkeit willen auftritt, ,, da-
mit andere Menschen lernen dich unangefochten zu lassen**^". Doch
werden solche Fälle eine kleine Minderzahl gewesen sein gegenüber von
denjenigen, da die Leidenschaft Abkühlung suchte. Deutlich scheidet
sich hier diese Rache von der Blutrache; während letztere sich eher noch
innerhalb der Schranken der Vergeltung, des ius talionis hält, geht die
erstere notwendig darüber hinaus, indem sie nicht nur die Beistimmung
des Rechtsgefühls verlangt, sondern die Bewunderer und je nach Um-
ständen die Lacher auf ihrer Seite haben will.
Hierin liegt denn auch der Grund des oft langen Aufschiebens. Zu
einer ,,bella Vendetta" gehört in der Regel ein Zusammentreffen von
Umständen, welches durchaus abgewartet werden muß. Mit einer wah-
ren Wonne schildern die Novellisten hie und da das allmählige Heran-
reifen solcher Gelegenheiten.
Über die Moralität von Handlungen, wobei Kläger und Richter eine
Person sind, braucht es weiter keines Urteils. Wenn diese italienische
Rachsucht sich irgendwie rechtfertigen wollte, so müßte dies geschehen
durch den Nachweis einer entsprechenden nationalen Tugend, nämlich
der Dankbarkeit; dieselbe Phantasie, welche das erlittene Unrecht auf-
frischt und vergrößert, müßte auch das empfangene Gute im Andenken
erhalten^**. Es wird niemals möglich sein, einen solchen Nachweis im
Namen des ganzen Volkes zu führen, doch fehlt es nicht an Spuren
SITTE UND RELIGION 2tI
der Ehe
dieser Art im jetzigen italienischen Volkscharakter. Dahin gehört bei
den gemeinen Leuten die große Erkenntlichkeit für honette Behandlung
und bei hohem Ständen das gute gesellschafthche Gedächtnis.
Dieses Verhältnis der Phantasie zu den morahschen Eigenschaften
des ItaUeners wiederholt sich nun durchgängig. Wenn daneben schein-
bar viel mehr kalte Berechnung zutage tritt in Fällen, da der Nordländer
mehr dem Gemüte folgt, so hängt dies wohl davon ab, daß der Italiener
häufiger sowohl als früher und stärker individuell entwickelt ist. ^Vo dies
außerhalb ItaUens ebenfalls stattfindet, da ergeben sich auch ähnhche
Resultate; die zeitige Entfremdung vom Hause und von der väterhchen
Autorität z. B. ist der italienischen und der nordamerikanischen Jugend
gleichmäßig eigen. Später stellt sich dann bei den edlem Naturen das
Verhältnis einer freien Pietät zwischen Kindern und Eltern ein.
Es ist überhaupt ganz besonders schwer, über die Sphäre des Gemütes
bei andern Nationen zu urteilen. Dasselbe kann sehr entwickelt vor-
handen sein, aber in so fremdartiger Weise, daß der von draußen kom-
mende es nicht erkennt, es kann sich auch wohl vollkommen vor ihm
verstecken. Vielleicht sind alle abendländischen Nationen in dieser Be-
ziehung gleichmäßig begnadigt.
Wenn aber irgendwo die Phantasie als gewaltige Herrin sich in die Verletzung
Moralität gemischt hat, so ist dies geschehen im unerlaubten Verkehr
der beiden Geschlechter. Vor der gewöhnlichen Hurerei scheute sich
bekanntlich das Mittelalter überhaupt nicht, bis die Syphilis kam, und
eine vergleichende Statistik der damaligen Prostitution jederart gehört
nicht hieher. Was aber dem Italien der Renaissance eigen zu sein scheint,
ist daß die Ehe und ihr Recht vielleicht mehr und jedenfalls bewußter
als anderswo mit Füßen getreten wird. Die Mädchen der höheren
Stände, sorgfältig abgeschlossen, kommen nicht in Betracht; auf ver-
heiratete Frauen bezieht sich alle Leidenschaft.
Dabei ist bemerkenswert, daß die Ehen doch nicht nachweisbar ab-
nahmen und daß das Familienleben bei weitem nicht diejenige Zerstö-
rung erlitt, welche es im Norden unter ähnlichen Umständen erleiden
würde. Man wollte völhg nach Willkür leben, aber durchaus nicht auf
die Familie verzichten, selbst wenn zu fürchten stand, daß es nicht ganz
die eigene sei. Auch sank die Rasse deshalb weder physisch noch geistig
— derm von derjenigen scheinbaren geistigen Abnahme, welche sich
gegen die Mitte des 1 6. Jahrhunderts zu erkennen gibt, lassen sich ganz
bestimmte äußere Ursachen politischer und kirchlicher Art namhaft
machen, selbst wenn man nicht zugeben will, daß der Kreis der mög-
lichen Schöpfungen der Renaissance durchlaufen gewesen sei. Die Ita-
liener fuhren fort, trotz aller Ausschweifung zu den leibhch und geistig
252
SITTE UND RELIGION
Frivolp und
ideale Lieb-
schaft
Novellen-
moral
Stelluiiß de
Weibes
gesündesten und wohlgeborensten Bevölkerungen Europas zu gehören^*',
und behaupten diesen Vorzug bekanntUch bis auf diesen Tag, nachdem
sich die Sitten sehr gebessert haben.
Wenn man nun der Liebesmoral der Renaissance näher nachgeht, so
findet man sich betroffen von einem merkwürdigen Gegensatz in den
Aussagen. Die Novellisten und Komödiendichter machen den Eindruck,
als bestände die Liebe durchaus nur im Genüsse und als wären zu dessen
Erreichung alle Mittel, tragische wie komische, nicht nur erlaubt, son-
dern je kühner und frivoler, desto interessanter. Liest man die bessern
Lyriker und Dialogenschreiber, so lebt in ihnen die edelste Vertiefung
und Vergeistigung der Leidenschaft, ja der letzte und höchste Ausdruck
derselben wird gesucht in einer Aneignung antiker Ideen \on einer
ursprünglichen Einheit der Seelen im göttlichen Wesen. Und beide
Anschauungen sind damals wahr und in einem und demselben Indivi-
duum vereinbar. Es ist nicht durchaus rühmlich, aber es ist eine Tat-
sache, daß in dem modernen gebildeten Menschen die Gefühle auf ver-
schiedenen Stufen zugleich nicht nur stillschweigend vorhanden sind,
sondern auch zur bewußten, je nach Umständen künstlerischen Dar-
stellung kommen. Erst der moderne Mensch ist, wie der antike, auch in
dieser Beziehung ein Mikrokosmos, was der mittelalterliche nicht war
und nicht sein konnte.
Zunächst ist die Moral der Novellen beachtenswert. Es handelt sich
in den meisten derselben, wie bemerkt, um Ehefrauen und also um
Ehebruch.
Höchst wichtig erscheint nun hier jene oben (S. 224) erwähnte An-
sicht von der gleichen Geltung des Weibes mit dem Manne. Die höher
gebildete individuell entwickelte Frau verfügt über sich mit einer ganz
andern Souveränität als im Norden, und die Untreue macht nicht jenen
furchtbaren Riß durch ihr Leben, sobald sie sich gegen die äußern
Folgen sichern kann. Das Recht des Gemahles auf ihre Treue hat nicht
denjenigen festen Boden, den es bei den Nordländern durch die Poesie
und Leidenschaft der Werbung und des Brautstandes gewinnt; nach
flüchtigster Bekanntschaft, unmittelbar aus dem elterlichen oder klöster-
lichen Gewahrsam tritt die junge Frau in die Welt, und nun erst bildet
sich ihre Individualität ungemein schnell aus. Hauptsächlich deshalb ist
jenes Recht des Gatten nur ein sehr bedingtes, und auch wer es als ein
ius quaesitum ansieht, bezieht es doch nur auf die äußere Tat, nicht
auf das Herz. Die schöne junge Gemahlin eines Greises z. B. weist die
Geschenke und Botschaften eines jungen Liebhabers zurück, im festen
Vorsatz, ihre Ehrbarkeit (honesta) zu behaupten. „Aber sie freute sich
doch der Liebe des Jünglings wegen seiner großen Trefflichkeit, und sie
Strafe
SITTE UND RELIGION 253
erkannte, daß ein edles Weib einen ausgezeichneten Menschen heben
darf ohne Nachteil ihrer Ehrbarkeit"^^. Wie kurz ist aber der Weg von
einer solchen Distinktion bis zu völliger Hingebung.
Letztere erscheint dann soviel als berechtigt, wenn Untreue des Man- unueue und
nes hinzukommt. Das indi\iduell entwickelte Weib empfindet dieselbe
bei weitem nicht bloß als einen Schmerz, sondern als Hohn und De-
mütigung, namentlich als Überlistung, und nun übt sie, oft mit ziemlich
kaltem Bewußtsein, die vom Gemahl verdiente Rache. Ihrem Takt bleibt
es überlassen, das für den betreffenden Fall richtige Strafmaß zu treffen.
Die tiefste Kränkung kann z. B. einen Ausweg zur Versöhnung und zu
künftigem ruhigem Leben anbahnen, wenn sie völhg geheim bleibt. Die
Novellisten, welche dergleichen dennoch erfahren oder es gemäß der
Atmosphäre ihrer Zeit erdichten, sind voll von Bewunderung, wenn die
Rache höchst angemessen, wenn sie ein Kunstwerk ist. Es \ersteht sich,
daß der Ehemann ein solches Vergeltungsrecht doch im Grunde nie an-
erkennt und sich nur aus Furcht oder aus Klugheitsgründen fügt. Wo
diese wegfallen, wo er um der Untreue seiner Gemahlin willen ohnehin
erwarten oder wenigstens besorgen muß, \on dritten Personen ausge-
höhnt zu werden, da wird die Sache tragisch. Nicht selten folgt die ge-
waltsamste Gegenrache und der Mord. Es ist höchst bezeichnend für
die wahre Qiielle dieser Taten, daß außer dem Gemahl auch die Brü-
der^^^ und der \'ater der Frau sich dazu berechtigt, ja \'erpflichtet
glauben; die Eifersucht hat also nichts mehr damit zu tun, das sittliche
Gefühl w-enig, der Wunsch, dritten Personen ihren Spott zu verleiden
das meiste. „Heute", sagt Bandello^™, ,, sieht man eine, um ihre Lüste
zu erfüllen, den Gemahl vergiften, als dürfte sie dann, weil sie Witwe
geworden, tun, was ihr beliebt. Eine andere, aus Furcht \or Entdeckung
ihres unerlaubten Umganges, läßt den Gemahl durch ihren Geliebten
ermorden. Dann erheben sich Väter, Brüder und Gatten, um sich die
Schande aus den Augen zu schaffen, mit Gift, Schwert und andern
Mitteln, und dennoch fahren \icle Weiber fort, mit Verachtung des
eigenen Lebens und der Ehre, ihren Leidenschaften nachzuleben." Ein
andermal, in milderer Stimmung, ruft er aus: ,,Wenn man doch nur
nicht täglich hören müßte: Dieser hat seine Frau ermordet, weil er Un-
treue vermutete, jener hat die Tochter erwürgt, weil sie sich heimUch
vermählt hatte, jener endlich hat seine Schwester töten lassen, weil sie
sich nicht nach seinen Ansichten vermählen wollte! Es ist doch eine
große Grausamkeit, daß wir alles tun wollen, was uns in den Sinn
kommt und den armen Weibern nicht dasselbe zugestehen. Wenn sie
etwas tun, was uns mißfällt, so sind wir gleich mit Strick, Dolch und Gift
bei der Hand. Welche Narrheit der Männer, vorauszusetzen, daß ihre
254 SITTE UND RELIGION
und des ganzen Hauses Ehre von der Begierde eines Weibes abhänge!"
Leider wußte man den Ausgang solcher Dinge bisweilen so sicher vor-
aus, daß der Novellist auf einen bedrohten Liebhaber Beschlag legen
konnte, während derselbe noch lebendig herumlief. Der Arzt Antonio
Bologna^'i hatte sich insgeheim mit der verwitweten Herzogin von Malfi,
vom Hause Aragon, vermählt; bereits hatten ihre Brüder sie und ihre
Kinder wieder in ihre Gewalt bekommen und in einem Schloß ermordet.
Antonio, der letzteres noch nicht wußte und mit Hoffnungen hingehalten
wurde, befand sich in Mailand, wo ihm schon gedungene Mörder auf-
lauerten, und sang in Gesellschaft bei der Ippolita Sforza die Geschichte
seines Unglückes zur Laute. Ein Freund des genannten Hauses, Dclio,
,, erzählte die Geschichte bis zu diesem Punkte dem Scipione Atellano
und fügte bei, er werde dieselbe in einer seiner Novellen behandeln,
da er gewiß wisse, daß Antonio ermordet werden würde". Die Art, wie
dies fast unter den Augen Delios und Atellanos eintraf, ist bei Bandello
(I, 26) ergreifend geschildert.
Parteinahme Einstwcilcn abcr nehmen die Novellisten doch fortwährend Partei für
^^stcir ^llcs Sinnreiche, Schlaue und Komische, was beim Ehebruch vorkommt:
Abb. i'i mit Vergnügen schildern sie das Versteckspiel in den Häusern, die sym-
bolischen Winke und Botschaften, die mit Kissen und Konfekt zum
voraus versehenen Truhen, in welchen der Liebhaber verborgen und
fortgeschafft werden kann, u. dgl. m. Der betrogene Ehemann wird je
nach Umständen ausgemalt als eine ohnehin von Hause aus lächerliche
Person oder als ein furchtbarer Rächer; ein drittes gibt es nicht, es sei
denn, daß das Weib als böse und grausam und der Mann oder Liebhaber
als unschuldiges Opfer geschildert werden soll. Man wird indes bemer-
ken, daß Erzählungen dieser letzten Art nicht eigentliche Novellen,
sondern nur Schreckensbeispiele aus dem wrklichen Leben sind®"*.
Mit der Hispanisierung des italienischen Lebens im Verlauf des
16. Jahrhunderts nahm die in den Mitteln höchst gewaltsame Eifer-
sucht vielleicht noch zu, doch muß man dieselbe unterscheiden von der
schon vorher vorhandenen, im Geist der italienischen Renaissance selbst
begründeten Vergeltung der Untreue. Mit der Abnahme des spanischen
Kultureinflusscs schlug dann die auf die Spitze getriebene Eifersucht
gegen Ende des 1 7. Jahrhunderts in ihr Gegenteil um, in jene Gleich-
gültigkeit, welche den Cicisbeo als unentbehrliche Figur im Hause be-
trachtete und außerdem noch einen oder mehrere Geduldete (Patiti)
sich gefallen ließ.
vcrgicichuns Wer will es nun unternehmen, die ungeheure Surrune von Immorali-
tät, welche in den geschilderten \'crhältnissen liegt, mit dem zu ver-
gleichen, was in andern Ländern geschah. War die Ehe z. B. in Frank-
mit andern
Völkern
SITTE UND RELIGION 255
reich während des 15. Jahrhunderts wirklich heihger als in Italien? Die
Fabliaux und Farcen erregen starke Zweifel, und man sollte glauben,
daß die Untreue ebenso häufig, nur der tragische Ausgang seltener ge-
wesen, weil das Indi\iduum mit seinen Ansprüchen weniger entwickelt
war. Eher möchte zugunsten der germanischen Völker ein entscheidendes
Zeugnis vorhanden sein, nämlich jene größere gesellschaftliche Freiheit
der Frauen und Mädchen, welche den Italicnern in England und in
den Niederlanden so angenehm auffiel (Anm. Nr. 779). Und doch wird
man auch hierauf kein zu großes Gewicht legen dürfen. Die Untreue
war gewiß ebenfalls sehr häufig und der individuell entwickeltere Mensch
treibt es auch hier bis zur Tragödie. Man sehe nur, wie die damaligen
nordischen Fürsten bisweilen auf den ersten Verdacht hin mit ihren
Gemahlinnen umgehen.
Innerhalb des Unerlaubten aber bewegte sich bei den damaligen dr- verget-
Italienern nicht nur das gemeine Gelüste, nicht nur die dumpfe Begier ^"^ "
des gewöhnlichen Menschen, sondern auch die Leidenschaft der Edelsten
und Besten; nicht bloß weil die unverheirateten Mädchen sich außer-
halb der Gesellschaft befanden, sondern auch, weil gerade der voll-
kommene Mann am stärksten angezogen wurde von dem bereits durch
die Ehe ausgebildeten weiblichen Wesen. Diese Männer sind es, welche
die höchsten Töne der lyrischen Poesie angeschlagen und auch in Ab-
handlungen und Dialogen von der verzehrenden Leidenschaft ein ver-
klärtes Abbild zu geben versucht haben: l'amor divino. Wenn sie über
die Grausamkeit des geflügelten Gottes klagen, so ist damit nicht bloß
die Hartherzigkeit der Geliebten oder ihre Zurückhaltung gemeint, son-
dern auch das Bewußtsein der Unrechtmäßigkeit der Verbindung. Über
dieses Unglück suchen sie durch jene Vergeistigung der Liebe sich zu
erheben, welche sich an die platonische Seelenlehre anlehnt und in Pietro pietroBembo
Bembo ihren berühmtesten Vertreter gefunden hat. Man hört ihn un- ''
mittelbar im dritten Buch seiner Asolani, und mittelbar durch Castiglione,
welcher ihm jene prachtvolle Schlußrede des vierten Buches des Corti-
giano in den Mund legt. Beide Autoren waren im Leben keine Stoiker,
aber in jener Zeit wollte es schon etwas heißen, wenn man ein berühmter
und zugleich ein guter Mann war, und diese Prädikate kann man beiden
nicht versagen. Die Zeitgenossen nahmen das, was sie sagten, für wahr-
haft gefühlt, und .so dürfen auch wir es nicht als bloßes Phrasenwerk
verachten. Wer sich die Mühe nimmt, die Rede im Cortigiano nachzu-
lesen, wird einsehen, wie wenig ein Exzerpt einen Begriff davon geben
könnte. Damals lebten in Italien einige vornehme Frauen, welche wesent-
lich durch Verhältnisse dieser Art berühmt wurden, wie Giulia Gonzaga,
Veronica da Coreggio und vor allen Vittoria Colonna. Das Land der
256 SITTE UND RELIGION
Stärksten Wüstlinge und der größten Spötter respektierte diese Gattung
von Liebe und diese Weiber: Größeres läßt sich nicht zu ihren Gunsten
sagen. Ob etwas Eitelkeit dabei war, ob Vittoria den sublimicrten Aus-
druck hoffnungsloser Liebe von selten der berühmtesten Männer Italiens
gerne um sich herum tönen hörte, wer mag es entscheiden? Wenn die
Sache stellenweise eine Mode wurde, so war es immerhin kein kleines,
daß Vittoria wenigstens nicht aus der Mode kam und daß sie in der
spätesten Zeit noch die stärksten Eindrücke hervorbrachte. — Es dauerte
lange, bis andere Länder irgend ähnliche Erscheinungen aufwiesen.
Die Phantasie, welche dieses Volk mehr als ein anderes beherrscht,
ist dann überhaupt eine allgemeine Ursache davon, daß jede Leiden-
schaft in ihrem Verlauf überaus heftig und je nach Umständen ver-
brecherisch in den Mitteln wird. Man kennt eine Heftigkeit der Schwäche,
die sich nicht beherrschen kann; hier dagegen handelt es sich um eine
Ausartung der Kraft. Bisweilen knüpft sich daran eine Entwicklung ins
Kolossale; das Verbrechen gewinnt eine eigene, persönliche Konsistenz.
Allgemeiner Schranken gibt es nur noch wenige. Der Gegenwirkung des illegitimen,
auf Gewalt gegründeten Staates mit seiner Polizei fühlte sich jedermann,
auch das gemeine Volk, innerlich entwachsen, und an die Gerechtigkeit
der Justiz glaubt man allgemein nicht mehr. Bei einer Mordtat ist, bevor
man irgend die nähern Umstände kennt, die Sympathie unwillkürlich
auf Seiten des Mörders^'^. Ein männliches, stolzes Auftreten vor und
während der Hinrichtung erregt vollends solche Bewunderung, daß die
Erzähler darob leicht vergessen zu melden, warum der Betreffende ver-
urteilt war^'^. Wenn aber irgendwo zu der innerlichen Verachtung der
Justiz und zu den \ielcn aufgesparten Vendetten noch die Straflosigkeit
hinzutritt, etwa in Zeiten politischer Unruhen, dann scheint sich bis-
weilen der Staat und das bürgerliche Leben auflösen zu wollen. Solche
Momente hatte Neapel beim Übergang von der aragonesischen auf die
französische und auf die spanische Herrschaft, solche hatte auch Mailand
bei der mehrmaligen Vertreibung und Wiederkehr der Sforza. Da kom-
men jene Menschen zum Vorschein, welche den Staat und die Gesell-
schaft insgeheim niemals anerkannt haben und nun ihre räuberische
und mörderische Selbstsucht ganz souverän walten lassen. Betrachten
wir beispielshalber ein Bild dieser Art aus einem kleinern Kreise.
Als das Herzogtum Mailand bereits um 1480 durch die Innern Krisen
nach dem Tode des Galeazzo Maria Sforza erschüttert war, hörte in
den Provinzialstädten jede Sicherheit auf So in Parma*"*, wo der mai-
ländischc Gubcrnator, durch Mordanschläge in Schrecken gesetzt, sich
die Freilassung furchtbarer Menschen abdringen ließ, wo Einbrüche,
Dcmolitionen von Häusern. öffentUche Mordtaten etwas Gewöhnliches
SITTE UND RELIGION 257
wurden, wo zuerst maskierte Verbrecher einzeln, dann ohne Scheu jede
Nacht große bewaffnete Scharen herumzogen; dabei zirkuherten frevel-
hafte Spaße, Satiren, Drohbriefe, und es erschien ein Spottsonett gegen
die Behörden, welches dieselben offenbar mehr empörte als der entsetz-
liche Zustand selbst. Daß in vielen Kirchen die Tabernakel samt den
Hostien geraubt wurden, verrät noch eine besondere Farbe und Rich-
tung jener Ruchlosigkeit. Nun ist es wohl unmöglich zu erraten, was
in jedem Lande der Welt auch heute geschehen würde, wenn Regierung
und Polizei ihre Tätigkeit einstellten und dennoch durch ihr Dasein die
Eildung eines provisorischen Regimentes unmöglich machten; allein,
was damals in Italien bei solchen Anlässen geschah, trägt doch wohl
einen besonderen Charakter durch starke Einmischung der Rache.
Im allgemeinen macht das Italien der Renaissance den Eindruck, als
ob auch in gewöhnlichen Zeiten die großen Verbrechen häufiger ge-
wesen wären als in andern Ländern. Freilich könnte uns wohl der Um-
stand täuschen, daß wir hier verhältnismäßig weit mehr Spezielles davon
erfahren als irgend anderswo und daß dieselbe Phantasie, welche auf
das tatsächliche Verbrechen wirkt, auch das nichtgeschehene ersinnt.
Die Summe der Gewalttaten war vielleicht anderswo dieselbe. Ob der
Zustand z. B. in dem kraftvollen, reichen Deutschland um 1500, mit
seinen kühnen Landstreichern, gewaltigen Bettlern und wegelagernden
Rittern im ganzen sicherer gewesen, ob das Menschenleben wesenthch
besser garantiert war, läßt sich schwer ermitteln. Aber so viel ist sicher,
daß das prämeditierte, besoldete, durch dritte Hand geübte, auch das
zum Gewerbe gewordene Verbrechen in Italien eine große und schreck-
liche Ausdehnung gewonnen hatte.
Blicken wir auf das Räuberwesen, so wird vielleicht Italien damals Räuberwesen
nicht mehr, in glücklichern Gegenden wie z. B. Toskana sogar weniger
davon heimgesucht gewesen sein als die meisten Länder des Nordens.
Aber es gibt wesentlich italienische Figuren. Schwerlich findet sich an-
derswo z. B. die Gestalt des durch Leidenschaft verwilderten, allmähhch
zum Räuberhauptmann gewordenen Geistlichen, wovon jene Zeit unter
andern folgendes Beispiel liefert*'*. Am 12. August 1495 wurde in einen
eisernen Käfig außen am Turm von S. Giuliano zu Ferrara eingeschlossen
der Priester Don Nicolö de'Pelegati von Figarolo. Derselbe hatte zweimal
seine erste Messe gelesen; das erste Mal hatte er an demselben Tage einen
Mord begangen und war darauf in Rom absolviert worden; nachher
tötete er vier Menschen und heiratete zwei Weiber, mit welchen er
herumzog. Dann war er bei vielen Tötungen anwesend, notzüchtigte
Weiber, führte andere mit Gewalt fort, übte Raub in Masse, tötete noch
viele und zog im Ferraresischen mit einer uniformierten bewaffneten
Burckhardt 17
258 SITTE UND RELIGION
Bande herum, Nahrung und Obdach mit Mord und Gewalt erzwingend.
— Wenn man sich das Dazwischenhegende hinzudenkt, so ergibt sich
für den Priester eine ungeheure Summe des Frevels. Es gab damals
überall viele Mörder und andere Missetäter unter den so wenig beauf-
sichtigten und so hoch privilegierten Geistlichen und Mönchen, aber
kaum einen Pelegati. Etwas anderes, obwohl auch nichts Rühmliches,
ist es, wenn verlorene Menschen sich in die Kutte stecken dürfen, um
der Justiz zu entgehen, wie z. B. jener Korsar, den Massuccio in einem
Kloster zu Neapel kannte^''. Wie es sich mit Papst Johann XXIII. in
dieser Beziehung verhielt, ist nicht näher bekannt*'".
Die Zeit der individuell berühmten Räuberhauptleute beginnt übri-
gens erst später, im 17. Jahrhundert, als die politischen Gegensätze,
Guelfen und Ghibellinen, Spanier und Franzosen, das Land nicht mehr
in Bewegung setzten; der Räuber löst den Parteigänger ab.
verwüderte In gcwisscu Gegenden von Italien, wo die Kultur nicht hindrang,
^''"^"' waren die Landleute permanent mörderisch gegen jeden von draußen,
der ihnen in die Hände fiel. So namentlich in den entlegenem Teilen
des Königreiches Neapel, wo eine uralte Verwilderung vielleicht seit
der römischen Latifundienwirtschaft sich erhalten hatte, und wo man
den Fremden und den Feind, hospes und hostis, noch in aller Unschuld
für gleichbedeutend halten mochte. Diese Leute waren gar nicht irreli-
giös; es kam vor, daß ein Hirt voll Angst im Beichtstuhl erschien, um
zu bekennen, daß ihm während der Fasten beim Käsemachen ein paar
Tropfen Milch in den Mund gekommen. Freilich fragte der sittenkundige
Beichtvater bei diesem Anlaß auch noch aus ihm heraus, daß er oft mit
seinen Gefährten Reisende beraubt und ermordet hatte, nur daß dies
als etwas Landübliches keine Gewissensbisse rege machte*". Wie sehr
in Zeiten politischer Unruhen die Bauern auch anderswo verwdldern
konnten, ist bereits (S. 202) angedeutet worden.
D.r bez.hite Ein schlimmcrcs Zeichen der damaligen Sitte als die Räuberei ist die
Häufigkeit der bezahlten, durch dritte Hand geübten Verbrechen. Darin
ging zugestandenermaßen Neapel allen andern Städten voran. „Hier ist
gar nichts billiger zu kaufen als ein Menschenleben", sagt Pontano****.
Aber auch andere Gegenden weisen eine furchtbare Reihe von ^'Iisse-
taten dieser Art auf. Man kann dieselben natürlich nur schwer nach den
Motiven sondern, indem politische Zweckmäßigkeit, Parteihaß, persön-
liche Feindschaft, Rache und Furcht durcheinanderwirkten. Es macht
den Florentinern die größte Ehre, daß damals bei ihnen, dem höchst-
entwickelten Volke von Italien, dergleichen am wenigsten vorkommt**^
vielleicht weil es fiir berechtigte Beschwerden noch eine Justiz gab, die
man anerkannte, oder weil die höhere Kultur den Menschen eine andere
SITTE UND RELIGION
259
Ansicht verlieh über das verbrecherische Eingreifen in das Rad des
Schicksals; wenn irgendwo, so erwog man in Florenz, wie eine Blut-
schuld unberechenbar weiter wirkt und wie wenig der Anstifter auch bei
einem sogenannten nützlichen Verbrechen eines überwiegenden und
dauernden Vorteils sicher ist. Nach dem Untergang der florentinischen
Freiheit scheint der Meuchelmord, hauptsächlich der gedungene, rasch
zugenommen zu haben, bis die Regierung Cosimos I. so weit zu Kräften
kam, daß seine Polizei®** allen Missetaten gewachsen war.
Im übrigen Italien wird das bezahlte Verbrechen häufiger oder sel-
tener gewesen sein, je nachdem zahlungsfähige hochgestellte Anstifter
vorhanden waren. Es kann niemandem einfallen, dergleichen statistisch
zusammenzufassen, allein wenn von all den Todesfällen, die das Gerücht
als gewaltsam herbeigeführt betrachtete, auch nur ein kleiner Teil wirk-
liche Mordtaten waren, so macht dies schon eine große Summe aus.
Fürsten und Regierungen gaben allerdings das schlimmste Beispiel: sie
machten sich gar keine Bedenken daraus, den Mord unter die Mittel
ihrer Allmacht zu zählen. Es bedurfte dazu noch keines Cesare Borgia;
auch die Sforza, die Aragonesen, später auch die Werkzeuge Karls V.
erlaubten sich was zweckmäßig schien.
Die Phantasie der Nation erfüllte sich allmählich dergestalt mit Vor-
aussetzungen dieser Art, daß man bei Mächtigen kaum mehr an einen
natürlichen Tod glaubte. Freilich machte man sich von der Wirkungs-
kraft der Gifte bisweilen fabelhafte Vorstellungen. Wir wollen glauben,
daß jenes furchtbare weiße Pulver (S. 68) der Borgia auf bestimmte
Termine berechnet werden konnte, und so mag auch dasjenige Gift
wirklich ein venenum atterminatum gewesen sein, welches der Fürst von
Salemo dem Kardinal von Aragon reichte mit den Worten: ,,in wenigen
Tagen wirst du sterben, weil dein Vater, König Ferrante, uns alle hat
zertreten wollen**'." Aber der vergiftete Brief, welchen Caterina Riario
an Papst Alexander VI. sandte***, würde diesen schwerlich umgebracht
haben, auch wenn er ihn gelesen hätte; und als Alfons der Große von
den Ärzten gewarnt wurde, ja nicht in dem Li\'ius zu lesen, den ihm
Cosimo de'Medici übersandte, antwortete er ihnen gewiß mit Recht:
höret auf, so töricht zu reden***. Vollends hätte jenes Gift nur sym-
pathetisch wirken können, womit der Sekretär Piccininos den Tragstuhl
des Papstes Pius II. nur ein wenig anstreichen wollte***. Wie weit es
sich durchschnittUch um mineralische oder Pflanzengifte handelte, läßt
sich nicht bestimmen; die Flüssigkeit, mit welcher der Maler Rosso
Fiorentino (1541) sich das Leben nahm, war offenbar eine heftige
Säure**', welche man keinem andern hätte unbemerkt beibringen kön-
nen. — Für den Gebrauch der Waffen, zumal des Dolches, zu heimlicher
17»
Fiirstüche
?iIordstifter
Die Ver-
giftUDgeu
200 SITTE UND RELIGION
Gewalttat hatten die Großen in Mailand, Neapel und anderswo leider
einen unaufhörlichen Anlaß, indem unter den Scharen von Bewaffneten,
welche sie zu ihrem eigenen Schutze nötig hatten, schon durch den
bloßen Müßiggang hie und da sich eine wahre Mordlust ausbilden
mußte. Manche Greueltat wäre wohl unterblieben, wenn der Herr nicht
gewußt hätte, daß es bei diesem und jenem aus seinem Gefolge nur eines
Winkes bedürfe.
Unter den geheimen Mitteln des Verderbens kommt — wenigstens
der Absicht nach — auch die Zauberei vor^^, doch nur in sehr unter-
geordneter Weise. Wo etwa maleficii, malie u. dgl. erwähnt werden, ge-
schieht es meist, um auf ein ohnehin gehaßtes oder abscheuliches Indi-
viduum alle erdenklichen Schrecken zu häufen. An den Höfen von Frank-
reich und England im 14. und 15. Jahrhundert spielt der verderbliche,
tödliche Zauber eine viel größere Rolle, als unter den höhern Ständen
Abb. 1S2 von Italien.
Die absoluten EudHch ersclicinen in diesem Lande, wo das Individuelle in jeder
" Weise kulminiert, einige Menschen von absoluter Ruchlosigkeit, bei
welchen das Verbrechen auftritt um seiner selbst willen, nicht mehr als
Mittel zu einem Zweck, oder wenigstens als Mittel zu Zwecken, welche
sich aller psychologischen Norm entziehen.
Zu diesen entsetzlichen Gestalten scheinen zunächst auf den ersten
Abb. 79 Anblick einige Kondottieren zu gehören^^*, ein Braccio von Montone,
ein Tiberto Brandolino, und schon ein Werner von Urslingen, dessen
silbernes Brustschild die Inschrift trug: Feind Gottes, des Mitleids und
der Barmherzigkeit. Daß diese Menschenklasse im ganzen zu den früh-
sten völlig emanzipierten Frevlern gehörte, ist gewiß. Man wird jedoch
behutsamer urteilen, sobald man innewird, daß das allerschwerste Ver-
brechen derselben — nach dem Sinne der Aufzeichner — im Trotz
gegen den geistlichen Bann liegt und daß die ganze Persönlichkeit erst
von da aus mit jenem fahlen, unheimlichen Lichte bestrahlt erscheint.
Bei Braccio war diese Gesinnung allerdings so weit ausgebildet, daß er
z. B. über psallicrendc Mönche in Wut geraten konnte und sie von einem
Turm herunterwerfen ließ^*", ,, allein gegen seine Soldaten war er doch
loyal und ein großer Feldlierr". Überhaupt werden die Verbrechen der
Kondottieren meist um des Vorteils willen begangen worden sein, auf
Antrieb ihrer höchst demoralisierenden Stellung, und auch die schein-
bar mutwillige Grausamkeit möchte in der Regel ihren Zweck gehabt
haben, wäre es auch nur der einer allgemeinen Einschüchterung gewesen.
Die Grausamkeiten der Aragonesen hatten, wie wir (S. 21) sahen, ihre
Hauptquelle in Rachsucht und Angst. Einen unbedingten Blutdurst,
eine teuflische Lust am Verderben wird man am ehesten bei dem Spanier
SITTE UND RELIGION
261
Abb. 74
'\n<\ Indivi-
^luali&uius
Cesare Borgia finden, dessen Greuel die vorhandenen Zwecke in der Tat
um ein Bedeutendes überschreiten (S. 66 ff.). Sodann ist eine eigentliche
Lust am Bösen in Sigismondo Malatesta, dem Gewaltherrscher von sig.Maiatesta
Rimini fS. 20 und 127 f.) erkennbar; es ist nicht nur die römische Kurie^",
sondern auch das Urteil der Geschichte, welches ihm Mord, Notzucht,
Ehebruch, Blutschande, Kirchenraub, Meineid und Verrat und zwar in
wiederholten Fällen schuld gibt; das Gräßhchste aber, die versuchte Not-
zucht am eigenen Sohn Roberto, welche dieser mit gezücktem Dolche
zurückwies*'*, möchte doch wohl nicht bloß Sache der Verworfenheit,
sondern eines astrologischen oder magischen Aberglaubens gewesen sein.
Dasselbe hat man schon vermutet, um die Notzüchtigung des Bischofs
von Fano^'^ durch Pierluigi Farnese von Parma, Sohn Pauls III., zu
erklären.
Wenn wir uns nun erlauben dürfen die Hauptzüge des damaligen sittuchkeit
italienischen Charakters, wie er uns aus dem Leben der höhern Stände
überliefert ist, zusammenzufassen, so würde sich etwa folgendes ergeben.
Der Grundmangel dieses Charakters erscheint zugleich als die Bedingung
seiner Größe: der entwickelte Individualismus. Dieser reißt sich zuerst
innerlich los von dem gegebenen meist tyrannischen und illegitimen
Staatswesen, und was er nun sinnt und tut, das wird ihm zum Verrat
angerechnet, mit Recht oder mit Unrecht. Beim Anblick des siegreichen
Egoismus unternimmt er selbst, in eigener Sache, die Verteidigung des
Rechtes und verfällt durch die Rache, die er übt, den dunkeln Gewalten,
während er seinen innem Frieden herzustellen glaubt. Seine Liebe wen-
det sich am ehesten einem andern entwickelten Indi\adualismus zu, näm-
lich der Gattin seines Nächsten. Gegenüber von allem Objektiven, von
Schranken und Gesetzen jeder Art hat er das Gefühl eigener Souveräni-
tät und entschheßt sich in jedem einzelnen Fall selbständig, je nachdem
in seinem Innem Ehrgefühl und Vorteil, kluge Erwägung und Leiden-
schaft, Entsagung und Rachsucht sich vertragen.
Wenn nun die Selbstsucht im weitem wie im engem Sinne Wurzel
und Hauptstamm alles Bösen ist, so wäre schon deshalb der entwickelte
Italiener damals dem Bösen näher gewesen als andere Völker.
Aber diese individuelle Entwickclung kam nicht durch seine Schuld
über ihn, sondern durch einen weltgeschichtlichen Ratschluß; sie kam
auch nicht über ihn allein, sondern wesentlich vermittelst der italieni-
schen Kultur auch über alle andern Völker des Abendlandes und ist
seitdem das höhere Medium, in welchem dieselben leben. Sie ist an sich
weder gut noch böse, sondern notwendig; innerhalb derselben entwickelt
sich ein modernes Gutes und Böses, eine sittliche Zurechnung, welche
von der des Mittelalters wesentlich verschieden ist.
202 SITTE UND RELIGION
Der Italiener der Renaissance aber hatte das erste gewaltige Daher-
wogen dieses neuen Weltalters zu bestehen. Mit seiner Begabung und
seinen Leidenschaften ist er für alle Höhen und alle Tiefen dieses Welt-
alters der kenntlichste, bezeichnendste Repräsentant geworden; neben
tiefer Verworfenheit entwickelt sich die edelste Harmonie des Persön-
lichen und eine glorreiche Kunst, welche das individuelle Leben ver-
herrlichte, wie weder Altertum noch Mittelalter dies wollten oder konnten.
Die Reiisiüii Mit dcr Sittlichkeit eines Volkes steht in engstem Zusammenhang die
Frage nach seinem Gottesbewußtsein, d. h. nach seinem großem oder
geringem Glauben an eine göttliche Leitung der Welt, mag nun dieser
Glaube die Welt für eine zum Glück oder zum Jammer und baldigen
Untergang bestimmte halten^**. Nun ist der damalige italienische Un-
glaube im allgemeinen höchst berüchtigt, und wer sich noch die Mühe
eines Beweises nimmt, hat es leicht, Hunderte von Aussagen und Bei-
spielen zusammenzustellen. Unsere Aufgabe ist auch hier, zu sondern
und zu unterscheiden; ein abschließendes Gesamturteil werden wir uns
auch hier nicht erlauben.
Das Gottesbewußtsein der frühern Zeit hat seine Quelle und seinen
Anhalt im Christentum und in dessen äußerer Machtgestalt, der Kirche,
gehabt. Als die Kirche ausartete, hätte die Menschheit distinguieren und
ihre Religion trotz allem behaupten sollen. Aber ein solches Postulat
läßt sich leichter aufstellen als erfüllen. Nicht jedes Volk ist ruhig oder
stumpfsinnig genug, um einen dauernden Widerspruch zwischen einem
Prinzip und dessen äußerer Darstellung zu ertragen. Die sinkende Kirche
ist es, auf welche jene schwerste Verantwortung fällt, die je in der Ge-
schichte vorgekommen ist: sie hat eine getrübte und zum Vorteil ihrer
Allmacht entstellte Lehre mit allen Mitteln der Gewalt als reine Wahr-
heit durchgesetzt und im Gefühl ihrer Unantastbarkeit sich der schwer-
sten Entsittlichung überlassen; sie hat, um sich in solchem Zustande zu
behaupten, gegen den Geist und das Gewissen der Völker tödliche
Streiche geführt und viele von den Höherbegabten, welche sich ihr inner-
lich entzogen, dem Unglauben und der Verbitterung in die Arme ge-
trieben.
Mangel einer Hicr stcUt sicl'. uus auf dcm Wege die Frage entgegen: warum das gei-
p onna lon ^^.^ ^^ mächtigc Italien nicht kräftiger gegen die Hierarchie reagiert, war-
um es nicht eine Reformation gleich der deutschen und vor derselben
zustande gebracht habe?
Es gibt eine scheinbare Antwort: die Stimmung Italiens habe es nicht
über die Verneinung der Hierarchie hinausgebratht, während Ursprung
SITTE UND RELIGION 363
und Unbezwingbarkeit der deutschen Reformation den positiven Lehren,
zumal von der Rechtfertigung durch den Glauben und \om Unwert der
guten Werke, verdankt werde.
Es ist gewiß, daß diese Lehren erst von Deutschland her auf Italien
wirkten, und zwar viel zu spät, als die spanische Macht bei weitem groß
genug war, um teils unmittelbar, teils durch das Papsttum und dessen
Werkzeuge alles zu erdrücken*^^. Aber schon in den frühem religiösen
Bewegungen Italiens von den Mystikern des 13. Jahrhunderts bis auf
Savonarola war auch sehr viel positiver Glaubensinhalt, dem zur Reife
nichts als das Glück fehlte, wie es ja dem sehr positiv christlichen Huge-
nottentum auch fehlte. Kolossale Ereignisse wie die Reform des 16. Jahr-
hunderts entziehen sich wohl überhaupt, was das einzelne, den Ausbruch
und Hergang betrifft, aller geschichtsphilosophischen Deduktion, so klar
man auch ihre Notwendigkeit im großen und ganzen ervveisen kann.
Die Bewegungen des Geistes, ihr plötzHches Aufblitzen, ihre Verbreitung,
ihr Innehalten sind und bleiben unsern Augen wenigstens insoweit ein
Rätsel, als wir von den dabei tätigen Kräften immer nur diese und jene,
aber niemals alle kennen.
Die Stimmung der höhern und mittlem Stände Italiens gegen die steiinngiur
Kirche zur Zeit der Höhe der Renaissance ist zusammengesetzt aus tie-
fem, verachtungsvollem Unwillen, aus Akkommodation an die Hierarchie,
insofern sie auf alle Weise in das äußere Leben vei^flochten ist, und aus
einem Gefühl der Abhängigkeit von den Sakramenten, Weihen und Seg-
nungen. Als etwa für Italien speziell Bezeichnendes dürfen wir noch die
große individuelle Wirkung heiliger Prediger beifügen.
Über den antihierarchischen Unwillen der Italiener, wie er sich zu- zur
mal seit Dante in Literatur und Geschichte offenbart, sind eigene um- "^""^ ""
fangreiche Arbeiten vorhanden. Von der Stellung des Papsttums zur
öffentlichen Meinung haben wir selber oben (S. 61 f., 123) einige Rechen-
schaft geben müssen, und wer das Stärkste aus erlauchten Quellen schöp-
fen will, der kann die berühmten Stellen in Macchiavells Discorsi und
in (dem unverstümmelten) Guicciardini nachlesen. Außerhalb der römi-
schen Kurie genießen noch am ehesten die bessern Bischöfe einigen sitt-
lichen Respekt^**, auch manche Pfarrer; dagegen sind die bloßen Pfründ-
ner, Chorherren und Mönche fast ohne Ausnahme verdächtig und oft
mit der schmachvollsten Nachrede, die den ganzen betreffenden Stand
umfaßt, übel beladen.
Man hat schon behauptet, die Mönche seien zum Sündenbock für nie Bettei-
den ganzen Klerus geworden, weil man nur über sie gefahrlos habe
spotten dürfen**'. Allein dies ist auf alle Weise irrig. In den Novellen
und Komödien kommen sie deshalb vorzugsweise vor, weil diese beiden
264 SITTE UND RELIGION
Literaturgattungen stehende, bekannte Typen lieben, bei welchen die
Phantasie leicht das nur Angedeutete ergänzt. Sodann schont die Novelle
auch den Weltklerus nicht^^*. Drittens beweisen zahllose Aufzeichnungen
der ganzen übrigen Literatur, wie keck über das Papsttum und die
römische Kurie öffentlich geredet und geurteilt wurde; in den freien
Schöpfungen der Phantasie muß man aber dergleichen nicht erwarten.
Viertens konnten sich auch die Mönche bisweilen furchtbar rächen.
Soviel ist immerhin richtig, daß gegen die Mönche der Unwille am
stärksten war, und daß sie als lebendiger Beweis figurierten von dem Un-
wert des Klosterlebens, der ganzen geistlichen Einrichtung, des Glau-
benssystems, ja der Religion überhaupt, je nachdem man die Folgerungen
mit Recht oder Unrecht auszudehnen beliebte. Man darf hierbei wohl
annehmen, daß Italien eine deutlichere Erinnerung von dem Aufkommen
der beiden großen Bettelorden bewahrt hatte als andere Länder, daß es
noch ein Bewußtsein davon besaß, dieselben seien ursprünglich die Trä-
ger jener Reaktion^®' gegen das, was man die Ketzerei des 13. Jahr-
hunderts nennt, d. h. gegen eine frühe starke Regung des modernen
italienischen Geistes. Und das geistliche Polizeiamt, welches den Domini-
kanern insbesondere dauernd anvertraut blieb, hat gewiß nie ein anderes
Gefühl rege gemacht als heimlichen Haß und Hohn.
Hohn der Wenn man den Decamerone und die Novellen des Franco Sacchetti
liest, sollte man glauben, die frevelhafte Rede gegen Mönche und Non-
nen wäre erschöpft. Aber gegen die Zeit der Reformation hin steigert
sich dieser Ton noch um ein Merkliches. Gerne lassen wir Aretino aus
dem Spiel, da er in den Ragionamenti das Klosterleben nur zum Vor-
wand braucht, um seinem eigenen Naturell den Zügel schießen zu lassen.
Aber einen Zeugen statt aller müssen wir hier nennen: Massuccio in den
zehn ersten von seinen fünfzig Novellen. Sie sind in der tiefsten Ent-
rüstung und mit dem Zweck, dieselbe zu verbreiten, geschrieben und
den vornehmsten Personen, selbst dem König Ferrante und dem Prinzen
Alfonso von Neapel dediziert. Die Geschichten selbst sind zum Teil älter
und einzelne schon aus Boccaccio bekannt; anderes aber hat eine furcht-
bare neapolitanische Aktualität. Die Betörung und Aussaugung der
Volksmassen durch falsche Wunder, verbunden mit einem schändlichen
Wandel, bringen hier einen denkenden Zuschauer zu einer wahren Ver-
zweiflung. Von herumziehenden Minoriten Konventualen heißt es: ,,Sie
betrügen, rauben und huren, und wo sie nicht mehr weiter wissen, stellen
Die Bettel- sic sich als Heilige und tun Wunder, wobei der eine das Gewand von
d^ Novellen '^- Vincenzo, der andere die Schrift^"" S. Bernardinos, ein Dritter den
Zaum von Capistranos Esel vorzeigt." . . . Andere „bestellen sich Hel-
fershelfer, welche, scheinbar blind oder totkrank, durch Berührung des
SITTE UND RELIGION 265
Saumes ihrer Kutte oder der mitgebrachten Rehquien plötzHch mitten Die Bettel
mönche in
den Novellen
im Volksgewühl genesen; dann schreit alles Misericordia! man läutet '^ "" "'^
die Glocken und nimmt lange feierliche Protokolle auf." Es kommt vor,
daß ein Mönch auf der Kanzel von einem andern, welcher unter dem
Volke steht, keck als Lügner angeschrien wird; dann aber fühlt sich der
Rufende plötzlich von Besessenheit ergriffen, worauf ihn der Prediger
bekehrt und heilt — alles reine Komödie. Der betreffende mit seinem
Helfershelfer sammelte soviel Geld, daß er von einem Kardinal ein Bis-
tum kaufen konnte, wo beide gemächlich auslebten. Massuccio macht
keinen besondern Unterschied zwischen Franziskanern und Dominika-
nern, indem beide einander wert seien. ,,Und da läßt sich das unver-
nünftige Publikum noch in ihren Haß und ihre Parteiung hineinziehen
und streitet darüber auf öffentlichen Plätzen*"! und teilt sich in Franzes-
chiner und Domenichiner!" Die Nonnen gehören ausschließlich den
Mönchen; sobald sie sich mit Laien abgeben, werden sie eingekerkert
und verfolgt, die andern aber halten mit Mönchen förmliche Hochzeit,
wobei sogar Messen gesungen, Kontrakte aufgesetzt und Speise und Trank
reichlich genossen werden. ,,Ich selber", sagt der Verfasser, ,,bin nicht
ein, sondern mehrere Male dabei gewesen, habe es gesehen und mit
Händen gegriffen. Solche Nonnen gebären dann entweder niedliche
Mönchlein oder sie treiben die Frucht ab. Und wenn jemand behaupten
möchte, dies sei eine Lüge, so untersuche er die Kloaken der Nonnen-
klöster, und er wird darin einen Vorrat von zarten Knöchlein finden,
nicht viel anders als in Bethlehem zu Herodes Zeiten." Solche und
andere Sachen birgt das Klosterleben. Freilich machen einander die
Mönche es in der Beichte bequem und diktieren ein Paternoster für
Dinge, um derentwillen sie einem Laien alle Absolution versagen wür-
den gleich einem Ketzer. „Darum öffne sich die Erde und verschlinge
solche Verbrecher lebendig samt ihren Gönnern." An einer andern
Stelle äußert Massuccio, weil die Macht der Mönche doch wesentlich
auf der Furcht vor dem Jenseits beruhe, einen ganz merkwürdigen
Wunsch: ,,Es gäbe keine bessere Züchtigung für sie, als wenn Gott
recht bald das Fegefeuer aufhöbe; dann könnten sie nicht mehr von
Almosen leben und müßten wieder zur Hacke greifen."
Wenn man unter Ferrante und an ihn so schreiben durfte, so hing
dies vielleicht damit zusammen, daß der König durch ein auf ihn ge-
münztes falsches Wunder erbittert war*"^. Man hatte ihn durch eine
bei Tarent vergrabene und hernach gefundene Bleitafcl mit Inschrift
zu einer Judenverfolgung ähnlich der spanischen zu zwingen gesucht,
und, als er den Betrug durchschaute, ihm Trotz geboten. Auch einen
falschen Faster hatte er entlarven lassen, wie schon früher einmal sein
266
SITTE UND RELIGION
I)i(^ doraini-
kauische In-
quisition
Die hüheni
Orden
Vater König Alfonso tat. Der Hof hatte wenigstens am dumpfen Aber-
glauben keine Mitschuld^"^.
Wir haben einen Autor angehört, dem es Ernst war, und er ist lange
nicht der einzige in seiner Art. Spott und Schimpf über die Bettel-
mönche sind vollends massenweise vorhanden und durchdringen die
ganze Literatur*"*. Man kann kaum daran zweifeln, daß die Renaissance
binnen kurzem mit diesen Orden aufgeräumt haben würde, wenn nicht
die deutsche Reformation und die Gegenreformation darüber gekommen
wären. Ihre populären Prediger und ihre Heiligen hätten sie schwer-
lich gerettet. Es wäre nur darauf angekommen, daß man sich mit einem
Papst, der die Bettelorden verachtete, wie z. B. Leo X., zu rechter Zeit
verabredet hätte. Wenn der Zeitgeist sie doch nur noch entweder
komisch oder abscheulich fand, so waren sie für die Kirche weiter
nichts mehr als eine Verlegenheit. Und wer weiß, was damals dem
Papsttum selber bevorstand, wenn die Reformation es nicht gerettet
hätte.
Die Machtübung, welche sich fortwährend der Pater Inquisitor eines
Dominikanerklosters über die betreffende Stadt erlaubte, war im spä-
tem 15. Jahrhundert gerade noch groß genug, um die Gebildeten zu
genieren und zu empören, aber eine dauernde Furcht und Devotion
ließ sich nicht mehr erzwingen*"^. Bloße Gesinnungen zu strafen wie
vor Zeiten (S. lößf) war nicht mehr möglich, und vor eigentlichen
Irrlehren konnte sich auch derjenige leicht hüten, der sonst gegen
den ganzen Klerus als solchen die loseste Zunge führte. Wenn nicht
eine mächtige Partei mithalf (wie bei Savonarola) oder böser Zauber
bestraft werden sollte (wie öfter in den oberitalischen Städten), so kam
es am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts nur noch selten
bis zum Scheiterhaufen. In mehreren Fällen begnügten sich die In-
quisitoren, wie es scheint, mit höchst oberflächlichem Widerruf, andere
Male kam es sogar vor, daß man ihnen den Verurteilten auf dem Gange
zum Richtplatz aus den Händen nahm. In Bologna (1452) war der
Priester Nicolö da Verona als Nekromant, Teufelsbanner und Sakra-
mentsschänder bereits auf einer hölzernen Bühne vor San Domenico
degradiert worden und sollte nun auf die Piazza zum Scheiterhaufen
geführt werden, als ihn unterwegs eine Schar von Leuten befreite,
welche der Johanniter Achillc Malvezzi, ein bekannter Ketzerfreund
und Nonnenschänder, gesandt hatte. Der Legat (Kardinal Bessarion)
konnte hernach von den Tätern nur eines habhaft werden, der ge-
henkt wurde; Malvezzi lebte ungestört weiter'"*.
Es ist bemerkenswert, daß die hohem Orden, also die Benediktiner
mit ihren Abzweigungen, trotz ihres großen Reichtums und Wohl-
SITTE UND RELIGION 267
lebens weit weniger perhorresziert waren als die Bettelorden; auf zehn
Novellen, die von frati handeln, kommt höchstens eine, welche einen
monaco zum Gegenstand und Opfer hat. Nicht wenig kam diesen
Orden zugute, daß sie älter und ohne pohzeiliche Absicht gegründet
waren und sich nicht in das Privatleben einmischten. Es gab darunter
fromme, gelehrte und geistreiche Leute, aber den Durchschnitt schil-
dert einer von ihnen, Firenzuola^"', wie folgt: ,, Diese Wohlgenährten
in ihren weiten Kutten bringen ihr Leben nicht hin mit barfüßigem
Herumziehen und Predigen, sondern in zierlichen Korduanpantoffeln
sitzen sie in ihren schönen Zellen mit Zypressengetäfel und falten die
Hände über dem Bauch. Und wenn sie je einmal sich von der Stelle
bemühen müssen, so reiten sie gemächlich auf Maultieren und fetten
Pferdchen wie zur Erholung herum. Den Geist ermüden sie nicht zu
sehr durch Studium vieler Bücher, damit das Wissen ihnen nicht statt
ihrer mönchischen Einfalt einen Luzifershochmut beibringe."
Wer die Literatur jener Zeiten kennt, wird zugeben, daß hier nur
das zum Verständnis des Gegenstandes Notwendigste mitgeteilt ist*"*.
Daß eine solche Reputation von Weltklerus und Mönchen bei Un-
zähhgen den Glauben an das Heilige überhaupt erschüttern mußte,
springt in die Augen.
Was für schreckliche Gesamturteile bekommt man da zu hören! Wir Guicciardini
teilen schließUch nur eines davon mit, weil es erst neuerlich gedruckt "Kieml"
und noch wenig bekannt ist. Guicciardini, der Geschichtschreiber und •^"'- ^35
vieljährige Beamte der mediceischen Päpste, sagt (1529) in seinen Apho-
rismen"": „Keinem Menschen mißfällt mehr als mir der Ehrgeiz, die
Habsucht und die Ausschweifung der Priester, sowohl weil jedes dieser
Laster an sich iiassenswert ist, als auch weil jedes allein oder alle sich
wenig ziemen bei Leuten, die sich zu einem von Gott besonders ab-
hängigen Stand bekennen, und vollends, weil sie unter sich so ent-
gegengesetzt sind, daß sie sich nur in ganz absonderlichen Indi\iduen
vereinigt finden können. Gleichwohl hat meine Stellung bei mehreren
Päpsten mich gezwungen, die Größe derselben zu wollen meines eige-
nen Vorteils wegen. Aber ohne diese Rücksicht hätte ich Martin Luther
geliebt, vrie mich selbst, nicht um mich loszumachen von den Gesetzen,
welche das Christentum, so wie es insgemein erklärt und verstanden
wird, uns auferlegt, sondern um diese Schar von Nichtswürdigen (questa
caterva di scelerati) in ihre gebührenden Grenzen gewiesen zu sehen,
so daß sie entweder ohne Laster oder ohne Macht leben müßten."
Derselbe Guicciardini hält denn auch dafür^'", daß wir in betreff
alles Übernatürlichen im Dunkel bleiben, daß Philosophen und Theo-
logen nur Torheiten darüber vorbringen, daß die Wunder in allen
268 SITTE UND RELIGION
Religionen vorkommen, für keine besonders beweisen und sich am
Ende auf noch unbekannte Naturphänomene zurückführen lassen. Den
bergeversetzenden Glauben, wie er sich damals bei den Nachfolgern
Savonarolas zu erkennen gab, konstatiert er als ein kurioses Phänomen,
doch ohne bittere Bemerkung.
Gewohnung Gegenüber von solchen Stimmungen hatten Klerus und Mönchtum
den großen Vorteil, daß man an sie gewöhnt war und daß ihr Dasein
sich mit dem Dasein von jedermann berührte und verflocht. Es ist der
Vorteil, den alle alten und mächtigen Dinge von jeher in der Welt
gehabt haben. Jedermann hatte irgendeinen Verwandten im Priester-
rock oder in der Kutte, irgendeine Aussicht auf Protektion oder künf-
tigen Gewinn aus dem Schatz der Kirche, und in der Mitte von Italien
saß die römische Kurie, welche ihre Leute bisweilen plötzlich reich
machte. Doch muß man sehr hervorheben, daß dies alles die Zunge
und die Feder nicht band. Die Autoren der lästerlichen Komik sind
ja selber meist Mönche, Pfründner usw.; Poggio, der die Fazeticn
schrieb, war Geistlicher, Francesco Berni hatte ein Kanonikat, Teofilo
Folengo war Benediktiner*!^, Matteo Bandello, der seinen eigenen Orden
lächerlich macht, war Dominikaner, und zwar Nepot eines Generals
dieses Ordens. Treibt sie ein Übermaß des Sicherheitsgefühles? oder
ein Bedürfnis, die eigene Person von der Verrufenheit des Standes zu
sondern? oder jene pessimistische Selbstsucht mit dem Wahlspruch:
,,Uns hälts noch aus"? Vielleicht war etwas von allem dabei. Bei Fo-
lengo wirkt freilich schon das Luthertum kenntlich ein*i^.
und an ihre Dic Abhängigkeit von Segnungen und Sakramenten, von welcher
egnungen j^gj-^j^g ^g gj^ |jgj Anlaß dcs Papsttums die Rede gewesen ist, versteht
sich bei dem gläubigen Teil des Volkes von selbst; bei den Emanzi-
pierten bedeutet und bezeugt sie die Stärke der Jugendeindrücke und
die enorme magische Kraft altgewohnter Symbole. Das Verlangen der
Sterbenden — wer er auch sein mochte — nach priesterlicher Absolu-
tion beweist einen Rest von Höllenfurcht, selbst bei einem Menschen
wie jener Vitellozzo (a. a. O.) war. Ein belehrenderes Beispiel als das
seinige wird schwer zu finden sein. Die kirchliche Lehre von dem
Charakter indelebilis des Priesters, woncben seine Persönlichkeit in-
different wird, hat so weit Früchte getragen, daß man wirklich den
Priester verabscheuen und doch seine geistlichen Spenden begehren
kann. Freilich gab es auch Trotzköpfe, wie z. B. Fürst Galeotto von
Mirandola^", der 1499 in einer bereits sechzehnjährigen Exkommunika-
tion starb. Während dieser ganzen Zeit war auch die Stadt um seinet-
willen im Interdikt gewesen, so daß weder Messe nocli geweihtes Be-
gräbnis stattfand.
SITTE UND RELIGION 269
Glänzend tritt endlich neben all diesen Zweideutigkeiten hervor das
Die
Verhältnis der Nation zu ihren großen Bußpredigern. Das ganze übrige ß^ßp^^g'^'
Abb. 17J
Abendland ließ sich von Zeit zu Zeit durch die Rede heiliger Mönche
rühren, allein was wollte dies heißen neben der periodischen Erschütte-
rung der italienischen Städte und Landschaften? Zudem ist z. B. der
einzige, der während des 15. Jahrhunderts in Deutschland eine ähn-
liche Wirkung hervorbrachte®^*, ein Abruzzese von Geburt gewesen,
närrdich Giovanni Capistrano. Diejenigen Gemüter, welche einen so
gewaltigen Ernst und einen solchen religiösen Beruf in sich tragen,
sind damals im Norden intuitiv, mystisch; im Süden expansiv, prak-
tisch, verbündet mit der hohen Achtung der Nation vor Sprache und
Rede. Der Norden bringt eine Imitatio Christi hervor, welche im stillen,
anfangs nur in Klöstern, aber auf Jahrhunderte wirkt; der Süden pro-
duziert Menschen, welche auf Menschen einen kolossalen Eindruck des
Augenblickes machen.
Dieser Eindruck beruht wesentlich auf Erregung des Gewissens. Es
sind Moralpredigten, ohne Abstraktion, voll spezieller Anwendung, unter-
stützt von einer geweihten, asketischen Persönlichkeit, woran sich dann
von selbst durch die erregte Phantasie das Mirakel anschließt, auch
gegen den Willen des Predigers^^^. Das gewaltigste Argument war we-
niger die Drohung mit Fegefeuer und Hölle, als vielmehr die höchst
lebendige Entwicklung der maledizione, des zeitlichen, in der Person
wirkenden Fluches, der sich an das Böse knüpft. Die Betrübung Christi
und der Heiligen hat ihre Folgen im Leben. Nur so konnte man die
in Leidenschaft, Racheschwüre und Verbrechen verrannten Menschen
zur Sühne und Buße bringen, was bei weitem der wichtigste Zweck
war.
So predigten im 15. Jahrhundert Bernardino da Siena, Alberto da
Sarzana, Giovanni Capistrano, Jacopo della Marca, Roberto da Lecce
(S. 234) und andere; endlich Girolamo Savonarola. Es gab kein stär-
keres Vorurteil als dasjenige gegen die Bettelmönche; sie überwanden
es. Der hochmütige Humanismus kritisierte und höhnte*^^; wenn sie
ihre Stimme erhoben, so dachte man seiner nicht mehr. Die Sache war
nicht neu, und ein Spöttervolk, wie die Florentiner, hatte schon im
14. Jahrhundert die Karikatur davon, wo sie sich auf seinen Kanzeln
blicken ließ, malträtieren gelernt®^'; als Savonarola auftrat, riß er sie
doch so weit hin, daß bald ihre ganze geliebte Bildung und Kunst in
dem Glutfeuer, das er entzündete, zusammengeschmolzen wäre. Selbst
die stärkste Profanation durch heuchlerische Mönche, welche mit Hilfe
von Einverstandenen die Rührung beliebig in ihren Zuhörern hcr\'or-
zubringen und zu verbreiten wußten (vgl. S. 265), war nicht imstande.
270 SITTE UND RELIGION
der Sache selbst zu schaden. Man fuhr fort, über gemeine Mönchs-
predigten mit erdichteten Wundern und Vorzeigung falscher Reliquien®^*
zu lachen und die echten großen Bußprediger hoch zu achten. Die-
selben sind eine wahre italienische Spezialität des 15. Jahrhunderts,
ihi Or.icn Der Orden — in der Regel der des hl. Franciscus, und zwar von
der sogenannten Observanz — schickt sie aus, je nachdem sie begehrt
werden. Dies geschieht hauptsächlich bei schwerer öffentlicher oder
Privatzwietracht in den Städten, auch wohl bei schrecklicher Zunahme
der Unsicherheit und Unsittlichkeit. Ist dann aber der Ruhm eines
Predigers gewachsen, so begehren ihn die Städte alle auch ohne be-
sondern Anlaß; er geht, wohin ihn die Obern senden. Ein besonderer
Zweig dieser Tätigkeit ist die Kreuzpredigt gegen die Türken®^®; wir
haben es aber hier wesentlich mit der Bußpredigt zu tun.
Ihre Methode Die Reihenfolge der Predigten, wenn eine solche methodisch be-
obachtet wurde, scheint sich einfach an die kirchliche Aufzählung der
Todsünden angeschlossen zu haben; je dringender aber der Moment
ist, um so eher geht der Priester unmittelbar auf das Hauptziel los.
Er beginnt vielleicht in einer jener gewaltig großen Ordenskirchen
oder im Dom; binnen kurzem ist die größte Piazza zu klein für das
von allen Gegenden herbeiströmende Volk, und das Kommen und
Gehen ist für ihn selbst mit Lebensgefahr verbunden'^". In der Regel
schließt die Predigt mit einer Ungeheuern Prozession, allein die ersten
Stadtbeamten, welche ihn in die Mitte nehmen, können ihn auch da
kaum vor den Leuten sichern, welche ihm Hände und Füße küssen
und Stücke von seiner Kutte schneiden®^.
Die nächsten Erfolge, welche sich am leichtesten ergeben, nachdem
gegen Wucher, Vorkauf und unehrbare Moden gepredigt worden, sind
das Eröffnen der Gefängnisse, d. h. wohl nur die Freilassung ärmerer
Schuldgefangenen, und das Verbrennen von Luxussachen und Werk-
zeugen gefahrlichen sowohl als unschuldigen Zeitvertreibes: als da sind
Würfel, Karten, Spiele aller Art, ,, Maskengesichter", Musikinstrumente,
Gesangbücher, geschriebene Zauberformeln®^, falsche Haartouren usw.
Dies alles wurde auf einem Gerüste (talamo) ohne Zweifel zierlich grup-
piert, oben drauf etwa noch eine Teufclsfigur befestigt und dann Feuer
angelegt (vgl. S. 211).
Ihre Wirkung Nuu koiTimcn die härtern Gemüter an die Reihe; wer längst nicht
mehr gebeichtet hat, beichtet nunmehr; ungerecht vorenthaltenes Gut
wird zurückgegeben, unheilschwangerc Schmähreden werden zurück-
.ibb. 106.173 genommen. Rednci wie Bernardiro da Siena*^ gingen sehr emsig und
genau auf den täglichen Verkehr der Menschen und dessen Sittengesetz
ein. Wenige unserer heutigen Theologen möchten wohl eine Morgen-
SITTE UND RELIGION 2^1
predigt zu halten versucht sein „über Kontrakte, Restitutionen, Staats-
renten (monte) und Ausstattung von Töchtern", wie er einst im Dom
von Florenz eine hielt. Unvorsichtigere Prediger begingen dabei leicht
den Fehler, so stark gegen einzelne Menschenklassen, Gewerbe, Be-
amtungen loszuziehen, daß sich das aufgeregte Gemüt der Zuhörer
sofort durch Tätlichkeiten gegen diese entlud^^*. Auch eine Predigt
des Bernardino da Siena, die er einmal in Rom (1424) hielt, hatte
außer dem Brand von Putz- und Zaubersachen auf dem Kapitol noch
eine andere Folge: „Hernach, heißt es^^, wurde auch die Hexe
Finicella verbrannt, weil sie mit teufhschen Mitteln viele Kinder tötete
und viele Personen verhexte, und ganz Rom ging hin, es zu sehen."
Das wichtigste Ziel der Predigt aber ist, wie oben bemerkt, die Ver-
söhnung von Streit und Verzichtung auf die Rache. Sie wird wohl in
der Regel erst gegen Ende des Predigtkurses erfolgt sein, wenn der
Strom allgemeiner Bußfertigkeit allmählich die ganze Stadt ergriff,
wenn die Luft erbebte''^^ von dem Geschrei des ganzen Volkes: miseri-
cordia! — Da kam es zu jenen feierhchen Friedensschlüssen und Um-
armungen, auch wenn schon Wechselmord zwischen den streitenden
Parteien lag. Man ließ wohl die bereits Verbannten zu so heiligem
Vorhaben absichthch in die Stadt kommen. Es scheint, daß solche
„paci" im ganzen beobachtet worden sind, auch wenn die gehobene
Stimmung vorüber war, und dann blieb das Andenken des Mönches
im Segen auf viele Geschlechter hinaus. Aber es gab wilde, furchtbare Grenzender
Krisen wie die der Familien della Valle und Croce zu Rom (1482), ^^"■'""'^
wobei selbst der große Roberto da Lecce seine Stimme umsonst erhob*^'.
Kurz vor der Karwoche hatte er noch auf dem Platz vor der Miner\'a
zahllosem Volk gepredigt; da erfolgte in der Nacht vor dem Grünen
Donnerstag die schreckhche Straßenschlacht vor Palazzo della Valle
beim Ghetto; am Morgen gab Papst Sixtus den Befehl zu dessen Schlei-
fung und hielt dann die gewohnten Zeremonien dieses Tages ab; am
Karfreitag predigte Roberto wieder, in den Händen ein Kruzifix; er
und seine Zuhörer konnten aber nichts als weinen.
Gewaltsame, mit sich zerfallene Gemüter faßten häufig unter dem Ein-
druck der Bußpredigten den Entschluß, ins Kloster zu treten. Es waren
darunter Räuber und Verbrecher aller Art, auch wohl brotlose Soldaten®^.
Dabei wirkt die Bewunderung mit, welche dem heiligen Mönche sich
wenigstens in der äußern Lebensstellung nach Kräften zu nähern sucht.
Die Schlußpredigt ist dann ein lauterer Segensspruch, der sich in
den Worten zusammenfaßt: la pace sia con voi! Große Scharen be-
gleiten den Prediger nach der nächsten Stadt und hören daselbst
seinen ganzen Kreis von Reden noch einmal an.
272
SITTE UND RELIGION
Pretiigcnd(
Ereii;iten
Mangel an Bei dcr ungeheucm Macht, welche diese heiligen Männer ausübten,
war es dem Klerus und den Regierungen erwünscht, sie wenigstens
nicht zu Gegnern zu haben. Ein Mittel hierzu war, daß man darauf
hielt, nur Mönche'^' oder Geistliche, welche wenigstens die mindern
Weihen hatten, in solcher Qualität auftreten zu lassen, so daß der
Orden oder die betreffende Korporation einigermaßen für sie haftbar
war. Aber eine scharfe Grenze ließ sich auch hier nicht festhalten,
da die Kirche und also auch die Kanzel längst für allerlei Zwecke der
Öffentlichkeit, gerichtliche Akte, Publikationen, Vorlesungen usw. in
Anspruch genommen war, und da selbst bei eigentlichen Predigten
bisweilendemHumanistenundLaicndasWort gelassen wurde (S. 131 ff.).
Nun gab es ohnehin eine zwitterhafte Menschenklasse'^', welche weder
Mönche noch Geistliche waren und doch der Welt entsagt hatten,
nämlich die in Italien sehr zahlreichen Einsiedler, und solche erschie-
nen bisweilen ohne allen Auftrag und rissen die Bevölkerung hin. Ein
Fall dieser Art ereignete sich zu Mailand nach der zweiten französi-
schen Eroberung (15 16), freilich in einer Zeit großer öffentlicher Un-
ordnung; ein toskanischer Einsiedler, vielleicht von der Partei Savo-
narolas, behauptete mehrere Monate lang die Kanzel des Domes, po-
lemisierte auf das heftigste gegen die Hierarchie, stiftete einen neuen
Leuchter und einen Altar im Dom, tat Wunder und räumte nur nach
heftigen Kämpfen das Feld*^^. In jenen für das Schicksal Italiens ent-
scheidenden Dezennien erwacht überall die Weissagung, und diese
läßt sich, wo sie vorkommt, nirgends auf einen bestimmten Stand ein-
schränken. Man weiß z. B., wie vor der Verwüstung Roms die Ein-
siedler mit einem wahren Trotze der Prophetie auftraten (S. 72). In
Ermanglung eigener Beredsamkeit schicken solche Leute auch wohl
Boten mit Symbolen, wie z. B. jener Asket bei Siena, der (1429) ein
„Eremitlein", d. h. einen Schüler in die geängstigte Stadt sandte mit
einem Totenkopf auf einem Stecken, woran ein Zettel mit einem drohen-
den Bibelspruch hing'^^.
Aber auch die Mönche selber schonten oft Fürsten, Behörden, Klerus
und ihren eigenen Stand durchaus nicht. Zwar eine direkte Predigt
zum Sturz eines Tyrannenhauses, wie die des Fra Jacopo Bussollaro
zu Pavia im 14. Jahrhundert gewesen war"*, trifft man in den folgenden
Zcite nicht mehr an, wohl aber mutigen Tadel, selbst gegen den Papst
in dessen eigener Kapelle (Anm. Nr. 483), und naive politische Rat-
schläge in Gegenwart von Fürsten, die dessen nicht zu bedürfen glaub-
Dic vvanicr tcu^'*. Auf clcm Kastcllplatz zu Mailand durfte 1494 ein blinder Pre-
diger aus der Incoronata (also ein Augustiner) dem Lodo\dco Moro
von der Kanzel her zurufen: ,,Hcrr, zeige den Franzosen den Weg
SITTE UND RELIGION 273
nicht, denn du wirst es bereuen*^^!" Es gab weissagende Mönche,
welche \ielleicht nicht direkt poHtisierten, aber so schreckhche Bilder
der Zukunft entwarfen, daß den Zuhörern die Besinnung \erging. Ein
ganzer Verein von solchen, zwölf Franziskaner Konventualen, durch-
zogen bald nach der Wahl Leos X. (1513) die verschiedenen Land-
schaften Itahens, wie sie dieselben unter sich \-erteilt hatten. Derjenige
von ihnen, welcher in Florenz predigte^^^, Fra Francesco di Monte-
pulciano, erregte ein steigendes Entsetzen unter dem ganzen Volke,
indem seine Äußerungen, gewiß eher verstärkt als gemildert, auch
zu denjenigen gelangten, welche vor Gedränge nicht selber in seine
Nähe kommen konnte. Nach einer solchen Predigt starb er plötzlich
,,an einem Brustwehe"; alles kam, der Leiche die Füße zu küssen,
weshalb man sie nachts in aller Stille begrub. Aber den neu entzündeten
Geist der Weissagung, der nun selbst Weiber und Bauern ergriff, konnte
man nur mit größter Mühe dämpfen. ,,Um die Leute wieder einiger-
maßen heiterzustimmen, veranstalteten hierauf die Medici, Giuliano
(Bruder Leos) und Lorenzo auf St. Johannistag 1514 jene prächtigen
Feste, Jagden, Aufzüge und Turniere, wozu sich von Rom her außer
einigen großen Herrn auch sechs Kardinäle, diese allerdings verkleidet,
einfanden."
Der größte Bußprediger und Prophet aber war in Florenz schon savonaroi
1498 verbrannt worden: Fra Girolamo Savonarola von Ferrara®^'. Hier ' 'J ' '*'
müssen uns einige Winke über ihn genügen.
Das gewaltige Werkzeug, durch welches er Florenz umgestaltet und
beherrscht (1494 — 1498), ist seine Rede, wovon die erhaltenen, meist
an Ort und Stelle ungenügend nachgeschriebenen Predigten offenbar
nur einen beschränkten Begriff geben. Nicht als ob die äußern Mittel
seines Auftretens sehr groß gewesen wären, denn Stimme, Aussprache,
rhetorische Redaktion u. dgl. bildeten vielmehr eher die schwache
Seite, und wer einen Stil- und Kunstprediger verlangte, ging zu seinem
Rivalen Fra Mariano da Ghinazzano — aber in Savonarolas Rede lag
jene hohe persönliche Gewalt, welche wohl von da bis auf Luther
nicht wieder vorgekommen ist. Er selber hielt es für Erleuchtung und
laxierte deshalb ohne Unbescheidenheit das Predigtamt sehr hoch: über
dem Prediger folge in der großen Hierarchie der Geister unmittelbar
der unterste der Engel.
Diese völlig zu Feuer und Flammen gewordene Persönlichkeit \oll- seme Ordens-
brachte zunächst noch ein anderes, größeres Wunder; das eigene Kloster '" °"°
S. Marco Dominicaner Ordens und dann alle Dominikanerklöster Tos-
kanas werden desselben Sinnes und unternehmen eine freiwillige große
Reform. Wenn man weiß, was die Klöster damals waren und wie
Burckliardt 18
274. SITTE UND RELIGION
unendlich schwer die geringste Veränderung bei Mönchen durchzu-
setzen ist, so wird man doppeh erstaunen über eine völhge Sinnes-
änderung wie diese. Als die Sache im Gange war, befestigte sie sich
dadurch, daß Gleichgesinnte jetzt in bedeutender Zahl Dominikaner
wurden. Söhne aus den ersten Häusern traten in S. Marco als No-
vizen ein.
Diese Reform des Ordens für ein bestimmtes Land war nun der
erste Schritt zu einer Nationalkirche, zu welcher es bei längerer Dauer
dieses Wesens unfehlbar hätte kommen müssen. Savonarola selber wollte
freilich eine Reform der ganzen Kirche und schickte deshalb noch
gegen Ende seiner Wirksamkeit an alle großen Potentaten dringende
Mahnungen, sie möchten ein Konzil versammeln. Allein sein Orden
und seine Partei waren bereits für Toskana das allein mögliche Organ
seines Geistes, das Salz der Erde geworden, während die Nachbar-
gegenden im alten Zustande verharrten. Mehr und mehr baut sich
aus Entsagung und Phantasie ein Zustand auf, der Florenz zu einem
Reiche Gottes auf Erden machen will.
Seine Weis- Die Wcissagungcu, deren teilweises Eintreffen dem Savonarola ein
^^fo™en"' übermenschliches Ansehen verlieh, sind derjenige Punkt, auf welchem
die allmächtige italienische Phantasie auch das bestverwahrte, liebe-
vollste Gemüt bemeisterte. Anfangs meinten die Franziskaner von der
Observanz, im Widerschein des Ruhmes, welchen ihnen S. Bernardino
da Siena vermacht hatte, sie könnten den großen Dominikaner durch
Konkurrenz bändigen. Sie verschafften einem der Ihrigen die Dom-
kanzel und ließen die Unglücksprophezeiungen Savonarolas durch noch
schlimmere überbieten, bis Pietro de' Medici, der damals noch über
Florenz herrschte, einstweilen beiden Ruhe gebot. Bald darauf, als
Karl VIII. nach Italien kam und die Medici vertrieben wurden, wie
Savonarola mit klaren Worten geweissagt hatte, glaubte man nur
noch ihm.
Und hier muß nun zugestanden werden, daß er gegen seine eigenen
Ahnungen und Visionen keine Kritik übte und gegen diejenigen anderer
eine ziemlich strenge. In der Leichenrede auf Pico della Mirandola
geht er mit dem verstorbenen Freunde etwas unbarmherzig um. Weil
Pico trotz einer Innern Stimme, die von Gott kam, doch nicht in den
Orden treten wollte, habe er selber Gott gebeten, jenen etwas zu züch-
tigen; seinen Tod aber habe er wahrlich nicht gewünscht; nun sei
durch Almosen und Gebet so \iel erwirkt, daß die Seele sich einst-
weilen im Fegefeuer befinde. In betreff einer tröstlichen Vision, die
Pico auf dem Krankenbette gehabt, wobei ihm die Madonna erschien
und versprach, er solle nicht sterben, gesteht Savonarola, er habe es
SITTE UND RELIGION
275
lange für eine dämonische Täuschung gehahen, bis ihm geoffenbart
worden sei, die Madonna habe den zweiten Tod, nämhch den ewigen
gemeint. — Wenn dies und ähnhches Überhebung war, so hat dieses
große Gemüt wenigstens dafür gebüßt, so bitter es dafür büßen konnte;
in seinen letzten Tagen scheint Savonarola die Nichtigkeit seiner Ge-
sichte und Weissagungen erkannt zu haben, und doch bheb ihm innerer
Friede genug übrig, um in heiliger Stimmung zum Tode zu gehen.
Seine Anhänger aber hielten außer seiner Lehre auch seine Prophe-
zeiungen noch drei Jahrzehnte hindurch fest.
Als Reorganisator des Staates hatte er nur gearbeitet, weil sonst seme
statt seiner feindselige Kräfte sich der Sache bemächtigt haben würden. "^ '^""^
Es ist unbillig, ihn nach der halb demokratischen Verfassung (Anm.
Nr. 156) vom Anfang des Jahres 1495 zu beurteilen. Sie ist nicht besser
und nicht schlechter als andere florentinische Verfassungen auch*^.
Er war zu solchen Dingen im Grunde der ungeeignetste Mensch,
den man finden konnte. Sein wirkliches Ideal war eine Theokratie,
bei welcher sich alles in seliger Demut vor dem Unsichtbaren beugt
und alle Konflikte der Leidenschaft von vornherein abgeschnitten sind.
Sein ganzer Sinn liegt in jener Inschrift des Signorenpalastes, deren
Inhalt schon Ende 1495 sein Wahlspruch war'^^, und die 1527 von sei-
nen Anhängern erneuert wurde: „Jesus Christus Rex populi florentini
S. P. Q^. decreto creatus." Zum Erdenleben und seinen Bedingungen
hatte er so wenig ein Verhältnis als irgendein echter und strenger Mönch.
Der Mensch soll sich nach seiner Ansicht nur mit dem abgeben, was
mit dem Seelenheil in unmittelbarer Verbindung steht.
Wie deutlich verrät sich dies bei seinen Ansichten über die antike sem verhait-
Literatur. „Das einzige Gute", predigt er, „was Plato und Aristoteles "^ J^^^
geleistet haben, ist, daß sie viele Argumente vorbrachten, welche man
gegen die Ketzer gebrauchen kann. Sie und andere Philosophen sitzen
doch in der Hölle. Ein altes Weib weiß mehr vom Glauben als Plato.
Es wäre gut für den Glauben, wenn viele sonst nützlich scheinende
Bücher vernichtet würden. Als es noch nicht so viele Bücher und nicht
so viele Vernunftgründe (ragioni naturali) und Disputen gab, wuchs
der Glaube rascher, als er seither gewachsen ist." Die klassische Lek-
türe der Schulen will er auf Homer, Virgil und Cicero beschränkt und
den Rest aus Hieronymus und Augustin ergänzt wissen; dagegen sollen
nicht nur Catull und Ovid, sondern auch Tibull und Terenz verbannt
bleiben. Hier spricht einstweilen wohl nur eine ängstliche Moralität,
allein er gibt in seiner besondern Schrift die Schädlichkeit der Wissen-
schaft im allgemeinen zu. Eigentlich sollten, meint er, einige wenige
Leute dieselben erlernen, damit die Tradition der menschlichen Kennt-
18»
276
SITTE UND RELIGION
nisse nicht unterginge, besonders aber, damit immer einige Athleten
zu Bekämpfung ketzerischer Sophismen vorrätig wären; alle übrigen
dürften nicht über Grammatik, gute Sitten und Religionsunterricht
(sacraj literae) hinaus. So würde natürlich die ganze Bildung wieder
an Mönche zurückfallen, und da zugleich die ,, Wissendsten und Hei-
ligsten" auch Staaten und Reiche regieren sollten, so wären auch dieses
wiederum Mönche. Wir wollen nicht einmal fragen, ob der Autor soweit
hinaus gedacht hat.
Kindlicher kann man nicht räsonnieren. Die einfache Erwägung,
daß das wiederentdeckte Altertum und die riesige Ausweitung des
ganzen Gesichtskreises und Denkkreises eine je nach Umständen ruhm-
volle Feuerprobe für die Religion sein möchten, kommt dem guten
Menschen nicht in den Sinn. Er möchte gern verbieten, was sonst
nicht zu beseitigen ist. Überhaupt war er nichts weniger als liberal;
gegen gottlose Astrologen z. B. hält er denselben Scheiterhaufen in
Bereitschaft, auf welchem er hernach selbst gestorben ist®*".
Wie gewaltig muß die Seele gewesen sein, die bei diesem engen
Geiste wohnte! Welch ein Feuer bedurfte es, um den Bildungsenthusias-
mus der Florentiner vor dieser Anschauung sich beugen zu lehren!
Seine Was sic ihm noch von Kunst und von Weltlichkeit preiszugeben
enre onn |^gj.gj^ waren, das zeigen jene berühmten Opferbrände, neben welchen
gewiß alle talami des Bernardino da Siena und anderer nur wenig be-
sagen wollten.
Es ging dabei allerdings nicht ab ohne einige tyrannische Polizei
von selten Savonarolas. Überhaupt sind seine Eingriffe in die hoch-
geschätzte Freiheit des italienischen Privatlebens nicht gering, wie er
denn z. B. Spionage der Dienerschaft gegen den Hausherrn verlangte,
um seine Sittenreform durchführen zu können. Was später in Genf
dem eisernen Calvin, bei dauerndem Belagerungszustände von außen,
doch nur mühsam gelang, eine Umgestaltung des öffentlichen und Pri-
vatlebens, das mußte in Florenz doch nur ein Versuch bleiben und als
solcher die Gegner auf das äußerste erbittern. Dahin gehört vor allem
die von Savonarola organisierte Schar von Knaben, welche in die
Häuser drangen und die für den Scheiterhaufen geeigneten Gegen-
stände mit Gewalt verlangten; sie wurden hier und da mit Schlägen
abgewiesen, da gab man ihnen, um die Fiktion einer heranwachsen-
den heihgen Bürgerschaft dennoch zu behaupten. Erwachsene als Be-
schützer mit.
Die Und so konnten am letzten Karnevalstage des Jahres 1497 und an
p er niiu , (}j>jy,s(.ii3(.i^ Tage des folgenden Jahres die großen Autodafes auf dem
Signorenplatz stattfinden. Da ragte eine StTjfcnpyiamide, ähnlich dem
SITTE UND RELIGION 277
rogus, auf welchem römische Imperatorenleichcn verbrannt zu werden
pflegten. Unten zunächst der Basis waren Larven, falsche Barte, Masken-
kleider u. dgl. gruppiert; drüber folgten die Bücher der lateinischen
und italienischen Dichter, unter andern der Morgante des Pulci, der
Boccaccio, der Petrarca, zum Teil kostbare Pergamentdrucke und Manu-
skripte mit Miniaturen; dann Zierden und Toilettengeräte der Frauen,
Parfüms, Spiegel, Schleier, Haartouren; weiter oben Lauten, Harfen,
Schachbretter, Trictracs, Spielkarten; endlich enthielten die beiden
obersten Absätze lauter Gemälde, besonders von weiblichen Schön-
heiten, teils unter den klassischen Namen der Lucretia, Cleopatra,
Faustina, teils unmittelbare Porträts, wie die der schönen Bencina,
Lena Morella, Bina und Maria de' Lenzi. Das erstemal bot ein an-
wesender venezianischer Kaufmann der Signorie 20000 Goldtaler für
den Inhalt der Pyramide; die einzige Antwort war, daß man ihn eben-
falls porträtieren und das Bild zu den übrigen hinaufstellen ließ. Beim
Anzünden trat die Signorie auf den Balkon; Gesang, Trompetenschall
und Glockengeläute erfüllte die Lüfte. Nachher zog man auf den Platz
vor S. Marco, wo die ganze Partei eine dreifache konzentrische Runde
tanzte; zuinnerst die Mönche dieses Klosters abwechselnd mit Engcl-
knaben, dann junge Geistliche und Laien, zuäußerst endUch Greise,
Bürger und Priester, diese mit Olivenzweigen bekränzt.
Der ganze Spott der siegreichen Gegenpartei, die doch wahrlich
einigen Anlaß und überdies das Talent dazu hatte, genügte später
doch nicht, um das Andenken Savonarolas herabzusetzen. Je trauriger
die Schicksale Italiens sich entwickelten, desto heller verklärte sich
im Gedächtnis der Überlebenden die Gestalt des großen Mönches und
Propheten. Seine Weissagungen mochten im einzelnen unbewährt ge-
blieben sein — das große allgemeine Unheil, das er verkündet hatte,
war nur zu schrecklich in Erfüllung gegangen.
So groß aber die Wirkung der Bußprediger war und so deutlich
Savonarola dem Mönchsstande als solchem das rettende Predigtamt
vindizierte'*^, sowenig entging dieser Stand doch dem allgemeinen ver-
werfenden Urteil. Italien gab zu verstehen, daß es sich nur für die
Individuen begeistern könne.
Wenn man nun die Stärke des alten Glaubens, abgesehen von Priester- stärke des
wesen und Mönchtum, verifizieren soll, so kann dieselbe bald sehr ge-
ring, bald sehr bedeutend erscheinen, je nachdem man sie von einer
bestimmten Seite, in einem bestimmten Lichte anschaut. Von der Un-
entbehrlichkeit der Sakramente und Segnungen ist schon die Rede
gewesen (S. 61, 268); überblicken wir einstweilen die Stellung des Glau-
bens
2y8 SITTE UND RELIGION
bens und des Kultus im täglichen Leben. Hier ist die Masse und ihre
Gewöhnung und die Rücksicht der Mächtigen auf beides von bestim-
mendem Gewicht.
Das Heid Allcs, was zur Buße und zur Erwerbung der Seligkeit mittels guter
Volksglauben Wcrkc gchört, war bei den Bauern und bei den untern Klassen über-
haupt wohl in derselben Ausbildung und Ausartung vorhanden wie im
Norden, und auch die Gebildeten wurden davon stellenweise ergriffen
und bestimmt. Diejenigen Seiten des populären Katholizismus, wo er
sich dem antiken, heidnischen Anrufen, Beschenken und Versöhnen
der Götter anschließt, haben sich im Bewußtsein des Volkes auf das
hartnäckigste festgesetzt. Die schon bei einem andern Anlaß zitierte
achte Ekloge des Battista Mantovano**^ enthält unter andern das Ge-
bet eines Bauern an die Madonna, worin dieselbe als spezielle Schutz-
göttin für alle einzelnen Interessen des Landlebens angerufen wird.
Welche Begriffe machte sich das Volk von dem Werte bestimmter
Madonnen als Nothelferinnen! Was dachte sich jene Florentinerin*^,
die ein Fäßchen von Wachs als ex voto nach der Annunziata stiftete,
weil ihr Geliebter, ein Mönch, allmählich ein Fäßchen Wein bei ihr
austrank, ohne daß der abwesende Gemahl es bemerkte. Ebenso regierte
damals ein Patronat einzelner Heiligen für bestimmte Lebenssphären
gerade wie jetzt noch. Es ist schon öfter versucht worden, eine Anzahl
von allgemeinen ritualen Gebräuchen der katholischen Kirche auf heid-
nische Zeremonien zurückzuführen, und daß außerdem eine Menge
örtlicher und volkstümlicher Bräuche, die sich an Kirchenfestc geknüpft
haben, unbewußte Reste der verschiedenen alten Heidentümer Europas
sind, gibt jedermann zu. In Italien aber kam auf dem Lande noch dies
und jenes vor, worin sich ein bewußter Rest heidnischen Glaubens gar
nicht verkennen ließ. So das Hinstellen von Speise für die Toten, vier
Tage vor Petri Stuhlfcier, also noch am Tage der alten Feralien, i8. Fe-
bruar^**. Manches andere dieser Art mag damals noch in Übung ge-
wesen und erst seither ausgerottet worden sein. Vielleicht ist es nur
scheinbar paradox, zu sagen, daß der populäre Glaube in Italien ganz
besonders fest gegründet war, soweit er Heidentum war.
Wie weit nun die Herrschaft dieser Art von Glauben sich auch in
die obern Stände erstreckte, ließe sich wohl bis zu einem gewissen
Punkte näher nachweisen. Derselbe hatte, wie bereits bei Anlaß des
Verhältnisses zum Klerus bemerkt wurde, die Macht der Gewöhnung
und der frühen Eindrücke für sich; auch die Liebe zum kirchlichen
Festpomp wirkte mit, und hier und da kam eine jener großen Buß-
epidemien hinzu, welchen auch Spötter und Leugner schwer wider-
stehen konnten.
SITTE UND RELIGION
279
Es ist aber bedenklich, in diesen Fragen rasch auf durchgehende Der Reu
Resuhate hinzusteuern. Man sollte z. B. meinen, daß das Verhalten ^^^™f ^"„^
der Gebildeten zu den Reliquien von Heiligen einen Schlüssel gewähren '°')' '^7
müsse, der uns wenigstens einige Fächer ihres religiösen Bewußtseins
öffnen könnte. In der Tat lassen sich Gradunterschiede nachweisen,
doch lange nicht so deutlich, wie es zu wünschen wäre. Zunächst
scheint die Regierung von Venedig im 15. Jahrhundert durchaus die-
jenige Andacht zu den Überresten heiliger Leiber geteilt zu haben,
welche damals durch das ganze Abendland herrschte (S. 44). Auch
Fremde, welche in Venedig lebten, taten wohl, sich dieser Befangenheit
zu fügen***. Wenn wir das gelehrte Padua nach seinem Topographen
Michele Savonarola (S. 85) beurteilen dürften, so wäre es hier nicht
anders gewesen als in Venedig. Mit einem Hochgefühl, in welches
sich frommes Grausen mischt, erzählt uns Michele, wie man bei großen
Gefahren des Nachts durch die ganze Stadt die Heiligen seufzen höre,
wie der Leiche einer heiligen Nonne zu S. Chiara beständig Nägel und
Haare wachsen, wie sie bei bevorstehendem Unheil Lärm macht, die
Arme erhebt u. dgl.**'. Bei der Beschreibung der Antoniuskapelle im
Santo verliert sich der Autor völlig ins Stammeln und Phantasieren.
In Mailand zeigte wenigstens das Volk einen großen Reliquienfanatis-
mus, und als einst (151 7) die Mönche in S. Simpliciano beim Umbau
des Hochaltars sechs heilige Leichen unvorsichtig aufdeckten und mäch-
tige Regenstürme über das Land kamen, suchten die Leute**' die Ur-
sache der letztem in jenem Sakrilegium und prügelten die betreffenden
Mönche auf öffentlicher Straße durch, wo sie sie antrafen. In andern
Gegenden Italiens aber, selbst bei den Päpsten, sieht es mit diesen Dessen Grad-
Dingen schon viel zweifelhafter aus, ohne daß man doch einen bün-
digen Schluß ziehen könnte. Es ist bekannt, unter welchem allgemeinen
Aufsehen Pius II. das aus Griechenland zunächst nach S. Maura ge-
flüchtete Haupt des Apostels Andreas erwarb und (1462) feierlich in
S. Peter niederlegte; allein aus seiner eigenen Relation geht hervor,
daß er dies tat aus einer Art von Scham, als schon viele Fürsten sich
um die Reliquie bewarben. Jetzt erst fiel es ihm ein, Rom zu einem all-
gemeinen Zufluchtsort der aus ihren Kirchen vertriebenen Reste der
Heiligen zu machen***. Unter Sixtus IV. war die Stadtbevölkerung
in diesen Dingen eifriger als der Papst, so daß der Magistrat sich (1483)
bitter beklagte, als Sixtus dem sterbenden Ludwig XL einiges von den
lateranensischen Reliquien verabfolgte***. In Bologna erhob sich um
diese Zeit eine mutige Stimme, welche verlangte, man solle dem König
von Spanien den Schädel des hl. Dominicus verkaufen und aus dem
Erlös etwas zum öffentlichen Nutzen Dienendes stiften**". Die wenigste
280 SITTE UND RELIGION
Reliquienandacht zeigen die Florentiner. Zwischen ihrem Beschluß,
den Stadtheiligen S. Zanobi durch einen neuen Sarkophag zu ehren,
und der definitiven Bestellung bei Ghiberti vergehen neunzehn Jahre
(1409 — 1428), und auch dann erfolgt der Auftrag nur zufällig, weil
der Meister eine kleinere ähnliche Arbeit schön vollendet hatte'*^. Viel-
leicht war man der Reliquien etwas überdrüssig, seitdem man (1352)
durch eine verschlagene Äbtissin im Neapolitanischen mit einem fal-
schen, aus Holz und Gips nachgemachten Arm der Schutzpatronin
des Domes, S. Rcparata, war betrogen worden^^^. Oder dürfen wir
etwa armehmen, daß der ästhetische Sinn es war, welcher sich hier
vorzüglich entschieden von den zerstückelten Leichnamen, den halb-
vermoderten Gewändern und Geräten abwandte? oder gar der moderne
Ruhmessinn, welcher lieber die Leichen eines Dante und Petrarca in
den herrlichsten Gräbern beherbergt hätte als alle zwölf Apostel mit-
einander? Vielleicht war aber in Italien überhaupt, abgesehen von Ve-
Der Marien- ucdig Und dcm gauz exzeptionellcn Rom, der Reliquiendienst schon
Voll™ ^^^^ langer Zeit mehr zurückgetreten*^ vor dem Madonnendienst, als
irgendwo sonst in Europa, und darin läge dann zugleich, wenn auch
verhüllt, ein frühes Überwiegen des Formsinnes.
Man wird fragen, ob denn im Norden, wo die riesenhaftesten Kathe-
dralen fast alle Unser Frauen gewidmet sind, wo ein ganzer reicher
Zweig der Poesie im Lateinischen wie in den Landessprachen die
Mutter Gottes verherrlichte, eine größere Verehrung derselben auch
nur möglich gewesen wäre? Allein diesem g' ^enüber macht sich in
Italien eine ungemein viel größere Anzahl von wundertätigen Marien-
bildern geltend, mit einer unaufhörlichen Intervention in das täg-
liche Leben. Jede beträchtliche Stadt besitzt ihrer eine ganze Reihe,
von den uralten oder für uralt geltenden „Malereien des St. Lucas"
bis zu den Arbeiten von Zeitgenossen, welche die Mirakel ihrer
Bilder nicht selten noch erleben konnten. Das Kunstwerk ist hier
gar nicht so harmlos, wie Battista Mantovano*^* glaubt; es gewinnt
je nach Umständen plötzlich eine magische Gewalt. Das populäre
Wunderbedürfnis, zumal der Frauen, mag dabei vollständig gestillt
worden sein und schon deshalb der Reliquien wenig mehr geachtet
liaben. Inwiefern dann noch der Spott der Novellisten gegen falsche
Reliquien auch den für echt geltenden Eintrag tat**^, mag auf sich
beruhen.
und bei den Das Verhältnis der Gebildeten zuni Mariendienst zeichnet sich dann
ue iideton j^-Jjqj^ ctwas klarer als das zum Reliquiendienst. Es darf zunächst auf-
fallen, daß in der Literatur Dante mit seinem Paradies eigentlich der
letzte bedeutende Mariendichter der Italiener geblieben ist, während
SITTE UND RELIGION 28 I
im Volk die Madonnenlieder bis auf den heutigen Tag neu hervor-
gebracht werden. Man wird vielleicht Sannazaro, Sabellico^^* und an-
dere lateinische Dichter namhaft machen wollen, allein ihre wesent-
lich literarischen Zwecke benehmen ihnen ein gutes Teil der Beweis-
kraft. Diejenigen italienisch abgefaßten Gedichte des 15. Jahrhunderts^^^
und des beginnenden 16., aus welchen eine unmittelbare Religiosität
zu uns spricht, könnten meist auch von Protestanten geschrieben sein;
so die betreffenden Hymnen usw. des Lorenzo magnifico, die Sonette
der Vittoria Colonna, des Michelangelo usw. Abgesehen von dem lyri-
schen Ausdruck des Theismus redet meist das Gefühl der Sünde, das
Bewußtsein der Erlösung durch den Tod Christi, die Sehnsucht nach der
höhern Welt, wobei die Fürbitte der Mutter Gottes nur ganz aus-
nahmsweise erwähnt^** wird. Es ist dasselbe Phänomen, welches sich
in der klassischen Bildung der Franzosen, in der Literatur Ludwigs XIV.
wiederholt. Erst die Gegenreformation brachte in Italien den Marien-
dienst wieder in die Kunstdichtung zurück. Freilich hatte inzwischen
die bildende Kunst das Höchste getan zur Verherrlichung der Madonna.
Der Heiligendienst endlich nahm bei den Gebildeten nicht selten
(S. 34ff., 149) eine wesentlich heidnische Farbe an.
Wir könnten nun noch verschiedene Seiten des damaligen italieni-
schen Katholizismus auf diese Weise prüfend durchgehen und das ver-
mutliche Verhältnis der Gebildeten zum Volksglauben bis zu einem
gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit ermitteln, ohne doch je zu
einem durchgreifenden Resultat zu gelangen. Es gibt schwer zu deutende schwankun-
Kontraste. Während z. B. an und für Kirchen rastlos gebaut, gemeißelt ^™ '™^ "'"
und gemalt wird, vernehmen wir aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts
die bitterste Klage über Erschlaffung im Kultus und Vernachlässigung
derselben Kirchen: Templa ruunt, passim sordent altaria, cultus Pau-
latim divinus abit^*^! ... Es ist bekannt, wie Luther in Rom durch
das wcihelose Benehmen der Priester bei der Messe geärgert wurde.
Und daneben waren die kirchlichen Feste mit einer Pracht und einem
Geschmack ausgestattet, wovon der Norden keinen Begriff hatte. Man
wird annehmen müssen, daß das Phantasievolk im vorzugsweisen Sinne
das Alltägliche gern vernachlässigte, um dann von dem Außergewöhn-
lichen sich hinreißen zu lassen.
Durch die Phantasie erklären sich auch jene Bußepidemien, von
welchen hier noch die Rede sein muß. Sie sind wohl zu unterscheiden
von den Wirkungen jener großen Bußprediger; was sie hervorruft, sind
große allgemeine Kalamitäten oder die Furcht vor solchen.
Im Mittelalter kam von Zeit zu Zeit über ganz Europa irgendein Bußepide-
Sturm dieser Art, wobei die Massen sogar in strömende Bewegung ge-
rnien
282 SITTE UND RELIGION
rieten, wie z. B. bei den Kreuzzügen und Geißelfahrten. Italien betei-
ligte sich bei beiden; die ersten ganz gewaltigen Geißlerscharen traten
hier auf, gleich nach dem Sturze Ezzelinos und seines Hauses, und zwar
in der Gegend desselben Perugia^^", das wir bereits (Anm. Nr. 927)
als eine Hauptstation der spätem Bußprediger kennenlernten. Dann
folgten die Flagellanten^^i von 13 10 und 1334 und dann die große
Bußfahrt ohne Geißelung, von welcher Corio**^ zum Jahre 1399 er-
zählt. Es ist nicht undenkbar, daß die Jubiläen zum Teil eingerichtet
wurden, um diesen unheimlichen Wandertrieb religiös aufgeregter Mas-
sen möglichst zu regulieren und unschädlich zu machen; auch zogen
die inzwischen neu berühmt gewordenen Wallfahrtsorte Italiens, wie
z. B. Loretto, einen Teil jener Aufregung an sich*^.
Aber in schrecklichen Augenblicken erwacht hier und da ganz spät
die Glut der mittelalterhchen Buße, und das geängstigte Volk, zumal
wenn Prodigien hinzukommen, will mit Geißelungen und lautem Ge-
schrei um Barmherzigkeit den Himmel erweichen. So war es bei der
Pest von 1457 zu Bologna*^*, so bei den Innern Wirren von 1496 in
Siena**^, um aus zahllosen Beispielen nur zwei zu wählen. Wahrhaft
Die Buße voQ crschüttcmd aber ist, was 1529 zu Mailand geschah, als die drei furcht-
baren Geschwister Krieg, Hunger und Pest samt der spanischen Aus-
saugerei die höchste Verzweiflung über das Land gebracht hatten***.
Zufällig war es ein spanischer Mönch, Fra Tommaso Nieto, auf den
man jetzt hörte; bei den barfüßigen Prozessionen von alt und jung ließ
er das Sakrament auf eine neue Weise mittragen, nämlich befestigt
auf einer geschmückten Bahre, welche auf den Schultern von vier
Priestern im Linnengewande ruhte — eine Nachahmung der Bundes-
lade**^, wie sie einst das Volk Israel um die Mauern von Jericho trug.
So erinnerte das gequälte Volk von Mailand den alten Gott an seinen
alten Bund mit den Menschen, und als die Prozession wieder in den
Dom einzog und es schien, als müsse von dem Jammerruf misericordia!
der Riesenbau einstürzen, da mochte wohl mancher glauben, der Him-
mel müsse in die Gesetze der Natur und der Geschichte eingreifen
durch irgendein rettendes Wunder.
Verhalten der Es gab abcr ciuc Regierung in Italien, welche sich in solchen Zeiten
voTpm^n sogar an die Spitze der allgemeinen Stimmung stellte und die vor-
handene Bußfertigkeit polizeilich ordnete: die des Herzogs Ercole I.
von Ferrara***. Als Savonarola in Florenz mächtig war und Weissagung
und Buße in weiten Kreisen, auch über den Apennin hinaus, das Volk
zu ergreifen begannen, kam auch über Ferrara großes freiwilliges Fasten
(Anfang 1496); ein Lazarist verkündete nämlich von der Kanzel den
baldigen Eintritt der schrecklichsten Kriegs- und Hungersnot, welche
Ausbeutung
SITTE UND RELIGION 283
die Welt gesehen; wer jetzt faste, könne diesem Unheil entgehen, so
habe es die Madonna einem frommen Ehepaar verkündigt. Darauf
konnte auch der Hof nicht umhin zu fasten, aber er ergriff nun selber
die Leitung der Devotion. Am 3. April (Ostertag) erschien ein Sitten-
und Andachtsedikt gegen Lästerung Gottes und der hl. Jungfrau, ver-
botene Spiele, Sodomie, Konkubinat, Häuservermieten an Huren und
deren Wirte, Öffnung der Buden an Festtagen mit Ausnahme der
Bäcker und Gemüsehändler usw.; die Juden und Maranen, deren viele
aus Spanien her geflüchtet waren, sollten wieder ihr gelbes O auf der
Brust genäht tragen. Die Zuwiderhandelnden wurden bedroht nicht
nur mit den im bisherigen Gesetz verzeichneten Strafen, sondern auch
„mit den noch größern, welche der Herzog zu verhängen für gut finden
wird". Darauf ging der Herzog samt dem Hofe mehrere Tage nach-
einander zur Predigt; am 10. April mußten sogar alle Juden von Ferrara
dabei sein. Allein am 3. Mai ließ der Polizeidirektor — der schon oben Polizeiliche
(S. 31) erwähnte Gregorio Zampante — ausrufen: wer den Schergen
Geld gegeben habe, um nicht als Lästerer verzeigt zu werden, möge
sich melden, um es samt weiterer Vergütung zurückzuerhalten; diese
schändlichen Menschen nämlich hatten von Unschuldigen bis auf zwei,
drei Dukaten erpreßt durch die Androhung der Denunziation und
einander dann gegenseitig verraten, worauf sie selbst in den Kerker
kamen. Da man aber eben nur bezahlt hatte, um nicht mit dem Zam-
pante zu tun zu haben, so möchte auf sein Ausschreiben kaum jemand
erschienen sein. — Im Jahr 1500, nach dem Sturze des Lodovico Moro,
als ähnliche Stimmungen wiederkehrten, verordnete Ercole von sich
aus**' eine Folge von neun Prozessionen, wobei auch die weißgeklei-
deten Kinder mit der Jesusfahne nicht fehlen durften; er selber ritt
mit im Zuge, weil er schlecht zu Fuße war. Dann folgte ein Edikt ganz
ähnlichen Inhaltes wie das von 1496. Die zahlreichen Kirchen- und
Klosterbauten dieser Regierung sind bekannt, aber selbst eine leib-
haftige Heilige, die Suor Colomba''**, ließ sich Ercole kommen, ganz
kurz, bevor er seinen Sohn Alfonso mit der Lucrezia Borgia vermählen
mußte (1502). Ein Kabinettskurier*^ holte die Heilige von Viterbo
mit fünfzehn andern Nonnen ab, und der Herzog selber führte sie bei
der Ankunft in Ferrara in ein bereitgehaltenes Kloster ein. Tun wir ihm
unrecht, wenn wir in all diesen Dingen die stärkste politische Absicht-
lichkeit voraussetzen? Zu der Herrscheridee des Hauses Este, wie sie
oben (S. 32 u. ff.) nachgewiesen wurde, gehört eine solche Mitbenüt-
zung und Dicnstbarmachung des Religiösen beinahe schon nach den
Gesetzen der Logik.
284 SITTE UND RELIGION
vereuch einer Um aber zu den entscheidenden Schlüssen über die Religiosität der
^ ^^ Menschen der Renaissance zu gelangen, müssen wir einen andern Weg
einschlagen. Aus der geistigen Haltung derselben überhaupt muß ihr
Verhältnis sowohl zu der bestehenden Landesreligion als zu der Idee
des Göttlichen klar werden.
Diese modernen Menschen, die Träger der Bildung des damaligen
Italiens, sind rehgiös geboren wie die Abendländer des Mittelalters,
aber ihr mächtiger Individualismus macht sie darin wie in andern Din-
gen völlig subjektiv, und die Fülle von Reiz, welche die Entdeckung
der äußern und der geistigen Welt auf sie ausübt, macht sie überhaupt
vorwiegend weltlich. Im übrigen Europa dagegen bleibt die Religion
noch länger ein objektiv Gegebenes, und im Leben wechselt Selbst-
sucht und Sinnengenuß unmittelbar mit Andacht und Buße; letztere
hat noch keine geistige Konkurrenz wie in Itahen, oder doch eine un-
endlich geringere.
Ferner hatte von jeher der häufige und nahe Kontakt mit Byzan-
tinern und mit Mohammedanern eine neutrale Toleranz aufrecht-
erhalten, vor welcher der ethnographische Begriff einer bevorrechteten
abendländischen Christenheit einigermaßen zurücktrat. Und als voll-
ends das klassische Altertum mit seinen Menschen und Einrichtungen
ein Ideal des Lebens wurde, weil es die größte Erinnerung Italiens
war, da überwältigte die antike Spekulation und Skepsis bisweilen
den Geist der Italiener vollständig.
Da ferner die Italiener die ersten neuern Europäer waren, welche
sich schrankenlos dem Nachdenken über Freiheit und Notwendigkeit
hingaben, da sie dies taten unter gewaltsamen, rechtlosen politischen
Verhältnissen, die oft einem glänzenden und dauernden Siege des Bösen
ähnlich sahen, so wurde ihr Gottesbewußtsein schwankend, ihre Welt-
anschauung teilweise fatalistisch. Und wenn ihre Leidenschaftlich-
keit bei dem Ungewissen nicht wollte stehenbleiben, so nahmen manche
vorlieb mit einer Ergänzung aus dem antiken, orientalischen und mittel-
alterlichen Aberglauben; sie wurden Astrologen und Magier.
Endlich aber zeigen die geistig Mächtigen, die Träger der Renaissance
in religiöser Beziehung eine häufige Eigenschaft jugendlicher Naturen:
sie unterscheiden recht scharf zwischen gut und böse, aber sie kennen
keine Sünde; jede Störung der innem Harmonie getrauen sie sich ver-
möge ihrer plastischen Kraft wiederherzustellen und kennen deshalb
keine Reue; da verblaßt denn auch das Bedürfnis der Erlösung, während
zugleich vor dem Ehrgeiz und der Geistesanstrengung des Tages der
Gedanke an das Jenseits entweder völlig verschwindet oder eine poeti-
sche Gestalt annimmt statt der dogmatischen.
der Religion
SITTE UND RELIGION 285
Denkt man sich dieses alles vermittelt und teilweise verwirrt durch
die anherrschende Phantasie, so ergibt sich ein Geistesbild jener
Zeit, das wenigstens der Wahrheit näher kommt als bloße unbestimmte
Klagen über modernes Heidentum. Und bei näherm Forschen wird
man erst noch innewerden, daß unter der Hülle dieses Zustandes
ein starker Trieb echter Religiosität lebendig bhcb.
Die nähere Ausführung des Gesagten muß sich hier auf die wesent-
lichsten Belege beschränken.
Daß die Religion überhaupt wieder mehr Sache des einzelnen Sub- Subjektivität
jektes und seiner besonderen Auffassung wurde, war gegenüber der
ausgearteten, tyrannisch behaupteten Kirchenlehre unvermeidlich und
ein Beweis, daß der europäische Geist noch am Leben sei. Freihch
offenbart sich dies auf sehr verschiedene Weise; während die mystischen
und asketischen Sekten des Nordens für die neue Gefühlswelt und
Denkart sogleich auch eine neue Disziplin schufen, ging in Italien
jeder seinen eigenen Weg, und Tausende verloren sich auf dem hohen
Meer des Lebens in religiöse Indifferenz. Um so höher muß man es
denjenigen anrechnen, welche zu einer individuellen Religion durch-
drangen und daran festhielten. Denn daß sie an der alten Kirche,
wie sie war und sich aufdrang, keinen Teil mehr hatten, war nicht ihre
Schuld; daß aber der einzelne die ganze große Geistesarbeit, welche
dann den deutschen Reformatoren zufiel, in sich hätte durchmachen
sollen, wäre ein unbilliges Verlangen gewesen. Wo es mit dieser indi-
viduellen Rehgion der Bessern in der Regel hinaus wollte, werden wir
am Schlüsse zu zeigen suchen.
Die WekUchkeit, durch welche die Renaissance einen ausgesproche-
nen Gegensatz zum Mittelalter zu bilden scheint, entsteht zunächst
durch das massenhafte Überströmen der neuen .Anschauungen, Ge-
danken und Absichten in bezug auf Natur und Menschheit. An sich be-
trachtet, ist sie der Religion nicht feindlicher als das, was jetzt ihre
Stelle vertritt, nämlich die sogennanten Bildungsinteressen, nur daß
diese, so wie wir sie betreiben, uns bloß ein schwaches Abbild geben
von der allseitigen Aufregung, in welche damals das viele und große
Neue die Menschen versetzte. So war diese Weltlichkeit eine ernste,
überdies durch Poesie und Kunst geadelte. Es ist eine erhabene Not-
wendigkeit des modernen Geistes, daß er dieselbe gar nicht mehr ab-
schütteln kann, daß er zur Erforschung der Menschen und der Dinge
unwdderstehlich getrieben wird und dies für seine Bestimmung hält^'^.
Wie bald und auf welchen Wegen ihn dies Forschen zu Gott zurück-
führen, wie es sich mit der sonstigen Religiosität des einzelnen in Ver-
bindung setzen wird, das sind Fragen, welche sich nicht nach allgemeinen
286
SITTE UND RELIGION
Toleranz
gegen den
Islam
Die drei
Ringe
BerechtigunR
aller Religin-
nen
Vorschriften erledigen lassen. Das Mittelalter, welches sich im ganzen
die Empirie und das freie Forschen erspart hatte, kann in dieser großen
Angelegenheit mit irgendeinem dogmatischen Entscheid nicht auf-
kommen.
Mit dem Studium des Menschen, aber auch noch mit vielen andern
Dingen, hing dann die Toleranz und die Indifferenz zusammen, womit
man zunächst dem Mohammedanismus begegnete. Die Kenntnis und
Bewunderung der bedeutenden Kulturhöhe der islamitischen Völker,
zumal vor der mongolischen Überschwemmung, war gewiß den Italie-
nern seit den Kreuzzügen eigen; dazu kam die halbmohammedanische
Regierungsweise ihrer eigenen Fürsten, die stille Abneigung, ja Ver-
achtung gegen die Kirche, wie sie war, die Fortdauer der orientalischen
Reisen und des Handels nach den östlichen und südlichen Häfen des
Mittelmeeres^'^. ErweisHch schon im 13. Jahrhundert offenbart sich bei
den Italienern die Anerkennung eines mohammedanischen Ideals von
Edelmut, Würde und Stolz, das am liebsten mit der Person eines Sul-
tans verknüpft wird. Man hat dabei insgemein an ejubidische oder
mamelukische Sultane von Ägypten zu denken; wenn ein Name genannt
wird, so ist es höchstens Saladin*'*. Selbst die osmanischen Türken, deren
zerstörende aufbrechende Manier wahrlich kein Geheimnis war, flößen
dann den Italienern, wie oben (S. 55 ff.) gezeigt wurde, doch nur einen
halben Schrecken ein, und ganze Bevölkerungen gewöhnen sich an den
Gedanken einer möglichen Abfindung mit ihnen.
Der wahrste und bezeichnendste Ausdruck dieser Indifferenz ist die
berühmte Geschichte von den drei Ringen, welche unter andern Lessing
seinem Nathan in den Mund legte, nachdem sie schon vor vielen Jahr-
hunderten zaghafter in den „hundert alten Novellen" (Nov. 72 oder 73)
und etwas rückhaltsloscr bei Boccaccio^'* vorgebracht worden war. In
welchem Winkel des Mittelmeeres und in welcher Sprache sie zuerst
einer dem andern erzählt haben mag, wird man nie herausbringen;
wahrscheinlich lautete sie ursprünglich noch viel deutlicher, als in den
beiden italienischen Redaktionen. Der geheime Vorbehalt, der ihr zu-
grunde liegt, nämlich der Deismus, wird unten in seiner weitem Bedeu-
tung an den Tag treten. In roher Mißgestalt und Verzerrung gibt der
bekannte Spruch von ,,den Dreien, die die Welt betrogen", nämlich
Moses, Christus und Mohammed, dieselbe Idee wieder. Wenn Kaiser
Friedrich II., von dem diese Rede stammen soll, ähnlich gedacht hat,
so wird er sich wohl geistreicher ausgedrückt haben. Ähnliche Reden
kommen auch im damaligen Islam vor.
Auf der Höhe der Renaissance, gegen Ende des 15. Jahrhunderts,
tritt uns dann eine ähnliche Denkweise entgegen bei Luigi Pulci, im
SITTE UND RELIGION 287
Morgante maggiorc. Die Phantasiewelt, in welcher sich seine Geschich-
ten bewegen, teilt sich, wie bei allen romantischen Heldengedichten, in
ein christliches und ein mohammedanisches Heerlager. Gemäß dem
Sinne des Mittelalters war nun der Sieg und die Versöhnung zwischen
den Streitern gerne begleitet von der Taufe des unterliegenden moham-
medanischen Teiles, und die Improvisatoren, welche dem Pulci in der
Behandlung solcher Stoffe vorangegangen waren, müssen von diesem
Motiv reichlichen Gebrauch gemacht haben. Nun ist es Pulcis eigent-
liches Geschäft, diese seine V^orgänger, besonders wohl die schlechten
darunter, zu parodieren, und dies geschieht schon durch die Anrufungen
an Gott, Christus und die Madonna, womit seine einzelnen Gesänge
anheben. Noch viel deutlicher aber macht er ihnen die raschen Bekeh-
rungen und Taufen nach, deren Sinnlosigkeit dem Leser oder Hörer ja
recht in die Augen springen soll. Allein dieser Spott führt ihn weiter
bis zum Bekenntnis seines Glaubens an die relative Güte aller Rehgio-
nen*'®, dem trotz seiner Beteuerungen der Orthodoxie*" eine wesent-
lich theistische Anschauung zugrunde liegt. Außerdem tut er noch einen
großen Schritt über alles Mittelalter hinaus nach einer andern Seite hin.
Die Alternativen der vergangenen Jahrhunderte hatten gelautet: Recht-
gläubiger oder Ketzer, Christ oder Heide und Mohammedaner; nun
zeichnet Pulci die Gestalt des Riesen Margutte*™, der sich gegenüber dt Riese
von aller und jeglicher Religion zum sinnlichsten Egoismus und zu allen
Lastern fröhlich bekennt und sich nur das eine vorbehält: daß er nie
einen Verrat begangen habe. Vielleicht hatte der Dichter mit diesem
auf seine Manier ehrlichen Scheusal nichts Geringes vor, möglicherweise
eine Erziehung zum Bessern durch Morgante, allein die Figur verleidete
ihm bald, und er gönnte ihr bereits im nächsten Gesang ein komisches
Ende*'^. Margutte ist schon als Beweis von Pulcis Frivolität geltend ge-
macht worden; er gehört aber notwendig mit zu dem Weltbilde der
Dichtung des 15. Jahrhunderts. Irgendwo mußte sie in grotesker Größe
den für alles damalige Dogmatisieren unempfindlich gewordenen, wilden
Egoismus zeichnen, dem nur ein Rest von Ehrgefühl geblieben ist. Auch
in andern Gedichten wird den Riesen, Dämonen, Heiden und Moham-
medanern in den Mund gelegt, was kein christlicher Ritter sagen darf
Wieder auf eine ganz andere Weise als der Islam wirkte das Altertum Hmwirkune
ein, und zwar nicht durch seine Religion, denn diese war dem damaligen
Katholizismus nur zu homogen, sondern durch seine Philosophie. Die
antike Literatur, die man jetzt als etwas Unvergleichliches verehrte, war
ganz erfüllt von dem Siege der Philosophie über den Götterglauben;
eine ganze Anzahl von Systemen und Fragmenten von Systemen stürz-
ten über den italienischen Geist herein, nicht mehr als Kuriositäten oder
Margutte
A bb. ^J9
fles.Mteitnms
im 14. Jahrh.
288 SITTE UND RELIGION
gar als Häresien, sondern fast als Dogmen, die man nun nicht sowohl
zu unterscheiden als miteinander zu versöhnen bestrebt war. Fast in all
diesen verschiedenen Meinungen und Philosophemen lebte irgendeine
Art von Gottesbewußtsein, aber in ihrer Gesamtheit bildeten sie doch
einen starken Gegensatz zu der christlichen Lehre von der göttlichen
Weltregierung. Nun gibt es eine wahrhaft zentrale Frage, um deren
Lösung sich schon die Theologie des Mittelalters ohne genügenden Er-
folg bemüht hatte, und welche jetzt vorzugsweise von der Weisheit des
Altertums eine Antwort verlangte: Das Verhältnis der Vorsehung zur
menschlichen Freiheit und Notwendigkeit. Wenn wir die Geschichte
dieser Frage seit dem 14. Jahrhundert auch nur oberflächlich durch-
gehen wollten, so würde hieraus ein eigenes Buch werden. Wenige An-
deutungen müssen hier genügen.
Epikureis Hört man Dante und seine Zeitgenossen, so wäre die antike Philo-
sophie zuerst gerade von derjenigen Seite her auf das italienische Leben
gestoßen, wo sie den schroffsten Gegensatz gegen das Christentum bil-
dete; es stehen nämlich in Italien Epikureer auf. Nun besaß man Epicurs
Schriften nicht mehr, und schon das spätere Altertum hatte von seiner
Lehre einen mehr oder weniger einseitigen Begriff; immerhin aber ge-
nügte schon diejenige Gestalt des Epikureismus, welche man aus Lucre-
tius und ganz besonders aus Cicero studieren konnte, um eine völlig
entgöttertc Welt kennenzulernen. Wie weit man die Doktrin buchstäb-
lich faßte, und ob nicht der Name des rätselhaften griechischen Weisen
ein bequemes Schlagwort für die Menge wurde, ist schwer zu sagen;
wahrscheinlich hat die dominikanische Inquisition das Wort auch gegen
solche gebraucht, welchen man sonst auf keine andere Weise beikommen
konnte. Es sind hauptsächlich frühentwickelte Verächter der Kirche,
welche man doch schwer wegen bestimmter ketzerischer Lehren und
Aussagen belangen konnte; ein mäßiger Grad von Wohlleben mag
dann genügt haben, um jene Anklage hervorzubringen. In diesem
konventionellen Sinne braucht z. B. Giovanni Villani das Wort, wenn
gj-980 bereits die florcntinischen Feuersbrünste von 1115 und 11 17 als
göttliche Strafe für die Ketzereien geltend macht, „unter andern
wegen der liederlichen und schwelgerischen Sekte der Epikureer". Von
Manfred sagt er: ,,Sein Leben war epikureisch, indem er nicht an
Gott noch an die Heiligen und überhaupt nur an leibliches Vergnügen
glaubte."
Dante und Dcutlichcr icdct Dautc im neunten und zehnten Gesang der Hölle.
p. nreer ^^^ furchtbare, von Flammen durchzogene Gräberfeld mit den halb
offenen Sarkophagen, aus welchen Töne des tiefsten Jammers hervor-
dringen, beherbergt die zwei großen Kategorien der von der Kirche
SITTE UND RELIGION 289
im 13. Jahrhundert Besiegten oder Ausgestoßenen. Die einen waren
Ketzer und setzten sich der Kirche entgegen durch bestimmte mit Ab-
sicht verbreitete Irrlehren; die andern waren Epikureer und ihre Sünde
gegen die Kirche lag in einer allgemeinen Gesinnung, welche sich in
dem Satze sammelt, daß die Seele mit dem Leib vergehe^^^. Die Kirche
aber WTjßte recht gut, daß dieser eine Satz, wenn er Boden gewänne,
ihrer Art von Macht verderblicher werden müßte als alles Manichäer-
und Paterinerwesen, weil er ihrer Einmischung in das Schicksal des ein-
zelnen Menschen nach dem Tode allen Wert benahm. Daß sie selber
durch die Mittel, welche sie in ihren Kämpfen brauchte, gerade die
Begabtesten in Verzweiflung und Unglauben getrieben hatte, gab sie
natürlich nicht zu.
Dantes Abscheu gegen Epikur oder gegen das, was er für dessen Lehre
hielt, war gewiß aufrichtig; der Dichter des Jenseits mußte den Leugner
der Unsterblichkeit hassen, und die von Gott weder geschaffene noch
geleitete Welt, sowie der niedrige Zweck des Daseins, den das System
aufzustellen schien, waren dem Wesen Dantes so entgegengesetzt als
möghch. Sieht man aber näher zu, so haben auch auf ihn gewisse Philo-
sopheme der Alten einen Eindruck gemacht, vor welchem die biblische
Lehre von der Wcltlenkung zurücktritt. Oder war es eigene Spekulation,
Einwirkung der Tagesmeinung, Grauen vor dem die Welt beherrschen-
den Unrecht, wenn er*** die spezielle Vorsehung völlig aufgab? Sein
Gott überläßt nämUch das ganze Detail der Weltregierung einem dämon-
nischen Wesen, der Fortuna, welche für nichts als für Veränderung, für
das DurcheinandeiTütteln der Erdendinge zu sorgen hat und in indiffe-
renter Seligkeit den Jammer der Menschen überhören darf. Dafür hält
er aber die sittliche Verantwortung des Menschen unerbittlich fest: er
glaubt an den freien Willen.
Der Populärglaube an den freien Willen herrscht im Abendlande von Lehre vom
jeher, wie man denn auch zu allen Zeiten jeden persönlich für das, was
er getan, verantwortlich gemacht hat, als verstehe sich die Sache ganz
von selbst. Anders verhält es sich mit der religiösen und philosophischen
Lehre, welche sich in der Lage befindet, die Natur des menschUchen
Willens mit den großen Weltgesetzen in Einklang bringen zu müssen.
Hier ergibt sich ein Mehr oder Weniger, wonach sich die Taxierung
der Sittlichkeit überhaupt richtet. Dante ist nicht völlig unabhängig
von den astrologischen Wahngebilden, welche den damahgen Horizont
mit falschem Lichte erhellen, aber er rafift sich nach Kräften empor zu
einer würdigen Anschauung des menschUchen Wesens. ,,Die Gestirne",
läßt er'*3 seinen Marco Lombardo sagen, ,, geben wohl die ersten An-
triebe zu euerm Tim, aber Licht ist euch gegeben über Gutes und
Burckhardt 19
freien Willen
290
SITTE UND RELIGION
Böses, und freier Wille, der nach anfänglichem Kampf mit den Gestirnen
alles besiegt, wenn er richtig genährt wird."
Andere mochten die der Freiheit gegenüberstehende Notwendigkeit
in einer andern Potenz suchen als in den Sternen — jedenfalls war die
Frage seitdem eine offene, nicht mehr zu umgehende. Soweit sie eine
Frage der Schulen, oder vollends nur eine Beschäftigung isolierter Den-
ker blieb, dürfen wir dafür auf die Geschichte der Philosophie verweisen.
Sofern sie aber in das Bewußtsein weiterer Kreise überging, wird noch
davon die Rede sein müssen.
Das 14. Jahrhundert ließ sich vorzüglich durch die philosophischen
Schriften Ciceros anregen, welcher bekanntlich als Eklektiker galt, aber
als Skeptiker wirkte, weil er die Theorien verschiedener Schulen vor-
trägt, ohne genügende Abschlüsse beizufügen. In zweiter Linie kommen
Seneca und die wenigen ins Lateinische übersetzten Schriften des Aristo-
teles. Die Frucht dieses Studiums war einstweilen die Fähigkeit, über
die höchsten Dinge zu reflektieren, wenigstens außerhalb der Kirchen-
lehre, wenn auch nicht im Widerspruch mit ihr.
Einwirkung Mit dcm 1 5. Jahrhundert vermehrte sich, wie wir sahen, der Besitz
inTis jah'rh ""^ dlc Verbreitung der Schriften des Altertums außerordentlich; end-
lich kamen auch die sämtlichen noch vorhandenen griechischen Philo-
sophen wenigstens in lateinischer Übersetzung unter die Leute. Nun ist
es zunächst sehr bemerkenswert, daß gerade einige der Hauptbeförderer
Frömmigkeit dicser Literatur der strengsten Frömmigkeit, ja der Askese ergeben sind
""nismus"^ (^gl- S. 1 54) . Von Fra Ambrogio Camaldolese darf man nicht sprechen,
weil er sich ausschließlich auf das Übertragen der griechischen Kirchen-
väter zurückzog und nur mit großem Widerstreben auf Andringen des
altern Cosimo Medici den Diogenes Laertius ins Lateinische übersetzte.
Aber seine Zeitgenossen Niccolo Niccoli, Gianozzo Mannctti, Donato
Abb. 23s Acciajuoli, Papst Nicolaus V. vereinigend^* mit allseitigem Humanismus
eine sehr gelehrte Bibelkunde und eine tiefe Andacht. An Vittorino
da Feltre wurde bereits (S. ii8) eine ähnliche Richtung hervorgehoben.
Derselbe Maffco Vcgio, welcher das dreizehnte Buch zur Aeneide dich-
tete, hatte für das Andenken S. Augustins und dessen Mutter Monica
eine Begeisterung, welche nicht ohne hohem Bezug gewesen sein wird.
Frucht und Folge solcher Bestrebungen war dann, daß die platonische
Akademie zu Florenz sich es förmlich zum Ziele setzte, den Geist des
Altertums mit dem des Christentums zu durchdringen; eine merkwürdige
Oase innerhalb des damaligen Humanismus.
Die mittlere Letzterer war im ganzen eben doch profan und wurde es bei der Aus-
Hum^uter dchnung der Studien im 15. Jahrhundert immer mehr. Seine Leute, die
wir oben als die rechten Vorposten des entfesselten Individualismus
SITTE UND RELIGION 29I
kennenlernten, entwickelten in der Regel einen solchen Charakter, daß
uns selbst ihre Religiosität, die bisweilen mit sehr bestimmten Ansprüchen
auftritt, gleichgültig sein darf. In den Ruf von Atheisten gelangten sie
etwa, wenn sie indifferent waren und dabei ruchlose Reden gegen die
Kirche führten; einen irgendwie spekulativ begründeten Überzeugungs-
atheismus hat keiner aufgestellt^^^ noch aufzustellen wagen dürfen.
Wenn sie sich auf einen leitenden Gedanken besannen, so wird es am
eiiesten eine Art von oberflächlichem Rationalismus gewesen sein, ein
flüchtiger Niederschlag aus den vielen widersprechenden Ideen der
Alten, womit sie sich beschäftigen mußten, und aus der Verachtung
der Kirche und ihrer Lehre. Dieser Art war wohl jenes Räsonnement,
welches den Galeottus Martius^^^ beinahe auf den Scheiterhaufen brachte,
wenn ihn nicht sein früherer Schüler Papst Sixtus' IV. eilends aus den
Händen der Inquisition herausgerissen hätte. Galeotto hatte nämlich ge-
schrieben: wer sich recht aufführe und nach dem Innern angeborenen Ge-
setz handle, aus welchem Volk er auch sei, der komme in den Himmel.
Betrachten wir beispielsweise das religiöse Verhalten eines der Ge- ReUgion des
ringern aus der großen Schar des Codrus Urceus'^', der erst Hauslehrer
des letzten Ordelaffb, Fürsten von Forli, und dann lange Jahre Professor
in Bologna gewesen ist. Über Hierarchie und Mönche bringt er die
obligaten Lästerungen im vollsten Maß; sein Ton im allgemeinen ist
höchst frevelhaft, dazu erlaubt er sich eine beständige Einmischung
seiner Person nebst Stadtgeschichten und Possen. Aber er kann auch
erbaulich von dem wahren Gottmenschen Christus reden und sich brief-
lich in das Gebet eines frommen Priesters empfehlen. Einmal fällt es ihm
ein, nach Aufzählung der Torheiten der heidnischen Religion also fort-
zufahren: „Auch unsere Theologen wackeln oft und zanken de lana
caprina, über unbefleckte Empfängnis, Antichrist, Sakramente, Vorher-
bestimmung und einiges andere, was man lieber beschweigen als her-
auspredigen sollte." Einst verbrannte sein Zimmer samt fertigen Manu-
skripten, da er nicht zu Hause war; als er es vernahm, auf der Gasse,
stellte er sich gegen ein Madonnenbild und rief an dasselbe hinauf:
,,Höre, was ich dir sage, ich bin nicht verrückt, ich rede mit Absicht!
Wenn ich dich einst in der Stunde meines Todes zu Hilfe rufen sollte, so
brauchst du mich nicht zu erhören und zu den deinigen hinüberzu-
nehmen! Denn mit dem Teufel will ich wohnen bleiben in Ewigkeit!"
Eine Rede, auf welche hin er doch für gut fand, sich sechs Monate hin-
durch bei einem Holzhacker verborgen zu halten. Dabei war er so aber-
gläubisch, daß ihn Augurien und Prodigien beständig ängstigten; nur
für die Unsterblichkeit hatte er keinen Glauben übrig. Seinen Zuhörern
sagte er auf Befragen: was nach dem Tode mit dem Menschen, mit
19*
Urceus
giliver Kritik
292 SITTE UND RELIGION
seiner Seele oder seinem Geiste geschehe, das wisse man nicht, und alle
Reden über das Jenseits seien Schreckmittel für alte Weiber. Als es aber
ans Sterben ging, empfahl er doch in seinem Testament seine Seele
codrus oder seinen Geist*^ dem allmächtigen Gott, vermahnte auch jetzt seine
weinenden Schüler zur Gottesfurcht und insbesondere zum Glauben an
Unsterblichkeit und Vergeltung nach dem Tode, und empfing die
Sakramente mit großer Inbrunst. — Man hat keine Garantie dafür, daß
ungleich berühmtere Leute desselben Faches, auch wenn sie bedeutende
Gedanken ausgesprochen haben, im Leben \iel konsequenter gewesen
seien. Die meisten werden innerlich geschwankt haben zwischen Frei-
geisterei und Fragmenten des anerzogenen Katholizismus, und äußer-
lich hielten sie schon aus Klugheit zur Kirche.
Anfänge ne- Insofcrn sich dann ihr Rationalismus mit den Anfängen der histo-
rischen Kritik verband, mochte auch hie und da eine schüchterne Kritik
der biblischen Geschichte auftauchen. Es wird ein Wort Pius' IL über-
liefert^**, welches wie mit der Absicht des Vorbauens gesagt ist: „Wenn
das Christentum auch nicht durch Wunder bestätigt wäre, so hätte es
doch schon um seiner Moralität willen angenommen werden müssen."
Über die Legenden, insoweit sie willkürliche Übertragungen der bibli-
schen Wunder enthalten, erlaubte man sich ohnehin zu spotten**", und
dies wirkte dann weiter zurück. Wenn judaisierende Ketzer erwähnt
werden, so wird man dabei vor allem an Leugnung der Gottheit Christi
zu denken haben; so verhielt es sich vielleicht mit Giorgio da Novara,
welcher um 1500 in Bologna verbrannt wurde**i. Aber in demselben
Bologna mußte um diese Zeit (1497) der donükanische Inquisitor den
wohlprotegierten Arzt Gabrielle da Salo mit einer bloßen Reuerklä-
rung®*^ durchschlüpfen lassen, obwohl derselbe folgende Reden zu führen
pflegte: Christus sei nicht Gott gewesen, sondern Sohn des Joseph und der
Maria aus einer gewöhnlichen Empfängnis; er habe die Welt mit seiner
Arglist ins Verderben gebracht; den Kreuzestod möge er wohl erlitten ha-
ben wegen begangener Verbrechen; auch werde seine Religion nächstens
aufhören; in der geweihten Hostie sei sein wahrer Leib nicht; seine Wun-
der habe er nicht vollbracht aus göttlicher Kraft, sondern sie seien durch
Einfluß der Himmelskörper geschehen. Letzteres ist wiederum höchst be-
zeichnend; der Glaube ist dahin, aber die Magie behält man sich vor***.
Fatalismus In betreff der Weltregierung raflcn sich die Humanisten insgemein
niclit weiter auf, als bis zu einer kalt resignierten Betrachtung dessen,
was unter der ringsum herrschenden Gewalt und Mißregicrung ge-
schieht. Aus dieser Stimmung sind hervorgegangen die vielen Bücher
,,vom Schicksal" oder wie die Varietäten des Titels lauten mögen. Sie
konstatieren meist nur das Drehen des Glücksrades, die Unbeständig-
der
Humanisten
SITTE UND RELIGION 293
keit der irdischen, zumal der politischen Dinge; die Vorsehung wird
herbeigezogen, offenbar nur, weil man sich des nackten Fatalismus, des
Verzichtens auf Erkenntnis von Ursachen und Wirkungen, oder des
baren Jammers noch schämt. Nicht ohne Geist konstruiert Gioviano
Pontano die Naturgeschichte des dämonischen Etwas, Fortuna genannt,
aus hundert meist selbsterlebten Erfahrungen®^*. Mehr scherzhaft, in
Form eines Traumgesichtes, behandelt Aeneas Sylvius den Gegen-
stand^®^. Poggios Streben dagegen, in einer Schrift seines Greisenalters®®^.
geht dahin, die Welt als ein Jammertal darzustellen und das Glück der
einzelnen Stände so niedrig als möglich zu taxieren. Dieser Ton bleibt
dann im ganzen der vorherrschende; von einer Menge ausgezeichneter
Leute wird das Soll und Haben ihres Glückes und Unglückes unter-
sucht und die Summe daraus in vorwiegend ungünstigem Sinn gezogen.
In höchst würdiger Weise, fast elegisch, schildert uns vorzüglich Tristan
Caracciolo®®' das Schicksal Italiens und der Italiener, soweit es sich um
1510 überschauen ließ. Mit spezieller Anwendung dieses herrschenden
Grundgefühls auf die Humanisten selber verfaßte dann später Pierio
Valeriano seine berühmte Abhandlung (S. 156). Es gab einzelne ganz
besonders anregende Themata dieser Art, wie z. B. das Glück Leos X.
Was von politischer Seite darüber Günstiges gesagt werden kann, das
hat Francesco Vettori in scharfen Meisterzügen zusammengefaßt; das
Bild seines Genußlebens geben Paolo Giovio und die Biographie eines
Ungenannten*®*; die Schattenseiten dieses Glückes verzeichnet unerbitt-
lich wie das Schicksal selbst der ebengenannte Pierio.
Daneben erregt es beinahe Grauen, wenn hie und da sich jemand Das Rühmen
öffenthch in lateinischer Inschrift des Glückes rühmt. So wagte Gio-
vanni II. Bentivoglio, Herrscher von Bologna, an dem neuerbauten Atb. ^jj
Turme bei seinem Palaste es in Stein hauen zu lassen: sein Verdienst
und sein Glück hätten ihm alle irgend wünschbaren Güter reichlich
gewährt*®' — wenige Jahre vor seiner Verjagung. Die Alten, wenn sie
in diesem Sinne redeten, empfanden wenigstens das Gefühl vom Neid
der Götter. In Italien hatten es wahrscheinlich die Kondottiercn (S. 14)
aufgebracht, daß man sich laut der Fortuna rühmen durfte.
Der stärkste Einfluß des wiedcrcntdcckten Altertums auf die Religion
kam übrigens nicht von irgendeinem philosophischen System oder von
einer Lehre und Meinung der Alten her, sondern von einem alles be-
herrschenden Urteil. Man zog die Menschen und zum Teil auch die
Einrichtungen des Altertums denjenigen des Mittelalters vor, strebte
ihnen auf alle Weise nach und wurde dabei über den Religionsunter-
schied völlig gleichgültig. Die Bewunderung der historischen Größe ab-
sorbierte alles (vgl. S. 84, Anm. Nr. 852).
294
SITTE UND RELIGION
Heidnische Bei dcn Philologen kam dann noch manche besondere Torheit hinzu,
durch welche sie die Blicke der Welt auf sich zogen. Wie weit Papst
keitea
Paul II. berechtigt war, das Heidentum seiner Abbreviatoren und ihrer
Genossen zur Rechenschaft zu ziehen, bleibt allerdings sehr zweifelhaft,
da sein Hauptopfer und Biograph Piatina (S. 128, 190) es meisterlich
verstanden hat, ihn dabei als rachsüchtig wegen anderer Dinge und ganz
besonders als komische Figur erscheinen zu lassen. Die Anklage auf
Unglauben, Heidentum^""", Leugnung der Unsterblichkeit usw. wurde
gegen die Verhafteten erst erhoben, nachdem der Hochverratsprozeß
nichts ergeben hatte; auch war Paul, wenn wir recht berichtet werden,
gar nicht der Mann dazu, irgend etwas Geistiges zu beurteilen, wie er
denn die Römer ermahnte, ihren Kindern über Lesen und Schreiben
hinaus keinen weiteren Unterricht mehr geben zu lassen. Es ist eine
ähnliche priesterliche Beschränktheit wie bei Savonarola (S. 276), nur
daß man Papst Paul hätte erwidern können, er und seinesgleichen trügen
mit die Hauptschuld, wenn die Bildung den Menschen von der Religion
abwendig mache. Daran aber ist doch nicht zu zweifeln, daß er eine
wirkliche Besorgnis wegen der heidnischen Tendenzen in seiner Nähe
verspürte. Was mögen sich vollends die Humanisten am Hofe des heid-
nisch ruchlosen Sigismondo Malatesta (Anm. Nr. 979) erlaubt haben?
Gewiß kam es bei diesen meist haltungslosen Menschen wesentlich dar-
auf an, wie weit ihre Umgebung ihnen zu gehen gestattete. Und wo sie
das Christentum anrühren, da paganisieren sie es (S. 145, 149). Man
muß seilen, wie weit z. B. ein Gioviano Pontano die Vermischung treibt;
ein Heiliger heißt bei ihm nicht nur Divus, sondern Deus; die Engel
hält er schlechtweg mit den Genien des Altertums für identisch ^""^j und
seine Ansicht von der Unsterblichkeit gleicht einem Schattenreiche. Es
kommt zu einzelnen ganz wunderbaren Exzessen in dieser Beziehung.
Als 1526 Siena von der Partei der Ausgetriebenen angegriffen wurde^**"'',
stand der gute Domherr Tizio, der uns dies selber erzählt, am 22. Juli
vom Bette auf, gedachte dessen, was im dritten Buch des Macrobius^""*
geschrieben steht, las eine Messe, und sprach dann die in jenem Autor
aufgezeichnete Devotionsformel gegen die Feinde aus, nur daß er statt
Tcllus mater teque Jupiter obtestor sagte: TcUus tcque Christe Deus
obtcstor. Nachdem er damit noch an den zwei folgenden Tagen fort-
gefahren, zogen die Feinde ab. Von der einen Seite sieht dergleichen
aus wie eine unschuldige Stil- und Modesache, von der andern aber wie
ein religiöser Abfall.
Emwirkuug Docii das Altertum hatte noch eine ganz besonders gefahrliche Wir-
Abcrgi'luije'ns ^uHg, und zwar dogmatischcr Art: es teilte der Renaissance seine Art
des Aberglaubens mit. Einzelnes davon hatte sich in Italien durch das
SITTE UND RELIGION 205
Mittelalter hindurch am Leben erhalten; um so viel leichter lebte jetzt
das Ganze neu auf. Daß dabei die Phantasie mächtig mitspielte, ver-
steht sich von selbst. Nur sie konnte den forschenden Geist der Italiener
so weit zum Schweigen bringen.
Der Glaube an die göttliche Weltregierung war, wie gesagt, bei den
einen durch die Masse des Unrechtes und Unglückes erschüttert; die an-
dern, wie z. B. Dante, gaben wenigstens das Erdenlcben dem Zufall und
seinem Jammer Preis, und wenn sie dabei dennoch einen starken Glauben
behaupteten, so kam dies daher, daß sie die höhere Bestimmung des
Menschen für das Jenseits festhielten. Sobald nun auch diese Überzeugung
von der Unsterblichkeit wankte, bekam der Fatalismus das Übergewicht
— oder wenn letzteres geschah, so war ersteres die Folge davon.
In die Lücke trat zunächst die Astrologie des Altertums, auch wohl Astrologie
die der Araber. Aus der jedesmaligen Stellung der Planeten unter sich '*'''' '*■*' ^*"
und zu den Zeichen des Tierkreises erriet sie künftige Ereignisse und ganze
Lebensläufe und bestimmte auf diesem Wege die wichtigsten Entschlüsse.
In xdelen Fällen mag die Handlungsweise, zu welcher man sich durch
die Gestirne bestimmen ließ, an sich nicht unsittlicher gewesen sein als
diejenige, welche man ohnedies befolgt haben würde; sehr oft aber muß
der Entscheid auf Unkosten des Gewissens und der Ehre erfolgt sein. Es
ist ewig lehrreich zu sehen, wie alle Bildung und Aufklärung gegen diesen
Wahn nicht aufkam, weil derselbe seine Stütze hatte an der leidenschaft-
lichen Phantasie, an dem heißen Wunsch, die Zukunft voraus zu wissen
und zu bestimmen, und weil das Altertum ihn bestätigte.
Die Astrologie tritt mit dem 13. Jahrhundert plötzlich sehr mächtig
in den Vordergrund des italienischen Lebens. Kaiser Friedrich IL führt
seinen Astrologen Theodorus mit sich, und Ezzelino da Romano i""* einen
ganzen stark besoldeten Hof von solchen Leuten, darunter den be-
rühmten Guido Bonatto und den langbärtigen Sarazenen Paul \on
Bagdad. Zu allen wichtigen Unternehmungen mußten sie ihm Tag und
Stunde bestimmen, und die massenhaften Greuel, welche er verüben
ließ, mögen nicht geringen Teils auf logischer Deduktion aus ihren
Weissagungen beruht haben. Seitdem scheut sich niemand mehr, die
Sterne befragen zu lassen; nicht nur die Fürsten, sondern auch einzelne ihre große
Stadtgemeinden ^""^ halten sich regelmäßige Astrologen, und an den
Universitäten^""^ werden vom 14. bis zum 1 6. Jahrhundert besondere
Professoren dieser Wahnwissenschaft, sogar neben eigentlichen Astro-
nomen, angestellt. Die Päpste^""' bekennen sich großenteils offen zur
Stembefragung; allerdings macht Pius IL eine ehrenvolle Ausnahme*""^,
wie er denn auch Traumdeutung, Prodigien und Zauber verachtete;
aber selbst Leo X. scheint einen Ruhm seines Pontifikates darin zu fin-
Verbreitung
296
SITTE UND RELIGION
den, daß die Astrologie blühe^""^, und Paul III. hat kein Konsistorium
gehalten"^", ohne daß ihm die Sterngucker die Stunde bestimmt hätten.
Bei den bessern Gemütern darf man nun wohl voraussetzen, daß sie
sich nicht über einen gewissen Grad hinaus in ihrer Handlungsweise
von den Sternen bestimmen ließen, daß es eine Grenze gab, wo Religion
und Gewissen Einhalt geboten. In der Tat haben nicht nur treffliche
Ihre ehr- uud frommc Lcutc au dem Wahn teilgenommen, sondern sind selbst
""^ '^'^ als Repräsentanten desselben aufgetreten. So Maestro Pagolo von FIo-
renz^"", bei welchem man beinahe diejenige Ansicht auf Versittlichung
des Astrologentums wiederfindet, welche bei dem späten Römer Firmi-
cus Maternus kenntlich wird^"^. Sein Leben war das eines heiligen Aske-
ten; er genoß beinahe nichts, verachtete alle zeitlichen Güter und sam-
melte nur Bücher; als gelehrter Arzt beschränkte er seine Praxis auf seine
Freunde, machte ihnen aber zur Bedingung, daß sie beichten mußten.
Seine Konversation war der enge aber berühmte Kreis, welcher sich
im Kloster zu den Engeln um Fra Ambrogio Camaldolese (S. 290)
sammelte, — außerdem die Unterredungen mit Cosimo dem Älteren,
zumal in dessen letzten Lebensjahren; denn auch Cosimo achtete und
benutzte die Astrologie, wenngleich nur für bestimmte, wahrscheinlich
untergeordnete Gegenstände. Sonst gab Pagolo nur den vertrautesten
Freunden astrologischen Bescheid. Aber auch ohne solche Sittenstrenge
konnte der Sterndeuter ein geachteter Mann sein und sich überall zeigen;
auch gab es ihrer ohne Vergleich viel mehr als im übrigen Europa, wo
sie nur an bedeutenden Höfen, und selbst da nicht durchgängig, vor-
kommen. Wer in Italien irgendein größeres Haus machte, hielt sich auch,
sobald der Eifer fiir die Sache groß genug war, einen Astrologen, der
freilich bisweilen Hunger leiden mochte^"". Durch die schon vor dem
Bücherdruck stark verbreitete Literatur dieser Wissenschaft war über-
dies ein Dilettantismus entstanden, der sich so viel als möglich an die
Meister des Faches anschloß. Die schlimme Gattung der Astrologen war
die, welche die Sterne nur zuhilfe nahm, um Zauberkünste damit zu
verbinden oder vor den Leuten zu verdecken.
Emfiuß im Doch selbst ohne eine solche Zutat ist die Astrologie ein trauriges
Element des damaligen italienischen Lebens. Welchen Eindruck machen
all jene hochbegabten, vielseitigen, eigenwilligen Menschen, wenn die
blinde Begier, das Künftige zu wissen und zu bewirken, ihr kräftiges
individuelles Wollen und Entschließen auf einmal zur Abdikation zwingt!
Dazwischen, wenn die Sterne etwa gar zu Ungünstiges verkünden, raffen
sie sich auf, handeln unabhängig und sprechen dazu: Vir sapiens domi-
nabitur astris^"^*, der Weise wird über die Gestirne Meister; ■ — um bald
wieder in den alten Wahn zurückzufallen.
liiglichrn
Lebten
SITTE UND RELIGION 207
Zunächst wird allen Kindern angesehener Familien das Horoskop ge-
stellt und bisweilen schleppt man sich hierauf das halbe Leben hindurch
mit irgendeiner nichtsnutzigen Voraussetzung von Ereignissen, die nicht
eintreffen ^'*^^. Dann werden für jeden wichtigen Entschluß der Mächtigen,
zumal für die Stunde des Beginnens die Sterne befragt. Abreisen fürst-
licher Personen, Empfang fremder Gesandten "i^, Grundsteinlegungen uie steme
großer Gebäude hängen davon ab. Ein gewaltiges Beispiel der letztem , ™„'Jjs'|^'i„
Art findet sich im Leben des obengenannten Guido Bonatto, welcher H-ungen
überhaupt durch seine Tätigkeit sowohl als durch ein großes systemati-
sches Werk^^i^ der VViederhersteller der Astrologie im 13. Jahrhundert
heißen darf Um dem Parteikampf der Guelfcn und Ghibelhnen in Forli
ein Ende zu machen, beredete er die Einwohner zu einem Neubau ihrer
Stadtmauern und zum feierlichen Beginn desselben unter einer Kon-
stellation, die er angab; wenn dann Leute beider Parteien in demselben
Moment jeder seinen Stein in das Fundament würfen, so würde in Ewig-
keit keine Parteiung mehr in Forli sein. Man wählte einen Guelfen und
einen Ghibellinen zu diesem Geschäfte; der hehre Augenblick erschien,
beide hielten ihre Steine in der Hand, die Arbeiter warteten mit ihrem
Bauzeug, und Bonatto gab das Signal — da warf der Ghibclline sogleich
seinen Stein hinunter, der Guelfe aber zögerte und weigerte sich dann
gänzlich, weil Bonatto selber als Ghibelline galt und etwas Geheimnis-
volles gegen die Guelfen im Schilde führen konnte. Nun fuhr ihn der
Astrolog an: Gott verderbe dich und deine Guelfenpartei mit euerer
mißtrauischen Bosheit! dies Zeichen wird 500 Jahre lang nicht mehr
am Himmel über unserer Stadt erscheinen! In der Tat verdarb Gott
nachher die Guelfen von Forli, jetzt aber (schreibt der Chronist um
1480) sind Guelfen und Ghibelhnen hier doch gänzlich versöhnt, und
man hört ihre Parteinamen nicht mehr^°i*.
Das Nächste, was von den Sternen abhängig wird, sind die Ent- DieAstroio-
Schlüsse im Kriege. Derselbe Bonatto verschaffte dem großen Ghibel- ^"^ "" '^™^'
linenhaupt Guido da Montefeltro eine ganze Anzahl von Siegen, indem
er ihm die richtige Sternenstunde zum Auszug angab; als Montefeltro
ihn nicht mehr bei sich hattei"!^, verlor er allen Mut, seine Tyrannis
weiter zu behaupten und ging in ein Minoritenkloster; noch lange Jahre
sah man ihn als Mönch terminieren. Die Florentiner ließen sich noch
im pisanischen Krieg von 1362 durch ihren Astrologen die Stunde des
•Auszuges bestimmen i"20j man hätte sich beinahe verspätet, weil plötz-
lich ein Umweg in der Stadt befohlen wurde. Frühere Male war man
nämlich durch Via di Borgo S. Apostolo ausgezogen und hatte schlechten
Erfolg gehabt; offenbar war mit dieser Straße, wenn man gegen Pisa
zu Felde zog, ein übles Augurium verknüpft, und deshalb wurde das
2q8 SITTE UND RELIGION
Heer jetzt durch Porta rossa hinausgeführt; weil aber dort die gegen
die Sonne ausgespannten Zelte nicht waren weggenommen worden, so
mußte man — ein neues übles Zeichen — die Fahnen gesenkt tragen.
Überhaupt war die Astrologie vom Kriegswesen schon deshalb nie zu
trennen, weil ihr die meisten Kondottieren anhingen. Jacopo Caldora
war in der schwersten Krankheit wohlgemut, weil er wußte, daß er im
Kampfe fallen würde, wie denn auch geschah 1"^^; Bartolommeo Alviano
war davon überzeugt, daß seine Kopfwunden ihm so gut wie sein Kom-
mando durch Beschluß der Gestirne zuteil geworden^"^; Nicolo Orsini-
Pitigliano bittet sich für den Abschluß seines Soldvertrages mit Venedig
(1495) von dem Physikus und Astrologen Alessandro Benedetto^''^ eine
gute Sternenstunde aus. Als die Florentiner den i. Juni 1498 ihren
neuen Kondottiere, Paolo Vitelli, feierlich mit seiner Würde bekleide-
ten, war der Kommandostab, den man ihm überreichte, mit der Ab-
bildung von Konstellationen versehen i"^*, und zwar auf Vitellis eigenen
Wunsch.
Sterne und Biswcilen wird es nicht ganz klar, ob bei wichtigen politischen Ereig-
nissen die Sterne vorher befragt wurden, oder ob die Astrologen nur
nachträglich aus Kuriosität die Konstellation berechneten, welche den
betreffenden Augenblick beherrscht haben sollte. Als Giangaleazzo Vis-
conti (S. 7) mit einem Meisterstreich seinen Oheim Bernabö und dessen
Familie gefangennahm (1385), standen Jupiter, Saturn und Mars im
Hause der Zwillinge — so meldet ein Zeitgenosse ^"^^j aber wir erfahren
nicht, ob dies den Entschluß zur Tat bestimmte. Nicht selten mag auch
politische Einsicht und Berechnung den Sterndeuter mehr geleitet haben
als der Gang der Planeten ^*'-^.
Hatte sich Europa schon das ganze spätere Mittelalter hindurch von
Paris und Toledo aus durch astrologische Weissagungen von Pest, Krieg,
Erdbeben, großen Wassern u. dgl. ängstigen lassen, so blieb Italien hierin
vollends nicht zurück. Dem Unglücksjahr 1494, das den Fremden für
immer Italien öffnete, gingen unleugbar schlimme Weissagungen nahe
vorausi''^?^ j^^^ müßte man wissen, ob solche nicht längst für jedes be-
liebige Jahr bereitlagen.
Die Religio- In Seiner vollen, antiken Konsequenz dehnt sich aber das System in
°s°emenab° R-Cgioncn aus, wo man nicht mehr erwarten würde ihm zu begegnen.
hdngig Wenn das ganze äußere und geistige Leben des Individuums von dessen
Genitura bedingt ist, so befinden sich auch größere geistige Gruppen,
z. B. Völker und Religionen, in einer ähnlichen Abhängigkeit, und da
die Konstellationen dieser großen Dinge wandelbar sind, so sind es auch
die Dinge selbst. Die Idee, daß jede Religion ihren Wclttag habe, kommt
auf diesem astrologischen Wege in die italienische Bildung hinein. Die
SITTE UND RELIGION 209
Konjunktion des Jupiter, hieß^"^ es, mit Saturn habe den hebräischen
Glauben her\orgebracht, die mit Mars den chaldäischen, die mit der
Sonne den ägyptischen, die mit Venus den mohammedanischen, die mit
Merkur den christlichen, und die mit dem Mond werde einst die Religion
des Antichrist her\'orbringen. In frevelhaftester Weise hatte schon Checco
d'Ascoli die Nativ-ität Christi berechnet und seinen Kreuzestod daraus
deduziert; er mußte deshalb 1327 in Florenz auf dem Scheiterhaufen
sterben^"*'. Lehren dieser Art führten in ihren weitern Folgen eine förm-
liche Verfinsterung alles Übersinnlichen mit sich.
Um so anerkennungswerter ist aber der Kampf, welchen der lichte Die Gegner
itaUenische Geist gegen dieses ganze Wahngespinst geführt hat. Neben "'^^^"^^
den größten monumentalen Verherrlichungen der Astrologie, wie die
Fresken im Salon zu Padua^"^" und diejenigen in Borsos Sommerpalast
(Schifanoja) zu Ferrara, neben dem unverschämten Anpreisen, das sich Abb.2S6-iss,
selbst ein Beroaldus der Ältere^°^^ erlaubt, tönt immer wieder der laute ^"■^'*
Protest der Nichtbetörten und Denkenden. Auch auf dieser Seite hatte
das Altertum vorgearbeitet, doch reden sie hier nicht den Alten nach,
sondern aus ihrem eigenen gesunden Menschenverstände und aus ihrer
Beobachtung heraus. Petrarcas Stimmung gegen die Astrologen, die er
aus eigenem Umgang kannte, ist derber Hohni*'^^, und ihr System durch-
schaut er in seiner Lügenhaftigkeit. Sodann ist die Novelle seit ihrer
Geburt, seit den cento novelle antiche, den Astrologen fast immer feind-
lich^"^. Die florentinischen Chronisten wehren sich auf das tapferste,
auch wenn sie den Wahn, weil er in die Tradition verflochten ist, mit-
teilen müssen. Giovanni Villani sagt es mehr als einmaP"^*: ,, Keine
Konstellation kann den freien Willen des Menschen unter die Notwendig-
keit zwingen, noch auch den Beschluß Gottes"; Matteo Villani erklärt
die Astrologie für ein Laster, das die Florentiner mit anderm Aberglauben
von ihren Vorfahren, den heidnischen Römern, geerbt hätten. Es blieb
aber nicht bei bloß literarischer Erörterung, sondern die Parteien, die
sich darob bildeten, stritten öffentlich; bei der furchtbaren Über-
schwemmung des Jahres 1333 und wiederum 1345 wurde die Frage über
Sternenschicksal und Gottes Willen und Strafgerechtigkeit zwischen
Astrologen und Theologen höchst umständlich diskutiert ^''^^. Diese Ver-
wahrungen hören die ganze Zeit der Renaissance hindurch niemals völ-
lig auf^'*'^, und man darf sie für aufrichtig halten, da es durch Ver-
teidigung der Astrologie leichter gewesen wäre sich bei den Mächtigen
zu empfehlen als durch Anfeindung derselben.
In der Umgebung des Lorenzo magnifico, unter seinen namhaftesten
Piatonikern, herrschte hierüber Zwiespalt. Marsiho Ficino verteidigte Abb. •2,
die Astrologie und stellte den Kindern \om Hause das Horoskop, wie
300
SITTE UND RELIGION
er denn auch dem kleinen Giovanni geweissagl haben soll, er würde
Picos Wider- ein Papst — Leo X. — werdcn^"^'. Dagegen macht Pico della Mirandola
A^^ili wahrhaft Epoche in dieser Frage durch seine berühmte Widerlegung^"^.
Er weist im Sternglauben eine Wurzel aller Gottlosigkeit und Unsittlich-
keit nach; wenn der Astrologe an irgend etwas glauben wolle, so müsse
er am ehesten die Planeten als Götter verehren, indem ja von ihnen alles
Glück und Unheil hergeleitet werde; auch aller übrige Aberglaube finde
hier ein bereitwilliges Organ, indem Geomantie, Chiromantie und Zau-
ber jederart für die Wahl der Stunde sich zunächst an die Astrologie
wendeten. In betreff der Sitten sagt er: eine größere Förderung für das
Böse gäbe es gar nicht, als wenn der Himmel selbst als Urheber des-
selben erscheine, dann müsse auch der Glaube an ewige Seligkeit und
Verdammnis völlig schwinden. Pico hat sich sogar die Mühe genommen,
auf empirischem Wege die Astrologen zu kontrollieren; von ihren Wetter-
prophezeiungen für die Tage eines Monats fand er drei Vierteile falsch.
Die Hauptsache aber war, daß er (im IV. Buche) eine positive christ-
liche Theorie über Weltregierung und Willensfreiheit vortrug, welche
auf die Gebildeten der ganzen Nation einen größern Eindruck gemacht
zu haben scheint als alle Bußpredigten, von welchen diese Leute oft
nicht mehr erreicht wurden.
Deren Vor allem verleidet er den Astrologen die weitere Publikation ihrer
^ "'"^ Lehrgebäude^"^', und die, welche bisher dergleichen hatten drucken
lassen, schämten sich mehr oder weniger. Gioviano Pontano z. B. hatte
in seinem Buche „vom Schicksal" (S. 293) die ganze Wahnwissenschaft
anerkannt und sie in einem eigenen großen Werke i"*" theoretisch in der
Art des alten Firmicus vorgetragen; jetzt in seinem Dialog „Aegidius"
gibt er zwar nicht die Astrologie, wohl aber die Astrologen preis, rühmt
den freien Willen und beschränkt den Einfluß der Sterne auf die körper-
lichen Dinge. Die Sache blieb in Übung, aber sie scheint doch nicht
mehr das Leben so beherrscht zu haben wie früher. Die Malerei, welche
im 15. Jahrhundert den Wahn nach Kräften verherrlicht hatte, spricht
nun die veränderte Denkweise aus: Raffael in der Kuppel der Kapelle
Chigi^"*^ stellt ringsum die Planetengötter und den Fixsternhimmel dar,
aber bewacht und geleitet von herrlichen Engelgestalten, und von oben
herab gesegnet durch den ewigen Vater. Noch ein anderes Element
scheint der Astrologie in Italien feindlich gewesen zu sein: die Spanier
hatten keinen Teil daran, auch ihre Generale nicht, und wer sich bei
ihnen in Gunst setzen wollte ^°^, bekannte sich auch wohl ganz offen
als Feind der für sie halbketzerischen, weil halbmohammedanischen
Wissenschaft. Freilich noch 1529 meint Guicciardini: wie glücklich doch
die Astrologen seien, denen man glaube, wenn sie unter hundert Lügen
Super-
stitioneii
SITTE UND RELIGION 3O I
eine Wahrheit vorbrächten, während andere, die unter hundert Wahr-
heiten eine Lüge sagten, um allen Kredit kämcni"'''. Und überdies schlug
die Verachtung der Astrologie nicht notwendig in Vorsehungsglauben
um, sie konnte sich auch auf einen allgemeinen, unbestimmten Fatalis-
mus zurückziehen.
Italien hat in dieser wie in andern Beziehungen den Kulturtrieb der
Renaissance nicht gesund durch- und ausleben können, weil die Er-
oberung und die Gegenreformation dazwischenkam. Ohne dieses würde
es wahrscheinlich die phantastischen Torheiten völlig aus eigenen Kräften
überwunden haben. Wer nun der Ansicht ist, daß Invasion und katho-
liche Reaktion notwendig und vom italienischen Volk ausschließlich
selbst verschuldet gewesen seien, wird ihm auch die daraus erwachsenen
geistigen Verluste als gerechte Strafe zuerkennen. Nur schade, daß
Europa dabei ebenfalls ungeheuer verloren hat.
Bei weitem unschuldiger als die Sterndeutung erscheint der Glaube verschiedene
an Vorzeichen. Das ganze Mittelalter hatte einen großen Vorrat des-
selben aus seinen verschiedenen Heidentümern ererbt, und Italien wird
wohl darin am wenigsten zurückgeblieben sein. Was aber die Sache hier
eigentümhch färbt, ist die Unterstützung, welche der Humanismus die-
sem populären Wahn leistet; er kommt dem ererbten Stück Heidentum
mit einem literarisch erarbeiteten zu Hilfe.
Der populäre Aberglaube der Italiener bezieht sich bekanntlich auf
Ahnungen und Schlüsse aus Vorzeichen^"**, woran sich dann noch eine
meist unschuldige Magie anschließt. Nun fehlt es zunächst nicht an ge-
lehrten Humanisten, welche wacker über diese Dinge spotten und sie
bei diesem Anlaß berichten. Derselbe Giovanno Pontano, welcher jenes
große astrologische Werk (S. 300) verfaßte, zählt in seinem ,,Charon"
ganz mitleidig allen möglichen neapolitanischen Aberglauben auf: den
Jammer der Weiber, wenn ein Huhn oder eine Gans den Pips bekommt;
die tiefe Besorgnis der vornehmen Herrn, wenn ein Jagdfalke ausbleibt,
ein Pferd den Fuß verstaucht; den Zauberspruch der apulischen Bauern,
welchen sie in drei Samstagsnächten hersagen, wenn tolle Hunde das
Land unsicher machen usw. Überhaupt hatte die Tierwelt ein Vorrecht
des Ominösen gerade wie im Altertum, und vollends jene auf Staats-
kosten unterhaltenen Löwen, Leoparden u. dgl. (S. 165 f ) gaben durch
ihr Verhalten dem Volke um so mehr zu denken, als man sich unwill-
kürlich gewöhnt hatte, in ihnen das lebendige Symbol des Staates zu
erblicken. Als während der Belagerung 1529 ein angeschossener Adler
nach Florenz hereinflog, gab die Signorie dem Überbringer vier Dukaten,
weil es ein gutes Augurium sei^"*^. Dann waren bestimmte Zeiten und
Orte für bestimmte Verrichtungen günstig oder ungünstig oder über-
Bei
Kalamitäten
Aberglaube
der
Humanisteu
O02 SITTE UND RELIGION
haupt entscheidend. Die Florentiner glaubten, wie Varchi meldet, der
Sonnabend sei ihr Schicksalstag, an welchem alle wichtigen Dinge, gute
sowohl als böse zu geschehen pflegten. Ihr Vorurteil gegen Kriegszüge
durch eine bestimmte Gasse wurde schon (S. 297) erwähnt; bei den
Peruginern dagegen gilt eines ihrer Tore, die Porta eburnea, als glück-
verheißend, so daß die Baglionen zu jedem Kampfe dort hinausmar-
schieren ließen^"*^. Dann nehmen Meteore und Himmelszeichen die-
selbe Stelle ein, wie im ganzen Mittelalter, und aus sonderbaren Wolken-
bildungen gestaltet die Phantasie auch jetzt wieder streitende Heere und
glaubt deren Lärm hoch in der Luft zu hörend"*'. Schon bedenklicher
wird der Aberglaube, wenn er sich mit heiligen Dingen kombiniert,
wenn z. B. Madonnenbilder die Augen bewegen^"** oder weinen, ja
wenn Landeskalamitäten mit irgendeinem angeblichen Frevel in Ver-
bindung gebracht werden, dessen Sühnung dann der Pöbel verlangt
(S. 279). Als Piacenza 1478 von langem und heftigem Regen heimge-
sucht wurde, hieß es, derselbe werde nicht aufhören, bis ein gewisser
Wucherer, der unlängst in S. Francesco begraben worden war, nicht
mehr in geweihter Erde ruhe. Da sich der Bischof weigerte, die Leiche
gutwillig ausgraben zu lassen, holten die jungen Burschen sie mit Gewalt,
zerrten sie in den Straßen unter greulichem Tumult herum und warfen
sie zuletzt in den Po^"**. Freilich auch ein Angelo Poliziano läßt sich
auf dieselbe Anschauungsweise ein, wo es Giacomo Pazzi gilt, einen
Hauptanstifter der nach seiner Familie benannten Verschwörung zu
Florenz in demselben Jahre 1478. Als man ihn erdrosselte, hatte er mit
fürchterlichen Worten seine Seele dem Satan übergeben. Nun trat auch
hier Regen ein, so daß die Getreideernte bedroht war; auch hier grub
ein Haufe von Leuten (meist Bauern) die Leiche in der Kirche aus, und
alsobald wichen die Regenwolken, und die Sonne erglänzte — „so gün-
stig war das Glück der Volksmeinung", fügt der große Philologe bei^"*".
Zunächst wurde die Leiche in ungeweihter Erde verscharrt, des folgenden
Tages aber wiederum ausgegraben und nach einer entsetzlichen Prozes-
sion durch die Stadt in den Arno versenkt.
Solche und ähnliche Züge sind wesentlich populär und können im
10. Jahrhundert so gut vorgekommen sein als im 16. Nun mischt sich
aber auch hier das literarische Altertum ein. Von den Humanisten wird
ausdrücklich versichert, daß sie den Prodigien und Augurien ganz be-
sonders zugänglich gewesen und Beispiele davon (S. 279) wurden be-
reits erwähnt. Wenn es aber irgendeines Beleges bedürfe, so würde ihn
schon der eine Poggio gewähren. Derselbe radikale Denker, welcher den
Adel und die Ungleichheit der Menschen negiert (S. 206), glaubt nicht
nur an allen mittelalterliclicn Geister- und Teufelsspuk (fol. 167, 179),
SITTE UND RELIGION 3O3
sondern auch an Prodigien antiker Art, z. B. an diejenigen, welche beim
letzten Besuch Eugens IV. in Florenz berichtet wurden ^"^1. ,,Da sah man
in der Nähe von Como des Abends 4000 Hunde, die den \Vcg nach
Deutschland nahmen; auf diese folgte eine große Schar Rinder, dann
ein Heer von Bewaffneten zu Fuß und zu Roß, teils ohne Kopf, teils
mit kaum sichtbaren Köpfen, zuletzt ein riesiger Reiter, dem wieder
eine Herde von Rindern nachzog." Auch an eine Schlacht von Elstern
und Dohlen (fol. 180) glaubt Poggio. Ja, er erzählt, vielleicht ohne es
zu merken, ein ganz wohlerhaltenes Stück antiker Mythologie. An der
dalmatinischen Küste nämlich erscheint ein Triton, bärtig und mit
Hörnchen, als echter Meersat^T, unten in Flossen und in einen Fisch-
leib ausgehend; er fängt Kinder und Weiber vom Ufer weg, bis ihn fünf
tapfere Waschfrauen mit Steinen und Prügeln töten^"^^. Ein hölzernes
Modell des Ungetüms, welches man in Ferrara zeigt, macht dem Poggio
die Sache völlig glaublich. Zwar Orakel gab es keine mehr und Götter
konnte man nicht mehr befragen, aber das Aufschlagen des Virgil und
die ominöse Deutung der Stelle, auf die man traf (sortes virgilianae),
wurde wieder Mode^°^. Außerdem blieb der Dämonenglauben des spä-
testen Altertums gewiß nicht ohne Einfluß auf denjenigen der Renais-
sance. Die Schrift des JambUchus oder Abammon über die Mysterien
der Äg^'pter, welche hierzu dienen konnte, ist schon zu Ende des 15. Jahr-
hunderts in lateinischer Übersetzung gedruckt worden. Sogar die pla-
tonische Akademie in Florenz z. B. ist von solchem und ähnlichem neu-
platonischen Wahn der sinkenden Römerzeit nicht ganz frei geblieben.
Von diesem Glauben an die Dämonen und dem damit zusammenhän-
genden Zauber muß nunmehr die Rede sein.
Der Populärglaube an das, was man die Geisterwelt nennt^"^*, ist in G«pen5ter
Italien so ziemlich derselbe wie im übrigen Europa. Zunächst gibt es
auch dort Gespenster, d. h. Erscheinungen Verstorbener, und wenn die
Anschauung von der nordischen etwas abweicht, so verrät sich dies
höchstens durch den antiken Namen ombra. Wenn sich noch heute ein
solcher Schatten erzeigt, so läßt man ein paar Messen für seine Ruhe
lesen. Daß die Seelen böser Menschen in furchtbarer Gestalt erscheinen,
versteht sich von selbst, doch geht daneben noch eine besondere Ansicht
einher, wonach die Gespenster Verstorbener überhaupt bösartig wären.
Die Toten bringen die kleinen Kinder um, meint der Kaplan bei Ban-
(jgjjQioss Wahrscheinlich trennt er hierbei in Gedanken noch einen be-
sonderen Schatten von der Seele, denn diese büßt ja im Fegefeuer, und
wo sie erscheint, pflegt sie nur zu flehen und zu jammern. Andere Male,
ist, was erscheint, nicht sowohl das Schattenbild eines bestimmten Men-
schen, als das eines Ereignisses, eines vergangenen Zustandes. So er-
Dämoneu-
glaube
Abb. 176, 177,
rSn
AHt 17«
Beschwu-
ningftn
304 SITTE UND RELIGION
klären die Nachbarn den Teufelsspuk im alten viskontinischen Palast bei
S. Giovanni in Conca zu Mailand; hier habe einst Bemabö Visconti un-
zählige Opfer seiner Tyrannei foltern und erdrosseln lassen, und es sei
kein Wunder, wenn sich etwas erzeige ^•'^''. Einem ungetreuen Armen-
hausverwalter zu Perugia erschien eines Abends, als er Geld zählte, ein
Schwärm von Armen mit Lichtern in den Händen und tanzten vor ihm
herum; eine große Gestalt aber führte drohend das Wort für sie, es war
S. A16, der Schutzheilige des Armenhauses 1°^^. — Diese Anschauungen
verstanden sich so sehr von selbst, daß auch Dichter ein allgemein gül-
tiges Motiv darin finden konnten. Sehr schön gibt z. B. Castiglione die
Erscheinung des erschossenen Lodovico Pico unter den Mauern des be-
lagerten Mirandola wieder^"^. Freilich die Poesie benutzt dergleichen
gerade am liebsten, wenn der Poet selber schon dem betreffenden Glau-
ben entwachsen ist.
Sodann war Italien mit derselben Volksansicht über die Dämonen er-
füllt wie alle Völker des Mittelalters. Man war überzeugt, daß Gott
den bösen Geistern jedes Ranges bisweilen eine große zerstörende Wir-
kung gegen einzelne Teile der Welt und des Menschenlebens zulasse;
alles, was man einbedang, war, daß wenigstens der Mensch, welchem
die Dämonen als Versucher nahten, seinen freien Willen zum Wider-
stand anwenden könne. In Italien nimmt zumal das Dämonische der
Naturereignisse im Mund des Volkes leicht eine poetische Größe an.
In der Nacht vor der großen Überschwemmung des ^Arnotales 1333
hörte einer der heiligen Einsiedler oberhalb Vallombrosa in seiner Zelle
ein teufhsches Getöse, bekreuzte sich, trat unter die Tür und erblickte
schwarze und schreckliche Reiter in Waffen vorüberjagen. Auf sein Be-
schwören stand ihm einer davon Rede: ,,Wir gehen und ersäufen die
Stadt Florenz um ihrer Sünden willen, wenn Gott es zuläßt^"^'." Womit
man die fast gleichzeitige venezianische Erscheinung (1340) vergleichen
mag, aus welcher dann irgendein großer Meister der Schule von Venedig,
wahrscheinlich Giorgione, ein wundersames Bild gemacht hat: jene Ga-
leere voller Dämonen, welche mit der Schnelligkeit eines Vogels über
die stürmische Lagune daherjagte, um die sündige Inselstadt zu ver-
derben, bis die drei Heiligen, welche unerkannt in die Barke eines armen
Schiffers gestiegen waren, durch ihre Beschwörung die Dämonen und
ihr Schiff in den Abgrund der Fluten trieben.
Zu diesem Glauben gesellt sich nun der Wahn, daß der Mensch sich
durch Beschwörung den Dämonen nähern, ihre Hilfe zu seinen irdischen
Zwecken der Habgier, Machtgier und Sinnlichkeit benutzen könne. Hier-
bei gab es wahrscheinlich viele Verklagte früher, als es viele Schuldige
gab; erst als man vorgebliche Zauberer und Hexen verbrannte, begann
riische Hext
.ihb. iSj
SITTE UND RELIGION 3O5
die wirkliche Beschwörung und der absichtliche Zauber häufiger zu
werden. Aus dem Qualm der Scheiterhaufen, auf welche man jene Ver-
dächtigen geopfert, stieg erst der narkotische Dampf empor, der eine
größere Anzahl von verlorenen Menschen zur Magie begeisterte. Ihnen
schlössen sich dann noch resolute Betrüger an.
Die populäre und primitive Gestalt, in welcher dieses Wesen vielleicht Die uaiie
seit der Römerzeit ununterbrochen fortgelebt hatte, ist das Treiben der
Hexe (strega). Sie kann sich so gut als völlig unschuldig geberden, so
lange sie sich auf die Divination beschränkt*"^", nur daß der Übergang
vom bloßen Voraussagen zum Bewirkenhclfen oft unmerkhch und doch
eine entscheidende Stufe abwärts sein kann. Handelt es sich einmal um
wirkenden Zauber, so traut man der Hexe hauptsächlich die Erregung
von Liebe und Haß zwischen Mann und Weib, doch auch rein zerstö-
rende, boshafte Malefizien, zu, namentlich das Hinsiechen von kleinen
Kindern, auch wenn dasselbe noch so handgreiflich von Verwahrlosung
und Unvernunft der Eltern herrührt. Nach allem bleibt dann noch die
Frage übrig, wie weit die Hexe durch bloße Zaubersprüche, Zeremonien
und unverstandene Formeln, oder aber durch bewußte Anrufung der
Dämonen gewirkt haben soll, abgesehen von den Arzneien und Giften,
die sie voller Kenntnis von deren Wirkung mag verabfolgt haben.
Die unschuldigere Art, wobei noch Bettelmönche als Konkurrenten
aufzutreten wagen, lernt man z. B. in der Hexe von Gaeta kennen,
welche Pontano*"*^ uns vorfuhrt. Sein Reisender Suppatius gerät in ihre
Wohnung, während sie gerade einem Mädchen und einer Dienstmagd
Audienz gibt, die mit einer schwarzen Henne, neun am Freitag gelegten
Eiern, einer Ente und weißem Faden kommen, sintemal der dritte Tag
seit Neumond ist; sie werden nun weggeschickt und auf die Dämmerung
wieder herbeschieden. Es handelt sich hoffentlich nur um Divination;
die Herrin der Dienstmagd ist von einem Mönch geschwängert, dem
Mädchen ist sein Liebhaber untreu geworden und ins Kloster gegangen.
Die Hexe klagt: „Seit meines Mannes Tode lebe ich von diesen Dingen
und könnte es bequem haben, da unsere Gaetanerinnen einen ziemlich
starken Glauben besitzen, wenn nicht die Mönche mir den Profit vor-
wegnähmen, indem sie Träume deuten, den Zorn der Heiligen sich ab-
kaufen lassen, den Mädchen Männer, den Schwängern Knaben, den
Unfruchtbaren Kinder versprechen und überdies des Nachts, wenn das
Mannsvolk auf dem Fischfang aus ist, die Weiber heimsuchen, mit
welchen sie des Tages in der Kirche Abreden getrofTen haben." Sup-
patius warnt sie vor dem Neid des Klosters, aber sie fürchtet nichts, weil
der Guardian ihr alter Bekannter ist.
Der Wahn jedoch schafft sich nun eine schlimme Gattung von Hexen;
Burckhardt 20
Durih-
s< hnittücher
(. haraktpr
3o6
SITTE UND RELIGION
Die Hexen-
gegpnd bei
Norcia
Norcia im
r6. Jahrh.
solche, die durch bösen Zauber die Menschen um Gesundheit und Leben
bringen. Bei diesen wird man auch, sobald der böse Blick usw. nicht
ausreichte, zuerst an Beihilfe mächtiger Geister gedacht haben. Ihre
Strafe ist, wie wir schon bei Anlaß der Finicelle (S. 271) sahen, der
Feuertod, und doch läßt der Fanatismus damals noch mit sich handeln;
im Stadtgesetz von Perugia z. B. können sie sich mit 400 Pfund loskau-
fgj^io62 £ijj konsequenter Ernst wurde damals noch nicht auf die Sache
gewendet. Auf dem Boden des Kirchenstaates, im Hochapennin, und
zwar in der Heimat des hl. Benedict, zu Norcia, behauptete sich ein
wahres Nest des Hexen- und Zauberwesens. Die Sache war völlig noto-
risch. Es ist einer der merkwürdigsten Briefe des Aeneas Sylvius^"^, aus
seiner frühern Zeit, der hierüber Aufschluß gibt. Er schreibt an seinen
Bruder: ,, Überbringer dieses ist zu mir gekommen, um mich zu fragen,
ob ich nicht in Italien einen Venusberg wüßte? In einem solchen näm-
lich würden magische Künste gelehrt, nach welchen sein Herr, ein Sachse
und großer Astronom^"**, Begierde trüge. Ich sagte, ich kenne ein Porto
Venere unweit Carrara an der ligurischen Felsküste, wo ich auf der Reise
nach Basel drei Nächte zubrachte; auch fand ich, daß in Sizilien ein der
Venus geweihter Berg Eryx vorhanden sei, weiß aber nicht, daß dort
Magie gelehrt werde. Unter dem Gespräch jedoch fiel mir ein, daß in
Umbrien, im alten Herzogtum (Spoleto) unweit der Stadt Nursia eine
Gegend ist, wo sich unter einer steilen Felswand eine Höhle findet, in
welcher Wasser fließt. Dort sind, wie ich mich entsinne gehört zu haben,
Hexen (striges), Dämonen und nächtliche Schatten, und wer den Mut
hat, kann Geister (spiritus) sehen und anreden und Zauberkünste 1er-
P,gj^io65 j(.]^ habe es nicht gesehen, noch mich beniüht es zu sehen, denn,
was man nur mit Sünden lernt, das kennt man besser gar nicht." Nun
nennt er aber seinen Gewährsmann und ersucht den Bruder, den Über-
bringer des Briefes zu jenem hinzuführen, wenn er noch lebe. Aeneas
geht hier in der Gefälligkeit gegen einen Hochstehenden sehr weit, aber
für seine Person ist er nicht nur freier von allem Aberglauben als seine
Zeitgenossen (S. 279, 295), sondern er hat darüber auch eine Prüfung be-
standen, die noch heute nicht jeder Gebildete aushalten würde. Als er
zur Zeit des Basler Konzils zu Mailand 75 Tage lang am Fieber darnieder-
lag, konnte man ihn doch nie dazu bewegen, auf die Zauberärzte zu hören,
obwohl ihm ein Mann ans Bett gebracht wurde, der kurz vorher 2000 Sol-
daten im Lager des Piccinino auf wunderbare Weise vom Fieber kuriert
haben sollte. Noch leidend reiste Aeneas über das Gebirge nach Basel und
genas im Reiten*"^'.
Weiter erfahren wir etwas von der Umgegend Norcias durch den
Nekromanten, welcher den trefflichen Benvenuto Ccllini in seine Gewalt
SITTE UND RELIGION 3O7
ZU bekommen suchte. Es handelt sich darum^"*' ein neues Zauberbuch
zu weihen, und der schicklichste Ort hiefür sind die dortigen Gebirge;
zwar hat der Meister des Zauberers einmal ein Buch geweiht in der Nähe
der Abtei Farfa, aber es ergaben sich dabei Schwierigkeiten, die man
bei Norcia nicht anträfe; überdies sind die nursinischen Bauern zuver-
lässige Leute, haben einige Praxis in der Sache und können im Notfall
mächtige Hilfe leisten. Der Ausflug unterblieb dann, sonst hätte Ben-
venuto wahrscheinlich auch die Helfershelfer des Gauners kennengelernt.
Damals war diese Gegend völlig sprichwörtlich. Aretino sagt irgendwo
von einem verhexten Brunnen; es wohnten dort die Schwester der Sibylle
von Norcia und die Tante der Fata Morgana. Und um dieselbe Zeit
durfte doch Trissino in seinem großen Epos*"** jene Örtlichkeit mit allem
möglichen Aufwand von Poesie und Allegorie als den Sitz der wahren
Weissagung feiern.
Mit der berüchtigten Bulle Innocenz' VHI. (1484)*"*' wird dann Dasnordische
bekanntlich das Hexenwesen und dessen Verfolgung zu einem großen ^"™'"^''"
und scheußlichen System. Wie die Hauptträger desselben deutsche
Dominikaner waren, so wurde auch Deutschland am meisten durch
diese Geißel heimgesucht und von Italien in auffallender Weise die-
jenigen Gegenden, welche Deutschland am nächsten lagen. Schon die
Befehle und Bullen der Päpste selber*"'*' beziehen sich z. B. auf die
dominikanische Ordensprovinz Lombardia, auf die Diözesen Brescia
und Bergamo, auf Cremona. Sodann erfährt man aus Sprengers be-
rühmter theoretisch-praktischer Anweisung, dem Malleus Maleficarum,
daß zu Como schon im ersten Jahre nach Erlaß der Bulle 41 Hexen
verbrannt wurden; Scharen von Italienerinnen flüchteten auf das Ge-
biet Erzherzog Sigismunds, wo sie sich noch sicher glaubten. Endlich
setzt sich dies Hexenwesen in einigen unglücklichen Alpentälern, be-
sonders Val Camonica*"^, ganz unaustilgbar fest; es war dem System
offenbar gelungen, Bevölkerungen, welche irgendwie speziell disponiert
waren, bleibend mit seinem Wahn zu entzünden. Dieses wesentlich
deutsche Hexentum ist diejenige Nuance, an welche man bei Geschieh- sdn Einfluß
ten und Novellen aus Mailand, Bologna usw.*"'^ zu denken hat. Wenn
es in ItaUen nicht weiter um sich griff, so hing dies vielleicht davon
ab, daß man hier bereits eine ausgebildete Stregheria besaß und kannte,
welche auf wesentUch andern Voraussetzungen beruhte. Die italienische
Hexe treibt ein Gewerbe und braucht Geld und vor allem Besinnung.
Von jenen hysterischen Träumen der nordischen Hexen, von weiten
Ausfahrten, Inkubus und Sukkubus ist keine Rede; die Strega hat
für das Vergnügen anderer Leute zu sorgen. Wenn man ihr zutraut,
daß sie verschiedene Gestalten annehmen, sich schnell an entfernte
20*
auf Ober-
italieo
.Irr Buhle
rinnen
308 SITTE UND RELIGION
Orte versetzen könne, so läßt sie sich dergleichen insofern gefallen,
als es ihr Ansehen erhöht; dagegen ist es schon überwiegend gefähr-
Uch für sie, wenn die Furcht vor ihrer Bosheit und Rache, besonders
vor der Verzauberung von Kindern, Vieh und Feldfrüchten überhand
nimmt. Es kann für Inquisitoren und Ortsbehörden eine höchst po-
puläre Sache werden, sie zu verbrennen.
Weit das wichtigste Feld der Strega sind und bleiben, wie schon
angedeutet wurde, die Liebesangelegenheiten, worunter die Erregung
von Liebe und Haß, das rachsüchtige Nestelknüpfen, das Abtreiben der
Leibesfrucht, je nach Umständen auch der vermeinthche Mord des
oder der Ungetreuen durch magische Begehungen und selbst die Gift-
küche^**" begriffen sind. Da man sich solchen Weibern nur ungern
zauiKiTwesen anvcTtrautc, so entstand ein Dilettantismus, der ihnen dieses und jenes
im stillen ablernte und auf eigene Hand damit weiteroperierte. Die römi-
schen Buhlerinnen z. B. suchten dem Zauber ihrer Persönlichkeit noch
durch anderweitigen Zauber in der Art der horazischen Canidia nach-
zuhelfen. Aretino"'* kann nicht nur etwas über sie wissen, sondern
auch in dieser Beziehung Wahres berichten. Er zählt die entsetzlichen
Schmierereien auf, welche sich in ihren Schränken gesammelt vorfinden:
Haare, Schädel, Rippen, Zähne, Augen von Toten, Menschenhaut,
der Nabel von kleinen Kindern, Schuhsohlen und Gewandstücke aus
Gräbern; ja sie holen selbst von den Kirchhöfen verwesendes Fleisch
und geben es dem Galan unvermerkt zu essen (nebst noch Unerhör-
terem). Haare, Nestel, Nägelabsclmittc des Galans kochen sie in öl,
das sie aus ewigen Lämpchen in den Kirchen gestohlen. Von ihren
Beschwörungen ist es die unschuldigste, wenn sie ein Herz aus heißer
Asche formen und hincinstechen unter dem Gesang:
Prima che'l fuoco spenglii
Fa ch'a mia porta venghi;
Tal ti punga il mio amore
Quäle io fo questo cuore.
Sonst kommen auch Zauberformeln bei Mondschein, Zeichnungen am
Boden und Figuren aus Wachs oder Erz vor, welche ohne Zweifel den
Geliebten vorstellen und je nach Umständen behandelt werden.
Man war an diese Dinge doch so sehr gewöhnt, daß ein Weib, welches
ohne Schönheit und Jugend gleichwohl einen großen Reiz auf die
Männer ausübte, ohne weiteres in den Verdacht der Zauberei geriet.
Die Mutter des Sanga^°" (Sekretärs bei Clemens VH.) vergiftete dessen
Geliebte, die in diesem Falle war; unseligerweisc starb aber auch der
Sohn und eine Gesellschaft von Freunden, die von dem vergifteten
Salat mit aßen.
SITTE UND RELIGION 3O9
Nun folgt, nicht als Helfer, sondern als Konkurrent der Hexe, der Der
mit den gefährlichem Aufgaben noch besser vertraute Zauberer oder
Beschwörer, incantatorc. Bisweilen ist er ebensosehr oder noch mehr
Astrolog als Zauberer; öfter mag er sich als Astrologen gegeben haben,
um nicht als Zauberer verfolgt zu werden, und etwas Astrologie zur
Ermittlung der günstigen Stunden konnte der Zauberer ohnehin nicht
entbehren (S. 296, 300). Da aber viele Geister gut^"^' oder indifferent
sind, so kann auch ihr Beschwörer bisweilen noch eine leidliche Re-
putation behaupten, und noch Sixtus IV. hat 1474 in einem ausdrück-
lichen Breve^"" gegen einige bolognesische Karmeliter einschreiten müs-
sen, welche auf der Kanzel sagten, es sei nichts Böses, von den Dämonen
Bescheid zu begehren. An die Möglichkeit der Sache selber glaubten
offenbar sehr viele; ein mittelbarer Beweis dafür liegt schon darin,
daß auch die Frömmsten ihrerseits an erbetene Visionen guter Geister
glaubten. Savonarola ist von solchen Dingen erfüllt, die florentini-
schen Platoniker reden von einer mystischen Vereinigung mit Gott
und Marcellus Palingenius (S. I48f) gibt nicht undeutlich zu ver-
stehen, daß er mit geweihten Geistern umgehe 1**^*. Ebenderselbe ist
auch überzeugt vom Dasein einer ganzen Hierarchie böser Dämonen,
welche, vom Mond herwärts wohnend, der Natur und dem Menschen-
leben auflauern^*"', ja er erzählt von einer persönlichen Bekanntschaft
mit solchen, und da der Zweck unseres Buches eine systematische Dar-
stellung des damaligen Geisterglaubens ohnehin nicht gestattet, so mag
wenigstens der Bericht des Pahngenius als Einzelbeispiel folgen i"^".
Er hat bei einem frommen Einsiedler auf dem Soractc, zu S. Sil- DieDämoneu
vestro, sich über die Nichtigkeit des Irdischen und die Wertlosigkeit
des menschlichen Lebens belehren lassen und dann mit einbrechender
Nacht den Weg nach Rom angetreten. Da gesellen sich auf der Straße
bei hellem Vollmond drei Männer zu ihm, deren einer ihn beim Namen
nennt und ihn fragt, woher des Weges er komme? Palingenio ant-
wortet: von dem Weisen auf jenem Berge. O du Tor, erwidert jener,
glaubst du wirklich, daß auf Erden jemand weise sei? Nur höhere
Wesen (Divi) haben Weisheit, und dazu gehören wir drei, obwohl wir
mit Menschengestalt angetan sind; ich heiße Saracil, und diese hier
Sathiel und Jana; unser Reich ist zunächst beim Mond, wo über-
haupt die große Schar von Mittelwesen haust, die über Erde und
Meer herrschen. Palingenio fragt nicht ohne inneres Beben, was sie
in Rom vorhätten? — Die Antwort lautet: ,, Einer unserer Genossen,
Ammon, wird durch magische Kraft von einem Jüngling aus Nami,
aus dem Gefolge des Kardinals Orsini, in Knechtschaft gehalten; denn
merkt euch's nur, Menschen, es liegt beiläufig ein Beweis für eure eigene
auf derStraße
nach Koiii
QIO SITTE UND RELIGION
Unsterblichkeit darin, daß ihr unsereinen zwingen könnt; ich selbst
habe einmal, in Kristall eingeschlossen, einem Deutschen dienen müssen,
bis mich ein bärtiges Mönchkin befreite. Diesen Dienst wollen wir
nun in Rom unserm Genossen zu leisten suchen und bei dem Anlaß
ein paar vornehme Herren in den Orkus befördern." Bei diesen Worten
des Dämons erhebt sich ein Lüftchen, und Sathiel sagt: ,, Höret, unser
Remisses kommt schon von Rom zurück, dies Wehen kündigt ihn an."
In der Tat erscheint noch einer, den sie fröhlich begrüßen und über
Rom ausfragen. Seine Auskunft ist höchst antipäpstlich; Clemens VH.
ist wieder mit den Spaniern verbündet und hofft, Luthers Lehre nicht
mehr mit Gründen, sondern mit dem spanischen Schwerte auszurotten;
lauter Gewinn für die Dämonen, welche bei dem großen bevorstehen-
den Blutvergießen die Seelen Unzähliger zur Hölle führen werden.
Nach diesen Reden, wobei Rom mit seiner Unsittlichkeit als völlig
dem Bösen verfallen dargestellt wird, verschwinden die Dämonen und
lassen den Dichter traurig seine Straße ziehen ^°ä^.
Umfing des Wcr slch vou dcm Umfang desjenigen Verhältnisses zu den Dämonen
schwörungs- ^incn Begriff machen will, welches man noch öffentlich zugestehen
glauben? durfte trotz des Hexenhammers usw., den müssen wir auf das viel-
gelesene Buch des Agrippa von Nettesheim ,,Von der geheimen Philo-
sophie" verweisen. Er scheint es zwar ursprünglich geschrieben zu haben,
ehe er in Italien war^"^^, allein er nennt in der Widmung an Trithemius
unter andern auch wichtige italienische Qiiellen, wenn auch nur, um
sie nebst den andern schlechtzumachen. Bei zweideutigen Individuen,
wie Agrippa eines war, bei Gaunern und Narren, wie die meisten
andern heißen dürfen, interessiert uns das System, in welches sie sich
etwa hüllen, nur sehr wenig, samt seinen Formeln, Räucherungen,
Salben, Pentakcln, Totenknochen ^"^ usw. Allein fürs erste ist dies
System mit Zitaten aus dem Aberglauben des Altertums ganz angefüllt;
sodann erscheint seine Einmischung in das Leben und in die Leiden-
schaft der Italiener bisweilen höchst bedeutend und folgenreich. Man
sollte denken, daß nur die verdorbensten Großen sich damit eingelassen
hätten, allein das heftige Wünschen und Begehren führt den Zaube-
rern hier und da auch kräftige und schöpferische Menschen aller Stände
zu, und schon das Bewußtsein, daß die Sache möglich sei, raubt auch
den Fernstehenden immer etwas von ihrem Glauben an eine sittliche
Wcltordnung. Mit etwas Gold und Gclahr schien man der allgemeinen
Vernunft und Sittlichkeit ungestraft trotzen zu können und die Zwischen-
stufen zu ersparen, welche sonst zwischen dem Menschen und seinen
erlaubten oder unerlaubten Zielen liegen.
DieTeiesmin Bctrachtcn wir zunächst ein älteres, im Absterben begriffenes Stück
SITTE UND RELIGION ßll
Zauberei. Aus dem dunkelsten Mittelalter, ja aus dem Altertum be-
wahrte manche Stadt in Italien eine Erinnerung an die Verknüpfung
ihres Schicksals nüt gewissen Bauten, Statuen usw. Die Alten hatten
einst zu erzählen gewußt von den Weihepriestern oder Telesten, welche
bei der feierlichen Gründung einzelner Städte zugegen gewesen waren
und das Wohlergehen derselben durch bestimmte Denkmäler, auch
wohl durch geheimes Vergraben bestimmter Gegenstände (Telesmata)
magisch gesichert hatten. Wenn irgend etwas aus der römischen Zeit
mündlich und populär überliefert weiterlebte, so waren es Traditionen
dieser Art; nur wird natürlich der Weihepriester im Lauf der Jahr-
hunderte zum Zauberer schlechthin, da man die religiöse Seite seines
Tuns im Altertum nicht mehr versteht. In einigen neapolitanischen
Virgilswundern^"^* lebt ganz deutlich die uralte Erinnerung an einen
Telesten fort, dessen Name im Laufe der Zeit durch den des Virgil in Neapel;
verdrängt wurde. So ist das Einschließen des geheimnisvollen Bildes
der Stadt in ein Gefäß nichts anderes als ein echtes antikes Telesma;
so ist Virgil der Mauerngründer von Neapel nur eine Umbildung des
bei der Gründung anwesenden Weihepriesters. Die Volksphantasie spann
mit wucherndem Reichtum an diesen Dingen weiter, bis Virgil auch
der Urheber des ehernen Pferdes, der Köpfe am Nolaner Tor, der
ehernen Fliege über irgendeinem andern Tore, ja der Grotte des Posi-
lipp usw. geworden war — lauter Dinge, welche das Schicksal in ein-
zelnen Beziehungen magisch binden, während jene beiden Züge das
Fatum von Neapel überhaupt zu bestimmen scheinen. Auch das mittel-
alterliche Rom hatte verworrene Erinnerungen dieser Art. In S. Am-
brogio zu Mailand befand sich ein antiker marmorner Herkules; so- in Mailand;
lange derselbe an seiner Stelle stehe, hieß es, werde auch das Reich
dauern, wahrscheinlich das der deutschen Kaiser, deren Krönungs-
kirche S. Ambrogio war^^^^. Die Florentiner waren überzeugt ^''^®, daß m Florenz;
ihr (später zum Baptisterium umgebauter) Marstempel stehen werde
bis ans Ende der Tage, gemäß der Konstellation, unter welcher er zur
Zeit des Augustus erbaut war; die marmorne Reiterstatue des Mars
hatten sie allerdings daraus entfernt, als sie Christen wurden; weil aber
die Zertrümmerung derselben großes Unheil über die Stadt gebracht
haben würde — ebenfalls wegen einer Konstellation — so stellte man
sie auf einen Turm am Arno. Als Totila Florenz zerstörte, fiel das
Bild ins Wasser und wurde erst wieder herausgefischt, als Karl der
Große Florenz neu gründete; es kam nunmehr auf einen Pfeiler am
Eingang des Ponte vecchio zu stehen — und an dieser Stelle wurde
1215 Bondelmonte umgebracht, und das Erwachen des großen Partei-
kampfes der Guclfen und Gibellinen knüpft sich auf diese Weise an
Die Telesiuen
in Forli
Magie bei
Grundstein-
logxingen
Der Necrn-
mant bei den
Dichtern
ai2 SITTE UND RELIGION
das gefürchtete Idol. Bei der Überschwemmung von 1333 verschwand
dasselbe für immer.
Allein dasselbe Telesma findet sich anderswo wieder. Der schon er-
wähnte Guido Bonatto begnügte sich nicht, bei der Neugründung der
Stadtmauern von Forli jene symbolische Szene der Eintracht der beiden
Parteien (S. 297) zu verlangen; durch ein ehernes oder steinernes Reiter-
bild, das er mit astrologischen und magischen Hilfsmitteln zustande
brachte und vergrub^"*', glaubte er die Stadt Forli vor Zerstörung,
ja schon vor Plünderung und Einnahme geschützt zu haben. Als Kardinal
Albornoz (S. 60) etwa sechs Jahrzehnte später die Romagna regierte,
fand man das Bild bei zufälligem Graben und zeigte es, wahrscheinlich
auf Befehl des Kardinals, dem Volke, damit dieses begreife, durch
welches Mittel der grausame Montefeltro sich gegen die römische Kirche
behauptet habe. Aber wiederum ein halbes Jahrhundert später (1410),
als eine feindhche Überrumpelung von Forli mißlang, appelliert man
doch wieder an die Kraft des Bildes, das vielleicht gerettet und wieder
vergraben worden war. Es sollte das letztemal sein, daß man sich dessen
freute; schon im folgenden Jahr wurde die Stadt wirklich eingenommen.
— Gründungen von Gebäuden haben noch im ganzen 15. Jahrhundert
nicht nur astrologische (S. 297), sondern auch magische Anklänge mit
sich. Es fiel z. B. auf, daß Papst Paul IL eine solche Masse von goldenen
und silbernen Medaillen in die Grundsteine seiner Bauten versenkte^"**,
und Piatina hat keine üble Lust, hierin ein heidnisches Telesma zu er-
kennen. Von der mittelalterlich religiösen Bedeutung eines solchen
Opfers^"** hatte wohl freilich Paul so wenig als sein Biograph ein Be-
wußtsein.
Doch dieser offizielle Zauber, der ohnedies großenteils ein bloßes
Hörensagen war, erreichte bei weitem nicht die Wichtigkeit der gehei-
men, zu persönlichen Zwecken angewandten Magie.
Was davon im gewöhnlichen Leben besonders häufig vorkam, hat Ariost
in seiner Komödie vom Nekromanten zusammengestellt^"'". Sein Held
ist einer der vielen aus Spanien vertriebenen Juden, obgleich er sich
auch für einen Griechen, Ägypter und Afrikaner ausgibt und unauf-
hörlich Namen und Maske wechselt. Er kann zwar mit seinen Geister-
beschwörungen den Tag verdunkeln und die Nacht erhellen, die Erde
bewegen, sich unsichtbar machen, Menschen in Tiere verwandeln usw.,
aber diese Prahlereien sind nur das Aushängeschild; sein wahres Ziel
ist das Ausbeuten unglücklicher und leidenschaftlicher Ehepaare, und
da gleichen die Spuren, die er zurückläßt, dem Geifer einer Schnecke,
oft aber auch dem verheerenden Hagelschlag. Um solcher Zwecke
willen bringt er es dazu, daß man glaubt, die Kiste, worin ein Lieb-
SITTE UND RELIGION 3I3
haber steckt, sei voller Geister, oder er könne eine Leiche zum Reden
bringen u. dgl. Es ist wenigstens ein gutes Zeichen, daß Dichter und
Novellisten diese Sorte von Menschen lächerlich machen durften und
dabei auf Zustimmung rechnen konnten. Bandello behandelt nicht nur
das Zaubern eines lombardischen Mönches als eine kümmerliche und
in ihren Folgen schreckliche Gaunerei ^*'^^, sondern er schildert auch^"*^
mit wahrer Entrüstung das Unheil, welches den gläubigen Toren un-
aufhörlich begleitet. ,,Ein solcher hofft mit dem Schlüssel Salomonis
und vielen andern Zauberbüchem die verborgenen Schätze im Schoß
der Erde zu finden, seine Dame zu seinem Willen zu zwingen, die Ge-
heimnisse der Fürsten zu erkunden, von Mailand sich in einem Nu
nach Rom zu versetzen und ähnliches. Je öfter getäuscht, desto beharr-
licher wird er . . . Entsinnt Ihr Euch noch, Signor Carlo, jener Zeit, da
ein Freund von uns, um die Gunst seiner Geliebten zu erzwingen, sein
Zimmer mit Totenschädeln und Gebeinen anfüllte wie einen Kirchhof?"
Es kommen die ekelhaftesten Verpflichtungen vor, z. B. einer Leiche drei
Zähne auszuziehen, ihr einen Nagel vom Finger zu reißen usw., und
wenn dann endlich die Beschwörung mit ihrem Hokuspokus vor sich
geht, sterben bisweilen die unglücklichen Teilnehmer vor Schrecken.
Benvenuto Cellini, bei der bekannten großen Beschwörung (1532) Benvenuto
im Kolosseum zu Rom^°'^ starb nicht, obgleich er und seine Begleiter
das tiefste Entsetzen ausstanden; der sizilianische Priester, der in ihm
wahrscheinlich einen brauchbaren Mithelfer für künftige Zeiten ver-
mutete, machte ihm sogar auf dem Heimweg das Kompliment, einen
Menschen von so festem Mute habe er noch nie angetroffen. Über den
Hergang selbst wird sich jeder Leser seine besondem Gedanken machen;
das Entscheidende waren wohl die narkotischen Dämpfe und die von
vornherein auf das Schrecklichste vorbereitete Phantasie, weshalb denn
auch der mitgebrachte Junge, bei welchem dies am stärksten wirkt,
weit das meiste allein erblickt. Daß es aber wesentlich auf Benvenuto
abgesehen sein mochte, dürfen wir erraten, weil sonst für das gefähr-
liche Beginnen gar kein anderer Zweck als die Neugier ersichtlich
wird. Denn auf die schöne Angelica muß sich Benvenuto erst besinnen,
und der Zauberer sagt ihm nachher selbst, Liebschaften seien eitle
Torheit im Vergleich mit dem Auffinden von Schätzen. Endhch darf
man nicht vergessen, daß es der Eitelkeit schmeichelte, sagen zu können:
die Dämonen haben mir Wort gehalten, und Angelica ist genau einen
Monat später, wie mir verheißen war, in meinen Händen gewesen
(Kap. 68). Aber auch wenn sich Benvenuto allmählich in die Geschichte
hineingelogen haben sollte, so wäre sie doch als Beispiel der damals
herrschenden Anschauung von bleibendem Werte.
Cellini
Abb. }gs
314
SITTE UND RELIGION
Abb. igj
Sonst gaben sich die italienischen Künstler, auch die „wunderlichen,
kapriziösen und bizarren", mit Zauberei nicht leicht ab; wohl schneidet
sich einer bei Gelegenheit des anatomischen Studiums ein Wams aus
der Haut einer Leiche, aber auf Zureden eines Beichtvaters legt er es
wieder in ein Grab^"'*. Gerade das häufige Studium von Kadavern
mochte den Gedanken an magische Wirkung einzelner Teile derselben
am gründlichsten niederschlagen, während zugleich das unablässige Be-
trachten und Bilden der Form dem Künstler die Möglichkeit einer ganz
andern Magie aufschloß.
Im allgemeinen erscheint das Zauberwesen zu Anfang des i6. Jahr-
hunderts trotz der angeführten Beispiele doch schon in kcnntUcher
Abnahme des Abnahme, zu einer Zeit also, wo es außerhalb Italiens erst recht in
zaubenvesens gjQ^g kommt, SO daß dic Rundreisen italienischer Zauberer und Astro-
logen im Norden erst zu beginnen scheinen, seitdem ihnen zu Hause
niemand mehr großes Vertrauen schenkte. Das 14. Jahrhundert war
es, welches die genaue Bewachung des Sees auf dem Pilatusberg bei
Scariotto nötig fand, um die Zauberer an ihrer Bücherweihe zu ver-
hindern ^''^^. Im 15. Jahrhundert kamen dann noch Dinge vor, wie z. B.
das Anerbieten Regengüsse zu bewirken, um damit ein Belagerungs-
heer zu verscheuchen; und schon damals hatte der Gebieter der be-
lagerten Stadt — Nicolö Vittelli in Cittä di Castello — den Verstand,
die Regenmacher als gottlose Leute abzuweisen ^''^^. Im 16. Jahrhundert
treten solche offizielle Dinge nicht mehr an den Tag, wenn auch das
Privatleben noch mannigfach den Beschwörern anheimfällt. In diese
Zeit gehört allerdings die klassische Figur des deutschen Zauberwesens,
Dr. Johann Faust; die des italienischen dagegen, Guido Bonatto, fallt
bereits ins 13. Jahrhundert.
Auch hier wird man freilich beifügen müssen, daß die Abnahme
des Beschwörungsglaubens sich nicht notwendig in eine Zunahme des
Glaubens an die sittliche Ordnung des Menschenlebens verwandelte,
sondern daß sie vielleicht bei vielen nur einen dumpfen Fatalismus
zurückließ, ähnlich wie der schwindende Sternglaube.
Ein paar Nebengattungen des Wahns, die Pyromantie, Chiromantie"''
usw., welche erst mit dem Sinken des Beschwörungsglaubens und der
Astrologie einigermaßen zu Kräften kamen, dürfen wir hier völlig über-
gehen, und selbst die auftauchende Physiognomik hat lange nicht das
Interesse, das man bei Nennung dieses Namens voraussetzen sollte.
Sie erscheint nämlich nicht als Schwester und Freundin der bildenden
Kunst und der praktischen Psychologie, sondern wesentlich als eine
neue Gattung fatalistischen Wahnes, als ausdrückliche Rivalin der Stern-
deuterei, was sie wohl schon bei den Arabern gewesen sein mag. Barto-
1 )cssen
Ncbengat-
tunken
Physiogno-
mik
SITTE UND RELIGION
315
Wahrsager
lommeo Code z. B., der Verfasser eines physiognomischen Lehrbuches,
der sich einen Metoposkopen nannte i"** und dessen Wissenschaft, nach
Giovios Ausdruck, schon wie eine der vornehmsten freien Künste aus-
sah, begnügte sich nicht mit Weissagungen an die klügsten Leute,
die ihn tägüch zu Rate zogen, sondern er schrieb auch ein höchst be-
denkhches „Verzeichnis solcher, welchen verschiedene große Lebens-
gefahren bevorständen". Giovio, obwohl gealtert in der Aufklärung
Roms — in hac luce romana! — , findet doch, daß sich die darin ent-
haltenen Weissagungen nur zu sehr erwahrt hätten'"^'. Freilich erfährt
man bei dieser Gelegenheit auch, wie die von diesen und ähnlichen
Voraussagungen Betroffenen sich an den Propheten rächten; Giovanni
Bentivoglio ließ den Lucas Gauricus an einem Seil, das von einer hohen schicksaieda
Wendeltreppe herabhing, fünfmal hin und her an die Wand schmeißen,
weil Lucas ihm""" den Verlust seiner Herrschaft vorhersagte; Ermes
Bentivoglio sandte dem Code einen Alörder nach, weil der unglück-
liche Metoposkop ihm, noch dazu wider Willen, prophezeit hatte, er
werde als Verbannter in einer Schlacht umkommen. Der Mörder höhnte,
wie es scheint, noch in Gegenwart des Sterbenden: Dieser habe ihm ja
selber geweissagt, er würde nächstens einen schmählichen Mord be-
gehen! — Ein ganz ähnliches jammervolles Ende nahm der Neugründer
der Chiromantie, Antioco Tiberto von Cesena"°i, durch Pandolfo Ma-
latesta von Rimini, dem er das Widerwärtigste prophezeit hatte, was
ein Tyrann sich denken mag: den Tod in Verbannung und äußerster
Armut. Tiberto war ein geistreicher Mann, dem man zutraute, daß
er weniger nach einer chiromantischen Methode als nach einer durch-
dringenden Menschenkenntnis seinen Bescheid gebe; auch achteten ihn
seiner hohen Bildung wegen selbst diejenigen Gelehrten, welche von
seiner Divination nichts hielten""^.
Die Alchimie endlich, welche im Altertum erst ganz spät, unter
Diocletian, erwähnt wird, spielt zur Zeit der Blüte der Renaissance
nur eine untergeordnete Rolle i^"'. Auch diese Krankheit hatte Italien
früher durchgemacht, im 14. Jahrhundert, als Petrarca in seiner Pole-
mik dagegen es zugestand: das Goldkochen sei eine weitverbreitete
Sitte '^''*. Seitdem war in Italien diejenige besondere Sorte von Glauben,
Hingebung und Isolierung, welche der Betrieb der Alchimie verlangt,
immer seltener geworden, während italienische und andere Adepten
im Norden die großen Herren erst recht auszubeuten anfingen""*.
Unter Leo X. hießen bei den Italienern die wenigen""*, die sich noch
damit abgaben, schon ,, Grübler" (ingenia curiosa), und AureUo Augu-
relli, der dem großen Goldverächter Leo selbst sein Lehrgedicht vom
Goldmachen widmete, soll als Gegengeschenk eine prächtige, aber leere
Alchimie
Abb. 183
3i6
SITTE UND RELIGION
Börse erhalten haben. Die Adeptenmystik, welche außer dem Gold
noch den allbeglückenden Stein der Weisen suchte, ist vollends erst
ein spätes nordisches Gewächs, welches aus den Theorien des Para-
celsus usw. emporblüht.
Mit diesem Aberglauben sowohl als mit der Denkweise des Alter-
tums überhaupt hängt die Erschütterung des Glaubens an die Un-
sterbUchkeit eng zusammen. Diese Frage hat aber überdies noch viel
weitere und tiefere Beziehungen zu der Entwicklung des modernen
Geistes im großen und ganzen.
DerUngiaube Eine mäclitigc Quelle aller Zweifel an der Unsterblichkeit war zu-
er aup jj^clist der Wunsch, der verhaßten Kirche, wie sie war, innerlich nichts
mehr zu verdanken. Wir sahen, daß die Kirche diejenigen, welche so
dachten, Epikuräer nannte (S. 288f). Im Augenblick des Todes mag
sich mancher wieder nach den Sakramenten umgesehen haben, aber
Unzählige haben während ihres Lebens, zumal während ihrer tätigsten
Jahre unter jener Voraussetzung gelebt und gehandelt. Daß sich daran
bei vielen ein allgemeiner Unglaube hängen mußte, ist an sich ein-
leuchtend und überdies geschichtlich auf alle Weise bezeugt. Es sind
diejenigen, von welchen es bei Ariost heißt: sie glauben nicht über
das Dach hinaus"". In Italien, zumal in Florenz, konnte man zuerst
als ein notorisch Ungläubiger existieren, wenn man nur keine unmittel-
bare Feindseligkeit gegen die Kirche übte. Der Beichtvater z. B., der
einen politischen Delinquenten zum Tode vorbereiten soll, erkundigt
sich vorläufig, ob derselbe glaube? ,,denn es war ein falsches Gerücht
gegangen, er habe keinen Glauben""*".
Die Beichte Dcr arme Sünder, um den es sich hier handelt, jener S. 36f erwähnte
Pierpaolo Boscoli, der 15 13 an einem Attentat gegen das eben her-
gestellte Haus Medici teilnahm, ist bei diesem Anlaß zu einem wahren
Spiegelbild der damaligen religiösen Konfusion geworden. Von Hause
aus der Partei Savonarolas zugetan, hatte er dann doch für die antiken
Freiheitsideale und anderes Heidentum geschwärmt; in seinem Kerker
aber nimmt sich jene Partei wiederum seiner an und verschafft ihm
ein seliges Ende in ihrem Sinne. Der pietätvolle Zeuge und Aufzeichner
des Herganges ist einer von der Künstlerfainilie della Robbia, der
gelehrte Philologe Luca. ,,Ach, seufzt Boscoli, treibet mir den Brutus
aus dem Kopf, damit ich meinen Gang als Christ gehen kann!" —
Luca: ,,Wenn Ihr wollt, so ist das nicht schwer; Ihr wisset ja, daß
jene Römertaten uns nicht schliclil, sondern idealisiert (con arte ac-
cresciute) überliefert sind." Nun zwingt jener seinen Verstand, zu glau-
ben, und jammert, daß er nicht freiwillig glauben könne. Wenn er
nur noch einen Monat mit guten Mönchen zu leben hätte, dann würde
SITTE UND RELIGION 317
er ganz geistlich gesinnt werden! Es zeigt sich weiter, daß diese Leute
vom Anhang Savonarolas die Bibel wenig kannten; Boscoli kann nur
Paternoster und Avemaria beten und ersucht nun den Luca dringend,
den Freunden zu sagen, sie möchten die Heilige Schrift studieren,
denn nur, was der Mensch im Leben erlernt habe, das besitze er im
Sterben. Darauf liest und erklärt ihm Luca die Passion nach dem
Evangelium Johannis; merkwürdigerweise ist dem Armen die Gott-
heit Christi einleuchtend, während ihm dessen Menschheit Mühe macht;
diese möchte er gerne so sichtbar begreifen, „als käme ihm Christus
aus einem Walde entgegen" — worauf ihn sein Freund zur Demut
verweist, indem dies nur Zweifel seien, welche der Satan sende. Später
fällt ihm ein ungelöstes Jugendgelübde einer Wallfahrt nach der Im-
pruneta ein; der Freund verspricht es zu erfüllen an seiner Statt. Da-
zwischen kommt der Beichtvater, ein Mönch aus Savonarolas Kloster,
wie er ihn erbeten hatte, gibt ihm zunächst jene oben erwähnte Er-
läuterung über die Ansicht des Thomas von Aquino wegen des Tyrannen-
mordes und ermahnt ihn dann, den Tod mit Kraft zu ertragen. Boscoli
antwortet: „Pater, verlieret damit keine Zeit, denn dazu genügen mir
schon die Pliilosophen; helfet mir, den Tod zu erleiden aus Liebe zu
Christus." Das Weitere, die Kommunion, der Abschied und die Hin-
richtung, wird auf sehr rührende Weise geschildert; besonders hervor-
zuheben ist aber der eine Zug, daß Boscoli, indem er das Haupt auf
den Block legte, den Henker bat, noch einen Augenblick mit dem Hieb
zu warten: ,,Er hatte nämlich die ganze Zeit über (seit der Verkündi-
gung des Todesurteils) nach einer engen Vereinigung mit Gott ge-
strebt, ohne sie nach Wunsch zu erreichen, nun gedachte er in diesem
Augenblick durch volle Anstrengung sich gänzlich Gott hinzugeben."
Offenbar ist es ein Ausdruck Savonarolas, der — halbverstanden —
ihn beunruhigt hatte.
Besäßen wir noch mehr Bekenntnisse dieser Art, so würde das geistige RciiKiöse
T»'i 1 • i~T * •! • ^ • r-r .1 1 1' 1* Konfusion
Bild jener Zeit um viele wichtige Züge reicher werden, die uns keine
Abhandlung und kein Gedicht gibt. Wir würden noch besser sehen,
wie stark der angeborene religiöse Trieb, wie subjektiv und auch wie
schwankend das Verhältnis des einzelnen zum Religiösen war und
was für gewaltige Feinde dem letztern gegenüberstanden. Daß Men-
schen von einem so beschaffenen Innern nicht taugen, um eine neue
Kirche zu bilden, ist unleugbar, aber die Geschichte des abendländi-
schen Geistes wäre unvollständig ohne die Betrachtung jener Gärungs-
zeit der Italiener, während sie sich den Blick auf andere Nationen,
die am Gedanken keinen Teil hatten, getrost ersparen darf Doch wir
kehren zur Frage von der Unsterblichkeit zurück.
Zweifel
kejt derSeelr
Ol8 SITTE UND RELIGION
Wenn der Unglaube in dieser Beziehung unter den höher Entwickel-
ten eine so bedeutende Stellung gewann, so hing dies weiter davon ab,
daß die große irdische Aufgabe der Entdeckung und Reproduktion
der Welt in Wort und Bild alle Geistes- und Seelenkräfte bis zu einem
hohen Grade für sich in Anspruch nahm. Von dieser notwendigen
Weltlichkeit der Renaissance war schon (S. 285) die Rede. Aber über-
AUgemeiner dics crliob sich aus dieser Forschung und Kunst mit derselben Not-
wendigkeit ein allgemeiner Geist des Zweifels und der Frage. Wenn
derselbe sich in der Literatur wenig kundgibt, wenn er z. B. zu einer
Kritik der biblischen Geschichte (S. 292) nur vereinzelte Anläufe ver-
rät, so muß man nicht glauben, er sei nicht vorhanden gewesen. Er
war nur übertönt durch das soeben genannte Bedürfnis des Darstellens
und Bildens in allen Fächern, d. h. durch den positiven Kunsttrieb;
außerdem hemmte ihn auch die noch vorhandene Zwangsmacht der
Kirche, sobald er theoretisch zu Werke gehen wollte. Dieser Geist
des Zweifels aber mußte sich unvermeidlich und vorzugsweise auf die
Frage vom Zustand nach dem Tode werfen, aus Gründen, welche zu
einleuchtend sind, als daß sie genannt zu werden brauchten.
Unsterblich. Und nuu kam das Altertum hinzu und wirkte auf diese ganze An-
gelegenheit in zwiefacher Weise. Fürs erste suchte man sich die Psycho-
logie der Alten anzueignen und peinigte den Buchstaben des Aristo-
teles um eine entscheidende Auskunft. In einem der lucianischen Dia-
loge jener Zeit""^ erzählt Charon dem Merkur, wie er den Aristoteles
bei der Überfahrt im Nachen selber um seinen Unsterblichkeitsglauben
befragt habe; der vorsichtige Pliilosoph, obwohl selber bereits leiblich
gestorben und dennoch fortlebend, habe sich auch jetzt nicht mit einer
klaren Antwort kompromittieren wollen; wie werde es erst nach vielen
Jahrhunderten mit der Deutung seiner Schriften gehen! — Nur um
so eifriger stritt man über seine und anderer alten Schriftsteller Mei-
nungen in betreff der wahren Beschaffenheit der Seele, ihren Ursprung,
ihre Präexistenz, ihre Einheit in allen Menschen, ihre absolute Ewig-
keit, ja ihre Wanderungen, und es gab Leute, die dergleichen auf die
Kanzel brachten^"". Die Debatte wurde überhaupt schon im 15. Jahr-
hundert sehr laut; die einen bewiesen, daß Aristoteles allerdings eine
unsterbliche Seele lehre^^"; andere klagten über die Herzenshärte der
Menschen, welche die Seele gern breit auf einem Stuhl vor sich sitzen
sähen, um überhaupt an ihr Dasein zu glauben *^^; Filelfo in seiner
Leichenrede auf Francesco Sforza führt eine bunte Reihe von Aus-
sagen antiker und selbst arabischer Philosophen zugunsten der Un-
sterblichkeit an und schließt dies im Druck^^^ anderthalb enge Folio-
seiten betragende Gemisch mit zwei Zeilen: „Überdies haben wir das
SITTE UND RELIGION 3I9
Alte und Neue Testament, was über alle Wahrheit ist." Dazwischen
kamen die florentinischen Platoniker mit der Seelenlehre Piatos und,
wie z. B. Pico, mit sehr wesentlicher Ergänzung derselben aus der
Lehre des Christentums. Allein die Gegner erfüllten die gebildete Welt
mit ihrer Meinung. Zu Anfang des 1 6. Jahrhunderts war das Ärgernis,
das die Kirche darob empfand, so hoch gestiegen, daß Leo X. auf
dem lateranensischen Konzil (1513) eine Konstitution"^* erlassen mußte
zum Schutz der Unsterblichkeit und Individualität der Seele, letzteres
gegen die, welche lehrten, die Seele sei in allen Menschen nur eine.
Wenige Jahre später erschien aber das Buch des Pomponazzo, worin
die Unmöglichkeit eines philosophischen Beweises für die Unsterblich-
keit dargetan wurde, und nun spann sich der Kampf mit Gegenschriften
und Apologien fort und verstummte erst gegenüber der katholischen
Reaktion. Die Präexistenz der Seelen in Gott, mehr oder weniger nach
Piatos Ideenlehre gedacht, blieb lange ein sehr verbreiteter Begriff und
kam z. B. den Dichtern"^^ gelegen. Man erwog nicht näher, welche
Konsequenz für die Art der Fortdauer nach dem Tode daran hing.
Die zweite Einwirkung des Altertums kam ganz vorzüglich von jenem
merkwürdigen Fragment aus Ciceros sechstem Buche vom Staat her,
welches unter dem Namen ,, Traum des Scipio" bekannt ist. Ohne den Der Heiden
Kommentar des Macrobius wäre es wahrscheinlich untergegangen wie
die übrige zweite Hälfte des ciceronischen Werkes; nun war es wieder
in unzähligen Abschriften "i* und von Anfang der Typographie an in
Abdrücken verbreitet und wurde mehrfach neu kommentiert. Es ist
die Schilderung eines verklärten Jenseits für die großen Männer, durch-
tönt von der Harmonie der Sphären. Dieser Heidenhimmel, für den
sich allmählich auch noch andere Aussagen der Alten fanden, ver-
trat allmählich in demselben Maße den christHchen Himmel, in welchem
das Ideal der historischen Größe und des Ruhmes die Ideale des christ-
lichen Lebens in den Schatten stellte, und dabei wurde doch das Ge-
fühl nicht beleidigt wie bei der Lehre von dem gänzlichen Aufhören
der Persönlichkeit. Schon Petrarca gründet nun seine Hoffnung wesent-
lich auf diesen „Traum des Scipio", auf die Äußerungen in andern
ciceronischen Schriften und auf Piatos Phädon, ohne die Bibel zu er-
wähnen"^'. „Warum soll ich", fragt er anderswo, „als Katholik eine
Hoffnung nicht teilen, welche ich erweislich bei den Heiden vorfinde?"
Etwas später schrieb Coluccio Salutati seine (noch handschriftlich vor-
handenen) ,, Arbeiten des Herkules", wo am Schluß bewiesen wird,
daß den energischen Menschen, welche die Ungeheuern Mühen der
Erde überstanden haben, der Wohnsitz auf den Sternen von Rechts
wegen gehöre*"^. Wenn Dante noch strenge darauf gehalten hatte.
320 SITTE UND RELIGION
daß auch die größten Heiden, denen er gewiß das Paradies gönnte,
doch nicht über jenen Limbus am Eingang der Hölle hinauskamen^"*,
so griff jetzt die Poesie mit beiden Händen nach den neuen liberalen
Ideen vom Jenseits. Cosimo der ältere wird, laut Bernardo Pulcis Ge-
dicht auf seinen Tod, im Himmel empfangen von Cicero, der ja auch
,, Vater des Vaterlandes" geheißen, von den Fabiem, von Curius, Fabri-
cius und vielen andern; mit ihnen wird er eine Zierde des Chores sein,
wo nur tadellose Seelen singen"^".
Dashomeri- Aber CS gab in den alten Autoren noch ein anderes, weniger gefalli-
ensei ^^^ g. j^j ^^^ Jeuscits, uämlich das Schattenreich Homers und derjenigen
Dichter, welche jenen Zustand nicht versüßt und humanisiert hatten.
Auf einzelne Gemüter machte auch dies Eindruck. Gioviano Pontano
legt irgendwo"^ dem Sannazar die Erzählung einer Vision in den
Mund, die er frühmorgens im Halbschlummer gehabt habe. Es erscheint
ihm ein verstorbener Freund, Ferrandus Januarius, mit dem er sich
einst oft über die Unsterblichkeit der Seele unterhalten hatte; jetzt
fragt er ihn, ob die Ewigkeit und Schrecklichkeit der Höllenstrafen
eine Wahrheit sei? Der Schatten antwortet nach einigem Schweigen
ganz im Sinne des Achill, als ihn Odysseus befragte: ,,So viel sage und
beteure ich dir, daß wir vom leiblichen Leben Abgeschiedenen das
stärkste Verlangen tragen, wieder in dasselbe zurückzukehren." Dann
grüßt und verschwindet er.
Veriiüchti- Es ist gar nicht zu verkennen, daß solche Ansichten vom Zustande
cSfeuichen nach dem Tode das Aufhören der wesenthchsten christlichen Dogmen
Lehre ^^[\^ voraussctzcn, teils verursachen. Die Begriffe von Sünde und Er-
lösung müssen fast völlig verduftet gewesen sein. Man darf sich durch
die Wirkung der Bußprediger und durch die Bußepidemien, von wel-
chen oben (S. 269 u. f , 281 u. f) die Rede war, nicht irremachen
lassen; denn selbst zugegeben, daß auch die individuell entwickelten
Stände daran teilgenommen hätten wie alle andern, so war die Haupt-
sache dabei doch nur das Rührungsbedürfnis, die Losspannung heftiger
Gemüter, das Entsetzen über großes Landesunglück, der Schrei zum
Himmel um Hilfe. Die Weckung des Gewissens hatte durchaus nicht
notwendig das Gefiihl der Sündhaftigkeit und des Bedürfnisses der Er-
lösung zur Folge, ja selbst eine sehr heftige äußere Buße setzt nicht
notwendig eine Reue im christlichen Sinne voraus. Wenn kräftig ent-
wickelte Menschen der Renaissance uns erzählen, ihr Prinzip sei: nichts
zu bereuen "22^ sq kann dies allerdings sich auf sittlich indifferente
Angelegenheiten, auf bloß Unkluges und Unzweckmäßiges beziehen,
aber von selbst wird sich diese Verachtung der Reue auch auf das
sittliche Gebiet ausdehnen, weil ihre Quelle eine allgemeine, nämlich
SITTE UND RELIGION
321
Das theisti-
sche Gebet
das individuelle Kraftgefühl ist. Das passive und kontemplative Christen-
tum mit seiner beständigen Beziehung auf eine jenseitige höhere Welt
beherrschte diese Menschen nicht mehr. Machiavell wagt dann die
weitere Konsequenz: dasselbe könne auch dem Staat und der Ver-
teidigung von dessen Freiheit nicht förderlich sein^^^.
Welche Gestalt mußte nun die trotz allem vorhandene starke Reli- Deismus und
giosität bei den tiefem Naturen annehmen? Es ist der Theismus oder
Deismus, wie man will. Den letztern Namen mag diejenige Denkweise
führen, welche das ChristUche abgestreift hat, ohne einen weitern Er-
satz für das Gefühl zu suchen oder zu finden. Theismus aber erkennen
wir in der erhöhten positiven Andacht zum göttlichen Wesen, welche
das Mittelalter nicht gekannt hatte. Dieselbe schließt das Christentum
nicht aus und kann sich jederzeit mit dessen Lehre von der Sünde,
Erlösung und Unsterblichkeit verbinden, aber sie ist auch ohne das-
selbe in den Gemütern vorhanden.
Bisweilen tritt sie mit kindlicher Naivität, ja mit einem halb heidni-
schen Anklang auf; Gott erscheint ihr als der allmächtige Erfüller der
Wünsche. Agnolo Pandolfini erzählt^^*, wie er nach der Hochzeit sich
mit seiner Gemahlin einschloß und vor dem Hausaltar mit dem Marien-
bilde niederkniete, worauf sie aber nicht zur Madonna, sondern zu
Gott beteten, er möge ihnen verleihen die richtige Benützung ihrer
Güter, langes Zusammenleben in Fröhlichkeit und Eintracht und viele
männliche Nachkommen; „für mich betete ich um Reichtum, Freund-
schaften und Ehre, für sie um Unbescholtenheit, Ehrbarkeit und daß
sie eine gute Haushälterin werden möge". Wenn dann noch eine starke
Antikisierung im Ausdruck hinzukommt, so hat man es bisweilen schwer,
den heidnischen Stil und die theisti.sche Überzeugimg auseinanderzu-
halten"25.
Auch im Unglück äußert sich hie und da diese Gesinnung mit
ergreifender Wahrheit. Es sind aus der spätem Zeit des Firenzuola,
da er jahrelang am Fieber krank lag, einge Anreden an Gott vorhanden,
in welchen er sich beiläufig mit Nachdruck als einen gläubigen Christen
geltend macht und doch ein rein theistisches Bewußtsein an den Tag
legt^*^'. Er faßt sein Leiden weder als Sündenschuld noch als Prüfung
und Vorbereitung auf eine andere Welt; es ist eine Angelegenheit zwi-
schen ihm und Gott allein, der die mächtige Liebe zum Leben zwischen
den Menschen und seine Verzweiflung hineingestellt hat. ,,Ich fluche,
doch nur gegen die Natur, denn deine Größe verbietet mir, dich selbst
zu nennen . . . gib mir den Tod, Herr, ich flehe dich, gib mir ihn jetzt!"
Einen augenscheinlichen Beweis für einen ausgebildeten, bewußten
Theismus wird man freilich in diesen und ähnlichen Aussagen vergebens
Burchkardt 21
Die Italien .
Anti-
trini tarier
322 SITTE UND RELIGION
suchen; die Betreffenden glaubten zum Teil noch Christen zu sein und
respektierten außerdem aus verschiedenen Gründen die vorhandene
Kirchenlehre. Aber zur Zeit der Reformation, als die Gedanken ge-
zwungen waren, sich abzuklären, gelangte diese Denkweise zu einem
deutlichem Bewußtsein; eine Anzahl der italienischen Protestanten er-
wiesen sich als Antitrinitarier, und die Socinianer machten sogar als
Flüchtlinge in weiter Feme den denkwürdigen Versuch, eine Kirche
in diesem Sinn zu konstituieren. Aus dem bisher Gesagten wird wenig-
stens so viel klar geworden sein, daß außer dem humanistischen Ratio-
nalismus noch andere Geister in diese Segel wehten.
Lore.izo Ein Mittelpunkt der ganzen theistischen Denkweise ist wohl in der
magnificound platonischen Akademie von Florenz und ganz besonders in Lorenzo
sein Kreis ^ <-*
magnifico selbst zu suchen. Die theoretischen Werke und selbst die
Briefe jener Männer geben doch nur die Hälfte ihres Wesens. Es ist
wahr, daß Lorenzo von Jugend auf bis an sein Lebensende sich dogma-
tisch christlich geäußert hat^^' und daß Pico sogar unter die Herrschaft
Savonarolas und in eine mönchisch aketische Gesinnung hineingeriet^^*.
Allein in den Hymnen Lorenzos^^', welche wir als das höchste Re-
sultat des Geistes jener Schule zu bezeichnen versucht sind, spricht
ohne Rückhalt der Theismus, und zwar von einer Anschauung aus,
welche sich bemüht, die Welt als einen großen moralischen und physi-
schen Kosmos zu betrachten. Während die Menschen des Mittelalters
die Welt ansehen als ein Jammertal, welches Papst und Kaiser hüten
müssen bis zum Auftreten des Antichrist, während die Fatalisten der
Renaissance abwechseln zwischen Zeiten der gewaltigen Energie und
Zeiten der dumpfen Resignation oder des Aberglaubens, erhebt sich
hier, im Kreise^^" auserwählter Geister, die Idee, daß die sichtbare
Welt von Gott aus Liebe geschaffen, daß sie ein Abbild des in ihm prä-
existierenden Vorbildes sei, und daß er ihr dauernder Beweger und
Fortschöpfer bleiben werde. Die Seele des einzelnen kann zunächst
durch das Erkennen Gottes ihn in ihre engen Schranken zusammen-
ziehen, aber auch durch Liebe zu ihm sich ins UnendUche ausdehnen,
und dies ist dann die Seligkeit auf Erden.
Hier berühren sich Anklänge der mittelalterlichen Mystik mit plato-
nischen Lehren und mit einem eigentümlichen modernen Geiste. Viel-
leicht reifte hier eine höchste Frucht jener Erkenntnis der Welt und des
Menschen, um derentwillen allein schon die Renaissance von Italien
die Führerin unseres Weltalters heißen muß.
ANMERKUNGEN
ANMERKUNGEN
1. Geschichte der Baukunst von Franz Kugler (des vierten Bandes erste Hälfte, die Ar-
chitektur und Dekoration der italienischen Renaissance enthaltend).
2. Macchiavelli, Discorsi L. I. c. 12.
3. Die Herrschenden und ihr Anhang heißen zusammen lo State, und dieser Name durfte
dann die Bedeutung des gesamten Daseins eines Territoriums usurpieren.
4. Höfler: Kaiser Friedrich H. S. 39ff.
5. Cento novelle antiche, Nov. i, 6, 20, 21, 22, 23, 29, 30, 45, 56, 83, 88, 98.
6. Scardeonius, de urbis Patav. antiqu., im Thesaurus des Grävius VI., HI., p. 259.
7. Sismondi, Hist. des r^p. italiennes, IV, p.420; VIII, p. i. s.
8. Franco Sacchetti, Novelle. (61, 62).
9. Petrarca, de rep. optime administranda, ad Franc. Carraram (Opera, p. 372, s.).
10. Erst hundert Jahre später wird dann auch die Fürstin zur Landesmutter. Vgl.
Hieron. Crivellis Leichenrede auf Bianca Maria Visconti, bei Muratori, XXV, Col. 429.
Eine spöttische Übertragung hiervon ist es, wenn eine Schwester Papst Sixtus' IV. bei Jac.
Volaterranus (Murat. XXIII. Col. 109) mater ecciesiae genannt wird.
11. Mit dem beiläufigen Wunsch, es möchte das Lagern der Schweine in den Gassen
von Padua verboten werden, da der Anblick an sich unerfreulich sei und die Pferde davon
scheu würden.
12. Petrarca, Rerum memorandar. liber III. p. 460. — Es ist Matteo I. Visconti und der
damals in Mailand herrschende Guido della Torre gemeint.
13. Matteo Villani, V, 81 : die geheime Ermordung des Matteo II. Visconti durch seine
Brüder.
14. Filippo Villani, Istorie XI, 101. — Auch Petrarca findet die Tyrannen geputzt ,,wie
Altäre an Festtagen". — Den antiken Triumphzug des Castracane in Lucca findet man
umständlich beschrieben in dessen Leben von Tegrimo, bei Murat. XI, Col. 1340.
15. De vulgari eloquio, I, c. 12: . . . qui non heroico more, sed plebeo sequuntvir su-
perbiam etc.
16. Dies zwar erst in Schriften des 15. Jahrb., aber gewiß nach früheren Phantasien:
L. B. Alberti, de re aedif. V, 3. — Franc, di Giorgio, Trattato, bei Della Valle, Lettere
sanesi, III., 121.
17. Franco Sacchetti, Nov. 61.
18. Matteo Villani, VI, i.
19. Das Paßbureau von Padua um die Mitte des 14. Jahrh. als quelli delle bullette be-
zeichnet bei Franco Sacchetti, Nov. 117. In den letzten zehn Jahren Friedrichs IL, als
die persönlichste Kontrolle herrschte, muß das Paßwesen schon sehr ausgebildet gewesen
sein.
20. Corio, Storia di Milano, Fol. 247, s.
21. Auch z.B. dem Paolo Giovio: Viri illustres. Je. Galeatius.
22. Corio, Fol. 272, 285.
23. Cagnola, im Archiv, stör. III, p. 23.
Q26 ANMERKUNGEN
24. So Corio, Fol. 286 und Poggio, Hist. Florent. IV, bei Murat. XX., Col. 290. — Von
Plänen auf das Kaisertum redet Cagnola a. a. O. und das Sonett bei Trucchi, Poesie ital.
inedite II, p. 118:
Stan le cittk lombarde con le chiave
In man per darle a voi . . . etc.
Roma vi chiama: Cesar mio novello
lo sono ignuda, et l'anima pur vive:
Or mi coprite col vostro mantello etc.
25. Corio, Fol. 301 ff. Vgl. Ammian. Marcellin. XXIX, 3.
26. So Paul. Jovius: Viri illustres, Jo. Galeatius, Philippus.
27. De Gingins: D6peches des ambassadeurs milanais, II. p. 200 (N. 213). Vgl. II, 3
(N. 144) und II, 212 (N.218).
28. Paul. Jovius, Elogia.
29. Dieser Verein von Kraft und Talent ist es, was bei Macchiavell virtü heißt und auch
mit scelleratezza verträglich gedacht wird, z. B. Discorsi I, 10, bei Anlaß des Sept. Severus.
30. Hierüber Franc. Vetori, Arch. stör. VI, p. 293, s. ,,Die Belehnung durch einen
Mann, der in Deutschland wohnt und von einem römischen Kaiser nichts als den eiteln
Namen hat, ist nicht imstande, einen Bösewicht zum wahren Signore einer Stadt zu
machen."
31. M.Villani, IV, 38. 3g. 56. 77. 78. 92; V, i, 2. 21, 36, 54.
32. Ein Italiener war es, Fazio degli Uberti (Dittamondo, L. VI., cap. 5, um d. J. 1360),
welcher Carl IV. noch einen Kreuzzug nach dem heiligen Lande zumuten wollte. Die Stelle
ist eine der besten in dem betreffenden Gedichte und auch sonst bezeichnend. Der Dichter
wird durch einen trotzigen Turcomannen vom heiligen Grab weggewiesen :
Coi passi lunghi e con la testa bassa
Oltre passai e dissi : ecco vergogna
Del cristian che'l saracin qui lassa!
Poscia al pastor (den Papst) mi volsi per rampogna:
E tu ti stai, che sei vicar di Cristo
Co' frati tuoi a ingrassar la carogna ?
Similimente dissi a quel sofisto (Carl IV.)
Che sta in Buemmc (Böhmen) a plantar vigne e fichi,
E che non cura di si caro acquisto:
Che fai ? perchfe non segui i primi antichi
Cesari de' Romani, e che non siegui,
Dico, gli Otti, i Corradi, i Federichi ?
E che pur tieni questo imperio in tregui ?
E se non hai lo cuor d'esser Augusto.
Che nol rifiuti ? o che non ti dilegui ? etc.
33. Das Nähere bei Vespasiano Fiorent. p. 54. Vgl. 150.
34. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 215, s.
35. Haveria voluto scortigare la brigata.
36. Annales Estcnses, bei Murat. XX, Col. 41.
37. Poggii Hist. Florent. pop., L. VII, bei Murat. XX, Col. 381.
38. Senarega, de reb. Genuens., bei Murat. XXIV, Col. 575.
39. Aufgezählt im Diario Ferrarese, bei Murat. XXVI, Col. 203. Vgl. Pii II. Comment.
II, p. 102.
40. Marin Sanudo, Vita de' duchi di Venezia, bei Murat. XXII, Col. 1113.
41. Varchi, .Stör. Fiorent. I, p. 8.
42. Soriano, Relaz. di Roma 1533, bei Tommaso Gar, Relazioni, p. 281.
43. Für das Folgende vgl. Canestrini, in der Einleitimg zu Tom. XV. des Archiv, stör.
44. Cagnola, archiv. stör. III, p. 28: et (Filippo Maria) da lei (Beatr.) ebbe molto texoro
e dinari, c tuttc le gientc d'arine dcl diclo Facino, che obedivano a lei.
ANMERKUNGEN 027
45. Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 191 1. Die Alternative, welche Macchivell
dem siegreichen Condottiere stellt, s. Discorsi, I, 30.
46. Ob sie auch den Alviano 1516 vergiftet, und ob die dafür angegebenen Gründe
richtig sind ? vgl. Prato im Archiv. Stör. III, p. 348. — Von CoIIeoni ließ sich die Republik
zur Erbin einsetzen und nahm nach seinem Tode 1475 erst noch eine förmliche Konfis-
kation vor. Vgl. Malipiero, Annali Veneti, im Archiv, stör. VII, I, p. 244. Sie liebte es,
wenn die Condottieren ihr Geld in Venedig anlegten, ibid. p. 351.
47. Cagnola, im Archiv, stör. III, p. 121, s.
48. Wenigstens bei Paul. Jovius, in seiner Vita magni Sfortiae (Viri illustres), einer der
anziehendsten von seinen Biographien.
49. Aen. Sylvius: De dictis et factis Alphonsi, Opera, Fol. 475.
50. Pii II. Comment. I, p. 46, vgl. 69.
51. Sismondi X, p. 258. — Corio, Fol. 412, wo Sforza als mitschuldig gilt, weil er von
P.s kriegerischer Popularität Gefahren für seine eigenen Söhne gefürchtet. — Storia
Bresciana, bei Murat. XXI, Col. 902. — Wie man 1466 den venezianischen Großcondot-
tiere Colleoni in Versuchung führte, erzählt Malipiero, Annali veneti, arch. stör. VII, I,
p. 210.
52. Allegretti, Diarii Sanesi, bei Murat. XXIII. p. 811.
53. Orationes Philelphi, Fol. 9, in der Leichenrede auf Francesco.
54. Marin Sanudo, Vite de' Duchi di Ven., bei Murat. XXII, Col. 1241.
55. Malipiero, Ann. Veneti, Archiv, stör. VII, I, p. 407.
56. Chron. Eugubinum, bei Murat. XXI, Col. 972.
57. Vespasiano Fiorent. p. 148.
58. Archiv, stör. XXI, Parte I. et II.
59. Varchi, Stör, fiorent. I. p. 242, s.
60. Malipiero, Ann. Veneti, Archiv, stör. VII, I, p. 498.
61. Lil. Greg. Giraldus, de vario sepeliendi ritu. — Schon 1470 war in diesem Hause
eine Miniaturkatastrophe vorgefallen, vgl. Diario Ferrarese, bei Murat XXIV, Col. 225.
62. Jovian. Pontan.: de liberalitate, und: de obedientia, I. 4. Vgl. Sismondi X, p. 78, s.
63. Tristane Caracciolo: de varietate fortunae, bei Murat. XXII. — Jovian. Pontanus:
de prudentia, 1. IV; de magnanimitate, i. I.; de liberalitate, de immanitate. — Cam.
Porzio, Congiura de' Baroni, passim. — Comines, Charles VIII, chap. 17, mit der allge-
meinen Charakteristik der Aragonesen.
64. Paul. Jovius, Histor. I, p. 14, in der Rede eines mailändischen Gesandten; Diario
Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 294.
65. Petri Candidi Decembrii Vita Phil. Mariae Vicecomitis, bei Murat. XX.
66. Ihn ängstigte, quod aliquando ,,non esse" necesse esset.
67. Corio, Fol. 400; — Cagnola, im Archiv, stör. III, p. 125.
68. Pii II. Comment. III, p. 130. Vgl. II. 87. 106. Eine andere, noch mehr ins Düstere
fallende Taxation vom Glücke des Sforza gibt Caracciolo, de varietate fortunae, bei Murat.
XXII. Col. 74.
69. Malipiero, Ann. veneti, Archiv, stör. VII, I, p. 216. 221.
70. Chron. venerum, bei Murat. XXIV, Col. 65.
71. Malipiero, Ann. Veneti, Archiv, stör. VII, I, p. 492. Vgl. 481. 561.
72. Seine letzte Unterredung mit demselben, echt und merkwürdig, bei Seneraga,
Murat. XXIV, Col. 567.
73. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 336. 367. 369. Das Volk glaubte, er the-
sauriere.
74. Corio, Fol. 448. Die Nachwirkungen dieses Zustandes sind besonders kenntlich
in den auf Mailand bezüglichen Novellen und Introduktionen des Bandello.
75. Amoretti, Memorie storiche sulla vita ecc. di Lionardo da Vinci, p. 35, s. 83, s.
76. S. dessen Sonette bei Trucchi, Poesie indedite.
77. Prato, im .Archiv, stör. III. p. 298, vgl. 302.
328
ANMERKUNGEN
78. Geb. 1466, verlobt mit der sechsjährigen Isabella 1480, succediert 1484, vermählt
1490, t 1519; IsabellensTod 1539. Ihre Söhne Federigo, 1519 — 1540, zum Herzog erhoben
1530, und der berühmte Ferrante Gonzaga. Das Folgende aus der Korrespondenz Isabel-
lens, nebst Beilagen, Archiv, stör. Append. Tom. II, mitgeteilt von d'Arco.
79. Franc. Vettori, im Archiv, stör. Append. Tom. VI, p. 321. — Über Federigo ins-
besondere: Vespasiano Fiorent. p. 132. s.
80. Castiglione, Cortigiano, L. I.
81. Das Folgende bes. nach den Annales Estenses bei Muratori, XX. und dem Diario
Ferrarese, bei Murat. XXIV.
82. Diario Ferr. 1. c. Col. 347.
83. Paul Jovius: Vita Alfonsi ducis, in den viri illustres.
84. Paul Jovius 1. c.
85. Bei diesem Anlaß mag auch die Reise Leos X. als Kardinal erwähnt werden. Vgl.
Paul. Jovii vita Leonis X, Lib. I. Die Absicht war minder ernst, mehr auf Zerstreuung
und allgemeine Weltkenntnis gerichtet, übrigens völlig modern. Kein Nordländer reiste
damals zu solchen Zwecken.
86. Jovian. Pontan., de liberalitate.
87. Giraldi, Hecatommithi, VI, Nov. i.
88. Vasari XII, 166, V. di Michelangelo.
89. Ein frühes Beispiel, Barnabö Visconti, S. 9.
90. Als Capitolo 19, und in den opere minori, ed. Lemonnier, Vol. I, p. 425 als Elegia 17
betitelt. Ohne Zweifel war dem 19jährigen Dichter die Ursache dieses Todesfalles (S. 37)
nicht bekannt.
91 In den Hecatommithi des Giraldi handeln I, Nov. 8 und VI, Nov. i, 2, 3, 4 und 10
von Ercole I, Alfonso I, und Ercole II, alles verfaßt bei Lebzeiten der beiden letztern. —
Vieles über fürstliche Zeitgenossen auch im Bandello.
92. U. a. in den Deliciae poetar. italor.
93. Bereits 1367 bei Nicolö dem Altern erwähnt, im Polistore, bei Murat. XXIV, Col. 848.
94. Burigozzo, im Archiv, stör. III, p. 432.
95. Discorsi I, 17.
96. De incert. et vanitate scientiar. cap. 55.
97. Prato, im Archiv, stör. III, p.241.
98. De casibus virorum illustrium, L. II, cap. 15.
99. Discorsi, III, 6. Womit storie fior. L. VIII. zu vergleichen.
100. Corio, fol. 333. Das folgende ibid. fol. 305, 422, s. 440.
loi. So das Zitat aus Gallus, bei Sismondi XI, 93.
102. Corio, fol. 422 — Allegretto,DiariSanesi, bei Murat. XXIII Col. 777. — S. oben S. 32.
103. Man vergleiche in dem eigenen Bericht Olgiatis, bei Corio, einen Satz wie folgen-
den: Quisque nostrum magis socios potissime et infinitos alios sollicitare, infestare, alter
alteri benevolos se facere coepit. Aliquid aliquibus parum donare ; simul magis noctu edere,
bibere, vigilare nostra omnia bona polliceri, etc.
104. Vasari, III, 251, Nota zur v. di Donatello.
105. Inferno XXXIV, 64.
106. Aufgezeichnet von dem Ohrenzeugen Luca della Robbia, Archiv, stör. I, p. 273.
Vgl. Paul Jovius, vita Leonis X, L. III, in den Viri illustres.
107. Bei Roscoe, Vita di Lorenzo de' Medici, vol. IV, Beilage 12.
108. Über letzteren Punkt s. Jac. Nardi, V^ita di Ant. Giacomini, p. 18.
109. Genethliacon, in seinen carmina. — Vgl. Sansovino, Venezia, fol. 203. — Die äl-
teste venezianische Chronik, bei Pertz, Monum. IX, p. 5. 6. verlegt die Gründung der
Inselorte erst in die longobardische Zeit und die von Rialto ausdrücklich noch später.
HO. De situ venetae urbis.
III. Diese ganze Gegend wurde dann durch die Neubauten des beginnenden 16. Jahrh.
verändert.
ANMERKUNGEN 329
112. Benedictus: Carol. VIII, bei Eccard, Scriptores, II, Col. 1597. 1601. 1621. — Im
Chron.Venetum.Murat. XXIV, C0I.26 sind die politischen Tugenden der Venezianer auf-
gezählt: bontä, innocenza, zelo di caritä, pietä, misericordia.
113. Epistolae, üb. V, fol. 28.
114. Malipiero, Ann. Veneti, Archiv, stör. VII, I, p. 377. 431. 481. 493, 530. II, p. 661,
668, 679. — Chron. venetum, bei Murat. XXIV. Col. 57. — Diario Ferrarese, ib. Col. 240.
115. Malipiero, im Arch. stör. VII. II. p. 691. Vgl. 694. 713 und I, 535.
116. Marin Sanudo, Vite de' Duchi, Murat. XXII, Col. 1194.
117. Chron. Venetum, Mur. XXIV. Col. 105.
ii8. Chron. Venetum, Murat. XXIV, Col. 123, s. und Malipiero, a. a. O. VII, I, p. 175,
s. erzählen den sprechenden Fall des Admirals Antonio Grimani.
119. Chron. Ven.l.c. Col. 166.
120. Malipiero, 1. c. VII, I, p. 349. Andere Verzeichnisse dieser Art bei Marin Sanudo,
Vite de' Duchi, Mur. XXII, Col. 990 (vom J. 1426), Col. 1088 (vom J. 1440), bei Corio,
fol. 435 — 438 (von 1483), bei Guazzo, Historie, fol. 151, s.
121. Guicciardini (Ricordi, N. 150) bemerkt vielleicht zuerst, daß das politische Rache-
bedürfnis auch die deutliche Stimme des eignen Interesses übertäuben körme.
122. Malipiero, I.e. VII, I, p. 328.
123. Noch in ziemlich beschränktem Sinne entworfen und doch schon sehr wichtig ist
die statistische Übersicht von Mailand, im Manipulus Florum (bei Murat. XI, 711, s.)
vom Jahre 1288. Sie zählt auf Haustüren, Bevölkerung, Waffenfähige, Loggien der Adligen,
Brunnen, Öfen, Schenken, Fleischerbuden, Fischer, Kombedarf, Hunde, Jagdvögel,
Preise von Holz, Heu, Wein und Salz, — femer Richter, Notare, Ärzte, Schullehrer, Ab-
schreiber, Waffenschmiede, Hufschmiede, Hospitäler, Klöster, Stifte und geistliche Kor-
porationen. • — Eine vielleicht noch ältere aus dem Liber de magnalibus Mediolani, bei
Heinr. de Hervordia, ed. Potthast, p. 165.
124. Vorzüglich Marin Sanudo, in den Vite de' Duchi di Venezia, Murat. XXII, passim.
125. Bei Sanudo 1. c. Col. 958. Das auf den Handel Bezügliche ist daraus mitgeteilt bei
Scherer, AUg. Gesch. des Welthandels, I, 326. Anm.
126. Hiermit sind doch wohl die sämtlichen Häuser und nicht bloß die dem Staat ge-
hörenden gemeint. Letztere rentierten bisweilen allerdings enorm; vgl. Vasari, XIII, 83
V. d. Jac. Sansovino.
127. Dies bei Sanudo, Col. 963. Eine Staatsrechnung von 1490 Col. 1245.
128. Ja, diese Abneigung soll in dem Venezianer Paul II. bis zum Haß ausgebildet ge-
wesen sein, so daß er die Humanisten sämtlich Ketzer nannte. Piatina, Vita Pauli, p. 323.
129. Sanudo, I.e. Col. 1167.
130. Sansovino, Venezia, Lib. XIII.
131. Vgl. Heinric. de Hervordia ad a. 1293 (pag. 213, ed Potthast).
132. Sanudo, 1. c. Col. 1158. 1 171. 1177. Als die Leiche des S. Lucas aus Bosnien kam,
gab es Streit mit den Benediktmern von S. Giustina zu Padua, welche dieselbe schon zu be-
sitzen glaubten, und der päpstliche Stuhl mußte entscheiden. Vgl. Guicciardini, Ricordi,
Nr. 401.
133. Sansovino, Venezia, Lib. XII.
134. G. Villani, VIII, 36. — Das Jahr 1300 ist zugleich das festgehaltene Datum in der
Divina Commedia.
135. Dies schon um 1470 konstatiert bei Vespasiano Fiorent. p. 554.
136. Purgatorio VI, Ende.
137. De Monarchia I, i.
138. Dantis Alligherii epistolae, cum notis C.Witte. Wie er den Kaiser durchaus in
Italien haben wollte, so auch den Papst, s. d. Brief S. 35 während des Conclaves von Car-
pentras. 13 14.
139. Giov. Villani XI, 20. Vgl. Matt. Villani IX, 93.
140. Diese und ähnliche Notizen bei Giov. Villani XI, 87. XII, 54.
330
ANMERKUNGEN
141. Giov. Villani XI, 91, s. — Abweichend davon Macchiavelli, Stör, fiorent. lib. II.
142. Der Pfarrer legte für jeden Knaben eine schwarze, für jedes Mädchen eine weiße
Bohne beiseite; dies war die ganze Kontrolle.
143. Es gab in dem solid gebauten Florenz bereits eine stehende Löschmannschaft,
ibid. XII, 35.
144. Matteo Villani, III, 106.
145. Matteo Villani, I. 2 — 7, vgl. 58. — Für die Pestzeit selber steht in erster Linie die
berühmte Schilderung des Boccaccio am Anfang des Decamerone.
146. Gio. Villani X, 164.
147. Ex annalibus Ceretani, bei Fabroni, Magni Cosmi vita, Adnot. 34.
148. Ricordi des Lorenzo, bei Fabroni, Laur. Med. magnifici vita, Adnot. 2 und 25. —
Paul. Jovius: Elogia, Cosmus.
149. Von Benedetto Dei, bei Fabroni ibid. Adnot. 200. Die Zeitbestimmung geht aus
Varchi III, p. 107 hervor. — Das Finanzprojekt eines gewissen Lodovico Ghetti, mit wich-
tigen Angaben, bei Roscoe, Vita di Lor. de Medici, Bd. II, Beilage i.
150 z. B. im Archivio stör. IV.
151. Libri, Histoire des Sciences mathem. II, 163, s.
152. Varchi, Stör, fiorent. III, p. 56, s. zu Ende des IX. Buches. Einige offenbar irrige
Zahlen möchten wohl auf Schreib- oder Druckfehlern beruhen.
Geldwert 153. Über Wertverhältnisse und Reichtum in Italien überhaupt kann ich, in Ermangelung
in Italien weiterer Hilfsmittel, hier nur einige zerstreute Daten zusammenstellen, wie ich sie zufällig ge-
funden habe. Offenbare Übertreibungen sind beiseite zu lassen. Die Goldmünzen, auf welche
die meisten Angaben lauten, sind : derDucato,derZecchino,der Fiorino d'oro und derScudo
d'oro. Ihr Wert ist annäherungsweise derselbe, elf bis zwölf Franken unseres Geldes.
In Venedig galt z. B. der Doge Andrea Vendramin (1476) mit 170000 Ducati für sehr
reich (Malipiero I.e. VII, II, p. 666).
In den 1460er Jahren heißt der Patriarch von Aquileja, Lod. Patavino, ,,fast der reichste
aller Italiener" mit 200000 Dukaten (Gasp. Veronens., Vita Pauli II, bei Mur. III, II, Col.
1027). Anderswo fabelhafte Angaben.
Antonio Grimani (S. 54) ließ sich die Erhebung seines Sohnes Domenico zum Kardinal
30000 Dukaten kosten. Er selbst wurde bloß an Barschaft auf looooo Dukaten geschätzt
(Chron. Venetum, Mur. XXIV, Col. 125).
Über das Getreide im Handel und im Marktpreis zu Venedig s. bes. Malipiero 1. c. VII,
II, p. 709, s. (Notiz von 1498).
Schon um 1522 gilt nicht mehr Venedig, sondern Genua nächst Rom als die reichste
Stadt Italiens. (Nur glaublich durch die Autorität eines Franc. Vettori ; s. dessen Storia, im
Archiv, stör. Append. Tom. VI, p. 343.) Bandello, Parte II, Nov. 34 und 42, erwähnt den
reichsten genuesischen Kaufmann seiner Zeit, Ansaldo Grimaldi.
Zwischen 1400 und 1580 nimmt Franc. Sansovino ein Sinken des Geldwertes auf die
Hälfte an (Venezia, fol. 151, bis.).
In der Lombardei glaubt man ein Verhältnis der Greteidepreise um die Mitte des
15. zu denjenigen der Mitte unseres Jahrhunderts annehmen zu müssen wie 3 zu 8 (Sacco
di Piacenza, im Archiv, stör, append. Tom. V, Nota des Herausgebers Scarabelli).
In Ferrara gab es zur Zeit des Herzogs Borso reiche Leute bis 50 und 60000 Ducati
(Diario Ferrarese, Mur. XXIV, Col. 207, 214, 218; eine fabelhafte Angabe Col. 187).
Für Florenz kommen Angaben ganz exzeptioneller Art vor, welche nicht zu durch-
schnittlichen Schlüssen führen. So jene Anleihen fremder Fürsten, die wohl nur auf ein
oder wenige Häuser lauten, faktisch aber große Kompaniegeschäfte waren. So auch jene
enorme Besteuerung unterliegender Parteien ; wie z. B. von 1430 bis 1453 von 77 Familien
4875000 Goldgulden bezahlt wurden (Varchi III, p. 115, s.).
Das Vermögen des Giovanni Medici betrug bei dessen Tode (1428) 179 221 Goldgulden,
aber von seinen beiden Söhnen Cosimo und Lorenzo hinterließ der letztere allein bei seinem
Tode (1440) bereits 235137 (Fabroni, Laur. Med., Adnot. 2).
ANMERKUNGEN
33'
Von dem allgemeinen Schwung des Erwerbes zeugt es z. B., daß schon im is- Jahrh.
die 44 Goldschmiedebuben auf Ponte vecchio dem Staat 800 Goldgulden Jahresmiete ein-
trugen (Vasari II, 1 14, V. di Taddeo Gaddi). — Das Tagebuch des Buonaccorso Pitti (bei
Del^cluze, Florence et ses vicissitudes, vol. II.) ist voll Zahlenangaben, welche indes nur
im allgemeinen die hohen Preise aller Dinge und den geringen Geldwert beweisen.
Für Rom geben natürlich die Einnahmen der Kurie, da sie europäisch waren, gar keinen
Maßstab; auch ist den Angaben über päpstliche Schätze und Kardinalsvermögen wenig
zu trauen. Der bekannte Bankier Agostino Chigi hinterließ (1520) eine Gesamthabe im
Werte von 800000 Ducati (Lettere pittoriche, I. Append.48).
154. Was Cosimo (1433 — 1465) und seinen Enkel Lorenz© magnifico (f 1492) betrifft,
so verzichtet der Verfasser auf jedes Urteil über die innere Politik derselben. Eine ankla-
gende Stimme von Gewicht (Gino Capponi) s. im Archiv, stör. I, p. 315, s.
155. Franc. Burlanacchi, den Vater des Hauptes der lucchesischen Protestanten Michele
B. Vgl. Archiv, stör. Append. Tom. II, p. 176. — Wie Mailand durch seine Härte gegen
die Schwesterstädte im 11. bis 13. Jahrhundert die Bildung eines großen Despotenstaates
erleichterte, ist bekannt genug. Noch beim Aussterben der Visconti 1447 verscherzte Mai-
land die Freiheit Oberitaliens hauptsächlich dadurch, daß es von einer Föderation gleich-
berechtigter Städte nichts wissen wollte. Vgl. Corio, fol. 358, s.
156. Am dritten Adventsonntag 1494 predigte Savonarola über den Modus, eine neue
Verfassung zustandezubringen wie folgt: Die 16 Kompanien der Stadt sollten ein Projekt
ausarbeiten, die Gonfalonieren die vier besten auswählen, und aus diesen die Signorie die
allerbeste! — Es kam dann doch alles anders, und zwar unter dem Einfluß des Predigers
selbst.
157. Letzteres zuerst 1527, nach der Verjagung der Medici; s. Varchi I, 121 etc.
158. Macchiavelli, Storie fior. I.e. III. ,,Un savio dator delle leggi" könnte Florenz
retten.
159. Varchi, Stör, fiorent. I, p. 210.
160. Discorso sopra il riformar lo stato di Firenze, in den Opere minori p. 207.
161. Dieselbe Ansicht, ohne Zweifel hier entlehnt, findet sich bei Montesquieu wieder.
162. Aen. Sylvii apologia ad Martinum Mayer, p. 701. — Ähnlich noch Macchiavelli,
Discorsi I, 55 u. a. a. O.
163. Wie völlig moderne Halbbildung und Abstraktion bisweilen in das politische Wesen
hineingriffen, zeigt die Parteiung von 1535, Della Valle, Lettere sanesi III, p. 317. Eine
Anzahl von Krämern, aufgeregt durch Livius und Macchiavells Discorsi, verlangen allen
Ernstes Volkstribunen u. a. römische Magistrate gegen die Mißregierung der Vornehmen
und Beamten.
164. Perio Valeriano, de infelicitate literator., bei Anlaß des Bartolommeo della Rovere.
165. Senarega, de reb. Genuens. bei Murat. XXIV, Col. 548. Über die Unsicherheit
vgl. bes. Col. 519. 525. 528 etc. Die sehr offenherzige Rede der Gesandten bei der Übergabe
des Staates an Francesca Sforza 1464 s. bei Cagnola, Archiv, stör. III, p. 165 s.
166. So noch ganz spät Varchi, Stör, fiorent. I, 57.
167. Galeazzo Maria Sforza sagt 1467 dem venezianischen Agenten wohl das Gegenteil,
allein dies ist nur ergötzliche Prahlerei. Vgl. Malipiero, Annali veneti, Arch. stör. VII, I,
p. 2 16 f. Bei jedem Anlaß ergeben sich Städte und Landschaften freiwillig an Venedig,
freilich meist solche, die aus tyrannischen Händen kommen, während Florenz freiheits-
gewohnte Nachbarrepubliken daniederhalten muß, wie Guicciardini (Ricordi, N. 29)
bemerkt.
168. Vielleicht das Stärkste dieser Art in einer Instruktion an die zu Carl VII. gehenden
Gesandten im J. 1452, bei Fabroni, Cosmus, Adnot. 107.
169. Comines, Charles VIII, chap. 10: man hielt die Franzosen comme saints. — Vgl.
Chap. 17. — Chron. Venetum bei Murat. XXIV, Col. 5, 10, 14, 15. — Matarazzo, Cron. di
Perugia, arch. stör. XVI, II, p. 23. Zahlloser anderer Aussagen nicht zu gedenken.
170. Pii II. Commentarii, X, p. 492.
332 ANMERKUNGEN
171. Gingins, D^peches des ambassadeurs Milanais etc. I, p. 26. 153. 279. 283. 285. 327.
33I' 345- 359- II> P- 29. 37. loi. 217. 306. Carl sprach bereits einmal davon, Mailand dem
jungen Ludwig von Orleans zu geben.
172. Nicolö Valori, Vita di Lorenzo.
173. Fabroni, Laurentius magnificus, Adnot. 205, s.
174. z. B. Jovian. Pontanus in seinein Charon. Am Ende erwartet er einen Einheitsstaat.
175. Comines, Charles VIII. chap. 7. — Wie Alfons im Kriege seinen Gegner bei einer
Unterredung wegzufangen suchte, erzählt Nantiporto, bei Murat. II, II, Col. 1073. Er ist
der wahre Vorläufer des Cesare Borgia.
176 Pii II. Commentarii X, p. 492. — Was Galeazzo Maria von Mailand 1467 einem ve-
nezianischen Agenten sagte, war wohl nur Prahlerei. Vgl. Malipiero, Ann. veneti, archiv.
stör. VII, I, p. 222. — Über Boccalino s. S. 21.
177. Porzio, Congiura de' baroni, 1. I. p. 4. Daß Lorenzo magnifico die Hand im Spiel
gehabt habe, ist schwer glaublich.
178. Chron. Venetum, bei Murat. XXIV, Col. 14 und 76.
179. Malipiero, a.a.O., p. 565, 568.
180. Trithem., Annales Hirsaug. ad a. 1490, Tom. II, p. 535, s.
181. Malipiero, a. a. O. p. 161. Vgl. p. 152. — Die Auslieferung des Dscheman Carl VIII.
s. p. 145, wo es klar wird, daß eine Korrespondenz der schimpflichsten Art zwischen Alex-
ander und Bajzeth existierte, wenn auch die Aktenstücke bei Burcardus untergeschoben
sein sollten.
182. Bapt. Mantuanus, de calamitatibus temporum, zu Ende des zweiten Buches, im
Gesang der Nereide Doris an die türkische Flotte.
183. Tommaso Car, Relazioni della corte di Roma, I, p. 55.
184. Ranke, Geschichten der romanischen und germanischen Völker. — Michelets An-
sicht (Reforme, p. 467), die Türken würden sich in Italien okzidentalisiert haben, über-
zeugt mich nicht. — Vielleicht zum erstenmal ist jene Bestimmung Spaniens angedeutet
in der Festrede, welche Fedra Inghirami 1510 vor Julius II, hielt, zur Feier der Einnahme
von Bugia durch die Flotte Ferdinands d. Kath. Vgl. Anecdota litteraria II, p. 149.
185. U.a. Corio, fol. 433. Vgl. das Benehmen gegen Sforza, fol. 329.
186. Nie. Valori, Vita di Lorenzo. — Paul. Jovius, Vita Leonis X, L. L; letzterer gewiß
nach guten Quellen, obwohl nicht ohne Rhetorik.
187. Wenn Comines bei diesem und hundert andern Anlässen so objectiv beobachtet
und urteilt als irgendein Italiener, so ist dabei sein italienischer Umgang, zumal mit An-
gelo Catto, gewiß sehr in Betracht zu ziehen.
188. Vgl. z.B. Malipiero, a.a.O. p. 216. 221. 235. 237. 47S etc.
189. Pii IL Commentarii L. IV. p. 190 ad a. 1459.
190. Paul. Jovius, Elogia. Man wird an Federigo von Urbino erinnert, , .welcher sich ge-
schämt hätte", in seiner Bibliothek ein gedrucktes Buch zu dulden. Vgl. Vespas. Fiorent.
191. Porcelli commentaria Jac. Picinini, bei Murat. XX. Eine Fortsetzung für den Krieg
von 1453 ibid. XXV.
192. Aus Mißverstand nenntPorcellio den Scipio ,,Aemilianus" , während er den Africanus
major meint.
193. Simonetta, Hist. Fr. Sforti«, bei Murat. XXI, Col. 630.
194. Als solcher wird er dann doch behandelt. Vgl. Bandello, Parte I, Nov. 40.
195- Vgl. z. B. : De obsidione Tiphernatium, im 2. Band der rcr. italicar. scriptores ex
codd. florcnt. Col. 690. Ein sehr bezeichnendes Ereignis vom J. 1474. — Der Zweikampf
des Marschalls Boucicault mit Galeazzo Gonzaga 1406 bei Cagnola, Arch. stör. III, p. 25. —
Wie Sixtus IV. die Duelle seiner Gardisten ehrte, erzählt Infessura. Seine Nachfolger er-
ließen Bullen gegen das Duell überhaupt. Sept. Decretal. V. Tit. 17.
196. Das Nähere Arch. stör. Append. Tom. V.
197. Ein für allemal ist hier auf Rankes Päpste, Bd. I, und auf Sugenheim, Geschichte
der Entstehung und Ausbildung des Kirchenstaates, zu verweisen.
ANMERKUNGEN 333
198. Der Eindruck der Benediktionen Eugens IV. in Florenz, Vespasiano Fiorent. p. i8.
— Die Majestät der Funktionen Nicolaus V, s. Infessura (Eccard, II, Col. 1883, seq.) und
J. Manetti, Vita Nicolai V. (Murat. III, II, Col. 923). — Die Huldigungen an Pius II, s.
Diario Ferrarese (Murat. XXIV, Col. 205) und Pii II. Comment. passim, bes. IV, 201. 204.
XI, 562. Auch Mörder vom Fach wagen sich nicht an den Papst. — Die großen Funktionen
wurden als etwas sehr Wesentliches behandelt von dem pomphaften Paul II. (Piatina 1. c.
321) und von Sixtus IV, welcher die Ostermesse trotz des Podagras sitzend hielt (Jac. Vola-
terran. diarium, Murat. XXIII. Col. 131). Merkwoirdig unterscheidet das Volk zwischen
der magischen Kraft des Segens und der Unwürdigkeit des Segnenden ; als er 1481 die Him-
melfahrtsbenediktion nicht geben konnte, murrten und fluchten sie über ihn (Ibid. Col. 133).
199. Macchiavelli, Scritti minori, p. 142, in dem bekannten Aufsatz über die Katastrophe
von Sinigaglia. — Freilich waren Spanier und Franzosen noch eifriger als italienische Sol-
daten. Vgl. bei Paul. Jov. vita Leonis X. (L. II) die Szene vor der Schlacht bei Ravenna,
wo das spanische Heer den vor Freude weinenden Legaten wegen der Absolution umdrängt.
Femer (ibid.) die Franzosen in Mailand.
200. Bei jenen Ketzern aus der Campagna, von Poli, welche glaubten, ein rechter Papst
müßte die Armut Christi zum Kennzeichen haben, darf man dagegen ein einfaches Wal-
densertum vermuten. Wie sie unter Paul II. verhaftet wurden, erzählen Infessura (Eccard II ,
Col. 1893), Piatina, p. 317, etc.
201. L. B. Alberti : de Porcaria conjuratione bei Murat. XXV. Col. 309 seqq. — -P. wollte:
omenm pontificiam turbam funditus exstinguere. Der Autor schließt: Video sane, quo Stent
loco res Italiae; intelligo, qui sint, quibus hie pertubata esse omnia conducat ... Er nennt
sie: extrinsecos impulsores und meint, Porcari werde noch Nachfolger seiner Missetat fin-
den. P.s eigene Phantasien glichen freilich denjenigen des Cola Rienzi.
202. Ut Papa tantum vicarius Christi sit et non etiam Caesaris . . . Tunc Papa et dicetur
et erit pater sanctus, pater omnium, pater ecciesiae etc.
203. Pii II. Commentarü IV. p. 208, seqq.
204. Piatina, Vitae Papar. p. 318.
205. Battista Mantovano, de calanoitatibus teniporum, L. 111. Der Araber verkauft
Weihrauch, der Tyrier Purpur, der Inder Elfenbein: venalia nobis templa, sacerdotes, al-
taria, sacra, coronae, ignes, thura, preces, coelum est venale, Deusque.
206. Man sehe z. B. die Annales Piacentini, bei Murat. XX, Col. 943.
207. Corio, Storia di Milano, fol.416 bis 4120. Pietro hatte schon die Papstwahl des
Sixtus leiten helfen, s. Infessura, bei Eccard, scriptores, II. Col. 1895. — Laut Macchiav.
storie fior. L. VII hätten die Venezianer den Kardinal vergiftet. Gründe dazu fehlten ihnen
in der Tat nicht.
208. Schon Honorius II. wollte nach dem Tode Wilhelms I. 1127 Apulien einziehen,
als ,,dem h. Petrus heimgefallen".
209. Fabroni : Laurentius mag., Anot. 130. Ein Kundschafter meldet von diesen beiden :
hanno in ogni elezione a mattere a sacco questa corte, e sono i maggior ribaldi del mondo.
210. Corio, fol. 450.
2n. Ein höchst bezeichnender Mahnbrief Lorenzos bei Fabroni, Laurentius magn.
Adnot.217 und im Auszug bei Ranke, Päpste, I, p.45.
212. Und etwa noch neapolitanischer Lehen, weshalb denn auch Innocenz die Anjou
von neuem gegen den in solchem Betracht harthörigen König Ferrante aufrief.
213. Vgl. bes. Infessura, bei Eccard, scriptores, II, passim.
214. Mit Ausnahme der Bentivogli von Bologna und des Hauses Este zu Ferrara. Letz-
teres wurde zur Verschwägerung genötigt; Lucrezia Borgia heiratete den Prinzen Alfonso.
215. Laut Corio (Fol. 479) dachte Carl an ein Konzil, an die Absetzung des Papstes, ja
an seine Wegführung nach Frankreich, und zwar erst bei der Rückkehr von Neapel. Laut
Benedictus: Carolus VIII. (bei Eccard, scriptores, II, Col. 1584) hätte Carl in Neapel, als
ihm Papst und Kardinäle die Anerkennung seiner neuen Krone verweigerten, sich aller-
dings Gedanken gemacht de Italiae imperio deque pontificis statu mutando, allein gleich
33^ ANMERKUNGEN
darauf gedachte er sich wieder mit Alexanders persönlicher Demütigung zu begnügen. Der
Papst entwischte ihm jedoch. — Das Nähere seither bei Pilorgerie, Campagne et bulletins
de la grande arm^e d'Italie 1494 — 1495 (Paris, 1866, in 8.), wo der Grad der Gefahr Alexan-
ders in den einzelnen Momenten (p. 1 1 1 , 117 etc.) erötert wird. Selbst auf dem Rückweg
(p. 281, s.) wollte Carl ihm nichts zuleide tun.
216. Corio, fol. 450. — Malipiero, Ann. Veneti, Arch. Stör. VII, I, p. 318. — • Welche
Raubsucht die ganze Familie ergriffen haben muß, sieht man u. a. aus Malipiero, a. a. O.
p. 565. Ein Nepot wird als päpstlicher Legat in Venedig herrlich empfangen und macht
durch Erteilung von Dispensen ungeheures Geld ; seine Dienerschaft stiehlt beim Abziehen
alles, dessen sie habhaft werden kann, auch ein Stück Goldstoff vom Hauptaltar einer
Kirche in Murano.
217. Dies bei Panvinio (Contin. Platinae. p. 339): insidiis Caesaris fratris interfextus . . .
connivente ... ad scelus patre. Gewiß eine authentische Aussage, gegen welche die Dar-
stellungen bei Malipiero und Matarazzo (wo dem Giovanni Sforza die Schuld gegeben wird)
zurückstehen müssen. — Auch die tiefe Erschütterung Alexanders deutet auf Mitschuld.
Vom Auffischen der Leiche in der Tiber sagte Sannazaro:
Piscatorem hominum ne te non, Sexte, putemus,
Piscaris natum retibus, ecce, tuum.
218. Macchiavelli, Opere ed. Milan. Vol. V. p. 387, 393, 395, in der Legazione al Duca
Valentino.
219. Tommaso Gar, Relazioni della corte di Roma, I, p. 12, in der Rel. des P. Capello.
Wörtlich : ,,Der Papst achtet Venedig wie keinen Potentaten der Welt, e perö desidera, che
ella (Signoria di Venezia) protegga il figliuolo, e dice voler fare tale ordine, che il papato o
sia suo, owero della Signoria nostra." Das suo kann sich doch wohl nur auf Cesare beziehen.
Das Pron. possessivum statt des Personale steht häufig so.
220. Strozzi poetae, p. 19, in der Venatio des Ercole Strozza: . . . cui triplicem fata in-
videre coronam. Dann in dem Trauergedicht auf Cesares Tod p. 31, sequ.: speraretque
olim solii decora alta patemi.
221. Ebenda: Jupiter habe einst versprochen: Affore Alexandri sobolem, quae poneret
olim Italiae leges, atque aurea saecia referret etc.
222. Ebenda: sacrumque decus majora parantem deposuisse.
223. Er war bekanntlich mit einer französischen Prinzessin aus dem Hause Albret ver-
mählt und hatte eine Tochter von ihr ; auf irgendeine Weise hätte er wohl eine Dynastie
zu gründen versucht. Es ist nicht bekannt, daß er Anstalten gemacht, den Kardinalshut
wieder anzunehmen, obschon er (laut Macchiav. a. a. O. S. 285) auf einen baldigen Tod
seines Vaters rechnen mußte.
224. Macchiavelli, a. a. O. S. 334. Pläne auf Siena und eventuell auf ganz Toscana
waren vorhanden aber noch nicht ganz gereift; die Zustimmung Frankreichs war dazu
notwendig.
225. Macchiavelli, a. a. O. S. 326. 351. 414. — Matarazzo, Cronaca di Perugia, Arch.
Stör. XVI, II. p. 157 und 221 : ,,Er wollte, daß seine Soldaten sich nach Belieben einquar-
tierten, so daß sie in Friedenszeiten noch mehr gewannen als im Kriege."
226. So Pierio Valeriano, de infelicitate literat., bei Anlaß des Giovanni Regio.
227. Tommaso Gar, a.a.O. S. 11.
228. Paulus Jovius, Elogia, Caesar Borgia. — In den Commentarii urbani des Raph.
Volaterranus enthält Lib. XXII. eine unter Julius II. und doch noch sehr behutsam ab-
gefaßte Charakteristik Alexanders. Hier heißt es : Roma . . . nobilis jam camificina facta erat.
229. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362.
230. Paul. Jovius, Histor. II, fol. 47.
231. Panvinius, Epitome pontificum p. 359. Der Giftversuch gegen den spätem Ju-
lius II. s. p. 363. — Laut Sismondi XIII, 246, starb auch der langjährige Vertraute aller
Geheimnisse, Lopez, Kardinal von Capua, auf dieselbe Weise; laut Sanuto (bei Ranke,
Päpste, I, S. 52, Anm.) auch der Kardinal von Verona.
ANMERKUNGEN 335
232. Prato, Arch. Stör. III, p. 254.
233. Und stark vom Papst ausgebeutete. Vgl. Chron. Venetum, bei Murat. XXIV,
Col. 133.
234. Anshelm, Bemer Chronik, III, Seite 146 bis 156. — Trithem. Annales Hirsaug.
Tom. II, p. 579. 584. 586.
235. Panvin. Contin. Platinae, p. 341.
236. Daher jene Pracht der bei Lebzeiten gesetzten Prälatengräber; so entzog man den
Päpsten wenigstens einen Teil der Beute.
237. Ob Julius wirklich gehofft hatte, Ferdinand der Kath. werde sich von ihm be-
stimmen lassen, die verdrängte aragonesische Nebenlinie wieder auf den Thron von Neapel
zu setzen, bleibt trotz Giovios Aussage (Vita Alfonsi Ducis) sehr zweifelhaft.
238. Beide Gedichte z. B. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, 257 und 297. — Freilich
als Julius im Aug. 1511 einmal in mehrstündiger Ohnmacht lag und für tot galt, wagten
sogleich die unruhigsten Köpfe aus den vornehmsten Familien — Pompeo Colonna und
Antimo Savelli — das ,,Volk" aufs Kapitel zu rufen und zur Abwerfung der päpstlichen
Herrschaft anzufeuern, a vendicarsi in libertä . . . a publica ribellione, wie Guicciardini
im zehnten Buch meldet.
239. Septimo decretal. L. I. Tit. 3, Cap. i bis 3.
240. Franc. Vettori, im Arch. Stör. VI, 297.
241. Franc. Vettori, a. a. O. p. 301. — Arch. Stör, append. I, p. 293, s. — Roscoe, Leone
X, ed. Bossi VI, p. 232, s. — Tommaso Gar, a. a. O. p. 42.
242. Ariosto, Sat. VI. sv. 106. Tutti morrete, ed e fatal che muoja Leone appresso . . .
243. Eine Kombination dieser Art statt mehrerer: Lettere de' principi I, 46 in einer
Pariser Depesche des Kardinals Bibiena 15 18.
244. Franc. Vettori, a. a. O. p. 333.
245. Bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi, VIII, p. losf. findet sich eine Deklamation, welche
Pico 15 17 an Pirkheimer sandte. Er fürchtet, daß noch unter Leo das Böse förmlich über
das Gute siegen möchte, et in te bellum a nostrae religionis hostibus ante audias geri quam
parari.
246. Lettere de' principi, I. Rom, 17. März 1523 : ,, Dieser Staat steht aus vielen Gründen
auf einer Nadelspitze, und Gott gebe, daß wir nicht bald nach Avignon fliehen müssen
oder bis an die Enden des Ozeans. Ich sehe den Sturz dieser geistlichen Monarchie nahe
vor mir . . . Wenn Gott nicht hilft, so ist es um uns geschehen."
247. Negro a. a. O. zum 24. Okt. (soll Sept. heißen) und 9. Nov. 1526, 11. April 1527.
248. Varchi, Stör, fiorent. I, 43. 46, s.
249. Paul. Jovius: Vita Pomp. Columnae.
250. Ranke, Deutsche Geschichte. II, 375 ff.
251. Varchi, Stör, fiorent. II, 43, s.
252. Ebenda, und: Ranke, Deutsche Gesch. II, S. 394, Anm. Man glaubte, Carl würde
seine Residenz nach Rom verlegen.
253. Sein Brief an den Papst, d. d. Carpentras, i. Sept. 1527, in den Anecdota litt. IV,
P-335-
254. Lettere de' principi. I, 72. Castiglione an den Papst, Burgos 10. Dez. 1527.
255. Tommaso Gar, relaz. della corte di Roma I, 299.
256. Den Famesen gelang noch etwas der Art, die Caraffa gingen unter.
257. Petrarca: epist. fam. I, 3, p. 574, worin er Gott dafür preist als Italiener geboren
zu sein. Sodann: Apologia contra cuiusdam anonymi Galli calumnias, vom J. 1367, p.
1068, s.
258. Ich meine besonders die Schriften von Wimpheling, Bebel, u. a. im I. Bande der
scriptores des Schardius.
259. Ein Beispiel statt vieler : Die Antwort des Dogen von Venedig an einen f lorentini-
schen Agenten wegen Pisas 1496, bei Malipiero, ann. veneti, Arch. stör. VII, I, p. 427.
„„g ANMERKUNGEN
260. Man beachte die Ausdrücke uomo singolare, uomo unico für die höhere und höchste
Stufe der individuellen Ausbildung.
261. In Florenz gab es um 1390 deshalb keine herrschende Mode der männlichen
Kleidung mehr, weil jeder sich auf besondere Weise zu tragen suchte. Vgl. die Canzone
des Franco Sacchctti : contro alle nuove foggie, in den Rime, publ. dal Poggiali, p. 52.
262. Auch wohl die ihrer Gemahlinnen, wie man im Hause Sforza und in verschiedenen
oberitalischen Herrscherfamilien bemerkt. Man vgl. in den Clarae mulieres des Jacobus
Bergomensis, die Biographien der Battista Malatesta, Paola Gonzaga, Orsina Torella, Bona
Lombarda, Riccarda von Este und der wichtigeren Frauen der Familie Sforza. Es ist mehr
als eine wahre Virago darunter und auch die Ergänzung der individuellen Entwicklung
durch hohe humanistische Kuhur fehlt nicht.
263. Franco Sacchetti, in seinem Capitolo (Rime, publ. dal Poggiali, p. 56) zählt um
1390 über hundert Namen von bedeutenden Leuten der herrschenden Parteien auf, welche
bei seinen Gedenkzeiten gestorben seien. So viele Mediokritäten darunter sein mochten,
so ist doch das Ganze ein starker Beleg für das Erwachen der Individualität. — Über die
„Vite" des Filippo Villani s. unten.
264. Trattato del governo della famiglia. Es gibt eine neuere Hypothese, wonach diese
Schrift von dem Baumeister L. B. Alberti verfaßt wäre. Vgl. Vasari IV, 54, Nota 5, ed.
Lemonnier. — Über Pandolfini vgl. Vespas. Fiorent. p. 379.
265. Trattato p. 65, s. .
266. Jov. Pontanus, de fortitudine, L. II. Siebzig Jahre später konnte Cardanus (de vita
propria, Cap. 32) bitter fragen: Quid est patria, nisi consensus tyrannorum minutorum ad
opprimendos imbelles timidos, et qui plerumque sunt innoxii ?
267 De vulgari eloquio Lib. I, cap. 6. — Über die italienische Idealsprache cap. 17.
Die geistige Einheit der Gebildeten cap. 18. — Aber auch das Heimweh in der berühmten
Stelle Purg. VIII, Iff. und Parad. XXV, I.
268. Dantis Alligherii Epistolae, ed. Carolus Witte, p. 65. vvTY^
269. Ghiberti, secondo commentario, cap. XV. (Vasari, ed. Lemonnier, I, p. XXIX).
270 Codri Urcei vita, vor dessen Opera. — Freilich grenzt dies schon an das : Ubi bene,
ibi patria. — Die Masse neutralen geistigen Genusses, der von keiner Örtlichkeit abhangt,
und dessen die gebildeten Italiener mehr und mehr fähig wurden, erleichterte ihnen das
Exil beträchtlich. Übrigens ist der Kosmopolitismus ein Zeichen jeder Bildungsepoche,
da man neue Welten entdeckt und sich in der alten nicht mehr heimisch fühlt. Er tritt bei
den Griechen sehr deutlich hervor nach dem peloponnesischen Kriege; Piaton war, wie
Niebuhr sagt, kein guter Bürger und Xenophon ein schlechter; Diogenes proklamierte
vollends die Heimatlosigkeit als ein wahres Vergnügen und nannte sich selber <moö^,
wie man bei Laertius liest.
271. Boccaccio, Vita di Dante, p. 16. .
272. Die Engel, welche er am Jahrestag von Beatrices Tode auf Täfelchen zeichnete
(Vita nuova, p. 61). könnten wohl mehr als Dilettantenarbeit gewesen sein. Lion. Aretino
sagt, er habe egregiamente gezeichnet und sei ein großer Liebhaber der Musik ge-
wcscn
273.' Für dieses und das Folgende vgl. bes. Vespasiano Fiorentino, für die florentinische
Bildung des 15. Jahrhunderts eine Quelle ersten Ranges. Hierher p. 359, 379. 40i etc.
Sodann die schöne und lehrreiche Vita Jannoctii Manetti (geb. 1396) bei Mural XX.
274 Das Folgende beispielsweise aus Perticaris Charakteristik des Pandolfo Collenuccio,
bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi III, p. 197. s., und in den Opere del Conte Perticari, Mil.
1823, vol. II. . p-
275. B»-"i Muratori, XXV, Col. 29S, »• Hierzu als Ergänzung Vasari IV, 52, s. — t-m
allseitiger Dilettant wenigstens, und zugleich in mehreren Fächern Meister war z.U.
Mariano Socini, wenn man dessen Charakteristik bei Aeneas Sylvius (Opera, p. 622, bpist.
112) Glauben schenken darf. , x- 1 • c
276. Vgl. den Ibn Pirnas, bei Hammer. Literaturgesch. der Araber, I, Einleitung b. 51-
ANMERKUNGEN ooy
277. Quicquid ingenio esset hominum cum quadam effectum elegantia, id prope divi-
num ducebat.
278. Dieses verlorene Werk ist es (vgl. S. 107 Anm.), welches von Neuem für wesentlich
identisch mit dem Trattato des Pandolfini gehalten wird.
279. In seinem Werke De re aedificatoria, L. VIII, cap. i, findet sich eine Definition
von dem, was ein schöner Weg heißen könne: si modo mare, modo montes, modo lacum
fluentem fontesve, modo aridam rupem aut planitiem, modo nemus vallemque exhibebit.
280. Ein Autor statt vieler: Blondus, Roma triumphans, L. V, p. 117, s., wo die Defi-
nitionen der Gloria aus den Alten gesammelt sind und auch dem Christen ausdrücklich
die Ruhmbegier gestattet wird. — Ciceros Schrift de gloria, welche noch Petrarca besaß,
ist bekanntlich seitdem verlorengegangen.
281. Paradiso XXV, Anfang: Se mai continga etc. — Vgl. Boccaccio, Vita di Dante,
p. 49. Vaghissimo fu e d'onore e di pompa, e per avventura piü non si sarebbe richiesto.
282. De vulgari eloquio, L. I, Cap. I. Ganz besonders de Monarchia, L. I. Cap. I, wo
er den Begriff der Monarchie darstellen will, nicht bloß um der Welt nützlich zu sein,
sondern auch: ut palmam tanti bravii primus in meam gloriam adipiscar.
283. Convito, ed. Venezia 1529, fol. 5 und 6.
284. Paradiso VI, 112, s.
285. z.B.: Inferno VI, 89, XIII, 53. XVI, 85. XXXI, 127.
286. Purgatorio V, 70. 87. 133. VI, 26. VIII, 71. XI, 31. XIII, 147.
287. Purgatorio XI, 79 — 117. Außer gloria finden sich hier beisammen: Grido, fama,
rumore, nominanza, onore, lauter Umschreibungen derselben Sache. — Boccaccio dichtete
wie er in dem Brief an Joh. Pizinga (Opere volgari, Vol. XVI.) gesteht, perpetuandi nominis
desiderio.
288. Scardeonius, de urb. Patav. antiq. (Graev. Thesaur. VI, III, Col. 260). Ob cercis,
muneribus oder etwa certis muneribus zu lesen, lasse ich dahingestellt.
289. Epistola de origine et vita etc., am Eingang der Opera: ,, Franc. Petrarca Posteritati
salutem". Gewisse neuere Tadler von P.s Eitelkeit würden an seiner Stelle schwerlich so
viele Güte und Offenheit behalten haben wie er.
290. Opera, p. 177: de celebritate nominis importuna.
291. De remediis utriusque fortunae, passim.
292. Epist. seniles III, 5. Einen Maßstab von Petrarcas Ruhm gibt z. B. Blondus (Italia
illustrata, p. 416) hundert Jahre nachher, durch seine Versicherung, daß auch kaum ein
Gelehrter mehr etwas von König Robert dem Guten wüßte, wenn Patrarca seiner nicht so
oft und freundlich gedacht hätte.
293. Epist. seniles XIII, 3. p. 918.
294. Filippo Villani, Vite, p. 19.
295. Beides beisammen in der Grabschrift auf Boccaccio: Nacqui in Firenze al Pozzo
Toscanelli ; Di fuor sepolto a Certaldo giaccio, etc. — Vgl. Opere volgari di Bocc, vol. XVI,
P-44-
296. Mich. Savonarola, de laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 1157.
297. Der motivierte Staatsbeschluß von 1396 bei Gaye, Carteggio, I, p. 123.
298. Boccaccio, V'ita di Dante, p. 39.
299. Franco Sacchetti, Nov. 121.
300. Erstere in dem bekannten Sarkophag bei S. Lorenzo, letztere am Palazzo della
ragione über einer Tür. Das Nähere über deren Auffindung 1413 s. bei Misson, Voyage
en Italic, vol. I.
301. Vita di Dante, 1. c. W'ie die Leiche des Cassius nach der Schlacht bei Phiüppi wieder
nach Parma gelangt sein mag ?
302. Nobilitatis fastu, und zwar sub obtentu religionis, sagt Pius II. (Comment. X, p.
473). Die neue Gattung von Ruhm mußte wohl vielen Leuten unbequem erscheinen, die
an anderes gewöhnt waren.
303. Vgl. Keyßlers Neueste Reisen, p. 10 16.
BuTckhardt 22
oog ANMERKUNGEN
304. Der ältere war bekanntlich von Verona.
305 . So verhält es sich auch wesentlich noch in der merkwürdigenSchrift : De laudibus Pa-
piae (bei Murat X.) aus dem 1 4. Jahrh. ; viel munizipaler Stolz, aber noch kein spezieller Ruhm.
306. De laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 1151 ff.
307. Nain et veteres nostri tales aut divos aut aeterna memoria dignos non immerito
praedicabant. Quum virtus summa sanctitatis sit consocia et pari emantur pretio.
308. In den casus virorum illustrium des Boccaccio gehört nur das letzte, neunte Buch
der nachantiken Zeit an. Ebenso noch viel später in den Commentarii urbani des Raph.
Volaterranus nur das 21. Buch, welches das neunte der Anthropologie ist; Päpste und Kai-
ser behandelt er im 22. und 23. Buch besonders. — In dem Werke ,,de claris mulieribus"
des Augustiners Jacobus Bergomensis (um 1500), vgl. S. 105, Anm., überwiegt das Alter-
tum und noch inehr die Legende, dann folgen aber einige wertvolle Biographien von Ita-
lienerinnen. Bei Scardeonius (de urb. Patav. antiq., Graev. thesaur, VI, III, Col. 405, s.)
werden lauter berühmte Paduanerinnen aufgezählt: Zuerst eine Legende oder eine Sage
aus der Völkerwanderung; dann leidenschaftliche Tragödien aus den Parteikämpfen des
13. und 14. Jahrh., hierauf andere kühne Heldenweiber; die Klosterstifterin, die politische
Ratgeberin, die Ärztin, die Mutter vieler und ausgezeichneter Söhne, die gelehrte Frau, das
Bauermädchen, das für seine Unschuld stirbt, endlich die schöne hochgebildete Frau des
16. Jahrh., auf welche jedermann Gedichte macht; zum Schluß die Dichterin und Novel-
listin. Ein Jahrhundert später wäre zu all diesen berühmten patavinischen Frauen noch die
Professorin hinzugekommen. — Die berühmten Frauen des Hauses Este, bei Ariosto,
Orl. XIII.
309. Die viri illustres des B. Facius, herausg. von Mehus, eines der wichtigsten Werke
dieser Art aus dem 15. Jahrhundert, habe ich leider nie zu sehen bekommen.
310. Schon ein latenischer Sänger des 12. Jahrh. — ein fahrender Scholar, der mit
seinem Lied um ein Kleid bettelt — droht damit. S. Carmina Burana, p. 76.
311. Boccaccio, Opere volgari, Vol. XVI, im 13. Sonett: Pallido, vinto etc.
312. U.a. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, p. 203.
313. Angeli Politiani epp. Leib. X.
314. Paul. Jov. de romanis piscibus, Praefatio (1525): Die erste Dekade seiner Historien
werde nächstens herauskommen non sine aliqua spe immortalitatis.
315. Hierzu vgl. Discorsi I. 27. Die tristizia, Verbrechen, kann grandezza haben und
in alcuna parte gencrosa sein ; die grandezza kann von einer Tat jede infamia entfernen ;
der Mensch kann onorevolmcnte tristo sein, im Gegensatz zum perfettamente buono.
316. Storie fiorentine, L. VI.
317. Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Marius Molsa.
318. Das Mittelalter ist reich an sogenannten satirischen Gedichten, allein es ist noch
nicht individuelle, sondern fast lauter allgemeine, auf Stände, Kategorien, Bevölkerungen
usw. gemünzte Satire, welche denn auch leicht in den lehrhaften Ton übergeht. Der all-
gemeine Niederschlag dieser ganzen Richtung ist vorzüglich die Fabel vom Reincke Fuchs
in all ihren Redaktionen bei den verschiedenen Völkern des Abendlandes. Für die franzö-
sische Literatur dieses Zweiges ist eine treffliche neuere Arbeit vorhanden : Lenient, La
Satire en France au moyen-äge.
319. Ausnahmsweise kommt auch schon ein insolenter Witz vor, Nov. 37.
320. Inferno XXI. XXII. Die einzige mögliche Parallele wäre Aristophanes.
321 . Ein schüchterner Anfang Opera p. 421 f., in Rerum memorandum libri IV. Anderes
z. B.: p. 868, in Epp. senil. X, 2. Der Wortwitz schmeckt bisweilen noch sehr nach seinem
mittelalterlichen Asyl, dem Kloster.
322. Nov. 40. 41 ; es ist Ridolfo da Camerino.
323. Die bekannte Posse von Brunellesco imd dem dicken Holzschnitzer, so geistreich
erfunden, ist doch wohl grausam zu nennen.
324. Ibid. Nov. 49. Und doch hatte man laut Nov. 67 das Gefühl, daß hie und da ein
Romagnole auch dem schlimmsten Florentiner überlegen sei.
ANMERKUNGEN 339
325. Ang. Pandolfini, del govemo della famiglia, p. 48.
326. Franco Sacchetti, Nov. 156; vgl. Nov. 24. — Die Facetiae des Poggio sind dem In-
halt nach mit Sacchetti nahe verwandt: burle, Insolenzen, Mißverständnisse einfacher
Menschen gegenüber der raffinierten Zote, dann aber mehr Wortwitze, die den Philologen
verraten. — Über L. B. Alberti vgl. S. 112.
327. Folgerichtig auch in denjenigen Novellen der Italiener, deren Inhalt von dort ent-
lehnt ist.
328. Laut Bandello IV, Nov. 2 konnte Gonnella auch sein Gesicht in die Züge anderer
verstellen und alle Dialekte Italiens nachmachen.
329. Paul. Jovius, Vita Leonis X.
330. Erat enim Bibiena mirus artifex hominibus aetate vel professione gravibus ad
insaniam impellendis. Man erinnert sich dabei an den Scherz, welchen Christine von
Schweden mit ihren Philologen trieb.
331. Das Lorgnon entnehme ich nicht bloß aus Rafaels Porträt, wo es eher als Lupe zur
Betrachtung der Miniaturen des Gebetbuches gedeutet werden kann, sondern aus einer
Notiz des Pellicanus, wonach Leo eine aufziehende Prozession von Mönchen durch ein
Specillum betrachtete (vgl. Züricher Taschenbuch auf 1858, S. 177), und aus der cristallus
concava, die er laut Giovio auf der Jagd brauchte.
332. Auch in der bildenden Kunst fehlt sie nicht; man erinnere sich z. B. jenes bekann-
ten Stiches, welcher die Laokoonsgruppe in drei Affen übersetzt darstellt. Nur ging der-
gleichen selten über eine flüchtige Handzeichnung liinaus; manches mag auch vernichtet
worden sein. Die Karikatur ist wieder wesentlich etwas anderes ; Lionardo in seinen Gri-
massen (Ambrosiana) stellt das Häßliche dar, wenn und weil es komisch ist, und erhöht
dabei diesen komischen Charakter nach Belieben.
333- Jovian. Pontan. de Sermone. Er konstatiert eine besondere Begabung zum Witz
außer bei den Florentinern auch bei den Sienesen und Peruginem ; den spanischen Hof fügt
er dann noch aus Höflichkeit bei.
334. II cortigiano, Lib. II. fol. 74, s. — Die Herleitting des Witzes aus dem Kontrast,
obwohl noch nicht völlig klar, fol. 76.
335. Galateo del Casa, ed. Venez. 1789, p. 26, s. z8.
336. Lettere pittoriche I, 71, in einem Briefe des Vinc. Borghini 1577. — Macchiavelli,
Stör. fior. L. VII. sagt von den jungen Herrn in Florenz nach der Mitte des 15. Jahrh. : gli
studi loro erano apparire col vestire splendidi, e col parlare sagaci ed astuti, e quello che
piü destramente mordeva gli altri, era piü savio e da piü stimato.
337- Vgl. Fedra Inghiramis Leichenrede auf Lodovico Podocataro (1505), in den Anecd.
litt. I, p. 319. — Der Skandalsammler Massaino erwähnt bei Paul. Jov., Dialogus de viris
litt, illustr. (Tiraboschi, Tom. VII. parte IV. p. 1631).
338. So hielt es im ganzen Leo X., und er rechnete damit im ganzen richtig; so schreck-
lich die Pasquillanten zumal nach seinem Tode mit ihm umgingen, sie haben die Gesamt-
anschauung seines Wesens nicht dominieren können.
339. In diesem Falle war wohl Kardinal Ardicino della Porta, der 1491 seine Würde
niederlegen und in ein fernes Kloster flüchten wollte. Vgl. Infessura,beiEccard II, Col. 2000.
340. S. dessen Leichenrede in den Annecd. litt. IV, p. 315. Er brachte in der südlichen
Mark Ancona ein Bauernheer zusammen, das nur durch den Verrat des Herzogs von Ur-
bino am Handeln verhindert wurde. — Seine schönen hoffnungslosen Liebesmadrigale bei
Trucchi, Poesie ined. II, p. 123.
341. Wie er an der Tafel Clemens VII. seine Zunge brauchte, s. bei Giraldi, Hecatom-
mithi, VII. Nov. 5.
342. Die ganze angebliche Beratung über das Versenken des Pasquino bei Paul. Jov.,
Vita Hadriani, ist von Sixtus IV. auf Hadrian übertragen. — Vgl. Lettere de' principi I,
Brief des Negro vom 7. Apr. 1523. Pasquino hatte am St. Markustag ein besonderes Fest,
welches der Papst verbot.
343. z. B.: Firenzuola, Opere, vol. I, p. 116, im Discorsi degli animali.
22*
340
ANMERKUNGEN
344. An den Herzog von Ferrara, i . Januar 1536 : Ihr werdet nun von Rom nach Neapel
reisen, ricreando la vista avvilita nel mirar le miserie pontificali con la contemplatione delle
eccellenze iniperiali.
345. Wie er sich damit speziell den Künstlern furchtbar machte, wäre anderswo zu er-
örtern. — Das publizistische Vehikel der deutschen Reformation ist wesentlich die Bro-
schüre, in Beziehung auf bestimmte einzelne Angelegenheiten ; Aretino dagegen ist Jour-
nalist in dem Sinne, daß er einen fortwährenden Anlaß des Publizierens in sich hat.
346. z. B. im Capitolo an den Albicante, einen schlechten Dichter; leider entziehen sich
die Stellen der Zitation.
347. Lettere, ed. Venez. 1539. Dol. 12, vom 31. Mai 1527.
348. Im ersten Capitolo an Cosimo.
349. Gaye, Carteggio II, p. 332-
350. S. den frechen Brief von 1536 in den Lettere pittor., I, Append., 34.
351. L'Aretin, per Dio grazia, e vivo e sano,
Ma'l mostaccio ha fregiato nobilmente,
E piü colpi ha, che dita in una mano.
(Mauro, capitolo in lode delle bugie.)
352. Man sehe z. B. den Brief an den Kardinal von Lothringen, Lettere, ed. Venez.
'539. vom 21. Nov. 1534, sowie die Briefe an Karl V.
353. Für das Folgende s. Gaye, Carteggio, II, p. 336. 337. 345.
354. Lettere, ed. Venez. 1539. Fol. 15., vom 16. Juni 1529.
355. Mochte es die Hoffnung auf den roten Hut oder die Furcht vor den beginnenden
Bluturteilen der Inquisition sein, welche er noch 1535 herb zu tadeln gewagt hatte (s. a. a. O.
Fol. 37), welche aber seit der Reorganisation des Institutes 1542 plötzlich zunahmen und
alles zum Schweigen brachten.
356. Carmina Burana, in der , .Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart" der
XVI. Band. — Der Aufenthalt in Pavia (p. 68, 69), die italienische Lokalität überhaupt,
die Szene mit der pastorella unter dem Ölbaum (p. 145), die Anschauung einer pinus als
eines weitschattigen Wiesenbaums (p. 156), der mehrmalige Gebrauch des Wortes bravium
(p. 137. 144), namentlich aber die Form Madii für Maji (p. 141) scheinen für unsere Annah-
me zu sprechen. — Daß der Dichter sich Walther nennt, gibt noch keinen Wink über seine
Herkunft. Gewöhnlich identifiziert man ihn mit Gualterus de Mapes, einem Domherrn
von Salisbury und Kaplan der englischen Könige gegen Ende des 12. Jahrh. In neuerer
• Zeit glaubt man ihn in einem gewissen Walther von Lille oder von Chatillon wiederzuer-
kennen, vgl. Giesebrecht, bei Wattenbach: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittel-
alter, S. 431 ff.
357. Wie das Altertum in allen höhern Gebieten des Lebens als Lehrer und Führer
dienen könne, schildert z. B. in rascher Übersicht Aeneas Sylvius (opera p. 603 in der Epist.
105, an Erzherzog Sigismund.)
358. Für das Nähere verweisen wir auf Roscoe : Lorenzo magnif, und: Leo X., sowie
auf Voigt : Enea Silvio, und auf Papcncordt : Gesch. der Stadt Rom im Mittelalter. — Wer
sich einen Begriff machen will von dem LTmfang, welchen das Wissenswürdige bei den
Gebildeten des beginnenden 16. Jahrh. angenommen hatte, ist am besten auf die Commen-
tarii urbani des Raphael Volatcrranus zu verweisen. Hier sieht man, wie das Altertum den
Eingang und Hauptinhalt jedes Erkenntniszw-eiges ausmachte, von der Geographie und
Lokalgeschichte durch die Biographien aller Mächtigen und Berühmten, die Populärphilo-
sophic, die Moral und die einzelnen Spezialwisscnschaften hindurch bis auf die Analyse
des ganzen Aristoteles, womit das Werk schließt. Um die ganze Bedeutung desselben als
Quelle der Bildung zu erkennen, müßte man es mit allen frühem Enzyklopädien vergleichen.
Eine umständliche und allseitige Behandlung des vorliegenden Themas gewährt das treff-
liche Werk von Voigt: Die Wiederbelebung des klassischen .-Mtertums.
359. Dante, Convito, Tratt. IV, Cap. 5.
ANMERKUNGEN
341
360. Epp. familiäres VI, 2 (pag. 657) ; Äußerungen über Rom, bevor er es gesehen, ibid.
II, 9 (p-6oo); vgl. II, 14.
361. Dittamondo, II, cap. 3. Der Zug erinnert noch teilweise an die naiven Bilder der
heil, drei Könige und ihres Gefolges. — Die Schilderung der Stadt, II, cap. 31, ist archäo-
logisch nicht ganz oline Wert. — Laut dem Polistore (Murat. XXIV, Col. 845) reisten 1366
Nicolö und Ugo von Este nach Rom : per vedere quelle magnificenze antiche, che al presente
si possono vedere in Roma.
362. Beiläufig hier ein Beleg wie auch das Ausland Rom im Mittelalter als einen Stein-
bruch betrachtete: Der berühmte Abt Sugerius, der sich (um 1140) für seinen Neubau
von St. Denis um gewaltige Säulenschäfte umsah, dachte an nichts Geringeres als an die
Granitmonolithen der Diokletiansthermen, besann sich aber doch eines anderen. Sugerii
libellus alter, bei Duchesne, scriptores, IV, p. 352. — Karl d. Gr. war ohne Zweifel beschei-
dener verfahren.
363. Pogii opera, fol. 50, s. Ruinarum urbis Romae descriptio. Um 1430, nämlich kurz
vor dem Tode Martins V. — Die Thermen des Caracalla und Diokletian hatten noch ihre
Inkrustation und ihre Säulen.
364. Poggio als frühester Inskriptionensammler, in seinem Briefe in der vita Pogii, bei
Murat XX, Col. 177. Als Büstensammler Col. 183.
365. Fabroni, Cosmus, Adnot. 86. Aus einem Briefe des Alberto degli Alberti an Gio-
vanni Medici. — Über den Zustand Roms unter Martin V. s. Piatina p. 277; während der
Abwesenheit Eugens IV. s. Vespasiano Fiorent. p.21.
366. Das Folgende aus Jo. Ant. Vampanus: Vita Pii II. bei Muratori III, II. Col. 980, s.
— Pii II. Commentarii p. 48. 72, s. 206, 248, s. 501. u. a. a. O.
367. Boccaccio, Fiammetta, cap. 5.
368. Leandro Alberti, Descriz. di tutta l'Italia, fol. 285.
369. Zwei Beispiele statt vieler: die fabulose Urgeschichte von Mailand, im Manipulus
(Murat. XI, Col. 552) und die von Florenz, am Anfang der Chronik des Ricordano Malas-
pini, und dann bei Gio. Villani, laut welchem Florenz gegen das antirömische, rebellische
Fiesole von jeher Recht hat, weil es so gut römisch gesinnt ist (I, g. 38. 41. II, 2). — Dante
Inf. XV, 76
370. Commentarii, p. 206, im IV. Buch.
371. Mich. Cannesius, Vita Pauli II. bei Murat. III, II. Col. 993. Selbst gegen Nero,
den Sohn des Domitius Ahenobarbus, will Autor, der päpstlichen Verwandtschaft wegen,
nicht unverbindlich sein ; er sagt von demselben nur : de quo rerum scriptores multa ac
diversa commemorant. — Noch stärker war es freilich z. B., wenn die Familie Plato in Mai-
land sich schmeichelte, von dem großen Plato abzustammen, wenn Filelfo in einer Hoch-
zeitsrede und in einer Lobrede auf den Juristen Teodoro Plato dies sagen durfte, und wenn
ein Giovanantonio Plato der von ihm 1478 gemeißelten Relieffigur des Philosophen (im
Hof des Pal. Mazenta zu Mailand) die Inschrift beifügen konnte: Platonem suum, a quo
originem et Ingenium refert . . .
372. Hierüber Nantiporto, bei Murat. III, II, Col. 1094; Infessura bei Eccard, Scrip-
tores, II, Col. 1951; — Matarazzo, im Arch. stör. XVI, II, p. 180.
373. Schon unter Julius II. grub man nach in der Absicht, Statuen zu finden. Vasari XI,
p. 302, V. di Gio. da Udine.
374. Quatremerc, Stör, della vita etc. di Rafaello, ed. Longhena p. 531.
375. Lettere pittoriche II, I. Tolomei an Landi, 14. Nov. 1542.
376. Er wollte curis animique doloribus quacunque ratione aditum intercludere, heiterer
Scherz und Musik fesselten ihn, und er hoffte auf diese Weise länger zu leben. Leonis X.
vita anonyma, bei Roscoe, ed. Bossi XII, p. 169.
377. Von Ariostos Satiren gehören hierher die I. (Perc' ho molto etc.) und die IV.
(Poiche, Annibaie etc.).
378. Ranke, Päpste, I, 408 f. — Lettere de' principi I, Brief des Negri i. September
1522: . . . tutti questi cortigiani esausti da Papa Leone e falliti . . .
342
ANMERKUNGEN
379. Pii II. Commentarii p. 251, im V. Buch. — Vgl. auch Sannazaros Elegie in ruinas
Cumarum, im 2. Buche.
380. Polifilo, Hypnerotomachia, ohne Seitenzahlen. Im Auszug bei Temanza, p. 12.
381. Während alle Kirchenväter und alle Pilger nur von einer Höhle wissen. Auch die
Dichter können des Palastes entbehren. Vgl. Sannazaro, de partu Virginis, L. II.
382. Hauptsächlich aus Vespasiano Fiorentino, im X. Bande des Spicileg. romanum
von Mai. Der Autor war ein florentinischer Bücherhändler und Kopienlieferant um die
Mitte des i5.Jahrh. und nach derselben.
383. Bekanntlich vrarde, um die Begier nach dem Altertum zu täuschen oder zu brand-
schatzen, auch einiges Unechte geschmiedet. Man sehe in den literar-geschichtlichen Wer-
ken statt alles übrigen die Artikel über Annius von Viterbo.
384. Vespas. Fior. p. 31. Tommaso da Serezana usava dire, che dua cosa farebbe, s'egli
potesse mai spendere, ch'era in libri e murare. E l'una e l'altra fece nel suo pontificato. —
Seine Übersetzer s. bei Aen. Sylvius, de Europa, cap. 58, p. 459, und bei Papencordt,
Gesch. der Stadt Rom, p. 502.
385. Vespas. Fior. p. 48 und 658. 665. Vgl. J. Mannetti, Vita Nicolai V. bei Murat. III,
II, Col. 925, s. — Ob und wie Calixt III. die Sammlung wieder teilweise verzettelte, s.
Vespas. Fior., p. 284, s. mit Mais Anmerkung.
386. Vespas. Fior. p.617, s.
387. Vespas. Fior. p. 547, s.
388. Vespas. Fior. p. 193. Vgl. Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 1185 s.
3S9. Wie man einstweilen damit umging, s. b. Malipiero, Ann. veneti, Arch. stör. VII,
II, p. 653. 655.
390. Vespas. Fior. p. 124, s.
391. Etwa bei der Einnahme von Urbino durch das Heer Cesare Borgias ? — Mai be-
zweifelt die Existenz der Handschrift, ich kann aber nicht glauben, daß Vespasiano etwa
die bloßen Gnomenexzerpte aus Menander, bekanntlich nur ein paar hundert Verse, mit
,,tutte le opere" und in jener Reihe umfangreicher Codices (mochte es auch nur unser
jetziger Sophokles und Pindar sein) aufgeführt haben würde. Es ist nicht undenkbar, daß
jener Menander noch einmal zum Vorschein kommt.
392. Wenn Piero de' Medici beim Tode des bücherliebenden Königs Matthias Corvinus
von Ungarn voraussagt, die Scrittori würden fortan ihre Preise ermäßigen müssen, da sie
sonst von niemand mehr (seil, als von uns) beschäftigt würden, so kann dies nur auf die
Griechen gehen, denn Kalligraphen, auf welche man es zu deuten versucht wäre, gab es
fortwährend viele in ganz Italien. — Fabroni, Laurent, magn. Adnot. 156. Vgl. Adnot. 154.
393. Gaye, Carteggio, I, p. 164. Ein Brief von 1455, unter Calixt III. Auch die berühmte
Miniaturenbibel von Urbino ist von einem Franzosen, Arbeiter Vespasianos, geschrieben.
S. D'Agincourt, Malerei, Tab. 78.
394. Vespas. Fior. p. 335.
395. Auch für die Bibliotheken von Urbino und Pesaro (die des Aless. Sforza, S. 22)
hatte der Papst eine ähnliche Gefälligkeit.
396. Vespas. Fior. p. 129.
397. Artes — Quis labor est fessis deniptus ab articulis, in einem Gedicht des Robertus
Ursus um 1470, Rerum ital. scriptt. ex codd. Florent.,Tom. II, Col. 693. Er freut sich etwas
früh über die zu hoffende rasche Verbreitung der klassischen Autoren. Vgl. Libri, Hist.
des Sciences mathömatiques II, 278, s. — Über die Drucker in Rom Gaspar. Veron. Vita
Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 1046. Das erste Privilegium in Venedig s. Marin Sanudo,
bei Murat. XXII, Col. 1189.
398. Etwas Ähnliches hatte schon zur Zeit des Schreibens existiert, s. Vespas. Fior.
p. 656, s. über die Weltchronik des Zembino von Pistoja.
399. Fabroni, Laurent, magn. Adnot. 212. — Es geschah in betreff der Schmähschrift
de exilio.
400. Vgl. Sismondi VI, p. 149, s.
ANMERKUNGEN
343
401. Das Aussterben dieser Griechen konstatiert Pierius Valerian. de infelicitate literat.
bei Anlaß der Lascaris. Und Paulus Jovius am Ende seiner Elogia iiteraria sagt von den
Deutschen : . . . quum literae non latinae modo cum pudore nostro, sed gracae et hebraicae
in eorum terras fatali commigratione transierint (gegen 1540).
402. Ranke, Päpste, I, 486. — Man vgl. das Ende dieses Abschnittes.
403. Tommasso Gar, Relazioni della corte di Roma, I, p. 338. 379.
404. Georg von Trapezunt mit 150 Dukaten in Venedig 1459 als Professor der Rethorik
besoldet, Malipiero, Arch. stör. VII, II, p. 653. — Über den griechischen Lehrstuhl in
Perugia s. Arch. stör. XVI, II, p. 19 der Einleitung. — Für Rimini bleibt es ungewiß, ob
griechisch doziert wurde; vgl. Anecd. litt. II, p. 300.
405. Vesp. Fior. p. 48. 476. 578. 614. — Auch Fra Ambrogio Camaldolese konnte he-
bräisch. Ibid. p. 320.
406. Sixtus IV., der das Gebäude für die Vaticana errichtete und dieselbe durch viele
Ankäufe vermehrte, warf auch Besoldungen für lateinische, griechische und hebräische
Skriptionen (librarios) aus. Piatina, Vita Sixti IV; p. 332.
407. Pierius Valerian., de infelic. lit. bei Anlaß des Mongajo. — Über Ramusio, vgl.
Sansovino, Venezia, Fol. 250.
408. Vorzüglich in dem wichtigen Briefe vom J. 1485 an Ermolao Barbaro, bei Ang.
Politian. epistolae, L. IX. — Vgl. Jo. Pici oratio de hominis dignitate.
409. Wie sie sich selber taxierten, verrät z. B. Poggio (de avaritia, fol. 2), indem nach
seiner Ansicht nur solche sagen können, sie hätten gelebt, se vixisse, welche gelehrte und
beredte lateinische Bücher geschrieben oder Griechisches in Lateinisches übersetzt haben.
410. Bes. Libri, Histoire des sciences math^m. II, 159, s. 258, s.
411. Purgatorio XVIII. enthält z. B. starke Belege: Maria eilt über das Gebirge, Cäsar
nach Spanien ; Maria ist arm und Fabricius uneigennützig. — Bei diesem Anlaß ist aufmerk-
sam zu machen auf die chronologische Einflechtung der Sibyllen in die antike Profan-
geschichte, wie sie Uberti in seinem Dittamondo (I, Cap. 14. 15) um 1360 versucht.
412. Poeta bedeutet noch bei Dante (Vita nuova, p. 47) ohnedies nur den lateinisch Dich-
tenden, während für den italienischen die Ausdrücke Rimatore, Dicitore per rima gebraucht
werden. Allerdings vermischen sich mit der Zeit Ausdrücke und Begriffe.
413. Auch Petrarca auf dem Gipfel seines Ruhmes klagt in melancholischen Augenblik-
ken : sein übles Gestirn habe gewollt, daß er in später Zeit unter Halunken — extremi
fures — leben müsse. In dem fingierten Brief an Livius, Opera, p. 704 seq.
414. Strenger hält sich Boccaccio an die eigentliche Poesie in seinem (spätem) Brief
an Jacobus Pizinga, in den opere volgari, Vol. XVI. Und doch erkennt er auch hier nur das
für Poesie, was von Altertum Notiz nimmt, und ignoriert die Trovatoren.
415. Boccaccio, Vita di Dante, p. 50: la quäle (laurea) non scienza accresce, ma h dell
acquistata oertissimo testimonio e omamento.
416. Paradiso XXV, i. s. — Boccaccio, Vita di Dante, p. 50: sopra le fonti di San Gio-
vanni si era disposto di coronare. Vgl. Paradiso I, 25.
417. Boccaccios Brief an denselben, in den Opere volgari, vol. XVI: si praestet Deus,
concedente senatu Romuleo . . .
418. Matt. Villani, V, 26. Es gab einen feierlichen Umritt durch die Stadt, wobei das
Gefolge des Kaisers, seine Baroni, den Poeten begleiteten. — Auch Fazio dcgli Uberti wurde
gekrönt, man weiß aber nicht wo und durch wen.
419. Jac. Volaterran. bei Mural. XXIII, Col. 185.
420. Vespas. Fior. p. 575, 589. — Vita Jan. Manetti, bei Murat. XX, Col. 543. — Die
Berühmtheit Lion. Aretinos war bei Lebzeiten freilich so groß gewesen, daß Leute aus allen
Gegenden kamen , nur um ihn zu sehen und daß sich ein Spanier vor ihm auf die Knie warf.
Vesp. p. 56S. — Für Guarinos Denkmal setzte der Magistrat von Ferrara 1461 die damals
bedeutende Summe von 100 Dukaten aus.
421. Vgl. Libri, Histoire des sciences math6m. II, p. 92. s. — Bologna war bekanntlich
älter, Pisa dagegen eine späte Gründung des Lorenzo magnifico, ,,ad solatium vcteris
OAA ANMERKUNGEN
amissae, libertatis" gestiftet, wie Giovio, Vita Leonis X, L. I. sagt. — Die Universität
Florenz (vgl. Gaye, carteggio, I, p. 461 bis 560 passim ; Matteo Villani 1,8; VII. 90) schon
1321 vorhanden mit Studienzwang für die Landeskinder, wurde neu gestiftet nach dem
schwarzen Tode 1348 und mit 2500 Goldgulden jährlich ausgestattet, schlief aber wieder
ein und wurde 1357 abermals hergestellt. Der Lehrstuhl für Erklärung des Dante, gestif-
tet auf Petition vieler Bürger 1373, war in der Folge meist mit der Professur der Philologie
und Rhetorik verbunden, so noch bei Filelfo.
422. Dies ist bei Aufzählungen zu beachten, wie z. B. bei dem Professorenverzeichnis
von Pavia um 1400 (Corio, Storia di Milano, fol. 290), wo u. a. 20 Juristen vorkommen.
423. Marin Sanudo, bei Mur. XXII, Col. 990.
424. Fabroni, Laurent, magn. Adnot. 52, vom J. 1491.
425. Allegretto, Diari sanesi, bei Mural. XXIII, Col. 824.
426. Filelfo hat bei seiner Berufung an die neugegründete L^niversität Pisa 500 Gold-
gulden wenigstens verlangt. Vgl. Fabroni, Laurent, magn. Adnot. 41.
427. Vgl. Vespasian. Fior. p. 271. 572. 580. 625. — Vita Jan. Manetti, bei Murat. XX,
Col. 531, s.
428. Vespas. Fior. p. 640. — Die besonderen Biographien des Vittorino und des Guarino
von Rosmini kenne ich nicht.
429. Vesp. Fior. p. 646.
430. An Erzherzog Sigismund, Epist. 105, p. 600, und an König Ladislaus den Nach-
geborenen, p. 695, letzteres als Tractatus de liberorum educatione.
43 1 . Die folgenden Worte Vespasianos sind unübersetzbar : a vederlo in tavola cosi antico
come era, era una gentilezza.
432. Ebenda, p.485.
433. Laut Vespas. p. 271 war hier ein gelehrtes Stelldichein, wo auch disputiert wurde.
434. S. dessen Vita bei Murat. XX, Col. 532, s.
435. Was man von derselben vorher kannte, kann nur fragmentarisch gewesen sein.
Eine wunderliche Disputation über den Gegensatz des Plato und Aristoteles fand 1438 zu
Ferrara zwischen Hugo von Siena und den auf das Konzil gekommenen Griechen statt.
Vgl. Aeneas Sylvius, De Europa, Cap. 52 (Opera, p. 450).
436. Bei Nie. Valori, im Leben des Lorenzo magn. — Vgl. Vespas. Fior. p. 426. Die
ersten Unterstützer des Arg. w-aren die Acciajouli. Ib. 192: Kardinal Bessarion und seine
Parallele zwischen Plato und Aristoteles. Ib. 223 : Cusanus als Platoniker. Ib. 308 : Der Kata-
lonier Narciso und seine Disputation mit Argyropulos. Ib. 571 : Einzelne piaton. Dialoge
schon von Lionardo Aret. übersetzt. Ib. 298 : Die beginnende Einwirkung des Neoplato-
nismus.
437. Varchi, Stör, fiorent. L. IV. p. 321. Ein geistvolles Lebensbild.
438. Die obengenannten Biographien Rosminis (über Vittorino und Guarino) sowie
Shepherd, Leben des Poggio, müssen vieles hierüber enthalten.
439. Epist. 39 ; Opera, p. 526, an Mariano Socino.
440. Es darf nicht irremachen, daß daneben eine fortlaufende Reihe von Klagen über
die Geringfügigkeit des fürstlichen Mäzenates und über die Gleichgültigkeit mancher Für-
sten gegen den Ruhm sich laut macht. So z. B. bei Bapt. Mantan. Eclog. V, noch aus dem
iS.Jahrh. — Es war nicht möglich, allen genug zu tun.
441. Für das wissenschaftliche Mäzenat der Päpste bis gegen Ende des 15. Jahrh. muß
hier der Kürze wegen auf den Schluß von Papencordts ,, Geschichte der Stadt Rom im
Mittelalter" verwiesen werden.
442. Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temporis, bei Anlaß des Sphaerulus von
Camerino. Der gute Mann wurde damit nicht zu rechter Zeit fertig und hatte seine Arbeit
schon 40 Jahre später im Pult. — Über die magern Honorare des Sixtus IV. vgl.Pierio Valcr.
de infelic. lit. bei Anlaß des Theodorus Gaza. — Das absichtliche Femhalten der Humani-
sten vom Kardinalat bei den Päpsten vor Leo, vgl. Lor. Granas Leichenrede auf Kard.
Egidio, Anecd. litt. IV, p. 307.
ANMERKUNGEN 345
443. Das Beste in den Deliciae poetarum italorum und ihn den Beilagen zu den verschie-
denen Ausgaben von Roscoe, Leo X.
444. Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Guido Posthumus.
445. Pierio Valeriano in seiner „Simia".
446. S. die Elegie des Joh. Aurelius Mutius, in den Delicis poet. ital.
447. Die bekannte Geschichte von der purpursanitnen Börse mit Goldpäckchen ver-
schiedener Größe, in welche Leo blindlings hineingreift, bei Giraldi, Hecatorrunithi VI,
Nov. 8. Dafür wurden Leos lateinische Tafelimprovisatoren, wenn sie gar zu hinkende
Verse machten, mit Peitschen geschlagen. Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temp.
448. Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, 181.
449. Vespas. Fior. p. 68, s. Die Übersetzungen aus dem Griechischen, die A. machen
ließ, p. 93. — Vita Jan. Manetti, bei Murat. XX, Col. 541, s. 550, s. 595. — Panormita:
Dicta et facta .\lphonsi, samt den Glossen des Aeneas Sylvias.
450. Ovid. Amores III, 15, vs. 11. — Jovian. Pontan., de principe.
451. Giom. napolet. bei Murat. XXI, Col. 1127.
452. Vespas. Fior. p. 3. 119, s. — Volle aver piena notizia d'ogni cosa, cosi sacra come
gentile. — Vgl. oben S. 36.
453. Beim letzten Visconti streiten sich noch Livius und die französischen Ritterromane
nebst Dante und Petrarca um die Teilnahme des Fürsten. Die Humanisten, welche sich
bei ihm meldeten und ihn , .berühmt machen" wollten, pflegte er nach wenigen Tagen wie-
der wegzuschicken. Vgl. Decembrio, bei Murat. XX, Col. 1014.
454. Paul. Jov. Vita Alfonsi ducis.
455. Über CoUenuccio am Hofe des Giovanni Sforza von Pesaro (Sohn des Alessandro,
S. 22), der ihn zuletzt mit dem Tode lohnte, s. S. iio. — Beim letzten Ordelaffo zu Forli
versah Codrus Urceus die Stelle. — Unter den gebildeten Tyrannen ist auch der 1488 von
seiner Gattin ermordete Galeotti Manfreddi von Faenza zu nennen ; ebenso einzelne Benti-
vogli von Bologna.
456. Anecdota literar. II, p. 305, s. 405. Basinius von Parma spottet über Porcellio und
Tommaso Seneca : sie als hungrige Parasiten müßten in ihrem Alter noch die Soldaten
spielen, indes er mit ager und villa ausgestattet sei. (Um 1460; ein belehrendes Aktenstück,
aus welchem hervorgeht, daß es noch Humanisten, wie die zwei letzgenannten gab, welche
sich gegen das Aufkommen des Griechischen zu wehren suchten.)
457. Das Nähere über diese Gräber bei Keyßler, Neueste Reisen, S. 924.
458. Pii II. Comment. L. II, p. 92. Historiae ist hier der Inbegriff des ganzen Altertums.
459. Fabroni, Cosmus, Adnot. 117. — Vespas. Fior. passim. — Eine Hauptstelle über
das, was die Florentiner von ihren Sekretären verlangten, bei Aeneas Sylvius, De Europa,
cap. 54 (Opera p. 454).
460. Vgl. S. 172 und Papencordt, Gesch. der Stadt Rom, p. 512, über das neue Kolle-
gium der Abbreviatoren, welche Pius gründete.
461. Anecdota lit. I, p. 1 19, s. Plaidoyer des Jacobus Volaterranus im Namen der Sekre-
täre, ohne Zweifel aus der Zeit Sixtus IV. — Der humanistische Anspruch der Konsisto-
rialadvokaten beruhte auf ihrer Redekunst, wie der der Sekretäre auf den Briefen.
462. Die wirkliche kaiserliche Kanzlei unter Friedrich III. kannte Aeneas Sylvius am
besten. Vgl. Epp. 23 und 105, Opera, p.516 und 607.
463. Corio, Storia di Milano, fol. 449 der Brief der Isabella von Aragon an ihren Vater
Alfons von Neapel ; fol. 451 , 464 zwei Briefe des Moro an Carl VIII. — Womit zu verglei-
chen das Histörchen in den Lettere pittoriche III, 86 (Sebast. del Poimbo an Aretino), wie
Clemens VII. während der Verwüstung Roms im Kastell seine Gelehrten aufbietet und
sich eine Epistel an Karl V. konzipieren läßt, jeden besonders.
464. Man vgl. die Reden in den Opera des Philelphus, Sabellicus, Beroaldus d.Ä. usw.
und die Schriften und Biographien des Jan. Mannetti, Aeneas Sylvius usw.
465. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 198. 205.
466. Pii II. Comment. L. I, p. 10.
346 ANMERKUNGEN
467. So groß der Sukzeß des glücklichen Redners war, so furchtbar war natürlich das
Steckenbleiben vor großen und erlauchten Versammlungen. Schreckensbeispiele sind ge-
sammelt bei Petrus Crinitus, de honesta disciplina V, cap. 3. Vgl. Vespas. Fior. p. 319. 430.
468. Pii II. Comment. L. IV. p. 205. Es waren noch dazu Römer, die ihn in Viterbo er-
warteten. Singuli per se verba fecere, ne alius alio melior videretur, cum essent eloquentia
ferme pares. — Daß der Bischof von Arezzo nicht das Wort führen durfte für die Kollek-
ti vgesandtschaft der italienischen Staaten an den neugewählten AlexanderVI . , zählt Guicciar-
dini (zu Anfang des I. B.) ganz ernsthaft unter den Ursachen auf, welche das Unglück
Italiens 1494 herbeiführen halfen.
469. Mitgeteilt von Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 1160.
470. Pii II. Comment. L. II p. 107. Vgl. p. 87. — • Eine andere lateinische Rednerin
fürstlichen Standes war Madonna Battista Montefeltro, vermählte Malatesta, welche Sigis-
mund und Martin haranguierte. Vgl. Arch. stör. IV, I. p. 442, Nota.
471. De expeditione in Turcas, bei Murat. XXIII, Col. 68. Nihil enim Pii concionantis
maiestate sublimius. — Außer dem naiven Wohlgefallen, womit Pius selbst seine Erfolge
schildert, vgl. Campanus, Vita Pii II, bei Murat. III, II, passim.
472. Carl V. hat doch einmal, als er in Genua der Blumensprache eines latein. Redners
nicht folgen konnte, vor Giovios Ohren geseufzt: ,,Ach wie hat mein Lehrer Hadrian einst
recht gehabt, als er mir weissagte, ich würde für meinen kindischen Unfleiß im Lateini-
schen gezüchtigt werden I" — Paul. Jov. vita Hadriani VI.
473. Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temp., bei Anlaß des CoUenuccio. — Filelfo,
ein verheirateter Laie, hielt im Dom von Como die Einführungsrede für den Bischof
Scarampi 1460.
474. Fabroni, Cosmus, Adnot. 52.
475. Was doch z.B. dem Jac. Volaterranus (bei Murat. XXIII, Col. 171) bei Piatinas
Gedächtnisfeier einigen Anstoß gab.
476. Anecdota lit. I, p. 299, in Fedras Leichenrede auf Lod. Podocataro, welchen Gua-
rino vorzugsweise zu solchen Aufträgen bestimmte.
477. Von solchen Einleitungsvorlesungen sind viele erhalten, in den Werken des Sa-
bellicus, Beroaldus maior, Codrus Urceus usw.
478. Den ausgezeichneten Ruhm von Pomponazzos Vortrag s. bei Paul. Jov. Elogia.
479. Vespas. Fior. p. 103. Vgl. die Geschichte p. 598, wie Gianozzo, Mannetti zu ihm
ins Lager kommt.
480. Archiv, stör. XV, p. 113. 121, Canestrinis Einleitung ; p.342,s. der Abdruck zweier
Soldatenreden; die erste, von Alamanni, ist ausgezeichnet schön und des Momentes (1528)
würdig.
481. Hierüber Faustinus Terdoceus, in seiner Satire De triumpho stultitiae, lib. II.
482. Diese beiden erstaunlichen Fälle kommen Sabellicus vor (Opera, fol. 61 — 82. De
origine et auctu religionis, zu Verona vor dem Kapitel der Barfüßer von der Kanzel gehal-
ten, und: De sacerdotii laudibus, zu Venedig gehalten). Vgl. S. 182, Anm. 6.
483. Jac. Volaterrani Diar. roman., bei Mur. XXIII. passim. — Col. 173 wird eine höchst
merkwürdige Predigt vor dem Hofe, doch bei zufälliger Abwesenheit Sixtus IV. erwähnt:
Pater Paolo Toscanella donnerte gegen den Papst, dessen Familie und die Kardinäle; Six-
tus erfuhr es und lächelte.
484. Eil. Villani, vite, p. 33.
4S5. Georg. Trapezunt. Rhetorica, das erste vollständige Lehrgebäude. — Aen.
Sylvius: Artis rhetoricae praecepta, in den Opera p. 992 bezieht sich absichtlich nur auf
Satzbau und Wortfügung; übrigens bezeichnend für die vollkommene Routine hierin.
Er nennt mehrere andere Theoretiker.
486. Dessen Vita bei Murat. XX ist ganz voll von den Wirkungen seiner Eloquenz. —
Vgl. Vespas. Fior. 592, s.
487. Annales Placcntini bei Murat. XX, Col. 918.
ANMERKUNGEN 347
488. So dem Savonarola, vgl. Perrens, Vie de Savonarole I, p. 163. Die Stenographen
konnten jedoch ihm und z. B. auch begeisterten Improvisatoren nicht immer folgen.
489. Und zwar keines von den bessern. Das Bemerkenswerteste ist die Floskel am
Schlüsse : Esto tibi ipsi archetypon et exemplar, teipsum imitare etc.
490. Briefe sowohl als Reden dieser Art schrieb Alberto di Ripalta, vgl. die von ihm ver-
faßten Annales Piacentini, bei Murat. XX, Col. 914, s. wo der Pedant seinen literarischen
Lebenslauf ganz lehrreich beschreibt.
491 . Pauli Jovii Dialogus de viris litteris illustribus, bei Tiraboschi, Tom. VII, Parte IV.
— Doch meint er noch wohl ein Jahrzehnt später, am Schluß der Elogia literaria : Tenemus
adhuc, nachdem das Primat der Philologie auf Deutschland übergegangen, sincerae et
constantis eloquentiae munitam arcem etc.
492. Eine besondere Gattung machen natürlich die halbsatirischen Dialoge aus, welche
CoUenuccio und besonders Pontano dem Lucian nachbildeten. Von ihnen sind dann Eras-
mus und Hütten angeregt worden. — Für die eigentlichen Abhandlungen mochten früher
schon Stücke aus den Moralien des Plutarch als Vorbild dienen.
493. Benedictus: Caroli VIII. hist., bei Eccard, scriptt. II, Col. 1577.
494. Petrus Crinitus beklagt diese Verachtung, de honesta discipl. L. XVIII, cap. 9.
Die Humanisten gleichen hierin den Autoren des späteren Altertums, welche ebenfalls
ihrer Zeit aus dem Wege gingen. — Vgl. Burckhardt, Die Zeit Constantins d. Gr. S. 285 u. s.
495. In dem Briefe an Pizinga, in den Opere volgari vol. XVI. — Noch bei Raph. Vola-
terranus, L. XXI, fängt die geistige Welt mit dem 14. Jahrh. an, also bei demselben Autor,
dessen erste Bücher so viele für jene Zeit treffliche spezialgeschichtliche Übersichten für
alle Länder enthalten.
496. Wie der des Giannozzo Mannetti in Gegenwart Nicolaus V., der ganzen Kurie und
zahlreicher, weither gekommener Fremden; vgl. Vespas.Fior.p. 592. und die vita Jan.Man.
497. Auch des Vergangenen, darf man bei Macchiavelli sagen.
498. Fand man doch bereits damals, als schon Homer allein die Summe aller Künste
und Wissenschaften enthalte, daß er eine Enzyklopädie sei. Vgl. Codri Urcei opera, Sermo
XIII, Schluß.
499. Ein Kardinal unter Paul II. Heß sogar seinen Köchen des A. Ethik vortragen. Vgl.
Gasp. Veron. vita Pauli II. bei Muratori III, II, Col. 1034.
500. Für das Studium des Aristoteles im allgemeinen ist besonders lehrreich eine Rede
des Hermolaus Barbarus.
501. Bursellis, Ann. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 898.
502. Vasari XI, p. 189. 257, vite di Sodoma e di Garofalo. — Begreiflicherweise bemäch-
tigten sich die liederlichen Weibspersonen in Rom der volltönendsten antiken Namen Giu-
lia, Lucrezia, Cassandra, Porzia, Virginia, Pentesilea usw., womit sie bei Aretino auftreten.
— Die Juden mögen vielleicht damals die Namen der großen semitischen Römerfeindc
Amilcare, Annibale, Asdrubale an sich genommen haben, die sie noch heute in Rom so
häufig führen.
503. Quasi che'l nome i buon giudici inganni,
E che quel meglio t'abbia a far poeta.
Che non farä lo studio di molt' anni I
— so spottet Ariosto, der freilich vom Schicksal einen wohllautenden Namen mitbekommen
hatte, in der VII. Satire, Vs. 64.
504. Oder schon nach denjenigen des Bojardo, die zum Teil die seinigen sind.
505. So werden die Soldaten des französ. Heeres 1512 : omnibus diris ad inferos devocati.
Den guten Domherrn Tizio, welcher es ernstlicher meinte und gegen fremde Truppen eine
Exekrationsformel aus Macrobius aussprach, werden wir unten wieder erwähnen.
506. De infelicitate principum, in Poggii opera, fol. 152: Cuius (Dantis) exstat poema
praeclarum, neque, si literis latinis constaret, ulla ex parte poetis superioribus (den Alten)
postponendum. Laut Boccaccio, vita di Dante, p. 74 warfen schon damals viele ,,und dar-
unter weise" Leute die Frage auf, warum wohl Dante nicht lateinisch gedichtet ?
048 ANMERKUNGEN
507. Seine Schrift de vulgari eloquio war lange Zeit fast unbekannt und wäre auf keinen
Fall der siegreichen Wirkung der Divina Commedia gleichgekommen, so wertvoll sie für
uns ist.
508. Wer den vollen Fanatismus hierin will kennenlernen, vergleiche Lil. Greg. Gyral-
dus, de poetis nostri temporis, a. m. O.
509. Freilich gibt es auch zugestandene Stilübungen, wie z. B. in den Orationes usw. des
altern Beroaldus die zwei aus Boccaccios ins Lateinische übersetzten Novellen, ja eine Can-
zone aus Petrarca.
510. Vgl. Petrarcas Briefe aus der Oberwelt an erlauchte Schatten. Opera, p. 704, s.
Außerdem p. 372 in der Schrift de rep. optime administranda : ,,sic esse doleo, sed sie est."
511. Ein burleskes Bild des fanatischen Purismus in Rom gibt Jovian. Pontanus in
seinem ,, Antonius".
512. Hadriani (Cornetani) Card. S. Chrysogoni de sermone latino liber. Hauptsächlich
die Einleitung. — - Er findet in Cicero und seinen Zeitgenossen die Latinität ,,an sich".
513. Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Bapt. Pius.
514. Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Naugerius. Ihr Ideal sei gewesen: aliquid in stylo
proprium, quod peculiareni ex certa nota mentis effigiem referret, ex naturae, genio effin-
xisse. — Poliziano genierte sich bereits, wenn er Eile hatte, seine Briefe lateinisch zu schrei-
ben, vgl. Raph. Volat. comment. urban. L. XXI.
515. Paul. Jov. Dialogus de viris literis illustribus; bei Tiraboschi, ed. Venez. 1796,
Tom. VII. parte IV. Bekanntlich wollte Giovio eine Zeitlang diejenige große Arbeit un-
ternehmen, welche dann Vasari durchführte. — In jenem Dialog wird auch geahnt und
beklagt, daß das Lateinschreiben seine Herrschaft bald gänzlich verlieren werde.
516. In dem Breve von 1517 an Franc, de' Rosi, konzipiert von Sadoleto, bei Roscoe,
Leo X, ed. Bossi VI, p. 172.
517. Gasp. Veronens. vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 1031. Außerdem wurden
etwa Seneca und lateinische Übersetzungen nach griechischen Dramen aufgeführt.
518. In Ferrara spielte man Plautus wohl meist in italienischer Bearbeitung von Colle-
nuccio, dem jüngeren Guarino u. a., um des Inhaltes willen, und Isabella Gonzaga erlaubte
sich, diesen langweilig zu finden. — Über Pomp. Laetus vgl. Sabellici opera, Epist. L,
XI, fol.56, s.
519. Für das Folgende s. die Deliciae poetarum italor.; — Paul. Jovius, elogia; — Lil.
Greg. Gyraldus, de poetis nostri temporis; — die Beilagen zu Roscoe, Leone X, ed. Bossi.
520. Filippo Villani, Vite, p. 5.
521. Franc. Aleardi oratio in laudem Franc. Sfortiae bei Murat. XXV. Col. 384. — Bei
der Parallele zwischen Scipio und Cäsar war Guarino für den letztern, Poggio (Opera, epp.
fol. 125. 134, s.) für ersteren als für den Größten. — Scipio und Hannibal in den Miniatu-
ren des Attavante, s. Vasari IV, 41, vita di Fiesole. — Die Namen beider für Picinino
und Sforza gebraucht, S. 79.
522. Die glänzenden Ausnahmen, wo das Landleben realistisch behandelt auftritt, wer-
den ebenfalls unten zu erwähnen sein.
523. Abgedruckt bei Mai, Spicilegium romanum, Vol. VIII. (Gegen 500 Hexameter
stark.) Pierio Valeriano dichtete an dem Mythus weiter; sein ,,carpio" in den Deliciae poet.
ital. — Die Fresken des Brusasorci am Pal. Murari zu Verona stellen den Inhalt des Sarca
vor.
524. De sacris diebus.
525. Z.B. in seiner achten Ecloge.
526. Roscoe, Leone X, ed. Bossi VIII, 184; sowie noch ein Gedicht ähnlichen Stiles XII,
130. — Wie nahe steht schon Aiigilbcrts Gedicht vom Hofe Karls des Großen dieser Re-
naissance. Vgl. Pertz, monum. IL
527. Strozzii poetae, p. 31. s. Caesaris Borgiae ducis cpicedium.
528. Pontificem addiderat, flammis lustralibus omneis
Corporis ablutum labes, Diis Juppitcr ipsis etc.
A X M E R K U N G E N
349
529. Es ist der spätere Ercole II. von Ferrara, geb. 4. April 1508, wahrscheinlich kurz
vor oder nach Abfassung dieses Gedichtes. Nascere magne puer matri exspectate patrique,
heißt es gegen Ende.
530. Vgl. die Sammlungen der Scriptores von Schardius : Freher usw.
53 1 . Uzzano s. Arch. IV, I, 296. — Macchiavelli : i Decennali. — Savonarolas Geschichte
u. d. Titel Cedrus Libani von Fra Benedetto. — Assedio di Piombino, bei Murat, XXV. —
Hierzu als Parallele der Teuerdank und andere Reimwerke des Nordens.
532. Hier nach dem Eingang des Lucretius und nach Horat. Od. IV, I.
533. Das Hereinziehen eines Schutzheiligen in ein wesentlich heidnisches Beginnen
haben wir S. 35 schon bei einem ernsteren Anlaß kennengelernt.
534. Si satis ventos tolerasse et inibres
Ac minas fatorum hominumque fraudes.
Da Pater tecto salientem avito
Cernere fumum!
535. Andr. Naugerii orationes duae carminaque aliquot, Venet. 1530 in 4. — Die wenigen
Carmina auch größtenteils oder vollständig in den Delicia;.
536. Was man Leo X. bieten durfte, zeigt das Gebet des Guido Postumo Silvestri an
Christus, Maria und alle Heiligen, sie möchten der Menschheit dieses numen noch lange
lassen, da sie ja im Himmel ihrer genug seien. Abgedr. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi
V. 237-
537. Boccaccio, Vita di Dante, p. 36.
538. Sannazaro spottet über einen, der ihm mit solchen Fälschungen lästig fiel: Sint
vetera haec aliis, mi nova semper erunt.
539. Lettere de' principi, I, 88. 91.
540. Malipiero, Ann. veneti, Arch. Stör. VII, I, p. 508. Am Ende heißt es, mit Bezug
auf den Stier als Wappentier der Borgia:
Merge, Tyber, vitulos animosas ultor in undas;
Bos cadat infemo victima magna Jovi !
541. über diese ganze Angelegenheit s. Roscoe, Leone X, ed. Bossi VII, 211. VIII, 214,
s. Die gedruckte, jetzt seltene Sammlung dieser ,,Coryciana" vom J. 1524 enthält nur die
lateinischen Gedichte; Vasari sah bei den Augustinern noch ein besonderes Buch, worin
sich auch Sonette usw. befanden. Das Anheften von Gedichten woirde so ansteckend, daß
man die Gruppe durch ein Gitter abschließen, ja unsichtbar machen mußte. Die Umdeu-
tung von Goritz in einen Corycius senex ist aus Virgil. Georg. IV, 127. Das kummervolle
Ende des Mannes nach dem Sacco di Roma s. bei Pierio Valeriano, de infelic. literat.
542. Abgedruckt in den Beilagen zu Roscoe, Leone X, und in den Deliciae. Vgl. Paul.
Jov. Elogia, bei Anlaß des Arsillus. Ferner für die große Zahl der Epigrammatiker Lil.
Greg. Gyraldus, a. a. O. Eine der schlimmsten Federn war Marcantonio Casanova. — Von
den weniger bekannten ist Jo. Thomas Musconius (s. d. Deliciae) auszuzeichnen.
543 . Marin Sanudo, in den Vite de'duchi di Venezia (Murat. XXI I .) teilt sie regelmäßig mit.
544. Scardeonius, de urb. Patav. antiq. (Graev. thes. VI, III, Col. 270) nennt als den
eigentlichen Erfindereinen gew. Odaxius vonPadua, um die Mitte des 15. Jahrh. Gemischte
Verse aus Latein und den Landessprachen gibt es aber schon viel früher allenthalben.
545. Man übersehe nicht, daß dieselben sehr früh mit alten Scholien und neuen Kom-
mentaren abgedruckt wurden.
546. Ariosto, Satira VII. Vom Jahre 1531.
547. Solche kommen mehrere vor, doch muß ich einen eigentlichen Beweis des hier Ge-
sagten schuldig bleiben. Das Wunderkind Giulio Campagnola gehört nicht zu den aus Ehr-
geiz emporgetriebenen. Vgl. Scardeonius. de urb. Patav. antiq., bei Graev. thesaur. VI, III,
Col. 276. — Das Wunderkind Cecchino Bracci, st. 1544 im 15. Jahr, vgl. Trucchi, poesie
ital, inedite III, p. 229. — Wie der Vater des Cardano ihm wollte memoriam artificialem
instillare und ihn schon als Kind in der arabischen Astrologie unterwies, vgl. Cardanus, de
propria vita, cap. 34.
350
ANMERKUNGEN
548. Ausdruck des Filippo Villani, Vite p. 5. bei einem solchen Anlaß.
54g. Bapt. Mantuan., de calamitatibus teniporum, L. I.
550. Lil. Greg. Gyraldus: Progymnasma adversus literas et literatos.
551. Lil. Greg. Gyraldus: Hercules. Die Widmung ist ein sprechendes Denkmal der
ersten drohenden Regungen der Inquisition.
552. De infelicitate literatorum.
553. Hierzu vgl. schon Dante, Inferno, XIII.
554. Ccelii Calcagnini opera, ed. Basil. 1544, p. loi, im VII. Buch der Episteln. — Vgl.
Pierio Val. de inf. lit.
555. M. Ant. Sabellici opera, Epist. L. XI, fol. 56. Dazu die betreffende Biographie in
den Elogia des Paolo Giovio.
556. Jac. Volaterran. Diar. Rom. bei Murat. XXIII. Co). 161. 171. 185. — Anecdota
litcrar. II, p. 168, s.
557. Paul. Jov. de romanis piscibus, cap. 17 und 34.
558. Sadoleti Epist. 106, vom J. 1529.
559. Anton. Galatei epist. 10 und 12, bei Mai, Spicileg, rom. vol. VIII.
560. Dieses schon vor der Mitte des Jahrh. Vgl. Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri
tenip. II.
561. Luigi Bossi, Vita di Cristoforo Colombo, wo sich eine Übersicht der frühern ital.
Reisen und Entdeckungen findet, p.91. s.
562. Hierüber eine Abhandlung von Pertz. Eine ungenügende Kunde davon schon bei
Aenas Sylvius, Europae Status sub Friderico II. Imp. cap. 44. (U. a. in Frehers Scriptores,
Ausg. V. 1624, Vol. II, p. 87).
563. Pii II. comment. L. I. p. 14. — Daß er nicht immer richtig beobachtete und bis-
weilen das Bild v^'ilikürlich ergänzte, zeigt uns z. B. seine Beschreibung Basels nur zu klar.
Im Ganzen bleibt ihm doch ein hoher Wert.
564. Im 16. Jahrh. hielt sich Italien noch lange als die vorzugsweise Heimat der kosmo-
graphischen Literatur, als die Entdecker selbst schon fast nur den atlantischen Völkern
angehörten. Die einheimische Geographie hat gegen Mitte des Jahrh. das große und sehr
achtungswertc Werk des Leandro Alberti: Descrizione di tutta l'Italia aufzuweisen.
565. Libri, Histoire des sciences mathematiques en Italie, IV vols., Paris 1838.
566. Um hier zu einem bündigen Urteil zu gelangen, müßte das Zunehmen des Sammeins
von Beobachtungen, getrennt von den wesentlich mathematischen Wissenschaften , kon-
statiert werden, was unsere Sache nicht ist.
567. Libri, a. a. O. II, p. 174, s.
568. Scardeonius, de urb. Patav. antiq., in Graevii Thesaur. ant. Ital. Tom. VI. pars III.
569. S. die übertriebenen Klagen Libris, a. a. O. II, p. 258, s. So sehr es zu bedauern
sein mag, daß das hochbegabte Volk nicht einen größern Teil seiner Kraft auf die Natur-
wissenschaften wandte, so glauben wir doch, daß dasselbe noch wichtigere Ziele hatte und
teilweise erreichte.
570. Alexandri Bracci descriptio horti Laurentii Med., abgedruckt u. a. als Beilage
Nr. 58 zu Roscoes Leben des Lorenzo. Auch in den Beilagen zu Fabronis Laurentius.
571. Alondanarii villa, abgedruckt in den Poemata aliquot insignia illustr. poetar. recent.
572. Der Tiergarten von Palermo unter Heinrich VI., Otto de S. Blasio ad a. 1194.
573. Als solcher heißt er hier, gemalt oder in Stein gehauen, marzocco. — In Pisa unter-
hielt man Adler, vgl. die Ausleger zu Dante, Inferno XXXII, 22.
574. S. das Exzerpt aus Aegid. Viterb. bei Papencordt, Gesch. der Stadt Rom im Mittel-
alter, S. 367, Anm. mit einem Ereignis von 1328. — Kämpfe der wilden Tiere untereinan-
der und gegen Hunde dienten bei großen .\nlässen zur Belustigung des Volkes. Beim Emp-
fang Pius II. und des Galeazzo Maria Sforza zu Florenz 1459 ließ man auf dem Signoren-
platz in einem geschlossenen Raum Stiere, Pferde, Eber, Hunde, Löwen und eine Giraffe
zusammen auftreten, aber die Löwen legten sich hin und wollten die andern Tiere nicht
angreifen. Vgl. Ricordi di Fironze, Rcr. ital. scriptt. ex florent. codd. T. II, Col. 741. Ab-
ANMERKUNGEN 3^1
weichend hiervon Vita Pii II, Murat. III, II, Col. 976. Eine zweite Giraffe schenkte später
der Mamelukensultan Kaytbey an Lorenzo magnifico. Vgl. Paul Jov. Vita Leonis X, L. I.
Sonst war von der Menagerie Lorenzos besonders ein prächtiger Löwe berühmt, dessen
Zerfleischung durch die andern Löwen als Vorzeichen von Lorenzos Tode galt.
575. Gio. Villani X, 185. XI, 66. Matteo Villani III, 90. V. 68. — Wenn die Löwen strit-
ten oder gar einander töteten, so galt dies als schlimmes Omen. Vgl. Varchi, Stör, florent.,
III, p. 143.
576. Cron. di Perugia, Arch. Stör. XVI, II, p. 77. Zum J. 1497. — Den Peruginem ent-
wischte einmal ihr Löwenpaar, ibid. XVI, I, p. 382, zum J. 1434.
577. Gaye, Carteggio I, p. 422, zum J. 1291. — Die Visconti brauchten sogar abgerich-
tete Leoparden als Jagdtiere, und zwar auf Hasen, die man durch kleine Hunde auftrt iben
ließ. Vgl. V. Kobell, Wildanger, S. 247, wo auch spätere Beispiele der Jagd mit Leoparden
verzeichnet sind.
57?. Strozii poetae, p. 146. Vgl. p. 188 und über den Wildpark p. 193.
579. Cron. di Perugia, 1. c. XVI, II, p. 199. — Ähnliches schon bei Petrarca, de remed.
utriusque fortunae, I, 61, doch noch weniger deutlich ausgesprochen.
580. Jovian. Pontan. de magnificentia. — Im Tiergarten des Kardinals von Aquileja
zu Albano fanden sich 1463 außer Pfauen und indischen Hühnern auch syrische Ziegen mit
langen Ohren. Pii II. comment., L. XI, p. 562, s.
581. Decembrio, ap. Murat. XX, Col. 1012.
582. Das Nähere, recht ergötzlich, in Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Tristanus Acunius.
Die Stachelschweine und Strauße im Pal. Strozzi zu Florenz, vgl. Rabelais, Pantagruel IV,
chap. II.
583. Ebenda, bei Anlaß des Franc. Gonzaga. — Der mailändische Luxus in Pferderassen,
Bandello Parte II, Nov. 3 und 8. — Auch in den erzählenden Gedichten hört man bisweilen
den Pferdekenner sprechen. Vgl. Pulci, il Morgante, c. XV, str. 105, s.
584. Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Hippol. Medices.
585. Bei diesem Anlaß mögen einige Notizen über die Sklaverei in Italien zur Zeit der
Renaissance ihre Stelle finden. Kurze Hauptstelle bei Jovian Pontan. de obedienta L. III:
In Oberitalien gab es keine Sklaven ; sonst kaufte man auch Christen aus dem türkischen
Reich, auch Bulgaren und Zirkassier und ließ sie dienen, bis sie die Kaufsumme abverdient
hatten. Die Neger dagegen blieben Sklaven, nur durfte man sie, wenigstens im Reich Neapel
nicht kastrieren. — Moro bezeichnet alle dunkelfarbigen; der Neger heißt Moro nero. —
Fabroni, Cosmos, Adn. iio: Akt über d'-n Verkauf einer zirkassischen Sklavin (1427); —
Adn. 141 : Verzeichnis der Sklavinnen des Cosimo. — Nantiporto, bei Murat. III, II, Col.
1106: Innocenz VIII. erhält hundert Mori als Geschenk von Ferdinand d. Kathol. und ver-
schenkt sie weiter an Kardinäle u. a. Herrn (1488). — Massuccio, Novelle 14: Verkäuflich-
keit von Sklaven; — 24 u. 25: Negersklaven die zugleich (zum Nutzen ihrer Herrn?) als
fachini arbeiten; — 48: Catalanen fangen tunesische Mori und verkaufen sie in Pisa. — Gaye,
carteggio I, 360: Manumission und Beschenkung eines Negersklaven in einem florentin.
Testamente (1490). — Paul. Jov. Elogia, sub Franc. Sfortia. — Porzio, congiura, III, 194 —
und Comines, Charles VIII, chap. 17: Neger als bestellte Henker und Kerkermeister des
Hauses Aragon in Neapel. — Paul. Jov. Elog., sub Galeatio: Neger als Begleiter von Für-
sten bei Ausgängen. — Aeneae Sylvii opera, p.456: Negersklave als Musikant. — Paul.
Jov. de piscibus, cap. 3 : ein (freier ?) Neger als Schwimmlehrer und Taucher in Genua. —
Alex. Benedictus, de Carolo VIII, bei Eccard,scriptores, II, Col. 1608: ein Neger (Aethiops)
als höherer venezianischer Offizier, wonach auch Othello als Neger gefaßt werden kann. —
Bandello, Parte III, Nov. 21 : Wenn ein Sklave in Genua Züchtigung verdient, wird er nach
den Balearen, und zwar nach Iviza zum Salztragen verkauft.
586. Es ist kaum nötig, auf die berühmte Darstellung dieses Gegenstandes im zweiten
Bande von Humboldts Kosmos zu verweisen.
587. Hierher gehören bei Humboldt a. a. O. die Mitteilungen von Wilhelm Grimm.
588. Carmina Burana p. 162, de Phyllide et Flora, str. 66.
352
ANMERKUNGEN
589. Man wird schwer erraten, was er sonst auf dem Gipfel der Bismantova, im Gebiet
von Reggio, könnte zu tun gehabt haben. Purgat. IV, 26. Schon die Präzision, womit
er alle Teile seines Jenseits zu verdeutlichen sucht, beweisen vielen Raum- und Formen-
sinn.
590. Außer der Schilderung von Bajae in der Fiammetta, von dem Hain im Ameto usw.
ist eine Stelle de Genealogia Deor. XIV, 1 1 von Bedeutung, wo er eine Anzahl landschaft-
licher Einzelheiten, Bäume, Wiesen, Bäche, Herden, Hütten usw. aufzählt und beifügt,
diese Dinge animum mulcent; ihre Wirkung sei, mentem in se colligere.
591. Libri, Hist. des Hciences math. II, p. 249.
592. Obwohl er sich gern auf sie beruft, z. B. : de vita solitaria, bes. p. 241, wo er die
Beschreibung einer Weinlaube aus S. Augustin zitiert.
593. Epist. famil. VII, 4, p. 675. Interea utinani scire posses, quanta cum voluptate
solivagus ac über, inter montes et nemora, inter fontes et flumina, inter libros et maximo-
rum hominum ingenia respiro, quamque me in ea, quae ante sunt, cum Apostolo extendens
et praeterita olbivisci nitor et praesentia non videre. Vgl. VI, 3, p. 665.
594. Jacuit sine carmine sacro. — Vgl. Itinerar. syriacum, p. 558.
595. Er unterscheidet im Itinerar. syr. p. 557, an der Riviera di Levante : coUes aperitate
gratissima et mira fertilitate conspicuos. Über das Gestade von Gaeta vgl. de remediis
utriusque fort. I. 54.
596. De orig. et vita, p.3: subito loci specie percussus.
597. Epist. famil. IV, i, p. 624.
598. II Dittamondo, III, cap. 9.
599. Dittamondo, III, cap. 21. IV, cap. 4. — Papencordt, Gesch. der Stadt Rom, S. 426,
sagt, daß Kaiser Karl IV. vielen Sinn für schöne Gegenden gehabt habe und zitiert hierzvi
Pelzel, Karl IV. S. 456. (Die beiden andern Zitate, die er anführt, sagen dies nicht.) Es wäre
möglich, daß dergleichen dem Kaiser durch seinen Umgang mit den Humanisten ange-
flogen wäre.
600. Auch dürfte man wohl Piatina, Vitae Pontiff., p. 310 anhören: Homo fuit (Pius II.)
verus, integer, apertus ; nil habuit ficti, nil simulati, ein Feind der Heuchelei und des Aber-
glaubens, mutig, konsequent.
601. Die bedeutendsten Stellen sind folgende. Pii II. P. M. Commentarii. L. IV, p. 183
Der Frühling in der Heimat. L. V, p. 251 : Der Sommeraufenthalt in Tibur. L. VI, 306
Das Mahl an der Quelle von Vicovaro. L. VIII, p. 378 : Die Umgegend von Viterbo. p. 387
Das Bergklostcr S. Martino. p.338: Der See von Bolsena. L. IX, p.396: Die herrliche
Schilderung von Monte Amiata. L. X. p. 483 : Die Lage von Monteoliveto. p. 497 : Die Aus-
sicht von Todi. L. XI, p. 554: Ostia und Porto, p. 562: Beschreibung des Albanergebirges.
L. XII, p. 609: Frascati und Grottaferrata.
602. So muß es wohl heißen statt: Sizilien.
603. Er nennt sich selbst mit .\nspielung auf seinen Namen: Silvarum amator et varia
vidcndi cupidus.
604. Über Leonbattista Albertis Verhältnis zur Landschaft vgl. S.81.
605. Das ausgeführteste Bild dieser Art bei Ariosto, sein sechster Gesang, besteht aus
lauter Vordergrund.
606. Agnolo Pandolfini (Trattato del gov. della famiglia, p. 90), noch ein Zeitgenosse des
Aeneas, freut sich auf dem Lande ,,der buschigen Hügel, der reizvollen Ebenen und der
rauschenden Gewässer", aber vielleicht ist unter seinem Namen der große Alberti verbor-
gen, der, wie bemerkt, noch ein ganz anderes Verhältnis zur Landschaft hatte.
607. Über die architektonische Umgebung denkt er anders, und hier kann auch die Deko-
ration noch von ihm lernen.
608. Lettere pittoriche III, 36. An Tizian, Mai 1544.
609. Strozii poetae, in den Erotica, L. VI, p. 182, s.
610. Diese treffenden Ausdrücke sind aus dem VII. Bande von Michelets Histoire de
France (Introd.) entnommen.
ANMERKUNGEN
353
61 1. Tomm. Gar, Relaz. della corte di Roma I, p. 278. 279. In der Rel. des Soriano vom
J- 1533-
612. Prato, Arch. stör. III, p. 295, s. — Dem Sinne nach ist es sowohl ,, unglücklich"
als ,, unglückbringend". — Das Verhältnis der Planeten zu den menschlichen Charakteren
überhaupt s. bei Corn. Agrippa, de occulta philosophia, c. 52.
613. Mitgeteilt von Trucchi, Poesie italiane inedite I, p. 165, s.
614. Diese reimlosen Verse gewannen später bekanntlich die Herrschaft im Drama.
Trissino in seiner Widmung der Sofonisba an Leo X. hofft, daß der Papst diese Versart
erkennen werde als das, was sie sei, als besser, edler und weniger leicht als es den An-
schein habe. Roscoe, Leone X, ed. Bossi VIII, 174.
615. Man vgl. z. B. die sehr auffallenden Formen bei Dante, Vita nuova, p. 10 und 12.
616. Trucchi, a. a. O. I, p. 181, s.
617. Diese Canzonen und Sonette sind es, die jener Schmied und jener Eseltreiber
sangen und entstellten, über welche Dante so böse wurde (vgl. Franco Sacchetti, Nov. 1 14.
115). So rasch ging diese Poesie in den Mund des Volkes über.
618. Vita nuova, p. 52.
619. Für Dantes theoretische Psychologie ist Purgat. IV, Anfang, eine der wichtigsten
Stellen. Außerdem vgl. die betreffenden Partien des Convito.
620. Die Porträts der Eyckschen Schule würden für den Norden eher das Gegenteil
beweisen. Sie bleiben allen Schilderungen in Worten noch auf lange Zeit überlegen.
621. Abgedruckt im XVI. Bande seiner Opere volgari.
622. Im Gesang des Hirten Teogapen, nach dem Venusfeste, Parnasso teatrale, Lipsia
1829, p.VIII.
623. Der berühmte Lionardo Aretino als Haupt des Humanismus zu Anfang des
iS.Jahrh. meint zwar: che gli antichi Greci d'umanitä e di gentilezza di cuore abbino
avanzato di gran lunga i nostri Italiani, allein er sagt es am Eingang einer Novelle, welche
die weichliche Geschichte vom kranken Prinzen Antiochus und seiner Stiefmutter Stra-
tonice, also einen an sich zweideutigen und dazu halbasiatischen Beleg enthält (abgedruckt
u. a. als Beilage zu den vento novelle antiche).
624. Dem einzelnen Hofe oder Fürsten allerdings wurde von den Gelegenheitsdramati-
kern hinlänglich geshmeichelt.
625. Paul. Jovius, Dialog, de viris lit. illustr., bei Tiraboschi, Tom. VII, IV. — Lil.
Greg. G>Taldus, de poetis nostri temp.
626. Isabella Gonzaga an ihren Gemahl, 3. Febr. 1502, Arch. stör. Append. II, p. 306, s.
— Bei den französischen Mysteres marschierten die Schauspieler selbst vorher in Prozes-
sionen auf, was man la montre hieß.
627. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 404. .\ndere Stellen über das dortige
Theaterwesen Col. 278. 279. 282 bis 2S5. 361. 380. 381. 393. 397.
628. Strozii poetae, p. 232, im IV. Buch der Aeolosticha des Tito Strozza.
629. Franc. Sansovino: Venezia, fol. 159. Statt parenti ist wohl pareti zu lesen. Seine
Meinung ist auch sonst nicht ganz klar.
630. Dies meint wohl Sansovino, Venezia fol. 168, wenn er klagt, die recitanti verdürben
die Komödien ,,con invenzioni o personaggi troppo ridicoli."
631. Sansovino, a.a.O.
632. Scardeonius, de urb. Patav. antiq. bei Graevius, Thes. VI, III, Col. 288, s. Eine
wichtige Stelle auch für die Dialektliteratur überhaupt.
633. Daß Letzterer mindestens im 15. Jahrh. schon vorhanden ist, läßt sich aus dem Dia-
rio Ferrarese schließen, indem dieses aus den in Ferrara 1501 aufgeführten Menächmen
des Plautus mißverständlich einen Menechino macht. Diar. Ferr. bei Murat. XXIV,
Col. 393.
634. Pulci in seinem Mutwillen fingiert für seine Geschichte des Riesen Margutte eine
feierliche uralte Tradition (Morgante, canto XIX, str. 153, s.). — Noch drolliger lautet die
kritische Einleitung des Limemo Pitocco (Orlandino, cap. i, str. 12 — 22).
BuTCkhardt 23
354
ANMERKUNGEN
635. Der Morgante zuerst gedruckt vor 1488. — Das Turnierwesen s. unten.
636. Der Orlando inamorato zuerst gedruckt 1496.
637. Vasari VIII, 71, im Kommentar zur Vita di Raffaelle.
638. Die erste Ausgabe 1516.
639. Die eingelegten Reden sind nämlich wiederum nur Erzählungen.
640. Was sich Pulci wohl erlaubt hatte. Morgante, Canto XIX, Str. 20, s.
641. Sein Orlandino, erste Ausg. 1526. — Vgl. oben S. 127.
642. Radevicus, de gestis Friderici imp., bes. II, 76. — Die ausgezeichnete Vita Hein-
rici IV. enthält gerade wenig Personalschilderung.
643. Wie früh auch Philostratus, wage ich nicht zu entscheiden.
644. Hier ist wieder auf jene oben, S. 80. exzerpierte Biographie des L. B. Alberti
hinzuweisen, sowie auf die zahlreichen florent. Biographien bei Muratori, im Archivio
storico u. a. a. O.
645. De viris illustribus, in den Schriften des Stuttgarter literar. Vereins.
646. Sein Diarium bei Murat. XXIII.
647. Petri Candidi Decembrii Vita Philippi Mariae Vicecomitis, bei Murat. XX. Vgl.
oben S. 30.
648. Über Comines vgl. Anm. Nr. 187.
649. Verfaßt in hohem Alter, um 1576. — Über Cardano als Forscher und Entdecker
vgl. Libri, Hist. des sciences mathem., III, p. 167, s.
650. Z. B. die Hinrichtung seines ältesten Sohnes, der seine verbuhlte Gemahlin ver-
giftet hatte, Cap. 27. 50.
651. Discorsi della vita sobria, bestehend aus dem eigentlichen trattato, einem com-
pendio, einer esortazione und einer lettera an Daniel Barbaro. — Öfter gedruckt.
652. Ist dies wohl die S. 253 unten erwähnte Villa von Codevico ?
653. Dies zum Teil schon sehr früh, in den lombardischen Städten schon im 12. Jahrh.
Vgl. Landulfus senior, Ricobaldus und (bei Murat. X.) den merkwürdigen Anonymus
De laudibus Papiae, aus dem 14. Jahrh. — Sodann (bei Murat. I, b) Liber de situ urbis
Mediol.
654. Über Paris, welches damals noch dem Italiener vom Mittelalter her weit mehr galt
als hundert Jahre später, s. Dittamondo IV. cap. 18.
655. Savonarola, bei Murat. XXIV, Cd. u86. — Über Venedig s. oben S. 49.
656. Der Charakter der rastlos tätigen Bergamasken voll Argwohn und Neugier ist sehr
artig geschildert bei Bandello, Parte I, Nov. 34.
657. So Varchi, im IX. Buch der Storie Fiorentine (Vol. III, p. 56, s.)
658. Vasari, XII, p. 158, v. di Michelangelo, Anfang. Andere Male wird dann doch laut
genug der Mutter Natur gedankt, wie z. B. in dem Sonett des Alfonso de' Pazzi an den
Nicht-Toskaner Annibal Caro (bei Trucchi, I.e. III, p. 187):
Misero il Varchi! e piü infelici noi,
Se a vostri virtudi accidentali
Aggiunto fosse '1 natural, ch'e in noi!
659. Landi : Quaestiones Forcianae, Neapoli 1536, benützt von Ranke, Päpste I, S. 385.
660. Descrizione di tutta l'Italia.
661. Commentario delle piü notabili et mostruose cose d'Italia etc., Venezia 1569 (wahr-
scheinlich vor 1547 verfaßt).
662. Possenhafte Aufzählungen der Städte gibt es fortan häufig; z. B. Macaroneide,
Phantas. II.
663. Über Filippo Villani, vgl. S. 262.
664. Parnasso tcatralc, Lipsia 1829. Introd., p. VII.
665. Die Lesart ist hier offenbar verdorben.
666. Due occhi ladri noi loro movimcnto. Die ganze Schrift ist reich an solchen Be-
schreibungen.
ANMERKUNGEN 35^
667. Das sehr schöne Liederbuch des Giusto de' Conti : la bella mano meldet nicht ein-
mal von dieser berühmten Hand seiner Geliebten so viel Spezielles wie Boccaccio an zehn
Stellen semes Ameto von den Händen seiner Nymphen erzählt.
668. Della bellezza delle donne, im I. Band der Opere di Firenzuola, Milano i8o2. —
Seine Ansicht über die Körperschönheit als Anzeige der Seelenschönheit vgl. vol. H, p. 48
bis 52, in den ragionamenti vor seinen Novellen. — Unter den vielen andern, welche dies,
zum Teil nach Art der Alten, verfechten, nennen wir nur Castiglione, il Cortigiano, L. IV,
fol. 176.
669. Worüber jedermann einverstanden war, nicht bloß die Maler aus Gründen des
Kolorits.
670. Bei diesem Anlaß etwas über das Auge der Lucrezia Borgia, aus den Distichen
eines ferraresischen Hofpoeten, Ercole Strozza (Strozii poetae, p. 85. 86). Die Macht
ihres Blickes wird auf eine Weise bezeichnet, die nur in einer künstlerischen Zeit erklärlich
ist, und die man sich jetzt verbitten würde. Bald heißt dies Auge entflammend, bald ver-
steinernd. Wer die Sonne lange ansieht, wird blind; wer Medusa betrachtete, woirde Stein;
wer aber Lucreziens Angesicht schaut:
Fit primo intuitu caecus et inde lapis.
Ja, der marmorne schlafende Cupido in ihren Sälen soll von ihrem Blick versteinert sein:
Lumina Borgiados saxificatus Amor.
Man kann nun darüber streiten, ob der sogenannte praxitelische oder derjenige vcn Michel-
angelo gemeint sei, da sie beide besaß.
Und derselbe Blick erschien einem andern Dichter, dem Marcello Filosseno, nur mild
und stolz, mansueto e altero (Roscoe, Leone X, ed. Bossi, VH, p. 306).
Vergleichungen mit antiken Idealgestalten kommen damals nicht selten vor (S. 31, 183).
Von einem zehnjährigen Knaben heißt es im Orlandino (II, Str. 47) : er hat einen antiken
Kopf, ed ha capo romano.
671. Bei diesem Anlaß, da das Aussehen der Schläfe durch die Anordnung der Haare
modifiziert werden kann, erlaubt sich F. einen komischen Ausfall gegen die allzuvielen
Blumen im Haar, welche dem Gesicht ein Ansehen geben, ,, gleich einem Topf voll Nelken
oder einem Geisviertel am Bratspieß." Überhaupt versteht er recht wohl zu karikieren.
672. Das Schönheitsideal der Minnesinger s. bei Falke, die deutsche Trachten- und
Modenwelt, I, S.Ssff.
673. Über die Wahrheit seines Raumsinns vgl. S. 234, Anm.
674. Inferno XXI, 7. Purgat. XIII, 61.
675. Man muß es nicht zu ernst nehmen, daß er an seinem Hofe eine Art Spottdrossel,
den Florentiner Greco hatte, hominem certe cuiusvis mores, naturam, linguam cum maxi-
mo omnium qui audiebant risu facile exprimentem. Piatina, Vitae Pontiff. p. 310.
676. Pii II. Comment. VIII, p. 391.
677. Diese sogenannte Caccia ist abgedruckt im Kommentar zu Castigliones Ecloge.
678. S. die Serventese des Giannozzo von Florenz, bei Trucchi, Poesie italiane inedite,
II, p. 9g. Die Worte sind zum Teil ganz unverständlich, d. h. w'irklich oder scheinbar aus
den Sprachen der fremden Söldner entlehnt. — Auch Macchiavells Beschreibung von Flo-
renz während der Pest von 1527 gehört gewissermaßen hierher. Lauter lebendig sprechende
Einzelbilder eines schrecklichen Zustandes.
679. Laut Boccaccio (Vita di Dante, p. 77) hätte schon Dante zwei, wahrscheinlich
lateinische. Belogen gedichtet.
680. Boccaccio gibt in seinem Ameto schon eine Art von mythisch verkleideten Deca-
meronc und fällt bisweilen auf komische Weise aus dem Kostüm. Eine seiner Nymphen ist
gut katholisch und wird in Rom von den Prälaten lüstern angesehen; eine andere heiratet.
Im Ninfale Fiesolano zieht die schwangere Nymphe Mensola eine ,,alte, weise Nymphe"
zu Rate u. dgl.
681. Nullum est hominum genus aptius urbi, sagt Battista Mantovano (Ed. VIII) von
den zu allen Dingen brauchbaren Bewohnern des Monte Baldo und der Val Sassina. Be-
23*
3^6 ANMERKUNGEN
kanntlich haben einzelne Landbevölkerungen noch heute ein Vorrecht auf gewisse Beschäf-
tigungen in großen Städten.
682. Vielleicht eine der stärksten Stellen: Orlandino, cap. V, Str. 54 — 58.
683. In der Lombardie scheuten sich zu Anfang des 16. Jahrh. die Edelleute nicht, mit
den Bauern zu tanzen, zu ringen, zu springen und um die Wette zu laufen. II cortiginao,
L. II, fol. 54. — Ein Gutsbesitzer, der sich über Gier und Trug seiner Pachtbauern damit
tröstet, daß man sich dabei in die Leute schicken lerne, ist A. Pandolfini, im Trattato del
govcrno della famiglia, p. 86.
684. Jovian. Pontan. de fortitudine, lib. II.
685. Die berühmte veltlinische Bäuerin Bona Lombarda als Gemahlin des Condottiere
Pietro Brunoro lernt man kennen aus Jacobus Bergomensis und aus Porcellius, bei Murat.
XXV, Coi.43. — Vgl. oben Anm. Nr. 308.
686. Über das Schicksal der damaligen italienischen Bauern überhaupt und je nach
den Landschaften insbesondere sind wir außerstande, näheres hier beizubringen. Wie sich
der freie Grundbesitz damals zum gepachteten verhielt, welches die Belastung beider im
Verhältnis zur jetzigen Zeit war, müssen Spezialwerke lehren, die uns nicht zu Gebote
stehen. In stürmischen Zeiten pflegen die Bauern bisweilen schrecklich zu verwildern
(Arch. stör. XVI, I, p. 451, s. — Corio, fol. 259. — Annales ForoHv. bei Murat. XXII,
Col. 227) aber nirgends kommt es zu einem großen gemeinsamen Bauernkrieg. Von einiger
Bedeutung und an sich sehr interessant ist der Bauernaufstand um Piacenza 1462. Vgl.
Corio, Storia di Milano, fol. 409. Annales Piacent, bei Murat. XX, Col. 907. Sismondi, X,
p. 138.
687. Poesie di Lorenzo magnif., I, p. 37, s. — Die sehr merkwürdigen Gedichte aus der
Zeit des deutschen Minnegsanges, welche den Namen des Neithard von Reuenthal tragen,
stellen das Bauemieben doch nur dar, insoweit sich der Ritter zu seinem Vergnügen darauf
einläßt.
688. Ebenda, II, p. 149.
689. U. a. in den Deliciae poetar. ital. und in den Werken Polizianos. — Die Lehrgedichte
des Rucellai und Alainanni, welche einiges ähnliche enthalten sollen, stehen mir nicht zu
Gebote.
690. Poesie di Lorenzo m. II, p. 75.
691. Dahin gehört schon das Nachmachen verschiedener Dialekte, wozu das der Landes-
manieren sich gesellt haben muß. Vgl. S. 89.
692. Jo. Pici oratio de hominis dignitate, in den Opera und in besondern Abdrücken.
693. Eine Anspielung auf den Sturz Luzifers und seiner Genossen.
694. Bei dem piemontesischen Adel fiel das Wohnen auf den Landschlössern als eine
Ausnahme auf. Bandello, Parte II, Nov. 12.
695. Dies schon lange vor dem Bücherdruck. Eine Menge Manuskripte, und von den
besten, gehörten florentinischen Arbeitern. Ohne Savonarolas Opferbrand wären noch viel
mehr davon vorhanden. Vgl. S. 157.
696. Dante, de monarchia L. II, cap. 3.
697. Paradiso XVI, Anfang.
698. Dante, Convito, fast der ganze Trattato IV. u. m. a. Stellen.
699. Pogii opera, Dial. de nobilitate.
700. Dieselbe Verachtung des Geburtsadels findet sich dann bei den Humanisten häu-
fig. Vgl. die scharfen Stellen bei Aen. Sylvius, Opera, p. 84 (Hist. hohem, cap. 2) und 640
(Gesch. von Lucretia und Euryalus).
701. Und zwar in der Hauptstadt. Vgl. Bandello, Parte II, Nov. 7. — Joviani Pontani
Antonius (wo der Verfall der Adelskraft erst von den Aragonesen an datiert wird).
702. In ganz Italien galt wenigstens soviel, daß wer bedeutende Landrenten hatte, vom
Adel nicht mehr zu unterscheiden war.
703. Für die Taxierung des Adels in Oberitalien ist Bandello mit seiner mehrmaligen
Polemik gegen die Mißheiraten nicht ohne Bedeutung. Parte I, Nov. 4. 26. Parte III, 60.
ANMERKUNGEN
357
IV. 8. Der Mailändische Nobile als Kaufmann ist eine Ausnahme. Parte III, Nov. 37. —
Wie die lombardischen Adligen an den Spielen der Bauern teilnahmen, vgl. Anm. Nr. 686.
704. Das strenge Urteil Macchiavells, Discorsi I, 55 bezieht sich bloß auf den noch mit
Lehnsrechten versehenen, völlig untätigen und politisch zerstörenden Adel. — Agrippa
von Nettesheim, der seine merkwürdigsten Ideen wesentlich seinem Leben in Italien ver-
dankt, hat doch einen Abschnitt über Adel und Fürstentum fde incert. et vanitate scient.
cap. 80), der an radikaler Bitterkeit stärker als alles ist und wesentlich der nordischen Gei-
stergärung angehört.
705. Massuccio, nov. 19.
706. Jac. Pitti an Cosimo I, Archiv, stör. IV, II, p. 99. — Auch in Oberitalien kamÄhn-
Hches erst mit der spanischen Herrschaft auf. Bandello, Parte II, Nov. 40 stammt aus dieser
Zeit.
707. Wenn sich im 15. Jahrh. Vespasiano Fiorentino (p. 518. 632) dahin ausspricht, daß
die Reichen ihr ererbtes Vennögen nicht vermehren, sondern jährlich ihre ganze Einnahme
ausgeben sollten, so kann dies im Munde eines Florentiners nur von den großen Grund-
besitzern gelten.
708. Franco Sacchetti, Nov. 153. Vgl. Nov. 82 und 150.
709. Che la cavalleria e morta.
710. Poggius, de nobilitate, fol. 27.
711. Vasarii III, 49 und Anm., Vita di Dello.
712. Petrarca, epist. senil. XI, 13. p. 889. Eine andere Stelle, in denEpist.famil. schildert
das Grausen, das er empfand, als er bei einem Turnier in Neapel einen Ritter fallen sah.
713. Nov. 64. — Deshalb heißt es auch im Orlandino (II. Str. 7) von einem Turnier
unter Karl d. Großen ausdrücklich: da stritten nicht Köche und Küchenjungen, sondern
Könige, Herzoge und Markgrafen.
714. Immerhin eine der frühsten Parodien des Turnierwesens. Es dauerte dann wohl
noch 60 Jahre, bis Jacques Coeur, der bürgerliche Finanzminister Carl VII., an seinem
Palast zu Bourges ein Eseltumier ausmeißeln ließ (um 1450). Das Glänzendste in dieser Art,
der eben zitierte zweite Gesang des Orlandino, ist erst im Jahre 1526 herausgegeben.
715. Vgl. die schon genannten Gedichte des Poliziano und Luca Pulci. Ferner Paul. Jov.
Vita Leonis X, L. I. • — Macchiav. Storie fiorent. L. VII. — Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des
Petrus Medices und des Franc. Borbonius. — Vasari IX, 219, v. di Granacci. — Im Mor-
gante des Pulci, welcher unter Lorenzos Augen gedichtet wvirdc, sind die Ritter oft komisch
in ihrem Reden und Tun, aber ihre Hiebe sind echt und kunstgerecht. Auch Bojardo dichtet
für genaue Kenner des Turniers und des Krieges. Vgl. S. 256. — Turniere in Ferrara i<i64,
Diario Ferrar. Muratori XXIV. Co!. 208 — in Venedig, Sansovino, Venezia fol. 153, s. — •
in Bologna 1470, seqq., Bursellis Annal. Bonon., Murat. XXIII. Col. 898, 903, 906, 908,
909, wobei eine wunderliche Vermischung mit dem Pathos zu bemerken ist, welches sich
damals an die Aufführung römischer Triumphe knüpfte. — Federigo von Urbino (S. 35)
verlor bei einem Turnier das rechte Auge ab ictu lanceae. — Über das damalige nordische
Tumierwesen ist statt aller andern Autoren zu vergleichen : Olivier de la Marche, Mdmoires,
passim, bes. Cap. 8, 9, 14, 16, 18, 19, 21 usw.
716. Bald. Castiglione, il Cortigiano, L. I., fol. 18.
717. Paul. Jcvii Elogia, sub. tit. Petrus Gravina, Alex. Achillinus, Balth. Castellio etc.
718. Casa, il Galateo, p. 78.
719. Hierüber die venezian. Trachtenbücher, und Sansovino: Venezia, fol. 150, s. Die
Brauttracht bei der Verlobung — weiß, mit aufgelöst über die Schultern wallendem Haare
— ist die von Tizians Flora.
720. Jovian. Pontan. de principe : Utinam autem non eo impudentiae perventum esset,
ut inter mercatorem et patricium nullum sit in vestitu ceteroque ornatu discrimen. Sed haec
tanta licentia reprehendi potest, coerceri non potest, quanquam mutari vestes sie quotidie
videamus, ut quas quarto ante mcnsc in deliciis habebamus, nunc repudiems et tanquam
veteramenta abiiciamus. Quodge tolerari vix postest, nullum fere vestimenti genus probatur.
Qc8 ANMERKUNGEN
quod c Galiis non fueritadductuni, in quibus levia pleraque in pretio sunt, tametsi nostri
per saepe homincs modum illis et quasi formulam quandam praescribant.
721. Hierüber z. B. Diario Ferrarese, bei IVlurat. XXIV. Col. 297. 320. 376. 399; hier
auch deutsche Mode.
722. Man vgl. damit die betr. Stellen bei Falke : Die deutsche Trachten- und Modenwelt.
723. Über die Florentinerinnen vgl. die Hauptstellen bei Giov. Villani X, 10 und 152;
Matteo Villani I, 4. Im großen Modenedikt von 1330 werden u. a. nur eingewirkte Figuren
auf den Frauengewändern erlaubt, die bloß ,, aufgemalten" (dipinto) dagegen verboten. Soll
man hierbei etwa an Modeldruck denken ?
724. Diejenigen aus echten Haaren heißen capelli morti. — Falsche Zähne aus Elfen-
bein, die ein ital. Prälat, doch nur um der deutlichen Aussprache willen, einsetzt, bei
Anshelm, Berner Chronik, IV, S. 30 (1508).
725. Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1874. — Allegretto, bei Murat. XXIII,
Col. 823. — Dann die Autoren über Savonarola, s. unten.
726. Sansovino, Venezia, fol. 152: capelli biondissimi per forza di sole. — Vgl. S. 273.
727. Wie auch in Deutschland geschah. — Poesie satiriche, p. 119, in der Satire des Bern.
Giambullari : per prender moglie. Ein Inbegriff der ganzen Toilettenchemie, welche sich
offenbar noch sehr an Aberglauben und Magie anlehnt.
728. Welche sich doch alle Mühe gaben, das Ekelhafte, Gefährliche und Lächerliche
dieser Schmiererei hervorzuheben. Vgl. Ariosto, Satira III, vs. 202, s. — Aretino, il
marescalco, Atto II, scena 5 und mehrere Stellen in den Ragionamenti. Dann Giambullari
a. a. O. — Phil. Beroald. sen. Carmina.
729. Cennino Cennini, Trattato della pittura gibt cap. 161 ein Rezept des Bemalens
von Gesichtern, offenbar für Mysterien oder Maskeraden, denn cap. 162 warnt er ernstlich
vor Schminken und Schönheitswassern im allgemeinen.
730. Vgl. La Nencia di Barberino, Str. 20 und 40. Der Geliebte verspricht ihr Schminke
und Bleiweiß aus der Stadt in einer Tüte mitzubringen. Vgl. oben S. 202.
731. Agn. Pandolfini, Trattato del governo della famiglia, p. 118.
732. Tristan. Caracciola, bei Murat. XXII, Col. 87. — Bandello, Parte II, Nov. 47.
733. Capitolo I. an Cosimo: Quei cento scudi nuovi e profumati che l'altro di mi man-
daste a donare. Gegenstände aus jener Zeit riechen noch jetzt bisweilen.
734. Vespasiano Fiorent. p. 458 im Leben des Donato Acciajuoli, und p. 625 im Leben
des Niccoli.
735. Giraldi, Hecatommithi, Introduz., Nov. 6.
736. Paul. Jov. Elogia.
737. Aeneas Sylvius (Vitae Paparum, ap. Murat. III, II, Col. 880) sagt bei Anlaß von
Baccano : pauca sunt mapalia, eaque hospitia faciunt Theutonici; hoc hominum genus
totam fere Italiam hospitalem facit; ubi non repereris hos, neque diversorium quaeras.
738. Franco Sacchetti, Nov. 21 . — Padua rühmte sich um 1450 eines sehr großen palast-
ähnlichen Gasthofes zum Ochsen, welcher Ställe für 200 Pferde hatte. Michele Savonar.
ap. Murat. XXIV, Col. 1175. — Florenz hatte vor Porta S. Gallo eine von den größten
und schönsten Osterien, die man kannte, doch wie es scheint, nur als Erholungsort für die
Leute aus der Stadt. Varchi Stör, fiorent. III, p. 86.
739. Man vgl. z. B. die betreffenden Partien in Sebastians Brants Narrenschiff, in Eras-
mus Colloquien, in dem lateinischen Gedicht Grobianus usw.
740. Die Mäßigung der Burla geht u. a. aus den Beispielen in Cortigiano, L. II, fol. 96,
s. hervor. In Florenz hielt sich die bösartige Burla doch so lange sie konnte. Die Novellen
des Lasca sind ein Zeugnis hiervon.
741 . Für Mailand eine Hauptstelle : Bandello, Parte I, Nov. 9. Es gab über 60 vierspän-
nige und zahllose zvveispännige Wa<Ten, zum Teil reich vergoldet und geschnitzt, mit sei-
denen Decken, vgl. ebenda Nov. 4. — Ariosto, sat. III, vs. 127.
742. Bandello, Parte I, Nov. 3. III, 42. IV, 25.
743. De vulgari eloquio cd. Corbinelli, Parisiis 1577. Laut Boccaccio, vita di Dante,
ANMERKUNGEN O^Q
p. 77, kurz vor seinem Tode verfaßt. — Über die rasche und merkliche Veränderung der
Sprache bei seinen Lebzeiten äußert er sich im Anfang des Convito.
744. Das allmähliche Vordringen derselben in Literatur und Leben könnte ein einhei-
mischer Kenner leicht tabellarisch darstellen. Es müßte konstatiert werden, wie lange sich
während des 14. und i5.Jahrh. die einzelnen Dialekte in der täglichen Korrespondenz,
in den Regierungsschriften und Gerichtsprotokollen, endlich in den Chroniken und in der
freien Literatur ganz oder gemischt behauptet haben. Auch das Fortleben der ital. Dialekte
neben einem reinern oder geringern Latein, welches dann als offizielle Sprache diente,
käme dabei in Betracht.
745. So empfindet es schon Dante: De \'ulgari eloquio I, c. 17. 18.
746. Man schrieb und las in Piemont schon lange vorher toskanisch, aber man schrieb
und las eben wenig.
747. Man WTjßte auch recht wohl, wohin im täglichen Leben der Dialekt gehörte und
wohin nicht. Gioviano Fontane darf den Kronprinzen von Neapel ausdrücklich vor dessen
Gebrauch warnen (Jov. Pontan. de principe). Bekanntlich waren die letzten Bourbons dar-
in weniger bedenklich. — Den John über einen mailändischen Kardinal, der in Rom seinen
Dialekt behaupten wollte, s. bei Bandello, Parte II, Nov. 31.
748. Bald. Castiglione, il cortigiano, L. I, fol. 27, s. Aus der dialogischen Form leuchtet
doch überall die eigene Meinung hervor.
749. Nur durfte man darin nicht zu weit gehen. Die Satiriker mischen spanische und
Folengo (unter dem Pseudonym Limemo Pitocco, in seinem Orlandino) französische Brok-
ken immer nur Hohnes wegen ein. Es ist schon sehr außergewöhnlich, daß eine Straße in
Mailand, welche zur Franzosenzeit, 1500 bis 1512, 1515 bis 1522, Rue belle hieß, noch
heute Rugabella heißt. Von der langen spanischen Herrschaft ist an der Sprache fast keine
Spur, an Gebäuden und Straßen höchstens hier und da der Name eines Vizekönigs haften
geblieben. Erst im 18. Jahrh. drangen mit den Gedanken der französischen Literatur auch
viele französische Wendungen und Einzelausdrücke ins Italienische ein ; der Purismus
unseres Jahrhunderts war und ist noch bemüht, sie wieder wegzuschaffen.
750. Firenzuola, opere I, in der Vorrede zur Frauenschönheit, und II. in den Ragiona-
menti vor den Novellen.
751. Bandello, Parte I, Proemio und Nov. : und 2. — Ein anderer Lombarde, der eben
genannte Teofilo Folengo in seinem Orlandino, erledigt die Sache mit heiterm Spott.
752. Ein solcher fand, wie es scheint, in Bologna zu Ende 1531 unter Bembos Vorsitz
statt. S. den Brief des Claud. Tolomei, bei Firenzuola, opere, vol. II, Beilagen.
753. Luigi Comaro klagt gegen 1550 (zu Anfang seines Trattato della vita sobria): erst
seit nicht langer Zeit nehmen in Italien überhand : Die (spanischen) Zeremonien und Kom-
plimente, das Luthertum und die Schlemmerei (die Mäßigkeit und die freie, leichte Ge-
selligkeit schwanden zu gleicher Zeit). Vgl. S. 205.
754. VasariXII, p. 9 und 11, Vita di Rustici. — Dazu die medisante Klique von ver-
lumpten Künstlern, XI, 216, s. Vita d'Aristole. — Macchiavells Capitoli für eine Vergnü-
gensgesellschaft (in den opere minori p. 407) sind eine komische Karikatur von Gesell-
schaftsstatuten, im Stil der verkehrten Welt. — Unvergleichlich ist und bleibt die bekannte
Schilderung jenes römischen Künstlerabends bei Benvenuto Cellini, I, cap. 30.
755. Die man sich wohl vormittags um 10 — 11 Uhr zu denken hat. Vgl. Bandello,
Parte II, Nov. 10.
756. Prato, Arch. stör. III, p. 309.
757. Die wichtigeren Stellen: Parte I, Nov. i. 3. 21. 30. 44. II, 10. 34. 55. III, 17. etc.
758. Vgl. Lor. magnif. de' Medici, Poesie I, 204 (das Gelage); 291 (die Falkenjagd). —
Roscoe, Vita di Lorcnzo, III, p. 150 und Beilagen 17 bis 19.
75g. Der Titel Simposio ist ungenau; es sollte heißen: die Heimkehr von der Wein-
lese. Lorenzo schildert in höchst vergnüglicher Weise, nämlich in einer Parodie nach Dantes
Hölle, wie er, zumeist in Via Faenza, alle seine guten Freunde nacheinander mehr oder
weniger benebelt vom Lande her kommend antrifft. Von der schönsten Komik ist im 8. Ca-
360
ANMERKUNGEN
pitolo das Bild des Piovano Arlotto, welcher auszieht, seinen verlorenen Durst zu suchen
und zu diesem Endzweck an sich hängen hat: dürres Fleisch, einen Hering, einen Reif
Käse, ein Würstchen und vier Sardellen, e tutte si cocevan nel sudore.
760. tiber Cosimo Ruccellai als Mittelpunkt dieses Kreises zu Anfang des 16. Jahrh.
vgl. Macchiavelli, Arte della guerra. L. I.
761. II cortigiano, L. II, fol. 53. — Vgl. oben S. 210, 216.
762. Coelius Calcagninus (Opera, p. 514) schildert die Erziehung eines jungen Italie-
ners von Stande um 1500 (in der Leichenrede auf Antonio Costabili) wie folgt: zuerst artes
liberales et ingenuae disciplinae ; tum adolescentia in iis exercitationibus acta, quae ad rem
militarem corpus animumque praemuniunt. Nunc gymnastae (d. h. dem Turnlehrer)
operam dare, luctari, axcurrere, natare, equitare, venari, aucupari, ad palum et apud lani-
stam ictus inferre aut declinare, caesim punctimve hostem ferire, hastam vibrare, sub armis
hyemem iuxta et aestatem traducere, lanceis occursare, veri ac communis Martis simulacra
imitari. — Cardanus (de propria vita, c. 7) nennt unter seinen Turnübungen auch das
Hinaufspringen auf das hölzerne Pferd. — Vgl. Gargantua I, 23. 24: die Erziehung über-
haupt, und 35 : die Künste der Gymnasten.
763. Sansovino, Venezia, fol. 172, s. Sie sollen entstanden sein bei Anlaß des Hinaus-
fahrens zum Lido, wo man mit der Armbrust zu schießen pflegte ; die große allgemeine
Regatta am St. Paulstag war gesetzlich seit 1315. — Früher wurde in Venedig auch viel
geritten, ehe die Straßen gepflastert und die ebenen hölzernen Brücken in hochgewölbte
steinerne verwandelt waren. Noch Petrarca (Epist. seniles, IV, 2, p. 783) schildert ein präch-
tiges Reiterturnier auf dem Markusplatz, und der Doge Steno hielt um 1400 einen Marstall
so herrlich wie der irgendeines italienischen Fürsten. Doch war das Reiten in der Umgegend
jenes Platzes schon seit 1291 in der Regel verboten. — Später galten die Venezianer natür-
lich für schlechte Reiter. Vgl. Ariosto, Sat. V, vs. 208.
764. Über Dantes Verhältnis zur Musik und über die Weisen zu Petrarcas und Boccaccios
Gedichten vgl. Trucchi, poesie ital. inedite II, p. 139. — Über Theroretiker des 14. Jahrh.
Filippo Villani, vite, p. 46 und Sacrdeonius, de urb. Patav. antiq. bei Graev. Thesaur. VI,
III, Col. 297. — Über die Musik am Hofe des Federigo von Urbino umständlich Vespasiano
Fior. p. 122. — Die Kinderkapelle Ercoles I., Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 358.
— Außerhalb Italiens war den angesehenen Leuten das persönliche Musizieren noch kaum
gestattet; am niederländischen Hofe des jungen Karl V. kommt es darüber zu gefährlichem
Streit; vgl. Hubert. Leod. de vita Frid. II. Palat., L. III.
Eine merkwürdige und umfangreiche Stelle über die Musik findet sich, wo man sie nicht
suchen würde, Macaroneide, Phant. XX. Es wird ein Quartettgesang komisch geschildert,
wobei man erfährt, daß auch französische und spanische Lieder gesungen woirden, daß die
Musik bereits ihre Feinde hatte (um 1520), und daß Leos X. Kapelle und der noch frühere
Komponist Josquin de Pr6s das Höchste waren, wofür man schwärmte; die Hauptwerke
des letzteren wurden genannt. Derselbe Autor (Folengo) legt auch in seinem (unter dem
Namen Limemo Pitocco herausgegebenen) Orlandino III, 23, s. einen ganz modernen
Musikfanatismus an den Tag.
765. Leonis vita anonyma, bei Roscoe, ed. Bossi, XII, p. 171. Ob dies vielleicht der
Violinspielcr der Galerie Sciarra ist ? — Ein Giovan Maria da Cometto wird gepriesen
im Orlandino (S. 160, 326) III, 27.
766. Loniazza, Trattato dell' arte della pittura, etc. p. 347. — ■ Bei der Lyra ist Leonardo
da Vinci mitgenannt, auch Alfonso (Herzog?) von Ferrara. Der Verf. nimmt überhaupt
die Berühmtheiten des Jahrhunderts zusammen. Mehrere Juden sind darunter. — Die
größte Aufzählung von berühmten Musikern des 16. Jahrh., in eine frühere und eine spätere
Generation getrennt, bei Rabelais im ,, neuen Prolog" zum IV. Buche. — Ein Virtuose, der
blinde Francesco von Florenz (st. 1390), wird schon frühe in Venedig von dem anwesenden
König von Cypern mit einem Lorbeerkranze gekrönt.
767. Sansovino, Venezia, fol. 138. Natürlich sammelten dieselben Liebhaber auch
Notenbücher.
ANMERKUNGEN 36 I
768. Die Accademia de' filarmonici zu Verona erwähnt schon Vasa^i XI, 133 im Leben
des Sanmichele. — Um Lorenzo magnifico hatte sich bereits 1480 eine „Harmonieschule"
von 15 Mitgliedern gesammelt, darunter der berühmte Organist Squarcialupi. Vgl. De-
löcluze, Florence et ses vicissitudes. Vol. II, p. 256. Von Lorenzo scheint sein Sohn Leo X die
Musikbegeisterung geerbt zu haben. Auch sein ältester Sohn Pietro war sehr musikalisch.
769. II cortigiano, fol. 56. vgl. fol.41.
770. Quattro viole da arco, gewiß ein hoher und damals im Ausland sehr seltener Grad
von Dilettantenbildung.
771. Bandello, Parte I, Nov. 26. Der Gesang des Antonio Bologna im Hause der Ippolita
Bentivoglia. Vgl. III, 26. In unserer zimperlichen Zeit würde man dies eine Profanation
der heiligsten Gefühle nennen. — (Vgl. das letzte Lied des Britannicus,Tacit. Annal. XIII,
15.) — Die Rezitation zur Laute oder Viola ist in den Aussagen nicht leicht vom eigent-
lichen Gesang zu scheiden.
772. Scardeonius, a. a. O.
773. An Annibale Maleguccio, sonst auch als 5. und 6. bezeichnet.
774. Wogegen die BeteiUgimg der Frauen an den bildenden Künsten nur äußerst ge-
ring ist.
775. So muß man z. B. bei Vespasiano Fiorentino (Mai, Spicileg. rom. XI, p. 593, s.)
die Biographie der Alessandro de' Bardi auffassen. Der Autor ist, beiläufig gesagt, ein
großer laudator temporis acti und man darf nicht vergessen, daß fast hundert Jahre vor
dem, was er die gute alte Zeit nennt, schon Boccaccio den Decamerone schrieb.
776. Ant. Galateo, epist. 3, an die junge Bona Sforza, die spätere Gemahlin des Sigis-
mund von Polen: Incipe aliquid de viro sapere, quoniam ad imperandum viris nata es . . .
Ita fac, ut sapientibus viris placeas, ut te prudentes et graves viri admirentur, et vulgi et
muliercularum studia et iudicia despicias etc. Auch sonst ein merkwürdiger Brief (Mai,
Spicileg. rom. VIII, p. 532).
777. So heißt sie in dem Hauptbericht Chron. venerum bei Murat. XXIV, Col. 128, s.
Vgl. Infessura bei Eccard, scriptt. II, Col. 1981 und Arch. stör. Append. II, p. 250.
778. Und es zu Zeiten auch ist. — Wie sich die Damen bei solchen Erzählungen zu be-
nehmen haben, lehrt der Cortigiano, L. III, fol. 107. Daß schon die Damen, welche bei
seinen Dialogen zugegen waren, sich gelegentlich mußten zu benehmen wissen, zeigt z. B.
die starke Stelle L. II, Fol. 100. — Was von dem Gegenstück des Cortigiano, der Donna di
palazzo gesagt wird, ist deshalb nicht entscheidend, weil diese Palastdame bei weitem mehr
Dienerin der Fürstin ist als der Cortigano Diener des Fürsten. — Bei Bandello I, Nov. 44,
erzählt Bianca d'Este die schauerliche Liebesgeschichte ihres eigenen Ahns Niccolö von
Ferrara und der Parisina.
779. Wie sehr die gereisten Italiener den freien Umgang mit den Mädchen in England
und den Niederlanden zu würdigen vsrußten, zeigt Bandello II, Nov. 42 und IV, Nov. 27.
780. Paul. Jov. de rom. piscibus, cap. 5. — Bandello, Parte III, Nov. 42. — Aretin, im
Ragionamento del Zoppino p. 327 sagt von einer Buhlerin: sie weiß auswendig den ganzen
Petarca und Boccaccio und zahllose schöne lateinische Verse aus Virgil, Horaz, Ovid und
tausend andern Autoren.
781. Bandello II, 51. IV, 16.
782. Bandelo IV, 8.
783. Ein sehr bezeichnendes Beispiel hiervon bei Giraldi, Hecatommithi VI, Nov. 7.
784. Infessura, bei Eccard, scriptores, II, Col. 1997. Es sind nur die öffentlichen Wei-
ber, nicht die Konkubinen mitgerechnet. Die Zahl ist übrigens im Verhältnis zur vermut-
lichen Bevölkerung von Rom enorm hoch, vielleicht durch einen Schreibfehler.
785. Trattato del govemo della famiglia. Vgl. oben S. 107, 112, Anm. Pandolfini starb
1446, L. B. Alberti, dem das Werk ebenfalls zugeschrieben wird, im J. 1472. — Vgl. auch
Anm. Nr. 606.
786. Eine gründliche, mit psychologischem Geist gearbeitete Geschichte des Prügeins
bei den germanischen und romanischen Völkern wäre wohl so viel wert als ein paar Bände
362
ANMERKUNGEN
Depeschen und Unterhandlungen. Wann und durch welchen Einfluß ist das Prügeln in
der deutschen Familie zu einem alltäglichen Gebrauch geworden ? Es geschah wohl erst
lange nach dem Walther gesungen: Nicman kan mit gerten kindes zuht beherten. In Ita-
lien hört wenigstens das Schlagen sehr früh auf; ein siebenjähriges Kind bekommt keine
Schläge mehr. Der kleine Roland (Orlandino, cap. VII, str. 42) stellt das Prinzip auf:
Sol gli asini si ponno bastonare,
Se una tal bestia fussi, patirei.
787. Giovanni Villani XI, 93 : Hauptsaussage über den Villenbau der Florentiner schon
vor der Mitte des 14. Jahrhunderts; sie hatten schönere Villen als Stadthäuser, und sollen
sich damit auch überangestrengt haben, onde erano tenuti matti.
788. Man vgl. S. 180, wo diese Pracht der Festausstattung als ein Hindernis für die
höhere Entwicklung des Dramas nachgewiesen wurde.
789. Dies im Vergleich mit den Städten des Nordens.
790. Die Festlichkeiten bei der Erhebung des Visconti zum Herzog von Mailand 1395
(Corio, fol. 274) haben bei größter Pracht noch etwas roh mittelalterliches, und das dra-
matische Element fehlt noch ganz. Vgl. auch die relative Geringfügigkeit der Aufzüge in
Pavia während des 14. Jahrh (Anonymus de laudibus Papiae, bei Murat. XI, Col. 34, s.).
791. Gio. Villani, VIII, 70.
792. Vgl. z. B. Infessura, bei Eccard, scriptt. II, Col. 1896. — Corio, fol. 417. 421.
793. Der Dialog der Mysterien bewegte sich gern in Ottaven, der Monolog in Terzinen.
794. Wobei man nicht einmal an den Realismus der Scholastiker zu denken braucht.
795. Dahin darf man es z. B. rechnen, wenn er Bilder auf Metaphern baut, wenn er an
der Pforte des Fegefeuers die mittlere, geborstene Stufe die Zerknirschung des Herzens be-
deuten soll (Purgat. IX, 97), während doch die Steinplatte durch das Bersten ihren Wert
als Stufe verliert; oder wenn (Purgat. XVIII, 94) die auf Erden Lässigen ihre Buße im
Jenseits durch Rennen bezeigen müssen, während doch das Rennen auch ein Zeichen der
Flucht usw. sein könnte.
796. Inferno IX, 61. Purgat. VIII, 19.
797. Poesie satiriche, ed. Milan, p. 70, s. — Vom Ende des 15. Jahrh.
798. Letzteres z. B. in der venatio des Kard. Adriano da Corneto. Es soll darin Ascanio
Sforza durch das Jagdvergnügen über den Sturz seines Hauses getrös'jet werden. — Vgl.
S. 146.
799. Eigentlich 1454. Vgl. Olivier de la Marche, m^moires, chap. 29.
800. Für andere französische Feste s. z. B.: Juvenal des Ursins ad a. 1389 (Einzug der
Königin Isabeau) ; — Jean de Troyes ad. a. 1461 (Einzug Ludwigs XL). Auch hier fehlt
es nicht ganz an Schwebemaschinen, an lebendigen Statuen u. dgl., aber alles ist bunter,
zusammenhangloser und die Allegorien meist unergründlich.
801. D. h. ein Vorteil für sehr große Dichter und Künstler, die etwas damit anzufangen
wußten.
802. Vgl. Bartol. Gamba, Notizie intorno alle opere di Fco Belcari, Milano 1808, und
bes. die Einleitung der Schrift: le rapprcsentazioni di Feo Belcari ed altre di lui poesie,
Firenze 1833. — Als Parallele die Einleitung des Bibliophile Jacob zu seiner Ausgabe des
Pathelin.
803. Freilich schloß ein Mysterium vom bethlehemit. Kindermord in einer Kirche von
Sicna damit, daß die unglücklichen Mütter einander bei den Haaren nehmen mußten.
Della Valle, lettere sanesi, III, p. 53. — Es war ein Hauptstreben des eben genannten Feo
Belcari (st. 1484), die Mysterien von solchen Auswünchse zu reinigen.
804. Franco Sacchetti, Nov. 72.
805. Vasari III, 232, s. Vita di Brunellesco. V. 36, s. Vita del Cecca. Vgl. V, 52. Vita di
Don Bartolommeo.
806. Arch. stör. Append. II, p. 310. Das Mysterium von Maria Verkündigung in Ferrara
bei der Hochzeit des Alfonso, mit kunstreichen Schwebemaschinen und Feuerwerk. Die
Aufführung der Susanna, des Täufers Johannes und einer Legende beim Kard. Riario s.
ANMERKUNGEN
363
bei Coric, fol. 417. Das Mysterium von Constantin d. Gr., im päpstl. Palast, Karneval 1484,
s. bei Jac. Volatcrran., Murat. XXIII, Col. 194.
807. Graziani, Cronaca di Perugia, Arch. stör. XVI, I, p. 598. Bei der Kreuzigung wurde
eine bereitgehaltene Figur untergeschoben.
808. Für letzteres z. B. Pii II. comment, L. VIII., p. 383. 386. — Auch die Poesie des
15. Jahrh. stimmt bisweilen denselben rohen Ton an. Eine Canzone des Andrea da Basso
konstatiert bis ins einzelne die Verwesung der Leiche einer hartherzigen Geliebten. Frei-
lich in einem Klosterdrama des 12. Jahrh. hatte man sogar auf der Szene gesehen wie König
Herodes von den Würmern gefressen wird. Carmina Burana, p. 80, s.
809. Allegretto, Diari sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 767.
810. Matarazzo, Arch. stör. XVI, II, p. 36.
811. Auszüge aus dem Vergier dihonneur bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi, I, p. 220 und
III, p. 263.
8i2. Pii II, Comment. L. VIII, p. 382, s. — Ein ähnliches, besonders prächtiges Fron-
leichnamsfest wird erwähnt von Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 911,
zum J. 1492.
813. Bei solchen Anlässen mußte es heißen: Nulla di muro si poeta vedere.
814. Dasselbe gilt von manchen ähnlichen Schilderungen.
815. Fünf Könige mit Bewaffneten, ein Waldmensch, der mit einem (gezähmten?)
Löwen kämpfte, letzteres vielleicht mit Bezug auf den Namen des Papstes, Sylvius.
816. Beispiele unter Sixtus IV., Jac. Volaterran., bei Murat. XXIII, Col. 134. 139. Auch
beim Amtsantritt Alexanders VI. wurde furchtbar kanoniert. — Das Feuerwerk, eine schö-
nere Erfindung des italienischen Festwesens, gehört samt der festlichen Dekoration eher
in die Kunstgeschichte als hierher. — Ebenso die prächtige Beleuchtung (vgl. S. 181)
welche bei manchen Festen gerühmt wird, und selbst die Tischaufsätze und Jagdtrophäen.
817. Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 772. — Vgl. außerdem Col. 772, den Empfang
Pius II, 1459.
818. Corio, fol. 417, s. — Infessura, bei Eccard, scriptt. II , Col. 1896. — Strozzi poetae,
p. 193, in den Aeolostichen. Vgl. S. 37, 41.
819. Vasari XI, p. 37, Vita di l'untormo erzählt, wie ein solches Kind 1513 bei einem
florentinischen Fest an den Folgen der Anstrengung — oder vielleicht der Vergoldung ? —
starb. Der arme Knabe hatte ,,das goldene Zeitalter" vorstellen müssen.
820. Phil. Beroaldi orationes; nuptiae Bentivoleae.
821. M. Anton. Sabellici Epist. L. III. fol. 17.
822. Amoretti, Memorie etc. su Lionardo da Vinci p. 38, s.
823. Wie die Astrologie dies Jahrhundert bis in die Feste hinein verfolgte, zeigen auch
die (undeutlich geschilderten) Planetenaufzüge beim Empfang fürstlicher Bräute in Ferrara.
Diario Ferrarese, bei Muratori XXIV, Col. 248, ad a. 1473. Col. 282, ad a. 1491. — Ebenso
in Mantua. Arch. stör, append. II, p. 233.
824. Annal. Estens. bei Murat. XX, Col. 268, s. Die Beschieibung ist undeutlich, und
überdies nach einer inkorrekten Abschrift gedruckt.
825. Man erfährt, daß die Stricke dieser Maschinerie als Girlanden maskiert waren.
826. Eigentlich das Isisschiff, das am 5. März als Symbol der wiedereröffneten Meerfahrt
ins Wasser gelassen wird. — Die Analogie im deutschen Kult s. bei Jac. Grimm, deutsche
Mythologie.
827. Purgatorio XXIX, 43 bis Ende, und XXX, Anfang. — Der Wagen ist laut Vs. 115
herrlicher als der Triumphwagen des Scipio, des Augustus, ja als der des Sonnengottes.
828. Ranke, Gesch. der roman. und german. Völker, S. 119.
829. Corio, fol. 401 : dicendo, tali cose essere superstitioni de' Re. — Vgl. Cagnola, Arch.
stör. III, p. 127.
830. S. oben S. 126. — Vgl. Anm. Nr. 14. — Triun.phus Alphonsi, als Beilage zu den
Dicta et Facta, von Panormita. — Eine Scheu vor allzugroßem triumphalem Glanz zeigt
sich schon bei den tapferen Komnenen. Vgl. Cinnamus I, 5. VI, i.
oQa ANMERKUNGEN
831. Es gehört zu den rechten Naivitäten der Renaissance, daß man der Fortuna eine
solche Stelle anweisen durfte. Beim Einzug des Massimiliano Sforza in Mailand (1512)
stand sie als Hauptfigur eines Triumphbogens über der Fama, Speranza, Audacia und
Penitenza; lauter lebendige Personen. Vgl. Prato, Arch. stör. III, p. 305.
832. Der oben S. 237 geschilderte Einzug des Borso von Este in Reggio zeigt, welchen
Eindruck der alfonsinische Triumph in ganz Italien gemacht hatte.
833. Prato, Arch. stör. III, p. 260.
834. Ihre drei Capitoli in Terzinen, Anecdota litt. IV, p.461, s.
835. Auch Tafelbilder ähnlichen Inhalts kommen nicht selten vor, gewiß oft als Er-
innerung an wirkliche Maskeraden. Die Großen gewöhnten sich bald bei jeder Feierlichkeit
ans Fahren. Annibale Bentivoglio, der älteste Sohn des Stadtherrn von Bologna, fährt als
Kampfrichter von einem ordinären Waffenspiel nach dem Palast cum triumpho more ro-
mano. Bursellis, I.e. Col.gog, ad a. 1490.
836. Bei der merkwürdigen Leichenfeier des 1437 vergifteten Malatesta Baglione zu
Perugia (Graziani, Arch. stör. XVI, I, p. 413) wird man beinahe an den Leichenpomp des
alten Etruriens erinnert. Indes gehören die Trauerritter u. dgl. der allgemeinen abendlän-
dischen Adelssitte an. Vgl. z. B.: Die Eqexuien des Bertrand Duguesclin bei Juv^nal des
Ursins, ad a 1389. — S. auch Graziani, 1. c. p. 360.
837. Vasari, IX, p.218, Vita di Granacci.
838. Mich. Gannesius, Vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. ii8, s.
839. Tommassi, Vita di Cesare Borgia, p.2Si.
840. Vasari, XI, p. 34, s. Vita di Puntormo. Eine Hauptstelle in ihrer Art.
841. Vasari VIII. p. 264, Viza di A. del Sarto.
842. Allegretto, bei Murat. XXIII. Col. 783. Daß ein Rad zerbrach, galt als böses Vor-
zeichen.
843. M. Anton Sabellici Epist. L. III, fol. 17.
844. Sansovino, Venezia, fol. 151, s. — Die Gesellschaften heißen: Pavoni, Accesi,
Eterni, Reali, Sempiterni ; es sind wohl dieselben, welche dann in Akademien übergingen.
845. Wahrscheinlich 1495. Vgl. M. Anton. Sabellici Epist. L. V. fol. 28.
846. Infessura, bei Eccard, scriptt. II, Col. 1893. 2000. — Mich. Cannesius, Vita Pauli
II, bei Murat. III, II, Col. 1012. — Piatina, Vitae pontiff. p. 318. — Jac. Volaterran. bei
Muratori XXIII, Col. 163. 194. — Paul. Jov. Eloi,ia, sub Juliano Caesarino. — Anderswo
gab es auch Wettrennen von Weibern; Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 384.
847. Unter Alexander VI. einmal vom Oktober bis zu den Fasten. Vgl. Tommasi, 1. c.
p. 322.
848. Pii II. Comment. L. IV, p.2ii.
849. Nantiporto, bei Murat. III, II, Col. 1080. Sie wollten ihm für einen Friedens-
schluß danken, fanden aber die Tore des Palastes verschlossen und auf allen Plätzen Trup-
pen aufgestellt.
850. Tutti i trionfi, carri, mascherate, o canti, carnascialeschi, Cosmopoli 1750. — Mac-
chiavelli, Opere minori, p. 505. — Vasari, VII, p. 115,3., vita di Piero di Cosimo, welchem
letztern ein Hauptanteil an der Ausbildung dieser Züge zugeschrieben wird.
851. Discorsi L. I, c. 12. Auch c. 55: Italien sei verdorbener als alle andern l/änder;
dann kommen zunächst Franzosen und Spanier.
852. Paul. Jov. viri illustres; Jo. Gal. Vicecomes.
853. Franc. Guicciardini, Ricordi politici e civili, N. 118. (Opere inedite, vol. I.)
854. Seine nächste Parallele ist Merlinus Coccajus (Teofilo Folengo), dessen Opus
Macaronicorum (S. 127 und 212) Rabelais erweislich gekannt und mehrmals zitiert hat
(Pantagruel L. II, eh. i und eh. 7, Ende). Ja, die Anregung zum Gargantua und Pantagruel
möchte überhaupt aus Merlinus Coccajus stammen.
855. Gargantua L. I, chap. 57.
856. D. h. wohlgeboren im höhern Sinn, denn Rabelais, der Wirtssohn von Chinon,
hat keine Ursache, dem .\dcl als solchem hier ein Vorrecht zu gestatten. — Die Predigt des
ANMERKUNGEN ogc
Evangeliums, von vcelcher in der Inschrift des Klosters die Rede ist, würde zu dem sonstigen
Leben der Thelemiten wenig passen ; sie ist auch eher negativ, im Sinne des Trotzes gegen
die römische Kirche zu deuten.
857. Dessen Tagebuch im Auszug bei Del^cluze, Florence et ses vicissitudes, vol. 2. —
Vgl. S.264.
858. Infessura, ap. Eccard, scriptt. II, Col. 1992. Vgl. oben S. 86.
85g. Dieses Räsonnement des geistreichen Stendhal (la chartreuse de Parma, ed. Dela-
hays, p. 35s) scheint mir auf tiefer psychologischer Beobachtung zu ruhen.
860. Graziani, Cronaca di Perugia, zum J. 1437 (Arch. stör. XVI, I, p. 415),
86i. Giraldi, Hecatommithi, I, Nov. 7.
862. Infessura, bei Eccard, Script. II, Col. 1892, zum Jahr 1464.
863. AUegretto, Diari sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 837.
864. Diejenigen, welche die Vergeltung Gott anheimsteilen, werden u. a. lächerlich ge-
macht bei Pulci, Morgante, canto XXI, Str. 83, s. 104, s.
865. Guicciardini, Ricordi, 1. c. N. 74.
866. So schildert sich Cardanus (de propria vita, cap. 13) als äußerst rachsüchtig, aber
auch als verax, memor beneficiorum, amans justitiae.
867. Mit der völlig entwickelten spanischen Herrschaft trat allerdings eine relative Ent-
völkerung ein. Wäre sie die Folge der Entsittlichung gewesen, so hätte sie viel früher ein-
treten müssen.
868. Giraldi, Hecatommithi III, Nov. 2. — ■ Ganz ähnlich: Cortigiano, L. IV, fol. 180.
869. Ein besonders greuliches Beispiel der Rache eines Bruders, aus Perugia vom J.
1455, findet man in der Chronik des Graziani, Arch. stör. XVI, p. 629. Der Bruder zwingt
den Galan, der Schwester die Augen auszureißen und jagt ihn mit Schlägen von dannen.
Freilich die Familie war ein Zweig der Oddi und der Liebhaber nur ein Seiler.
870. Bandello, Parte I, Nov. 9 und 26. — Es kommt vor, daß der Beichtvater der Gemah-
lin sich vom Gatten bestechen läßt und den Ehebruch verrät.
871. S. oben S.223 und Anmerkung Nr. 771.
872. Ein Beispiel Bandello, Parte I, Nov. 4.
873. Piaccia al Signore Iddio che non si ritrovi, sagen bei Giraldi III, Nov. 10 die Frauen
im Hause, wenn man ihnen erzählt, die Tat könne dem Mörder den Kopf kosten.
874. Dies begegnet z. B. Gioviano Pontano (de fortitudine, L. II.) ; seine heldenmütigen
Askolaner, welche noch die letzte Nacht hindurchtanzen und singen, die abruzzesischeA'Iut-
ter, welche den Sohn auf dem Gang zum Richtplatz aufheitert usw. gehören vermutlich
in Räuberfamilien, was er jedoch übergeht.
875. Diarium Parmense, bei Murat. XXII, Col. 330 bis 349 passim.
876. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 312. Man erinnert sich dabei an die Bande
des Priesters, welcher einige Jahre vor 1837 die westliche Lombardei unsicher machte.
877. Massuccio, Nov. 29. Es versteht sich, daß der Betreffende auch in der Liebschaft
am meisten Glück hat.
878. Wenn er in seiner Jugend als Korsar in dem Kriege der beiden Linien von Anjou
um Neapel auftrat, so kann er dies als politischer Parteigeängr getan haben, was nach dama-
ligen Begriffen keine Schande brachte. Der Erzbischof Paolo Fregoso von Genua hat sich
vielleicht in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts viel mehr erlaubt.
879. Poggio, Facetiae fol. 164. Wer das heutige Neapel kennt, hat vielleicht eine ähnliche
Farce aus einem andern Lebensgebiet erzählen hören.
880. Jovian. Pontani Antonius: nee est quod Neapoli quam hominis vita minoris ven-
datur. Freilich meint er, das sei unter den Anjou noch nicht so gewesen ; sicam ab iis — den
Aragonesen — accepimus. Den Zustand um 1534 bezeugt Benv. Cellini I, 70.
881. Einen eigentlichen Nachweis wird niemand hierüber leisten können, allein es wird
wenig Mord erwähnt und die Phantasie der florentinischen Schriftsteller der guten Zeit
ist nicht mit Verdacht dieser Art erfüllt.
883. Über diese s. die Relation des Fedeli bei Albiri, Relazioni serie II, vol. I, p. 353, s.
o65 ANMERKUNGEN
883. Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1956.
884. Chron. venetum, bei Mural. XXIV, Col. 131. — Im Norden gab man sich über die
Giftkunst der Italiener noch stärkeren Phantasien hin; s. bei Juvdnal des Ursins ad a. 1382
(ed. Buchon p. 336) die Lanzette des Giftmischers, welchen König Carl von Durazzo in
seinen Dienst nahm; schon wer sie starr ansah, mußte sterben.
885. Petr. Crinitus de honesta disciplina, L. XVIII, cap. 9.
886. Pii II. comment. L. XI, p. 562. — Jo. Ant. Campanus: vita Pii II, bei Murat. III,
II, Col. 988.
887. Vasari IX, 82, vita di Rosso. — Ob in unglücklichen Ehen mehr wirkliche Vergif-
tungen oder mehr Besorgnisse vor solchen vorherrschten, mag unentschieden bleiben. Vgl.
Bandello II, Nov. 5 u. 54. Sehr bedenklich lautet II, Nov. 40. In einer und derselben
westlombardischen Stadt, die nicht näher bezeichnet wird, leben zwei Giftköche; ein Ge-
mahl, der sich von der Echtheit der Verzweiflung seiner Frau überzeugen will, läßt sie
einen vermeintlich giftigen Trank, der aber nur ein gefärbtes Wasser ist, wirklich austrin-
ken und darauf versöhnt sich das Ehepaar. — ■ In der Familie des Cardanus allein waren vier
Vergiftungen vorgekommen. De propria vita, cap. 30. 50.
888. Maleficien z. B. gegen Leonello von Ferrara, s. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV,
Col. 194 ad a. 1445. Während man dem Täter, einem gew. Benato, der auch sonst übelbe-
rüchtigt war, auf der Piazza das Urteil vorlas, erhob sich ein Lärm in der Luft und ein Erd-
beben, so daß männiglich davonlief oder zu Boden stürzte. — Was Guicciardini (L. I.)
über den bösen Zauber des Lodovico Moro gegen seinen Neffen Giangaleazzo sagt, mag
auf sich beruhen.
8S9. Man könnte vor allem Ezzelino da Romano nennen, wenn derselbe nicht offenbar
unter der Herrschaft ehrgeiziger Zwecke und eines starken astrologischen Wahns gelebt
hätte.
890. Giornali napoletani, bei Muratori XXI, Col. 1092, ad a. 1425.
891. Pii II, comment. L. VII, p. 338.
892. Jovian. Pontan. de immanitate, wo auch von Sigismondos Schwängerung der
eigenen Tochter u. dgl. die Rede ist.
893. Varchi, Storie fiorentine, am Ende (wenn das Werk unverstümmelt abgedruckt
ist, wie z.B. in der Mailänder Ausgabe).
894. Worüber natürlich je nach Ort und Menschen ganz verschiedene Stimmungen laut
werden. Die Renaissance hat Städte und Zeiten gehabt, wo ein entschiedener, frischer
Genuß des Glückes vorherrschte. Eine allgemeine Verdüsterung der Denkenden beginnt
erst mit der entschiedenen Fremdherrschaft im 16. Jahrhundert sich kenntlich zu machen.
895. Was wir den Geist der Gegenreformation nennen, das war in Spanien entwickelt
geraume Zeit vor der Reformation selbst, und zwar durch die scharfe Überwachung und
teilweise Neueinrichtung alles Kirchlichen unter Ferdinand und Isabel. Hauptquelle hier-
für ist Gomez, Leben des Kard. Ximenez, bei Rob. Belus, Rer. hispan. scriptores.
896. Man beachte, daß die Novellisten u. a. Spötter der Bischöfe beinahe gar nicht ge-
denken, während man sie, allenfalls mit verändertem Ortsnamen hätte durchziehen können
wie die andern. Dies geschieht z. B. bei Bandello II, Nov. 45 ; doch schildert er II. 40 auch
einen tugendhaften Bischof. Gioviano Pontano im ,,Charon" läßt den Schatten eines üppi-
gen Bischofs mit ,, Entenschritt' daherwatscheln.
897. Foscolo, Discorso sul testo del Decamerone : Ma de' preti in dignitä niuno poteva
far motto senza pericolo; onde ogni frate fu l'irco delle iniquitk d'Isreale etc.
898. Bandello präludiert z. B. II, Nov. i, damit: das Laster der Habsucht stehe nieman-
dem schlechter an als den Priestern, welche ja für keine Familie usw. zu sorgen hätten.
Mit diesem Räsonnement wird der schmähliche Überfall eines Pfarrhauses gerechtfertigt,
wobei ein junger Herr durch zwei Soldaten oder Banditen einem zwar geizigen, aber gicht-
brüchigen Pfarrer einen Hammel stehlen läßt. Eine einzige Geschichte dieser Art zeigt die
Voraussetzungen, unter welchen man lebte und handelte, genauer an als alle Abhandlungen.
899. Giov. Villani HI, 29 sagt dies sehr deutlich ein Jahrh. später.
ANMERKUNGEN ^67
900. L'Ordine. Wahrscheinlich ist seine Tafel mit dem Motto I H S gemeint.
goi. Er fügt hinzu: und in den seggi, d. h. den Vereinen, in welche der neapolitanische
Adel geteilt war. — Die Rivalität der beiden Orden wird häufig lächerlich gemacht, z. B.
Bandello III, Nov. 14.
902. Für das Folgende vgl. Jovian. Pontan. de sermone, L. II. und Bandello, Parte I,
Nov. 32.
903. Weshalb auch sonst in seiner Nähe dies Wesen offen denunziert werden durfte.
Vgl. auch Jovian. Pontan. : Antonius und Charon.
904. Beispielshalber: der VIII. Gesang der Maccaroneide.
905. Die Geschichte in Vasari V, p. 120, vita di Sandro Botticelli, zeigt, daß man bis-
weilen mit der Inquisition Scherz trieb. Allerdings kann der hier erwähnte Vicario sowohl
der des Erzbischofs als der des dominikanischen Inquisitors gewesen sein.
906. Bursellis, Ann. Bonon. ap. Mural. XXIII, Col. 886. cf. 896.
907. Vgl. S. 273 f. Er war Abt der Ballombrosaner. Die Stelle, hier frei übersetzt, findet
sich Opere, vol. II, p. 208 in seiner zehnten Novelle. — Eine einladende Schilderung des
Wohllebens der Karthäuser in dem S. 196 zitierten Commentario d'Italia, fol. 32, s.
908. Pius II. war aus Gründen für Abschaffung des Zölibates; Sacerdotibus magna
ratione sublatas nuptias maiori restituendas videri, war eine seiner Lieblingssentenzen.
Piatina, Vitae Pontiff. p.311.
909. Ricordi, N. 28, in den Opere Lnedite, Vol. I.
910. Ricordi, N. i. 123. 125.
911. Freilich ein sehr unbeständiger.
912. Vgl. dessen u. d. Namen Limerno Pitocco gedichteten Orlandino, cap. VI, Str. 40,
s. cap. VII, Str. 57. cap. VIII, Str. 3, s., bes. 75.
913. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362.
914. Er hatte einen dautschen und einen slawischen Dolmetscher bei sich. Auch S.
Bernhard hatte einst am Rhein desselben Mittels bedurft.
915. Capistranoz. B.bsgnügtesich, über die Tausende von Kranken, die man ihm brach-
te, das Kreuz zu machen und sie im Namen der Dreieinigkeit und seines Meisters S. Ber-
nardino zu segnen, worauf hie und da eine wirkliche Genesung erfolgte, wie in solchen Fäl-
len zu geschehen pflegt. Der Chronist von Brescia deutet dies so an : ,,er tat schöneWunder,
doch erzählte man viel mehr als wirklich war".
916. So z. B. Poggio, de avaritia, in den Opera, fol. 2. Er findet, sie hätten es leicht, da
sie in jeder Stadt dasselbe vorbrächten und das Volk dümmer entlassen dürften als es ge-
kommen sei usw.
917. Franco Sacchetti, Nov. 72. Verfehlte Bußprediger sind bei allen Novellisten ein
häufiges Thema.
918. Vgl. die bekannte Posse im Decamerone VI, Nov. 10.
919. Wobei die Sache wieder ganz eigentümliche Farben annahm. Vgl. Malipiero, Ann.
venet., Arch. stör. VII, I, p. 18. — Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 114. — Storia
bresciana, bei Murat. XXI, Col. 8g8.
920. Stör. Bresciana bei Murat. XXI, Col. 865.
921. Allegretto, Diari sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 819.
922. Infessura (bei Eccard, scriptores II, Col. 1874) sagt: canti, brevi, sorti. Ersteres
könnte auf Liederbücher gehen, dergleichen wenigstens Savonarola wirklich verbrannt hat.
Allein Graziani (Chron. di Perugia, Arch. stör. XVI, I, p. 314) sagt bei einem ähnlichen
Anlaß, brieve incante, was ohne Zweifel brevi e incanti zu lesen ist, und eine ähnliche Emen-
dation ist vielleicht auch bei Infessura ratsam, dessen sorti ohnehin irgendeine Sache des
Aberglaubens bezeichnen, etwa ein wahrsagendes Kartenspiel. — Zur Zeit des Bücher-
druckes sammelte man auch z. B. alle Exemplare desMartial für den Scheiterhaufen ein.
Bandello III, Nov. 10.
923. S. dessen merkwürdige Biographie bei Vespasiano Fiorent. p. 2^4, s. — und die
bei Aen. Sylvius, de viris illustr., p. 24.
368 ANMERKUNGEN
924. Allegretto, 1. c, Col. 823 ; ein Prediger hetzt das Volk gegen die Richter (wenn nicht
statt giudici etwa giudei zu lesen ist) worauf dieselben bald in ihren Häusern wären verbrannt
worden.
925. Infessura, 1. c. Im Todestag der Hexe scheint ein Schreibfehler zu liegen. — Wie
derselbe Heilige vor Arezzo ein verrufenes Wäldchen umhauen ließ, erzählt Vasari HI, 148;
V. di Parri Spinelli. Oft mag sich der erste Bußeifer an Lokalen, Symbolen und Werkzeugen
so ziemlich erschöpft haben.
926. Pareva che l'aria si fendesse, heißt es irgendwo.
927. Jac, Volaterran. bei Murat. XXHI, Col. 167. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, daß
er sich mit dieser Fehde abgab, allein wir dürfen nicht daran zweifeln. — Auch Jacopo della
Marca hatte einst (1445) nach ungeheuren Erfolgen kaum Perugia verlassen, als ein schreck-
licher Rachemord in der Familie Ranieri geschah. Vgl. Graziani, I. c. pag. 565, s. — Bei
diesem Anlaß muß darauf hingewiesen werden, daß jene Stadt auffallend oft von solchen
Predigern besucht wird, vgl. pag. 597, 626, 631, 637, 647.
928. Capistrano kleidete nach einer Predigt fünfzig Soldaten ein; Stör, bresciana, 1. c. —
Graziani, I. c. pag. 565, s. — Aen Sylvius (de virtus illustr. p. 25) war in seiner Jugend ein-
mal nach einer Predigt S. Bernardinos nahe daran, in dessen Orden zu treten.
929. Daß es an Reibungen zwischen den berühmten Observantenpredigem und den nei-
dischen Dominikanern nicht fehlte, zeigt der Streit über das vom Kreuz auf die Erde ge-
flossene Blut Christi (1463). Über Fra Jacopo della Marca, der dem dominikanischen In-
quisitor durchaus nicht nachgeben wollte, äußert sich Pius II. in seinem ausführlichen
Bericht (Comment. L.XI.p. 511) mit einer ganz hübschen Ironie : Pauperiem pati et famem
et sitim et corporis cruciatum et mortem pro Christi nomine nonnulli possunt; iacturam
nominis vel minimam ferre recusant, tanquam sua deficiente fama Dei quoque gloria pereat.
930. Ihr Ruf schwankte schon damals zwischen Extremen. Man muß sie von den Ere-
mitanermönchen unterscheiden. ^ — Überhaupt waren die Grenzen in dieser Beziehung nicht
fest gezogen. Die als Wundertäter herumziehenden Spoletiner beriefen sich immer auf San
Antonio und, ihrer Schlangen wegen, auf den Apostel Paulus. Sie brandschatzten schon seit
dem i3.Jahrh. die Bauern mit halbgeistlicher Magie, und ihre Pferde waren dressiert
niederzuknien, wenn man San Antonio nannte. Dem Vorgeben nach sammelten sie für
Hospitäler. Massuccio, Nov. 18, Bandello III, Nov. 17. Firenzuola in seinem asino d'oro
läßt sie die Stelle der Bettelpfaffen des Apulejus vertreten.
931. Prato, Arch. stör. III, p. 357. Burigozzo, ibid, p.431.
932. Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 855, s.
933. Matteo Villani VIII, I, s. Er predigte zuerst gegen die Tyrannis überhaupt, dann,
als ihn das herrschende Haus derBeccaria hatte wollen ermorden lassen, änderte er in einer
Predigt selbst die Verfassung und die Behörden und nötigte die Beccaria zur Flucht (1357).
934. Bisweilen stellte auch das regierende Haus in bedrängten Zeiten Mönche an um
das Volk für Loyalität zu begeistern. Ein Beispiel aus Ferrara bei Sanudo (Murat. XXII. Col.
1218).
935. Prato, Arch. stör. III, p. 251. — Spätere fanatisch antifranzösische Prediger, nach
der Vertreibung der Franzosen erwähnt Burigozzo, ibid., pag. 443, 449, 485 ; ada. 1523. 1526,
1529-
936. Jac. Pitti, Storia fior. L. II. p. 112.
937. Perrens: Jeröme Savonarole, 2 voll., unter den vielen Spezialwerken vielleicht das
methodisch bestgeordnete und nüchternste. ■ — P. Villari, La storia di Girol. Savonarola,
(2 voll. 8. Firenze, Lemonnier).
938. Savonarola wäre vielleicht der einzige gewesen, der den Untertanenstädten die Frei-
heit wiedergeben und dennoch den Zusammenhalt des toskanischen Staates irgendwie ret-
ten konnte. Daran aber kam ihm der Gedanke nicht.
939. Ein merkwürdiger Kontrast zu den Sicnesen, welche 1483 ihre entzweite Stadt
feierlich der Madonna geschenkt hatten. Allegretto, ap. Murat. XXIII, Col. 815.
940. Von den impii astrologie sagt er : non h da disputar (con loro) altrinienti che col fuoco.
ANMERKUNGEN o5n
941. S. die Stelle aus der 14. Predigt über Ezechiel, bei Perrens, I. c, vol. I, pag. 30,
Nota.
942. Mit dem Titel: De rusticorum religione.
943. Franco Sacchetti, Nov. 109, wo noch anderes der Art.
944 Bapt. Mantuan. des sacris diebus, L. II. ruft aus:
Isla superstitio, ducens a Manibus ortum
Tartareis, sancta de religione facessat
Christigenüm ! vivis epulas date, sacra sepultis.
Ein Jahrhundert vorher, als das Exekutionsheer Johanns XXII. gegen die Ghibellinen
in der Mark zog, geschah es unter ausdrücklicher Anklage auf eresia und idolatria ; Recana-
ti, das sich freiwillig ergeben, wurde doch verbrannt, ,,weil daselbst Idole angebetet worden
waren". Giov. Villani, IX, 139. 141. — Unter Pius II. kommt ein hartnäckiger Sonnenan-
beter, Urbinate von Geburt, zum Vorschein. Aen. Sylvii opera p. 289. Hist. rer. ubique
gestar. c. i2. — Das Erstaunlichste geschah unter Leo X. auf dem Forum in Rom: wegen
einer Pest wurde ein Stier feierlich auf heidnische Weise geopfert; Paul. Jovius, Hist. XXI, 8.
945. So Sabellico, de situ venetae urbis. Er nennt zwar die Namen der Kirchenheiligen,
nach Art mehrerer Philologen, ohne sanctus oder divus, führt aber eine Menge Reliquien
an und tut sehr zärtlich damit, rühmt sich auch bei mehreren Stücken, sie geküßt zu haben.
946. De laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Col. 1149 bis 1151.
947. Prato, Arch.stor. III, p. 408. — Er gehört sonst nicht zu den Aufklärern, aber gegen
diesen Kausalnexus protestiert er denn doch.
948. Pü II. Comment. L. VIII, p. 352, s. Verebatur Pontifex, ne in honore tanti apostoli
diminute agere videretur etc.
949. Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 187. Ludwig konnte das Geschenk noch
anbeten, starb aber dennoch. — Die Katakomben waren damals in Vergessenheit geraten,
doch sagt auch Savonarola, 1. c. Col. 1150 von Rom: velut ager Aceldama Sanctorutm ha-
bita est.
950. Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 905. Es war einer der 16 Patri-
zier, Bartol. della Volta, st. 1485.
951. Vasari III, iii, s. et N. Vita di Ghiberti.
952. Matteo Villani III, 15 und 16.
953. Man müßte überdies unterscheiden zwischen dem in Italien blühenden Kultus der
Leichen historisch noch genau bekannter Heiligen aus den letzten Jahrhunderten, und zwi-
schen dem im Norden vorherrschenden Zusammensuchen von Körper- und Gewand-
fragmenten usw. aus der heiligen Urzeit. Letzterer Art, und vorzüglich für Pilger wichtig,
war dann auch der große Vorrat der lateranensischen Reliquien. Allein über den Sarko-
phagen des h. Dominikus und des h. Antonius von Padua und über dem mysteriösen Grabe
des h. Franz schimmert außer der Heiligkeit auch schon der historische Ruhm.
954. Die merkwürdige Aussage, aus seinem späten Werke de sacris diebus (L. I.) bezieht
sich freilich auf weltliche und geistliche Kunst zugleich. Bei den Hebräern, meint er, sei
mit Recht alles Bildwerk verdammt gewesen, weil sie sonst in den rings herrschenden
Götzen- oder Teufelsdienst wieder zurückgefallen wären :
Nunc autem, postquam penitus natura Satanum
Cognita, et antiqua sine maiestate rclicta est,
Nulla ferunt nobis statuae discrimina, nullos
Fert pictura dolos; iam sunt innoxia signa;
Sunt modo virtutum testes monimentaque laudum
Marmora, et aetemae decora immortalia famae . . .
955. So klagt Batista Mantovano (de sacris diebus, L. V.) über gewisse ,,nebulones",
welche an die Echtheit des heil. Blutes zu Mantua nicht glauben wollten. Auch diejenige
Kritik, welche bereits die Schenkung Konstantins bestritt, war sicher den Reliquien un-
günstig, wenn auch im stillen.
956. Vielleicht auch Pius IL, dessen Elegie auf die h. Jungfrau in den opcra, p. 964, ab-
Burckhardt 24
370
ANMERKUNGEN
gedruckt ist und der sich von Jugend auf unter dem besondern Schutz der Maria glaubte.
Jac. Card. Papiens., de morte Pii, p. 656.
957. Also aus der Zeit, da Sixtus IV. sich für die unbefleckte Empfängnis ereiferte.
Extravag. commun. L. III, Tit. XII. Er stiftete auch das Fest der Darstellung Maria im
Tempel, das der heil. Anna und des heil. Joseph. Vgl. Trithem. Ann. Hirsaug. II, p. 518.
958. Höchst belehrend sind hierfür die wenigen und kühlen Madonnensonette der Vit-
toria (N.Ssff.).
959. Bapt. Mantuan. des sacris diebus, L. V., und besonders die Rede der jungem Pico,
welche für das lateranensische Konzil bestimmt war, bei Roscoe, Leone X, ed Bossi, vol.
VIII, p. 115.
960. Monach. Paduani chron. L. III, Anfang. Es heißt von dieser Buße : invasit primitus
Perusinos, Romanos postmodum, deinde fere Italiae populos universos.
961. Giov. Villani VIII, 122. XI, 23.
962. Corio, fol.281.
963. Entferntere Wallfahrten werden schon sehr selten. Diejenigen der Fürsten vom
Hause Este nach Jerusalem, S. Yago und Vienne sind aufgezählt im Diario Ferrarese bei
Murat. XXIV, Col. 182. 187. 190. 279. Die des Rinaldo Albizzi ins heil. Land bei Macchia-
velli, Stör, fior., L. V. Auch hier ist bisweilen die Ruhmlust das Bestimmende; von Lio-
nardo Frescobaldi, der mit einem Gefährten (gegen 1400) nach dem heil. Grabe pilgern
wollte, sagt der Chronist Giov. Cavalcanti (II, p. 478): Stimarono di etemarsi nella mente
degli uomini futuri.
964. Bursellis, Annal. Bon. bei Murat. XXIII, Col. 890.
965. AUegretto, bei Murat. XXIII, Col. 855, s.
966. Burigozzo, Arch. stör. III, p. 486.
967. Man nannte es auch l'arca del testimonio, und war sich bewußt, die Sache sei con-
zado (eingerichtet) con gran misterio.
968. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 317, 322. 323. 326. 386. 401.
969. Per buono rispetto a lui noto e perchfe sempre e buono a star bene con Iddio, sagt
der Annalist.
970. Vermutlich die S. 14 in Perugia erwähnte.
971. Die Quelle nennt ihn einen Messo de' cancellieri del Duca. Die Sache sollte recht
augenscheinlich vom Hofe und nicht von Ordensobern oder sonstigen geistlichen Behör-
den ausgehen.
972. Vgl. das Zitat aus Picos Rede von der Würde des Menschen, S. 203.
973. Abgesehen davon, daß man bei den Arabern selbst bisweilen auf eine ähnliche
Toleranz oder Indifferenz stoßen konnte.
974. So bei Boccaccio. — Sultane ohne Namen bei Massuccio, Nov. 46, 48, 49.
975. Decamerone I, Nov. 3. Er zuerst nennt die christliche Religion mit, während die
100 novelle ant. eine Lücke lassen.
976. Freilich im Munde des Dämons Astarotte, Ges. XXV, Str. 231 ff. Vgl. Str. 141 ff.
977. Ges. XXVIII, Str. 38ff.
978. Ges. XVIII, Str. 112 bis zu Ende.
979. Pulci nimmt ein analoges Thema, obwohl nur flüchtig, wieder auf in der Gestalt
des Fürsten Chiaristante (Ges. XXI, Str. loi, s. 121, s. 145, s. 163, s.) welcher nichts
glaubt und sich und seine Gemahlin göttlich verehren läßt. Man ist versucht, dabei an
Sigismondo Malatcsta (S. 26, 177, 363) zu denken.
980. Gio. Villani III, 29. VI, 46. Der Name kommt auch im Norden sehr früh vor, aber
nur in konventionellem Sinn.
981. Man vgl. die bekannte Beweisführung im dritten Buche des Lukretius.
982. Inferno, VIII, 67 bis 96.
983. Purgatorio XVI, 73. Womit auch die Theorie des Planeteneinflusses im Convito
zu vergleichen. • — Auch der Dämon Astarotte bei Pulci (Morgante XXV, Str. 150) bezeugt
die mcnsch'iche Willensfreiheit und die göttliche Gerechtigkeit.
ANMERKUNGEN ^J l
984. Vespasiano fiorent. p. 26. 320. 435. 626. 651. — JMurat. XX, Col. 532.
985. über Pomponazzo vgl. die Spezialwerke, u.a. Ritter, Gesch. der Philosophie,
Bd. IX.
986. Paul. Jovii Elogia lit.
987. Codri Urcei opera, vom sein Leben von Bart. Bianchini, dann in seinen philologi-
schen Vorlesungen p. 65, 151. 278 usw.
988. Animum meum seu animam, eine Unterscheidung, durch welche damals die Philo-
logie gerne die Theologie in Verlegenheit setzte.
989. Piatina, Vitae pontiff., p. 31 1 : christianam fidem, si miraculis non esset approbata,
honestata sua recipi debuisse.
990. Besonders wenn die Mönche dergleichen auf der Kanzel frisch ersannen, doch auch
das längst Anerkannte blieb nicht ohne Anfechtung. Firenzuola (opere, vol. II, p. 208, in
der 10. Novelle) spottet über die Franziskaner von Novara, welche aus erschlichenem Geld
eine Kapelle an ihre Kirche bauen wollen, dove fusse dipinta quella bella storia, quando
S. Francesco predicava agli uccelli nel deserto ; e quando ei fece la santa zuppa, e che l'agnolo
Gabriello gli portö i zoccoli.
991. Einiges über ihn bei Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 13.
992. Bursellis, Ann. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 915.
993. Wie weit die frevelhaften Reden bisweilen gingen, hat Gieseler, Kirchengeschichte
II, IV, § 154 Anm. mit einigen sprechenden Beispielen dargetan.
994. Jov. Pontanus, de fortuna. Seine Art von Theodicee II, p. 286.
995. Aen. Sylvii opera, p. 611.
996. Poggius, de miseriis humanee conditionis.
997. Caracciola, de varietate fortunae, bei Murat. XXII. Eine der lesenswertesten Schrif-
ten jener sonst so reichen Jahre. Vgl. S. 263. — Die Fortuna bei festhchen Aufzügen, S. 334
u. Anm.
998. Leonis X. Vita anonyma, bei Roscoe, ed Bossi, XII, p. 153.
999. Bursellis, Ann. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 909: monimentum hoc conditum a
Joanne Bentivolo secundo Patriae rectore, cui virtus et fortuna cuncta quae optari possunt
affatim praestiterunt. Es ist indes nicht ganz klar, ob diese Inschrift außen angebracht und
sichtbar, oder wie die zunächst vorher mitgeteilte in einem Grundstein verborgen war. Im
letztem Fall verbände sich wohl damit eine neue Idee : das Glück sollte durch die geheime
Schrift, die vielleicht nur noch der Chronist kannte, magisch an das Gebäude gefesselt
werden.
1000. Quod nimium gentilitatis amatores essemus.
looi. Während doch die bildende Kunst wenigstens z^vischen Engeln und Putten unter-
schied und für alle ernsten Zwecke die ernstem anwandte. — Annal. Estens. bei Murat.
XX, Col. 468 heißt der Amorin oder Putto ganz naiv: instar Cupidinis angelus.
1002. Della Valle, Lettere sanesi, III, 18.
1003. Macrob. Satumal. III, 9. Ohne Zweifel machte er auch die dort vorgeschriebenen
Gesten dazu.
1004. Monachus Paduan. L. IL, bei Urstisius, scriptores I, p. 598. 599. 602. 607. — Auch
der letzte Visconti (S. 30) hatte eine ganze Anzahl solcher Leute bei sich. Vgl. Decembrio
bei Muratori XX, Col. 1017.
1005. So Florenz, wo der genannte Bonatto eine Zeitlang die Stelle versah. Vgl. auch
Matteo Villani XI, 3, wo offenbar ein Stadtastrolog gemeint ist.
1006. Libri, Hist. d. sciences math. II, 52. 193. In Bologna soll diese Professur schon
1125 vorkommen. — Vgl. das Verzeichnis der Professoren von Pavia bei Corio, fol. 290. —
Die Professur an der Sapienza unter Leo X, vgl. Roscoe, Leone X, ed. Bossi, V, p. 283.
1007. Schon um 1260 zwingt Papst Alexander IV. einen Kardinal und verschämten
Astrologen, Bianco, mit politischen Weissagungen herauszurücken. Giov. Villani, VI, 81.
1008. De dictis etc. Alphonsi, opera p. 493. Er fand es sei pulchrius quam utile. Piatina,
Vitae Pont. p. 310. — Für Sixtus IV. vgl. Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 173. 186.
24*
o'72 ANMERKUNGEN
1009. Pier. Valeriano, de infelix. literat. bei Anlaß des Franc. Priuli, der über Leos
Horoskop schrieb und dabei mehrere Geheimnisse des Papstes erriet.
loio. Ranke, Päpste, I, p. 247.
loi I. Vespas. Fiorentino p. 660, vgl. 341. — Ebenda, p. 121 wird ein anderer Pagolo als
Hofmathematiker und Astrolog des Federigo von Montefeltro erwähnt, und zwar merk-
würdigerweise ein Deutscher.
1012. Firmicus Maternus, Matheseos Libri VHI, am Ende des zweiten Buches.
1013. Bei BandelJo HI. Nov. 60 bekennt sich der Astrolog des Alessandro Bentivoglio
in Mailand vor dessen ganzer Gesellschaft als einen armen Teufel.
1014. Einen solchen Anfall von Entschlossenheit hatte Lodovico Moro, als er das Kreuz
mit jener Inschrift machen ließ, welches sich jetzt im Churer Münster befindet. Auch Six-
tus IV. sagte einmal, er wolle probieren, ob der Spruch wahr sei.
1015. Der Vater des Piero Capponi, selber Astrolog, steckte den Sohn in den Handel,
damit er nicht die gefährliche Kopfwunde bekomme, die ihm angedroht war. Vita di P.
Capponi, Arch. stör. IV, II, 15. Das Beispiel aus dem Leben des Cardanus S. 265. — Der
Arzt und Astrolog Pierleoni von Spoleto glaubte, er werde einst ertrinken, mied deshalb alle
Gewässer und schlug glänzende Stellungen in Padua und Venedig aus. Paul. Jov. Elog.
liter.
1016. Beispiele aus dem Leben des Lodovico Moro: Senarega, bei Muratori XXIV,
Col. 518, 524. Benedictus, bei Eccard II, Col. 1623. Und doch hatte sein Vater, der große
Francesco Sforza, die Astrologen verachtet, und sein Großvater Giacomo sich wenigstens
nicht nach ihren Warnungen gerichtet. Corio, fol. 321. 413.
1017. Dasselbe ist öfter gedruckt, mir aber nie zu Gesichte gekommen. — Das hier Mit-
geteilte aus Annal. foroliviens. bei Murat. XXII, Col. 233, s. — Leonbattista Alberti sucht
die Zeremonie der Grundsteinlegung zu vergeistigen. Opere volgari, Tom. IV, p. 314 (oder
de re aedific. L. I).
1018. Bei den Horoskopen der zweiten Gründung von Florenz (Giov. Villani III, i,
unter Karl d. Gr.) unter der ersten von Venedig (oben, S. 49) geht eine vielleicht alte Er-
innerung neben der Dichtung des späteren Mittelalters einher.
1019. Ann. foroliv. 1. c. — Filippo Villani, Vite. — Macchiavelli, Stör. fior. L. I. — Wenn
siegverheißene Konstellationen nahten, stieg Bonatto mit Astrolab und Buch auf den Turm
von San Mercuriale über der Piazza und ließ, sobald der Moment kam, gleich die große
Glocke zum Aufgebot läuten. Doch wird zugestanden, daß er sich bisweilen sehr geirrt und
das Schicksal des Montefeltro und seinen eigenen Tod nicht vorausgekannt habe. Unweit
Cescna töteten ihn Räuber, als er von Paris und italienischen Universitäten, wo er gelehrt
hatte, nach Forli zurück wollte.
1020. Matteo Villani XI, 3.
1021. Jovian. Pontan. de fortitudine, L. I. — Die ersten Sforza als ehrenvolle Ausnah-
men S. 413, Anm.
1022. Paul. Jov. Elog., sub. v. Livianus.
1023. Welcher dies selber erzählt. Benedictus, bei Eccard II, Col. 1617.
1024. So wird wohl die Aussage des Jac. Nardi, Vita d' Ant. Giacomini p. 65 zu verstehen
sein. — An Kleidern und Geräten kommt dergleichen nicht selten vor. Beim Empfang der
Lucrezia Borgia in Ferrara trug das Maultier der Herzogin von Urbino eine schwarzsamtne
Decke mit goldenen astrologischen Zeichen. Arch. stör, append. II, p. 305.
1025. Azario, bei Corio, Fol. 258.
1026. Etwas der Art könnte man selbst bei jenem türkischen Astrologen vermuten, der
nach der Schlacht von Nicopolis dem Sultan Bajazeth I. riet, den Loskauf des Johann von
Burgund zu gestatten: ,,um seinetwillen werde noch viel Cliristenblut vergossen werden".
Es war nicht zu schwer, den weiteren Verlauf des Innern französischen Krieges vorauszu-
ahnen. Magn. chron. belgicum, p. 358. Juv^nal des Ursins ad a. 1396.
1027. Benedictus, bei Eccard II, Col. 1579. Es hieß u. a. 1493 vom König Ferrante: er
werde seine Herrschaft verlieren sine cruore, sed sola fama, wie denn auch geschah.
ANMERKUNGEN 373
1028. Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 12.
1029. Giov. Villani, X, 39. 40. Es wirkten noch andere Dinge mit, u. a. kollegialischer
Neid. — Schon Bonatto hatte Ähnliches gelehrt und z. B. das Wunder der göttlichen Liebe
in S. Franz als Wirkung des Planeten Mars dargestellt. Vgl. Jo Picus adv. Astrol. II, 5.
1030. Es sind die von Miretto zu Anfang des 15. Jahrh. gemalten; laut Scardeonius waren
sie bestimmt ad indicandum nascentium naturas per gradus et numeros, ein populäreres
Beginnen als wir uns jetzt leicht vorstellen. Es war Astrologie ä la port^e de tout le monde.
1031. Er meint (Orationes, fol. 35, in nuptias) von der Sterndeutung: haec cfficit ut
homines parum a Diis distare videantur ! — Ein anderer Enthusiast aus derselben Zeit ist
Jo. Garzonius, de dignitate urbis Bononiae, bei Murat. XXI, Col. 1163.
1032. Petrarca, epp. seniles III, : (p. 765) u. a. a. O. Der genannte Brief ist an Boccaccio
gerichtet, welcher ebenso gedacht haben muß.
1033. Bei France Sacchetti macht Nov. 151 ihre Weisheit lächerlich.
1034. Gio. Villani III, i. X. 39.
1035. Gio. Villani XI, 2. XII, 4
1036. Auchjener Verfasser, der Annales Piacentini (bei Murat. XX, Col. 931), der S. i86.
187, Anm. erwähnte Alberto di Ripalta schließt sich dieser Polemik an. Die Stelle ist aber
anderweitig merkwürdig, weil sie die damaligen Meinungen über die 9 bekannten, und hier
mit Namen genannten Kometen enthält. — Vgl. Gio. Villani, XI, 67.
1037. Paul. Jov. Vita Leonis X. L. III, wo dann bei Leo selbst wenigstens ein Glaube an
Vorbedeutungen usw. zum Vorschein kommt.
1038. Jo. Pici Mirand, adversus astrologos libri XII.
103g. Laut Paul. Jov. Elog. lit., sub tit. Jo. Picus, war seine Wirkung diese, ut subtilium
disciplinarum professores a scribendo deterruisse videatur.
1040. De rebus coelestibus.
1041. In S. Maria del polpolo zu Rom. — Die Engel erinnern an die Theorie Dantes zu
Anfang des Convito.
1042. Dies ist wohl der Fall mit Antonio Galateo, der in einem Brief an Ferdinand den
Katholischen (Mai, spicileg. rom. vol. VIII, p. 226, vom J. 15x0) die Astrologie heftig ver-
leugnet, in einem andern Brief an den Grafen von Potenza jedoch (ibid., p. 539) aus den
Sternen schließt, daß die Türken heuer Rhodus angreifen würden.
1043. Ricordi, 1. c. N. 57.
1044. Eine Masse solchen Wahnes beim letzten Visconti zählt Decembrio (Murat. XX,
Col. 1016, s.) auf.
1445. Varchi, Stör. fior. L. IV. (p. 174). Ahnung und Weissagung spielten damals in
Florenz fast dieselbe Rolle wie einst in dem belagerten Jerusalem. Vgl. ibid. III, 143. 195.
IV, 43. 177.
1046. Matarazzo, Arch. stör. XVI, II, p. 208.
1047. Prato, Arch. stör. III, p. 324, zum J. 1514
1048. Wie die Madonna dell' arbore im Dom von Mailand 1515 tat, vgl. Prato, 1. c,
p. 327. Freilich erzählt derselbe Chronist p. 357, daß man beim Graben der Fundamente
für den Bau der triulzischen Grabkapelle (bei S. Nazaro) einen toten Drachen so dick wie
ein Pferd gefunden habe ; man brachte den Kopf in den Palast Triulzi und gab den Rest
preis.
1049. Er fuit mirabile quod illico pluvia cessavit. Diarium Parmense bei Murat. XXII,
Col. 280. Dieser Autor teilt auch sonst jenen konzentrierten Haß gegen die Wucherer,
wovon das Volk erfüllt ist. Vgl. Col. 371.
1050. Coniurationis Pactianae commentarius, in den Beilagen zu Roscoe, Leben des Lo-
renzo. — Poliziano war sonst wenigstens Gegner der Astrologie.
1051. Poggii facetiae.fol. 174. — Aen. Sylvius: De Europa c. 53. 54. (Opera, p. 451. 455)
erzählt wenigstens wirklich geschehene Prodigien, z. B. Tierschlachten, Wolkenerschei-
nungen usw. und gibt sie schon wesentlich als Kuriositäten, wenn er auch die betreffenden
Schicksale daneben nennt.
nJA ANMERKUNGEN
1052. Poggii facetiae, fol. 160. cf. Pausianus IX, 20.
1053. Varchi III, p. 195. Zwei Verdächtige entschließen sich 1529 zur Flucht aus dem
Staate, weil sie Virg. Aen. III, vs. 44 aufschlugen. Vgl. Rabelais, Pantagruel, III, 10.
1054. Phantasien von Gelehrten, wie z. B. den splendor und den Spiritus des Cardanus
und den Daemon familiaris seines Vaters lassen wir auf sich beruhen. Vgl. Cardanus, de
propria vita, cap. 4. 38. 47. Er selber war Gegner der Magie, cap. 39. Die Prodigien und Ge-
spenster, die ihm begegnet, cap. 37. 41. — Wie weit die Gespensterfurcht des letzten
Visconti ging, vgl. Decembrio, bei Muratori XX, Col. 1016.
1055. Molte fiate i morti guastano le creature. Bandello II, Nov. i.
1056. Bandello III, Nov. 20. Freilich war es nur ein Amant, der den Gemahl seiner Datne,
den Bewohner des Palastes, erschrecken wollte. Er und die Seinigen verkleideten sich in
Teufel; einen, der alle Tierstinimen nachmachen konnte, hatte er sogar von auswärts
kommen lassen.
1057. Graziani, Arch. stör. XVI, I, p. 640, ad a. 1467. Der Verwalter starb vor Schrecken.
1058. Balth. Castilionii carmina. Prosopopeja Lud. Pici.
1059. Gio. Villani XI, 2. Er hatte es vom Abt der Vallombrosaner, dem es der Eremit
eröffnet hatte.
1060. Dies möchte der Fall gewesen sein bei der merkwürdigen Besessenen, welche um
15 13 in Ferrara u. a. a. O. von lombardischen Großen um der Weissagung willen konsul-
tiert wurde; sie hieß Rodogine. Näheres bei Rabelais, Pantagruel IV, 58.
1061. Jovian. Pontan. Antonius.
1062. Graziani, Arch. stör. XVI, I, p. 565, ad a. 1445, bei Anlaß einer Hexe von Nocera,
welche nur die Hälfte bot und verbrannt wurde. Das Gesetz beschlägt solche, die: facciono
le fature o\'\'ero venefitie ovvero encantatione d'immundi spiriti a nuocere.
1063. Lib. I, ep. 46. Opera, p. 531, s. Statt umbra p. 532 ist Umbria, statt lacum locum
zu lesen.
1064. Später nennt er ihn Medicus Ducis Saxoniae, homo tum dives tum potens.
1065. Eine Art von Höllenloch kannte man im 14. Jahrh. unweit Ansedonia in Toskana.
Es war eine Höhle, wo man im Sande Tier- und Menschenspuren sah, welche, auch wenn
man sie verwischte, des folgenden Tages doch wieder sichtbar waren. Uberti, il Ditta-
mondo, L. III, cap. 9.
1066. Pii II. comment. L. I, p. 10.
1067. Benv. Cellini, L. I, cap. 65.
1068. L'Italia liberata da' Goti, canto XXIV. Man kann fragen, ob Trissino selber noch
an die Möglichkeit seiner Schilderung glaubt oder ob es sich bereits um ein Element freier
Romantik handelt. Derselbe Zweifel ist bei seinem vermutlichen Vorbild Lucan (Ges. VI.)
gestattet, wo die thessalische Hexe dem Sextus Pompejus zu Gefallen eine Leiche beschwört.
1069. Septimo Decretal. Lib. V. Tit. XII. Sie beginnt: summis desiderantes affectibus
etc. Beiläufig glaube ich mich zu der Bemerkung veranlaßt, daß hier bei längerer Betrach-
tung jeder Gedanke an einen ursprünglichen objektiven Tatbestand, an Reste heidnischen
Glaubens usw. verschwindet. Wer sich überzeugen will, wie die Phantasie der Bettelmönche
die einzige Quelle dieses ganzen Wahns ist, verfolge in den Memoiren von Jacques du Clerc
den sog. Waldenserprozeß von Arras im J. 1459. Erst durch hundertjähriges Hineinver-
hören brachte man auch die Phantasie des Volkes auf den Punkt, wo sich das ganze scheuß-
liche Wesen von selbst verstand und sich vermeintlich neu erzeugte.
1070. Alexanders VI, Leos X., Hadrians VI., a. a. O.
1071. Sprichwörtlich als Hexenland genannt, z. B. im Orlandino, cap. I, str. 12.
1072. Z. B. Bandello III, Nov. 29. 52. Prato, Arch. stör. III, p. 408. — Bursellis, Ann.
Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 897, erzählt bereits zum J. 1468 die Verurteilung eines Pri-
ors vom Servitcnordcn, welcher ein Geisterbordell hielt; cives Bononienses coire faciebat
cum Daemonibus in specie puellarum. Er brachte den Dämonen förmliche Opfer. — Eine
Parallele hierzu bei Procop. Hist. arcana, c. 12, wo ein wirkliches Bordell von einem Dämon
frequentiert wird, der die andern Gäste auf die Gasse wirft.
ANMERKUNGEN oyr
1073. Die ekelhaften Vorräte der Hexenküche vgl. Macaroneide, Phant. XVI, XXI, wo
das ganze Treiben erzählt wird.
1074. Im Ragionamento del Zoppino. Er meint die Buhlerinnen lernten ihre Weisheit
besonders von gewissen Judenweibern, welche im Besitz von malie seien.
1075. Varchi, Stör. fior. II, p. 153.
1076. Diese Reser\'ation wurde dann ausdrücklich betont. Com. Agrippa, de occulta
philosophia, cap. 39.
1077. Septimo Decretal. 1. c.
1078. Zodiacus vitae, XII, 363 bis 539. cf. X, 393, s.
1079. Ibid. IX, 291, s.
1080. Ibid. X, 770, s.
1081. Das mythische Vorbild der Zauberer bei den damaligen Dichtern ist bekanntlich
Malagigi. Bei Anlaß dieser Figur läßt sich Pulci (Morgante, canto XXIV, Str. 106, s.) auch
theoretisch aus über die Grenzen der Macht der Dämonen und der Beschwörung. Wenn
man nur wüßte wie weit es ihm Ernst ist (vgl. Canto XXI).
1082. Polydorus Virgilius war zwar Italiener von Geburt, allein sein Werk de prodigiis
konstatiert wesentlich nur den Aberglauben von England, wo er sein Leben zubrachte.
Bei Anlaß der Präscienz der Dämonen macht er jedoch eine kuriose Anwendung auf die
Verwüstung von Rom 1527.
1083. Doch ist wenigstens der Mord nur höchst selten (S. 260) Zweck und vielleicht gar
nie Mittel. Ein Scheusal wie Gilles de Retz (um 1440), der den Dämonen über 100 Kinder
opferte, hat in Italien kaum eine ferne Analogie.
1084. Vgl. die wichtige Abhandlung von Roth ,,über den Zauberer Virgilius", in Pfeif-
fers Germania, IV. — Das Aufkommen Virgils an der Stelle des altem Telesten mag sich
am ehesten dadurch erklären, daß etwa die häufigen Besuche an seinem Grabe schon wäh-
rend der Kaiserzeit dem Volk zu denken gaben.
1085. Uberti: Dittamondo L. III, cap. 4.
1086. Das Folgende s. bei Giov. Villani I. 42. 60. II, i. III, i. V, 38. XI, i. Er selber
glaubt an solche gottlosen Sachen nicht. — Vgl. Dante, Inferno XIII, 146.
1087. Den Ortsglauben hierüber geben Annal. Foroliviens. ap. Muratori XXII. Col. 207.
238; mit Erweiterungen ist die Sache erzählt bei Fil. Villani, Vite, p. 43.
1088. Piatina, Vitae Pontiff. p. 320: veteres potius hac in re quam Petrum, Analectum
et Linum imitatus.
1089. Die man z. B. bei Sugerius, de consecratione ecclesiae (Duchesne, scriptores IV,
P- 355) und Chron. Petershusanum I, 13 und 16 recht wohl ahnt.
1090. Vgl. auch die Calandra des Biebiena.
1091. Bandello III, Nov. 52.
1092. Ebenda III, Nov. 29. Der Beschwörer läßt sich das Geheimhalten mit hohen
Eiden versprechen, hier z. B. mit einem Schwur auf dem Hochaltar von S. Petronio in
Bologna, als gerade sonst niemand in der Kirche war. — Einen ziemlichen Vorrat von Zau-
berwesen findet man auch Macaroneide, Phant. XVIII.
1093. Benv. Vellini I, cap. 64.
1094. Vasari VIII, 143, Vita di Andrea da Fiesole. Es war Silvio Cosini, der auch sonst
,,den Zaubersprüchen und ähnlichen Narrheiten" nachging.
1095. Uberti, il Dittamondo, III, cap. i. Er besucht in der Mark Ancona auch Scariotto,
den vermeintl. Geburtsort des Judas und bemerkt dabei: ,,an dieser Stelle darf ich auch
nicht den Pilatusberg übergehen, mit seinem See, wo den Sommer über regelmäßige Wa-
chen abwechseln; denn wer Magie versteht, kommt hier heraufgestiegen, um sein Buch zu
weihen, worauf großer Sturm sich erhebt, wie die Leute des Ortes sagen". Das Weihen
der Bücher ist, wie schon S. 307 erwähnt wurde, eine besondere, von der eigentlichen Be-
schwörung verschiedene Zeremonie.
1096. De obsidione Tiphematium 1474 (Rerum ital. scriptt. ex florent. codicibus,
Tom. II).
qyÖ ANMERKUNGEN
1097. Diesen unter den Soldaten stark verbreiteten Aberglauben (um 1520) verspottet
LimL-rno Pitocco, im Orlandino, cap. V, Str. 60.
1098. Paul. Jov. Elog. lit. sub voce Codes.
1099. Aus Giovio spricht hier vernehmlich der begeisterte Porträtsammler.
iioo. Und zwar aus den Sternen, denn Gauricus kannte die Physiognomik nicht; für
sein eigenes Schicksal aber war er auf die Weissagung des Code angewiesen, da sein Vater
versäumt hatte, sein Horoskop zu notieren.
iioi. Paul. Jov. I.e., s. V. Tibertus.
11 02. Das Notwendigste über diese Nebengattungen der Mantik gibt Corn. Agrippa,
de occulta philosophia, cap. 57. 52.
1103. Libri Hist. des sciences math^m. II, p. 122.
1104. Novi nihil narro, mos est publicus. (Remed. utriusque fortunae, p. 93, eine der
sehr lebendig und ab irato geschriebenen Partien dieses Buches.)
1105. Hauptstelle bei Trithem. Ann. Hirsaug. II, p. 286, s.
iic6. Neque enin desunt, heißt es bei Paul. Jov. Elog. lit., s. v. Pompon. Gauricus.
Vgl. Ibid., s. V. Aurel. Augurellus. — Macaroneide, Phant. XII.
1107. Ariosto, Sonetto 34 . . . non creder sopra il tetto. Der Dichter sagt es mit Bosheit
von einem Beamten aus, der in einer Sache von Mein und Dein gegen ihn entschieden hatte.
1 108. Narrazione del caso del Boscoli, Arch. stör. I, p. 273, s. — Der stehende Ausdruck
war non aver fede, vgl. Vasari, VII, p. 122, Vita di Piero di Cosimo.
1109. Jovian. Pontan. Charon.
11 10. Faustini Terdocei triumphus stultitiae, L. II.
IUI. So Borbone Morosini um 1460, vgl. Sansovino, Venezia, L. XIII, p. 243.
11 12. Vespas. Fiorentin. p. 260.
1113. Orationes Philelphi, fol. 8.
11 14. Septimo Decretal. Lib. V. Tit. III, cap. 8.
1115. Ariosto, Orlando, canto VII. Str. 61. — Ins Lächerliche gezogen: Orlandino,
cap. IV, Str. 67. 68. (Vgl. S. 259.) — Cariteo, ein Mitglied der neapolitanischen Akademie
des Pontanus, benützt die Präe.xistenz der Seelen, um die Sendung des Hauses Aragon da-
mit zu verherrlichen. Roscoe, Leone X. ed. Bossi, II, p. 288.
11 16. Orelli ad Cic. de republ. L. VI. — Vgl. auch Lucan. Pharsal. IX, Anfang.
1117. Petrarca, epp. fam. IV, 3 (p. 629). IV, 6 (p. 632).
1118. Fil. Villani, Vite p. 15 : Diese merkwürdige Stelle, wo Werkdienst und Heiden-
tum zusammentreffen, lautet: che agli uomini fortissimi, poiche hanno vinto le mostruose
fatiche della terra, debitamente sieno date le stelle.
11 19. Inferno, IV, 24, s. — Vgl. Purgatorio VII, 28. XXII, 100.
1120. Dieser Heidenhimmel findet sich deutlich auch in der Grabschrift des Tonbild-
ners Nicolo deH'Arca:
Nunc te Praxiteles, Phidias, Polycletus adorant
Miranturque tuas, o Nicolae, manus.
(Bei Bursellis, ann. Bonon., Murat. XXIII, Col. 912).
1121. In seiner späten Schrift Actius.
1122. Cardanus, de propria vita, cap. 13: non poenitere ullius rei quam voluntarie effe-
cerim, etiam quae male cessisset ; ohne dieses wäre ich der unglücklichste Mensch gewesen.
1123. Discorsi, L. II, cap. 2.
11 24. Del govemo della famiglia, p. 114.
1125. Als Beispiel die kurze Ode des M. Antonio Flaminio aus den Coryciana (vgl.
210):
Dii quibus tani Corycius venusta
Signa, tam dives posuit sacellum,
Ulla si vestros animos piorum
Gratia tangit.
ANMERKUNGEN 377
Vos iocos risusque senis faceti
Sospites servate diu ; senectam
Vos date et semper viridem et Falemo
Usque madentem.
At siinul longo satiatus aevo
Liquerit terras, dapibus Deorum
Laetus intcrsit, potiore mutans
Nectare Bachum.
1126. Firenzuola, opere, vol. IV, p. 147, s.
1127. Nie. Valori, Vita di Lorenzo, passim. — Die schöne Instruktion an seinen Sohn,
Kardinal Giovanni, bei Fabroni, Laurentius, Adnot. 178 und in den Beilagen zu Roscoe,
Leben des Lorenzo.
1128. Jo. Pici vita, auct. Jo. Franc. Pico. — Seine Deprecatio ad Deum, in den Deliciae
poetar. italor.
1129. Es sind die Gesänge: Orazione (,, Magno Dio, per la cui costante legge etc.", bei
Roscoe, Leone X, cd Bossi, VIII, p. 120); — der Hymnus (,,Oda il sacro inno tutta la
natura etc.", bei Fabroni, Laurentius, Adnot. 9); — L'altercazione (Poesie di Lorenzo
magn. I, p. 265; in letzterer Sammlung sind auch die übrigen hier genannten Gedichte
mit abgedruckt).
11 30. Wenn es dem Pulci in seinem Morgante irgendwo mit religiösen Dingen Ernst
ist, so wird dies von Ges. XVI, Str. 6 gelten: diese deistische Rede der schönen Heidin
Antea ist vielleicht der greifbarste Ausdruck cer Denkweise, welche unter Lorenzos Ge-
nossen geltend wer; die oben (Anm. Nr. 979, 983) zitierten Reden des Dämons Astarotte
bilden dann gewissermaßen die Ergänzung dazu.
GENAUERE TITELANGABEN EINIGER HÄUFIGER
ZITIERTEN WERKE
Archivio storico italiano, nebst Appendice. Firenze, Viesseux.
Muratori: Scriptores rerum Italicarum.
Fabroni : Magni Cosmi Medice! vita.
Desselben : Laurentii Med. magnifici vita.
Roscoe : Leben des Lorenzo Medici.
Poesie del magnifico Lorenzo de' Medici, Londra 1801.
Roscoe: Vita e pontificato di Leone X, trad. da Luigi Bossi, Milano i8i6, s., 12 voll, in 8.,
mit vielen Beilagen, die dem englischen Original fehlen.
Petrarca: Gesamtausgabe seiner lateinischen opera, Basileas 1581, fol.
Poggii Opera, Straßburger Ausgabe von 15 13, fol.
Philelphi orationes, ed. Venet. 1492, fol.
M.Anton, Sabellici opera, ed. Venet. 1502, fol.
Pii IL P. M. commentarii, ed. Romana 1584.
Aeneae Silvii opera, ed. Basil. 155 1, fol.
Piatina: De vitis pontificum romanor., Colonias Agrippinoe 1626.
Anecdota literaria e mss. codd. eruta, herausg. von Amaduzzi und Bianconi, Rom 1773 bis
1783, vier Bände in 8.
Corio: Historia di Milano, ed. Venet. 1554.
Macchiavelli: Opere minori, Firenze, Lemonnier, 1852.
Varchi : Storia florentina, Milano 1803, 5 voll, in 8.
Tommaso Gar : Relazioni della corte di Roma (der dritte Band der zweiten Serie der Rela-
zioni degli ambasciatori veneti, raccolte da Eug. Alberi, Firenze).
Boccaccio: Opere volgari, Firenze 1829, s., presso Ign. Moutier, 17 voll, in 8.
Filippo Villani: Le vite d'uomini illustri fiorentini, Firenze 1826.
Agnolo Pandolfini: Trattato del governo della famiglia, Torino, Pomba, 1829.
Trucchi, Poesie italiane inedite, Prato 1S46, 4 voll, in 8.
Raccolta di Poesie satiriche, Milano 1808. i vol.
Firenzuola: Opere, Milano 1802. in 8.
Castiglione: II cortigiano, Venezia, 1549.
Vespasiano fiorentino, außer der hier benützten Ausgabe von Mai, im X. Bande des Spici-
legium romanum ist eine neuere von Bartoli, Firenze 1859, zu erwähnen.
Vasari : Le vite de' piü eccellenti pittori, scultori e architetti, Firenze, Lemormier, seit 1846,
dreizehn Bände.
NACHWORT VON WILHELM WAETZOLDT
NACHWORT
Wer in den elysäischcn Gefilden nach Jacob Burckhardt Um-
schau haken dürfte, würde ihm schwerlich unter den Scharen dispu-
tierender Gelehrter, gewiß nicht im Kreise seiner kunsthistorischen
Fachgenossen begegnen, vielleicht ihn aber in der Gegend antreffen,
wo Gottfried Keller und Arnold Böcklin beim Weine sitzen. Dem
Dichter und dem Maler zugesellt, genießt er dort das wunderbare
Schauspiel, „dem Geist der Menschheit erkennend nachzugehen". In
der Sehnsucht nach dieser Erkenntnis klingen Burckhardts weltgeschicht-
liche Betrachtungen ergreifend aus. Solch edle Sehnsucht, die des
Glücks und Unglücks völlig vergessen läßt, gibt Burckhardts Wesen
das gedämpfte Leuchten und auch die heitere Resignation.
Jacob Burckhardt war ein Kind der Vita contemplativa, ein Be-
trachter der Dinge, aber welch ein Betrachter! Um frei betrachten
zu können, hielt er sich — nicht ohne Egoismus — alles vom Leibe,
was ihn in die Händel dieser Welt hätte verwickeln können, verzich-
tete er freiwilhg auf vieles, was anderen Glück bedeutet. Wie persön-
lich empfunden ist doch das Lob des Eremitenwesens und der selbst-
gewählten Einsamkeit im 9. Abschnitt seiner ,,Zeit Konstantins".
Einem Dichter — dem jungen Paul Heyse — rief Burckhardt 1848
die Verse zu:
Du entsage! Gib dein Sinnen
Ganz dem Schönen; bettelarm —
Doch im Herzen göttlich warm —
Zieh getrosten Muts von hinnen.
In Burckhardts äußerem Dasein verband sich eine höhere asketi-
sche Haltung des Lebens anmutig mit bemessener Hingebung an ein
feines Epikuräertum. Vor der Gefahr, in der Einsamkeit seines Baseler
Gehäuses, aus dem er sich auch nicht nach Berlin auf Rankes Lehr-
stuhl hatte locken lassen, zum Sonderling und Eigenbrötler des Gei-
stes zu werden, schützte Burckhardt die Universahtät seiner Anlagen.
382 NACHWORT
Er gehörte zu den von ihm so gehebten allseitigen, hellenischen Men-
schen. Burckhardts Universalität ist nicht so sehr die des Wissens,
die den Polyhistor ausmacht, als vielmehr eine Universalität der Liebe,
das Kennzeichen des Dilettanten in dem Sinne, wie Goethe und Burck-
hardt das Wort faßten. Ein Blick in das Verzeichnis der etwa 170
in den Jahren 1844 — 1892 gehaltenen Vorträge Burckhardts genügt,
um einen Begriff zu geben von der Weite seines geistigen Horizonts,
der Mannigfaltigkeit und Ursprünglichkeit seiner Fragestellungen. Von
Pythagoras bis Napoleon I., von griechischer Kochkunst bis zu den
Briefen der Frau von Sevigne, von Demetrius, dem Städtegründer,
bis zu Rembrandt schweifen diese ,, Anregungen zur geschichtlichen
Betrachtung der Welt". Aber auch Universalität des wissenschaft-
lichen Interesses würde Burckhardts Werk nicht lebendig erhalten,
wenn er nicht noch eine dritte Grundkraft besäße: Ursprüngiichkeit.
„Originalität muß man haben, nicht danach streben", sagt Burck-
hardt einmal selbst, als er von der geistigen Pest der Originalitäts-
sucht spricht. Was Burckhardt gab, war nicht originell, es war original!
Aus der Selbständigkeit seines Wesens fließt die eigene Art, die Dinge
morgenfrisch zu sehen. Der Schleier fremder und alter Meinungen,
durch den wir Durchschnittsmenschen die Welt erblicken, zerriß vor
dem Anhauch seiner Ursprünglichkeit. Burckhardt hat — hierin nur
Winckelmann vergleichbar — das kunstgeschichthche Meinen von Ge-
nerationen bestimmen können, weil die „unbegreifhch hohen Werke"
sich seinem Auge herrlich wie am ersten Tag zeigten.
Auf den drei Grundpfeilern: Freiheit, Allseitigkeit und Ursprüng-
lichkeit ruht Burckhardts Persönlichkeit. Sein Freiheitsgefühl und Frei-
heitsbedürfnis wurzelt im Boden seiner Herkunft. Träger eines der
ältesten patrizischen Namen Basels, Sproß aus drei Generationen
evangelischer Pfarrherren, hat sich Burckhardt in der Atmosphäre
eines jahrhundertealten, vornehmen Humanismus, in der edlen Ab-
seitigkeit einer der letzten Stadtrepubliken wohl gefühlt. In diesem
republikanischen Gemeinwesen, in dem der Geist stets eine lebendige
Rolle gespielt hat, erwuchs Burckhardts Verständnis für die Muni-
zipalgesinnung der Griechen und Italiener. Burckhardt wußte sich
frei von Patrizierhochmut, aber seine Natur war durch und durch
aristokratisch. Sein Individualismus verachtete das öde Anbeten der
Majoritäten in den alten und modernen Demokratien. ,,Die Minorität,
ob sie siegt oder stirbt, sie macht allezeit die Weltgeschichte", sagte
er in einer Vorlesung über Demosthcnes. Sein Haß gegen Volksbewe-
gungen, der auf die Baseler Wirren der dreißiger Jahre des vorigen
Jahrhunderts zurückging, tränkte Burckhardts Stimmung in den Jahren
NACHWORT 383
gescilichtlicher Krisen mit Bitterkeit. So sclirieb er 1846 an Gottfried
Kinkel: „Eine Familie will ich dieser infamen Zeit nicht in die Krallen
liefern; es soll kein Proletarier meine Kinder Mores lehren wollen."
Aus der Abneigung gegen alles nur auf Macht, Zahl und Masse sich
Gründende erklärt sich auch Burckhardts Kälte gegenüber dem Staat,
der ein wirkliches und ungeheucheltes Interesse nur an den Armeen
und den Steuern habe, nicht aber an den Dingen des Geistes. Hier
rühren wir an die delikate Frage nach Burckhardts Nationalgefülil.
Weil er im geistigen Gebiet nach dem Höchsten griff, gab es für ihn
als betrachtenden und erkennenden Kopf keine Grenze. ,,Im Reich
des Gedankens gehen alle Schlagbäume billig in die Höhe." — Diesen
geheiligten Bezirk des Geistes sah Burckhardt bedroht von Macht-
gier und Geldgier. Ihn schützte ein ererbter, bescheidener Wohlstand
vor der Notwendigkeit, um der Honorare willen schreiben zu müssen,
und Stolz und Freiheitsbedürfnis davor, lockenden Verlegerangeboten
zu erliegen. Der Haß des Geistesmenschen gegen das merkantile Un-
wesen und der Haß des Aristokraten gegen die Masse gaben Burck-
hardt die prophetische Vision: „Einmal werden der entsetzliche Kapi-
talismus und das begehrliche Treiben von unten wie zwei Schnell-
züge auf demselben Gleise gegeneinanderprallen."
Frei von Erwerbssinn war Burckhardt, frei auch von jenem Ruhm-
sinn, den er als ein bewegendes Motiv der Renaissancenaturen scharf-
sichtig erkannte. Er hatte sein Leben unter das Motto gestellt: „Bene
vixit — qui bene latuit." Den Ruhm lehnte er in jeder Gestalt ab:
als Interesse der Öffentlichkeit an seiner Person, als Huldigung der
Fachgenossen wie als Schmeichelei eines einzelnen. Von Burckhardts
Kunst, sich zu verbergen, wissen die, die ihn besucht haben. Ergötz-
liches zu erzählen. Es war nicht Bescheidenheit in kümmerlich-bürger-
lichem Sinne, die Burckhardt Menschen und Dingen gegenüber Distanz
halten ließ, sondern das instinktive Gefühl, daß Nähe Fesselung, Be-
schränkung äußerer und innerer Freiheit bedeuten kann. Auch sich
selbst gegenüber wahrte Burckhardt Abstand, er kehrte zu seinen
Werken nicht zurück, weil sie hinter ihm lagen. Eine gewisse Scheu
hielt ihn von der Vertiefung in alles Biographische ab, einzig dem
aristokratischsten der Maler, seinem Liebling Rubens, widmete er ,, Er-
innerungen".
Der Weg des jungen Burckhardt führt vom romantischen zum klas-
sischen Ideal, vom Traum, zum Dichter berufen zu sein, zur Erkennt-
nis des Berufs als Historiker. Durch Burckhardts Jugendgeschichte
rauscht der romantische Rhein, Türme mittelalterlicher Kathedralen
ragen auf, Poesie überglänzt sie.
oQa NACHWORT
„Du an des Rheines Frühlingsstrand,
Du weißt nicht, wie du glücklich bist!"
ruft er Willibald Beyschlag zu. Und in vollen Tönen, die nicht ver-
kennen lassen, daß Burckhardts junge Muse eine Schwester der Gei-
belschen ist, klingt sein Huldigungslicd an Deutschland aus.
„In deines Rheines Prachtgelände,
Da zogst du eng ans Herze mich;
Zum Himmel hob ich meine Hände
Und schwor zu leben nur für dich.
Dort möcht' ich vor dein Antlitz treten.
Zu blauen Bergen hingewandt.
Und mit des Dankes Tränen beten
Zu dir, mein deutsches Vaterland."
Der Rhein, dem Burckhardts Liebe und Sehnsucht galten, ist nicht
der junge alemannische Rhein, an dessen Ufern des Baselers Wiege
gestanden hatte, sondern der deutsche ,, Vater" Rhein, in dessen Wellen
sich die Türme Bonns spiegeln, wo Burckhardt im Kreise Gottfried
Kinkels seine romantische Sommerzeit erlebte, deren er sich als reifer
Mann nicht ohne leises Unbehagen erinnerte. Für die Lebendigkeit
solcher schwärmerischen Rheinstimmungen in Schweizer Herzen zeugt
noch die erste Fassung von Gottfried Kellers ,, Grünem Heinrich",
wo der junge Lee sich ,, nicht ohne Herzklopfen" dem abendlichen
Rheine näherte. ,, Hinter diesen stillen schwarzen Uferhöhen lagen
alle die deutschen Gaue mit ihren schönen Namen, wo die vielen
Dichter geboren sind, von denen jeder seinen eigenen mächtigen Ge-
sang hat, der sonst keinem gleicht, und die in ihrer Gesamtheit den
Reichtum und die Tiefe einer Welt, nicht eines einzelnen Volkes aus-
zusprechen scheinen."
Die romantische Gestimmthcit imd in ihr die Neigung zum Mittel-
alter brachte Burckhardt von der Spree an den Rhein mit. Die Berliner
Studienjahre in der Atmosphäre Kuglers, Schnaases, Hothos hatten
seine Augen gelehrt, in Werken des Mittelalters Kunst zu sehen. Un-
vergeßlich blieb ihm der Anblick der Münster in Freiburg i. Br. und
in Straßburg, die er bis in sein Alter vcrclirtc. Noch in den ,, Welt-
geschichtlichen Betrachtungen" läßt er Erwin von Steinbach als Bei-
spiel für historische Größe neben Michelangelo treten. Kirchen des
romanischen und gotischen Stils sind Burckhardts erste Arbeiten ge-
widmet. 1837/38 in der Zeitschrift für das gesamte Bauwesen gibt
er Bemerkungen über schweizerische Katliedralen (Genf, Lausanne,
NACHWORT oßi;
Basel, Zürich). In der Zeit der Kölner Dombaubewegung (1842 fand
die Grundsteinlegung zum Südportal statt) entstehen die dem an-
geblichen Gründer des Kölner Domes gewidmete Arbeit über den
Erzbischof Konrad von Hochstaden (1843) und der Aufsatz über die
vorgotischen Kirchen vom Niederrhein (Zeitschrift Verona). Wie der
Eindruck des Kölner Domes Burckhardts Vorstellungen von Gotik
nicht bloß, sondern von großer Baukunst überhaupt beherrschte, das
spiegelt die Bemerkung wider, die in den „Kunstwerken der belgischen
Städte" (1842) gelegentlich der Analyse des Doms zu Antwerpen
fallt: das mächtigste, unübertreffliche Beispiel für die Gotik lieferte
der Kölner Dom, „den wir schon deshalb als das erste Gebäude der
Welt zu betrachten haben". Auch der Kulturhistoriker Burckhardt
wagte die ersten, noch zagen Schritte auf dem Boden der mittelalter-
lichen Geschichte Kölns. Die Schilderung des Lebens in Köln zur Zeit
Konrad von Hochstadens ist durchwärmt von Burckhardts alter Liebe
für die Stadt und ihre Kirchen und durchsetzt von stillebenhaften
kleinen Zügen, die schon den großen Meister der Anschaulichkeit
ankündigen. Lange hat sich Burckhardt init dem Riesenplan getragen,
eine Geschichte des Mittelalters in Monographien zu schreiben. Sie
sollte mit Konstantin dem Großen anheben und mit der ,, Kultur
der Renaissance in Italien" als Schlußbild enden. Der Verlust seines
Baseler Schullehramtes 1852, der Burckhardt mit Gewalt auf die
Kunstgeschichte hinwies, die er in Zürich zu lesen hatte, machte dieses
Projekt zunichte; wenn anders überhaupt die Mittelbände von einem
Manne noch hätten geschrieben werden können, in dessen Seele das
klassische Ideal schon das romantische verdrängt hatte und Mittel-
alter vor Antike und wiedergeborener Antike in den Hintergrund ge-
treten war.
Einen homogenen Geist hat Gottfried Keller in bezug auf die Schil-
derung der Renaissance Burckhardt einmal genannt. Dieser Homo-
genität wurde sich Burckhardt aber erst als Mann zwischen dreißig
und vierzig klar bewußt. Der Tropfen romanischen Blutes, der von
dem mütterlichen Ahnherrn Celio Secondo Curione, einem geborenen
Lombarden, her in seinen Adern rollte, machte sich in der Entdeckung
Italiens als zweiter geistiger Heimat Burckhardts verhältnismäßig spät
geltend, nachdem die Sonne des Südens endgültig die ,,mondbeglänz-
ten Zaubernächte" verdrängt hatte. Burckhardt kannte Italien bereits
von mehrfachen Reisen. Er hatte 1850 im deutschen Kunstblatt „Kunst-
bemerkungen auf einem Ausflug in den Kanton Tessin und nach Mai-
land" als erste, italienischer Kunst gewidmete Studie veröffentlicht.
Aber die eigentliche Krise und innere Entscheidung brachte doch
Burckhardt 25
q36 NACHWORT
erst die italienische Reise 1853/54, auf der das Material für den „Ci-
cerone" gesammelt, der Weg zur Klarheit, wie Goethe sagte, gefunden
wurde. Der Gegensatz zu den Schriften des jungen, deutschland-
begeisterten Romantikers zeigt sich besonders deutlich in der Be-
urteilung, die jetzt die Gotik erfährt. Sie wird als die Macht gekenn-
zeichnet, die zeitweilig die italienische Kunst aus ihrer Bahn gedrängt
hat. Was Italien, das den Göttern heilige, für Burckhardt gewesen
ist, hat er wiederholt ausgesprochen. Es war ihm das tröstende und
heilende Land.
Hervor mein Stab und Wanderhut,
Es wird noch alles, alles gut. —
O nimm, du heißgeliebter Süden,
Den Fremdling auf, den wandermüden.
Burckhardt sah Italien gewiß wahrer als etwa die Romantiker, die
ihr nordisches Empfinden in die Auffassung von Italien hineingetragen
hatten, aber für ihn lag doch ein ähnlicher poetischer Glanz über
Arno- und Tiberufern wie über den Hügeln des Rheins. Mit Goethe,
Nietzsche und C. F. Meyer teilte er die Liebe für Claude Lorrain,
dessen Bildwelt, wehmütig, vollkommen und golden wie der Herbst,
ihm das vollendete sichtbare Gleichnis für seinen Süden schien. Ihm
gelten die vielleicht schönsten Verse Burckhardts:
Geweihter Geist, den die Natur erkoren,
Als Hohepriester ihr mit reinen Händen
Des Abendopfers Weihrauchduft zu spenden,
Wenn schon die Sonne naht des Westens Toren. —
Vielleicht hast du im Leben viel verloren.
Bis du, entrinnend vor des Schicksals Bränden,
Dein Bündnis schlössest an des Waldes Enden
Mit den Dryaden und den süßen Hören.
Drum will ein tiefes Sehnen uns beschleichen
Nach Glück und Ruh, wann du den Blick geleitest
Vorbei den hohen, immergrünen Eichen.
Zu schattigen Hainen dann die Landschaft weitest.
Paläst' und Tempel bau'st, und jenen weichen
Nachmittagsduft auf ferne Meere breitest.
Italien schuf Burckhardt zu dem großen Geschichtsschreiber. Ohne
eine Schule zu haben und weit entfernt davon, als Haupt einer solchen
NACHWORT 087
sich fühlen zu wollen, hat er doch eine Macht über die Geister gehabt
wie kaum ein anderer. Er hat seiner Generation die Vorstellung von
Kunst und Kultur der italienischen Renaissance eingepflanzt, die sich
ihm um das Jahr 1860 aus Intuition und Forschung, Kunstgefühl
und Lebensbetrachtung geformt hatte. Sein eigenstes Forschungserleb-
nis ist allgemach ein Stück allgemeiner Bildung geworden. Solche
Zaubergewalt pflegt nur von Büchern auszugehen, die Wissenschaft
und Kunstwerk zugleich sind, bei denen ein Poet dem Historiker
über die Schulter geblickt und ihm ins Ohr geflüstert hat wie der
Engel dem Evangelisten Matthäus.
In ungewöhnlicher Hellsichtigkeit hat der vierundzwanzigjährige
Burckhardt über sich geurteilt: „mein ganzes Geschichtsstudium ist
so gut wie meine Landschaftskleckserei und meine Beschäftigung mit
Kunst aus einem enormen Durst nach Anschauung hervorgegangen."
Es ist ihm aber gar nicht so leicht gefallen, die Grenze seiner künst-
lerischen Kräfte zu erkennen, eingeborene malerische und dichterische
Begabung von selbständigen Versuchen, die Schwingen zu regen, zu-
rückzurufen und in den Dienst gegenständlichen Denkens, anschau-
licher Darstellung, wahrhaft dichterischer Geschichtsvisionen zu stellen.
Vom Beruf des poetischen und malerischen Dilettanten blieb dem
Meister der Geschichtsschreibung das durchaus Visuelle seiner Ge-
staltung, der intuitive Charakter seiner Methode. Burckhardt hat auch
nie daran gezweifelt, daß für die Erkenntnis der Menschheit die Poesie
wertvoller sei als die Geschichtsforschung. ,,Es gibt nichts Hinfalligeres
als das Leben historischer und kunsthistorischer Bücher." Er vertrat
die ketzerische Ansicht, es komme in ihrem Bereich auf die künstle-
rische Seite der Behandlung mehr an als auf die wissenschafthche im
engeren Sinne. Wie Gottfried Keller der Dichter der Anschaulichkeit
geworden ist, weil Sehbegabung und gescheitertes Malertum für sei-
nen malerischen Stil bestimmend wurden, gaben Burckhardts künst-
lerische Anlagen — zu schwach, sein Leben ganz zu tragen — doch
seinen wissenschaftlichen Arbeiten Farbe, Glanz und Sonderart.
Das edelste Geschenk, das die Musen diesem universalen Manne
in die Wiege gelegt hatten, war die dichterische Anlage. Sie regte sich
als Einfühlungsfahigkeit in fremde Menschen, Zeiten, Anschauungen,
als Schmiegsamkeit der Phantasie, als Gabe intuitiven Vcrstehens der
charakteristischen Situationen, als bildhafte Vision und als Kunst der
Sprachbeherrschung. Hier — in der Sphäre des Dichterischen —
liegt das Schwergewicht der geistigen Individualität Burckhardts. Wie-
der ist es die Luft der Rhcinlande, die den poetischen Funken im jun-
gen Burckhardt mächtig anfacht. Zwischen 1842 und 1847, teilweise
q88 NACHWORT
im Wettbewerb mit Simrock, Geibel, Nikolaus Becker, Wolfgang Müller
von Königswinter und Gottfried Kinkel, entstehen Lieder, Opern-
texte, Novellen, Tragödien, Erzählungen. Es ist die Zeit, in der Kinkel
mit seinem ,,Otto der Schütz" nicht nur den Beifall seines Bonner
,, Maikäferbundes", sondern des großen deutschen Publikums fand.
Aus dem vieltönigen Gewirr lyrischer Stimmen, das damals rheinauf,
rheinab erklang, hört ein feines Ohr Burckhardts bescheidene, aber
eigene Melodie heraus. In gesegneten Stunden gelangen ihm Strophen
von milder Süße oder herber Reife, hinter denen nicht Geibel und
Kinkel, sondern die großen Sterne Kellers und Mörikes aufzuleuchten
scheinen. Die vorwiegend subjektive Bedeutung seiner Dichtung als
Befreierin von Gefühls- und Phantasieüberfülle, als Trösterin in der
Zeit des Suchens nach dem eigenen Beruf hat Burckhardt früh erkannt.
Selbstkritik bewahrte ihn gütig vor Enttäuschungen. ,,Ich weiß sehr
wohl", schreibt er an Gottfried Kinkel 1843, „daß ich mit meiner
Landschafts-Miniaturmalerei und Kleinlyrik nur einen gewissen Kreis
von Lesern und Freunden günstig stimmen könnte, aber für solche
Rühmchens danke ich. Ein Zeitdichter kann ich doch nicht werden.
Ich beschränkte mich daher mit meinen Versen darauf, hie und da
meinen Nächsten ein Vergnügen zu machen — aber ein Zeitgeschichts-
schreiber möchte ich gerne werden." Hier taucht das neue Wegziel:
Geschichtsschreibung auf. In diese Richtung wies Burckhardt nicht
etwa mangelnde Stärke seiner poetischen Begabung, sondern deren
Eigenart. Trotzdem dramatische Projekte ihm lange keine Ruhe ließen
und er sich an epischen Stoffen redlich gemüht hat, es wollte ihm nur
gelingen, Staffagefiguren zu schaffen. Auch sein nicht geringes zeich-
nerisches Talent stieß bei dem Versuche, es auszubilden, an die gleiche
Grenze. Der Hintergrund, das Landschaftliche glückte, an der Ge-
staltung des Figürlichen scheiterte Burckhardts Hand. Und ist nicht
hier auch eine Grenze seines historiographischen Herrschaftsbereiches
angedeutet? Er wurde kein Figurcnschilderer, kein großer Biograph,
kein Porträtist heroischer Gestalten, aber der feinste, geist- und takt-
vollste Hintergrundzeichner und deshalb ein Meister der Kultur-
geschichtsschreibung. Das Bildliche blieb das eigentliche Element —
auch der wissenschaftlichen Phantasie Burckhardts. Geschichte ist ihm
Fortsetzung der Poesie mit anderen Mitteln. So schrieb er 1842 an
W. Beyschlag das Bekenntnis: ,,Dic Geschichte ist mir noch immer
größtenteils Poesie, sie ist mir eine Reihe der schönsten malerischen
Kompositionen . . . Meine historische Darstellung kann vielleicht mit
der Zeit lesbar, ja angenehm werden, aber, wo nicht ein Bild aus mei-
nem Innern auf das Papier zu bringen sein wird, muß sie insolvent
NACHWORT 389
dastehen." Als Burckhardt sich zu dieser Erkenntnis durchgekämpft
und in der Geschichte den „einzigen Trost für einen stürmenden
Busen" gefunden hatte, glaubte er, der seit seinem zwölften Jahre,
in dem ihm die Mutter starb, das Gefühl von dem Unsicheren und
Provisorischen aller Dinge nie mehr recht losgeworden war, daß er
,,auch nicht mehr ganz unglückhch werden" könne.
Eine zweite Krisis machte Burckhardt durch, als er gegen 1855
durch die Kulturgeschichte zur Kunstgeschichte gedrängt wurde. Vom
Bildhaften der Geschichte führte ihn sein Dämon zur Geschichte des
Bildes. In ItaUen mahnte die innere Stimme, die ihn auf seine kunst-
historische Sendung hinwies, vernehmlich. ,,Ich habe bei solchen Ge-
legenheiten" (Burckhardt spricht von einem Besuch des Domplatzes
in Pisa) ,,ein starkes Herzklopfen empfunden, war's Scheu und Über-
wältigung — oder ahnte mein mehr als je sonst entwickelter Schön-
heitssinn seine .\ffinität mit dem Schönen in der Außenwelt?" Das
war der „Bresten", den sich Burckhardt, wie er seinem Schüler Albert
Brenner 1855 schrieb, aus Italien mitgebracht hatte, das war der
wissenschaftHche Qiaälgeist, „der \ ielleicht auf Jahre alle meine dis-
poniblen Kräfte in Anspruch nehmen wird, der Keim einer größeren
Forschung in der Geschichte des Schönen". Burckhardts Schicksal,
der Deuter der italienischen Renaissance zu werden, erfüllte sich auf
diesem Felde. In dem Gefäß einer Anleitung zu künstlerischem Genuß
barg er zunächst die reifen Früchte, die ItaUen ihm schenkte. 1854
erschien der „Cicerone", 1860 die „Kultur der Renaissance in Italien".
Aber hier wie da war Burckhardt nicht führerlos zu ersten Gipfeln
aufgestiegen. Den Weg zur Geschichte hatte ihm Ranke gewiesen,
das Tor zur Kunstforschung hatte ihm Kugler aufgetan.
Als Burckhardt 1839 in Rankes historisches Seminar eintrat, war
er ein der Theologie bereits entronnener, nach außen heiterer, aber
von Resignation und Skepsis schon überschatteter geistreicher Student.
Für das Studium der Geschichte im humanistischen Basel gut vor-
geschult, hatte der junge Burckhardt Stärke und Grenze seiner Be-
gabung im einseitigen Hang seiner Natur zur Anschauung klar erkannt.
„Wo ich nicht von der Anschauung ausgehen kann" — so schrieb er
wenige Jahre später an W. Beyschlag — „da leiste ich nichts. Ich
rechne zur Anschauung natürhch auch die geistige, z. B. historische,
welche aus dem Eindruck der Quellen hervorgeht." Als Gegensatz
zum anschaulichen Denken, über das er sich Herr fühlte, betrachtete
Burckhardt das philosophische Denken. Dies blieb ihm sein Lrljcn
lang fremd, soweit es sich nicht an ein Äußeres, Gegenständliches
anschließen konnte. So erklärt sich das Grauen, mit dem er in Schel-
390 NACHWORT
lings Berliner Vorlesungen ging, dessen Lehre ihm unheimlich, mon-
strös, gestaltlos anmutete. ,,Ich dachte jeden Augenblick, es müßte
irgendein Ungetüm von asiatischem Gott auf zwölf Beinen daher-
gewatschelt kommen und sich mit zwölf Armen sechs Hüte von sechs
Köpfen nehmen." Auch Hegels Sirenenklänge, die Schnaase und Hotho
verlockt hatten, rührten den jungen Skeptiker und Empiristen nicht,
der noch in den ,, Weltgeschichtlichen Betrachtungen" mit deutlichem
Hinweis in diese Richtung der Geschichtsphilosophie betonte, daß
wir nicht eingeweiht seien in die Zwecke der ewigen Weisheit und
sie nicht kennen. — Soweit Burckhardt überhaupt philosophisch ver-
anlagt und interessiert war, fühlte er sich der positivistischen Denk-
art verwandt, die in den sechziger und siebziger Jahren in Deutsch-
land unter dem Einfluß des französischen (Comte) und englischen
(Spencer) Positivismus Boden gewann. Aber vielleicht ist auch das
schon eine zu weit gehende Behauptung. Nietzsche, seinem einstigen
Hörer, gegenüber bekannte Burckhardt (1879): ,,in den Tempel des
eigentlichen Denkens bin ich bekanntlich nie eingedrungen, sondern
habe mich zeitlebens in Hof und Hallen des Peribolos ergötzt, wo
das Bildliche im weitesten Sinne des Wortes regiert."
Mit drei Zaubersprüchen machte Burckhardt sich und seine Schüler
fest gegen philosophische Verlockungen. Erstens: „ich bin doch nur
ein armer Tropf gegenüber den Mächten der äußeren Welt." Zwei-
tens: ,, dieses alles wiegt doch keinen Gran realer Anschauung und Emp-
findung auf." Drittens: ,,die Persönlichkeit ist doch das Höchste, was
es gibt." Diese später von Albert Brenner 1856 formulierten Überzeu-
gungen regierten auch Burckhardts historische Studienjahre. Trotz aller
Verschiedenheit der Grundstimmung fand er für solche Gedanken
bei Rankes von geschichtsphilosophischer Ahnung nur gleichsam um-
wittertem Realismus ein Echo. Von der Methode des großen Berliner
Historikers legte Burckhardt in der 1840 unter Rankes Augen ent-
standenen Darstellung des Lebens und der Taten Karl Martells ehren-
voll Zeugnis ab. Hauptsatz der Schule Rankes war es ja, die vergan-
genen Dinge darzustellen auf Grund — und nur auf Grund der besten
Quellen, die Qiiellen aber mit Hilfe einer zuerst von der klassischen
Philologie ausgebildeten, von Niebuhr übernommenen Technik auf
ihre Zuverlässigkeit hin zu prüfen. Nur auf diesem Wege philologischer
Quellenkritik glaubte man die Gewähr größtmöglicher Annäherung
an die historische Wahrheit zu haben. Aus Rankes Geist ist es ge-
sprochen, wenn Burckhardt 1845 an Kinkel schreibt, er plane eine
Kunstarchäologie von Konstantin bis auf den Übergangsstil ,, aus-
schließlich aus den Autoren" zusammenzustellen. Freilich: den Begriff
NACHWORT 391
der historischen Quelle faßte Burckhardt weiter, als es die Ranke-
schüler von strengster Observanz taten. Er war darauf aus, nicht bloß
bei den eigenthchen Skriptoren, sondern in Monumenten aller Art,
in Kunst und Poesie jenes feine geistige Fluidum herauszuspüren, in
dem der wahre Geschichtsschreiber atmen muß. In seinem Spürsinn
für verborgene Kulturzeugnisse und in der Fähigkeit, aus hundertfach
gelesenen Quellen Interessantes, Neues, bisher Übersehenes heraus-
zuholen, besaß Burckhardt die Wünschelrute, die ihn als Kultur- und
Kunsthistoriker Schätze finden ließ. Von allen Schülern Rankes ist
Burckhardt derjenige, der die Mahnung des Meisters, den ,,Sinn für
das Interessante in sich zu entwickeln", am erfolgreichsten beachtet
hat. Rankes Streben nach Anschaulichkeit historischer Darstellung,
die er durch Vertiefung in Zeit- und Lokalkolorit zu gewinnen trachtete,
verband seine Methode noch mit der Historiographie der Romantiker.
Die romantischen Geschichtsschreiber wollten, daß im Gegensatz zum
anachronistischen Stil humanistischer Historiographie und zu der farb-
los-rationalistischen Darstellungsweise Geschichte lebendig erzählt werde,
mit der Anschaulichkeit und dem ans Herz greifenden Ton der Poesie.
Chateaubriand als Ästhetiker, Walter Scott als Dichter wurden bis
zu Ranke hin die Vorbilder für diese auf Zeit- und Lokalkolorit ein-
gestellte Geschichtsschreibung. Wenn auch die Lehre von der verite
locale et pittoresque bei Ranke und Burckhardt nicht vorherrscht
— wie etwa bei Heinrich Leo und Jules Michelet — , so hat doch das
Verlangen nach Lebensnähe auf die ästhetische Form der Darstellung
eingewirkt.
Alle Befragung der psychologisch ergiebigsten Quellen liefert aber
noch keine Vorstellung geschichtlicher Zusammenhänge, wenn sie nicht
ergänzt und vertieft wird durch die Vision im Sinne einer lebendigen
Gesamtanschauung von Zeiten, Tendenzen und Kulturen. Zum Historio-
graphen gehört das philologische und das dichterische Element. Wil-
helm von Humboldt hatte in der Berliner Akademierede „Über die
Aufgabe des Geschichtsschreibers" 1821 beide Wege, sich der histori-
schen Wahrheit zu bemächtigen, skizziert: „die genaue parteilose, kri-
tische Ergründung des Geschehenen und das Verbinden des Erforsch-
ten, das Ahnden des durch jene Mittel nicht Erreichbaren." Burck-
hardts Phantasie ließ ihn intuitiv in bildhafter Klarheit die zarten
und doch deutlichen Farbenübergänge in der geistigen Geschichte
des Jahrhunderts wahrnehmen, wobei er freilich, wie er z. B. in der
„Kultur der Renaissance" (II. Bd., IV. Kap.) hervorhebt, das Ge-
fühl hatte, ,,daß er das bedenkliche Gebiet der Ahnung betreten habe."
Den Grundzügen seiner allgemeinen historiographischen Methode
qQ2 NACHWORT
blieb Burckhardt auch als Kunstgeschichtsschreiber treu. Da er Ge-
schichte und Kunstgeschichte von Schreibtisch und Katheder aus
gleichmäßig pflegte, ergänzten und förderten sich beide Behandlungs-
weisen wechselseitig. Der Belesenheit und Quellenkunde des Histo-
rikers entsprachen des Kunsthistorikers Denkmälerkenntnis und der
Umfang seiner Erfahrung vor den Werken selbst. Das Erfassen des
Charakteristischen mit Hilfe von Spürsinn und gegenständlichem Den-
ken war Vorbedingung für die geschichtliche Erkenntnis hier wie
dort und für die Fähigkeit, prägnant und sinnenfällig zu beschreiben.
Wie Burckhardt dank seines visionären Vermögens die Dinge ,,nach
den vorherrschenden Richtungen des Lebens" zu schildern vermochte,
so gelang ihm die Synopsis von stilistischen Zusammenhängen und
die Schilderung kunstgeschichthcher Epochen auf Grund der sie be-
herrschenden künstlerischen Tendenzen. Biuckhardt erkämpfte aber
der Kunstgeschichte die Gleichberechtigung im Kreise der älteren
Schwesterdisziplinen erst in dem Maße, als er — ihrem besonderen
Stoffe gemäß — für sie eigene Begriffe und historiographische Methoden
ausbildete. Von der ungeheuren Erudition, die Burckhardt auf kultur-
historischem Gebiete besaß, hat er als Kunsthistoriker kaum Gebrauch
gemacht. Er emanzipierte bewußt das Kunstgeschichtliche vom All-
gemeinhistorischen und setzte sich damit in Gegensatz zu Carl Schnaases
und auch zu Anton Springers Methode.
Als Endziel der Kunstforschung erschien Burckhardt das Wesen
der Kunst. Dieses lag für ihn nicht zuletzt darin, daß die Künste es
niclit mit dem auch ohne sie Vorhandenen zu tun haben, sondern
in hohem Grade um ihrer selbst willen da sind. Über dieses Bekennt-
nis zur Autonomie der Kunst hinaus lehnte Burckhardt ein Grübeln
über die letzten Gründe von Kunst und Kunstgenuß aus seiner Ab-
neigung gegen alles Spekulativ-Philosophische ab. ,,Du sollst das Ver-
hältnis zwischen dir und der Kunst nie ergründen!" Für ihn war es
mit der Lebendigkeit der persönlichen Kunsteindrücke, mit der Inter-
pretation der Dinge, die auf Anschauung berechnet sind, von ihrer
sichtbaren Seite her, abgetan. Zur Ursprünglichkeit seiner Beziehungen
zur Kunst kommt das Universalistische seines Standpunktes. Sein
kunsthistorischer Lehrer und väterlicher Freund Franz Kugler, dem
er im wesentlichen seine geistige Richtung zu danken hatte, bewahrte
Burckhardt vor dem Spezialistentum. Selbst von staunenswerter wissen-
schaftlicher Vielseitigkeit, legte er seinem Schüler mit der Aufgabe
der Bearbeitung der zweiten Auflagen seiner eigenen Handbücher
(Geschichte der Malerei 1847 und Kunstgeschichte 1848) den wohl-
tätigen Zwang auf, das Gesamtgebiet der Künste zu überblicken und
NACHWORT QQO
sich nicht nur den Licblingsperiodcn, sondern jedem Zweig und jeder
Epoche gewissenhaft hinzugeben. Wer anders hätte auch dieser Aufgabe
sich unterziehen können, und wer sonst wäre geistig dem Kugler-
schen kunsthistorischen Empirismus verwandt und seiner Fähigkeit,
die künstlerischen Phänomene den allgemeinhistorischen gegenüber zu
isolieren, gewachsen gewesen? Trotz der Hinwendung des jungen
Burckhardt zu mittelalterlichen Studien, die auch der Bearbeitung
der Abschnitte über die Geschichte der Malerei des 14. und 15. Jahr-
hunderts in Kuglers Handbuch zugute kamen, und trotz des späteren
Einrückens der italienischen Renaissance in den Mittelpunkt seines
Geschichtsbildes bewahrte sich Burckhardt die Universalität des Inter-
esses. Der „Cicerone" führt den Italienwanderer mit gleichbleibender
Vertrautheit von der Antike bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts.
Aus der Welt der Kunstgeschichte — wie aus dem kulturgeschicht-
lichen Material — gab Burckhardt aber nur, was ihm interessant war.
Den „Schutt" der Tatbestände in der Darstellung, nicht im Studium
zu verehren und Vollständigkeit im Stofflichen anzustreben, lehnte
er ebenso ab wie die „mikroskopischen" Arbeitsmethoden mancher
Fachgenossen. Seine skeptische Natur ließ ihn mißtrauisch das Wesen
der Bildertäufer und Wiedertäufer betrachten. Mit neuen Attributio-
nen, mit Entdeckungen auf dem Kunstmarkt ein ,, Rühmehen" zu
erwerben, konnte ihn nicht locken, der die Gabe besaß, auch am
Bekannten und längst Anerkannten eine neue Seite zu entdecken.
Die Vorrede des ,, Cicerone" betont, daß dort wenig für diejenigen
gesorgt sei, ,, welchen nur das Rarste und Unzugänglichste Freude
macht . . . solche suchen im Grunde nicht die Kunst, sonst würde
ihnen das vermeintlich Allbekannte mehr zu denken geben!" Diese
stolze Gesinnung brachte Burckhardt naturgemäß in einen Gegen-
satz zu den Philologen des Auges, den Antiquaren und Archivaren
der Kunstgeschichte, übrigens auch zu jenen romantisch gestimmten
Forschern, die aus dem Eindruck von Kunstwerken auf die persön-
lichen Gesinnungen der Künstler hatten schließen wollen.
Mit dem methodischen Grundsatz Burckhardts, aus der Analyse
eines Kunstwerkes nach Möglichkeit alle außerkünstlerischen Bezie-
hungen auszuschalten, hängt es auch zusammen, daß dieser Meister
in der Menschenschilderung keine Künstlcrbiographie geschrieben hat.
Burckliardts Kunstbetrachtung ist auf die künstlerischen Werte ge-
richtet, seine Methode formalanalytisch. Dies alles aber ohne Pedanterie,
ohne Orthodoxie eines ästhetischen Bekenntnisses, ja sogar in dem
Sinne ohne Konsequenz, als Burckhardt nichts von einer Verachtung
des Inhaltlichen wissen wollte. In feierlichem Ton heißt es in den
QOA NACHWORT
Schlußsätzen seines 1877 gehaltenen Rembrandt- Vortrages: „Es ist
nicht wahr, daß die Gegenstände der Malerei ein bloßer Vorwand
sein dürfen, damit eine einzige Eigenschaft, welche noch nicht zu den
höchsten gehört (Burckhardt meint die Lichtmalerei), ein souveränes
Gaukelspiel daran aufführe." Ohne den systematischen Grundriß eines
kunstphilosophischen Lehrgebäudes zu besitzen oder auch nur an-
zustreben, kam Burckhardt für seinen Hausgebrauch mit einer Reihe
persönlich erlebbarer Wertbegriffe aus. Mit ihrer Hilfe mühte er sich,
,,die lebendigen Gesetze der Formen in möglichst klare Formeln zu
bringen" (1879 an Alioth). Als Geschichtsschreiber lehnte Burckhardt
den von der Romantik verherrlichten Geschichtsbegriff ab, nach dem
Geschichte gleich Entwicklung im Sinne organischen Werdens, jede
Erscheinung als Ergebnis solcher Entwicklung gerechtfertigt ist. Burck-
hardt fehlte durchaus der Glaube an eine fortschreitende Entwicklung.
Mit Ironie und Hohn übergoß er die moralischen und ästhetischen
Fortschrittslehren. Dafür begnügte er sich mit den Erfahrungsbegriffen:
Wandlung und Kontinuität. Das durch alles rhythmische Auf und
Ab der Geschichte sich Wiederholende, Konstante, Typische als ein
in uns Anklingendes und Verständliches zu betrachten, ist die eine
Grundrichtung seines geschichtlichen Denkens, die andere faßt alles
Geistige ,,als Wandlung, als Bedingtes, als vorübergehendes Moment".
,,Das Wesen der Geschichte ist die Wandlung." —
Drei geistige Kräfte haben in wechselseitiger Durchdringung das
Gesicht der deutschen Kunstforschung im 19. Jahrhundert bestimmt:
der historische Sinn, von Winckelmann und Herder an lebendig wir-
kend, das philosophische Denken, in Kant und Hegel verschieden-
farbig aufleuchtend, und das künstlerische Gefühl, das in Goethe Ge-
stalt geworden war. Beherrscht vom liistorischen Sinn war die Tat-
sachenforschung der Kenner, Sammler und der Positivisten des Auges.
Das philosophische Denken hatte die kulturhistorische Richtung ver-
tieft. Das künstlerische Gefühl schließlich, erst mit Jacob Burckhardt
wird es eine methodebildende Macht. Das ist des Kunsthistorikers
Burckhardt geschichtliche Sendung.
Damit brechen wir die allgemeine Charakterisierung des geschicht-
lichen Denkens und Forschens Jacob Burckhardts ab und wenden uns
Beobachtungen zur Analyse seiner kunstgeschichtlichen Hauptwerke —
denn nur diese kommen hier in Frage — zu.
,, Die Kunstwerke der belgischen Städte" (1842). Das Ergebnis
einer 1841 von Köln aus unternommenen Reise durch Belgien. Das
Buch wurde geschrieben aus den Erfahrungen des Reisenden, der die
Lücke fühlte zwischen den Tatsachcnaufzählungen der gewöhnlichen
NACHWORT 3Q5
Reisehandbücher und dem Tiefsinn — auch der Umständhchkeit —
der „Niederländischen Briefe" Schnaases (1834). Dem rein sachHchen
Standpunkt der ersten Gruppe von Reisebüchern gegenüber will Burck-
hardt die „völligste Subjektivität" walten lassen. Die philosophischen
Gedankengänge Schnaases möchte er durch die wirkliche Erfahrung
vor Kunstwerken ergänzen. So entstand ein Buch aus der Praxis für
die Praxis, dessen Ziel schon das des „Cicerone" ist: durch kurze Er-
läuterung der Kunstwerke zu ihrem Genüsse anzuleiten. Daß es ein
Werk des jungen Burckhardt ist, verrät die trotz einiger Vorbehalte
an verschiedenen Stellen durchschlagende Begeisterung für die Kunst
des Mittelalters: gotische Baukunst und gotische Plastik. Von dem
ehernen Taufbecken in Saint Barthelemy in Lüttich heißt es: ,,es ist
eines der vielen unbekannten Meisterwerke deutscher Kunst; stände
der Name des Niccolö Pisano darauf, man würde es plötzlich zum
Himmel erheben." Auch der Kölner Dom wird noch als das ,, erste
Gebäude der Welt" beurteilt. Wie vorurteilslos Burckhardt im übrigen
auch der Romantik gegenüberstand, läßt die Anmerkung über seine
Kritik mancher Gesichter auf Bildern der van Eyck als — starr und
kalt ahnen. ,, Gewöhnlich werden die mittelalterlichen, besonders deut-
schen Schulen in Bausch und Bogen wegen ihrer tiefen Innigkeit und
Gemütlichkeit gepriesen, während doch die oft erwähnte , Holdselig-
keit' eigentlich nur das Erbteil weniger Schulen gewesen ist."
Das kunstgeschichtliche Phänomen aber, das während der Reise
durch die sieben belgischen Städte Burckhardt immer wieder gelockt
und zugleich bedrängt hat, ist das der Renaissance als Stilbegriff.
Burckhardt ist — worauf in dem Kapitel über Eduard Koloff hin-
gewiesen wurde — zwar nicht der erste gewesen, der den Begriff der
Renaissance in die deutsche Kunstgeschichtsschreibung eingeführt hat,
aber er hat erst diesem Wort, das bei Ranke noch nicht vorkommt,
das auch Kuglers Handbücher nicht kennen, den Sinn, den Gehalt,
die Stimmungsgewalt und Farbe gegeben, die es zu einer Art Panier
werden ließen, unter dem eine ganze Generation kulturgeschichtlich
Gleichgerichteter marschiert ist. Den StilbegrifT „Renaissance" will
Burckhardt — und bei dieser Ansicht ist er geblieben — nur auf Italien
angewendet wissen, wo die Künstler nach bestem Wissen und Ge-
wissen die Antike zu reproduzieren glaubten, während sie „etwas un-
endlich Schöneres, Neues" schufen. Damit berühren wir die Frage
nach der Terminologie Burckhardts in seinem belgischen Cicerone.
Der Begriff „romanisch" fehlt noch. Den Vorbau von St. Jacques in
Lüttich nannte Burckhardt ,, byzantinisch". Ein Jahr später (1843)
in dem Aufsatz über die vorgotischen Kirchen am Niederrhein in der
396 NACHWORT
Zeitschrift „Verona" taucht der Terminus „romanisch" bereits auf.
Die Kunstwerke der belgischen Städte bringen dann als architektur-
psychologischen Begriff, der nicht eine bestimmte Stilepoche, sondern
einen typischen Stil bezeichnet, das Wort „Rokoko", das Burckhardt
für die später Barock genannte Periode gebraucht. „Zu Anfang des
16. Jahrhunderts nun stürzt die ohnedies abgelebte gotische Kunst
vor dem Andrang dieses rein dekorativen Prinzips zusammen, indem
dasselbe sich an die Antike anschließt. Die Folge freilich hat nach
wenigen Jahrzehnten gelehrt, wie es einer architektonischen Richtung
ergehen muß, die von ihren eigenen Blüten, dem Ornamente, leben
will; Wert und Bedeutung aller Glieder kommen in Verwirrung, und
die Nachwelt hat dafür das Wort , Rokoko' aufgebracht." Daß Rokoko
eine Grundhaltung der Architektur bezeichnet, spricht 1843 der schon
erwähnte Aufsatz über die rheinischen Kirchen ganz deutlich aus.
Rokoko sieht Burckhardt immer da entstehen, wo die eigentliche Be-
deutung der Formen vergessen worden ist, die Formen selbst aber
um des Effektes willen fortwährend, und zwar mit Mißverstand benutzt
werden. Es gibt sonach ein römisches, gotisches usw. Rokoko. 1853
im Konstantin-Buche Burckhaidts ist dann noch einmal die Rede
von einem römischen Rokoko der überladenen und ausgearteten
Tracht. —
Manche Bemerkung in diesem ersten kunsthistorischen Buche Burck-
hardts nimmt schon spätere Erkenntnis voraus oder formuhert Grund-
überzeugungen, die Burckhardt sein Leben lang begleitet haben, zum
ersten Male. So die herrliche Würdigung des Rubens, ganz durchwärmt
von Burckhardts Liebe für die gesunde und grandiose Weise der Wirk-
liciikcit des Rubens. Als unbillig lehnt es Burckhardt ab, an Rubens
— mit Georg Forster — einen idealistischen Maßstab, etwa den der
Bilder Raphaels, zu legen. Bei aller Gottlosigkeit mancher Gegenstände
und bei aller Himmelsunfähigkeit seiner Heiligen hat Rubens vor allen
Malern voraus ,,die intensivste Bezeichnung des kräftigsten Lebens
im einzelnen und die des darzustellenden Moments im ganzen".
Rubens ist im höchsten Grade dramatisch, man vergesse nicht, daß
er ein Zeitgenosse Shakespeares war. Hier liegen die Keime zu dem
letzten Werk Burckliardts, den ,, Erinnerungen aus Rubens".
Das belgische Büchlein ist auch im Stil schon der ganze Burckhardt.
Was hier wie ein Nachhall des Studententones anmutet, klärt sich in
reiferen Jahren zur Ironie eines überlegenen und ganz freien Greistes.
Gern zitiert wird die hübsche Stelle über das Stadthaus von Löwen:
„Soll das wirklich ein Rathaus sein? Sollen ernste schwarzbcmäntelte
Ratsherren und Huissiers aus diesen drei überreichen gotischen Fenster-
NACHWORT QQ-J
reihen herunterschauen? — O nein! — Kommt, schöne Mädchen von
Brabant mit euren runden Gesichtchen, putzt euch und stclk euch in
die Fenster zum Ergötzen von ganz Niederland." Die Tränkung der Bild-
beschreibung mit unmittelbar Erlebtem, die zum Teil den Zauber der
Diktion Burckhardts ausmacht, gibt auch hier der Aufzählung der Kunst-
werke momentane Frische. So heißt es von einem Rubensbilde der
Brüsseler Galerie: ,,St. Franz wirft sich über den Globus wie der ge-
meinste Kapuziner über einen Käse, den nian ihm entwenden will."
Buckhardt hat das Lächeln nie verlernt, und mit leisem Schmunzeln wird
er hinter das Wort Manneken — pis in Klammern die Bemerkung ge-
setzt haben: „man erkundige sich nur ungeniert!"
Der „Cicerone" (1855). Wieder Franz Kugler gewidmet, wieder
ein Reisehandbuch, eine „Anleitung zum Genuß der Kunstwerke
Italiens". Hier findet Burckhardt seinen ganz persönlichen Ton, seine
eigene Methode, sein Lieblingsarbeitsfeld. Durch dieses kleine, ,, dicke"
Buch schafft er einen neuen Begriff der Kunstgeschichte.
Burckhardt besaß eine unvergleichliche Ciceronenbegabung. Heute,
im Zeitalter der kunstgeschichtlichen ,, Führungen", des ,,Nahebrin-
gens" und ,,Erschließens von Werten", wo das Geschwätz die Stunde
regiert, könnte Burckhardts Führer wirklich wieder zum Führer wer-
den! Was Burckhardt sagt, ist originell, weil es auf eigenem Felde ge-
wachsen ist, wirksam, weil er den Mut hat, Partei zu ergreifen, belebend,
weil Burckhardt nicht belehren und bekehren, sondern nur Umrisse
vorzeichnen will, ,, welche das Gefühl des Beschauers mit lebendiger
Empfindung ausfüllen könnte." Alles bloß Archäologische, alles bloß
die Fachleute Angehende ist ausgeschlossen. Das Buch spricht nur von
Selbstgesehenem und nur zu Lesern, die selbst gesehen haben oder
selbst sehen werden. Dazu kommt: an den üblichen Reisehandbüchern,
am braven Volkmann, dem Begleiter Goethes in Italien, oder an Ernst
Försters Buch gemessen eine bis dahin unerhörte Frische der Anschau-
ung und Prägnanz des literarischen Ausdrucks. Gewiß sichert das Buch-
wissen eine größere Objektivität im einzelnen, aber als Geschichtsbild
ist Burckhardts Darstellung der italienischen Kunst doch wahrer als
alles, was die Ameisen der Kunstwissenschaft zusammengetragen ha-
ben. Burckhardt ist auch in diesem Buche auf das Bleibende, Konstante,
nicht auf das Fließende aus. Das stehende klare Bild der Epoche ist
für seine Art des geschichtlichen Sehens entscheidend. In seinem ,, Kon-
stantin" (1853) hatte er nach vorherrschenden Richtungen des Lebens
statt nach Regierungsgeschichten gefragt, der ,, Cicerone" gliedert sich
zunächst nach Kunstgattungen statt nach Kunstperioden. Der begriff-
liche Qiierschnitt wird dem zeitlichen Längenschnitt vorgezogen. Die
3g8 NACHWORT
erste Untergliederung ist dann chronologisch — nach den großen Stil-
epochen — und weiterhin teilt sich der Stoff nach verschiedenen Ge-
sichtspunkten ein. Die Werke werden teils in biographischen Zusammen-
hängen vorgeführt, teils topographisch nach landschaftlich sich ab-
grenzenden Schulzusammenhängen zusammengefaßt. Ein Reisehand-
buch verträgt keine reine Chronologie, denn es will im Wandern von
Ort zu Ort benutzt sein. Es verträgt aber auch nicht die streng topo-
graphische Anordnung, weil sie den Nachteil hat, stihstisch Zusammen-
gehöriges auseinandcrzurcißcn. Dehios Handbuch der deutschen Kunst-
denkmäler mit seiner alphabetischen Ordnung innerhalb landschaftlich
abgegrenzter Bände ist ein Nachschlagebuch. Gerade der unpedan-
tische Kompromiß zwischen biographischen, topographischen und äs-
thetisch-technischen Fragestellungen gibt dem „Cicerone" seinen unver-
welklichen und durch alle Neubearbeitungen unzerstörbaren litera-
rischen Reiz. Gegenüber dem Zauber der persönlichen Urteile über
Künstler und Kunstwerke, der andeutenden, aber nicht erschöpfenden
Charakteristik der Stilepochen, der Sinnlichkeit und Stärke des künst-
lerischen Erlebnisses und der weltmännischen Freiheit des Tones tritt
der entwicklungsgeschichtliche Gesichtspunkt, das eigentHche Erzählen
der Geschichte der italienischen Kunst zurück. Die Originalität Burck-
hardts enthüllt sich in den Analysen der Werke und Epochen.
Die geschichtsphilosophische Belastung ist gering. Die Begriffe Vor-
bereitung — Höhe — Verfall (bis auf Vasari sind sie zurückzuführen)
müssen genügen, um die Epochen miteinander zu verbinden und das
leuchtende Bild des goldenen Jahrhunderts der Hochrenaissance sich
abheben zu lassen von den dunkleren, verworreneren Folien hier des
Mittelalters, dort des Barocks. Im Ton der Sehnsucht, der wie eine
feine Musik durch die der Renaissancekunst geweihten Partien des
„Cicerone" klingt, und in der inneren Anstrengung, die es Burckhardt
kostet, Michelangelo anzuerkennen, ist er noch ein Sohn des klassi-
zistischen 1 8. Jahrhunderts, reicht er Goethe und Winckelmann die
Hände. Leichter und früher als von der Ästhetik des Klassizismus,
in der sein Schüler Heinrich von GeymüUer zeitlebens befangen blieb,
kam Burckhardt von den Kunstanschauungen der Romantik los.
Weil Burckhardt sich innerlich frei gemacht hatte von romantischen
Voreingenommenheiten für die Gotik, sah er sie so scharf und klar
und wußte er die Eigenbedeutung italienischer Gotik gegenüber der
des Nordens meisterlich zu kennzeichnen. Und gerade weil Burck-
hardts ganze Art sich vom Dumpfen, Verunklärten, Ausgearteten des
Barock abgestoßen fühlte, fand er die Mittel, diesen Stil so zu be-
schreiben, daß schon die nächste Generation sich die Begriffe fiir ihre
NACHWORT ßQQ
Rehabilitation der Barockkunst nicht zuletzt von ihm holte. Wie dem
aber auch sei: alle Sehnsucht und alles Glück des Schauens gehören
im „Cicerone" doch den Werken der Renaissance. Nicht aus geschichts-
philosophischen Erwägungen heraus oder auf Grund archivalischer
und literarischer Belege, sondern aus eingeborenem Zugehörigkeits-
gefühl Burckhardts zu dieser Epoche italienischer Kunst und Kultur.
Weil er selbst ein freier, gelöster, aufgeschlossener, heller und ent-
wickelter Mensch war, schlug sein Herz im Gleichtakt mit den großen
Persönlichkeiten der Renaissance, wie — er sie sah und nach seinem
Wesen sehen mußte. So entstand ein Bild der Renaissance als der
goldenen Zeit selbstbewußter und frei entfalteter Persönlichkeit und
des gehobenen, seiner Herrschaft über Verstand und Sinne frohen
Lebensgefühles. Dieses Buches Zaubergewalt schlug die gebildete
deutsche Welt in ihren Bann. Die Renaissancekunst wurde wieder
die „klassische Kunst", wie Heinrich Wölfflin sein 1898 dem An-
denken Burckhardts gewidmetes Buch betitelt hat.
Es ist ein Teilzug wissenschaftlicher Genialität, nach dem Arbeits-
stofT zu greifen und ihn mit unbeirrbarem Instinkt festzuhalten, an
dem sich einzig und allein eine neue Seh- und Darstellungsart ent-
wickeln läßt. Wenn Winckelmann der Antike, Schnaase dem Mittel-
alter, Burckhardt der Renaissance sich verschrieben, so taten sie es
in solchem intuitiven Erfassen der ihnen günstigsten Operationsgebiete.
Burckhardt wölbte seine Geschichtsvorstellung von der Renaissance
über drei Grundpfeilern: dem ,, Cicerone", der ,, Kultur der Renais-
sance" — beide Bücher sind in aller Händen — und ,,der Geschichte
der Renaissance in Italien", die nur die Fachleute lesen.
,, Geschichte der Renaissance in Italien" (1867). An Albert von
Zahn, der die Neuausgabe des ,, Cicerone" übernommen hatte, von dem
sich Burckhardt ebenso wie von seinen übrigen Büchern abkehrte,
nachdem sie einmal da waren, schrieb Burckhardt 1869: „ . . . so
wiederhole ich doch meinen Wunsch: wie schön es w'äre, wenn Sie
die Kunstgeschichte der deutschen Blütezeit, abgelöst von der Künstler-
geschichte und -biographie, bloß nach den Sachen und den hervor-
ragenden Künsten und Gesamtgraden des Könnens darstellen wollten.
Ich bin überzeugt, daß die Zukunft der ganzen Kunstforschung wesent-
lich nach dieser Seite hin liegt ..." Die methodische Aufgabe, die
Burckhardt hier dem jüngeren Fachgenossen stellt, ist die, über eine
kritisch-historische Ordnung der Denkmäler hinweg zum Begreifen
der Entwicklung künstlerischer Darstellungsformen zu gelangen. Eine
solche Kunstgeschichte ,,nach Aufgaben", eine ,, Darstellung nach
Sachen und Gattungen", hatte er selbst zwei Jahre früher bereits in
;J,00 NACHWORT
dem letzten, von ihm selbst veröffentlichten seiner Bücher gelöst, in
der als erste Hälfte des vierten Bandes der Kuglerschen ,, Geschichte
der Baukunst" geschriebenen „Geschichte der Renaissance in Italien".
Renaissance heißt hier; Stil der Architektur und der Dekoration.
Das kunstgeschichtliche Phänomen ist streng isoliert, und in seiner
Behandlung wollte Burckhardt bewußt ein methodisches Gegenstück
zu der „nach Künstlern erzählenden Geschichte", sozusagen deren
zweiten, systematischen Teil geben. Fragestellungen, die schon in den
,, Kunstwerken der belgischen Städte" gestreift wurden, im „Cice-
rone" eine bedeutsame Rolle spielten, werden jetzt in methodischer
Folgerichtigkeit und Reinheit an die Dinge herangebracht. Die In-
dividualitäten treten zurück, die ,, Triebkräfte, welche das Ganze der
Kunst beherrschten, die Präzcdenzien, von welchen der einzelne
Meister bei seinem Schaffen bedingt war, treten hier in den Vorder-
grund". Ruhmsinn der Stifter und Baugesinnung der Städte, Denk-
weise der Gewaltherrscher und Anschauungen der Baudilettanten, der
monumentale Sinn der Päpste und die Meinungen der Theoretiker.
Das ist die eine kulturpsychologische Begriffsreihe, unter die der liisto-
rische Stoff subsummiert worden ist, neben einer andern stilpsycho-
logischen Begriffsreihe, zu der etwa bei der Formenbehandlung des
1 6. Jahrhunderts gehören: Vereinfachung des Details — Verstärkung
der Formen — Vermehrung der Kontraste — die Verhältnisse usw.
Eine dritte Begriffsreihe ist gattungspsychologischcr Art. Hierher ge-
hören die Abschnitte über Spitäler, Festungsbauten und Brücken,
Stadtanlagen, Villen und Gärten, die Dekorationen für die Dauer in
verschiedenen Materialien und die Dekorationen des Augenblicks, wie
für Feste, Theater, Gastereien. —
Der Aufbau auch dieses Burckliardtschen Buches zeugt vom bau-
meisterlichen Sinn des Autors. So das Innehalten der Proportionen,
das Verteilen der Stoffmassen, das Setzen der Akzente, die Klar-
legung der Gelenke des Buches und nicht zuletzt die große Kunst
des rechtzeitigen Aufhörens. Das ganze Gebäude, wie ein Eisengerippc
zu einem Monumentalbau kunstgeschichtlicher Methode, ruht auf dem
Fundament ungeheurer kunst- und kulturgescliichtlicher Erudition.
Sie ist hier einmal nicht verdeckt, sondern tritt in den Qiiellenangaben
zutage, die den in prägnanten Sätzen zusammengedrängten Para-
graphen beigegeben sind. Dieses Buch ist zwar kaum lesbar, aber
bewundernswert: das reinste und stärkste Bekenntnis Burckhardts zu
einer werdenden Kunstgeschichte ,,ohne Namen". Der Reichtum der
Fragestellungen und Anordnungen ersetzt den Reiz der literarischen
Form. Burckhardt gibt das, was die Baumeister und die Bauherren
NACHWORT AOI
an der Baukunst interessiert, er ist durch und durch künstlerisch ein-
gestellt. In keinem seiner Werke ist die Eigengesetzlichkeit der Stil-
und Formgeschichte so scharf und ausschließlich als das Grundproblem
der Kunstgeschichte behandelt und damit einer methodisch selbständi-
gen Kunstgeschichtsschreibung gleichermaßen der Weg gebahnt worden.
Hier ist der Ort, der beiden von Burckhardt gefundenen großen
Begriffe zu gedenken, mit denen er im ,, Cicerone" und in der ,, Ge-
schichte der Renaissance" die Qualität alles architektonischen Schaf-
fens zu begreifen sucht: organischer Stil und Raumstil. ,,Die Schöp-
fung eines organischen Stils hängt von hoher Anlage und hohem Glück
ab, namentlich von einem bestimmten Grade unbefangener Naivität
und frischer Naturnähe, und es hat seine Gründe, daß das Phänomen
nur zweimal in der Kunstgeschichte vorgekommen ist." Das geschah
das erstemal bei den plastisch-tektonisch begabten Griechen, das andere
Mal im Mittelalter bei den nordfranzösischen Kathedralarchitekten.
Daß plastisch-tektonisch und organisch zu identifizieren sind, hatten
die Romantiker, besonders Schelling ausgesprochen. Der griechische
Tempel und der gotische Dom galten ihnen schon als Werke organischen
Stils, weil sie in ihnen Annäherungen an den plastischen Gliederbau
des menschlichen Körpers verwirklicht glaubten. Diesen Begriff fand
Burckhardt also vor, aber sein, des raumempfindlichen Mannes, gei-
stiges und sinnhch erlebtes Eigentum war der Begriff Raumstil und
die Beobachtung einer notwendigen geschichtlichen Beziehung zwi-
schen beiden. Sie bezeichnen Zeitstilc. Sobald nun die organischen
Stile „zur abgeleiteten Anwendung, namentlich zu kombinierten Grund-
plänen übergehen, bereiten sie sich vor, in Raumstile umzuschlagen.
Der spätrömische ist schon nahe an diesem Übergang und entwickelt
eine bedeutende Raumschönheit, die dann im byzantinischen, roma-
nischen und italienisch-gotischen Stil in ungleichem Grade weiter-
lebt, in der Renaissance aber ihre volle Höhe erreicht ..." Im Wechsel-
spiel zwischen diesen beiden Grundmöglichkeiten architektonischer Stilbil-
dung — zwischen griechischem Tempel und Zentralbau der Renaissance —
erkennt Burckhardt die Geschichte der Architektur. Raumstil, als End-
phase der Stile begriffen: spätrömischer, spätgotischer, spätbarocker
Raumstil, von hier aus begriff Burckhardt das Wesen der Stilausklänge,
wie ihm andererseits Raumstil als Stil der raumbildnerisch begabten
Italiener auch das Verständnis für italienische Sondergotik öffnete.
Die einschneidendste Wandlung in seinen Wertungen machte Burck-
hardt dem Barock gegenüber durch. Im ,, Cicerone" ist Barock noch
die Welt des Verfalls, der verwilderte Dialekt der Renaissance. Zwanzig
Jahre später heißt es in einem Schreiben an den Architekten Alioth:
Burckhardt 26
AQ2 NACHWORT
„Mein Respekt vor dem Barocco nimmt ständig zu, und ich bin bald
geneigt, ihn für das cigentHche Ende und Hauptresultat der leben-
digen Architektur zu halten. Er hat nicht nur Mittel für alles, was
zum Zweck dient, sondern auch für den schönen Schein." Über die
sogenannte Ausartung der Stile in ihrer Spätzeit gingen Burckhardt,
wie er 1870 an Preen schreibt, mehr und mehr höchst ketzerische
Lichter auf. ,,Die vorgebliche Ausartung bestand meist in genialen
letzten Konsequenzen und Fortschritten, und die Stile starben in der
Regel, wenn sie in der Höhe waren, sonst hätte nicht gleich wieder
ein kräftiger Stil auf den gestorbenen folgen können." Von der Ent-
deckung, daß der Raumstil ein neues Weltaltcr in der Baukunst mit
sich führt, fand Burckhardt den Weg zum Barock. —
Der Stammbaum der kunstgeschichtlichen Ideen des 19. Jahrhunderts
zeigt, daß keine der führenden Forschergenerationen sozusagen im
Mannesstamme erloschen ist. Burckhardts Interpretationskunst und
seine Begriffsforschung hat sein Schüler und Nachfolger im Basler
Lehramt, Heinrich Wölfflin, fortgesetzt. Er sucht die „lebendigen Ge-
setze der Form auf möglichst klare Formeln zu bringen" und über
Burckhardt hinaus zu einer Kategorienlehre der künstlerischen An-
schauungsformen zu gelangen, die schließlich zum Verständnis der über-
persönlichen Gesetzmäßigkeit des inneren Lebens der Kunst führt.
Eine besondere Umbildung hat der Gedanke einer „Kunstgeschichte
nach Aufgaben" in der Wiener Schule erfahren. Ihre Geschichtsschrei-
bung beherrscht der Begriff der einheitlichen Entwicklung. Was sich
entwickelt, sind formale Probleme (z. B. Raum-Licht-Behandlung).
Dieses besonders von Alois Riegl geübte Verfahren, das den Vorteil
hat, ein geschlossenes, in Denknotwendigkeiten innerlich verzahntes,
kunstgeschichtliches Weltbild zu gewähren, führt — und darin wieder-
um liegen seine Nachteile — zu einer willkürlichen Einengung des ge-
schichtlichen Blickfeldes und zu einseitiger Interpretation des histori-
schen Verlaufes. Das einzelne Kunstwerk wird nur noch als Stildoku-
ment, die schöpferische Tat auch des großen Künstlers nur noch als
Stufe in einer logisch notwendigen Kunstentwicklung gewertet. Es fehlt
in dieser „kimmerischen Welt der Begrifflichkeiten", wie sich Ernst
Heidrich ausdrückte, der Rückgriff auf die allgemeinhistorischen Vor-
gänge, auf die der Kunst von außen kommenden Anstöße, da, wo die
interne optische Entwicklung zur Erklärung der Erscheinungen nicht
ausreicht. Es fehlt vor allen Dingen der das Leben der Kunst doch
wesentlich mitbestimmende Faktor der genialen Leistung.
In diesem Bereiche aber spielt das letzte — schon nicht mehr von
Burckhardt selbst herausgegebene — seiner kunstgcschichtlichcn Bücher
NACHWORT ^03
„Erinnerungen aus Rubens" (1898 aus dem Nachlaß). Dies
ist das Buch der Erinnerungen an genossene Wonnen im Umgang mit
dem hellgeborensten der alten Meister. Geschrieben in den letzten,
rückblickfrohen Jahren, geweiht der Jugendliebe Burckhardts. Diese
Erinnerungen sind keineswegs eine Biographie des großen Mannes,
kaum daß man sie als eine Monographie bezeichnen könnte. In freier
Form des Essays band Burckhardt die lebenslangen Erfahrungen im
Genuß Rubensscher Werke zu einem vollen Kranz zusammen, den
er in Dankbarkeit zu den Füßen des Malers niederlegte. Wenn auch
Burckhardt nicht das Bedürfnis gehabt hat, eine künstlerische Persön-
lichkeit nach ihren inneren und äußeren Zügen eingehend darzustellen,
wenn er kein großer Biograph geworden ist, so fehlt ihm doch keines-
wegs der Sinn für das Individuelle, wie die Ausstattung der Künstler-
charakteristiken z. B. im ,, Cicerone" mit kostbaren Einzelzügen beweist.
Auch sind Burckhardts wissenschaftliche Anfänge monographischer Na-
tur: Konrad von Hochstaden, Karl Martell und der „Konstantin".
Aber seine beste Kraft gehörte doch den universalhistorischen Frage-
stellungen, den Querschnitten durch Kultur- und Kunstepochen. ,,Ich
verspreche Ihnen", schrieb Burckhardt an den Sohn seines Freundes
Kugler, „daß, wenn Sie einmal auf dem hohen Meer der universal-
historischen Forschung und Darstellung gefahren sind, Sie sich gar
nicht mehr nach den monographischen Arbeiten sehnen werden. Im
vorgerückten Alter mag man dergleichen wieder vornehmen, dann wird
man aber auch die Aufgabe einer Monographie anders fassen."
Wie hat Burckhardt die Aufgabe der Rubens-Monographie gefaßt?
Insofern doch wiederum universalistisch, als er nicht eine chronologisch
gereihte Geschichte der Lebensarbeit des Rubens gibt, sondern eine
Anzahl von Wanderungen kreuz und quer durch den Machtbereich
dieses großen Malers. Stoffumkreis und Geschäftsbetrieb, Hauptthemen
der Malerei und ihre Hauptformen, die Welt des Künstlers und der
Seinen auf der einen Seite, auf der andern die Welt der Besteller und
Auftraggeber, ihre Ungeduld, der Kreis ihrer Vorstellungen, so das
Familienprunkgefühl, die Lust der Großen des humanistisch gebildeten
Abendlandes, sich von den Künstlern mit Hilfe der Allegorie ihr Pa-
thos ausdeuten zu lassen, psychologische und künstlerische Beobach-
tungen, all das bildet den Inhalt der „Erinnerungen aus Rubens". Von
besonderer Bedeutung wird dabei die eingehende Analyse der Kompo-
sitionskunst des Rubens. Burckhardt entwickelt das System dieser Ma-
lerei, die im letzten auf einer verhüllten Symmetrie der Akzentverteilung
verschiedener Art innerhalb des Bildes beruht. Das ist die Lehre von
den Äquivalenten des Rubens, zugleich eine Ästhetik der Barockma-
26*
404 NACHWORT
lerci, der von Burckhardt um des einen Rubens willen die Sünden der
vielen anderen vergeben werden. „Diese Äquivalente treten natürlich
nicht gesondert auf, vielmehr durchdringen sie sich gegenseitig, wenn
z. B. eine lichte und eine dunkle Masse sich symmetrisch entsprechen
oder wenn Farbenfläche gegen Farbenfläche wirkt, so werden noch ganz
andere Gegensätze in Formen und Ausdruck hinzukommen, und vor
allem werden optische Werte sich aufwiegen können mit den idealen
Werten. Auch das Bewegte, wenn es das Ruhige aufwiegt, kann hierher
gehören, ganz besonders aber die moralische und geistige Bedeutung
gegenüber der moralischen und geistigen Unterordnung." Das eigent-
liche Glück, das der Betrachter der Werke des Rubens empfindet, be-
ruht darin, daß er „zunächst unbewußt neben der stärksten drama-
tischen Bewegung eine geheimnisvolle optische Beruhigung genießt, bis
er Inne wird, daß die einzelnen Elemente jener nach Kräften verhehl-
ten Symmetrie, ja einer mathematischen Figur Untertan sind".
Burckhardt zitiert aus der Reihe seiner Vorgänger in der Würdi-
gung des Rubens den auch sonst von ihm so hochgeschätzten Waagen,
der zweifellos in seinem Aufsatz über Rubens (1833) sein Bestes und
Wärmstes gegeben hatte. Weiter zurück führt die Ahnenreihe der
Rubensverehrer zu Heinse und dem jungen Goethe, deren Stürmer-
und Drängertum in der Leibhaftigkeit und Naturunmittelbarkeit des
Rubens eine Rechtfertigung eigenen titanischen Hochgefühls und Er-
holung vom Laulichcn ihrer Zeitkünste gefunden hatte . . . Zur Gegen-
wart hin schließen an Burckhardt an die sachverständigen und geist-
vollen Analysen Fromentins und in echt deutschem Kontrast zu der
artistischen Wertung des französischen Malers das Stimmungsbild Ro-
bert Vischers „für unzünftige Kunstfreunde" (1904), in dessen dich-
terischer Sprache und Einfühlung Heinses Rubens-Paraphrasen wieder
aufzuleben scheinen: ,, Seine Kunst wirkt wie ein erfrischender Ritt."
„Sein Kolorit schimmert wie Milch und Blut, das ist der Grundgehalt
in dem reichen Konzert seiner Farben. Es scheint wie der Anblick
von badenden Kindern gesundesten und rundesten Schlags erdichtet
zu sein."
Des persönlichen Gehaltes des Burckhardtschen Rubens-Buches wird
man erst ganz gewahr, wenn man die Frage nach dem Verhältnis
Burckhardts zu Rcmbrandt aufwirft und damit an die Bildung seiner
Werturteile rührt. Alfred Lichtwark hat in seinem Buche ,, Die Seele und
das Kunstwerk" erzählt, als unauslöschlicher Eindruck stände in seiner
Erinnerung, daß ihm Burckhardt gestanden habe, wie ,, widerwärtig ihm
einst alle Kunst der Spätrenaissance, des Barock und Rokoko gewesen
sei". Bernini und Luca Giordano hat Burckhardt bedauert, weil sie
NACHWORT 405
„in schlechte Kunstzeiten" gefallen wären und dann „mit ihrer Energie
nur das Beste eines sehr zweifelhaften Stiles geschaffen hätten". Als
Inbegriff der barocken Kunstsphäre aber erschien ihm Rembrandt.
Hier ergänzen die Vorträge Burckhardts die Urteile in den Büchern
sehr wesentUch. „Man lasse sich nicht durch die Kenner in den jetzt"
(1883 gesprochen, im Jahre des Erscheinens von Wilhelm Bodcs „Stu-
dien zur Geschichte der holländischen Malerei") „beUebten Rembrandt-
Kultus hineintreiben. Erstens hat unser subjektives Gefühl, so gering
die Ästhetik davon redet, etwa auch sein Recht der Antipathie und
sogar des Absehens. Rembrandt stößt alle einfachen Menschen ab.
Sodann ist dem unverdorbenen Sinn eine geheime Idealität eingeboren,
und diese braucht nicht vor dem HäßUchen deshalb zu kapitulieren,
weil dasselbe genial vorgetragen wird."
In der Kritik, die Burckhardt an Rembrandt übt, zeigt sich wieder,
daß sich seine ^\'ürdigungen rein ästhetischer Qualitäten mit ethischen
Wertungen kreuzen. In Burckhardts geistiger Struktur sind die Gren-
zen zwischen beiden Gebieten fließend. Ja, die Ablehnung der Cor-
reggio, Michelangelo und Rembrandt und die Verherrlichung der Ra-
phael und Rubens erfolgt sclüießhch doch unter der Herrschaft sitt-
licher Kategorien. „Die höchste persönliche Eigenschaft Raphaels war
nicht ästhetischer, sondern sittlicher Art: nämlich die große Ehrlich-
keit und der starke Wille, womit er in jedem Augenblick nach dem-
jenigen Schönen rang, welches er eben jetzt als das höchste Schöne
vor sich sah." Auch der Vortrag, den Burckhardt am Vorabend von
Schillers hundertstem Geburtstag hielt, preist in erster Linie die hohe
sitthche Kraft des Dichters. Wir lassen es daliingestellt, wieweit in dieser
Betrachtungsweise noch der Theologe in Burckhardt anklingt. Jeden-
falls spielen auch in seinen kunstgeschichtlichen Urteilen auf überaus
reizvolle Weise ästhetische und ethische, subjektive und objektive Wer-
tungen ineinander. An Rembrandt stieß Burckhardt das Plebejische
des Mannes und das Pöbelhafte seiner Persönlichkeit zurück. Er warf
Rembrandt (wie übrigens auch den Delacroix, Courbet und Manet)
vor, ihm fehle „das Gefühl von den Grenzen des Empörenden".
Von der problematischen, heildunkeln Persönlichkeit Rembrandts
hebt sich Rubens ab als ein strahlendes, fleckenloses Gestirn. Von ihm,
mit dem er, wie es in den Vorträgen einmal heißt, lieber irren, als
mit anderen recht haben möchte, sprach Burckhardt nur im Ton der
Bewegtheit und Sehnsucht. Wenn er so gerne sagte: ,,Es ist eine böse
Welt", das Phänomen Rubens, als „das lebendige Beispiel einer rie-
sigen Güte der schaffenden und schenkenden Natur", konnte ihn für
Augenblicke an diesem Pessimismus irre werden lassen. In Rubens
4.o6 NACHWORT
genoß Burckhardt den Anblick eines Menschen sondergleichen, der
„von Jugend auf an der richtigen Stelle, in der ihm bestimmten Lauf-
bahn" stand und ,, schon an Kraft materiell Hunderten gewachsen
war". Rubens hat für Burckhardt Züge des geheimen Wunschbildes
seiner selbst getragen. In der völligen Unabhängigkeit der Stellung,
in der vielen Selbstbestimmung in seinem Schaffen, in der universellen
Bildung stieß Burckhardt bei Rubens auf Verwandtes. Von den eige-
nen Arbeitsidealen aber glaubt man ihn sprechen zu hören, wenn er
Rubens ergriffen dafür preist, ,,daß es keine Aufgabe gibt, sie sei auch,
welche sie wolle, die seinen Mut und seine Fähigkeit überstiegen hat.
Seine Riesenkraft, alles und jegliches lebendig zu machen, auch be-
dingte und eingeengte Aufgaben auf die Adlcrschwingen seiner Kunst
zu nehmen . . . die höchste visionäre Begabung, die sein inneres Auge
nicht nur mehr als andere Menschen sehen läßt, sondern künftige
Werke in gleichmäßiger Reife und Stärke . . . das Verteilen der opti-
schen, psychologischen, moralischen, materiellen Akzente als Äqui-
valente über die Bildfläche — all das Gesetzmäßige bei unglaublichem
Feuer und voller Wahrheit höchster Augenblicklichkeit". Alles dies,
was Burckhardt, umgesetzt in die Welt der Geschichtsschreibung und
poetischen Darstellung, sich selber wünschte, fand er bei seinem Lieb-
ling Rubens in der Freiheit künstlerischer Schöpfung entfaltet und zur
höchsten Vollkommenheit entwickelt. —
Dieses Alterswerk Burckliardts, in dem alle Melodien seines geisti-
gen Daseins hier und da bruchstückweise noch einmal anklingen, ent-
hält auch sprachlich noch einmal den ganzen Burckhardt. Ein Selbst-
bekenntnisbuch im Geheimsten, geschrieben ohne Hinblick auf ein Pu-
blikum, ist es wohl geeignet, zum Nachsinnen über Burckhardts Stil
zu verlocken. Ranke hat, wie Hermann Grimm erzählt, diesem gegen-
über einmal bemerkt, diejenigen historischen Werke würden am läng-
sten dauern, die am schönsten geschrieben seien. Die Schicksale der
Bücher Burckhardts haben Ranke recht gegeben.
Burckhardt hat bewußt einem ihm schon früh vor Augen stehenden
Stilideal zugestrebt. „Ein Gelübde habe ich mir getan", schreibt er
1842 an Gottfried Kinkel, ,,mein Leben lang einen besseren Stil schrei-
ben zu wollen und überhaupt mehr auf das Interessante, als auf trockene,
faktische Vollständigkeit auszugelien." Er wollte nicht nur von Ge-
lehrten gelesen werden, sondern nach dem Bekenntnis im Vorwort zu
seinem ,, Konstantin": ,,von denkenden Lesern aller Stände".
Als Kind des sprachgcwalligcn alemannischen Stammes und als Sproß
einer Familie von Kanzelrednern l)rachtc Burckhardt Anlage und Lust
zur Wortbeherrschung mit auf die Welt. Aus Erbe der Geschlechter
NACHWORT 4.07
und Gabe der Natur schufen erst Übung und bewußte Erziehung jenes
vieltönige Instrument der Burckhardtischen Prosa, auf der sein Geist
so souverän zu spielen wußte. Das Gefühl, im Wort sein eigentUches
Ausdrucksmittel zu besitzen, hat Burckhardt ja eine Weile lang an
seine poetische Sendung glauben lassen. Die Fähigkeit, Wortkunst und
Künstler des Wortes zu beurteilen, ließ ihn schon 1870 in Eduard Mörike
den großen Dichter erkennen. Und die angeborene poetische Kraft
hat als belebendes und bildendes Element in Burckhardts ganzem
Schaffen nachgewirkt und bricht manchmal strahlend hervor. Seine
Sprache ist färben- und tönereich, sie ist hier gekühlt von der Ironie
eines freien Geistes, dort durchglüht vom Ethos einer schönen Seele,
nie mit Absicht originell, stets aber vom Grunde aus original. ,,Den
Stil gebe ich preis", hatte Burckhardt von seinem ,, Cicerone" gesagt,
der gerade von der meisterhaften Gabe, mit Worten zum Genuß von
Kunstwerken anzuleiten, fast auf jeder Seite zeugt. Wie heroisch heben
die Beschreibungen mit den Sätzen über den Poseidontempel in Pästum
an: ,,Von den drei erhaltenen Tempeln des alten Poseidonia sucht
das Auge sehnsüchtig den größten, mittlem. Es ist Poseidons Heilig-
tum; durch die offenen Trümmerhallen schimmert von fern das blaue
Meer. Ein Unterbau von drei Stufen hebt das Haus des Gottes über
die Fläche empor. Es sind Stufen für mehr als menschliche Schritte."
Gleichsam aus der Luft, die das Kunstwerk umfließt, Ton und anschau-
liches Wort zu greifen, war Burckhardts unvergleichliche Kunst. Wie
wundervoll z. B. der aus dem Geist der Bildwelt des Rubens gefundene
Vergleich: „Es ist, als hätten sich Religion, Fürstenmacht, Sage, My-
thus und Poesie aller Zeiten, dazu der Kreis der Seinigen und seines
vertrauten Umgangs, ja die elementare Natur als mächtige Tierwelt
und Landschaft vertrauensvoll an ihn gewandt, er möge sie auf seine
Adlerschwingen nehmen." Burckhardts instinktives Distanzhalten zur
Philosophie hat seinem Denken eine gewisse Naivität, seinem Stil die
köstliche Klarheit bewahrt. Man gedenkt des Goethischen Urteils: „Den
Deutschen ist im ganzen die philosophische Spekulation hinderlich, die
in ihren Stil oft ein unsinnliches, unfaßliches, breites und aufdröselndes
Wesen hineinbringt. Je näher sie sich gewissen philosophischen Schulen
hingegeben, desto schlechter schreiben sie."
Burckhardts Sprachbegabung machte ihn zum Plauderer von Gottes
Gnaden und zu einem der eindrucksvollsten Redner. Alle Besucher
erzählen davon, daß ihnen die Stube in der St. Albansvorstadt in Basel,
in der es an dem üblichen Anregungsapparat des Ästheten völlig fehlte,
reich, glänzend und unvergeßlich geworden ist durch Geist und Wort
ihres Bewohners. Auf dem Katheder sprach Burckhardt frei, ganz Herr
408 NACHWORT
seiner mit Anschauung gesättigten Rede. Sein Sprechstil hatte weder
das Pathos und die Hitze eines Treitschke, noch die Kühle und Neu-
tralität Rankes, er durchlief alle Farbentöne von sachlicher Nüchtern-
heit bis zur Ergriffenheit, vom tiefsten Ernst bis zu elegantem Scherz.
Paul Heyse, der doch auch von sprachliehen Dingen etwas verstand,
nannte 1860 Burckhardts Sprache: „leichtschenklig, rasch, mit Lich-
tem sparsam und an der rechten Stelle mit allen Kunstmitteln zu plasti-
schen Bildern freigebig". Neben der Anmut des Stiles entzückte ihn
wie andere „die hohe Ironie, die wie ein ätherisches Salz alle Poren
durchwittert".
Zu angeborenem Sprachgefühl kam erworbene Sprachkenntnis. Durch
die hohe Schule der antiken und der lebenden Weltsprachen ist Burck-
hardt begeistert gegangen. Mit wieviel Gefühl, Achtung und tiefem
Verständnis behandelt er in der ,, Kultur der Renaissance" die italie-
nische Sprache, ,, diese geliebte, gepflegte, auf alle Weise geschmeidig
gemachte Sprache" als die ,, Basis der Geselligkeit". Burckhardts Lieb-
linge waren die französischen Enzyklopädisten, deren Klarheit, Ele-
ganz und Ironie ihn entzückten. Er meinte, auch Rankes schriftstelle-
rischer Erfolg erkläre sich daraus, daß dieser bei den Franzosen ge-
lernt habe, „er mag es nur nicht Wort haben".
Burckhardt schuf sich in bewußter Selbsterziehung seinen sinnen-
haften, unendlich beweglichen, von Kern und Kraft der Volkssprache
wie von den Feinheiten der Gesellschaftssprache sich nährenden Stil.
Da sein kunstgeschichtliches Ziel ein neues war: Anleitung zum Kunst-
genuß, Orientierung der Forschung nach künstlerischen Problemen,
mußte auch seine Sprache in Begriffsbildung, Anschaulichkeit und Aus-
drucksreichtum neu geformt werden. „Du siehst", schreibt Burckhardt
im Vorwort des ,, Cicerone" an Franz Kugler, ,,wie ich mit unserer
schon etwas bejahrten, ästhetischen Sprache gekämpft habe, um ihr
ein eigentümliches Leben abzugewinnen."
Aber Burckhardts Kampf mit der Sprache hat ihn nur zum Siege
geführt, weil alles, was er dachte und schrieb, durch und durch mit
Leben getränkt ist. Diese innere Lebendigkeit wird fühlbar bis hin-
ein in die ganz persönliche Färbung der Sprache, bis in den unver-
wechselbaren Ton und Fall des Satzes. Daß hinter dem Stil eines
großen Schriftstellers nicht nur Talent, Wissen und Übung stehen,
sondern der ganze Mensch mit allem, was er ist und hat, das lehrt eine
einzige von Jakob Burckhardt geschriebene Seite: es ist, als fühlten
wir den Puls des Lebens näher schlagen.
REGISTER
Acciajucli, Donato 122, 290
Accolti, Benedetto 128
Accorso, Donato 84
Aeneas Sylvius Piccoloniini
14.23.52.56,62, 103, 104
107, 123, 128, 130, 151,
161, i7of., 189, i9if.,
201, 235, 243, 259, 279,
293, 295, 3o6f.
Akademien 158 f.
Akademie, platonische 139,
22of., 290, 299, 303, 309,
319, 322, 504
— römische 116, isSf.
Agnello, Doge von Pisa 6
Agrippa von Nettesheim 33,
310
Alagna, Lucrezia d' 21
Alberino, Giacomo 249
— Giovanni 24g
Alberti, Leandro ig6
— Leon Battista 80
Alberto, Fra, O. S. A. 85
Albornoz, Kardinal 60, 312
Alexander VI., Papst 17, 45,
56, 61, 65, 68, 105, 110,
124, 146, 151, 158, 161,
209, 259
Alviano, Bartolommco 159,
298
Amboise, Kardinal 42
Anguillara, Familie 60
Anjou, Haus 57
— Karl von 3
— Margarete von 225
— Robert von 116
Aquitanus, Prosper 137
Aragon, Dynastie in Neapel
8, 20, 54, 56, 254, 256
— Alfons 10, II, 21, 56, 57,
59, 86, 123, 125, 190, 239,
259
— Alfons, Prinz von Kala-
brien 32, 264
— Federigo 149
— Ferrante 15, 21, 64, 165,
241, 264
— Giovanni 64
— Lianora 32, 236
Arcelli, Filippo 86
Aretino, Carlo 116, 118, 128
— Lionardo 87, 108, 116, 135
138
— Pietro 90, 94f., 172, 182,
212, 227, 264
Arg>Topulos, Johannes 11 1,
123
Ariosto, Lodovico 27, 32, 106
140, 155, 182, iS6ff., 196,
201
Aristoteles 46, 80, 107
Arlotto, Piovano 90
Armonio, Commedia dell'
arte 182
Arsillus, Francesco 151
Augurelli, Aurelio 315
Averrhoes 112
Avicenna 112
Bacon, Roger 162
Baglioni, Familie in Perugia
16
— Astorre 17
— Guido 17
— Simonctto 17
— Ridolfo 17
Bagnacavallo 12
Bajazeth 56
Bambaja 174
Bandello, Matteo 27, 104,
172, 217, 219, 227, 253,
268
Baraballo von Gaeta 90
Barbaro, Ermolao 44, 142
Barcigiia, Atalanta 18
— Carlo 18
— Griffone 19
Bardi, Bankhaus 47
Bassano, Jacopo 203
Beccadelli, Antonio 125, 191
Bellincioni, Bcrnardo 236
Bellini, Giovanni 147
Bembo, Pietro 27, 129, 135,
138, 142, 14s, 217, 25s
Benedetto, Alessandro 298
Bentivoglio, Arunibale 236
— Giovanni 31, 293, 315
— Ippolita Sforza 219
Benzo von Alba 76
Beolco, Angelo (il Ruzzante)
183
Bernardino von Siena 234,
269, 270, 274, 276
Berni, Francesco 183, 268
Bessarion, Kardinal 44, 266
Bibbiena, Kardinal 90, 182
Biondo, Flavio 137
Boccaccio, Giovarmi 34, 86,
104, 106, 107, III, 114,
137, 144, i78ff., 185, 189,
198, 218, 233, 264
Boccalino 15
Bojardo, Matteo Maria 91,
172, 183, 185, 186, 201
Boldrino 14
Bologna, Antonio 254
Bonatti, Guido 295, 297 f.,
312, 314
Bonifaz VIII., Papst 113
Borgia, Familie 161, 259
410
REGISTER
Borgia, Cesare 20, 26, 28, 65,
66, 146, 226, 241, 259, 261
— Giovanni 68
— Lucrezia 67, 180, 283
— Rodrigo, Kardinal 235
Boscoli, Pierpaolo 36, 316
Braccio von Montone 260
Bramante 25, 70
Brandolino, Tiberto 260
Brancaleone, Senator 102
Bruncllesco (Brunelleschi),
Filippo 48, 233, 236
Bruni, Lionardo 128
Budaeus, Wilhelm iii
Burchiello 182
Bussolari, Fra Jacopo 272
Cafarello, Antonio 249
Caldora, Jacopo 298
Calixt III., Papst 63, 146
Calci, Fabio 157
Calvin, Jean 276
Camaldolese, Fra Ambrogio
290, 296
Camerino, Varano von 18, 37
Campana 151, 227
Cane, Facino 8, 12
Capello, Paolo 68
Capetinger 54
Capistrano, Giovanni 269
Capponi, Agostino 36
Caracciolo, Tristan 22, 137,
190, 293
Cardano, Girolamo 193
Carmina, Burana 100, 167
Carrara, Herrscherhaus in
Padua 83
Casa, Giovanni della 92, 211,
213
Casanova, Giovanni de Sein-
galt 248
Casella, Lovodico 31
Castiglione,Baldassare 92,304
Castracane, Castruccio 49
Cavalcanti, Giovanni 189
Cecco d'Ascoli 299
Cellini, Iknvcnuto 192, 306,
313
Chalcondylas, Demetrios 1 1 1
— Thcopbilos 1 1 1
— Basilios 1 1 1
Chiavelli, Herrscherfamilie in
Fabriano 34
Chrysoloras, Johannes iii,
125
— Manuel 1 1 1
Ciriaco von Ancona 104
Clemens VII., Papst 36, 56,
72, 74- 150, 174. 308, 310
Coccaius, Merlinus 152
Code, Bartolommeo 315
Coloccius, Angelus 159
Colomba, St., von Rieti 17,
283
Colonna, Familie 60, 65
— Giovanni loi
— Pompeo, Kardinal 72, 190
— Lavinia 18
— Vittoria 219, 225, 256, 281
Columbus 160
Compagni, Dino 46
Contarini, Familie 39
Copernicus, Nicolaus 164
Coppola, Francesco 21
Corio, Bernardo 129, 176
Cornaro, Luigi 183, 193
Corneto, Kardinal Adriano
da 70, 71, 143, 146
Corrcggio, Veronica da 255
Corycius, Joh. 159
Cotignola 12, 13
Cybo, Franceschetto 248
Dante 6, 46, 50, 54, 75, 76,
78,82,84, ii3f., 150, 163,
i68f., i7sff., 189, 191,
2oof.,2o6, 238, 280, 288f.,
295. 319
Decembrio, Piercandido 190
Dettin, Clara 227
Dolce, Lodovico 182
Dolcibenc 89
Donatello 36
Doria, Andrea 52
Dschem, Prinz 56,64,68,209
Dürer, Albrecht 173
Einhard 188
Emanuel d. Große von Por-
tugal 166
Erasmus von Rotterdam 1 1 1 ,
142
Eschenbach.Wolframvon 167
Este, Herrscherfamilie von
Ferrara 28, 32, 74
— Alfonso 28, 29, 30, 59, 127
131, 180
Este,Borso lo, 11,29,30, 127,
130, 165, 237f., 240
— Ercole 28, 29, 32, 180,
185, 236, 282
— Ercole II. 155
— Ippolito 28, 33
— Isabella 26, 27, 236
— Lucrezia 236
— Niccolö 28, 119
Eugen IV., Papst 60, 103,118,
303
Eyck, Hubert van 170
— Jan van 170
Ezzelino da Romano 3, 4,
282, 295
Fabriano, Gentile 34, 37
Faccio, Bartolommeo 86, 125,
135. 137. 190
Fano, Bischof von 261
Farnese, Pierluigi 95, 261
Fedele, Cassandra 225
Feltre, Vittorino da 1 18, 221,
290
Ferrerio, Kardinal 68
Ficino, Marsilio 122
Figarolo 257
Filelfo, Francesco 92, 110,
118, 131, 133
Fiorentino, Rosso 259
— Vespasiano 86, 190
Firenzuola, Agnolo I98f.,
321
Flamino, Giovan Antonio 70
Foix, Gaston de 174
Folengo, Teofilo 91, 152,
187, 268
Folieta 135
Fondolo, Gabrieno 10
Forll, Blondus von 103, 128,
136. 137
Forteguerra, Niccolö 142
Foscari, Francesco 40
Franceschetto 64
Franz I., König von Frank-
reich 26, 54, 56, 95, 227
Franziskus von Assisi 168
Friedrich Barbarossa, Kai-
ser 37
Friedrich IL, Kaiser 2, (Anm.
Nr. 19) 137, 188
Friedrich III., Kaiseri30, 161
Froissart 49
REGISTER
411
Gabrielle da Salo 292
Gabrielli, Cleofe 240
Gallerana, Cecilia 219
Gandia, Duca di (Borgia) 66
Gattamelata 86
Gauricus, Luca 315
Gaza, Theodor 1 1 1
Gegenreformation 12, 55,
112, 281
Gemignano, Filippo da San
140
Gerbert von Rheims 162
Ghiberti, Lorenzo 79, 280
Gianozzo 112
Gibbon, Edward 102, 137
Gibellinen 33
Giorgio da Novarra 292
Giorgione 174, 304
Giotto 202
Giovio, Paolo 86, 87, 88, 93,
135. 137. 142. 19°. 213,
245. 293. 315
Giraldi, Lilio Gregorio 20,
227
Godehard von Hildesheim 188
Gonella 90
Gonzaga, Herrscherhaus in
Mantua 26, 41
— Elisabetta 28
— Ferrante 188
— Francesco 26, 166
— Giovan Francesco 118
— Giulia 255
— Giulia Colonna 219
— Isabella 181, 219, 226
Goritz, Johann 151
Gottfried von Straßburg 174
Granacci, Francesco 240
Graziani, Antonio 16
Gregor VH., Papst 76
— IX., Papst 12
Grimani, Domenico 41
Großchan 160
Guarino von Verona 107, 1 10,
131, 201
Guicciardini, Francesco 49,
138, 190, 263, 267
Gyraldus 145, 155
Hadrian VI. 72, 93
Hawkwood, John 12
Heinrich VIII. von England
73
Heinrich II. von Frankreich
227
Hippokrates 157
Homer 107, 275
Humboldt, Alexander von
168
Imperia, Kurtisane 227
Inghirami, Fedra 132
Innozenz VIII., Papst 15, 17,
55. 56, 63, 64, 105, 124,
243. 307
Inquisition 266f.
Isabeau von Bayern 225
Isabella von Kastilien 225
Isabella von England 238
Isabella de Luna 227
Januarius, Ferrandus 320
Jeronimo da Castello 130
Johann XXIII., Papst 10, 258
Johann v. Portugal 87
Joinville, Jean 188
Julius IL, Papst 28, 42, 69,
106, 124, 132, 146, 150
Kalifen, fatimidische 3
Kallistos, Andronikos iii
Karl der Große 99
Karl d. Kühne von Burgund
9. 54, 57
Karl IV., Kaiser 83, 8g, 116
Karl V., Kaiser 11, 60, 72,
259
Kolumbus 160
Kongreß von Mantua 243
Konzil von Basel 61, 130
— lateranisches 71
— von Konstanz 108
Kopernikus, Nikolaus 164
Lampugnani, Giovanni An-
drea 35
Laokoon 105
Lascaris, Johannes 11 1
Latini, Brünette 113, 175
Laetus.Pomponius 142, i$S{.
Lecce, Roberto de 234, 269,
271
Leo X., Papst 19, 28, 36, 56,
64. 71, 73. 90. 105. 106,
109, III, 118, 124, 129,
134, 142, 146, 155, 157,
166, 190, 220, 223, 240,
241, 266, 273, 293, 295,
300. 315. 319
Lessing, Gotthold Ephraim
286
Lionardo da Vinci 26, 32, 68,
82, 122, 164, 236
Lionello 119
Lippi, Fra Filippo 84
Livius 125, 126
Lomazzo 223
Lombarde, Marco 289
Longolius, Christian 142
Lovato 85
Ludwig XL von Frankreich
54. 57. 61, 279
— XII. von Frankreich 11,
42, 54, 65, 240
Luther, Martin 72, 281, 310
Machiavelli, Niccolö 33, 49,
soff., 58, 59, 67, 87, 92,
131, 138, 147, 182, 190,
196, 216, 263, 321
Malatesta, Herrscherfamilie
von Rimini 16, 20
— Carlo 85
— Pandolfo 15, 16, 315
— Roberto 13, 15
— Sigismondo 56, 127, 261,
294
Malvezzi, Achille 266
Manetti, Gianozzo iio, 112,
116, 120, 121,128, 133, 290
— Agnolo 1 12
Manfred , derEpikureer 2,288
Manfredi von Faenza 16
Mantuano, Battista 56, 145 f.,
155, 202f.
Manucci, Aldo 44, iii
Marancn 283
Marca, Jacopo (Giacomo)
della 269
— Giovan Maria (Cornetto)
223
Marignano, Marchese von 96
Marignolli, Curzio 90
Martin V., Papst 60, 118, 144
Martius, Galeotto 291
Marzuppini, Carlo 128
Masuccio (Tommaso Guar-
dato) 258, 264
Matarazzo 16, 18, 165
412
Maternus, Firmicus 96
Matteo da Siena 234
Maximilian I., Kaiser 11, 59,
65, 75
Mazzoni, Guido 234
Medici, Familie 48, 209, 316
■ — Allessandro 36, 74
— Cosimo d. Ä. 48, 96, 108,
121, 206, 208, 209, 259,
290, 296
— Cosimo I. 212, 259
— Giovanni s. Papst Leo X.
— Giulio s. Papst Clemens
VII.
— Giuliano 34, 36, 71, 273
— Ippolito 12, 166
— Lorenzino 36, 88
— Lorenzo magnifico 15, 32,
34.48,57.64,71.79, 122f.
201, 202, 206, 2i9f., 240,
243,273,281,322
— Maddalf na 64
— Pietro 209, 274
Meinwerk von Paderborn 1 88
Menander 109
,,Meneking" 183
Michelangelo 36, 96, 281
Michiel, Kardinal 68
Mocenigo, Doge 43
Mohammed IL, Sultan 42,
55
Molsa, Mario 88, 150
Mongajo, Andrea 112
Montalto 15
Montani, Cola di 35
Montepulciano, Fra Frances-
co di 273
Montesecco 34
Monti, Vincenzo 149
Montovano, Battista, s. Man-
tuano
Mussato, Albertino 83, 85,
116
Musso, Kastellan von 16
Musuros, Markos iii
Napoleon 239
Navagero, Andrea 149
Negro, Girolamo 72
Niccoli,Niccolöio8, 120,206,
290
Niccolö da Verona 266
Niebuhr, Barthold Georg 102
REGISTER
Nieto, Fra Tommaso 282
Nikolaus V., Papst 56, 62,
103, 107, 110, 112, 123,
126, 128, 290
Oddi von Perugia 17
Olgiati, Hieronymus 35
Ordelaffo, Fürst von Forli
291
Orsini, Familie 60, 65
— Kardinal 68
— Kardinal Pitigliano Nic-
colö, 298
Ovid 100, 220
Pacciolo, Fra Luca 122, 164
Padovano, Paolo 85
Pagolo von Florenz 296
Palestrina 222
Palingenius, Marcellus 148,
308 f.
Palmieri, Matteo 116, 137
Pandolfini, Agnolo 78, 228
— Pierfilippo 122
Panicale 14
Panormita, Antonio 125, 191
Panvinio, Onufrio 68
Paracelsus 316
Pasolini, romanoglische Fa-
milie 13
Paul von Bagdad 295
Paul II , Papst 62, 104, 105,
124, 128, 142, 158, 190,
241, 242, 249, 294, 312
— III., Papst 19, 73, 74,
III, 151, 261
— IV., Papst 74, III
Pazzi, von Florenz 34
— Giacomo 302
— Piero de 1 20
Pelegati, Don Niccolö de 257
Penna, Jeronimo dclla 18
Perotto, Niccolö 107
Perries, Alice 227
Perugino, Pietro 18
Peruzzi, Bankhaus 47
Petrarca, Francesco 75, 84,
85,101, 106, III, 114, 116,
133, 141, 144, i68f., 177,
i78f., 185, 232, 233, 280,
299, 319
Petrucci, Antonello 22
— Pandolfo 20
Petrucci, Kardinal 71
Philipp der Schöne 188
Piccinino, Giacomo 14, 59,
62, 259
Piccolomini, siehe Äneas Syl-
vius
Pico da Mirandola, Familie20
— Galeotto 268
— Giovanni 20, ii2f., 203,
274, 300
— Giovan Francesco d. J.
20, 72
— Lodovico 304
Pietro von Albano 85, 164
Pindar 109
Pinziga, Jacobus 190
Piombino 147
Pitti, Buonaccorso 191, 248
— Jacopo 49
Pius IL, Papst, siehe Aeneas
Sylvius Piccolomini
— III., Papst 69
Piatina 128, 135, 137, 159,
190, 312
Piaton 221
P!aut\is 142, 158
Plutarch 86, 107
Poetenkrönung 115
Poggio, Francesco 10, 87, 93,
102, 106, 128, 135, 138,
153, 206, 208, 268, 293,
303 f-
Polenta, Guido da 150
Polifilo 107
Poliziano, Angelo 32, 86, 129,
142, 201, 203, 220, 302
Polo, Marco 160
Polybius 107
Pontano, Giovanni 32, 78, 91,
153. 159. 196, 202, 258,
293, 305. 32of.
Porcari, Stefano 62, 88
Porcellio, Gian Antonio 59,
131
Porzio, Camillo 22
Pulci,Luigi9i, 183, 184, 186,
201, 203, 287
— Bernardo 320
„Pulcinella" 183
Quinctilian 108
Rabelais, Franfois 247
Radevicus 188
Raffael i8, 19, 157, 240, 300
Ramusio, Hieronimo 112
Rangona, Bianca 219
Reformation 75
Regiomontanus 164
Riario, Caterina 259
— Girolamo 63, 226
— Pietro 62, 181, 233, 236
— Raffael, Kardinal 71, 248
Rienzi, Cola di 8
Robbia, Luca della 3 16 ff.
Rossi, Pietro de 86
Rosso, Michele 86
Rota, Antonio 224
Rovere, della, Familie 74
— Francesco Maria 70, 71
— Giovanni 70
Ruffa, Polissena 1$
Ruspoli, Francesco 90
Sabellico, M. Antonio 38, 44,
13s. 138. 239. 281
Sacchetti, Franco 201, 208,
264
Sacco di Roma 73, 94, 134
Sadoleto, Jacopo 129, 159
Salemo, Fürst von 95
Sallust 35
Salutati, CoUuccio 319
Salviati, Maria 96
San Celso, Caterina di, Kur-
tisane 227
Sanga, Giovanni Battista 308
Sanguinacci, Giovannino 164
Sannazaro, Jacopo 86, 145,
149, 150. 151, 201, 281
Sansecondo, Jacopo, Musi-
ker, Jude 223 f.
Sansovino, Andrea 151
— Francesco 44, 151, 181
Santi, Giovanni 186
Sanudo, Marin 136
Sarto, Andrea del 241
Sarzana, Alberto da 269
Sauli, Kardinal 71
Savelli, Familie 60
Savonarola, Girolamo 50, 54,
147, 263, 266, 268, aögf.,
272,273ff., 288,294, 309,
317
■ — Michele 85, 196, 279
Savoyen, Bianca von 234
Scala, Can Grande della 4
REGISTER
Scaliger 142
Scarampa, Camilla 219
Scariotto 314
Schilling, Diebold 5g
Segni 49
Senarega, Giorgio n, 135
Seneca 126
Sforza, Herrscherhaus von
Mailand 256, 259
— Anna 131, 181
— Alessandro 16
— Ascanio, Kardinal 41, 64,
209
— Caterina 226
— Francesco 13, 16, 23, 59,
126, 236, 237, 238f.
— Galeazzo Maria 24, 34f.,
88, 130, 133, 256
— Giovanni 56
— Ippolita 130, 254
— Jacopo 13, 14
— Lodovico Moro 1 1 , 24, 39,
41, 54, 56, 127, IS9, 272,
283
— Massimiliano 212, 213
Shakespeare 179
Sigismund, Kaiser 10
Simonie 62, 65, 71
Sismondi, Jean Charles Leo-
nard 190
Sixtus IV., Papst 13, 15, 54,
62, 105, 116, 124, 132, 158
241, 242, 271, 279, 291,
309
Socini, Bartolommeo 117
Soliman IL, Sultan 56
Sophokles 109
Soranzo 39
Sorel, Agnes 227
Statius 108
Strabo 107
Strada, Zanobi della 84, 116,
144
Strozza, Ercole 67, 156
Strozzi, Palla 123
— Filippo 123
Tacitus 125
Tarent, Fürst von 62
Tasso, Bernardo 27
— Torquato 188, 201
Tenda, Beatrice di 12
Tercnz 134, 221
Theanum, Kardinal von 142
Theodorus, Astrolog 295
Thomas von Aquino 3
Tiberto, Antioco von Cesena
31S
TibuU 221
Tiburzio 62
Tizian 239
Tizio, Domherr 294
Tortosa, Kardinal von 93
Toscanella, Paolo 122, 164
Trapezunt, Georg von 44,
III, 125
Trissino 182, 185
Trithemius 86, 310
Triulzio, Kardinal 146
Troubadours 82
Uberti, Fazio degli io2,i69f.,
186, 196
Universitäten 116
Urbino (Montefeltro), Fede-
rigo II, 15, 16,27,59, 103.
109, 126, 131, 186
— Guidobaldo 26, 70, 297
Urceus, Codrus 291
Uzzano, Niccolö da 147
Valeriano, Pierio 141, 156,
293
Valla, Lorenzo 62, 92, 125,
128, 141
Vallombrosa 304
Valori, Bartolommeo 122
— Niccolö 190
Varani, Herrscherhaus in Ca-
merino 16
— Bernardo 16
Varchi, Benedetto 49, 88,
138, igo, 302
Vasari, Giorgio igo, 236
Vegio, Maffeo 144, 2go
Veneto, Paolo 85
Verfassungen 49
Vergil 311
Vespasiano von Florenz 120,
121, 190
Vespucci, Amerigo 87, 122
Vettori, Francesco 49, 138,
190, 293
Vidovero von Brescia 15
Villani, Filippo 86, 132, 189
414
REGISTER
Villani, Giovanni 45,47, loi,
288,299
— Matteo 10, 47, 299
Vinciguerra, Antonio 232
Visconti, Herrscherhaus in
Mailand 7, 22, 57, 77
— Bernabö 7, 208, 298, 304
— FiHppo Maria 8, 22, 57,
165, 190
— Galeazzo Maria 63
Visconti, Giangaleazzo 7,
245, 298
— Giovanni 150
— Giovan Maria 8, 34
Vitelli, Paolo 58, 297
— Niccolö 314
— Vitellozzo 61, 268
Viterbo, Fra Egidio von
Vitruv(ius) 142
Volterra, Jacob von 190
22, Weifen 33
Wenzel, König von Böhmen 7
Werner von Urslingen 260
Wipo 188
Xenophon 21
Zamoreis, Gabrius di 150
93 Zampante, Gregorio 31, 283
Zanobi di Strada 84, 1 16, 144
Zuccato, Valerio 182
r^ttl'— ••«— ■•ll'->>it — •I<<«-IM-*HI-»«(I— •«• — iti->tH«>«MoUi
\\\o\\\Oi \€>i}ioii/o///^/mia^
ii|.^IM«|i|.^|M.*Mi— 'IM^lM'
Holzsctinitt^aus Savonarulas Sciiiift: „Arte del bene morire**, Florenz, um 1490
DIE KULTUR DER RENAISSANCE IN BILDERN
AUSWAHL UND ORDNUNG VON LUDWIG GOLDSCHEIDER
S t 2 d t e u r, ä Herrscher der Renaiisance
I. STADTBILD IN DER FRDHRENAISSAXCE. (Fresko von Bcr.cJctto Buonfigli: ..Cbctri-uns; der Gebeine des Hcrculanu<
Perugia. Piiiakoihek.
S t iJte und Herrscher der Renal i lai
l. DAS KASTELL ZU IRRRARA. Erbaut im 14. Jahrhundert.
3. CASTEL NUOVO ZU NEAPEL. Erbaut im i). Jahrhundert.
Städte und HcTTicher der Renaissance
ua iCAL:(AKGRABi:R zi; \lkli.\a.
S t J li t € und Herrscher der R e rt ^
5 f j li f f II n d H f r r f c h f r der R t; ri
a I S f u n c t
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7. SIG IS MUNDO MALATtb 1 A, I yr.mn von Rimini. Ausschnitt au^ dem Ircsko von l'icro dclla 1 rancesca 1111 Malatcsi.in-nipi
7,u Kimini.
Städte und Hei
X. SK;iSMONDü MALATESTA, Tyrann von Rimlni. Von einem unbek.inntcn Meisier des m. Jahrhunderts. Rimini, Kaihcdral.
V f j c/ f (■ M Ti li H e r r f r l< e ' J e r R
9. GIOVANNI II. BENTIVOGLIO UND SEINE FAMILIE VOR DER THRONENDEN MADONNA. Von Lorcnzo Cosm. 14)*^^
Bologna, S. Giatomo Ma^^iore.
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Städte H n ä Herrscher der Renaissance
S l J J t e II r. J H c r r s c h V r der Rcnatiiance
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ij. ALIONSO I. D'ESTH. Herio^; von Fcrrara. Von Tizian. New York, Metropoliian-MuMrun
S : j li t c und H e r r i I. h t T der Renaissance
18. ISABELLA D'ESTE GONZAGA. Wn Tizian, 1534. >X'ien, Kunsthisiorisdics Museum.
Studie und Herrsther der Renaissance
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19. H-lA)N(.)RA GONZAüA, Hcriosin von Urbino. Von Tizian. Horcn/. ;'lti/icn.
S t u J t e und Herrscher der Ren
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2C. ISABFLLA D'IiS'l li, Toditer Ercolcs l.d'Iisic und vk-r llconora vi»n Ara>;on. Gauin Gian l-r.mccr'icos ITI. Gon/:at;a.
Herzogs von Mantu.i. Zcidiiiung von Leonardo da Vinci. Pari>, I ouvrc.
^3- GALEAZZO MAKIA Sl ÜRZA. Hcriog von Mailand. Vun Antonio del l'olla|uolo. Horeni. Utfizicn.
iA 2< Hii)ii\ II .1 M. iK/ \ l.lNANM IL MORO, Herzug von Mailand, und je.nc Ga.tin BEATRICE D'ESTE.
Au.schn.uc au. der Pala Sforze.ca von Bernard.no de' Conr, .n der Brera ,u Mailand
LILGEHCUKEN VOM GRABMAL LOIHNU.' ^
K-anau--.^ \ lmi l'avia
/.AS UND SEINER GATTIN. Von Andrea Solirio.
27- LODt)VICU IL MOKU, HctLo^ von Mailand. Cjtmalde von Öoliraihu Mailanii. I^iiiinilun^ TnvuU.i.
S t u li i c u 7t il H e T r i i h c r der R e t7 a i s i u ^i c c
28. Francesco Sforza (1401 — 1466).
29. Gian Galeazzo Sforza (1469 — 1494)-
jo. Bianca Maria Sforza (1472— ij 10).
}i. MaMrnilian I. bfuiza (14J9 — iJ'?)-
32. Maxituil i.di stiif /,i {> -i-'\— -i) \o).
5i. Beatricc d'Estc (t I499)«
MlTCU-llDlK DlvS HAUStS SI-ORZA. Aus den WarulKcmaldcn von Bernardino l.uini im Sfor/a-KaslclI zu Mailand.
Staate und Herrscher der Renaissanct
AIAKINA MOK/A, i 'iÜiIit des (jilcj//o Maria btur/a, Gaiciii des (^rrol.inm Ki.inu \.,n r.ero di ( osimo.
Museum in Alienburj;.
7 ( ■ r , , * .• r ,1er Ä c n .
i( LDIXWIH) 11. (jUNZACA und IhlNh hAMILlh. hroki. %on MantcRna. VUntua. CaMcllo di Coric.
UiDOVlCO U. G(.>NZA(.,A 17 KARUI.NAl. 1^ KA.NCK.SCO GONZAGA.
■\vj\ Mantc»;!!;)» Fresken im C^jstcllo di t^urte zu Mantua.
l». bbOtGNUNG Ll)DOVl(.0;> 11. CONZAÜA, MARKGRAhtN VON MANTUA, Mll bhlNlM SUHNh.
DEM KARDINAL FRANCESCO. Fresko von Mantcgna im Castellu di Coric zu Mantua.
^ l a il l c und Herrscher der Rena
t s s a n c e
jy. I RANC.l'.SCt) GONZAGA. 'l'frr.ikoti.i \..';i Cii.in CiiMuloro Runuinu. I
h-MM/, Musr,' \<.Ar.\>,
S t a li t c und Herrscher der Ren
a i s s a n c c
40. GlANl'KANCtSCO OONZAGA. Zeidinunj; von Irancesco bonsi^;nori. llorcn?, Uthzit-n.
i ^mm
cs-y
\ r ., ,n r u u ä H v r r * <. h (■ r der K t
\<_.i 'N. Königin
Städte und Herrscher der Renaistance
■^
44. HERDINAND I.VÜN ARAGON, Koni« von Neapel, Tcrrakottibüsie von einem unbekannten Meister d.^ 1,. J.ihrhundcrt^
Paris, Louvrc.
4i. DTR HAIKN VON NEAPia.. Von ,..,,„, , ,„. ,..1 Mejster um iioc. Neapel, Naiionalmuseum.
Städte und H v r r f c h c r der Renaissjnce
46. MAXIMILIAN SFORZA. Zeid::iu;,^ n^m sJuiU-i
Leonardos da Vinci. Mailand, AmbroMana.
47- FRANCESCO SFORZA. Von Bernardino de' Conti.
Rom, Pinakothek des Vatikans.
48. FEDERIGO GON2AGA. Von Francesco Francia.
New York, Metropolitan-Muscura.-
49. EIN PRINZ AUS DKM HAUSE GONZAGA.
Ztidinunj^ von Francesco Bonsi^nori. Wien, Albcrtina.
s f .i ./ r (■ H 7t ,/ H i r T I c h r r tt c r K v ?t ,i i i l a n c i
^o, s I (" i> n s 1 .1 n / o S f o r z .1 und seine burp. Von Gian Iran^ i , , I i mli, 147J,
J2, (1- C a l .1 r i n .1 Sforza. Von Nitcolö Fiorentino
Tvrr.M A-r .
4
\4. SS- A I t o n s o von A r a >; t> n. Von Pisanello.
RENAISSANCK-MEDAILLKN. Hören?. Nationalrauscum
t""l
tmsB^ßxL,
)6. FEDERIGO DA MONTEFELTRO, Herzog von Urbino, und seine Gaitm BATTISTA SFOR2A
Von Piero della Francesco. Florenz, Uf6zien-
^TWWI-^^ II ' 3i.i^''ZÄ:jfe;:
i7. i«. UIE HOCHZEiTSWAGEN DES HERZOGLICHEN I>AARhS. Ocmäld. aut dir Rudiscile des obigen üoppelbildniss,-.
S t da l c und H c r r i c h c r der R e n a i i s a n c e
(., GUIDO
«MUO DA MOJ^TEHF.LTRO. Hcrios von Urbino. Von GUn Francesco Clroto. Florenz, Palaizo Pitti.
Städte und Herrscher J e r R
e n a t i s J r: c e
LI ISABhl lA GUN/ACA, Gdiiin dt-s t.uidnlMido da M-umtcIn ... Hcr/i.t;s
Von (;i.in Fr-intcsto Caroio (?). Mori-ii/. I'alA//o l'jtii.
/n tyrannos
(■>!. JUDlIl-l UND HOLUIKRNLS. Bronze \on Donateiio. Morcnz. Loggia uc* Lanzi. — Im Jahn- 14^^ \o(
dem SiKtioronpalast aufgesteüi zur Ehrung des Tyrannenmordes.
Keilet J c n l- "I .1 / f '
.^-^rs--
.., IST* OK,. ,CK ..N ^^^r^^^'^^^^f^^J^^^^J^^^l^-^^;^^^ ^ —
R t t : I.- T J e fi k m a l t
x-AWO-OlIMCCOXxVllK'
04. GülUORiCClO li.)üLIANi. \ lui Simone Manini. Sjinj, P.ilaizo l'ubli.
<•) ■ ■- i.i. ,'lc' M.\ 06. Rhrn;RblLÜ.\,= :i^ (-LlMJOrrU-.Kh gidvawi
RLCCl DA lOLh.N 1 l.NO. J rc^u >uii Ainirci dtl Casusni. ACÜTÜ (John Hawkwood). Froko von l'aolo Lcvi-;!.'.
I-'lorcnz. Dom. Morcnz, Dom.
Ri-iterdenkmdler; A n t i k i
RUThRKILUMs lINhS 1 Ml'hK A TORS. Römische Bronze. Neapel, NationalmiiStun
■^ *•
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1)11 R(1MINC.HI N liRONZKI'hERDh VOR UhR MARRUSKIRCHE. Venedig.
Rettcräenkmiler: Ren
j i f s a T! c e
69. RtlTtRUtNKMAL DYS GATTAMl.LA TA. \\.ii Oun.iic]lt.. Padua.
7C. RElThRUtNKMAL UKS COLLhONl. Von Vcrrt-ccliio. Vi-iu-Jij;.
R e i t e r J e n k •'! :i ! ,
71. liARTOH>\lMHO tOLLFOM. \ 0,1 W-rro.^hioN KcilcrdcnUnut iti \ ciicdij;
R e t l e r J c ri k m ä ! c r
'■ -•'•
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In .'
7-. Ül R t OMIl,)! I IhKI- GATTAMLI A 1 A, K,.|>l dts KtiiirJcnknials Mm Uoii.itcllo. 1447
,'.•.■ I Ji'i Sjin,.
R i t l i ' ii c n k rti J ! e I
// i- c T f ü h }
ROBI-RTO M ALATHSTA. Feldherr dc\ Papstes und der \ enezianer; Schwicgerbohn des Her/nj;s heder ii;.> von Lrbino
Aus einem Fresko von Picro di Cosimo in der Sixtinisdicn Kapelle.
Heerführer
\OI O \l Tl LI 1 t ,
GhilK-llm
sdicr Hccrlulucr. — 79. liRACtlO \clN XKINTOM C oridmiifrc.
l ASTRUCCHi CASTRAC
Morciiz, Uttizicii.
Heerführer
'»I». ■-•"" "* "
IHR rc'Mli^TTnRI \'Kr(l!(">nv ['■/7\
V(1 Bi i-.ii:.- ^^••■Ak..•^^I^•.:tt^■ rii>r."i7. VntioiMlnniM'uni.
H C C r I „ I. . r r
K r i e g s k u n s c
s^. s( Hl At H I /^ ISL lil N ! L SS-"?!.)! 1 > ATI- \ UND KLi 1 tKN. Antikes Keliet. (TeilariMcht des AlcxandcT-barkoph^gs
Museum in Konsiantinopei.
lU.rn KSCllLACHT. Gemälde von Vao\o Uccello. London. Naiionals-ilcric.
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;io V'a>.iri. Mtircu/, l'.
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vo. KRltGSSZF.M MIT EXPLODIF.RKNDER UOMBl.. Zcichnunj; von Leonardo dj Vinci. Paris, ehemalige Sammlung Armand.
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INIWHKI /L' KR:H,s\IAs( MIM \ /nainun,; von Iciiurjo d.i Vmhi. london, Bruivh MuMum.
K r i e ^ i k u Ti s t
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y2. MONIItRKN FINKb GtSCHÜ TZtS IM ARStNAl.HDI . li-dcr/L-idmuni; K.n LcoTUr.l.. d.i Vinci, W iiuisor. Köniclichc Hiblu-.l.ck
K r I c ^ f k II n s t
•j}. Hl-.IM. I lurcuiiniKdi, 15. jahi-hundcn. i loiti.z. NAUonaliiuovüin.
■r. Rfl II 1 still Uli: Vl^N MMR rRL.NKKLM UNG. IK.rti./. Nauoiulmuitum.
K r i e s s k ft '! s t
Dlh PRUNKRUSTUNG KAIbliR KARLS V. Vuu einem Mailänder W'artciisdnnlca des lo. l.ihrhunJcrts. Hören/, N^tionalmuseum
.ily:alcric.
\' c a p c ! und Floren:.
/) ; < K i' /, 1, :■ I i l: r l u r e n z
Die R € p „ h l i k Floren.
ic;. LORENZO DE' MI »ICI IL \IAGM1-K O. Alic-c.n^dll•^ P.irirai v>..: C.u.rul,. V.n.u., 1 lorciu, L'lti/.ici
Die Republik Florenz
DU- NORÜTÜR AM BAPTIST! KlUM ZU hLORtNZ. Von Lorenzo Ghihcrti. DaruWr; ..Du- Predigt des Taufers"
von Giovanni Francesco Rusticci.
Die Republik Florenz
FLORENTINER ANSICHTtN. * indginialdc vor. Stradano im Palazzo Vecdiu. /u II, r,-,,/
lii. ßriidte bei Santa Trinilä. — 103. Der Platz Mercaio Veciiiiü. — 104. %'eihiinj;stest vor der Loi;i;ia Je' Lanzi.
los. PAl A/ZO PUBLICO (STADTHAUS' IN SItNA. Pholographit.
Die R c p u i- l t k S t e n j
7 » > ^dCk '''2
i=«. DER HL. BERNHARD PREDIGT \ OI^
tiALS IN sILNA. \un I>i
Dir R c p u I' I i k V e n c d i
tri IHK lOVil \0\ \1,NLL)K; l M> IHK lua.l N;^o;r...i .-'■.'^: Jcc Tluli dMi Cjn.i dev 1 l-gi m- il-iMcs.
Venedig.
icS. DAS 'äUNDER des KRtLZESHOLZES. Von Vittor^; Carpaccio. Venedig. Akad
^, Akadcinif.
iD^. DIE \^ ILDLRMNUUNC DER KKl UZESKELIQUIE. Von Ccniilt- hclhin. Venedig. Akademie.
! ; ' k- \' • 71 C <i I
Die Republik Venedig
113. CATAKINA CURNARU. Idealbildnis von
P.10I0 Veronese. Wien, Kunst Kistorisches Museum.
114. CATARINA CORNARO. Von Geniile BelUni.
Budapest, Museum der Schönen Künste.
iij. CATARINA CORNARO (mit der Krone) und venczianisAe Edelfrauen.
Ausschnitt aus Gcntilc Bcllinis ,,Wiederauftindung der Krcu/cvreliquic". Venedig, Akademie.
Republik V e ri e ä i i
New York. Privaibesiiz.
U II R c f u h I : h \
ü : t K , p u h : I t
119. DER DOGl. LLUNARDO LOR1:L)ANO. Von Giovanni Bellini. London. Naiionalg.ileri,
120. EINE PERSISCHE GESANDTSCHAFT IN VENEDIG Von Paolo Veronese. Venedig. DogenpaUst.
EINE GESANDTSCHAFT AUS ENGLAND. Von Vmort Cirpjcclo. Venedig, Akademie.
Venedig und der Orient: J t r u t a l e ni und Kairo
122. VENEZIANISCHE GESANDTSCHAFT IN KAIRO. Art des Gentile Btllini. Paris, Louvrc.
m
12). DER HL. STEFAN PREDIGT IN JERUSALEM. Von Vittore Carpaccio. Paris, Louvre.
l-r ., . ,/ , S U .. ,/ ,1 C r n .
124. MARKUS HEILT DEN ANANIAS AUF DEM MARKTPLATZ ZU ALEXANDRIA.
Von Cini.l J.> Cciiicv;liaiuv Bertin, Kni^cr-F'riecIrK+i- Mu^TOn'.
,,^. 1,11, rKH'i.,1 14 - HHLlGhN MARKUS IN AllNANDRIA- V,.„ (.,..^.u„h BcIIuu. Ma.l.nd, Brcra.
^•ä
D t r V j t i k u n » n d d i e T ü r k e i
■ •8 DER rURKlNPKINZ DSCHhM, Bruder dfs Sultans Baiazethll. und GotanponcT der Pipstc
Innozenz VUI. und Alexander VI. Aussdinitt aus CTnem Fresko von Pinluricchio, Rom. \atik.in.
K a i i € r und Papst
IZ9. KAISERKRÖNUNG. Aus der ^erkstact der Robbia. ilorenz, Naiionalniuicum.
ijo. KAiShRKRONUNG KARLS V. Ausschnitt aus einem Tresko von Giorj;io Vat.ar
Floren/. Palazzo Vecdiio
." K !'■ n i :i '.
n. KM
SfR KARl V. (IcmaUlo von Iizian, 1(4* Mündien, Allcrc Pinakothek.
h .1 t > < r und K ö n i % t t m / c t i a l t c t J i r R lu j i t s j ti i <
IM. KARL Vlil. VON IRANKKI-ICH. .Mini.iiurL-. 1'jii>. N-Uuiidlbiblioihtrk.
KaistrUTiii K '-^ 'i i ^ e im 7 e i t u l t c r J e t Reujifsancc
ijl. KÖNIG HEINRICH II. VON FRANKRhlCH Von Jean Clou«. Florenz. Ufhzirn.
Kaiser und Könige im Zeitalter der R e n a i i i a n c e
,11, KONK, Hi .NKUH VIII. \o\ INl^LAM). Von H.in. Holban d J. Ni'iiidsor C«[le.
Kaiser und K •
Zeitalter der Renaissance
i ff i: \
S .1 I ' c r a t, ,1 K i: II i i> c : m Zciljllertler R e ri j i i i j ,i ,
Kaiser u n ä K o " i ^ e t tn 2 e i t a i t e t der Ren
j 1 s s j fs c e
Rom A ti I 1 k e C r j h m i I c r : K j i I c I l e in der R
f n j I < j .j « c c
•aSb
140. DAS GRABMAL DLR CAECILIA .METELLA an der Vlj Appia bei Rom.
»^
I M I ! M ,1 ,
(Im H,i
IVtcTAird.c.)
R o m. B u u a e T k e der Antike und der R e n j t f f ^ n c i
-111--
^&a*=4fe^¥?iMfe
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142. ROM, um 1480, vom Capitol aus gesehen. Zeichnung eines Sdiülers des Doraenico Ghirlandaju. {Codex Escurialensis. lol. 40.
'— «../.-Afc.i—
I43. DIE I'ETERSKlRCHt. IM UMBAU UND DER VATIKAN. Anonymer römischer Kupferstich dvs iß. Jahrhunderts
'Z. u 7 L n t i t i h H n g i g f 1 i h i < k t c ä c r größten Renaissance kirihe
144, DIE KUPI'tL DES DOMS ZU Mi- MODELL ZUR KUPPEL DER
FLORENZ. PETERSKIRCHE.
Von ßrunellfSiJii. ^^^ .Michelangelo. Rom, Museo Petriano.
146. DIE KUPPEL DER PETERSKIRCHE
IM HEUTIGEN ZUSTAND.
\'on Michelangelo u. a.
147. DIL PtTLKSKIKt.Hl. \ l.iR L)l.,\: lJ\lB.^U ;Ba>ilica dl S. Pictru.) Rekonstruktion von Prof. Marcclluni. Rom, Museo Pctnanü
Rom: Peter ikirche
!"^,N
US. VOR DER PETHRSKIRCHE.
Die Papste
i'ST Plus II. M (.\l r AM ÜAI I N \ i '\ A\t ONA 1)11 KKi l /l AHRI-R. Fresko von Pinturicdiio. Siena, Dombiblioihck
Dir r d p s t i
l'AI'SI ALhXANDER VI.
Aussdiniit aus einem Fresko von Pimuricchio. Rom, Vatikan.
(Zur Rcditen de-
iSi. PAPST SIXTUS IV. U;\U ..,. ... X. . i..." .•■- ■ ■ ■-■- ;-■■' „ - .. ,,
Papstes der K.irdinal Piciro Riario, sein Licblmj;sncrtc: %or ihm. stellend, Kardinai Giuho dclU Ruvcrc, der spatere lapst Julius lt..
dafiinier. kniend, Bartolommeo Sacchi, bekannt als Humanist unter dem Namen Platina; seine Erncnnunfi zum Vorsteher der vatika-
nisdien Bibliothek ist auf diesem Gemälde dargestellt; links: Giovanni dclla Rovcre, Bruder des Papstes Julius H-. Herr voii iinisaglia
Sdiwager des Herzogs Guidobaldo von Urbino; ganz links: Girolamo Riario, Neffe des Papstes Sixtus IV.. Gatte der Caterina btorza.i
Di'. /' j f
12- I'APST SIXTUS IV- UctJil von senicm chcrnrii Grabdenkmal Von Antonio l'ollaiu..lu- Run. I'tui jki. Ju
ISJ. I'Al'ST JULIUS 11. ALS KARDINAL (Giulio JelU Rovcrc). Ausschnitt aus ..•[nem Iresko von Bottitclll. Rom. S.xtmi-Kipdlc
Die Papste
14 PAPST IUI lUS II. Ausschnitt aus einem Cienulilc vun Rart.iel llcrenz. P.ih//o Pitti
Die P j p s t c
MV PAPST LFO X. niii den Kardinalen Ciiulio tlo' Modui. dem sp-iu-rcn l'apvi C'.Ienu-ns \'1I., und Lodovico de" Ros-
\'(in RatT.icI. iinrcn/. P.il.i//t> Pitii.
il6. PAPST LfcO X. ^ ciß cchöhic Krcidc/ciJinung von Scbasiiano dcl Piombo (>). ChaT*«*>rth. Sammluii'; des Her70i;s von Dcvon-.htrc
A
Die P ä p s 1 e
157. I'AI'ST Cl.l MINS VII. 111 iuni;i.-n Jjhrcn. \ un Scba>ti,iifu dol I'iomlio. Ncjpcl, Naiioiuilmuscum.
Die Päpste
158. PAPST PAUL 111. mit seinen Enkeln, den Kardinälen Alessandro und Üttavio Farnese. Von Tizian. Neapel, Nationalmuseuni.
Die Päpste
i,.> UIL SCHViLlZLIU.ARUL DIs PAPSTl S, Au«din,t< .im cnu-m I rc-sk., >..,. R.iH.ul Ko
\'atikan.
Die Kirche
i6o. FRANCISCUS VON ASSISI. Aussdinitt aus einem Fresko von Cimabuc in der Unierkirdic S. Francesco zu Assi-ii.
D i c Kirche
^ MISSPPROPHE'lyE^EFFlGiES^
i6i. GIROLAMO SAVONARllLA. Von Ir.i B.inolommco. riorcn. .
D i <■ Kirchs-
i6z. SAVONAROLA als Peirus Martyr. Von Fra Bartolommeo.
Morcnz. Muscü di San Mjrco.
J
■*fc«c»,ifc„»<-^i^"««s
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163. \ LK.liRL.\NL'NG SAVONAKOLAi. \ un einem unbclsjniiicii llurtiüiniijivii MjleT um ijic. Ilorcni. Musco Ji Sah Mailo.
; ) ; <■ K I ' c h
164. DENKMÜNZEN AUi- SAVONAROLA.
Dir K I > c /'
16). Vi riHRAUCHGEI Ä5S. Silbcrsdimicdcarbcit dos i j. Jahrhunderts. I'adua, Sdiatzkammcr son S. Aiuonio.
i66. PROZESSION IM INNI;RUN EINF.R KIRCHE. \\m Vitton- Cirpaccio. Venedig, Akademie.
,i.j. riNBRINGUNG DER HEILIGEN KREUZESRELIQUIE. Von Scb.istiani. Venedig. Akademie.
D ; ■ Kirch,
.6S. INM RES EINES SANCTUARIÜMS. Von Gcniilc Bcllini. Vcnedit;. Akailcm
U i'- Kirche
i'.9. DLR DOM VON FLORhNZ.
■-^^""^^
&
170. D1;R DOM VON I-LRRARA.
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Dil Kirche
171. UhR DOM VON PISA
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.^Sä^'
17;. ULK IJOM \ Li.\ ill.NA.
,7V PKI.DICT DLS HL. B! KNHARIl tBr.RNARDINO DA SIENA) VOR DER KIRCHE IN SlFNA.
Von Sa HO di Piciro.
R c l i s i o ti und Aber via »hcn
174. Dil \ [ KnAMMll \ A^l^■.Jln.Ir .lus dcm Fresko von Luca Sij;n<)rclli m
DoTii zu Orvieto.
17V 1\ I)i"R HOl [ I . /i-K-imun^ ■....■ LMm-M /u,,ti
.■■\il.,riitii I l ni» iirl
rskn H-, eicT n.Mnkuinnl /u I Inrcn/,;
/\ (■ / I V I " " " " '/ A !> c T ji l ii 14 /' c n
R c l i V i o n u n ä A h c r v l a u h v n
R c l i ji i o ri und A h c t g l a ti h e n
170. OAS tjKUSl.LlCt IN UtR MALhKlI. Verlesende Leichenteile und Ungeziefer.
Ausschiim aus dem „Kampf des hei!ij;eii Geori;" von Vittore Carpaccio. Venedig. S. Giori;io de' Sdiiavoni.
iSo. DIK VI-RSUCHUNG UKS HF.ILIGF.N ANTONIUS. Von Parcntmo. R.>m. Galerie Doria.
Religion und Aberglauben
iH, Dir MADONNA BF.iRFIT IINFN SÄUGLING \ l_ s l'IN KRALLiN ilNls DWU^Ns
Gcm.iUlc von Niccolö Ahinnn. Rom. CjjIcdc C:olonna.
R V l i X. t o ri n 71 li A i> V r g l A u b c i
^■:^Mc^d:ä^
1«:. Dir HrXKN. Hand/ciclinuni:. an;;cblidi von Bntticclli. Florenz, Uflizicn.
Wissenschiifc und Aber^lauhen
183. DIE \i;ERKSTATT DFS ALCHIMISTEN. Gem.ilde von Giovanni Stndano. Florenz. P.il.i/zo Vccc+110.
W i 1 s c rl s c b J f t und A h c t ^ 1 a u l> c n
i»4. i!l(. ALMGC1R1SCH1- DARSTF-LLUNG VON DIR MIRRSCHAIT DIR GISTIRNF bBtR n\s 1 I Itl \
DIS MI NSC:Hr\. Von Giov.inni Miroiio. i'.ulu.i. P.il.i7/ii .Irli.i R.iilionf.
W i s i c n s c h .1 f t u n J C. n t d c c k n n ^ c n
1 ^ ja»-rJri^i-.^tiKnl--J|^'r-''
i«6. PROPORTIONSSTUDIE.
Zeichnung; von Leonardo da Vinci,
^'indsor, Köni|;lidic Bibliothek.
187. LUCA PACIOLI (Pacciolo). Gemälde von Jacopo de' Barbar., mit jeinem Sclbstportral (.>) rci+its. Neapel. N.iiiünalniuscum.
U" i s < c ri i c h a i t u ri li L n l ä c c k u n i; c n
Jc. lö. jAluhunUcris. IKücii.'. Uttuicn.
W i f i e rt i c h a f t ti ti d l: n t ti c c k it n ,t' c n
jsy. CHRIbTOFH COLUMBUS. Gemälde von bcbasuatio dcl P.ombü. New York, Mecropolitan-Museun
U " i i i c u s c h j f l II II tl {■ ri t il t c h 14 ri ^ v u
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190. MASC.HlNKNHMVi UKl L, ZciJinunj; von LcüiluiJo Ja Vinci. Morenz, Uffizicn.
It' 1 j 1 1- H I c * J / I u « >' t rl l J c c k u II i e tl
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^,£^|*^^Wi-i<f'\ '
191. ANATOMISCHE STUDIE von Leonardo da Vinci.
\('indsor, Köni^Iitile Bibliothek.
l .•■ 1 1 M \ M M-
S LElCHN.^.VtS. Zeichnung von Bartolommco Passcrotti. ü\ford.
Das C V l V h r t I
lyj. GLLEHKTLK BEI SEINER ARßEIT. Holzidiniit aus dem Poliphilü.
(Vencdii;. Aldus Manutius, 1499.)
i<)i. GELhHRTFR BEI SEINER ARBEIE. Au^sdiniit aus einem Gemälde von Antoncllo da Mcssina. London, Nationalt;alcric.
D j s C i l c h r : c r! l u rr:
195. BhKNAKÜiNU COKiO. Hoizidinm au^ iciner
Mailänder Chronik, IJ03. (Ausschnitt.)
1 i\.\.-.i_oCO FILELFÜ, Human isr und Redner Zt.^iuL,.
Monogrammisten M. H. Wien, Sammlung Grat ^'ilczek
197. ARBEITSZIMMER EIN! :
\*on Vutorc Carpatciü. Venedig, S. Giorgio de" Sdiiavonc.
D J J C t l c h T l v ri l u Dl
lyS. jLKlbTlSCHE VORLLbUNG. Vom Grabm,il Jv^ 1 .ircn/o Pim. Bologna, b. Pictro. Von Girolamo Cortcllmi
HUMANISTISCHL VORLLSLNi^. \ um; Grabmal Jcs Jiiippü Lazzjii l'isu'i.i, S, Domenico. Von Antonio Rossciino.
Das Cclchrtcntu
:co. UMVERSITÄTSVORLESUNG IM FREIEN Hcnricus de Allcm.nnu la-si .c,„ KolU« über E.h.k. Dcckf.rknm.l.re, ,,„f
1 crgamem von Laurcnuus de Voltal.na, AiifariK dc5 M- lahrhunderts. Berlin, Kiipfcrstidikabineit.
:oi. THEOLOCISCHr \ORlfSL;\G. Von Uomcmco di Michelino. BerRamo, Akad.
cniie Carrara-
D ., > (7 ,
-Ä.
;.:: 1 )ISPL I A 1 K »\. ZL-ichnunp von \']itorc Cirpaccio. Florenz, Uftizien.
IMM'L I A i U'N. ' U-
Si^intt;;tirtirtcn. I \ on llcnurduu) di M.umtto, MaiLinii. Brcra.
Die H i h ! i o r h c le c n
;04. iJii: lüBLiUTHhK VON SAN MARCO ZU i LORhNZ. trbaui von Midiclo7za di hjrtolommeo.
Die B i b l i o I h i: k c t:
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20$. FASSADE DER MARKUSBIBLIOTHEK ZU VENEDIG.
Erbaut von Jacopo Sansovino.
BlliLIcmcA LALRLNZIANA ZU TLORIN/ Irhiut n.iJi
li MuhcUnjicios.
Renaissance
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Siena, Librcna Piccoiommi.
208. Blaitümrahmu:.^; einer I I \' I US- A L SO A BL.
Siiiuie des Mantt^;na. NX icn, AJbernna.
-Titel von einem DRUCK AUS SALUZZO. M07.
Bibliothek Jes Vatikans.
Ersie Texiseltc einer HIERONYMUS-AUSGABF,
FcrrAra, 1497. Bcrlm, KupferstKlikabinett.
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113. DANTE. Bronzcbusic von einem unhckaiintcn Meister des i j . Jihrliunderis. Neapel, N.ltionalniuM'iin
214. DANTE-ILLUSTRATION. Von BoTiicclli. Berlin, Kupierslidikabmcti.
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Jlj. DANTE-lLLUSTRAriON. Von Iranccsco Trancia. Vk Icn, Albertina.
D i c h t u n \i und Literatur
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:i6, 217. DANTE-ILLUSTRATIONEN. Von Botticclli. Rom, VaukanisAc Sammlungen.
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StMMTCONSlUlSAC!^"''Tr\T!" -N^ ■ NILi'^TV|TTANTO.-\OR5 5.\ßi\NOCUMP0tTAt*-««'QVl'A VIVS -v v ini > •. i lARALN lAAG OTaCIT»»*«
21». DANTE UND SEINL DIVINA (OMNirlHA, Von Muh.lin ll..ro-/, Dom.
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f^fß'An
1). DIL LLI/ll \i.iVtLLE AUS m)CCACLK)b l)i;CAMLRONL I ruhcnbrcllmalcrci. Von Pcscllino. Bergamo, Akademie Carrara.
220. GIOVANNI BOCCACCIO. 221. FRANCESCO PETRARCA.
Fresken von Andrea de! Castagno. Florenz, S. Apolloma.
D i c h l H II x' und [. i t c r j t u i
PHTRARCA. Von einem unbckannicn Meister des ij. Jahrhunderts. Rom, Galerie Bori;hcse.
DK HILRKKONUNG Uci Acnc.i
Dombibiu
D t i h I u u '^ •< n J L t t c r ^ I I, I
Kopl ancs Propheten, angeblid, Porirät des POGGIO BRAtClOLlNl. Obcru-.l e.ncr Marmur>taiuc .im Horcnt.n., c.imp..nil
Vüii üonalello und Rossi.
D 1 c h ! u r ; und i : ! i- r j I i
•TsiafmU:- ...» ..-üfu
llf. MARSILIO FICINO. Humanist, Haupt der neupllionisdien Sdiulc in Florenz. Aus einem Fresko von Domenico Ghirlandajo,
1430. Florenz, S. Maria Novella.
D t c h i u rt a u u ä L i t c T ii t H I
216. GIROLAMO BF.NF.VIKNl. Philusoph und Diditcr zu Flortnz. Von RutoHü dcl GhirlanJajo. London, Nationalgalcrlt
D t C h l u n \: u ti il L : t c r j l I
227. Der Hamanist ANGELD HC^LIZIANO und sein Zögling Giuliano de" Mcdici. Au^ cmem Fresko von Domenico Ghirlandajo.
Florenz. S. Tnniii.
D i c h l H n )i und L t t c r .1 t u r
;jS. MARCO Gl ROI. AMC) VIUA. Nculaicimsdier
230. GIOVIANO PONTANO. Sekretär am Hof
D.diter. — 119. ZANOBI DI
von Neapel und Gesdiidiissiiireiber.
und Staat ssekrciar.
Florenz. Uftizien.
SIRAUA. Jurist und pocta laureatus. —
— 2JI. GIOVANNI DELLA CASA. Dichter
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2J2. PICO DtLLA MIRANDOLA. Humanisi; mit Marsilio Ficmo und Anpelo Polizianu I uhrer der neupUtomsdun Ak-idtmi.
Florenz. I'resko von Bouicclli, aus der Villa Lcmni in Morcnz, jetzt im Louvre zu Paris.
D t c h t u n V H n J i i t c r j i u i
:\\. Her Humanist PI ATINA. \'crt'.ivNcr einer Gc-chithic der P.ipMiv Aiii einem Tre'.ko von Mt-Iozzo da Forli. Rom, \*atik.i"
I) t i h i k 'i )i und Literatur
iJ4. Niet.Olo MA( ill.'WMll liJuikir, i- nsJncht^sdircibcr, Komodiondichtcr . Verfasser Jcr ..Gcsdiichie von Tloreiiz". Tarbigc
I crrakiMLibusie von i-men» ii[! bekannten Meister des i6. Jahrhundcris. Florenz, Socieii Colombaria.
D i c h I M n )i H ti il I I i c
23J. FRANCESC(.) t^UlCCiARÜl Nl
I-lorentinisdier Geschichtsschreiber.
riorcnz. UfHz
236. ONOiRlO I'A.WIMO.
Thcoloj; und Altertumsforscher.
.•3^. MAI riO TAI MURI, huliut Jvr vl^Eiu.kvi. ..Si.iJi Ac-
Lcbens". Büste von Antonio Rossclino. Florenz, Nationalmuscum.
liÜ. DONATO ACC;iA.IliC>Ll. Philosoph und Gesdiiaitssaircibcr.
I loren/.. Bor^o dcj;!! Albizzi.
O t £ h ! II ri ^ u }i li L i t c T u t u j
ly). LUIGI PULCl. \cri...... d^
Morcnz. S. Maria dfl Carminr.
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:40. BFNLDl 1 U> \ AiU-Hl. D.ditcr und Gcsch.dit>sa.rc.bcr. Von T... an. ^ .cn, KunMh.stor.schcs Mu^cun
O t c h r u n X II ti d L
PAOLO GK>VIO. Humanisi.
Verfasser von Bio;;ra|'>hii
Florenz, Ufiizicn.
l.ihrhuiiJi.-
Dil h t ti n \; und I t t v r j t i
GIACOBO SANAZARO
l'KI aus CAKDINALKS «LMIU S
J/l M(MV Oiriilllil/l.rYdhlll
niKM.r. tr 17
PAVLI lOVII
EFFtGIES.
Ccditc facundi , Mufirara gloria , vatcs,
Orjtorquc tuo fluminc conftitcris,
Qiii cell» Hcroum maiori diicrit xftu,
Kon 1 o V 1 o viat fub gcmino axe prior.
T. M.
Joannes Pikrivx VALtRiANVi'.
.jWiiJ iimä tvnjcrths carniina vcna,
(fr vatfs valem corriais exttmum
Viyfji^'um : cfianos fcnpfifii nomine fi'^':'^
^Tonte äl^irno nomtn et Omen '
,.. lACOlH. SANNAZARO. Nc>,l.,cM,md,cr und „ai;cnis>i,cr ü.dnc. - MS^ KARDINAL P'^.™; BI,V'',^;,:R'lrvTLLR?ANO
onü Hi„or,OBr.,ph. - .44. PAOLO ÜIOVIO. Arn. Bischof unj G;ul„Au.*rc,hcr - ;^'- ,^'"^ -".^^ 1 ' l .f,^' VALLRIANU
IM/anusI H..m.„.ni. p.ip»rl,c1,cr K..mnuTor unir. U-.. \. - Kuplcrvndio Jc's 16. Uhrl.und.rt>.
Dichtung und l. t t c r j t i
:46. KARDINAL IMhTRO BIMBO. Scknt.u Uo. X . i nund der Lucrc/ia Bo^^;la und
uiij Dittiter, Vcrfasicr der ..Asolani", der Gespräche über die Lifbc. Gcm.i!dc v»
n.\ ( <.|on;i,i. Muni
Kom. Pal.i/zo Barbcrini.
I'hilul.'j;
D t c h l u u V II n J L i { V T a t H f
i47 PH TRI) ARITINtl. (it-mildc von Ti/ian. M4i. I lorcn7. Piiti-Galcric.
Dichtung und Literatur
(,K-M HAIDASSARI. CASTIGLIONK. der Autor des ,.Libro del t.orit-iann-. dir tjcspr.idu- uIxt d.is Idi-ai
GcmilJc von RatTscI. Paris. I.ouvre.
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■,.| ILIIGl CORNARU V>rl.,..cr >Us Tr,.kt.f, „Vom „uß,i;c-., UlH-n'-. (.cnnlJc von Tlntorcto. VU,r,-n7. Pnla/zo l'.lt..
l) i (. h t u n V H >i ii / I t t r .1 t II I
DTR DICHTER ANÜRHA NAVAGKRl). linke Hhlftc imk-s Doppi-Iponrais von K.irf.ul. iw'> Korn. (InK-rit [)or..i
/) i c h l u ti -i u ti il L i l V T j l i
iSi. LODOVICO DOLCE. Dichter und Kunstschrirtstcllo
AiionviniT Hol/sJinin des r6. Jahrhuiuicns.
iSi. LODOVICO ARIOSTO. Dichter des ..Rasenden Roland".
KupIcrM ith von i" nc.l V ico.
ANDREAS NAVGERIVS
Patricivs Venetvs.
^ORLANDO FV^'
RIOSO DI MESSER. LVDOVICO
AMOSTO nobile FERRA/
RESE NVOVAMENTBDA
LVI PROPRIO COR
RETTO E DAL/
TRI CANTl
NVOVI AMPLIATO NVOVA
MENTE STAMPATO.
JS). AMJRIA NAVAG1:RI). NcuhicinisJur D.J.ui
Antinvmcr Hnl/sdinm des ift, LiliThumlcru
M D XXXIII
(4. TITMlUAir VON AKIOSIS ..RASINDIM ROI. AND"
ly i i. l> t 11 n ^i II >i >t 1 t t i I i I u I
(! KARDINAL BIBBILNA (Bcrnardo Dovizi). PartciBänscr der Mcdici. Gesandter .im fran^usisdien Hol SdiJlzmeisur t.leimns' VII.
„nJ Leos X., Verfasser der lodieren Komüdie ..Calandria". Gcm.ildc von Raffael. Madrid. Pradn.
;((). nm PARNASS. V( anJKcm.Udi- v,.n K.irticl ml V.uik.in
;17. J)I R PARNASS (Triumph d.r \cnu^.) \ on Aniin.i M.uin-n.i l'aris. louiri.
iiJi. AVU>R UND Uli I>RI.I (jRA/II.N. Aus di-m I ri-skcn/yklus ,.Aniur uiui l'syJu
Giulio Romano und Giovanni da Udmi- na^ii intwurfin K.irt.icl
Ri>ni. ViIIj lanuMn.i
W i e ,1 l- r K <• h t, r t J 1- r A „ I I h
loU L)LK PR(.)L.I<.1S. \ Oll 1'ii.r.. Ji tuMmu. Londi.n. \ati<in.ili;.ilcnc.
:.o. MARS UND VFNUS. Von H>.a,^.i|, I ,.nJon. Naiioiial>;alcric.
KIJHI Nl)h VI NUS Mir CUl'IUe>S. Von Jatopo dcl Scllaio, (\i ah.sduiiihji alut als Boliitcllis „Mars un.l Venus".)
London. NationalRalcnc.
;ftj. KAISER CARAL.ALLA. Antike Büste. Anfang des }. Jahr-
hunderts n. Chr. Berlin, Altes Museum.
26}. BRUTUS. Von Midieiangelo, um 1540.
Florenz, Nationalmuseum.
•■i KNIENDER JÜNGLING. Um 460 v. Chr. wvtv;.Ll.<:l des i6j. CUPIDü. Von M.a..ia,,^;.;«.. un, 14^;- London. Vittnria
Zeustempcls, Pergamon. und Albert-Museum.
ir I c,l < r g, c h :, T : ,U r Am i k c
f.i. M'Hl I 1 1 (
^68. DF.R TITL'SBOGEN IN ROM. Kupfer«,* von G.ambattisla
Cavalicn nadi einer Zeichnung von Giovannantonio Dosio. 1569.
TitellMld der „ANTIQUARIE PROSPETTISCHE
RUMÄNE",
70. DAS lORUM NIRVAI MIT DIN RE1\1.\ L'! ^ M 1 \ 1 k . M I M I 1 1 s. K,,.u,„,.h w.n G,.,miuu,,M l.,..,li.,, nad,
Zeichnung; von t»iov .inn.int«ti'ii) Domo, i^ftg.
ll" I c J L' r ^ , h „ , I J c r \ „ I I i:
271. URriTORICI R AMIKIR TRIUMPHBOGEN 1\ Ki^'M
DARSTIXLUNG
\-MKI\ IKIIMiM ! - \UI' FIM'M RENAISsWi I 1 .1 \1 \1 1)1 MIT BIBLISCHFM
S rOI I . iBmiKcIhs ..Rone Knrah" in der Sisilniscticn Kapelle. J
I r , u .., ;, I. , „ j <• , „. A ., < c I- I i,
27}- ANTIKER TRIUMPH?r(; R.lul ,,m Ti.usl>..uci. in R.
>J|ghMWiaiaaMiMWA«ii'i(e^tsiaM
.74. TRIUMPHZUG ALIONSÜS I. VON ARAGON. Von 1 r.nccsco Laur.n.. Ncpcl, Ca.cl Nuovo
T r i u w p h / 14 n e : nach Petrarcas T t i u n f <
17s IKIUMPH DIR lIhBE Icmp.-r.i \ um NUmsut .i^t CxssühJ.
Mitu Jcs i) Jahrhundcrit, tluffiuijnscli lunjou, \ai u)nali;aU"ric.
i7f'. ^77- TKIUMFH DhR KILSCHHIIT UND Dl S TODl.S
TcinpLTajjcmalilc eine unbekannten sn.ni.sisiiivn Meisters. Siena. Akaden
;;;■> IKU.Ml'M lUlv KILSLHHIIT latup.. ,Wi Sell.M.
/iiHiNtiirielien. Ilürcii/ . S. Aiivaiu».
1 i- 11 MI'H Dl S roDlS M.HU.
Iloren/. Uth/.en.
,> Nduieln
/ r ; „ ... r. U , t, ,
■ h P r r r .t r c .1 s T r i o 71 f i
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jS2. TKILMPH der LIHBE. F.lteiibeinrcHcf aus der bdiü\c von Mjntua.
1 >. lahrhuiiJen, I lorcnz. Naiioiialniustum.
lüi. TRIUMPH Dr.R LlhllL. l\■nlpt^a^;cmallJc eines unbekanmen Mcncsisdien Meisters, ^:ilu. Ak uU
;8;. i»j. AUS ÜHM TKlUMI'HZUü CAl-SARS. Von Andrea Manicsna. Galerie Hampton Court.
:S4 I'RiLMFH LJh^ VtSPASlAN UND llTLb.
ZciiiinunR aus der lombardischen Sdiule, Ende des ij. Jahrhunderts. Paris, Louvre.
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;«!. TRIUMPH DES VESPASIAN UND TITUS. Von Ciulio Rom:ino, Paris, Louvre.
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:Hh l,,, ;SS TKIUMPHZL'G AM HOI E BÜRSOS D' ESTE. Triumph Jcr Minerva — Jes Apollo - der Venus.
.\UN Jen |-rcNi\cn von l-rAntescü Cüssa im Palazzo SJllfanoja ^u 1 errara.
/ /. .•,,/,
jS9- DAKSll l-LLN'G IN IIN'IM A.VIHHlTHtATKK. (Raub der SabiiuTinru-n. GemalJc von Cosimu Roscili.)
Rom. Galerie Coloniia.
j.;o. ÜARSTELLUNCj IN hlNtM BALLSPIELHAUS. (Die Heilunn des zornigen Sohms. Br,in/trclief von Donatcllo.)
Padua, S. Anlonio,
ly]. KM MURI LINLR (BUHNtN- lARCHITLKTUR. Von Lugano Laufana. Berlin. Kaiser-rnednch-Muuum.
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^92. TERENZ-AUFFÜHRUNG IN ITALIEN. Aus der Tcrcnz-
Aussabe, Venedig, 1497.
Bmnno actud
..i.lCHZEITIGt TERENZ-AUFFUHRUNG IN DEUTSCHLAND.
Kolorierter Holzsdiniti, 1496.
Theater
294. SCENA EINER KOMÖDIE. Holzsdinilt aus Scbasuano Scrlios Werk ,.Dell' Ardiitcttura'',
VcnediK. 1545. (In der mittleren Achse ansteisende Straße, rechts und links nrüln-re und kleinere Häuser
mit Durdiblick, absdtließender Bau im Hintergrund.)
29i. SCtNA EINER TRAGÖDIE. Holzs.linitt aus Serlios ArAitcttura. (Breite, ansteigende StraÜe
fürstliche Gebäude und Statuen, tiefer Hintcri;rund, davor ein Triumphbogen.)
T h e a I t
296. SCl.NA HINtS s\ I 1 ■■ M 11 ■■ Mo!/sdinitt .lus Scriios ArL-hitcttura.
flÄiullu+ic Dokor.ition mii li.iunu'u und Hütifn; anstcli^cnilc Str.ilU- auch hier bewahrt. 1
S<I\A 1)1 S I 1 \ I K* ' I itit» /l VU.l-.NZA. l rbaut von Andrei P.ill,iiiio. (S\ mmirri'.,.iicr Prachih.Tii
iinj — JurJi insL;i-^.inn liiiit 1 01 f iCtsi-hcn — aiutci^iciidc CiavH-n mit un'-vninictnsiiicn Min/c!j;chiuden.)
T h € a t {
:9S. DARSTKLLUNO MMS M YS I I.K irNSl'll-.IS. (M..
t.Up.:
N.itioiialRalcric,
Tl' c ., t ,
W ;. . I t
M u i t k
joi. CH(.)KKNABtN. Kehct von Luca dclia Robhia,
Horenz, S. Maria dcl I iorc.
IM ML M/IhRFNDt: tNGHL. Relief von A);ostlno
da Duccio, an der Tass.ide S. Bcrnardino, Pcrufiia,
» vv'vs.i v.'-'^^tT.'^..;
304. Dil: MUSIK. Bronzerclief vom Grabmal des Papstes Sixtus IV. von Antonio PolUjuolo. Rom, Pcicrskirchc
M I, ■ ; t-
3°!- DAS KONZERT. Von T,/i.iM. (Aiiji dem (jM.rgioiic zu^cschntbcn.) I lurcn^, Palazio Pil
306, KLIGliNTANZ. Art dt-, Bonifailo
M H ! , k
T u r n i € I
TL'RNIKR 1\ FLORENZ, auf Jcm IM iw \..r *^ Crncc. W'.iiui-^-nKiiiic \ on Stradano im PalazZüVccdiiü zu Florenz.
31C. 311. SZLNLN ALS LINbM TUKNH.R IN VLRONA. Von Dümcnico Moronc. London, Nationa!^;alcric
Turniere
yt:. PKMSKltHTIR UND ZUSCHAUIR Ui:i EINEM TURNIER. Zcidinun- von J.ia-po B.llin, Paris. Louv
Die J a i d
313- JAGUGESELLSCHAI-T A:
Indc,". I'na, (.,in,|H
, , iJll Uslw-, ms HL. l.USTACHIDS. Von l'n.iiulli. L,.ndo„, N.iiuiii.ilKJli-rit
Die J .1 g ti . und die F n l d e ( h h ii g d t r N a i n j i c h n n h e i i
nt sriLLKlilN. Gcinaldt: von .[.v^opo .1.' ll.ul.,ui ^ J.uüb \^ .iMij. 1)04. MunJui.. Altcrc PuLikoiiick.
D i f L " t ii c c h u n v der S e h u tt h e t t D .t s Tier
316. TRUTHAHN. Uron/c Von Giovamii d.\ liülosn.i,
Fluren/, Natmiialniuscum.
317, ^'INDHUND. hroii/crclicf von Bcnvcnuto Ctllini. llorcnz. Natioii.ilmuscum.
Die L II I d e c L- li 11 g der S c h ,, n h e i : : D j s Tier
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)lS. INSLKTF.N. Zcidinmis lon Irc.iKlr.l,. ,lj Vinci Turin, Pah/^,) Rc.lle.
t^SSJ-rp-ili-.^
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ii.j. WINDHUND. Zi-ia,m„ig »uii ['i>a,u-llo. Paris, Louvrc.
D t c Entticckung der S c h o ri h e t t : D a i Tier
yxz. PrERDF.STUDlFX. Von Leonardo da Vinci.
Vi'indsor, Königliche Bibliothek.
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);.. PIKRDESTUUII N. Von Ciulio Komanu. Viicn. AllH-rtuia,
Die I: II t J c c k u n g der S c h n n h e i t : D J s Tic
i:\. DIU OCHSl NTRlllUR. Von Loronzo Lotto. Ji-si. Bibliothek.
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3i<. LA\DS(ll\fT Mir HI k;ii |.ik..|. ui.d R.uhtl . \ un t'almi \fCdi.o. DresJ.-n. Ceni.il.ticil
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G J r t c n h li ti s t
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(;r,, GAKTLNSZrNr. Hol/'.Jiimt. Vciu-dii;. 1499-
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..cm unlick.innlcii Mtivur Jcn 16. j.ihrhuiidcrts. LüiiJon, Victoria- und Ali'(.ilMu>L'iiin
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VlL.l.A UND (iAKIIN IN VI M DIC. (^cumMc von P.iolo Vir.:,., 1',. r.-, ,nu.. Ak.ulcnuf Carrarj
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IJ.). A\SI( HP \'0\ RDM, ma V.uik.m und der im Umbau bcfindlidicii l'citiNkirjK . Imki <Ui lielM-dcrcg.irtcn. Von Paul Ium-iu-!,
I ruhcr \^'ifn. KuiiNihisiorischcs Museum.
,---.i_t-, VERO DISSEGNO DELI STVPENDl EDEFITU GIARDIKI BUSCHl FONTANE
'ifc'ä^la ET COSE MARAVEGLIOSE DI BELVEDERKIN ROMA.
\\~ \\TIK\\ r\n miNiniKI Kupfcr^ich von .^mll^ol!io »rjmlMll.i. H79
JJ], BAUMSTUDIh. hcdcf/CTiliiuing auf l.|.iiirni l'j|>i.r v,.ii I conarjo d.l \nio. ViiiuUor, Ko.ii j;Ih<i,- ll,l.ii,>iluk.
O I f t. u t ä f c k u n g der S c h n ri h c t { . Die L u u J s c h a f t
3}-. MAKIA [M WALDP. Von l-ra lilippo L.pp
licriin. Kaiser- Iricd rieh- Museum.
>XALUE. Von Paolo
Dogenpalasi.
334. CHRISTUS WIRD VON )OHANNi-,S IM WALOl.
AIS niR HriLANO BIGRUSST. Von J.uopo dd Scilajo.
BiTlm. Kaiser- I-ricJridi- Museum.
Die Fnldeckung der S c h n n h r i t Die i a n d i c h j j f
3}i. Gi:\^ ITThRLANUSCHAIT. Von Giur-iuiic
Venedig, Palaz/o Giovandli.
jj6. DAS GÜTTI-RI KST. Von Giovanni BcIIini. PhiKidcIphia, Museum Wrtiencr.
I) : r I 1} I ri t i k u n g J f r Sc h o n h v i l I .t n J i k h .t \ t u n d I r j u e ii Ic ,, r p i
KOK/i Kl IM I Rl II N. Von (Hcr-ioiic. I'aris, Louvrc
JJÜ. IIIRI' UND N>MI'H1^ V.l.! I ,/i,ln. Vkl.ii. kunslIuM.in.,!,, . M.i
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HO- lUNGI I KAI MI ( SPIhGKl.. Von Giovanni Bdliiu. isij. (NaJi Burckliardis An. .ahme Purtrat ilfr
Gc'lii'btin des Pietro HcinUo.) Wien, KunsthlstorisJlcs MuNCum.
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J41. IR AUENPORTRÄT. Von Dcsidcrio d.i Scttignano.
Berlin, Kaiscr-l-ricdridi-MiiM-nni.
54:. FLORENTINERIN. Von einem unbekannten Kupfcrstcdier
des ij. Jahrhunderts. Berlin, Kupferstlchkabincti.
343 M.ORI N riNl RIN. Von Boiiitclli.
Berlin, Kaiser- IriedriLh-Museum.
34^ Wl IHl U_H1 S BILDNIS. Von Picro dclla I rancesi.i
Berlin, K.iiser-I-ricdridi- Museum.
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Venedig- Markusbtbliorhck.
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;S4 Vr\l /lANlSt Hl ^ st MI At ZI \1 MLR. lUer 1 r.ium der hl. Ursula.) Von Vittorc C.irp.ULin.
Vciicdij;. AkAdcmic.
er, Pro\ iii/i.ilmuscum.
n .1 ' r r I l .1 I I c b V i:
3S6. fLOKtNTlNISCHER INNtNRAUM, um uyo. Ghirlandaios Frciko „Geburt Marjai
Florenz, S. Maria Novclla.
wiiöizrvir
<»*W!«i*»e—<pwn«m >»■
^^^k#:<ijM>^M>4\JÄ!
i-:: \i'l'\[M\US St Hl AI /IMMi K n, f \ , :r |.,i r.t;hcti und proßem Kamin.
Rclici ,111 Bruii/clur des Doms zu Pisa, ..Geburt NU tue". \on Schülern Giovannis da Bolot;na. 1602.
3St;.
VLNLZlAM^Clil. KURII^AM.N ALI IIMM BALKON.
Vciu-tiit:, Museum Corrcr.
Gcnuiliic von Vittorc Carpaccio.
D j i P r t V a t i e b e j
\. Aussdinm aus dem Gemälde ,.Dcr heilit;e Sebastian'
vun AiUüncllo Ja Mcssina. Dresden, Gemäldegalerie.
h c li 7t ,1 K u n f t <i e li c r h c
yjQ, )yi. ILORLNTINUK.
ESbDESTlCK UND VORLUGtMEsM R Aus der S.immluni; C.irraiid.
I-lorcnz, NaiioiKilmujcum.
und Kunstgewerbe
392. RENAiSbANCt-SCHMUCK. Aus der Sammlung Carrand. Florenz. Naiionalmu
Gewerbe und Kunstgewerbe
Gewerbe und K u n s t g e u- c r h e
Tiacaue^ ir<sl- ÄlD
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Caroato e/a^ ittx S^xajtv. in cjavola- ap^ tl- Sia7 '^U): C^wzT c^artoUnL.
(.^ittjTf^or /L.oc^hi c/rJ :
J'ran .'^"errriru. incL iiCL
39). BENVLNUTO CELLINl. KupfcrM.d, vuii I r.iiKc»tü AlU-Krli.i.
C c Zi c r h e und K u r: : t ^ c '^
398. BRONZt-KANDELABhR. Von Riccio (?). Padua. S. Gior^;,.
Gewerbe und Kunstgewerbe
399. BILDNIS EINES SCHNLIDERS. Von Giovanni B.-mista Moroni. London, Naiionalsalcrn
Gewerbe und Kunst cewerht
j^mmm^^ff^^
400. BILDNIS EINES SCHNhlULRb. Von Farmct'SiJnino. Neapel, Natlonalmuscum.
C t ;; (■ ' /' r i< n d Ka'ist^cucrbi
401. DIE WEßERlNNtN. (Die Jrci Par/cii.) Aus den Fresken Francesco
Cossas mi \^i\mo Schitano|.n lu Icrrara.
\<'EliSI"UHl.. (Od>-A.a, 1,11,1 l'.nclopc.) Gcm.iUi.
Naiionalgalcric.
Gewerbe und Kunstve werbt
^-,. WOLLWEBEREI. Von Mirabcllo Cavalon
4:4 KANONENGIl SSI REl. Von Francesco Popp..
40i. GÜLDSCH.MÜ.ni.W I.KKSI All. Von AUwandro .1 ci. 4 '• GLAS'i ARENl AHK IK. \ 01: G.ovann. .M.ina Ituitc
Frcikcn im Palazzo Vecdiio zu Florenz.
Die K M n s t l i
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4-v LlAlNARDO DA VINCI. Selbstbildnis. Rötchcidinung. Turin, Koniglidic Bibliothek.
n i f K ., .
Die Künstler
Die Künstler
41}. MLIPPO BRUNELLFSCHl (Bruncllesco). Relief von
Bupgiano am Dom zu Florenz.
414. ANDREA MANTECNA. bronzebuite. angeblich von
Cavalli. Maiuua, Sani' Andrea.
4M I KA ANt.l l ILO. Aussdiniti aus c.ncm Ircsko von Raftael. •♦'"■ BKAMAM i , Al> :'i..niui Jocl. Aii^^Ju.iU ^.,. i.Mvi.. i i^,ko
Rom Vatikan. ^°" MiaielanRcto. Rom. Sixtina-K-apellc.
Die K u n i I l i
417. GIULIANO DA SANGALLO. Vun Piero d. Cusimu.
Museum im Haat;.
41S. GIOVANNI BELLINI. Sclbsibildnis.
Rom, Capilolinisdies Museum.
419. GIORGIONE SelbsibiUnis. I-Iorenz, Ufhiu-n.
420. TIZIAN. Selbstbildnis. (Aussdinitt.) Madrid, Prado.
/.) ; f K H n i t l c }
All. RAITAF.L. Selbstbildnis. Florenz. Uftizien.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
1. Stadtbild in der Frührenaissance. (Fresko von Benedetto Buonfigli:
„Übertragung der Gebeine des Herculanus".) Perugia, Pinakothek.
2. Das Kastell zu Ferrara. Erbaut im 14. Jahrhundert.
3. Castel Nuovo zu Neapel. Erbaut im 13. Jahrhundert.
4. Die Scaligergräher zu Verona.
5. Denkmal des Bernabo Visconti. Mailand, Archäologisches Museum.
6. Denkmal des Cangrande zu Verona.
7. Sigismondo Malatesta, Tyrann von Rimini. Ausschnitt aus dem Fresko
von Piero della Francesca im Malatestatempel zu Rimini.
8. Sigismondo Malatesta, Tyrann von Rimini. Von einem unbekannten
Meister des 15. Jahrhunderts. Rimini, Kathedrale.
9. Giovanni II. Bentivoglio und seine Familie vor der thronenden Madonna.
Von Lorenzo Costa, 1488. Bologna, S. Giacomo Maggiore.
IG. Giovanni Bentivoglio. Relief von Sperandio. Paris, Louvre.
n. GiovanniBentivoglio. Relief von Vincenzo Vanuzzi (?). Bologna, S. Gia-
como Maggiore.
12. Giovanni II. Bentivoglio, Tyrann von Bologna, und seine Gattin Ginevra
Sforza. Von Lorenzo Costa. Paris, Sammlung Dreyfus.
13. Ercole I. d'Este, Herzog von Ferrara. Von Dosso Dossi. Modena, Esten-
sische Galerie.
14. Ercole II. d'Este (?), Herzog von Ferrara. Von Tizian. Madrid, Prado.
(Diese Bestimmung folgt Carl Justi, Jahrb. d. prcuß. Kunstslg. XV. —
Gronau glaubt, daß das Porträt Federigo Gonzaga, Herzog \on Mantua,
darstelle.)
15. Alfonso I. d'Este, Herzog von Ferrara. Von Tizian. New York, Metro-
politan-Museum. (Das oft reproduzierte Exemplar im Palazzo Pitti zu
Florenz ist eine Kopie von Dosso Dossi.)
16. Laura Dianti. Die Geliebte des Herzogs Alfonso I. d'Este. Von Tizian.
Richmond, Sammlung Cook.
17. Lucrezia Borgia. Tochter des Papstes Alexander VI., Gattin Alfonsos I.
d'Este. Ausschnitt aus einem Fresko von Pinturicchio. Rom, Vatikan.
42«
660 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
i8. Isahella d'Este Gonzaga. Von Tizian, 1534. Wien, Kunsthistorisches
Museum.
19. Eleonora Gonzaga, Herzogin von Urbino. Von Tizian. Florenz, UfBzien.
20. Isabella d'Este Tochter Ercoles I. d'Este und der Eleonora von Aragon,
Gattin Gian Francescos III. Gonzaga, Herzogs von Mantua. Zeichnung
von Leonardo da Vinci. Paris, Louvre.
21. Lionello d'Este, Gouverneur von Ferrara. Von Pisanello. Bergamo,
Akademie Carrara.
22. Margharita Gonzaga (?), die Gattin Lionellos d'Este. Gemälde von
Pisanello. Paris, Louvre.
23. Galeazzo Maria Sforza, Herzog von Mailand. Von Antonio del Polla-
juolo. Florenz, Uffizien.
24. 25. Lodovico Sforza, genannt II Moro, Herzog von Mailand, und seine
Gattin Beatricc d'Este. Ausschnitte aus der Pala Sforzesca von Bernar-
dino de' Conti in der Brera zu Mailand. (Die Zuschreibung an Ber-
nardino de' Conti ist von Morelli; Seidlitz schrieb das Gemälde dem
Ambrogio da Preda zu; neuerdings nimmt man einen eigenen „Meister
der Pala Sforzesca" an.)
26. Liegefiguren vom Grabmal Lodovico Sforzas und seiner Gattin. Von An-
drea Solario. Kartause von Pavia.
27. Lodovico il Moro, Herzog von Mailand. Gemälde von Boltraffio. Mai-
land, Sammlung Trivulzio.
28 — 33. Mitglieder des Hauses Sforza. Aus den Wandgemälden von Bernar-
dino Luini im Sforza-Kastell zu Mailand. (28. Francesco Sforza. 29. Gian
Galeazzo Sforza. 30. Bianca Maria Sforza. 31. Maximilian I. Sforza.
32. Maximilian Sforza. 33. Beatrice d'Este.)
34. Catarina Sforza, Tochter des Galeazzo Maria Sforza, Gattin des Giro-
lamo Riario. Von Piero di Cosimo. Museum in Altenburg.
35. Lodovico II. Gonzaga und seine Familie. Fresko von Mantegna. Mantua,
Castello di Corte.
36. Lodovico II. Gonzaga. Aus Mantegnas Fresken im Castello di Corte
zu Mantua.
37. Kardinal Francesco Gonzaga. Aus Mantegnas Fresken im Castello di
Corte zu Mantua.
38. Begegnung Lodovicos II. Gonzaga, Markgrafen von Mantua, mit seinem
Sohne, dem Kardinal Francesco. Fresko von Mantegna im Castello di
Corte zu Mantua.
39. Francesco Gonzaga. Terrakotta \on Gian Cristoforo Romano. Florenz,
Museo Bardini.
40. Gianfrancesco Gonzaga. Zeichnung von Francesco Bonsignori. Florenz,
Uffizien.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 66 I
41. Francesco Sforza. Marmorrelief von Gian Cristoforo Romano. Florenz,
Nationalmuseum.
42. Federigo da Montefeltro. Marmorrelief von Gian Cristoforo Romano.
Florenz, Nationalmuseum.
43. Isabella von Aragon, Königin von Neapel. Zeichnung von Boltraffio.
Mailand, Ambrosiana.
44. Ferdinand I. von Aragon, König von Neapel. Terrakottabüstc von
einem unbekannten Meister des 15. Jahrhunderts. Paris, Lou\tc.
45. Der Hafen von Neapel. Von einem unbekannten Meister um 1500.
Neapel, Nationalmuscum.
46. Maximilian Sforza. Zeichnung von einem Schüler Leonardos da Vinci.
Mailand, Ambrosiana.
47. Francesco Sforza. Von Bcrnardino de' Conti. Rom, Pinakothek des
Vatikans.
48. Federigo Gonzaga. Von Francesco Francia. New York, Metropolitan-
Museum.
49. Ein Prinz aus dem Hause Gonzaga. Zeichnung von Francesco Bon-
signori. Wien, Albertina.
50 — 55. Renaissance-Medaillen. Florenz, Nationalmuseum. (50, 51. Con-
stanze Sforza und seine Burg. Von Gian Francesco Enzola, 1475.
52, 53. Catarina Sforza. Von Niccolo Spinelli. 54, 55. Alfonso von
Aragon. Von Pisanello.)
56. Federigo da Montefeltro, Herzog von Urbino, und seine Gattin Battista
Sforza. Von Piero della Francesco. Florenz, Uffizien.
57, 58. Die Hochzeitswagen des herzoglichen Paares. Gemälde auf der Rück-
seite des Bildnisses des Federigo da Montefeltro und seiner Gattin. Von
Piero della Francesca. Florenz, Uffizien.
59. Guidobaldo da Montefeltro, Herzog von Urbino. Von Gian Francesco
Caroto. Florenz, Palazzo Pitti.
60. Elisabetta Gonzaga, Gattin des Guidobaldo da Montefeltro, Herzogs von
Urbino. Von Gian Francesco Caroto (?). Florenz, Palazzo Pitti.
61. Astorre Baglione von Perugia als himmlischer Reiter in Raffaels ,, Ver-
treibung des Heliodor". Rom, Vatikan.
62. Judith und Holo fernes. Bronze von Donatello. Florenz, Loggia de' Lanzi. —
Im Jahre 1495 vor dem Signorenpalast aufgestellt zur Ehrung des
Tyrannenmordes.
63. Entwürfe für ein Reiterdenkmal des Francesco Sforza. Federzeichnung von
Leonardo da Vinci. Windsor, Königliche Bibliothek.
64. Guidoriccio Fogliani. Von Simone Martini. Siena, Palazzo Publico.
65. Reiterbildnis des Condottiere Niccolo Marucci da Tolentino. Fresko von
Andrea del Castagno. Florenz, Dom.
662 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
66. Reiterbildnis des CondoUiere Giovanni Acuta (John Hawkwood). Fresko
von Paolo Uccello. Florenz, Dom.
67. Reiterbildnis eines Imperators. Römische Bronze. Neapel, National-
muscum.
68. Die römischen Bronzepferde vor der Markuskirche. Venedig.
69. Reiterdenkmal des Gattamelata. Von Donatcllo. Padua.
70. Reiterdenkmal des Colleoni. Von Verrocchio. Venedig.
71. Bartolommeo Colleoni. Von Verrocchios Reiterdenkmal in Venedig.
72. Der Condottiere Gattamelata. Kopf des Reiterdenkmals von Donatello,
1447. Padua.
73. Annibale Bentivoglio. Marmorrelief. Bologna, S. Giacomo Maggiore.
74. Roberto Malatesta. Marmorrelief von einem unbekannten norditalieni-
schen Meister, 1484. Paris, Louvre.
75. Roberto Malatesta, Feldherr des Papstes und der Venezianer; Schwieger-
sohn des Herzogs Federigo von Urbino. Aus einem Fresko von Piere
di Cosimo in der Sixtinischen Kapelle.
76. Paolo Vitelli. Condottiere. Florenz, Uffizien.
77. Gabrino Fondolo. Stadttyrann zu Cremona. Florenz, Uffizien.
78. Castruccio Castracani. Ghibellinischer Heerführer. Florenz, Uffizien.
79. Braccio von Montone. Condottiere. Florenz, Uffizien.
80. Der Co7idottiere Niccold da Uzzano. Von Donatello. Bemalte Terra-
kottabüste. Florenz, Nationalmuscum.
81. 82. Die Condottieri Pippo Spano und Farinata degli Uberti. Fresken von
Andrea del Castagno. Florenz, Museo di Sant' Apollonia.
83. Cesare Borgia. Angeblich von Giorgione. Bergamo, Akademie Carrara.
84. Cesare Borgia. Angeblich von Palmezzano. Forli, Pinakothek.
85. Schlacht zwischen Fußsoldaten und Reitern. Antikes Rehef. (Teilansicht
des Alexander-Sarkophags.) Museum in Konstantionopel.
86. Schlacht zwischen Fußsoldaten und Reitern. Bronzerelief von Bertoldo
di Giovanni (dem Lehrer Michelangelos). Florenz, Nationalmuseum.
87. Reiterschlacht. Gemälde von Paolo Uccello. London, Nationalgale-
rie.
88. 89. Belagerungs-Szenen. Fresken von Giorgio Vasari. Florenz, Palazzo
Vccchio.
90. Kriegsszene mit explodierender Bombe. Zeichnung von Leonardo da
Vhici. Paris, ehemalige Sammlung Armand.
91. Entimirf zu Kriegsmaschinen. Zeichnung von Leonardo da Vinci. Lon-
don, British Museum.
92. Montieren eines Geschützes im Arsenalhof . Federzeichnung von Leonardo
da Vinci. Windsor, Königliche Bibliothek.
93. Helm, l'lorentinisch, 15. Jahrhundert. Florenz, Nationalmuseum.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 663
94. Ehrenschild. Von einem florentinischen Waffenschmied des i6. Jahr-
hunderts. Florenz, Nationalmuseum.
95. Die Prunkrüstung Kaiser Karls V. Von einem Mailänder Waffenschmied
des 16. Jahrhunderts. Florenz, Nationalmuseum.
96. Der Ritter. Von Giorgione. London, Nationalgalerie.
97. Neapel, 1479. mit dem Flottenaufzug beim Empfange Lorenzos de'
Medici. Farbige Zeichnung. Neapel, Museum S. Martino.
98. Florenz. Holzschnitt eines unbekannten Florentiner Meisters des 15. Jahr-
hunderts.
99. Der Zug der Könige. Mit Darstellung von Mitghedern der Familie
Medici. Fresko von Benozzo Gozzoli. Florenz, Palazzo Medici-Riccardi.
100. Lorenzo de' Medici il Magnifico. Allegorisches Porträt \'on Giorgio Vasari.
Florenz, Uffizien.
loi. Die Nordtür am Baptisterium zu Florenz. Von Lorenzo Ghiberti. Dar-
über: ,,Die Predigt des Täufers" von Giovanni Francesco Rusticci.
102 — 104. Florentiner Ansichten. Wandgemälde von Stradano im Palazzo
Vccchio zu Florenz. (102. Brücke bei Santa Trinitä. — 103. Der Platz
Mercato Vecchio. — 104. Weihungsfest vor der Loggia de' Lanzi.)
105. Palazzo Publica (Stadthaus) in Siena.
106. Der hl. Bernhard predigt vor dem Stadthaus in Siena. Von Pietro di
Siena, Dom.
107. Der Löwe von Venedig und der Doge. Skulptur über der Porta della
Carta des Dogenpalastes in Venedig.
108. Das Wunder des Kreuzesholzes. Von Vittore Carpaccio. Venedig,
Akademie.
109. Die Wiederfindung der Kreuzesreliquie. Von Gentile Bellini. Venedig,
Akademie.
iio. Der Ring des Fischers. Von Paris Bordone. Venedig, Akademie.
HI. Der Papst segnet das Schwert des Dogen. Von Leandro Bassano. Venedig,
Akademie.
112. Prozession auf dem Markusplatz in Venedig. Von Gentile Bellini. Venedig,
Akademie.
113. Catarina Cornaro. Idealbildnis von Paolo Veronese. Wien, Kunst-
historisches Museum.
1 14. Catarina Cornaro. Von Gentile Bellini. Budapest, Museum der Schönen
Künste.
115. Catarina Cornaro. (mit der Krone) und venezianische Edelfrauen. Aus-
schnitt aus Gentile Bcllinis ,, Wiederauffindung der Kreuzesreliquie".
Venedig, Akademie.
116. Der Doge Andrea Vendramin. Von Gentile Bellini. New York, Privat-
besitz.
664 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
117. Der Doge Francesco Foscari. Von Gentile Bellini. Venedig, Museum
Correr.
118. Der Doge Tommaso Mocenigo. Art des Gentile Bellini. Venedig, Mu-
seum Correr. (Nach Bode: Jacopo Bellini.)
119. Der Doge Leonardo Loredano. Von Giovanni Bellini. London, National-
galeric.
120. Eine persische Gesandtschaft in Venedig. Von Paolo Veronese. Venedig,
Dogenpalast.
121. Eine Gesandtschaft ans England. Von Vittore Carpaccio. Venedig,
Akademie.
122. Venezianische Gesandtschaft in Kairo. Art des Gentile Bellini. Paris,
Louvre.
123. Der hl. Stefan fredigt in Jerusalem. Von Vittore Carpaccio. Paris,
Louvre.
124. Markus heilt den Ananias auf dem Marktplatz zu Alexandria. Von Cima
da Concgliano, 1499. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
125. Die Predigt des heiligen Markus in Alexandria. Von Giovanni Bellini.
Mailand, Brera.
126. Sultan Mohammed II. Ausschnitt aus einem Gemälde von Gentile Bel-
lini. London, Nationalgalerie.
127. Sultan Murad III. Farbige Zeichnung von Melchior Lorch. Prag, Samm-
lung Lanna.
128. Der Türkenprinz Dschem. Bruder des Sultans Bajazeth IL und Ge-
fangener der Päpste Innozenz VIII. und Alexander VI. Ausschnitt aus
einem Fresko von Pinturicchio. Rom, Vatikan.
129. Kaiserkrönung Aus der Werkstatt der Robbia. Florenz, Nationalmuseum.
130. Kaiserkrönung Karls V. Ausschnitt aus einem Fresko von Giorgio
Vasari. Florenz, Palazzo Vecchio.
131. Kaiser Karl V. Gemälde von Tizian, 1548. München, Ältere Pinakothek.
132. Karl VIII. von Frankreich. Miniature. Paris, Nationalbibliothek.
133. König Ludwig XII . von Frankreich. Farbige Zeichnung. Paris, National-
bibliothek.
134. König Franz I. von Frankreich. Von Jean Clouet (?). Paris, Louvre.
135. König Heinrich II. von Frankreich. Von Jean Clouet. Florenz, Uffizien.
136. König Heinrich VIII. von England. Von Hans Holbein d.J. Windsor
Castle.
137. Einzug Karls VIII. von Frankreich in Florenz. Von Francesco Granacci.
Florenz, Uffizien.
138. Einzug König Franz' /., Kaiser Karls V. und des Kardinals Alessandro
Farnese, des späteren Papstes Paul III., in Paris ( ?). Fresko von Taddeo
und Fcdcrigo Zucchero. Caprarola, Palazzo Farnese.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 665
139. Gran Cavalcata. Der Einzug Kaiser Karls V. und des Papstes Cle-
mens VIT. in Bologna. Wandgemälde \on Brusasorci. \^erona, Palazzo
Ridolfi.
140. Das Grabmal der Caecilia Metella an der Via Appia bei Rom.
141. Die Engelsbiirg. Rom. (Im Hintergrund die Peterskirche.)
142. Rom, um 1480, vom Capitol aus gesehen. Zeichnung eines Schülers
des Domenico Ghirlandajo. (Codex Escurialensis, fol. 40.)
143. Die Peterskirche im Umbau und der Vatikan. Anonymer römischer
Kupferstich des 16. Jahrhunderts.
144. Die Kuppel des Doms zu Florenz. Von Brunelleschi.
145. Modell zur Kuppel der Peterskirche. Von Michelangelo. Rom, Musco
Petriano.
146. Die Kuppel der Peterskirche im heutigen Zustand. Von Michelangelo u.a.
147. Die Peterskirche vor dem Umbau. (Basilica di S. Pietro.) Rekonstruktion
von Prof. Marcelliani. Rom, Museo Petriano.
148. Vor der Peterskirche. Rom. (Fontana della Piazza di San Pietro.)
149. Papst Pius II. segnet am Hafen von Ancona die Kreuzfahrer. Fresko %on
Pinturicchio. Siena, Dombibliothek.
150. Papst Alexander VI. Ausschnitt aus einem Fresko von Pinturicchio.
Rom, Vatikan.
151. Papst Sixtus IV. und die Seinen. Fresko von Melozzo da Forli. Rom,
Pinakothek des Vatikans.
152. Papst Sixtus IV. Detail von seinem ehernen Grabdenkmal. Von Antonio
Pollajuolo. Rom, Peterskirche.
153. Papst Julius II. als Kardinal (Giulio della Rovere). Ausschnitt aus einem
Fresko von Botticelli. Rom, Sixtina-Kapelle.
154. Papst Julius II. Ausschnitt aus einem Gemälde von Raffael. Florenz,
Palazzo Pitti.
155. Papst Leo X. mit den Kardinälen Giulio de' Medici, dem späteren Papst
Clemens VII., und Lodovico de' Rossi. Von Raffael. Florenz, Palazzo
Pitti.
156. Papst Leo X. Weiß gehöhte Kreidezeichnung von Sebastiane del
Piombo (?). Chatsworth, Sammlung des Herzogs von Devonshire.
157. Papst Clemens VII. in jungen Jahren. Von Sebastiano del Piombo.
Neapel, Nationalmuseum.
158. Papst Paul III. mit seinen Enkeln, den Kardinälen Alessandro und
Ottavio Farnese. Von Tizian. Neapel, Nationalmuseum.
159. Die Schweizergarde des Papstes. Ausschnitt aus einem Fresko von Raf-
fael. Rom, Vatikan.
160. Franciscus von Assisi. Ausschnitt aus einem Fresko von Cimabue in der
Unterkirche S. Francesco zu Assisi.
666 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
i6i. Girolamo Savonarola. Von Fra Bartolommeo. Florenz, Museo di San
Marco.
162. Savonarola als Petrus Martyr. Von Fra Bartolommeo. Florenz, Museo
di San Marco.
163. Verbrennung Savonarolas. Von einem unbekannten florentinischen Ma-
ler um 1500. Florenz, Museo di San Marco.
164. Denkmünzen auf Savonarola. Von Niccolo Spinelli.
165. Weihrauchgefäß. Silberschmiedearbeit des 15. Jahrhunderts. Padua,
Schatzkammer von S. Antonio.
166. Prozession im Inneren einer Kirche. Von Vittore Carpaccio. Venedig,
Akademie.
167. Einbringung der heiligen Kreuzesreliquie. Von Sebastian!. Venedig,
Akademie.
168. Inneres eines Sanctuariums. Von Gentile Bellini. Venedig, Akademie.
169. Der Dom von Florenz.
170. Der Dom von Ferrara.
171. Der Dom von Pisa.
172. Der Dom von Siena.
173. Predigt vor der Kirche in Siena. Von Sano di Pietro. Siena, Dom.
174. Die Verdammten. Ausschnitt aus dem Fresko von Luca Signorelli im
Dom zu Orvieto.
175. In der Hölle. Zeichnung von Federigo Zucchero. Wien, Albertina.
(Entwurf zu einem Fresko in der Domkuppel zu Florenz.)
176. Dämon. Ausschnitt aus Michelangelos Fresko ,,Das letzte Gericht".
Rom, Sixtina-Kapelle.
177. Dämon. Zeichnung von Michelangelo. Windsor, Königliche Bibliothek.
1 78. Die Heiligen Markus, Georg und Nikolaus vernichten die Galeere der Dä-
monen. Von einem unbekannten venezianischen Meister. (Früher dem
Giorgione oder dem Palma Vecchio zugeschrieben.) Venedig, Akademie.
179. Ausschnitt aus dem ,,Kampf des heiligen Georg" von Vittore Carpaccio.
Venedig, S. Giorgio de' Schiavoni.
180. Die Versuchung des heiligen Antonius. Von Parentino. Rom, Galerie
Doria.
181. Die Madonna befreit einen Säugling aus den Krallen eines Dämons. Ge-
mälde von Niccolo Alunno. Rom, Galerie Colonna.
182. Die Hexen. Handzeichnung von Botticelli (?). Florenz, Uffizien.
183. Die Werkstatt des Alchimisten. Gemälde von Giovanni Stradano. Florenz,
Palazzo Vecchio.
184. 185. Allegorische Darstellung von der Herrschaft der Gestirne über das
Leben des Menschen. Von Giovanni Miretto. Padua, Palazzo della
Ragione.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 66?
i86. Proportionsstudie. Zeichnung von Leonardo da Vinci. Windsor, König-
liche Bibliothek.
187. Ltica Pacioli. Gemälde von Jacopo de' Barbari, mit seinem Selbst-
porträt (?) rechts. Neapel, Nationalmuseum. (Bode schrieb das Gemälde
dem Donato Bramante zu; er meinte, es sei Luca Pacioli mit seinem
Schüler, dem Herzog Guidobaldo, dargestellt.)
188. Amerigo Vespucci. Von einem unbekannten Meister des i6. Jahrhun-
derts. Florenz, Uffizien.
189. Christoph Columbus. Gemälde von Sebastiano del Piombo. New York,
Metropolitan-Museum.
190. Maschinenentwürfe. Zeichnung von Leonardo da Vinci. Florenz, Uffi-
zien.
191. Anatomische Studie von Leonardo da Vinci. Windsor, Königliche
Bibliothek.
192. Sezieren eines Leichnams. Zeichnung von Bartolommeo Passerotti.
Oxford.
193. Gelehrter bei seiner Arbeit. Holzschnitt aus dem Poliphilo. (Venedig,
Aldus Manutius, 1499.)
194. Gelehrter bei seiner Arbeit. Ausschnitt aus einem Gemälde von Anto-
nello da Messina. London, Nationalgalerie.
195. Bernardino Corio. Holzschnitt aus seiner Mailänder Chronik, 1503.
(Ausschnitt.)
196. Francesco Filelfo, Humanist und Redner. Zeichnung eines Mono-
grammisten M. H. Wien, Sammlung Graf Wilczek.
197. Arbeitszimmer eines Gelehrten. (Hieronymus im Gehäus.) Von Vittore
Carpaccio. Venedig, S. Giorgio de' Schiavone.
198. Juristische Vorlesung. Vom Grabmal des Lorenzo Pini. Bologna, S.Pietro.
Von Girolamo Coltellini.
199. Humanistische Vorlesung. Vom Grabmal des Filippo Lazzari. Pistoja,
S. Domenico. Von Antonio Rosselino.
200. Universitätsvorlesung im Freien. Henricus de Allemannia liest sein
Kolleg über Ethik. Dcckfarbenmalerei auf Pergament von Laurontius
de Voltalina, Anfang des 15. Jahrhunderts. Berlin, Kupferstichkabinett.
201. Theologische Vorlesung. Von Domenico di Michelino. Bergamo, Aka-
demie Carrara.
202. Disputation. Zeichnung von Vittore Carpaccio. Florenz, Uffizien.
203. Disputation. (Jesus vor den Schriftgelehrten.) Von Bernardino di Ma-
riotto. Mailand, Brera.
204. Die Bibliothek von San Marco zu Florenz. Erbaut von Michelozzo di
Bartolommeo.
205. Fassade der Markusbibliothek zu Venedig. Erbaut von Jacopo Sansovino.
668 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
206. Biblioteca Laurenziana zu Florenz. Erbaut nach den Entwürfen Michel-
angelos.
207. Seite aus einem Meßbuch von Girolamo da Cremona. Um 1467 — 75.
Siena, Libreria Piccolomini.
208. Blattumrahmung einer Livius-Ausgabe. Schule des Mantegna. Wien,
Albertina.
209. Holzschnitt-Titel von einem Druck aus Saluzzo 1507. Bibliothek des
Vatikans.
210. Erste Üc-x-iscite emcr Hieroiiymus-Ausgabe. Ferrara, 1497. Berlin, Kupfer-
stichkabinett.
211. Eine Seite aus der ,,Hypnerotomachia Poliphili" . Gedruckt von Aldus
Manutius, Venedig, 1499.
212. Eine Seite aus der illustrierten Florentiner Ausgabe von Angelo Poli-
zianos. „Das Turnier des Giuliano de' Medici" .
213. Dante. Bronzebüste von einem unbekannten Meister des 15. Jahrhun-
derts. Neapel, Nationalmuseum.
214. Dante- Illustration. Von Botticelli. Berlin, Kupferstichkabinett.
215. Dante-Illustration. Von Francesco Francia. Wien, Albertina.
216. 217. Dante-Illustrationen. Von Botticelli. Rom, Vatikanische Biblio-
thek.
218. Dante und seine Divina Commedia. Von Michelino. Florenz, Dom.
219. Die letzte Novelle aus Boccaccios Decamerone. Truhenbettmalerei. Von
Pesellino. Bergamo, Akademie Carrara.
220. Giovanni Boccaccio. Fresko von Andrea del Castagno. Florenz, S. Apol-
lonia.
221. Francesco Petrarca. Fresko von Andrea del Castagno. Florenz, S. Apol-
lonia.
222. Petrarca. Von einem unbekannten Meister des 15. Jahrhunderts. Rom,
Galerie Borghese.
223. Dichterkrönung des Aeneas Syhius Piccolomini. Aus dem Fresko von
Pinturicchio. Siena, Dombibliothek.
224. Kopf eines Propheten, angeblich Porträt des Poggio Bracciolini. Ober-
teil einer Marmorstatue am Florentiner Campanile. Von Donatcllo und
Rossi.
225. Marsilio Ficino. Humanist, Haupt der neuplatonischen Schule in Flo-
renz. Aus einem Fresko von Domenico Ghirlandajo, 1430. Florenz,
S. Maria Novella.
226. Girolamo Benevieni (?). Philosoph und Dichter zu Florenz. Von Ridolfo
del Ghirlandajo. London, Naüonalgalerie.
227. Der Humanisl Angcio Poliziano imd sein Zögling Giuliano de' Medici.
Aus einem Fresko von Domenico Ghirlandajo. Florenz, S. Trinitä.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 65q
228. Marco Girolamo Vida. Neulateinischer Dichter. Florenz, Uffizien.
229. Zanobi di Strada. Jurist und poeta laureatus. Florenz, Uffizien.
230. Gioviano Pontano. Sekretär am Hofe von Neapel und Geschichts-
schreiber. Florenz, Uffizien.
231. Giovanni della Casa. Dichter und Staatssekretär. Florenz, Uffizien.
232. Pico della Mirandola. Humanist; mit Marsilio Ficino und Angelo Poli-
ziano Führer der neuplatonischen Akademie zu Florenz. Fresko von
Botticelli, aus der Villa Lemni in Florenz, jetzt im Louvre zu Paris.
233. Der Humanist Piatina, Verfasser einer Geschichte der Päpste. Aus
einem Fresko von Mclozzo da Forli. Rom, Vatikan.
224. Niccold Machiavelli. Politiker, Geschichtsschreiber, Komödiendichter;
Verfasser der ,, Geschichte von Florenz". Farbige Terrakottabüste von
einem unbekannten Meister des 16. Jahrhunderts. Florenz, Societä
Colombaria.
235. Francesco Guicciardini. Florentinischer Geschichtsschreiber. Florenz,
Uffizien.
236. Onofrio Panvinio. Theolog und Altertumsforscher. Florenz, Uffizien.
237. Matteo Palmieri. Dichter der dantesken ,, Stadt des Lebens". Büste von
Antonio Rosselino. Florenz, Nationalmuseum.
238. Donato Acciajuoli. Philosoph und Geschichtsschreiber. Florenz, Borgo
degli Albizzi.
239. Luigi Pulci. Verfasser des komischen Rittergedichtes ,,Morgante Mag-
giore". Aus einem Fresko von Filippino Lippi. Florenz, S. Maria del
Carmine.
240. Benedetto Varchi. Dichter und Geschichtsschreiber. Von Tizian. Wien,
Kunsthistorisches Museum.
241. Paolo Giovio. Humanist, Leibarzt Leos X., Verfasser von Biographien.
Anonymes Bildnis aus dem 16. Jahrhundert. Florenz, Uffizien.
242. Jacopo Sannazaro. Neulateinischer und italienischer Dichter. Kupfer-
stich des 16. Jahrhunderts.
243. Kardinal Pietro Bembo. Humanist, Dichter und Historiograph. Kupfer-
stich des 16. Jahrhunderts.
244. Paolo Giovio. Arzt, Bischof und Geschichtsschreiber. Kupferstich des
16. Jahrhunderts.
245. Giovanni Piero Valeriana (Bolzanus). Humanist, päpstHcher Kämmerer
unter Leo X. Kupferstich des 1 6. Jahrhunderts.
246. Kardinal Pietro Bembo. Sekretär Leos X., Freund der Lucrezia Borgia
und der Vittoria Colonna, Humanist, Philolog und Dichter, Verfasser
der ,,Asolani", der Gespräche über die Liebe. Gemälde von Tizian.
Rom, Palazzo Barberini.
247. Pietro Aretino. Gemälde von Tizian, 1545. Florenz, Pitti-Galeric.
670 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
248. Graf Baldassare Castiglione, der Autor des „Libro del Cortigiano", der
Gespräche über das Ideal eines Hofmanns. Gemälde von Raffael. Paris,
Louvre.
249. Luigi Cornaro. Verfasser des Traktats „Vom mäßigen Leben". Gemälde
von Tintoretto. Florenz, Palazzo Pitti.
250. Der Dichter Andrea Navagero. Linke Hälfte eines Doppelporträts von
Raffael, 1516. Rom, Galerie Doria.
251. Lodovico Dolce. Dichter und Kunstschriftsteller. Anonymer Holzschnitt
des 16. Jahrhunderts.
252. Lodovico Ariosto. Dichter des „Rasenden Roland". Kupferstich von
Enea Vico.
253. Andrea Navagero. Neulateinischer Dichter. Anonymer Holzschnitt des
16. Jahrhunderts.
254. Titelblatt von Ariosts ..Rasendem Roland". Venedig, 1533.
255. Kardinal Bibbiena (Bernardo Dovizi). Parteigänger der Medici, Ge-
sandter am französischen Hof, Schatzmeister Clemens' VH. und Leos X.,
Verfasser der lockeren Komödie ,,Calandria". Gemälde von Raffael.
Madrid, Prado.
256. Der Parnaß. Wandgemälde von Raffael im Vatikan.
257. Der Parnaß. (Triumph der Venus.) Von Andrea Mantegna. Paris,
Louvre.
258. Amor und die drei Grazien. Aus dem Freskenzyklus ,,Amor und Psyche",
ausgeführt von Giovanni Francesco Penni, Giulio Romano und Giovanni
da Udine nach Entwürfen Raffaels. Rom, Villa Famesina.
259. Tod der Procris. Truhenmalerei von Piero di Cosimo. London, National-
galerie.
260. Mars und Venus. Truhenmalcrei von Botticelli. London, National-
galeric.
261. Ruhende Venus mit Cupidos. Truhenmalerei von Jacopo del Sellajo.
(Wahrscheinlich älter als Botticellis ,,Mars und Venus".) London,
Nationalgalerie.
262. Kaiser Caracalla. Antike Büste, Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr.
Berlin, Altes Museum.
263. Brutus. Von Michelangelo, um 1540. Florenz, Nationalmuseum.
264. Kniender Jüngling. Um 460 v. Chr. Oslgiebel des Zeustempcls, Pcrgamon.
265. Cupido. Von Michelangelo, um 1497. London, Victoria- und Albert-
Museum.
266. Apollo. Griechische Marmorstatue. Florenz, Uffizien.
267. Der sterbende Sklave. Von Michelangelo. Paris, Louvre.
2G8. Der Titusbogen in Rom. Kupferstich von Giambattista Cavalieri nach
einer Zeichnung von Giovan Antonio Dosio, 1569.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 671
269. Titelbild der ,,Antiquarie Prospeitische Romane".
270. Das Forum Nervae mit den Ruinen des Minervatempels. Kupferstich von
Giambattista Cavalicri nach Zeichnung von Giovan Antonio Dosio, 1569.
271. Dreitoriger antiker Triumphbogen in Rom.
272. Darstellung eines antiken Triumphbogens auf einem Renaissancegemälde
mit biblischem Stoff. (Botticellis „Rotte Korah" in der Sixtinischen
Kapelle.)
273. Antiker Triumphzug. Relief am Titusbogcn in Rom.
274. Triumphzug Alfonsos L von Aragon. Von Francesco Laurana. Neapel,
Castel Nuovo.
275. Triumph der Liebe. Tempera. Vom Meister der Cassoni, Mitte des
15. Jahrhunderts, florentinisch. London, Nationalgalerie.
276. 277. Triumph der Keuschheit und des Todes. Temperagemälde eines un-
bekannten sienesischen Meisters. Siena, Akademie.
278. Triumph der Keuschheit. Jacopo dcl Sellajo zugeschrieben. Florenz,
S. Ansano.
279. Triumph des Todes. Matteo de' Pasti zugeschrieben. Florenz, Uffizien.
280. Triumph der Liebe. Elfenbeinrelief aus der Schule von Mantua, 15. Jahr-
hundert. Florenz, Nationalmuseum.
281. Triumph der Liebe. Tcmperagemälde eines unbekannten sienesischen
Meisters. Siena, Akademie.
282. 283. Aus dem Triumphzug Caesars. Von Andrea Mantegna. Galerie
Hampton Court.
284. Triumph des Vespasian und Titus. Zeichnung aus der lombardischen
Schule, Ende des 15. Jahrhunderts. Paris, Louvre.
285. Triumph des Vespasian und Titus. Von Giulio Romano. Paris, Louvre.
286 — 288. Triumphzug am Hofe Borsos d'Este. Triumph der Minerva —
des Apollo — der Venus. Aus den Fresken von Francesco Cossa im
Palazzo Schifanoja zu Ferrara.
289. Darstellung in einem Amphitheater. (Raub der Sabinerinnen. Gemälde
von Cosimo Rosselli.) Rom, Galerie Colonna.
290. Darstellung in einem Ballspielhaus. (Die Heilung des zornigen Sohnes.
Bronzerelief von Donatcllo.) Padua, S. Antonio.
291. Entwurf einer (Bühnen-) Architektur. Von Luciano Laurana. Berlin,
Kaiser-Friedrich-Museum. (Auch dem Piero della Francesca zu-
geschrieben.)
292. T er enz- Aufführung in Italien. Aus der Terenz-Ausgabe. Venedig, 1497.
293. Gleichzeitige Terenz- Aufführung in Deutschland. Kolorierter Holzsclinitt,
1496.
294. Scena einer Komödie. Holzschnitt aus Sebastiane Serlios Werk ,,Del-
r Architettura", Venedig, 1545. (In der mittleren Achse ansteigende
672 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Straße, rechts und links größere und kleinere Häuser mit Durchblick,
abschließender Bau im Hintergrund.)
295. Scena einer Tragödie. Holzschnitt aus Serlios Architettura. (Breite, an-
steigende Straße, fürstliche Gebäude und Statuen, tiefer Hintergrund,
davor ein Triumphbogen.)
296. Scena eines Satyrspiels. Holzschnitt aus Serlios Architettura. (Ländliche
Dekoration mit Bäumen und Hütten; ansteigende Straße auch hier
bewahrt.)
297. Scena des Teatro Olympico zu Vicenza. Erbaut von Andrea Palladio.
(Symmetrischer Prachtbau und — durch insgesamt fünf Tore gesehen —
ansteigende Gassen mit unsymmetrischen Einzelgebäuden.)
298. Darstellung eines Mysterienspiels. (Mariae Himmelfahrt, von Vittore
Carpaccio.) London, Nationalgalerie.
299. Abbild einer dreiteiligen Bühne. (Darstellung einer Heiligenlegende, ge-
malt von Paolo Uccello.) Urbino, Herzogspalast.
300. Antike Szene, dargestellt im Anschluß an eine Theateranfführung. (Der
Tod der Dido, von Liberale da Verona.) London, Nationalgalerie.
301. Musikanten bei einem Hochzeitsfest. Bemaltes Truhenbett, florentinisch,
15. Jahrhundert. Florenz, Akademie.
302. Chorknaben. Relief von Luca della Robbia. Florenz, S. Maria del Fiore.
303. Musizierende Engel. Relief von Agostino da Duccio, an der Fassade
S. Bcrnardino, Perugia.
304. Die Musik. Bronzerelief vom Grabmal des Papstes Sixtus IV. von
Antonio Pollajuolo. Rom, Peterskirche.
305. Das Konzert. Von Tizian. (Auch dem Giorgione zugeschrieben.) Flo-
renz, Palazzo Pitti.
306. Reigentanz. Art des Bonifazio de' Pitati. Wien, Akademie.
307. Lautenspieler. Von Pontormo. Paris, Louvre.
308. Das Konzert. Von Ercole de' Roberti. London, Nationalgalerie.
309. Turnier in Florenz, auf dem Platz vor S. Croce. Wandgemälde von
Stradano im Palazzo Vecchio zu Florenz.
310. 311. Szenen aus einem Turnier in Verona. Von Domenico Morone.
London, Nationalgalerie.
312. Preisrichter und Zuschauer bei einem Turnier. Zeichnung von Jacopo
Bcllini. Paris, Louvre.
313. Jagdgesellschaft. Aus dem Fresko „Triumph des Todes". Pisa, Campo-
santo.
314. Die Vision des hl. Eustachius. Von Pisanello. London, Nationalgalerie.
315. Stilleben. Gemälde von Jacopo de' Barbari (Jacob Walch), 1504. Mün-
chen, Ältere Pinakothek.
316. Truthahn. Bronze. Von Giovanni da Bologna. Florenz, Nationalmuseum.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 673
317. Windhund. Bronzerelief von Benvenuto Ccllini. Florenz, National-
museum.
318. Insekten. Zeichnung von Leonardo da Vinci. Turin, Palazzo Reale.
319. Windhund. Zeichnung von Pisanello. Paris, Louvre.
320. Pferdestudien. Von Leonardo da Vinci. Windsor, Königliche Bibliothek.
321. Pferdestudien. Von Giulio Romano. Wien, Albertina.
322. Hirt und Herde. Von Francesco Rizo da Santa Croce. Bergamo, Aka-
demie Carrara.
323. Die Ochsentreiber. Von Lorenzo Lotto. Jesi, Bibliothek.
324. Landschaft mit Herde. (Jakob und Rachel.) Von Palma Vecchio.
Dresden, Gemäldegalerie.
325. Landschaft mit Tieren. Von Jacopo Bassano. Rom, Palazzo Doria.
326. Gartenszene. Holzschnitt. Venedig, 1499.
327. Venezianischer Garten. Von einem unbekannten Meister des 16. Jahr-
hunderts. London, Victoria- und Albert-Museum.
328. Villa und Garten in Venedig. Gemälde von Paolo Veronese. Bergamo,
Akademie Carrara.
329. Ansicht von Rom, mit Vatikan und der im Umbau befindlichen Peters-
kirche; links der Belvederegarten. Von Paul Juvenel. Früher Wien,
Kunsthistorisches Museum.
330. Vatikan und Belvedere. Kupferstich von Ambrogio Brambilla, 1579.
331. Baumstudie. Federzeichnung auf blauem Papier von Leonardo da Vinci.
Windsor, Königliche Bibliothek.
332. Maria im Walde. Von Fra Filippo Lippi. Berlin, Kaiser-Friedrich-
Museum.
333. Leben im Walde. Von Paolo Veronese. Venedig, Dogenpalast.
334. Christus wird von Johannes im Walde als der Heiland begrüßt. Von
Jacopo del Seliajo(?). Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
335. Gewitterlandschaft. Von Giorgione. Venedig, Palazzo Giovanelli.
336. Das Götterfest. Von Giovanni Bellini. Philadelphia, Museum Widener.
337. Konzert im Freien. Von Giorgione. Paris, Louvtc.
338. Hirt lind Nymphe. Von Tizian. Wien, Kunsthistorisches Museum.
339. Ruhende Venus. Von Tizian. Florenz, Uffizien.
340. Junge Frau mit Spiegel. Von Giovanni Bellini, 1 515. (Nach Burckhardts
Annahme Porträt der Geliebten des Pietro Bembo.) Wien, Kunsthisto-
risches Museum.
341. Frauenporträt. Von Desidcrio da Settignano. Berlin, Kaiser-Friedrich-
Museum.
342. Florentiner in. Von einem unbekannten Kupferstecher des 15. Jahrhun-
derts. Berlin, Kupferstichkabinett.
343. Florentinerin. Von Botticclli. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
Burckhardt 43
674 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
344. Weibliches Bildnis. Von Piero della Francesca. Berlin, Kaiser-Friedrich-
Museuin.
345, 346. Mädchenbildnisse. Ausschnitte aus Botticellis „Primavera". Flo-
renz, Akademie.
347. Mädchenbildnis. Ausschnitt aus Botticellis „Geburt der Venus". Flo-
renz, Uffizien.
348. Mädchenbildnis. Ausschnitt aus Leonardos ,, Felsenmadonna". Paris,
Louvre.
349. Dame mit Fächer. Von Giovanni Battista Moroni (?). Museum Olden-
burg.
350. Venezianerin. Von Paolo Veronese. (Bildnis seiner Gattin.) New York.
Metropolitan Museum.
351. Kindertracht in der Spätrenaissance. Gemälde von Scipione Pulzone.
Italienischer Privatbesitz.
352. 353. Szenen atis dem Hofleben. Unterhaltungen im Freien. Fresken im
Palazzo Borromeo zu Mailand.
354. Der Faschingsnarr. Ausschnitt aus einem Monatsbild des Breviarium
Grimani. Miniature aus der Werkstatt des Simon Bening. Venedig,
Markusbibliothek.
355. Bildnis eines Narren. Von Dosso Dossi. Modcna, Pinakothek.
356. Borso d'Este und sein Hofnarr. Aus einem Fresko von Francesco Cossa.
Ferrara, Palazzo Schifanoja.
357. 358. Hofnarren Borsos d'Este (in astrologisch gemeinter Kostümierung).
Aus den Fresken von Francesco Cossa im Palazzo Schifanoja zu Ferrara.
359, 360. Der Tanz. Fresken in der Villa Gallina bei Florenz. Antonio
Pollajuolo, Botticclli u. a. zugeschrieben.
361. Fratzen-Kapitell. Pisa, Campanile.
362. Groteske Masken. Rötelzeichnung, Michelangelo zugeschrieben. Lille,
Museum Wicar.
363. Karikatur des Savonarola. Angeblich von Leonardo da Vinci. Wien,
Albertina.
364. Karneval. Zeichnung \on Tiepolo. Wien, Liechtenstein-Galerie.
365. Karikatur. Von Annibale Carracci. Stockholm, Nationalmuseum.
366. Karikaturen. Von Leonardo da Vinci. Windsor, Königliche Bibliothek.
367. 368. Karikaturen. Von einem Schüler Leonardos da Vinci. Mailand,
Ambrosiana.
369. Die Grimasse. Handzeichnung von Bernardo Luini (?). London, British
Museum.
370. Die Krüppel. Aus dem Fresko ,, Triumph des Todes". Pisa, Camposanto.
371. Folterung. Aus einem Fresko von Zenale und Butinone. Mailand,
S. Pietro in Gessate.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 675
372. Frauenbad. Ausschnitt aus Franciabiggios Gemälde „Der Uriasbrief",
1523. Dresden, Gemäldegalerie.
373. Männerbad. (Die Thermen von Pozzuoli.) Fresko von Girolamo Mac-
chietti. Florenz, Palazzo Vecchio.
374. Krankenpflege. (Die heiligen Cosmas und Damianus, Predella zu Fra
Angelicos Hochaltar von San Marco.) Von Pesellino. Florenz, Akademie.
375. Krankenpflege. Aus dem Fries der sieben Barmherzigkeiten. Farbig gla-
siertes Tonrelief von Giovanni della Robbia. Pistoja, Ospedale dcl Ceppo.
376. 377. Hochzeitsfeierlichkeiten. Bretter einer bemalten Hochzeitstruhe,
15. Jahrhundert. Venedig, Museum Correr.
378. Sposalizio. Brett von einer Hochzeitstruhe. Vom Meister der Cassoni.
Modena, Galleria Estense.
379. Das Brautpaar und die Zeugen. Ausschnitt aus obigem Bild.
380. Urkunde der Eheschließung des Roberto Sanseverino und der Lucrezia
Malvolti, 1473. Siena, Archiv.
381. 382. Hochzeit des Boccaccio Adinari und der Lisa Ricasoli. Bretter einer
bemalten Hochzeitstiaihe. Florenz, Akademie.
383. Pflegerin mit Kind. Aus dem Fries der sieben Barmherzigkeiten. Farbig
glasiertes Tonrelief von Filippo Paladini. Pistoja, Ospedale dcl Ceppo.
384. Venezianisches Schlafzimmer. (Der Traum der hl. Ursula.) Von Vittore
Carpaccio. Venedig, Akademie.
385. Venezianische Kinderstube. Von Paris Bordone. Hannover, Provinzial-
museum.
386. Florentinischer Innenraum, um 1490. Ghirlandajos Fresko ,, Geburt
Mariae". Florenz, S. Maria Novella.
387. Vornehmes Schlafzimmer mit Vorhangbett und großem Kamin. Relief
an Bronzetür des Doms zu Pisa, ,, Geburt Mariae", von Schülern Gio-
vannis da Bologna, 1602.
388. Venezianische Kurtisanen auf einem Balkon. Gemälde von Vittore Car-
paccio. Venedig, Museum Correr.
389. Zwei Frauen auf einem Balkon. Ausschnitt aus dem Gemälde ,, Der heilige
Sebastian", von Antonello da Messina. Dresden, Gemäldegalerie.
390. 391. Florentiner Eßbesteck und Vorlegemesser. Aus der Sammlung Car-
rand. Florenz, Nationalmuseum.
392. Renaissance-Schmuck. Aus der Sammlung Carrand. Florenz, National-
museum.
393. Entwurf zu einem Salzfaß. Von Benvenuto Cellini. Florenz, Uffizien.
394. Entwurf zu einem Kamin. Von Amico Aspertini. Wien, Albertina.
395. Benvenuto Cellini. Kupferstich von Francesco Allegrini.
396. 397. Schmied und Töpfer. Reliefs am Glockenturm des Florentiner Doms.
398. Bronze-Kandelaber. Von Riccio (?). Padua, S. Giorgio.
43»
QyG VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
399. Bildnis eines Schneiders. Von Giovanni Battista Moroni. London, Na-
tionalgalerie.
400. Bildnis eines Schneiders. Von Parmeggianino. Neapel, Nationalmuseum.
401. Die Weberinnen. (Die drei Parzen.) Au.s den Fresken Francesco Cossas
im Palazzo Schifanoja zu Ferrara.
402. Webstuhl. (Odysseus und Penelope.) Gemälde von Pinturicchio. Lon-
don, Nalionalgalerie.
403. Wollweberei. Von Mirabelle Cavalori.
404. Kanonengießerei. Von Francesco Poppi.
405. Goldschmiedewerkstatt. Von Alessandro Fei.
406. Glaswarenfabrik. Von Giovanni Maria Butteri. Fresken im Palazzo
Vecchio zu Florenz.
407. Der Künstlerschmaus. Von Giovanni Manozzi da San Giovanni. Flo-
renz, Uffizien.
408. Leonardo da Vinci. Selbstbildnis. Rötelzeichnung. Turin, Königliche
Bibliothek.
409. Leon Battista Alberti. Bronzemedaille von Antonio Pisano oder seinem
Schüler Matteo de' Pasti. Paris, Louvre.
410. Michelangelo. Radierung eines unbekannten Meisters des 16. Jahrhun-
derts. Berlin, Kupferstichkabinett.
411. Luca Signorelli, Selbstbildnis. Ausschnitt aus einem Fresko im Dom zu
Orvieto.
412. Andrea Verocchio. Von Lorenzo di Credi. Florenz, Uffizien.
413. Filippo Brunelleschi (Brunellesco). Relief von Buggiano am Dom zu
Florenz.
414. Andrea Mantegna. Bronzebüste, angeblich von Cavalli. Mantua, Sant'
Andrea.
415. Fra Angelico. Ausschnitt aus einem Fresko von RafTael. Rom, Vatikan.
416. Bramante. Als Prophet Joel. Ausschnitt aus einem Fresko von Michel-
angelo. Rom, Sixtina-Kapelle.
417. Giuliano da Sangallo. Von Piero di Cosimo. Museum im Haag.
418. Giovanni Bellini. Selbstbildnis. Rom, Capitolinisches Museum.
419. Giorgione. Selbstbildnis. Florenz, Uffizien.
420. Tizian. Selbstbildnis. (Ausschnitt.) Madrid, Prado.
421. Raffael. Selbstbildnis. Florenz, Uffizien.
ANMERKUNG
Der dieser Ausgabe beigegebene Bilderatlas (bestehend aus 421 Kupfertief-
drucken) hat im Großen folgende Gliederung:
I. Städte und Herrscher der Re-
naissance (Abb. I— 128)
1. Tyrannien und Dynastien
(Abb. 1-63)
2. Condottieren, Heerführer,
Kriegswesen (Abb. 64—96)
3. Die Republiken Florenz und
Venedig (Abb. 97—128)
n. Kaiser, Könige, Päpste (Abb. 129
bis 159)
1. Die Herrscher (Abb. 129—139)
2. Rom (Abb. 140 — 148)
3. Die Päpste (Abb. 149—159)
in. Die Kirche (Abb. 160—182)
1. Rehgion (Abb. 160—173; vgl.
Abb. 1 1 2)
2. Aberglauben (Abb. 174—182)
IV. Wissenschaft und Literatur
(Abb. 183-255)
1. Forschung (Abb. 183 — 192)
2. Die Gelehrten (Abb. 193—203)
3. DieBibliotheken(Abb.204— 212)
4. Dichter und Literaten (Abb.
213-255)
5. Wiedergeburt der Antike (Abb.
256 — 285; hierzu vgl. auch noch
Abb. 67—70, 85, 86 und 140
bis 142)
V. Triumphzug, Theater, Musik,
Turnier (Abb. 273—312)
1. Triumphzug (Abb. 273— 288;
vgl. Abb. 57, 58)
2. Theater (Abb. 289—300)
3. Musik (Abb. 301—308; vgl.
Abb. 337, 338)
4. Turnier (Abb. 309—312)
VI. Die Entdeckung derNaturschön-
heit (Abb. 313-353)
1. Das Tier (Abb. 313—325)
2. Die Landschaft (Abb. 324
bis 338)
3. Die Frau (Abb. 337-353)
VII. Die Entdeckung der Häßlich-
keit (Abb. 354-371)
VIII. Privatleben (Abb. 372—389)
1. Pflege des Körpers (Abb. 372
bis 375)
2. Ehe (Abb. 376—383)
3. Wohnung (Abb. 384—389)
IX. Gewerbe und Kunstgewerbe
(Abb. 390—406)
X. Die Künstler (Abb. 407— 421)
6^8 " ANMERKUNG
Da der Bilderatlas genau so komponiert ist wie ein Buch mit fortlaufendem
Text, überschneiden sich die einzelnen Gruppen, gestatten eine andere Ein-
teilung, gehen unmerklich ineinander über. — Aus dem hier gebotenen Ma-
terial ließe sich eine Reihe anderer Gruppen zusammenstellen: zum Beispiel
„Mode". Es kämen hier vor allem folgende Abbildungen in Betracht: 9, 12,
14, 16, 18, 19, 21, 22, 38, 60, 64, 83, 113-119, 128, 150, 151, 159, 187, 189,
198-200, 220--223, 226, 247, 248, 260, 261, 342, 349-353> 356, 358, 379-383.
386-^388, 399, 401, 402 usw. — Mit diesem Beispiel soll angedeutet sein, daß
der Bilderanhang eine größere Vollständigkeit in sich trägt, als der durch die
Kolumnentitel angezeigte Verlauf beim ersten Durchblättern zu erkennen gibt.
Die Photographien, die unseren Kupfertiefdrucken zugrunde liegen,
stammen aus folgenden Qiiellen:
Alinari, Florenz: 2, 7, 9, 10, 13, 24—26, 40, 42, 62, 64, 71, 105, 112, 117,
"8, i34> i35> i5o> i65> 168, 170—172, 204, 213, 227, 239, 241, 266, 317,
339> 35 1> 375> S^S- 407= 409> 412.
Anderson, Rom: i, 5, 6, 27, 35-39, 43, 45, 46, 75, 84, 108, 115, 138, 139,
141, i47> i57> 160, 173, 174, 178, 190, 197, 225, 250, 255, 274, 355, 369.
Braun, Paris: 12, 90, 92, 192, 282, 283.
Giraudon, Paris: 284, 337.
Hanfstaengl, München: 136.
Kunsthistorisches Seminar, Marburg: 264.
Montabone, Mailand: 21, 328.
Sidviati, Venedig: 68, 205.
Weinwurm, Budapest: 114.
Wolfrum, Wien: 18, 240, 329, 338, 340.
Für die übrigen Abbildungen wurden offizielle Photographien der Museen,
private Neuaufnahmen und das eigene große Lichtbildarchiv verwendet. Die
ebenso bequeme wie unzulängliche Methode, Abbildungen nach gedruckten
Abbildungen (statt nach Originalphotographien) herzustellen, haben wir durch-
wegs vermieden.
Ph.V.
VERZEICHNIS DER STANDORTE
UND DER KÜNSTLER
VERZEICHNIS DER STANDORTE
Altenburg: Museum 34
Assist: Unterkirche S. Francesco 160
Bergamo: Akademie Carrara 21, 83,
201, 219, 322, 328
Berlin: Altes Museum 262
Kaiser-Friedrich-Museum 124, 291,
332, 334. 341. 343> 344
Kupferstichkabinett 200, 210, 214,
342, 410
Bologna: S. Giacomo Maggiore 9, 1 1,
73
S. Pietro 198
Budapest: Museum der schönen Kün-
ste 114
Caprarola: Palazzo Famese 138
Chatsworth: Sammlung des Herzogs
von Devonshire 156
Dresden: Gemäldegalerie 324, 372,
389
Ferrara: Dom 170
Kastell 2
Palazzo Schifanoja 286 — 288, 356,
357. 358. 401
Florenz: Akademie 301, 345, 346, 374,
381, 382
Baptisterium loi
Biblioteca Laurenziana 206
Borgo degli Albizzi 238
Campanile 224
Florenz: Dom 65, 66, 144, 169, 218,
396, 397. 413
Loggia de'Lanzi 62
Museo Bandini 39
Museo di Sant'Apollonia 81, 82,
220, 221
Museo di San Marco 161 — 163
Nationalmuseum 42, 50 — 55, 80,
86, 93—95. 129, 237, 263, 280,
316, 317, 390—392
Palazzo Medici-Riccardi 99
Palazzo Pitti 59, 60, 154, 155, 247,
249. 305
Palazzo Vecchio 88, 89, 102 — 104,
130. 183, 309. 373. 403—406
S. Ansano 278
S. Maria del Carmine 239
S. Maria del Fiore 302
S. Maria Novella 225, 386
S. Trinitä 227
Societä Colombaria 234
Uffizien 10, 23, 40, 56—58, 76—79,
100, 135, 137, 182, 188, 190, 202,
228—231, 235, 236, 241, 266, 279,
339. 347. 393.407.412,419,421
Villa Gallina 359, 360
Forli: Pinakothek 84
Haag: Museum 417
Hampton Court: Galerie 282, 283
Hannover: Provinzialmuseum 3B5
582 VERZEICHNIS DER STANDORTE
Jesi: Bibliothek 323
Konstantinopel: Museum 85
Lille: Museum Wicar 362
London: British Museum 91, 369
Nationalgalerie 87, 96, 119, 126,
194, 226, 259—261, 275, 298,
300, 308, 310, 314, 399> 402
Victoria- u. Albert-Museum 265,
327
Madrid: Prado 14, 255, 420
Mailand: Ambrosiana 43, 46, 367,
368
Archäologisches Museum 5
Brera 24, 25, 125, 203
Palazzo Borromeo 352, 353
Sammlung Trivulzio 27
S. Pietro in Gessate 371
Sforza-Kastell 28 — 33
Mantua: Castello di Corte 35—38
Sant'Andrea 414
Modena: Estensische Galerie 13, 378,
379
Pinakothek 355
München: Ältere Pinakotliek 131,315
Neapel: Castel Nuovo 3, 274
Museum S. Martino 97
Nationalmuseum 45, 67, 157, 158,
187, 213, 400
New York: Metropolitan-Museum 15,
48, 189, 350
Privatbesitz 116
Oldenburg: Museum 349
Orvieto: Dom 174, 411
Oxford: Sammlung Taylor 192
Padiia: Palazzo dclla Ragionc 184,
185
Piazza dcl Santo 69, 72
Padua: S.Antonio 165, 290
S. Giorgio 398
Paris: Louvre 10, 20, 22, 44, 74, 122,
123, i34> 232, 248, 257, 267, 284,
285, 307, 312, 319, 337, 348,
409
Nationalbibliothek 132, 133
Sammlung Armand 90
Sammlung Dreyfus 12
Pavia: Kartause 26
Pergamon: Zeustempel 264
Perugia: Pinakothek i
S. Bernardino 303
Philadelphia: Museum Widener 336
Pisa: Campanile 361
Camposanto 313, 370
Dom 171, 387
Pistoja: Ospedale del Ceppo 375, 383
S. Domenico 199
Prag: Sammlung Lanna 127
Richmond: Sammlung Cook 16
Rimini: Kathedrale 8
Malatestatempel 7
Rom: Capitolinisches Museum 418
Engelsburg 141
Galerie Borghcse 222
Galerie Colonna 181, 289
Galerie Doria 180, 250
Museo Petriano 145, 147
Palazzo Barberini 246
Palazzo Doria 325
Peterskirche 146, 148, 152, 304
Sixtina-Kapelle 75, 153, 176, 272,
416
Titusbogen 273
Triumphbogen 271
Vatikan 17, 47, 61, 128, 150, 151,
159, 209, 216, 217, 233, 256, 415
\'ia Appia 140
Villa Farnesina 258
VERZEICHNIS DER STAhfDORTE
Siena: Akademie 276, 277, 281
Archiv 380
Dom 106, 172, 173
Dombibliothek 149, 223
Libreria Piccolomini 207
Palazzo Publico 64, 105
Stockholm: Nationalmuseum 365
Turin: Königliche Bibliothek 408
Palazzo Reale 318
Urbino: Herzogspalast 299
Venedig: Akademie 108 — 112, 115,
121, 166 — 168, 178, 384
Dogenpalast 107, 120, 333
Markusbibliothek 205, 354
Markuskirche 68
683
Venedig: Museum Correr 117, 118,
376, 377. 388
Palazzo Giovanelli 335
Piazza dcl Santo 70, 71
S. Giorgio de' Schiavoni 179, 197
Verona: Palazzo Ridolfi 139
Scaligergräber 4, 6
Vicenza: Teatro Olympico 297
Wien: Akademie 306
Albertina 49, 175, 208, 215, 321,
363, 394
Kunsthistorisches Museum 18, 113,
240, 329> 338, 340
Liechtensteingalerie 364
Sammlung Graf Wilczek 196
Windsor: Castle 136
Königliche Bibliothek 63, 92, 177,
186, 191, 320, 331, 366
VERZEICHNIS DER KÜNSTLER
Agostino di Duccio (Florenz, 1 4 1 8 — 8 1 .
Tätig in Modena, Rimini, Perugia)
303
Allegrini, Francesco (geb. 1587 in
Gubbio, gest. 1663 in Rom. Schüler
des Cavaliere d'Arpino) 395
Alunno, Niccolö (Niccolo di Libe-
ratore da Foligno. 1430 — 1502)
181
Antonelloda Messina (J^ 1430 — 1479.
Unter flämischem und veneziani-
schem Einfluß) 194, 389
Aspertini, Amico (Bologna, 1475
bis 1552. Schüler des Francesco
Francia. — Maler und Bildhauer)
394
Barbari, Jacopo de' (geboren vor 1450
in Venedig, lebte seit 1 500 in Nürn-
berg, Wittenberg, Frankfurt unter
dem Namen Jakob Walch; starb als
Hofmaler der Statthalterin Marga-
rethe in Brüssel. Einfluß auf Dürer.
— Maler, Kupferstecher, Holz-
schneider) 187, 315
Fra Bartolommeo (Bartolommeo del
Fattore, auch Baccio della Porta.
Florenz, 1472 — 151 7. Dominikaner-
mönch, Freund des Savonarola)
161, 162
Bassano, Jacopo (Jacopo da Ponte.
Venedig, 15 15— 1592) 325
Bassano, Leandro (Venedig, 1551 bis
1622. Schüler seines Vaters Jacopo
Bassano) 1 1 1
Bastiani, Lazzaro siehe Sebastiani
Bellini, Gentile (Venedig, ± 1429 bis
1507. Schüler seines Vaters Jacopo.
Unter dem Einfluß seines Schwa-
gers Mantegna) 109, 112, 114,
115, 116, 117, 118, 119, 122,
126, 168
Bellini, Giovanni (Venedig, geb. nach
1430, gest. 1516. Lehrer Palma
Vecchios Giorgiones, Tizians) 125,
336, 340> 418
Bellini, Jacopo (Venedig, Verona, Fer-
rara, Padua, ± 1400 — 1470. Vater
des Gentile und Giovanni Bellini,
Schwiegervater des Mantegna) 312
Bening, Simon (Buchmaler aus Gent,
1483— 1561) 354
Bertoldo di Giovanni (Florenz, -^ 1420
bis 1491. Bildhauer und Denkmün-
zenkünstler. Schüler des Donatello
und Lehrer des Michelangelo) 86
BoÜraffio, Antonio (Mailand, 1467 bis
15 16. Schüler Leonardos da Vinci)
27> 43
Bfujonfigli, Benedetto (Perugia, um
1420 — 1496) I
Bonsignori, Francesco (Verona, 1455
bis 15 19. Seit 1495 am Hof der
Gonzaga in Mantua) 40, 49
686
VERZEICHNIS DER KÜNSTLER
Bordone, Paris (Venedig, Schüler Ti-
zians. Geb. Treviso 1500, gest. 1571.
Tätig auch in Paris und Augsburg)
"0, 385
Botticelli (Sandro di Mariano Filipcpi.
Florenz, geb. nach 1444, gest. 15 10.
Unter dem Einfluß von Fra Filippo
Lippi, Antonio Pollajuolo und Ver-
rocchio) 153, 182, 214, 216, 217,
232, 260, 272, 343, 345, 346, 347,
359> 360
Boulogne, Jean siehe Giovanni (da
Bologna)
Bramante, Donaio (geb. um 1444,
gest. 1 514 in Rom. Unter dem Ein-
fluß von Piero della Francesca und
Mantcgna als Maler ausgebildet.
Tätig als Architekt in Rom) 188
Brambüla, Amhrogio (Kupferstecher
des 16. Jahrhunderts, Rom) 330
Brunelleschi, Filippo (Brunellcsco.
Baumeister; auch Goldschmied und
Plastiker. Florenz, 1377 — 1446) 144
Brusasorci (Domenico del Riccio. Ve-
rona, 1493— 1567) 139
Buggiano (Andrea Cavalcanti. Schü-
ler des Brunelleschi; Florenz, 14 12
bis 1462. Bildhauer) 413
Butten, Giovanni Maria (Florenz,
± 1 540 — 1 606. Mitarbeiter des Ales-
sandro Allori) 406
Caroio, Gian Francesco (Verona,
± 1480— 1555) 59, 60
Carpaccio, Vittore (Scorpazza. Vene-
dig, Schüler des Gcntilc Bcllini.
Geb. ± 1455, gest. 1525) 108, 121,
123, 166,179,197,202,298,384,388
Carracci, Annibale (Bologna, 1560 bis
1609. Unter dem Einfluß von Mi-
chelangelo, RafTacl und Corrcggio.
Mit Lodovico und Agostino Car-
racci Begründer der Accademia de-
gli Incamminati, Akademie der
„Fortschreitenden" in Bologna) 365
Castagno, Andrea del (Florenz, 1423
bis 1457. Unter dem Einfluß von
Masaccio und Donatello) 65, 81,
82, 220, 221
Cavalli (Mantua, um 1500) 414
Cavalori, Mirabello (Mirabello da
Salincorno. Florenz, gest. 1572) 403
Cellini, Benvenuto (Florenz, 1500 bis
1572. Goldschmied und Bildhauer.
Seine Selbstbiographie wurde von
Goethe übersetzt) 317, 393
Cima (Giovanni Battista da Cone-
gliano. Haupttätigkeit in Venedig.
Unter dem Einfluß Giovanni Bel-
linis. Geb. ± 1459; g^st. vor 1518)
124
Cimabue (Cenno di Pepe. Florenz,
± 1240 — 1303) 160
Clouet, Jean (Hofmaler Franz' I. von
Frankreich. Gest. 1540) 134, 135
Conti, Bernardino de' (Mailand. Schü-
ler Leonardos da Vinci. Haupt-
tätigkeit 1496— 1522) 24, 25, 47
Coltellini, Girolamo (Bologna, 16.
Jahrhundert) 198
Cosimo, Piero di (Florenz, 1462 bis
1521. Schüler des Cosimo Rosselli,
unter dem Einfluß des Leonardo da
Vinci weitergebildet) 35, 75, 259,
417
Cossa, Francesco del (Schule von
Ferrara. Geb. Ferrara ± 1435, gest.
Bologna 1477) 286—288, 356, 401,
357, 358
Costa, Lorenzo (Ferrara, Bologna,
Mantua; zur Schule von Ferrara
gehörig, unter dem Einfluß von
VERZEICHNIS DER KÜNSTLER
687
Cosme Tura und Ercole de' Ro-
bert!. Geb. Ferrara 1460, gest.
Mantua 1535) 9, 12
Credi, Lorenzo di (Lorenzo di Andrea
d'Origo. Florenz, 1459 — 1537. Schü-
ler des Verrocchio, beeinflußt von
seinem Mitschüler Leonardo da
Vinci) 412
Cre;KOMfl,GtVo/flwoia (Büchermaler des
15. Jahrhunderts aus Cremona, Mit-
arbeiter des Liberale da Verona) 207
Cristoforo, Gian, siehe Romano
Donatello (Donato di Niccolö di Betto
Bardi. Florenz, 1386 — 1466. Auch
in Siena, Rom und Padua tätig) 62,
69, 72, 80, 224, 290
Dosio, Giovanantonio (Rom, Bild-
hauer, 1533 — 1609. Von ihm ein
Werk über die Altertümer Roms,
33 Kupferstiche) 268
Dosso Dossi (Giovanni di Niccolö
Lutero. Ferrara, Schüler Lorenzo
Costas, beeinflußt von Tizian, 1479
bis 1542. Tätig auch in Florenz und
Venedig) 13, 355
Enzola, Gian Francesco (Medailleur
aus Panna. Tätig um 1456 — 75,
hauptsächlich für die Sforzas in
Mailand) 50, 51
Fei, Alessandro (Alcssandro del Bar-
biere. Florenz, 1543— 1592) 405
Francia, Francesco (Francesco Raibo-
lini. Bologna, 1450 — 1517- Ur-
sprünglich Goldschmied. Unter dem
Einfluß von Lorenzo Costa und
Raffael) 48, 215
Franciabigio (Francesco di Cristofano
Bigi. Florenz, 1482? — 1525. Unter
dem Einfluß von Piero di Cosimo
und Andrea del Sarto) 372
Ghiberti, Lorenzo di Cione. (Florenz,
1381 — 1455- Goldschmied, Erz- und
Reliefbildner. Als Verfasser der
,, Kommentare" Vater der neueren
Kunstgeschichte) loi
Ghirlandajo, Domenico (Domenico di
Tommaso Bigordi. Florenz, 1449
bis 1494. Schüler des Baldovinetti;
unter dem Einfluß von Castagno
und Verrocchio) 142, 225, 227, 386
Ghirlandajo, Ridolfo (Sohn und Schü-
ler des Domenico Ghirlandajo. Un-
ter dem Einfluß des Fra Bartolom-
meo und Raff'ael. Florenz, 1483 bis
1561) 226
Giorgione (Giorgio Barbarelli. \'ene-
dig. Geb. zu Castelfranco um 1478,
gest. Venedig 1510. Schüler des
Giovanni Bellini) 83, 96, 335, 337,
419
Giovanni da Bologna (Jean Boulogne
von Douai, 1528 — 1608. Seit 1553
in Florenz, im Dienste der Medici,
Bildhauer) 316, 387
Girolamo da Cremona siehe Cremona
Gozzoli, Benozzo (Benozzo di Lese di
Sandro. Florenz, 1420 — 1498. Gold-
schmied, Erzbildner und Maler. Tä-
tig auch in Rom, Montefalco und
Pisa) 99
Granacci, Francesco (Francesco d'An-
drea. Florenz, 1477 — 1543. Schüler
des Domenico Ghirlandajo, unter
dem Einfluß von Fra Bartolommeo
und Raff'ael) 137
Holbein, Hans, d. J. (geb. in Augsburg
um 1497, gestorben als englischer
688
VERZEICHNIS DER KÜNSTLER
Hofmaler in London 1543. Zeit-
weilig auch in Basel und vermutlich
in Obcritalien tätig) 136
Juvenel, Paul (geb. Nürnberg 1578,
gest. Preßburg 1643) 329
Laurana, Francesco (Aus Lovrana bei
Zara. Schüler des Brunelleschi oder
des Agostino di Duccio. Tätig in
Süditalien, Riinini, Urbino und in
Frankreich. Bildhauer und Denk-
münzenkünstler) 274
Laurana, Luciano (geb. in Lovrana
bei Zara, um 1420, Verwandter des
Francesco Laurana; gest. 1479 in
Pesaro. Haupttätigkeit als Archi-
tekt in Urbino) 291
Leonardo da Vinci (Florenz. Geb.
1452 in der Villa Ancliiana bei
Vinci, gest. 15 19 auf Schloß Cloux
bei Amboise. Baumeister, Bild-
hauer, Maler, Ingenieur. Schüler
des Verrocchio. Haupttätigkeit in
Florenz, Mailand, Rom; Hofmaler
Franz' L von Frankreich) 20, 63,
90> 91. 92, 186, 190, 191, 318, 320,
33i> 348> 363> 366, 408; 46, 367, 368
Liberale da Verona (Verona, 1445
bis it 1528. Zuerst Buchmaler in
Siena, dann Fresken und Tafel-
gemälde in Verona) 300
Lionardo da Vinci, siehe Leonardo
Lifpi, Filippino (Florenz, ^t 1457 bis
1504. Schüler seines Vaters Fra Fi-
lippo Lippi, des Fra Diamante und
des Botticelli) 239
Lippi, Fra Filippo (Filippo di Tom-
maso Lippi. Florenz, 1406 — 1469.
Unter dem Einfluß von Masaccio
und Fra Angclico) 332
Lorch, Melchior (Lorich, 1527 bis nach
1590. Maler und Kupferstecher, tä-
tig auch in Dänemark und in der
Türkei) 127
Lotto, Lorenzo (Venedig, J; 1480 bis
1556. Schüler des Giovanni Bellini)
323
Luini, Bernardino (Mailand; geb.
nach 1480 zu Luino, gest. 1532.
Nachfolger Leonardos da Vinci)
28—33, 369
Macchietti, Girolamo (Florenz, ±1541
bis 1592) 373
Manozzi (Giovanni da San Giovanni.
Rom und Florenz, 1590 — 1636) 407
Mantegna, Andrea (Padua, 1431 bis
1506. Schüler des Sgnarcione, unter
dem Einfluß von Donatello und Ja-
copo Bellini. Tätig in Padua, Man-
tua, Verona, Florenz, Rom) 35, 36,
37, 38, 208, 282, 283, 257
Mariotto, Bernardino di (auch di
Nardo; Nachfolger des Giotto. Flo-
renz, 14. Jh.) 203
Martini, Simone (geboren ± 1283 in
Siena, gestorben 1344 in Avignon.
Nachfolger des Duccio da Buoin-
segna in Siena) 64
Meister der Cassoni (Florenz, Mitte
des 15. Jahrhunderts) 275, 378, 379
Meister der Pala Sforzesca (Mailand,
tätig um 1480 — 1520. Sein Haupt-
werk, das Altarbild von 1495 —
Pala Sforzesca — wurde von Mo-
relli dem Bernardino de' Conti zu-
geschrieben) 24, 25
Melozzo da Forli (Mclozzo degli
Ambrosi. Forll, 1438 — 1494. Schü-
ler des Picro dclla Francesca und
des Justus van Gent) 151, 233
VERZEICHNIS DER KÜNSTLER
Michelangelo (Michelangelo Buonar-
roti. Geb. 1475 zu Castel Caprese.
Gest. 1564 in Rom. Schüler des
Ghirlandajo und Bertoldo in Flo-
renz. Baumeister, Bildhauer, Maler,
Dichter) 145, 146, 176, 177, 206,
267, 263, 265, 362, 416
Michelino, Domenico di (Florenz,
15. Jh. Schüler des Fra Angelico)
201, 218
Michelozzo di Bariolommeo (Florenz,
1396 — 1472. Bildhauer und Bau-
meister. Nachfolger des Brunel-
leschi, Mitarbeiter des Donatello)
204
Miretto, Giovanni (Padua, um 1420)
184, 185
Monogrammist M. H. (Toskana, 15.
Jh.) 196
Morone, Domenico (Verona, 1442 bis
nach 1508. Unter dem Einfluß von
Mantegna und Gentile Bellini) 310,
3"
Moroni, Giovanni Battista (Schule
von Bergamo, geb. nach 1520,
gest. 1578. Schüler Morettos) 349,
399
Niccolö di Forzore Spinelli (Niccolo
Fiorentino. Tätig um 1485 — 1514)
52, 53> 164
Paüadio, Andrea (Vicenza, 15 18 bis
1580. Baumeister) 297
Palma Vecchio (Jacopo d'Antonio
Negretti. Venedig, 1480 — 1528.
Schüler Giovanni Bellinis) 324
Palmezzano, Marco di Antonio (geb.
zu Forli 1456, gest. 1538 (?). Unter
dem Einfluß Melozzos da Forli und
der Schule von Ferrara) 84
Burckhardt
689
Parentino, Bernardo (Parenzano. Pa-
dua, 1437— 1531) 180
Parmegfgjianino (Francesco Mazzola.
Parma, 1503 — 1540. Unter dem
Einfluß Correggios und Raffaels)
400
Passerotti, Bariolommeo (Bologna,
i 1530 — i592.SchülerTaddeoZuc-
chcros; unter dem Einfluß Micliel-
angelos und Correggios) 192
Pasti, Matteo de' (Verona, gestorben
1468. Schüler Pisanellos. Architekt,
Bildhauer, Maler. Genosse des Leon
Battista Alberti in Rimini) 279,
409
Pesellino (Francesco di Stefano. Flo-
renz, 1422— 1457) 219, 374
Francesca, Piero dclla (Piero dci
Franceschi. Umbrische Schule.
Haupttätigkeit in Borgo San Se-
polcro, Rom, Urbino. 1416? — 1492)
7, 56, 57> 58, 344
Pinturicchio, Bernardo (Bemardino di
Betto Biagio. Perugia, J^ i455 bis
1513. .Arbeitsgenosse Peruginos in
Rom) 17, 128, 149, 150, 223, 402
Piombo, Sebastiano del (Sebastiano
di Francesco Luciani. Venedig,
1485 — 1547. Schüler Giovanni Bel-
linis, unter dem Einfluß von Gior-
gione und Michelangelo) 156, 157,
189
Pisanello (Antonio Pisano; von Va-
sari fälschlich Vittore P. genannt.
Verona, i398(?)— 1455(?). Me-
dailleur und Maler) 21, 22, 54, 55,
314, 319, 409
Pitati, Bonifazio (aus Verona, 1487
bis 1533. Schule des Palma Vecchio;
Haupttätigkeit in Venedig 306
Pollajuolo, Antonio del (Antonio di
44
690
Jacopo Benci. Florenz, 1429 — 1498.
Goldschmied, Erzbildner, Kupfer-
stecher, Maler. Tätig auch in Rom)
23> 152, 304, 359> 360
Pontornio (Jacopo Carrucci. Florenz,
1494 — 1557. Gehilfe des Andrea del
Sarto, Mitarbeiter Bronzinos; un-
ter dem Einfluß Dürers und Michel-
angelos) 307
Poppt, Francesco da (Francesco Mo-
randini. Florenz, 1544 — 1587. Schü-
ler Vasaris) 404
Pulzone, Scipione (aus Gaeta, ca.
1 550 bis ca. 1 588. Schule von Neapel.
Besonders Bildnismaler) 351
Raffael (Raffacllo Santi. Geb. 1483
zu Urbino, gest. 1520 zu Rom) 61,
i54> I55> i59> 248, 250, 255, 256,
258, 41 5> 421
Rtccio (Andrea Briosco. Padua, 1470
bis 1532. Enkelschüler des Dona-
tello. Berühmt als Bronze-Klein-
bildner) 398
Rizo, Francesco da Santa Croce (geb.
bei Bergamo, Geburtsjahr unbe-
kannt, gest. 1508 in Venedig. Schü-
ler des Giovanni Bellini; unter dem
Einfluß Giorgiones) 322
Robbia, Giovanni della (Florenz,
1469 — 1529. Schüler seines Vaters
Andrea della Robbia. Beeinflußt
von Verrocchio und Pcrugino.
Hauptwcikc: farbig glasierte Terra-
kotta) 375, 383
Robbia, Luca della (Florenz, 1400
bis 1482. Bildhauer, unter dem Ein-
fluß von Ghibcrti)i29, 302
Roberti, Ercole de (Fcrrara, 1450 (?)
bis 1496. Unter d<-m Einfluß des Ja-
copo Bellini und Cosimo Tura) 308
VERZEICHNIS DER KÜNSTLER
Romano, Gian Cristoforo (geb. in
Rom um 1465, gest. 15 12. Haupt-
tätigkeit in Pavia, Mailand, Man-
tua, Ferrara, Rom. Medailleur und
Bildhauer. Beeinflußt von Pisanello)
39. 41 > 42
Romano, Giulio (Giulio di Pietro
Pippi de' Gianuzzi. Rom, 1492 (?)
bis 1546. Schüler und Gehilfe Raf-
facls. Hofmaler in Mantua) 285, 321
Rosselli, Cosimo (Florenz, 1439 bis
1507. Schüler des Benozzo Gozzoli)
289
Rosselino, Antonio (Antonio di Mat-
teo di Domenico Gambarelli.
Schule von Florenz. Geb. in Set-
tignano 1427; gest. 1478. Beein-
flußt von Donatcllo) 199, 237
Rusticci, Giovanni Francesco (Flo-
renz, 1474 — 1554. Schüler Verroc-
chios und Leonardos da Vinci) loi
Sana di Pietro (Siena, 1406 — 81.
Schüler des Sassetta) 106, 173
Sansovino, Jacopo (Jacopo Tatti. Flo-
renz, Rom und Venedig, i486 bis
1570. Bildhauer, Schüler des An-
drea Sansovino, beeinflußt von
Michelangelo) 205
Sebastiani (Lazzaro Bastiani. Vene-
dig, erwähnt seit 1449, gest. 1512.
Aus der Schule der Vivarini, beein-
flußt von GentileBeUini; Lehrer des
Vittorc Carpaccio) 167
Sellajo, Jacopo del (Florenz, 1442 bis
1493. Unter dem Einfluß von Bot-
ticelli und Ghirlandajo) 261,278,334
Serlio, Sebastiano (Bologna, 1475 bis
1552. Baumeister, Verfasser eines
Werkes über die Architektur) 294,
295> 296
VERZEICHNIS DER KÜNSTLER
Settignano, Desiderio da (Desiderio di
Bartolommeo di Francesco, detto
Ferro. Florenz, Schule des Dona-
tello, 1428 — 1464. Bildhauer) 341
Signordli, Luca (Umbrisch-toskani-
sche Schule. Schüler des Piero della
Francesca. Cortona, 1441 — 1523.
Haupttätigkeit in Loreto, Rom,
Siena, Orvieto) 174, 411
Solario, Andrea (Mailand, ± 1465 bis
nach 1515. Beeinflußt von Anto-
nello da Messina und Leonardo da
Vinci) 26
Sperandio (S. di Bartolommeo di
Sperandio. Mantua, ca. 1425 bis
1495. Haupttätigkeit in Mantua,
Ferrara, Bologna. Medailleur und
Bildhauer) 10
Stradano, Giovanni (Jan van Straet.
Schüler des Vasari. 1523- — 1605)
102, 103, 104, 183, 309
Tiepolo, Giovanni Battista (Venezia-
nische Schule. 1696 — 1770. Unter
dem Einfluß der Werke des Paolo
Veronese. Maler und Radierer) 364
Tintoretto (Jacopo Robusti. Venedig,
1518 — 1594. Schüler Tizians; unter
dem Einfluß von Michelangelo) 249
Tizian (Tiziano Vecellio. Venezia-
nische Schule. Geb. 1477 (?) zu
Pieve di Cadore, gest. zu Venedig
1576. Schüler des Giovanni Bcllini;
beeinflußt von Giorgione. Tätig
auch in Rom und Augsburg) 14, 15,
16, 18, 19, 131, 158, 240, 246, 247,
305> 338, 339> 420
691
Uccelio, Paolo (Paolo di Dono.
Florenz, 1397 — 1475. Gold-
schmied, Bildhauer, Maler) 66,
87> 299
Vasari, Giorgio (Florenz, 151 1 — 1574.
Maler, Baumeister, Kunstschrift-
steller. Unter dem Einfluß von An-
drea del Sarto, Bandinelli, Sal-
viati, Michelangelo) 88, 8g, 100,
130
Veronese (Paolo Caliari. Venedig,
1528 — 1588. Geboren in Verona,
Schüler des Antonio Badile, un-
ter dem Einfluß von Brusasorci
und Tizian) 113, 120, 328, 333,
350
Verrocchio (Andrea di Michele de'
Cioni. Florenz, 1435 — 1488. Bild-
hauer, anfangs Goldschmied; Maler.
Tätig in Florenz, Rom, Venedig)
70, 71
Vico, Enea (Parma, 1523 — 1567. Kup-
ferstecher) 252
VoUalina, Laiirentius de (Buchmaler,
15. Jh.) 200
Ziicchero, Federigo (Federico Zuc-
cari. Umbrische Schule. Geboren in
Sant' Angelo Vado, gest. 1609) 138,
175
Zucchero, Taddeo (Zuccari. Um-
brische Schule. 1529 — 1566. Bruder
des Federigo Zucchero. Manierist,
unter dem Einfluß Michelangelos
und Raffaels. Haupttätigkeit in
Caprarola und Rom) 138
Italienische Küche zu Anfang des 1 6. Jahrhunderts
Holzschnitt aus Mc-ssisburgo, Bauchclli, composilioni di vivando, Ferrara 1549
INHALTSÜBERSICHT
Erster A bschnitt
DER STAAT ALS KUNSTWERK
Seite
EINLEITUNG 1
Politischer Zustand Italiens im 13. Jahrhundert i
Der Normannenstaat unter Friedrich II 2
Ezzelino da Romano 3
TYRANNIS DES 14. JAHRHUNDERTS 4
Finanzielle Grundlage und Verhältnis zur Bildung 4
Das Ideal des absoluten Herrschers 4
Innere und äußere Gefahren 5
Urteil der Florentiner über die Tyrannen 6
Die Visconti bis auf den vorletzten 7
TYRANNIS DES 15. JAHRHUNDERTS 8
Intei-ventionen und Reisen der Kaiser 9
Ihre Ansprüche in Vergessenheit 1 1
Mangel eines festen Erbrechtes; illegitime Erbfolgen ii
Condottieren als Staatengründer I2
Ihr Verhältnis zum Brotherrn 12
Die Familie Sforza 13
Aussichten und Untergang des jungem Piccinino 14
Spätere Versuche der Condottieren 15
DIE KLEINEN TYRANNIEN 16
Die Baglionen von Perugia 16
Ihre innere Zwietracht und die Bluthochzeit des Jahres 1500 18
Ihr Ausgang 19
Die Häuser Malatesta, Pico und Petrucci 20
DIE CRÖSSERN HERRSCHERHÄUSER 20
Die Aragonesen von Neapel 20
Der letzte Visconti von Mailand 22
Francesco Sforza und sein Glück 23
Galeazzo Maria und Lodovico Moro 24
Die Gonzagen von Mantua « 26
Federigo da Montefeltro, Herzog von Urbino 27
Letzter Glanz des urbinatischcn Hofes 27
Die Este in Ferrara; Ilausgreuel und Fiskalität 28
Ämterverkauf , Ordnung und Bauten 29
Persönliche Virtuosität 30
Loyalität der Residenz 30
Der Polizeidirektor Zampante 31
694 INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Teilnahme der Untertanen an fürstlicher Trauer 31
Pomp des Hofes 32
Das estensische Mäzenat 33
DIE GEGNER DER TYRANNIS 33
Die spätem Guclfen und Ghibellinen 33
Die Verschwörer 34.
Die Ermordungen beim Kirchgang 34
Einwirkung des antiken Tyrannenmordes 35
Die Catilinarier 35
Florentinische Ansicht vom Tyrannenmord 36
Das Volk im Verhältnis zu den Verschwörern 36
DIE REPUBLIKEN 37
VENEDIG IM 15. JAHRHUNDERT 38
Die Einvvohner 3g
Der Staat und die Gefahr durch den armen Adel 39
Ursachen der Unerschütterlichkeit 40
Der Rat der Zehn und die politischen Prozesse 40
Verhältnis zu den Condottieren 41
Optimismus der auswärtigen Politik 42
Venedig als Heimat der Statistik 42
Verzögerung der Renaissance 44
Verspätete Reliquienandacht 44
FLORENZ SlilT DEM 14. JAHRHUNDERT 45
Objektivität des politischen Bewußtseins 45
Dante als Politiker 46
Florenz als Heimat der Statistik; die Villani 47
Die Statistik der höhern Interessen 48
Die Verfassungsformen und die Geschichtschreiber 49
Das Grundübel des toskanischen Staates 50
Die Staatskünstler 50
Machiavelli und sein Verfassungsprojekt 51
Siena und Genua 52
AUSWÄRTIGE POLITIK DER ITALIENISCHEN STAATEN 53
Der Neid gegen Venedig 53
Das Ausland; die Sympathien für Frankreich 54
Versuch eines Gleichgewichts 54
Intervention und Eroberung 55
Verbindungen mit den Türken 55
Die Gegenwirkung Spaniens 56
Objektive Behandlung der Politik 57
Kunst der Unterhandlung 57
DER KRIEG ALS KUNSTWERK 58
Die Feuerwaffen 58
Kennerschaft und Dilettantismus 59
Kriegsgreuel 59
DAS PAPSTTUM UND SEINE GEIAHREN 60
Stellung zum Ausland und zu Italien 61
Römische Unruhen seit Nikolaus V 61
Sixtus IV. als Herr von Rom 62
INHALTSVERZEICHNIS 695
Seite
Pläne des Kardinals Pietro Riario 62
Der Nepotenstaat in der Romagna 63
Die Kardinäle aus Fürstenhäusern 63
Innocenz VIII. und sein Sohn 64
Alexander VI. als Spanier 65
Verhältnis zum Ausland, und Simonie 66
Cesare Borgia und sein Verhältnis zum Vater 67
Seine letzten Absichten 67
Drohende Säkularisation des Kirchenstaates 68
Das Irrationelle in den Alitteln 68
Die Ermordungen 69
Die letzten Jahre 69
Julius II. als Retter des Papsttums 71
Wahl Leos X 71
Seine gefährlichen politischen Pläne 71
Wachsende Gefahren von außen 72
Hadrian VI 72
Clemens VII. und die Verwüstung von Rom 73
Folgen derselben und Reaktion 73
Versöhnung Karls \'. mit dem Papste 74
Das Papsttum der Gegenreformation 74
DAS ITALIEN DER PATRIOTEN 75
Zweiter A bschnitt
ENTWICKLUNG DES INDIVIDUUMS
DER ITALIENISCHE STAAT UND DAS INDIVIDUUM 76
Der Mensch des Mittelalters 76
Das Erwachen der Persönlichkeit 76
Der Gewaltherrscher und seine Untertanen 77
Der Individualismus in den Republiken 78
Das Exil und der Kosmopolitismus 78
DIE VOLLENDUNG DER PERSÖNLICHKEIT 79
Die Vielseitigen 7g
Die Allseitigen ; Leonbattista Alberti 80
DER MODERNE RUHM 82
Dantes Verhältnis zum Ruhm 82
Die Zelebrität des Humanisten; Petrarca 83
Kultus der Geburtshäuser 83
Kultus der Gräber 84
Kultus der berühmten Mäimer des Altertums 84
Literatur des örtlichen Ruhmes; Padua 85
Literatur des allgemeinen Ruhmes 86
Der Ruhm von den Schriftstellern abhängig 86
Die Ruhmsucht als Leidenschaft 87
DER MODERNE SPOTT UND WITZ 88
Sein Zusammenhang mit dem Individualismus 88
Der Hohn der Florentiner; die Novelle 89
696 INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Die Witzmacher und Buffonen 89
Die Spaße Leo X 90
Die Parodie in der Dichtung 91
Theorie des Witzes 91
Die Lästerung 92
Hadrian VL als ihr Opfer 93
Pietro Aretino 94
Seine Publizistik 95
Sein Verhältnis zu den Fürsten und Zelebritäten 95
Seine Religion 96
Dritter Abschnitt
DIE WIEDERERWECKUNG DES ALTERTUMS
VORBEMERKUNGEN 98
Ausdehnung des Begriffs Renaissance 98
Das Altertum im Mittelalter 99
Sein frühes Wiedererwachen in Italien 99
Lateinische Poesie des 12. Jahrhunderts 100
Der Geist des 14. Jahrhunderts 100
DIE RUINENSTADT ROM lOl
Dante, Petrarca, Uberti loi
Die vorhandenen Ruinen zur Zeit Poggios 102
Blondus, Nikolaus V., Pius II 103
Das Altertum außerhalb Roms 104
Städte und Familien von Rom hergeleitet 104
Stimmung und Ansprüche der Römer 104
Die Leiche der Julia 105
Ausgrabungen und Aufnahmen 105
Rom unter Leo X 106
Ruinensentimentalität 106
DIE ALTEN AUTOREN IO7
Ihre Verbreitung im 14. Jahrhundert 107
Entdeckungen des 15. Jahrhunderts 107
Die Bibliotheken, Kopisten und Skriptoren 108
Der Bücherdruck Iio
Übersicht des griechischen Studiums m
Orientalische Studien m
Picos Stellung zum Altertum 112
DER HUMANISMUS IM 14. JAHRHUNDERT 112
Unvermeidlichkeit seines Sieges 113
Teilnahme des Dante, Petrarca und Boccaccio 114
Letzterer als Vorkämpfer 114
Die Poetenkrönung 115
UNIVERSITÄTEN UND SCHULEN Il6
Der Humanist als Professor im is-Jahrh 117
Nebenanslalten 118
Die höhere freie Erziehung; Vittorino 118
Guarino in Ferrara 119
Prinzenerzichung 119
INHALTSVERZEICHNIS ßgj
Seile
DIE FÖRDERER DES HUMANISMUS 1 20
Florentinische Bürger; Niccoli 120
Mannetti ; die früheren Medici 121
Fürsten; die Päpste seit Nicolaus V 123
Alfons von Neapel 125
Federigo von Urbino 126
Die Sforza und die Este 126
Sigismondo Malatesta 127
REPRODUKTION DES ALTERTUMS. EPISTOLOGRAPHIE 128
Die päpstliche Kanzlei 12S
Wertschätzung des Briefstils 129
DIE LATEINISCHE REDE 129
Gleichgültigkeit über den Stand des Redners 130
Feierliche Staats- und Empfangsreden 130
Leichenreden 131
Akademische und Soldatenreden 131
Die lateinische Predigt 132
Erneuerung der antiken Rhetorik 132
Form und Inhalt; das Zitieren 133
Fingierte Reden 134
Verfall der Eloquenz 134
DIE LATEINISCHE ABHANDLUNG 135
DIE GESCHICHTSCHREIBUNG 135
Relative Notwendigkeit des Lateinischen 136
Forschungen über das Mittelalter; Blondus 137
Anfänge der Kritik 138
Verhälmis zur italienischen Geschichtschreibung 138
ALLGEMEINE LATINISIERUNG DER BILDUNG 139
Die antiken Namen 139
Latinisierte Lebensverhältnisse 140
Ansprüche auf Alleinherrschaft 140
Cicero und die Ciceronianer 141
Die lateinische Konversation 142
DIE NEULATEINISCHE POESIE I43
Das Epos aus der alten Geschichte; die Africa 143
Mythendichtung 144
Christliches Epos; Sannazaro 145
Zeitgeschichtliche Poesie 146
Einmischung der Mythologie 146
Didaktische Poesie; Palingenius 147
Die Lyrik und ihre Grenzen 148
Oden auf Heilige 149
Elegien und ähnliches 149
Das Epigramm 150
Macaronische Poesie 152
STURZ DER HUMANISTEN IM 16. JAHRHUNDERT 152
Die Anklagen und das Maß ihrer Schuld 152
Ihr Unglück 156
Das Gegenbild der Humanisten 157
Pomponius Laetus 157
Die Akademien 158
698 INHALTSVERZEICHNIS
Vierter Abschnitt
DIE ENTDECKUNG DER WELT UND DES MENSCHEN
Seite
REISEN DER ITALIENER 160
Columbus 161
Verhältnis der Kosmographie zu den Reisen 161
DIE NATURWISSENSCHAFT IN ITALIEN 162
Richtung auf die Empirie 162
Dante und die Sternkunde 163
Einmischung der Kirche 163
Einwirkung des Humanismus 164
Botanik; die Gärtner 164
Zoologie; die Sammlungen fremder Tiere 165
Das Gefolge des Ippolito Medici; die Sklaven 166
ENTDECKUNG DER LANDSCHAFTLICHEN SCHÖNHEIT 166
Die Landschaft im Mittelalter 167
Petrarca und die Bergbesteigung 168
Der Dittamondo des Uberti 169
Die flandrische Malerschule 170
Aeneas Sylvias und seine Schilderungen 170
ENTDECKUNG DES MENSCHEN 173
Psychologische Notbehelfe; Temperamente 173
GEISTIGE SCHILDERUNG IN DER POESIE 174
Wert der reimlosen Verse 175
Wert des Sonettes 175
Dante und seine Vita nuova 176
Seine Divina Commedia 177
Petrarca als Seelcnschildcrcr 177
Boccaccio und die Fiammctta 178
Geringe Entwicklung der Tragödie 179
Die Pracht der Aufführung als Feindin des Dramas 180
Intermezzi und Ballett 180
Komödie und Maskenkomödie 182
Ersatz durch die Musik 183
Das romantische Epos 183
Notwendige Unterordnung der Charaktere 183
Pulci und Bojardo 184
Das innere Gesetz ihrer Komposition 185
Ariosto und sein Stil 186
Folengo und die Parodie 187
Tasso als Gegensatz 188
DIE BIOGRAPHIK 188
Fortschritt der Italicner gegenüber dem Mittelalter 189
Toskanische Biographien 189
Andere Gegenden Italiens 190
Die Selbstbiographic; Aeneas Sylvius 191
Benvenuto Ccllini 192
Girolamo Cardano 192
Luigi Cornaro 193
INHALTSVERZEICHNIS ßoQ
Seite
CHARAKTERISTIK DER VÖLKER UND STÄDTE I95
Der Dittamondo 196
Schilderungen aus dem 16. Jahrhundert 196
SCHILDERUNG DES AUSSEREN MENSCHEN I97
Die Schönheit bei Boccaccio 197
Das Schönheitsideal des Firenzuola 198
Seine allgemeinen Definitionen 199
SCHILDERUNG DES BEWEGTEN LEBENS 200
Aeneas Syh'ius und andere 201
Konventionelle Bukolik seit Petrarca 201
Wirkliche Stellung der Bauern 201
Echte poetische Behandlung des Landlebens 201
Battista Mantovano, Lorenzo magnifico, Pulci 202
Angelo Poliziano 203
Die Menschheit und der Begriff des Menschen 203
Fünfter Abschnitt
DIE GESELLIGKEIT UND DIE FESTE
DIE AUSGLEICHUNG DER STANDE 205
Gegensatz zum Mittelalter 205
Das Zusammenwohnen in den Städten 205
Theoretische Negation des Adels 206
Verhalten des Adels nach Landschaften 207
Seine Stellung zur Bildung 207
Die spätere Hispanisierung des Lebens 208
Die Rittersvürde seit dem Mittelalter 208
Die Turniere und ihre Karikaturen 209
Der Adel als Requisit der Hofleute 209
ÄUSSERE VERFEINERUNG DES LEBENS 2IO
Kleidung und Moden 210
Toilettenmittel der Frauen 211
Die Reinlichkeit 2I2
Der Galateo und die gute Lebensart 213
Bequemlichkeit und Eleganz 213
DIE SPRACHE ALS BASIS DER GESELLIGKEIT 214
Ausbildung einer Idealsprache 214
Weite Verbreitung derselben 215
Die extremen Puristen 215
Ihr geringer Erfolg 216
Die Konversation 217
DIE HÖHERE FORM DER GESELLIGKEIT 2l8
Übereinkommen und Statuten 218
Die Novellisten und ihr Auditorium 218
Die großen Damen und die Salons 219
Florentinische Geselligkeit 219
Lorenzo als Schilderer seines Kreises 220
yOO INHALTSVERZEICHNIS
Seite
DER VOLLKOMMENE GESELLSCHAFTSMENSCH 230
Seine Liebschaft 221
Seine äußeren und geistigen Fertigkeiten 221
Die Leibesübungen 221
Die Musik 222
Die Instrumente und das Virtuosentum 222
Der Dilettantismus in der Gesellschaft 223
STELLUNG DER FRAU 224
Ihre männliche Bildung und Poesie 224
Vollendung ihrer Persönlichkeit 225
Die Virago 226
Das Weib in der Gesellschaft 226
Die Bildung der Buhlerinnen 226
DAS HAUSWESEN 227
Gegensatz zum Mittelalter 228
Agnolo Pandolfini 228
Die Villa und das Landleben 229
DIE FESTE 229
Ihre Grundformen, Mysterium und Prozession 230
Vorzüge gegenüber dem Ausland 231
Die Allegorie in der italienischen Kunst 231
Historische Repräsentanten des Allgemeinen 232
Die Mysterienaufführungen 233
Fronleichnam in viterbo 235
Weltliche Aufführungen 235
Pantomimen und Empfang von Fürsten 236
Bewegte Züge ; geistliche Trionfi 237
Weltliche Trionfi 239
Festzüge zu Wasser 241
Karneval in Rom und Florenz 242
Sechster Abschnitt
SITTE UND RELIGION
DIE MORALITÄT 244
Grenzen des Urteils 244
Bewaißtsein der Demoralisation 245
Das moderne Ehrgefühl 246
Herrschaft der Phantasie 247
Spielsucht und Rachsucht 247
Verletzimg der Ehe 251
Sittliche Stellung der Frau 252
Die vergeistigte Liebe 255
Der allgemeine Frevelsinn 256
Räuberwesen 257
Der bezahlte Mord ; die Vergiftungen 258
Die absoluten Bösewichter 260
Verhältnis der Sittlichkeit zum Individualismus 261
INHALTSVERZEICHNIS ^OI
Seite
DIE RELIGION IM TAGLICHEN LEBEN 202
Mangel einer Reformation 262
Stellung der Italiener zur Kirche 263
Haß gegen Hierarchie und Mönchtum 264
Die Bettelmönche 264
Die dominikanische Inquisition 266
Die hohem Orden 266
Gewöhnung der Kirche und ihre Segnungen 268
Die Bußprediger 269
Girolamo Savonarola 273
Das Heidnische im Volksglauben 278
Der Reliquienglaube 279
Der Mariendienst 280
Schwankungen im Kultus 281
Große Bußepidemien 281
Deren polizeiliche Regelung in Ferrara 282
DIE RELIGION UND DER GEIST DER RENAISSANCE 284
Notwendige Subjektivität 285
Weltlichkeit des Geistes 285
Toleranz gegen den Islam 286
Berechtigung aller Religionen 286
Einwirkung des Altertums 287
Sogenannte Epikureer 288
Die Lehre vom freien Willen 289
Die frommen Humanisten 290
Mittlere Richtung der Humanisten 290
Anfänge der Kritik des Heiligen 292
Fatalismus der Humanisten 292
Ihre heidnischen Äußerlichkeiten 294
VERFLECHTUNG VON ANTIKEM UND NEUEREM ABERGLAUBEN 294
Die Astrologie 295
Ihre Verbreitung und ihr Einfluß 295
Ihre Gegner in Italien 299
Picos Widerlegung und deren Wirkung 300
Verschiedene Superstitionen 301
Aberglaube der Humanisten 302
Gespenster der Verstorbenen 303
Dämonenglaube 304
Die italienische Hexe 305
Das Hexenland bei Norcia 306
Einmischung und Grenzen des nordischen Hexenwesens 307
Zauberei der Buhlerinnen 308
Der Zauberer und Beschwörer 309
Die Dämonen auf der Straße nach Rom 309
Einzelne Zaubergattungen; die Telesmata 310
Magie bei Grundsteinlegungen 312
Der Nekromant bei den Dichtem 312
Zaubergeschichte der Benvenuto Cellini 313
Abnahme des Zauberwesens 314
Nebengattungen desselben, Alchymie 314
702 INHALTSVERZEICHNIS
Seite
ERSCHÜTTERUNG DES GLAUBENS ÜBERHAUPT 316
Die Beichte der Boscoli 316
Religiöse Konfusion und allgemeiner Zweifel 317
Streit über die Unsterblichkeit 318
Der Heidenhimmel 319
Das homerische Jenseits 320
Verflüchtigung der christlichen Lehren 320
Der italienische Theismus 321
ANMERKUNGEN 324
GENAUE TITELANGABE EINIGER HÄUFIGER ZITIERTER WERKE 378
NACHWORT VON WILHELM WAETZOLDT 381
REGISTER 409
DIE KULTUR DER RENAISSANCE IN BILDERN
Bilderfolge 417
Verzeichnis der Abbildungen 657
Anmerkung zu den Bildern 677
Verzeichnis der Standorte 681
Verzeichnis der Künstler 685
4566