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Full text of "Die Kultur der Renaissance in Italien"

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BURCKHARDT 
DIE  KULTUR  DER  RENAISSANCE 


JACOB  BURCKHARDT 

DIE  KULTUR 

DER  RENAISSANCE 

IN  ITALIEN 


GROSSE  ILLUSTRJERTE  PHAI  DON -AUSGABE 


ALLE  RECHTE  AN  TEXT  UND  BILDERN  VORBEHALTEN 
PHAIDON-VERLAG-    WIEN 


|^ 


DRUCK  DES  TEXTES:  OFFIZIN  HAAG  DRUGULIN  AG.  IN  LEIPZIG 
DRUCK  DER  BILDER:  WAGNERSCHE  UNIVERSITATSBUCHDRUCKEREI  IN  INNSBRUCK 


VORBEMERKUNG 

Der  Wunsch,  von  den  großen  Denkmälern  des  Schrifttums  verschwenderisch 
geformte  Buchausgaben  zu  besitzen,  ist  geistig  wohl  begründet  und  fern  von 
bibliophiler  Ziererei.  —  Burckhardts  geschlossenste  Arbeit,  gerundet  als  Stil- 
kunstwerk und  als  Gedankenwelt,  seine  ,,KuUur  der  Renaissance  in  Italien" 
gehört  zu  den  Standbüchern  der  deutschen  Literatur;  diese  Wertung  gibt  der 
vorliegenden  Ausgabe  ihre  ehrliche  Sonderberechtigung.  Wo  nur  Anspruch 
auf  Belehrung  gestellt  wird  und  die  Lust  des  Besitzes  am  Wohlgeformten 
nicht  stärker  spricht,  erfüllen  jene  vielen  Ausgaben,  die  billiger  zu.  bekommen 
sind  als  die  unsere,  noch  immer  ihren  Gebrauchszweck. 
Unser  Bemühen  bei  Herstellung  des  Bandes  war  also,  für  einen  bedeutenden 
Gehalt  eine  bedeutende  Gestalt  zu  finden.  Mehr  als  solche  Arbeit  am  Äuße- 
ren konnte  in  diesem  Falle  nicht  getan  werden:  vielleicht  aber  wurde  dadurch 
für  viele  die  Erneuerung  eines  Erbgutes  bewirkt. 

DER  PHAIDON-VERLAG 


ÜBERSICHT 

ERSTER  ABSCHNITT 
DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

ZWEITER  ABSCHNITT 
ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

DRITTER  ABSCHNITT 

DIE  WIEDERERWECKUNG 

DES  ALTERTUMS 

VIERTER  ABSCHNITT 

DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT 

UND  DES  MENSCHEN 

FÜNFTER  ABSCHNITT 
DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

SECHSTER  ABSCHNITT 
SITTE  UND  RELIGION 

ANHANG 

DIE  KULTUR  DER  RENAISSANCE 

IN  BILDERN 


ERSTER  ABSCHNITT 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


Im  wahren  Sinne  des  Wortes  führt  diese  Schrift  den  Titel  eines  bloßen 
Versuches,  und  der  Verfasser  ist  sich  deutlich  genug  bewußt,  daß  er  mit 
sehr  mäßigen  Mitteln  und  Kräften  sich  einer  überaus  großen  Aufgabe 
unterzogen  hat.  Aber  auch  wenn  er  mit  stärkerer  Zuversicht  auf  seine 
Forschung  hinblicken  könnte,  so  wäre  ihm  der  Beifall  der  Kenner  kaum 
sicherer.  Die  geistigen  Umrisse  einer  Kulturepoche  geben  vielleicht  für 
jedes  Auge  ein  verschiedenes  Bild,  und  wenn  es  sich  vollends  um  eine 
Zivilisation  handelt,  welche  als  nächste  Mutter  der  unsrigen  noch  jetzt 
fortwirkt,  so  muß  sich  das  subjektive  Urteilen  und  Empfinden  jeden 
Augenblick  beim  Darsteller  wie  beim  Leser  einmischen.  Auf  dem  weiten 
Meere,  in  welches  wir  uns  hinauswagen,  sind  der  möghchen  Wege  und 
Richtungen  viele,  und  leicht  könnten  dieselben  Studien,  welche  für  diese 
Arbeit  gemacht  wurden,  unter  den  Händen  eines  andern  nicht  nur  eine 
ganz  andere  Benützung  und  Behandlung  erfahren,  sondern  auch  zu 
wesenthch  verschiedenen  Schlüssen  Anlaß  geben.  Der  Gegenstand  an 
sich  wäre  wichtig  genug,  um  noch  viele  Bearbeitungen  wünschbar  zu 
machen,  Forscher  der  verschiedensten  Standpunkte  zum  Reden  aufzu- 
fordern. Einstweilen  sind  wir  zufrieden,  wenn  uns  ein  geduldiges  Gehör 
gewährt  und  dieses  Buch  als  ein  Ganzes  aufgefaßt  wird.  Es  ist  die  wesent- 
lichste Schwierigkeit  der  Kulturgeschichte,  daß  sie  ein  großes  geistiges 
Kontinuum  in  einzelne  scheinbar  oft  willkürliche  Kategorien  zerlegen 
muß,  um  es  nur  irgendwie  zur  Darstellung  zu  bringen.  —  Der  größten 
Lücke  des  Buches  gedachten  wir  einst  durch  ein  besonderes  Werk  über 
„die  Kunst  der  Renaissance"  abzuhelfen;  ein  \"orsatz,  welcher  nur  ge- 
ringernteils  hat  ausgeführt  werden  können.^ 


Einleitimg 


Der  Kampf  zwischen  den  Päpsten  und  den  Hohenstaufen  hinterließ    politischer 


zuletzt  Italien  in  einem  politischen  Zustande,  welcher  von  dem  des 
übrigen  Abendlandes  in  den  wesentlichsten  Dingen  abwich.  Wenn  in 
Frankreich,  Spanien,  England  das  Lehnssystem  so  geartet  war,  daß  es 
nach  Ablauf  seiner  Lebenszeit  dem  monarchischen  Einheitsstaat  in  die 

Burckhardt  1 


Zustand  im 
13.   Jahrh. 


2  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Arme  fallen  mußte,  wenn  es  in  Deutschland  wenigstens  die  Einheit  des 
Reiches  äußerlich  festhalten  half,  so  hatte  Italien  sich  ihm  fast  völlig 
entzogen.  Die  Kaiser  des  14.  Jahrhunderts  wurden  im  günstigsten 
Falle  nicht  mehr  als  Oberlehnsherrn,  sondern  als  mögliche  Häupter 
und  Verstärkungen  schon  vorhandener  Mächte  empfangen  und  geachtet; 
das  Papsttum  aber  mit  seinen  Kreaturen  und  Stützpunkten  war  gerade 
scark  genug,  jede  künftige  Einheit  zu  verhindern,  ohne  doch  selbst  eine 
Die        schaffen  zu  können^.  Zwischen  den  beiden  waren  eine  Menge  politischer 

"vilmdt*^  Gestaltungen  —  Städte  und  Gewaltherrscher  —  teils  schon  vorhanden, 
teils  neu  emporgekommen,  deren  Dasein  rein  tatsächlicher  Art  war^. 
In  ihnen  erscheint  der  moderne  europäische  Staatsgeist  zum  erstenmal 
frei  seinen  eigenen  Antrieben  hingegeben;  sie  zeigen  oft  genug  die  fessel- 
lose Selbstsucht  in  ihren  furchtbarsten  Zügen,  jedes  Recht  verhöhnend, 
jede  gesunde  Bildung  im  Keim  erstickend;  aber  wo  diese  Richtung  über- 
wunden oder  irgendwie  aufgewogen  wird,  da  tritt  ein  neues  Lebendiges 
in  die  Geschichte:  der  Staat  als  berechnete,  bewußte  Schöpfung,  als 
Kunstwerk.  In  den  Stadtrepubliken  wie  in  den  Tyrannenstaaten  prägt 
sich  dies  Leben  hundertfaltig  aus  und  bestimmt  ihre  innere  Gestalt  so- 
wohl als  ihre  Politik  nach  außen.  Wir  begnügen  uns  mit  der  Betrachtung 
des  vollständigeren,  deutlicher  ausgesprochenen  Typus  desselben  in  den 
Tyrannenstaaten. 

Der  Staat  Der  innere  Zustand  der  von  Gewaltherrschern  regierten  Territorien 
hatte  ein  berühmtes  Vorbild  an  dem  Normannenreiche  von  Unteritalien 
und  Sizilien,  wie  Kaiser  Friedrich  II.  es  umgestaltet  hatte*.  Aufgewach- 
sen unter  Verrat  und  Gefahr  in  der  Nähe  von  Sarazenen,  hatte  er  sich 
frühe  gewöhnt  an  eine  völlig  objektive  Beurteilung  und  Behandlung  der 
Dinge,  der  erste  moderne  Mensch  auf  dem  Throne.  Dazu  kam  eine  nahe, 
vertraute  Kenntnis  von  dem  Innern  der  sarazenischen  Staaten  und  ihrer 
Verwaltung,  und  jener  Existenzkrieg  mit  den  Päpsten,  welcher  beide 
Parteien  nötigte,  alle  denkbaren  Kräfte  und  Mittel  auf  den  Kampfplatz 
zu  führen.  Friedrichs  Verordnungen  (besonders  seit  1231)  laufen  auf 
die  völlige  Vernichtung  des  Lehnstaates,  auf  die  Verwandlung  des  Vol- 
kes in  eine  willenlose,  unbewaffnete,  im  höchsten  Grade  steuerfahige 
Masse  hinaus.  Er  zentralisierte  die  ganze  richterliche  Gewalt  und  die 
Verwaltung  in  einer  bisher  für  das  Abendland  unerhörten  Weise;  kein 
Amt  mehr  dujfte  durch  Volkswahl  besetzt  werden,  bei  Strafe  der  Ver- 
wüstung des  betreffenden  Ortes  und  Degradation  der  Bürger  zu  Hörigen. 

Mohammt-    Die  Stcucrn,  beruhend  auf  einem  umfassenden  Kataster  und  auf  moham- 

Einwirkung  medanischcr  Routine,  wurden  beigetrieben  mit  jener  quälerischen  und 
grausamen  Art,  ohne  welche  man  dem  Orientalen  freilich  kein  Geld  aus 
den  Händen  bringt.  Hier  ist  kein  Volk  mehr,  sondern  ein  kontrollier- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


barer  Haufe  von  Untertanen,  die  z.  B.  ohne  besondere  Erlaubnis  nicht 
auswärts  heiraten  und  unbedingt  nicht  auswärts  studieren  durften;  —  die 
Universität  Neapel  übte  den  frühsten  bekannten  Studierzwang,  während 
der  Orient  seine  Leute  wenigstens  in  diesen  Dingen  frei  ließ.  Echt  mo- 
hammedanisch dagegen  war  es  wiederum,  daß  Friedrich  nach  dem  gan- 
zen Mittelmeer  eigenen  Handel  trieb,  viele  Gegenstände  sich  vorbehielt 
und  den  Handel  der  Untertanen  hemmte.  Die  fatimidischen  Kalifen 
mit  ihrer  Geheimlehre  des  Unglaubens  waren  (wenigstens  anfangs)  tole- 
rant gewesen  gegen  die  Religionen  ihrer  Untertanen;  Friedrich  dagegen 
krönt  sein  Regierungssystem  durch  eine  Ketzerinquisition,  die  nur  um 
so  schuldvoller  erscheint,  wenn  man  annimmt,  er  habe  in  den  Ketzern 
die  Vertreter  freisinnigen  städtischen  Lebens  verfolgt.  Als  Polizeimann- 
schaft im  Innern  und  als  Kern  der  Armee  nach  außen  dienten  ihm  end- 
lich jene  aus  Sizihen  nach  Luceria  und  nach  Nocera  übergesiedelten 
Sarazenen,  welche  gegen  allen  Jammer  taub  und  gegen  den  kirchlichen 
Bann  gleichgültig  waren.  Die  Untertanen,  der  Waffen  entwöhnt,  ließen 
später  den  Sturz  Manfreds  und  die  Besitznahme  des  Anjou  leicht  und 
willenlos  über  sich  ergehen;  letzterer  aber  erbte  diesen  Regierungsmecha- 
nismus und  benützte  ihn  weiter. 

Neben  dem  zentralisierenden  Kaiser  tritt  ein  Usurpator  der  eigentüm- 
lichsten Art  auf:  sein  Vicarius  und  Schwiegersohn  Ezzehno  da  Romano. 
Er  repräsentiert  kein  Regierungs-  und  Verwaltungssystem,  da  seine  Tä- 
tigkeit in  lauter  Kämpfen  um  die  Herrschaft  im  östlichen  Oberitalien 
aufging,  allein  er  ist  als  politisches  Vorbild  für  die  Folgezeit  nicht  minder 
wichtig  als  sein  kaiserlicher  Beschützer.  Alle  bisherige  Eroberung  und 
Usurpation  des  Mittelalters  war  entweder  auf  wirkliche  oder  vorgegebene 
Erbschaft  und  andere  Rechte  hin  oder  gegen  die  Ungläubigen  oder  Ex- 
kommunizierten vollbracht  worden.  Hier  zum  erstenmal  wird  die  Grün- 
dung eines  Thrones  versucht  durch  Massenmord  und  endlose  Scheußlich- 
keiten, d.  h.  durch  Aufwand  aller  Mittel  mit  alleiniger  Rücksicht  auf 
den  Zweck.  Keiner  der  Spätem  hat  den  Ezzelino  an  Kolossalität  des 
Verbrechens  irgendwie  erreicht,  auch  Cesare  Borgia  nicht,  aber  das 
Beispiel  war  gegeben,  und  Ezzelinos  Sturz  war  für  die  Völker  keine 
Herstellung  der  Gerechtigkeit  und  für  künftige  Frevler  keine  Warnung. 

Umsonst  stellte  in  einer  solchen  Zeit  S.  Thomas  von  Aquino,  der  ge- 
borene Untertan  Friedrichs,  die  Theorie  einer  konstitutionellen  Herr- 
schaft auf,  wo  der  Fürst  durch  ein  von  ihm  ernanntes  Oberhaus  und  eine 
vom  Volk  gewählte  Repräsentation  unterstützt  gedacht  wird.  Derglei- 
chen verhallte  in  den  Hörsälen,  und  Friedrich  und  Ezzelino  waren  und 
blieben  für  Itahen  die  größten  politischen  Erscheinungen  des  13.  Jahr- 
hunderts. Ihr  Bild,  schon  halb  fabelhaft  widergespiegelt,  ist  der  wichtig- 


Die 
Herrschaft 
Ezzelinos 


Einfluß 
Friedrichs 

und 
Ezzelinos 


A  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

ste  Inhalt  der  „hundert  aUen  Novellen",  deren  ursprüngliche  Redaktion 
gewiß  noch  in  dies  Jahrhundert  fällt*.  Ezzelino  wird  hier  bereits  mit  einer 
scheuen  Ehrfurcht  geschildert,  welche  der  Niederschlag  jedes  ganz  großen 
Eindruckes  ist.  Eine  ganze  Literatur,  von  der  Chronik  der  Augenzeugen 
bis  zur  halbmythologischen  Tragödie,  schloß  sich  an  seine  Person  an*. 


Henscherdes      Die  größcm  Und  kleinern  Gewaltherrschaften  des   14.  Jahrhunderts 

14.  jahrh.  ygj.j.2(-gj^  g3  häufig  genug,  daß  Eindrücke  dieser  Art  nicht  verloren  waren. 
Ihre  Missetaten  schrien  laut,  und  die  Geschichte  hat  sie  umständlich 
verzeichnet,  aber  als  ganz  auf  sich  selbst  gestellte  und  danach  organi- 
sierte Staaten  haben  sie  immerhin  ein  höheres  Interesse. 

Die  bewußte  Berechnung  aller  Mittel,  wovon  kein  damaliger  außer- 
italischer Fürst  eine  Idee  hatte,  verbunden  mit  einer  innerhalb  der  Staats- 
grenzen fast  absoluten  Machtvollkommenheit,  brachte  hier  ganz  beson- 
dere Menschen  und  Lebensformen  hervor'.  Das  Hauptgeheimnis  der 
Herrschaft  lag  für  die  weisern  Tyrannen  darin,  daß  sie  die  Steuern 

Finanzen  mögllchst  SO  licßcn,  wlc  sic  dieselben  angetroffen  oder  am  Anfange  ein- 
gerichtet hatten:  eine  Grundsteuer,  basiert  auf  einem  Kataster;  be- 
stimmte Konsumsteuern  und  Zölle  auf  Ein-  und  Ausfuhr,  wozu  noch 
die  Einnahmen  von  dem  Privatvermögen  des  herrschenden  Hauses  ka- 
men; die  einzige  mögliche  Steigerung  hing  ab  von  der  Zunahme  des  all- 
gemeinen Wohlstandes  und  Verkehres.  Von  Anleihen,  wie  sie  in  den 
Städten  vorkamen,  war  hier  nicht  die  Rede;  eher  erlaubte  man  sich 
hier  und  da  einen  wohlberechneten  Gewaltstreich,  vorausgesetzt,  daß  er 
den  ganzen  Zustand  unerschüttert  ließ,  wie  z.  B.  die  echt  sultanische 
Absetzung  und  Ausplünderung  des  obersten  Finanzbeamten*. 

Der  Hof  Mit  dicscu  Einkünften  suchte  man  auszureichen,  um  den  kleinen  Hof, 
die  Leibwache,  die  geworbene  Mannschaft,  die  Bauten  —  und  die  Spaß- 
macher sowohl  als  die  Leute  von  Talent  zu  bezahlen,  die  zur  persön- 
lichen Umgebung  des  Fürsten  gehörten.  Die  Illegitimität,  von  dauern- 
den Gefahren  umschwebt,  vereinsamt  den  Herrscher;  das  ehrenvollste 
Bündnis,  welches  er  nur  irgend  schließen  kann,  ist  das  mit  der  höhern 
geistigen  Begabung,  ohne  Rücksicht  auf  die  Herkunft.  Die  Liberalität 
(Mildekeit)  der  nordischen  Fürsten  des  13.  Jahrhunderts  hatte  sich  auf  die 
Ritter,  auf  das  dienende  und  singende  Adelsvolk  beschränkt.  Anders  der 
monumental  gesiimte,  ruhmbegierige  italienische  Tyrann,  der  das  Talent 
als  solches  braucht.  Mit  dem  Dichter  oder  Gelehrten  zusammen  fühlt  er 
■  sich  auf  einem  neuen  Boden,  ja  fast  im  Besitz  einer  neuen  Legitimität. 
Weltbekannt  ist  in  dieser  Beziehung  der  Gewaltherrscher  von  Verona, 

Abh.6      Can  Grande  dclla  Scala,  welcher  in  den  ausgezeichneten  Verbannten 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  5 

an  seinem  Hofe  ein  ganzes  Italien  beisammen  unterhielt.  Die  Schrift- 
steller waren  dankbar;  Petrarca,  dessen  Besuche  an  diesen  Höfen  so  strenge 
Tadler  gefunden  haben,  schilderte  das  ideale  Bild  eines  Fürsten  des  uas  damalige 
14.  Jahrhunderts».  Er  verlangt  von  seinem  Adressaten  —  dem  Herrn  „emcb^ 
von  Padua  —  vieles  und  Großes,  aber  auf  eine  Weise,  als  traute  er  es 
ihm  zu.  „Du  mußt  nicht  Herr  deiner  Bürger,  sondern  Vater  des  Vater- 
landes sein  und  jene  wie  deine  Kinder  lieben^",  ja  wie  Glieder  deines 
Leibes.  Waffen,  Trabanten  und  Söldner  magst  du  gegen  die  Feinde 
wenden  —  gegen  deine  Bürger  kommst  du  mit  dem  bloßen  Wohlwollen 
aus;  freihch  meine  ich  nur  die  Bürger,  welche  das  Bestehende  lieben, 
denn  wer  täglich  auf  Veränderungen  sinnt,  der  ist  ein  Rebell  und  Staats- 
feind, und  gegen  solche  mag  strenge  Gerechtigkeit  walten!"  Im  einzelnen 
folgt  nun  die  echt  moderne  Fiktion  der  Staatsallmacht;  der  Fürst  soll 
für  alles  sorgen,  Kirchen  und  öffentliche  Gebäude  herstellen  und  unter- 
halten, die  Gassenpolizei  aufrechthalten^i,  Sümpfe  austrocknen,  über 
Wein  und  Getreide  wachen;  die  Steuern  gerecht  verteilen.  Hilflose  und 
Kranke  unterstützen  und  ausgezeichneten  Gelehrten  seinen  Schutz  und 
Umgang  widmen,  indem  dieselben  für  seinen  Nachruhm  sorgen  würden. 

Aber  welches  auch  die  allgemeinen  Lichtseiten  und  die  Verdienste  Gefahren  der 

,       ,  ,  j  Tyrann!? 

einzelner  gewesen  sein  mögen,  so  erkannte  oder  ahnte  doch  schon  das 
14.  Jahrhundert  die  geringe  Dauer,  die  Garantielosigkeit  der  meisten 
dieser  Tyrannien.  Da  aus  innern  Gründen  politische  Verfassungen  wie 
diese  genau  um  so  viel  haltbarer  sind,  als  das  Gebiet  größer  ist,  so  waren 
die  mächtigeren  Gewaltherrschaften  stets  geneigt,  die  kleinern  zu  ver- 
schlingen. Welche  Hekatombe  kleiner  Herrscher  ist  nur  allein  den  Vis- 
conti in  dieser  Zeit  geopfert  worden!  Dieser  äußern  Gefahr  aber  ent- 
sprach gewiß  fast  jedesmal  eine  innere  Gärung,  und  die  Rückwirkung 
dieser  Lage  auf  das  Gemüt  des  Herrschers  mußte  in  den  meisten  Fällen 
überaus  verderblich  sein.  Die  falsche  Allmacht,  die  Aufforderung  zum 
Genuß  und  zu  jeder  Art  von  Selbstsucht  von  der  einen,  die  Feinde  und 
Verschwörer  von  der  andern  Seite  machten  ihn  fast  unvermeidlich  zum 
Tyrannen  im  übeln  Sinne.  Wäre  nur  wenigstens  den  eigenen  nächsten 
Blutsverwandten  zu  trauen  gewesen!  Allein  wo  alles  illegitim  war,  da 
konnte  sich  auch  kein  festes  Erbrecht,  weder  für  die  Sukzession  in  der  Mangelhaftes 
Herrschaft,  noch  für  die  Teilung  der  Güter  bilden,  und  vollends  in  dro- 
henden Augenblicken  schob  den  unmündigen  oder  untüchtigen  Fürsten-  . 
söhn  ein  entschlossener  Vetter  oder  Oheim  beiseite,  im  Interesse  des 
Hauses  selbst.  Auch  über  Ausschluß  oder  Anerkennung  der  Bastarde 
war  beständiger  Streit.  So  kam  es,  daß  eine  ganze  Anzahl  dieser  Fami- 
lien mit  unzufriedenen,  rachsüchtigen  Verwandten  heimgesucht  waren; 
ein  Verhältnis,  das  nicht  eben  selten  in  offenen  Verrat  und  in  wilden 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


Familienmord  ausbrach.  Andere,  als  Flüchtlinge  auswärts  lebend,  fassen 
sich  in  Geduld  und  behandeln  auch  diese  Sachlage  objektiv,  wie  z.  B. 
jener  Visconti,  der  am  Gardasee  Fischnetze  auswarf^*;  der  Bote  seines 
Gegners  fragte  ihn  ganz  direkt:  wann  er  wieder  nach  Mailand  zurück- 
zukehren gedenke?  und  erhielt  die  Antwort:  „nicht  eher,  als  bis  die 
Schandtaten  jenes  über  meine  Verbrechen  das  Übergewicht  erlangt 
haben  v/erden".  Bisweilen  opfern  auch  die  Verwandten  den  regierenden 
Herrn  der  allzusehr  beleidigten  öffcnthchen  Moral,  um  dadurch  das 
Gesamthaus  zu  retten^'.  Hier  und  da  ruht  die  Herrschaft  noch  so  auf  der 
Gesamtfamilie,  daß  das  Haupt  an  deren  Beirat  gebunden  ist;  auch  in 
diesem  Falle  veranlaßte  die  Teilung  des  Besitzes  und  des  Einflusses  leicht 
den  bittersten  Hader. 
Der  Pomp  Bci  den  damaligen  florentinischen  Autoren  begegnet  man  einem  durch- 
gehenden tiefen  Haß  gegen  dieses  ganze  Wesen.  Schon  das  pomphafte 
Aufziehen,  das  Prachtkostüm,  wodurch  die  Gewaltherrscher  vielleicht 
weniger  ihrer  Eitelkeit  Genüge  tun  als  vielmehr  Eindruck  auf  die  Phan- 
tasie des  Volkes  machen  wollten,  erweckt  ihren  ganzen  Sarkasmus. 
Wehe  wenn  ihnen  gar  ein  Emporkömmling  in  die  Hände  fällt  wie  der 
neugebackene  Doge  Agnello  von  Pisa  (1364),  der  mit  dem  goldenen 
Zepter  auszureiten  pflegte  und  sich  dann  wieder  zu  Hause  am  Fenster 
zeigte,  „wie  man  Reliquien  zeigt",  auf  Teppich  und  Kissen  von  Gold- 
stofi"  gelehnt;  kniend  mußte  man  ihn  bedienen  wie  einen  Papst  oder 
Abscheu  der  Kaiscr^*.  öfter  aber  reden  diese  alten  Florentiner  in  einem  erhabenen 
Florentiner  £j,j,5|.  Dantc^*  erkennt  und  benennt  vortreff"lich  das  Unadclige:  Ge- 
meinverständige der  neufürstlichen  Hab-  und  Herrschgier.  ,,Was  tönen 
ihre  Posaunen,  Schellen,  Hörner  und  Flöten  anders  als  herbei  zu  uns, 
ihr  Henker!  ihr  Raubvögel!"  Man  malt  sich  die  Burg  des  Tyrannen  hoch 
und  isoliert,  voller  Kerker  und  Lauschröhren ^',  als  einen  Aufenthalt 
der  Bosheit  und  des  Elends.  Andere  weissagen  jedem  Unglück,  der  in 
Tyrannendienste  gche^'  und  bejammern  am  Ende  den  Tyrannen  selbst, 
welcher  unvermeidlich  der  Feind  aller  Guten  und  Tüchtigen  sei,  sich 
auf  niemanden  verlassen  dürfe,  und  den  Untertanen  die  Erwartung 
seines  Sturzes  auf  dem  Gesicht  lesen  könne.  ,,So  wie  die  TjTannien 
entstehen,  wachsen  und  sich  befestigen,  so  wächst  auch  in  ihrem  Innern 
verborgen  der  Stoff  mit,  welcher  ihnen  Verwirrung  und  Untergang 
bringen  muß^^."  Der  tiefste  Gegensatz  wird  nicht  deutlich  hervor- 
gehoben: Florenz  war  damals  mit  der  reichsten  Entwicklung  der  Indivi- 
dualitäten beschäftigt,  während  die  Gewaltherrscher  keine  andere  In- 

,  dividualität  gelten  und  gewähren  ließen  als  die  ihrige    und  die  ihrer 
nächsten  Diener.  War  doch  die  Kontrolle  des  einzelnen  Menschen  bis 

'  aufs  Paßwesen  herab  schon  völlig  durchgeführt^'. 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  y 

Das  Unheimliche  und  Gottverlassene  dieser  Existenz  bekam  in  den 
Gedanken  der  Zeitgenossen  noch  eine  besondere  Farbe  durch  den  noto- 
rischen Sternglauben  und  Unglauben  mancher  Herrscher.  Als  der  letzte 
Carrara  in  seinem  pestverödeten  Padua  (1405)  die  Mauern  und  Tore 
nicht  mehr  besetzen  konnte,  während  die  Vcnetianer  die  Stadt  um- 
zingelten, hörten  ihn  seine  Leibwachen  oft  des  Nachts  dem  Teufel 
rufen:  er  möge  ihn  töten! 


Die  vollständigste  und  belehrendste  Ausbildung  dieser  Tyrannis  des  Die  visconU; 
14.  Jahrhunderts  findet  sich  wohl  unstreitig  bei  den  Visconti  in  Mai-  ''"^ 
land,  von  dem  Tode  des  Erzbischofs  Giovanni  (1354)  an.  Gleich  meldet 
sich  in  Bernabo  ganz  unverkennbar  eine  Familienähnlichkeit  mit  den  am.  5 
schrecklichsten  römischen  Imperatoren^";  der  wichtigste  Staatszweck  ist 
die  Eberjagd  des  Fürsten;  wer  ihm  dareingreift,  wird  martervoll  hin- 
gerichtet; das  zitternde  Volk  muß  ihm  5000  Jagdhunde  füttern,  unter 
der  schärfsten  Verantwortlichkeit  für  deren  Wohlbefinden.  Die  Steuern 
werden  mit  allen  denkbaren  Zwangsmitteln  emporgetrieben,  sieben  Töch- 
ter, jede  mit  100  000  Goldgulden  ausgestattet  und  ein  enormer  Schatz 
gesammelt.  Beim  Tode  seiner  Gemahlin  (1384)  erschien  eine  Notifi- 
kation ,,an  die  Untertanen",  sie  sollten,  wie  sonst  die  Freude,  so  jetzt 
das  Leid  mit  ihm  teilen  und  ein  Jahr  lang  Trauer  tragen.  —  Unver- 
gleichlich bezeichnend  ist  dann  der  Handstreich,  womit  ihn  sein  Neffe 
Giangaleazzo  (1385)  in  seine  Gewalt  bekam,  eines  jener  gelungenen 
Komplotte,  bei  deren  Schilderung  noch  späten  Geschichtschreibcrn  das 
Herz  schlägt*^.  Bei  Giangaleazzo  tritt  der  echte  Tyrannensinn  für  das  ciangaieazzo 
Kolossale  gewaltig  hervor.  Er  hat  mit  Aufwand  von  300000  Goldgulden 
riesige  Dammbauten  unternommen,  um  den  Mincio  von  Mantua,  die 
Brenta  von  Padua  nach  Belieben  ableiten  und  diese  Städte  wehrlos 
machen  zu  können*^,  ja  es  wäre  nicht  undenkbar,  daß  er  auf  eine  Trocken- 
legung der  Lagunen  von  Venedig  gesonnen  hätte.  Er  gründete^^  ,,das 
wunderbarste  aller  Klöster",  die  Certosa  von  Pavia,  und  den  Dom 
von  Mailand,  ,,der  an  Größe  und  Pracht  alle  Kirchen  der  Christenheit 
übertrifft",  ja  vielleicht  ist  auch  der  Palast  in  Pavia,  den  schon  sein 
Vater  Galeazzo  begonnen  und  den  er  vollendete,  weitaus  die  herrlichste 
Fürstenresidenz  des  damaligen  Europas  gewesen.  Dorthin  verlegte  er 
auch  seine  berühmte  Bibliothek  und  die  große  Sammlung  von  Reli- 
quien der  Heiligen,  welchen  er  eine  besondere  Art  von  Glauben  widmete. 
Bei  einem  Fürsten  von  dieser  Sinnesart  wäre  es  befremdlich,  wenn  er  Dessen  !eut.> 
nicht  auch  im  politischen  Gebiet  nach  den  höchsten  Kronen  gegriffen  ^° 
hätte.  König  Wenzel  machte  ihn  (1395)   zum  Herzog;  er  aber  hatte 


8  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

nichts  Geringeres  als  das  Königtum  von  Italien^*  oder  die  Kaiserkrone 
im  Sinne,  als  er  (1402)  erkrankte  und  starb.  Seine  sämtlichen  Staaten 
sollen  ihm  einst  in  einem  Jahre  außer  der  regelmäßigen  Steuer  von 
1200000  Goldgulden  noch  weitere  800000  an  außerordentlichen  Sub- 
sidien  bezahlt  haben.  Nach  seinem  Tode  ging  das  Reich,  das  er  durch 
jede  Art  von  Gewalttaten  zusammengebracht,  in  Stücken,  und  vorder- 
hand konnten  kaum  die  altern  Bestandteile  desselben  behauptet  werden. 
Was  aus  seinen  Söhnen  Giovan  Maria  (f  1412)  und  Filippo  Maria 
(t  1447)  geworden  wäre,  wenn  sie  in  einem  andern  Lande  und  ohne 
von  ihrem  Hause  zu  wissen,  gelebt  hätten,  wer  weiß  es?  Doch  als  Erben 
.dieses  Geschlechtes  erbten  sie  auch  das  ungeheure  Kapital  von  Grau- 
samkeit und  Feigheit,  das  sich  hier  von  Generation  zu  Generation  auf- 
gesammelt hatte. 
Giovan  Maria  Giovau  Maria  ist  wiederum  durch  seine  Hunde  berühmt,  aber  nicht 
mehr  durch  Jagdhunde,  sondern  durch  Tiere,  die  zum  Zerreißen  von 
Menschen  abgerichtet  waren  und  deren  Eigennamen  uns  überliefert 
sind  wie  die  der  Bären  Kaiser  Valentinians  I.**  Als  im  Mai  1409  wäh- 
rend des  noch  dauernden  Krieges  das  verhungernde  Volk  ihm  auf 
der  Straße  zurief:  Face!  Face!  ließ  er  seine  Söldner  einhauen,  die  200 
Menschen  töteten;  darauf  war  bei  Galgenstrafe  verboten,  die  Worte 
Face  und  Guerra  auszusprechen  und  selbst  die  Fricster  angewiesen, 
statt  dona  nobis  pacem,  zu  sagen  tranquillitatem!  Endlich  benützten 
einige  Verschworene  den  Augenblick,  da  der  Großkondottiere  des  wahn- 
sinnigen Herzogs,  Facino  Cane,  todkrank  zu  Favia  lag,  und  machten 
den  Giovan  Maria  bei  der  ICirche  S.  Gottardo  in  Mailand  nieder;  der 
sterbende  Facino  aber  ließ  am  selbigen  Tage  seine  Offiziere  schwören, 
dem  Erben  Filippo  Maria  zu  helfen,  und  schlug  selber^'  noch  vor,  seine 
Gemahlin  möge  sich  nach  seinem  Tode  mit  diesem  vermählen,  wie 
denn  auch  baldigst  geschah;  es  war  Beatrice  di  Tenda.  Von  Fihppo 
Maria  wird  noch  weiter  zu  reden  sein. 

Und  in  solchen  Zeiten  getraute  sich  Cola  Ricnzi  auf  den  hinfalligen 
Enthusiasmus  der  verkommenen  Stadtbevölkerung  von  Rom  eine  neue 
Herrschaft  über  Italien  zu  bauen.  Neben  Herrschern  wie  jene  ist  er  von 
Anfang  an  ein  armer,  verlorener  Tor. 


Hirrechcrdes  Dic  Gcwulthcrrschaft  im  15.  Jahrhundert  zeigt  einen  veränderten 
Charakter.  Viele  von  den  kleinen  Tyrannen  und  auch  einige  von  den 
größern,  wie  dic  Scala  und  Carrara,  sind  untergegangen;  die  mächtigen 
haben  sich  arrondiert  und  innerlich  charakteristischer  ausgebildet;  Nea- 
pel erhält  durch  die  neue  aragonesische  Dynastie  eine  kräftigere  Rieh- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  g 

tung.  Vorzüglich  bezeichnend  aber  ist  für  dieses  Jahrhundert  das  Streben 
der  Kondottieren  nach  unabhängiger  Herrschaft,  ja  nach  Kronen;  ein 
weiterer  Schritt  auf  der  Bahn  des  rein  Tatsächhchen  und  eine  hohe 
Prämie  für  das  Talent  wie  für  die  Ruchlosigkeit.  Die  kleinern  Tyrannen, 
um  sich  einen  Rückhalt  zu  sichern,  gehen  jetzt  gern  in  Dienste  der 
größern  Staaten  und  werden  Kondottieren  derselben,  was  ihnen  etwas 
Geld  und  auch  wohl  Straflosigkeit  für  manche  Missetaten  verschafft, 
vielleicht  sogar  Vergrößerung  ihres  Gebietes.  Im  ganzen  genommen 
mußten  Große  und  Kleine  sich  mehr  anstrengen,  besonnener  und  be- 
rechneter verfahren  und  sich  der  gar  zu  massenhaften  Greuel  enthalten; 
sie  durften  überhaupt  nur  so  viel  Böses  üben  als  nachweisbar  zu  ihren 
Zwecken  diente  —  so  viel  verzieh  ihnen  auch  die  Meinung  der  Un- 
beteiligten. Von  dem  Kapital  von  Pietät,  welches  den  legitimen  abend- 
ländischen Fürstenhäusern  zustatten  kam,  ist  hier  keine  Spur,  höchstens 
eine  Art  von  hauptstädtischer  Popularität;  was  den  Fürsten  Italiens 
wesentlich  weiter  helfen  muß,  ist  immer  Talent  und  kühle  Berechnung. 
Ein  Charakter  wie  derjenige  Karls  des  Kühnen,  der  sich  mit  wütender  Kontrast 
Leidenschaft  in  völlig  unpraktische  Zwecke  hinein  verbiß,  war  den  der'Kühnen 
Italienern  ein  wahres  Rätsel.  ,,Die  Schweizer  seien  ja  lauter  Bauern, 
und  wenn  man  sie  auch  alle  töte,  so  sei  dies  ja  keine  Genugtuung  für 
die  burgundischen  Magnaten,  die  im  Kampfe  umkommen  möchten! 
Besäße  auch  der  Herzog  die  Schweiz  ohne  Widerstand,  seine  Jahres- 
einkünfte wären  deshalb  um  keine  5000  Dukaten  größer  usw.^'"  Was 
in  Karl  Mittelalterliches  war,  seine  ritterlichen  Phantasien  oder  Ideale, 
dafür  hatte  Italien  längst  kein  Verständnis  mehr.  Wenn  er  aber  vollends 
den  Unterführern  Ohrfeigen  erteilte^  und  sie  dennoch  bei  sich  behielt, 
wenn  er  seine  Truppen  mißhandelte,  um  sie  wegen  einer  Niederlage  zu 
strafen,  und  dann  wieder  seine  Geheimräte  vor  den  Soldaten  blamierte 
—  dann  mußten  ihn  die  Diplomaten  des  Südens  verloren  geben.  Lud- 
wig XL  aber,  der  in  seiner  Politik  die  italienischen  Fürsten  innerhalb 
ihrer  eigenen  Art  übertrifft,  und  der  vor  allem  sich  als  Bewunderer  des 
Francesco  Sforza  bekannte,  ist  im  Gebiet  der  Bildung  durch  seine  vulgäre  Abb.  zs,  .^i 
Natur  weit  von  jenen  Herrschern  geschieden. 

In  ganz  merkwürdiger  Mischung  liegt  Gutes  und  Böses  in  den  italie- 
nischen Staaten  des  15.  Jahrhunderts  durcheinander.  Die  Persönlichkeit 
der  Fürsten  wird  eine  so  durchgebildete,  eine  oft  so  hochbedeutende, 
für  ihre  Lage  und  Aufgabe  so  charakteristische^*,  daß  das  sittliche  Ur- 
teil schwer  zu  seinem  Rechte  kommt. 

Grund  und  Boden  der  Herrschaft  sind  und  bleiben  illegitim,  und  ein  Illegitimität; 
Fluch  haftet  daran  und  will  nicht  davon  weichen.  Kaiserliche  Gut-  j'^"^^*^ 
heißungen  und  Belehnungen  ändern  dies  nicht,  weil  das  Volk  keine 


lO 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


Notiz  davon  nimmt,  wenn  seine  Herrscher  sich  irgendwo  in  fernen 
Landen  oder  von  einem  durchreisenden  Fremden  ein  Stück  Pergament 
gekauft  haben 3".  Wären  die  Kaiser  etwas  nütze  gewesen,  so  hätten  sie 
die  Gewaltherm  gar  nicht  emporkommen  lassen,  —  so  lautete  die  Logik 
des  unwissenden  Menschenverstandes.  Seit  dem  Römerzuge  Karls  IV. 
haben  die  Kaiser  in  Italien  nur  noch  den  ohne  sie  entstandenen  Gewalt- 
zustand sanktioniert,  ohne  ihn  jedoch  im  geringsten  anders  als  durch 
Urkunden  garantieren  zu  können.  Karls  ganzes  Auftreten  in  Italien 
ist  eine  der  schmählichsten  politischen  Komödien;  man  mag  im  Matteo 
Villani^i  nachlesen,  wie  ihn  die  Visconti  in  ihrem  Gebiete  herum  und 
endlich  daraus  wegeskorticren,  wie  er  eilt  gleich  einem  Meßkaufmann, 
um  nur  recht  bald  für  seine  Ware  (die  Privilegien  nämlich)  Geld  zu 
erhalten,  wie  kläglich  er  in  Rom  auftritt,  und  wde  er  endlich,  ohne  einen 
Schwertstreich  getan  zu  haben,  mit  seinem  vollen  Geldsack  wieder  über 
die  Alpen  zieht*^.  Sigismund  kam  wenigstens  das  erste  Mal  (1414)  in  der 
guten  Absicht,  Johann  XXI II.  zur  Teilnahme  an  seinem  Konzil  zu  be- 
wegen; damals  war  es,  als  Kaiser  und  Papst  auf  dem  hohen  Turm  von 
Cremona  das  Panorama  der  Lombardie  genossen,  während  ihren  Wirt, 
Abb.  77  den  Stadttyrannen  Gabrino  Fondolo,  das  Gelüste  ankam,  beide  herunter- 
zuwerfen. Das  zweite  Mal  erschien  Sigismund  völhg  als  Abenteurer; 
mehr  als  ein  halbes  Jahr  hindurch  saß  er  in  Siena  wie  in  einem  Schuld- 
Ahh.  t39  gefängnis,  und  konnte  nachher  nur  mit  Not  zur  Krönung  in  Rom  ge- 
Friediichni.  langen.  Was  soll  man  vollends  von  Friedrich  III.  denken?  Seine  Be- 
suche in  Italien  haben  den  Charakter  von  Ferien-  oder  Erholungsreisen 
auf  Unkosten  derer,  die  ihre  Rechte  von  ihm  verbrieft  haben  wollten, 
oder  solcher,  denen  es  schmeichelte,  einen  Kaiser  recht  pomphaft  zu  be- 
Abb.  S4  Wirten.  So  verhielt  es  sich  mit  Alfons  von  Neapel,  der  sich  den  kaiser- 
lichen Besuch  150000  Goldgulden  kosten  ließ^.  In  Ferrara^*  hat  Fried- 
rich bei  seiner  zweiten  Rückkehr  von  Rom  (1469)  einen  ganzen  Tag 
lang,  ohne  das  Zimmer  zu  verlassen,  lauter  Beförderungen,  achtzig  an 
der  Zahl,  ausgespendet;  da  ernannte  er  cavalieri,  conti,  dottori,  Notare, 
und  zwar  conti  mit  verschiedenen  Schattierungen,  als  da  waren:  conte 
Palatino,  conte  mit  dem  Recht  dottori,  ja  bis  auf  fünf  dottori  zu  er- 
nennen, conte  mit  dem  Recht  Bastarde  zu  legitimieren,  Notare  zu 
kreieren,  unehrliche  Notare  ehrlich  zu  erklären  usw.  Nur  verlangte  sein 
Kanzler  für  die  Ausfertigung  der  betreffenden  Urkunden  eine  Erkennt- 
lichkeit, die  man  in  Fcrrara  etwas  stark  fand^*.  Was  Herzog  Borso  dabei 
dachte,  als  sein  kaiserlicher  Gönner  dergestalt  urkundete  und  der  ganze 
kleine  Hofsich  mit  Titeln  versah,  wird  nicht  gemeldet.  Die  Humanisten, 
welche  damals  das  große  Wort  führten,  waren  je  nach  den  Interessen 
geteilt.  Während  die  einen^*  den  Kaiser  mit  dem  konventionellen  Jubel 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  II 

der  Dichter  des  kaiserlichen  Roms  feiern,  weiß  Poggio^'  gar  nicht  mehr,     Abb.  124 
was  die  Krönung  eigentlich  sagen  solle;  bei  den  Alten  sei  ja  nur  ein  sieg- 
reicher Imperator  gekrönt  worden,  und  zw^ar  mit  Lorbeer. 

Mit  Maximihan  I.  beginnt  dann  eine  neue  kaiserliche  Pohtik  gegen  Das  KaiMr- 
Italien,  in  Verbindung  mit  der  allgemeinen  Intervention  fremder  Völker.  !"™  ond  «ü« 

'  00  Intervention 

Der  Anfang  —  die  Belehnung  des  Lodovico  Moro  mit  Beseitigung  seines 
unglücklichen  Neffen  —  war  nicht  von  der  Art,  welche  Segen  bringt. 
Nach  der  modernen  Interventionstheorie  darf,  wenn  Zweie  ein  Land  zer- 
reißen wollen,  auch  ein  Dritter  kommen  und  mithalten,  und  so  konnte 
auch  das  Kaisertum  sein  Stück  begehren.  Aber  von  Recht  u.  dgl.  mußte 
man  nicht  mehr  reden.  Als  Ludwig  XII.  (1502)  in  Genua  envartet  Abb.  133 
wurde,  als  man  den  großen  Reichsadler  von  der  Fronte  des  Hauptsaales 
im  Dogenpalast  wegtilgte  und  alles  mit  Lilien  bemalte,  frug  der  Ge- 
schichtschreiber Senarega^  überall  herum,  was  jener  bei  so  vielen 
Revolutionen  stets  geschonte  Adler  eigentlich  bedeute  und  was  für  An- 
sprüche das  Reich  auf  Genua  habe?  Niemand  wußte  etwas  anderes  als 
die  alte  Rede:  Genua  sei  eine  camera  imperii.  Niemand  wußte  über- 
haupt in  Italien  irgendwelchen  sichern  Bescheid  über  solche  Fragen. 
Erst  als  Karl  V.  Spanien  und  das  Reich  zusammen  besaß,  konnte  er  .ub.  131 
mit  spanischen  Kräften  auch  kaiserliche  Ansprüche  durchsetzen.  Aber 
was  er  so  gewann,  kam  bekanntlich  nicht  dem  Reiche,  sondern  der 
spanischen  Macht  zugute. 

Mit  der  politischen  Illegitimität  der  Dynasten  des  15.  Jahrhunderts  oieoneuiche 
hing  wiederum  zusammen  die  Gleichgültigkeit  gegen  die  legitime  Ge-  '  '"'*' 
burt,  welche  den  Ausländem,  z.  B.  einem  Comines,  so  sehr  auffiel.  Sie 
ging  gleichsam  mit  in  den  Kauf.  Während  man  im  Norden,  im  Haus 
Burgund  etwa,  den  Bastarden  eigene  bestimmt  abgegrenzte  Apanagen, 
Bistümer  u.  dgl.  zuwies,  während  in  Portugal  eine  Bastardlinie  sich  nur 
durch  die  größte  Anstrengung  auf  dem  Throne  behauptete,  war  in 
Italien  kein  fürstliches  Haus  mehr,  welches  nicht  in  der  Hauptlinie 
irgendeine  unechte  Deszendenz  gehabt  und  ruhig  geduldet  hätte.  Die 
Aragonesen  von  Neapel  waren  die  Bastardlinie  des  Hauses,  denn  Aragon 
selbst  erbte  der  Bruder  des  Alfons  I.  Der  große  Federigo  von  Urbino  war  Abt.  42. 56 
vielleicht  überhaupt  kein  Montefeltro.  Als  Pius  IL  zum  Kongreß  von 
MantHa  (1459)  reiste,  ritten  ihm  bei  der  Einholung  in  Ferrara  ihrer  acht 
Bastarde  vom  Haus  Este  entgegen^',  darunter  der  regierende  Herzog 
Borso  selbst  und  zwei  uneheliche  Söhne  seines  ebenfalls  uneheUchen 
Bruders  und  Vorgängers  Leonello.  Letzterer  hatte  außerdem  eine  recht- 
mäßige Gemahlin  gehabt,  und  zwar  eine  uneheliche  Tochter  Alfons'  I. 
von  Neapel  von  einer  Afrikanerin".  Die  Bastarde  wurden  auch  schon 
deshalb  öfter  zugelassen,  weil  die  ehehchen  Söhne  mii.orenn  und  die 


12 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


Gefahren  dringend  waren;  es  trat  eine  Art  von  Seniorat  ein,  ohne  weitere 
Rücksicht  auf  echte  oder  unechte   Geburt.   Die  Zweckmäßigkeit,  die 
Geltung  des  Individuums  und  seines  Talentes  sind  hier  überall  mäch- 
tiger als  die  Gesetze  und  Bräuche  des  sonstigen  Abendlandes.  War  es 
doch  die  Zeit,  da  die  Söhne  der  Päpste  sich  Fürstentümer  gründeten! 
ivukwpise    Im  1 6.  Jahrhundert  unter  dem  Einfluß  der  Fremden  und  der  beginnen- 
d«i6.jahrh.  ^^^  Gegenreformation  wurde  die  ganze  Angelegenheit  strenger  ange- 
Abb.240     sehen;  Varchi  findet,  die  Sukzession  der  ehelichen  Söhne  sei  ,,von  der 
Vernunft  geboten  und  von  ewigen  Zeiten  her  der  Wille  des  Himmels"." 
Kardinal  Ippolito  Medici  gründete  sein  Anrecht  auf  die  Herrschaft  über 
Florenz  darauf,  daß  er  aus  einer  vielleicht  rechtmäßigen  Ehe  entsproßt, 
oder  doch  wenigstens  Sohn  einer  Adligen  und  nicht  (wie  der  Herzog 
Alessandro)  einer  Dienstmagd  sci*^.  Jetzt  beginnen  auch  die  morgana- 
tischen Gefühls-Ehen,  welche  im  15.  Jahrhundert  aus  sittlichen  und  poli- 
tischen Gründen  kaum  einen  Sinn  gehabt  hätten. 
KondottiercD      Die  höchstc  Und  meistbewunderte  Form  der  Illegitimität  ist  aber  im 
"^rüTder"    1 5- Jahrhundert  der  Kondottiere,  der  sich  —  welches  auch  seine  Abkunft 
Abb.ög—si  sei  —  ein  Fürstentum  erwirbt.  Im  Grunde  war  schon  die  Besitznahme 
von  Unteritalien  durch  die  Normannen  im  i I.Jahrhundert  nichts  an- 
deres gewesen;  jetzt  aber  begannen  Projekte  dieser  Art  die  Halbinsel  in 
dauernder  Unruhe  zu  erhalten. 

Die  Festsetzung  eines  Soldführers  als  Landesherrn  konnte  auch  ohne 
Usurpation  geschehen,  wenn  ihn  der  Brotherr  aus  Mangel  an  Geld  und 
Leuten  abfand*^;  ohnehin  bedurfte  der  Kondottiere,  selbst  wenn  er  für 
den  Augenblick  seine  meisten  Leute  entließ,  eines  sichern  Ortes,  wo  er 
Winterquartier  halten  und  die  notwendigsten  Vorräte  bergen  konnte. 
Abb.  66  Das  erste  Beispiel  eines  so  ausgestatteten  Bandenführers  ist  John  Hawk- 
wood,  welcher  von  Papst  Gregor  XI.  Bagnacavallo  und  Cotignola  er- 
hielt. Als  aber  mit  Albcrigo  da  Barbiano  italienische  Heere  und  Heer- 
führer auf  den  Schauplatz  traten,  da  kam  auch  die  Gelegenheit  viel 
näher,  Fürstentümer  zu  erwerben,  oder  wenn  der  Kondottiere  schon 
irgendwo  Gewaltherrscher  war,  das  Ererbte  zu  vergrößern.  Das  erste 
große  Bacchanal  dieser  soldatischen  Herrschbegier  wurde  gefeiert  in  dem 
Herzogtum  Mailand  nach  dem  Tode  des  Giangaleazzo  (1402);  die  Re- 
gierung seiner  beiden  Söhne  (S.  8)  ging  hauptsächlich  mit  der  Vertil- 
gung dieser  kriegerischen  Tyrannen  dahin,  und  der  größte  derselben, 
Facino  Cane,  wurde  samt  seiner  Witwe,  samt  einer  Reihe  von  Städten 
und  400000  Goldgulden  ins  Haus  geerbt;  überdies  zog  Beatrice  di  Tenda 
die  Soldaten  ihres  ersten  Gemahls  nach  sich**.  Von  dieser  Zeit  an  bildete 


VcrhSltnis 


dcj  Kondot-  sj(-ji  dann  jenes  über  alle  Maßen  unmoralische  Verhältnis  zwischen  den 

lioren  zum 

Brothcm.     Regierungen  und  ihren   Kondotticrcn   aus,  welches  für  das    15.  Jahr- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  IQ 

hundert  charakteristisch  ist.  Eine  alte  Anekdote**,  von  jenen,  die  nirgends 
und  doch  überall  wahr  sind,  schildert  dasselbe  ungefähr  so:  Einst  hatten 
die  Bürger  einer  Stadt  —  es  soll  Siena  gemeint  sein  —  einen  Feldherrn, 
der  sie  von  feindlichem  Druck  befreit  hatte;  täglich  berieten  sie,  wie  er 
zu  belohnen  sei  und  urteilten,  keine  Belohnung,  die  in  ihren  Kräften 
stände,  wäre  groß  genug,  selbst  nicht  wenn  sie  ihn  zum  Herrn  der  Stadt 
machten.  Endlich  erhob  sich  einer,  und  meinte:  Laßt  uns  ihn  umbringen 
und  dann  als  Stadtheiligen  anbeten.  Und  so  sei  man  mit  ihm  verfahren 
ungefähr  wie  der  römische  Senat  mit  Romulus.  In  der  Tat  hatten  sich 
die  Kondottieren  vor  niemand  mehr  zu  hüten  als  vor  ihren  Brotherren; 
kämpften  sie  mit  Erfolg,  so  waren  sie  gefährlich  und  wurden  aus  der 
Welt  geschafft  wie  Roberto  Malatesta  gleich  nach  dem  Siege,  den  er  für  ^^i.  74, 75 
Sixtus  IV.  erfochten  (1482);  beim  ersten  Unglück  aber  rächte  man  sich 
bisweilen  an  ihnen  wie  die  Venezianer  am  Carmagnola  (1432)**.  Es 
zeichnet  die  Sachlage  in  moralischer  Beziehung,  daß  die  Kondottieren 
oft  Weib  und  Kind  als  Geißeln  geben  mußten  und  dennoch  weder  Zu- 
trauen genossen  noch  selber  empfanden.  Sie  hätten  Heroen  der  Ent- 
sagung, Charaktere  wie  Belisar  sein  müssen,  wenn  sich  der  tiefste  Haß 
nicht  in  ihnen  hätte  sammeln  sollen;  nur  die  vollkommenste  innere  Güte 
hätte  sie  davon  abhalten  können,  absolute  Frevler  zu  werden.  Und  als 
solche,  voller  Hohn  gegen  das  Heilige,  voller  Grausamkeit  und  Verrat 
gegen  die  Menschen,  lernen  wir  manche  von  ihnen  kennen,  fast  lauter 
Leute,  denen  es  nichts  ausmachte,  im  päpstlichen  Banne  zu  sterben.  Zu- 
gleich aber  entwickelt  sich  in  manchen  die  Persönlichkeit,  das  Talent, 
bis  zur  höchsten  Virtuosität  und  wird  auch  in  diesem  Sinne  von  den 
Soldaten  anerkannt  und  bewundert;  es  sind  die  ersten  Armeen  der  neuern 
Geschichte,  wo  der  persönliche  Kredit  des  Anführers  ohne  weitere  Neben- 
gedanken die  bewegende  Kraft  ist.  Glänzend  zeigt  sich  dies  z.  B.  im 
Leben  des  Francesco  Sforza*';  da  ist  kein  Standesvorurteil,  das  ihn  hätte  Die  Fami!« 
hindern  können,  die  allerindividuellste  Popularität  bei  jedem  einzelnen  ^jj  ^g 
zu  erwerben  und  in  schwierigen  Augenblicken  gehörig  zu  benützen;  es 
kam  vor,  daß  die  Feinde  bei  seinem  Anblick  die  Waffen  weglegten  und 
mit  entblößtem  Haupt  ihn  ehrerbietig  grüßten,  weil  ihn  jeder  für  den 
gemeinsamen  „Vater  der  Kriegerschaft"  hielt.  Dieses  Geschlecht  Sforza 
gewährt  überhaupt  das  Interesse,  daß  man  die  Vorbereitung  auf  das 
Fürstentum  von  Anfang  an  glaubt  durchschimmern  zu  sehen**.  Das  jacopo 
Fundament  dieses  Glückes  bildete  die  große  Fruchtbarkeit  der  Familie; 
Francescos  bereits  hochberühmter  Vater  Jacopo  hatte  zwanzig  Ge- 
schwister, alle  rauh  erzogen  in  Cotignola  bei  Faenza,  unter  dem  Ein- 
druck einer  jener  endlosen  romagnolischen  Vendetten  zwischen  ihnen 
und  dem  Hause  der  Pasohni.  Die  ganze  Wohnung  war  lauter  Arsenal 


Sforza 

J.! 


Sforza 


14 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


und  Wachtstube,  auch  Mutter  und  Töchter  völlig  kriegerisch.  Schon  im 
dreizehnten  Jahre  ritt  Jacopo  heimlich  von  dannen,  zunächst  nach 
Panicale  zum  päpstlichen  Kondottiere  Boldrino,  demselben,  welcher 
dann  noch  im  Tode  seine  Schar  anführte,  indem  die  Parole  von  einem 
fahnenumsteckten  Zelte  aus  gegeben  wurde,  in  welchem  der  einbalsa- 
mierte Leichnam  lag  —  bis  sich  ein  würdiger  Nachfolger  fand.  Jacopo, 
als  er  in  verschiedenen  Diensten  allmählich  emporkam,  zog  auch  seine 
Angehörigen  nach  sich  und  genoß  durch  dieselben  die  nämhchen  Vor- 
teile, die  einem  Fürsten  eine  zahlreiche  Dynastie  verleiht.  Diese  Ver- 
wandten sind  es,  welche  die  Armee  beisammenhalten,  während  er  im 
Castel  dcir  novo  zu  Neapel  liegt;  seine  Schwester  nimmt  eigenhändig 
die  königlichen  Unterhändler  gefangen  und  rettet  ihn  durch  dieses  Pfand 
Seine  vom  Todc.  Es  deutet  schon  auf  Absichten  von  Dauer  und  Tragweite, 
A.jssc  eu  ^^g  Jacopo  in  Geldsachen  äußerst  zuverlässig  war  und  deshalb  auch 
nach  Niederlagen  Kredit  bei  den  Bankiers  fand;  daß  er  überall  die 
Bauern  gegen  die  Lizenz  der  Soldaten  schützte,  und  die  Zerstörung  er- 
oberter Städte  nicht  liebte;  vollends  aber,  daß  er  seine  ausgezeichnete 
Konkubine  Lucia  (die  Mutter  Francescos)  an  einen  andern  verheiratete, 
um  für  einen  fürstlichen  Ehebund  verfügbar  zu  bleiben.  Auch  die  Ver- 
mälilungen  seiner  Verwandten  unterlagen  einem  gewissen  Plan.  Von  der 
Gottlosigkeit  und  dem  wüsten  Leben  seiner  Fachgenossen  hielt  er  sich 
ferne;  die  drei  Lehren,  womit  er  seinen  Francesco  in  die  Welt  sandte, 
lauten:  rühre  keines  andern  Weib  an;  schlage  keinen  von  deinen  Leuten 
oder,  wenn  es  geschehen,  schicke  ihn  weit  fort;  endlich:  reite  kein  hart- 
mäuliges Pferd  und  keines,  das  gerne  die  Eisen  verliert.  Vor  allem  aber 
besaß  er  die  Persönlichkeit,  wenn  nicht  eines  großen  Feldherrn,  doch 
eines  großen  Soldaten,  einen  mächtigen,  allseitig  geübten  Körper,  ein 
populäres  Bauerngesicht,  ein  wunderwürdiges  Gedächtnis,  das  alle  Sol- 
daten, alle  ihre  Pferde  und  ihre  Soldverhältnisse  von  vielen  Jahren  her 
kannte  und  aufbewahrte.  Seine  Bildung  war  nur  italienisch;  alle  Muße 
aber  wandte  er  auf  Kenntnis  der  Geschichte  und  ließ  griechische  und 
lateinische  Autoren  für  seinen  Gebrauch  übersetzen.  Francesco,  sein  noch 
Franc,  sforia  ruhmvoUercr  Sohn,  hat  von  Anfang  an  deutlich  nach  einer  großen  Herr- 
"""piccJirö""  Schaft  gestrebt  und  das  gewaltige  Mailand  durch  glänzende  Heerführung 
und  unbedenklichen  Verrat  auch  erhalten  (1447 — 1450). 

Sein  Beispiel  lockte.  Aeneas  Sylvius*'  schrieb  um  diese  Zeit:  „in  unserm 
verändcrungslustigen  Italien,  wo  nichts  fest  steht  und  keine  alte  Herr- 
schaft e.Kisticrt,  können  leicht  aus  Knechten  Könige  werden."  Einer  aber, 
der  sich  selber  „den  Mann  der  Fortuna"  nannte,  beschäftigte  damals 
vor  allen  die  Phantasie  des  ganzen  Landes:  Giacomo  Piccinino,  der  Sohn 
des  Nicolö.  Es  war  eine  offene  und  brennende  Frage:  ob  auch  ihm  die 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


15 


Gründung  eines  Fürstentumes  gelingen  werde  oder  nicht?  Die  größern 
Staaten  hatten  ein  einleuchtendes  Interesse  es  zu  verhindern,  und  auch 
Francesco  Sforza  fand,  es  wäre  vorteilhaft,  wenn  die  Reihe  der  souverän 
gewordenen  Soldführer  mit  ihm  selber  abschlösse.  Aber  die  Truppen  und  umerfe-anf! 
Hauptleute,  die  man  gegen  Piccinino  absandte,  als  er  z.  B.  Siena  hatte  ^  *^^™ 
für  sich  nehmen  wollen,  erkannten""  ihr  eigenes  Interesse  darin,  ihn  zu 
halten:  „Wenn  es  mit  ihm  zu  Ende  ginge,  dann  könnten  wir  wieder  den 
Acker  bauen."  Während  sie  ihn  in  Orbetello  eingeschlossen  hielten,  ver- 
proviantierten sie  ihn  zugleich  und  er  kam  auf  das  Ehrenvollste  aus  der 
Klemme.  Endlich  aber  entging  er  seinem  Verhängnis  doch  nicht.  Ganz 
ItaUen  wettete  was  geschehen  werde,  als  er  (1465)  von  einem  Besuch  bei 
Sforza  in  Mailand  nach  Neapel  zum  König  Ferrante  reiste.  Trotz  aller 
Bürgschaften  und  hohen  Verbindungen  ließ  ihn  dieser  im  Castel  nuovo  Abb.  3 
ermorden".  Auch  die  Kondottieren,  welche  ererbte  Staaten  besaßen, 
fühlten  sich  doch  nie  sicher;  als  Roberto  Malatesta  und  Federigo  von 
Urbino  (1482)  an  einem  Tage,  jener  in  Rom,  dieser  in  Bologna  starben, 
fand  es  sich,  daß  jeder  im  Sterben  dem  andern  seinen  Staat  empfehlen 
ließ**!  Gegen  einen  Stand,  der  sich  so  vieles  erlaubte,  schien  alles  erlaubt. 
Francesco  Sforza  war  noch  ganz  jung  mit  einer  reichen  kalabresischen 
Erbin,  Polissena  Ruffa,  Gräfin  von  Montalto,  verheiratet  worden,  welche 
ihm  ein  Töchterchen  gebar;  eine  Tante  vergiftete  die  Frau  und  das  Kind 
und  zog  die  Erbschaft  an  sich**. 

Vom  Untergang  Piccininos  an  galt  das  Aufkommen  von  neuen  Kon-  späte« 
dottierenstaaten  offenbar  als  ein  nicht  mehr  zu  duldender  Skandal;  die  vier  Kondotu-rm 
„Großstaaten"  Neapel,  Mailand,  Kirche  und  Venedig  schienen  ein 
System  des  Gleichgewichtes  zu  bilden,  welches  keine  jener  Störungen 
mehr  vertrug.  Im  Kirchenstaat,  wo  es  von  kleinen  Tyrannen  wimmelte, 
die  zum  Teil  Kondottieren  gewesen  oder  es  noch  waren,  bemächtigten 
sich  seit  Sixtus  IV.  die  Nepoten  des  Alleinrechtes  auf  solche  Unter- 
nehmungen. Aber  die  Dinge  brauchten  nur  irgendwo  ins  Schwanken  zu 
geraten,  so  meldeten  sich  auch  die  Kondottieren  wieder.  Unter  der  kläg- 
lichen Regierung  Innocenz  VIII.  war  es  einmal  nahe  daran,  daß  ein 
früher  in  burgundischen  Diensten  gewesener  Hauptmann  Boccalino  sich 
mitsamt  der  Stadt  Osimo,  die  er  für  sich  genommen,  den  Türken  über- 
geben hätte**;  man  mußte  froh  sein,  daß  er  sich  auf  Vermittlung  des 
Lorenzo  magnifico  hin  mit  Geld  abfinden  ließ  und  abzog.  Im  Jahre 
1495,  bei  der  Erschütterung  aller  Dinge  infolge  des  Krieges  Karls  VIII., 
versuchte  sich  ein  Kondottiere  Vidovero  von  Brescia**;  er  hatte  schon 
früher  die  Stadt  Cesena  durch  Mord  vieler  Edeln  und  Bürger  einge- 
nommen, aber  das  Kastell  hielt  sich,  und  er  mußte  wieder  fort;  jetzt, 
begleitet  von  einer  Truppe,  die  ihm  ein  anderer  böser  Bube,  Pandolfo 


j6  der  STAAT  als  KUNSTWERK 

Malatesta  von  Rimini,  Sohn  des  erwähnten  Roberto  und  venezianischer 
Kondottiere,  abgetreten,  nahm  er  dem  Erzbischof  von  Ravenna  die 
Stadt  Castelnuovo  ab.  Die  Venezianer,  welche  Größeres  besorgten  und 
ohnehin  vom  Papst  gedrängt  wurden,  befahlen  dem  Pandolfo  „wohl- 
meinend", den  guten  Freund  bei  Gelegenheit  zu  verhaften;  es  geschah, 
obwohl  „mit  Schmerzen",  worauf  die  Ordre  kam,  ihn  am  Galgen  sterben 
zu  lassen.  Pandolfo  hatte  die  Rücksicht,  ihn  erst  im  Gefängnis  zu  er- 
drosseln und  dann  dem  Volk  zu  zeigen.  —  Das  letzte  bedeutendere  Bei- 
spiel solcher  Usurpationen  ist  der  berühmte  Kastellan  von  Musso,  der 
bei  der  Verwirrung  im  Mailändischen  nach  der  Schlacht  bei  Pavia  (1525) 
seine  Souveränität  am  Comer  See  improvisierte. 
Di<  kleiner. n      Im  allgemeinen  läßt  sich  von  den   Gewaltherrschern  des    I5.jahr- 
ensc  a  ca  j^^j^j^gj-fg  sagcu,  daß  die  schlimmsten  Dinge  in  den  kleinern  und  kleinsten 
Herrschaften  am  meisten  sich  häuften.  NamentUch  lagen  hier  für  zahl- 
reiche Familien,  deren  einzelne  Mitglieder  alle  ranggemäß  leben  wollten, 
die  Erbstreitigkeiten  nahe;  Bernardo  Varano  von   Camerino  schaffte 
(1432)  zwei  Brüder  aus  der  Wclt*^,  weil  seine  Söhne  mit  deren  Erbe 
ausgestattet  sein  wollten.  Wo  ein  bloßer  Stadtherrscher  sich  auszeichnet 
durch  praktische,  gemäßigte,  unblutige  Regierung  und  Eifer  für  die 
Kultur  zugleich,  da  wird  es  in  der  Regel  ein  solcher  sein,  der  zu  einem 
großen  Hause  gehört  oder  von  der  Politik  eines  solchen  abhängt.  Dieser 
Art  war  z.  B.  Alessandro  Sforza^',  Fürst  von  Pesaro,  Bruder  des  großen 
Francesco  und  Schwiegervater  des  Federigo  von  Urbino  (f  1473).  Als 
guter  Verwalter,  als  gerechter  und  zugänglicher  Regent  genoß  er  nach 
langem  Kriegsleben  eine  ruhige   Regierung,  sammelte  eine  herrliche 
Bibliothek  und  brachte  seine  Muße  mit  gelehrten  und  frommen  Ge- 
Abb.9—11   sprächen  zu.  Auch  Giovanni  H.  Bentivoglio  von  Bologna  (1462 — 1506), 
dessen  Politik  von  der  der  Este  und  Sforza  bedingt  war,  läßt  sich  hieher 
zählen.  Welche  blutige  Verwilderung  dagegen  finden  wir  in  den  Häusern 
der  Varani  von  Camerino,  der  Malatesta  von  Rimini,  der  Manfreddi 
von  Faenza,  vor  allem  der  Baglioni  von  Perugia.  Über  die  Ereignisse 
im  Hause  der  letztern  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  sind  wir  durch 
ausgezeichnete  Geschichtsquellen  —  die  Chroniken  des  Graziani  und  des 
Matarazzo^*  —  besonders  anschaulich  unterrichtet. 
Die  Bagii-         Dic  BagHoncn  waren  eines  von  jenen  Häusern,  deren  Herrschaft  sich 
°PeraT'    lücht  zu  einem  förmlichen  Fürstentum  durchgebildet  hatte,  sondern 
mehr  nur  in  einem  städtischen  Primat  bestand  und  auf  großem  Familien- 
reichtum und  tatsächlichem  Einfluß  auf  die  Ämterbesetzung  beruhte. 
Innerhalb  der  Familie  wurde  einer  als  Gesamtoberhaupt  anerkannt; 
doch  herrschte  tiefer,  verborgener  Haß  zwischen  den  Mitgliedern  der 
verschiedenen  Zweige.  Ihnen  gegenüber  hielt  sich  eine  gegnerische  Adels- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  ly 

partei  unter  Anführung  der  Familie  Oddi;  alles  ging  (um  1487)  in  Waffen, 
und  alle  Häuser  der  Großen  waren  voller  Bravi;  täglich  gab  es  Gewalt- 
taten; bei  Anlaß  der  Beerdigung  eines  ermordeten  deutschen  Studenten 
stellten  sich  zwei  Kollegien  in  Waffen  gegeneinander  auf;  ja  bisweilen 
Heferten  sich  die  Bravi  verschiedener  Häuser  Schlachten  auf  offener 
Piazza.  Vergebens  jammerten  Kaufleute  und  Handwerker;  die  päpst- 
lichen Governatoren  und  Nepoten  schwiegen  oder  machten  sich  bald 
wieder  davon.  EndHch  müssen  die  Oddi  Perugia  verlassen,  und  nun  wird  Vertreibung 
die  Stadt  eine  belagerte  Feste  unter  der  vollendeten  Gewaltherrschaft 
der  Baglionen,  welchen  auch  der  Dom  als  Kaserne  dienen  muß.  Kom- 
plotten und  Überfällen  wird  mit  furchtbarer  Rache  begegnet;  nachdem 
man  (im  Jahre  1491)  130  Eingedrungene  zusammengehauen  und  am 
Staatspalast  gehenkt,  wurden  auf  der  Piazza  35  Altäre  errichtet  und  drei 
Tage  lang  Messen  gelesen  und  Prozessionen  gehalten,  um  den  Fluch  von 
der  Stätte  wegzunehmen.  Ein  Nepot  Innocenz'  VHI.  wurde  am  hellen 
Tage  auf  der  Gasse  erstochen,  einer  Alexanders  VI.,  der  abgesandt  war 
um  zu  schlichten,  erntete  nichts  als  offenen  Hohn.  Dafür  hatten  die  bei- 
den Häupter  des  regierenden  Hauses  Guido  und  Ridolfo  häufige  Unter- 
redungen mit  der  heiligen  wundertätigen  Dominikanernonne  Suor  Co- 
lomba  von  Rieti,  welche  unter  Androhung  großen  künftigen  Unheils 
zum  Frieden  riet,  natürlich  vergebens.  Immerhin  macht  der  Chronist 
bei  diesem  Anlaß  aufmerksam  auf  die  Andacht  und  Frömmigkeit  der 
bessern  Peruginer  in  diesen  Schreckensjahren.  Während  (1494)  Karl  VIII.  Abb.  132, 137 
heranzog,  führten  die  Baglionen  und  die  in  und  um  Assisi  gelagerten 
Verbannten  einen  Krieg  von  solcher  Art,  daß  im  Tal  alle  Gebäude  dem 
Boden  eben,  die  Felder  unbebaut  lagen,  die  Bauern  zu  kühnen  Räubern 
und  Mördern  verwilderten,  und  Hirsche  und  Wölfe  das  emporwuchernde 
Gestrüpp  bevölkerten,  wo  letztere  sich  an  den  Leichen  der  Gefallenen, 
an  ,, Christenfleisch",  gütlich  taten.  Als  Alexander  VI.  vor  dem  von  Abb.  150 
Neapel  zurückkehrenden  Karl  VIII.  (1495)  nach  Umbrien  entwich,  fiel  Absichtendes 
es  ihm  in  Perugia  ein,  er  könnte  sich  der  Baglionen  auf  immer  entledigen; 
er  schlug  dem  Guido  irgendein  Fest,  ein  Turnier  oder  etwas  dergleichen 
vor,  um  sie  irgendwo  alle  beisammen  zu  haben,  aber  Guido  war  der 
Meinung,  ,,das  allerschönste  Schauspiel  wäre,  alle  bewaffnete  Mann- 
schaft von  Perugia  beisammen  zu  sehen",  worauf  der  Papst  seinen  Plan 
fallen  ließ.  Bald  darauf  machten  die  Verbannten  wieder  einen  Überfall, 
bei  welchem  nur  der  persönlichste  Heldenmut  der  Baglionen  den  Sieg 
gewann.  Da  wehrte  sich  auf  der  Piazza  der  achtzehnjährige  Simonetto 
Baglione  mit  wenigen  gegen  mehrere  Hunderte,  und  stürzte  mit  mehr 
als  zwanzig  Wunden,  erhob  sich  aber  wieder,  als  ihm  Astorre  Baglione 
zu  Hilfe  kam,  hoch  zu  Roß  in  vergoldeter  Eisenrüstung  mit  einem  Falken 

Burckliardt  2 


Papstes 


l8  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

auf  dem  Helm:  „dem  Mars  vergleichbar  an  Anblick  und  an  Taten 
sprengte  er  in  das  Gewühl." 

Damals  war  Raffael  als  zwölfjähriger  Knabe  in  der  Lehre  bei  Pietro 
Perugino.  Vielleicht  sind  Eindrücke  dieser  Tage  verewigt  in  den  frühen 
kleinen  Bildchen  des  hl.  Georg  und  des  hl.  Michael;  vielleicht  lebt  noch 
etwas  davon  unvergänglich  fort  in  dem  großen  St.  Michaelsbilde,  und 
wenn  irgendwo  Astorre  Baghone  seine  Verklärung  gefunden  hat,  so  ist 
Abb.6i  es  geschehen  in  der  Gestalt  des  himmlischen  Reiters  im  Heliodor. 
zwieirachtim      Die  Gcgncr  waren  teils  umgekommen,  teils  in  panischem  Schrecken 

BagUoom  gewichen,  und  fortan  keines  solchen  Angriffes  mehr  fähig.  Nach  einiger 
Zeit  wurde  ihnen  eine  partielle  Versöhnung  und  Rückkehr  gewährt. 
Aber  Perugia  wurde  nicht  sicherer  noch  ruhiger;  die  innere  Zwietracht 
des  herrschenden  Hauses  brach  jetzt  in  entsetzlichen  Taten  aus.  Gegen- 
über Guido,  Ridolfo  und  ihren  Söhnen  Gianpaolo,  Simonetto,  Astorre, 
Gismondo,  Gentile,  Marcantonio  u.  a.  taten  sich  zwei  Großneffen,  Gri- 
fone  und  Carlo  Barciglia  zusammen;  letzterer  zugleich  Neffe  des  Fürsten 
Varano  von  Camerino  und  Schwager  eines  der  früheren  Verbannten, 
Jeronimo  dalla  Penna.  Vergebens  bat  Simonetto,  der  schlimme  Ahnun- 
gen hatte,  seinen  Oheim  kniefällig,  diesen  Penna  töten  zu  dürfen.  Guido 

PeruRiner  vcrsagtc  CS  ihm.  Das  Komplott  reifte  plötzlich  bei  der  Hochzeit  des 
Astorre  mit  der  Lavinia  Colonna,  Mitte  Sommers  1500.  Das  Fest  nahm 
seinen  Anfang  und  dauerte  einige  Tage  unter  düstern  Anzeichen,  deren 
Zunahme  bei  Matarazzo  vorzüglich  schön  geschildert  ist.  Der  anwesende 
Varano  trieb  sie  zusammen;  in  teuflischer  Weise  wurde  dem  Grifone  die 
Alleinherrschaft  und  ein  erdichtetes  Verhältnis  seiner  Gemahlin  Zenobia 
mit  Gianpaolo  vorgespiegelt  und  endlich  jedem  Verschworenen  sein  be- 
stimmtes Opfer  zugeteilt.  (Die  Baglionen  hatten  lauter  geschiedene  Woh- 
nungen, meist  an  der  Stelle  des  jetzigen  Kastells.)  Von  den  vorhandenen 
Bravi  bekam  jeder  15  Mann  mit;  der  Rest  wurde  auf  Wachen  ausgestellt. 
In  der  Nacht  vom  15.  Juli  wurden  die  Türen  eingerammt  und  der  Mord 
an  Guido,  Astorre,  Simonetto  und  Gismondo  vollzogen;  die  andern  konn- 
ten entweichen. 

Als  Astorres  Leiche  mit  der  des  Simonetto  auf  der  Gasse  lag,  verglichen 
ihn  die  Zuschauer  ,,und  besonders  die  fremden  Studenten"  mit  einem 
alten  Römer;  so  würdig  und  groß  war  der  Anblick;  in  Simonetto  fanden 
sie  noch  das  Trotzigkühne,  als  hätte  ihn  selbst  der  Tod  nicht  gebändigt. 
Die  Sieger  gingen  bei  den  Freunden  der  Familie  herum  und  wollten  sich 
empfclilcn,  fanden  jedoch  alles  in  Tränen  und  mit  der  Abreise  auf  die 
Landgüter  bcscliäfligt.  Aber  die  entronnenen  Baglionen  sammelten 
draußen  Mannschaft,  und  drangen,  Gianpaolo  an  der  Spitze,  des  fol- 
genden Tages  in  die  Stadt,  wo  andere  Anhänger,  soeben  von  Barciglia 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  IQ 

mit  dem  Tode  bedroht,  schleunigst  zu  ihm  stießen;  als  bei  S.  Ercolano 
Grifone  in  seine  Hände  fiel,  überließ  er  es  seinen  Leuten,  ihn  nieder- 
zumachen; Barciglia  und  Penna  aber  flüchteten  sich  nach  Camerino  zum 
Hauptanstifter  des  Unheils,  Varano;  in  einem  Augenblick,  fast  ohne 
Verlust,  war  Gianpaolo  Herr  der  Stadt. 

Atalanta,  Grifones  noch  schöne  und  junge  Mutter,  die  sich  tags  zuvor  Ataianta 
samt  seiner  Gattin  Zenobia  und  zwei  Kindern  Gianpaolos  auf  ein  Land-  '"^  """^ 
gut  zurückgezogen  und  den  ihr  nacheilenden  Sohn  mehrmals  mit  ihrem 
Mutterfluche  von  sich  gewiesen,  kam  jetzt  mit  der  Schwiegertochter  her- 
bei und  suchte  den  sterbenden  Sohn.  Alles  wich  vor  den  beiden  Frauen 
auf  die  Seite;  niemand  wollte  als  der  erkannt  sein,  der  den  Grifone  er- 
stochen hätte,  um  nicht  die  Verwünschung  der  Mutter  auf  sich  zu  ziehen. 
Aber  man  irrte  sich;  sie  selber  beschwor  den  Sohn,  denjenigen  zu  ver- 
zeihen, welche  die  tötlichen  Streiche  geführt,  und  er  verschied  unter 
ihren  Segnungen.  Ehrfurchtsvoll  sahen  die  Leute  den  beiden  Frauen 
nach,  als  sie  in  ihren  blutigen  Kleidern  über  den  Platz  schritten.  Diese 
Atalanta  ist  es,  für  welche  später  Raffael  die  weltberühmte  Grablegung 
gemalt  hat.  Damit  legte  sie  ihr  eigenes  Leid  dem  höchsten  und  heiligsten 
Mutterschmerz  zu  Füßen. 

Der  Dom,  welcher  das  meiste  von  dieser  Tragödie  in  seiner  Nähe  ge- 
sehen, wurde  mit  Wein  abgewaschen  und  neu  geweiht.  Noch  immer 
stand  von  der  Hochzeit  her  der  Triumphbogen,  bemalt  mit  den  Taten 
Astorres  und  mit  den  Lobversen  dessen,  der  uns  dieses  alles  erzählt,  des 
guten  Matarazzo. 

Es  entstand  eine  ganz  sagenhafte  Vorgeschichte  der  Baglionen,  welche 
nur  ein  Reflex  dieser  Greuel  ist.  Alle  von  diesem  Hause  seien  von  jeher 
eines  bösen  Todes  gestorben,  einst  27  miteinander;  schon  einmal  seien 
ihre  Häuser  geschleift  und  mit  den  Ziegeln  davon  die  Gassen  gepflastert 
worden  u.  dgl.  Unter  Paul  HL  trat  dann  die  Schleifung  ihrer  Paläste 
wirklich  ein. 

Einstweilen  aber  scheinen  sie  gute  Vorsätze  gefaßt,  in  ihrer  eignen  Fortwirken 
Partei  Ordnung  geschafft  und  die  Beamten  gegen  die  adligen  Böse-  "^ 
wichter  geschützt  zu  haben.  Allein  der  Fluch  brach  später  doch  wieder 
wie  ein  nur  scheinbar  gedämpfter  Brand  hervor;  Gianpaolo  wurde  unter 
Leo  X.  1520  nach  Rom  gelockt  und  enthauptet;  der  eine  seiner  Söhne, 
Orazio,  der  Perugia  nur  zeitweise  und  unter  den  gewaltsamsten  Um- 
ständen besaß,  nämlich  als  Parteigänger  des  ebenfalls  von  den  Päpsten 
bedrohten  Herzogs  von  Urbino,  wütete  noch  einmal  im  eigenen  Hause 
auf  das  gräßlichste.  Ein  Oheim  und  drei  Vettern  wurden  ermordet, 
worauf  ihm  der  Herzog  sagen  ließ,  es  sei  jetzt  genügt*.  Sein  Bruder 
Malatesta  Baglione  ist  der  florentinische  Feldherr,  welcher  durch  den 

2* 


20  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Verrat  von  1530  unsterblich  geworden,  und  dessen  Sohn  Ridolfo  ist  jener 
letzte  des  Hauses,  welcher  in  Perugia  durch  Ermordung  des  Legaten 
und  der  Beamten  im  Jahr  1534  eine  nur  kurze  aber  schreckUche  Herr- 
schaft übte. 
Die  Den  Gewaltherrschern  von  Rimini  werden  wir  noch  hie  und  da  be- 

^'^'^Rtairi  gcgncn-  Frevelmut,  Gottlosigkeit,  kriegerisches  Talent  und  höhere  Bil- 
dung sind  selten  so  in  einem  Menschen  vereinigt  gewesen  wie  in  Sigis- 
Abb.7,8  mondo  Malatesta  (f  1467).  Aber  wo  die  Missetaten  sich  häufen,  wie  in 
diesem  Hause  geschah,  da  gewinnen  sie  das  Schwergewicht  auch  über 
alles  Talent  und  ziehen  die  Tyrannen  in  den  Abgrund.  Der  schon  er- 
wähnte Pandolfo,  Sigismondos  Enkel,  hielt  sich  nur  noch,  weil  Venedig 
seinen  Kondottiere  trotz  aller  Verbrechen  nicht  wollte  fallen  lassen;  als 
ihn  seine  Untertanen  (1497)  aus  hinreichenden  Gründen^"  in  seiner 
Burg  zu  Rimini  bombardierten  und  dann  entwischen  ließen,  führte  ein 
venezianischer  Kommissär  den  mit  Brudermord  und  allen  Greueln  Be- 

untergang  flecktcn  wicdcr  zurück.  Nach  drei  Jahrzehnten  waren  die  Malatesten 
arme  Verbannte.  Die  Zeit  um  1527  war,  wie  die  des  Cesare  Borgia,  eine 
Epidemie  für  diese  kleinen  Dynastien,  nur  sehr  wenige  überlebten  sie 
und  nicht  einmal  zu  ihrem  Glück.  In  Mirandola,  wo  kleine  Fürsten  aus 
dem  Hause  Pico  herrschten,  saß  im  Jahr  1533  ein  armer  Gelehrter,  Lilio 
Grigorio  Giraldi,  der  aus  der  Verwüstung  von  Rom  sich  an  den  gast- 
lichen Herd  des  hochbejahrten  Giovan  Francesco  Pico  (Neffen  des  be- 
rühmten Giovanni)  geflüchtet  hatte;  bei  Anlaß  ihrer  Besprechungen  über 
das  Grabmal,  welches  der  Fürst  für  sich  bereiten  wollte,  entstand  eine 
Abhandlung^^,  deren  Dedikation  vom  April  jenes  Jahres  datiert  ist.  Aber 
wie  wehmütig  lautet  die  Nachschrift:  ,,im  Oktober  desselben  Jahres  ist  der 
unglückliche  Fürst  durch  nächtlichen  Mord  von  seinem  Brudersohn  des 
Lebens  und  der  Herrschaft  beraubt  worden,  und  ich  selber  bin  in  tiefem 
Elend  kaum  mit  dem  Leben  davongekommen." 

Pandolfo         Eine  charakterlose  Halbtyrannei,  wie  sie  Pandolfo  Petrucci  seit  den 

"^  siena"  I490er  JaliTcu  in  dem  von  Faktionen  zerrissenen  Siena  ausübte,  ist  kaum 
der  nähern  Betrachtung  wert.  Unbedeutend  und  böse,  regierte  er  mit 
Hilfe  eines  Professors  der  Rechte  und  eines  Astrologen  und  verbreitete 
hie  und  da  einigen  Schrecken  durch  Mordtaten.  Sein  Sommervergnügen 
war,  Steinblöcke  vom  Monte  Amiata  hinunterzurollcn,  ohne  Rücksicht 
darauf,  was  und  wen  sie  trafen.  Nachdem  ihm  gelingen  mußte,  was  den 
Schlausten  mißlang  —  er  entzog  sich  den  Tücken  des  Cesare  Borgia  — 
starb  er  doch  später  verlassen  und  verachtet.  Seine  Söhne  aber  hielten 
sich  noch  lange  mit  einer  Art  von  Halbhcrrschaft. 


Aragoncsen 
)n  Neapel. 
.Ifons  dor 

Große      trachten.   Das   Lchnswesen,   welches  hier  seit  der  Normannenzeit  als 


von  Neapel.       Yqj^  ^\^^  wichtigcm  Dynasticn  sind  die  Aragonesen  gesondert  zu  be- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  21 

Grundherrschaft  der  Barone  fortdauert,  färbt  schon  den  Staat  eigentüm- 
lich, während  im  übrigen  Italien,  den  südlichen  Kirchenstaat  und  wenige 
andere  Gegenden  ausgenommen,  fast  nur  noch  einfacher  Grundbesitz 
gilt  und  der  Staat  keine  Befugnisse  mehr  erblich  werden  läßt.  Sodann 
ist  der  große  Alfons,  welcher  seit  1435  Neapel  in  Besitz  genommen 
(f  1458),  von  einer  andern  Art  als  seine  wirklichen  oder  vorgeblichen 
Nachkommen.  Glänzend  in  seinem  ganzen  Dasein,  furchtlos  unter  seinem 
Volke,  von  einer  großartigen  Liebenswürdigkeit  im  Umgang,  und  selbst 
wegen  seiner  späten  Leidenschaft  für  Lucrezia  d'Alagna  nicht  getadelt, 
sondern  bewundert,  hatte  er  die  eine  üble  Eigenschaft  der  Verschwen- 
dung*^, an  welche  sich  dann  die  unvermeidlichen  Folgen  hingen.  Frevel- 
hafte Finanzbeamte  wurden  zuerst  allmächtig,  bis  sie  der  bankerott  ge- 
wordene König  ihres  Vermögens  beraubte;  ein  Kreuzzug  wurde  ge- 
predigt, um  unter  diesem  Vorwand  den  Klerus  zu  besteuern;  bei  einem 
großen  Erdbeben  in  den  Abruzzen  mußten  die  Überlebenden  die  Steuer 
für  die  Umgekommenen  weiter  bezahlen.  Unter  solchen  Umständen  war 
Alfons  für  hohe  Gäste  der  prunkhafteste  Wirt  seiner  Zeit  (S.  10)  und  froh 
des  unaufhörlichen  Spendens  an  jedermann,  auch  an  Feinde;  für  lite- 
rarische Bemühungen  hatte  er  vollends  keinen  Maßstab  mehr,  so  daß 
Poggio  für  die  lateinische  Übersetzung  von  Xenophons  Kyropädie 
500  Goldstücke  erhielt. 

Ferrante^,  der  auf  ihn  kam,  galt  als  sein  Bastard  von  einer  spanischen  Ferrante 
Dame,  war  aber  vielleicht  von  einem  valenzianischen  Marranen  erzeugt. 
War  es  nun  mehr  das  Geblüt  oder  die  seine  Existenz  bedrohenden  Kom- 
plotte der  Barone,  was  ihn  düster  und  grausam  machte,  jedenfalls  ist  er 
unter  den  damaligen  Fürsten  der  schrecklichste.  Rastlos  tätig,  als  einer 
der  stärksten  politischen  Köpfe  anerkannt,  dabei  kein  Wüstling,  richtet 
er  alle  seine  Kräfte,  auch  die  eines  unversöhnlichen  Gedächtnisses  und 
einer  tiefen  Verstellung  auf  die  Zernichtung  seiner  Gegner.  Beleidigt  in 
allen  Dingen,  worin  man  einen  Fürsten  beleidigen  kann,  indem  die  An- 
führer der  Barone  mit  ihm  verschwägert  und  mit  allen  auswärtigen  Fein- 
den verbündet  waren,  gewöhnte  er  sich  an  das  Äußerste  als  an  ein  AU- 
tägHches.  Für  die  Beschaffung  der  Mittel  in  diesem  Kampfe  und  in  sdn  zwang- 
seinen  auswärtigen  Kriegen  wurde  wieder  etwa  in  jener  mohammeda- 
nischen Weise  gesorgt,  die  Friedrich  II.  angewandt  hatte:  mit  Korn  und 
Öl  handelte  nur  die  Regierung;  den  Handel  überhaupt  hatte  Ferrante 
in  den  Händen  eines  Ober-  und  Großkaufmanns,  Francesco  Coppola, 
zentrahsiert,  welcher  mit  ihm  den  Nutzen  teilte  und  alle  Reeder  in 
seinen  Dienst  nahm;  Zwangsanleihen,  Hinrichtungen  und  Konfiskatio- 
nen, grelle  Simonie  und  Brandschatzung  der  geistlichen  Korporationen 
beschufen  das  übrige.   Nun  überließ  sich  Ferrante  außer  der  Jagd,  die 


22 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


Alfonso  von 
Kalabrieu 


er  rücksichtslos  übte,  zweierlei  Vergnügungen:  seine  Gegner  entweder 
lebend  in  wohlverwahrten  Kerkern  oder  tot  und  einbalsamiert,  in  der 
Tracht,  die  sie  bei  Lebzeiten  trugen'*,  in  seiner  Nähe  zu  haben.  Er 
kicherte,  wenn  er  mit  seinen  Vertrauten  von  den  Gefangenen  sprach; 
aus  der  Mumienkollektion  wurde  nicht  einmal  ein  Geheimnis  gemacht. 
Seine  Opfer  waren  fast  lauter  Männer,  deren  er  sich  durch  Verrat,  ja  an 
seiner  königlichen  Tafel  bemächtigt.  Völlig  infernal  war  das  Verfahren 
gegen  den  im  Dienst  grau  und  krank  gewordenen  Premierminister  Anto- 
nello  Petrucci,  von  dessen  wachsender  Todesangst  Ferrante  immerfort 
Geschenke  annahm,  bis  endlich  ein  Anschein  von  Teilnahme  an  der 
letzten  Baronenverschwörung  den  Vorwand  gab  zu  seiner  Verhaftung 
und  Hinrichtung,  zugleich  mit  Coppola.  Die  Art  wie  dies  alles  bei 
Caracciolo  und  Porzio  dargestellt  ist,  macht  die  Haare  sträuben.  — 
Von  den  Söhnen  des  Königs  genoß  der  ältere,  Alfonso,  Herzog  von  Kala- 
brien,  in  den  spätem  Zeiten  eine  Art  Mitregierung;  ein  wilder,  grau- 
samer Wüstling,  der  vor  dem  Vater  die  größere  Offenheit  voraus  hatte 
und  sich  auch  nicht  scheute,  seine  Verachtung  gegen  die  Religion  und 
ihre  Bräuche  an  den  Tag  zu  legen.  Die  bessern,  lebendigen  Züge  des 
damaligen  Tyrannentums  muß  man  bei  diesen  Fürsten  nicht  suchen; 
was  sie  von  der  damaligen  Kunst  und  Bildung  an  sich  nehmen,  ist  Luxus 
oder  Schein.  Schon  die  echten  Spanier  treten  in  Italien  fast  immer  nur 
entartet  auf;  vollends  aber  zeigt  der  Ausgang  dieses  Marranenhauses 
(1494  und  1503)  einen  augenscheinlichen  Mangel  an  Rasse.  Ferrante 
stirbt  vor  innerer  Sorge  und  Qual;  Alfonso  traut  seinem  eigenen  Bruder 
Fedcrigo,  dem  einzigen  Guten  der  Familie,  Verrat  zu  und  beleidigt  ihn 
auf  die  unwürdigste  Weise;  endlich  flieht  er,  der  bisher  als  einer  der 
tüchtigsten  Heerführer  Italiens  gegolten,  besinnungslos  nach  Sizilien  und 
läßt  seinen  Sohn,  den  jüngeren  Ferrante,  den  Franzosen  und  dem  allge- 
meinen Verrat  zur  Beute.  Eine  Dynastie,  welche  so  regiert  hatte  wie 
diese,  hätte  allermindestens  ihr  Leben  teuer  verkaufen  müssen,  wenn 
ihre  Kinder  und  Nachkommen  eine  Restauration  hoffen  sollten.  Aber: 
jamais  homme  crucl  ne  fut  hardi,  wie  Comines  bei  diesem  Anlaß  etwas 
einseitig  und  im  ganzen  doch  richtig  sagt. 


Dci  letzte 
Visconti 


Echt  italienisch  im  Sinne  des  15.  Jahrhunderts  erscheint  das  Fürsten- 
tum in  den  Herzogen  von  Mailand  ausgebildet,  deren  Herrschaft  seit 
Giangaleazzo  schon  eine  völlig  ausgebildete  absolute  Monarchie  dar- 
stellt. Vor  allem  ist  der  letzte  Visconti,  Filippo  Maria  (i4?2 — 1447)  eine 
höchst  merkwürdige,  glücklicherweise  vortrefflich  geschilderte'*  Pcrsön- 
keit.  Was  die  Furcht  aus  einem  Menschen  von  bedeutenden  Anlagen  in 
hoher  Stellung  machen  kann,  zeigt  sich  hier,  man  könnte  sagen,  mathe- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


23 

matisch  vollständig;  alle  Mittel  und  Zwecke  des  Staates  konzentrieren 
sich  in  dem  einen  der  Sicherung  seiner  Person,  nur  daß  sein  grausamer 
Egoismus  doch  nicht  in  Blutdurst  überging.  Im  Kastell  von  Mailand, 
das  die  herrlichsten  Gärten,  Laubgänge  und  Tummelplätze  mit  umfaßte, 
sitzt  er,  ohne  die  Stadt  in  vielen  Jahren  auch  nur  zu  betreten;  seine 
Ausflüge  gehen  nach  den  Landstädten,  wo  seine  prächtigen  Schlösser 
liegen;  die  Barkenflotüllc,  die  ihn,  von  raschen  Pferden  gezogen,  auf 
eigens  gebauten  Kanälen  dahin  führt,  ist  für  die  Handhabung  der  ganzen 
Etikette  eingerichtet.  Wer  das  Kastell  betrat,  war  hundertfach  beobach- 
tet; niemand  sollte  auch  nur  am  Fenster  stehen,  damit  nicht  nach  außen 
gewinkt  würde.  Ein  künstliches  System  von  Prüfungen  erging  über  die, 
welche  zur  persönlichen  Umgebung  des  Fürsten  gezogen  werden  sollten; 
diesen  vertraute  er  dann  die  höchsten  diplomatischen  wie  die  Lakaien- 
dienste an,  denn  beides  war  ja  hier  gleich  ehrenvoll.  Und  dieser  Mann 
führte  lange,  schwierige  Kriege  und  hatte  beständig  große  politische 
Dinge  unter  den  Händen,  d.  h.  er  mußte  unaufhörhch  Leute  mit  um- 
fassenden Vollmachten  aussenden.  Seine  Sicherheit  lag  nun  darin,  daß 
keiner  von  diesen  keinem  traute,  daß  die  Kondottieren  durch  Spione 
und  die  Unterhändler  und  höhern  Beamten  durch  künstlich  genährte 
Zwietracht,  namentlich  durch  Zusammenkoppclung  je  eines  Guten  und 
eines  Bösen  irre  gemacht  und  auseinandergehalten  wurden.  Auch  in 
seinem  Innersten  ist  Filippo  Maria  bei  den  entgegengesetzten  Polen  der 
Weltanschauung  versichert;  er  glaubt  an  Gestirne  und  an  blinde  Not- 
wendigkeit und  betet  zugleich  zu  allen  Nothelfern;  er  liest  alte  Autoren 
und  französische  Ritterromane.  Und  zuletzt  hat  derselbe  Mensch,  der 
den  Tod  nie  wollte  erwähnen  hören**  und  selbst  seine  sterbenden  Günst- 
linge aus  dem  Kastell  schaffen  ließ,  damit  niemand  in  dieser  Burg  des 
Glückes  erbleiche,  durch  Schließung  einer  Wunde  und  Verweigerung 
des  Aderlasses  seinen  Tod  absichthch  beschleunigt  und  ist  mit  Anstand 
und  Würde  gestorben. 

Sein  Schwiegersohn  und  endlicher  Erbe,  der  glückliche  Kondottiere 
Francesco  Sforza  (1450 — 1466,  S.  14),  war  vielleicht  von  allen  Itahenern 
am  meisten  der  Mann  nach  dem  Herzen  des  15.  Jahrhunderts.  Glän- 
zender als  in  ihm  war  der  Sieg  des  Genies  und  der  individuellen  Kraft 
nirgends  ausgesprochen,  und  wer  das  nicht  anzuerkennen  geneigt  war, 
durfte  doch  immerhin  den  LiebUng  der  Fortuna  in  ihm  verehren.  Mai- 
land empfand  es  offenbar  als  Ehre,  wenigstens  einen  so  berühmten  Herr- 
scher zu  erhalten;  hatte  ihn  doch  bei  seinem  Eintritt  das  dichte  Volks- 
gedränge zu  Pferde  in  den  Dom  hineingetragen,  ohne  daß  er  absteigen 
konnte*'.  Hören  wir  die  Bilanz  seines  Lebens,  wie  sie  Papst  Pius  IL, 
ein  Kenner  in  solchen  Dingen,  uns  vorrechnet*®.  „Im  Jahr  1459,  als  der 


Francesco 
Sforza 
Abb.  41 


Sein  Glück 


2A,  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Herzog  zum  Fürstenkongreß  nach  Mantua  kam,  war  er  60  (eher  58)  Jahre 
alt;  als  Reiter  einem  Jüngling  gleich,  hoch  und  äußerst  imposant  an  Ge- 
stalt, von  ernsten  Zügen,  ruhig  und  leutselig  im  Reden,  fürsthch  im 
ganzen  Benehmen,  ein  Ganzes  von  leiblicher  und  geistiger  Begabung 
ohnegleichen  in  unserer  Zeit,  im  Felde  unbesiegt  • —  das  war  der  Mann, 
der  von  niedrigem  Stande  zur  Herrschaft  über  ein  Reich  emporstieg. 
Seine  Gemahlin  war  schön  und  tugendhaft,  seine  Kinder  anmutig  wie 
Engel  vom  Himmel;  er  war  selten  krank;  alle  seine  wesentlichen  Wünsche 
erfüllten  sich.  Doch  hatte  auch  er  einiges  Mißgeschick;  seine  Gemahhn 
tötete  ihm  aus  Eifersucht  die  Geliebte;  seine  alten  Waffengenossen  und 
Freunde  Troilo  und  Brunoro  verließen  ihn  und  gingen  zu  König  Alfons 
über;  einen  andern,  Ciarpollone  mußte  er  wegen  Verrats  henken  lassen; 
von  seinem  Bruder  Alessandro  mußte  er  erleben,  daß  derselbe  einmal 
die  Franzosen  gegen  ihn  anstiftete;  einer  seiner  Söhne  zettelte  Ränke 
gegen  ihn  und  kam  in  Haft;  die  Mark  Ankona,  die  er  im  Krieg  erobert, 
verlor  er  auch  wieder  im  Krieg.  Niemand  genießt  ein  so  ungetrübtes 
Glück,  daß  er  nicht  irgendwo  mit  Schwankungen  zu  kämpfen  hätte. 
Der  ist  glücklich,  der  wenige  Widerwärtigkeiten  hat."  Mit  dieser  nega- 
tiven Definition  des  Glückes  entläßt  der  gelehrte  Papst  seinen  Leser. 
Wenn  er  hätte  in  die  Zukunft  blicken  können  oder  auch  nur  die  Kon- 
sequenzen der  völlig  unbeschränkten  Fürstenmacht  überhaupt  erörtern 
wollen,  so  wäre  ihm  eine  durchgehende  Wahrnehmung  nicht  entgangen: 
die  Garantielosigkeit  der  Familie.  Jene  engelschönen,  überdies  sorgfältig 
und  vielseitig  gebildeten  Kinder  unterlagen,  als  sie  Männer  wurden,  der 
ganzen  Ausartung  des  schrankenlosen  Egoismus.  Galeazzo  Maria  (1466 
bis  1476),  ein  Virtuose  der  äußern  Erscheinung,  war  stolz  auf  seine 
schöne  Hand,  auf  die  hohen  Besoldungen,  die  er  bezahlte,  auf  den  Geld-* 
kredit,  den  er  genoß,  auf  seinen  Schatz  von  zwei  Millionen  Goldstücken, 
auf  die  namhaften  Leute,  die  ihn  umgaben,  und  auf  die  Armee  und  die 
Vogcljagd,  die  er  unterhielt.  Dabei  hörte  er  sich  gerne  reden,  weil  er 
gut  redete,  und  vielleicht  am  allerfließendsten,  wenn  er  etwa  einen  vene- 
zianischen Gesandten  kränken  konnte*^.  Dazwischen  aber  gab  es  Launen 
wie  z.  B.  die,  ein  Zimmer  in  einer  Nacht  mit  Figuren  ausmalen  zu  lassen; 
es  gab  entsetzliclie  Grausamkeiten  gegen  Nahestehende,  xmd  besinnungs- 
lose Ausschweifung.  Einigen  Phantasten  schien  er  alle  Eigenschaften 
eines  Tyrannen  zu  besitzen;  sie  brachten  ihn  um  und  lieferten  damit 
den  Staat  in  die  Hände  seiner  Brüder,  deren  einer,  Lodovico  il  Moro, 
nachher  mit  Übergehung  des  eingekerkerten  Neffen  die  ganze  Herr- 
schaft an  sich  riß.  An  diese  Usurpation  hängt  sich  dann  die  Intervention 
der  Franzosen  und  das  böse  Schicksal  von  ganz  Italien.  Der  Moro  ist 
Abb.  14—77  aber  die  vollendetste  fürstliche  Charakterfigur  dieser  Zeit  und  erscheint 


Galeazzo 
Maria 
Abb.  23 


Lodovico 
Moro 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  25 

damit  wieder  wie  ein  Naturprodukt,  dem  man  nicht  ganz  böse  sein  kann. 
Bei  der  tiefsten  Immoralität  seiner  Mittel  erscheint  er  in  deren  An- 
wendung völhg  naiv;  er  würde  wahrscheinhch  sich  sehr  verwundert 
haben,  wenn  ihm  jemand  hätte  begreiflich  machen  wollen,  daß  nicht 
nur  für  die  Zwecke,  sondern  auch  für  die  Ä'Iittel  eine  sittliche  Verant- 
wortung existiert;  ja,  er  würde  vielleicht  seine  möglichste  Vermeidung 
aller  Bluturteile  als  eine  ganz  besondere  Tugend  geltend  gemacht  haben. 
Den  halbmythischen  Respekt  der  Italiener  vor  seiner  politischen  Force 
nahm  er  wie  einen  schuldigen  Tribut'"  an;  noch  1496  rühmte  er  sich: 
Papst  Alexander  sei  sein  Kaplan,  Kaiser  Max  sein  Kondottiere,  Venedig 
sein  Kämmerer,  der  König  von  Frankreich  sein  Kurier,  der  da  kommen 
und  gehen  müsse,  wie  ihm  beliebe'^.  Mit  einer  erstaunlichen  Besonnen- 
heit wägt  er  noch  in  der  letzten  Not  (1499)  die  möghchen  Ausgänge  ab, 
und  verläßt  sich  dabei,  was  ihm  Ehre  macht,  auf  die  Güte  der  mensch- 
lichen Natur;  seinen  Bruder  Kardinal  Ascanio,  der  sich  erbietet,  im 
Kastell  von  Mailand  auszuharren,  weist  er  ab,  da  sie  früher  bittern 
Streit  gehabt  hatten:  ,,Monsignore,  nichts  für  ungut.  Euch  traue  ich 
nicht,  wenn  Ihr  schon  mein  Bruder  seid"  —  bereits  hatte  er  sich  einen 
Kommandanten  für  das  Kastell,  diese  „Bürgschaft  seiner  Rückkehr", 
ausgesucht,  einen  Mann,  dem  er  nie  Übles,  stets  nur  Gutes  erwiesen'^. 
Derselbe  verriet  dann  gleichwohl  die  Burg.  —  Im  Innern  war  der  Moro  innere 
bemüht,  gut  und  nützlich  zu  walten,  wie  er  denn  in  Mailand  und  auch  '^lerung 
in  Como  noch  zuletzt  auf  seine  Beliebheit  rechnete;  doch  hatte  er  in 
den  spätem  Jahren  (seit  1496)  die  Steuerkraft  seines  Staates  übermäßig 
angestrengt  und  z.  B.  in  Cremona  einen  angesehenen  Bürger,  der  gegen 
die  neuen  Auflagen  redete,  aus  lauter  Zweckmäßigkeit  insgeheim  er- 
drosseln lassen;  auch  hielt  er  sich  seitdem  bei  Audienzen  die  Leute 
durch  eine  Barre  weit  vom  Leibe'^,  so  daß  man  sehr  laut  reden  mußte, 
um  mit  ihm  zu  verhandeln.  —  An  seinem  Hofe,  dem  glanzvollsten  von 
Europa,  da  kein  burgundischer  mehr  vorhanden  war,  ging  es  äußerst 
unsittlich  her;  der  Vater  gab  die  Tochter,  der  Gatte  die  Gattin,  der 
Bruder  die  Schwester  preis'*.  Allein  der  Fürst  wenigstens  blieb  immer 
tätig  und  fand  sich  als  Sohn  seiner  Taten  denjenigen  verwandt,  welche 
ebenfalls  aus  eignen  geistigen  Mitteln  existierten,  den  Gelehrten,  Dich- 
tern, Musikern  und  Künstlern.  Die  von  ihm  gestiftete  Akademie'^  ist 
in  erster  Linie  in  bezug  auf  ihn,  nicht  auf  eine  zu  unterrichtende  Schüler- 
schaft vorhanden;  auch  bedarf  er  nicht  des  Ruhmes  der  betreffenden 
Männer,  sondern  ihres  Umganges  und  ihrer  Leistungen.  Es  ist  gewiß, 
daß  Bramante  am  Anfang  schmal  gehalten  wurde'^;  aber  Lionardo  Abb.  .,os 
ist  doch  bis  1496  richtig  besoldet  worden  —  und  was  hielt  ihn  überhaupt 
an  diesem  Hofe,  wenn  er  nicht  freiwilHg  blieb?  Die  Welt  stand  ihm 


26  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

offen  wie  vielleicht  überhaupt  keinem  von  allen  damaligen  Sterblichen, 
und  wenn  irgend  etwas  dafür  spricht,  daß  in  Lodovico  Moro  ein  höheres 
Element  lebendig  gewesen,  so  ist  es  dieser  lange  Aufenthalt  des  rätsel- 
haften Meisters  in  seiner  Umgebung.  Wenn  Lionardo  später  dem  Cesare 
Borgia  und  Franz  I.  gedient  hat,  so  mag  er  auch  an  diesen  das  außer- 
gewöhnliche Naturell  geschätzt  haben. 
Die  letiten       Vou  dcu  Söhucn  dcs  Moro,  die  nach  seinem  Sturz  von  fremden  Leuten 
Ab7^2     schlecht  erzogen  waren,  sieht  ihm  der  ältere,  Massimiliano,  gar  nicht 
mehr  ähnlich;  der  jüngere,  Francesco,  war  wenigstens  des  Aufschwunges 
nicht  unfähig.  Mailand,  das  in  diesen  Zeiten  so  viele  Male  die  Gebieter 
wechselte  und  dabei  unendlich  litt,  sucht  sich  wenigstens  gegen  die 
Reaktionen  zu  sichern;  die  im  Jahre  151 2  vor  der  spanischen  Armee 
und  Massimiliano  abziehenden  Franzosen  werden  bewogen,  der  Stadt 
einen  Revers  darüber  auszustellen,  daß  die  Mailänder  keinen  Teil  an 
ihrer  Vertreibung  hätten  und,  ohne  Rebellion  zu  begehen,  sich  einem 
neuen  Eroberer  übergeben  dürften'^.  Es  ist  auch  in  politischer  Bezie- 
hung zu  beachten,  daß  die  unglückliche  Stadt  in  solchen  Augenbhcken 
'  des  Überganges,  gerade  wie  z.  B.  Neapel  bei  der  Flucht  der  Arago- 
i  nesen,  der  Plünderung  durch  Rotten  von  Bösewichtern  (auch  sehr  vor- 
nehmen) anheimzufallen  pflegte. 
Die  Gon-        Zwci  bcsondcrs  wohl  geordnete  und  durch  tüchtige  Fürsten  vertre- 
lapen  von    ^^^^  Herrschaften  sind  in  der  zweiten  Hälfte  des  fs.  Jahrhunderts  die 

Mantua  *-'    *J 

Abb.  35  der  Gonzagen  von  Mantua  und  der  Montefcltro  von  Urbino.  Die  Gon- 
zagen  waren  schon  als  Familie  ziemlich  einträchtig;  es  gab  bei  ihnen 
seit  langer  Zeit  keine  geheimen  Mordtaten  und  sie  durften  ihre  Toten 
Abb.jg.is.io  Zeigen.  Marchese  Francesco  Gonzaga^*  und  seine  Gemahlin  Isabella  von 
Este  sind,  so  locker  es  bisweilen  hergehen  mochte,  ein  würdevolles  und 
einiges  Ehepaar  geblieben  und  haben  bedeutende  und  glückliche  Söhne 
erzogen  in  einer  Zeit,  da  ihr  kleiner,  aber  hochwichtiger  Staat  oft  in 
der  größten  Gefahr  schwebte.  Daß  Francesco  als  Fürst  und  als  Kon- 
dottiere  eine  besonders  gerade  und  redliche  Politik  hätte  befolgen  sollen, 
das  würde  damals  weder  der  Kaiser,  noch  die  Könige  von  Frankreich, 
noch  Venedig  verlangt  oder  gar  erwartet  haben,  allein  er  fühlte  sich 
wenigstens  seit  der  Schlacht  am  Taro  (1495),  soweit  es  die  Waffenchre 
f  betraf,  als  italienischen  Patrioten  und  teilte  diese  Gesinnung  auch  seiner 
Gemahlin  mit.  Sie  empfindet  fortan  jede  Äußerung  heldenmütiger  Treue, 
wie  z.  B.  die  Verteidigung  von  Faenza  gegen  Cesare  Borgia  als  eine 
Ehrenrettung  Italiens.  Unser  Urteil  über  sie  braucht  sich  nicht  auf  die 
Künstler  und  Schriftsteller  zu  stützen,  welche  der  schönen  Fürstin  ihr 
Mäzenat  reichlich  vergalten;  ihre  eigenen  Briefe  schildern  uns  die  un- 
erschütterlich ruhige,  im  Beobachten  schalkhafte  und  liebenswürdige 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


27 


Frau  hinlänglich.  Bembo,  Bandello,  Ariosto  und  Bernardo  Tasso  sandten  Abb.  246,  ^5. 
ihre  Arbeiten  an  diesen  Hof,  obschon  derselbe  klein  und  machtlos  und 
die  Kasse  oft  sehr  leer  war;  einen  feinern  geselligen  Kreis  als  diesen 
gab  es  eben  seit  der  Auflösung  des  alten  urbinatischen  Hofes  (1508) 
doch  nirgends  mehr,  und  auch  der  ferraresische  war  wohl  hier  im  wesent- 
lichen übertroffen,  nämhch  in  der  Freiheit  der  Bewegung.  Spezielle  Ken- 
nerin war  Isabella  in  der  Kunst,  und  das  Verzeichnis  ihrer  kleinen, 
höchst  ausgesuchten  Sammlung  wird  kein  Kunstfreund  ohne  Bewegung 
lesen. 

Urbino  besaß  in  dem  großen  Federigo  (1444 — 1482),  mochte  er  nun  Fejerigo 
ein  echter  Montcfcltro  sein  oder  nicht,  einen  der  vortrefflichsten  Re-  ^j;,.  5«° 
Präsentanten  des  Fürstentums.  Als  Kondottiere  hatte  er  die  politische 
Moralität  der  Kondottieren,  woran  sie  nur  zur  Hälfte  schuld  sind;  als 
Fürst  seines  kleinen  Landes  befolgte  er  die  Politik,  seinen  auswärts  ge- 
wonnenen Sold  im  Lande  zu  verzehren  und  dasselbe  möglichst  wenig 
zu  besteuern.  Von  ihm  und  seinen  beiden  Nachfolgern  Guidobaldo  Abb.  59 
und  Francesco  Maria  heißt  es:  „sie  errichteten  Gebäude,  beförderten 
den  Anbau  des  Landes,  lebten  an  Ort  und  Stelle  und  besoldeten  eine 
Menge  Leute;  das  Volk  liebte  sie"'*.  Aber  nicht  nur  der  Staat  war  ein 
wohlberechnetes  und  organisiertes  Kunstwerk,  sondern  auch  der  Hof, 
und  zwar  in  jedem  Sinne.  Federigo  unterhielt  500  Köpfe;  die  Hof-  oervoUkon.- 
Chargen  waren  so  vollständig  wie  kaum  an  den  Höfen  der  größten  "'" 
Monarchen,  aber  es  wurde  nichts  vergeudet,  alles  hatte  seinen  Zweck 
und  seine  genaue  Kontrolle.  Hier  wurde  nicht  gespielt,  gelästert  und  ge- 
prahlt, denn  der  Hof  mußte  zugleich  eine  militärische  Erziehungsanstalt 
für  die  Söhne  anderer  großer  Herren  darstellen,  deren  Bildung  eine 
Ehrensache  für  den  Herzog  war.  Der  Palast,  den  er  sich  baute,  war 
nicht  der  prächtigste,  aber  klassisch  durch  die  Vollkommenheit  seiner 
Anlage;  dort  sammelte  er  seinen  größten  Schatz,  die  berühmte  Biblio- 
thek. Da  er  sich  in  einem  Lande,  wo  jeder  von  ihm  Vorteil  oder  Ver- 
dienst zog  und  niemand  bettelte,  vollkommen  sicher  fühlte,  so  ging  er 
beständig  unbewaffnet  und  fast  unbegleitet;  keiner  konnte  ihm  das 
nachmachen,  daß  er  in  offenen  Gärten  wandelte,  in  offenem  Saale  sein 
frugales  Mahl  hielt,  während  aus  Livius  (zur  Fastenzeit  aus  Andachts- 
schriften) vorgelesen  wurde.  An  demselben  Nachmittag  hörte  er  eine 
Vorlesung  aus  dem  Gebiet  des  Altertums  und  ging  dann  in  das  Kloster 
der  Ciarissen,  um  mit  der  Oberin  am  Sprachgitter  von  heiligen  Dingen 
zu  reden.  Abends  leitete  er  gerne  die  Leibesübungen  der  jungen  Leute 
seines  Hofes  auf  der  Wiese  bei  S.  Francesco  mit  der  herrlichen  Aussicht, 
und  sah  genau  zu,  daß  sie  sich  bei  den  Fang-  und  Laufspielen  vollkom- 
men bewegen  lernten.  Sein  Streben  ging  beständig  auf  die  höchste  Leut- 


28 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


Seligkeit  und  Zugänglichkeit;  er  besuchte  die,  welche  für  ihn  arbeiteten, 
in  der  Werkstatt,  gab  beständig  Audienzen  und  erledigte  die  Anliegen 
der  einzelnen  womöglich  am  gleichen  Tage.  Kein  Wunder,  daß  die  Leute, 
wenn  er  durch  die  Straßen  ging,  niederknieten  und  sagten:  Dio  ti 
mantenga,  Signore!  Die  Denkenden  aber  nannten  ihn  das  Licht  Ita- 

Guidobaido  liens^".  —  Sein  Sohn  Guidobaldo,  bei  hohen  Eigenschaften  von  Krank- 
heit und  Unglück  aller  Art  verfolgt,  hat  doch  zuletzt  (1508)  seinen 
Staat  in  sichere  Hände,  an  seinen  Neffen  Francesco  Maria,  zugleich 
Ncpotcn  des  Papstes  Julius  IL,  übergeben  können,  und  dieser  wieder- 
um das  Land  wenigstens  vor  dauernder  Fremdherrschaft  geborgen.  Merk- 
würdig ist  die  Sicherheit,  mit  welcher  diese  Fürsten,  Guidobaldo  vor 

Abb.  83  Cesare  Borgia,  Francesco  Maria  vor  den  Truppen  Leos  X.  unterducken 
und  fliehen;  sie  haben  das  Bewußtsein,  daß  ihre  Rückkehr  um  so  leichter 
'  und  erwünschter  sein  werde,  je  weniger  das  Land  durch  fruchtlose 
Verteidigung  gelitten  hat.  Wenn  Lodovico  Moro  ebenfalls  so  rechnete, 
so  vergaß  er  die  vielen  andern  Gründe  des  Hasses,  die  ihm  entgegen- 
wirkten. —  Guidobaidos  Hof  ist  als  hohe  Schule  der  feinsten  Gesellig- 
keit durch  Baldassare  Castiglione  unsterblich  gemacht  worden,  der  seine 
Ekloge  Tirsi  (1506)  vor  jenen  Leuten  zu  ihrem  Lobe  aufführte,  und 
später  (15 18)  die  Gespräche  seines  Cortigiano  in  den  Kreis  der  hoch- 
gebildeten Herzogin  (Elisabetta  Gonzaga)  verlegte. 

Die  Regierung  der  Este  in  Ferrara,  Modena  und  Reggio  hält  zwi- 
schen Gewaltsamkeit  und  Popularität  eine  merkwürdige  Mitte^^.  Im 
Innern  des  Palastes  gehen  entsetzliche  Dinge  vor;  eine  Fürstin  wird 
wegen  vorgeblichen  Ehebruches  mit  einem  Stiefsohn  enthauptet  (1425); 
eheliche  und  uneheliche  Prinzen  fliehen  vom  Hof  und  werden  auch  in 
der  Fremde  durch  nachgesandte  Mörder  bedroht  (letzteres  1471);  dazu 
beständige  Komplotte  von  außen;  der  Bastard  eines  Bastardes  will  dem 
einzigen  rechtmäßigen  Erben  (Ercole  I.)  die  Herrschaft  entreißen;  später 
(1493)  soll  der  letztere  seine  Gemahlin  vergiftet  haben,  nachdem  er  er- 
kundet, daß  sie  ihn  vergiften  wollte,  und  zwar  im  Auftrag  ihres  Bruders 
Ferrante  von  Neapel.  Den  Schluß  dieser  Tragödien  macht  das  Komplott 
zweier  Bastarde  gegen  ihre  Brüder,  den  regierenden  Herzog  Alfons  I. 
und  den  Kardinal  Ippolito  (1506),  welches  bei  Zeiten  entdeckt  und  mit 

Fiskaiitst  lebenslänglichem  Kerker  gebüßt  wurde.  —  Ferner  ist  die  Fiskalität  in 
diesem  Staate  höchst  ausgebildet  und  muß  es  sein,  schon  weil  er  der  be- 
drohteste unter  allen  großen  und  mittlem  Staaten  von  Italien  ist  und 
der  Rüstungen  und  Befestigungen  in  hohem  Grade  bedarf.  Allerdings 
sollte  in  gleichem  Maße  mit  der  Steuerkraft  auch  der  natürliche  Wohl- 
stand des  Landes  gesteigert  werden,  und  Marchese  Niccolo  (j  1441) 
1      wünschte  ausdrücklich,  daß  seine  Untertanen  reicher  würden  als  andere 


Abb.  248 


Abb.  60 

Die  Este  ii 

Ferrara. 
Hausgreuel 

Abb.  2 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


29 


Völker.  Wenn  die  rasch  wachsende  Bevölkerung  einen  Beleg  für  den 
wirkhch  erreichten  Wohlstand  abgibt,  so  ist  es  in  der  Tat  ein  wichtiges 
Faktum,  daß  (1497)  in  der  außerordentlich  erweiterten  Hauptstadt  keine 
Häuser  mehr  zu  vermieten  waren^^.  Ferrara  ist  die  erste  moderne  Stadt 
Europas;  hier  zuerst  entstanden  auf  den  Wink  der  Fürsten  so  große, 
regelmäßig  angelegte  Qiiartiere;  hier  sammelte  sich  durch  Konzentra- 
tion der  Beamtenschaft  und  künstlich  herbeigezogene  Industrie  ein  Resi- 
denzvolk; reiche  Flüchtlinge  aus  ganz  Italien,  zumal  Florentiner,  wur- 
den veranlaßt,  sich  hier  anzusiedeln  und  Paläste  zu  bauen.  Allein  die 
indirekte  Besteuerung  wenigstens  muß  einen  eben  nur  noch  erträglichen 
Grad  von  Ausbildung  erreicht  haben.  Der  Fürst  übte  wohl  eine  Für- 
sorge, wie  sie  damals  auch  bei  andern  italienischen  Gewaltherrschern, 
z.  B.  bei  Galeazzo  Maria  Sforza  vorkam:  bei  Hungersnöten  ließ  er 
Getreide  aus  der  Ferne  kommen^  und  teilte  es,  wie  es  scheint,  umsonst 
aus;  allein  in  gewöhnlichen  Zeiten  hielt  er  sich  schadlos  durch  das 
Monopol,  wenn  nicht  des  Getreides,  doch  vieler  andern  Lebensmittel: 
Salzfleisch,  Fische,  Früchte,  Gemüse,  welch  letztere  auf  und  an  den  Wäl- 
len von  Ferrara  sorgfältig  gepflanzt  wurden.  Die  bedenklichste  Ein-  .^mtenerkauf 
nähme  aber  war  die  von  dem  Verkauf  der  jährlich  neubesetzten  Ämter, 
ein  Gebrauch,  der  durch  ganz  Italien  verbreitet  war,  nur  daß  wir 
über  Ferrara  am  besten  unterrichtet  sind.  Zum  Neujahr  1502  heißt 
es  z.  B. :  die  meisten  kauften  ihre  Ämter  um  gesalzene  Preise  (salati); 
es  werden  Faktoren  verschiedener  Art,  Zolleinnehmer,  Domänenver- 
walter (massari),  Notare,  Podestäs,  Richter  und  selbst  Capitani,  d.  h. 
herzogliche  Oberbeamte  von  Landstädten  einzeln  angeführt.  Als  einer 
von  den  „Leutefressern",  welche  ihr  Amt  teuer  bezahlt  haben  und 
welche  das  Volk  haßt  ,,mehr  als  den  Teufel",  ist  Tito  Strozza  genannt, 
hoffentUch  nicht  der  berühmte  lateinische  Dichter.  Um  dieselbe  Jahres- 
zeit pflegte  der  jeweilige  Herzog  in  Person  eine  Runde  durch  Ferrara 
zu  machen,  das  sog.  Andar  per  Ventura,  wobei  er  sich  wenigstens  von 
den  Wohlhabendem  beschenken  ließ.  Doch  wurde  dabei  kein  Geld, 
sondern  nur  Naturalien  gespendet. 

Der  Stolz  des  Herzogs*'  war  es  nun,  wenn  man  in  ganz  Italien  wußte,  "rdnungund 
daß  in  Ferrara  den  Soldaten  ihr  Sold,  den  Professoren  der  Univer- 
sität ihr  Gehalt  immer  auf  den  Tag  ausbezahlt  wurde,  daß  die  Soldaten 
sich  niemals  eigenmächtig  am  Bürger  und  Landmann  erholen  durften, 
daß  Ferrara  uneinnehmbar  sei  und  daß  im  Kastell  eine  gewaltige  Summe 
gemünzten  Geldes  liege.  Von  einer  Scheidung  der  Kassen  war  keine 
Rede;  der  Finanzminister  war  zugleich  Hausminister.  Die  Bauten  des 
Borso  (1430  bis  1471),  Ercole  I.  (bis  1505)  undAlfonsI.  (bis  1534)  waren  Abb.ii—ts, 
sehr  zahlreich,  aber  meist  von  geringem  Umfang;  man  erkennt  darin        ^' 


QO  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

ein  Fürstenhaus,  das  bei  aller  Prachtliebe  —  Borso  erschien  nie  anders 
als  in  Goldstoff  und  Juwelen  —  sich  auf  keine  unberechenbare  Aus- 
gabe einlassen  will.  Alfonso  mag  von  seinen  zierlichen  kleinen  Villen 
ohnehin  gewußt  haben,  daß  sie  den  Ereignissen  unterliegen  würden, 
Bclvedere  mit  seinen  schattigen  Gärten,  wie  Montana  mit  den  schönen 
Fresken  und  Springbrunnen. 

Aüsbuduug       Die  dauernd  bedrohte  Lage  entwickelte  in  diesen  Fürsten  unleugbar 

sänuchkeit  ^^"^  großc  persönliche  Tüchtigkeit;  in  einer  so  künstlichen  Existenz 
konnte  sich  nur  ein  Virtuose  mit  Erfolg  bewegen,  und  jeder  mußte  sich 
rechtfertigen  und  erweisen  als  den,  der  die  Herrschaft  verdiene.  Ihre 
Charaktere  haben  sämtlich  große  Schattenseiten,  aber  in  jedem  war 
etwas  von  dem,  was  das  Ideal  der  Italiener  ausmachte.  Welcher  Fürst 
des  damaligen  Europas  hat  sich  so  sehr  um  die  eigene  Ausbildung  bc- 
Aöi,.  IS  müht  wie  z.  B.  Alfonso  I.?  Seine  Reise  nach  Frankreich,  England  und 
den  Niederlanden  war  eine  eigentliche  Studienreise,  die  ihm  eine  ge- 
nauere Kenntnis  von  Handel  und  Gewerben  jener  Länder  eintrug**. 
Es  ist  töricht,  ihm  die  Drechslerarbeit  seiner  Erholungsstunden  vorzu- 

Aib.  9-',  404  werfen,  da  sie  mit  seiner  Meisterschaft  im  Kanonengießen  und  mit  seiner 
vorurteilslosen  Art,  die  Meister  jedes  Faches  um  sich  zu  haben,  zu- 
sammenliing.  Die  italienischen  Fürsten  sind  nicht  wie  die  gleichzeitigen 
nordischen  auf  den  Umgang  mit  einem  Adel  angewiesen,  der  sich  für 
die  einzige  beachtenswerte  Klasse  der  Welt  hält  und  auch  den  Fürsten 
in  diesen  Dünkel  hineinzieht;  hier  darf  und  muß  der  Fürst  jeden  kennen 
'-  und  brauchen,  und  ebenso  ist  auch  der  Adel  zwar  der  Geburt  nach  ab- 
geschlossen, aber  in  geselliger  Beziehung  durchaus  auf  persönliche,  nicht 
auf  Kastengeltung  gerichtet,  wovon  unten  weiter  zu  handeln  sein  wird. 

Loyalität        Die   Stimmung  der   Ferraresen  gegen   dieses   Herrscherhaus  ist  die 

merkwürdigste  Mischung    aus  einem  stillen   Grauen,    aus  jenem  echt 

italienischen  Geist  der  wohlausgesonnenen  Demonstration,  und  aus  völlig 

moderner  Untertanenloyalität;  die  persönliche  Bewunderung  schlägt  in 

ein  neues  Pflichtgefühl  um.  Die  Stadt  Ferrara  setzte  1451  dem  (1441) 

verstorbenen  Fürsten  Niccolö  eine  eherne  Reiterstatue  auf  der  Piazza; 

Borso  genierte  sich  (1454)  nicht,  seine  eigene  sitzende  Bronzestatue  in 

die  Nähe  zu  setzen,  und  überdies  dekretierte  ihm  die  Stadt  gleich  am 

Anfang  seiner  Regierung  eine  „marmorne  Triumphsäule".  Ein  Ferrarese, 

der  im  Auslände,  in  Venedig,  über  Borso  öffentlich  schlecht  geredet, 

wird  bei  der  Heimkehr  denunziert  und  vom  Gericht  zu  Verbannung  und 

Gütercinzichung  verurteilt,  ja  beinahe  hätte  ihn  ein  loyaler  Bürger  vor 

dem  Tribunal  niedergestoßen;  mit  dem  Sit  ick  um  den  Hals  geht  er 

Polizei  und   2um  Herzog  und  erfleht  völlige  Verzeihung.  Überhaupt  ist  dies  Fürsten- 
Beamten-  !•   1 
koutroUe     tum  mit  Spähern  gut  versehen,  und  der  Herzog  in  Person  prüft  täglich 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  3I 

den  Fremdenrapport,  auf  welchen  die  Wirte  streng  verpflichtet  sind. 
Bei  Borso*^  wird  dies  noch  in  Verbindung  gebracht  mit  seiner  Gast- 
freundschaft, die  keinen  bedeutenden  Reisenden  ungeehrt  woUte  ziehen 
lassen;  für  Ercole  I.*'  dagegen  war  es  reine  Sicherheitsmaßregel.  Auch 
in  Bologna  mußte  damals,  unter  Giovanni  II.  Bentivoglio,  jeder  durch- 
passierende Fremde  an  dem  einen  Tor  einen  Zettel  lösen,  um  wieder 
zum  andern  hinaus  zu  dürfen*^.  —  Höchst  populär  wird  der  Fürst,  wenn 
er  drückende  Beamte  plötzlich  zu  Boden  schmettert,  wenn  Borso  seine 
ersten  und  geheimsten  Räte  in  Person  verhaftet,  wenn  Ercole  I.  einen 
Einnehmer,  der  sich  lange  Jahre  hindurch  vollgesogen,  mit  Schanden 
absetzt;  da  zündet  das  Volk  Freudenfeuer  an  und  läutet  die  Glocken. 
Mit  einem  ließ  es  aber  Ercole  zu  weit  kommen,  mit  seinem  Polizei- 
direktor oder  wie  man  ihn  nennen  will  (capitaneo  di  giustizia)  Gregorio 
Zampante  aus  Lucca  (denn  für  Stellen  dieser  Art  eignete  sich  kein  Ein- 
heimischer).  Selbst  die  Söhne  und  Brüder  des  Herzogs  zitterten  vor 
demselben;  seine  Bußen  gingen  immer  in  die  Hunderte  und  Tausende 
von  Dukaten,  und  die  Tortur  begann  schon  vor  dem  Verhör.  Von  den 
größten  Verbrechern  ließ  er  sich  bestechen  und  verschaffte  ihnen  durch 
Lügen  die  herzogliche  Begnadigung.  Wie  gerne  hätten  die  Untertanen 
dem  Herzog  loooo  Dukaten  und  drüber  bezahlt,  wenn  er  diesen  Feind 
Gottes  und  der  W'elt  kassiert  hätte!  Aber  Ercole  hatte  ihn  zu  seinem 
Gevatter  und  zum  Kavaliere  gemacht,  und  der  Zampante  legte  Jahr 
um  Jahr  2000  Dukaten  beiseite;  frcihch  aß  er  nur  noch  Tauben,  die 
im  Hause  gezogen  wurden  und  ging  nicht  mehr  über  die  Gasse  ohne 
eine  Schar  von  Armbrustschützen  und  Sbirren.  Es  wäre  Zeit  gewesen, 
ihn  zu  beseitigen;  da  machten  ihn  (1496)  zwei  Studenten  und  ein  ge- 
taufter Jude,  die  er  tödlich  beleidigt,  in  seinem  Hause  während  der 
Siesta  nieder  und  ritten  auf  bereitgehaltenen  Pferden  durch  die  Stadt, 
singend:  ,, Heraus,  Leute,  laufet!  wir  haben  den  Zampante  umgebracht." 
Die  nachgesandte  Mannschaft  kam  zu  spät,  als  sie  bereits  über  die 
nahe  Grenze  in  Sicherheit  gelangt  waren.  Natürlich  regnete  es  nun 
Pasquille,  die  einen  als  Sonette,  die  andern  als  Kanzonen.  —  Anderer-    xeunahme 
seits  ist  es  ganz  im  Geiste  dieses  Fürstentums,  daß  der  Souverän  seine 
Hochachtung  vor  nützlichen  Dienern  auch  dem  Hof  und  der  Bevölke- 
rung diktiert.  Als  1469  Borsos  Geheimrat  Lodovico  Casella  starb,  durfte 
am  Begräbnistage  kein  Tribunal  und  keine  Bude  in  der  Stadt  und  kein 
Hörsaal  in  der  Universität  offenstehen;  jedermann  sollte  die   Leiche 
nach  S.  Domenico  begleiten,  weil  auch  der  Herzog  mitziehen  würde. 
In  der  Tat  schritt  er  —  „der  erste  vom  Haus  Este,  der  einem  Unter- 
tan an  die  Leiche  gegangen"  —  in  schwarzem  Gewar.de  weinend  hinter 
dem  Sarge  her,  hinter  ihm  je  ein  Verwandter  Casellas  von  einem  Herrn 


kums  aa  der 

Trauer  der 

Fürsten 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


32 

vom  Hof  geführt;  Adlige  trugen  dann  die  Leiche  des  Bürgerlichen 
aus  der  Kirche  in  den  Kreuzgang,  wo  sie  beigesetzt  wurde.  Überhaupt 
l  ist  das  offizielle  Mitempfinden  fürstlicher  Gemütsbewegungen  zuerst  in 
diesen  italienischen  Staaten  aufgekommen^'.  Der  Kern  hiervon  mag 
seinen  schönen  menschlichen  Wert  haben,  die  Äußerung,  zumal  bei 
den  Dichtern,  ist  in  der  Regel  zweideutig.  Eines  der  Jugendgedichte 
Ariostos'",  auf  den  Tod  der  Lianora  von  Aragon,  Gemahhn  des  Ercole  I., 
enthält,  außer  den  unvermeidlichen  Trauerblumen,  wie  sie  in  allen 
Jahrhunderten  gespendet  werden,  schon  einige  völlig  moderne  Züge: 
,, Dieser  Todesfall  habe  Ferrara  einen  Schlag  versetzt,  den  es  in  vielen 
Jahren  nicht  verwinden  werde;  seine  Wohltäterin  sei  jetzt  Fürbitterin 
im  Himmel  geworden,  da  die  Erde  ihrer  nicht  würdig  gewesen;  freilich, 
die  Todesgöttin  sei  ihr  nicht  wie  uns  gemeinen  Sterbhchen  mit  blutiger 
Sense  genaht,  sondern  geziemend  (onesta)  und  mit  freundhchem  Ant- 
verherr-  Htz,  daß  jcdc  Furclit  vcrscliwand."  Aber  wir  treffen  noch  auf  ganz 
iichungfuret-  ^j^jjgj.g  Mitgefühle;  Novellisten,  welchen  an  der  Gunst  der  betreffenden 

lieber  Lieb-  °  '  ' 

Schäften  Häuscr  allcs  liegen  mußte  und  welche  auf  diese  Gunst  rechnen,  erzählen 
uns  die  Liebesgeschichten  der  Fürsten  zum  Teil  bei  deren  Lebzeiten®^ 
in  einer  Weise,  die  spätem  Jahrhunderten  als  der  Gipfel  aller  Indiskre- 
tion, damals  als  harmlose  Verbindlichkeit  erschien.  Ja  lyrische  Dichter 
bedichteten  die  beiläufigen  Passionen  ihrer  hohen,  dabei  legitim  ver- 

Abb.227     mahlten  Herren,  Angelo  Poliziano  die  des  Lorenzo  magnifico,  und  mit 

Abb.  130  besonderem  Akzent  Gioviano  Fontane  die  des  Alfonso  von  Kalabrien. 
Das  betreffende  Gedicht'-  verrät  wider  Willen  die  scheußliche  Seele  des 
Aragonesen;  er  muß  auch  in  diesem  Gebiete  der  Glücklichste  sein, 
sonst  wehe  denen,  die  glücklicher  wären!  —  Daß  die  größten  Maler, 
z.  B.  Lionardo,  die  Mätressen  ihrer  Herrn  malten,  versteht  sich  von  selbst. 
Der  Pomp        Das  estcnsischc  Fürstentum  wartete  aber  nicht  die  Verherrlichung 

der  Este     jj^j-ch  andere  ab,  sondern  es  verherrlichte  sich  selbst.  Borso  ließ  sich 

Abb.  356  ' 

im  Palazzo  Schifanoja  in  einer  Reihe  von  Regentenhandlungen  ab- 
malen, und  Ercole  feierte  (zuerst  1472)  den  Jahrestag  seines  Regierungs- 
antrittes mit  einer  Prozession,  welche  ausdrücklich  mit  der  des  Fron- 
leichnamsfestes verghchen  wird;  alle  Buden  waren  geschlossen  wie  an 
einem  Sonntag;  mitten  im  Zuge  marschierten  alle  vom  Haus  Este,  auch 
die  Bastarde,  in  GoldstofT.  Daß  alle  Macht  und  Würde  vom  Fürsten 
ausgehe,  eine  persönliche  Auszeichnung  von  seiner  Seite  sei,  war  an 
diesem  Hofe  schon  längst'^  versinnbildlicht  durch  einen  Orden  vom 
goldenen  Sporn,  der  mit  dem  mittelalterlichen  Rittertum  nichts  mehr 
zu  tun  hatte.  Ercole  L  gab  zum  Sporn  noch  einen  Degen,  einen  gold- 
gestickten Mantel  und  eine  Dotation,  wofür  ohne  Zweifel  eine  regel- 
mäßige Aufwartung  verlangt  wurde. 


DER  STAAT  ALS  KL'NSTWERK  33 

Das  Mäzenat,  wofür  dieser  Hof  weltberühmt  geworden  ist,  knüpfte  Das  Mäzeuat 
sich  teils  an  die   Universität,   w^elche   zu  den  vollständigsten   Italiens 
gehörte,  teils  an  den  Hof-  und  Staatsdienst;  besondere  Opfer  wurden 
dafür  kaum  gebracht.  Bojardo  gehörte  als  reicher  Landcdelmann  und 
hoher  Beamter  durchaus  nur  in  diese  Sphäre;  als  Ariost  anfing,  etwas     Abb.  232 
zu  werden,  gab  es,  wenigstens  in  der  wahren  Bedeutung,  keinen  mai- 
ländischen  und  keinen  florentinischen,  bald  auch  keinen  urbinatischen 
Hof  mehr,  von  Neapel  nicht  zu  reden,  und  er  begnügte  sich  mit  einer 
Stellung  neben  den  Musikern  und   Gauklern  des  Kardinals  IppoUto,  Abb  357.  jsf 
bis  ihn  Alfonso  in  seine  Dienste  nahm.  Anders  war  es  später  mit  Tor- 
quato Tasso,  auf  dessen  Besitz  der  Hof  eine  wahre  Eifersucht  zeigte. 


Gegenüber  von  dieser  konzentrierten  Fürstenmacht  war  jeder  Wider-  Reste  jer  ai- 
stand  innerhalb  des  Staates  erfolglos.  Die  Elemente  zur  Herstellung  '™ 
einer  städtischen  RepubHk  waren  für  immer  aufgezehrt,  alles  auf  Macht 
und  Gewaltübung  orientiert.  Der  Adel,  politisch  rechtlos,  auch  wo  er 
noch  feudalen  Besitz  hatte,  mochte  sich  und  seine  Bravi  als  Guclfen 
und  Gibellinen  einteilen  und  kostümieren,  sie  die  Feder  am  Barett 
oder  die  Bauschen  an  den  Hosen"  so  oder  anders  tragen  lassen  —  die 
Denkenden,  wie  z.  B.  Machiavclli**,  wußten  ein  für  allemal,  daß  Mai-  .«(■.  »5< 
land  oder  Neapel  für  eine  Republik  zu  ,, korrumpiert"  waren.  Es  kom- 
men wunderbare  Gerichte  über  jene  vorgeblichen  zwei  Parteien,  die 
längst  nichts  mehr  als  alte,  im  Schatten  der  Gewalt  am  Späher  gezogene 
Famihengehässigkeiten  waren.  Ein  italienischer  Fürst,  welchem  Agrippa 
von  Nettesheim**  die  Aufhebung  derselben  anriet,  antwortete:  ihre  Hän- 
del tragen  mir  ja  bis  12000  Dukaten  Bußgelder  jährhch  ein!  —  Und 
als  z.  B.  im  Jahre  1500  während  der  kurzen  Rückkehr  des  Moro  in 
seine  Staaten  die  Guelfen  von  Tortona  einen  Teil  des  nahen  französi- 
schen Heeres  in  ihre  Stadt  riefen,  damit  sie  den  Gibelhnen  den  Garaus 
machten,  plünderten  und  ruinierten  die  Franzosen  zunächst  allerdings 
diese,  dann  aber  auch  die  Guelfen  selbst,  bis  Tortona  völlig  verwüstet 
war".  —  Auch  in  der  Romagna,  wo  jede  Leidenschaft  und  jede  Rache 
unsterbUch  waren,  hatten  jene  beiden  Namen  den  politischen  Inhalt 
vollkommen  eingebüßt.  Es  gehörte  mit  zum  politischen  Irsinn  des  armen 
Volkes,  daß  die  Guelfen  hier  und  da  sich  zur  Sympathie  für  Frankreich, 
die  Gibellinen  für  Spanien  verpflichtet  glaubten.  Ich  sehe  nicht,  daß 
die,  welche  diesen  Irrsinn  ausbeuteten,  besonders  weit  damit  gekommen 
wären.  Frankreich  hat  Italien  nach  allen  Interv'cntionen  immer  wieder 
räumen  müssen,  und  was  aus  Spanien  geworden  ist,  nachdem  es  Italien 
umgebracht  hat,  das  greifen  wir  mit  den  Händen. 

Burckhardt  3 


OA  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Die  ver-         Doch  wif  kehren  zum  Fürstentum  der  Renaissance  zurück.  Eine  voll- 
schwöningen  j^^j^j^^jj  j-ginc  Sccle  hätte  vielleicht  auch  damals  räsoniert,  daß  alle 
Gewalt  von  Gott  sei,  und  daß  diese  Fürsten,  wenn  jeder  sie  gutwillig 
und  aus  redlichem  Herzen  unterstütze,  mit  der  Zeit  gut  werden  und 
ihren   gewaltsamen   Ursprung   vergessen    müßten.    Aber   von   leiden- 
schaftlichen, mit  schaffender  Glut  begabten  Phantasien  und  Gemütern 
ist  dies  nicht  zu  verlangen.  Sie  sahen,  wie  schlechte  Ärzte,  die  Hebung 
der  Krankheit  in  der  Beseitigung  des  Symptoms  und  glaubten,  wenn 
man  die  Fürsten  ermorde,  so  gebe  sich  die  Freiheit  von  selber.  Oder 
sie  dachten  auch  nicht  so  weit,  und  wollten  nur  dem  allgemein  verbrei- 
teten Haß  Luft  machen,  oder  nur  eine  Rache  für  Familienunglück  oder 
persönUche  Beleidigungen  üben.  So  wie  die  Herrschaft  eine  unbedingte, 
aller  gesetzlichen  Schranken  entledigte,  so  ist  auch  das  Mittel  der  Gegner 
ein  unbedingtes.  Schon  Boccaccio  sagt  es  offen^^:  ,,Soll  ich  den  Gewalt- 
herrn König,  Fürst  heißen  und  ihm  Treue  bewahren  als  meinem  Obern? 
Nein!  denn  er  ist  Feind  des  gemeinen  Wesens.   Gegen  ihn  kann  ich 
Waffen,  Verschwörung,  Späher,  Hinterhalt,  List  gebrauchen;  das  ist 
ein   heiliges,    notwendiges   Werk.    Es   gibt   kein   lieblicheres   Opfer  als 
Tyrannenblut."   Die   einzelnen   Hergänge   dürfen   uns   hier   nicht  be- 
schäftigen; Machiavelli  hat  in  einem  allbekannten  KapitcP*  seiner  Dis- 
corsi  die  antiken  und  modernen  Verschwörungen  von  der  alten  griechi- 
schen Tyrannenzeit   an   behandelt  und   sie   nach  ihrer  verschiedenen 
Anlage  und  ihren   Chancen  ganz  kaltblütig  beurteilt.   Nur  zwei   Be- 
merkungen: über  die  Mordtaten  beim  Gottesdienst  und  über  die  Ein- 
wirkung des  Altertums  mögen  hier  gestattet  sein. 
Der  Kirch™-      Es  War  fast  Unmöglich,  der  wohlbewachten  Gewaltherrscher  anders- 
wo habhaft  zu  werden  als  bei  feierlichen  Kirchgängen,  vollends  aber 
war  eine  ganze  fürstliche  Familie  bei  keinem  andern  Anlaß  beisammen- 
zutreffen.  So  ermordeten  die  Fabrianesen^""  (1435)  ihr  Tyrannenhaus, 
die  Chiavelli,  während  eines  Hochamtes,  und  zwar  laut  Abrede  bei 
den  Worten  des  Credo:    Et  incarnatus  est.  In  Mailand  wurde  (1412) 
Herzog  Giovan  Maria  Visconti  am  Eingang  der  Kirche  S.  Gottardo, 
(1476)  Herzog  Galeazzo  Maria  Sforza  in  der  Kirche  S.  Stefano  ermordet, 
und  Lodovico  Moro  entging  einst  (1484)  den  Dolchen  der  Anhänger 
der  verwitweten  Herzogin  Bona  nur  dadurch,  daß  er  die  Kirche  S.  Am- 
brogio  durch  eine  andere  Tür  betrat,  als  dieselben  erwartet  hatten. 
Eine  besondere  Impietät  war  dabei  nicht  beabsichtigt;   die  Mörder  Ga- 
leazzos  beteten  noch  vor  der  Tat  zu  dem  Heihgen  der  betreffenden  Kirche 
und  hörten  noch  die  erste  Messe  daselbst.  Doch  war  es  bei  der  Ver- 
schwörung der  Pazzi  gegen  Lorcnzo  und  Giuliano  Mcdici  (1478)  eine 
Ursache  des  teilweisen  Mißlingens,  daß  der  Bandit  Montesecco  sich 


mord 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


35 


zwar  für  die  Ermordung  bei  einem  Gastmahl  verdungen  hatte,  den 
Vollzug  im  Dom  von  Florenz  dagegen  verweigerte;  an  seiner  Stelle 
verstanden  sich  dann  Geistliche  dazu,  „welche  der  heiligen  Orte  ge- 
wohnt waren  und  sich  deshalb  nicht  scheuten^"^." 

Was  das  Altertum  betrifft,  dessen  Einwirkung  auf  die  sittlichen  und  Einwirkung 
speziell  auf  die  politischen  Fragen  noch  öfter  berührt  werden  wird,  "ums" 
so  gaben  die  Herrscher  selbst  das  Beispiel,  indem  sie  in  ihrer  Staats- 
idee sowohl  als  in  ihrem  Benehmen  das  alte  römische  Imperium  oft 
ausdrücklich  zum  Vorbild  nahmen.  Ebenso  schlössen  sich  nun  ihre 
Gegner,  sobald  sie  mit  theoretischer  Besinnung  zu  Werke  gingen,  den 
antiken  Tyrannenmördern  an.  Es  wird  schwer  zu  beweisen  sein,  daß 
sie  in  der  Hauptsache,  im  Entschluß  zur  Tat  selbst,  durch  dies  Vor- 
bild seien  bestimmt  worden,  aber  reine  Phrase  und  Stilsache  blieb  die 
Berufung  auf  das  Altertum  doch  nicht.  Die  merkwürdigsten  Aufschlüsse 
sind  über  die  Mörder  Galeazzo  Sforzas,  Lampugnani,  Olgiati  und  Vis- 
conti vorhanden ^''^.  Sie  hatten  alle  drei  ganz  persönliche  Motive,  und 
doch  kam  der  Entschluß  vielleicht  aus  einem  allgemeinern  Grunde. 
Ein  Humanist  und  Lehrer  der  Eloquenz,  Cola  de'  Montani,  hatte  unter 
einer  Schar  von  sehr  jungen  mailändischen  Adligen  eine  unklare  Be- 
gier nach  Ruhm  und  nach  großen  Taten  für  das  Vaterland  entzündet 
und  war  endlich  gegen  die  zwei  erstgenannten  mit  dem  Gedanken 
einer  Befreiung  Mailands  herausgerückt.  Bald  kam  er  in  Verdacht, 
wurde  ausgewiesen  und  mußte  die  Jünglinge  ihrem  lodernden  Fanatis- 
mus überlassen.  Etwa  zehn  Tage  vor  der  Tat  verschworen  sie  sich  Der 
feierhch  im  Kloster  S.  Ambrogio;  ,,dann",  sagt  Olgiati,  „in  einem  ab-  ^""^'p^'™" 
gelegenen  Raum  vor  einem  Bilde  des  heiligen  Ambrosius  erhob  ich 
meine  Augen  und  flehte  ihn  um  Hilfe  für  uns  und  sein  ganzes  Volk." 
Der  himmlische  Stadtpatron  soll  die  Tat  schützen,  gerade  wie  nach- 
her S.  Stephan,  in  dessen  Kirche  sie  geschieht.  Nun  zogen  sie  noch  viele 
andere  halb  in  die  Sache  hinein,  hatten  im  Hause  Lampugnani  ihr 
allnächtliches  Hauptquartier  und  übten  sich  mit  Dolchscheiden  im 
Stechen.  Die  Tat  gelang,  aber  Lampugnani  wurde  gleich  von  den  Be- 
gleitern des  Herzogs  niedergemacht  und  die  andern  ergriffen.  Visconti 
zeigte  Reue,  Olgiati  blieb  trotz  aller  Tortur  dabei,  daß  die  Tat  ein 
Gott  wohlgefälliges  Opfer  gewesen  und  sagte  noch,  während  ihm  der 
Henker  die  Brust  einschlug:  „Nimm  dich  zusammen,  Girolamo!  Man 
wird  lange  an  dich  denken;  der  Tod  ist  bitter,  der  Ruhm  ewig!" 

So  ideal  aber  die  Vorsätze  und  Absichten  hier  sein   mochten,   so   Katuinaner 
schimmert  doch  aus  der  Art  und  Weise,  wie  die  Verschwörung  betrieben 
wird,  das  Bild  gerade  des  heillosesten  aller  Konspiratoren  hervor,  der 
mit  der  Freiheit  gar  nichts  gemein  hat:  des  Catilina.   Die  Jahrbücher 


nß  DER  STAAT  ALS   KUNSTWERK 

von  Siena  sagen  ausdrücklich,  die  Verschwörer  hätten  den  Sallust  stu- 
diert, und  aus  Olgiatis  eigenem  Bekenntnis  erheUt  es  mittelbar ^''^.  Auch 
sonst  werden  wir  diesem  furchtbaren  Namen  wieder  begegnen.  Für 
das  geheime  Komplettieren  gab  es  eben  doch,  wenn  man  vom  Zweck 
absah,  kein  so  einladendes  Muster  mehr  wie  dieses. 
Fioreni  und  Bci  dctt  Florentinern,  sooft  sie  sich  der  Medici  entledigten  oder  ent- 
die  Tyrannen  jgjjggj^  wollten,  galt  der  Tyrauncnmord  als  ein  offen  zugestandenes 
Ideal.  Nach  der  Flucht  der  Medici  im  Jahre  1494  nahm  man  aus  ihrem 
Abb.  63  Palast  Donatellos  Bronzegruppe^"*  der  Judith  mit  dem  toten  Holofernes 
und  setzte  sie  vor  den  Signorenpalast  an  die  Stelle,  wo  jetzt  Michel- 
angelos David  steht,  mit  der  Inschrift:  exemplum  salutis  publicae  cives 
posuere  1495.  Ganz  besonders  aber  berief  man  sich  jetzt  auf  den  Jün- 
gern Brutus,  der  noch  bei  Dante^"*  mit  Cassius  und  Judas  Ischariot  im 
untersten  Schlund  der  Hölle  steckt,  weil  er  das  Imperium  verraten. 
Pietro  Paolo  Boscoli,  dessen  Verschwörung  gegen  Giuliano,  Giovanni 
und  Giulio  Medici  (1513)  mißlang,  hatte  im  höchsten  Grade  für  Brutus 
geschwärmt  und  sich  vermessen  ihn  nachzuahmen,  wenn  er  einen  Cas- 
sius fände;  als  solcher  hatte  sich  ihm  dann  Agostino  Capponi  ange- 
schlossen. Seine  letzten  Reden  im  Kerker^"*,  eines  der  wichtigsten  Akten- 
stücke über  den  damahgen  Religionszustand,  zeigen,  mit  welcher  An- 
strengung er  sich  jener  römischen  Phantasien  wieder  entledigte,  um 
christlich  zu  sterben.  Ein  Freund  und  der  Beichtvater  müssen  ihn  ver- 
sichern, S.  Tliomas  von  Aquino  verdamme  die  Verschwörungen  über- 
haupt, aber  der  Beichtvater  hat  in  späterer  Zeit  demselben  Freunde 
insgeheim  eingestanden,  S.  Thomas  mache  eine  Distinktion  und  er- 
laube die  Versciiwörung  gegen  einen  Tyrannen,  der  sich  dem  Volk 
gegen  dessen  Willen  mit  Gewalt  aufgedrungen.  Als  Lorenzino  Medici 
den  Herzog  Alessandro  (1537)  umgebracht  und  sich  geflüchtet  hatte, 
erschien  eine  wahrscheinlich  echte,  mindestens  in  seinem  Auftrage  ver- 
faßte Apologie^"'  der  Tat,  worin  er  den  Tyrannenmord  an  sich  als 
das  verdienstlichste  Werk  preist;  sich  selbst  vergleicht  er,  auf  den  Fall, 
daß  Alessandro  wirklich  ein  echter  Medici  und  also  (wenn  auch  weit- 
läufig) mit  ihm  verwandt  gewesen,  ungcschcut  mit  Timoleon,  dem 
Brudermörder  aus  Patriotismus.  Andere  haben  auch  liier  den  Vergleich 
mit  Brutus  gebraucht,  und  daß  selbst  Michelangelo  noch  ganz  spät  Ge- 
danken dieser  Art  nachgehangen  hat,  darf  man  wohl  aus  seiner  Brutus- 
Abh.  263  büste  (im  Bargcllo)  sciiließen.  Er  ließ  sie  unvollendet,  wie  fast  alle 
seine  Werke,  aber  gewiß  nicht,  weil  ihm  der  Mord  Cäsars  zu  schwer 
auf  das  Herz  gefallen,  wie  das  darunter  angebrachte  Distichon  meint. 
Das  Volk  und      Einen  Massenradikalismus,  wie  er  sich  gegenüber  den  neuern  Mon- 

die  Ver  _  _  .  , 

schwörer     archien  ausgebildet   hat,   würde   man   in   den   Fürstenstaaten  der   Re- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  37 

naissance  vergebens  suchen.  Jeder  einzelne  protestierte  wohl  in  seinem 
Innern  gegen  das  Fürstentum,  aber  er  suchte  viel  eher  sich  leidlich 
oder  vorteilhaft  unter  demselben  einzurichten  als  es  mit  vereinten  Kräften 
anzugreifen.  Es  mußte  schon  so  weit  kommen,  wie  damals  in  Camerino, 
in  Fabriano,  in  Rimini  (S.  20),  bis  eine  Bevölkerung  ihr  regierendes 
Haus  zu  vertilgen  oder  zu  verjagen  unternahm.  Auch  wußte  man  in 
der  Regel  zu  gut,  daß  man  nur  den  Herrn  wechseln  würde.  Das  Gestirn 
der  Republiken  war  entschieden  im  Sinken. 


Einst  hatten  die  italienischen  Städte  in  höchstem  Grade  jene  Kraft  unterging 
entwickelt,  welche  die  Stadt  zum  Staate  macht.  Es  bedurfte  nichts  ",/<,Vr 
weiter,  als  daß  sich  diese  Städte  zu  einer  großen  Föderation  verbündeten; 
ein  Gedanke,  der  in  Italien  immer  wiederkehrt,  mag  er  im  einzelnen 
bald  mit  diesen,  bald  mit  jenen  Formen  bekleidet  sein.  In  den  Kämpfen 
des  12.  und  13.  Jahrhunderts  kam  es  wirklich  zu  großen,  kriegerisch 
gewaltigen  Städtebünden,  und  Sismondi  (II.  174)  glaubt,  die  Zeit  der 
letzten  Rüstungen  des  Lombardenbundes  gegen  Barbarossa  (seit  11 68) 
wäre  wohl  der  Moment  gewesen,  da  eine  allgemeine  italienische  Föde- 
ration sich  hätte  bilden  können.  Aber  die  mächtigeren  Städte  hatten 
bereits  Charakterzüge  entwickelt,  welche  dies  unmöghch  machten:  sie 
erlaubten  sich  als  Handelskonkurrenten  die  äußersten  Mittel  gegen- 
einander und  drückten  schwächere  Nachbarstädte  in  rechtlose  Abhängig- 
keit nieder;  d.  h.  sie  glaubten  am  Ende  doch  einzeln  durchzukommen 
und  des  Ganzen  nicht  zu  bedürfen,  und  bereiteten  den  Boden  vor  für 
jede  andere  Gewaltherrschaft.  Diese  kam,  als  innere  Kämpfe  zwischen 
den  Adelsparteien  unter  sich  und  mit  den  Bürgern  die  Sehnsucht  nach 
einer  festen  Regierung  weckten  und  die  schon  vorhandenen  Soldtruppen 
jede  Sache  um  Geld  unterstützten,  nachdem  die  einseitige  Parteiregie- 
rung schon  längst  das  allgemeine  Bürgeraufgebot  unbrauchbar  zu  finden 
gewohnt  war^"^.  Die  Tyrannis  verschlang  die  Freiheit  der  meisten  Städte; 
hie  und  da  vertrieb  man  sie,  aber  nur  halb,  oder  nur  auf  kurze  Zeit; 
sie  kam  immer  wieder,  weil  die  Innern  Bedingungen  für  sie  vorhanden 
und  die  entgegenstrebenden  Kräfte  aufgebraucht  waren. 

Unter  den  Städten,  welche  ihre  Unabhängigkeit  bewahrten,  sind  zwei 
für  die  ganze  Geschichte  der  Menschheit  von  höchster  Bedeutung: 
Florenz,  die  Stadt  der  beständigen  Bewegung,  welche  uns  auch  Kunde 
hinterlassen  hat  von  allen  Gedanken  und  Absichten  der  einzelnen  und 
der  Gesamtheit,  die  drei  Jahrhunderte  hindurch  an  dieser  Bewegung 
teilnahmen;  dann  Venedig,  die  Stadt  des  scheinbaren  Stillstandes  und 
des  politischen  Schweigens.  Es  sind  die  stärksten  Gegensätze,  die  sich 


Die  Stadt 


og  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

denken  lassen,  und  beide  sind  wiederum  mit  nichts  auf  der  Welt  zu 
vergleichen. 
Venedig  Venedig  erkannte  sich  selbst  als  eine  wunderbare,  geheimnisvolle 
Abb.io7-i2z  Schöpfung,  in  welcher  noch  etwas  anderes  als  Menschenwitz  von  jeher 
wirksam  gewesen.  Es  gab  einen  Mythus  von  der  feierlichen  Gründung 
der  Stadt:  am  25.  März  413  um  Mittag  hätten  die  Übersiedler  aus 
Padua  den  Grundstein  gelegt  am  Rialto,  damit  eine  unangreifbare, 
heilige  Freistätte  sei  in  dem  von  den  Barbaren  zerrissenen  Italien. 
Spätere  haben  in  die  Seele  dieser  Gründer  alle  Ahnungen  der  künftigen 
Größe  hineingelegt;  M.  Antonio  Sabellico,  der  das  Ereignis  in  prächtig 
strömenden  Hexametern  gefeiert  hat,  läßt  den  Priester,  der  die  Stadt- 
weihe vollzieht,  zum  Himmel  rufen:  ,,Wenn  wir  einst  Großes  wagen, 
dann  gib  Gedeihen!  Jetzt  knien  wir  nur  vor  einem  armen  Altar,  aber 
wenn  unsere  Gelübde  nicht  umsonst  sind,  so  steigen  dir,  o  Gott,  liier 
einst  hundert  Tempel  von  Marmor  und  Gold  empor i"'!"  —  Die  Insel- 
stadt selbst  erschien  zu  Ende  des  15.  Jahrhunderts  wie  das  Schmuck- 
kästchen der  damahgen  Welt.  Derselbe  Sabellico  schildert  sie  als  sol- 
ches^" mit  ihren  uralten  Kuppelkirchen,  schiefen  Türmen,  inkrustierten 
Marmorfassaden,  mit  ihrer  ganz  engen  Pracht,  wo  die  Vergoldung  der 
Decken  und  die  Vermietung  jedes  Winkels  sich  miteinander  vertrugen. 
Er  führt  uns  auf  den  dichtwogenden  Platz  vor  S.  Giacometto  am  Rialto, 
wo  die  Geschäfte  einer  Welt  sich  nicht  durch  lautes  Reden  oder  Schreien, 
sondern  nur  durch  ein  vielstimmiges  Summen  verraten,  wo  in  den 
Portiken^^  ringsum  und  in  denen  der  anstoßenden  Gassen  die  Wechsler 
und  die  Hunderte  von  Goldschmieden  sitzen,  über  ihren  Häuptern 
Läden  und  Magazine  ohne  Ende;  jenseits  von  der  Brücke  beschreibt 
er  den  großen  Fondaco  der  Deutschen,  in  dessen  Hallen  ihre  Waren 
und  ihre  Leute  wohnen,  und  vor  welchem  stets  Schiff  an  Schiff  im  Kanal 
liegt;  von  da  weiter  aufwärts  die  Wein-  und  Ölfiotte  und  parallel  damit 
am  Strande,  wo  es  von  Facchincn  wimmelt,  die  Gewölbe  der  Händler; 
dann  vom  Rialto  bis  auf  den  Markusplatz  die  Parfümeriebuden  und 
Wirtshäuser.  So  geleitet  er  den  Leser  von  Qiiartier  zu  Quartier  bis 
hinaus  zu  den  beiden  Lazaretten,  welche  mit  zu  den  Instituten  hoher 
Zweckmäßigkeit  gehörten,  die  man  nur  hier  so  ausgebildet  vorfand. 
Fürsorge  für  die  Leute  war  überhaupt  ein  Kennzeichen  der  Venezianer, 
I  im  Frieden  -wie  im  Kriege,  wo  ihre  Verpflegung  der  Verwundeten, 
selbst  der  feindlichen,  für  andere  ein  Gegenstand  des  Erstaunens  war"^. 
Was  irgend  öffentliche  Anstalt  hieß,  konnte  in  Venedig  sein  Muster 
finden;  auch  das  Pensionswesen  wurde  systematisch  gehandhabt,  so- 
gar in  betreff  der  Hinterlasscncn.  Reichtum,  politische  Sicherheit  und 
Weltkenntnis  hatten  hier  das  Nachdenken  über  solche  Dinge  gereift. 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  3g 

Diese  schlanken,  blonden  Leute  nut  dem  leisen,  bedächtigen  Schritt  Die 
und  der  besonnenen  Rede,  unterschieden  sich  in  Tracht  und  Auftreten 
nur  wenig  voneinander;  den  Putz,  besonders  Perlen,  hingen  sie  ihren 
Frauen  und  Mädchen  an.  Damals  war  das  allgemeine  Gedeihen,  trotz 
großer  Verluste  durch  die  Türken,  noch  wahrhaft  glänzend;  aber  die 
aufgesammelte  Energie  und  das  allgemeine  Vorurteil  Europas  genügten 
auch  später  noch,  um  Venedig  selbst  die  schwersten  Schläge  lange  über- 
dauern zu  lassen:  die  Entdeckung  des  Seeweges  nach  Ostindien,  den 
Sturz  der  Mamelukenherrschaft  von  Äg^^ten  und  den  Krieg  der  Liga 
von  Cambrai. 

Sabelhco,  der  aus  der  Gegend  von  Tivoli  gebürtig  und  an  das  un-  Der  suat 
genierte  Redewerk  der  damaligen  Philologen  gewöhnt  war,  bemerkt 
an  einem  andern  Orte'^  mit  einigem  Erstaunen,  daß  die  jungen  Nobili, 
welche  seine  Morgenvorlesungen  hörten,  sich  gar  nicht  auf  das  Politi- 
sieren mit  ihm  einlassen  wollten:  ,,Wenn  ich  sie  frage,  was  die  Leute 
von  dieser  oder  jener  Bewegung  in  ItaUen  dächten,  sprächen  und  er- 
warteten, antworteten  sie  mir  alle  mit  einer  Stimme,  sie  wüßten  nichts." 
Man  konnte  aber  von  dem  demoralisierten  Teil  des  Adels  trotz  aller 
Staatsinquisition  mancherlei  erfahren,  nur  nicht  so  wohlfeilen  Kaufes. 
Im  letzten  Viertel  des  15.  Jahrhunderts  gab  es  Verräter  in  den  höchsten  Die  verrät« 
Behörden"*;  die  Päpste,  die  italienischen  Fürsten,  ja  ganz  mittelmäßige 
Kondottieren  im  Dienst  der  Republik  hatten  ihre  Zuträger,  zum  Teil 
mit  regelmäßiger  Besoldung;  es  war  so  weit  gekommen,  daß  der  Rat 
der  Zehn  für  gut  fand,  dem  Rat  der  Pregadi  wichtigere  politische  Nach- 
richten zu  verbergen,  ja  man  nahm  an,  daß  Lodo\ico  Moro  in  den 
Pregadi  über  eine  ganz  bestimmte  Stimmenzahl  verfüge.  Ob  das  nächt- 
liche Aufhenken  einzelner  Schuldigen  und  die  hohe  Belohnung  der 
Angeber  (z.  B.  sechzig  Dukaten  lebenslängliche  Pension)  viel  fruchteten, 
ist  schwer  zu  sagen;  eine  Hauptursache,  die  Armut  vieler  Nobili,  ließ 
sich  nicht  plötzhch  beseitigen.  Im  Jahre  1492  betrieben  zwei  Nobili 
einen  Vorschlag,  der  Staat  solle  jährlich  70000  Dukaten  zur  Vertröstung 
derjenigen  armen  Adligen  auswerfen,  welche  kein  Amt  hätten;  die 
Sache  war  nahe  daran,  vor  den  großen  Rat  zu  kommen,  wo  sie  eine 
Majorität  hätte  erhalten  können  —  als  der  Rat  der  Zehn  noch  zu 
rechter  Zeit  eingriff  und  die  beiden  auf  Lebenszeit  nach  Nicosia  auf 
Zypern  verbannte^*.  Um  diese  Zeit  wurde  ein  Soranzo  auswärts  als 
Kirchenräuber  gehenkt  und  ein  Contarini  wegen  Einbruchs  in  Ketten 
gelegt;  ein  anderer  von  derselben  Familie  trat  1499  vor  die  Signorie 
und  jammerte,  er  sei  seit  vielen  Jahren  ohne  Amt,  habe  nur  16  Dukaten 
Einkünfte  und  neun  Kinder,  dazu  60  Dukaten  Schulden,  verstehe  kein 
Geschäft  und  sei  neulich  auf  die  Gasse  gesetzt  worden.  Man  begreift, 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


40 

daß  einzelne  reiche  Nobili  Häuser  bauen,  um  die  armen  darin  gratis 
wohnen  zu  lassen.  Der  Häuserbau  um  Gottes  willen,  selbst  in  ganzen 
Reihen,  kommt  in  Testamenten  als  gutes  Werk  vor"^. 
Dicgesuiuien  Wenn  die  Feinde  Venedigs  auf  Übelstände  dieser  Art  jemals  ernst- 
'^""*'  liehe  Hoffnungen  gründeten,  so  irrten  sie  sich  gleichwohl.  Man  könnte 
glauben,  daß  schon  der  Schwung  des  Handels,  der  auch  dem  Geringsten 
einen  reichlichen  Gewinn  der  Arbeit  sicherte,  daß  die  Kolonien  im  öst- 
lichen Mittelmeer  die  gefährlichen  Kräfte  von  der  Politik  abgelenkt 
haben  möchten.  Hat  aber  nicht  Genua,  trotz  ähnlicher  Vorteile,  die 
sturmvollste  politische  Geschichte  gehabt?  Der  Grund  von  Venedigs 
Unerschütterhchkeit  liegt  eher  in  einem  Zusammenwirken  von  Um- 
ständen, die  sich  sonst  nirgends  vereinigten.   Unangreifbar  als  Stadt, 

■  hatte  es  sich  von  jeher  der  auswärtigen  Verhältnisse  nur  mit  der  kühlsten 

■  Überlegung  angenommen,  das  Parteiwesen  des  übrigen  Italiens  fast 
ignoriert,  seine  Allianzen  nur  für  vorübergehende  Zwecke  und  um 
möglichst  hohen  Preis  geschlossen.  Der  Grundton  des  venezianischen 
Gemütes  war  daher  der  einer  stolzen,  ja  verachtungsvollen  Isolierung 
und  folgerichtig  einer  stärkern  Solidarität  im  Innern,  wozu  der  Haß 
des  ganzen  übrigen  Italiens  noch  das  Seine  tat.  In  der  Stadt  selbst 
hatten  dann  alle  Einwohner  die  stärksten  gemeinschaftlichen  Interessen 
gegenüber  den  Kolonien  sowohl  als  den  Besitzungen  der  Terraferma, 
indem  die  Bevölkerung  der  letztern  (d.  h.  der  Städte  bis  Bergamo) 
nur  in  Venedig  kaufen  und  verkaufen  durfte.  Ein  so  künstlicher  Vorteil 
konnte  nur  durch  Ruhe  und  Eintracht  im  Innern  aufrechterhalten  wer- 
den • —  das  fühlte  gewiß  die  übergroße  Mehrzahl,  und  für  Verschwörer 
war  schon  deshalb  hier  ein  schlechter  Boden.  Und  wenn  es  Unzufrie- 
dene gab,  so  wurden  sie  durch  die  Trennung  in  Adlige  und  Bürger 
auf  eine  Weise  auseinandergehalten,  die  jede  Annäherung  sehr  er- 
schwerte. Innerhalb  des  Adels  aber  war  den  möglicherweise  Gefähr- 
lichen, nämlich  den  Reichen,  eine  Hauptquelle  aller  Verschwörunger, 
der  Müßiggang,  abgeschnitten  durch  ihre  großen  Handelsgeschäfte  und 
Reisen  und  durch  die  Teilnahme  an  den  stets  wiederkehrenden  Türken- 
kriegen. Die  Kommandanten  schonten  sie  dabei,  ja  bisweilen  in  straf- 
barer Weise,  und  ein  venezianischer  Cato  weissagte  den  Untergang  der 
Macht,  wenn  diese  Scheu  der  Nobili,  einander  irgend  wehe  zu  tun, 
auf  Unkosten  der  Gerechtigkeit  fortdauern  würdc^^'.  Immerhin  aber 
gab  dieser  große  Verkehr  in  der  freien  Luft  dem  Adel  von  \'cnedig 

»er  R.it  d.r   ciuc  gcsundc  Richtung  im  ganzen.  Und  wenn  Neid  und  Ehrgeiz  durch- 
aus einmal  Genugtuung  begehrten,  so  gab  es  ein  offizielles  Opfer,  eine 
Behörde  und  legale  Mittel.  Die  vicijährige  moralische  Marter,  welcher 
Abb.  117     der   Doge    Francesco   Foscari   (starb    1457)   vor  den   Augen   von   ganz 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  4I 

Venedig  unterlag,  ist  vielleicht  das  schrecklichste  Beispiel  dieser  nur 
in  Aristokratien  möglichen  Rache.  Der  Rat  der  Zehn,  welcher  in  alles 
eingriff,  ein  unbedingtes  Recht  über  Leben  und  Tod,  über  Kassen 
und  Armeebefehl  besaß,  die  Inquisitoren  in  sich  enthielt,  und  den  Fos- 
cari  wie  so  manchen  Mächtigen  stürzte,  dieser  Rat  der  Zehn  wurde 
alljährlich  von  der  ganzen  regierenden  Kaste,  dem  Gran-consiglio,  neu 
gewählt,  und  war  somit  der  unmittelbarste  Ausdruck  derselben.  Große 
Intrigen  mögen  bei  diesen  Wahlen  kaum  vorgekommen  sein,  da  die 
kurze  Dauer  und  die  spätere  Verantwortlichkeit  das  Amt  nicht  sehr 
begehrenswert  machten.  Allein  vor  diesen  und  andern  venezianischen 
Behörden,  mochte  ihr  Tun  noch  so  unterirdisch  und  gewaltsam  sein, 
flüchtete  sich  doch  der  echte  Venezianer  nicht,  sondern  er  stellte  sich; 
nicht  nur  weil  die  Republik  lange  Arme  hatte  und  statt  seiner  die  Familie 
plagen  konnte,  sondern  weil  in  den  meisten  Fällen  wenigstens  nach 
Gründen  und  nicht  aus  Blutdurst  verfahren  wurde "^.  Überhaupt  hat 
wohl  kein  Staat  jemals  eine  größere  moralische  Macht  über  seine  An- 
gehörigen in  der  Ferne  ausgeübt.  Wenn  es  z.  B.  Verräter  in  den  Pregadi 
gab,  so  wurde  dies  reichlich  dadurch  aufgewogen,  daß  jeder  Venezianer 
in  der  Fremde  ein  geborncr  Kundschafter  für  seine  Regierung  war. 
\'on  den  venezianischen  Kardinälen  in  Rom  verstand  es  sich  von  selbst, 
daß  sie  die  Verhandlungen  der  geheimen  päpsthchen  Konsistorien  nach 
Hause  meldeten.  Kardinal  Domenico  Grimani  ließ  in  der  Nähe  von 
Rom  (1500)  die  Depeschen  wegfangen,  welche  Ascanio  Sforza  an  seiner. 
Bruder  Lodovico  Moro  absandte,  und  schickte  sie  nach  Venedig;  sein 
eben  damals  schwer  angeklagter  Vater  machte  dies  Verdienst  des  Soh- 
nes öffentUch  vor  dem  Gran-consiglio,  d.  h.  vor  der  ganzen  Welt,  gel- 
tend»!«. 

Wie  Venedig  seine  Kondottieren  hielt,  ist  oben  (S.  13)   angedeutet  Verhältnis  zu 
worden.    Wenn   es   noch   irgendeine   besondere   Garantie   ihrer   Treue     düttieren 
suchen  wollte,  so  fand  es  sie  etwa  in  ihrer  großen  Anzahl,  welche  den      ■tt't'-yo 
V^errat  ebensosehr  erschweren  als  dessen  Entdeckung  erleichtern  mußte. 
Beim  Anblick  venezianischer  Armeerollen  fragt  man  sich  nur,  wie  bei 
so  bunt  zusammengesetzten  Scharen  eine  gemeinsame  Aktion  möglich 
gewesen?  In  derjenigen  des  Krieges  von  1495  figurieren^"  15526  Pferde 
in  lauter  kleinen  Posten;  nur  der  Gonzaga  von  Mantua  hatte  davon 
1200,  Gioffredo  Borgia  740;  dann  folgen  sechs  Anführer  mit   700  bis 
600,  zehn  mit  400,  zwölf  mit  400 — 200,  etwa  vierzehn  mit  200 — 100, 
neun  mit  80,  sechs  mit  60 — 50  usw.   Es  sind  teils  alte  venezianische 
Truppenkörper,  teils  solche  unter  venezianischen  Stadtadligen  und  Land- 
adhgen,  die  meisten  Anführer  aber  sind  Fürsten  und  Stadthäupter  oder 
Verwandte  von  solchen.  Dazu  kommen  24000  Mann  Infanterie,  über 


42 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


deren  Beischaffung  und  Führung  nichts  bemerkt  wird,  nebst  weitern 
3300  Mann  wahrscheinlich  besonderer  Waffengattungen.  Im  Frieden 
waren  die  Städte  der  Terraferma  gar  nicht  oder  mit  unglaubHch  ge- 
ringen Garnisonen  besetzt.  Venedig  verHeß  sich  nicht  gerade  auf  die 
Pietät,  wohl  aber  auf  die  Einsicht  seiner  Untertanen;  beim  Kriege 
Auswärtige  dcr  Liga  von  Cambrai  (1509)  sprach  es  sie  bekanntlich  vom  Treueid 
''°''"''  los,  und  ließ  es  darauf  ankommen,  daß  sie  die  Annehmlichkeiten  einer 
feindlichen  Okkupation  mit  seiner  milden  Herrschaft  vergleichen  wür- 
den; da  sie  nicht  mit  Verrat  von  S.  Markus  abzufallen  nötig  gehabt 
hatten  und  also  keine  Strafe  zu  fürchten  brauchten,  kehrten  sie  mit  dem 
größten  Eifer  wieder  unter  die  gewohnte  Herrschaft  zurück.  Dieser 
Krieg  war,  beiläufig  gesagt,  das  Resultat  eines  hundertjährigen  Geschreies 
über  die  Vergrößerungssucht  Venedigs.  Letzteres  beging  bisweilen  die 
Fehler  allzu  kluger  Leute,  welche  auch  ihren  Gegnern  keine  nach  ihrer 
Ansicht  törichten,  rechnungswidrigen  Streiche  zutrauen  wollen^^.  In 
diesem  Optimismus,  der  vielleicht  den  Aristokratien  am  ehesten  eigen 
Abb.  i!6  ist,  hatte  man  einst  die  Rüstungen  Mohammeds  II.  zur  Einnahme 
Abb.  132  von  Konstantinopel,  ja  die  Vorbereitungen  zum  Zuge  Karls  VIII. 
völlig  ignoriert,  bis  das  Unerwartete  doch  geschah  ^'^.  Ein  solches  Er- 
eignis war  nun  auch  die  Liga  von  Cambrai,  insofern  sie  dem  klaren 
Abb.  133,154  Interesse  der  Hauptanstiftcr,  Ludwig  XII.  und  Julius  IL,  entgegenhef. 
Im  Papst  war  aber  der  alte  Haß  von  ganz  Italien  gegen  die  erobernden 
Venezianer  aufgesammelt,  so  daß  er  über  den  Einmarsch  der  Fremden 
die  Augen  schloß,  und  was  die  Politik  des  Kardinals  Amboise  und  seines 
Königs  betraf,  so  hätte  Venedig  deren  bösartigen  Blödsinn  schon  lange 
als  solchen  erkennen  und  furchten  sollen.  Die  meisten  übrigen  nahmen 
an  der  Liga  teil  aus  jenem  Neid,  der  dem  Reichtum  und  der  Macht 
als  nützliche  Zuchtrute  gesetzt,  an  sich  aber  ein  ganz  jämmerliches 
Ding  ist.  Venedig  zog  sich  mit  Ehren,  aber  doch  nicht  ohne  bleibenden 
Schaden  aus  dem  Kampfe. 
Die  Heimat  Eine  Macht,  deren  Grundlagen  so  kompliziert,  deren  Tätigkeit  und 
Interessen  auf  einen  so  weiten  Schauplatz  ausgedehnt  waren,  ließe  sich 
gar  nicht  denken  ohne  eine  großartige  Übersicht  des  Ganzen,  ohne 
eine  beständige  Bilanz  der  Kräfte  und  Lasten,  der  Zunahme  und  Ab- 
nahme. Venedig  möchte  sich  wohl  als  den  Geburtsort  der  modernen 
Statistik  geltend  machen  dürfen,  mit  ihm  vielleicht  Florenz  und  in 
zweiter  Linie  die  entwickelteren  italienischen  Fürstentümer.  Der  Lchns- 
staat  des  Mittelalters  bringt  höchstens  Gesamtverzeichnisse  der  fürst- 
lichen Rechte  und  Nutzbarkeiten  (Urbarien)  hervor;  er  faßt  die  Pro- 
duktion als  eine  stehende  auf,  was  sie  annäherungsweise  auch  ist,  so- 
lange es  sich  wesentlich  um  Grund  und  Boden  handelt.  Diesem  gegen- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  ^3 

über  haben  die  Städte  im  ganzen  Abendlande  wahrscheinlich  von  frühe 
an  ihre  Produktion,  die  sich  auf  Industrie  und  Handel  bezog,  als  eine 
höchst  bewegliche  erkannt  und  danach  behandelt,  allein  es  bheb  —  selbst 
in  den  Blütezeiten  der  Hansa  —  bei  einer  einseitig  kommerziellen  Bilanz. 
Flotten,  Heere,  politischer  Druck  und  Einfluß  kamen  einfach  unter 
das  Soll  und  Haben  eines  kaufmännischen  Hauptbuches  zu  stehen. 
Erst  in  den  italienischen  Staaten  vereinigen  sich  die  Konsequenzen 
einer  völligen  politischen  Bewußtheit,  das  Vorbild  mohammedanischer 
Administration  und  ein  uralter  starker  Betrieb  der  Produktion  und  des 
Handels  selbst,  um  eine  wahre  Statistik  zu  begründen^^.  Der  unter- 
itahsche  Zwangsstaat  Kaiser  Friedrichs  H.  (S.  2  f.)  war  einseitig  auf 
Konzentration  der  Macht  zum  Zwecke  eines  Kampfes  um  Sein  oder 
Nichtsein  organisiert  gewesen.  In  Venedig  dagegen  sind  die  letzten 
Zwecke  Genuß  der  Macht  und  des  Lebens,  Weiterbildung  des  von 
den  Vorfahren  Ererbten,  Ansammlung  der  gewinnreichsten  Industrien 
und  Eröffnung  stets  neuer  Absatzwege. 

Die  Autoren  sprechen  sich  über  diese  Dinge  mit  größter  Unbefangen-  Popuiaiio- 
heit  aus^*.  Wir  erfahren,  daß  die  Bevölkerung  der  Stadt  im  Jahr  1422 
190000  Seelen  betrug;  vielleicht  hat  man  in  Italien  am  frühesten  an- 
gefangen, nicht  mehr  nach  Feuerherden,  nach  Waffenfähigen,  nach 
solchen,  die  auf  eigenen  Beinen  gehen  konnten  u.  dgl.,  sondern  nach 
anime  zu  zählen  und  darin  die  neutralste  Basis  aller  weitern  Berech- 
nungen anzuerkennen.  Als  die  Florentiner  um  dieselbe  Zeit  ein  Bünd- 
nis mit  Venedig  gegen  Filippo  Maria  Visconti  wünschten,  \vies  man  sie 
einstweilen  ab,  in  der  klaren,  hier  durch  genaue  Handelsbilanz  belegten 
Überzeugung,  daß  jeder  Krieg  zwischen  Mailand  und  Venedig,  d.  h. 
zwischen  Abnehmer  und  Verkäufer,  eine  Torheit  sei.  Schon  wenn  der 
Herzog  nur  sein  Heer  vermehre,  so  werde  das  Herzogtum  wegen  so- 
fortiger Erhöhung  der  Steuern  ein  schlechterer  Konsument.  ,, Besser  man 
lasse  die  Florentiner  unterliegen,  dann  siedeln  sie,  des  freistädtischen 
Lebens  gewohnt,  zu  uns  über  und  bringen  ihre  Seiden-  und  Wollen- 
weberei mit,  wie  die  bedrängten  Lucchesen  getan  haben."  Das  Merk- 
würdigste aber  ist  die  Rede  des  sterbenden  Dogen  Mocenigo  (1423)  an  Abb.  ns 
einige  Senatoren,  die  er  vor  sein  Bett  kommen  ließ^^.  Sie  enthält  die 
wichtigsten  Elemente  einer  Statistik  der  gesamten  Kraft  und  Habe 
Venedigs.  Ich  weiß  nicht,  ob  und  wo  eine  gründliche  Erläuterung  dieses 
schwierigen  Aktenstückes  existiert;  nur  als  Kuriosität  mag  folgendes 
angeführt  werden.  Nach  geschehener  Abbezahlung  von  4  Millionen  Das  sou  und 
Dukaten  eines  Kriegsanlehens  betrug  die  Staatsschuld  (il  monte)  damals 
noch  6  Mill.  Dukaten.  Der  Gesamtumlauf  des  Handels  (wie  es  scheint) 
betrug  10  Mill.,  welche  4  Mill.  abwarfen.  (So  heißt  es  im  Text.)  Auf 


Verspätung 

der  Renais- 

sancp 


Offizielk 
Andacht 


.Abb.  in,  166, 
167 


AA  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

3000  Navigli,  300  Nävi  vind  45  Galeeren  fuhren  17000  bzw.  8000  und 
1 1 000  Seeleute.  (Über  200  Mann  pro  Galera.)  Dazu  kamen  16000 
Schiffszimmcrleute.  Die  Häuser  von  Venedig  hatten  7  Mill.  Schätzungs- 
wert und  trugen  an  Miete  eine  halbe  Million  ein^^^.  Es  gab  1000  Adlige 
von  70  bis  4000  Dukaten  Einkommen.  —  An  einer  andern  Stelle  wird 
die  ordentHche  Staatseinnahme  in  jenem  selben  Jahre  auf  i  looooo  Du- 
katen geschätzt;  durch  die  Handelsstörungen  infolge  der  Kriege  war 
sie  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  auf  800000  Dukaten  gesunken^'. 
Wenn  Venedig  durch  derartige  Berechnungen  und  deren  praktische 
Anwendung  eine  große  Seite  des  modernen  Staatswesens  am  frühesten 
vollkommen  darstellte,  so  stand  es  dafür  in  derjenigen  Kultur,  welche 
man  damals  in  Italien  als  das  Höchste  schätzte,  einigermaßen  zurück. 
Es  fehlt  hier  der  literarische  Trieb  im  allgemeinen  und  insbesondere 
jener  Taumel  zugunsten  des  klassischen  Altertums^^.  Die  Begabung  zu 
Philosophie  und  Beredsamkeit,  meint  Sabellico,  sei  hier  an  sich  so  groß 
als  die  zum  Handel  und  Staatwesen;  schon  1459  legte  Georg  der  Trape- 
zuntier die  lateinische  Übersetzung  von  Piatos  Buch  über  die  Gesetze 
dem  Dogen  zu  Füßen  und  wurde  mit  150  Dukaten  jährlich  als  Lehrer 
der  Philologie  angestellt,  dedizierte  auch  der  Signorie  seine  Rhetorik '^^. 
Durchgeht  man  aber  die  venezianische  Literaturgeschichte,  welche 
Francesco  Sansovino  seinem  bekannten  Buche ^^^  angehängt  hat,  so  er- 
geben sich  für  das  14.  Jahrhundert  fast  noch  lauter  theologische,  juri- 
dische und  medizinische  Fachwerke  nebst  Historien,  und  auch  im  1 5.  Jahr- 
hundert ist  der  Humanismus  im  Verhältnis  zur  Bedeutung  der  Stadt 
bis  auf  Ermolao  Barbaro  und  Aldo  Manucci  nur  äußerst  spärlich  ver- 
treten. Die  Bibliothek,  welche  der  Kardinal  Bessarion  dem  Staat  ver- 
machte, wurde  kaum  eben  \or  Zerstreuung  und  Zerstörung  geschützt. 
Für  gelehrte  Sachen  hatte  man  ja  Padua,  wo  freilich  die  Mediziner  und 
die  Juristen  als  Verfasser  staatsrechtlicher  Gutachten  weit  die  höchsten 
Besoldungen  hatten.  Auch  die  Teilnahme  an  der  italienischen  Kunst- 
dichtung ist  lange  Zeit  eine  geringe,  bis  dann  das  beginnende  16.  Jahr- 
hundert alles  Versäumte  nachholt.  Selbst  den  Kunstgeist  der  Renaissance 
hat  sich  Venedig  von  außen  her  zubringen  lassen,  und  erst  gegen  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  sich  mit  voller  eigener  Machtfülle  darin  bewegt. 
Ja  es  gibt  hier  noch  bezeichnendere  geistige  Zögerungen.  Derselbe  Staat, 
welcher  seinen  Klerus  so  vollkommen  in  der  Gewalt  hatte,  die  Besetzung 
aller  wichtigen  Stellen  sich  vorbehielt,  und  der  Kurie  einmal  über  das 
andere  Trotz  bot,  zeigte  eine  offizielle  Andacht  von  ganz  besonderer 
Färbung  ^^'.  Heilige  Leichen  und  andere  Reliquien  aus  dem  von  den 
Türken  eroberten  Griechenland  werden  mit  den  größten  Opfern  er- 
worben und  vom  Dogen  in  großer  Prozession  empfangen'^*.  Für  den 


DER    STAAT  ALS   KUNSTWliRK 


45 


ungenähten  Rock  beschloß  man  (1455)  bis  10  000  Dukaten  aufzuwenden, 
konnte  ihn  aber  nicht  erhalten.  Es  handelte  sich  hier  nicht  um  eine 
populäre  Begeisterung,  sondern  um  einen  stillen  Beschluß  der  höhern 
Staatsbehörde,  welcher  ohne  alles  Aufsehen  hätte  unterbleiben  können 
und  in  Florenz  unter  gleichen  Umständen  gewiß  unterblieben  wäre.  Die 
Andacht  der  Massen  und  ihren  festen  Glauben  an  den  Ablaß  eines 
Alexander  VI.  lassen  wir  ganz  außer  Betrachtung.  Der  Staat  selber  aber, 
nachdem  er  die  Kirche  mehr  als  anderswo  absorbiert,  hatte  wirklich 
hier  eine  Art  von  geistlichem  Element  in  sich,  und  das  Staatssymbol, 
der  Doge,  trat  bei  zwölf  großen  Prozessionen^^  (andate)  in  halbgeist- 
licher Funktion  auf.  Es  waren  fast  lauter  Feste  zu  Ehren  politischer  Er- 
innerungen, welche  mit  den  großen  Kirchenfesten  konkurrierten;  das 
glänzendste  derselben,  die  berühmte  Vermählung  mit  dem  Meere,  jedes- 
mal am  Himmelfahrtstage.  Abb.  no 

Die  höchste  politische  Bewußtheit,  den  größten  Reichtum  an  Ent-  piorem 
wicklungsformen  findet  man  vereinigt  in  der  Geschichte  von  Florenz,  '*''^-9^- 
welches  in  diesem  Sinne  wohl  den  Namen  des  ersten  modernen  Staates 
der  Welt  verdient.  Hier  treibt  ein  ganzes  Volk  das,  was  in  den  Fürsten- 
staaten die  Sache  einer  Familie  ist.  Der  wunderbare  florentinische  Geist, 
scharf  räsonierend  und  künstlerisch  schaffend  zugleich,  gestaltet  den 
politischen  und  sozialen  Zustand  unaufhörlich  um  und  beschreibt  und 
richtet  ihn  ebenso  unaufhörlich.  So  wurde  Florenz  die  Heimat  der 
politischen  Doktrinen  und  Theorien,  der  Experimente  und  Sprünge, 
aber  auch  mit  Venedig  die  Heimat  der  Statistik  und  allein  und  vor 
allen  Staaten  der  Welt  die  Heimat  der  gescliichtlichen  Darstellung  im 
neuern  Sinne.  Der  Anblick  des  alten  Roms  und  die  Kenntnis  seiner 
Geschichtschreiber  kam  hinzu,  und  Giovanni  Villani  gesteht^^*,  daß  er 
beim  Jubiläum  des  Jahres  1300  die  Anregung  zu  seiner  großen  Arbeit 
empfangen  und  gleich  nach  der  Heimkehr  dieselbe  begonnen  habe;  allein 
wie  manche  unter  den  200000  Rompilgern  jenes  Jahres  mögen  ihm  an 
Begabung  und  Richtung  ähnlich  gewesen  sein  und  haben  doch  die  Ge- 
schichte ihrer  Städte  nicht  geschrieben!  Denn  nicht  jeder  konnte  so 
trostvoll  beifügen:  ,,Rom  ist  im  Sinken,  meine  Vaterstadt  aber  im  Auf- 
steigen und  zur  Ausführung  großer  Dinge  bereit,  und  darum  habe  ich 
ihre  ganze  Vergangenheit  aufzeichnen  wollen  und  gedenke  damit  fort- 
zufahren bis  auf  die  Gegenwart  und  soweit  ich  noch  die  Ereignisse  er- 
leben werde."  Und  außer  dem  Zeugnis  von  seinem  Lebensgange  er- 
reichte Florenz  durch  seine  Geschichtschreiber  noch  etwas  weiteres: 
einen  größeren  Ruhm  als  irgendein  anderer  Staat  von  Italien ^'^. 

Nicht  die  Geschichte  dieses  denkwürdigen  Staates,  nur  einige  An-    objektive. 

politisches 

deutungen  über  die  geistige  Freiheit  und  Objektivität,  welche  durch    B,.wußtsein 


nes  Räsonne 
ment 


^6  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

diese  Geschichte  in  den  Florentinern  wach  geworden,  sind  hier  unsere 
Aufgabe. 

Um  das  Jahr  1300  beschiicb  Dino  Compagni  die  städtischen  Kämpfe 
seiner  Tage.  Die  politische  Lage  der  Stadt,  die  innern  Triebfedern  der 
Parteien,  die  Charaktere  der  Führer,  genug  das  ganze  Gewebe  von 
nähern  und  entferntem  Ursachen  und  Wirkungen  sind  hier  so  geschil- 
dert, daß  man  die  allgemeine  Superiorität  des  florentinischen  Urteilens 
und  Schilderns  mit  Händen  greift.  Und  das  größte  Opfer  dieser  Krisen, 
Abb.  213  Dante  Alighieri,  welch  ein  Politiker,  gereift  durch  Heimat  und  Exil! 
Er  hat  den  Hohn  über  das  beständige  Ändern  und  Experimentieren  an 
der  Verfassung  in  eherne  Terzinen  gegossen^*,  welche  sprichwörtlich 
bleiben  werden,  wo  irgend  ähnliches  vorkommen  will;  er  hat  seine  Hei- 
mat mit  Trotz  und  mit  Sehnsucht  angeredet,  daß  den  Florentinern  das 
und  aiigen.ci-  Hcrz  bcbcn  mußte.  Aber  seine  Gedanken  dehnen  sich  aus  über  Italien 
und  die  Welt,  und  wenn  seine  Agitation  für  das  Imperium,  wie  er  es  auf- 
faßte, nichts  als  ein  Irrtum  war,  so  muß  man  bekennen,  daß  das  jugend- 
liche Traumwandcln  der  kaum  geborenen  politischen  Spekulation  bei  ihm 
eine  poetische  Größe  hat.  Er  ist  stolz,  der  erste  zu  sein,  der  diesen  Pfad 
betritt ^^',  allerdings  an  der  Hand  des  Aristoteles,  aber  in  seiner  Weise 
sehr  selbständig.  Sein  Idealkaiser  ^ist  ein  gerechter,  menschenhebender 
nur  von  Gott  abhängender  Oberrichter,  der  Erbe  der  römischen  Welt-, 
herrschaft,  welche  eine  vom  Recht,  von  der  Natur  und  von  Gottes  Rat- 
schluß gebilligte  war.  Die  Eroberung  des  Erdkreises  sei  nämhch  eine 
rechtmäßige,  ein  Gottesurteil  zwischen  Rom  und  den  übrigen  Völkern 
gewesen,  und  Gott  habe  dieses  Reich  anerkannt,  indem  er  unter  dem- 
selben Mensch  wurde  und  sich  bei  seiner  Geburt  der  Schätzung  des 
Kaisers  Augustus,  bei  seinem  Tode  dem  Gericht  des  Pontius  Pilatus 
unterzog  usw.  Wenn  wir  diesen  und  andern  ^\rgumenten  nur  schwer 
folgen  können,  so  ergreift  Dantes  Leidenschaft  immer.  In  seinen  Briefen ^^ 
ist  er  einer  der  frühsten  aller  Publizisten,  vielleicht  der  frühste  Laie,  der 
Tendenzschriften  in  Briefform  auf  eigene  Hand  ausgehen  ließ.  Er  fing 
damit  beizeiten  an;  schon  nach  dem  Tode  Beatrices  erließ  er  ein  Pamphlet 
über  den  Zustand  von  Florenz  „an  die  Großen  des  Erdkreises",  und  auch 
die  spätem  offenen  Schreiben  aus  der  Zeit  seiner  Verbannung  sind  an 
lauter  Kaiser,  Fürsten  und  Kardinäle  gerichtet.  In  diesen  Briefen  und 
in  dem  Buche  „von  der  Vulgärsprache"  kehrt  unter  verschiedenen 
Formen  das  mit  so  vielen  Schmerzen  bezahlte  Gefühl  wieder,  daß  der 
Verbannte  auch  außerhalb  der  Vaterstadt  eine  neue  geistige  Heimat 
finden  dürfe  in  der  Sprache  imd  Bildung,  die  ihm  nicht  mehr  genommen 
werden  könne,  und  auf  diesen  Punkt  werden  wir  noch  einmal  zurück- 
kommen. 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  ^J.y 

Den  Villani,  Giovanni  sowohl  als  Matteo,  vei-danken  wir  nicht  sowohl      Fioren- 
tiefe  politische  Betrachtungen  als  vielmehr  frische,  praktische  Urteile     Statistik 
und  die  Grundlage  zur  Statistik  von  Florenz,  nebst  wichtigen  Angaben 
über  andere  Staaten.  Handel  und  Industrie  hatten  auch  hier  neben  dem 
politischen  Denken  das  staatsökonomische  geweckt.  Über  die  Geldver- 
hältnisse im  großen  wußte  man  nirgends  in  der  Welt  so  genauen  Be- 
scheid, anzufangen  von  der  päpsthchen  Kurie  zu  Avignon,  deren  enormer 
Kassenbestand  (25  Mill.  Goldgulden  beim  Tode  Johanns  XXII.)  nur 
aus  so  guten  Quellen'^'  glaublich  wird.  Nur  hier  erhalten  wir  Bescheid 
über  kolossale  Anleihen,  z.  B.:  des  Königs  von  England  bei  den  floren- 
tinischen  Häusern  Bardi  und  Peruzzi,  welche  ein  Guthaben  von  i  365000 
Goldgulden  —  eigenes  und  Kompagnie-Geld  —  einbüßten  (1338)  und 
sich  dennoch  wieder  erholten^*".  Das  Wichtigste  aber  sind  die  auf  den 
Staat  bezüglichen  Angaben^*^  aus  jener  nämhchen  Zeit:  die  Staatsein- 
nahmen (über  300000  Goldgulden)  und  Ausgaben;  die  Bevölkerung  der 
Stadt  (hier  noch  sehr  unvollkommen  nach  dem  Brotkonsum  in  bocche, 
d.  h.  Mäulern,  berechnet  auf  90000),  und  die  des  Staates;  der  Über- 
schuß von  300  bis  500  männhchen  Geburten  unter  den  5800  bis  6000 
alljährlichen  Täuflingen  des  Battistero^*^;  die  Schulkinder,  von  welchen 
8  bis  10 000  lesen,   1000  bis  1200  in  6  Schulen  rechnen  lernten;  dazu 
gegen  600  Schüler,  welche  in  vier  Schulen  in  (lateinischer)  Grammatik     ■4*»-  '99 
und  Logik  unterrichtet  wurden.  Es  folgt  die  Statistik  der  Kirchen  und 
Klöster,  der  Spitäler  (mit  mehr  als  1000  Betten  im  ganzen);  die  Wollen-  Abb.374,3-5. 
Industrie,  mit  äußerst  wertvollen  Einzelangaben;  die  Münze,  die  Ver- 
proviantierung der  Stadt,  die  Beamtenschaft  u.  a.  m.^^  Anderes  erfährt 
man  beiläufig:  wie  z.  B.  bei  der  Einrichtung  der  neuen  Staatsrenten 
(monte)  im  Jahr  1353  u.  f.  auf  den  Kanzeln  gepredigt  wurde,  von  den 
Franziskanern   dafür,    von   den    Dominikanern    und    Augustinern    da- 
gegen"^; vollends  haben  in  ganz  Europa  die  ökonomischen  Folgen  des  Der  schwarze 
schwarzen  Todes  nirgends  eine  solche  Beachtung  und  Darstellung  ge- 
funden, noch  finden  können  wie  hier^*^.  Nur  ein  Florentiner  konnte  uns 
überliefern:  wie  man  erwartete,  daß  bei  der  Wenigkeit  der  Menschen 
alles  wohlfeil  werden  sollte,  und  wie  statt  dessen  Lebensbedürfnisse  und 
Arbeitslohn  auf  das  Doppelte  stiegen;  wie  das  gemeine  Volk  anfangs  gar 
nicht  mehr  arbeiten  sondern  nur  gut  leben  wollte;  wie  zumal  die  Knechte 
und  Mägde  in  der  Stadt  nur  noch  um  sehr  hohen  Lohn  zu  haben  waren; 
wie  die  Bauern  nur  noch  das  allerbeste  Land  bebauen  mochten  und  das 
geringere    liegen   ließen  usw.;  wie  dann  die    enormen  Vermächtnisse 
für   die  Armen,    die    während    der    Pest    gemacht    wurden,    nachher 
zwecklos   erschienen,  weil  die  Armen   teils  gestorben  teils  nicht  mehr 
arm  waren.    Endlich  wird  einmal  bei  Gelegenheit  eines  großen  Vcr- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


Abb.  370 


Verbindung 


Abb,  ^r  j 


48 

mächtnisses,  da  ein  kinderloser  Wohltäter  allen  Stadtbettlern  je  sechs 
Denare  hinterließ,  eine  umfassende  Bettelstatistiki^von  Florenz  versucht. 
Diese  statistische  Betrachtung  der  Dinge  hat  sich  in  der  Folge  bei  den 
von  Statistik  pioj-cntinern  auf  das  reichste  ausgebildet:  das  Schöne  dabei  ist,  daß  sie 

und  Kultur  . 

den  Zusammenhang  mit  dem  Geschichtlichen  im  höhern  Sinne,  mit  der 
allgemeinen  Kultur  und  mit  der  Kunst  in  der  Regel  durchblicken  lassen. 
Eine  Aufzeichnung  vom  Jahr  14221^'  berührt  mit  einem  und  demselben 
Federzug  die  72  Wcchselbuden  rings  um  den  Mercato  nuovo,  die  Summe 
des  Barverkehrcs  (2  Mill.  Goldgulden),  die  damals  neue  Industrie  des 
gesponnenen  Goldes,  die  Seidenstoffe,  den  Filippo  Brunellesco,  der  die 
alte  Architektur  wieder  aus  der  Erde  hervorgräbt,  und  den  Lionardo 
Aretino,  Sekretär  der  Republik,  welcher  die  antike  Literatur  und  Bered- 
samkeit wieder  erweckt;  endlich  das  allgemeine  Wohlergehen  der  damals 
politisch  ruhigen  Stadt  und  das  Glück  Italiens,  das  .sich  der  fremden 
Soldtruppen  entledigt  hatte.  Jene  oben  (S.  43)  angeführte  Statistik  von 
Venedig,  die  fast  aus  demselben  Jahre  stammt,  offenbart  freilich  einen 
viel  größern  Besitz,  Erwerb  und  Schauplatz;  Venedig  beherrscht  schon 
lange  die  Meere  mit  seinen  Schiffen,  während  Florenz  (1422)  seine  erste 
eigene  Galeere  (nach  Alessandria)  aussendet.  Allein  wer  erkennt  nicht 
in  der  florentinischcn  Aufzeichnung  den  höhern  Geist?  Solche  und  ähn- 
hche  Notizen  finden  sich  hier  von  Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt,  und  zwar 
schon  in  Übersichten  geordnet,  während  anderwärts  im  besten  Falle 
einzelne  Aussagen  vorhanden  sind.  Wir  lernen  das  Vermögen  und  die 
Geschäfte  der  ersten  Medici  approximativ  kennen;  sie  gaben  an  Almosen, 
öffentlichen  Bauten  und  Steuern  von  1434  bis  1471  nicht  weniger  als 
663  755  Goldgulden  aus,  wovon  auf  Cosimo  allein  über  400000  kamen^**, 
und  Lorenzo  magnifico  freut  sich,  daß  das  Geld  so  gut  ausgegeben  sei. 
Nach  1478  folgt  dann  wieder  eine  höchst  wichtige  und  in  ihrer  Art  voll- 
ständige Übersicht^**  des  Handels  und  der  Gewerbe  der  Stadt,  darunter 
mehrere,  welche  halb  oder  ganz  zur  Kunst  gehören:  die  Gold-  und 
Silberstoffe  und  Damaste;  die  Holzschnitzerei  und  Marketterie  (Intarsia); 
die  Arabeskenskulptur  in  Marmor  und  Sandstein;  die  Porträtfiguren  in 
Wachs;  die  Goldschmiede-  und  Juwelierkunst.  Ja,  das  angeborene  Talent 
der  Florentiner  für  die  Berechnung  des  ganzen  äußern  Daseins  zeigt  sich 
auch  in  ihren  Haus-,  Geschäfts-  und  Landwirtschaftsbüchern,  die  sich 
wohl  vor  denen  der  übrigen  Europäer  des  15.  Jahrhunderts  um  ein  nam- 
haftes auszeichnen  mögen.  Mit  Recht  hat  man  angefangen,  ausgewählte 
Proben  davon  zu  publizieren^^";  nur  wird  es  noch  vieler  Studien 
bedürfen,  um  klare  allgemeine  Resultate  daraus  zu  ziehen.  Jeden- 
falls gibt  sich  auch  hier  derjenige  Staat  zu  erkennen,  wo  sterbende 
Väter    testamentarisch^^'   den   Staat    ersuchten,    ihre   Söhne  um    1000 


Der  Reich- 
tum der 
Medici 
Abb.  99,  100 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  49 

Goldgulden  zu  büßen,   wenn  sie   kein  regelmäßiges   Gewerbe  treiben 
würden. 

Für  die  erste  Hälfte  des  1 6.  Jahrhunderts  besitzt  dann  vielleicht  keine 
Stadt  der  Welt  eine  solche  Urkunde  wie  die  herrliche  Schilderung  von 
Florenz  bei  Varchi  ist^^*.  Auch  in  der  beschreibenden  Statistik  wie  in     Abt.  240 
so  manchen  andern  Beziehungen  wird  hier  noch  einmal  ein  Muster  hin- 
gestellt, ehe  die  Freiheit  und  Größe  dieser  Stadt  zu  Grabe  geht^^. 

Neben  dieser  Berechnung  des  äußern  Daseins  geht  aber  jene  fort-  Die 
laufende  Schilderung  des  politischen  Lebens  einher,  von  welcher  oben 
die  Rede  war.  Florenz  durchlebt  nicht  nur  mehr  politische  Formen  und 
Schattierungen,  sondern  es  gibt  auch  verhältnismäßig  mehr  Rechen- 
schaft davon  als  andere  freie  Staaten  Italiens  und  des  Abendlandes  über- 
haupt. Es  ist  der  vollständigste  Spiegel  des  Verhältnisses  von  Menschen- 
klassen und  einzelnen  Menschen  zu  einem  wandelbaren  Allgemeinen. 
Die  Bilder  der  großen  bürgerlichen  Demagogien  in  Frankreich  und 
Flandern,  wie  sie  Froissart  ent\virft,  die  Erzählungen  unserer  deutschen 
Chroniken  des  14.  Jahrhunderts  sind  wahrlich  bedeutungsvoll  genug, 
allein  an  geistiger  Vollständigkeit,  an  vielseitiger  Begründung  des  Her- 
ganges sind  die  Florentiner  allen  unendlich  überlegen.  Adelsherrschaft, 
Tyrannis,  Kämpfe  des  Mittelstandes  mit  dem  Proletariat,  volle,  halbe 
und  Scheindemokratie,  Primat  eines  Hauses,  Theokratie  (mit  Savona- 
rola),  bis  auf  jene  Mischformen,  welche  das  mediceische  Gewaltfürsten- 
tum vorbereiteten,  alles  wird  so  beschrieben,  daß  die  innersten  Beweg- 
gründe der  Beteiligten  dem  Licht  bloßliegen^^*.  Endlich  faßt  Macliia-  Dk 
velli  in  seinen  florentinischen  Gescliichten  (bis  1492)  seine  Vaterstadt 
vollkommen  als  lebendiges  Wesen  und  ihren  Entwicklungsgang  als  einen 
individuell  naturgemäßen  auf;  der  erste  unter  den  Modernen,  der  dieses 
so  vermocht  hat.  Es  liegt  außer  unserm  Bereich,  zu  untersuchen,  ob  und 
in  welchen  Punkten  Machiavelli  willkürlich  verfahren  sein  mag,  wie  er 
im  Leben  des  Castruccio  Castracane  —  einem  von  ihm  eigenmächtig 
kolorierten  Tyrannentypus  — -  notorischerweise  getan  hat.  Es  könnte  in 
den  Storie  fiorentine  gegen  jede  Zeile  irgend  etwas  einzuwenden  sein 
und  ihr  hoher,  ja  einziger  Wert  im  ganzen  bliebe  dennoch  bestehen. 
Und  seine  Zeitgenossen  und  Fortsetzer:  Jacopo  Pitti,  Guicciardini,  Segni, 
Varchi,  Vettori,  welch  ein  Kranz  von  erlauchten  Namen!  Und  welche 
Geschichte  ist  es,  die  diese  Meister  schildern!  Die  letzten  Jahrzehnte  der 
florentinischen  Republik,  ein  unvergeßlich  großes  Schauspiel,  sind  uns 
hier  vollständig  überliefert.  In  dieser  massenhaften  Tradition  über  den 
Untergang  des  höchsten,  eigentümlichsten  Lebens  der  damaligen  Welt 
mag  der  eine  nichts  erkennen  als  eine  Sammlung  von  Kuriositäten 
ersten  Ranges,  der  andere  mit  teuflischer  Freude  den  Bankerott  des 

Borckhardt  4 


Geschicht- 
schreiber 


Das  Grund- 
übe! des 
Staates 


Abb.  3.15 


Die 

Verfassungs- 
iiKierungen 


CO  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Edeln  und  Erhabenen  konstatieren,  ein  dritter  die  Sache  als  einen  großen 
gerichthchcn  Prozeß  auseinanderlegen  —  jedenfalls  wird  sie  ein  Gegen- 
stand nachdenkhcher  Betrachtung  bleiben  bis  ans  Ende  der  Tage.  Das 
Grundungiück,  welches  die  Sachlage  stets  von  neuem  trübte,  war  die 
Herrschaft  von  Florenz  über  unterworfene,  ehemals  mächtige  Feinde 
wie  die  Pisaner,  was  einen  beständigen  Gewaltzustand  zur  notwendigen 
Folge  hatte.  Das  einzige,  frcihch  sehr  heroische  Mittel,  das  nur  Savona- 
rola  hätte  durchführen  können  und  auch  nur  mit  Hilfe  besonders  glück- 
licher Umstände,  wäre  die  rechtzeitige  Auflösung  Toskanas  in  eine 
Föderation  freier  Städte  gewesen;  ein  Gedanke,  der  erst  als  weit  ver- 
sj)äteter  Fiebertraum  einen  patriotischen  Lucchesen^**  (1548)  auf  das 
Schafott  bringt.  Von  diesem  Unheil  und  von  der  unglücklichen  Guelfen- 
sympathie  der  Florentiner  für  einen  fremden  Fürsten  und  der  daherigen 
Gewöhnung  an  fremde  Interventionen  hängt  alles  weitere  ab.  Aber  wer 
muß  nicht  dieses  Volk  bewundern,  das  unter  der  Leitung  seines  heiligen 
Mönches  in  einer  dauernd  erhöhten  Stimmung  das  erste  italienische 
Beispiel  von  Schonung  der  besiegten  Gegner  gibt?  während  die  ganze 
Vorzeit  ihm  nichts  als  Rache  und  Vertilgung  predigt!  Die  Glut,  welche 
hier  Patriotismus  und  sittlich-religiöse  Umkehr  in  ein  Ganzes  schmilzt, 
sieht  von  weitem  wohl  bald  wieder  wie  erloschen  aus,  aber  ihre  besten 
Resultate  leuchten  dann  in  jener  denkwürdigen  Belagerung  von  1529 — 30 
wieder  neu  auf.  Wohl  waren  es  „Narren",  welche  diesen  Sturm  über 
Florenz  heraufbeschworen,  wie  Guiciardini  damals  schrieb,  aber  schon 
er  gesteht  zu,  daß  sie  das  unmöglich  Geglaubte  ausrichteten;  und  wenn 
er  meint,  die  Weisen  wären  dem  Unheil  ausgewichen,  so  hat  dies  keinen 
andern  Sinn  als  daß  sich  Florenz  völlig  ruhmlos  und  lautlos  in  die  Hände 
seiner  Feinde  hätte  liefern  sollen.  Es  hätte  dann  seine  prächtigen  Vor- 
städte und  Gärten  und  das  Leben  und  die  Wohlfahrt  unzähliger  Bürger 
bewahrt  und  wäre  dafür  um  eine  der  größten  sittlichen  Erinnerungen 
ärmer. 

Die  Florentiner  sind  in  manchen  großen  Dingen  Vorbild  und  frühster 
Ausdruck  der  Italiener  und  der  modernen  Europäer  überhaupt,  und  so 
sind  sie  es  auch  mannigfach  für  die  Schattenseiten.  Wenn  schon  Dante 
das  stets  an  seiner  Verfassung  bessernde  Florenz  mit  einem  Kranken 
verglich,  der  beständig  seine  Lage  wechselt,  um  seinen  Schmerzen  zu 
entrinnen,  so  zeichnete  er  damit  einen  bleibenden  Grundzug  dieses 
Staatslcbcns.  Der  große  moderne  Irrtum,  daß  man  eine  Verfassung 
machen,  durch  Berechnung  der  vorhandenen  Kräfte  und  Richtungen 
neu  produzieren  könnc^^",  taucht  zu  Florenz  in  bewegten  Zeiten  immer 
wieder  auf,  und  auch  Machiavelli  ist  davon  nicht  frei  gewesen.  Es  bilden 
sich  Staatskünstlcr,  welche  durch  künstliche  Verlegung  und  Verteilung 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  5I 

der  Macht,  durch  höchst  filtrierte  Wahlarten,  durch  Scheinbehörden 
u.  dgl.  einen  dauerhaften  Zustand  begründen,  groß  und  klein  gleich- 
mäßig zufriedenstellen  oder  auch  täuschen  wollen.  Sie  exemplicren  da- 
bei auf  das  naivste  mit  dem  Altertum  und  entlehnen  zuletzt  auch  ganz 
offiziell  von  dort  die  Parteinamen,  z.  B.  ottimati,  aristocrazia"'  usw. 
Seitdem  erst  hat  sich  die  Welt  an  diese  Ausdrücke  gewöhnt  und  ihnen 
einen  konventionellen,  europäischen  Sinn  verliehen,  während  alle  frühern 
Parteinamen  nur  dem  betreffenden  Lande  gehörten  und  entweder  un- 
mittelbar die  Sache  bezeichneten  oder  dem  Spiel  des  Zufalls  entstamm- 
ten. Wie  sehr  färbt  und  entfärbt  aber  der  Name  die  Sache! 

Von  allen  jedoch,  die  einen  Staat  meinten  konstruieren  zu  können"^,  MachiaveUi 
ist  MachiaveUi  ohne  Vergleich  der  Größte.  Er  faßt  die  vorhandenen  '"'''•  ^^^ 
Kräfte  immer  als  lebendige,  aktive,  stellt  die  Alternativen  richtig  und 
großartig  und  sucht  weder  sich  noch  andere  zu  täuschen.  Es  ist  in  ihm 
keine  Spur  von  Eitelkeit  noch  Plusmacherei,  auch  schreibt  er  ja  nicht 
für  das  Pubhkum,  sondern  entweder  für  Behörden  und  Fürsten  oder  für 
Freunde.  Seine  Gefahr  hegt  nie  in  falscher  Genialität,  auch  nicht  im 
falschen  Ausspinnen  von  Begriffen,  sondern  in  einer  starken  Phantasie, 
die  er  offenbar  mit  Mühe  bändigt.  Seine  poHtische  Objektivität  ist  aller- 
dings bisweilen  entsetzlich  in  ihrer  Aufrichtigkeit,  aber  sie  ist  entstanden 
in  einer  Zeit  der  äußersten  Not  und  Gefahr,  da  die  Menschen  ohnehin 
nicht  mehr  leicht  an  das  Recht  glauben  noch  die  Billigkeit  voraussetzen 
konnten.  Tugendhafte  Empörung  gegen  dieselbe  macht  auf  uns,  die  wir 
die  Mächte  von  rechts  und  links  in  unserem  Jahrhundert  an  der  Arbeit 
gesehen  haben,  keinen  besonderen  Eindruck.  MachiaveUi  war  wenig- 
stens imstande,  seine  eigene  Person  über  den  Sachen  zu  vergessen.  Über- 
haupt ist  er  ein  Patriot  im  strengsten  Sinne  des  Wortes,  obwohl  seine 
Schriften  (wenige  Worte  ausgenommen)  alles  direkten  Enthusiasmus  bar 
und  ledig  sind  und  obwohl  ihn  die  Florentiner  selber  zuletzt  als  einen 
Verbrecher  ansahen^^^.  Wie  sehr  er  sich  auch,  nach  der  Art  der  meisten, 
in  Sitte  und  Reden  gehen  ließ,  —  das  Heil  des  Staates  war  doch  sein 
erster  und  letzter  Gedanke.  Sein  vollständigstes  Programm  über  die  Ein- 
richtung eines  neuen  florcntinischen  Staatswesens  ist  niedergelegt  in  der 
Denkschrift  an  Leo  X.^^",  verfaßt  nach  dem  Tode  des  Jüngern  Lorenzo  seine  ver 
Medici,  Herzogs  von  Urbino  (starb  15 19),  dem  er  sein  Buch  vom  Fürsten  ^^"""^ 
gewidmet  hatte.  Die  Lage  der  Dinge  ist  eine  späte  und  schon  total  ver- 
dorbene, und  die  vorgeschlagenen  Mittel  und  Wege  sind  nicht  alle 
moralisch;  aber  es  ist  höchst  interessant  zu  sehen,  wie  er  als  Erbin  der 
Medici  die  Republik,  und  zwar  eine  mittlere  Demokratie  einzuschieben 
hofft.  Ein  kunstreicheres  Gebäude  von  Konzessionen  an  den  Papst,  die 
speziellen   Anhänger  desselben   und   die   verschiedenen  florentinischen 


1-2  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Interessen  ist  gar  nicht  denkbar;  man  glaubt  in  ein  Uhrwerk  hinein- 
zusehen. Zahheiche  andere  Prinzipien,  Einzelbemerkungen,  Parallelen, 

Seine  politische  Perspektiven  usw.  für  Florenz  finden  sich  in  den  Discorsi, 
Discora.  cjarunter  LichtbUcke  von  erster  Schönheit;  er  erkennt  z.  B.  das  Gesetz 
einer  fortschreitenden,  und  zwar  stoßweise  sich  äußernden  Entwickelung 
der  Republiken  an  und  verlangt,  daß  das  Staatswesen  bcweghch  und 
der  Veränderung  fähig  sei,  indem  nur  so  die  plötzhchen  Biuturteile  vind 
Verbannungen  vermieden  würden.  Aus  einem  ähnlichen  Grunde,  näm- 
hch  um  Privat-Gewalttaten  und  fremde  Interventionen  („den  Tod  aller 
Freiheit")  abzuschneiden,  wünscht  er  gegen  verhaßte  Bürger  eine  ge- 
richtUche  Anklage  (accusa)  eingeführt  zu  sehen,  an  deren  Stelle  Florenz 
von  jeher  nur  die  Übelreden  gehabt  habe.  Meisterhaft  charakterisiert 
er  die  unfreiwilhgen,  verspäteten  Entschlüsse,  welche  in  Republiken  bei 
kiitischen  Zeiten  eine  so  große  Rolle  spielen.  Dazvöschen  einmal  ver- 
führt ihn  die  Phantasie  und  der  Druck  der  Zeiten  zu  einem  unbedingten 
Lob  des  Volkes,  welches  seine  Leute  besser  wähle  als  irgendein  Fürst 
und  sich  „mit  Zureden"  von  Irrtümern  abbringen  lasse"^.  In  betreff 
der  Herrschaft  über  Toskana  zweifelt  er  nicht,  daß  dieselbe  seiner  Stadt 
gehöre,  und  hält  (in  einem  besondern  Discorso)  die  Wiederbezwingung 
Pisas  für  eine  Lebensfrage;  er  bedauert,  daß  man  Arczzo  nach  der  Re- 
bellion von  1502  überhaupt  habe  stehen  lassen;  er  gibt  sogar  im  allge- 
meinen zu,  italienische  Republiken  müßten  sich  lebhaft  nach  außen  be- 
wegen und  vergrößern  dürfen,  um  nicht  selber  angegriffen  zu  werden 
und  um  Ruhe  im  Innern  zu  haben;  allein  Florenz  habe  die  Sache  immer 
verkehrt  angefangen  und  sich  Pisa,  Siena  und  Lucca  von  jeher  tötlich 
verfeindet,  während  das  „brüderlich  behandelte"  Pistoja  sich  freiwillig 
untergeordnet  habe. 

Siena  Es  wärc  Unbillig,  die  wenigen  übrigen  Republiken,  die  im  I5.jahr- 

Abb.  10s.  106,  hundert  noch  existierten,  mit  diesem  einzigen  Florenz  auch  nur  in  Paral- 

'7-1  '73 

lele  setzen  zu  wollen,  welches  bei  weitem  die  wichtigste  Werkstättc  des 
italienischen,  ja  des  modernen  europäischen  Geistes  überhaupt  war. 
Siena  litt  an  den  schwersten  organischen  Übeln,  und  sein  relatives  Ge- 
deihen in  Gewerben  und  Künsten  darf  liierübcr  nicht  täuschen.  Aeneas 
Sylvius^^^  schaut  von  seiner  Vaterstadt  aus  wahrhaft  sehnsüchtig  nach 
den  „fröhUchen"  deutschen  Reichsstädten  liinüber,  wo  keine  Konfis- 
kationen von  Habe  und  Erbe,  keine  gewalttätigen  Behörden,  keine 
<;,.nua  Faktionen  das  Dasein  verderben^**.  Genua  gehört  kaum  in  den  Kreis 
unserer  Betrachtung,  da  es  sich  an  der  ganzen  Renaissance  vor  den 
Zeiten  des  Andrea  Doria  kaum  beteiligte,  weshalb  der  Rivierese  in 
ItaUen  als  Verächter  aller  höhern  Bildung^**  galt.  Die  Parteikämpfe 
zeigen  hier  einen  so  wilden  Charakter  und  waren  von  so  heftigen  Schwan- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


53 

kungen  der  ganzen  Existenz  begleitet,  daß  man  kaum  begreift,  wie  die 
Genuesen  es  anfingen,  um  nach  allen  Revolutionen  und  Okkupationen 
immer  wieder  in  einen  erträglichen  Zustand  einzulenken.  Vielleicht  ge- 
lang es,  weil  alle,  die  sich  beim  Staatswesen  beteiligten,  fast  ohne  Aus- 
nahme zugleich  als  Kaufleute  tätig  waren  ^'*.  Welchen  Grad  von  Un- 
sicherheit der  Erwerb  im  großen  und  der  Reichtum  aushalten  können, 
mit  welchem  Zustand  im  Innern  der  Besitz  femer  Kolonien  verträglich 
ist,  lehrt  Genua  in  überraschender  Weise. 

Lucca  bedeutet  im  15.  Jahrhundert  nicht  viel. 


Wie  nun  die  meisten  italienischen  Staaten  in  ihrem  Innern  Kunstwerke, 
d.  h.  bewußte,  von  der  Reflexion  abhängige,  auf  genau  berechneten 
sichtbaren  Grundlagen  ruhende  Schöpfungen  waren,  so  mußte  auch  ihr 
Verhältnis  zueinander  und  zum  Ausland  ein  Werk  der  Kunst  sein.  Das 
sie  fast  sämtlich  auf  ziemlich  neuen  Usurpationen  beruhen,  ist  für  ihre 
auswärtigen  Beziehungen  so  verhängnisvoll  wie  für  das  Innere.  Keiner 
erkennt  den  andern  ohne  Rückhalt  an;  dasselbe  Glücksspiel,  welches  bei 
Gründung  und  Befestigung  der  eigenen  Herrschaft  gewaltet  hat,  mag 
auch  gegen  den  Nachbar  walten.  Hängt  es  doch  gar  nicht  immer  von 
dem  Gewaltherrscher  ab,  ob  er  ruhig  sitzen  wird  oder  nicht.  Das  Be- 
dürfnis sich  zu  vergrößern,  sich  überhaupt  zu  rühren  ist  allen  Illegitimen 
eigen.  So  wird  Itahen  die  Heimat  einer  „auswärtigen  Politik",  welche 
dann  allmählich  auch  in  andern  Ländern  die  Stelle  eines  anerkannten 
Rechtszustandes  vertreten  hat.  Die  völlig  objektive,  von  Vorurteilen  wie 
von  sittlichen  Bedenken  freie  Behandlung  der  internationalen  Dinge  er- 
reicht bisweilen  eine  Vollendung,  in  welcher  sie  elegant  und  großartig 
erscheint,  während  das  Ganze  den  Eindruck  eines  bodenlosen  Abgrundes 
hervorbringt. 

Diese  Ränke,  Liguen,  Rüstungen,  Bestechungen  und  Verrätereien 
machen  zusammen  die  äußere  Geschichte  des  damaligen  Italiens  aus. 
Lange  Zeit  war  besonders  Venedig  der  Gegenstand  allgemeiner  An- 
klagen, als  wollte  es  ganz  Italien  erobern  oder  allgemach  so  herunter- 
bringen, daß  ein  Staat  nach  dem  andern  ihm  ohnmächtig  in  die  Arme 
fallen  müsse ^**.  Bei  näherm  Zusehen  wird  man  jedoch  inne,  daß  dieser 
Weheruf  sich  nicht  aus  dem  Volk,  sondern  aus  der  Umgebung  der  Für- 
sten und  Regierungen  erhebt,  welche  fast  sämtlich  bei  ihren  Untertanen 
schwer  verhaßt  sind,  während  Venedig  durch  sein  leidUch  mildes  Re- 
giment ein  allgemeines  Zutrauen  genießt^^".  Auch  Florenz,  mit  seinen 
knirschenden  Untertanenstädten,  fand  sich  Venedig  gegenüber  in  mehr 
als  schiefer  Stellung,  selbst  wenn  man  den  Handelsneid  und  das  Fort- 
schreiten Venedigs  in  der  Romagna  nicht  in   Betracht  zog.    Endlich 


Auswärtigt 
Politik 


Bedrohung 
\"enedigs 


Cj_  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

brachte  es  die  Liga  von  Cambrai  (S.  42)  wirklich  dahin,  denjenigen 
Staat  zu  schwächen,  den  ganz  Italien  mit  vereinten  Kräften  hätte  stützen 
sollen. 
Die  Fremden  Allein  auch  allc  übrigen  versehen  sich  des  Allerschlimmsten  zuein- 
ander, wie  das  eigene  böse  Gewissen  es  jedem  eingibt,  und  sind  fort- 
während zum  Äußersten  bereit.  Lodovico  Moro,  die  Aragonesen  von 
Neapel,  Sixtus  IV.  hielten  in  ganz  Italien  die  allergefährlichste  Unruhe 
wach,  der  Kleinem  zu  geschweigen.  Hätte  sich  dieses  entsetzliche  Spiel 
nur  auf  Italien  beschränkt!  Allein  die  Natur  der  Dinge  brachte  es  mit 
sich,  daß  man  sich  nach  fremder  Intervention  und  Hilfe  umsah,  haupt- 
sächlich nach  Franzosen  und  Türken. 
Französische  Zuuächst  siud  die  Bevölkerungen  selber  durchweg  für  Frankreich  ein- 
sympathien  genommen.  Mit  einer  grauenerregenden  Naivität  gesteht  Florenz  von 
jeher  seine  alte  guelfische  Sympatliie  für  die  Franzosen  ein^*^.  Und  als 
Karl  VIII.  wirklich  im  Süden  der  Alpen  erschien,  fiel  ihm  ganz  Italien 
mit  einem  Jubel  zu,  welcher  ihm  und  seinen  Leuten  selber  ganz  wunder- 
lich vorkam^^'.  In  der  Phantasie  der  Italiener  (man  denke  an  Savona- 
rola)  lebte  das  Idealbild  eines  großen,  weisen  und  gerechten  Retters  und 
Herrschers,  nur  war  es  nicht  mehr  wie  bei  Dante  der  Kaiser,  sondern 
der  kapetingische  König  von  Frankreich.  Mit  seinem  Rückzug  war  die 
Täuschung  im  ganzen  dahin,  doch  hat  es  noch  lange  gedauert,  bis  man 
Abb.  13^  einsah,  wie  vollständig  Karl  VIII.,  Ludwig  XII.  und  Franz  I.  ihr  wahres 
Vei^hältnis  zu  Italien  verkannten  und  von  welch  untergeordneten  Be- 
weggründen sie  sich  leiten  ließen.  Anders  als  das  Volk  suchten  die 
Fürsten  sich  Frankreichs  zu  bedienen.  Als  die  französisch-englischen 
Kriege  zu  Ende  waren,  als  Ludwig  XI.  seine  diplomatischen  Netze  nach 
allen  Seiten  hin  auswarf,  als  vollends  Karl  von  Burgund  sich  in  aben- 
teuerlichen Plänen  wiegte,  da  kamen  ihnen  die  italienischen  Kabinette 
von  allen  Seiten  entgegen,  und  die  französiche  Intervention  mußte  früher 
oder  später  eintreten,  auch  ohne  die  Ansprüche  auf  Neapel  und  Mailand, 
so  gewiß,  als  sie  z.  B.  in  Genua  und  Piemont  schon  längst  stattgefunden 
hatte.  Die  Venezianer  erwarteten  sie  schon  1462^'°.  Welche  Todesangst 
Herzog  Galeazzo  Maria  von  Mailand  während  des  Burgunderkrieges 
ausstand,  als  er,  scheinbar  sowohl  mit  Ludwig  XL  als  mit  Karl  verbün- 
det, den  Überfall  beider  fürchten  mußte,  zeigte  seine  Korrespondenz^" 
Versucheines  in  schlagcndcr  Weise.  Das  System  eines  Gleichgewichtes  der  vier  italie- 
'''™'J'.  nischen  Hauptstaaten,  wie  Lorenzo  magnifico  es  verstand,  war  doch  nur 
das  Postulat  eines  lichten,  optimistischen  Geistes,  welcher  über  frevelnde 
Exjjcrimentalpolitik  wie  über  florcntinischcn  Guelfen-Aberglauben  hin- 
aus war  und  sich  bemühte,  das  Beste  zu  hoffen.  Als  Ludwig  XL  ihm 
im  Kriege  gegen  Ferrante  von  Neapel  und  Sixtus  IV.  Hilfstruppen  an- 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  55 

bot,  sagte  er:  „Ich  vermag  noch  nicht,  meinen  Nutzen  der  Gefahr  ganz 
Itahcns  vorzuziehen;  wollte  Gott,  es  fiele  den  französischen  Königen  nie- 
mals ein,  ihre  Kräfte  in  diesem  Lande  zu  versuchen!  wenn  es  dazu 
kommt,  so  ist  Italien  verloren^'^."  Für  andere  Fürsten  dagegen  ist  der 
König  von  Frankreich  abwechselnd  Mittel  oder  Gegenstand  des  Schrek- 
kens,  und  sie  drohen  mit  ihm,  sobald  sie  aus  irgendeiner  Verlegenheit 
keinen  bequemeren  Ausweg  wissen.  Vollends  glaubten  die  Päpste,  ohne 
alle  eigene  Gefahr  mit  Frankreich  operieren  zu  dürfen,  und  Innocenz  VIII. 
meinte  noch,  er  könne  schmollend  sich  nach  dem  Norden  zurückziehen, 
um  von  da  mit  einem  französischen  Heere  als  Eroberer  nach  Italien  zu- 
rückzukehren^". 

Denkende  Menschen  sahen  also  die  fremde  Eroberung  schon  lange  uie  Aera  der 
vor  dem  Zuge  Karls  VIII.  voraus^^*.  Und  als  Karl  wieder  über  die  "iooen" 
Alpen  zurück  war,  lag  es  erst  recht  klar  vor  aller  Augen,  daß  nunmehr 
eine  Aera  der  Interventionen  begonnen  habe.  Fortan  verflicht  sich  Un- 
glück mit  Unglück,  man  wird  zu  spät  inne,  daß  Frankreich  und  Spanien, 
die  beiden  Hauptintervenienten,  inzwischen  moderne  Großmächte  ge- 
worden sind,  daß  sie  sich  nicht  mehr  mit  oberflächlichen  Huldigungen 
begnügen  können,  sondern  um  Einfluß  und  Besitz  in  Italien  auf  den  Tod 
kämpfen  müssen.  Sie  haben  angefangen,  den  zentralisierten  italienischen 
Staaten  zu  gleichen,  ja  dieselben  nachzuahmen,  nur  in  kolossalem  Maß- 
stab. Die  Absichten  auf  Länderraub  und  Ländertausch  nehmen  eine 
Zeitlang  einen  Flug  ins  Unbedingte  hinaus.  Das  Ende  aber  war  bekannt- 
lich ein  totales  Übergewicht  Spaniens,  welches  als  Schwert  und  Schild 
der  Gegenreformation  auch  das  Papsttum  in  eine  lange  Abhängigkeit 
brachte.  Die  traurige  Reflexion  der  Philosophen  bestand  dann  einzig 
darin,  nachzuweisen,  wie  alle  die,  welche  die  Barbaren  gerufen,  ein 
schlechtes  Ende  genommen  hätten. 

Offen  und  ohne  alle  Scheu  setzte  man  sich  im  15.  Jahrhundert  auch    verbimiun- 
mit  den  Türken  in  Verbindung;  es  schien  dies  ein  Mittel  politischer  '^'ruTkei/' 
Wirkung  wie  ein  anderes.  Der  Begriff"  einer  solidarischen  ,, abendländi- 
schen Christenheit"  hatte  schon  im  Verlauf  der  Kreuzzüge  bisweilen 
bedenklich  gewankt,  und  Friedrich  II.  mochte  demselben  bereits  ent- 
wachsen sein;  allein  das  erneute  Vordringen  des  Orients,  die  Not  und 
der  Untergang  des  griechischen  Reiches  hatte  im  ganzen  wieder  die 
frühere  Stimmung  der  Abendländer  (wenn  auch  nicht  ihren  Eifer)  er- 
neuert. Hiervon  macht  Italien  eine  durchgängige  Ausnahme;  so  groß 
der  Schrecken  vor  den  Türken  und  die  wirkliche  Gefahr  sein  mochte, 
so  ist  doch  kaum  eine  bedeutendere  Regierung,  welche  nicht  irgend  ein-        Die 
mal  frevelhaft  mit  Mohammed  II.  und  seinen  Nachfolgern  einverstanden  I'^^'/IT«" 
gewesen  wäre  gegen  andere  italienische  Staaten.  Und  wo  es  nicht  gc- 


56 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


schah,  da  traute  es  doch  jeder  dem  andern  zu  — •  es  war  noch  immer 
nicht  so  schhmm  als  was  z.  B.  die  Venezianer  dem  Thronerben  Alfons 
von  Neapel  schuld  gaben,  daß  er  Leute  geschickt  habe,  um  die  Zisternen 
von  Venedig  zu  vergiften^'*.  Von  einem  Verbrecher  wie  Sigismondo 
Malatesta  erwartete  man  nichts  Besseres,  als  daß  er  die  Türken  nach 
Italien  rufen  möchte"*.  Aber  auch  die  Aragonesen  von  Neapel,  welchen 
Mohammed  —  angeblich  von  andern  italienischen  Regierungen^''  auf- 
gereizt —  eines  Tages  Otranto  wegnahm,  hetzten  hernach  den  Sultan 
Bajazeth  II.  gegen  Venedig^'^.  Ebendasselbe  ließ  sich  Lodovico  Moro 
zuschulden  kommen;  ,,das  Blut  der  Gefallenen  und  der  Jammer  der  bei 
den  Türken  Gefangenen  schreit  gegen  ihn  zu  Gott  um  Rache",  sagt 
der  Annalist  des  Staates.  In  Venedig,  wo  man  alles  wußte,  war  es  auch 
bekannt,  daß  Giovanni  Sforza,  Fürst  von  Pesaro,  der  Vetter  des  Moro, 
die  nach  Mailand  reisenden  türkischen  Gesandten  beherbergt  hatte^". 
Dit  Pärsie  Von  den  Päpsten  des  15.  Jahrhunderts  sind  die  beiden  ehrenwertesten, 
Nikolaus  V.  und  Pius  II.,  in  tiefstem  Kummer  wegen  der  Türken  ge- 
storben, letzterer  sogar  unter  den  Anstalten  einer  Kreuzfahrt,  die  er 
selber  leiten  wollte;  ihre  Nachfolger  dagegen  veruntreuen  die  aus  der 
ganzen  Christenheit  gesammelten  Türkengelder  und  entweihen  den  dar- 
auf gegründetenAblaß  zu  cinerGeldspekulation  für  sich^^".  InnozenzVIII. 
Abb.  US  gibt  sich  zum  Kerkermeister  des  geflüchteten  Prinzen  Dschem  her,  gegen 
ein  von  dessen  Bruder  Bajazeth  II.  zu  zahlendes  Jahrgeld,  und  Ale- 
xander VI.  unterstützt  in  Konstantinopel  die  Schritte  des  Lodovico 
Moro  zur  Förderung  eines  türkischen  Angriffes  auf  Venedig  (1498), 
worauf  ihm  dieses  mit  einem  Konzil  droht^^^  Man  sieht,  daß  das  be- 
rüchtigte Bündnis  Franz  I.  mit  Soliman  II.  nichts  in  seiner  Art  Neues 
und  Unerhörtes  war. 

i)if  Bevoike-  Übrigens  gab  es  auch  einzelne  Bevölkerungen,  welchen  sogar  der 
Übergang  an  die  Türken  nicht  mehr  als  etwas  besonders  Schreckliches 
erschien.  Selbst  wenn  sie  nur  gegen  drückende  Regierungen  damit  ge- 
droht haben  sollten,  so  wäre  dies  doch  ein  Zeichen,  daß  man  mit  dem 
Gedanken  halbenweges  vertraut  geworden  war.  Schon  um  1480  gibt 
Battista  Mantovano  deutlich  zu  verstehen,  daß  die  meisten  Anwohner 
der  adriatischen  Küste  etwas  der  Art  voraussähen  und  daß  nament- 
lich Ancona  es  wünsche'*^.  Als  die  Romagna  unter  Leo  X.  sich  sehr 
bedrückt  fühlte,  sagte  einst  ein  Abgeordneter  von  Ravenna  dem  Legaten 
Kardinal  Giulio  Medici  ins  Gesicht:  „Monsignore,  die  erlauchte  Re- 
publik Venedig  will  uns  nicht,  um  keinen  Streit  mit  der  Kirche  zu 
bekommen,  wenn  aber  der  Türke  nach  Ragusa  kommt,  so  werden  wir 

.,.    .  ,   ,    uns  ihm  übergeben*^." 

binc  Aufgabe  ^ 

Spaniens        .\ngcsichts  dcr  damals  schon  begonnenen  Unterjochung  Italiens  durch 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  57 

die  Spanier  ist  es  ein  leidiger,  aber  doch  gar  nicht  grundloser  Trost, 
daß  nunmehr  das  Land  wenigstens  vor  der  Barbarisicrung  durch  die 
Türkenherrschaft  geschützt  war^^*.  Sich  selber  hätte  es  bei  der  Ent- 
zweiung seiner  Herrschaft  schwerlich  vor  diesem  Schicksal  bewahrt. 

Wenn  man  nach  all  diesem  von  der  damaligen  italienischen  Staats-  Objektivität 
kunst  etwas  Gutes  sagen  soll,  so  kann  sich  dies  nur  auf  die  objektive, 
vorurteilslose  Behandlung  solcher  Fragen  beziehen,  welche  nicht  durch 
Furcht,  Leidenschaft  oder  Bosheit  bereits  getrübt  waren.  Hier  gibt  es 
kein  Lehnswesen  im  nordischen  Sinne  mit  künstlich  abgeleiteten  Rech- 
ten, sondern  die  Macht,  welche  jeder  besitzt,  besitzt  er  (in  der  Regel) 
wenigstens  faktisch  ganz.  Hier  gibt  es  keinen  Geleitsadel,  welcher  im 
Gemüt  der  Fürsten  den  abstrakten  Ehrenpunkt  mit  all  seinen  wunder- 
lichen Folgerungen  aufrechthielte,  sondern  Fürsten  und  Ratgeber  sind 
darin  eins,  daß  nur  nach  der  Lage  der  Dinge,  nach  den  zu  erreichenden 
Zwecken  zu  handeln  sei.  Gegen  die  Menschen,  die  man  benützt,  gegen 
die  Verbündeten,  woher  sie  auch  kommen  mögen,  existiert  kein  Kasten- 
hochmut, der  irgend  jemanden  abschrecken  könnte,  und  zu  allem 
Überfluß  redet  der  Stand  der  Kondottieren,  wo  die  Herkunft  völlig 
gleichgültig  ist,  vernehmlich  genug  von  der  wirklichen  Macht.  Endlich 
kennen  die  Regierungen,  als  gebildete  Despoten,  ihr  eigenes  Land  und 
die  Länder  ihrer  Nachbarn  ungleich  genauer,  als  ihre  nordischen  Zeit- 
genossen die  ihrigen,  und  berechnen  die  Leistungsfähigkeit  von  Freund 
und  Feind  in  ökonomischer  wie  in  moralischer  Hinsicht  bis  ins  einzelste; 
sie  erscheinen,  trotz  den  schwersten  Irrtümern,  als  geborene  Statistiker. 

Mit  solchen  Menschen  konnte  man  unterhandeln,  man    konnte  sie    Die  unter- 
zu  überzeugen,  d.  h.  durch  tatsächliche  Gründe  zu  bestimmen  hoffen.      '"  ""* 
Als  der  große  Alfonso  von  Neapel  (1434)  Gefangener  des  Filippo  Maria     Abb. -74 
Visconti  geworden  war,  wußte  er  diesen  zu  überzeugen,  daß  die  Herr- 
schaft des  Hauses  Anjou  über  Neapel  statt  der  scinigcn  die  Franzosen 
zu  Herrn  von  Italien  machen  würde,  und  jener  ließ  ihn  ohne  Lösegeld 
frei  und  schloß  ein  Bündnis  mit  ihm"*.  Schwerlich  hätte  ein  nordischer 
Fürst  so  gehandelt  und  gewiß  keiner  von  der  sonstigen  Moralität  des 
Visconti.    Ein  festes   Vertrauen    auf  die   Macht  tatsächUcher   Gründe 
beweist   auch   der  berühmte   Besuch,   welchen   Lorenzo   magnifico   —      Abb.  07 
unter  allgemeiner  Bestürzung  der  Florentiner  —  dem  treulosen  Ferrante 
in  Neapel  abstattete,  der  gewiß  in  der  Versuchung  und  nicht  zu  gut 
dazu  war,  ihn  als  Gefangenen  dazubehalten ^^^  Denn  daß  man  einen 
mächtigen  Fürsten  verhaften  und  dann  nach  Ausstellung  einiger  Unter- 
schriften  und    andern   tiefen    Kränkungen    wieder   lebendig   entlassen 
könne,  wie  Karl  der  Kühne  mit  Ludwig  XI.  zu  Peronne  tat  (1468), 
erschien  den  Italienern  als  Torheit,  so  daß  Lorenzo  entweder  gar  nicht 


kQ  der  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

mehr  oder  ruhmbedeckt  zurückerwartet  wurde.  Es  ist  in  dieser  Zeit 
zumal  von  venezianischen  Gesandten  eine  Kunst  der  pohtischen  Über- 
redung aufgewandt  worden,  von  welcher  man  diesseits  der  Alpen  erst 
durch  die  Italiener  einen  Begriff  bekam,  und  welche  ja  nicht  nach 
den  offiziellen  Empfangsreden  beurteilt  werden  darf,  denn  diese  ge- 
hören der  humanistischen  Sclmlrhetorik  an.  An  Derbheiten  und  Naivi- 
täten fehlte  es  im  diplomatischen  Verkehr  auch  nicht^^,  trotz  aller 
sonst  sehr  entwickelten  Etikette.  Fast  rührend  aber  erscheint  uns  ein 
Geist  wie  Machiavelli  in  seinen  ,,Legaziom".  Mangelhaft  instruiert, 
kümmerlich  ausgestattet,  als  untergeordneter  Agent  behandelt,  verliert 
er  niemals  seinen  freien,  hohen  Beobachtungsgeist  und  seine  Lust  des 
anschaulichen  Berichtens.  —  Von  dem  Studium  des  Menschen,  als  Volk 
wie  als  Individuum,  welches  mit  dem  Studium  der  Verhältnisse  bei  die- 
sen Italienern  Hand  in  Hand  ging,  wird  in  einem  besonderen  Abschnitte 
die  Rede  sein. 
Der  Krieg  als  Auf  wclchc  VVcisc  auch  der  Krieg  den  Charakter  eines  Kunstwerkes 
Abb'ss—96  annahm,  soll  hier  nur  mit  einigen  Worten  angedeutet  werden.  Im  abend- 
ländischen Mittelalter  war  die  Ausbildung  des  einzelnen  Kriegers  eine 
höchst  vollendete  innerhalb  des  herrschenden  Systems  von  Wehr  und 
Waffen,  auch  gab  es  gewiß  jederzeit  geniale  Erfinder  in  der  Befestigungs- 
und Belagerungskunst;  allein  Strategie  sowohl  als  Taktik  wurden  in 
ihrer  Entwicklung  gestört  durch  die  vielen  sachlichen  und  zeitlichen 
Beschränkungen  der  Kriegspflicht  und  durch  den  Ehrgeiz  des  Adels, 
welcher  z.  B.  angesichts  der  Feinde  um  den  Vorrang  im  Streit  haderte 
und  mit  seinem  bloßen  Ungestüm  gerade  die  wichtigsten  Schlachten, 
wie  die  von  Crecy  und  Maupertuis,  verdarb.  Bei  den  Italienern  dagegen 
herrschte  am  frühsten  das  in  solchen  Dingen  andersgeartete  Söldner- 
reuerwaifen  wcscn  vor,  Und  auch  die  frühe  Ausbildung  der  Feuerwaffen  trug  ihrer- 
seits dazu  bei,  den  Krieg  gleichsam  zu  demokratisieren,  nicht  nur 
weil  die  festesten  Burgen  vor  den  Bombarden  erzitterten,  sondern  weil 
die  auf  bürgerlichem  Wege  erworbene  Geschicklichkeit  des  Ingenieurs, 
Stückgießers  und  Artilleristen  in  den  Vordergrund  trat.  Man  empfand 
dabei  nicht  ohne  Schmerz,  daß  die  Geltung  des  Individuums  —  die 
Seele  der  kleinen,  trefflich  ausgebildeten  italienischen  Söldnerheere  — 
durch  jene  von  ferne  her  wirkenden  Zerstörungsmittel  beeinträchtigt 
wurde,  und  es  gab  einzelne  Kondottieren,  welche  sich  wenigstens  gegen 
das  unlängst  in  Deutschland  erfundene*^*  Handrohr  aus  Kräften  ver- 
Abb. 76  wahrten;  so  ließ  Paolo  Vitclii^*"  den  gefangenen  feindlichen  Schiop- 
pcttieri  die  Augen  ausstechen  und  die  Hände  abhauen,  während  er 
die  Kanonen  als  berechtigt  anerkannte  und  gebrauchte.  Im  großen 
und  ganzen  aber  ließ  man  die  Erfindungen  walten  und  nützte  sie  nach 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  5g 

Kräften  aus,  so  daß  die  Italiener  für  die  AngrifTsmittel  wie  für  den 
Festungsbau  die  Lehrer  von  ganz  Europa  wurden.  Fürsten  wie  Federigo 
von  Urbino,  Alfonso  von  Ferrara,  eigneten  sich  eine  Kennerschaft  des  Kenner  und 
Faches  an,  gegen  welche  selbst  die  eines  Maximilian  I.  nur  oberfläch- 
lich erschienen  sein  wird.  In  Italien  gab  es  zuerst  eine  Wissenschaft 
und  Kunst  des  gesamten  im  Zusammenhang  behandelten  Kriegswesens; 
hier  zuerst  begegnen  wir  einer  neutralen  Freude  an  der  korrekten  Krieg- 
führung als  solcher,  wie  dies  zu  dem  häufigen  Parteiwechsel  und  zu 
der  rein  sachlichen  Handlungsweise  der  Kondottieren  paßte.  Während 
des  mailändisch-venezianischen  Krieges  von  145 1  und  1452,  zwischen 
Francesco  Sforza  und  Jacopo  Picinino,  folgte  dem  Hauptquartier  des 
letztern  der  Literat  Porcellio,  mit  dem  Auftrage  des  Königs  Alfonso 
von  Neapel,  eine  Relation^^^  zu  verfassen.  Sie  ist  in  einem  nicht  sehr 
reinen,  aber  fließenden  Latein  im  Geiste  des  damaligen  humanistischen 
Bombastes  geschrieben,  im  ganzen  nach  Cäsars  Vorbild,  mit  eingestreu- 
ten Reden,  Prodigien  usw.;  und  da  man  seit  hundert  Jahren  ernstlich 
darob  stritt,  ob  Scipio  Africanus  major  oder  Hannibal  größer  gewcsen^*^, 
muß  sich  Picinino  bequemen,  durch  das  ganze  Werk  Scipio  zu  heißen 
und  Sforza  Hannibal.  Auch  über  das  mailändische  Heer  mußte  objektiv 
berichtet  werden;  der  Sophist  ließ  sich  bei  Sforza  melden,  wurde  die 
Reihen  entlang  geführt,  lobte  alles  höchlich  und  versprach,  was  er  hier 
gesehen,  ebenfalls  der  Nachwelt  zu  überliefern  1^^.  Auch  sonst  ist  die 
damalige  Literatur  Italiens  reich  an  Kriegsschilderungen  und  Aufzeich- 
nungen von  Stratagemen  zum  Gebrauch  des  beschaulichen  Kenners 
sowohl  als  der  gebildeten  Welt  überhaupt,  während  gleichzeitige  nordi- 
sche Relationen,  z.  B.:  Diebold  Schillings  Burgunderkrieg,  noch  ganz 
die  Formlosigkeit  und  protokollarische  Treue  von  Chroniken  an  sich 
haben.  Der  größte  Dilettant,  der  je  als  solcher^^*  im  Kriegswesen  auf- 
getreten ist,  Machiavclli,  schrieb  damals  seine  ,,arte  della  guerra".  Zweikämpfe 
Die  subjektive  Ausbildung  des  einzelnen  Kriegers  aber  fand  ihre  voll- 
endetste Äußerung  in  jenen  feierlichen  Kämpfen  von  einem  oder  meh- 
reren Paaren,  dergleichen  schon  lange  vor  dem  berühmten  Kampfe 
bei  Barletta  (1503)  Sitte  gewesen  ist^*^.  Der  Sieger  war  dabei  einer  Ver- 
herrlichung gewiß,  die  ihm  im  Norden  fehlte:  durch  Dichter  und  Hu- 
manisten. Es  liegt  im  Ausgang  dieser  Kämpfe  kein  Gottesurteil  mehr, 
sondern  ein  Sieg  der  Persönlichkeit  und  —  für  die  Zuschauer  —  der 
Entscheid  einer  spannenden  Wette  nebst  einer  Genugtuung  für  die  Ehre 
des  Heeres  oder  der  Nation. 

Es  versteht  sich,  daß  diese  ganze  rationelle  Behandlung  der  Kriegs-  KrieRsijreuei 
Sachen  unter  gewissen  Umständen  den  ärgsten  Greueln  Platz  machte, 
selbst  ohne  Mitwirkung  des  politischen  Hasses,  bloß  etwa  einer  ver- 


6o  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

sprochenen  Plünderung  zuliebe.  Nach  der  vierzigtägigen  Verheerung 
Piacenzas  (1447),  welche  Sforza  seinen  Soldaten  hatte  gestatten  müssen, 
stand  die  Stadt  geraume  Zeit  leer  und  mußte  mit  Gewalt  wieder  be- 
völkert werden^ä».  Doch  will  dergleichen  wenig  sagen  im  Vergleich 
mit  dem  Jammer,  den  nachher  die  Truppen  der  Fremden  über  Itahen 
brachten;  besonders  jene  Spanier,  in  welchen  vielleicht  ein  nicht  abend- 
ländischer Zusatz  des  Geblütes,  vielleicht  die  Gewöhnung  an  die  Schau- 
spiele der  Inquisition  die  teuflische  Seite  des  Natur  entfesselt  hatte. 
Wer  sie  kennenlernt  bei  ihren  Greueltaten  von  Prato,  Rom  usw.  hat 
es  später  schwer,  sich  für  Ferdinand  den  Katholischen  und  Karl  V.  im 
höhern  Sinne  zu  interessieren.  Diese  haben  ihre  Horden  gekannt  und 
dennoch  losgelassen.  Die  Last  von  Akten  aus  ihrem  Kabinett,  welche 
allmählich  zum  Vorschein  kommt,  mag  eine  Quelle  der  wichtigsten 
Notizen  bleiben  —  einen  belebenden  politischen  Gedanken  wird  nie- 
mand mehr  in  den  Skripturen  solcher  Fürsten  suchen. 


DJS  Papst        Papsttum  und  Kirchenstaat^'',  als  eine  ganz  ausnahmsweise  Schöp- 
,,,'""        fung,  haben  uns  bisher,  bei  der  Feststellung  des  Charakters  itahenischer 

Abb.  T4t~i64  OJ  '  o 

Staaten  überhaupt  nur  beiläufig  beschäftigt.  Gerade  das,  was  sonst 
diese  Staaten  interessant  macht,  die  bewußte  Steigerung  und  Kon- 
zentration der  Machtmittel,  findet  sich  im  Kirchenstaat  am  wenigsten, 
indem  hier  die  geistliche  Macht  die  mangelhafte  Ausbildung  der  welt- 
lichen unaufhörlich  decken  und  ersetzen  hilft.  Welche  Feuerproben  hat 
der  so  konstituierte  Staat  im  14.  und  beginnenden  15.  Jahrhundert  aus- 
gehalten! Als  das  Papsttum  nach  Südfrankreich  gefangen  geführt  wurde, 
ging  anfangs  alles  aus  den  Fugen,  aber  Avignon  hatte  Geld,  Truppen 
und  einen  großen  Staats-  und  Kriegsmann,  der  den  Kirchenstaat  wieder 
völlig  unterwarf,  den  Spanier  Albornoz.  Noch  viel  größer  war  die  Ge- 
fahr einer  definitiven  Auflösung,  als  das  Schisma  hinzutrat,  als  weder 
der  römische  noch  der  avignonesische  Papst  reich  genug  war,  um  den 
von  neuem  verlorenen  Staat  zu  unterwerfen,  aber  nach  der  Herstellung 
der  Kircheneinheit  gelang  dies  unter  Martin  V.  doch  wieder,  und  ge- 
lang abermals,  nachdem  sich  die  Gefahr  unter  Eugen  IV.  erneuert 
hatte.  Allein  der  Kirchenstaat  war  und  blieb  einstweilen  eine  völlige 
Anomalie  unter  den  Ländern  Italiens;  in  und  um  Rom  trotzten  dem 
Papsttum  die  großen  Adelsfamilicn  der  Colonna,  Savelli,  Orsini,  An- 
guillara  usw.;  in  Umbrien,  in  der  Mark,  in  der  Romagna  gab  es  zwar 
jetzt  fast  keine  jener  Stadtrepubliken  mehr,  welchen  einst  das  Papst- 
tum für  ihre  Anhänglichkeit  so  wenig  Dank  gewußt  hatte,  aber  dafür 
eine  Menge  großer  und  kleiner  Fürstenhäuser,  deren  Gehorsam  und 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  6l 

Vasallentreue  nicht  viel  besagen  wollte.  Als  besondere,  aus  eigener 
Kraft  bestehende  Dynastien  haben  sie  auch  ihr  besonderes  Interesse, 
und  in  dieser  Beziehung  ist  oben  (S.  i6f.,  26 f.)  bereits  von  den  wichtig- 
sten derselben  die  Rede  gewesen. 

Gleichwohl  sind  wir  auch  dem  Kirchenstaat  als  Ganzem  hier  eine  seine 
kurze  Betrachtung  schuldig.  Neue  merkwürdige  Krisen  und  Gefahren  'i^^!',"',','™ 
kommen  seit  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  über  ihn,  indem  der  Geist 
der  italienischen  Politik  von  verschiedenen  Seiten  her  sich  auch  seiner 
zu  bemächtigen,  ihn  in  die  Pfade  seiner  Räson  zu  leiten  sucht.  Die 
geringern  dieser  Gefahren  kommen  von  außen  oder  aus  dem  Volke, 
die  größern  haben  ihre  Qiielle  in  dem  Gemüt  der  Päpste  selbst. 

Das  transalpinische  Ausland  darf  zunächst  außer  Betracht  bleiben. 
Wenn  dem  Papsttum  in  Italien  eine  tödliche  Bedrohung  zustieß,  so 
hätte  ihm  weder  Frankreich  unter  Ludwig  XL,  noch  England  beim 
Beginn  der  Rosenkriege,  noch  das  einstweilen  gänzlich  zerrüttete  Spa- 
nien, noch  auch  das  um  sein  Basler  Konzil  betrogene  Deutschland  die 
geringste  Hilfe  gewährt  oder  auch  nur  gewähren  können.  In  Itahen  siudpimkie 
selber  gab  es  eine  gewisse  Anzahl  Gebildeter  und  auch  wohl  Ungebil- 
deter, welche  eine  Art  von  Nationalstolz  darein  setzten,  daß  das  Papst- 
tum dem  Lande  gehöre;  sehr  viele  hatten  ein  bestimmtes  Interesse  da- 
bei, daß  es  so  sei  und  bleibe;  eine  gewaltige  Menge  glaubte  auch  noch 
an  die  Kraft  der  päpstlichen  Weihen  und  Segnungen"^,  darunter  auch 
große  Frevler,  wie  jener  Vitellozzo  Vitclli,  der  noch  um  den  Ablaß 
Alexanders  VI.  flehte,  als  ihn  der  Sohn  des  Papstes  erwürgen  ließ^''^. 
Allein  alle  diese  Sympathien  zusammen  hätten  wiederum  das  Papst- 
tum nicht  gerettet  gegenüber  von  wahrhaft  entschlossenen  Gegnern, 
die  den  vorhandenen  Haß  und  Neid  zu  benützen  gewußt  hätten. 

Und  bei  so  geringer  Aussicht  auf  äußere  Hilfe  entwickeln  sich  gerade 
die  allergrößten  Gefahren  im  Innern  des  Papsttums  selber.  Schon  in- 
dem dasselbe  jetzt  wesentlich  im  Geist  eines  weltlichen  italienischen 
Fürstentums  lebte  und  handelte,  mußte  es  auch  die  düstern  Momente 
eines  solchen  kennenlernen;  seine  eigentümliche  Natur  aber  brachte 
noch  ganz  besondere  Schatten  hinein. 

Was  zunächst  die  Stadt  Rom  anbetrifft,  so  hat  man  von  jeher  der-  Die  siadi 
gleichen  getan,  als  ob  man  ihre  Aufwallungen  wenig  fürchte,  da  so 
mancher  durch  Volkstumult  vertriebene  Papst  wieder  zurückgekehrt 
sei  und  die  Römer  um  ihres  eigenen  Interesses  willen  die  Gegenwart 
der  Kurie  wünschen  mußten.  Allein  Rom  entwickelte  nicht  nur  zu- 
zeiten einen  spezifisch  antipäpstlichen  Radikalismus^"",  sondern  es  zeigte 
sich  auch  mitten  in  den  bedenklichsten  Komplotten  die  Wirkung  un- 
sichtbarer Hände  von  außen.  So  bei  der  Verschwörung  des  Stefano 


Rom  unter 
N'irolaus  \'. 


02  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Porcari  gegen  denjenigen  Papst,  welcher  gerade  der  Stadt  Rom  die 
größten  Vorteile  gewährt  hatte,  Nikolaus  V.  (1453).  Porcari  bezweckte 
einen  Umsturz  der  päpsthchen  Herrschaft  überhaupt  und  hatte  dabei 
große  Mitwisser,  die  zwar  nicht  genannt  werden^"^,  sicher  aber  unter 
den  italienischen  Regierungen  zu  suchen  sind.  Unter  demselben  Ponti- 
fikat  schloß  Lorenzo  Valla  seine  berühmte  Deklamation  gegen  die  Schen- 
kung Konstantins  mit  einem  Wunsch  um  baldige  Säkularisation  des 
Kirchenstaates  ^''^. 
unterPiusii.  Aiicli  die  catilinarisclie  Rotte,  mit  welcher  Pius  II.  (1459)  kämpfen 
'"^  mußte*"^,  verhehlte  es  nicht,  daß  ihr  Ziel  der  Sturz  der  Priesterherr- 
schaft im  allgemeinen  sei,  und  der  Hauptanführer  Tiburzio  gab  Wahr- 
sagern die  Schuld,  welche  ihm  die  Erfüllung  dieses  Wunsches  eben  auf 
dieses  Jahr  verheißen  hätten.  Mehrere  römische  Große,  der  Fürst  von 
Tarent  und  der  Kondottiere  Jacopo  Piccinino  waren  die  Mitwisser  und 
Beförderer.  Und  wenn  man  bedenkt,  welche  Beute  in  den  Palästen 
reicher  Prälaten  bereitlag  (jene  hatten  besonders  den  Kardinal  von 
Aquileja  im  Auge),  so  fällt  es  eher  auf,  daß  in  der  fast  ganz  unbewachten 
Stadt  solche  Versuche  nicht  häufiger  und  erfolgreicher  waren.  Nicht 
umsonst  residierte  Pius  lieber  überall  als  in  Rom,  und  noch  Paul  II. 
hat  (1468)  einen  heftigen  Schrecken  wegen  eines  wirklichen  oder  vor- 
gegebenen Komplottes  ähnlicher  Art  ausgestanden^"*.  Das  Papsttum 
mußte  entweder  einmal  einem  solchen  Anfall  unterliegen  oder  gewalt- 
sam die  Faktionen  der  Großen  bändigen,  unter  deren  Schutz  jene 
Räuberscharen  heranwuchsen. 
siitusiv.  Diese  Aufgabe  setzte  sich  der  schreckliche  Sixtus  IV.  Er  zuerst  hatte 
Rom  und  die  Umgegend  fast  völlig  in  der  Gewalt,  zumal  seit  der  Ver- 
folgung der  Kolonnesen,  und  deshalb  konnte  er  auch  in  Sachen  des 
Pontifikates  sowohl  als  der  italienischen  Politik  mit  so  kühnem  Trotz 
verfahren  und  die  Klagen  und  Konzilsdrohungen  des  ganzen  Abend- 
landes verachten.  Die  nötigen  Geldmittel  lieferte  eine  plötzHch  ins 
Schrankenlose  wachsende  Simonie,  welche  von  den  Kardinalsernennun- 
gen bis  auf  die  kleinsten  Gnaden  und  Bewilligungen  herunter  sich  alles 
unterwarf  Sixtus  selbst  hatte  die  päpstliche  Würde  nicht  ohne  Be- 
stechung erhalten. 
vt  Ncpotis-  Eine  so  allgemeine  Käuflichkeit  konnte  einst  dem  römischen  Stuhl 
Abh  7j"j  iks  "'^'^  Schicksale  zuziehen,  doch  lagen  dieselben  in  unberechenbarer 
Ferne.  Anders  war  es  mit  dem  Nepotismus,  welcher  das  Pontifikat 
selber  einen  Augenblick  aus  den  Angeln  zu  heben  drohte.  Von  allen 
Nepotcn  genoß  anfangs  Kardinal  Pietro  Riario  bei  Sixtus  die  größte 
und  fast  ausschließliche  Gunst;  ein  Mensch,  welcher  binnen  kurzem 
die  Phantasie  von  ganz  Italien  beschäftigte^"*,  teils  durch  Ungeheuern 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  63 

Luxus,  teils  durch  die  Gerüchte,  welche  über  seine  Gottlosigkeit  und 
seine  politischen  Pläne  laut  wurden.  Er  hat  sich  (1473)  mit  Herzog 
Galeazzo  Maria  von  Mailand  dahin  verständigt,  daß  dieser  König  der 
Lombardie  werden  und  ihn,  den  Nepoten,  dann  mit  Geld  und  Truppen 
unterstützen  solle,  damit  er  bei  seiner  Heimkehr  nach  Rom  den  päpst- 
lichen Stuhl  besteigen  könne;  Sixtus  würde  ihm  denselben,  scheint  es, 
freiwillig  abgetreten  haben ^'".  Dieser  Plan,  welcher  wohl  auf  eine  Säku- 
larisation des  Kirchenstaates  als  Folge  der  Erblichmachung  des  Stuhles 
hinausgelaufen  wäre,  scheiterte  dann  durch  Pietros  plötzliches  Absterben. 
Der  zweite  Nepot,  Girolamo  Riario,  blieb  weltlichen  Standes  und  tastete 
das  Pontifikat  nicht  an;  seit  ihm  aber  vermehren  die  päpstlichen  Ne-  Der  Nepot 
poten  die  Unruhe  Italiens  durch  das  Streben  nach  einem  großen  Fürsten- 
tum. Früher  war  es  etwa  vorgekommen,  daß  die  Päpste  ihre  Oberlehns- 
herrlichkeit  über  Neapel  zugunsten  ihrer  Verwandten  geltend  machen 
wollten^*®;  seit  Calixt  HI.  aber  war  hieran  nicht  mehr  so  leicht  zu  den- 
ken, und  Girolamo  Riario  mußte,  nachdem  die  Überwältigung  von 
Florenz  (und  wer  weiß  wie  mancher  andere  Plan)  mißlungen  war, 
sich  mit  Gründung  einer  Herrschaft  auf  Grund  und  Boden  des  Kirchen- 
staates selber  begnügen.  Man  mochte  dies  damit  rechtfertigen,  daß  die 
Romagna  mit  ihren  Fürsten  und  Stadttyrannen  der  päpstlichen  Ober- 
herrschaft völlig  zu  entwachsen  drohte,  oder  daß  sie  in  kurzem  die  Beute 
der  Sforza  und  der  Venezianer  werden  konnte,  wenn  Rom  nicht  auf 
diese  Weise  eingriff.  Allein  wer  garantierte  in  jenen  Zeiten  und  Ver- 
hältnissen den  dauernden  Gehorsam  solcher  souverän  gewordener  Ne- 
poten und  ihrer  Nachkommen  gegen  Päpste,  die  sie  weiter  nichts  mehr 
angingen?  Selbst  der  noch  lebende  Papst  war  nicht  immer  seines  eigenen 
Sohnes  oder  Neffen  sicher,  und  vollends  lag  die  Versuchung  nahe,  den 
Nepoten  eines  Vorgängers  durch  den  eigenen  zu  verdrängen.  Die  Rück- 
wirkungen dieses  ganzen  Verhältnisses  auf  das  Papsttum  selbst  waren 
von  der  bedenklichsten  Art;  alle,  auch  die  geistlichen  Zwangsmittel 
wurden  ohne  irgendwelche  Scheu  an  den  zweideutigsten  Zweck  ge- 
wandt, welchem  sich  die  andern  Zwecke  des  Stuhles  Petri  unterordnen 
mußten,  und  wenn  das  Ziel  unter  heftigen  Erschütterungen  und  all- 
gemeinem Haß  erreicht  war,  so  hatte  man  eine  Dynastie  geschaffen, 
welche  das  größte  Interesse  am  Untergang  des  Papsttums  hatte. 

Als  Sixtus  starb,  konnte  sich  Girolamo  nur  mit  äußerster  Mühe  und 
nur  durch  den  Schutz  des  Hauses  Sforza  (dem  seine  Gemahlin  an-    Abb..u,5-- 
gehörte)  in  seinem  erschwindelten  Fürstentum  (Forli  und  Imola)  halten 
Bei  dem  nun  (1484)  folgenden  Konklave  —  in  welchem  Innocenz  VIII 
gewählt  wurde  —  trat  eine  Erscheinung  zutage,  welche  beinahe  einer     Simonie 
neuen  äußern  Garantie  des  Papsttums  ähnlich  sieht:  zwei  Kardinäle, 


Inno- 
cenz VIII. 
und  die 


64  DEK  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

welche  Prinzen  regierender  Häuser,  sind,  lassen  sich  ihre  Hilfe  auf  das 
schamloseste  durch  Geld  und  Würden  abkaufen,  nämlich  Giovanni 
d'Aragona,  Sohn  des  Königs  Ferrante,  und  Ascanio  Sforza,  Bruder 
des  Moro^"'.  So  waren  wenigstens  die  Herrscherhäuser  von  Neapel  und 
Mailand  duixh  Teilnahme  an  der  Beute  beim  Fortbestand  des  päpst- 
lichen Wesens  interessiert.  Noch  einmal  beim  folgenden  Konklave,  als 
alle  Kardinäle  bis  auf  fünf  sich  verkauften,  nahm  Ascanio  ungeheure 
Bestechungen  an,  und  behielt  sich  außerdem  die  Hoffnung^^"  vor,  das 
nächstemal  selber  Papst  zu  werden. 

Auch  Lorenzo  magnifico  wünschte,  daß  das  Haus  Medici  nicht  leer 
ausgehe.  Er  vermählte  seine  Tochter  Maddalena  mit  dem  Sohn  des 
neuen  Papstes,  Franceschetto  Cybö  und  erwartete  nun  nicht  bloß 
allerlei  geistliche  Gunst  für  seinen  eigenen  Sohn  Kardinal  Giovanni 
(den  künftigen  Leo  X.),  sondern  auch  eine  rasche  Erhebung  des  Schwie- 
gersohns^^. Allein  in  letzterm  Betracht  verlangte  er  Unmögliches.  Bei 
Innocenz  VHI.  konnte  von  dem  kecken,  staatengründenden  Nepotis- 
mus deshalb  nicht  die  Rede  sein,  weil  Franceschetto  ein  ganz  kümmer- 
licher Mensch  war,  dem  es,  wie  seinem  Vater,  dem  Papste,  nur  um  den 
Genuß  der  Macht  im  niedrigsten  Sinne,  namentlich  um  den  Erwerb 
großer  Geldmassen*^,  zu  tun  sein  konnte.  Die  Art  jedoch,  wie  Vater 
und  Sohn  dies  Geschäft  trieben,  hätte  auf  die  Länge  zu  einer  höchst 
geHihrhchen  Katastrophe,  zur  Auflösung  des  Staates,  führen  müssen. 
\  „kauf  dn  Hatte  Sixtus  das  Geld  beschafft  durch  den  Verkauf  aller  geisthchen 
Gnaden  und  Würden,  so  errichten  Innocenz  und  sein  Sohn  eine  Bank 
der  weltlichen  Gnaden,  wo  gegen  Erlegung  von  hohen  Taxen  Pardon 
für  Mord  und  Totschlag  zu  haben  ist;  von  jeder  Buße  kommen  150  Du- 
katen an  die  päpstliche  Kammer,  und,  was  darübergeht,  an  France- 
schetto. Rom  wimmelt  namentlich  in  den  letzten  Zeiten  dieses  Ponti- 
fikates  von  protegierten  und  nicht  protegierten  Mördern;  die  Faktionen, 
mit  deren  Unterwerfung  Sixtus  den  Anfang  gemacht,  stehen  wieder  in 
voller  Blüte  da;  dem  Papst  in  seinem  wohlverwahrten  Vatikan  genügt 
es,  da  und  dort  Fallen  aufzustellen,  in  welchen  sich  zahlungsfähige  Ver- 
brecher fangen  sollen.  Für  Franceschetto  aber  gab  es  nur  noch  eine 
Hauptfrage:  aufweiche  Art  er  sich,  wenn  der  Papst  stürbe,  mit  mög- 
lichst großen  Kassen  aus  dem  Staube  machen  könne?  Er  verriet  sich 
einmal  bei  Anlaß  einer  falschen  Todesnachricht  (1490);  alles  überhaupt 
vorhandene  Geld  —  den  Schatz  der  Kirche  —  wollte  er  fortschaffen, 
und  als  die  Umgebung  ihn  daran  hinderte,  sollte  wenigstens  der  Türken- 
prinz Dschcm  mitgehen,  ein  lebendiges  Kapital,  das  man  um  hohen 
Preis  etwa  an  Ferrante  von  Neapel  verhandeln  konnte*".  Es  ist  schwer, 
politische  Möglichkeiten  in  längst  vergangenen  Zeiten  zu  berechnen; 


Begnadi- 
sungen 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  65 

unabweisbar  aber  drängt  sich  die  Frage  auf,  ob  Rom  noch  zwei  oder 
drei  Pontifikate  dieser  Art  ausgehalten  hätte?  Auch  gegenüber  dem 
andächtigen  Europa  war  es  unklug,  die  Dinge  so  weit  kommen  zu 
lassen,  daß  nicht  bloß  der  Reisende  und  der  Pilger,  sondern  eine  ganze 
Ambassade  des  römischen  Königs  Maximilian  in  der  Nähe  von  Rom 
bis  aufs  Hemd  ausgezogen  wurde  und  daß  manche  Gesandte  unter- 
wegs umkehrten,  ohne  die  Stadt  betreten  zu  haben. 

Mit  dem   Begriff  vom   Genuß  der  Macht,   welcher  in  dem  hoch-  Aiexandervi. 
begabten  Alexander  VI.  (1492 — 1503)  lebendig  war,  vertrug  sich  ein  Abb.  155,  ist, 
solcher  Zustand  freilich  nicht,  und  das  erste,   was  geschah,  war  die 
einstweilige   Herstellung   der  öffentlichen    Sicherheit   und   das   präzise 
Auszahlen  aller  Besoldungen. 

Strenge  genommen  dürfte  dieses  Pontifikat  hier,  wo  es  sich  um  ita- 
lienische Kulturformen  handelt,  übergangen  werden,  denn  die  Borgia 
sind  so  wenig  Italiener  als  das  Haus  von  Neapel.  Alexander  spricht 
mit  Cesare  öffentlich  spanisch,  Lucrczia  wird  bei  ihrem  Empfang  in  Abb.  17 
Ferrara,  wo  sie  spanische  Toilette  trägt,  von  spanischen  Buffonen  an- 
gesungen; die  vertrauteste  Hausdienerschaft  besteht  aus  Spaniern,  eben- 
so die  verrufenste  Kriegerschar  des  Cesare  im  Krieg  des  Jahres  1500,  Abb.s^.g^ 
und  selbst  sein  Henker,  Don  Micheletto,  sowie  der  Giftmischer  Sebastian 
Pinzon  Cremonese  scheinen  Spanier  gewesen  zu  sein.  Zwischen  all 
seinem  sonstigen  Treiben  erlegt  Cesare  auch  einmal  spanisch  kunst- 
gerecht sechs  wilde  Stiere  in  geschlossenem  Hofraum.  Allein  die  Kor- 
ruption, als  deren  Spitze  diese  Familie  erscheint,  hatten  sie  in  Rom 
schon  sehr  entwickelt  angetroffen. 

Was  sie  gewesen  sind  und  was  sie  getan  haben,  ist  oft  und  viel  ge- 
schildert worden.  Ihr  nächstes  Ziel,  welches  sie  auch  erreichten,  war 
die  völlige  Unterwerfung  des  Kirchenstaates,  indem  die  sämtlichen^i* 
kleinen  Herrscher  —  meist  mehr  oder  weniger  unbotmäßige  Vasallen 
der  Kirche  —  vertrieben  oder  zernichtet  und  in  Rom  selbst  beide 
große  Faktionen  zu  Boden  geschmettert  wurden,  die  angeblich  guelfi- 
schen  Orsinen  so  gut  wie  die  angeblich  gibcllinischen  Colonnescn.  Aber 
die  Mittel,  welche  angewandt  wurden,  waren  so  schrecklich,  daß  das 
Papsttum  an  den  Konsequenzen  derselben  notwendig  hätte  zugrunde 
gehen  müssen,  wenn  nicht  ein  Zwischenereignis  (die  gleichzeitige  Ver- 
giftung von  Vater  und  Sohn)  die  ganze  Lage  der  Dinge  plötzlich  ge- 
ändert hätte.  —  Auf  die  moralische  Entrüstung  des  Abendlandes  aller- 
dings brauchte  Alexander  nicht  viel  zu  achten;  in  der  Nähe  erzwang 
er  Schrecken  und  Huldigung;  die  ausländischen  Fürsten  ließen  sich 
gewinnen,  und  Ludwig  XII.  half  ihm  sogar  aus  allen  Kräften,  die  Be- 
völkerungen aber  ahnten  kaum,  was  in  Mittelitalien  vorging.  Der  ein- 

Burckhardt  5 


(ici.lhreil  von 
aiiDeii 


66  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

zige  in  diesem  Sinne  wahrhaft  gefährhche  Moment,  als  Karl  VIII.  in 
der  Nähe  war,  ging  unerwartet  glücklich  vorüber,  und  auch  damals 
handelte  es  sich  nicht  um  das  Papsttum  als  solches^^^,  sondern  nur  um 
Verdrängung  Alexanders  durch  einen  bessern  Papst.  Die  große,  blei- 
bende und  wachsende  Gefahr  für  das  Pontifikat  lag  in  Alexander  selbst 
und  vor  allem  in  seinem  Sohne  Cesare  Borgia. 
simonk-  In  dcm  Vater  waren  Herrschbegier,  Habsucht  und  Wollust  mit  einem 
starken  und  glänzenden  Naturell  verbunden.  Was  irgend  zum  Genuß 
von  Macht  und  Wohlleben  gehört,  das  gönnte  er  sich  vom  ersten  Tage 
an  im  weitesten  Umfang.  In  den  Mitteln  zu  diesem  Zwecke  erscheint 
er  sogleich  völlig  unbedenklich;  man  wußte  auf  der  Stelle,  daß  er  die 
für  seine  Papstwahl  aufgewandten  Opfer  mehr  als  nur  wieder  einbringen 
würde ^^,  und  daß  die  Simonie  des  Kaufes  durch  die  des  Verkaufes 
weit  würde  überboten  werden.  Es  kam  hinzu,  daß  Alexander  von  seinem 
Vizekanzellariat  und  andern  frühern  Ämtern  her  die  möglichen  Geld- 
quellen besser  kannte  und  mit  größerm  Geschäftstalent  zu  handhaben 
wußte  als  irgendein  Kuriale.  Schon  im  Laufe  des  Jahres  1494  geschah 
es,  daß  ein  Karmeliter  Adamo  von  Genua,  der  zu  Rom  von  der  Simonie 
gepredigt  hatte,  mit  zwanzig  Wunden  ermordet  in  seinem  Bette  gefunden 
wurde.  Alexander  hat  kaum  einen  Kardinal  außer  gegen  Erlegung 
hoher  Summen  ernannt. 
Cesare  Borgia  Als  abcr  der  Papst  mit  der  Zeit  unter  die  Herrschaft  seines  Sohnes 
Abb.  83, 84  gej-jet,  nahmen  die  Mittel  der  Gewalt  jenen  völlig  satanischen  Charak- 
ter an,  der  notwendig  auf  die  Zwecke  zurückwirkt.  Was  im  Kampf 
gegen  die  römischen  Großen  und  gegen  die  romagnolischen  Dynasten 
geschah,  überstieg  im  Gebiet  der  Treulosigkeit  und  Grausamkeit  so- 
gar dasjenige  Maß,  an  welches  z.  B.  die  Aragonesen  von  Neapel  die 
Welt  bereits  gewöhnt  hatten,  und  auch  das  Talent  der  Täuschung 
war  größer.  Vollends  grauenhaft  ist  die  Art  und  Weise,  wie  Cesare 
den  Vater  isoliert,  indem  er  den  Bruder,  den  Schwager  und  an- 
dere Verwandte  und  Höflinge  ermordet,  sobald  ihm  deren  Gunst 
beim  Papst  oder  ihre  sonstige  Stellung  unbequem  wird.  Alexander 
mußte  zu  der  Ermordung  seines  geliebtesten  Sohnes,  des  Duca  di 
Gandia,  seine  Einwilligung  geben^',  weil  er  selber  stündlich  vor  Ce- 
sare  zitterte. 

Welches  waren  nun  die  tiefsten  Pläne  des  letztern?  Noch  in  den 
letzten  Monaten  seiner  Herrschaft,  als  er  eben  die  Kondottieren  zu 
Sinigaglia  umgebracht  hatte  und  faktisch  Herr  des  Kirchenstaates  war 
(1503),  äußerte  man  sich  in  seiner  Nähe  leidlich  bescheiden:  Der  Her- 
zog wolle  bloß  Faktionen  und  Tyrannen  unterdrücken,  alles  nur  zum 
Nutzen  der  Kirche;  für  sich  bedinge  er  sich  höchstens  die  Romagna 


DER    STAAT  ALS  KUNSTWERK  67 

aus,  und  dabei  könne  er  des  Dankgefühles  aller  folgenden  Päpste  sicher 
sein,  da  er  ihnen  Orsinen  und  Colonnesen  vom  Halse  geschafft^®.  Aber  seine 
niemand  wird  dies  als  seinen  letzten  Gedanken  gelten  lassen.  Schon 
etwas  weiter  ging  einmal  Papst  Alexander  selbst  mit  der  Sprache  heraus, 
in  der  Unterhaltung  mit  dem  venezianischen  Gesandten,  indem  er 
seinen  Sohn  der  Protektion  von  Venedig  empfahl:  ,,Ich  will  dafür  sor- 
gen, sagte  er,  daß  einst  das  Papsttum  entweder  an  ihn  oder  an  Eure 
Republik  fällt^^."  Cesare  freilich  fügte  bei:  es  solle  nur  Papst  werden,  aufdenpäpst- 
wen  Venedig  wolle,  und  zu  diesem  Endzweck  brauchten  nur  die  vene-  ''^'""^  ^°'^ 
zianischen  Kardinäle  recht  zusammenzuhalten.  Ob  er  damit  sich  selbst 
gemeint,  mag  dahingestellt  bleiben;  jedenfalls  genügt  die  Aussage  des 
Vaters,  um  seine  Absicht  auf  die  Besteigung  des  päpstlichen  Thrones 
zu  beweisen.  Wiederum  etwas  mehr  erfahren  wir  mittelbar  von  Lucrezia 
Borgia,  insofern  gewisse  Stellen  in  den  Gedichten  des  Ercole  Strozza 
der  Nachklang  von  Äußerungen  sein  dürften,  die  sie  als  Herzogin  von 
Ferrara  sich  wohl  erlauben  konnte.  Zunächst  ist  auch  hier  von  Cesares 
Aussicht  auf  das  Papsttum  die  Rede^",  allein  dazwischen  tönt  etwas 
von  einer  gehofften  Herrschaft  über  Italien  im  allgemeinen^^,  und  am 
Ende  wird  angedeutet,  daß  Cesare  gerade  als  weltlicher  Herrscher 
das  Größte  vorgehabt  und  deshalb  einst  den  Kardinalshut  niedergelegt 
habe^^.  In  der  Tat  kann  kein  Zweifel  darüber  walten,  daß  Cesare, 
nach  Alexanders  Tode  zum  Papst  gewählt  oder  nicht,  den  Kirchen-  und  dessen 
Staat  um  jeden  Preis  zu  behaupten  gedachte,  und  daß  er  dies,  nach  allem, 
was  er  verübt  hatte,  als  Papst  unmöglich  auf  die  Länge  vermocht 
hätte.  Wenn  irgendeiner,  so  hätte  er  den  Kirchenstaat  säkularisiert^^ 
und  hätte  es  tun  müssen,  um  dort  weiter  zu  herrschen.  Trügt  uns  nicht 
alles,  so  ist  dies  der  wesentliche  Grund  der  geheimen  Sympathie,  womit 
Macchiavell  den  großen  Verbrecher  behandelt;  von  Cesare  oder  von 
niemand  durfte  er  hoffen,  daß  er  ,,das  Eisen  aus  der  Wunde  ziehe", 
d.  h.  das  Papsttum,  die  Quelle  aller  Intervention  und  aller  Zersplitte- 
rung Italiens,  zernichte.  —  Die  Intriganten,  welche  Cesare  zu  erraten 
glaubten,  wenn  sie  ihm  das  Königtum  von  Toskana  spiegelten,  wies 
er,  scheint  es,  mit  Verachtung  von  sich^^*. 

Doch  alle  logischen  Schlüsse  aus  seinen  Prämissen  sind  vielleicht 
eitel  —  nicht  wegen  einer  sonderlichen  dämonischen  Genialität,  die 
ihm  sowenig  innewohnte  als  z.  B.  dem  Herzog  von  Friedland  — ,  son- 
dern weil  die  Mittel,  die  er  anwandte,  überhaupt  mit  keiner  völlig 
konsequenten  Handlungsweise  im  großen  verträglich  sind.  Vielleicht 
hätte  in  dem  Übermaß  von  Bosheit  sich  wieder  eine  Aussicht  der  Ret- 
tung für  das  Papsttum  aufgetan,  auch  ohne  jenen  Zufall,  der  seiner  Herr- 
schaft ein  Ende  machte. 


Säkulari- 
sation 


68  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

1)1^  irratio  Wenn  man  auch  annimmt,  daß  die  Zernichtung  aller  Zwischen- 
herrscher im  Kirchenstaate  dem  Cesare  nichts  als  Sympathie  eingetragen 
hätte,  wenn  man  auch  die  Schar,  die  1503  seinem  Glücke  folgte  —  die 
besten  Soldaten  und  Offiziere  Italiens  mit  Lionardo  da  Vinci  als  Ober- 
ingenieur — ,  als  Beweis  seiner  großen  Aussichten  gelten  läßt,  so  gehört 
doch  anderes  wieder  ins  Gebiet  des  Irrationellen,  so  daß  unser  Urteil 
darob  irre  wird  wie  das  der  Zeitgenossen.  Von  dieser  Art  ist  besonders 
die  Verheerung  und  Mißhandlung  des  eben  gewonnenen  Staates^^^, 
den  Cesare  doch  zu  behalten  und  zu  beherrschen  gedenkt.  Sodann  der 
Zustand  Roms  und  der  Kurie  in  den  letzten  Jahren  des  Pontifikates. 

Knnordungen  Sei  CS,  daß  Vatcr  und  Sohn  eine  förmliche  Proskriptionsliste  entworfen 
hatten^^*,  sei  es,  daß  die  Mordbeschlüsse  einzeln  gefaßt  wurden  —  die 
Borgia  legten  sich  auf  heimliche  Zernichtung  aller  derer,  welche  ihnen 
irgendwie  im  Wege  waren  oder  deren  Erbschaft  ihnen  begehrenswert 
schien.  Kapitalien  und  fahrende  Habe  waren  noch  das  wenigste  dabei; 
viel  einträglicher  für  den  Papst  war  es,  daß  die  Leibrenten  der  betref- 
fenden geistlichen  Herren  erloschen  und  daß  er  die  Einkünfte  ihrer 
Ämter  während  der  Vakanz  und  den  Kaufpreis  derselben  bei  neuer 
Besetzung  einzog.  Der  venezianische  Gesandte  Paolo  Capello^'  meldet 
im  Jahre  1500  wie  folgt:  ,,Jede  Nacht  findet  man  zu  Rom  4  oder  5  Er- 
mordete, nämlich  Bischöfe,  Prälaten  und  andere,  so  daß  ganz  Rom 
davor  zittert,  von  dem  Herzog  (Cesare)  ermordet  zu  werden."  Er  selber 
zog  des  Nachts  mit  seinen  Garden  in  der  erschrockenen  Stadt  herum*^, 
und  es  ist  aller  Grund  vorhanden  zu  glauben,  daß  dies  nicht  bloß  ge- 
schah, weil  er,  wie  Tiberius,  sein  scheußlich  gewordenes  Antlitz  bei 
Tage  nicht  mehr  zeigen  mochte,  sondern  um  seiner  tollen  Mordlust 
ein  Genüge  zu  tun,  vielleicht  auch  an  ganz  Unbekannten.  Schon  im 
Jahr  1499  war  die  Desperation  hierüber  so  groß  und  allgemein,  daß 
das  Volk  viele  päpstliche  Gardisten  überfiel  und  umbrachte^'.  Wem 
aber  die  Borgia  mit  offener  Gewalt  nicht  beikamen,  der  unterlag  ihrem 

verRiftimgen  Gift.  Für  diejenigen  Fälle,  wo  einige  Diskretion  nötig  schien,  wurde 
jenes  schneeweiße,  angenehm  schmeckende  Pulver^"  gebraucht,  welches 
nicht  blitzschnell,  sondern  allmählich  wirkte  und  sich  unbemerkt  jedem 
Gericht  oder  Getränk  beimischen  ließ.  Schon  Prinz  Dschcm  hatte  davon 
in  einem  süßen  Trank  mitbekommen,  bevor  ihn  Alexander  an  Karl  VIII. 
auslieferte  (1495),  und  am  Ende  ihrer  Laufbahn  vergifteten  sich  Vater 
und  Sohn  damit,  indem  sie  zufällig  von  dem  für  einen  i-eichen  Kar- 
dinal bestimmten  Wein  genossen.  Der  offizielle  Epitomator  der  Papst- 
Abb.  ijt,  geschichte,  Onufiio  Panvinio^',  nennt  drei  Kardinäle,  welche  Alexan- 
der hat  vergiften  lassen  (Orsini,  Ferrerio  und  Michiel)  und  deutet 
einen  vierten  an,  welchen  Cesare  auf  seine  Rechnung  nahm  (Giovanni 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


69 


Borgia);  es  möchten  aber  damals  selten  reichere  Prälaten  in  Rom  ge- 
storben sein  ohne  einen  Verdacht  dieser  Art.  Auch  stille  Gelehrte, 
die  sich  in  eine  Landstadt  zurückgezogen,  erreichte  ja  das  erbarmungs- 
lose Gift.  Es  fing  an,  um  den  Papst  herum  nicht  mehr  recht  geheuer 
zu  werden;  Blitzschläge  und  Sturmwinde,  von  welchen  Mauern  und 
Gemächer  einstürzten,  hatten  ihn  schon  früher  in  auffallender  Weise 
heimgesucht  und  in  Schrecken  gesetzt;  als  1500^^  sich  diese  Erschei- 
nungen wiederholten,  fand  man  darin  „cosa  diabolica".  Das  Gerücht 
von  diesem  Zustande  der  Dinge  scheint  durch  das  stark  besuchte^^ 
Jubiläum  von  1500  doch  endlich  weit  unter  den  Völkern  herumgekom- 
men zu  sein,  und  die  schmachvolle  Ausbeutung  des  damaligen  Ablasses 
tat  ohne  Zweifel  das  übrige,  um  alle  Augen  auf  Rom  zu  lenken^*. 
Außer  den  heimkehrenden  Pilgern  kamen  auch  sonderbare  weiße  Büßer 
aus  Italien  nach  dem  Norden,  darunter  verkappte  Flüchtlinge  aus  dem 
Kirchenstaat,  welche  nicht  werden  geschwiegen  haben.  Doch  wer  kann 
berechnen,  wie  lange  und  hoch  das  Ärgernis  des  Abendlandes  noch 
hätte  steigen  müssen,  ehe  es  für  Alexander  eine  unmittelbare  Gefahr 
erzeugte.  ,,Er  hätte",  sagt  Panvinio  anderswo^^,  ,,auch  die  noch  übri- 
gen reichen  Kardinäle  und  Prälaten  aus  der  Welt  geschafft,  um  sie  zu 
beerben,  wenn  er  nicht,  mitten  in  den  größten  Absichten  für  seinen  Sohn, 
dahingerafft  worden  wäre."  Und  was  würde  Cesare  getan  haben,  wenn 
er  im  Augenblicke,  da  sein  Vater  starb,  nicht  ebenfalls  auf  den  Tod 
krank  gelegen  hätte?  Welch  ein  Konklave  wäre  das  geworden,  wenn 
er  sich  einstweilen,  mit  all  seinen  Mitteln  ausgerüstet,  durch  ein  mit 
Gift  zweckmäßig  reduziertes  Kardinalskollegium  zum  Papst  wählen  ließ, 
zumal  in  einem  Augenblick,  da  keine  französische  Armee  in  der  Nähe 
gewesen  wäre!  Die  Phantasie  verliert  sich,  sobald  sie  diese  Hypothesen 
verfolgt,  in  einen  Abgrund. 

Statt  dessen  folgte  das  Konklave  Pius'III.  und  nach  dessen  baldigemTode 
auch  dasjenige  Julius'  II.  unter  dem  Eindruck  einer  allgemeinen  Reaktion. 

Welches  auch  die  Privatsitten  Julius'  IL  sein  mochten,  in  den  wesent- 
lichen Beziehungen  ist  er  der  Retter  des  Papsttums.  Die  Betrachtung 
des  Ganges  der  Dinge  in  den  Pontifikaten  seit  seinem  Oheim  Sixtus 
hatte  ihm  einen  tiefen  Einblick  in  die  wahren  Grundlagen  und  Be- 
dingungen des  päpstlichen  Ansehens  gewährt,  und  danach  richtete  er 
nun  seine  Herrschaft  ein  und  widmete  ihr  die  ganze  Kraft  und  Leiden- 
schaft seiner  unerschütterlichen  Seele.  Ohne  Simonie,  unter  allgemeinem 
Beifall  stieg  er  die  Stufen  des  Stuhles  Petri  hinan,  und  nun  hörte  wenig- 
stens der  eigentliche  Handel  mit  den  höchsten  Würden  gänzlich  auf. 
Julius  hatte  Günstlinge  und  darunter  sehr  unwürdige,  allein  des  Ne- 
potismus war  er  durch  ein  besonderes  Glück  überhoben:  sein  Bruder 


Die  letzten 
Jahre 


Julius  II. 
■iiib.  JS3,  154 


Seine 
Keaktion 


yO  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Abh.  151  Giovanni  dcUa  Rovere  war  der  Gemahl  der  Erbin  von  Urbino,  Schwe- 
Abb.sg  ster  des  letzten  Montefeltro  Guidobaldo,  und  aus  dieser  Ehe  war  seit 
1491  ein  Sohn,  Francesco  Maria  della  Rovere,  vorhanden,  welcher  zu- 
gleich rechtmäßiger  Nachfolger  im  Herzogtum  Urbino  und  päpstlicher 
Nepot  war.  Was  nun  Julius  sonst  irgend  erwarb,  im  Kabinett  oder 
durch  seine  Feldzüge,  das  unterwarf  er  mit  hohem  Stolz  der  Kirche 
und  nicht  seinem  Hause;  den  Kirchenstaat,  welchen  er  in  voller  Auf- 
lösung angetroffen,  hinterließ  er  völlig  gebändigt  und  durch  Parma 
und  Piacenza  vergrößert.  Es  lag  nicht  an  ihm,  daß  nicht  auch  Ferrara 
Abb.  141  für  die  Kirche  eingezogen  wurde.  Die  700000  Dukaten,  welche  er  be- 
ständig in  der  Engelsburg  liegen  hatte,  sollte  der  Kastellan  einst  nie- 
mandem als  dem  künftigen  Papst  ausliefern.  Er  beerbte  die  Kardinäle, 
ja  alle  Geistlichen,  die  in  Rom  starben,  und  zwar  auf  rücksichtslose 
Weise^^',  aber  er  vergiftete  und  mordete  keinen.  Daß  er  selber  zu  Felde 
zog,  war  für  ihn  unvermeidlich  und  hat  ihm  in  Italien  sicher  nur  ge- 
nützt zu  einer  Zeit,  da  man  entweder  Amboß  oder  Hammer  sein  mußte, 
und  da  die  Persönlichkeit  mehr  wirkte  als  das  besterworbene  Recht. 
Wenn  er  aber  trotz  all  seines  hochbetonten:  „Fort  mit  den  Barbaren!" 
gleichwohl  am  meisten  dazu  beitrug,  daß  die  Spanier  in  Italien  sich 
recht  festsetzten,  so  konnte  dies  für  das  Papsttum  gleichgültig,  ja  viel- 
leicht relativ  vorteilhaft  erscheinen.  Oder  war  nicht  bis  jetzt  von  der 
Krone  Spaniens  am  ehesten  ein  dauernder  Respekt  vor  der  Kirche  zu 
pptsöniich  erwarten  ^^,  während  die  italienischen  Fürsten  vielleicht  nur  noch  frevel- 
"""'  hafte  Gedanken  gegen  letztere  hegten?  —  Wie  dem  aber  sei,  der  mäch- 
tige originelle  Mensch,  der  keinen  Zorn  herunterschlucken  konnte  und 
kein  wirkliches  Wohlwollen  verbarg,  machte  im  ganzen  den  für  seine 
Lage  höchst  wünschbaren  Eindruck  eines  ,,Pontefice  terribile".  Er  konnte 
sogar  wieder  mit  relativ  gutem  Gewissen  die  Berufung  eines  Konzils 
nach  Rom  wagen,  womit  dem  Konzilsgeschrei  der  ganzen  europäischen 
Opposition  Trotz  geboten  war.  Ein  solcher  Herrscher  bedurfte  auch 
eines  großartigen  äußern  Symboles  seiner  Richtung;  Julius  fand  das- 
Abb. i43-'n  selbe  im  Neubau  von  St.  Peter;  die  Anlage  desselben,  wie  sie  Bramante 
wollte,  ist  vielleicht  der  größte  Ausdruck  aller  einheitlichen  Macht 
überhaupt.  Aber  auch  in  den  übrigen  Künsten  lebt  Andenken  und  Ge- 
stalt dieses  Papstes  im  höchsten  Sinne  fort,  und  es  ist  nicht  ohne  Bedeu- 
tung, daß  selbst  die  lateinische  Poesie  jener  Tage  für  Julius  in  andere 
Flammen  gerät  als  für  seine  Vorgänger.  Der  Einzug  in  Bologna,  am 
Ende  des  ,,Itcr  Julii  secundi",  von  Kardinal  Adriano  da  Corneto,  hat 
einen  eigenen  prachtvollen  Ton,  imd  Giovan  Antonio  Flaminio  hat  in 
einer  der  schönsten  Elegien*^  den  Patrioten  im  Papst  um  Schutz  für 
Italien  angerufen. 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  "Jl 

Julius  hatte  durch  eine  donnernde  Konstitution^*  seines  lateranen- 
sischen  Konzils  die  Simonie  bei  der  Papstwahl  verboten.  Nach  seinem  l™  x. 
Tode  (1513)  wollten  die  geldlustigen  Kardinäle  dies  Verbot  dadurch 
umgehen,  daß  eine  allgemeine  Abrede  proponiert  wurde,  wonach  die 
bisherigen  Pfründen  und  Ämter  des  zu  Wählenden  gleichmäßig  unter 
sie  veiteilt  werden  sollten;  sie  würden  dann  den  pfründenreichsten 
Kardinal  (den  ganz  untüchtigen  Rafael  Riario)  gewählt  haben 2*".  Allein 
ein  Aufschwung  hauptsächlich  der  Jüngern  Mitglieder  des  heil.  Kolle- 
giums, welche  vor  allem  einen  liberalen  Papst  wollten,  durchkreuzte 
jene  jämmerliche  Kombination;  man  wählte  Giovanni  Medici,  den  be- 
rühmten Leo  X.  ■■ii'>>  '5« 

Wir  werden  ihm  noch  öfter  begegnen,  wo  irgend  von  der  Sonnen- 
höhe der  Renaissance  die  Rede  sein  wird;  hier  ist  nur  darauf  hinzu- 
weisen, daß  unter  ihm  das  Papsttum  wieder  große  innere  und  äußere 
Gefahren  erlitt.  Darunter  ist  nicht  zu  rechnen  die  Verschwörung  der 
Kardinäle  Petrucci,  Sauli,  Riario  und  Corneto,  weil  diese  höchstens 
einen  Personenwechsel  zur  Folge  haben  konnte;  auch  fand  Leo  das 
wahre  Gegenmittel  in  Gestalt  jener  unerhörten  Kreation  von  31  neuen 
Kardinälen,  welche  noch  dazu  einen  guten  Effekt  machte,  weil  sie  zum 
Teil  das  wahre  Verdienst  belohnte. 

Höchst  gefährlich  aber  waren  gewisse  Wege,  auf  welchen  Leo  in  den  piäne  auj 
zwei  ersten  Jahren  seines  Amtes  sich  betreten  ließ.  Durch  ganz  ernst-  ''*'"  "''''^" 
liehe  Unterhandlungen  suchte  er  seinem  Bruder  Giuliano  das  König- 
reich Neapel  und  seinem  Neffen  Lorenzo  ein  großes  oberitaUsches  Reich 
zu  verschaffen,  welches  Mailand,  Toscana,  Urbino  und  Ferrara  um- 
faßt haben  würde^*^.  Es  leuchtet  ein,  daß  der  Kirchenstaat,  auf  solche 
Weise  eingerahmt,  eine  mediceische  Apanage  geworden  wäre,  ja  man 
hätte  ihn  kaum  mehr  zu  säkularisieren  nötig  gehabt. 

Der  Plan  scheiterte  an  den  allgemeinen  politischen  Verhältnissen; 
Giuliano  starb  beizeiten;  um  Lorenzo  dennoch  auszustatten,  unter- 
nahm Leo  die  Vertreibung  des  Herzogs  Francesco  Maria  dclla  Rovere 
von  Urbino,  zog  sich  durch  diesen  Krieg  unermeßlichen  Haß  und 
Armut  zu,  und  mußte,  als  Lorenzo  1519  ebenfalls  starb'''*^,  das  müh- 
selig Eroberte  an  die  Kirche  geben;  er  tat  ruhmlos  und  gezwungen, 
was  ihm,  freiwillig  getan,  ewigen  Ruhm  gebracht  haben  würde.  Was 
er  dann  noch  gegen  Alfonso  von  Ferrara  probierte  und  gegen  ein  paar 
kleine  Tyrannen  und  Kondottieren  wirklich  ausführte,  war  vollends  Die  Groß- 
nicht  von  der  Art,  welche  die  Reputation  erhöht.  Und  dies  alles,  wäh- 
rend die  Könige  des  Abendlandes  sich  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  an  ein 
kolossales  politisches  Kartenspiel  gewöhnten,  dessen  Einsatz  und  Ge- 
winn immer  auch  dieses  oder  jenes  Gebiet  von  Italien  war^*^.  Wer  wollte 


mächte 


'J2  DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

dafür  bürgen,  daß  sie  nicht,  nachdem  ihre  heimische  Macht  in  den 
letzten  Jahrzehnten  unendHch  gewachsen,  ihre  Absichten  auch  einmal 
auf  den  Kirchenstaat  ausdehnen  würden?  Noch  Leo  mußte  ein  Vor- 
spiel dessen  erleben,  was  1527  sich  erfüllte;  ein  paar  Haufen  spanischer 
Infanterie  erschienen  gegen  Ende  des  Jahres  1520  —  aus  eigenem  An- 
trieb, scheint  es  —  an  den  Grenzen  des  Kirchenstaates,  um  den  Papst 
einfach  zu  brandschatzen 2",  Hcßen  sich  aber  durch  päpsthche  Truppen 
zurückschlagen.  Auch  die  öffentliche  Meinung  gegenüber  der  Korrup- 
tion der  Hierarchie  war  in  den  letzten  Zeiten  rascher  gereift  als  früher, 
und  ahnungsfähige  Menschen,  wie  z.  B.  der  jüngere  Pico  von  Miran- 
dola^'*^,  riefen  dringend  nach  Reformen.  Inzwischen  war  bereits  Luther 
aufgetreten. 

Hadrianvi.  Unter  Hadriau  VI.  (1521 — 1523)  kamen  auch  die  schüchternen  und 
wenigen  Reformen  gegenüber  der  großen  deutschen  Bewegung  schon 
zu  spät.  Er  konnte  nicht  viel  mehr  als  seinen  Abscheu  gegen  den  bis- 
herigen Gang  der  Dinge,  gegen  Simonie,  Nepotismus,  Verschwendung, 
Banditenwesen  und  Unsittlichkeit  an  den  Tag  legen.  Die  Gefahr  vom 
Luthertum  her  erschien  nicht  einmal  als  die  größte;  ein  geistvoller 
venezianischer  Beobachter,  Girolamo  Negro,  spricht  Ahnungen  eines 
nahen,  schrecklichen  Unheils  für  Rom  selber  aus^*^. 
Clemens  VII  Unter  Clcmens  VII.  erfüllt  sich  der  ganze  Horizont  von  Rom  mit 
'*'  Dünsten  gleich  jenem  graugclben  Schirokkoschleier,  welcher  dort  bis- 
weilen den  Spätsommer  so  verderblich  macht.  Der  Papst  ist  in  der 
nächsten  Nähe  wie  in  der  Ferne  verhaßt;  während  das  Übelbefinden 
der  Denkenden  fortdauert^*',  treten  auf  Gassen  und  Plätzen  predigende 
Eremiten  auf,  welche  den  Untergang  Italiens,  ja  der  Welt  weissagen 
und  Papst  Clemens  den  Antichrist  nennen^**;  die  colonnesische  Faktion 
erhebt  ihr  Haupt  in  trotzigster  Gestalt;  der  unbändige  Kardinal  Pompeo 
Colonna,  dessen  Dascin^*^  allein  schon  eine  dauernde  Plage  für  das 
Papsttum  war,  darf  Rom  (1526)  überfallen  in  der  Hoffnung,  mit  Hilfe 
Abb.  139  Karls  V.  ohne  weiteres  Papst  zu  werden,  sobald  Clemens  tot  oder  ge- 
fangen wäre.  Es  war  kein  Glück  für  Rom,  daß  dieser  sich  in  die  Engels- 
burg flüchten  konnte;  das  Schicksal  aber,  für  welches  er  selber  auf- 
gespart sein  sollte,  darf  schlimmer  als  der  Tod  genannt  werden. 

Die  venvii-  Duich  clnc  Reihe  von  Falschheiten  jener  Art,  welche  nur  dem  Mäch- 
ligen erlaubt  ist,  dem  Schwächern  aber  Verderben  bringt,  verursachte 
Clemens  den  Anmarsch  des  spanisch-deutschen  Heeres  unter  Bourbon 
und  Frundsberg  (1527).  Es  ist  gcwiß^^",  daß  das  Kabinett  Karls  V. 
ihm  eine  große  Züchtigung  zugedacht  hatte  und  daß  es  nicht  voraus- 
berechnen konnte,  wie  weit  seine  unbezahlten  Horden  in  ihrem  Eifer 
gehen  würden.  Die  Werbung  fast  ohne  Geld  wäre  in  Deutschland  er- 


sluntJ  Roms 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  73 

folglos  geblieben,  wenn  man  nicht  gewußt  hätte,  es  gehe  gegen  Rom. 
Vielleicht  finden  sich  noch  irgendwo  die  schriftUchen  eventuellen  Auf- 
träge an  Bourbon,  und  zwar  solche,  die  ziemlich  gelinde  lauten,  aber 
die  Geschichtsforschung  wird  sich  davon  nicht  betören  lassen.  Der 
katholische  König  und  Kaiser  verdankte  es  rein  dem  Glücke,  daß  Papst 
und  Kardinäle  nicht  von  seinen  Leuten  ermordet  wurden.  Wäre  dies 
geschehen,  keine  Sophistik  der  Welt  könnte  ihn  von  der  Mitschuld  los- 
sprechen. Der  Mord  zahlloser  geringerer  Leute  und  die  Brandschatzung 
der  übrigen  mit  Hilfe  von  Tortur  und  Menschenhandel  zeigen  deut- 
lich genug,  was  beim  ,,Sacco  di  Roma"  überhaupt  möglich  war. 

Den  Papst,  der  wieder  in  die  Engclsburg  geflüchtet  war,  wollte  Folgen  und 
Karl  V.,  auch  nachdem  er  ihm  ungeheure  Summen  abgepreßt,  wie  es 
heißt,  nach  Neapel  bringen  lassen,  und  daß  Clemens  statt  dessen  nach 
Orvieto  floh,  soll  ohne  alle  Konnivenz  von  spanischer  Seite  geschehen 
sein**i.  Ob  Karl  einen  Augenblick  an  die  Säkularisation  des  Kirchen- 
staates dachte  (worauf  alle  Welt'^*^  gefaßt  war),  ob  er  sich  wirklich  durch 
Vorstellungen  Heinrichs  VHL  von  England  davon  abbringen  ließ,  dies  Abb  136 
wird  wohl  in  ewigem  Dunkel  bleiben. 

Wenn  aber  solche  Absichten  vorhanden  waren,  so  haben  sie  in  keinem 
Falle  lange  angehalten;  mitten  aus  der  Verwüstung  von  Rom  steigt 
der  Geist  der  kirchlich-weltlichen  Restauration  empor.  Augenblick- 
lich ahnte  dies  z.B.:  Sadoleto^^.  ,,Wenn durch unsern Jammer", schreibt 
er,  „dem  Zorn  und  der  Strenge  Gottes  genuggetan  ist,  wenn  diese  furcht- 
baren Strafen  uns  wieder  den  Weg  öffnen  zu  bessern  Sitten  und  Gesetzen, 
dann  ist  vielleicht  unser  Unglück  nicht  das  größte  gewesen  .  .  .  Was 
Gottes  ist,  dafür  mag  Gott  sorgen,  wir  aber  haben  ein  Leben  der  Besse- 
rung vor  uns,  das  uns  keine  Waffengewalt  entreißen  mag;  richten  wir 
nur  Taten  und  Gedanken  dahin,  daß  wir  den  wahren  Glanz  des  Priester- 
tums  und  unsere  wahre  Größe  und  Macht  in  Gott  suchen." 

Von  diesem  kritischen  Jahre  1527  an  war  in  der  Tat  so  viel  gewonnen, 
daß  ernsthafte  Stimmen  wieder  einmal  sich  hörbar  machen  konnten. 
Rom  hatte  zuviel  gelitten,  um  selbst  unter  einem  Paul  HI.  je  wieder     Abb.  15s 
das  heitere  grundverdorbene  Rom  Leos  X.  werden  zu  können. 

Sodann  zeigte  sich  für  das  Papsttum,  sobald  es  einmal  tief  im  Leiden 
war,  eine  Sympathie  teils  politischer,  teils  kirchlicher  Art.  Die  Könige  Verhältnis  zu 
konnten  nicht  dulden,  daß  einer  von  ihnen  sich  ein  besonderes  Kerker- 
meisteramt über  den  Papst  anmaßte  und  schlössen  u.  a.  zu  dessen  Be- 
freiung den  Vertrag  von  Amiens  (18.  August  1527).  Sie  beuteten  damit 
wenigstens  die  Gehässigkeit  aus,  welche  auf  der  Tat  der  kaiserlichen 
Truppen  ruhte.  Zugleich  aber  kam  der  Kaiser  in  Spanien  selbst  emp- 
findlich ins   Gedränge,  indem  seine   Prälaten  und   Granden  ihm  die 


74 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 


nachdrücklichsten  Vorstellungen  machten,  sooft  sie  ihn  zu  sehen  be- 
kamen. Als  eine  große  allgemeine  Aufwartung  von  Geistlichen  und 
Weltlichen  in  Trauerkleidern  bevorstand,  geriet  Karl  in  Sorgen,  es 
möchte  daraus  etwas  Gefährliches  entstehen  in  der  Art  des  vor  wenigen 
Jahren  gebändigten  Komunidadenaufruhrs;  die  Sache  wurde  unter- 
sagt^**.  Er  hätte  nicht  nur  die  Mißhandlung  des  Papstes  auf  keine  Weise 
verlängern  dürfen,  sondern  es  war,  abgesehen  von  aller  auswärtigen 
Politik,  die  stärkste  Notwendigkeit  für  ihn  vorhanden,  sich  mit  dem 
furchtbar  gekränkten  Papsttum  zu  versöhnen.  Denn  auf  die  Stimmung 
Deutschlands,  welche  ihm  wohl  einen  andern  Weg  gewiesen  hätte, 
wollte  er  sich  so  wenig  stützen  als  auf  die  deutschen  Verhältnisse  über- 
haupt. Es  ist  auch  möglich,  daß  er  sich,  wie  ein  Venezianer  meint, 
durch  die  Erinnerung  an  die  Verheerung  Roms  in  seinem  Gewissen 
Dassuhngeid  beschwcrt  fand^^*  und  deshalb  jene  Sühne  beschleunigte,  welche  be- 
siegelt werden  mußte  durch  die  bleibende  Unterwerfung  der  Floren- 
tiner unter  das  Haus  des  Papstes,  die  Medici.  Der  Nepot  und  neue 
Herzog,  Alessandro  Medici,  wird  vermählt  mit  der  natürlichen  Tochter 
des  Kaisers. 

In  der  Folge  behielt  Karl  durch  die  Konzilsidee  das  Papsttum  wesent- 
lich in  der  Gewalt  und  konnte  es  zugleich  drücken  und  beschützen. 
Jene  größte  Gefahr  aber,  die  Säkularisation,  vollends  diejenige  von 
innen  heraus,  durch  die  Päpste  und  ihre  Nepoten  selber,  war  für  Jahr- 
hunderte beseitigt  durch  die  deutsche  Reformation.  So  wie  diese  allein 
dem  Zug  gegen  Rom  (1527)  Möglichkeit  und  Erfolg  verliehen  hatte, 
so  nötigte  sie  auch  das  Papsttum,  wieder  der  Ausdruck  einer  geistigen 
Weltmacht  zu  werden,  indem  es  sich  an  die  Spitze  aller  ihrer  Gegner 
Das  Papst  stcllcn,  sicli  aus  der  „Versunkenhcit  in  lauter  faktischen  Verhältnissen" 
^c^ en-  emporraffen  mußte.  Was  nun  in  der  spätem  Zeit  des  Clemens  VIT., 
reforraation  untcr  Paul  IIl.,  Paul  IV.  uud  ihren  Nachfolgern  mitten  im  Abfall 
halb  Europas  allmählich  heranwäclist,  ist  eine  ganz  neue,  regenerierte 
Hierarchie,  welche  alle  großen,  gefährlichen  Ärgernisse  im  eigenen 
Hause,  besonders  den  staatengründenden  Nepotismus"*  vermeidet  und 
im  Bunde  mit  den  katholischen  Fürsten,  getragen  von  einem  neuen  geist- 
lichen Antrieb,  ihr  Hauptgeschäft  aus  der  Wiedergewinnung  der  Ver- 
lorenen macht.  Sie  ist  nur  vorhanden  und  nur  zu  verstehen  in  ihrem 
Gegensatz  zu  den  Abgefallenen.  In  diesem  Sinne  kann  man  mit  voller 
Wahrheit  sagen,  daß  das  Papsttum  in  moralischer  Beziehung  durch 
seine  Todfeinde  gerettet  worden  ist.  Und  nun  befestigte  sich  auch  seine 
politische  Stellung,  freihch  unter  dauernder  Aufsicht  Spaniens,  bis  zur 
Unantastbarkeit;  fast  ohne  alle  Anstrengung  erbte  es  beim  Aussterben 
seiner  Vasallen  (der  legitimen  Linie  von  Este  und  des  Hauses  dclla 


DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK  75 

Rovere)  die  Herzogtümer  Ferrara  und  Urbino.  Ohne  die  Reformation 
dagegen  —  wenn  man  sie  sich  überhaupt  wegdenken  kann  —  wäre 
der  ganze  Kirchenstaat  wahrscheinlich  schon  längst  in  weltliche  Hände 
übergegangen. 

Zum  Schluß  betrachten  wir  noch  in  Kürze  die  Rückwirkung  dieser 
politischen  Zustände  auf  den  Geist  der  Nation  im  allgemeinen. 

Es  leuchtet  ein,  daß  die  allgemeine  poUtische  Unsicherheit  in  dem  Der  patno- 
Italien  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  bei  den  edlern  Gemütern  einen  "^""^ 
patriotischen  Unwillen  und  Widerstand  hervorrufen  mußte.  Schon  Dante 
und  Petrarca^"  proklamieren  laut  ein  Gesamtitalien,  auf  welches  sich 
alle  höchsten  Bestrebungen  zu  beziehen  hätten.  Man  wendet  wohl  ein, 
es  sei  dies  nur  ein  Enthusiasmus  einzelner  Hochgebildeter  gewesen,  von 
welchem  die  Masse  der  Nation  keine  Kenntnis  nahm,  allein  es  möchte 
sich  damals  mit  Deutschland  kaum  viel  anders  verhalten  haben,  ob- 
wohl es  wenigstens  dem  Namen  nach  die  Einheit  und  einen  anerkann- 
ten Oberherrn,  den  Kaiser,  hatte.  Die  erste  laute  literarische  Verherr- 
lichung Deutschlands  (mit  Ausnahme  einiger  Verse  bei  den  Minne- 
sängern) gehört  den  Humanisten  der  Zeit  Maximilians  I.  an^^'  und 
erscheint  fast  wie  ein  Echo  italienischer  Deklamationen.  Und  doch  war 
Deutschland  früher  faktisch  in  einem  ganz  andern  Grade  ein  Volk 
gewesen  als  Italien  jemals  seit  der  Römerzeit.  Frankreich  verdankt 
das  Bewußtsein  seiner  Volkseinheit  wesentlich  erst  den  Kämpfen  gegen 
die  Engländer,  und  Spanien  hat  auf  die  Länge  nicht  einmal  vermocht, 
das  engverwandte  Portugal  zu  absorbieren.  Für  ItaUen  waren  Existenz  unmaguch- 
und  Lebensbedingungen  des  Kirchenstaates  ein  Hindernis  der  Einheit  ^"^^^^ 
im  großen,  dessen  Beseitigung  sich  kaum  jemals  hoffen  ließ.  Wenn  dann 
im  politischen  Verkehr  des  15.  Jahrhunderts  gleichwohl  hier  und  da 
des  Gesamtvaterlandes  mit  Emphase  gedacht  wird,  so  geschieht  dies 
meist  nur,  um  einen  andern,  gleichfalls  italienischen  Staat  zu  kränkcn^^'. 
Die  ganz  ernsten,  tiefschmerzlichen  Anrufungen  an  das  Nationalgefühl. 
lassen  sich  erst  im  14.  Jahrhundert  wieder  hören,  als  es  zu  spät  war, 
als  Franzosen  und  Spanier  das  Land  überzogen  hatten.  Von  dem  Lokal- 
patriotismus kann  man  etwa  sagen,  daß  er  die  Stelle  dieses  Gefühles 
vertritt,  ohne  dasselbe  zu  ersetzen. 


ZWEITER  ABSCHNITT 

ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

In  der  Beschaffenheit  dieser  Staaten,  RepubHken  wie  Tyrannien,  liegt 
nun  zwar  nicht  der  einzige,  aber  der  mächtigste  Grund  der  frühzeitigen 
Ausbildung  des  Italieners  zum  modernen  Menschen.  Daß  er  der  Erst- 
geborne unter  den  Söhnen  des  jetzigen  Europas  werden  mußte,  hängt 
an  diesem  Punkte. 
Gegensatz  Im  Mittelalter  lagen  die  beiden  Seiten  des  Bewußtseins  —  nach  der 
""'aiie'r'^  Wclt  hin  uud  nach  dem  Innern  des  Menschen  selbst  —  wie  unter  einem 
gemeinsamen  Schleier  träumend  oder  halbwach.  Der  Schleier  war  ge- 
woben aus  Glauben,  Kindesbefangenheit  und  Wahn;  durch  ihn  hindurch- 
gesehen erschienen  Welt  und  Geschichte  wundersam  gefärbt,  der  Mensch 
aber  erkannte  sich  nur  als  Rasse,  Volk,  Partei,  Korporation,  Familie  oder 
sonst  in  irgendeiner  Form  des  Allgemeinen.  In  Italien  zuerst  verweht 
dieser  Schleier  in  die  Lüfte;  es  erwacht  eine  objektive  Betrachtung 
und  Behandlung  des  Staates  und  der  sämtlichen  Dinge  dieser  Welt  über- 
haupt; daneben  aber  erhebt  sich  mit  voller  Macht  das  Subjektive; 
der  Mensch  wird  geistiges  Individuum^^"  und  erkennt  sich  als  solches. 
So  hatte  sich  einst  erhoben  der  Grieche  gegenüber  den  Barbaren,  der 
individuelle  Araber  gegenüber  den  andern  Asiaten  als  Rassenmenschen. 
Es  wird  nicht  schwer  sein  nachzuweisen,  daß  die  politischen  Verhält- 
nisse hieran  den  stärksten  Anteil  gehabt  haben. 
Das  Er-  Schon  in  viel  frühern  Zeiten  gibt  sich  stellenweise  eine  Entwicklung 
der  auf  sich  selbst  gestellten  Persönlichkeit  zu  erkennen,  wie  sie  gleich- 
""=''  zeitig  im  Norden  nicht  so  vorkommt  oder  sich  nicht  so  enthüllt.  Der 
Kreis  kräftiger  Frevler  des  lo.  Jahrhunderts,  welchen  Liutprand  schil- 
dert, einige  Zeitgenossen  Gregors  VII.  (man  lese  Benzo  von  Alba),  einige 
Gegner  der  ersten  Hohenstaufen  zeigen  Physiognomien  dieser  Art.  Mit 
Ausgang  des  13.  Jahrliunderts  aber  beginnt  Italien  von  Persönlichkeiten 
zu  wimmeln;  der  Bann,  welcher  auf  dem  Individualismus  gelegen,  ist 
hier  völlig  gebrochen;  schrankenlos  spezialisieren  sich  tausend  einzelne 
Gesichter.  Dantes  große  Dichtung  wäre  in  jedem  andern  Lande  schon 
deshalb  unmöglich  gewesen,  weil  das  übrige  Europa  noch  unter  jenem 


wachen  der 
Pereönlich- 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 


77 


Herrscher 


Die  Unter- 
tanen 


Banne  der  Rasse  lag;  für  Italien  ist  der  hehre  Dichter  schon  durch  die 
Fülle  des  Individuellen  der  nationalste  Herold  seiner  Zeit  geworden. 
Doch  die  Darstellung  des  Menschenreichtums  in  Literatur  und  Kunst, 
die  vielartig  schildernde  Charakteristik  wird  in  besondern  Abschnitten 
zu  besprechen  sein;  hier  handelt  es  sich  nur  um  die  psychologische  Tat- 
sache selbst.  Mit  voller  Ganzheit  und  Entschiedenheit  tritt  sie  in  die 
Geschichte  ein;  Italien  weiß  im  14.  Jahrhundert  wenig  von  falscher  Be- 
scheidenheit und  von  Heuchelei  überhaupt;  kein  Mensch  scheut  sich  da- 
vor, aufzufallen,  anders  zu  sein  und  zu  scheinen^*^  als  die  andern. 

Zunächst  entwickelt  die  Gewaltherrschaft,  wie  wir  sahen,  im  höchsten  Die  Gewalt 
Grade  die  Individualität  des  Tyrannen,  des  Kondottiere^*^  selbst,  so- 
dann diejenige  des  von  ihm  protegierten  aber  auch  rücksichtslos  ausge- 
nützten Talentes,  des  Geheimschreibers,  Beamten,  Dichters,  Gesellschaf- 
ters. Der  Geist  dieser  Leute  lernt  notgedrungen  alle  seine  Innern  Hilfs- 
quellen kennen,  die  dauernden  wie  die  des  Augenblickes;  auch  ihr  Le- 
bensgenuß wird  ein  durch  geistige  Mittel  erhöhter  und  konzentrierter, 
um  einer  vielleicht  nur  kurzen  Zeit  der  Macht  und  des  Einflusses  einen 
größtmöglichen  Wert  zu  verleihen. 

Aber  auch  die  Beherrschten  gingen  nicht  völlig  ohne  einen  derartigen 
Antrieb  aus.  Wir  wollen  diejenigen  ganz  außer  Berechnung  lassen, 
welche  ihr  Leben  in  geheimem  Widerstreben,  in  Verschwörungen  ver- 
zehrten, und  bloß  derer  gedenken,  die  sich  darein  fügten,  reine  Privat- 
leute zu  bleiben,  etwa  wie  die  meisten  Städtebewohner  des  byzantinischen 
Reiches  und  der  mohammedanischen  Staaten.  Gewiß  wurde  es  z.  B.  den 
Untertanen  der  Visconti  oft  schwer  genug  gemacht,  die  Würde  des  Hauses 
und  der  Person  zu  behaupten,  und  Unzählige  mögen  durch  die  Knecht- 
schaft am  sittlichen  Charakter  Einbuße  erlitten  haben.  Nicht  so  an  dem, 
was  man  individuellen  Charakter  nennt;  denn  gerade  innerhalb  der  all- 
gemeinen politischen  Machtlosigkeit  gediehen  wohl  die  verschiedenen 
Richtungen  und  Bestrebungen  des  Privatlebens  um  so  stärker  und  viel- 
seitiger. Reichtum  und  Bildung,  soweit  sie  sich  zeigen  und  wetteifern 
durften,  in  Verbindung  mit  einer  noch  immer  großen  munizipalen  Frei- 
heit und  mit  dem  Dasein  einer  Kirche,  die  nicht,  wie  in  Byzanz  und  in 
der  islamitischen  Welt,  mit  dem  Staat  identisch  war  —  alle  diese  Ele- 
mente zusammen  begünstigten  ohne  Zweifel  das  Aufkommen  individu- 
eller Denkweisen,  und  gerade  die  Abwesenheit  des  Parteikampfes  fügte 
hier  die  nötige  Muße  hinzu.  Der  politisch  indifferente  Privatmensch  mit 
seinen  teils  ernsten,  teils  dilettantischen  Beschäftigungen  möchte  wohl  in 
diesen  Gewaltstaaten  des  14.  Jahrhunderts  zuerst  vollkommen  ausge- 
bildet aufgetreten  sein.  Urkundliche  Aussagen  hierüber  sind  freilich  nicht 
zu  verlangen;  die  Novellisten,  von  welchen  man  Winke  erwarten  könnte, 


Deren 
Privatleben 


78 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 


schildern  zwar  manchen  bizarren  Menschen,  aber  immer  nur  in  ein- 
seitiger Absicht  und  nur  soweit  dergleichen  die  zu  erzählende  Geschichte 
berührt;  auch  spielt  ihre  Szene  vorwiegend  in  republikanischen  Städten. 
Die  In  diesen  letztern  waren  die  Dinge  wieder  auf  andere  Weise  der  Aus- 

RepubUken  j^ü^jy^g  dcs  individucllcn  Charakters  günstig.  Je  häufiger  die  Parteien 
in  der  Herrschaft  abwechselten,  um  so  viel  stärker  war  der  einzelne  ver- 
anlaßt, sich  zusammenzunehmen  bei  Ausübung  und  Genuß  der  Herr- 
schaft. So  gewinnen  zumal  in  der  florentinischen  Geschichtet^  die  Staats- 
männer und  Volksführer  ein  so  kenntliches  persönliches  Dasein  wie  sonst 
in  der  damaligen  Welt  kaum  ausnahmsweise  einer,  kaum  ein  Jacob  von 
Artcvelde. 

Die  Leute  der  unterlegenen  Parteien  aber  kamen  oft  in  eine  ähnliche 
Stellung  wie  die  Untertanen  der  Tyrannenstaaten,  nur  daß  die  bereits 
gekostete  Freiheit  oder  Herrschaft,  vielleicht  auch  die  Hoffnung  auf  deren 
Wiedergewinn  ihrem  Individualismus  einen  höhern  Schwung  gab.  Ge- 
rade unter  diesen  Männern  der  unfreiwilligen  Muße  findet  sich  z.  B.  ein 
Agnolo  Pandolfini  (starb  1446),  dessen  Schrift  „Vom  Hauswesen'^**"  das 
erste  Programm  einer  vollendet  durchgebildeten  Privatexistenz  ist.  Seine 
Abrechnung  zwischen  den  Pflichten  des  Individuums  und  dem  unsichern 
und  undankbaren  öffentlichen  Wesen^*^  ist  in  ihrer  Art  ein  wahres  Denk- 
mal der  Zeit  zu  nennen. 

Das  Exil         Vollends  aber  hat  die  Verbannung  die  Eigenschaft,  daß  sie  den  Men- 
schen entweder  aufreibt  oder  auf  das  höchste  ausbildet.  „In  all  unsern 

Abb.  130  volkreichen  Städten",  sagt  Gioviano  Pontano^sß,  „sehen  wir  eine  Menge 
Leute,  die  freiwillig  ihre  Heimat  verlassen  haben;  die  Tugenden  nimmt 
man  ja  überallhin  mit."  In  der  Tat  waren  es  bei  weitem  nicht  bloß  förm- 
lich Exilierte,  sondern  Tausende  hatten  die  Vaterstadt  ungeheißen  ver- 
lassen, weil  der  politische  oder  ökonomische  Zustand  an  sich  unerträg- 
lich wurde.  Die  ausgewanderten  Florentiner  in  Ferrara,  die  Lucchesen 
in  Venedig  usw.  bildeten  ganze  Kolonien. 
Der  Kosmo.       Der  KosmopoHtismus,  welcher  sich  in  den  geistvollsten  Verbannten 

pohtismus     gn^^jckelt,  ist  eine  höchste  Stufe  des  Individualismus.  Dante  findet,  wie 

Abb.  113-218  ' 

schon  erwähnt  wurde  (S.  46)  eine  neue  Heimat  in  der  Sprache  und  Bil- 
dung Italiens,  geht  aber  doch  auch  darüber  hinaus  mit  den  Worten: 
„meine  Heimat  ist  die  Welt  überhaupt^*'!"  —  Und  als  man  ihm  die 
Rückkehr  nach  Florenz  unter  unwürdigen  Bedingungen  anbot,  schrieb 
er  zurück:  ,,kann  ich  nicht  das  Licht  der  Sonne  und  der  Gestirne  über- 
all schauen?  nicht  den  edelsten  Wahrheiten  überall  nachsinnen,  ohne 
deshalb  ruhmlos,  ja  schmachvoll  vor  dem  Volk  und  der  Stadt  zu  er- 
scheinen? Nicht  einmal  mein  Brot  wird  mir  fehlen^®!"  Mit  hohem  Trotz 
legen  dann  auch  die  Künstler  den  Akzent  auf  ihre  Freiheit  vom  Orts- 


der  Persön- 
lichkeit 


seitigen 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  ^Q 

zwang.  „Nur  wer  alles  gelernt  hat",  sagt  Ghiberti^*',  „ist  draußen  nir- 
gends ein  Fremdling;  auch  seines  Vermögens  beraubt,  ohne  Freunde, 
ist  er  doch  der  Bürger  jeder  Stadt  und  kann  furchtlos  die  Wandelungen 
des  Geschickes  verachten."  Ähnlich  sagt  ein  geflüchteter  Humanist:  ,,Wo 
irgendein  gelehrter  Mann  seinen  Sitz  aufschlägt,  da  ist  gute  Heimat^'*." 

Ein  sehr  geschärfter  kulturgeschichthcher  Blick  dürfte  wohl  imstande  voUendung 
sein,  im  15.  Jahrhundert  die  Zunahme  völlig  ausgebildeter  Menschen 
schrittweise  zu  verfolgen.  Ob  dieselben  das  harmonische  Ausrunden 
ihres  geistigen  und  äußern  Daseins  als  bewußtes,  ausgesprochenes  Ziel 
vor  sich  gehabt,  ist  schwer  zu  sagen;  Mehrere  aber  besaßen  die  Sache, 
so  weit  dies  bei  der  UnvoUkommenheit  alles  Irdischen  möglich  ist.  Mag 
man  auch  z.  B.  verzichten  auf  eine  Gesamtbilanz  für  Lorenzo  magnifico, 
nach  Glück,  Begabung  und  Charakter,  so  beobachte  man  dafür  eine 
Individualität  wie  die  des  Ariosto  hauptsächlich  in  seinen  Satiren.  Bis 
zu  welchem  Wohllaut  sind  da  ausgeglichen  der  Stolz  des  Menschen  und 
des  Dichters,  die  Ironie  gegen  die  eigenen  Genüsse,  der  feinste  Hohn 
und  das  tiefste  Wohlwollen. 

Wenn  nun  dieser  Antrieb  zur  höchsten  Ausbildung  der  Persönlichkeit  d»  viei- 
zusammentraf  mit  einer  wirkhch  mächtigen  und  dabei  vielseitigen  Natur, 
welche  sich  zugleich  aller  Elemente  der  damaligen  Bildung  bemeisterte, 
dann  entstand  der  ,, allseitige  Mensch",  l'uomo  universale,  welcher  aus- 
schließlich Italien  angehört.  Menschen  von  enzyklopädischem  Wissen 
gab  es  durch  das  ganze  Mittelalter  in  verschiedenen  Ländern,  weil  dieses 
Wissen  nahe  beisammen  war;  ebenso  kommen  noch  bis  ins  12.  Jahr- 
hundert allseitige  Künstler  vor,  weil  die  Probleme  der  Architektur  relativ 
einfach  und  gleichartig  waren  und  in  Skulptur  und  Malerei  die  darzu- 
stellende Sache  über  die  Form  vof-herrschte.  In  dem  Italien  der  Renais- 
sance dagegen  treffen  wir  einzelne  Künstler,  welche  in  allen  Gebieten 
zugleich  lauter  Neues  und  in  seiner  Art  Vollendetes  schaffen  und  dabei 
noch  als  Menschen  den  größten  Eindruck  machen.  Andere  sind  allseitig, 
außerhalb  der  ausübenden  Kunst,  ebenfalls  in  einem  ungeheuer  weiten 
Kreise  des  Geistigen. 

Dante,  welcher  schon  bei  Lebzeiten  von  den  einen  Poet,  von  den  an- 
dern Philosoph,  von  Dritten  Theologe  genannt  wurde^'^,  strömt  in  all 
seinen  Schriften  eine  Fülle  von  zwingender  persönlicher  Macht  aus,  der 
sich  der  Leser  unterworfen  fühlt  auch  abgesehen  vom  Gegenstande. 
Welche  Willenskraft  setzt  schon  die  unerschütterlich  gleichmäßige  Aus- 
arbeitung der  Divina  Commedia  voraus.  Sieht  man  aber  auf  den  Inhalt, 
so  ist  in  der  ganzen  äußern  und  geistigen  Welt  kaum  ein  wichtiger  Gegen- 
stand, den  er  nicht  ergründet  hätte  und  über  welchen  seine  Aussage  — 
oft  nur  wenige  Worte  —  nicht  die  gewichtigste  Stimme  aus  jener  Zeit 


8o  ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

wäre.  Für  die  bildende  Kunst  ist  er  Urkunde  —  und  wahrlich  noch  um 
wichtigerer  Dinge  willen  als  wegen  seiner  paar  Zeilen  über  die  damaligen 
Künstler;  bald  wurde  er  aber  auch  Quelle  der  Inspiration^'^ 

charakterdes  Das  1 5.  Jahrhuudcrt  ist  zunächst  vorzüglich  dasjenige  der  vielseitigen 
15.  ahrh  ^fenschgn.  Keine  Biographie,  welche  nicht  wesentliche,  über  den  Dilet- 
tantismus hinausgehende  Nebenbeschäftigungen  des  Betreffenden  nam- 
haft machte.  Der  florentinische  Kaufmann  und  Staatsmann  ist  oft  zu- 
gleich ein  Gelehrter  in  beiden  alten  Sprachen;  die  berühmtesten  Huma- 
nisten müssen  ihm  und  seinen  Söhnen  des  Aristoteles  Politik  und  Ethik 
vortragen^";  auch  die  Töchter  des  Hauses  erhalten  eine  hohe  Bildung, 
wie  denn  überhaupt  in  diesen  Sphären  die  Anfänge  der  höhern  Privat- 
erziehung vorzüglich  zu  suchen  ist.  Der  Humanist  seinerseits  wird  zur 
größten  Vielseitigkeit  aufgefordert,  indem  sein  philologisches  Wissen 
lange  nicht  bloß  wie  heute  der  objektiven  Kenntnis  des  klassischen  Welt- 
alters, sondern  einer  täglichen  Anwendung  auf  das  wirkliche  Leben  die- 
nen muß.  Neben  seinen  plinianischen  Studien^'*  z.  B.  sammelt  er  ein 

Abb.  ig.,-797  Museum  von  Naturalien;  von  der  Geographie  der  Alten  aus  wird  er 
moderner  Kosmograph;  nach  dem  Muster  ihrer  Geschichtschreibung 
verfaßt  er  Zeitgeschichten;  als  Übersetzer  plautinischer  Komödien  wird 
er  wohl  auch  der  Regisseur  bei  den  Aufführungen;  alle  irgend  ein- 
dringlichen Formen  der  antiken  Literatur  bis  auf  den  lukianischen 
Dialog  bildet  er  so  gut  als  möglich  nach,  und  zu  dem  allen  funktio- 
niert er  noch  als  Geheimschreiber  und  Diplomat,  nicht  immer  zu  sei- 
nem Heil. 
Die  All  Über  diese  Vielseitigen  aber  ragen  einige  wahrhaft  Allseitige  hoch  em- 

L  B'ib  P"'^"  ^^^  ^^^  *^^^  damaligen  Lebens-  und  Bildungsinteressen  einzeln  be- 
trachten, mag  hier,  an  der  Schwelle  des  15.  Jahrhunderts,  das  Bild  eines 
Abb  40c,  jener  Gewaltmenschen  seine  Stelle  einnehmen:  Leon  Battista  Alberti. 
Seine  Biographie ^'^  —  nur  ein  Fragment  —  spricht  von  ihm  als  Künstler 
nur  wenig  und  erwähnt  seine  hohe  Bedeutung  in  der  Geschichte  der 
Architektur  gar  nicht;  es  wird  sich  nun  zeigen,  was  er  auch  ohne  spe- 
ziellen Ruhm  gewesen  ist. 

In  allem,  was  Lob  bringt,  war  Leon  Battista  von  Kindheit  an  der  erste. 
Von  seinen  allseitigen  Leibesübungen  und  Turnkünsten  wird  Unglaub- 
liches berichtet,  wie  er  mit  geschlossenen  Füßen  den  Leuten  über  die 
Schultern  hinwegsprang,  wie  er  im  Dom  ein  Geldstück  emporwarf,  bis 
man  es  oben  an  den  fernen  Gewölben  anklingen  hörte,  wie  die  wildesten 
Pferde  unter  ihm  schauderten  und  zitterten  —  denn  in  drei  Dingen  wollte 
er  dem  Menschen  untadelhaft  erscheinen:  im  Gehen,  im  Reiten  und  im 
Reden.  Die  Musik  lernte  er  ohne  Meister,  und  doch  wurden  seine  Kom- 
positionen von  Leuten  des  Faches  bewundert.  Unter  dem  Drucke  der 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  8l 

Dürftigkeit  studierte  er  beide  Rechte,  viele  Jahre  hindurch,  bis  zu  schwe-  l.  B.uberii 
rer  Krankheit  durch  Erschöpfting;  und  als  er  im  24.  Jahre  sein  Wort- 
gedächtnis geschwächt,  seinen  Sachensinn  aber  unversehrt  fand,  legte 
er  sich  auf  Physik  und  Mathematik  und  lernte  daneben  alle  Fertigkeiten 
der  Welt,  indem  er  Künstler,  Gelehrte  und  Handwerker  jeder  Art  bis 
auf  die  Schuster  um  ihre  Geheimnisse  und  Erfahrungen  befragte.  Das 
Malen  und  Modellieren  —  namentlich  äußerst  kenntlicher  Bildnisse, 
auch  aus  dem  bloßen  Gedächtnis  —  ging  nebenein.  Besondere  Bewun- 
derung erregte  der  geheimnisvolle  Guckkasten^'^,  in  welchem  er  bald 
die  Gestirne  und  den  nächtlichen  Mondaufgang  über  Felsgebirgen  er- 
scheinen ließ,  bald  weite  Landschaften  mit  Bergen  und  Meeresbuchten 
bis  in  duftige  Fernen  hinein,  mit  heranfahrenden  Flotten,  im  Sonnen- 
glanz wie  im  Wolkenschatten.  Aber  auch,  was  andere  schufen,  erkannte 
er  freudig  an  und  hielt  überhaupt  jede  menschliche  Hervorbringung,  die 
irgend  dem  Gesetze  der  Schönheit  folgte,  beinah  für  etwas  Göttliches^''. 
Dazu   kam  eine   schriftstellerische  Tätigkeit  zunächst  über  die  Kunst 
selber,  Marksteine  und  Hauptzeugnisse  für  die  Renaissance  der  Form, 
zumal  der  Architektur.   Dann   lateinische   Prosadichtungen,   Novellen 
u.  dgl.,  von  welchen  man  einzelnes  für  antik  gehalten  hat,  auch  scherz- 
hafte Tischreden,  Elegien  und  Eklogen;  ferner  ein  italienisches  Werk 
„vom  Hauswesen"  in  vier  Büchern^'*,  ja  eine  Leichenrede  auf  seinen 
Hund.  Seine  ernsten  und  seine  witzigen  Worte  waren  bedeutend  genug, 
um  gesammelt  zu  werden;  Proben  davon,  viele  Kolumnen  lang,  werden 
in  der  genannten  Lebensschilderung  mitgeteilt.  Und  alles,  was  er  hatte 
und  wußte,  teilte  er,  wie  wahrhaft  reiche  Naturen  immer  tun,  ohne  den 
geringsten  Rückhalt  mit,  und  schenkte  seine  größten  Erfindungen  um-, 
sonst  weg.  Endlich  aber  wird  auch  die  tiefste  Quelle  seines  Wesens  nam- 
haft gemacht:  ein  fast  nervös  zu  nennendes,  höchst  sympathisches  Mit- 
leben an  und  in  allen  Dingen.  Beim  Anblick  prächtiger  Bäume  und 
Erntefelder  mußte  er  weinen;  schöne,  würdevolle  Greise  verehrte  er  als 
eine  „Wonne  der  Natur"  und  konnte  sie  nicht  genug  betrachten;  auch 
Tiere  von  vollkommener  Bildung  genossen  sein  Wohlwollen,  weil  sie  von 
der  Natur  besonders  begnadet  seien;  mehr  als  einmal,  wenn  er  krank 
war,  hat  ihn  der  Anblick  einer  schönen  Gegend  gesundgemacht^".  Kein 
Wunder,  wenn  die,  welche  ihn  in  so  rätselhaft  innigem  Verkehr  mit  der 
Außenwelt  kennen  lernten,  ihm  auch  die  Gabe  der  Vorahnung  zuschrie- 
ben. Eine  blutige  Krisis  des  Hauses  Este,  das  Schicksal  von  Florenz  und 
das  der  Päpste  auf  eine  Reihe  von  Jahren  hinaus  soll  er  richtig  geweis- 
sagt haben,  wie  ihm  denn  auch  der  Blick  ins  Innere  des  Menschen,  die 
Physiognomik,  jeden  Moment  zu  Gebote  stand.  Es  versteht  sich  von  selbst, 
daß  eine  höchst  intensive  Willenskraft  diese  ganze  Persönlichkeit  durch- 

Burckhardt  6 


82  ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

drang  und  zusammenhielt;  wie  die  Größten  der  Renaissance  sagte  auch 
er:  „Die  Menschen  können  von  sich  aus  alles,  sobald  sie  wollen." 
Abb.  408  Und  zu  Alberti  verhielt  sich  Lionardo  da  Vinci,  wie  zum  Anfänger 
der  Vollender,  wie  zum  Dilettanten  der  Meister.  Wäre  nur  Vasaris  Werk 
hier  ebenfalls  durch  eine  Schilderung  ergänzt  wie  bei  Leon  Battista!  Die 
Ungeheuern  Umrisse  von  Lionardos  Wesen  wird  man  ewig  nur  von  ferne 

ahnen  können. 

* 

Der  Rub.n        Dcr    bishcr   geschilderten    Entwicklung  des   Individuums  entspricht 
auch  eine  neue  Art  von  Geltung  nach  außen:  der  moderne  Ruhm^". 

Außerhalb  Italiens  lebten  die  einzelnen  Stände  jeder  für  sich  mit  seiner 
einzelnen  mittelalterlichen  Standesehre.  Der  Dichterruhm  der  Trouba- 
dours und  Minnesänger  z.  B.  existiert  nur  für  den  Ritterstand.  In  Italien 
dagegen  ist  Gleichheit  der  Stände  vor  der  Tyrannis  oder  vor  der  Demo- 
kratie eingetreten;  auch  zeigen  sich  bereits  Anfänge  einer  allgemeinen 
Gesellschaft,  die  ihren  Anhalt  an  der  italienischen  und  lateinischen  Lite- 
ratur hat,  wie  hier  in  vorgreifender  Weise  bemerkt  werden  muß;  dieses 
Bodens  aber  bedurfte  es,  um  jenes  neue  Element  im  Leben  zum  Keimen 
zu  bringen.  Dazu  kam,  daß  die  römischen  Autoren,  welche  man  emsig 
zu  studieren  begann,  von  dem  Begriff  des  Ruhmes  erfüllt  und  getränkt 
sind  und  daß  schon  ihr  Sachinhalt  —  das  Bild  der  römischen  Weltherr- 
schaft —  sich  dem  italienischen  Dasein  als  dauernde  Parallele  aufdrängte. 
Fortan  ist  alles  Wollen  und  Vollbringen  der  Italiener  von  einer  sittlichen 
Voraussetzung  beherrscht,  die  das  übrige  Abendland  noch  nicht  kennt. 
Dante  Wiederum  muß  zuerst  Dante  gehört  werden,  wie  bei  allen  wesent- 

Abb.213  jj(-jjgj^  Fragen.  Er  hat  nach  dem  Dichterlorbeer^^  gestrebt  mit  aller 
Kraft  seiner  Seele;  auch  als  Publizist  und  Literator  hebt  er  hervor,  daß 
seine  Leistungen  wesentlich  neu,  daß  er  der  erste  auf  seinen  Bahnen 
nicht  nur  sei,  sondern  auch  heißen  wolle^".  Doch  berührt  er  schon  in 
seinen  Prosaschriften  auch  die  Unbequemlichkeiten  eines  hohen  Ruhmes; 
er  weiß,  wie  manche  bei  der  persönlichen  Bekanntschaft  mit  dem  be- 
rühmten Manne  unbefriedigt  bleiben,  und  setzt  auseinander,  daß  hieran 
teils  die  kindische  Phantasie  der  Leute,  teils  der  Neid,  teils  die  eigene 
Unlauterkeit  des  Betreffenden  Schuld  sei^*^.  Vollends  aber  hält  sein  gro- 
Aib.iis  ßes  Gedicht  die  Anschauung  von  der  Nichtigkeit  des  Ruhmes  fest,  wenn- 
gleich in  einer  Weise,  welche  verrät,  daß  sein  Herz  sich  noch  nicht  völlig 
von  der  Sehnsucht  danach  losgemacht.  Im  Paradies  ist  die  Sphäre  des 
Merkur  der  Wohnsitz  solcher  Seligen'^'',  die  auf  Erden  nach  Ruhm  ge- 
strebt und  dadurch  den  ,, Strahlen  der  wahren  Liebe"  Eintrag  getan 
haben.  Hochbezeichnend  aber  ist,  daß  die  armen  Seelen  im  Inferno  von 
Dante  verlangen,  er  möge  ihr  Andenken,  ihren  Ruhm  auf  Erden  er- 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  83 

neuern  und  wach  halten ^^,  während  diejenigen  im  Purgatorio  nur  um 
Fürbitte  flehen^*;  ja  in  einer  berühmten  Stelle^'  wird  die  Ruhmbegier 
—  lo  gran  disio  dcll'  ecccllenza  —  schon  deshalb  verworfen,  weil  der 
geistige  Ruhm  nicht  absolut,  sondern  von  den  Zeiten  abhängig  sei  und 
je  nach  Umständen  durch  größere  Nachfolger  überboten  und  verdun- 
kelt werde. 

Rasch  bemächtigt  sich  nun  das  neu    aufkommende  Geschlecht  von 
Poetenphilologen,  welches  auf  Dante  folgt,  des  Ruhmes  in  doppeltem  oiezeiebrität 
Sinn:  indem  sie  selber  die  anerkanntesten  Berühmtheiten  Italiens  werden     "^^(""^ 
und  zugleich  als  Dichter  und  Geschichtsschreiber  mit  Bewußtsein  über 
den  Ruhm  anderer  verfügen.  Als  äußeres  Symbol  dieser  Art  von  Ruhm 
gilt  besonders  die  Poetenkrönung,  von  welcher  weiter  die  Rede  sein  wird. 

Ein  Zeitgenosse  Dantes,  Albertinus  Musattus  oder  Mussatus,  zu  Padua 
von  Bischof  und  Rektor  als  Dichter  gekrönt,  genoß  bereits  einen  Ruhm, 
der  an  die  Vergötterung  streifte;  jährlich  am  Weihnachtstage  kamen 
Doktoren  und  Scholaren  beider  Kollegien  der  Universität  in  feierlichem 
Aufzug  mit  Posaunen  und,  scheint  es,  mit  brennenden  Kerzen  vor  sein 
Haus,  um  ihn  zu  begrüßen^**  und  zu  beschenken.  Die  Herrlichkeit 
dauerte,  bis  er  (1318)  bei  dem  regierenden  Tyrannen  aus  dem  Hause 
Carrara  in  Ungnade  fiel. 

In  vollen  Zügen  genießt  auch  Petrarca  den  neuen,  früher  nur  für  Petrarra 
Helden  und  Heilige  vorhandenen  Weihrauch  und  überredet  sich  sogar  •"^.  "-^ 
in  seinen  spätem  Jahren,  daß  ihm  derselbe  ein  nichtiger  und  lästiger 
Begleiter  scheine.  Sein  Brief  ,,an  die  Nachwelt"^'  ist  die  Rechenschaft 
des  alten,  hochberühmten  Mannes,  der  die  öffentliche  Neugier  zufrieden- 
stellen muß;  bei  der  Nachwelt  möchte  er  wohl  Ruhm  genießen,  bei  den 
Zeitgenossen  aber  sich  lieber  denselben  verbitten^'";  in  seinen  Dialogen 
von  Glück  und  Unglück^^i  hat  bei  Anlaß  des  Ruhmes  der  Gegenredner, 
welcher  dessen  Nichtigkeit  beweist,  den  stärkern  Akzent  für  sich.  Soll 
man  es  aber  strenge  nehmen,  wenn  >:s  Petrarca  noch  immer  freut,  daß 
der  paläologische  Autokrator  von  Byzanz^*^  ihn  durch  seine  Schriften 
so  genau  kennt  wie  Kaiser  Karl  IV.  ihn  kennt?  Denn  in  der  Tat  ging 
sein  Ruf  schon  bei  Lebzeiten  über  Italien  hinaus.  Und  empfand  er  nicht 
eine  gerechte  Rührung,  als  ihn  bei  einem  Besuch  in  seiner  Heimat  Arezzo  Kultus  der 
die  Freunde  zu  seinem  Geburtshaus  führten  und  ihm  meldeten,  die  Stadt 
sorge  dafür,  daß  nichts  daran  verändert  werden  dürfe^^^!  Früher  feierte 
und  konservierte  man  die  Wohnungen  einzelner  großer  Heiligen,  wie 
z.  B.  die  Zelle  des  S.  Thomas  von  Aquino  bei  den  Dominikanern  in 
Neapel,  die  Portiuncula  des  S.  Franciscus  bei  Assisi;  höchstens  genossen 
noch  einzelne  große  Rechtsgelehrte  jenes  halbmythische  Ansehen,  wel- 
ches zu  dieser  Ehre  fühlte;  so  benannte  das  Volk  noch  gegen  Ende  des 

6* 


Geburts- 
häuser 


84 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 


Kultus  der 
Gräber 


Abb.  I 

Abb.  220 
Abb.  22g 


Berühmte 
Männer  des 
Altertums 


14.  Jahrhunderts  zu  Bagnolo  unweit  Florenz  ein  ahcs  Gebäude  als 
„Studio"  des  Accursius  (geb.  um  1150),  ließ  aber  doch  geschehen,  daß 
es  zerstört  wurde^^*.  Wahrscheinlich  frappierten  die  hohen  Einnahmen 
und  die  politischen  Verbindungen  einzelner  Juristen  (als  Konsulenten 
und  Deduktionenschreiber)  die  Einbildungskraft  der  Leute  auf  lange 
hinaus. 

Zum  Kultus  der  Geburtshäuser  gehört  der  der  Gräber  berühmter 
Leute^^^;  für  Petrarca  kommt  auch  noch  der  Ort,  wo  er  gestorben,  über- 
haupt hinzu,  indem  Arquato  seinem  Andenken  zu  Ehren  ein  Lieblings- 
aufenthalt der  Paduaner  und  mit  zierlichen  Wohngebäuden  geschmückt 
wurde^^*  —  zu  einer  Zeit,  da  es  im  Norden  noch  lange  keine  ,, klassischen 
Stellen"  sondern  nur  Wallfahrten  zu  Bildern  und  Reliquien  gab.  Es  wurde 
Ehrensache  für  die  Städte,  die  Gebeine  eigner  und  fremder  Zelebritäten 
zu  besitzen,  und  man  erstaunt  zu  sehen,  wie  ernstlich  die  Florentiner 
schon  im  14.  Jahrhundert  —  lange  vor  S.  Croce  • — •  ihren  Dom  zum 
Pantheon  zu  erheben  strebten.  Accorso,  Dante,  Petrarca,  Boccaccio  und 
der  Jurist  Zanobi  della  Strada  sollten  dort  Prachtgräber  erhalten^*'. 
Noch  spät  im  15.  Jahrhundert  verwandte  sich  Lorenzo  magnifico  in 
Person  bei  den  Spoletinern,  daß  sie  ihm  die  Leiche  des  Malers  Fra  Filippo 
Lippi  für  den  Dom  abtreten  möchten,  und  erhielt  die  Antwort:  sie  hätten 
überhaupt  keinen  Überfluß  an  Zierden,  besonders  nicht  an  berühmten 
Leuten,  weshalb  er  sie  verschonen  möge;  in  der  Tat  mußte  man  sich 
mit  einem  Kenotaphium  begnügen.  Und  auch  Dante  blieb  trotz  allen 
Verwendungen,  zu  welchen  schon  Boccaccio  mit  emphatischer  Bitter- 
keit die  Vaterstadt  aufstachelte^**,  ruhig  bei  S.  Francesco  in  Ravenna 
schlafen, ,, zwischen  uralten  Kaisergräbern  und  Heiligengrüften,  in  ehren- 
vollerer Gesellschaft  als  du,  o  Heimat,  ihm  bieten  könntest".  Es  kam 
schon  damals  vor,  daß  ein  wunderlicher  Mensch  ungestraft  die  Lichter 
vom  Altar  des  Kruzifixes  wegnahm  und  sie  an  das  Grab  stellte  mit  den 
Worten:  Nimm  sie,  du  bist  ihrer  würdiger  als  jener  —  der  Gekreuzigte^**. 

Nunmehr  gedenken  auch  die  italienischen  Städte  wieder  ihrer  Mit- 
bürger und  Einwohner  aus  dem  Altertum.  Neapel  hatte  vielleicht  sein 
Grab  Virgils  nie  ganz  vergessen,  schon  weil  sich  ein  halbmythischer 
Begriff  an  den  Namen  geknüpft  hatte.  Padua  glaubte  vollends  noch  im 
16.  Jahrhundert  nicht  nur  die  echten  Gebeine  seines  trojanischen  Grün- 
ders Antenor,  sondern  auch  die  des  Titas  Livius  zu  besitzen'"'.  ,,Sul- 
mona",  sagt  Boccaccio*"^,  ,, klagt,  daß  Ovid  fern  in  der  Verbannung  be-* 
graben  sei,  Parma  freut  sich,  daß  Cassius  in  seinen  Mauern  schlummere." 
Die  Mantuancr  prägten  im  14.  Jahriiundcrt  eine  Münze  mit  dem  Brust- 
bild Virgils  und  stellten  eine  Statue  auf,  dir  ilm  vorstellen  sollte;  aus 
mittelalterlichem  Junkerhochmut^''^  ließ  sie  der  Vormund  des  damaligen 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  85 

Gonzaga,  Carlo  Malatesta,  1392  umstürzen  und  mußte  sie,  weil  der 
Ruhm  des  alten  Dichters  stärker  war,  wieder  aufrichten  lassen.  Vielleicht 
zeigte  man  schon  damals  zwei  Miglien  von  der  Stadt  die  Grotte,  wo  einst 
Virgil  meditiert  haben  sollte^"^,  gerade  wie  bei  Neapel  die  Scuola  di  Vir- 
giüo.  Como  eignete  sich  die  beiden  Plinius  zu^"^  und  verherrlichte  sie 
gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  durch  sitzende  Statuen  in  zierHchen 
Baldachinen  an  der  Vorderseite  seines  Domes. 

Auch  die  Geschichtschrcibung  und  die  neugeborene  Topographie  rieh-  Der  Ruhm 
ten  sich  fortan  darauf  ein,  keinen  einheimischen  Ruhm  mehr  unverzeich-  ™"ä^^''"°p°- 
net  zu  lassen,  während  die  nordischen  Chroniken  nur  erst  hie  und  da 
zwischen  Päpsten,  Kaisern,  Erdbeben  und  Kometen  die  Bemerkung 
machen,  zu  dieser  Zeit  habe  auch  dieser  oder  jener  berühmte  Mann 
„geblüht".  Wie  sich  eine  ausgezeichnete  Biographik,  wesentlich  unter 
der  Herrschaft  des  Ruhmesbegriffes,  entwickelte,  wird  bei  einem  andern 
Anlaß  zu  betrachten  sein;  hier  beschränken  wir  uns  auf  den  Ortspatrio- 
tismus des  Topographen,  der  die  Ruhmesansprüche  seiner  Stadt  ver- 
zeichnet. 

Im  Mittelalter  waren  die  Städte  stolz  gewesen  auf  ihre  Heiligen  und 
deren  Leichen  und  Reliquien  in  den  Kirchen^"^.  Damit  beginnt  auch 
noch  der  Panegyrist  von  Padua  um  1450,  Michele  Savonarola^"^  seine  Padua  und 
Aufzählung;  dann  aber  geht  er  über  auf  ,, berühmte  Männer,  welche  '^'  ^^[°°^ 
keine  Heiligen  gewesen  sind,  jedoch  durch  ausgezeichneten  Geist  und 
hohe  Kraft  (virtus)  verdient  haben,  den  Heiligen  angeschlossen  zu  wer- 
den (adnecti)"  —  ganz  wie  im  Altertum  der  berühmte  Mann  an  den 
Heros  angrenzt^"^.  Die  weitere  Aufzählung  ist  für  jene  Zeit  bezeichnend 
im  höchsten  Grade.  Zuerst  folgen  Antenor,  der  Bruder  des  Priamus,  der 
mit  einer  Schar  flüchtiger  Troer  Padua  gegründet;  König  Dardanus,  der 
den  Attila  in  den  euganeischen  Bergen  besiegte,  ihn  weiterverfolgte  und 
zu  Rimini  mit  einem  Schachbrett  totschlug;  Kaiser  Heinrich  IV.,  der 
den  Dom  erbaut  hat;  ein  König  Marcus,  dessen  Haupt  in  Monsehce 
aufbewahrt  wird;  —  dann  ein  paar  Kardinäle  und  Prälaten  als  Stifter  Legende  und 
von  Pfründen,  Kollegien  und  Kirchen;  der  berühmte  Theologe  Fra  AI-  '^*^'"'^'"' 
berto,  der  Augustiner,  eine  Reihe  von  Philosophen  mit  Paolo  Vencto 
und  dem  weltbekannten  Pietro  von  Abano  beginnend;  der  Jurist  Paolo 
Padovano;  sodann  Livius  und  die  Dichter  Petrarca,  Mussato,  Lovato. 
Wenn  an  Kriegszelebritäten  einiger  Mangel  zu  verspüren,  so  tröstet 
sich  der  Autor  mit  dem  Ersatz  von  gelehrter  Seite  und  mit  der  größern 
Dauerhaftigkeit  des  geistigen  Ruhmes,  während  der  Kriegsruhm  oft  mit 
dem  Leibe  begraben  werde  und,  wenn  er  dauere,  dies  doch  nur  den  Ge- 
lehrten verdanke.  Immerhin  aber  gereiche  es  der  Stadt  zur  Ehre,  daß 
wenigstens  berühmte  auswärtige  Krieger  auf  eigenes  Begehren  in  ihr  be- 


86  ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

graben  lägen:  so  Pietro  de  Rossi  von  Parma,  Filippo  Arcclli  von  Piacenza, 

Abb.  6g,  71  besonders  Gattamelata  von  Narni  (starb  1443),  dessen  ehernes  Reiterbild 
„gleich  einem  triumphierenden  Cäsar"  bereits  bei  der  Kirche  des  Santo 
aufgerichtet  stand.  Dann  nennt  der  Verfasser  Scharen  von  Juristen  und 
Medizinern,  Adelige,  welche  nicht  bloß  wie  so  viele  ,,die  Ritterwürde 
empfangen,  sondern  sie  auch  verdient  hatten",  endlich  berühmte  Mecha- 
niker, Maler  und  Tonkünstler.  Den  Beschluß  macht  ein  Fechtmeister 
Michele  Rosso,  welcher  als  der  berühmteste  seines  Faches  an  vielen 
Orten  gemalt  zu  sehen  war. 

AUgemeincs  Ncbcn  solchcn  lokalen  Ruhmeshallcn,  bei  deren  Ausstattung  Mythus, 
^  ''°°  Legende,  literarisch  hervorgebrachtes  Renommee  und  populäres  Erstau- 
nen zusammenwirken,  bauen  die  Poeten-Philologen  an  einem  allgemei- 
nen Pantheon  des  Weltruhms;  sie  schreiben  Sammelwerke:  von  berühm- 
ten Männern,  von  berühmten  Frauen,  oft  in  unmittelbarer  Abhängigkeit 
von  Com.  Nepos,  Pseudo-Sueton,  Valerius  Maximus,  Plutarch  (Mulie- 
rum  virtutes),  Hieronymus  (de  viris  illustribus)  usw.  Oder  sie  dichten 
von  visionären  Triumphzügen  und  idealen,  olympischen  Versammlun- 
gen, wie  Petrarca  namentlich  in  seinem  Trionfo  della  fama,  Boccaccio 
in  seiner  Amorosa  visione,  mit  Hunderten  von  Namen,  wovon  mindestens 
drei  Vierteile  dem  Altertum,  die  übrigen  dem  Mittelalter  angehören^"*. 
Allmählich  wird  dieser  neuere,  relativ  moderne  Bestandteil  mit  größerem 
Nachdruck  behandelt;  die  Geschichtschreiber  legen  Charakteristiken  in 
ihre  Werke  ein,  und  es  entstehen  Sammlungen  von  Biographien  berühm- 
ter Zeitgenossen,  wie  die  von  Filippo  Villani,  Vespasiano  Fiorentino  und 

Abb.  24t.  244  Bartolommeo  Facio^*",  zuletzt  die  von  Paolo  Giovio. 

DerKuhmim  Dcr  Nordcu  aber  besaß,  bis  Italien  auf  seine  Autoren  (z.  B.  auf  Tri- 
themius)  einwirkte,  nur  Legenden  der  Heiligen  und  vereinzelte  Ge- 
schichten und  Beschreibungen  von  Fürsten  und  Geistlichen,  die  sich 
noch  deutlich  an  die  Legende  anlehnen  und  vom  Ruhm,  d.  h.  von  der 
persönlich  errungenen  Notorietät  wesentlich  unabhängig  sind.  Der  Dich- 
terruhm beschränkt  sich  noch  auf  bestimmte  Stände,  und  die  Namen 
der  Künstler  erfahren  wir  im  Norden  fast  ausschließlich  nur,  insofern 
sie  als  Handwerker  und  Zunftmenschen  auftreten. 

Die  Literatur  Dcr  Poct-Philolog  in  Italien  hat  aber,  wie  bemerkt,  auch  schon  das 
,'V  "'"     stärkste  Bewußtsein  davon,  daß  er  der  Austeiler  des  Ruhmes,  ja  der  Un- 

tejjenn  des  '  '  J 

Ruhmes  Sterblichkeit  sei;  und  ebenso  der  Vergessenheit^'".  Schon  Boccaccio  klagt 
über  eine  von  ihm  gefeierte  Schöne,  welche  hartherzig  blieb,  um  immer 
weiter  von  ihm  besungen  und  dadurch  berühmt  zu  werden,  und  ver- 

.4bb.  242  deutet  ihr,  er  wolle  es  fortan  mit  dem  Tadel  versuchen'".  Sannazaro 
droht  dem  vor  Karl  VIII.  feig  geflohenen  Alfonso  von  Neapel  in  zwei 

Abb.  227     prächtigen  Sonetten  mit  ewiger  Obskurität''^.  Angelo  Poliziano  mahnt 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  8? 

(1491)  den  König  Johann  von  Portugal*"  in  betreff  der  Entdeckungen 
in  Afrika  ernstlich  daran,  beizeiten  für  Ruhm  und  Unsterblichkeit  zu 
sorgen  und  ihm  das  Material  „zum  Stilisieren"  (operosius  excolenda) 
nach  Florenz  zu  übersenden;  sonst  möchte  es  ihm  ergehen  wie  all  jenen, 
deren  Taten,  von  der  Hilfe  der  Gelehrten  entblößt,  „im  großen  Schutt- 
haufen menschlicher  Gebrechlichkeit  verborgen  liegen  bleiben".  Der 
König  (oder  doch  sein  humanistisch  gesinnter  Kanzler)  ging  darauf  ein 
und  versprach  wenigstens,  es  sollten  die  bereits  portugiesisch  abgefaßten 
Annalen  über  die  afrikanischen  Dinge  in  italienischer  Übersetzung  nach 
Florenz  zur  lateinischen  Bearbeitung  verabfolgt  werden;  ob  dies  wirk- 
lich geschah,  ist  nicht  bekannt.  So  ganz  leer,  wie  dergleichen  Präten- 
sionen auf  den  ersten  Blick  scheinen,  sind  sie  keineswegs;  die  Redaktion, 
in  welcher  die  Sachen  (auch  die  wichtigsten)  vor  Mit-  und  Nachwelt 
treten,  ist  nichts  weniger  als  gleichgültig.  Die  italienischen  Humanisten 
mit  ihrer  Darstellungsweise  und  ihrem  Latein  haben  lange  genug  die 
abendländische  Lesewelt  wirklich  beherrscht,  und  auch  die  italienischen 
Dichter  sind  bis  ins  vorige  Jahrhundert  weiter  in  allen  Händen  herum- 
gekommen als  die  irgendeiner  Nation.  Der  Taufname  des  Amerigo  Ves-  Abb.  tss 
pucci  von  Florenz  wurde  seiner  Reisebeschreibung  wegen  zum  Namen 
des  vierten  Weltteils,  und  wenn  Paolo  Giovio  mit  all  seiner  Flüchtigkeit 
und  eleganten  Willkür  sich  dennoch  die  Unsterblichkeit  versprach*'^,  so 
ist  er  dabei  nicht  ganz  fehlgegangen. 

Neben  solchen  Anstalten,  den  Ruhm  äußerlich  zu  garantieren,  wird   unbedingte 
hie  und  da  ein  Vorhang  hinweggezogen,  und  wir  schauen  den  kolossal-     "  "*"'  ' 
sten  Ehrgeiz  und  Durst  nach  Größe,  unabhängig  von  Gegenstand  und 
Erfolg,  in  erschreckend  wahrem  Ausdruck.  So  in  Machiavellis  Vorrede     Abb.  234 
zu  seinen  florentinischen  Geschichten,  wo  er  seine  Vorgänger  (Lionardo, 
Aretino,  Poggio)  tadelt  wegen  des  allzu  rücksichtsvollen  Schweigens  in 
betreff  der  städtischen  Parteiungen.  ,,Sie  haben  sich  sehr  geirrt  und  be- 
wiesen, daß  sie  den  Ehrgeiz  der  Menschen  und  die  Begier  nach  Fort- 
dauer des  Namens  wenig  kannten.  Wie  manche,  die  sich  durch  Löb- 
liches nicht  auszeichnen  konnten,  strebten  danach  durch  Schmähliches! 
Jene  Schriftsteller  erwogen  nicht,  daß  Handlungen,  welche  Größe  an 
sich  haben,  wie  dies  bei  den  Handlungen  der  Regenten  und  Staaten  der 
Fall  ist,  immer  mehr  Ruhm  als  Tadel  zu  bringen  scheinen,  welcher  Art 
sie  auch  seien  und  welches  der  Ausgang  sein  möge*^*."  Bei  mehr  als 
einem  auffallenden  und  schreckhchen  Unternehmen  wird  \on  besonne- 
nen Geschichtschreibern  als  Beweggrund  das  brennende  Verlangen  nach 
etwas  Großem  und  Denkwürdigem  angegeben.  Hier  offenbart  sich  nicht    Das  Hero- 
eine  bloße  Ausartung  der  gemeinen  Eitelkeit,  sondern  etwas  wirklich 
Dämonisches,  d.  h.  Unfreiheit  des  Entschlusses,  verbunden  mit  Anwen- 


stra  tische 


88  ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

dung  der  äußersten  Mittel,  und  Gleichgültigkeit  gegen  den  Erfolg  als 
solchen.  Machiavelli  selber  faßt  z.  B.  den  Charakter  des  Stefano  Porcari 
(S.  62)  so  auf^^^;  von  den  Mördern  des  Galeazzo  Maria  Sforza  (S.  34) 
sagen  ungefähr  dasselbe  die  Aktenstücke;  die  Ermordung  des  Herzogs 
Alessandro  von  Florenz  (1537)  schreibt  selbst  Varchi  (im  5.  Buch)  der 
Ruhmsucht  des  Täters  Lorcnzino  Medici  (S.  36)  zu.  Noch  viel  schärfer 
hebt  aber  Paolo  Giovio^^'  dieses  Motiv  hervor;  Lorenzino,  wegen  der 
Verstümmelung  antiker  Statuen  in  Rom  durch  ein  Pamphlet  des  Molza 
an  den  Pranger  gestellt,  brütet  über  einer  Tat,  deren  ,, Neuheit"  jene 
Schmach  in  Vergessenheit  bringen  sollte,  und  ermordet  seinen  Ver- 
wandten und  Fürsten.  —  Es  sind  echte  Züge  dieser  Zeit  hoch  aufgeregter, 
aber  bereits  verzweifelnder  Kräfte  und  Leidenschaften,  ganz  wie  einst 
die  Brandstiftung  im  Tempel  von  Ephesus  zur  Zeit  des  Philipp  von 
Mazedonien. 

Spott  und  Das  KoiTcktiv  nicht  nur  des  Ruhmes  und  der  modernen  Ruhmbegier, 
.^.^''^  .  sondern  des  höher  entwickelten  Individualismus  überhaupt  ist  der  mo- 
derne  Spott  und  Hohn,  womöglich  in  der  siegreichen  Form  des  Witzes. 
Wir  erfahren  aus  dem  Mittelalter,  wie  feindliche  Heere,  verfeindete 
Fürsten  und  Große  einander  mit  symbolischem  Hohn  auf  das  Äußerste 
reizen,  oder  wie  der  unterlegene  Teil  mit  höchster  symbolischer  Schmach 
beladen  wird.  Daneben  beginnt  in  theologischen  Streitigkeiten  schon  hie 
und  da,  unter  dem  Einfluß  antiker  Rhetorik  und  Epistolographie,  der 
Witz  eine  Waffe  zu  werden,  und  die  provenzalische  Poesie  entwickelt 
eine  eigene  Gattung  von  Trotz-  und  Hohnliedern;  auch  den  Minne- 
sängern fehlt  gelegentlich  dieser  Ton  nicht,  wie  ihre  politischen  Gedichte 

Der  Spott  zcigcn*^*.  Aber  ein  selbständiges  Element  des  Lebens  konnte  der  Witz 
doch  erst  werden,  als  sein  regelmäßiges  Opfer,  das  ausgebildete  Indi- 
viduum mit  persönlichen  Ansprüchen,  vorhanden  war.  Da  beschränkt 
er  sich  auch  bei  weitem  nicht  mehr  auf  Wort  und  Schrift,  sondern  wird 
tatsächlich:  er  spielt  Possen  und  verübt  Streiche,  die  sogenannten  burle 
und  beffe,  welche  einen  Hauptinhalt  mehrerer  Novellensammlungen 
ausmachen. 

Die  ,, Hundert  alten  Novellen",  welche  noch  zu  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts entstanden  sein  müssen,  haben  noch  nicht  den  Witz,  den  Sohn 
des  Kontrastes,  und  noch  nicht  die  Burla  zum  Inhalt^^*;  ihr  Zweck  ist 
nur,  weise  Reden  und  sinnvolle  Geschichten  und  Fabeln  in  einfach 
schönem  Ausdruck  wiederzugeben.  Wenn  aber  irgend  etwas  das  hohe 
Alter  der  Sammlung  beweist,  so  ist  es  dieser  Mangel  an  Hohn.  Denn 
gleich  mit  dem  14.  Jahrhundert  folgt  Dante,  der  im  Ausdruck  der  Ver- 
achtung alle  Dichter  der  Welt  weit  hinter  sich  läßt  und  z.  B.  schon  allein 


und  das 
Individuum 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  89 

wegen  jenes  großen  höllischen  Genrebildes  von  den  Betrügern^^"  der 
höchste  Meister  kolossaler  Komik  heißen  muß.  Mit  Petrarca  beginnen  ^^ 
schon  die  Witzsammlungen  nach  dem  Vorbilde  des  Plutarch  (Apoph- 
thegmata,  usw.).  Was  dann  während  des  genannten  Jahrhunderts  sich  Der  norenti- 
in  Florenz  von  Hohn  aufsammelte,  davon  gibt  Franco  Sacchetti  in  seinen  "'^  " 
Novellen  die  bezeichnendste  Auswahl.  Es  sind  meist  keine  eigentlichen 
Geschichten,  sondern  Antworten,  die  unter  gewissen  Umständen  ge- 
geben werden,  horrible  Naivitäten,  womit  sich  Halbnarren,  Hofnarren, 
Schälke,  liederliche  Weiber  ausreden;  das  Komische  liegt  dann  in  dem 
schreienden  Gegensatz  dieser  wahren  oder  scheinbaren  Naivität  zu  den 
sonstigen  Verhältnissen  der  Welt  und  zur  gewöhnlichen  Moralität;  die 
Dinge  stehen  auf  dem  Kopf  Alle  Mittel  der  Darstellung  werden  zu 
Hilfe  genommen,  auch  z.  B.  schon  die  Nachahmung  bestimmter  ober- 
italienischer Dialekte.  Oft  tritt  an  die  Stelle  des  Witzes  die  bare  freche 
Insolenz,  der  plumpe  Betrug,  die  Blasphemie  und  die  Unfläterei;  ein 
paar  Kondottierenspäße^^  gehören  zum  Rohesten  und  Bösesten,  was 
aufgezeichnet  ist.  Manche  Burla  ist  hochkomisch,  manche  aber  auch  ein 
bloß  vermeintlicher  Beweis  der  persönhchen  Überlegenheit,  des  Trium- 
phes über  einen  andern.  Wieviel  man  einander  zugute  hielt,  wie  oft  das 
Schlachtopfer  durch  einen  Gegenstreich  die  Lacher  wieder  auf  seine 
Seite  zu  bringen  sich  begnügten,  wissen  wir  nicht;  es  war  doch  viele 
herzlose  und  geistlose  Bosheit  dabei,  und  das  florentinische  Leben  mag 
hiedurch  oft  recht  unbequem  geworden  sein^^.  Bereits  ist  der  Spaß-  Die 
erfinder  und  Spaßerzähler  eine  unvermeidliche  Figur  geworden,  und  es  '  ^'"^  " 
muß  darunter  klassische  gegeben  haben,  weit  überlegen  allen  bloßen 
Hofnarren,  welchen  die  Konkurrenz,  das  wechselnde  Publikum  und  das 
rasche  Verständnis  der  Zuhörer  (lauter  Vorzüge  des  Aufenthaltes  in 
Florenz)  abgingen.  Deshalb  reisten  auch  einzelne  Florentiner  auf  Gast- 
rollen nach  den  Tyrannenhöfen  der  Lombardei  und  Romagna  heruni^^^ 
und  fanden  ihre  Rechnung  dabei,  während  sie  in  der  Vaterstadt,  wo 
der  Witz  auf  allen  Gassen  lief,  nicht  viel  gewannen.  Der  bessere  Typus 
dieser  Leute  ist  der  des  amüsanten  Menschen  (l'uomo  piacevole),  der 
geringere  ist  der  des  Buffone  und  des  gemeinen  Schmarotzers,  der  sich 
an  Hochzeiten  und  Gastmählern  einfindet  mit  dem  Räsonnement:  ,,wenn 
ich  nicht  eingeladen  worden  bin,  so  ist  das  nicht  meine  Schuld."  Da  und 
dort  helfen  diese  einen  jungen  Verschwender  aussaugen^^^,  im  ganzen 
aber  werden  sie  als  Parasiten  behandelt  und  verhöhnt,  während  höher- 
stehende Witzbolde  sich  fürstengleich  dünken  und  ihren  Witz  für  etwas 
wahrhaft  Souveränes  halten.  Dolcibene,  welchen  Kaiser  Karl  IV.  zum 
„König  der  italienischen  Spaßmacher"  erklärt  hatte,  sagte  in  Ferrara 
zu  ihm:  „Ihr  werdet  die  Welt  besiegen,  da  Ihr  mein  und  des  Papstes 


00  ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

Freund  seid;  Ihr  kämpft  mit  dem  Schwert,  der  Papst  mit  dem  Bullen- 
siegel, ich  mit  der  Zunge^^*!"  Dies  ist  kein  bloßer  Scherz,  sondern  eine 
Abb.i^r     Vorahnung  Pietro  Aretinos. 
Ariotto  mui       Die  beiden  berühmtesten  Spaßmacher  um  die  Mitte  des    15.  Jahr- 
hunderts waren  ein  Pfarrer  in  der  Nähe  von  Florenz,  Ariotto,  für  den 
feinern  Witz  (facezie),  und  der  Hofnarr  von  Ferrara,  Gonnclla,  für  die 
BufTonerien.   Es  ist  bedenklich,  ihre   Geschichten   mit  denjenigen  des 
Pfaffen  von  Kaienberg  und  des  Till  Eulenspicgel  zu  vergleichen;  letztere 
sind  eben  auf  ganz  andere,  halbmythische  Weise  entstanden,  so  daß  ein 
ganzes  Volk  daran  mitgedichtet  hat,  und  dcß  sie  mehr  auf  das  Allgemein- 
gültige, Allverständliche  hinauslaufen,  während  Ariotto  und  Gonnclla 
historisch  und  lokal  bekannte  und  bedingte  Persönlichkeiten  waren.  Will 
man  aber  einmal  die  Vergleichung  zulassen  und  sie  auf  die  ,, Schwanke" 
der  außeritalienischen  Völker  überhaupt  ausdehnen,  so  wird  es  sich  im 
ganzen  finden,  daß  der  ,, Schwank",  in  den  französischen  Fabliaux^^'  wie 
bei  den  Deutschen,  in  erster  Linie  auf  einen  Vorteil  oder  Genuß  berech- 
net ist,  während  der  Witz  des  Ariotto,  die  Possen  des  Gonnella  sich  gleich- 
sam Selbstzweck,  nämlich  um  des  Triumphes,  um  der  Satisfaktion  willen 
vorhanden  sind.  (Till  Eulenspiegel  erscheint  dann  wieder  als  eine  eigen- 
tümliche Nuance,  nämlich  als  der  personifizierte,  meist  ziemlich  geist- 
lose Schabernack  gegen  besondere  Stände  und  Gewerbe.)  Der  Hofnarr 
des  Hauses  Este  hat  sich  mehr  als  einmal  durch  bittern  Hohn  und  aus- 
gesuchte Rache  schadlos  gehalten*^. 
Die  späß.         Die  Spezies  des  uomo  piacevolc  und  des  Buffone  haben  die  Freiheit 
■™^ '        von  Florenz  lange  überdauert.  Unter  Herzog  Cosimo  blühte  der  Bar- 
lacchia,  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  Francesco  Ruspoli  und  Curzio 
Marignolli.  Ganz  merkwürdig  zeigt  sich  in  Papst  Leo  X.  die  echt  floren- 
tinische  Vorliebe  für  Spaßmacher.  Der  auf  die  feinsten  geistigen  Genüsse 
gerichtete  und  darin  unersättliche  Fürst  erträgt  und  verlangt  doch  an 
seiner  Tafel  ein  paar  witzige  Possenreißer  und  Freßkünstler,  darunter 
■ffti'-  3?o     zwei  Mönche  und  einen  Krüppel^**;  bei  festlichen  Zeiten  behandelte  er  sie 
mit  gesucht  antikem  Hohn  als  Parasiten,  indem  ihnen  AfTcn  und  Raben 
unter  dem  Anschein  köstlicher  Braten  aufgestellt  wurden.  Überhaupt 
behielt  sich  Leo  die  Burlc  für  eigenen  Gebrauch  vor;  namentlich  gehörte 
es  zu  seiner  Art  von  Geist,  die  eigenen  Lieblingsbeschäftigungen  —  Dich- 
tung und  Musik  —  bisweilen  ironisch  zu  behandeln,  indem  er  und  sein 
Abb.  35s     Faktotum  Kardinal  Bibbicna  die  Karikaturen  derselben  beförderten^". 
Beide  fanden  es  nicht  unter  ihrer  Würde  einen  guten  alten  Sekretär  mit 
allen  Kräften  solange  zu  bearbeiten,  bis  er  sich  für  einen  großen  Musik- 
Harabaiio    thcorctiker  hielt.  Den  Improvisator  Baraballo  von  Gaeta  hetzte  Leo  durch 
beständige  Schmeicheleien  so  weit,  daß  sich  derselbe  ernstlich  um  die 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  gi 

kapitolinische  Dichterkrönung  bewarb;  am  Tage  der  mediceischen  Haus- 
patrone S.  Cosmas  und  S.  Damian  mußte  er  erst,  mit  Lorbeer  und  Pur- 
pur ausstaffiert,  das  päpstliche  Gastmahl  durch  Rezitation  erheitern  und, 
als  alles  am  Bersten  war,  im  vatikanischen  Hof  den  goldgeschirrten  Ele- 
fanten besteigen,  welchen  Emanuel  der  Große  von  Portugal  nach  Rom 
geschenkt  hatte;  während  dessen  sah  der  Papst  von  oben  durch  sein 
Lorgnon^^  herunter.  Das  Tier  aber  wurde  scheu  vom  Lärm  der  Pauken 
und  Trompeten  und  vom  Bravorufen  und  war  nicht  über  die  Engels- 
brücke zu  bringen. 

Die  Parodie  des  Feierlichen  und  Erhabenen,  welche  uns  hier  in  Ge-  dir  Parodie 
stalt  eines  Aufzuges  entgegentritt,  hatte  damals  bereits  eine  mächtige 
Stellung  in  der  Poesie  eingenommen^'^.  Freilich  mußte  sie  sich  ein  an- 
deres Opfer  suchen,  als  z.  B.  Aristophanes  durfte,  da  er  die  großen 
Tragiker  in  seiner  Komödie  auftreten  ließ.  Aber  dieselbe  Bildungsreife, 
welche  bei  den  Griechen  zu  einer  bestimmten  Zeit  die  Parodie  hervor- 
trieb, brachte  sie  auch  hier  zur  Blüte.  Schon  zu  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts werden  im  Sonett  |>etrarchische  Liebesklagen  und  anderes  der 
Art  durch  Nachahmung  ausgehöhnt;  ja  das  Feierhche  der  vierzehnzeihgcn 
Form  an  sich  wird  durch  geheimtuenden  Unsinn  verspottet.  Ferner  lud 
die  göttliche  Komödie  auf  das  stärkste  zur  Parodierung  ein,  und  Lorenzo 
magnifico  hat  im  Stil  des  Inferno  die  herrlichste  Komik  zu  entwickeln 
gewußt.  (Simposio,  oder:  i  Beoni.)  Luigi  Pulci  ahmt  in  seinem  Morgante  .4^.239 
deutlich  die  Improvisatoren  nach,  und  überdies  ist  seine  und  Bojardos 
Poesie,  schon  insofern  sie  über  dem  Gegenstande  schwebt,  stellenweise 
eine  wenigstens  halbbewußte  Parodie  der  mittelalterlichen  Ritterdich- 
tung. Der  große  Parodist  Teofilo  Folengo  (blühte  um  1520)  greift  dann 
ganz  unmittelbar  zu.  Unter  dem  Namen  Limerno  Pitocco  dichtet  er 
den  Orlandino,  wo  das  Ritterwesen  nur  noch  als  lächerliche  Rokoko- 
einfassung um  eine  Fülle  moderner  Einfälle  und  Lebensbilder  herum 
figuriert;  unter  dem  Namen  Merlinus  Coccajus  schildert  er  die  Taten 
und  Fahrten  seiner  phantastischen  Landstreicher,  ebenfalls  mit  starker 
tendenziöser  Zutat,  in  halblateinischen  Hexametern,  unter  dem  komi- 
schen Scheinapparat  des  damaligen  gelehrten  Epos.  (Opus  Maccaroni- 
corum).  Seitdem  ist  die  Parodie  auf  dem  italischen  Parnaß  immer- 
fort, und  bisweilen  wahrhaft  glanzvoll,  vertreten  gewesen. 

In  der  ganzen  Zeit  der  mittlem  Höhe  der  Renaissance  wird  dann  auch    Theorie  des 
der  Witz  theoretisch  zergliedert  und  seine  praktische  Anwendung  in  der 
feinern  Gesellschaft  genauer  festgestellt.  Der  Theoretiker  ist  Gioviano 
Pontano'^;  in  seiner  Schrift  über  das  Reden,  namentlich  im  vierten  Buch,      Ahh.  jto 
versucht  er  durch  Analyse  zahlreicher  einzelner  Witze  oder  facetiae  zu 
einem  allgemeinen  Prinzip  durchzudringen.  Wie  der  Witz  unter  Leuten 


g2  ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

Abb.  2^s  von  Stande  zu  handhaben  sei,  lehrt  Baidassar  Castiglione  in  seinem 
Cortigiano^*.  Natürlich  handelt  es  sich  wesentlich  nur  um  Erheiterung 
dritter  Personen  durch  Wiedererzählung  von  komischen  und  graziösen 
Geschichten  und  Worten;  vor  direkten  Witzen  wird  eher  gewarnt,  indem 
man  damit  Unglückliche  kränke,  Verbrechern  zu  viele  Ehre  antue  und 
Mächtige  und  durch  Gunst  Verwöhnte  zur  Rache  reize,  und  auch  für 
das  Wiedererzählen  wird  dem  Mann  von  Stande  ein  weises  Maßhalten 
in  der  nachahmenden  Dramatik,  d.  h.  in  den  Grimassen,  empfohlen. 
Dann  folgt  aber,  nicht  bloß  zum  Wiedererzählen,  sondern  als  Paradigma 
für  künftige  Witzbildner,  eine  reiche  Sammlung  von  Sach-  und  Wort- 
witzen, methodisch  nach  Gattungen  geordnet,  darunter  viele  ganz  vor- 
treffliche. Viel  strenger  und  behutsamer  lautet  etwa  zwei  Jahrzehnte 

Abb.  231  später  die  Doktrin  des  Giovanni  della  Casa  in  seiner  Anweisung  zur 
guten  Lebensart^^;  im  Hinblick  auf  die  Folgen  will  er  aus  Witzen  und 
Burle  die  Absicht  des  Triumphierens  völlig  verbannt  wissen.  Er  ist  der 
Herold  einer  Reaktion,  welche  eintreten  mußte. 


DieLästening  lu  dcr  Tat  waf  Italien  eine  Lästerschule  geworden  wie  die  Welt  seit- 
dem keine  zweite  mehr  aufzuweisen  gehabt  hat,  selbst  in  dem  Frank- 
reich Voltaires  nicht.  Am  Geist  des  Vcrneinens  fehlte  es  dem  letztern 
und  seinen  Genossen  nicht,  aber  wo  hätte  man  im  vorigen  Jahrhundert 
die  Fülle  von  passenden  Opfern  hernehmen  sollen,  jene  zahllosen  hoch 
und  eigenartig  entwickelten  Menschen,  Zclebritäten  jeder  Gattung, 
Staatsmänner,  Geistliche,  Erfinder  und  Entdecker,  Literaten,  Dichter 
und  Künstler,  die  obendrein  ihre  Eigentümlichkeit  ohne  Rückhalt  walten 
ließen?  Im  15.  und  16.  Jahrhundert  existierte  diese  Heerschar,  und  neben 
ihr  hatte  die  allgemeine  Bildungshöhe  ein  furchtbares  Geschlecht  von 
geistreichen  Ohnmächtigen,  von  geborenen  Krittlern  und  Lästerern  groß- 
gezogen, deren  Neid  seine  Hekatomben  verlangte;  dazu  kam  aber  noch 
der  Neid  der  Berühmten  untereinander.  Mit  letzterem  haben  notorisch 

Abb.iQf,  die  Philiologen  angefangen:  Filelfo,  Poggio,  Lorenzo  Valla  u.a.,  wäh- 
rend z.  B.  die  Künstler  des  15.  Jahrhunderts  noch  in  fast  völlig  fried- 
lichem Wettstreit  nebeneinander  lebten,  wovon  die  Kunstgeschichte  Akt 
nehmen  darf 
In  Florenz  Dcr  große  Ruhmesmarkt  Florenz  geht  hierin,  wie  gesagt,  allen  andern 
Städten  eine  Zeitlang  voran.  „Scharfe  Augen  und  böse  Zungen"  ist  das 
Signalement  der  Florentiner^*.  Ein  gelinder  Hohn  über  alles  und  jedes 

Abb.  234  mochte  der  vorherrschende  Alltagston  sein.  Machiavelli,  in  dem  höchst 
merkwürdigen  Prolog  seiner  Mandragola,  leitet  mit  Recht  oder  Unrecht 
von  der  allgemeinen  Mcdisance  das  sichtbare  Sinken  der  moralischen 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  93 

Kraft  her,  droht  übrigens  seinen  Verkleinern  damit,  daß  auch  er  sich 
auf  Übelreden  verstehe.  Dann  kommt  der  päpstliche  Hof,  seit  langem  ein  in  Rom 
Stelldichein  der  allerschlimmsten  und  dabei  geistreichsten  Zungen.  Schon 
Poggios  Facetiae  sind  ja  aus  dem  Lügenstübchcn  (bugiale)  der  aposto- 
lischen Schreiber  datiert,  und  wenn  man  erwägt,  welche  große  Zahl  von 
enttäuschten  Stellenjägern,  von  hoffnungsvollen  Feinden  und  Konkur- 
renten der  Begünstigten,  von  Zeitvertreibern  sittenloser  Prälaten  bei- 
sammen war,  so  kann  es  nicht  auffallen,  wenn  Rom  für  das  wilde  Pasquill 
wie  für  die  beschaulichere  Satire  eine  wahre  Heimat  wurde.  Rechnet 
man  noch  gar  hinzu,  was  der  allgemeine  Widerwille  gegen  die  Priester- 
herrschaft und  was  das  bekannte  Pöbelbedürfnis,  den  Mächtigen  das 
Gräßlichste  anzudichten,  beifügte,  so  ergibt  sich  eine  unerhörte  Summe 
von  Schmach^'.  Wer  konnte,  schützte  sich  dagegen  am  Zweckmäßigsten 
durch  Verachtung,  sowohl  was  die  wahren  als  was  die  erlogenen  Be- 
schuldigungen betraf,  und  durch  glänzenden,  fröhhchen  Aufwand*^. 
Zartere  Gemüter  aber  konnten  wohl  in  eine  Art  von  Verzweiflung  fallen, 
wenn  sie  tief  in  Schuld  und  noch  tiefer  in  üble  Nachrede  verstrickt  wa- 
ren^*. AUmähhch  sagte  man  jedem  das  Schlimmste  nach,  und  gerade 
die  strengste  Tugend  weckte  die  Bosheit  am  sichersten.  Von  dem  großen 
Kanzelredner  Fra  Egidio  von  Viterbo,  den  Leo  um  seiner  Verdienste 
willen  zum  Kardinal  erhob  und  der  sich  bei  dem  Unglück  von  1527 
auch  als  tüchtiger  populärer  Mönch  zeigte'*",  gibt  Giovio  zu  verstehen,  ciovio 
er  habe  sich  die  asketische  Blässe  durch  Qualm  von  nassem  Stroh  u.  dgl.  '  "''''  '*'' 
konserviert.  Giovio  ist  bei  solchen  Anlässen  ein  echter  Kuriale'*^;  in  der 
Regel  erzählt  er  sein  Histörchen,  fügt  dann  bei,  er  glaube  es  nicht,  und 
läßt  endhch  in  einer  allgemeinern  Bemerkung  durchbhcken,  es  möchte 
doch  etwas  dran  sein.  Das  wahre  Brandopfer  des  römischen  Hohnes  aber 
war  der  gute  Hadrian  VI.;  es  bildete  sich  ein  Übereinkommen,  ihn  Hohn  auf 
durchaus  nur  von  der  burlesken  Seite  zu  nehmen.  Mit  der  furchtbaren 
Feder  eines  Francesco  Berni  verdarb  er  es  gleich  von  Anfang  an,  indem 
er  drohte  —  nicht  die  Statue  des  Pasquino  wie  man'*^  sagte  —  sondern 
die  Pasquillanten  selber  in  die  Tiber  werfen  zu  lassen.  Die  Rache  dafür 
war  das  berühmte  Capitolo  „gegen  Papst  Adriano",  diktiert  nicht  eigent- 
lich vom  Haß,  sondern  von  der  Verachtung  gegen  den  lächerlichen  hol- 
ländischen Barbaren;  die  wilde  Drohung  wird  aufgespart  für  die  Kardi- 
näle die  ihn  gewählt  haben.  Berni  und  andere^'*'  malen  auch  die  Um- 
gebung des  Papstes  mit  derselben  pikanten  Lügenhaftigkeit  aus,  mit  wel- 
cher das  heutige  Pariser  Feuilleton  das  So  zum  Anders  und  das  Nichts 
zum  Etwas  verkünstelt.  Die  Biographie,  welche  Paolo  Giovio  im  Auf- 
trag des  Kardinals  von  Tortosa  verfaßte,  und  welche  eigentlich  eine  Lob- 
schrift vorstellen  sollte,  ist  für  jeden,  der  zwischen  den  Zeilen  lesen  kann, 


Aretino 
Abb.  24y 


QA  ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

ein  wahrer  Ausbund  von  Hohn.  Es  liest  sich  (zumal  für  das  damalige 
Italien)  sehr  komisch,  wie  Hadrian  sich  beim  Domkapitel  von  Saragossa 
um  die  Kinnlade  des  S.  Lambert  bewirbt,  wie  ihn  dann  die  andächtigen 
Spanier  mit  Schmuck  und  Zeug  ausstatten,  „bis  er  einem  wohlheraus- 
geputzten Papst  recht  ähnlich  sieht"  wie  er  seinen  stürmischen  und  ge- 
schmacklosen Zug  von  Ostia  gen  Rom  hält,  sich  über  die  Versenkung 
oder  Verbrennung  des  Pasquino  berät,  die  wichtigsten  Verhandlungen 
wegen  Meldung  des  Essens  plötzlich  unterbricht  und  zuletzt  nach  un- 
glücklicher Regierung  an  allzuvielem  Biertrinken  verstirbt;  worauf  das 
Haus  seines  Leibarztes  von  Nachtschwärmern  bekränzt  und  mit  der  In- 
schrift Liberatori  Patriae  S.  P.  Q^.  R.  geschmückt  wird.  Freilich,  Giovio 
hatte  bei  der  allgemeinen  Renteneinziehung  auch  seine  Rente  verloren 
und  nur  deshalb  zur  Entschädigung  eine  Pfründe  erhalten,  weil  er  ,,kein 
Poet",  d.  h.  kein  Heide  sei.  Es  stand  aber  geschrieben,  daß  Hadrian  das 
letzte  große  Opfer  dieser  Art  sein  sollte.  Seit  dem  Unglück  Roms  (1527) 
starb  mit  der  äußersten  Ruchlosigkeit  des  Lebens  auch  die  frevelhafte 
Rede  sichtlich  ab. 
pietro  Während  sie  aber  noch  in  Blüte  stand,  hatte  sich  hauptsächlich  in 

Rom,  der  größte  Lästerer  der  neuern  Zeit,  Pietro  Aretino,  ausgebildet. 
Ein  Blick  auf  sein  Wesen  erspart  uns  die  Beschäftigung  mit  manchen 
Geringern  seiner  Gattung. 

Wir  kennen  ihn  hauptsächlich  in  den  letzten  drei  Jahrzehnten  seines 
Lebens  (1527 — 1556),  die  er  in  dem  für  ihn  einzig  möglichen  Asyl  Ve- 
nedig zubrachte.  Von  hier  aus  hielt  er  das  ganze  berühmte  Italien  in 
einer  Art  von  Belagerungszustand;  hieher  mündeten  auch  die  Geschenke 
auswärtiger  Fürsten,  die  seine  Feder  brauchten  oder  fürchteten.  Karl  V. 
und  Franz  I.  pensionierten  ihn  beide  zugleich,  weil  jeder  hoffte,  Aretino 
würde  dem  andern  Verdruß  machen;  Aretino  schmeichelte  beiden, 
schloß  sich  aber  natürlich  enger  an  Karl  an,  weil  dieser  in  Italien  Mei- 
ster blieb.  Nach  dem  Sieg  über  Tunis  (1535)  geht  dieser  Ton  in 
den  der  lächerlichsten  Vergötterung  über,  wobei  zu  erwägen  ist, 
daß  Aretino  fortwährend  sich  mit  der  Hoffnung  hinhalten  ließ,  durch 
Karls  Hilfe  Kardinal  zu  werden.  Vermutlich  genoß  er  eine  spezielle 
Protektion  als  spanischer  Agent,  indem  man  durch  sein  Reden  oder 
Schweigen  auf  die  kleinern  italienischen  Fürsten  und  auf  die  öffentUche 
Meinung  drücken  konnte.  Das  Papstwesen  gab  er  sich  die  Miene  gründ: 
licli  zu  verachten,  weil  er  es  aus  der  Nähe  kenne;  der  wahre  Grund 
war,  daß  man  ihn  von  Rom  aus  nicht  mehr  honorieren  konnte  und 
wollte^".  Venedig,  das  ihn  beherbergte,  beschwieg  er  weislich.  Der 
Rest  seines  Verhältnisses  zu  den  Großen  ist  lauter  Bettelei  und  gemeine 
Erpressung. 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  g^ 

Bei  Aretino  findet  sich  der  erste  ganz  große  Mißbrauch  der  PubHzität  scine  Publi- 
zistik und 

sein  Wert 


ZU  solchen  Zwecken.  Die  Streitschriften,  welche  hundert  Jahre  vorher 


Poggio  und  seine  Gegner  gewechselt  hatten,  sind  in  der  Absicht  und  im 
Ton  ebenso  infam,  allein  sie  sind  nicht  auf  die  Presse,  sondern  auf  eine 
Art  von  halber  und  geheimer  Publizität  berechnet;  Aretino  macht  sein 
Geschäft  aus  der  ganzen  und  unbedingten;  er  ist  in  gewissem  Betracht 
einer  der  Urväter  der  Journalistik.  Periodisch  läßt  er  seine  Briefe  und 
Artikel  zusammendrucken,  nachdem  sie  schon  vorher  in  weitern  Kreisen 
kursiert  haben  mochten^**. 

Verglichen  mit  den  scharfen  Federn  des  1 8.  Jahrhunderts  hat  Aretino 
den  Vorteil,  daß  er  sich  nicht  mit  Prinzipien  beladet,  weder  mit  Auf- 
klärung noch  mit  Philantropie  und  sonstiger  Tugend,  noch  auch  mit 
Wissenschaft;  sein  ganzes  Gepäck  ist  das  bekannte  Motto:  ,,Veritas" 
odium  parit.  Deshalb  gab  es  auch  für  ihn  keine  falschen  Stellungen,  wie 
z.  B.  für  Voltaire,  der  seine  Pucelle  verleugnen  und  anderes  lebenslang 
verstecken  mußte;  Aretino  gab  zu  allem  seinen  Namen,  und  noch  spät 
rühmt  er  sich  offen  seiner  berüchtigten  Ragionamenti.  Sein  literarisches 
Talent,  seine  lichte  und  pikante  Prosa,  seine  reiche  Beobachtung  der 
Menschen  und  Dinge  würden  ihn  unter  allen  Umständen  beachtenswert 
machen,  wenn  auch  die  Konzeption  eines  eigentlichen  Kunstwerkes,  z.  B. 
die  echte  dramatische  Anlage  einer  Komödie  ihm  völlig  versagt  blieb; 
dazu  kommt  dann  noch  außer  der  gröbsten  und  feinsten  Bosheit  eine 
glänzende  Gabe  des  grotesken  Witzes,  womit  er  im  einzelnen  Fall  dem 
Rabelais  nicht  nachsteht^**. 

Unter  soeben  Umständen,  mit  solchen  Absichten  und  Mitteln  geht  Verhältnis  zu 
er  auf  seine  Beute  los  oder  einstweilen  um  sie  herum.  Die  Art,  wie  er    "^"  "/"=■ 

'  niscnen 

Clemens  VII.  auffordert,  nicht  zu  klagen,  sondern  zu  verzeihen^'",  wäh-  Fürsten 
rend  das  Jammergeschrei  des  verwüsteten  Roms  zur  Engelsburg,  dem 
Kerker  des  Papstes,  empordringt,  ist  lauter  Hohn  eines  Teufels  oder 
Affen.  Bisweilen,  wenn  er  die  Hoffnung  auf  Geschenke  völlig  aufgeben 
muß,  bricht  seine  Wut  in  ein  wildes  Geheul  aus,  wie  z.  B.  in  dem  Capitolo 
an  den  Fürsten  von  Salerno.  Dieser  hatte  ihn  eine  Zeitlang  bezahlt  und 
wollte  nicht  weiter  zahlen;  dagegen  scheint  es,  daß  der  schreckliche 
Pierluigi  Farnese,  Herzog  von  Parma,  niemals  Notiz  von  ihm  nahm. 
Da  dieser  Herr  auf  gute  Nachrede  wohl  überhaupt  verzichtet  hatte,  so 
war  es  nicht  mehr  leicht,  ihm  wehe  zu  tun;  Aretino  versucht  es,  indem 
er^*®  sein  äußeres  Ansehen  als  das  eines  Sbirren,  Müllers  und  Bäckers 
bezeichnet.  Possierlich  ist  Aretino  am  ehesten  im  Ausdruck  der  reinen, 
wehmütigen  Bettelei,  wie  z.  B.  im  Capitolo  an  Franz  I.,  dagegen  wird 
man  die  aus  Drohung  und  Schmeichelei  gemischten  Briefe  und  Gedichte 
trotz  aller  Komik  nie  ohne  tiefen  Widerwillen  lesen  können.  Ein  Brief 


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ENTWICKLUNGS  DES  INDIVIDUUMS 


und  zeie  wic  dcr  an  Michelangelo  vom  November  1545'*'  existiert  vielleicht  nicht 
ein  zweites  Mal;  zwischen  alle  Bewunderung  (wegen  des  Weltgerichtes) 
hinein  droht  er  ihm  wegen  Irreligiosität,  Indezenz  und  Diebstahl  (an 
den  Erben  Julius'  II.)  und  fügt  in  einem  begütigenden  Postskript  bei: 
„ich  habe  Euch  nur  zeigen  wollen,  daß,  wenn  Ihr  divino  (di-vino)  seid, 
ich  auch  nicht  d'aqua  bin."  Aretino  hielt  nämlich  darauf —  man  weiß 
kaum,  ob  aus  wahnsinnigem  Dünkel  oder  aus  Lust  an  der  Parodie  alles 
Berühmten  —  daß  man  ihn  ebenfalls  göttlich  nenne,  und  so  weit  brachte 
er  es  in  der  persönlichen  Berühmtheit  allerdings,  daß  in  Arezzo  sein 
Geburtshaus  als  Sehenswürdigkeit  der  Stadt  galt^^°.  Andererseits  freilich 
gab  es  ganze  Monate,  da  er  sich  in  Venedig  nicht  über  die  Schwelle 
wagte,  um  nicht  irgendeinem  erzürnten  Florentiner  wie  z.  B.  dem  jungem 
Strozzi  in  die  Hände  zu  laufen;  es  fehlte  nicht  an  Dolchstichen  und  ent- 
setzlichen Prügeln'*^,  wenn  sie  auch  nicht  den  Erfolg  hatten,  welchen 
ihm  Berni  in  einem  famosen  Sonett  weissagte;  er  ist  in  seinem  Hause 
am  Schlagfluß  gestorben. 

verhiitnis  zu  In  der  Schmeichelei  macht  er  beachtenswerte  Unterschiede;  für  Nicht- 
costoo  Italiener  trägt  er  sie  plump  und  dick  auf'^^,  für  Leute  wie  den  Herzog 
Cosimo  von  Florenz  weiß  er  sich  anders  zu  geben.  Er  lobt  die  Schönheit 
des  damls  noch  jungen  Fürsten,  der  in  der  Tat  auch  diese  Eigenschaft 
mit  Augustus  in  hohem  Grade  gemein  hatte;  er  lobt  seinen  sittlichen 
Wandel  mit  einem  Seitenblick  auf  die  Geldgeschäfte  von  Cosimos  Mutter 
Maria  Salviati,  und  schließt  mit  einer  wimmernden  Bettelei  wegen  der 
teuren  Zeiten  usw.  Wenn  ihn  aber  Cosimo  pensionierte^*^,  und  zwar 
im  Verhältnis  zu  seiner  sonstigen  Sparsamkeit  ziemlich  hoch  (in  der 
letzten  Zeit  mit  160  Dukaten  jährlich),  so  war  wohl  eine  bestimmte 
Rücksicht  auf  seine  Gefährlichkeit  als  spanischer  Agent  mit  im  Spiel. 
Aretino  durfte  in  einem  Atemzug  über  Cosimo  bitter  spotten  und  schmä- 
hen und  doch  dabei  dem  florentinischen  Geschäftsträger  drohen,  daß 
er  beim  Herzog  seine  baldige  Abberufung  erwirken  werde.  Und  wenn 
der  Medici  sich  auch  am  Ende  von  Karl  V.  durchschaut  wußte,  so 
mochte  er  doch  nicht  wünschen,  daß  am  kaiserlichen  Hofe  aretinische 
Witze  und  Spottverse  über  ihn  in  Kurs  kommen  möchten.  Eine  ganz 
hübsch  bedingte  Schmeichelei  ist  auch  diejenige  an  den  berüchtigten 
Marchese  von  Marignano,  der  als  ,, Kastellan  von  Musso"  einen  eigenen 
Staat  zu  gründen  versucht  hatte.  Zum  Dank  für  übersandte  hundert 
Skudi  schreibt  Aretin:  ,,Alle  Eigenschaften,  die  ein  Fürst  haben  muß, 
sind  in  Euch  vorhanden,  und  jedermann  würde  dies  einsehen,  wenn 
nicht  die  bei  allen  Anfangen  unvermeidHche  Gewaltsamkeit  Euch  noch 
als  etwas  rauh  (aspro)  erscheinen  ließe***". 

seineRciigion      Man  iiat   häufig  als  etwas  Besonderes  hervorgehoben,  daß  Aretino 


ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS  97 

nur  die  Welt,  nicht  auch  Gott  gelästert  habe.  Was  er  geglaubt  hat,  ist 
bei  seinem  sonstigen  Treiben  völlig  gleichgültig,  ebenso  sind  es  die 
Erbauungsschriften,  welche  er  nur  aus  äußern  Rücksichten^^*  verfaßte. 
Sonst  aber  wüßte  ich  wahrlich  nicht,  wie  er  hätte  auf  die  Gotteslästerung 
verfallen  sollen.  Er  war  weder  Dozent  noch  theoretischer  Denker  und 
Schriftsteller;  auch  konnte  er  von  Gott  keine  Geldsummen  durch  Dro- 
hungen und  Schmeicheleien  erpressen,  fand  sich  also  auch  nicht  durch 
Versagung  zur  Lästerung  gereizt.  Mit  unnützer  Mühe  aber  gibt  sich 
ein  solcher  Mensch  nicht  ab. 

Es  ist  ein  gutes  Zeichen  des  heutigen  italienischen  Geistes,  daß  ein 
solcher  Charakter  und  eine  solche  Wirkungsweise  tausendmal  unmög- 
lich geworden  sind.  Aber  von  selten  der  historischen  Betrachtung  aus 
wird  dem  Aretino  immer  eine  wichtige  Stellung  bleiben. 


Bnrckhardt 


DRITTER  ABSCHNITT 

DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Konkurrenz  Auf  dicsem  Punktc  unserer  kulturgeschichtlichen  Übersicht  angelangt, 
""Kränen™  rnüsscn  wir  des  Altertums  gedenken,  dessen  ,, Wiedergeburt"  in  ein- 
seitiger Weise  zum  Gesamtnamen  des  Zeitraums  überhaupt  geworden 
ist.  Die  bisher  geschilderten  Zustände  würden  die  Nation  erschüttert 
und  gereift  haben  auch  ohne  das  Altertum,  und  auch  von  den  nachher 
aufzuzählenden  neuen  geistigen  Richtungen  wäre  wohl  das  meiste  ohne 
dasselbe  denkbar;  allein  wie  das  Bisherige  so  ist  auch  das  Folgende 
doch  von  der  Einwirkung  der  antiken  Welt  mannigfach  gefärbt,  und 
wo  das  Wesen  der  Dinge  ohne  dieselbe  verständlich  und  vorhanden 
sein  würde,  da  ist  es  doch  die  Äußerungsweise  im  Leben  nur  mit  ihr  und 
durch  sie.  Die  ,, Renaissance"  wäre  nicht  die  hohe  weltgeschichtliche 
Notwendigkeit  gewesen,  die  sie  war,  wenn  man  so  leicht  von  ihr  ab- 
strahieren könnte.  Darauf  aber  müssen  wir  beharren,  als  auf  einem 
Hauptsatz  dieses  Buches,  daß  nicht  sie  allein,  sondern  ihr  enges  Bünd- 
nis mit  dem  neben  ihr  vorhandenen  italienischen  Volksgeist  die  abend- 
ländische Welt  bezwungen  hat.  Die  Freiheit,  welche  sich  dieser  Volks- 
Gradc  der  gcist  dabei  bewahrte,  ist  eine  ungleiche  und  scheint,  sobald  man  z.  B. 
nur  auf  die  neulateinische  Literatur  sieht,  oft  sehr  gering;  in  der  bil- 
denden Kunst  aber  und  in  mehrern  andern  Sphären  ist  sie  auffallend 
groß,  und  das  Bündnis  zwischen  zwei  weit  auseinander  liegenden  Kultur- 
epochen desselben  Volkes  erweist  sich  als  ein,  weil  höchst  selbständiges, 
deshalb  auch  berechtigtes  und  fruchtbares.  Das  übrige  Abendland 
mochte  zusehen,  wie  es  den  großen,  aus  Italien  kommenden  Antrieb 
abwehrte  oder  sich  halb  oder  ganz  aneignete;  wo  letzteres  geschah, 
sollte  man  sich  die  Klagen  über  den  frühzeitigen  Untergang  unserer 
mittelalterlichen  Kulturformen  und  Vorstellungen  ersparen.  Hätten  sie 
sich  wehren  können,  so  würden  sie  noch  leben.  Wenn  jene  elegischen 
Gemüter,  die  sich  danach  zurücksehnen,  nur  eine  Stunde  darin  zubrin- 
gen müßten,  sie  würden  heftig  nach  moderner  Luft  begehren.  Daß 
bei  großen  Prozessen  jener  Art  manche  edle  Einzelblüte  mit  zugrunde 
geht,  ohne  in  Tradition  und  Poesie  unvergänglich  gesichert  zu  sein. 


Einwirkung 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  99 

ist  gewiß;  allein  das  große  Gesamtereignis  darf  man  deshalb  nicht  un- 
geschehen wünschen.  Dieses  Gesamtereignis  besteht  darin,  daß  neben 
der  Kirche,  welche  bisher  (und  nicht  mehr  für  lange)  das  Abendland 
zusammenhielt,  ein  neues  geistiges  Medium  entsteht,  welches,  von  Ita- 
lien her  sich  ausbreitend,  zur  Lebensatmosphäre  für  alle  höher  gebilde- 
ten Europäer  wird.  Der  schärfste  Tadel,  den  man  darüber  aussprechen 
kann,  ist  der  der  Unvolkstümlichkeit,  der  erst  jetzt  notwendig  eintreten- 
den Scheidung  von  Gebildeten  und  Ungebildeten  in  ganz  Europa. 
Dieser  Tadel  ist  aber  ganz  wertlos,  sobald  man  eingestehen  muß,  daß 
die  Sache  noch  heute,  obwohl  klar  erkannt,  doch  nicht  beseitigt  werden 
kann.  Und  diese  Scheidung  ist  überdies  in  Italien  lange  nicht  so  herb 
und  unerbittlich  als  anderswo.  Ist  doch  ihr  größter  Kunstdichter  Tasso 
auch  in  den  Händen  der  Ärmsten. 

Das  römisch-griechische  Altertum,  welches  seit  dem  14.  Jahrhundert  DasAitertmn 
so  mächtig  in  das  italienische  Leben  eingriff,  als  Anhalt  und  Quelle  der 
Kultur,  als  Ziel  und  Ideal  des  Daseins,  teilweise  auch  als  bewußter 
neuer  Gegensatz,  dieses  Altertum  hatte  schon  längst  stellenweise  auf 
das  ganze,  auch  außeritalienische  Mittelalter  eingewirkt.  Diejenige  Bil- 
dung, welche  Karl  der  Große  vertrat,  war  wesentlich  eine  Renaissance, 
gegenüber  der  Barbarei  des  7.  und  S.Jahrhunderts,  und  konnte  nichts 
anderes  sein.  Wie  hierauf  in  die  romanische  Baukunst  des  Nordens 
außer  der  allgemeinen,  vom  Altertum  ererbten  Formengrundlage  auch 
auffallende  direkt  antike  Formen  sich  einschleichen,  so  hatte  die  ganze 
Klostergelehrsamkeit  allmählich  eine  große  Masse  von  Stoff  aus  römi- 
schen Autoren  in  sich  aufgenommen  und  auch  der  Stil  derselben  blieb 
seit  Einhard  nicht  ohne  Nachahmung. 

Anders  aber  als  im  Norden  wacht  das  Altertum  in  Italien  wieder  ■°  "='1'''" 
auf.  Sobald  hier  die  Barbarei  aufhört,  meldet  sich  bei  dem  noch  halb 
antiken  Volk  die  Erkenntnis  seiner  Vorzeit;  es  feiert  sie  und  wünscht 
sie  zu  reproduzieren.  Außerhalb  Italiens  handelt  es  sich  um  eine  ge- 
lehrte, reflektierte  Benützung  einzelner  Elemente  der  Antike,  in  Italien 
um  eine  gelehrte  und  zugleich  populäre  sachliche  Parteinahme  für  das 
Altertum  überhaupt,  weil  dasselbe  die  Erinnerung  an  die  eigene  alte 
Größe  ist.  Die  leichte  Verständlichkeit  des  Lateinischen,  die  Menge 
der  noch  vorhandenen  Erinnerungen  und  Denkmäler  befördert  diese 
Entwicklung  gewaltig.  Aus  ihr  und  aus  der  Gegenwirkung  des  inzwi- 
schen doch  anders  gewordenen  Volksgeistes,  der  germanisch-langobardi- 
schen  Staatseinrichtungen,  des  allgemein  europäischen  Rittertums,  der 
übrigen  Kultureinflüsse  aus  dem  Norden  und  der  Religion  und  Kirche 
erwächst  dann  das  neue  Ganze:  der  modern  italienische  Geist,  welchem  es 
bestimmt  war,  für  den  ganzen  Okzident  maßgebendes  Vorbild  zu  werden. 

7» 


lOO  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Wie  sich  in  der  bildenden  Kunst  das  Antike  regt,  sobald  die  Barbarei 
aufhört,  zeigt  sich  z.  B.  deutlich  bei  Anlaß  der  toskanischen  Bauten 

Lateinische  dcs  12.  Und  der  Skulpturen  des  13.  Jahrhunderts.  Auch  in  der  Dicht- 
v°a^rtiter  kunst  fehlen  die  Parallelen  nicht,  wenn  wir  annehmen  dürfen,  daß  der 
größte  lateinische  Dichter  des  12.  Jahrhunderts,  ja  der,  welcher  für 
eine  ganze  Gattung  der  damaligen  lateinischen  Poesie  den  Ton  an- 
gab, ein  Italiener  gewesen  sei.  Es  ist  derjenige,  welchem  die  besten 
Stücke  der  sogenannten  Carmina  Burana  angehören.  Eine  ungehemmte 
Freude  an  der  Welt  und  ihren  Genüssen,  als  deren  Schutzgenien  die 
alten  Heidengötter  wieder  erscheinen,  strömt  in  prachtvollem  Fluß 
durch  die  gereimten  Strophen.  Wer  sie  in  einem  Zuge  liest,  wird  die 
Ahnung,  daß  hier  ein  Italiener,  wahrscheinlich  ein  Lombarde  spreche, 
kaum  abweisen  können;  es  gibt  aber  auch  bestimmte  einzelne  Gründe 
dafür^^*.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  sind  diese  lateinischen  Poesien 
der  Clerici  vagantes  des  12.  Jahrhunderts  allerdings  ein  gemeinsames 
europäisches  Produkt,  mitsamt  ihrer  großen  auffallenden  Frivolität,  allein 
der,  welcher  den  Gesang  de  Phyllide  et  Flora  und  das  Aestuans  interius 
etc.  gedichtet  hat,  war  vermutlich  kein  Nordländer,  und  auch  der  feine 
beobachtende   Sybarit   nicht,   von   welchem   Dum   Dianae  vitrea  sero 

Die  Renais-  lampas  oritur  (S.  8g)  herrührt.  Hier  ist  eine  Renaissance  der  antiken 
derMm'en  Wcltanschauung,  die  nur  um  so  klarer  in  die  Augen  fällt  neben  der 
mittelalterlichen  Reimform.  Es  gibt  manche  Arbeit  dieses  und  der  näch- 
sten Jahrhunderte,  welche  Hexameter  und  Pentameter  in  sorgfältiger 
Nachbildung  und  allerlei  antike,  zumal  mythologische  Zutat  in  den 
Sachen  aufweist  und  doch  nicht  von  ferne  jenen  antiken  Eindruck  her- 
vorbringt. In  den  hexametrischen  Chroniken  und  anderen  Produktionen 
von  Guglielmus  Appulus  an  begegnet  man  oft  einem  emsigen  Studium 
des  Virgil,  Ovid,  Lucan,  Statius  und  Claudian;  allein  die  antike  Form 
bleibt  bloße  Sache  der  Gelehrsamkeit,  gerade  wie  der  antike  Stoff  bei 
Sammelschriftstellern  in  der  Weise  des  Vincenz  von  Beauvais  oder  bei 
dem  Mythologen  und  Allegoriker  Alanus  ab  Insulis.  Die  Renaissance 
ist  eben  nicht  stückweise  Nachahmung  und  Aufsammlung,  sondern 
Wiedergeburt,  und  eine  solche  findet  sich  in  der  Tat  in  jenen  Gedichten 
des  unbekannten  Clericus  aus  dem  12.  Jahrhundert. 

DasAUertiMn      Dic  großc,  allgemeine  Parteinahme  der  Italiener  für  das  Altertum 

.1,14.  ,a„i.  ^^^^  beginnt  erst  mit  dem  14.  Jahrhundert.  Es  war  dazu  eine  Ent- 
wicklung des  städtischen  Lebens  notwendig,  wie  sie  nur  in  Italien  und 
erst  jetzt  vorkam:  Zusammenwohnen  und  tatsächliche  Gleichheit  von 
Adligen  und  Bürgern;  Bildung  einer  allgemeinen  Gesellschaft  (S.  82), 
welche  sich  bildungsbedürftig  fühlte  und  Muße  und  Mittel  übrig  hatte. 
Die  Bildung  aber,  sobald  sie  sich  von  der  Phantasiewelt  des  Mittel- 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  lOl 

alters  losmachen  wollte,  konnte  nicht  plötzlich  durch  bloße  Empirie 
zur  Erkenntnis  der  physischen  und  geistigen  Welt  durchdringen,  sie 
bedurfte  eines  Führers,  und  als  solchen  bot  sich  das  klassische  Altertum 
dar  mit  seiner  Fülle  objektiver,  evidenter  Wahrheit  in  allen  Gebieten 
des  Geistes.  Man  nahm  von  ihm  Form  und  Stoff  mit  Dank  und  Bewun- 
derung an;  es  wurde  einstweilen  der  Hauptinhalt  jener  Bildung^". 
Auch  die  allgemeinen  Verhältnisse  Italiens  waren  der  Sache  günstig; 
das  Kaisertum  des  Mittelalters  hatte  seit  dem  Untergang  der  Hohen- 
staufen  entweder  auf  Italien  verzichtet  oder  konnte  sich  daselbst  nicht 
halten;  das  Papsttum  war  nach  Avignon  übergesiedelt;  die  meisten 
tatsächlich  vorhandenen  Mächte  waren  gewaltsam  und  illegitim;  der 
zum  Bewußtsein  geweckte  Geist  aber  war  im  Suchen  nach  einem  neuen 
haltbaren  Ideal  begriffen,  und  so  konnte  sich  das  Scheinbild  und  Postu- 
lat einer  römisch-italischen  Weltherrschaft  der  Gemüter  bemächtigen,  nie  römische 
ja  eine  praktische  Verwirklichung  versuchen  mit  Cola  di  Rienzo.  Wie  jchaft" 
er,  namentlich  bei  seinem  ersten  Tribunat,  die  Aufgabe  anfaßte,  mußte 
es  allerdings  nur  zu  einer  wunderlichen  Komödie  kommen,  allein  für 
das  Nationalgefühl  war  die  Erinnerung  an  das  alte  Rom  durchaus 
kein  wertloser  Anhalt.  Mit  seiner  Kultur  aufs  neue  ausgerüstet  fühlte 
man  sich  bald  in  der  Tat  als  die  vorgeschrittenste  Nation  der  Welt. 

Diese  Bewegung  der  Geister  nicht  in  ihrer  Fülle,  sondern  nur  in  ihren 
äußern  Umrissen,  und  wesentlich  in  ihren  Anfängen  zu  zeichnen,  ist 
nun  unsere  nächste  Aufgabe^^. 

Vor  allem  genießt  die   Ruinenstadt   Rom  selber  jetzt  eine   andere   oie  Ruinen 
Art  von  Pietät  als  zu  der  Zeit,  da  die  Mirabilia  Romae  und  das  Sammel-   .1°°  .°'" 

'  Abb.  26Ä-277 

werk  des  Wilhelm  von  Malmesbury  verfaßt  wurden.  Die  Phantasie 
des  frommen  Pilgers  wie  die  des  Zaubergläubigen  und  des  Schatz- 
gräbers tritt  in  den  Aufzeichnungen  zurück  neben  der  des  Historikers 
und  Patrioten.  In  diesem  Sinne  wollen  Dantes  Worte^**  verstanden 
sein:  Die  Steine  der  Mauern  von  Rom  verdienten  Ehrfurcht,  und  der 
Boden,  worauf  die  Stadt  gebaut  ist,  sei  würdiger  als  die  Menschen 
sagen.  Die  kolossale  Frequenz  der  Jubiläen  läßt  in  der  eigentlichen 
Literatur  doch  kaum  eine  andächtige  Erinnerung  zurück;  als  besten 
Gewinn  vom  Jubiläum  des  Jahres  1300  bringt  Giovanni  Villani  (S.  45) 
seinen  Entschluß  zur  Geschichtschreibung  mit  nach  Hause,  welchen 
der  Anblick  der  Ruinen  von  Rom  in  ihm  geweckt.  Petrarca  gibt  uns 
noch  Kunde  von  einer  zwischen  klassischem  und  christlichem  Altertum 
geteilten  Stimmung;  er  erzählt,  wie  er  oftmals  mit  Giovanni  Colonna 
auf  die  riesigen  Gewölbe  der  Diocletiansthermen  hinaufgestiegen^*";  hier, 
in  der  reinen  Luft,  in  tiefer  Stille,  mitten  in  der  weiten  Rundsiclit 
redeten  sie  zusammen,  nicht  von  Geschäften,  Hauswesen  und  Politik, 


I02 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


Letzte  große 
Zerstö- 
rungen 


sondern,  mit  dem  Blick  auf  die  Trümmer  ringsum,  von  der  Geschichte, 
wobei  Petrarca  mehr  das  Altertum,  Giovanni  mehr  die  christliche  Zeit 
vertrat;  dann  auch  von  der  Philosophie  und  von  den  Erfindern  der 
Künste.  Wie  oft  seitdem  bis  auf  Gibbon  und  Niebuhr  hat  diese  Ruinen- 
welt die  geschichtliche  Kontemplation  geweckt. 

Dieselbe  geteilte  Empfindung  offenbart  auch  noch  Fazio  degli  Uberti 
in  seinem  um  1360  verfaßten  Dittamondo,  einer  fingierten  visionären 
Reisebeschreibung,  wobei  ihn  der  alte  Geograph  Solinus  begleitet  wie 
Virgil  den  Dante.  So  wie  sie  Bari  zu  Ehren  des  S.  Nicolaus,  Monte  Gar- 
gano  aus  Andacht  zum  Erzengel  Michael  besuchen,  so  wird  auch  in 
Rom  die  Legende  von  Araceli  und  die  von  S.  Maria  in  Trastevere 
erwähnt,  doch  hat  die  profane  Herrlichkeit  des  alten  Rom  schon  merk- 
lich das  Übergewicht;  eine  hehre  Greisin  in  zerrissenem  Gewand  —  es 
ist  Roma  selber  —  erzählt  ihnen  die  glorreiche  Geschichte  und  schil- 
dert umständlich  die  alten  Triumphe'^';  dann  führt  sie  die  Fremdlinge 
in  der  Stadt  herum  und  erklärt  ihnen  die  sieben  Hügel  und  eine  Menge 
Ruinen  —  che  comprender  potrai,  quanto  fui  bella!  — 

Leider  war  dieses  Rom  der  avignonesischen  und  schismatischen  Päpste 
in  bezug  auf  die  Reste  des  Altertums  schon  bei  weitem  nicht  mehr, 
was  es  einige  Menschenalter  vorher  gewesen  war.  Eine  tödliche  Ver- 
wüstung, welche  den  wichtigsten  noch  vorhandenen  Gebäuden  ihren 
Charakter  genommen  haben  muß,  war  die  Schleifung  von  140  festen 
Wohnungen  römischer  Großen  durch  den  Senator  Brancaleone  um  1258; 
der  Adel  hatte  sich  ohne  Zweifel  in  den  besterhaltenen  und  höchsten 
Ruinen  eingenistet  gehabt^*^.  Gleichwohl  blieb  noch  immer  unendlich 
viel  mehr  übrig,  als  was  gegenwärtig  aufrecht  steht,  und  .namentlich 
mögen  viele  Reste  noch  ihre  Bekleidung  und  Inkrustation  mit  Marmor, 
ihre  vorgesetzten  Säulen  und  anderen  Schmuck  gehabt  haben,  wo  jetzt 
nur  der  Kernbau  aus  Backsteinen  übrig  ist.  An  diesen  Tatbestand  schloß 
sich  nun  der  Anfang  einer  ernsthaften  Topographie  der  alten  Stadt  an. 
In  Poggios  Wanderung  durch  Rom^^  ist  zum  erstenmal  das  Studium 
der  Reste  selbst  mit  dem  der  alten  Autoren  und  mit  dem  der  Inschriften 
(welchen  er  durch  alles  Gestrüpp  hindurch'**  nachging)  inniger  ver- 
bunden, die  Phantasie  zurückgedrängt,  der  Gedanke  an  das  christliche 
Rom  geflissentlich  ausgeschieden.  Wäre  nur  Poggios  Arbeit  viel  aus- 
gedehnter und  mit  Abbildungen  versehen!  Er  traf  noch  sehr  viel  mehr 
Erhaltenes  an  als  achtzig  Jahre  später  Raffacl.  Er  selber  hat  noch  das 
Abb.  140  Grabmal  der  Caccilia  Metella  und  die  Säulenfronte  eines  der  Tempel 
am  Abhang  des  Kapitols  zuerst  vollständig  und  dann  später  bereits 
halbzerstört  wiedergesehen,  indem  der  Marmor  noch  immer  den  un- 
glückseligen Materialwert  hatte,  leicht  zu  Kalk  gebrannt  werden  zu 


Das  Rom 

Poggios 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


103 


können;  auch  eine  gewaltige  Säulenhalle  bei  der  Minerva  unterlag 
stückweise  diesem  Schicksal.  Ein  Berichterstatter  vom  Jahre  1443  meldet 
die  Fortdauer  dieses  Kalkbrennens,  „welches  eine  Schmach  ist;  denn 
die  neuern  Bauten  sind  erbärmlich,  und  das  Schöne  an  Rom  sind  die 
Ruinen^**".  Die  damaligen  Einwohner  in  ihren  Kampagnolenmänteln 
und  Stiefeln  kamen  den  Fremden  vor  wie  lauter  Rinderhirten,  und  in 
der  Tat  weidete  das  Vieh  bis  zu  den  Banchi  hinein;  die  einzige  gesellige 
Reunion  waren  die  Kirchgänge  zu  bestimmten  Ablässen;  bei  dieser 
Gelegenheit  bekam  man  auch  die  schönen  Weiber  zu  sehen. 

In  den  letzten  Jahren  Eugens  IV.  (starb  1447)  schrieb  Blondus  von 
Forli  seine  Roma  instaurata,  bereits  mit  Benützung  des  Frontinus  und 
der  alten  Regionenbücher,  sowie  auch  (scheint  es)  des  Anastasius.  Sein 
Zweck  ist  schon  bei  weitem  nicht  bloß  die  Schilderung  des  Vorhande- 
nen, sondern  mehr  die  Ausmittelung  des  Untergegangenen.  Im  Ein- 
klang mit  der  Widmung  an  den  Papst  tröstet  er  sich  für  den  allgemeinen 
Ruin  mit  den  herrlichen  Reliquien  der  Heiligen,  welche  Rom  besitze. 

Mit  Nicolaus  V.  (1447 — 1455)  besteigt  derjenige  neue  monumentale  Die  Päpsie 
Geist,  welcher  der  Renaissance  eigen  war,  den  päpstlichen  Stuhl.  Durch 
die  neue  Geltung  und  Verschönerung  der  Stadt  Rom  als  solcher  wuchs 
nun  wohl  einerseits  die  Gefahr  für  die  Ruinen,  andererseits  aber  auch 
die  Rücksicht  für  dieselben  als  Ruhmestitel  der  Stadt.  Pius  II.  ist  ganz  Pms  11  ais 
erfüllt  von  antiquarischem  Interesse,  und  wenn  er  von  den  Alter- 
tümern Roms  wenig  redet,  so  hat  er  dafür  denjenigen  des  ganzen 
übrigen  Italiens  seine  Aufmerksamkeit  gewidmet  und  diejenigen  der 
Umgebung  der  Stadt  in  weitem  Umfange  zuerst  genau  gekannt  und 
beschrieben^"*.  ^Allerdings  interessieren  ihn  als  GeistHchen  und  Kosmo- 
graphen  antike  und  christliche  Denkmäler  und  Naturwunder  gleich- 
mäßig, oder  hat  er  sich  Zwang  antun  müssen,  als  er  z.  B.  niederschrieb: 
Nola  habe  größere  Ehre  durch  das  Andenken  des  St.  Paulinus  als 
durch  die  römischen  Erinnerungen  und  durch  den  Heldenkampf  des 
Marcellus?  Nicht  daß  etwa  an  seinem  Reliquienglauben  zu  zweifeln 
wäre,  allein  sein  Geist  ist  schon  offenbar  mehr  der  Forscherteilnahme 
an  Natur  und  Altertum,  der  Sorge  für  das  Monumentale,  der  geist- 
vollen Beobachtung  des  Lebens  zugeneigt.  Noch  in  seinen  letzten  Jahren 
als  Papst,  podagrisch  und  doch  in  der  heitersten  Stimmung,  läßt  er  sich 
auf  dem  Tragsessel  über  Berg  und  Tal  nach  Tusculum,  Alba,  Tibur. 
Ostia,  Falerii,  Otriculum  bringen  und  verzeichnet  alles,  was  er  gesehen; 
er  verfolgt  die  alten  Römerstraßen  und  Wasserleitungen  und  sucht  die 
Grenzen  der  antiken  Völkerschaften  um  Rom  zu  bestimmen.  Bei  einem 
Ausflug  nach  Tibur  mit  dem  großen  Federigo  von  Urbino  vergeht  die 
Zeit  beiden  auf  das  angenehmste  mit  Gesprächen  über  das  Altertum 


I04 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


und  dessen  Kriegswesen,  besonders  über  den  trojanischen  Krieg;  selbst 
auf  seiner  Reise  zum  Kongreß  von  Mantua  (1459)  sucht  er,  wiewohl 
vergebens,  das  von  Plinius  erwähnte  Labyrinth  von  Clusium  und  besieht 
am  IVIincio  die  sogenannte  Villa  Virgils.  Daß  derselbe  Papst  auch  von 
den  Abbreviatoren  ein  klassisches  Latein  verlangte,  versteht  sich  bei- 
nahe von  selbst;  hat  er  doch  einst  im  neapolitanischen  Krieg  die  Arpi- 
naten  amnestiert  als  Landsleute  des  M.  T.  Cicero,  sowie  des  C.  Marius, 
nach  welchen  noch  viele  Leute  dort  getauft  waren.  Ihm  allein  als  Kenner 
und  Beschützer  konnte  und  mochte  Blondus  seine  Roma  triumphans 
zueignen,  den  ersten  großen  Versuch  einer  Gesamtdarstellung  des  römi- 
schen Altertums. 

Das  Altertum  In  dicscr  Zeit  war  natürlich  auch  im  übrigen  Italien  der  Eifer  für 
™Roms  *^i^  römischen  Altertümer  erwacht.  Schon  Boccaccio^*'  nennt  die  Ruinen- 
welt von  Bajae  ,, altes  Gemäuer,  und  doch  neu  für  moderne  Gemüter"; 
seitdem  galten  sie  als  größte  Sehenswürdigkeit  der  Umgegend  Neapels. 
Schon  entstanden  auch  Sammlungen  von  Altertümern  jeder  Gattung. 
Ciriaco  von  Ancona  durchstreifte  nicht  bloß  Italien,  sondern  auch  andere 
Länder  des  alten  Orbis  terrarum  und  brachte  Inschriften  und  Zeich- 
nungen in  Menge  mit;  auf  die  Frage,  warum  er  sich  so  bemühe,  ant- 
wortete er:  um  die  Toten  zu  erwecken^*®.  Die  Historien  der  einzelnen 
Städte  hatten  von  jeher  auf  einen  wahren  oder  fingierten  Zusammen- 
hang mit  Rom,  auf  direkte  Gründung  oder  Kolonisation  von  dort  aus 
hingewiesen^^^;  längst  scheinen  gefällige  Genealogen  auch  einzelne  Fa- 
milien von  berühmten  römischen   Geschlechtern   deriviert  zu   haben. 

Abstammung  Dlcs  lautctc  SO  angenehm,  daß  man  auch  im  Lichte  der  beginnenden 
Römern  Kritik  dcs  15.  Jahrhunderts  daran  festhielt.  Ganz  unbefangen  redet 
Pius  IL  in  Viterbo^'"  zu  den  römischen  Oratoren,  die  ihn  um  schleunige 
Rückkehr  bitten:  ,,Rom  ist  ja  meine  Heimat  so  gut  wie  Siena,  denn 
mein  Haus,  die  Piccolomini,  ist  vor  alters  von  Rom  nach  Siena  ge- 
wandert, wie  der  häufige  Gebrauch  der  Namen  Aeneas  und  Sylvius 
in  unserer  Familie  beweist."  Vermutlich  hätte  er  nicht  übel  Lust  gehabt, 
ein  Julier  zu  sein.  Auch  für  Paul  IL  —  Barbo  von  Venedig  —  wurde 
gesorgt,  indem  man  sein  Haus,  trotz  einer  entgegenstehenden  Abstam- 
mung aus  Deutschland,  von  den  römischen  Ahenobarbus  ableitete,  die 
mit  einer  Kolonie  nach  Parma  geraten  und  deren  Nachkommen  wegen 
Partciung  nach  Venedig  ausgewandert  seien*'^.  Daß  die  Massimi  von 
Q^.  Fabius  Maximus,  die  Cornaro  von  den  Corneliern  abstammen  woll- 
ten, kann  nicht  befremden.  Dagegen  ist  es  für  das  folgende  16.  Jahr- 
hundert eine  recht  auffallende  Ausnahme,  daß  der  Novellist  Bandello 
sein  Geschlecht  von  vornehmen  Ostgoten  (I.  Nov.  23.)  abzuleiten  sucht. 
Kehren  wir  nach   Rom  zurück.   Die   Einwohner,   ,,die  sich  damals 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


105 


Leiche 


Römer  nannten",  gingen  begierig  auf  das  Hochgefühl  ein,  welches  ilinen 
das  übrige  Italien  entgegenbrachte.  Wir  werden  unter  Paul  IL,  Sixtus  IV. 
und  Alexander  VI.  prächtige  Karnevalsaufzüge  stattfinden  sehen,  welche 
das  beliebteste  Phantasiebild  jener  Zeit,  den  Triumph  altrömischer 
Imperatoren,  darstellten.  Wo  irgend  Pathos  zum  Vorschein  kam,  mußte 
es  in  jener  Form  geschehen.  Bei  dieser  Stimmung  der  Gemüter  geschah 
es  am  18.  April  1485,  daß  sich  das  Gerücht  verbreitete,  man  habe  die  Die  römische 
wunderbar  schöne,  wohl  erhaltene  Leiche  einer  jungen  Römerin  aus 
dem  Altertum  gefunden^'^.  Lombardische  Maurer,  welche  auf  einem 
Grundstück  des  Klosters  S.  Maria  nuova,  an  der  Via  Appia,  außerhalb 
der  Caecilia  Metella,  ein  antikes  Grabmal  aufgruben,  fanden  einen 
marmornen  Sarkophag  angeblich  mit  der  Aufschrift:  Julia,  Tochter 
des  Claudius.  Das  Weitere  gehört  der  Phantasie  an:  die  Lombarden 
seien  sofort  verschwunden  samt  den  Schätzen  und  Edelsteinen,  welche 
im  Sarkophag  zum  Schmuck  und  Geleit  der  Leiche  dienten;  letztere 
sei  mit  einer  sichernden  Essenz  überzogen  und  so  frisch,  ja  so  beweglich 
gewesen  wie  die  eines  eben  gestorbenen  Mädchens  von  15  Jahren; 
dann  hieß  es  sogar,  sie  habe  noch  ganz  die  Farbe  des  Lebens,  Augen 
und  Mund  halb  offen.  Man  brachte  sie  nach  dem  Konservatoren- 
palast auf  dem  Kapitol,  und  dahin,  um  sie  zu  sehen,  begann  nun  eine 
wahre  Wallfahrt;  viele  kamen  auch,  um  sie  abzumalen;  ,,denn  sie  war 
schön,  wie  man  es  nicht  sagen  noch  schreiben  kann,  und  wenn  man  es 
sagte  oder  schriebe,  so  würden  es,  die  sie  nicht  sahen,  doch  nicht  glauben". 
Aber  auf  Befehl  Innocenz'  VIII.  mußte  sie  eines  Nachts  vor  Porta  Pin- 
ciana  an  einem  geheimen  Ort  verscharrt  werden;  in  der  Hof  halle  der 
Konservatoren  blieb  nur  der  leere  Sarkophag.  Wahrscheinlich  war  über 
den  Kopf  der  Leiche  eine  farbige  Maske  des  idealen  Stiles  aus  Wachs 
oder  etwas  ähnlichem  modelliert,  wozu  die  vergoldeten  Haare,  von 
welchen  die  Rede  ist,  ganz  wohl  passen  würden.  Das  Rührende  an  der 
Sache  ist  nicht  der  Tatbestand,  sondern  das  feste  Vorurteil,  daß  der 
antike  Leib,  den  man  endlich  hier  in  Wirklichkeit  vor  sich  zu  sehen 
glaubte,  notwendig  herrlicher  sein  müsse  als  alles,  was  jetzt  lebe. 

Inzwischen  wuchs  die  sachliche  Kenntnis  des  alten  Rom  durch  Aus- 
grabungen; schon  unter  Alexander  VI.  lernte  man  die  sogenannten  Gro- 
tesken, d.  h.  die  Wand-  und  Gewölbedekorationen  der  Alten  kennen  und 
fand  in  Porto  d'Anzio  den  Apoll  vom  Bclvedere;  unter  Julius  II.  folgten 
die  glorreichen  Auffindungen  des  Laokoon,  der  vatikanischen  Venus,  des 
Torso,  der  Kleopatra  u.  a.  m.^'^;  auch  die  Paläste  der  Großen  und  Kar- 
dinäle begannen  sich  mit  antiken  Statuen  und  Fragmenten  zu  füllen. 
Für  Leo  X.  unternahm  Raffael  jene  ideale  Restauration  der  ganzen  alten 
Stadt,  von  welcher  sein  (oder  Castighones)  berühmter  Brief  spricht*'*. 


Die  neuen 

Aus- 
grabungen 


I06  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Nach  der  bittern  Klage  über  die  noch  immer  dauernden  Zerstörungen, 
namentHch  noch  unter  Julius  II.,  ruft  er  den  Papst  um  Schutz  an  für 
die  wenigen  übriggebliebenen  Zeugnisse  der  Größe  und  Kraft  jener 
göttlichen  Seelen  des  Altertums,  an  deren  Andenken  sich  noch  jetzt 
diejenigen  entzünden,  die  des  Höhern  fähig  seien.  Mit  merkwürdig 
durchdringendem  Urteil  legt  er  dann  den  Grund  zu  einer  vergleichen- 
und  den  Kunstgeschichte  überhaupt  und  stellt  am  Ende  denjenigen  Begriff 
"""  von  ,, Aufnahme"  fest,  welcher  seitdem  gegolten  hat:  er  verlangt  für 
jeden  Überrest  Plan,  Aufriß  und  Durchschnitt  gesondert.  Wie  seit  die- 
ser Zeit  die  Archäologie,  in  speziellem  Anscliluß  an  die  geheiligte  Welt- 
stadt und  deren  Topographie,  zur  besondern  Wissenschaft  heranwuchs, 
wie  die  vitruvianische  Akademie  wenigstens  ein  kolossales  Programm^'^ 

Das  leonische  aufstclltc,  kann  nicht  weiter  ausgeführt  werden.  Hier  dürfen  wir  bei 
Leo  X.  stehenbleiben,  unter  welchem  der  Genuß  des  Altertums  sich 
mit  allen  andern  Genüssen  zu  jenem  wundersamen  Eindruck  verflocht, 
welcher  dem  Leben  in  Rom  seine  Weihe  gab.  Der  Vatikan  tönte  von 
Gesang  und  Saitenspiel;  wie  ein  Gebot  zur  Lebensfreude  gingen  diese 
Klänge  über  Rom  hin,  wenn  auch  Leo  damit  für  sich  kaum  eben  er- 
reichte, daß  sich  Sorgen  und  Schmerzen  verscheuchen  ließen,  und 
wenn  auch  seine  bewußte  Rechnung,  durch  Heiterkeit  das  Dasein  zu 
verlängern''*,  mit  seinem  frühen  Tode  fehlschlug.  Dem  glänzenden 
Bilde  des  leonischen  Rom,  wie  es  Paolo  Giovio  entwirft,  wird  man  sich 
nie  entziehen  können,  so  gut  bezeugt  auch  die  Schattenseiten  sind: 
die  Knechtschaft  der  Emporstrebenden  und  das  heimliche  Elend  der 
Prälaten,  welche  trotz  ihrer  Schulden  standesgemäß  leben  müssen'", 
das  Lotteriemäßige  und  Zufällige  von  Leos  literarischem  Mäzenat,  end- 
Abb.  252  lieh  seine  völlig  verderbliche  Geldwirtschaft'"*.  Derselbe  Ariost,  der 
diese  Dinge  so  gut  kannte  und  verspottete,  gibt  doch  wieder  in  der  sech- 
sten Satire  ein  ganz  sehnsüchtiges  Bild  von  dem  Umgang  mit  den  hoch- 
gebildeten Poeten,  welche  ihn  durch  die  Ruinenstadt  begleiten  würden, 
von  dem  gelehrten  Beirat,  den  er  für  seine  eigene  Dichtung  dort  vor- 
fände, endlich  von  den  Schätzen  der  vatikanischen  Bibliothek.  Dies, 
und  nicht  die  längst  aufgegebene  Hoffnung  auf  mediceische  Protektion, 
meint  er,  wären  die  wahren  Lockspeisen  für  ihn,  wenn  man  ihn  wieder 
bewegen  wollte,  als  ferraresischer  Gesandter  nach  Rom  zu  gehen. 
Ruiuen-         Außcr  dcm  archäologischen  Eifer  und  der  feierlich  patriotischen  Stim- 

sentimen  -  j^^j^g  ^gcktcu  dic  Ruiucu  als  solche,  in  und  außer  Rom,  auch  schon 
eine  elegisch-sentimentale.  Bereits  bei  Petrarca  und  Boccaccio  finden 
sich  Anklänge  dieser  Art  (S.  102);  Poggio  (102)  besucht  oft  den  Tem- 
pel der  Venus  und  Roma,  in  der  Meinung,  es  sei  der  des  Castor 
und  Pollux,  wo  einst  so  oft  Senat  gehalten  worden,  und  vertieft  sich 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  IO7 

hier  in  die  Erinnerung  an  die  großen  Redner  Crassus,  Hortensius, 
Cicero.  Vollkommen  sentimental  äußert  sich  dann  Pias  II.  zumal  bei 
der  Beschreibung  von  Tibur^"',  und  bald  darauf  entsteht  die  erste 
ideale  Ruinenansicht  nebst  Schilderung  bei  Polifilo^'':  Trümmer  mäch- 
tiger Gewölbe  und  Kolonnaden,  durchwachsen  von  alten  Platanen, 
Lorbeeren  und  Zypressen  nebst  wildem  Buschwerk.  In  der  heiligen 
Geschichte  wird  es,  man  kann  kaum  sagen  wie,  gebräuchlich,  die  Dar- 
stellung der  Geburt  Christi  in  die  möglichst  prachtvollen  Ruinen  eines 
Palastes  zu  verlegen^i.  Daß  dann  endlich  die  künstliche  Ruine  zum 
Requisit  prächtiger  Gartenanlagen  wurde,  ist  nur  die  praktische  Äuße- 
rung desselben  Gefühls. 

Unendlich  wichtiger  aber  als  die  baulichen  und  überhaupt  künstle-    Die  alten 
rischen  Reste  des  Altertums  waren  natürlich  die  schriftlichen,  griechi-  ■,"'°j^^'" 
sehe  sowohl  als  lateinische.  Man  hielt  sie  ja  für  Quellen  aller  Erkennt- 
nis  im   absolutesten   Sinne.   Das   Bücherwesen  jener   Zeit   der  großen 
Funde  ist  oft  geschildert  worden;  wir  können  nur  einige  weniger  be- 
achtete Züge  hier  beifügen^^. 

So  groß  die  Einwirkung  der  alten  Schriftsteller  seit  langer  Zeit  und 
vorzüglich  während  des  14.  Jahrhunderts  in  Italien  erscheint,  so  war 
doch  mehr  das  Längstbekannte  in  zahlreichere  Hände  verbreitet  als 
Neues  entdeckt  worden.  Die  gangbarsten  lateinischen  Dichter,  Histori- 
ker, Redner  und  Epistolographen  nebst  einer  Anzahl  lateinischer  Über- 
setzungen nach  einzelnen  Schriften  des  Aristoteles,  Plutarch  und  weniger 
andern  Griechen  bildeten  wesentlich  den  Vorrat,  an  welchem  sich  die 
Generation  des  Boccaccio  und  Petrarca  begeisterte.  Letzterer  besaß  und 
verehrte  bekanntlich  einen  griechischen  Homer,  ohne  ihn  lesen  zu 
können;  die  erste  lateinische  Übersetzung  der  Ilias  und  Odyssee  hat 
Boccaccio  mit  Hilfe  eines  kalabresischen  Griechen,  so  gut  es  ging,  zu- 
stande gebracht.  Erst  mit  dem  15.  Jahrhundert  beginnt  die  große  Reihe 
neuer  Entdeckungen,  die  systematische  Anlage  von  Bibliotheken  durch 
Kopieren  und  der  eifrigste  Betrieb  des  Übersetzens  aus  dem  Griechi- 
schen^**^. 

Ohne  die  Begeisterung  einiger  damaliger  Sammler,  welche  sich  bis  Dieselben  im 
zur  äußersten  Entbehrung  anstrengten,  besäßen  wir  ganz  gewiß  nur 
einen  kleinen  Teil,  zumal  der  griechischen  Autoren,  welche  auf 
unsere  Zeit  gekommen  sind.  Papst  Nicolaus  V.  hat  sich  schon  als  Mönch 
in  Schulden  gestürzt,  um  Kodizes  zu  kaufen  oder  kopieren  zu  lassen; 
schon  damals  bekannte  er  sich  offen  zu  den  beiden  großen  Passionen 
der  Renaissance:  Bücher  und  Bauten^*.  Als  Papst  hielt  er  Wort;  Ko- 
pisten schrieben  und  Späher  suchten  für  ihn  in  der  halben  Welt,  Perotto 
erhielt  für  die  lateinische  Übersetzung  des  Polybius  500  Dukaten,  Gua- 


I08  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

rino  für  die  des  Strabo  looo  Goldgulden  und  sollte  noch  weitere  500 
erhalten,  als  der  Papst  zu  früh  starb.  Mit  5000  oder,  je  nachdem  man 
rechnete,  9000  Bänden^^  hinterließ  er  diejenige  eigentlich  für  den  Ge- 
nie brauch  aller  Kurialen  bestimmte  Bibliothek,  welche  der  Grundstock  der 
^Abb°io''-lo6  Vaticana  geworden  ist;  im  Palaste  selber  sollte  sie  aufgestellt  werden,  als 
dessen  edelste  Zier,  wie  es  einst  König  Ptolemaeus  Philadelphus  zu 
Alcxandrien  gehalten.  Als  er  wegen  der  Pest  mit  dem  Hofe  nach  Fa- 
briano  zog,  nahm  er  seine  Übersetzer  und  Kompilatoren  dalün  mit, 
auf  daß  sie  ihm  nicht  wegstürben. 

Die  Florentiner  Niccolo  Niccoli^*,  Genosse  des  gelehrten  Freundes- 
kreises, welcher  sich  um  den  altern  Cosimo  Medici  versammelte,  wandte 
sein  ganzes  Vermögen  auf  Erwerb  von  Büchern;  endlich,  da  er  nichts 
mehr  hatte,  hielten  ihm  die  Medici  ihre  Kassen  offen  für  jede  Summe, 
die  er  zu  solchen  Zwecken  begehrte.  Ihm  verdankt  man  die  Vervoll- 
ständigung des  Ammianus  Marcellinus,  des  Cicero  de  oratore  u.  a.  m.; 
er  bewog  den  Cosimo  zum  Ankauf  des  trefflichsten  Plinius  aus  einem 
Kloster  zu  Lübeck.  Mit  einem  großartigen  Zutrauen  lieh  er  seine 
Bücher  aus,  ließ  die  Leute  auch  bei  sich  lesen,  soviel  sie  wollten,  und 
unterredete  sich  mit  ihnen  über  das  Gelesene.  Seine  Sammlung,  800 
Bände  zu  6000  Goldgulden  gewertet,  kam  nach  seinem  Tode  durch 
Cosimos  Vermittlung  an  das  Kloster  S.  Marco  mit  Bedingung  der 
Öffentlichkeit. 
Poggio  Von  den  beiden  großen  Bücherfindern  Guarino  und  Poggio  ist  der 

letztere*^',  zum  Teil  als  Agent  des  Niccoli,  bekanntlich  auch  in  den 
süddeutschen  Abteien  tätig  gewesen,  und  zwar  bei  Anlaß  des  Konzils 
von  Konstanz.  Er  fand  dort  sechs  Reden  des  Cicero  und  den  ersten 
vollständigen  Quintilian,  die  Sangaliensische,  jetzt  Züricher  Handschrift; 
binnen  32  Tagen  soll  er  sie  vollständig,  und  zwar  sehr  schön  abgeschrie- 
ben haben.  Den  Silius  Italiens,  Manihus,  Lucretius,  Val.  Flaccus,  Ascon. 
Pedianus,  Columella,  Celsus,  A.  Gellius,  Statins  u.  m.  a.  konnte  er 
wesentUch  vervollständigen;  mit  Lionardo  Aretino  zusammen  brachte 
er  die  zwölf  letzten  Stücke  des  Plautus  zum  Vorschein,  sowie  die  Ver- 
rinen  des  Cicero. 

Aus  antikem  Patriotismus  sammelte  der  berühmte  Grieche  Kardinal 
Bessarion^**  600  Kodizes,  heidnischen  wie  christlichen  Inhalts,  mit  un- 
geheuren Opfern,  und  suchte  nun  einen  sichern  Ort,  wohin  er  sie  stiften 
könne,  damit  seine  unglückliche  Heimat,  wenn  sie  je  wieder  frei  würde, 
ihre  verlorene  Literatur  wiederfinden  möchte.  Die  Signorie  von  Venedig 
(S.  44)  erklärte  sich  zum  Bau  eines  Lokales  bereit,  und  noch  heute 
bewahrt  die  Marcusbibliothek  einen  Teil  jener  Schätze^*. 

Das  Zusammenkommen  der  berühmten  mediceischcn  Bibliothek  hat 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


109 


eine  ganz  besondere  Geschichte,  auf  welche  wir  hier  nicht  eingehen 
können;  der  Hauptsammler  für  Lorenzo  magnifico  war  Johannes  Las- 
caris.  Bekanntlich  hat  die  Sammlung  nach  der  Plünderung  des  Jahres 
1494  noch  einmal  stückweise  durch  Kardinal  Giovanni  Medici  (Leo  X.) 
erworben  werden  müssen. 

Die  urbinatische  Bibliothek^^"  (jetzt  im  Vatikan)  war  durchaus  die  Die 
Gründung  des  großen  Federigo  von  Montefeltro  (S.  27),  der  schon  als  ^.„^  urbino 
Kjiabe  zu  sammeln  begonnen  hatte,  später  beständig  30  bis  40  Skrittori 
an  verschiedenen  Orten  beschäftigte  und  im  Verlauf  der  Zeit  über 
3000  Dukaten  daranwandte.  Sie  wurde,  hauptsächlich  mit  Hilfe 
Vespasianos,  ganz  systematisch  fortgesetzt  und  vervollständigt,  und  was 
dieser  davon  berichtet,  ist  besonders  merkwürdig  als  Idealbild  einer 
damaligen  Bibliothek.  Man  besaß  z.  B.  in  Urbino  die  Inventarien 
der  Vaticana,  der  Bibliothek  von  S.  Marco  in  Florenz,  der  viscontini- 
schen  Bibliothek  von  Pavia,  ja  selbst  das  Inventar  von  Oxford,  und 
fand  mit  Stolz,  daß  Urbino  in  der  Vollständigkeit  der  Schriften  des 
einzelnen  Autors  jenen  vielfach  überlegen  sei.  In  der  Masse  wog  viel- 
leicht noch  das  Mittelalter  und  die  Theologie  vor;  da  fand  sich  der 
ganze  Thomas  von  Aquino,  der  ganze  Albertus  magnus,  der  ganze 
Bonaventura  usw.;  sonst  war  die  Bibliothek  sehr  vielseitig  und  ent- 
hielt z.  B.  alle  irgend  beizuschaffenden  medizinischen  Werke.  Unter 
den  „Moderni"  standen  die  großen  Autoren  des  14.  Jahrhunderts,  z.  B. 
Dante,  Boccaccio  mit  ihren  gesamten  Werken  obenan;  dann  folgten 
25  auserlesene  Humanisten,  immer  mit  ihren  lateinischen  und  italieni- 
schen Schriften  und  allem,  was  sie  übersetzt  hatten.  Unter  den  griechi- 
schen Kodizes  überwogen  sehr  die  Kirchen\'äter,  doch  heißt  es  bei 
den  Klassikern  u.  a.  in  einem  Zuge:  alle  Werke  des  Sophokles,  alle 
Werke  des  Pindar,  alle  Werke  des  Menander  —  ein  Kodex,  der  offen- 
bar frühe^*^  aus  Urbino  verschwunden  sein  muß,  weil  ihn  sonst  die 
Philologen  bald  ediert  haben  würden. 

Von  der  Art,  wie  damals  Handschriften  und  Bibliotheken  entstanden,  Kopisten  und 
erhalten  wir  auch  sonst  einige  Rechenschaft.  Der  direkte  Ankauf  eines  ,/,,"' 

o  .•^on.  20J—212 

altern  Manuskriptes,  welches  einen  raren  oder  allein  vollständigen  oder 
gar  nur  einzig  vorhandenen  Text  eines  alten  Autors  enthielt,  blieb 
natürlich  eine  seltene  Gabe  des  Glückes  und  kam  nicht  in  Rechnung. 
Unter  den  Kopisten  nahmen  diejenigen,  welche  Griechisch  verstanden, 
die  erste  Stelle  und  den  Ehrennamen  Scrittori  im  vorzugsweisen  Sinne 
ein;  es  waren  und  blieben  ihrer  wenige,  und  sie  wurden  hoch  bezahlt*'^. 
Die  übrigen,  Copisti  schlechtweg,  waren  teils  Arbeiter,  die  einzig  da- 
von lebten,  teils  arme  Gelehrte,  die  eines  Nebengewinnes  bedurften. 
Merkwürdigerweise  waren  die  Kopisten  von  Rom  um  die  Zeit  Nico- 


HO  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

laus'  V.  meist  Deutsche  und  Franzosen^^*,  wahrscheinlich  Leute,  die 
etwas  bei  der  Kurie  zu  suchen  hatten  und  ihren  Lebensunterhalt  her- 
ausschlagen mußten.  Als  nun  z.  B.  Cosimo  Medici  für  seine  Lieblings- 
gründung, die  Badia  unterhalb  Fiesole,  rasch  eine  Bibliothek  gründen 
wollte,  ließ  er  den  Vespasiano  kommen  und  erhielt  den  Rat:  auf  den 
Kauf  vorrätiger  Bücher  zu  verzichten,  da  sich,  was  man  wünsche, 
nicht  vorrätig  finde,  sondern  schreiben  zu  lassen;  darauf  machte  Co- 
simo einen  Akkord  mit  ihm  auf  tagtägliche  Auszahlung,  und  Vespasiano 
nahm  45  Schreiber  und  lieferte  in  22  Monaten  200  fertige  Bände*'*. 
Das  Verzeichnis,  wonach  man  verfuhr,  hatte  Cosimo  von  Nicolaus  V.*'^ 
eigenhändig  erhalten.  (Natürlich  überwog  die  kirchliche  Literatur  und 
die  Ausstattung  für  den  Chordienst  weit  das  übrige.) 

Die  Handschrift  war  jene  schöne  neuitalienische,  die  schon  den  An- 
blick eines  Buches  dieser  Zeit  zu  einem  Genuß  macht,  und  deren  An- 
fang schon  ins  14.  Jahrhundert  hinaufreicht.  Papst  Nicolaus  V.,  Poggio, 
Giannozzo  Mannetti,  Niccolo  Niccoli  und  andere  berühmte  Gelehrte 
waren  von  Hause  aus  Kalligraphen  und  verlangten  und  duldeten  nur 
Schönes.  Die  übrige  Ausstattung,  auch  wenn  keine  Miniaturen  dazu- 
kamen, war  äußerst  geschmackvoll,  wie  besonders  die  Kodizes  der  Lau- 
renziana  mit  ihren  leichten  linearen  Anfangs-  und  Schlußornamenten 
beweisen.  Das  Material  war,  wenn  für  große  Herren  geschrieben  wurde, 
immer  nur  Pergament,  der  Einband  in  der  Vaticana  und  zu  Urbino 
gleichmäßig  ein  Karmosinsamt  mit  silbernem  Beschläge.  Bei  einer 
solchen  Gesinnung,  welche  die  Ehrfurcht  vor  dem  Inhalt  der  Bücher 
durch  möglichst  edle  Ausstattung  an  den  Tag  legen  wollte,  ist  es  be- 
greiflich, daß  die  plötzlich  auftauchenden  gedruckten  Bücher  anfangs 
auf  Widerstand  stießen.  Federigo  von  Urbino  ,, hätte  sich  geschämt", 
ein  gedrucktes  Buch  zu  besitzen**^. 
Bficherdnick  Dic  müdcn  Abschreiber  aber  —  nicht  die,  welche  vom  Kopieren 
lebten,  sondern  die  vielen,  welche  ein  Buch  abschreiben  mußten,  um 
es  zu  haben  —  jubelten  über  die  deutsche  Erfindung'^'.  Für  die  Ver- 
vielfältigung der  Römer  und  dann  auch  der  Griechen  war  sie  in  Italien 
bald  und  lange  nur  hier  tätig,  doch  ging  es  damit  nicht  so  rasch,  als 
man  bei  der  allgemeinen  Begeisterung  für  diese  Werke  hätte  denken 
sollen.  Nach  einiger  Zeit  bilden  sich  Anfänge  der  modernen  Autors- 
und Verlagsverhältnisse,'**  und  unter  Alexander  VI.  kam  die  präventive 
Zensur  auf,  indem  es  jetzt  nicht  mehr  leicht  möglich  war,  ein  Buch  zu 
Abb.  .'96     zernichten,  wie  noch  Cosimo  sich  es  von  Filclfo  ausbedingen  konnte'". 

Wie  sich  nun  allmähhch,  im  Zusammenhang  mit  dem  fortschreiten- 
den Studium  der  Sprachen  und  des  Altertums  überhaupt,  eine  Kritik 
der  Texte  bildete,  ist  sowenig  ein  Gegenstand  dieses  Buches  als  die 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  III 

Geschichte  der  Gelehrsamkeit  überhaupt.  Nicht  das  Wissen  der  Ita- 
liener als  solches,  sondern  die  Reproduktion  des  Altertums  in  Lite- 
ratur und  Leben  muß  uns  beschäftigen.  Doch  sei  über  die  Studien 
an  sich  noch  eine  Bemerkung  gestattet. 

Die  griechische  Gelehrsamkeit  konzentriert  sich  wesentlich  auf  Flo-  (Jbersicht  des 
renz  und  auf  das  15.  und  den  Anfang  des  16.  Jahrhunderts.  Was  Petrarca  ^tudi^^ 
und  Boccaccio  angeregt  hatten*'"',  scheint  noch  nicht  über  die  Teilnahme 
einiger  begeisterten  Dilettanten  hinausgegangen  zu  sein;  andererseits 
starb  mit  der  Kolonie  gelehrter  griechischer  Flüchtlinge  auch  das  Stu- 
dium des  Griechischen  in  den  1520er  Jahren  wcg*°i,  und  es  war  ein 
rechtes  Glück,  daß  Nordländer  (Erasmus,  die  Estienne,  Budeus)  sich 
desselben  inzwischen  bemächtigt  hatten.  Jene  Kolonie  hatte  begonnen 
mit  Manuel  Chrysoloras  und  seinem  Verwandten  Johannes,  sowie  mit 
Georg  von  Trapezunt,  dann  kamen  um  die  Zeit  der  Eroberung  Kon- 
stantinopels und  nachher  Johannes  Argyropulos,  Theodor  Gaza,  Dc- 
metrios  Chalcondylas,  der  seine  Söhne  Theophylos  und  Basilios  zu  tüch- 
tigen Griechen  erzog,  Andronikos  Kallistos,  Markos  Musuros  und  die 
Familie  der  Lascaris,  nebst  andern  mehr.  Seit  jedoch  die  Unterwerfung  Abb.  199 
Griechenlands  durch  die  Türken  vollständig  war,  gab  es  keinen  neuen 
gelehrten  Nachwuchs  mehr,  ausgenommen  die  Söhne  der  Flüchtlinge 
und  vielleicht  ein  paar  Candioten  und  Cyprioten.  Daß  nun  ungefähr 
mit  dem  Tode  Leos  X.  auch  der  Verfall  der  griechischen  Studien  im  Dessen  frühe 
allgemeinen  beginnt,  hatte  wohl  zum  Teil  seinen  Grund  in  einer  Ver-  "  ™* 
änderung  der  geistigen  Richtung  überhaupt*^^,  und  in  der  bereits  ein- 
getretenen relativen  Sättigung  mit  dem  Inhalt  der  klassischen  Literatur; 
gewiß  ist  aber  auch  die  Koinzidenz  mit  dem  Aussterben  der  gelehrten 
Griechen  keine  ganz  zufällige.  Das  Studium  des  Griechischen  unter  den 
Italienern  selbst  erscheint,  wenn  man  die  Zeit  um  1500  zum  Maßstab 
nimmt, gewaltig  schwunghaft;  damals  lernten  diejenigen  Leute  griechisch 
reden,  welche  es  ein  halbes  Jahrhundert  später  noch  als  Greise  konnten, 
wie  z.  B.  die  Päpste  Paul  III.  und  Paul  IV. *^^  Gerade  diese  Art  von 
Teilnahme  aber  setzte  den  Umgang  mit  geborenen  Griechen   voraus. 

Außerhalb  Florenz  hatten  Rom  und  Padua  fast  immer,  Bologna, 
Ferrara,  Venedig,  Perugia,  Pavia  und  andere  Städte  wenigstens  zeit- 
weise besoldete  Lehrer  des  Griechischen*"*.  Unendlich  viel  verdankte 
das  griechische  Studium  der  Offizin  des  Aldo  Manucci  zu  Venedig, 
wo  die  wichtigsten  und  umfangreichsten  Autoren  zum  erstenmal  grie- 
chisch gedruckt  wurden.  Aldo  wagte  seine  Habe  dabei;  er  war  ein 
Editor  und  Verleger,  wie  die  Welt  wenige  gehabt  hat. 

Daß  neben   den   klassischen   Studien   auch   die  orientalischen   einen  orientalische 
ziemlich  bedeutenden  Umfang  gewannen,  ist  wenigstens  hier  mit  einem     S"""™ 


112  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Worte  zu  erwähnen.  An  die  dogmatische  Polemik  gegen  die  Juden 
knüpfte  sich  zuerst  bei  Giannozzo  Mannetti"^,  einem  großen  florentini- 
schen  Gelehrten  und  Staatsmann  (t  1459),  die  Erlernung  des  Hebräi- 
schen und  der  ganzen  jüdischen  Wissenschaft;  sein  Sohn  Agnolo  mußte 
von  Kindheit  auf  Lateinisch,  Griechisch  und  Hebräisch  lernen;  ja  Papst 
Nicolaus  V.  ließ  von  Giannozzo  die  ganze  Bibel  neu  übersetzen,  indem 
die  philologische  Gesinnung  jener  Zeit  darauf  hindrängte,  die  Vulgata 
aufzugeben^"*.  Auch  sonst  nahm  mehr  als  ein  Humanist  das  Hebräische 
lange  vor  Reuchlin  mit  in  seine  Studien  auf,  und  Pico  della  Mirandola 
besaß  das  ganze  talmudische  und  philosophische  Wissen  eines  gelehrten 
Rabbiners.  Auf  das  Arabische  kam  man  am  ehesten  von  seiten  der 
Medizin,  welche  sich  mit  den  altern  lateinischen  Übersetzungen  der 
großen  arabischen  Ärzte  nicht  mehr  begnügen  wollte;  den  äußern  An- 
laß boten  etwa  die  venezianischen  Konsulate  im  Orient,  welche  italie- 
nische Ärzte  unterhielten.  Hieronimo  Ramusio,  ein  venetianischer  Arzt, 
übersetzte  aus  dem  Arabischen  und  starb  in  Damaskus.  Andrea  Mongajo 
von  Belluno*"'  hielt  sich  um  Avicennas  willen  lange  in  Damaskus  auf, 
lernte  das  Arabische  und  emendierte  seinen  Autor;  die  venezianische 
Regierung  stellte  ihn  dann  für  dieses  besondere  Fach  in  Padua  an. 
Pico  ddia  Bei  Pico  müssen  wir  hier  noch  verweilen,  ehe  wir  zu  der  Wirkung 
Mirandola    j^^   Humanlsmus  im  großen  übergehen.   Er  ist  der  einzige,  welcher 

Abb.  332  ^  <o  «J    ' 

laut  und  mit  Nachdruck  die  Wissenschaft  und  Wahrheit  aller  Zeiten 
gegen  das  einseitige  Hervorheben  des  klassischen  Altertums  verfochten 
hat*"*.  Nicht  nur  Averrhoes  und  die  jüdischen  Forscher,  sondern  auch 
die  Scholastiker  des  Mittelalters  schätzt  er  nach  ihrem  Sachinhalt; 
er  glaubt,  sie  reden  zu  hören:  ,,Wir  werden  ewig  leben,  nicht  in  den 
Schulen  der  Silbenstecher,  sondern  im  Kreis  der  Weisen,  wo  man 
nicht  über  die  Mutter  der  Andromache  oder  über  die  Söhne  der  Niobe 
diskutiert,  sondern  über  die  tiefern  Gründe  göttlicher  und  mensch- 
licher Dinge;  wer  da  nähertritt,  wird  merken,  daß  auch  die  Barbaren 
den  Geist  (Mercurium)  hatten,  nicht  auf  der  Zunge,  aber  im  Busen." 
Im  Besitz  eines  kräftigen,  durchaus  nicht  unschönen  Lateins  und  einer 
klaren  Darstellung  verachtet  er  den  pedantischen  Purismus  und  die 
ganze  Überschätzung  einer  entlehnten  Form,  zumal  wenn  sie  mit  Ein- 
seitigkeit und  Einbuße  der  vollen  großen  Wahrheit  in  der  Sache  ver- 
bunden ist.  An  ihm  kann  man  inne  werden,  welche  erhabene  Wendung 
die  italienische  Philosophie  würde  genommen  haben,  wenn  nicht  die 
Gegenreformation  das  ganze  höhere  Geistesleben  gestört  hätte. 
Antikisicrung  Wer  warcn  nun  diejenigen,  welche  das  hochverehrte  Altertum  mit 
der  Bildung  ^^^  Gcgcnwart  vermittelten  und  das  erstcre  zum  Hauptinhalt  der  Bil- 
dung der  letztern  erhoben? 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


113 


Es  ist  eine  hundcrtgestaltige  Schar,  die  heute  dieses,  morgen  jenes 
Antlitz  zeigt;  so  viel  aber  wußte  die  Zeit  und  wußten  sie  selbst,  daß 
sie  ein  neues  Element  der  bürgerlichen  Gesellschaft  seien.  Als  ihre 
Vorläufer  mögen  am  ehesten  jene  vagierenden  Kleriker  des  12.  Jahr- 
hunderts gelten,  von  deren  Poesie  oben  (S.  100  f)  die  Rede  gewesen 
ist;  dasselbe  unstete  Dasein,  dieselbe  freie  und  mehr  als  freie  Lebens- 
ansicht, und  von  derselben  Antikisierung  der  Poesie  wenigstens  der 
Anfang.  Jetzt  aber  tritt  der  ganzen  wesentlich  noch  immer  geistlichen 
und  von  Geistlichen  gepflegten  Bildung  des  Mittelalters  eine  neue  Bil- 
dung entgegen,  die  sich  vorzüglich  an  dasjenige  hält,  was  jenseits  des 
Mittelalters  liegt.  Die  aktiven  Träger  derselben  werden  wichtige  Per- 
sonen*"*, weil  sie  wissen,  was  die  Alten  gewußt  haben,  weil  sie  zu  schrei- 
ben suchen  wie  die  Alten  schrieben,  weil  sie  zu  denken  und  bald  auch 
zu  empfinden  beginnen,  wie  die  Alten  dachten  und  empfanden.  Die 
Tradition,  der  sie  sich  widmen,  geht  an  tausend  Stellen  in  die  Re- 
produktion über. 

Es  ist  von  Neuern  öfter  beklagt  worden,  daß  die  Anfänge  einer  un-  ihre  Nacb- 
gleich  selbständigem,  scheinbar  wesentlich  italienischen  Bildung,  wie 
sie  um  1300  in  Florenz  sich  zeigten,  nachher  durch  das  Humanisten- 
wesen so  völlig  überflutet  worden  seien*^".  Damals  habe  in  Florenz 
alles  lesen  können,  selbst  die  Eseltreiber  hätten  Dantes  Kanzonen  ge- 
sungen, und  die  besten  noch  vorhandenen  italienischen  Manuskripte 
hätten  ursprünglich  florentinischen  Handarbeitern  gehört;  damals  sei 
die  Entstehung  einer  populären  Enzyklopädie  wie  der  „Tesoro"  des 
Brunetto  Latini  möglich  gewesen;  und  dies  alles  habe  zur  Grundlage 
gehabt  eine  allgemeine  Tüchtigkeit  des  Charakters,  wie  sie  durch  die 
Teilnahme  an  den  Staatsgeschäften,  durch  Handel  und  Reisen,  vor- 
züglich durch  systematischen  Ausschluß  alles  Müßigganges  in  Florenz 
zur  Blüte  gebracht  worden  war.  Damals  seien  denn  auch  die  Floren- 
tiner in  der  ganzen  Welt  angesehen  und  brauchbar  gewesen,  und  nicht 
umsonst  habe  Papst  Bonifaz  VHI.  sie  in  eben  jenem  Jahre  das  fünfte 
Element  genannt.  Mit  dem  stärkern  Andringen  des  Humanismus  seit 
1400  sei  dieser  einheimische  Trieb  verkümmert,  man  habe  fortan  die 
Lösung  jedes  Problems  nur  vom  Altertum  erwartet  und  darob  die 
Literatur  in  ein  bloßes  Zitieren  aufgehen  lassen;  ja  der  Untergang 
der  Freiheit  hänge  hiermit  zusammen,  indem  diese  Erudition  auf  einer 
Knechtschaft  unter  der  Autorität  beruhte,  das  munizipiale  Recht  dem 
römischen  aufopferte  und  schon  deshalb  die  Gunst  der  Gewaltherr- 
scher suchte  und  fand. 

Diese  Anklagen  werden  uns  noch  hie  und  da  beschäftigen,  wo  dann  ihre  unver- 
ihr  wahres  Maß  und  der  Ersatz  für  die  Einbuße  zur  Sprache  kommen 


114 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


wird.  Hier  ist  nur  vor  allem  festzustellen,  daß  die  Kultur  des  kräftigen 
14.  Jahrhunderts  selbst  notwendig  auf  den  völligen  Sieg  des  Humanis- 
mus hindrängte  und  daß  gerade  die  Größten  im  Reiche  des  speziell 
italienischen  Geistes  dem  schrankenlosen  Altertumsbetrieb  des  15.  Jahr- 
hunderts Tür  und  Tor  geöffnet  haben. 
Dante  Vor  allem  Dante.  Wenn  eine  Reihenfolge  von  Genien  seines  Ranges 

.jij-rj,  jj^  italienische  Kultur  hätte  weiterführen  können,  so  würde  sie  selbst 
bei  der  stärksten  AnfüUung  mit  antiken  Elementen  beständig  einen 
hocheigentümlich  nationalen  Eindruck  machen.  Allein  Italien  und  das 
ganze  Abendland  haben  keinen  zweiten  Dante  hervorgebracht,  und  so 
war  und  blieb  er  derjenige,  welcher  zuerst  das  Altertum  nachdrücklich 
in  den  Vordergrund  des  Kulturlebens  hereinschob.  In  der  Divina  Com- 
media  behandelt  er  die  antike  und  die  christliche  Welt  zwar  nicht  als 
gleichberechtigt,  doch  in  beständiger  Parallele;  wie  das  frühere  Mittel- 
alter Typen  und  Antitypen  aus  den  Geschichten  und  Gestalten  des  Alten 
und  des  Neuen  Testamentes  zusammengestellt  hatte,  so  vereinigt  er  in 
der  Regel  ein  christliches  und  ein  heidnisches  Beispiel  derselben  Tat- 
sache*^^.  Nun  vergesse  man  nicht,  daß  die  christliche  Phantasiewelt  und 
Geschichte  eine  bekannte,  die  antike  dagegen  eine  relativ  unbekannte, 
vielversprechende  und  aufregende  war  und  daß  sie  in  der  allgemeinen 
Teilnahme  notwendig  das  Übergewicht  bekommen  mußte,  als  kein 
Dante  mehr  das  Gleichgewicht  erzwang. 
Petrarca  Pctrarca  lebt  in  den  Gedanken  der  meisten  jetzt  als  großer  italienischer 
4bb.  221,222  j^ichter;  bei  seinen  Zeitgenossen  dagegen  kam  sein  Ruhm  in  weit  höhe- 
rem Grade  davon  her,  daß  er  das  Altertum  gleichsam  in  seiner  Person 
repräsentierte,  alle  Gattungen  der  lateinischen  Poesie  nachahmte  und 
Briefe  schrieb,  welche  als  Abhandlungen  über  einzelne  Gegenstände  des 
Altertums  einen  für  uns  unbegreiflichen,  für  jene  Zeit  ohne  Handbücher 
aber  sehr  erklärlichen  Wert  hatten. 
Boccaccio  Mit  Boccaccio  verhält  es  sich  ganz  ähnlich;  er  war  200  Jahre  lang  in 
■"^•'-"  ganz  Europa  berühmt,  ehe  man  diesseits  der  Alpen  viel  von  seinem 
Decamerone  wußte,  bloß  um  seiner  mythograpliischen,  geographischen 
und  biographischen  Sammelwerke  in  lateinischer  Sprache  willen.  Eines 
derselben,  ,,De  genealogia  Deorum",  enthält  im  14.  und  15.  Buch  einen 
merkwürdigen  Anhang,  worin  er  die  Stellung  des  jugendlichen  Humanis- 
mus zu  seinem  Jahrhundert  erörtert.  Es  darf  nicht  täuschen,  daß  er 
immerfort  nur  von  der  „Poesie"  spricht,  denn  bei  näherem  Zusehen 
wird  man  bemerken,  daß  er  die  ganze  geistige  Tätigkeit  des  Poeten- 
Philologen  meiiit^^.  Diese  ist  es,  deren  Feinde  er  auf  das  schärfste  be- 
kämpft: die  frivolen  Unwissenden,  die  nur  für  Schlemmen  und  Prassen 
Sinn  haben;  die  sophistischen  Theologen,  welchen  Helikon,  der  kasta- 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I  I5 

lische  Quell  und  der  Hain  des  Phöbus  als  bloße  Torheiten  erscheinen; 
die  goldgierigen  Juristen,  welche  die  Poesie  für  überflüssig  halten,  inso- 
fern sie  kein  Geld  verdient;  endlich  die  (in  Umschreibung,  aber  kennt- 
lich gezeichneten)  Bettelmönche,  die  gern  über  Heidentum  und  Im- 
nioralität  Klage  führen*'^.  Darauf  folgt  die  positive  Verteidigung,  das 
Lob  der  Poesie,  namentlich  des  tiefern,  zumal  allegorischen  Sinnes,  den 
man  ihr  überall  zutrauen  müsse,  der  wohlberechtigten  Dunkelheit,  die 
dem  dumpfen  Sinn  der  Unwissenden  zur  Abschreckung  dienen  dürfe. 
Und  endlich  rechtfertigt  der  Verfasser  das  neue  Verhältnis  der  Zeit  zum  Humanismus 
Heidentum  überhaupt,  in  klarer  Beziehung  auf  sein  gelehrtes  Werk*i*.  "°  "^  ^""' 
Anders  als  jetzt  möge  es  allerdings  damals  sich  verhalten  haben,  da  die 
Urkirche  sich  noch  gegen  die  Heiden  verteidigen  mußte;  heutzutage  — 
Jesu  Christo  sei  Dank!  —  sei  die  wahre  Religion  erstarkt,  alles  Heiden- 
tum vertilgt,  und  die  siegreiche  Kirche  im  Besitz  des  feindlichen  Lagers; 
jetzt  könne  man  das  Heidentum  fast  (fere)  ohne  Gefahr  betrachten  und 
behandeln.  Es  ist  dasselbe  Argument,  mit  welchem  sich  dann  die  ganze 
Renaissance  verteidigt  hat. 

Es  war  also  eine  neue  Sache  in  der  Welt  und  eine  neue  Menschen- 
klasse, welche  dieselbe  vertrat.  Es  ist  unnütz,  darüber  zu  streiten,  ob 
diese  Sache  mitten  in  ihrem  Siegeslauf  hätte  stillhalten,  sich  geflissent- 
lich beschränken  und  dem  rein  Nationalen  ein  gewisses  Vorrecht  hätte 
wahren  sollen.  Man  hatte  ja  keine  stärkere  Überzeugung  als  die,  daß 
das  Altertum  eben  der  höchste  Ruhm  der  italienischen  Nation  sei. 

Dieser  ersten  Generation  von  Poeten-Philologen  ist  wesentlich  eine  Die  Poeten- 
symbolische  Zeremonie  eigen,  die  auch  im  15.  und  16.  Jahrhundert  au.  .23 
nicht  ausstirbt,  aber  ihr  höchstes  Pathos  einbüßt:  die  Poetenkrönung  mit 
einem  Lorbeerkranz.  Ihre  Anfänge  im  Mittelalter  sind  dunkel,  und  zu 
einem  festen  Ritual  ist  sie  nie  gelangt;  es  war  eine  öffentliche  Demon- 
stration, ein  sichtbarer  Ausbruch  des  literarischen  Ruhmes*'*  und  schon 
deshalb  etwas  Wandelbares.  Dante  z.  B.  scheint  eine  halbreligiöse  Weihe 
im  Sinne  gehabt  zu  haben;  er  wollte  über  dem  Taufstein  von  San  Gio- 
vanni, wo  er  und  wie  Hunderttausende  von  florentinischen  Kindern  ge- 
tauft worden  war,  sich  selber  den  Kranz  aufsetzen*'*.  Er  hätte,  sagt  sein 
Biograph,  ruhmeshalber  den  Lorbeer  überall  empfangen  können,  wollte 
es  aber  nirgends  als  in  der  Heimat  und  starb  deshalb  ungekrönt.  Weiter 
erfahren  wir  hier,  daß  der  Brauch  bisher  ungewöhnlich  war  und  als  von 
den  Griechen  auf  die  alten  Römer  vererbt  galt.  Die  nächste  Reminiszenz 
stammte  wohl  in  der  Tat  von  dem  nach  griechischem  Vorbild  gestifteten 
kapitolinischen  Wettkampf  der  Kitharspieler,  Dichter  und  anderer  Künst- 
ler, welcher  seit  Domitian  alle  fünf  Jahre  gefeiert  worden  war  und  mög- 
licherweise den  Untergang  des  Römischen  Reiches  um  einige  Zeit  über- 

8* 


I  i6  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

lebt  hatte.  Wenn  nun  doch  nicht  leicht  wieder  einer  wagte  sich  selber 
zu  krönen,  wie  es  Dante  gewollt,  so  entstand  die  Frage,  welches  die 
krönende  Behörde  sei?  Albertino  Mussato  (S.  83)  wurde  um  1310  zu 
Padua  vom  Bischof  und  vom  Rektor  der  Universität  gekrönt;  um  Pe- 
trarcas Krönung  (1341)  stritten  sich  die  Universität  Paris,  welche  gerade 
einen  Florentiner  zum  Rektor  hatte,  und  die  Stadtbehörde  von  Rom; 
ja  sein  selbstgewähltcr  Examinator,  König  Robert  von  Anjou,  hätte 
gern  die  Zeremonie  nach  Neapel  verlegt,  Petrarca  jedoch  zog  die  Krö- 
nung durch  den  Senator  von  Rom  auf  dem  Capitol  jeder  andern  vor. 
Einige  Zeit  blieb  diese  in  der  Tat  das  Ziel  des  Ehrgeizes;  als  solches 
lockte  sie  z.  B.  den  Jacobus  Pizinga,  einen  vornehmen  sizilischen  Beam- 
Aospmchdrr  tcu*^'.  Da  crschicn  aber  Karl  IV.  in  Italien,  der  sich  ein  wahres  Ver- 
Kaiserdaraui  gjjyggn  daraus  machtc,  eiteln  Menschen  und  der  gedankenlosen  Masse 
durch  Zeremonien  zu  imponieren.  Ausgehend  von  der  Fiktion,  daß  die 
Poetenkrönung  einst  Sache  der  alten  römischen  Kaiser  gewesen  und  also 
jetzt  die  seinige  sei,  bekränzte  er  in  Pisa  den  florentinischen  Gelehrten 
Abh.  2.'9  Zanobi  della  Strada*i^,  zum  großen  Verdruß  Boccaccios  (a.  a.  O.),  der 
diese  laurea  pisana  nicht  als  vollgültig  anerkennen  will.  Man  konnte  in 
der  Tat  fragen,  wie  der  Halbslawe  dazu  komme,  über  den  Wert  italie- 
nischer Dichter  zu  Gerichte  zu  sitzen.  Allein  fortan  krönten  doch  reisende 
Kaiser  bald  hier  bald  dort  einen  Poeten,  worauf  im  15.  Jahrhundert  die 
Päpste  und  andere  Fürsten  auch  nicht  mehr  zurückbleiben  wollten,  bis 
zuletzt  auf  Ort  und  Umstände  gar  nichts  mehr  ankam.  In  Rom  erteilte 
zur  Zeit  Sixtus'  IV.  die  Akademie*^^  des  Pomponius  Laetus  von  sich  aus 
Lorbeerkränze.  Die  Florentiner  hatten  den  Takt,  ihre  berühmten  Hu- 
manisten zu  krönen,  aber  erst  im  Tode;  so  wurde  Carlo  Aretino,  so 
Abb.  237  Lionardo  Aretino  bekränzt;  dem  erstem  hielt  Matteo  Palmieri,  dem 
letztern  Gianozzo  Mannetti  die  Lobrede  vor  allem  Volk,  in  Gegenwart 
der  Konzilsherren;  der  Redner  stand  zu  Häupten  der  Bahre,  auf  welcher 
in  seidenem  Gewände  die  Leiche  lag*^".  Außerdem  ist  'Carlo  Aretino 
durch  ein  Grabmal  (in  S.  Croce)  geehrt  worden,  welches  zu  den  herr- 
lichsten der  ganzen  Renaissance  gehört. 
DieUnivcrsi-  Dic  Eiuwirkung  des  Altertumes  auf  die  Bildung,  wovon  nunmehr  zu 
handeln  ist,  setzte  zunächst  voraus,  daß  der  Humanismus  sich  der  Uni- 
versitäten bemächtigte.  Dies  geschah,  doch  nicht  in  dem  Maße  und 
nicht  mit  der  Wirkung  wie  man  glauben  möchte. 

Die  meisten  Universitäten  in  Italien*-^  tauchen  im  Lauf  des  13.  und 
14.  Jahrhunderts  erst  recht  empor,  als  der  wachsende  Reichtum  des 
Lebens  auch  eine  strengere  Sorge  für  die  Bildung  verlangte.  Anfangs 
hatten  sie  meist  nur  drei  Profcssuren:  des  geistlichen  und  weltlichen 
Rechtes  und  der  Medizin;  dazu  kamen  mit  der  Zeit  ein  Rhetoriker,  ein 


täten 

Abb.  n)8—20X 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I  I  y 

Philosoph  und  ein  Astronom,  letzterer  in  der  Regel,  doch  nicht  immer, 
identisch  mit  dem  Astrologen.  Die  Besoldungen  waren  äußerst  verschie- 
den; bisweilen  wurde  sogar  ein  Kapital  geschenkt.  Mit  der  Steigerung 
der  Bildung  trat  Wetteifer  ein,  so  daß  die  Anstalten  einander  berühmte 
Lehrer  abspenstig  zu  machen  suchten;  unter  solchen  Umständen  soll 
Bologna  zu  Zeiten  die  Hälfte  seiner  Staatseinnahmen  (20000  Dukaten) 
auf  die  Universität  gewandt  haben.  Die  Anstellungen  erfolgten  in  der 
Regel  nur  auf  Zeit*^,  selbst  auf  einzelne  Semester,  so  daß  die  Dozenten 
ein  Wanderleben  führten  wie  Schauspieler;  doch  gab  es  auch  lebens- 
längliche Anstellungen.  Bisweilen  versprach  man,  das  an  einem  Orte 
Gelehrte  nirgends  anderswo  mehr  vorzutragen.  Außerdem  gab  es  auch 
unbesoldete,  freiwilHge  Lehrer. 

Von  den  genannten  Stellen  war  natürlich  die  des  Professors  der  Rhe-  sieUungder 
torik  vorzugsweise  das  Ziel  des  Humanisten;  doch  hing  es  ganz  davon  '^aidbst™ 
ab,  wie  weit  er  sich  den  Sachinhalt  des  Altertums  angeeignet  hatte,  um 
auch  als  Jurist,  Mediziner,  Philosoph  oder  Astronom  auftreten  zu  können. 
Die  Innern  Verhältnisse  der  Wissenschaft  wie  die  äußern  des  Dozenten 
waren  noch  sehr  beweglich.  Sodann  ist  nicht  zu  übersehen,  daß  einzelne 
Juristen  und  Mediziner  weit  die  höchsten  Besoldungen  hatten  und  be- 
hielten, erstere  hauptsächlich  als  große  Konsulenten  des  sie  besoldenden 
Staates  für  seine  Ansprüche  und  Prozesse.  In  Padua  gab  es  im  15.  Jahr- 
hundert eine  juridische  Besoldung  von  1000  Dukaten  jährlich^^  und  einen 
berühmten  Arzt  wollte  man  mit  200  Dukaten  und  dem  Recht  der  Praxis 
anstellen*^*,  nachdem  derselbe  bisher  in  Pisa  700  Goldgulden  gehabt 
hatte.  Als  der  Jurist  Bartolommeo  Socini,  Professor  in  Pisa,  eine  vene- 
zianische Anstellung  in  Padua  annahm  und  dorthin  reisen  wollte,  ver- 
haftete ihn  die  florentinische  Regierung  und  wollte  ihn  nur  gegen  eine 
Kaution  von  18000  Goldgulden  freilassen*^*.  Schon  wegen  einer  solchen 
Wertschätzung  dieser  Fächer  wäre  es  begreiflich,  daß  bedeutende  Philo- 
logen sich  als  Juristen  und  Mediziner  geltend  machten;  andererseits 
mußte  allmählich,  wer  in  irgendeinem  Fache  etwas  vorstellen  wollte, 
eine  starke  humanistische  Farbe  annehmen.  Anderweitiger  praktischer 
Tätigkeiten  der  Humanisten  wird  bald  gedacht  werden. 

Die  Anstellungen  der  Philologen  als  solcher  jedoch,  wenn  auch  im 
einzelnen  Fall  mit  ziemlich  hohen  Besoldungen*^^  und  Nebenemolumen- 
tcn  verbunden,  gehören  im  ganzen  zu  den  flüchtigen,  vorübergehenden, 
so  daß  ein  und  derselbe  Mann  an  einer  ganzen  Reihe  von  Anstalten 
tätig  sein  konnte.  Offenbar  liebte  man  die  Abwechselung  und  hoffte 
von  jedem  Neues,  wie  dies  bei  einer  im  Werden  begriffenen,  also  sehr 
von  Persönlichkeiten  abhängigen  Wissenschaft  sich  leicht  erklärt.  Es  ist 
auch  nicht  immer  gesagt,  daß  derjenige,  welcher  über  alte  Autoren  liest, 


l  i8  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

wirklich  der  Universität  der  betreffenden  Stadt  angehört  habe;  bei  der 
Leichtigkeit  des  Kommens  und  Gehens,  bei  der  großen  Anzahl  verfüg- 
barer Lokale  (in  Klöstern  usw.)  genügte  auch  eine  Privatberufung.  In 
Neben-  denselben  ersten  Jahrzehnten  des  15.  Jahrhunderts^',  da  die  Universität 
anstauen  ^^^  plorcnz  ihrco  höchsten  Glanz  erreichte,  da  die  Hofleute  Eugens  IV. 
und  vielleicht  schon  Martins  V.  sich  in  den  Hörsälen  drängten,  da  Carlo 
Aretino  und  Filelfo  miteinander  in  die  Wette  lasen,  existierte  nicht  nur 
eine  fast  vollständige  zweite  Universität  bei  den  Augustinern  in  S.  Spirito, 
nicht  nur  ein  ganzer  Verein  gelehrter  Männer  bei  den  Camuldulensern 
in  den  Angeli,  sondern  auch  angesehene  Privatleute  taten  sich  zusammen 
oder  bemühten  sich  einzeln,  um  gewisse  philologische  oder  philosophische 
Kurse  lesen  zu  lassen  für  sich  und  andere.  Das  philologische  und  anti- 
quarische Treiben  in  Rom  hatte  mit  der  Universität  (Sapienza)  lange 
kaum  irgendeinen  Zusammenhang  und  ruhte  wohl  fast  ausschließlich  teils 
auf  besonderer  persönlicher  Protektion  der  einzelnen  Päpste  und  Prälaten, 
teils  auf  den  Anstellungen  in  der  päpsthchen  Kanzlei.  Erst  unter  Leo  X. 
erfolgte  die  große  Reorganisation  der  Sapienza,  mit  88  Lehrern,  worunter 
die  größten  Zelebritäten  Italiens  auch  für  die  Altertumswissenschaft;  der 
neue  Glanz  dauerte  aber  nur  kurze  Zeit.  —  Von  den  griechischen  Lehr- 
stühlen in  Itahen  ist  bereits  (S.  iii)  in  Kürze  die  Rede  gewesen. 

Im  ganzen  wird  man,  um  die  damalige  wissenschaftliche  Mitteilung 
sich  zu  vergegenwärtigen,  das  Auge  von  unsern  jetzigen  akademischen 
Einrichtungen  möglichst  entwöhnen  müssen.  Persönlicher  Umgang,  Dis- 
putationen, beständiger  Gebrauch  des  Lateinischen  und  bei  nicht  weni- 
gen auch  des  Griechischen,  endlich  der  häufige  Wechsel  der  Lehrer  und 
die  Seltenheit  der  Bücher  gaben  den  damaligen  Studien  eine  Gestalt, 
die  wir  uns  nur  mit  Mühe  vergegenwärtigen  können. 

Lateinische  Lateinische  Schulen  gab  es  in  allen  irgend  namhaften  Städten,  und 
Schulen  ^^^j,  |_^^j  weitem  nicht  bloß  für  die  Vorbildung  zu  den  höhern  Studien, 
sondern  weil  die  Kenntnis  des  Lateinischen  hier  notwendig  gleich  nach 
dem  Lesen,  Schreiben  und  Rechnen  kam,  worauf  dann  die  Logik  folgte. 
WesentUch  erscheint  es,  daß  diese  Schulen  nicht  von  der  Kirche  ab- 
hingen, sondern  von  der  städtischen  Verwaltung;  mehrere  waren  auch 
wohl  bloße  Privatuntcrnchmungen. 

Nun  erhob  sich  aber  dieses  Schulwesen,  unter  der  Führung  einzelner 
ausgezeichneter  Humanisten,  nicht  nur  zu  einer  großen  rationellen  Ver- 
vollkommnung, sondern  es  wurde  höhere  Erziehung.  An  die  Ausbildung 
der  Kinder  zweier  oberitalienischcr  Fürstenhäuser  schließen  sich  In- 
stitute an,  welche  in  ihrer  Art  einzig  heißen  konnten. 

Freie  Eraie-       ^j^  j^^^  Hofc  dcs  Giovan  Franccsco  Gonzaga  zu  Mantua  (reg.  1407 

hnng: 

vittorino     bis  1444)  trat  der  herrliche  Vittorino  da  Feltre*^  auf,  einer  jener  Men- 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I  ig 

sehen,  die  ihr  Dasein  einem  Zwecke  widmen,  für  welchen  sie  durch  Kraft  Abb.  240 
und  Einsicht  im  höchsten  Grade  ausgerüstet  sind.  Er  erzog  zunächst  die 
Söhne  und  Töchter  des  Herrscherhauses,  und  zwar  auch  von  den  letztern 
eine  bis  zu  wahrer  Gelehrsamkeit;  als  aber  sein  Ruhm  sich  weit  über 
Italien  verbreitete  und  sich  Schüler  aus  großen  und  reichen  Familien  von 
nahe  und  ferne  meldeten,  ließ  es  der  Gonzaga  nicht  nur  geschehen,  daß 
sein  Lehrer  auch  diese  erzog,  sondern  er  scheint  es  als  Ehre  für  Mantua 
betrachtet  zu  haben,  daß  es  die  Erziehungsstätte  für  die  vornehme  Welt 
sei.  Hier  zum  erstenmal  war  mit  dem  wissenschaftlichen  Unterricht  auch 
das  Turnen  und  jede  edlere  Leibesübung  für  eine  ganze  Schule  ins 
Gleichgewicht  gesetzt.  Dazu  aber  kam  noch  eine  andere  Schar,  in  deren 
Ausbildung  Vittorino  vielleicht  sein  höchstes  Lebensziel  erkannte:  die 
Armen  und  Talentvollen,  die  er  in  seinem  Hause  nährte  und  erzog  ,,per 
l'amore  di  Dio",  neben  jenen  Vornehmen,  die  sich  hier  gewöhnen  muß- 
ten mit  dem  bloßen  Talent  unter  einem  Dache  zu  wohnen.  Der  Gonzaga 
hatte  ihm  eigenthch  300  Goldgulden  jährlich  zu  bezahlen,  deckte  ihm 
aber  den  ganzen  Ausfall,  welcher  oft  ebensoviel  betrug.  Er  wußte,  daß 
Vittorino  keinen  Heller  für  sich  beiseite  legte,  und  ahnte  ohne  Zweifel, 
daß  die  Miterziehung  der  Unbemittelten  die  stillschweigende  Bedingung 
sei,  unter  welcher  der  wunderbare  Mann  ihm  diente.  Die  Haltung  des 
Hauses  war  streng  religiös,  wie  kaum  in  einem  Kloster. 

Mehr  auf  der  Gelehrsamkeit  liegt  der  Akzent  bei  Guarino  von  Ve-  c.uarino 
rona*^*,  der  1429  von  Nicolö  d'Este  zur  Erziehung  seines  Sohnes  Lionello 
nach  Ferrara  berufen  wurde  und  seit  1436,  als  sein  Zögling  nahezu  er- 
wachsen war,  auch  als  Professor  der  Beredsamkeit  und  der  beiden  alten 
Sprachen  an  der  Universität  lehrte.  Schon  neben  Lionello  hatte  er  zahl- 
reiche andere  Schüler  aus  verschiedenen  Gegenden  und  im  eigenen  Hause 
eine  auserlesene  Zahl  von  Armen,  die  er  teilweise  oder  ganz  unterhielt; 
seine  Abendstunden  bis  spät  waren  der  Repetition  mit  diesen  gewidmet. 
Auch  hier  war  eine  Stätte  strenger  Religion  und  Sittlichkeit;  es  hat  an 
Guarino  so  wenig  wie  an  Vittorino  gelegen,  wenn  die  meisten  Humani- 
sten ihres  Jahrhunderts  in  diesen  Beziehungen  kein  Lob  mehr  davon- 
trugen. Unbegreiflich  ist,  wie  Guarino  neben  einer  Tätigkeit,  wie  die 
seinige  war,  noch  immerfort  Übersetzungen  aus  dem  Greichischen  und 
große  eigene  Arbeiten  verfassen  konnte. 

Außerdem  kam  an  den  meisten  Höfen  von  Italien  die  Erziehung  der  pdnzen 
Fürstenkinder  wenigstens  zum  Teil  und  auf  gewisse  Jahre  in  die  Hände 
der  Humanisten,  welche  damit  einen  Schritt  weiter  in  das  Hofleben 
hinein  taten.  Das  Traktatschreiben  über  die  Prinzenerziehung,  früher 
eine  Aufgabe  der  Theologen,  wird  jetzt  natürlich  ebenfalls  ihre  Sache, 
und  Aeneas  Sylvius  hat  z.  B.  zweien  jungen  deutschen  Fürsten  vom 


erzieher 


l-lorentini- 

sche  Förderer 

des 


I20  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Hause  Habsburg*^''  umständliche  Abhandlungen  über  ihre  weitere  Aus- 
bildung adressiert,  worin  begreiflicherweise  beiden  eine  Pflege  des  Hu- 
manismus in  italienischem  Sinne  ans  Herz  gelegt  wird.  Er  mochte  wissen, 
daß  er  in  den  Wind  redete,  und  sorgte  deshalb  dafür,  daß  diese  Schriften 
auch  sonst  herumkamen.  Doch  das  Verhältnis  der  Humanisten  zu  den 
Fürsten  wird  noch  insbesondere  zu  besprechen  sein. 

Zunächst  verdienen  diejenigen  Bürger,  hauptsächlich  in  Florenz,  Be- 
achtung, welche  aus  der  Beschäftigung  mit  dem  Altertum  ein  Hauptziel 
ihres  Lebens  machten  und  teils  selbst  große  Gelehrte  wurden,  teils  große 
Dilettanten,  welche  die  Gelehrten  unterstützten.  (Vgl.  S.  107  f.)  Sie  sind 
namentlich  für  die  Übergangszeit  zu  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  von 
höchster  Bedeutung  gewesen,  weil  bei  ihnen  zuerst  der  Humanismus 
praktisch  als  notwendiges  Element  des  täglichen  Lebens  wirkte.  Erst 
nach  ihnen  haben  sich  Fürsten  und  Päpste  ernstlich  darauf  ein- 
gelassen. 

Von  Niccolö  Niccoli,  von  Giannozzo  Mannetti  ist  schon  mehrmals  die 
Rede  gewesen.  Den  Niccolö  Niccoli  schildert  uns  Vespasiano  als  einen 

Altertums  Mauu,  wclchcr  auch  in  seiner  äußern  Umgebung  nichts  duldete,  was 
die  antike  Stimmung  stören  konnte.  Die  schöne  Gestalt  in  langem  Ge- 
wände, mit  der  freundlichen  Rede,  in  dem  Hause  voll  herrlicher  Alter- 
tümer, machte  den  eigentümhchsten  Eindruck;  er  war  über  die  Maßen 
reinlich  in  allen  Dingen,  zumal  beim  Essen;  da  standen  vor  ihm  auf  dem 
weißesten  Linnen  antike  Gefäße  und  kristallene  Becher*^i.  Die  Art,  wie 
er  einen  vergnügungssüchtigen  jungen  Florentiner  für  seine  Interessen 
gewinnt*'^,  ist  gar  zu  anmutig,  um  sie  hier  nicht  zu  erzählen. 

N.  Niccoi,  Piero  de'  Pazzi,  Sohn  eines  vornehmen  Kaufmanns  und  zu  demselben 
Stande  bestimmt,  schön  von  Ansehen  und  sehr  den  Freuden  der  Welt 
ergeben,  dachte  an  nichts  weniger  als  an  die  Wissenschaft.  Eines  Tages, 
als  er  am  Palazzo  del  Podesta*^  vorbeiging,  rief  ihn  Niccoli  zu  sich  heran, 
und  er  kam  auf  den  Wink  des  hochangesehenen  Mannes,  obwohl  er  noch 
nie  mit  demselben  gesprochen  hatte.  Niccoli  fragte  ihn:  wer  sein  Vater 
sei?  —  er  antwortete:  Messer  Andrea  de'  Pazzi;  — jener  fragte  weiter: 
was  sein  Geschäft  sei?  —  Piero  erwiderte,  wie  wohl  junge  Leute  tun:  ich 
lasse  mir  es  wohl  sein,  attendo  a  darmi  buon  tempo.  —  Niccoli  sagte: 
als  Sohn  eines  solchen  Vaters  und  mit  solcher  Gestalt  begabt,  solltest 
du  dich  schämen,  die  lateinische  Wissenschaft  nicht  zu  kennen,  die  für 
dich  eine  so  große  Zierde  wäre:  wenn  du  sie  nicht  erlernst,  so  wirst  du 
nicius  gelten,  und  sobald  die  Blüte  der  Jugend  vorüber  ist,  ein  Mensch 
ohne  alle  Bedeutung  (virtü)  sein.  Als  Piero  dieses  hörte,  erkannte  er  so- 
gleich, daß  es  die  Wahrheit  sei,  und  entgegentc:  er  würde  sich  gerne 
dafür  bemühen,  wenn  er  einen  Lehrer  fände;  —  Niccoli  sagte:  dafür 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  121 

lasse  du  mich  sorgen.  Und  in  der  Tat  schaffte  er  ihm  einen  gelehrten 
Mann  für  das  Lateinische  und  für  das  Griechische,  namens  Pontano, 
welchen  Piero  wie  einen  Hausgenossen  hielt  und  mit  loo  Goldgulden 
im  Jahr  besoldete.  Statt  der  bisherigen  Üppigkeit  studierte  er  nun  Tag 
und  Nacht  und  wurde  ein  Freund  aller  Gebildeten  und  ein  großgesinntcr 
Staatsmann.  Die  ganze  Äneide  und  viele  Reden  des  Livius  lernte  er  aus- 
wendig, meist  auf  dem  Wege  zwischen  Florenz  und  seinem  Landhause 
zu  Trebbio. 

In  anderm,  höhern  Sinne  vertritt  Giannozzo  Mannetti*^  das  Altertum.  «  Mannetii 
Frühreif,  fast  als  Kind,  hatte  er  schon  eine  Kaufmannslchrzeit  durch- 
gemacht und  war  Buchführer  eines  Bankiers;  nach  einiger  Zeit  aber  er- 
schien ihm  dieses  Tun  eitel  und  vergänglich,  und  er  sehnte  sich  nach 
der  Wissenschaft,  durch  welche  allein  der  Mensch  sich  der  Unsterblich- 
keit versichern  könne;  er  zuerst  vom  florentinischen  Adel  vergrub  sich 
nun  in  den  Büchern  und  wurde,  wie  schon  erwähnt,  einer  der  größten 
Gelehrten  seiner  Zeit.  Als  ihn  aber  der  Staat  als  Geschäftsträger,  Steuer- 
beamten und  Statthalter  (in  Pescia  und  Pistoja)  verwandte,  versah  er 
seine  Ämter  so,  als  wäre  in  ihm  ein  hohes  Ideal  erwacht,  das  gemein- 
same Resultat  seiner  humanistischen  Studien  und  seiner  Religiosität.  Er 
exequierte  die  gehässigsten  Steuern,  die  der  Staat  beschlossen  hatte,  und 
nahm  für  seine  Mühe  keine  Besoldung  an;  als  Provinzialvorsteher  wies 
er  alle  Geschenke  zurück,  sorgte  für  Kornzufuhr,  schlichtete  rastlos  Pro- 
zesse und  tat  überhaupt  alles  für  die  Bändigung  der  Leidenschaften  durch 
Güte.  Die  Pistojesen  haben  nie  herausfinden  können,  welcher  von  ihren 
beiden  Parteien  er  sich  mehr  zuneige;  wie  zum  Symbol  des  gemein- 
samen Schicksals  und  Rechtes  aller  verfaßte  er  in  seinen  Mußestunden 
die  Geschichte  der  Stadt,  welche  dann  in  Purpureinband  als  Heiligtum 
im  Stadtpalast  aufbewahrt  wurde.  Bei  seinem  Weggang  schenkte  ihm 
die  Stadt  ein  Banner  mit  ihrem  Wappen  und  einen  prachtvollen  silber- 
nen Helm. 

Für  die  übrigen  gelehrten  Bürger  von  Florenz  in  dieser  Zeit  muß  schon  vespasiano 
deshalb  auf  Vespasiano  (der  sie  alle  kannte)  verwiesen  werden,  weil  der 
Ton,  die  Atmosphäre,  in  welcher  er  schreibt,  die  Voraussetzungen,  unter 
welchen  er  mit  jenen  Leuten  umgeht,  noch  wichtiger  erscheinen  als  die 
einzelnen  Leistungen  selbst.  Schon  in  einer  Übersetzung,  geschweige 
denn  in  den  kurzen  Andeutungen,  auf  welche  wir  hier  beschränkt  sind, 
müßte  dieser  beste  Wert  seines  Buches  verlorengehen.  Er  ist  kein  großer 
Autor,  aber  er  kennt  das  ganze  Treiben  und  hat  ein  tiefes  Gefühl  von 
dessen  geistiger  Bedeutung. 

Wenn  man  dann  den  Zauber  zu  analysieren  sucht,  durch  welchen  die    D'«^  M<'*ci 

Abb.  99 

Medici  des  15.  Jahrhunderts,  vor  allen  Cosimo  der  Ältere  (f  1464)  und 


122  D'E  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Lorenzo  magnifico  (f  1492),  auf  Florenz  und  auf  ihre  Zeitgenossen  über- 
haupt gewirkt  haben,  so  ist  neben  aller  Politik  ihre  Führerschaft  auf  dem 
Gebiete  der  damaligen  Bildung  das  Stärkste  dabei.  Wer  in  Cosimos 
Stellung  als  Kaufmann  und  lokales  Parteihaupt  noch  außerdem  alles 
für  sich  hat  was  denkt,  forscht  und  schreibt,  wer  von  Hause  aus  als  der 
erste  der  Florentiner  und  dazu  von  Bildungswegen  als  der  größte  der 
Italiener  gilt,  der  ist  tatsächhch  ein  Fürst.  Cosimo  besitzt  dann  den 
speziellen  Ruhm,  in  der  platonischen  Philosophie*^^  die  schönste  Blüte 
der  antiken  Gedankenwelt  erkannt,  seine  Umgebung  mit  dieser  Erkennt- 
nis erfüllt,  und  so  innerhalb  des  Humanismus  eine  zweite  und  höhere 
Neugeburt  des  Altertums  ans  Licht  gefördert  zu  haben.  Der  Hergang 
wird  uns  sehr  genau  überliefert*^*;  alles  knüpfte  sich  an  die  Berufung 
des  gelehrten  Johannes  Argyropulos  und  an  den  persönlichsten  Eifer  des 
Cosimo  in  seinen  letzten  Jahren,  so  daß,  was  den  Piatonismus  betraf, 

Abb.  22s  der  große  Marsilio  Ficino  sich  als  den  geistigen  Sohn  Cosimos  bezeichnen 
durfte.    Unter   Pietro   Medici  sah  sich   Ficino  schon   als   Haupt  einer 

Lorenzo  Schulc;  ZU  ihm  ging  auch  Pietros  Sohn,  Cosimos  Enkel,  der  erlauchte 
TtTllT    Lorenzo,  von  den  Peripatetikern  über;  als  seine  namhaftesten  Mitschüler 

Abb.  23S  werden  genannt  Bartolommeo  Valori,  Donato  Acciajuoli  und  Pierfilippo 
Pandolfini.  Der  begeisterte  Lehrer  hat  an  mehreren  Stellen  seiner  Schrif- 
ten erklärt,  Lorenzo  habe  alle  Tiefen  des  Piatonismus  durchforscht  und 
seine  Überzeugung  ausgesprochen,  ohne  denselben  wäre  es  schwer,  ein 
guter  Bürger  und  Christ  zu  sein.  Die  berühmte  Reunion  von  Gelehrten, 
welche  sich  um  Lorenzo  sammelte,  war  durch  diesen  höhern  Zug  einer 
idealistischen  Philosophie  verbunden  und  vor  allen  andern  Vereinigungen 
dieser  Art  ausgezeichnet.  Nur  in  dieser  Umgebung  konnte  ein  Pico  della 
Mirandola  sich  glücklich  fühlen.  Das  Schönste  aber,  was  sich  sagen  läßt, 
ist,  daß  neben  all  diesem  Kultus  des  Altertums  hier  eine  geweihte  Stätte 
italienischer  Poesie  war  und  daß  von  allen  Lichtstrahlen,  in  die  Lorenzos 
Persönlichkeit  auseinanderging,  gerade  dieser  der  mächtigste  heißen 
darf.  Als  Staatsmann  beurteile  ihn  jeder  wie  er  mag  (S.  66,  73);  in  die 
florentinische  Abrechnung  von  Schuld  und  Schicksal  mischt  sich  ein 
Ausländer  nicht,  wenn  er  nicht  muß;  aber  eine  ungerechte  Polemik  gibt 
es  nicht  als  wenn  man  Lorenzo  beschuldigt,  er  habe  im  Gebiet  des  Gei- 
stes vorzüglich  Mediokritäten  beschützt  und  durch  seine  Schuld  seien 
Abb.  40S.  j.«7  Lionardo  da  Vinci  und  der  Mathematiker  Fra  Luca  Pacciolo  außer 
Landes,  Toscanella,  Vespucci  u.  a.  wenigstens  unbefördert  geblieben. 
Allseitig  ist  er  wohl  nicht  gewesen,  aber  von  allen  Großen,  welche  je 
den  Geist  zu  schützen  und  zu  fördern  suchten,  einer  der  vielseitigsten 
und  derjenige,  bei  welchem  dies  vielleicht  am  meisten  Folge  eines  tiefern 
Innern  Bedürfnisses  war. 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


123 


Laut  genug  pflegt  auch  unser  laufendes  Jahrhundert  den  Wert  der  DasAitertum 
Bildung  überhaupt  und  den  des  Altertums  insbesondere  zu  proklamieren,  ""i^tereir 
Aber  eine  vollkommen  enthusiastische  Hingebung,  ein  Anerkennen,  daß 
dieses  Bedürfnis  das  erste  von  allen  sei,  findet  sich  doch  nirgends  wie  bei 
jenen  Florentinern  des  15.  und  beginnenden  16.  Jahrhunderts.  Hiefür 
gibt  es  indirekte  Beweise,  die  jeden  Zweifel  beseitigen:  man  hätte  nicht 
so  oft  die  Töchter  des  Hauses  an  den  Studien  teilnehmen  lassen,  wenn 
letztere  nicht  absolut  als  das  edelste  Gut  des  Erdenlebens  gegolten  hätten; 
man  hätte  nicht  das  Exil  zu  einem  Aufenthalt  des  Glückes  gemacht  wie 
Palla  Strozzi;  es  hätten  nicht  Menschen,  die  sich  sonst  alles  erlaubten, 
noch  Kraft  und  Lust  behalten  die  Naturgeschichte  des  Plinius  kritisch 
zu  behandeln  wie  Filippo  Strozzi^^.  Es  handelt  sich  hier  nicht  um  Lob 
oder  Tadel,  sondern  um  Erkenntnis  eines  Zeitgeistes  in  seiner  energischen 
Eigentümlichkeit. 

Außer  Florenz  gab  es  noch  manche  Städte  in  Italien,  wo  einzelne 
und  ganze  gesellschaftliche  Kreise  bisweilen  mit  Aufwand  aller  Mittel 
für  den  Humanismus  tätig  waren  und  die  anwesenden  Gelehrten  unter- 
stützten. Aus  den  Briefsammlungen  jener  Zeit  kommt  uns  eine  Fülle  von 
persönlichen  Beziehungen  dieser  Art***  entgegen.  Die  offizielle  Gesinnung 
der  Höhergebildeten  trieb  fast  ausschließlich  nach  der  bezeichneten 
Seite  hin. 

Doch  es  ist  Zeit,  den  Humanismus  an  den  Fürstenhöfen  ins  Auge  zu  An  den  fot- 
fassen.  Die  innere  Zusammengehörigkeit  des  Gewaltherrschers  mit  dem 
ebenfalls  auf  seine  Persönlichkeit,  auf  sein  Talent  angewiesenen  Philo- 
logen wurde  schon  früher  (S.  4,  80)  angedeutet;  der  letztere  aber  zog 
die  Höfe  eingestandenermaßen  den  freien  Städten  vor,  schon  um  der 
reichhcheren  Belohnungen  willen.  Zu  der  Zeit,  da  es  schien,  als  könne 
der  große  Alfons  von  Aragon  Herr  von  ganz  Italien  werden,  schrieb 
Aeneas  Sylvius**^  an  einen  andern  Sienesen:  ,,wenn  unter  seiner  Herr- 
schaft Italien  den  Frieden  bekäme,  so  wäre  mir  das  lieber  als  (wenn  es) 
unter  Stadtregierungen  (geschähe),  denn  ein  edles  Königsgemüt  belohnt 
jede  Trefflichkeit**"."  Auch  hier  hat  man  in  neuester  Zeit  die  unwürdige 
Seite,  das  erkaufte  Schmeicheln,  zu  sehr  hervorgehoben,  wie  man  sich 
früher  von  dem  Humanistenlob  allzu  günstig  für  jene  Fürsten  stimmen 
ließ.  Alles  in  allem  genommen  bleibt  es  immer  ein  überwiegend  vorteil- 
haftes Zeugnis  für  letztere,  daß  sie  an  der  Spitze  der  Bildung  ihrer  Zeit 
und  ihres  Landes  —  wie  einseitig  dieselbe  sein  mochte  —  glaubten  stehen 
zu  müssen.  Vollends  bei  einigen  Päpsten**^  hat  die  Furchtlosigkeit  gegen-  B<-i  den  Päp- 
über  den  Konsequenzen  der  damaligen  Bildung  etwas  unwillkürlich  Im- 
posantes. Nicolaus  V.  war  beruhigt  über  das  Schicksal  der  Kirche,  weil 
Tausendc  gelehrter  Männer  ihr  liilfreich  zur  Seite  ständen.  Bei  Pius  IL 


124  ^^^   WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

sind  die  Opfer  für  die  Wissenschaft  lange  nicht  so  großartig,  sein  Poeten- 
hof erscheint  sehr  mäßig,  allein  er  selbst  ist  noch  weit  mehr  das  persön- 
liche Haupt  der  Gelehrtcnrepublik  als  sein  zweiter  Vorgänger  und  ge- 
nießt dieses  Ruhmes  in  vollster  Sicherheit.  Erst  Paul  II.  war  mit  Furcht 
und  Mißtrauen  gegen  den  Humanismus  seiner  Sekretäre  erfüllt,  und 
seine  drei  Nachfolger,  Sixtus,  Innocenz  und  Alexander,  nahmen  wohl 
Dcdikationen  an  und  ließen  sich  andichten  soviel  man  wollte,  —  es 
gab  sogar  eine  Borgiadc,  wahrscheinlich  in  Hexametern**^  — ,  waren 
aber  zu  sehr  anderweitig  beschäftigt  und  auf  andere  Stützpunkte  ihrer 
Gewalt  bedacht,  um  sich  viel  mit  den  Poeten-Philologen  einzulassen. 
Julius  II.  fand  Dichter,  weil  er  selber  ein  bedeutender  Gegenstand  war 
(S.  70),  scheint  sich  übrigens  nicht  viel  um  sie  gekümmert  zu  haben. 

Bei  Leo  X.  Da  folgtc  auf  ihu  Leo  X.  ,,wie  auf  Romulus  Numa",  d.  h.  nach  dem 
'^'  Waffenlärm  des  vorigen  Pontifikates  hoffte  man  auf  ein  ganz  den  Musen 
geweihtes.  Der  Genuß  schöner  lateinischer  Prosa  und  wohllautender 
Verse  gehörte  mit  zu  Leos  Lebensprogramm,  und  soviel  hat  sein  Mäzenat 
allerdings  in  dieser  Beziehung  erreicht,  daß  seine  lateinischen  Poeten  in 
zahllosen  Elegien,  Oden,  Epigrammen,  Sermonen  jenen  fröhlichen,  glän- 
zenden Geist  der  leonischen  Zeit,  welchen  die  Biographie  des  Jovius 
atmet,  auf  bildliche  Weise  darstellten**^.  Vielleicht  ist  in  der  ganzen 
abendländischen  Geschichte  kein  Fürst,  welchen  man  im  Verhältnis  zu 
den  wenigen  darstellbaren  Ereignissen  seines  Lebens  so  vielseitig  ver- 
herrlicht hätte.  Zugang  zu  ihm  hatten  die  Dichter  hauptsächlich  um 
Mittag,  wenn  die  Saitenvirtuosen  aufgehört  hatten***;  aber  einer  der 
Besten  aus  der  ganzen  Schar***  gibt  zu  verstehen,  daß  sie  ihm  auch  sonst 
auf  Schritt  und  Tritt  in  den  Gärten  wie  in  den  innersten  Gemächern 
des  Palastes  beizukommen  suchten,  und  wer  ihn  da  nicht  erreichte,  ver- 
suchte es  mit  einem  Bettelbrief  in  Form  einer  Elegie,  worin  der  ganze 
Olymp  vorkam**®.  Denn  Leo,  der  kein  Geld  beisammen  sehen  konnte 
und  lauter  heitere  Mienen  zu  erblicken  wünschte,  schenkte  auf  eine 
Weise,  deren  Andenken  sich  in  den  folgenden  knappen  Zeiten  rasch  zum 
Mythus  verklärte**'.  Von  seiner  Reorganisation  der  Sapienza  ist  bereits 

Leos  wahre  (S.  1 1 7)  die  Rede  gewesen.  Um  Leos  Einfluß  auf  den  Humanismus  nicht 
e  eutunK  ^^  gering  zu  taxieren,  muß  man  den  Blick  freihalten  von  den  vielen 
Spielereien,  die  dabei  mit  unterliefen;  man  darf  sich  nicht  irremachen 
lassen  durch  die  bedenklich  scheinende  Ironie  (S.  90),  womit  er  selbst 
diese  Dinge  bisweilen  behandelt;  das  Urteil  muß  ausgehen  von  den 
großen  geistigen  Möglichkeiten,  welche  in  den  Bereich  der  ,, Anregung" 
fallen  und  schlechterdings  nicht  im  ganzen  zu  berechnen,  wohl  aber  für 
die  genauere  Forschung  in  manchen  einzelnen  Fällen  tatsächlich  nach- 
zuweisen sind.   Was  die  italienischen  Humanisten  seit  etwa   1520  auf 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


125 


Europa  gewirkt  haben,  ist  immer  irgendwie  von  dem  Antriebe  bedingt, 
der  von  Leo  ausging.  Er  ist  derjenige  Papst,  welcher  im  Druckprivilcgium 
für  den  neugewonnenen  Tacitus***  sagen  durfte:  Die  großen  Autoren 
seien  eine  Norm  des  Lebens,  ein  Trost  im  Unglück;  die  Beförderung  der 
Gelehrten  und  der  Erwerb  trefflicher  Bücher  habe  ihm  von  jeher  als 
ein  höchstes  Ziel  gegolten,  und  auch  jetzt  danke  er  dem  Himmel,  den 
Nutzen  des  Menschengeschlechtes  durch  Begünstigung  dieses  Buches  be- 
fördern zu  können. 

Wie  die  Verwüstung  Roms  1527  die  Künstler  zerstreute,  so  trieb  sie 
auch  die  Literaten  nach  allen  Winden  auseinander  und  breitete  den 
Ruhm  des  großen  verstorbenen  Beschützers  erst  recht  bis  in  die  äußersten 
Enden  Italiens  aus. 

Von  den  weltlichen  Fürsten  des  15.  Jahrhunderts  zeigt  den  höchsten  Das  Altertum 
Enthusiasmus  für  das  Altertum  Alfons  der  Große  von  Aragon,  König  ^J^AraToi, 
von  Neapel  (S.  20).  Es  scheint,  daß  er  dabei  völlig  naiv  war,  daß  die 
antike  Welt  in  Denkmälern  und  Schriften  ihm  seit  seiner  Ankunft  in 
Italien  einen  großen,  überwältigenden  Eindruck  machte,  welchem  er 
nun  nachleben  mußte.  Wunderbar  leicht  gab  er  sein  trotziges  Aragon 
samt  Nebenlanden  an  seinen  Bruder  auf,  um  sich  ganz  dem  neuen  Be- 
sitz zu  widmen.  Er  hatte  teils  nach-,  teils  nebeneinander  in  seinen  Dien- 
sten"^ den  Georg  von  Trapezunt,  den  Jüngern  Chrysoloras,  den  Lorenzo 
Valla,  den  Bartolommeo  Facio  und  den  Antonio  Panormita,  welche 
seine  Geschichtschreiber  wurden;  der  letztere  mußte  ihm  und  seinem 
Hofe  täglich  den  Livius  erklären,  auch  während  der  Feldzüge  im  Lager. 
Diese  Leute  kosteten  ihn  jährlich  über  20000  Goldgulden;  dem  Facio 
schenkte  er  für  die  Historia  Alphonsi  über  die  500  Dukaten  Jahres- 
besoldung am  Schluß  der  Arbeit  noch  1500  Goldguiden  obendrein,  mit 
den  Worten:  „Es  geschieht  nicht,  um  Euch  zu  bezahlen,  denn  Euer  Werk 
ist  überhaupt  nicht  zu  bezahlen,  auch  nicht,  wenn  ich  Euch  eine  meiner 
besten  Städte  gäbe;  aber  mit  der  Zeit  will  ich  suchen  Euch  zufrieden- 
zustellen." Als  er  den  Giannozzo  Mannetti  unter  den  glänzendsten  Be- 
dingungen zu  seinem  Sekretär  nahm,  sagte  er:  ,,Mein  letztes  Brot  würde 
ich  mit  Euch  teilen."  Schon  als  Gratulationsgesandter  von  Florenz  bei 
der  Hochzeit  des  Prinzen  Ferrante  hatte  Giannozzo  einen  solchen  Ein- 
druck auf  den  König  gemacht,  daß  dieser  ,,wie  ein  Erzbild"  regungslos 
auf  dem  Throne  saß  und  nicht  einmal  die  Mücken  abwehrte.  Seine 
Licblingsstätte  scheint  die  Bibliothek  des  Schlosses  von  Neapel  gewesen 
zu  sein,  wo  er  an  einem  Fenster  mit  besonders  schöner  Aussicht  gegen 
das  Meer  saß  und  den  Weisen  zuhörte,  wenn  sie  z.  B.  über  die  Trinität 
diskutierten.  Denn  er  war  auch  völlig  religiös  und  ließ  sich  außer  Livius  Abb.  303.  ^oj 
und  Seneca  auch  die  Bibel  vortragen,  die  er  beinah  auswendig  wußte. 


126  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Wer  will  die  Empfindung  genau  erraten,  die  er  den  vermeintlichen  Ge- 
sein  Kultus  beincn  des  Livius  zu  Padua  (S..84)  widmete?  Als  er  auf  große  Bitten 
derEnnne-    ^^^  ^^^  Venczianem  einen  Armknochen  davon  erhielt  und  ehrfurchts- 

rungen 

voll  zu  Neapel  in  Empfang  nahm,  mag  in  seinem  Gemüte  Christliches 
und  Heidnisches  sonderbar  durcheinander  gegangen  sein.  Auf  einem 
Feldzug  in  den  Abruzzen  zeigte  man  ihm  das  ferne  Sulmona,  die  Heimat 
des  Ovid,  und  er  grüßte  die  Stadt  und  dankte  dem  Genius  des  Ortes; 
offenbar  tat  es  ihm  wohl,  die  Weissagung  des  großen  Dichters  über  seinen 
künftigen  Ruhm^^"  wahr  machen  zu  können.  Einmal  gefiel  es  ihm  auch, 
selber  in  antiker  Weise  aufzutreten,  nämlich  bei  seinem  berühmten  Ein- 
zug in  das  definitiv  eroberte  Neapel  (1443);  unweit  vom  Mercato  wurde 
eine  40  Ellen  weite  Bresche  in  die  Mauer  gelegt;  durch  diese  fuhr  er  auf 
einem  goldenen  Wagen  wie  ein  römischer  Triumphator*^^.  Auch  die  Er- 
innerung hieran  ist  durch  einen  herrlichen  marmornen  Triumphbogen 

Abb.  2u     im  Castello  nuovo  verewigt.  —  Seine  neapolitanische  Dynastie  (S.  27) 
hat  von  diesem  antiken  Enthusiasmus  wie  von  all  seinen  guten  Eigen- 
schaften wenig  oder  nichts  geerbt. 
Federigo  von      Ungleich  gclchrtcr  als  Alfonso  war  Federigo  von  Urbino*^^,  der  we- 

^i,^\f,  niger  Leute  um  sich  hatte,  gar  nichts  verschwendete  und  wie  in  allen 
Dingen  so  auch  in  der  Aneignung  des  Altertums  planvoll  verfuhr.  Für 
ihn  und  für  Nicolaus  V.  sind  die  meisten  Übersetzungen  aus  dem  Grie- 
chischen und  eine  Anzahl  der  bedeutendsten  Kommentare,  Bearbeitun- 
gen u.  dgl.  verfaßt  worden.  Er  gab  viel  aus,  aber  zweckmäßig,  an  die 
Leute,  die  er  brauchte.  Von  einem  Poetenhof  war  in  Urbino  keine  Rede; 
der  Herr  selber  war  der  Gelehrteste.  Das  Altertum  war  allerdings  nur 
ein  Teil  seiner  Bildung;  als  vollkommener  Fürst,  Feldherr  und  Mensch 
bemeisterte  er  einen  großen  Teil  der  damaligen  Wissenschaft  überhaupt, 
und  zwar  zu  praktischen  Zwecken,  um  der  Sachen  willen.  Als  Theologe 
z.  B.  verglich  er  Thomas  und  Scotus  und  kannte  auch  die  alten  Kirchen- 
väter des  Orients  und  Okzidents,  erstere  in  lateinischen  Übersetzungen. 
Li  der  Philosophie  scheint  er  den  Plato  gänzlich  seinem  Zeitgenossen 
Cosimo  überlassen  zu  haben;  von  Aristoteles  aber  kannte  er  nicht  nur 
Ethik  und  Politik  genau,  sondern  auch  die  Physik  und  mehrere  andere 
Schriften.  In  seiner  sonstigen  Lektüre  wogen  die  sämtlichen  antiken 
Historiker,  die  er  besaß,  beträchtlich  vor;  diese  und  nicht  die  Poeten 
,,las  er  immer  wieder  und  ließ  sie  sich  vorlesen". 
Die  Sforza  Die  Sforza**^  sind  ebenfalls  alle  mehr  oder  weniger  gelehrt  und  er- 
weisen sich  als  Mäzcnaten  (S.  23,  26),  wovon  gelegentlich  die  Rede  ge- 
wesen ist.  Herzog  Francesco  mochte  bei  der  Erziehung  seiner  Kinder 
die  humanistische  Bildung  als  eine  Sache  betrachten,  die  sich  schon  aus 
politischen  Gründen  von  selbst  verstehe;  man  scheint  es  durchgängig 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  127 

als  Vorteil  empfunden  zu  haben,  wenn  der  Fürst  mit  den  Gebildetsten 
auf  gleichen  Fuße  verkehren  konnte.  Lodovico  Moro,  selber  ein  treff-      au.  27 
lieber  Latinist,  zeigt  dann  eine  Teilnahme  an  allem  Geistigen,  die  schon 
weit  über  das  Altertum  hinausgeht  (S.  33). 

Auch  die  kleinern  Herrscher  suchten  sich  ähnlicher  Vorzüge  zu  be-     Die  Este 
mächtigen  und  man  tut  ihnen  wohl  unrecht,    wenn    man  glaubt,  sie 
hätten  ihre  Hofliteraten  nur  genährt,  um  von  denselben  gerühmt  zu 
werden.  Ein  Fürst  wie  Borso  von  Ferrara  (S.  29)  macht  bei  aller  Eitel-      iw.  35c 
keit  doch  gar  nicht  mehr  den  Effekt  als  erwartete  er  die  Unsterblichkeit 
von  den  Dichtern,  so  eifrig  ihm  dieselben  mit  einer  ,, Borseis"  u.  dgl.  auf- 
warteten; dazu  ist  sein  Herrschergefühl  bei  weitem  zu  sehr  entwickelt; 
allein  der  Umgang  mit  Gelehrten,  das  Interesse  für  das  Altertum,  das 
Bedürfnis  nach  eleganter  lateinischer  Epistolographie  waren  von  dem 
damaligen  Fürstentum  unzertrennlich.  Wie  sehr  hat  es  noch  der  prak- 
tisch hochgebildete  Herzog  Alfonso  (S.  30)  beklagt,  daß  ihn  die  Kränk-      Abb. ,} 
lichkeit  in  der  Jugend  einseitig  auf  Erholung  durch  Handarbeit  hinge- 
wiesen***! Oder  hat  er  sich  mit  dieser  Ausrede  doch  eher  nur  die  Literaten 
vom  Leibe  gehalten?  In  eine  Seele  wie  die  seinige  schauten  schon  die 
Zeitgenossen  nicht  recht  hinein. 

Selbst  die  kleinsten  romagnolischen  Tyrannen  können  nicht  leicht 
ohne  einen  oder  mehrere  Hofhumanisten  auskommen;  der  Hauslehrer 
und  Sekretär  sind  dann  öfter  eine  Person,  welche  zeitweise  sogar  das 
Faktotum  des  Hofes  wird***.  Man  ist  mit  der  Verachtung  dieser  kleinen 
Verhältnisse  insgemein  etwas  zu  rasch  bei  der  Hand,  indem  man  ver- 
gißt, daß  die  höchsten  Dinge  des  Geistes  gerade  nicht  an  den  Maßstab 
gebunden  sind. 

Ein  sonderbares  Treiben  muß  jedenfalls  an  dem  Hofe  zu  Rimini  unter  sigismondo 
dem  frechen  Heiden  und  Kondotticre  Sigismondo  Malatesta  geherrscht  ^jjV 
haben.  Er  hatte  eine  Anzahl  von  Philologen  um  sich  und  stattete  einzelne 
derselben  reichlich,  z.  B.  mit  einem  Landgut  aus,  während  andere  als 
Offiziere  wenigstens  ihren  Lebensunterhalt  hatten**'.  In  seiner  Burg  — 
arx  Sismundea  —  halten  sie  ihre  oft  sehr  giftigen  Disputationen,  in 
Gegenwart  des  ,,rex",  wie  sie  ihn  nennen;  in  ihren  lateinischen  Dich- 
tungen preisen  sie  natürlich  ihn  und  besingen  seine  Liebschaft  mit  der 
schönen  Isotta,  zu  deren  Ehren  eigentlich  der  berühmte  Umbau  von 
San  Francesco  in  Rimini  erfolgte,  als  ihr  Grabdenkmal,  Divae  Isottae 
Sacrum.  Und  wenn  die  Philologen  sterben,  so  kommen  sie  in  (oder  unter) 
die  Sarkophage  zu  liegen,  womit  die  Nischen  der  beiden  Außenwände 
dieser  nämlichen  Kirche  geschmückt  sind;  eine  Inschrift  besagt  dann, 
der  betreffende  sei  hier  beigesetzt  worden  zur  Zeit,  da  Sigismundus, 
Pandulfus'  Sohn  herrschte**^.  Man  würde  es  heute  einem  Scheusal,  wie 


128 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


dieser  Fürst  war,  schwerlich  glauben,  daß  Bildung  und  gelehrter  Um- 
gang ihm  ein  Bedürfnis  seien,  und  doch  sagt  der,  welcher  ihn  exkom- 
munizierte, in  effigie  verbrannte  und  bekriegte,  nämlich  Papst  Pius  II.: 
,,Sigismondo  kannte  die  Historien  und  besaß  eine  große  Kunde  der 
Philosophie;  zu  allem,  was  er  ergriff,  schien  er  geboren*^." 


Reproduk- 
tion des 
Altertums 


Epistolo- 
graphie 


Zu  zwei  Zwecken  aber  glaubten  Republiken  wie  Fürsten  und  Päpste 
des  Humanisten  durchaus  nicht  entbehren  zu  können:  zur  Abfassung 
der  Briefe  und  zur  öffentlichen,  feierlichen  Rede. 

Der  Sekretär  muß  nicht  nur  von  Stiles  wegen  ein  guter  Lateiner  sein, 
sondern  umgekehrt:  nur  einem  Humanisten  traut  man  die  Bildung  und 
Begabung  zu,  welche  für  einen  Sekretär  nötig  ist.  Und  so  haben  die 
größten  Männer  der  Wissenschaft  im  15.  Jahrhundert  meist  einen  be- 
trächtlichen Teil  ihres  Lebens  hindurch  dem  Staat  auf  diese  Weise  ge- 
dient. Man  sah  dabei  nicht  auf  Heimat  und  Herkunft;  von  den  vier 
großen  florentinischen  Sekretären,  die  seit  1429  bis  1465  die  Feder 
führten**®,  sind  drei  aus  der  Untertanenstadt  Arezzo:  nämUch  Lionardo 
(Bruni),  Carlo  (Marzuppini)  und  Benedetto  Accoldi;  Poggio  war  von 
Terra  nuova,  ebenfalls  im  florentinischen  Gebiet.  Hatte  man  doch  schon 
lange  mehrere  der  höchsten  Stadtämter  prinzipiell  mit  Ausländern  be- 
setzt. Lionardo,  Poggio  und  Giannozzo  Mannctti  waren  auch  zeitweise 
Geheimschreiber  der  Päpste,  und  Carlo  Aretino  sollte  es  werden.  Blon- 
dus  von  Forli  und  trotz  allem  zuletzt  auch  Lorenzo  Valla  rückten  in 
dieselbe  Würde  vor.  Mehr  und  mehr  zieht  der  päpstliche  Palast  seit 
Nicolaus  V.  und  Pius  IL**"  die  bedeutendsten  Kräfte  in  seine  Kanzlei, 
selbst  unter  jenen  sonst  nicht  literarisch  gesinnten  letzten  Päpsten  des 
15.  Jahrhunderts.  In  der  Papstgeschichte  des  Piatina  ist  das  Leben 
Pauls  II.  nichts  anderes  als  die  ergötzliche  Rache  des  Humanisten  an 
dem  einzigen  Papst,  der  seine  Kanzlei  nicht  zu  behandeln  verstand, 
jenen  Verein  von  ,, Dichtern  und  Rednern,  die  der  Kurie  ebensoviel 
Hochgefühl  Glanz  verliehen,  als  sie  von  ihr  empfingen".  Man  muß  diese  stolzen 
Herrn  aufbrausen  sehen,  wann  ein  Präzedcnzstreit  eintritt,  wenn  z.  B. 
die  Advocati  consistoriales  gleichen  Rang  mit  ihnen,  ja  den  Vortritt  in 
Anspruch  nehmen*".  In  einem  Zuge  wird  appelliert  an  den  Evangelisten 
Johannes,  welchem  die  Secreta  coelestia  enthüllt  gewesen,  an  den  Schrei- 
ber des  Porsenna,  welchen  M.  Scävola  für  den  König  selber  gehalten, 
an  Mäcenas,  welcher  Augusts  Geheimschreiber  war,  an  die  Erzbischöfe, 
welche  in  Deutschland  Kanzler  heißen  usw.**-  ,,Die  apostolischen  Schrei- 
ber haben  die  ersten  Geschäfte  der  Welt  in  Händen,  denn  wer  anders 
als  sie  schreibt  und  verfügt  in  Sachen  des  katholischen  Glaubens,  der 


Abb.  23} 


der  päpstli- 
chen Kanzlei 


Schätzung  des 
Briefstils 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I29 

Bekämpfung  der  Ketzerei,  der  Herstellung  des  Friedens,  der  Vermitte- 
lung  zwischen  den  größten  Monarchen?  Wer  als  sie  liefert  die  statisti- 
schen Übersichten  der  ganzen  Christenheit?  Sie  sind  es,  die  Könige, 
Fürsten  und  Völker  in  Bewunderung  versetzen  durch  das,  was  von  den 
Päpsten  ausgeht;  sie  verfassen  die  Befehle  und  Instruktionen  für  die 
Legaten;  ihre  Befehle  empfangen  sie  aber  nur  vom  Papst,  und  sind  der- 
selben zu  jeder  Stunde  des  Tages  und  der  Nacht  gewärtig."  Den  Gipfel 
des  Ruhmes  erreichten  aber  doch  erst  die  beiden  berühmten  Sekretäre 
und  Stilisten  Leos  X.:  Pietro  Bembo  und  Jacopo  Sadoleto.  Abb.  243.  n6 

Nicht  alle  Kanzleien  schrieben  elegant;  es  gab  einen  ledernen  Be-  wert 
amtenstil  in  höchst  unreinem  Latein,  welcher  die  Mehrheit  für  sich  hatte. 
Ganz  merkwürdig  stechen  in  den  mailändischen  Aktenstücken,  welche 
Corio  mitteilt,  neben  diesem  Stil  die  paar  Briefe  hervor,  welche  von  den  ■•<**  '95 
Mitgliedern  des  Fürstenhauses  selber,  und  zwar  in  den  wichtigsten  Mo- 
menten verfaßt  sein  müssen*^;  sie  sind  von  der  reinsten  Latinität.  Den 
Stil  auch  in  der  Not  zu  wahren  erschien  als  ein  Gebot  der  guten  Lebens- 
art und  als  Folge  der  Gewöhnung. 

Man  kann  sich  denken,  wie  emsig  in  jenen  Zeiten  die  Briefsammlungen 
des  Cicero,  Plinius  u.  a.  studiert  woirden.  Es  erschien  schon  im  15.  Jahr- 
hundert eine  ganze  Reihe  von  Anweisungen  und  Formularen  zum  latei- 
nischen Briefschreiben,  als  Seitenzweig  der  großen  grammatikalischen 
und  lexikographischen  Arbeiten,  deren  Masse  in  den  Bibliotheken  noch 
heute  Erstaunen  erregt.  Je  mehr  Unberufene  aber  mit  dergleichen  Hilfs- 
mitteln sich  an  die  Aufgabe  wagten,  desto  mehr  nahmen  sich  die  Vir- 
tuosen zusammen,  und  die  Briefe  Polizianos  und  im  Beginn  des  16.  Jahr-  Abb.  237 
hunderts  die  des  Pietro  Bembo  erschienen  dann  als  die  irgend  erreich- 
baren Meisterwerke,  nicht  nur  des  lateinischen  Stiles  sondern  der  Epi- 
stolographie  als  solcher. 

Daneben  meldet  sich  mit  dem  16.  Jahrhundert  auch  ein  klassischer 
italienischer  Briefstil,  wo  Bembo  wiederum  an  der  Spitze  steht.  Es  ist 
eine  völlig  moderne,  vom  Lateinischen  mit  Absicht  ferngehaltene 
Schreibart,  und  doch  geistig  total  vom  Altertum  durchdrungen  und 
bestimmt. 

Viel  glänzender  noch  als  der  Briefschreiber  tritt  der  Redner***  her-  i>>e  Redne 
vor,  in  einer  Zeit  und  bei  einem  Volke,  wo  das  Hören  als  ein  Genuß 
ersten  Ranges  galt  und  wo  das  Phantasiebild  des  römischen  Senates  und 
seiner  Redner  alle  Geister  beherrschte.  Von  der  Kirche,  bei  welcher  sie 
im  Mittelalter  ihre  Zuflucht  gehabt,  wird  die  Eloquenz  vollkommen 
emanzipiert;  sie  bildet  ein  notwendiges  Element  und  eine  Zierde  jedes 
erhöhten  Daseins.  Sehr  viele  festliche  Augenblicke,  die  gegenwärtig  mit 
der  Musik  ausgefüllt  werden,  gehörten  damals  der  lateinischen  oder 

Burckhardt  9 


I30 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


italienischen  Rede,  worüber  sich  jeder  unserer  Leser  seine  Gedanken 
machen  möge. 

Welches  Standes  der  Redner  war,  galt  völlig  gleich;  man  bedurfte  vor 
allem  des  virtuosenhaft  ausgebildeten  humanistischen  Talentes.  Am  Hofe 
des  Börse  von  Ferrara  hat  der  Hofarzt,  Jeronimo  da  Castello,  sowohl 
Friedrich  HI.  als  Pias  II.  zum  Willkomm  anreden  müssen***;  verhei- 
ratete Laien  besteigen  in  den  Kirchen  die  Kanzeln  bei  jedem  festlichen 
oder  Traueranlaß,  ja  selbst  an  Heiligenfesten.  Es  war  den  außeritalischen 
Basler  Konzilsherren  etwas  Neues,  daß  der  Erzbischof  von  Mailand  am 
Ambrosiustage  den  Aeneas  Sylvius  auftreten  ließ,  welcher  noch  keine 
Weihe  empfangen  hatte;  trotz  dem  Murren  der  Theologen  ließen  sie 
sich  es  gefallen  und  hörten  mit  größter  Begier  zu***. 

Überblicken  wir  zunächst  die  wichtigern  und  häufigem  Anlässe  des 
öffenthchen  Redens. 

FeierUche  Vor  allem  heißen  die  Gesandten  von  Staat  an  Staat  nicht  vergebens 
Staatsreden  Qp^-Qj-gjj.  ncbcu  dcr  gchcimcn  Unterhandlung  gab  es  ein  unvermeid- 
liches  Paradestück,  eine  öffentliche  Rede,  vorgetragen  unter  möglichst 
pomphaften  Umständen**'.  In  der  Regel  führte  von  dem  oft  sehr  zahl- 
reichen Personal  einer  zugestandenermaßen  das  Wort,  aber  es  passierte 
doch  dem  Kenner  Pius  IL,  vor  welchem  sich  gerne  jeder  hören  lassen 
wollte,  daß  er  eine  ganze  Gesandtschaft,  einen  nach  dem  andern,  an- 
hören mußte**®.  Dann  redeten  gelehrte  Fürsten,  die  des  Wortes  mächtig 
waren,  gerne  und  gut  selber,  italienisch  oder  lateinisch.  Die  Kinder  des 
Hauses  Sforza  waren  hierauf  eingeschult,  der  ganz  junge  Galeazzo  Maria 
sagte  schon  1455  im  großen  Rath  zu  Venedig  ein  fließendes  Exerzitium 
her***,  und  seine  Schwester  Ippolita  begrüßte  den  Papst  Pius  IL  auf 
dem  Kongreß  zu  Mantua  1459  mit  einer  zierlichen  Rede*'".  Pius  IL 
selbst  hat  offenbar  als  Redner  in  allen  Zeiten  seines  Lebens  seiner  letzten 
Standeserhöhung  mächtig  vorgearbeitet;  als  größter  kurialer  Diplomat 
und  Gelehrter  wäre  er  vielleicht  doch  nicht  Papst  geworden  ohne  den 
Ruhm  und  den  Zauber  seiner  Beredsamkeit.  ,,Denn  nichts  war  erhabener 
als  der  Schwung  seiner  Rcde*'^."  Gewiß  galt  er  für  Unzählige  schon 
deshalb  als  der  des  Papsttums  Würdigste,  bereits  vor  der  Wahl. 

Empfangs-  Sodaun  wurdcu  die  Fürsten  bei  jedem  feierlichen  Empfang  angeredet 
und  zwar  oft  in  stundenlanger  Oration.  Natürhch  geschah  dies  nur,  wenn 
der  Fürst  als  Redefreund  bekannt  war  oder  dafür  gelten  wollte,  und  wenn 
man  einen  genügenden  Redner  vorrätig  hatte,  mochte  es  ein  Hofliterat, 
Universitätsprofessor,  Beamter,  Arzt  oder  Geistlicher  sein. 

Auch  jeder  andere  politische  Anlaß  wird  begierig  ergriffen,  und  je 
nach  dem  Ruhm  des  Redners  läuft  alles  herbei,  was  die  Bildung  verehrt. 
Bei  alljährlichen  Beamtenernennungen,  sogar  bei  Einführung  neuernann- 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


131 


ter  Bischöfe  muß  irgendein  Humanist  auftreten,  der  bisweilen*"*  in  sap- 
phischen  Strophen  oder  Hexametern  spricht;  auch  mancher  neu  antre- 
tende Beamte  selbst  muß  eine  unumgängliche  Rede  halten  über  sein 
Fach,  z.  B.  ,,über  die  Gerechtigkeit";  wohl  ihm,  wenn  er  darauf  geschult 
ist.  In  Florenz  zieht  man  auch  die  Kondottieren  —  sie  mögen  sein  wer 
und  wie  sie  wollen  —  in  das  landesübliche  Pathos  hinein  und  läßt  sie 
bei  Überreichung  des  Feldhermstabes  durch  den  gelehrtesten  Staats- 
sekretär vor  allem  Volk  haranguieren*'*.  Es  scheint,  daß  unter  oder  an 
der  Loggia  de'  Lanzi,  der  feierhchen  Halle,  wo  die  Regierung  vor  dem 
Volke  aufzutreten  pflegte,  eine  eigenthche  Rednerbühne  (rostra,  rin- 
ghiera)  angebracht  war.  Abb.  104 

Von  Anniversarien  werden  besonders  die  Todestage  der  Fürsten  durch  Leichen- 
Gedächtnisreden  gefeiert.  Auch  die  eigentliche  Leichenrede  ist  vor- 
herrschend dem  Humanisten  anheimgefallen,  der  sie  in  der  Kirche,  in 
weltlichem  Gewände  rezitiert,  und  zwar  nicht  nur  am  Sarge  von  Für- 
sten, sondern  auch  von  Beamten  u.  a.  namhaften  Leuten*'*.  Ebenso  ver- 
hält es  sich  oft  mit  Verlobungs-  und  Hochzeitsreden,  nur  daß  diese  (wie 
es  scheint)  nicht  in  der  Kirche,  sondern  im  Palast,  z.  B.  die  des  Filelfo  Atb.  i^t 
bei  der  Verlobung  der  Anna  Sforza  mit  Alfonso  d'Este  im  Kastell  von 
Mailand,  gehalten  wurden.  (Es  könnte  immerhin  in  der  Palastkapelle 
geschehen  sein.)  Auch  angesehene  Privatleute  ließen  sich  wohl  einen 
solchen  Hochzeitsredner  als  vornehmen  Luxus  gefallen.  In  Ferrara  er- 
suchte man  bei  solchen  Anlässen  einfach  den  Guarino*'*,  er  möchte 
einen  seiner  Schüler  senden.  Die  Kirche  als  solche  besorgte  bei  Trau- 
ungen und  Leichen  nur  die  eigentlichen  Zeremonien. 

Von  den  akademischen  Reden  sind  die  bei  Einführung  neuer  Profes- 
soren und  die  bei  KurseröfTnungen*"  von  den  Professoren  selbst  ge- 
haltenen mit  dem  größten  rhetorischen  Aufwand  behandelt.  Der  ge- 
wöhnliche Kathedervortrag  näherte  sich  ebenfalls  oft  der  eigentlichen 
Rede*™.  Au-.igs-ioi 

Bei  den  Advokaten  gab  das  jeweilige  Auditorium  den  Maßstab  für 
die  Behandlung  der  Rede.  Je  nach  Umständen  wurde  dieselbe  mit  dem 
vollen  philologisch-antiquarischen  Pomp  ausgestattet. 

Eine  ganz  eigene  Gattung  sind  die  italienisch  gehaltenen  Anreden  an  soidaten- 
die  Soldaten,  teils  vor  dem  Kampf,  teils  nachher.  Federigo  von  Urbino*"' 
war  hierfür  klassisch;  einer  Schar  nach  der  andern,  wie  sie  kampfgerüstet 
dastanden,  flößte  er  Stolz  und  Begeisterung  ein.  Manche  Rede  in  den 
Kriegsschriftstellern  des  15.  Jahrhunderts,  z.B.  bei  Porcellius  (S.  59) 
möchte  nur  teilweise  fingiert  sein,  teilweise  aber  auf  wirklich  gesprochenen 
Worten  beruhen.  Wieder  etwas  anderes  waren  die  Anreden  an  die  seit 
1506,  hauptsächlich  auf  Machiavellis  Betrieb  organisierte  florentinische 

9* 


132 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


Miliz*^",  bei  Anlaß  der  Musterungen  und  später  bei  einer  besonderen 
Jahresfeier.  Diese  sind  von  allgemein  patriotischem  Inhalt;  es  hielt  sie 
in  der  Kirche  jedes  Quartiers  vor  den  dort  versammelten  Milizen  ein 
Bürger  im  Brustharnisch,  mit  dem  Schwert  in  der  Hand. 
Lateinische  Endlich  ist  im  15.  Jahrhundert  die  eigentliche  Predigt  bisweilen  kaum 
'^'  mehr  von  der  Rede  zu  scheiden,  insofern  viele  Geistliche  in  den  Bildungs- 
kreis des  Altertums  mit  eingetreten  waren  und  etwas  darin  gelten  wollten. 
Hat  doch  selbst  der  schon  bei  Lebzeiten  heilige,  vom  Volk  angebetete 

Abb.  106,  n3  Gassenprediger  Bernardino  da  Siena  es  für  seine  Pflicht  gehalten,  den 
rhetorischen  Unterricht  des  berühmten  Guarino  nicht  zu  verschmähen, 
obwohl  er  nur  italienisch  zu  predigen  hatte.  Die  Ansprüche,  zumal  an 
die  Fastenprediger,  waren  damals  ohne  Zweifel  so  groß  als  je;  hier  und 
da  gab  es  auch  ein  Auditorium,  welches  sehr  viel  Philosophie  auf  der 
Kanzel  vertragen  konnte  und,  scheint  es,  von  Bildung  wegen  verlangte**^. 
Doch  wir  haben  es  hier  mit  den  vornehmen  lateinischen  Kasualpredigern 
zu  tun.  Manche  Gelegenheit  nahmen  ihnen,  wie  gesagt,  gelehrte  Laien 
vom  Munde  weg.  Reden  an  bestimmten  Heiligentagen,  Leichen-  und 
Hochzeitsreden,  Einführungen  von  Bischöfen  usw.,  ja  sogar  die  Rede 
bei  der  ersten  Messe  eines  befreundeten  Geistlichen  und  die  Festrede 
bei  einem  Ordenskapitel  werden  wohl  Laien  überlassen**^.  Doch  pre- 
digten wenigstens  vor  dem  päpstlichen  Hof  im  15.  Jahrhundert  in  der 
Regel  Mönche,  welches  auch  der  festliche  Anlaß  sein  mochte.  Unter 
Sixtus  IV.  verzeichnet  und  kritisiert  Giacomo  da  Volterra  regelmäßig 
diese  Festprediger,  nach  den  Gesetzen  der  Kunst*®*.  Fedra  Inghirami, 
als  Festredner  berühmt  unter  Julius  IL,  hatte  wenigstens  die  geistlichen 
Weihen  und  war  Chorherr  am  Lateran;  auch  sonst  hatte  man  unter 
den  Prälaten  jetzt  elegante  Lateiner  genug.  Überhaupt  erscheinen  mit 
dem  16.  Jahrhundert  die  früher  übergroßen  Vorrechte  der  profanen 
Humanisten  in  dieser  Beziehung  gedämpft  wie  in  andern,  wovon  unten 
ein  Weiteres. 

EmeueninK  Wclchcr  Art  uud  wclchcs  Inhaltes  waren  nun  die  Reden  im  großen 
und  ganzen?  Die  natürliche  Wohlredenheit  wird  den  Itahenern  das 
Mittelalter  hindurch  nie  gefehlt  haben,  und  eine  sogenannte  Rhetorik 
gehörte  von  jeher  zu  den  sieben  freien  Künsten;  wenn  es  sich  aber  um 
die  Auferweckung  der  antiken  Methode  handelt,  so  ist  dieses  Verdienst 
nach  Aussage  des  Filippo  Villani*®*  einem  Florentiner  Bruno  Casini  zu- 
zuschreiben, welcher  nocli  in  jungen  Jahren  1348  an  der  Pest  starb.  In 
ganz  praktischen  .•\bsichtcn,  um  nämlich  die  Florentiner  zum  leichten, 
gewandten  Auftreten  in  Räten  u.  a.  öffentlichen  Versammlungen  zu  be- 
fähigen, behandelte  er  nach  Maßgabe  der  .\lten  die  Erfindung,  die  De- 
klamation, Gcstus  und  Haltung  im  Zusammenhange.  Auch  sonst  hören 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


133 


wir  frühe  von  einer  völlig  auf  die  Anwendung  berechneten  rhetorischen 
Erziehung;  nichts  galt  höher,  als  aus  dem  Stegreif  in  elegantem  Latein 
das  jedesmal  Passende  vorbringen  zu  können.  Das  wachsende  Studium 
von  Ciceros  Reden  und  theoretischen  Schriften,  von  Quintilian  und  den 
kaiserUchen  Panegyrikem,  das  Entstehen  eigener  neuer  Lehrbücher^^ 
die  Benützung  der  Fortschritte  der  Philologie  im  allgemeinen  und  die 
Masse  der  antiken  Ideen  und  Sachen,  womit  man  die  eigenen  Gedanken 
bereichern  durfte  und  mußte,  —  dies  zusammen  vollendete  den  Charak- 
ter der  neuen  Redekunst. 

Je  nach  den  Individuen  ist  derselbe  gleichwohl  sehr  verschieden. 
Manche  Reden  atmen  eine  wahre  Beredsamkeit,  namentlich  diejenigen, 
welche  bei  der  Sache  bleiben;  von  dieser  Art  ist  durchschnittlich  was 
wir  von  Pius  II.  übrig  haben.  Sodann  lassen  die  Wunder^rirkungen, 
welche  Giannozzo  Mannetti**^  erreichte,  auf  einen  Redner  schheßen,  wie 
es  in  allen  Zeiten  wenige  gegeben  hat.  Seine  großen  Audienzen  als  Ge- 
sandter vor  Nicolaus  V.,  vor  Dogmen  und  Rat  von  Venedig  waren  Er- 
eignisse, deren  Andenken  lange  dauerte.  Viele  Redner  dagegen  benützten 
den  Anlaß,  um  neben  einigen  Schmeicheleien  für  vornehme  Zuhörer 
eine  wüste  Masse  von  Worten  und  Sachen  aus  dem  Altertum  vorzu- 
bringen. Wie  es  möglich  war,  dabei  bis  zwei,  ja  drei  Stunden  auszu- 
halten, begreift  man  nur,  wenn  man  das  starke  damalige  Sachinteresse 
am  Altertum  und  die  Mangelhaftigkeit  und  relative  Seltenheit  der  Be- 
arbeitungen —  vor  der  Zeit  des  allgemeinen  Drückens  —  in  Betracht 
zieht.  Solche  Reden  hatten  noch  immer  den  Wert,  welchen  wir  (S.  114) 
manchen  Briefen  Petrarcas  vindiziert  haben.  Einige  machten  es  aber 
doch  zu  stark.  Filelfos  meiste  Orationen  sind  ein  abscheuliches  Durch- 
einander von  klassischen  und  biblischen  Zitaten,  aufgereiht  an  einer 
Schnur  von  Gemeinplätzen;  dazwischen  werden  die  Persönlichkeiten  der 
zu  rühmenden  Großen  nach  irgendeinem  Schema,  z.  B.  der  Kardinal- 
tugenden, gepriesen,  und  nur  mit  großer  Mühe  entdeckt  man  bei  ihm  und 
andern  die  wenigen  zeitgeschichtlichen  Elemente  von  Wert,  welche  wirk- 
lich darin  sind.  Die  Rede  eines  Professors  und  Literaten  von  Pinacenza 
z.  B.  für  den  Empfang  des  Herzogs  Galeazzo  Maria  1467  beginnt  mit 
C.  Julius  Caesar,  mischt  einen  Haufen  antiker  Zitate  mit  solchen  aus 
einem  eigenen  allegorischen  Werk  des  Verfassers  zusammen  und  schließt 
mit  sehr  indiskreten  guten  Lehren  an  den  Herrscher**'.  Glücklicherweise 
war  es  schon  zu  spät  am  Abend,  und  der  Redner  mußte  sich  damit  be- 
gnügen, seinen  Panegyrikus  schrifthch  zu  überreichen.  Auch  Filelfo  hebt 
eine  Verlobungsrede  mit  den  Worten  an:  Jener  peripatetische  Aristoteles 
usw.;  andere  rufen  gleich  zu  Anfang:  Publius  Cornelius  Scipio  u.  dgl., 
ganz  als  könnten  sie  und  ihre  Zuhörer  das  Zitieren  gar  nicht  erwarten. 


Form    und 
SacJiinhalt 


Die  Zitier- 
sucht 


Fingierte 
Reden 


Verfall  der 
Rlnquenz 

Abb.  241 


lOA  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Mit  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  reinigte  sich  der  Geschmack  auf  ein- 
mal, wcsenthch  durch  das  Verdienst  der  Florentiner;  im  Zitieren  wird 
fortan  sehr  behutsam  Maß  gehalten,  schon  weil  inzwischen  allerlei  Nach- 
schlagewerke häufiger  geworden  sind,  in  welchen  der  erste  Beste  das- 
jenige vorrätig  findet,  womit  man  bis  jetzt  Fürsten  und  Volk  in  Er- 
staunen gesetzt. 

Da  die  meisten  Reden  am  Studierpult  erarbeitet  waren,  so  dienten 
die  Manuskripte  unmittelbar  zur  weitern  Verbreitung  und  Veröffent- 
lichung. Großen  Stegreifrednern  dagegen  mußte  nachstenographiert 
werden*^.  —  Ferner  sind  nicht  alle  Orationen,  die  wir  besitzen,  auch 
nur  dazu  bestimmt  gewesen,  wirklich  gehalten  zu  werden;  so  ist  z.  B. 
der  Panegyricus  des  altern  Bcroaldus  auf  Lodovico  Moro  ein  bloß  schrift- 
lich eingesandtes  Werk***.  Ja,  wie  man  Briefe  mit  imaginären  Adressen 
nach  allen  Gegenden  der  Welt  komponierte  als  Exerzitium,  als  Formu- 
lare, auch  wohl  als  Tendenzschriften,  so  gab  es  auch  Reden  auf  erdich- 
tete Anlässe**",  als  Formulare  für  Begrüßung  großer  Beamten,  Fürsten 
und  Bischöfe  u.  dgl.  m. 

Auch  für  die  Redekunst  gilt  der  Tod  Leos  X.  (1521)  und  die  Ver- 
wüstung von  Rom  (1527)  als  der  Termin  des  Verfalls.  Aus  dem  Jammer 
der  ewigen  Stadt  kaum  geflüchtet,  verzeichnet  Giovio**^  einseitig  und 
doch  wohl  mit  überwiegender  Wahrheit  die  Gründe  dieses  Verfalls: 

„Die  Aufführungen  des  Plautus  und  Terenz,  einst  eine  Übungsschule 
des  lateinischen  Ausdruckes  für  die  vornehmen  Römer,  sind  durch 
italienische  Komödien  verdrängt.  Der  elegante  Redner  findet  nicht 
mehr  Lohn  und  Anerkennung  wie  früher.  Deshalb  arbeiten  z.  B.  die 
Konsistorialadvokaten  an  ihren  Vorträgen  nur  noch  die  Proömien  aus 
und  geben  den  Rest  als  trüben  Mischmasch  nur  noch  stoßweise  von  sich. 
Auch  Kasualreden  und  Predigten  sind  tief  gesunken.  Handelt  es  sich 
um  die  Leichenrede  für  einen  Kardinal  oder  weltlichen  Großen,  so 
wenden  sich  die  Testamentsexekutoren  nicht  an  den  trefflichsten  Red- 
ner der  Stadt,  den  sie  mit  hundert  Goldstücken  honorieren  müßten, 
sondern  sie  mieten  um  ein  Geringes  einen  hergelaufenen  kecken  Pe- 
danten, der  nur  in  den  Mund  der  Leute  kommen  will,  sei  es  auch  durch 
den  schlimmsten  Tadel.  Der  Tote,  denkt  man,  spüre  ja  nichts  davon, 
wenn  ein  Affe  in  Trauergewand  auf  der  Kanzel  steht,  mit  weinerlichem 
heiserm  Gemurmel  beginnt  und  allmählich  ins  laute  Gebell  übergeht. 
Auch  die  festlichen  Predigten  bei  den  päpstlichen  Funktionen  werfen 
keinen  rechten  Lohn  mehr  ab;  Mönche  von  allen  Orden  haben  sich 
wieder  derselben  bemächtigt  und  predigen  wie  für  die  ungebildetsten 
Zuhörer.  Noch  vor  wenigen  Jahren  konnte  eine  solche  Predigt  bei  der 
Messe  in  Gegenwart  des  Papstes  der  Weg  zu  einem  Bistum  werden." 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I35 

An  die  Epistolographie  und  die  Redekunst  der  Humanisten  schließen  Die  Abband- 
wir  hier  noch  ihre  übrigen  Produktionen  an,   welche  zugleich  mehr       '™^ 
oder  weniger  Reproduktionen  des  Altertums  sind. 

Hierher  gehört  zunächst  die  Abhandlung  in  unmittelbarer  oder  in 
dialogischer  Form*^,  welche  letztere  man  direkt  von  Cicero  herüber- 
nahm. Um  dieser  Gattung  einigermaßen  gerecht  zu  werden,  um  sie 
nicht  als  Quelle  der  Langenweile  von  vornherein  zu  verwerfen,  muß 
man  zweierlei  erwägen.  Das  Jahrhundert,  welches  dem  Mittelalter  ent- 
rann, bedurfte  in  vielen  einzelnen  Fragen  moralischer  und  philosophi- 
scher Natur  einer  speziellen  Vermittlung  zwischen  sich  und  dem  Alter- 
tum, und  diese  Stelle  nahmen  nun  die  Traktat-  und  Dialogschreiber 
ein.  Vieles,  was  uns  in  ihren  Schriften  als  Gemeinplatz  erscheint,  war 
für  sie  und  ihre  Zeitgenossen  eine  mühsam  neu  errungene  Anschauung 
von  Dingen,  über  welche  man  sich  seit  dem  Altertum  noch  nicht  wieder 
ausgesprochen  hatte.  Sodann  hört  sich  die  Sprache  hier  besonders  gerne 
selber  zu  —  gleichviel  ob  die  lateinische  oder  die  itahenische.  Freier 
und  vielseitiger  als  in  der  historischen  Erzählung  oder  in  der  Oration 
und  in  den  Briefen  bildet  sie  hier  ihr  Satzwerk,  und  von  den  italieni- 
schen Schriften  dieser  Art  gelten  mehrere  bis  heute  als  Muster  der 
Prosa.  Manche  von  diesen  Arbeiten  wurden  schon  genannt  oder  wer- 
den noch  angeführt  werden  ihres  Sachinhalts  wegen;  hier  mußte  von 
ihnen  als  Gesamtgattung  die  Rede  sein.  Von  Petrarcas  Briefen  und 
Traktaten  an  bis  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  wiegt  bei  den  meisten 
auch  hier  das  Aufspeichern  antiken  Stoffes  vor,  wie  bei  den  Rednern; 
dann  klärt  sich  die  Gattung  ab,  zumal  im  Italienischen,  und  erreicht 
mit  den  Asolani  des  Bembo,  mit  der  Vita  Sobria  des  Luigi  Cornaro  am-  246. 349 
die  volle  Klassizität.  Auch  hier  war  es  entscheidend,  daß  jener  antike 
Stoff  inzwischen  sich  in  besondern  großen  Sammelwerken,  jetzt  sogar 
gedruckt,  abzulagern  begonnen  hatte  und  dem  Traktatschreiber  nicht 
mehr  im  Wege  war. 

Ganz  unvermeidhch  bemächtigte  sich  der  Humanismus  auch  der  Lateinische 
Geschichtschreibung.  Bei  flüchtiger  Vergleichung  dieser  Historien  mit  ^ehreibung 
den  frühem  Chroniken,  namentlich  mit  so  herrlichen,  farbenreichen, 
lebensvollen  Werken  wie  die  der  Villani  wird  man  dies  laut  beklagen. 
Wie  abgeblaßt  und  konventionell  zierlich  erscheint  neben  diesen  alles, 
was  die  Humanisten  schreiben,  und  zwar  z.  B.  gerade  ihre  nächsten 
und  berühmtesten  Nachfolger  in  der  Historiographie  von  Florenz,  Lio- 
nardo  Aretino  und  Poggio.  Wie  unablässig  plagt  den  Leser  die  Ahnung, 
daß  zwischen  den  livianischen  und  den  cäsarischen  Phrasen  eines  Fa- 
cius,  Sabellicus,  Folieta,  Senarega,  Piatina  (in  der  mantuanischen  Ge- 
schichte), Bembo  (in  den  Annalen  von  Venedig)  und  selbst  eines  Giovio 


igG  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

(in  den  Historien)  die  beste  individuelle  und  lokale  Farbe,  das  Interesse 
am  vollen  wirklichen  Hergang  Not  gelitten  habe.  Das  Mißtrauen  wächst, 

Abb.  2os  wenn  man  inne  wird,  daß  der  Wert  des  Vorbildes  Livius  selbst  am  un- 
rechten Orte  gesucht  wurde,  nämlich*^'  darin,  daß  er  „eine  trockene 
und  blutlose  Tradition  in  Anmut  und  Fülle  verwandelt"  habe;  ja  man 
findet  (eben  da)  das  bedenkliche  Geständnis,  die  Geschichtschreibung 
müsse  durch  Stilmittel  den  Leser  aufregen,  reizen,  erschüttern  —  gerade 
als  ob  sie  die  Stelle  der  Poesie  vertreten  könnte.  Man  fragt  sich  endlich, 
ob  nicht  die  Verachtung  der  modernen  Dinge,  zu  welcher  diese  näm- 
lichen Humanisten  sich  bisweilen*'*  offen  bekennen,  auf  ihre  Behand- 
lung derselben  einen  ungünstigen  Einfluß  haben  mußte?  Unwillkürlich 
wendet  der  Leser  den  anspruchslosen  lateinischen  und  italienischen 
Annalisten,  die  der  alten  Art  treu  geblieben,  z.  B.  denjenigen  von 
Bologna  und  Ferrara,  mehr  Teilnahme  und  Vertrauen  zu,  und  noch 
viel  dankbarer  fühlt  man  sich  den  bessern  unter  den  italienisch  schrei- 
benden eigentlichen  Chronisten  verpflichtet,  einem  Marin  Sanudo,  einem 

Abb.  ig^  Corio,  einem  Infessura,  bis  dann  mit  dem  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts 
die  neue  glanzvolle  Reihe  der  großen  italienischen  Geschichtschreiber 
in  der  Muttersprache  beginnt. 

Absoluter  In  dcr  Tat  war  die  Zeitgeschichte  unwidersprechlich  besser  daran, 
wenn  sie  sich  in  der  Landessprache  erging,  als  wenn  sie  sich  latinisieren 
mußte.  Ob  auch  für  die  Erzählung  des  Längstvergangenen,  für  die  ge- 
schichtliche Forschung  das  Italienische  geeigneter  gewesen  wäre,  ist 
eine  Frage,  welche  für  jene  Zeit  verschiedene  Antworten  zuläßt.  Das 
Lateinische  war  damals  die  Lingua  franca  der  Gelehrten  lange  nicht 
bloß  im  internationalen  Sinn,  z.  B.  zwischen  Engländern,  Franzosen 
und  Italienern,  sondern  auch  im  interprovinzialen  Sinne,  d.  h.  der 
Lombarde,  der  Venezianer,  der  Neapolitaner  wurden  mit  ihrer  italieni- 
schen Schreibart  —  auch  wenn  sie  längst  toskanisiert  war  und  nur  noch 
schwache  Spuren  des  Dialektes  an  sich  trug  —  von  dem  Florentiner 
nicht  anerkannt.  Dies  wäre  zu  verschmerzen  gewesen  bei  örtlicher  Zeit- 
geschichte, die  ihrer  Leser  an  Ort  und  Stelle  sicher  war,  aber  nicht  so 
leicht  bei  der  Geschichte  der  Vergangenheit,  für  welche  ein  weiterer 
Leserkreis  gesucht  werden  mußte.  Hier  durfte  die  lokale  Teilnahme 
des  Volkes  der  allgemeinen  der  Gelehrten  aufgeopfert  werden.  Wie 
weit  wäre  z.  B.  Blondus  von  Forll  gelangt,  wenn  er  seine  großen  gelehrten 
Werke  in  einem  halbroinagnolischen  Italienisch  verfaßt  hätte?  Dieselben 
wären  einer  sichern  Obskurität  verfallen  schon  um  der  Florentiner 
willen,  während  sie  lateinisch  die  allergrößte  Wirkung  auf  die  Gelehr- 
samkeit des  ganzen  Abendlandes  ausübten.  Und  auch  die  Florentiner 
selbst  schricl)en  ja  im   15.  Jahrhundert  lateinisch,  nicht  bloß  weil  sie 


Wert  des  La 
teinischen 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


137 


humanistisch  dachten,  sondern  zugleich  um  der  leichtern  Verbreitung 
willen. 

EndUch  gibt  es  auch  lateinische  Darstellungen  aus  der  Zeitgeschichte,  Monographie 
welche  den  vollen  Wert  der  tixfflichsten  italienischen  haben.  Sobald  ""     '.°^^' 

pnie 

die  nach  Livdus  gebildete  fortlaufende  Erzählung,  das  Prokrustesbett 
so  mancher  Autoren,  aufhört,  erscheinen  dieselben  wie  umgewandelt. 
Jener  nämliche  Piatina,  jener  Giovio,  die  man  in  ihren  großen  Geschichts-  Abb.  233,  .-^ 
werken  nur  verfolgt,  soweit  man  muß,  zeigen  sich  auf  einmal  als  aus- 
gezeichnete biographische  Schilderer.  Von  Tristan  Caracciolo,  von  dem 
biographischen  Werke  des  Facius,  von  der  venezianischen  Topographie 
des  Sabellico  usw.  ist  schon  beiläufig  die  Rede  gewesen,  und  auf  andere 
werden  wir  noch  kommen. 

Die  lateinischen  Darstellungen  aus  der  Vergangenheit  betrafen  natür- 
lich vor  allem  das  klassische  Altertum.  Was  man  aber  bei  diesen  Hu- 
manisten weniger  suchen  würde,   sind   einzelne  bedeutende  Arbeiten  .\rbeitenuber 
über  die  allgemeine  Geschichte  des  Mittelalters.  Das  erste  bedeutende    <^''^'^"^' 

*~'  alter 

Werk  dieser  Art  war  die  Chronik  des  Matteo  Palmieri,  beginnend,  Abb.  23? 
wo  Prosper  Aquitanus  aufhört.  Wer  dann  zufällig  die  Dekaden  des 
Blondus  von  Forli  öffnet,  wird  einigermaßen  erstaunen,  wenn  er  hier 
eine  Weltgeschichte  „ab  inclinatione  Romanorum  imperii"  wie  bei 
Gibbon  findet,  voll  von  Qiiellenstudien  der  Autoren  jedes  Jahrhunderts, 
wovon  die  ersten  3000  Folioseiten  dem  frühern  Mittelalter  bis  zum  Tode 
Friedrichs  II.  angehören.  Und  dies,  während  man  sich  im  Norden 
noch  auf  dem  Standpunkte  der  bekannten  Papst-  und  Kaiserchroniken 
und  des  Fasciculus  temporum  befand.  Es  ist  hier  nicht  unsere  Sache, 
kritisch  nachzuweisen,  welche  Schriften  Blondus  im  einzelnen  benützt 
hat  und  wo  er  sie  beisammen  gefunden;  in  der  Geschichte  der  neuem 
Historiographie  aber  wird  man  ihm  diese  Ehre  wohl  einmal  erweisen 
müssen.  Schon  um  dieses  einen  Buches  willen  wäre  man  berechtigt 
zu  sagen:  das  Studium  des  Altertums  allein  hat  das  des  Mittelalters 
mögüch  gemacht;  jenes  hat  den  Geist  zuerst  an  objektives  geschicht- 
liches Interesse  gewöhnt.  Allerdings  kam  hinzu,  daß  das  Mittelalter 
für  das  damalige  Italien  ohnehin  vorüber  war  und  daß  der  Geist  es 
erkennen  konnte,  weil  es  nun  außer  ihm  lag.  Man  kann  nicht  sagen, 
daß  er  es  sogleich  mit  Gerechtigkeit  oder  gar  mit  Pietät  beurteilt  habe; 
in  den  Künsten  setzt  sich  ein  starkes  Vorurteil  gegen  seine  Hervor- 
bringungen fest,  und  die  Humanisten  datieren  von  ihrem  eigenen  Auf- 
kommen an  eine  neue  Zeit:  „Ich  fange  an''',  sagt  Boccaccio*'^  „zu 
hoflTen  und  zu  glauben,  Gott  habe  sich  des  italienischen  Namens  er- 
barmt, seit  ich  sehe,  daß  seine  reiche  Güte  in  die  Brust  der  Itafiencr 
wieder  Seelen  senkt,  die  denen  der  Alten  gleichen,  insofern  sie  den 


138 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


Ruhm  auf  andern  Wegen  suchen  als  durch  Raub  und  Gewalt,  nämlich 
Anfänge  der  auf  dcm  Pfadc  dcr  unvergänghch  machenden  Poesie."  Aber  diese  ein- 
'^""''  scitige  und  unbillige  Gesinnung  schloß  doch  die  Forschung  bei  den 
Höherbegabten  nicht  aus  zu  einer  Zeit,  da  im  übrigen  Europa  noch 
nicht  davon  die  Rede  war;  es  bildete  sich  für  das  Mittelalter  eine  ge- 
schichtliche Kritik,  schon  weil  die  rationelle  Behandlung  aller  Stoffe 
bei  den  Humanisten  auch  diesem  historischen  Stoffe  zugute  kommen 
mußte.  Im  15.  Jahrhundert  durchdringt  dieselbe  bereits  die  einzelnen 
Städtegeschichten  so  weit,  daß  das  späte  wüste  Fabelwerk  aus  der 
Urgeschichte  von  Florenz,  Venedig,  Mailand  usw.  verschwindet,  wäh- 
rend die  Chroniken  des  Nordens  sich  noch  lange  mit  jenen  poetisch 
meist  wertlosen,  seit  dem  13.  Jahrhundert  ersonnenen  Phantasiegespin- 
sten schleppen  müssen. 

Den  engen  Zusammenhang  der  örtlichen  Geschichte  mit  dem  Ruhm 
haben  wir  schon  oben  bei  Anlaß  von  Florenz  (S.  45)  berührt.  Venedig 
durfte  nicht  zurückbleiben;  so  wie  etwa  eine  venezianische  Gesandt- 
schaft nach  einem  großen  florentinischen  Rednertriumph"*  eilends  nach 
Hause  schreibt,  man  möchte  ebenfalls  einen  Redner  schicken,  so  be- 
dürfen die  Venezianer  auch  einer  Geschichte,  welche  mit  den  Werken 
des  Lionardo  Aretino  und  Poggio  die  Vergleichung  aushalten  soll.  Unter 
solchen  Voraussetzungen  entstanden  im  15.  Jahrhundert  die  Dekaden 
des  Sabellico,  im  16.  die  Historia  rerum  venetarum  des  Pietro  Bembo, 
beide  Arbeiten  in  ausdrückUchem  Auftrag  der  Republik,  letztere  als 
Fortsetzung  der  erstem. 
Italienische  Die  großen  florentinischen  Geschichtschreiber  zu  Anfang  des  15.  Jahr- 
Gescbiciit-    j^ujjjjgi-ts  (S.  4q)  sind  dann  von  Hause  aus  ganz  andere  Menschen  als 

Schreibung  ^        ^J/  o 

die  Lateiner  Giovio  und  Bembo.  Sie  schreiben  italienisch,  nicht  bloß 
weil  sie  mit  der  raffinierten  Eleganz  der  damaligen  Ciceronianer  nicht 
mehr  wetteifern  können,  sondern  weil  sie,  wie  Macchiavelli,  ihren  Stoff 
als  einen  durch  lebendige  Anschauung*^'  gewonnenen  auch  nur  in 
unmittelbarer  Lebensform  wiedergeben  mögen  und  weil  ihnen,  wie 
Abb. 23s.  240  Guicciardini,  Varchi  und  den  meisten  übrigen,  die  möglichst  weite 
und  tiefe  Wirkung  ihrer  Ansicht  vom  Hergang  der  Dinge  am  Herzen 
liegt.  Selbst  wenn  sie  nur  für  wenige  Freunde  schreiben,  wie  Francesco 
Vcttori,  so  müssen  sie  doch  aus  innerm  Drange  Zeugnis  geben  für  Men- 
schen und  Ereignisse,  und  sich  erklären  und  rechtfertigen  über  ihre 
Teilnahme  an  den  letztern. 

Und  dabei  erscheinen  sie,  bei  aller  Eigentümlichkeit  ihres  Stiles  und 
ihrer  Sprache,  doch  auf  das  stärkste  vom  Altertum  berührt  und  ohne 
dessen  Einwirkung  gar  nicht  denkbar.  Sie  sind  keine  Humanisten  mehr, 
allein  sie  sind  durch  den  Humanismus  hindurchgegangen  und  haben 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


139 


vom  Geist  der  antiken  Geschichtschrcibung  mehr  an  sich  als  die  meisten 
jener  Hvianischen  Latinisten:  es  sind  Bürger,  die  für  Bürger  schreiben, 
wie  die  Alten  taten. 

In  die  übrigen  Fachwissenschaften  hinein  dürfen  wir  den  Humanis-  DasAitertum 
mus  nicht  begleiten;  jede  derselben  hat  ihre  Spezialgeschichte,  in  wel-  ■^■'■^"s^™^""^ 

fJ  '  J  r  o  5  Voraus- 

eher  die  italienischen  Forscher  dieser  Zeit,  hauptsächlich  vermöge  des  seumg 
von  ihnen  neu  entdeckten  Sachinhaltes  des  Altertums*'^,  einen  großen 
neuen  Abschnitt  bilden,  womit  dann  jedesmal  das  moderne  Zeitalter 
der  betreffenden  Wissenschaft  beginnt,  hier  mehr,  dort  weniger  ent- 
schieden. Auch  für  die  Pliilosophie  müssen  wir  auf  die  besondem  histo- 
rischen Darstellungen  verweisen.  Der  Einfluß  der  alten  Philosophen 
auf  die  italienische  Kultur  erscheint  dem  Blicke  bald  ungeheuer  groß, 
bald  sehr  untergeordnet.  Ersteres  besonders,  wenn  man  nachrechnet, 
wie  die  Begriffe  des  Aristoteles,  hauptsächlich  aus  seiner  frühverbreite- 
ten Ethik***  und  Politik,  Gemeingut  der  Gebildeten  von  ganz  Italien 
wurden  und  wie  die  ganze  Art  des  Abstrahierens  von  ihm  beherrscht 
war*"".  Letzteres  dagegen,  wenn  man  die  geringe  dogmatische  Wirkung 
der  alten  Philosophen  und  selbst  der  begeisterten  florentinischen  Pla- 
toniker  auf  den  Geist  der  Nation  erwägt.  Was  wie  eine  solche  Wirkung 
aussieht,  ist  in  der  Regel  nur  ein  Niederschlag  der  Bildung  im  allgemei- 
nen, eine  Folge  speziell  italienischer  Geistesentwicklungen.  Bei  Anlaß 
der  Religion  wird  hierüber  noch  einiges  zu  bemerken  sein.  Weit  in 
den  meisten  Fällen  aber  hat  man  es  nicht  einmal  mit  der  allgemeinen 
Bildung,  sondern  nur  mit  der  Äußerung  einzelner  Personen  oder  ge- 
lehrter Kreise  zu  tun,  und  selbst  hier  müßte  jedesmal  unterschieden 
werden  zwdschen  wahrer  Aneignung  antiker  Lehre  und  bloßem  mode- 
mäßigem Mitmachen.  Denn  für  viele  war  das  Altertum  überhaupt 
nur  eine  Mode,  selbst  für  solche,  die  darin  sehr  gelehrt  wurden. 

Indes  braucht  nicht  alles,  was  unserm  Jahrhundert  als  Affektation  Antikisicnmg 
erscheint,  damals  wirklich  affektiert  gewesen  zu  sein.  Die  Anwendung 
griechischer  und  römischer  Namen  als  Taufnamen  z.  B.  ist  noch  immer 
viel  schöner  und  achtungswerter  als  die  heute  beliebte  von  (zumal 
weiblichen)  Namen,  die  aus  Romanen  stammen.  Sobald  die  Begeiste- 
rung für  die  alte  Welt  größer  war  als  die  für  die  Heiligen,  erscheint 
es  ganz  einfach  und  natürlich,  daß  ein  adliges  Geschlecht  seine  Söhne 
Agamemnon,  Achill  und  Tydeus  taufen  ließ*"!,  daß  der  Maler  seinen 
Sohn  Apelles  nannte  und  seine  Tochter  Minerva*"*.  Auch  soviel  wird 
sich  wohl  verteidigen  lassen,  daß  statt  eines  Hausnamens,  welchem 
man  überhaupt  entrinnen  wollte,  ein  wohllautender  antiker  angenom- 
men wurde.  Einen  Heimatsnamen,  der  alle  Mitbürger  mit  bezeichnete 
und  noch  gar  nicht  zum  Familiennamen  geworden  war,  gab  man  ge- 


der  Nameu 


Antike  Um- 
schreibung 
vieler  Dinge 


Alleinherr- 
schaft des 
Lateinischen 


Abb.  224 


140  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

wiß  um  so  lieber  auf,  wenn  er  zugleich  als  Heiligenname  unbequem 
wurde;  Filippo  da  S.  Gemignano  nannte  sich  Callimachus.  Wer  von 
der  Familie  verkannt  und  beleidigt  sein  Glück  als  Gelehrter  in  der 
Fremde  machte,  der  durfte  sich,  auch  wenn  er  ein  Sanseverino  war, 
mit  Stolz  zum  Julius  Pomponius  Laetus  umtaufen.  Auch  die  reine 
Übersetzung  eines  Namens  ins  Lateinische  oder  ins  Griechische  (wie 
sie  dann  in  Deutschland  fast  ausschließlich  Brauch  wurde)  mag  man 
einer  Generation  zugute  halten,  welche  lateinisch  sprach  und  schrieb 
und  nicht  bloß  deklinable,  sondern  leicht  in  Prosa  und  Vers  mitglei- 
tende Namen  brauchte.  Tadelhaft  und  oft  lächerlich  war  erst  das 
halbe  Ändern  eines  Namens,  bis  er  einen  klassischen  Klang  und  einen 
neuen  Sinn  hatte,  sowohl  Taufnamen  als  Zunamen.  So  wurde  aus 
Giovanni  Jovianus  oder  Janus,  aus  Pietro  Pierius  oder  Petreius,  aus 
Antonio  Aonius  u.  dgl.,  sodann  aus  Sannazaro  Syncerus,  aus  Luca 
Grasso  Lucius  Crassus  usw.  Ariosto,  der  sich  über  diese  Dinge  so  spöt- 
tisch ausläßt^"^,  hat  es  dann  noch  erlebt,  daß  man  Kinder  nach  seinen 
Helden  und  Heldinnen  benannte^"*. 

Auch  die  Antikisierung  vieler  Lebensverhältnisse,  Amtsnamen,  Ver- 
richtungen, Zeremonien  usw.  in  den  lateinischen  Schriftstellern  darf 
nicht  zu  strenge  beurteilt  werden.  Solange  man  sich  mit  einem  einfachen, 
fließenden  Latein  begnügte,  wie  dies  bei  den  Schriftstellern  etwa  von 
Petrarca  bis  auf  Aeneas  Sylvius  der  Fall  war,  kam  dies  allerdings  nicht 
in  auffallender  Weise  vor,  unvermeidlich  aber  wurde  es,  seit  man  nach 
einem  absolut  reinen,  zumal  ciceronischen  Latein  strebte.  Da  fugten 
sich  die  modernen  Dinge  nicht  mehr  in  die  Totalität  des  Stiles,  wenn 
man  sie  nicht  künstlich  umtaufte.  Pedanten  machten  sich  nun  ein 
Vergnügen  daraus,  jeden  Stadtrat  als  Patres  conscripti,  jedes  Nonnen- 
kloster als  Virgines  Vestales,  jeden  Heiligen  als  Divus  oder  Deus  zu 
betiteln,  während  Leute  von  feinerm  Geschmack  wie  Paolo  Giovio 
damit  wahrscheinlich  nur  taten,  was  sie  nicht  vermeiden  konnten.  Weil 
Giovio  keinen  Akzent  darauf  legt,  stört  es  auch  nicht,  wenn  in  seinen 
wohllautenden  Phrasen  die  Kardinäle  Senatores  heißen,  ihr  Dekan 
Princeps  Senatus,  die  Exkommunikation  Dirae^"*,  der  Karneval  Lu- 
percalia  usw.  Wie  sehr  man  sich  hüten  muß,  aus  dieser  Stilsachc  einen 
voreiligen  Schluß  auf  die  ganze  Denkweise  zu  ziehen,  liegt  gerade  bei 
diesem  Autor  klar  zutage. 

Die  Geschichte  des  lateinischen  Stiles  an  sich  dürfen  wir  hier  nicht 
verfolgen.  Volle  zwei  Jahrhundertc  hindurch  taten  die  Humanisten 
dergleichen,  als  ob  das  Lateinische  überhaupt  die  einzige  würdige 
Schriftsprache  wäre  und  bleiben  müßte.  Poggio^"*  bedauert,  daß  Dante 
sein  großes   Gedicht  italienisch   verfaßt   habe,   und   bekanntlich   hatte 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  IJ.I 

Dante  es  in  der  Tat  mit  dem  Lateinischen  versucht  und  den  Anfang  des 
Inferno  zuerst  in  Hexametern  gedichtet.  Das  ganze  Schicksal  der  italie- 
nischen Poesie  hing  davon  ab,  daß  er  nicht  in  dieser  Weise  fortfuhr^", 
aber  noch  Petrarca  verheß  sich  mehr  auf  seine  lateinischen  Dichtungen 
als  auf  seine  Sonette  und  Kanzonen,  und  die  Zumutung,  lateinisch 
zu  dichten,  ist  noch  an  Ariosto  ergangen.  Einen  stärkern  Zwang  hat 
es  in  literarischen  Dingen  nie  gegeben*"*,  allein  die  Poesie  entwischte 
demselben  größtenteils,  und  jetzt  können  wir  wohl  ohne  allzu  großen 
Optimismus  sagen:  es  ist  gut,  daß  die  italienische  Poesie  zweierlei 
Organe  hatte,  denn  sie  hat  in  beiden  Vortreffliches  und  Eigentümliches 
geleistet,  und  zwar  so,  daß  man  inne  wird,  weshalb  hier  italienisch, 
dort  lateinisch  gedichtet  wurde.  Vielleicht  gilt  Ähnliches  auch  von  der 
Prosa;  die  Weltstellung  und  der  Weltruhm  der  italienischen  Bildung 
hing  davon  ab,  daß  gewisse  Gegenstände  lateinisch  —  Urbi  et  orbi  — 
behandelt  wurden*"*,  während  die  italienische  Prosa  gerade  von  den- 
jenigen am  besten  gehandhabt  worden  ist,  welchen  es  einen  innern 
Kampf  kostete,  nicht  lateinisch  zu  schreiben. 

Als  reinste  Quelle  der  Prosa  galt  seit  dem  14.  Jahrhundert  unbestritten  Qudiendes 
Cicero.  Dies  kam  bei  weitem  nicht  bloß  von  einer  abstrakten  Über-  ^  "'  '"" 
Zeugung  zugunsten  seiner  Wörter,  seiner  Satzbildung  und  seiner  litera- 
rischen Kompositionsweise  her,  sondern  im  italienischen  Geiste  fand 
die  Liebenswürdigkeit  des  Briefschreibers,  der  Glanz  des  Redners,  die 
klare,  beschauliche  Art  des  philosophischen  Darstellers  einen  vollen 
Widerklang.  Schön  Petrarca  erkannte  vollständig  die  Schwächen  des 
Menschen  und  Staatsmannes  Cicero*^",  er  hatte  nur  zuviel  Respekt, 
um  sich  darüber  zu  freuen;  seit  ihm  hat  sich  zunächst  die  Epistolo- 
graphie  fast  ausschließlich  nach  Cicero  gebildet,  und  die  andern  Gat- 
tungen, mit  Ausnahme  der  erzählenden,  folgten  nach.  Doch  der  wahre 
Ciceronianismus,  der  sich  jeden  Ausdruck  versagte,  wenn  derselbe  nicht 
aus  der  Quelle  zu  belegen  war,  beginnt  erst  zu  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts, nachdem  die  grammatischen  Schriften  des  Lorenzo  Valla 
ihre  Wirkung  durch  ganz  Italien  getan,  nachdem  die  Aussagen  der 
römischen  Literarhistoriker  selbst  gesichtet  und  verglichen  waren*". 
Jetzt  erst  unterscheidet  man  genauer  und  bis  auf  das  genaueste  die  Stil- 
schatticrungen  in  der  Prosa  der  Alten,  und  kommt  mit  tröstlicher 
Sicherheit  immer  wieder  auf  das  Ergebnis,  daß  Cicero  allein  das  un- 
bedingte Muster  sei,  oder,  wenn  man  alle  Gattungen  umfassen  wollte: 
,, jenes  unsterbliche  und  fast  himmlische  Zeitalter  Ciceros"*^.  Jetzt 
wandten  Leute  wie  Pietro  Bembo,  Picrio  Valeriano  u.  a.  ihre  besten  Abb.  245 
Kräfte  auf  dieses  Ziel;  auch  solche,  die  lange  widerstrebt  und  sich  aus 
den  ältesten   Autoren  eine   archaistische   Diktion   zusammengebaut*^. 


142 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


gaben  endlich  nach  und  knieten  vor  Cicero;  jetzt  ließ  sich  Longolius 
von  Bembo  bestimmen,  fünf  Jahre  lang  nur  Cicero  zu  lesen;  derselbe 
gelobte  sich,  gar  kein  Wort  zu  brauchen,  welches  nicht  in  diesem  Autor 
vorkäme,  und  solche  Stimmungen  brachen  dann  zu  jenem  großen  ge- 
lehrten Streit  aus,  in  welchem  Erasmus  und  der  ältere  Scaliger  die 
Scharen  führten. 
Bedingte  und  Dcnn  auch  dic  Bewunderer  Ciceros  waren  doch  lange  nicht  alle  so 
ciceroDianer  cinscitig,  ihn  als  die  einzige  Quelle  der  Sprache  gelten  zu  lassen.  Noch 
im  15.  Jahrhundert  wagten  Poliziano  und  Ermolao  Barbaro  mit  Be- 
wußtsein nach  einer  eigenen,  individuellen  Latinität  zu  streben"*,  natür- 
lich auf  der  Basis  einer  „überquellend  großen"  Gelehrsamkeit,  und  dieses 
Ziel  hat  auch  derjenige  verfolgt,  welcher  uns  dies  meldet,  Paolo  Giovio. 
Er  hat  eine  Menge  moderner  Gedanken,  zumal  ästhetischer  Art,  zu- 
erst und  mit  großer  Anstrengung  lateinisch  wiedergegeben,  nicht  immer 
glücklich,  aber  bisweilen  mit  einer  merkwürdigen  Kraft  und  Eleganz. 
Seine  lateinischen  Charakteristiken  der  großen  Maler  und  Bildhauer 
jener  Zeit^'*  enthalten  das  Geistvollste  und  das  Mißratenste  neben- 
einander. Auch  Leo  X.,  der  seinen  Ruhm  darein  setzte,  „ut  lingua 
latina  nostro  pontificatu  dicatur  facta  auctior""',  neigte  sich  einer 
liberalen,  nicht  ausschließlichen  Latinität  zu,  wie  dies  bei  seiner  Rich- 
tung auf  den  Genuß  nicht  anders  möglich  war;  ihm  genügte  es,  wenn 
das,  was  er  anzuhören  und  zu  lesen  hatte,  wahrhaft  lateinisch,  lebendig 
Die  lateini-  und  clcgaut  crschieu.  Endlich  gab  Cicero  für  die  lateinische  Konver- 
sation kein  Vorbild,  so  daß  man  hier  gezwungen  war,  andere  Götter 
neben  ihm  zu  verehren.  In  die  Lücke  traten  die  in  und  außerhalb 
Rom  ziemlich  häufigen  Aufführungen  der  Komödien  des  Plautus  und 
Terenz,  welche  für  die  Mitspielenden  eine  unvergleichliche  Übung  des 
Lateinischen  als  Umgangssprache  abgaben.  Schon  unter  Paul  IL  wird*^' 
der  gelehrte  Kardinal  von  Thcanum  (wahrscheinlich  Niccolö  Forti- 
guerra  von  Pistoja)  gerühmt,  weil  er  sich  auch  an  die  schlechtesterhal- 
tenen,  der  Personenverzeichnisse  beraubten  plautinischen  Stücke  wage 
und  dem  ganzen  Autor  um  der  Sprache  willen  die  größte  Aufmerk- 
samkeit widme,  und  von  ihm  könnte  wohl  auch  die  Anregung  zum  Auf- 
führen jener  Stücke  ausgegangen  sein.  Dann  nahm  sich  Pomponius 
Laetus  der  Sache  an,  und  wo  in  den  Säulenhöfen  großer  Prälaten  Plautus 
über  die  Szene  ging*^,  war  er  Regisseur.  Daß  man  seit  etwa  1520  davon 
abkam,  zählt  Giovio,  wie  wir  (S.  134)  sahen,  mit  unter  die  Ursachen 
des  Verfalls  der  Eloquenz. 

Zum  Schluß  dürfen  wir  hier  eine  Parallele  des  Ciceronianismus  aus 
dem  Gebiete  der  Kunst  namhaft  machen:  den  Vitruvianismus  der 
Architekten.    Und   zwar   bekundet  sich   auch   hier  das  durchgehende 


sehe  Konver' 
sation 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


143 


Gesetz  der  Renaissance,  daß  die  Bewegung  in  der  Bildung  durchgängig 
der  analogen  Kunstbewegung  vorangeht.  Im  vorliegenden  Fall  möchte 
der  Unterschied  etwa  zwei  Jahrzehnte  betragen,  wenn  man  von  Kar- 
dinal Hadrian  von  Cometo  (1505?)  bis  auf  die  ersten  absoluten  Vitru- 
vianer  rechnet. 

Der  höchste  Stolz  des  Humanisten  endlich  ist  die  neulateinische  Dich-    Lateinische 
tung.  Soweit  sie  den  Humanismus  charakterisieren  hilft,  muß  auch  sie       '   '™^ 
hier  behandelt  werden. 

Wie  vollständig  sie  das  Vorurteil  für  sich  hatte,  wie  nahe  ihr  der 
entschiedene  Sieg  stand,  wurde  oben  (S.  140)  dargetan.  Man  darf  von 
vornherein  überzeugt  sein,  daß  die  geistvollste  und  meistentwickelte 
Nation  der  damaligen  Welt  nicht  aus  bloßer  Torheit,  nicht  ohne  etwas 
Bedeutendes  zu  wollen,  in  der  Poesie  auf  eine  Sprache  verzichtete, 
wie  die  italienische  ist.  Eine  übermächtige  Tatsache  muß  sie  dazu  be- 
stimmt haben. 

Dies  war  die  Bewunderung  des  Altertums.  Wie  jede  echte,  rück- 
haltlose Bewunderung  erzeugte  sie  notwendig  die  Nachahmung.  Auch 
in  andern  Zeiten  und  bei  andern  Völkern  finden  sich  eine  Menge 
vereinzelter  Versuche  nach  diesem  nämlichen  Ziele  hin,  nur  in  Italien 
aber  waren  die  beiden  Hauptbedingungen  der  Fortdauer  und  Weiter- 
bildung für  die  neulateinische  Poesie  vorhanden:  ein  allseitiges  Ent- 
gegenkommen bei  den  Gebildeten  der  Nation  und  ein  teilweises  Wieder- 
erwachen des  antiken  italischen  Genius  in  den  Dichtern  selbst,  ein  wun- 
dersames Weiterklingen  eines  uralten  Saitenspiels.  Das  Beste,  was  so  ihr  wen 
entsteht,  ist  nicht  mehr  Nachahmung,  sondern  eigene  freie  Schöpfung. 
Wer  in  den  Künsten  keine  abgeleiteten  Formen  vertragen  kann,  wer 
entweder  schon  das  Altertum  selber  nicht  schätzt  oder  es  im  Gegenteil 
für  magisch  unnahbar  und  unnachahmlich  hält,  wer  endlich  gegen 
Verstöße  keine  Nachsicht  übt  bei  Dichtern,  welche  z.  B.  eine  Menge 
Silbenquantitäten  neu  entdecken  oder  erraten  mußten,  der  lasse  diese 
Literatur  beiseite.  Ihre  schönern  Werke  sind  nicht  geschaffen,  um  irgend- 
einer absoluten  Kritik  zu  trotzen,  sondern  um  den  Dichter  und  viele 
Tausende  seiner  Zeitgenossen  zu  erfreuen"*. 

Am  wenigsten  Glück  hatte  man  mit  dem  Epos  aus  Geschichten  und  oeschicht- 
Sagen  des  Altertums.  Die  wesentlichen  Bedingungen  einer  lebendigen  '"^^  _^^ 
epischen  Poesie  werden  bekanntlich  niciit  einmal  den  römischen  Vor- 
bildern, ja  außer  Homer  nicht  einmal  den  Griechen  zuerkannt;  wie 
hätten  sie  sich  bei  den  Lateinern  der  Renaissance  finden  sollen.  Indes 
möchte  doch  die  Africa  des  Petrarca  im  ganzen  so  viele  und  so  begei- 
sterte Leser  und  Hörer  gefunden  haben  als  irgendein  Epos  der  neuern 
Zeit.  Absicht  und  Entstehung  des  Gedichtes  sind  nicht  ohne  Interesse. 


144 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


Das  14.  Jahrhundert  erkannte  mit  ganz  richtigem  Gefühl  in  der  Zeit 
des  zweiten  Punischen  Krieges  die  Sonnenhöhe  des  Römertums,  und 
diese  wölke  und  mußte  Petrarca  behandeln.  Wäre  Silius  Italicus  schon 
entdeckt  gewesen,  so  hätte  er  vielleicht  einen  andern  Stoff  gewählt,  in 
dessen  Ermanglung  aber  lag  die  Verherrlichung  des  altern  Scipio  Afri- 
canus  dem  15.  Jahrhundert  so  nahe,  daß  schon  ein  anderer  Dichter, 
Abb.2ig  Zanobi  di  Strada,  sich  diese  Aufgabe  gestellt  hatte;  nur  aus  Hoch- 
achtung für  Petrarca  zog  er  sein  bereits  vorgerücktes  Gedicht  zurück*^**. 
Wenn  es  irgendeine  Berechtigung  für  die  Africa  gab,  so  lag  sie  darin, 
daß  sich  damals  und  später  jedermann  für  Scipio  interessierte,  als  lebte 
er  noch,  daß  er  für  größer  galt  als  Alexander,  Pompejus  und  Cäsar^^i^ 
Wie  viele  neuere  Epopöen  haben  sich  eines  für  ihre  Zeit  so  populären, 
im  Grunde  historischen  und  dennoch  für  die  Anschauung  mythischen 
Gegenstandes  zu  rühmen?  An  sich  ist  das  Gedicht  jetzt  freiUch  ganz 
unlesbar.  Für  andere  historische  Sujets  müssen  wir  auf  die  Literatur- 
geschichten verweisen. 
Mythoio-  Reicher  und  ausgiebiger  war  schon  das  Weiterdichten  am  antiken 
b^oUsche  Mythus,  das  Ausfüllen  der  poetischen  Lücken  in  demselben.  Hier  griff 
Poesie  auch  die  italienische  Dichtung  früh  ein,  schon  mit  der  Teseide  des 
Abb.:s'>--6r,  Boccaccio,  welche  als  dessen  bestes  poetisches  Werk  gilt.  Lateinisch 
^^^'^"g"  '  dichtete  Maffeo  Vegio  unter  Martin  V.  ein  dreizehntes  Buch  zur  Aeneide; 
dann  finden  sich  eine  Anzahl  kleinerer  Versuche  zumal  in  der  Art  des 
Claudian,  eine  Meleagris,  eine  Hesperis  usw.  Das  Merkwürdigste  aber 
sind  die  neu  ersonnenen  Mythen,  welche  die  schönsten  Gegenden  Ita- 
liens mit  einer  Urbevölkerung  von  Göttern,  Nymphen,  Genien  und 
auch  Hirten  erfüllen,  wie  denn  überhaupt  hier  das  Epische  und  das 
Bucolische  nicht  mehr  zu  trennen  sind.  Daß  in  den  bald  erzählenden, 
bald  dialogischen  Eklogen  seit  Petrarca  das  Hirtenleben  schon  beinah 
völlig*^  konventionell,  als  Hülle  beliebiger  Phantasien  und  Gefühle 
behandelt  ist,  wird  bei  späterm  Anlaß  wieder  hervorzuheben  sein;  liier 
handelt  es  sich  nur  um  die  neuen  Mythen.  Deutlicher  als  sonst  irgend- 
wo verrät  es  sich  hier,  daß  die  alten  Götter  in  der  Renaissance  eine  dop- 
pelte Bedeutung  haben:  einerseits  ersetzen  sie  allerdings  die  allgemeinen 
Begriffe  und  machen  die  allegorischen  Figuren  unnötig,  zugleich  aber 
sind  sie  auch  ein  freies,  selbständiges  Element  der  Poesie,  ein  Stück 
neutrale  Schönheit,  welches  jeder  Dichtung  beigemischt  und  stets  neu 
kombiniert  werden  kann.  Keck  voran  ging  Boccaccio  mit  seiner  imagi- 
nären Götter-  und  Hirtcnwelt  der  Umgebung  von  Florenz,  in  seinem 
Ninfale  d'Ameto  und  Ninfale  fiesolano,  welche  italienisch  gedichtet 
sind.  Das  Meisterwerk  aber  möchte  wohl  der  Sarca  des  Pietro  Bembo*^ 
sein:  die  Werbung  des  Flußgottes  jenes  Namens  um  die  Nymphe  Garda, 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


145 


das  prächtige  Hochzeitsmahl  in  einer  Höhle  am  Monte  Baldo,  die 
Weissagungen  der  Manto,  Tochter  des  Tiresias,  von  der  Geburt  des 
Kindes  Mincius,  von  der  Gründung  Mantuas  und  vom  künftigen  Ruhme 
des  Virgil,  der  als  Sohn  des  Mincius  und  der  Nymphe  von  Andes, 
Maja,  geboren  werden  wird.  Zu  diesem  stattUchen  humanistischen  Ro- 
koko fand  Bembo  sehr  schöne  Verse  und  eine  Schlußanrede  an  Virgil, 
um  welche  ihn  jeder  Dichter  beneiden  kann.  Man  pflegt  dergleichen 
als  bloße  Deklamation  gering  zu  achten,  worüber,  als  über  eine  Ge- 
schmackssache, mit  niemandem  zu  rechten  ist. 

Ferner  entstanden  umfangreiche  epische  Gedichte  biblischen  und  chnstuches 
kirchlichen  Inhaltes  in  Hexametern.  Nicht  immer  bezweckten  die  Ver-  ""^ 
fasser  damit  eine  kirchliche  Beförderung  oder  die  Erwerbung  päpst- 
licher Gunst;  bei  den  Besten,  und  auch  bei  Ungeschicktem  wie  Battista 
Mantuano,  dem  Verfasser  der  Parthenice,  wird  man  ein  ganz  ehrliches 
Verlangen  voraussetzen  dürfen,  mit  ihrer  gelehrten  lateinischen  Poesie 
dem  Heiligen  zu  dienen,  womit  freilich  ihre  halb  heidnische  Auffassung 
des  Katholizismus  nur  zu  wohl  zusammenstimmte.  Gyraldus  zählt  ihrer 
eine  Anzahl  auf,  unter  welchen  Vida  mit  seiner  Christiade,  Sannazaro  sannaiaro 
mit  seinen  drei  Gesängen  ,,De  partu  Virginis"  in  erster  Reihe  stehen.  °  ' '''' 
Sannazaro  imponiert  durch  den  gleichmäßigen  gewaltigen  Fluß,  in 
welchen  er  Heidnisches  und  Christliches  ungescheut  zusammendrängt, 
durch  die  plastische  Kraft  der  Schilderung,  durch  die  vollkommen 
schöne  Arbeit.  Er  hatte  sich  nicht  vor  der  Vergleichung  zu  fürchten, 
als  er  die  Verse  von  Virgils  vierter  Ekloge  in  den  Gesang  der  Hirten 
an  der  Krippe  verflocht.  Im  Gebiet  des  Jenseitigen  hat  er  da  und  dort 
einen  Zug  dantesker  Kühnheit,  wie  z.  B.  König  David  im  Limbus 
der  Patriarchen  sich  zu  Gesang  und  Weissagung  erhebt,  oder  wie  der 
Ewige  thronend  in  seinem  Mantel,  der  von  Bildern  alles  elementaren 
Daseins  schimmert,  die  himmlischen  Geister  anredet.  Andere  Male 
bringt  er  unbedenklich  die  alte  Mythologie  mit  seinem  Gegenstande 
in  Verbindung,  ohne  doch  eigentlich  barock  zu  erscheinen,  weil  er 
die  Heidengötter  nur  gleichsam  als  Einrahmung  benutzt,  ihnen  keine 
Hauptrollen  zuteilt.  Wer  das  künstlerische  Vermögen  jener  Zeit  in 
seinem  vollen  Umfange  kennenlernen  will,  darf  sich  gegen  ein  Werk 
wie  dieses  nicht  abschließen.  Sannazaros  Verdienst  erscheint  um  so 
viel  größer,  da  sonst  die  Vermischung  von  Christlichem  und  Heid- 
nischem in  der  Poesie  viel  leichter  stört  als  in  der  bildenden  Kunst;  Einmischung 
letztere  kann  das  Auge  dabei  beständig  durch  irgendeine  bestimmte,  ''" '^>'^'''°''^" 
greifbare  Schönheit  schadlos  halten  und  ist  überhaupt  von  der  Sach- 
bedeutung ihrer  Gegenstände  viel  unabhängiger  als  die  Poesie,  indem 
die  Einbildungskraft  bei  ihr  eher  an  der  Form,  bei  der  Poesie  eher  an 

Buickhardt  10 


1^6  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

der  Sache  weiterspinnt.  Der  gute  Battista  Mantuano  in  seinem*"  Fest- 
kalender hatte  einen  andern  Ausweg  versucht;  statt  Götter  und  Halb- 
götter der  heiligen  Geschichte  dienen  zu  lassen,  bringt  er  sie,  wie  die 
Kirchenväter  taten,  in  Gegensatz  zu  derselben;  während  der  Engel 
Gabriel  zu  Nazareth  die  Jungfrau  grüßt,  ist  ihm  Mcrcur  vom  Carmel 
her  nachgeschwebt  und  lauscht  nun  an  der  Pforte;  dann  berichtet 
er  das  Gehörte  den  versammelten  Göttern  und  bewegt  sie  damit  zu 
den  äußersten  Entschlüssen.  Andere  Male*^*  freilich  müssen  bei  ihm 
Thetis,  Ceres,  Aeolus  usw.  wieder  der  Madonna  und  ihrer  Herrlichkeit 
gutwillig  Untertan  sein. 

Sannazaros  Ruhm,  die  Menge  seiner  Nachahmer,  die  begeisterte 
Huldigung  der  Größten  jener  Zeit  —  dies  alles  zeigt,  wie  sehr  er  seinem 
Jahrhundert  nötig  und  wert  war.  Für  die  Kirche  beim  Beginn  der 
Reformation  löste  er  das  Problem:  völlig  klassisch  und  doch  christlich 
zu  dichten,  und  Leo  sowohl  als  Clemens  sagten  ihm  lauten  Dank  dafür. 
z.  itgcschitht-  Endlich  wurde  in  Hexametern  oder  Distichen  auch  die  Zeitgeschichte 
'"  ^''^  '  behandelt,  bald  mehr  erzählend,  bald  mehr  panegyrisch,  in  der  Regel 
aber  zu  Ehren  eines  Fürsten  oder  Fürstenhauses.  So  entstand  eine 
Sphorcias,  eine  Borseis,  eine  Borgias,  eine  Triultias  usw.,  freilich  mit 
gänzlichem  Verfehlen  des  Zweckes,  denn  wer  irgend  berühmt  und  un- 
sterblich geblieben  ist,  der  blieb  es  nicht  durch  diese  Art  von  Gedichten, 
gegen  welche  die  Welt  einen  unvertilgbaren  Widerwillen  hat,  selbst 
wenn  sich  gute  Dichter  dazu  hergeben.  Ganz  anders  wirken  kleinere, 
genreartig  und  ohne  Pathos  ausgeführte  Einzelbilder  aus  dem  Leben 
der  berühmten  Männer,  wie  z.  B.  das  schöne  Gedicht  von  Leos  X. 
Jagd  bei  Palo*-*  oder  die  „Reise  Julius  II."  von  Hadrian  von  Corneto 
(S.  70).  Glänzende  Jagdschilderungen  jener  Art  gibt  es  auch  von  Er- 
cole  Strozza,  von  dem  eben  genannten  Hadrian  u.  a.  m.,  und  es  ist 
schade,  wenn  sich  der  moderne  Leser  durch  die  zugrundeliegende 
Schmeichelei  abschrecken  oder  erzürnen  läßt.  Die  Meisterschaft  der 
Behandlung  und  der  bisweilen  nicht  unbedeutende  geschichtliche  Wert 
sichern  diesen  anmutigen  Dichtungen  ein  längeres  Fortleben,  als  manche 
jetzt  namhafte  Poesien  unserer  Zeit  haben  dürften. 

Im  ganzen  sind  diese  Sachen  immer  um  so  viel  besser,  je  mäßiger 
die  Einmischung  des  Pathetischen  und  Allgemeinen  ist.  Es  gibt  ein- 
zelne kleinere  epische  Dichtungen  von  berühmten  Meistern,  die  durch 
My^hoio-  barockes  mythologisches  Drcinfahren  unbewußt  einen  unbeschreiblich 
gisierung  j^omischen  Eindruck  hervorbringen.  So  das  Trauergedicht  des  Ercole 
Strozza**'  auf  Cesarc  Borgia  (S.  67).  Man  hört  die  klagende  Rede 
der  Roma,  welche  all  ihre  Hoffnung  auf  die  spanischen  Päpste  Calixt  HL 
und  Alexander  VL  gesetzt  hatte  und  dann  Cesare  für  den  Verheißenen 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


147 


hielt,  dessen  Geschichte  durchgegangen  wird  bis  zur  Katastrophe  des 
Jahres  1503.  Dann  fragt  der  Dichter  die  Muse,  welches  in  jenem  Augen- 
blick*^ die  Ratschlüsse  der  Götter  gewesen,  und  Erato  erzählt:  auf  dem 
Olymp  nahmen  Pallas  für  die  Spanier,  Venus  für  die  Italiener  Partei; 
beide  umfaßten  Jupiters  Knie,  worauf  er  sie  küßte,  begütigte  und  sich 
ausredete,  er  vermöge  nichts  gegen  das  von  den  Parzen  gesponnene 
Schicksal,  die  Götterverheißungen  würden  sich  aber  erfüllen  durch 
das  Kind  vom  Hause  Este-Borgia*'";  nachdem  er  die  abenteuerliche 
Urgeschichte  beider  Familien  erzählt,  beteuert  er,  dem  Cesare  sowenig 
die  Unvergänglichkeit  schenken  zu  können  als  einst  —  trotz  großer  Für- 
bitten —  einem  Memnon  oder  Achill;  endlich  schließt  er  mit  dem 
Tröste,  Cesare  werde  vorher  noch  im  Krieg  viele  Leute  umbringen. 
Nun  geht  Mars  nach  Neapel  und  bereitet  Krieg  und  Streit,  Pallas 
aber  eilt  nach  Nepi  und  erscheint  dort  dem  kranken  Cesare  unter  der 
Gestalt  Alexanders  VI.;  nach  einigen  Vermahnungen,  sich  zu  schicken 
und  sich  mit  dem  Ruhme  seines  Namens  zu  begnügen,  verschwindet 
die  päpstliche  Göttin  „wie  ein  Vogel". 

Man  verzichtet  indes  unnützerweise  auf  einen  bisweilen  großen  Ge- 
nuß, wenn  man  alles  perhorresziert,  worin  antike  Mythologie  wohl 
oder  übel  verwoben  ist;  bisweilen  hat  die  Kunst  diesen  an  sich  konven- 
tionellen Bestandteil  so  sehr  geadelt  als  in  Malerei  und  Skulptur.  Auch 
fehlt  es  sogar  für  den  Liebhaber  nicht  an  Anfängen  der  Parodie  (S.  91), 
z.  B.  in  der  Macaroneide,  wozu  dann  das  komische  Götterfest  des 
Giovanni  Bellini  bereits  eine  Parallele  bildet.  Abb.  336 

Manche  erzählende  Gedichte  in  Hexametern  sind  auch  bloße  Exer-  Bwechtigung 
zitien   oder  Bearbeitungen  von   Relationen  in   Prosa,   welche   letztere  ^"'*f"^*!"° 
der  Leser  vorziehen  wird,  wo  er  sie  findet.  Am  Ende  wurde  bekannt-     geschieht« 
lieh  alles,  jede  Fehde  und  jede   Zeremonie,  besungen,  auch  von  den 
deutschen  Humanisten  der  Reformationszeit"**.  Indes  würde  man  un- 
recht tun,  dies  bloß  dem  Müßiggang  und  der  übergroßen   Leichtig- 
keit im  Versemachen  zuzuschreiben.  Bei  den  Italienern  wenigstens  ist 
es  ein  ganz  entschiedener  Überfluß  an  Stilgefühl,  wie  die  gleichzeitige 
Masse  von  italienischen  Berichten,  Geschichtsdarstellungen  und  selbst 
Pamphleten  in  Terzinen  beweist.  So  gut  Niccolo  da  Uzzano  sein  Pia-     Abb.  .10 
kat  mit  einer  neuen  Staatsverfassung,  Machiavelli  seine  Übersicht  der 
Zeitgeschichte,  ein  Dritter  das  Leben  Savonarolas,  ein  Vierter  die  Be- 
lagerung von  Piombino  durch  Alfons  den  Großen"!  usw.  in  diese  schwie-    Abb.  ss.  «9 
rigc  italienische  Versart  gössen,  um  eindringlicher  zu  wirken,  ebensogut 
mochten  viele  andere  für  ihr  Publikum  des  Hexameters  bedürfen,  um 
es  zu  fesseln.  Was  man  in  dieser  Form  vertragen  konnte  und  begehrte, 

.....  T^  Didaktische 

zeigt  am  besten  die  didaktische  Poesie.  Diese  nimmt  im  16.  Jahrhundert      Poesi^ 

10* 


IA8  die  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

einen  ganz  erstaunlichen  Aufschwung,  um  das  Goldmachen,  das  Schach- 
spiel, die  Seidenzucht,  die  Astronomie,  die  venerische  Seuche  u.  dgl. 
in  Hexametern  zu  besingen,  wozu  noch  mehrere  umfassende  italieni- 
sche Dichtungen  kommen.  Man  pflegt  dergleichen  heutzutage  unge- 
lesen  zu  verdammen,  und  inwiefern  diese  Lehrgedichte  wirklich  lesens- 
wert sind,  wüßten  auch  wir  nicht  zu  sagen.  Eins  nur  ist  gewiß,  daß  Epo- 
chen, die  der  unsrigen  an  Schönheitssinn  unendlich  überlegen  waren, 
daß  die  spätgriechische  und  die  römische  Welt  und  die  Renaissance 
die  betreffende  Gattung  von  Poesie  nicht  entbehren  konnten.  Man 
mag  dagegen  einwenden,  daß  heute  nicht  der  Mangel  an  Schönheits- 
sinn, sondern  der  größere  Ernst  und  die  universalistische  Behandlung 
alles  Lehrenswerten  die  poetische  Form  ausschlössen,  was  wir  auf  sich 
beruhen  lassen. 

Eines  dieser  didaktischen  Werke  wird  noch  jetzt  hier  und  da  wieder 
aufgelegt:  der  Zodiacus  des  Lebens,  von  Marcellus  Palingenius,  einem 
ferraresischen  Kryptoprotestanten.  An  die  höchsten  Fragen  von  Gott, 
Tugend  und  Unsterblichkeit  knüpft  der  Verfasser  die  Besprechung  vieler 
Verhältnisse  des  äußern  Lebens  und  ist  von  dieser  Seite  auch  eine 
nicht  zu  verachtende  sittengeschichtliche  Autorität.  Im  wesentlichen  je- 
doch geht  sein  Gedicht  schon  aus  dem  Rahmen  der  Renaissance  her- 
aus, wie  denn  auch,  seinem  ernsten  Lehrzweck  gemäß,  bereits  die 
Allegorie  der  Mythologie  den  Rang  abläuft. 
Lateinisciie  Weit  am  nächstcu  kam  aber  der  Poet-Philolog  dem  Altertum  in  der 
Lyrik,  und  zwar  speziell  in  der  Elegie;  außerdem  noch  im  Epigramm. 

In  der  leichtern  Gattung  übte  CatuU  eine  wahrhaft  faszinierende 
Wirkung  auf  die  Italiener  aus.  Manches  elegante  lateinische  Madrigal, 
manche  kleine  Invektive,  manches  boshafte  Billett  ist  reine  Umschrei- 
bung nach  ihm;  dann  werden  verstorbene  Hündchen,  Papageien  be- 
klagt ohne  ein  Wort  aus  dem  Gedicht  von  Lesbiens  Sperling  und  doch 
in  völliger  Abhängigkeit  von  dessen  Gedankengang.  Indes  gibt  es  kleine 
Gedichte  dieser  Art,  welche  auch  den  Kenner  über  ihr  wahres  Alter 
täuschen  können,  wenn  nicht  ein  sachlicher  Bezug  klar  auf  das  15.  oder 
16.  Jahrhundert  hinweist. 

Dagegen  möchte  von  Oden  des  sapphischen,  alkäischen  usw.  Vers- 
maßes kaum  eine  zu  finden  sein,  welche  nicht  irgendwie  ihren  moder- 
nen Ursprung  deutlich  verriete.  Dies  geschieht  meist  durch  eine  rhe- 
torische Redseligkeit,  welche  im  Altertum  erst  etwa  dem  Statins  eigen 
ist,  durch  einen  auffallenden  Mangel  an  lyrischer  Konzentration,  wie 
diese  Gattung  sie  durchaus  verlangt.  Einzelne  Partien  einer  Ode,  zwei 
oder  drei  Strophen  zusammen,  sehen  wohl  etwa  wie  ein  antikes  Frag- 
ment aus,  ein  längeres  Ganzes  hält  diese  Farbe  selten  fest.   Und  wo 


Lyrik 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I^Q 

dies  der  Fall  ist,  wie  z.  B.  in  der  schönen  Ode  an  Venus  von  Andrea 
Navagero,  da  erkennt  man  leicht  eine  bloße  Umschreibung  nach  anti-  Abb.  250,  ^53 
ken  Meisterwerken*^.  Einige  Odendichter  bemächtigen  sich  des  Hei- 
ligenkultes und  bilden  ihre  Invokationen  sehr  geschmackvoll  den  hora- 
zischen  und  catullischen  Oden  analogen  Inhaltes  nach.  So  Navagero 
in  der  Ode  an  den  Erzengel  Gabriel,  so  besonders  Sannazaro,  der  in  Die  oden  auf 
der  Substituierung  einer  heidnischen  Andacht  sehr  weit  geht.  Er  feiert  '  ^' 
vorzüglich  seinen  Namensheiligen^  dessen  Kapelle  zu  seiner  herr- 
hch  gelegenen  kleinen  Villa  am  Gestade  des  Posilipp  gehörte,  „dort 
wo  die  Meereswoge  den  Felsquell  wegschlürft  und  an  die  Mauer  des 
kleinen  Heiligtums  anschlägt".  Seine  Freude  ist  das  alljährliche  St.  Na- 
zariusfest,  und  das  Laubwerk  und  die  Girlanden,  womit  das  Kirchlein 
zumal  an  diesem  Tage  geschmückt  wird,  erscheinen  ihm  als  Opfergaben. 
Auch  fern  auf  der  Flucht,  mit  dem  verjagten  Federigo  von  Aragon,  zu 
St.  Nazaire  an  der  Loiremündung,  bringt  er  voll  tiefen  Herzeleides  seinem 
Heiligen  am  Namenstage  Kränze  von  Bux  und  Eichenlaub;  er  gedenkt 
früherer  Jahre,  da  die  jungen  Leute  des  ganzen  Posihpp  zu  seinem  Feste 
gefahren  kamen   auf  bekränzten  Nachen,   und  fleht  um  Heimkehr^*. 

Täuschend  antik  erscheinen  vorzüglich  eine  Anzahl  Gedichte  in  ele-  Gedichte  ele- 
gischem Versmaß  oder  auch  bloß  in  Hexametern,  deren  Inhalt  von  der  ^'^^"  ^'"™ 
eigentlichen  Elegie  bis  zum  Epigramm  herabreicht.  So  wie  die  Huma- 
nisten mit  dem  Text  der  römischen  Elegiker  am  allerfreisten  umgingen, 
so  fühlten  sie  sich  denselben  auch  in  der  Nachbildung  am  meisten 
gewachsen.  Navageros  Elegie  an  die  Nacht  ist  so  wenig  frei  von  Remi- 
niszenzen aus  jenen  Vorbildern  als  irgendein  Gedicht  dieser  Art  und 
Zeit,  aber  dabei  vom  schönsten  antiken  Klang.  Überhaupt  sorgt  Na- 
vagero^* immer  zuerst  für  einen  echt  poetischen  Inhalt,  den  er  dann 
nicht  knechtisch,  sondern  mit  meisterhafter  Freiheit  im  Stil  der  Antho- 
logie, des  Ovid,  des  Catull,  auch  der  virgilischen  Eklogen  wiedergibt; 
die  Mythologie  braucht  er  nur  äußerst  mäßig,  etwa  um  in  einem  Ge- 
bet an  Ceres  u.  a.  ländliche  Gottheiten  das  Bild  des  einfachsten  Daseins 
zu  entwickeln.  Einen  Gruß  an  die  Heimat,  bei  der  Rückkehr  von 
seiner  Gesandtschaft  in  Spanien,  hat  er  nur  angefangen;  es  hätte  wohl 
ein  Ganzes  werden  können  wie  ,, Bella  Italia,  amate  sponde"  von  Vin- 
cenzo  Monti,  wenn  der  Rest  diesem  Anfang  entspräche: 

Salve  cura  Deum,  mundi  fclicior  ora, 
Formosae  Veneris  dulces  salvete  recessus; 
Ut  vos  post  tantos  animi  mentisque  labores 
Aspicio  lustroque  libens,  ut  muncre  vestro 
Sollicitas  toto  depello  e  pectore  curas! 


^amm 


150  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Die  elegische  oder  hexametrische  Form  wird  ein  Gefäß  für  jeden 
höhern  pathetischen  Inhah,  und  die  edelste  patriotische  Aufregung 
(S.  70,  die  Elegie  an  Julius  II.)  wie  die  pomphafteste  Vergötterung 
der  Herrschenden  sucht  hier  ihren  Ausdruck^*,  aber  auch  die  zarteste 
Melancholie  eines  Tibull.  Mario  Molsa,  der  in  seiner  Schmeichelei 
gegen  Clemens  VII.  und  die  Farnesen  mit  Statius  und  Martial  wett- 
eifert, hat  in  einer  Elegie  „an  die  Genossen",  vom  Krankenlager,  so 
schöne  und  echt  antike  Grabgedanken  als  irgendeiner  der  Alten  und 
dies  ohne  Wesentliches  von  letztern  zu  entlehnen.  Am  vollständigsten 
hat  übrigens  Sannazaro  Wesen  und  Umfang  der  römischen  Elegie  er- 
kannt und  nachgebildet,  und  von  keinem  andern  gibt  es  wohl  eine  so 
große  Anzahl  guter  und  verschiedenartiger  Gedichte  dieser  Form.  — 
Einzelne  Elegien  werden  noch  hier  und  da  um  ihres  Sacliinhaltes 
willen  zu  erwähnen  sein. 
D«s  Epi-  Endlich  war  das  lateinische  Epigramm  in  jenen  Zeiten  eine  ernst- 
hafte Angelegenheit,  indem  ein  paar  gut  gebildete  Zeilen,  eingemeißelt 
an  einem  Denkmal  oder  von  Mund  zu  Munde  mit  Gelächter  mit- 
geteilt, den  Ruhm  eines  Gelehrten  begründen  konnten.  Ein  Anspruch 
dieser  Art  meldet  sich  schon  früh;  als  es  verlautete,  Guido  da  Polenta 
wolle  Dantes  Grab  mit  einem  Denkmal  schmücken,  liefen  von  allen 
Enden  Grabschriften  ein^'  ,,von  solchen,  die  sich  zeigen  oder  auch 
den  toten  Dichter  ehren  oder  die  Gunst  des  Polenta  erwerben  wollten". 
Am  Grabmal  des  Erzbischofes  Giovanni  Visconti  (starb  1354)  im  Dom 
von  Mailand  liest  man  unter  36  Hexametern:  „Herr  Gabrius  de  Za- 
moreis  aus  Parma,  Doktor  der  Rechte,  hat  diese  Verse  gemacht." 
Allmählich  bildete  sich,  hauptsächlich  unter  dem  Einfluß  Martials, 
auch  Catulls  eine  ausgedehnte  Literatur  dieses  Zweiges;  der  höchste 
Triumph  war,  wenn  ein  Epigramm  für  antik,  für  abgeschrieben  von 
einem  alten  Stein  galt*^,  oder  wenn  es  so  vortrefflich  erschien,  daß  ganz 
Italien  es  auswendig  wußte,  wie  z.  B.  einige  des  Bcmbo.  Wenn  der 
Staat  Venedig  an  Sannazaro  für  seinen  Lobspruch  in  drei  Distichen 
600  Dukaten  Honorar  bezahlte,  so  war  dies  nicht  etwa  eine  generöse 
Verschwendung,  sondern  man  würdigte  das  Epigramm  als  das,  was 
es  für  alle  Gebildeten  jener  Zeit  war:  als  die  konzentrierteste  Form 
des  Ruhmes.  Niemand  hinwiederum  war  damals  so  mächtig,  daß  ihm 
nicht  ein  witziges  Epigramm  hätte  unangenehm  werden  können,  und  auch 
die  Großen  selber  bedurften  für  jede  Inschrift,  welche  sie  setzten,  sorg- 
fältigen und  gelehrten  Beirates,  denn  lächerliche  Epithaphicn  z.  B.  liefen 
Gefahr,  in  Sammlungen  zum  Zweck  der  Erheiterung  aufgenommen  zu 
werden"*.  Epigraphik  und  Epigrammatik  reichten  einander  die  Hand; 
erstere  beruhte  auf  dem  emsigsten  Studium  der  antiken  Steininschriften. 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I^I 

Die  Stadt  der  Epigramme  und  der  Inskriptionen  in  v'orzugsweisem  in  Rom 
Sinne  war  und  blieb  Rom.  In  diesem  Staate  ohne  Erblichkeit  mußte 
jeder  für  seine  Verewigung  selber  sorgen;  zugleich  war  das  kurze  Spott- 
gedicht eine  Waffe  gegen  die  Mitemporstrebenden.  Schon  Pius  II. 
zählt  mit  Wohlgefallen  die  Distichen  auf,  welche  sein  Hauptdichtcr 
Campanus  bei  jedem  irgend  geeigneten  Momente  seiner  Regierung 
ausarbeitete.  Unter  den  folgenden  Päpsten  blühte  dann  das  satirische 
Epigramm  und  erreichte  gegenüber  von  Alexander  VI.  und  den  Sci- 
nigen  die  volle  Höhe  des  skandalösen  Trotzes.  Sannazaro  dichtete  die 
seinigen  allerdings  in  einer  relativ  gesicherten  Lage,  andere  aber  wagten 
in  der  Nähe  des  Hofes  das  Gefährlichste  (S.  66).  Auf  acht  drohende 
Distichen  hin,  die  man  an  der  Pforte  der  Bibliothek  angeschlagen^*" 
fand,  ließ  einst  Alexander  die  Garde  um  800  Mann  verstärken;  man 
kann  sich  denken,  wie  er  gegen  den  Dichter  würde  verfahren  sein, 
wenn  derselbe  sich  erwischen  ließ.  —  Unter  Leo  X.  waren  lateinische 
Epigramme  das  tägliche  Brot;  für  die  Verherrlichung  wie  für  die  Ver- 
lästerung  des  Papstes,  für  die  Züchtigung  genannter  wie  ungenannter 
Feinde  und  Schlachtopfer,  für  wirkliche  wie  für  fingierte  Gegenstände 
des  Witzes,  der  Bosheit,  der  Trauer,  der  Kontemplation  gab  es  keine 
passendere  Form.  Damals  strengten  sich  für  die  berühmte  Gruppe  der  coryciana 
Mutter  Gottes  mit  der  hl.  Anna  und  dem  Kinde,  welche  Andrea  San- 
so\ano  für  S.  Agostino  meißelte,  nicht  weniger  als  hundertundzwanzig 
Personen  in  lateinischen  Versen  an,  freilich  nicht  so  sehr  aus  Andacht, 
als  dem  Besteller  des  Werkes  zuliebe*".  Dieser,  Johann  Goritz  aus  Luxem- 
burg, päpstlicher  Supplikenreferendar,  ließ  nämlich  am  St.  Annenfeste 
nicht  bloß  etwa  Gottesdienst  halten,  sondern  er  gab  ein  großes  Literaten- 
bankett in  seinen  Gärten  am  Abhang  des  Kapitols.  Damals  lohnte  es 
sich  auch  der  Mühe,  die  ganze  Poetenschar,  welche  an  Leos  Hofe  ihr 
Glück  suchte,  in  einem  eigenen  großen  Gedicht  ,,de  poetis  urbanis" 
zu  mustern,  wie  Franc.  Arsillus  tat**^,  ein  Mann,  der  kein  päpstliches 
oder  anderes  Mäzenat  brauchte  und  sich  seine  freie  Zunge  auch  gegen 
die  Kollegen  vorbehielt.  —  Über  Paul  III.  herab  reichte  das  Epigramm 
nur  noch  in  vereinzelten  Nachklängen,  die  Epigraphik  dagegen  blüht 
länger  und  unterliegt  erst  im  1 7.  Jahrhundert  völlig  dem  Schwulst. 

Auch  in  Venedig  hat  sie  ihre  besondere  Geschichte,  die  wir  mit  Hilfe  DasEpi- 
von  Francesco  Sansovinos  ,,Venezia"  verfolgen  können.  Eine  stehende  '^"""^j]" 
Aufgabe  bildeten  die  Mottos  (Brievi)  auf  den  Dogenbildnissen  des  großen 
Saales  im  Dogenpalast,  zwei  bis  vier  Hexameter,  welche  das  Wesent- 
liche aus  der  Amtsführung  des  Betreffenden  enthalten**^.  Dann  hatten 
die  Dogengräber  des  14.  Jahrhunderts  lakonische  Prosainschriften,  welche 
nur  Tatsachen  enthalten,  und  daneben  schwülstige   Hexameter  oder 


Ve- 


IC2  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

leonische  Verse.  Im  15.  Jahrhundert  steigt  die  Sorgfalt  des  Stiles;  im 
16.  erreicht  sie  ihre  Höhe,  und  bald  beginnt  die  unnütze  Antithese, 
die  Prosopopöe,  das  Pathos,  das  Piinzipienlob,  mit  einem  Worte:  der 
Schwulst.  Ziemlich  oft  wird  gestichelt  und  verdeckter  Tadel  gegen 
andere  durch  direktes  Lob  des  Verstorbenen  ausgedrückt.  Ganz  spät 
kommen  dann  wieder  ein  paar  absichtlich  einfache  Epitaphien. 

Architektur  und  Ornamentik  waren  auf  das  Anbringen  von  Inschrif- 
ten —  oft  in  vielfacher  Wiederholung  —  vollkommen  eingerichtet, 
während  z.  B.  das  Gotische  des  Nordens  nur  mit  Mühe  einen  zweck- 
mäßigen Platz  für  eine  Inschrift  schafft  und  sie  an  Grabmälern  z.  B. 
gerne  den  bedrohtesten  Stellen,  den  Rändern,  zuweist. 

Durch  das  bisher  Gesagte  glauben  wir  nun  keineswegs  den  Leser 
von  dem  eigentümlichen  Werte  dieser  lateinischen  Poesie  der  Italiener 
überzeugt  zu  haben.  Es  handelte  sich  nur  darum,  die  kulturgeschicht- 
liche Stellung  und  Notwendigkeit  derselben  anzudeuten.  Schon  da- 
Macaronische  mals  entstand^**  übrigens  ein  Zerrbild  davon:  die  sogenannte  maca- 
°^"'  roneische  Poesie,  deren  Hauptwerk,  das  Opus  macaronicorum,  von 
Merlinus  Cocains  (d.  h.  Teofilo  Folengo  von  Mantua)  gedichtet  ist.  Vom 
Inhalt  wird  noch  hier  und  da  die  Rede  sein;  was  die  Form  betrifft  — 
Hexameter  und  andere  Verse  gemischt  aus  lateinischen  und  italienischen 
Wörtern  mit  lateinischen  Endungen  — ,  so  liegt  das  Komische  derselben 
wesentlich  darin,  daß  sich  diese  Mischungen  wie  lauter  Lapsus  linguae 
anhören,  wie  das  Sprudeln  eines  übereifrigen  lateinischen  Improvisators. 
Nachahmungen  aus  Deutsch  und  Latein  geben  hiervon  keine  Ahnung. 

sunz  der  Nachdcm  mehrere  glänzende  Generationen  von  Poeten-Philologen 
seit  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  Italien  und  die  Welt  mit  dem  Kultus 
des  Altertums  erfüllt,  die  Bildung  und  Erziehung  wesenthch  bestimmt, 
oft  auch  das  Staatswesen  geleitet  und  die  antike  Literatur  nach  Kräften 
reproduziert  hatten,  fiel  mit  dem  16.  Jahrhundert  die  ganze  Menschen- 
klasse in  einen  lauten  und  allgemeinen  Mißkredit,  zu  einer  Zeit,  da 
man  ihre  Lehre  und  ihr  Wi.ssen  noch  durchaus  nicht  völlig  entbehren 
wollte.  Man  redet,  schreibt  und  dichtet  noch  fortwährend  wie  sie, 
aber  persönlich  will  niemand  mehr  zu  ihnen  gehören.  In  die  beiden 
Hauptanklagen  wegen  ihres  bösartigen  Hochmutes  und  ihrer  schänd- 
lichen Ausschweifungen  tönt  bereits  die  dritte  hinein,  die  Stimme  der 
beginnenden  Gegenreformation:  wegen  ihres  Unglaubens. 

Warum  verlauteten,  muß  man  zunächst  fragen,  diese  Vorwürfe  nicht 
früher,  mochten  sie  nun  wahr  oder  unwahr  sein?  Sie  sind  schon  frühe 
genug  vernehmlich,  allein  ohne  sonderliche  Wirkung,  ofTenbar  weil 
man  von  den  Literaten  noch  gar  zu  abhängig  war  in  betreff  des  Sach- 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I53 

Inhaltes  des  Altertums,  weil  sie  im  persönlichsten  Sinne  die  Besitzer, 
Träger  und  Verbreiter  desselben  waren.  Allein  das  Überhandnehmen 
gedruckter  Ausgaben  der  Klassiker**^,  großer  wohlangelegter  Hand- 
bücher und  Nachschlagewerke,  emanzipierte  das  Volk  schon  in  bedeu- 
tendem Grade  von  dem  dauernden  persönlichen  Verkehr  mit  den  Hu- 
manisten, und  sobald  man  sich  ihrer  auch  nur  zur  Hälfte  entschlagen 
konnte,  trat  dann  jener  Umschlag  der  Stimmung  ein.  Gute  und  Böse 
litten  darunter  ohne  Unterschied. 

Urheber  jener  Anklagen  sind  durchaus  die  Humanisten  selbst.  Von  ihre  schujn 
allen,  die  jemals  einen  Stand  gebildet,  haben  sie  am  allerwenigtsen 
ein  Gefühl  des  Zusammenhaltes  gehabt  oder,  wo  es  sich  aufraffen  wollte, 
respektiert.  Sobald  sie  dann  anfingen,  sich  einer  über  den  andern  zu 
erheben,  war  ihnen  jedes  Mittel  gleichgültig.  Blitzschnell  gehen  sie  von 
wissenschaftlichen  Gründen  zur  Invektive  und  zur  bodenlosesten  Läste- 
rung über;  sie  wollen  ihren  Gegner  nicht  widerlegen,  sondern  in  jeder 
Beziehung  zernichten.  Etwas  hiervon  kommt  auf  Rechnung  ihrer  Um- 
gebung und  Stellung;  wir  sahen,  wie  heftig  das  Zeitalter,  dessen  lauteste 
Organe  sie  waren,  von  den  Wogen  des  Ruhmes  und  des  Hohnes  hin 
und  her  geworfen  wurde.  Auch  war  ihre  Lage  im  wirklichen  Leben 
meist  eine  solche,  daß  sie  sich  beständig  ihrer  Existenz  wehren  mußten. 
In  solchen  Stimmungen  schrieben  und  perorierten  sie  und  schilderten 
einander.  Poggios  Werke  allein  enthalten  schon  Schmutz  genug,  um 
ein  Vorurteil  gegen  die  ganze  Schar  hervorzurufen  —  und  diese  Opera 
Poggii  mußten  gerade  am  häufigsten  aufgelegt  werden,  diesseits  wie  jen- 
seits der  Alpen.  Man  freue  sich  nicht  zu  früh,  wenn  sich  im  15.  Jahr- 
hundert eine  Gestalt  unter  dieser  Schar  findet,  die  unantastbar  scheint; 
bei  weiterem  Suchen  läuft  man  immer  Gefahr,  irgendeiner  Lästerung 
zu  begegnen,  welche,  selbst  wenn  man  sie  nicht  glaubt,  das  Bild  trüben 
wird.  Die  vielen  unzüchtigen  lateinischen  Gedichte  und  etwa  eine 
Persiflage  der  eigenen  Familie,  wie  z.  B.  in  Fontanes  Dialog  „Antonius" 
taten  das  übrige.  Das  16.  Jahrhundert  kannte  diese  Zeugnisse  alle  und 
war  der  betreffenden  Menschengattung  ohnehin  müde  geworden.  Sie 
mußte  büßen  für  das,  was  sie  verübt  hatte  und  für  das  Übermaß  der 
Geltung,  das  ihr  bisher  zuteil  geworden  war.  Ihr  böses  Schicksal  wollte 
es,  daß  der  größte  Dichter  der  Nation  sich  über  sie  mit  ruhiger  souve- 
räner Verachtung  aussprach"'. 

Von  den  Vorwürfen,  die  sich  jetzt  zu  einem  Gesamtwiderwillen  sam- 
melten, war  nur  zu  vieles  begründet.  Ein  bestimmter,  kenntlicher  Zug  zur 
Sittenstrenge  und  Religiosität  war  und  blieb  in  manchen  Philologen  leben- 
dig, und  es  ist  ein  Zeichen  geringer  Kenntnis  jener  Zeit,  wenn  man  die  ganze 
Klasse  verurteilt,  aber  viele,  und  darunter  die  lautesten,  waren  schuldig. 


Das  Maß 
ihrer  Schuld 


Ihr  Lebens- 
lauf 


Vergleichung 
mit  den 
Sophisteu 


ICA,  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

Drei  Dinge  erklären  und  vermindern  vielleicht  ihre  Schuld:  die  über- 
mäßige, glänzende  Verwöhnung,  wenn  das  Glück  ihnen  günstig  war; 
die  Garantielosigkeit  ihres  äußern  Daseins,  so  daß  Glanz  und  Elend  je 
nach  Launen  der  Herrn  und  nach  der  Bosheit  der  Gegner  rasch  wech- 
selten; endlich  der  irremachende  Emfiuß  des  Altertums.  Dieses  störte 
ihre  Sittlichkeit  ohne  ihnen  die  seinige  mitzuteilen;  und  auch  in  reli- 
giösen Dingen  wirkte  es  auf  sie  wesentlich  von  seiner  skeptischen  und 
negativen  Seite,  da  von  einer  Annahme  des  positiven  Götterglaubens 
doch  nicht  die  Rede  sein  konnte.  Gerade  weil  sie  das  Altertum  dog- 
matisch, d.  h.  als  Vorbild  alles  Denkens  und  Handelns  auffaßten,  mußten 
sie  hier  in  Nachteil  geraten.  Daß  es  aber  ein  Jahrhundert  gab,  welches 
mit  voller  Einseitigkeit  die  alte  Welt  und  deren  Hervorbringungen  ver- 
götterte, das  war  nicht  mehr  Schuld  einzelner,  sondern  höhere  geschicht- 
liche Fügung.  Alle  Bildung  der  seitherigen  und  künftigen  Zeiten  beruht 
darauf,  daß  dies  geschehen  ist,  und  daß  es  damals  so  ganz  einseitig  und 
mit  Zurücksetzung  aller  andern  Lebenszwecke  geschehen  ist. 

Der  Lebenslauf  der  Humanisten  war  in  der  Regel  ein  solcher,  daß 
nur  die  stärksten  sittlichen  Naturen  ihn  durchmachen  konnten  ohne 
Schaden  zu  nehmen.  Die  erste  Gefahr  kam  bisweilen  wohl  von  den 
Eltern  her,  welche  den  oft  außerordentlich  früh  entwickelten  Knaben 
zum  Wunderkind"'  ausbildeten,  im  Hinblick  auf  eine  künftige  Stellung 
in  jenem  Stande,  der  damals  alles  galt.  Wunderkinder  aber  bleiben  ins- 
gemein auf  einer  gewissen  Stufe  stehen  oder  sie  müssen  sich  die  weitere 
Entwicklung  und  Geltung  unter  den  allerbittcrsten  Prüfungen  erkämp- 
fen. Auch  für  den  aufstrebenden  Jüngling  war  der  Ruhm  und  das  glän- 
zende Auftreten  des  Humanisten  eine  gefährliche  Lockung;  es  kam  ihm 
vor,  auch  er  könne  ,, wegen  angeborenen  Hochsinns  die  gemeinen  und 
niedrigen  Dinge  nicht  mehr  beachten***".  Und  so  stürzte  man  sich  in 
ein  wechsclvolles,  aufreibendes  Leben  hinein,  in  welchem  angestrengte 
Studien,  Hauslehrerschaft,  Sekretariat,  Professur,  Dienstbarkeit  bei  Für- 
sten, tötliche  Feindschaften  und  Gefahren,  begeisterte  Bewunderung  und 
Überschüttung  mit  Hohn,  Übei-fluß  und  Armut  wirr  aufeinanderfolgten. 
Dem  gediegensten  Wissen  konnte  der  flachste  Dilettantismus  bisweilen 
den  Rang  ablaufen.  Das  Hauptübel  aber  war,  daß  dieser  Stand  mit  einer 
festen  Heimat  beinahe  unverträglich  blieb,  indem  er  entweder  den  Orts- 
wechsel geradezu  erforderte,  oder  den  Menschen  so  stimmte,  daß  ihm 
nirgends  lange  wohl  sein  konnte.  Während  er  der  Leute  des  Ortes  satt 
wurde  und  im  Wirbel  der  Feindschaften  sich  übel  befand,  verlangten 
auch  eben  jene  Leute  stets  Neues  (S.  ii8).  So  manches  hier  auch  an  die 
griechischen  Sophisten  der  Kaiserzeit  erinnert,  wie  sie  Philostratus  be- 
schreibt, so  standen  diese  doch  günstiger,  indem  sie  großenteils  Reich- 


DIE  WIEJ)ERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  I  55 

tümer  besaßen,  oder  leichter  entbehrten  und  überhaupt  leichter  lebten, 
weil  sie  nicht  sowohl  Gelehrte  als  ausübende  Virtuosen  der  Rede  waren. 
Der  Humanist  der  Renaissance  dagegen  muß  eine  große  Erudition  und 
einen  Strudel  der  verschiedensten  Lagen  und  Beschäftigungen  zu  tragen 
wissen.  Dazu  dann,  um  sich  zu  betäuben,  unordentlicher  Genuß,  und, 
sobald  man  ihm  ohnehin  das  Schlimmste  zutraute,  Gleichgültigkeit  gegen 
alle  sonst  geltende  Moral.  Ohne  Hochmut  sind  solche  Charaktere  vollends 
nicht  denkbar;  sie  bedürfen  desselben,  schon  um  oben  schwimmend  zu 
bleiben,  und  die  mit  dem  Haß  abwechselnde  Vergötterung  bestärkt  sie 
notwendig  darin.  Sie  sind  die  auffallendsten  Beispiele  und  Opfer  der  ent- 
fesselnden Subjektivität. 

Die  Klagen,  wie  die  satirischen  Schilderungen  beginnen,  wie  bemerkt,  Ankläger  im 
schon  früh,  indem  ja  für  jeden  entwickelten  Individualismus,  für  jede 
Art  von  Zelcbrität  ein  bestimmter  Hohn  als  Zuchtrute  vorhanden  war. 
Zudem  lieferten  ja  die  betreffenden  selber  das  furchtbarste  Material, 
welches  man  nur  zu  benützen  brauchte.  Noch  im  15.  Jahrhundert  ordnet 
Battista  Mantovano  in  der  Aufzählung  der  sieben  Ungeheuer^**  die  Hu- 
manisten mit  vielen  andern  unter  den  Artikel:  Superbia;  er  schildert  sie 
mit  ihrem  Dünkel  als  Apollssöhne,  wie  sie  verdrossenen  und  maliziösen 
Aussehens  mit  falscher  Gravität  einherschreiten,  dem  körnerpickenden 
Kranich  vergleichbar,  bald  ihren  Schatten  betrachtend,  bald  in  zeh- 
rende Sorge  um  Lob  versunken.  Allein  das  16.  Jahrhundert  machte  ihnen 
förmlich  den  Prozeß.  Außer  Ariosto  bezeugt  dies  hauptsächlich  ihr  imi6.  jahrh. 
Literarhistoriker  Gyraldus,  dessen  Abhandlung^^"  schon  unter  Leo  X. 
verfaßt,  wahrscheinlich  aber  um  1540  überarbeitet  wurde.  Antike  und 
moderne  Warnungsexempel  der  sittlichen  Haltlosigkeit  und  des  jammer- 
vollen Lebens  der  Literaten  strömen  uns  hier  in  gewaltiger  Masse  ent- 
gegen, und  dazwischen  werden  schwere  allgemeine  Anklagen  formuliert. 
Dieselben  lauten  hauptsächlich  auf  Leidenschaftlichkeit,  Eitelkeit,  Starr- 
sinn, Selbstvergötterung,  zerfahrenes  Privatleben,  Unzucht  aller  Art, 
Ketzerei,  Atheismus,  —  dann  Wohlredenheit  ohne  Überzeugung,  ver- 
derblichen Einfluß  auf  die  Kabinette,  Sprachpedanterei,  Undank  gegen 
die  Lehrer,  kriechende  Schmeichelei  gegen  die  Fürsten,  welche  den 
Literaten  zuerst  anbeißen  und  dann  hungern  lassen  u.  dgl.  m.  Den 
Schluß  bildet  eine  Bemerkung  über  das  goldene  Zeitalter,  welches  näm- 
lich damals  geherrscht  habe,  als  es  noch  keine  Wissenschaft  gab.  Von 
diesen  Anklagen  wurde  bald  eine  die  gefahrlichste:  diejenige  auf  Ketzerei, 
und  Gyraldus  selbst  muß  sich  später  beim  Wiederabdruck  einer  völlig 
harmlosen  Jugcndschrift**^  an  den  Mantel  des  Herzogs  Ercole  H.  von  Abb.  u 
Ferrara  anklammern,  weil  schon  Leute  das  Wort  führen,  welche  finden, 
die  Zeit  wäre  besser  an  christliche  Gegenstände  gewendet  worden  als 


ir5  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

an  mythologische  Forschungen.  Er  gibt  zu  erwägen,  daß  letztere  im 
Gegenteil  bei  so  beschaffenen  Zeiten  fast  der  einzige  unschuldige,  d.  h. 
neutrale  Gegenstand  gelehrter  Darstellung  seien. 
Das  UDgiück  Wenn  aber  die  Kulturgeschichte  nach  Aussagen  zu  suchen  verpflichtet 
<ier Gelehrten  .^^^  .^  wclchen  ncbcn  der  Anklage  das  menschliche  Mitgefühl  vorwiegt, 
so  ist  keine  Quelle  zu  vergleichen  mit  der  oft  erwähnten  Schrift  des  Pierio 
Valeriano  ,,über  das  Unglück  der  Gclehrten*^^"  g^g  jg^  geschrieben  unter 
dem  düstern  Eindruck  der  Verwüstung  von  Rom,  welche  mit  dem  Jam- 
mer, den  sie  auch  über  die  Gelehrten  brachte,  dem  Verfasser  wie  der 
Abschluß  eines  schon  lange  gegen  dieselben  wütenden  bösen  Schicksals 
erscheint.  Pierio  folgt  hier  einer  einfachen,  im  ganzen  richtigen  Empfin- 
dung; er  tut  nicht  groß  mit  einem  besondern  vornehmen  Dämon,  der 
die  geistreichen  Leute  wegen  ihres  Genies  verfolge,  sondern  er  kon- 
statiert das  Geschehene,  worin  oft  der  bloße  unglückliche  Zufall  als  ent- 
scheidend vorkommt.  Er  wünscht  keine  Tragödie  zu  schreiben  oder  alles 
aus  höhern  Konflikten  herzuleiten,  weshalb  er  denn  auch  Alltägliches 
vorbringt.  Da  lernen  wir  Leute  kennen,  welche  bei  unruhigen  Zeiten 
zunächst  ihre  Einnahmen,  dann  auch  ihre  Stellen  verlieren,  Leute, 
welche  zwischen  zwei  Anstellungen  leer  ausgehen,  menschenscheue  Geiz- 
hälse, die  ihr  Geld  immer  eingenäht  auf  sich  tragen  und  nach  geschehener 
Beraubung  im  Wahnsinn  sterben,  andere,  welche  Pfründen  annehmen 
und  in  melancholischem  Heimweh  nach  der  frühern  Freiheit  dahin- 
siechen. Dann  wird  der  frühe  Tod  vieler  durch  Fieber  oder  Pest  beklagt, 
wobei  die  ausgearbeiteten  Schriften  mitsamt  Bettzeug  und  Kleidern  ver- 
brannt werden;  andere  leben  und  leiden  unter  Morddrohungen  von 
Kollegen;  diesen  und  jenen  mordet  ein  habsüchtiger  Diener,  oder  Böse- 
wichte fangen  ihn  auf  der  Reise  weg  und  lassen  ihn  in  einem  Kerker 
verschmachten,  weil  er  kein  Lösegeld  zahlen  kann.  Manchen  rafft  ge- 
heimes Herzeleid,  erlittene  Kränkung  und  Zurücksetzung  dahin;  ein 
Venezianer  stirbt  vor  Gram,  weil  sein  Söhnchen,  ein  Wunderkind,  ge- 
Der  tiefere  storbcn  Ist,  Und  dic  Mutter  und  deren  Bruder  folgen  bald,  als  zöge  das 
Grund  des-    p^jj^j  gjg  ^j|g  j^^ch  sich.  Zicmlich  viele,  zumal  Florentiner,  enden  durch 

selben  ' 

Selbstmord*^,  andere  durch  geheime  Justiz  eines  Tyrannen.  Wer  ist  am 
Ende  noch  glücklich?  und  auf  welche  Weise?  etwa  durch  völlige  Ab- 
stumpfung des  Gefühles  gegen  solchen  Jammer?  Einer  der  Mitredner 
des  Dialoges,  in  welchen  Pierio  seine  Darstellung  gekleidet  hat,  weiß 
Rat  in  diesen  Fragen;  es  ist  der  herrliche  Gasparo  Contarini,  und  schon 
bei  Nennung  dieses  Namens  darf  man  erwarten,  daß  uns  wenigstens 
etwas  von  dem  Tiefsten  und  Wahrsten  mitgeteilt  werde,  was  sich  da- 
mals darüber  denken  ließ.  Als  Bild  eines  glücklichen  Gelehrten  erscheint 
ihm  Fra  Urbano  Valeriano  von  Belluno,  der  in  Venedig  lange  Zeit  hin- 


bild  des 
Humanisten 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS  IRT 

durch  Lehrer  des  Griechischen  war,  Griechenland  und  den  Orient  be- 
suchte, noch  in  späten  Jahren  bald  dieses  und  bald  jenes  Land  durch- 
lief, ohne  je  ein  Tier  zu  besteigen,  nie  einen  Heller  für  sich  besaß,  alle 
Ehren  und  Standeserhöhungen  zurückwies  und  nach  einem  heitern  Alter 
im  84.  Jahre  starb  ohne,  mit  Ausnahme  eines  Sturzes  von  der  Leiter, 
eine  kranke  Stunde  gehabt  zu  haben.  Was  unterschied  ihn  von  den 
Humanisten?  Diese  haben  mehr  freien  Willen,  mehr  losgebundene  Sub- 
jektivität als  sie  mit  Glück  verwerten  können;  der  Bettelmönch  dagegen,  uas Gegen 
im  Kloster  seit  seinen  Knabenjahren,  hatte  nie  nach  eigenem  Belieben 
auch  nur  Speise  oder  Schlaf  genossen  und  empfand  deshalb  den  Zwang 
nicht  mehr  als  Zwang;  kraft  dieser  Gewöhnung  führte  er  mitten  in  allen 
Beschwerden  das  innerlich  ruhigste  Leben  und  wirkte  durch  diesen  Ein- 
druck mehr  auf  seine  Zuhörer  als  durch  sein  Griechisch;  sie  glaubten 
nunmehr  überzeugt  zu  sein,  daß  es  von  uns  selbst  abhänge,  ob  wir  im 
Mißgeschick  jammern  oder  uns  trösten  sollen.  ,, Mitten  in  Dürftigkeit 
und  Mühen  war  er  glücklich,  weil  er  es  sein  wollte,  weil  er  nicht  ver- 
wöhnt, nicht  phantastisch,  nicht  unbeständig  und  ungenügsam  war, 
sondern  sich  immer  mit  wenig  oder  nichts  zufrieden  gab."  — -  Wenn  wir 
Contarini  selber  hörten,  so  wäre  vielleicht  auch  noch  ein  religiöses  Motiv 
dem  Bilde  beigemischt;  doch  ist  schon  der  praktische  Philosoph  in  San- 
dalen sprechend  und  bedeutsam  genug.  Einen  verwandten  Charakter 
in  andern  Umgebungen  verrät  auch  jener  Fabio  Calvi  von  Ravenna*^*,  FabioCaiw 
der  Erklärer  des  Hippokrates.  Er  lebte  hochbejahrt  in  Rom  bloß  von 
Kräutern  ,,wie  einst  die  Pythagoräer"  und  bewohnte  ein  Gemäuer,  das 
vor  der  Tonne  des  Diogenes  keinen  großen  Vorzug  hatte;  von  der  Pen- 
sion, die  ihm  Papst  Leo  bezahlte,  nahm  er  nur  das  Allemötigste  und  gab 
den  Rest  an  andere.  Er  blieb  nicht  gesund  wie  Fra  Urbano,  auch  war 
sein  Ende  so,  daß  er  wohl  schwerlich  im  Tode  gelächelt  haben  wird 
wie  dieser,  denn  bei  der  Verwüstung  von  Rom  schleppten  ihn,  den  fast 
neunzigjährigen  Greis,  die  Spanier  fort  in  der  Absicht,  ihn  zu  ranzio- 
nieren,  und  er  starb  an  den  Folgen  des  Hungers  in  einem  Spital.  Aber 
sein  Name  ist  in  das  Reich  der  Unvergänglichkeit  gerettet,  weil  Raffael 
den  Alten  wie  einen  Vater  geliebt  und  wie  einen  Meister  geehrt,  weil 
er  ihn  in  allen  Dingen  zu  Rate  gezogen  hatte.  Vielleicht  bezog  sich  die 
Beratung  vorzugsweise  auf  jene  antiquarische  Restauration  des  alten 
Rom  (S.  105),  vielleicht  aber  auch  auf  viel  höhere  Dinge.  Wer  kann 
sagen,  wie  großen  Anteil  Fabio  am  Gedanken  der  Schule  von  Athen 
und  anderer  hochwichtiger  Kompositionen  RafTaels  gehabt  hat? 

Gerne  möchten   wir  hier  mit  einem  anmutigen  und  versöhnlichen    Po.nponius 
Lebensbilde  schließen,  etwa  mit  dem  des  Pomponius  Laetus,  wenn  uns 
nur  über  diesen  noch  etwas  mehr  als  der  Brief  seines  Schülers  Sabellicus*^^ 


Laetus 


1^8  DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

ZU  Gebote  stände,  in  welchem  Laetus  wohl  absichtlich  etwas  antikisiert 
wird;  doch  mögen  einige  Züge  daraus  folgen.  Er  war  (S.  140)  ein  Bastard 
aus  dem  Hause  der  neapolitanischen  Sanseverinen,  Fürsten  von  Salerno, 
wollte  sie  aber  nicht  anerkennen  und  schrieb  ihnen  auf  die  Einladung, 
bei  ihnen  zu  leben,  das  berühmte  Billett:  Pomponius  Laetus  cognatis 
et  propinquis  suis  salutem.  Quod  petitis  fieri  non  potest.  Valete.  Ein 
unansehnliches  Männchen  mit  kleinen  lebhaften  Augen,  in  wunder- 
licher Tracht,  bewohnte  er  in  den  letzten  Jahrzehnten  des  15.  Jahr- 
hunderts, als  Lehrer  an  der  Universität  Rom,  bald  sein  Häuschen  mit 
Garten  auf  dem  Esquilin,  bald  seine  Vigne  auf  dem  Quirinal;  dort  zog 
er  seine  Enten  u.  a.  Geflügel,  hier  baute  er  sein  Grundstück  durchaus 
nach  den  Vorschriften  des  Cato,  Varro  und  Columella;  Festtage  wid- 
mete er  draußen  dem  Fisch-  und  Vogelfang,  auch  wohl  dem  Gelage  im 
Schatten  bei  einer  Quelle  oder  an  der  Tiber.  Reichtum  und  Wohlleben 
verachtete  er.  Neid  und  Übclrede  war  nicht  in  ihm  und  er  duldete  sie 
auch  in  seiner  Nähe  nicht;  nur  gegen  die  Hierarchie  ließ  er  sich  sehr 

Pomponius  frci  gchcu,  wic  cr  denn  auch,  die  letzten  Zeiten  ausgenommen,  als  Ver- 
ächter der  Religion  überhaupt  galt.  In  die  Humanistenverfolgung  Papst 
Pauls  n.  verflochten,  war  er  von  Venedig  an  diesen  au.sgeliefert  worden 
und  hatte  sich  durch  kein  Mittel  zu  unwürdigen  Geständnissen  bringen 
lassen;  seitdem  luden  ihn  Päpste  und  Prälaten  zu  sich  ein  und  unter- 
stützten ihn,  und  als  in  den  Unruhen  unter  Sixtus  IV.  sein  Haus  ge- 
plündert wurde,  steuerte  man  für  ihn  mehr  zusammen  als  er  eingebüßt 
hatte.  Als  Dozent  war  er  gewissenhaft;  schon  vor  Tage  sah  man  ihn 
mit  seiner  Laterne  vom  Esquilin  herabsteigen,  und  immer  fand  er  seinen 
Hörsaal  schon  gedrängt  voll;  da  er  im  Gespräch  stotterte,  sprach  er  auf 
dem  Katheder  behutsam,  aber  doch  schön  und  gleichmäßig.  Auch  seine 
wenigen  Schriften  sind  sorgfaltig  abgefaßt.  Alte  Texte  behandelte  keiner 
so  sorgfältig  und  schüchtern,  wie  er  denn  auch  vor  andern  Resten  des 
Altertums  seinen  wahren  Respekt  bewies,  indem  er  wie  verzückt  dastand 
oder  in  Tränen  ausbrach.  Da  er  die  eigenen  Studien  liegen  ließ,  wenn  cr 
andern  behilflich  sein  konnte,  so  hing  man  ihm  sehr  an,  und  als  er  starb, 
sandte  sogar  Alexander  VI.  seine  Höflinge,  die  Leiche  zu  begleiten, 
welche  von  den  vornehmsten  Zuhörern  getragen  wurde;  den  Exequien 
in  Araceli  wohnten  vierzig  Bischöfe  und  alle  fremden  Gesandten  bei. 

piautus  und  Lactus  hatte  die  Aufführungen  antiker,  hauptsächlich  plautinischer 
Stücke  in  Rom  aufgebracht  und  geleitet  (S.  142).  Auch  feierte  er  den 
Gründungstag  der  Stadt  alijährlich  mit  einem  Feste,  wobei  seine  Freunde 
und  Schüler  Reden  und  Gediclitc  vortrugen.  Bei  diesen  beiden  Haupt- 
anlässen bildete  sich  und  blieb  dann  auch  später  beisammen  was  man 
die  römische  Akademie  nannte.  Dieselbe  war  durchaus  nur  ein  freier 


die  römisch 
Akademie 


DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 


159 


Verein  und  an  kein  festes  Institut  geknüpft;  außer  jenen  Gelegenheiten 
kam  sie  zusammen^**,  wenn  ein  Gönner  sie  einlud  oder  wenn  das  Ge- 
dächtnis eines  verstorbenen  Mitgliedes  z.  B.  des  Piatina  gefeiert  wurde. 
Vormittags  pflegte  dann  ein  Prälat,  der  dazugehörte,  eine  Messe  zu  lesen; 
darauf  betrat  etwa  Pomponio  die  Kanzel  und  hielt  die  betreffende  Rede; 
nach  ihm  stieg  ein  anderer  hinauf  und  rezitierte  Distichen.  Der  obligate 
Schmaus  mit  Disputationen  und  Rezitationen  beschloß  Trauer-  wie 
Freudenfeste,  und  die  Akademiker,  z.  B.  gerade  Piatina  selber,  galten 
schon  früh  als  Feinschmecker^*'.  Andere  Male  führten  einzelne  Gäste 
auch  Farcen  im  Geschmack  der  Atellanen  auf  Als  freier  Verein  von  sehr 
wandelbarem  Umfang  dauerte  diese  Akademie  in  ihrer  ursprünglichen 
Art  weiter  bis  auf  die  Verwüstung  Roms  und  erfreute  sich  der  Gastlich- 
keit eines  Angelus  Coloccius,  eines  Joh.  Corycius  (S.  000)  u.  a.  Wie  hoch 
sie  für  das  Geistesleben  der  Nation  zu  werten  ist,  läßt  sich  so  wenig 
genau  bestimmen,  als  bei  irgendeiner  geselligen  Verbindung  dieser  Art; 
immerhin  rechnet  sie  selbst  ein  Sadoleto*^  zu  den  besten  Erinnerungen 
seiner  Jugend.  —  Eine  ganze  Anzahl  anderer  Akademien  entstanden 
und  vergingen  in  verschiedenen  Städten,  je  nachdem  die  Zahl  und  Be- 
deutung der  ansässigen  Humanisten  oder  die  Gönnerschaft  von  Reichen 
und  Großen  es  möglich  machte.  So  die  Akademie  von  Neapel,  welche 
sich  um  Jovianus  Pontanus  versammelte  und  von  welcher  ein  Teil  nach 
Lecce  übersiedelte^**,  diejenige  von  Pordenone,  welche  den  Hof  des 
Feldherrn  Alviano  bildete  usw.  Von  derjenigen  des  Lodovico  Moro  und 
ihrer  eigentümlichen  Bedeutung  für  den  Umgang  des  Fürsten  ist  bereits 
(S.  26)  die  Rede  gewesen. 

Gegen  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  scheint  eine  vollständige  Um- 
wandlung mit  diesen  Vereinen  vorgegangen  zu  sein.  Die  Humanisten, 
auch  sonst  aus  der  gebietenden  Stellung  im  Leben  verdrängt  und  der 
beginnenden  Gegenreformation  Objekte  des  Verdachtes,  verlieren  die 
Leitung  der  Akademien,  und  die  italienische  Poesie  tritt  auch  hier  an 
die  Stelle  der  lateinischen.  Bald  hat  jede  irgend  beträchtliche  Stadt  ihre 
Akademie  mit  möglichst  bizarrem  Namen**"  und  mit  eigenem,  durch 
Beiträge  und  Vermächtnisse  gebildetem  Vermögen.  Außer  dem  Rezitie- 
ren von  Versen  ist  aus  der  frühern,  lateinischen  Zeit  herübergenommen 
das  periodische  Gastmahl  und  die  Aufführung  von  Dramen,  teils  durch 
die  Akademiker  selbst,  teils  unter  ihrer  Aufsicht  durch  junge  Leute  und 
bald  durch  bezahlte  Schauspieler.  Das  Schicksal  des  italienischen  Thea- 
ters, später  auch  der  Oper,  ist  lange  Zeit  in  den  Händen  dieser  Vereine 
geblieben. 


A  Ib.  a  T3 


Andere 
Akademien 


Abb.  230 


Dereu 
ilalisierung 


VIERTER  ABSCHNITT 

DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Frei  von  zahllosen  Schranken,  die  anderwärts  den  Fortschritt  hemm- 
ten, individuell  hoch  entwickelt  und  durch  das  Altertum  geschult,  wendet 
sich  der  italienische  Geist  auf  die  Entdeckung  der  äußern  Welt  und  wagt 
sich  an  deren  Darstellung  in  Wort  und  Form.  Wie  die  Kunst  diese  Auf- 
gabe löste,  wird  anderswo  erzählt  werden. 

Reisen  der        Über  dic  Rciscn  der  ItaUener  nach  fernen  Weltgegenden  ist  uns  hier 

t.,iiener    ^^^  ^j^^^  allgemeine  Bemerkung  gestattet.  Die  Kreuzzüge  hatten  allen 

Europäern  die  Ferne  geöffnet  und  überall  den  abenteuernden  Wander- 

Abb.  149  trieb  geweckt.  Es  wird  immer  schwer  sein,  den  Punkt  anzugeben,  wo 
derselbe  sich  mit  dem  Wissensdrang  verbindet  oder  vollends  dessen 
Diener  wird;  am  frühsten  und  vollständigsten  aber  ist  dies  bei  den 
Italienern  geschehen.  Schon  an  den  Kreuzzügen  selbst  hatten  sie  sich 
in  einem  andern  Sinne  beteiligt  als  die  übrigen,  weil  sie  bereits  Fiotten 
Ahb.i2o.i22  und  Handelsinteressen  im  Orient  besaßen;  von  jeher  hatte  das  Mittel- 
meer seine  Anwohner  anders  erzogen  als  das  Binnenland  die  seinigen, 
und  Abenteurer  im  nordischen  Sinne  konnten  die  Italiener  nach  ihrer 
Naturanlage  übeihaupt  nie  sein.  Als  sie  nun  in  allen  östlichen  Häfen 
des  Mittelmeeres  heimisch  geworden  waren,  geschah  es  leicht,  daß  sich 
die  Unternehmendsten  dem  grandiosen  mohammedanischen  Wander- 
leben, welches  dort  ausmündete,  anschlössen;  eine  ganze  große  Seite  der 
Erde  lag  dann  gleichsam  schon  entdeckt  vor  ihnen.  Oder  sie  gerieten, 
wie  die  Polo  von  Venedig,  in  die  Wellenschläge  der  mongolischen  Welt 
hinein  und  wurden  weitergetragen  bis  an  die  Stufen  des  Thrones  des 
Großchans.  Frühe  finden  wir  einzelne  Italiener  auch  schon  im  atlan- 
tischen Meere  als  Teilnehmer  von  Entdeckungen,  wie  denn  z.  B.  Genu- 
esen im  13.  Jahrhundert  bereits  die  kanarischen  Inseln  fanden**^;  in  dem- 
selben Jahre,  1291,  da  Ptolemais,  der  letzte  Rest  des  christlichen  Ostens, 
verlorenging,  machten  wiederum  Genuesen  den  ersten  bekannten  Vcr- 

Abb.  189  such,  zur  Entdeckung  eines  Seeweges  nach  Ostindien**^;  Columbus  ist 
nur  der  Größte  einer  ganze  Reihe  von  Italienern,  welche  im  Dienste 
der  Westvölker  in  ferne  Meere  fuhren.  Nun  ist  aber  der  wahre  Entdecker 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  l6l 

nicht  der,  welcher  zufällig  zuerst  irgendwohin  gerät,  sondern  der,  welcher 
gesucht  hat  und  findet;  ein  solcher  allein  wird  auch  im  Zusammenhange 
stehen  mit  den  Gedanken  und  Interessen  seiner  Vorgänger,  und  die 
Rechenschaft,  die  er  ablegt,  wird  danach  beschaffen  sein.  Deshalb  werden 
die  Italiener,  auch  wenn  ihnen  jede  einzelne  Prioiität  der  Ankunft  an 
diesem  oder  jenem  Strande  abgestritten  würde,  doch  immer  das  moderne 
Entdeckervolk  im  vorzugsweisen  Sinne  für  das  ganze  Spätmittelalter 
bleiben. 

Die  nähere  Begründung  dieses  Satzes  gehört  der  Spezialgeschichte  der 
Entdeckungen  an.  Immer  von  neuem  aber  wendet  sich  die  Bewunderung 
der  ehrwürdigen  Gestalt  des  großen  Genuesen  zu,  der  einen  neuen  coiumbus 
Kontinent  jenseits  der  Wasser  forderte,  suchte  und  fand,  und  der  es  zu- 
erst aussprechen  durfte:  il  mondo  e  poco,  die  Erde  ist  nicht  so  groß  als 
man  glaubt.  Während  Spanien  den  Italienern  einen  ^\lexander  VI.  sen- 
det, gibt  Italien  den  Spaniern  den  Coiumbus;  wenige  W^ochen  vor  dem 
Tode  jenes  Papstes  (7.  Juli  1503)  datiert  dieser  aus  Jamaica  seinen  herr- 
lichen Brief  an  die  undankbaren  katholischen  Könige,  den  die  ganze 
Nachwelt  nie  wird  ohne  die  stärkste  Erregung  lesen  können.  In  einem 
Kodizill  zu  seinem  Testamente,  datiert  zu  Valladolid,  4.  Mai  1506,  ver- 
macht er  ,, seiner  geliebten  Heimat,  der  Republik  Genua,  das  Gebet- 
buch, welches  ihm  Papst  Alexander  geschenkt,  und  welches  ihm  in 
Kerker,  Kampf  und  Widerwärtigkeiten  zum  höchsten  Tröste  gereicht 
hatte".  Es  ist  als  ob  damit  auf  den  fürchterlichen  Namen  Borgia  ein 
letzter  Schimmer  von  Gnade  und  Güte  fiele. 

Ebenso  wie  die  Geschichte  der  Reisen  dürfen  wir  auch  die  Entwicklung  Kosmogra 
des  geographischen  Darstellens  bei  den  Italienern,  ihren  Anteil  an  der 
Kosmographie,  nur  kurz  berühren.  Schon  eine  flüchtige  Vergleichung 
ihrer  Leistungen  mit  denjenigen  anderer  Völker  zeigt  eine  frühe  und 
augenfällige  Überlegenheit.  Wo  hätte  sich  um  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts außerhalb  Italiens  eine  solche  Verbindung  des  geograpliischen, 
statistischen  und  historischen  Interesses  gefunden  wie  in  Aeneas  Sylvius?  Aenea» 
wo  eine  so  gleichmäßig  ausgebildete  Darstellung?  Nicht  nur  in  seiner 
eigentlich  kosmograpliischen  Hauptarbeit,  sondern  auch  in  seinen  Brie- 
fen und  Kommentaren  scliildert  er  mit  gleicher  Virtuosität  Landschaften, 
Städte,  Sitten,  Gewerbe  und  Erträgnisse,  politische  Zustände  und  Ver- 
fassungen, sobald  ihm  die  eigene  Wahrnehmung  oder  lebendige  Kunde 
zu  Gebote  steht;  was  er  nur  nach  Büchern  beschreibt,  ist  natürlich  ge- 
ringer. Schon  die  kurze  Skizze^*^  jenes  tirolischen  ^Alpentales,  wo  er 
durch  Friedrich  III.  eine  Pfründe  bekommen  hatte,  berührt  alle  wesent- 
lichen Lebensbeziehungen  und  zeigt  eine  Gabe  und  Methode  des  ob- 
jektiven Beobachtens  und  Vergleichens,  wie  sie  nur  ein  durch  die  Alten 

Burckhardt  II 


phische  Ten- 
denz 


Sylviiis 


l62  Olli  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

gebildeter  Landsmann  des  Columbus  besitzen  konnte.  Tausende  sahen 

und  wußten  wenigstens  stückweise,  was  er  wußte,  aber  sie  hatten  keinen 

Drang,  ein  Bild  davon  zu  entwerfen,  und  kein  Bewußtsein,  daß  die  Welt 

solche  Bilder  verlange. 

Wechsel-         Aucli  in  der  Kosmographie^^*  wird  man  umsonst  genau  zu  sondern 

^EltdedtJnT  suchen,  wieviel  dem  Studium  der  Alten,  wieviel  dem  eigentümlichen 

undBeschrei-  Gcuius  der  Italiener  auf  die  Rechnung  zu  schreiben  sei.  Sie  beobachten 

bung 

und  behandeln  die  Dinge  dieser  Welt  objektiv  noch  bevor  sie  die  Alten 
genauer  kennen,  weil  sie  selber  noch  ein  halbantikes  Volk  sind  und  weil 
ihr  politischer  Zustand  sie  dazu  vorbereitet;  sie  würden  aber  nicht  zu 
solcher  raschen  Reife  darin  gelangt  sein,  hätten  ihnen  nicht  die  alten 
Geographen  den  Weg  gewiesen.  Ganz  unberechenbar  ist  endlich  die 
Einwirkung  der  schon  vorhandenen  italienischen  Kosmographien  auf 
Geist  und  Tendenz  der  Reisenden,  der  Entdecker.  Auch  der  dilettan- 
tische Bearbeiter  einer  Wissenschaft,  wenn  wir  z.  B.  im  vorliegenden 
Fall  den  Aeneas  Sylvius  so  niedrig  taxieren  wollen,  kann  gerade  die- 
jenige Art  von  allgemeinem  Interesse  für  die  Sache  verbreiten,  welche 
für  neue  Unternehmer  den  unentbehrlichen  neuen  Boden  einer  herr- 
schenden Meinung,  eines  günstigen  Vorurteils  bildet.  Wahre  Entdecker 
in  allen  Fächern  wissen  recht  wohl,  was  sie  solchen  Vermittlern  ver- 
danken. 

NatuTÄissen-  Für  die  Stellung  der  Italiener  im  Bereich  der  Naturwissenschaften 
müssen  wir  auf  die  besondern  Fachbücher  verweisen,  von  welchen  uns 
nur  das  offenbar  sehr  flüchtige  und  absprechende  Werk  Libris  bekannt 
ist*^^.  Der  Streit  über  Priorität  gewisser  einzelner  Entdeckungen  berührt 
uns  um  so  weniger,  da  wir  der  Ansicht  sind,  daß  in  jeder  Zeit  und  in 
jedem  Kulturvolke  möglicherweise  ein  Mensch  aufstehen  kann,  der  sich, 
von  sehr  mäßiger  Vorbildung  ausgehend,  aus  unwiderstehlichem  Drange 
der  Empirie  in  die  Arme  wirft  und  vermöge  angeborner  Begabung  die 
erstaunlichsten  Fortschritte  macht.  Solche  Männer  waren  Gerbert  von 
Rheims  und  Roger  Bacon;  daß  sie  sich  überdies  des  ganzen  Wissens 
ihrer  Zeit  in  ihren  Fächern  bemächtigten,  war  dann  bloße  notwendige 
Konsequenz  ihres  Strebens.  Sobald  einmal  die  allgemeine  Hülle  des 
Wahns  durchgerissen,  die  Knechtschaft  unter  der  Tradition  und  den 
Büchern,  die  Scheu  vor  der  Natur  überwunden  war,  lagen  die  Probleme 

Richtung  auf  masscnwcisc  vor  ihren  Augen.  Ein  anderes  ist  es  aber,  wenn  einem  ganzen 
e  .mi)ine  y^jj^g  j^g  Bctrachtcn  und  Erforschen  der  Natur  vorzugsweise  und  früher 
als  andern  Völkern  eigen  ist,  wenn  also  der  Entdecker  nicht  bedroht  und 
totgeschwiegen  wird,  sondern  auf  das  Entgegenkommen  verwandter  Gei- 
ster rechnen  kann.  Daß  dies  sich  in  Italien  so  verhalten  habe,  wird  ver- 
sichert*^^. Nicht  ohne  Stolz  verfolgen  die  italienischen  Naturforscher  in 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


163 


der  Divina  Commedia  die  Beweise  und  Anklänge  von  Dantes  empirischer 
Naturforschung^^'.  Über  die  einzelnen  Entdeckungen  oder  Prioritäten 
der  Erwähnung,  die  sie  ihm  beilegen,  haben  wir  kein  Urteil,  aber  jedem 
Laien  muß  die  Fülle  der  Betrachtung  der  äußern  Welt  auffallen,  welche 
schon  aus  Dantes  Bildern  und  Verglcichungen  spricht.  Mehr  als  wohl 
irgendein  neuerer  Dichter  entnimmt  er  sie  der  Wirklichkeit,  sei  es  Natur 
oder  Menschenleben,  braucht  sie  auch  nie  als  bloßen  Schmuck,  sondern 
um  die  möglichst  adäquate  Vorstellung  von  dem  zu  erwecken,  was  er 
zu  sagen  hat.  Als  spezieller  Gelehrter  tritt  er  dann  vorzüglich  in  der 
Astronomie  auf,  wenngleich  nicht  zu  verkennen  ist,  daß  manche  astro- 
nomische Stelle  in  dem  großen  Gedichte,  die  uns  jetzt  gelehrt  erscheint.  Populäre 
damals  allgemein  verständlich  gewesen  sein  muß.  Dante  appelliert,  ab- 
gesehen von  seiner  Gelehisamkeit,  an  eine  populäre  Himmelskunde, 
welche  die  damahgen  Italiener,  schon  als  Seefahrer,  mit  den  Alten  gemein 
hatten.  Diese  Kenntnis  des  Aufganges  und  Niederganges  der  Sternbilder 
ist  für  die  neuere  Welt  durch  Uliren  und  Kalender  entbehrlich  geworden,  Abb.  21s 
und  mit  ihr  ging  verloren  was  sich  sonst  von  astronomischem  Interesse 
im  Volke  entwickelt  hatte.  Gegenwärtig  fehlt  es  nicht  an  Handbüchern 
und  Gymnasialunterricht,  und  jedes  Kind  weiß,  daß  die  Erde  sich  um 
die  Sonne  bewegt,  was  Dante  nicht  wußte,  aber  die  Teilnahme  an  der 
Sache  ist  der  vollkommensten  Gleichgültigkeit  gewichen,  mit  Ausnahme 
der  Fachleute. 

Die  Wahnwissenschaft,  welche  sich  an  die  Sterne  hing,  beweist  nichts 
gegen  den  empirischen  Sinn  der  damaligen  Italiener;  derselbe  wurde 
nur  durchkreuzt  und  überwältigt  durch  die  Leidenschaft,  den  heftigen 
Wunsch  die  Zukunft  zu  wissen.  Auch  wird  von  der  Astrologie  bei  Anlaß 
des  sittlichen  und  religiösen  Charakters  der  Nation  zu  reden  sein. 

Die  Kirche  war  gegen  diese  und  andere  falsche  Wissenschaften  fast  Einmischung 
immer  tolerant,  und  auch  gegen  die  echte  Naturforschung  schritt  sie 
wohl  nur  dann  ein,  wenn  die  Anklage  —  wahr  oder  unwahr  —  zugleich 
auf  Ketzerei  und  Nekromantie  lautete,  was  denn  allerdings  ziemlich  nahe 
lag.  Der  Punkt,  aufweichen  es  ankommt,  wäre:  zu  ermitteln,  ob  und  in 
welchen  Fällen  die  dominikanischen  Inquisitoren  (und  wohl  auch  die 
Franziskaner)  in  Italien  sich  der  Falschheit  dieser  Anklagen  bewußt 
waren  und  dennoch  verurteilten,  sei  es  aus  Konnivenz  gegen  Feinde  des 
betreffenden,  oder  aus  stillem  Haß  gegen  die  Naturbeobachtung  über- 
haupt und  besonders  gegen  die  Experimente.  Letzteres  wird  wohl  vor- 
gekommen aber  kaum  je  zu  beweisen  sein.  Was  im  Norden  solche  Ver- 
folgungen mit  veranlassen  mochte,  der  Widerstand  des  von  den  Scho- 
lastikern rezipierten,  offiziellen  Systems  der  Naturkunde  gegen  die 
Neuerer  als  solche,  möchte  für  Italien  weniger  oder  auch  gar  nicht  in 

11* 


164  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Betracht  kommen.  Pietro  von  Abano  (zu  Anfang  des  14.  Jahrhunderts) 
fiel  notorisch  als  Opfer  des  kollegialischen  Neides  eines  andern  Arztes,  der 
ihn  bei  der  Inquisition  wegen  Irrglaubens  und  Zauberei  verklagte***, 
und  auch  bei  seinem  paduanischen  Zeitgenossen  Giovannino  Sanguinacci 
wird  man  etwas  ähnliches  vermuten  dürfen,  da  derselbe  als  Arzt  ein 
praktischer  Neuerer  war;  derselbe  kam  mit  bloßer  Verbannung  davon. 
Endlich  ist  nicht  zu  vergessen,  daß  die  Macht  der  Dominikaner  als  In- 
quisitoren in  Italien  weniger  gleichmäßig  geübt  werden  konnte  ais  im 
Norden;  Tyrannen  sowohl  als  freie  Staaten  zeigten  bisweilen  im  14. Jahr- 
hundert der  ganzen  Klerisei  eine  solche  Verachtung,  daß  noch  ganz 
andere  Dinge  als  bloße  Naturforschung  ungeahndet  durchgingen.  Als 

umi  lies  Hu-  abcr  mit  dem  15.  Jahrhundert  das  Altertum  mächtig  in  den  Vorder- 
grund trat,  war  die  ins  alte  System  gelegte  Bresche  eine  gemeinsame  zu- 
gunsten jeder  Art  profanen  Forschens,  nur  daß  allerdings  der  Humanis- 
mus die  besten  Kräfte  an  sich  zog  und  auch  wohl  der  empirischen  Natur- 
kunde Eintrag  tat*^^.  Hie  und  da  erwacht  dazwischen  immer  wieder  die 

Abb.  ,91. 191  Inquisition  und  straft  oder  verbrennt  Ärzte  als  Lästerer  und  Nekro- 
manten,  wobei  rüe  sicher  zu  ermitteln  ist,  welches  das  wahre,  tiefste 
Motiv  der  Verurteilung  gewesen.  Bei  alledem  stand  Italien  zu  Ende  des 
Abb.  ,S7  15.  Jahrhunderts  mit  Paolo  Toscanelli,  Luca  Paccioli  und  Lionardo  da 
Vinci  in  Mathematik  vmd  Naturwissenschaften  ohne  allen  Vergleich  als 
das  erste  Volk  Europas  da  und  die  Gelehrten  aller  Länder  bekannten 
sich  als  seine  Schüler,  auch  Regiomontanus  und  Copernicus.  Dieser  Ruhm 
überlebte  sogar  die  Gegenreformation,  und  noch  bis  heute  würden  die 
Italiener  hier  in  der  ersten  Reihe  stehen,  wenn  nicht  gewaltsam  dafür 
gesorgt  wäre,  daß  die  tüchtigsten  Geister  und  die  ruhige  Forschung  sich 

Abb.  190. 191  nicht  mehr  zusammenfinden. 
Botanik;  Ein  bedeutsamer  Wink  für  die  allgemeine  Verbreitung  des  natur- 
Tm  ""r"  geschichtlichen  Interesses  liegt  auch  in  dem  früh  geäußerten  Sammler- 
sinn, der  vergleichenden  Betrachtung  der  Pflanzen  und  Tiere.  Italien 
rühmt  sich  zunächst  der  frühsten  botanischen  Gärten,  doch  mag  hier 
der  praktische  Zweck  überwogen  haben  und  selbst  die  Priorität  streitig 
sein.  Ungleich  wichtiger  ist  es,  daß  Fürsten  und  reiche  Privatleute  bei 
der  Anlage  ihrer  Lustgärten  von  selbst  auf  das  Sammeln  möglichst  vieler 
versclüedenen  Pflanzen  und  Spezies  und  Varietäten  derselben  gerieten. 
So  wird  uns  im  15.  Jahrhundert  der  prächtige  Garten  der  Mediceischen 
Villa  Cari'egi  beinahe  wie  ein  botanischer  Garten  geschildert*"*',  mit 
zahllosen  einzelnen  Gattungen  von  Bäumen  und  Sträuchern.  So  im  Be- 
ginn des  16.  Jahrhunderts  eine  Villa  des  Kardinal  Triulzio  in  der  rö- 
mischen Champagna"^,  gegen  Tivoli  hin,  irdt  Hecken  von  verschiedenen 
Rosengattungen,  mit  Bäumen  aller  Art,  worunter  die  Fruchtbäume  in 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


165 


allen  möglichen  Varietäten;  endlich  zwanzig  Rebengattungen  und  ein 
großer  Küchengarten.  Hier  handelt  es  sich  offenbar  um  etwas  anderes 
als  um  ein  paar  Dutzend  allbekannte  Medizinalpflanzen,  wie  sie  durch 
das  ganze  Abendland  in  keinem  Schloß-  oder  Klostergarten  fehlten; 
neben  einer  höchst  verfeinerten  Kultur  des  Tafelobstes  zeigt  sich  ein 
Interesse  für  die  Pflanze  als  solche,  um  ihres  merkwürdigen  Anblickes 
willen.  Die  Kunstgeschichte  belehrt  uns  darüber,  wie  spät  erst  die  Gär- 
ten sich  von  dieser  Sammlerlust  befreiten,  um  fortan  einer  großen 
architektonisch-malerischen  Anlage  zu  dienen.  .-ub.  320-330 

Auch  das  Unterhalten  fremder  Tiere  ist  gewiß  nicht  ohne  Zusammen-  Frcu.de 
hang  mit  einem  höhern  Interesse  der  Beobachtung  zu  denken.  Der 
leichte  Transport  aus  den  südlichen  und  östlichen  Häfen  des  Mittel- 
meeres und  die  Gunst  des  italienischen  Klimas  machten  es  möglich  die 
mächtigsten  Tiere  des  Südens  anzukaufen  oder  von  den  Sultanen  als 
Geschenk  anzunehmen^^^.  Vor  allem  hielten  Städte  und  Fürsten  gern 
lebendige  Löwen,  auch  wenn  der  Löwe  nicht  gerade  das  Wappentier 
war  wie  in  Florenz^'^.  Die  Löwengruben  befanden  sich  in  oder  bei  den 
Staatspalästen,  so  in  Perugia  und  in  Florenz;  diejenige  in  Rom  lag  am 
Abhang  des  Capitols.  Diese  Tiere  dienten  nämlich  bisweilen  als  Voll- 
strecker politischer  Urteile^'*  und  hielten  wohl  aucli  sonst  einen  gewissen 
Schrecken  unter  dem  Volke  wach.  Außerdem  galt  ihr  Verhalten  als 
vorbedeutungsvoll;  namentlich  war  ihre  Fruchtbarkeit  ein  Zeichen 
allgemeinen  Gedeihens,  und  auch  ein  Giovanni  Villani  verschmäht 
CS  nicht  anzumerken,  daß  er  bei  einem  Wurf  der  Löwin  zugegen  ge- 
wesen^'*. Die  Jungen  pflegte  man  zum  Teil  an  befreundete  Städte  und 
Tyrannen  zu  verschenken,  auch  an  Kondottieren  als  Preis  der  Tapfer- 
keit^'*. Außerdem  hielten  die  Florentiner  schon  sehr  früh  Leoparden, 
für  welche  ein  besonderer  Leopardenmeistcr  unterhalten  wurde*''. 
Borso  von  Ferrara*'^  ließ  seinen  Löwen  mit  Stieren,  Bären  und  Wild- 
schweinen kämpfen. 

Zu  Ende  des  15.  Jahrhunderts  aber  gab  es  schon  an  mehreren  Fürsten-  ais  wappen- 
höfen  wahre  Menagerien  (Serragli),  als  Sache  des  standesgemäßen  Luxus,  ^^^reimd  ku- 
,,Zu    der    Pracht    eines    Herrn,    sagt    Matarazzo*'*,    gehören    Pferde,    nositaten 
Hunde,  Maultiere,  Sperber  u.  a.  Vögel,  Hofnarren,  Sänger  und  fremde 
Tiere."  Die  Menagerie  von  Neapel  enthielt  unter  Ferrante  u.  a.  eine 
Giraffe  und  ein  Zebra,  Geschenke  des  damaligen  Fürsten  von  Bagdad. 
wie  es  scheint^".  Filippo  Maria  Visconti  besaß  nicht  nur  Pferde,  die 
mit  500,  ja  1000  Goldstücken  bezahlt  wurden  und  kostbare  englische 
Hunde,  sondern  auch  viele  Leoparden,  welche  aus  dem  ganzen  Orient 
zusammengebracht  waren;  die  Pflege  seiner  Jagdvögel,  die  er  aus  dem 
Norden  zusammensuchen  ließ,   kostete  monathch   3000  Goldslücke^^ 


l66  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

König  Emanuel  der  Große  von  Portugal  wußte  wohl,  was  er  tat,  als  er 
an  Leo  X.  einen  Elefanten  und  ein  Rhinozeros  schickte^^.  Inzwischen 
war  bereits  der  Grund  zu  einer  wissenschaftlichen  Zoologie  so  gut  wie 
zur  Botanik  gelegt  worden. 
Gestüte  Eine  praktische  Seite  der  Tierkunde  entwickelte  sich  dann  in  den  Ge- 
A  b.  28g, 3^0.  g^^yj-gj,^  yQj^  welchen  das  mantuanische  unter  Francesco  Gonzaga  als  das 
erste  in  Europa  galt*^.  Die  vergleichende  Schätzung  der  Pferderassen 
ist  wohl  so  alt  als  das  Reiten  überhaupt,  und  die  künstliche  Erzeugung 
von  Mischrassen  muß  namentlich  seit  den  Kreuzzügen  üblich  gewesen 
sein;  für  Italien  aber  waren  die  Ehrengewinnste  bei  den  Pferderennen 
aller  irgend  bedeutenden  Städte  der  stärkste  Beweggrund,  möglichst 
rasche  Pferde  hervorzubringen.  Im  mantuanischen  Gestüt  wuchsen  die 
unfehlbaren  Gewinner  dieser  Art,  außerdem  aber  auch  die  edelsten 
Streitrosse  und  überhaupt  Pferde,  welche  unter  allen  Geschenken  an 
große  Herrn  als  das  fürstlichste  erschienen.  Der  Gonzaga  hatte  Hengste 
und  Stuten  aus  Spanien  und  Irland  wie  aus  Afrika,  Thracien  und  Zili- 
zien;  um  letzterer  willen  unterhielt  er  Verkehr  und  Freundschaft  mit 
den  Großsultanen.  Alle  Varietäten  wurden  hier  versucht,  um  das  Treff- 
lichste hervorzubringen. 
Menschen-  Aber  auch  an  einer  Menschenmenagerie  fehlte  es  nicht;  der  bekannte 
Kardinal  Ippolito  Mcdici^*,  Bastard  des  Giuliano,  Herzogs  von  Ne- 
mours, hielt  an  seinem  wunderlichen  Hofe  eine  Schar  von  Barbaren, 
welche  mehr  als  zwanzig  verschiedene  Sprachen  redeten  und  jeder  in 
seiner  Art  und  Rasse  ausgezeichnet  waren.  Da  fand  man  unvergleich- 
liche Voltigeurs  von  edlem  nordafrikanischem  Maurengeblüt,  tatarische 
Bogenschützen,  schwarze  Ringer,  indische  Taucher,  Türken,  welche 
hauptsächlich  auf  der  Jagd  die  Begleiter  des  Kardinals  waren.  Als  ihm 
sein  frühes  Schicksal  (1535)  ereilte,  trug  diese  bunte  Schar  die  Leiche 
auf  den  Schultern  von  Itri  nach  Rom  und  mischte  in  die  allgemeine 
Trauer  der  Stadt  um  den  freigebigen  Herrn  ihre  vielsprachige,  von  hef- 
tigen Gebärden  begleitete  Totenklage^^. 

Diese  zerstreuten  Notizen  über  das  Verhältnis  der  Italiener  zur  Natur- 
wissenschaft und  ihre  Teilnahme  für  das  Verschiedene  und  Reiche  in 
den  Produkten  der  Natur  sollen  nur  zeigen,  welcher  Lücke  der  Ver- 
fasser sich  an  dieser  Stelle  bewußt  ist.  Von  den  Spczialwerken,  welche 
dieselbe  überreichlich  ausfüllen  würden,  sind  ihm  kaum  die  Namen  ge- 
nügend bekannt. 

Enidcckuns       Allein  außer  dem  Forschen  und  Wissen  gab  es  noch  eine  andere  Art, 
'!"';'",''"     der  Natur  nahezutreten,  und  zwar  zunächst  in  einem  besondern  Sinne. 

schaftlichen  ' 

Schönheit    Die  Italiener  sind  die  frühsten  unter  den  Modernen,  welche  die  Gestalt 


Schaft  im 
Mittelalter 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  167 

der  Landschaft  als  etwas  mehr  oder  weniger  Schönes  wahrgenommen 
und  genossen  haben^*. 

Diese  Fähigkeit  ist  immer  das  Resultat  langer,  komplizierter  Kultur- 
prozesse, und  ihr  Entstehen  läßt  sich  schwer  verfolgen,  indem  ein  ver- 
hülltes Gefühl  dieser  Art  lange  vorhanden  sein  kann,  ehe  es  sich  in  Dich- 
tung und  Malerei  verraten  und  damit  seiner  selbst  bewußt  werden  \\ard. 
Bei  den  Alten  z.  B.  waren  Kunst  und  Poesie  mit  dem  ganzen  Menschen- 
leben gewissermaßen  fertig,  ehe  sie  an  die  landschaftliche  Darstellung 
gingen  und  diese  blieb  immer  nur  eine  beschränkte  Gattung,  während 
doch  von  Homer  an  der  starke  Eindruck  der  Natur  auf  den  Menschen 
aus  zahllosen  einzelnen  Worten  und  Versen  hervorleuchtet.  Sodann 
waren  die  germanischen  Stämme,  welche  auf  dem  Boden  des  römischen 
Reiches  ihre  Herrschaften  gründeten,  von  Hause  aus  im  höchsten  Sinne 
ausgerüstet  zur  Erkenntnis  des  Geistes  in  der  landschaftlichen  Natur, 
und  wenn  sie  auch  das  Christentum  eine  Zeitlang  nötigte,  in  den  bisher 
verehrten  Quellen  und  Bergen,  in  See  und  Wald  das  Antlitz  falscher 
Dämonen  zu  ahnen,  so  war  doch  dieses  Durchgangsstadium  ohne  Zweifel 
bald  überwunden.  Auf  der  Höhe  des  Mittelalters  um  das  Jahr  1200,  Die  Land 
existiert  wieder  ein  völlig  naiver  Genuß  der  äußern  Welt  und  gibt  sich 
lebendig  zu  erkennen  bei  den  Minnedichtern  der  verschiedenen  Natio- 
nen^'. Dieselben  verraten  das  stärkste  ^-litleben  in  den  einfachsten  Er- 
scheinungen, als  da  sind  der  Frühling  und  seine  Blumen,  die  grüne  Heide 
und  der  Wald.  Aber  es  ist  lauter  Vordergrund  ohne  Ferne,  selbst  noch 
in  dem  besondern  Sinne,  daß  die  weitgereisten  Kreuzfahrer  sich  in 
ihren  Liedern  kaum  als  solche  verraten.  Auch  die  epische  Poesie,  welche 
z.  B.  Trachten  und  Waffen  so  genau  bezeichnet,  bleibt  in  der  Schil- 
derung der  Örtlichkeit  skizzenhaft,  und  der  große  Wolfram  von  Eschen- 
bach erweckt  kaum  irgendein  genügendes  Bild  von  der  Szene,  auf 
welcher  seine  handelnden  Personen  sich  bewegen.  Aus  den  Gesängen 
würde  vollends  niemand  erraten,  daß  dieser  dichtende  Adel  aller  Länder 
tausend  hochgelegene,  weitschauende  Schlösser  bewohnte  oder  besuchte 
und  kannte.  Auch  in  jenen  lateinischen  Dichtungen  der  fahrenden  Kleri- 
ker (S.  100)  fehlt  noch  der  Blick  in  die  Ferne,  die  eigentliche  Landschaft, 
aber  die  Nähe  wird  bisweilen  mit  einer  so  glühenden  Farbenpracht  ge- 
schildert, wie  sie  vielleicht  kein  ritterlicher  Minnedichter  wiedergibt. 
Oder  existiert  noch  eine  Schilderung  vom  Haine  des  Amor  wie  bei 
jenem,  wie  wir  annehmen,  italienischen  Dichter  des  12.  Jahrhunderts? 

Immortalis  fieret 

Ibi  manens  homo; 

Arbor  ibi  quaelibet 

Suo  gaudet  pomo; 


i68 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


Dante 


Abb.  ;ig 


Petrarc.i 

Abb.    221,   222 


Viae  myrrha,  cinnamo 

Fragrant,  et  amomo  — 

Coniectari  poterat 

Dominus  ex  domo*^  usw. 
Für  Italiener  jedenfalls  ist  die  Natur  längst  entsündigt  und  von  jeder 
dämonischen  Einwirkung  befreit.   San  Francesco  von  Assisi  preist  in 
seinem  Sonnenhymnus  den  Herrn  ganz  harmlos  um  der  Schöpfung  der 
Himmelslichter  und  der  vier  Elemente  willen. 

Aber  die  festen  Beweise  für  eine  tiefere  Wirkung  großer  landschaft- 
licher Anbhcke  auf  das  Gemüt  beginnen  mit  Dante.  Er  scliildert  nicht 
nur  überzeugend  in  wenigen  Zeilen  die  Morgenlüfte  mit  dem  fern- 
zitternden Licht  des  sanft  bewegten  Meeres,  den  Sturm  im  Walde 
u.  dgl.,  sondern  er  besteigt  hohe  Berge  in  der  einzig  möglichen  Absicht, 
den  Fernblick  zu  genießen^*;  vielleicht  seit  dem  Altertum  einer  der 
ersten,  der  dies  getan  hat.  Boccaccio  läßt  mehr  erraten,  als  daß  er  es 
schilderte,  wie  ihn  die  Landschaft  ergreift,  doch  wird  man  in  seinen 
Hirtenromanen^*"  die  wenigstens  in  seiner  Phantasie  vorhandene  mäch- 
tige Naturszenerie  nicht  verkennen.  Vollständig  und  mit  größter  Ent- 
schiedenheit bezeugt  dann  Petrarca,  einer  der  frühsten  völlig  modernen 
Menschen,  die  Bedeutung  der  Landschaft  für  die  erregbare  Seele.  Der 
lichte  Geist,  welcher  zuerst  aus  allen  Literaturen  die  Anfänge  und 
Fortschritte  des  malerischen  Natursinnes  zusammengesucht  und  in  den 
,, Ansichten  der  Natur"  selber  das  höchste  Meisterwerk  der  Schilderung 
vollbracht  hat,  Alexander  von  Humboldt,  ist  gegen  Petrarca  nicht 
völlig  gerecht  gewesen,  so  daß  uns  nach  dem  großen  Schnitter  noch 
eine  kleine  Ährenlese  übrigbleibt. 

Petrarca  war  nämlich  nicht  bloß  ein  bedeutender  Geograph  und 
Kartograph  —  die  früheste  Karte  von  Italicn^*^  soll  er  haben  entwerfen 
lassen  —  er  wiederiiolte  auch  nicht  bloß,  was  die  Alten  gesagt  hatten, 
sondern  der  Anblick  der  Natur  traf  ihn  unmittelbar.  Der  Naturgenuß 
ist  für  ihn  der  erwünscheste  Begleiter  jeder  geistigen  Beschäftigung; 
auf  der  Verflechtung  beider  beruht  sein  gelehrtes  Anachoretenleben 
in  Vaucluse  und  anderswo,  seine  periodische  Flucht  aus  Zeit  und  Welt^^'. 
Man  würde  ihm  Unrecht  tun,  wenn  man  aus  seinem  noch  schwachen 
und  wenig  entwickelten  Vermögen  des  landschaftlichen  Schildems  auf 
einen  Mangel  an  Empfindung  schließen  wollte.  Seine  Beschreibung  des 
wunderbaren  Golfes  von  Spezzia  und  Porto  Venere  z.  B.,  die  er  des- 
halb am  Ende  des  VL  Gesanges  der  ,,Africa"  einlegt,  weil  sie  bis  jetzt 
weder  von  Alten  noch  von  Neuern  besungen  w^orden^^*,  ist  allerdings 
eine  bloße  Aufzählung.  Aber  derselbe  Petrarca  kennt  doch  bereits  die 
Schönheit  von  Felsbildungen  und  weiß  überhaupt  die  malerische  Be- 


bfsteigiing 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  I  69 

deutung  einer  Landschaft  von  der  Nutzbarkeit  zu  trennen*^^  Bei  seinem 
Aufenthalt  in  den  Wäldern  von  Reggio  wirkt  der  plötzliche  Anblick 
einer  großartigen  Landschaft  so  auf  ihn,  daß  er  ein  längstunterbroche- 
nes Gedicht  wieder  fortsetzt^^^.  Die  wahrste  und  tiefste  Aufregung  aber 
kommt  über  ihn  bei  der  Besteigung  des  Mont  Ventoux  unweit  Avignon^^".  Berg- 
Ein  unbestimmter  Drang  nach  einer  weiten  Rundsicht  steigert  sich 
in  ihm  aufs  höchste,  bis  endlich  das  zufällige  Treffen  jener  Stelle  im 
Livius,  wo  König  Philipp,  der  Römerfeind,  den  Hämus  besteigt,  den 
Entscheid  gibt.  Er  denkt:  was  an  einem  königlichen  Greise  nicht  ge- 
tadelt werde,  sei  auch  bei  einem  jungen  Manne  aus  dem  Privatstande 
wohl  zu  entschuldigen.  Planloses  Bergsteigen  war  nämlich  in  seiner 
Umgebung  etwas  Unerhörtes,  und  an  die  Begleitung  von  Freunden 
oder  Bekannten  war  nicht  zu  denken.  Petrarca  nahm  nur  seinen  Jüngern 
Bruder  und  vom  letzten  Rastort  aus  zwei  Landleute  mit.  Am  Gebirge 
beschwor  sie  ein  alter  Hirte  umzukehren;  er  habe  vor  fünfzig  Jahren 
dasselbe  versucht  und  nichts  als  Reue,  zerschlagene  Glieder  und  zer- 
fetzte Kleider  heimgebracht;  vorher  und  seitdem  habe  sich  niemand 
mehr  des  Weges  unterstanden.  Allein  sie  dringen  mit  unsäglicher  Mühe 
weiter  empor,  bis  die  Wolken  unter  ihren  Füßen  schweben,  und  er- 
reichen den  Gipfel.  Eine  Beschreibung  der  Aussicht  erwartet  man  nun 
allerdings  vergebens,  aber  nicht  weil  der  Dichter  dagegen  unempfind- 
lich wäre,  sondern  im  Gegenteil,  weil  der  Eindruck  allzu  gewaltig 
auf  ihn  wirkt.  Vor  seine  Seele  tritt  sein  ganzes  vergangenes  Leben  mit 
allen  Torheiten;  er  erinnert  sich,  daß  es  heut  zehn  Jahre  sind,  seit 
er  jung  aus  Bologna  gezogen,  und  wendet  einen  sehnsüchtigen  Blick 
in  der  Richtung  gen  Italien  hin;  er  schlägt  ein  Büchlein  auf,  das  damals 
sein  Begleiter  war,  die  Bekenntnisse  des  hl.  Augustin  —  allein  siehe, 
sein  Auge  fällt  auf  die  Stelle  im  zehnten  Abschnitt:  ,,Und  da  gehen  die 
Menschen  hin  und  bewundern  hohe  Berge  und  weite  Meeresfluten  und 
mächtig  daherrauschende  Ströme  und  den  Ozean  und  den  Lauf  der 
Gestirne  und  verlassen  sich  selbst  darob."  Sein  Bruder,  dem  er  diese 
Worte  vorliest,  kann  nicht  begreifen,  warum  er  hierauf  das  Buch  schließt 
und  schweigt. 

Einige  Jahrzehnte  später,  um  1360,  schildert  Fazio  degli  Uberti  in  Der  duu- 
seiner  gereimten  Kosmographie^'^  (S.  102)  die  weite  Aussicht  vom  Ge- 
birge Alvernia  rwar  nur  mit  der  Teilnahme  des  Geographen  und  Anti- 
quars, doch  deutlich,  als  eine  wirklich  von  ihm  gesehene.  Er  muß  aber 
noch  viel  höhere  Gipfel  erstiegen  haben,  da  er  Phänomene  kennt,  die 
sich  erst  mit  mehr  als  10 000  Fuß  über  Meer  einstellen,  das  Blutwallen, 
Augendrücken  und  Herzklopfen,  wogegen  sein  mythischer  Gefährte 
Solinus  durch  einem  Schwamm  mit  einer  Essenz  Hilfe  schafft.  Die  Be- 


moüdo 


und  dieLand 
Schaft 


I  -JQ  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Steigungen  des  Parnasses  und  des  Olymp^^^,  von  welchen  er  spricht, 
mögen  freilich  bloße  Fiktionen  sein. 

Mit  dem  15.  Jahrhundert  rauben  dann  auf  einmal  die  großen  Meister 
der  flandrischen  Schule,  Hubert  und  Johann  van  Eyk,  der  Natur  ihr 
Bild.  Und  zwar  ist  ihre  Landschaft  nicht  bloß  Konsequenz  ihres  all- 
gemeinen Strebens,  einen  Schein  der  Wirklichkeit  hervorzubringen,  son- 
dern sie  hat  bereits  einen  selbständigen  poetischen  Gehalt,  eine  Seele, 
wenn  auch  nur  in  befangener  Weise.  Der  Eindruck  derselben  auf  die 
ganze  abendländische  Kunst  ist  unleugbar,  und  so  bheb  auch  die 
■^M  4i  italienische  Landschaftsmalerei  davon  nicht  unberührt.  Allein  daneben 
geht  das  eigentümliche  Interesse  des  gebildeten  italienischen  Auges 
für  die  Landschaft  seinen  eigenen  Weg. 
Aen.  syivius  Wic  in  dcr  wissenschaftlichen  Kosmographik,  so  ist  auch  hier  Aeneas 
Sylvius  eine  der  wichtigsten  Stimmen  der  Zeit.  Man  könnte  den  Menschen 
Aeneas  völlig  preisgeben  und  müßte  gleichwohl  dabei  gestehen,  daß 
in  wenigen  andern  das  Bild  der  Zeit  und  ihrer  Geisteskultur  sich  so 
vollständig  und  lebendig  spiegelte,  daß  wenige  andere  dem  Normal- 
menschen der  Frührenaissance  so  nahe  kommen.  Übrigens  wird  man 
ihn  auch  in  moralischer  Beziehung,  beiläufig  gesagt,  nicht  ganz  billig 
beurteilen,  wenn  man  einseitig  die  Beschwerden  der  mit  Hilfe  seiner 
Wandclbarkeit  um  ihr  Konzil  betrogenen  deutschen  Kirche  zum  Aus- 
gangspunkt nimmt^"". 

Hier  interessiert  er  uns  als  der  erste,  welcher  die  Herrlichkeit  der 
italienischen  Landschaft  nicht  bloß  genossen,  sondern  mit  Begeisterung 
bis  ins  einzelne  geschildert  hat.  Den  Kirchenstaat  und  das  südliche 
Toscana  (seine  Heimat)  kannte  er  besonders  genau,  und  als  er  Papst 
wurde,  wandte  er  seine  Muße  in  der  guten  Jahreszeit  wesentlich  auf 
Ausflüge  und  Landaufenthalte.  Jetzt  wenigstens  hatte  der  längst  poda- 
grische  Mann  die  Mittel,  sich  auf  dem  Tragscssel  über  Berg  und  Tal 
bringen  zu  lassen,  und  wenn  man  die  Genüsse  der  folgenden  Päpste 
damit  vergleicht,  so  erscheint  Pius,  dessen  höchste  Freude  Natur,  Alter- 
tum und  mäßige,  aber  edelzierliche  Bauten  waren,  wie  ein  halber 
Heiliger.  In  dem  schönen  lebendigen  Latein  seiner  Kommentarien  legt 
er  ganz  unbefangen  das  Zeugnis  seines  Glückes  nieder^"^. 
Seine  Peru-  Sein  Augc  crschcint  so  vielseitig  gebildet  als  dasjenige  irgendeines 
modernen  Menschen.  Er  genießt  mit  Entzücken  die  große  panorama- 
tische Pracht  der  Aussicht  vom  höchsten  Gipfel  des  Albanergebirges, 
dem  Monte  Cavo,  von  wo  er  das  Gestade  der  Kirche  von  Terracina 
und  dem  Vorgebirge  der  Circe  bis  nach  Monte  Argentaro  überschaut 
und  das  weite  Land  mit  all  den  Ruinenstädten  der  Urzeit,  mit  den 
Bergzügen  Mittclitalicns,  mit  dem  Blick  auf  die  in  der  Tiefe  ringsum 


sichten 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


171 


grünenden  Wälder  und  die  nahe  scheinenden  Seen  des  Gebirges.  Er 
empfindet  die  Schönheit  der  Lage  von  Todi,  wie  es  thront  über  seinen 
Weinbergen  und  Ölhalden,  mit  dem  BHck  auf  ferne  Wälder  und  auf 
das  Tibertal,  wo  die  vielen  Kastelle  und  Städtchen  über  dem  schlän- 
gelnden Fluß  ragen.  Das  reizende  Hügelland  um  Siena  mit  seinen 
Villen  und  Klöstern  auf  allen  Höhen  ist  freilich  seine  Heimat,  und  seine 
Schilderung  zeigt  eine  besondere  Vorliebe.  Aber  auch  das  einzelne 
malerische  Motiv  im  engern  Sinne  beglückt  ihn,  wie  z.  B.  jene  in  den 
Bolsener  See  vortretende  Landzunge,  Capo  di  Monte:  ,,Felstrcppen, 
von  Weinlaub  beschattet,  führen  steil  nieder  ans  Gestade,  wo  zwischen 
den  Klippen  die  immergrünen  Eichen  stehen,  stets  belebt  vom  Gesang 
der  Drosseln".  Auf  dem  Wege  rings  um  den  See  von  Nemi,  unter  den 
Kastanien  und  andern  Fruchtbäumen,  fühlt  er,  daß  hier  wenn  irgend- 
wo das  Gemüt  eines  Dichters  erwachen  müßte,  hier  in  ,,Dianens  Ver- 
steck". Oft  und  viel  hat  er  Konsistorium  und  Segnatura  gehalten  oder 
Gesandte  angehört  unter  alten  Riesenkastanien,  oder  unter  Ölbäumen, 
auf  grüner  Wiese,  neben  sprudelnden  Gewässern.  Einen  Anblick  wie  der 
einer  sich  verengenden  Waldschlucht  mit  einer  kühn  darüber  gewölbten 
Brücke  gewinnt  er  sofort  seine  hohe  Bedeutung  ab.  Auch  das  einzelste 
erfreut  ihn  dann  wieder  durch  seine  schöne  oder  vollständig  ausgebildete 
und  charakteristische  Erscheinung:  die  blau  wogenden  Flachsfelder,  der 
gelbe  Ginster,  welcher  die  Hügel  überzieht,  selbst  das  wilde  Gestrüpp 
jeder  Art,  und  ebenso  einzelne  prächtige  Bäume  und  Quellen,  die  ihm 
wie  Naturwunder  erscheinen. 

Den  Gipfel  seines  landschaftlichen  Schwelgens  bildet  sein  Aufent- 
halt auf  dem  Monte  Amiata  im  Sommer  1462,  als  Pest  und  Gluthitze 
die  Tieflande  schrecklich  machten.  In  der  halben  Höhe  des  Berges, 
in  dem  alten  langobardischen  Kloster  San  Salvatore  schlug  er  mit  der 
Kurie  sein  Quartier  auf:  dort,  zwischen  Kastanien  über  dem  schroffen 
Abhang,  überschaut  man  das  ganze  südliche  Toskana  und  sieht  in  der 
Ferne  die  Türme  von  Siena.  Die  Ersteigung  der  höchsten  Spitze  über- 
ließ er  seinen  Begleitern,  zu  welchen  sich  auch  der  venezianische  Orator 
gesellte;  sie  fanden  oben  zwei  gewaltige  Steinblöckc  übereinander,  viel- 
leicht die  Opferstätte  eines  Urvolkes,  und  glaubten  über  dem  Meere 
in  weiter  Ferne  auch  Korsika  und  Sardinieu^''^  zu  entdecken.  In  der 
herrlichen  Sommerkühle,  zwischen  den  alten  Eichen  und  Kastanien, 
auf  dem  frischen  Rasen,  wo  kein  Dorn  den  Fuß  ritzte,  kein  Insekt 
und  keine  Schlange  sich  lästig  oder  gefährlich  machte,  genoß  der  Papst 
der  glücklichsten  Stimmung;  für  die  Segnatura,  welche  an  bestimmten 
Wochentagen  stattfand,  suchte  er  jedesmal  neue  schattige  Plätze""^  auf  — 
„novos  in  convallibus  fontes  et  novas  inveniens  umbras,   quas  dubiam 


ind  Ansich- 
ten 


Monte 
Amiata 


IT2  DIEENTDECKUNGDERWELTUNDDES  MENSCHEN 

facerent  electionern".  Dabei  geschah  es  wohl,  daß  die  Hunde  einen 
gewaltigen  Hirsch  aus  seinem  nahen  Lager  aufjagten,  den  man  mit 

Abb.  314  Klauen  und  Geweih  sich  verteidigen  und  bergaufwärts  fliehen  sah. 
Des  Abends  pflegte  der  Papst  vor  dem  Kloster  zu  sitzen  an  der  Stelle, 
von  wo  man  in  das  Tal  der  Paglia  niederschaut,  und  mit  den  Kardi- 
nälen heitere  Gespräche  zu  führen.  Kurialen,  die  sich  auf  der  Jagd 
abwärts  wagten,  fanden  unten  die  Hitze  unleidlich  und  alles  verbrannt, 
eine  wahre  Hölle,  während  das  Kloster  in  seiner  grünen,  kühlen  Um- 
gebung eine  Wohnung  der  Seligen  schien. 

Dies  ist  lauter  wesentlich  moderner  Genuß,  nicht  Einwirkung  des 
Altertums.  So  gewiß  die  Alten  ähnlich  empfanden,  so  gewiß  hätten 
doch  die  spärlichen  Aussagen  hierüber,  welche  Pius  kennen  mochte, 
nicht  liingereicht,  um  in  ihm  eine  solche  Begeisterung  zu  entzünden*"*. 

Spätere         Die  nun  folgende  zweite  Blütezeit  der  italienischen  Poesie  zu  Ende 

Zeugnisse  ^^^  ^^  ^^^  ^^  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  nebst  der  gleichzeitigen 
lateinischen  Dichtung  ist  reich  an  Beweisen  für  die  starke  Wirkung 
der  landschafthchen  Umgebung  auf  das  Gemüt,  wie  der  erste  Blick 
auf  die  damaligen  Lyriker  lehren  mag.  Eigentliche  Beschreibungen 
großer  landschaftlicher  Anblicke  aber  finden  sich  deshalb  kaum,  weil 
Lyrik,  Epos  und  Novelle  in  dieser  energischen  Zeit  anderes  zu  tun 
haben.  Bojardo  und  Ariosto  zeichnen  ihre  Naturszenerie  sehr  ent- 
schieden, aber  so  kurz  als  möglich,  olmc  sie  je  durch  Fernen  und  große 
Perspektiven  zur  Stimmung  beitragen  zu  lassen*''^,  denn  diese  liegt  aus- 
schließlich in  den  Gestalten  und  Ereignissen.  Beschauhche  Dialogen- 
schreiber*"*  und  Epistolographen  können  viel  eher  eine  Quelle  für  das 
wachsende  Naturgefühl  sein  als  Dichter.  Merkwürdig  bewußt  hält  z.  B. 
Bandello  die  Gesetze  seiner  Literaturgattung  fest:  in  den  Novellen  selbst 
kein  Wort  mehr  als  das  Notwendigste  über  die  Naturumgcbung*"',  in 
den  jedesmal  vorangehende  Widmungen  dagegen  mehrmals  eine  be- 
hagliche Scliilderung  derselben  als  Szene  von  Gespräch  und  Gesellig- 

.■16/..  34-     keit.  Von  den  Briefschreibern  ist  leider  Aretino*"*  zu  nennen  als  der- 
jenige, welcher  vielleicht  zuerst  einen  prachtvollen  abendlichen  Licht- 
und  Wolkcneffckt  umständlich  in  Worte  gefaßt  hat. 
Genre-  Docli  auch  bei  Dichtern  kommt  bisweilen  eine  merkwürdige  Ver- 

flechtung ihres  Gefühlslebens  mit  einer  liebevoll,  und  zwar  genrehaft 
geschilderten  Naturumgebung  vor.  Tito  Strozza  beschreibt  in  einer 
lateinischen  Elegie*"^  (um  1480)  den  Aufenthalt  seiner  Geliebten:  ein 
altes,  von  Efeu  umzogcnes  Häuschen  mit  verwitterten  Heiligenfresken, 
in  Bäumen  versteckt,  daneben  eine  Kapelle,  übel  zugerichtet  von  den 
reißenden  Hochwassern  des  hart  vorbei  strömenden  Po;  in  der  Nähe 
ackert  der  Kaplan  seine  sieben  magern  Jucharten  mit  entlehntem  Ge- 


landschaft 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  I  yg 

spann.  Dies  ist  keine  Reminiszenz  aus  den  römischen  Elegikern,  sondern 
eigene  moderne  Empfindung,  und  die  Parallele  dazu,  eine  wahre,  nicht 
künstlich  bukolische  Schilderung  des  Landlebens,  wird  uns  zu  Ende 
dieses  Abschnitts  auch  nicht  fehlen.  .^m  j3..-jjä 

Man  könnte  nun  einwenden,  daß  unsere  deutschen  Meister  des  be- 
ginnenden 1 6.  Jahrhunderts  solche  realistische  Umgebungen  des  Men- 
schenlebens bisweilen  mit  vollster  Meisterschaft  darstellen,  wie  z.  B 
Albrecht  Dürer  in  seinem  Kupferstich  des  verlorenen  Sohnes.  Al^er 
es  sind  zwei  ganz  verschiedene  Dinge,  ob  ein  Maler,  der  mit  dem  Realis- 
mus großgewachsen,  solche  Szenerien  beifügt,  oder  ob  ein  Dichter, 
der  sich  sonst  ideal  und  mythologisch  drapiert,  aus  innerm  Drange 
in  die  Wirklichkeit  niedersteigt.  Überdies  ist  die  zeitliche  Priorität  hier 
wie  bei  den  Schilderungen  des  Landlebens  auf  der  Seite  der  italienischen 
Dichter. 

Zu  der  Entdeckung  der  Welt  fügt  die  Kultur  der  Renaissance  eine  Entdeckung 
noch  größere  Leistung,  indem  sie  zuerst  den  ganzen,  vollen  Gehalt  "  ™^°  ™ 
des  Menschen  entdeckt  und  zutage  fördert®^". 

Zunächst  entwickelt  dies  Weltalter,  wie  wir  sahen,  auf  das  stärkste 
den  Individualismus;  dann  leitet  es  denselben  zur  eifrigsten,  vielseitig- 
sten Erkenntnis  des  Individuellen  auf  allen  Stufen  an.  Die  Entwicklung 
der  Persönlichkeit  ist  wesentlich  an  das  Erkennen  derselben  bei  sich 
und  andern  gebunden.  Zwischen  beide  große  Erscheinungen  hinein 
haben  wir  die  Einwirkung  der  antiken  Literatur  deshalb  versetzen  müs- 
sen, weil  die  Art  des  Erkennens  und  Schilderns  des  Individuellen  wie 
des  allgemein  Menschlichen  wesentlich  durch  dieses  Medium  gefärbt 
und  bestimmt  wird.  Die  Kraft  des  Erkennens  aber  lag  in  der  Zeit  und 
in  der  Nation. 

Die  beweisenden  Phänomene,  auf  welche  wir  uns  berufen,  werden 
wenige  sein.  Wenn  irgendwo  im  Verlauf  dieser  Darstellung,  so  hat 
der  Verfasser  hier  das  Gefühl,  daß  er  das  bedenkliche  Gebiet  der  Ahnung 
betreten  hat  und  daß,  was  ihm  als  zarter,  doch  deutlicher  Farben- 
übergang in  der  geistigen  Geschichte  des  14.  und  15.  Jahrhunderts 
vor  Augen  schwebt,  von  andern  doch  schwerlich  mag  als  Tatsache  an- 
erkannt werden.  Dieses  allmähliche  Durchsichtigwerden  einer  Volks- 
seele ist  eine  Erscheinung,  welche  jedem  Beschauer  anders  vorkommen 
mag.  Die  Zeit  wird  sichten  und  richten. 

Glücklicherweise   begann   die   Erkenntnis   des   geistigen   Wesens   des    Tempera- 
Menschen  nicht  mit  dem  Grübeln  nach  einer  theoretischen   Psycho- 
logie —  denn  dafür  genügte  Aristoteles  — ,  sondern  mit  der  Gabe  der 
Beobachtung  und  der  Schilderung.  Der  unerläßliche  theoretische  Ballast 


niente  und 
I'I.incten 


174 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


beschränkt  sich  auf  die  Lehre  von  den  vier  Temperamenten  in  ihrer 
damals  üblichen  Verbindung  mit  dem  Dogma  vom  Einfluß  der  Planeten. 
Diese  starren  Elemente  behaupten  sich  als  unauflöslich  seit  unvordenk- 
lichen Zeiten  in  der  Beurteilung  der  Einzelmenschen,  ohne  weiter  dem 
großen  allgemeinen  Fortschritt  Schaden  zu  tun.  Freihch  nimmt  es 
sich  sonderbar  aus,  wenn  damit  manövriert  wird  in  einer  Zeit,  da 
bereits  nicht  nur  die  exakte  Schilderung,  sondern  auch  eine  unver- 
gängliche Kunst  und  Poesie  den  vollständigen  Menschen  in  seinem 
tiefsten  Wesen  wie  in  seinen  charakteristischen  Äußerlichkeiten  dar- 
zustellen vermochten.  Fast  komisch  lautet  es,  wenn  ein  sonst  tüchtiger 
Beobachter  Clemens  VII.  zwar  für  melancholischen  Temperamentes 
hält,  sein  Urteil  aber  demjenigen  der  Ärzte  unterordnet,  welche  in 
dem  Papste  eher  ein  sanguinisch-cholerisches  Temperament  erkennen*". 
Oder  wenn  wir  erfahren,  daß  derselbe  Gaston  de  Foix,  der  Sieger  von 
Ravenna,  welchen  Giorgione  malte  und  Bambaja  meißelte  und  welchen 
alle  Historiker  schildern,  ein  saturnisches  Gemüt  gehabt  habe*^.  Frei- 
lich wollen  die,  welche  solches  melden,  damit  etwas  sehr  Bestimmtes 
bezeichnen;  wunderlich  und  überlebt  erscheinen  nur  die  Kategorien, 
durch  welche  sie  ihre  Meinung  ausdrücken. 
Die  Dichter  Im  Rcichc  der  freien  geistigen  Schilderung  empfangen  uns  zunächst 
die  großen  Dichter  des  14.  Jahrhunderts. 

Wenn  man  aus  der  ganzen  abendländischen  Hof-  und  Ritterdich- 
tung der  beiden  vorhergehenden  Jahrhunderte  die  Perlen  zusammen- 
sucht, so  wird  eine  Summe  von  herrlichen  Ahnungen  und  Einzelbildern 
von  Seelenbewegungen  zum  Vorschein  kommen,  welche  den  Italienern 
auf  den  ersten  Blick  den  Preis  streitig  zu  machen  scheint.  Selbst  abgesehen 
von  der  ganzen  Lyrik  gibt  schon  der  einizge  Gottfried  von  Straßburg  mit 
„Tristan  und  Isolde"  ein  Bild  der  Leidenschaft,  welches  unvergängliche 
Züge  hat.  Allein  diese  Perlen  liegen  zerstreut  in  einem  Meere  des  Kon- 
ventionellen und  KünstUchen,  und  ihr  Inhalt  bleibt  noch  immer  weit 
entfernt  von  einer  vollständigen  Objektivmachung  des  Innern  Menschen 
und  seines  geistigen  Reichtums. 
verhaitcnckr  Auch  Italicu  hatte  damals,  im  13.  Jahrhundert,  seinen  Anteil  an  der 
i>-nscheni  or-  pj^£-_  ^^^  Rittcrdichtuug  durch  seine  Troubadouren.  Von  ihnen  stammt 

meniurScnil-  o 

denuig  wesentlich  die  Kanzone  her,  die  sie  so  künstlich  und  schwierig  bauen 
als  irgendein  nordischer  Minnesänger  sein  Lied;  Inhalt  und  Gedanken- 
gang sogar  ist  der  konventionell  höfische,  mag  der  Dichter  auch  bürger- 
lichen oder  gelehrten  Standes  sein. 

Aber  schon  ofienbaren  sich  zwei  Auswege,  die  auf  eine  neue,  der 
italienischen  Poesie  eigene  Zukunft  hindeuten  und  die  man  nicht  für 
unwichtig  halten  darf,  wenn  es  sich  schon  nur  um  Formelles  handelt. 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  I  75 

Von  demselben  Brunetto  Latini  (dem  Lehrer  des  Dante),  welcher 
in  der  Kanzonendichtung  die  gewöhnliche  Manier  der  Troubadouren 
vertritt,  stammen  die  frühsten  bekannten  Versi  sciolti,  reimlose  Hende- 
kasyllaben*'^  her,  und  in  dieser  scheinbaren  Formlosigkeit  äußert  sich 
auf  einmal  eine  wahre,  erlebte  Leidenschaft.  Es  ist  eine  ähnliche  be- 
wußte Beschränkung  der  äußern  Mittel  im  Vertrauen  auf  die  Kraft 
des  Inhaltes,  wie  sie  sich  einige  Jahrzehnte  später  in  der  Freskomalerei 
und  noch  später  sogar  in  der  Tafelmalerei  zeigt,  indem  auf  die  Farben 
verzichtet  und  bloß  in  einem  heilern  oder  dunklern  Ton  gemalt  wird. 
Für  jene  Zeit,  welche  sonst  auf  das  Künstliche  in  der  Poesie  so  große 
Stücke  hielt,  sind  diese  Verse  des  Brunetto  der  Anfang  einer  neuen 
Richtung"*. 

Daneben  aber,  ja  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,  Das  sonett 
bildet  sich  eine  von  den  vielen  strenggemessenen  Strophenformen,  die 
das  Abendland  damals  hervorbrachte,  für  Italien  zu  einer  herrschenden 
Durchschnittsform  aus:  das  Sonett.  Die  Rcimstellung  und  sogar  die 
Zahl  der  Verse  schwanken"^  noch  hundert  Jahre  lang,  bis  Petrarca 
die  bleibende  Normalgestalt  durchsetzte.  In  diese  Form  wird  anfangs 
jeder  höhere  lyrische  und  kontemplative,  später  jeder  mögliche  Inhalt 
gegossen,  so  daß  Madrigale,  Sestinen  und  selbst  die  Kanzonen  daneben 
nur  eine  untergeordnete  Stelle  einnehmen.  Spätere  Italiener  haben 
selber  bald  scherzend,  bald  mißmutig  geklagt  über  diese  unvermeid- 
liche Schablone,  dieses  vierzehnzeilige  Prokrustesbett  der  Gefühle  und 
Gedanken.  Andere  waren  und  sind  gerade  mit  dieser  Form  sehr  zufrieden 
und  brauchen  sie  viel  tausendmal,  um  darin  Reminiszenzen  und  müßi- 
gen Singsang  ohne  allen  tiefern  Ernst  und  ohne  Notwendigkeit  nieder- 
zulegen. Deshalb  gibt  es  sehr  viel  mehr  unbedeutende  und  schleclite 
Sonette  als  gute. 

Nichtsdestoweniger  erscheint  uns  das  Sonett  als  ein  ungeheurer  Segen  und  sein  wert 
für  die  italienische  Poesie.  Die  Klarheit  und  Schönheit  seines  Baues, 
die  Aufforderung  zur  Steigerung  des  Inhaltes  in  der  lebhafter  geglie- 
derten zweiten  Hälfte,  dann  die  Leichtigkeit  des  Auswendiglernens, 
mußten  es  auch  den  größten  Meistern  immer  von  neuem  lieb  und  wert 
machen.  Oder  meint  man  im  Ernst,  dieselben  hätten  es  bis  auf  unser 
Jahrhundert  beibehalten,  wenn  sie  nicht  von  seinem  hohen  Werte  wären 
durchdrungen  gewesen?  Nun  hätten  allerdings  diese  Meister  ersten 
Ranges  auch  in  andern  Formen  der  verschiedensten  Art  dieselbe  Macht 
äußern  können.  Allein  weil  sie  das  Sonett  zur  lyrischen  Hauptform 
erhoben,  wurden  auch  sehr  viele  andere  von  hoher,  wenn  auch  nur 
bedingter  Begabung,  die  sonst  in  einer  weitläufigen  Lyrik  untergegangen 
wären,  genötigt,  ihre  Empfindungen  zu  konzentrieren.  Das  Sonett  wurde 


lyß  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

ein  allgemeingültiger  Kondensator  der  Gedanken  und  Empfindungen, 
wie  ihn  die  Poesie  keines  andern  modernen  Volkes  besitzt. 

So  tritt  uns  nun  die  italienische  Gefühlswelt  in  einer  Menge  von  höchst 
entschiedenen,  gedrängten  und  in  ihrer  Kürze  höchst  wirksamen  Bil- 
dern entgegen.  Hätten  andere  Völker  eine  konventionelle  Form  von 
dieser  Gattung  besessen,  so  wüßten  wir  vielleicht  auch  mehr  von  ihrem 
Seelenleben;  wir  besäßen  möglicherweise  auch  eine  Reihe  abgeschlos- 
sener Darstellungen  äußerer  und  innerer  Situationen  oder  Spiegelbilder 
des  Gemütes  und  wären  nicht  auf  eine  vorgebliche  Lyiik  des  14.  und 
15.  Jahrhunderts  verwiesen,  die  fast  nirgends  ernstlich  genießbar  ist. 
Bei  den  Italienern  erkennt  man  einen  sichern  Fortschritt  fast  von  der 
Geburt  des  Sonettes  an;  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
bilden  die  neuerlich^!*  so  benannten  ,,Trovatori  della  transizione"  in 
der  Tat  einen  Übergang  von  den  Troubadouren  zu  den  Poeten,  d.  h. 
zu  den  Dichtern  unter  antikem  Einfluß;  die  einfache,  starke  Empfin- 
dung, die  kräftige  Bezeichnung  der  Situation,  der  präzise  Ausdruck 
und  Abschluß  in  ihren  Sonetten  u.  a.  Gedichten  kündet  zum  voraus 
einen  Dante  an.  Einige  Parteisonette  der  Guelfen  und  Gibellinen  (1260 
bis  1270)  tönen  schon  in  der  Art  wie  seine  Leidenschaft,  anderes  er- 
innert an  das  Süßeste  in  seiner  Lyrik. 
Dante  als  Wie  cr  sclbst  das  Sonett  theoretisch  ansah,  wissen  wir  nur  deshalb 
nicht,  weil  die  letzten  Bücher  seiner  Schrift  ,,von  der  Vulgärsprache", 
worin  er  von  Balladen  und  Sonetten  handeln  wollte,  entweder  unge- 
schrieben geblieben  oder  verlorengegangen  sind.  Praktisch  aber  hat  er 
in  Sonett  und  Kanzone  die  herrlichsten  Seelenschilderungen  nieder- 
gelegt. Und  in  welchen  Rahmen  sind  sie  eingefaßt!  Die  Prosa  seiner 
,,Vita  nuova",  worin  cr  Rechenschaft  gibt  von  dem  Anlaß  jedes  Ge- 
dichtes, ist  so  wunderbar  als  die  Verse  selbst  und  bildet  mit  denselben 
ein  gleichmäßig  von  der  tiefsten  Glut  beseeltes  Ganzes.  Rücksichtslos 
gegen  die  Seele  selbst  konstatiert  er  alle  Schattierungen  ihrer  Wonne 
und  ihres  Leides  und  prägt  dann  dies  alles  mit  fester  Willenskraft  in 
der  strengsten  Kunstform  aus.  Wenn  man  diese  Sonette  und  Kanzonen 
und  dazwischen  diese  wundersamen  Bruchstücke  des  Tagebuches  seiner 
Jugend  aufmerksam  liest,  so  scheint  es  als  ob  das  ganze  Mittelalter 
hindurch  alle  Dichter  sich  selber  gemieden,  cr  zuerst  sich  selber  auf- 
gesucht hätte.  Künstliche  Strophen  haben  Unzählige  vor  ihm  gebaut; 
aber  er  zuerst  ist  in  vollem  Sinne  ein  Künstler,  weil  er  mit  Bewußtsein 
unvergänglichen  Inhalt  in  eine  unvergängliche  Form  bildet.  Hier  ist 
subjektive  Lyrik  von  völlig  objektiver  Wahrheit  und  Größe;  das  meiste 
so  durchgearbeitet,  daß  alle  Völker  und  Jahrhunderte  es  sich  aneignen 
und  nachempfinden  können*^".  Wo  cr  aber  völlig  objektiv  dichtet  und 


Seelenschil 
derer 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


177 


die  Macht  seines  Gefühles  nur  durch  einen  außer  ihm  liegenden  Tat- 
bestand erraten  läßt,  wie  in  den  grandiosen  Sonetten  Tanto  gentile  usw. 
und  Vede  perfettamcnte  usw.,  glaubt  er  noch  sich  entschuldigen  zu 
müssen*^.  Im  Grunde  gehört  auch  das  allerschönste  dieser  Gedichte 
hierher:  das  Sonett  Deh  peregrini  che  pensosi  andate  usw. 

Auch  ohne  die  Di\ina  Commcdia  wäre  Dante  durch  diese  bloße 
Jugendgeschichte  ein  Markstein  zwischen  Mittelalter  und  neuer  Zeit. 
Geist  und  Seele  tun  hier  plötzlich  einen  gewaltigen  Schritt  zur  Er- 
kenntnis ihres  geheimsten  Lebens. 

Was  hierauf  die  Commedia  an  solchen  Offenbarungen  enthält,  ist  Die 
vollends  unermeßhch,  und  wir  müßten  das  ganze  große  Gedicht,  einen  ^^"""1,^ 
Gesang  nach  dem  andern,  durchgehen,  um  seinen  vollen  Wert,  in  dieser 
Beziehung  darzulegen.  Glücklicherweise  bedarf  es  dessen  nicht,  da  die 
Commedia  längst  eine  tägliche  Speise  aller  abendländischen  Völker 
geworden  ist.  Ihre  Anlage  und  Grundidee  gehört  dem  Mittelalter  und 
spricht  unser  Bewußtsein  nur  historisch  an;  ein  Anfang  aller  modernen 
Poesie  aber  ist  das  Gedicht  wesentlich  wegen  des  Reichtums  und  der 
hohen  plastischen  Macht  in  der  Scliilderung  des  Geistigen  auf  jeder 
Stufe  und  in  jeder  Wandlung^^^. 

Fortan  mag  diese  Poesie  ihre  schwankenden  Schicksale  haben  und 
auf  halbe  Jahrhunderte  einen  sogenannten  Rückgang  zeigen  —  ihr 
höheres  Lebensprinzip  ist  auf  immer  gerettet,  und  wo  im  14.,  15.  und 
beginnenden  16.  Jahrhundert  ein  tiefer,  originaler  Geist  in  Italien  sich 
ihr  hingibt,  stellt  er  von  selbst  eine  wesentlich  höhere  Potenz  dar  als 
irgendein  außeritalischer  Dichter,  wenn  man  Gleichheit  der  Begabung 
—  freilich  eine  schwer  zu  ermittelnde  Sache  —  voraussetzt. 

Wie  in  allen  Dingen  bei  den  Italienern  die  Bildung  (wozu  die  Poesie  Pnontat  der 
gehört)  der  bildenden  Kunst  vorangeht,  ja  dieselbe  erst  wesentlich  ^er^unsT 
anregen  hilft,  so  auch  hier.  Es  dauert  mehr  als  ein  Jahrhundert,  bis  das 
Geistig-Bewegte,  das  Seelenleben  in  Skulptur  und  Malerei  einen  Aus- 
druck erreicht,  welcher  demjenigen  bei  Dante  nur  irgendwie  analog 
ist.  Wieviel  oder  wiewenig  dies  von  der  Kunstentwicklung  anderer 
Völker  gilt®-'*,  und  wieweit  die  Frage  im  ganzen  von  Werte  ist,  kümmert 
uns  hier  wenig.  Für  die  italienische  Kultur  hat  sie  ein  entscheidendes 
Gewicht. 

Was  Petrarca  in  dieser  Beziehung  gelten  soll,  mögen  die  Leser  des  Petrarca 
vielverbreiteten  Dichters  entscheiden.  Wer  ihm  mit  der  Absicht  eines 
Verhörrichters  naht  und  die  Widersprüche  zwischen  dem  Menschen 
und  dem  Dichter,  die  erwiesenen  Nebenliebschaften  und  andere  schwache 
Seiten  recht  emsig  aufspürt,  der  kann  in  der  Tat  bei  einiger  Anstrengung 
die  Lust  an  seinen  Sonetten  gänzlich  verlieren.   Man  hat  dann  statt 

Burtkhardt  12 


iy8  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

eines  poetischen  Genusses  die  Kenntnis  des  Mannes  in  seiner  „Totalität". 
Nur  schade,  daß  Petrarcas  Briefe  so  wenigen  avignonesischen  Klatsch 
enthalten,  woran  man  ihn  fassen  könnte,  und  daß  die  Korrespondenzen 
seiner  Bekannten  und  der  Freunde  dieser  Bekannten  entweder  verloren- 
gegangen sind  oder  gar  nie  existiert  haben.  Anstatt  dem  Himmel  zu 
danken,  wenn  man  nicht  zu  erforschen  braucht,  wie  und  mit  welchen 
Kämpfen  ein  Dichter  das  Unvergängliche  aus  seiner  Umgebung  und 
seinem  armen  Leben  heraus  ins  Sichere  brachte,  hat  man  gleichwohl 
auch  für  Petrarca  aus  den  wenigen  ,, Reliquien"  solcher  Art  eine  Lebens- 
geschichte zusammengestellt,  welche  einer  Anklageakte  ähnlich  sieht. 
Übrigens  mag  sich  der  Dichter  trösten;  wenn  das  Drucken  und  Ver- 
arbeiten von  Briefwechseln  berühmter  Leute  in  Deutschland  und  Eng- 
land noch  fünfzig  Jahre  so  fort  geht,  so  wird  die  Armesünderbank, 
auf  welcher  er  sitzt,  allgemach  die  erlauchteste  Gesellschaft  enthalten. 
Ohne  das  viele  Künstliche  und  Gesuchte  zu  verkennen,  wo  Petrarca 
sich  selber  nachahmt  und  in  seiner  eigenen  Manier  weiterdichtet,  be- 
wundern wir  in  ihm  eine  Fülle  herrlicher  Seelenbilder,  Schilderungen 
seliger  und  unseliger  Momente,  die  ihm  wohl  eigen  sein  müssen,  weil 
kein  anderer  vor  ihm  sie  aufweist,  und  welche  seinen  eigentlichen  Wert 
für  die  Nation  und  die  Welt  ausmachen.  Nicht  überall  ist  der  Ausdruck 
gleichmäßig  durchsichtig;  nicht  selten  gesellt  sich  dem  Schönsten  etwas 
für  uns  Fremdartiges  bei,  allegorisches  Spielwerk  und  spitzfindige  So- 
phistik;  allein  das  Vorzügliche  überwiegt. 
Boccaccio  Auch  Boccaccio  erreicht  in  seinen  zu  wenig  beachteten  Sonetten*^ 
eine  bisweilen  höchst  ergreifende  Darstellung  seines  Gefühles.  Der  Wieder- 
besuch einer  durch  Liebe  geweihten  Stätte  (Son.  22),  die  Frühlings- 
mclancholie  (Son.  33),  die  Wehmut  des  alternden  Dichters  (Son.  65) 
sind  von  ihm  ganz  herrlich  besungen.  Sodann  hat  er  im  Ameto  die  ver- 
edelnde und  verklärende  Kraft  der  Liebe  in  einer  Weise  geschildert, 
wie  man  es  von  dem  Verfasser  des  Decamerone  schwerlich  erwarten 
würde*^".  Endlich  aber  ist  seine  ,,Fiammetta"  ein  großes,  umständliches 
Seclengemälde  voll  der  tiefsten  Beobachtung,  wenn  auch  nichts  weniger 
als  gleichmäßig  durchgeführt,  ja  stellenweise  unleugbar  beherrscht  von 
der  Lust  an  der  prachtvoll  tönenden  Phrase;  auch  Mythologie  und  Alter- 
tum mischen  sich  bisweilen  unglücklich  ein.  Wenn  wir  nicht  irren,  so 
ist  die  Fiammctta  ein  weibliches  Scitcnstück  zur  Vita  nuova  des  Dante, 
oder  doch  auf  Anregung  v'on  dieser  Seite  her  entstanden. 

Daß  die  antiken  Dichter,  zumal  die  Elegiker  und  das  vierte  Buch 
der  Aeneide,  nicht  ohne  Einfluß^^  auf  diese  und  die  folgenden  Italiener 
blieben,  versteht  sich  von  selbst,  aber  die  Quelle  des  Gefühls  sprudelt 
mächtig  genug  in  ihrem  Innern.   Wer  sie  nach  dieser  Seite  hin  mit 


Abb.  iig,  220 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  I  JQ 

ihren  außeritalienischen  Zeitgenossen  vergleicht,  wird  in  ihnen  den 
frühsten  vollständigen  Ausdruck  der  modernen  europäischen  Gefühls- 
welt überhaupt  erkennen.  Es  handelt  sich  hier  durchaus  nicht  darum 
zu  wissen,  ob  ausgezeichnete  Menschen  anderer  Nationen  nicht  ebenso 
tief  und  schön  empfunden  haben,  sondern  wer  zuerst  die  reichste  Kennt- 
nis der  Seelenregungen  urkundlich  erwiesen  hat. 

Warum  haben  aber  die  Italiener  der  Renaissance  in  der  Tragödie 
nur  Untergeordnetes  geleistet?  Dort  war  die  Stelle,  Charakter,  Geist 
und  Leidenschaft  tausendgestaltig  im  Wachsen,  Kämpfen  und  Unter- 
liegen der  Menschen  zur  Anschauung  zu  bringen.  Mit  andern  Worten: 
Warum  hat  ItaUen  keinen  Shakespeare  hervorgebracht?  —  denn  dem 
übrigen  nordischen  Theater  des  i6.,  17.  Jahrhunderts  möchten  die  Ita- 
liener wohl  gewachsen  sein,  und  mit  dem  spanischen  konnten  sie  nicht 
konkurieren,  weil  sie  keinen  religiösen  Fanatismus  empfanden,  den  ab- 
strakten Ehrenpunkt  nur  pro  forma  mitmachten  und  ihr  tyrannisches, 
illegitimes  Fürstentum  als  solches  anzubeten  und  zu  verklären  zu  klug 
und  zu  stolz  waren^-'.  Es  handelt  sich  also  einzig  nur  um  die  kurze 
Blütezeit  des  englischen  Theaters. 

Hierauf  ließe  sich  erwidern,  daß  das  ganze  übrige  Europa  auch  nur 
einen  Shakespeare  hervorgebracht  hat  und  daß  ein  solcher  Genius 
überhaupt  ein  seltenes  Geschenk  des  Himmels  ist.  Ferner  könnte  mög- 
licherweise eine  hohe  Blüte  des  italienischen  Theaters  im  Anzüge  ge- 
wesen sein,  als  die  Gegenreformation  hereinbrach  und  im  Zusammen- 
hang mit  der  spanischen  Herrschaft  (über  Neapel  und  Mailand  und 
indirekt  fast  über  ganz  Italien)  die  besten  Blüten  des  italienischen 
Geistes  knickte  oder  verdorren  ließ.  Man  denke  sich  nur  Shakespeare 
selber  z.  B.  unter  einem  spanischen  Vizekönig  oder  in  der  Nähe  des 
hl.  Officiums  zu  Rom,  oder  nur  in  seinem  eigenen  Lande  ein  paar 
Jahrzehnte  später,  zur  Zeit  der  englischen  Revolution.  Das  Drama,  in 
seiner  Vollkommenheit  ein  spätes  Kind  jeder  Kultur,  will  seine  Zeit 
und  sein  besonderes  Glück  haben. 

Bei  diesem  Anlaß  müssen  wir  jedoch  einiger  Umstände  gedenken, 
welche  allerdings  geeignet  waren,  eine  höhere  Blüte  des  Dramas  in 
Italien  zu  erschweren  oder  zu  verzögern,  bis  es  zu  spät  war. 

Als  den  wichtigsten  dieser  Umstände  darf  man  ohne  Zweifel  die 
große  anderweitige  Beschäftigung  der  Schaulust  bezeichnen,  zunächst 
vermöge  der  Mysterien  und  anderer  religiösen  Aufzüge.  Im  ganzen 
Abendlande  sind  Aufführungen  der  dramatisierten  heihgen  Geschichte 
und  Legende  gerade  Quelle  und  Anfang  des  Dramas  und  des  Theaters 
gewesen;  Italien  aber  hatte  sich,  wie  im  folgenden  Abschnitt  erörtert 
werden  soll,  den  Mysterien  mit  einem  solchen  künstlerisch  dekorativen 

12* 


Mangel  der 
Tragödie 


Die  Myste- 
rien 
Alb.  ::go,  2g8, 
299 


Di 

als  Teindia 
(k-s  Dramas 


Terenz 
Abb.  292 


180  Olli  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Prachtsinn  hingegeben,  daß  darunter  notwendig  das  dramatische  Ele- 
ment in  Nachteil  geraten  mußte.  Aus  all  den  unzähligen  kostbaren  Auf- 
führungen entwickelte  sich  dann  nicht  einmal  eine  poetische  Kunst- 
gattung wie  die  „Autos  sagramentales"  bei  Calderon  und  anderen 
spanischen  Dichtern,  geschweige  denn  ein  Vorteil  oder  Anhalt  für  das 
profane  Drama. 
Prauht  Als  letzteres  dennoch  emporkam,  nahm  es  sofort  nach  Kräften  an 
der  Pracht  der  Ausstattung  teil,  an  welche  man  eben  von  den  Mysterien 
her  nur  allzusehr  gewöhnt  war.  Man  erfährt  mit  Staunen,  wie  reich 
und  bunt  die  Dekoration  der  Szene  in  Italien  war,  zu  einer  Zeit,  da 
man  sich  im  Norden  noch  mit  der  einfachsten  Andeutung  der  örtlich- 
keit begnügte.  Allein  selbst  dies  wäre  vielleicht  noch  von  keinem  ent- 
scheidenden Gewichte  gewesen,  wenn  nicht  die  Aufführung  selbst  teils 
durch  Pracht  der  Kostüme,  teils  und  hauptsächlich  durch  bunte  Inter- 
mezzi den  Sinn  von  dem  poetischen  Gehalt  des  Stückes  abgelenkt 
hätte. 

Hautusima  Daß  man  an  vielen  Orten,  namentlich  in  Rom  und  Ferrara,  Plautus 
und  Terenz,  auch  wohl  Stücke  alter  Tragiker  aufführte  (S.  134,  142), 
bald  lateinisch,  bald  italienisch,  daß  jene  Akademien  (S.  isSf)  sich 
eine  förmliche  Aufgabe  hieraus  machten,  und  daß  die  Dichter  der 
Renaissance  selbst  in  ihren  Dramen  von  diesen  Vorbildern  mehr  als 
billig  abhingen,  gereichte  dem  italienischen  Drama  für  die  betreffenden 
Jahrzehnte  allerdings  auch  zum  Nachteil,  doch  halte  ich  diesen  Um- 
stand für  untergeordnet.  Wäre  nicht  Gegenreformation  und  Fremd- 
herrschaft dazwischen  gekommen,  so  hätte  sich  jener  Nachteil  gar  wohl 
in  eine  nützliche  Übergangsstufc  verwandeln  können.  War  doch  schon 
bald  nach  1520  wenigstens  der  Sieg  der  Muttersprache  in  Tragödie 
und  Komödie  zum  großen  Verdruß  der  Humanisten*^^  soviel  als  ent- 
schieden. Von  dieser  Seite  hätte  der  entwickeltsten  Nation  Europas 
kein  Hindernis  mehr  im  Wege  gestanden,  wenn  es  sich  darum  handelte, 
das  Drama  im  höchsten  Sinne  des  Wortes  zu  einem  geistigen  Abbild 
des  Menschenlebens  zu  erheben.  Inquisitoren  und  Spanier  waren  es, 
welche  die  Italiener  verschüchterten  und  die  dramatische  Schilderung 
der  wahrsten  und  größten  Konflikte,  zumal  im  Gewände  nationaler 
Erinnerungen,  unmöglich  maclitcn.  Daneben  aber  müssen  wir  doch 
auch  jene  zerstreuenden  Intermezzi  als  einen  wahren  Schaden  des 
Dramas  näher  ins  Auge  fassen. 
Auf-  Als   die   Hochzeit   des    Prinzen   Alfonso   von    Ferrara   mit   Lucrezia 

l"""™'^^^"  Borgia  gefeiert  wurde,  zeigte  der  Herzog  Ercolc  in  Person  den  erlauch- 
ten Gästen  die  iio  Kostüme,  welche  zur  Aufführung  von  fünf  plauti- 
nischen  Komödien  dienen  sollten,  damit  man  sehe,  daß  keines  zwei- 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


l8l 


mal  diene*^^  Aber  was  wollte  dieser  Luxus  von  Taffet  und  Kamelot 
sagen  im  Vergleich  mit  der  Ausstattung  der  Ballette  und  Pantomimen, 
welche  als  Zwischenakte  der  plautinischen  Stücke  aufgeführt  wurden. 
Daß  Plautus  daneben  einer  lebhaften  jungen  Dame  wie  Isabella  Gon-  au.  20 
zaga  schmerzhch  lang\veihg  vorkam  und  daß  jedermann  sich  während 
des  Dramas  nach  den  Zwischenakten  sehnte,  ist  begreiflich,  sobald 
man  den  bunten  Glanz  derselben  in  Betracht  zieht.  Da  gab  es  Kämpfe 
römischer  Krieger,  welche  ihre  antiken  Waffen  kunstgerecht  zum  Takte 
der  Musik  bewegten,  Fackeltänze  von  Mohren,  einen  Tanz  von  wilden 
Männern  mit  Füllhörnern,  aus  welchen  flüssiges  Feuer  sprühte;  sie 
bildeten  das  Ballett  zu  einer  Pantomime,  welche  die  Rettung  eines 
Mädchens  von  einem  Drachen  darstellte.  Dann  tanzten  Narren  in 
Pullcinelltracht  und  schlugen  einander  mit  Schweinsblasen  u.  dgl.  m.  -ttb-aeö-^ss: 
Es  war  eine  zugestandene  Sache  am  Hofe  von  Ferrara,  daß  jede  Komödie  Das  Baiie« 
„ihr"  Ballett  (moresca)  habe®^'.  Wie  man  sich  vollends  die  Aufführung 
des  plautinischen  Amphitruo  daselbst  (1491,  bei  Alfonsos  erster  Ver- 
mählung mit  Anna  Sforza)  zu  denken  habe,  ob  vielleicht  schon  mehr 
als  Pantomime  mit  Musik  denn  als  Drama,  bleibt  zweifelhaft^^.  Das 
Eingelegte  überwog  jedenfalls  das  Stück  selber;  da  sah  man,  \on  einem 
rauschenden  Orchester  begleitet,  einen  Chortanz  von  Jünglingen  in 
Efeu  gehüllt,  in  künstlich  verschlungenen  Figuren;  dann  erschien  Apoll, 
schlug  die  Lyra  mit  dem  Plectrum  und  sang  dazu  ein  Preislied  auf  das 
Haus  Este;  zunächst  folgte,  gleichsam  als  Intermezzo  im  Intermezzo, 
eine  bäurische  Genreszene  oder  Posse,  worauf  wieder  die  Mythologie 
mit  Venus,  Bacchus  und  ihrem  Gefolge  die  Szene  in  Beschlag  nahm 
und  eine  Pantomime  —  Paris  auf  dem  Ida  —  vorging.  Nun  erst  kam 
die  zweite  Hälfte  der  Fabel  des  Amphitruo,  mit  deuthcher  Anspielung 
auf  die  künftige  Geburt  eines  Herkules  aus  dem  Hause  Este.  Bei  einer 
frühem  Aufführung  desselben  Stückes  im  Hof  des  Palastes  (1487)  brannte 
fortwährend  ,,ein  Paradies  mit  Sternen  und  andern  Rädern",  d.  h. 
eine  Illumination  vielleicht  mit  Feuerwerk,  welche  gewiß  die  beste 
Aufmerksamkeit  absorbierte.  Offenbar  war  es  besser,  wenn  dergleichen 
Zutaten  für  sich  als  eigene  Darstellungen  auftraten,  wie  etwa  an  andern 
Höfen  geschah.  Von  den  festhchen  Aufführungen  beim  Kardinal  Pietro 
Riario,  bei  den  Bentivogli  zu  Bologna  usw.  wird  deshalb  bei  Anlaß 
der  Feste  zu  handeln  sein. 

Für  die  italienische  Originaltragödie  war  die  nun  einmal  gebräuch- 
liche Pracht  der  Ausstattung  wohl  ganz  besonders  verhängnisvoll.  „Man 
hat  früher  in  Venedig",  schreibt  Francesco  Sansovino*^^  um  1570,  ,,oft 
außer  den  Komödien  auch  Tragödien  von  antiken  und  modernen  Dich- 
tem mit  großem  Pomp  aufgeführt.  Um  des  Ruhmes  der  Ausstattung 


Abb.  257 


Itaüenische 

Tragödie 

Abb.sgr.stf^, 

297,  300 


l82  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

(apparati)  willen  strömten  Zuschauer  von  fern  und  nahe  dazu  herbei. 
Heutzutage  jedoch  finden  Festlichkeiten,  die  von  Privatleuten  veran- 
staltet werden,  zwischen  vier  Mauern  statt  und  seit  einiger  Zeit  hat  sich 
von  selbst  der  Gebrauch  so  festgesetzt,  daß  die  Karnevalszeit  mit  Ko- 
mödien und  andern  heitern  und  schätzbaren  Vergnügungen  hingebracht 
wird."  D.  h.  der  Pomp  hat  die  Tragödie  töten  helfen. 

Die  einzelnen  Anläufe  und  Versuche  dieser  modernen  Tragiker,  wor- 
unter die  Sofonisba  des  Trissino  (1515)   den  größten  Ruhm  gewann, 
und  Komödie  gehören  in  die  Literaturgeschichte.   Und  auch  von  der  vornehmern, 
Abb.  394, 196  (jgjjj  Plautus  und  Terenz  nachgebildeten  Komödie  läßt  sich  dasselbe 
sagen.  Selbst  ein  Ariost  konnte  in  dieser  Gattung  nichts  Ausgezeich- 
netes leisten.  Dagegen  hätte  die  populäre  Komödie  in  Prosa,  wie  sie 
Abb:t34,2}!,  Machiavelli,  Bibbiena,  Aretino  behandelten,  gar  wohl  eine  Zukunft  ha- 
■'*''        ben  können,  wenn  sie  nicht  um  ihres  Inhaltes  willen  dem  Untergang 
verfallen  gewesen  wäre.   Dieser  war  nämlich  einstweilen  teils  äußerst 
unsittlich,  teils  gegen  einzelne  Stände  gerichtet,  welche  sich  seit  etwa 
1540  nicht  mehr  eine  so  öffentliche  Feindschaft  bieten  ließen.  Wenn 
in  der  Sofonisba  die  Charakteristik  vor  einer  glanzvollen  Deklamation 
hatte  weichen  müssen,  so  war  sie  hier,  nebst  ihrer  Stiefschwester,  der 
Karikatur,  nur  zu  rücksichtslos  gehandhabt  gewesen. 

Nun  dauert  das  Dichten  von  Tragödien  und  Komödien  unaufhör- 
lich fort,  und  auch  an  zahlreichen  wirklichen  Aufführungen  antiker 
und  modemer  Stücke  fehlt  es  fortwährend  nicht;  allein  man  nimmt 
davon  nur  Anlaß  und  Gelegenheit,  um  bei  Festen  die  standesmäßige 
Pracht  zu  entwickeln,  und  der  Genius  der  Nation  hat  sich  davon  als 
von  einer  lebendigen  Gattung  völlig  abgewandt.  Sobald  Schäferspiel 
und  Oper  auftraten,  konnte  man  jene  Versuche  vollends  entbehren. 
Masken-  National  war  und  blieb  nun  nur  eine  Gattung:  die  ungeschriebene 
komüdie  Commedia  dell'  Arte,  welche  nach  einem  vorliegenden  Szenarium  im- 
provisiert wurde.  Sie  kommt  der  höhern  Charakteristik  deshalb  nicht 
sonderlich  zugute,  weil  sie  wenige  und  feststehende  Masken  hat,  deren 
Charakter  jedermann  auswendig  weiß.  Die  Begabung  der  Nation  aber 
neigte  so  sehr  nach  dieser  Gattung  hin,  daß  man  auch  mitten  in  den 
Aufführungen  geschriebener  Komödien  sich  der  eigenen  Improvisation 
überließ'^",  so  daß  eine  förmliche  Mischgattung  sich  hier  und  da  gel- 
tend machen  konnte.  In  dieser  Weise  mögen  die  Komödien  gehalten 
gewesen  sein,  welche  in  Venedig  Burchiello  und  dann  die  Gesellschaft 
Abh.iji  des  Armonio,  Val.  Zuccato,  Lod.  Dolce  usw.  aufführtc*^^;  von  Burchiello 
erfährt  man  bereits,  daß  er  die  Komik  durch  einen  mit  Griechisch 
und  Slavonisch  versetzten  venezianischen  Dialekt  zu  steigern  wußte. 
Eine  fast  oder  ganz  vollständige  Commedia  dell'  Arte  war  dann  die 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  183 

des  Angelo  Beolco,  genannt  il  Ruzzante  (1502 — 1542),  dessen  stehende 
Masken  paduanische  Bauern  (Menato,  Vezzo,  Billora  u.  a.)  sind;  ihren 
Dialekt  pflegte  er  zu  studieren,  wenn  er  auf  der  Villa  seines  Gönners 
Luigi  Cornaro  zu  Code\ico  den  Sommer  zubrachte^^.  Allmählich  tau-  ^6».  »^9 
chen  dann  all  die  berühmten  Lokalmasken  auf,  an  deren  Überresten 
Italien  sich  noch  heute  ergötzt:  Pantalone,  der  Dottore,  Brighella,  Abb. 354 
Pulcinella,  Arlechino  usw.  Sic  sind  gewiß  großenteils  sehr  viel  älter, 
ja  möglichersweie  im  Zusammenhang  mit  den  Masken  altrömischer 
Färsen,  allein  erst  das  16.  Jahrhundert  vereinigte  mehrere  von  ihnen 
in  einem  Stücke.  Gegenwärtig  geschieht  dies  nicht  mehr  leicht,  aber 
jede  große  Stadt  hält  wenigstens  ihre  Lokalmaske  fest:  Neapel  seinen 
Pulcinella,  Florenz  den  Stenterello,  Mailand  den  bisweilen  herrlichen 
Meneking^^. 

Ein  dürftiger  Ersatz  freilich  für  eine  große  Nation,  welche  vielleicht  Ersatz  durch 
vor  allen  die  Gabe  gehabt  hätte,  ihr  Höchstes  im  Spiegel  des  Dramas 
objektiv  zu  schildern  und  anzuschauen.  Aber  dies  sollte  ihr  auf  Jahr- 
hunderte verwehrt  bleiben  durch  feindselige  Mächte,  an  deren  Auf- 
kommen sie  nur  zum  Teil  schuld  war.  Nicht  auszurotten  war  freilich 
das  allverbreitete  Talent  der  dramatischen  Darstellung,  und  mit  der 
Musik  hat  Italien  vollends  Europa  zinspflichtig  gehalten.  Wer  in  dieser 
Tonwelt  einen  Ersatz  oder  einen  verhüllten  Ausdruck  für  das  verwehrte 
Drama  erkennen  will,  mag  sich  damit  nach  Gefallen  trösten. 

Was  das  Drama  nicht  geleistet  hatte,  darf  man  es  etwa  vom  Epos   Das  roman- 
erwarten?  Gerade   das  italienische   Heldengedicht  wird   scharf  darob     '^°  *   ''°' 
angeklagt,  daß  die  Haltung  und  Durchführung  der  Charaktere  seine 
allerschwächste  Seite  sei. 

Andere  Vorzüge  sind  ihm  nicht  abzustreiten,  u.  a.  der,  daß  es  seit 
vierthalb  Jahrhunderten  wirklich  gelesen  und  immer  von  neuem  ab- 
gedruckt wird,  während  fast  die  ganze  epische  Poesie  der  übrigen 
Völker  zur  bloßen  literargeschichtlichen  Kuriosität  geworden  ist.  Oder 
liegt  es  etwa  an  den  Lesern,  die  etwas  anderes  verlangen  und  anerkennen 
als  im  Norden?  Wenigstens  gehört  für  uns  schon  eine  teilweise  An- 
eignung des  italienischen  Gesichtskreises  dazu,  um  diesen  Dichtungen 
ihren  eigentümlichen  Wert  abzugewinnen,  und  es  gibt  sehr  ausgezeich- 
nete Menschen,  welche  erklären,  nichts  damit  anfangen  zu  können. 
Freilich,  wer  Pulci,  Bojardo,  Ariosto  und  Berni  auf  den  reinen  so- 
genannten Gedankengehalt  hin  analysiert,  der  muß  dabei  zu  kurz 
kommen.  Sie  sind  Künstler  der  eigensten  Art,  welche  für  ein  entschieden 
und  vorherrschend  künstlerisches  Volk  dichten. 

Die  mittelalterlichen  Sagenkreise  hatten  nach  dem  allmählichen  Er-   Die  sagen- 
löschen der  Ritterdichtung  teils  in  Gestalt  von  gereimten  Umarbei-  ^'  "^  "" 


184  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

tungen  und  Sammlungen,  teils  als  Prosaromane  weiter  gelebt.  Letzteres 
war  in  Italien  während  des  14.  Jahrhunderts  der  Fall;  doch  wuchsen 
die  neu  erwachenden  Erinnerungen  des  Altertums  riesengroß  daneben 
empor  und  stellten  alle  Phantasiebilder  des  Mittelalters  in  tiefen  Schatten. 
Boccaccio  z.  B.  in  seiner  Visione  amorosa  nennt  zwar  unter  den  in  sei- 
nem Zauberpalast  dargestellten  Heroen  auch  einen  Tristan,  Artus,  Ga- 
leotto  usw.  mit,  aber  ganz  kurz,  als  schämte  er  sich  ihrer,  und  die 
folgenden  Schriftsteller  aller  Art  nennen  sie  entweder  gar  nicht  mehr 
oder  nur  im  Scherz.  Das  Volk  jedoch  behielt  sie  im  Gedächtnis,  und 
aus  seinen  Händen  gingen  sie  dann  wieder  an  die  Dichter  des  15.  Jahr- 
hunderts über.  Dieselben  konnten  ihren  Stoff  nun  ganz  neu  und  frei 
empfinden  und  darstellen;  sie  taten  aber  noch  mehr,  indem  sie  unmittel- 
bar daran  weiterdichteten,  ja  sogar  bei  weitem  das  meiste  neu  erfanden. 
Eines  muß  man  nicht  von  ihnen  verlangen:  daß  sie  einen  so  überkom- 
menen Stoff  hätten  mit  einem  vorweltlichen  Respekt  behandeln  sollen. 
Das  ganze  neuere  Europa  darf  sie  darum  beneiden,  daß  sie  noch  an 
die  Teilnahme  ihres  Volkes  für  eine  bestimmte  Phantasiewelt  anknüpfen 
konnten,  aber  sie  hätten  Heuchler  sein  müssen,  wenn  sie  dieselbe  als 
Mythus  verehrt  hätten®^*. 

Das  Kunst-  Statt  dessen  bewegen  sie  sich  auf  dem  neu  für  die  Kunstpoesie  ge- 
""^  wonnenen  Gebiete  als  Souveräne.  Ihr  Hauptziel  scheint  die  möglichst 
schöne  und  muntere  Wirkung  des  einzelnen  Gesanges  beim  Rezitieren 
gewesen  zu  sein,  wie  denn  auch  diese  Gedichte  außerordentlich  ge- 
winnen, wenn  man  sie  stückweise  und  vortrefflich,  mit  einem  leisen 
Anflug  von  Komik  in  Stimme  und  Gebärde  hersagen  hört.  Eine  tiefere, 
durchgeführte  Charakterzeichnung  hätte  zur  Erhöhung  dieses  Effekts 
nicht  sonderlich  beigetragen;  der  Leser  mag  sie  verlangen,  der  Hörer 
denkt  nicht  daran,  da  er  immer  nur  ein  Stück  hört  und  zuletzt  nur  den 
Rhapsoden  vor  sicli  sieht.  In  betreff"  der  vorgeschriebenen  Figuren  ist 
die  Stimmung  des  Dichters  eine  doppelte:  seine  humanistische  Bildung 
protestiert  gegen  das  inittelalterliche  Wesen  derselben,  während  doch 
ihre  Kämpfe  als  Scitenbild  des  damaligen  Turnier-  und  Kriegswesens 
alle  mögliche  Kennerschaft  und  poetische  Hingebung  erfordern  und 
zugleich  eine  Glanzaufgabe  des  Rezitanten  sind.   Deshalb  kommt  es 

Luigi  Puici  selbst  bei  Pulci^^  zu  keiner  eigentlichen  Parodie  des  Rittertums,  wenn 
Abb.23Q  ^^j^,]^  ^jg  komisch  derbe  Redeweise  seiner  Paladine  oft  daran  streift. 
Daneben  stellt  er  das  Ideal  der  Rauflust,  seinen  drolligen  und  gut- 
mütigen Morgante,  der  mit  seinem  Glockenschwengel  ganze  Armeen 
bändigt;  ja  er  weiß  auch  diesen  wiederum  relativ  zu  verklären  durch 
die  Gegenüberstellung  des  absurden  und  dabei  höchst  merkwürdigen 
Monstrums  Marguttc.  Ein  besonderes  Gewicht  legt  aber  Pulci  auf  diese 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


l8  = 


Bojardo 


beiden  derb  und  kräftig  gezeichneten  Charaktere  keineswegs,  und  seine 
Gescliichte  geht  auch,  nachdem  sie  längst  daraus  verschwunden  sind, 
ihren  wunderUchen  Gang  weiter.  Auch  Bojardo^"  steht  ganz  bewußt 
über  seinen  Gestahen  und  braucht  sie  nach  Beheben  ernst  und  komisch; 
selbst  mit  den  dämonischen  Wesen  treibt  er  seinen  Spaß  und  schildert 
sie  bisweilen  absichthch  als  tölpelhaft.  Es  gibt  aber  eine  künstlerische 
Aufgabe,  mit  welcher  er  es  sich  so  sehr  Ernst  sein  läßt  wie  Pulci;  näm- 
hch  die  äußerst  lebendige  und,  man  möchte  sagen,  technisch  genaue 
Sclrilderung  aller  Hergänge.  —  Pulci  rezitierte  sein  Gedicht,  sobald 
wieder  ein  Gesang  fertig  war,  vor  der  Gesellschaft  des  Lorenzo  magni- 
fico,  und  gleichermaßen  Bojardo  das  seinige  vor  dem  Hofe  des  Ercole 
von  Ferrara;  nun  errät  man  leicht,  auf  was  für  Vorzüge  hier  geachtet 
wurde  und  wie  wenig  Dank  die  durchgeführten  Charaktere  geerntet 
haben  würden.  Natürlich  bilden  auch  die  Gedichte  selbst  bei  sobe- 
wandten  Umständen  kein  geschlossenes  Ganzes  und  könnten  halb  oder 
auch  doppelt  so  lang  sein,  wie  sie  sind;  ihre  Komposition  ist  nicht 
die  eines  großen  Historienbildes,  sondern  die  eines  Frieses  oder  einer 
von  bunten  Gestalten  umgaukelten  prachtvollen  Fruchtschnur.  Sowenig 
man  in  den  Figuren  und  dem  Rankenwerk  eines  Frieses  durchgeführte 
individuelle  Formen,  tiefe  Perspektiven  und  verschiedene  Pläne  fordert 
oder  auch  nur  gestattet,  sowenig  erwartete  man  es  in  diesen  Gedichten. 
Die  bunte  Fülle  der  Erfindungen,  durch  welche  besonders  Bojardo 
stets  von  neuem  überrascht,  spottet  aller  unserer  jetzt  geltenden  Schul- 
definitionen vom  Wesen  der  epischen  Poesie.  Für  die  damalige  Zeit 
war  es  die  angenehmste  Diversion  gegenüber  der  Beschäftigung  mit  dem 
Altertum,  ja  der  einzig  mögliche  Ausweg,  wenn  man  überhaupt  wieder 
zu  einer  selbständigen  erzählenden  Dichtung  gelangen  sollte.  Denn  die 
Poetisierung  der  Geschichte  des  Altertums  führte  doch  nur  auf  jene 
Irrpfade,  welche  Petrarca  betrat  mit  seiner  ,,Africa"  in  lateinischen 
Hexametern  und  anderthalb  Jahrhunderte  später  Trissino  mit  seinem 
„von  den  Goten  befreiten  Italien"  in  versi  sciolti,  einem  enormen 
Gedichte  von  tadelloser  Sprache  und  Versifikation,  wo  man  nur  im 
Zweifel  sein  kann,  ob  die  Geschichte  oder  die  Poesie  bei  dem  unglück- 
lichen Bündnis  übler  weggekommen  sei.  Und  wohin  verlockte  Dante 
diejenigen,  die  ihn  nachahmten?  Die  visionären  Trionfi  des  Petrarca  Abb.ijs-'f' 
sind  eben  noch  das  Letzte,  was  dabei  mit  Geschmack  zu  erreichen  war, 
Boccaccios  „verhebte  Version"  ist  schon  wesentlich  bloße  Aufzählung 
historischer  und  fabelhafter  Personen  nach  allegorischen  Kategorien. 
Andere  leiten  dann,  was  sie  irgend  vorzubringen  haben,  mit  einer 
barocken  Nachahmung  von  Dantes  erstem  Gesang  ein  und  versehen 
sich  dabei  mit  irgendeinem  allegorischen  Begleiter,  der  die  Stelle  des 


Das  einzig 

mögliche 

Epos 


l86  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Virgil  einnimmt;  Uberti  hat  für  sein  geographisches  Gedicht  (Ditta- 
mondo)  den  Solinus  gewähh,  Giovanni  Santi  für  sein  Lobgedicht  auf 
Federigo  von  Urbino  den  Plutarch*^'.  Von  diesen  falschen  Fährten 
erlöste  einstweilen  nur  diejenige  epische  Dichtung,  welche  von  Pulci 
und  Bojardo  vertreten  war.  Die  Begierde  und  Bewunderung,  mit  der 
man  ihr  entgegenkam  —  wie  man  vielleicht  bis  an  der  Tage  Abend 
mit  dem  Epos  nicht  mehr  tun  wird  — ,  beweist  glänzend,  wie  sehr  die 
Sache  ein  Bedürfnis  war.  Es  handelt  sich  gar  nicht  darum,  ob  in  diesen 
Schöpfungen  die  seit  unserm  Jahrhundert  aus  Homer  und  den  Nibe- 
lungen abstrahierten  Ideale  des  wahren  Heldengedichtes  verwirklicht 
seien  oder  nicht;  ein  Ideal  ihrer  Zeit  verwirklichten  sie  jedenfalls.  Mit 
ihren  massenhaften  Kampfbeschreibungen,  die  für  uns  der  am  meisten 
ermüdende  Bestandteil  sind,  begegneten  sie  überdies,  wie  gesagt,  einem 
Sacliinteresse,  von  dem  wir  uns  schwer  eine  richtige  Vorstellung  machen, 
sowenig  als  von  der  Hochschätzung  des  lebendigen  momentanen  Schil- 
derns  überhaupt. 

Ariosto  So  kann  man  denn  auch  an  Ariosto  keinen  falschern  Maßstab  legen, 
'  ^^''  '^''  als  wenn  man  in  seinem  Orlando  furioso*^  nach  Charakteren  suchen 
geht.  Sie  sind  hier  und  da  vorhanden  und  sogar  mit  Liebe  behandelt, 
allein  das  Gedicht  stützt  sich  keinen  Augenblick  auf  sie  und  würde 
durch  ihre  Hervorhebung  sogar  eher  verlieren  als  gewinnen.  Jene  An- 
forderung hängt  aber  mit  einem  allgemeinern  Begehren  zusammen, 
welchem  Ariosto  nicht  im  Sinne  unserer  Zeit  genügt;  von  einem  so 
gewaltig  begabten  und  berühmten  Dichter  nämlich  hätte  man  gerne 
überhaupt  etwas  anderes  als  Rolandsabenteuer  u.  dgl.  Er  hätte  sollen 
in  einem  großen  Werke  die  tiefsten  Konflikte  der  Menschenbrust,  die 
höchsten  Anschauungen  der  Zeit  über  göttliche  und  menschliche  Dinge, 
mit  einem  Worte:  eines  jener  abschließenden  Weltbilder  darstellen,  wie 
die  Göttliche  Komödie  und  der  Faust  sie  bieten.  Statt  dessen  verfährt 
er  ganz  wie  die  damaligen  bildenden  Künstler  und  wird  unsterblich, 
indem  er  von  der  Originalität  in  unserm  jetzigen  Sinne  abstrahiert, 
an  einem  bekannten  Kreise  von  Gestalten  weiterbildet  und  selbst  das 
schon  dagewesene  Detail  noch  einmal  benützt,  wo  es  ihm  dient.  Was 
für  Vorzüge  bei  einem  solchen  Verfahren  noch  immer  erreicht  werden 
können,  das  wird  Leuten  ohne  künstlerisches  Naturell  um  so  viel  schwe- 
rer begreiflich  zu  machen  sein,  je  gelehrter  und  geistreicher  sie  sonst 

Seh.  Stil  sein  mögen.  Das  Kunstziel  des  Ariosto  ist  das  glanzvoll  lebendige  ,, Ge- 
schehen", welches  sich  gleichmäßig  durch  das  ganze  große  Gedicht 
verbreitet.  Er  bedarf  dazu  einer  Dispensation  nicht  nur  von  der  tiefern 
Charakterzeichnung,  sondern  auch  von  allem  strengern  Zusammenhang 
der  Geschichten.  Er  muß  verlorene  und  vergessene  Fäden  wieder  an- 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  187 

knüpfen  dürfen,  wo  es  ihm  beliebt;  seine  Figuren  müssen  kommen 
und  verschwanden,  nicht,  weil  ihr  tieferes  persönliches  Wesen,  sondern 
weil  das  Gedicht  es  so  verlangt.  Freilich  innerhalb  dieser  scheinbar 
irrationellen,  willkürlichen  Kompositionsweise  entwickelt  er  eine  völlig 
gesetzmäßige  Schönheit.  Er  verliert  sich  nie  ins  Beschreiben,  sondern 
gibt  immer  nur  so  viel  Szenerie  und  Personenschilderung,  als  mit  dem 
Vorv/ärtsrücken  der  Ereignisse  harmonisch  verschmolzen  werden  kann; 
noch  weniger  verliert  er  sich  in  Gespräche  und  Monologe***,  sondern 
er  behauptet  das  majestätische  Privilegium  des  wahren  Epos,  alles  zu 
lebendigen  Vorgängen  zu  gestalten.  Das  Pathos  liegt  bei  ihm  nie  in 
den  Worten**",  vollends  nicht  in  dem  berühmten  dreiundzwanzigsten 
Gesang  und  den  folgenden,  wo  Rolands  Raserei  geschildert  wird.  Daß 
die  Liebesgeschichten  im  Heldengedicht  keinen  lyrischen  Schmelz  haben, 
ist  ein  Verdienst  mehr,  wenn  man  sie  auch  von  moralischer  Seite  nicht 
immer  gutheißen  kann.  Bisweilen  besitzen  sie  dafür  eine  solche  Wahrheit 
und  Wirklichkeit  trotz  allem  Zauber-  und  Ritterwesen,  das  sie  umgibt, 
daß  man  darin  unmittelbare  Angelegenheiten  des  Dichters  selbst  zu 
erkennen  glaubt.  Im  Vollgefühl  seiner  Meisterschaft  hat  er  dann  un- 
bedenklich noch  manches  andere  aus  der  Gegenwart  in  das  große  Werk 
verflochten  und  den  Ruhm  des  Hauses  Este  in  Gestalt  von  Erschei- 
nungen und  Weissagungen  mit  hineingenommen.  Der  wunderbare  Strom 
seiner  Ottaven  trägt  dieses  alles  in  gleichmäßiger  Bewegung  vorwärts. 

Mit  Teofilo  Folengo  oder,  wie  er  sich  hier  nennt,  Limemo  Pitocco  Foiengo  un 
tritt  dann  die  Parodie  des  ganzen  Ritterwesens  in  ihr  längst  ersehntes 
Recht**^,  zudem  aber  meldet  sich  mit  der  Komik  und  ihrem  Realismus 
notwendig  auch  das  strengere  Charakterisieren  wieder.  Unter  den  Püf- 
fen und  Steinwürfen  der  wilden  Gassenjugend  eines  römischen  Land- 
städtchens, Sutri,  wächst  der  kleine  Orlando  sichtbarlich  zum  mutigen 
Helden,  Mönchsfeind  und  Räsonneur  auf  Die  konventionelle  Phantasie- 
welt, wie  sie  sich  seit  Pulci  ausgebildet  und  als  Rahmen  des  Epos  ge- 
golten hatte,  springt  hier  freilich  in  Splitter  auseinander;  Herkunft  und 
Wesen  der  Paladine  werden  offen  verhöhnt,  z.  B.  durch  jenes  Esel- 
turnier im  zweiten  Gesänge,  wobei  die  Ritter  mit  den  sonderbarsten 
Rüstungen  und  Waffen  erscheinen.  Der  Dichter  zeigt  bisweilen  ein 
komisches  Bedauern  über  die  unerklärliche  Treulosigkeit,  die  in  der 
Familie  des  Gano  von  Mainz  zu  Hause  gewesen,  über  die  mühselige 
Erlangung  des  Schwertes  Durindana  u.  dgl.,  ja  das  Überlieferte  dient 
ihm  überhaupt  nur  noch  als  Substrat  für  lächerliche  Einfälle,  Episoden, 
Tendenzausbrüche  (worunter  sehr  schöne,  z.  B.  der  Schluß  von  Kap.  VI) 
und  Zoten.  Neben  alledem  ist  endlich  noch  ein  gewisser  Spott  auf  Ariosto 
nicht  zu  verkennen,  und  es  war  wohl  für  den  Orlando  furioso  ein  Glück, 


i88 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 


daß  der  Orlandino  mit  seinen  lutherischen  Ketzereien  ziemhch  bald 
der  Inquisition  und  der  künstlichen  Vergessenheit  anheimfiel.  Eine 
kenntliche  Parodie  scheint  z.  B.  durch,  wenn  (Kap.  VI,  Str.  28)  das 
Haus  Gonzaga  von  dem  Paladin  Guidone  abgeleitet  wird,  sintemal 
von  Orlando  die  Colonnesen,  von  Rinaldo  die  Orsincn  und  von  Ruggieri 
—  laut  Ariost  —  die  Estenser  abstammen  sollten.  Vielleicht  war  Ferrante 
Gonzaga,  der  Patron  des  Dichters,  dieser  Anzüglichkeit  gegen  das  Haus 
Este  nicht  fremd. 
Torq.  Tasso  Daß  cndHch  in  der  Gerusalemme  liberata  des  Torquato  Tasso  die 
Charakteristik  eine  der  höchsten  Angelegenheiten  des  Dichters  ist,  be- 
weist allein  schon,  wie  weit  seine  Denkweise  von  der  um  ein  halbes 
Jahrhundert  früher  herrschenden  abweicht.  Sein  bewundernswürdiges 
Werk  ist  wesentlich  ein  Denkmal  der  inzwischen  vollzogenen  Gegen- 
reformation und  ihrer  Tendenz. 


Biographik 
des  Mittel- 
alters 


Außerhalb  des  Gebietes  der  Poesie  haben  die  Italiener  zuerst  von 
allen  Europäern  den  historischen  Menschen  nach  seinen  äußern  und 
Innern  Zügen  und  Eigenschaften  genau  zu  schildern  eine  durchgehende 
Neigung  und  Begabung  gehabt. 

Allerdings  zeigt  schon  das  frühere  Mittelalter  bemerkenswerte  Ver- 
suche dieser  Art,  und  die  Legende  mußte  als  eine  stehende  Aufgabe 
der  Biographie  das  Interesse  und  das  Geschick  für  individuelle  Schil- 
derung wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  aufrechthalten.  In  den 
Kloster-  und  Domstiftsannalen  werden  manche  Hicrarchen,  wie  z.  B. 
Meinwerk  von  Paderborn,  Godehard  von  Hildesheim  usw.  recht  an- 
schaulich beschrieben,  und  von  mehrern  unserer  deutschen  Kaiser  gibt 
es  Schilderungen,  nach  antiken  Mustern,  zumal  Sueton,  verfaßt,  welche 
die  kostbarsten  Züge  enthalten;  ja  diese  und  ähnliche  profane  ,,vitae" 
bilden  allmählich  eine  fortlaufende  Parallele  zu  den  Heiligengeschichten. 
Doch  wird  man  weder  Einhard  noch  Wippo  noch  Radevicus**^  nennen 
dürfen  neben  Joinvilles  Schilderung  des  heiligen  Ludwig,  welche  als 
das  erste  vollkommene  Geistcsbildnis  eines  neueuropäischen  Menschen 
allerdings  sehr  vereinzelt  dasteht.  Cliaraktere  wie  St.  Ludwig  sind  über- 
haupt selten,  und  dazu  gesellt  sich  noch  das  seltene  Glück,  daß  ein 
völlig  naiver  Schilderer  aus  allen  einzelnen  Taten  und  Ereignissen  eines 
Lebens  die  Gesinnung  heraus  erkennt  und  sprechend  darstellt.  Aus 
welch  kümmerlichen  Qiicllcn  muß  man  das  innere  Wesen  eines  Fried- 
rich IL,  eines  Philipp  des  Schönen  zusammen  erraten.  Vieles,  was  sich 
dann  bis  zu  Ende  des  Mittelalters  als  Biographie  gibt,  ist  eigentlich 
nur  Zeitgeschichte  tind  ohne  Sinn  für  das  Individuelle  des  zu  preisen- 
den Menschen  geschrieben. 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  189 

Bei  den  Italienern  wird  nun  das  Aufsuchen  der  charakteristischen 
Züge  bedeutender  Menschen  eine  herrschende  Tendenz,  und  dies  ist 
es,  was  sie  von  den  übrigen  Abendländern  unterscheidet,  bei  welchen 
dergleichen  mehr  nur  zufällig  und  in  außerordentlichen  Fällen  vor- 
kommt. Diesen  entwickelten  Sinn  für  das  Individuelle  kann  überhaupt 
nur  derjenige  haben,  welcher  selbst  aus  der  Rasse  herausgetreten  und 
zum  Individuum  geworden  ist. 

Im  Zusammenhang  mit  dem  weitherrschenden  Begriff  des  Ruhmes 
(S.  82  f)  entsteht  eine  sammelnde  und  vergleichende  Biograpliik,  welche 
nicht  mehr  nötig  hat,  sich  an  Dynastien  und  geistliche  Reihenfolgen  zu 
halten  wie  Anastasius,  Agnellus  und  ihre  Nachfolger,  oder  wie  die  Dogen- 
biographen von  Venedig.  Sie  darf  vielmehr  den  Menschen  schildern, 
wenn  und  weil  er  bedeutend  ist.  Als  Vorbilder  wirken  hierauf  außer 
Sueton  auch  Nepos,  die  viri  illustres  und  Plutarch  ein,  soweit  er  bekannt 
und  übersetzt  war;  für  literaturgeschichtliche  Aufzeichnungen  scheinen 
die  Lebensbeschreibungen  der  Grammatiker,  Rhetoren  und  Dichter, 
welche  wir  als  Beilagen  zu  Sueton  kennen**^,  wesentUch  als  Vorbilder 
gedient  zu  haben,  auch  das  viel  gelesene  Leben  Virgils  von  Donatus. 

Wie  nun  biographische  Sammlungen,  Leben  berühmter  Männer,  be- 
rühmter Frauen,  mit  dem  14.  Jahrhundert  aufkamen,  wurde  schon 
oben  (S.  84f )  erwähnt.  Soweit  sie  nicht  Zeitgenossen  schildern,  hängen 
sie  natürlich  von  den  frühern  Darstellern  ab;  die  erste  bedeutende 
freie  Leistung  ist  wohl  das  Leben  Dantes  von  Boccaccio.  Leicht  und 
schwungvoll  hingeschrieben  und  reich  an  Willkürlichkeiten,  gibt  diese 
Arbeit  doch  das  lebhafte  Gefühl  von  dem  Außerordentlichen  in  Dantes 
Wesen.  Dann  folgen,  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts,  die  ,,vite"  aus- 
gezeichneter Florentiner,  von  Filippo  Villani.  Es  sind  Leute  jedes  Faches: 
Dichter,  Juristen,  Ärzte,  Philologen,  Künstler,  Staats-  und  Kriegsmän- 
ner, darunter  noch  lebende.  Florenz  wird  hier  behandelt  wie  eine  be- 
gabte Familie,  wo  man  die  Sprößlinge  notiert,  in  welchen  der  Geist 
des  Hauses  besonders  kräftig  ausgesprochen  ist.  Die  Charakteristiken 
sind  nur  kurz,  aber  mit  einem  wahren  Talent  für  das  Bezeichnende 
gegeben  und  noch  besonders  merkwürdig  durch  das  Zusammenfassen 
der  äußern  Physiognomie  init  der  innern.  Fortan"^*  haben  die  Toscaner 
nie  aufgehört,  die  Menschenschilderung  als  eine  Sache  ihrer  speziellen 
Befäliigung  zu  betrachten,  und  von  ihnen  haben  wir  die  wichtigsten 
Charakteristiken  der  Italiener  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  überhaupt. 
Giovanni  Cavalcanti  (in  den  Beilagen  zu  seiner  florentinischen  Ge- 
schichte, vor  1450)  sammelt  Beispiele  bürgerlicher  Trefflichkeit  und 
Aufopferung,  politischen  Verstandes  sowie  auch  kriegerischer  Tüchtig- 
keit, von  lauter  Florentinern.  Papst  Pius  IL  gibt  in  seinen  Kommen- 


und  der 
Italiener 


fuskaiiische 
Biographik 


Andere  it.il 
Gegenden 


igO  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

tarien  wertvolle  Lebensbilder  von  berühmten  Zeitgenossen;  neuerlich 
ist  auch  eine  besondere  Schrift  seiner  frühern  Zeit"^^  wieder  abgedruckt 
worden,  welche  gleichsam  die  Vorarbeiten  zu  jenen  Porträts,  aber  mit 
eigentümlichen  Zügen  und  Farben  enthält.  Dem  Jakob  von  Volterra 
verdanken  wir  pikante  Porträts  der  römischen  Kurie®*"  nach  Pius.  Von 
Vespasiano  Fiorentino  war  schon  oft  die  Rede,  und  als  Quelle  im  ganzen 
gehört  er  zum  Wichtigsten,  was  wir  besitzen,  aber  seine  Gabe  des 
Charakterisierens  kommt  noch  nicht  in  Betracht  neben  derjenigen  eines 
Machiavelli,  Niccolö  Valori,  Guicciardini,  Varchi,  Francesco  Vettori 
u.  a.,  von  welchen  die  europäische  Geschichtschreibung  vielleicht  so 
nachdrückhch,  wie  von  den  Alten  auf  diesen  Weg  gewiesen  wurde. 
Man  darf  nämlich  nicht  vergessen,  daß  mehrere  dieser  Autoren  in  latei- 
nischen Übersetzungen  frühe  ihren  Weg  nach  dem  Norden  fanden. 
Und  ebenso  gäbe  es  ohne  Giorgio  Vasari  von  Arezzo  und  sein  unver- 
gleichlich wichtiges  Werk  noch  keine  Kunstgeschichte  des  Nordens  und 
des  neuern  Europas  überhaupt. 

Von  den  Oberitalienern  des  15.  Jahrhunderts  soll  Bartolommeo  Fazio 
(von  Spezzia)  höhere  Bedeutung  haben  (S.  86  Anm.).  Piatina,  aus  dem 
Cremonesischen  gebürtig,  repräsentiert  in  seinem  „Leben  Pauls  IL" 
(S.  179)  bereits  die  biographische  Karikatur.  Vorzüglich  wichtig  aber 
ist  die  von  Piercandido  Decembrio  verfaßte  Schilderung  des  letzten 
Visconti"*',  eine  große  erweiterte  Nachahmung  des  Sueton.  Sismondi 
bedauert,  daß  so  viele  Mühe  an  einen  solchen  Gegenstand  gewandt 
worden,  allein  für  einen  größern  Mann  hätte  vielleicht  der  Autor  nicht 
ausgereicht,  während  er  völlig  genügt,  um  den  gemischten  Charakter 
des  Filippo  Maria  und  an  und  in  demselben  mit  wunderwürdiger  Ge- 
nauigkeit die  Voraussetzungen,  Formen  und  Folgerungen  einer  bestimm- 
ten Art  von  Tyi-annis  darzustellen.  Das  Bild  des  15.  Jahrhunderts  wäre 
unvollständig  ohne  diese  in  ihrer  Art  einzige  Biographie,  welche  bis 
in  die  feinsten  Miniaturpünktchen  hinein  charakteristisch  ist.  —  Später- 
hin besitzt  Mailand  an  dem  Gcschichtschreiber  Corio  einen  bedeuten- 
den Bildnismalcr;  dann  folgt  der  Comaske  Paolo  Gio\io,  dessen  größere 
Biographien  und  kleinere  Elogicn  weltberühmt  und  für  Nachfolger  aller 
Länder  ein  Vorbild  geworden  sind.  Es  ist  leicht,  an  hundert  Stellen 
Giovios  Flüchtigkeit  und  auch  seine  Unredlichkeit  nachzuweisen,  und 
eine  ernste  höhere  Absicht  liegt  ohnehin  nie  in  einem  Menschen,  wie 
er  war.  Allein  der  Atem  des  Jahrhunderts  weht  durch  seine  Blätter, 
und  sein  Leo,  sein  Alfonso,  sein  Pompeo  Colonna  leben  und  bewegen 
sich  vor  uns  mit  völliger  Wahrheit  und  Notwendigkeit,  wenngleich  ihr 
tiefstes  Wesen  uns  hier  nicht  kund  wird. 

Unter  den  Neapolitanern  nimmt  Tristan  Caracciolo  (S.  22),  soweit 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  IQI 

wir  urteilen  können,  ohne  Frage  die  erste  Stelle  ein,  obwohl  seine  Ab- 
sicht nicht  einmal  eine  streng  biographische  ist.  Wundersam  verflechten 
sich  in  den  Gestalten,  die  er  uns  vorführt,  Schuld  und  Schicksal,  ja 
man  könnte  ihn  wohl  einen  unbewußten  Tragiker  nennen.  Die  wahre 
Tragödie,  welche  damals  auf  der  Szene  keine  Stätte  fand,  schritt  mäch- 
tig einher  durch  die  Paläste,  Straßen  und  Plätze.  —  Die  ,, Worte  und 
Taten  Alfons  des  Großen",  von  Antonio  Panormita  bei  Lebzeiten  des 
Königs  geschrieben,  sind  merkwürdig  als  eine  der  frühsten  derartigen 
Sammlungen  von  Anekdoten  und  weisen  wie  scherzhaften  Reden. 

Langsam  nur  folgte  das  übrige  Europa  den  italienischen  Leistungen  verhiitms 
in  der  geistigen  Charakteristik***,  obschon  die  großen  politischen  und  ^^te^ratu^ 
religiösen  Bewegungen  so  manche  Bande  gesprengt,  so  viele  Tausende 
zum  Geistesleben  geweckt  hatten.  Über  die  wichtigsten  Persönlich- 
keiten der  damaligen  europäischen  Welt  sind  wiederum  im  ganzen 
unsere  besten  Gewährsmänner  Italiener,  sowohl  Literaten  als  Diplo- 
maten. Wie  rasch  und  unwidersprochen  haben  in  neuester  Zeit  die 
venezianischen  Gesandtschaftsberichte  des  i6.  und  17.  Jahrhunderts  in 
betreff  der  Personalschilderungen  die  erste  Stelle  errungen. 

Auch  die  Selbstbiographie  nimmt  bei  den  Italienern  hier  und  da  seibst- 
einen  kräftigen  Flug  in  die  Tiefe  und  Weite  und  schildert  neben  dem  '^^^^  "" 
buntesten  Außenleben  ergreifend  das  eigene  Innere,  während  sie  bei 
andern  Nationen,  auch  bei  den  Deutschen  der  Reformationszeit,  sich 
an  die  merkwürdigen  äußern  Schicksale  hält  und  den  Geist  melir  nur 
aus  der  Darstellungsweise  erraten  läßt.  Es  ist,  als  ob  Dantes  vita  nuova 
mit  ihrer  unerbittlichen  Wahrheit  der  Nation  die  Wege  gewiesen  hätte. 

Den  Anfang  dazu  machen  die  Haus-  und  Familiengeschichten  aus 
dem  14.  und  15.  Jahrhundert,  welche  noch  in  ziemlicher  Anzahl  na- 
mentlich in  den  florentinischen  Bibliotheken  handschriftlich  vorhanden 
sein  sollen;  naive,  im  Interesse  des  Hauses  und  des  Schreibenden  ab- 
gefaßte Lebensläufe,  wie  z.  B.  der  des  Buonaccorso  Pitti. 

Eine  tiefere  Selbstkritik  ist  auch  nicht  gerade  in  den  Kommentarien  Aen  syhiu 
Pius  IL  zu  suchen;  was  man  hier  von  ihm  als  Menschen  erfährt,  be- 
schränkt sich  sogar  dem  ersten  Anschein  nach  darauf,  daß  er  meldet, 
wie  er  seine  Karriere  machte.  Allein  bei  weiterm  Nachdenken  wird 
man  dieses  merkwürdige  Buch  anders  beurteilen.  Es  gibt  Menschen, 
die  wesentlich  Spiegel  dessen  sind,  was  sie  umgibt;  man  tut  ihnen  unrecht, 
wenn  man  sich  beharrlich  nach  ihrer  Überzeugung,  nach  ihren  innem 
Kämpfen  und  tiefern  Lebensresultaten  erkundigt.  So  ging  Aeneas  Syl- 
vius  völlig  auf  in  den  Dingen,  ohne  sich  um  irgendeinen  sittlichen 
Zwiespalt  sonderlich  zu  grämen;  nach  dieser  Seite  deckte  ihn  seine 
gutkatholische   Orthodoxie  so  weit    als    nötig  war.   Und   nachdem  er 


Abb.39S,3i7 
393 


IQ2  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

in  allen  geistigen  Fragen,  die  sein  Jahrhundert  beschäftigten,  mitgelebt 
und  mehr  als  einen  Zweig  derselben  wesentlich  gefördert  hatte,  behielt 
er  doch  am  Ende  seiner  Laufbahn  nocli  Temperament  genug  übrig, 
um  den  Kreuzzug  gegen  die  Türken  zu  betreiben  und  am  Gram  ob 
dessen  Vereitelung  zu  sterben. 
Boav.  ceuini  Auch  dlc  Sclbstbiograpliie  des  Benvenuto  Cellini  geht  nicht  gerade 
auf  Beobachtungen  über  das  eigene  Innere  aus.  Gleichwohl  schildert 
sie  den  ganzen  Menschen,  zum  Teil  wider  Willen,  mit  einer  hinreißen- 
den Wahrheit  und  Fülle.  Es  ist  wahrlich  kein  Kleines,  daß  Benvenuto, 
dessen  bedeutendste  ^Arbeiten  bloßer  Entwurf  geblieben  und  unter- 
gegangen sind,  und  der  uns  als  Künstler  nur  im  kleinen  dekorativen 
Fach  vollendet  erscheint,  sonst  aber,  wenn  man  bloß  nach  seinen  er- 
haltenen Werken  urteilt,  neben  so  vielen  größern  Zeitgenossen  zurück- 
stehen muß  —  daß  Benvenuto  als  Mensch  die  Menschen  beschäftigen 
wird  bis  ans  Ende  der  Tage.  Es  schadet  ihm  nicht,  daß  der  Leser  häufig 
ahnt,  er  möchte  gelogen  oder  geprahlt  haben;  denn  der  Eindruck 
der  gewaltig  energischen,  völlig  durchgebildeten  Natur  überwiegt.  Neben 
ihm  erscheinen  z.  B.  unsere  nordischen  Selbstbiographen,  soviel  höher 
ihre  Tendenz  und  ihr  sittliches  Wesen  bisweilen  zu  achten  sein  mag, 
doch  als  unvollständige  Naturen.  Er  ist  ein  Mensch,  der  alles  kann, 
alles  wagt  und  sein  Maß  in  sich  selber  trägt.  Ob  wir  es  gerne  hören 
oder  nicht,  es  lebt  in  dieser  Gestalt  ein  ganz  kenntliches  Urbild  des 
modernen  Menschen. 

Und  noch  ein  anderer  ist  hier  zu  nennen,  der  es  ebenfalls  mit  der 
Wahrheit  nicht  immer  soll  genau  genommen  haben:  Girolamo  Cardano 
von  Mailand  (geb.  1500).  Sein  Büchlein  de  propria  vita***  wird  selbst 
sein  großes  Andenken  in  der  Geschichte  der  Naturforschung  und  der 
Philosophie  überleben  und  übertönen  wie  die  vita  Benvenutos  dessen 
Werke,  obwohl  der  Wert  der  Schrift  wesentlich  ein  anderer  ist.  Car- 
dano fühlt  sich  als  Arzt  selber  den  Puls  und  schildert  seine  physische, 
intellektuelle  und  sittliche  Persönlichkeit  samt  den  Bedingungen,  unter 
welchen  sich  dieselbe  entwickelt  hatte,  und  zwar  aufrichtig  und  ob- 
jektiv, soweit  ihm  dies  möglich  war.  Sein  zugestandenes  Vorbild,  Marc 
Aureis  Schrift  auf  sich  selbst,  konnte  er  in  dieser  Beziehung  deshalb 
überbieten,  weil  ihn  kein  stoisches  Tugendgebot  genierte.  Er  begehrt 
weder  sich  noch  die  Welt  zu  schonen;  beginnt  doch  sein  Lebenslauf 
damit,  daß  seiner  Mutter  die  versuchte  Abtreibung  der  Leibesfrucht 
nicht  gelang.  Es  ist  schon  viel,  daß  er  den  Gestirnen,  die  in  seiner  Ge- 
burtsstunde gewaltet,  nur  seine  Schicksale  und  seine  intellektuellen 
Eigenschaften  auf  die  Rechnung  schreibt  und  nicht  auch  die  sittlichen; 
übrigens  gesteht  er  (Kap.  lo)  offen  ein,  daß  ihm  der  astrologisch  er- 


DIE  ENTDECKUNG  DER    WELT  UND  DE  S  MENSCHEN  lOg 

worbene  Wahn,  er  werde  das  vierzigste  und  höchstens  das  fünfund- 
vierzigste Jahr  nicht  überleben,  in  seiner  Jugend  viel  geschadet  habe. 
Doch  es  ist  uns  hier  nicht  erlaubt,  ein  so  stark  verbreitetes,  in  jeder  Biblio- 
thek vorhandenes  Buch  zu  exzerpieren.  Wer  es  liest,  wird  in  die  Dienst- 
barkeit jenes  Mannes  kommen,  bis  er  damit  zu  Ende  ist.  Cardano 
bekennt  allerdings,  daß  er  ein  falscher  Spieler,  rachsüchtig,  gegen  jede 
Reue  verhärtet,  absichtlich  verletzend  im  Reden  gewesen;  er  bekennt 
es  freilich  ohne  Frechheit  wie  ohne  fromme  Zerknirschung,  ja  ohne 
damit  interessant  werden  zu  wollen,  vielmehr  mit  dem  einfachen,  ob- 
jektiven Wahrheitssinn  eines  Naturforschers.  Und  was  das  Anstößigste 
ist,  der  76jährige  Mann  findet  sich  nach  den  schauerlichsten  Erleb- 
nissen^^", bei  einem  sehr  erschütterten  Zutrauen  zu  den  Menschen, 
gleichwohl  leidlich  glücklich:  noch  lebt  ihm  ja  ein  Enkel,  noch  besitzt 
er  sein  ungeheures  Wissen,  den  Ruhm  wegen  seiner  Werke,  ein  hüb- 
sches Vermögen,  Rang  und  Ansehen,  mächtige  Freunde,  Kunde  von 
Geheimnissen,  und  was  das  Beste  ist:  den  Glauben  an  Gott.  Nach- 
träglich zählt  er  die  Zähne  in  seinem  Munde;  es  sind  ihrer  noch  fünf- 
zehn. 

Doch  als  Cardano  schrieb,  sorgten  auch  in  Italien  Inquisitoren  und 
Spanier  bereits  dafür,  daß  solche  Menschen  entweder  sich  nicht  mehr 
ausbilden  konnten  oder  auf  irgendeine  Weise  umkamen.  Es  ist  ein 
großer  Sprung  von  da  bis  auf  die  Memoiren  des  Alfieri. 

Es  wäre  indes  ungerecht,  diese  Zusammenstellung  von  Selbstbiogra-  1  uigicomao 
phen  zu  schließen,  ohne  einen  sowohl  achtbaren  als  glücklichen  Men- 
schen zu  Worte  kommen  zu  lassen.  Es  ist  dies  der  bekannte  Lebens- 
philosoph Luigi  Cornaro,  dessen  Wohnung  in  Padua  schon  als  Bau- 
werk klassisch  und  zugleich  eine  Heimat  aller  Musen  war.  In  seinem 
berühmten  Traktat  ,,Vom  mäßigen  Leben*^^"  schildert  er  zunächst 
die  strenge  Diät,  durch  welche  es  ihm  gelungen,  nach  früherer  Kränk- 
lichkeit ein  gesundes  und  hohes  Alter,  damals  von  83  Jahren,  zu  er- 
reichen; dann  antwortet  er  denjenigen,  welche  das  Alter  über  65  Jahre 
hinaus  überhaupt  als  einen  lebendigen  Tod  verschmähen;  er  beweist 
ihnen,  daß  sein  Leben  ein  höchst  lebendiges  und  kein  totes  sei.  „Sic 
mögen  kommen,  sehen  und  sich  wundern  über  mein  Wohlbefinden, 
wie  ich  ohne  Hilfe  zu  Pferde  steige,  Treppen  und  Hügel  hinauflaufe, 
wie  ich  lustig,  amüsant  und  zufrieden  bin,  wie  frei  von  Gemütssorgen 
und  widerwärtigen  Gedanken.  Freude  und  Friede  verlassen  mich  nicht. . . 
Mein  Umgang  sind  weise,  gelehrte,  ausgezeichnete  Leute  von  Stande, 
und  wenn  diese  nicht  bei  mir  sind,  lese  und  schreibe  ich,  und  suche  da- 
mit wie  auf  jede  andere  Weise  andern  nützlich  zu  sein  nach  Kräft:en. 
Von  diesen  Dingen  tue  ich  jedes  zu  seiner  Zeit,  bequem,  in  meiner 

Burckhardt  13 


Abb.  24g 


IQA  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Luigicora.iro  schöncn  Behausung,  welche  in  der  besten  Gegend  Paduas  gelegen  und 
mit  allen  Mitteln  der  Baukunst  auf  Sommer  und  Winter  eingerichtet, 
auch  mit  Gärten  am  fließenden  Wasser  versehen  ist.  Im  Frühling  und 
Herbst  gehe  ich  für  einige  Tage  auf  meinen  Hügel  in  der  schönsten 
Lage  der  Euganeen,  mit  Brunnen,  Gärten  und  bequemer  und  zier- 
licher Wohnung;  da  mache  ich  auch  wohl  eine  leichte  und  vergnüg- 
liche Jagd  mit,  wie  sie  für  mein  Alter  paßt.  Einige  Zeit  bringe  ich  dann 
in  meiner  schönen  Villa  in  der  Ebene®"^  zu;  dort  laufen  alle  Wege  auf 
einen  Platz  zusammen,  dessen  Mitte  eine  artige  Kirche  einnimmt;  ein 
mächtiger  Arm  der  Brenta  strömt  mitten  durch  die  Anlagen,  lauter 
fruchtbare,  wohl  angebaute  Felder,  alles  jetzt  stark  bewohnt,  wo  früher 
nur  Sumpf  und  schlechte  Luft  und  eher  ein  Wohnsitz  für  Schlangen 
als  für  Menschen  war.  Ich  wars,  der  die  Gewässer  ableitete;  da  wurde 
die  Luft  gut,  und  die  Leute  siedelten  sich  an  und  vermehrten  sich,  und 
der  Ort  wurde  so  ausgebaut,  wie  man  ihn  jetzt  sieht,  so  daß  ich  in 
Wahrheit  sagen  kann:  an  dieser  Stätte  gab  ich  Gott  einen  Altar  und 
einen  Tempel  und  Seelen,  um  ihn  anzubeten.  Dies  ist  mein  Trost  und 
mein  Glück,  sooft  ich  hinkomme.  Im  Frühhng  und  Herbst  besuche 
ich  auch  die  nahen  Städte  und  sehe  und  spreche  meine  Freunde  und 
mache  durch  sie  die  Bekanntschaft  anderer  ausgezeichneter  Leute, 
Architekten,  Maler,  Bildhauer,  Musiker  und  Landökonomen.  Ich  be- 
trachte, was  sie  Neues  geschaffen  haben,  betrachte  das  schon  Bekannte 
wieder  und  lerne  immer  vieles,  was  mir  dient,  in  und  an  Palästen, 
Gärten,  Altertümern,  Stadtanlagen,  Kirchen  und  Festungswerken.  Vor 
allem  aber  entzückt  mich  auf  der  Reise  die  Schönheit  der  Gegenden 
und  der  Ortschaften,  wie  sie  bald  in  der  Ebene,  bald  auf  Hügeln,  an 
Flüssen  und  Bächen  mit  ihren  Landhäusern  und  Gärten  ringsum  da- 
liegen. Und  diese  meine  Genüsse  werden  mir  nicht  geschmälert  durch 
Abnahme  des  Auges  oder  des  Ohres;  alle  meine  Sinne  sind  Gott  sei 
Dank  in  vollkommen  gutem  Zustande,  auch  der  Geschmack,  indem 
mir  jetzt  das  wenige  und  Einfache,  was  ich  zu  mir  nehme,  besser  schmeckt 
als  einst  die  Leckerbissen  zur  Zeit,  da  ich  unordentlich  lebte." 

Nachdem  er  hierauf  die  von  ihm  für  die  Republik  betriebenen  Ent- 
sumpfungsarbeiten  und  die  von  ihm  beharrlich  vorgeschlagenen  Pro- 
jekte zur  Erhaltung  der  Lagunen  erwähnt  hat,  schließt  er:  ,,Dies  sind 
die  wahren  Erholungen  eines  durch  Gottes  Hilfe  gesunden  Alters,  das 
von  jenen  geistigen  und  körperlichen  Leiden  frei  ist,  welchen  so  manche 
jüngere  Leute  und  so  manche  hinsiechende  Greise  unterliegen.  Und 
wenn  es  erlaubt  ist,  zum  Großen  das  Geringe,  zum  Ernst  den  Scherz 
hinzuzufügen,  so  ist  auch  das  eine  Frucht  meines  mäßigen  Lebens, 
daß   ich   in   diesem   meinem   83.   Altersjahre   noch   eine   sehr   ergötz- 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  ig^ 

liehe  Komödie  voll  ehrbarer  Spaßhaftigkeit  geschrieben  habe.  Der- 
gleichen ist  sonst  Sache  der  Jugend,  wie  die  Tragödie  Sache  des  Alters; 
wenn  man  es  nun  jenem  berühmten  Griechen  zum  Ruhm  anrechnet, 
daß  er  noch  im  73.  Jahre  eine  Tragödie  gedichtet,  muß  ich  nicht 
nüt  zehn  Jahren  darüber  gesunder  und  heiterer  sein  als  jener  damals 
war?  —  Und  damit  der  Fülle  meines  Alters  kein  Trost  fehle,  sehe  ich 
eine  Art  leiblicher  Unsterblichkeit  in  Gestalt  meiner  Nachkommen- 
schaft vor  Augen.  Wenn  ich  nach  Hause  komme,  habe  ich  nicht  einen 
oder  zwei,  sondern  elf  Enkel  vor  mir,  zwischen  zwei  und  achtzehn 
Jahren,  alle  von  einem  Vater  und  einer  Mutter,  alle  kerngesund  und 
(soviel  bis  jetzt  zu  sehen  ist)  mit  Talent  und  Neigung  für  Bildung  und 
gute  Sitten  begabt.  Einen  von  den  kleinern  habe  ich  immer  als  meinen 
Possenmacher  (buffoncello)  bei  mir,  wie  denn  die  Kinder  vom  dritten 
bis  zum  fünften  Jahre  geborene  Buffonen  sind;  die  größern  behandle 
ich  schon  als  meine  Gesellschaft  und  freue  mich  auch,  da  sie  herrliche 
Stimmen  haben,  sie  singen  und  auf  verschiedenen  Instrumenten  spielen 
zu  hören;  ja  ich  selbst  singe  auch  und  habe  jetzt  eine  bessere,  hellere, 
tönendere  Stimme  als  je.  Das  sind  die  Freuden  meines  Alters.  Mein 
Leben  ist  also  eine  lebendiges  und  kein  totes,  und  ich  möchte  mein 
Alter  nicht  tauschen  gegen  die  Jugend  eines  solchen,  der  den  Leiden- 
schaften verfallen  ist." 

In  der  „Ermahnung",  welche  Cornaro  viel  später,  in  seinem  95. 
Jahre  beifügte,  rechnet  er  zu  seinem  Glück  unter  andern  auch,  daß 
sein  ,, Traktat"  viele  Proselyten  gewonnen  habe.  Er  starb  zu  Padua 
1565,  mehr  als  hundertjährig. 

Neben  der  Charakteristik  der  einzelnen  Individuen  entsteht  auch  charakten 
eine  Gabe  des  Urteils  und  der  Schilderung  für  ganze  Bevölkerungen.  *  |<(,  ™°nd 
Während  des  Mittelalters  hatten  sich  im  ganzen  Abendlande  Städte,  stadten 
Stämme  und  Völker  gegenseitig  mit  Spott-  und  Scherzworten  verfolgt, 
welche  meistens  einen  wahren  Kern  in  starker  Verzerrung  enthielten. 
Von  jeher  aber  taten  sich  die  Italiener  im  Bewußtsein  der  geistigen 
Unterschiede  ihrer  Städte  und  Landschaften  besonders  hervor;  ihr  Lokal- 
patriotismus, so  groß  oder  größer  als  bei  irgendeinem  mittelalterlichen 
Volke,  hatte  frühe  schon  eine  literarische  Seite  und  verband  sich  mit 
dem  Begriff  des  Ruhmes;  die  Topographie  entsteht  als  eine  Parallele 
der  Biographie  (S.  85).  Während  sich  nun  jede  größere  Stadt  in 
Prosa  und  Versen  zu  preisen  anfing*^,  traten  auch  Schriftsteller  auf, 
welche  sämtliche  wichtigere  Städte  und  Bevölkerungen  teils  ernsthaft 
nebeneinander  beschrieben,  teils  witzig  verspotteten,  auch  wohl  so 
besprachen,  daß  Ernst  und  Spott  nicht  scharf  voneinander  zu  tren- 
nen sind. 

13* 


rungen  des 
i6.  Jahrh. 


iq6  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Dittamondo  Nächst  einigen  berühmten  Stellen  in  der  Divina  Commedia  kommt 
der  Dittamondo  des  Uberti  in  Betracht  (um  1360).  Hier  werden  haupt- 
sächlich nur  einzelne  auffallende  Erscheinungen  und  Wahrzeichen  nam- 
haft gemacht:  das  Krähenfest  zu  St.  Apollinare  in  Ravenna,  die  Brun- 
nen in  Treviso,  der  große  Keller  bei  Vicenza,  die  hohen  Zölle  von 
Mantua,  der  Wald  von  Türmen  in  Lucca;  doch  finden  sich  dazwischen 
auch  Lobeserhebungen  und  anzügliche  Kritiken  anderer  Art;  Arezzo 
figuriert  bereits  mit  dem  subtilen  Ingenium  seiner  Stadtkinder,  Genua 
mit  den  künstlich  geschwärzten  Augen  und  Zähnen  (?)  der  Weiber, 
Bologna  mit  dem  Geldvertun,  Bergamo  mit  dem  groben  Dialekt  und 
den  gescheiten  Köpfen  u.  dgl.^^*.  Im  15.  Jahrhundert  rühmt  dann  jeder 
seine  eigene  Heimat  auch  auf  Kosten  anderer  Städte.  Michele  Savonarola 
z.  B.  läßt  neben  seinem  Padua  nur  Venedig  und  Rom  als  herrlicher, 
Florenz  höchstens  als  fröhlicher  gelten^^^,  womit  denn  natürlich  der 
objektiven  Erkenntnis  wenig  gedient  war.  Am  Ende  des  Jahrhunderts 
schildert  Jovianus  Pontanus  in  seinem  ,, Antonius"  eine  fingierte  Reise 
durch  Italien  nur,  um  boshafte  Bemerkungen  dabei  vorbringen  zu 
schUde-  können.  Aber  mit  dem  16.  Jahrhundert  beginnt  eine  Reihe  wahrer 
und  tiefer  Charakteristiken*^^,  wie  sie  damals  wohl  kein  anderes  Volk 
in  dieser  Weise  besaß.  Machiavclli  schildert  in  einigen  kostbaren  Auf- 
sätzen die  Art  und  den  politischen  Zustand  der  Deutschen  und  Fran- 
zosen, so  daß  auch  der  geborene  Nordländer,  der  seine  Landesgeschichte 
kennt,  dem  florentinischen  Weisen  für  seine  Lichtblicke  dankbar  sein 
wird.  Dann  zeichnen  die  Florentiner  (S.  45,  49)  gerne  sich  selbst*" 
und  sonnen  sich  dabei  im  reichlich  verdienten  Glänze  ihres  geistigen 
Ruhmes;  vielleicht  ist  es  der  Gipfel  ihres  Selbstgefühls,  wenn  sie  z.  B. 
das  künstlerische  Primat  Toscanas  über  Italien  nicht  einmal  von  einer 
besonderen  genialen  Begabung,  sondern  von  der  Anstrengung,  von  den 
Studien  herleiten*^.  Huldigungen  berühmter  Italiener  anderer  Gegen- 
den, wie  z.  B.  das  herrliche  sechzehnte  Capitolo  des  Ariost,  mochte 
man  wohl  wie  einen  schuldigen  Tribut  in  Empfang  nehmen. 

Von  einer,  wie  es  scheint,  sehr  ausgezeichneten  Quelle  über  die 
Unterschiede  der  Bevölkerungen  Italiens  können  wir  nur  den  Namen 
angeben*^^.  Leandro  Alberti*""  ist  in  der  Schilderung  des  Genius  der 
einzelnen  Städte  nicht  so  ausgiebig,  als  man  erwarten  sollte.  Ein  kleiner 
anonyincr*'''  Commentario  enthält  zwischen  vielen  Torheiten  auch  man- 
chen wertvollen  Wink  über  den  unglücklichen  zerfallenen  Zustand  um 
die  Mitte  des  Jahrhunderts**-. 

Wie  nun  diese  vergleichende  Betrachtung  der  Bevölkerungen,  haupt- 
sächlich durch  den  italienisclu^n  Humanismus,  auf  andere  Nationen  ein- 
gewirkt haben  mag,  sind  wir  nicht  imstande  näher  nachzuweisen.  Jeden- 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  igy 

falls  gehört  Italien  dabei  die  Priorität  wie  bei  der  Kosmographie  im 

großen. 

* 

Allein  die  Entdeckung  des  Menschen  bleibt  nicht  stehen  bei  der  gel-  schfldemng 
stigen  Schilderung  der  Individuen  und  der  Völker;  auch  der  äußere  MenKheT 
Mensch  ist  in  Italien  auf  ganz  andere  Weise  das  Objekt  der  Betrach-  -<*'•  337-3.10 
tung  als  im  Norden. 

Von  der  Stellung  der  großen  italienischen  Ärzte  zu  den  Fortschritten 
der  Physiologie  wagen  wir  nicht  zu  sprechen,  und  die  künstlerische 
Ergründung  der  Menschengestalt  gehört  nicht  hierher,  sondern  in  die 
Kunstgeschichte.  Wohl  aber  muß  hier  von  der  allgemeinen  Bildung 
des  Auges  die  Rede  sein,  welche  in  Italien  ein  objektives,  allgültiges 
Urteil  über  körperliche  Schönheit  und  Häßlichkeit  möglich  machte. 

Fürs  erste  wird  man  bei  der  aufmerksamen  Lesung  der  damaligen 
italienischen  Autoren  erstaunen  über  die  Genauigkeit  und  Schärfe  in 
der  Bezeichnung  der  äußern  Züge  und  über  die  Vollständigkeit  mancher 
Personalbeschreibungen  überhaupt"'''*.  Noch  heutzutage  haben  beson- 
ders die  Römer  das  Talent,  einen  Menschen,  von  dem  die  Rede  ist, 
in  drei  Worten  kenntlich  zu  machen.  Dieses  rasche  Erfassen  des  Charak- 
teristischen aber  ist  eine  wesentliche  Vorbedingung  für  die  Erkenntnis 
des  Schönen  und  für  die  Fähigkeit,  dasselbe  zu  beschreiben.  Bei  Dichtern 
kann  allerdings  das  umständliche  Beschreiben  ein  Fehler  sein,  da  ein 
einziger  Zug,  von  der  tiefern  Leidenschaft  eingegeben,  im  Leser  ein 
viel  mächtigeres  Bild  von  der  betreffenden  Gestalt  zu  erwecken  vermag. 
Dante  hat  seine  Beatrice  nirgends  herrlicher  gepriesen  als  wo  er  nur  den 
Reflex  schildert,  der  von  ihrem  Wesen  ausgeht  auf  ihre  ganze  Umgebung. 
Allein  es  handelt  sich  hier  nicht  um  die  Poesie,  welche  als  solche  ihren 
eigenen  Zielen  nachgeht,  sondern  um  das  Vermögen,  spezielle  sowohl 
als  ideale  Formen  in  Worten  zu  malen. 

Hier  ist  Boccaccio  Meister,  nicht  im  Decamerone,  da  die  Novelle  oieschönhct 
alles  lange  Beschreiben  verbietet,  sondern  in  seinen  Romanen,  wo  er 
sich  die  Muße  und  den  nötigen  Schwung  dazu  nehmen  darf.  In  seinem 
Ameto  schildert  er®^*  eine  Blonde  und  eine  Braune  ungefähr,  wie  ein 
Maler  sie  hundert  Jahre  später  würde  gemalt  haben  —  denn  auch 
hier  geht  die  Bildung  der  Kunst  lange  voran.  Bei  der  Braunen  (oder 
eigentlich  nur  weniger  Blonden)  erscheinen  schon  einige  Züge,  die  wir 
klassisch  nennen  würden:  in  seinen  Worten  „la  spaziosa  testa  e  distesa" 
liegt  die  Ahnung  großer  Formen,  die  über  das  Niedhche  hinausgehen; 
die  Augenbrauen  bilden  nicht  mehr  wie  beim  Ideal  der  Byzantiner 
zwei  Bogen,  sondern  zusammen  eine  geschwungene  Linie;  die  Nase 
scheint  er  sich  der  sogenannten  Adlernase  genähert  zu  denken"*"*^;  auch 


Iq8  die  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

die  breite  Brust,  die  mäßig  langen  Arme,  die  Wirkung  der  schönen 
Hand,  wie  sie  auf  dem  Purpurgewande  liegt  —  all  diese  Züge  deuten 
wesentlich  auf  das  Schönheitsgefühl  einer  kommenden  Zeit,  welches 
zugleich  dem  des  hohen  klassischen  Altertumes  unbewußt  sich  nähert. 
In  anderen  Schilderungen  erwähnt  Boccaccio  auch  eine  ebene  (nicht 
mittelalterlich  gerundete)  Stirn,  ein  ernstes  langgezogenes  braunes  Auge, 
einen  runden,  nicht  ausgehöhlten  Hals,  freilich  auch  das  sehr  moderne 
„kleine  Füßchen",  und  bei  einer  schwarzhaarigen  Nymphe  bereits 
„zwei  spitzbübisch  rollende  Augen*^^"  u.  a.  m. 

Ob  das  15.  Jahrhundert  schriftliche  Rechenschaft  über  sein  Schön- 
heitsideal hinterlassen  hat,  weiß  ich  nicht  zu  sagen;  die  Leistungen 
der  Maler  und  Bildhauer  würden  dieselbe  nicht  so  ganz  entbehrlich 
machen,  wie  es  auf  den  ersten  Anblick  scheint,  da  gerade  ihrem  Realis- 
mus gegenüber  in  den  Schreibenden  ein  spezielles  Postulat  der  Schön- 
Firenzuoias  hclt  fortgclcbt  habcH  könntc^^'.  Im  16.  Jahrhundert  tritt  dann  Firen- 
zuola  hervor  mit  seiner  höchst  merkwürdigen  Schrift  über  weibliche 
Schönheit*^.  Man  muß  vor  allem  ausscheiden,  was  er  nur  von  antiken 
Autoren  und  von  Künstlern  gelernt  hat,  wie  die  Maßbestimmungen 
nach  Kopflängen,  einzelne  abstrakte  Begriffe  usw.  Was  übrigbleibt,  ist 
eigene  echte  Wahrnehmung,  die  er  mit  Beispielen  von  lauter  Frauen 
und  Mädchen  aus  Prato  belegt.  Da  nun  sein  Werkchen  eine  Art  von 
Vortrag  ist,  den  er  vor  seinen  Prateserinnen,  also  den  strengsten  Rich- 
terinnen hält,  so  inuß  er  dabei  sich  wohl  an  die  Wahrheit  angeschlossen 
haben.  Sein  Prinzip  ist  zugestandenermaßen  das  des  Zeuxis  und  Lukian: 
ein  Zusammensuchen  von  einzelnen  schönsten  Teilen  zu  einer  höchsten 
Schönheit.  Er  definiert  die  Ausdrücke  der  Farben,  die  an  Haut  und 
Haaren  vorkommen,  und  gibt  dem  biondo  den  Vorzug  als  der  wesent- 
lichen und  schönsten  Haarfarbe*"*,  nur  daß  er  darunter  ein  sanftes, 
dem  Bräunlichen  zugeneigtes  Gelb  versteht.  Ferner  verlangt  er  das 
Haar  dicht,  lockig  und  lang,  die  Stirn  heiter  und  doppelt  so  breit  als 
hoch,  die  Haut  hell  leuchtend  (candido),  aber  nicht  von  toter  Weiße 
(bianchezza),  die  Brauen  dunkel,  seidenweich,  in  der  Mitte  am  stärk- 
sten und  gegen  Nase  und  Ohr  abnehmend,  das  Weiße  im  Auge  leise 
bläulich,  die  Iris  nicht  gerade  schwarz,  obwohl  alle  Dichter  nach  occhi 
neri  als  einer  Gabe  der  Venus  schreien,  während  doch  das  Himmel- 
blau selbst  Göttinnen  eigen  gewesen  und  das  sanfte,  fröhlich  blickende 
Dunkelbraun  allbeliebt  sei.  Das  Auge  selbst  soll  groß  gebildet  sein  und 
vortreten;  die  Lider  sind  weiß  mit  kaum  sichtbaren  roten  Äderchen 
am  schönsten;  die  Wimpern  weder  zu  dicht  noch  zu  lang,  noch  zu 
dunkel.  Die  Augenhöhle  muß  die  Farbe  der  Wangen  haben*"".  Das 
Ohr,   von   mittlerer  Größe,   fest   und    wohl   angesetzt,  muß  in   den  ge- 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  IQQ 

schwungenen  Teilen  lebhafter  gefärbt  sein  als  in  den  flachern,  der  Firenzuoias 
Saum  durchsichtig  und  rotglänzend  wie  Granatenkern.  Die  Schläfen 
sind  weiß  und  flach  und  nicht  zu  schmal  am  schönsten*^.  Auf  den  Wangen 
muß  das  Rot  mit  der  Rundung  zunehmen.  Die  Nase,  welche  wesentlich 
den  Wert  des  Profiles  bestimmt,  muß  nach  oben  sehr  sanft  und  gleich- 
mäßig abnehmen;  wo  der  Knorpel  aufhört,  darf  eine  kleine  Erhöhung 
sein,  doch  nicht,  daß  daraus  eine  Adlernase  würde,  die  an  Frauen 
nicht  gefällt;  der  untere  Teil  muß  sanfter  gefärbt  sein  als  die  Ohren, 
nur  nicht  erfroren  weiß,  die  mittlere  Wand  über  der  Lippe  leise  gerötet. 
Den  Mund  verlangt  der  Autor  eher  klein,  doch  weder  gespitzt  noch 
platt,  die  Lippen  nicht  zu  subtil  und  schön  aufeinander  passend;  beim 
zufälligen  Öffnen  (d.  h.  ohne  Lachen  oder  Reden)  darf  man  höchstens 
sechs  Oberzähne  sehen.  Besondere  Delikatessen  sind  das  Grübchen  in 
der  Oberlippe,  ein  schönes  Anschwellen  der  Unterlippe,  ein  liebreizen- 
des Lächeln  im  linken  Mundwinkel  usw.  Die  Zähne  sollen  sein:  nicht 
zu  winzig,  ferner  gleichmäßig,  schön  getrennt,  elfcnbeinfarbig;  das  Zahn- 
fleisch nicht  zu  dunkel,  ja  nicht  etwa  wie  roter  Sammet.  Das  Kinn  sei 
rund,  weder  gestülpt  noch  spitzig,  gegen  die  Erhöhung  hin  sich  rötend; 
sein  besonderer  Ruhm  ist  das  Grübchen.  Der  Hals  muß  weiß  und 
rund  und  eher  zu  lang  als  zu  kurz  sein,  Grube  und  Adamsapfel  nur 
angedeutet;  die  Haut  muß  bei  jeder  Wendung  schöne  Falten  bilden. 
Die  Schultern  verlangt  er  breit,  und  bei  der  Brust  erkennt  er  sogar 
in  der  Breite  das  höchste  Erfordernis  der  Schönheit;  außerdem  muß 
daran  kein  Knochen  sichtbar,  alles  Zu-  und  Abnehmen  kaum  bemerk- 
lich, die  Farbe  „candidissimo"  sein.  Das  Bein  soll  lang  und  an  dem 
untern  Teil  zart,  doch  am  Schienbein  nicht  zu  fleischlos  und  überdies 
mit  starken  weißen  Waden  versehen  sein.  Den  Fuß  will  er  klein,  doch 
nicht  mager,  die  Spannung  (scheint  es)  hoch,  die  Farbe  weiß  wie  Ala- 
baster. Die  Arme  sollen  weiß  sein  und  sich  an  den  erhöhten  Teilen  leise 
röten;  ihre  Konsistenz  beschreibt  er  als  fleischig  und  muskulös,  doch 
sanft  wie  die  der  Pallas,  da  sie  vor  dem  Hirten  auf  Ida  stand,  mit  einem 
Worte:  saftig,  frisch  und  fest.  Die  Hand  verlangt  er  weiß,  besonders  oben, 
aber  groß  und  etwas  voll,  und  anzufühlen  wie  feine  Seide,  das  rosige 
Innere  mit  wenigen,  aber  deutlichen,  nicht  gekreuzten  Linien  und  nicht 
zu  hohen  Hügeln  versehen,  den  Raum  zwischen  Daumen  und  Zeige- 
finger lebhaft  gefärbt  und  ohne  Runzeln,  die  Finger  lang,  zart  und 
gegen  das  Ende  hin  kaum  merklich  dünner,  mit  hellen,  wenig  geboge- 
nen und  nicht  zu  langen  noch  zu  viereckigen  Nägeln,  die  beschnitten 
sein  sollen  nur  bis  auf  die  Breite  eines  Messerrückens. 

Neben  dieser  speziellen  Ästhetik  nimmt  die  allgemeine  nur  eine  unter- 
geordnete Stelle  ein.  Die  tiefsten  Gründe  des  Schönfindens,  nach  wel- 


200  DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

chen  das  Auge  „scnza  appello"  richtet,  sind  auch  für  Firenzuola  ein 
Geheimnis,  wie  er  offen  eingesteht,  und  seine  Definitionen  von  Leggia- 
dria,  Grazia,  Vaghezza,  Venustä,  Aria,  Maestä  sind  zum  Teil,  wie 
bemerkt,  philologisch  erworben,  zum  Teil  ein  vergebliches  Ringen  mit 
dem  Unaussprechlichen.  Das  Lachen  definiert  er  —  wahrscheinlich 
nach  einem  alten  Autor  —  recht  hübsch  als  ein  Erglänzen  der  Seele. 
Alle  Literaturen  werden  am  Ausgange  des  Mittelalters  einzelne  Ver- 
suche aufweisen,  die  Schönheit  gleichsam  dogmatisch  festzustellen*'^. 
Allein  neben  Firenzuola  wird  schwerlich  ein  anderes  Werk  irgend  auf- 
kommen. Der  um  ein  starkes  halbes  Jahrhundert  spätere  Brantome 
z.  B.  ist  ein  geringer  Kenner  dagegen,  weil  ihn  die  Lüsternheit  und  nicht 

der  Schönheitssinn  leitet. 

* 

Schilderung  Zu  dcr  Entdeckung  des  Menschen  dürfen  wir  endlich  auch  die  schil- 
Veh"ns ""  dernde  Teilnahme  an  dem  wirklichen  bewegten  Menschenleben  rechnen. 
Die  ganze  komische  und  satirische  Seite  der  mittelalterlichen  Lite- 
raturen hatte  zu  ihren  Zwecken  das  Bild  des  gemeinen  Lebens  nicht 
entbehren  können.  Etwas  ganz  anderes  ist  es,  wenn  die  Italiener  der 
Renaissance  dieses  Bild  um  seiner  selber  willen  ausmalen,  weil  es  an 
sich  interessant,  weil  es  ein  Stück  des  großen  allgemeinen  Weltlebens 
ist,  von  welchem  sie  sich  zauberhaft  umwogt  fühlen.  Statt  und  neben 
der  Tendenzkomik,  welche  sich  in  den  Häusern,  auf  den  Gassen,  in 
den  Dörfern  herumtreibt,  weil  sie  Bürgern,  Bauern  und  Pfaffen  eines 
anhängen  will,  treffen  wir  hier  in  der  Literatur  die  Anfänge  des  echten 
Genre,  lange  Zeit,  bevor  sich  die  Malerei  damit  abgibt.  Daß  beides 
sich  dann  oft  wieder  verbindet,  hindert  nicht,  daß  es  verschiedene 
Dinge  sind. 
Bei  Dante  Wieviel  irdisches  Geschehen  muß  Dante  aufmerksam  und  teilnehmend 
angesehen  haben,  bis  er  die  Vorgänge  seines  Jenseits  so  ganz  sinnlich 
wahr  schildern  konnte*'^.  Die  berühmten  Bilder  von  der  Tätigkeit  im 
Arsenal  zu  Venedig,  vom  Aneinanderlehnen  der  Blinden  vor  den  Kir- 
chentüren*'* u.  dgl.  sind  lange  nicht  die  einzigen  Beweise  dieser  Art; 
schon  seine  Kunst,  den  Seelenzustand  in  der  äußern  Gebärde  darzu- 
stellen, zeigt  ein  großes  und  beharrliches  Studium  des  Lebens. 

Die  Dichter,  welche  auf  ihn  folgen,  erreichen  ihn  in  dieser  Beziehung 
selten,  und  den  Novellisten  verbietet  es  das  höchste  Gesetz  ihrer  Literatur- 
gattung, bei  dem  einzelnen  zu  verweilen  (vgl.  S.  172,  197).  Sie  dürfen  so 
weitschweifig  präludieren  und  erzählen  als  sie  wollen,  aber  nicht  genre- 
haft schildern.  Wir  müssen  uns  gedulden,  bis  die  Männer  des  Alter- 
tums Lust  vmd  Gelegenheit  finden,  sich  in  der  Beschreibung  zu  er- 
gehen. 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  201 

Hier  tritt  uns  wiederum  der  Mensch  entgegen,  welcher  Sinn  hatte  Bei 
für  alles:  Aeneas  Sylvius.  Nicht  bloß  die  Schönheit  der  Landschaft,  nicht  .,i°. //^^j^ 
bloß  das  kosmogi'aphisch  oder  antiquarisch  Interessante  (S.  103,  161,  170) 
reizt  ihn  zur  Darstellung,  sondern  jeder  lebendige  Vorgang^'*.  Unter  den 
sehr  vielen  Stellen  seiner  Memoiren,  wo  Szenen  geschildert  werden,  wel- 
chen damals  kaum  jemand  einen  Federstrich  gegönnt  hätte,  heben  wir 
hier  nur  das  ^Vettrudern  auf  dem  Bolsener  See  hervor*'^.  Man  wird  nicht 
näher  ermitteln  können,  aus  welchen  antiken  Epistolographen  oder  Er- 
zählern die  spezielle  Anregung  zu  so  lebensvollen  Bildern  auf  ihn  über- 
gegangen ist,  wie  denn  überhaupt  die  geistigen  Berührungen  zwischen 
Altertum  und  Renaissance  oft  überaus  zart  und  geheimnisvoll  sind. 

Sodann  gehören  hierher  jene  beschreibenden  lateinischen  Gedichte, 
von  welchen  oben  (S.  146)  die  Rede  war:  Jagden,  Reisen,  Zeremonien 
u.  dgl.  Es  gibt  auch  Italienisches  dieser  Gattung;  wie  z.  B.  die  Schilde- 
rungen des  berühmten  mediceischen  Turniers  von  Poliziano  und  Luca  «6.  ^/j 
Pulci.  Die  eigenthchen  epischen  Dichter,  Luigi  Pulci,  Bojardo  und  Ariost, 
treibt  ihr  Gegenstand  schon  rascher  vorwärts,  doch  wird  man  bei  allen 
die  leichte  Präzision  in  der  Schilderung  des  Bewegten  als  ein  Haupt- 
element ihrer  Meisterschaft  anerkennen  müssen.  Franco  Sacchctti  macht 
sich  einmal  das  Vergnügen,  die  kurzen  Reden  eines  Zuges  hübscher 
Weiber  aufzuzeichnen®'',  die  im  Wald  vom  Regen  überrascht  werden. 

Andere  Beschreibungen  der  bewegten  Wirklichkeit  findet  man  am 
ehesten  bei  Kriegsschriftstellem  u.  dgl.  (vgl.  S.  59).  Schon  aus  früherer 
Zeit  ist  uns  in  einem  umständlichen  Gedicht^'*  das  getreue  Abbild  einer 
Söldnerschlacht  des  14.  Jahrhunderts  erhalten,  hauptsächlich  in  Gestalt 
der  Zurufe,  Kommandos  und  Gespräche,  die  während  einer  solchen  vor- 
kommen. 

Das  Merkwürdigste  dieser  Art  aber  ist  die  echte  Schilderung  des  Falsche  und 
Bauemiebens,  welche  besonders  bei  Lorenzo  magnifico  und  den  Dich-  ^j'j.^^g'^d^ 
tern  in  seiner  Umgebung  bemerklich  wird.  Landlebens 

Seit  Petrarca^'*  gab  es  eine  falsche,  konventionelle  Bukolik  oder 
Eklogendichtung,  eine  Nachahmung  Virgils,  mochten  die  Verse  latei- 
nisch oder  italienisch  sein.  Als  ihre  Nebengattungen  traten  auf  der 
Hirtenroman  von  Boccaccio  (S.  144)  bis  auf  Sannazaros  Arcadia,  und 
später  das  Schäferspiel  in  der  Art  des  Tasso  und  Guarini,  Werke  der 
allerschönsten  Prosa  wie  des  vollendetsten  Versbaues,  worin  jedoch  das 
Hirtenwesen  nur  ein  äußerlich  übergeworfenes  ideales  Kostüm  für  Emp- 
findungen ist,  die  einem  ganz  andern  Bildungskreis  entstammen**"". 

Daneben  aber  tritt  gegen  das  Ende  des   15.  Jahrhunderts  jene  echt  Stellung  der 
genrehafte  Behandlung  des  ländUchen  Daseins  in   die  Dichtung  ein.        ''"^™ 
Sie  war  nur  in  Italien  möglich,  weil  nur  hier  der  Bauer  (sowohl  der 


202  D'Ii  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Kolone  als  der  Eigentümer)  Menschenwürde  und  persönliche  Freiheit 
und  Freizügigkeit  hatte,  so  hart  bisweilen  auch  sein  Los  sein  mochte. 
Der  Unterschied  zwischen  Stadt  und  Dorf  ist  bei  weitem  nicht  so  aus- 
gesprochen wie  im  Norden;  eine  Menge  Städtchen  sind  ausschließlich 
von  Bauern  bewohnt,  die  sich  des  Abends  Städter  nennen  können.  Die 
Wanderungen  der  komaskischen  Maurer  gingen  fast  durch  ganz  Italien; 
das  Kind  Giotto  durfte  von  seinen  Schafen  hinweg  und  konnte  in  Florenz 
zünftig  werden;  überhaupt  war  ein  beständiger  Zustrom  vom  Lande 
nach  den  Städten,  und  gewisse  Bergbevölkerungen  schienen  dafür  eigent- 
lich geboren*^*.  Nun  sorgen  zwar  Bildungshochmut  und  städtischer  Dün- 
kel noch  immer  dafür,  daß  Dichter  und  Novellisten  sich  über  den 
villano  lustig  machcn*^^,  und  die  Improvisier- Komödie  (S.  182  f)  tat 
vollends  das  übrige.  Aber  wo  fände  sich  ein  Ton  von  jenem  grausamen, 
verachtungsvollen  Rassenhaß  gegen  die  vilains,  der  die  adligen  proven- 
zalischen  Dichter  und  stellenweise  die  französischen  Chronisten  beseelt? 
Vielmehr*^^  erkennen  italienische  Autoren  jeder  Gattung  das  Bedeutende 
und  Große,  wo  es  sich  im  Bauernleben  zeigt,  freiwillig  an  und  heben 
es  hervor.  Gioviano  Pontano  erzählt^*  mit  Bewunderung  Züge  von 
Seelcnstärke  der  wilden  Abruzzesen;  in  den  biographischen  Sammel- 
werken wie  bei  den  Novellisten  fehlt  auch  das  heroische  Bauernmäd- 
chen*®* nicht,  welches  sein  Leben  dransetzt,  um  seine  Unschuld  oder 
seine  Familie  zu  verteidigen^''. 
Battisi.i  Unter  solchen  Voraussetzungen  war  eine  poetische  Betrachtung  des 
Bauernlebens  möglich.  Zunächst  sind  hier  zu  erwähnen  die  einst  vielge- 
lesenen und  noch  heute  lesenswerten  Eklogen  des  Battista  Mantovano 
(eines  seiner  frühern  Werke,  etwa  um  1480).  Sie  schwanken  noch  zwi- 
schen echter  und  konventioneller  Ländlichkeit,  doch  überwiegt  die  er- 
stere.  Im  wesentlichen  spricht  daraus  der  Sinn  eines  wohldenkenden 
Dorfgeistlichen,  nicht  ohne  einen  gewissen  aufklärerischen  Eifer.  Als 
Karmelitermönch  mag  er  viel  mit  Landleuten  verkehrt  haben. 

Allein  mit  einer  ganz  andern  Kraft  versetzt  sich  Lorenzo  magnifico 
in  den  bäuerischen  Gesichtskreis  hinein.  Seine  Ncncia  di  Barberino**'' 
liest  sich  wie  ein  Inbegriff  echter  Volkslieder  aus  der  Umgegend  von 
Florenz,  zusammengegossen  in  einen  großen  Strom  von  Ottaven.  Die 
Objektivität  des  Dichters  ist  derart,  daß  man  im  Zweifel  bleibt,  ob  er 
für  den  Redenden  (den  Bauernburschen  Vallcra,  welcher  der  Nencia 
seine  Liebe  erklärt)  Sympathie  oder  Hohn  empfindet.  Ein  bewußter 
Gegensatz  zur  konventionellen  Bukolik  mit  Pan  und  Nymphen  ist  un- 
verkennbar; Lorenzo  ergeht  sich  absichtlich  im  derben  Realismus  des 
bäuerischen  Klcinlcbens,  und  doch  macht  das  Ganze  einen  wahrhaft 
poetischen  Eindruck. 


Mantovano 


Lorenz'i 
niagiiifiro 
Abb.  i"0 


DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN  203 

Ein  zugestandenes  Seitenstück  zur  Nencia  ist  die  Beca  da  Dicomano  Luigi  Puici 
des  Luigi  Pulci^**.  Allein  es  fehlt  der  tiefere  objektive  Ernst;  die  Beca 
ist  nicht  sowohl  gedichtet  aus  innerem  Drang,  ein  Stück  Volksleben  dar- 
zustellen, als  vielmehr  aus  dem  Verlangen,  durch  etwas  derart  den  Bei- 
fall gebildeter  Florentiner  zu  gewinnen.  Daher  die  viel  größere,  absicht- 
lichere Derbheit  des  Genrehaften  und  die  beigemischten  Zoten.  Doch 
wird  der  Gesichtskreis  des  ländUchen  Liebhabers  noch  sehr  geschickt 
festgehalten. 

Der  dritte  in  diesem  Verein  ist  Angelo  Poliziano  mit  seinem  Rusti-  i'oiiziano 
kus^*  in  lateinischen  Hexametern.  Er  schildert,  unabhängig  von  Virgils 
Georgica,  speziell  das  toskanische  Bauernjahr,  beginnend  mit  dem  Spät- 
herbst, da  der  Landmann  einen  neuen  Pflug  schnitzt  und  die  Winter- 
saat bestellt.  Sehr  reich  und  schön  ist  die  Schilderung  der  Fluren  im 
Frühling  und  auch  der  Sommer  enthält  vorzügliche  Stellen;  als  eine 
Perle  aller  neulateinischen  Poesie  aber  darf  das  Kelterfest  im  Herbste 
gelten.  Auch  auf  italienisch  hat  Poliziano  einzelnes  gedichtet,  woraus 
hervorgeht,  daß  man  im  Kreise  des  Lorenzo  bei'eits  irgendein  Bild  aus 
dem  leidenschaftlich  bewegten  Leben  der  untern  Stände  realistisch  be- 
handeln durfte.  Sein  Liebeslied  des  Zigeuners^^"  ist  wohl  eines  der  frühe- 
sten Produkte  der  echt  modernen  Tendenz,  sich  in  die  Lage  irgendeiner 
Mcnschenklasse  mit  poetischem  Bewußtsein  hineinzuversetzen.  Mit  komi- 
scher Absicht  war  dergleichen  wohl  von  jeher  versucht  worden*^',  und 
in  Florenz  boten  die  Gesänge  der  Maskenzüge  sogar  eine  bei  jedem  Kar- 
neval wiederkehrende  Gelegenheit  hiezu.  Neu  aber  ist  das  Eingehen  auf 
die  Gefühlswelt  eines  andern,  womit  die  Nencia  und  diese  ,,Canzone 
zingaresca"  einen  denkwürdigen  neuen  Anfang  in  der  Geschichte  der 
Poesie  ausmachen. 

Auch  hier  muß  schließlich  darauf  hingewiesen  werden,  wie  die  Bil- 
dung der  Kunst  vorangeht.  Von  der  Nencia  an  dauert  es  wohl  achtzig 
Jahre  bis  zu  den  ländlichen  Genremalereien  des  Dacopo  Bassano  und 
seiner  Schule. 

Im  nächsten  Abschnitt  wird  es  sich  zeigen,  daß  in  Italien  damals  die 
Geburtsunterschiede  zwischen  den  Menschcnklassen  ihre  Geltung  ver- 
loren. Gewiß  trug  hiezu  viel  bei,  daß  man  hier  zuerst  die  Menschen 
und  die  Menschheit  in  ihrem  tiefern  Wesen  vollständig  erkannt  hatte. 
Schon  dieses  eine  Resultat  der  Renaissance  darf  uns  mit  ewigem  Dank- 
gefühl erfüllen.  Den  logischen  Begriff  der  Menschheit  hatte  man  von 
jeher  gehabt,  aber  sie  kannte  die  Sache. 

Die  höchsten  Ahnungen  auf  diesem  Gebiete  spricht  Pico  della  Miran-  Der  Begriff 
dola  aus  in  seiner  Rede  von  der  Würde  des  Menschen®'^,  welche  wohl       ^^^^^^ 
eines  der  edelsten  Vermächtnisse  jener  Kulturepoche  heißen  darf  Gott 


204  '^'^  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

hat  am  Ende  der  Schöpfungstage  den  Menschen  geschaffen,  damit  der- 
selbe die  Gesetze  des  Weltalls  erkenne,  dessen  Schönheit  liebe,  dessen 
Größe  bewundere.  Er  band  denselben  an  keinen  festen  Sitz,  an  kein  be- 
stimmtes Tun,  an  keine  Notwendigkeiten,  sondern  er  gab  ihm  Beweg- 
lichkeit und  freien  Willen.  ,, Mitten  in  die  Welt",  spricht  der  Schöpfer 
zu  Adam,  ,,habe  ich  dich  gestellt,  damit  du  um  so  leichter  um  dich 
schauest  und  sehest  alles  was  darinnen  ist.  Ich  schuf  dich  als  ein  Wesen, 
weder  himmhsch  noch  irdisch,  weder  sterblich  noch  unsterblich  allein, 
damit  du  dein  eigener  freier  Bildner  und  Überwinder  seiest;  du  kannst 
zum  Tier  entarten  und  zum  gottähnlichen  Wesen  dich  wiedergebären. 
Die  Tiere  bringen  aus  dem  Mutterleibe  mit  was  sie  haben  sollen,  die 
höhern  Geister  sind  von  Anfang  an  oder  doch  bald  hernach*^^  was  sie 
in  Ewigkeit  bleiben  werden.  Du  allein  hast  eine  Entwicklung,  ein  Wach- 
sen nach  freiem  Willen,  du  hast  Keime  eines  allartigen  Lebens  in  dir." 


FÜNFTER  ABSCHNITT 
DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

Jede  Kulturepoche,  die  in  sich  ein  vollständig  durchgebildetes  Ganzes 
vorstellt,  spricht  sich  nicht  nur  im  staatüchen  Zusammenleben,  in  Reü- 
gion,  Kunst  und  Wissenschaft  kennthch  aus,  sondern  sie  drückt  auch 
dem  geselhgen  Dasein  ihren  bestimmten  Stempel  auf.  So  hatte  das 
Mittelalter  seine  nach  Ländern  nur  wenig  verschiedene  Hof-  und  Adels- 
sitte und  Etikette,  sein  bestimmtes  Bürgertum. 

Die  Sitte  der  italienischen  Renaissance  ist  hievon  in  den  wichtigsten  Gegensatz 
Beziehungen  das  wahre  Widerspiel.  Schon  die  Basis  ist  eine  andere,  in-  ^""j,^"*^' 
dem  es  für  die  höhere  Geselligkeit  keine  Kastenunterschiede  mehr,  son- 
dern einen  gebildeten  Stand  im  modernen  Sinne  gibt,  auf  welchen  Ge- 
burt und  Herkunft  nur  noch  dann  Einfluß  haben,  wenn  sie  mit  ererbtem 
Reichtum  und  gesicherter  Muße  verbunden  sind.  In  absolutem  Sinne 
ist  dies  nicht  zu  verstehen,  indem  die  Standeskategorien  des  Mittelalters 
bald  mehr  bald  weniger  sich  noch  geltend  zu  machen  suchen,  und  wäre  es 
auch  nur,  um  mit  der  außeritalienischen,  europäischen  Vornehmheit  in 
irgendeinem  Rang\'erhältnis  zubleiben;  aber  der  allgemeine  Zug  der  Zeit 
war  offenbar  die  Verschmelzung  der  Stände  im  Sinn  der  neuem  Welt. 

Von  erster  Wichtigkeit  war  hiefür  das  Zusammenwohnen  von  Adhgen  zusammen- 
und  Bürgern  in  den  Städten  mindestens  seit  dem  12.  Jahrhundert*'''',  Ttt"/" 
wodurch  Schicksale  und  Vergnügungen  gemeinschafdich  wurden  und 
die  Anschauung  der  Welt  vom  Bergschloß  aus  von  vornherein  am  Ent- 
stehen verhindert  war.  Sodann  ließ  sich  die  Kirche  in  Italien  niemals 
zur  Apanagierung  der  Jüngern  Söhne  des  Adels  brauchen  wie  im  Nor- 
den; Bistümer,  Domhermstellen  und  Abteien  wurden  oft  nach  den  un- 
würdigsten Rücksichten,  aber  doch  nicht  wesentHch  nach  Stammtafeln 
vergeben,  und  wenn  die  Bischöfe  viel  zahlreicher,  ärmer  und  aller  welt- 
lichen Fürstenhoheit  in  der  Regel  bar  und  ledig  waren,  so  blieben  sie 
dafür  in  der  Stadt  wohnen,  wo  ihre  Kathedrale  stand,  und  bildeten 
samt  ihrem  Domkapitel  ein  Element  der  gebildeten  Bevölkerung  der- 
selben. Als  hierauf  absolute  Fürsten  und  Tyrannen  emporkamen,  hatte 
der  Adel  in  den  meisten  Städten  allen  Anlaß  und  alle  Muße,  sich  ein 


206  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

Privatleben  zu  schaffen  (S.  77),  welches  politisch  gefahrlos  und  mit  jcg- 
und  Ausgici-  lichem  feinern  Lebensgenüsse  geschmückt,  dabei  übrigens  von  dem  der 
°  stände  reichen  Bürger  gewiß  kaum  zu  unterscheiden  war.  Und  als  die  neue 
Poesie  und  Literatur  seit  Dante  Sache  eines  jeden^^^  wurde,  als  vollends 
die  Bildung  im  Sinne  des  Altertums  und  das  Interesse  für  den  Menschen 
als  solchen  hinzutrat,  während  Kondottieren  Fürsten  wurden  und  nicht 
nur  die  Ebenbürtigkeit,  sondern  auch  die  eheliche  Geburt  aufhörten 
Requisite  des  Thrones  zu  sein  (S.  11),  da  konnte  man  glauben,  ein  Zeit- 
alter der  Gleichheit  sei  angebrochen,  der  Begriff  des  Adels  völlig  ver- 
flüchtigt. 

Die  Theorie,  wenn  sie  sich  auf  das  Altertum  berief,  konnte  schon  aus 
dem  einen  Aristoteles  die  Berechtigung  des  Adels  bejahen  oder  ver- 
neinen. Dante  z.  B.  leitet  noch*^*  aus  der  einen  aristotelischen  Definition 
,,Adel  beruhe  auf  Trefflichkeit  und  ererbtem  Reichtum"  seinen  Satz  her: 
Adel  beruhe  auf  eigener  Trefflichkeit  oder  auf  der  der  Vorfahren.  Aber 
an  andern  Stellen  gibt  er  sich  damit  nicht  mehr  zufrieden;  er  tadelt 
sich**',  weil  er  selbst  im  Paradies,  im  Gespräch  mit  seinem  Ahn  Caccia- 
guida,  der  edlen  Herkunft  gedacht  habe,  welche  doch  nur  ein  Mantel 
sei,  von  dem  die  Zeit  beständig  abschneide,  wenn  man  nicht  täglich 
neuen  Wert  hinzusetze.  Und  im  Convito***  löst  er  den  Begriff  nobile 
und  nobiltä  fast  gänzlich  von  jeder  Bedingung  der  Geburt  ab  und  iden- 
tifiziert ihn  mit  der  Anlage  zu  jedem  sittlichen  und  intellektuellen  Vor- 
rang; ein  besonderer  Akzent  wird  dabei  auf  die  höhere  Bildung  gelegt, 
indem  die  nobiltä  die  Schwester  der  filosofia  sein  soll. 
Negation  Je  konscquentcr  hierauf  der  Humanismus  sich  die  Anschauungsweise 
der  Italiener  dienstbar  machte,  desto  fester  überzeugte  man  sich  auch, 
daß  die  Abstammung  über  den  Wert  des  Menschen  nicht  entscheide. 
Im  15.  Jahrhundert  war  dies  schon  die  herrschende  Theorie.  Poggio  in 
seinem  Gespräch  ,,vom  Adel"*^^  ist  mit  seinen  Interlokutoren  —  Niccolo 
Niccoli  und  Lorenzo  Medici,  Bruder  des  großen  Cosimo  —  schon  dar- 
über einverstanden,  daß  es  keine  andere  Nobilität  mehr  gebe  als  die 
des  persönlichen  Verdienstes.  Mit  den  schärfsten  Wendungen  wird  man- 
ches von  dem  persifliert,  was  nach  dem  gewöhnlichen  Vorurteil  zum 
adligen  Leben  gehört.  ,,Vom  wahren  Adel  sei  einer  nur  um  so  viel  weiter 
entfernt,  je  länger  seine  Vorfahren  kühne  Missetäter  gewesen.  Der  Eifer 
für  Vogelbeize  und  Jagd  rieche  nicht  stärker  nach  Adel,  als  die  Nester 
der  betreffenden  Tiere  nach  Balsam.  Landbau,  wie  ihn  die  Alten  trieben, 
wäre  viel  edler  als  dies  unsinnige  Herumrennen  in  Wald  und  Gebirge, 
wobei  man  am  meisten  den  Tieren  selber  gleiche.  Eine  Erholung  dürfe 
dergleichen  etwa  vorstellen,  nicht  aber  ein  Lebensgeschäft."  Vollends 
unadlig  erscheine  das  französische  und  englische  RittcrIeben  auf  dem 


des    Adels 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


207 


Lande  oder  in  Waldschlössern,  oder  gar  das  deutsche  Raubrittertum. 
Der  Mcdici  nimmt  hierauf  einigermaßen  die  Partei  des  Adels,  aber  — 
bezeichnend  genug  —  nicht  mit  Berufung  auf  ein  angeborenes  Gefühl, 
sondern,  weil  Aristoteles  im  5.  Buch  der  Politica  den  Adel  als  etwas 
Seiendes  anerkenne  und  definiere,  nämlich  eben  als  beruhend  auf  Treff- 
lichkeit und  ererbtem  Reichtum.  Allein  Niccoli  erwidert:  Aristoteles  sage 
dies  nicht  als  seine  Überzeugung,  sondern  als  allgemeine  Meinung;  in 
der  Ethik,  wo  er  sage,  was  er  denke,  nenne  er  denjenigen  adlig,  welcher 
nach  dem  wahren  Guten  strebe.  Umsonst  hält  ihm  nun  der  Medici  den 
griechischen  Ausdruck  für  Adel,  nämüch  Wohlgeborenheit,  Eugeneia 
entgegen;  Niccoli  findet  das  römische  Wort  nobilis,  d.  h.  bemerkenswert, 
richtiger,  indem  selbiges  den  Adel  von  den  Taten  abhängig  mache""". 
Außer  diesen  Räsonnements  wird  die  Stellung  des  Adels  in  den  ver- 
schiedenen Gegenden  Italiens  folgendermaßen  skizziert.  In  Neapel  ist  oer  Adei  in 
der  Adel  träge  und  gibt  sich  weder  mit  seinen  Gütern  noch  mit  dem  als  j^d^ft^n 
schmachvoll  geltenden  Handel  ab;  entweder  tagediebt  er  zu  Hause""^ 
oder  sitzt  zu  Pferde.  Auch  der  römische  Adel  verachtet  den  Handel, 
bewirtschaftet  aber  seine  Güter  selbst;  ja,  wer  das  Land  baut,  dem  er- 
öffnet sich  von  selbst  der  Adelsrang '''^;  ,,es  ist  eine  ehrbare,  wenn  auch 
bäurische  Nobilität".  Auch  in  der  Lombardei  leben  die  Adligen  vom 
Ertrag  der  ererbten  Landgüter;  Abstammung  und  Enthaltung  von  ge- 
wöhnüchen  Geschäften  machen  hier  schon  den  Adel  aus"*^.  In  Venedig 
treiben  die  Nobili,  die  regierende  Kaste,  sämtlich  Handel;  ebenso  sind 
in  Genua  Adlige  und  Nichtadlige  sämtlich  Kaufleute  und  Seefahrerund 
nur  durch  die  Geburt  unterschieden;  einige  freilich  lauern  auch  als 
Wegelagerer  in  Bergschlössern.  In  Florenz  hat  sich  ein  Teil  des  alten 
Adels  dem  Handel  ergeben;  ein  anderer  Teil  (gewiß  der  weit  kleinere) 
erfreut  sich  seines  Ranges  und  gibt  sich  mit  gar  nichts  ab  als  mit  Jagd 
und  Vogelbeize'"**. 

Das  Entscheidende  war,  daß  fast  in  ganz  Italien  auch  die,  welche  auf  steiiung  zur 
ihre  Geburt  stolz  sein  mochten,  doch  gegenüber  der  Bildung  und  dem  '  "°^ 
Reichtum  keinen  Dünkel  geltend  machen  konnten,  und  daß  sie  durch 
ihre  politischen  oder  höfischen  Vorrechte  zu  keinem  erhöhten  Standes- 
gefühl provoziert  w'urden.  Venedig  macht  hier  nur  eine  scheinbare  Aus- 
nahme, weil  das  Leben  der  Nobili  durchaus  nur  ein  bürgerliches,  durch 
wenige  Ehrenrechte  bevorzugtes  war.  Anders  verhält  es  sich  allerdings 
mit  Neapel,  welches  durch  die  strengere  Ausscheidung  und  die  Pomp- 
sucht seines  Adels  mehr  als  aus  irgendeinem  Grunde  von  der  geistigen 
Bewegung  der  Renaissance  abgeschnitten  blieb.  Zu  einer  starken  Nach- 
wirkung des  langobardischen  und  normannischen  Mittelalters  und  des 
spätfranzösischen  Adelswesens  kam  hier  schon  vor  der  Mitte  des  15.  Jahr- 


2o8  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

Hunderts  die  aragonesische  Herrschaft,  und  so  vollzog  sich  hier  am  früh- 
sten, was  erst  hundert  Jahre  später  im  übrigen  Italien  überhand  nahm: 
die  teilweise  Hispanisierung  des  Lebens,  deren  Hauptelement  die  Ver- 
achtung der  Arbeit  und  die  Sucht  nach  Adelstiteln  war.  Der  Einfluß 

Spatere  Hi3-  hicvon  zelgtc  sich  schon  vor  dem  Jahre  1500  selbst  in  kleinen  Städten; 

panisiening  ^^^  j^^  Cava  wlrd  geklagt:  der  Ort  sei  sprichwörtlich  reich  gewesen,  so 
lange  dort  lauter  Maurer  und  Tuchweber  lebten;  jetzt,  da  man  statt 
Maurerzeug  und  Webstühlen  nur  Sporen,  Steigbügel  und  vergoldete 
Gürtel  sehe,  da  jedermann  Doktor  der  Rechte  oder  der  Medizin,  Notar, 
Offizier  und  Ritter  zu  werden  trachte,  sei  die  bitterste  Armut  einge- 
kehrt"*^. In  Florenz  wird  eine  analoge  Entwicklung  erst  unter  Cosimo 
dem  ersten  Großherzog  konstatiert;  es  wird  ihm  dafür  gedankt,  daß  er 
die  jungen  Leute,  welche  jetzt  Handel  und  Gewerbe  verachteten,  zur 
Ritterschaft  in  seinem  Stephansorden  heranziehe'"^.  Es  ist  das  direkte 
Gegenteil  jener  frühern  florentinischen  Denkweise'"',  da  die  Väter  den 
Söhnen  eine  Beschäftigung  zur  Bedingung  des  Erbes  machten  (S.  48). 

Die  Kitler-       Abcr  clnc  besondere  Art  von  Rangsucht  kreuzt  namentlich  bei  den 

Abh^W,4  Florentinern  den  gleichmachenden  Kultus  von  Kunst  und  Bildung  auf 
eine  oft  komische  Weise;  es  ist  das  Streben  nach  der  Ritterwürde,  welches 
als  Modetorheit  erst  recht  in  Schwung  kam,  als  es  bereits  jeden  Schatten 
von  eigentlicher  Geltung  eingebüßt  hatte. 

,,Vor  ein  paar  Jahren",  schreibt  Franco  Sacchetti'"^  gegen  Ende  des 
14.  Jahrhunderts,  hat  jedermann  sehen  können,  wie  sich  Handwerker, 
bis  zu  den  Bäckern  herunter,  ja  bis  zu  den  Wollekratzern,  Wucherern, 
Wechslern  und  Halunken  zu  Rittern  machen  ließen.  Weshalb  braucht 
ein  Beamter,  um  als  Rettore  in  eine  Landstadt  gehen  zu  können,  die 
Ritterwürde?  Zu  irgendeinem  gewöhnlichen  Broterwerb  paßt  dieselbe 
vollends  nicht.  Oh,  wie  bist  du  gesunken,  unglückliche  Würde!  von  all 
der  langen  Liste  von  Ritterpflichten  tun  diese  Ritter  das  Gegenteil.  Ich 
habe  von  diesen  Dingen  reden  wollen,  damit  die  Leser  inne  werden, 
daß  das  Rittertum  gestorben  ist'°^.  So  gut  wie  man  jetzt  sogar  Verstor- 
bene zu  Rittern  erklärt,  könnte  man  auch  eine  Figur  von  Holz  oder  Stein, 
ja  einen  Ochsen  zum  Ritter  machen."  —  Die  Geschichten,  welche  Sac- 
chetti  als  Beleg  erzählt,  sind  in  der  Tat  sprechend  genug;  da  lesen  wir 
Abb.  5  wie  Bernabo  Visconti  den  Sieger  eines  Saufduells  und  dann  auch  den 
Besiegten  höhnisch  mit  jenem  Titel  schmückt,  wie  deutsche  Ritter  mit 
ihren  Helmzierdcn  und  Abzeichen  zum  besten  gehalten  werden  u.  dgl. 
Später  mokiert  sich  Poggio""  über  die  vielen  Ritter  ohne  Pferd  und 
ohne  Kriegsübung.  Wer  die  Ehrenrechte  des  Standes,  z.  B.  das  Ausreiten 
mit  Fahnen,  geltend  machen  wollte,  hatte  in  Florenz  sowohl  gegenüber 
der  Regierung  als  gegen  die  Spötter  eine  schwere  Stellung'". 


Karikatur 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  Uli-;  FESTE  2O9 

Bei  näherer  Betrachtung  wird  man  inne,  daß  dieses  von  allem  Geburts-    Fortdauer 
adcl  unabhängige  verspätete  Ritterwesen  allerdings  zum  Teil  Sache  der    "^i,'^^_"^ 
bloßen  lächerlichen,  titelsüchtigen  Eitelkeit  ist,  daß  es  aber  auch  eine     joq-s'^ 
andere  Seite  hat.  Die  Turniere  dauern  nämlich  fort,  und  wer  daran  teil- 
nehmen will,  muß  der  Form  wegen  Ritter  sein.  Der  Kampf  in  geschlos- 
sener Bahn  aber,  und  zwar  das  regelrechte,  je  nach  Umständen  sehr 
gefährliche  Lanzenrennen,  ist  ein  Anlaß,   Kraft  und  Mut  zu  zeigen, 
welchen  sich  das  entwickelte  Individuum  —  abgesehen  von  aller  Her- 
kunft —  nicht  will  entgehen  lassen. 

Da  half  es  nichts,  daß  schon  Petrarca  sich  mit  dem  lebhaftesten  Ab- 
scheu über  das  Turnier  als  über  einen  gefährlichen  Unsinn  ausgelassen 
hatte;  er  bekehrte  die  Leute  nicht  mit  seinem  pathetischen  Ausruf:  ,,man 
liest  nirgends  daßScipio  oder  Cäsar  turniert  hätten'^-!"  Die  Sache  wurde 
gerade  in  Florenz  förmlich  populär;  der  Bürger  fing  an,  sein  Turnier  — 
ohne  Zweifel  in  einer  weniger  gefährlichen  Form  —  als  eine  Art  von 
regelrechtem  Vergnügen  zu  betrachten,  und  Franco  Sacchetti'^^  liat  uns  Deren 
das  unendlich  komische  Bild  eines  solchen  Sonntagsturnierers  aufbehal- 
ten. Derselbe  reitet  hinaus  nach  Peretola,  wo  man  um  ein  Billiges  tur- 
nieren  konnte,  auf  einem  gemieteten  Färbergaul,  welchem  dann  durch 
Bösewichter  eine  Distel  unter  den  Schwanz  gebunden  wird;  das  Tier 
nimmt  den  Reißaus  und  jagt  mit  dem  behelmten  Ritter  in  die  Stadt 
zurück.  Der  unvermeidliche  Schluß  der  Geschichte  ist  die  Gardinen- 
predigt der  über  solche  halsbrechende  Streiche  empörten  Gattin'^*. 

Endlich  nehmen  die  ersten  Medici  sich  des  Turnierwesens  mit  einer 
wahren  Leidenschaft  an,  als  wollten  sie,  die  unadligen  Privatleute,  gerade 
hierin  zeigen,  daß  ihr  geselliger  Kreis  jedem  Hofe  gleich  stehe^^*.  Schon 
unter  Cosimo  (1459),  dann  unter  Pietro  dem  altern  fanden  weitberühmte 
große  Turniere  in  Florenz  statt;  Pietro  der  Jüngere  ließ  über  solchen 
Bestrebungen  sogar  das  Regieren  liegen  und  wollte  nur  noch  im  Har- 
nisch abgemalt  sein.  Auch  am  Hofe  Alexanders  VL  kamen  Turniere 
vor.  Als  Kardinal  Ascanio  Sforza  den  Türkenprinzen  Dschem  (S.  64,  68) 
fragte,  wie  ihm  dies  Schauspiel  gefalle,  antwortete  derselbe  sehr  weise: 
in  seiner  Heimat  lasse  man  dergleichen  durch  Sklaven  aufführen,  um 
welche  es,  wenn  sie  fielen,  nicht  schade  sei.  Der  Orientale  stimmt  hier 
unbewußt  mit  den  alten  Römern  zusammen,  gegenüber  der  Sitte  des 
Mittelalters. 

Abgesehen  von  diesem  nicht  unwesentlichen  Anhalt  der  Ritterwürde 
gab  es  auch  bereits,  z.  B.  in  Ferrara  (S.  32)  wahre  Hoforden,  welche 
den  Titel  Kavaliere  mit  sich  führten. 

Welches  aber  auch  die  einzelnen  Ansprüche  und  die  Eitelkeiten  der        Der 
Adligen  und  Kavaliere  sein  mochten,  immerhin  nahm  der  italienische 

Burckhardt  14 


Cortigiaiin 


2IO  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

Adel  seine  Stellung  in  der  Mitte  des  Lebens  und  nicht  an  einem  äußern 
Rande  desselben.  Jeden  Augenblick  verkehrt  er  mit  allen  Ständen  auf 
dem  Fuße  der  Gleichheit,  und  das  Talent  und  die  Bildung  sind  seine 
Hausgenossen.  Allerdings  wird  für  den  eigentlichen  Cortigiano  des  Für- 
sten der  Adel  einbedungen^^^,  allein  zugestandenermaßen  hauptsäch- 
lich um  des  Vorurteils  der  Leute  willen  (per  l'oppenion  universale)  und 
unter  ausdrücklicher  Verwahrung  gegen  den  Wahn,  als  könnte  der 
Nichtadhge  nicht  denselben  innern  Wert  haben.  Der  sonstige  Aufent- 
halt von  Nichtadligen  in  der  Nähe  des  Fürsten  ist  damit  vollends  nicht 
ausgeschlossen;  es  handelt  sich  nur  darum,  daß  dem  vollkommenen 
Menschen,  dem  Cortigiano,  kein  irgend  denkbarer  Vorzug  fehle.  Wenn 
ihm  dann  eine  gewisse  Zurückhaltung  in  allen  Dingen  zum  Gesetze  ge- 
macht wird,  so  geschieht  dies  nicht  weil  er  von  edlerm  Geblüte  stammt, 
sondern,  weil  seine  zarte  individuelle  Vollendung  es  so  verlangt.  Es  han- 
delt sich  um  eine  moderne  Vornehmheit,  wobei  doch  Bildung  und  Reich- 
tum schon  überall  die  Gradmesser  des  gesellschaftlichen  Wertes  sind, 
und  zwar  der  Reichtum  nur  insofern  er  es  möglich  macht,  das  Leben 
der  Bildung  zu  widmen  und  deren  Interessen  im  großen  zu  fördern. 
Vollendung  Jc  wculgcr  nuu  die  Unterscliiedc  der  Geburt  einen  bestimmten  Vor- 
zug verliehen,  desto  mehr  war  das  Individuum  als  solches  aufgefordert, 
all  seine  Vorteile  geltend  zu  machen;  desto  mehr  mußte  auch  die  Gesel- 
ligkeit sich  aus  eigener  Kraft  beschränken  und  veredeln.  Das  Auftreten 
des  einzelnen  und  die  höhere  Form  der  Geselligkeit  werden  ein  freies, 
bewußtes  Kunstwerk. 

Schon  die  äußere  Erscheinung  und  Umgebung  des  Menschen  und  die 
Sitte  des  täglichen  Lebens  ist  vollkommener,  schöner,  mehr  verfeinert 
als  bei  den  Völkern  außerhalb  Italiens.  Von  der  Wohnung  der  höhern 
Stände  handelt  die  Kunstgeschichte;  hier  ist  nur  hervorzuheben,  wie 
sehr  dieselbe  an  Bequemlichkeit  und  harmonischer,  vernünftiger  Anlage 
das  Schloß  und  den  Stadthof  oder  Stadtpalast  der  nordischen  Großen 
übertraf  Die  Kleidung  wechselte  dergestalt,  daß  es  unmöglich  ist,  eine 
durchgehende  Parallele  mit  den  Moden  anderer  Länder  zu  ziehen,  zu- 
mal da  man  sich  seit  Ende  des  15.  Jahrhunderts  häufig  den  letztern  an- 
schloß. Was  die  italienischen  Maler  als  Zeittracht  darstellten,  ist  insge- 
mein das  Schönste  und  Kleidsamste,  was  damals  in  Europa  vorkam, 
allein  man  weiß  nicht  sicher,  ob  .sie  das  Herrschende  und  ob  .sie  es  genau 
darstellen.  Soviel  bleibt  aber  doch  wohl  außer  Zweifel,  daß  nirgends 
ein  so  großer  Wert  auf  die  Tracht  gelegt  wurde  wie  in  Italien.  Die  Nation 
war  und  ist  eitel.;  außerdem  aber  rechneten  auch  ernste  Leute  die  mög- 
lichst schöne  und  günstige  Kleidung  mit  zur  Vollendung  der  Persönlich- 
keit. Einst  gab  es  ja  in  Florenz  einen  Augenblick,  da  die  Tracht  etwas 


des  Indivi 
duuiiis 


Kleidung  und 
Moden 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  211 

Individuelles  war,  da  jeder  seine  eigene  Mode  trug  (Anm.  Nr.  261),  und 
noch  bis  tief  ins  16.  Jahrhundert  gab  es  bedeutende  Leute,  die  diesen 
Mut  hatten'^';  die  übrigen  wußten  wenigstens  in  die  herrschende  Mode 
etwas  Individuelles  zu  legen.  Es  ist  ein  Zeichen  des  sinkenden  Italiens, 
wenn  Giovanni  della  Casa  vor  dem  Auffallenden,  vor  der  Abweichung 
von  der  herrschenden  Mode  warnt'^*.  Unsere  Zeit,  welche  wenigstens  in 
der  Männerkleidung  das  Nichtauffallen  als  höchstes  Gesetz  respektiert, 
verzichtet  damit  auf  Größeres,  als  sie  selber  weiß.  Sie  erspart  sich  aber 
damit  viele  Zeit,  wodurch  allein  schon  (nach  unserm  Maßstab  der  Ge- 
schäftigkeit) jeder  Nachteil  aufgewogen  würde. 

In  Venedig''*  und  Florenz  gab  es  zur  Zeit  der  Renaissance  für  die 
Männer  vorgeschriebene  Trachten  und  für  die  Frauen  Luxusgesetze.  Wo 
die  Trachten  frei  waren,  wie  z.  B.  in  Neapel,  da  konstatierten  die  Mora-  Neapel 
listen,  sogar  nicht  ohne  Schmerz,  daß  kein  Unterschied  mehr  zwischen 
Adel  und  Bürger  zu  bemerken  sei'-".  Außerdem  beklagen  sie  den  bereits 
äußerst  raschen  Wechsel  der  Moden  und  (wenn  wir  die  Worte  richtig 
deuten)  die  törichte  Verehrung  alles  dessen,  was  aus  Frankreich  kommt, 
während  es  doch  oft  ursprünglich  italienische  Moden  seien,  die  man  nur 
von  den  Franzosen  zurückerhalte.  Insofern  nun  der  häufige  Wechsel  der 
Kleiderformen  und  die  Annahme  französischer  und  spanischer  Moden''^ 
der  gewöhnlichen  Putzsucht  diente,  haben  wir  uns  dainit  nicht  weiter 
zu  beschäftigen;  allein  es  liegt  darin  außerdem  ein  kulturgeschichthcher 
Beleg  für  das  rasche  Leben  Italiens  überhaupt  in  den  Jahrzehnten  um 
1500. 

Eine  besondere  Beachtung  verdient  die  Bemühung  der  Frauen,  durch  Toiietteu 
Toilettemittel  aller  Art  ihr  Aussehen  wesentlich  zu  verändern.  In  keinem  ™"' 
Lande  Europas  seit  dem  Untergange  des  römischen  Reiches  hat  man 
wohl  der  Gestalt,  der  Hautfarbe,  dem  Haarwuchs  von  so  vielen  Seiten 
zugesetzt  wie  damals  in  Itahen'-^.  Alles  strebt  einer  Normalbildung  zu, 
selbst  mit  den  auffallendsten,  sichtbarsten  Täuschungen.  Wir  sehen  hier- 
bei gänzHch  ab  von  der  sonstigen  Tracht,  die  im  14.  Jahrhundert'"'' 
äußerst  bunt  und  schmuckbeladen,  später  von  einem  mehr  veredelten 
Reichtum  war,  und  beschränken  uns  auf  die  Toilette  im  engern  Sinne. 

Vor  allem  werden  falsche  Haartouren,  auch  aus  weißer  und  gelber 
Seide'^*,  in  Masse  getragen,  verboten  und  wieder  getragen,  bis  etwa  ein 
Bußprediger  die  weltlichen  Gemüter  rührt;  da  erhebt  sich  auf  einem 
öfTentlichcn  Platz  ein  zierlicher  Scheiterhaufen  (talamo),  auf  welchem 
neben  Lauten,  Spielgeräten,  Masken,  Zauberzetteln,  Liederbüchern  und 
anderm  Tand  auch  die  Haartouren'^^  zu  liegen  kommen;  die  reinigende 
Flamme  nimmt  alles  mit  in  die  Lüfte.  Die  Idealfarbe  aber,  welche  man 
in  den  eigenen,  wie  in  den  aufgesetzten  Haaren  zu  erreichen  strebte, 

14* 


212 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


Umgestal- 
tung des 
Gesichtc^s 


war  blond.  Und  da  die  Sonne  im  Rufe  stand,  das  Haar  blond  machen 
zu  können'"^,  so  gab  es  Damen,  welche  bei  gutem  Wetter  den  ganzen 
Tag  nicht  aus  der  Sonne  gingen'-',  sonst  brauchte  man  auch  Färbe- 
mittel und  außerdem  Mixturen  für  den  Haarwuchs.  Dazu  kommt  aber 
noch  ein  Arsenal  von  Schönheitswassern,  Teigpflastern  und  Schminken 
für  jeden  einzelnen  Teil  des  Gesichtes,  selbst  für  Augenlider  und  Zähne, 
wovon  unsere  Zeit  keinen  Begriff  mehr  hat.  Kein  Hohn  der  Dichter'^, 
kein  Zorn  der  Bußprediger,  keine  Warnung  vor  früherm  Verderben  der 
Haut  konnte  die  Weiber  von  dem  Gebrauch  abwendig  machen,  ihrem 
Antlitz  eine  andere  Farbe  und  sogar  eine  teilweis  andere  Gestalt  zu  geben. 
Es  ist  möglich,  daß  die  häufigen  und  prachtvollen  Aufführungen  von 
Mysterien,  wobei  Hunderte  von  Menschen  bemalt  und  geputzt  wurden'^', 
den  Mißbrauch  im  täglichen  Leben  fördern  halfen;  jedenfalls  war  er  ein 
allgemeiner  und  die  Landmädchen  hielten  dabei  nach  Kräften  mit'^*'. 
Man  konnte  lange  predigen,  daß  dergleichen  ein  Abzeichen  von  Buhle- 
rinnen sei;  gerade  die  ehrbarsten  Hausfrauen,  die  sonst  das  ganze  Jahr 
keine  Schminke  anrührten,  schminkten  sich  doch  an  Festtagen,  wo  sie 
sich  öffentlich  zeigten'^^  —  Möge  man  nun  diese  ganze  Unsitte  betrach- 
ten als  einen  Zug  von  Barbarei,  wofür  sich  das  Schminken  der  Wilden 
als  Parallele  anführen  läßt,  oder  als  eine  Konsequenz  des  Verlangens 
nach  normaler  jugendlicher  Schönheit  in  Zügen  und  Farbe,  wofür  die 
große  Sorgfalt  und  Vielseitigkeit  dieser  Toilette  spräche  —  jedenfalls 
haben  es  die  Männer  an  Abmahnungen  nicht  fehlen  lassen. 

wohigeriifhe  Das  Parfümieren  ging  ebenfalls  über  alles  Maß  hinaus  und  erstreckte 
sich  auf  die  ganze  Umgebung  des  Menschen.  Bei  Festlichkeiten  wurden 
sogar  Maultiere  mit  Salben  und  Wohlgerüchen  behandelt'^^,  und  Pietro 
Aretino  dankt  dem  Cosimo  L  für  eine  parfümierte  Geldsendung'^. 

Kcmiichkeit  Sodann  waren  die  Italiener  damals  überzeugt,  daß  sie  reinlicher  seien 
•  .77-'.j7j  ^jj,  jj-g  Nordländer.  Aus  allgemeinen  kulturgeschichtlichen  Gründen 
kann  man  diesen  Anspruch  eher  billigen  als  verwerfen,  indem  die  Rein- 
lichkeit mit  zur  Vollendung  der  modernen  Persönlichkeit  gehört,  diese 
aber  bei  den  Italienern  am  frühesten  durchgebildet  ist;  auch  daß  sie 
eine  der  reichsten  Nationen  der  damaligen  Welt  waren,  spräche  eher 
dafür  als  dagegen.  Ein  Beweis  wird  sich  jedoch  natürlich  niemals  leisten 
lassen,  und  wenn  es  sich  um  die  Priorität  von  Reinlichkeitsvorschriften 
handelt,  so  möchte  die  Ritterpoesie  des  Mittelalters  deren  ältere  aufwei- 
sen können.  Immerhin  ist  soviel  gewiß,  daß  bei  einigen  ausgezeichneten 
Vertretern  der  Renaissance  die  ausgezeichnete  Sauberkeit  ihres  ganzen 
Wesens,  zumal  bei  Tische,  mit  Nachdruck  hervorgehoben  wird'^'^  und 
daß  als  Inbegriff  alles  Schmutzes  in  Italien  der  Deutsche  gilt'^*.  Was 
Abb.  46      Massimiliano  Sforza  von  seiner  deutschen   Erziehung  für  unreinliche 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  213 

Gewohnheiten  mitbrachte  und  wie  sehr  dieselben  auffielen,  erfahren  wir 
aus  Giovio'^*'.  Es  ist  dabei  auffallend,  daß  man  wenigstens  im  15.  Jahr- 
hundert die  Gastwartschaft  wesentlich  in  den  Händen  der  Deutschen 
ließ"^',  welche  sich  wohl  hauptsächlich  um  der  Rompilger  willen  diesem 
Geschäfte  widmeten.  Doch  könnte  in  der  betreffenden  Aussage  vorzugs- 
weise nur  das  offene  Land  gemeint  sein,  da  in  den  größern  Städten 
notorisch  itahenischc  Wirtschaften  den  ersten  Rang  behaupteten"^.  Der 
Mangel  an  leidlichen  Herbergen  auf  dem  Lande  würde  sich  auch  durch 
die  große  Unsicherheit  erklären. 

Aus  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  haben  wir  dann  jene  Der  caiateo, 
Schule  der  HöfHchkcit,  welche  Giovanni  della  Casa,  ein  geborner  Flo-  Abb.  231 
rentiner,  unter  dem  Titel:  II  Galateo  herausgab.  Hier  wird  nicht  nur 
die  Reinh  l.keit  im  engern  Sinne,  sondern  auch  die  Entwöhnung  von 
allen  Gewohnheiten,  die  wir  ,, unschicklich"  zu  nennen  pflegen,  mit  der- 
selben untrüglichen  Sicherheit  vorgeschrieben,  mit  welcher  der  Moralist 
für  die  höchsten  Sittengesetze  redet.  In  andern  Literaturen  wird  der- 
gleichen weniger  von  der  systematischen  Seite,  als  vielmehr  mittelbar 
gelehrt,  durch  die  abschreckende  Schilderung  des  Unflätigen'^*. 

Außerdem  aber  ist  der  Galateo  eine  schön  und  geistvoll  geschriebene  u"d  die  gute 
Unterweisung  in  der  guten  Lebensart,  in  Delikatesse  und  Takt  über- 
haupt. Noch  heute  können  ihn  Leute  jedes  Standes  mit  großem  Nutzen 
lesen  und  die  Höflichkeit  des  alten  Europas  wird  wohl  schwerlich  mehr 
über  seine  Vorschriften  hinauskommen.  Insofern  der  Takt  Herzenssache 
ist,  wird  er  von  Anfang  aller  Kultur  an  bei  allen  Völkern  gewissen  Men- 
schen angeboren  gewesen  sein  und  einige  werden  ihn  auch  durch  Willens- 
kraft erworben  haben,  allein  als  allgemeine  gesellige  Pflicht  und  als 
Kennzeichen  von  Bildung  und  Erziehung  haben  ihn  erst  die  Italiener 
erkannt.  Und  Italien  selbst  hatte  seit  zwei  Jahrhunderten  sich  sehr  ver- 
ändert. Man  empfindet  deutlich,  daß  die  Zeit  der  bösen  Spaße  zwischen 
Bekannten  und  Halbbckannten,  der  burle  und  beffe  (S.  88  f.)  in  der 
guten  Gesellschaft  vorüber  ist'*",  daß  die  Nation  aus  den  Mauern  ihrer 
Städte  heraustritt  und  eine  kosmopolitische,  neutrale  Höflichkeit  und 
Rücksicht  entwickelt.  Von  der  eigentlichen,  positiven  Geselligkeit  wird 
weiterhin  die  Rede  sein. 

Das  ganze  äußere  Dasein  war  überhaupt  im  15.  und  beginnenden  d«  Komfort 
16.  Jahrhundert  verfeinert  und  verschönert  wie  sonst  bei  keinem  Volke 
der  Welt.  Schon  eine  Menge  jener  kleinen  und  großen  Dinge,  welche 
zusammen  die  moderne  Bequemlichkeit,  den  Komfort  ausmachen,  waren 
in  Italien  zum  Teil  erweislich  zuerst  vorhanden.  Auf  den  wohlgcpflaster- 
ten  Straßen  italienischer  Städte'*^  wurde  das  Fahren  allgemeiner,  wäh- 
rend man  sonst  überall  ging  oder  ritt  oder  doch  nicht  zum  Vergnügen 


214  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

fuhr.  Weiche  elastische  Betten,  kösthche  Bodenteppiche,  Toilettengeräte, 
von  welchen  sonst  noch  nirgends  die  Rede  ist,  lernt  man  besonders  bei 
den  Novellisten  kennen"*".  Die  Menge  und  Zierlichkeit  des  Weißzeugs 
wird  öfter  ganz  besonders  hervorgehoben.  Manches  gehört  schon  zu- 
gleich in  das  Gebiet  der  Kunst;  man  wird  mit  Bewunderung  inne,  wie 
sie  von  allen  Seiten  her  den  Luxus  adelt,  wie  sie  nicht  bloß  das  mächtige 
Büfett  und  die  leichte  Etagere  mit  herrlichen  Gefäßen,  die  Mauern  mit 
der  beweglichen  Pracht  der  Teppiche,  den  Nachtisch  mit  endlosem  pla- 
stischem Konfekt  schmückt,  sondern  vorzüglich  die  Schreinerarbeit  auf 
wunderbare  Weise  völlig  in  ihren  Bereich  zieht.  Das  ganze  Abendland 
versucht  sich  in  den  spätem  Zeiten  des  Mittelalters,  sobald  die  Mittel 
reichen,  auf  ähnlichen  Wegen,  allein  es  ist  dabei  teils  in  kindlicher, 
bunter  Spielerei,  teils  in  den  Fesseln  des  einseitigen  gotischen  Dekora- 
tionsstiles befangen,  während  die  Renaissance  sich  frei  bewegt,  sich  nach 
dem  Sinn  jeder  Aufgabe  richtet  und  für  einen  viel  größern  Kreis  von 
Teilnehmern  und  Bestellern  aibeitet.  Womit  dann  auch  der  leichte  Sieg 
dieser  italienischen  Zierformen  jeder  Art  über  die  nordischen  im  Lauf 
des  1 6.  Jahrhunderts  zusammenhängt,  obwohl  derselbe  noch  seine  grö- 
ßern und  allgemeinern  Ursachen  hat. 


Die  Sprache       Dic  höhcrc  GcsclIigkeit,  die  hier  als  Kunstwerk,  als  eine  höchste  und 
der  Gesell-    jjg^^ß^^g  Schöpfuug  dcs  Volkslcbcns  auftritt,   hat  ihre  wichtige  Vor- 


schaft 


bedingung  und  Grundlage  in  der  Sprache. 

In  der  Blütezeit  des  Mittelalters  hatte  der  Adel  der  abendländischen 
Nationen  eine  „höfische"  Sprache  für  den  Umgang  wie  für  die  Poesie 
zu  behaupten  gesucht.  So  gab  es  auch  in  Italien,  dessen  Dialekte  schon 
frühe  soweit  auseinandergingen,  im  13.  Jahrhundert  ein  sogenanntes 
,,Curiale",  welches  den  Höfen  und  ihren  Dichtern  gemeinsam  war.  Die 
entscheidende  Tatsache  ist  nun,  daß  man  dasselbe  mit  bewußter  An- 
strengung zur  Sprache  aller  Gebildeten  und  zur  Schriftsprache  zu  machen 
suchte.  Die  Einleitung  der  noch  vor  1300  redigierten  „hundert  alten 
Novellen"  gesteht  diesen  Zweck  offen  zu.  Und  zwar  wird  hier  die  Sprache 
ausdrücklich  als  von  der  Poesie  emanzipiert  behandelt;  das  Höchste  ist 
der  einfach  klare,  geistig  schöne  Ausdruck  in  kurzen  Reden,  Sprüchen 
und  Antworten.  Dieser  genießt  eine  Verehrung  wie  nur  je  bei  Griechen 
und  Arabern:  ,,  Wie  viele  haben  in  einem  langen  Leben  doch  kaum  ein 
einziges  bei  parlare  zutage  gebracht!" 

Allein  die  Angelegenheit,  um  welche  es  sich  handelte,  war  um  so 
schwieriger,  je  eifriger  man  sie  von  sehr  verschiedenen  Seiten  aus  be- 
trieb.   In  diesen  Kampf  führt  uns  Dante  mitten  hinein;   seine  Schrift 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


215 


„von  der  italienischen  Sprache'""  ist  nicht  nur  für  die  Frage  selbst 
wichtig,  sondern  auch  das  erste  räsonniercnde  Werk  über  eine  moderne 
Sprache  überhaupt.  Sein  Gedankengang  und  seine  Resultate  gehören 
in  die  Geschichte  der  Sprachwissenschaft,  wo  sie  auf  immer  einen  hoch- 
bedeutenden Platz  einnehmen.  Hier  ist  nur  zu  konstatieren,  daß  schon 
lange  Zeit  vor  Abfassung  der  Schrift  die  Sprache  eine  täghche  wichtige 
Lebensfrage  gewesen  sein  muß,  daß  alle  Dialekte  mit  parteiischer  Vor- 
liebe und  Abneigung  studiert  worden  waren  und  daß  die  Geburt  der 
allgemeinen  Idealsprache  von  den  stärksten  Wehen  begleitet  war. 

Das  Beste  tat  freilich  Dante  selber  durch  sein  großes  Gedicht.  Der 
toskanische  Dialekt  wurde  wesentlich  die  Basis  der  neuen  Idealsprache'"**. 
Wenn  damit  zu  viel  gesagt  sein  sollte,  so  darf  der  Ausländer  um  Nach- 
sicht bitten,  indem  er  schlechtweg  in  einer  höchst  bestrittenen  Frage  der 
vorherrschenden  Meinung  folgt. 

In  Literatur  und  Poesie  mag  nun  der  Hader  über  diese  Sprache,  der 
Purismus  ebensoviel  geschadet  als  genützt,  er  mag  manchem  sonst  sehr 
begabten  Autor  die  Naivität  des  Ausdruckes  geraubt  haben.  Und  andere, 
die  der  Sprache  im  höchsten  Sinne  mächtig  waren,  verließen  sich  hin- 
wiederum auf  den  prachtvoll  wogenden  Gang  und  Wohllaut  derselben 
als  auf  einen  vom  Inhalt  unabhängigen  Vorzug.  Auch  eine  geringe 
Melodie  kann  nämlich,  von  solch  einem  Instrument  getragen,  herrlich 
klingen.  Allein  v«e  dem  auch  sei,  in  gesellschafthcher  Beziehung  hatte 
diese  Sprache  einen  hohen  Wert.  Sie  war  die  Ergänzung  zu  dem  edeln, 
stilgemäßen  Auftreten  überhaupt,  sie  nötigte  den  gebildeten  Menschen, 
auch  im  Alltäglichen  Haltung  und  in  ungewöhnlichen  Momenten  äußere 
Würde  zu  behaupten.  Schmutz  und  Bosheit  genug  hüllten  sich  allerdings 
auch  in  dies  klassische  Gewand  wie  einst  in  den  reinsten  Attizismus, 
allein  auch  das  Feinste  und  Edelste  fand  in  ihr  einen  gültigen  Ausdruck. 
Vorzüglich  bedeutend  aber  ist  sie  in  nationaler  Beziehung,  als  ideale 
Heimat  der  Gebildeten  aller  Staaten  des  früh  zerrissenen  Landes"*^.  Zu- 
dem gehört  sie  nicht  nur  den  Adligen  oder  sonst  irgendeinem  Stande, 
sondern  der  Ärmste  und  Geringste  hat  Zeit  und  Mittel  übrig,  sich  ihrer 
zu  bemächtigen,  sobald  er  nur  will.  Noch  heutzutage  (und  vielleicht 
mehr  als  je)  wird  der  Fremde  in  solchen  Gegenden  Italiens,  wo  sonst 
der  unverständlichste  Dialekt  herrscht,  bei  geringen  Leuten  und  Bauern 
oft  durch  ein  sehr  reines  und  rein  gesprochenes  Italienisch  überrascht 
und  besinnt  sich  vergebens  auf  Ähnliches  bei  denselben  Menschenklassen 
in  Frankreich  oder  gar  in  Deutschland,  wo  auch  die  Gebildeten  an  der 
provinzialcn  Aussprache  festhalten.  Freilich  ist  das  Lesenkönnen  in  Ita- 
lien viel  verbreiteter,  als  man  nach  den  sonstigen  Zuständen,  z.  B.  des 
Kirchenstaates,  denken  sollte,  allein  wie  weit  würde  dies  helfen,  ohne 


Ihre   Ent- 
wickelung 


und  weite 
A'erbreitunR 


2l6  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

den  allgemeinen,  unbestrittenen  Respekt  vor  der  reinen  Sprache  und 
Aussprache  als  einem  hohen  und  werten  Besitztum?  Eine  Landschaft 
nach  der  andern  hat  sich  derselben  offiziell  anbequemt,  auch  Venedig, 
Mailand  und  Neapel  noch  zur  Zeit  der  Blüte  der  Literatur  und  zum 
Teil  wegen  derselben.  Piemont  ist  erst  in  unserm  Jahrhundert  durch 
freien  Willcnsakt  ein  recht  italienisches  Land  geworden,  indem  es  sich 
diesem  wichtigsten  Kapital  der  Nation,  der  reinen  Sprache,  anschloß'***. 
Der  Dialektliteratur  wurden  schon  seit  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts  ge- 
wisse Gegenstände  freiwillig  und  mit  Absicht  überlassen,  und  zwar  nicht 
etwa  lauter  komische,  sondern  auch  ernste'*'.  Der  Stil,  welcher  sich 
darin  entwickelte,  war  allen  Aufgaben  gewachsen.  Bei  andern  Völkern 
findet  eine  bewußte  Trennung  dieser  Art  erst  sehr  viel  später  statt. 

Dil-  Puristen  Die  Denkweise  der  Gebildeten  über  den  Wert  der  Sprache  als  Medium 
der  höhern  Geselligkeit  stellt  der  Cortigiano'*^  sehr  vollständig  dar.  Es 
gab  schon  damals,  zu  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts,  Leute,  welche  ge- 
flissentlich die  veralteten  Ausdrücke  aus  Dante  und  den  übrigen  Tos- 
kanern  seiner  Zeit  festhielten,  bloß  weil  sie  alt  waren.  Für  das  Sprechen 
verbittet  sich  der  Autor  dieselben  unbedingt  und  will  sie  auch  für  das 
Schreiben  nicht  gelten  lassen,  indem  dasselbe  doch  nur  eine  Form  des 
Sprechens  sei.  Hierauf  folgt  dann  konsequent  das  Zugeständnis:  das- 
jenige Reden  sei  das  schönste,  welches  sich  am  meisten  den  schön  ver- 
faßten Schriften  nähere.  Sehr  klar  tritt  der  Gedanke  hervor,  daß  Leute, 
die  etwas  Bedeutendes  zu  sagen  haben,  ihre  Sprache  selber  bilden  und 
daß  die  Sprache  beweglich  und  wandelbar,  weil  sie  etwas  Lebendiges 
ist.  Man  möge  die  schönsten  beliebigen  Ausdrücke  brauchen,  wenn  nur 
das  Volk  sie  noch  brauche,  auch  solche  aus  nichttoskanischen  Gegenden, 
ja  hie  und  da  französische  und  spanische,  wenn  sie  der  Gebrauch  schon 
für  bestimmte  Dinge  angenommen  habe'*'.  So  entstehe,  mit  Geist  und 
Sorgfalt,  eine  Sprache,  welche  zwar  nicht  eine  rein  antik  toskanische, 
wohl  aber  eine  italienische  wäre,  reich  an  Fülle  wie  ein  köstlicher  Garten 
voller  Blumen  und  Früchte.  Es  gehört  sehr  wesentlich  mit  zu  der  all- 
gemeinen Virtuosität  des  Cortigiano,  daß  nur  in  diesem  ganz  vollkom- 
menen Gewände  seine  feine  Sitte,  sein  Geist  und  seine  Poesie  zutage- 
treten. 

Da  nun  die  Sprache  eine  Angelegenheit  der  lebendigen  Gesellschaft 
geworden  war,  so  setzten  die  Archaisten  und  Puristen  trotz  aller  An- 

ihr  geringer  strcngung  ihrc  Sache  im  wesentlichen  nicht  durch.  Es  gab  zu  viele  und 
"*■'      treffliche  Autoren  und  Konversationsmenschen  in  Toaskana  selbst,  wel- 
che   sich    über    das  Streben  jener  hinwegsetzten  oder  lustigmachten; 
letzteres  vorzüglich,  wenn  ein  Weiser  von  draußen  kam  und  ihnen,  den 
Toskanern,  dartun  wollte,  sie  verständen  ihre  eigene  Sprache  nicht'^". 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  217 

Schon  das  Dasein  und  die  Wirkung  eines  Schriftstellers  wie  Machiavelli 
riß  alle  jene  Spinnweben  durch,  insofern  seine  mächtigen  Gedanken, 
sein  klarer,  einfacher  Ausdruck  in  einer  Sprache  auftraten,  welche  eher 
alle  andern  Vorzüge  hatte  als  den  eines  reinen  Trecentismo.  Anderer- 
seits gab  es  zu  viele  Oberitaliener,  Römer,  Neapolitaner  usw.,  welchen 
es  lieb  sein  mußte,  wenn  man  in  Schrift  und  Konversation  die  Ansprüche 
auf  Reinheit  des  Ausdrucks  nicht  zu  hoch  spannte.  Sie  verleugnen  zwar 
Sprachformen  und  Ausdrücke  ihres  Dialektes  völlig,  und  ein  Ausländer 
wird  es  leicht  für  falsche  Bescheidenheit  halten,  wenn  z.  B.  Bandello 
öfter  hoch  und  teuer  protestiert:  „Ich  habe  keinen  Stil;  ich  schreibe  nicht 
florentinisch,  sondern  oft  barbarisch;  ich  begehre  der  Sprache  keine 
neuen  Zierden  zu  verleihen;  ich  bin  nur  ein  Lombarde  und  noch  dazu 
von  der  ligurischen  Grenze  her'^^."  Allein  gegenüber  der  strengen  Partei 
behauptete  man  sich  in  der  Tat  am  ehesten,  indem  man  auf  höhere 
Ansprüche  ausdrücklich  verzichtete  und  sich  dafür  der  großen  allge- 
meinen Sprache  nach  Kräften  bemächtigte.  Nicht  jeder  konnte  es  Pietro 
Bembo  gleichtun,  welcher  als  geborener  Venezianer  zeitlebens  das  reinste 
Toskanisch,  aber  fast  als  eine  fremde  Sprache  schrieb,  oder  einem  San- 
nazaro,  der  es  als  Neapolitaner  ebenso  machte.  Das  Wesentliche  war,  daß 
jeder  die  Sprache  in  Wort  und  Schrift  mit  Achtung  behandeln  mußte. 
Daneben  mochte  man  den  Puristen  ihren  Fanatismus,  ihre  Sprachkon- 
gresse'^^  u.  dgl.  lassen;  schädlich  im  großen  wurden  sie  erst  später,  als 
der  originale  Hauch  in  der  Literatur  ohnehin  schwächer  war  und  noch 
ganz  andern,  viel  schlimmem  Einflüssen  unterlag.  Endlich  stand  es  der 
Academia  della  Crusca  frei,  das  Italienische  wie  eine  tote  Sprache  zu 
behandeln.  Sie  war  aber  so  machtlos,  daß  sie  nicht  einmal  die  geistige 
Französisierung  desselben  im  vorigen  Jahrhundert  verhindern  konnte 
(vgl.  Anm.  Nr.  749). 

Diese  geliebte,  gepflegte,  auf  alle  Weise  geschmeidig  gemachte  Sprache  Die  Konver- 
war  es  nun,  welche  als  Konversation  die  Basis  der  ganzen  Geselligkeit 
ausmachte.  Während  im  Norden  der  Adel  und  die  Fürsten  ihre  Muße 
entweder  einsam  oder  mit  Kampf,  Jagd,  Gelagen  und  Zeremonien,  die 
Bürger  die  ihrige  mit  Spielen  und  Leibesübungen,  allenfalls  auch  mit 
Verskünsten  und  Festlichkeiten  hinbrachten,  gab  es  in  Italien  zu  all 
diesem  noch  eine  neutrale  Sphäre,  wo  Leute  jeder  Herkunft,  sobald  sie 
das  Talent  und  die  Bildung  dazu  hatten,  der  Unterredung  und  dem 
Austausch  von  Ernst  und  Scherz  in  veredelter  Form  oblagen.  Da  die 
Bewirtung  dabei  Nebensache  war'^,  so  konnte  man  stumpfe  und  ge- 
fräßige Individuen  ohne  Schwierigkeit  fernhalten.  Wenn  wir  die  Ver- 
fasser von  Dialogen  beim  Wort  nehmen  dürften,  so  hätten  auch  die 
höchsten  Probleme  des  Daseins  das  Gespräch  zwischen  auscrwählten 


2l8  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

Geistern  ausgefüllt;  die  Hervorbringung  der  erhebensten  Gedanken  wäre 
nicht,  wie  bei  den  Nordländern  in  der  Regel,  eine  einsame,  sondern  eine 
mehrern  gemeinsame  gewesen.  Doch  wir  beschränken  uns  hier  gerne 
auf  die  spielende,  um  ihrer  selbst  willen  vorhandene  Geselligkeit. 
Die  gesetz  Sie  war  wenigstens  zu  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts  eine  gesetzlich 
"  '^keT  "^  schöne  und  beruhte  auf  einem  stillschweigenden,  oft  aber  auch  auf  einem 
Abb.35^,35j  laut  zugestandenen  und  vorgeschriebenen  Übereinkommen,  welches  sich 
frei  nach  der  Zweckmäßigkeit  und  dem  Anstand  richtet  und  das  gerade 
Gegenteil  von  aller  bloßen  Etikette  ist.  In  derbem  Lebenskreisen,  wo 
dergleichen  den  Charakter  einer  dauernden  Korporation  annahm,  gab 
es  Statuten  und  förmlichen  Eintritt,  wie  z.  B.  bei  jenen  tollen  Gesell- 
Abb.  407  Schäften  florentinischer  Künstler,  von  welchen  Vasari  erzählt'**,  ein  sol- 
ches Beisammenbleiben  machte  denn  auch  die  Aufführung  der  wichtig- 
sten damaligen  Komödien  möglich.  Die  leichtere  Geselligkeit  des  Augen- 
blickes dagegen  nahm  gerne  die  Vorschriften  an,  welche  etwa  die  nam- 
hafteste Dame  aussprach.  Alle  Welt  kennt  den  Eingang  von  Boccaccios 
Dekamerone  und  hält  das  Königtum  der  Pampinea  über  die  Gesellschaft 
für  eine  angenehme  Fiktion;  um  eine  solche  handelt  es  sich  auch  gewiß 
in  diesem  Falle,  allein  dieselbe  beruht  auf  einer  häufig  vorkommenden 
wirklichen  Übung.  Firenzuola,  der  fast  zwei  Jahrhunderte  später  seine 
Novellensammlung  auf  ähnliche  Weise  einleitet,  kommt  gewiß  der  Wirk- 
lichkeit noch  viel  näher,  indem  er  seiner  Gesellschaftskönigin  eine  förm- 
liche Thronrede  in  den  Mund  legt,  über  die  Einteilung  der  Zeit  während 
des  bevorstehenden  gemeinsamen  Landaufenthaltes:  zuerst  eine  philo- 
sophische Morgenstunde,  während  man  nach  einer  Anhöhe  spaziert; 
Abb.  306  dann  die  Tafel'^^  mit  Lautenspiel  und  Gesang;  darauf,  in  einem  kühlen 
Raum,  die  Rezitation  einer  frischen  Kanzone,  deren  Thema  jedesmal 
am  Vorabend  aufgegeben  wird;  ein  abendlicher  Spaziergang  zu  einer 
Die  Novfiii-  Quelle,  wo  man  Platz  nimmt  und  jedermann  eine  Novelle  erzählt;  end- 
zi^öri^ütaft  ^^^^  ^^^  Abendessen  und  heitere  Gespräche  „von  solcher  Art,  daß  sie 
für  uns  Frauen  noch  schicklich  heißen  können  und  bei  euch  Männern 
nicht  vom  Weine  eingegeben  scheinen  müssen."  Bandello  gibt  in  den 
Einleitungen  oder  Widmungen  zu  den  einzelnen  Novellen  zwar  nicht 
solche  Einweihungsreden,  indem  die  verschiedenen  Gesellschaften,  vor 
welchen  seine  Geschichten  erzählt  werden,  bereits  als  gegebene  Kreise 
existieren,  allein  er  läßt  auf  andere  Weise  erraten,  wie  reich,  vielartig 
und  anmutig  die  gesellschaftlichen  Voraussetzungen  waren.  Manche 
Leser  werden  denken,  an  einer  Gesellschaft,  welche  so  unmoralische  Er- 
zählungen anzuhören  imstande  war,  sei  nichts  zu  verlieren  noch  zu 
gewinnen.  Richtiger  möchte  der  Satz  so  lauten:  auf  welchen  sichern 
Grundlagen  mußte  eine  Geselligkeit  ruhen,  die  trotz  jener  Historien 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  219 

nicht  aus  den  äußern  Formen,  nicht  aus  Rand  und  Band  ging,  die  zwi- 
schen hinein  wieder  der  ernsten  Diskussion  und  Beratung  fähig  war.  Das 
Bedürfnis  nach  höhern  Formen  des  Umganges  war  eben  stärker  als  alles. 
Man  braucht  dabei  nicht  die  sehr  idealisierte  Gesellschaft  als  Maßstab 
zu  nehmen,  welche  Castiglione  am  Hofe  Guidobaidos  von  Urbino,  Pietro 
Bembo  auf  dem  Schloß  Asolo  selbst  über  die  höchsten  Gefühle  und  Le- 
benszwecke reflektieren  lassen.  Gerade  die  Gesellschaft  eines  Bandcllo 
mitsamt  den  Frivolitäten,  die  sie  sich  bieten  läßt,  gibt  den  besten  Maß- 
stab für  den  vornehm  leichten  Anstand,  für  das  Großweltswohlwollen 
und  den  echten  Freisinn,  auch  für  den  Geist  und  den  zierlichen  poeti- 
schen und  andern  Dilettantismus,  der  diese  Kreise  belebte.  Ein  bedeuten- 
der Wink  für  den  Wert  einer  solchen  Geselligkeit  liegt  besonders  darin, 
daß  die  Damen,  welche  deren  Mittelpunkte  bildeten,  damit  berühmt 
und  hochgeachtet  wurden,  ohne  daß  es  ihrem  Ruf  im  geringsten  schadete. 
Von  den  Gönnerinnen  Bandellos  z.  B.  ist  wohl  Isabella  Gonzaga,  geborne 
Este  (S.  27)  durch  ihren  Hof  von  lockern  Fräulein'^",  aber  nicht  durch 
ihr  eigenes  Benehmen  in  ungünstige  Nachrede  geraten;  Giulia  Gonzaga  Die  großen 
Colonna,  Ippolita  Sforza  vermählte  Bentivoglio,  Bianca  Rangona,  Cecilia 
Gallerana,  Camilla  Scarampa  u.  a.  waren  entweder  völlig  unbescholten 
oder  es  wurde  auf  ihr  sonstiges  Benehmen  kein  Gewicht  gelegt  neben 
ihrem  sozialen  Ruhm.  Die  berühmteste  Dame  von  Italien,  Vittoria  Co- 
lonna, war  vollends  eine  Heilige.  Was  nun  Spezielles  von  dem  zwang- 
losen Zeitvertreib  jener  Kreise  in  der  Stadt,  auf  der  Villa,  in  Badeorten 
gemeldet  wird,  läßt  sich  nicht  so  wiedergeben,  daß  daraus  die  Supcriori- 
tät  über  die  Geselligkeit  des  übrigen  Europas  buchstäblich  klar  würde. 
Aber  man  höre  Bandello  an'"  und  frage  sich  dann  nach  der  Möglich- 
keit von  etwas  Ähnlichem,  z.  B.  in  Frankreich,  bevor  diese  Art  von  Ge- 
selligkeit eben  durch  Leute  wie  er  aus  Italien  dorthin  verpflanzt  worden 
war.  —  Gewiß  wurde  auch  damals  das  Größte  im  Gebiet  des  Geistes 
hervorgebracht  ohne  die  Beihilfe  solcher  Salons  und  ohne  Rücksicht  auf 
sie;  doch  täte  man  Unrecht,  ihren  Wert  für  die  Bewegung  von  Kunst 
und  Poesie  gar  zu  gering  zu  schätzen,  wäre  es  auch  nur,  weil  sie  das 
schaffen  halfen,  was  damals  in  keinem  Lande  existierte:  eine  gleichartige 
Beurteilung  und  Teilnahme  für  die  Produktionen.  Abgesehen  davon  ist 
diese  Art  von  Sozietät  schon  als  solche  eine  notwendige  Blüte  jener  be- 
stimmten Kultur  und  Existenz,  welche  damals  eine  italienische  war  und 
seitdem  eine  europäische  geworden  ist. 

In  Florenz  wird  das  Gesellschaftsleben  stark  bedingt  von  selten  der      Fioren- 
Literatur  und  der  Politik.  Lorenzo  magnifico  ist  vor  allem  eine  Persön- 
lichkeit, welche  nicht,  wie  man  glauben  möchte,  durch  die  fürstengleiche 
Stellung,  sondern  durch  das  außerordentliche  Naturell  seine  Umgebung 


tinische  Ge- 
selligkeit 


220  D"^  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

vollständig  beherrscht,  eben  weil  er  diese  unter  sich  so  verschiedenen 
Menschen  in  Freiheit  sich  ergehen  läßt'^^.  Man  sieht  z.  B.  wie  er  seinen 
Abb.  227  großen  Hauslehrer  Poliziano  schonte,  wie  die  souveränen  Manieren  des 
Gelehrten  und  Dichters  eben  noch  kaum  verträglich  waren  mit  den  not- 
wendigen Schranken,  welche  der  sich  vorbereitende  Fürstenrang  des 
Hauses  und  die  Rücksicht  auf  die  empfindliche  Gemahlin  vorschrieben; 
dafür  ist  aber  Poliziano  der  Herold  und  das  wandelnde  Symbol  des 
mediceischen  Ruhmes.  Lorenzo  freut  sich  dann  auch  recht  in  der  Weise 
Lorenzoais  cincs  Mcdici,  sein  geselliges  Vergnügen  selber  zu  verherrlichen,  monu- 
seJesKrT  niental  darzustellen.  In  der  herrlich  improvisierten  ,, Falkenjagd"  schil- 
dert er  seine  Genossen  scherzhaft,  in  dem  ,, Gelage"  sogar  höchst  burlesk, 
allein  so,  daß  man  die  Fähigkeit  des  ernsthaften  Verkehrs  deutlich  durch- 
fühlt'^^. Von  diesem  Verkehr  geben  dann  seine  Korrespondenz  und  die 
Nachrichten  über  seine  gelehrte  und  philosophische  Konversation  reich- 
liche Kunde.  Andere  spätere  gesellige  Kreise  in  Florenz  sind  zum  Teil 
theoretisierende  politische  Klubs,  die  zugleich  eine  poetische  und  philo- 
sophische Seite  haben,  wie  z.  B.  die  sogenannte  platonische  Akademie, 
als  sie  sich  nach  Lorenzos  Tode  in  den  Gärten  der  Ruccellai  versam- 
melte'«". 

An  den  Fürstenhöfen  hing  natürlich  die  Geselligkeit  von  der  Person 
des  Herrschers  ab.  Es  gab  ihrer  allerdings  seit  Anfang  des  1 6.  Jahr- 
hunderts nur  noch  wenige,  und  diese  konnten  nur  geringernteils  in  dieser 
Beziehung  etwas  bedeuten.  Rom  hatte  seinen  wahrhaft  einzigen  Hof 
Leos  X.,  eine  Gesellschaft  von  so  besonderer  Art,  wie  sie  sonst  in  der 
Weltgeschichte  nicht  wieder  vorkommt. 
Ausbildung  Für  die  Höfe,  im  Grunde  aber  noch  viel  mehr  um  seiner  selber  willen, 
descoriigiano  ^^jj^jp^  gj^,}^  j^^,-,  ^jgj.  Cortigiauo  aus,  welchen  Castiglione  schildert.  Es  ist 

Abb.  2^9  ^  '  ° 

eigentlich  der  gesellschaftliche  Idealmensch,  wie  ihn  die  Bildung  jener 
Zeit  als  notwendige,  höchste  Blüte  postuliert,  und  der  Hof  ist  mehr  für 
ihn  als  er  für  den  Hof  bestimmt.  Alles  wohl  erwogen,  könnte  man  einen 
solchen  Menschen  an  keinem  Hofe  brauchen,  weil  er  selber  Talent  und 
Auftreten  eines  vollkommenen  Fürsten  hat  und  weil  seine  ruhige,  un- 
affckticrte  Virtuosität  in  allen  äußern  und  geistigen  Dingen  ein  zu  selb- 
ständiges Wesen  voraussetzt.  Die  innere  Triebkraft,  die  ihn  bewegt,  be- 
zieht sich,  obwohl  es  der  Autor  verhehlt,  nicht  auf  den  Fürstendienst, 
sondern  auf  die  eigene  Vollendung.  Ein  Beispiel  wird  dies  klar  machen: 
im  Kriege  nämlich  verbittet  sich""  der  Cortigiano  selbst  nützliche  und 
mit  Gefahr  und  Aufopferung  verbundene  Aufgaben,  wenn  dieselben  stil- 
los und  unschön  sind,  wie  etwa  das  Wegfangen  einer  Herde;  was  ihn 
zur  Teilnahme  am  Kriege  bewegt,  ist  ja  nicht  die  Pflicht  an  sich,  sondern 
„l'honore".  Die  sittliche  Stellung  zum  Fürsten,  wie  sie  im  vierten  Buch 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


221 


verlangt  wird,  ist  eine  sehr  freie  und  selbständige.  Die  Theorie  der  vor- 
nehmen Liebschaft  (im  dritten  Buche)  entiiält  sehr  viele  feine  psycho- 
logische Beobachtungen,  die  aber  bcssernteils  dem  allgemein  mensch- 
lichen Gebiet  angehören,  und  die  große,  fast  lyrische  Verherrlichung 
der  idealen  Liebe  (am  Ende  des  vierten  Buches)  hat  vollends  niciits 
mehr  zu  tun  mit  der  speziellen  Aufgabe  des  Werkes.  Doch  zeigt  sich 
auch  hier  wie  in  den  Asolani  des  Bembo  die  ungemeine  Höhe  der  Bil- 
dung in  der  Art,  wie  die  Gefühle  verfeinert  und  analysiert  auftreten. 
Dogmatisch  beim  Worte  nehmen  darf  man  diese  Autoren  allerdings 
nicht.  Daß  aber  Reden  dieser  Art  in  der  vornehmern  Gesellschaft  voi- 
kamen,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  und  daß  nicht  bloßes  Schöntun,  sondern 
auch  wahre  Leidenschaft  in  diesem  Gewände  erschien,  werden  wir  unten 
sehen. 

Von  den  äußerlichen  Fertigkeiten  werden  beim  Cortigiano  zunächst 
die  sogenannten  ritterlichen  Übungen  in  Vollkommenheit  verlangt, 
außerdem  aber  auch  noch  manches  andere,  das  nur  an  einem  geschulten, 
gleichmäßig  fortbestehenden,  auf  persönlichstem  Wetteifer  begründeten 
Hof  gefordert  werden  konnte,  wie  es  damals  außerhalb  Italiens  keinen 
gab;  mehreres  beruht  auch  sichtlich  nur  auf  einem  allgemeinen,  beinahe 
abstrakten  Begriff  der  individuellen  Vollkommenheit.  Der  Cortigiano 
muß  mit  allen  edlen  Spielen  vertraut  sein,  auch  mit  dem  Springen, 
Wettlaufen,  Schwimmen,  Ringen;  hauptsächlich  muß  er  ein  guter  Tän- 
zer sein  und  (wie  sich  von  selbst  versteht)  ein  nobler  Reiter.  Dazu  aber 
muß  er  mehrere  Sprachen,  mindestens  Italienisch  und  Latein  besitzen 
und  sich  auf  die  schöne  Literatur  verstehn,  auch  über  die  bildenden 
Künste  ein  Urteil  haben;  in  der  Musik  fordert  man  von  ihm  sogar  einen 
gewissen  Grad  von  ausübender  Virtuosität,  die  er  überdies  möglichst 
geheimhalten  muß.  Gründlicher  Ernst  ist  es  natürlich  mit  nichts  von 
allem,  ausgenommen  die  Waffen;  aus  der  gegenseitigen  Neutralisierung 
des  Vielen  entsteht  eben  das  absolute  Individuum,  in  welchem  keine 
Eigenschaft  aufdringlich  vorherrscht. 

So  viel  ist  gewiß,  daß  im  1 6.  Jahrhundert  die  Italiener  sowohl  als 
theoretische  Sciiriftsteller  wie  als  praktische  Lehrer  das  ganze  Abend- 
land in  die  Schule  nahmen  für  alle  cdlcrn  Leibesübungen  und  für  den 
hohem  geselligen  Anstand.  Für  Reiten,  Fechten  und  Tanzen  haben 
sie  durch  Werke  mit  Abbildungen  und  durch  Unterricht  den  Ton  an- 
gegeben; das  Turnen,  abgelöst  von  der  Kriegsübung  wie  vom  bloßen 
Spiel,  ist  vielleicht  zu  allererst  von  Vittorino  da  Fcltre  (S.  ii8)  gelehrt 
worden,  und  dann  ein  Requisit  der  höhern  Erziehung  geblicben'^^. 
Entscheidend  ist  dabei,  daß  es  kunstgemäß  gelehrt  wird;  welche  Übun- 
gen vorkamen,  ob  die  jetzt  vorwiegenden  auch  damals  gekannt  waren. 


Seme- 
Liebschaft 


Seine 
Fertigkeiten 


Leibes- 
übungen 


222  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

können  wir  freilich  nicht  ermitteln.  Wie  sehr  aber  außer  der  Kraft 
und  Gewandtheit  auch  die  Anmut  als  Zweck  und  Ziel  galt,  geht  nicht 
nur  aus  der  sonst  bekannten  Denkweise  der  Nation,  sondern  auch  aus 
bestimmten  Nachrichten  hervor.  Es  genügt,  an  den  großen  Federigo 
von  Montefeltro  (S.  27)  zu  erinnern,  wie  er  die  abendlichen  Spiele 
der  ihm  anvertrauten  jungen  Leute  leitete. 

voikssj.ieie  Spiclc  Und  Wettübungen  des  Volkes  unterschieden  sich  wohl  nicht 
wesentlich  von  den  im  übrigen  Abendlande  verbreiteten.  In  den  See- 
städten kam  natürlich  das  Wettrudern  hinzu,  und  die  venezianischen 
Regatten  waren  schon  früh  berühmt'^.  Das  klassische  Spiel  Italiens 
Abk.  2<)Q  war  und  ist  bekanntlich  das  Ballspiel,  und  auch  dieses  möchte  schon 
zur  Zeit  der  Renaissance  mit  viel  größerm  Eifer  und  Glänze  geübt 
worden  sein  als  anderswo  in  Europa.  Doch  ist  es  nicht  wohl  möglich, 
bestimmte  Zeugnisse  für  diese  Annahme  zusammenzubringen. 

Die  Musik  An  dicscr  Stelle  muß  auch  von  der  Musik'^*  die  Rede  sein.  Die  Kom- 
.301-30  pggjjjfjj^  ^jjj.  noch  um  1500  vorherrschend  in  den  Händen  der  nieder- 
ländischen Schule,  welche  wegen  der  ungemeinen  Künstlichkeit  und 
Wunderlichkeit  ihrer  Werke  bestaunt  wurde.  Doch  gab  es  schon  da- 
neben eine  italienische  Musik,  welche  ohne  Zweifel  unserm  jetzigen 
Tongefühl  etwas  näher  stand.  Ein  halbes  Jahrhundert  später  tritt  Pa- 
lestrina  auf,  dessen  Gewalt  sich  auch  heute  noch  alle  Gemüter  unter- 
wirft; wir  erfahren  auch,  er  sei  ein  großer  Neuerer  gewesen,  allein  ob 
er  oder  andere  den  entscheidenden  Schritt  in  die  Tonsprache  der  mo- 
dernen Welt  hinein  getan  haben,  wird  nicht  so  erörtert,  daß  der  Laie 
sich  einen  Begriff  von  dem  Tatbestand  machen  könnte.  Indem  wir 
daher  die  Geschichte  der  musikalischen  Komposition  gänzlich  auf  sich 
beruhen  lassen,  suchen  wir  die  Stellung  der  Musik  zur  damahgen  Ge- 
sellschaft auszumitteln. 

Reichtum  an      Höchst  bezeichnend  für  die  Renaissance  und  für  Italien  ist  vor  allem 

ns  nimen  en  ^.^  rciclie  Spezialisierung  des  Orchesters,  das  Suchen  nach  neuen  In- 
strumenten, d.  h.  Klangarten,  und  —  in  engem  Zusammenhang  da- 
mit —  das  Virtuosentum,  d.  h.  das  Eindringen  des  Indi\'iduellcn  im 
Verhältnis  zu  bestimmten  Zweigen  der  Musik  und  zu  bestimmten  In- 
strumenten. 

Von  denjenigen  Tonwerkzeugen,  welche  eine  ganze  Harmonie  aus- 
drücken können,  ist  nicht  nur  die  Orgel  frühe  sehr  verbreitet  und  ver- 
vollkommnet, sondern  auch  das  entsprechende  Saiteninstrument,  das 
gravicembalo  oder  clavicembalo;  Stücke  von  solchen  aus  dem  Beginn 
des  14.  Jahrhunderts  werden  bekanntlich  noch  aufbewahrt,  weil  die 
größten  Maler  sie  mit  Bildern  schmückten.  Sonst  nahm  die  Geige 
den  ersten  Rang  ein  und  gewährte  bereits  große  persönliche  Zelebrität. 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


223 


Bei  Leo  X.,  der  schon  als  Kardinal  sein  Haus  voller  Sänger  und  Mu- 
siker gehabt  hatte  und  der  als  Kenner  und  Mitspieler  eine  hohe  Re- 
putation genoß,  wurden  der  Jude  Giovan  Maria  und  Jacopo  Sanse- 
condo  berühmt;  ersterem  gab  Leo  den  Grafentitel  und  ein  Städtchen"^^; 
letztern  glaubt  man  in  dem  Apoll  auf  Rafaels  Parnaß  dargestellt  zu 
sehen.  Im  Verlauf  des  16.  Jahrhunderts  bildeten  sich  dann  Renommeen 
für  jede  Gattung,  und  Lomazzo  (um  1580)  nennt  je  drei  namhaft 
gewordene  Virtuosen  für  Gesang,  Orgel,  Laute,  Lyxa,  Viola  da  Gamba, 
Harfe,  Zither,  Hörner  und  Posaunen;  er  wünscht,  daß  ihre  Bildnisse 
auf  die  Instrumente  selbst  gemalt  werden  möchten'*®.  Solch  ein  viel- 
seitiges vergleichendes  Urteil  wäre  wohl  in  jener  Zeit  außerhalb  Ita- 
liens ganz  undenkbar,  wenn  auch  fast  dieselben  Instrumente  überall 
vorgekommen  sein  mögen. 

Der  Reichtum  an  Instrumenten  sodann  geht  besonders  daraus  her- 
vor, daß  es  sich  lohnte,  aus  Kuriosität  Sammlungen  derselben  anzulegen. 
In  dem  höchst  musikalischen  Venedig'^'  gab  es  mehrere  dergleichen, 
und  wenn  eine  Anzahl  Virtuosen  sich  dazu  einfanden,  so  ergab  sich 
gleich  an  Ort  und  Stelle  ein  Konzert.  (In  einer  dieser  Sammlungen 
sah  man  auch  viele  nach  antiken  Abbildungen  und  Beschreibungen 
verfertigte  Tonwerkzeuge,  nur  wird  nicht  gemeldet,  ob  sie  jemand 
spielen  konnte  und  wie  sie  klangen.)  Es  ist  nicht  zu  vergessen,  daß 
solche  Gegenstände  zum  Teil  ein  festlich  prachtvolles  Äußeres  hatten 
und  sich  schön  gruppieren  ließen.  Auch  in  Sammlungen  anderer  Rari- 
täten und  Kunstsachen  pflegen  sie  sich  deshalb  als  Zugabe  einzu- 
finden. 

Die  Exekutanten  sind  außer  den  eigentlichen  Virtuosen  entweder 
einzelne  Liebhaber  oder  ganze  Orchester  von  solchen,  etwa  als  ,, Aka- 
demie" korporationsmäßig  zusammengestellt'^.  Sehr  viele  bildende 
Künstler  waren  auch  in  der  Musik  bewandert  und  oft  Meister.  — 
Leuten  von  Stande  wurden  die  Blasinstrumente  abgeraten  aus  den- 
selben Gründen'*^,  welche  einst  den  Alcibiades  und  selbst  Pallas  Athene 
davon  abgeschreckt  haben  sollen;  die  vornehme  Geselligkeit  liebte  den 
Gesang  entweder  allein  oder  mit  Begleitung  der  Geige;  auch  das  Streich- 
quartett''" und  um  der  Vielseitigkeit  willen  das  Klavier;  aber  nicht 
den  mehrstimmigen  Gesang,  ,,denn  eine  Stimme  höre,  genieße  und 
beurteile  man  weit  besser".  Mit  andern  Worten,  da  der  Gesang  trotz 
aller  konventionellen  Bescheidenheit  (S.  221)  eine  Exhibition  des  ein- 
zelnen Gesellschaftsmenschen  bleibt,  so  ist  es  besser,  man  höre  (und 
sehe)  jeden  besonders.  Wird  ja  doch  die  Wirkung  der  süßesten  Gefühle 
in  den  Zuhörerinnen  vorausgesetzt  und  deshalb  den  alten  Leuten  eine 
ausdrückliche  Abmahnung  erteilt,  auch  wenn  sie  noch  so  schön  spielten 


Virtuosen 


224  "-"^  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

und  sängen.  Es  kam  sehr  darauf  an,  daß  der  einzelne  einen  aus  Ton 
und  Gestalt  harmonisch  gemischten  Eindruck  hervorbringe.  Von  einer 
Anerkennung  der  Komposition  als  eines  für  sich  bestehenden  Kunst- 
werkes ist  in  diesen  Kreisen  keine  Rede.  Dagegen  kommt  es  vor,  daß 
der  Inhalt  der  Worte  ein  furchtbares  eigenes  Schicksal  des  Sängers 
schilderte'''^ 

Offenbar  ist  dieser  Dilettantismus,  sowohl  der  vornehmern  als  der 
mittlem  Stände,  in  Italien  verbreiteter  und  zugleich  der  eigentlichen 
Kunst  näher  verwandt  gewesen  als  in  irgendeinem  andern  Lande. 
Wo  irgend  Geselligkeit  geschildert  wird,  ist  auch  immer  und  mit  Nach- 
druck Gesang  und  Saitenspiel  erwähnt;  Hunderte  von  Porträts  stellen 
die  Leute,  oft  mehrere,  zusammen  musizierend  oder  doch  mit  der 
Laute  usw.  im  Arm  dar,  und  selbst  in  Kirchenbildern  zeigen  die  Engel- 
konzerte, wie  vertraut  die  Maler  mit  der  lebendigen  Erscheinung  der 
Musizierenden  waren.  Bereits  erfährt  man  z.  B.  von  einem  Lauten- 
spicler  Antonio  Rota  in  Padua  (starb  1549),  der  vom  Stundengeben 
reich  wurde  und  auch  eine  Lautenschule  drucken  ließ'"-. 

In  einer  Zeit,  da  noch  keine  Oper  den  musikalischen  Genius  zu 
konzentrieren  und  zu  monopolisieren  angefangen  hatte,  darf  man  sich 
wohl  dieses  Treiben  geistreich,  vielartig  und  wunderbar  eigentümlich 
vorstellen.  Eine  andere  Frage  ist,  wieweit  wir  noch  an  jener  Tonwelt 
teil  hätten,  wenn  unser  Ohr  sie  wieder  vernähme. 


Das  Weil.  Zum  Verständnis  der  höhern  Geselligkeit  der  Renaissance  ist  end- 
"'"leicr""  ^'^^  wesentlich  zu  wissen,  daß  das  Weib  dem  Manne  gleich  geachtet 
wurde.  Man  darf  sich  ja  nicht  irremachen  lassen  durch  die  spitz- 
findigen und  zum  Teil  boshaften  Untersuchungen  über  die  vermut- 
liche Inferiorität  des  schönen  Geschlechtes,  wie  sie  bei  den  Dialogen- 
schreibern hin  und  wieder  vorkommen,  auch  nicht  durch  eine  Satire 
wie  die  dritte  des  Ariosto'""*,  welcher  das  Weib  wie  ein  gefahrliches 
großes  Kind  betrachtet,  das  der  Mann  zu  behandeln  wissen  müsse, 
während  es  durch  eine  Kluft  von  ihm  geschieden  bleibt.  Letzteres 
ist  allerdings  in  einem  gewissen  Sinne  wahr;  gerade  weil  das  aus- 
gebildete Weib  dem  Manne  gleichstand,  konnte  in  der  Ehe  das,  was 
man  geistige  und  Seelengemeinschaft  oder  höhere  Ergänzung  nennt, 
nicht  so  zur  Blüte  gelangen  wie  später  in  der  gesitteten  Welt  des 
Nordens, 
durch  Vor  allem  ist  die  Bildung  des  Weibes  in  den  höchsten  Ständen  wesent- 

"""^'     lieh  dieselbe  wie  beim  Manne.  Es  erregt  den  Italienern  der  Renaissance 
nicht  das  geringste  Bedenken,  den  literarischen  und  selbst  den  philo- 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  225 

logischen  Unterricht  auf  Töchter  und  Söhne  gleichmäßig  wirken  zu 
lassen  (S.  123);  da  man  ja  in  dieser  neuantiken  Kultur  den  höchsten 
Besitz  des  Lebens  erblickte,  so  gönnte  man  sie  gerne  auch  den  Mäd- 
chen. Wir  sahen,  bis  zu  welcher  Virtuosität  selbst  Fürstentöchtcr  im 
lateinischen  Reden  und  Schreiben  gelangten  (S.  126,  129).  Andere 
mußten  wenigstens  die  Lektüre  der  Männer  teilen,  um  dem  Sachinhalt 
des  Altertums,  wie  er  die  Konversation  großenteils  beherrschte,  folgen 
zu  können.  Weiter  schloß  sich  daran  die  tätige  Teilnehme  an  der  ita- 
lienischen Poesie  durch  Kanzonen,  Sonette  und  Improvisation,  womit 
seit  der  Venezianerin  Cassandra  Fedele  (Ende  des  15.  Jahrhunderts)  i'oesie, 
eine  Anzahl  von  Damen  berühmt  wurden"*;  Vittoria  Colonna  kann 
sogar  unsterblich  heißen.  Wenn  irgend  etwas  unsere  obige  Behaupt- 
tung  beweist,  so  ist  es  diese  Frauenpoesie  mit  ihrem  völlig  männlichen 
Ton.  Liebessonette  wie  religiöse  Gedichte  zeigen  eine  so  entschiedene, 
präzise  Fassung,  sind  von  dem  zarten  Halbdunkel  der  Schwärmerei 
und  von  allem  Dilettantischen,  was  sonst  der  weiblichen  Dichtung  an- 
hängt, so  weit  entfernt,  daß  man  sie  durchaus  für  die  Arbeiten  eines 
Mannes  halten  würde,  wenn  nicht  Namen,  Nachrichten  und  bestimmte 
äußere  Andeutungen  das  Gegenteil  besagten. 

Denn  mit  der  Bildung  entwickelt  sich  auch  der  Individualismus  in  und  indm- 
den  Frauen  höherer  Stände  auf  ganz  ähnliche  Weise  wie  in  den  Man-  ''"^''"""' 
nern,  während  außerhalb  Italiens  bis  auf  die  Reformation  die  Frauen 
und  selbst  die  Fürstinnen,  noch  sehr  wenig  persönlich  hervortreten. 
Ausnahmen  wie  Isabeau  von  Bayern,  Margarethe  von  Anjou,  Isabella 
von  Kastilien  usw.  kommen  auch  nur  unter  ganz  ausnahmsweisen 
Verhältnissen,  ja  gleichsam  nur  gezwungen  zum  Vorschein.  In  Italien 
haben  schon  während  des  ganzen  15.  Jahrhunderts  die  Gemahlinnen 
der  Herrscher  und  vorzüglich  die  der  Kondottieren  fast  alle  eine  be- 
sondere, kenntliche  Physiognomie  und  nehmen  an  der  Notorietät,  ja 
am  Ruhme  ihren  Anteil  (S.  77).  Dazu  kommt  allmählich  eine  Schar 
von  berühmten  Frauen  verschiedener  Art  (S.  86),  wäre  auch  ihre 
Auszeichnung  nur  darin  zu  finden  gewesen,  daß  in  ihnen  Anlage, 
Schönheit,  Erziehung,  gute  Sitte  und  Frömmigkeit  ein  völlig  harmoni- 
sches Ganzes  bildeten"*.  Von  einer  aparten,  bewußten  ,, Emanzipation" 
ist  gar  nicht  die  Rede,  weil  sich  die  Sache  von  selber  verstand.  Die 
Frau  von  Stande  mußte  damals  ganz  wie  der  Mann  nach  einer  ab-  voiie  Persan- 
geschlossenen,  in  jeder  Hinsicht  vollendeten  Persönlichkeit  streben.  Der-  '""''""" 
selbe  Hergang  in  Geist  und  Herz,  welcher  den  Mann  vollkommen 
macht,  sollte  auch  das  Weib  vollkommen  machen.  Aktive  literarische 
Tätigkeit  verlangt  man  nicht  von  ihr,  und  wenn  sie  Dichterin  ist,  so 
erwartet  man  wohl  irgendeinen  mächtigen  Klang  der  Seele,  aber  keine 

Burckbardt  15 


220  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

speziellen  Intimitäten  in  Form  von  Tagebüchern  und  Romanen.  An 
das  Publikum  dachten  diese  Frauen  nicht;  sie  mußten  vor  allem  be- 
deutenden Männern  imponieren''^  und  deren  Willkür  in  Schranken 
halten. 
Die  virago  Das  Ruhmvollste,  was  damals  von  den  großen  Italienerinnen  gesagt 
wird,  ist,  daß  sie  einen  männlichen  Geist,  ein  männliches  Gemüt  hätten. 
Man  braucht  nur  die  völlig  männliche  Haltung  der  meisten  Weiber 
in  den  Heldengedichten,  zumal  bei  Bojardo  und  Aiiosto,  zu  beachten, 
um  zu  wissen,  daß  es  sich  hier  um  ein  bestimmtes  Ideal  handelt.  Der 
Titel  einer  ,, virago",  den  unser  Jahrhundert  für  ein  sehr  zweideutiges 
Kompliment  hält,  war  damals  reiner  Ruhm.  Ihn  trug  mit  vollem 
<(*.  M,  5^  Glänze  Caterina  Sforza,  Gemahlin,  dann  Witwe  des  Girolamo  Riario, 
dessen  Erbe  Forli  sie  zuerst  gegen  die  Partei  seiner  Mörder,  dann  später 
gegen  Cesare  Borgia  mit  allen  Kräften  verteidigte;  sie  unterlag,  behielt 
aber  doch  die  Bewunderung  aller  ihrer  Landsleute  und  den  Namen 
der  „prima  donna  d'Italia'^'".  Eine  heroische  Ader  dieser  Art  erkennt 
man  noch  in  verschiedenen  Frauen  der  Renaissance,  wenn  auch  keine 
mehr  solchen  Anlaß  fand,  sich  als  Heldin  zu  betätigen.  Isabella  Gon- 
zaga  (S.  26)  verrät  diesen  Zug  ganz  deutlich. 
Das  Weib  in  Fraucu  dicscr  Gattung  konnten  denn  freilich  auch  in  ihrem  Kreise 
Schaft  Novellen  erzählen  lassen  wie  die  des  Bandello,  ohne  daß  darunter 
die  Geselligkeit  Schaden  litt.  Der  herrschende  Genius  der  letztem  ist 
nicht  die  heutige  Weiblichkeit,  d.  h.  der  Respekt  vor  gewissen  Voraus- 
setzungen, Ahnungen  und  Mysterien,  sondern  das  Bewußtsein  der  Ener- 
gie, der  Schönheit,  und  einer  gefährlichen,  schicksalsvollen  Gegenwart. 
Deshalb  geht  neben  den  gemessensten  Weltformen  ein  Etwas  einher, 
das  unserm  Jahrhundert  wie  Schamlosigkeit  vorkommt'"^,  während  wir 
nur  eben  das  Gegengewicht,  nämlich  die  mächtige  Persönlichkeit  der 
dominierenden  Frauen  des  damaligen  Italiens  uns  nicht  mehr  vor- 
stellen können. 

Daß  alle  Traktate  und  Dialoge  zusammengenommen  keine  entschei- 
dende Aussage  dieser  Art  enthalten,  versteht  sich  von  selbst,  so  weit- 
läufig auch  über  die  Stellung  und  die  Fähigkeiten  der  Frauen  und 
über  die  Liebe  debattiert  wird. 

Was  dieser  Gesellschaft  im  allgemeinen  gefehlt  zu  haben  scheint, 
war  der  Flor  junger  Mädchen"^,  welche  man  sehr  davon  zurückhielt, 
auch  wenn  sie  nicht  im  Kloster  erzogen  wurden.  Es  ist  schwer  zu  sagen, 
ob  ihre  Abwesenheit  mehr  die  größere  Freiheit  der  Konversation  oder 
ob  umgekehrt  letztere  jene  veranlaßt  hat. 
Die  Bildung  Auch  dcT  Umgang  mit  Buhlerinnen  nimmt  bisweilen  einen  schein- 
„j„        baren  Aufschwung,  als  wollte  sich  das  Verhältnis  der  alten  Athener 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  227 

ZU  ihren  Hetären  erneuern.  Die  berühmte  römische  Kurtisane  Imperia  Abb.  340.  js« 
war  ein  Weib  von  Geist  und  Bildung  und  hatte  bei  einem  gewissen 
Domenico  Campana  Sonette  machen  gelernt,  trieb  auch  Musik"*".  Die 
schöne  Isabella  de  Luna,  von  spanischer  Herkunft,  galt  wenigstens 
als  amüsant,  war  übrigens  aus  Gutherzigkeit  und  einem  entsetzlich 
frechen  Lästermaul  wunderlich  zusammengesetzt'*^.  In  Mailand  kannte 
Bandello  die  majestätische  Caterina  di  San  Celso'*^  welche  herrhch 
spielte  und  sang  und  Verse  rezitierte  usw.  Aus  allem  geht  her\'or, 
daß  die  berühmten  und  geistreichen  Leute,  welche  diese  Damen  be- 
suchten und  zeitweise  mit  ihnen  lebten,  auch  geistige  Ansprüche  an 
sie  stellten,  und  daß  man  den  berühmtem  Buhlerinnen  mit  der  größten 
Rücksicht  begegnete;  auch  nach  Auflösung  des  Verhältnisses  suchte 
man  sich  ihre  gute  Meinung  zu  bewahren^,  weil  die  vergangene  Leiden- 
schaft doch  einen  bedeutenden  Eindruck  für  immer  zurückgelassen 
hatte.  Im  ganzen  kommt  jedoch  jeder  Umgang  in  geistigem  Sinne 
nicht  in  Betracht  neben  der  erlaubten,  offiziellen  Geselligkeit,  und  die 
Spuren,  welche  er  in  Poesie  und  Literatur  zurückläßt,  sind  vorherr- 
schend skandalöser  Art.  Ja  man  darf  sich  biUig  v^oindern,  daß  unter 
den  6800  Personen  dieses  Standes,  welche  man  zu  Rom  im  Jahre  1490 
—  also  vor  dem  Eintreten  der  Syphilis  —  zählte™*,  kaum  irgendein 
Weib  von  Geist  und  höherm  Talent  hervortritt;  die  obengenannten 
sind  erst  aus  der  nächstfolgenden  Zeit.  Die  Lebensweise,  Moral  und 
Philosophie  der  öffentlichen  Weiber,  namenthch  den  raschen  Wechsel 
von  Genuß,  Gewinnsucht  und  tieferer  Leidenschaft,  sowie  die  Heuchelei 
und  Teufelei  einzelner  im  spätem  Alter  schildert  \ielleicht  am  besten 
Giraldi  in  den  Novellen,  welche  die  Einleitung  zu  seinen  Hecatom- 
mithi  ausmachen;  Pietro  Aretino  dagegen  in  seinen  Ragionamenti  zeich- 
net wohl  mehr  sein  eigenes  Inneres  als  das  jener  unglücklichen  Klasse, 
wie  sie  wirklich  war. 

Die  Mätressen  der  Fürsten,  wie  schon  oben  (S.  32)   bei  Anlaß  des    Fürstliche 


Mätressen 


Fürstentums  erörtert  wurde,  sind  der  Gegenstand  von  Dichtem  und  ^^ 

Künstlern  und  daher  der  Jvlit-  und  Nachwelt  persönUch  bekannt,  wäh- 
rend man  von  einer  Alice  Perries,  einer  Clara  Dettin  (Mätresse  Fried- 
richs des  Siegreichen)  kaum  mehr  als  den  Namen  und  von  Agnes  Sorel 
eine  eher  fingierte  als  wahre  Minnesage  übrig  hat.  Anders  verhält  es 
sich  dann  schon  mit  den  Geliebten  der  Könige  der  Renaissance,  Franz  I. 
und  Heinrich  IL 

Nach  der  Geselhgkeit  verdient  auch  das  Hauswesen  der  Renaissance        Das 
einen  Blick.  Man  ist  im  allgemeinen  geneigt,  das  Familienleben  der   """^""»^'' 
damaligen  Italiener  wegen  der  großen  Sittenlosigkeit  als  ein  verlorenes 

15* 


228 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


Eraiehiine 


ZU  betrachten,  und  diese  Seite  der  Frage  wird  im  nächsten  Abschnitt 
behandelt  werden.  Einstweilen  genügt  es  darauf  hinzuweisen,  daß  die 
eheliche  Untreue  dort  bei  weitem  nicht  so  zerstörend  auf  die  Familie 
wirkt  wie  im  Norden,  solange  dabei  nur  gewisse  Schranken  nicht  über- 
schritten werden. 

Das  Hauswesen  unseres  Mittelalters  war  ein  Produkt  der  herrschen- 
den Volkssitte  oder,  wenn  man  will,  ein  höheres  Naturprodukt,  be- 
ruhend auf  den  Antrieben  der  Völkerentwicklung  und  auf  der  Ein- 
wirkung der  Lebensweise  je  nach  Stand  und  Vermögen.  Das  Ritter- 
tum in  seiner  Blütezeit  ließ  das  Hauswesen  unberührt;  sein  Leben 
war  das  Herumziehen  an  Höfen  und  in  Kriegen;  seine  Huldigung 
gehörte  systematisch  einer  andern  Frau  als  der  Hausfrau,  und  auf 
dem  Schloß  daheim  mochten  die  Dinge  gehen,  wie  sie  konnten.  Die 
Renaissance  zuerst  versucht  auch  das  Hauswesen  mit  Bewußtsein,  als 
ein  geordnetes,  ja  als  ein  Kunstwerk  aufzubauen.  Eine  sehr  entwickelte 
Ökonomie  (S.  48)  und  ein  rationeller  Haushalt  kommt  ihr  dabei  zu 
Hilfe,  die  Hauptsache  aber  ist  eine  verständige  Reflexion  über  alle  Fragen 
des  Zusammenlebens,  der  Erziehung,  der  Einrichtung  und  Bedienung. 

Das  schätzbarste  Aktenstück  hierfür  ist  der  Dialog  über  die  Leitung 
des  Hauses  von  Agnolo  Pandolfini™^  Ein  Vater  spricht  zu  seinen  er- 
wachsenen Söhnen  und  weiht  sie  in  seine  ganze  Handlungsweise  ein. 
Man  sieht  in  einen  großen,  reichlichen  Hausstand  hinein,  der,  mit  ver- 
nünftiger Sparsamkeit  und  mit  mäßigem  Leben  weitergeführt.  Glück 
und  Wohlergehen  auf  viele  Geschlechter  hinaus  verheißt.  Ein  ansehn- 
licher Grundbesitz,  der  schon  durch  seine  Produkte  den  Tisch  des 
Hauses  versieht  und  die  Basis  des  Ganzen  ausmacht,  wird  mit  einem 
industriellen  Geschäft,  sei  es  Seiden-  oder  Wollenweberei,  verbunden. 
Wohnung  und  Nahrung  sind  höchst  solid;  alles,  was  zur  Einrichtung 
und  Anlage  gehört,  soll  gioß,  dauerhaft  und  kostbar,  das  tägliche 
Leben  darin  so  einfach  als  möglich  sein.  Aller  übrige  Aufwand,  von 
den  größten  Ehrenausgaben  bis  auf  das  Taschengeld  der  jungem  Söhne, 
steht  hierzu  in  einem  rationellen,  nicht  in  einem  konventionellen  Ver- 
hältnis. Das  Wichtigste  aber  ist  die  Erziehung,  die  der  Hausherr  bei 
weitem  nicht  bloß  den  Kindern,  sondern  dem  ganzen  Hause  gibt. 
Er  bildet  zunächst  seine  Gemahlin  aus  einem  schüchternen,  in  vor- 
sichtigem Gewahrsam  erzogenen  Mädchen  zur  sichern  Gebieterin  der 
Dienerschaft,  zur  Hausfrau  aus;  dann  erzieht  er  die  Söhne  ohne  alle 
unnütze  Härte™*,  durch  sorgfältige  Aufsicht  und  Zureden,  „mehr  mit 
Autorität  als  mit  Gewalt",  und  endlich  wählt  und  behandelt  er  auch 
die  Angestellten  und  Diener  nach  solchen  Grundsätzen,  daß  sie  gerne 
und  treu  am  Hause  halten. 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  229 

Noch  einen  Zug  müssen  wir  hervorheben,  der  diesem  Büchlein  zwar  Die  vuia 
keineswegs  eigen,  wohl  aber  mit  besonderer  Begeisterung  darin  hervor-  ■^■''•^•' 
gehoben  ist:  die  Liebe  des  gebildeten  Italieners  zum  Landleben.  Im 
Norden  wohnten  damals  auf  dem  Lande  die  Adligen  in  ihren  Berg- 
schlössern und  die  vornehmem  Mönchsorden  in  ihren  wohlverschlosse- 
nen Klöstern;  der  reichste  Bürger  aber  lebte  jahraus  jahrein  in  der 
Stadt.  In  Italien  dagegen  war,  wenigstens  was  die  Umgebung  gewisser 
Städte™^  betrifft,  teils  die  politische  und  polizeiliche  Sicherheit  größer, 
teils  die  Neigung  zum  Aufenthalt  draußen  so  mächtig,  daß  man  in 
Kriegsfällen  sich  auch  einigen  Verlust  gefallen  ließ.  So  entstand  die 
Landwohnung  des  wohlhabenden  Städters,  die  Villa.  Ein  köstliches 
Erbteil  des  alten  Römertums  lebt  hier  wieder  auf,  sobald  Gedeihen 
und  Bildung  im  Volke  weit  genug  fortgeschritten  sind. 

Unser  Autor  findet  auf  seiner  Villa  lauter  Glück  und  Frieden,  wor- 
über man  ihn  freihch  selber  hören  muß  (S.  88).  Die  ökonomische  Seite 
der  Sache  ist,  daß  ein  und  dasselbe  Gut  womöglich  alles  in  sich  ent- 
halten soll:  Korn,  Wein,  öl,  Futtcrland  und  Waldung  (S.  84),  und  daß 
man  solche  Güter  gerne  teuer  bezahlt,  weil  man  nachher  nichts  mehr 
auf  dem  Markt  zu  kaufen  nötig  hat.  Der  höhere  Genuß  aber  verrät 
sich  in  den  Worten  der  Einleitung  zu  diesem  Gegenstande.  ,,Um  Flo- 
renz liegen  viele  Villen  in  kristallheller  Luft,  in  heiterer  Landschaft, 
mit  herrhcher  Aussicht;  da  ist  wenig  Nebel,  kein  verderblicher  Wind; 
alles  ist  gut,  aoich  das  reine,  gesunde  Wasser;  und  von  den  zahllosen 
Bauten  sind  manche  wie  Fürstenpaläste,  manche  wie  Schlösser  anzu- 
schauen, prachtvoll  und  kostbar."  Er  meint  jene  in  ihrer  Art  muster- 
gültigen Landhäuser,  von  welchen  die  meisten  1529  durch  die  Flore- 
tiner  selbst  der  Verteidigung  der  Stadt  —  vergebens  • —  geopfert  wurden . 

In  diesen  Villen  wie  in  denjenigen  an  der  Brenta,  in  den  lombardi-  Geui  des 
sehen  Vorbergen,  am  Posilipp  und  \'omero  nahm  dann  auch  die  Ge- 
selligkeit einen  freiem,  ländlichen  Charakter  an  als  in  den  Sälen  der 
Stadtpaläste.  Das  Zusammenwohnen  der  gastfrei  Geladenen,  die  Jagd 
und  der  übrige  Verkehr  im  Freien  werden  hier  und  da  ganz  anmutig 
geschildert.  Aber  auch  die  tiefste  Geistesarbeit  und  das  Edelste  der 
Poesie  ist  bisweilen  von  einem  solchen  Landaufenthalt  datiert. 


Es  ist  keine  bloße  Willkür,  wenn  wir  an  die  Betrachtung  des  gesell- 
schaftlichen Lebens  die  der  festlichen  Aufzüge  und  Aufführungen  an- 
knüpfen. Die  kunstvolle  Pracht,  welche  das  Italien  der  Renaissance 
dabei  an  den  Tag  legt^^,  wurde  nur  erreicht  durch  dasselbe  Zusammen- 
leben aller  Stände,  welches  auch  die  Grundlage  der  italienischen  Ge- 


l.andlebens 


230 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


Seilschaft  ausmacht.  Im  Norden  hatten  die  Klöster,  die  Höfe  und  die 
Bürgerschaften  ihre  besonderen  Feste  und  Aufführungen  wie  in  Italien, 
allein  dort  waren  dieselben  nach  Stil  und  Inhalt  getrennt,  hier  da- 
gegen durch  eine  allgemeine  Bildung  und  Kunst  zu  einer  gemeinsamen 
Höhe  entwickelt.  Die  dekorierende  Architektur,  welche  diesen  Festen 
zu  Hilfe  kam,  verdient  ein  eigenes  Blatt  in  der  Kunstgeschichte,  ob- 
gleich sie  uns  nur  noch  als  ein  Phantasiebild  gegenübersteht,  das  wir 
aus  den  Beschreibungen  zusammenlesen  müssen.  Hier  beschäftigt  uns 
das  Fest  selber  als  ein  erhöhter  Moment  im  Dasein  des  Volkes,  wobei 
die  religiösen,  sittlichen  und  poetischen  Ideale  des  letzteren  eine  sicht- 
bare Gestalt  annehmen.  Das  italienische  Festwesen  in  seiner  hohem 
Form  ist  ein  wahrer  Übergang  aus  dem  Leben  in  die  Kunst. 
Ihre  Grund  Die  bcidcu  Hauptformen  festlicher  Aufführung  sind  ursprünglich, 
lif."™/"«,  wi^  überall  im  Abendlande,  das  Mysterium,  d.  h.  die  dramatisierte 
:67, 2-)».  290  heilige  Gescliichte  oder  Legende  und  die  Prozession,  d.  h.  der  bei 
irgendeinem  kirchlichen  Anlaß  entstehende  Prachtaufzug. 

Nun  waren  in  Italien  schon  die  Aufführungen  der  Mysterien  im 
ganzen  offenbar  prachtvoller,  zahlreicher  und  durch  die  parallele  Ent- 
v«cklung  der  bildenden  Kunst  und  der  Poesie  geschmackvoller  als 
anderswo.  Sodann  scheidet  sich  aus  ihnen  nicht  bloß  wie  im  übrigen 
Abendlande  zunächst  die  Posse  aus  und  dann  das  übrige  weltliche 
Drama,  sondern  frühe  schon  auch  eine  auf  den  schönen  und  reichen 
Anblick  berechnete  Pantomime  mit  Gesang  und  Ballett. 

Aus  der  Prozession  aber  entwickelt  sich  in  den  eben  gelegenen  ita- 
lienischen Städten  mit  ihren  breiten™',  wohlgepflasterten  Straßen  der 
.^^.6. -v-/— '"*  Trionfo,  d.  h.  der  Zug  von  Kostümierten  zu  Wagen  und  zu  Fuß,  erst 
von  überwiegend  geistlicher,  dann  mehr  und  mehr  von  weltlicher  Be- 
deutung. Fronleichnamsprozession  und  Karnevalszug  berühren  sich  hier 
in  einem  gemeinsamen  Prachtstil,  welchem  sich  dann  auch  fürstliche 
Einzüge  anschließen.  Auch  die  übrigen  Völker  verlangten  bei  solchen 
Gelegenheiten  bisweilen  den  größten  Aufwand,  in  Italien  allein  aber 
bildete  sich  eine  kunstgerechte  Bchandlungsweise,  die  den  Zug  als  sinn- 
volles Ganzes  komponierte  und  ausstattete. 
Heutiger         Was  vou  dicscu  Dingen  heute  noch  in  Übung  ist,  kann  nur  ein  armer 
Bestand     Überrest  heißen.  Kirchliche  sowohl  als  fürstliche  Aufzüge  haben  sich 
des  dramatischen  Elementes,  der  Kostümierung,  fast  völlig  entledigt, 
weil  man  den  Spott  fürchtet  und  weil  die  gebildeten  Klassen,  welche 
ehemals  diesen  Dingen  ihre  volle  Kraft  widmeten,  aus  verschiedenen 
Gründen  keine  Freude  mehr  daran  haben  können.  Auch  am  Karne- 
iw.  j6<     val  sind  die  großen  Maskenzüge  außer  Übung.  Was  noch  weiterlebt, 
v.ic  z.  B.  die  einzelnen  geistlichen  Masken  bei  Umzügen  von  Bruder- 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  23I 

Schäften,  ja  selbst  das  pomphafte  RosaUenfest  zu  Palermo,  verrät  deut- 
lich, wie  weit  sich  die  höhere  Bildung  von  diesen  Dingen  zurückgezogen 
hat. 

Die  volle  Blüte  des  Festwesens  tritt  erst  mit  dem  entschiedenen  Siege 
des  Modernen,  mit  dem  15.  Jahrhundert  ein"*",  wenn  nicht  etwa  Flo- 
renz dem  übrigen  Italien  auch  hierin  vorangegangen  war.  Wenigstens 
war  man  hier  schon  ftüh  quartierweise  organisiert  für  öffentliche  Auf- 
fuhrungen, welche  einen  sehr  großen  künstlerischen  Aufwand  voraus- 
setzen. So  jene  Darstellung  der  Hölle  auf  einem  Gerüst  und  auf  Barken 
im  Arno,  i.  Mai  1304,  wobei  unter  den  Zuschauern  die  Brücke  alla 
Carraja  zusammenbrach'*^.  Auch  daß  später  Florentiner  als  Festkünstler, 
festaiuoli,  im  übrigen  Italien  reisen  konnten'**,  beweist  eine  frühe  \'er- 
vollkommnung  zu  Hause. 

Suchen  wir  nun  die  wesentlichsten  Vorzüge  des  italienischen  Fest-  vorzQgedes 
Wesens  gegenüber  dem  Auslande  vorläufig  auszumitteln,  so  steht  in  '  '^^' 
erster  Linie  der  Sinn  des  entwickelten  Individuums  für  Darstellung 
des  Individuellen,  d.  h.  die  Fähigkeit,  eine  vollständige  Maske  zu  er- 
finden, zu  tragen  und  zu  agieren.  Maler  und  Bildhauer  halfen  dann 
bei  weitem  nicht  bloß  zur  Dekoration  des  Ortes,  sondern  auch  zur 
Ausstattung  der  Personen  mit,  und  gaben  Tracht,  Schminke  (S.  21  if) 
und  anderweitige  Ausstattung  an.  Das  Zweite  ist  die  ^Allverständlich- 
keit  der  poetischen  Grundlage.  Bei  den  Mysterien  war  dieselbe  im  gan- 
zen Abendlande  gleich  groß,  indem  die  bibHschen  und  legendarischen 
Historien  von  vornherein  jedermann  bekannt  waren,  für  alles  übrige 
aber  war  Italien  im  Vorteil.  Für  die  Rezitationen  einzelner  heihger 
oder  profan-idealer  Gestalten  besaß  es  eine  volltönende  l)Tische  Poesie, 
welche  groß  und  klein  gleichmäßig  hinreißen  konnte'*^.  Sodann  ver- 
stand der  größte  Teil  der  Zuschauer  (in  den  Städten)  die  mythologi- 
schen Figuren  und  erriet  wenigstens  leichter  als  irgendwo  die  allegori- 
schen und  geschichtUchen,  weil  sie  einem  allverbreitenden  Bildungs- 
kreise entnommen  waren. 

Dies  bedarf  einer  nähern  Bestimmung.  Das  ganze  Mittelalter  war  Die  Aiiegont 
die  Zeit  des  Allegorisierens  in  vorzugsweisem  Sinne  gewesen;  seine  und  Kunst 
Theologie  und  Philosophie  behandelte  ihre  Kategorien  dergestalt  als 
selbständige  Wesen'**,  daß  Dichtung  und  Kunst  es  scheinbar  leicht 
hatten,  dasjenige  beizufügen,  was  noch  zur  Persönlichkeit  fehlte.  Hier- 
in stehen  alle  Länder  des  Okzidents  auf  gleicher  Stufe;  aus  ihrer  Ge- 
dankenwelt können  sich  überall  Gestalten  erzeugen,  nur  daß  Aus- 
stattung und  Attribute  in  der  Regel  rätselhaft  und  unpopulär  ausfallen 
werden.  Letzteres  ist  auch  in  Italien  häufig  der  Fall,  und  z\var  selbst 
während  der  ganzen  Renaissance  und  noch  über  dieselbe  hinaus.  Es 


232 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


genügt  dazu,  daß  irgendein  Prädikat  der  betreffenden  allegorischen 
Gestalt  auf  unrichtige  Weise  durch  ein  Attribut  übersetzt  werde.  Selbst 
Dante  ist  durchaus  nicht  frei  von  solchen  falschen  Übertragungen'^*, 
und  aus  der  Dunkelheit  seiner  Allegorien  überhaupt  hat  er  sich  be- 
kanntlich eine  wahre  Ehre  gemacht'*'.  Petrarca  in  seinen  Trionfi  will 
wenigstens  die  Gestalten  des  Amor,  der  Keuschheit,  des  Todes,  der 
Fama  usw.  deutlich,  wenn  auch  in  Kürze  schildern.  Andere  dagegen 
überladen  ihre  Allegorien  mit  lauter  verfehlten  Attributen.  In  den 
Satiren  des  Vinciguerra'"  z.  B.  wird  der  Neid  mit  ,, rauhen  eisernen 
Zähnen",  die  Gefräßigkeit  als  sich  auf  die  Lippen  beißend,  mit  wirrem 
struppigem  Haar  usw.  geschildert,  letzteres  wahrscheinlich,  um  sie  als 
gleichgültig  gegen  alles,  was  nicht  Essen  ist,  zu  bezeichnen.  Wie  übel 
sich  vollends  die  bildende  Kunst  bei  solchen  Mißverständnissen  befand, 
können  wir  hier  nicht  erörtern.  Sie  durfte  sich  wie  die  Poesie  glücklich 
schätzen,  wenn  die  Allegorie  durch  eine  mythologische  Gestalt,  d.  h. 
durch  eine  vom  Altertum  her  vor  der  Absurdität  gesicherte  Kunst- 
form ausgedrückt  werden  konnte,  wenn  statt  des  Krieges  Mars,  statt 
der  Jagdlust  Diana'*^  usw.  zu  gebrauchen  war. 

Dif  .\Ufgorie  Nuu  gab  CS  iu  Kunst  und  Dichtung  auch  besser  gelungene  AUe- 
F^teT  gorien,  und  von  denjenigen  Figuren  dieser  Art,  welche  bei  itaUenischen 
Festzügen  auftraten,  wird  man  wenigstens  annehmen  dürfen,  daß  das 
Publikum  sie  deutlich  und  sprechend  charakterisiert  verlangte,  weil 
es  durch  seine  sonstige  Bildung  angeleitet  war,  dergleichen  zu  ver- 
stehen. Auswärts,  zumal  am  burgundischen  Hofe,  ließ  man  sich  damals 
noch  sehr  undeutsame  Figuren,  auch  bloße  Symbole  gefallen,  weil 
es  noch  eine  Sache  der  Vornehmheit  war,  eingeweiht  zu  sein  oder  zu 
scheinen.  Bei  dem  berühmten  Fasanengelübdc  von  1453'*'  ist  die  schöne 
junge  Reiterin,  welche  als  Freudenkönigin  daherzieht,  die  einzige  er- 
freuliche Allegorie;  die  kolossalen  Tischaufsätze  mit  Automaten  und 
lebendigen  Personen  sind  entweder  bloße  Spielereien  oder  mit  einer 
platten  moralischen  Zwangsauslcgung  behaftet.  In  einer  nackten  weib- 
lichen Statue  am  Büfett,  die  ein  lebendiger  Löwe  hütete,  sollte  man 
Konstantinopel  und  seinen  künftigen  Retter,  den  Herzog  von  Burgund, 
ahnen.  Der  Rest,  nait  Ausnahme  einer  Pantomime  (Jason  in  Kolchis) 
erscheint  entweder  sehr  tiefsinnig  oder  ganz  sinnlos;  der  Beschreiber 
des  Festes,  Olivier  selbst,  kam  als  ,, Kirche"  kostümiert  in  dem  Turme 
auf  dem  Rücken  eines  Elefanten,  den  ein  Riese  führte,  und  sang  eine 
lange  Klage  über  den  Sieg  der  Ungläubigen^"". 

Kepräscntan-  Wciin  abcr  aucli  die  Allegorien  der  italienischen  Dichtungen,  Kunst- 
cs.   Ks-  ^^j.jjg  ^j^j  Yeste  an  Geschmack  und  Zusammenhang  im  ganzen  höher 

meinen  *^  " 

Stehen,  so  bilden  sie  doch  nicht  die  starke  Seite.   Der  entscheidende 


Die 
Mysti^rien, 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  233 

Vorteil*"^  lag  vielmehr  darin,  daß  man  hier  außer  den  Personifikationen 
des  allgemeinen  auch  historische  Repräsentanten  desselben  Allgemei- 
nen in  Menge  kannte,  daß  man  an  die  dichterische  Aufzählung  wie  an 
die  künstlerische  Darstellung  zahlreicher  berühmter  Individuen  gewöhnt 
war.  Die  göttliche  Komödie,  die  Trionfi  des  Petrarca,  die  Amorosa 
Visione  des  Boccaccio  —  lauter  Werke,  welche  hierauf  gegründet  sind  — , 
außerdem  die  ganze  große  Ausweitung  der  Bildung  durch  das  Altertum 
hatten  die  Nation  mit  diesem  historischen  Element  vertraut  gemacht. 
Und  nun  erschienen  diese  Gestalten  auch  bei  Festzügen  entweder  völlig 
individualisiert,  als  bestimmte  Masken,  oder  wenigstens  als  Gruppen, 
als  charakteristisches  Geleite  einer  allegorischen  Hauptfigur  oder  Haupt- 
sache. Man  lernte  dabei  überhaupt  gruppenweise  komponieren,  zu  einer 
Zeit,  da  die  prachtvollsten  Aufführungen  im  Norden  zwischen  un- 
ergründliche Symbolik  und  buntes  sinnloses  Spiel  geteilt  waren. 

Wir  beginnen  mit  der  vielleicht  ältesten  Gattung,  den  Mysterien^'*^. 
Sie  gleichen  im  ganzen  denjenigen  des  übrigen  Europa;  auch  hier 
werden  auf  öffentlichen  Plätzen,  in  Kirchen,  in  Klosterkreuzgängen 
große  Gerüste  errichtet,  welche  oben  ein  verschließbares  Paradies,  ganz 
unten  bisweilen  eine  Hölle  enthalten  und  dazwischen  die  eigentliche 
Szena,  welche  sämtliche  irdische  Lokalitäten  des  Dramas  nebeneinander 
darstellt;  auch  hier  beginnt  das  biblische  oder  legendarische  Drama 
nicht  selten  mit  einem  theologischen  Vordialog  von  Aposteln,  Kirchen- 
vätern, Propheten,  Sibyllen  und  Tugenden  und  schließt  je  nach  Um- 
ständen mit  einem  Tanz.  Daß  die  halbkomischen  Intermezzi  von  Neben- 
personen in  Italien  ebenfalls  nicht  fehlen,  scheint  sich  von  selbst  zu  ver- 
stehen, doch  tritt  dies  Element  nicht  so  derb  hervor  wie  im  Norden^"^. 
Für  das  Auf-  und  Niederschweben  auf  künstlichen  Maschinen,  einen 
Hauptreiz  aller  Schaulust,  war  in  Italien  wahrscheinlich  die  Übung 
\del  größer  als  anderswo,  und  bei  den  Florentinern  gab  es  schon  im 
14.  Jahrhundert  spöttische  Reden,  wenn  die  Sache  nicht  ganz  geschickt 
ging^"*.  Bald  darauf  erfand  Brunellesco  für  das  Annunziatenfest  auf 
Piazza  S.  Feiice  jenen  unbeschreiblich  kunstreichen  Apparat  einer  von 
zwei  Engelkreisen  umschwebten  Himmclskugel,  von  welcher  Gabriel 
in  einer  mandelförmigen  Maschine  niederflog,  und  Cecca  gab  Ideen 
und  Mechanik  für  ähnliche  Feste  an^"*.  Die  geistlichen  Brüderschaften 
oder  die  Quartiere,  welche  die  Besorgung  und  zum  Teil  die  Aufführung 
selbst  übernahmen,  verlangten  je  nach  Maßgabe  ihres  Reichtums  wenig- 
stens in  den  größern  Städten  den  .aufwand  aller  erreichbaren  Mittel  uii.i  ihre  aus- 
der  Kunst.  Ebendasselbe  darf  man  voraussetzen,  wenn  bei  großen  "" "  ""^ 
fürstlichen  Festen  neben  dem  weltlichen  Drama  oder  der  Pantomime 
auch  noch   Mysterien  aufgeführt  werden.   Der  Hof  des  Pietro  Riario 


234  ^'^^  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

(S.  62),  der  von  Fcrrara  usw.  ließen  es  dabei  gewiß  nicht  an  der  ersinn- 
lichsten Pracht  fehlen^"*.  Vergegenwärtigt  man  sich  das  szenische  Ta- 
lent und  die  reichen  Trachten  der  Schauspieler,  die  Darstellung  der 
Örtlichkeiten  durch  ideale  Dekorationen  des  damaligen  Baustils,  durch 
Abb.jgz,  Laubwerk  und  Teppiche,  endlich  als  Hintergrund  die  Prachtbauten 
'95-'97  ^^gj.  Piazza  einer  großen  Stadt  oder  die  lichten  Säulenhallen  eines 
Palasthofes,  eines  großen  Klosterhofes,  so  ergibt  sich  ein  überaus  reiches 
Bild.  Wie  aber  das  weltliche  Drama  eben  durch  eine  solche  Ausstattung 
zu  Schaden  kam,  so  ist  auch  wohl  die  höhere  poetische  Entwicklung 
des  Mysteriums  selber  durch  dieses  unmäßige  Vordrängen  der  Schau- 
lust gehemmt  worden.  In  den  erhaltenen  Texten  findet  man  ein  meist 
sehr  dürftiges  dramatisches  Gewebe  mit  einzelnen  schönen  lyrisch-rhe- 
torischen Stellen,  aber  nichts  von  jenem  großartigen  symbolischen 
Schwung,  der  die  ,, Autos  sagramentales"  eines  Calderon  auszeichnet. 
Bisweilen  mag  in  kleinern  Städten,  bei  ärmerer  Ausstattung,  die 
Wirkung  dieser  geistlichen  Dramen  auf  das  Gemüt  eine  stärkere  ge- 
wesen sein.  Es  kommt  vor^"',  daß  einer  jener  großen  Bußprediger, 
von  welchem  im  letzten  Abschnitt  die  Rede  sein  wird,  Roberto  da 
Lecce,  den  Kreis  seiner  Fastenpredigten  während  der  Pestzeit  1448 
in  Perugia  mit  einer  Charfreitagsaufführung  der  Passion  beschließt; 
nur  wenige  Personen  traten  auf,  aber  das  ganze  Volk  weinte  laut. 
Freilich  kamen  bei  solchen  Anlässen  Rührungsmittel  zur  Anwendung, 
welche  dem  Gebiet  des  herbsten  Naturalismus  entnommen  waren.  Es 
bildet  eine  Parallele  zu  den  Gemälden  eines  Metteo  da  Siena,  zu  den 
Tongruppen  eines  Guido  Mazzoni,  wenn  der  den  Christus  vorstellende 
Autor  mit  Striemen  bedeckt  und  scheinbar  Blut  schwitzend,  ja  aus 
der  Seitenwunde  blutend  auftreten  mußte^"*. 
Aulasse  zu  Die  besonderen  Anlässe  zur  Aufführung  von  Mysterien,  abgesehen 
Mystmra  ^^^  gewisseu  großcn  Kirchenfesten,  fürstlichen  Vermählungen  usw.  sind 
Abi.  70«,  173  sehr  verschieden.  Als  z.  B.  S.  Bernardino  von  Siena  durch  den  Papst 
heilig  gesprochen  wurde  (1450),  gab  es,  wahrscheinlich  auf  dem  großen 
Platz  seiner  Vaterstadt,  eine  Art  von  dramatischer  Nachahmung  (rap- 
presentazione)  seiner  Kanonisation^"*,  nebst  Speise  und  Trank  für  jeder- 
mann. Oder  ein  gelehrter  Mönch  feiert  seine  Promotion  zum  Doktor 
der  Theologie  durch  Aufführung  der  Legende  des  Stadtpatrons^'". 
König  Karl  VII L  war  kaum  nach  Italien  liinabgestiegcn,  als  ihn  die 
Herzoginwitwe  Bianca  von  Savoyen  zu  Turin  mit  einer  Art  von  halb- 
geistlicher Pantomime  empfing®",  wobei  zuerst  eine  Hirtenszene  „das 
Gesetz  der  Natur",  dann  ein  Zug  der  Erzväter  „das  Gesetz  der  Gnade" 
vorzustellen  zensiert  war;  darauf  folgten  die  Geschichten  des  Lancelot 
vom  See,  und  die  ,,von  Athen".  Und  so  wie  der  König  nur  in  Chieri 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 


235 


Fron- 
leichnam 


Abb.  JU4 


anlangte,  wartete  man  ihm  wieder  mit  einer  Pantomime  auf,  die  ein 
Wochenbette  mit  vornehmem  Besuch  darstellte. 

Wenn  aber  irgendein  Kirchenfest  einen  allgemeinen  Anspruch  auf 
die  höchste  Anstrengung  hatte,  so  war  es  Fronleichnam,  an  dessen 
Feier  sich  ja  in  Spanien  jene  besondere  Gattung  von  Poesie  (S.  234) 
anschloß.  Für  Italien  besitzen  wir  wenigstens  die  pomphafte  Schilde- 
rung des  Corpus  Domini,  welches  Pius  II.  1482  in  Viterbo  abhielt*'^. 
Der  Zug  selber,  welcher  sich  von  einem  kolossalen  Prachtzelt  vor  S.  Fran- 
cesco durch  die  Hauptstraße  nach  dem  Domplatz  bewegte,  war  das 
wenigste  dabei;  die  Kardinäle  und  reichern  Prälaten  hatten  den  Weg 
stückweise  unter  sich  verteilt  und  nicht  nur  für  fortlaufende  Schatten- 
tücher, Mauerteppiche ^'^,  Kränze  u.  dgl.  gesorgt,  sondern  lauter  eigene 
Schaubühnen  errichtet,  wo  während  des  Zuges  kurze  historische  und 
allegorische  Szenen  aufgeführt  wurden.  Man  ersieht  aus  dem  Bericht 
nicht  ganz  klar,  ob  alles  von  Menschen  oder  einiges  von  drapierten 
Figuren  dargestellt  wurde^^*;  jedenfalls  war  der  AufVvand  sehr  groß. 
Da  sah  man  einen  leidenden  Christus  zwischen  singenden  Engelknaben; 
ein  Abendmahl  in  Verbindung  mit  Gestalt  des  S.  Thomas  von  Aquino; 
den  Kampf  des  Erzengels  Michael  mit  den  Dämonen;  Brunnen  mit 
Wein  und  Orchester  von  Engeln;  ein  Grab  des  Herrn  mit  der  ganzen 
Szene  der  Auferstehung;  endlich  auf  dem  Domplatz  das  Grab  der  Maria, 
welches  sich  nach  dem  Hochamt  und  dem  Segen  eröffnete;  von  Engeln 
getragen  schwebte  die  Mutter  Gottes  singend  nach  dem  Paradies,  wo 
Christus  sie  krönte  und  dem  ewigen  Vater  zuführte. 

In  der  Reihe  jener  Szenen  an  der  Hauptstraße  sticht  diejenige  des 
Kardinal  Vizekanzlers  Roderigo  Borgia  —  des  späteren  Alexander  VI.  — 
besonders  hervor  durch  Pomp  und  dunkle  Allegorie^^^.  Außerdem  tritt 
dabei  die  damals  beginnende  Vorliebe  für  festlichen  Kanonendonner^^® 
zutage,  welche  dem  Haus  Borgia  noch  ganz  besonders  eigen  war. 

Kürzer  geht  Pius  II.  hinweg  über  die  in  demselben  Jahr  zu  Rom 
abgehaltene  Prozession  mit  dem  aus  Griechenland  erworbenen  Schädel 
des  hl.  Andreas.  Auch  dabei  zeichnete  sich  Roderigo  Borgia  durch  be- 
sondere Pracht  aus,  sonst  aber  hatte  das  Fest  etw-as  Profanes,  indem 
sich  außer  den  nie  fehlenden  Musikengeln  auch  noch  andere  Masken 
zeigten,  auch  „starke  Männer",  d.  h.  Herkulesse,  welche  allerlei  Turn- 
künste mögen  vorgebracht  haben. 

Die  rein  oder  überwiegend  weltlichen  Aufführungen  waren  beson- 
ders an  den  großem  Fürstenhöfen  ganz  wesentlich  auf  die  geschmack-  ' "  "       ™ 
volle  Pracht  des  Anblicks  berechnet,  dessen  einzelne  Elemente  in  einem 
mythologischen  und  allegorischen  Zusammenhang  standen,  soweit  ein 
solcher  sich  gerne  und  angenehm  erraten  ließ.  Das  Barocke  fehlte  nicht; 


Abb.  29S 
Kanonade 


WeltUche 


236  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

riesige  Tierfiguren,  aus  welchen  plötzlich  Scharen  von  Masken  heraus- 
kamen, wie  z.  B.  bei  einem  fürstlichen  Empfang  (1465)  zu  Siena^^^ 
aus  einer  goldenen  Wölfin  ein  ganzes  Ballett  von  zwölf  Personen  hervor- 
stieg; belebte  Tafelaufsätze,  wenn  auch  nicht  in  der  sinnlosen  Dimen- 
sion wie  beim  Herzog  von  Burgund  (S.  232);  das  meiste  aber  hatte 
einen  künstlerischen  und  poetischen  Zug.  Die  Vermischung  des  Dramas 
mit  der  Pantomime  am  Hofe  von  Ferrara  wurde  bereits  bei  Anlaß  der 
Poesie  (S.  180)  geschildert.  Weltberühmt  waren  dann  die  Festlichkeiten, 

Bei  Kardinal  wclchc  Kardinal  Pietro  Riario  1473  in  Rom  gab,  bei  der  Durchreise 
der  zur  Braut  des  Prinzen  Ercole  von  Ferrara  bestimmten  Lianora 
von  Aragon*^^.  Die  eigentlichen  Dramen  sind  hier  noch  lauter  Myste- 
rien kirchlichen  Inhalts,  die  Pantomimen  dagegen  mythologisch;  man 
sah  Orpheus  mit  den  Tieren,  Perseus  und  Andromeda,  Ceres  von 
Drachen,  Bacchus  und  Adriadne  von  Panthern  gezogen,  dann  die  Er- 
ziehung des  Achill;  hierauf  ein  Ballett  der  berühmten  Liebespaare  der 
Urzeit  und  einer  Schar  von  Nymphen;  dieses  wurde  unterbrochen  durch 
einen  Überfall  räuberischer  Zentauren,  welche  dann  Herkules  besiegte 
und  von  dannen  jagte.  Eine  Kleinigkeit,  aber  für  den  damaligen  Formen- 
sinn bezeichnend,  ist  folgende:  Wenn  bei  allen  Festen  lebende  Figuren 
als  Statuen  in  Nischen,  auf  und  an  Pfeilern  und  Triumphbogen  vor- 
kamen und  sich  dann  doch  mit  Gesang  und  Deklamation  als  lebend 
erwiesen,  so  waren  sie  dazu  durch  natürhche  Farbe  und  Gewandung 
berechtigt;  in  den  Sälen  des  Riario  aber  fand  sich  unter  andern  ein 
lebendes  und  doch  völlig  vergoldetes  Kind,  welches  aus  einem  Brunnen 
Wasser  um  sich  spritzte*^*. 
lu  Bologna  Andere  glänzende  Pantomimen  dieser  Art  gab  es  in  Bologna  bei 
Abb.  73  der  Hochzeit  des  Annibale  Bentivoglio  mit  Lucrczia  von  Este*'^";  statt 
des  Orchesters  wurden  Chöre  gesungen,  während  die  Schönste  aus 
Dianens  Nymphenschar  zur  Juno  Pronuba  liinüberfloh,  während  Venus 
mit  einem  Löwen,  d.  h.  hier  nur  einem  täuschend  verkappten  Menschen 
sich  unter  einem  Ballett  wilder  Männer  bewegte;  dabei  stellte  die 
Dekoration  ganz  naturwahr  einen  Hain  vor.  In  Venedig  feierte  man 
149 1  die  Anwesenheit  estensischer  Fürstinnen*^*  durch  Einholung  mit 
den  Bucintoro,  Wettrudern  und  eine  prächtige  Pantomime  „Meleager" 
Die  ivsic  im  Hof  des  Dogenpalastes.  In  Mailand  leitete  Lionardo  da  Vinci*^ 
lonardos  jj^  fcste  dcs  Hcrzogs  und  auch  diejenigen  anderer  Großen;  eine  seiner 
Maschinen,  welche  wohl  mit  derjenigen  des  Brunellesco  (S.  233)  wett- 
eifern mochte,  stellte  in  kolossaler  Größe  das  Himmelssystem  in  voller 

■ii,b.  3f7.3fS  Bewegung  dar;  jedesmal,  wenn  sich  ein  Planet  der  Braut  des  Jüngern 
Herzogs,  Lsabella,  näherte,  trat  der  betreffende  Gott  aus  der  Kugel 
hervor*^  und  sang  die  \om  Hofdichtcr  Bellincioni  gedichteten  Verse 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  237 

(1489).  Bei  einem  andern  Feste  (1493)  paradierte  unter  andern  schon 
das  Modell  zur  Reiterstatue  des  Francesco  Sforza,  und  zwar  unter  Abb.  «j 
einem  Triumphbogen  auf  dem  Kastellplatz.  Aus  Vasari  ist  weiter  be- 
kannt, mit  welch  sinnreichen  Automaten  Lionardo  in  der  Folge  die 
französischen  Könige  als  Herrn  von  Mailand  bewillkommnen  half.  Aber 
auch  in  kleinem  Städten  strengte  man  sich  bisweilen  sehr  an.  Als  Herzog 
Börse  (S.  31)  1453  zur  Huldigung  nach  Reggio  kam®^*,  empfing  man  Empfang 
ihn  am  Tor  mit  einer  großen  Maschine,  auf  welcher  S.  Prospero,  der  "°p^j°'"^ 
Stadtpatron,  zu  schweben  schien,  überschattet  durch  einen  von  Engeln 
gehaltenen  Baldachin,  unter  ihm  eine  drehende  Scheibe  mit  acht  Musik- 
engeln, deren  zwei  sich  hierauf  von  dem  Heiligen  die  Stadtschlüssel 
und  das  Zepter  erbaten,  um  beides  dem  Herzog  zu  überreichen.  Dann 
folgte  ein  durch  verdeckte  Pferde  bewegbares  Gerüst,  welches  einen 
leeren  Thron  enthielt,  hinten  eine  stehende  Justitia  mit  einem  Genius 
als  Diener,  an  den  Ecken  vier  greise  Gesetzgeber,  umgeben  von  sechs 
Engeln  mit  Fahnen;  zu  beiden  Seiten  geharnischte  Reiter,  ebenfalls 
mit  Fahnen;  es  versteht  sich,  daß  der  Genius  und  die  Göttin  den  Herzog 
nicht  ohne  Anrede  ziehen  ließen.  Ein  zweiter  Wagen,  wie  es  scheint  Abb.  ^oß-iyg 
von  einem  Einhorn  gezogen,  trug  eine  Karitas  mit  brennender  Fackel; 
dazwischen  aber  hatte  man  sich  das  antike  Vergnügen  eines  von  ver- 
borgenen Menschen  vorwärtsgetriebenen  Schiffswagens  nicht  versagen 
mögen.  Dieser  und  die  beiden  Allegorien  zogen  nun  dem  Herzog  vor- 
an; aber  schon  vor  S.  Pietro  wurde  wieder  stille  gehalten;  ein  hl.  Petrus 
schwebte  mit  zwei  Engeln  in  einer  runden  Glorie  von  der  Fassade 
hernieder  bis  zum  Herzog,  setzte  ihm  einen  Lorbeerkranz  auf  und 
schwebte  wieder  empor®**.  Auch  noch  für  eine  andere  reinkirchliche 
Allegorie  hatte  der  Klerus  hier  gesorgt;  auf  zwei  hohen  Säulen  standen 
„der  Götzendienst"  und  die  „Fides";  nachdem  letztere,  ein  schöne.-; 
Mädchen,  ihren  Gruß  hergesagt,  stürzte  die  andere  Säule  samt  ihrer 
Puppe  zusammen.  Weiterhin  begegnete  man  einem  ,, Cäsar"  mit  sieben 
schönen  Weibern,  welche  er  dem  Borso  als  die  Tugenden  präsentierte, 
welche  derselbe  zu  erstreben  habe.  Endlich  gelangte  man  zum  Dom, 
nach  dem  Gottesdienst  aber  nahm  Borso  wieder  draußen  auf  einem 
hohen  goldenen  Throne  Platz,  wo  ein  Teil  der  schon  genannten  Masken 
ihn  noch  einmal  bckompUmentierten.  Den  Schluß  machten  drei  von 
einem  nahen  Gebäude  niederschwebende  Engel,  welche  ihm  unter  hol- 
dem Gesänge  Palmzweige  als  Sinnbilder  des  Friedens  überreichten. 

Betrachten  wir  nun  diejenigen  FestUchkeiten,  wobei  der  bewegte  Zug 
selber  die  Hauptsache  ist. 

Ohne  Zweifel  gewährten  die  kirchhchen  Prozessionen  seit  dem  frühen        Dir 
Mittelalter  einen   Anlaß   zur   Maskierung,   mochten   nun    Engelkinder 


238  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

das  Sakrament,  die  herumgetragenen  heiligen  Bilder  und  Reliquien 
begleiten,  oder  Personen  der  Passion  im  Zuge  mitgehen,  etwa  Christus 
mit  dem  Kreuz,  die  Schacher  und  Kriegsknechte,  die  heiligen  Frauen. 
Allein  mit  großen  Kirchenfesten  verbindet  sich  schon  frühe  die  Idee 
eines  städtischen  Aufzuges,  der  nach  der  naiven  Art  des  Mittelalters 
eine  Menge  profaner  Bestandteile  verträgt.  Merkwürdig  ist  besonders 
der  aus  dem  Heidentum  herübergenommene ^^  Schiffwagen,  carrus 
navalis,  der,  wie  schon  an  einem  Beispiel  bemerkt  wurde,  bei  Festen 
sehr  verschiedener  Art  mitgeführt  werden  mochte,  dessen  Name  aber 
vorzugsweise  auf  dem  ,, Karneval"  haften  blieb.  Ein  solches  Schiff 
konnte  freilich  als  heiter  ausgestattetes  Prachtstück  die  Beschauer  ver- 
gnügen, ohne  daß  man  sich  irgend  noch  der  frühern  Bedeutung  bewußt 
war,  und  als  z.  B.  Isabella  von  England  mit  ihrem  Bräutigam  Kaiser 
Friedrich  IL  in  Köln  zusammenkam,  fuhren  ihr  eine  ganze  Anzahl 
von  Schiffwagen  mit  musizierenden  Geistlichen,  von  verdeckten  Pferden 
gezogen,  entgegen. 

Aber  die  kirchliche  Prozession  konnte  nicht  nur  durch  Zutaten  aller 
Art  verherrlicht,  sondern  auch  durch  einen  Zug  geistlicher  Masken 
geradezu  ersetzt  werden.  Einen  Anlaß  hierzu  gewährte  vielleicht  schon 
der  Zug,  der  zu  einem  Mysterium  gehenden  Schauspieler  durch  die 
Hauptstraßen  einer  Stadt,  frühe  aber  möchte  sich  eine  Gattung  geist- 
licher Festzüge  auch  unabhängig  hienon  gebildet  haben.  Dante  schil- 
dert^' den  „trionfo"  der  Beatrice  mit  den  vierundzwanzig  Ältesten  der 
Offenbarung,  den  vier  mystischen  Tieren,  den  drei  christlichen  und  den 
vier  Kardinaltugenden,  S.  Lucas,  S.  Paulus  und  andern  Aposteln  in 
einer  solchen  Weise,  daß  man  beinahe  genötigt  ist,  das  wirkliche  frühe 
Obergang  in  Vorkommcn  solcher  Züge  vorauszusetzen.  Dies  verrät  sich  hauptsäch- 
A^t-  s™"«  '^'-^  durch  den  Wagen,  auf  welchem  Beatrice  fährt  und  welcher  in  dem 
visionären  Wunderwald  nicht  nötig  wäre,  ja  auffallend  heißen  darf. 
Oder  hat  Dante  etwa  den  Wagen  nur  als  wesentliches  Symbol  des 
Triumphierens  betrachtet?  und  ist  vollends  erst  sein  Gedicht  die  An- 
regung zu  solchen  Zügen  geworden,  deren  Form  von  dem  Triumph 
römischer  Imperatoren  entlehnt  war?  Wie  dem  nun  auch  sei,  jeden- 
falls haben  Poesie  und  Theologie  an  dem  Sinnbilde  mit  Vorliebe  fest- 
gehalten. Savonarola  in  seinem  „Triumph  des  Kreuzes"  stellt*^  Chri- 
stus auf  einem  Triumphwagen  vor,  über  ihm  die  leuchtende  Kugel  der 
Dreifaltigkeit,  in  seiner  Linken  das  Kreuz,  in  seiner  Rechten  die  beiden 
Testamente;  tiefer  hinab  die  Jungfrau  Maria;  vor  dem  Wagen  Patri- 
archen, Propheten,  Apostel  und  Prediger;  zu  beiden  Seiten  die  Mär- 
tyrer und  die  Doktoren  mit  den  aufgeschlagenen  Büchern;  hinter  ihm 
alles  Volk  der  Bekehrten;  in  weiterer  Entfernung  die  unzähhgen  Haufen 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  239 

der  Feinde,  Kaiser,  Mächtige,  Philosophen,  Ketzer,  alle  besiegt,  ihre 
Götzenbilder  zerstört,  ihre  Bücher  verbrannt.  (Eine  als  Holzschnitt 
bekannte  große  Komposition  Tizians  kommt  dieser  Scliilderung  ziem- 
lichnahe.) Von  Sabcllicos  (S.  39)  dreizehn  Elegien  auf  die  Mutter  Gottes 
enthalten  die  neunte  und  die  zehnte  einen  umständlichen  Triumphzug 
derselben,  reich  mit  Allegorien  ausgestattet,  und  hauptsächlich  interessant 
durch  denselben  antivisionären,  räumlich  wirklichen  Charakter,  den 
die  reahstische  Malerei  des    15.  Jahrhunderts  solchen  Szenen  mitteilt. 

Weit  häufiger  aber  als  diese  geistlichen  Trionfi  waren  jedenfalls  die  d«  weitHche 
weltlichen,  nach  dem  unmittelbaren  Vorbild  eines  römischen  Impera- 
torenzuges, wie  man  es  aus  antiken  Reliefs  kannte  und  aus  den  Schrift- 
steilem ergänzte.  Die  Geschichtsanschauung  der  damaligen  Italiener, 
womit   dies  zusammenhing,   ist  oben  (S.  82,  100)  geschildert  worden. 

Zunächst  gab  es  hier  und  da  wirkliche  Einzüge  siegreicher  Eroberer, 
welche  man  möglichst  jenem  Vorbilde  zu  nähern  suchte,  auch  gegen 
den  Geschmack  des  Triumphators  selbst.  Francesco  Sforza  hatte  (1450) 
die  Kraft,  bei  seinem  Einzug  in  Mailand  den  bereitgehaltenen  Triumph- 
wagen auszuschlagen,  indem  dergleichen  ein  Aberglaube  der  Könige 
sei***.  Alfonso  der  Große,  bei  seinem  Einzug*^"  in  Neapel  (1443),  ent-  Aiionsos  Ein- 
hielt sich  wenigstens  des  Lorbeerkranzes,  welchen  bekanntlich  Napo-  Abb.  274 
leon  bei  seiner  Krönung  in  Notredame  nicht  verschmähte.  Im  übrigen 
war  Alfonsos  Zug  (durch  eine  Mauerbresche  und  dann  durch  die  Stadt 
bis  zum  Dom)  ein  wundersames  Gemisch  von  antiken,  allegorischen 
und  rein  possierhchen  Bestandteilen.  Der  von  vier  weißen  Pferden  ge- 
zogene Wagen,  auf  welchem  er  thronend  saß,  war  gewaltig  hoch  und 
ganz  vergoldet;  zwanzig  Patrizier  trugen  die  Stangen  des  Baldachins 
von  Goldstoff,  in  dessen  Schatten  er  einherfuhr.  Der  Teil  des  Zuges, 
den  die  anwesenden  Florentiner  übernommen  hatten,  bestand  zunächst 
aus  eleganten  jungen  Reitern,  welche  kunstreich  ihre  Speere  schwan- 
gen, aus  einem  Wagen  mit  der  Fortuna  und  aus  sieben  Tugenden  zu 
Pferde.  Die  Glücksgöttin*^^  war  nach  derselben  unerbittlichen  Allcgorik, 
welcher  sich  damals  auch  die  Künstler  bisweilen  fügten,  nur  am  Vorder- 
haupt behaart,  hinten  kahl,  und  der  auf  einem  untern  Absatz  des 
Wagens  befindliche  Genius,  welcher  das  leichte  Zerrinnen  des  Glückes 
vorstellte,  mußte  deshalb  die  Füße  in  einem  Wasserbecken  stehen  (?) 
haben.  Dann  folgte,  von  derselben  Nation  ausgestattet,  eine  Schar  von 
Reitern  in  den  Trachten  verschiedener  Völker,  auch  als  fremde  Fürsten 
und  Große  kostümiert,  und  nun  auf  hohem  Wagen,  über  einer  drehen- 
den Weltkugel,  ein  lorbeergekrönter  Juhus  Cäsar*^*,  welcher  dem  König  .4 (»..<!?,.'«.? 
in  italienischen  Versen  alle  bisherigen  Allegorien  erklärte  und  sich 
dann  dem  Zuge  einordnete.  Sechzig  Florentiner,  alle  in  Purpur  und 


24.0  DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

Scharlach,  machten  den  Beschluß  dieser  prächtigen  Exhibition  der  fest- 
kundigen Heimat.  Dann  aber  kam  eine  Schar  von  Katalanen  zu  Fuß, 
mit  vorn  und  hinten  angebundenen  Schcinpferdchen  und  führte  gegen 
eine  Türkenschar  ein  Scheingefecht  auf,  ganz  als  sollte  das  florenti- 
nische  Pathos  verspottet  werden.  Darauf  fuhr  ein  gewaltiger  Turm  ein- 
her, dessen  Tür  von  einem  Engel  mit  einem  Schwert  bewacht  wurde;  oben 
standen  wiederum  vier  Tugenden,  welche  den  König,  jede  besonders,  an- 
sangen. Der  übrige  Pomp  des  Zuges  war  nicht  besonders  charakteristisch. 
Beim  Einzug  Ludwigs  XII.  in  Mailand  1507^^  gab  es  außer  dem 
unvermeidlichen  Wagen  mit  Tugenden  auch  ein  lebendes  Bild:  Jupiter, 
Mars  und  eine  von  einem  großen  Netz  umgebene  Italia;  hernach  kam 
ein  mit  Trophäen  beladener  Wagen  usw. 

DerSiegeszuK  Wo  abcr  iu  Wirklichkeit  keine  Siegeszüge  zu  feiern  waren,  da  hielt 
die  Poesie  sich  und  die  Fürsten  schadlos.  Petrarca  und  Boccaccio  hatten 
(S.  232)  die  Repräsentanten  jeder  Art  von  Ruhm  als  Begleiter  und  Um- 
gebung einer  allegorischen  Gestalt  aufgezählt;  jetzt  werden  die  Zele- 
britäten  der  ganzen  Vorzeit  zum  Gefolge  von  Fürsten.  Die  Dichterin 
Cleofe  Gabrielli  von  Gubbio  besangt*  in  diesem  Sinne  den  Borso  von 
Ferrara.  Sie  gab  ihm  zum  Geleit  sieben  Königinnen  (die  freien  Künste 
nämlich),  mit  welchen  er  einen  Wagen  besteigt,  femer  ganze  Scharen 
von  Helden,  welche  zu  leichterer  Unterscheidung  ihre  Namen  an  der 
Stirn  geschrieben  tragen;  hernach  folgen  alle  berühmten  Dichter;  die 
Götter  aber  kommen  auf  Wagen  mitgefahren.  Um  diese  Zeit  ist  überhaupt 
des  mythologischen  und  allegorischen  Herumkutschierens  kein  Ende, 
und  auch  das  wichtigste  erhaltene  Kunstwerk  aus  Borsos  Zeiten,  der 

Abb.  isb-^sü  Freskenzyklus  im  Palast  Schifanoja,  weist  einen  ganzen  Fries  dieses 
Inhalts  auf^*.  Raffael,  als  er  die  Camera  della  Segnatura  auszumalen 
hatte,  bekam  überhaupt  diesen  ganzen  Gedankenkreis  schon  in  recht  aus- 
gelebter, entweihter  Gestalt  in  seine  Hände.  Wie  er  ihm  eine  neue  und  letzte 
Weihe  gab,  wird  denn  auch  ein  Gegenstand  ewiger  Bewunderung  bleiben. 
Tnumphe  Die  eigentlichen  triumphalen  Einzüge  von  Eroberern  waren  nur 
Römer  Ausnahmen.  Jeder  festliche  Zug  aber,  mochte  er  irgendein  Ereignis 
verherrlichen  oder  nur  um  seiner  selber  willen  vorhanden  sein,  nahm 
mehr  oder  weniger  den  Charakter  und  fast  immer  den  Namen  eines 
Trionfo  an.  Es  ist  ein  Wunder,  daß  man  nicht  auch  die  Leichenbegäng- 
nisse in  diesen  Kreis  liineinzog*^*. 

Fürs  erste  führte  man  am  Karneval  und  bei  andern  Anlässen  Triumphe 
bestimmter  altrönuscher  Feldherrn  auf.  So  in  Florenz  den  des  Paulus 
Aemilius  (unter  Lorcnzo  magnifico),  den  des  Camillus  (beim  Besuch 
Leos  X.),  beide  unter  der  Leitung  des  Malers  Francesco  Grannacci^'. 
In   Rom   war  das  erste   vollständig  ausgestattete  Fest  dieser  Art  der 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  24I 

Triumph  des  Augustus  nach  dem  Siege  über  Cleopatra^^,  unter  Paul  IL, 
wobei  außer  heitern  und  mythologischen  Masken  (die  ja  auch  den 
antiken  Triumphen  nicht  fehlten)  auch  alle  andern  Requisite  vorkamen: 
gefesselte  Könige,  seidene  Schrifttafeln  mit  \'olks-  und  Senatsbeschlüssen, 
ein  antik  kostümierter  Scheinsenat  nebst  Ädilen,  Qiiästoren,  Prätoren 
usw.,  vier  Wagen  voll  singender  Masken,  und  ohne  Zweifel  auch  Tro- 
phäenwagen. Andere  Aufzüge  versinnlichten  mehr  im  allgemeinen  die 
alte  Weltherrschaft  Roms,  und  gegenüber  der  wirklich  vorhandenen 
Türkengefahr  prahlte  man  etwa  mit  einer  Kavalkade  gefangener  Türken 
auf  Kamelen.  Später,  im  Karneval  1500,  ließ  Cesare  Borgia,  mit 
kecker  Beziehung  auf  seine  Person,  den  Triumph  Julius  Cäsars,  elf 
prächtige  Wagen  stark,  aufführen^^,  gewiß  zum  Ärgeriris  der  Jubiläums- 
pilger (S.  69).  —  Sehr  schöne  und  geschmackvolle  Trionfi  von  allgemei- 
ner Bedeutung  waren  die  von  zwei  wetteifernden  Gesellschaften  in  Tnon«  im 
Florenz  1513  zur  Feier  der  Wahl  Leos  X.  aufgeführten**":  der  eine  "" 
stellte  die  drei  Lebensalter  der  Menschen  dar,  der  andere  die  Welt- 
alter, sinnvoll  eingekleidet  in  fünf  Bilder  aus  der  Geschichte  Roms 
und  in  zwei  Allegorien,  welche  das  goldene  Zeitalter  Saturns  und  dessen 
endliche  Wiederbringung  schilderten.  Die  phantasiereiche  Verzierung 
der  Wagen,  wenn  große  florentinische  Künstler  sich  dazu  hergaben, 
machte  einen  solchen  Eindruck,  daß  man  eine  bleibende,  periodische 
Wiederholung  solcher  Schauspiele  wünschbar  fand.  Bisher  hatten  die 
Untertanenstädte  am  alljährlichen  Huldigungstag  ihre  symbolischen  Ge-  .4W.  jo< 
schenke  (kostbare  Stoffe  und  Wachskerzen)  einfach  überreicht;  jetzt**^ 
ließ  die  Kaufmannsgilde  einstweilen  zehn  Wagen  bauen  (wozu  in  der 
Folge  noch  mehrere  kommen  sollten),  nicht  sowohl  um  die  Tribute 
zu  tragen,  als  um  sie  zu  symbolisieren,  und  Andrea  del  Sarto,  der  einige 
davon  ausschmückte,  gab  denselben  ohne  Zweifel  die  herrlichste  Ge- 
stalt. Solche  Tribut-  und  Trophäenwagen  gehörten  bereits  zu  jeder 
festlichen  Gelegenheit,  auch  wenn  man  nicht  viel  aufzuwenden  hatte. 
Die  Sienesen  proklamierten  1477  das  Bündnis  zwischen  Ferrantc  und 
Sixtus  IV.,  wozu  auch  sie  gehörten,  durch  das  Herumführen  eines 
Wagens,  in  welchem  ,, einer  als  Friedensgöttin  gekleidet  auf  einem  Har- 
nisch und  andern  Waffen  stand"^*^. 

Bei  den  venezianischen  Festen  entwickelte  statt  der  Wagen  die  Wasser-  1  «tzuge  zu 
fahrt  eine  wundersame,  phantastische  Herrlichkeit.  Eine  Ausfahrt  des 
Bucintoro  zum  Empfang  der  Fürstinnen  von  Ferrara  1491  (S.  236) 
wird  uns  als  ein  ganz  märchenhaftes  Schauspiel  geschildert**^;  ihm 
zogen  voran  zahllose  Schiffe  mit  Teppichen  und  Girlanden,  besetzt  mit 
prächtig  kostümierter  Jugend;  auf  Schwebemaschinen  bewegten  sich 
ringsum  Genien  mit  Attributen  der  Gölter;  weiter  unten  waren  andere 

Burekhardt  16 


Wasser 


2A2  niE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

in  Gestalt  von  Tritonen  und  Nymphen  gruppiert;  überall  Gesang, 
Wohlgcrüche  und  das  Flattern  goldgestickter  Fahnen.  Auf  den  Bucin- 
toro  folgte  dann  ein  solcher  Schwärm  von  Barken  aller  Art,  daß  man 
wohl  eine  Miglic  weit  das  Wasser  nicht  mehr  sah.  Von  den  übrigen 
Festlichkeiten  ist  außer  der  schon  obengenannten  Pantomime  besonders 
eine  Regatta  von  fünfzig  starken  Mädchen  erwähnenswert  als  etwas 
Neues.  Im  14.  Jahrhundert^**  war  der  Adel  in  besondere  Korporationen 
zur  Abhaltung  von  Festlichkeiten  geteilt,  deren  Hauptstück  irgendeine 
ungeheure  Maschine  auf  einem  Schiff  ausmachte.  So  bewegte  sich  z.  B. 
1541  bei  einem  Fest  der  Scmpiterni  durch  den  großen  Kanal  ein  rundes 
„Weltall",  in  dessen  offenem  Innern  ein  prächtiger  Ball  gehalten  wurde. 
Auch  der  Karneval  war  hier  berühmt  durch  Bälle,  Aufzüge  und  Auf- 
führungen aller  Art.  Bisweilen  fand  man  selbst  den  Markusplatz  groß 
genug,   um   nicht  nur  Turniere   (S.  209,    221),   sondern   auch   Trionfi 

Politisches  nach  festländischer  Art  darauf  abzuhalten.  Bei  einem  Friedensfest ^** 
''''"  übernahmen  die  frommen  Brüderschaften  (scuole)  jede  ihr  Stück  eines 
solchen  Zuges.  Da  sah  man  zwischen  goldenen  Kandelabern  mit  roten 
Wachskerzen,  zwischen  Scharen  von  Musikern  und  von  Flügelknaben 
mit  goldenen  Schalen  und  Füllhörnern  einen  Wagen,  auf  welchem 
Noah  und  David  beisammen  thronten;  dann  kam  Abigail,  ein  mit 
Schätzen  beladenes  Kamel  führend,  und  ein  zweiter  Wagen  mit  einer 
Gruppe  politischen  Inhalts:  Italia  zwischen  Venezia  und  Liguria,  und 
auf  einer  erhöhten  Stufe  drei  weibliche  Genien  mit  den  Wappen  der 
verbündeten  Fürsten.  Es  folgte  unter  andern  eine  Weltkugel  mit  Stern- 
bildern ringsum,  wie  es  scheint.  Auf  andern  Wagen  fuhren  jene  Fürsten 
in  leibhaftiger  Darstellung  mit  samt  Dirnern  und  Wappen,  wenn  wir 
die  Aussage  richtig  deuten. 

Ki.ruev.ii  in  Dcr  eigentliche  Karneval,  abgesehen  von  den  großen  Aufzügen,  hatte 
vielleicht  im  15.  Jahrhundert  nirgends  eine  so  vielartige  Physiognomie 

Abb.  2«9  als  in  Rom®*".  Hier  waren  zunächst  die  Wettrennen  am  reichsten  ab- 
gestuft; es  gab  solche  von  Pferden,  Büffeln,  Eseln,  dann  von  Alten,  von 
Burschen,  von  Juden  usw.  Paul  II.  speiste  auch  wolü  das  Volk  in  Masse 
vor  Palazzo  di  Venezia,  wo  er  wohnte.  Sodann  hatten  die  Spiele  auf 
Piazza  Navona,  welche  vielleicht  seit  der  antiken  Zeit  nie  ganz  aus- 
gestorben waren,  einen  kriegerisch  prächtigen  Charakter;  es  war  ein 
Scheingefecht  von  Reitern  und  eine  Parade  der  bewaffneten  Bürger- 
schaft. Ferner  war  die  Maskenfreiheit  sehr  groß  und  dehnte  sich  bis- 
\veilen  über  mehrere  Monate  aus***".  Sixtus  IV.  scheute  sich  nicht,  in 
ilen  volkreichsten  Gegenden  der  Stadt,  auf  Campo  Fiore  und  bei  den 
Banchi,  durch  Schwärme  von  Masken  hindurch  zu  passieren,  nur  einem 
beabsichtigten   Besuch   von   Masken   im   Vatikan   wich   er  aus.    Unter 


Florenz 


DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE  243 

Innocenz  VIII.  erreichte  eine  schon  früher  vorkommende  Unsitte  der 
Kardinäle  ihre  Vollendung;  im  Karneval  1491  sandten  sie  einander 
Wagen  voll  prächtig  kostümierter  Masken,  Buffonen  und  Sängern  zu, 
welche  skandalöse  Verse  hersagten;  sie  waren  freilich  von  Reitern  be-  Fackeku« 
gleitet.  —  Außer  dem  Karneval  scheinen  die  Römer  zuerst  den  Wert 
eines  großen  Fackelzuges  erkannt  zu  haben.  Als  Pius  II.  1459  vom 
Kongreß  von  Mantua  zurückkam***,  wartete  ihm  das  ganze  Volk  mit 
einem  Fackelritt  auf,  welcher  sich  vor  dem  Palast  in  einem  leuchtenden 
Kreise  herum  bewegte.  Sixtus  IV.  fand  indes  einmal  für  gut,  eine 
solche  nächtliche  Aufwartung  des  Volkes,  das  mit  Fackeln  und  Öl- 
zweigen kommen  wollte,  nicht  anzunehmen**^. 

Der  florentinische  Karneval  aber  übertraf  den  römischen  durch  eine  Kamevai  n> 
bestimmte  Art  von  Aufzügen,  welche  auch  in  der  Literatur  ihr  Denkmal 
hinterlassen  hat**".  Zwischen  einem  Schwärme  von  Masken  zu  Fuß  und 
zu  Roß  erscheint  ein  gewaltiger  Wagen  in  irgendeiner  Phantasieform, 
und  auf  diesem  entweder  eine  herrschende  allegorische  Gestalt  oder 
Gruppe  samt  den  ihr  zukommenden  Gefährten,  z.  B.  die  Eifersucht  mit 
vier  bebrillten  Gesichtern  an  einem  Kopfe,  die  vier  Temperamente 
(S.  173)  mit  den  ihnen  zukommenden  Planeten,  die  drei  Parzen,  die 
Klugheit  thronend  über  Hoffnung  und  Furcht,  die  gefesselt  vor  ihr 
liegen,  die  vier  Elemente,  Lebensalter,  Winde,  Jahreszeiten  usw.;  auch 
der  berühmte  Wagen  des  Todes  mit  den  Särgen,  die  sich  dann  öffneten. 
Oder  es  fuhr  einher  eine  prächtige  mythologische  Szene,  Bacchus  und 
Ariadne,  Paris  und  Helena  usw.  Oder  endlich  ein  Chor  von  Leuten, 
welche  zusammen  einen  Stand,  eine  Kategorie  ausmachten,  z.  B.  die 
Bettler,  die  Jäger  mit  N>Tnphen,  die  armen  Seelen,  welche  im  Leben 
unbarmherzige  Weiber  gewesen,  die  Eremiten,  die  Landstreicher,  die 
Astrologen,dieTeufel,  die  Verkäufer  bestimmter  Waren,ja  sogar  einmal  il 
popolo,  die  Leute  als  solche,  die  sich  dann  in  ihrem  Gesang  als  schlechte 
Sorte  überhaupt  anklagen  müssen.  Die  Gesänge  nämlich,  welche  gesam- 
melt und  erhalten  sind,  geben  bald  in  pathetischer,  bald  in  launiger,  bald 
in  höchst  unzüchtiger  Weise  die  Erklärung  des  Zuges.  Auch  dem  Lorenzo 
magnifico  werden  einige  der  schlimmsten  zugeschrieben,  wahrscheinlich, 
weil  sich  der  wahre  Autor  nicht  zu  nennen  wagte,  gewiß  aber  ist  von 
ihm  der  sehr  schöne  Gesang  zur  Szene  mit  Bacchus  und  Ariadne,  dessen 
Refrain  aus  dem  15.  Jahrhundert  zu  ims  herübertönt  wie  eine  wehmütige 
Ahnung  der  kurzen  Herrlichkeit  der  Renaissance  selbst: 

Quanto  e  bclla  giovinezza. 

Che  si  fugge  tutta  via! 

Chi  vuol  esser  lieto,  sia: 

Di  doman  non  c'e  ccrtczza. 

16* 


SECHSTER   ABSCHNITT 

SITTE  UND  RELIGION 

Das  Verhältnis  der  einzelnen  Völker  zu  den  höchsten  Dingen,  zu 
Gott,  Tugend  und  Unsterblichkeit,  läßt  sich  wohl  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  erforschen,  niemals  aber  in  strenger  Parallele  darstellen. 
Je  deutlicher  die  Aussagen  auf  diesem  Gebiete  zu  sprechen  scheinen, 
desto  mehr  muß  man  sich  vor  einer  unbedingten  Annahme,  einer  Ver- 
allgemeinerung derselben  hüten. 
DicMoiäiitat  Vor  allem  gilt  dies  von  dem  Urteil  über  die  Sittlichkeit.  Man  wird 
viele  einzelne  Kontraste  und  Nuancen  zwischen  den  Völkern  nachweisen 
können,  die  absolute  Summe  des  ganzen  aber  zu  ziehen  ist  menschliche 
Einsicht  zu  schwach.  Die  große  Verrechnung  von  Nationalcharakter, 
Schuld  und  Gewissen  bleibt  eine  geheime,  schon  weil  die  Mängel  eine 
zweite  Seite  haben,  wo  sie  dann  als  nationale  Eigenschaften,  ja  als 
Tugenden  erscheinen.  Solchen  Autoren,  welche  den  Völkern  gerne  all- 
gemeine Zensuren,  und  zwar  bisweilen  im  heftigsten  Tone  schreiben, 
muß  man  ihr  Vergnügen  lassen.  Abendländische  V^ölker  können  ein- 
ander mißhandeln,  aber  glücklicherweise  nicht  richten.  Eine  große 
Nation,  die  durch  Kultur,  Taten  und  Erlebnisse  mit  dem  Leben  der 
ganzen  neuern  Welt  verflochten  ist,  überhört  es,  ob  man  sie  anklage 
oder  entschuldige;  sie  lebt  weiter  mit  oder  ohne  Gutheißen  der  Theo- 
retiker. 

So  ist  denn  auch,  was  hier  folgt,  kein  Urteil,  sondern  eine  Reihe  von 
Randbemerkungen,  wie  sie  sich  bei  mehrjährigem  Studium  der  italie- 
nischen Renaissance  von  selber  ergaben.  Ihre  Geltung  in  eine  um  so 
beschränktere,  als  sie  sich  meist  auf  das  Leben  der  hölicren  Stände  be- 
ziehen, über  welche  wir  hier  im  Guten  wie  im  Bösen  unverhältnismäßig 
reichlicher  unterrichtet  sind  als  bei  andern  europäischen  Völkern.  Weil 
aber  Ruhm  und  Schmach  hier  lauter  tönen  als  sonst  irgendwo,  so  sind 
wir  deshalb  der  allgemeinen  Bilanz  der  Sittlichkeit  noch  um  keinen 
Schritt  näher. 

Wessen  Auge  dringt  in  die  Tiefen,  wo  sich  Charaktere  und  Schick- 
sale der  Völker  bilden?  wo  Angeborenes  und  Erlebtes  zu  einem  neuen 


SITTE  UND  RELIGION  245 

Ganzen  gerinnt  und  zu  einem  zweiten,  dritten  Naturell  wird?  wo  selbst 
geistige  Begabungen,  die  man  auf  den  ersten  Blick  für  ursprünglich  hal- 
ten würde,  sich  erst  relativ  spät  und  neu  bilden?  Hatte  z.  B.  der  Italiener 
vor  dem  13.  Jahrhundert  schon  jene  leichte  Lebendigkeit  und  Sicher- 
heit des  ganzen  Menschen,  jene  mit  allen  Gegenständen  spielende  Ge- 
staltungskraft in  Wort  und  Form,  die  ihm  seitdem  eigen  ist?  —  Und 
wenn  wir  solche  Dinge  nicht  wissen,  wie  sollen  wir  das  unendlicli  reiche 
und  feine  Geäder  beurteilen,  durch  welches  Geist  und  Sittlichkeit  un- 
aufhörlich ineinander  überströmen?  Wohl  gibt  es  eine  persönliche  Zu- 
rechnung und  ihre  Stimme  ist  das  Gewissen,  aber  die  Völker  möge  man 
mit  Generalsentenzen  in  Ruhe  lassen.  Das  scheinbar  kränkste  Volk  kann 
der  Gesundheit  nahe  sein,  und  ein  scheinbar  gesundes  kann  einen  mäch- 
tig entwickelten  Todeskeim  in  sich  bergen,  den  erst  die  Gefahr  an  den 
Tag  bringt. 

Zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts,  als  die  Kultur  der  Renaissance  auf  Bewußtsein 

df-r   Demora- 

ihrer  Höhe  angelangt  und  zugleich  das  politische  Unglück  der  Nation  lisation 
so  viel  als  unabwendbar  entschieden  war,  fehlte  es  nicht  an  ernsten 
Denkern,  welche  dieses  Unglück  mit  der  großen  Sittenlosigkeit  in  Ver- 
bindung brachten.  Es  sind  keine  von  jenen  Bußpredigern,  welche  bei 
jedem  Volke  und  zu  jeder  Zeit  über  die  schlechten  Zeiten  zu  klagen  sich 
verpflichtet  glauben,  sondern  ein  Machiavelli  ist  es,  der  mitten  in  einer 
seiner  wichtigsten  Gedankenreihen*"  es  offen  ausspricht:  ja,  wir  Italicner 
sind  vorzugsweise  irreligiös  und  böse.  —  Ein  anderer  hätte  vielleicht 
gesagt:  wir  sind  vorzugsweise  individuell  entwickelt;  die  Rasse  hat  uns 
aus  den  Schranken  ihrer  Sitte  und  Religion  entlassen,  und  die  äußern 
Gesetze  verachten  wir,  weil  unsere  Herrscher  illegitim  und  ihre  Beamten 
und  Richter  verworfene  Menschen  sind.  —  Machiavelli  selber  setzt  hin- 
zu: weil  die  Kirche  in  ihren  Vertretern  das  übelste  Beispiel  gibt. 

Sollen  wir  hier  noch  beifügen:   ,,weil  das  Altertum  ungünstig  ein-    EmfiuOdes 

_        .  Altertunis 

wirkte?"  —  jedenfalls  bedürfte  eine  solche  Annahme  sorgfältiger  Be- 
schränkungen. Bei  den  Humanisten  (S.  153)  wird  man  am  ehesten  davon 
reden  dürfen,  zumal  in  betreff  ihres  wüsten  Sinnenlebens.  Bei  den  übrigen 
möchte  sich  die  Sache  ungefähr  so  verhalten  haben,  daß  an  die  Stelle 
des  christlichen  Lebensideals,  der  Heiligkeit,  das  der  historischen  Größe 
trat,  seit  sie  das  Altertum  kannten  (Anm.  Nr.  308).  Durch  einen  nahe- 
liegenden Mißverstand  hielt  man  dann  auch  die  Fehler  für  indifferent, 
trotz  welcher  die  großen  Männer  groß  gewesen  waren.  Vermutlich  ge- 
schah dies  fast  unbewußt,  denn  wenn  theoretische  Aussagen  dafür  ange- 
führt werden  sollen,  so  muß  man  sie  wieder  bei  den  Humanisten  suchen, 
wie  z.  B.  bei  Paolo  Giovio,  der  den  Eidbruch  des  Giangaleazzo  Visconti, 


246 


SITTE  UND  RELIGION 


Ehrgefühl 


insofern  dadurch  die  Gründung  eines  Reiclies  ermöglicht  wurde,  niit 
dem  Beispiel  des  Julius  Cäsar  entschuldigt^^^.  Die  großen  florentinischen 
Geschichtsschreiber  und  Politiker  sind  von  so  knechtischen  Zitaten  völlig 
frei,  und  was  in  ihren  Urteilen  und  Taten  antik  erscheint,  ist  es,  weil  ihr 
Staatswesen  eine  notwendig  dem  Altertum  einigermaßen  analoge  Denk- 
weise hervorgetrieben  hatte. 

Immerhin  aber  fand  Italien  um  den  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  sich 
in  einer  schweren  sittlichen  Krisis,  aus  welcher  die  Bessern  kaum  einen 
Ausweg  hofften. 

Beginnen  wir  damit,  die  dem  Bösen  aufs  stärkste  entgegenwirkende 
sittliche  Kraft  namhaft  zu  machen.  Jene  hochbegabten  Menschen  glaub- 
Das  moderne  tcn  sic  ZU  erkennen  in  Gestalt  des  Ehrgefühls.  Es  ist  die  rätselhafte 
Mischung  aus  Gewissen  und  Selbstsucht,  welche  dem  modernen  Men- 
schen noch  übrig  bleibt,  auch  wenn  er  durch  oder  ohne  seine  Schuld 
alles  übrige,  Glauben,  Liebe  und  Hoffnung  eingebüßt  hat.  Dieses  Ehr- 
gefühl verträgt  sich  mit  vielem  Egoismus  und  großen  Lastern  und  ist 
ungeheurer  Täuschungen  fähig;  aber  auch  alles  Edle,  das  in  einer  Per- 
sönlichkeit übrig  geblieben,  kann  sich  daran  anschließen  und  aus  diesem 
Quell  neue  Kräfte  schöpfen.  In  viel  wciterm  Sinne,  als  man  gewöhnlich 
denkt,  ist  es  für  die  heutigen  individuell  entwickelten  Europäer  eine  ent- 
scheidende Richtschnur  des  Handelns  geworden;  auch  viele  von  den- 
jenigen, welche  noch  außerdem  Sitte  und  Religion  treulich  festhalten, 
fassen  doch  die  wichtigsten  Entschlüsse  unbewußt  nach  jenem  Gefühl. 

Es  ist  nicht  unsere  Aufgabe  nachzuweisen,  wie  schon  das  Altertum 
eine  eigentümliche  Schattierung  dieses  Gefühles  kannte  und  wie  dann 
das  Mittelalter  die  Ehre  in  einem  speziellen  Sinne  zur  Sache  eines  be- 
stimmten Standes  machte.  Auch  dürfen  wir  mit  denjenigen  nicht  strei- 
ten, welche  das  Gewissen  allein  statt  des  Ehrgefühls  als  die  wesentliche 
Triebkraft  ansehen;  es  wäre  schöner  und  besser,  wenn  es  sich  so  ver- 
hielte, allein  sobald  man  doch  zugeben  muß,  daß  die  bessern  Ent- 
schlüsse aus  einem  ,,von  Selbstsucht  mehr  oder  weniger  getrübten  Ge- 
wissen" hervorgehen,  so  nenne  man  lieber  diese  Mischung  mit  ihrem 
Namen.  Allerdings  ist  es  bei  den  Italicnern  der  Renaissance  bisweilen 
schwer,  dieses  Ehrgefühl  von  der  direkten  Ruhmbegier  zu  unterscheiden, 
in  welche  dasselbe  häufig  übergeht.  Doch  bleiben  es  wesentlich  zwei 
verschiedene  Dinge. 

An  Aussagen  über  diesen  Punkt  fehlt  es  nicht.  Eine  besonders  deut- 
liche mag  statt  vieler  hier  ihre  Stelle  finden;  sie  stammt  aus  der  erst 
neuerlich  an  den  Tag  getrctenen^^  Aphorismen  des  Guicciardini.  „Wer 
die  Ehre  hochhält,  dem  gelingt  alles,  weil  er  weder  Mühe,  Gefahr  noch 
Kosten  scheut;  ich  habe  es  an  mir  selbst  erprobt  und  darf  es  sagen  und 


Aussagen 
darüber 


SITTE  UND  RELIGION  247 

schreiben:  eitel  und  lot  sind  diejenigen  Handlungen  der  Menschen, 
welche  nicht  von  diesem  starken  Antrieb  ausgehen."  Wir  müssen  frei- 
lich hinzusetzen,  daß  nach  anderweitiger  Kunde  vom  Leben  des  Ver- 
fassers hier  durchaus  nur  vom  Ehrgefühl  und  nicht  vom  eigentlichen 
Ruhme  die  Rede  sein  kann.  Schärfer  aber  als  vielleicht  alle  Italiener 
hat  Rabelais  die  Sache  betont.  Zwar  nur  ungern  mischen  wir  diesen  Rabeiau 
Namen  in  unsere  Forschung;  was  der  gewaltige,  stets  barocke  Franzose 
gibt,  gewährt  uns  ungefähr  ein  Bild  davon,  wie  die  Renaissance  sich  aus- 
nehmen würde  ohne  Form  und  ohne  Schönheit^^*.  Aber  seine  Schilde- 
rung eines  Idealzustandes  im  Thelemitenkloster  ist  kulturgeschichtlich 
entscheidend,  so  daß  ohne  diese  höchste  Phantasie  das  Bild  des  1 6.  Jahr- 
hunderts unvollständig  wäre.  Er  erzählt*^*  von  diesen  seinen  Herren 
und  Damen  vom  Orden  des  freien  Willens  unter  andern  wie  folgt: 

En  leur  reigle  n'estoit  que  ceste  clause:  Fay  cc  que  vouldras. 
Parce  que  gens  liberes,  bien  nayz^^*,  bien  instruictz,  conversans  en  com- 
paignies  honnestes,  ont  par  nature  ung  instinct  et  aguillon  qui  tous- 
jours  les  poulse  ä  faictz  vertueux,  et  retire  de  vice:  Icquel  ilz  nommoycnt 
honneur. 

Es  ist  derselbe  Glaube  an  die  Güte  der  menschüchen  Natur,  welcher 
auch  die  zweite  Hälfte  des  1 8.  Jahrhunderts  beseelte  und  der  französi- 
schen Revolution  die  Wege  bereiten  half.  Auch  bei  den  Italienern  appel- 
liert jeder  individuell  an  diesen  seinen  eigenen  edeln  Instinkt,  und  wenn 
im  großen  und  ganzen  —  hauptsächlich  unter  dem  Eindruck  des  natio- 
nalen Unglückes  ^  pessimistischer  geurteilt  oder  empfunden  wird, 
gleichwohl  wird  man  immer  jenes  Ehrgefühl  hochhalten  müssen.  Wenn 
einmal  die  schrankenlose  Entwicklung  des  Individuums  eine  welthisto- 
rische Fügung,  wenn  sie  stärker  war  als  der  Wille  des  einzelnen,  so  ist 
auch  diese  gegenwirkende  Kraft,  wo  sie  im  damaligen  Italien  vorkommt, 
eine  große  Erscheinung.  Wie  oft  und  gegen  welch  heftige  Angriffe  der 
Selbstsucht  sie  den  Sieg  davontrug,  wissen  wir  eben  nicht,  und  deshalb 
reicht  unser  menschliches  Urteil  überhaupt  nicht  aus,  um  den  absoluten 
moralischen  Wert  der  Nation  richtig  zu  schätzen. 

Was  nun  der  Sittlichkeit  des  höher  entwickelten  Italieners  der  Renais-  Die  i'hanta- 
sance  als  wichtigste  allgemeine  Voraussetzung  gegenübersteht,  ist  die    Henschaft 
Phantasie.  Sie  vor  allem  verleiht  seinen  Tugenden  und  Fehlern  ihre  be- 
sondere Farbe;  unter  ihrer  Herrschaft  gewinnt  seine  entfesselte  Selbst- 
sucht erst  ihre  volle  Furchtbarkeit. 

Um  ihretwillen  wird   er  z.  B.   der  frühste  große   Hasardspicler  der    spicisucht 
neuern  Zeit,  indem  sie  ihm  die  Bilder  des  künftigen  Reichtums  und  der 
künftigen  Genüsse  mit  einer  solchen  Lebendigkeit  vormalt,  daß  er  das 
Äußerste  daransetzt.  Die  mohammedanischen  Völker  wären  ihm  hierin 


24.8  SITTE  UND  RELIGION 

ohne  allen  Zweifel  vorangegangen,  hätte  nicht  der  Koran  von  Anfang 
an  das  Spiclverbot  als  die  notwendigste  Schutzwehr  islamitischer  Sitte 
festgestellt  und  die  Phantasie  seiner  Leute  an  Auffindung  vergrabener 
Schätze  gewiesen.  In  Italien  wurde  eine  Spielwut  allgemein,  welche 
schon  damals  häufig  genug  die  Existenz  des  einzelnen  bedrohte  oder 
zerstörte.  Florenz  hat  schon  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts  seinen  Casa- 
nova, einen  gewissen  Buonaccorso  Pitti,  welcher  auf  beständigen  Reisen 
als  Kaufmann,  Parteigänger,  Spekulant,  Diplomat  und  Spieler  von 
Profession  enorme  Summen  gewann  und  verlor  und  nur  noch  Fürsten 
zu  Partnern  gebrauchen  konnte,  wie  die  Herzoge  von  Brabant,  Bayern 
und  Savoyen^^'.  Auch  der  große  Glückstopf,  welchen  man  die  römische 
Kurie  nannte,  gewöhnte  seine  Leute  an  ein  Bedürfnis  der  Aufregung, 
welches  sich  in  den  Zwischenpausen  der  großen  Intrigen  notwendig 
durch  Würfelspiel  Luft  machte.  Franceschetto  Cybö  verspielte  z.  B.  einst 
zweimal  an  Kardinal  Raffaele  Riario  14000  Dukaten  und  klagte  her- 
nach beim  Papst,  sein  Mitspieler  habe  ihn  betrogen^^.  In  der  Folge 
wurde  bekanntlich  Italien  die  Heimat  des  Lotteriewesens. 
Rachsmhi  Die  Phantasie  ist  es  auch,  welche  hier  der  Rachsucht  ihren  besondern 
Charakter  gibt.  Das  Rechtsgefühl  wird  wohl  im  ganzen  Abendland  von 
jeher  eins  und  dasselbe  gewesen  und  seine  Verletzung,  so  oft  sie  unge- 
straft blieb,  auf  die  gleiche  Weise  empfunden  worden  sein.  Aber  andere 
Völker,  wenn  sie  auch  nicht  leichter  verzeihen,  können  doch  leichter 
vergessen,  während  die  italienische  Phantasie  das  Bild  des  Unrechts  in 
furchtbarer  Frische  erhält*^*.  Daß  zugleich  in  der  Volksmoral  die  Blut- 
rache als  eine  Pflicht  gilt  und  oft  auf  das  giäßlichste  geübt  wird,  gibt 
dieser  allgemeinen  Rachsucht  noch  einen  besonderen  Grund  und  Boden. 
Regierungen  und  Tribunale  der  Städte  erkennen  ihr  Dasein  und  ihre 
Berechtigung  an  und  suchen  nur  den  schlimmsten  Exzessen  zu  steuern. 
Aber  auch  unter  den  Bauern  kommen  thyesteische  Mahlzeiten  und  weit 
sich  ausbreitender  Wechselmord  vor;  hören  wir  nur  einen  Zeugen**". 
Blutrache  der  In  der  Laudschaft  von  .Acquapendente  hüteten  drei  Hirtenknaben  das 
Vieh,  und  einer  sagte:  wir  wollen  versuchen,  wie  man  die  Leute  henkt. 
.\ls  der  eine  dem  andern  auf  der  Schulter  saß  und  der  dritte  den  Strick 
zuerst  um  dessen  Hals  schlang  und  dann  an  eine  Eiche  band,  kam  der 
Wolf,  so  daß  die  beiden  entflohen  und  jenen  hängen  ließen.  Hernach 
fanden  sie  ihn  tot  und  begruben  ihn.  Sonntags  kam  sein  Vater,  um  ihm 
Brot  zu  bringen,  und  einer  von  den  beiden  gestand  ihm  den  Hergang 
und  zeigte  ihm  das  Grab.  Der  Alte  aber  tötete  diesen  mit  einem  Messer, 
schnitt  ihn  auf,  nahm  die  Leber  und  bewirtete  damit  zu  Hause  dessen 
Vater;  dann  sagte  er  ihm,  wessen  Leber  er  gegessen.  Hierauf  begann 
das  wechselseitige  Morden  zwischen  den  beiden  Familien,  und  binnen 


SITTE  CND  RELIGION 


249 


einem  Monat  waren  36  Personen,  Weiber  sowohl  als  Männer,  umge- 
bracht. 

Und  solche  Vendetten,  erblich  bis  auf  mehrere  Generationen,  auf  der  hohem 
Seitenverwandte  und  Freunde,  erstreckten  sich  auch  weit  in  die  höhern  s'-^"")* 
Stände  hinauf  Chroniken  sowohl  als  Novellensammlungen  sind  voll  von 
Beispielen,  zumal  von  Racheübungen  wegen  entehrter  Weiber.  Der 
klassische  Boden  hiefür  war  besonders  die  Romagna,  wo  sich  die  Ven- 
detta mit  allen  erdenklichen  sonstigen  Parteiungen  verflocht.  In  furcht- 
barer Symbolik  stellt  die  Sage  bisweilen  die  Vei-wilden.ing  dar,  welche 
über  dieses  kühne,  kräftige  Volk  kam.  So  z.  B.  in  der  Geschichte  von 
jenem  vornehmen  Ravennaten,  der  seine  Feinde  in  einem  Turm  bei- 
sammen hatte  und  sie  hätte  verbrennen  können,  statt  dessen  aber  sie 
herausließ,  umarmte  und  herrlich  bewirtete,  worauf  die  wütende  Scham 
sie  erst  recht  zur  Verschwörung  antrieb**^  Unablässig  predigten  fromme, 
ja  heilige  Mönche  zur  Versöhnung,  aber  es  wird  alles  gewesen  sein,  was 
sie  erreichten,  wenn  sie  die  schon  im  Gange  befindlichen  X'endetten  ein- 
schränkten; das  Entstehen  von  neuen  werden  sie  wohl  schwerlich  gehin- 
dert haben.  Die  Novellen  schildern  uns  nicht  selten  auch  diese  Ein- 
wirkung der  Religion,  die  edle  Aufwallung  und  dann  deren  Sinken  durch 
das  Schwergewicht  dessen,  was  vorangegangen  und  doch  nicht  mehr  zu 
ändern  ist.  Hatte  doch  der  Papst  in  Person  nicht  immer  Glück  im  Frie- 
denstiften: ,, Papst  Paul  II.  wollte,  daß  der  Hader  zwischen  Antonio 
Caffarello  und  dem  Hause  Alberino  aufhöre  und  ließ  Giovanni  Alberino 
und  Antonio  Caffarello  vor  sich  kommen  und  befahl  ihnen,  einander 
zu  küssen  und  kündigte  ihnen  2000  Dukaten  Strafe  an,  wenn  sie  ein- 
ander wieder  ein  Leid  antäten,  und  zwei  Tage  darauf  wurde  Antonio 
von  demselben  Giacomo  Alberino,  Sohn  des  Giovanni,  gestochen,  der 
ihn  vorher  schon  verwundet  hatte,  und  Papst  Paul  wurde  sehr  unwillig 
und  ließ  den  Alberino  die  Habe  konfiszieren  und  die  Häuser  schleifen  \ersöhnungs- 
und  Vater  und  Sohn  aus  Rom  verbannen"*^^.  Die  Eide  und  Zeremonien,  ^  ^" 
wodurch  die  Versöhnten  sich  vor  dem  Rückfall  zu  sichern  suchen,  sind 
bisweilen  ganz  entsetzlich;  als  am  Sylvesterabend  1494  im  Dom  von 
Siena^*^  die  Parteien  der  Nove  und  der  Popolari  sich  paanveise  küssen 
mußten,  wurde  ein  Schwur  dazu  verlesen,  worin  dem  künftigen  Über- 
treter alles  zeitliche  und  ewige  Heil  abgesprochen  wurde,  ,,ein  Schwur 
so  erstaunlich  und  schrecklich  wie  noch  keiner  erhört  worden";  selbst 
die  letzten  Tröstungen  in  der  Todesstunde  sollten  sich  in  Verdammnis 
verkehren  für  den,  welcher  ihn  verletzen  würde.  Es  leuchtet  ein,  daß 
dergleichen  mehr  die  verzweifelte  Stimmung  der  \^ermittler  als  eine 
wirkliche  Garantie  des  Friedens  ausdrückte,  und  daß  gerade  die  wahr- 
ste Versöhnung  am  wenigsten  solcher  Worte  bedurfte. 


Die  Rache  in 
der  öffent- 
lichen Mei- 
nung 


Kache  und 
[Dankbarkeit 


250  SITTE  UND  RELIGION 

Das  individuelle  Rachebedürfnis  des  Gebildeten  und  des  Hochstehen- 
den, ruhend  auf  der  mächtigen  Grundlage  einer  analogen  Volkssitte, 
spielt  nun  natürlich  in  tausend  Farben  und  wird  von  der  öflfentlichen 
Meinung,  welche  hier  aus  den  Novellisten  redet,  ohne  allen  Rückhalt 
gebilligt^^*.  Alle  Welt  ist  darüber  einig,  daß  bei  denjenigen  Beleidigungen 
und  Verletzungen,  für  welche  die  damalige  italienische  Justiz  kein  Recht 
schafft,  und  vollends  bei  denjenigen,  gegen  die  es  nie  und  nirgends  ein 
genügendes  Gesetz  gegeben  hat  noch  geben  kann,  jeder  sich  selber 
Recht  schaffen  dürfe.  Nur  muß  Geist  in  der  Rache  sein  und  die 
Satisfaktion  sich  mischen  aus  tatsächlicher  Schädigung  und  geistiger 
Demütigung  des  Beleidigers;  brutale  plumpe  Übermacht  allein  gilt 
in  der  öffentlichen  Meinung  für  keine  Genugtuung.  Das  ganze  Indi- 
viduum, mit  seiner  Anlage  zu  Ruhm  und  Hohn  muß  triumphieren, 
nicht  bloß  die  Faust. 

Der  damalige  Italiener  ist  vieler  Verstellung  fähig,  um  bestimmte 
Zwecke  zu  erreichen,  aber  gar  keiner  Heuchelei  in  Sachen  von  Prin- 
zipien, weder  vor  andern  noch  vor  sich  selber.  Mit  völliger  Naivität 
wird  deshalb  auch  diese  Rache  als  ein  Bedürfnis  zugestanden.  Ganz 
kühle  Leute  preisen  sie  vorzüglich  dann,  wenn  sie,  getrennt  von  eigent- 
licher Leidenschaft,  um  der  bloßen  Zweckmäßigkeit  willen  auftritt,  ,, da- 
mit andere  Menschen  lernen  dich  unangefochten  zu  lassen**^".  Doch 
werden  solche  Fälle  eine  kleine  Minderzahl  gewesen  sein  gegenüber  von 
denjenigen,  da  die  Leidenschaft  Abkühlung  suchte.  Deutlich  scheidet 
sich  hier  diese  Rache  von  der  Blutrache;  während  letztere  sich  eher  noch 
innerhalb  der  Schranken  der  Vergeltung,  des  ius  talionis  hält,  geht  die 
erstere  notwendig  darüber  hinaus,  indem  sie  nicht  nur  die  Beistimmung 
des  Rechtsgefühls  verlangt,  sondern  die  Bewunderer  und  je  nach  Um- 
ständen die  Lacher  auf  ihrer  Seite  haben  will. 

Hierin  liegt  denn  auch  der  Grund  des  oft  langen  Aufschiebens.  Zu 
einer  ,,bella  Vendetta"  gehört  in  der  Regel  ein  Zusammentreffen  von 
Umständen,  welches  durchaus  abgewartet  werden  muß.  Mit  einer  wah- 
ren Wonne  schildern  die  Novellisten  hie  und  da  das  allmählige  Heran- 
reifen solcher  Gelegenheiten. 

Über  die  Moralität  von  Handlungen,  wobei  Kläger  und  Richter  eine 
Person  sind,  braucht  es  weiter  keines  Urteils.  Wenn  diese  italienische 
Rachsucht  sich  irgendwie  rechtfertigen  wollte,  so  müßte  dies  geschehen 
durch  den  Nachweis  einer  entsprechenden  nationalen  Tugend,  nämlich 
der  Dankbarkeit;  dieselbe  Phantasie,  welche  das  erlittene  Unrecht  auf- 
frischt und  vergrößert,  müßte  auch  das  empfangene  Gute  im  Andenken 
erhalten^**.  Es  wird  niemals  möglich  sein,  einen  solchen  Nachweis  im 
Namen  des  ganzen  Volkes  zu  führen,  doch  fehlt  es  nicht  an  Spuren 


SITTE  UND  RELIGION  2tI 


der  Ehe 


dieser  Art  im  jetzigen  italienischen  Volkscharakter.  Dahin  gehört  bei 
den  gemeinen  Leuten  die  große  Erkenntlichkeit  für  honette  Behandlung 
und  bei  hohem  Ständen  das  gute  gesellschafthche  Gedächtnis. 

Dieses  Verhältnis  der  Phantasie  zu  den  morahschen  Eigenschaften 
des  ItaUeners  wiederholt  sich  nun  durchgängig.  Wenn  daneben  schein- 
bar viel  mehr  kalte  Berechnung  zutage  tritt  in  Fällen,  da  der  Nordländer 
mehr  dem  Gemüte  folgt,  so  hängt  dies  wohl  davon  ab,  daß  der  Italiener 
häufiger  sowohl  als  früher  und  stärker  individuell  entwickelt  ist.  ^Vo  dies 
außerhalb  ItaUens  ebenfalls  stattfindet,  da  ergeben  sich  auch  ähnhche 
Resultate;  die  zeitige  Entfremdung  vom  Hause  und  von  der  väterhchen 
Autorität  z.  B.  ist  der  italienischen  und  der  nordamerikanischen  Jugend 
gleichmäßig  eigen.  Später  stellt  sich  dann  bei  den  edlem  Naturen  das 
Verhältnis  einer  freien  Pietät  zwischen  Kindern  und  Eltern  ein. 

Es  ist  überhaupt  ganz  besonders  schwer,  über  die  Sphäre  des  Gemütes 
bei  andern  Nationen  zu  urteilen.  Dasselbe  kann  sehr  entwickelt  vor- 
handen sein,  aber  in  so  fremdartiger  Weise,  daß  der  von  draußen  kom- 
mende es  nicht  erkennt,  es  kann  sich  auch  wohl  vollkommen  vor  ihm 
verstecken.  Vielleicht  sind  alle  abendländischen  Nationen  in  dieser  Be- 
ziehung gleichmäßig  begnadigt. 

Wenn  aber  irgendwo  die  Phantasie  als  gewaltige  Herrin  sich  in  die  Verletzung 
Moralität  gemischt  hat,  so  ist  dies  geschehen  im  unerlaubten  Verkehr 
der  beiden  Geschlechter.  Vor  der  gewöhnlichen  Hurerei  scheute  sich 
bekanntlich  das  Mittelalter  überhaupt  nicht,  bis  die  Syphilis  kam,  und 
eine  vergleichende  Statistik  der  damaligen  Prostitution  jederart  gehört 
nicht  hieher.  Was  aber  dem  Italien  der  Renaissance  eigen  zu  sein  scheint, 
ist  daß  die  Ehe  und  ihr  Recht  vielleicht  mehr  und  jedenfalls  bewußter 
als  anderswo  mit  Füßen  getreten  wird.  Die  Mädchen  der  höheren 
Stände,  sorgfältig  abgeschlossen,  kommen  nicht  in  Betracht;  auf  ver- 
heiratete Frauen  bezieht  sich  alle  Leidenschaft. 

Dabei  ist  bemerkenswert,  daß  die  Ehen  doch  nicht  nachweisbar  ab- 
nahmen und  daß  das  Familienleben  bei  weitem  nicht  diejenige  Zerstö- 
rung erlitt,  welche  es  im  Norden  unter  ähnlichen  Umständen  erleiden 
würde.  Man  wollte  völhg  nach  Willkür  leben,  aber  durchaus  nicht  auf 
die  Familie  verzichten,  selbst  wenn  zu  fürchten  stand,  daß  es  nicht  ganz 
die  eigene  sei.  Auch  sank  die  Rasse  deshalb  weder  physisch  noch  geistig 
—  derm  von  derjenigen  scheinbaren  geistigen  Abnahme,  welche  sich 
gegen  die  Mitte  des  1 6.  Jahrhunderts  zu  erkennen  gibt,  lassen  sich  ganz 
bestimmte  äußere  Ursachen  politischer  und  kirchlicher  Art  namhaft 
machen,  selbst  wenn  man  nicht  zugeben  will,  daß  der  Kreis  der  mög- 
lichen Schöpfungen  der  Renaissance  durchlaufen  gewesen  sei.  Die  Ita- 
liener fuhren  fort,  trotz  aller  Ausschweifung  zu  den  leibhch  und  geistig 


252 


SITTE  UND  RELIGION 


Frivolp  und 
ideale  Lieb- 
schaft 


Novellen- 
moral 


Stelluiiß    de 
Weibes 


gesündesten  und  wohlgeborensten  Bevölkerungen  Europas  zu  gehören^*', 
und  behaupten  diesen  Vorzug  bekanntUch  bis  auf  diesen  Tag,  nachdem 
sich  die  Sitten  sehr  gebessert  haben. 

Wenn  man  nun  der  Liebesmoral  der  Renaissance  näher  nachgeht,  so 
findet  man  sich  betroffen  von  einem  merkwürdigen  Gegensatz  in  den 
Aussagen.  Die  Novellisten  und  Komödiendichter  machen  den  Eindruck, 
als  bestände  die  Liebe  durchaus  nur  im  Genüsse  und  als  wären  zu  dessen 
Erreichung  alle  Mittel,  tragische  wie  komische,  nicht  nur  erlaubt,  son- 
dern je  kühner  und  frivoler,  desto  interessanter.  Liest  man  die  bessern 
Lyriker  und  Dialogenschreiber,  so  lebt  in  ihnen  die  edelste  Vertiefung 
und  Vergeistigung  der  Leidenschaft,  ja  der  letzte  und  höchste  Ausdruck 
derselben  wird  gesucht  in  einer  Aneignung  antiker  Ideen  \on  einer 
ursprünglichen  Einheit  der  Seelen  im  göttlichen  Wesen.  Und  beide 
Anschauungen  sind  damals  wahr  und  in  einem  und  demselben  Indivi- 
duum vereinbar.  Es  ist  nicht  durchaus  rühmlich,  aber  es  ist  eine  Tat- 
sache, daß  in  dem  modernen  gebildeten  Menschen  die  Gefühle  auf  ver- 
schiedenen Stufen  zugleich  nicht  nur  stillschweigend  vorhanden  sind, 
sondern  auch  zur  bewußten,  je  nach  Umständen  künstlerischen  Dar- 
stellung kommen.  Erst  der  moderne  Mensch  ist,  wie  der  antike,  auch  in 
dieser  Beziehung  ein  Mikrokosmos,  was  der  mittelalterliche  nicht  war 
und  nicht  sein  konnte. 

Zunächst  ist  die  Moral  der  Novellen  beachtenswert.  Es  handelt  sich 
in  den  meisten  derselben,  wie  bemerkt,  um  Ehefrauen  und  also  um 
Ehebruch. 

Höchst  wichtig  erscheint  nun  hier  jene  oben  (S.  224)  erwähnte  An- 
sicht von  der  gleichen  Geltung  des  Weibes  mit  dem  Manne.  Die  höher 
gebildete  individuell  entwickelte  Frau  verfügt  über  sich  mit  einer  ganz 
andern  Souveränität  als  im  Norden,  und  die  Untreue  macht  nicht  jenen 
furchtbaren  Riß  durch  ihr  Leben,  sobald  sie  sich  gegen  die  äußern 
Folgen  sichern  kann.  Das  Recht  des  Gemahles  auf  ihre  Treue  hat  nicht 
denjenigen  festen  Boden,  den  es  bei  den  Nordländern  durch  die  Poesie 
und  Leidenschaft  der  Werbung  und  des  Brautstandes  gewinnt;  nach 
flüchtigster  Bekanntschaft,  unmittelbar  aus  dem  elterlichen  oder  klöster- 
lichen Gewahrsam  tritt  die  junge  Frau  in  die  Welt,  und  nun  erst  bildet 
sich  ihre  Individualität  ungemein  schnell  aus.  Hauptsächlich  deshalb  ist 
jenes  Recht  des  Gatten  nur  ein  sehr  bedingtes,  und  auch  wer  es  als  ein 
ius  quaesitum  ansieht,  bezieht  es  doch  nur  auf  die  äußere  Tat,  nicht 
auf  das  Herz.  Die  schöne  junge  Gemahlin  eines  Greises  z.  B.  weist  die 
Geschenke  und  Botschaften  eines  jungen  Liebhabers  zurück,  im  festen 
Vorsatz,  ihre  Ehrbarkeit  (honesta)  zu  behaupten.  „Aber  sie  freute  sich 
doch  der  Liebe  des  Jünglings  wegen  seiner  großen  Trefflichkeit,  und  sie 


Strafe 


SITTE  UND  RELIGION  253 

erkannte,  daß  ein  edles  Weib  einen  ausgezeichneten  Menschen  heben 
darf  ohne  Nachteil  ihrer  Ehrbarkeit"^^.  Wie  kurz  ist  aber  der  Weg  von 
einer  solchen  Distinktion  bis  zu  völliger  Hingebung. 

Letztere  erscheint  dann  soviel  als  berechtigt,  wenn  Untreue  des  Man-  unueue  und 
nes  hinzukommt.  Das  indi\iduell  entwickelte  Weib  empfindet  dieselbe 
bei  weitem  nicht  bloß  als  einen  Schmerz,  sondern  als  Hohn  und  De- 
mütigung, namentlich  als  Überlistung,  und  nun  übt  sie,  oft  mit  ziemlich 
kaltem  Bewußtsein,  die  vom  Gemahl  verdiente  Rache.  Ihrem  Takt  bleibt 
es  überlassen,  das  für  den  betreffenden  Fall  richtige  Strafmaß  zu  treffen. 
Die  tiefste  Kränkung  kann  z.  B.  einen  Ausweg  zur  Versöhnung  und  zu 
künftigem  ruhigem  Leben  anbahnen,  wenn  sie  völhg  geheim  bleibt.  Die 
Novellisten,  welche  dergleichen  dennoch  erfahren  oder  es  gemäß  der 
Atmosphäre  ihrer  Zeit  erdichten,  sind  voll  von  Bewunderung,  wenn  die 
Rache  höchst  angemessen,  wenn  sie  ein  Kunstwerk  ist.  Es  \ersteht  sich, 
daß  der  Ehemann  ein  solches  Vergeltungsrecht  doch  im  Grunde  nie  an- 
erkennt und  sich  nur  aus  Furcht  oder  aus  Klugheitsgründen  fügt.  Wo 
diese  wegfallen,  wo  er  um  der  Untreue  seiner  Gemahlin  willen  ohnehin 
erwarten  oder  wenigstens  besorgen  muß,  \on  dritten  Personen  ausge- 
höhnt zu  werden,  da  wird  die  Sache  tragisch.  Nicht  selten  folgt  die  ge- 
waltsamste Gegenrache  und  der  Mord.  Es  ist  höchst  bezeichnend  für 
die  wahre  Qiielle  dieser  Taten,  daß  außer  dem  Gemahl  auch  die  Brü- 
der^^^  und  der  \'ater  der  Frau  sich  dazu  berechtigt,  ja  \'erpflichtet 
glauben;  die  Eifersucht  hat  also  nichts  mehr  damit  zu  tun,  das  sittliche 
Gefühl  w-enig,  der  Wunsch,  dritten  Personen  ihren  Spott  zu  verleiden 
das  meiste.  „Heute",  sagt  Bandello^™,  ,, sieht  man  eine,  um  ihre  Lüste 
zu  erfüllen,  den  Gemahl  vergiften,  als  dürfte  sie  dann,  weil  sie  Witwe 
geworden,  tun,  was  ihr  beliebt.  Eine  andere,  aus  Furcht  \or  Entdeckung 
ihres  unerlaubten  Umganges,  läßt  den  Gemahl  durch  ihren  Geliebten 
ermorden.  Dann  erheben  sich  Väter,  Brüder  und  Gatten,  um  sich  die 
Schande  aus  den  Augen  zu  schaffen,  mit  Gift,  Schwert  und  andern 
Mitteln,  und  dennoch  fahren  \icle  Weiber  fort,  mit  Verachtung  des 
eigenen  Lebens  und  der  Ehre,  ihren  Leidenschaften  nachzuleben."  Ein 
andermal,  in  milderer  Stimmung,  ruft  er  aus:  ,,Wenn  man  doch  nur 
nicht  täglich  hören  müßte:  Dieser  hat  seine  Frau  ermordet,  weil  er  Un- 
treue vermutete,  jener  hat  die  Tochter  erwürgt,  weil  sie  sich  heimUch 
vermählt  hatte,  jener  endlich  hat  seine  Schwester  töten  lassen,  weil  sie 
sich  nicht  nach  seinen  Ansichten  vermählen  wollte!  Es  ist  doch  eine 
große  Grausamkeit,  daß  wir  alles  tun  wollen,  was  uns  in  den  Sinn 
kommt  und  den  armen  Weibern  nicht  dasselbe  zugestehen.  Wenn  sie 
etwas  tun,  was  uns  mißfällt,  so  sind  wir  gleich  mit  Strick,  Dolch  und  Gift 
bei  der  Hand.  Welche  Narrheit  der  Männer,  vorauszusetzen,  daß  ihre 


254  SITTE  UND  RELIGION 

und  des  ganzen  Hauses  Ehre  von  der  Begierde  eines  Weibes  abhänge!" 
Leider  wußte  man  den  Ausgang  solcher  Dinge  bisweilen  so  sicher  vor- 
aus, daß  der  Novellist  auf  einen  bedrohten  Liebhaber  Beschlag  legen 
konnte,  während  derselbe  noch  lebendig  herumlief.  Der  Arzt  Antonio 
Bologna^'i  hatte  sich  insgeheim  mit  der  verwitweten  Herzogin  von  Malfi, 
vom  Hause  Aragon,  vermählt;  bereits  hatten  ihre  Brüder  sie  und  ihre 
Kinder  wieder  in  ihre  Gewalt  bekommen  und  in  einem  Schloß  ermordet. 
Antonio,  der  letzteres  noch  nicht  wußte  und  mit  Hoffnungen  hingehalten 
wurde,  befand  sich  in  Mailand,  wo  ihm  schon  gedungene  Mörder  auf- 
lauerten, und  sang  in  Gesellschaft  bei  der  Ippolita  Sforza  die  Geschichte 
seines  Unglückes  zur  Laute.  Ein  Freund  des  genannten  Hauses,  Dclio, 
,, erzählte  die  Geschichte  bis  zu  diesem  Punkte  dem  Scipione  Atellano 
und  fügte  bei,  er  werde  dieselbe  in  einer  seiner  Novellen  behandeln, 
da  er  gewiß  wisse,  daß  Antonio  ermordet  werden  würde".  Die  Art,  wie 
dies  fast  unter  den  Augen  Delios  und  Atellanos  eintraf,  ist  bei  Bandello 
(I,  26)  ergreifend  geschildert. 

Parteinahme  Einstwcilcn  abcr  nehmen  die  Novellisten  doch  fortwährend  Partei  für 
^^stcir  ^llcs  Sinnreiche,  Schlaue  und  Komische,  was  beim  Ehebruch  vorkommt: 
Abb.  i'i  mit  Vergnügen  schildern  sie  das  Versteckspiel  in  den  Häusern,  die  sym- 
bolischen Winke  und  Botschaften,  die  mit  Kissen  und  Konfekt  zum 
voraus  versehenen  Truhen,  in  welchen  der  Liebhaber  verborgen  und 
fortgeschafft  werden  kann,  u.  dgl.  m.  Der  betrogene  Ehemann  wird  je 
nach  Umständen  ausgemalt  als  eine  ohnehin  von  Hause  aus  lächerliche 
Person  oder  als  ein  furchtbarer  Rächer;  ein  drittes  gibt  es  nicht,  es  sei 
denn,  daß  das  Weib  als  böse  und  grausam  und  der  Mann  oder  Liebhaber 
als  unschuldiges  Opfer  geschildert  werden  soll.  Man  wird  indes  bemer- 
ken, daß  Erzählungen  dieser  letzten  Art  nicht  eigentliche  Novellen, 
sondern  nur  Schreckensbeispiele  aus  dem  wrklichen  Leben  sind®"*. 

Mit  der  Hispanisierung  des  italienischen  Lebens  im  Verlauf  des 
16.  Jahrhunderts  nahm  die  in  den  Mitteln  höchst  gewaltsame  Eifer- 
sucht vielleicht  noch  zu,  doch  muß  man  dieselbe  unterscheiden  von  der 
schon  vorher  vorhandenen,  im  Geist  der  italienischen  Renaissance  selbst 
begründeten  Vergeltung  der  Untreue.  Mit  der  Abnahme  des  spanischen 
Kultureinflusscs  schlug  dann  die  auf  die  Spitze  getriebene  Eifersucht 
gegen  Ende  des  1 7.  Jahrhunderts  in  ihr  Gegenteil  um,  in  jene  Gleich- 
gültigkeit, welche  den  Cicisbeo  als  unentbehrliche  Figur  im  Hause  be- 
trachtete und  außerdem  noch  einen  oder  mehrere  Geduldete  (Patiti) 
sich  gefallen  ließ. 

vcrgicichuns  Wer  will  es  nun  unternehmen,  die  ungeheure  Surrune  von  Immorali- 
tät,  welche  in  den  geschilderten  \'crhältnissen  liegt,  mit  dem  zu  ver- 
gleichen, was  in  andern  Ländern  geschah.  War  die  Ehe  z.  B.  in  Frank- 


mit  andern 
Völkern 


SITTE  UND  RELIGION  255 

reich  während  des  15.  Jahrhunderts  wirklich  heihger  als  in  Italien?  Die 
Fabliaux  und  Farcen  erregen  starke  Zweifel,  und  man  sollte  glauben, 
daß  die  Untreue  ebenso  häufig,  nur  der  tragische  Ausgang  seltener  ge- 
wesen, weil  das  Indi\iduum  mit  seinen  Ansprüchen  weniger  entwickelt 
war.  Eher  möchte  zugunsten  der  germanischen  Völker  ein  entscheidendes 
Zeugnis  vorhanden  sein,  nämlich  jene  größere  gesellschaftliche  Freiheit 
der  Frauen  und  Mädchen,  welche  den  Italicnern  in  England  und  in 
den  Niederlanden  so  angenehm  auffiel  (Anm.  Nr.  779).  Und  doch  wird 
man  auch  hierauf  kein  zu  großes  Gewicht  legen  dürfen.  Die  Untreue 
war  gewiß  ebenfalls  sehr  häufig  und  der  individuell  entwickeltere  Mensch 
treibt  es  auch  hier  bis  zur  Tragödie.  Man  sehe  nur,  wie  die  damaligen 
nordischen  Fürsten  bisweilen  auf  den  ersten  Verdacht  hin  mit  ihren 
Gemahlinnen  umgehen. 

Innerhalb  des  Unerlaubten  aber  bewegte  sich  bei  den  damaligen  dr-  verget- 
Italienern  nicht  nur  das  gemeine  Gelüste,  nicht  nur  die  dumpfe  Begier  ^"^ " 
des  gewöhnlichen  Menschen,  sondern  auch  die  Leidenschaft  der  Edelsten 
und  Besten;  nicht  bloß  weil  die  unverheirateten  Mädchen  sich  außer- 
halb der  Gesellschaft  befanden,  sondern  auch,  weil  gerade  der  voll- 
kommene Mann  am  stärksten  angezogen  wurde  von  dem  bereits  durch 
die  Ehe  ausgebildeten  weiblichen  Wesen.  Diese  Männer  sind  es,  welche 
die  höchsten  Töne  der  lyrischen  Poesie  angeschlagen  und  auch  in  Ab- 
handlungen und  Dialogen  von  der  verzehrenden  Leidenschaft  ein  ver- 
klärtes Abbild  zu  geben  versucht  haben:  l'amor  divino.  Wenn  sie  über 
die  Grausamkeit  des  geflügelten  Gottes  klagen,  so  ist  damit  nicht  bloß 
die  Hartherzigkeit  der  Geliebten  oder  ihre  Zurückhaltung  gemeint,  son- 
dern auch  das  Bewußtsein  der  Unrechtmäßigkeit  der  Verbindung.  Über 
dieses  Unglück  suchen  sie  durch  jene  Vergeistigung  der  Liebe  sich  zu 
erheben,  welche  sich  an  die  platonische  Seelenlehre  anlehnt  und  in  Pietro  pietroBembo 
Bembo  ihren  berühmtesten  Vertreter  gefunden  hat.  Man  hört  ihn  un-  '' 

mittelbar  im  dritten  Buch  seiner  Asolani,  und  mittelbar  durch  Castiglione, 
welcher  ihm  jene  prachtvolle  Schlußrede  des  vierten  Buches  des  Corti- 
giano  in  den  Mund  legt.  Beide  Autoren  waren  im  Leben  keine  Stoiker, 
aber  in  jener  Zeit  wollte  es  schon  etwas  heißen,  wenn  man  ein  berühmter 
und  zugleich  ein  guter  Mann  war,  und  diese  Prädikate  kann  man  beiden 
nicht  versagen.  Die  Zeitgenossen  nahmen  das,  was  sie  sagten,  für  wahr- 
haft gefühlt,  und  .so  dürfen  auch  wir  es  nicht  als  bloßes  Phrasenwerk 
verachten.  Wer  sich  die  Mühe  nimmt,  die  Rede  im  Cortigiano  nachzu- 
lesen, wird  einsehen,  wie  wenig  ein  Exzerpt  einen  Begriff  davon  geben 
könnte.  Damals  lebten  in  Italien  einige  vornehme  Frauen,  welche  wesent- 
lich durch  Verhältnisse  dieser  Art  berühmt  wurden,  wie  Giulia  Gonzaga, 
Veronica  da  Coreggio  und  vor  allen  Vittoria  Colonna.  Das  Land  der 


256  SITTE  UND  RELIGION 

Stärksten  Wüstlinge  und  der  größten  Spötter  respektierte  diese  Gattung 
von  Liebe  und  diese  Weiber:  Größeres  läßt  sich  nicht  zu  ihren  Gunsten 
sagen.  Ob  etwas  Eitelkeit  dabei  war,  ob  Vittoria  den  sublimicrten  Aus- 
druck hoffnungsloser  Liebe  von  selten  der  berühmtesten  Männer  Italiens 
gerne  um  sich  herum  tönen  hörte,  wer  mag  es  entscheiden?  Wenn  die 
Sache  stellenweise  eine  Mode  wurde,  so  war  es  immerhin  kein  kleines, 
daß  Vittoria  wenigstens  nicht  aus  der  Mode  kam  und  daß  sie  in  der 
spätesten  Zeit  noch  die  stärksten  Eindrücke  hervorbrachte.  —  Es  dauerte 
lange,  bis  andere  Länder  irgend  ähnliche  Erscheinungen  aufwiesen. 

Die  Phantasie,  welche  dieses  Volk  mehr  als  ein  anderes  beherrscht, 
ist  dann  überhaupt  eine  allgemeine  Ursache  davon,  daß  jede  Leiden- 
schaft in  ihrem  Verlauf  überaus  heftig  und  je  nach  Umständen  ver- 
brecherisch in  den  Mitteln  wird.  Man  kennt  eine  Heftigkeit  der  Schwäche, 
die  sich  nicht  beherrschen  kann;  hier  dagegen  handelt  es  sich  um  eine 
Ausartung  der  Kraft.  Bisweilen  knüpft  sich  daran  eine  Entwicklung  ins 
Kolossale;  das  Verbrechen  gewinnt  eine  eigene,  persönliche  Konsistenz. 
Allgemeiner  Schranken  gibt  es  nur  noch  wenige.  Der  Gegenwirkung  des  illegitimen, 
auf  Gewalt  gegründeten  Staates  mit  seiner  Polizei  fühlte  sich  jedermann, 
auch  das  gemeine  Volk,  innerlich  entwachsen,  und  an  die  Gerechtigkeit 
der  Justiz  glaubt  man  allgemein  nicht  mehr.  Bei  einer  Mordtat  ist,  bevor 
man  irgend  die  nähern  Umstände  kennt,  die  Sympathie  unwillkürlich 
auf  Seiten  des  Mörders^'^.  Ein  männliches,  stolzes  Auftreten  vor  und 
während  der  Hinrichtung  erregt  vollends  solche  Bewunderung,  daß  die 
Erzähler  darob  leicht  vergessen  zu  melden,  warum  der  Betreffende  ver- 
urteilt war^'^.  Wenn  aber  irgendwo  zu  der  innerlichen  Verachtung  der 
Justiz  und  zu  den  \ielcn  aufgesparten  Vendetten  noch  die  Straflosigkeit 
hinzutritt,  etwa  in  Zeiten  politischer  Unruhen,  dann  scheint  sich  bis- 
weilen der  Staat  und  das  bürgerliche  Leben  auflösen  zu  wollen.  Solche 
Momente  hatte  Neapel  beim  Übergang  von  der  aragonesischen  auf  die 
französische  und  auf  die  spanische  Herrschaft,  solche  hatte  auch  Mailand 
bei  der  mehrmaligen  Vertreibung  und  Wiederkehr  der  Sforza.  Da  kom- 
men jene  Menschen  zum  Vorschein,  welche  den  Staat  und  die  Gesell- 
schaft insgeheim  niemals  anerkannt  haben  und  nun  ihre  räuberische 
und  mörderische  Selbstsucht  ganz  souverän  walten  lassen.  Betrachten 
wir  beispielshalber  ein  Bild  dieser  Art  aus  einem  kleinern  Kreise. 

Als  das  Herzogtum  Mailand  bereits  um  1480  durch  die  Innern  Krisen 
nach  dem  Tode  des  Galeazzo  Maria  Sforza  erschüttert  war,  hörte  in 
den  Provinzialstädten  jede  Sicherheit  auf  So  in  Parma*"*,  wo  der  mai- 
ländischc  Gubcrnator,  durch  Mordanschläge  in  Schrecken  gesetzt,  sich 
die  Freilassung  furchtbarer  Menschen  abdringen  ließ,  wo  Einbrüche, 
Dcmolitionen  von  Häusern.  öffentUche  Mordtaten  etwas  Gewöhnliches 


SITTE  UND  RELIGION  257 

wurden,  wo  zuerst  maskierte  Verbrecher  einzeln,  dann  ohne  Scheu  jede 
Nacht  große  bewaffnete  Scharen  herumzogen;  dabei  zirkuherten  frevel- 
hafte Spaße,  Satiren,  Drohbriefe,  und  es  erschien  ein  Spottsonett  gegen 
die  Behörden,  welches  dieselben  offenbar  mehr  empörte  als  der  entsetz- 
liche Zustand  selbst.  Daß  in  vielen  Kirchen  die  Tabernakel  samt  den 
Hostien  geraubt  wurden,  verrät  noch  eine  besondere  Farbe  und  Rich- 
tung jener  Ruchlosigkeit.  Nun  ist  es  wohl  unmöglich  zu  erraten,  was 
in  jedem  Lande  der  Welt  auch  heute  geschehen  würde,  wenn  Regierung 
und  Polizei  ihre  Tätigkeit  einstellten  und  dennoch  durch  ihr  Dasein  die 
Eildung  eines  provisorischen  Regimentes  unmöglich  machten;  allein, 
was  damals  in  Italien  bei  solchen  Anlässen  geschah,  trägt  doch  wohl 
einen  besonderen  Charakter  durch  starke  Einmischung  der  Rache. 

Im  allgemeinen  macht  das  Italien  der  Renaissance  den  Eindruck,  als 
ob  auch  in  gewöhnlichen  Zeiten  die  großen  Verbrechen  häufiger  ge- 
wesen wären  als  in  andern  Ländern.  Freilich  könnte  uns  wohl  der  Um- 
stand täuschen,  daß  wir  hier  verhältnismäßig  weit  mehr  Spezielles  davon 
erfahren  als  irgend  anderswo  und  daß  dieselbe  Phantasie,  welche  auf 
das  tatsächliche  Verbrechen  wirkt,  auch  das  nichtgeschehene  ersinnt. 
Die  Summe  der  Gewalttaten  war  vielleicht  anderswo  dieselbe.  Ob  der 
Zustand  z.  B.  in  dem  kraftvollen,  reichen  Deutschland  um  1500,  mit 
seinen  kühnen  Landstreichern,  gewaltigen  Bettlern  und  wegelagernden 
Rittern  im  ganzen  sicherer  gewesen,  ob  das  Menschenleben  wesenthch 
besser  garantiert  war,  läßt  sich  schwer  ermitteln.  Aber  so  viel  ist  sicher, 
daß  das  prämeditierte,  besoldete,  durch  dritte  Hand  geübte,  auch  das 
zum  Gewerbe  gewordene  Verbrechen  in  Italien  eine  große  und  schreck- 
liche Ausdehnung  gewonnen  hatte. 

Blicken  wir  auf  das  Räuberwesen,  so  wird  vielleicht  Italien  damals  Räuberwesen 
nicht  mehr,  in  glücklichern  Gegenden  wie  z.  B.  Toskana  sogar  weniger 
davon  heimgesucht  gewesen  sein  als  die  meisten  Länder  des  Nordens. 
Aber  es  gibt  wesentlich  italienische  Figuren.  Schwerlich  findet  sich  an- 
derswo z.  B.  die  Gestalt  des  durch  Leidenschaft  verwilderten,  allmähhch 
zum  Räuberhauptmann  gewordenen  Geistlichen,  wovon  jene  Zeit  unter 
andern  folgendes  Beispiel  liefert*'*.  Am  12.  August  1495  wurde  in  einen 
eisernen  Käfig  außen  am  Turm  von  S.  Giuliano  zu  Ferrara  eingeschlossen 
der  Priester  Don  Nicolö  de'Pelegati  von  Figarolo.  Derselbe  hatte  zweimal 
seine  erste  Messe  gelesen;  das  erste  Mal  hatte  er  an  demselben  Tage  einen 
Mord  begangen  und  war  darauf  in  Rom  absolviert  worden;  nachher 
tötete  er  vier  Menschen  und  heiratete  zwei  Weiber,  mit  welchen  er 
herumzog.  Dann  war  er  bei  vielen  Tötungen  anwesend,  notzüchtigte 
Weiber,  führte  andere  mit  Gewalt  fort,  übte  Raub  in  Masse,  tötete  noch 
viele  und  zog  im  Ferraresischen  mit  einer  uniformierten  bewaffneten 

Burckhardt  17 


258  SITTE  UND  RELIGION 

Bande  herum,  Nahrung  und  Obdach  mit  Mord  und  Gewalt  erzwingend. 
—  Wenn  man  sich  das  Dazwischenhegende  hinzudenkt,  so  ergibt  sich 
für  den  Priester  eine  ungeheure  Summe  des  Frevels.  Es  gab  damals 
überall  viele  Mörder  und  andere  Missetäter  unter  den  so  wenig  beauf- 
sichtigten und  so  hoch  privilegierten  Geistlichen  und  Mönchen,  aber 
kaum  einen  Pelegati.  Etwas  anderes,  obwohl  auch  nichts  Rühmliches, 
ist  es,  wenn  verlorene  Menschen  sich  in  die  Kutte  stecken  dürfen,  um 
der  Justiz  zu  entgehen,  wie  z.  B.  jener  Korsar,  den  Massuccio  in  einem 
Kloster  zu  Neapel  kannte^''.  Wie  es  sich  mit  Papst  Johann  XXIII.  in 
dieser  Beziehung  verhielt,  ist  nicht  näher  bekannt*'". 

Die  Zeit  der  individuell  berühmten  Räuberhauptleute  beginnt  übri- 
gens erst  später,  im  17.  Jahrhundert,  als  die  politischen  Gegensätze, 
Guelfen  und  Ghibellinen,  Spanier  und  Franzosen,  das  Land  nicht  mehr 
in  Bewegung  setzten;  der  Räuber  löst  den  Parteigänger  ab. 

verwüderte  In  gcwisscu  Gegenden  von  Italien,  wo  die  Kultur  nicht  hindrang, 
^''"^"'  waren  die  Landleute  permanent  mörderisch  gegen  jeden  von  draußen, 
der  ihnen  in  die  Hände  fiel.  So  namentlich  in  den  entlegenem  Teilen 
des  Königreiches  Neapel,  wo  eine  uralte  Verwilderung  vielleicht  seit 
der  römischen  Latifundienwirtschaft  sich  erhalten  hatte,  und  wo  man 
den  Fremden  und  den  Feind,  hospes  und  hostis,  noch  in  aller  Unschuld 
für  gleichbedeutend  halten  mochte.  Diese  Leute  waren  gar  nicht  irreli- 
giös; es  kam  vor,  daß  ein  Hirt  voll  Angst  im  Beichtstuhl  erschien,  um 
zu  bekennen,  daß  ihm  während  der  Fasten  beim  Käsemachen  ein  paar 
Tropfen  Milch  in  den  Mund  gekommen.  Freilich  fragte  der  sittenkundige 
Beichtvater  bei  diesem  Anlaß  auch  noch  aus  ihm  heraus,  daß  er  oft  mit 
seinen  Gefährten  Reisende  beraubt  und  ermordet  hatte,  nur  daß  dies 
als  etwas  Landübliches  keine  Gewissensbisse  rege  machte*".  Wie  sehr 
in  Zeiten  politischer  Unruhen  die  Bauern  auch  anderswo  verwdldern 
konnten,  ist  bereits  (S.  202)  angedeutet  worden. 

D.r  bez.hite  Ein  schlimmcrcs  Zeichen  der  damaligen  Sitte  als  die  Räuberei  ist  die 
Häufigkeit  der  bezahlten,  durch  dritte  Hand  geübten  Verbrechen.  Darin 
ging  zugestandenermaßen  Neapel  allen  andern  Städten  voran.  „Hier  ist 
gar  nichts  billiger  zu  kaufen  als  ein  Menschenleben",  sagt  Pontano****. 
Aber  auch  andere  Gegenden  weisen  eine  furchtbare  Reihe  von  ^'Iisse- 
taten  dieser  Art  auf.  Man  kann  dieselben  natürlich  nur  schwer  nach  den 
Motiven  sondern,  indem  politische  Zweckmäßigkeit,  Parteihaß,  persön- 
liche Feindschaft,  Rache  und  Furcht  durcheinanderwirkten.  Es  macht 
den  Florentinern  die  größte  Ehre,  daß  damals  bei  ihnen,  dem  höchst- 
entwickelten Volke  von  Italien,  dergleichen  am  wenigsten  vorkommt**^ 
vielleicht  weil  es  fiir  berechtigte  Beschwerden  noch  eine  Justiz  gab,  die 
man  anerkannte,  oder  weil  die  höhere  Kultur  den  Menschen  eine  andere 


SITTE  UND  RELIGION 


259 


Ansicht  verlieh  über  das  verbrecherische  Eingreifen  in  das  Rad  des 
Schicksals;  wenn  irgendwo,  so  erwog  man  in  Florenz,  wie  eine  Blut- 
schuld unberechenbar  weiter  wirkt  und  wie  wenig  der  Anstifter  auch  bei 
einem  sogenannten  nützlichen  Verbrechen  eines  überwiegenden  und 
dauernden  Vorteils  sicher  ist.  Nach  dem  Untergang  der  florentinischen 
Freiheit  scheint  der  Meuchelmord,  hauptsächlich  der  gedungene,  rasch 
zugenommen  zu  haben,  bis  die  Regierung  Cosimos  I.  so  weit  zu  Kräften 
kam,  daß  seine  Polizei®**  allen  Missetaten  gewachsen  war. 

Im  übrigen  Italien  wird  das  bezahlte  Verbrechen  häufiger  oder  sel- 
tener gewesen  sein,  je  nachdem  zahlungsfähige  hochgestellte  Anstifter 
vorhanden  waren.  Es  kann  niemandem  einfallen,  dergleichen  statistisch 
zusammenzufassen,  allein  wenn  von  all  den  Todesfällen,  die  das  Gerücht 
als  gewaltsam  herbeigeführt  betrachtete,  auch  nur  ein  kleiner  Teil  wirk- 
liche Mordtaten  waren,  so  macht  dies  schon  eine  große  Summe  aus. 
Fürsten  und  Regierungen  gaben  allerdings  das  schlimmste  Beispiel:  sie 
machten  sich  gar  keine  Bedenken  daraus,  den  Mord  unter  die  Mittel 
ihrer  Allmacht  zu  zählen.  Es  bedurfte  dazu  noch  keines  Cesare  Borgia; 
auch  die  Sforza,  die  Aragonesen,  später  auch  die  Werkzeuge  Karls  V. 
erlaubten  sich  was  zweckmäßig  schien. 

Die  Phantasie  der  Nation  erfüllte  sich  allmählich  dergestalt  mit  Vor- 
aussetzungen dieser  Art,  daß  man  bei  Mächtigen  kaum  mehr  an  einen 
natürlichen  Tod  glaubte.  Freilich  machte  man  sich  von  der  Wirkungs- 
kraft der  Gifte  bisweilen  fabelhafte  Vorstellungen.  Wir  wollen  glauben, 
daß  jenes  furchtbare  weiße  Pulver  (S.  68)  der  Borgia  auf  bestimmte 
Termine  berechnet  werden  konnte,  und  so  mag  auch  dasjenige  Gift 
wirklich  ein  venenum  atterminatum  gewesen  sein,  welches  der  Fürst  von 
Salemo  dem  Kardinal  von  Aragon  reichte  mit  den  Worten:  ,,in  wenigen 
Tagen  wirst  du  sterben,  weil  dein  Vater,  König  Ferrante,  uns  alle  hat 
zertreten  wollen**'."  Aber  der  vergiftete  Brief,  welchen  Caterina  Riario 
an  Papst  Alexander  VI.  sandte***,  würde  diesen  schwerlich  umgebracht 
haben,  auch  wenn  er  ihn  gelesen  hätte;  und  als  Alfons  der  Große  von 
den  Ärzten  gewarnt  wurde,  ja  nicht  in  dem  Li\'ius  zu  lesen,  den  ihm 
Cosimo  de'Medici  übersandte,  antwortete  er  ihnen  gewiß  mit  Recht: 
höret  auf,  so  töricht  zu  reden***.  Vollends  hätte  jenes  Gift  nur  sym- 
pathetisch wirken  können,  womit  der  Sekretär  Piccininos  den  Tragstuhl 
des  Papstes  Pius  II.  nur  ein  wenig  anstreichen  wollte***.  Wie  weit  es 
sich  durchschnittUch  um  mineralische  oder  Pflanzengifte  handelte,  läßt 
sich  nicht  bestimmen;  die  Flüssigkeit,  mit  welcher  der  Maler  Rosso 
Fiorentino  (1541)  sich  das  Leben  nahm,  war  offenbar  eine  heftige 
Säure**',  welche  man  keinem  andern  hätte  unbemerkt  beibringen  kön- 
nen. —  Für  den  Gebrauch  der  Waffen,  zumal  des  Dolches,  zu  heimlicher 

17» 


Fiirstüche 
?iIordstifter 


Die  Ver- 
giftUDgeu 


200  SITTE  UND  RELIGION 

Gewalttat  hatten  die  Großen  in  Mailand,  Neapel  und  anderswo  leider 
einen  unaufhörlichen  Anlaß,  indem  unter  den  Scharen  von  Bewaffneten, 
welche  sie  zu  ihrem  eigenen  Schutze  nötig  hatten,  schon  durch  den 
bloßen  Müßiggang  hie  und  da  sich  eine  wahre  Mordlust  ausbilden 
mußte.  Manche  Greueltat  wäre  wohl  unterblieben,  wenn  der  Herr  nicht 
gewußt  hätte,  daß  es  bei  diesem  und  jenem  aus  seinem  Gefolge  nur  eines 
Winkes  bedürfe. 

Unter  den  geheimen  Mitteln  des  Verderbens  kommt  —  wenigstens 
der  Absicht  nach  —  auch  die  Zauberei  vor^^,  doch  nur  in  sehr  unter- 
geordneter Weise.  Wo  etwa  maleficii,  malie  u.  dgl.  erwähnt  werden,  ge- 
schieht es  meist,  um  auf  ein  ohnehin  gehaßtes  oder  abscheuliches  Indi- 
viduum alle  erdenklichen  Schrecken  zu  häufen.  An  den  Höfen  von  Frank- 
reich und  England  im  14.  und  15.  Jahrhundert  spielt  der  verderbliche, 
tödliche  Zauber  eine  viel  größere  Rolle,  als  unter  den  höhern  Ständen 
Abb.  1S2     von  Italien. 
Die  absoluten      EudHch  ersclicinen  in  diesem  Lande,  wo  das  Individuelle  in  jeder 
"        Weise  kulminiert,  einige  Menschen  von  absoluter  Ruchlosigkeit,  bei 
welchen  das  Verbrechen  auftritt  um  seiner  selbst  willen,  nicht  mehr  als 
Mittel  zu  einem  Zweck,  oder  wenigstens  als  Mittel  zu  Zwecken,  welche 
sich  aller  psychologischen  Norm  entziehen. 

Zu  diesen  entsetzlichen  Gestalten  scheinen  zunächst  auf  den  ersten 
Abb.  79  Anblick  einige  Kondottieren  zu  gehören^^*,  ein  Braccio  von  Montone, 
ein  Tiberto  Brandolino,  und  schon  ein  Werner  von  Urslingen,  dessen 
silbernes  Brustschild  die  Inschrift  trug:  Feind  Gottes,  des  Mitleids  und 
der  Barmherzigkeit.  Daß  diese  Menschenklasse  im  ganzen  zu  den  früh- 
sten völlig  emanzipierten  Frevlern  gehörte,  ist  gewiß.  Man  wird  jedoch 
behutsamer  urteilen,  sobald  man  innewird,  daß  das  allerschwerste  Ver- 
brechen derselben  —  nach  dem  Sinne  der  Aufzeichner  —  im  Trotz 
gegen  den  geistlichen  Bann  liegt  und  daß  die  ganze  Persönlichkeit  erst 
von  da  aus  mit  jenem  fahlen,  unheimlichen  Lichte  bestrahlt  erscheint. 
Bei  Braccio  war  diese  Gesinnung  allerdings  so  weit  ausgebildet,  daß  er 
z.  B.  über  psallicrendc  Mönche  in  Wut  geraten  konnte  und  sie  von  einem 
Turm  herunterwerfen  ließ^*",  ,, allein  gegen  seine  Soldaten  war  er  doch 
loyal  und  ein  großer  Feldlierr".  Überhaupt  werden  die  Verbrechen  der 
Kondottieren  meist  um  des  Vorteils  willen  begangen  worden  sein,  auf 
Antrieb  ihrer  höchst  demoralisierenden  Stellung,  und  auch  die  schein- 
bar mutwillige  Grausamkeit  möchte  in  der  Regel  ihren  Zweck  gehabt 
haben,  wäre  es  auch  nur  der  einer  allgemeinen  Einschüchterung  gewesen. 
Die  Grausamkeiten  der  Aragonesen  hatten,  wie  wir  (S.  21)  sahen,  ihre 
Hauptquelle  in  Rachsucht  und  Angst.  Einen  unbedingten  Blutdurst, 
eine  teuflische  Lust  am  Verderben  wird  man  am  ehesten  bei  dem  Spanier 


SITTE  UND  RELIGION 


261 


Abb.  74 


'\n<\  Indivi- 
^luali&uius 


Cesare  Borgia  finden,  dessen  Greuel  die  vorhandenen  Zwecke  in  der  Tat 
um  ein  Bedeutendes  überschreiten  (S.  66  ff.).  Sodann  ist  eine  eigentliche 
Lust  am  Bösen  in  Sigismondo  Malatesta,  dem  Gewaltherrscher  von  sig.Maiatesta 
Rimini  fS.  20  und  127  f.)  erkennbar;  es  ist  nicht  nur  die  römische  Kurie^", 
sondern  auch  das  Urteil  der  Geschichte,  welches  ihm  Mord,  Notzucht, 
Ehebruch,  Blutschande,  Kirchenraub,  Meineid  und  Verrat  und  zwar  in 
wiederholten  Fällen  schuld  gibt;  das  Gräßhchste  aber,  die  versuchte  Not- 
zucht am  eigenen  Sohn  Roberto,  welche  dieser  mit  gezücktem  Dolche 
zurückwies*'*,  möchte  doch  wohl  nicht  bloß  Sache  der  Verworfenheit, 
sondern  eines  astrologischen  oder  magischen  Aberglaubens  gewesen  sein. 
Dasselbe  hat  man  schon  vermutet,  um  die  Notzüchtigung  des  Bischofs 
von  Fano^'^  durch  Pierluigi  Farnese  von  Parma,  Sohn  Pauls  III.,  zu 
erklären. 

Wenn  wir  uns  nun  erlauben  dürfen  die  Hauptzüge  des  damaligen  sittuchkeit 
italienischen  Charakters,  wie  er  uns  aus  dem  Leben  der  höhern  Stände 
überliefert  ist,  zusammenzufassen,  so  würde  sich  etwa  folgendes  ergeben. 
Der  Grundmangel  dieses  Charakters  erscheint  zugleich  als  die  Bedingung 
seiner  Größe:  der  entwickelte  Individualismus.  Dieser  reißt  sich  zuerst 
innerlich  los  von  dem  gegebenen  meist  tyrannischen  und  illegitimen 
Staatswesen,  und  was  er  nun  sinnt  und  tut,  das  wird  ihm  zum  Verrat 
angerechnet,  mit  Recht  oder  mit  Unrecht.  Beim  Anblick  des  siegreichen 
Egoismus  unternimmt  er  selbst,  in  eigener  Sache,  die  Verteidigung  des 
Rechtes  und  verfällt  durch  die  Rache,  die  er  übt,  den  dunkeln  Gewalten, 
während  er  seinen  innem  Frieden  herzustellen  glaubt.  Seine  Liebe  wen- 
det sich  am  ehesten  einem  andern  entwickelten  Indi\adualismus  zu,  näm- 
lich der  Gattin  seines  Nächsten.  Gegenüber  von  allem  Objektiven,  von 
Schranken  und  Gesetzen  jeder  Art  hat  er  das  Gefühl  eigener  Souveräni- 
tät und  entschheßt  sich  in  jedem  einzelnen  Fall  selbständig,  je  nachdem 
in  seinem  Innem  Ehrgefühl  und  Vorteil,  kluge  Erwägung  und  Leiden- 
schaft, Entsagung  und  Rachsucht  sich  vertragen. 

Wenn  nun  die  Selbstsucht  im  weitem  wie  im  engem  Sinne  Wurzel 
und  Hauptstamm  alles  Bösen  ist,  so  wäre  schon  deshalb  der  entwickelte 
Italiener  damals  dem  Bösen  näher  gewesen  als  andere  Völker. 

Aber  diese  individuelle  Entwickclung  kam  nicht  durch  seine  Schuld 
über  ihn,  sondern  durch  einen  weltgeschichtlichen  Ratschluß;  sie  kam 
auch  nicht  über  ihn  allein,  sondern  wesentlich  vermittelst  der  italieni- 
schen Kultur  auch  über  alle  andern  Völker  des  Abendlandes  und  ist 
seitdem  das  höhere  Medium,  in  welchem  dieselben  leben.  Sie  ist  an  sich 
weder  gut  noch  böse,  sondern  notwendig;  innerhalb  derselben  entwickelt 
sich  ein  modernes  Gutes  und  Böses,  eine  sittliche  Zurechnung,  welche 
von  der  des  Mittelalters  wesentlich  verschieden  ist. 


202  SITTE  UND  RELIGION 

Der  Italiener  der  Renaissance  aber  hatte  das  erste  gewaltige  Daher- 
wogen  dieses  neuen  Weltalters  zu  bestehen.  Mit  seiner  Begabung  und 
seinen  Leidenschaften  ist  er  für  alle  Höhen  und  alle  Tiefen  dieses  Welt- 
alters der  kenntlichste,  bezeichnendste  Repräsentant  geworden;  neben 
tiefer  Verworfenheit  entwickelt  sich  die  edelste  Harmonie  des  Persön- 
lichen und  eine  glorreiche  Kunst,  welche  das  individuelle  Leben  ver- 
herrlichte, wie  weder  Altertum  noch  Mittelalter  dies  wollten  oder  konnten. 


Die  Reiisiüii  Mit  dcr  Sittlichkeit  eines  Volkes  steht  in  engstem  Zusammenhang  die 
Frage  nach  seinem  Gottesbewußtsein,  d.  h.  nach  seinem  großem  oder 
geringem  Glauben  an  eine  göttliche  Leitung  der  Welt,  mag  nun  dieser 
Glaube  die  Welt  für  eine  zum  Glück  oder  zum  Jammer  und  baldigen 
Untergang  bestimmte  halten^**.  Nun  ist  der  damalige  italienische  Un- 
glaube im  allgemeinen  höchst  berüchtigt,  und  wer  sich  noch  die  Mühe 
eines  Beweises  nimmt,  hat  es  leicht,  Hunderte  von  Aussagen  und  Bei- 
spielen zusammenzustellen.  Unsere  Aufgabe  ist  auch  hier,  zu  sondern 
und  zu  unterscheiden;  ein  abschließendes  Gesamturteil  werden  wir  uns 
auch  hier  nicht  erlauben. 

Das  Gottesbewußtsein  der  frühern  Zeit  hat  seine  Quelle  und  seinen 
Anhalt  im  Christentum  und  in  dessen  äußerer  Machtgestalt,  der  Kirche, 
gehabt.  Als  die  Kirche  ausartete,  hätte  die  Menschheit  distinguieren  und 
ihre  Religion  trotz  allem  behaupten  sollen.  Aber  ein  solches  Postulat 
läßt  sich  leichter  aufstellen  als  erfüllen.  Nicht  jedes  Volk  ist  ruhig  oder 
stumpfsinnig  genug,  um  einen  dauernden  Widerspruch  zwischen  einem 
Prinzip  und  dessen  äußerer  Darstellung  zu  ertragen.  Die  sinkende  Kirche 
ist  es,  auf  welche  jene  schwerste  Verantwortung  fällt,  die  je  in  der  Ge- 
schichte vorgekommen  ist:  sie  hat  eine  getrübte  und  zum  Vorteil  ihrer 
Allmacht  entstellte  Lehre  mit  allen  Mitteln  der  Gewalt  als  reine  Wahr- 
heit durchgesetzt  und  im  Gefühl  ihrer  Unantastbarkeit  sich  der  schwer- 
sten Entsittlichung  überlassen;  sie  hat,  um  sich  in  solchem  Zustande  zu 
behaupten,  gegen  den  Geist  und  das  Gewissen  der  Völker  tödliche 
Streiche  geführt  und  viele  von  den  Höherbegabten,  welche  sich  ihr  inner- 
lich entzogen,  dem  Unglauben  und  der  Verbitterung  in  die  Arme  ge- 
trieben. 

Mangel  einer      Hicr  stcUt  sicl'.  uus  auf  dcm  Wege  die  Frage  entgegen:  warum  das  gei- 
p  onna  lon  ^^.^  ^^  mächtigc  Italien  nicht  kräftiger  gegen  die  Hierarchie  reagiert,  war- 
um es  nicht  eine  Reformation  gleich  der  deutschen  und  vor  derselben 
zustande  gebracht  habe? 

Es  gibt  eine  scheinbare  Antwort:  die  Stimmung  Italiens  habe  es  nicht 
über  die  Verneinung  der  Hierarchie  hinausgebratht,  während  Ursprung 


SITTE  UND  RELIGION  363 

und  Unbezwingbarkeit  der  deutschen  Reformation  den  positiven  Lehren, 
zumal  von  der  Rechtfertigung  durch  den  Glauben  und  \om  Unwert  der 
guten  Werke,  verdankt  werde. 

Es  ist  gewiß,  daß  diese  Lehren  erst  von  Deutschland  her  auf  Italien 
wirkten,  und  zwar  viel  zu  spät,  als  die  spanische  Macht  bei  weitem  groß 
genug  war,  um  teils  unmittelbar,  teils  durch  das  Papsttum  und  dessen 
Werkzeuge  alles  zu  erdrücken*^^.  Aber  schon  in  den  frühem  religiösen 
Bewegungen  Italiens  von  den  Mystikern  des  13.  Jahrhunderts  bis  auf 
Savonarola  war  auch  sehr  viel  positiver  Glaubensinhalt,  dem  zur  Reife 
nichts  als  das  Glück  fehlte,  wie  es  ja  dem  sehr  positiv  christlichen  Huge- 
nottentum  auch  fehlte.  Kolossale  Ereignisse  wie  die  Reform  des  16.  Jahr- 
hunderts entziehen  sich  wohl  überhaupt,  was  das  einzelne,  den  Ausbruch 
und  Hergang  betrifft,  aller  geschichtsphilosophischen  Deduktion,  so  klar 
man  auch  ihre  Notwendigkeit  im  großen  und  ganzen  ervveisen  kann. 
Die  Bewegungen  des  Geistes,  ihr  plötzHches  Aufblitzen,  ihre  Verbreitung, 
ihr  Innehalten  sind  und  bleiben  unsern  Augen  wenigstens  insoweit  ein 
Rätsel,  als  wir  von  den  dabei  tätigen  Kräften  immer  nur  diese  und  jene, 
aber  niemals  alle  kennen. 

Die  Stimmung  der  höhern  und  mittlem  Stände  Italiens  gegen  die  steiinngiur 
Kirche  zur  Zeit  der  Höhe  der  Renaissance  ist  zusammengesetzt  aus  tie- 
fem, verachtungsvollem  Unwillen,  aus  Akkommodation  an  die  Hierarchie, 
insofern  sie  auf  alle  Weise  in  das  äußere  Leben  vei^flochten  ist,  und  aus 
einem  Gefühl  der  Abhängigkeit  von  den  Sakramenten,  Weihen  und  Seg- 
nungen. Als  etwa  für  Italien  speziell  Bezeichnendes  dürfen  wir  noch  die 
große  individuelle  Wirkung  heiliger  Prediger  beifügen. 

Über  den  antihierarchischen  Unwillen  der  Italiener,  wie  er  sich  zu-  zur 
mal  seit  Dante  in  Literatur  und  Geschichte  offenbart,  sind  eigene  um-  "^""^  "" 
fangreiche  Arbeiten  vorhanden.  Von  der  Stellung  des  Papsttums  zur 
öffentlichen  Meinung  haben  wir  selber  oben  (S.  61  f.,  123)  einige  Rechen- 
schaft geben  müssen,  und  wer  das  Stärkste  aus  erlauchten  Quellen  schöp- 
fen will,  der  kann  die  berühmten  Stellen  in  Macchiavells  Discorsi  und 
in  (dem  unverstümmelten)  Guicciardini  nachlesen.  Außerhalb  der  römi- 
schen Kurie  genießen  noch  am  ehesten  die  bessern  Bischöfe  einigen  sitt- 
lichen Respekt^**,  auch  manche  Pfarrer;  dagegen  sind  die  bloßen  Pfründ- 
ner, Chorherren  und  Mönche  fast  ohne  Ausnahme  verdächtig  und  oft 
mit  der  schmachvollsten  Nachrede,  die  den  ganzen  betreffenden  Stand 
umfaßt,  übel  beladen. 

Man  hat  schon  behauptet,  die  Mönche  seien  zum  Sündenbock  für  nie  Bettei- 
den ganzen  Klerus  geworden,  weil  man  nur  über  sie  gefahrlos  habe 
spotten  dürfen**'.  Allein  dies  ist  auf  alle  Weise  irrig.  In  den  Novellen 
und  Komödien  kommen  sie  deshalb  vorzugsweise  vor,  weil  diese  beiden 


264  SITTE  UND  RELIGION 

Literaturgattungen  stehende,  bekannte  Typen  lieben,  bei  welchen  die 
Phantasie  leicht  das  nur  Angedeutete  ergänzt.  Sodann  schont  die  Novelle 
auch  den  Weltklerus  nicht^^*.  Drittens  beweisen  zahllose  Aufzeichnungen 
der  ganzen  übrigen  Literatur,  wie  keck  über  das  Papsttum  und  die 
römische  Kurie  öffentlich  geredet  und  geurteilt  wurde;  in  den  freien 
Schöpfungen  der  Phantasie  muß  man  aber  dergleichen  nicht  erwarten. 
Viertens  konnten  sich  auch  die  Mönche  bisweilen  furchtbar  rächen. 

Soviel  ist  immerhin  richtig,  daß  gegen  die  Mönche  der  Unwille  am 
stärksten  war,  und  daß  sie  als  lebendiger  Beweis  figurierten  von  dem  Un- 
wert des  Klosterlebens,  der  ganzen  geistlichen  Einrichtung,  des  Glau- 
benssystems, ja  der  Religion  überhaupt,  je  nachdem  man  die  Folgerungen 
mit  Recht  oder  Unrecht  auszudehnen  beliebte.  Man  darf  hierbei  wohl 
annehmen,  daß  Italien  eine  deutlichere  Erinnerung  von  dem  Aufkommen 
der  beiden  großen  Bettelorden  bewahrt  hatte  als  andere  Länder,  daß  es 
noch  ein  Bewußtsein  davon  besaß,  dieselben  seien  ursprünglich  die  Trä- 
ger jener  Reaktion^®'  gegen  das,  was  man  die  Ketzerei  des  13.  Jahr- 
hunderts nennt,  d.  h.  gegen  eine  frühe  starke  Regung  des  modernen 
italienischen  Geistes.  Und  das  geistliche  Polizeiamt,  welches  den  Domini- 
kanern insbesondere  dauernd  anvertraut  blieb,  hat  gewiß  nie  ein  anderes 
Gefühl  rege  gemacht  als  heimlichen  Haß  und  Hohn. 
Hohn  der  Wenn  man  den  Decamerone  und  die  Novellen  des  Franco  Sacchetti 
liest,  sollte  man  glauben,  die  frevelhafte  Rede  gegen  Mönche  und  Non- 
nen wäre  erschöpft.  Aber  gegen  die  Zeit  der  Reformation  hin  steigert 
sich  dieser  Ton  noch  um  ein  Merkliches.  Gerne  lassen  wir  Aretino  aus 
dem  Spiel,  da  er  in  den  Ragionamenti  das  Klosterleben  nur  zum  Vor- 
wand braucht,  um  seinem  eigenen  Naturell  den  Zügel  schießen  zu  lassen. 
Aber  einen  Zeugen  statt  aller  müssen  wir  hier  nennen:  Massuccio  in  den 
zehn  ersten  von  seinen  fünfzig  Novellen.  Sie  sind  in  der  tiefsten  Ent- 
rüstung und  mit  dem  Zweck,  dieselbe  zu  verbreiten,  geschrieben  und 
den  vornehmsten  Personen,  selbst  dem  König  Ferrante  und  dem  Prinzen 
Alfonso  von  Neapel  dediziert.  Die  Geschichten  selbst  sind  zum  Teil  älter 
und  einzelne  schon  aus  Boccaccio  bekannt;  anderes  aber  hat  eine  furcht- 
bare neapolitanische  Aktualität.  Die  Betörung  und  Aussaugung  der 
Volksmassen  durch  falsche  Wunder,  verbunden  mit  einem  schändlichen 
Wandel,  bringen  hier  einen  denkenden  Zuschauer  zu  einer  wahren  Ver- 
zweiflung. Von  herumziehenden  Minoriten  Konventualen  heißt  es:  ,,Sie 
betrügen,  rauben  und  huren,  und  wo  sie  nicht  mehr  weiter  wissen,  stellen 
Die  Bettel-  sic  sich  als  Heilige  und  tun  Wunder,  wobei  der  eine  das  Gewand  von 
d^  Novellen  '^-  Vincenzo,  der  andere  die  Schrift^""  S.  Bernardinos,  ein  Dritter  den 
Zaum  von  Capistranos  Esel  vorzeigt."  .  .  .  Andere  „bestellen  sich  Hel- 
fershelfer, welche,  scheinbar  blind  oder  totkrank,  durch  Berührung  des 


SITTE  UND  RELIGION  265 

Saumes  ihrer  Kutte  oder  der  mitgebrachten  Rehquien  plötzHch  mitten    Die  Bettel 

mönche  in 
den  Novellen 


im  Volksgewühl  genesen;  dann  schreit  alles  Misericordia!  man  läutet    '^  ""  "'^ 


die  Glocken  und  nimmt  lange  feierliche  Protokolle  auf."  Es  kommt  vor, 
daß  ein  Mönch  auf  der  Kanzel  von  einem  andern,  welcher  unter  dem 
Volke  steht,  keck  als  Lügner  angeschrien  wird;  dann  aber  fühlt  sich  der 
Rufende  plötzlich  von  Besessenheit  ergriffen,  worauf  ihn  der  Prediger 
bekehrt  und  heilt  —  alles  reine  Komödie.  Der  betreffende  mit  seinem 
Helfershelfer  sammelte  soviel  Geld,  daß  er  von  einem  Kardinal  ein  Bis- 
tum kaufen  konnte,  wo  beide  gemächlich  auslebten.  Massuccio  macht 
keinen  besondern  Unterschied  zwischen  Franziskanern  und  Dominika- 
nern, indem  beide  einander  wert  seien.  ,,Und  da  läßt  sich  das  unver- 
nünftige Publikum  noch  in  ihren  Haß  und  ihre  Parteiung  hineinziehen 
und  streitet  darüber  auf  öffentlichen  Plätzen*"!  und  teilt  sich  in  Franzes- 
chiner  und  Domenichiner!"  Die  Nonnen  gehören  ausschließlich  den 
Mönchen;  sobald  sie  sich  mit  Laien  abgeben,  werden  sie  eingekerkert 
und  verfolgt,  die  andern  aber  halten  mit  Mönchen  förmliche  Hochzeit, 
wobei  sogar  Messen  gesungen,  Kontrakte  aufgesetzt  und  Speise  und  Trank 
reichlich  genossen  werden.  ,,Ich  selber",  sagt  der  Verfasser,  ,,bin  nicht 
ein,  sondern  mehrere  Male  dabei  gewesen,  habe  es  gesehen  und  mit 
Händen  gegriffen.  Solche  Nonnen  gebären  dann  entweder  niedliche 
Mönchlein  oder  sie  treiben  die  Frucht  ab.  Und  wenn  jemand  behaupten 
möchte,  dies  sei  eine  Lüge,  so  untersuche  er  die  Kloaken  der  Nonnen- 
klöster, und  er  wird  darin  einen  Vorrat  von  zarten  Knöchlein  finden, 
nicht  viel  anders  als  in  Bethlehem  zu  Herodes  Zeiten."  Solche  und 
andere  Sachen  birgt  das  Klosterleben.  Freilich  machen  einander  die 
Mönche  es  in  der  Beichte  bequem  und  diktieren  ein  Paternoster  für 
Dinge,  um  derentwillen  sie  einem  Laien  alle  Absolution  versagen  wür- 
den gleich  einem  Ketzer.  „Darum  öffne  sich  die  Erde  und  verschlinge 
solche  Verbrecher  lebendig  samt  ihren  Gönnern."  An  einer  andern 
Stelle  äußert  Massuccio,  weil  die  Macht  der  Mönche  doch  wesentlich 
auf  der  Furcht  vor  dem  Jenseits  beruhe,  einen  ganz  merkwürdigen 
Wunsch:  ,,Es  gäbe  keine  bessere  Züchtigung  für  sie,  als  wenn  Gott 
recht  bald  das  Fegefeuer  aufhöbe;  dann  könnten  sie  nicht  mehr  von 
Almosen  leben  und  müßten  wieder  zur  Hacke  greifen." 

Wenn  man  unter  Ferrante  und  an  ihn  so  schreiben  durfte,  so  hing 
dies  vielleicht  damit  zusammen,  daß  der  König  durch  ein  auf  ihn  ge- 
münztes falsches  Wunder  erbittert  war*"^.  Man  hatte  ihn  durch  eine 
bei  Tarent  vergrabene  und  hernach  gefundene  Bleitafcl  mit  Inschrift 
zu  einer  Judenverfolgung  ähnlich  der  spanischen  zu  zwingen  gesucht, 
und,  als  er  den  Betrug  durchschaute,  ihm  Trotz  geboten.  Auch  einen 
falschen  Faster  hatte  er  entlarven  lassen,  wie  schon  früher  einmal  sein 


266 


SITTE  UND  RELIGION 


I)i(^  doraini- 
kauische  In- 
quisition 


Die  hüheni 
Orden 


Vater  König  Alfonso  tat.  Der  Hof  hatte  wenigstens  am  dumpfen  Aber- 
glauben keine  Mitschuld^"^. 

Wir  haben  einen  Autor  angehört,  dem  es  Ernst  war,  und  er  ist  lange 
nicht  der  einzige  in  seiner  Art.  Spott  und  Schimpf  über  die  Bettel- 
mönche sind  vollends  massenweise  vorhanden  und  durchdringen  die 
ganze  Literatur*"*.  Man  kann  kaum  daran  zweifeln,  daß  die  Renaissance 
binnen  kurzem  mit  diesen  Orden  aufgeräumt  haben  würde,  wenn  nicht 
die  deutsche  Reformation  und  die  Gegenreformation  darüber  gekommen 
wären.  Ihre  populären  Prediger  und  ihre  Heiligen  hätten  sie  schwer- 
lich gerettet.  Es  wäre  nur  darauf  angekommen,  daß  man  sich  mit  einem 
Papst,  der  die  Bettelorden  verachtete,  wie  z.  B.  Leo  X.,  zu  rechter  Zeit 
verabredet  hätte.  Wenn  der  Zeitgeist  sie  doch  nur  noch  entweder 
komisch  oder  abscheulich  fand,  so  waren  sie  für  die  Kirche  weiter 
nichts  mehr  als  eine  Verlegenheit.  Und  wer  weiß,  was  damals  dem 
Papsttum  selber  bevorstand,  wenn  die  Reformation  es  nicht  gerettet 
hätte. 

Die  Machtübung,  welche  sich  fortwährend  der  Pater  Inquisitor  eines 
Dominikanerklosters  über  die  betreffende  Stadt  erlaubte,  war  im  spä- 
tem 15.  Jahrhundert  gerade  noch  groß  genug,  um  die  Gebildeten  zu 
genieren  und  zu  empören,  aber  eine  dauernde  Furcht  und  Devotion 
ließ  sich  nicht  mehr  erzwingen*"^.  Bloße  Gesinnungen  zu  strafen  wie 
vor  Zeiten  (S.  lößf)  war  nicht  mehr  möglich,  und  vor  eigentlichen 
Irrlehren  konnte  sich  auch  derjenige  leicht  hüten,  der  sonst  gegen 
den  ganzen  Klerus  als  solchen  die  loseste  Zunge  führte.  Wenn  nicht 
eine  mächtige  Partei  mithalf  (wie  bei  Savonarola)  oder  böser  Zauber 
bestraft  werden  sollte  (wie  öfter  in  den  oberitalischen  Städten),  so  kam 
es  am  Ende  des  15.  und  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  nur  noch  selten 
bis  zum  Scheiterhaufen.  In  mehreren  Fällen  begnügten  sich  die  In- 
quisitoren, wie  es  scheint,  mit  höchst  oberflächlichem  Widerruf,  andere 
Male  kam  es  sogar  vor,  daß  man  ihnen  den  Verurteilten  auf  dem  Gange 
zum  Richtplatz  aus  den  Händen  nahm.  In  Bologna  (1452)  war  der 
Priester  Nicolö  da  Verona  als  Nekromant,  Teufelsbanner  und  Sakra- 
mentsschänder bereits  auf  einer  hölzernen  Bühne  vor  San  Domenico 
degradiert  worden  und  sollte  nun  auf  die  Piazza  zum  Scheiterhaufen 
geführt  werden,  als  ihn  unterwegs  eine  Schar  von  Leuten  befreite, 
welche  der  Johanniter  Achillc  Malvezzi,  ein  bekannter  Ketzerfreund 
und  Nonnenschänder,  gesandt  hatte.  Der  Legat  (Kardinal  Bessarion) 
konnte  hernach  von  den  Tätern  nur  eines  habhaft  werden,  der  ge- 
henkt wurde;  Malvezzi  lebte  ungestört  weiter'"*. 

Es  ist  bemerkenswert,  daß  die  hohem  Orden,  also  die  Benediktiner 
mit   ihren   Abzweigungen,   trotz  ihres   großen   Reichtums   und   Wohl- 


SITTE  UND  RELIGION  267 

lebens  weit  weniger  perhorresziert  waren  als  die  Bettelorden;  auf  zehn 
Novellen,  die  von  frati  handeln,  kommt  höchstens  eine,  welche  einen 
monaco  zum  Gegenstand  und  Opfer  hat.  Nicht  wenig  kam  diesen 
Orden  zugute,  daß  sie  älter  und  ohne  pohzeiliche  Absicht  gegründet 
waren  und  sich  nicht  in  das  Privatleben  einmischten.  Es  gab  darunter 
fromme,  gelehrte  und  geistreiche  Leute,  aber  den  Durchschnitt  schil- 
dert einer  von  ihnen,  Firenzuola^"',  wie  folgt:  ,, Diese  Wohlgenährten 
in  ihren  weiten  Kutten  bringen  ihr  Leben  nicht  hin  mit  barfüßigem 
Herumziehen  und  Predigen,  sondern  in  zierlichen  Korduanpantoffeln 
sitzen  sie  in  ihren  schönen  Zellen  mit  Zypressengetäfel  und  falten  die 
Hände  über  dem  Bauch.  Und  wenn  sie  je  einmal  sich  von  der  Stelle 
bemühen  müssen,  so  reiten  sie  gemächlich  auf  Maultieren  und  fetten 
Pferdchen  wie  zur  Erholung  herum.  Den  Geist  ermüden  sie  nicht  zu 
sehr  durch  Studium  vieler  Bücher,  damit  das  Wissen  ihnen  nicht  statt 
ihrer  mönchischen  Einfalt  einen  Luzifershochmut  beibringe." 

Wer  die  Literatur  jener  Zeiten  kennt,  wird  zugeben,  daß  hier  nur 
das  zum  Verständnis  des  Gegenstandes  Notwendigste  mitgeteilt  ist*"*. 
Daß  eine  solche  Reputation  von  Weltklerus  und  Mönchen  bei  Un- 
zähhgen  den  Glauben  an  das  Heilige  überhaupt  erschüttern  mußte, 
springt  in  die  Augen. 

Was  für  schreckliche  Gesamturteile  bekommt  man  da  zu  hören!  Wir  Guicciardini 
teilen  schließUch  nur  eines  davon  mit,  weil  es  erst  neuerlich  gedruckt  "Kieml" 
und  noch  wenig  bekannt  ist.  Guicciardini,  der  Geschichtschreiber  und  •^"'-  ^35 
vieljährige  Beamte  der  mediceischen  Päpste,  sagt  (1529)  in  seinen  Apho- 
rismen"": „Keinem  Menschen  mißfällt  mehr  als  mir  der  Ehrgeiz,  die 
Habsucht  und  die  Ausschweifung  der  Priester,  sowohl  weil  jedes  dieser 
Laster  an  sich  iiassenswert  ist,  als  auch  weil  jedes  allein  oder  alle  sich 
wenig  ziemen  bei  Leuten,  die  sich  zu  einem  von  Gott  besonders  ab- 
hängigen Stand  bekennen,  und  vollends,  weil  sie  unter  sich  so  ent- 
gegengesetzt sind,  daß  sie  sich  nur  in  ganz  absonderlichen  Indi\iduen 
vereinigt  finden  können.  Gleichwohl  hat  meine  Stellung  bei  mehreren 
Päpsten  mich  gezwungen,  die  Größe  derselben  zu  wollen  meines  eige- 
nen Vorteils  wegen.  Aber  ohne  diese  Rücksicht  hätte  ich  Martin  Luther 
geliebt,  vrie  mich  selbst,  nicht  um  mich  loszumachen  von  den  Gesetzen, 
welche  das  Christentum,  so  wie  es  insgemein  erklärt  und  verstanden 
wird,  uns  auferlegt,  sondern  um  diese  Schar  von  Nichtswürdigen  (questa 
caterva  di  scelerati)  in  ihre  gebührenden  Grenzen  gewiesen  zu  sehen, 
so  daß  sie  entweder  ohne  Laster  oder  ohne  Macht  leben  müßten." 

Derselbe  Guicciardini  hält  denn  auch  dafür^'",  daß  wir  in  betreff 
alles  Übernatürlichen  im  Dunkel  bleiben,  daß  Philosophen  und  Theo- 
logen nur  Torheiten  darüber  vorbringen,   daß  die  Wunder  in   allen 


268  SITTE  UND  RELIGION 

Religionen  vorkommen,  für  keine  besonders  beweisen  und  sich  am 
Ende  auf  noch  unbekannte  Naturphänomene  zurückführen  lassen.  Den 
bergeversetzenden  Glauben,  wie  er  sich  damals  bei  den  Nachfolgern 
Savonarolas  zu  erkennen  gab,  konstatiert  er  als  ein  kurioses  Phänomen, 
doch  ohne  bittere  Bemerkung. 

Gewohnung  Gegenüber  von  solchen  Stimmungen  hatten  Klerus  und  Mönchtum 
den  großen  Vorteil,  daß  man  an  sie  gewöhnt  war  und  daß  ihr  Dasein 
sich  mit  dem  Dasein  von  jedermann  berührte  und  verflocht.  Es  ist  der 
Vorteil,  den  alle  alten  und  mächtigen  Dinge  von  jeher  in  der  Welt 
gehabt  haben.  Jedermann  hatte  irgendeinen  Verwandten  im  Priester- 
rock oder  in  der  Kutte,  irgendeine  Aussicht  auf  Protektion  oder  künf- 
tigen Gewinn  aus  dem  Schatz  der  Kirche,  und  in  der  Mitte  von  Italien 
saß  die  römische  Kurie,  welche  ihre  Leute  bisweilen  plötzlich  reich 
machte.  Doch  muß  man  sehr  hervorheben,  daß  dies  alles  die  Zunge 
und  die  Feder  nicht  band.  Die  Autoren  der  lästerlichen  Komik  sind 
ja  selber  meist  Mönche,  Pfründner  usw.;  Poggio,  der  die  Fazeticn 
schrieb,  war  Geistlicher,  Francesco  Berni  hatte  ein  Kanonikat,  Teofilo 
Folengo  war  Benediktiner*!^,  Matteo  Bandello,  der  seinen  eigenen  Orden 
lächerlich  macht,  war  Dominikaner,  und  zwar  Nepot  eines  Generals 
dieses  Ordens.  Treibt  sie  ein  Übermaß  des  Sicherheitsgefühles?  oder 
ein  Bedürfnis,  die  eigene  Person  von  der  Verrufenheit  des  Standes  zu 
sondern?  oder  jene  pessimistische  Selbstsucht  mit  dem  Wahlspruch: 
,,Uns  hälts  noch  aus"?  Vielleicht  war  etwas  von  allem  dabei.  Bei  Fo- 
lengo wirkt  freilich  schon  das  Luthertum  kenntlich  ein*i^. 

und  an  ihre  Dic  Abhängigkeit  von  Segnungen  und  Sakramenten,  von  welcher 
egnungen  j^gj-^j^g  ^g  gj^  |jgj  Anlaß  dcs  Papsttums  die  Rede  gewesen  ist,  versteht 
sich  bei  dem  gläubigen  Teil  des  Volkes  von  selbst;  bei  den  Emanzi- 
pierten bedeutet  und  bezeugt  sie  die  Stärke  der  Jugendeindrücke  und 
die  enorme  magische  Kraft  altgewohnter  Symbole.  Das  Verlangen  der 
Sterbenden  —  wer  er  auch  sein  mochte  —  nach  priesterlicher  Absolu- 
tion beweist  einen  Rest  von  Höllenfurcht,  selbst  bei  einem  Menschen 
wie  jener  Vitellozzo  (a.  a.  O.)  war.  Ein  belehrenderes  Beispiel  als  das 
seinige  wird  schwer  zu  finden  sein.  Die  kirchliche  Lehre  von  dem 
Charakter  indelebilis  des  Priesters,  woncben  seine  Persönlichkeit  in- 
different wird,  hat  so  weit  Früchte  getragen,  daß  man  wirklich  den 
Priester  verabscheuen  und  doch  seine  geistlichen  Spenden  begehren 
kann.  Freilich  gab  es  auch  Trotzköpfe,  wie  z.  B.  Fürst  Galeotto  von 
Mirandola^",  der  1499  in  einer  bereits  sechzehnjährigen  Exkommunika- 
tion starb.  Während  dieser  ganzen  Zeit  war  auch  die  Stadt  um  seinet- 
willen im  Interdikt  gewesen,  so  daß  weder  Messe  nocli  geweihtes  Be- 
gräbnis stattfand. 


SITTE  UND  RELIGION  269 

Glänzend  tritt  endlich  neben  all  diesen  Zweideutigkeiten  hervor  das 


Die 


Verhältnis  der  Nation  zu  ihren  großen  Bußpredigern.  Das  ganze  übrige  ß^ßp^^g'^' 

Abb.  17J 

Abendland  ließ  sich  von  Zeit  zu  Zeit  durch  die  Rede  heiliger  Mönche 
rühren,  allein  was  wollte  dies  heißen  neben  der  periodischen  Erschütte- 
rung der  italienischen  Städte  und  Landschaften?  Zudem  ist  z.  B.  der 
einzige,  der  während  des  15.  Jahrhunderts  in  Deutschland  eine  ähn- 
liche Wirkung  hervorbrachte®^*,  ein  Abruzzese  von  Geburt  gewesen, 
närrdich  Giovanni  Capistrano.  Diejenigen  Gemüter,  welche  einen  so 
gewaltigen  Ernst  und  einen  solchen  religiösen  Beruf  in  sich  tragen, 
sind  damals  im  Norden  intuitiv,  mystisch;  im  Süden  expansiv,  prak- 
tisch, verbündet  mit  der  hohen  Achtung  der  Nation  vor  Sprache  und 
Rede.  Der  Norden  bringt  eine  Imitatio  Christi  hervor,  welche  im  stillen, 
anfangs  nur  in  Klöstern,  aber  auf  Jahrhunderte  wirkt;  der  Süden  pro- 
duziert Menschen,  welche  auf  Menschen  einen  kolossalen  Eindruck  des 
Augenblickes  machen. 

Dieser  Eindruck  beruht  wesentlich  auf  Erregung  des  Gewissens.  Es 
sind  Moralpredigten,  ohne  Abstraktion,  voll  spezieller  Anwendung,  unter- 
stützt von  einer  geweihten,  asketischen  Persönlichkeit,  woran  sich  dann 
von  selbst  durch  die  erregte  Phantasie  das  Mirakel  anschließt,  auch 
gegen  den  Willen  des  Predigers^^^.  Das  gewaltigste  Argument  war  we- 
niger die  Drohung  mit  Fegefeuer  und  Hölle,  als  vielmehr  die  höchst 
lebendige  Entwicklung  der  maledizione,  des  zeitlichen,  in  der  Person 
wirkenden  Fluches,  der  sich  an  das  Böse  knüpft.  Die  Betrübung  Christi 
und  der  Heiligen  hat  ihre  Folgen  im  Leben.  Nur  so  konnte  man  die 
in  Leidenschaft,  Racheschwüre  und  Verbrechen  verrannten  Menschen 
zur  Sühne  und  Buße  bringen,  was  bei  weitem  der  wichtigste  Zweck 
war. 

So  predigten  im  15.  Jahrhundert  Bernardino  da  Siena,  Alberto  da 
Sarzana,  Giovanni  Capistrano,  Jacopo  della  Marca,  Roberto  da  Lecce 
(S.  234)  und  andere;  endlich  Girolamo  Savonarola.  Es  gab  kein  stär- 
keres Vorurteil  als  dasjenige  gegen  die  Bettelmönche;  sie  überwanden 
es.  Der  hochmütige  Humanismus  kritisierte  und  höhnte*^^;  wenn  sie 
ihre  Stimme  erhoben,  so  dachte  man  seiner  nicht  mehr.  Die  Sache  war 
nicht  neu,  und  ein  Spöttervolk,  wie  die  Florentiner,  hatte  schon  im 
14.  Jahrhundert  die  Karikatur  davon,  wo  sie  sich  auf  seinen  Kanzeln 
blicken  ließ,  malträtieren  gelernt®^';  als  Savonarola  auftrat,  riß  er  sie 
doch  so  weit  hin,  daß  bald  ihre  ganze  geliebte  Bildung  und  Kunst  in 
dem  Glutfeuer,  das  er  entzündete,  zusammengeschmolzen  wäre.  Selbst 
die  stärkste  Profanation  durch  heuchlerische  Mönche,  welche  mit  Hilfe 
von  Einverstandenen  die  Rührung  beliebig  in  ihren  Zuhörern  hcr\'or- 
zubringen  und  zu  verbreiten  wußten  (vgl.  S.  265),  war  nicht  imstande. 


270  SITTE  UND  RELIGION 

der  Sache  selbst  zu  schaden.  Man  fuhr  fort,  über  gemeine  Mönchs- 
predigten mit  erdichteten  Wundern  und  Vorzeigung  falscher  Reliquien®^* 
zu  lachen  und  die  echten  großen  Bußprediger  hoch  zu  achten.  Die- 
selben sind  eine  wahre  italienische  Spezialität  des  15.  Jahrhunderts, 
ihi  Or.icn  Der  Orden  —  in  der  Regel  der  des  hl.  Franciscus,  und  zwar  von 
der  sogenannten  Observanz  —  schickt  sie  aus,  je  nachdem  sie  begehrt 
werden.  Dies  geschieht  hauptsächlich  bei  schwerer  öffentlicher  oder 
Privatzwietracht  in  den  Städten,  auch  wohl  bei  schrecklicher  Zunahme 
der  Unsicherheit  und  Unsittlichkeit.  Ist  dann  aber  der  Ruhm  eines 
Predigers  gewachsen,  so  begehren  ihn  die  Städte  alle  auch  ohne  be- 
sondern Anlaß;  er  geht,  wohin  ihn  die  Obern  senden.  Ein  besonderer 
Zweig  dieser  Tätigkeit  ist  die  Kreuzpredigt  gegen  die  Türken®^®;  wir 
haben  es  aber  hier  wesentlich  mit  der  Bußpredigt  zu  tun. 

Ihre  Methode  Die  Reihenfolge  der  Predigten,  wenn  eine  solche  methodisch  be- 
obachtet wurde,  scheint  sich  einfach  an  die  kirchliche  Aufzählung  der 
Todsünden  angeschlossen  zu  haben;  je  dringender  aber  der  Moment 
ist,  um  so  eher  geht  der  Priester  unmittelbar  auf  das  Hauptziel  los. 
Er  beginnt  vielleicht  in  einer  jener  gewaltig  großen  Ordenskirchen 
oder  im  Dom;  binnen  kurzem  ist  die  größte  Piazza  zu  klein  für  das 
von  allen  Gegenden  herbeiströmende  Volk,  und  das  Kommen  und 
Gehen  ist  für  ihn  selbst  mit  Lebensgefahr  verbunden'^".  In  der  Regel 
schließt  die  Predigt  mit  einer  Ungeheuern  Prozession,  allein  die  ersten 
Stadtbeamten,  welche  ihn  in  die  Mitte  nehmen,  können  ihn  auch  da 
kaum  vor  den  Leuten  sichern,  welche  ihm  Hände  und  Füße  küssen 
und  Stücke  von  seiner  Kutte  schneiden®^. 

Die  nächsten  Erfolge,  welche  sich  am  leichtesten  ergeben,  nachdem 
gegen  Wucher,  Vorkauf  und  unehrbare  Moden  gepredigt  worden,  sind 
das  Eröffnen  der  Gefängnisse,  d.  h.  wohl  nur  die  Freilassung  ärmerer 
Schuldgefangenen,  und  das  Verbrennen  von  Luxussachen  und  Werk- 
zeugen gefahrlichen  sowohl  als  unschuldigen  Zeitvertreibes:  als  da  sind 
Würfel,  Karten,  Spiele  aller  Art,  ,, Maskengesichter",  Musikinstrumente, 
Gesangbücher,  geschriebene  Zauberformeln®^,  falsche  Haartouren  usw. 
Dies  alles  wurde  auf  einem  Gerüste  (talamo)  ohne  Zweifel  zierlich  grup- 
piert, oben  drauf  etwa  noch  eine  Teufclsfigur  befestigt  und  dann  Feuer 
angelegt  (vgl.  S.  211). 

Ihre  Wirkung  Nuu  koiTimcn  die  härtern  Gemüter  an  die  Reihe;  wer  längst  nicht 
mehr  gebeichtet  hat,  beichtet  nunmehr;  ungerecht  vorenthaltenes  Gut 
wird  zurückgegeben,  unheilschwangerc  Schmähreden  werden  zurück- 

.ibb.  106.173  genommen.  Rednci  wie  Bernardiro  da  Siena*^  gingen  sehr  emsig  und 
genau  auf  den  täglichen  Verkehr  der  Menschen  und  dessen  Sittengesetz 
ein.  Wenige  unserer  heutigen  Theologen  möchten  wohl  eine  Morgen- 


SITTE  UND  RELIGION  2^1 

predigt  zu  halten  versucht  sein  „über  Kontrakte,  Restitutionen,  Staats- 
renten (monte)  und  Ausstattung  von  Töchtern",  wie  er  einst  im  Dom 
von  Florenz  eine  hielt.  Unvorsichtigere  Prediger  begingen  dabei  leicht 
den  Fehler,  so  stark  gegen  einzelne  Menschenklassen,  Gewerbe,  Be- 
amtungen  loszuziehen,  daß  sich  das  aufgeregte  Gemüt  der  Zuhörer 
sofort  durch  Tätlichkeiten  gegen  diese  entlud^^*.  Auch  eine  Predigt 
des  Bernardino  da  Siena,  die  er  einmal  in  Rom  (1424)  hielt,  hatte 
außer  dem  Brand  von  Putz-  und  Zaubersachen  auf  dem  Kapitol  noch 
eine  andere  Folge:  „Hernach,  heißt  es^^,  wurde  auch  die  Hexe 
Finicella  verbrannt,  weil  sie  mit  teufhschen  Mitteln  viele  Kinder  tötete 
und  viele  Personen  verhexte,  und  ganz  Rom  ging  hin,  es  zu  sehen." 

Das  wichtigste  Ziel  der  Predigt  aber  ist,  wie  oben  bemerkt,  die  Ver- 
söhnung von  Streit  und  Verzichtung  auf  die  Rache.  Sie  wird  wohl  in 
der  Regel  erst  gegen  Ende  des  Predigtkurses  erfolgt  sein,  wenn  der 
Strom  allgemeiner  Bußfertigkeit  allmählich  die  ganze  Stadt  ergriff, 
wenn  die  Luft  erbebte''^^  von  dem  Geschrei  des  ganzen  Volkes:  miseri- 
cordia!  —  Da  kam  es  zu  jenen  feierhchen  Friedensschlüssen  und  Um- 
armungen, auch  wenn  schon  Wechselmord  zwischen  den  streitenden 
Parteien  lag.  Man  ließ  wohl  die  bereits  Verbannten  zu  so  heiligem 
Vorhaben  absichthch  in  die  Stadt  kommen.  Es  scheint,  daß  solche 
„paci"  im  ganzen  beobachtet  worden  sind,  auch  wenn  die  gehobene 
Stimmung  vorüber  war,  und  dann  blieb  das  Andenken  des  Mönches 
im  Segen  auf  viele  Geschlechter  hinaus.  Aber  es  gab  wilde,  furchtbare  Grenzender 
Krisen  wie  die  der  Familien  della  Valle  und  Croce  zu  Rom  (1482),  ^^"■'""'^ 
wobei  selbst  der  große  Roberto  da  Lecce  seine  Stimme  umsonst  erhob*^'. 
Kurz  vor  der  Karwoche  hatte  er  noch  auf  dem  Platz  vor  der  Miner\'a 
zahllosem  Volk  gepredigt;  da  erfolgte  in  der  Nacht  vor  dem  Grünen 
Donnerstag  die  schreckhche  Straßenschlacht  vor  Palazzo  della  Valle 
beim  Ghetto;  am  Morgen  gab  Papst  Sixtus  den  Befehl  zu  dessen  Schlei- 
fung und  hielt  dann  die  gewohnten  Zeremonien  dieses  Tages  ab;  am 
Karfreitag  predigte  Roberto  wieder,  in  den  Händen  ein  Kruzifix;  er 
und  seine  Zuhörer  konnten  aber  nichts  als  weinen. 

Gewaltsame,  mit  sich  zerfallene  Gemüter  faßten  häufig  unter  dem  Ein- 
druck der  Bußpredigten  den  Entschluß,  ins  Kloster  zu  treten.  Es  waren 
darunter  Räuber  und  Verbrecher  aller  Art,  auch  wohl  brotlose  Soldaten®^. 
Dabei  wirkt  die  Bewunderung  mit,  welche  dem  heiligen  Mönche  sich 
wenigstens  in  der  äußern  Lebensstellung  nach  Kräften  zu  nähern  sucht. 

Die  Schlußpredigt  ist  dann  ein  lauterer  Segensspruch,  der  sich  in 
den  Worten  zusammenfaßt:  la  pace  sia  con  voi!  Große  Scharen  be- 
gleiten den  Prediger  nach  der  nächsten  Stadt  und  hören  daselbst 
seinen  ganzen  Kreis  von  Reden  noch  einmal  an. 


272 


SITTE  UND  RELIGION 


Pretiigcnd( 
Ereii;iten 


Mangel  an  Bei  dcr  ungeheucm  Macht,  welche  diese  heiligen  Männer  ausübten, 
war  es  dem  Klerus  und  den  Regierungen  erwünscht,  sie  wenigstens 
nicht  zu  Gegnern  zu  haben.  Ein  Mittel  hierzu  war,  daß  man  darauf 
hielt,  nur  Mönche'^'  oder  Geistliche,  welche  wenigstens  die  mindern 
Weihen  hatten,  in  solcher  Qualität  auftreten  zu  lassen,  so  daß  der 
Orden  oder  die  betreffende  Korporation  einigermaßen  für  sie  haftbar 
war.  Aber  eine  scharfe  Grenze  ließ  sich  auch  hier  nicht  festhalten, 
da  die  Kirche  und  also  auch  die  Kanzel  längst  für  allerlei  Zwecke  der 
Öffentlichkeit,  gerichtliche  Akte,  Publikationen,  Vorlesungen  usw.  in 
Anspruch  genommen  war,  und  da  selbst  bei  eigentlichen  Predigten 
bisweilendemHumanistenundLaicndasWort  gelassen  wurde  (S.  131  ff.). 
Nun  gab  es  ohnehin  eine  zwitterhafte  Menschenklasse'^',  welche  weder 
Mönche  noch  Geistliche  waren  und  doch  der  Welt  entsagt  hatten, 
nämlich  die  in  Italien  sehr  zahlreichen  Einsiedler,  und  solche  erschie- 
nen bisweilen  ohne  allen  Auftrag  und  rissen  die  Bevölkerung  hin.  Ein 
Fall  dieser  Art  ereignete  sich  zu  Mailand  nach  der  zweiten  französi- 
schen Eroberung  (15 16),  freilich  in  einer  Zeit  großer  öffentlicher  Un- 
ordnung; ein  toskanischer  Einsiedler,  vielleicht  von  der  Partei  Savo- 
narolas,  behauptete  mehrere  Monate  lang  die  Kanzel  des  Domes,  po- 
lemisierte auf  das  heftigste  gegen  die  Hierarchie,  stiftete  einen  neuen 
Leuchter  und  einen  Altar  im  Dom,  tat  Wunder  und  räumte  nur  nach 
heftigen  Kämpfen  das  Feld*^^.  In  jenen  für  das  Schicksal  Italiens  ent- 
scheidenden Dezennien  erwacht  überall  die  Weissagung,  und  diese 
läßt  sich,  wo  sie  vorkommt,  nirgends  auf  einen  bestimmten  Stand  ein- 
schränken. Man  weiß  z.  B.,  wie  vor  der  Verwüstung  Roms  die  Ein- 
siedler mit  einem  wahren  Trotze  der  Prophetie  auftraten  (S.  72).  In 
Ermanglung  eigener  Beredsamkeit  schicken  solche  Leute  auch  wohl 
Boten  mit  Symbolen,  wie  z.  B.  jener  Asket  bei  Siena,  der  (1429)  ein 
„Eremitlein",  d.  h.  einen  Schüler  in  die  geängstigte  Stadt  sandte  mit 
einem  Totenkopf  auf  einem  Stecken,  woran  ein  Zettel  mit  einem  drohen- 
den Bibelspruch  hing'^^. 

Aber  auch  die  Mönche  selber  schonten  oft  Fürsten,  Behörden,  Klerus 
und  ihren  eigenen  Stand  durchaus  nicht.  Zwar  eine  direkte  Predigt 
zum  Sturz  eines  Tyrannenhauses,  wie  die  des  Fra  Jacopo  Bussollaro 
zu  Pavia  im  14.  Jahrhundert  gewesen  war"*,  trifft  man  in  den  folgenden 
Zcite  nicht  mehr  an,  wohl  aber  mutigen  Tadel,  selbst  gegen  den  Papst 
in  dessen  eigener  Kapelle  (Anm.  Nr.  483),  und  naive  politische  Rat- 
schläge in  Gegenwart  von  Fürsten,  die  dessen  nicht  zu  bedürfen  glaub- 

Dic  vvanicr  tcu^'*.  Auf  clcm  Kastcllplatz  zu  Mailand  durfte  1494  ein  blinder  Pre- 
diger aus  der  Incoronata  (also  ein  Augustiner)  dem  Lodo\dco  Moro 
von  der  Kanzel  her  zurufen:   ,,Hcrr,   zeige  den  Franzosen  den  Weg 


SITTE  UND  RELIGION  273 

nicht,  denn  du  wirst  es  bereuen*^^!"  Es  gab  weissagende  Mönche, 
welche  \ielleicht  nicht  direkt  poHtisierten,  aber  so  schreckhche  Bilder 
der  Zukunft  entwarfen,  daß  den  Zuhörern  die  Besinnung  \erging.  Ein 
ganzer  Verein  von  solchen,  zwölf  Franziskaner  Konventualen,  durch- 
zogen bald  nach  der  Wahl  Leos  X.  (1513)  die  verschiedenen  Land- 
schaften Itahens,  wie  sie  dieselben  unter  sich  \-erteilt  hatten.  Derjenige 
von  ihnen,  welcher  in  Florenz  predigte^^^,  Fra  Francesco  di  Monte- 
pulciano,  erregte  ein  steigendes  Entsetzen  unter  dem  ganzen  Volke, 
indem  seine  Äußerungen,  gewiß  eher  verstärkt  als  gemildert,  auch 
zu  denjenigen  gelangten,  welche  vor  Gedränge  nicht  selber  in  seine 
Nähe  kommen  konnte.  Nach  einer  solchen  Predigt  starb  er  plötzlich 
,,an  einem  Brustwehe";  alles  kam,  der  Leiche  die  Füße  zu  küssen, 
weshalb  man  sie  nachts  in  aller  Stille  begrub.  Aber  den  neu  entzündeten 
Geist  der  Weissagung,  der  nun  selbst  Weiber  und  Bauern  ergriff,  konnte 
man  nur  mit  größter  Mühe  dämpfen.  ,,Um  die  Leute  wieder  einiger- 
maßen heiterzustimmen,  veranstalteten  hierauf  die  Medici,  Giuliano 
(Bruder  Leos)  und  Lorenzo  auf  St.  Johannistag  1514  jene  prächtigen 
Feste,  Jagden,  Aufzüge  und  Turniere,  wozu  sich  von  Rom  her  außer 
einigen  großen  Herrn  auch  sechs  Kardinäle,  diese  allerdings  verkleidet, 
einfanden." 

Der   größte  Bußprediger   und  Prophet   aber   war   in   Florenz   schon    savonaroi 
1498  verbrannt  worden:  Fra  Girolamo  Savonarola  von  Ferrara®^'.  Hier  '      'J '  '*' 
müssen  uns  einige  Winke  über  ihn  genügen. 

Das  gewaltige  Werkzeug,  durch  welches  er  Florenz  umgestaltet  und 
beherrscht  (1494 — 1498),  ist  seine  Rede,  wovon  die  erhaltenen,  meist 
an  Ort  und  Stelle  ungenügend  nachgeschriebenen  Predigten  offenbar 
nur  einen  beschränkten  Begriff  geben.  Nicht  als  ob  die  äußern  Mittel 
seines  Auftretens  sehr  groß  gewesen  wären,  denn  Stimme,  Aussprache, 
rhetorische  Redaktion  u.  dgl.  bildeten  vielmehr  eher  die  schwache 
Seite,  und  wer  einen  Stil-  und  Kunstprediger  verlangte,  ging  zu  seinem 
Rivalen  Fra  Mariano  da  Ghinazzano  —  aber  in  Savonarolas  Rede  lag 
jene  hohe  persönliche  Gewalt,  welche  wohl  von  da  bis  auf  Luther 
nicht  wieder  vorgekommen  ist.  Er  selber  hielt  es  für  Erleuchtung  und 
laxierte  deshalb  ohne  Unbescheidenheit  das  Predigtamt  sehr  hoch:  über 
dem  Prediger  folge  in  der  großen  Hierarchie  der  Geister  unmittelbar 
der  unterste  der  Engel. 

Diese  völlig  zu  Feuer  und  Flammen  gewordene  Persönlichkeit  \oll-  seme Ordens- 
brachte  zunächst  noch  ein  anderes,  größeres  Wunder;  das  eigene  Kloster      '"  °"° 
S.  Marco  Dominicaner  Ordens  und  dann  alle  Dominikanerklöster  Tos- 
kanas werden  desselben  Sinnes  und  unternehmen  eine  freiwillige  große 
Reform.    Wenn    man    weiß,   was  die   Klöster  damals  waren  und   wie 

Burckliardt  18 


274.  SITTE  UND  RELIGION 

unendlich  schwer  die  geringste  Veränderung  bei  Mönchen  durchzu- 
setzen ist,  so  wird  man  doppeh  erstaunen  über  eine  völhge  Sinnes- 
änderung wie  diese.  Als  die  Sache  im  Gange  war,  befestigte  sie  sich 
dadurch,  daß  Gleichgesinnte  jetzt  in  bedeutender  Zahl  Dominikaner 
wurden.  Söhne  aus  den  ersten  Häusern  traten  in  S.  Marco  als  No- 
vizen ein. 

Diese  Reform  des  Ordens  für  ein  bestimmtes  Land  war  nun  der 
erste  Schritt  zu  einer  Nationalkirche,  zu  welcher  es  bei  längerer  Dauer 
dieses  Wesens  unfehlbar  hätte  kommen  müssen.  Savonarola  selber  wollte 
freilich  eine  Reform  der  ganzen  Kirche  und  schickte  deshalb  noch 
gegen  Ende  seiner  Wirksamkeit  an  alle  großen  Potentaten  dringende 
Mahnungen,  sie  möchten  ein  Konzil  versammeln.  Allein  sein  Orden 
und  seine  Partei  waren  bereits  für  Toskana  das  allein  mögliche  Organ 
seines  Geistes,  das  Salz  der  Erde  geworden,  während  die  Nachbar- 
gegenden im  alten  Zustande  verharrten.  Mehr  und  mehr  baut  sich 
aus  Entsagung  und  Phantasie  ein  Zustand  auf,  der  Florenz  zu  einem 
Reiche  Gottes  auf  Erden  machen  will. 
Seine  Weis-  Die  Wcissagungcu,  deren  teilweises  Eintreffen  dem  Savonarola  ein 
^^fo™en"'  übermenschliches  Ansehen  verlieh,  sind  derjenige  Punkt,  auf  welchem 
die  allmächtige  italienische  Phantasie  auch  das  bestverwahrte,  liebe- 
vollste Gemüt  bemeisterte.  Anfangs  meinten  die  Franziskaner  von  der 
Observanz,  im  Widerschein  des  Ruhmes,  welchen  ihnen  S.  Bernardino 
da  Siena  vermacht  hatte,  sie  könnten  den  großen  Dominikaner  durch 
Konkurrenz  bändigen.  Sie  verschafften  einem  der  Ihrigen  die  Dom- 
kanzel und  ließen  die  Unglücksprophezeiungen  Savonarolas  durch  noch 
schlimmere  überbieten,  bis  Pietro  de'  Medici,  der  damals  noch  über 
Florenz  herrschte,  einstweilen  beiden  Ruhe  gebot.  Bald  darauf,  als 
Karl  VIII.  nach  Italien  kam  und  die  Medici  vertrieben  wurden,  wie 
Savonarola  mit  klaren  Worten  geweissagt  hatte,  glaubte  man  nur 
noch  ihm. 

Und  hier  muß  nun  zugestanden  werden,  daß  er  gegen  seine  eigenen 
Ahnungen  und  Visionen  keine  Kritik  übte  und  gegen  diejenigen  anderer 
eine  ziemlich  strenge.  In  der  Leichenrede  auf  Pico  della  Mirandola 
geht  er  mit  dem  verstorbenen  Freunde  etwas  unbarmherzig  um.  Weil 
Pico  trotz  einer  Innern  Stimme,  die  von  Gott  kam,  doch  nicht  in  den 
Orden  treten  wollte,  habe  er  selber  Gott  gebeten,  jenen  etwas  zu  züch- 
tigen; seinen  Tod  aber  habe  er  wahrlich  nicht  gewünscht;  nun  sei 
durch  Almosen  und  Gebet  so  \iel  erwirkt,  daß  die  Seele  sich  einst- 
weilen im  Fegefeuer  befinde.  In  betreff  einer  tröstlichen  Vision,  die 
Pico  auf  dem  Krankenbette  gehabt,  wobei  ihm  die  Madonna  erschien 
und  versprach,  er  solle  nicht  sterben,  gesteht  Savonarola,  er  habe  es 


SITTE  UND  RELIGION 


275 


lange  für  eine  dämonische  Täuschung  gehahen,  bis  ihm  geoffenbart 
worden  sei,  die  Madonna  habe  den  zweiten  Tod,  nämhch  den  ewigen 
gemeint.  —  Wenn  dies  und  ähnhches  Überhebung  war,  so  hat  dieses 
große  Gemüt  wenigstens  dafür  gebüßt,  so  bitter  es  dafür  büßen  konnte; 
in  seinen  letzten  Tagen  scheint  Savonarola  die  Nichtigkeit  seiner  Ge- 
sichte und  Weissagungen  erkannt  zu  haben,  und  doch  bheb  ihm  innerer 
Friede  genug  übrig,  um  in  heiliger  Stimmung  zum  Tode  zu  gehen. 
Seine  Anhänger  aber  hielten  außer  seiner  Lehre  auch  seine  Prophe- 
zeiungen noch  drei  Jahrzehnte  hindurch  fest. 

Als  Reorganisator  des   Staates   hatte   er   nur  gearbeitet,   weil  sonst       seme 
statt  seiner  feindselige  Kräfte  sich  der  Sache  bemächtigt  haben  würden.      "^  '^""^ 
Es  ist  unbillig,  ihn  nach  der  halb  demokratischen  Verfassung  (Anm. 
Nr.  156)  vom  Anfang  des  Jahres  1495  zu  beurteilen.  Sie  ist  nicht  besser 
und  nicht  schlechter  als  andere  florentinische  Verfassungen  auch*^. 

Er  war  zu  solchen  Dingen  im  Grunde  der  ungeeignetste  Mensch, 
den  man  finden  konnte.  Sein  wirkliches  Ideal  war  eine  Theokratie, 
bei  welcher  sich  alles  in  seliger  Demut  vor  dem  Unsichtbaren  beugt 
und  alle  Konflikte  der  Leidenschaft  von  vornherein  abgeschnitten  sind. 
Sein  ganzer  Sinn  liegt  in  jener  Inschrift  des  Signorenpalastes,  deren 
Inhalt  schon  Ende  1495  sein  Wahlspruch  war'^^,  und  die  1527  von  sei- 
nen Anhängern  erneuert  wurde:  „Jesus  Christus  Rex  populi  florentini 
S.  P.  Q^.  decreto  creatus."  Zum  Erdenleben  und  seinen  Bedingungen 
hatte  er  so  wenig  ein  Verhältnis  als  irgendein  echter  und  strenger  Mönch. 
Der  Mensch  soll  sich  nach  seiner  Ansicht  nur  mit  dem  abgeben,  was 
mit  dem  Seelenheil  in  unmittelbarer  Verbindung  steht. 

Wie  deutlich  verrät  sich  dies  bei  seinen  Ansichten  über  die  antike  sem  verhait- 
Literatur.  „Das  einzige  Gute",  predigt  er,  „was  Plato  und  Aristoteles  "^  J^^^ 
geleistet  haben,  ist,  daß  sie  viele  Argumente  vorbrachten,  welche  man 
gegen  die  Ketzer  gebrauchen  kann.  Sie  und  andere  Philosophen  sitzen 
doch  in  der  Hölle.  Ein  altes  Weib  weiß  mehr  vom  Glauben  als  Plato. 
Es  wäre  gut  für  den  Glauben,  wenn  viele  sonst  nützlich  scheinende 
Bücher  vernichtet  würden.  Als  es  noch  nicht  so  viele  Bücher  und  nicht 
so  viele  Vernunftgründe  (ragioni  naturali)  und  Disputen  gab,  wuchs 
der  Glaube  rascher,  als  er  seither  gewachsen  ist."  Die  klassische  Lek- 
türe der  Schulen  will  er  auf  Homer,  Virgil  und  Cicero  beschränkt  und 
den  Rest  aus  Hieronymus  und  Augustin  ergänzt  wissen;  dagegen  sollen 
nicht  nur  Catull  und  Ovid,  sondern  auch  Tibull  und  Terenz  verbannt 
bleiben.  Hier  spricht  einstweilen  wohl  nur  eine  ängstliche  Moralität, 
allein  er  gibt  in  seiner  besondern  Schrift  die  Schädlichkeit  der  Wissen- 
schaft im  allgemeinen  zu.  Eigentlich  sollten,  meint  er,  einige  wenige 
Leute  dieselben  erlernen,  damit  die  Tradition  der  menschlichen  Kennt- 

18» 


276 


SITTE  UND  RELIGION 


nisse  nicht  unterginge,  besonders  aber,  damit  immer  einige  Athleten 
zu  Bekämpfung  ketzerischer  Sophismen  vorrätig  wären;  alle  übrigen 
dürften  nicht  über  Grammatik,  gute  Sitten  und  Religionsunterricht 
(sacraj  literae)  hinaus.  So  würde  natürlich  die  ganze  Bildung  wieder 
an  Mönche  zurückfallen,  und  da  zugleich  die  ,, Wissendsten  und  Hei- 
ligsten" auch  Staaten  und  Reiche  regieren  sollten,  so  wären  auch  dieses 
wiederum  Mönche.  Wir  wollen  nicht  einmal  fragen,  ob  der  Autor  soweit 
hinaus  gedacht  hat. 

Kindlicher  kann  man  nicht  räsonnieren.  Die  einfache  Erwägung, 
daß  das  wiederentdeckte  Altertum  und  die  riesige  Ausweitung  des 
ganzen  Gesichtskreises  und  Denkkreises  eine  je  nach  Umständen  ruhm- 
volle Feuerprobe  für  die  Religion  sein  möchten,  kommt  dem  guten 
Menschen  nicht  in  den  Sinn.  Er  möchte  gern  verbieten,  was  sonst 
nicht  zu  beseitigen  ist.  Überhaupt  war  er  nichts  weniger  als  liberal; 
gegen  gottlose  Astrologen  z.  B.  hält  er  denselben  Scheiterhaufen  in 
Bereitschaft,  auf  welchem  er  hernach  selbst  gestorben  ist®*". 

Wie  gewaltig    muß  die   Seele  gewesen  sein,   die  bei   diesem  engen 
Geiste  wohnte!  Welch  ein  Feuer  bedurfte  es,  um  den  Bildungsenthusias- 
mus der  Florentiner  vor  dieser  Anschauung  sich  beugen  zu  lehren! 
Seine  Was  sic  ihm  noch  von   Kunst   und   von  Weltlichkeit  preiszugeben 

enre  onn  |^gj.gj^  waren,  das  zeigen  jene  berühmten  Opferbrände,  neben  welchen 
gewiß  alle  talami  des  Bernardino  da  Siena  und  anderer  nur  wenig  be- 
sagen wollten. 

Es  ging  dabei  allerdings  nicht  ab  ohne  einige  tyrannische  Polizei 
von  selten  Savonarolas.  Überhaupt  sind  seine  Eingriffe  in  die  hoch- 
geschätzte Freiheit  des  italienischen  Privatlebens  nicht  gering,  wie  er 
denn  z.  B.  Spionage  der  Dienerschaft  gegen  den  Hausherrn  verlangte, 
um  seine  Sittenreform  durchführen  zu  können.  Was  später  in  Genf 
dem  eisernen  Calvin,  bei  dauerndem  Belagerungszustände  von  außen, 
doch  nur  mühsam  gelang,  eine  Umgestaltung  des  öffentlichen  und  Pri- 
vatlebens, das  mußte  in  Florenz  doch  nur  ein  Versuch  bleiben  und  als 
solcher  die  Gegner  auf  das  äußerste  erbittern.  Dahin  gehört  vor  allem 
die  von  Savonarola  organisierte  Schar  von  Knaben,  welche  in  die 
Häuser  drangen  und  die  für  den  Scheiterhaufen  geeigneten  Gegen- 
stände mit  Gewalt  verlangten;  sie  wurden  hier  und  da  mit  Schlägen 
abgewiesen,  da  gab  man  ihnen,  um  die  Fiktion  einer  heranwachsen- 
den heihgen  Bürgerschaft  dennoch  zu  behaupten.  Erwachsene  als  Be- 
schützer mit. 
Die  Und  so  konnten  am  letzten  Karnevalstage  des  Jahres   1497  und  an 

p  er  niiu ,   (}j>jy,s(.ii3(.i^  Tage  des  folgenden  Jahres  die  großen  Autodafes  auf  dem 
Signorenplatz  stattfinden.  Da  ragte  eine  StTjfcnpyiamide,  ähnlich  dem 


SITTE  UND  RELIGION  277 

rogus,  auf  welchem  römische  Imperatorenleichcn  verbrannt  zu  werden 
pflegten.  Unten  zunächst  der  Basis  waren  Larven,  falsche  Barte,  Masken- 
kleider u.  dgl.  gruppiert;  drüber  folgten  die  Bücher  der  lateinischen 
und  italienischen  Dichter,  unter  andern  der  Morgante  des  Pulci,  der 
Boccaccio,  der  Petrarca,  zum  Teil  kostbare  Pergamentdrucke  und  Manu- 
skripte mit  Miniaturen;  dann  Zierden  und  Toilettengeräte  der  Frauen, 
Parfüms,  Spiegel,  Schleier,  Haartouren;  weiter  oben  Lauten,  Harfen, 
Schachbretter,  Trictracs,  Spielkarten;  endlich  enthielten  die  beiden 
obersten  Absätze  lauter  Gemälde,  besonders  von  weiblichen  Schön- 
heiten, teils  unter  den  klassischen  Namen  der  Lucretia,  Cleopatra, 
Faustina,  teils  unmittelbare  Porträts,  wie  die  der  schönen  Bencina, 
Lena  Morella,  Bina  und  Maria  de'  Lenzi.  Das  erstemal  bot  ein  an- 
wesender venezianischer  Kaufmann  der  Signorie  20000  Goldtaler  für 
den  Inhalt  der  Pyramide;  die  einzige  Antwort  war,  daß  man  ihn  eben- 
falls porträtieren  und  das  Bild  zu  den  übrigen  hinaufstellen  ließ.  Beim 
Anzünden  trat  die  Signorie  auf  den  Balkon;  Gesang,  Trompetenschall 
und  Glockengeläute  erfüllte  die  Lüfte.  Nachher  zog  man  auf  den  Platz 
vor  S.  Marco,  wo  die  ganze  Partei  eine  dreifache  konzentrische  Runde 
tanzte;  zuinnerst  die  Mönche  dieses  Klosters  abwechselnd  mit  Engcl- 
knaben,  dann  junge  Geistliche  und  Laien,  zuäußerst  endUch  Greise, 
Bürger  und  Priester,  diese  mit  Olivenzweigen  bekränzt. 

Der  ganze  Spott  der  siegreichen  Gegenpartei,  die  doch  wahrlich 
einigen  Anlaß  und  überdies  das  Talent  dazu  hatte,  genügte  später 
doch  nicht,  um  das  Andenken  Savonarolas  herabzusetzen.  Je  trauriger 
die  Schicksale  Italiens  sich  entwickelten,  desto  heller  verklärte  sich 
im  Gedächtnis  der  Überlebenden  die  Gestalt  des  großen  Mönches  und 
Propheten.  Seine  Weissagungen  mochten  im  einzelnen  unbewährt  ge- 
blieben sein  —  das  große  allgemeine  Unheil,  das  er  verkündet  hatte, 
war  nur  zu  schrecklich  in  Erfüllung  gegangen. 

So  groß  aber  die  Wirkung  der  Bußprediger  war  und  so  deutlich 
Savonarola  dem  Mönchsstande  als  solchem  das  rettende  Predigtamt 
vindizierte'*^,  sowenig  entging  dieser  Stand  doch  dem  allgemeinen  ver- 
werfenden Urteil.  Italien  gab  zu  verstehen,  daß  es  sich  nur  für  die 
Individuen  begeistern  könne. 

Wenn  man  nun  die  Stärke  des  alten  Glaubens,  abgesehen  von  Priester-  stärke  des 
wesen  und  Mönchtum,  verifizieren  soll,  so  kann  dieselbe  bald  sehr  ge- 
ring, bald  sehr  bedeutend  erscheinen,  je  nachdem  man  sie  von  einer 
bestimmten  Seite,  in  einem  bestimmten  Lichte  anschaut.  Von  der  Un- 
entbehrlichkeit  der  Sakramente  und  Segnungen  ist  schon  die  Rede 
gewesen  (S.  61,  268);  überblicken  wir  einstweilen  die  Stellung  des  Glau- 


bens 


2y8  SITTE  UND  RELIGION 

bens  und  des  Kultus  im  täglichen  Leben.  Hier  ist  die  Masse  und  ihre 
Gewöhnung  und  die  Rücksicht  der  Mächtigen  auf  beides  von  bestim- 
mendem Gewicht. 
Das  Heid  Allcs,  was  zur  Buße  und  zur  Erwerbung  der  Seligkeit  mittels  guter 
Volksglauben  Wcrkc  gchört,  war  bei  den  Bauern  und  bei  den  untern  Klassen  über- 
haupt wohl  in  derselben  Ausbildung  und  Ausartung  vorhanden  wie  im 
Norden,  und  auch  die  Gebildeten  wurden  davon  stellenweise  ergriffen 
und  bestimmt.  Diejenigen  Seiten  des  populären  Katholizismus,  wo  er 
sich  dem  antiken,  heidnischen  Anrufen,  Beschenken  und  Versöhnen 
der  Götter  anschließt,  haben  sich  im  Bewußtsein  des  Volkes  auf  das 
hartnäckigste  festgesetzt.  Die  schon  bei  einem  andern  Anlaß  zitierte 
achte  Ekloge  des  Battista  Mantovano**^  enthält  unter  andern  das  Ge- 
bet eines  Bauern  an  die  Madonna,  worin  dieselbe  als  spezielle  Schutz- 
göttin für  alle  einzelnen  Interessen  des  Landlebens  angerufen  wird. 
Welche  Begriffe  machte  sich  das  Volk  von  dem  Werte  bestimmter 
Madonnen  als  Nothelferinnen!  Was  dachte  sich  jene  Florentinerin*^, 
die  ein  Fäßchen  von  Wachs  als  ex  voto  nach  der  Annunziata  stiftete, 
weil  ihr  Geliebter,  ein  Mönch,  allmählich  ein  Fäßchen  Wein  bei  ihr 
austrank,  ohne  daß  der  abwesende  Gemahl  es  bemerkte.  Ebenso  regierte 
damals  ein  Patronat  einzelner  Heiligen  für  bestimmte  Lebenssphären 
gerade  wie  jetzt  noch.  Es  ist  schon  öfter  versucht  worden,  eine  Anzahl 
von  allgemeinen  ritualen  Gebräuchen  der  katholischen  Kirche  auf  heid- 
nische Zeremonien  zurückzuführen,  und  daß  außerdem  eine  Menge 
örtlicher  und  volkstümlicher  Bräuche,  die  sich  an  Kirchenfestc  geknüpft 
haben,  unbewußte  Reste  der  verschiedenen  alten  Heidentümer  Europas 
sind,  gibt  jedermann  zu.  In  Italien  aber  kam  auf  dem  Lande  noch  dies 
und  jenes  vor,  worin  sich  ein  bewußter  Rest  heidnischen  Glaubens  gar 
nicht  verkennen  ließ.  So  das  Hinstellen  von  Speise  für  die  Toten,  vier 
Tage  vor  Petri  Stuhlfcier,  also  noch  am  Tage  der  alten  Feralien,  i8.  Fe- 
bruar^**. Manches  andere  dieser  Art  mag  damals  noch  in  Übung  ge- 
wesen und  erst  seither  ausgerottet  worden  sein.  Vielleicht  ist  es  nur 
scheinbar  paradox,  zu  sagen,  daß  der  populäre  Glaube  in  Italien  ganz 
besonders  fest  gegründet  war,  soweit  er  Heidentum  war. 

Wie  weit  nun  die  Herrschaft  dieser  Art  von  Glauben  sich  auch  in 
die  obern  Stände  erstreckte,  ließe  sich  wohl  bis  zu  einem  gewissen 
Punkte  näher  nachweisen.  Derselbe  hatte,  wie  bereits  bei  Anlaß  des 
Verhältnisses  zum  Klerus  bemerkt  wurde,  die  Macht  der  Gewöhnung 
und  der  frühen  Eindrücke  für  sich;  auch  die  Liebe  zum  kirchlichen 
Festpomp  wirkte  mit,  und  hier  und  da  kam  eine  jener  großen  Buß- 
epidemien hinzu,  welchen  auch  Spötter  und  Leugner  schwer  wider- 
stehen konnten. 


SITTE  UND  RELIGION 


279 


Es  ist  aber  bedenklich,  in  diesen  Fragen  rasch  auf  durchgehende  Der  Reu 
Resuhate  hinzusteuern.  Man  sollte  z.  B.  meinen,  daß  das  Verhalten  ^^^™f  ^"„^ 
der  Gebildeten  zu  den  Reliquien  von  Heiligen  einen  Schlüssel  gewähren  '°')'  '^7 
müsse,  der  uns  wenigstens  einige  Fächer  ihres  religiösen  Bewußtseins 
öffnen  könnte.  In  der  Tat  lassen  sich  Gradunterschiede  nachweisen, 
doch  lange  nicht  so  deutlich,  wie  es  zu  wünschen  wäre.  Zunächst 
scheint  die  Regierung  von  Venedig  im  15.  Jahrhundert  durchaus  die- 
jenige Andacht  zu  den  Überresten  heiliger  Leiber  geteilt  zu  haben, 
welche  damals  durch  das  ganze  Abendland  herrschte  (S.  44).  Auch 
Fremde,  welche  in  Venedig  lebten,  taten  wohl,  sich  dieser  Befangenheit 
zu  fügen***.  Wenn  wir  das  gelehrte  Padua  nach  seinem  Topographen 
Michele  Savonarola  (S.  85)  beurteilen  dürften,  so  wäre  es  hier  nicht 
anders  gewesen  als  in  Venedig.  Mit  einem  Hochgefühl,  in  welches 
sich  frommes  Grausen  mischt,  erzählt  uns  Michele,  wie  man  bei  großen 
Gefahren  des  Nachts  durch  die  ganze  Stadt  die  Heiligen  seufzen  höre, 
wie  der  Leiche  einer  heiligen  Nonne  zu  S.  Chiara  beständig  Nägel  und 
Haare  wachsen,  wie  sie  bei  bevorstehendem  Unheil  Lärm  macht,  die 
Arme  erhebt  u.  dgl.**'.  Bei  der  Beschreibung  der  Antoniuskapelle  im 
Santo  verliert  sich  der  Autor  völlig  ins  Stammeln  und  Phantasieren. 
In  Mailand  zeigte  wenigstens  das  Volk  einen  großen  Reliquienfanatis- 
mus, und  als  einst  (151 7)  die  Mönche  in  S.  Simpliciano  beim  Umbau 
des  Hochaltars  sechs  heilige  Leichen  unvorsichtig  aufdeckten  und  mäch- 
tige Regenstürme  über  das  Land  kamen,  suchten  die  Leute**'  die  Ur- 
sache der  letztem  in  jenem  Sakrilegium  und  prügelten  die  betreffenden 
Mönche  auf  öffentlicher  Straße  durch,  wo  sie  sie  antrafen.  In  andern 
Gegenden  Italiens  aber,  selbst  bei  den  Päpsten,  sieht  es  mit  diesen  Dessen  Grad- 
Dingen  schon  viel  zweifelhafter  aus,  ohne  daß  man  doch  einen  bün- 
digen Schluß  ziehen  könnte.  Es  ist  bekannt,  unter  welchem  allgemeinen 
Aufsehen  Pius  II.  das  aus  Griechenland  zunächst  nach  S.  Maura  ge- 
flüchtete Haupt  des  Apostels  Andreas  erwarb  und  (1462)  feierlich  in 
S.  Peter  niederlegte;  allein  aus  seiner  eigenen  Relation  geht  hervor, 
daß  er  dies  tat  aus  einer  Art  von  Scham,  als  schon  viele  Fürsten  sich 
um  die  Reliquie  bewarben.  Jetzt  erst  fiel  es  ihm  ein,  Rom  zu  einem  all- 
gemeinen Zufluchtsort  der  aus  ihren  Kirchen  vertriebenen  Reste  der 
Heiligen  zu  machen***.  Unter  Sixtus  IV.  war  die  Stadtbevölkerung 
in  diesen  Dingen  eifriger  als  der  Papst,  so  daß  der  Magistrat  sich  (1483) 
bitter  beklagte,  als  Sixtus  dem  sterbenden  Ludwig  XL  einiges  von  den 
lateranensischen  Reliquien  verabfolgte***.  In  Bologna  erhob  sich  um 
diese  Zeit  eine  mutige  Stimme,  welche  verlangte,  man  solle  dem  König 
von  Spanien  den  Schädel  des  hl.  Dominicus  verkaufen  und  aus  dem 
Erlös  etwas  zum  öffentlichen  Nutzen  Dienendes  stiften**".  Die  wenigste 


280  SITTE  UND  RELIGION 

Reliquienandacht  zeigen  die  Florentiner.  Zwischen  ihrem  Beschluß, 
den  Stadtheiligen  S.  Zanobi  durch  einen  neuen  Sarkophag  zu  ehren, 
und  der  definitiven  Bestellung  bei  Ghiberti  vergehen  neunzehn  Jahre 
(1409 — 1428),  und  auch  dann  erfolgt  der  Auftrag  nur  zufällig,  weil 
der  Meister  eine  kleinere  ähnliche  Arbeit  schön  vollendet  hatte'*^.  Viel- 
leicht war  man  der  Reliquien  etwas  überdrüssig,  seitdem  man  (1352) 
durch  eine  verschlagene  Äbtissin  im  Neapolitanischen  mit  einem  fal- 
schen, aus  Holz  und  Gips  nachgemachten  Arm  der  Schutzpatronin 
des  Domes,  S.  Rcparata,  war  betrogen  worden^^^.  Oder  dürfen  wir 
etwa  armehmen,  daß  der  ästhetische  Sinn  es  war,  welcher  sich  hier 
vorzüglich  entschieden  von  den  zerstückelten  Leichnamen,  den  halb- 
vermoderten Gewändern  und  Geräten  abwandte?  oder  gar  der  moderne 
Ruhmessinn,  welcher  lieber  die  Leichen  eines  Dante  und  Petrarca  in 
den  herrlichsten  Gräbern  beherbergt  hätte  als  alle  zwölf  Apostel  mit- 
einander? Vielleicht  war  aber  in  Italien  überhaupt,  abgesehen  von  Ve- 

Der  Marien-    ucdig  Und  dcm  gauz  exzeptionellcn  Rom,  der  Reliquiendienst  schon 
Voll™     ^^^^  langer  Zeit  mehr  zurückgetreten*^  vor  dem  Madonnendienst,  als 
irgendwo  sonst  in  Europa,  und  darin  läge  dann  zugleich,  wenn  auch 
verhüllt,  ein  frühes  Überwiegen  des  Formsinnes. 

Man  wird  fragen,  ob  denn  im  Norden,  wo  die  riesenhaftesten  Kathe- 
dralen fast  alle  Unser  Frauen  gewidmet  sind,  wo  ein  ganzer  reicher 
Zweig  der  Poesie  im  Lateinischen  wie  in  den  Landessprachen  die 
Mutter  Gottes  verherrlichte,  eine  größere  Verehrung  derselben  auch 
nur  möglich  gewesen  wäre?  Allein  diesem  g' ^enüber  macht  sich  in 
Italien  eine  ungemein  viel  größere  Anzahl  von  wundertätigen  Marien- 
bildern geltend,  mit  einer  unaufhörlichen  Intervention  in  das  täg- 
liche Leben.  Jede  beträchtliche  Stadt  besitzt  ihrer  eine  ganze  Reihe, 
von  den  uralten  oder  für  uralt  geltenden  „Malereien  des  St.  Lucas" 
bis  zu  den  Arbeiten  von  Zeitgenossen,  welche  die  Mirakel  ihrer 
Bilder  nicht  selten  noch  erleben  konnten.  Das  Kunstwerk  ist  hier 
gar  nicht  so  harmlos,  wie  Battista  Mantovano*^*  glaubt;  es  gewinnt 
je  nach  Umständen  plötzlich  eine  magische  Gewalt.  Das  populäre 
Wunderbedürfnis,  zumal  der  Frauen,  mag  dabei  vollständig  gestillt 
worden  sein  und  schon  deshalb  der  Reliquien  wenig  mehr  geachtet 
liaben.  Inwiefern  dann  noch  der  Spott  der  Novellisten  gegen  falsche 
Reliquien  auch  den  für  echt  geltenden  Eintrag  tat**^,  mag  auf  sich 
beruhen. 

und  bei  den      Das  Verhältnis  der  Gebildeten  zuni  Mariendienst  zeichnet  sich  dann 
ue  iideton    j^-Jjqj^  ctwas  klarer  als  das  zum  Reliquiendienst.  Es  darf  zunächst  auf- 
fallen, daß  in  der  Literatur  Dante  mit  seinem  Paradies  eigentlich  der 
letzte  bedeutende  Mariendichter  der  Italiener  geblieben  ist,  während 


SITTE  UND  RELIGION  28  I 

im  Volk  die  Madonnenlieder  bis  auf  den  heutigen  Tag  neu  hervor- 
gebracht werden.  Man  wird  vielleicht  Sannazaro,  Sabellico^^*  und  an- 
dere lateinische  Dichter  namhaft  machen  wollen,  allein  ihre  wesent- 
lich literarischen  Zwecke  benehmen  ihnen  ein  gutes  Teil  der  Beweis- 
kraft. Diejenigen  italienisch  abgefaßten  Gedichte  des  15.  Jahrhunderts^^^ 
und  des  beginnenden  16.,  aus  welchen  eine  unmittelbare  Religiosität 
zu  uns  spricht,  könnten  meist  auch  von  Protestanten  geschrieben  sein; 
so  die  betreffenden  Hymnen  usw.  des  Lorenzo  magnifico,  die  Sonette 
der  Vittoria  Colonna,  des  Michelangelo  usw.  Abgesehen  von  dem  lyri- 
schen Ausdruck  des  Theismus  redet  meist  das  Gefühl  der  Sünde,  das 
Bewußtsein  der  Erlösung  durch  den  Tod  Christi,  die  Sehnsucht  nach  der 
höhern  Welt,  wobei  die  Fürbitte  der  Mutter  Gottes  nur  ganz  aus- 
nahmsweise erwähnt^**  wird.  Es  ist  dasselbe  Phänomen,  welches  sich 
in  der  klassischen  Bildung  der  Franzosen,  in  der  Literatur  Ludwigs  XIV. 
wiederholt.  Erst  die  Gegenreformation  brachte  in  Italien  den  Marien- 
dienst wieder  in  die  Kunstdichtung  zurück.  Freilich  hatte  inzwischen 
die  bildende  Kunst  das  Höchste  getan  zur  Verherrlichung  der  Madonna. 
Der  Heiligendienst  endlich  nahm  bei  den  Gebildeten  nicht  selten 
(S.  34ff.,  149)  eine  wesentlich  heidnische  Farbe  an. 

Wir  könnten  nun  noch  verschiedene  Seiten  des  damaligen  italieni- 
schen Katholizismus  auf  diese  Weise  prüfend  durchgehen  und  das  ver- 
mutliche Verhältnis  der  Gebildeten  zum  Volksglauben  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  ermitteln,  ohne  doch  je  zu 
einem  durchgreifenden  Resultat  zu  gelangen.  Es  gibt  schwer  zu  deutende  schwankun- 
Kontraste.  Während  z.  B.  an  und  für  Kirchen  rastlos  gebaut,  gemeißelt  ^™  '™^  "'" 
und  gemalt  wird,  vernehmen  wir  aus  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
die  bitterste  Klage  über  Erschlaffung  im  Kultus  und  Vernachlässigung 
derselben  Kirchen:  Templa  ruunt,  passim  sordent  altaria,  cultus  Pau- 
latim divinus  abit^*^!  ...  Es  ist  bekannt,  wie  Luther  in  Rom  durch 
das  wcihelose  Benehmen  der  Priester  bei  der  Messe  geärgert  wurde. 
Und  daneben  waren  die  kirchlichen  Feste  mit  einer  Pracht  und  einem 
Geschmack  ausgestattet,  wovon  der  Norden  keinen  Begriff  hatte.  Man 
wird  annehmen  müssen,  daß  das  Phantasievolk  im  vorzugsweisen  Sinne 
das  Alltägliche  gern  vernachlässigte,  um  dann  von  dem  Außergewöhn- 
lichen sich  hinreißen  zu  lassen. 

Durch  die  Phantasie  erklären  sich  auch  jene  Bußepidemien,  von 
welchen  hier  noch  die  Rede  sein  muß.  Sie  sind  wohl  zu  unterscheiden 
von  den  Wirkungen  jener  großen  Bußprediger;  was  sie  hervorruft,  sind 
große  allgemeine  Kalamitäten  oder  die  Furcht  vor  solchen. 

Im  Mittelalter  kam  von  Zeit  zu  Zeit  über  ganz  Europa  irgendein    Bußepide- 
Sturm  dieser  Art,  wobei  die  Massen  sogar  in  strömende  Bewegung  ge- 


rnien 


282  SITTE  UND  RELIGION 

rieten,  wie  z.  B.  bei  den  Kreuzzügen  und  Geißelfahrten.  Italien  betei- 
ligte sich  bei  beiden;  die  ersten  ganz  gewaltigen  Geißlerscharen  traten 
hier  auf,  gleich  nach  dem  Sturze  Ezzelinos  und  seines  Hauses,  und  zwar 
in  der  Gegend  desselben  Perugia^^",  das  wir  bereits  (Anm.  Nr.  927) 
als  eine  Hauptstation  der  spätem  Bußprediger  kennenlernten.  Dann 
folgten  die  Flagellanten^^i  von  13 10  und  1334  und  dann  die  große 
Bußfahrt  ohne  Geißelung,  von  welcher  Corio**^  zum  Jahre  1399  er- 
zählt. Es  ist  nicht  undenkbar,  daß  die  Jubiläen  zum  Teil  eingerichtet 
wurden,  um  diesen  unheimlichen  Wandertrieb  religiös  aufgeregter  Mas- 
sen möglichst  zu  regulieren  und  unschädlich  zu  machen;  auch  zogen 
die  inzwischen  neu  berühmt  gewordenen  Wallfahrtsorte  Italiens,  wie 
z.  B.  Loretto,  einen  Teil  jener  Aufregung  an  sich*^. 

Aber  in  schrecklichen  Augenblicken  erwacht  hier  und  da  ganz  spät 
die  Glut  der  mittelalterhchen  Buße,  und  das  geängstigte  Volk,  zumal 
wenn  Prodigien  hinzukommen,  will  mit  Geißelungen  und  lautem  Ge- 
schrei um  Barmherzigkeit  den  Himmel  erweichen.  So  war  es  bei  der 
Pest  von  1457  zu  Bologna*^*,  so  bei  den  Innern  Wirren  von  1496  in 
Siena**^,  um  aus  zahllosen  Beispielen  nur  zwei  zu  wählen.  Wahrhaft 
Die  Buße  voQ  crschüttcmd  aber  ist,  was  1529  zu  Mailand  geschah,  als  die  drei  furcht- 
baren Geschwister  Krieg,  Hunger  und  Pest  samt  der  spanischen  Aus- 
saugerei die  höchste  Verzweiflung  über  das  Land  gebracht  hatten***. 
Zufällig  war  es  ein  spanischer  Mönch,  Fra  Tommaso  Nieto,  auf  den 
man  jetzt  hörte;  bei  den  barfüßigen  Prozessionen  von  alt  und  jung  ließ 
er  das  Sakrament  auf  eine  neue  Weise  mittragen,  nämlich  befestigt 
auf  einer  geschmückten  Bahre,  welche  auf  den  Schultern  von  vier 
Priestern  im  Linnengewande  ruhte  —  eine  Nachahmung  der  Bundes- 
lade**^,  wie  sie  einst  das  Volk  Israel  um  die  Mauern  von  Jericho  trug. 
So  erinnerte  das  gequälte  Volk  von  Mailand  den  alten  Gott  an  seinen 
alten  Bund  mit  den  Menschen,  und  als  die  Prozession  wieder  in  den 
Dom  einzog  und  es  schien,  als  müsse  von  dem  Jammerruf  misericordia! 
der  Riesenbau  einstürzen,  da  mochte  wohl  mancher  glauben,  der  Him- 
mel müsse  in  die  Gesetze  der  Natur  und  der  Geschichte  eingreifen 
durch  irgendein  rettendes  Wunder. 
Verhalten  der  Es  gab  abcr  ciuc  Regierung  in  Italien,  welche  sich  in  solchen  Zeiten 
voTpm^n  sogar  an  die  Spitze  der  allgemeinen  Stimmung  stellte  und  die  vor- 
handene Bußfertigkeit  polizeilich  ordnete:  die  des  Herzogs  Ercole  I. 
von  Ferrara***.  Als  Savonarola  in  Florenz  mächtig  war  und  Weissagung 
und  Buße  in  weiten  Kreisen,  auch  über  den  Apennin  hinaus,  das  Volk 
zu  ergreifen  begannen,  kam  auch  über  Ferrara  großes  freiwilliges  Fasten 
(Anfang  1496);  ein  Lazarist  verkündete  nämlich  von  der  Kanzel  den 
baldigen  Eintritt  der  schrecklichsten  Kriegs-  und  Hungersnot,  welche 


Ausbeutung 


SITTE  UND  RELIGION  283 

die  Welt  gesehen;  wer  jetzt  faste,  könne  diesem  Unheil  entgehen,  so 
habe  es  die  Madonna  einem  frommen  Ehepaar  verkündigt.  Darauf 
konnte  auch  der  Hof  nicht  umhin  zu  fasten,  aber  er  ergriff  nun  selber 
die  Leitung  der  Devotion.  Am  3.  April  (Ostertag)  erschien  ein  Sitten- 
und  Andachtsedikt  gegen  Lästerung  Gottes  und  der  hl.  Jungfrau,  ver- 
botene Spiele,  Sodomie,  Konkubinat,  Häuservermieten  an  Huren  und 
deren  Wirte,  Öffnung  der  Buden  an  Festtagen  mit  Ausnahme  der 
Bäcker  und  Gemüsehändler  usw.;  die  Juden  und  Maranen,  deren  viele 
aus  Spanien  her  geflüchtet  waren,  sollten  wieder  ihr  gelbes  O  auf  der 
Brust  genäht  tragen.  Die  Zuwiderhandelnden  wurden  bedroht  nicht 
nur  mit  den  im  bisherigen  Gesetz  verzeichneten  Strafen,  sondern  auch 
„mit  den  noch  größern,  welche  der  Herzog  zu  verhängen  für  gut  finden 
wird".  Darauf  ging  der  Herzog  samt  dem  Hofe  mehrere  Tage  nach- 
einander zur  Predigt;  am  10.  April  mußten  sogar  alle  Juden  von  Ferrara 
dabei  sein.  Allein  am  3.  Mai  ließ  der  Polizeidirektor  —  der  schon  oben  Polizeiliche 
(S.  31)  erwähnte  Gregorio  Zampante  —  ausrufen:  wer  den  Schergen 
Geld  gegeben  habe,  um  nicht  als  Lästerer  verzeigt  zu  werden,  möge 
sich  melden,  um  es  samt  weiterer  Vergütung  zurückzuerhalten;  diese 
schändlichen  Menschen  nämlich  hatten  von  Unschuldigen  bis  auf  zwei, 
drei  Dukaten  erpreßt  durch  die  Androhung  der  Denunziation  und 
einander  dann  gegenseitig  verraten,  worauf  sie  selbst  in  den  Kerker 
kamen.  Da  man  aber  eben  nur  bezahlt  hatte,  um  nicht  mit  dem  Zam- 
pante zu  tun  zu  haben,  so  möchte  auf  sein  Ausschreiben  kaum  jemand 
erschienen  sein.  —  Im  Jahr  1500,  nach  dem  Sturze  des  Lodovico  Moro, 
als  ähnliche  Stimmungen  wiederkehrten,  verordnete  Ercole  von  sich 
aus**'  eine  Folge  von  neun  Prozessionen,  wobei  auch  die  weißgeklei- 
deten Kinder  mit  der  Jesusfahne  nicht  fehlen  durften;  er  selber  ritt 
mit  im  Zuge,  weil  er  schlecht  zu  Fuße  war.  Dann  folgte  ein  Edikt  ganz 
ähnlichen  Inhaltes  wie  das  von  1496.  Die  zahlreichen  Kirchen-  und 
Klosterbauten  dieser  Regierung  sind  bekannt,  aber  selbst  eine  leib- 
haftige Heilige,  die  Suor  Colomba''**,  ließ  sich  Ercole  kommen,  ganz 
kurz,  bevor  er  seinen  Sohn  Alfonso  mit  der  Lucrezia  Borgia  vermählen 
mußte  (1502).  Ein  Kabinettskurier*^  holte  die  Heilige  von  Viterbo 
mit  fünfzehn  andern  Nonnen  ab,  und  der  Herzog  selber  führte  sie  bei 
der  Ankunft  in  Ferrara  in  ein  bereitgehaltenes  Kloster  ein.  Tun  wir  ihm 
unrecht,  wenn  wir  in  all  diesen  Dingen  die  stärkste  politische  Absicht- 
lichkeit voraussetzen?  Zu  der  Herrscheridee  des  Hauses  Este,  wie  sie 
oben  (S.  32  u.  ff.)  nachgewiesen  wurde,  gehört  eine  solche  Mitbenüt- 
zung und  Dicnstbarmachung  des  Religiösen  beinahe  schon  nach  den 
Gesetzen  der  Logik. 


284  SITTE  UND  RELIGION 

vereuch  einer      Um  aber  zu  den  entscheidenden  Schlüssen  über  die  Religiosität  der 

^  ^^     Menschen  der  Renaissance  zu  gelangen,  müssen  wir  einen  andern  Weg 

einschlagen.  Aus  der  geistigen  Haltung  derselben  überhaupt  muß  ihr 

Verhältnis  sowohl  zu  der  bestehenden  Landesreligion  als  zu  der  Idee 

des  Göttlichen  klar  werden. 

Diese  modernen  Menschen,  die  Träger  der  Bildung  des  damaligen 
Italiens,  sind  rehgiös  geboren  wie  die  Abendländer  des  Mittelalters, 
aber  ihr  mächtiger  Individualismus  macht  sie  darin  wie  in  andern  Din- 
gen völlig  subjektiv,  und  die  Fülle  von  Reiz,  welche  die  Entdeckung 
der  äußern  und  der  geistigen  Welt  auf  sie  ausübt,  macht  sie  überhaupt 
vorwiegend  weltlich.  Im  übrigen  Europa  dagegen  bleibt  die  Religion 
noch  länger  ein  objektiv  Gegebenes,  und  im  Leben  wechselt  Selbst- 
sucht und  Sinnengenuß  unmittelbar  mit  Andacht  und  Buße;  letztere 
hat  noch  keine  geistige  Konkurrenz  wie  in  Itahen,  oder  doch  eine  un- 
endlich geringere. 

Ferner  hatte  von  jeher  der  häufige  und  nahe  Kontakt  mit  Byzan- 
tinern und  mit  Mohammedanern  eine  neutrale  Toleranz  aufrecht- 
erhalten, vor  welcher  der  ethnographische  Begriff  einer  bevorrechteten 
abendländischen  Christenheit  einigermaßen  zurücktrat.  Und  als  voll- 
ends das  klassische  Altertum  mit  seinen  Menschen  und  Einrichtungen 
ein  Ideal  des  Lebens  wurde,  weil  es  die  größte  Erinnerung  Italiens 
war,  da  überwältigte  die  antike  Spekulation  und  Skepsis  bisweilen 
den  Geist  der  Italiener  vollständig. 

Da  ferner  die  Italiener  die  ersten  neuern  Europäer  waren,  welche 
sich  schrankenlos  dem  Nachdenken  über  Freiheit  und  Notwendigkeit 
hingaben,  da  sie  dies  taten  unter  gewaltsamen,  rechtlosen  politischen 
Verhältnissen,  die  oft  einem  glänzenden  und  dauernden  Siege  des  Bösen 
ähnlich  sahen,  so  wurde  ihr  Gottesbewußtsein  schwankend,  ihre  Welt- 
anschauung teilweise  fatalistisch.  Und  wenn  ihre  Leidenschaftlich- 
keit bei  dem  Ungewissen  nicht  wollte  stehenbleiben,  so  nahmen  manche 
vorlieb  mit  einer  Ergänzung  aus  dem  antiken,  orientalischen  und  mittel- 
alterlichen Aberglauben;  sie  wurden  Astrologen  und  Magier. 

Endlich  aber  zeigen  die  geistig  Mächtigen,  die  Träger  der  Renaissance 
in  religiöser  Beziehung  eine  häufige  Eigenschaft  jugendlicher  Naturen: 
sie  unterscheiden  recht  scharf  zwischen  gut  und  böse,  aber  sie  kennen 
keine  Sünde;  jede  Störung  der  innem  Harmonie  getrauen  sie  sich  ver- 
möge ihrer  plastischen  Kraft  wiederherzustellen  und  kennen  deshalb 
keine  Reue;  da  verblaßt  denn  auch  das  Bedürfnis  der  Erlösung,  während 
zugleich  vor  dem  Ehrgeiz  und  der  Geistesanstrengung  des  Tages  der 
Gedanke  an  das  Jenseits  entweder  völlig  verschwindet  oder  eine  poeti- 
sche Gestalt  annimmt  statt  der  dogmatischen. 


der  Religion 


SITTE  UND  RELIGION  285 

Denkt  man  sich  dieses  alles  vermittelt  und  teilweise  verwirrt  durch 
die  anherrschende  Phantasie,  so  ergibt  sich  ein  Geistesbild  jener 
Zeit,  das  wenigstens  der  Wahrheit  näher  kommt  als  bloße  unbestimmte 
Klagen  über  modernes  Heidentum.  Und  bei  näherm  Forschen  wird 
man  erst  noch  innewerden,  daß  unter  der  Hülle  dieses  Zustandes 
ein  starker  Trieb  echter  Religiosität  lebendig  bhcb. 

Die  nähere  Ausführung  des  Gesagten  muß  sich  hier  auf  die  wesent- 
lichsten Belege  beschränken. 

Daß  die  Religion  überhaupt  wieder  mehr  Sache  des  einzelnen  Sub-  Subjektivität 
jektes  und  seiner  besonderen  Auffassung  wurde,  war  gegenüber  der 
ausgearteten,  tyrannisch  behaupteten  Kirchenlehre  unvermeidlich  und 
ein  Beweis,  daß  der  europäische  Geist  noch  am  Leben  sei.  Freihch 
offenbart  sich  dies  auf  sehr  verschiedene  Weise;  während  die  mystischen 
und  asketischen  Sekten  des  Nordens  für  die  neue  Gefühlswelt  und 
Denkart  sogleich  auch  eine  neue  Disziplin  schufen,  ging  in  Italien 
jeder  seinen  eigenen  Weg,  und  Tausende  verloren  sich  auf  dem  hohen 
Meer  des  Lebens  in  religiöse  Indifferenz.  Um  so  höher  muß  man  es 
denjenigen  anrechnen,  welche  zu  einer  individuellen  Religion  durch- 
drangen und  daran  festhielten.  Denn  daß  sie  an  der  alten  Kirche, 
wie  sie  war  und  sich  aufdrang,  keinen  Teil  mehr  hatten,  war  nicht  ihre 
Schuld;  daß  aber  der  einzelne  die  ganze  große  Geistesarbeit,  welche 
dann  den  deutschen  Reformatoren  zufiel,  in  sich  hätte  durchmachen 
sollen,  wäre  ein  unbilliges  Verlangen  gewesen.  Wo  es  mit  dieser  indi- 
viduellen Rehgion  der  Bessern  in  der  Regel  hinaus  wollte,  werden  wir 
am  Schlüsse  zu  zeigen  suchen. 

Die  WekUchkeit,  durch  welche  die  Renaissance  einen  ausgesproche- 
nen Gegensatz  zum  Mittelalter  zu  bilden  scheint,  entsteht  zunächst 
durch  das  massenhafte  Überströmen  der  neuen  .Anschauungen,  Ge- 
danken und  Absichten  in  bezug  auf  Natur  und  Menschheit.  An  sich  be- 
trachtet, ist  sie  der  Religion  nicht  feindlicher  als  das,  was  jetzt  ihre 
Stelle  vertritt,  nämlich  die  sogennanten  Bildungsinteressen,  nur  daß 
diese,  so  wie  wir  sie  betreiben,  uns  bloß  ein  schwaches  Abbild  geben 
von  der  allseitigen  Aufregung,  in  welche  damals  das  viele  und  große 
Neue  die  Menschen  versetzte.  So  war  diese  Weltlichkeit  eine  ernste, 
überdies  durch  Poesie  und  Kunst  geadelte.  Es  ist  eine  erhabene  Not- 
wendigkeit des  modernen  Geistes,  daß  er  dieselbe  gar  nicht  mehr  ab- 
schütteln kann,  daß  er  zur  Erforschung  der  Menschen  und  der  Dinge 
unwdderstehlich  getrieben  wird  und  dies  für  seine  Bestimmung  hält^'^. 
Wie  bald  und  auf  welchen  Wegen  ihn  dies  Forschen  zu  Gott  zurück- 
führen, wie  es  sich  mit  der  sonstigen  Religiosität  des  einzelnen  in  Ver- 
bindung setzen  wird,  das  sind  Fragen,  welche  sich  nicht  nach  allgemeinen 


286 


SITTE  UND  RELIGION 


Toleranz 

gegen  den 
Islam 


Die  drei 
Ringe 


BerechtigunR 

aller  Religin- 

nen 


Vorschriften  erledigen  lassen.  Das  Mittelalter,  welches  sich  im  ganzen 
die  Empirie  und  das  freie  Forschen  erspart  hatte,  kann  in  dieser  großen 
Angelegenheit  mit  irgendeinem  dogmatischen  Entscheid  nicht  auf- 
kommen. 

Mit  dem  Studium  des  Menschen,  aber  auch  noch  mit  vielen  andern 
Dingen,  hing  dann  die  Toleranz  und  die  Indifferenz  zusammen,  womit 
man  zunächst  dem  Mohammedanismus  begegnete.  Die  Kenntnis  und 
Bewunderung  der  bedeutenden  Kulturhöhe  der  islamitischen  Völker, 
zumal  vor  der  mongolischen  Überschwemmung,  war  gewiß  den  Italie- 
nern seit  den  Kreuzzügen  eigen;  dazu  kam  die  halbmohammedanische 
Regierungsweise  ihrer  eigenen  Fürsten,  die  stille  Abneigung,  ja  Ver- 
achtung gegen  die  Kirche,  wie  sie  war,  die  Fortdauer  der  orientalischen 
Reisen  und  des  Handels  nach  den  östlichen  und  südlichen  Häfen  des 
Mittelmeeres^'^.  ErweisHch  schon  im  13.  Jahrhundert  offenbart  sich  bei 
den  Italienern  die  Anerkennung  eines  mohammedanischen  Ideals  von 
Edelmut,  Würde  und  Stolz,  das  am  liebsten  mit  der  Person  eines  Sul- 
tans verknüpft  wird.  Man  hat  dabei  insgemein  an  ejubidische  oder 
mamelukische  Sultane  von  Ägypten  zu  denken;  wenn  ein  Name  genannt 
wird,  so  ist  es  höchstens  Saladin*'*.  Selbst  die  osmanischen  Türken,  deren 
zerstörende  aufbrechende  Manier  wahrlich  kein  Geheimnis  war,  flößen 
dann  den  Italienern,  wie  oben  (S.  55  ff.)  gezeigt  wurde,  doch  nur  einen 
halben  Schrecken  ein,  und  ganze  Bevölkerungen  gewöhnen  sich  an  den 
Gedanken  einer  möglichen  Abfindung  mit  ihnen. 

Der  wahrste  und  bezeichnendste  Ausdruck  dieser  Indifferenz  ist  die 
berühmte  Geschichte  von  den  drei  Ringen,  welche  unter  andern  Lessing 
seinem  Nathan  in  den  Mund  legte,  nachdem  sie  schon  vor  vielen  Jahr- 
hunderten zaghafter  in  den  „hundert  alten  Novellen"  (Nov.  72  oder  73) 
und  etwas  rückhaltsloscr  bei  Boccaccio^'*  vorgebracht  worden  war.  In 
welchem  Winkel  des  Mittelmeeres  und  in  welcher  Sprache  sie  zuerst 
einer  dem  andern  erzählt  haben  mag,  wird  man  nie  herausbringen; 
wahrscheinlich  lautete  sie  ursprünglich  noch  viel  deutlicher,  als  in  den 
beiden  italienischen  Redaktionen.  Der  geheime  Vorbehalt,  der  ihr  zu- 
grunde liegt,  nämlich  der  Deismus,  wird  unten  in  seiner  weitem  Bedeu- 
tung an  den  Tag  treten.  In  roher  Mißgestalt  und  Verzerrung  gibt  der 
bekannte  Spruch  von  ,,den  Dreien,  die  die  Welt  betrogen",  nämlich 
Moses,  Christus  und  Mohammed,  dieselbe  Idee  wieder.  Wenn  Kaiser 
Friedrich  II.,  von  dem  diese  Rede  stammen  soll,  ähnlich  gedacht  hat, 
so  wird  er  sich  wohl  geistreicher  ausgedrückt  haben.  Ähnliche  Reden 
kommen  auch  im  damaligen  Islam  vor. 

Auf  der  Höhe  der  Renaissance,  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts, 
tritt  uns  dann  eine  ähnliche  Denkweise  entgegen  bei  Luigi  Pulci,  im 


SITTE  UND  RELIGION  287 

Morgante  maggiorc.  Die  Phantasiewelt,  in  welcher  sich  seine  Geschich- 
ten bewegen,  teilt  sich,  wie  bei  allen  romantischen  Heldengedichten,  in 
ein  christliches  und  ein  mohammedanisches  Heerlager.  Gemäß  dem 
Sinne  des  Mittelalters  war  nun  der  Sieg  und  die  Versöhnung  zwischen 
den  Streitern  gerne  begleitet  von  der  Taufe  des  unterliegenden  moham- 
medanischen Teiles,  und  die  Improvisatoren,  welche  dem  Pulci  in  der 
Behandlung  solcher  Stoffe  vorangegangen  waren,  müssen  von  diesem 
Motiv  reichlichen  Gebrauch  gemacht  haben.  Nun  ist  es  Pulcis  eigent- 
liches Geschäft,  diese  seine  V^orgänger,  besonders  wohl  die  schlechten 
darunter,  zu  parodieren,  und  dies  geschieht  schon  durch  die  Anrufungen 
an  Gott,  Christus  und  die  Madonna,  womit  seine  einzelnen  Gesänge 
anheben.  Noch  viel  deutlicher  aber  macht  er  ihnen  die  raschen  Bekeh- 
rungen und  Taufen  nach,  deren  Sinnlosigkeit  dem  Leser  oder  Hörer  ja 
recht  in  die  Augen  springen  soll.  Allein  dieser  Spott  führt  ihn  weiter 
bis  zum  Bekenntnis  seines  Glaubens  an  die  relative  Güte  aller  Rehgio- 
nen*'®,  dem  trotz  seiner  Beteuerungen  der  Orthodoxie*"  eine  wesent- 
lich theistische  Anschauung  zugrunde  liegt.  Außerdem  tut  er  noch  einen 
großen  Schritt  über  alles  Mittelalter  hinaus  nach  einer  andern  Seite  hin. 
Die  Alternativen  der  vergangenen  Jahrhunderte  hatten  gelautet:  Recht- 
gläubiger oder  Ketzer,  Christ  oder  Heide  und  Mohammedaner;  nun 
zeichnet  Pulci  die  Gestalt  des  Riesen  Margutte*™,  der  sich  gegenüber  dt  Riese 
von  aller  und  jeglicher  Religion  zum  sinnlichsten  Egoismus  und  zu  allen 
Lastern  fröhlich  bekennt  und  sich  nur  das  eine  vorbehält:  daß  er  nie 
einen  Verrat  begangen  habe.  Vielleicht  hatte  der  Dichter  mit  diesem 
auf  seine  Manier  ehrlichen  Scheusal  nichts  Geringes  vor,  möglicherweise 
eine  Erziehung  zum  Bessern  durch  Morgante,  allein  die  Figur  verleidete 
ihm  bald,  und  er  gönnte  ihr  bereits  im  nächsten  Gesang  ein  komisches 
Ende*'^.  Margutte  ist  schon  als  Beweis  von  Pulcis  Frivolität  geltend  ge- 
macht worden;  er  gehört  aber  notwendig  mit  zu  dem  Weltbilde  der 
Dichtung  des  15.  Jahrhunderts.  Irgendwo  mußte  sie  in  grotesker  Größe 
den  für  alles  damalige  Dogmatisieren  unempfindlich  gewordenen,  wilden 
Egoismus  zeichnen,  dem  nur  ein  Rest  von  Ehrgefühl  geblieben  ist.  Auch 
in  andern  Gedichten  wird  den  Riesen,  Dämonen,  Heiden  und  Moham- 
medanern in  den  Mund  gelegt,  was  kein  christlicher  Ritter  sagen  darf 

Wieder  auf  eine  ganz  andere  Weise  als  der  Islam  wirkte  das  Altertum  Hmwirkune 
ein,  und  zwar  nicht  durch  seine  Religion,  denn  diese  war  dem  damaligen 
Katholizismus  nur  zu  homogen,  sondern  durch  seine  Philosophie.  Die 
antike  Literatur,  die  man  jetzt  als  etwas  Unvergleichliches  verehrte,  war 
ganz  erfüllt  von  dem  Siege  der  Philosophie  über  den  Götterglauben; 
eine  ganze  Anzahl  von  Systemen  und  Fragmenten  von  Systemen  stürz- 
ten über  den  italienischen  Geist  herein,  nicht  mehr  als  Kuriositäten  oder 


Margutte 
A  bb.  ^J9 


fles.Mteitnms 
im  14.  Jahrh. 


288  SITTE   UND  RELIGION 

gar  als  Häresien,  sondern  fast  als  Dogmen,  die  man  nun  nicht  sowohl 
zu  unterscheiden  als  miteinander  zu  versöhnen  bestrebt  war.  Fast  in  all 
diesen  verschiedenen  Meinungen  und  Philosophemen  lebte  irgendeine 
Art  von  Gottesbewußtsein,  aber  in  ihrer  Gesamtheit  bildeten  sie  doch 
einen  starken  Gegensatz  zu  der  christlichen  Lehre  von  der  göttlichen 
Weltregierung.  Nun  gibt  es  eine  wahrhaft  zentrale  Frage,  um  deren 
Lösung  sich  schon  die  Theologie  des  Mittelalters  ohne  genügenden  Er- 
folg bemüht  hatte,  und  welche  jetzt  vorzugsweise  von  der  Weisheit  des 
Altertums  eine  Antwort  verlangte:  Das  Verhältnis  der  Vorsehung  zur 
menschlichen  Freiheit  und  Notwendigkeit.  Wenn  wir  die  Geschichte 
dieser  Frage  seit  dem  14.  Jahrhundert  auch  nur  oberflächlich  durch- 
gehen wollten,  so  würde  hieraus  ein  eigenes  Buch  werden.  Wenige  An- 
deutungen müssen  hier  genügen. 

Epikureis  Hört  man  Dante  und  seine  Zeitgenossen,  so  wäre  die  antike  Philo- 
sophie zuerst  gerade  von  derjenigen  Seite  her  auf  das  italienische  Leben 
gestoßen,  wo  sie  den  schroffsten  Gegensatz  gegen  das  Christentum  bil- 
dete; es  stehen  nämlich  in  Italien  Epikureer  auf.  Nun  besaß  man  Epicurs 
Schriften  nicht  mehr,  und  schon  das  spätere  Altertum  hatte  von  seiner 
Lehre  einen  mehr  oder  weniger  einseitigen  Begriff;  immerhin  aber  ge- 
nügte schon  diejenige  Gestalt  des  Epikureismus,  welche  man  aus  Lucre- 
tius  und  ganz  besonders  aus  Cicero  studieren  konnte,  um  eine  völlig 
entgöttertc  Welt  kennenzulernen.  Wie  weit  man  die  Doktrin  buchstäb- 
lich faßte,  und  ob  nicht  der  Name  des  rätselhaften  griechischen  Weisen 
ein  bequemes  Schlagwort  für  die  Menge  wurde,  ist  schwer  zu  sagen; 
wahrscheinlich  hat  die  dominikanische  Inquisition  das  Wort  auch  gegen 
solche  gebraucht,  welchen  man  sonst  auf  keine  andere  Weise  beikommen 
konnte.  Es  sind  hauptsächlich  frühentwickelte  Verächter  der  Kirche, 
welche  man  doch  schwer  wegen  bestimmter  ketzerischer  Lehren  und 
Aussagen  belangen  konnte;  ein  mäßiger  Grad  von  Wohlleben  mag 
dann  genügt  haben,  um  jene  Anklage  hervorzubringen.  In  diesem 
konventionellen  Sinne  braucht  z.  B.  Giovanni  Villani  das  Wort,  wenn 
gj-980  bereits  die  florcntinischen  Feuersbrünste  von  1115  und  11 17  als 
göttliche  Strafe  für  die  Ketzereien  geltend  macht,  „unter  andern 
wegen  der  liederlichen  und  schwelgerischen  Sekte  der  Epikureer".  Von 
Manfred  sagt  er:  ,,Sein  Leben  war  epikureisch,  indem  er  nicht  an 
Gott  noch  an  die  Heiligen  und  überhaupt  nur  an  leibliches  Vergnügen 
glaubte." 

Dante  und  Dcutlichcr  icdct  Dautc  im  neunten  und  zehnten  Gesang  der  Hölle. 
p.  nreer  ^^^  furchtbare,  von  Flammen  durchzogene  Gräberfeld  mit  den  halb 
offenen  Sarkophagen,  aus  welchen  Töne  des  tiefsten  Jammers  hervor- 
dringen, beherbergt  die  zwei  großen  Kategorien  der  von  der  Kirche 


SITTE  UND  RELIGION  289 

im  13.  Jahrhundert  Besiegten  oder  Ausgestoßenen.  Die  einen  waren 
Ketzer  und  setzten  sich  der  Kirche  entgegen  durch  bestimmte  mit  Ab- 
sicht verbreitete  Irrlehren;  die  andern  waren  Epikureer  und  ihre  Sünde 
gegen  die  Kirche  lag  in  einer  allgemeinen  Gesinnung,  welche  sich  in 
dem  Satze  sammelt,  daß  die  Seele  mit  dem  Leib  vergehe^^^.  Die  Kirche 
aber  WTjßte  recht  gut,  daß  dieser  eine  Satz,  wenn  er  Boden  gewänne, 
ihrer  Art  von  Macht  verderblicher  werden  müßte  als  alles  Manichäer- 
und  Paterinerwesen,  weil  er  ihrer  Einmischung  in  das  Schicksal  des  ein- 
zelnen Menschen  nach  dem  Tode  allen  Wert  benahm.  Daß  sie  selber 
durch  die  Mittel,  welche  sie  in  ihren  Kämpfen  brauchte,  gerade  die 
Begabtesten  in  Verzweiflung  und  Unglauben  getrieben  hatte,  gab  sie 
natürlich  nicht  zu. 

Dantes  Abscheu  gegen  Epikur  oder  gegen  das,  was  er  für  dessen  Lehre 
hielt,  war  gewiß  aufrichtig;  der  Dichter  des  Jenseits  mußte  den  Leugner 
der  Unsterblichkeit  hassen,  und  die  von  Gott  weder  geschaffene  noch 
geleitete  Welt,  sowie  der  niedrige  Zweck  des  Daseins,  den  das  System 
aufzustellen  schien,  waren  dem  Wesen  Dantes  so  entgegengesetzt  als 
möghch.  Sieht  man  aber  näher  zu,  so  haben  auch  auf  ihn  gewisse  Philo- 
sopheme  der  Alten  einen  Eindruck  gemacht,  vor  welchem  die  biblische 
Lehre  von  der  Wcltlenkung  zurücktritt.  Oder  war  es  eigene  Spekulation, 
Einwirkung  der  Tagesmeinung,  Grauen  vor  dem  die  Welt  beherrschen- 
den Unrecht,  wenn  er***  die  spezielle  Vorsehung  völlig  aufgab?  Sein 
Gott  überläßt  nämUch  das  ganze  Detail  der  Weltregierung  einem  dämon- 
nischen  Wesen,  der  Fortuna,  welche  für  nichts  als  für  Veränderung,  für 
das  DurcheinandeiTütteln  der  Erdendinge  zu  sorgen  hat  und  in  indiffe- 
renter Seligkeit  den  Jammer  der  Menschen  überhören  darf.  Dafür  hält 
er  aber  die  sittliche  Verantwortung  des  Menschen  unerbittlich  fest:  er 
glaubt  an  den  freien  Willen. 

Der  Populärglaube  an  den  freien  Willen  herrscht  im  Abendlande  von  Lehre  vom 
jeher,  wie  man  denn  auch  zu  allen  Zeiten  jeden  persönlich  für  das,  was 
er  getan,  verantwortlich  gemacht  hat,  als  verstehe  sich  die  Sache  ganz 
von  selbst.  Anders  verhält  es  sich  mit  der  religiösen  und  philosophischen 
Lehre,  welche  sich  in  der  Lage  befindet,  die  Natur  des  menschUchen 
Willens  mit  den  großen  Weltgesetzen  in  Einklang  bringen  zu  müssen. 
Hier  ergibt  sich  ein  Mehr  oder  Weniger,  wonach  sich  die  Taxierung 
der  Sittlichkeit  überhaupt  richtet.  Dante  ist  nicht  völlig  unabhängig 
von  den  astrologischen  Wahngebilden,  welche  den  damahgen  Horizont 
mit  falschem  Lichte  erhellen,  aber  er  rafift  sich  nach  Kräften  empor  zu 
einer  würdigen  Anschauung  des  menschUchen  Wesens.  ,,Die  Gestirne", 
läßt  er'*3  seinen  Marco  Lombardo  sagen,  ,, geben  wohl  die  ersten  An- 
triebe zu  euerm  Tim,  aber  Licht  ist  euch  gegeben  über  Gutes  und 

Burckhardt  19 


freien  Willen 


290 


SITTE  UND  RELIGION 


Böses,  und  freier  Wille,  der  nach  anfänglichem  Kampf  mit  den  Gestirnen 
alles  besiegt,  wenn  er  richtig  genährt  wird." 

Andere  mochten  die  der  Freiheit  gegenüberstehende  Notwendigkeit 
in  einer  andern  Potenz  suchen  als  in  den  Sternen  —  jedenfalls  war  die 
Frage  seitdem  eine  offene,  nicht  mehr  zu  umgehende.  Soweit  sie  eine 
Frage  der  Schulen,  oder  vollends  nur  eine  Beschäftigung  isolierter  Den- 
ker blieb,  dürfen  wir  dafür  auf  die  Geschichte  der  Philosophie  verweisen. 
Sofern  sie  aber  in  das  Bewußtsein  weiterer  Kreise  überging,  wird  noch 
davon  die  Rede  sein  müssen. 

Das  14.  Jahrhundert  ließ  sich  vorzüglich  durch  die  philosophischen 
Schriften  Ciceros  anregen,  welcher  bekanntlich  als  Eklektiker  galt,  aber 
als  Skeptiker  wirkte,  weil  er  die  Theorien  verschiedener  Schulen  vor- 
trägt, ohne  genügende  Abschlüsse  beizufügen.  In  zweiter  Linie  kommen 
Seneca  und  die  wenigen  ins  Lateinische  übersetzten  Schriften  des  Aristo- 
teles. Die  Frucht  dieses  Studiums  war  einstweilen  die  Fähigkeit,  über 
die  höchsten  Dinge  zu  reflektieren,  wenigstens  außerhalb  der  Kirchen- 
lehre, wenn  auch  nicht  im  Widerspruch  mit  ihr. 

Einwirkung       Mit  dcm  1 5.  Jahrhundert  vermehrte  sich,  wie  wir  sahen,  der  Besitz 
inTis  jah'rh  ""^  dlc  Verbreitung  der  Schriften  des  Altertums  außerordentlich;  end- 
lich kamen  auch  die  sämtlichen  noch  vorhandenen  griechischen  Philo- 
sophen wenigstens  in  lateinischer  Übersetzung  unter  die  Leute.  Nun  ist 
es  zunächst  sehr  bemerkenswert,  daß  gerade  einige  der  Hauptbeförderer 
Frömmigkeit  dicser  Literatur  der  strengsten  Frömmigkeit,  ja  der  Askese  ergeben  sind 

""nismus"^  (^gl-  S.  1 54) .  Von  Fra  Ambrogio  Camaldolese  darf  man  nicht  sprechen, 
weil  er  sich  ausschließlich  auf  das  Übertragen  der  griechischen  Kirchen- 
väter zurückzog  und  nur  mit  großem  Widerstreben  auf  Andringen  des 
altern  Cosimo  Medici  den  Diogenes  Laertius  ins  Lateinische  übersetzte. 
Aber  seine  Zeitgenossen  Niccolo  Niccoli,  Gianozzo  Mannctti,  Donato 
Abb.  23s  Acciajuoli,  Papst  Nicolaus  V.  vereinigend^*  mit  allseitigem  Humanismus 
eine  sehr  gelehrte  Bibelkunde  und  eine  tiefe  Andacht.  An  Vittorino 
da  Feltre  wurde  bereits  (S.  ii8)  eine  ähnliche  Richtung  hervorgehoben. 
Derselbe  Maffco  Vcgio,  welcher  das  dreizehnte  Buch  zur  Aeneide  dich- 
tete, hatte  für  das  Andenken  S.  Augustins  und  dessen  Mutter  Monica 
eine  Begeisterung,  welche  nicht  ohne  hohem  Bezug  gewesen  sein  wird. 
Frucht  und  Folge  solcher  Bestrebungen  war  dann,  daß  die  platonische 
Akademie  zu  Florenz  sich  es  förmlich  zum  Ziele  setzte,  den  Geist  des 
Altertums  mit  dem  des  Christentums  zu  durchdringen;  eine  merkwürdige 
Oase  innerhalb  des  damaligen  Humanismus. 

Die  mittlere       Letzterer  war  im  ganzen  eben  doch  profan  und  wurde  es  bei  der  Aus- 

Hum^uter  dchnung  der  Studien  im  15.  Jahrhundert  immer  mehr.  Seine  Leute,  die 
wir  oben   als  die  rechten  Vorposten  des  entfesselten   Individualismus 


SITTE  UND  RELIGION  29I 

kennenlernten,  entwickelten  in  der  Regel  einen  solchen  Charakter,  daß 
uns  selbst  ihre  Religiosität,  die  bisweilen  mit  sehr  bestimmten  Ansprüchen 
auftritt,  gleichgültig  sein  darf.  In  den  Ruf  von  Atheisten  gelangten  sie 
etwa,  wenn  sie  indifferent  waren  und  dabei  ruchlose  Reden  gegen  die 
Kirche  führten;  einen  irgendwie  spekulativ  begründeten  Überzeugungs- 
atheismus hat  keiner  aufgestellt^^^  noch  aufzustellen  wagen  dürfen. 
Wenn  sie  sich  auf  einen  leitenden  Gedanken  besannen,  so  wird  es  am 
eiiesten  eine  Art  von  oberflächlichem  Rationalismus  gewesen  sein,  ein 
flüchtiger  Niederschlag  aus  den  vielen  widersprechenden  Ideen  der 
Alten,  womit  sie  sich  beschäftigen  mußten,  und  aus  der  Verachtung 
der  Kirche  und  ihrer  Lehre.  Dieser  Art  war  wohl  jenes  Räsonnement, 
welches  den  Galeottus  Martius^^^  beinahe  auf  den  Scheiterhaufen  brachte, 
wenn  ihn  nicht  sein  früherer  Schüler  Papst  Sixtus'  IV.  eilends  aus  den 
Händen  der  Inquisition  herausgerissen  hätte.  Galeotto  hatte  nämlich  ge- 
schrieben:  wer  sich  recht  aufführe  und  nach  dem  Innern  angeborenen  Ge- 
setz handle,  aus  welchem  Volk  er  auch  sei,  der  komme  in  den  Himmel. 

Betrachten  wir  beispielsweise  das  religiöse  Verhalten  eines  der  Ge-  ReUgion  des 
ringern  aus  der  großen  Schar  des  Codrus  Urceus'^',  der  erst  Hauslehrer 
des  letzten  Ordelaffb,  Fürsten  von  Forli,  und  dann  lange  Jahre  Professor 
in  Bologna  gewesen  ist.  Über  Hierarchie  und  Mönche  bringt  er  die 
obligaten  Lästerungen  im  vollsten  Maß;  sein  Ton  im  allgemeinen  ist 
höchst  frevelhaft,  dazu  erlaubt  er  sich  eine  beständige  Einmischung 
seiner  Person  nebst  Stadtgeschichten  und  Possen.  Aber  er  kann  auch 
erbaulich  von  dem  wahren  Gottmenschen  Christus  reden  und  sich  brief- 
lich in  das  Gebet  eines  frommen  Priesters  empfehlen.  Einmal  fällt  es  ihm 
ein,  nach  Aufzählung  der  Torheiten  der  heidnischen  Religion  also  fort- 
zufahren: „Auch  unsere  Theologen  wackeln  oft  und  zanken  de  lana 
caprina,  über  unbefleckte  Empfängnis,  Antichrist,  Sakramente,  Vorher- 
bestimmung und  einiges  andere,  was  man  lieber  beschweigen  als  her- 
auspredigen sollte."  Einst  verbrannte  sein  Zimmer  samt  fertigen  Manu- 
skripten, da  er  nicht  zu  Hause  war;  als  er  es  vernahm,  auf  der  Gasse, 
stellte  er  sich  gegen  ein  Madonnenbild  und  rief  an  dasselbe  hinauf: 
,,Höre,  was  ich  dir  sage,  ich  bin  nicht  verrückt,  ich  rede  mit  Absicht! 
Wenn  ich  dich  einst  in  der  Stunde  meines  Todes  zu  Hilfe  rufen  sollte,  so 
brauchst  du  mich  nicht  zu  erhören  und  zu  den  deinigen  hinüberzu- 
nehmen! Denn  mit  dem  Teufel  will  ich  wohnen  bleiben  in  Ewigkeit!" 
Eine  Rede,  auf  welche  hin  er  doch  für  gut  fand,  sich  sechs  Monate  hin- 
durch bei  einem  Holzhacker  verborgen  zu  halten.  Dabei  war  er  so  aber- 
gläubisch, daß  ihn  Augurien  und  Prodigien  beständig  ängstigten;  nur 
für  die  Unsterblichkeit  hatte  er  keinen  Glauben  übrig.  Seinen  Zuhörern 
sagte  er  auf  Befragen:  was  nach  dem  Tode  mit  dem  Menschen,  mit 

19* 


Urceus 


giliver  Kritik 


292  SITTE  UND  RELIGION 

seiner  Seele  oder  seinem  Geiste  geschehe,  das  wisse  man  nicht,  und  alle 
Reden  über  das  Jenseits  seien  Schreckmittel  für  alte  Weiber.  Als  es  aber 
ans  Sterben  ging,  empfahl  er  doch  in  seinem  Testament  seine  Seele 
codrus  oder  seinen  Geist*^  dem  allmächtigen  Gott,  vermahnte  auch  jetzt  seine 
weinenden  Schüler  zur  Gottesfurcht  und  insbesondere  zum  Glauben  an 
Unsterblichkeit  und  Vergeltung  nach  dem  Tode,  und  empfing  die 
Sakramente  mit  großer  Inbrunst.  —  Man  hat  keine  Garantie  dafür,  daß 
ungleich  berühmtere  Leute  desselben  Faches,  auch  wenn  sie  bedeutende 
Gedanken  ausgesprochen  haben,  im  Leben  \iel  konsequenter  gewesen 
seien.  Die  meisten  werden  innerlich  geschwankt  haben  zwischen  Frei- 
geisterei und  Fragmenten  des  anerzogenen  Katholizismus,  und  äußer- 
lich hielten  sie  schon  aus  Klugheit  zur  Kirche. 

Anfänge  ne-  Insofcrn  sich  dann  ihr  Rationalismus  mit  den  Anfängen  der  histo- 
rischen Kritik  verband,  mochte  auch  hie  und  da  eine  schüchterne  Kritik 
der  biblischen  Geschichte  auftauchen.  Es  wird  ein  Wort  Pius'  IL  über- 
liefert^**, welches  wie  mit  der  Absicht  des  Vorbauens  gesagt  ist:  „Wenn 
das  Christentum  auch  nicht  durch  Wunder  bestätigt  wäre,  so  hätte  es 
doch  schon  um  seiner  Moralität  willen  angenommen  werden  müssen." 
Über  die  Legenden,  insoweit  sie  willkürliche  Übertragungen  der  bibli- 
schen Wunder  enthalten,  erlaubte  man  sich  ohnehin  zu  spotten**",  und 
dies  wirkte  dann  weiter  zurück.  Wenn  judaisierende  Ketzer  erwähnt 
werden,  so  wird  man  dabei  vor  allem  an  Leugnung  der  Gottheit  Christi 
zu  denken  haben;  so  verhielt  es  sich  vielleicht  mit  Giorgio  da  Novara, 
welcher  um  1500  in  Bologna  verbrannt  wurde**i.  Aber  in  demselben 
Bologna  mußte  um  diese  Zeit  (1497)  der  donükanische  Inquisitor  den 
wohlprotegierten  Arzt  Gabrielle  da  Salo  mit  einer  bloßen  Reuerklä- 
rung®*^  durchschlüpfen  lassen,  obwohl  derselbe  folgende  Reden  zu  führen 
pflegte:  Christus  sei  nicht  Gott  gewesen,  sondern  Sohn  des  Joseph  und  der 
Maria  aus  einer  gewöhnlichen  Empfängnis;  er  habe  die  Welt  mit  seiner 
Arglist  ins  Verderben  gebracht;  den  Kreuzestod  möge  er  wohl  erlitten  ha- 
ben wegen  begangener  Verbrechen;  auch  werde  seine  Religion  nächstens 
aufhören;  in  der  geweihten  Hostie  sei  sein  wahrer  Leib  nicht;  seine  Wun- 
der habe  er  nicht  vollbracht  aus  göttlicher  Kraft,  sondern  sie  seien  durch 
Einfluß  der  Himmelskörper  geschehen.  Letzteres  ist  wiederum  höchst  be- 
zeichnend; der  Glaube  ist  dahin,  aber  die  Magie  behält  man  sich  vor***. 

Fatalismus  In  betreff  der  Weltregierung  raflcn  sich  die  Humanisten  insgemein 
niclit  weiter  auf,  als  bis  zu  einer  kalt  resignierten  Betrachtung  dessen, 
was  unter  der  ringsum  herrschenden  Gewalt  und  Mißregicrung  ge- 
schieht. Aus  dieser  Stimmung  sind  hervorgegangen  die  vielen  Bücher 
,,vom  Schicksal"  oder  wie  die  Varietäten  des  Titels  lauten  mögen.  Sie 
konstatieren  meist  nur  das  Drehen  des  Glücksrades,  die  Unbeständig- 


der 
Humanisten 


SITTE  UND  RELIGION  293 

keit  der  irdischen,  zumal  der  politischen  Dinge;  die  Vorsehung  wird 
herbeigezogen,  offenbar  nur,  weil  man  sich  des  nackten  Fatalismus,  des 
Verzichtens  auf  Erkenntnis  von  Ursachen  und  Wirkungen,  oder  des 
baren  Jammers  noch  schämt.  Nicht  ohne  Geist  konstruiert  Gioviano 
Pontano  die  Naturgeschichte  des  dämonischen  Etwas,  Fortuna  genannt, 
aus  hundert  meist  selbsterlebten  Erfahrungen®^*.  Mehr  scherzhaft,  in 
Form  eines  Traumgesichtes,  behandelt  Aeneas  Sylvius  den  Gegen- 
stand^®^. Poggios  Streben  dagegen,  in  einer  Schrift  seines  Greisenalters®®^. 
geht  dahin,  die  Welt  als  ein  Jammertal  darzustellen  und  das  Glück  der 
einzelnen  Stände  so  niedrig  als  möglich  zu  taxieren.  Dieser  Ton  bleibt 
dann  im  ganzen  der  vorherrschende;  von  einer  Menge  ausgezeichneter 
Leute  wird  das  Soll  und  Haben  ihres  Glückes  und  Unglückes  unter- 
sucht und  die  Summe  daraus  in  vorwiegend  ungünstigem  Sinn  gezogen. 
In  höchst  würdiger  Weise,  fast  elegisch,  schildert  uns  vorzüglich  Tristan 
Caracciolo®®'  das  Schicksal  Italiens  und  der  Italiener,  soweit  es  sich  um 
1510  überschauen  ließ.  Mit  spezieller  Anwendung  dieses  herrschenden 
Grundgefühls  auf  die  Humanisten  selber  verfaßte  dann  später  Pierio 
Valeriano  seine  berühmte  Abhandlung  (S.  156).  Es  gab  einzelne  ganz 
besonders  anregende  Themata  dieser  Art,  wie  z.  B.  das  Glück  Leos  X. 
Was  von  politischer  Seite  darüber  Günstiges  gesagt  werden  kann,  das 
hat  Francesco  Vettori  in  scharfen  Meisterzügen  zusammengefaßt;  das 
Bild  seines  Genußlebens  geben  Paolo  Giovio  und  die  Biographie  eines 
Ungenannten*®*;  die  Schattenseiten  dieses  Glückes  verzeichnet  unerbitt- 
lich wie  das  Schicksal  selbst  der  ebengenannte  Pierio. 

Daneben  erregt  es  beinahe  Grauen,  wenn  hie  und  da  sich  jemand  Das  Rühmen 
öffenthch  in  lateinischer  Inschrift  des  Glückes  rühmt.  So  wagte  Gio- 
vanni II.  Bentivoglio,  Herrscher  von  Bologna,  an  dem  neuerbauten  Atb.  ^jj 
Turme  bei  seinem  Palaste  es  in  Stein  hauen  zu  lassen:  sein  Verdienst 
und  sein  Glück  hätten  ihm  alle  irgend  wünschbaren  Güter  reichlich 
gewährt*®'  —  wenige  Jahre  vor  seiner  Verjagung.  Die  Alten,  wenn  sie 
in  diesem  Sinne  redeten,  empfanden  wenigstens  das  Gefühl  vom  Neid 
der  Götter.  In  Italien  hatten  es  wahrscheinlich  die  Kondottiercn  (S.  14) 
aufgebracht,  daß  man  sich  laut  der  Fortuna  rühmen  durfte. 

Der  stärkste  Einfluß  des  wiedcrcntdcckten  Altertums  auf  die  Religion 
kam  übrigens  nicht  von  irgendeinem  philosophischen  System  oder  von 
einer  Lehre  und  Meinung  der  Alten  her,  sondern  von  einem  alles  be- 
herrschenden Urteil.  Man  zog  die  Menschen  und  zum  Teil  auch  die 
Einrichtungen  des  Altertums  denjenigen  des  Mittelalters  vor,  strebte 
ihnen  auf  alle  Weise  nach  und  wurde  dabei  über  den  Religionsunter- 
schied völlig  gleichgültig.  Die  Bewunderung  der  historischen  Größe  ab- 
sorbierte alles  (vgl.  S.  84,  Anm.  Nr.  852). 


294 


SITTE  UND  RELIGION 


Heidnische       Bei  dcn  Philologen  kam  dann  noch  manche  besondere  Torheit  hinzu, 
durch  welche  sie  die  Blicke  der  Welt  auf  sich  zogen.  Wie  weit  Papst 


keitea 


Paul  II.  berechtigt  war,  das  Heidentum  seiner  Abbreviatoren  und  ihrer 
Genossen  zur  Rechenschaft  zu  ziehen,  bleibt  allerdings  sehr  zweifelhaft, 
da  sein  Hauptopfer  und  Biograph  Piatina  (S.  128,  190)  es  meisterlich 
verstanden  hat,  ihn  dabei  als  rachsüchtig  wegen  anderer  Dinge  und  ganz 
besonders  als  komische  Figur  erscheinen  zu  lassen.  Die  Anklage  auf 
Unglauben,  Heidentum^""",  Leugnung  der  Unsterblichkeit  usw.  wurde 
gegen  die  Verhafteten  erst  erhoben,  nachdem  der  Hochverratsprozeß 
nichts  ergeben  hatte;  auch  war  Paul,  wenn  wir  recht  berichtet  werden, 
gar  nicht  der  Mann  dazu,  irgend  etwas  Geistiges  zu  beurteilen,  wie  er 
denn  die  Römer  ermahnte,  ihren  Kindern  über  Lesen  und  Schreiben 
hinaus  keinen  weiteren  Unterricht  mehr  geben  zu  lassen.  Es  ist  eine 
ähnliche  priesterliche  Beschränktheit  wie  bei  Savonarola  (S.  276),  nur 
daß  man  Papst  Paul  hätte  erwidern  können,  er  und  seinesgleichen  trügen 
mit  die  Hauptschuld,  wenn  die  Bildung  den  Menschen  von  der  Religion 
abwendig  mache.  Daran  aber  ist  doch  nicht  zu  zweifeln,  daß  er  eine 
wirkliche  Besorgnis  wegen  der  heidnischen  Tendenzen  in  seiner  Nähe 
verspürte.  Was  mögen  sich  vollends  die  Humanisten  am  Hofe  des  heid- 
nisch ruchlosen  Sigismondo  Malatesta  (Anm.  Nr.  979)  erlaubt  haben? 
Gewiß  kam  es  bei  diesen  meist  haltungslosen  Menschen  wesentlich  dar- 
auf an,  wie  weit  ihre  Umgebung  ihnen  zu  gehen  gestattete.  Und  wo  sie 
das  Christentum  anrühren,  da  paganisieren  sie  es  (S.  145,  149).  Man 
muß  seilen,  wie  weit  z.  B.  ein  Gioviano  Pontano  die  Vermischung  treibt; 
ein  Heiliger  heißt  bei  ihm  nicht  nur  Divus,  sondern  Deus;  die  Engel 
hält  er  schlechtweg  mit  den  Genien  des  Altertums  für  identisch ^""^j  und 
seine  Ansicht  von  der  Unsterblichkeit  gleicht  einem  Schattenreiche.  Es 
kommt  zu  einzelnen  ganz  wunderbaren  Exzessen  in  dieser  Beziehung. 
Als  1526  Siena  von  der  Partei  der  Ausgetriebenen  angegriffen  wurde^**"'', 
stand  der  gute  Domherr  Tizio,  der  uns  dies  selber  erzählt,  am  22.  Juli 
vom  Bette  auf,  gedachte  dessen,  was  im  dritten  Buch  des  Macrobius^""* 
geschrieben  steht,  las  eine  Messe,  und  sprach  dann  die  in  jenem  Autor 
aufgezeichnete  Devotionsformel  gegen  die  Feinde  aus,  nur  daß  er  statt 
Tcllus  mater  teque  Jupiter  obtestor  sagte:  TcUus  tcque  Christe  Deus 
obtcstor.  Nachdem  er  damit  noch  an  den  zwei  folgenden  Tagen  fort- 
gefahren, zogen  die  Feinde  ab.  Von  der  einen  Seite  sieht  dergleichen 
aus  wie  eine  unschuldige  Stil-  und  Modesache,  von  der  andern  aber  wie 
ein  religiöser  Abfall. 
Emwirkuug  Docii  das  Altertum  hatte  noch  eine  ganz  besonders  gefahrliche  Wir- 
Abcrgi'luije'ns  ^uHg,  und  zwar  dogmatischcr  Art:  es  teilte  der  Renaissance  seine  Art 
des  Aberglaubens  mit.  Einzelnes  davon  hatte  sich  in  Italien  durch  das 


SITTE  UND  RELIGION  205 

Mittelalter  hindurch  am  Leben  erhalten;  um  so  viel  leichter  lebte  jetzt 
das  Ganze  neu  auf.  Daß  dabei  die  Phantasie  mächtig  mitspielte,  ver- 
steht sich  von  selbst.  Nur  sie  konnte  den  forschenden  Geist  der  Italiener 
so  weit  zum  Schweigen  bringen. 

Der  Glaube  an  die  göttliche  Weltregierung  war,  wie  gesagt,  bei  den 
einen  durch  die  Masse  des  Unrechtes  und  Unglückes  erschüttert;  die  an- 
dern, wie  z.  B.  Dante,  gaben  wenigstens  das  Erdenlcben  dem  Zufall  und 
seinem  Jammer  Preis,  und  wenn  sie  dabei  dennoch  einen  starken  Glauben 
behaupteten,  so  kam  dies  daher,  daß  sie  die  höhere  Bestimmung  des 
Menschen  für  das  Jenseits  festhielten.  Sobald  nun  auch  diese  Überzeugung 
von  der  Unsterblichkeit  wankte,  bekam  der  Fatalismus  das  Übergewicht 
—  oder  wenn  letzteres  geschah,  so  war  ersteres  die  Folge  davon. 

In  die  Lücke  trat  zunächst  die  Astrologie  des  Altertums,  auch  wohl  Astrologie 
die  der  Araber.  Aus  der  jedesmaligen  Stellung  der  Planeten  unter  sich  '*''''  '*■*'  ^*" 
und  zu  den  Zeichen  des  Tierkreises  erriet  sie  künftige  Ereignisse  und  ganze 
Lebensläufe  und  bestimmte  auf  diesem  Wege  die  wichtigsten  Entschlüsse. 
In  xdelen  Fällen  mag  die  Handlungsweise,  zu  welcher  man  sich  durch 
die  Gestirne  bestimmen  ließ,  an  sich  nicht  unsittlicher  gewesen  sein  als 
diejenige,  welche  man  ohnedies  befolgt  haben  würde;  sehr  oft  aber  muß 
der  Entscheid  auf  Unkosten  des  Gewissens  und  der  Ehre  erfolgt  sein.  Es 
ist  ewig  lehrreich  zu  sehen,  wie  alle  Bildung  und  Aufklärung  gegen  diesen 
Wahn  nicht  aufkam,  weil  derselbe  seine  Stütze  hatte  an  der  leidenschaft- 
lichen Phantasie,  an  dem  heißen  Wunsch,  die  Zukunft  voraus  zu  wissen 
und  zu  bestimmen,  und  weil  das  Altertum  ihn  bestätigte. 

Die  Astrologie  tritt  mit  dem  13.  Jahrhundert  plötzlich  sehr  mächtig 
in  den  Vordergrund  des  italienischen  Lebens.  Kaiser  Friedrich  IL  führt 
seinen  Astrologen  Theodorus  mit  sich,  und  Ezzelino  da  Romano  i""*  einen 
ganzen  stark  besoldeten  Hof  von  solchen  Leuten,  darunter  den  be- 
rühmten Guido  Bonatto  und  den  langbärtigen  Sarazenen  Paul  \on 
Bagdad.  Zu  allen  wichtigen  Unternehmungen  mußten  sie  ihm  Tag  und 
Stunde  bestimmen,  und  die  massenhaften  Greuel,  welche  er  verüben 
ließ,  mögen  nicht  geringen  Teils  auf  logischer  Deduktion  aus  ihren 
Weissagungen  beruht  haben.  Seitdem  scheut  sich  niemand  mehr,  die 
Sterne  befragen  zu  lassen;  nicht  nur  die  Fürsten,  sondern  auch  einzelne  ihre  große 
Stadtgemeinden ^""^  halten  sich  regelmäßige  Astrologen,  und  an  den 
Universitäten^""^  werden  vom  14.  bis  zum  1 6.  Jahrhundert  besondere 
Professoren  dieser  Wahnwissenschaft,  sogar  neben  eigentlichen  Astro- 
nomen, angestellt.  Die  Päpste^""'  bekennen  sich  großenteils  offen  zur 
Stembefragung;  allerdings  macht  Pius  IL  eine  ehrenvolle  Ausnahme*""^, 
wie  er  denn  auch  Traumdeutung,  Prodigien  und  Zauber  verachtete; 
aber  selbst  Leo  X.  scheint  einen  Ruhm  seines  Pontifikates  darin  zu  fin- 


Verbreitung 


296 


SITTE  UND  RELIGION 


den,  daß  die  Astrologie  blühe^""^,  und  Paul  III.  hat  kein  Konsistorium 
gehalten"^",  ohne  daß  ihm  die  Sterngucker  die  Stunde  bestimmt  hätten. 
Bei  den  bessern  Gemütern  darf  man  nun  wohl  voraussetzen,  daß  sie 
sich  nicht  über  einen  gewissen  Grad  hinaus  in  ihrer  Handlungsweise 
von  den  Sternen  bestimmen  ließen,  daß  es  eine  Grenze  gab,  wo  Religion 
und  Gewissen  Einhalt  geboten.  In  der  Tat  haben  nicht  nur  treffliche 
Ihre  ehr-  uud  frommc  Lcutc  au  dem  Wahn  teilgenommen,  sondern  sind  selbst 
""^  '^'^  als  Repräsentanten  desselben  aufgetreten.  So  Maestro  Pagolo  von  FIo- 
renz^"",  bei  welchem  man  beinahe  diejenige  Ansicht  auf  Versittlichung 
des  Astrologentums  wiederfindet,  welche  bei  dem  späten  Römer  Firmi- 
cus  Maternus  kenntlich  wird^"^.  Sein  Leben  war  das  eines  heiligen  Aske- 
ten; er  genoß  beinahe  nichts,  verachtete  alle  zeitlichen  Güter  und  sam- 
melte nur  Bücher;  als  gelehrter  Arzt  beschränkte  er  seine  Praxis  auf  seine 
Freunde,  machte  ihnen  aber  zur  Bedingung,  daß  sie  beichten  mußten. 
Seine  Konversation  war  der  enge  aber  berühmte  Kreis,  welcher  sich 
im  Kloster  zu  den  Engeln  um  Fra  Ambrogio  Camaldolese  (S.  290) 
sammelte,  —  außerdem  die  Unterredungen  mit  Cosimo  dem  Älteren, 
zumal  in  dessen  letzten  Lebensjahren;  denn  auch  Cosimo  achtete  und 
benutzte  die  Astrologie,  wenngleich  nur  für  bestimmte,  wahrscheinlich 
untergeordnete  Gegenstände.  Sonst  gab  Pagolo  nur  den  vertrautesten 
Freunden  astrologischen  Bescheid.  Aber  auch  ohne  solche  Sittenstrenge 
konnte  der  Sterndeuter  ein  geachteter  Mann  sein  und  sich  überall  zeigen; 
auch  gab  es  ihrer  ohne  Vergleich  viel  mehr  als  im  übrigen  Europa,  wo 
sie  nur  an  bedeutenden  Höfen,  und  selbst  da  nicht  durchgängig,  vor- 
kommen. Wer  in  Italien  irgendein  größeres  Haus  machte,  hielt  sich  auch, 
sobald  der  Eifer  fiir  die  Sache  groß  genug  war,  einen  Astrologen,  der 
freilich  bisweilen  Hunger  leiden  mochte^"".  Durch  die  schon  vor  dem 
Bücherdruck  stark  verbreitete  Literatur  dieser  Wissenschaft  war  über- 
dies ein  Dilettantismus  entstanden,  der  sich  so  viel  als  möglich  an  die 
Meister  des  Faches  anschloß.  Die  schlimme  Gattung  der  Astrologen  war 
die,  welche  die  Sterne  nur  zuhilfe  nahm,  um  Zauberkünste  damit  zu 
verbinden  oder  vor  den  Leuten  zu  verdecken. 
Emfiuß  im  Doch  selbst  ohne  eine  solche  Zutat  ist  die  Astrologie  ein  trauriges 
Element  des  damaligen  italienischen  Lebens.  Welchen  Eindruck  machen 
all  jene  hochbegabten,  vielseitigen,  eigenwilligen  Menschen,  wenn  die 
blinde  Begier,  das  Künftige  zu  wissen  und  zu  bewirken,  ihr  kräftiges 
individuelles  Wollen  und  Entschließen  auf  einmal  zur  Abdikation  zwingt! 
Dazwischen,  wenn  die  Sterne  etwa  gar  zu  Ungünstiges  verkünden,  raffen 
sie  sich  auf,  handeln  unabhängig  und  sprechen  dazu:  Vir  sapiens  domi- 
nabitur  astris^"^*,  der  Weise  wird  über  die  Gestirne  Meister;  ■ —  um  bald 
wieder  in  den  alten  Wahn  zurückzufallen. 


liiglichrn 
Lebten 


SITTE  UND  RELIGION  207 

Zunächst  wird  allen  Kindern  angesehener  Familien  das  Horoskop  ge- 
stellt und  bisweilen  schleppt  man  sich  hierauf  das  halbe  Leben  hindurch 
mit  irgendeiner  nichtsnutzigen  Voraussetzung  von  Ereignissen,  die  nicht 
eintreffen  ^'*^^.  Dann  werden  für  jeden  wichtigen  Entschluß  der  Mächtigen, 
zumal  für  die  Stunde  des  Beginnens  die  Sterne  befragt.  Abreisen  fürst- 
licher Personen,  Empfang  fremder  Gesandten "i^,  Grundsteinlegungen  uie  steme 
großer  Gebäude  hängen  davon  ab.  Ein  gewaltiges  Beispiel  der  letztem  ,  ™„'Jjs'|^'i„ 
Art  findet  sich  im  Leben  des  obengenannten  Guido  Bonatto,  welcher  H-ungen 
überhaupt  durch  seine  Tätigkeit  sowohl  als  durch  ein  großes  systemati- 
sches Werk^^i^  der  VViederhersteller  der  Astrologie  im  13.  Jahrhundert 
heißen  darf  Um  dem  Parteikampf  der  Guelfcn  und  Ghibelhnen  in  Forli 
ein  Ende  zu  machen,  beredete  er  die  Einwohner  zu  einem  Neubau  ihrer 
Stadtmauern  und  zum  feierlichen  Beginn  desselben  unter  einer  Kon- 
stellation, die  er  angab;  wenn  dann  Leute  beider  Parteien  in  demselben 
Moment  jeder  seinen  Stein  in  das  Fundament  würfen,  so  würde  in  Ewig- 
keit keine  Parteiung  mehr  in  Forli  sein.  Man  wählte  einen  Guelfen  und 
einen  Ghibellinen  zu  diesem  Geschäfte;  der  hehre  Augenblick  erschien, 
beide  hielten  ihre  Steine  in  der  Hand,  die  Arbeiter  warteten  mit  ihrem 
Bauzeug,  und  Bonatto  gab  das  Signal  —  da  warf  der  Ghibclline  sogleich 
seinen  Stein  hinunter,  der  Guelfe  aber  zögerte  und  weigerte  sich  dann 
gänzlich,  weil  Bonatto  selber  als  Ghibelline  galt  und  etwas  Geheimnis- 
volles gegen  die  Guelfen  im  Schilde  führen  konnte.  Nun  fuhr  ihn  der 
Astrolog  an:  Gott  verderbe  dich  und  deine  Guelfenpartei  mit  euerer 
mißtrauischen  Bosheit!  dies  Zeichen  wird  500  Jahre  lang  nicht  mehr 
am  Himmel  über  unserer  Stadt  erscheinen!  In  der  Tat  verdarb  Gott 
nachher  die  Guelfen  von  Forli,  jetzt  aber  (schreibt  der  Chronist  um 
1480)  sind  Guelfen  und  Ghibelhnen  hier  doch  gänzlich  versöhnt,  und 
man  hört  ihre  Parteinamen  nicht  mehr^°i*. 

Das  Nächste,  was  von  den  Sternen  abhängig  wird,  sind  die  Ent-  DieAstroio- 
Schlüsse  im  Kriege.  Derselbe  Bonatto  verschaffte  dem  großen  Ghibel-  ^"^ ""  '^™^' 
linenhaupt  Guido  da  Montefeltro  eine  ganze  Anzahl  von  Siegen,  indem 
er  ihm  die  richtige  Sternenstunde  zum  Auszug  angab;  als  Montefeltro 
ihn  nicht  mehr  bei  sich  hattei"!^,  verlor  er  allen  Mut,  seine  Tyrannis 
weiter  zu  behaupten  und  ging  in  ein  Minoritenkloster;  noch  lange  Jahre 
sah  man  ihn  als  Mönch  terminieren.  Die  Florentiner  ließen  sich  noch 
im  pisanischen  Krieg  von  1362  durch  ihren  Astrologen  die  Stunde  des 
•Auszuges  bestimmen i"20j  man  hätte  sich  beinahe  verspätet,  weil  plötz- 
lich ein  Umweg  in  der  Stadt  befohlen  wurde.  Frühere  Male  war  man 
nämlich  durch  Via  di  Borgo  S.  Apostolo  ausgezogen  und  hatte  schlechten 
Erfolg  gehabt;  offenbar  war  mit  dieser  Straße,  wenn  man  gegen  Pisa 
zu  Felde  zog,  ein  übles  Augurium  verknüpft,  und  deshalb  wurde  das 


2q8  SITTE  UND  RELIGION 

Heer  jetzt  durch  Porta  rossa  hinausgeführt;  weil  aber  dort  die  gegen 
die  Sonne  ausgespannten  Zelte  nicht  waren  weggenommen  worden,  so 
mußte  man  —  ein  neues  übles  Zeichen  —  die  Fahnen  gesenkt  tragen. 
Überhaupt  war  die  Astrologie  vom  Kriegswesen  schon  deshalb  nie  zu 
trennen,  weil  ihr  die  meisten  Kondottieren  anhingen.  Jacopo  Caldora 
war  in  der  schwersten  Krankheit  wohlgemut,  weil  er  wußte,  daß  er  im 
Kampfe  fallen  würde,  wie  denn  auch  geschah  1"^^;  Bartolommeo  Alviano 
war  davon  überzeugt,  daß  seine  Kopfwunden  ihm  so  gut  wie  sein  Kom- 
mando durch  Beschluß  der  Gestirne  zuteil  geworden^"^;  Nicolo  Orsini- 
Pitigliano  bittet  sich  für  den  Abschluß  seines  Soldvertrages  mit  Venedig 
(1495)  von  dem  Physikus  und  Astrologen  Alessandro  Benedetto^''^  eine 
gute  Sternenstunde  aus.  Als  die  Florentiner  den  i.  Juni  1498  ihren 
neuen  Kondottiere,  Paolo  Vitelli,  feierlich  mit  seiner  Würde  bekleide- 
ten, war  der  Kommandostab,  den  man  ihm  überreichte,  mit  der  Ab- 
bildung von  Konstellationen  versehen i"^*,  und  zwar  auf  Vitellis  eigenen 
Wunsch. 

Sterne  und  Biswcilen  wird  es  nicht  ganz  klar,  ob  bei  wichtigen  politischen  Ereig- 
nissen die  Sterne  vorher  befragt  wurden,  oder  ob  die  Astrologen  nur 
nachträglich  aus  Kuriosität  die  Konstellation  berechneten,  welche  den 
betreffenden  Augenblick  beherrscht  haben  sollte.  Als  Giangaleazzo  Vis- 
conti (S.  7)  mit  einem  Meisterstreich  seinen  Oheim  Bernabö  und  dessen 
Familie  gefangennahm  (1385),  standen  Jupiter,  Saturn  und  Mars  im 
Hause  der  Zwillinge  —  so  meldet  ein  Zeitgenosse ^"^^j  aber  wir  erfahren 
nicht,  ob  dies  den  Entschluß  zur  Tat  bestimmte.  Nicht  selten  mag  auch 
politische  Einsicht  und  Berechnung  den  Sterndeuter  mehr  geleitet  haben 
als  der  Gang  der  Planeten  ^*'-^. 

Hatte  sich  Europa  schon  das  ganze  spätere  Mittelalter  hindurch  von 
Paris  und  Toledo  aus  durch  astrologische  Weissagungen  von  Pest,  Krieg, 
Erdbeben,  großen  Wassern  u.  dgl.  ängstigen  lassen,  so  blieb  Italien  hierin 
vollends  nicht  zurück.  Dem  Unglücksjahr  1494,  das  den  Fremden  für 
immer  Italien  öffnete,  gingen  unleugbar  schlimme  Weissagungen  nahe 
vorausi''^?^  j^^^  müßte  man  wissen,  ob  solche  nicht  längst  für  jedes  be- 
liebige Jahr  bereitlagen. 

Die  Religio-  In  Seiner  vollen,  antiken  Konsequenz  dehnt  sich  aber  das  System  in 
°s°emenab°  R-Cgioncn  aus,  wo  man  nicht  mehr  erwarten  würde  ihm  zu  begegnen. 
hdngig  Wenn  das  ganze  äußere  und  geistige  Leben  des  Individuums  von  dessen 
Genitura  bedingt  ist,  so  befinden  sich  auch  größere  geistige  Gruppen, 
z.  B.  Völker  und  Religionen,  in  einer  ähnlichen  Abhängigkeit,  und  da 
die  Konstellationen  dieser  großen  Dinge  wandelbar  sind,  so  sind  es  auch 
die  Dinge  selbst.  Die  Idee,  daß  jede  Religion  ihren  Wclttag  habe,  kommt 
auf  diesem  astrologischen  Wege  in  die  italienische  Bildung  hinein.  Die 


SITTE  UND  RELIGION  209 

Konjunktion  des  Jupiter,  hieß^"^  es,  mit  Saturn  habe  den  hebräischen 
Glauben  her\orgebracht,  die  mit  Mars  den  chaldäischen,  die  mit  der 
Sonne  den  ägyptischen,  die  mit  Venus  den  mohammedanischen,  die  mit 
Merkur  den  christlichen,  und  die  mit  dem  Mond  werde  einst  die  Religion 
des  Antichrist  her\'orbringen.  In  frevelhaftester  Weise  hatte  schon  Checco 
d'Ascoli  die  Nativ-ität  Christi  berechnet  und  seinen  Kreuzestod  daraus 
deduziert;  er  mußte  deshalb  1327  in  Florenz  auf  dem  Scheiterhaufen 
sterben^"*'.  Lehren  dieser  Art  führten  in  ihren  weitern  Folgen  eine  förm- 
liche Verfinsterung  alles  Übersinnlichen  mit  sich. 

Um  so  anerkennungswerter  ist  aber  der  Kampf,  welchen  der  lichte  Die  Gegner 
itaUenische  Geist  gegen  dieses  ganze  Wahngespinst  geführt  hat.  Neben  "'^^^"^^ 
den  größten  monumentalen  Verherrlichungen  der  Astrologie,  wie  die 
Fresken  im  Salon  zu  Padua^"^"  und  diejenigen  in  Borsos  Sommerpalast 
(Schifanoja)  zu  Ferrara,  neben  dem  unverschämten  Anpreisen,  das  sich  Abb.2S6-iss, 
selbst  ein  Beroaldus  der  Ältere^°^^  erlaubt,  tönt  immer  wieder  der  laute  ^"■^'* 
Protest  der  Nichtbetörten  und  Denkenden.  Auch  auf  dieser  Seite  hatte 
das  Altertum  vorgearbeitet,  doch  reden  sie  hier  nicht  den  Alten  nach, 
sondern  aus  ihrem  eigenen  gesunden  Menschenverstände  und  aus  ihrer 
Beobachtung  heraus.  Petrarcas  Stimmung  gegen  die  Astrologen,  die  er 
aus  eigenem  Umgang  kannte,  ist  derber  Hohni*'^^,  und  ihr  System  durch- 
schaut er  in  seiner  Lügenhaftigkeit.  Sodann  ist  die  Novelle  seit  ihrer 
Geburt,  seit  den  cento  novelle  antiche,  den  Astrologen  fast  immer  feind- 
lich^"^. Die  florentinischen  Chronisten  wehren  sich  auf  das  tapferste, 
auch  wenn  sie  den  Wahn,  weil  er  in  die  Tradition  verflochten  ist,  mit- 
teilen müssen.  Giovanni  Villani  sagt  es  mehr  als  einmaP"^*:  ,, Keine 
Konstellation  kann  den  freien  Willen  des  Menschen  unter  die  Notwendig- 
keit zwingen,  noch  auch  den  Beschluß  Gottes";  Matteo  Villani  erklärt 
die  Astrologie  für  ein  Laster,  das  die  Florentiner  mit  anderm  Aberglauben 
von  ihren  Vorfahren,  den  heidnischen  Römern,  geerbt  hätten.  Es  blieb 
aber  nicht  bei  bloß  literarischer  Erörterung,  sondern  die  Parteien,  die 
sich  darob  bildeten,  stritten  öffentlich;  bei  der  furchtbaren  Über- 
schwemmung des  Jahres  1333  und  wiederum  1345  wurde  die  Frage  über 
Sternenschicksal  und  Gottes  Willen  und  Strafgerechtigkeit  zwischen 
Astrologen  und  Theologen  höchst  umständlich  diskutiert ^''^^.  Diese  Ver- 
wahrungen hören  die  ganze  Zeit  der  Renaissance  hindurch  niemals  völ- 
lig auf^'*'^,  und  man  darf  sie  für  aufrichtig  halten,  da  es  durch  Ver- 
teidigung der  Astrologie  leichter  gewesen  wäre  sich  bei  den  Mächtigen 
zu  empfehlen  als  durch  Anfeindung  derselben. 

In  der  Umgebung  des  Lorenzo  magnifico,  unter  seinen  namhaftesten 
Piatonikern,  herrschte  hierüber  Zwiespalt.  Marsiho  Ficino  verteidigte     Abb.  •2, 
die  Astrologie  und  stellte  den  Kindern  \om  Hause  das  Horoskop,  wie 


300 


SITTE  UND  RELIGION 


er  denn  auch  dem  kleinen  Giovanni  geweissagl  haben  soll,  er  würde 
Picos  Wider-  ein  Papst  —  Leo  X.  —  werdcn^"^'.  Dagegen  macht  Pico  della  Mirandola 
A^^ili  wahrhaft  Epoche  in  dieser  Frage  durch  seine  berühmte  Widerlegung^"^. 
Er  weist  im  Sternglauben  eine  Wurzel  aller  Gottlosigkeit  und  Unsittlich- 
keit  nach;  wenn  der  Astrologe  an  irgend  etwas  glauben  wolle,  so  müsse 
er  am  ehesten  die  Planeten  als  Götter  verehren,  indem  ja  von  ihnen  alles 
Glück  und  Unheil  hergeleitet  werde;  auch  aller  übrige  Aberglaube  finde 
hier  ein  bereitwilliges  Organ,  indem  Geomantie,  Chiromantie  und  Zau- 
ber jederart  für  die  Wahl  der  Stunde  sich  zunächst  an  die  Astrologie 
wendeten.  In  betreff  der  Sitten  sagt  er:  eine  größere  Förderung  für  das 
Böse  gäbe  es  gar  nicht,  als  wenn  der  Himmel  selbst  als  Urheber  des- 
selben erscheine,  dann  müsse  auch  der  Glaube  an  ewige  Seligkeit  und 
Verdammnis  völlig  schwinden.  Pico  hat  sich  sogar  die  Mühe  genommen, 
auf  empirischem  Wege  die  Astrologen  zu  kontrollieren;  von  ihren  Wetter- 
prophezeiungen für  die  Tage  eines  Monats  fand  er  drei  Vierteile  falsch. 
Die  Hauptsache  aber  war,  daß  er  (im  IV.  Buche)  eine  positive  christ- 
liche Theorie  über  Weltregierung  und  Willensfreiheit  vortrug,  welche 
auf  die  Gebildeten  der  ganzen  Nation  einen  größern  Eindruck  gemacht 
zu  haben  scheint  als  alle  Bußpredigten,  von  welchen  diese  Leute  oft 
nicht  mehr  erreicht  wurden. 
Deren  Vor  allem  verleidet  er  den  Astrologen  die  weitere  Publikation  ihrer 

^  "'"^  Lehrgebäude^"^',  und  die,  welche  bisher  dergleichen  hatten  drucken 
lassen,  schämten  sich  mehr  oder  weniger.  Gioviano  Pontano  z.  B.  hatte 
in  seinem  Buche  „vom  Schicksal"  (S.  293)  die  ganze  Wahnwissenschaft 
anerkannt  und  sie  in  einem  eigenen  großen  Werke i"*"  theoretisch  in  der 
Art  des  alten  Firmicus  vorgetragen;  jetzt  in  seinem  Dialog  „Aegidius" 
gibt  er  zwar  nicht  die  Astrologie,  wohl  aber  die  Astrologen  preis,  rühmt 
den  freien  Willen  und  beschränkt  den  Einfluß  der  Sterne  auf  die  körper- 
lichen Dinge.  Die  Sache  blieb  in  Übung,  aber  sie  scheint  doch  nicht 
mehr  das  Leben  so  beherrscht  zu  haben  wie  früher.  Die  Malerei,  welche 
im  15.  Jahrhundert  den  Wahn  nach  Kräften  verherrlicht  hatte,  spricht 
nun  die  veränderte  Denkweise  aus:  Raffael  in  der  Kuppel  der  Kapelle 
Chigi^"*^  stellt  ringsum  die  Planetengötter  und  den  Fixsternhimmel  dar, 
aber  bewacht  und  geleitet  von  herrlichen  Engelgestalten,  und  von  oben 
herab  gesegnet  durch  den  ewigen  Vater.  Noch  ein  anderes  Element 
scheint  der  Astrologie  in  Italien  feindlich  gewesen  zu  sein:  die  Spanier 
hatten  keinen  Teil  daran,  auch  ihre  Generale  nicht,  und  wer  sich  bei 
ihnen  in  Gunst  setzen  wollte ^°^,  bekannte  sich  auch  wohl  ganz  offen 
als  Feind  der  für  sie  halbketzerischen,  weil  halbmohammedanischen 
Wissenschaft.  Freilich  noch  1529  meint  Guicciardini:  wie  glücklich  doch 
die  Astrologen  seien,  denen  man  glaube,  wenn  sie  unter  hundert  Lügen 


Super- 
stitioneii 


SITTE  UND  RELIGION  3O  I 

eine  Wahrheit  vorbrächten,  während  andere,  die  unter  hundert  Wahr- 
heiten eine  Lüge  sagten,  um  allen  Kredit  kämcni"'''.  Und  überdies  schlug 
die  Verachtung  der  Astrologie  nicht  notwendig  in  Vorsehungsglauben 
um,  sie  konnte  sich  auch  auf  einen  allgemeinen,  unbestimmten  Fatalis- 
mus zurückziehen. 

Italien  hat  in  dieser  wie  in  andern  Beziehungen  den  Kulturtrieb  der 
Renaissance  nicht  gesund  durch-  und  ausleben  können,  weil  die  Er- 
oberung und  die  Gegenreformation  dazwischenkam.  Ohne  dieses  würde 
es  wahrscheinlich  die  phantastischen  Torheiten  völlig  aus  eigenen  Kräften 
überwunden  haben.  Wer  nun  der  Ansicht  ist,  daß  Invasion  und  katho- 
liche  Reaktion  notwendig  und  vom  italienischen  Volk  ausschließlich 
selbst  verschuldet  gewesen  seien,  wird  ihm  auch  die  daraus  erwachsenen 
geistigen  Verluste  als  gerechte  Strafe  zuerkennen.  Nur  schade,  daß 
Europa  dabei  ebenfalls  ungeheuer  verloren  hat. 

Bei  weitem  unschuldiger  als  die  Sterndeutung  erscheint  der  Glaube  verschiedene 
an  Vorzeichen.  Das  ganze  Mittelalter  hatte  einen  großen  Vorrat  des- 
selben aus  seinen  verschiedenen  Heidentümern  ererbt,  und  Italien  wird 
wohl  darin  am  wenigsten  zurückgeblieben  sein.  Was  aber  die  Sache  hier 
eigentümhch  färbt,  ist  die  Unterstützung,  welche  der  Humanismus  die- 
sem populären  Wahn  leistet;  er  kommt  dem  ererbten  Stück  Heidentum 
mit  einem  literarisch  erarbeiteten  zu  Hilfe. 

Der  populäre  Aberglaube  der  Italiener  bezieht  sich  bekanntlich  auf 
Ahnungen  und  Schlüsse  aus  Vorzeichen^"**,  woran  sich  dann  noch  eine 
meist  unschuldige  Magie  anschließt.  Nun  fehlt  es  zunächst  nicht  an  ge- 
lehrten Humanisten,  welche  wacker  über  diese  Dinge  spotten  und  sie 
bei  diesem  Anlaß  berichten.  Derselbe  Giovanno  Pontano,  welcher  jenes 
große  astrologische  Werk  (S.  300)  verfaßte,  zählt  in  seinem  ,,Charon" 
ganz  mitleidig  allen  möglichen  neapolitanischen  Aberglauben  auf:  den 
Jammer  der  Weiber,  wenn  ein  Huhn  oder  eine  Gans  den  Pips  bekommt; 
die  tiefe  Besorgnis  der  vornehmen  Herrn,  wenn  ein  Jagdfalke  ausbleibt, 
ein  Pferd  den  Fuß  verstaucht;  den  Zauberspruch  der  apulischen  Bauern, 
welchen  sie  in  drei  Samstagsnächten  hersagen,  wenn  tolle  Hunde  das 
Land  unsicher  machen  usw.  Überhaupt  hatte  die  Tierwelt  ein  Vorrecht 
des  Ominösen  gerade  wie  im  Altertum,  und  vollends  jene  auf  Staats- 
kosten unterhaltenen  Löwen,  Leoparden  u.  dgl.  (S.  165  f )  gaben  durch 
ihr  Verhalten  dem  Volke  um  so  mehr  zu  denken,  als  man  sich  unwill- 
kürlich gewöhnt  hatte,  in  ihnen  das  lebendige  Symbol  des  Staates  zu 
erblicken.  Als  während  der  Belagerung  1529  ein  angeschossener  Adler 
nach  Florenz  hereinflog,  gab  die  Signorie  dem  Überbringer  vier  Dukaten, 
weil  es  ein  gutes  Augurium  sei^"*^.  Dann  waren  bestimmte  Zeiten  und 
Orte  für  bestimmte  Verrichtungen  günstig  oder  ungünstig  oder  über- 


Bei 

Kalamitäten 


Aberglaube 

der 
Humanisteu 


O02  SITTE  UND  RELIGION 

haupt  entscheidend.  Die  Florentiner  glaubten,  wie  Varchi  meldet,  der 
Sonnabend  sei  ihr  Schicksalstag,  an  welchem  alle  wichtigen  Dinge,  gute 
sowohl  als  böse  zu  geschehen  pflegten.  Ihr  Vorurteil  gegen  Kriegszüge 
durch  eine  bestimmte  Gasse  wurde  schon  (S.  297)  erwähnt;  bei  den 
Peruginern  dagegen  gilt  eines  ihrer  Tore,  die  Porta  eburnea,  als  glück- 
verheißend, so  daß  die  Baglionen  zu  jedem  Kampfe  dort  hinausmar- 
schieren ließen^"*^.  Dann  nehmen  Meteore  und  Himmelszeichen  die- 
selbe Stelle  ein,  wie  im  ganzen  Mittelalter,  und  aus  sonderbaren  Wolken- 
bildungen gestaltet  die  Phantasie  auch  jetzt  wieder  streitende  Heere  und 
glaubt  deren  Lärm  hoch  in  der  Luft  zu  hörend"*'.  Schon  bedenklicher 
wird  der  Aberglaube,  wenn  er  sich  mit  heiligen  Dingen  kombiniert, 
wenn  z.  B.  Madonnenbilder  die  Augen  bewegen^"**  oder  weinen,  ja 
wenn  Landeskalamitäten  mit  irgendeinem  angeblichen  Frevel  in  Ver- 
bindung gebracht  werden,  dessen  Sühnung  dann  der  Pöbel  verlangt 
(S.  279).  Als  Piacenza  1478  von  langem  und  heftigem  Regen  heimge- 
sucht wurde,  hieß  es,  derselbe  werde  nicht  aufhören,  bis  ein  gewisser 
Wucherer,  der  unlängst  in  S.  Francesco  begraben  worden  war,  nicht 
mehr  in  geweihter  Erde  ruhe.  Da  sich  der  Bischof  weigerte,  die  Leiche 
gutwillig  ausgraben  zu  lassen,  holten  die  jungen  Burschen  sie  mit  Gewalt, 
zerrten  sie  in  den  Straßen  unter  greulichem  Tumult  herum  und  warfen 
sie  zuletzt  in  den  Po^"**.  Freilich  auch  ein  Angelo  Poliziano  läßt  sich 
auf  dieselbe  Anschauungsweise  ein,  wo  es  Giacomo  Pazzi  gilt,  einen 
Hauptanstifter  der  nach  seiner  Familie  benannten  Verschwörung  zu 
Florenz  in  demselben  Jahre  1478.  Als  man  ihn  erdrosselte,  hatte  er  mit 
fürchterlichen  Worten  seine  Seele  dem  Satan  übergeben.  Nun  trat  auch 
hier  Regen  ein,  so  daß  die  Getreideernte  bedroht  war;  auch  hier  grub 
ein  Haufe  von  Leuten  (meist  Bauern)  die  Leiche  in  der  Kirche  aus,  und 
alsobald  wichen  die  Regenwolken,  und  die  Sonne  erglänzte  —  „so  gün- 
stig war  das  Glück  der  Volksmeinung",  fügt  der  große  Philologe  bei^"*". 
Zunächst  wurde  die  Leiche  in  ungeweihter  Erde  verscharrt,  des  folgenden 
Tages  aber  wiederum  ausgegraben  und  nach  einer  entsetzlichen  Prozes- 
sion durch  die  Stadt  in  den  Arno  versenkt. 

Solche  und  ähnliche  Züge  sind  wesentlich  populär  und  können  im 
10.  Jahrhundert  so  gut  vorgekommen  sein  als  im  16.  Nun  mischt  sich 
aber  auch  hier  das  literarische  Altertum  ein.  Von  den  Humanisten  wird 
ausdrücklich  versichert,  daß  sie  den  Prodigien  und  Augurien  ganz  be- 
sonders zugänglich  gewesen  und  Beispiele  davon  (S.  279)  wurden  be- 
reits erwähnt.  Wenn  es  aber  irgendeines  Beleges  bedürfe,  so  würde  ihn 
schon  der  eine  Poggio  gewähren.  Derselbe  radikale  Denker,  welcher  den 
Adel  und  die  Ungleichheit  der  Menschen  negiert  (S.  206),  glaubt  nicht 
nur  an  allen  mittelalterliclicn  Geister-  und  Teufelsspuk  (fol.  167,  179), 


SITTE  UND  RELIGION  3O3 

sondern  auch  an  Prodigien  antiker  Art,  z.  B.  an  diejenigen,  welche  beim 
letzten  Besuch  Eugens  IV.  in  Florenz  berichtet  wurden ^"^1.  ,,Da  sah  man 
in  der  Nähe  von  Como  des  Abends  4000  Hunde,  die  den  \Vcg  nach 
Deutschland  nahmen;  auf  diese  folgte  eine  große  Schar  Rinder,  dann 
ein  Heer  von  Bewaffneten  zu  Fuß  und  zu  Roß,  teils  ohne  Kopf,  teils 
mit  kaum  sichtbaren  Köpfen,  zuletzt  ein  riesiger  Reiter,  dem  wieder 
eine  Herde  von  Rindern  nachzog."  Auch  an  eine  Schlacht  von  Elstern 
und  Dohlen  (fol.  180)  glaubt  Poggio.  Ja,  er  erzählt,  vielleicht  ohne  es 
zu  merken,  ein  ganz  wohlerhaltenes  Stück  antiker  Mythologie.  An  der 
dalmatinischen  Küste  nämlich  erscheint  ein  Triton,  bärtig  und  mit 
Hörnchen,  als  echter  Meersat^T,  unten  in  Flossen  und  in  einen  Fisch- 
leib ausgehend;  er  fängt  Kinder  und  Weiber  vom  Ufer  weg,  bis  ihn  fünf 
tapfere  Waschfrauen  mit  Steinen  und  Prügeln  töten^"^^.  Ein  hölzernes 
Modell  des  Ungetüms,  welches  man  in  Ferrara  zeigt,  macht  dem  Poggio 
die  Sache  völlig  glaublich.  Zwar  Orakel  gab  es  keine  mehr  und  Götter 
konnte  man  nicht  mehr  befragen,  aber  das  Aufschlagen  des  Virgil  und 
die  ominöse  Deutung  der  Stelle,  auf  die  man  traf  (sortes  virgilianae), 
wurde  wieder  Mode^°^.  Außerdem  blieb  der  Dämonenglauben  des  spä- 
testen Altertums  gewiß  nicht  ohne  Einfluß  auf  denjenigen  der  Renais- 
sance. Die  Schrift  des  JambUchus  oder  Abammon  über  die  Mysterien 
der  Äg^'pter,  welche  hierzu  dienen  konnte,  ist  schon  zu  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts in  lateinischer  Übersetzung  gedruckt  worden.  Sogar  die  pla- 
tonische Akademie  in  Florenz  z.  B.  ist  von  solchem  und  ähnlichem  neu- 
platonischen Wahn  der  sinkenden  Römerzeit  nicht  ganz  frei  geblieben. 
Von  diesem  Glauben  an  die  Dämonen  und  dem  damit  zusammenhän- 
genden Zauber  muß  nunmehr  die  Rede  sein. 

Der  Populärglaube  an  das,  was  man  die  Geisterwelt  nennt^"^*,  ist  in  G«pen5ter 
Italien  so  ziemlich  derselbe  wie  im  übrigen  Europa.  Zunächst  gibt  es 
auch  dort  Gespenster,  d.  h.  Erscheinungen  Verstorbener,  und  wenn  die 
Anschauung  von  der  nordischen  etwas  abweicht,  so  verrät  sich  dies 
höchstens  durch  den  antiken  Namen  ombra.  Wenn  sich  noch  heute  ein 
solcher  Schatten  erzeigt,  so  läßt  man  ein  paar  Messen  für  seine  Ruhe 
lesen.  Daß  die  Seelen  böser  Menschen  in  furchtbarer  Gestalt  erscheinen, 
versteht  sich  von  selbst,  doch  geht  daneben  noch  eine  besondere  Ansicht 
einher,  wonach  die  Gespenster  Verstorbener  überhaupt  bösartig  wären. 
Die  Toten  bringen  die  kleinen  Kinder  um,  meint  der  Kaplan  bei  Ban- 
(jgjjQioss  Wahrscheinlich  trennt  er  hierbei  in  Gedanken  noch  einen  be- 
sonderen Schatten  von  der  Seele,  denn  diese  büßt  ja  im  Fegefeuer,  und 
wo  sie  erscheint,  pflegt  sie  nur  zu  flehen  und  zu  jammern.  Andere  Male, 
ist,  was  erscheint,  nicht  sowohl  das  Schattenbild  eines  bestimmten  Men- 
schen, als  das  eines  Ereignisses,  eines  vergangenen  Zustandes.  So  er- 


Dämoneu- 

glaube 

Abb.  176, 177, 

rSn 


AHt    17« 


Beschwu- 

ningftn 


304  SITTE  UND  RELIGION 

klären  die  Nachbarn  den  Teufelsspuk  im  alten  viskontinischen  Palast  bei 
S.  Giovanni  in  Conca  zu  Mailand;  hier  habe  einst  Bemabö  Visconti  un- 
zählige Opfer  seiner  Tyrannei  foltern  und  erdrosseln  lassen,  und  es  sei 
kein  Wunder,  wenn  sich  etwas  erzeige ^•'^''.  Einem  ungetreuen  Armen- 
hausverwalter zu  Perugia  erschien  eines  Abends,  als  er  Geld  zählte,  ein 
Schwärm  von  Armen  mit  Lichtern  in  den  Händen  und  tanzten  vor  ihm 
herum;  eine  große  Gestalt  aber  führte  drohend  das  Wort  für  sie,  es  war 
S.  A16,  der  Schutzheilige  des  Armenhauses  1°^^.  —  Diese  Anschauungen 
verstanden  sich  so  sehr  von  selbst,  daß  auch  Dichter  ein  allgemein  gül- 
tiges Motiv  darin  finden  konnten.  Sehr  schön  gibt  z.  B.  Castiglione  die 
Erscheinung  des  erschossenen  Lodovico  Pico  unter  den  Mauern  des  be- 
lagerten Mirandola  wieder^"^.  Freilich  die  Poesie  benutzt  dergleichen 
gerade  am  liebsten,  wenn  der  Poet  selber  schon  dem  betreffenden  Glau- 
ben entwachsen  ist. 

Sodann  war  Italien  mit  derselben  Volksansicht  über  die  Dämonen  er- 
füllt wie  alle  Völker  des  Mittelalters.  Man  war  überzeugt,  daß  Gott 
den  bösen  Geistern  jedes  Ranges  bisweilen  eine  große  zerstörende  Wir- 
kung gegen  einzelne  Teile  der  Welt  und  des  Menschenlebens  zulasse; 
alles,  was  man  einbedang,  war,  daß  wenigstens  der  Mensch,  welchem 
die  Dämonen  als  Versucher  nahten,  seinen  freien  Willen  zum  Wider- 
stand anwenden  könne.  In  Italien  nimmt  zumal  das  Dämonische  der 
Naturereignisse  im  Mund  des  Volkes  leicht  eine  poetische  Größe  an. 
In  der  Nacht  vor  der  großen  Überschwemmung  des  ^Arnotales  1333 
hörte  einer  der  heiligen  Einsiedler  oberhalb  Vallombrosa  in  seiner  Zelle 
ein  teufhsches  Getöse,  bekreuzte  sich,  trat  unter  die  Tür  und  erblickte 
schwarze  und  schreckliche  Reiter  in  Waffen  vorüberjagen.  Auf  sein  Be- 
schwören stand  ihm  einer  davon  Rede:  ,,Wir  gehen  und  ersäufen  die 
Stadt  Florenz  um  ihrer  Sünden  willen,  wenn  Gott  es  zuläßt^"^'."  Womit 
man  die  fast  gleichzeitige  venezianische  Erscheinung  (1340)  vergleichen 
mag,  aus  welcher  dann  irgendein  großer  Meister  der  Schule  von  Venedig, 
wahrscheinlich  Giorgione,  ein  wundersames  Bild  gemacht  hat:  jene  Ga- 
leere voller  Dämonen,  welche  mit  der  Schnelligkeit  eines  Vogels  über 
die  stürmische  Lagune  daherjagte,  um  die  sündige  Inselstadt  zu  ver- 
derben, bis  die  drei  Heiligen,  welche  unerkannt  in  die  Barke  eines  armen 
Schiffers  gestiegen  waren,  durch  ihre  Beschwörung  die  Dämonen  und 
ihr  Schiff  in  den  Abgrund  der  Fluten  trieben. 

Zu  diesem  Glauben  gesellt  sich  nun  der  Wahn,  daß  der  Mensch  sich 
durch  Beschwörung  den  Dämonen  nähern,  ihre  Hilfe  zu  seinen  irdischen 
Zwecken  der  Habgier,  Machtgier  und  Sinnlichkeit  benutzen  könne.  Hier- 
bei gab  es  wahrscheinlich  viele  Verklagte  früher,  als  es  viele  Schuldige 
gab;  erst  als  man  vorgebliche  Zauberer  und  Hexen  verbrannte,  begann 


riische  Hext 
.ihb.  iSj 


SITTE  UND  RELIGION  3O5 

die  wirkliche  Beschwörung  und  der  absichtliche  Zauber  häufiger  zu 
werden.  Aus  dem  Qualm  der  Scheiterhaufen,  auf  welche  man  jene  Ver- 
dächtigen geopfert,  stieg  erst  der  narkotische  Dampf  empor,  der  eine 
größere  Anzahl  von  verlorenen  Menschen  zur  Magie  begeisterte.  Ihnen 
schlössen  sich  dann  noch  resolute  Betrüger  an. 

Die  populäre  und  primitive  Gestalt,  in  welcher  dieses  Wesen  vielleicht  Die  uaiie 
seit  der  Römerzeit  ununterbrochen  fortgelebt  hatte,  ist  das  Treiben  der 
Hexe  (strega).  Sie  kann  sich  so  gut  als  völlig  unschuldig  geberden,  so 
lange  sie  sich  auf  die  Divination  beschränkt*"^",  nur  daß  der  Übergang 
vom  bloßen  Voraussagen  zum  Bewirkenhclfen  oft  unmerkhch  und  doch 
eine  entscheidende  Stufe  abwärts  sein  kann.  Handelt  es  sich  einmal  um 
wirkenden  Zauber,  so  traut  man  der  Hexe  hauptsächlich  die  Erregung 
von  Liebe  und  Haß  zwischen  Mann  und  Weib,  doch  auch  rein  zerstö- 
rende, boshafte  Malefizien,  zu,  namentlich  das  Hinsiechen  von  kleinen 
Kindern,  auch  wenn  dasselbe  noch  so  handgreiflich  von  Verwahrlosung 
und  Unvernunft  der  Eltern  herrührt.  Nach  allem  bleibt  dann  noch  die 
Frage  übrig,  wie  weit  die  Hexe  durch  bloße  Zaubersprüche,  Zeremonien 
und  unverstandene  Formeln,  oder  aber  durch  bewußte  Anrufung  der 
Dämonen  gewirkt  haben  soll,  abgesehen  von  den  Arzneien  und  Giften, 
die  sie  voller  Kenntnis  von  deren  Wirkung  mag  verabfolgt  haben. 

Die  unschuldigere  Art,  wobei  noch  Bettelmönche  als  Konkurrenten 
aufzutreten  wagen,  lernt  man  z.  B.  in  der  Hexe  von  Gaeta  kennen, 
welche  Pontano*"*^  uns  vorfuhrt.  Sein  Reisender  Suppatius  gerät  in  ihre 
Wohnung,  während  sie  gerade  einem  Mädchen  und  einer  Dienstmagd 
Audienz  gibt,  die  mit  einer  schwarzen  Henne,  neun  am  Freitag  gelegten 
Eiern,  einer  Ente  und  weißem  Faden  kommen,  sintemal  der  dritte  Tag 
seit  Neumond  ist;  sie  werden  nun  weggeschickt  und  auf  die  Dämmerung 
wieder  herbeschieden.  Es  handelt  sich  hoffentlich  nur  um  Divination; 
die  Herrin  der  Dienstmagd  ist  von  einem  Mönch  geschwängert,  dem 
Mädchen  ist  sein  Liebhaber  untreu  geworden  und  ins  Kloster  gegangen. 
Die  Hexe  klagt:  „Seit  meines  Mannes  Tode  lebe  ich  von  diesen  Dingen 
und  könnte  es  bequem  haben,  da  unsere  Gaetanerinnen  einen  ziemlich 
starken  Glauben  besitzen,  wenn  nicht  die  Mönche  mir  den  Profit  vor- 
wegnähmen, indem  sie  Träume  deuten,  den  Zorn  der  Heiligen  sich  ab- 
kaufen lassen,  den  Mädchen  Männer,  den  Schwängern  Knaben,  den 
Unfruchtbaren  Kinder  versprechen  und  überdies  des  Nachts,  wenn  das 
Mannsvolk  auf  dem  Fischfang  aus  ist,  die  Weiber  heimsuchen,  mit 
welchen  sie  des  Tages  in  der  Kirche  Abreden  getrofTen  haben."  Sup- 
patius warnt  sie  vor  dem  Neid  des  Klosters,  aber  sie  fürchtet  nichts,  weil 
der  Guardian  ihr  alter  Bekannter  ist. 

Der  Wahn  jedoch  schafft  sich  nun  eine  schlimme  Gattung  von  Hexen; 

Burckhardt  20 


Durih- 

s<  hnittücher 

(.  haraktpr 


3o6 


SITTE  UND  RELIGION 


Die  Hexen- 

gegpnd  bei 

Norcia 


Norcia  im 
r6.  Jahrh. 


solche,  die  durch  bösen  Zauber  die  Menschen  um  Gesundheit  und  Leben 
bringen.  Bei  diesen  wird  man  auch,  sobald  der  böse  Blick  usw.  nicht 
ausreichte,  zuerst  an  Beihilfe  mächtiger  Geister  gedacht  haben.  Ihre 
Strafe  ist,  wie  wir  schon  bei  Anlaß  der  Finicelle  (S.  271)  sahen,  der 
Feuertod,  und  doch  läßt  der  Fanatismus  damals  noch  mit  sich  handeln; 
im  Stadtgesetz  von  Perugia  z.  B.  können  sie  sich  mit  400  Pfund  loskau- 
fgj^io62  £ijj  konsequenter  Ernst  wurde  damals  noch  nicht  auf  die  Sache 
gewendet.  Auf  dem  Boden  des  Kirchenstaates,  im  Hochapennin,  und 
zwar  in  der  Heimat  des  hl.  Benedict,  zu  Norcia,  behauptete  sich  ein 
wahres  Nest  des  Hexen-  und  Zauberwesens.  Die  Sache  war  völlig  noto- 
risch. Es  ist  einer  der  merkwürdigsten  Briefe  des  Aeneas  Sylvius^"^,  aus 
seiner  frühern  Zeit,  der  hierüber  Aufschluß  gibt.  Er  schreibt  an  seinen 
Bruder:  ,, Überbringer  dieses  ist  zu  mir  gekommen,  um  mich  zu  fragen, 
ob  ich  nicht  in  Italien  einen  Venusberg  wüßte?  In  einem  solchen  näm- 
lich würden  magische  Künste  gelehrt,  nach  welchen  sein  Herr,  ein  Sachse 
und  großer  Astronom^"**,  Begierde  trüge.  Ich  sagte,  ich  kenne  ein  Porto 
Venere  unweit  Carrara  an  der  ligurischen  Felsküste,  wo  ich  auf  der  Reise 
nach  Basel  drei  Nächte  zubrachte;  auch  fand  ich,  daß  in  Sizilien  ein  der 
Venus  geweihter  Berg  Eryx  vorhanden  sei,  weiß  aber  nicht,  daß  dort 
Magie  gelehrt  werde.  Unter  dem  Gespräch  jedoch  fiel  mir  ein,  daß  in 
Umbrien,  im  alten  Herzogtum  (Spoleto)  unweit  der  Stadt  Nursia  eine 
Gegend  ist,  wo  sich  unter  einer  steilen  Felswand  eine  Höhle  findet,  in 
welcher  Wasser  fließt.  Dort  sind,  wie  ich  mich  entsinne  gehört  zu  haben, 
Hexen  (striges),  Dämonen  und  nächtliche  Schatten,  und  wer  den  Mut 
hat,  kann  Geister  (spiritus)  sehen  und  anreden  und  Zauberkünste  1er- 
P,gj^io65  j(.]^  habe  es  nicht  gesehen,  noch  mich  beniüht  es  zu  sehen,  denn, 
was  man  nur  mit  Sünden  lernt,  das  kennt  man  besser  gar  nicht."  Nun 
nennt  er  aber  seinen  Gewährsmann  und  ersucht  den  Bruder,  den  Über- 
bringer des  Briefes  zu  jenem  hinzuführen,  wenn  er  noch  lebe.  Aeneas 
geht  hier  in  der  Gefälligkeit  gegen  einen  Hochstehenden  sehr  weit,  aber 
für  seine  Person  ist  er  nicht  nur  freier  von  allem  Aberglauben  als  seine 
Zeitgenossen  (S.  279,  295),  sondern  er  hat  darüber  auch  eine  Prüfung  be- 
standen, die  noch  heute  nicht  jeder  Gebildete  aushalten  würde.  Als  er 
zur  Zeit  des  Basler  Konzils  zu  Mailand  75  Tage  lang  am  Fieber  darnieder- 
lag, konnte  man  ihn  doch  nie  dazu  bewegen,  auf  die  Zauberärzte  zu  hören, 
obwohl  ihm  ein  Mann  ans  Bett  gebracht  wurde,  der  kurz  vorher  2000  Sol- 
daten im  Lager  des  Piccinino  auf  wunderbare  Weise  vom  Fieber  kuriert 
haben  sollte.  Noch  leidend  reiste  Aeneas  über  das  Gebirge  nach  Basel  und 
genas  im  Reiten*"^'. 

Weiter  erfahren  wir  etwas  von  der  Umgegend  Norcias  durch  den 
Nekromanten,  welcher  den  trefflichen  Benvenuto  Ccllini  in  seine  Gewalt 


SITTE  UND  RELIGION  3O7 

ZU  bekommen  suchte.  Es  handelt  sich  darum^"*'  ein  neues  Zauberbuch 
zu  weihen,  und  der  schicklichste  Ort  hiefür  sind  die  dortigen  Gebirge; 
zwar  hat  der  Meister  des  Zauberers  einmal  ein  Buch  geweiht  in  der  Nähe 
der  Abtei  Farfa,  aber  es  ergaben  sich  dabei  Schwierigkeiten,  die  man 
bei  Norcia  nicht  anträfe;  überdies  sind  die  nursinischen  Bauern  zuver- 
lässige Leute,  haben  einige  Praxis  in  der  Sache  und  können  im  Notfall 
mächtige  Hilfe  leisten.  Der  Ausflug  unterblieb  dann,  sonst  hätte  Ben- 
venuto  wahrscheinlich  auch  die  Helfershelfer  des  Gauners  kennengelernt. 
Damals  war  diese  Gegend  völlig  sprichwörtlich.  Aretino  sagt  irgendwo 
von  einem  verhexten  Brunnen;  es  wohnten  dort  die  Schwester  der  Sibylle 
von  Norcia  und  die  Tante  der  Fata  Morgana.  Und  um  dieselbe  Zeit 
durfte  doch  Trissino  in  seinem  großen  Epos*"**  jene  Örtlichkeit  mit  allem 
möglichen  Aufwand  von  Poesie  und  Allegorie  als  den  Sitz  der  wahren 
Weissagung  feiern. 

Mit  der  berüchtigten  Bulle  Innocenz'  VHI.  (1484)*"*'  wird  dann  Dasnordische 
bekanntlich  das  Hexenwesen  und  dessen  Verfolgung  zu  einem  großen  ^"™'"^''" 
und  scheußlichen  System.  Wie  die  Hauptträger  desselben  deutsche 
Dominikaner  waren,  so  wurde  auch  Deutschland  am  meisten  durch 
diese  Geißel  heimgesucht  und  von  Italien  in  auffallender  Weise  die- 
jenigen Gegenden,  welche  Deutschland  am  nächsten  lagen.  Schon  die 
Befehle  und  Bullen  der  Päpste  selber*"'*'  beziehen  sich  z.  B.  auf  die 
dominikanische  Ordensprovinz  Lombardia,  auf  die  Diözesen  Brescia 
und  Bergamo,  auf  Cremona.  Sodann  erfährt  man  aus  Sprengers  be- 
rühmter theoretisch-praktischer  Anweisung,  dem  Malleus  Maleficarum, 
daß  zu  Como  schon  im  ersten  Jahre  nach  Erlaß  der  Bulle  41  Hexen 
verbrannt  wurden;  Scharen  von  Italienerinnen  flüchteten  auf  das  Ge- 
biet Erzherzog  Sigismunds,  wo  sie  sich  noch  sicher  glaubten.  Endlich 
setzt  sich  dies  Hexenwesen  in  einigen  unglücklichen  Alpentälern,  be- 
sonders Val  Camonica*"^,  ganz  unaustilgbar  fest;  es  war  dem  System 
offenbar  gelungen,  Bevölkerungen,  welche  irgendwie  speziell  disponiert 
waren,  bleibend  mit  seinem  Wahn  zu  entzünden.  Dieses  wesentlich 
deutsche  Hexentum  ist  diejenige  Nuance,  an  welche  man  bei  Geschieh-  sdn  Einfluß 
ten  und  Novellen  aus  Mailand,  Bologna  usw.*"'^  zu  denken  hat.  Wenn 
es  in  ItaUen  nicht  weiter  um  sich  griff,  so  hing  dies  vielleicht  davon 
ab,  daß  man  hier  bereits  eine  ausgebildete  Stregheria  besaß  und  kannte, 
welche  auf  wesentUch  andern  Voraussetzungen  beruhte.  Die  italienische 
Hexe  treibt  ein  Gewerbe  und  braucht  Geld  und  vor  allem  Besinnung. 
Von  jenen  hysterischen  Träumen  der  nordischen  Hexen,  von  weiten 
Ausfahrten,  Inkubus  und  Sukkubus  ist  keine  Rede;  die  Strega  hat 
für  das  Vergnügen  anderer  Leute  zu  sorgen.  Wenn  man  ihr  zutraut, 
daß  sie  verschiedene   Gestalten  annehmen,   sich   schnell   an   entfernte 

20* 


auf  Ober- 
italieo 


.Irr  Buhle 
rinnen 


308  SITTE  UND  RELIGION 

Orte  versetzen  könne,  so  läßt  sie  sich  dergleichen  insofern  gefallen, 
als  es  ihr  Ansehen  erhöht;  dagegen  ist  es  schon  überwiegend  gefähr- 
Uch  für  sie,  wenn  die  Furcht  vor  ihrer  Bosheit  und  Rache,  besonders 
vor  der  Verzauberung  von  Kindern,  Vieh  und  Feldfrüchten  überhand 
nimmt.  Es  kann  für  Inquisitoren  und  Ortsbehörden  eine  höchst  po- 
puläre Sache  werden,  sie  zu  verbrennen. 

Weit  das  wichtigste  Feld  der  Strega  sind  und  bleiben,  wie  schon 
angedeutet  wurde,  die  Liebesangelegenheiten,  worunter  die  Erregung 
von  Liebe  und  Haß,  das  rachsüchtige  Nestelknüpfen,  das  Abtreiben  der 
Leibesfrucht,  je  nach  Umständen  auch  der  vermeinthche  Mord  des 
oder  der  Ungetreuen  durch  magische  Begehungen  und  selbst  die  Gift- 
küche^**" begriffen  sind.  Da  man  sich  solchen  Weibern  nur  ungern 
zauiKiTwesen  anvcTtrautc,  so  entstand  ein  Dilettantismus,  der  ihnen  dieses  und  jenes 
im  stillen  ablernte  und  auf  eigene  Hand  damit  weiteroperierte.  Die  römi- 
schen Buhlerinnen  z.  B.  suchten  dem  Zauber  ihrer  Persönlichkeit  noch 
durch  anderweitigen  Zauber  in  der  Art  der  horazischen  Canidia  nach- 
zuhelfen. Aretino"'*  kann  nicht  nur  etwas  über  sie  wissen,  sondern 
auch  in  dieser  Beziehung  Wahres  berichten.  Er  zählt  die  entsetzlichen 
Schmierereien  auf,  welche  sich  in  ihren  Schränken  gesammelt  vorfinden: 
Haare,  Schädel,  Rippen,  Zähne,  Augen  von  Toten,  Menschenhaut, 
der  Nabel  von  kleinen  Kindern,  Schuhsohlen  und  Gewandstücke  aus 
Gräbern;  ja  sie  holen  selbst  von  den  Kirchhöfen  verwesendes  Fleisch 
und  geben  es  dem  Galan  unvermerkt  zu  essen  (nebst  noch  Unerhör- 
terem). Haare,  Nestel,  Nägelabsclmittc  des  Galans  kochen  sie  in  öl, 
das  sie  aus  ewigen  Lämpchen  in  den  Kirchen  gestohlen.  Von  ihren 
Beschwörungen  ist  es  die  unschuldigste,  wenn  sie  ein  Herz  aus  heißer 
Asche  formen  und  hincinstechen  unter  dem  Gesang: 

Prima  che'l  fuoco  spenglii 

Fa  ch'a  mia  porta  venghi; 

Tal  ti  punga  il  mio  amore 

Quäle  io  fo  questo  cuore. 
Sonst  kommen  auch  Zauberformeln  bei  Mondschein,  Zeichnungen  am 
Boden  und  Figuren  aus  Wachs  oder  Erz  vor,  welche  ohne  Zweifel  den 
Geliebten  vorstellen  und  je  nach  Umständen  behandelt  werden. 

Man  war  an  diese  Dinge  doch  so  sehr  gewöhnt,  daß  ein  Weib,  welches 
ohne  Schönheit  und  Jugend  gleichwohl  einen  großen  Reiz  auf  die 
Männer  ausübte,  ohne  weiteres  in  den  Verdacht  der  Zauberei  geriet. 
Die  Mutter  des  Sanga^°"  (Sekretärs  bei  Clemens  VH.)  vergiftete  dessen 
Geliebte,  die  in  diesem  Falle  war;  unseligerweisc  starb  aber  auch  der 
Sohn  und  eine  Gesellschaft  von  Freunden,  die  von  dem  vergifteten 
Salat  mit  aßen. 


SITTE  UND  RELIGION  3O9 

Nun  folgt,  nicht  als  Helfer,  sondern  als  Konkurrent  der  Hexe,  der  Der 
mit  den  gefährlichem  Aufgaben  noch  besser  vertraute  Zauberer  oder 
Beschwörer,  incantatorc.  Bisweilen  ist  er  ebensosehr  oder  noch  mehr 
Astrolog  als  Zauberer;  öfter  mag  er  sich  als  Astrologen  gegeben  haben, 
um  nicht  als  Zauberer  verfolgt  zu  werden,  und  etwas  Astrologie  zur 
Ermittlung  der  günstigen  Stunden  konnte  der  Zauberer  ohnehin  nicht 
entbehren  (S.  296,  300).  Da  aber  viele  Geister  gut^"^'  oder  indifferent 
sind,  so  kann  auch  ihr  Beschwörer  bisweilen  noch  eine  leidliche  Re- 
putation behaupten,  und  noch  Sixtus  IV.  hat  1474  in  einem  ausdrück- 
lichen Breve^""  gegen  einige  bolognesische  Karmeliter  einschreiten  müs- 
sen, welche  auf  der  Kanzel  sagten,  es  sei  nichts  Böses,  von  den  Dämonen 
Bescheid  zu  begehren.  An  die  Möglichkeit  der  Sache  selber  glaubten 
offenbar  sehr  viele;  ein  mittelbarer  Beweis  dafür  liegt  schon  darin, 
daß  auch  die  Frömmsten  ihrerseits  an  erbetene  Visionen  guter  Geister 
glaubten.  Savonarola  ist  von  solchen  Dingen  erfüllt,  die  florentini- 
schen  Platoniker  reden  von  einer  mystischen  Vereinigung  mit  Gott 
und  Marcellus  Palingenius  (S.  I48f)  gibt  nicht  undeutlich  zu  ver- 
stehen, daß  er  mit  geweihten  Geistern  umgehe  1**^*.  Ebenderselbe  ist 
auch  überzeugt  vom  Dasein  einer  ganzen  Hierarchie  böser  Dämonen, 
welche,  vom  Mond  herwärts  wohnend,  der  Natur  und  dem  Menschen- 
leben auflauern^*"',  ja  er  erzählt  von  einer  persönlichen  Bekanntschaft 
mit  solchen,  und  da  der  Zweck  unseres  Buches  eine  systematische  Dar- 
stellung des  damaligen  Geisterglaubens  ohnehin  nicht  gestattet,  so  mag 
wenigstens  der  Bericht  des  Pahngenius  als  Einzelbeispiel  folgen i"^". 

Er  hat  bei  einem  frommen  Einsiedler  auf  dem  Soractc,  zu  S.  Sil-  DieDämoneu 
vestro,  sich  über  die  Nichtigkeit  des  Irdischen  und  die  Wertlosigkeit 
des  menschlichen  Lebens  belehren  lassen  und  dann  mit  einbrechender 
Nacht  den  Weg  nach  Rom  angetreten.  Da  gesellen  sich  auf  der  Straße 
bei  hellem  Vollmond  drei  Männer  zu  ihm,  deren  einer  ihn  beim  Namen 
nennt  und  ihn  fragt,  woher  des  Weges  er  komme?  Palingenio  ant- 
wortet: von  dem  Weisen  auf  jenem  Berge.  O  du  Tor,  erwidert  jener, 
glaubst  du  wirklich,  daß  auf  Erden  jemand  weise  sei?  Nur  höhere 
Wesen  (Divi)  haben  Weisheit,  und  dazu  gehören  wir  drei,  obwohl  wir 
mit  Menschengestalt  angetan  sind;  ich  heiße  Saracil,  und  diese  hier 
Sathiel  und  Jana;  unser  Reich  ist  zunächst  beim  Mond,  wo  über- 
haupt die  große  Schar  von  Mittelwesen  haust,  die  über  Erde  und 
Meer  herrschen.  Palingenio  fragt  nicht  ohne  inneres  Beben,  was  sie 
in  Rom  vorhätten?  —  Die  Antwort  lautet:  ,, Einer  unserer  Genossen, 
Ammon,  wird  durch  magische  Kraft  von  einem  Jüngling  aus  Nami, 
aus  dem  Gefolge  des  Kardinals  Orsini,  in  Knechtschaft  gehalten;  denn 
merkt  euch's  nur,  Menschen,  es  liegt  beiläufig  ein  Beweis  für  eure  eigene 


auf  derStraße 
nach  Koiii 


QIO  SITTE  UND  RELIGION 

Unsterblichkeit  darin,  daß  ihr  unsereinen  zwingen  könnt;  ich  selbst 
habe  einmal,  in  Kristall  eingeschlossen,  einem  Deutschen  dienen  müssen, 
bis  mich  ein  bärtiges  Mönchkin  befreite.  Diesen  Dienst  wollen  wir 
nun  in  Rom  unserm  Genossen  zu  leisten  suchen  und  bei  dem  Anlaß 
ein  paar  vornehme  Herren  in  den  Orkus  befördern."  Bei  diesen  Worten 
des  Dämons  erhebt  sich  ein  Lüftchen,  und  Sathiel  sagt:  ,, Höret,  unser 
Remisses  kommt  schon  von  Rom  zurück,  dies  Wehen  kündigt  ihn  an." 
In  der  Tat  erscheint  noch  einer,  den  sie  fröhlich  begrüßen  und  über 
Rom  ausfragen.  Seine  Auskunft  ist  höchst  antipäpstlich;  Clemens  VH. 
ist  wieder  mit  den  Spaniern  verbündet  und  hofft,  Luthers  Lehre  nicht 
mehr  mit  Gründen,  sondern  mit  dem  spanischen  Schwerte  auszurotten; 
lauter  Gewinn  für  die  Dämonen,  welche  bei  dem  großen  bevorstehen- 
den Blutvergießen  die  Seelen  Unzähliger  zur  Hölle  führen  werden. 
Nach  diesen  Reden,  wobei  Rom  mit  seiner  Unsittlichkeit  als  völlig 
dem  Bösen  verfallen  dargestellt  wird,  verschwinden  die  Dämonen  und 
lassen  den  Dichter  traurig  seine  Straße  ziehen ^°ä^. 
Umfing  des  Wcr  slch  vou  dcm  Umfang  desjenigen  Verhältnisses  zu  den  Dämonen 
schwörungs-  ^incn  Begriff  machen  will,  welches  man  noch  öffentlich  zugestehen 
glauben?  durfte  trotz  des  Hexenhammers  usw.,  den  müssen  wir  auf  das  viel- 
gelesene Buch  des  Agrippa  von  Nettesheim  ,,Von  der  geheimen  Philo- 
sophie" verweisen.  Er  scheint  es  zwar  ursprünglich  geschrieben  zu  haben, 
ehe  er  in  Italien  war^"^^,  allein  er  nennt  in  der  Widmung  an  Trithemius 
unter  andern  auch  wichtige  italienische  Qiiellen,  wenn  auch  nur,  um 
sie  nebst  den  andern  schlechtzumachen.  Bei  zweideutigen  Individuen, 
wie  Agrippa  eines  war,  bei  Gaunern  und  Narren,  wie  die  meisten 
andern  heißen  dürfen,  interessiert  uns  das  System,  in  welches  sie  sich 
etwa  hüllen,  nur  sehr  wenig,  samt  seinen  Formeln,  Räucherungen, 
Salben,  Pentakcln,  Totenknochen ^"^  usw.  Allein  fürs  erste  ist  dies 
System  mit  Zitaten  aus  dem  Aberglauben  des  Altertums  ganz  angefüllt; 
sodann  erscheint  seine  Einmischung  in  das  Leben  und  in  die  Leiden- 
schaft der  Italiener  bisweilen  höchst  bedeutend  und  folgenreich.  Man 
sollte  denken,  daß  nur  die  verdorbensten  Großen  sich  damit  eingelassen 
hätten,  allein  das  heftige  Wünschen  und  Begehren  führt  den  Zaube- 
rern hier  und  da  auch  kräftige  und  schöpferische  Menschen  aller  Stände 
zu,  und  schon  das  Bewußtsein,  daß  die  Sache  möglich  sei,  raubt  auch 
den  Fernstehenden  immer  etwas  von  ihrem  Glauben  an  eine  sittliche 
Wcltordnung.  Mit  etwas  Gold  und  Gclahr  schien  man  der  allgemeinen 
Vernunft  und  Sittlichkeit  ungestraft  trotzen  zu  können  und  die  Zwischen- 
stufen zu  ersparen,  welche  sonst  zwischen  dem  Menschen  und  seinen 
erlaubten  oder  unerlaubten  Zielen  liegen. 
DieTeiesmin      Bctrachtcn  wir  zunächst  ein  älteres,  im  Absterben  begriffenes  Stück 


SITTE  UND  RELIGION  ßll 

Zauberei.  Aus  dem  dunkelsten  Mittelalter,  ja  aus  dem  Altertum  be- 
wahrte manche  Stadt  in  Italien  eine  Erinnerung  an  die  Verknüpfung 
ihres  Schicksals  nüt  gewissen  Bauten,  Statuen  usw.  Die  Alten  hatten 
einst  zu  erzählen  gewußt  von  den  Weihepriestern  oder  Telesten,  welche 
bei  der  feierlichen  Gründung  einzelner  Städte  zugegen  gewesen  waren 
und  das  Wohlergehen  derselben  durch  bestimmte  Denkmäler,  auch 
wohl  durch  geheimes  Vergraben  bestimmter  Gegenstände  (Telesmata) 
magisch  gesichert  hatten.  Wenn  irgend  etwas  aus  der  römischen  Zeit 
mündlich  und  populär  überliefert  weiterlebte,  so  waren  es  Traditionen 
dieser  Art;  nur  wird  natürlich  der  Weihepriester  im  Lauf  der  Jahr- 
hunderte zum  Zauberer  schlechthin,  da  man  die  religiöse  Seite  seines 
Tuns  im  Altertum  nicht  mehr  versteht.  In  einigen  neapolitanischen 
Virgilswundern^"^*  lebt  ganz  deutlich  die  uralte  Erinnerung  an  einen 
Telesten  fort,  dessen  Name  im  Laufe  der  Zeit  durch  den  des  Virgil  in  Neapel; 
verdrängt  wurde.  So  ist  das  Einschließen  des  geheimnisvollen  Bildes 
der  Stadt  in  ein  Gefäß  nichts  anderes  als  ein  echtes  antikes  Telesma; 
so  ist  Virgil  der  Mauerngründer  von  Neapel  nur  eine  Umbildung  des 
bei  der  Gründung  anwesenden  Weihepriesters.  Die  Volksphantasie  spann 
mit  wucherndem  Reichtum  an  diesen  Dingen  weiter,  bis  Virgil  auch 
der  Urheber  des  ehernen  Pferdes,  der  Köpfe  am  Nolaner  Tor,  der 
ehernen  Fliege  über  irgendeinem  andern  Tore,  ja  der  Grotte  des  Posi- 
lipp  usw.  geworden  war  —  lauter  Dinge,  welche  das  Schicksal  in  ein- 
zelnen Beziehungen  magisch  binden,  während  jene  beiden  Züge  das 
Fatum  von  Neapel  überhaupt  zu  bestimmen  scheinen.  Auch  das  mittel- 
alterliche Rom  hatte  verworrene  Erinnerungen  dieser  Art.  In  S.  Am- 
brogio  zu  Mailand  befand  sich  ein  antiker  marmorner  Herkules;  so-  in  Mailand; 
lange  derselbe  an  seiner  Stelle  stehe,  hieß  es,  werde  auch  das  Reich 
dauern,  wahrscheinlich  das  der  deutschen  Kaiser,  deren  Krönungs- 
kirche S.  Ambrogio  war^^^^.  Die  Florentiner  waren  überzeugt ^''^®,  daß  m  Florenz; 
ihr  (später  zum  Baptisterium  umgebauter)  Marstempel  stehen  werde 
bis  ans  Ende  der  Tage,  gemäß  der  Konstellation,  unter  welcher  er  zur 
Zeit  des  Augustus  erbaut  war;  die  marmorne  Reiterstatue  des  Mars 
hatten  sie  allerdings  daraus  entfernt,  als  sie  Christen  wurden;  weil  aber 
die  Zertrümmerung  derselben  großes  Unheil  über  die  Stadt  gebracht 
haben  würde  —  ebenfalls  wegen  einer  Konstellation  —  so  stellte  man 
sie  auf  einen  Turm  am  Arno.  Als  Totila  Florenz  zerstörte,  fiel  das 
Bild  ins  Wasser  und  wurde  erst  wieder  herausgefischt,  als  Karl  der 
Große  Florenz  neu  gründete;  es  kam  nunmehr  auf  einen  Pfeiler  am 
Eingang  des  Ponte  vecchio  zu  stehen  —  und  an  dieser  Stelle  wurde 
1215  Bondelmonte  umgebracht,  und  das  Erwachen  des  großen  Partei- 
kampfes der  Guclfen  und   Gibellinen  knüpft  sich  auf  diese  Weise  an 


Die  Telesiuen 
in  Forli 


Magie  bei 

Grundstein- 

logxingen 


Der  Necrn- 

mant  bei  den 

Dichtern 


ai2  SITTE  UND  RELIGION 

das  gefürchtete  Idol.  Bei  der  Überschwemmung  von  1333  verschwand 
dasselbe  für  immer. 

Allein  dasselbe  Telesma  findet  sich  anderswo  wieder.  Der  schon  er- 
wähnte Guido  Bonatto  begnügte  sich  nicht,  bei  der  Neugründung  der 
Stadtmauern  von  Forli  jene  symbolische  Szene  der  Eintracht  der  beiden 
Parteien  (S.  297)  zu  verlangen;  durch  ein  ehernes  oder  steinernes  Reiter- 
bild, das  er  mit  astrologischen  und  magischen  Hilfsmitteln  zustande 
brachte  und  vergrub^"*',  glaubte  er  die  Stadt  Forli  vor  Zerstörung, 
ja  schon  vor  Plünderung  und  Einnahme  geschützt  zu  haben.  Als  Kardinal 
Albornoz  (S.  60)  etwa  sechs  Jahrzehnte  später  die  Romagna  regierte, 
fand  man  das  Bild  bei  zufälligem  Graben  und  zeigte  es,  wahrscheinlich 
auf  Befehl  des  Kardinals,  dem  Volke,  damit  dieses  begreife,  durch 
welches  Mittel  der  grausame  Montefeltro  sich  gegen  die  römische  Kirche 
behauptet  habe.  Aber  wiederum  ein  halbes  Jahrhundert  später  (1410), 
als  eine  feindhche  Überrumpelung  von  Forli  mißlang,  appelliert  man 
doch  wieder  an  die  Kraft  des  Bildes,  das  vielleicht  gerettet  und  wieder 
vergraben  worden  war.  Es  sollte  das  letztemal  sein,  daß  man  sich  dessen 
freute;  schon  im  folgenden  Jahr  wurde  die  Stadt  wirklich  eingenommen. 
—  Gründungen  von  Gebäuden  haben  noch  im  ganzen  15.  Jahrhundert 
nicht  nur  astrologische  (S.  297),  sondern  auch  magische  Anklänge  mit 
sich.  Es  fiel  z.  B.  auf,  daß  Papst  Paul  IL  eine  solche  Masse  von  goldenen 
und  silbernen  Medaillen  in  die  Grundsteine  seiner  Bauten  versenkte^"**, 
und  Piatina  hat  keine  üble  Lust,  hierin  ein  heidnisches  Telesma  zu  er- 
kennen. Von  der  mittelalterlich  religiösen  Bedeutung  eines  solchen 
Opfers^"**  hatte  wohl  freilich  Paul  so  wenig  als  sein  Biograph  ein  Be- 
wußtsein. 

Doch  dieser  offizielle  Zauber,  der  ohnedies  großenteils  ein  bloßes 
Hörensagen  war,  erreichte  bei  weitem  nicht  die  Wichtigkeit  der  gehei- 
men, zu  persönlichen  Zwecken  angewandten  Magie. 

Was  davon  im  gewöhnlichen  Leben  besonders  häufig  vorkam,  hat  Ariost 
in  seiner  Komödie  vom  Nekromanten  zusammengestellt^"'".  Sein  Held 
ist  einer  der  vielen  aus  Spanien  vertriebenen  Juden,  obgleich  er  sich 
auch  für  einen  Griechen,  Ägypter  und  Afrikaner  ausgibt  und  unauf- 
hörlich Namen  und  Maske  wechselt.  Er  kann  zwar  mit  seinen  Geister- 
beschwörungen den  Tag  verdunkeln  und  die  Nacht  erhellen,  die  Erde 
bewegen,  sich  unsichtbar  machen,  Menschen  in  Tiere  verwandeln  usw., 
aber  diese  Prahlereien  sind  nur  das  Aushängeschild;  sein  wahres  Ziel 
ist  das  Ausbeuten  unglücklicher  und  leidenschaftlicher  Ehepaare,  und 
da  gleichen  die  Spuren,  die  er  zurückläßt,  dem  Geifer  einer  Schnecke, 
oft  aber  auch  dem  verheerenden  Hagelschlag.  Um  solcher  Zwecke 
willen  bringt  er  es  dazu,  daß  man  glaubt,  die  Kiste,  worin  ein  Lieb- 


SITTE  UND  RELIGION  3I3 

haber  steckt,  sei  voller  Geister,  oder  er  könne  eine  Leiche  zum  Reden 
bringen  u.  dgl.  Es  ist  wenigstens  ein  gutes  Zeichen,  daß  Dichter  und 
Novellisten  diese  Sorte  von  Menschen  lächerlich  machen  durften  und 
dabei  auf  Zustimmung  rechnen  konnten.  Bandello  behandelt  nicht  nur 
das  Zaubern  eines  lombardischen  Mönches  als  eine  kümmerliche  und 
in  ihren  Folgen  schreckliche  Gaunerei ^*'^^,  sondern  er  schildert  auch^"*^ 
mit  wahrer  Entrüstung  das  Unheil,  welches  den  gläubigen  Toren  un- 
aufhörlich begleitet.  ,,Ein  solcher  hofft  mit  dem  Schlüssel  Salomonis 
und  vielen  andern  Zauberbüchem  die  verborgenen  Schätze  im  Schoß 
der  Erde  zu  finden,  seine  Dame  zu  seinem  Willen  zu  zwingen,  die  Ge- 
heimnisse der  Fürsten  zu  erkunden,  von  Mailand  sich  in  einem  Nu 
nach  Rom  zu  versetzen  und  ähnliches.  Je  öfter  getäuscht,  desto  beharr- 
licher wird  er  .  .  .  Entsinnt  Ihr  Euch  noch,  Signor  Carlo,  jener  Zeit,  da 
ein  Freund  von  uns,  um  die  Gunst  seiner  Geliebten  zu  erzwingen,  sein 
Zimmer  mit  Totenschädeln  und  Gebeinen  anfüllte  wie  einen  Kirchhof?" 
Es  kommen  die  ekelhaftesten  Verpflichtungen  vor,  z.  B.  einer  Leiche  drei 
Zähne  auszuziehen,  ihr  einen  Nagel  vom  Finger  zu  reißen  usw.,  und 
wenn  dann  endlich  die  Beschwörung  mit  ihrem  Hokuspokus  vor  sich 
geht,  sterben  bisweilen  die  unglücklichen  Teilnehmer  vor  Schrecken. 

Benvenuto  Cellini,  bei  der  bekannten  großen  Beschwörung  (1532)  Benvenuto 
im  Kolosseum  zu  Rom^°'^  starb  nicht,  obgleich  er  und  seine  Begleiter 
das  tiefste  Entsetzen  ausstanden;  der  sizilianische  Priester,  der  in  ihm 
wahrscheinlich  einen  brauchbaren  Mithelfer  für  künftige  Zeiten  ver- 
mutete, machte  ihm  sogar  auf  dem  Heimweg  das  Kompliment,  einen 
Menschen  von  so  festem  Mute  habe  er  noch  nie  angetroffen.  Über  den 
Hergang  selbst  wird  sich  jeder  Leser  seine  besondem  Gedanken  machen; 
das  Entscheidende  waren  wohl  die  narkotischen  Dämpfe  und  die  von 
vornherein  auf  das  Schrecklichste  vorbereitete  Phantasie,  weshalb  denn 
auch  der  mitgebrachte  Junge,  bei  welchem  dies  am  stärksten  wirkt, 
weit  das  meiste  allein  erblickt.  Daß  es  aber  wesentlich  auf  Benvenuto 
abgesehen  sein  mochte,  dürfen  wir  erraten,  weil  sonst  für  das  gefähr- 
liche Beginnen  gar  kein  anderer  Zweck  als  die  Neugier  ersichtlich 
wird.  Denn  auf  die  schöne  Angelica  muß  sich  Benvenuto  erst  besinnen, 
und  der  Zauberer  sagt  ihm  nachher  selbst,  Liebschaften  seien  eitle 
Torheit  im  Vergleich  mit  dem  Auffinden  von  Schätzen.  Endhch  darf 
man  nicht  vergessen,  daß  es  der  Eitelkeit  schmeichelte,  sagen  zu  können: 
die  Dämonen  haben  mir  Wort  gehalten,  und  Angelica  ist  genau  einen 
Monat  später,  wie  mir  verheißen  war,  in  meinen  Händen  gewesen 
(Kap.  68).  Aber  auch  wenn  sich  Benvenuto  allmählich  in  die  Geschichte 
hineingelogen  haben  sollte,  so  wäre  sie  doch  als  Beispiel  der  damals 
herrschenden  Anschauung  von  bleibendem  Werte. 


Cellini 
Abb.  }gs 


314 


SITTE  UND  RELIGION 


Abb.  igj 


Sonst  gaben  sich  die  italienischen  Künstler,  auch  die  „wunderlichen, 
kapriziösen  und  bizarren",  mit  Zauberei  nicht  leicht  ab;  wohl  schneidet 
sich  einer  bei  Gelegenheit  des  anatomischen  Studiums  ein  Wams  aus 
der  Haut  einer  Leiche,  aber  auf  Zureden  eines  Beichtvaters  legt  er  es 
wieder  in  ein  Grab^"'*.  Gerade  das  häufige  Studium  von  Kadavern 
mochte  den  Gedanken  an  magische  Wirkung  einzelner  Teile  derselben 
am  gründlichsten  niederschlagen,  während  zugleich  das  unablässige  Be- 
trachten und  Bilden  der  Form  dem  Künstler  die  Möglichkeit  einer  ganz 
andern  Magie  aufschloß. 

Im  allgemeinen  erscheint  das  Zauberwesen  zu  Anfang  des  i6.  Jahr- 
hunderts trotz  der  angeführten  Beispiele  doch  schon  in  kcnntUcher 
Abnahme  des  Abnahme,  zu  einer  Zeit  also,  wo  es  außerhalb  Italiens  erst  recht  in 
zaubenvesens  gjQ^g  kommt,  SO  daß  dic  Rundreisen  italienischer  Zauberer  und  Astro- 
logen im  Norden  erst  zu  beginnen  scheinen,  seitdem  ihnen  zu  Hause 
niemand  mehr  großes  Vertrauen  schenkte.  Das  14.  Jahrhundert  war 
es,  welches  die  genaue  Bewachung  des  Sees  auf  dem  Pilatusberg  bei 
Scariotto  nötig  fand,  um  die  Zauberer  an  ihrer  Bücherweihe  zu  ver- 
hindern ^''^^.  Im  15.  Jahrhundert  kamen  dann  noch  Dinge  vor,  wie  z.  B. 
das  Anerbieten  Regengüsse  zu  bewirken,  um  damit  ein  Belagerungs- 
heer zu  verscheuchen;  und  schon  damals  hatte  der  Gebieter  der  be- 
lagerten Stadt  —  Nicolö  Vittelli  in  Cittä  di  Castello  —  den  Verstand, 
die  Regenmacher  als  gottlose  Leute  abzuweisen ^''^^.  Im  16.  Jahrhundert 
treten  solche  offizielle  Dinge  nicht  mehr  an  den  Tag,  wenn  auch  das 
Privatleben  noch  mannigfach  den  Beschwörern  anheimfällt.  In  diese 
Zeit  gehört  allerdings  die  klassische  Figur  des  deutschen  Zauberwesens, 
Dr.  Johann  Faust;  die  des  italienischen  dagegen,  Guido  Bonatto,  fallt 
bereits  ins   13.  Jahrhundert. 

Auch  hier  wird  man  freilich  beifügen  müssen,  daß  die  Abnahme 
des  Beschwörungsglaubens  sich  nicht  notwendig  in  eine  Zunahme  des 
Glaubens  an  die  sittliche  Ordnung  des  Menschenlebens  verwandelte, 
sondern  daß  sie  vielleicht  bei  vielen  nur  einen  dumpfen  Fatalismus 
zurückließ,  ähnlich  wie  der  schwindende  Sternglaube. 

Ein  paar  Nebengattungen  des  Wahns,  die  Pyromantie,  Chiromantie"'' 
usw.,  welche  erst  mit  dem  Sinken  des  Beschwörungsglaubens  und  der 
Astrologie  einigermaßen  zu  Kräften  kamen,  dürfen  wir  hier  völlig  über- 
gehen, und  selbst  die  auftauchende  Physiognomik  hat  lange  nicht  das 
Interesse,  das  man  bei  Nennung  dieses  Namens  voraussetzen  sollte. 
Sie  erscheint  nämlich  nicht  als  Schwester  und  Freundin  der  bildenden 
Kunst  und  der  praktischen  Psychologie,  sondern  wesentlich  als  eine 
neue  Gattung  fatalistischen  Wahnes,  als  ausdrückliche  Rivalin  der  Stern- 
deuterei,  was  sie  wohl  schon  bei  den  Arabern  gewesen  sein  mag.  Barto- 


1 )cssen 

Ncbengat- 

tunken 


Physiogno- 
mik 


SITTE  UND  RELIGION 


315 


Wahrsager 


lommeo  Code  z.  B.,  der  Verfasser  eines  physiognomischen  Lehrbuches, 
der  sich  einen  Metoposkopen  nannte  i"**  und  dessen  Wissenschaft,  nach 
Giovios  Ausdruck,  schon  wie  eine  der  vornehmsten  freien  Künste  aus- 
sah, begnügte  sich  nicht  mit  Weissagungen  an  die  klügsten  Leute, 
die  ihn  tägüch  zu  Rate  zogen,  sondern  er  schrieb  auch  ein  höchst  be- 
denkhches  „Verzeichnis  solcher,  welchen  verschiedene  große  Lebens- 
gefahren bevorständen".  Giovio,  obwohl  gealtert  in  der  Aufklärung 
Roms  —  in  hac  luce  romana!  — ,  findet  doch,  daß  sich  die  darin  ent- 
haltenen Weissagungen  nur  zu  sehr  erwahrt  hätten'"^'.  Freilich  erfährt 
man  bei  dieser  Gelegenheit  auch,  wie  die  von  diesen  und  ähnlichen 
Voraussagungen  Betroffenen  sich  an  den  Propheten  rächten;  Giovanni 
Bentivoglio  ließ  den  Lucas  Gauricus  an  einem  Seil,  das  von  einer  hohen  schicksaieda 
Wendeltreppe  herabhing,  fünfmal  hin  und  her  an  die  Wand  schmeißen, 
weil  Lucas  ihm"""  den  Verlust  seiner  Herrschaft  vorhersagte;  Ermes 
Bentivoglio  sandte  dem  Code  einen  Alörder  nach,  weil  der  unglück- 
liche Metoposkop  ihm,  noch  dazu  wider  Willen,  prophezeit  hatte,  er 
werde  als  Verbannter  in  einer  Schlacht  umkommen.  Der  Mörder  höhnte, 
wie  es  scheint,  noch  in  Gegenwart  des  Sterbenden:  Dieser  habe  ihm  ja 
selber  geweissagt,  er  würde  nächstens  einen  schmählichen  Mord  be- 
gehen! —  Ein  ganz  ähnliches  jammervolles  Ende  nahm  der  Neugründer 
der  Chiromantie,  Antioco  Tiberto  von  Cesena"°i,  durch  Pandolfo  Ma- 
latesta  von  Rimini,  dem  er  das  Widerwärtigste  prophezeit  hatte,  was 
ein  Tyrann  sich  denken  mag:  den  Tod  in  Verbannung  und  äußerster 
Armut.  Tiberto  war  ein  geistreicher  Mann,  dem  man  zutraute,  daß 
er  weniger  nach  einer  chiromantischen  Methode  als  nach  einer  durch- 
dringenden Menschenkenntnis  seinen  Bescheid  gebe;  auch  achteten  ihn 
seiner  hohen  Bildung  wegen  selbst  diejenigen  Gelehrten,  welche  von 
seiner  Divination  nichts  hielten""^. 

Die  Alchimie  endlich,  welche  im  Altertum  erst  ganz  spät,  unter 
Diocletian,  erwähnt  wird,  spielt  zur  Zeit  der  Blüte  der  Renaissance 
nur  eine  untergeordnete  Rolle  i^"'.  Auch  diese  Krankheit  hatte  Italien 
früher  durchgemacht,  im  14.  Jahrhundert,  als  Petrarca  in  seiner  Pole- 
mik dagegen  es  zugestand:  das  Goldkochen  sei  eine  weitverbreitete 
Sitte '^''*.  Seitdem  war  in  Italien  diejenige  besondere  Sorte  von  Glauben, 
Hingebung  und  Isolierung,  welche  der  Betrieb  der  Alchimie  verlangt, 
immer  seltener  geworden,  während  italienische  und  andere  Adepten 
im  Norden  die  großen  Herren  erst  recht  auszubeuten  anfingen""*. 
Unter  Leo  X.  hießen  bei  den  Italienern  die  wenigen""*,  die  sich  noch 
damit  abgaben,  schon  ,, Grübler"  (ingenia  curiosa),  und  AureUo  Augu- 
relli,  der  dem  großen  Goldverächter  Leo  selbst  sein  Lehrgedicht  vom 
Goldmachen  widmete,  soll  als  Gegengeschenk  eine  prächtige,  aber  leere 


Alchimie 
Abb.  183 


3i6 


SITTE  UND  RELIGION 


Börse  erhalten  haben.  Die  Adeptenmystik,  welche  außer  dem  Gold 
noch  den  allbeglückenden  Stein  der  Weisen  suchte,  ist  vollends  erst 
ein  spätes  nordisches  Gewächs,  welches  aus  den  Theorien  des  Para- 
celsus  usw.  emporblüht. 

Mit  diesem  Aberglauben  sowohl  als  mit  der  Denkweise  des  Alter- 
tums überhaupt  hängt  die  Erschütterung  des  Glaubens  an  die  Un- 
sterbUchkeit  eng  zusammen.  Diese  Frage  hat  aber  überdies  noch  viel 
weitere  und  tiefere  Beziehungen  zu  der  Entwicklung  des  modernen 
Geistes  im  großen  und  ganzen. 

DerUngiaube  Eine  mäclitigc  Quelle  aller  Zweifel  an  der  Unsterblichkeit  war  zu- 
er  aup  jj^clist  der  Wunsch,  der  verhaßten  Kirche,  wie  sie  war,  innerlich  nichts 
mehr  zu  verdanken.  Wir  sahen,  daß  die  Kirche  diejenigen,  welche  so 
dachten,  Epikuräer  nannte  (S.  288f).  Im  Augenblick  des  Todes  mag 
sich  mancher  wieder  nach  den  Sakramenten  umgesehen  haben,  aber 
Unzählige  haben  während  ihres  Lebens,  zumal  während  ihrer  tätigsten 
Jahre  unter  jener  Voraussetzung  gelebt  und  gehandelt.  Daß  sich  daran 
bei  vielen  ein  allgemeiner  Unglaube  hängen  mußte,  ist  an  sich  ein- 
leuchtend und  überdies  geschichtlich  auf  alle  Weise  bezeugt.  Es  sind 
diejenigen,  von  welchen  es  bei  Ariost  heißt:  sie  glauben  nicht  über 
das  Dach  hinaus"".  In  Italien,  zumal  in  Florenz,  konnte  man  zuerst 
als  ein  notorisch  Ungläubiger  existieren,  wenn  man  nur  keine  unmittel- 
bare Feindseligkeit  gegen  die  Kirche  übte.  Der  Beichtvater  z.  B.,  der 
einen  politischen  Delinquenten  zum  Tode  vorbereiten  soll,  erkundigt 
sich  vorläufig,  ob  derselbe  glaube?  ,,denn  es  war  ein  falsches  Gerücht 
gegangen,  er  habe  keinen  Glauben""*". 

Die  Beichte  Dcr  arme  Sünder,  um  den  es  sich  hier  handelt,  jener  S.  36f  erwähnte 
Pierpaolo  Boscoli,  der  15 13  an  einem  Attentat  gegen  das  eben  her- 
gestellte Haus  Medici  teilnahm,  ist  bei  diesem  Anlaß  zu  einem  wahren 
Spiegelbild  der  damaligen  religiösen  Konfusion  geworden.  Von  Hause 
aus  der  Partei  Savonarolas  zugetan,  hatte  er  dann  doch  für  die  antiken 
Freiheitsideale  und  anderes  Heidentum  geschwärmt;  in  seinem  Kerker 
aber  nimmt  sich  jene  Partei  wiederum  seiner  an  und  verschafft  ihm 
ein  seliges  Ende  in  ihrem  Sinne.  Der  pietätvolle  Zeuge  und  Aufzeichner 
des  Herganges  ist  einer  von  der  Künstlerfainilie  della  Robbia,  der 
gelehrte  Philologe  Luca.  ,,Ach,  seufzt  Boscoli,  treibet  mir  den  Brutus 
aus  dem  Kopf,  damit  ich  meinen  Gang  als  Christ  gehen  kann!"  — 
Luca:  ,,Wenn  Ihr  wollt,  so  ist  das  nicht  schwer;  Ihr  wisset  ja,  daß 
jene  Römertaten  uns  nicht  schliclil,  sondern  idealisiert  (con  arte  ac- 
cresciute)  überliefert  sind."  Nun  zwingt  jener  seinen  Verstand,  zu  glau- 
ben, und  jammert,  daß  er  nicht  freiwillig  glauben  könne.  Wenn  er 
nur  noch  einen  Monat  mit  guten  Mönchen  zu  leben  hätte,  dann  würde 


SITTE  UND  RELIGION  317 

er  ganz  geistlich  gesinnt  werden!  Es  zeigt  sich  weiter,  daß  diese  Leute 
vom  Anhang  Savonarolas  die  Bibel  wenig  kannten;  Boscoli  kann  nur 
Paternoster  und  Avemaria  beten  und  ersucht  nun  den  Luca  dringend, 
den  Freunden  zu  sagen,  sie  möchten  die  Heilige  Schrift  studieren, 
denn  nur,  was  der  Mensch  im  Leben  erlernt  habe,  das  besitze  er  im 
Sterben.  Darauf  liest  und  erklärt  ihm  Luca  die  Passion  nach  dem 
Evangelium  Johannis;  merkwürdigerweise  ist  dem  Armen  die  Gott- 
heit Christi  einleuchtend,  während  ihm  dessen  Menschheit  Mühe  macht; 
diese  möchte  er  gerne  so  sichtbar  begreifen,  „als  käme  ihm  Christus 
aus  einem  Walde  entgegen"  —  worauf  ihn  sein  Freund  zur  Demut 
verweist,  indem  dies  nur  Zweifel  seien,  welche  der  Satan  sende.  Später 
fällt  ihm  ein  ungelöstes  Jugendgelübde  einer  Wallfahrt  nach  der  Im- 
pruneta  ein;  der  Freund  verspricht  es  zu  erfüllen  an  seiner  Statt.  Da- 
zwischen kommt  der  Beichtvater,  ein  Mönch  aus  Savonarolas  Kloster, 
wie  er  ihn  erbeten  hatte,  gibt  ihm  zunächst  jene  oben  erwähnte  Er- 
läuterung über  die  Ansicht  des  Thomas  von  Aquino  wegen  des  Tyrannen- 
mordes und  ermahnt  ihn  dann,  den  Tod  mit  Kraft  zu  ertragen.  Boscoli 
antwortet:  „Pater,  verlieret  damit  keine  Zeit,  denn  dazu  genügen  mir 
schon  die  Pliilosophen;  helfet  mir,  den  Tod  zu  erleiden  aus  Liebe  zu 
Christus."  Das  Weitere,  die  Kommunion,  der  Abschied  und  die  Hin- 
richtung, wird  auf  sehr  rührende  Weise  geschildert;  besonders  hervor- 
zuheben ist  aber  der  eine  Zug,  daß  Boscoli,  indem  er  das  Haupt  auf 
den  Block  legte,  den  Henker  bat,  noch  einen  Augenblick  mit  dem  Hieb 
zu  warten:  ,,Er  hatte  nämlich  die  ganze  Zeit  über  (seit  der  Verkündi- 
gung des  Todesurteils)  nach  einer  engen  Vereinigung  mit  Gott  ge- 
strebt, ohne  sie  nach  Wunsch  zu  erreichen,  nun  gedachte  er  in  diesem 
Augenblick  durch  volle  Anstrengung  sich  gänzlich  Gott  hinzugeben." 
Offenbar  ist  es  ein  Ausdruck  Savonarolas,  der  —  halbverstanden  — 
ihn  beunruhigt  hatte. 

Besäßen  wir  noch  mehr  Bekenntnisse  dieser  Art,  so  würde  das  geistige     RciiKiöse 

T»'i  1    •  i~T    *  •!  •    ^     •  r-r  .1  1  1'  1*  Konfusion 

Bild  jener  Zeit  um  viele  wichtige  Züge  reicher  werden,  die  uns  keine 
Abhandlung  und  kein  Gedicht  gibt.  Wir  würden  noch  besser  sehen, 
wie  stark  der  angeborene  religiöse  Trieb,  wie  subjektiv  und  auch  wie 
schwankend  das  Verhältnis  des  einzelnen  zum  Religiösen  war  und 
was  für  gewaltige  Feinde  dem  letztern  gegenüberstanden.  Daß  Men- 
schen von  einem  so  beschaffenen  Innern  nicht  taugen,  um  eine  neue 
Kirche  zu  bilden,  ist  unleugbar,  aber  die  Geschichte  des  abendländi- 
schen Geistes  wäre  unvollständig  ohne  die  Betrachtung  jener  Gärungs- 
zeit der  Italiener,  während  sie  sich  den  Blick  auf  andere  Nationen, 
die  am  Gedanken  keinen  Teil  hatten,  getrost  ersparen  darf  Doch  wir 
kehren  zur  Frage  von  der  Unsterblichkeit  zurück. 


Zweifel 


kejt  derSeelr 


Ol8  SITTE  UND  RELIGION 

Wenn  der  Unglaube  in  dieser  Beziehung  unter  den  höher  Entwickel- 
ten eine  so  bedeutende  Stellung  gewann,  so  hing  dies  weiter  davon  ab, 
daß  die  große  irdische  Aufgabe  der  Entdeckung  und  Reproduktion 
der  Welt  in  Wort  und  Bild  alle  Geistes-  und  Seelenkräfte  bis  zu  einem 
hohen  Grade  für  sich  in  Anspruch  nahm.  Von  dieser  notwendigen 
Weltlichkeit  der  Renaissance  war  schon  (S.  285)  die  Rede.  Aber  über- 

AUgemeiner  dics  crliob  sich  aus  dieser  Forschung  und  Kunst  mit  derselben  Not- 
wendigkeit ein  allgemeiner  Geist  des  Zweifels  und  der  Frage.  Wenn 
derselbe  sich  in  der  Literatur  wenig  kundgibt,  wenn  er  z.  B.  zu  einer 
Kritik  der  biblischen  Geschichte  (S.  292)  nur  vereinzelte  Anläufe  ver- 
rät, so  muß  man  nicht  glauben,  er  sei  nicht  vorhanden  gewesen.  Er 
war  nur  übertönt  durch  das  soeben  genannte  Bedürfnis  des  Darstellens 
und  Bildens  in  allen  Fächern,  d.  h.  durch  den  positiven  Kunsttrieb; 
außerdem  hemmte  ihn  auch  die  noch  vorhandene  Zwangsmacht  der 
Kirche,  sobald  er  theoretisch  zu  Werke  gehen  wollte.  Dieser  Geist 
des  Zweifels  aber  mußte  sich  unvermeidlich  und  vorzugsweise  auf  die 
Frage  vom  Zustand  nach  dem  Tode  werfen,  aus  Gründen,  welche  zu 
einleuchtend  sind,  als  daß  sie  genannt  zu  werden  brauchten. 

Unsterblich.  Und  nuu  kam  das  Altertum  hinzu  und  wirkte  auf  diese  ganze  An- 
gelegenheit in  zwiefacher  Weise.  Fürs  erste  suchte  man  sich  die  Psycho- 
logie der  Alten  anzueignen  und  peinigte  den  Buchstaben  des  Aristo- 
teles um  eine  entscheidende  Auskunft.  In  einem  der  lucianischen  Dia- 
loge jener  Zeit""^  erzählt  Charon  dem  Merkur,  wie  er  den  Aristoteles 
bei  der  Überfahrt  im  Nachen  selber  um  seinen  Unsterblichkeitsglauben 
befragt  habe;  der  vorsichtige  Pliilosoph,  obwohl  selber  bereits  leiblich 
gestorben  und  dennoch  fortlebend,  habe  sich  auch  jetzt  nicht  mit  einer 
klaren  Antwort  kompromittieren  wollen;  wie  werde  es  erst  nach  vielen 
Jahrhunderten  mit  der  Deutung  seiner  Schriften  gehen!  —  Nur  um 
so  eifriger  stritt  man  über  seine  und  anderer  alten  Schriftsteller  Mei- 
nungen in  betreff  der  wahren  Beschaffenheit  der  Seele,  ihren  Ursprung, 
ihre  Präexistenz,  ihre  Einheit  in  allen  Menschen,  ihre  absolute  Ewig- 
keit, ja  ihre  Wanderungen,  und  es  gab  Leute,  die  dergleichen  auf  die 
Kanzel  brachten^"".  Die  Debatte  wurde  überhaupt  schon  im  15.  Jahr- 
hundert sehr  laut;  die  einen  bewiesen,  daß  Aristoteles  allerdings  eine 
unsterbliche  Seele  lehre^^";  andere  klagten  über  die  Herzenshärte  der 
Menschen,  welche  die  Seele  gern  breit  auf  einem  Stuhl  vor  sich  sitzen 
sähen,  um  überhaupt  an  ihr  Dasein  zu  glauben *^^;  Filelfo  in  seiner 
Leichenrede  auf  Francesco  Sforza  führt  eine  bunte  Reihe  von  Aus- 
sagen antiker  und  selbst  arabischer  Philosophen  zugunsten  der  Un- 
sterblichkeit an  und  schließt  dies  im  Druck^^^  anderthalb  enge  Folio- 
seiten betragende  Gemisch  mit  zwei  Zeilen:  „Überdies  haben  wir  das 


SITTE  UND  RELIGION  3I9 

Alte  und  Neue  Testament,  was  über  alle  Wahrheit  ist."  Dazwischen 
kamen  die  florentinischen  Platoniker  mit  der  Seelenlehre  Piatos  und, 
wie  z.  B.  Pico,  mit  sehr  wesentlicher  Ergänzung  derselben  aus  der 
Lehre  des  Christentums.  Allein  die  Gegner  erfüllten  die  gebildete  Welt 
mit  ihrer  Meinung.  Zu  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts  war  das  Ärgernis, 
das  die  Kirche  darob  empfand,  so  hoch  gestiegen,  daß  Leo  X.  auf 
dem  lateranensischen  Konzil  (1513)  eine  Konstitution"^*  erlassen  mußte 
zum  Schutz  der  Unsterblichkeit  und  Individualität  der  Seele,  letzteres 
gegen  die,  welche  lehrten,  die  Seele  sei  in  allen  Menschen  nur  eine. 
Wenige  Jahre  später  erschien  aber  das  Buch  des  Pomponazzo,  worin 
die  Unmöglichkeit  eines  philosophischen  Beweises  für  die  Unsterblich- 
keit dargetan  wurde,  und  nun  spann  sich  der  Kampf  mit  Gegenschriften 
und  Apologien  fort  und  verstummte  erst  gegenüber  der  katholischen 
Reaktion.  Die  Präexistenz  der  Seelen  in  Gott,  mehr  oder  weniger  nach 
Piatos  Ideenlehre  gedacht,  blieb  lange  ein  sehr  verbreiteter  Begriff  und 
kam  z.  B.  den  Dichtern"^^  gelegen.  Man  erwog  nicht  näher,  welche 
Konsequenz  für  die  Art  der  Fortdauer  nach  dem  Tode  daran  hing. 

Die  zweite  Einwirkung  des  Altertums  kam  ganz  vorzüglich  von  jenem 
merkwürdigen  Fragment  aus  Ciceros  sechstem  Buche  vom  Staat  her, 
welches  unter  dem  Namen  ,, Traum  des  Scipio"  bekannt  ist.  Ohne  den  Der  Heiden 
Kommentar  des  Macrobius  wäre  es  wahrscheinlich  untergegangen  wie 
die  übrige  zweite  Hälfte  des  ciceronischen  Werkes;  nun  war  es  wieder 
in  unzähligen  Abschriften "i*  und  von  Anfang  der  Typographie  an  in 
Abdrücken  verbreitet  und  wurde  mehrfach  neu  kommentiert.  Es  ist 
die  Schilderung  eines  verklärten  Jenseits  für  die  großen  Männer,  durch- 
tönt von  der  Harmonie  der  Sphären.  Dieser  Heidenhimmel,  für  den 
sich  allmählich  auch  noch  andere  Aussagen  der  Alten  fanden,  ver- 
trat allmählich  in  demselben  Maße  den  christHchen  Himmel,  in  welchem 
das  Ideal  der  historischen  Größe  und  des  Ruhmes  die  Ideale  des  christ- 
lichen Lebens  in  den  Schatten  stellte,  und  dabei  wurde  doch  das  Ge- 
fühl nicht  beleidigt  wie  bei  der  Lehre  von  dem  gänzlichen  Aufhören 
der  Persönlichkeit.  Schon  Petrarca  gründet  nun  seine  Hoffnung  wesent- 
lich auf  diesen  „Traum  des  Scipio",  auf  die  Äußerungen  in  andern 
ciceronischen  Schriften  und  auf  Piatos  Phädon,  ohne  die  Bibel  zu  er- 
wähnen"^'. „Warum  soll  ich",  fragt  er  anderswo,  „als  Katholik  eine 
Hoffnung  nicht  teilen,  welche  ich  erweislich  bei  den  Heiden  vorfinde?" 
Etwas  später  schrieb  Coluccio  Salutati  seine  (noch  handschriftlich  vor- 
handenen) ,, Arbeiten  des  Herkules",  wo  am  Schluß  bewiesen  wird, 
daß  den  energischen  Menschen,  welche  die  Ungeheuern  Mühen  der 
Erde  überstanden  haben,  der  Wohnsitz  auf  den  Sternen  von  Rechts 
wegen   gehöre*"^.   Wenn   Dante  noch   strenge   darauf  gehalten   hatte. 


320  SITTE  UND  RELIGION 

daß  auch  die  größten  Heiden,  denen  er  gewiß  das  Paradies  gönnte, 
doch  nicht  über  jenen  Limbus  am  Eingang  der  Hölle  hinauskamen^"*, 
so  griff  jetzt  die  Poesie  mit  beiden  Händen  nach  den  neuen  liberalen 
Ideen  vom  Jenseits.  Cosimo  der  ältere  wird,  laut  Bernardo  Pulcis  Ge- 
dicht auf  seinen  Tod,  im  Himmel  empfangen  von  Cicero,  der  ja  auch 
,, Vater  des  Vaterlandes"  geheißen,  von  den  Fabiem,  von  Curius,  Fabri- 
cius  und  vielen  andern;  mit  ihnen  wird  er  eine  Zierde  des  Chores  sein, 
wo  nur  tadellose  Seelen  singen"^". 
Dashomeri-  Aber  CS  gab  in  den  alten  Autoren  noch  ein  anderes,  weniger  gefalli- 
ensei  ^^^  g. j^j  ^^^  Jeuscits,  uämlich  das  Schattenreich  Homers  und  derjenigen 
Dichter,  welche  jenen  Zustand  nicht  versüßt  und  humanisiert  hatten. 
Auf  einzelne  Gemüter  machte  auch  dies  Eindruck.  Gioviano  Pontano 
legt  irgendwo"^  dem  Sannazar  die  Erzählung  einer  Vision  in  den 
Mund,  die  er  frühmorgens  im  Halbschlummer  gehabt  habe.  Es  erscheint 
ihm  ein  verstorbener  Freund,  Ferrandus  Januarius,  mit  dem  er  sich 
einst  oft  über  die  Unsterblichkeit  der  Seele  unterhalten  hatte;  jetzt 
fragt  er  ihn,  ob  die  Ewigkeit  und  Schrecklichkeit  der  Höllenstrafen 
eine  Wahrheit  sei?  Der  Schatten  antwortet  nach  einigem  Schweigen 
ganz  im  Sinne  des  Achill,  als  ihn  Odysseus  befragte:  ,,So  viel  sage  und 
beteure  ich  dir,  daß  wir  vom  leiblichen  Leben  Abgeschiedenen  das 
stärkste  Verlangen  tragen,  wieder  in  dasselbe  zurückzukehren."  Dann 
grüßt  und  verschwindet  er. 
Veriiüchti-  Es  ist  gar  nicht  zu  verkennen,  daß  solche  Ansichten  vom  Zustande 
cSfeuichen  nach  dem  Tode  das  Aufhören  der  wesenthchsten  christlichen  Dogmen 
Lehre  ^^[\^  voraussctzcn,  teils  verursachen.  Die  Begriffe  von  Sünde  und  Er- 
lösung müssen  fast  völlig  verduftet  gewesen  sein.  Man  darf  sich  durch 
die  Wirkung  der  Bußprediger  und  durch  die  Bußepidemien,  von  wel- 
chen oben  (S.  269  u.  f ,  281  u.  f)  die  Rede  war,  nicht  irremachen 
lassen;  denn  selbst  zugegeben,  daß  auch  die  individuell  entwickelten 
Stände  daran  teilgenommen  hätten  wie  alle  andern,  so  war  die  Haupt- 
sache dabei  doch  nur  das  Rührungsbedürfnis,  die  Losspannung  heftiger 
Gemüter,  das  Entsetzen  über  großes  Landesunglück,  der  Schrei  zum 
Himmel  um  Hilfe.  Die  Weckung  des  Gewissens  hatte  durchaus  nicht 
notwendig  das  Gefiihl  der  Sündhaftigkeit  und  des  Bedürfnisses  der  Er- 
lösung zur  Folge,  ja  selbst  eine  sehr  heftige  äußere  Buße  setzt  nicht 
notwendig  eine  Reue  im  christlichen  Sinne  voraus.  Wenn  kräftig  ent- 
wickelte Menschen  der  Renaissance  uns  erzählen,  ihr  Prinzip  sei:  nichts 
zu  bereuen "22^  sq  kann  dies  allerdings  sich  auf  sittlich  indifferente 
Angelegenheiten,  auf  bloß  Unkluges  und  Unzweckmäßiges  beziehen, 
aber  von  selbst  wird  sich  diese  Verachtung  der  Reue  auch  auf  das 
sittliche  Gebiet  ausdehnen,  weil  ihre  Quelle  eine  allgemeine,  nämlich 


SITTE  UND  RELIGION 


321 


Das  theisti- 
sche  Gebet 


das  individuelle  Kraftgefühl  ist.  Das  passive  und  kontemplative  Christen- 
tum mit  seiner  beständigen  Beziehung  auf  eine  jenseitige  höhere  Welt 
beherrschte  diese  Menschen  nicht  mehr.  Machiavell  wagt  dann  die 
weitere  Konsequenz:  dasselbe  könne  auch  dem  Staat  und  der  Ver- 
teidigung von  dessen  Freiheit  nicht  förderlich  sein^^^. 

Welche  Gestalt  mußte  nun  die  trotz  allem  vorhandene  starke  Reli-  Deismus  und 
giosität  bei  den  tiefem  Naturen  annehmen?  Es  ist  der  Theismus  oder 
Deismus,  wie  man  will.  Den  letztern  Namen  mag  diejenige  Denkweise 
führen,  welche  das  ChristUche  abgestreift  hat,  ohne  einen  weitern  Er- 
satz für  das  Gefühl  zu  suchen  oder  zu  finden.  Theismus  aber  erkennen 
wir  in  der  erhöhten  positiven  Andacht  zum  göttlichen  Wesen,  welche 
das  Mittelalter  nicht  gekannt  hatte.  Dieselbe  schließt  das  Christentum 
nicht  aus  und  kann  sich  jederzeit  mit  dessen  Lehre  von  der  Sünde, 
Erlösung  und  Unsterblichkeit  verbinden,  aber  sie  ist  auch  ohne  das- 
selbe in  den  Gemütern  vorhanden. 

Bisweilen  tritt  sie  mit  kindlicher  Naivität,  ja  mit  einem  halb  heidni- 
schen Anklang  auf;  Gott  erscheint  ihr  als  der  allmächtige  Erfüller  der 
Wünsche.  Agnolo  Pandolfini  erzählt^^*,  wie  er  nach  der  Hochzeit  sich 
mit  seiner  Gemahlin  einschloß  und  vor  dem  Hausaltar  mit  dem  Marien- 
bilde niederkniete,  worauf  sie  aber  nicht  zur  Madonna,  sondern  zu 
Gott  beteten,  er  möge  ihnen  verleihen  die  richtige  Benützung  ihrer 
Güter,  langes  Zusammenleben  in  Fröhlichkeit  und  Eintracht  und  viele 
männliche  Nachkommen;  „für  mich  betete  ich  um  Reichtum,  Freund- 
schaften und  Ehre,  für  sie  um  Unbescholtenheit,  Ehrbarkeit  und  daß 
sie  eine  gute  Haushälterin  werden  möge".  Wenn  dann  noch  eine  starke 
Antikisierung  im  Ausdruck  hinzukommt,  so  hat  man  es  bisweilen  schwer, 
den  heidnischen  Stil  und  die  theisti.sche  Überzeugimg  auseinanderzu- 
halten"25. 

Auch  im  Unglück  äußert  sich  hie  und  da  diese  Gesinnung  mit 
ergreifender  Wahrheit.  Es  sind  aus  der  spätem  Zeit  des  Firenzuola, 
da  er  jahrelang  am  Fieber  krank  lag,  einge  Anreden  an  Gott  vorhanden, 
in  welchen  er  sich  beiläufig  mit  Nachdruck  als  einen  gläubigen  Christen 
geltend  macht  und  doch  ein  rein  theistisches  Bewußtsein  an  den  Tag 
legt^*^'.  Er  faßt  sein  Leiden  weder  als  Sündenschuld  noch  als  Prüfung 
und  Vorbereitung  auf  eine  andere  Welt;  es  ist  eine  Angelegenheit  zwi- 
schen ihm  und  Gott  allein,  der  die  mächtige  Liebe  zum  Leben  zwischen 
den  Menschen  und  seine  Verzweiflung  hineingestellt  hat.  ,,Ich  fluche, 
doch  nur  gegen  die  Natur,  denn  deine  Größe  verbietet  mir,  dich  selbst 
zu  nennen  .  .  .  gib  mir  den  Tod,  Herr,  ich  flehe  dich,  gib  mir  ihn  jetzt!" 

Einen  augenscheinlichen  Beweis  für  einen  ausgebildeten,  bewußten 
Theismus  wird  man  freilich  in  diesen  und  ähnlichen  Aussagen  vergebens 

Burchkardt  21 


Die  Italien . 

Anti- 
trini  tarier 


322  SITTE  UND  RELIGION 

suchen;  die  Betreffenden  glaubten  zum  Teil  noch  Christen  zu  sein  und 
respektierten  außerdem  aus  verschiedenen  Gründen  die  vorhandene 
Kirchenlehre.  Aber  zur  Zeit  der  Reformation,  als  die  Gedanken  ge- 
zwungen waren,  sich  abzuklären,  gelangte  diese  Denkweise  zu  einem 
deutlichem  Bewußtsein;  eine  Anzahl  der  italienischen  Protestanten  er- 
wiesen sich  als  Antitrinitarier,  und  die  Socinianer  machten  sogar  als 
Flüchtlinge  in  weiter  Feme  den  denkwürdigen  Versuch,  eine  Kirche 
in  diesem  Sinn  zu  konstituieren.  Aus  dem  bisher  Gesagten  wird  wenig- 
stens so  viel  klar  geworden  sein,  daß  außer  dem  humanistischen  Ratio- 
nalismus noch  andere  Geister  in  diese  Segel  wehten. 
Lore.izo  Ein  Mittelpunkt  der  ganzen  theistischen  Denkweise  ist  wohl  in  der 
magnificound  platonischen  Akademie  von  Florenz  und  ganz  besonders  in  Lorenzo 

sein    Kreis      ^  <-* 

magnifico  selbst  zu  suchen.  Die  theoretischen  Werke  und  selbst  die 
Briefe  jener  Männer  geben  doch  nur  die  Hälfte  ihres  Wesens.  Es  ist 
wahr,  daß  Lorenzo  von  Jugend  auf  bis  an  sein  Lebensende  sich  dogma- 
tisch christlich  geäußert  hat^^'  und  daß  Pico  sogar  unter  die  Herrschaft 
Savonarolas  und  in  eine  mönchisch  aketische  Gesinnung  hineingeriet^^*. 
Allein  in  den  Hymnen  Lorenzos^^',  welche  wir  als  das  höchste  Re- 
sultat des  Geistes  jener  Schule  zu  bezeichnen  versucht  sind,  spricht 
ohne  Rückhalt  der  Theismus,  und  zwar  von  einer  Anschauung  aus, 
welche  sich  bemüht,  die  Welt  als  einen  großen  moralischen  und  physi- 
schen Kosmos  zu  betrachten.  Während  die  Menschen  des  Mittelalters 
die  Welt  ansehen  als  ein  Jammertal,  welches  Papst  und  Kaiser  hüten 
müssen  bis  zum  Auftreten  des  Antichrist,  während  die  Fatalisten  der 
Renaissance  abwechseln  zwischen  Zeiten  der  gewaltigen  Energie  und 
Zeiten  der  dumpfen  Resignation  oder  des  Aberglaubens,  erhebt  sich 
hier,  im  Kreise^^"  auserwählter  Geister,  die  Idee,  daß  die  sichtbare 
Welt  von  Gott  aus  Liebe  geschaffen,  daß  sie  ein  Abbild  des  in  ihm  prä- 
existierenden Vorbildes  sei,  und  daß  er  ihr  dauernder  Beweger  und 
Fortschöpfer  bleiben  werde.  Die  Seele  des  einzelnen  kann  zunächst 
durch  das  Erkennen  Gottes  ihn  in  ihre  engen  Schranken  zusammen- 
ziehen, aber  auch  durch  Liebe  zu  ihm  sich  ins  UnendUche  ausdehnen, 
und  dies  ist  dann  die  Seligkeit  auf  Erden. 

Hier  berühren  sich  Anklänge  der  mittelalterlichen  Mystik  mit  plato- 
nischen Lehren  und  mit  einem  eigentümlichen  modernen  Geiste.  Viel- 
leicht reifte  hier  eine  höchste  Frucht  jener  Erkenntnis  der  Welt  und  des 
Menschen,  um  derentwillen  allein  schon  die  Renaissance  von  Italien 
die  Führerin  unseres  Weltalters  heißen  muß. 


ANMERKUNGEN 


ANMERKUNGEN 


1.  Geschichte  der  Baukunst  von  Franz  Kugler  (des  vierten  Bandes  erste  Hälfte,  die  Ar- 
chitektur und  Dekoration  der  italienischen  Renaissance  enthaltend). 

2.  Macchiavelli,  Discorsi  L.  I.  c.  12. 

3.  Die  Herrschenden  und  ihr  Anhang  heißen  zusammen  lo  State,  und  dieser  Name  durfte 
dann  die  Bedeutung  des  gesamten  Daseins  eines  Territoriums  usurpieren. 

4.  Höfler:  Kaiser  Friedrich  H.  S.  39ff. 

5.  Cento  novelle  antiche,  Nov.  i,  6,  20,  21,  22,  23,  29,  30,  45,  56,  83,  88,  98. 

6.  Scardeonius,  de  urbis  Patav.  antiqu.,  im  Thesaurus  des  Grävius  VI.,  HI.,  p.  259. 

7.  Sismondi,  Hist.  des  r^p.  italiennes,  IV,  p.420;  VIII,  p.  i.  s. 

8.  Franco  Sacchetti,  Novelle.  (61,  62). 

9.  Petrarca,  de  rep.  optime  administranda,  ad  Franc.  Carraram  (Opera,  p.  372,  s.). 

10.  Erst  hundert  Jahre  später  wird  dann  auch  die  Fürstin  zur  Landesmutter.  Vgl. 
Hieron.  Crivellis  Leichenrede  auf  Bianca  Maria  Visconti,  bei  Muratori,  XXV,  Col.  429. 
Eine  spöttische  Übertragung  hiervon  ist  es,  wenn  eine  Schwester  Papst  Sixtus'  IV.  bei  Jac. 
Volaterranus  (Murat.  XXIII.  Col.  109)  mater  ecciesiae  genannt  wird. 

11.  Mit  dem  beiläufigen  Wunsch,  es  möchte  das  Lagern  der  Schweine  in  den  Gassen 
von  Padua  verboten  werden,  da  der  Anblick  an  sich  unerfreulich  sei  und  die  Pferde  davon 
scheu  würden. 

12.  Petrarca,  Rerum  memorandar.  liber  III.  p.  460.  —  Es  ist  Matteo  I.  Visconti  und  der 
damals  in  Mailand  herrschende   Guido  della  Torre  gemeint. 

13.  Matteo  Villani,  V,  81 :  die  geheime  Ermordung  des  Matteo  II.  Visconti  durch  seine 
Brüder. 

14.  Filippo  Villani,  Istorie  XI,  101.  —  Auch  Petrarca  findet  die  Tyrannen  geputzt  ,,wie 
Altäre  an  Festtagen".  —  Den  antiken  Triumphzug  des  Castracane  in  Lucca  findet  man 
umständlich  beschrieben  in  dessen  Leben  von  Tegrimo,  bei  Murat.  XI,  Col.  1340. 

15.  De  vulgari  eloquio,  I,  c.  12:  .  .  .  qui  non  heroico  more,  sed  plebeo  sequuntvir  su- 
perbiam  etc. 

16.  Dies  zwar  erst  in  Schriften  des  15.  Jahrb.,  aber  gewiß  nach  früheren  Phantasien: 
L.  B.  Alberti,  de  re  aedif.  V,  3.  —  Franc,  di  Giorgio,  Trattato,  bei  Della  Valle,  Lettere 
sanesi,   III.,   121. 

17.  Franco  Sacchetti,  Nov.  61. 

18.  Matteo  Villani,  VI,   i. 

19.  Das  Paßbureau  von  Padua  um  die  Mitte  des  14.  Jahrh.  als  quelli  delle  bullette  be- 
zeichnet bei  Franco  Sacchetti,  Nov.  117.  In  den  letzten  zehn  Jahren  Friedrichs  IL,  als 
die  persönlichste  Kontrolle  herrschte,  muß  das  Paßwesen  schon  sehr  ausgebildet  gewesen 
sein. 

20.  Corio,  Storia  di  Milano,  Fol.  247,  s. 

21.  Auch  z.B.  dem  Paolo  Giovio:  Viri  illustres.  Je.  Galeatius. 

22.  Corio,  Fol.  272,  285. 

23.  Cagnola,  im  Archiv,  stör.  III,  p.  23. 


Q26  ANMERKUNGEN 

24.  So  Corio,  Fol.  286  und  Poggio,  Hist.  Florent.  IV,  bei  Murat.  XX.,  Col.  290.  —  Von 
Plänen  auf  das  Kaisertum  redet  Cagnola  a.  a.  O.  und  das  Sonett  bei  Trucchi,  Poesie  ital. 
inedite  II,  p.  118: 

Stan  le  cittk  lombarde  con  le  chiave 
In  man  per  darle  a  voi  .  .  .  etc. 
Roma  vi  chiama:  Cesar  mio  novello 
lo  sono  ignuda,  et  l'anima  pur  vive: 
Or  mi  coprite  col  vostro  mantello  etc. 

25.  Corio,  Fol.  301  ff.    Vgl.  Ammian.  Marcellin.  XXIX,  3. 

26.  So  Paul.  Jovius:  Viri  illustres,  Jo.  Galeatius,  Philippus. 

27.  De  Gingins:  D6peches  des  ambassadeurs  milanais,  II.  p.  200  (N.  213).  Vgl.  II,  3 
(N.  144)  und   II,  212  (N.218). 

28.  Paul.  Jovius,  Elogia. 

29.  Dieser  Verein  von  Kraft  und  Talent  ist  es,  was  bei  Macchiavell  virtü  heißt  und  auch 
mit  scelleratezza  verträglich  gedacht  wird,  z.  B.  Discorsi  I,  10,  bei  Anlaß  des  Sept.  Severus. 

30.  Hierüber  Franc.  Vetori,  Arch.  stör.  VI,  p.  293,  s.  ,,Die  Belehnung  durch  einen 
Mann,  der  in  Deutschland  wohnt  und  von  einem  römischen  Kaiser  nichts  als  den  eiteln 
Namen  hat,  ist  nicht  imstande,  einen  Bösewicht  zum  wahren  Signore  einer  Stadt  zu 
machen." 

31.  M.Villani,  IV,  38.  3g.  56.  77.  78.  92;  V,  i,  2.  21,  36,  54. 

32.  Ein  Italiener  war  es,  Fazio  degli  Uberti  (Dittamondo,  L.  VI.,  cap.  5,  um  d.  J.  1360), 
welcher  Carl  IV.  noch  einen  Kreuzzug  nach  dem  heiligen  Lande  zumuten  wollte.  Die  Stelle 
ist  eine  der  besten  in  dem  betreffenden  Gedichte  und  auch  sonst  bezeichnend.  Der  Dichter 
wird  durch  einen  trotzigen  Turcomannen  vom  heiligen  Grab  weggewiesen : 

Coi  passi  lunghi  e  con  la  testa  bassa 

Oltre  passai  e  dissi :  ecco  vergogna 

Del  cristian  che'l  saracin  qui  lassa! 
Poscia  al  pastor  (den  Papst)  mi  volsi  per  rampogna: 

E  tu  ti  stai,  che  sei  vicar  di  Cristo 

Co'  frati  tuoi  a  ingrassar  la  carogna  ? 
Similimente  dissi  a  quel  sofisto  (Carl  IV.) 

Che  sta  in  Buemmc  (Böhmen)  a  plantar  vigne  e  fichi, 

E  che  non  cura  di  si  caro  acquisto: 
Che  fai  ?  perchfe  non  segui  i  primi  antichi 

Cesari  de'  Romani,  e  che  non  siegui, 

Dico,  gli  Otti,  i  Corradi,  i  Federichi  ? 
E  che  pur  tieni  questo  imperio  in  tregui  ? 

E  se  non  hai  lo  cuor  d'esser  Augusto. 

Che  nol  rifiuti  ?  o  che  non  ti  dilegui  ?  etc. 

33.  Das  Nähere  bei  Vespasiano  Fiorent.  p.  54.  Vgl.  150. 

34.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  215,  s. 

35.  Haveria  voluto  scortigare  la  brigata. 

36.  Annales  Estcnses,  bei  Murat.  XX,  Col.  41. 

37.  Poggii  Hist.  Florent.  pop.,  L.  VII,  bei  Murat.  XX,  Col.  381. 

38.  Senarega,  de  reb.  Genuens.,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  575. 

39.  Aufgezählt  im  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXVI,  Col.  203.  Vgl.  Pii  II.  Comment. 
II,  p.  102. 

40.  Marin  Sanudo,  Vita  de'  duchi  di  Venezia,  bei  Murat.  XXII,  Col.  1113. 

41.  Varchi,  .Stör.  Fiorent.   I,  p.  8. 

42.  Soriano,  Relaz.  di  Roma   1533,  bei  Tommaso  Gar,  Relazioni,  p.  281. 

43.  Für  das  Folgende  vgl.  Canestrini,  in  der  Einleitimg  zu  Tom.  XV.  des  Archiv,  stör. 

44.  Cagnola,  archiv.  stör.  III,  p.  28:  et  (Filippo  Maria)  da  lei  (Beatr.)  ebbe  molto  texoro 
e  dinari,  c  tuttc  le  gientc  d'arine  dcl  diclo  Facino,  che  obedivano  a  lei. 


ANMERKUNGEN  027 

45.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptores  II,  Col.  191 1.  Die  Alternative,  welche  Macchivell 
dem  siegreichen  Condottiere  stellt,  s.  Discorsi,  I,  30. 

46.  Ob  sie  auch  den  Alviano  1516  vergiftet,  und  ob  die  dafür  angegebenen  Gründe 
richtig  sind  ?  vgl.  Prato  im  Archiv.  Stör.  III,  p.  348.  —  Von  CoIIeoni  ließ  sich  die  Republik 
zur  Erbin  einsetzen  und  nahm  nach  seinem  Tode  1475  erst  noch  eine  förmliche  Konfis- 
kation vor.  Vgl.  Malipiero,  Annali  Veneti,  im  Archiv,  stör.  VII,  I,  p.  244.  Sie  liebte  es, 
wenn  die  Condottieren  ihr  Geld  in  Venedig  anlegten,  ibid.  p.  351. 

47.  Cagnola,  im  Archiv,  stör.  III,  p.  121,  s. 

48.  Wenigstens  bei  Paul.  Jovius,  in  seiner  Vita  magni  Sfortiae  (Viri  illustres),  einer  der 
anziehendsten  von  seinen  Biographien. 

49.  Aen.  Sylvius:  De  dictis  et  factis  Alphonsi,  Opera,  Fol.  475. 

50.  Pii  II.  Comment.  I,  p.  46,  vgl.  69. 

51.  Sismondi  X,  p.  258.  —  Corio,  Fol.  412,  wo  Sforza  als  mitschuldig  gilt,  weil  er  von 
P.s  kriegerischer  Popularität  Gefahren  für  seine  eigenen  Söhne  gefürchtet.  —  Storia 
Bresciana,  bei  Murat.  XXI,  Col.  902.  —  Wie  man  1466  den  venezianischen  Großcondot- 
tiere  Colleoni  in  Versuchung  führte,  erzählt  Malipiero,  Annali  veneti,  arch.  stör.  VII,  I, 
p.  210. 

52.  Allegretti,  Diarii  Sanesi,  bei  Murat.  XXIII.  p.  811. 

53.  Orationes  Philelphi,  Fol.  9,  in  der  Leichenrede  auf  Francesco. 

54.  Marin  Sanudo,  Vite  de'  Duchi  di  Ven.,  bei  Murat.  XXII,  Col.  1241. 

55.  Malipiero,  Ann.  Veneti,  Archiv,  stör.  VII,  I,  p.  407. 

56.  Chron.  Eugubinum,  bei  Murat.  XXI,  Col.  972. 

57.  Vespasiano  Fiorent.  p.  148. 

58.  Archiv,  stör.  XXI,  Parte  I.  et  II. 

59.  Varchi,  Stör,  fiorent.  I.  p.  242,  s. 

60.  Malipiero,  Ann.  Veneti,  Archiv,  stör.  VII,  I,  p.  498. 

61.  Lil.  Greg.  Giraldus,  de  vario  sepeliendi  ritu.  —  Schon  1470  war  in  diesem  Hause 
eine  Miniaturkatastrophe  vorgefallen,  vgl.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat  XXIV,  Col.  225. 

62.  Jovian.  Pontan.:  de  liberalitate,  und:  de  obedientia,  I.  4.  Vgl.  Sismondi  X,  p.  78,  s. 

63.  Tristane  Caracciolo:  de  varietate  fortunae,  bei  Murat.  XXII.  —  Jovian.  Pontanus: 
de  prudentia,  1.  IV;  de  magnanimitate,  i.  I.;  de  liberalitate,  de  immanitate.  —  Cam. 
Porzio,  Congiura  de'  Baroni,  passim.  —  Comines,  Charles  VIII,  chap.  17,  mit  der  allge- 
meinen Charakteristik  der  Aragonesen. 

64.  Paul.  Jovius,  Histor.  I,  p.  14,  in  der  Rede  eines  mailändischen  Gesandten;  Diario 
Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  294. 

65.  Petri  Candidi  Decembrii  Vita  Phil.  Mariae  Vicecomitis,  bei  Murat.  XX. 

66.  Ihn  ängstigte,  quod  aliquando  ,,non  esse"  necesse  esset. 

67.  Corio,  Fol.  400;  —  Cagnola,  im  Archiv,  stör.  III,  p.  125. 

68.  Pii  II.  Comment.  III,  p.  130.  Vgl.  II.  87.  106.  Eine  andere,  noch  mehr  ins  Düstere 
fallende  Taxation  vom  Glücke  des  Sforza  gibt  Caracciolo,  de  varietate  fortunae,  bei  Murat. 
XXII.  Col.  74. 

69.  Malipiero,  Ann.  veneti,  Archiv,  stör.  VII,  I,  p.  216.  221. 

70.  Chron.  venerum,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  65. 

71.  Malipiero,  Ann.  Veneti,  Archiv,  stör.  VII,  I,  p.  492.  Vgl.  481.  561. 

72.  Seine  letzte  Unterredung  mit  demselben,  echt  und  merkwürdig,  bei  Seneraga, 
Murat.  XXIV,  Col.  567. 

73.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  336.  367.  369.  Das  Volk  glaubte,  er  the- 
sauriere. 

74.  Corio,  Fol.  448.  Die  Nachwirkungen  dieses  Zustandes  sind  besonders  kenntlich 
in  den  auf  Mailand  bezüglichen  Novellen  und  Introduktionen  des  Bandello. 

75.  Amoretti,  Memorie  storiche  sulla  vita  ecc.  di  Lionardo  da  Vinci,  p.  35,  s.  83,  s. 

76.  S.  dessen  Sonette  bei  Trucchi,  Poesie  indedite. 

77.  Prato,  im  .Archiv,  stör.  III.  p.  298,  vgl.  302. 


328 


ANMERKUNGEN 


78.  Geb.  1466,  verlobt  mit  der  sechsjährigen  Isabella  1480,  succediert  1484,  vermählt 
1490,  t  1519;  IsabellensTod  1539.  Ihre  Söhne  Federigo,  1519 — 1540,  zum  Herzog  erhoben 
1530,  und  der  berühmte  Ferrante  Gonzaga.  Das  Folgende  aus  der  Korrespondenz  Isabel- 
lens,  nebst  Beilagen,  Archiv,  stör.  Append.  Tom.  II,  mitgeteilt  von  d'Arco. 

79.  Franc.  Vettori,  im  Archiv,  stör.  Append.  Tom.  VI,  p.  321.  —  Über  Federigo  ins- 
besondere: Vespasiano  Fiorent.  p.  132.  s. 

80.  Castiglione,  Cortigiano,  L.  I. 

81.  Das  Folgende  bes.  nach  den  Annales  Estenses  bei  Muratori,  XX.  und  dem  Diario 
Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV. 

82.  Diario  Ferr.  1.  c.  Col.  347. 

83.  Paul  Jovius:  Vita  Alfonsi  ducis,  in  den  viri  illustres. 

84.  Paul  Jovius  1.  c. 

85.  Bei  diesem  Anlaß  mag  auch  die  Reise  Leos  X.  als  Kardinal  erwähnt  werden.  Vgl. 
Paul.  Jovii  vita  Leonis  X,  Lib.  I.  Die  Absicht  war  minder  ernst,  mehr  auf  Zerstreuung 
und  allgemeine  Weltkenntnis  gerichtet,  übrigens  völlig  modern.  Kein  Nordländer  reiste 
damals  zu  solchen  Zwecken. 

86.  Jovian.  Pontan.,  de  liberalitate. 

87.  Giraldi,  Hecatommithi,  VI,  Nov.  i. 

88.  Vasari  XII,   166,  V.  di  Michelangelo. 

89.  Ein  frühes  Beispiel,  Barnabö  Visconti,  S.  9. 

90.  Als  Capitolo  19,  und  in  den  opere  minori,  ed.  Lemonnier,  Vol.  I,  p.  425  als  Elegia  17 
betitelt.  Ohne  Zweifel  war  dem  19jährigen  Dichter  die  Ursache  dieses  Todesfalles  (S.  37) 
nicht  bekannt. 

91  In  den  Hecatommithi  des  Giraldi  handeln  I,  Nov.  8  und  VI,  Nov.  i,  2,  3,  4  und  10 
von  Ercole  I,  Alfonso  I,  und  Ercole  II,  alles  verfaßt  bei  Lebzeiten  der  beiden  letztern.  — 
Vieles  über  fürstliche  Zeitgenossen  auch  im  Bandello. 

92.  U.  a.  in  den  Deliciae  poetar.  italor. 

93.  Bereits  1367  bei  Nicolö  dem  Altern  erwähnt,  im  Polistore,  bei  Murat.  XXIV, Col. 848. 

94.  Burigozzo,  im  Archiv,  stör.  III,  p.  432. 

95.  Discorsi  I,   17. 

96.  De  incert.  et  vanitate  scientiar.  cap.  55. 

97.  Prato,  im  Archiv,  stör.  III,  p.241. 

98.  De  casibus  virorum  illustrium,  L.  II,  cap.  15. 

99.  Discorsi,  III,  6.  Womit  storie  fior.  L.  VIII.  zu  vergleichen. 

100.  Corio,  fol.  333.  Das  folgende  ibid.  fol.  305,  422,  s.  440. 
loi.  So  das  Zitat  aus  Gallus,  bei  Sismondi  XI,  93. 

102.  Corio,  fol.  422  —  Allegretto,DiariSanesi, bei  Murat. XXIII  Col. 777. —  S. oben  S. 32. 

103.  Man  vergleiche  in  dem  eigenen  Bericht  Olgiatis,  bei  Corio,  einen  Satz  wie  folgen- 
den: Quisque  nostrum  magis  socios  potissime  et  infinitos  alios  sollicitare,  infestare,  alter 
alteri  benevolos  se  facere  coepit.  Aliquid  aliquibus  parum  donare ;  simul  magis  noctu  edere, 
bibere,  vigilare  nostra  omnia  bona  polliceri,  etc. 

104.  Vasari,  III,  251,  Nota  zur  v.  di  Donatello. 

105.  Inferno  XXXIV,  64. 

106.  Aufgezeichnet  von  dem  Ohrenzeugen  Luca  della  Robbia,  Archiv,  stör.  I,  p.  273. 
Vgl.  Paul  Jovius,  vita  Leonis  X,  L.  III,  in  den  Viri  illustres. 

107.  Bei  Roscoe,  Vita  di  Lorenzo  de'  Medici,  vol.  IV,  Beilage   12. 

108.  Über  letzteren  Punkt  s.  Jac.  Nardi,  V^ita  di  Ant.  Giacomini,  p.  18. 

109.  Genethliacon,  in  seinen  carmina.  —  Vgl.  Sansovino,  Venezia,  fol.  203.  —  Die  äl- 
teste venezianische  Chronik,  bei  Pertz,  Monum.  IX,  p.  5.  6.  verlegt  die  Gründung  der 
Inselorte  erst  in  die  longobardische  Zeit  und  die  von  Rialto  ausdrücklich  noch  später. 

HO.  De  situ  venetae  urbis. 

III.  Diese  ganze  Gegend  wurde  dann  durch  die  Neubauten  des  beginnenden  16.  Jahrh. 
verändert. 


ANMERKUNGEN  329 

112.  Benedictus:  Carol.  VIII,  bei  Eccard,  Scriptores,  II,  Col.  1597.  1601.  1621.  —  Im 
Chron.Venetum.Murat.  XXIV,  C0I.26  sind  die  politischen  Tugenden  der  Venezianer  auf- 
gezählt: bontä,  innocenza,  zelo  di  caritä,  pietä,  misericordia. 

113.  Epistolae,  üb.  V,  fol.  28. 

114.  Malipiero,  Ann.  Veneti,  Archiv,  stör.  VII,  I,  p.  377.  431.  481.  493,  530.  II,  p.  661, 
668,  679.  —  Chron.  venetum,  bei  Murat.  XXIV.  Col.  57.  —  Diario  Ferrarese,  ib.  Col.  240. 

115.  Malipiero,  im  Arch.  stör.  VII.  II.  p.  691.  Vgl.  694.  713  und  I,  535. 

116.  Marin  Sanudo,  Vite  de'  Duchi,  Murat.  XXII,  Col.  1194. 

117.  Chron.  Venetum,  Mur.  XXIV.  Col.  105. 

ii8.  Chron.  Venetum,  Murat.  XXIV,  Col.  123,  s.  und  Malipiero,  a.  a.  O.  VII,  I,  p.  175, 
s.  erzählen  den  sprechenden  Fall  des  Admirals  Antonio  Grimani. 

119.  Chron.  Ven.l.c.  Col.  166. 

120.  Malipiero,  1.  c.  VII,  I,  p.  349.  Andere  Verzeichnisse  dieser  Art  bei  Marin  Sanudo, 
Vite  de'  Duchi,  Mur.  XXII,  Col.  990  (vom  J.  1426),  Col.  1088  (vom  J.  1440),  bei  Corio, 
fol.  435 — 438  (von   1483),  bei  Guazzo,  Historie,  fol.  151,  s. 

121.  Guicciardini  (Ricordi,  N.  150)  bemerkt  vielleicht  zuerst,  daß  das  politische  Rache- 
bedürfnis auch  die  deutliche  Stimme  des  eignen  Interesses  übertäuben  körme. 

122.  Malipiero,  I.e.  VII,  I,  p.  328. 

123.  Noch  in  ziemlich  beschränktem  Sinne  entworfen  und  doch  schon  sehr  wichtig  ist 
die  statistische  Übersicht  von  Mailand,  im  Manipulus  Florum  (bei  Murat.  XI,  711,  s.) 
vom  Jahre  1288.  Sie  zählt  auf  Haustüren,  Bevölkerung,  Waffenfähige,  Loggien  der  Adligen, 
Brunnen,  Öfen,  Schenken,  Fleischerbuden,  Fischer,  Kombedarf,  Hunde,  Jagdvögel, 
Preise  von  Holz,  Heu,  Wein  und  Salz,  —  femer  Richter,  Notare,  Ärzte,  Schullehrer,  Ab- 
schreiber, Waffenschmiede,  Hufschmiede,  Hospitäler,  Klöster,  Stifte  und  geistliche  Kor- 
porationen. • —  Eine  vielleicht  noch  ältere  aus  dem  Liber  de  magnalibus  Mediolani,  bei 
Heinr.  de  Hervordia,  ed.  Potthast,  p.  165. 

124.  Vorzüglich  Marin  Sanudo,  in  den  Vite  de'  Duchi  di  Venezia,  Murat.  XXII,  passim. 

125.  Bei  Sanudo  1.  c.  Col.  958.  Das  auf  den  Handel  Bezügliche  ist  daraus  mitgeteilt  bei 
Scherer,  AUg.  Gesch.  des  Welthandels,  I,  326.  Anm. 

126.  Hiermit  sind  doch  wohl  die  sämtlichen  Häuser  und  nicht  bloß  die  dem  Staat  ge- 
hörenden gemeint.  Letztere  rentierten  bisweilen  allerdings  enorm;  vgl.  Vasari,  XIII,  83 
V.  d.  Jac.  Sansovino. 

127.  Dies  bei  Sanudo,  Col.  963.  Eine  Staatsrechnung  von   1490  Col.  1245. 

128.  Ja,  diese  Abneigung  soll  in  dem  Venezianer  Paul  II.  bis  zum  Haß  ausgebildet  ge- 
wesen sein,  so  daß  er  die  Humanisten  sämtlich  Ketzer  nannte.  Piatina,  Vita  Pauli,  p.  323. 

129.  Sanudo,  I.e.  Col.  1167. 

130.  Sansovino,  Venezia,  Lib.  XIII. 

131.  Vgl.  Heinric.  de  Hervordia  ad  a.   1293  (pag.  213,  ed  Potthast). 

132.  Sanudo,  1.  c.  Col.  1158.  1 171.  1177.  Als  die  Leiche  des  S.  Lucas  aus  Bosnien  kam, 
gab  es  Streit  mit  den  Benediktmern  von  S.  Giustina  zu  Padua,  welche  dieselbe  schon  zu  be- 
sitzen glaubten,  und  der  päpstliche  Stuhl  mußte  entscheiden.  Vgl.  Guicciardini,  Ricordi, 
Nr.  401. 

133.  Sansovino,  Venezia,  Lib.  XII. 

134.  G.  Villani,  VIII,  36.  —  Das  Jahr  1300  ist  zugleich  das  festgehaltene  Datum  in  der 
Divina  Commedia. 

135.  Dies  schon  um   1470  konstatiert  bei  Vespasiano  Fiorent.  p.  554. 

136.  Purgatorio  VI,  Ende. 

137.  De  Monarchia  I,  i. 

138.  Dantis  Alligherii  epistolae,  cum  notis  C.Witte.  Wie  er  den  Kaiser  durchaus  in 
Italien  haben  wollte,  so  auch  den  Papst,  s.  d.  Brief  S.  35  während  des  Conclaves  von  Car- 
pentras.   13 14. 

139.  Giov.  Villani  XI,  20.  Vgl.  Matt.  Villani  IX,  93. 

140.  Diese  und  ähnliche  Notizen  bei  Giov.  Villani  XI,  87.  XII,  54. 


330 


ANMERKUNGEN 


141.  Giov.  Villani  XI,  91,  s.  —  Abweichend  davon  Macchiavelli,  Stör,  fiorent.  lib.  II. 

142.  Der  Pfarrer  legte  für  jeden  Knaben  eine  schwarze,  für  jedes  Mädchen  eine  weiße 
Bohne  beiseite;  dies  war  die  ganze  Kontrolle. 

143.  Es  gab  in  dem  solid  gebauten  Florenz  bereits  eine  stehende  Löschmannschaft, 
ibid.  XII,  35. 

144.  Matteo  Villani,  III,  106. 

145.  Matteo  Villani,  I.  2 — 7,  vgl.  58.  —  Für  die  Pestzeit  selber  steht  in  erster  Linie  die 
berühmte  Schilderung  des  Boccaccio  am  Anfang  des  Decamerone. 

146.  Gio.  Villani  X,   164. 

147.  Ex  annalibus  Ceretani,  bei  Fabroni,  Magni  Cosmi  vita,  Adnot.  34. 

148.  Ricordi  des  Lorenzo,  bei  Fabroni,  Laur.  Med.  magnifici  vita,  Adnot.  2  und  25.  — 
Paul.  Jovius:  Elogia,  Cosmus. 

149.  Von  Benedetto  Dei,  bei  Fabroni  ibid.  Adnot.  200.  Die  Zeitbestimmung  geht  aus 
Varchi  III,  p.  107  hervor.  —  Das  Finanzprojekt  eines  gewissen  Lodovico  Ghetti,  mit  wich- 
tigen Angaben,  bei  Roscoe,  Vita  di  Lor.  de  Medici,  Bd.  II,  Beilage  i. 

150  z.  B.  im  Archivio  stör.  IV. 

151.  Libri,  Histoire  des  Sciences  mathem.   II,   163,  s. 

152.  Varchi,  Stör,  fiorent.  III,  p.  56,  s.  zu  Ende  des  IX.  Buches.  Einige  offenbar  irrige 
Zahlen  möchten  wohl  auf  Schreib-  oder  Druckfehlern  beruhen. 

Geldwert       153.  Über  Wertverhältnisse  und  Reichtum  in  Italien  überhaupt  kann  ich,  in  Ermangelung 
in  Italien  weiterer  Hilfsmittel,  hier  nur  einige  zerstreute  Daten  zusammenstellen,  wie  ich  sie  zufällig  ge- 
funden habe.  Offenbare  Übertreibungen  sind  beiseite  zu  lassen.  Die  Goldmünzen,  auf  welche 
die  meisten  Angaben  lauten,  sind :  derDucato,derZecchino,der  Fiorino  d'oro  und  derScudo 
d'oro.  Ihr  Wert  ist  annäherungsweise  derselbe,  elf  bis  zwölf  Franken  unseres  Geldes. 

In  Venedig  galt  z.  B.  der  Doge  Andrea  Vendramin  (1476)  mit  170000  Ducati  für  sehr 
reich  (Malipiero  I.e.  VII,  II,  p.  666). 

In  den  1460er  Jahren  heißt  der  Patriarch  von  Aquileja,  Lod.  Patavino,  ,,fast  der  reichste 
aller  Italiener"  mit  200000  Dukaten  (Gasp.  Veronens.,  Vita  Pauli  II,  bei  Mur.  III,  II,  Col. 
1027).  Anderswo  fabelhafte  Angaben. 

Antonio  Grimani  (S.  54)  ließ  sich  die  Erhebung  seines  Sohnes  Domenico  zum  Kardinal 
30000  Dukaten  kosten.  Er  selbst  wurde  bloß  an  Barschaft  auf  looooo  Dukaten  geschätzt 
(Chron.  Venetum,  Mur.  XXIV,  Col.  125). 

Über  das  Getreide  im  Handel  und  im  Marktpreis  zu  Venedig  s.  bes.  Malipiero  1.  c.  VII, 
II,  p.  709,  s.  (Notiz  von   1498). 

Schon  um  1522  gilt  nicht  mehr  Venedig,  sondern  Genua  nächst  Rom  als  die  reichste 
Stadt  Italiens.  (Nur  glaublich  durch  die  Autorität  eines  Franc.  Vettori ;  s.  dessen  Storia,  im 
Archiv,  stör.  Append.  Tom.  VI,  p.  343.)  Bandello,  Parte  II,  Nov.  34  und  42,  erwähnt  den 
reichsten  genuesischen  Kaufmann  seiner  Zeit,  Ansaldo  Grimaldi. 

Zwischen  1400  und  1580  nimmt  Franc.  Sansovino  ein  Sinken  des  Geldwertes  auf  die 
Hälfte  an  (Venezia,  fol.  151,  bis.). 

In  der  Lombardei  glaubt  man  ein  Verhältnis  der  Greteidepreise  um  die  Mitte  des 
15.  zu  denjenigen  der  Mitte  unseres  Jahrhunderts  annehmen  zu  müssen  wie  3  zu  8  (Sacco 
di  Piacenza,  im  Archiv,  stör,  append.  Tom.  V,  Nota  des  Herausgebers  Scarabelli). 

In  Ferrara  gab  es  zur  Zeit  des  Herzogs  Borso  reiche  Leute  bis  50  und  60000  Ducati 
(Diario  Ferrarese,  Mur.  XXIV,  Col.  207,  214,  218;  eine  fabelhafte  Angabe  Col.  187). 

Für  Florenz  kommen  Angaben  ganz  exzeptioneller  Art  vor,  welche  nicht  zu  durch- 
schnittlichen Schlüssen  führen.  So  jene  Anleihen  fremder  Fürsten,  die  wohl  nur  auf  ein 
oder  wenige  Häuser  lauten,  faktisch  aber  große  Kompaniegeschäfte  waren.  So  auch  jene 
enorme  Besteuerung  unterliegender  Parteien ;  wie  z.  B.  von  1430  bis  1453  von  77  Familien 
4875000  Goldgulden  bezahlt  wurden  (Varchi  III,  p.  115,  s.). 

Das  Vermögen  des  Giovanni  Medici  betrug  bei  dessen  Tode  (1428)  179  221  Goldgulden, 
aber  von  seinen  beiden  Söhnen  Cosimo  und  Lorenzo  hinterließ  der  letztere  allein  bei  seinem 
Tode  (1440)  bereits  235137  (Fabroni,  Laur.  Med.,  Adnot.  2). 


ANMERKUNGEN 


33' 


Von  dem  allgemeinen  Schwung  des  Erwerbes  zeugt  es  z.  B.,  daß  schon  im  is-  Jahrh. 
die  44  Goldschmiedebuben  auf  Ponte  vecchio  dem  Staat  800  Goldgulden  Jahresmiete  ein- 
trugen (Vasari  II,  1 14,  V.  di  Taddeo  Gaddi).  —  Das  Tagebuch  des  Buonaccorso  Pitti  (bei 
Del^cluze,  Florence  et  ses  vicissitudes,  vol.  II.)  ist  voll  Zahlenangaben,  welche  indes  nur 
im  allgemeinen  die  hohen  Preise  aller  Dinge  und  den  geringen  Geldwert  beweisen. 

Für  Rom  geben  natürlich  die  Einnahmen  der  Kurie,  da  sie  europäisch  waren,  gar  keinen 
Maßstab;  auch  ist  den  Angaben  über  päpstliche  Schätze  und  Kardinalsvermögen  wenig 
zu  trauen.  Der  bekannte  Bankier  Agostino  Chigi  hinterließ  (1520)  eine  Gesamthabe  im 
Werte  von  800000  Ducati  (Lettere  pittoriche,  I.  Append.48). 

154.  Was  Cosimo  (1433 — 1465)  und  seinen  Enkel  Lorenz©  magnifico  (f  1492)  betrifft, 
so  verzichtet  der  Verfasser  auf  jedes  Urteil  über  die  innere  Politik  derselben.  Eine  ankla- 
gende Stimme  von  Gewicht  (Gino  Capponi)  s.  im  Archiv,  stör.  I,  p.  315,  s. 

155.  Franc.  Burlanacchi,  den  Vater  des  Hauptes  der  lucchesischen  Protestanten  Michele 
B.  Vgl.  Archiv,  stör.  Append.  Tom.  II,  p.  176.  —  Wie  Mailand  durch  seine  Härte  gegen 
die  Schwesterstädte  im  11.  bis  13.  Jahrhundert  die  Bildung  eines  großen  Despotenstaates 
erleichterte,  ist  bekannt  genug.  Noch  beim  Aussterben  der  Visconti  1447  verscherzte  Mai- 
land die  Freiheit  Oberitaliens  hauptsächlich  dadurch,  daß  es  von  einer  Föderation  gleich- 
berechtigter Städte  nichts  wissen  wollte.  Vgl.  Corio,  fol.  358,  s. 

156.  Am  dritten  Adventsonntag  1494  predigte  Savonarola  über  den  Modus,  eine  neue 
Verfassung  zustandezubringen  wie  folgt:  Die  16  Kompanien  der  Stadt  sollten  ein  Projekt 
ausarbeiten,  die  Gonfalonieren  die  vier  besten  auswählen,  und  aus  diesen  die  Signorie  die 
allerbeste!  —  Es  kam  dann  doch  alles  anders,  und  zwar  unter  dem  Einfluß  des  Predigers 
selbst. 

157.  Letzteres  zuerst  1527,  nach  der  Verjagung  der  Medici;  s.  Varchi  I,  121  etc. 

158.  Macchiavelli,  Storie  fior.  I.e.  III.  ,,Un  savio  dator  delle  leggi"  könnte  Florenz 
retten. 

159.  Varchi,  Stör,  fiorent.  I,  p.  210. 

160.  Discorso  sopra  il  riformar  lo  stato  di  Firenze,  in  den  Opere  minori  p.  207. 

161.  Dieselbe  Ansicht,  ohne  Zweifel  hier  entlehnt,  findet  sich  bei  Montesquieu  wieder. 

162.  Aen.  Sylvii  apologia  ad  Martinum  Mayer,  p.  701.  —  Ähnlich  noch  Macchiavelli, 
Discorsi  I,  55  u.  a.  a.  O. 

163.  Wie  völlig  moderne  Halbbildung  und  Abstraktion  bisweilen  in  das  politische  Wesen 
hineingriffen,  zeigt  die  Parteiung  von  1535,  Della  Valle,  Lettere  sanesi  III,  p.  317.  Eine 
Anzahl  von  Krämern,  aufgeregt  durch  Livius  und  Macchiavells  Discorsi,  verlangen  allen 
Ernstes  Volkstribunen  u.  a.  römische  Magistrate  gegen  die  Mißregierung  der  Vornehmen 
und  Beamten. 

164.  Perio  Valeriano,  de  infelicitate  literator.,  bei  Anlaß  des  Bartolommeo  della  Rovere. 

165.  Senarega,  de  reb.  Genuens.  bei  Murat.  XXIV,  Col.  548.  Über  die  Unsicherheit 
vgl.  bes.  Col.  519.  525.  528  etc.  Die  sehr  offenherzige  Rede  der  Gesandten  bei  der  Übergabe 
des  Staates  an  Francesca  Sforza  1464  s.  bei  Cagnola,  Archiv,  stör.  III,  p.  165  s. 

166.  So  noch  ganz  spät  Varchi,  Stör,  fiorent.  I,  57. 

167.  Galeazzo  Maria  Sforza  sagt  1467  dem  venezianischen  Agenten  wohl  das  Gegenteil, 
allein  dies  ist  nur  ergötzliche  Prahlerei.  Vgl.  Malipiero,  Annali  veneti,  Arch.  stör.  VII,  I, 
p.  2 16  f.  Bei  jedem  Anlaß  ergeben  sich  Städte  und  Landschaften  freiwillig  an  Venedig, 
freilich  meist  solche,  die  aus  tyrannischen  Händen  kommen,  während  Florenz  freiheits- 
gewohnte Nachbarrepubliken  daniederhalten  muß,  wie  Guicciardini  (Ricordi,  N.  29) 
bemerkt. 

168.  Vielleicht  das  Stärkste  dieser  Art  in  einer  Instruktion  an  die  zu  Carl  VII.  gehenden 
Gesandten  im  J.  1452,  bei  Fabroni,  Cosmus,  Adnot.  107. 

169.  Comines,  Charles  VIII,  chap.  10:  man  hielt  die  Franzosen  comme  saints.  —  Vgl. 
Chap.  17.  —  Chron.  Venetum  bei  Murat.  XXIV,  Col.  5,  10,  14,  15.  —  Matarazzo,  Cron.  di 
Perugia,  arch.  stör.  XVI,  II,  p.  23.  Zahlloser  anderer  Aussagen  nicht  zu  gedenken. 

170.  Pii  II.  Commentarii,  X,  p.  492. 


332  ANMERKUNGEN 

171.  Gingins,  D^peches  des  ambassadeurs  Milanais  etc.  I,  p.  26.  153.  279.  283.  285.  327. 
33I'  345-  359-  II>  P-  29.  37.  loi.  217.  306.  Carl  sprach  bereits  einmal  davon,  Mailand  dem 
jungen  Ludwig  von  Orleans  zu  geben. 

172.  Nicolö  Valori,  Vita  di  Lorenzo. 

173.  Fabroni,  Laurentius  magnificus,  Adnot.  205,  s. 

174.  z.  B.  Jovian.  Pontanus  in  seinein  Charon.  Am  Ende  erwartet  er  einen  Einheitsstaat. 

175.  Comines,  Charles  VIII.  chap.  7.  —  Wie  Alfons  im  Kriege  seinen  Gegner  bei  einer 
Unterredung  wegzufangen  suchte,  erzählt  Nantiporto,  bei  Murat.  II,  II,  Col.  1073.  Er  ist 
der  wahre  Vorläufer  des  Cesare  Borgia. 

176  Pii  II.  Commentarii  X,  p.  492.  —  Was  Galeazzo  Maria  von  Mailand  1467  einem  ve- 
nezianischen Agenten  sagte,  war  wohl  nur  Prahlerei.  Vgl.  Malipiero,  Ann.  veneti,  archiv. 
stör.  VII,  I,  p.  222.  —  Über  Boccalino  s.  S.  21. 

177.  Porzio,  Congiura  de'  baroni,  1.  I.  p.  4.  Daß  Lorenzo  magnifico  die  Hand  im  Spiel 
gehabt  habe,  ist  schwer  glaublich. 

178.  Chron.  Venetum,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  14  und  76. 

179.  Malipiero,  a.a.O.,  p.  565,  568. 

180.  Trithem.,  Annales  Hirsaug.  ad  a.   1490,  Tom.  II,  p.  535,  s. 

181.  Malipiero,  a.  a.  O.  p.  161.  Vgl.  p.  152.  —  Die  Auslieferung  des  Dscheman  Carl  VIII. 
s.  p.  145,  wo  es  klar  wird,  daß  eine  Korrespondenz  der  schimpflichsten  Art  zwischen  Alex- 
ander und  Bajzeth  existierte,  wenn  auch  die  Aktenstücke  bei  Burcardus  untergeschoben 
sein  sollten. 

182.  Bapt.  Mantuanus,  de  calamitatibus  temporum,  zu  Ende  des  zweiten  Buches,  im 
Gesang  der  Nereide  Doris  an  die  türkische  Flotte. 

183.  Tommaso  Car,  Relazioni  della  corte  di  Roma,  I,  p.  55. 

184.  Ranke,  Geschichten  der  romanischen  und  germanischen  Völker.  —  Michelets  An- 
sicht (Reforme,  p.  467),  die  Türken  würden  sich  in  Italien  okzidentalisiert  haben,  über- 
zeugt mich  nicht.  —  Vielleicht  zum  erstenmal  ist  jene  Bestimmung  Spaniens  angedeutet 
in  der  Festrede,  welche  Fedra  Inghirami  1510  vor  Julius  II,  hielt,  zur  Feier  der  Einnahme 
von  Bugia  durch  die  Flotte  Ferdinands  d.  Kath.  Vgl.  Anecdota  litteraria  II,  p.  149. 

185.  U.a.  Corio,  fol.  433.  Vgl.  das  Benehmen  gegen  Sforza,  fol.  329. 

186.  Nie.  Valori,  Vita  di  Lorenzo.  —  Paul.  Jovius,  Vita  Leonis  X,  L.  L;  letzterer  gewiß 
nach  guten  Quellen,  obwohl  nicht  ohne  Rhetorik. 

187.  Wenn  Comines  bei  diesem  und  hundert  andern  Anlässen  so  objectiv  beobachtet 
und  urteilt  als  irgendein  Italiener,  so  ist  dabei  sein  italienischer  Umgang,  zumal  mit  An- 
gelo  Catto,  gewiß  sehr  in  Betracht  zu  ziehen. 

188.  Vgl.  z.B.  Malipiero,  a.a.O.  p.  216.  221.  235.  237.  47S  etc. 

189.  Pii  IL  Commentarii  L.  IV.  p.  190  ad  a.  1459. 

190.  Paul.  Jovius,  Elogia.  Man  wird  an  Federigo  von  Urbino  erinnert,  , .welcher  sich  ge- 
schämt hätte",  in  seiner  Bibliothek  ein  gedrucktes  Buch  zu  dulden.  Vgl.  Vespas.  Fiorent. 

191.  Porcelli  commentaria  Jac.  Picinini,  bei  Murat.  XX.  Eine  Fortsetzung  für  den  Krieg 
von   1453  ibid.  XXV. 

192.  Aus  Mißverstand  nenntPorcellio  den  Scipio  ,,Aemilianus" ,  während  er  den  Africanus 
major  meint. 

193.  Simonetta,  Hist.  Fr.  Sforti«,  bei  Murat.  XXI,  Col.  630. 

194.  Als  solcher  wird  er  dann  doch  behandelt.    Vgl.  Bandello,  Parte  I,  Nov.  40. 
195-  Vgl.  z.  B. :  De  obsidione  Tiphernatium,  im  2.  Band  der  rcr.  italicar.  scriptores  ex 

codd.  florcnt.  Col.  690.  Ein  sehr  bezeichnendes  Ereignis  vom  J.  1474.  —  Der  Zweikampf 
des  Marschalls  Boucicault  mit  Galeazzo  Gonzaga  1406  bei  Cagnola,  Arch.  stör.  III,  p.  25.  — 
Wie  Sixtus  IV.  die  Duelle  seiner  Gardisten  ehrte,  erzählt  Infessura.  Seine  Nachfolger  er- 
ließen Bullen  gegen  das  Duell  überhaupt.  Sept.  Decretal.  V.  Tit.  17. 

196.  Das  Nähere  Arch.  stör.  Append.  Tom.  V. 

197.  Ein  für  allemal  ist  hier  auf  Rankes  Päpste,  Bd.  I,  und  auf  Sugenheim,  Geschichte 
der  Entstehung  und  Ausbildung  des  Kirchenstaates,  zu  verweisen. 


ANMERKUNGEN  333 

198.  Der  Eindruck  der  Benediktionen  Eugens  IV.  in  Florenz,  Vespasiano  Fiorent.  p.  i8. 
—  Die  Majestät  der  Funktionen  Nicolaus  V,  s.  Infessura  (Eccard,  II,  Col.  1883,  seq.)  und 
J.  Manetti,  Vita  Nicolai  V.  (Murat.  III,  II,  Col.  923).  —  Die  Huldigungen  an  Pius  II,  s. 
Diario  Ferrarese  (Murat.  XXIV,  Col.  205)  und  Pii  II.  Comment.  passim,  bes.  IV,  201.  204. 
XI,  562.  Auch  Mörder  vom  Fach  wagen  sich  nicht  an  den  Papst.  —  Die  großen  Funktionen 
wurden  als  etwas  sehr  Wesentliches  behandelt  von  dem  pomphaften  Paul  II.  (Piatina  1.  c. 
321)  und  von  Sixtus  IV,  welcher  die  Ostermesse  trotz  des  Podagras  sitzend  hielt  (Jac.  Vola- 
terran.  diarium,  Murat.  XXIII.  Col.  131).  Merkwoirdig  unterscheidet  das  Volk  zwischen 
der  magischen  Kraft  des  Segens  und  der  Unwürdigkeit  des  Segnenden ;  als  er  1481  die  Him- 
melfahrtsbenediktion nicht  geben  konnte,  murrten  und  fluchten  sie  über  ihn  (Ibid.  Col.  133). 

199.  Macchiavelli,  Scritti  minori,  p.  142,  in  dem  bekannten  Aufsatz  über  die  Katastrophe 
von  Sinigaglia.  —  Freilich  waren  Spanier  und  Franzosen  noch  eifriger  als  italienische  Sol- 
daten. Vgl.  bei  Paul.  Jov.  vita  Leonis  X.  (L.  II)  die  Szene  vor  der  Schlacht  bei  Ravenna, 
wo  das  spanische  Heer  den  vor  Freude  weinenden  Legaten  wegen  der  Absolution  umdrängt. 
Femer  (ibid.)  die  Franzosen  in  Mailand. 

200.  Bei  jenen  Ketzern  aus  der  Campagna,  von  Poli,  welche  glaubten,  ein  rechter  Papst 
müßte  die  Armut  Christi  zum  Kennzeichen  haben,  darf  man  dagegen  ein  einfaches  Wal- 
densertum  vermuten.  Wie  sie  unter  Paul  II.  verhaftet  wurden,  erzählen  Infessura  (Eccard  II , 
Col.  1893),  Piatina,  p.  317,  etc. 

201.  L.  B.  Alberti : de Porcaria  conjuratione  bei  Murat.  XXV.  Col.  309 seqq.  — -P.  wollte: 
omenm  pontificiam  turbam  funditus  exstinguere.  Der  Autor  schließt:  Video  sane,  quo  Stent 
loco  res  Italiae;  intelligo,  qui  sint,  quibus  hie  pertubata  esse  omnia  conducat  ...  Er  nennt 
sie:  extrinsecos  impulsores  und  meint,  Porcari  werde  noch  Nachfolger  seiner  Missetat  fin- 
den. P.s  eigene  Phantasien  glichen  freilich  denjenigen  des  Cola  Rienzi. 

202.  Ut  Papa  tantum  vicarius  Christi  sit  et  non  etiam  Caesaris  .  .  .  Tunc  Papa  et  dicetur 
et  erit  pater  sanctus,  pater  omnium,  pater  ecciesiae  etc. 

203.  Pii  II.  Commentarü  IV.  p.  208,  seqq. 

204.  Piatina,  Vitae  Papar.  p.  318. 

205.  Battista  Mantovano,  de  calanoitatibus  teniporum,  L.  111.  Der  Araber  verkauft 
Weihrauch,  der  Tyrier  Purpur,  der  Inder  Elfenbein:  venalia  nobis  templa,  sacerdotes,  al- 
taria,  sacra,  coronae,  ignes,  thura,  preces,  coelum  est  venale,  Deusque. 

206.  Man  sehe  z.  B.  die  Annales  Piacentini,  bei  Murat.  XX,  Col.  943. 

207.  Corio,  Storia  di  Milano,  fol.416  bis  4120.  Pietro  hatte  schon  die  Papstwahl  des 
Sixtus  leiten  helfen,  s.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptores,  II.  Col.  1895.  —  Laut  Macchiav. 
storie  fior.  L.  VII  hätten  die  Venezianer  den  Kardinal  vergiftet.  Gründe  dazu  fehlten  ihnen 
in  der  Tat  nicht. 

208.  Schon  Honorius  II.  wollte  nach  dem  Tode  Wilhelms  I.  1127  Apulien  einziehen, 
als  ,,dem  h.  Petrus  heimgefallen". 

209.  Fabroni :  Laurentius  mag.,  Anot.  130.  Ein  Kundschafter  meldet  von  diesen  beiden : 
hanno  in  ogni  elezione  a  mattere  a  sacco  questa  corte,  e  sono  i  maggior  ribaldi  del  mondo. 

210.  Corio,  fol.  450. 

2n.  Ein  höchst  bezeichnender  Mahnbrief  Lorenzos  bei  Fabroni,  Laurentius  magn. 
Adnot.217  und  im  Auszug  bei  Ranke,  Päpste,  I,  p.45. 

212.  Und  etwa  noch  neapolitanischer  Lehen,  weshalb  denn  auch  Innocenz  die  Anjou 
von  neuem  gegen  den  in  solchem  Betracht  harthörigen  König  Ferrante  aufrief. 

213.  Vgl.  bes.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptores,  II,  passim. 

214.  Mit  Ausnahme  der  Bentivogli  von  Bologna  und  des  Hauses  Este  zu  Ferrara.  Letz- 
teres wurde  zur  Verschwägerung  genötigt;  Lucrezia  Borgia  heiratete  den  Prinzen  Alfonso. 

215.  Laut  Corio  (Fol.  479)  dachte  Carl  an  ein  Konzil,  an  die  Absetzung  des  Papstes,  ja 
an  seine  Wegführung  nach  Frankreich,  und  zwar  erst  bei  der  Rückkehr  von  Neapel.  Laut 
Benedictus:  Carolus  VIII.  (bei  Eccard,  scriptores,  II,  Col.  1584)  hätte  Carl  in  Neapel,  als 
ihm  Papst  und  Kardinäle  die  Anerkennung  seiner  neuen  Krone  verweigerten,  sich  aller- 
dings Gedanken  gemacht  de  Italiae  imperio  deque  pontificis  statu  mutando,  allein  gleich 


33^  ANMERKUNGEN 

darauf  gedachte  er  sich  wieder  mit  Alexanders  persönlicher  Demütigung  zu  begnügen.  Der 
Papst  entwischte  ihm  jedoch.  —  Das  Nähere  seither  bei  Pilorgerie,  Campagne  et  bulletins 
de  la  grande  arm^e  d'Italie  1494 — 1495  (Paris,  1866,  in  8.),  wo  der  Grad  der  Gefahr  Alexan- 
ders in  den  einzelnen  Momenten  (p.  1 1 1 ,  117  etc.)  erötert  wird.  Selbst  auf  dem  Rückweg 
(p.  281,  s.)  wollte  Carl  ihm  nichts  zuleide  tun. 

216.  Corio,  fol.  450.  —  Malipiero,  Ann.  Veneti,  Arch.  Stör.  VII,  I,  p.  318.  — •  Welche 
Raubsucht  die  ganze  Familie  ergriffen  haben  muß,  sieht  man  u.  a.  aus  Malipiero,  a.  a.  O. 
p.  565.  Ein  Nepot  wird  als  päpstlicher  Legat  in  Venedig  herrlich  empfangen  und  macht 
durch  Erteilung  von  Dispensen  ungeheures  Geld ;  seine  Dienerschaft  stiehlt  beim  Abziehen 
alles,  dessen  sie  habhaft  werden  kann,  auch  ein  Stück  Goldstoff  vom  Hauptaltar  einer 
Kirche  in  Murano. 

217.  Dies  bei  Panvinio  (Contin.  Platinae.  p.  339):  insidiis  Caesaris  fratris  interfextus  .  .  . 
connivente  ...  ad  scelus  patre.  Gewiß  eine  authentische  Aussage,  gegen  welche  die  Dar- 
stellungen bei  Malipiero  und  Matarazzo  (wo  dem  Giovanni  Sforza  die  Schuld  gegeben  wird) 
zurückstehen  müssen.  —  Auch  die  tiefe  Erschütterung  Alexanders  deutet  auf  Mitschuld. 
Vom  Auffischen  der  Leiche  in  der  Tiber  sagte  Sannazaro: 

Piscatorem  hominum  ne  te  non,  Sexte,  putemus, 
Piscaris  natum  retibus,  ecce,  tuum. 

218.  Macchiavelli,  Opere  ed.  Milan.  Vol.  V.  p.  387,  393,  395,  in  der  Legazione  al  Duca 
Valentino. 

219.  Tommaso  Gar,  Relazioni  della  corte  di  Roma,  I,  p.  12,  in  der  Rel.  des  P.  Capello. 
Wörtlich :  ,,Der  Papst  achtet  Venedig  wie  keinen  Potentaten  der  Welt,  e  perö  desidera,  che 
ella  (Signoria  di  Venezia)  protegga  il  figliuolo,  e  dice  voler  fare  tale  ordine,  che  il  papato  o 
sia  suo,  owero  della  Signoria  nostra."  Das  suo  kann  sich  doch  wohl  nur  auf  Cesare  beziehen. 
Das  Pron.  possessivum  statt  des  Personale  steht  häufig  so. 

220.  Strozzi  poetae,  p.  19,  in  der  Venatio  des  Ercole  Strozza:  .  .  .  cui  triplicem  fata  in- 
videre  coronam.  Dann  in  dem  Trauergedicht  auf  Cesares  Tod  p.  31,  sequ.:  speraretque 
olim  solii  decora  alta  patemi. 

221.  Ebenda:  Jupiter  habe  einst  versprochen:  Affore  Alexandri  sobolem,  quae  poneret 
olim  Italiae  leges,  atque  aurea  saecia  referret  etc. 

222.  Ebenda:  sacrumque  decus  majora  parantem  deposuisse. 

223.  Er  war  bekanntlich  mit  einer  französischen  Prinzessin  aus  dem  Hause  Albret  ver- 
mählt und  hatte  eine  Tochter  von  ihr ;  auf  irgendeine  Weise  hätte  er  wohl  eine  Dynastie 
zu  gründen  versucht.  Es  ist  nicht  bekannt,  daß  er  Anstalten  gemacht,  den  Kardinalshut 
wieder  anzunehmen,  obschon  er  (laut  Macchiav.  a.  a.  O.  S.  285)  auf  einen  baldigen  Tod 
seines  Vaters  rechnen  mußte. 

224.  Macchiavelli,  a.  a.  O.  S.  334.  Pläne  auf  Siena  und  eventuell  auf  ganz  Toscana 
waren  vorhanden  aber  noch  nicht  ganz  gereift;  die  Zustimmung  Frankreichs  war  dazu 
notwendig. 

225.  Macchiavelli,  a.  a.  O.  S.  326.  351.  414.  —  Matarazzo,  Cronaca  di  Perugia,  Arch. 
Stör.  XVI,  II.  p.  157  und  221 :  ,,Er  wollte,  daß  seine  Soldaten  sich  nach  Belieben  einquar- 
tierten, so  daß  sie  in  Friedenszeiten  noch  mehr  gewannen  als  im  Kriege." 

226.  So  Pierio  Valeriano,  de  infelicitate  literat.,  bei  Anlaß  des  Giovanni  Regio. 

227.  Tommaso  Gar,  a.a.O.  S.  11. 

228.  Paulus  Jovius,  Elogia,  Caesar  Borgia.  —  In  den  Commentarii  urbani  des  Raph. 
Volaterranus  enthält  Lib.  XXII.  eine  unter  Julius  II.  und  doch  noch  sehr  behutsam  ab- 
gefaßte Charakteristik  Alexanders.  Hier  heißt  es :  Roma  . . .  nobilis  jam  camificina  facta  erat. 

229.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  362. 

230.  Paul.  Jovius,  Histor.  II,  fol.  47. 

231.  Panvinius,  Epitome  pontificum  p.  359.  Der  Giftversuch  gegen  den  spätem  Ju- 
lius II.  s.  p.  363.  —  Laut  Sismondi  XIII,  246,  starb  auch  der  langjährige  Vertraute  aller 
Geheimnisse,  Lopez,  Kardinal  von  Capua,  auf  dieselbe  Weise;  laut  Sanuto  (bei  Ranke, 
Päpste,  I,  S.  52,  Anm.)  auch  der  Kardinal  von  Verona. 


ANMERKUNGEN  335 

232.  Prato,  Arch.  Stör.  III,  p.  254. 

233.  Und  stark  vom  Papst  ausgebeutete.  Vgl.  Chron.  Venetum,  bei  Murat.  XXIV, 
Col.  133. 

234.  Anshelm,  Bemer  Chronik,  III,  Seite  146  bis  156.  —  Trithem.  Annales  Hirsaug. 
Tom.  II,  p.  579.  584.  586. 

235.  Panvin.  Contin.  Platinae,  p.  341. 

236.  Daher  jene  Pracht  der  bei  Lebzeiten  gesetzten  Prälatengräber;  so  entzog  man  den 
Päpsten  wenigstens  einen  Teil  der  Beute. 

237.  Ob  Julius  wirklich  gehofft  hatte,  Ferdinand  der  Kath.  werde  sich  von  ihm  be- 
stimmen lassen,  die  verdrängte  aragonesische  Nebenlinie  wieder  auf  den  Thron  von  Neapel 
zu  setzen,  bleibt  trotz  Giovios  Aussage  (Vita  Alfonsi  Ducis)  sehr  zweifelhaft. 

238.  Beide  Gedichte  z.  B.  bei  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi  IV,  257  und  297.  —  Freilich 
als  Julius  im  Aug.  1511  einmal  in  mehrstündiger  Ohnmacht  lag  und  für  tot  galt,  wagten 
sogleich  die  unruhigsten  Köpfe  aus  den  vornehmsten  Familien  —  Pompeo  Colonna  und 
Antimo  Savelli  —  das  ,,Volk"  aufs  Kapitel  zu  rufen  und  zur  Abwerfung  der  päpstlichen 
Herrschaft  anzufeuern,  a  vendicarsi  in  libertä  .  .  .  a  publica  ribellione,  wie  Guicciardini 
im  zehnten  Buch  meldet. 

239.  Septimo  decretal.  L.  I.  Tit.  3,  Cap.  i   bis  3. 

240.  Franc.  Vettori,  im  Arch.  Stör.  VI,  297. 

241.  Franc.  Vettori,  a.  a.  O.  p.  301.  —  Arch.  Stör,  append.  I,  p.  293,  s.  —  Roscoe,  Leone 
X,  ed.  Bossi  VI,  p.  232,  s.  —  Tommaso  Gar,  a.  a.  O.  p.  42. 

242.  Ariosto,  Sat.  VI.  sv.  106.  Tutti  morrete,  ed  e  fatal  che  muoja  Leone  appresso  .  .  . 

243.  Eine  Kombination  dieser  Art  statt  mehrerer:  Lettere  de'  principi  I,  46  in  einer 
Pariser  Depesche  des  Kardinals  Bibiena   15 18. 

244.  Franc.  Vettori,  a.  a.  O.  p.  333. 

245.  Bei  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi,  VIII,  p.  losf.  findet  sich  eine  Deklamation,  welche 
Pico  15 17  an  Pirkheimer  sandte.  Er  fürchtet,  daß  noch  unter  Leo  das  Böse  förmlich  über 
das  Gute  siegen  möchte,  et  in  te  bellum  a  nostrae  religionis  hostibus  ante  audias  geri  quam 
parari. 

246.  Lettere  de'  principi,  I.  Rom,  17.  März  1523  :  ,, Dieser  Staat  steht  aus  vielen  Gründen 
auf  einer  Nadelspitze,  und  Gott  gebe,  daß  wir  nicht  bald  nach  Avignon  fliehen  müssen 
oder  bis  an  die  Enden  des  Ozeans.  Ich  sehe  den  Sturz  dieser  geistlichen  Monarchie  nahe 
vor  mir  .  .  .  Wenn  Gott  nicht  hilft,  so  ist  es  um  uns  geschehen." 

247.  Negro  a.  a.  O.  zum  24.  Okt.  (soll  Sept.  heißen)  und  9.  Nov.  1526,  11.  April  1527. 

248.  Varchi,  Stör,  fiorent.  I,  43.  46,  s. 

249.  Paul.  Jovius:  Vita  Pomp.  Columnae. 

250.  Ranke,  Deutsche  Geschichte.   II,  375 ff. 

251.  Varchi,  Stör,  fiorent.  II,  43,  s. 

252.  Ebenda,  und:  Ranke,  Deutsche  Gesch.  II,  S.  394,  Anm.  Man  glaubte,  Carl  würde 
seine  Residenz  nach  Rom  verlegen. 

253.  Sein  Brief  an  den  Papst,  d.  d.  Carpentras,  i.  Sept.  1527,  in  den  Anecdota  litt.  IV, 

P-335- 

254.  Lettere  de'  principi.  I,  72.  Castiglione  an  den  Papst,  Burgos  10.  Dez.  1527. 

255.  Tommaso  Gar,  relaz.  della  corte  di  Roma  I,  299. 

256.  Den  Famesen  gelang  noch  etwas  der  Art,  die  Caraffa  gingen  unter. 

257.  Petrarca:  epist.  fam.  I,  3,  p.  574,  worin  er  Gott  dafür  preist  als  Italiener  geboren 
zu  sein.  Sodann:  Apologia  contra  cuiusdam  anonymi  Galli  calumnias,  vom  J.  1367,  p. 
1068,  s. 

258.  Ich  meine  besonders  die  Schriften  von  Wimpheling,  Bebel,  u.  a.  im  I.  Bande  der 
scriptores  des  Schardius. 

259.  Ein  Beispiel  statt  vieler :  Die  Antwort  des  Dogen  von  Venedig  an  einen  f lorentini- 
schen  Agenten  wegen  Pisas  1496,  bei  Malipiero,  ann.  veneti,  Arch.  stör.  VII,  I,  p.  427. 


„„g  ANMERKUNGEN 

260.  Man  beachte  die  Ausdrücke  uomo  singolare,  uomo  unico  für  die  höhere  und  höchste 
Stufe  der  individuellen  Ausbildung. 

261.  In  Florenz  gab  es  um  1390  deshalb  keine  herrschende  Mode  der  männlichen 
Kleidung  mehr,  weil  jeder  sich  auf  besondere  Weise  zu  tragen  suchte.  Vgl.  die  Canzone 
des  Franco  Sacchctti :  contro  alle  nuove  foggie,  in  den  Rime,  publ.  dal  Poggiali,  p.  52. 

262.  Auch  wohl  die  ihrer  Gemahlinnen,  wie  man  im  Hause  Sforza  und  in  verschiedenen 
oberitalischen  Herrscherfamilien  bemerkt.  Man  vgl.  in  den  Clarae  mulieres  des  Jacobus 
Bergomensis,  die  Biographien  der  Battista  Malatesta,  Paola  Gonzaga,  Orsina  Torella,  Bona 
Lombarda,  Riccarda  von  Este  und  der  wichtigeren  Frauen  der  Familie  Sforza.  Es  ist  mehr 
als  eine  wahre  Virago  darunter  und  auch  die  Ergänzung  der  individuellen  Entwicklung 
durch  hohe  humanistische  Kuhur  fehlt  nicht. 

263.  Franco  Sacchetti,  in  seinem  Capitolo  (Rime,  publ.  dal  Poggiali,  p.  56)  zählt  um 
1390  über  hundert  Namen  von  bedeutenden  Leuten  der  herrschenden  Parteien  auf,  welche 
bei  seinen  Gedenkzeiten  gestorben  seien.  So  viele  Mediokritäten  darunter  sein  mochten, 
so  ist  doch  das  Ganze  ein  starker  Beleg  für  das  Erwachen  der  Individualität.  —  Über  die 
„Vite"  des  Filippo  Villani  s.  unten. 

264.  Trattato  del  governo  della  famiglia.  Es  gibt  eine  neuere  Hypothese,  wonach  diese 
Schrift  von  dem  Baumeister  L.  B.  Alberti  verfaßt  wäre.  Vgl.  Vasari  IV,  54,  Nota  5,  ed. 
Lemonnier.  —  Über  Pandolfini  vgl.  Vespas.  Fiorent.  p.  379. 

265.  Trattato  p.  65,  s.  . 

266.  Jov.  Pontanus,  de  fortitudine,  L.  II.  Siebzig  Jahre  später  konnte  Cardanus  (de  vita 
propria,  Cap.  32)  bitter  fragen:  Quid  est  patria,  nisi  consensus  tyrannorum  minutorum  ad 
opprimendos  imbelles  timidos,  et  qui  plerumque  sunt  innoxii  ? 

267  De  vulgari  eloquio  Lib.  I,  cap.  6.  —  Über  die  italienische  Idealsprache  cap.  17. 
Die  geistige  Einheit  der  Gebildeten  cap.  18.  —  Aber  auch  das  Heimweh  in  der  berühmten 
Stelle  Purg.  VIII,  Iff.  und  Parad.  XXV,  I. 

268.  Dantis  Alligherii  Epistolae,  ed.  Carolus  Witte,  p.  65.  vvTY^ 

269.  Ghiberti,  secondo  commentario,  cap.  XV.  (Vasari,  ed.  Lemonnier,  I,  p.  XXIX). 
270    Codri  Urcei  vita,  vor  dessen  Opera.  —  Freilich  grenzt  dies  schon  an  das :  Ubi  bene, 

ibi  patria.  —  Die  Masse  neutralen  geistigen  Genusses,  der  von  keiner  Örtlichkeit  abhangt, 
und  dessen  die  gebildeten  Italiener  mehr  und  mehr  fähig  wurden,  erleichterte  ihnen  das 
Exil  beträchtlich.  Übrigens  ist  der  Kosmopolitismus  ein  Zeichen  jeder  Bildungsepoche, 
da  man  neue  Welten  entdeckt  und  sich  in  der  alten  nicht  mehr  heimisch  fühlt.  Er  tritt  bei 
den  Griechen  sehr  deutlich  hervor  nach  dem  peloponnesischen  Kriege;  Piaton  war,  wie 
Niebuhr  sagt,  kein  guter  Bürger  und  Xenophon  ein  schlechter;  Diogenes  proklamierte 
vollends  die  Heimatlosigkeit  als  ein  wahres  Vergnügen  und  nannte  sich  selber  <moö^, 
wie  man  bei  Laertius  liest. 

271.  Boccaccio,  Vita  di  Dante,  p.  16.  . 

272.  Die  Engel,  welche  er  am  Jahrestag  von  Beatrices  Tode  auf  Täfelchen  zeichnete 
(Vita  nuova,  p.  61).  könnten  wohl  mehr  als  Dilettantenarbeit  gewesen  sein.  Lion.  Aretino 
sagt,  er  habe  egregiamente   gezeichnet   und   sei  ein   großer   Liebhaber   der  Musik  ge- 

wcscn 

273.'  Für  dieses  und  das  Folgende  vgl.  bes.  Vespasiano  Fiorentino,  für  die  florentinische 
Bildung  des  15.  Jahrhunderts  eine  Quelle  ersten  Ranges.  Hierher  p.  359,  379.  40i  etc. 
Sodann  die  schöne  und  lehrreiche  Vita  Jannoctii  Manetti  (geb.  1396)  bei  Mural  XX. 

274  Das  Folgende  beispielsweise  aus  Perticaris  Charakteristik  des  Pandolfo  Collenuccio, 
bei  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi  III,  p.  197.  s.,  und  in  den  Opere  del  Conte  Perticari,  Mil. 

1823,  vol.  II.  .  p- 

275.  B»-"i  Muratori,  XXV,  Col.  29S,  »•  Hierzu  als  Ergänzung  Vasari  IV,  52,  s.  —  t-m 
allseitiger  Dilettant  wenigstens,  und  zugleich  in  mehreren  Fächern  Meister  war  z.U. 
Mariano  Socini,  wenn  man  dessen  Charakteristik  bei  Aeneas  Sylvius  (Opera,  p.  622,  bpist. 

112)  Glauben  schenken  darf.  ,   x-   1  •  c 

276.  Vgl.  den  Ibn  Pirnas,  bei  Hammer.  Literaturgesch.  der  Araber,  I,  Einleitung  b.  51- 


ANMERKUNGEN  ooy 

277.  Quicquid  ingenio  esset  hominum  cum  quadam  effectum  elegantia,  id  prope  divi- 
num ducebat. 

278.  Dieses  verlorene  Werk  ist  es  (vgl.  S.  107  Anm.),  welches  von  Neuem  für  wesentlich 
identisch  mit  dem  Trattato  des  Pandolfini  gehalten  wird. 

279.  In  seinem  Werke  De  re  aedificatoria,  L.  VIII,  cap.  i,  findet  sich  eine  Definition 
von  dem,  was  ein  schöner  Weg  heißen  könne:  si  modo  mare,  modo  montes,  modo  lacum 
fluentem  fontesve,  modo  aridam  rupem  aut  planitiem,  modo  nemus  vallemque  exhibebit. 

280.  Ein  Autor  statt  vieler:  Blondus,  Roma  triumphans,  L.  V,  p.  117,  s.,  wo  die  Defi- 
nitionen der  Gloria  aus  den  Alten  gesammelt  sind  und  auch  dem  Christen  ausdrücklich 
die  Ruhmbegier  gestattet  wird.  —  Ciceros  Schrift  de  gloria,  welche  noch  Petrarca  besaß, 
ist  bekanntlich  seitdem  verlorengegangen. 

281.  Paradiso  XXV,  Anfang:  Se  mai  continga  etc.  —  Vgl.  Boccaccio,  Vita  di  Dante, 
p.  49.  Vaghissimo  fu  e  d'onore  e  di  pompa,  e  per  avventura  piü  non  si  sarebbe  richiesto. 

282.  De  vulgari  eloquio,  L.  I,  Cap.  I.  Ganz  besonders  de  Monarchia,  L.  I.  Cap.  I,  wo 
er  den  Begriff  der  Monarchie  darstellen  will,  nicht  bloß  um  der  Welt  nützlich  zu  sein, 
sondern  auch:  ut  palmam  tanti  bravii  primus  in  meam  gloriam  adipiscar. 

283.  Convito,  ed.  Venezia   1529,  fol.  5  und  6. 

284.  Paradiso  VI,   112,  s. 

285.  z.B.:   Inferno  VI,  89,  XIII,  53.  XVI,  85.  XXXI,   127. 

286.  Purgatorio  V,  70.  87.  133.  VI,  26.  VIII,  71.  XI,  31.  XIII,  147. 

287.  Purgatorio  XI,  79 — 117.  Außer  gloria  finden  sich  hier  beisammen:  Grido,  fama, 
rumore,  nominanza,  onore,  lauter  Umschreibungen  derselben  Sache.  —  Boccaccio  dichtete 
wie  er  in  dem  Brief  an  Joh.  Pizinga  (Opere  volgari,  Vol.  XVI.)  gesteht,  perpetuandi  nominis 
desiderio. 

288.  Scardeonius,  de  urb.  Patav.  antiq.  (Graev.  Thesaur.  VI,  III,  Col.  260).  Ob  cercis, 
muneribus  oder  etwa  certis  muneribus  zu  lesen,  lasse  ich  dahingestellt. 

289.  Epistola  de  origine  et  vita  etc.,  am  Eingang  der  Opera:  ,, Franc.  Petrarca  Posteritati 
salutem".  Gewisse  neuere  Tadler  von  P.s  Eitelkeit  würden  an  seiner  Stelle  schwerlich  so 
viele  Güte  und  Offenheit  behalten  haben  wie  er. 

290.  Opera,  p.  177:  de  celebritate  nominis  importuna. 

291.  De  remediis  utriusque  fortunae,  passim. 

292.  Epist.  seniles  III,  5.  Einen  Maßstab  von  Petrarcas  Ruhm  gibt  z.  B.  Blondus  (Italia 
illustrata,  p.  416)  hundert  Jahre  nachher,  durch  seine  Versicherung,  daß  auch  kaum  ein 
Gelehrter  mehr  etwas  von  König  Robert  dem  Guten  wüßte,  wenn  Patrarca  seiner  nicht  so 
oft  und  freundlich  gedacht  hätte. 

293.  Epist.  seniles  XIII,  3.  p.  918. 

294.  Filippo  Villani,  Vite,  p.  19. 

295.  Beides  beisammen  in  der  Grabschrift  auf  Boccaccio:  Nacqui  in  Firenze  al  Pozzo 
Toscanelli ;  Di  fuor  sepolto  a  Certaldo  giaccio,  etc.  —  Vgl.  Opere  volgari  di  Bocc,  vol.  XVI, 

P-44- 

296.  Mich.  Savonarola,  de  laudibus  Patavii,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  1157. 

297.  Der  motivierte  Staatsbeschluß  von  1396  bei  Gaye,  Carteggio,  I,  p.  123. 

298.  Boccaccio,  V'ita  di  Dante,  p.  39. 

299.  Franco  Sacchetti,  Nov.  121. 

300.  Erstere  in  dem  bekannten  Sarkophag  bei  S.  Lorenzo,  letztere  am  Palazzo  della 
ragione  über  einer  Tür.  Das  Nähere  über  deren  Auffindung  1413  s.  bei  Misson,  Voyage 
en  Italic,  vol.  I. 

301.  Vita  di  Dante,  1.  c.  W'ie  die  Leiche  des  Cassius  nach  der  Schlacht  bei  Phiüppi  wieder 
nach  Parma  gelangt  sein  mag  ? 

302.  Nobilitatis  fastu,  und  zwar  sub  obtentu  religionis,  sagt  Pius  II.  (Comment.  X,  p. 
473).  Die  neue  Gattung  von  Ruhm  mußte  wohl  vielen  Leuten  unbequem  erscheinen,  die 
an  anderes  gewöhnt  waren. 

303.  Vgl.  Keyßlers  Neueste  Reisen,  p.  10 16. 

BuTckhardt  22 


oog  ANMERKUNGEN 

304.  Der  ältere  war  bekanntlich  von  Verona. 

305 .  So  verhält  es  sich  auch  wesentlich  noch  in  der  merkwürdigenSchrift :  De  laudibus  Pa- 
piae  (bei  Murat  X.)  aus  dem  1 4.  Jahrh. ;  viel  munizipaler  Stolz,  aber  noch  kein  spezieller  Ruhm. 

306.  De  laudibus  Patavii,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  1151  ff. 

307.  Nain  et  veteres  nostri  tales  aut  divos  aut  aeterna  memoria  dignos  non  immerito 
praedicabant.  Quum  virtus  summa  sanctitatis  sit  consocia  et  pari  emantur  pretio. 

308.  In  den  casus  virorum  illustrium  des  Boccaccio  gehört  nur  das  letzte,  neunte  Buch 
der  nachantiken  Zeit  an.  Ebenso  noch  viel  später  in  den  Commentarii  urbani  des  Raph. 
Volaterranus  nur  das  21.  Buch,  welches  das  neunte  der  Anthropologie  ist;  Päpste  und  Kai- 
ser behandelt  er  im  22.  und  23.  Buch  besonders.  —  In  dem  Werke  ,,de  claris  mulieribus" 
des  Augustiners  Jacobus  Bergomensis  (um  1500),  vgl.  S.  105,  Anm.,  überwiegt  das  Alter- 
tum und  noch  inehr  die  Legende,  dann  folgen  aber  einige  wertvolle  Biographien  von  Ita- 
lienerinnen. Bei  Scardeonius  (de  urb.  Patav.  antiq.,  Graev.  thesaur,  VI,  III,  Col.  405,  s.) 
werden  lauter  berühmte  Paduanerinnen  aufgezählt:  Zuerst  eine  Legende  oder  eine  Sage 
aus  der  Völkerwanderung;  dann  leidenschaftliche  Tragödien  aus  den  Parteikämpfen  des 
13.  und  14.  Jahrh.,  hierauf  andere  kühne  Heldenweiber;  die  Klosterstifterin,  die  politische 
Ratgeberin,  die  Ärztin,  die  Mutter  vieler  und  ausgezeichneter  Söhne,  die  gelehrte  Frau,  das 
Bauermädchen,  das  für  seine  Unschuld  stirbt,  endlich  die  schöne  hochgebildete  Frau  des 
16.  Jahrh.,  auf  welche  jedermann  Gedichte  macht;  zum  Schluß  die  Dichterin  und  Novel- 
listin. Ein  Jahrhundert  später  wäre  zu  all  diesen  berühmten  patavinischen  Frauen  noch  die 
Professorin  hinzugekommen.  —  Die  berühmten  Frauen  des  Hauses  Este,  bei  Ariosto, 
Orl.  XIII. 

309.  Die  viri  illustres  des  B.  Facius,  herausg.  von  Mehus,  eines  der  wichtigsten  Werke 
dieser  Art  aus  dem   15.  Jahrhundert,  habe  ich  leider  nie  zu  sehen  bekommen. 

310.  Schon  ein  latenischer  Sänger  des  12.  Jahrh.  —  ein  fahrender  Scholar,  der  mit 
seinem  Lied  um  ein  Kleid  bettelt  —  droht  damit.  S.  Carmina  Burana,  p.  76. 

311.  Boccaccio,  Opere  volgari,  Vol.  XVI,  im  13.  Sonett:  Pallido,  vinto  etc. 

312.  U.a.  bei  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi  IV,  p.  203. 

313.  Angeli  Politiani  epp.  Leib.  X. 

314.  Paul.  Jov.  de  romanis  piscibus,  Praefatio  (1525):  Die  erste  Dekade  seiner  Historien 
werde  nächstens  herauskommen  non  sine  aliqua  spe  immortalitatis. 

315.  Hierzu  vgl.  Discorsi  I.  27.  Die  tristizia,  Verbrechen,  kann  grandezza  haben  und 
in  alcuna  parte  gencrosa  sein ;  die  grandezza  kann  von  einer  Tat  jede  infamia  entfernen ; 
der  Mensch  kann  onorevolmcnte  tristo  sein,  im  Gegensatz  zum  perfettamente  buono. 

316.  Storie  fiorentine,  L.  VI. 

317.  Paul.  Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des  Marius  Molsa. 

318.  Das  Mittelalter  ist  reich  an  sogenannten  satirischen  Gedichten,  allein  es  ist  noch 
nicht  individuelle,  sondern  fast  lauter  allgemeine,  auf  Stände,  Kategorien,  Bevölkerungen 
usw.  gemünzte  Satire,  welche  denn  auch  leicht  in  den  lehrhaften  Ton  übergeht.  Der  all- 
gemeine Niederschlag  dieser  ganzen  Richtung  ist  vorzüglich  die  Fabel  vom  Reincke  Fuchs 
in  all  ihren  Redaktionen  bei  den  verschiedenen  Völkern  des  Abendlandes.  Für  die  franzö- 
sische Literatur  dieses  Zweiges  ist  eine  treffliche  neuere  Arbeit  vorhanden :  Lenient,  La 
Satire  en  France  au  moyen-äge. 

319.  Ausnahmsweise  kommt  auch  schon  ein  insolenter  Witz  vor,  Nov.  37. 

320.  Inferno  XXI.  XXII.  Die  einzige  mögliche  Parallele  wäre  Aristophanes. 

321 .  Ein  schüchterner  Anfang  Opera  p.  421  f.,  in  Rerum  memorandum  libri  IV.  Anderes 
z.  B.:  p.  868,  in  Epp.  senil.  X,  2.  Der  Wortwitz  schmeckt  bisweilen  noch  sehr  nach  seinem 
mittelalterlichen  Asyl,  dem  Kloster. 

322.  Nov.  40.  41 ;  es  ist  Ridolfo  da  Camerino. 

323.  Die  bekannte  Posse  von  Brunellesco  imd  dem  dicken  Holzschnitzer,  so  geistreich 
erfunden,  ist  doch  wohl  grausam  zu  nennen. 

324.  Ibid.  Nov.  49.  Und  doch  hatte  man  laut  Nov.  67  das  Gefühl,  daß  hie  und  da  ein 
Romagnole  auch  dem  schlimmsten  Florentiner  überlegen  sei. 


ANMERKUNGEN  339 

325.  Ang.  Pandolfini,  del  govemo  della  famiglia,  p.  48. 

326.  Franco  Sacchetti,  Nov.  156;  vgl.  Nov.  24.  —  Die  Facetiae  des  Poggio  sind  dem  In- 
halt nach  mit  Sacchetti  nahe  verwandt:  burle,  Insolenzen,  Mißverständnisse  einfacher 
Menschen  gegenüber  der  raffinierten  Zote,  dann  aber  mehr  Wortwitze,  die  den  Philologen 
verraten.  —  Über  L.  B.  Alberti  vgl.  S.  112. 

327.  Folgerichtig  auch  in  denjenigen  Novellen  der  Italiener,  deren  Inhalt  von  dort  ent- 
lehnt ist. 

328.  Laut  Bandello  IV,  Nov.  2  konnte  Gonnella  auch  sein  Gesicht  in  die  Züge  anderer 
verstellen  und  alle  Dialekte  Italiens  nachmachen. 

329.  Paul.  Jovius,  Vita   Leonis   X. 

330.  Erat  enim  Bibiena  mirus  artifex  hominibus  aetate  vel  professione  gravibus  ad 
insaniam  impellendis.  Man  erinnert  sich  dabei  an  den  Scherz,  welchen  Christine  von 
Schweden  mit  ihren  Philologen  trieb. 

331.  Das  Lorgnon  entnehme  ich  nicht  bloß  aus  Rafaels  Porträt,  wo  es  eher  als  Lupe  zur 
Betrachtung  der  Miniaturen  des  Gebetbuches  gedeutet  werden  kann,  sondern  aus  einer 
Notiz  des  Pellicanus,  wonach  Leo  eine  aufziehende  Prozession  von  Mönchen  durch  ein 
Specillum  betrachtete  (vgl.  Züricher  Taschenbuch  auf  1858,  S.  177),  und  aus  der  cristallus 
concava,  die  er  laut  Giovio  auf  der  Jagd  brauchte. 

332.  Auch  in  der  bildenden  Kunst  fehlt  sie  nicht;  man  erinnere  sich  z.  B.  jenes  bekann- 
ten Stiches,  welcher  die  Laokoonsgruppe  in  drei  Affen  übersetzt  darstellt.  Nur  ging  der- 
gleichen selten  über  eine  flüchtige  Handzeichnung  liinaus;  manches  mag  auch  vernichtet 
worden  sein.  Die  Karikatur  ist  wieder  wesentlich  etwas  anderes ;  Lionardo  in  seinen  Gri- 
massen (Ambrosiana)  stellt  das  Häßliche  dar,  wenn  und  weil  es  komisch  ist,  und  erhöht 
dabei  diesen  komischen  Charakter  nach  Belieben. 

333-  Jovian.  Pontan.  de  Sermone.  Er  konstatiert  eine  besondere  Begabung  zum  Witz 
außer  bei  den  Florentinern  auch  bei  den  Sienesen  und  Peruginem ;  den  spanischen  Hof  fügt 
er  dann  noch  aus  Höflichkeit  bei. 

334.  II  cortigiano,  Lib.  II.  fol.  74,  s.  —  Die  Herleitting  des  Witzes  aus  dem  Kontrast, 
obwohl  noch  nicht  völlig  klar,  fol.  76. 

335.  Galateo  del  Casa,  ed.  Venez.   1789,  p.  26,  s.  z8. 

336.  Lettere  pittoriche  I,  71,  in  einem  Briefe  des  Vinc.  Borghini  1577. —  Macchiavelli, 
Stör.  fior.  L.  VII.  sagt  von  den  jungen  Herrn  in  Florenz  nach  der  Mitte  des  15.  Jahrh. :  gli 
studi  loro  erano  apparire  col  vestire  splendidi,  e  col  parlare  sagaci  ed  astuti,  e  quello  che 
piü  destramente  mordeva  gli  altri,  era  piü  savio  e  da  piü  stimato. 

337-  Vgl.  Fedra  Inghiramis  Leichenrede  auf  Lodovico  Podocataro  (1505),  in  den  Anecd. 
litt.  I,  p.  319.  —  Der  Skandalsammler  Massaino  erwähnt  bei  Paul.  Jov.,  Dialogus  de  viris 
litt,  illustr.  (Tiraboschi,  Tom.  VII.  parte  IV.  p.  1631). 

338.  So  hielt  es  im  ganzen  Leo  X.,  und  er  rechnete  damit  im  ganzen  richtig;  so  schreck- 
lich die  Pasquillanten  zumal  nach  seinem  Tode  mit  ihm  umgingen,  sie  haben  die  Gesamt- 
anschauung seines  Wesens  nicht  dominieren  können. 

339.  In  diesem  Falle  war  wohl  Kardinal  Ardicino  della  Porta,  der  1491  seine  Würde 
niederlegen  und  in  ein  fernes  Kloster  flüchten  wollte.  Vgl.  Infessura,beiEccard  II,  Col.  2000. 

340.  S.  dessen  Leichenrede  in  den  Annecd.  litt.  IV,  p.  315.  Er  brachte  in  der  südlichen 
Mark  Ancona  ein  Bauernheer  zusammen,  das  nur  durch  den  Verrat  des  Herzogs  von  Ur- 
bino  am  Handeln  verhindert  wurde.  —  Seine  schönen  hoffnungslosen  Liebesmadrigale  bei 
Trucchi,  Poesie  ined.  II,  p.  123. 

341.  Wie  er  an  der  Tafel  Clemens  VII.  seine  Zunge  brauchte,  s.  bei  Giraldi,  Hecatom- 
mithi,  VII.  Nov.  5. 

342.  Die  ganze  angebliche  Beratung  über  das  Versenken  des  Pasquino  bei  Paul.  Jov., 
Vita  Hadriani,  ist  von  Sixtus  IV.  auf  Hadrian  übertragen.  —  Vgl.  Lettere  de'  principi  I, 
Brief  des  Negro  vom  7.  Apr.  1523.  Pasquino  hatte  am  St.  Markustag  ein  besonderes  Fest, 
welches  der  Papst  verbot. 

343.  z.  B.:  Firenzuola,  Opere,  vol.  I,  p.  116,  im  Discorsi  degli  animali. 

22* 


340 


ANMERKUNGEN 


344.  An  den  Herzog  von  Ferrara,  i .  Januar  1536 :  Ihr  werdet  nun  von  Rom  nach  Neapel 
reisen,  ricreando  la  vista  avvilita  nel  mirar  le  miserie  pontificali  con  la  contemplatione  delle 
eccellenze  iniperiali. 

345.  Wie  er  sich  damit  speziell  den  Künstlern  furchtbar  machte,  wäre  anderswo  zu  er- 
örtern. —  Das  publizistische  Vehikel  der  deutschen  Reformation  ist  wesentlich  die  Bro- 
schüre, in  Beziehung  auf  bestimmte  einzelne  Angelegenheiten ;  Aretino  dagegen  ist  Jour- 
nalist in  dem  Sinne,  daß  er  einen  fortwährenden  Anlaß  des  Publizierens  in  sich  hat. 

346.  z.  B.  im  Capitolo  an  den  Albicante,  einen  schlechten  Dichter;  leider  entziehen  sich 
die  Stellen  der  Zitation. 

347.  Lettere,  ed.  Venez.   1539.   Dol.  12,  vom   31.  Mai   1527. 

348.  Im  ersten  Capitolo  an  Cosimo. 

349.  Gaye,  Carteggio  II,  p.  332- 

350.  S.  den  frechen  Brief  von  1536  in  den  Lettere  pittor.,  I,  Append.,  34. 

351.  L'Aretin,  per  Dio  grazia,  e  vivo  e  sano, 
Ma'l  mostaccio  ha  fregiato  nobilmente, 
E  piü  colpi  ha,  che  dita  in  una  mano. 

(Mauro,  capitolo  in  lode  delle  bugie.) 

352.  Man  sehe  z.  B.  den  Brief  an  den  Kardinal  von  Lothringen,  Lettere,  ed.  Venez. 
'539.  vom  21.  Nov.  1534,  sowie  die  Briefe  an  Karl  V. 

353.  Für  das  Folgende  s.  Gaye,  Carteggio,  II,  p.  336.   337.  345. 

354.  Lettere,  ed.  Venez.   1539.  Fol.  15.,  vom   16.  Juni   1529. 

355.  Mochte  es  die  Hoffnung  auf  den  roten  Hut  oder  die  Furcht  vor  den  beginnenden 
Bluturteilen  der  Inquisition  sein,  welche  er  noch  1535  herb  zu  tadeln  gewagt  hatte  (s.  a.  a.  O. 
Fol.  37),  welche  aber  seit  der  Reorganisation  des  Institutes  1542  plötzlich  zunahmen  und 
alles  zum  Schweigen  brachten. 

356.  Carmina  Burana,  in  der  , .Bibliothek  des  literarischen  Vereins  in  Stuttgart"  der 
XVI.  Band.  —  Der  Aufenthalt  in  Pavia  (p.  68,  69),  die  italienische  Lokalität  überhaupt, 
die  Szene  mit  der  pastorella  unter  dem  Ölbaum  (p.  145),  die  Anschauung  einer  pinus  als 
eines  weitschattigen  Wiesenbaums  (p.  156),  der  mehrmalige  Gebrauch  des  Wortes  bravium 
(p.  137.  144),  namentlich  aber  die  Form  Madii  für  Maji  (p.  141)  scheinen  für  unsere  Annah- 
me zu  sprechen.  —  Daß  der  Dichter  sich  Walther  nennt,  gibt  noch  keinen  Wink  über  seine 
Herkunft.  Gewöhnlich  identifiziert  man  ihn  mit  Gualterus  de  Mapes,  einem  Domherrn 
von  Salisbury  und  Kaplan  der  englischen  Könige  gegen  Ende  des  12.  Jahrh.  In  neuerer 

•  Zeit  glaubt  man  ihn  in  einem  gewissen  Walther  von  Lille  oder  von  Chatillon  wiederzuer- 
kennen, vgl.  Giesebrecht,  bei  Wattenbach:  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittel- 
alter, S.  431  ff. 

357.  Wie  das  Altertum  in  allen  höhern  Gebieten  des  Lebens  als  Lehrer  und  Führer 
dienen  könne,  schildert  z.  B.  in  rascher  Übersicht  Aeneas  Sylvius  (opera  p.  603  in  der  Epist. 

105,  an  Erzherzog  Sigismund.) 

358.  Für  das  Nähere  verweisen  wir  auf  Roscoe :  Lorenzo  magnif,  und:  Leo  X.,  sowie 
auf  Voigt :  Enea  Silvio,  und  auf  Papcncordt :  Gesch.  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter.  —  Wer 
sich  einen  Begriff  machen  will  von  dem  LTmfang,  welchen  das  Wissenswürdige  bei  den 
Gebildeten  des  beginnenden  16.  Jahrh.  angenommen  hatte,  ist  am  besten  auf  die  Commen- 
tarii  urbani  des  Raphael  Volatcrranus  zu  verweisen.  Hier  sieht  man,  wie  das  Altertum  den 
Eingang  und  Hauptinhalt  jedes  Erkenntniszw-eiges  ausmachte,  von  der  Geographie  und 
Lokalgeschichte  durch  die  Biographien  aller  Mächtigen  und  Berühmten,  die  Populärphilo- 
sophic,  die  Moral  und  die  einzelnen  Spezialwisscnschaften  hindurch  bis  auf  die  Analyse 
des  ganzen  Aristoteles,  womit  das  Werk  schließt.  Um  die  ganze  Bedeutung  desselben  als 
Quelle  der  Bildung  zu  erkennen,  müßte  man  es  mit  allen  frühem  Enzyklopädien  vergleichen. 
Eine  umständliche  und  allseitige  Behandlung  des  vorliegenden  Themas  gewährt  das  treff- 
liche Werk  von  Voigt:   Die  Wiederbelebung  des  klassischen  .-Mtertums. 

359.  Dante,  Convito,  Tratt.  IV,  Cap.  5. 


ANMERKUNGEN 


341 


360.  Epp.  familiäres  VI,  2  (pag.  657) ;  Äußerungen  über  Rom,  bevor  er  es  gesehen,  ibid. 
II,  9  (p-6oo);  vgl.  II,   14. 

361.  Dittamondo,  II,  cap.  3.  Der  Zug  erinnert  noch  teilweise  an  die  naiven  Bilder  der 
heil,  drei  Könige  und  ihres  Gefolges.  —  Die  Schilderung  der  Stadt,  II,  cap.  31,  ist  archäo- 
logisch nicht  ganz  oline  Wert.  —  Laut  dem  Polistore  (Murat.  XXIV,  Col.  845)  reisten  1366 
Nicolö  und  Ugo  von  Este  nach  Rom :  per  vedere  quelle  magnificenze  antiche,  che  al  presente 
si  possono  vedere  in  Roma. 

362.  Beiläufig  hier  ein  Beleg  wie  auch  das  Ausland  Rom  im  Mittelalter  als  einen  Stein- 
bruch betrachtete:  Der  berühmte  Abt  Sugerius,  der  sich  (um  1140)  für  seinen  Neubau 
von  St.  Denis  um  gewaltige  Säulenschäfte  umsah,  dachte  an  nichts  Geringeres  als  an  die 
Granitmonolithen  der  Diokletiansthermen,  besann  sich  aber  doch  eines  anderen.  Sugerii 
libellus  alter,  bei  Duchesne,  scriptores,  IV,  p.  352.  —  Karl  d.  Gr.  war  ohne  Zweifel  beschei- 
dener verfahren. 

363.  Pogii  opera,  fol.  50,  s.  Ruinarum  urbis  Romae  descriptio.  Um  1430,  nämlich  kurz 
vor  dem  Tode  Martins  V.  —  Die  Thermen  des  Caracalla  und  Diokletian  hatten  noch  ihre 
Inkrustation  und  ihre  Säulen. 

364.  Poggio  als  frühester  Inskriptionensammler,  in  seinem  Briefe  in  der  vita  Pogii,  bei 
Murat  XX,  Col.  177.  Als  Büstensammler  Col.  183. 

365.  Fabroni,  Cosmus,  Adnot.  86.  Aus  einem  Briefe  des  Alberto  degli  Alberti  an  Gio- 
vanni Medici.  —  Über  den  Zustand  Roms  unter  Martin  V.  s.  Piatina  p.  277;  während  der 
Abwesenheit  Eugens  IV.  s.  Vespasiano  Fiorent.  p.21. 

366.  Das  Folgende  aus  Jo.  Ant.  Vampanus:  Vita  Pii  II.  bei  Muratori  III,  II.  Col.  980,  s. 
—  Pii  II.  Commentarii  p.  48.  72,  s.  206,  248,  s.  501.  u.  a.  a.  O. 

367.  Boccaccio,  Fiammetta,  cap.  5. 

368.  Leandro  Alberti,  Descriz.  di  tutta  l'Italia,  fol.  285. 

369.  Zwei  Beispiele  statt  vieler:  die  fabulose  Urgeschichte  von  Mailand,  im  Manipulus 
(Murat.  XI,  Col.  552)  und  die  von  Florenz,  am  Anfang  der  Chronik  des  Ricordano  Malas- 
pini, und  dann  bei  Gio.  Villani,  laut  welchem  Florenz  gegen  das  antirömische,  rebellische 
Fiesole  von  jeher  Recht  hat,  weil  es  so  gut  römisch  gesinnt  ist  (I,  g.  38.  41.  II,  2).  —  Dante 
Inf.  XV,  76 

370.  Commentarii,  p.  206,  im   IV.  Buch. 

371.  Mich.  Cannesius,  Vita  Pauli  II.  bei  Murat.  III,  II.  Col.  993.  Selbst  gegen  Nero, 
den  Sohn  des  Domitius  Ahenobarbus,  will  Autor,  der  päpstlichen  Verwandtschaft  wegen, 
nicht  unverbindlich  sein ;  er  sagt  von  demselben  nur :  de  quo  rerum  scriptores  multa  ac 
diversa  commemorant.  —  Noch  stärker  war  es  freilich  z.  B.,  wenn  die  Familie  Plato  in  Mai- 
land sich  schmeichelte,  von  dem  großen  Plato  abzustammen,  wenn  Filelfo  in  einer  Hoch- 
zeitsrede und  in  einer  Lobrede  auf  den  Juristen  Teodoro  Plato  dies  sagen  durfte,  und  wenn 
ein  Giovanantonio  Plato  der  von  ihm  1478  gemeißelten  Relieffigur  des  Philosophen  (im 
Hof  des  Pal.  Mazenta  zu  Mailand)  die  Inschrift  beifügen  konnte:  Platonem  suum,  a  quo 
originem  et  Ingenium  refert  .  .  . 

372.  Hierüber  Nantiporto,  bei  Murat.  III,  II,  Col.  1094;  Infessura  bei  Eccard,  Scrip- 
tores, II,  Col.  1951;  —  Matarazzo,  im  Arch.  stör.  XVI,  II,  p.  180. 

373.  Schon  unter  Julius  II.  grub  man  nach  in  der  Absicht,  Statuen  zu  finden.  Vasari  XI, 
p.  302,  V.  di  Gio.  da  Udine. 

374.  Quatremerc,  Stör,  della  vita  etc.  di  Rafaello,  ed.  Longhena  p.  531. 

375.  Lettere  pittoriche   II,  I.  Tolomei  an   Landi,   14.  Nov.  1542. 

376.  Er  wollte  curis  animique  doloribus  quacunque  ratione  aditum  intercludere,  heiterer 
Scherz  und  Musik  fesselten  ihn,  und  er  hoffte  auf  diese  Weise  länger  zu  leben.  Leonis  X. 
vita  anonyma,  bei  Roscoe,  ed.  Bossi  XII,  p.  169. 

377.  Von  Ariostos  Satiren  gehören  hierher  die  I.  (Perc'  ho  molto  etc.)  und  die  IV. 
(Poiche,  Annibaie  etc.). 

378.  Ranke,  Päpste,  I,  408 f.  —  Lettere  de'  principi  I,  Brief  des  Negri  i.  September 
1522:  .  .  .  tutti  questi  cortigiani  esausti  da  Papa  Leone  e  falliti  .  .  . 


342 


ANMERKUNGEN 


379.  Pii  II.  Commentarii  p.  251,  im  V.  Buch.  —  Vgl.  auch  Sannazaros  Elegie  in  ruinas 
Cumarum,  im  2.  Buche. 

380.  Polifilo,  Hypnerotomachia,  ohne  Seitenzahlen.  Im  Auszug  bei  Temanza,  p.  12. 

381.  Während  alle  Kirchenväter  und  alle  Pilger  nur  von  einer  Höhle  wissen.  Auch  die 
Dichter  können  des  Palastes  entbehren.  Vgl.  Sannazaro,  de  partu  Virginis,  L.  II. 

382.  Hauptsächlich  aus  Vespasiano  Fiorentino,  im  X.  Bande  des  Spicileg.  romanum 
von  Mai.  Der  Autor  war  ein  florentinischer  Bücherhändler  und  Kopienlieferant  um  die 
Mitte  des  i5.Jahrh.  und  nach  derselben. 

383.  Bekanntlich  vrarde,  um  die  Begier  nach  dem  Altertum  zu  täuschen  oder  zu  brand- 
schatzen, auch  einiges  Unechte  geschmiedet.  Man  sehe  in  den  literar-geschichtlichen  Wer- 
ken statt  alles  übrigen  die  Artikel  über  Annius  von  Viterbo. 

384.  Vespas.  Fior.  p.  31.  Tommaso  da  Serezana  usava  dire,  che  dua  cosa  farebbe,  s'egli 
potesse  mai  spendere,  ch'era  in  libri  e  murare.  E  l'una  e  l'altra  fece  nel  suo  pontificato.  — 
Seine  Übersetzer  s.  bei  Aen.  Sylvius,  de  Europa,  cap.  58,  p.  459,  und  bei  Papencordt, 
Gesch.  der  Stadt  Rom,  p.  502. 

385.  Vespas.  Fior.  p.  48  und  658.  665.  Vgl.  J.  Mannetti,  Vita  Nicolai  V.  bei  Murat.  III, 
II,  Col.  925,  s.  —  Ob  und  wie  Calixt  III.  die  Sammlung  wieder  teilweise  verzettelte,  s. 
Vespas.  Fior.,  p.  284,  s.  mit  Mais  Anmerkung. 

386.  Vespas.  Fior.  p.617,  s. 

387.  Vespas.  Fior.  p.  547,  s. 

388.  Vespas.  Fior.  p.  193.  Vgl.  Marin  Sanudo,  bei  Murat.  XXII,  Col.  1185  s. 

3S9.  Wie  man  einstweilen  damit  umging,  s.  b.  Malipiero,  Ann.  veneti,  Arch.  stör.  VII, 
II,  p.  653.  655. 

390.  Vespas.  Fior.  p.  124,  s. 

391.  Etwa  bei  der  Einnahme  von  Urbino  durch  das  Heer  Cesare  Borgias  ?  —  Mai  be- 
zweifelt die  Existenz  der  Handschrift,  ich  kann  aber  nicht  glauben,  daß  Vespasiano  etwa 
die  bloßen  Gnomenexzerpte  aus  Menander,  bekanntlich  nur  ein  paar  hundert  Verse,  mit 
,,tutte  le  opere"  und  in  jener  Reihe  umfangreicher  Codices  (mochte  es  auch  nur  unser 
jetziger  Sophokles  und  Pindar  sein)  aufgeführt  haben  würde.  Es  ist  nicht  undenkbar,  daß 
jener  Menander  noch  einmal  zum  Vorschein  kommt. 

392.  Wenn  Piero  de'  Medici  beim  Tode  des  bücherliebenden  Königs  Matthias  Corvinus 
von  Ungarn  voraussagt,  die  Scrittori  würden  fortan  ihre  Preise  ermäßigen  müssen,  da  sie 
sonst  von  niemand  mehr  (seil,  als  von  uns)  beschäftigt  würden,  so  kann  dies  nur  auf  die 
Griechen  gehen,  denn  Kalligraphen,  auf  welche  man  es  zu  deuten  versucht  wäre,  gab  es 
fortwährend  viele  in  ganz  Italien.  —  Fabroni,  Laurent,  magn.  Adnot.  156.  Vgl.  Adnot.  154. 

393.  Gaye,  Carteggio,  I,  p.  164.  Ein  Brief  von  1455,  unter  Calixt  III.  Auch  die  berühmte 
Miniaturenbibel  von  Urbino  ist  von  einem  Franzosen,  Arbeiter  Vespasianos,  geschrieben. 
S.  D'Agincourt,  Malerei,  Tab.  78. 

394.  Vespas.  Fior.  p.  335. 

395.  Auch  für  die  Bibliotheken  von  Urbino  und  Pesaro  (die  des  Aless.  Sforza,  S.  22) 
hatte  der  Papst  eine  ähnliche  Gefälligkeit. 

396.  Vespas.  Fior.  p.  129. 

397.  Artes  —  Quis  labor  est  fessis  deniptus  ab  articulis,  in  einem  Gedicht  des  Robertus 
Ursus  um  1470,  Rerum  ital.  scriptt.  ex  codd.  Florent.,Tom.  II,  Col.  693.  Er  freut  sich  etwas 
früh  über  die  zu  hoffende  rasche  Verbreitung  der  klassischen  Autoren.  Vgl.  Libri,  Hist. 
des  Sciences  mathömatiques  II,  278,  s.  —  Über  die  Drucker  in  Rom  Gaspar.  Veron.  Vita 
Pauli  II,  bei  Murat.  III,  II,  Col.  1046.  Das  erste  Privilegium  in  Venedig  s.  Marin  Sanudo, 
bei  Murat.  XXII,  Col.  1189. 

398.  Etwas  Ähnliches  hatte  schon  zur  Zeit  des  Schreibens  existiert,  s.  Vespas.  Fior. 
p.  656,  s.  über  die  Weltchronik  des  Zembino  von  Pistoja. 

399.  Fabroni,  Laurent,  magn.  Adnot.  212.  —  Es  geschah  in  betreff  der  Schmähschrift 
de  exilio. 

400.  Vgl.  Sismondi  VI,  p.  149,  s. 


ANMERKUNGEN 


343 


401.  Das  Aussterben  dieser  Griechen  konstatiert  Pierius  Valerian.  de  infelicitate  literat. 
bei  Anlaß  der  Lascaris.  Und  Paulus  Jovius  am  Ende  seiner  Elogia  iiteraria  sagt  von  den 
Deutschen :  .  .  .  quum  literae  non  latinae  modo  cum  pudore  nostro,  sed  gracae  et  hebraicae 
in  eorum  terras  fatali  commigratione  transierint  (gegen  1540). 

402.  Ranke,  Päpste,  I,  486.  —  Man  vgl.  das  Ende  dieses  Abschnittes. 

403.  Tommasso  Gar,  Relazioni  della  corte  di  Roma,   I,  p.  338.  379. 

404.  Georg  von  Trapezunt  mit  150  Dukaten  in  Venedig  1459  als  Professor  der  Rethorik 
besoldet,  Malipiero,  Arch.  stör.  VII,  II,  p.  653.  —  Über  den  griechischen  Lehrstuhl  in 
Perugia  s.  Arch.  stör.  XVI,  II,  p.  19  der  Einleitung.  —  Für  Rimini  bleibt  es  ungewiß,  ob 
griechisch  doziert  wurde;  vgl.  Anecd.  litt.  II,  p.  300. 

405.  Vesp.  Fior.  p.  48.  476.  578.  614.  —  Auch  Fra  Ambrogio  Camaldolese  konnte  he- 
bräisch. Ibid.  p.  320. 

406.  Sixtus  IV.,  der  das  Gebäude  für  die  Vaticana  errichtete  und  dieselbe  durch  viele 
Ankäufe  vermehrte,  warf  auch  Besoldungen  für  lateinische,  griechische  und  hebräische 
Skriptionen  (librarios)  aus.  Piatina,  Vita  Sixti  IV;  p.  332. 

407.  Pierius  Valerian.,  de  infelic.  lit.  bei  Anlaß  des  Mongajo.  —  Über  Ramusio,  vgl. 
Sansovino,  Venezia,  Fol.  250. 

408.  Vorzüglich  in  dem  wichtigen  Briefe  vom  J.  1485  an  Ermolao  Barbaro,  bei  Ang. 
Politian.  epistolae,  L.  IX.  —  Vgl.  Jo.  Pici  oratio  de  hominis  dignitate. 

409.  Wie  sie  sich  selber  taxierten,  verrät  z.  B.  Poggio  (de  avaritia,  fol.  2),  indem  nach 
seiner  Ansicht  nur  solche  sagen  können,  sie  hätten  gelebt,  se  vixisse,  welche  gelehrte  und 
beredte  lateinische  Bücher  geschrieben  oder  Griechisches  in  Lateinisches  übersetzt  haben. 

410.  Bes.  Libri,  Histoire  des  sciences  math^m.  II,   159,  s.  258,  s. 

411.  Purgatorio  XVIII.  enthält  z.  B.  starke  Belege:  Maria  eilt  über  das  Gebirge,  Cäsar 
nach  Spanien ;  Maria  ist  arm  und  Fabricius  uneigennützig.  —  Bei  diesem  Anlaß  ist  aufmerk- 
sam zu  machen  auf  die  chronologische  Einflechtung  der  Sibyllen  in  die  antike  Profan- 
geschichte, wie  sie  Uberti  in  seinem  Dittamondo  (I,  Cap.  14.  15)  um  1360  versucht. 

412.  Poeta  bedeutet  noch  bei  Dante  (Vita  nuova,  p.  47)  ohnedies  nur  den  lateinisch  Dich- 
tenden, während  für  den  italienischen  die  Ausdrücke  Rimatore,  Dicitore  per  rima  gebraucht 
werden.  Allerdings  vermischen  sich  mit  der  Zeit  Ausdrücke  und  Begriffe. 

413.  Auch  Petrarca  auf  dem  Gipfel  seines  Ruhmes  klagt  in  melancholischen  Augenblik- 
ken :  sein  übles  Gestirn  habe  gewollt,  daß  er  in  später  Zeit  unter  Halunken  —  extremi 
fures  —  leben  müsse.  In  dem  fingierten  Brief  an  Livius,  Opera,  p.  704  seq. 

414.  Strenger  hält  sich  Boccaccio  an  die  eigentliche  Poesie  in  seinem  (spätem)  Brief 
an  Jacobus  Pizinga,  in  den  opere  volgari,  Vol.  XVI.  Und  doch  erkennt  er  auch  hier  nur  das 
für  Poesie,  was  von  Altertum  Notiz  nimmt,  und  ignoriert  die  Trovatoren. 

415.  Boccaccio,  Vita  di  Dante,  p.  50:  la  quäle  (laurea)  non  scienza  accresce,  ma  h  dell 
acquistata  oertissimo  testimonio  e  omamento. 

416.  Paradiso  XXV,  i.  s.  —  Boccaccio,  Vita  di  Dante,  p.  50:  sopra  le  fonti  di  San  Gio- 
vanni si  era  disposto  di  coronare.  Vgl.  Paradiso   I,   25. 

417.  Boccaccios  Brief  an  denselben,  in  den  Opere  volgari,  vol.  XVI:  si  praestet  Deus, 
concedente  senatu  Romuleo  .  .  . 

418.  Matt.  Villani,  V,  26.  Es  gab  einen  feierlichen  Umritt  durch  die  Stadt,  wobei  das 
Gefolge  des  Kaisers,  seine  Baroni,  den  Poeten  begleiteten.  —  Auch  Fazio  dcgli  Uberti  wurde 
gekrönt,  man  weiß  aber  nicht  wo  und  durch  wen. 

419.  Jac.  Volaterran.  bei  Mural.  XXIII,  Col.  185. 

420.  Vespas.  Fior.  p.  575,  589.  —  Vita  Jan.  Manetti,  bei  Murat.  XX,  Col.  543.  —  Die 
Berühmtheit  Lion.  Aretinos  war  bei  Lebzeiten  freilich  so  groß  gewesen,  daß  Leute  aus  allen 
Gegenden  kamen ,  nur  um  ihn  zu  sehen  und  daß  sich  ein  Spanier  vor  ihm  auf  die  Knie  warf. 
Vesp.  p.  56S.  —  Für  Guarinos  Denkmal  setzte  der  Magistrat  von  Ferrara  1461  die  damals 
bedeutende  Summe  von   100  Dukaten  aus. 

421.  Vgl.  Libri,  Histoire  des  sciences  math6m.  II,  p.  92.  s.  —  Bologna  war  bekanntlich 
älter,  Pisa  dagegen  eine  späte  Gründung  des  Lorenzo  magnifico,   ,,ad  solatium  vcteris 


OAA  ANMERKUNGEN 

amissae,  libertatis"  gestiftet,  wie  Giovio,  Vita  Leonis  X,  L.  I.  sagt.  —  Die  Universität 
Florenz  (vgl.  Gaye,  carteggio,  I,  p.  461  bis  560  passim ;  Matteo  Villani  1,8;  VII.  90)  schon 
1321  vorhanden  mit  Studienzwang  für  die  Landeskinder,  wurde  neu  gestiftet  nach  dem 
schwarzen  Tode  1348  und  mit  2500  Goldgulden  jährlich  ausgestattet,  schlief  aber  wieder 
ein  und  wurde  1357  abermals  hergestellt.  Der  Lehrstuhl  für  Erklärung  des  Dante,  gestif- 
tet auf  Petition  vieler  Bürger  1373,  war  in  der  Folge  meist  mit  der  Professur  der  Philologie 
und  Rhetorik  verbunden,  so  noch  bei  Filelfo. 

422.  Dies  ist  bei  Aufzählungen  zu  beachten,  wie  z.  B.  bei  dem  Professorenverzeichnis 
von  Pavia  um  1400  (Corio,  Storia  di  Milano,  fol.  290),  wo  u.  a.  20  Juristen  vorkommen. 

423.  Marin  Sanudo,  bei  Mur.  XXII,  Col.  990. 

424.  Fabroni,  Laurent,  magn.  Adnot.  52,  vom  J.  1491. 

425.  Allegretto,  Diari  sanesi,  bei   Mural.  XXIII,   Col.  824. 

426.  Filelfo  hat  bei  seiner  Berufung  an  die  neugegründete  L^niversität  Pisa  500  Gold- 
gulden wenigstens  verlangt.  Vgl.  Fabroni,  Laurent,  magn.  Adnot.  41. 

427.  Vgl.  Vespasian.  Fior.  p.  271.  572.  580.  625.  —  Vita  Jan.  Manetti,  bei  Murat.  XX, 
Col.  531,  s. 

428.  Vespas.  Fior.  p.  640.  —  Die  besonderen  Biographien  des  Vittorino  und  des  Guarino 
von  Rosmini  kenne  ich  nicht. 

429.  Vesp.  Fior.  p.  646. 

430.  An  Erzherzog  Sigismund,  Epist.  105,  p.  600,  und  an  König  Ladislaus  den  Nach- 
geborenen, p.  695,  letzteres  als  Tractatus  de  liberorum  educatione. 

43 1 .  Die  folgenden  Worte  Vespasianos  sind  unübersetzbar :  a  vederlo  in  tavola  cosi  antico 
come  era,  era  una  gentilezza. 

432.  Ebenda,  p.485. 

433.  Laut  Vespas.  p.  271  war  hier  ein  gelehrtes  Stelldichein,  wo  auch  disputiert  wurde. 

434.  S.  dessen  Vita  bei  Murat.  XX,  Col.  532,  s. 

435.  Was  man  von  derselben  vorher  kannte,  kann  nur  fragmentarisch  gewesen  sein. 
Eine  wunderliche  Disputation  über  den  Gegensatz  des  Plato  und  Aristoteles  fand  1438  zu 
Ferrara  zwischen  Hugo  von  Siena  und  den  auf  das  Konzil  gekommenen  Griechen  statt. 
Vgl.  Aeneas  Sylvius,  De  Europa,  Cap.  52  (Opera,  p.  450). 

436.  Bei  Nie.  Valori,  im  Leben  des  Lorenzo  magn.  —  Vgl.  Vespas.  Fior.  p.  426.  Die 
ersten  Unterstützer  des  Arg.  w-aren  die  Acciajouli.  Ib.  192:  Kardinal  Bessarion  und  seine 
Parallele  zwischen  Plato  und  Aristoteles.  Ib.  223  :  Cusanus  als  Platoniker.  Ib.  308 :  Der  Kata- 
lonier  Narciso  und  seine  Disputation  mit  Argyropulos.  Ib.  571  :  Einzelne  piaton.  Dialoge 
schon  von  Lionardo  Aret.  übersetzt.  Ib.  298 :  Die  beginnende  Einwirkung  des  Neoplato- 
nismus. 

437.  Varchi,  Stör,  fiorent.  L.   IV.  p.  321.  Ein  geistvolles  Lebensbild. 

438.  Die  obengenannten  Biographien  Rosminis  (über  Vittorino  und  Guarino)  sowie 
Shepherd,  Leben  des  Poggio,  müssen  vieles  hierüber  enthalten. 

439.  Epist.  39 ;  Opera,  p.  526,  an  Mariano  Socino. 

440.  Es  darf  nicht  irremachen,  daß  daneben  eine  fortlaufende  Reihe  von  Klagen  über 
die  Geringfügigkeit  des  fürstlichen  Mäzenates  und  über  die  Gleichgültigkeit  mancher  Für- 
sten gegen  den  Ruhm  sich  laut  macht.  So  z.  B.  bei  Bapt.  Mantan.  Eclog.  V,  noch  aus  dem 
iS.Jahrh.  —  Es  war  nicht  möglich,  allen  genug  zu  tun. 

441.  Für  das  wissenschaftliche  Mäzenat  der  Päpste  bis  gegen  Ende  des  15.  Jahrh.  muß 
hier  der  Kürze  wegen  auf  den  Schluß  von  Papencordts  ,, Geschichte  der  Stadt  Rom  im 
Mittelalter"  verwiesen  werden. 

442.  Lil.  Greg.  Gyraldus,  de  poetis  nostri  temporis,  bei  Anlaß  des  Sphaerulus  von 
Camerino.  Der  gute  Mann  wurde  damit  nicht  zu  rechter  Zeit  fertig  und  hatte  seine  Arbeit 
schon  40  Jahre  später  im  Pult.  —  Über  die  magern  Honorare  des  Sixtus  IV.  vgl.Pierio  Valcr. 
de  infelic.  lit.  bei  Anlaß  des  Theodorus  Gaza.  —  Das  absichtliche  Femhalten  der  Humani- 
sten vom  Kardinalat  bei  den  Päpsten  vor  Leo,  vgl.  Lor.  Granas  Leichenrede  auf  Kard. 
Egidio,  Anecd.  litt.  IV,  p.  307. 


ANMERKUNGEN  345 

443.  Das  Beste  in  den  Deliciae  poetarum  italorum  und  ihn  den  Beilagen  zu  den  verschie- 
denen Ausgaben  von  Roscoe,  Leo  X. 

444.  Paul.  Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des  Guido  Posthumus. 

445.  Pierio  Valeriano  in  seiner  „Simia". 

446.  S.  die  Elegie  des  Joh.  Aurelius  Mutius,  in  den  Delicis  poet.  ital. 

447.  Die  bekannte  Geschichte  von  der  purpursanitnen  Börse  mit  Goldpäckchen  ver- 
schiedener Größe,  in  welche  Leo  blindlings  hineingreift,  bei  Giraldi,  Hecatorrunithi  VI, 
Nov.  8.  Dafür  wurden  Leos  lateinische  Tafelimprovisatoren,  wenn  sie  gar  zu  hinkende 
Verse  machten,  mit  Peitschen  geschlagen.  Lil.  Greg.  Gyraldus,  de  poetis  nostri  temp. 

448.  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi   IV,   181. 

449.  Vespas.  Fior.  p.  68,  s.  Die  Übersetzungen  aus  dem  Griechischen,  die  A.  machen 
ließ,  p.  93.  —  Vita  Jan.  Manetti,  bei  Murat.  XX,  Col.  541,  s.  550,  s.  595.  —  Panormita: 
Dicta  et  facta  .\lphonsi,  samt  den  Glossen  des  Aeneas   Sylvias. 

450.  Ovid.  Amores   III,   15,  vs.  11.  —  Jovian.  Pontan.,  de  principe. 

451.  Giom.  napolet.  bei  Murat.  XXI,  Col.  1127. 

452.  Vespas.  Fior.  p.  3.  119,  s.  —  Volle  aver  piena  notizia  d'ogni  cosa,  cosi  sacra  come 
gentile.  —  Vgl.  oben  S.  36. 

453.  Beim  letzten  Visconti  streiten  sich  noch  Livius  und  die  französischen  Ritterromane 
nebst  Dante  und  Petrarca  um  die  Teilnahme  des  Fürsten.  Die  Humanisten,  welche  sich 
bei  ihm  meldeten  und  ihn  , .berühmt  machen"  wollten,  pflegte  er  nach  wenigen  Tagen  wie- 
der wegzuschicken.  Vgl.  Decembrio,  bei  Murat.  XX,  Col.  1014. 

454.  Paul.  Jov.  Vita  Alfonsi  ducis. 

455.  Über  CoUenuccio  am  Hofe  des  Giovanni  Sforza  von  Pesaro  (Sohn  des  Alessandro, 
S.  22),  der  ihn  zuletzt  mit  dem  Tode  lohnte,  s.  S.  iio.  —  Beim  letzten  Ordelaffo  zu  Forli 
versah  Codrus  Urceus  die  Stelle.  —  Unter  den  gebildeten  Tyrannen  ist  auch  der  1488  von 
seiner  Gattin  ermordete  Galeotti  Manfreddi  von  Faenza  zu  nennen  ;  ebenso  einzelne  Benti- 
vogli  von  Bologna. 

456.  Anecdota  literar.  II,  p.  305,  s.  405.  Basinius  von  Parma  spottet  über  Porcellio  und 
Tommaso  Seneca :  sie  als  hungrige  Parasiten  müßten  in  ihrem  Alter  noch  die  Soldaten 
spielen,  indes  er  mit  ager  und  villa  ausgestattet  sei.  (Um  1460;  ein  belehrendes  Aktenstück, 
aus  welchem  hervorgeht,  daß  es  noch  Humanisten,  wie  die  zwei  letzgenannten  gab,  welche 
sich  gegen  das  Aufkommen  des  Griechischen  zu  wehren  suchten.) 

457.  Das  Nähere  über  diese  Gräber  bei  Keyßler,  Neueste  Reisen,  S.  924. 

458.  Pii  II.  Comment.  L.  II,  p.  92.  Historiae  ist  hier  der  Inbegriff  des  ganzen  Altertums. 

459.  Fabroni,  Cosmus,  Adnot.  117.  —  Vespas.  Fior.  passim.  —  Eine  Hauptstelle  über 
das,  was  die  Florentiner  von  ihren  Sekretären  verlangten,  bei  Aeneas  Sylvius,  De  Europa, 
cap.  54  (Opera  p.  454). 

460.  Vgl.  S.  172  und  Papencordt,  Gesch.  der  Stadt  Rom,  p.  512,  über  das  neue  Kolle- 
gium der  Abbreviatoren,  welche  Pius  gründete. 

461.  Anecdota  lit.  I,  p.  1 19,  s.  Plaidoyer  des  Jacobus  Volaterranus  im  Namen  der  Sekre- 
täre, ohne  Zweifel  aus  der  Zeit  Sixtus  IV.  —  Der  humanistische  Anspruch  der  Konsisto- 
rialadvokaten  beruhte  auf  ihrer  Redekunst,  wie  der  der  Sekretäre  auf  den  Briefen. 

462.  Die  wirkliche  kaiserliche  Kanzlei  unter  Friedrich  III.  kannte  Aeneas  Sylvius  am 
besten.  Vgl.  Epp.  23  und   105,  Opera,  p.516  und  607. 

463.  Corio,  Storia  di  Milano,  fol.  449  der  Brief  der  Isabella  von  Aragon  an  ihren  Vater 
Alfons  von  Neapel ;  fol.  451 ,  464  zwei  Briefe  des  Moro  an  Carl  VIII.  —  Womit  zu  verglei- 
chen das  Histörchen  in  den  Lettere  pittoriche  III,  86  (Sebast.  del  Poimbo  an  Aretino),  wie 
Clemens  VII.  während  der  Verwüstung  Roms  im  Kastell  seine  Gelehrten  aufbietet  und 
sich  eine  Epistel  an  Karl  V.  konzipieren  läßt,  jeden  besonders. 

464.  Man  vgl.  die  Reden  in  den  Opera  des  Philelphus,  Sabellicus,  Beroaldus  d.Ä.  usw. 
und  die  Schriften  und  Biographien  des  Jan.  Mannetti,  Aeneas  Sylvius  usw. 

465.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  198.  205. 

466.  Pii  II.  Comment.   L.   I,  p.  10. 


346  ANMERKUNGEN 

467.  So  groß  der  Sukzeß  des  glücklichen  Redners  war,  so  furchtbar  war  natürlich  das 
Steckenbleiben  vor  großen  und  erlauchten  Versammlungen.  Schreckensbeispiele  sind  ge- 
sammelt bei  Petrus  Crinitus,  de  honesta  disciplina  V,  cap.  3.  Vgl.  Vespas.  Fior.  p.  319.  430. 

468.  Pii  II.  Comment.  L.  IV.  p.  205.  Es  waren  noch  dazu  Römer,  die  ihn  in  Viterbo  er- 
warteten. Singuli  per  se  verba  fecere,  ne  alius  alio  melior  videretur,  cum  essent  eloquentia 
ferme  pares.  —  Daß  der  Bischof  von  Arezzo  nicht  das  Wort  führen  durfte  für  die  Kollek- 
ti vgesandtschaft  der  italienischen  Staaten  an  den  neugewählten  AlexanderVI . ,  zählt  Guicciar- 
dini  (zu  Anfang  des  I.  B.)  ganz  ernsthaft  unter  den  Ursachen  auf,  welche  das  Unglück 
Italiens   1494  herbeiführen  halfen. 

469.  Mitgeteilt  von  Marin  Sanudo,  bei  Murat.  XXII,  Col.  1160. 

470.  Pii  II.  Comment.  L.  II  p.  107.  Vgl.  p.  87.  — •  Eine  andere  lateinische  Rednerin 
fürstlichen  Standes  war  Madonna  Battista  Montefeltro,  vermählte  Malatesta,  welche  Sigis- 
mund  und  Martin  haranguierte.  Vgl.  Arch.  stör.  IV,  I.  p.  442,  Nota. 

471.  De  expeditione  in  Turcas,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  68.  Nihil  enim  Pii  concionantis 
maiestate  sublimius.  —  Außer  dem  naiven  Wohlgefallen,  womit  Pius  selbst  seine  Erfolge 
schildert,  vgl.  Campanus,  Vita  Pii  II,  bei  Murat.  III,  II,  passim. 

472.  Carl  V.  hat  doch  einmal,  als  er  in  Genua  der  Blumensprache  eines  latein.  Redners 
nicht  folgen  konnte,  vor  Giovios  Ohren  geseufzt:  ,,Ach  wie  hat  mein  Lehrer  Hadrian  einst 
recht  gehabt,  als  er  mir  weissagte,  ich  würde  für  meinen  kindischen  Unfleiß  im  Lateini- 
schen gezüchtigt  werden  I"  —  Paul.  Jov.  vita  Hadriani  VI. 

473.  Lil.  Greg.  Gyraldus,  de  poetis  nostri  temp.,  bei  Anlaß  des  CoUenuccio.  —  Filelfo, 
ein  verheirateter  Laie,  hielt  im  Dom  von  Como  die  Einführungsrede  für  den  Bischof 
Scarampi  1460. 

474.  Fabroni,  Cosmus,  Adnot.  52. 

475.  Was  doch  z.B.  dem  Jac.  Volaterranus  (bei  Murat.  XXIII,  Col.  171)  bei  Piatinas 
Gedächtnisfeier  einigen  Anstoß  gab. 

476.  Anecdota  lit.  I,  p.  299,  in  Fedras  Leichenrede  auf  Lod.  Podocataro,  welchen  Gua- 
rino  vorzugsweise  zu  solchen  Aufträgen  bestimmte. 

477.  Von  solchen  Einleitungsvorlesungen  sind  viele  erhalten,  in  den  Werken  des  Sa- 
bellicus,  Beroaldus  maior,  Codrus  Urceus  usw. 

478.  Den  ausgezeichneten  Ruhm  von  Pomponazzos  Vortrag  s.  bei  Paul.  Jov.  Elogia. 

479.  Vespas.  Fior.  p.  103.  Vgl.  die  Geschichte  p.  598,  wie  Gianozzo,  Mannetti  zu  ihm 
ins  Lager  kommt. 

480.  Archiv,  stör.  XV,  p.  113.  121,  Canestrinis  Einleitung ;  p.342,s.  der  Abdruck  zweier 
Soldatenreden;  die  erste,  von  Alamanni,  ist  ausgezeichnet  schön  und  des  Momentes  (1528) 
würdig. 

481.  Hierüber  Faustinus  Terdoceus,  in  seiner  Satire  De  triumpho  stultitiae,  lib.  II. 

482.  Diese  beiden  erstaunlichen  Fälle  kommen  Sabellicus  vor  (Opera,  fol.  61 — 82.  De 
origine  et  auctu  religionis,  zu  Verona  vor  dem  Kapitel  der  Barfüßer  von  der  Kanzel  gehal- 
ten, und:  De  sacerdotii  laudibus,  zu  Venedig  gehalten).  Vgl.  S.  182,  Anm.  6. 

483.  Jac.  Volaterrani  Diar.  roman.,  bei  Mur.  XXIII.  passim.  —  Col.  173  wird  eine  höchst 
merkwürdige  Predigt  vor  dem  Hofe,  doch  bei  zufälliger  Abwesenheit  Sixtus  IV.  erwähnt: 
Pater  Paolo  Toscanella  donnerte  gegen  den  Papst,  dessen  Familie  und  die  Kardinäle;  Six- 
tus erfuhr  es  und  lächelte. 

484.  Eil.  Villani,  vite,  p.  33. 

4S5.  Georg.  Trapezunt.  Rhetorica,  das  erste  vollständige  Lehrgebäude.  —  Aen. 
Sylvius:  Artis  rhetoricae  praecepta,  in  den  Opera  p.  992  bezieht  sich  absichtlich  nur  auf 
Satzbau  und  Wortfügung;  übrigens  bezeichnend  für  die  vollkommene  Routine  hierin. 
Er  nennt  mehrere  andere  Theoretiker. 

486.  Dessen  Vita  bei  Murat.  XX  ist  ganz  voll  von  den  Wirkungen  seiner  Eloquenz.  — 
Vgl.  Vespas.  Fior.  592,  s. 

487.  Annales  Placcntini  bei  Murat.  XX,  Col.  918. 


ANMERKUNGEN  347 

488.  So  dem  Savonarola,  vgl.  Perrens,  Vie  de  Savonarole  I,  p.  163.  Die  Stenographen 
konnten  jedoch  ihm  und  z.  B.  auch  begeisterten  Improvisatoren  nicht  immer  folgen. 

489.  Und  zwar  keines  von  den  bessern.  Das  Bemerkenswerteste  ist  die  Floskel  am 
Schlüsse :  Esto  tibi  ipsi  archetypon  et  exemplar,  teipsum  imitare  etc. 

490.  Briefe  sowohl  als  Reden  dieser  Art  schrieb  Alberto  di  Ripalta,  vgl.  die  von  ihm  ver- 
faßten Annales  Piacentini,  bei  Murat.  XX,  Col.  914,  s.  wo  der  Pedant  seinen  literarischen 
Lebenslauf  ganz  lehrreich  beschreibt. 

491 .  Pauli  Jovii  Dialogus  de  viris  litteris  illustribus,  bei  Tiraboschi,  Tom.  VII,  Parte  IV. 

—  Doch  meint  er  noch  wohl  ein  Jahrzehnt  später,  am  Schluß  der  Elogia  literaria :  Tenemus 
adhuc,  nachdem  das  Primat  der  Philologie  auf  Deutschland  übergegangen,  sincerae  et 
constantis  eloquentiae  munitam  arcem  etc. 

492.  Eine  besondere  Gattung  machen  natürlich  die  halbsatirischen  Dialoge  aus,  welche 
CoUenuccio  und  besonders  Pontano  dem  Lucian  nachbildeten.  Von  ihnen  sind  dann  Eras- 
mus  und  Hütten  angeregt  worden.  —  Für  die  eigentlichen  Abhandlungen  mochten  früher 
schon  Stücke  aus  den  Moralien  des  Plutarch  als  Vorbild  dienen. 

493.  Benedictus:  Caroli  VIII.  hist.,  bei  Eccard,  scriptt.  II,  Col.  1577. 

494.  Petrus  Crinitus  beklagt  diese  Verachtung,  de  honesta  discipl.  L.  XVIII,  cap.  9. 
Die  Humanisten  gleichen  hierin  den  Autoren  des  späteren  Altertums,  welche  ebenfalls 
ihrer  Zeit  aus  dem  Wege  gingen.  —  Vgl.  Burckhardt,  Die  Zeit  Constantins  d.  Gr.  S.  285  u.  s. 

495.  In  dem  Briefe  an  Pizinga,  in  den  Opere  volgari  vol.  XVI.  —  Noch  bei  Raph.  Vola- 
terranus,  L.  XXI,  fängt  die  geistige  Welt  mit  dem  14.  Jahrh.  an,  also  bei  demselben  Autor, 
dessen  erste  Bücher  so  viele  für  jene  Zeit  treffliche  spezialgeschichtliche  Übersichten  für 
alle  Länder  enthalten. 

496.  Wie  der  des  Giannozzo  Mannetti  in  Gegenwart  Nicolaus  V.,  der  ganzen  Kurie  und 
zahlreicher, weither  gekommener  Fremden;  vgl.  Vespas.Fior.p. 592.  und  die  vita  Jan.Man. 

497.  Auch  des  Vergangenen,  darf  man  bei  Macchiavelli  sagen. 

498.  Fand  man  doch  bereits  damals,  als  schon  Homer  allein  die  Summe  aller  Künste 
und  Wissenschaften  enthalte,  daß  er  eine  Enzyklopädie  sei.  Vgl.  Codri  Urcei  opera,  Sermo 
XIII,  Schluß. 

499.  Ein  Kardinal  unter  Paul  II.  Heß  sogar  seinen  Köchen  des  A.  Ethik  vortragen.  Vgl. 
Gasp.  Veron.  vita  Pauli  II.  bei  Muratori  III,  II,  Col.  1034. 

500.  Für  das  Studium  des  Aristoteles  im  allgemeinen  ist  besonders  lehrreich  eine  Rede 
des  Hermolaus  Barbarus. 

501.  Bursellis,  Ann.  Bonon.,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  898. 

502.  Vasari  XI,  p.  189.  257,  vite  di  Sodoma  e  di  Garofalo.  —  Begreiflicherweise  bemäch- 
tigten sich  die  liederlichen  Weibspersonen  in  Rom  der  volltönendsten  antiken  Namen  Giu- 
lia,  Lucrezia,  Cassandra,  Porzia,  Virginia,  Pentesilea  usw.,  womit  sie  bei  Aretino  auftreten. 

—  Die  Juden  mögen  vielleicht  damals  die  Namen  der  großen  semitischen  Römerfeindc 
Amilcare,  Annibale,  Asdrubale  an  sich  genommen  haben,  die  sie  noch  heute  in  Rom  so 
häufig  führen. 

503.  Quasi  che'l  nome  i  buon  giudici  inganni, 
E  che  quel  meglio  t'abbia  a  far  poeta. 
Che  non  farä  lo  studio  di  molt'  anni  I 

—  so  spottet  Ariosto,  der  freilich  vom  Schicksal  einen  wohllautenden  Namen  mitbekommen 
hatte,  in  der  VII.  Satire,  Vs.  64. 

504.  Oder  schon  nach  denjenigen  des  Bojardo,  die  zum  Teil  die  seinigen  sind. 

505.  So  werden  die  Soldaten  des  französ.  Heeres  1512 :  omnibus  diris  ad  inferos  devocati. 
Den  guten  Domherrn  Tizio,  welcher  es  ernstlicher  meinte  und  gegen  fremde  Truppen  eine 
Exekrationsformel  aus  Macrobius  aussprach,  werden  wir  unten  wieder  erwähnen. 

506.  De  infelicitate  principum,  in  Poggii  opera,  fol.  152:  Cuius  (Dantis)  exstat  poema 
praeclarum,  neque,  si  literis  latinis  constaret,  ulla  ex  parte  poetis  superioribus  (den  Alten) 
postponendum.  Laut  Boccaccio,  vita  di  Dante,  p.  74  warfen  schon  damals  viele  ,,und  dar- 
unter weise"  Leute  die  Frage  auf,  warum  wohl  Dante  nicht  lateinisch  gedichtet  ? 


048  ANMERKUNGEN 

507.  Seine  Schrift  de  vulgari  eloquio  war  lange  Zeit  fast  unbekannt  und  wäre  auf  keinen 
Fall  der  siegreichen  Wirkung  der  Divina  Commedia  gleichgekommen,  so  wertvoll  sie  für 
uns  ist. 

508.  Wer  den  vollen  Fanatismus  hierin  will  kennenlernen,  vergleiche  Lil.  Greg.  Gyral- 
dus,  de  poetis  nostri  temporis,  a.  m.  O. 

509.  Freilich  gibt  es  auch  zugestandene  Stilübungen,  wie  z.  B.  in  den  Orationes  usw.  des 
altern  Beroaldus  die  zwei  aus  Boccaccios  ins  Lateinische  übersetzten  Novellen,  ja  eine  Can- 
zone  aus  Petrarca. 

510.  Vgl.  Petrarcas  Briefe  aus  der  Oberwelt  an  erlauchte  Schatten.  Opera,  p.  704,  s. 
Außerdem  p.  372  in  der  Schrift  de  rep.  optime  administranda :  ,,sic  esse  doleo,  sed  sie  est." 

511.  Ein  burleskes  Bild  des  fanatischen  Purismus  in  Rom  gibt  Jovian.  Pontanus  in 
seinem  ,, Antonius". 

512.  Hadriani  (Cornetani)  Card.  S.  Chrysogoni  de  sermone  latino  liber.  Hauptsächlich 
die  Einleitung.  — -  Er  findet  in  Cicero  und  seinen  Zeitgenossen  die  Latinität  ,,an  sich". 

513.  Paul.  Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des  Bapt.  Pius. 

514.  Paul.  Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des  Naugerius.  Ihr  Ideal  sei  gewesen:  aliquid  in  stylo 
proprium,  quod  peculiareni  ex  certa  nota  mentis  effigiem  referret,  ex  naturae,  genio  effin- 
xisse.  — Poliziano  genierte  sich  bereits,  wenn  er  Eile  hatte,  seine  Briefe  lateinisch  zu  schrei- 
ben, vgl.  Raph.  Volat.  comment.  urban.  L.  XXI. 

515.  Paul.  Jov.  Dialogus  de  viris  literis  illustribus;  bei  Tiraboschi,  ed.  Venez.  1796, 
Tom.  VII.  parte  IV.  Bekanntlich  wollte  Giovio  eine  Zeitlang  diejenige  große  Arbeit  un- 
ternehmen, welche  dann  Vasari  durchführte.  —  In  jenem  Dialog  wird  auch  geahnt  und 
beklagt,  daß  das  Lateinschreiben  seine  Herrschaft  bald  gänzlich  verlieren  werde. 

516.  In  dem  Breve  von  1517  an  Franc,  de'  Rosi,  konzipiert  von  Sadoleto,  bei  Roscoe, 
Leo  X,  ed.  Bossi  VI,  p.  172. 

517.  Gasp.  Veronens.  vita  Pauli  II,  bei  Murat.  III,  II,  Col.  1031.  Außerdem  wurden 
etwa  Seneca  und  lateinische  Übersetzungen  nach  griechischen  Dramen  aufgeführt. 

518.  In  Ferrara  spielte  man  Plautus  wohl  meist  in  italienischer  Bearbeitung  von  Colle- 
nuccio,  dem  jüngeren  Guarino  u.  a.,  um  des  Inhaltes  willen,  und  Isabella  Gonzaga  erlaubte 
sich,  diesen  langweilig  zu  finden.  —  Über  Pomp.  Laetus  vgl.  Sabellici  opera,  Epist.  L, 
XI,  fol.56,  s. 

519.  Für  das  Folgende  s.  die  Deliciae  poetarum  italor.;  —  Paul.  Jovius,  elogia;  —  Lil. 
Greg.  Gyraldus,  de  poetis  nostri  temporis;  —  die  Beilagen  zu  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi. 

520.  Filippo  Villani,  Vite,  p.  5. 

521.  Franc.  Aleardi  oratio  in  laudem  Franc.  Sfortiae  bei  Murat.  XXV.  Col.  384.  —  Bei 
der  Parallele  zwischen  Scipio  und  Cäsar  war  Guarino  für  den  letztern,  Poggio  (Opera,  epp. 
fol.  125.  134,  s.)  für  ersteren  als  für  den  Größten.  —  Scipio  und  Hannibal  in  den  Miniatu- 
ren des  Attavante,  s.  Vasari  IV,  41,  vita  di  Fiesole.  —  Die  Namen  beider  für  Picinino 
und  Sforza  gebraucht,  S.  79. 

522.  Die  glänzenden  Ausnahmen,  wo  das  Landleben  realistisch  behandelt  auftritt,  wer- 
den ebenfalls  unten  zu  erwähnen  sein. 

523.  Abgedruckt  bei  Mai,  Spicilegium  romanum,  Vol.  VIII.  (Gegen  500  Hexameter 
stark.)  Pierio  Valeriano  dichtete  an  dem  Mythus  weiter;  sein  ,,carpio"  in  den  Deliciae  poet. 
ital.  —  Die  Fresken  des  Brusasorci  am  Pal.  Murari  zu  Verona  stellen  den  Inhalt  des  Sarca 
vor. 

524.  De  sacris  diebus. 

525.  Z.B.  in  seiner  achten  Ecloge. 

526.  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi  VIII,  184;  sowie  noch  ein  Gedicht  ähnlichen  Stiles  XII, 
130.  —  Wie  nahe  steht  schon  Aiigilbcrts  Gedicht  vom  Hofe  Karls  des  Großen  dieser  Re- 
naissance. Vgl.  Pertz,  monum.  IL 

527.  Strozzii  poetae,  p.  31.  s.  Caesaris  Borgiae  ducis  cpicedium. 

528.  Pontificem  addiderat,  flammis  lustralibus  omneis 
Corporis  ablutum  labes,  Diis  Juppitcr  ipsis  etc. 


A  X  M  E  R  K  U  N  G  E  N 


349 


529.  Es  ist  der  spätere  Ercole  II.  von  Ferrara,  geb.  4.  April  1508,  wahrscheinlich  kurz 
vor  oder  nach  Abfassung  dieses  Gedichtes.  Nascere  magne  puer  matri  exspectate  patrique, 
heißt  es  gegen  Ende. 

530.  Vgl.  die  Sammlungen  der  Scriptores  von  Schardius :  Freher  usw. 

53 1 .  Uzzano  s.  Arch.  IV,  I,  296.  —  Macchiavelli :  i  Decennali.  —  Savonarolas  Geschichte 
u.  d.  Titel  Cedrus  Libani  von  Fra  Benedetto.  —  Assedio  di  Piombino,  bei  Murat,  XXV.  — 
Hierzu  als  Parallele  der  Teuerdank  und  andere  Reimwerke  des  Nordens. 

532.  Hier  nach  dem  Eingang  des  Lucretius  und  nach  Horat.  Od.  IV,  I. 

533.  Das  Hereinziehen  eines  Schutzheiligen  in  ein  wesentlich  heidnisches  Beginnen 
haben  wir  S.  35  schon  bei  einem  ernsteren  Anlaß  kennengelernt. 

534.  Si  satis  ventos  tolerasse  et  inibres 

Ac  minas  fatorum  hominumque  fraudes. 
Da  Pater  tecto  salientem  avito 
Cernere  fumum! 

535.  Andr.  Naugerii  orationes  duae  carminaque  aliquot,  Venet.  1530  in  4.  —  Die  wenigen 
Carmina  auch  größtenteils  oder  vollständig  in  den  Delicia;. 

536.  Was  man  Leo  X.  bieten  durfte,  zeigt  das  Gebet  des  Guido  Postumo  Silvestri  an 
Christus,  Maria  und  alle  Heiligen,  sie  möchten  der  Menschheit  dieses  numen  noch  lange 
lassen,  da  sie  ja  im  Himmel  ihrer  genug  seien.    Abgedr.  bei  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi 

V.  237- 

537.  Boccaccio,  Vita  di  Dante,  p.  36. 

538.  Sannazaro  spottet  über  einen,  der  ihm  mit  solchen  Fälschungen  lästig  fiel:  Sint 
vetera  haec  aliis,  mi  nova  semper  erunt. 

539.  Lettere  de'  principi,  I,  88.  91. 

540.  Malipiero,  Ann.  veneti,  Arch.  Stör.  VII,  I,  p.  508.  Am  Ende  heißt  es,  mit  Bezug 
auf  den  Stier  als  Wappentier  der  Borgia: 

Merge,  Tyber,  vitulos  animosas  ultor  in  undas; 
Bos  cadat  infemo  victima  magna  Jovi ! 

541.  über  diese  ganze  Angelegenheit  s.  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi  VII,  211.  VIII,  214, 
s.  Die  gedruckte,  jetzt  seltene  Sammlung  dieser  ,,Coryciana"  vom  J.  1524  enthält  nur  die 
lateinischen  Gedichte;  Vasari  sah  bei  den  Augustinern  noch  ein  besonderes  Buch,  worin 
sich  auch  Sonette  usw.  befanden.  Das  Anheften  von  Gedichten  woirde  so  ansteckend,  daß 
man  die  Gruppe  durch  ein  Gitter  abschließen,  ja  unsichtbar  machen  mußte.  Die  Umdeu- 
tung  von  Goritz  in  einen  Corycius  senex  ist  aus  Virgil.  Georg.  IV,  127.  Das  kummervolle 
Ende  des  Mannes  nach  dem  Sacco  di  Roma  s.  bei  Pierio  Valeriano,  de  infelic.  literat. 

542.  Abgedruckt  in  den  Beilagen  zu  Roscoe,  Leone  X,  und  in  den  Deliciae.  Vgl.  Paul. 
Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des  Arsillus.  Ferner  für  die  große  Zahl  der  Epigrammatiker  Lil. 
Greg.  Gyraldus,  a.  a.  O.  Eine  der  schlimmsten  Federn  war  Marcantonio  Casanova.  —  Von 
den  weniger  bekannten  ist  Jo.  Thomas  Musconius  (s.  d.  Deliciae)  auszuzeichnen. 

543 .  Marin  Sanudo,  in  den  Vite  de'duchi  di  Venezia  (Murat.  XXI I .)  teilt  sie  regelmäßig  mit. 

544.  Scardeonius,  de  urb.  Patav.  antiq.  (Graev.  thes.  VI,  III,  Col.  270)  nennt  als  den 
eigentlichen  Erfindereinen  gew.  Odaxius  vonPadua,  um  die  Mitte  des  15.  Jahrh.  Gemischte 
Verse  aus  Latein  und  den  Landessprachen  gibt  es  aber  schon  viel  früher  allenthalben. 

545.  Man  übersehe  nicht,  daß  dieselben  sehr  früh  mit  alten  Scholien  und  neuen  Kom- 
mentaren abgedruckt  wurden. 

546.  Ariosto,  Satira  VII.  Vom  Jahre   1531. 

547.  Solche  kommen  mehrere  vor,  doch  muß  ich  einen  eigentlichen  Beweis  des  hier  Ge- 
sagten schuldig  bleiben.  Das  Wunderkind  Giulio  Campagnola  gehört  nicht  zu  den  aus  Ehr- 
geiz emporgetriebenen.  Vgl.  Scardeonius.  de  urb.  Patav.  antiq.,  bei  Graev.  thesaur.  VI,  III, 
Col.  276.  —  Das  Wunderkind  Cecchino  Bracci,  st.  1544  im  15.  Jahr,  vgl.  Trucchi,  poesie 
ital,  inedite  III,  p.  229.  —  Wie  der  Vater  des  Cardano  ihm  wollte  memoriam  artificialem 
instillare  und  ihn  schon  als  Kind  in  der  arabischen  Astrologie  unterwies,  vgl.  Cardanus,  de 
propria  vita,  cap.  34. 


350 


ANMERKUNGEN 


548.  Ausdruck  des  Filippo  Villani,  Vite  p.  5.  bei  einem  solchen  Anlaß. 
54g.  Bapt.  Mantuan.,  de  calamitatibus  teniporum,  L.  I. 

550.  Lil.  Greg.  Gyraldus:  Progymnasma  adversus  literas  et  literatos. 

551.  Lil.  Greg.  Gyraldus:  Hercules.  Die  Widmung  ist  ein  sprechendes  Denkmal  der 
ersten  drohenden  Regungen  der  Inquisition. 

552.  De  infelicitate  literatorum. 

553.  Hierzu  vgl.  schon  Dante,  Inferno,  XIII. 

554.  Ccelii  Calcagnini  opera,  ed.  Basil.  1544,  p.  loi,  im  VII.  Buch  der  Episteln.  —  Vgl. 
Pierio  Val.  de  inf.  lit. 

555.  M.  Ant.  Sabellici  opera,  Epist.  L.  XI,  fol.  56.  Dazu  die  betreffende  Biographie  in 
den  Elogia  des  Paolo  Giovio. 

556.  Jac.  Volaterran.  Diar.  Rom.  bei  Murat.  XXIII.  Co).  161.  171.  185.  —  Anecdota 
litcrar.   II,  p.  168,  s. 

557.  Paul.  Jov.  de  romanis  piscibus,  cap.  17  und  34. 

558.  Sadoleti  Epist.   106,  vom  J.  1529. 

559.  Anton.  Galatei  epist.  10  und   12,  bei  Mai,  Spicileg,  rom.  vol.  VIII. 

560.  Dieses  schon  vor  der  Mitte  des  Jahrh.  Vgl.  Lil.  Greg.  Gyraldus,  de  poetis  nostri 
tenip.  II. 

561.  Luigi  Bossi,  Vita  di  Cristoforo  Colombo,  wo  sich  eine  Übersicht  der  frühern  ital. 
Reisen  und  Entdeckungen  findet,  p.91.  s. 

562.  Hierüber  eine  Abhandlung  von  Pertz.  Eine  ungenügende  Kunde  davon  schon  bei 
Aenas  Sylvius,  Europae  Status  sub  Friderico  II.  Imp.  cap.  44.  (U.  a.  in  Frehers  Scriptores, 
Ausg.  V.   1624,  Vol.   II,  p.  87). 

563.  Pii  II.  comment.  L.  I.  p.  14.  —  Daß  er  nicht  immer  richtig  beobachtete  und  bis- 
weilen das  Bild  v^'ilikürlich  ergänzte,  zeigt  uns  z.  B.  seine  Beschreibung  Basels  nur  zu  klar. 
Im  Ganzen  bleibt  ihm  doch  ein  hoher  Wert. 

564.  Im  16.  Jahrh.  hielt  sich  Italien  noch  lange  als  die  vorzugsweise  Heimat  der  kosmo- 
graphischen  Literatur,  als  die  Entdecker  selbst  schon  fast  nur  den  atlantischen  Völkern 
angehörten.  Die  einheimische  Geographie  hat  gegen  Mitte  des  Jahrh.  das  große  und  sehr 
achtungswertc  Werk  des  Leandro  Alberti:  Descrizione  di  tutta  l'Italia  aufzuweisen. 

565.  Libri,  Histoire  des  sciences  mathematiques  en  Italie,  IV  vols.,  Paris  1838. 

566.  Um  hier  zu  einem  bündigen  Urteil  zu  gelangen,  müßte  das  Zunehmen  des  Sammeins 
von  Beobachtungen,  getrennt  von  den  wesentlich  mathematischen  Wissenschaften ,  kon- 
statiert werden,  was  unsere  Sache  nicht  ist. 

567.  Libri,  a.  a.  O.  II,  p.  174,  s. 

568.  Scardeonius,  de  urb.  Patav.  antiq.,  in  Graevii  Thesaur.  ant.  Ital.  Tom.  VI.  pars  III. 

569.  S.  die  übertriebenen  Klagen  Libris,  a.  a.  O.  II,  p.  258,  s.  So  sehr  es  zu  bedauern 
sein  mag,  daß  das  hochbegabte  Volk  nicht  einen  größern  Teil  seiner  Kraft  auf  die  Natur- 
wissenschaften wandte,  so  glauben  wir  doch,  daß  dasselbe  noch  wichtigere  Ziele  hatte  und 
teilweise  erreichte. 

570.  Alexandri  Bracci  descriptio  horti  Laurentii  Med.,  abgedruckt  u.  a.  als  Beilage 
Nr.  58  zu  Roscoes  Leben  des  Lorenzo.  Auch  in  den  Beilagen  zu  Fabronis  Laurentius. 

571.  Alondanarii  villa,  abgedruckt  in  den  Poemata  aliquot  insignia  illustr.  poetar.  recent. 

572.  Der  Tiergarten  von  Palermo  unter  Heinrich  VI.,  Otto  de  S.  Blasio  ad  a.  1194. 

573.  Als  solcher  heißt  er  hier,  gemalt  oder  in  Stein  gehauen,  marzocco.  —  In  Pisa  unter- 
hielt man  Adler,  vgl.  die  Ausleger  zu  Dante,  Inferno  XXXII,  22. 

574.  S.  das  Exzerpt  aus  Aegid.  Viterb.  bei  Papencordt,  Gesch.  der  Stadt  Rom  im  Mittel- 
alter, S.  367,  Anm.  mit  einem  Ereignis  von  1328.  —  Kämpfe  der  wilden  Tiere  untereinan- 
der und  gegen  Hunde  dienten  bei  großen  .\nlässen  zur  Belustigung  des  Volkes.  Beim  Emp- 
fang Pius  II.  und  des  Galeazzo  Maria  Sforza  zu  Florenz  1459  ließ  man  auf  dem  Signoren- 
platz  in  einem  geschlossenen  Raum  Stiere,  Pferde,  Eber,  Hunde,  Löwen  und  eine  Giraffe 
zusammen  auftreten,  aber  die  Löwen  legten  sich  hin  und  wollten  die  andern  Tiere  nicht 
angreifen.  Vgl.  Ricordi  di  Fironze,  Rcr.  ital.  scriptt.  ex  florent.  codd.  T.  II,  Col.  741.  Ab- 


ANMERKUNGEN  3^1 

weichend  hiervon  Vita  Pii  II,  Murat.  III,  II,  Col.  976.  Eine  zweite  Giraffe  schenkte  später 
der  Mamelukensultan  Kaytbey  an  Lorenzo  magnifico.  Vgl.  Paul  Jov.  Vita  Leonis  X,  L.  I. 
Sonst  war  von  der  Menagerie  Lorenzos  besonders  ein  prächtiger  Löwe  berühmt,  dessen 
Zerfleischung  durch  die  andern  Löwen  als  Vorzeichen  von  Lorenzos  Tode  galt. 

575.  Gio.  Villani  X,  185.  XI,  66.  Matteo  Villani  III,  90.  V.  68.  —  Wenn  die  Löwen  strit- 
ten oder  gar  einander  töteten,  so  galt  dies  als  schlimmes  Omen.  Vgl.  Varchi,  Stör,  florent., 
III,  p.  143. 

576.  Cron.  di  Perugia,  Arch.  Stör.  XVI,  II,  p.  77.  Zum  J.  1497.  —  Den  Peruginem  ent- 
wischte einmal  ihr  Löwenpaar,  ibid.  XVI,  I,  p.  382,  zum  J.  1434. 

577.  Gaye,  Carteggio  I,  p.  422,  zum  J.  1291.  —  Die  Visconti  brauchten  sogar  abgerich- 
tete Leoparden  als  Jagdtiere,  und  zwar  auf  Hasen,  die  man  durch  kleine  Hunde  auftrt  iben 
ließ.  Vgl.  V.  Kobell,  Wildanger,  S.  247,  wo  auch  spätere  Beispiele  der  Jagd  mit  Leoparden 
verzeichnet  sind. 

57?.  Strozii  poetae,  p.  146.  Vgl.  p.  188  und  über  den  Wildpark  p.  193. 

579.  Cron.  di  Perugia,  1.  c.  XVI,  II,  p.  199.  —  Ähnliches  schon  bei  Petrarca,  de  remed. 
utriusque  fortunae,  I,  61,  doch  noch  weniger  deutlich  ausgesprochen. 

580.  Jovian.  Pontan.  de  magnificentia.  —  Im  Tiergarten  des  Kardinals  von  Aquileja 
zu  Albano  fanden  sich  1463  außer  Pfauen  und  indischen  Hühnern  auch  syrische  Ziegen  mit 
langen  Ohren.  Pii  II.  comment.,  L.  XI,  p.  562,  s. 

581.  Decembrio,  ap.  Murat.  XX,  Col.  1012. 

582.  Das  Nähere,  recht  ergötzlich,  in  Paul.  Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des  Tristanus  Acunius. 
Die  Stachelschweine  und  Strauße  im  Pal.  Strozzi  zu  Florenz,  vgl.  Rabelais,  Pantagruel  IV, 
chap.  II. 

583.  Ebenda,  bei  Anlaß  des  Franc.  Gonzaga.  —  Der  mailändische  Luxus  in  Pferderassen, 
Bandello  Parte  II,  Nov.  3  und  8.  —  Auch  in  den  erzählenden  Gedichten  hört  man  bisweilen 
den  Pferdekenner  sprechen.  Vgl.  Pulci,  il  Morgante,  c.  XV,  str.  105,  s. 

584.  Paul.  Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des  Hippol.  Medices. 

585.  Bei  diesem  Anlaß  mögen  einige  Notizen  über  die  Sklaverei  in  Italien  zur  Zeit  der 
Renaissance  ihre  Stelle  finden.  Kurze  Hauptstelle  bei  Jovian  Pontan.  de  obedienta  L.  III: 
In  Oberitalien  gab  es  keine  Sklaven ;  sonst  kaufte  man  auch  Christen  aus  dem  türkischen 
Reich,  auch  Bulgaren  und  Zirkassier  und  ließ  sie  dienen,  bis  sie  die  Kaufsumme  abverdient 
hatten.  Die  Neger  dagegen  blieben  Sklaven,  nur  durfte  man  sie,  wenigstens  im  Reich  Neapel 
nicht  kastrieren.  —  Moro  bezeichnet  alle  dunkelfarbigen;  der  Neger  heißt  Moro  nero.  — 
Fabroni,  Cosmos,  Adn.  iio:  Akt  über  d'-n  Verkauf  einer  zirkassischen  Sklavin  (1427);  — 
Adn.  141 :  Verzeichnis  der  Sklavinnen  des  Cosimo.  —  Nantiporto,  bei  Murat.  III,  II,  Col. 
1106:  Innocenz  VIII.  erhält  hundert  Mori  als  Geschenk  von  Ferdinand  d.  Kathol.  und  ver- 
schenkt sie  weiter  an  Kardinäle  u.  a.  Herrn  (1488).  —  Massuccio,  Novelle  14:  Verkäuflich- 
keit  von  Sklaven;  —  24  u.  25:  Negersklaven  die  zugleich  (zum  Nutzen  ihrer  Herrn?)  als 
fachini  arbeiten;  —  48:  Catalanen  fangen  tunesische  Mori  und  verkaufen  sie  in  Pisa.  —  Gaye, 
carteggio  I,  360:  Manumission  und  Beschenkung  eines  Negersklaven  in  einem  florentin. 
Testamente  (1490).  —  Paul.  Jov.  Elogia,  sub  Franc.  Sfortia.  —  Porzio,  congiura,  III,  194  — 
und  Comines,  Charles  VIII,  chap.  17:  Neger  als  bestellte  Henker  und  Kerkermeister  des 
Hauses  Aragon  in  Neapel.  —  Paul.  Jov.  Elog.,  sub  Galeatio:  Neger  als  Begleiter  von  Für- 
sten bei  Ausgängen.  —  Aeneae  Sylvii  opera,  p.456:  Negersklave  als  Musikant.  —  Paul. 
Jov.  de  piscibus,  cap.  3  :  ein  (freier  ?)  Neger  als  Schwimmlehrer  und  Taucher  in  Genua.  — 
Alex.  Benedictus,  de  Carolo  VIII,  bei  Eccard,scriptores,  II,  Col.  1608:  ein  Neger  (Aethiops) 
als  höherer  venezianischer  Offizier,  wonach  auch  Othello  als  Neger  gefaßt  werden  kann.  — 
Bandello,  Parte  III,  Nov.  21 :  Wenn  ein  Sklave  in  Genua  Züchtigung  verdient,  wird  er  nach 
den  Balearen,  und  zwar  nach  Iviza  zum  Salztragen  verkauft. 

586.  Es  ist  kaum  nötig,  auf  die  berühmte  Darstellung  dieses  Gegenstandes  im  zweiten 
Bande  von  Humboldts   Kosmos  zu  verweisen. 

587.  Hierher  gehören  bei  Humboldt  a.  a.  O.  die  Mitteilungen  von  Wilhelm  Grimm. 

588.  Carmina  Burana  p.  162,  de  Phyllide  et  Flora,  str.  66. 


352 


ANMERKUNGEN 


589.  Man  wird  schwer  erraten,  was  er  sonst  auf  dem  Gipfel  der  Bismantova,  im  Gebiet 
von  Reggio,  könnte  zu  tun  gehabt  haben.  Purgat.  IV,  26.  Schon  die  Präzision,  womit 
er  alle  Teile  seines  Jenseits  zu  verdeutlichen  sucht,  beweisen  vielen  Raum-  und  Formen- 
sinn. 

590.  Außer  der  Schilderung  von  Bajae  in  der  Fiammetta,  von  dem  Hain  im  Ameto  usw. 
ist  eine  Stelle  de  Genealogia  Deor.  XIV,  1 1  von  Bedeutung,  wo  er  eine  Anzahl  landschaft- 
licher Einzelheiten,  Bäume,  Wiesen,  Bäche,  Herden,  Hütten  usw.  aufzählt  und  beifügt, 
diese  Dinge  animum  mulcent;  ihre  Wirkung  sei,  mentem  in  se  colligere. 

591.  Libri,  Hist.  des  Hciences  math.  II,  p.  249. 

592.  Obwohl  er  sich  gern  auf  sie  beruft,  z.  B. :  de  vita  solitaria,  bes.  p.  241,  wo  er  die 
Beschreibung  einer  Weinlaube  aus  S.  Augustin  zitiert. 

593.  Epist.  famil.  VII,  4,  p.  675.  Interea  utinani  scire  posses,  quanta  cum  voluptate 
solivagus  ac  über,  inter  montes  et  nemora,  inter  fontes  et  flumina,  inter  libros  et  maximo- 
rum  hominum  ingenia  respiro,  quamque  me  in  ea,  quae  ante  sunt,  cum  Apostolo  extendens 
et  praeterita  olbivisci  nitor  et  praesentia  non  videre.    Vgl.  VI,  3,  p.  665. 

594.  Jacuit  sine  carmine  sacro.  —  Vgl.  Itinerar.  syriacum,  p.  558. 

595.  Er  unterscheidet  im  Itinerar.  syr.  p.  557,  an  der  Riviera  di  Levante :  coUes  aperitate 
gratissima  et  mira  fertilitate  conspicuos.  Über  das  Gestade  von  Gaeta  vgl.  de  remediis 
utriusque  fort.   I.  54. 

596.  De  orig.  et  vita,  p.3:  subito  loci  specie  percussus. 

597.  Epist.  famil.  IV,   i,  p.  624. 

598.  II  Dittamondo,  III,  cap.  9. 

599.  Dittamondo,  III,  cap.  21.  IV,  cap.  4.  — Papencordt,  Gesch.  der  Stadt  Rom,  S.  426, 
sagt,  daß  Kaiser  Karl  IV.  vielen  Sinn  für  schöne  Gegenden  gehabt  habe  und  zitiert  hierzvi 
Pelzel,  Karl  IV.  S.  456.  (Die  beiden  andern  Zitate,  die  er  anführt,  sagen  dies  nicht.)  Es  wäre 
möglich,  daß  dergleichen  dem  Kaiser  durch  seinen  Umgang  mit  den  Humanisten  ange- 
flogen wäre. 

600.  Auch  dürfte  man  wohl  Piatina,  Vitae  Pontiff.,  p.  310  anhören:  Homo  fuit  (Pius  II.) 
verus,  integer,  apertus ;  nil  habuit  ficti,  nil  simulati,  ein  Feind  der  Heuchelei  und  des  Aber- 
glaubens, mutig,  konsequent. 

601.  Die  bedeutendsten  Stellen  sind  folgende.  Pii  II.  P.  M.  Commentarii.  L.  IV,  p.  183 
Der  Frühling  in  der  Heimat.  L.  V,  p.  251  :  Der  Sommeraufenthalt  in  Tibur.  L.  VI,  306 
Das  Mahl  an  der  Quelle  von  Vicovaro.  L.  VIII,  p.  378 :  Die  Umgegend  von  Viterbo.  p.  387 
Das  Bergklostcr  S.  Martino.  p.338:  Der  See  von  Bolsena.  L.  IX,  p.396:  Die  herrliche 
Schilderung  von  Monte  Amiata.  L.  X.  p.  483  :  Die  Lage  von  Monteoliveto.  p.  497 :  Die  Aus- 
sicht von  Todi.  L.  XI,  p.  554:  Ostia  und  Porto,  p.  562:  Beschreibung  des  Albanergebirges. 
L.  XII,  p.  609:  Frascati  und  Grottaferrata. 

602.  So  muß  es  wohl  heißen  statt:  Sizilien. 

603.  Er  nennt  sich  selbst  mit  .\nspielung  auf  seinen  Namen:  Silvarum  amator  et  varia 
vidcndi  cupidus. 

604.  Über  Leonbattista  Albertis  Verhältnis  zur  Landschaft  vgl.  S.81. 

605.  Das  ausgeführteste  Bild  dieser  Art  bei  Ariosto,  sein  sechster  Gesang,  besteht  aus 
lauter  Vordergrund. 

606.  Agnolo  Pandolfini  (Trattato  del  gov.  della  famiglia,  p.  90),  noch  ein  Zeitgenosse  des 
Aeneas,  freut  sich  auf  dem  Lande  ,,der  buschigen  Hügel,  der  reizvollen  Ebenen  und  der 
rauschenden  Gewässer",  aber  vielleicht  ist  unter  seinem  Namen  der  große  Alberti  verbor- 
gen, der,  wie  bemerkt,  noch  ein  ganz  anderes  Verhältnis  zur  Landschaft  hatte. 

607.  Über  die  architektonische  Umgebung  denkt  er  anders,  und  hier  kann  auch  die  Deko- 
ration noch  von  ihm   lernen. 

608.  Lettere  pittoriche  III,  36.  An  Tizian,  Mai   1544. 

609.  Strozii  poetae,  in  den  Erotica,  L.  VI,  p.  182,  s. 

610.  Diese  treffenden  Ausdrücke  sind  aus  dem  VII.  Bande  von  Michelets  Histoire  de 
France  (Introd.)  entnommen. 


ANMERKUNGEN 


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61 1.  Tomm.  Gar,  Relaz.  della  corte  di  Roma  I,  p.  278.  279.  In  der  Rel.  des  Soriano  vom 

J-  1533- 

612.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  295,  s.  —  Dem  Sinne  nach  ist  es  sowohl  ,, unglücklich" 
als  ,, unglückbringend".  —  Das  Verhältnis  der  Planeten  zu  den  menschlichen  Charakteren 
überhaupt  s.  bei  Corn.  Agrippa,  de  occulta  philosophia,  c.  52. 

613.  Mitgeteilt  von  Trucchi,  Poesie  italiane  inedite  I,  p.  165,  s. 

614.  Diese  reimlosen  Verse  gewannen  später  bekanntlich  die  Herrschaft  im  Drama. 
Trissino  in  seiner  Widmung  der  Sofonisba  an  Leo  X.  hofft,  daß  der  Papst  diese  Versart 
erkennen  werde  als  das,  was  sie  sei,  als  besser,  edler  und  weniger  leicht  als  es  den  An- 
schein habe.  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi  VIII,   174. 

615.  Man  vgl.  z.  B.  die  sehr  auffallenden  Formen  bei  Dante,  Vita  nuova,  p.  10  und  12. 

616.  Trucchi,  a.  a.  O.  I,  p.  181,  s. 

617.  Diese  Canzonen  und  Sonette  sind  es,  die  jener  Schmied  und  jener  Eseltreiber 
sangen  und  entstellten,  über  welche  Dante  so  böse  wurde  (vgl.  Franco  Sacchetti,  Nov.  1 14. 
115).  So  rasch  ging  diese  Poesie  in  den  Mund  des  Volkes  über. 

618.  Vita  nuova,  p.  52. 

619.  Für  Dantes  theoretische  Psychologie  ist  Purgat.  IV,  Anfang,  eine  der  wichtigsten 
Stellen.  Außerdem  vgl.  die  betreffenden  Partien  des  Convito. 

620.  Die  Porträts  der  Eyckschen  Schule  würden  für  den  Norden  eher  das  Gegenteil 
beweisen.  Sie  bleiben  allen  Schilderungen  in  Worten  noch  auf  lange  Zeit  überlegen. 

621.  Abgedruckt  im  XVI.  Bande  seiner  Opere  volgari. 

622.  Im  Gesang  des  Hirten  Teogapen,  nach  dem  Venusfeste,  Parnasso  teatrale,  Lipsia 
1829,  p.VIII. 

623.  Der  berühmte  Lionardo  Aretino  als  Haupt  des  Humanismus  zu  Anfang  des 
iS.Jahrh.  meint  zwar:  che  gli  antichi  Greci  d'umanitä  e  di  gentilezza  di  cuore  abbino 
avanzato  di  gran  lunga  i  nostri  Italiani,  allein  er  sagt  es  am  Eingang  einer  Novelle,  welche 
die  weichliche  Geschichte  vom  kranken  Prinzen  Antiochus  und  seiner  Stiefmutter  Stra- 
tonice,  also  einen  an  sich  zweideutigen  und  dazu  halbasiatischen  Beleg  enthält  (abgedruckt 
u.  a.  als  Beilage  zu  den  vento  novelle  antiche). 

624.  Dem  einzelnen  Hofe  oder  Fürsten  allerdings  wurde  von  den  Gelegenheitsdramati- 
kern hinlänglich  geshmeichelt. 

625.  Paul.  Jovius,  Dialog,  de  viris  lit.  illustr.,  bei  Tiraboschi,  Tom.  VII,  IV.  — Lil. 
Greg.  G>Taldus,  de  poetis  nostri  temp. 

626.  Isabella  Gonzaga  an  ihren  Gemahl,  3.  Febr.  1502,  Arch.  stör.  Append.  II,  p.  306,  s. 
—  Bei  den  französischen  Mysteres  marschierten  die  Schauspieler  selbst  vorher  in  Prozes- 
sionen auf,  was  man  la  montre  hieß. 

627.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  404.  .\ndere  Stellen  über  das  dortige 
Theaterwesen  Col.  278.  279.  282  bis  2S5.  361.  380.  381.  393.  397. 

628.  Strozii  poetae,  p.  232,  im   IV.  Buch  der  Aeolosticha  des  Tito  Strozza. 

629.  Franc.  Sansovino:  Venezia,  fol.  159.  Statt  parenti  ist  wohl  pareti  zu  lesen.  Seine 
Meinung  ist  auch  sonst  nicht  ganz  klar. 

630.  Dies  meint  wohl  Sansovino,  Venezia  fol.  168,  wenn  er  klagt,  die  recitanti  verdürben 
die  Komödien  ,,con  invenzioni  o  personaggi  troppo  ridicoli." 

631.  Sansovino,  a.a.O. 

632.  Scardeonius,  de  urb.  Patav.  antiq.  bei  Graevius,  Thes.  VI,  III,  Col.  288,  s.  Eine 
wichtige  Stelle  auch  für  die  Dialektliteratur  überhaupt. 

633.  Daß  Letzterer  mindestens  im  15.  Jahrh.  schon  vorhanden  ist,  läßt  sich  aus  dem  Dia- 
rio Ferrarese  schließen,  indem  dieses  aus  den  in  Ferrara  1501  aufgeführten  Menächmen 
des  Plautus  mißverständlich  einen  Menechino  macht.  Diar.  Ferr.  bei  Murat.  XXIV, 
Col.  393. 

634.  Pulci  in  seinem  Mutwillen  fingiert  für  seine  Geschichte  des  Riesen  Margutte  eine 
feierliche  uralte  Tradition  (Morgante,  canto  XIX,  str.  153,  s.).  —  Noch  drolliger  lautet  die 
kritische  Einleitung  des  Limemo  Pitocco  (Orlandino,  cap.  i,  str.  12 — 22). 

BuTCkhardt  23 


354 


ANMERKUNGEN 


635.  Der  Morgante  zuerst  gedruckt  vor  1488.  —  Das  Turnierwesen  s.  unten. 

636.  Der  Orlando  inamorato  zuerst  gedruckt  1496. 

637.  Vasari  VIII,  71,  im  Kommentar  zur  Vita  di  Raffaelle. 

638.  Die  erste  Ausgabe   1516. 

639.  Die  eingelegten  Reden  sind  nämlich  wiederum  nur  Erzählungen. 

640.  Was  sich  Pulci  wohl  erlaubt  hatte.  Morgante,  Canto  XIX,  Str.  20,  s. 

641.  Sein  Orlandino,  erste  Ausg.  1526.  —  Vgl.  oben  S.  127. 

642.  Radevicus,  de  gestis  Friderici  imp.,  bes.  II,  76.  —  Die  ausgezeichnete  Vita  Hein- 
rici  IV.  enthält  gerade  wenig  Personalschilderung. 

643.  Wie  früh  auch  Philostratus,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

644.  Hier  ist  wieder  auf  jene  oben,  S.  80.  exzerpierte  Biographie  des  L.  B.  Alberti 
hinzuweisen,  sowie  auf  die  zahlreichen  florent.  Biographien  bei  Muratori,  im  Archivio 
storico  u.  a.  a.  O. 

645.  De  viris  illustribus,  in  den  Schriften  des  Stuttgarter  literar.  Vereins. 

646.  Sein   Diarium  bei  Murat.  XXIII. 

647.  Petri  Candidi  Decembrii  Vita  Philippi  Mariae  Vicecomitis,  bei  Murat.  XX.  Vgl. 
oben  S. 30. 

648.  Über  Comines  vgl.  Anm.  Nr.  187. 

649.  Verfaßt  in  hohem  Alter,  um  1576.  —  Über  Cardano  als  Forscher  und  Entdecker 
vgl.  Libri,  Hist.  des  sciences  mathem.,  III,  p.  167,  s. 

650.  Z.  B.  die  Hinrichtung  seines  ältesten  Sohnes,  der  seine  verbuhlte  Gemahlin  ver- 
giftet hatte,  Cap.  27.  50. 

651.  Discorsi  della  vita  sobria,  bestehend  aus  dem  eigentlichen  trattato,  einem  com- 
pendio,  einer  esortazione  und  einer  lettera  an  Daniel  Barbaro.  —  Öfter  gedruckt. 

652.  Ist  dies  wohl  die  S.  253  unten  erwähnte  Villa  von  Codevico  ? 

653.  Dies  zum  Teil  schon  sehr  früh,  in  den  lombardischen  Städten  schon  im  12.  Jahrh. 
Vgl.  Landulfus  senior,  Ricobaldus  und  (bei  Murat.  X.)  den  merkwürdigen  Anonymus 
De  laudibus  Papiae,  aus  dem  14.  Jahrh.  —  Sodann  (bei  Murat.  I,  b)  Liber  de  situ  urbis 
Mediol. 

654.  Über  Paris,  welches  damals  noch  dem  Italiener  vom  Mittelalter  her  weit  mehr  galt 
als  hundert  Jahre  später,  s.  Dittamondo  IV.  cap.  18. 

655.  Savonarola,  bei  Murat.  XXIV,  Cd.  u86.  —  Über  Venedig  s.  oben  S.  49. 

656.  Der  Charakter  der  rastlos  tätigen  Bergamasken  voll  Argwohn  und  Neugier  ist  sehr 
artig  geschildert  bei  Bandello,  Parte   I,  Nov.  34. 

657.  So  Varchi,  im  IX.  Buch  der  Storie  Fiorentine  (Vol.  III,  p.  56,  s.) 

658.  Vasari,  XII,  p.  158,  v.  di  Michelangelo,  Anfang.  Andere  Male  wird  dann  doch  laut 
genug  der  Mutter  Natur  gedankt,  wie  z.  B.  in  dem  Sonett  des  Alfonso  de'  Pazzi  an  den 
Nicht-Toskaner  Annibal  Caro  (bei  Trucchi,  I.e.  III,  p.  187): 

Misero  il  Varchi!  e  piü  infelici  noi, 
Se  a  vostri  virtudi  accidentali 
Aggiunto  fosse  '1  natural,  ch'e  in  noi! 

659.  Landi :  Quaestiones  Forcianae,  Neapoli  1536,  benützt  von  Ranke,  Päpste  I,  S.  385. 

660.  Descrizione  di  tutta  l'Italia. 

661.  Commentario  delle  piü  notabili  et  mostruose  cose  d'Italia  etc.,  Venezia  1569  (wahr- 
scheinlich vor  1547  verfaßt). 

662.  Possenhafte  Aufzählungen  der  Städte  gibt  es  fortan  häufig;  z.  B.  Macaroneide, 
Phantas.  II. 

663.  Über  Filippo  Villani,  vgl.  S.  262. 

664.  Parnasso  tcatralc,  Lipsia   1829.  Introd.,  p.  VII. 

665.  Die  Lesart  ist  hier  offenbar  verdorben. 

666.  Due  occhi  ladri  noi  loro  movimcnto.  Die  ganze  Schrift  ist  reich  an  solchen  Be- 
schreibungen. 


ANMERKUNGEN  35^ 

667.  Das  sehr  schöne  Liederbuch  des  Giusto  de'  Conti :  la  bella  mano  meldet  nicht  ein- 
mal von  dieser  berühmten  Hand  seiner  Geliebten  so  viel  Spezielles  wie  Boccaccio  an  zehn 
Stellen  semes  Ameto  von  den  Händen  seiner  Nymphen  erzählt. 

668.  Della  bellezza  delle  donne,  im  I.  Band  der  Opere  di  Firenzuola,  Milano  i8o2.  — 
Seine  Ansicht  über  die  Körperschönheit  als  Anzeige  der  Seelenschönheit  vgl.  vol.  H,  p.  48 
bis  52,  in  den  ragionamenti  vor  seinen  Novellen.  —  Unter  den  vielen  andern,  welche  dies, 
zum  Teil  nach  Art  der  Alten,  verfechten,  nennen  wir  nur  Castiglione,  il  Cortigiano,  L.  IV, 
fol.  176. 

669.  Worüber  jedermann  einverstanden  war,  nicht  bloß  die  Maler  aus  Gründen  des 
Kolorits. 

670.  Bei  diesem  Anlaß  etwas  über  das  Auge  der  Lucrezia  Borgia,  aus  den  Distichen 
eines  ferraresischen  Hofpoeten,  Ercole  Strozza  (Strozii  poetae,  p.  85.  86).  Die  Macht 
ihres  Blickes  wird  auf  eine  Weise  bezeichnet,  die  nur  in  einer  künstlerischen  Zeit  erklärlich 
ist,  und  die  man  sich  jetzt  verbitten  würde.  Bald  heißt  dies  Auge  entflammend,  bald  ver- 
steinernd. Wer  die  Sonne  lange  ansieht,  wird  blind;  wer  Medusa  betrachtete,  woirde  Stein; 
wer  aber  Lucreziens  Angesicht  schaut: 

Fit  primo  intuitu  caecus  et  inde  lapis. 
Ja,  der  marmorne  schlafende  Cupido  in  ihren  Sälen  soll  von  ihrem  Blick  versteinert  sein: 

Lumina  Borgiados  saxificatus  Amor. 
Man  kann  nun  darüber  streiten,  ob  der  sogenannte  praxitelische  oder  derjenige  vcn  Michel- 
angelo gemeint  sei,  da  sie  beide  besaß. 

Und  derselbe  Blick  erschien  einem  andern  Dichter,  dem  Marcello  Filosseno,  nur  mild 
und  stolz,  mansueto  e  altero  (Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi,  VH,  p.  306). 

Vergleichungen  mit  antiken  Idealgestalten  kommen  damals  nicht  selten  vor  (S.  31,  183). 
Von  einem  zehnjährigen  Knaben  heißt  es  im  Orlandino  (II,  Str.  47) :  er  hat  einen  antiken 
Kopf,  ed  ha  capo  romano. 

671.  Bei  diesem  Anlaß,  da  das  Aussehen  der  Schläfe  durch  die  Anordnung  der  Haare 
modifiziert  werden  kann,  erlaubt  sich  F.  einen  komischen  Ausfall  gegen  die  allzuvielen 
Blumen  im  Haar,  welche  dem  Gesicht  ein  Ansehen  geben,  ,, gleich  einem  Topf  voll  Nelken 
oder  einem  Geisviertel  am  Bratspieß."  Überhaupt  versteht  er  recht  wohl  zu  karikieren. 

672.  Das  Schönheitsideal  der  Minnesinger  s.  bei  Falke,  die  deutsche  Trachten-  und 
Modenwelt,  I,  S.Ssff. 

673.  Über  die  Wahrheit  seines  Raumsinns  vgl.  S.  234,  Anm. 

674.  Inferno  XXI,  7.  Purgat.  XIII,  61. 

675.  Man  muß  es  nicht  zu  ernst  nehmen,  daß  er  an  seinem  Hofe  eine  Art  Spottdrossel, 
den  Florentiner  Greco  hatte,  hominem  certe  cuiusvis  mores,  naturam,  linguam  cum  maxi- 
mo  omnium  qui  audiebant  risu  facile  exprimentem.  Piatina,  Vitae  Pontiff.  p.  310. 

676.  Pii  II.  Comment.  VIII,  p.  391. 

677.  Diese  sogenannte  Caccia  ist  abgedruckt  im  Kommentar  zu  Castigliones  Ecloge. 

678.  S.  die  Serventese  des  Giannozzo  von  Florenz,  bei  Trucchi,  Poesie  italiane  inedite, 
II,  p.  9g.  Die  Worte  sind  zum  Teil  ganz  unverständlich,  d.  h.  w'irklich  oder  scheinbar  aus 
den  Sprachen  der  fremden  Söldner  entlehnt.  —  Auch  Macchiavells  Beschreibung  von  Flo- 
renz während  der  Pest  von  1527  gehört  gewissermaßen  hierher.  Lauter  lebendig  sprechende 
Einzelbilder  eines  schrecklichen  Zustandes. 

679.  Laut  Boccaccio  (Vita  di  Dante,  p.  77)  hätte  schon  Dante  zwei,  wahrscheinlich 
lateinische.  Belogen  gedichtet. 

680.  Boccaccio  gibt  in  seinem  Ameto  schon  eine  Art  von  mythisch  verkleideten  Deca- 
meronc  und  fällt  bisweilen  auf  komische  Weise  aus  dem  Kostüm.  Eine  seiner  Nymphen  ist 
gut  katholisch  und  wird  in  Rom  von  den  Prälaten  lüstern  angesehen;  eine  andere  heiratet. 
Im  Ninfale  Fiesolano  zieht  die  schwangere  Nymphe  Mensola  eine  ,,alte,  weise  Nymphe" 
zu  Rate  u.  dgl. 

681.  Nullum  est  hominum  genus  aptius  urbi,  sagt  Battista  Mantovano  (Ed.  VIII)  von 
den  zu  allen  Dingen  brauchbaren  Bewohnern  des  Monte  Baldo  und  der  Val  Sassina.  Be- 

23* 


3^6  ANMERKUNGEN 

kanntlich  haben  einzelne  Landbevölkerungen  noch  heute  ein  Vorrecht  auf  gewisse  Beschäf- 
tigungen in  großen  Städten. 

682.  Vielleicht  eine  der  stärksten  Stellen:  Orlandino,  cap.  V,  Str.  54 — 58. 

683.  In  der  Lombardie  scheuten  sich  zu  Anfang  des  16.  Jahrh.  die  Edelleute  nicht,  mit 
den  Bauern  zu  tanzen,  zu  ringen,  zu  springen  und  um  die  Wette  zu  laufen.  II  cortiginao, 
L.  II,  fol.  54.  —  Ein  Gutsbesitzer,  der  sich  über  Gier  und  Trug  seiner  Pachtbauern  damit 
tröstet,  daß  man  sich  dabei  in  die  Leute  schicken  lerne,  ist  A.  Pandolfini,  im  Trattato  del 
govcrno  della  famiglia,  p.  86. 

684.  Jovian.  Pontan.  de  fortitudine,  lib.  II. 

685.  Die  berühmte  veltlinische  Bäuerin  Bona  Lombarda  als  Gemahlin  des  Condottiere 
Pietro  Brunoro  lernt  man  kennen  aus  Jacobus  Bergomensis  und  aus  Porcellius,  bei  Murat. 
XXV,  Coi.43.  —  Vgl.  oben  Anm.   Nr.  308. 

686.  Über  das  Schicksal  der  damaligen  italienischen  Bauern  überhaupt  und  je  nach 
den  Landschaften  insbesondere  sind  wir  außerstande,  näheres  hier  beizubringen.  Wie  sich 
der  freie  Grundbesitz  damals  zum  gepachteten  verhielt,  welches  die  Belastung  beider  im 
Verhältnis  zur  jetzigen  Zeit  war,  müssen  Spezialwerke  lehren,  die  uns  nicht  zu  Gebote 
stehen.  In  stürmischen  Zeiten  pflegen  die  Bauern  bisweilen  schrecklich  zu  verwildern 
(Arch.  stör.  XVI,  I,  p.  451,  s.  —  Corio,  fol.  259.  —  Annales  ForoHv.  bei  Murat.  XXII, 
Col.  227)  aber  nirgends  kommt  es  zu  einem  großen  gemeinsamen  Bauernkrieg.  Von  einiger 
Bedeutung  und  an  sich  sehr  interessant  ist  der  Bauernaufstand  um  Piacenza  1462.  Vgl. 
Corio,  Storia  di  Milano,  fol.  409.  Annales  Piacent,  bei  Murat.  XX,  Col.  907.  Sismondi,  X, 
p.  138. 

687.  Poesie  di  Lorenzo  magnif.,  I,  p.  37,  s.  —  Die  sehr  merkwürdigen  Gedichte  aus  der 
Zeit  des  deutschen  Minnegsanges,  welche  den  Namen  des  Neithard  von  Reuenthal  tragen, 
stellen  das  Bauemieben  doch  nur  dar,  insoweit  sich  der  Ritter  zu  seinem  Vergnügen  darauf 
einläßt. 

688.  Ebenda,  II,  p.  149. 

689.  U.  a.  in  den  Deliciae  poetar.  ital.  und  in  den  Werken  Polizianos.  —  Die  Lehrgedichte 
des  Rucellai  und  Alainanni,  welche  einiges  ähnliche  enthalten  sollen,  stehen  mir  nicht  zu 
Gebote. 

690.  Poesie  di  Lorenzo  m.  II,  p.  75. 

691.  Dahin  gehört  schon  das  Nachmachen  verschiedener  Dialekte,  wozu  das  der  Landes- 
manieren sich  gesellt  haben  muß.  Vgl.  S.  89. 

692.  Jo.  Pici  oratio  de  hominis  dignitate,  in  den  Opera  und  in  besondern  Abdrücken. 

693.  Eine  Anspielung  auf  den  Sturz  Luzifers  und  seiner  Genossen. 

694.  Bei  dem  piemontesischen  Adel  fiel  das  Wohnen  auf  den  Landschlössern  als  eine 
Ausnahme  auf.  Bandello,  Parte   II,  Nov.  12. 

695.  Dies  schon  lange  vor  dem  Bücherdruck.  Eine  Menge  Manuskripte,  und  von  den 
besten,  gehörten  florentinischen  Arbeitern.  Ohne  Savonarolas  Opferbrand  wären  noch  viel 
mehr  davon  vorhanden.  Vgl.  S.  157. 

696.  Dante,  de  monarchia  L.  II,  cap.  3. 

697.  Paradiso  XVI,  Anfang. 

698.  Dante,  Convito,  fast  der  ganze  Trattato  IV.  u.  m.  a.  Stellen. 

699.  Pogii  opera,  Dial.  de  nobilitate. 

700.  Dieselbe  Verachtung  des  Geburtsadels  findet  sich  dann  bei  den  Humanisten  häu- 
fig. Vgl.  die  scharfen  Stellen  bei  Aen.  Sylvius,  Opera,  p.  84  (Hist.  hohem,  cap.  2)  und  640 
(Gesch.  von  Lucretia  und  Euryalus). 

701.  Und  zwar  in  der  Hauptstadt.  Vgl.  Bandello,  Parte  II,  Nov.  7.  —  Joviani  Pontani 
Antonius  (wo  der  Verfall  der  Adelskraft  erst  von  den  Aragonesen  an  datiert  wird). 

702.  In  ganz  Italien  galt  wenigstens  soviel,  daß  wer  bedeutende  Landrenten  hatte,  vom 
Adel  nicht  mehr  zu  unterscheiden  war. 

703.  Für  die  Taxierung  des  Adels  in  Oberitalien  ist  Bandello  mit  seiner  mehrmaligen 
Polemik  gegen  die  Mißheiraten  nicht  ohne  Bedeutung.  Parte  I,  Nov.  4.  26.  Parte  III,  60. 


ANMERKUNGEN 


357 


IV.  8.  Der  Mailändische  Nobile  als  Kaufmann  ist  eine  Ausnahme.  Parte  III,  Nov.  37.  — 
Wie  die  lombardischen  Adligen  an  den  Spielen  der  Bauern  teilnahmen,  vgl.  Anm.  Nr.  686. 

704.  Das  strenge  Urteil  Macchiavells,  Discorsi  I,  55  bezieht  sich  bloß  auf  den  noch  mit 
Lehnsrechten  versehenen,  völlig  untätigen  und  politisch  zerstörenden  Adel.  —  Agrippa 
von  Nettesheim,  der  seine  merkwürdigsten  Ideen  wesentlich  seinem  Leben  in  Italien  ver- 
dankt, hat  doch  einen  Abschnitt  über  Adel  und  Fürstentum  fde  incert.  et  vanitate  scient. 
cap.  80),  der  an  radikaler  Bitterkeit  stärker  als  alles  ist  und  wesentlich  der  nordischen  Gei- 
stergärung angehört. 

705.  Massuccio,  nov.  19. 

706.  Jac.  Pitti  an  Cosimo  I,  Archiv,  stör.  IV,  II,  p.  99.  —  Auch  in  Oberitalien  kamÄhn- 
Hches  erst  mit  der  spanischen  Herrschaft  auf.  Bandello,  Parte  II,  Nov.  40  stammt  aus  dieser 
Zeit. 

707.  Wenn  sich  im  15.  Jahrh.  Vespasiano  Fiorentino  (p.  518.  632)  dahin  ausspricht,  daß 
die  Reichen  ihr  ererbtes  Vennögen  nicht  vermehren,  sondern  jährlich  ihre  ganze  Einnahme 
ausgeben  sollten,  so  kann  dies  im  Munde  eines  Florentiners  nur  von  den  großen  Grund- 
besitzern gelten. 

708.  Franco  Sacchetti,  Nov.  153.  Vgl.  Nov.  82  und   150. 

709.  Che  la  cavalleria  e  morta. 

710.  Poggius,  de  nobilitate,  fol.  27. 

711.  Vasarii  III,  49  und  Anm.,  Vita  di  Dello. 

712.  Petrarca, epist.  senil.  XI,  13. p.  889.  Eine  andere  Stelle,  in  denEpist.famil.  schildert 
das  Grausen,  das  er  empfand,  als  er  bei  einem  Turnier  in  Neapel  einen  Ritter  fallen  sah. 

713.  Nov.  64.  —  Deshalb  heißt  es  auch  im  Orlandino  (II.  Str.  7)  von  einem  Turnier 
unter  Karl  d.  Großen  ausdrücklich:  da  stritten  nicht  Köche  und  Küchenjungen,  sondern 
Könige,  Herzoge  und  Markgrafen. 

714.  Immerhin  eine  der  frühsten  Parodien  des  Turnierwesens.  Es  dauerte  dann  wohl 
noch  60  Jahre,  bis  Jacques  Coeur,  der  bürgerliche  Finanzminister  Carl  VII.,  an  seinem 
Palast  zu  Bourges  ein  Eseltumier  ausmeißeln  ließ  (um  1450).  Das  Glänzendste  in  dieser  Art, 
der  eben  zitierte  zweite  Gesang  des  Orlandino,  ist  erst  im  Jahre  1526  herausgegeben. 

715.  Vgl.  die  schon  genannten  Gedichte  des  Poliziano  und  Luca  Pulci.  Ferner  Paul.  Jov. 
Vita  Leonis  X,  L.  I.  • —  Macchiav.  Storie  fiorent.  L.  VII.  —  Paul.  Jov.  Elogia,  bei  Anlaß  des 
Petrus  Medices  und  des  Franc.  Borbonius.  —  Vasari  IX,  219,  v.  di  Granacci.  —  Im  Mor- 
gante  des  Pulci,  welcher  unter  Lorenzos  Augen  gedichtet  wvirdc,  sind  die  Ritter  oft  komisch 
in  ihrem  Reden  und  Tun,  aber  ihre  Hiebe  sind  echt  und  kunstgerecht.  Auch  Bojardo  dichtet 
für  genaue  Kenner  des  Turniers  und  des  Krieges.  Vgl.  S.  256.  —  Turniere  in  Ferrara  i<i64, 
Diario  Ferrar.  Muratori  XXIV.  Co!.  208  —  in  Venedig,  Sansovino,  Venezia  fol.  153,  s.  — • 
in  Bologna  1470,  seqq.,  Bursellis  Annal.  Bonon.,  Murat.  XXIII.  Col.  898,  903,  906,  908, 
909,  wobei  eine  wunderliche  Vermischung  mit  dem  Pathos  zu  bemerken  ist,  welches  sich 
damals  an  die  Aufführung  römischer  Triumphe  knüpfte.  —  Federigo  von  Urbino  (S.  35) 
verlor  bei  einem  Turnier  das  rechte  Auge  ab  ictu  lanceae.  —  Über  das  damalige  nordische 
Tumierwesen  ist  statt  aller  andern  Autoren  zu  vergleichen :  Olivier  de  la  Marche,  Mdmoires, 
passim,  bes.  Cap.  8,  9,   14,   16,   18,   19,  21   usw. 

716.  Bald.  Castiglione,  il  Cortigiano,  L.   I.,  fol.  18. 

717.  Paul.  Jcvii  Elogia,  sub.  tit.  Petrus  Gravina,  Alex.  Achillinus,  Balth.  Castellio  etc. 

718.  Casa,  il  Galateo,  p.  78. 

719.  Hierüber  die  venezian.  Trachtenbücher,  und  Sansovino:  Venezia,  fol.  150,  s.  Die 
Brauttracht  bei  der  Verlobung  —  weiß,  mit  aufgelöst  über  die  Schultern  wallendem  Haare 
—  ist  die  von  Tizians  Flora. 

720.  Jovian.  Pontan.  de  principe :  Utinam  autem  non  eo  impudentiae  perventum  esset, 
ut  inter  mercatorem  et  patricium  nullum  sit  in  vestitu  ceteroque  ornatu  discrimen.  Sed  haec 
tanta  licentia  reprehendi  potest,  coerceri  non  potest,  quanquam  mutari  vestes  sie  quotidie 
videamus,  ut  quas  quarto  ante  mcnsc  in  deliciis  habebamus,  nunc  repudiems  et  tanquam 
veteramenta  abiiciamus.  Quodge  tolerari  vix  postest,  nullum  fere  vestimenti  genus  probatur. 


Qc8  ANMERKUNGEN 

quod  c  Galiis  non  fueritadductuni,  in  quibus  levia  pleraque  in  pretio  sunt,  tametsi  nostri 
per  saepe  homincs  modum  illis  et  quasi  formulam  quandam  praescribant. 

721.  Hierüber  z.  B.  Diario  Ferrarese,  bei  IVlurat.  XXIV.  Col.  297.  320.  376.  399;  hier 
auch  deutsche  Mode. 

722.  Man  vgl.  damit  die  betr.  Stellen  bei  Falke :  Die  deutsche  Trachten-  und  Modenwelt. 

723.  Über  die  Florentinerinnen  vgl.  die  Hauptstellen  bei  Giov.  Villani  X,  10  und  152; 
Matteo  Villani  I,  4.  Im  großen  Modenedikt  von  1330  werden  u.  a.  nur  eingewirkte  Figuren 
auf  den  Frauengewändern  erlaubt,  die  bloß  ,, aufgemalten"  (dipinto)  dagegen  verboten.  Soll 
man  hierbei  etwa  an  Modeldruck  denken  ? 

724.  Diejenigen  aus  echten  Haaren  heißen  capelli  morti.  —  Falsche  Zähne  aus  Elfen- 
bein, die  ein  ital.  Prälat,  doch  nur  um  der  deutlichen  Aussprache  willen,  einsetzt,  bei 
Anshelm,  Berner  Chronik,   IV,  S.  30  (1508). 

725.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptores  II,  Col.  1874.  —  Allegretto,  bei  Murat.  XXIII, 
Col.  823.  —  Dann  die  Autoren  über  Savonarola,  s.  unten. 

726.  Sansovino,  Venezia,  fol.  152:  capelli  biondissimi  per  forza  di  sole.  —  Vgl.  S.  273. 

727.  Wie  auch  in  Deutschland  geschah.  —  Poesie  satiriche,  p.  119,  in  der  Satire  des  Bern. 
Giambullari :  per  prender  moglie.  Ein  Inbegriff  der  ganzen  Toilettenchemie,  welche  sich 
offenbar  noch  sehr  an  Aberglauben  und  Magie  anlehnt. 

728.  Welche  sich  doch  alle  Mühe  gaben,  das  Ekelhafte,  Gefährliche  und  Lächerliche 
dieser  Schmiererei  hervorzuheben.  Vgl.  Ariosto,  Satira  III,  vs.  202,  s.  —  Aretino,  il 
marescalco,  Atto  II,  scena  5  und  mehrere  Stellen  in  den  Ragionamenti.  Dann  Giambullari 
a.  a.  O.  —  Phil.  Beroald.  sen.   Carmina. 

729.  Cennino  Cennini,  Trattato  della  pittura  gibt  cap.  161  ein  Rezept  des  Bemalens 
von  Gesichtern,  offenbar  für  Mysterien  oder  Maskeraden,  denn  cap.  162  warnt  er  ernstlich 
vor  Schminken  und  Schönheitswassern  im  allgemeinen. 

730.  Vgl.  La  Nencia  di  Barberino,  Str.  20  und  40.  Der  Geliebte  verspricht  ihr  Schminke 
und  Bleiweiß  aus  der  Stadt  in  einer  Tüte  mitzubringen.  Vgl.  oben  S.  202. 

731.  Agn.  Pandolfini,  Trattato  del  governo  della  famiglia,  p.  118. 

732.  Tristan.  Caracciola,  bei  Murat.  XXII,  Col.  87.  —  Bandello,  Parte  II,  Nov.  47. 

733.  Capitolo  I.  an  Cosimo:  Quei  cento  scudi  nuovi  e  profumati  che  l'altro  di  mi  man- 
daste  a  donare.  Gegenstände  aus  jener  Zeit  riechen  noch  jetzt  bisweilen. 

734.  Vespasiano  Fiorent.  p.  458  im  Leben  des  Donato  Acciajuoli,  und  p.  625  im  Leben 
des  Niccoli. 

735.  Giraldi,  Hecatommithi,  Introduz.,  Nov.  6. 

736.  Paul.  Jov.  Elogia. 

737.  Aeneas  Sylvius  (Vitae  Paparum,  ap.  Murat.  III,  II,  Col.  880)  sagt  bei  Anlaß  von 
Baccano :  pauca  sunt  mapalia,  eaque  hospitia  faciunt  Theutonici;  hoc  hominum  genus 
totam  fere  Italiam  hospitalem  facit;  ubi  non  repereris  hos,  neque  diversorium  quaeras. 

738.  Franco  Sacchetti,  Nov.  21 .  —  Padua  rühmte  sich  um  1450  eines  sehr  großen  palast- 
ähnlichen Gasthofes  zum  Ochsen,  welcher  Ställe  für  200  Pferde  hatte.  Michele  Savonar. 
ap.  Murat.  XXIV,  Col.  1175.  —  Florenz  hatte  vor  Porta  S.  Gallo  eine  von  den  größten 
und  schönsten  Osterien,  die  man  kannte,  doch  wie  es  scheint,  nur  als  Erholungsort  für  die 
Leute  aus  der  Stadt.  Varchi   Stör,  fiorent.   III,  p.  86. 

739.  Man  vgl.  z.  B.  die  betreffenden  Partien  in  Sebastians  Brants  Narrenschiff,  in  Eras- 
mus  Colloquien,  in  dem  lateinischen  Gedicht  Grobianus  usw. 

740.  Die  Mäßigung  der  Burla  geht  u.  a.  aus  den  Beispielen  in  Cortigiano,  L.  II,  fol.  96, 
s.  hervor.  In  Florenz  hielt  sich  die  bösartige  Burla  doch  so  lange  sie  konnte.  Die  Novellen 
des   Lasca  sind  ein  Zeugnis  hiervon. 

741 .  Für  Mailand  eine  Hauptstelle  :  Bandello,  Parte  I,  Nov.  9.  Es  gab  über  60  vierspän- 
nige und  zahllose  zvveispännige  Wa<Ten,  zum  Teil  reich  vergoldet  und  geschnitzt,  mit  sei- 
denen Decken,  vgl.  ebenda  Nov.  4.  —  Ariosto,  sat.  III,  vs.  127. 

742.  Bandello,  Parte  I,  Nov.  3.   III,  42.  IV,  25. 

743.  De  vulgari   eloquio   cd.  Corbinelli,  Parisiis  1577.  Laut  Boccaccio,  vita  di  Dante, 


ANMERKUNGEN  O^Q 

p.  77,  kurz  vor  seinem  Tode  verfaßt.  —  Über  die  rasche  und  merkliche  Veränderung  der 
Sprache  bei  seinen  Lebzeiten  äußert  er  sich  im  Anfang  des  Convito. 

744.  Das  allmähliche  Vordringen  derselben  in  Literatur  und  Leben  könnte  ein  einhei- 
mischer Kenner  leicht  tabellarisch  darstellen.  Es  müßte  konstatiert  werden,  wie  lange  sich 
während  des  14.  und  i5.Jahrh.  die  einzelnen  Dialekte  in  der  täglichen  Korrespondenz, 
in  den  Regierungsschriften  und  Gerichtsprotokollen,  endlich  in  den  Chroniken  und  in  der 
freien  Literatur  ganz  oder  gemischt  behauptet  haben.  Auch  das  Fortleben  der  ital.  Dialekte 
neben  einem  reinern  oder  geringern  Latein,  welches  dann  als  offizielle  Sprache  diente, 
käme  dabei  in  Betracht. 

745.  So  empfindet  es  schon  Dante:  De  \'ulgari  eloquio  I,  c.  17.  18. 

746.  Man  schrieb  und  las  in  Piemont  schon  lange  vorher  toskanisch,  aber  man  schrieb 
und  las  eben  wenig. 

747.  Man  WTjßte  auch  recht  wohl,  wohin  im  täglichen  Leben  der  Dialekt  gehörte  und 
wohin  nicht.  Gioviano  Fontane  darf  den  Kronprinzen  von  Neapel  ausdrücklich  vor  dessen 
Gebrauch  warnen  (Jov.  Pontan.  de  principe).  Bekanntlich  waren  die  letzten  Bourbons  dar- 
in weniger  bedenklich.  —  Den  John  über  einen  mailändischen  Kardinal,  der  in  Rom  seinen 
Dialekt  behaupten  wollte,  s.  bei  Bandello,  Parte  II,  Nov.  31. 

748.  Bald.  Castiglione,  il  cortigiano,  L.  I,  fol.  27,  s.  Aus  der  dialogischen  Form  leuchtet 
doch  überall  die  eigene  Meinung  hervor. 

749.  Nur  durfte  man  darin  nicht  zu  weit  gehen.  Die  Satiriker  mischen  spanische  und 
Folengo  (unter  dem  Pseudonym  Limemo  Pitocco,  in  seinem  Orlandino)  französische  Brok- 
ken  immer  nur  Hohnes  wegen  ein.  Es  ist  schon  sehr  außergewöhnlich,  daß  eine  Straße  in 
Mailand,  welche  zur  Franzosenzeit,  1500  bis  1512,  1515  bis  1522,  Rue  belle  hieß,  noch 
heute  Rugabella  heißt.  Von  der  langen  spanischen  Herrschaft  ist  an  der  Sprache  fast  keine 
Spur,  an  Gebäuden  und  Straßen  höchstens  hier  und  da  der  Name  eines  Vizekönigs  haften 
geblieben.  Erst  im  18.  Jahrh.  drangen  mit  den  Gedanken  der  französischen  Literatur  auch 
viele  französische  Wendungen  und  Einzelausdrücke  ins  Italienische  ein ;  der  Purismus 
unseres  Jahrhunderts  war  und  ist  noch  bemüht,  sie  wieder  wegzuschaffen. 

750.  Firenzuola,  opere  I,  in  der  Vorrede  zur  Frauenschönheit,  und  II.  in  den  Ragiona- 
menti  vor  den  Novellen. 

751.  Bandello,  Parte  I,  Proemio  und  Nov.  :  und  2.  —  Ein  anderer  Lombarde,  der  eben 
genannte  Teofilo  Folengo  in  seinem  Orlandino,  erledigt  die  Sache  mit  heiterm  Spott. 

752.  Ein  solcher  fand,  wie  es  scheint,  in  Bologna  zu  Ende  1531  unter  Bembos  Vorsitz 
statt.  S.  den  Brief  des  Claud.  Tolomei,  bei  Firenzuola,  opere,  vol.  II,  Beilagen. 

753.  Luigi  Comaro  klagt  gegen  1550  (zu  Anfang  seines  Trattato  della  vita  sobria):  erst 
seit  nicht  langer  Zeit  nehmen  in  Italien  überhand :  Die  (spanischen)  Zeremonien  und  Kom- 
plimente, das  Luthertum  und  die  Schlemmerei  (die  Mäßigkeit  und  die  freie,  leichte  Ge- 
selligkeit schwanden  zu  gleicher  Zeit).  Vgl.  S.  205. 

754.  VasariXII,  p.  9  und  11,  Vita  di  Rustici.  —  Dazu  die  medisante  Klique  von  ver- 
lumpten Künstlern,  XI,  216,  s.  Vita  d'Aristole.  —  Macchiavells  Capitoli  für  eine  Vergnü- 
gensgesellschaft (in  den  opere  minori  p.  407)  sind  eine  komische  Karikatur  von  Gesell- 
schaftsstatuten, im  Stil  der  verkehrten  Welt.  —  Unvergleichlich  ist  und  bleibt  die  bekannte 
Schilderung  jenes  römischen  Künstlerabends  bei  Benvenuto  Cellini,  I,  cap.  30. 

755.  Die  man  sich  wohl  vormittags  um  10 — 11  Uhr  zu  denken  hat.  Vgl.  Bandello, 
Parte  II,  Nov.  10. 

756.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  309. 

757.  Die  wichtigeren  Stellen:  Parte  I,  Nov.  i.  3.  21.  30.  44.  II,  10.  34.  55.  III,  17.  etc. 

758.  Vgl.  Lor.  magnif.  de'  Medici,  Poesie  I,  204  (das  Gelage);  291  (die  Falkenjagd).  — 
Roscoe,  Vita  di  Lorcnzo,  III,  p.  150  und  Beilagen  17  bis  19. 

75g.  Der  Titel  Simposio  ist  ungenau;  es  sollte  heißen:  die  Heimkehr  von  der  Wein- 
lese. Lorenzo  schildert  in  höchst  vergnüglicher  Weise,  nämlich  in  einer  Parodie  nach  Dantes 
Hölle,  wie  er,  zumeist  in  Via  Faenza,  alle  seine  guten  Freunde  nacheinander  mehr  oder 
weniger  benebelt  vom  Lande  her  kommend  antrifft.  Von  der  schönsten  Komik  ist  im  8.  Ca- 


360 


ANMERKUNGEN 


pitolo  das  Bild  des  Piovano  Arlotto,  welcher  auszieht,  seinen  verlorenen  Durst  zu  suchen 
und  zu  diesem  Endzweck  an  sich  hängen  hat:  dürres  Fleisch,  einen  Hering,  einen  Reif 
Käse,  ein  Würstchen  und  vier  Sardellen,  e  tutte  si  cocevan  nel  sudore. 

760.  tiber  Cosimo  Ruccellai  als  Mittelpunkt  dieses  Kreises  zu  Anfang  des  16.  Jahrh. 
vgl.  Macchiavelli,  Arte  della  guerra.  L.  I. 

761.  II  cortigiano,  L.  II,  fol.  53.  —  Vgl.  oben  S.  210,  216. 

762.  Coelius  Calcagninus  (Opera,  p.  514)  schildert  die  Erziehung  eines  jungen  Italie- 
ners von  Stande  um  1500  (in  der  Leichenrede  auf  Antonio  Costabili)  wie  folgt:  zuerst  artes 
liberales  et  ingenuae  disciplinae ;  tum  adolescentia  in  iis  exercitationibus  acta,  quae  ad  rem 
militarem  corpus  animumque  praemuniunt.  Nunc  gymnastae  (d.  h.  dem  Turnlehrer) 
operam  dare,  luctari,  axcurrere,  natare,  equitare,  venari,  aucupari,  ad  palum  et  apud  lani- 
stam  ictus  inferre  aut  declinare,  caesim  punctimve  hostem  ferire,  hastam  vibrare,  sub  armis 
hyemem  iuxta  et  aestatem  traducere,  lanceis  occursare,  veri  ac  communis  Martis  simulacra 
imitari.  —  Cardanus  (de  propria  vita,  c.  7)  nennt  unter  seinen  Turnübungen  auch  das 
Hinaufspringen  auf  das  hölzerne  Pferd.  —  Vgl.  Gargantua  I,  23.  24:  die  Erziehung  über- 
haupt, und  35  :  die  Künste  der  Gymnasten. 

763.  Sansovino,  Venezia,  fol.  172,  s.  Sie  sollen  entstanden  sein  bei  Anlaß  des  Hinaus- 
fahrens  zum  Lido,  wo  man  mit  der  Armbrust  zu  schießen  pflegte ;  die  große  allgemeine 
Regatta  am  St.  Paulstag  war  gesetzlich  seit  1315.  —  Früher  wurde  in  Venedig  auch  viel 
geritten,  ehe  die  Straßen  gepflastert  und  die  ebenen  hölzernen  Brücken  in  hochgewölbte 
steinerne  verwandelt  waren.  Noch  Petrarca  (Epist.  seniles,  IV,  2,  p.  783)  schildert  ein  präch- 
tiges Reiterturnier  auf  dem  Markusplatz,  und  der  Doge  Steno  hielt  um  1400  einen  Marstall 
so  herrlich  wie  der  irgendeines  italienischen  Fürsten.  Doch  war  das  Reiten  in  der  Umgegend 
jenes  Platzes  schon  seit  1291  in  der  Regel  verboten.  —  Später  galten  die  Venezianer  natür- 
lich für  schlechte  Reiter.  Vgl.  Ariosto,  Sat.  V,  vs.  208. 

764.  Über  Dantes  Verhältnis  zur  Musik  und  über  die  Weisen  zu  Petrarcas  und  Boccaccios 
Gedichten  vgl.  Trucchi,  poesie  ital.  inedite  II,  p.  139.  —  Über  Theroretiker  des  14.  Jahrh. 
Filippo  Villani,  vite,  p.  46  und  Sacrdeonius,  de  urb.  Patav.  antiq.  bei  Graev.  Thesaur.  VI, 
III,  Col.  297.  —  Über  die  Musik  am  Hofe  des  Federigo  von  Urbino  umständlich  Vespasiano 
Fior.  p.  122.  —  Die  Kinderkapelle  Ercoles  I.,  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  358. 
—  Außerhalb  Italiens  war  den  angesehenen  Leuten  das  persönliche  Musizieren  noch  kaum 
gestattet;  am  niederländischen  Hofe  des  jungen  Karl  V.  kommt  es  darüber  zu  gefährlichem 
Streit;  vgl.  Hubert.  Leod.  de  vita  Frid.  II.  Palat.,  L.  III. 

Eine  merkwürdige  und  umfangreiche  Stelle  über  die  Musik  findet  sich,  wo  man  sie  nicht 
suchen  würde,  Macaroneide,  Phant.  XX.  Es  wird  ein  Quartettgesang  komisch  geschildert, 
wobei  man  erfährt,  daß  auch  französische  und  spanische  Lieder  gesungen  woirden,  daß  die 
Musik  bereits  ihre  Feinde  hatte  (um  1520),  und  daß  Leos  X.  Kapelle  und  der  noch  frühere 
Komponist  Josquin  de  Pr6s  das  Höchste  waren,  wofür  man  schwärmte;  die  Hauptwerke 
des  letzteren  wurden  genannt.  Derselbe  Autor  (Folengo)  legt  auch  in  seinem  (unter  dem 
Namen  Limemo  Pitocco  herausgegebenen)  Orlandino  III,  23,  s.  einen  ganz  modernen 
Musikfanatismus  an  den  Tag. 

765.  Leonis  vita  anonyma,  bei  Roscoe,  ed.  Bossi,  XII,  p.  171.  Ob  dies  vielleicht  der 
Violinspielcr  der  Galerie  Sciarra  ist  ?  —  Ein  Giovan  Maria  da  Cometto  wird  gepriesen 
im  Orlandino  (S.  160,  326)  III,  27. 

766.  Loniazza,  Trattato  dell'  arte  della  pittura,  etc.  p.  347.  — ■  Bei  der  Lyra  ist  Leonardo 
da  Vinci  mitgenannt,  auch  Alfonso  (Herzog?)  von  Ferrara.  Der  Verf.  nimmt  überhaupt 
die  Berühmtheiten  des  Jahrhunderts  zusammen.  Mehrere  Juden  sind  darunter.  —  Die 
größte  Aufzählung  von  berühmten  Musikern  des  16.  Jahrh.,  in  eine  frühere  und  eine  spätere 
Generation  getrennt,  bei  Rabelais  im  ,, neuen  Prolog"  zum  IV.  Buche.  —  Ein  Virtuose,  der 
blinde  Francesco  von  Florenz  (st.  1390),  wird  schon  frühe  in  Venedig  von  dem  anwesenden 
König  von  Cypern  mit  einem   Lorbeerkranze  gekrönt. 

767.  Sansovino,  Venezia,  fol.  138.  Natürlich  sammelten  dieselben  Liebhaber  auch 
Notenbücher. 


ANMERKUNGEN  36 I 

768.  Die  Accademia  de'  filarmonici  zu  Verona  erwähnt  schon  Vasa^i  XI,  133  im  Leben 
des  Sanmichele.  —  Um  Lorenzo  magnifico  hatte  sich  bereits  1480  eine  „Harmonieschule" 
von  15  Mitgliedern  gesammelt,  darunter  der  berühmte  Organist  Squarcialupi.  Vgl.  De- 
löcluze,  Florence  et  ses  vicissitudes.  Vol.  II,  p.  256.  Von  Lorenzo  scheint  sein  Sohn  Leo  X  die 
Musikbegeisterung  geerbt  zu  haben.  Auch  sein  ältester  Sohn  Pietro  war  sehr  musikalisch. 

769.  II  cortigiano,  fol.  56.  vgl.  fol.41. 

770.  Quattro  viole  da  arco,  gewiß  ein  hoher  und  damals  im  Ausland  sehr  seltener  Grad 
von  Dilettantenbildung. 

771.  Bandello,  Parte  I,  Nov.  26.  Der  Gesang  des  Antonio  Bologna  im  Hause  der  Ippolita 
Bentivoglia.  Vgl.  III,  26.  In  unserer  zimperlichen  Zeit  würde  man  dies  eine  Profanation 
der  heiligsten  Gefühle  nennen.  —  (Vgl.  das  letzte  Lied  des  Britannicus,Tacit.  Annal.  XIII, 
15.)  —  Die  Rezitation  zur  Laute  oder  Viola  ist  in  den  Aussagen  nicht  leicht  vom  eigent- 
lichen Gesang  zu  scheiden. 

772.  Scardeonius,  a.  a.  O. 

773.  An  Annibale  Maleguccio,  sonst  auch  als  5.  und  6.  bezeichnet. 

774.  Wogegen  die  BeteiUgimg  der  Frauen  an  den  bildenden  Künsten  nur  äußerst  ge- 
ring ist. 

775.  So  muß  man  z.  B.  bei  Vespasiano  Fiorentino  (Mai,  Spicileg.  rom.  XI,  p.  593,  s.) 
die  Biographie  der  Alessandro  de'  Bardi  auffassen.  Der  Autor  ist,  beiläufig  gesagt,  ein 
großer  laudator  temporis  acti  und  man  darf  nicht  vergessen,  daß  fast  hundert  Jahre  vor 
dem,  was  er  die  gute  alte  Zeit  nennt,  schon  Boccaccio  den  Decamerone  schrieb. 

776.  Ant.  Galateo,  epist.  3,  an  die  junge  Bona  Sforza,  die  spätere  Gemahlin  des  Sigis- 
mund  von  Polen:  Incipe  aliquid  de  viro  sapere,  quoniam  ad  imperandum  viris  nata  es  .  . . 
Ita  fac,  ut  sapientibus  viris  placeas,  ut  te  prudentes  et  graves  viri  admirentur,  et  vulgi  et 
muliercularum  studia  et  iudicia  despicias  etc.  Auch  sonst  ein  merkwürdiger  Brief  (Mai, 
Spicileg.  rom.  VIII,  p.  532). 

777.  So  heißt  sie  in  dem  Hauptbericht  Chron.  venerum  bei  Murat.  XXIV,  Col.  128,  s. 
Vgl.  Infessura  bei  Eccard,  scriptt.  II,  Col.  1981  und  Arch.  stör.  Append.  II,  p.  250. 

778.  Und  es  zu  Zeiten  auch  ist.  —  Wie  sich  die  Damen  bei  solchen  Erzählungen  zu  be- 
nehmen haben,  lehrt  der  Cortigiano,  L.  III,  fol.  107.  Daß  schon  die  Damen,  welche  bei 
seinen  Dialogen  zugegen  waren,  sich  gelegentlich  mußten  zu  benehmen  wissen,  zeigt  z.  B. 
die  starke  Stelle  L.  II,  Fol.  100.  —  Was  von  dem  Gegenstück  des  Cortigiano,  der  Donna  di 
palazzo  gesagt  wird,  ist  deshalb  nicht  entscheidend,  weil  diese  Palastdame  bei  weitem  mehr 
Dienerin  der  Fürstin  ist  als  der  Cortigano  Diener  des  Fürsten.  —  Bei  Bandello  I,  Nov.  44, 
erzählt  Bianca  d'Este  die  schauerliche  Liebesgeschichte  ihres  eigenen  Ahns  Niccolö  von 
Ferrara  und  der  Parisina. 

779.  Wie  sehr  die  gereisten  Italiener  den  freien  Umgang  mit  den  Mädchen  in  England 
und  den  Niederlanden  zu  würdigen  vsrußten,  zeigt  Bandello  II,  Nov.  42  und  IV,  Nov.  27. 

780.  Paul.  Jov.  de  rom.  piscibus,  cap.  5.  —  Bandello,  Parte  III,  Nov.  42.  —  Aretin,  im 
Ragionamento  del  Zoppino  p.  327  sagt  von  einer  Buhlerin:  sie  weiß  auswendig  den  ganzen 
Petarca  und  Boccaccio  und  zahllose  schöne  lateinische  Verse  aus  Virgil,  Horaz,  Ovid  und 
tausend  andern  Autoren. 

781.  Bandello  II,  51.  IV,   16. 

782.  Bandelo  IV,  8. 

783.  Ein  sehr  bezeichnendes  Beispiel  hiervon  bei  Giraldi,  Hecatommithi  VI,  Nov.  7. 

784.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptores,  II,  Col.  1997.  Es  sind  nur  die  öffentlichen  Wei- 
ber, nicht  die  Konkubinen  mitgerechnet.  Die  Zahl  ist  übrigens  im  Verhältnis  zur  vermut- 
lichen Bevölkerung  von  Rom  enorm  hoch,  vielleicht  durch  einen  Schreibfehler. 

785.  Trattato  del  govemo  della  famiglia.  Vgl.  oben  S.  107,  112,  Anm.  Pandolfini  starb 
1446,  L.  B.  Alberti,  dem  das  Werk  ebenfalls  zugeschrieben  wird,  im  J.  1472.  —  Vgl.  auch 
Anm.  Nr.  606. 

786.  Eine  gründliche,  mit  psychologischem  Geist  gearbeitete  Geschichte  des  Prügeins 
bei  den  germanischen  und  romanischen  Völkern  wäre  wohl  so  viel  wert  als  ein  paar  Bände 


362 


ANMERKUNGEN 


Depeschen  und  Unterhandlungen.  Wann  und  durch  welchen  Einfluß  ist  das  Prügeln  in 
der  deutschen  Familie  zu  einem  alltäglichen  Gebrauch  geworden  ?  Es  geschah  wohl  erst 
lange  nach  dem  Walther  gesungen:  Nicman  kan  mit  gerten  kindes  zuht  beherten.  In  Ita- 
lien hört  wenigstens  das  Schlagen  sehr  früh  auf;  ein  siebenjähriges  Kind  bekommt  keine 
Schläge  mehr.  Der  kleine  Roland  (Orlandino,  cap.  VII,  str.  42)  stellt  das  Prinzip  auf: 

Sol  gli  asini  si  ponno  bastonare, 

Se  una  tal  bestia  fussi,  patirei. 

787.  Giovanni  Villani  XI,  93 :  Hauptsaussage  über  den  Villenbau  der  Florentiner  schon 
vor  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts;  sie  hatten  schönere  Villen  als  Stadthäuser,  und  sollen 
sich  damit  auch  überangestrengt  haben,  onde  erano  tenuti  matti. 

788.  Man  vgl.  S.  180,  wo  diese  Pracht  der  Festausstattung  als  ein  Hindernis  für  die 
höhere  Entwicklung  des  Dramas  nachgewiesen  wurde. 

789.  Dies  im  Vergleich  mit  den  Städten  des  Nordens. 

790.  Die  Festlichkeiten  bei  der  Erhebung  des  Visconti  zum  Herzog  von  Mailand  1395 
(Corio,  fol.  274)  haben  bei  größter  Pracht  noch  etwas  roh  mittelalterliches,  und  das  dra- 
matische Element  fehlt  noch  ganz.  Vgl.  auch  die  relative  Geringfügigkeit  der  Aufzüge  in 
Pavia  während  des  14.  Jahrh  (Anonymus  de  laudibus  Papiae,  bei  Murat.  XI,  Col.  34,  s.). 

791.  Gio.  Villani,  VIII,  70. 

792.  Vgl.  z.  B.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptt.  II,  Col.  1896.  —  Corio,  fol.  417.  421. 

793.  Der  Dialog  der  Mysterien  bewegte  sich  gern  in  Ottaven,  der  Monolog  in  Terzinen. 

794.  Wobei  man  nicht  einmal  an  den  Realismus  der  Scholastiker  zu  denken  braucht. 

795.  Dahin  darf  man  es  z.  B.  rechnen,  wenn  er  Bilder  auf  Metaphern  baut,  wenn  er  an 
der  Pforte  des  Fegefeuers  die  mittlere,  geborstene  Stufe  die  Zerknirschung  des  Herzens  be- 
deuten soll  (Purgat.  IX,  97),  während  doch  die  Steinplatte  durch  das  Bersten  ihren  Wert 
als  Stufe  verliert;  oder  wenn  (Purgat.  XVIII,  94)  die  auf  Erden  Lässigen  ihre  Buße  im 
Jenseits  durch  Rennen  bezeigen  müssen,  während  doch  das  Rennen  auch  ein  Zeichen  der 
Flucht  usw.  sein  könnte. 

796.  Inferno  IX,  61.  Purgat.  VIII,   19. 

797.  Poesie  satiriche,  ed.  Milan,  p.  70,  s.  —  Vom  Ende  des  15.  Jahrh. 

798.  Letzteres  z.  B.  in  der  venatio  des  Kard.  Adriano  da  Corneto.  Es  soll  darin  Ascanio 
Sforza  durch  das  Jagdvergnügen  über  den  Sturz  seines  Hauses  getrös'jet  werden.  —  Vgl. 
S.  146. 

799.  Eigentlich  1454.  Vgl.  Olivier  de  la  Marche,  m^moires,  chap.  29. 

800.  Für  andere  französische  Feste  s.  z.  B.:  Juvenal  des  Ursins  ad  a.  1389  (Einzug  der 
Königin  Isabeau) ;  —  Jean  de  Troyes  ad.  a.  1461  (Einzug  Ludwigs  XL).  Auch  hier  fehlt 
es  nicht  ganz  an  Schwebemaschinen,  an  lebendigen  Statuen  u.  dgl.,  aber  alles  ist  bunter, 
zusammenhangloser  und  die  Allegorien  meist  unergründlich. 

801.  D.  h.  ein  Vorteil  für  sehr  große  Dichter  und  Künstler,  die  etwas  damit  anzufangen 
wußten. 

802.  Vgl.  Bartol.  Gamba,  Notizie  intorno  alle  opere  di  Fco  Belcari,  Milano  1808,  und 
bes.  die  Einleitung  der  Schrift:  le  rapprcsentazioni  di  Feo  Belcari  ed  altre  di  lui  poesie, 
Firenze  1833.  —  Als  Parallele  die  Einleitung  des  Bibliophile  Jacob  zu  seiner  Ausgabe  des 
Pathelin. 

803.  Freilich  schloß  ein  Mysterium  vom  bethlehemit.  Kindermord  in  einer  Kirche  von 
Sicna  damit,  daß  die  unglücklichen  Mütter  einander  bei  den  Haaren  nehmen  mußten. 
Della  Valle,  lettere  sanesi,  III,  p.  53.  —  Es  war  ein  Hauptstreben  des  eben  genannten  Feo 
Belcari  (st.  1484),  die  Mysterien  von  solchen  Auswünchse  zu  reinigen. 

804.  Franco  Sacchetti,  Nov.  72. 

805.  Vasari  III,  232,  s.  Vita  di  Brunellesco.  V.  36,  s.  Vita  del  Cecca.  Vgl.  V,  52.  Vita  di 
Don  Bartolommeo. 

806.  Arch.  stör.  Append.  II,  p.  310.  Das  Mysterium  von  Maria  Verkündigung  in  Ferrara 
bei  der  Hochzeit  des  Alfonso,  mit  kunstreichen  Schwebemaschinen  und  Feuerwerk.  Die 
Aufführung  der  Susanna,  des  Täufers  Johannes  und  einer  Legende  beim  Kard.  Riario  s. 


ANMERKUNGEN 


363 


bei  Coric,  fol.  417.  Das  Mysterium  von  Constantin  d.  Gr.,  im  päpstl.  Palast,  Karneval  1484, 
s.  bei  Jac.  Volatcrran.,  Murat.  XXIII,  Col.  194. 

807.  Graziani,  Cronaca  di  Perugia,  Arch.  stör.  XVI,  I,  p.  598.  Bei  der  Kreuzigung  wurde 
eine  bereitgehaltene  Figur  untergeschoben. 

808.  Für  letzteres  z.  B.  Pii  II.  comment,  L.  VIII.,  p.  383.  386.  —  Auch  die  Poesie  des 
15.  Jahrh.  stimmt  bisweilen  denselben  rohen  Ton  an.  Eine  Canzone  des  Andrea  da  Basso 
konstatiert  bis  ins  einzelne  die  Verwesung  der  Leiche  einer  hartherzigen  Geliebten.  Frei- 
lich in  einem  Klosterdrama  des  12.  Jahrh.  hatte  man  sogar  auf  der  Szene  gesehen  wie  König 
Herodes  von  den  Würmern  gefressen  wird.   Carmina  Burana,  p.  80,  s. 

809.  Allegretto,  Diari  sanesi,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  767. 

810.  Matarazzo,  Arch.  stör.  XVI,  II,  p.  36. 

811.  Auszüge  aus  dem  Vergier  dihonneur  bei  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi,  I,  p.  220  und 
III,  p.  263. 

8i2.  Pii  II,  Comment.  L.  VIII,  p.  382,  s.  —  Ein  ähnliches,  besonders  prächtiges  Fron- 
leichnamsfest wird  erwähnt  von  Bursellis,  Annal.  Bonon.,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  911, 
zum  J.  1492. 

813.  Bei  solchen  Anlässen  mußte  es  heißen:  Nulla  di  muro  si  poeta  vedere. 

814.  Dasselbe  gilt  von  manchen  ähnlichen  Schilderungen. 

815.  Fünf  Könige  mit  Bewaffneten,  ein  Waldmensch,  der  mit  einem  (gezähmten?) 
Löwen  kämpfte,  letzteres  vielleicht  mit  Bezug  auf  den  Namen  des  Papstes,  Sylvius. 

816.  Beispiele  unter  Sixtus  IV.,  Jac.  Volaterran.,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  134.  139.  Auch 
beim  Amtsantritt  Alexanders  VI.  wurde  furchtbar  kanoniert.  —  Das  Feuerwerk,  eine  schö- 
nere Erfindung  des  italienischen  Festwesens,  gehört  samt  der  festlichen  Dekoration  eher 
in  die  Kunstgeschichte  als  hierher.  —  Ebenso  die  prächtige  Beleuchtung  (vgl.  S.  181) 
welche  bei  manchen  Festen  gerühmt  wird,  und  selbst  die  Tischaufsätze  und  Jagdtrophäen. 

817.  Allegretto,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  772.  —  Vgl.  außerdem  Col.  772,  den  Empfang 
Pius  II,   1459. 

818.  Corio,  fol.  417,  s.  —  Infessura,  bei  Eccard,  scriptt.  II ,  Col.  1896.  —  Strozzi  poetae, 
p.  193,  in  den  Aeolostichen.  Vgl.  S.  37,  41. 

819.  Vasari  XI,  p.  37,  Vita  di  l'untormo  erzählt,  wie  ein  solches  Kind  1513  bei  einem 
florentinischen  Fest  an  den  Folgen  der  Anstrengung  —  oder  vielleicht  der  Vergoldung  ?  — 
starb.  Der  arme  Knabe  hatte  ,,das  goldene  Zeitalter"  vorstellen  müssen. 

820.  Phil.  Beroaldi  orationes;  nuptiae  Bentivoleae. 

821.  M.  Anton.  Sabellici  Epist.  L.  III.  fol.  17. 

822.  Amoretti,  Memorie  etc.  su   Lionardo  da  Vinci  p.  38,  s. 

823.  Wie  die  Astrologie  dies  Jahrhundert  bis  in  die  Feste  hinein  verfolgte,  zeigen  auch 
die  (undeutlich  geschilderten)  Planetenaufzüge  beim  Empfang  fürstlicher  Bräute  in  Ferrara. 
Diario  Ferrarese,  bei  Muratori  XXIV,  Col.  248,  ad  a.  1473.  Col.  282,  ad  a.  1491.  —  Ebenso 
in  Mantua.  Arch.  stör,  append.  II,  p.  233. 

824.  Annal.  Estens.  bei  Murat.  XX,  Col.  268,  s.  Die  Beschieibung  ist  undeutlich,  und 
überdies  nach  einer  inkorrekten  Abschrift  gedruckt. 

825.  Man   erfährt,  daß  die  Stricke  dieser  Maschinerie  als  Girlanden  maskiert  waren. 

826.  Eigentlich  das  Isisschiff,  das  am  5.  März  als  Symbol  der  wiedereröffneten  Meerfahrt 
ins  Wasser  gelassen  wird.  —  Die  Analogie  im  deutschen  Kult  s.  bei  Jac.  Grimm,  deutsche 
Mythologie. 

827.  Purgatorio  XXIX,  43  bis  Ende,  und  XXX,  Anfang.  —  Der  Wagen  ist  laut  Vs.  115 
herrlicher  als  der  Triumphwagen  des  Scipio,  des  Augustus,  ja  als  der  des  Sonnengottes. 

828.  Ranke,  Gesch.  der  roman.  und  german.  Völker,  S.  119. 

829.  Corio,  fol.  401  :  dicendo,  tali  cose  essere  superstitioni  de'  Re.  —  Vgl.  Cagnola,  Arch. 
stör.  III,  p.  127. 

830.  S.  oben  S.  126.  —  Vgl.  Anm.  Nr.  14.  —  Triun.phus  Alphonsi,  als  Beilage  zu  den 
Dicta  et  Facta,  von  Panormita.  —  Eine  Scheu  vor  allzugroßem  triumphalem  Glanz  zeigt 
sich  schon  bei  den  tapferen  Komnenen.  Vgl.  Cinnamus  I,  5.  VI,  i. 


oQa  ANMERKUNGEN 

831.  Es  gehört  zu  den  rechten  Naivitäten  der  Renaissance,  daß  man  der  Fortuna  eine 
solche  Stelle  anweisen  durfte.  Beim  Einzug  des  Massimiliano  Sforza  in  Mailand  (1512) 
stand  sie  als  Hauptfigur  eines  Triumphbogens  über  der  Fama,  Speranza,  Audacia  und 
Penitenza;  lauter  lebendige  Personen.  Vgl.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  305. 

832.  Der  oben  S.  237  geschilderte  Einzug  des  Borso  von  Este  in  Reggio  zeigt,  welchen 
Eindruck  der  alfonsinische  Triumph  in  ganz  Italien  gemacht  hatte. 

833.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  260. 

834.  Ihre  drei  Capitoli  in  Terzinen,  Anecdota  litt.  IV,  p.461,  s. 

835.  Auch  Tafelbilder  ähnlichen  Inhalts  kommen  nicht  selten  vor,  gewiß  oft  als  Er- 
innerung an  wirkliche  Maskeraden.  Die  Großen  gewöhnten  sich  bald  bei  jeder  Feierlichkeit 
ans  Fahren.  Annibale  Bentivoglio,  der  älteste  Sohn  des  Stadtherrn  von  Bologna,  fährt  als 
Kampfrichter  von  einem  ordinären  Waffenspiel  nach  dem  Palast  cum  triumpho  more  ro- 
mano.  Bursellis,  I.e.  Col.gog,  ad  a.  1490. 

836.  Bei  der  merkwürdigen  Leichenfeier  des  1437  vergifteten  Malatesta  Baglione  zu 
Perugia  (Graziani,  Arch.  stör.  XVI,  I,  p.  413)  wird  man  beinahe  an  den  Leichenpomp  des 
alten  Etruriens  erinnert.  Indes  gehören  die  Trauerritter  u.  dgl.  der  allgemeinen  abendlän- 
dischen Adelssitte  an.  Vgl.  z.  B.:  Die  Eqexuien  des  Bertrand  Duguesclin  bei  Juv^nal  des 
Ursins,  ad  a  1389.  —  S.  auch  Graziani,  1.  c.  p.  360. 

837.  Vasari,  IX,  p.218,  Vita  di  Granacci. 

838.  Mich.  Gannesius,  Vita  Pauli  II,  bei  Murat.  III,  II,  Col.  ii8,  s. 

839.  Tommassi,  Vita  di  Cesare  Borgia,  p.2Si. 

840.  Vasari,  XI,  p.  34,  s.  Vita  di  Puntormo.  Eine  Hauptstelle  in  ihrer  Art. 

841.  Vasari  VIII.  p.  264,  Viza  di  A.  del  Sarto. 

842.  Allegretto,  bei  Murat.  XXIII.  Col.  783.  Daß  ein  Rad  zerbrach,  galt  als  böses  Vor- 
zeichen. 

843.  M.  Anton  Sabellici  Epist.  L.  III,  fol.  17. 

844.  Sansovino,  Venezia,  fol.  151,  s.  —  Die  Gesellschaften  heißen:  Pavoni,  Accesi, 
Eterni,  Reali,  Sempiterni ;  es  sind  wohl  dieselben,  welche  dann  in  Akademien  übergingen. 

845.  Wahrscheinlich  1495.  Vgl.  M.  Anton.  Sabellici  Epist.  L.  V.  fol.  28. 

846.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptt.  II,  Col.  1893.  2000.  —  Mich.  Cannesius,  Vita  Pauli 
II,  bei  Murat.  III,  II,  Col.  1012.  —  Piatina,  Vitae  pontiff.  p.  318.  —  Jac.  Volaterran.  bei 
Muratori  XXIII,  Col.  163.  194.  —  Paul.  Jov.  Eloi,ia,  sub  Juliano  Caesarino.  — Anderswo 
gab  es  auch  Wettrennen  von  Weibern;  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  384. 

847.  Unter  Alexander  VI.  einmal  vom  Oktober  bis  zu  den  Fasten.  Vgl.  Tommasi,  1.  c. 
p.  322. 

848.  Pii  II.  Comment.  L.  IV,  p.2ii. 

849.  Nantiporto,  bei  Murat.  III,  II,  Col.  1080.  Sie  wollten  ihm  für  einen  Friedens- 
schluß danken,  fanden  aber  die  Tore  des  Palastes  verschlossen  und  auf  allen  Plätzen  Trup- 
pen aufgestellt. 

850.  Tutti  i  trionfi,  carri,  mascherate,  o  canti,  carnascialeschi,  Cosmopoli  1750.  —  Mac- 
chiavelli,  Opere  minori,  p.  505.  —  Vasari,  VII,  p.  115,3.,  vita  di  Piero  di  Cosimo,  welchem 
letztern  ein  Hauptanteil  an  der  Ausbildung  dieser  Züge  zugeschrieben  wird. 

851.  Discorsi  L.  I,  c.  12.  Auch  c.  55:  Italien  sei  verdorbener  als  alle  andern  l/änder; 
dann  kommen  zunächst  Franzosen  und  Spanier. 

852.  Paul.  Jov.  viri  illustres;  Jo.  Gal.  Vicecomes. 

853.  Franc.  Guicciardini,  Ricordi  politici  e  civili,  N.  118.  (Opere  inedite,  vol.  I.) 

854.  Seine  nächste  Parallele  ist  Merlinus  Coccajus  (Teofilo  Folengo),  dessen  Opus 
Macaronicorum  (S.  127  und  212)  Rabelais  erweislich  gekannt  und  mehrmals  zitiert  hat 
(Pantagruel  L.  II,  eh.  i  und  eh.  7,  Ende).  Ja,  die  Anregung  zum  Gargantua  und  Pantagruel 
möchte  überhaupt  aus  Merlinus  Coccajus  stammen. 

855.  Gargantua  L.  I,  chap.  57. 

856.  D.  h.  wohlgeboren  im  höhern  Sinn,  denn  Rabelais,  der  Wirtssohn  von  Chinon, 
hat  keine  Ursache,  dem  .\dcl  als  solchem  hier  ein  Vorrecht  zu  gestatten.  —  Die  Predigt  des 


ANMERKUNGEN  ogc 

Evangeliums,  von  vcelcher  in  der  Inschrift  des  Klosters  die  Rede  ist,  würde  zu  dem  sonstigen 
Leben  der  Thelemiten  wenig  passen ;  sie  ist  auch  eher  negativ,  im  Sinne  des  Trotzes  gegen 
die  römische  Kirche  zu  deuten. 

857.  Dessen  Tagebuch  im  Auszug  bei  Del^cluze,  Florence  et  ses  vicissitudes,  vol.  2.  — 
Vgl.  S.264. 

858.  Infessura,  ap.  Eccard,  scriptt.  II,  Col.  1992.  Vgl.  oben  S.  86. 

85g.  Dieses  Räsonnement  des  geistreichen  Stendhal  (la  chartreuse  de  Parma,  ed.  Dela- 
hays,  p.  35s)  scheint  mir  auf  tiefer  psychologischer  Beobachtung  zu  ruhen. 
860.  Graziani,  Cronaca  di  Perugia,  zum  J.  1437  (Arch.  stör.  XVI,  I,  p.  415), 
86i.  Giraldi,  Hecatommithi,  I,  Nov.  7. 

862.  Infessura,  bei  Eccard,  Script.  II,  Col.  1892,  zum  Jahr  1464. 

863.  AUegretto,  Diari  sanesi,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  837. 

864.  Diejenigen,  welche  die  Vergeltung  Gott  anheimsteilen,  werden  u.  a.  lächerlich  ge- 
macht bei  Pulci,  Morgante,  canto  XXI,  Str.  83,  s.  104,  s. 

865.  Guicciardini,  Ricordi,  1.  c.  N.  74. 

866.  So  schildert  sich  Cardanus  (de  propria  vita,  cap.  13)  als  äußerst  rachsüchtig,  aber 
auch  als  verax,  memor  beneficiorum,  amans  justitiae. 

867.  Mit  der  völlig  entwickelten  spanischen  Herrschaft  trat  allerdings  eine  relative  Ent- 
völkerung ein.  Wäre  sie  die  Folge  der  Entsittlichung  gewesen,  so  hätte  sie  viel  früher  ein- 
treten müssen. 

868.  Giraldi,  Hecatommithi  III,  Nov.  2.  — ■  Ganz  ähnlich:  Cortigiano,  L.  IV,  fol.  180. 

869.  Ein  besonders  greuliches  Beispiel  der  Rache  eines  Bruders,  aus  Perugia  vom  J. 
1455,  findet  man  in  der  Chronik  des  Graziani,  Arch.  stör.  XVI,  p.  629.  Der  Bruder  zwingt 
den  Galan,  der  Schwester  die  Augen  auszureißen  und  jagt  ihn  mit  Schlägen  von  dannen. 
Freilich  die  Familie  war  ein  Zweig  der  Oddi  und  der  Liebhaber  nur  ein  Seiler. 

870.  Bandello, Parte  I,  Nov.  9  und  26.  —  Es  kommt  vor,  daß  der  Beichtvater  der  Gemah- 
lin sich  vom  Gatten  bestechen  läßt  und  den  Ehebruch  verrät. 

871.  S.  oben  S.223  und  Anmerkung  Nr.  771. 

872.  Ein  Beispiel  Bandello,  Parte   I,  Nov.  4. 

873.  Piaccia  al  Signore  Iddio  che  non  si  ritrovi,  sagen  bei  Giraldi  III,  Nov.  10  die  Frauen 
im  Hause,  wenn  man  ihnen  erzählt,  die  Tat  könne  dem  Mörder  den  Kopf  kosten. 

874.  Dies  begegnet  z.  B.  Gioviano  Pontano  (de  fortitudine,  L.  II.) ;  seine  heldenmütigen 
Askolaner,  welche  noch  die  letzte  Nacht  hindurchtanzen  und  singen,  die  abruzzesischeA'Iut- 
ter,  welche  den  Sohn  auf  dem  Gang  zum  Richtplatz  aufheitert  usw.  gehören  vermutlich 
in  Räuberfamilien,  was  er  jedoch  übergeht. 

875.  Diarium  Parmense,  bei  Murat.  XXII,  Col.  330  bis  349  passim. 

876.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  312.  Man  erinnert  sich  dabei  an  die  Bande 
des  Priesters,  welcher  einige  Jahre  vor  1837  die  westliche  Lombardei   unsicher   machte. 

877.  Massuccio,  Nov.  29.  Es  versteht  sich,  daß  der  Betreffende  auch  in  der  Liebschaft 
am  meisten  Glück  hat. 

878.  Wenn  er  in  seiner  Jugend  als  Korsar  in  dem  Kriege  der  beiden  Linien  von  Anjou 
um  Neapel  auftrat,  so  kann  er  dies  als  politischer  Parteigeängr  getan  haben,  was  nach  dama- 
ligen Begriffen  keine  Schande  brachte.  Der  Erzbischof  Paolo  Fregoso  von  Genua  hat  sich 
vielleicht  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  viel  mehr  erlaubt. 

879.  Poggio,  Facetiae  fol.  164.  Wer  das  heutige  Neapel  kennt,  hat  vielleicht  eine  ähnliche 
Farce  aus  einem  andern  Lebensgebiet  erzählen  hören. 

880.  Jovian.  Pontani  Antonius:  nee  est  quod  Neapoli  quam  hominis  vita  minoris  ven- 
datur.  Freilich  meint  er,  das  sei  unter  den  Anjou  noch  nicht  so  gewesen  ;  sicam  ab  iis  —  den 
Aragonesen  —  accepimus.  Den  Zustand  um  1534  bezeugt  Benv.  Cellini  I,  70. 

881.  Einen  eigentlichen  Nachweis  wird  niemand  hierüber  leisten  können,  allein  es  wird 
wenig  Mord  erwähnt  und  die  Phantasie  der  florentinischen  Schriftsteller  der  guten  Zeit 
ist  nicht  mit  Verdacht  dieser  Art  erfüllt. 

883.  Über  diese  s.  die  Relation  des  Fedeli  bei  Albiri,  Relazioni  serie  II,  vol.  I,  p.  353,  s. 


o65  ANMERKUNGEN 

883.  Infessura,  bei  Eccard,  scriptores  II,  Col.  1956. 

884.  Chron.  venetum,  bei  Mural.  XXIV,  Col.  131.  —  Im  Norden  gab  man  sich  über  die 
Giftkunst  der  Italiener  noch  stärkeren  Phantasien  hin;  s.  bei  Juvdnal  des  Ursins  ad  a.  1382 
(ed.  Buchon  p.  336)  die  Lanzette  des  Giftmischers,  welchen  König  Carl  von  Durazzo  in 
seinen  Dienst  nahm;  schon  wer  sie  starr  ansah,  mußte  sterben. 

885.  Petr.  Crinitus  de  honesta  disciplina,  L.  XVIII,  cap.  9. 

886.  Pii  II.  comment.  L.  XI,  p.  562.  —  Jo.  Ant.  Campanus:  vita  Pii  II,  bei  Murat.  III, 
II,  Col.  988. 

887.  Vasari  IX,  82,  vita  di  Rosso.  —  Ob  in  unglücklichen  Ehen  mehr  wirkliche  Vergif- 
tungen oder  mehr  Besorgnisse  vor  solchen  vorherrschten,  mag  unentschieden  bleiben.  Vgl. 
Bandello  II,  Nov.  5  u.  54.  Sehr  bedenklich  lautet  II,  Nov.  40.  In  einer  und  derselben 
westlombardischen  Stadt,  die  nicht  näher  bezeichnet  wird,  leben  zwei  Giftköche;  ein  Ge- 
mahl, der  sich  von  der  Echtheit  der  Verzweiflung  seiner  Frau  überzeugen  will,  läßt  sie 
einen  vermeintlich  giftigen  Trank,  der  aber  nur  ein  gefärbtes  Wasser  ist,  wirklich  austrin- 
ken und  darauf  versöhnt  sich  das  Ehepaar.  — ■  In  der  Familie  des  Cardanus  allein  waren  vier 
Vergiftungen  vorgekommen.   De  propria  vita,  cap.  30.  50. 

888.  Maleficien  z.  B.  gegen  Leonello  von  Ferrara,  s.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV, 
Col.  194  ad  a.  1445.  Während  man  dem  Täter,  einem  gew.  Benato,  der  auch  sonst  übelbe- 
rüchtigt war,  auf  der  Piazza  das  Urteil  vorlas,  erhob  sich  ein  Lärm  in  der  Luft  und  ein  Erd- 
beben, so  daß  männiglich  davonlief  oder  zu  Boden  stürzte.  —  Was  Guicciardini  (L.  I.) 
über  den  bösen  Zauber  des  Lodovico  Moro  gegen  seinen  Neffen  Giangaleazzo  sagt,  mag 
auf  sich  beruhen. 

8S9.  Man  könnte  vor  allem  Ezzelino  da  Romano  nennen,  wenn  derselbe  nicht  offenbar 
unter  der  Herrschaft  ehrgeiziger  Zwecke  und  eines  starken  astrologischen  Wahns  gelebt 
hätte. 

890.  Giornali  napoletani,  bei  Muratori  XXI,  Col.  1092,  ad  a.  1425. 

891.  Pii   II,  comment.  L.  VII,  p.  338. 

892.  Jovian.  Pontan.  de  immanitate,  wo  auch  von  Sigismondos  Schwängerung  der 
eigenen  Tochter  u.  dgl.  die  Rede  ist. 

893.  Varchi,  Storie  fiorentine,  am  Ende  (wenn  das  Werk  unverstümmelt  abgedruckt 
ist,  wie  z.B.  in  der  Mailänder  Ausgabe). 

894.  Worüber  natürlich  je  nach  Ort  und  Menschen  ganz  verschiedene  Stimmungen  laut 
werden.  Die  Renaissance  hat  Städte  und  Zeiten  gehabt,  wo  ein  entschiedener,  frischer 
Genuß  des  Glückes  vorherrschte.  Eine  allgemeine  Verdüsterung  der  Denkenden  beginnt 
erst  mit  der  entschiedenen  Fremdherrschaft  im  16.  Jahrhundert  sich  kenntlich  zu  machen. 

895.  Was  wir  den  Geist  der  Gegenreformation  nennen,  das  war  in  Spanien  entwickelt 
geraume  Zeit  vor  der  Reformation  selbst,  und  zwar  durch  die  scharfe  Überwachung  und 
teilweise  Neueinrichtung  alles  Kirchlichen  unter  Ferdinand  und  Isabel.  Hauptquelle  hier- 
für ist  Gomez,  Leben  des  Kard.  Ximenez,  bei  Rob.  Belus,  Rer.  hispan.  scriptores. 

896.  Man  beachte,  daß  die  Novellisten  u.  a.  Spötter  der  Bischöfe  beinahe  gar  nicht  ge- 
denken, während  man  sie,  allenfalls  mit  verändertem  Ortsnamen  hätte  durchziehen  können 
wie  die  andern.  Dies  geschieht  z.  B.  bei  Bandello  II,  Nov.  45  ;  doch  schildert  er  II.  40  auch 
einen  tugendhaften  Bischof.  Gioviano  Pontano  im  ,,Charon"  läßt  den  Schatten  eines  üppi- 
gen Bischofs  mit  ,, Entenschritt'  daherwatscheln. 

897.  Foscolo,  Discorso  sul  testo  del  Decamerone :  Ma  de'  preti  in  dignitä  niuno  poteva 
far  motto  senza  pericolo;  onde  ogni  frate  fu  l'irco  delle  iniquitk  d'Isreale  etc. 

898.  Bandello  präludiert  z.  B.  II,  Nov.  i,  damit:  das  Laster  der  Habsucht  stehe  nieman- 
dem schlechter  an  als  den  Priestern,  welche  ja  für  keine  Familie  usw.  zu  sorgen  hätten. 
Mit  diesem  Räsonnement  wird  der  schmähliche  Überfall  eines  Pfarrhauses  gerechtfertigt, 
wobei  ein  junger  Herr  durch  zwei  Soldaten  oder  Banditen  einem  zwar  geizigen,  aber  gicht- 
brüchigen Pfarrer  einen  Hammel  stehlen  läßt.  Eine  einzige  Geschichte  dieser  Art  zeigt  die 
Voraussetzungen,  unter  welchen  man  lebte  und  handelte,  genauer  an  als  alle  Abhandlungen. 

899.  Giov.  Villani  HI,  29  sagt  dies  sehr  deutlich  ein  Jahrh.  später. 


ANMERKUNGEN  ^67 

900.  L'Ordine.  Wahrscheinlich  ist  seine  Tafel  mit  dem  Motto  I  H  S  gemeint. 

goi.  Er  fügt  hinzu:  und  in  den  seggi,  d.  h.  den  Vereinen,  in  welche  der  neapolitanische 
Adel  geteilt  war.  —  Die  Rivalität  der  beiden  Orden  wird  häufig  lächerlich  gemacht,  z.  B. 
Bandello  III,  Nov.  14. 

902.  Für  das  Folgende  vgl.  Jovian.  Pontan.  de  sermone,  L.  II.  und  Bandello,  Parte  I, 
Nov.  32. 

903.  Weshalb  auch  sonst  in  seiner  Nähe  dies  Wesen  offen  denunziert  werden  durfte. 
Vgl.  auch  Jovian.  Pontan. :  Antonius  und  Charon. 

904.  Beispielshalber:  der  VIII.  Gesang  der  Maccaroneide. 

905.  Die  Geschichte  in  Vasari  V,  p.  120,  vita  di  Sandro  Botticelli,  zeigt,  daß  man  bis- 
weilen mit  der  Inquisition  Scherz  trieb.  Allerdings  kann  der  hier  erwähnte  Vicario  sowohl 
der  des  Erzbischofs  als  der  des  dominikanischen   Inquisitors  gewesen  sein. 

906.  Bursellis,  Ann.  Bonon.  ap.  Mural.  XXIII,  Col.  886.  cf.  896. 

907.  Vgl.  S.  273  f.  Er  war  Abt  der  Ballombrosaner.  Die  Stelle,  hier  frei  übersetzt,  findet 
sich  Opere,  vol.  II,  p.  208  in  seiner  zehnten  Novelle.  —  Eine  einladende  Schilderung  des 
Wohllebens  der  Karthäuser  in  dem  S.  196  zitierten  Commentario  d'Italia,  fol.  32,  s. 

908.  Pius  II.  war  aus  Gründen  für  Abschaffung  des  Zölibates;  Sacerdotibus  magna 
ratione  sublatas  nuptias  maiori  restituendas  videri,  war  eine  seiner  Lieblingssentenzen. 
Piatina,  Vitae  Pontiff.  p.311. 

909.  Ricordi,  N.  28,  in  den  Opere  Lnedite,  Vol.  I. 

910.  Ricordi,  N.  i.  123.  125. 

911.  Freilich  ein  sehr  unbeständiger. 

912.  Vgl.  dessen  u.  d.  Namen  Limerno  Pitocco  gedichteten  Orlandino,  cap.  VI,  Str. 40, 
s.  cap.  VII,  Str.  57.  cap.  VIII,  Str.  3,  s.,  bes.  75. 

913.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  362. 

914.  Er  hatte  einen  dautschen  und  einen  slawischen  Dolmetscher  bei  sich.  Auch  S. 
Bernhard  hatte  einst  am  Rhein  desselben  Mittels  bedurft. 

915.  Capistranoz.  B.bsgnügtesich,  über  die  Tausende  von  Kranken,  die  man  ihm  brach- 
te, das  Kreuz  zu  machen  und  sie  im  Namen  der  Dreieinigkeit  und  seines  Meisters  S.  Ber- 
nardino  zu  segnen,  worauf  hie  und  da  eine  wirkliche  Genesung  erfolgte,  wie  in  solchen  Fäl- 
len zu  geschehen  pflegt.  Der  Chronist  von  Brescia  deutet  dies  so  an :  ,,er  tat  schöneWunder, 
doch  erzählte  man  viel  mehr  als  wirklich  war". 

916.  So  z.  B.  Poggio,  de  avaritia,  in  den  Opera,  fol.  2.  Er  findet,  sie  hätten  es  leicht,  da 
sie  in  jeder  Stadt  dasselbe  vorbrächten  und  das  Volk  dümmer  entlassen  dürften  als  es  ge- 
kommen sei  usw. 

917.  Franco  Sacchetti,  Nov.  72.  Verfehlte  Bußprediger  sind  bei  allen  Novellisten  ein 
häufiges  Thema. 

918.  Vgl.  die  bekannte  Posse  im  Decamerone  VI,  Nov.  10. 

919.  Wobei  die  Sache  wieder  ganz  eigentümliche  Farben  annahm.  Vgl.  Malipiero,  Ann. 
venet.,  Arch.  stör.  VII,  I,  p.  18.  —  Chron.  venetum,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  114.  —  Storia 
bresciana,  bei  Murat.  XXI,  Col.  8g8. 

920.  Stör.  Bresciana  bei  Murat.  XXI,  Col.  865. 

921.  Allegretto,  Diari  sanesi,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  819. 

922.  Infessura  (bei  Eccard,  scriptores  II,  Col.  1874)  sagt:  canti,  brevi,  sorti.  Ersteres 
könnte  auf  Liederbücher  gehen,  dergleichen  wenigstens  Savonarola  wirklich  verbrannt  hat. 
Allein  Graziani  (Chron.  di  Perugia,  Arch.  stör.  XVI,  I,  p.  314)  sagt  bei  einem  ähnlichen 
Anlaß,  brieve  incante,  was  ohne  Zweifel  brevi  e  incanti  zu  lesen  ist,  und  eine  ähnliche  Emen- 
dation  ist  vielleicht  auch  bei  Infessura  ratsam,  dessen  sorti  ohnehin  irgendeine  Sache  des 
Aberglaubens  bezeichnen,  etwa  ein  wahrsagendes  Kartenspiel.  —  Zur  Zeit  des  Bücher- 
druckes sammelte  man  auch  z.  B.  alle  Exemplare  desMartial  für  den  Scheiterhaufen  ein. 
Bandello  III,  Nov.  10. 

923.  S.  dessen  merkwürdige  Biographie  bei  Vespasiano  Fiorent.  p.  2^4,  s.  —  und  die 
bei  Aen.  Sylvius,  de  viris  illustr.,  p.  24. 


368  ANMERKUNGEN 

924.  Allegretto,  1.  c,  Col.  823  ;  ein  Prediger  hetzt  das  Volk  gegen  die  Richter  (wenn  nicht 
statt  giudici  etwa  giudei  zu  lesen  ist)  worauf  dieselben  bald  in  ihren  Häusern  wären  verbrannt 
worden. 

925.  Infessura,  1.  c.  Im  Todestag  der  Hexe  scheint  ein  Schreibfehler  zu  liegen.  —  Wie 
derselbe  Heilige  vor  Arezzo  ein  verrufenes  Wäldchen  umhauen  ließ,  erzählt  Vasari  HI,  148; 
V.  di  Parri  Spinelli.  Oft  mag  sich  der  erste  Bußeifer  an  Lokalen,  Symbolen  und  Werkzeugen 
so  ziemlich  erschöpft  haben. 

926.  Pareva  che  l'aria  si  fendesse,  heißt  es  irgendwo. 

927.  Jac,  Volaterran.  bei  Murat.  XXHI,  Col.  167.  Es  wird  nicht  ausdrücklich  gesagt,  daß 
er  sich  mit  dieser  Fehde  abgab,  allein  wir  dürfen  nicht  daran  zweifeln.  —  Auch  Jacopo  della 
Marca  hatte  einst  (1445)  nach  ungeheuren  Erfolgen  kaum  Perugia  verlassen,  als  ein  schreck- 
licher Rachemord  in  der  Familie  Ranieri  geschah.  Vgl.  Graziani,  I.  c.  pag.  565,  s.  —  Bei 
diesem  Anlaß  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  jene  Stadt  auffallend  oft  von  solchen 
Predigern  besucht  wird,  vgl.  pag.  597,  626,  631,  637,  647. 

928.  Capistrano  kleidete  nach  einer  Predigt  fünfzig  Soldaten  ein;  Stör,  bresciana,  1.  c.  — 
Graziani,  I.  c.  pag.  565,  s.  —  Aen  Sylvius  (de  virtus  illustr.  p.  25)  war  in  seiner  Jugend  ein- 
mal nach  einer  Predigt  S.  Bernardinos  nahe  daran,  in  dessen  Orden  zu  treten. 

929.  Daß  es  an  Reibungen  zwischen  den  berühmten  Observantenpredigem  und  den  nei- 
dischen Dominikanern  nicht  fehlte,  zeigt  der  Streit  über  das  vom  Kreuz  auf  die  Erde  ge- 
flossene Blut  Christi  (1463).  Über  Fra  Jacopo  della  Marca,  der  dem  dominikanischen  In- 
quisitor durchaus  nicht  nachgeben  wollte,  äußert  sich  Pius  II.  in  seinem  ausführlichen 
Bericht  (Comment.  L.XI.p.  511)  mit  einer  ganz  hübschen  Ironie :  Pauperiem  pati  et  famem 
et  sitim  et  corporis  cruciatum  et  mortem  pro  Christi  nomine  nonnulli  possunt;  iacturam 
nominis  vel  minimam  ferre  recusant,  tanquam  sua  deficiente  fama  Dei  quoque  gloria  pereat. 

930.  Ihr  Ruf  schwankte  schon  damals  zwischen  Extremen.  Man  muß  sie  von  den  Ere- 
mitanermönchen  unterscheiden.  ^ —  Überhaupt  waren  die  Grenzen  in  dieser  Beziehung  nicht 
fest  gezogen.  Die  als  Wundertäter  herumziehenden  Spoletiner  beriefen  sich  immer  auf  San 
Antonio  und,  ihrer  Schlangen  wegen,  auf  den  Apostel  Paulus.  Sie  brandschatzten  schon  seit 
dem  i3.Jahrh.  die  Bauern  mit  halbgeistlicher  Magie,  und  ihre  Pferde  waren  dressiert 
niederzuknien,  wenn  man  San  Antonio  nannte.  Dem  Vorgeben  nach  sammelten  sie  für 
Hospitäler.  Massuccio,  Nov.  18,  Bandello  III,  Nov.  17.  Firenzuola  in  seinem  asino  d'oro 
läßt  sie  die   Stelle  der  Bettelpfaffen  des  Apulejus  vertreten. 

931.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  357.  Burigozzo,  ibid,  p.431. 

932.  Allegretto,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  855,  s. 

933.  Matteo  Villani  VIII,  I,  s.  Er  predigte  zuerst  gegen  die  Tyrannis  überhaupt,  dann, 
als  ihn  das  herrschende  Haus  derBeccaria  hatte  wollen  ermorden  lassen,  änderte  er  in  einer 
Predigt  selbst  die  Verfassung  und  die  Behörden  und  nötigte  die  Beccaria  zur  Flucht  (1357). 

934.  Bisweilen  stellte  auch  das  regierende  Haus  in  bedrängten  Zeiten  Mönche  an  um 
das  Volk  für  Loyalität  zu  begeistern.  Ein  Beispiel  aus  Ferrara  bei  Sanudo  (Murat.  XXII.  Col. 
1218). 

935.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  251.  —  Spätere  fanatisch  antifranzösische  Prediger,  nach 
der  Vertreibung  der  Franzosen  erwähnt  Burigozzo,  ibid.,  pag.  443, 449, 485  ;  ada.  1523. 1526, 
1529- 

936.  Jac.  Pitti,  Storia  fior.  L.  II.  p.  112. 

937.  Perrens:  Jeröme  Savonarole,  2  voll.,  unter  den  vielen  Spezialwerken  vielleicht  das 
methodisch  bestgeordnete  und  nüchternste.  ■ —  P.  Villari,  La  storia  di  Girol.  Savonarola, 
(2  voll.  8.   Firenze,  Lemonnier). 

938.  Savonarola  wäre  vielleicht  der  einzige  gewesen,  der  den  Untertanenstädten  die  Frei- 
heit wiedergeben  und  dennoch  den  Zusammenhalt  des  toskanischen  Staates  irgendwie  ret- 
ten konnte.  Daran  aber  kam  ihm  der  Gedanke  nicht. 

939.  Ein  merkwürdiger  Kontrast  zu  den  Sicnesen,  welche  1483  ihre  entzweite  Stadt 
feierlich  der  Madonna  geschenkt  hatten.  Allegretto,  ap.  Murat.  XXIII,  Col.  815. 

940.  Von  den  impii  astrologie  sagt  er :  non  h  da  disputar  (con  loro)  altrinienti  che  col  fuoco. 


ANMERKUNGEN  o5n 

941.  S.  die  Stelle  aus  der  14.  Predigt  über  Ezechiel,  bei  Perrens,  I.  c,  vol.  I,  pag.  30, 
Nota. 

942.  Mit  dem  Titel:  De  rusticorum  religione. 

943.  Franco  Sacchetti,  Nov.  109,  wo  noch  anderes  der  Art. 
944  Bapt.  Mantuan.  des  sacris  diebus,  L.  II.  ruft  aus: 

Isla  superstitio,  ducens  a  Manibus  ortum 

Tartareis,  sancta  de  religione  facessat 

Christigenüm !  vivis  epulas  date,  sacra  sepultis. 
Ein  Jahrhundert  vorher,  als  das  Exekutionsheer  Johanns  XXII.  gegen  die  Ghibellinen 
in  der  Mark  zog,  geschah  es  unter  ausdrücklicher  Anklage  auf  eresia  und  idolatria ;  Recana- 
ti,  das  sich  freiwillig  ergeben,  wurde  doch  verbrannt,  ,,weil  daselbst  Idole  angebetet  worden 
waren".  Giov.  Villani,  IX,  139.  141.  —  Unter  Pius  II.  kommt  ein  hartnäckiger  Sonnenan- 
beter, Urbinate  von  Geburt,  zum  Vorschein.  Aen.  Sylvii  opera  p.  289.  Hist.  rer.  ubique 
gestar.  c.  i2.  —  Das  Erstaunlichste  geschah  unter  Leo  X.  auf  dem  Forum  in  Rom:  wegen 
einer  Pest  wurde  ein  Stier  feierlich  auf  heidnische  Weise  geopfert;  Paul.  Jovius,  Hist.  XXI,  8. 

945.  So  Sabellico,  de  situ  venetae  urbis.  Er  nennt  zwar  die  Namen  der  Kirchenheiligen, 
nach  Art  mehrerer  Philologen,  ohne  sanctus  oder  divus,  führt  aber  eine  Menge  Reliquien 
an  und  tut  sehr  zärtlich  damit,  rühmt  sich  auch  bei  mehreren  Stücken,  sie  geküßt  zu  haben. 

946.  De  laudibus  Patavii,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  1149  bis   1151. 

947.  Prato,  Arch.stor.  III,  p.  408.  —  Er  gehört  sonst  nicht  zu  den  Aufklärern,  aber  gegen 
diesen  Kausalnexus  protestiert  er  denn  doch. 

948.  Pü  II.  Comment.  L.  VIII,  p.  352,  s.  Verebatur  Pontifex,  ne  in  honore  tanti  apostoli 
diminute  agere  videretur  etc. 

949.  Jac.  Volaterran.  bei  Murat.  XXIII,  Col.  187.  Ludwig  konnte  das  Geschenk  noch 
anbeten,  starb  aber  dennoch.  —  Die  Katakomben  waren  damals  in  Vergessenheit  geraten, 
doch  sagt  auch  Savonarola,  1.  c.  Col.  1150  von  Rom:  velut  ager  Aceldama  Sanctorutm  ha- 
bita  est. 

950.  Bursellis,  Annal.  Bonon.,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  905.  Es  war  einer  der  16  Patri- 
zier, Bartol.  della  Volta,  st.  1485. 

951.  Vasari  III,  iii,  s.  et  N.  Vita  di  Ghiberti. 

952.  Matteo  Villani  III,  15  und   16. 

953.  Man  müßte  überdies  unterscheiden  zwischen  dem  in  Italien  blühenden  Kultus  der 
Leichen  historisch  noch  genau  bekannter  Heiligen  aus  den  letzten  Jahrhunderten,  und  zwi- 
schen dem  im  Norden  vorherrschenden  Zusammensuchen  von  Körper-  und  Gewand- 
fragmenten usw.  aus  der  heiligen  Urzeit.  Letzterer  Art,  und  vorzüglich  für  Pilger  wichtig, 
war  dann  auch  der  große  Vorrat  der  lateranensischen  Reliquien.  Allein  über  den  Sarko- 
phagen des  h.  Dominikus  und  des  h.  Antonius  von  Padua  und  über  dem  mysteriösen  Grabe 
des  h.  Franz  schimmert  außer  der  Heiligkeit  auch  schon  der  historische  Ruhm. 

954.  Die  merkwürdige  Aussage,  aus  seinem  späten  Werke  de  sacris  diebus  (L.  I.)  bezieht 
sich  freilich  auf  weltliche  und  geistliche  Kunst  zugleich.  Bei  den  Hebräern,  meint  er,  sei 
mit  Recht  alles  Bildwerk  verdammt  gewesen,  weil  sie  sonst  in  den  rings  herrschenden 
Götzen-  oder  Teufelsdienst  wieder  zurückgefallen  wären : 

Nunc  autem,  postquam  penitus  natura  Satanum 
Cognita,  et  antiqua  sine  maiestate  rclicta  est, 
Nulla  ferunt  nobis  statuae  discrimina,  nullos 
Fert  pictura  dolos;  iam  sunt  innoxia  signa; 
Sunt  modo  virtutum  testes  monimentaque  laudum 
Marmora,  et  aetemae  decora  immortalia  famae  .  .  . 

955.  So  klagt  Batista  Mantovano  (de  sacris  diebus,  L.  V.)  über  gewisse  ,,nebulones", 
welche  an  die  Echtheit  des  heil.  Blutes  zu  Mantua  nicht  glauben  wollten.  Auch  diejenige 
Kritik,  welche  bereits  die  Schenkung  Konstantins  bestritt,  war  sicher  den  Reliquien  un- 
günstig, wenn  auch  im  stillen. 

956.  Vielleicht  auch  Pius  IL, dessen  Elegie  auf  die  h.  Jungfrau  in  den  opcra,  p.  964,  ab- 

Burckhardt  24 


370 


ANMERKUNGEN 


gedruckt  ist  und  der  sich  von  Jugend  auf  unter  dem  besondern  Schutz  der  Maria  glaubte. 
Jac.  Card.  Papiens.,  de  morte  Pii,  p.  656. 

957.  Also  aus  der  Zeit,  da  Sixtus  IV.  sich  für  die  unbefleckte  Empfängnis  ereiferte. 
Extravag.  commun.  L.  III,  Tit.  XII.  Er  stiftete  auch  das  Fest  der  Darstellung  Maria  im 
Tempel,  das  der  heil.  Anna  und  des  heil.  Joseph.  Vgl.  Trithem.  Ann.  Hirsaug.  II,  p.  518. 

958.  Höchst  belehrend  sind  hierfür  die  wenigen  und  kühlen  Madonnensonette  der  Vit- 
toria  (N.Ssff.). 

959.  Bapt.  Mantuan.  des  sacris  diebus,  L.  V.,  und  besonders  die  Rede  der  jungem  Pico, 
welche  für  das  lateranensische  Konzil  bestimmt  war,  bei  Roscoe,  Leone  X,  ed  Bossi,  vol. 
VIII,  p.  115. 

960.  Monach.  Paduani  chron.  L.  III,  Anfang.  Es  heißt  von  dieser  Buße :  invasit  primitus 
Perusinos,  Romanos  postmodum,  deinde  fere  Italiae  populos  universos. 

961.  Giov.  Villani  VIII,  122.  XI,  23. 

962.  Corio,  fol.281. 

963.  Entferntere  Wallfahrten  werden  schon  sehr  selten.  Diejenigen  der  Fürsten  vom 
Hause  Este  nach  Jerusalem,  S.  Yago  und  Vienne  sind  aufgezählt  im  Diario  Ferrarese  bei 
Murat.  XXIV,  Col.  182.  187.  190.  279.  Die  des  Rinaldo  Albizzi  ins  heil.  Land  bei  Macchia- 
velli,  Stör,  fior.,  L.  V.  Auch  hier  ist  bisweilen  die  Ruhmlust  das  Bestimmende;  von  Lio- 
nardo  Frescobaldi,  der  mit  einem  Gefährten  (gegen  1400)  nach  dem  heil.  Grabe  pilgern 
wollte,  sagt  der  Chronist  Giov.  Cavalcanti  (II,  p.  478):  Stimarono  di  etemarsi  nella  mente 
degli  uomini  futuri. 

964.  Bursellis,  Annal.  Bon.  bei  Murat.  XXIII,  Col.  890. 

965.  AUegretto,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  855,  s. 

966.  Burigozzo,  Arch.  stör.  III,  p.  486. 

967.  Man  nannte  es  auch  l'arca  del  testimonio,  und  war  sich  bewußt,  die  Sache  sei  con- 
zado  (eingerichtet)  con  gran  misterio. 

968.  Diario  Ferrarese,  bei  Murat.  XXIV,  Col.  317,  322.  323.  326.  386.  401. 

969.  Per  buono  rispetto  a  lui  noto  e  perchfe  sempre  e  buono  a  star  bene  con  Iddio,  sagt 
der  Annalist. 

970.  Vermutlich  die   S.  14  in  Perugia  erwähnte. 

971.  Die  Quelle  nennt  ihn  einen  Messo  de'  cancellieri  del  Duca.  Die  Sache  sollte  recht 
augenscheinlich  vom  Hofe  und  nicht  von  Ordensobern  oder  sonstigen  geistlichen  Behör- 
den ausgehen. 

972.  Vgl.  das  Zitat  aus  Picos  Rede  von  der  Würde  des  Menschen,  S.  203. 

973.  Abgesehen  davon,  daß  man  bei  den  Arabern  selbst  bisweilen  auf  eine  ähnliche 
Toleranz  oder  Indifferenz  stoßen  konnte. 

974.  So  bei  Boccaccio.  —  Sultane  ohne  Namen  bei  Massuccio,  Nov.  46,  48,  49. 

975.  Decamerone  I,  Nov.  3.  Er  zuerst  nennt  die  christliche  Religion  mit,  während  die 
100  novelle  ant.  eine  Lücke  lassen. 

976.  Freilich  im  Munde  des  Dämons  Astarotte,  Ges.  XXV,  Str.  231  ff.  Vgl.  Str.  141  ff. 

977.  Ges.  XXVIII,  Str.  38ff. 

978.  Ges.  XVIII,  Str.  112  bis  zu  Ende. 

979.  Pulci  nimmt  ein  analoges  Thema,  obwohl  nur  flüchtig,  wieder  auf  in  der  Gestalt 
des  Fürsten  Chiaristante  (Ges.  XXI,  Str.  loi,  s.  121,  s.  145,  s.  163,  s.)  welcher  nichts 
glaubt  und  sich  und  seine  Gemahlin  göttlich  verehren  läßt.  Man  ist  versucht,  dabei  an 
Sigismondo  Malatcsta  (S.  26,   177,  363)  zu  denken. 

980.  Gio.  Villani  III,  29.  VI,  46.  Der  Name  kommt  auch  im  Norden  sehr  früh  vor,  aber 
nur  in  konventionellem  Sinn. 

981.  Man  vgl.  die  bekannte  Beweisführung  im  dritten  Buche  des  Lukretius. 

982.  Inferno,  VIII,  67  bis  96. 

983.  Purgatorio  XVI,  73.  Womit  auch  die  Theorie  des  Planeteneinflusses  im  Convito 
zu  vergleichen.  • —  Auch  der  Dämon  Astarotte  bei  Pulci  (Morgante  XXV,  Str.  150)  bezeugt 
die  mcnsch'iche  Willensfreiheit  und  die  göttliche  Gerechtigkeit. 


ANMERKUNGEN  ^J l 

984.  Vespasiano  fiorent.  p.  26.  320.  435.  626.  651.  —  JMurat.  XX,  Col.  532. 

985.  über  Pomponazzo  vgl.  die  Spezialwerke,  u.a.  Ritter,  Gesch.  der  Philosophie, 
Bd.  IX. 

986.  Paul.  Jovii  Elogia  lit. 

987.  Codri  Urcei  opera,  vom  sein  Leben  von  Bart.  Bianchini,  dann  in  seinen  philologi- 
schen Vorlesungen  p.  65,  151.  278  usw. 

988.  Animum  meum  seu  animam,  eine  Unterscheidung,  durch  welche  damals  die  Philo- 
logie gerne  die  Theologie  in  Verlegenheit  setzte. 

989.  Piatina,  Vitae  pontiff.,  p.  31 1 :  christianam  fidem,  si  miraculis  non  esset  approbata, 
honestata  sua  recipi  debuisse. 

990.  Besonders  wenn  die  Mönche  dergleichen  auf  der  Kanzel  frisch  ersannen,  doch  auch 
das  längst  Anerkannte  blieb  nicht  ohne  Anfechtung.  Firenzuola  (opere,  vol.  II,  p.  208,  in 
der  10.  Novelle)  spottet  über  die  Franziskaner  von  Novara,  welche  aus  erschlichenem  Geld 
eine  Kapelle  an  ihre  Kirche  bauen  wollen,  dove  fusse  dipinta  quella  bella  storia,  quando 
S.  Francesco  predicava  agli  uccelli  nel  deserto ;  e  quando  ei  fece  la  santa  zuppa,  e  che  l'agnolo 
Gabriello  gli  portö  i  zoccoli. 

991.  Einiges  über  ihn  bei  Bapt.  Mantuan.  de  patientia,  L.  III,  cap.  13. 

992.  Bursellis,  Ann.  Bonon.,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  915. 

993.  Wie  weit  die  frevelhaften  Reden  bisweilen  gingen,  hat  Gieseler,  Kirchengeschichte 
II,   IV,  §  154  Anm.  mit  einigen  sprechenden  Beispielen  dargetan. 

994.  Jov.  Pontanus,  de  fortuna.  Seine  Art  von  Theodicee  II,  p.  286. 

995.  Aen.  Sylvii  opera,  p.  611. 

996.  Poggius,  de  miseriis  humanee  conditionis. 

997.  Caracciola,  de  varietate  fortunae,  bei  Murat.  XXII.  Eine  der  lesenswertesten  Schrif- 
ten jener  sonst  so  reichen  Jahre.  Vgl.  S.  263.  —  Die  Fortuna  bei  festhchen  Aufzügen,  S.  334 
u.  Anm. 

998.  Leonis  X.  Vita  anonyma,  bei  Roscoe,  ed  Bossi,  XII,  p.  153. 

999.  Bursellis,  Ann.  Bonon.,  bei  Murat.  XXIII,  Col.  909:  monimentum  hoc  conditum  a 
Joanne  Bentivolo  secundo  Patriae  rectore,  cui  virtus  et  fortuna  cuncta  quae  optari  possunt 
affatim  praestiterunt.  Es  ist  indes  nicht  ganz  klar,  ob  diese  Inschrift  außen  angebracht  und 
sichtbar,  oder  wie  die  zunächst  vorher  mitgeteilte  in  einem  Grundstein  verborgen  war.  Im 
letztem  Fall  verbände  sich  wohl  damit  eine  neue  Idee :  das  Glück  sollte  durch  die  geheime 
Schrift,  die  vielleicht  nur  noch  der  Chronist  kannte,  magisch  an  das  Gebäude  gefesselt 
werden. 

1000.  Quod  nimium  gentilitatis  amatores  essemus. 

looi.  Während  doch  die  bildende  Kunst  wenigstens  z^vischen  Engeln  und  Putten  unter- 
schied und  für  alle  ernsten  Zwecke  die  ernstem  anwandte.  —  Annal.  Estens.  bei  Murat. 
XX,  Col.  468  heißt  der  Amorin  oder  Putto  ganz  naiv:  instar  Cupidinis  angelus. 

1002.  Della  Valle,  Lettere  sanesi,  III,   18. 

1003.  Macrob.  Satumal.  III,  9.  Ohne  Zweifel  machte  er  auch  die  dort  vorgeschriebenen 
Gesten  dazu. 

1004.  Monachus  Paduan.  L.  IL,  bei  Urstisius,  scriptores  I,  p.  598.  599.  602.  607.  —  Auch 
der  letzte  Visconti  (S.  30)  hatte  eine  ganze  Anzahl  solcher  Leute  bei  sich.  Vgl.  Decembrio 
bei  Muratori  XX,  Col.  1017. 

1005.  So  Florenz,  wo  der  genannte  Bonatto  eine  Zeitlang  die  Stelle  versah.  Vgl.  auch 
Matteo  Villani  XI,  3,  wo  offenbar  ein  Stadtastrolog  gemeint  ist. 

1006.  Libri,  Hist.  d.  sciences  math.  II,  52.  193.  In  Bologna  soll  diese  Professur  schon 
1125  vorkommen.  —  Vgl.  das  Verzeichnis  der  Professoren  von  Pavia  bei  Corio,  fol.  290.  — 
Die  Professur  an  der  Sapienza  unter  Leo  X,  vgl.  Roscoe,  Leone  X,  ed.  Bossi,  V,  p.  283. 

1007.  Schon  um  1260  zwingt  Papst  Alexander  IV.  einen  Kardinal  und  verschämten 
Astrologen,  Bianco,  mit  politischen  Weissagungen  herauszurücken.  Giov.  Villani,  VI,  81. 

1008.  De  dictis  etc.  Alphonsi,  opera  p.  493.  Er  fand  es  sei  pulchrius  quam  utile.  Piatina, 
Vitae  Pont.  p.  310.  —  Für  Sixtus  IV.  vgl.  Jac.  Volaterran.  bei  Murat.  XXIII,  Col.  173.  186. 

24* 


o'72  ANMERKUNGEN 

1009.  Pier.  Valeriano,  de  infelix.  literat.  bei  Anlaß  des  Franc.  Priuli,  der  über  Leos 
Horoskop  schrieb  und  dabei  mehrere  Geheimnisse  des  Papstes  erriet. 

loio.  Ranke,  Päpste,  I,  p.  247. 

loi  I.  Vespas.  Fiorentino  p.  660,  vgl.  341.  —  Ebenda,  p.  121  wird  ein  anderer  Pagolo  als 
Hofmathematiker  und  Astrolog  des  Federigo  von  Montefeltro  erwähnt,  und  zwar  merk- 
würdigerweise ein   Deutscher. 

1012.  Firmicus  Maternus,  Matheseos  Libri  VHI,  am  Ende  des  zweiten  Buches. 

1013.  Bei  BandelJo  HI.  Nov.  60  bekennt  sich  der  Astrolog  des  Alessandro  Bentivoglio 
in  Mailand  vor  dessen  ganzer  Gesellschaft  als  einen  armen  Teufel. 

1014.  Einen  solchen  Anfall  von  Entschlossenheit  hatte  Lodovico  Moro,  als  er  das  Kreuz 
mit  jener  Inschrift  machen  ließ,  welches  sich  jetzt  im  Churer  Münster  befindet.  Auch  Six- 
tus  IV.  sagte  einmal,  er  wolle  probieren,  ob  der  Spruch  wahr  sei. 

1015.  Der  Vater  des  Piero  Capponi,  selber  Astrolog,  steckte  den  Sohn  in  den  Handel, 
damit  er  nicht  die  gefährliche  Kopfwunde  bekomme,  die  ihm  angedroht  war.  Vita  di  P. 
Capponi,  Arch.  stör.  IV,  II,  15.  Das  Beispiel  aus  dem  Leben  des  Cardanus  S.  265.  —  Der 
Arzt  und  Astrolog  Pierleoni  von  Spoleto  glaubte,  er  werde  einst  ertrinken,  mied  deshalb  alle 
Gewässer  und  schlug  glänzende  Stellungen  in  Padua  und  Venedig  aus.  Paul.  Jov.  Elog. 
liter. 

1016.  Beispiele  aus  dem  Leben  des  Lodovico  Moro:  Senarega,  bei  Muratori  XXIV, 
Col.  518,  524.  Benedictus,  bei  Eccard  II,  Col.  1623.  Und  doch  hatte  sein  Vater,  der  große 
Francesco  Sforza,  die  Astrologen  verachtet,  und  sein  Großvater  Giacomo  sich  wenigstens 
nicht  nach  ihren  Warnungen  gerichtet.  Corio,  fol.  321.  413. 

1017.  Dasselbe  ist  öfter  gedruckt,  mir  aber  nie  zu  Gesichte  gekommen.  —  Das  hier  Mit- 
geteilte aus  Annal.  foroliviens.  bei  Murat.  XXII,  Col.  233,  s.  —  Leonbattista  Alberti  sucht 
die  Zeremonie  der  Grundsteinlegung  zu  vergeistigen.  Opere  volgari,  Tom.  IV,  p.  314  (oder 
de  re  aedific.  L.   I). 

1018.  Bei  den  Horoskopen  der  zweiten  Gründung  von  Florenz  (Giov.  Villani  III,  i, 
unter  Karl  d.  Gr.)  unter  der  ersten  von  Venedig  (oben,  S.  49)  geht  eine  vielleicht  alte  Er- 
innerung neben  der  Dichtung  des  späteren  Mittelalters  einher. 

1019.  Ann.  foroliv.  1.  c.  —  Filippo  Villani,  Vite.  —  Macchiavelli,  Stör.  fior.  L.  I.  —  Wenn 
siegverheißene  Konstellationen  nahten,  stieg  Bonatto  mit  Astrolab  und  Buch  auf  den  Turm 
von  San  Mercuriale  über  der  Piazza  und  ließ,  sobald  der  Moment  kam,  gleich  die  große 
Glocke  zum  Aufgebot  läuten.  Doch  wird  zugestanden,  daß  er  sich  bisweilen  sehr  geirrt  und 
das  Schicksal  des  Montefeltro  und  seinen  eigenen  Tod  nicht  vorausgekannt  habe.  Unweit 
Cescna  töteten  ihn  Räuber,  als  er  von  Paris  und  italienischen  Universitäten,  wo  er  gelehrt 
hatte,  nach  Forli   zurück  wollte. 

1020.  Matteo  Villani  XI,  3. 

1021.  Jovian.  Pontan.  de  fortitudine,  L.  I.  —  Die  ersten  Sforza  als  ehrenvolle  Ausnah- 
men S.  413,  Anm. 

1022.  Paul.  Jov.  Elog.,  sub.  v.  Livianus. 

1023.  Welcher  dies  selber  erzählt.   Benedictus,  bei  Eccard   II,  Col.  1617. 

1024.  So  wird  wohl  die  Aussage  des  Jac.  Nardi,  Vita  d' Ant.  Giacomini  p.  65  zu  verstehen 
sein.  —  An  Kleidern  und  Geräten  kommt  dergleichen  nicht  selten  vor.  Beim  Empfang  der 
Lucrezia  Borgia  in  Ferrara  trug  das  Maultier  der  Herzogin  von  Urbino  eine  schwarzsamtne 
Decke  mit  goldenen  astrologischen  Zeichen.  Arch.  stör,  append.  II,  p.  305. 

1025.  Azario,  bei   Corio,  Fol.  258. 

1026.  Etwas  der  Art  könnte  man  selbst  bei  jenem  türkischen  Astrologen  vermuten,  der 
nach  der  Schlacht  von  Nicopolis  dem  Sultan  Bajazeth  I.  riet,  den  Loskauf  des  Johann  von 
Burgund  zu  gestatten:  ,,um  seinetwillen  werde  noch  viel  Cliristenblut  vergossen  werden". 
Es  war  nicht  zu  schwer,  den  weiteren  Verlauf  des  Innern  französischen  Krieges  vorauszu- 
ahnen. Magn.  chron.  belgicum,  p.  358.  Juv^nal  des  Ursins  ad  a.  1396. 

1027.  Benedictus,  bei  Eccard  II,  Col.  1579.  Es  hieß  u.  a.  1493  vom  König  Ferrante:  er 
werde  seine  Herrschaft  verlieren  sine  cruore,  sed  sola  fama,  wie  denn  auch  geschah. 


ANMERKUNGEN  373 

1028.  Bapt.  Mantuan.  de  patientia,  L.  III,  cap.  12. 

1029.  Giov.  Villani,  X,  39.  40.  Es  wirkten  noch  andere  Dinge  mit,  u.  a.  kollegialischer 
Neid.  —  Schon  Bonatto  hatte  Ähnliches  gelehrt  und  z.  B.  das  Wunder  der  göttlichen  Liebe 
in  S.  Franz  als  Wirkung  des  Planeten  Mars  dargestellt.  Vgl.  Jo  Picus  adv.  Astrol.  II,  5. 

1030.  Es  sind  die  von  Miretto  zu  Anfang  des  15.  Jahrh.  gemalten;  laut  Scardeonius  waren 
sie  bestimmt  ad  indicandum  nascentium  naturas  per  gradus  et  numeros,  ein  populäreres 
Beginnen  als  wir  uns  jetzt  leicht  vorstellen.  Es  war  Astrologie  ä  la  port^e  de  tout  le  monde. 

1031.  Er  meint  (Orationes,  fol.  35,  in  nuptias)  von  der  Sterndeutung:  haec  cfficit  ut 
homines  parum  a  Diis  distare  videantur !  —  Ein  anderer  Enthusiast  aus  derselben  Zeit  ist 
Jo.  Garzonius,  de  dignitate  urbis  Bononiae,  bei  Murat.  XXI,  Col.  1163. 

1032.  Petrarca,  epp.  seniles  III,  :  (p.  765)  u.  a.  a.  O.  Der  genannte  Brief  ist  an  Boccaccio 
gerichtet,  welcher  ebenso  gedacht  haben  muß. 

1033.  Bei  France  Sacchetti  macht  Nov.  151   ihre  Weisheit  lächerlich. 

1034.  Gio.  Villani  III,   i.  X.  39. 

1035.  Gio.  Villani  XI,  2.  XII,  4 

1036.  Auchjener  Verfasser,  der  Annales  Piacentini  (bei  Murat.  XX,  Col.  931),  der  S.  i86. 
187,  Anm.  erwähnte  Alberto  di  Ripalta  schließt  sich  dieser  Polemik  an.  Die  Stelle  ist  aber 
anderweitig  merkwürdig,  weil  sie  die  damaligen  Meinungen  über  die  9  bekannten,  und  hier 
mit  Namen  genannten  Kometen  enthält.  —  Vgl.  Gio.  Villani,  XI,  67. 

1037.  Paul.  Jov.  Vita  Leonis  X.  L.  III,  wo  dann  bei  Leo  selbst  wenigstens  ein  Glaube  an 
Vorbedeutungen  usw.  zum  Vorschein  kommt. 

1038.  Jo.  Pici  Mirand,  adversus  astrologos  libri  XII. 

103g.  Laut  Paul.  Jov.  Elog.  lit.,  sub  tit.  Jo.  Picus,  war  seine  Wirkung  diese,  ut  subtilium 
disciplinarum  professores  a  scribendo  deterruisse  videatur. 

1040.  De  rebus  coelestibus. 

1041.  In  S.  Maria  del  polpolo  zu  Rom. —  Die  Engel  erinnern  an  die  Theorie  Dantes  zu 
Anfang  des  Convito. 

1042.  Dies  ist  wohl  der  Fall  mit  Antonio  Galateo,  der  in  einem  Brief  an  Ferdinand  den 
Katholischen  (Mai,  spicileg.  rom.  vol.  VIII,  p.  226,  vom  J.  15x0)  die  Astrologie  heftig  ver- 
leugnet, in  einem  andern  Brief  an  den  Grafen  von  Potenza  jedoch  (ibid.,  p.  539)  aus  den 
Sternen  schließt,  daß  die  Türken  heuer  Rhodus  angreifen  würden. 

1043.  Ricordi,  1.  c.  N.  57. 

1044.  Eine  Masse  solchen  Wahnes  beim  letzten  Visconti  zählt  Decembrio  (Murat.  XX, 
Col.  1016,  s.)  auf. 

1445.  Varchi,  Stör.  fior.  L.  IV.  (p.  174).  Ahnung  und  Weissagung  spielten  damals  in 
Florenz  fast  dieselbe  Rolle  wie  einst  in  dem  belagerten  Jerusalem.  Vgl.  ibid.  III,  143.  195. 
IV,  43.   177. 

1046.  Matarazzo,  Arch.  stör.  XVI,  II,  p.  208. 

1047.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  324,  zum  J.  1514 

1048.  Wie  die  Madonna  dell'  arbore  im  Dom  von  Mailand  1515  tat,  vgl.  Prato,  1.  c, 
p.  327.  Freilich  erzählt  derselbe  Chronist  p.  357,  daß  man  beim  Graben  der  Fundamente 
für  den  Bau  der  triulzischen  Grabkapelle  (bei  S.  Nazaro)  einen  toten  Drachen  so  dick  wie 
ein  Pferd  gefunden  habe ;  man  brachte  den  Kopf  in  den  Palast  Triulzi  und  gab  den  Rest 
preis. 

1049.  Er  fuit  mirabile  quod  illico  pluvia  cessavit.  Diarium  Parmense  bei  Murat.  XXII, 
Col.  280.  Dieser  Autor  teilt  auch  sonst  jenen  konzentrierten  Haß  gegen  die  Wucherer, 
wovon  das  Volk  erfüllt  ist.  Vgl.  Col.  371. 

1050.  Coniurationis  Pactianae  commentarius,  in  den  Beilagen  zu  Roscoe,  Leben  des  Lo- 
renzo.  —  Poliziano  war  sonst  wenigstens  Gegner  der  Astrologie. 

1051.  Poggii  facetiae.fol.  174.  —  Aen.  Sylvius:  De  Europa  c.  53.  54.  (Opera,  p.  451.  455) 
erzählt  wenigstens  wirklich  geschehene  Prodigien,  z.  B.  Tierschlachten,  Wolkenerschei- 
nungen usw.  und  gibt  sie  schon  wesentlich  als  Kuriositäten,  wenn  er  auch  die  betreffenden 
Schicksale  daneben  nennt. 


nJA  ANMERKUNGEN 

1052.  Poggii  facetiae,  fol.  160.  cf.  Pausianus  IX,  20. 

1053.  Varchi  III,  p.  195.  Zwei  Verdächtige  entschließen  sich  1529  zur  Flucht  aus  dem 
Staate,  weil  sie  Virg.  Aen.  III,  vs.  44  aufschlugen.  Vgl.  Rabelais,  Pantagruel,  III,  10. 

1054.  Phantasien  von  Gelehrten,  wie  z.  B.  den  splendor  und  den  Spiritus  des  Cardanus 
und  den  Daemon  familiaris  seines  Vaters  lassen  wir  auf  sich  beruhen.  Vgl.  Cardanus,  de 
propria  vita,  cap.  4.  38.  47.  Er  selber  war  Gegner  der  Magie,  cap.  39.  Die  Prodigien  und  Ge- 
spenster, die  ihm  begegnet,  cap.  37.  41.  —  Wie  weit  die  Gespensterfurcht  des  letzten 
Visconti  ging,  vgl.  Decembrio,  bei  Muratori  XX,  Col.  1016. 

1055.  Molte  fiate  i  morti  guastano  le  creature.  Bandello  II,  Nov.  i. 

1056.  Bandello  III,  Nov.  20.  Freilich  war  es  nur  ein  Amant,  der  den  Gemahl  seiner  Datne, 
den  Bewohner  des  Palastes,  erschrecken  wollte.  Er  und  die  Seinigen  verkleideten  sich  in 
Teufel;  einen,  der  alle  Tierstinimen  nachmachen  konnte,  hatte  er  sogar  von  auswärts 
kommen  lassen. 

1057.  Graziani,  Arch.  stör.  XVI,  I,  p.  640,  ad  a.  1467.  Der  Verwalter  starb  vor  Schrecken. 

1058.  Balth.  Castilionii  carmina.  Prosopopeja  Lud.  Pici. 

1059.  Gio.  Villani  XI,  2.  Er  hatte  es  vom  Abt  der  Vallombrosaner,  dem  es  der  Eremit 
eröffnet  hatte. 

1060.  Dies  möchte  der  Fall  gewesen  sein  bei  der  merkwürdigen  Besessenen,  welche  um 
15 13  in  Ferrara  u.  a.  a.  O.  von  lombardischen  Großen  um  der  Weissagung  willen  konsul- 
tiert wurde;  sie  hieß  Rodogine.  Näheres  bei  Rabelais,  Pantagruel  IV,  58. 

1061.  Jovian.  Pontan.  Antonius. 

1062.  Graziani,  Arch.  stör.  XVI,  I,  p.  565,  ad  a.  1445,  bei  Anlaß  einer  Hexe  von  Nocera, 
welche  nur  die  Hälfte  bot  und  verbrannt  wurde.  Das  Gesetz  beschlägt  solche,  die:  facciono 
le  fature  o\'\'ero  venefitie  ovvero  encantatione  d'immundi  spiriti  a  nuocere. 

1063.  Lib.  I,  ep.  46.  Opera,  p.  531,  s.  Statt  umbra  p.  532  ist  Umbria,  statt  lacum  locum 
zu  lesen. 

1064.  Später  nennt  er  ihn  Medicus  Ducis  Saxoniae,  homo  tum  dives  tum  potens. 

1065.  Eine  Art  von  Höllenloch  kannte  man  im  14.  Jahrh.  unweit  Ansedonia  in  Toskana. 
Es  war  eine  Höhle,  wo  man  im  Sande  Tier-  und  Menschenspuren  sah,  welche,  auch  wenn 
man  sie  verwischte,  des  folgenden  Tages  doch  wieder  sichtbar  waren.  Uberti,  il  Ditta- 
mondo,  L.  III,  cap.  9. 

1066.  Pii  II.  comment.  L.  I,  p.  10. 

1067.  Benv.  Cellini,  L.  I,  cap.  65. 

1068.  L'Italia  liberata  da'  Goti,  canto  XXIV.  Man  kann  fragen,  ob  Trissino  selber  noch 
an  die  Möglichkeit  seiner  Schilderung  glaubt  oder  ob  es  sich  bereits  um  ein  Element  freier 
Romantik  handelt.  Derselbe  Zweifel  ist  bei  seinem  vermutlichen  Vorbild  Lucan  (Ges.  VI.) 
gestattet,  wo  die  thessalische  Hexe  dem  Sextus  Pompejus  zu  Gefallen  eine  Leiche  beschwört. 

1069.  Septimo  Decretal.  Lib.  V.  Tit.  XII.  Sie  beginnt:  summis  desiderantes  affectibus 
etc.  Beiläufig  glaube  ich  mich  zu  der  Bemerkung  veranlaßt,  daß  hier  bei  längerer  Betrach- 
tung jeder  Gedanke  an  einen  ursprünglichen  objektiven  Tatbestand,  an  Reste  heidnischen 
Glaubens  usw.  verschwindet.  Wer  sich  überzeugen  will,  wie  die  Phantasie  der  Bettelmönche 
die  einzige  Quelle  dieses  ganzen  Wahns  ist,  verfolge  in  den  Memoiren  von  Jacques  du  Clerc 
den  sog.  Waldenserprozeß  von  Arras  im  J.  1459.  Erst  durch  hundertjähriges  Hineinver- 
hören brachte  man  auch  die  Phantasie  des  Volkes  auf  den  Punkt,  wo  sich  das  ganze  scheuß- 
liche Wesen  von  selbst  verstand  und  sich  vermeintlich  neu  erzeugte. 

1070.  Alexanders  VI,  Leos  X.,  Hadrians  VI.,  a.  a.  O. 

1071.  Sprichwörtlich  als  Hexenland  genannt,  z.  B.  im  Orlandino,  cap.  I,  str.  12. 

1072.  Z.  B.  Bandello  III,  Nov.  29.  52.  Prato,  Arch.  stör.  III,  p.  408.  —  Bursellis,  Ann. 
Bonon.  ap.  Murat.  XXIII,  Col.  897,  erzählt  bereits  zum  J.  1468  die  Verurteilung  eines  Pri- 
ors vom  Servitcnordcn,  welcher  ein  Geisterbordell  hielt;  cives  Bononienses  coire  faciebat 
cum  Daemonibus  in  specie  puellarum.  Er  brachte  den  Dämonen  förmliche  Opfer.  —  Eine 
Parallele  hierzu  bei  Procop.  Hist.  arcana,  c.  12,  wo  ein  wirkliches  Bordell  von  einem  Dämon 
frequentiert  wird,  der  die  andern  Gäste  auf  die  Gasse  wirft. 


ANMERKUNGEN  oyr 

1073.  Die  ekelhaften  Vorräte  der  Hexenküche  vgl.  Macaroneide,  Phant.  XVI,  XXI,  wo 
das  ganze  Treiben  erzählt  wird. 

1074.  Im  Ragionamento  del  Zoppino.  Er  meint  die  Buhlerinnen  lernten  ihre  Weisheit 
besonders  von  gewissen  Judenweibern,  welche  im  Besitz  von  malie  seien. 

1075.  Varchi,  Stör.  fior.  II,  p.  153. 

1076.  Diese  Reser\'ation  wurde  dann  ausdrücklich  betont.  Com.  Agrippa,  de  occulta 
philosophia,  cap.  39. 

1077.  Septimo  Decretal.  1.  c. 

1078.  Zodiacus  vitae,  XII,  363  bis  539.  cf.  X,  393,  s. 

1079.  Ibid.  IX,  291,  s. 

1080.  Ibid.  X,  770,  s. 

1081.  Das  mythische  Vorbild  der  Zauberer  bei  den  damaligen  Dichtern  ist  bekanntlich 
Malagigi.  Bei  Anlaß  dieser  Figur  läßt  sich  Pulci  (Morgante,  canto  XXIV,  Str.  106,  s.)  auch 
theoretisch  aus  über  die  Grenzen  der  Macht  der  Dämonen  und  der  Beschwörung.  Wenn 
man  nur  wüßte  wie  weit  es  ihm  Ernst  ist  (vgl.  Canto  XXI). 

1082.  Polydorus  Virgilius  war  zwar  Italiener  von  Geburt,  allein  sein  Werk  de  prodigiis 
konstatiert  wesentlich  nur  den  Aberglauben  von  England,  wo  er  sein  Leben  zubrachte. 
Bei  Anlaß  der  Präscienz  der  Dämonen  macht  er  jedoch  eine  kuriose  Anwendung  auf  die 
Verwüstung  von  Rom   1527. 

1083.  Doch  ist  wenigstens  der  Mord  nur  höchst  selten  (S.  260)  Zweck  und  vielleicht  gar 
nie  Mittel.  Ein  Scheusal  wie  Gilles  de  Retz  (um  1440),  der  den  Dämonen  über  100  Kinder 
opferte,  hat  in  Italien  kaum  eine  ferne  Analogie. 

1084.  Vgl.  die  wichtige  Abhandlung  von  Roth  ,,über  den  Zauberer  Virgilius",  in  Pfeif- 
fers Germania,  IV.  —  Das  Aufkommen  Virgils  an  der  Stelle  des  altem  Telesten  mag  sich 
am  ehesten  dadurch  erklären,  daß  etwa  die  häufigen  Besuche  an  seinem  Grabe  schon  wäh- 
rend der  Kaiserzeit  dem  Volk  zu  denken  gaben. 

1085.  Uberti:  Dittamondo  L.  III,  cap.  4. 

1086.  Das  Folgende  s.  bei  Giov.  Villani  I.  42.  60.  II,  i.  III,  i.  V,  38.  XI,  i.  Er  selber 
glaubt  an  solche  gottlosen  Sachen  nicht.  —  Vgl.  Dante,  Inferno  XIII,  146. 

1087.  Den  Ortsglauben  hierüber  geben  Annal.  Foroliviens.  ap.  Muratori  XXII.  Col.  207. 
238;  mit  Erweiterungen  ist  die  Sache  erzählt  bei  Fil.  Villani,  Vite,  p.  43. 

1088.  Piatina,  Vitae  Pontiff.  p.  320:  veteres  potius  hac  in  re  quam  Petrum,  Analectum 
et  Linum  imitatus. 

1089.  Die  man  z.  B.  bei  Sugerius,  de  consecratione  ecclesiae  (Duchesne,  scriptores  IV, 
P-  355)  und  Chron.  Petershusanum  I,  13  und  16  recht  wohl  ahnt. 

1090.  Vgl.  auch  die  Calandra  des  Biebiena. 

1091.  Bandello  III,  Nov.  52. 

1092.  Ebenda  III,  Nov.  29.  Der  Beschwörer  läßt  sich  das  Geheimhalten  mit  hohen 
Eiden  versprechen,  hier  z.  B.  mit  einem  Schwur  auf  dem  Hochaltar  von  S.  Petronio  in 
Bologna,  als  gerade  sonst  niemand  in  der  Kirche  war.  —  Einen  ziemlichen  Vorrat  von  Zau- 
berwesen findet  man  auch  Macaroneide,  Phant.  XVIII. 

1093.  Benv.  Vellini   I,  cap.  64. 

1094.  Vasari  VIII,  143,  Vita  di  Andrea  da  Fiesole.  Es  war  Silvio  Cosini,  der  auch  sonst 
,,den  Zaubersprüchen  und  ähnlichen  Narrheiten"  nachging. 

1095.  Uberti,  il  Dittamondo,  III,  cap.  i.  Er  besucht  in  der  Mark  Ancona  auch  Scariotto, 
den  vermeintl.  Geburtsort  des  Judas  und  bemerkt  dabei:  ,,an  dieser  Stelle  darf  ich  auch 
nicht  den  Pilatusberg  übergehen,  mit  seinem  See,  wo  den  Sommer  über  regelmäßige  Wa- 
chen abwechseln;  denn  wer  Magie  versteht,  kommt  hier  heraufgestiegen,  um  sein  Buch  zu 
weihen,  worauf  großer  Sturm  sich  erhebt,  wie  die  Leute  des  Ortes  sagen".  Das  Weihen 
der  Bücher  ist,  wie  schon  S.  307  erwähnt  wurde,  eine  besondere,  von  der  eigentlichen  Be- 
schwörung verschiedene  Zeremonie. 

1096.  De  obsidione  Tiphematium  1474  (Rerum  ital.  scriptt.  ex  florent.  codicibus, 
Tom.  II). 


qyÖ  ANMERKUNGEN 

1097.  Diesen  unter  den  Soldaten  stark  verbreiteten  Aberglauben  (um  1520)  verspottet 
LimL-rno  Pitocco,  im  Orlandino,  cap.  V,  Str.  60. 

1098.  Paul.  Jov.  Elog.  lit.  sub  voce  Codes. 

1099.  Aus  Giovio  spricht  hier  vernehmlich  der  begeisterte  Porträtsammler. 

iioo.  Und  zwar  aus  den  Sternen,  denn  Gauricus  kannte  die  Physiognomik  nicht;  für 
sein  eigenes  Schicksal  aber  war  er  auf  die  Weissagung  des  Code  angewiesen,  da  sein  Vater 
versäumt  hatte,  sein  Horoskop  zu  notieren. 

iioi.  Paul.  Jov.  I.e.,  s.  V.  Tibertus. 

11 02.  Das  Notwendigste  über  diese  Nebengattungen  der  Mantik  gibt  Corn.  Agrippa, 
de  occulta  philosophia,  cap.  57.  52. 

1103.  Libri  Hist.  des  sciences  math^m.  II,  p.  122. 

1104.  Novi  nihil  narro,  mos  est  publicus.  (Remed.  utriusque  fortunae,  p.  93,  eine  der 
sehr  lebendig  und  ab  irato  geschriebenen  Partien  dieses  Buches.) 

1105.  Hauptstelle  bei  Trithem.  Ann.  Hirsaug.  II,  p.  286,  s. 

iic6.  Neque  enin  desunt,  heißt  es  bei  Paul.  Jov.  Elog.  lit.,  s.  v.  Pompon.  Gauricus. 
Vgl.   Ibid.,  s.  V.  Aurel.  Augurellus.  —  Macaroneide,  Phant.  XII. 

1107.  Ariosto,  Sonetto  34  .  .  .  non  creder  sopra  il  tetto.  Der  Dichter  sagt  es  mit  Bosheit 
von  einem  Beamten  aus,  der  in  einer  Sache  von  Mein  und  Dein  gegen  ihn  entschieden  hatte. 

1 108.  Narrazione  del  caso  del  Boscoli,  Arch.  stör.  I,  p.  273,  s.  —  Der  stehende  Ausdruck 
war  non  aver  fede,  vgl.  Vasari,  VII,  p.  122,  Vita  di  Piero  di  Cosimo. 

1109.  Jovian.  Pontan.  Charon. 

11 10.  Faustini  Terdocei  triumphus  stultitiae,  L.  II. 

IUI.  So  Borbone  Morosini  um  1460,  vgl.  Sansovino,  Venezia,  L.  XIII,  p.  243. 

11 12.  Vespas.  Fiorentin.  p.  260. 

1113.  Orationes  Philelphi,  fol.  8. 

11 14.  Septimo  Decretal.  Lib.  V.  Tit.  III,  cap.  8. 

1115.  Ariosto,  Orlando,  canto  VII.  Str.  61.  —  Ins  Lächerliche  gezogen:  Orlandino, 
cap.  IV,  Str.  67.  68.  (Vgl.  S.  259.)  —  Cariteo,  ein  Mitglied  der  neapolitanischen  Akademie 
des  Pontanus,  benützt  die  Präe.xistenz  der  Seelen,  um  die  Sendung  des  Hauses  Aragon  da- 
mit zu  verherrlichen.  Roscoe,  Leone  X.  ed.  Bossi,  II,  p.  288. 

11 16.  Orelli  ad  Cic.  de  republ.  L.  VI.  —  Vgl.  auch  Lucan.  Pharsal.  IX,  Anfang. 

1117.  Petrarca,  epp.  fam.  IV,  3  (p.  629).  IV,  6  (p.  632). 

1118.  Fil.  Villani,  Vite  p.  15 :  Diese  merkwürdige  Stelle,  wo  Werkdienst  und  Heiden- 
tum zusammentreffen,  lautet:  che  agli  uomini  fortissimi,  poiche  hanno  vinto  le  mostruose 
fatiche  della  terra,  debitamente  sieno  date  le  stelle. 

11 19.  Inferno,  IV,  24,  s.  —  Vgl.  Purgatorio  VII,  28.  XXII,  100. 

1120.  Dieser  Heidenhimmel  findet  sich  deutlich  auch  in  der  Grabschrift  des  Tonbild- 
ners Nicolo  deH'Arca: 

Nunc  te  Praxiteles,  Phidias,  Polycletus  adorant 

Miranturque  tuas,  o  Nicolae,  manus. 

(Bei  Bursellis,  ann.  Bonon.,  Murat.  XXIII,  Col.  912). 

1121.  In  seiner  späten  Schrift  Actius. 

1122.  Cardanus,  de  propria  vita,  cap.  13:  non  poenitere  ullius  rei  quam  voluntarie  effe- 
cerim,  etiam  quae  male  cessisset ;  ohne  dieses  wäre  ich  der  unglücklichste  Mensch  gewesen. 

1123.  Discorsi,  L.  II,  cap.  2. 

11 24.  Del  govemo  della  famiglia,  p.  114. 

1125.  Als  Beispiel  die  kurze  Ode  des  M.  Antonio  Flaminio  aus  den  Coryciana  (vgl. 


210): 


Dii  quibus  tani  Corycius  venusta 
Signa,  tam  dives  posuit  sacellum, 
Ulla  si  vestros  animos  piorum 
Gratia  tangit. 


ANMERKUNGEN  377 

Vos  iocos  risusque  senis  faceti 
Sospites  servate  diu ;  senectam 
Vos  date  et  semper  viridem  et  Falemo 

Usque  madentem. 
At  siinul  longo  satiatus  aevo 
Liquerit  terras,  dapibus   Deorum 
Laetus  intcrsit,  potiore  mutans 

Nectare  Bachum. 

1126.  Firenzuola,  opere,  vol.  IV,  p.  147,  s. 

1127.  Nie.  Valori,  Vita  di  Lorenzo,  passim.  —  Die  schöne  Instruktion  an  seinen  Sohn, 
Kardinal  Giovanni,  bei  Fabroni,  Laurentius,  Adnot.  178  und  in  den  Beilagen  zu  Roscoe, 
Leben  des  Lorenzo. 

1128.  Jo.  Pici  vita,  auct.  Jo.  Franc.  Pico.  —  Seine  Deprecatio  ad  Deum,  in  den  Deliciae 
poetar.  italor. 

1129.  Es  sind  die  Gesänge:  Orazione  (,, Magno  Dio,  per  la  cui  costante  legge  etc.",  bei 
Roscoe,  Leone  X,  cd  Bossi,  VIII,  p.  120);  —  der  Hymnus  (,,Oda  il  sacro  inno  tutta  la 
natura  etc.",  bei  Fabroni,  Laurentius,  Adnot.  9);  —  L'altercazione  (Poesie  di  Lorenzo 
magn.  I,  p.  265;  in  letzterer  Sammlung  sind  auch  die  übrigen  hier  genannten  Gedichte 
mit  abgedruckt). 

11 30.  Wenn  es  dem  Pulci  in  seinem  Morgante  irgendwo  mit  religiösen  Dingen  Ernst 
ist,  so  wird  dies  von  Ges.  XVI,  Str.  6  gelten:  diese  deistische  Rede  der  schönen  Heidin 
Antea  ist  vielleicht  der  greifbarste  Ausdruck  cer  Denkweise,  welche  unter  Lorenzos  Ge- 
nossen geltend  wer;  die  oben  (Anm.  Nr.  979,  983)  zitierten  Reden  des  Dämons  Astarotte 
bilden  dann  gewissermaßen  die  Ergänzung  dazu. 


GENAUERE  TITELANGABEN  EINIGER  HÄUFIGER 
ZITIERTEN  WERKE 

Archivio  storico  italiano,  nebst  Appendice.  Firenze,  Viesseux. 

Muratori:  Scriptores  rerum  Italicarum. 

Fabroni :  Magni  Cosmi  Medice!  vita. 

Desselben :  Laurentii  Med.  magnifici  vita. 

Roscoe :  Leben  des  Lorenzo  Medici. 

Poesie  del  magnifico  Lorenzo  de' Medici,  Londra  1801. 

Roscoe:  Vita  e  pontificato  di  Leone  X,  trad.  da  Luigi  Bossi,  Milano  i8i6,  s.,  12  voll,  in  8., 

mit  vielen  Beilagen,  die  dem  englischen  Original  fehlen. 
Petrarca:  Gesamtausgabe  seiner  lateinischen  opera,  Basileas  1581,  fol. 
Poggii  Opera,  Straßburger  Ausgabe  von   15 13,  fol. 
Philelphi  orationes,  ed.  Venet.   1492,  fol. 
M.Anton,  Sabellici  opera,  ed.  Venet.  1502,  fol. 
Pii   IL  P.  M.  commentarii,  ed.  Romana   1584. 
Aeneae  Silvii  opera,  ed.  Basil.  155 1,  fol. 

Piatina:  De  vitis  pontificum  romanor.,  Colonias  Agrippinoe   1626. 
Anecdota  literaria  e  mss.  codd.  eruta,  herausg.  von  Amaduzzi  und  Bianconi,  Rom  1773  bis 

1783,  vier  Bände  in  8. 
Corio:  Historia  di  Milano,  ed.  Venet.  1554. 
Macchiavelli:  Opere  minori,  Firenze,  Lemonnier,  1852. 
Varchi :  Storia  florentina,  Milano  1803,  5  voll,  in  8. 
Tommaso  Gar :  Relazioni  della  corte  di  Roma  (der  dritte  Band  der  zweiten  Serie  der  Rela- 

zioni  degli  ambasciatori  veneti,  raccolte  da  Eug.  Alberi,  Firenze). 
Boccaccio:  Opere  volgari,  Firenze  1829,  s.,  presso  Ign.  Moutier,  17  voll,  in  8. 
Filippo  Villani:  Le  vite  d'uomini  illustri  fiorentini,  Firenze   1826. 
Agnolo  Pandolfini:  Trattato  del  governo  della  famiglia,  Torino,  Pomba,  1829. 
Trucchi,  Poesie  italiane  inedite,  Prato   1S46,  4  voll,  in  8. 
Raccolta  di  Poesie  satiriche,  Milano  1808.   i   vol. 
Firenzuola:  Opere,  Milano  1802.  in  8. 
Castiglione:  II  cortigiano,  Venezia,  1549. 
Vespasiano  fiorentino,  außer  der  hier  benützten  Ausgabe  von  Mai,  im  X.  Bande  des  Spici- 

legium  romanum  ist  eine  neuere  von  Bartoli,  Firenze  1859,  zu  erwähnen. 
Vasari :  Le  vite  de'  piü  eccellenti  pittori,  scultori  e  architetti,  Firenze,  Lemormier,  seit  1846, 

dreizehn  Bände. 


NACHWORT  VON  WILHELM  WAETZOLDT 


NACHWORT 

Wer  in  den  elysäischcn  Gefilden  nach  Jacob  Burckhardt  Um- 
schau haken  dürfte,  würde  ihm  schwerlich  unter  den  Scharen  dispu- 
tierender Gelehrter,  gewiß  nicht  im  Kreise  seiner  kunsthistorischen 
Fachgenossen  begegnen,  vielleicht  ihn  aber  in  der  Gegend  antreffen, 
wo  Gottfried  Keller  und  Arnold  Böcklin  beim  Weine  sitzen.  Dem 
Dichter  und  dem  Maler  zugesellt,  genießt  er  dort  das  wunderbare 
Schauspiel,  „dem  Geist  der  Menschheit  erkennend  nachzugehen".  In 
der  Sehnsucht  nach  dieser  Erkenntnis  klingen  Burckhardts  weltgeschicht- 
liche Betrachtungen  ergreifend  aus.  Solch  edle  Sehnsucht,  die  des 
Glücks  und  Unglücks  völlig  vergessen  läßt,  gibt  Burckhardts  Wesen 
das  gedämpfte  Leuchten  und  auch  die  heitere  Resignation. 

Jacob  Burckhardt  war  ein  Kind  der  Vita  contemplativa,  ein  Be- 
trachter der  Dinge,  aber  welch  ein  Betrachter!  Um  frei  betrachten 
zu  können,  hielt  er  sich  —  nicht  ohne  Egoismus  —  alles  vom  Leibe, 
was  ihn  in  die  Händel  dieser  Welt  hätte  verwickeln  können,  verzich- 
tete er  freiwilhg  auf  vieles,  was  anderen  Glück  bedeutet.  Wie  persön- 
lich empfunden  ist  doch  das  Lob  des  Eremitenwesens  und  der  selbst- 
gewählten Einsamkeit  im  9.  Abschnitt  seiner  ,,Zeit  Konstantins". 
Einem  Dichter  —  dem  jungen  Paul  Heyse  —  rief  Burckhardt  1848 
die  Verse  zu: 

Du  entsage!  Gib  dein  Sinnen 
Ganz  dem  Schönen;  bettelarm  — 
Doch  im  Herzen  göttlich  warm  — 
Zieh  getrosten  Muts  von  hinnen. 

In  Burckhardts  äußerem  Dasein  verband  sich  eine  höhere  asketi- 
sche Haltung  des  Lebens  anmutig  mit  bemessener  Hingebung  an  ein 
feines  Epikuräertum.  Vor  der  Gefahr,  in  der  Einsamkeit  seines  Baseler 
Gehäuses,  aus  dem  er  sich  auch  nicht  nach  Berlin  auf  Rankes  Lehr- 
stuhl hatte  locken  lassen,  zum  Sonderling  und  Eigenbrötler  des  Gei- 
stes zu  werden,  schützte  Burckhardt  die  Universahtät  seiner  Anlagen. 


382  NACHWORT 

Er  gehörte  zu  den  von  ihm  so  gehebten  allseitigen,  hellenischen  Men- 
schen. Burckhardts  Universalität  ist  nicht  so  sehr  die  des  Wissens, 
die  den  Polyhistor  ausmacht,  als  vielmehr  eine  Universalität  der  Liebe, 
das  Kennzeichen  des  Dilettanten  in  dem  Sinne,  wie  Goethe  und  Burck- 
hardt  das  Wort  faßten.  Ein  Blick  in  das  Verzeichnis  der  etwa  170 
in  den  Jahren  1844 — 1892  gehaltenen  Vorträge  Burckhardts  genügt, 
um  einen  Begriff  zu  geben  von  der  Weite  seines  geistigen  Horizonts, 
der  Mannigfaltigkeit  und  Ursprünglichkeit  seiner  Fragestellungen.  Von 
Pythagoras  bis  Napoleon  I.,  von  griechischer  Kochkunst  bis  zu  den 
Briefen  der  Frau  von  Sevigne,  von  Demetrius,  dem  Städtegründer, 
bis  zu  Rembrandt  schweifen  diese  ,, Anregungen  zur  geschichtlichen 
Betrachtung  der  Welt".  Aber  auch  Universalität  des  wissenschaft- 
lichen Interesses  würde  Burckhardts  Werk  nicht  lebendig  erhalten, 
wenn  er  nicht  noch  eine  dritte  Grundkraft  besäße:  Ursprüngiichkeit. 
„Originalität  muß  man  haben,  nicht  danach  streben",  sagt  Burck- 
hardt  einmal  selbst,  als  er  von  der  geistigen  Pest  der  Originalitäts- 
sucht spricht.  Was  Burckhardt  gab,  war  nicht  originell,  es  war  original! 
Aus  der  Selbständigkeit  seines  Wesens  fließt  die  eigene  Art,  die  Dinge 
morgenfrisch  zu  sehen.  Der  Schleier  fremder  und  alter  Meinungen, 
durch  den  wir  Durchschnittsmenschen  die  Welt  erblicken,  zerriß  vor 
dem  Anhauch  seiner  Ursprünglichkeit.  Burckhardt  hat  —  hierin  nur 
Winckelmann  vergleichbar  —  das  kunstgeschichthche  Meinen  von  Ge- 
nerationen bestimmen  können,  weil  die  „unbegreifhch  hohen  Werke" 
sich  seinem  Auge  herrlich  wie  am  ersten  Tag  zeigten. 

Auf  den  drei  Grundpfeilern:  Freiheit,  Allseitigkeit  und  Ursprüng- 
lichkeit ruht  Burckhardts  Persönlichkeit.  Sein  Freiheitsgefühl  und  Frei- 
heitsbedürfnis wurzelt  im  Boden  seiner  Herkunft.  Träger  eines  der 
ältesten  patrizischen  Namen  Basels,  Sproß  aus  drei  Generationen 
evangelischer  Pfarrherren,  hat  sich  Burckhardt  in  der  Atmosphäre 
eines  jahrhundertealten,  vornehmen  Humanismus,  in  der  edlen  Ab- 
seitigkeit einer  der  letzten  Stadtrepubliken  wohl  gefühlt.  In  diesem 
republikanischen  Gemeinwesen,  in  dem  der  Geist  stets  eine  lebendige 
Rolle  gespielt  hat,  erwuchs  Burckhardts  Verständnis  für  die  Muni- 
zipalgesinnung der  Griechen  und  Italiener.  Burckhardt  wußte  sich 
frei  von  Patrizierhochmut,  aber  seine  Natur  war  durch  und  durch 
aristokratisch.  Sein  Individualismus  verachtete  das  öde  Anbeten  der 
Majoritäten  in  den  alten  und  modernen  Demokratien.  ,,Die  Minorität, 
ob  sie  siegt  oder  stirbt,  sie  macht  allezeit  die  Weltgeschichte",  sagte 
er  in  einer  Vorlesung  über  Demosthcnes.  Sein  Haß  gegen  Volksbewe- 
gungen, der  auf  die  Baseler  Wirren  der  dreißiger  Jahre  des  vorigen 
Jahrhunderts  zurückging,  tränkte  Burckhardts  Stimmung  in  den  Jahren 


NACHWORT  383 

gescilichtlicher  Krisen  mit  Bitterkeit.  So  sclirieb  er  1846  an  Gottfried 
Kinkel:  „Eine  Familie  will  ich  dieser  infamen  Zeit  nicht  in  die  Krallen 
liefern;  es  soll  kein  Proletarier  meine  Kinder  Mores  lehren  wollen." 
Aus  der  Abneigung  gegen  alles  nur  auf  Macht,  Zahl  und  Masse  sich 
Gründende  erklärt  sich  auch  Burckhardts  Kälte  gegenüber  dem  Staat, 
der  ein  wirkliches  und  ungeheucheltes  Interesse  nur  an  den  Armeen 
und  den  Steuern  habe,  nicht  aber  an  den  Dingen  des  Geistes.  Hier 
rühren  wir  an  die  delikate  Frage  nach  Burckhardts  Nationalgefülil. 
Weil  er  im  geistigen  Gebiet  nach  dem  Höchsten  griff,  gab  es  für  ihn 
als  betrachtenden  und  erkennenden  Kopf  keine  Grenze.  ,,Im  Reich 
des  Gedankens  gehen  alle  Schlagbäume  billig  in  die  Höhe."  —  Diesen 
geheiligten  Bezirk  des  Geistes  sah  Burckhardt  bedroht  von  Macht- 
gier und  Geldgier.  Ihn  schützte  ein  ererbter,  bescheidener  Wohlstand 
vor  der  Notwendigkeit,  um  der  Honorare  willen  schreiben  zu  müssen, 
und  Stolz  und  Freiheitsbedürfnis  davor,  lockenden  Verlegerangeboten 
zu  erliegen.  Der  Haß  des  Geistesmenschen  gegen  das  merkantile  Un- 
wesen und  der  Haß  des  Aristokraten  gegen  die  Masse  gaben  Burck- 
hardt die  prophetische  Vision:  „Einmal  werden  der  entsetzliche  Kapi- 
talismus und  das  begehrliche  Treiben  von  unten  wie  zwei  Schnell- 
züge auf  demselben  Gleise  gegeneinanderprallen." 

Frei  von  Erwerbssinn  war  Burckhardt,  frei  auch  von  jenem  Ruhm- 
sinn, den  er  als  ein  bewegendes  Motiv  der  Renaissancenaturen  scharf- 
sichtig erkannte.  Er  hatte  sein  Leben  unter  das  Motto  gestellt:  „Bene 
vixit  —  qui  bene  latuit."  Den  Ruhm  lehnte  er  in  jeder  Gestalt  ab: 
als  Interesse  der  Öffentlichkeit  an  seiner  Person,  als  Huldigung  der 
Fachgenossen  wie  als  Schmeichelei  eines  einzelnen.  Von  Burckhardts 
Kunst,  sich  zu  verbergen,  wissen  die,  die  ihn  besucht  haben.  Ergötz- 
liches zu  erzählen.  Es  war  nicht  Bescheidenheit  in  kümmerlich-bürger- 
lichem Sinne,  die  Burckhardt  Menschen  und  Dingen  gegenüber  Distanz 
halten  ließ,  sondern  das  instinktive  Gefühl,  daß  Nähe  Fesselung,  Be- 
schränkung äußerer  und  innerer  Freiheit  bedeuten  kann.  Auch  sich 
selbst  gegenüber  wahrte  Burckhardt  Abstand,  er  kehrte  zu  seinen 
Werken  nicht  zurück,  weil  sie  hinter  ihm  lagen.  Eine  gewisse  Scheu 
hielt  ihn  von  der  Vertiefung  in  alles  Biographische  ab,  einzig  dem 
aristokratischsten  der  Maler,  seinem  Liebling  Rubens,  widmete  er  ,, Er- 
innerungen". 

Der  Weg  des  jungen  Burckhardt  führt  vom  romantischen  zum  klas- 
sischen Ideal,  vom  Traum,  zum  Dichter  berufen  zu  sein,  zur  Erkennt- 
nis des  Berufs  als  Historiker.  Durch  Burckhardts  Jugendgeschichte 
rauscht  der  romantische  Rhein,  Türme  mittelalterlicher  Kathedralen 
ragen  auf,  Poesie  überglänzt  sie. 


oQa  NACHWORT 

„Du  an  des  Rheines  Frühlingsstrand, 
Du  weißt  nicht,  wie  du  glücklich  bist!" 

ruft  er  Willibald  Beyschlag  zu.  Und  in  vollen  Tönen,  die  nicht  ver- 
kennen lassen,  daß  Burckhardts  junge  Muse  eine  Schwester  der  Gei- 
belschen  ist,  klingt  sein  Huldigungslicd  an  Deutschland  aus. 

„In  deines  Rheines  Prachtgelände, 
Da  zogst  du  eng  ans  Herze  mich; 
Zum  Himmel  hob  ich  meine  Hände 
Und  schwor  zu  leben  nur  für  dich. 
Dort  möcht'  ich  vor  dein  Antlitz  treten. 
Zu  blauen  Bergen  hingewandt. 
Und  mit  des  Dankes  Tränen  beten 
Zu  dir,  mein  deutsches  Vaterland." 

Der  Rhein,  dem  Burckhardts  Liebe  und  Sehnsucht  galten,  ist  nicht 
der  junge  alemannische  Rhein,  an  dessen  Ufern  des  Baselers  Wiege 
gestanden  hatte,  sondern  der  deutsche  ,, Vater"  Rhein,  in  dessen  Wellen 
sich  die  Türme  Bonns  spiegeln,  wo  Burckhardt  im  Kreise  Gottfried 
Kinkels  seine  romantische  Sommerzeit  erlebte,  deren  er  sich  als  reifer 
Mann  nicht  ohne  leises  Unbehagen  erinnerte.  Für  die  Lebendigkeit 
solcher  schwärmerischen  Rheinstimmungen  in  Schweizer  Herzen  zeugt 
noch  die  erste  Fassung  von  Gottfried  Kellers  ,, Grünem  Heinrich", 
wo  der  junge  Lee  sich  ,, nicht  ohne  Herzklopfen"  dem  abendlichen 
Rheine  näherte.  ,, Hinter  diesen  stillen  schwarzen  Uferhöhen  lagen 
alle  die  deutschen  Gaue  mit  ihren  schönen  Namen,  wo  die  vielen 
Dichter  geboren  sind,  von  denen  jeder  seinen  eigenen  mächtigen  Ge- 
sang hat,  der  sonst  keinem  gleicht,  und  die  in  ihrer  Gesamtheit  den 
Reichtum  und  die  Tiefe  einer  Welt,  nicht  eines  einzelnen  Volkes  aus- 
zusprechen scheinen." 

Die  romantische  Gestimmthcit  imd  in  ihr  die  Neigung  zum  Mittel- 
alter brachte  Burckhardt  von  der  Spree  an  den  Rhein  mit.  Die  Berliner 
Studienjahre  in  der  Atmosphäre  Kuglers,  Schnaases,  Hothos  hatten 
seine  Augen  gelehrt,  in  Werken  des  Mittelalters  Kunst  zu  sehen.  Un- 
vergeßlich blieb  ihm  der  Anblick  der  Münster  in  Freiburg  i.  Br.  und 
in  Straßburg,  die  er  bis  in  sein  Alter  vcrclirtc.  Noch  in  den  ,, Welt- 
geschichtlichen Betrachtungen"  läßt  er  Erwin  von  Steinbach  als  Bei- 
spiel für  historische  Größe  neben  Michelangelo  treten.  Kirchen  des 
romanischen  und  gotischen  Stils  sind  Burckhardts  erste  Arbeiten  ge- 
widmet. 1837/38  in  der  Zeitschrift  für  das  gesamte  Bauwesen  gibt 
er   Bemerkungen   über  schweizerische   Katliedralen   (Genf,   Lausanne, 


NACHWORT  oßi; 

Basel,  Zürich).  In  der  Zeit  der  Kölner  Dombaubewegung  (1842  fand 
die  Grundsteinlegung  zum  Südportal  statt)  entstehen  die  dem  an- 
geblichen Gründer  des  Kölner  Domes  gewidmete  Arbeit  über  den 
Erzbischof  Konrad  von  Hochstaden  (1843)  und  der  Aufsatz  über  die 
vorgotischen  Kirchen  vom  Niederrhein  (Zeitschrift  Verona).  Wie  der 
Eindruck  des  Kölner  Domes  Burckhardts  Vorstellungen  von  Gotik 
nicht  bloß,  sondern  von  großer  Baukunst  überhaupt  beherrschte,  das 
spiegelt  die  Bemerkung  wider,  die  in  den  „Kunstwerken  der  belgischen 
Städte"  (1842)  gelegentlich  der  Analyse  des  Doms  zu  Antwerpen 
fallt:  das  mächtigste,  unübertreffliche  Beispiel  für  die  Gotik  lieferte 
der  Kölner  Dom,  „den  wir  schon  deshalb  als  das  erste  Gebäude  der 
Welt  zu  betrachten  haben".  Auch  der  Kulturhistoriker  Burckhardt 
wagte  die  ersten,  noch  zagen  Schritte  auf  dem  Boden  der  mittelalter- 
lichen Geschichte  Kölns.  Die  Schilderung  des  Lebens  in  Köln  zur  Zeit 
Konrad  von  Hochstadens  ist  durchwärmt  von  Burckhardts  alter  Liebe 
für  die  Stadt  und  ihre  Kirchen  und  durchsetzt  von  stillebenhaften 
kleinen  Zügen,  die  schon  den  großen  Meister  der  Anschaulichkeit 
ankündigen.  Lange  hat  sich  Burckhardt  init  dem  Riesenplan  getragen, 
eine  Geschichte  des  Mittelalters  in  Monographien  zu  schreiben.  Sie 
sollte  mit  Konstantin  dem  Großen  anheben  und  mit  der  ,, Kultur 
der  Renaissance  in  Italien"  als  Schlußbild  enden.  Der  Verlust  seines 
Baseler  Schullehramtes  1852,  der  Burckhardt  mit  Gewalt  auf  die 
Kunstgeschichte  hinwies,  die  er  in  Zürich  zu  lesen  hatte,  machte  dieses 
Projekt  zunichte;  wenn  anders  überhaupt  die  Mittelbände  von  einem 
Manne  noch  hätten  geschrieben  werden  können,  in  dessen  Seele  das 
klassische  Ideal  schon  das  romantische  verdrängt  hatte  und  Mittel- 
alter vor  Antike  und  wiedergeborener  Antike  in  den  Hintergrund  ge- 
treten war. 

Einen  homogenen  Geist  hat  Gottfried  Keller  in  bezug  auf  die  Schil- 
derung der  Renaissance  Burckhardt  einmal  genannt.  Dieser  Homo- 
genität wurde  sich  Burckhardt  aber  erst  als  Mann  zwischen  dreißig 
und  vierzig  klar  bewußt.  Der  Tropfen  romanischen  Blutes,  der  von 
dem  mütterlichen  Ahnherrn  Celio  Secondo  Curione,  einem  geborenen 
Lombarden,  her  in  seinen  Adern  rollte,  machte  sich  in  der  Entdeckung 
Italiens  als  zweiter  geistiger  Heimat  Burckhardts  verhältnismäßig  spät 
geltend,  nachdem  die  Sonne  des  Südens  endgültig  die  ,,mondbeglänz- 
ten  Zaubernächte"  verdrängt  hatte.  Burckhardt  kannte  Italien  bereits 
von  mehrfachen  Reisen.  Er  hatte  1850  im  deutschen  Kunstblatt  „Kunst- 
bemerkungen auf  einem  Ausflug  in  den  Kanton  Tessin  und  nach  Mai- 
land" als  erste,  italienischer  Kunst  gewidmete  Studie  veröffentlicht. 
Aber   die   eigentliche    Krise   und   innere    Entscheidung   brachte   doch 

Burckhardt  25 


q36  NACHWORT 

erst  die  italienische  Reise  1853/54,  auf  der  das  Material  für  den  „Ci- 
cerone" gesammelt,  der  Weg  zur  Klarheit,  wie  Goethe  sagte,  gefunden 
wurde.  Der  Gegensatz  zu  den  Schriften  des  jungen,  deutschland- 
begeisterten  Romantikers  zeigt  sich  besonders  deutlich  in  der  Be- 
urteilung, die  jetzt  die  Gotik  erfährt.  Sie  wird  als  die  Macht  gekenn- 
zeichnet, die  zeitweilig  die  italienische  Kunst  aus  ihrer  Bahn  gedrängt 
hat.  Was  Italien,  das  den  Göttern  heilige,  für  Burckhardt  gewesen 
ist,  hat  er  wiederholt  ausgesprochen.  Es  war  ihm  das  tröstende  und 
heilende  Land. 

Hervor  mein  Stab  und  Wanderhut, 

Es  wird  noch  alles,  alles  gut.  — 

O  nimm,  du  heißgeliebter  Süden, 

Den  Fremdling  auf,  den  wandermüden. 

Burckhardt  sah  Italien  gewiß  wahrer  als  etwa  die  Romantiker,  die 
ihr  nordisches  Empfinden  in  die  Auffassung  von  Italien  hineingetragen 
hatten,  aber  für  ihn  lag  doch  ein  ähnlicher  poetischer  Glanz  über 
Arno-  und  Tiberufern  wie  über  den  Hügeln  des  Rheins.  Mit  Goethe, 
Nietzsche  und  C.  F.  Meyer  teilte  er  die  Liebe  für  Claude  Lorrain, 
dessen  Bildwelt,  wehmütig,  vollkommen  und  golden  wie  der  Herbst, 
ihm  das  vollendete  sichtbare  Gleichnis  für  seinen  Süden  schien.  Ihm 
gelten  die  vielleicht  schönsten  Verse  Burckhardts: 

Geweihter  Geist,  den  die  Natur  erkoren, 
Als  Hohepriester  ihr  mit  reinen  Händen 
Des  Abendopfers  Weihrauchduft  zu  spenden, 
Wenn  schon  die  Sonne  naht  des  Westens  Toren.  — 

Vielleicht  hast  du  im  Leben  viel  verloren. 
Bis  du,  entrinnend  vor  des  Schicksals  Bränden, 
Dein  Bündnis  schlössest  an  des  Waldes  Enden 
Mit  den  Dryaden  und  den  süßen  Hören. 

Drum  will  ein  tiefes  Sehnen  uns  beschleichen 
Nach  Glück  und  Ruh,  wann  du  den  Blick  geleitest 
Vorbei  den  hohen,  immergrünen  Eichen. 

Zu  schattigen  Hainen  dann  die  Landschaft  weitest. 
Paläst'  und  Tempel  bau'st,  und  jenen  weichen 
Nachmittagsduft  auf  ferne  Meere  breitest. 

Italien  schuf  Burckhardt  zu  dem  großen  Geschichtsschreiber.  Ohne 
eine  Schule  zu  haben  und  weit  entfernt  davon,  als  Haupt  einer  solchen 


NACHWORT  087 

sich  fühlen  zu  wollen,  hat  er  doch  eine  Macht  über  die  Geister  gehabt 
wie  kaum  ein  anderer.  Er  hat  seiner  Generation  die  Vorstellung  von 
Kunst  und  Kultur  der  italienischen  Renaissance  eingepflanzt,  die  sich 
ihm  um  das  Jahr  1860  aus  Intuition  und  Forschung,  Kunstgefühl 
und  Lebensbetrachtung  geformt  hatte.  Sein  eigenstes  Forschungserleb- 
nis ist  allgemach  ein  Stück  allgemeiner  Bildung  geworden.  Solche 
Zaubergewalt  pflegt  nur  von  Büchern  auszugehen,  die  Wissenschaft 
und  Kunstwerk  zugleich  sind,  bei  denen  ein  Poet  dem  Historiker 
über  die  Schulter  geblickt  und  ihm  ins  Ohr  geflüstert  hat  wie  der 
Engel  dem  Evangelisten  Matthäus. 

In  ungewöhnlicher  Hellsichtigkeit  hat  der  vierundzwanzigjährige 
Burckhardt  über  sich  geurteilt:  „mein  ganzes  Geschichtsstudium  ist 
so  gut  wie  meine  Landschaftskleckserei  und  meine  Beschäftigung  mit 
Kunst  aus  einem  enormen  Durst  nach  Anschauung  hervorgegangen." 
Es  ist  ihm  aber  gar  nicht  so  leicht  gefallen,  die  Grenze  seiner  künst- 
lerischen Kräfte  zu  erkennen,  eingeborene  malerische  und  dichterische 
Begabung  von  selbständigen  Versuchen,  die  Schwingen  zu  regen,  zu- 
rückzurufen und  in  den  Dienst  gegenständlichen  Denkens,  anschau- 
licher Darstellung,  wahrhaft  dichterischer  Geschichtsvisionen  zu  stellen. 
Vom  Beruf  des  poetischen  und  malerischen  Dilettanten  blieb  dem 
Meister  der  Geschichtsschreibung  das  durchaus  Visuelle  seiner  Ge- 
staltung, der  intuitive  Charakter  seiner  Methode.  Burckhardt  hat  auch 
nie  daran  gezweifelt,  daß  für  die  Erkenntnis  der  Menschheit  die  Poesie 
wertvoller  sei  als  die  Geschichtsforschung.  ,,Es  gibt  nichts  Hinfalligeres 
als  das  Leben  historischer  und  kunsthistorischer  Bücher."  Er  vertrat 
die  ketzerische  Ansicht,  es  komme  in  ihrem  Bereich  auf  die  künstle- 
rische Seite  der  Behandlung  mehr  an  als  auf  die  wissenschafthche  im 
engeren  Sinne.  Wie  Gottfried  Keller  der  Dichter  der  Anschaulichkeit 
geworden  ist,  weil  Sehbegabung  und  gescheitertes  Malertum  für  sei- 
nen malerischen  Stil  bestimmend  wurden,  gaben  Burckhardts  künst- 
lerische Anlagen  —  zu  schwach,  sein  Leben  ganz  zu  tragen  —  doch 
seinen  wissenschaftlichen  Arbeiten  Farbe,  Glanz  und  Sonderart. 

Das  edelste  Geschenk,  das  die  Musen  diesem  universalen  Manne 
in  die  Wiege  gelegt  hatten,  war  die  dichterische  Anlage.  Sie  regte  sich 
als  Einfühlungsfahigkeit  in  fremde  Menschen,  Zeiten,  Anschauungen, 
als  Schmiegsamkeit  der  Phantasie,  als  Gabe  intuitiven  Vcrstehens  der 
charakteristischen  Situationen,  als  bildhafte  Vision  und  als  Kunst  der 
Sprachbeherrschung.  Hier  —  in  der  Sphäre  des  Dichterischen  — 
liegt  das  Schwergewicht  der  geistigen  Individualität  Burckhardts.  Wie- 
der ist  es  die  Luft  der  Rhcinlande,  die  den  poetischen  Funken  im  jun- 
gen Burckhardt  mächtig  anfacht.  Zwischen    1842  und   1847,  teilweise 


q88  NACHWORT 

im  Wettbewerb  mit  Simrock,  Geibel,  Nikolaus  Becker,  Wolfgang  Müller 
von  Königswinter  und  Gottfried  Kinkel,  entstehen  Lieder,  Opern- 
texte, Novellen,  Tragödien,  Erzählungen.  Es  ist  die  Zeit,  in  der  Kinkel 
mit  seinem  ,,Otto  der  Schütz"  nicht  nur  den  Beifall  seines  Bonner 
,, Maikäferbundes",  sondern  des  großen  deutschen  Publikums  fand. 
Aus  dem  vieltönigen  Gewirr  lyrischer  Stimmen,  das  damals  rheinauf, 
rheinab  erklang,  hört  ein  feines  Ohr  Burckhardts  bescheidene,  aber 
eigene  Melodie  heraus.  In  gesegneten  Stunden  gelangen  ihm  Strophen 
von  milder  Süße  oder  herber  Reife,  hinter  denen  nicht  Geibel  und 
Kinkel,  sondern  die  großen  Sterne  Kellers  und  Mörikes  aufzuleuchten 
scheinen.  Die  vorwiegend  subjektive  Bedeutung  seiner  Dichtung  als 
Befreierin  von  Gefühls-  und  Phantasieüberfülle,  als  Trösterin  in  der 
Zeit  des  Suchens  nach  dem  eigenen  Beruf  hat  Burckhardt  früh  erkannt. 
Selbstkritik  bewahrte  ihn  gütig  vor  Enttäuschungen.  ,,Ich  weiß  sehr 
wohl",  schreibt  er  an  Gottfried  Kinkel  1843,  „daß  ich  mit  meiner 
Landschafts-Miniaturmalerei  und  Kleinlyrik  nur  einen  gewissen  Kreis 
von  Lesern  und  Freunden  günstig  stimmen  könnte,  aber  für  solche 
Rühmchens  danke  ich.  Ein  Zeitdichter  kann  ich  doch  nicht  werden. 
Ich  beschränkte  mich  daher  mit  meinen  Versen  darauf,  hie  und  da 
meinen  Nächsten  ein  Vergnügen  zu  machen  —  aber  ein  Zeitgeschichts- 
schreiber möchte  ich  gerne  werden."  Hier  taucht  das  neue  Wegziel: 
Geschichtsschreibung  auf.  In  diese  Richtung  wies  Burckhardt  nicht 
etwa  mangelnde  Stärke  seiner  poetischen  Begabung,  sondern  deren 
Eigenart.  Trotzdem  dramatische  Projekte  ihm  lange  keine  Ruhe  ließen 
und  er  sich  an  epischen  Stoffen  redlich  gemüht  hat,  es  wollte  ihm  nur 
gelingen,  Staffagefiguren  zu  schaffen.  Auch  sein  nicht  geringes  zeich- 
nerisches Talent  stieß  bei  dem  Versuche,  es  auszubilden,  an  die  gleiche 
Grenze.  Der  Hintergrund,  das  Landschaftliche  glückte,  an  der  Ge- 
staltung des  Figürlichen  scheiterte  Burckhardts  Hand.  Und  ist  nicht 
hier  auch  eine  Grenze  seines  historiographischen  Herrschaftsbereiches 
angedeutet?  Er  wurde  kein  Figurcnschilderer,  kein  großer  Biograph, 
kein  Porträtist  heroischer  Gestalten,  aber  der  feinste,  geist-  und  takt- 
vollste Hintergrundzeichner  und  deshalb  ein  Meister  der  Kultur- 
geschichtsschreibung. Das  Bildliche  blieb  das  eigentliche  Element  — 
auch  der  wissenschaftlichen  Phantasie  Burckhardts.  Geschichte  ist  ihm 
Fortsetzung  der  Poesie  mit  anderen  Mitteln.  So  schrieb  er  1842  an 
W.  Beyschlag  das  Bekenntnis:  ,,Dic  Geschichte  ist  mir  noch  immer 
größtenteils  Poesie,  sie  ist  mir  eine  Reihe  der  schönsten  malerischen 
Kompositionen  .  .  .  Meine  historische  Darstellung  kann  vielleicht  mit 
der  Zeit  lesbar,  ja  angenehm  werden,  aber,  wo  nicht  ein  Bild  aus  mei- 
nem Innern  auf  das  Papier  zu  bringen  sein  wird,  muß  sie  insolvent 


NACHWORT  389 

dastehen."  Als  Burckhardt  sich  zu  dieser  Erkenntnis  durchgekämpft 
und  in  der  Geschichte  den  „einzigen  Trost  für  einen  stürmenden 
Busen"  gefunden  hatte,  glaubte  er,  der  seit  seinem  zwölften  Jahre, 
in  dem  ihm  die  Mutter  starb,  das  Gefühl  von  dem  Unsicheren  und 
Provisorischen  aller  Dinge  nie  mehr  recht  losgeworden  war,  daß  er 
,,auch  nicht  mehr  ganz  unglückhch  werden"  könne. 

Eine  zweite  Krisis  machte  Burckhardt  durch,  als  er  gegen  1855 
durch  die  Kulturgeschichte  zur  Kunstgeschichte  gedrängt  wurde.  Vom 
Bildhaften  der  Geschichte  führte  ihn  sein  Dämon  zur  Geschichte  des 
Bildes.  In  ItaUen  mahnte  die  innere  Stimme,  die  ihn  auf  seine  kunst- 
historische Sendung  hinwies,  vernehmlich.  ,,Ich  habe  bei  solchen  Ge- 
legenheiten" (Burckhardt  spricht  von  einem  Besuch  des  Domplatzes 
in  Pisa)  ,,ein  starkes  Herzklopfen  empfunden,  war's  Scheu  und  Über- 
wältigung —  oder  ahnte  mein  mehr  als  je  sonst  entwickelter  Schön- 
heitssinn seine  .\ffinität  mit  dem  Schönen  in  der  Außenwelt?"  Das 
war  der  „Bresten",  den  sich  Burckhardt,  wie  er  seinem  Schüler  Albert 
Brenner  1855  schrieb,  aus  Italien  mitgebracht  hatte,  das  war  der 
wissenschaftHche  Qiaälgeist,  „der  \  ielleicht  auf  Jahre  alle  meine  dis- 
poniblen Kräfte  in  Anspruch  nehmen  wird,  der  Keim  einer  größeren 
Forschung  in  der  Geschichte  des  Schönen".  Burckhardts  Schicksal, 
der  Deuter  der  italienischen  Renaissance  zu  werden,  erfüllte  sich  auf 
diesem  Felde.  In  dem  Gefäß  einer  Anleitung  zu  künstlerischem  Genuß 
barg  er  zunächst  die  reifen  Früchte,  die  ItaUen  ihm  schenkte.  1854 
erschien  der  „Cicerone",  1860  die  „Kultur  der  Renaissance  in  Italien". 
Aber  hier  wie  da  war  Burckhardt  nicht  führerlos  zu  ersten  Gipfeln 
aufgestiegen.  Den  Weg  zur  Geschichte  hatte  ihm  Ranke  gewiesen, 
das  Tor  zur  Kunstforschung  hatte  ihm  Kugler  aufgetan. 

Als  Burckhardt  1839  in  Rankes  historisches  Seminar  eintrat,  war 
er  ein  der  Theologie  bereits  entronnener,  nach  außen  heiterer,  aber 
von  Resignation  und  Skepsis  schon  überschatteter  geistreicher  Student. 
Für  das  Studium  der  Geschichte  im  humanistischen  Basel  gut  vor- 
geschult, hatte  der  junge  Burckhardt  Stärke  und  Grenze  seiner  Be- 
gabung im  einseitigen  Hang  seiner  Natur  zur  Anschauung  klar  erkannt. 
„Wo  ich  nicht  von  der  Anschauung  ausgehen  kann"  —  so  schrieb  er 
wenige  Jahre  später  an  W.  Beyschlag  —  „da  leiste  ich  nichts.  Ich 
rechne  zur  Anschauung  natürhch  auch  die  geistige,  z.  B.  historische, 
welche  aus  dem  Eindruck  der  Quellen  hervorgeht."  Als  Gegensatz 
zum  anschaulichen  Denken,  über  das  er  sich  Herr  fühlte,  betrachtete 
Burckhardt  das  philosophische  Denken.  Dies  blieb  ihm  sein  Lrljcn 
lang  fremd,  soweit  es  sich  nicht  an  ein  Äußeres,  Gegenständliches 
anschließen  konnte.  So  erklärt  sich  das  Grauen,  mit  dem  er  in  Schel- 


390  NACHWORT 

lings  Berliner  Vorlesungen  ging,  dessen  Lehre  ihm  unheimlich,  mon- 
strös, gestaltlos  anmutete.  ,,Ich  dachte  jeden  Augenblick,  es  müßte 
irgendein  Ungetüm  von  asiatischem  Gott  auf  zwölf  Beinen  daher- 
gewatschelt  kommen  und  sich  mit  zwölf  Armen  sechs  Hüte  von  sechs 
Köpfen  nehmen."  Auch  Hegels  Sirenenklänge,  die  Schnaase  und  Hotho 
verlockt  hatten,  rührten  den  jungen  Skeptiker  und  Empiristen  nicht, 
der  noch  in  den  ,, Weltgeschichtlichen  Betrachtungen"  mit  deutlichem 
Hinweis  in  diese  Richtung  der  Geschichtsphilosophie  betonte,  daß 
wir  nicht  eingeweiht  seien  in  die  Zwecke  der  ewigen  Weisheit  und 
sie  nicht  kennen.  —  Soweit  Burckhardt  überhaupt  philosophisch  ver- 
anlagt und  interessiert  war,  fühlte  er  sich  der  positivistischen  Denk- 
art verwandt,  die  in  den  sechziger  und  siebziger  Jahren  in  Deutsch- 
land unter  dem  Einfluß  des  französischen  (Comte)  und  englischen 
(Spencer)  Positivismus  Boden  gewann.  Aber  vielleicht  ist  auch  das 
schon  eine  zu  weit  gehende  Behauptung.  Nietzsche,  seinem  einstigen 
Hörer,  gegenüber  bekannte  Burckhardt  (1879):  ,,in  den  Tempel  des 
eigentlichen  Denkens  bin  ich  bekanntlich  nie  eingedrungen,  sondern 
habe  mich  zeitlebens  in  Hof  und  Hallen  des  Peribolos  ergötzt,  wo 
das  Bildliche  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  regiert." 

Mit  drei  Zaubersprüchen  machte  Burckhardt  sich  und  seine  Schüler 
fest  gegen  philosophische  Verlockungen.  Erstens:  „ich  bin  doch  nur 
ein  armer  Tropf  gegenüber  den  Mächten  der  äußeren  Welt."  Zwei- 
tens: ,, dieses  alles  wiegt  doch  keinen  Gran  realer  Anschauung  und  Emp- 
findung auf."  Drittens:  ,,die  Persönlichkeit  ist  doch  das  Höchste,  was 
es  gibt."  Diese  später  von  Albert  Brenner  1856  formulierten  Überzeu- 
gungen regierten  auch  Burckhardts  historische  Studienjahre.  Trotz  aller 
Verschiedenheit  der  Grundstimmung  fand  er  für  solche  Gedanken 
bei  Rankes  von  geschichtsphilosophischer  Ahnung  nur  gleichsam  um- 
wittertem Realismus  ein  Echo.  Von  der  Methode  des  großen  Berliner 
Historikers  legte  Burckhardt  in  der  1840  unter  Rankes  Augen  ent- 
standenen Darstellung  des  Lebens  und  der  Taten  Karl  Martells  ehren- 
voll Zeugnis  ab.  Hauptsatz  der  Schule  Rankes  war  es  ja,  die  vergan- 
genen Dinge  darzustellen  auf  Grund  —  und  nur  auf  Grund  der  besten 
Quellen,  die  Qiiellen  aber  mit  Hilfe  einer  zuerst  von  der  klassischen 
Philologie  ausgebildeten,  von  Niebuhr  übernommenen  Technik  auf 
ihre  Zuverlässigkeit  hin  zu  prüfen.  Nur  auf  diesem  Wege  philologischer 
Quellenkritik  glaubte  man  die  Gewähr  größtmöglicher  Annäherung 
an  die  historische  Wahrheit  zu  haben.  Aus  Rankes  Geist  ist  es  ge- 
sprochen, wenn  Burckhardt  1845  an  Kinkel  schreibt,  er  plane  eine 
Kunstarchäologie  von  Konstantin  bis  auf  den  Übergangsstil  ,, aus- 
schließlich aus  den  Autoren"  zusammenzustellen.  Freilich:  den  Begriff 


NACHWORT  391 

der  historischen  Quelle  faßte  Burckhardt  weiter,  als  es  die  Ranke- 
schüler von  strengster  Observanz  taten.  Er  war  darauf  aus,  nicht  bloß 
bei  den  eigenthchen  Skriptoren,  sondern  in  Monumenten  aller  Art, 
in  Kunst  und  Poesie  jenes  feine  geistige  Fluidum  herauszuspüren,  in 
dem  der  wahre  Geschichtsschreiber  atmen  muß.  In  seinem  Spürsinn 
für  verborgene  Kulturzeugnisse  und  in  der  Fähigkeit,  aus  hundertfach 
gelesenen  Quellen  Interessantes,  Neues,  bisher  Übersehenes  heraus- 
zuholen, besaß  Burckhardt  die  Wünschelrute,  die  ihn  als  Kultur-  und 
Kunsthistoriker  Schätze  finden  ließ.  Von  allen  Schülern  Rankes  ist 
Burckhardt  derjenige,  der  die  Mahnung  des  Meisters,  den  ,,Sinn  für 
das  Interessante  in  sich  zu  entwickeln",  am  erfolgreichsten  beachtet 
hat.  Rankes  Streben  nach  Anschaulichkeit  historischer  Darstellung, 
die  er  durch  Vertiefung  in  Zeit-  und  Lokalkolorit  zu  gewinnen  trachtete, 
verband  seine  Methode  noch  mit  der  Historiographie  der  Romantiker. 
Die  romantischen  Geschichtsschreiber  wollten,  daß  im  Gegensatz  zum 
anachronistischen  Stil  humanistischer  Historiographie  und  zu  der  farb- 
los-rationalistischen Darstellungsweise  Geschichte  lebendig  erzählt  werde, 
mit  der  Anschaulichkeit  und  dem  ans  Herz  greifenden  Ton  der  Poesie. 
Chateaubriand  als  Ästhetiker,  Walter  Scott  als  Dichter  wurden  bis 
zu  Ranke  hin  die  Vorbilder  für  diese  auf  Zeit-  und  Lokalkolorit  ein- 
gestellte Geschichtsschreibung.  Wenn  auch  die  Lehre  von  der  verite 
locale  et  pittoresque  bei  Ranke  und  Burckhardt  nicht  vorherrscht 
—  wie  etwa  bei  Heinrich  Leo  und  Jules  Michelet  — ,  so  hat  doch  das 
Verlangen  nach  Lebensnähe  auf  die  ästhetische  Form  der  Darstellung 
eingewirkt. 

Alle  Befragung  der  psychologisch  ergiebigsten  Quellen  liefert  aber 
noch  keine  Vorstellung  geschichtlicher  Zusammenhänge,  wenn  sie  nicht 
ergänzt  und  vertieft  wird  durch  die  Vision  im  Sinne  einer  lebendigen 
Gesamtanschauung  von  Zeiten,  Tendenzen  und  Kulturen.  Zum  Historio- 
graphen  gehört  das  philologische  und  das  dichterische  Element.  Wil- 
helm von  Humboldt  hatte  in  der  Berliner  Akademierede  „Über  die 
Aufgabe  des  Geschichtsschreibers"  1821  beide  Wege,  sich  der  histori- 
schen Wahrheit  zu  bemächtigen,  skizziert:  „die  genaue  parteilose,  kri- 
tische Ergründung  des  Geschehenen  und  das  Verbinden  des  Erforsch- 
ten, das  Ahnden  des  durch  jene  Mittel  nicht  Erreichbaren."  Burck- 
hardts  Phantasie  ließ  ihn  intuitiv  in  bildhafter  Klarheit  die  zarten 
und  doch  deutlichen  Farbenübergänge  in  der  geistigen  Geschichte 
des  Jahrhunderts  wahrnehmen,  wobei  er  freilich,  wie  er  z.  B.  in  der 
„Kultur  der  Renaissance"  (II.  Bd.,  IV.  Kap.)  hervorhebt,  das  Ge- 
fühl hatte,  ,,daß  er  das  bedenkliche  Gebiet  der  Ahnung  betreten  habe." 

Den   Grundzügen   seiner  allgemeinen   historiographischen   Methode 


qQ2  NACHWORT 

blieb  Burckhardt  auch  als  Kunstgeschichtsschreiber  treu.  Da  er  Ge- 
schichte und  Kunstgeschichte  von  Schreibtisch  und  Katheder  aus 
gleichmäßig  pflegte,  ergänzten  und  förderten  sich  beide  Behandlungs- 
weisen  wechselseitig.  Der  Belesenheit  und  Quellenkunde  des  Histo- 
rikers entsprachen  des  Kunsthistorikers  Denkmälerkenntnis  und  der 
Umfang  seiner  Erfahrung  vor  den  Werken  selbst.  Das  Erfassen  des 
Charakteristischen  mit  Hilfe  von  Spürsinn  und  gegenständlichem  Den- 
ken war  Vorbedingung  für  die  geschichtliche  Erkenntnis  hier  wie 
dort  und  für  die  Fähigkeit,  prägnant  und  sinnenfällig  zu  beschreiben. 
Wie  Burckhardt  dank  seines  visionären  Vermögens  die  Dinge  ,,nach 
den  vorherrschenden  Richtungen  des  Lebens"  zu  schildern  vermochte, 
so  gelang  ihm  die  Synopsis  von  stilistischen  Zusammenhängen  und 
die  Schilderung  kunstgeschichthcher  Epochen  auf  Grund  der  sie  be- 
herrschenden künstlerischen  Tendenzen.  Biuckhardt  erkämpfte  aber 
der  Kunstgeschichte  die  Gleichberechtigung  im  Kreise  der  älteren 
Schwesterdisziplinen  erst  in  dem  Maße,  als  er  —  ihrem  besonderen 
Stoffe  gemäß  —  für  sie  eigene  Begriffe  und  historiographische  Methoden 
ausbildete.  Von  der  ungeheuren  Erudition,  die  Burckhardt  auf  kultur- 
historischem Gebiete  besaß,  hat  er  als  Kunsthistoriker  kaum  Gebrauch 
gemacht.  Er  emanzipierte  bewußt  das  Kunstgeschichtliche  vom  All- 
gemeinhistorischen und  setzte  sich  damit  in  Gegensatz  zu  Carl  Schnaases 
und  auch  zu  Anton  Springers  Methode. 

Als  Endziel  der  Kunstforschung  erschien  Burckhardt  das  Wesen 
der  Kunst.  Dieses  lag  für  ihn  nicht  zuletzt  darin,  daß  die  Künste  es 
niclit  mit  dem  auch  ohne  sie  Vorhandenen  zu  tun  haben,  sondern 
in  hohem  Grade  um  ihrer  selbst  willen  da  sind.  Über  dieses  Bekennt- 
nis zur  Autonomie  der  Kunst  hinaus  lehnte  Burckhardt  ein  Grübeln 
über  die  letzten  Gründe  von  Kunst  und  Kunstgenuß  aus  seiner  Ab- 
neigung gegen  alles  Spekulativ-Philosophische  ab.  ,,Du  sollst  das  Ver- 
hältnis zwischen  dir  und  der  Kunst  nie  ergründen!"  Für  ihn  war  es 
mit  der  Lebendigkeit  der  persönlichen  Kunsteindrücke,  mit  der  Inter- 
pretation der  Dinge,  die  auf  Anschauung  berechnet  sind,  von  ihrer 
sichtbaren  Seite  her,  abgetan.  Zur  Ursprünglichkeit  seiner  Beziehungen 
zur  Kunst  kommt  das  Universalistische  seines  Standpunktes.  Sein 
kunsthistorischer  Lehrer  und  väterlicher  Freund  Franz  Kugler,  dem 
er  im  wesentlichen  seine  geistige  Richtung  zu  danken  hatte,  bewahrte 
Burckhardt  vor  dem  Spezialistentum.  Selbst  von  staunenswerter  wissen- 
schaftlicher Vielseitigkeit,  legte  er  seinem  Schüler  mit  der  Aufgabe 
der  Bearbeitung  der  zweiten  Auflagen  seiner  eigenen  Handbücher 
(Geschichte  der  Malerei  1847  und  Kunstgeschichte  1848)  den  wohl- 
tätigen Zwang  auf,  das  Gesamtgebiet  der  Künste  zu  überblicken  und 


NACHWORT  QQO 

sich  nicht  nur  den  Licblingsperiodcn,  sondern  jedem  Zweig  und  jeder 
Epoche  gewissenhaft  hinzugeben.  Wer  anders  hätte  auch  dieser  Aufgabe 
sich  unterziehen  können,  und  wer  sonst  wäre  geistig  dem  Kugler- 
schen  kunsthistorischen  Empirismus  verwandt  und  seiner  Fähigkeit, 
die  künstlerischen  Phänomene  den  allgemeinhistorischen  gegenüber  zu 
isolieren,  gewachsen  gewesen?  Trotz  der  Hinwendung  des  jungen 
Burckhardt  zu  mittelalterlichen  Studien,  die  auch  der  Bearbeitung 
der  Abschnitte  über  die  Geschichte  der  Malerei  des  14.  und  15.  Jahr- 
hunderts in  Kuglers  Handbuch  zugute  kamen,  und  trotz  des  späteren 
Einrückens  der  italienischen  Renaissance  in  den  Mittelpunkt  seines 
Geschichtsbildes  bewahrte  sich  Burckhardt  die  Universalität  des  Inter- 
esses. Der  „Cicerone"  führt  den  Italienwanderer  mit  gleichbleibender 
Vertrautheit  von  der  Antike  bis  zum  Ausgang  des   18.  Jahrhunderts. 

Aus  der  Welt  der  Kunstgeschichte  —  wie  aus  dem  kulturgeschicht- 
lichen Material  —  gab  Burckhardt  aber  nur,  was  ihm  interessant  war. 
Den  „Schutt"  der  Tatbestände  in  der  Darstellung,  nicht  im  Studium 
zu  verehren  und  Vollständigkeit  im  Stofflichen  anzustreben,  lehnte 
er  ebenso  ab  wie  die  „mikroskopischen"  Arbeitsmethoden  mancher 
Fachgenossen.  Seine  skeptische  Natur  ließ  ihn  mißtrauisch  das  Wesen 
der  Bildertäufer  und  Wiedertäufer  betrachten.  Mit  neuen  Attributio- 
nen, mit  Entdeckungen  auf  dem  Kunstmarkt  ein  ,, Rühmehen"  zu 
erwerben,  konnte  ihn  nicht  locken,  der  die  Gabe  besaß,  auch  am 
Bekannten  und  längst  Anerkannten  eine  neue  Seite  zu  entdecken. 
Die  Vorrede  des  ,, Cicerone"  betont,  daß  dort  wenig  für  diejenigen 
gesorgt  sei,  ,, welchen  nur  das  Rarste  und  Unzugänglichste  Freude 
macht .  .  .  solche  suchen  im  Grunde  nicht  die  Kunst,  sonst  würde 
ihnen  das  vermeintlich  Allbekannte  mehr  zu  denken  geben!"  Diese 
stolze  Gesinnung  brachte  Burckhardt  naturgemäß  in  einen  Gegen- 
satz zu  den  Philologen  des  Auges,  den  Antiquaren  und  Archivaren 
der  Kunstgeschichte,  übrigens  auch  zu  jenen  romantisch  gestimmten 
Forschern,  die  aus  dem  Eindruck  von  Kunstwerken  auf  die  persön- 
lichen Gesinnungen  der  Künstler  hatten  schließen  wollen. 

Mit  dem  methodischen  Grundsatz  Burckhardts,  aus  der  Analyse 
eines  Kunstwerkes  nach  Möglichkeit  alle  außerkünstlerischen  Bezie- 
hungen auszuschalten,  hängt  es  auch  zusammen,  daß  dieser  Meister 
in  der  Menschenschilderung  keine  Künstlcrbiographie  geschrieben  hat. 
Burckliardts  Kunstbetrachtung  ist  auf  die  künstlerischen  Werte  ge- 
richtet, seine  Methode  formalanalytisch.  Dies  alles  aber  ohne  Pedanterie, 
ohne  Orthodoxie  eines  ästhetischen  Bekenntnisses,  ja  sogar  in  dem 
Sinne  ohne  Konsequenz,  als  Burckhardt  nichts  von  einer  Verachtung 
des   Inhaltlichen   wissen   wollte.    In   feierlichem   Ton   heißt  es  in  den 


QOA  NACHWORT 

Schlußsätzen  seines  1877  gehaltenen  Rembrandt- Vortrages:  „Es  ist 
nicht  wahr,  daß  die  Gegenstände  der  Malerei  ein  bloßer  Vorwand 
sein  dürfen,  damit  eine  einzige  Eigenschaft,  welche  noch  nicht  zu  den 
höchsten  gehört  (Burckhardt  meint  die  Lichtmalerei),  ein  souveränes 
Gaukelspiel  daran  aufführe."  Ohne  den  systematischen  Grundriß  eines 
kunstphilosophischen  Lehrgebäudes  zu  besitzen  oder  auch  nur  an- 
zustreben, kam  Burckhardt  für  seinen  Hausgebrauch  mit  einer  Reihe 
persönlich  erlebbarer  Wertbegriffe  aus.  Mit  ihrer  Hilfe  mühte  er  sich, 
,,die  lebendigen  Gesetze  der  Formen  in  möglichst  klare  Formeln  zu 
bringen"  (1879  an  Alioth).  Als  Geschichtsschreiber  lehnte  Burckhardt 
den  von  der  Romantik  verherrlichten  Geschichtsbegriff  ab,  nach  dem 
Geschichte  gleich  Entwicklung  im  Sinne  organischen  Werdens,  jede 
Erscheinung  als  Ergebnis  solcher  Entwicklung  gerechtfertigt  ist.  Burck- 
hardt fehlte  durchaus  der  Glaube  an  eine  fortschreitende  Entwicklung. 
Mit  Ironie  und  Hohn  übergoß  er  die  moralischen  und  ästhetischen 
Fortschrittslehren.  Dafür  begnügte  er  sich  mit  den  Erfahrungsbegriffen: 
Wandlung  und  Kontinuität.  Das  durch  alles  rhythmische  Auf  und 
Ab  der  Geschichte  sich  Wiederholende,  Konstante,  Typische  als  ein 
in  uns  Anklingendes  und  Verständliches  zu  betrachten,  ist  die  eine 
Grundrichtung  seines  geschichtlichen  Denkens,  die  andere  faßt  alles 
Geistige  ,,als  Wandlung,  als  Bedingtes,  als  vorübergehendes  Moment". 
,,Das  Wesen  der  Geschichte  ist  die  Wandlung."  — 

Drei  geistige  Kräfte  haben  in  wechselseitiger  Durchdringung  das 
Gesicht  der  deutschen  Kunstforschung  im  19.  Jahrhundert  bestimmt: 
der  historische  Sinn,  von  Winckelmann  und  Herder  an  lebendig  wir- 
kend, das  philosophische  Denken,  in  Kant  und  Hegel  verschieden- 
farbig aufleuchtend,  und  das  künstlerische  Gefühl,  das  in  Goethe  Ge- 
stalt geworden  war.  Beherrscht  vom  liistorischen  Sinn  war  die  Tat- 
sachenforschung der  Kenner,  Sammler  und  der  Positivisten  des  Auges. 
Das  philosophische  Denken  hatte  die  kulturhistorische  Richtung  ver- 
tieft. Das  künstlerische  Gefühl  schließlich,  erst  mit  Jacob  Burckhardt 
wird  es  eine  methodebildende  Macht.  Das  ist  des  Kunsthistorikers 
Burckhardt  geschichtliche  Sendung. 

Damit  brechen  wir  die  allgemeine  Charakterisierung  des  geschicht- 
lichen Denkens  und  Forschens  Jacob  Burckhardts  ab  und  wenden  uns 
Beobachtungen  zur  Analyse  seiner  kunstgeschichtlichen  Hauptwerke  — 
denn  nur  diese  kommen  hier  in  Frage  —  zu. 

,, Die  Kunstwerke  der  belgischen  Städte"  (1842).  Das  Ergebnis 
einer  1841  von  Köln  aus  unternommenen  Reise  durch  Belgien.  Das 
Buch  wurde  geschrieben  aus  den  Erfahrungen  des  Reisenden,  der  die 
Lücke  fühlte  zwischen  den  Tatsachcnaufzählungen  der  gewöhnlichen 


NACHWORT  3Q5 

Reisehandbücher  und  dem  Tiefsinn  —  auch  der  Umständhchkeit  — 
der  „Niederländischen  Briefe"  Schnaases  (1834).  Dem  rein  sachHchen 
Standpunkt  der  ersten  Gruppe  von  Reisebüchern  gegenüber  will  Burck- 
hardt  die  „völligste  Subjektivität"  walten  lassen.  Die  philosophischen 
Gedankengänge  Schnaases  möchte  er  durch  die  wirkliche  Erfahrung 
vor  Kunstwerken  ergänzen.  So  entstand  ein  Buch  aus  der  Praxis  für 
die  Praxis,  dessen  Ziel  schon  das  des  „Cicerone"  ist:  durch  kurze  Er- 
läuterung der  Kunstwerke  zu  ihrem  Genüsse  anzuleiten.  Daß  es  ein 
Werk  des  jungen  Burckhardt  ist,  verrät  die  trotz  einiger  Vorbehalte 
an  verschiedenen  Stellen  durchschlagende  Begeisterung  für  die  Kunst 
des  Mittelalters:  gotische  Baukunst  und  gotische  Plastik.  Von  dem 
ehernen  Taufbecken  in  Saint  Barthelemy  in  Lüttich  heißt  es:  ,,es  ist 
eines  der  vielen  unbekannten  Meisterwerke  deutscher  Kunst;  stände 
der  Name  des  Niccolö  Pisano  darauf,  man  würde  es  plötzlich  zum 
Himmel  erheben."  Auch  der  Kölner  Dom  wird  noch  als  das  ,, erste 
Gebäude  der  Welt"  beurteilt.  Wie  vorurteilslos  Burckhardt  im  übrigen 
auch  der  Romantik  gegenüberstand,  läßt  die  Anmerkung  über  seine 
Kritik  mancher  Gesichter  auf  Bildern  der  van  Eyck  als  —  starr  und 
kalt  ahnen.  ,, Gewöhnlich  werden  die  mittelalterlichen,  besonders  deut- 
schen Schulen  in  Bausch  und  Bogen  wegen  ihrer  tiefen  Innigkeit  und 
Gemütlichkeit  gepriesen,  während  doch  die  oft  erwähnte  , Holdselig- 
keit' eigentlich  nur  das  Erbteil  weniger  Schulen  gewesen  ist." 

Das  kunstgeschichtliche  Phänomen  aber,  das  während  der  Reise 
durch  die  sieben  belgischen  Städte  Burckhardt  immer  wieder  gelockt 
und  zugleich  bedrängt  hat,  ist  das  der  Renaissance  als  Stilbegriff. 
Burckhardt  ist  —  worauf  in  dem  Kapitel  über  Eduard  Koloff  hin- 
gewiesen wurde  —  zwar  nicht  der  erste  gewesen,  der  den  Begriff  der 
Renaissance  in  die  deutsche  Kunstgeschichtsschreibung  eingeführt  hat, 
aber  er  hat  erst  diesem  Wort,  das  bei  Ranke  noch  nicht  vorkommt, 
das  auch  Kuglers  Handbücher  nicht  kennen,  den  Sinn,  den  Gehalt, 
die  Stimmungsgewalt  und  Farbe  gegeben,  die  es  zu  einer  Art  Panier 
werden  ließen,  unter  dem  eine  ganze  Generation  kulturgeschichtlich 
Gleichgerichteter  marschiert  ist.  Den  StilbegrifT  „Renaissance"  will 
Burckhardt  —  und  bei  dieser  Ansicht  ist  er  geblieben  —  nur  auf  Italien 
angewendet  wissen,  wo  die  Künstler  nach  bestem  Wissen  und  Ge- 
wissen die  Antike  zu  reproduzieren  glaubten,  während  sie  „etwas  un- 
endlich Schöneres,  Neues"  schufen.  Damit  berühren  wir  die  Frage 
nach  der  Terminologie  Burckhardts  in  seinem  belgischen  Cicerone. 
Der  Begriff  „romanisch"  fehlt  noch.  Den  Vorbau  von  St.  Jacques  in 
Lüttich  nannte  Burckhardt  ,, byzantinisch".  Ein  Jahr  später  (1843) 
in  dem  Aufsatz  über  die  vorgotischen  Kirchen  am  Niederrhein  in  der 


396  NACHWORT 

Zeitschrift  „Verona"  taucht  der  Terminus  „romanisch"  bereits  auf. 
Die  Kunstwerke  der  belgischen  Städte  bringen  dann  als  architektur- 
psychologischen Begriff,  der  nicht  eine  bestimmte  Stilepoche,  sondern 
einen  typischen  Stil  bezeichnet,  das  Wort  „Rokoko",  das  Burckhardt 
für  die  später  Barock  genannte  Periode  gebraucht.  „Zu  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  nun  stürzt  die  ohnedies  abgelebte  gotische  Kunst 
vor  dem  Andrang  dieses  rein  dekorativen  Prinzips  zusammen,  indem 
dasselbe  sich  an  die  Antike  anschließt.  Die  Folge  freilich  hat  nach 
wenigen  Jahrzehnten  gelehrt,  wie  es  einer  architektonischen  Richtung 
ergehen  muß,  die  von  ihren  eigenen  Blüten,  dem  Ornamente,  leben 
will;  Wert  und  Bedeutung  aller  Glieder  kommen  in  Verwirrung,  und 
die  Nachwelt  hat  dafür  das  Wort  , Rokoko'  aufgebracht."  Daß  Rokoko 
eine  Grundhaltung  der  Architektur  bezeichnet,  spricht  1843  der  schon 
erwähnte  Aufsatz  über  die  rheinischen  Kirchen  ganz  deutlich  aus. 
Rokoko  sieht  Burckhardt  immer  da  entstehen,  wo  die  eigentliche  Be- 
deutung der  Formen  vergessen  worden  ist,  die  Formen  selbst  aber 
um  des  Effektes  willen  fortwährend,  und  zwar  mit  Mißverstand  benutzt 
werden.  Es  gibt  sonach  ein  römisches,  gotisches  usw.  Rokoko.  1853 
im  Konstantin-Buche  Burckhaidts  ist  dann  noch  einmal  die  Rede 
von  einem  römischen  Rokoko  der  überladenen  und  ausgearteten 
Tracht.  — 

Manche  Bemerkung  in  diesem  ersten  kunsthistorischen  Buche  Burck- 
hardts  nimmt  schon  spätere  Erkenntnis  voraus  oder  formuhert  Grund- 
überzeugungen, die  Burckhardt  sein  Leben  lang  begleitet  haben,  zum 
ersten  Male.  So  die  herrliche  Würdigung  des  Rubens,  ganz  durchwärmt 
von  Burckhardts  Liebe  für  die  gesunde  und  grandiose  Weise  der  Wirk- 
liciikcit  des  Rubens.  Als  unbillig  lehnt  es  Burckhardt  ab,  an  Rubens 
—  mit  Georg  Forster  —  einen  idealistischen  Maßstab,  etwa  den  der 
Bilder  Raphaels,  zu  legen.  Bei  aller  Gottlosigkeit  mancher  Gegenstände 
und  bei  aller  Himmelsunfähigkeit  seiner  Heiligen  hat  Rubens  vor  allen 
Malern  voraus  ,,die  intensivste  Bezeichnung  des  kräftigsten  Lebens 
im  einzelnen  und  die  des  darzustellenden  Moments  im  ganzen". 
Rubens  ist  im  höchsten  Grade  dramatisch,  man  vergesse  nicht,  daß 
er  ein  Zeitgenosse  Shakespeares  war.  Hier  liegen  die  Keime  zu  dem 
letzten  Werk  Burckliardts,  den  ,, Erinnerungen  aus  Rubens". 

Das  belgische  Büchlein  ist  auch  im  Stil  schon  der  ganze  Burckhardt. 
Was  hier  wie  ein  Nachhall  des  Studententones  anmutet,  klärt  sich  in 
reiferen  Jahren  zur  Ironie  eines  überlegenen  und  ganz  freien  Greistes. 
Gern  zitiert  wird  die  hübsche  Stelle  über  das  Stadthaus  von  Löwen: 
„Soll  das  wirklich  ein  Rathaus  sein?  Sollen  ernste  schwarzbcmäntelte 
Ratsherren  und  Huissiers  aus  diesen  drei  überreichen  gotischen  Fenster- 


NACHWORT  QQ-J 

reihen  herunterschauen?  —  O  nein!  —  Kommt,  schöne  Mädchen  von 
Brabant  mit  euren  runden  Gesichtchen,  putzt  euch  und  stclk  euch  in 
die  Fenster  zum  Ergötzen  von  ganz  Niederland."  Die  Tränkung  der  Bild- 
beschreibung mit  unmittelbar  Erlebtem,  die  zum  Teil  den  Zauber  der 
Diktion  Burckhardts  ausmacht,  gibt  auch  hier  der  Aufzählung  der  Kunst- 
werke momentane  Frische.  So  heißt  es  von  einem  Rubensbilde  der 
Brüsseler  Galerie:  ,,St.  Franz  wirft  sich  über  den  Globus  wie  der  ge- 
meinste Kapuziner  über  einen  Käse,  den  nian  ihm  entwenden  will." 
Buckhardt  hat  das  Lächeln  nie  verlernt,  und  mit  leisem  Schmunzeln  wird 
er  hinter  das  Wort  Manneken  —  pis  in  Klammern  die  Bemerkung  ge- 
setzt haben:  „man  erkundige  sich  nur  ungeniert!" 

Der  „Cicerone"  (1855).  Wieder  Franz  Kugler  gewidmet,  wieder 
ein  Reisehandbuch,  eine  „Anleitung  zum  Genuß  der  Kunstwerke 
Italiens".  Hier  findet  Burckhardt  seinen  ganz  persönlichen  Ton,  seine 
eigene  Methode,  sein  Lieblingsarbeitsfeld.  Durch  dieses  kleine,  ,, dicke" 
Buch  schafft  er  einen  neuen  Begriff  der  Kunstgeschichte. 

Burckhardt  besaß  eine  unvergleichliche  Ciceronenbegabung.  Heute, 
im  Zeitalter  der  kunstgeschichtlichen  ,, Führungen",  des  ,,Nahebrin- 
gens"  und  ,,Erschließens  von  Werten",  wo  das  Geschwätz  die  Stunde 
regiert,  könnte  Burckhardts  Führer  wirklich  wieder  zum  Führer  wer- 
den! Was  Burckhardt  sagt,  ist  originell,  weil  es  auf  eigenem  Felde  ge- 
wachsen ist,  wirksam,  weil  er  den  Mut  hat,  Partei  zu  ergreifen,  belebend, 
weil  Burckhardt  nicht  belehren  und  bekehren,  sondern  nur  Umrisse 
vorzeichnen  will,  ,, welche  das  Gefühl  des  Beschauers  mit  lebendiger 
Empfindung  ausfüllen  könnte."  Alles  bloß  Archäologische,  alles  bloß 
die  Fachleute  Angehende  ist  ausgeschlossen.  Das  Buch  spricht  nur  von 
Selbstgesehenem  und  nur  zu  Lesern,  die  selbst  gesehen  haben  oder 
selbst  sehen  werden.  Dazu  kommt:  an  den  üblichen  Reisehandbüchern, 
am  braven  Volkmann,  dem  Begleiter  Goethes  in  Italien,  oder  an  Ernst 
Försters  Buch  gemessen  eine  bis  dahin  unerhörte  Frische  der  Anschau- 
ung und  Prägnanz  des  literarischen  Ausdrucks.  Gewiß  sichert  das  Buch- 
wissen eine  größere  Objektivität  im  einzelnen,  aber  als  Geschichtsbild 
ist  Burckhardts  Darstellung  der  italienischen  Kunst  doch  wahrer  als 
alles,  was  die  Ameisen  der  Kunstwissenschaft  zusammengetragen  ha- 
ben. Burckhardt  ist  auch  in  diesem  Buche  auf  das  Bleibende,  Konstante, 
nicht  auf  das  Fließende  aus.  Das  stehende  klare  Bild  der  Epoche  ist 
für  seine  Art  des  geschichtlichen  Sehens  entscheidend.  In  seinem  ,, Kon- 
stantin" (1853)  hatte  er  nach  vorherrschenden  Richtungen  des  Lebens 
statt  nach  Regierungsgeschichten  gefragt,  der  ,, Cicerone"  gliedert  sich 
zunächst  nach  Kunstgattungen  statt  nach  Kunstperioden.  Der  begriff- 
liche Qiierschnitt  wird  dem  zeitlichen  Längenschnitt  vorgezogen.  Die 


3g8  NACHWORT 

erste  Untergliederung  ist  dann  chronologisch  —  nach  den  großen  Stil- 
epochen —  und  weiterhin  teilt  sich  der  Stoff  nach  verschiedenen  Ge- 
sichtspunkten ein.  Die  Werke  werden  teils  in  biographischen  Zusammen- 
hängen vorgeführt,  teils  topographisch  nach  landschaftlich  sich  ab- 
grenzenden Schulzusammenhängen  zusammengefaßt.  Ein  Reisehand- 
buch verträgt  keine  reine  Chronologie,  denn  es  will  im  Wandern  von 
Ort  zu  Ort  benutzt  sein.  Es  verträgt  aber  auch  nicht  die  streng  topo- 
graphische Anordnung,  weil  sie  den  Nachteil  hat,  stihstisch  Zusammen- 
gehöriges auseinandcrzurcißcn.  Dehios  Handbuch  der  deutschen  Kunst- 
denkmäler mit  seiner  alphabetischen  Ordnung  innerhalb  landschaftlich 
abgegrenzter  Bände  ist  ein  Nachschlagebuch.  Gerade  der  unpedan- 
tische Kompromiß  zwischen  biographischen,  topographischen  und  äs- 
thetisch-technischen Fragestellungen  gibt  dem  „Cicerone"  seinen  unver- 
welklichen  und  durch  alle  Neubearbeitungen  unzerstörbaren  litera- 
rischen Reiz.  Gegenüber  dem  Zauber  der  persönlichen  Urteile  über 
Künstler  und  Kunstwerke,  der  andeutenden,  aber  nicht  erschöpfenden 
Charakteristik  der  Stilepochen,  der  Sinnlichkeit  und  Stärke  des  künst- 
lerischen Erlebnisses  und  der  weltmännischen  Freiheit  des  Tones  tritt 
der  entwicklungsgeschichtliche  Gesichtspunkt,  das  eigentHche  Erzählen 
der  Geschichte  der  italienischen  Kunst  zurück.  Die  Originalität  Burck- 
hardts  enthüllt  sich  in  den  Analysen  der  Werke  und  Epochen. 

Die  geschichtsphilosophische  Belastung  ist  gering.  Die  Begriffe  Vor- 
bereitung —  Höhe  —  Verfall  (bis  auf  Vasari  sind  sie  zurückzuführen) 
müssen  genügen,  um  die  Epochen  miteinander  zu  verbinden  und  das 
leuchtende  Bild  des  goldenen  Jahrhunderts  der  Hochrenaissance  sich 
abheben  zu  lassen  von  den  dunkleren,  verworreneren  Folien  hier  des 
Mittelalters,  dort  des  Barocks.  Im  Ton  der  Sehnsucht,  der  wie  eine 
feine  Musik  durch  die  der  Renaissancekunst  geweihten  Partien  des 
„Cicerone"  klingt,  und  in  der  inneren  Anstrengung,  die  es  Burckhardt 
kostet,  Michelangelo  anzuerkennen,  ist  er  noch  ein  Sohn  des  klassi- 
zistischen 1 8.  Jahrhunderts,  reicht  er  Goethe  und  Winckelmann  die 
Hände.  Leichter  und  früher  als  von  der  Ästhetik  des  Klassizismus, 
in  der  sein  Schüler  Heinrich  von  GeymüUer  zeitlebens  befangen  blieb, 
kam  Burckhardt  von  den  Kunstanschauungen  der  Romantik  los. 
Weil  Burckhardt  sich  innerlich  frei  gemacht  hatte  von  romantischen 
Voreingenommenheiten  für  die  Gotik,  sah  er  sie  so  scharf  und  klar 
und  wußte  er  die  Eigenbedeutung  italienischer  Gotik  gegenüber  der 
des  Nordens  meisterlich  zu  kennzeichnen.  Und  gerade  weil  Burck- 
hardts  ganze  Art  sich  vom  Dumpfen,  Verunklärten,  Ausgearteten  des 
Barock  abgestoßen  fühlte,  fand  er  die  Mittel,  diesen  Stil  so  zu  be- 
schreiben, daß  schon  die  nächste  Generation  sich  die  Begriffe  fiir  ihre 


NACHWORT  ßQQ 

Rehabilitation  der  Barockkunst  nicht  zuletzt  von  ihm  holte.  Wie  dem 
aber  auch  sei:  alle  Sehnsucht  und  alles  Glück  des  Schauens  gehören 
im  „Cicerone"  doch  den  Werken  der  Renaissance.  Nicht  aus  geschichts- 
philosophischen  Erwägungen  heraus  oder  auf  Grund  archivalischer 
und  literarischer  Belege,  sondern  aus  eingeborenem  Zugehörigkeits- 
gefühl Burckhardts  zu  dieser  Epoche  italienischer  Kunst  und  Kultur. 
Weil  er  selbst  ein  freier,  gelöster,  aufgeschlossener,  heller  und  ent- 
wickelter Mensch  war,  schlug  sein  Herz  im  Gleichtakt  mit  den  großen 
Persönlichkeiten  der  Renaissance,  wie  —  er  sie  sah  und  nach  seinem 
Wesen  sehen  mußte.  So  entstand  ein  Bild  der  Renaissance  als  der 
goldenen  Zeit  selbstbewußter  und  frei  entfalteter  Persönlichkeit  und 
des  gehobenen,  seiner  Herrschaft  über  Verstand  und  Sinne  frohen 
Lebensgefühles.  Dieses  Buches  Zaubergewalt  schlug  die  gebildete 
deutsche  Welt  in  ihren  Bann.  Die  Renaissancekunst  wurde  wieder 
die  „klassische  Kunst",  wie  Heinrich  Wölfflin  sein  1898  dem  An- 
denken Burckhardts  gewidmetes  Buch  betitelt  hat. 

Es  ist  ein  Teilzug  wissenschaftlicher  Genialität,  nach  dem  Arbeits- 
stofT  zu  greifen  und  ihn  mit  unbeirrbarem  Instinkt  festzuhalten,  an 
dem  sich  einzig  und  allein  eine  neue  Seh-  und  Darstellungsart  ent- 
wickeln läßt.  Wenn  Winckelmann  der  Antike,  Schnaase  dem  Mittel- 
alter, Burckhardt  der  Renaissance  sich  verschrieben,  so  taten  sie  es 
in  solchem  intuitiven  Erfassen  der  ihnen  günstigsten  Operationsgebiete. 
Burckhardt  wölbte  seine  Geschichtsvorstellung  von  der  Renaissance 
über  drei  Grundpfeilern:  dem  ,, Cicerone",  der  ,, Kultur  der  Renais- 
sance" —  beide  Bücher  sind  in  aller  Händen  —  und  ,,der  Geschichte 
der  Renaissance  in  Italien",  die  nur  die  Fachleute  lesen. 

,, Geschichte  der  Renaissance  in  Italien"  (1867).  An  Albert  von 
Zahn,  der  die  Neuausgabe  des  ,, Cicerone"  übernommen  hatte,  von  dem 
sich  Burckhardt  ebenso  wie  von  seinen  übrigen  Büchern  abkehrte, 
nachdem  sie  einmal  da  waren,  schrieb  Burckhardt  1869:  „  .  .  .  so 
wiederhole  ich  doch  meinen  Wunsch:  wie  schön  es  w'äre,  wenn  Sie 
die  Kunstgeschichte  der  deutschen  Blütezeit,  abgelöst  von  der  Künstler- 
geschichte und  -biographie,  bloß  nach  den  Sachen  und  den  hervor- 
ragenden Künsten  und  Gesamtgraden  des  Könnens  darstellen  wollten. 
Ich  bin  überzeugt,  daß  die  Zukunft  der  ganzen  Kunstforschung  wesent- 
lich nach  dieser  Seite  hin  liegt ..."  Die  methodische  Aufgabe,  die 
Burckhardt  hier  dem  jüngeren  Fachgenossen  stellt,  ist  die,  über  eine 
kritisch-historische  Ordnung  der  Denkmäler  hinweg  zum  Begreifen 
der  Entwicklung  künstlerischer  Darstellungsformen  zu  gelangen.  Eine 
solche  Kunstgeschichte  ,,nach  Aufgaben",  eine  ,, Darstellung  nach 
Sachen  und  Gattungen",  hatte  er  selbst   zwei  Jahre   früher  bereits  in 


;J,00  NACHWORT 

dem  letzten,  von  ihm  selbst  veröffentlichten  seiner  Bücher  gelöst,  in 
der  als  erste  Hälfte  des  vierten  Bandes  der  Kuglerschen  ,, Geschichte 
der  Baukunst"  geschriebenen  „Geschichte  der  Renaissance  in  Italien". 

Renaissance  heißt  hier;  Stil  der  Architektur  und  der  Dekoration. 
Das  kunstgeschichtliche  Phänomen  ist  streng  isoliert,  und  in  seiner 
Behandlung  wollte  Burckhardt  bewußt  ein  methodisches  Gegenstück 
zu  der  „nach  Künstlern  erzählenden  Geschichte",  sozusagen  deren 
zweiten,  systematischen  Teil  geben.  Fragestellungen,  die  schon  in  den 
,, Kunstwerken  der  belgischen  Städte"  gestreift  wurden,  im  „Cice- 
rone" eine  bedeutsame  Rolle  spielten,  werden  jetzt  in  methodischer 
Folgerichtigkeit  und  Reinheit  an  die  Dinge  herangebracht.  Die  In- 
dividualitäten treten  zurück,  die  ,, Triebkräfte,  welche  das  Ganze  der 
Kunst  beherrschten,  die  Präzcdenzien,  von  welchen  der  einzelne 
Meister  bei  seinem  Schaffen  bedingt  war,  treten  hier  in  den  Vorder- 
grund". Ruhmsinn  der  Stifter  und  Baugesinnung  der  Städte,  Denk- 
weise der  Gewaltherrscher  und  Anschauungen  der  Baudilettanten,  der 
monumentale  Sinn  der  Päpste  und  die  Meinungen  der  Theoretiker. 
Das  ist  die  eine  kulturpsychologische  Begriffsreihe,  unter  die  der  liisto- 
rische  Stoff  subsummiert  worden  ist,  neben  einer  andern  stilpsycho- 
logischen Begriffsreihe,  zu  der  etwa  bei  der  Formenbehandlung  des 
1 6.  Jahrhunderts  gehören:  Vereinfachung  des  Details  —  Verstärkung 
der  Formen  —  Vermehrung  der  Kontraste  —  die  Verhältnisse  usw. 
Eine  dritte  Begriffsreihe  ist  gattungspsychologischcr  Art.  Hierher  ge- 
hören die  Abschnitte  über  Spitäler,  Festungsbauten  und  Brücken, 
Stadtanlagen,  Villen  und  Gärten,  die  Dekorationen  für  die  Dauer  in 
verschiedenen  Materialien  und  die  Dekorationen  des  Augenblicks,  wie 
für  Feste,  Theater,  Gastereien.  — 

Der  Aufbau  auch  dieses  Burckliardtschen  Buches  zeugt  vom  bau- 
meisterlichen Sinn  des  Autors.  So  das  Innehalten  der  Proportionen, 
das  Verteilen  der  Stoffmassen,  das  Setzen  der  Akzente,  die  Klar- 
legung der  Gelenke  des  Buches  und  nicht  zuletzt  die  große  Kunst 
des  rechtzeitigen  Aufhörens.  Das  ganze  Gebäude,  wie  ein  Eisengerippc 
zu  einem  Monumentalbau  kunstgeschichtlicher  Methode,  ruht  auf  dem 
Fundament  ungeheurer  kunst-  und  kulturgescliichtlicher  Erudition. 
Sie  ist  hier  einmal  nicht  verdeckt,  sondern  tritt  in  den  Qiiellenangaben 
zutage,  die  den  in  prägnanten  Sätzen  zusammengedrängten  Para- 
graphen beigegeben  sind.  Dieses  Buch  ist  zwar  kaum  lesbar,  aber 
bewundernswert:  das  reinste  und  stärkste  Bekenntnis  Burckhardts  zu 
einer  werdenden  Kunstgeschichte  ,,ohne  Namen".  Der  Reichtum  der 
Fragestellungen  und  Anordnungen  ersetzt  den  Reiz  der  literarischen 
Form.  Burckhardt  gibt  das,  was  die  Baumeister  und    die    Bauherren 


NACHWORT  AOI 

an  der  Baukunst  interessiert,  er  ist  durch  und  durch  künstlerisch  ein- 
gestellt. In  keinem  seiner  Werke  ist  die  Eigengesetzlichkeit  der  Stil- 
und  Formgeschichte  so  scharf  und  ausschließlich  als  das  Grundproblem 
der  Kunstgeschichte  behandelt  und  damit  einer  methodisch  selbständi- 
gen Kunstgeschichtsschreibung  gleichermaßen  der  Weg  gebahnt  worden. 

Hier  ist  der  Ort,  der  beiden  von  Burckhardt  gefundenen  großen 
Begriffe  zu  gedenken,  mit  denen  er  im  ,, Cicerone"  und  in  der  ,, Ge- 
schichte der  Renaissance"  die  Qualität  alles  architektonischen  Schaf- 
fens zu  begreifen  sucht:  organischer  Stil  und  Raumstil.  ,,Die  Schöp- 
fung eines  organischen  Stils  hängt  von  hoher  Anlage  und  hohem  Glück 
ab,  namentlich  von  einem  bestimmten  Grade  unbefangener  Naivität 
und  frischer  Naturnähe,  und  es  hat  seine  Gründe,  daß  das  Phänomen 
nur  zweimal  in  der  Kunstgeschichte  vorgekommen  ist."  Das  geschah 
das  erstemal  bei  den  plastisch-tektonisch  begabten  Griechen,  das  andere 
Mal  im  Mittelalter  bei  den  nordfranzösischen  Kathedralarchitekten. 
Daß  plastisch-tektonisch  und  organisch  zu  identifizieren  sind,  hatten 
die  Romantiker,  besonders  Schelling  ausgesprochen.  Der  griechische 
Tempel  und  der  gotische  Dom  galten  ihnen  schon  als  Werke  organischen 
Stils,  weil  sie  in  ihnen  Annäherungen  an  den  plastischen  Gliederbau 
des  menschlichen  Körpers  verwirklicht  glaubten.  Diesen  Begriff  fand 
Burckhardt  also  vor,  aber  sein,  des  raumempfindlichen  Mannes,  gei- 
stiges und  sinnhch  erlebtes  Eigentum  war  der  Begriff  Raumstil  und 
die  Beobachtung  einer  notwendigen  geschichtlichen  Beziehung  zwi- 
schen beiden.  Sie  bezeichnen  Zeitstilc.  Sobald  nun  die  organischen 
Stile  „zur  abgeleiteten  Anwendung,  namentlich  zu  kombinierten  Grund- 
plänen übergehen,  bereiten  sie  sich  vor,  in  Raumstile  umzuschlagen. 
Der  spätrömische  ist  schon  nahe  an  diesem  Übergang  und  entwickelt 
eine  bedeutende  Raumschönheit,  die  dann  im  byzantinischen,  roma- 
nischen und  italienisch-gotischen  Stil  in  ungleichem  Grade  weiter- 
lebt, in  der  Renaissance  aber  ihre  volle  Höhe  erreicht ..."  Im  Wechsel- 
spiel zwischen  diesen  beiden  Grundmöglichkeiten  architektonischer  Stilbil- 
dung —  zwischen  griechischem  Tempel  und  Zentralbau  der  Renaissance  — 
erkennt  Burckhardt  die  Geschichte  der  Architektur.  Raumstil,  als  End- 
phase der  Stile  begriffen:  spätrömischer,  spätgotischer,  spätbarocker 
Raumstil,  von  hier  aus  begriff  Burckhardt  das  Wesen  der  Stilausklänge, 
wie  ihm  andererseits  Raumstil  als  Stil  der  raumbildnerisch  begabten 
Italiener  auch  das  Verständnis  für  italienische  Sondergotik  öffnete. 

Die  einschneidendste  Wandlung  in  seinen  Wertungen  machte  Burck- 
hardt dem  Barock  gegenüber  durch.  Im  ,, Cicerone"  ist  Barock  noch 
die  Welt  des  Verfalls,  der  verwilderte  Dialekt  der  Renaissance.  Zwanzig 
Jahre  später  heißt  es  in  einem  Schreiben  an  den  Architekten  Alioth: 

Burckhardt  26 


AQ2  NACHWORT 

„Mein  Respekt  vor  dem  Barocco  nimmt  ständig  zu,  und  ich  bin  bald 
geneigt,  ihn  für  das  cigentHche  Ende  und  Hauptresultat  der  leben- 
digen Architektur  zu  halten.  Er  hat  nicht  nur  Mittel  für  alles,  was 
zum  Zweck  dient,  sondern  auch  für  den  schönen  Schein."  Über  die 
sogenannte  Ausartung  der  Stile  in  ihrer  Spätzeit  gingen  Burckhardt, 
wie  er  1870  an  Preen  schreibt,  mehr  und  mehr  höchst  ketzerische 
Lichter  auf.  ,,Die  vorgebliche  Ausartung  bestand  meist  in  genialen 
letzten  Konsequenzen  und  Fortschritten,  und  die  Stile  starben  in  der 
Regel,  wenn  sie  in  der  Höhe  waren,  sonst  hätte  nicht  gleich  wieder 
ein  kräftiger  Stil  auf  den  gestorbenen  folgen  können."  Von  der  Ent- 
deckung, daß  der  Raumstil  ein  neues  Weltaltcr  in  der  Baukunst  mit 
sich  führt,  fand  Burckhardt  den  Weg  zum  Barock.  — 

Der  Stammbaum  der  kunstgeschichtlichen  Ideen  des  19.  Jahrhunderts 
zeigt,  daß  keine  der  führenden  Forschergenerationen  sozusagen  im 
Mannesstamme  erloschen  ist.  Burckhardts  Interpretationskunst  und 
seine  Begriffsforschung  hat  sein  Schüler  und  Nachfolger  im  Basler 
Lehramt,  Heinrich  Wölfflin,  fortgesetzt.  Er  sucht  die  „lebendigen  Ge- 
setze der  Form  auf  möglichst  klare  Formeln  zu  bringen"  und  über 
Burckhardt  hinaus  zu  einer  Kategorienlehre  der  künstlerischen  An- 
schauungsformen zu  gelangen,  die  schließlich  zum  Verständnis  der  über- 
persönlichen Gesetzmäßigkeit  des  inneren  Lebens  der  Kunst  führt. 

Eine  besondere  Umbildung  hat  der  Gedanke  einer  „Kunstgeschichte 
nach  Aufgaben"  in  der  Wiener  Schule  erfahren.  Ihre  Geschichtsschrei- 
bung beherrscht  der  Begriff  der  einheitlichen  Entwicklung.  Was  sich 
entwickelt,  sind  formale  Probleme  (z.  B.  Raum-Licht-Behandlung). 
Dieses  besonders  von  Alois  Riegl  geübte  Verfahren,  das  den  Vorteil 
hat,  ein  geschlossenes,  in  Denknotwendigkeiten  innerlich  verzahntes, 
kunstgeschichtliches  Weltbild  zu  gewähren,  führt  —  und  darin  wieder- 
um liegen  seine  Nachteile  —  zu  einer  willkürlichen  Einengung  des  ge- 
schichtlichen Blickfeldes  und  zu  einseitiger  Interpretation  des  histori- 
schen Verlaufes.  Das  einzelne  Kunstwerk  wird  nur  noch  als  Stildoku- 
ment, die  schöpferische  Tat  auch  des  großen  Künstlers  nur  noch  als 
Stufe  in  einer  logisch  notwendigen  Kunstentwicklung  gewertet.  Es  fehlt 
in  dieser  „kimmerischen  Welt  der  Begrifflichkeiten",  wie  sich  Ernst 
Heidrich  ausdrückte,  der  Rückgriff  auf  die  allgemeinhistorischen  Vor- 
gänge, auf  die  der  Kunst  von  außen  kommenden  Anstöße,  da,  wo  die 
interne  optische  Entwicklung  zur  Erklärung  der  Erscheinungen  nicht 
ausreicht.  Es  fehlt  vor  allen  Dingen  der  das  Leben  der  Kunst  doch 
wesentlich  mitbestimmende  Faktor  der  genialen  Leistung. 

In  diesem  Bereiche  aber  spielt  das  letzte  —  schon  nicht  mehr  von 
Burckhardt  selbst  herausgegebene  —  seiner  kunstgcschichtlichcn  Bücher 


NACHWORT  ^03 

„Erinnerungen  aus  Rubens"  (1898  aus  dem  Nachlaß).  Dies 
ist  das  Buch  der  Erinnerungen  an  genossene  Wonnen  im  Umgang  mit 
dem  hellgeborensten  der  alten  Meister.  Geschrieben  in  den  letzten, 
rückblickfrohen  Jahren,  geweiht  der  Jugendliebe  Burckhardts.  Diese 
Erinnerungen  sind  keineswegs  eine  Biographie  des  großen  Mannes, 
kaum  daß  man  sie  als  eine  Monographie  bezeichnen  könnte.  In  freier 
Form  des  Essays  band  Burckhardt  die  lebenslangen  Erfahrungen  im 
Genuß  Rubensscher  Werke  zu  einem  vollen  Kranz  zusammen,  den 
er  in  Dankbarkeit  zu  den  Füßen  des  Malers  niederlegte.  Wenn  auch 
Burckhardt  nicht  das  Bedürfnis  gehabt  hat,  eine  künstlerische  Persön- 
lichkeit nach  ihren  inneren  und  äußeren  Zügen  eingehend  darzustellen, 
wenn  er  kein  großer  Biograph  geworden  ist,  so  fehlt  ihm  doch  keines- 
wegs der  Sinn  für  das  Individuelle,  wie  die  Ausstattung  der  Künstler- 
charakteristiken z.  B.  im  ,, Cicerone"  mit  kostbaren  Einzelzügen  beweist. 
Auch  sind  Burckhardts  wissenschaftliche  Anfänge  monographischer  Na- 
tur: Konrad  von  Hochstaden,  Karl  Martell  und  der  „Konstantin". 
Aber  seine  beste  Kraft  gehörte  doch  den  universalhistorischen  Frage- 
stellungen, den  Querschnitten  durch  Kultur-  und  Kunstepochen.  ,,Ich 
verspreche  Ihnen",  schrieb  Burckhardt  an  den  Sohn  seines  Freundes 
Kugler,  „daß,  wenn  Sie  einmal  auf  dem  hohen  Meer  der  universal- 
historischen Forschung  und  Darstellung  gefahren  sind,  Sie  sich  gar 
nicht  mehr  nach  den  monographischen  Arbeiten  sehnen  werden.  Im 
vorgerückten  Alter  mag  man  dergleichen  wieder  vornehmen,  dann  wird 
man  aber  auch  die  Aufgabe  einer  Monographie  anders  fassen." 

Wie  hat  Burckhardt  die  Aufgabe  der  Rubens-Monographie  gefaßt? 
Insofern  doch  wiederum  universalistisch,  als  er  nicht  eine  chronologisch 
gereihte  Geschichte  der  Lebensarbeit  des  Rubens  gibt,  sondern  eine 
Anzahl  von  Wanderungen  kreuz  und  quer  durch  den  Machtbereich 
dieses  großen  Malers.  Stoffumkreis  und  Geschäftsbetrieb,  Hauptthemen 
der  Malerei  und  ihre  Hauptformen,  die  Welt  des  Künstlers  und  der 
Seinen  auf  der  einen  Seite,  auf  der  andern  die  Welt  der  Besteller  und 
Auftraggeber,  ihre  Ungeduld,  der  Kreis  ihrer  Vorstellungen,  so  das 
Familienprunkgefühl,  die  Lust  der  Großen  des  humanistisch  gebildeten 
Abendlandes,  sich  von  den  Künstlern  mit  Hilfe  der  Allegorie  ihr  Pa- 
thos ausdeuten  zu  lassen,  psychologische  und  künstlerische  Beobach- 
tungen, all  das  bildet  den  Inhalt  der  „Erinnerungen  aus  Rubens".  Von 
besonderer  Bedeutung  wird  dabei  die  eingehende  Analyse  der  Kompo- 
sitionskunst des  Rubens.  Burckhardt  entwickelt  das  System  dieser  Ma- 
lerei, die  im  letzten  auf  einer  verhüllten  Symmetrie  der  Akzentverteilung 
verschiedener  Art  innerhalb  des  Bildes  beruht.  Das  ist  die  Lehre  von 
den  Äquivalenten  des  Rubens,   zugleich   eine  Ästhetik  der   Barockma- 

26* 


404  NACHWORT 

lerci,  der  von  Burckhardt  um  des  einen  Rubens  willen  die  Sünden  der 
vielen  anderen  vergeben  werden.  „Diese  Äquivalente  treten  natürlich 
nicht  gesondert  auf,  vielmehr  durchdringen  sie  sich  gegenseitig,  wenn 
z.  B.  eine  lichte  und  eine  dunkle  Masse  sich  symmetrisch  entsprechen 
oder  wenn  Farbenfläche  gegen  Farbenfläche  wirkt,  so  werden  noch  ganz 
andere  Gegensätze  in  Formen  und  Ausdruck  hinzukommen,  und  vor 
allem  werden  optische  Werte  sich  aufwiegen  können  mit  den  idealen 
Werten.  Auch  das  Bewegte,  wenn  es  das  Ruhige  aufwiegt,  kann  hierher 
gehören,  ganz  besonders  aber  die  moralische  und  geistige  Bedeutung 
gegenüber  der  moralischen  und  geistigen  Unterordnung."  Das  eigent- 
liche Glück,  das  der  Betrachter  der  Werke  des  Rubens  empfindet,  be- 
ruht darin,  daß  er  „zunächst  unbewußt  neben  der  stärksten  drama- 
tischen Bewegung  eine  geheimnisvolle  optische  Beruhigung  genießt,  bis 
er  Inne  wird,  daß  die  einzelnen  Elemente  jener  nach  Kräften  verhehl- 
ten Symmetrie,  ja  einer  mathematischen  Figur  Untertan  sind". 

Burckhardt  zitiert  aus  der  Reihe  seiner  Vorgänger  in  der  Würdi- 
gung des  Rubens  den  auch  sonst  von  ihm  so  hochgeschätzten  Waagen, 
der  zweifellos  in  seinem  Aufsatz  über  Rubens  (1833)  sein  Bestes  und 
Wärmstes  gegeben  hatte.  Weiter  zurück  führt  die  Ahnenreihe  der 
Rubensverehrer  zu  Heinse  und  dem  jungen  Goethe,  deren  Stürmer- 
und Drängertum  in  der  Leibhaftigkeit  und  Naturunmittelbarkeit  des 
Rubens  eine  Rechtfertigung  eigenen  titanischen  Hochgefühls  und  Er- 
holung vom  Laulichcn  ihrer  Zeitkünste  gefunden  hatte  .  .  .  Zur  Gegen- 
wart hin  schließen  an  Burckhardt  an  die  sachverständigen  und  geist- 
vollen Analysen  Fromentins  und  in  echt  deutschem  Kontrast  zu  der 
artistischen  Wertung  des  französischen  Malers  das  Stimmungsbild  Ro- 
bert Vischers  „für  unzünftige  Kunstfreunde"  (1904),  in  dessen  dich- 
terischer Sprache  und  Einfühlung  Heinses  Rubens-Paraphrasen  wieder 
aufzuleben  scheinen:  ,, Seine  Kunst  wirkt  wie  ein  erfrischender  Ritt." 
„Sein  Kolorit  schimmert  wie  Milch  und  Blut,  das  ist  der  Grundgehalt 
in  dem  reichen  Konzert  seiner  Farben.  Es  scheint  wie  der  Anblick 
von  badenden  Kindern  gesundesten  und  rundesten  Schlags  erdichtet 
zu  sein." 

Des  persönlichen  Gehaltes  des  Burckhardtschen  Rubens-Buches  wird 
man  erst  ganz  gewahr,  wenn  man  die  Frage  nach  dem  Verhältnis 
Burckhardts  zu  Rcmbrandt  aufwirft  und  damit  an  die  Bildung  seiner 
Werturteile  rührt.  Alfred  Lichtwark  hat  in  seinem  Buche  ,, Die  Seele  und 
das  Kunstwerk"  erzählt,  als  unauslöschlicher  Eindruck  stände  in  seiner 
Erinnerung,  daß  ihm  Burckhardt  gestanden  habe,  wie  ,, widerwärtig  ihm 
einst  alle  Kunst  der  Spätrenaissance,  des  Barock  und  Rokoko  gewesen 
sei".  Bernini  und  Luca  Giordano  hat  Burckhardt  bedauert,  weil  sie 


NACHWORT  405 

„in  schlechte  Kunstzeiten"  gefallen  wären  und  dann  „mit  ihrer  Energie 
nur  das  Beste  eines  sehr  zweifelhaften  Stiles  geschaffen  hätten".  Als 
Inbegriff  der  barocken  Kunstsphäre  aber  erschien  ihm  Rembrandt. 
Hier  ergänzen  die  Vorträge  Burckhardts  die  Urteile  in  den  Büchern 
sehr  wesentUch.  „Man  lasse  sich  nicht  durch  die  Kenner  in  den  jetzt" 
(1883  gesprochen,  im  Jahre  des  Erscheinens  von  Wilhelm  Bodcs  „Stu- 
dien zur  Geschichte  der  holländischen  Malerei")  „beUebten  Rembrandt- 
Kultus  hineintreiben.  Erstens  hat  unser  subjektives  Gefühl,  so  gering 
die  Ästhetik  davon  redet,  etwa  auch  sein  Recht  der  Antipathie  und 
sogar  des  Absehens.  Rembrandt  stößt  alle  einfachen  Menschen  ab. 
Sodann  ist  dem  unverdorbenen  Sinn  eine  geheime  Idealität  eingeboren, 
und  diese  braucht  nicht  vor  dem  HäßUchen  deshalb  zu  kapitulieren, 
weil  dasselbe  genial  vorgetragen  wird." 

In  der  Kritik,  die  Burckhardt  an  Rembrandt  übt,  zeigt  sich  wieder, 
daß  sich  seine  ^\'ürdigungen  rein  ästhetischer  Qualitäten  mit  ethischen 
Wertungen  kreuzen.  In  Burckhardts  geistiger  Struktur  sind  die  Gren- 
zen zwischen  beiden  Gebieten  fließend.  Ja,  die  Ablehnung  der  Cor- 
reggio,  Michelangelo  und  Rembrandt  und  die  Verherrlichung  der  Ra- 
phael  und  Rubens  erfolgt  sclüießhch  doch  unter  der  Herrschaft  sitt- 
licher Kategorien.  „Die  höchste  persönliche  Eigenschaft  Raphaels  war 
nicht  ästhetischer,  sondern  sittlicher  Art:  nämlich  die  große  Ehrlich- 
keit und  der  starke  Wille,  womit  er  in  jedem  Augenblick  nach  dem- 
jenigen Schönen  rang,  welches  er  eben  jetzt  als  das  höchste  Schöne 
vor  sich  sah."  Auch  der  Vortrag,  den  Burckhardt  am  Vorabend  von 
Schillers  hundertstem  Geburtstag  hielt,  preist  in  erster  Linie  die  hohe 
sitthche  Kraft  des  Dichters.  Wir  lassen  es  daliingestellt,  wieweit  in  dieser 
Betrachtungsweise  noch  der  Theologe  in  Burckhardt  anklingt.  Jeden- 
falls spielen  auch  in  seinen  kunstgeschichtlichen  Urteilen  auf  überaus 
reizvolle  Weise  ästhetische  und  ethische,  subjektive  und  objektive  Wer- 
tungen ineinander.  An  Rembrandt  stieß  Burckhardt  das  Plebejische 
des  Mannes  und  das  Pöbelhafte  seiner  Persönlichkeit  zurück.  Er  warf 
Rembrandt  (wie  übrigens  auch  den  Delacroix,  Courbet  und  Manet) 
vor,  ihm  fehle  „das  Gefühl  von  den  Grenzen  des  Empörenden". 

Von  der  problematischen,  heildunkeln  Persönlichkeit  Rembrandts 
hebt  sich  Rubens  ab  als  ein  strahlendes,  fleckenloses  Gestirn.  Von  ihm, 
mit  dem  er,  wie  es  in  den  Vorträgen  einmal  heißt,  lieber  irren,  als 
mit  anderen  recht  haben  möchte,  sprach  Burckhardt  nur  im  Ton  der 
Bewegtheit  und  Sehnsucht.  Wenn  er  so  gerne  sagte:  ,,Es  ist  eine  böse 
Welt",  das  Phänomen  Rubens,  als  „das  lebendige  Beispiel  einer  rie- 
sigen Güte  der  schaffenden  und  schenkenden  Natur",  konnte  ihn  für 
Augenblicke   an  diesem  Pessimismus  irre  werden  lassen.   In   Rubens 


4.o6  NACHWORT 

genoß  Burckhardt  den  Anblick  eines  Menschen  sondergleichen,  der 
„von  Jugend  auf  an  der  richtigen  Stelle,  in  der  ihm  bestimmten  Lauf- 
bahn" stand  und  ,, schon  an  Kraft  materiell  Hunderten  gewachsen 
war".  Rubens  hat  für  Burckhardt  Züge  des  geheimen  Wunschbildes 
seiner  selbst  getragen.  In  der  völligen  Unabhängigkeit  der  Stellung, 
in  der  vielen  Selbstbestimmung  in  seinem  Schaffen,  in  der  universellen 
Bildung  stieß  Burckhardt  bei  Rubens  auf  Verwandtes.  Von  den  eige- 
nen Arbeitsidealen  aber  glaubt  man  ihn  sprechen  zu  hören,  wenn  er 
Rubens  ergriffen  dafür  preist,  ,,daß  es  keine  Aufgabe  gibt,  sie  sei  auch, 
welche  sie  wolle,  die  seinen  Mut  und  seine  Fähigkeit  überstiegen  hat. 
Seine  Riesenkraft,  alles  und  jegliches  lebendig  zu  machen,  auch  be- 
dingte und  eingeengte  Aufgaben  auf  die  Adlcrschwingen  seiner  Kunst 
zu  nehmen  .  .  .  die  höchste  visionäre  Begabung,  die  sein  inneres  Auge 
nicht  nur  mehr  als  andere  Menschen  sehen  läßt,  sondern  künftige 
Werke  in  gleichmäßiger  Reife  und  Stärke  .  .  .  das  Verteilen  der  opti- 
schen, psychologischen,  moralischen,  materiellen  Akzente  als  Äqui- 
valente über  die  Bildfläche  —  all  das  Gesetzmäßige  bei  unglaublichem 
Feuer  und  voller  Wahrheit  höchster  Augenblicklichkeit".  Alles  dies, 
was  Burckhardt,  umgesetzt  in  die  Welt  der  Geschichtsschreibung  und 
poetischen  Darstellung,  sich  selber  wünschte,  fand  er  bei  seinem  Lieb- 
ling Rubens  in  der  Freiheit  künstlerischer  Schöpfung  entfaltet  und  zur 
höchsten  Vollkommenheit  entwickelt.  — 

Dieses  Alterswerk  Burckliardts,  in  dem  alle  Melodien  seines  geisti- 
gen Daseins  hier  und  da  bruchstückweise  noch  einmal  anklingen,  ent- 
hält auch  sprachlich  noch  einmal  den  ganzen  Burckhardt.  Ein  Selbst- 
bekenntnisbuch im  Geheimsten,  geschrieben  ohne  Hinblick  auf  ein  Pu- 
blikum, ist  es  wohl  geeignet,  zum  Nachsinnen  über  Burckhardts  Stil 
zu  verlocken.  Ranke  hat,  wie  Hermann  Grimm  erzählt,  diesem  gegen- 
über einmal  bemerkt,  diejenigen  historischen  Werke  würden  am  läng- 
sten dauern,  die  am  schönsten  geschrieben  seien.  Die  Schicksale  der 
Bücher  Burckhardts  haben  Ranke  recht  gegeben. 

Burckhardt  hat  bewußt  einem  ihm  schon  früh  vor  Augen  stehenden 
Stilideal  zugestrebt.  „Ein  Gelübde  habe  ich  mir  getan",  schreibt  er 
1842  an  Gottfried  Kinkel,  ,,mein  Leben  lang  einen  besseren  Stil  schrei- 
ben zu  wollen  und  überhaupt  mehr  auf  das  Interessante,  als  auf  trockene, 
faktische  Vollständigkeit  auszugelien."  Er  wollte  nicht  nur  von  Ge- 
lehrten gelesen  werden,  sondern  nach  dem  Bekenntnis  im  Vorwort  zu 
seinem  ,, Konstantin":  ,,von  denkenden  Lesern  aller  Stände". 

Als  Kind  des  sprachgcwalligcn  alemannischen  Stammes  und  als  Sproß 
einer  Familie  von  Kanzelrednern  l)rachtc  Burckhardt  Anlage  und  Lust 
zur  Wortbeherrschung  mit  auf  die  Welt.  Aus  Erbe  der  Geschlechter 


NACHWORT  4.07 

und  Gabe  der  Natur  schufen  erst  Übung  und  bewußte  Erziehung  jenes 
vieltönige  Instrument  der  Burckhardtischen  Prosa,  auf  der  sein  Geist 
so  souverän  zu  spielen  wußte.  Das  Gefühl,  im  Wort  sein  eigentUches 
Ausdrucksmittel  zu  besitzen,   hat  Burckhardt  ja  eine  Weile   lang   an 
seine  poetische  Sendung  glauben  lassen.  Die  Fähigkeit,  Wortkunst  und 
Künstler  des  Wortes  zu  beurteilen,  ließ  ihn  schon  1870  in  Eduard  Mörike 
den  großen  Dichter  erkennen.   Und  die  angeborene   poetische   Kraft 
hat    als   belebendes   und    bildendes    Element   in   Burckhardts   ganzem 
Schaffen  nachgewirkt  und  bricht  manchmal  strahlend  hervor.   Seine 
Sprache  ist  färben-  und  tönereich,  sie  ist  hier  gekühlt  von  der  Ironie 
eines  freien  Geistes,  dort  durchglüht  vom  Ethos  einer  schönen  Seele, 
nie  mit  Absicht  originell,  stets  aber  vom  Grunde  aus  original.  ,,Den 
Stil  gebe  ich  preis",  hatte  Burckhardt  von  seinem  ,, Cicerone"  gesagt, 
der  gerade  von  der  meisterhaften  Gabe,  mit  Worten  zum  Genuß  von 
Kunstwerken  anzuleiten,  fast  auf  jeder  Seite  zeugt.  Wie  heroisch  heben 
die  Beschreibungen  mit  den  Sätzen  über  den  Poseidontempel  in  Pästum 
an:   ,,Von  den  drei  erhaltenen  Tempeln  des  alten   Poseidonia  sucht 
das  Auge  sehnsüchtig  den  größten,  mittlem.  Es  ist  Poseidons  Heilig- 
tum; durch  die  offenen  Trümmerhallen  schimmert  von  fern  das  blaue 
Meer.  Ein  Unterbau  von  drei  Stufen  hebt  das  Haus  des  Gottes  über 
die  Fläche  empor.  Es  sind  Stufen  für  mehr  als  menschliche  Schritte." 
Gleichsam  aus  der  Luft,  die  das  Kunstwerk  umfließt,  Ton  und  anschau- 
liches Wort  zu  greifen,  war  Burckhardts  unvergleichliche  Kunst.  Wie 
wundervoll  z.  B.  der  aus  dem  Geist  der  Bildwelt  des  Rubens  gefundene 
Vergleich:  „Es  ist,  als  hätten  sich  Religion,  Fürstenmacht,  Sage,  My- 
thus und  Poesie  aller  Zeiten,  dazu  der  Kreis  der  Seinigen  und  seines 
vertrauten  Umgangs,  ja  die  elementare  Natur  als  mächtige  Tierwelt 
und  Landschaft  vertrauensvoll  an  ihn  gewandt,  er  möge  sie  auf  seine 
Adlerschwingen  nehmen."  Burckhardts  instinktives  Distanzhalten  zur 
Philosophie  hat  seinem  Denken  eine  gewisse  Naivität,  seinem  Stil  die 
köstliche  Klarheit  bewahrt.  Man  gedenkt  des  Goethischen  Urteils:  „Den 
Deutschen  ist  im  ganzen  die  philosophische  Spekulation  hinderlich,  die 
in  ihren  Stil  oft  ein  unsinnliches,  unfaßliches,  breites  und  aufdröselndes 
Wesen  hineinbringt.  Je  näher  sie  sich  gewissen  philosophischen  Schulen 
hingegeben,  desto  schlechter  schreiben  sie." 

Burckhardts  Sprachbegabung  machte  ihn  zum  Plauderer  von  Gottes 
Gnaden  und  zu  einem  der  eindrucksvollsten  Redner.  Alle  Besucher 
erzählen  davon,  daß  ihnen  die  Stube  in  der  St.  Albansvorstadt  in  Basel, 
in  der  es  an  dem  üblichen  Anregungsapparat  des  Ästheten  völlig  fehlte, 
reich,  glänzend  und  unvergeßlich  geworden  ist  durch  Geist  und  Wort 
ihres  Bewohners.  Auf  dem  Katheder  sprach  Burckhardt  frei,  ganz  Herr 


408  NACHWORT 

seiner  mit  Anschauung  gesättigten  Rede.  Sein  Sprechstil  hatte  weder 
das  Pathos  und  die  Hitze  eines  Treitschke,  noch  die  Kühle  und  Neu- 
tralität Rankes,  er  durchlief  alle  Farbentöne  von  sachlicher  Nüchtern- 
heit bis  zur  Ergriffenheit,  vom  tiefsten  Ernst  bis  zu  elegantem  Scherz. 
Paul  Heyse,  der  doch  auch  von  sprachliehen  Dingen  etwas  verstand, 
nannte  1860  Burckhardts  Sprache:  „leichtschenklig,  rasch,  mit  Lich- 
tem sparsam  und  an  der  rechten  Stelle  mit  allen  Kunstmitteln  zu  plasti- 
schen Bildern  freigebig".  Neben  der  Anmut  des  Stiles  entzückte  ihn 
wie  andere  „die  hohe  Ironie,  die  wie  ein  ätherisches  Salz  alle  Poren 
durchwittert". 

Zu  angeborenem  Sprachgefühl  kam  erworbene  Sprachkenntnis.  Durch 
die  hohe  Schule  der  antiken  und  der  lebenden  Weltsprachen  ist  Burck- 
hardt  begeistert  gegangen.  Mit  wieviel  Gefühl,  Achtung  und  tiefem 
Verständnis  behandelt  er  in  der  ,, Kultur  der  Renaissance"  die  italie- 
nische Sprache,  ,, diese  geliebte,  gepflegte,  auf  alle  Weise  geschmeidig 
gemachte  Sprache"  als  die  ,, Basis  der  Geselligkeit".  Burckhardts  Lieb- 
linge waren  die  französischen  Enzyklopädisten,  deren  Klarheit,  Ele- 
ganz und  Ironie  ihn  entzückten.  Er  meinte,  auch  Rankes  schriftstelle- 
rischer Erfolg  erkläre  sich  daraus,  daß  dieser  bei  den  Franzosen  ge- 
lernt habe,  „er  mag  es  nur  nicht  Wort  haben". 

Burckhardt  schuf  sich  in  bewußter  Selbsterziehung  seinen  sinnen- 
haften, unendlich  beweglichen,  von  Kern  und  Kraft  der  Volkssprache 
wie  von  den  Feinheiten  der  Gesellschaftssprache  sich  nährenden  Stil. 
Da  sein  kunstgeschichtliches  Ziel  ein  neues  war:  Anleitung  zum  Kunst- 
genuß, Orientierung  der  Forschung  nach  künstlerischen  Problemen, 
mußte  auch  seine  Sprache  in  Begriffsbildung,  Anschaulichkeit  und  Aus- 
drucksreichtum neu  geformt  werden.  „Du  siehst",  schreibt  Burckhardt 
im  Vorwort  des  ,, Cicerone"  an  Franz  Kugler,  ,,wie  ich  mit  unserer 
schon  etwas  bejahrten,  ästhetischen  Sprache  gekämpft  habe,  um  ihr 
ein  eigentümliches  Leben  abzugewinnen." 

Aber  Burckhardts  Kampf  mit  der  Sprache  hat  ihn  nur  zum  Siege 
geführt,  weil  alles,  was  er  dachte  und  schrieb,  durch  und  durch  mit 
Leben  getränkt  ist.  Diese  innere  Lebendigkeit  wird  fühlbar  bis  hin- 
ein in  die  ganz  persönliche  Färbung  der  Sprache,  bis  in  den  unver- 
wechselbaren Ton  und  Fall  des  Satzes.  Daß  hinter  dem  Stil  eines 
großen  Schriftstellers  nicht  nur  Talent,  Wissen  und  Übung  stehen, 
sondern  der  ganze  Mensch  mit  allem,  was  er  ist  und  hat,  das  lehrt  eine 
einzige  von  Jakob  Burckhardt  geschriebene  Seite:  es  ist,  als  fühlten 
wir  den  Puls  des  Lebens  näher  schlagen. 


REGISTER 


Acciajucli,  Donato  122,  290 

Accolti,  Benedetto  128 

Accorso,  Donato  84 

Aeneas  Sylvius  Piccoloniini 
14.23.52.56,62,  103,  104 
107,  123,  128,  130,  151, 
161,  i7of.,  189,  i9if., 
201,  235,  243,  259,  279, 
293,  295,  3o6f. 

Akademien  158  f. 

Akademie,  platonische  139, 
22of.,  290,  299,  303,  309, 
319,  322,  504 

—  römische  116,  isSf. 
Agnello,  Doge  von  Pisa  6 
Agrippa  von  Nettesheim  33, 

310 
Alagna,  Lucrezia  d'  21 
Alberino,  Giacomo  249 

—  Giovanni  24g 
Alberti,  Leandro  ig6 

—  Leon  Battista  80 
Alberto,  Fra,  O.  S.  A.  85 
Albornoz,   Kardinal  60,   312 
Alexander  VI.,  Papst  17,  45, 

56,  61,  65,  68,  105,  110, 

124,   146,   151,   158,   161, 

209,  259 
Alviano,    Bartolommco    159, 

298 
Amboise,  Kardinal  42 
Anguillara,  Familie  60 
Anjou,  Haus  57 

—  Karl  von  3 

—  Margarete  von  225 

—  Robert  von   116 
Aquitanus,  Prosper  137 
Aragon,  Dynastie  in  Neapel 

8,  20,  54,  56,  254,  256 

—  Alfons  10,  II,  21,  56,  57, 


59,  86, 123, 125, 190,  239, 

259 

—  Alfons,  Prinz  von  Kala- 
brien  32,  264 

—  Federigo  149 

—  Ferrante  15,  21,  64,  165, 
241,  264 

—  Giovanni  64 

—  Lianora  32,  236 
Arcelli,  Filippo  86 
Aretino,  Carlo  116,  118,  128 

—  Lionardo  87,  108,  116,  135 
138 

—  Pietro  90,  94f.,  172,  182, 
212,  227,  264 

Arg>Topulos,   Johannes    11 1, 

123 

Ariosto,  Lodovico  27,  32,  106 
140,  155,  182,  iS6ff.,  196, 
201 

Aristoteles  46,  80,  107 

Arlotto,  Piovano  90 

Armonio,  Commedia  dell' 
arte  182 

Arsillus,  Francesco  151 

Augurelli,  Aurelio  315 

Averrhoes   112 

Avicenna  112 

Bacon,  Roger  162 
Baglioni,  Familie  in  Perugia 
16 

—  Astorre   17 

—  Guido   17 

—  Simonctto   17 

—  Ridolfo   17 
Bagnacavallo  12 
Bajazeth  56 
Bambaja  174 

Bandello,    Matteo    27,    104, 


172,  217,   219,   227,  253, 

268 
Baraballo  von  Gaeta  90 
Barbaro,  Ermolao  44,  142 
Barcigiia,  Atalanta  18 

—  Carlo   18 

—  Griffone   19 
Bardi,  Bankhaus  47 
Bassano,  Jacopo  203 
Beccadelli,  Antonio  125,  191 
Bellincioni,  Bcrnardo  236 
Bellini,  Giovanni  147 
Bembo,  Pietro  27,   129,  135, 

138,  142,  14s,  217,  25s 
Benedetto,  Alessandro  298 
Bentivoglio,  Arunibale  236 

—  Giovanni  31,  293,  315 

—  Ippolita  Sforza  219 
Benzo  von  Alba  76 
Beolco,  Angelo  (il  Ruzzante) 

183 

Bernardino  von  Siena  234, 
269,  270,  274,  276 

Berni,  Francesco  183,  268 

Bessarion,  Kardinal  44,  266 

Bibbiena,  Kardinal  90,  182 

Biondo,  Flavio  137 

Boccaccio,  Giovarmi  34,  86, 
104,  106,  107,  III,  114, 
137,  144,  i78ff.,  185,  189, 
198,  218,  233,  264 

Boccalino   15 

Bojardo,  Matteo  Maria  91, 
172,  183,  185,  186,  201 

Boldrino   14 

Bologna,  Antonio  254 

Bonatti,    Guido    295,   297 f., 

312,  314 
Bonifaz  VIII.,  Papst   113 
Borgia,  Familie   161,  259 


410 


REGISTER 


Borgia,  Cesare  20,  26,  28,  65, 
66,  146,  226,  241,  259,  261 

—  Giovanni  68 

—  Lucrezia  67,   180,  283 

—  Rodrigo,  Kardinal  235 
Boscoli,  Pierpaolo  36,  316 
Braccio  von  Montone  260 
Bramante  25,  70 
Brandolino,  Tiberto  260 
Brancaleone,  Senator  102 
Bruncllesco    (Brunelleschi), 

Filippo  48,  233,  236 
Bruni,  Lionardo  128 
Budaeus,  Wilhelm  iii 
Burchiello   182 
Bussolari,  Fra  Jacopo  272 

Cafarello,  Antonio  249 
Caldora,  Jacopo  298 
Calixt  III.,  Papst  63,  146 
Calci,  Fabio  157 
Calvin,  Jean  276 
Camaldolese,  Fra  Ambrogio 

290,  296 
Camerino,  Varano  von  18,  37 
Campana  151,  227 
Cane,  Facino  8,  12 
Capello,  Paolo  68 
Capetinger  54 
Capistrano,  Giovanni  269 
Capponi,  Agostino  36 
Caracciolo,  Tristan  22,   137, 

190,  293 
Cardano,  Girolamo  193 
Carmina,  Burana  100,  167 
Carrara,     Herrscherhaus     in 

Padua  83 
Casa,  Giovanni  della  92,  211, 

213 

Casanova,  Giovanni  de  Sein- 
galt 248 

Casella,  Lovodico  31 

Castiglione,Baldassare  92,304 

Castracane,  Castruccio  49 

Cavalcanti,  Giovanni   189 

Cecco  d'Ascoli  299 

Cellini,  Iknvcnuto  192,  306, 

313 
Chalcondylas,  Demetrios  1 1 1 

—  Thcopbilos   1 1 1 

—  Basilios   1 1 1 
Chiavelli,  Herrscherfamilie  in 

Fabriano  34 


Chrysoloras,    Johannes    iii, 

125 

—  Manuel   1 1 1 
Ciriaco  von  Ancona  104 
Clemens  VII.,  Papst  36,  56, 

72,  74-  150,  174.  308,  310 
Coccaius,  Merlinus   152 
Code,  Bartolommeo  315 
Coloccius,  Angelus  159 
Colomba,  St.,  von  Rieti   17, 

283 
Colonna,  Familie  60,  65 

—  Giovanni  loi 

—  Pompeo,  Kardinal  72,  190 

—  Lavinia   18 

—  Vittoria  219,  225,  256,  281 
Columbus   160 
Compagni,  Dino  46 
Contarini,  Familie  39 
Copernicus,   Nicolaus   164 
Coppola,  Francesco  21 
Corio,  Bernardo  129,  176 
Cornaro,  Luigi  183,  193 
Corneto,    Kardinal    Adriano 

da  70,  71,  143,  146 
Corrcggio,  Veronica  da  255 
Corycius,  Joh.  159 
Cotignola  12,  13 
Cybo,  Franceschetto  248 

Dante  6,  46,  50,  54,  75,  76, 
78,82,84,  ii3f.,  150,  163, 
i68f.,  i7sff.,  189,  191, 
2oof.,2o6,  238,  280,  288f., 

295.  319 
Decembrio,  Piercandido  190 
Dettin,  Clara  227 
Dolce,  Lodovico  182 
Dolcibenc  89 
Donatello  36 
Doria,  Andrea  52 
Dschem,  Prinz  56,64,68,209 
Dürer,  Albrecht  173 

Einhard   188 

Emanuel  d.  Große  von  Por- 
tugal  166 

Erasmus  von  Rotterdam  1 1 1 , 
142 

Eschenbach.Wolframvon  167 

Este,  Herrscherfamilie  von 
Ferrara  28,  32,  74 

—  Alfonso  28,  29,  30,  59,  127 
131,   180 


Este,Borso  lo,  11,29,30, 127, 
130,   165,  237f.,  240 

—  Ercole  28,  29,  32,  180, 
185,  236,  282 

—  Ercole  II.   155 

—  Ippolito  28,  33 

—  Isabella  26,  27,  236 

—  Lucrezia  236 

—  Niccolö  28,  119 

Eugen  IV.,  Papst  60, 103,118, 

303 
Eyck,  Hubert  van  170 

—  Jan  van  170 

Ezzelino  da  Romano  3,  4, 
282,  295 

Fabriano,  Gentile  34,  37 
Faccio,  Bartolommeo  86,  125, 

135.  137.  190 
Fano,  Bischof  von  261 
Farnese,  Pierluigi  95,  261 
Fedele,  Cassandra  225 
Feltre,  Vittorino  da  1 18,  221, 

290 
Ferrerio,  Kardinal  68 
Ficino,  Marsilio  122 
Figarolo  257 
Filelfo,    Francesco    92,    110, 

118,  131,  133 
Fiorentino,   Rosso   259 

—  Vespasiano  86,   190 
Firenzuola,     Agnolo     I98f., 

321 
Flamino,  Giovan  Antonio  70 
Foix,  Gaston  de  174 
Folengo,    Teofilo    91,     152, 

187,  268 
Folieta   135 

Fondolo,  Gabrieno   10 
Forll,  Blondus  von  103,  128, 

136.  137 
Forteguerra,  Niccolö  142 
Foscari,  Francesco  40 
Franceschetto  64 

Franz  I.,  König  von  Frank- 
reich 26,  54,  56,  95,  227 

Franziskus  von  Assisi  168 

Friedrich  Barbarossa,  Kai- 
ser 37 

Friedrich  IL,  Kaiser  2, (Anm. 
Nr.  19)  137,  188 

Friedrich  III.,  Kaiseri30,  161 

Froissart  49 


REGISTER 


411 


Gabrielle  da  Salo  292 
Gabrielli,  Cleofe  240 
Gallerana,  Cecilia  219 
Gandia,  Duca  di  (Borgia)  66 
Gattamelata  86 
Gauricus,  Luca  315 
Gaza,  Theodor  1 1 1 
Gegenreformation      12,     55, 

112,  281 
Gemignano,  Filippo  da  San 

140 
Gerbert  von  Rheims  162 
Ghiberti,  Lorenzo  79,  280 
Gianozzo  112 
Gibbon,  Edward  102,  137 
Gibellinen   33 
Giorgio  da  Novarra  292 
Giorgione  174,  304 
Giotto  202 
Giovio,  Paolo  86,  87,  88,  93, 

135.    137.    142.   19°.  213, 

245.  293.  315 
Giraldi,    Lilio    Gregorio   20, 

227 
Godehard  von  Hildesheim  188 
Gonella  90 
Gonzaga,    Herrscherhaus    in 

Mantua  26,  41 

—  Elisabetta  28 

—  Ferrante   188 

—  Francesco  26,   166 

—  Giovan  Francesco  118 

—  Giulia  255 

—  Giulia  Colonna  219 

—  Isabella  181,  219,  226 
Goritz,  Johann  151 
Gottfried  von  Straßburg  174 
Granacci,  Francesco  240 
Graziani,  Antonio   16 
Gregor  VH.,  Papst  76 

—  IX.,  Papst  12 
Grimani,  Domenico  41 
Großchan   160 

Guarino  von  Verona  107,  1 10, 

131,  201 
Guicciardini,    Francesco   49, 

138,   190,  263,  267 
Gyraldus   145,  155 

Hadrian  VI.  72,  93 
Hawkwood,  John  12 
Heinrich  VIII.  von  England 

73 


Heinrich  II.  von  Frankreich 

227 
Hippokrates   157 
Homer   107,  275 
Humboldt,     Alexander     von 

168 

Imperia,  Kurtisane  227 
Inghirami,  Fedra  132 
Innozenz  VIII.,  Papst  15,  17, 

55.  56,  63,  64,   105,   124, 

243.  307 
Inquisition  266f. 
Isabeau  von  Bayern  225 
Isabella  von  Kastilien  225 
Isabella  von  England  238 
Isabella  de  Luna  227 

Januarius,   Ferrandus   320 
Jeronimo  da  Castello  130 
Johann  XXIII.,  Papst  10,  258 
Johann  v.  Portugal  87 
Joinville,  Jean  188 
Julius  IL,  Papst  28,  42,  69, 
106,  124,  132,  146,  150 

Kalifen,  fatimidische  3 
Kallistos,  Andronikos  iii 
Karl  der  Große  99 
Karl  d.  Kühne  von  Burgund 

9.  54,  57 
Karl  IV.,  Kaiser  83,  8g,  116 
Karl  V.,   Kaiser    11,   60,  72, 

259 
Kolumbus  160 
Kongreß  von  Mantua  243 
Konzil  von  Basel  61,  130 

—  lateranisches  71 

—  von  Konstanz   108 
Kopernikus,  Nikolaus   164 

Lampugnani,  Giovanni  An- 
drea 35 

Laokoon    105 

Lascaris,  Johannes  11 1 

Latini,  Brünette  113,  175 

Laetus.Pomponius  142,  i$S{. 

Lecce,  Roberto  de  234,  269, 
271 

Leo  X.,  Papst  19,  28,  36,  56, 

64.  71,  73.  90.  105.  106, 
109,  III,  118,  124,  129, 
134,    142,    146,    155,    157, 


166,    190,   220,   223,   240, 
241,  266,   273,   293,   295, 

300.  315.  319 
Lessing,    Gotthold    Ephraim 

286 
Lionardo  da  Vinci  26,  32,  68, 

82,  122,  164,  236 
Lionello   119 
Lippi,  Fra  Filippo  84 
Livius   125,   126 
Lomazzo  223 
Lombarde,  Marco  289 
Longolius,  Christian   142 
Lovato  85 
Ludwig  XL  von   Frankreich 

54.  57.  61,  279 

—  XII.  von  Frankreich  11, 
42,  54,  65,  240 

Luther,  Martin  72,  281,  310 

Machiavelli,  Niccolö  33,  49, 
soff.,  58,  59,  67,  87,  92, 
131,  138,  147,  182,  190, 
196,  216,  263,  321 

Malatesta,  Herrscherfamilie 
von  Rimini  16,  20 

—  Carlo  85 

—  Pandolfo  15,  16,  315 

—  Roberto  13,   15 

—  Sigismondo  56,  127,  261, 

294 
Malvezzi,  Achille  266 
Manetti,  Gianozzo  iio,  112, 

116, 120, 121,128, 133,  290 

—  Agnolo   1 12 

Manfred ,  derEpikureer  2,288 
Manfredi  von  Faenza  16 
Mantuano,  Battista  56,  145  f., 

155,    202f. 

Manucci,  Aldo  44,  iii 
Marancn  283 

Marca,  Jacopo  (Giacomo) 
della  269 

—  Giovan  Maria  (Cornetto) 
223 

Marignano,  Marchese  von  96 
Marignolli,  Curzio  90 
Martin  V.,  Papst  60,  118,  144 
Martius,  Galeotto  291 
Marzuppini,  Carlo  128 
Masuccio   (Tommaso   Guar- 

dato)  258,  264 
Matarazzo  16,  18,  165 


412 

Maternus,  Firmicus  96 
Matteo  da  Siena  234 
Maximilian  I.,  Kaiser  11,  59, 

65,  75 
Mazzoni,  Guido  234 
Medici,  Familie  48,  209,  316 
■ —  Allessandro  36,  74 

—  Cosimo  d.  Ä.  48,  96,  108, 
121,  206,  208,  209,  259, 
290,  296 

—  Cosimo  I.  212,  259 

—  Giovanni  s.  Papst  Leo  X. 

—  Giulio  s.  Papst  Clemens 
VII. 

—  Giuliano  34,  36,  71,  273 

—  Ippolito  12,  166 

—  Lorenzino  36,  88 

—  Lorenzo  magnifico  15,  32, 
34.48,57.64,71.79, 122f. 
201,  202,  206,  2i9f.,  240, 

243,273,281,322 

—  Maddalf na  64 

—  Pietro  209,  274 
Meinwerk  von  Paderborn  1 88 
Menander  109 
,,Meneking"  183 
Michelangelo  36,  96,  281 
Michiel,  Kardinal  68 
Mocenigo,  Doge  43 
Mohammed  IL,    Sultan    42, 

55 

Molsa,  Mario  88,  150 

Mongajo,  Andrea  112 

Montalto  15 

Montani,  Cola  di  35 

Montepulciano,  Fra  Frances- 
co di  273 

Montesecco  34 

Monti,  Vincenzo  149 

Montovano,  Battista,  s.  Man- 
tuano 

Mussato,  Albertino  83,  85, 
116 

Musso,  Kastellan  von  16 

Musuros,  Markos  iii 

Napoleon  239 
Navagero,  Andrea   149 
Negro,  Girolamo  72 
Niccoli,Niccolöio8, 120,206, 

290 
Niccolö  da  Verona  266 
Niebuhr,  Barthold  Georg  102 


REGISTER 

Nieto,  Fra  Tommaso  282 
Nikolaus  V.,    Papst    56,    62, 

103,    107,    110,    112,    123, 

126,  128,  290 

Oddi  von  Perugia  17 
Olgiati,  Hieronymus  35 
Ordelaffo,    Fürst    von    Forli 

291 
Orsini,  Familie  60,  65 

—  Kardinal  68 

—  Kardinal  Pitigliano  Nic- 
colö, 298 

Ovid  100,  220 

Pacciolo,  Fra  Luca  122,  164 
Padovano,  Paolo  85 
Pagolo  von  Florenz  296 
Palestrina  222 
Palingenius,    Marcellus    148, 

308  f. 
Palmieri,  Matteo  116,  137 
Pandolfini,  Agnolo  78,  228 

—  Pierfilippo   122 
Panicale   14 

Panormita,  Antonio  125,  191 

Panvinio,  Onufrio  68 

Paracelsus  316 

Pasolini,  romanoglische  Fa- 
milie  13 

Paul  von  Bagdad  295 

Paul  II  ,  Papst  62,  104,  105, 
124,  128,  142,  158,  190, 
241,  242,  249,  294,  312 

—  III.,  Papst  19,  73,  74, 
III,  151,  261 

—  IV.,  Papst  74,  III 
Pazzi,  von  Florenz  34 

—  Giacomo  302 

—  Piero  de  1 20 

Pelegati,  Don  Niccolö  de  257 
Penna,  Jeronimo  dclla  18 
Perotto,  Niccolö  107 
Perries,  Alice  227 
Perugino,  Pietro  18 
Peruzzi,  Bankhaus  47 
Petrarca,   Francesco   75,    84, 
85,101, 106,  III,  114,  116, 
133,  141,  144,  i68f.,  177, 
i78f.,  185,  232,  233,  280, 
299,  319 
Petrucci,  Antonello  22 

—  Pandolfo  20 


Petrucci,  Kardinal  71 
Philipp  der  Schöne  188 
Piccinino,   Giacomo    14,   59, 

62,  259 
Piccolomini,  siehe  Äneas  Syl- 

vius 
Pico  da  Mirandola,  Familie20 

—  Galeotto  268 

—  Giovanni  20,  ii2f.,  203, 
274,  300 

—  Giovan  Francesco  d.  J. 
20,  72 

—  Lodovico  304 

Pietro  von  Albano  85,  164 

Pindar   109 

Pinziga,  Jacobus  190 

Piombino  147 

Pitti,  Buonaccorso  191,  248 

—  Jacopo  49 

Pius  IL,  Papst,  siehe  Aeneas 
Sylvius  Piccolomini 

—  III.,  Papst  69 

Piatina  128,  135,  137,  159, 
190,  312 

Piaton  221 

P!aut\is   142,   158 

Plutarch  86,  107 

Poetenkrönung  115 

Poggio,  Francesco  10,  87,  93, 
102,  106,  128,  135,  138, 
153,   206,  208,   268,   293, 

303  f- 
Polenta,  Guido  da  150 
Polifilo  107 
Poliziano,  Angelo  32,  86,  129, 

142,  201,  203,  220,  302 
Polo,  Marco  160 
Polybius   107 
Pontano,  Giovanni  32,  78,  91, 

153.   159.   196,  202,  258, 

293,  305.  32of. 
Porcari,  Stefano  62,  88 
Porcellio,  Gian  Antonio  59, 

131 
Porzio,  Camillo  22 
Pulci,Luigi9i,  183,  184,  186, 

201,  203,  287 

—  Bernardo  320 
„Pulcinella"    183 

Quinctilian  108 

Rabelais,  Franfois  247 
Radevicus   188 


Raffael  i8,  19,  157,  240,  300 
Ramusio,  Hieronimo  112 
Rangona,   Bianca  219 
Reformation  75 
Regiomontanus   164 
Riario,  Caterina  259 

—  Girolamo  63,  226 

—  Pietro  62,  181,  233,  236 

—  Raffael,  Kardinal  71,  248 
Rienzi,  Cola  di  8 

Robbia,  Luca  della  3 16  ff. 
Rossi,  Pietro  de  86 
Rosso,   Michele   86 
Rota,  Antonio  224 
Rovere,  della,  Familie  74 

—  Francesco  Maria  70,  71 

—  Giovanni  70 
Ruffa,  Polissena  1$ 
Ruspoli,  Francesco  90 

Sabellico,  M.  Antonio  38,  44, 
13s.  138.  239.  281 

Sacchetti,  Franco  201,  208, 
264 

Sacco  di  Roma  73,  94,  134 

Sadoleto,  Jacopo  129,  159 

Salemo,  Fürst  von  95 

Sallust  35 

Salutati,   CoUuccio   319 

Salviati,  Maria  96 

San  Celso,  Caterina  di,  Kur- 
tisane 227 

Sanga,  Giovanni  Battista  308 

Sanguinacci,  Giovannino  164 

Sannazaro,  Jacopo  86,  145, 
149,  150.  151,  201,  281 

Sansecondo,  Jacopo,  Musi- 
ker, Jude  223  f. 

Sansovino,  Andrea  151 

—  Francesco  44,  151,  181 
Santi,  Giovanni  186 
Sanudo,  Marin  136 
Sarto,  Andrea  del  241 
Sarzana,  Alberto  da  269 
Sauli,  Kardinal  71 
Savelli,  Familie  60 
Savonarola,  Girolamo  50,  54, 

147,  263,  266,  268,  aögf., 
272,273ff.,  288,294,  309, 

317 
■ —  Michele  85,  196,  279 
Savoyen,  Bianca  von  234 
Scala,  Can  Grande  della  4 


REGISTER 

Scaliger  142 
Scarampa,  Camilla  219 
Scariotto  314 
Schilling,  Diebold  5g 
Segni  49 

Senarega,   Giorgio   n,    135 
Seneca  126 

Sforza,  Herrscherhaus  von 
Mailand  256,  259 

—  Anna   131,   181 

—  Alessandro   16 

—  Ascanio,  Kardinal  41,  64, 
209 

—  Caterina  226 

—  Francesco  13,  16,  23,  59, 
126,  236,  237,  238f. 

—  Galeazzo  Maria  24,  34f., 
88,  130,  133,  256 

—  Giovanni  56 

—  Ippolita  130,  254 

—  Jacopo  13,  14 

—  Lodovico  Moro  1 1 ,  24,  39, 
41,  54,  56,  127,  IS9,  272, 
283 

—  Massimiliano  212,  213 
Shakespeare   179 
Sigismund,  Kaiser  10 
Simonie  62,  65,  71 
Sismondi,  Jean  Charles  Leo- 
nard  190 

Sixtus  IV.,  Papst  13,  15,  54, 
62,  105,  116,  124,  132,  158 
241,  242,   271,   279,   291, 

309 
Socini,  Bartolommeo  117 
Soliman  IL,  Sultan  56 
Sophokles   109 
Soranzo  39 
Sorel,  Agnes  227 
Statius   108 
Strabo  107 
Strada,  Zanobi  della  84,  116, 

144 
Strozza,  Ercole  67,  156 
Strozzi,  Palla  123 

—  Filippo  123 

Tacitus   125 
Tarent,  Fürst  von  62 
Tasso,  Bernardo  27 

—  Torquato  188,  201 
Tenda,   Beatrice  di   12 
Tercnz  134,  221 


Theanum,  Kardinal  von  142 
Theodorus,  Astrolog  295 
Thomas  von  Aquino  3 
Tiberto,  Antioco  von  Cesena 

31S 
TibuU  221 
Tiburzio  62 
Tizian  239 
Tizio,  Domherr  294 
Tortosa,  Kardinal  von  93 
Toscanella,  Paolo  122,  164 
Trapezunt,    Georg    von    44, 

III,    125 

Trissino  182,   185 
Trithemius  86,  310 
Triulzio,  Kardinal  146 
Troubadours  82 

Uberti,  Fazio  degli  io2,i69f., 

186,   196 
Universitäten   116 
Urbino  (Montefeltro),  Fede- 

rigo  II,  15,  16,27,59,  103. 

109,  126,  131,  186 

—  Guidobaldo  26,  70,  297 
Urceus,  Codrus  291 
Uzzano,  Niccolö  da  147 

Valeriano,    Pierio    141,    156, 

293 
Valla,   Lorenzo  62,  92,    125, 

128,   141 
Vallombrosa   304 
Valori,  Bartolommeo  122 

—  Niccolö   190 

Varani,  Herrscherhaus  in  Ca- 
merino   16 

—  Bernardo   16 

Varchi,    Benedetto    49,    88, 

138,  igo,  302 
Vasari,  Giorgio  igo,  236 
Vegio,  Maffeo  144,  2go 
Veneto,  Paolo  85 
Verfassungen  49 
Vergil   311 
Vespasiano  von  Florenz  120, 

121,  190 
Vespucci,  Amerigo  87,  122 
Vettori,   Francesco   49,    138, 

190,  293 
Vidovero  von  Brescia   15 
Villani,  Filippo  86,  132,   189 


414 


REGISTER 


Villani,  Giovanni  45,47,  loi, 
288,299 

—  Matteo  10,  47,  299 
Vinciguerra,  Antonio  232 
Visconti,    Herrscherhaus    in 

Mailand  7,  22,  57,  77 

—  Bernabö  7,  208,  298,  304 

—  FiHppo  Maria  8,  22,  57, 
165,  190 

—  Galeazzo  Maria  63 


Visconti,  Giangaleazzo  7, 
245,  298 

—  Giovanni   150 

—  Giovan  Maria  8,  34 
Vitelli,  Paolo  58,  297 

—  Niccolö  314 

—  Vitellozzo  61,  268 
Viterbo,  Fra  Egidio  von 
Vitruv(ius)   142 
Volterra,  Jacob  von  190 


22,    Weifen  33 

Wenzel,  König  von  Böhmen  7 
Werner  von  Urslingen  260 
Wipo   188 

Xenophon  21 

Zamoreis,  Gabrius  di  150 
93      Zampante,  Gregorio  31,  283 
Zanobi  di  Strada  84, 1 16,  144 
Zuccato,  Valerio  182 


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Holzsctinitt^aus  Savonarulas  Sciiiift:  „Arte  del  bene  morire**,  Florenz,  um  1490 


DIE  KULTUR  DER  RENAISSANCE  IN  BILDERN 


AUSWAHL  UND  ORDNUNG  VON  LUDWIG  GOLDSCHEIDER 


S  t  2  d  t  e    u  r,  ä     Herrscher     der     Renaiisance 


I.    STADTBILD    IN    DER    FRDHRENAISSAXCE.    (Fresko   von    Bcr.cJctto   Buonfigli:    ..Cbctri-uns;  der  Gebeine  des   Hcrculanu< 

Perugia.  Piiiakoihek. 


S  t  iJte    und     Herrscher    der     Renal  i lai 


l.    DAS    KASTELL    ZU    IRRRARA.    Erbaut    im    14.    Jahrhundert. 


3.    CASTEL  NUOVO   ZU    NEAPEL.    Erbaut    im    i).    Jahrhundert. 


Städte    und     HcTTicher     der     Renaissance 


ua   iCAL:(AKGRABi:R  zi;  \lkli.\a. 


S  t  J  li  t  €     und      Herrscher      der      R  e  rt  ^ 


5  f  j  li  f  f     II  n  d     H  f  r  r  f  c  h  f  r     der     R  t;  ri 


a  I  S  f  u  n  c  t 


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7.   SIG  IS  MUNDO    MALATtb  1 A,     I  yr.mn    von    Rimini.    Ausschnitt    au^    dem    Ircsko    von    l'icro    dclla    1  rancesca    1111    Malatcsi.in-nipi 

7,u  Kimini. 


Städte     und     Hei 


X.    SK;iSMONDü    MALATESTA,    Tyrann    von    Rimlni.     Von   einem   unbek.inntcn    Meisier    des    m.    Jahrhunderts.    Rimini,    Kaihcdral. 


V  f  j  c/  f  (■     M  Ti  li      H  e  r  r  f  r   l<  e  '      J  e  r      R 


9.  GIOVANNI    II.   BENTIVOGLIO  UND  SEINE    FAMILIE  VOR  DER  THRONENDEN   MADONNA.   Von  Lorcnzo  Cosm.    14)*^^ 

Bologna,   S.   Giatomo  Ma^^iore. 


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Städte    H  n  ä    Herrscher    der    Renaissance 


S  l  J  J  t  e    II  r.  J     H  c  r  r  s  c  h  V  r     der     Rcnatiiance 


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S  : A  ä !  c    H  n  J     Herrscher     der     Ren. 


ij.   ALIONSO  I.  D'ESTH.  Herio^;   von   Fcrrara.   Von  Tizian.   New   York,   Metropoliian-MuMrun 


S  :  j  li  t  c    und     H  e  r  r  i  I.  h  t  T     der     Renaissance 


18.  ISABELLA  D'ESTE  GONZAGA.    Wn  Tizian,  1534.    >X'ien,  Kunsthisiorisdics  Museum. 


Studie     und     Herrsther     der     Renaissance 


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r 

19.    H-lA)N(.)RA    GONZAüA,   Hcriosin    von    Urbino.    Von   Tizian.    Horcn/.    ;'lti/icn. 


S  t  u  J  t  e     und     Herrscher     der     Ren 


j  i  s  s  a  n  c  i 


2C.   ISABFLLA  D'IiS'l  li,  Toditer  Ercolcs  l.d'Iisic  und  vk-r  llconora  vi»n  Ara>;on.  Gauin   Gian    l-r.mccr'icos   ITI.  Gon/:at;a. 
Herzogs  von   Mantu.i.     Zcidiiiung  von   Leonardo  da  Vinci.     Pari>,   I  ouvrc. 


^3-    GALEAZZO    MAKIA    Sl  ÜRZA.   Hcriog    von    Mailand.    Vun    Antonio   del    l'olla|uolo.    Horeni.    Utfizicn. 


iA    2<    Hii)ii\  II  .1  M.  iK/  \     l.lNANM    IL   MORO,  Herzug  von  Mailand,  und  je.nc  Ga.tin  BEATRICE  D'ESTE. 
Au.schn.uc    au.    der    Pala    Sforze.ca    von    Bernard.no    de'  Conr,    .n    der    Brera    ,u    Mailand 


LILGEHCUKEN    VOM    GRABMAL    LOIHNU.'    ^ 

K-anau--.^    \  lmi  l'avia 


/.AS    UND   SEINER    GATTIN.    Von    Andrea   Solirio. 


27-   LODt)VICU   IL    MOKU,   HctLo^   von    Mailand.     Cjtmalde    von    Öoliraihu      Mailanii.    I^iiiinilun^    TnvuU.i. 


S  t  u  li  i  c    u  7t  il     H  e  T  r  i  i  h  c  r    der     R  e  t7  a  i  s  i  u  ^i  c  c 


28.    Francesco  Sforza  (1401  — 1466). 


29.  Gian  Galeazzo  Sforza  (1469 — 1494)- 


jo.  Bianca  Maria  Sforza  (1472— ij  10). 


}i.    MaMrnilian    I.  bfuiza  (14J9 — iJ'?)- 


32.    Maxituil  i.di    stiif  /,i    {>  -i-'\—  -i)  \o). 


5i.   Beatricc  d'Estc  (t   I499)« 


MlTCU-llDlK  DlvS  HAUStS  SI-ORZA.   Aus  den   WarulKcmaldcn  von  Bernardino  l.uini  im  Sfor/a-KaslclI  zu  Mailand. 


Staate    und     Herrscher    der     Renaissanct 


AIAKINA    MOK/A,     i 'iÜiIit    des    (jilcj//o    Maria    btur/a,    Gaiciii    des    (^rrol.inm    Ki.inu      \.,n    r.ero    di    (   osimo. 

Museum    in    Alienburj;. 


7  (    ■   r  ,  ,   *  .•  r     ,1er      Ä  c  n  . 


i(      LDIXWIH)    11.  (jUNZACA    und   IhlNh    hAMILlh.      hroki.    %on    MantcRna.      VUntua.   CaMcllo   di    Coric. 


UiDOVlCO  U.  G(.>NZA(.,A  17     KARUI.NAl.   1^  KA.NCK.SCO  GONZAGA. 

■\vj\   Mantc»;!!;)»   Fresken   im  C^jstcllo  di  t^urte  zu   Mantua. 


l».     bbOtGNUNG    Ll)DOVl(.0;>    11.  CONZAÜA,    MARKGRAhtN    VON     MANTUA,     Mll     bhlNlM     SUHNh. 
DEM   KARDINAL   FRANCESCO.     Fresko   von   Mantcgna   im  Castellu  di  Coric  zu    Mantua. 


^  l  a  il  l  c     und     Herrscher     der     Rena 


t  s  s  a  n  c  e 


jy.    I  RANC.l'.SCt)    GONZAGA.    'l'frr.ikoti.i    \..';i    Cii.in    CiiMuloro    Runuinu.     I 


h-MM/,      Musr,'     \<.Ar.\>, 


S  t  a  li  t  c     und     Herrscher     der     Ren 


a  i  s  s  a  n  c  c 


40.    GlANl'KANCtSCO  OONZAGA.    Zeidinunj;    von    Irancesco    bonsi^;nori.    llorcn?,    Uthzit-n. 


i  ^mm 


cs-y 


\  r  .,  ,n  r     u   u  ä      H  v  r  r   *  <.   h  (■  r     der      K  t 


\<_.i  'N.  Königin 


Städte     und     Herrscher     der     Renaistance 


■^ 


44.    HERDINAND    I.VÜN    ARAGON,    Koni«    von    Neapel,     Tcrrakottibüsie    von    einem    unbekannten    Meister    d.^    1,.    J.ihrhundcrt^ 

Paris,    Louvrc. 


4i.    DTR    HAIKN    VON    NEAPia..    Von    ,..,,„,    , ,„. ,..1    Mejster   um    iioc.     Neapel,    Naiionalmuseum. 


Städte     und     H  v  r  r  f  c  h  c  r     der     Renaissjnce 


46.  MAXIMILIAN  SFORZA.  Zeid::iu;,^    n^m  sJuiU-i 

Leonardos   da   Vinci.     Mailand,    AmbroMana. 


47-    FRANCESCO  SFORZA.  Von    Bernardino  de'  Conti. 
Rom,    Pinakothek    des    Vatikans. 


48.    FEDERIGO    GON2AGA.    Von    Francesco    Francia. 
New  York,   Metropolitan-Muscura.- 


49.   EIN  PRINZ  AUS  DKM   HAUSE  GONZAGA. 
Ztidinunj^    von    Francesco     Bonsi^nori.     Wien,     Albcrtina. 


s  f  .i  ./  r  (■     H  7t  ,/     H  i  r  T  I  c  h  r  r     tt  c  r      K  v  ?t  ,i  i  i  l  a  n  c  i 


^o,    s  I     ("  i>  n  s  1  .1  n  /  o   S  f  o  r  z  .1    und    seine   burp.    Von   Gian    Iran^  i    ,  ,     I  i     mli,    147J, 


J2,    (1-    C  a  l  .1  r  i  n  .1    Sforza.    Von    Nitcolö    Fiorentino 


Tvrr.M  A-r . 


4 


\4.   SS-   A  I  t  o  n  s  o   von    A  r  a  >;  t>  n.   Von   Pisanello. 
RENAISSANCK-MEDAILLKN.   Hören?.  Nationalrauscum 


t""l 


tmsB^ßxL, 


)6.   FEDERIGO   DA    MONTEFELTRO,    Herzog   von    Urbino,    und    seine   Gaitm    BATTISTA    SFOR2A 
Von   Piero  della   Francesco.    Florenz,   Uf6zien- 


^TWWI-^^   II    '  3i.i^''ZÄ:jfe;: 


i7.    i«.    UIE    HOCHZEiTSWAGEN    DES    HERZOGLICHEN    I>AARhS.    Ocmäld.     aut    dir    Rudiscile    des    obigen    üoppelbildniss,-. 


S  t  da l c    und     H  c  r  r i c  h  c  r    der     R  e  n  a  i i s  a  n  c  e 


(.,    GUIDO 


«MUO  DA  MOJ^TEHF.LTRO.  Hcrios  von  Urbino.  Von  GUn  Francesco  Clroto.    Florenz,  Palaizo  Pitti. 


Städte     und    Herrscher    J  e  r    R 


e  n  a  t  i  s  J  r:  c  e 


LI  ISABhl  lA  GUN/ACA,  Gdiiin  dt-s  t.uidnlMido  da    M-umtcIn ...   Hcr/i.t;s 
Von    (;i.in    Fr-intcsto  Caroio   (?).      Mori-ii/.    I'alA//o    l'jtii. 


/n  tyrannos 


(■>!.   JUDlIl-l   UND   HOLUIKRNLS.     Bronze   \on   Donateiio.     Morcnz.  Loggia  uc*  Lanzi.   —   Im  Jahn-    14^^    \o( 
dem  SiKtioronpalast   aufgesteüi   zur  Ehrung   des   Tyrannenmordes. 


Keilet  J  c  n  l-  "I  .1  /  f  ' 


.^-^rs-- 


..,  IST*  OK,.  ,CK  ..N  ^^^r^^^'^^^^f^^J^^^^J^^^l^-^^;^^^  ^  — 


R  t  t  :  I.-  T  J  e  fi  k  m  a  l  t 


x-AWO-OlIMCCOXxVllK' 

04.  GülUORiCClO  li.)üLIANi.   \  lui  Simone  Manini.    Sjinj,    P.ilaizo  l'ubli. 


<•)         ■  ■-   i.i.  ,'lc'    M.\  06.     Rhrn;RblLÜ.\,=       :i^      (-LlMJOrrU-.Kh      gidvawi 

RLCCl    DA    lOLh.N  1  l.NO.     J  rc^u    >uii    Ainirci    dtl    Casusni.  ACÜTÜ      (John      Hawkwood).        Froko      von      l'aolo      Lcvi-;!.'. 

I-'lorcnz.  Dom.  Morcnz,  Dom. 


Ri-iterdenkmdler;    A  n  t  i  k  i 


RUThRKILUMs   lINhS    1  Ml'hK A TORS.     Römische  Bronze.    Neapel,   NationalmiiStun 


■^      *• 


'i  7 


1)11     R(1MINC.HI  N    liRONZKI'hERDh   VOR   UhR    MARRUSKIRCHE.    Venedig. 


Rettcräenkmiler:    Ren 


j  i  f  s  a  T!  c  e 


69.   RtlTtRUtNKMAL  DYS  GATTAMl.LA TA.   \\.ii    Oun.iic]lt..     Padua. 


7C.   RElThRUtNKMAL  UKS  COLLhONl.    Von   Vcrrt-ccliio.   Vi-iu-Jij;. 


R  e  i  t  e  r  J  e  n  k  •'!  :i  !  , 


71.    liARTOH>\lMHO    tOLLFOM.    \  0,1    W-rro.^hioN    KcilcrdcnUnut    iti    \  ciicdij; 


R  e  t  l  e  r  J  c  ri  k  m  ä  !  c  r 


'■  -•'• 


jr^"- 


In       .' 


7-.  Ül  R  t  OMIl,)!  I  IhKI-  GATTAMLI  A  1  A,   K,.|>l  dts  KtiiirJcnknials  Mm  Uoii.itcllo.   1447 


,'.•.■  I   Ji'i  Sjin,. 


R  i  t  l  i  '  ii  c  n  k  rti  J  !  e  I 


//  i-  c  T  f  ü  h  } 


ROBI-RTO     M  ALATHSTA.     Feldherr    dc\    Papstes    und    der     \  enezianer;     Schwicgerbohn     des     Her/nj;s     heder ii;.>    von     Lrbino 
Aus    einem    Fresko    von    Picro    di    Cosimo    in    der    Sixtinisdicn    Kapelle. 


Heerführer 


\OI  O  \l  Tl  LI  1     t  , 
GhilK-llm 


sdicr   Hccrlulucr.    —    79.    liRACtlO    \clN    XKINTOM      C  oridmiifrc. 


l  ASTRUCCHi  CASTRAC 
Morciiz,  Uttizicii. 


Heerführer 


'»I».  ■-•""  "*  " 


IHR   rc'Mli^TTnRI     \'Kr(l!(">nv    ['■/7\ 


V(1       Bi  i-.ii:.-   ^^••■Ak..•^^I^•.:tt^■       rii>r."i7.    VntioiMlnniM'uni. 


H    C    C    r    I   „    I.    .   r   r 


K  r  i  e  g  s  k  u  n  s  c 


s^.     s(  Hl  At  H  I      /^  ISL  lil  N     !  L  SS-"?!.)!  1  >  ATI- \     UND     KLi  1  tKN.    Antikes    Keliet.    (TeilariMcht    des    AlcxandcT-barkoph^gs 

Museum   in   Konsiantinopei. 


lU.rn  KSCllLACHT.     Gemälde  von  Vao\o  Uccello.     London.  Naiionals-ilcric. 


F 


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s^   Sy.    lii-LAOLKUNGS-SZhNhN.      1 


;io   V'a>.iri.      Mtircu/,    l'. 


,W-.V./«ä.l>/^^'<|"T 


J 


vo.    KRltGSSZF.M      MIT    EXPLODIF.RKNDER    UOMBl..     Zcichnunj;  von   Leonardo  dj  Vinci.  Paris,  ehemalige  Sammlung  Armand. 


■■i.-s*\/ ,  ^ 


.  V,  |i)  Ä«(3IVi»*  »»■.>,  j)»,j^« 


INIWHKI     /L'    KR:H,s\IAs(  MIM  \     /nainun,;    von    Iciiurjo    d.i    Vmhi.     london,    Bruivh    MuMum. 


K  r  i  e  ^  i  k  u  Ti  s  t 


■  (  ■  ■ 


y2.  MONIItRKN  FINKb  GtSCHÜ  TZtS  IM  ARStNAl.HDI  .   li-dcr/L-idmuni;  K.n  LcoTUr.l..  d.i   Vinci,  W  iiuisor.  Köniclichc  Hiblu-.l.ck 


K  r  I  c  ^  f  k  II  n  s  t 


•j}.    Hl-.IM.     I  lurcuiiniKdi,    15.    jahi-hundcn.     i  loiti.z.    NAUonaliiuovüin. 


■r.      Rfl  II  1  still  Uli:    Vl^N     MMR    rRL.NKKLM  UNG.      IK.rti./.    Nauoiulmuitum. 


K  r  i  e  s  s  k  ft  '!  s  t 


Dlh  PRUNKRUSTUNG   KAIbliR  KARLS  V.   Vuu  einem  Mailänder  W'artciisdnnlca    des    lo.    l.ihrhunJcrts.    Hören/,  N^tionalmuseum 


.ily:alcric. 


\'  c  a  p  c  !    und    Floren:. 


/)  ;  <     K  i'  /,  1,  :■  I  i  l:    r  l  u  r  e  n  z 


Die    R  €  p „ h l i  k   Floren. 


ic;.   LORENZO   DE'  MI  »ICI    IL   \IAGM1-K  O.    Alic-c.n^dll•^   P.irirai    v>..:   C.u.rul,.    V.n.u.,     1  lorciu,   L'lti/.ici 


Die    Republik   Florenz 


DU-     NORÜTÜR     AM     BAPTIST!  KlUM    ZU     hLORtNZ.    Von     Lorenzo    Ghihcrti.     DaruWr;     ..Du-     Predigt     des     Taufers" 

von  Giovanni  Francesco  Rusticci. 


Die  Republik  Florenz 


FLORENTINER    ANSICHTtN.    *  indginialdc   vor.    Stradano    im    Palazzo    Vecdiu.    /u     II,  r,-,,/ 
lii.    ßriidte   bei   Santa   Trinilä.    —    103.    Der   Platz    Mercaio  Veciiiiü.   —    104.    %'eihiinj;stest   vor   der    Loi;i;ia    Je'    Lanzi. 


los.   PAl  A/ZO  PUBLICO  (STADTHAUS'   IN  SItNA.    Pholographit. 


Die  R  c  p  u  i-  l  t  k  S  t  e  n  j 


7  » >  ^dCk     '''2 


i=«.  DER  HL.  BERNHARD  PREDIGT  \  OI^ 


tiALS  IN  sILNA.   \un  I>i 


Dir    R  c  p  u  I'  I  i  k   V  e  n  c  d  i 


tri     IHK    lOVil    \0\    \1,NLL)K;    l  M>   IHK    lua.l      N;^o;r...i    .-'■.'^:    Jcc   Tluli  dMi   Cjn.i   dev   1  l-gi  m- il-iMcs. 


Venedig. 


icS.    DAS    'äUNDER   des    KRtLZESHOLZES.    Von   Vittor^;   Carpaccio.    Venedig.    Akad 


^,    Akadcinif. 


iD^.   DIE  \^  ILDLRMNUUNC   DER   KKl  UZESKELIQUIE.   Von  Ccniilt-  hclhin.   Venedig.   Akademie. 


!    ;    '    k-     \'  •    71   C  <i  I 


Die    Republik    Venedig 


113.     CATAKINA      CURNARU.      Idealbildnis     von 
P.10I0    Veronese.      Wien,    Kunst Kistorisches    Museum. 


114.   CATARINA   CORNARO.    Von   Geniile   BelUni. 
Budapest,  Museum  der  Schönen  Künste. 


iij.  CATARINA  CORNARO  (mit  der  Krone)  und  venczianisAe  Edelfrauen. 
Ausschnitt    aus    Gcntilc    Bcllinis    ,,Wiederauftindung    der    Krcu/cvreliquic".    Venedig,    Akademie. 


Republik    V  e  ri  e  ä  i  i 


New    York.    Privaibesiiz. 


U  II    R  c  f  u  h  I  :  h    \ 


ü  :  t    K  ,  p  u  h  :  I  t 


119.    DER    DOGl.    LLUNARDO    LOR1:L)ANO.    Von    Giovanni    Bellini.     London.    Naiionalg.ileri, 


120.  EINE  PERSISCHE  GESANDTSCHAFT  IN  VENEDIG      Von   Paolo  Veronese.    Venedig.  DogenpaUst. 


EINE  GESANDTSCHAFT  AUS  ENGLAND.   Von   Vmort   Cirpjcclo.   Venedig,   Akademie. 


Venedig    und   der   Orient:    J  t  r  u  t  a  l  e  ni   und   Kairo 


122.    VENEZIANISCHE   GESANDTSCHAFT   IN   KAIRO.    Art   des   Gentile   Btllini.    Paris,    Louvrc. 


m 


12).  DER  HL.  STEFAN  PREDIGT  IN  JERUSALEM.  Von  Vittore  Carpaccio.    Paris,  Louvre. 


l-r    .,   .    ,/   ,    S     U    ..   ,/     ,1   C   r     n   . 


124.  MARKUS  HEILT  DEN  ANANIAS  AUF  DEM  MARKTPLATZ  ZU  ALEXANDRIA. 

Von    Cini.l    J.>    Cciiicv;liaiuv     Bertin,    Kni^cr-F'riecIrK+i- Mu^TOn'. 


,,^.   1,11,    rKH'i.,1    14   -   HHLlGhN    MARKUS   IN    AllNANDRIA-    V,.„   (.,..^.u„h    BcIIuu.     Ma.l.nd,   Brcra. 


^•ä 


D  t  r    V  j  t  i  k  u  n   »  n  d  d  i  e   T  ü  r  k  e  i 


■  •8      DER      rURKlNPKINZ     DSCHhM,     Bruder    dfs    Sultans     Baiazethll.     und    GotanponcT    der    Pipstc 
Innozenz     VUI.    und     Alexander     VI.      Aussdinitt    aus    CTnem     Fresko    von     Pinluricchio,      Rom.    \atik.in. 


K  a  i  i  €  r  und  Papst 


IZ9.   KAISERKRÖNUNG.   Aus   der    ^erkstact   der   Robbia.    ilorenz,   Naiionalniuicum. 


ijo.  KAiShRKRONUNG  KARLS  V.  Ausschnitt  aus  einem  Tresko  von  Giorj;io  Vat.ar 
Floren/.  Palazzo  Vecdiio 


."    K  !'■  n  i  :i  '. 


n.     KM 


SfR    KARl     V.   (IcmaUlo  von    Iizian,    1(4*      Mündien,   Allcrc   Pinakothek. 


h  .1  t  >  <   r   und    K  ö  n  i  %  t    t  m    /  c  t  i  a  l  t  c  t   J  i  r    R  lu  j  i  t  s  j  ti  i  < 


IM.  KARL   Vlil.    VON   IRANKKI-ICH.     .Mini.iiurL-.     1'jii>.   N-Uuiidlbiblioihtrk. 


KaistrUTiii    K  '-^  'i  i  ^  e    im    7  e  i  t  u  l  t  c  r    J  e  t    Reujifsancc 


ijl.   KÖNIG   HEINRICH    II.    VON    FRANKRhlCH      Von    Jean    Clou«.      Florenz.    Ufhzirn. 


Kaiser   und    Könige    im   Zeitalter   der    R  e  n  a  i  i  i  a  n  c  e 


,11,     KONK,    Hi  .NKUH   VIII.    \o\    INl^LAM).   Von   H.in.   Holban  d    J.    Ni'iiidsor  C«[le. 


Kaiser  und  K  • 


Zeitalter   der    Renaissance 


i  ff i:  \ 


S  .1  I  '  c  r    a  t,  ,1    K  i:  II  i  i>  c    :  m    Zciljllertler    R  e  ri  j  i  i  i  j  ,i  , 


Kaiser   u  n  ä    K  o  "  i  ^  e    t  tn    2  e  i  t  a  i  t  e  t   der    Ren 


j  1  s  s  j  fs  c  e 


Rom       A  ti  I  1  k  e    C  r  j  h  m  i  I  c  r  :    K  j  i  I  c  I  l  e    in    der    R 


f  n  j  I  <  j  .j  «  c  c 


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140.    DAS  GRABMAL   DLR   CAECILIA   .METELLA   an   der  Vlj   Appia   bei   Rom. 


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I  M  I      !    M  ,1   , 


(Im   H,i 


IVtcTAird.c.) 


R  o  m.      B  u  u  a  e  T  k  e    der    Antike    und    der    R  e  n  j  t  f  f  ^  n  c  i 


-111-- 


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142.    ROM,   um   1480,   vom  Capitol   aus  gesehen.   Zeichnung   eines  Sdiülers    des   Doraenico   Ghirlandaju.    {Codex    Escurialensis.    lol.    40. 


'— «../.-Afc.i— 


I43.   DIE   I'ETERSKlRCHt.    IM   UMBAU   UND   DER   VATIKAN.   Anonymer  römischer  Kupferstich  dvs   iß.   Jahrhunderts 


'Z.  u  7    L  n  t  i  t  i  h  H  n  g  i  g  f  1  i  h  i  <  k  t  c    ä  c  r    größten    Renaissance  kirihe 


144,     DIE     KUPI'tL     DES     DOMS     ZU         Mi-     MODELL     ZUR     KUPPEL     DER 
FLORENZ.  PETERSKIRCHE. 

Von    ßrunellfSiJii.  ^^^  .Michelangelo.  Rom,  Museo  Petriano. 


146.  DIE  KUPPEL  DER  PETERSKIRCHE 

IM  HEUTIGEN  ZUSTAND. 

\'on   Michelangelo  u.   a. 


147.   DIL   PtTLKSKIKt.Hl.   \  l.iR   L)l.,\:    lJ\lB.^U     ;Ba>ilica  dl  S.  Pictru.)  Rekonstruktion  von  Prof.  Marcclluni.  Rom,  Museo  Pctnanü 


Rom:   Peter  ikirche 


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US.  VOR  DER  PETHRSKIRCHE. 


Die    Papste 


i'ST  Plus  II.  M  (.\l  r  AM   ÜAI  I  N    \  i  '\    A\t  ONA  1)11    KKi  l  /l  AHRI-R.  Fresko  von  Pinturicdiio.  Siena,  Dombiblioihck 


Dir    r  d  p  s  t  i 


l'AI'SI    ALhXANDER    VI. 


Aussdiniit   aus   einem  Fresko  von   Pimuricchio.     Rom,   Vatikan. 


(Zur   Rcditen   de- 


iSi.  PAPST  SIXTUS  IV.   U;\U  ..,.     ...  X.   .    i..." .•■- ■  ■  ■-■-      ;-■■'   „        -  ..      ,, 

Papstes  der  K.irdinal  Piciro  Riario,  sein  Licblmj;sncrtc:  %or  ihm.  stellend,  Kardinai  Giuho  dclU  Ruvcrc,  der  spatere  lapst  Julius  lt.. 
dafiinier.  kniend,  Bartolommeo  Sacchi,  bekannt  als  Humanist  unter  dem  Namen  Platina;  seine  Erncnnunfi  zum  Vorsteher  der  vatika- 
nisdien  Bibliothek  ist  auf  diesem  Gemälde  dargestellt;  links:  Giovanni  dclla  Rovcre,  Bruder  des  Papstes  Julius  H-.  Herr  voii  iinisaglia 
Sdiwager  des  Herzogs  Guidobaldo  von  Urbino;  ganz  links:  Girolamo  Riario,  Neffe  des  Papstes  Sixtus  IV..  Gatte  der  Caterina  btorza.i 


Di'.    /'  j  f 


12-    I'APST    SIXTUS    IV-     UctJil    von    senicm    chcrnrii    Grabdenkmal      Von    Antonio    l'ollaiu..lu-      Run.      I'tui jki. Ju 


ISJ.   I'Al'ST  JULIUS   11.   ALS   KARDINAL   (Giulio  JelU  Rovcrc).  Ausschnitt  aus  ..•[nem  Iresko  von   Bottitclll.  Rom.  S.xtmi-Kipdlc 


Die    Papste 


14     PAPST    IUI  lUS    II.     Ausschnitt    aus   einem    Cienulilc    vun    Rart.iel      llcrenz.    P.ih//o    Pitti 


Die    P  j  p  s  t  c 


MV     PAPST     LFO     X.     niii     den     Kardinalen     Ciiulio     tlo'  Modui.    dem     sp-iu-rcn     l'apvi     C'.Ienu-ns     \'1I.,     und     Lodovico     de"  Ros- 

\'(in   RatT.icI.     iinrcn/.   P.il.i//t>   Pitii. 


il6.  PAPST  LfcO  X.   ^  ciß  cchöhic  Krcidc/ciJinung  von  Scbasiiano  dcl    Piombo  (>).  ChaT*«*>rth.  Sammluii';  des  Her70i;s  von  Dcvon-.htrc 


A 


Die   P  ä  p  s  1  e 


157.    I'AI'ST   Cl.l  MINS   VII.   111   iuni;i.-n   Jjhrcn.    \  un   Scba>ti,iifu   dol    I'iomlio.     Ncjpcl,   Naiioiuilmuscum. 


Die   Päpste 


158.  PAPST  PAUL  111.  mit  seinen  Enkeln,  den  Kardinälen  Alessandro   und   Üttavio   Farnese.    Von   Tizian.     Neapel,    Nationalmuseuni. 


Die  Päpste 


i,.>   UIL   SCHViLlZLIU.ARUL  DIs   PAPSTl  S,     Au«din,t<   .im   cnu-m    I  rc-sk.,    >..,.    R.iH.ul      Ko 


\'atikan. 


Die    Kirche 


i6o.   FRANCISCUS   VON  ASSISI.     Aussdinitt  aus  einem  Fresko    von   Cimabuc    in   der    Unierkirdic  S.  Francesco   zu   Assi-ii. 


D  i  c    Kirche 


^  MISSPPROPHE'lyE^EFFlGiES^ 


i6i.    GIROLAMO   SAVONARllLA.    Von    Ir.i   B.inolommco.     riorcn.  . 


D  i  <■    Kirchs- 


i6z.  SAVONAROLA  als  Peirus  Martyr.   Von  Fra  Bartolommeo. 
Morcnz.  Muscü  di  San   Mjrco. 


J 


■*fc«c»,ifc„»<-^i^"««s 


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163.    \  LK.liRL.\NL'NG    SAVONAKOLAi.    \  un    einem    unbclsjniiicii   llurtiüiniijivii    MjleT    um    ijic.     Ilorcni.    Musco   Ji   Sah    Mailo. 


; )  ;  <■     K  I  '  c  h 


164.   DENKMÜNZEN   AUi-  SAVONAROLA. 


Dir    K  I  >  c   /' 


16).    Vi  riHRAUCHGEI  Ä5S.    Silbcrsdimicdcarbcit    dos    i  j.  Jahrhunderts.     I'adua,    Sdiatzkammcr    son    S.    Aiuonio. 


i66.  PROZESSION   IM  INNI;RUN  EINF.R  KIRCHE.   \\m  Vitton-  Cirpaccio.   Venedig,  Akademie. 


,i.j.  riNBRINGUNG  DER  HEILIGEN  KREUZESRELIQUIE.  Von  Scb.istiani.  Venedig.  Akademie. 


D  ;  ■    Kirch, 


.6S.    INM  RES   EINES  SANCTUARIÜMS.    Von    Gcniilc    Bcllini.    Vcnedit;.   Akailcm 


U  i'-   Kirche 


i'.9.    DLR   DOM    VON    FLORhNZ. 


■-^^""^^ 


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170.   D1;R  DOM   VON   I-LRRARA. 


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Dil    Kirche 


171.  UhR  DOM   VON   PISA 


t.      <■ 


.^Sä^' 


17;.    ULK   IJOM    \  Li.\    ill.NA. 


,7V    PKI.DICT   DLS   HL.   B!  KNHARIl   tBr.RNARDINO   DA   SIENA)    VOR    DER    KIRCHE    IN    SlFNA. 

Von    Sa  HO    di    Piciro. 


R  c  l  i  s  i  o  ti   und   Aber  via  »hcn 


174.    Dil      \  [  KnAMMll  \        A^l^■.Jln.Ir     .lus    dcm     Fresko     von     Luca     Sij;n<)rclli     m 
DoTii    zu   Orvieto. 


17V    1\    I)i"R    HOl  [  I  .    /i-K-imun^    ■....■    LMm-M    /u,,ti 


.■■\il.,riitii     I  l  ni»  iirl 


rskn    H-,    eicT    n.Mnkuinnl    /u    I  Inrcn/,; 


/\  (■  /  I  V  I  "  "   "  "  '/    A  !>  c  T  ji  l  ii  14  /'  c  n 


R  c  l  i  V  i  o  n    u  n  ä    A  h  c  r  v  l  a  u  h  v  n 


R  c  l  i  ji  i  o  ri    und    A  h  c  t  g  l  a  ti  h  e  n 


170.    OAS    tjKUSl.LlCt     IN    UtR    MALhKlI.    Verlesende    Leichenteile    und    Ungeziefer. 
Ausschiim    aus    dem    „Kampf    des   hei!ij;eii    Geori;"    von    Vittore   Carpaccio.    Venedig.    S.  Giori;io   de'  Sdiiavoni. 


iSo.  DIK  VI-RSUCHUNG  UKS  HF.ILIGF.N   ANTONIUS.   Von   Parcntmo.     R.>m.  Galerie  Doria. 


Religion   und   Aberglauben 


iH,     Dir    MADONNA    BF.iRFIT    IINFN    SÄUGLING     \  l_  s    l'IN    KRALLiN    ilNls    DWU^Ns 
Gcm.iUlc    von    Niccolö   Ahinnn.     Rom.    CjjIcdc   C:olonna. 


R  V  l  i  X.  t  o  ri    n  71  li    A  i>  V  r  g  l  A  u  b  c  i 


^■:^Mc^d:ä^ 


1«:.    Dir    HrXKN.     Hand/ciclinuni:.   an;;cblidi    von    Bntticclli.     Florenz,    Uflizicn. 


Wissenschiifc    und    Aber^lauhen 


183.    DIE   \i;ERKSTATT   DFS   ALCHIMISTEN.     Gem.ilde    von   Giovanni    Stndano.     Florenz.    P.il.i/zo    Vccc+110. 


W  i  1  s  c  rl  s  c  b  J  f  t    und    A  h  c  t  ^  1  a  u  l>  c  n 


i»4.    i!l(.   ALMGC1R1SCH1-    DARSTF-LLUNG  VON    DIR    MIRRSCHAIT   DIR   GISTIRNF    bBtR    n\s    1  I  Itl  \ 
DIS   MI  NSC:Hr\.    Von  Giov.inni    Miroiio.     i'.ulu.i.    P.il.i7/ii  .Irli.i    R.iilionf. 


W  i  s  i  c  n  s  c  h  .1  f  t    u  n  J    C.  n  t  d  c  c  k  n  n  ^  c  n 


1   ^   ja»-rJri^i-.^tiKnl--J|^'r-'' 


i«6.  PROPORTIONSSTUDIE. 

Zeichnung;   von    Leonardo    da    Vinci, 

^'indsor,    Köni|;lidic   Bibliothek. 


187.    LUCA    PACIOLI    (Pacciolo).    Gemälde    von    Jacopo   de'  Barbar.,  mit  jeinem  Sclbstportral   (.>)  rci+its.     Neapel.  N.iiiünalniuscum. 


U"  i  s  <  c  ri  i  c  h  a  i  t    u  ri  li    L  n  l  ä  c  c  k  u  n  i;  c  n 


Jc.    lö.  jAluhunUcris.      IKücii.'.    Uttuicn. 


W  i  f  i  e  rt  i  c  h  a  f  t    ti  ti  d    l:  n  t  ti  c  c  k  it  n  ,t'  c  n 


jsy.   CHRIbTOFH   COLUMBUS.    Gemälde    von   bcbasuatio  dcl    P.ombü.    New  York,   Mecropolitan-Museun 


U "  i  i  i  c  u  s  c  h  j  f  l    II  II  tl    {■  ri  t  il  t  c  h  14  ri  ^  v  u 


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190.   MASC.HlNKNHMVi  UKl  L,     ZciJinunj;   von   LcüiluiJo  Ja   Vinci.     Morenz,  Uffizicn. 


It'  1  j  1  1-  H  I  c  *  J  /  I    u  «  >'    t  rl  l  J  c  c  k  u  II  i  e  tl 


1 


^,£^|*^^Wi-i<f'\      ' 


191.  ANATOMISCHE  STUDIE  von  Leonardo  da  Vinci. 
\('indsor,   Köni^Iitile  Bibliothek. 


l  .•■  1 1  M  \     M  M- 


S    LElCHN.^.VtS.    Zeichnung    von    Bartolommco    Passcrotti.    ü\ford. 


Das    C  V  l  V  h  r  t  I 


lyj.   GLLEHKTLK   BEI   SEINER   ARßEIT.    Holzidiniit   aus   dem   Poliphilü. 
(Vencdii;.  Aldus  Manutius,  1499.) 


i<)i.    GELhHRTFR    BEI    SEINER    ARBEIE.    Au^sdiniit    aus    einem    Gemälde    von    Antoncllo    da    Mcssina.    London,    Nationalt;alcric. 


D  j  s    C  i  l  c  h  r  :  c  r!  l  u  rr: 


195.   BhKNAKÜiNU  COKiO.   Hoizidinm  au^  iciner 
Mailänder  Chronik,  IJ03.  (Ausschnitt.) 


1  i\.\.-.i_oCO    FILELFÜ,    Human isr    und    Redner     Zt.^iuL,. 
Monogrammisten    M.    H.     Wien,    Sammlung   Grat    ^'ilczek 


197.  ARBEITSZIMMER  EIN!  : 


\*on    Vutorc  Carpatciü.    Venedig,   S.  Giorgio  de"  Sdiiavonc. 


D  J  J    C  t  l  c  h  T  l  v  ri  l  u   Dl 


lyS.   jLKlbTlSCHE    VORLLbUNG.    Vom   Grabm,il    Jv^    1  .ircn/o    Pim.    Bologna,   b.    Pictro.    Von    Girolamo   Cortcllmi 


HUMANISTISCHL  VORLLSLNi^.   \  um;  Grabmal  Jcs  Jiiippü  Lazzjii      l'isu'i.i,  S,  Domenico.     Von   Antonio  Rossciino. 


Das    Cclchrtcntu 


:co.     UMVERSITÄTSVORLESUNG     IM     FREIEN      Hcnricus    de    Allcm.nnu    la-si    .c,„    KolU«    über    E.h.k.    Dcckf.rknm.l.re,    ,,„f 
1  crgamem   von   Laurcnuus   de   Voltal.na,    AiifariK  dc5    M-   lahrhunderts.     Berlin,   Kiipfcrstidikabineit. 


:oi.    THEOLOCISCHr    \ORlfSL;\G.    Von    Uomcmco   di    Michelino.    BerRamo,    Akad. 


cniie  Carrara- 


D  .,  >    (7  , 


-Ä. 


;.::     1  )ISPL  I  A  1  K  »\.    ZL-ichnunp   von    \']itorc  Cirpaccio.   Florenz,  Uftizien. 


IMM'L  I  A  i  U'N.    '  U- 


Si^intt;;tirtirtcn.  I     \  on    llcnurduu)    di     M.umtto,      MaiLinii.    Brcra. 


Die    H  i  h  !  i  o  r  h  c  le  c  n 


;04.    iJii:    lüBLiUTHhK     VON    SAN     MARCO    ZU     i  LORhNZ.     trbaui    von     Midiclo7za    di     hjrtolommeo. 


Die   B  i  b  l  i  o  I  h  i:  k  c  t: 


vmT^-wm^rr^^TTmrrrmfrf 


20$.   FASSADE  DER   MARKUSBIBLIOTHEK  ZU   VENEDIG. 
Erbaut  von  Jacopo  Sansovino. 


BlliLIcmcA    LALRLNZIANA   ZU    TLORIN/     Irhiut   n.iJi 


li    MuhcUnjicios. 


Renaissance 


n^ 


^:€:^Wjmi^ 


'  < .  (S  riC  bciiun  fiMniac  mon  or  jWc  etna  iqu«  mif*! 

jnjbtllifsrtuTui^naplci  M^^iCiAfiVfvjrpctiailofuaiv«) 
^uu'ljn'^-.f  uii'liulrroir-fiBTft  j»*iPo<iWqa'"uph««ujnrqimiaunimp«Tv 

^<ulw  Sirilinui^  driu0c  NjRi  a.  t»n  (wio  nnuf  cdm  d(fefrwi0< 

n  n-npum    Hif  4niiir  (ur/iu  t  AJtkd  bdlo  qiiod  fua  Ui  f«f 

;;dl:'UT.ii;-pMrrnT  nuwfoini  ({(luail  nrnxdgiuninitninKtbdLjn.a'ridaffiur  * 
u'<cil1nliriTfii]ur(du:erocnol'dmu  tu1icincif>.iro(fui(ßauihrTrHb«lirdu^hi 

I      "ili.Mort'HjmiltinfpcnippO'TOi»»  «piimru  XnmbtVdi ftulrrwit Uliü, 

-  '--111  plul'ki  ma^a^  trinc-y<ji^ä  Ciru  uolunun  pnncipu«!  in  I mpcn o  polnil 

>-   >lu  n^v  cuncr  fuc  Bi^rtutu^cuaqdi«!*  ob  ■''»  p^U  imafT:^  «t>  CO  doaira  j 
i-tr.i-i^  tv  ci$;tM>-nfuic|4onunft«nnb«tf  h«udiiUii  JJ  äaiJilituuUu'Connftri'  1 
quoq  aim  1  >lF-  «ttur  cd  ha:  >Hbau  onrjK&P'riniilREu  dotonfTnJcmif  n 
l|>^iB(7rfKicTU  Oim  ha£  HjUmtu[c(|<mrc4nifin  (alliotandtfgcmburunpioq  1 
tununditTuofuf«  ftid>irrtnoiuu(ra[pAK.%uifDnfuimi6f  impvKenixdnnul 
HiMTuCS^nnnt&f  medaTinEff  ™B«T«duonmpof>utonnnlib«rtd[(eni««u' 

luuou[\'in<b'tiTl[r«Prcianu''i<Srfiai{  [mptrjroni  inCtno  ovinrll  cUmorf  •>n| 
«Hcnlu  dppdütuf  0tf  f-juor  nun  p(ibirr(i)uch<iur    Hunc  mx  du  m  pubrrm 

ui  ilTiitiitfrt  Tinüne  nnn**!,«^ in  p«»m*ffun»d«ti »pc(. HjTitio  jlfTTuif^iO' ^  ' 

tiotir(»inirpf:eT^(uumpo(Vu[amndetu»mijiM  HjÜrubjl  n  (jo  tn-cnnon  t.  ,U 

wK'Ji^ufVtt^itimSjridu-i     Coi«»i)iii™Do™r(jrti4ftaj«iritntinQciit  o«('(A/^ 

.(Tuftt'    Flortm  «ircfiFtqij.iHafi>jhjl  qurtn  ipif  pKTiAnoiKiUffuMuni 

jT^  pro  •mlitdTi  rudiownta  «tief «an IbUini  VntO''\i'»-KnhaiO''Ujn-\^ut 

!.jnrF.'jufnrirrirfTDnnrcT«>m»ii>4ManT™^*n««»4w^E(On'j'"*tJfff     ?3| 
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ic.u    aui     cir.cm    .\!:      :l:'_'^:i     ,  un     CjiroUniü    Ja    Crcmona 
Siena,   Librcna   Piccoiommi. 


208.    Blaitümrahmu:.^;    einer    I  I  \' I  US- A  L  SO  A  BL. 
Siiiuie  des  Mantt^;na.   NX  icn,  AJbernna. 


-Titel  von  einem  DRUCK  AUS  SALUZZO.   M07. 
Bibliothek  Jes    Vatikans. 


Ersie  Texiseltc   einer   HIERONYMUS-AUSGABF, 
FcrrAra,   1497.     Bcrlm,   KupferstKlikabinett. 


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D  i  c  h  t  u  n  \:    und    L  i  t  l   r  j  i  u  r 


113.    DANTE.    Bronzcbusic    von    einem    unhckaiintcn    Meister    des    i  j .  Jihrliunderis.    Neapel,    N.ltionalniuM'iin 


214.    DANTE-ILLUSTRATION.   Von    BoTiicclli.    Berlin,    Kupierslidikabmcti. 


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Jlj.    DANTE-lLLUSTRAriON.    Von    Iranccsco    Trancia.    Vk  Icn,    Albertina. 


D  i  c  h  t  u  n  \i   und   Literatur 


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:i6,   217.    DANTE-ILLUSTRATIONEN.    Von    Botticclli.     Rom,    VaukanisAc    Sammlungen. 


/)  ,   i    ;.   I   «.    •■■         u    r  .1     I    ,   l  < 


'AlCOaVMCECKTftEDIWQVf.WWONtTIMIWNAL«-       L\SrRAVriO\  LANWO '.VSCTAPOETASVOV- •    j->k'  .  ■■  \nESTt)ANnSS\ÄC|yWrU»BfflASAirfct» 
StMMTCONSlUlSAC!^"''Tr\T!"  -N^  ■      NILi'^TV|TTANTO.-\OR5  5.\ßi\NOCUMP0tTAt*-««'QVl'A  VIVS -v  v  ini  >  •.  i lARALN  lAAG OTaCIT»»*« 

21».   DANTE  UND  SEINL   DIVINA   (OMNirlHA,    Von    Muh.lin     ll..ro-/,   Dom. 


!^.^  öJi 


f^fß'An 


1).  DIL  LLI/ll    \i.iVtLLE  AUS  m)CCACLK)b  l)i;CAMLRONL     I  ruhcnbrcllmalcrci.  Von  Pcscllino.  Bergamo,  Akademie  Carrara. 


220.   GIOVANNI   BOCCACCIO.  221.    FRANCESCO  PETRARCA. 

Fresken  von  Andrea  de!  Castagno.   Florenz,  S.  Apolloma. 


D  i  c  h  l  H  II  x'   und   [.  i  t  c  r  j  t  u  i 


PHTRARCA.   Von  einem  unbckannicn   Meister  des   ij.  Jahrhunderts.   Rom,  Galerie  Bori;hcse. 


DK  HILRKKONUNG    Uci    Acnc.i 


Dombibiu 


D  t  i  h  I  u  u  '^    •<  n  J    L  t  t  c  r  ^  I  I,  I 


Kopl    ancs   Propheten,   angeblid,   Porirät  des   POGGIO  BRAtClOLlNl.   Obcru-.l   e.ncr  Marmur>taiuc  .im   Horcnt.n.,   c.imp..nil 

Vüii   üonalello   und   Rossi. 


D  1  c  h  !  u  r   ;    und    i  :  !  i-  r  j  I  i 


•TsiafmU:- ...»  ..-üfu 

llf.   MARSILIO  FICINO.   Humanist,   Haupt  der   neupllionisdien    Sdiulc    in    Florenz.    Aus    einem    Fresko    von    Domenico   Ghirlandajo, 

1430.    Florenz,   S.    Maria    Novella. 


D  t  c  h  i  u  rt  a   u  u  ä  L  i  t  c  T  ii  t  H  I 


216.    GIROLAMO    BF.NF.VIKNl.     Philusoph    und    Diditcr    zu     Flortnz.     Von     RutoHü     dcl     GhirlanJajo.     London,     Nationalgalcrlt 


D  t  C  h  l  u  n  \:   u  ti  il   L  :  t  c  r  j  l  I 


227.   Der   Hamanist   ANGELD   HC^LIZIANO  und   sein    Zögling   Giuliano    de"  Mcdici.     Au^    cmem    Fresko    von    Domenico   Ghirlandajo. 

Florenz.  S.  Tnniii. 


D  i  c  h  l  H  n  )i   und   L  t  t  c  r  .1  t  u  r 


;jS.     MARCO    Gl  ROI.  AMC)    VIUA.     Nculaicimsdier 
230.   GIOVIANO    PONTANO.   Sekretär   am   Hof 


D.diter.    —    119.    ZANOBI     DI 
von    Neapel    und   Gesdiidiissiiireiber. 


und   Staat ssekrciar. 


Florenz.   Uftizien. 


SIRAUA.    Jurist    und    pocta    laureatus.    — 
—  2JI.  GIOVANNI   DELLA  CASA.  Dichter 


t 


2J2.    PICO    DtLLA    MIRANDOLA.    Humanisi;    mit    Marsilio    Ficmo    und    Anpelo    Polizianu    I  uhrer    der    neupUtomsdun    Ak-idtmi. 
Florenz.     I'resko   von    Bouicclli,   aus   der   Villa    Lcmni    in    Morcnz,    jetzt    im    Louvre   zu   Paris. 


D  t  c  h  t  u  n  V   H  n  J   i  i  t  c  r  j  i  u  i 


:\\.    Her    Humanist    PI  ATINA.    \'crt'.ivNcr    einer    Gc-chithic    der    P.ipMiv    Aiii    einem    Tre'.ko    von    Mt-Iozzo    da    Forli.    Rom,    \*atik.i" 


I)  t  i   h  i  k  'i  )i   und    Literatur 


iJ4.    Niet.Olo     MA(   ill.'WMll       liJuikir,    i- nsJncht^sdircibcr,     Komodiondichtcr .    Verfasser   Jcr    ..Gcsdiichie    von    Tloreiiz".    Tarbigc 
I  crrakiMLibusie    von    i-men»    ii[!  bekannten     Meister    des     i6.    Jahrhundcris.     Florenz,    Socieii    Colombaria. 


D  i  c  h  I  M  n  )i  H  ti  il  I  I  i  c 


23J.    FRANCESC(.)   t^UlCCiARÜl  Nl 
I-lorentinisdier    Geschichtsschreiber. 


riorcnz.    UfHz 


236.    ONOiRlO   I'A.WIMO. 
Thcoloj;  und   Altertumsforscher. 


.•3^.    MAI  riO    TAI  MURI,      huliut    Jvr    vl^Eiu.kvi.    ..Si.iJi    Ac- 
Lcbens".  Büste  von   Antonio  Rossclino.  Florenz, Nationalmuscum. 


liÜ.   DONATO  ACC;iA.IliC>Ll.    Philosoph    und  Gesdiiaitssaircibcr. 
I  loren/..  Bor^o  dcj;!!  Albizzi. 


O  t  £  h  !  II  ri  ^   u  }i  li   L  i  t  c  T  u  t  u  j 


ly).    LUIGI    PULCl.     \cri......     d^ 


Morcnz.  S.  Maria  dfl  Carminr. 


1-)"""     1  'l'P' 


U  I  I.   h  l  u  n  ^    u  n  il    L  l  t  C  r  j  I 


:40.   BFNLDl   1  U>   \  AiU-Hl.   D.ditcr  und  Gcsch.dit>sa.rc.bcr.    Von  T... an.    ^  .cn,   KunMh.stor.schcs   Mu^cun 


O  t  c  h  r  u  n  X  II  ti  d  L 


PAOLO    GK>VIO.    Humanisi. 


Verfasser    von    Bio;;ra|'>hii 
Florenz,    Ufiizicn. 


l.ihrhuiiJi.- 


Dil   h  t  ti  n  \;    und    I    t  t  v  r  j  t  i 


GIACOBO    SANAZARO 


l'KI  aus  CAKDINALKS  «LMIU   S 
J/l  M(MV  Oiriilllil/l.rYdhlll 


niKM.r.  tr  17 


PAVLI   lOVII 

EFFtGIES. 


Ccditc  facundi ,  Mufirara  gloria ,  vatcs, 
Orjtorquc  tuo  fluminc  conftitcris, 

Qiii  cell»  Hcroum  maiori  diicrit  xftu, 
Kon  1  o  V 1  o  viat  fub  gcmino  axe  prior. 
T.    M. 


Joannes  Pikrivx  VALtRiANVi'. 

.jWiiJ  iimä  tvnjcrths  carniina  vcna, 

(fr  vatfs  valem  corriais  exttmum 
Viyfji^'um :  cfianos fcnpfifii  nomine  fi'^':'^ 
^Tonte  äl^irno  nomtn  et  Omen  ' 


,..    lACOlH.   SANNAZARO.    Nc>,l.,cM,md,cr   und    „ai;cnis>i,cr    ü.dnc.    -    MS^  KARDINAL    P'^.™;  BI,V'',^;,:R'lrvTLLR?ANO 

onü    Hi„or,OBr.,ph.    -    .44.    PAOLO    ÜIOVIO.    Arn.    Bischof    unj    G;ul„Au.*rc,hcr       -    ;^'-  ,^'"^ -".^^  1  '  l  .f,^'    VALLRIANU 

IM/anusI     H..m.„.ni.     p.ip»rl,c1,cr     K..mnuTor     unir.    U-..    \.    -    Kuplcrvndio    Jc's    16.     Uhrl.und.rt>. 


Dichtung   und   l.  t  t  c  r  j  t  i 


:46.    KARDINAL   IMhTRO  BIMBO.   Scknt.u    Uo.    X  .    i  nund   der    Lucrc/ia    Bo^^;la   und 
uiij    Dittiter,   Vcrfasicr   der   ..Asolani",   der   Gespräche   über   die   Lifbc.   Gcm.i!dc   v» 


n.\     (   <.|on;i,i.     Muni 

Kom.    Pal.i/zo   Barbcrini. 


I'hilul.'j; 


D  t  c  h  l  u  u  V    II  n  J    L  i  {  V  T  a  t  H  f 


i47      PH  TRI)    ARITINtl.    (it-mildc     von    Ti/ian.     M4i.     I  lorcn7.     Piiti-Galcric. 


Dichtung   und   Literatur 


(,K-M     HAIDASSARI.   CASTIGLIONK.   der    Autor    des    ,.Libro    del    t.orit-iann-.    dir    tjcspr.idu-    uIxt    d.is    Idi-ai 

GcmilJc    von    RatTscI.    Paris.    I.ouvre. 


/    /    l  :  .'  r  u  I  u  ' 


■,.|     ILIIGl    CORNARU     V>rl.,..cr    >Us   Tr,.kt.f,    „Vom    „uß,i;c-.,    UlH-n'-.    (.cnnlJc    von    Tlntorcto.    VU,r,-n7.    Pnla/zo   l'.lt.. 


l)  i  (.   h  t  u  n  V    H  >i  ii    /    I  t  t    r  .1  t  II  I 


DTR    DICHTER    ANÜRHA    NAVAGKRl).    linke   Hhlftc    imk-s    Doppi-Iponrais    von    K.irf.ul.    iw'>      Korn.    (InK-rit    [)or..i 


/)  i  c  h  l  u  ti  -i   u  ti  il   L  i  l  V  T  j  l  i 


iSi.    LODOVICO    DOLCE.    Dichter   und    Kunstschrirtstcllo 
AiionviniT    Hol/sJinin    des    r6.  Jahrhuiuicns. 


iSi.    LODOVICO    ARIOSTO.    Dichter   des    ..Rasenden    Roland". 
KupIcrM  ith    von     i"  nc.l     V  ico. 


ANDREAS     NAVGERIVS 
Patricivs   Venetvs. 


^ORLANDO  FV^' 

RIOSO  DI  MESSER.  LVDOVICO 

AMOSTO  nobile   FERRA/ 

RESE  NVOVAMENTBDA 

LVI  PROPRIO  COR 

RETTO  E   DAL/ 

TRI CANTl 

NVOVI  AMPLIATO  NVOVA 

MENTE  STAMPATO. 


JS).    AMJRIA    NAVAG1:RI).    NcuhicinisJur    D.J.ui 
Antinvmcr    Hnl/sdinm    des    ift,    LiliThumlcru 


M  D  XXXIII 

(4.    TITMlUAir    VON    AKIOSIS    ..RASINDIM    ROI. AND" 


ly  i  i.  l>  t  11  n  ^i   II  >i  >t    1   t  t  i   I   i  I  u  I 


(!    KARDINAL  BIBBILNA  (Bcrnardo  Dovizi).  PartciBänscr  der  Mcdici.  Gesandter  .im  fran^usisdien  Hol    SdiJlzmeisur  t.leimns'  VII. 
„nJ    Leos    X.,    Verfasser   der    lodieren    Komüdie    ..Calandria".    Gcm.ildc    von    Raffael.    Madrid.    Pradn. 


;(().    nm    PARNASS.    V(  anJKcm.Udi-    v,.n    K.irticl    ml    V.uik.in 


;17.  J)I  R    PARNASS     (Triumph   d.r   \cnu^.)    \ on   Aniin.i    M.uin-n.i     l'aris.    louiri. 


iiJi.    AVU>R    UND    Uli     I>RI.I     (jRA/II.N.    Aus    di-m    I  ri-skcn/yklus     ,.Aniur     uiui     l'syJu 
Giulio    Romano    und    Giovanni    da    Udmi-    na^ii     intwurfin     K.irt.icl 


Ri>ni.     ViIIj     lanuMn.i 


W  i  e  ,1  l-  r   K  <•  h  t,  r  t    J  1-  r    A   „  I  I  h 


loU    L)LK    PR(.)L.I<.1S.    \  Oll    1'ii.r..   Ji   tuMmu.    Londi.n.    \ati<in.ili;.ilcnc. 


:.o.    MARS  UND  VFNUS.   Von    H>.a,^.i|,     I  ,.nJon.   Naiioiial>;alcric. 


KIJHI  Nl)h     VI  NUS    Mir    CUl'IUe>S.    Von    Jatopo    dcl    Scllaio,     (\i  ah.sduiiihji     alut     als     Boliitcllis     „Mars     un.l     Venus".) 

London.   NationalRalcnc. 


;ftj.    KAISER    CARAL.ALLA.     Antike   Büste.    Anfang    des    }.  Jahr- 
hunderts n.  Chr.   Berlin,  Altes   Museum. 


26}.   BRUTUS.   Von   Midieiangelo,  um   1540. 
Florenz,  Nationalmuseum. 


•■i     KNIENDER    JÜNGLING.     Um   460   v.    Chr.     wvtv;.Ll.<:l    des  i6j.  CUPIDü.  Von   M.a..ia,,^;.;«..  un,    14^;-  London.  Vittnria 

Zeustempcls,   Pergamon.  und  Albert-Museum. 


ir  I  c,l  <   r  g,  c  h  :,  T  :    ,U  r    Am  i  k  c 


f.i.      M'Hl  I  1  1     ( 


^68.  DF.R   TITL'SBOGEN   IN   ROM.   Kupfer«,*   von   G.ambattisla 
Cavalicn    nadi   einer    Zeichnung    von    Giovannantonio    Dosio.    1569. 


TitellMld   der   „ANTIQUARIE    PROSPETTISCHE 
RUMÄNE", 


70.    DAS    lORUM     NIRVAI      MIT    DIN     RE1\1.\    L'!  ^     M 1  \  1  k  .   M  I  M I  1  1  s.       K,,.u,„,.h     w.n     G,.,miuu,,M     l.,..,li.,,     nad, 

Zeichnung;   von   t»iov  .inn.int«ti'ii)    Domo,    i^ftg. 


ll"  I  c  J  L'  r  ^  ,    h  „   ,   I    J  c  r      \   „   I  I   i: 


271.   URriTORICI  R    AMIKIR    TRIUMPHBOGEN    1\    Ki^'M 


DARSTIXLUNG 


\-MKI\     IKIIMiM !    -        \UI'     FIM'M     RENAISsWi  I  1  .1  \1  \1  1)1      MIT     BIBLISCHFM 

S  rOI  I  .     iBmiKcIhs    ..Rone    Knrah"    in    der   Sisilniscticn    Kapelle. J 


I    r  ,  u    ..,   ;,  I.    ,   „   j  <•        ,    „.      A    .,   <  c  I-  I  i, 


27}-  ANTIKER  TRIUMPH?r(;    R.lul   ,,m  Ti.usl>..uci.   in  R. 


>J|ghMWiaiaaMiMWA«ii'i(e^tsiaM 


.74.   TRIUMPHZUG   ALIONSÜS   I.   VON   ARAGON.   Von    1  r.nccsco   Laur.n..   Ncpcl,   Ca.cl    Nuovo 


T  r  i  u  w  p  h  /  14  n  e  :     nach    Petrarcas    T  t  i  u  n  f  < 


17s      IKIUMPH    DIR    lIhBE      Icmp.-r.i      \  um    NUmsut    .i^t    CxssühJ. 
Mitu    Jcs    i)     Jahrhundcrit,    tluffiuijnscli     lunjou,    \ai  u)nali;aU"ric. 


i7f'.   ^77-   TKIUMFH   DhR    KILSCHHIIT   UND  Dl  S  TODl.S 
TcinpLTajjcmalilc    eine    unbekannten    sn.ni.sisiiivn    Meisters.     Siena.    Akaden 


;;;■>       IKU.Ml'M     lUlv     KILSLHHIIT       latup..     ,Wi     Sell.M. 
/iiHiNtiirielien.      Ilürcii/ .    S.  Aiivaiu». 


1  i-  11    MI'H     Dl  S      roDlS       M.HU. 
Iloren/.    Uth/.en. 


,>  Nduieln 


/    r    ;    „    ...     r.   U   ,   t,    , 


■  h      P  r  r  r  .t  r  c  .1  s     T  r  i  o  71  f  i 


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jS2.    TKILMPH    der    LIHBE.      F.lteiibeinrcHcf    aus    der    bdiü\c    von    Mjntua. 
1  >.     lahrhuiiJen,     I  lorcnz.    Naiioiialniustum. 


lüi.    TRIUMPH    Dr.R    LlhllL.     l\■nlpt^a^;cmallJc    eines    unbekanmen    Mcncsisdien    Meisters,     ^:ilu.     Ak  uU 


;8;.   i»j.  AUS  ÜHM  TKlUMI'HZUü  CAl-SARS.   Von  Andrea   Manicsna.     Galerie  Hampton  Court. 


:S4      I'RiLMFH    LJh^    VtSPASlAN    UND     llTLb. 
ZciiiinunR  aus  der  lombardischen  Sdiule,   Ende  des   ij.  Jahrhunderts.     Paris,   Louvre. 


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;«!.   TRIUMPH   DES   VESPASIAN   UND  TITUS.   Von   Ciulio   Rom:ino,    Paris,    Louvre. 


/   -  ,  «  ■„  ;-  /w  u  i  .■ 


:Hh     l,,,    ;SS     TKIUMPHZL'G    AM    HOI  E    BÜRSOS   D'  ESTE.   Triumph    Jcr    Minerva   —   Jes    Apollo    -    der    Venus. 
.\UN   Jen    |-rcNi\cn    von    l-rAntescü   Cüssa   im    Palazzo  SJllfanoja   ^u    1  errara. 


/  /.  .•,,/, 


jS9-    DAKSll  l-LLN'G    IN    IIN'IM    A.VIHHlTHtATKK.     (Raub    der    SabiiuTinru-n.    GemalJc    von    Cosimu    Roscili.) 

Rom.   Galerie   Coloniia. 


j.;o.  ÜARSTELLUNCj   IN  hlNtM   BALLSPIELHAUS.  (Die  Heilunn  des  zornigen  Sohms.  Br,in/trclief  von  Donatcllo.) 

Padua,    S.  Anlonio, 


ly].    KM  MURI     LINLR    (BUHNtN- lARCHITLKTUR.     Von    Lugano    Laufana.    Berlin.    Kaiser-rnednch-Muuum. 


MC 


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LjaiimiiiniiiifinMf^iinininnnnn 


^,uii  m       iMii  m  iiin  II        iii^ui  »y^ 


^92.    TERENZ-AUFFÜHRUNG    IN    ITALIEN.     Aus    der    Tcrcnz- 
Aussabe,  Venedig,    1497. 


Bmnno  actud 


..i.lCHZEITIGt  TERENZ-AUFFUHRUNG   IN    DEUTSCHLAND. 
Kolorierter  Holzsdiniti,  1496. 


Theater 


294.     SCENA     EINER    KOMÖDIE.      Holzsdinilt     aus     Scbasuano    Scrlios    Werk     ,.Dell'  Ardiitcttura'', 

VcnediK.   1545.    (In  der  mittleren   Achse  ansteisende  Straße,  rechts  und   links  nrüln-re  und  kleinere  Häuser 

mit  Durdiblick,  absdtließender  Bau   im   Hintergrund.) 


29i.    SCtNA    EINER    TRAGÖDIE.     Holzs.linitt    aus    Serlios    ArAitcttura.     (Breite,    ansteigende   StraÜe 
fürstliche    Gebäude    und    Statuen,    tiefer    Hintcri;rund,    davor    ein    Triumphbogen.) 


T  h  e  a  I  t 


296.    SCl.NA    HINtS    s\  I    1  ■■   M      11    ■■      Mo!/sdinitt    .lus   Scriios    ArL-hitcttura. 
flÄiullu+ic   Dokor.ition   mii   li.iunu'u   und   Hütifn;  anstcli^cnilc  Str.ilU-  auch  hier  bewahrt. 1 


S<I\A    1)1  S     I  1    \  I  K*  '        I  itit»    /l      VU.l-.NZA.      l  rbaut    von    Andrei    P.ill,iiiio.    (S\  mmirri'.,.iicr    Prachih.Tii 

iinj    —   JurJi    insL;i-^.inn    liiiit     1 01  f    iCtsi-hcn    —    aiutci^iciidc    CiavH-n    mit    un'-vninictnsiiicn    Min/c!j;chiuden.) 


T  h  €  a  t  { 


:9S.    DARSTKLLUNO    MMS    M  YS  I  I.K  irNSl'll-.IS.      (M.. 


t.Up.: 


N.itioiialRalcric, 


Tl'  c  .,  t  , 


W  ;.  .  I  t 


M  u  i  t  k 


joi.     CH(.)KKNABtN.       Kehct     von     Luca     dclia     Robhia, 
Horenz,  S.  Maria  dcl   I  iorc. 


IM      ML  M/IhRFNDt:    tNGHL.    Relief    von    A);ostlno 
da    Duccio,    an     der    Tass.ide    S.   Bcrnardino,     Pcrufiia, 


» vv'vs.i  v.'-'^^tT.'^..; 


304.    Dil:    MUSIK.    Bronzerclief    vom    Grabmal    des    Papstes    Sixtus    IV.    von    Antonio    PolUjuolo.     Rom,    Pcicrskirchc 


M  I,  ■  ;  t- 


3°!-    DAS    KONZERT.    Von    T,/i.iM.    (Aiiji    dem    (jM.rgioiic    zu^cschntbcn.)    I  lurcn^,    Palazio    Pil 


306,    KLIGliNTANZ.    Art    dt-,    Bonifailo 


M   H   !   ,    k 


T  u  r  n  i  €  I 


TL'RNIKR    1\   FLORENZ,  auf  Jcm  IM  iw  \..r  *^  Crncc.   W'.iiui-^-nKiiiic  \  on  Stradano  im  PalazZüVccdiiü  zu  Florenz. 


31C.   311.   SZLNLN    ALS    LINbM   TUKNH.R    IN    VLRONA.    Von    Dümcnico    Moronc.    London,    Nationa!^;alcric 


Turniere 


yt:.    PKMSKltHTIR    UND    ZUSCHAUIR    Ui:i     EINEM    TURNIER.     Zcidinun-    von    J.ia-po    B.llin,       Paris.    Louv 


Die  J  a  i  d 


313-  JAGUGESELLSCHAI-T     A: 


Indc,".     I'na,    (.,in,|H 


,  ,     iJll     Uslw-,    ms   HL.  l.USTACHIDS.    Von    l'n.iiulli.     L,.ndo„,    N.iiuiii.ilKJli-rit 


Die    J  .1  g  ti .    und    die    F  n  l  d  e  (  h  h  ii  g    d  t  r    N  a  i  n  j  i  c  h  n  n  h  e  i  i 


nt     sriLLKlilN.    Gcinaldt:    von    .[.v^opo    .1.'  ll.ul.,ui    ^ J.uüb    \^  .iMij.    1)04.    MunJui..    Altcrc    PuLikoiiick. 


D  i  f   L  "  t  ii  c  c  h  u  n  v   der  S  e  h  u  tt  h  e  t  t      D  .t  s   Tier 


316.    TRUTHAHN.      Uron/c       Von    Giovamii    d.\    liülosn.i, 
Fluren/,    Natmiialniuscum. 


317,    ^'INDHUND.    hroii/crclicf    von    Bcnvcnuto   Ctllini.    llorcnz.    Natioii.ilmuscum. 


Die   L  II  I  d  e  c  L-  li  11  g    der    S  c  h  ,,  n  h  e  i  :  :    D  j  s    Tier 


i;:j.^^-- 


V 


)lS.    INSLKTF.N.      Zcidinmis    lon    Irc.iKlr.l,.    ,lj    Vinci       Turin,    Pah/^,)    Rc.lle. 


t^SSJ-rp-ili-.^ 


^      \ 


••..       \ 


\ 


ii.j.    WINDHUND.    Zi-ia,m„ig    »uii    ['i>a,u-llo.    Paris,    Louvrc. 


D  t  c   Entticckung  der   S  c  h  o  ri  h  e  t  t :   D  a  i   Tier 


yxz.    PrERDF.STUDlFX.    Von    Leonardo   da    Vinci. 
Vi'indsor,    Königliche   Bibliothek. 


V 


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€:>?^.. 


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);..   PIKRDESTUUII  N.    Von   Ciulio  Komanu.   Viicn.   AllH-rtuia, 


Die   I:  II  t  J  c  c  k  u  n  g   der   S  c  h  n  n  h  e  i  t  :    D  J  s   Tic 


i:\.    DIU    OCHSl  NTRlllUR.    Von    Loronzo    Lotto.    Ji-si.    Bibliothek. 


Di  . 


,!    -   '     ^  r  !         -/-,-,•        n    :         T  :,    r     .,■:!.::,     l.,  ,:  J  I  e  h  a  I  I 


3i<.    LA\DS(ll\fT    Mir    HI  k;ii         |.ik..|.    ui.d    R.uhtl   .    \  un    t'almi    \fCdi.o.    DresJ.-n.   Ceni.il.ticil 


;.-(.    l.ANDSeHAVT    MIT    TlIRl  N.     \\m    I.K.ip.i    B.iw.ino.     R.>m.    I'.i!.i//,i    n.in.v 


G  J  r  t  c  n  h  li  ti  s  t 


miMT^-^ 


(;r,,  GAKTLNSZrNr.   Hol/'.Jiimt.  Vciu-dii;.  1499- 


)!7,   \  FNl-ZIAMSCHLR  G\: 


..cm  unlick.innlcii    Mtivur    Jcn    16.  j.ihrhuiidcrts.     LüiiJon,   Victoria-    und    Ali'(.ilMu>L'iiin 


G  j  T  t  c  Ti  h  H  n  I  t 


VlL.l.A    UND    (iAKIIN    IN    VI  M  DIC.    (^cumMc    von    P.iolo    Vir.:,.,       1',.  r.-,  ,nu..    Ak.ulcnuf    Carrarj 


Gjrrtrihunst 


M 


IJ.).    A\SI(  HP   \'0\    RDM,  ma   V.uik.m   und   der   im   Umbau  bcfindlidicii  l'citiNkirjK .  Imki  <Ui   lielM-dcrcg.irtcn.   Von   Paul    Ium-iu-!, 

I  ruhcr    \^'ifn.    KuiiNihisiorischcs    Museum. 

,---.i_t-,  VERO  DISSEGNO  DELI    STVPENDl  EDEFITU    GIARDIKI    BUSCHl     FONTANE 

'ifc'ä^la  ET    COSE    MARAVEGLIOSE    DI     BELVEDERKIN     ROMA. 


\\~     \\TIK\\    r\n    miNiniKI      Kupfcr^ich    von    .^mll^ol!io    »rjmlMll.i.    H79 


JJ],    BAUMSTUDIh.     hcdcf/CTiliiuing    auf    l.|.iiirni    l'j|>i.r    v,.ii     I  conarjo    d.l    \nio.    ViiiuUor,    Ko.ii  j;Ih<i,-    ll,l.ii,>iluk. 


O  I  f    t.  u  t  ä  f  c  k  u  n  g    der    S  c  h  n  ri  h  c  t  {  .    Die    L  u  u  J  s  c  h  a  f  t 


3}-.    MAKIA   [M   WALDP.   Von  l-ra  lilippo  L.pp 
licriin.   Kaiser- Iricd rieh- Museum. 


>XALUE.     Von     Paolo 
Dogenpalasi. 


334.     CHRISTUS     WIRD     VON     )OHANNi-,S     IM     WALOl. 

AIS    niR    HriLANO    BIGRUSST.    Von    J.uopo    dd    Scilajo. 

BiTlm.    Kaiser- I-ricJridi- Museum. 


Die    Fnldeckung    der    S  c  h  n  n  h  r  i  t       Die    i  a  n  d  i  c  h  j  j  f 


3}i.    Gi:\^  ITThRLANUSCHAIT.    Von    Giur-iuiic 
Venedig,    Palaz/o    Giovandli. 


jj6.   DAS  GÜTTI-RI  KST.  Von  Giovanni   BcIIini.   PhiKidcIphia,   Museum  Wrtiencr. 


I)  :  r    I    1}  I  ri  t  i  k  u  n  g   J  f  r    Sc  h  o  n  h  v  i  l       I   .t  n  J  i  k   h  .t  \  t    u  n  d    I    r  j  u  e  ii  Ic  ,,  r  p  i 


KOK/i  Kl     IM    I  Rl  II  N.   Von  (Hcr-ioiic.     I'aris,   Louvrc 


JJÜ.    IIIRI'    UND    N>MI'H1^    V.l.!     I  ,/i,ln.    Vkl.ii.    kunslIuM.in.,!,, .    M.i 


l')  IL    l    >i  t  ti  c  i  k-  u  ri  t;    (/  er    S  (  h  rt  n  h  c  i  l  :    Dir    /■ 


iiv.    KL'UI  M  II     \  i  M   s     \    ,■:     I 


HO-     lUNGI     I  KAI      MI  (     SPIhGKl..    Von    Giovanni    Bdliiu.    isij.    (NaJi    Burckliardis    An. .ahme    Purtrat    ilfr 
Gc'lii'btin    des    Pietro    HcinUo.)    Wien,    KunsthlstorisJlcs    MuNCum. 


Die    1.  ti  t  d  e  c  k  II  n  \>    der    S  f  h  <>  n  h  e  i  i       Die    f 


J41.   IR AUENPORTRÄT.  Von  Dcsidcrio  d.i  Scttignano. 
Berlin,    Kaiscr-l-ricdridi-MiiM-nni. 


54:.    FLORENTINERIN.    Von   einem  unbekannten    Kupfcrstcdier 
des    ij.    Jahrhunderts.    Berlin,    Kupferstlchkabincti. 


343      M.ORI  N  riNl  RIN.    Von    Boiiitclli. 
Berlin,    Kaiser- IriedriLh-Museum. 


34^     Wl  IHl  U_H1  S   BILDNIS.   Von   Picro  dclla    I  rancesi.i 
Berlin,   K.iiser-I-ricdridi- Museum. 


/)  .  ,     ;    n  f  </  f  [   <•  «  n  s    der     <i  i    I-  n  n  h  e  I  I       l)  ,  r    I 


\i\.     u"      M  \l«   Hl  \l)ll-lJ\li-.l       Aussaiiuttc    .»US    binntcliis     ,.l  t 


I  i..rcti/,      •\  knien 


U7      MM«  Hl  Mill  DMS      Auss.dn.ti     luv    B.uiu.llii     ..Gchurr  J4«.    M ADCHIABILDMS.     AusiLliiuit    aus    LcoruiJus    ..heben- 

der   Venus",    rltirenz.    Ut'li/ien.  madünna".   ['ans.   Louvre. 


\f  n  ,i  p  n    ./fr     S   p  ,1  t  r  e  ri  .1  t   <   i  d  rt  c  I 


1^  „  ,/  r  .1     ,t  ■    r     '■.   t,  „  I  • 


,1..     MM)IKTRA(H1      I  \'     IHK     M'A  TRI  N  AISSANC.i;.    Ct-m.ililo    lon    StipioTu-    Piil/onv.     ll.lllo■n^^lu^    l'n»  ..ilus.l/ 


Getetligheit 


l^^'-^ 


SZUNLN    AUS    DUM    HOl  LI.Bl.N.    Unicrhallungrn    im    I  rrifii.      1  roskcii    im    l>.il.i/«>    liürromcii    lu    Mjil.iiid 


D    t    f     hi    J    T    T   l 


5i4.  DF.R    I  ASCHINGSNARR.   A_ 


(.■m  Monatsbild  des  Breviarium  Grimaiii.    Miiii.»turc  auv  lirr  Werks 
Venedig-  Markusbtbliorhck. 


Dir     \'  .1  r  r  i    ', 


;H-  BILDNIS  IINIS  \ '\  K 


HKIN      \un    |)..sso    11.. -i      \l..i!.'M.    l'lil,Ai.lh>-k. 


lii  '!;■..  ■   1 


Coss.i.    l-crr.ir.i.  l'.iIaz7o  Sdiifanoin. 


Die   Entdeckung   der    Schönheit    t  ni    Grotesken 


Antonio   Pollajuolo.    BotiiccMt    ii.    .%.   zugcsdiricben. 


S  f  o  t  I  und  W  i  t  2:   Dal  Grutr*- 


\  'S*.,  r- 

jCi.    I  R  \TZI  \  KAI'iri  L  I..    PiK^.  C.impanllc. 


^gmaat*^j  ■■'^rf- 


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V^/7M^ 


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362.    GROTT-SKE    MASKEN.    RÜicIzciciinuiiK,    MidicIaiiKcIo    /-u>;cschricl)vii.      Lille.    Musrum    >X'k.ir. 


Spott    und    U   I  I  ^  ,    ü  ,  ,•    K  .,  r  I  k  .t  :  „  , 


Um      KMUKAri.'R     Uls    ^A\c)\AKO[A        Antilii 
^rn,.    All.iTlr.i.i 


l  eun.lrd.)     d.i     V  iiiti 


ji,4.    KAKMAAl.    /vij ^    I,.,.,,i,,.    \\,,n.    I  icoiui,vT>,,i  l.al.ru 


u  >7U)    C'Ol^t.ayv&i)      Vyv 


t^   U-X-tt^  f^^^^r-^' 


}6j.  KARIKATUR.   Von  Annibale  Carracci.   Jiiockholm,  Nationalmuicuni 


Spott    und    W  1  (  z  ■    Dir    K  .1  r  i  k  j  i  u  : 


jiir..  KARIKATUREN     \'on    1  c-,.n.iril,i  tl.i  Viiui     "iiiuihor,   KöniiiliAo  Bibliotliik. 


f  .:fef /öv  ■<?»» t  ^t/y»     v?^ /;  ^^ 


3C7.   )6S.   KARIKATL  Kl  \.    \  u" 


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cM!i-m  SJiüKt  Leonardos  da  Vinci.    Mail.ind,  Ami  ■ 


n I c   Entdeckung 


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■  -? 


3(l.j.    DIF    GRIMASSl.    Haiul/i-itlinuiig    vom    Hcrn.irdo    Luiiii    (-).     London.    Rniisli    Muscun 


D  :  c    L  m  il  c  i   k  u 


c  h  k  c  I  I :   D  j  I   Groteske 


Dir   E  ri  I  ,1  c  c  k  u  rt  g    der    H  .,    '  :  I  c  h  Ic  c  i  f  :    Da!    C  r  o  !  c  s  k  i 


371.   rOLTFRUXC.     Aii^  oiKii.    Iri,^,,   v,.i,   /, 


VlAil.ind.   S,  Pi.ir 


Die  Pflege  il  c  !   K  a  r  p  e  I 


Die   P  I  1 c  %  c   des    Körpers 


I 


I 


r.'.- 


)74.    KRANKF-NPILIGI  .    iD,c    luilp^i-n    C.^m.n    unci    Uamuniis.    Pn-dclla  7u   In  An|;clic<n  Hoch.ilt.ir   v,in  Sjn  \f.ircn  ;   \',.n   i't^cllino 

Ilorcnz,    Akademie. 


)75.    KRAXKl  ~ 


l'rl(*i.i ,    (  'spi-J.ilt-    (tcl    t  cp;' 


n  .,  ,    l>  r  ,  i'  j  I  I  c  l, 


.176.     577-     Hi-ICHZI-lTSt  (  IIRI  ITHKi  ITl  \.    Bretter    einer    betnalicn    Hotiizcitstriihe.    15,     i.ihriunuiert.    Venedig.    Museum    Corrcr. 


57«.   SPOSALIZIO.   Brett   s on  e.iicr   Hinli/citMruhe^   \'..n>   Meister  der  C.issoni.    Modcn.1,  Gallcri.l  Est. 


J79    OAS   BRAUTPAAR   UND  Dil    ZI.UCLN.    Aussdinll 


^  IjaV/E^TAELENTKATA-aVSClTA-  cDChELhO'cirCbELbO 
; •ClNVGbl-  CbAr\ARLEN&h0.dlCAbEltA-^V^O-AllO-COF 
liMGÄBO  -Adf-PRIfAO -diaEIMAFo-  MCCCCLy(PlI•EFl^EdO•Adl 
Jl/LTinO  •dldlCENbRE-ncctnyyill  •  EdV60-bV0MAG10NTA-lf 
JbVESTl-SOMO-  lPRini-AS.ieB  CRITORE-tdlPlERO-dALdObRANd 
i  VlTORl-  MEO-dlTOTO^  -  ■•  -.(«si  CERETAFMl-ElAEOnO  •dlOALGAlK 
iNlCOL^-dirn^bARTALOngo  blCbl- E-dlFRANClESCbO^'d^^^^ 
ii^inATO-dANTONlO-ciliJßl  CARO-EdlTOrVAyo.dl 

)%J    dOnEhllCO'd{)^FANÖ 

^iriia.    ArJiix. 


ifdlSARdVIFMO-NöTAKV 


/)  u  '   P  T  I  i  j  i  I  e  h  e  ri 


iSi.    i-^.v    lU^CHZI  IT    DIS    lux CACX  lO    .\1)I\\K1     L\l)    DIK     [|s\    KU    \soli, 
lircitiT    i'itUT    ln'ni.iJicn     Htnii/cii'-f  nihf.      I  lon-u/,     '\k,i  Ji-niu-, 


Das    P  r  i  t  j  t  l  c  b  c  r 


Ift?.    PIIIGIKIX    MIT    Kl\n.    A..%   ili-m    IVii-s    Jcr 
1  .irbij;    «l.uiiTirs    Tonn-lifl     von     I  ilippo     r.il.nJini.     Pi 


vichi-n    H.irn)luT/ii;kcltcTi. 
-toja.    Ospi-il.iU-     ticl     C  rpp< 


/)  .1   .    I'  r  ,   V  .,  I  I  c  h  c  ,j 


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aXLIJ.   ^   . 

;S4    Vr\l  /lANlSt  Hl  ^  st  MI  At  ZI  \1  MLR.   lUer    1  r.ium  der  hl.  Ursula.)  Von   Vittorc  C.irp.ULin. 

Vciicdij;.    AkAdcmic. 


er,    Pro\  iii/i.ilmuscum. 


n  .1  '    r  r  I  l  .1  I  I  c  b  V  i: 


3S6.  fLOKtNTlNISCHER  INNtNRAUM,  um  uyo.  Ghirlandaios  Frciko  „Geburt  Marjai 
Florenz,   S.  Maria   Novclla. 


wiiöizrvir 


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^^^k#:<ijM>^M>4\JÄ! 


i-::      \i'l'\[M\US    St  Hl  AI  /IMMi  K     n,  f    \  ,  :r  |.,i  r.t;hcti    und    proßem    Kamin. 
Rclici    ,111    Bruii/clur    des    Doms    zu    Pisa,    ..Geburt    NU  tue".    \on    Schülern    Giovannis    da    Bolot;na.    1602. 


3St;. 


VLNLZlAM^Clil.    KURII^AM.N     ALI     IIMM    BALKON. 
Vciu-tiit:,  Museum  Corrcr. 


Gcnuiliic    von     Vittorc    Carpaccio. 


D  j  i  P  r  t  V  a  t  i  e  b  e  j 


\.   Aussdinm  aus  dem  Gemälde  ,.Dcr   heilit;e  Sebastian' 

vun    AiUüncllo   Ja    Mcssina.    Dresden,    Gemäldegalerie. 


h  c     li  7t  ,1    K  u  n  f  t  <i  e  li  c  r  h  c 


yjQ,     )yi.     ILORLNTINUK. 


ESbDESTlCK     UND     VORLUGtMEsM  R      Aus    der     S.immluni;    C.irraiid. 
I-lorcnz,    NaiioiKilmujcum. 


und    Kunstgewerbe 


392.   RENAiSbANCt-SCHMUCK.     Aus  der  Sammlung  Carrand.     Florenz.   Naiionalmu 


Gewerbe    und    Kunstgewerbe 


Gewerbe    und    K  u  n  s  t  g  e  u-  c  r  h  e 


Tiacaue^    ir<sl-     ÄlD 


■77Zor-l    rvet  Ä/TDLjJCÄ. 


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JOf-(A 


■  U^irettore  Jci  prezziasi  <ri,vori   cUW cJnvfidrial  ci/all&ria  Jj^  z/tn. 


zre/zae. 


Caroato    e/a^    ittx    S^xajtv.   in    cjavola-    ap^     tl-    Sia7 '^U):    C^wzT  c^artoUnL. 


(.^ittjTf^or    /L.oc^hi    c/rJ : 


J'ran     .'^"errriru.    incL   iiCL 
39).  BENVLNUTO  CELLINl.    KupfcrM.d,  vuii  I  r.iiKc»tü  AlU-Krli.i. 


C  c  Zi   c  r  h  e     und     K  u  r:   :  t   ^  c  '^ 


398.   BRONZt-KANDELABhR.    Von   Riccio  (?).    Padua.   S.  Gior^;,. 


Gewerbe    und     Kunstgewerbe 


399.   BILDNIS   EINES  SCHNLIDERS.   Von  Giovanni   B.-mista   Moroni.   London,   Naiionalsalcrn 


Gewerbe    und    Kunst cewerht 


j^mmm^^ff^^ 


400.    BILDNIS    EINES   SCHNhlULRb.    Von    Farmct'SiJnino.     Neapel,    Natlonalmuscum. 


C  t    ;;    (■  '   /'  r     i<   n  d     Ka'ist^cucrbi 


401.    DIE    WEßERlNNtN.    (Die    Jrci    Par/cii.)    Aus    den    Fresken    Francesco 
Cossas    mi    \^i\mo   Schitano|.n    lu    Icrrara. 


\<'EliSI"UHl..    (Od>-A.a,    1,11,1     l'.nclopc.)    Gcm.iUi. 


Naiionalgalcric. 


Gewerbe    und    Kunstve werbt 


^-,.    WOLLWEBEREI.    Von    Mirabcllo    Cavalon 


4:4     KANONENGIl  SSI  REl.   Von   Francesco   Popp.. 


40i.   GÜLDSCH.MÜ.ni.W  I.KKSI  All.    Von   AUwandro  .1  ci.  4  '•    GLAS'i  ARENl  AHK  IK.    \  01:  G.ovann.   .M.ina   Ituitc 

Frcikcn   im   Palazzo  Vecdiio  zu   Florenz. 


Die   K  M  n  s  t  l  i 


%■ 


4-v      LlAlNARDO    DA    VINCI.    Selbstbildnis.    Rötchcidinung.    Turin,    Koniglidic    Bibliothek. 


n  i  f  K  ., . 


Die   Künstler 


Die   Künstler 


41}.      MLIPPO      BRUNELLFSCHl      (Bruncllesco).     Relief      von 
Bupgiano  am   Dom   zu    Florenz. 


414.  ANDREA  MANTECNA.   bronzebuite.  angeblich  von 
Cavalli.     Maiuua,  Sani'  Andrea. 


4M     I  KA   ANt.l  l  ILO.  Aussdiniti  aus  c.ncm  Ircsko  von  Raftael.  •♦'"■  BKAMAM  i  ,  Al>  :'i..niui  Jocl.  Aii^^Ju.iU  ^.,.  i.Mvi..   i  i^,ko 

Rom     Vatikan.  ^°"    MiaielanRcto.    Rom.  Sixtina-K-apellc. 


Die   K  u  n  i  I  l  i 


417.     GIULIANO     DA     SANGALLO.     Vun     Piero     d.     Cusimu. 
Museum   im   Haat;. 


41S.   GIOVANNI   BELLINI.   Sclbsibildnis. 
Rom,  Capilolinisdies  Museum. 


419.  GIORGIONE    SelbsibiUnis.   I-Iorenz,  Ufhiu-n. 


420.    TIZIAN.    Selbstbildnis.    (Aussdinitt.)    Madrid,    Prado. 


/.)  ;  f    K  H  n  i  t  l  c  } 


All.   RAITAF.L.   Selbstbildnis.   Florenz.  Uftizien. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 


1.  Stadtbild    in   der    Frührenaissance.     (Fresko    von    Benedetto    Buonfigli: 
„Übertragung  der  Gebeine  des  Herculanus".)  Perugia,  Pinakothek. 

2.  Das  Kastell  zu  Ferrara.  Erbaut  im  14.  Jahrhundert. 

3.  Castel  Nuovo  zu  Neapel.  Erbaut  im  13.  Jahrhundert. 

4.  Die  Scaligergräher  zu  Verona. 

5.  Denkmal  des  Bernabo  Visconti.  Mailand,  Archäologisches  Museum. 

6.  Denkmal  des  Cangrande  zu  Verona. 

7.  Sigismondo  Malatesta,  Tyrann  von  Rimini.  Ausschnitt  aus  dem  Fresko 
von  Piero  della  Francesca  im  Malatestatempel  zu  Rimini. 

8.  Sigismondo  Malatesta,  Tyrann  von  Rimini.  Von  einem  unbekannten 
Meister  des  15.  Jahrhunderts.  Rimini,  Kathedrale. 

9.  Giovanni  II.  Bentivoglio  und  seine  Familie  vor  der  thronenden  Madonna. 
Von  Lorenzo  Costa,   1488.  Bologna,  S.  Giacomo  Maggiore. 

IG.  Giovanni  Bentivoglio.  Relief  von  Sperandio.  Paris,  Louvre. 
n.  GiovanniBentivoglio.  Relief  von  Vincenzo  Vanuzzi  (?).  Bologna,  S.  Gia- 
como Maggiore. 

12.  Giovanni  II.  Bentivoglio,  Tyrann  von  Bologna,  und  seine  Gattin  Ginevra 
Sforza.  Von  Lorenzo  Costa.  Paris,  Sammlung  Dreyfus. 

13.  Ercole  I.  d'Este,  Herzog  von  Ferrara.  Von  Dosso  Dossi.  Modena,  Esten- 
sische  Galerie. 

14.  Ercole  II.  d'Este  (?),  Herzog  von  Ferrara.  Von  Tizian.  Madrid,  Prado. 
(Diese  Bestimmung  folgt  Carl  Justi,  Jahrb.  d.  prcuß.  Kunstslg.  XV.  — 
Gronau  glaubt,  daß  das  Porträt  Federigo  Gonzaga,  Herzog  \on  Mantua, 
darstelle.) 

15.  Alfonso  I.  d'Este,  Herzog  von  Ferrara.  Von  Tizian.  New  York,  Metro- 
politan-Museum.  (Das  oft  reproduzierte  Exemplar  im  Palazzo  Pitti  zu 
Florenz  ist  eine  Kopie  von  Dosso  Dossi.) 

16.  Laura  Dianti.  Die  Geliebte  des  Herzogs  Alfonso  I.  d'Este.  Von  Tizian. 
Richmond,  Sammlung  Cook. 

17.  Lucrezia  Borgia.  Tochter  des  Papstes  Alexander  VI.,  Gattin  Alfonsos  I. 
d'Este.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  von  Pinturicchio.  Rom,  Vatikan. 

42« 


660  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

i8.  Isahella  d'Este  Gonzaga.  Von  Tizian,  1534.  Wien,  Kunsthistorisches 
Museum. 

19.  Eleonora  Gonzaga,  Herzogin  von  Urbino.  Von  Tizian.  Florenz,  UfBzien. 

20.  Isabella  d'Este  Tochter  Ercoles  I.  d'Este  und  der  Eleonora  von  Aragon, 
Gattin  Gian  Francescos  III.  Gonzaga,  Herzogs  von  Mantua.  Zeichnung 
von  Leonardo  da  Vinci.  Paris,  Louvre. 

21.  Lionello  d'Este,  Gouverneur  von  Ferrara.  Von  Pisanello.  Bergamo, 
Akademie  Carrara. 

22.  Margharita  Gonzaga  (?),  die  Gattin  Lionellos  d'Este.  Gemälde  von 
Pisanello.  Paris,  Louvre. 

23.  Galeazzo  Maria  Sforza,  Herzog  von  Mailand.  Von  Antonio  del  Polla- 
juolo.  Florenz,  Uffizien. 

24.  25.  Lodovico  Sforza,  genannt  II  Moro,  Herzog  von  Mailand,  und  seine 
Gattin  Beatricc  d'Este.  Ausschnitte  aus  der  Pala  Sforzesca  von  Bernar- 
dino  de'  Conti  in  der  Brera  zu  Mailand.  (Die  Zuschreibung  an  Ber- 
nardino  de'  Conti  ist  von  Morelli;  Seidlitz  schrieb  das  Gemälde  dem 
Ambrogio  da  Preda  zu;  neuerdings  nimmt  man  einen  eigenen  „Meister 
der  Pala  Sforzesca"  an.) 

26.  Liegefiguren  vom  Grabmal  Lodovico  Sforzas  und  seiner  Gattin.  Von  An- 
drea Solario.  Kartause  von  Pavia. 

27.  Lodovico  il  Moro,  Herzog  von  Mailand.  Gemälde  von  Boltraffio.  Mai- 
land, Sammlung  Trivulzio. 

28 — 33.  Mitglieder  des  Hauses  Sforza.  Aus  den  Wandgemälden  von  Bernar- 
dino  Luini  im  Sforza-Kastell  zu  Mailand.  (28.  Francesco  Sforza.  29.  Gian 
Galeazzo  Sforza.  30.  Bianca  Maria  Sforza.  31.  Maximilian  I.  Sforza. 
32.  Maximilian  Sforza.  33.  Beatrice  d'Este.) 

34.  Catarina  Sforza,  Tochter  des  Galeazzo  Maria  Sforza,  Gattin  des  Giro- 
lamo  Riario.  Von  Piero  di  Cosimo.  Museum  in  Altenburg. 

35.  Lodovico  II.  Gonzaga  und  seine  Familie.  Fresko  von  Mantegna.  Mantua, 
Castello  di  Corte. 

36.  Lodovico  II.  Gonzaga.  Aus  Mantegnas  Fresken  im  Castello  di  Corte 
zu  Mantua. 

37.  Kardinal  Francesco  Gonzaga.  Aus  Mantegnas  Fresken  im  Castello  di 
Corte  zu  Mantua. 

38.  Begegnung  Lodovicos  II.  Gonzaga,  Markgrafen  von  Mantua,  mit  seinem 
Sohne,  dem  Kardinal  Francesco.  Fresko  von  Mantegna  im  Castello  di 
Corte  zu  Mantua. 

39.  Francesco  Gonzaga.  Terrakotta  \on  Gian  Cristoforo  Romano.  Florenz, 
Museo  Bardini. 

40.  Gianfrancesco  Gonzaga.  Zeichnung  von  Francesco  Bonsignori.  Florenz, 
Uffizien. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  66  I 

41.  Francesco  Sforza.  Marmorrelief  von  Gian  Cristoforo  Romano.  Florenz, 
Nationalmuseum. 

42.  Federigo  da  Montefeltro.  Marmorrelief  von  Gian  Cristoforo  Romano. 
Florenz,  Nationalmuseum. 

43.  Isabella  von  Aragon,  Königin  von  Neapel.  Zeichnung  von  Boltraffio. 
Mailand,  Ambrosiana. 

44.  Ferdinand  I.  von  Aragon,  König  von  Neapel.  Terrakottabüstc  von 
einem  unbekannten  Meister  des  15.  Jahrhunderts.  Paris,  Lou\tc. 

45.  Der  Hafen  von  Neapel.  Von  einem  unbekannten  Meister  um  1500. 
Neapel,  Nationalmuscum. 

46.  Maximilian  Sforza.  Zeichnung  von  einem  Schüler  Leonardos  da  Vinci. 
Mailand,  Ambrosiana. 

47.  Francesco  Sforza.  Von  Bcrnardino  de'  Conti.  Rom,  Pinakothek  des 
Vatikans. 

48.  Federigo  Gonzaga.  Von  Francesco  Francia.  New  York,  Metropolitan- 
Museum. 

49.  Ein  Prinz  aus  dem  Hause  Gonzaga.  Zeichnung  von  Francesco  Bon- 
signori.  Wien,  Albertina. 

50 — 55.  Renaissance-Medaillen.  Florenz,  Nationalmuseum.  (50,  51.  Con- 
stanze Sforza  und  seine  Burg.  Von  Gian  Francesco  Enzola,  1475. 
52,  53.  Catarina  Sforza.  Von  Niccolo  Spinelli.  54,  55.  Alfonso  von 
Aragon.  Von  Pisanello.) 

56.  Federigo  da  Montefeltro,  Herzog  von  Urbino,  und  seine  Gattin  Battista 
Sforza.  Von  Piero  della  Francesco.  Florenz,  Uffizien. 

57,  58.  Die  Hochzeitswagen  des  herzoglichen  Paares.  Gemälde  auf  der  Rück- 
seite des  Bildnisses  des  Federigo  da  Montefeltro  und  seiner  Gattin.  Von 
Piero  della  Francesca.  Florenz,  Uffizien. 

59.  Guidobaldo  da  Montefeltro,  Herzog  von  Urbino.  Von  Gian  Francesco 
Caroto.  Florenz,  Palazzo  Pitti. 

60.  Elisabetta  Gonzaga,  Gattin  des  Guidobaldo  da  Montefeltro,  Herzogs  von 
Urbino.  Von  Gian  Francesco  Caroto  (?).  Florenz,  Palazzo  Pitti. 

61.  Astorre  Baglione  von  Perugia  als  himmlischer  Reiter  in  Raffaels  ,, Ver- 
treibung des  Heliodor".  Rom,  Vatikan. 

62.  Judith  und  Holo fernes.  Bronze  von  Donatello.  Florenz,  Loggia  de'  Lanzi. — 
Im  Jahre  1495  vor  dem  Signorenpalast  aufgestellt  zur  Ehrung  des 
Tyrannenmordes. 

63.  Entwürfe  für  ein  Reiterdenkmal  des  Francesco  Sforza.  Federzeichnung  von 
Leonardo  da  Vinci.  Windsor,  Königliche  Bibliothek. 

64.  Guidoriccio  Fogliani.  Von  Simone  Martini.  Siena,  Palazzo  Publico. 

65.  Reiterbildnis  des  Condottiere  Niccolo  Marucci  da  Tolentino.  Fresko  von 
Andrea  del  Castagno.  Florenz,  Dom. 


662  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

66.  Reiterbildnis  des  CondoUiere  Giovanni  Acuta  (John  Hawkwood).  Fresko 
von  Paolo  Uccello.  Florenz,  Dom. 

67.  Reiterbildnis  eines  Imperators.  Römische  Bronze.  Neapel,  National- 
muscum. 

68.  Die  römischen  Bronzepferde  vor  der  Markuskirche.  Venedig. 

69.  Reiterdenkmal  des  Gattamelata.  Von  Donatcllo.  Padua. 

70.  Reiterdenkmal  des  Colleoni.  Von  Verrocchio.  Venedig. 

71.  Bartolommeo  Colleoni.  Von  Verrocchios  Reiterdenkmal  in  Venedig. 

72.  Der  Condottiere  Gattamelata.  Kopf  des  Reiterdenkmals  von  Donatello, 
1447.  Padua. 

73.  Annibale  Bentivoglio.  Marmorrelief.  Bologna,  S.  Giacomo  Maggiore. 

74.  Roberto  Malatesta.  Marmorrelief  von  einem  unbekannten  norditalieni- 
schen Meister,   1484.  Paris,  Louvre. 

75.  Roberto  Malatesta,  Feldherr  des  Papstes  und  der  Venezianer;  Schwieger- 
sohn des  Herzogs  Federigo  von  Urbino.  Aus  einem  Fresko  von  Piere 
di  Cosimo  in  der  Sixtinischen  Kapelle. 

76.  Paolo  Vitelli.  Condottiere.  Florenz,  Uffizien. 

77.  Gabrino  Fondolo.  Stadttyrann  zu  Cremona.  Florenz,  Uffizien. 

78.  Castruccio  Castracani.  Ghibellinischer  Heerführer.  Florenz,  Uffizien. 

79.  Braccio  von  Montone.  Condottiere.  Florenz,  Uffizien. 

80.  Der  Co7idottiere  Niccold  da  Uzzano.  Von  Donatello.  Bemalte  Terra- 
kottabüste. Florenz,  Nationalmuscum. 

81.  82.  Die  Condottieri  Pippo  Spano  und  Farinata  degli  Uberti.  Fresken  von 
Andrea  del  Castagno.  Florenz,  Museo  di  Sant'  Apollonia. 

83.  Cesare  Borgia.  Angeblich  von  Giorgione.  Bergamo,  Akademie  Carrara. 

84.  Cesare  Borgia.  Angeblich  von  Palmezzano.  Forli,  Pinakothek. 

85.  Schlacht  zwischen  Fußsoldaten  und  Reitern.  Antikes  Rehef.  (Teilansicht 
des  Alexander-Sarkophags.)  Museum  in  Konstantionopel. 

86.  Schlacht  zwischen  Fußsoldaten  und  Reitern.  Bronzerelief  von  Bertoldo 
di  Giovanni  (dem  Lehrer  Michelangelos).  Florenz,  Nationalmuseum. 

87.  Reiterschlacht.  Gemälde  von  Paolo  Uccello.  London,  Nationalgale- 
rie. 

88.  89.  Belagerungs-Szenen.  Fresken  von  Giorgio  Vasari.  Florenz,  Palazzo 
Vccchio. 

90.  Kriegsszene  mit  explodierender  Bombe.  Zeichnung  von  Leonardo  da 
Vhici.  Paris,  ehemalige  Sammlung  Armand. 

91.  Entimirf  zu  Kriegsmaschinen.  Zeichnung  von  Leonardo  da  Vinci.  Lon- 
don, British  Museum. 

92.  Montieren  eines  Geschützes  im  Arsenalhof .  Federzeichnung  von  Leonardo 
da  Vinci.  Windsor,   Königliche  Bibliothek. 

93.  Helm,   l'lorentinisch,   15. Jahrhundert.  Florenz,  Nationalmuseum. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  663 

94.  Ehrenschild.  Von   einem  florentinischen   Waffenschmied   des    i6.  Jahr- 
hunderts. Florenz,  Nationalmuseum. 

95.  Die  Prunkrüstung  Kaiser  Karls  V.  Von  einem  Mailänder  Waffenschmied 
des   16.  Jahrhunderts.  Florenz,  Nationalmuseum. 

96.  Der  Ritter.  Von  Giorgione.  London,  Nationalgalerie. 

97.  Neapel,    1479.   mit  dem  Flottenaufzug  beim  Empfange    Lorenzos    de' 
Medici.  Farbige  Zeichnung.  Neapel,  Museum  S.  Martino. 

98.  Florenz.  Holzschnitt  eines  unbekannten  Florentiner  Meisters  des  15. Jahr- 
hunderts. 

99.  Der  Zug  der  Könige.    Mit  Darstellung   von   Mitghedern   der   Familie 
Medici.  Fresko  von  Benozzo  Gozzoli.  Florenz,  Palazzo  Medici-Riccardi. 

100.  Lorenzo  de'  Medici  il  Magnifico.  Allegorisches  Porträt  \'on  Giorgio  Vasari. 
Florenz,  Uffizien. 

loi.  Die  Nordtür  am  Baptisterium  zu  Florenz.  Von  Lorenzo  Ghiberti.  Dar- 
über: ,,Die  Predigt  des  Täufers"  von  Giovanni  Francesco  Rusticci. 

102 — 104.  Florentiner  Ansichten.  Wandgemälde  von  Stradano  im  Palazzo 
Vccchio  zu  Florenz.  (102.  Brücke  bei  Santa  Trinitä.  —  103.  Der  Platz 
Mercato  Vecchio.  —  104.  Weihungsfest  vor  der  Loggia  de'  Lanzi.) 

105.  Palazzo  Publica  (Stadthaus)  in  Siena. 

106.  Der  hl.  Bernhard  predigt  vor  dem  Stadthaus  in  Siena.  Von  Pietro  di 
Siena,  Dom. 

107.  Der  Löwe  von  Venedig  und  der  Doge.  Skulptur  über  der  Porta  della 
Carta  des  Dogenpalastes  in  Venedig. 

108.  Das  Wunder  des  Kreuzesholzes.  Von  Vittore  Carpaccio.  Venedig, 
Akademie. 

109.  Die  Wiederfindung  der  Kreuzesreliquie.  Von  Gentile  Bellini.  Venedig, 
Akademie. 

iio.  Der  Ring  des  Fischers.  Von  Paris  Bordone.  Venedig,  Akademie. 
HI.  Der  Papst  segnet  das  Schwert  des  Dogen.  Von  Leandro  Bassano.  Venedig, 
Akademie. 

112.  Prozession  auf  dem  Markusplatz  in  Venedig.  Von  Gentile  Bellini.  Venedig, 
Akademie. 

113.  Catarina  Cornaro.  Idealbildnis  von  Paolo  Veronese.  Wien,  Kunst- 
historisches Museum. 

1 14.  Catarina  Cornaro.  Von  Gentile  Bellini.  Budapest,  Museum  der  Schönen 
Künste. 

115.  Catarina  Cornaro.  (mit  der  Krone)  und  venezianische  Edelfrauen.  Aus- 
schnitt aus  Gentile  Bcllinis  ,, Wiederauffindung  der  Kreuzesreliquie". 
Venedig,  Akademie. 

116.  Der  Doge  Andrea  Vendramin.  Von  Gentile  Bellini.  New  York,  Privat- 
besitz. 


664  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

117.  Der  Doge  Francesco  Foscari.  Von  Gentile  Bellini.  Venedig,  Museum 
Correr. 

118.  Der  Doge  Tommaso  Mocenigo.  Art  des  Gentile  Bellini.  Venedig,  Mu- 
seum Correr.  (Nach  Bode:  Jacopo  Bellini.) 

119.  Der  Doge  Leonardo  Loredano.  Von  Giovanni  Bellini.  London,  National- 
galeric. 

120.  Eine  persische  Gesandtschaft  in  Venedig.  Von  Paolo  Veronese.  Venedig, 
Dogenpalast. 

121.  Eine  Gesandtschaft  ans  England.  Von  Vittore  Carpaccio.  Venedig, 
Akademie. 

122.  Venezianische  Gesandtschaft  in  Kairo.  Art  des  Gentile  Bellini.  Paris, 
Louvre. 

123.  Der  hl.  Stefan  fredigt  in  Jerusalem.  Von  Vittore  Carpaccio.  Paris, 
Louvre. 

124.  Markus  heilt  den  Ananias  auf  dem  Marktplatz  zu  Alexandria.  Von  Cima 
da  Concgliano,   1499.  Berlin,  Kaiser-Friedrich-Museum. 

125.  Die  Predigt  des  heiligen  Markus  in  Alexandria.  Von  Giovanni  Bellini. 
Mailand,  Brera. 

126.  Sultan  Mohammed  II.  Ausschnitt  aus  einem  Gemälde  von  Gentile  Bel- 
lini. London,  Nationalgalerie. 

127.  Sultan  Murad  III.  Farbige  Zeichnung  von  Melchior  Lorch.  Prag,  Samm- 
lung Lanna. 

128.  Der  Türkenprinz  Dschem.  Bruder  des  Sultans  Bajazeth  IL  und  Ge- 
fangener der  Päpste  Innozenz  VIII.  und  Alexander  VI.  Ausschnitt  aus 
einem  Fresko  von  Pinturicchio.  Rom,  Vatikan. 

129.  Kaiserkrönung  Aus  der  Werkstatt  der  Robbia.  Florenz,  Nationalmuseum. 

130.  Kaiserkrönung  Karls  V.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  von  Giorgio 
Vasari.  Florenz,  Palazzo  Vecchio. 

131.  Kaiser  Karl  V.  Gemälde  von  Tizian,  1548.  München,  Ältere  Pinakothek. 

132.  Karl  VIII.  von  Frankreich.  Miniature.  Paris,  Nationalbibliothek. 

133.  König  Ludwig  XII .  von  Frankreich.  Farbige  Zeichnung.  Paris,  National- 
bibliothek. 

134.  König  Franz  I.  von  Frankreich.  Von  Jean  Clouet  (?).  Paris,  Louvre. 

135.  König  Heinrich  II.  von  Frankreich.  Von  Jean  Clouet.  Florenz,  Uffizien. 

136.  König  Heinrich  VIII.  von  England.  Von  Hans  Holbein  d.J.  Windsor 
Castle. 

137.  Einzug  Karls  VIII.  von  Frankreich  in  Florenz.  Von  Francesco  Granacci. 
Florenz,  Uffizien. 

138.  Einzug  König  Franz'  /.,  Kaiser  Karls  V.  und  des  Kardinals  Alessandro 
Farnese,  des  späteren  Papstes  Paul  III.,  in  Paris  ( ?).  Fresko  von  Taddeo 
und  Fcdcrigo  Zucchero.  Caprarola,  Palazzo  Farnese. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  665 

139.  Gran  Cavalcata.  Der  Einzug  Kaiser  Karls  V.  und  des  Papstes  Cle- 
mens VIT.  in  Bologna.  Wandgemälde  \on  Brusasorci.  \^erona,  Palazzo 
Ridolfi. 

140.  Das  Grabmal  der  Caecilia  Metella  an  der  Via  Appia  bei  Rom. 

141.  Die  Engelsbiirg.  Rom.  (Im  Hintergrund  die  Peterskirche.) 

142.  Rom,  um  1480,  vom  Capitol  aus  gesehen.  Zeichnung  eines  Schülers 
des  Domenico  Ghirlandajo.  (Codex  Escurialensis,  fol.  40.) 

143.  Die  Peterskirche  im  Umbau  und  der  Vatikan.  Anonymer  römischer 
Kupferstich  des   16.  Jahrhunderts. 

144.  Die  Kuppel  des  Doms  zu  Florenz.  Von  Brunelleschi. 

145.  Modell  zur  Kuppel  der  Peterskirche.  Von  Michelangelo.  Rom,  Musco 
Petriano. 

146.  Die  Kuppel  der  Peterskirche  im  heutigen  Zustand.  Von  Michelangelo  u.a. 

147.  Die  Peterskirche  vor  dem  Umbau.  (Basilica  di  S.  Pietro.)  Rekonstruktion 
von  Prof.  Marcelliani.  Rom,  Museo  Petriano. 

148.  Vor  der  Peterskirche.   Rom.  (Fontana  della  Piazza  di  San  Pietro.) 

149.  Papst  Pius  II.  segnet  am  Hafen  von  Ancona  die  Kreuzfahrer.  Fresko  %on 
Pinturicchio.  Siena,  Dombibliothek. 

150.  Papst  Alexander  VI.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  von  Pinturicchio. 
Rom,  Vatikan. 

151.  Papst  Sixtus  IV.  und  die  Seinen.  Fresko  von  Melozzo  da  Forli.  Rom, 
Pinakothek  des  Vatikans. 

152.  Papst  Sixtus  IV.  Detail  von  seinem  ehernen  Grabdenkmal.  Von  Antonio 
Pollajuolo.  Rom,  Peterskirche. 

153.  Papst  Julius  II.  als  Kardinal  (Giulio  della  Rovere).  Ausschnitt  aus  einem 
Fresko  von  Botticelli.  Rom,  Sixtina-Kapelle. 

154.  Papst  Julius  II.  Ausschnitt  aus  einem  Gemälde  von  Raffael.  Florenz, 
Palazzo  Pitti. 

155.  Papst  Leo  X.  mit  den  Kardinälen  Giulio  de'  Medici,  dem  späteren  Papst 
Clemens  VII.,  und  Lodovico  de'  Rossi.  Von  Raffael.  Florenz,  Palazzo 
Pitti. 

156.  Papst  Leo  X.  Weiß  gehöhte  Kreidezeichnung  von  Sebastiane  del 
Piombo  (?).  Chatsworth,  Sammlung  des  Herzogs  von  Devonshire. 

157.  Papst  Clemens  VII.  in  jungen  Jahren.  Von  Sebastiano  del  Piombo. 
Neapel,  Nationalmuseum. 

158.  Papst  Paul  III.  mit  seinen  Enkeln,  den  Kardinälen  Alessandro  und 
Ottavio  Farnese.  Von  Tizian.  Neapel,  Nationalmuseum. 

159.  Die  Schweizergarde  des  Papstes.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  von  Raf- 
fael. Rom,  Vatikan. 

160.  Franciscus  von  Assisi.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  von  Cimabue  in  der 
Unterkirche  S.  Francesco  zu  Assisi. 


666  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

i6i.  Girolamo  Savonarola.  Von  Fra  Bartolommeo.  Florenz,  Museo  di  San 
Marco. 

162.  Savonarola  als  Petrus  Martyr.  Von  Fra  Bartolommeo.  Florenz,  Museo 
di  San  Marco. 

163.  Verbrennung  Savonarolas.  Von  einem  unbekannten  florentinischen  Ma- 
ler um  1500.  Florenz,  Museo  di  San  Marco. 

164.  Denkmünzen  auf  Savonarola.  Von  Niccolo  Spinelli. 

165.  Weihrauchgefäß.  Silberschmiedearbeit  des  15.  Jahrhunderts.  Padua, 
Schatzkammer  von  S.  Antonio. 

166.  Prozession  im  Inneren  einer  Kirche.  Von  Vittore  Carpaccio.  Venedig, 
Akademie. 

167.  Einbringung  der  heiligen  Kreuzesreliquie.  Von  Sebastian!.  Venedig, 
Akademie. 

168.  Inneres  eines  Sanctuariums.  Von  Gentile  Bellini.  Venedig,  Akademie. 

169.  Der  Dom  von  Florenz. 

170.  Der  Dom  von  Ferrara. 

171.  Der  Dom  von  Pisa. 

172.  Der  Dom  von  Siena. 

173.  Predigt  vor  der  Kirche  in  Siena.   Von  Sano  di  Pietro.  Siena,  Dom. 

174.  Die  Verdammten.  Ausschnitt  aus  dem  Fresko  von  Luca  Signorelli  im 
Dom  zu  Orvieto. 

175.  In  der  Hölle.  Zeichnung  von  Federigo  Zucchero.  Wien,  Albertina. 
(Entwurf  zu  einem  Fresko  in  der  Domkuppel  zu  Florenz.) 

176.  Dämon.  Ausschnitt  aus  Michelangelos  Fresko  ,,Das  letzte  Gericht". 
Rom,  Sixtina-Kapelle. 

177.  Dämon.  Zeichnung  von  Michelangelo.  Windsor,  Königliche  Bibliothek. 

1 78.  Die  Heiligen  Markus,  Georg  und  Nikolaus  vernichten  die  Galeere  der  Dä- 
monen. Von  einem  unbekannten  venezianischen  Meister.  (Früher  dem 
Giorgione  oder  dem  Palma  Vecchio  zugeschrieben.)  Venedig,  Akademie. 

179.  Ausschnitt  aus  dem  ,,Kampf  des  heiligen  Georg"  von  Vittore  Carpaccio. 
Venedig,  S.  Giorgio  de'  Schiavoni. 

180.  Die  Versuchung  des  heiligen  Antonius.  Von  Parentino.  Rom,  Galerie 
Doria. 

181.  Die  Madonna  befreit  einen  Säugling  aus  den  Krallen  eines  Dämons.  Ge- 
mälde von  Niccolo  Alunno.  Rom,  Galerie  Colonna. 

182.  Die  Hexen.  Handzeichnung  von  Botticelli  (?).  Florenz,  Uffizien. 

183.  Die  Werkstatt  des  Alchimisten.  Gemälde  von  Giovanni  Stradano.  Florenz, 
Palazzo  Vecchio. 

184.  185.  Allegorische  Darstellung  von  der  Herrschaft  der  Gestirne  über  das 
Leben  des  Menschen.  Von  Giovanni  Miretto.  Padua,  Palazzo  della 
Ragione. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  66? 

i86.  Proportionsstudie.  Zeichnung  von  Leonardo  da  Vinci.  Windsor,  König- 
liche Bibliothek. 

187.  Ltica  Pacioli.  Gemälde  von  Jacopo  de'  Barbari,  mit  seinem  Selbst- 
porträt (?)  rechts.  Neapel,  Nationalmuseum.  (Bode  schrieb  das  Gemälde 
dem  Donato  Bramante  zu;  er  meinte,  es  sei  Luca  Pacioli  mit  seinem 
Schüler,  dem  Herzog  Guidobaldo,  dargestellt.) 

188.  Amerigo  Vespucci.  Von  einem  unbekannten  Meister  des  i6.  Jahrhun- 
derts. Florenz,  Uffizien. 

189.  Christoph  Columbus.  Gemälde  von  Sebastiano  del  Piombo.  New  York, 
Metropolitan-Museum. 

190.  Maschinenentwürfe.  Zeichnung  von  Leonardo  da  Vinci.  Florenz,  Uffi- 
zien. 

191.  Anatomische  Studie  von  Leonardo  da  Vinci.  Windsor,  Königliche 
Bibliothek. 

192.  Sezieren  eines  Leichnams.  Zeichnung  von  Bartolommeo  Passerotti. 
Oxford. 

193.  Gelehrter  bei  seiner  Arbeit.  Holzschnitt  aus  dem  Poliphilo.  (Venedig, 
Aldus  Manutius,  1499.) 

194.  Gelehrter  bei  seiner  Arbeit.  Ausschnitt  aus  einem  Gemälde  von  Anto- 
nello  da  Messina.  London,  Nationalgalerie. 

195.  Bernardino  Corio.  Holzschnitt  aus  seiner  Mailänder  Chronik,  1503. 
(Ausschnitt.) 

196.  Francesco  Filelfo,  Humanist  und  Redner.  Zeichnung  eines  Mono- 
grammisten  M.  H.  Wien,  Sammlung  Graf  Wilczek. 

197.  Arbeitszimmer  eines  Gelehrten.  (Hieronymus  im  Gehäus.)  Von  Vittore 
Carpaccio.  Venedig,  S.  Giorgio  de'  Schiavone. 

198.  Juristische  Vorlesung.  Vom  Grabmal  des  Lorenzo  Pini.  Bologna,  S.Pietro. 
Von  Girolamo  Coltellini. 

199.  Humanistische  Vorlesung.  Vom  Grabmal  des  Filippo  Lazzari.  Pistoja, 
S.  Domenico.  Von  Antonio  Rosselino. 

200.  Universitätsvorlesung  im  Freien.  Henricus  de  Allemannia  liest  sein 
Kolleg  über  Ethik.  Dcckfarbenmalerei  auf  Pergament  von  Laurontius 
de  Voltalina,  Anfang  des  15.  Jahrhunderts.  Berlin,  Kupferstichkabinett. 

201.  Theologische  Vorlesung.  Von  Domenico  di  Michelino.  Bergamo,  Aka- 
demie Carrara. 

202.  Disputation.  Zeichnung  von  Vittore  Carpaccio.  Florenz,  Uffizien. 

203.  Disputation.  (Jesus  vor  den  Schriftgelehrten.)  Von  Bernardino  di  Ma- 
riotto. Mailand,  Brera. 

204.  Die  Bibliothek  von  San  Marco  zu  Florenz.  Erbaut  von  Michelozzo  di 
Bartolommeo. 

205.  Fassade  der  Markusbibliothek  zu  Venedig.  Erbaut  von  Jacopo  Sansovino. 


668  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

206.  Biblioteca  Laurenziana  zu  Florenz.  Erbaut  nach  den  Entwürfen  Michel- 
angelos. 

207.  Seite  aus  einem  Meßbuch  von  Girolamo  da  Cremona.  Um  1467 — 75. 
Siena,  Libreria  Piccolomini. 

208.  Blattumrahmung  einer  Livius-Ausgabe.  Schule  des  Mantegna.  Wien, 
Albertina. 

209.  Holzschnitt-Titel  von  einem  Druck  aus  Saluzzo  1507.  Bibliothek  des 
Vatikans. 

210.  Erste  Üc-x-iscite  emcr  Hieroiiymus-Ausgabe.  Ferrara,  1497.  Berlin,  Kupfer- 
stichkabinett. 

211.  Eine  Seite  aus  der  ,,Hypnerotomachia  Poliphili" .  Gedruckt  von  Aldus 
Manutius,  Venedig,   1499. 

212.  Eine  Seite  aus  der  illustrierten  Florentiner  Ausgabe  von  Angelo  Poli- 
zianos.  „Das  Turnier  des  Giuliano  de'  Medici" . 

213.  Dante.  Bronzebüste  von  einem  unbekannten  Meister  des  15.  Jahrhun- 
derts. Neapel,  Nationalmuseum. 

214.  Dante- Illustration.   Von  Botticelli.  Berlin,  Kupferstichkabinett. 

215.  Dante-Illustration.  Von  Francesco  Francia.  Wien,  Albertina. 

216.  217.  Dante-Illustrationen.  Von  Botticelli.  Rom,  Vatikanische  Biblio- 
thek. 

218.  Dante  und  seine  Divina  Commedia.  Von  Michelino.  Florenz,  Dom. 

219.  Die  letzte  Novelle  aus  Boccaccios  Decamerone.  Truhenbettmalerei.  Von 
Pesellino.  Bergamo,  Akademie  Carrara. 

220.  Giovanni  Boccaccio.  Fresko  von  Andrea  del  Castagno.  Florenz,  S.  Apol- 
lonia. 

221.  Francesco  Petrarca.  Fresko  von  Andrea  del  Castagno.  Florenz,  S.  Apol- 
lonia. 

222.  Petrarca.  Von  einem  unbekannten  Meister  des  15.  Jahrhunderts.  Rom, 
Galerie  Borghese. 

223.  Dichterkrönung  des  Aeneas  Syhius  Piccolomini.  Aus  dem  Fresko  von 
Pinturicchio.  Siena,  Dombibliothek. 

224.  Kopf  eines  Propheten,  angeblich  Porträt  des  Poggio  Bracciolini.  Ober- 
teil einer  Marmorstatue  am  Florentiner  Campanile.  Von  Donatcllo  und 
Rossi. 

225.  Marsilio  Ficino.  Humanist,  Haupt  der  neuplatonischen  Schule  in  Flo- 
renz. Aus  einem  Fresko  von  Domenico  Ghirlandajo,  1430.  Florenz, 
S.  Maria  Novella. 

226.  Girolamo  Benevieni  (?).  Philosoph  und  Dichter  zu  Florenz.  Von  Ridolfo 
del  Ghirlandajo.  London,  Naüonalgalerie. 

227.  Der  Humanisl  Angcio  Poliziano  imd  sein  Zögling  Giuliano  de'  Medici. 
Aus  einem  Fresko  von  Domenico  Ghirlandajo.  Florenz,  S.  Trinitä. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  65q 

228.  Marco  Girolamo  Vida.  Neulateinischer  Dichter.  Florenz,  Uffizien. 

229.  Zanobi  di  Strada.  Jurist  und  poeta  laureatus.  Florenz,  Uffizien. 

230.  Gioviano  Pontano.  Sekretär  am  Hofe  von  Neapel  und  Geschichts- 
schreiber. Florenz,  Uffizien. 

231.  Giovanni  della  Casa.  Dichter  und  Staatssekretär.  Florenz,  Uffizien. 

232.  Pico  della  Mirandola.  Humanist;  mit  Marsilio  Ficino  und  Angelo  Poli- 
ziano  Führer  der  neuplatonischen  Akademie  zu  Florenz.  Fresko  von 
Botticelli,  aus  der  Villa  Lemni  in  Florenz,  jetzt  im  Louvre  zu  Paris. 

233.  Der  Humanist  Piatina,  Verfasser  einer  Geschichte  der  Päpste.  Aus 
einem  Fresko  von  Mclozzo  da  Forli.  Rom,  Vatikan. 

224.  Niccold  Machiavelli.  Politiker,  Geschichtsschreiber,  Komödiendichter; 
Verfasser  der  ,, Geschichte  von  Florenz".  Farbige  Terrakottabüste  von 
einem  unbekannten  Meister  des  16.  Jahrhunderts.  Florenz,  Societä 
Colombaria. 

235.  Francesco  Guicciardini.  Florentinischer  Geschichtsschreiber.  Florenz, 
Uffizien. 

236.  Onofrio  Panvinio.  Theolog  und  Altertumsforscher.  Florenz,  Uffizien. 

237.  Matteo  Palmieri.  Dichter  der  dantesken  ,, Stadt  des  Lebens".  Büste  von 
Antonio  Rosselino.  Florenz,  Nationalmuseum. 

238.  Donato  Acciajuoli.  Philosoph  und  Geschichtsschreiber.  Florenz,  Borgo 
degli  Albizzi. 

239.  Luigi  Pulci.  Verfasser  des  komischen  Rittergedichtes  ,,Morgante  Mag- 
giore".  Aus  einem  Fresko  von  Filippino  Lippi.  Florenz,  S.  Maria  del 
Carmine. 

240.  Benedetto  Varchi.  Dichter  und  Geschichtsschreiber.  Von  Tizian.  Wien, 
Kunsthistorisches  Museum. 

241.  Paolo  Giovio.  Humanist,  Leibarzt  Leos  X.,  Verfasser  von  Biographien. 
Anonymes  Bildnis  aus  dem   16.  Jahrhundert.  Florenz,  Uffizien. 

242.  Jacopo  Sannazaro.  Neulateinischer  und  italienischer  Dichter.  Kupfer- 
stich des   16.  Jahrhunderts. 

243.  Kardinal  Pietro  Bembo.  Humanist,  Dichter  und  Historiograph.  Kupfer- 
stich des   16.  Jahrhunderts. 

244.  Paolo  Giovio.  Arzt,  Bischof  und  Geschichtsschreiber.  Kupferstich  des 
16.  Jahrhunderts. 

245.  Giovanni  Piero  Valeriana  (Bolzanus).  Humanist,  päpstHcher  Kämmerer 
unter  Leo  X.  Kupferstich  des   1 6.  Jahrhunderts. 

246.  Kardinal  Pietro  Bembo.  Sekretär  Leos  X.,  Freund  der  Lucrezia  Borgia 
und  der  Vittoria  Colonna,  Humanist,  Philolog  und  Dichter,  Verfasser 
der  ,,Asolani",  der  Gespräche  über  die  Liebe.  Gemälde  von  Tizian. 
Rom,  Palazzo  Barberini. 

247.  Pietro  Aretino.  Gemälde  von  Tizian,   1545.  Florenz,  Pitti-Galeric. 


670  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

248.  Graf  Baldassare  Castiglione,  der  Autor  des  „Libro  del  Cortigiano",  der 
Gespräche  über  das  Ideal  eines  Hofmanns.  Gemälde  von  Raffael.  Paris, 
Louvre. 

249.  Luigi  Cornaro.  Verfasser  des  Traktats  „Vom  mäßigen  Leben".  Gemälde 
von  Tintoretto.  Florenz,  Palazzo  Pitti. 

250.  Der  Dichter  Andrea  Navagero.  Linke  Hälfte  eines  Doppelporträts  von 
Raffael,   1516.  Rom,  Galerie  Doria. 

251.  Lodovico  Dolce.  Dichter  und  Kunstschriftsteller.  Anonymer  Holzschnitt 
des   16.  Jahrhunderts. 

252.  Lodovico  Ariosto.  Dichter  des  „Rasenden  Roland".  Kupferstich  von 
Enea  Vico. 

253.  Andrea  Navagero.  Neulateinischer  Dichter.  Anonymer  Holzschnitt  des 
16.  Jahrhunderts. 

254.  Titelblatt  von  Ariosts  ..Rasendem  Roland".  Venedig,   1533. 

255.  Kardinal  Bibbiena  (Bernardo  Dovizi).  Parteigänger  der  Medici,  Ge- 
sandter am  französischen  Hof,  Schatzmeister  Clemens'  VH.  und  Leos  X., 
Verfasser  der  lockeren  Komödie  ,,Calandria".  Gemälde  von  Raffael. 
Madrid,  Prado. 

256.  Der  Parnaß.  Wandgemälde  von  Raffael  im  Vatikan. 

257.  Der  Parnaß.  (Triumph  der  Venus.)  Von  Andrea  Mantegna.  Paris, 
Louvre. 

258.  Amor  und  die  drei  Grazien.  Aus  dem  Freskenzyklus  ,,Amor  und  Psyche", 
ausgeführt  von  Giovanni  Francesco  Penni,  Giulio  Romano  und  Giovanni 
da  Udine  nach  Entwürfen  Raffaels.  Rom,  Villa  Famesina. 

259.  Tod  der  Procris.  Truhenmalerei  von  Piero  di  Cosimo.  London,  National- 
galerie. 

260.  Mars  und  Venus.  Truhenmalcrei  von  Botticelli.  London,  National- 
galeric. 

261.  Ruhende  Venus  mit  Cupidos.  Truhenmalerei  von  Jacopo  del  Sellajo. 
(Wahrscheinlich  älter  als  Botticellis  ,,Mars  und  Venus".)  London, 
Nationalgalerie. 

262.  Kaiser  Caracalla.  Antike  Büste,  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  n.  Chr. 
Berlin,  Altes  Museum. 

263.  Brutus.  Von  Michelangelo,  um  1540.  Florenz,  Nationalmuseum. 

264.  Kniender  Jüngling.  Um  460  v.  Chr.  Oslgiebel  des  Zeustempcls,  Pcrgamon. 

265.  Cupido.  Von  Michelangelo,  um  1497.  London,  Victoria-  und  Albert- 
Museum. 

266.  Apollo.  Griechische  Marmorstatue.  Florenz,  Uffizien. 

267.  Der  sterbende  Sklave.  Von  Michelangelo.  Paris,  Louvre. 

2G8.  Der  Titusbogen  in  Rom.  Kupferstich  von  Giambattista  Cavalieri  nach 
einer  Zeichnung  von  Giovan  Antonio  Dosio,   1569. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  671 

269.  Titelbild  der  ,,Antiquarie  Prospeitische  Romane". 

270.  Das  Forum  Nervae  mit  den  Ruinen  des  Minervatempels.  Kupferstich  von 
Giambattista  Cavalicri  nach  Zeichnung  von  Giovan  Antonio  Dosio,  1569. 

271.  Dreitoriger  antiker  Triumphbogen  in  Rom. 

272.  Darstellung  eines  antiken  Triumphbogens  auf  einem  Renaissancegemälde 
mit  biblischem  Stoff.  (Botticellis  „Rotte  Korah"  in  der  Sixtinischen 
Kapelle.) 

273.  Antiker  Triumphzug.  Relief  am  Titusbogcn  in  Rom. 

274.  Triumphzug  Alfonsos  L  von  Aragon.  Von  Francesco  Laurana.  Neapel, 
Castel  Nuovo. 

275.  Triumph  der  Liebe.  Tempera.  Vom  Meister  der  Cassoni,  Mitte  des 
15.  Jahrhunderts,  florentinisch.  London,  Nationalgalerie. 

276.  277.  Triumph  der  Keuschheit  und  des  Todes.  Temperagemälde  eines  un- 
bekannten sienesischen  Meisters.  Siena,  Akademie. 

278.  Triumph  der  Keuschheit.  Jacopo  dcl  Sellajo  zugeschrieben.  Florenz, 
S.  Ansano. 

279.  Triumph  des  Todes.  Matteo  de'  Pasti  zugeschrieben.  Florenz,  Uffizien. 

280.  Triumph  der  Liebe.  Elfenbeinrelief  aus  der  Schule  von  Mantua,  15.  Jahr- 
hundert. Florenz,  Nationalmuseum. 

281.  Triumph  der  Liebe.  Tcmperagemälde  eines  unbekannten  sienesischen 
Meisters.  Siena,  Akademie. 

282.  283.  Aus  dem  Triumphzug  Caesars.  Von  Andrea  Mantegna.  Galerie 
Hampton  Court. 

284.  Triumph  des  Vespasian  und  Titus.  Zeichnung  aus  der  lombardischen 
Schule,  Ende  des   15.  Jahrhunderts.  Paris,  Louvre. 

285.  Triumph  des  Vespasian  und  Titus.  Von  Giulio  Romano.  Paris,  Louvre. 
286 — 288.   Triumphzug  am   Hofe   Borsos   d'Este.   Triumph   der  Minerva  — 

des  Apollo  —  der  Venus.  Aus  den  Fresken  von  Francesco  Cossa  im 
Palazzo  Schifanoja  zu  Ferrara. 

289.  Darstellung  in  einem  Amphitheater.  (Raub  der  Sabinerinnen.  Gemälde 
von  Cosimo  Rosselli.)  Rom,  Galerie  Colonna. 

290.  Darstellung  in  einem  Ballspielhaus.  (Die  Heilung  des  zornigen  Sohnes. 
Bronzerelief  von  Donatcllo.)  Padua,  S.  Antonio. 

291.  Entwurf  einer  (Bühnen-) Architektur.  Von  Luciano  Laurana.  Berlin, 
Kaiser-Friedrich-Museum.  (Auch  dem  Piero  della  Francesca  zu- 
geschrieben.) 

292.  T er enz- Aufführung  in  Italien.  Aus  der  Terenz-Ausgabe.  Venedig,  1497. 

293.  Gleichzeitige  Terenz- Aufführung  in  Deutschland.  Kolorierter  Holzsclinitt, 
1496. 

294.  Scena  einer  Komödie.  Holzschnitt  aus  Sebastiane  Serlios  Werk  ,,Del- 
r  Architettura",  Venedig,    1545.   (In  der  mittleren  Achse  ansteigende 


672  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

Straße,  rechts  und  links  größere  und  kleinere  Häuser  mit  Durchblick, 
abschließender  Bau  im  Hintergrund.) 

295.  Scena  einer  Tragödie.  Holzschnitt  aus  Serlios  Architettura.  (Breite,  an- 
steigende Straße,  fürstliche  Gebäude  und  Statuen,  tiefer  Hintergrund, 
davor  ein  Triumphbogen.) 

296.  Scena  eines  Satyrspiels.  Holzschnitt  aus  Serlios  Architettura.  (Ländliche 
Dekoration  mit  Bäumen  und  Hütten;  ansteigende  Straße  auch  hier 
bewahrt.) 

297.  Scena  des  Teatro  Olympico  zu  Vicenza.  Erbaut  von  Andrea  Palladio. 
(Symmetrischer  Prachtbau  und  —  durch  insgesamt  fünf  Tore  gesehen  — 
ansteigende  Gassen  mit  unsymmetrischen  Einzelgebäuden.) 

298.  Darstellung  eines  Mysterienspiels.  (Mariae  Himmelfahrt,  von  Vittore 
Carpaccio.)  London,  Nationalgalerie. 

299.  Abbild  einer  dreiteiligen  Bühne.  (Darstellung  einer  Heiligenlegende,  ge- 
malt von  Paolo  Uccello.)  Urbino,  Herzogspalast. 

300.  Antike  Szene,  dargestellt  im  Anschluß  an  eine  Theateranfführung.  (Der 
Tod  der  Dido,  von  Liberale  da  Verona.)  London,  Nationalgalerie. 

301.  Musikanten  bei  einem  Hochzeitsfest.  Bemaltes  Truhenbett,  florentinisch, 
15.  Jahrhundert.  Florenz,  Akademie. 

302.  Chorknaben.  Relief  von  Luca  della  Robbia.  Florenz,  S.  Maria  del  Fiore. 

303.  Musizierende  Engel.  Relief  von  Agostino  da  Duccio,  an  der  Fassade 
S.  Bcrnardino,  Perugia. 

304.  Die  Musik.  Bronzerelief  vom  Grabmal  des  Papstes  Sixtus  IV.  von 
Antonio  Pollajuolo.  Rom,  Peterskirche. 

305.  Das  Konzert.  Von  Tizian.  (Auch  dem  Giorgione  zugeschrieben.)  Flo- 
renz, Palazzo  Pitti. 

306.  Reigentanz.  Art  des  Bonifazio  de'  Pitati.  Wien,  Akademie. 

307.  Lautenspieler.  Von  Pontormo.  Paris,  Louvre. 

308.  Das  Konzert.   Von  Ercole  de'  Roberti.  London,  Nationalgalerie. 

309.  Turnier  in  Florenz,  auf  dem  Platz  vor  S.  Croce.  Wandgemälde  von 
Stradano  im  Palazzo  Vecchio  zu  Florenz. 

310.  311.  Szenen  aus  einem  Turnier  in  Verona.  Von  Domenico  Morone. 
London,  Nationalgalerie. 

312.  Preisrichter  und  Zuschauer  bei  einem  Turnier.  Zeichnung  von  Jacopo 
Bcllini.  Paris,  Louvre. 

313.  Jagdgesellschaft.  Aus  dem  Fresko  „Triumph  des  Todes".  Pisa,  Campo- 
santo. 

314.  Die  Vision  des  hl.  Eustachius.  Von  Pisanello.  London,  Nationalgalerie. 

315.  Stilleben.  Gemälde  von  Jacopo  de'  Barbari  (Jacob  Walch),  1504.  Mün- 
chen, Ältere  Pinakothek. 

316.  Truthahn.  Bronze.  Von  Giovanni  da  Bologna.  Florenz,  Nationalmuseum. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  673 

317.  Windhund.  Bronzerelief  von  Benvenuto  Ccllini.  Florenz,  National- 
museum. 

318.  Insekten.  Zeichnung  von  Leonardo  da  Vinci.  Turin,  Palazzo  Reale. 

319.  Windhund.  Zeichnung  von  Pisanello.  Paris,  Louvre. 

320.  Pferdestudien.  Von  Leonardo  da  Vinci.  Windsor,  Königliche  Bibliothek. 

321.  Pferdestudien.  Von  Giulio  Romano.  Wien,  Albertina. 

322.  Hirt  und  Herde.  Von  Francesco  Rizo  da  Santa  Croce.  Bergamo,  Aka- 
demie Carrara. 

323.  Die  Ochsentreiber.  Von  Lorenzo  Lotto.  Jesi,  Bibliothek. 

324.  Landschaft  mit  Herde.  (Jakob  und  Rachel.)  Von  Palma  Vecchio. 
Dresden,  Gemäldegalerie. 

325.  Landschaft  mit  Tieren.  Von  Jacopo  Bassano.  Rom,  Palazzo  Doria. 

326.  Gartenszene.  Holzschnitt.  Venedig,   1499. 

327.  Venezianischer  Garten.  Von  einem  unbekannten  Meister  des  16.  Jahr- 
hunderts. London,  Victoria-  und  Albert-Museum. 

328.  Villa  und  Garten  in  Venedig.  Gemälde  von  Paolo  Veronese.  Bergamo, 
Akademie  Carrara. 

329.  Ansicht  von  Rom,  mit  Vatikan  und  der  im  Umbau  befindlichen  Peters- 
kirche; links  der  Belvederegarten.  Von  Paul  Juvenel.  Früher  Wien, 
Kunsthistorisches  Museum. 

330.  Vatikan  und  Belvedere.  Kupferstich  von  Ambrogio  Brambilla,   1579. 

331.  Baumstudie.  Federzeichnung  auf  blauem  Papier  von  Leonardo  da  Vinci. 
Windsor,  Königliche  Bibliothek. 

332.  Maria  im  Walde.  Von  Fra  Filippo  Lippi.  Berlin,  Kaiser-Friedrich- 
Museum. 

333.  Leben  im  Walde.  Von  Paolo  Veronese.  Venedig,  Dogenpalast. 

334.  Christus  wird  von  Johannes  im  Walde  als  der  Heiland  begrüßt.  Von 
Jacopo  del  Seliajo(?).  Berlin,  Kaiser-Friedrich-Museum. 

335.  Gewitterlandschaft.  Von  Giorgione.  Venedig,  Palazzo  Giovanelli. 

336.  Das  Götterfest.   Von  Giovanni  Bellini.  Philadelphia,  Museum  Widener. 

337.  Konzert  im  Freien.  Von  Giorgione.  Paris,  Louvtc. 

338.  Hirt  lind  Nymphe.  Von  Tizian.  Wien,  Kunsthistorisches  Museum. 

339.  Ruhende  Venus.  Von  Tizian.  Florenz,  Uffizien. 

340.  Junge  Frau  mit  Spiegel.  Von  Giovanni  Bellini,  1 515.  (Nach  Burckhardts 
Annahme  Porträt  der  Geliebten  des  Pietro  Bembo.)  Wien,  Kunsthisto- 
risches Museum. 

341.  Frauenporträt.  Von  Desidcrio  da  Settignano.  Berlin,  Kaiser-Friedrich- 
Museum. 

342.  Florentiner  in.  Von  einem  unbekannten  Kupferstecher  des  15.  Jahrhun- 
derts. Berlin,  Kupferstichkabinett. 

343.  Florentinerin.  Von  Botticclli.  Berlin,  Kaiser-Friedrich-Museum. 

Burckhardt  43 


674  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

344.  Weibliches  Bildnis.  Von  Piero  della  Francesca.  Berlin,  Kaiser-Friedrich- 
Museuin. 

345,  346.  Mädchenbildnisse.  Ausschnitte  aus  Botticellis  „Primavera".  Flo- 
renz, Akademie. 

347.  Mädchenbildnis.  Ausschnitt  aus  Botticellis  „Geburt  der  Venus".  Flo- 
renz, Uffizien. 

348.  Mädchenbildnis.  Ausschnitt  aus  Leonardos  ,, Felsenmadonna".  Paris, 
Louvre. 

349.  Dame  mit  Fächer.  Von  Giovanni  Battista  Moroni  (?).  Museum  Olden- 
burg. 

350.  Venezianerin.  Von  Paolo  Veronese.  (Bildnis  seiner  Gattin.)  New  York. 
Metropolitan  Museum. 

351.  Kindertracht  in  der  Spätrenaissance.  Gemälde  von  Scipione  Pulzone. 
Italienischer  Privatbesitz. 

352.  353.  Szenen  atis  dem  Hofleben.  Unterhaltungen  im  Freien.  Fresken  im 
Palazzo  Borromeo  zu  Mailand. 

354.  Der  Faschingsnarr.  Ausschnitt  aus  einem  Monatsbild  des  Breviarium 
Grimani.  Miniature  aus  der  Werkstatt  des  Simon  Bening.  Venedig, 
Markusbibliothek. 

355.  Bildnis  eines  Narren.  Von  Dosso  Dossi.  Modcna,  Pinakothek. 

356.  Borso  d'Este  und  sein  Hofnarr.  Aus  einem  Fresko  von  Francesco  Cossa. 
Ferrara,  Palazzo  Schifanoja. 

357.  358.  Hofnarren  Borsos  d'Este  (in  astrologisch  gemeinter  Kostümierung). 
Aus  den  Fresken  von  Francesco  Cossa  im  Palazzo  Schifanoja  zu  Ferrara. 

359,  360.  Der  Tanz.  Fresken  in  der  Villa  Gallina  bei  Florenz.  Antonio 
Pollajuolo,  Botticclli  u.  a.  zugeschrieben. 

361.  Fratzen-Kapitell.  Pisa,  Campanile. 

362.  Groteske  Masken.  Rötelzeichnung,  Michelangelo  zugeschrieben.  Lille, 
Museum  Wicar. 

363.  Karikatur  des  Savonarola.  Angeblich  von  Leonardo  da  Vinci.  Wien, 
Albertina. 

364.  Karneval.  Zeichnung  \on  Tiepolo.  Wien,  Liechtenstein-Galerie. 

365.  Karikatur.  Von  Annibale  Carracci.  Stockholm,  Nationalmuseum. 

366.  Karikaturen.   Von  Leonardo  da  Vinci.  Windsor,  Königliche  Bibliothek. 

367.  368.  Karikaturen.  Von  einem  Schüler  Leonardos  da  Vinci.  Mailand, 
Ambrosiana. 

369.  Die  Grimasse.  Handzeichnung  von  Bernardo  Luini  (?).  London,  British 
Museum. 

370.  Die  Krüppel.  Aus  dem  Fresko  ,, Triumph  des  Todes".  Pisa,  Camposanto. 

371.  Folterung.  Aus  einem  Fresko  von  Zenale  und  Butinone.  Mailand, 
S.  Pietro  in  Gessate. 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN  675 

372.  Frauenbad.   Ausschnitt  aus  Franciabiggios  Gemälde  „Der  Uriasbrief", 
1523.  Dresden,  Gemäldegalerie. 

373.  Männerbad.  (Die  Thermen   von  Pozzuoli.)  Fresko  von  Girolamo  Mac- 
chietti.  Florenz,  Palazzo  Vecchio. 

374.  Krankenpflege.   (Die  heiligen  Cosmas  und  Damianus,  Predella  zu  Fra 
Angelicos  Hochaltar  von  San  Marco.)  Von  Pesellino.  Florenz,  Akademie. 

375.  Krankenpflege.  Aus  dem  Fries  der  sieben  Barmherzigkeiten.  Farbig  gla- 
siertes Tonrelief  von  Giovanni  della  Robbia.  Pistoja,  Ospedale  dcl  Ceppo. 

376.  377.  Hochzeitsfeierlichkeiten.    Bretter    einer     bemalten    Hochzeitstruhe, 
15.  Jahrhundert.  Venedig,  Museum  Correr. 

378.  Sposalizio.  Brett  von  einer  Hochzeitstruhe.  Vom  Meister  der  Cassoni. 
Modena,  Galleria  Estense. 

379.  Das  Brautpaar  und  die  Zeugen.  Ausschnitt  aus  obigem  Bild. 

380.  Urkunde  der  Eheschließung  des  Roberto  Sanseverino  und  der  Lucrezia 
Malvolti,   1473.  Siena,  Archiv. 

381.  382.  Hochzeit  des  Boccaccio  Adinari  und  der  Lisa  Ricasoli.  Bretter  einer 
bemalten  Hochzeitstiaihe.  Florenz,  Akademie. 

383.  Pflegerin  mit  Kind.  Aus  dem  Fries  der  sieben  Barmherzigkeiten.  Farbig 
glasiertes  Tonrelief  von  Filippo  Paladini.  Pistoja,  Ospedale  dcl  Ceppo. 

384.  Venezianisches  Schlafzimmer.  (Der  Traum  der  hl.  Ursula.)  Von  Vittore 
Carpaccio.  Venedig,  Akademie. 

385.  Venezianische  Kinderstube.  Von  Paris  Bordone.  Hannover,  Provinzial- 
museum. 

386.  Florentinischer  Innenraum,  um  1490.  Ghirlandajos  Fresko  ,, Geburt 
Mariae".  Florenz,  S.  Maria  Novella. 

387.  Vornehmes  Schlafzimmer  mit  Vorhangbett  und  großem  Kamin.  Relief 
an  Bronzetür  des  Doms  zu  Pisa,  ,, Geburt  Mariae",  von  Schülern  Gio- 
vannis da  Bologna,   1602. 

388.  Venezianische  Kurtisanen  auf  einem  Balkon.  Gemälde  von  Vittore  Car- 
paccio. Venedig,  Museum  Correr. 

389.  Zwei  Frauen  auf  einem  Balkon.  Ausschnitt  aus  dem  Gemälde  ,, Der  heilige 
Sebastian",  von  Antonello  da  Messina.  Dresden,  Gemäldegalerie. 

390.  391.  Florentiner  Eßbesteck  und  Vorlegemesser.  Aus  der  Sammlung  Car- 
rand.  Florenz,  Nationalmuseum. 

392.  Renaissance-Schmuck.  Aus  der  Sammlung  Carrand.  Florenz,  National- 
museum. 

393.  Entwurf  zu  einem  Salzfaß.    Von  Benvenuto  Cellini.  Florenz,  Uffizien. 

394.  Entwurf  zu  einem  Kamin.  Von  Amico  Aspertini.  Wien,  Albertina. 

395.  Benvenuto  Cellini.   Kupferstich  von  Francesco  Allegrini. 

396.  397.  Schmied  und  Töpfer.  Reliefs  am  Glockenturm  des  Florentiner  Doms. 
398.  Bronze-Kandelaber.  Von  Riccio  (?).  Padua,  S.  Giorgio. 

43» 


QyG  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 

399.  Bildnis  eines  Schneiders.  Von  Giovanni  Battista  Moroni.  London,  Na- 
tionalgalerie. 

400.  Bildnis  eines  Schneiders.  Von  Parmeggianino.  Neapel,  Nationalmuseum. 

401.  Die  Weberinnen.  (Die  drei  Parzen.)  Au.s  den  Fresken  Francesco  Cossas 
im  Palazzo  Schifanoja  zu  Ferrara. 

402.  Webstuhl.  (Odysseus  und  Penelope.)   Gemälde  von  Pinturicchio.  Lon- 
don, Nalionalgalerie. 

403.  Wollweberei.  Von  Mirabelle  Cavalori. 

404.  Kanonengießerei.  Von  Francesco  Poppi. 

405.  Goldschmiedewerkstatt.  Von  Alessandro  Fei. 

406.  Glaswarenfabrik.    Von    Giovanni    Maria   Butteri.    Fresken   im    Palazzo 
Vecchio  zu  Florenz. 

407.  Der  Künstlerschmaus.   Von  Giovanni  Manozzi  da  San  Giovanni.  Flo- 
renz, Uffizien. 

408.  Leonardo  da  Vinci.   Selbstbildnis.    Rötelzeichnung.   Turin,   Königliche 
Bibliothek. 

409.  Leon  Battista  Alberti.  Bronzemedaille  von  Antonio  Pisano  oder  seinem 
Schüler  Matteo  de'  Pasti.  Paris,  Louvre. 

410.  Michelangelo.  Radierung  eines  unbekannten  Meisters  des  16.  Jahrhun- 
derts. Berlin,  Kupferstichkabinett. 

411.  Luca  Signorelli,  Selbstbildnis.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  im  Dom  zu 
Orvieto. 

412.  Andrea  Verocchio.  Von  Lorenzo  di  Credi.  Florenz,  Uffizien. 

413.  Filippo  Brunelleschi  (Brunellesco).   Relief  von  Buggiano   am  Dom  zu 
Florenz. 

414.  Andrea  Mantegna.  Bronzebüste,  angeblich  von  Cavalli.  Mantua,  Sant' 
Andrea. 

415.  Fra  Angelico.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  von  RafTael.  Rom,  Vatikan. 

416.  Bramante.  Als  Prophet  Joel.  Ausschnitt  aus  einem  Fresko  von  Michel- 
angelo. Rom,  Sixtina-Kapelle. 

417.  Giuliano  da  Sangallo.  Von  Piero  di  Cosimo.  Museum  im  Haag. 

418.  Giovanni  Bellini.  Selbstbildnis.  Rom,  Capitolinisches  Museum. 

419.  Giorgione.   Selbstbildnis.  Florenz,  Uffizien. 

420.  Tizian.  Selbstbildnis.  (Ausschnitt.)  Madrid,  Prado. 

421.  Raffael.  Selbstbildnis.  Florenz,  Uffizien. 


ANMERKUNG 


Der  dieser  Ausgabe  beigegebene  Bilderatlas   (bestehend  aus  421  Kupfertief- 
drucken) hat  im  Großen  folgende  Gliederung: 


I.  Städte   und   Herrscher   der   Re- 
naissance (Abb.  I— 128) 

1.  Tyrannien    und    Dynastien 
(Abb.  1-63) 

2.  Condottieren,    Heerführer, 
Kriegswesen  (Abb.  64—96) 

3.  Die  Republiken  Florenz   und 
Venedig  (Abb.  97—128) 

n.  Kaiser,  Könige,  Päpste  (Abb.  129 
bis  159) 

1.  Die  Herrscher  (Abb.  129—139) 

2.  Rom  (Abb.  140 — 148) 

3.  Die  Päpste  (Abb.  149—159) 

in.  Die  Kirche  (Abb.  160—182) 

1.  Rehgion  (Abb.  160—173;  vgl. 
Abb.  1 1 2) 

2.  Aberglauben  (Abb.  174—182) 

IV.  Wissenschaft  und  Literatur 
(Abb.  183-255) 

1.  Forschung  (Abb.  183 — 192) 

2.  Die  Gelehrten  (Abb.  193—203) 

3.  DieBibliotheken(Abb.204— 212) 

4.  Dichter  und    Literaten   (Abb. 

213-255) 

5.  Wiedergeburt  der  Antike  (Abb. 
256 — 285;  hierzu  vgl.  auch  noch 


Abb.  67—70,  85,  86  und  140 
bis  142) 
V.  Triumphzug,   Theater,   Musik, 
Turnier  (Abb.  273—312) 

1.  Triumphzug  (Abb. 273— 288; 
vgl.  Abb.  57,  58) 

2.  Theater  (Abb.  289—300) 

3.  Musik   (Abb.  301—308;   vgl. 
Abb.  337,  338) 

4.  Turnier  (Abb.  309—312) 
VI.  Die  Entdeckung  derNaturschön- 

heit  (Abb.  313-353) 

1.  Das  Tier  (Abb.  313—325) 

2.  Die  Landschaft   (Abb.  324 
bis  338) 

3.  Die  Frau  (Abb.  337-353) 
VII.  Die  Entdeckung  der  Häßlich- 
keit (Abb.  354-371) 

VIII.  Privatleben  (Abb.  372—389) 

1.  Pflege  des  Körpers  (Abb.  372 

bis  375) 

2.  Ehe  (Abb.  376—383) 

3.  Wohnung  (Abb.  384—389) 
IX.  Gewerbe  und  Kunstgewerbe 

(Abb.  390—406) 
X.  Die  Künstler  (Abb.  407— 421) 


6^8  "  ANMERKUNG 

Da  der  Bilderatlas  genau  so  komponiert  ist  wie  ein  Buch  mit  fortlaufendem 
Text,  überschneiden  sich  die  einzelnen  Gruppen,  gestatten  eine  andere  Ein- 
teilung, gehen  unmerklich  ineinander  über.  —  Aus  dem  hier  gebotenen  Ma- 
terial ließe  sich  eine  Reihe  anderer  Gruppen  zusammenstellen:  zum  Beispiel 
„Mode".  Es  kämen  hier  vor  allem  folgende  Abbildungen  in  Betracht:  9,  12, 
14,  16,  18,  19,  21,  22,  38,  60,  64,  83,  113-119,  128,  150,  151,  159,  187,  189, 
198-200,  220--223,  226,  247,  248,  260,  261,  342,  349-353>  356,  358,  379-383. 
386-^388,  399,  401,  402  usw.  —  Mit  diesem  Beispiel  soll  angedeutet  sein,  daß 
der  Bilderanhang  eine  größere  Vollständigkeit  in  sich  trägt,  als  der  durch  die 
Kolumnentitel  angezeigte  Verlauf  beim  ersten  Durchblättern  zu  erkennen  gibt. 


Die  Photographien,  die  unseren  Kupfertiefdrucken  zugrunde  liegen, 
stammen  aus  folgenden  Qiiellen: 

Alinari,  Florenz:  2,  7,  9,  10,  13,  24—26,  40,  42,  62,  64,  71,  105,  112,  117, 
"8,  i34>  i35>  i5o>  i65>  168,  170—172,  204,  213,  227,  239,  241,  266,  317, 

339>  35 1>  375>  S^S-  407=  409>  412. 
Anderson,  Rom:  i,  5,  6,  27,  35-39,  43,  45,  46,  75,  84,  108,  115,  138,  139, 

141,  i47>  i57>  160,  173,  174,  178,  190,  197,  225,  250,  255,  274,  355,  369. 
Braun,  Paris:  12,  90,  92,  192,  282,  283. 
Giraudon,  Paris:  284,  337. 
Hanfstaengl,  München:  136. 
Kunsthistorisches  Seminar,  Marburg:  264. 
Montabone,  Mailand:  21,  328. 
Sidviati,  Venedig:  68,  205. 
Weinwurm,  Budapest:  114. 
Wolfrum,  Wien:  18,  240,  329,  338,  340. 

Für  die  übrigen  Abbildungen  wurden  offizielle  Photographien  der  Museen, 
private  Neuaufnahmen  und  das  eigene  große  Lichtbildarchiv  verwendet.  Die 
ebenso  bequeme  wie  unzulängliche  Methode,  Abbildungen  nach  gedruckten 
Abbildungen  (statt  nach  Originalphotographien)  herzustellen,  haben  wir  durch- 
wegs vermieden. 

Ph.V. 


VERZEICHNIS  DER  STANDORTE 
UND  DER  KÜNSTLER 


VERZEICHNIS  DER  STANDORTE 


Altenburg:  Museum  34 

Assist:  Unterkirche  S.  Francesco  160 

Bergamo:  Akademie  Carrara  21,  83, 

201,  219,  322,  328 
Berlin:  Altes  Museum  262 

Kaiser-Friedrich-Museum  124,  291, 

332,  334.  341.  343>  344 
Kupferstichkabinett  200,  210,  214, 

342,  410 
Bologna:  S.  Giacomo  Maggiore  9,  1 1, 

73 
S.  Pietro   198 
Budapest:  Museum  der  schönen  Kün- 
ste 114 

Caprarola:  Palazzo  Famese  138 
Chatsworth:   Sammlung  des  Herzogs 
von  Devonshire  156 

Dresden:    Gemäldegalerie    324,   372, 
389 

Ferrara:  Dom  170 
Kastell  2 
Palazzo  Schifanoja  286 — 288,  356, 

357.  358.  401 
Florenz:  Akademie  301,  345,  346,  374, 

381,  382 
Baptisterium  loi 
Biblioteca  Laurenziana  206 
Borgo  degli  Albizzi  238 
Campanile  224 


Florenz:  Dom  65,  66,  144,  169,  218, 

396,  397.  413 
Loggia  de'Lanzi  62 
Museo  Bandini  39 
Museo  di   Sant'Apollonia   81,   82, 

220,  221 
Museo  di  San  Marco   161 — 163 
Nationalmuseum   42,    50 — 55,    80, 

86,  93—95.   129,  237,  263,  280, 

316,  317,  390—392 
Palazzo  Medici-Riccardi  99 
Palazzo  Pitti  59,  60,  154,  155,  247, 

249.  305 
Palazzo  Vecchio  88,  89,  102 — 104, 

130.   183,  309.  373.  403—406 

S.  Ansano  278 

S.  Maria  del  Carmine  239 

S.  Maria  del  Fiore  302 

S.  Maria  Novella  225,  386 

S.  Trinitä  227 

Societä  Colombaria  234 

Uffizien  10,  23,  40,  56—58,  76—79, 
100,  135,  137,  182,  188,  190,  202, 
228—231,  235,  236,  241,  266,  279, 

339.  347.  393.407.412,419,421 
Villa  Gallina  359,  360 
Forli:  Pinakothek  84 

Haag:  Museum  417 

Hampton  Court:  Galerie  282,  283 

Hannover:  Provinzialmuseum  3B5 


582  VERZEICHNIS  DER  STANDORTE 

Jesi:  Bibliothek  323 
Konstantinopel:  Museum  85 


Lille:  Museum  Wicar  362 
London:  British  Museum  91,  369 
Nationalgalerie  87,   96,    119,    126, 
194,    226,    259—261,    275,    298, 
300,  308,  310,  314,  399>  402 
Victoria-   u.   Albert-Museum   265, 

327 

Madrid:  Prado  14,  255,  420 
Mailand:   Ambrosiana   43,   46,    367, 
368 

Archäologisches  Museum  5 

Brera  24,  25,   125,  203 

Palazzo  Borromeo  352,  353 

Sammlung  Trivulzio  27 

S.  Pietro  in  Gessate  371 

Sforza-Kastell  28 — 33 
Mantua:  Castello  di  Corte  35—38 

Sant'Andrea  414 
Modena:  Estensische  Galerie  13,  378, 

379 
Pinakothek  355 

München:  Ältere  Pinakotliek  131,315 

Neapel:  Castel  Nuovo  3,  274 
Museum  S.  Martino  97 
Nationalmuseum  45,  67,  157,  158, 
187,  213,  400 
New  York:  Metropolitan-Museum  15, 
48,   189,  350 
Privatbesitz   116 

Oldenburg:  Museum  349 
Orvieto:  Dom   174,  411 
Oxford:  Sammlung  Taylor  192 

Padiia:   Palazzo  dclla   Ragionc   184, 
185 
Piazza  dcl  Santo  69,  72 


Padua:  S.Antonio  165,  290 
S.  Giorgio  398 

Paris:  Louvre  10,  20,  22,  44,  74,  122, 
123,  i34>  232,  248,  257,  267,  284, 
285,    307,    312,    319,    337,   348, 

409 
Nationalbibliothek   132,    133 

Sammlung  Armand  90 

Sammlung  Dreyfus  12 
Pavia:  Kartause  26 
Pergamon:  Zeustempel  264 
Perugia:  Pinakothek  i 

S.  Bernardino  303 
Philadelphia:   Museum  Widener  336 
Pisa:  Campanile  361 

Camposanto  313,  370 

Dom  171,  387 
Pistoja:  Ospedale  del  Ceppo  375,  383 

S.  Domenico  199 
Prag:  Sammlung  Lanna  127 

Richmond:  Sammlung  Cook   16 
Rimini:  Kathedrale  8 

Malatestatempel  7 
Rom:   Capitolinisches  Museum  418 

Engelsburg  141 

Galerie  Borghcse  222 

Galerie  Colonna  181,  289 

Galerie  Doria  180,  250 

Museo  Petriano  145,   147 

Palazzo  Barberini  246 

Palazzo  Doria  325 

Peterskirche   146,   148,   152,  304 

Sixtina-Kapelle  75,  153,  176,  272, 
416 

Titusbogen  273 

Triumphbogen  271 

Vatikan  17,  47,  61,  128,  150,  151, 
159,  209,  216,  217,  233,  256,  415 

\'ia  Appia   140 

Villa  Farnesina  258 


VERZEICHNIS  DER  STAhfDORTE 


Siena:  Akademie  276,  277,  281 

Archiv  380 

Dom  106,   172,   173 

Dombibliothek  149,  223 

Libreria  Piccolomini  207 

Palazzo  Publico  64,   105 
Stockholm:  Nationalmuseum  365 

Turin:  Königliche  Bibliothek  408 
Palazzo  Reale  318 

Urbino:   Herzogspalast  299 

Venedig:    Akademie    108 — 112,    115, 
121,   166 — 168,   178,  384 
Dogenpalast  107,   120,  333 
Markusbibliothek  205,  354 
Markuskirche  68 


683 

Venedig:  Museum  Correr   117,    118, 

376,  377.  388 

Palazzo  Giovanelli  335 

Piazza  dcl  Santo  70,  71 

S.  Giorgio  de'  Schiavoni   179,   197 
Verona:   Palazzo  Ridolfi   139 

Scaligergräber  4,  6 
Vicenza:  Teatro  Olympico  297 

Wien:  Akademie  306 
Albertina  49,    175,  208,  215,  321, 

363,  394 
Kunsthistorisches  Museum  18,  113, 

240,  329>  338,  340 
Liechtensteingalerie  364 
Sammlung  Graf  Wilczek   196 
Windsor:  Castle   136 

Königliche  Bibliothek  63,  92,   177, 

186,   191,  320,  331,  366 


VERZEICHNIS  DER  KÜNSTLER 


Agostino  di Duccio  (Florenz,  1 4 1 8 — 8 1 . 
Tätig  in  Modena,  Rimini,  Perugia) 

303 

Allegrini,    Francesco    (geb.     1587    in 

Gubbio,  gest.  1663  in  Rom.  Schüler 
des  Cavaliere  d'Arpino)   395 

Alunno,  Niccolö  (Niccolo  di  Libe- 
ratore  da  Foligno.  1430 — 1502) 
181 

Antonelloda  Messina  (J^  1430 — 1479. 
Unter  flämischem  und  veneziani- 
schem Einfluß)   194,  389 

Aspertini,  Amico  (Bologna,  1475 
bis  1552.  Schüler  des  Francesco 
Francia.  —  Maler  und  Bildhauer) 
394 

Barbari,  Jacopo  de'  (geboren  vor  1450 
in  Venedig,  lebte  seit  1 500  in  Nürn- 
berg, Wittenberg,  Frankfurt  unter 
dem  Namen  Jakob  Walch;  starb  als 
Hofmaler  der  Statthalterin  Marga- 
rethe  in  Brüssel.  Einfluß  auf  Dürer. 
—  Maler,  Kupferstecher,  Holz- 
schneider)   187,  315 

Fra  Bartolommeo  (Bartolommeo  del 
Fattore,  auch  Baccio  della  Porta. 
Florenz,  1472 — 151 7.  Dominikaner- 
mönch, Freund  des  Savonarola) 
161,   162 

Bassano,  Jacopo  (Jacopo  da  Ponte. 
Venedig,   15 15— 1592)  325 


Bassano,  Leandro  (Venedig,  1551  bis 
1622.  Schüler  seines  Vaters  Jacopo 
Bassano)    1 1 1 

Bastiani,  Lazzaro  siehe  Sebastiani 

Bellini,  Gentile  (Venedig,  ±  1429  bis 
1507.  Schüler  seines  Vaters  Jacopo. 
Unter  dem  Einfluß  seines  Schwa- 
gers Mantegna)  109,  112,  114, 
115,  116,  117,  118,  119,  122, 
126,   168 

Bellini,  Giovanni  (Venedig,  geb.  nach 
1430,  gest.  1516.  Lehrer  Palma 
Vecchios  Giorgiones,  Tizians)   125, 

336,  340>  418 

Bellini,  Jacopo  (Venedig,  Verona,  Fer- 
rara,  Padua,  ±  1400 — 1470.  Vater 
des  Gentile  und  Giovanni  Bellini, 
Schwiegervater  des  Mantegna)  312 

Bening,  Simon  (Buchmaler  aus  Gent, 

1483— 1561)  354 

Bertoldo  di  Giovanni  (Florenz,  -^  1420 
bis  1491.  Bildhauer  und  Denkmün- 
zenkünstler. Schüler  des  Donatello 
und  Lehrer  des  Michelangelo)  86 

BoÜraffio,  Antonio  (Mailand,  1467  bis 
15 16.  Schüler  Leonardos  da  Vinci) 

27>  43 
Bfujonfigli,  Benedetto  (Perugia,   um 

1420 — 1496)    I 

Bonsignori,  Francesco  (Verona,  1455 

bis    15 19.    Seit    1495   am   Hof  der 

Gonzaga  in  Mantua)  40,  49 


686 


VERZEICHNIS  DER  KÜNSTLER 


Bordone,  Paris  (Venedig,  Schüler  Ti- 
zians. Geb.  Treviso  1500,  gest.  1571. 
Tätig  auch  in  Paris  und  Augsburg) 

"0,  385 
Botticelli  (Sandro  di  Mariano  Filipcpi. 
Florenz,  geb.  nach  1444,  gest.  15 10. 
Unter  dem  Einfluß  von  Fra  Filippo 
Lippi,  Antonio  Pollajuolo  und  Ver- 
rocchio)  153,  182,  214,  216,  217, 
232,  260,  272,  343,  345,  346,  347, 

359>  360 

Boulogne,  Jean  siehe  Giovanni  (da 
Bologna) 

Bramante,  Donaio  (geb.  um  1444, 
gest.  1 514  in  Rom.  Unter  dem  Ein- 
fluß von  Piero  della  Francesca  und 
Mantcgna  als  Maler  ausgebildet. 
Tätig  als  Architekt  in  Rom)  188 

Brambüla,  Amhrogio  (Kupferstecher 
des  16.  Jahrhunderts,  Rom)  330 

Brunelleschi,  Filippo  (Brunellcsco. 
Baumeister;  auch  Goldschmied  und 
Plastiker.  Florenz,  1377 — 1446)  144 

Brusasorci  (Domenico  del  Riccio.  Ve- 
rona,  1493— 1567)    139 

Buggiano  (Andrea  Cavalcanti.  Schü- 
ler des  Brunelleschi;  Florenz,  14 12 
bis   1462.  Bildhauer)  413 

Butten,  Giovanni  Maria  (Florenz, 
±  1 540 —  1 606.  Mitarbeiter  des  Ales- 
sandro  Allori)  406 

Caroio,  Gian  Francesco  (Verona, 
±  1480— 1555)  59,  60 

Carpaccio,  Vittore  (Scorpazza.  Vene- 
dig, Schüler  des  Gcntilc  Bcllini. 
Geb.  ±  1455,  gest.  1525)  108,  121, 
123,  166,179,197,202,298,384,388 

Carracci,  Annibale  (Bologna,  1560  bis 
1609.  Unter  dem  Einfluß  von  Mi- 
chelangelo, RafTacl  und  Corrcggio. 


Mit  Lodovico  und  Agostino  Car- 
racci Begründer  der  Accademia  de- 
gli  Incamminati,  Akademie  der 
„Fortschreitenden"  in  Bologna)  365 

Castagno,  Andrea  del  (Florenz,  1423 
bis  1457.  Unter  dem  Einfluß  von 
Masaccio  und  Donatello)  65,  81, 
82,  220,  221 

Cavalli  (Mantua,  um   1500)  414 

Cavalori,  Mirabello  (Mirabello  da 
Salincorno.  Florenz,  gest.  1572)  403 

Cellini,  Benvenuto  (Florenz,  1500  bis 
1572.  Goldschmied  und  Bildhauer. 
Seine  Selbstbiographie  wurde  von 
Goethe  übersetzt)  317,  393 

Cima  (Giovanni  Battista  da  Cone- 
gliano.  Haupttätigkeit  in  Venedig. 
Unter  dem  Einfluß  Giovanni  Bel- 
linis.  Geb.  ±  1459;  g^st.  vor  1518) 
124 

Cimabue  (Cenno  di  Pepe.  Florenz, 
±  1240 — 1303)   160 

Clouet,  Jean  (Hofmaler  Franz'  I.  von 
Frankreich.  Gest.  1540)  134,  135 

Conti,  Bernardino  de'  (Mailand.  Schü- 
ler Leonardos  da  Vinci.  Haupt- 
tätigkeit   1496— 1522)    24,    25,    47 

Coltellini,  Girolamo  (Bologna,  16. 
Jahrhundert)    198 

Cosimo,  Piero  di  (Florenz,  1462  bis 
1521.  Schüler  des  Cosimo  Rosselli, 
unter  dem  Einfluß  des  Leonardo  da 
Vinci  weitergebildet)  35,  75,  259, 
417 

Cossa,  Francesco  del  (Schule  von 
Ferrara.  Geb.  Ferrara  ±  1435,  gest. 
Bologna  1477)  286—288,  356,  401, 

357,  358 
Costa,     Lorenzo    (Ferrara,    Bologna, 

Mantua;   zur  Schule  von   Ferrara 

gehörig,    unter    dem    Einfluß    von 


VERZEICHNIS  DER  KÜNSTLER 


687 


Cosme  Tura  und  Ercole  de'  Ro- 
bert!. Geb.  Ferrara  1460,  gest. 
Mantua   1535)  9,   12 

Credi,  Lorenzo  di  (Lorenzo  di  Andrea 
d'Origo.  Florenz,  1459 — 1537.  Schü- 
ler des  Verrocchio,  beeinflußt  von 
seinem  Mitschüler  Leonardo  da 
Vinci)  412 

Cre;KOMfl,GtVo/flwoia  (Büchermaler  des 
15. Jahrhunderts  aus  Cremona,  Mit- 
arbeiter des  Liberale  da  Verona)  207 

Cristoforo,  Gian,  siehe  Romano 

Donatello  (Donato  di  Niccolö  di  Betto 
Bardi.  Florenz,  1386 — 1466.  Auch 
in  Siena,  Rom  und  Padua  tätig)  62, 
69,   72,  80,  224,  290 

Dosio,  Giovanantonio  (Rom,  Bild- 
hauer, 1533 — 1609.  Von  ihm  ein 
Werk  über  die  Altertümer  Roms, 
33  Kupferstiche)  268 

Dosso  Dossi  (Giovanni  di  Niccolö 
Lutero.  Ferrara,  Schüler  Lorenzo 
Costas,  beeinflußt  von  Tizian,  1479 
bis  1542.  Tätig  auch  in  Florenz  und 
Venedig)   13,  355 

Enzola,  Gian  Francesco  (Medailleur 
aus  Panna.  Tätig  um  1456 — 75, 
hauptsächlich  für  die  Sforzas  in 
Mailand)  50,  51 

Fei,  Alessandro  (Alcssandro  del  Bar- 
biere. Florenz,   1543— 1592)  405 

Francia,  Francesco  (Francesco  Raibo- 
lini.  Bologna,  1450 — 1517-  Ur- 
sprünglich Goldschmied.  Unter  dem 
Einfluß  von  Lorenzo  Costa  und 
Raffael)  48,  215 

Franciabigio  (Francesco  di  Cristofano 
Bigi.  Florenz,  1482? — 1525.  Unter 


dem  Einfluß  von  Piero  di  Cosimo 
und  Andrea  del  Sarto)   372 

Ghiberti,  Lorenzo  di  Cione.  (Florenz, 
1381  — 1455-  Goldschmied,  Erz- und 
Reliefbildner.  Als  Verfasser  der 
,, Kommentare"  Vater  der  neueren 
Kunstgeschichte)    loi 

Ghirlandajo,  Domenico  (Domenico  di 
Tommaso  Bigordi.  Florenz,  1449 
bis  1494.  Schüler  des  Baldovinetti; 
unter  dem  Einfluß  von  Castagno 
und  Verrocchio)  142,  225,  227,  386 

Ghirlandajo,  Ridolfo  (Sohn  und  Schü- 
ler des  Domenico  Ghirlandajo.  Un- 
ter dem  Einfluß  des  Fra  Bartolom- 
meo  und  Raff'ael.  Florenz,  1483  bis 
1561)   226 

Giorgione  (Giorgio  Barbarelli.  \'ene- 
dig.  Geb.  zu  Castelfranco  um  1478, 
gest.  Venedig  1510.  Schüler  des 
Giovanni  Bellini)  83,  96,  335,  337, 

419 
Giovanni  da  Bologna  (Jean  Boulogne 

von  Douai,   1528 — 1608.  Seit  1553 
in  Florenz,  im  Dienste  der  Medici, 
Bildhauer)  316,  387 
Girolamo  da  Cremona  siehe  Cremona 
Gozzoli,  Benozzo  (Benozzo  di  Lese  di 
Sandro.  Florenz,  1420 — 1498.  Gold- 
schmied, Erzbildner  und  Maler.  Tä- 
tig auch  in  Rom,  Montefalco  und 
Pisa)  99 
Granacci,  Francesco  (Francesco  d'An- 
drea.  Florenz,  1477 — 1543.  Schüler 
des  Domenico  Ghirlandajo,  unter 
dem  Einfluß  von  Fra  Bartolommeo 
und  Raff'ael)    137 

Holbein,  Hans,  d.  J.  (geb.  in  Augsburg 
um   1497,  gestorben  als  englischer 


688 


VERZEICHNIS  DER  KÜNSTLER 


Hofmaler  in  London  1543.  Zeit- 
weilig auch  in  Basel  und  vermutlich 
in  Obcritalien  tätig)    136 

Juvenel,  Paul  (geb.  Nürnberg  1578, 
gest.  Preßburg  1643)  329 

Laurana,  Francesco  (Aus  Lovrana  bei 
Zara.  Schüler  des  Brunelleschi  oder 
des  Agostino  di  Duccio.  Tätig  in 
Süditalien,  Riinini,  Urbino  und  in 
Frankreich.  Bildhauer  und  Denk- 
münzenkünstler) 274 

Laurana,  Luciano  (geb.  in  Lovrana 
bei  Zara,  um  1420,  Verwandter  des 
Francesco  Laurana;  gest.  1479  in 
Pesaro.  Haupttätigkeit  als  Archi- 
tekt in  Urbino)   291 

Leonardo  da  Vinci  (Florenz.  Geb. 
1452  in  der  Villa  Ancliiana  bei 
Vinci,  gest.  15 19  auf  Schloß  Cloux 
bei  Amboise.  Baumeister,  Bild- 
hauer, Maler,  Ingenieur.  Schüler 
des  Verrocchio.  Haupttätigkeit  in 
Florenz,  Mailand,  Rom;  Hofmaler 
Franz'  L  von  Frankreich)  20,  63, 
90>  91.  92,  186,  190,  191,  318,  320, 
33i>  348>  363>  366,  408;  46,  367,  368 

Liberale  da  Verona  (Verona,  1445 
bis  it  1528.  Zuerst  Buchmaler  in 
Siena,  dann  Fresken  und  Tafel- 
gemälde in  Verona)  300 

Lionardo  da  Vinci,  siehe  Leonardo 

Lifpi,  Filippino  (Florenz,  ^t  1457  bis 
1504.  Schüler  seines  Vaters  Fra  Fi- 
lippo  Lippi,  des  Fra  Diamante  und 
des  Botticelli)  239 

Lippi,  Fra  Filippo  (Filippo  di  Tom- 
maso  Lippi.  Florenz,  1406 — 1469. 
Unter  dem  Einfluß  von  Masaccio 
und  Fra  Angclico)  332 


Lorch,  Melchior  (Lorich,  1527  bis  nach 
1590.  Maler  und  Kupferstecher,  tä- 
tig auch  in  Dänemark  und  in  der 
Türkei)   127 

Lotto,  Lorenzo  (Venedig,  J;  1480  bis 
1556.  Schüler  des  Giovanni  Bellini) 

323 
Luini,     Bernardino    (Mailand;    geb. 

nach    1480  zu   Luino,   gest.    1532. 

Nachfolger    Leonardos    da    Vinci) 

28—33,  369 

Macchietti,  Girolamo  (Florenz,  ±1541 

bis  1592)  373 

Manozzi  (Giovanni  da  San  Giovanni. 
Rom  und  Florenz,  1590 — 1636)  407 

Mantegna,  Andrea  (Padua,  1431  bis 
1506.  Schüler  des  Sgnarcione,  unter 
dem  Einfluß  von  Donatello  und  Ja- 
copo  Bellini.  Tätig  in  Padua,  Man- 
tua,  Verona,  Florenz,  Rom)  35,  36, 
37,  38,  208,  282,  283,  257 

Mariotto,  Bernardino  di  (auch  di 
Nardo;  Nachfolger  des  Giotto.  Flo- 
renz,  14.  Jh.)   203 

Martini,  Simone  (geboren  ±  1283  in 
Siena,  gestorben  1344  in  Avignon. 
Nachfolger  des  Duccio  da  Buoin- 
segna  in  Siena)  64 

Meister  der  Cassoni  (Florenz,  Mitte 
des  15.  Jahrhunderts)  275,  378,  379 

Meister  der  Pala  Sforzesca  (Mailand, 
tätig  um  1480 — 1520.  Sein  Haupt- 
werk, das  Altarbild  von  1495  — 
Pala  Sforzesca  —  wurde  von  Mo- 
relli  dem  Bernardino  de'  Conti  zu- 
geschrieben)  24,  25 

Melozzo  da  Forli  (Mclozzo  degli 
Ambrosi.  Forll,  1438 — 1494.  Schü- 
ler des  Picro  dclla  Francesca  und 
des  Justus  van  Gent)   151,  233 


VERZEICHNIS  DER  KÜNSTLER 


Michelangelo  (Michelangelo  Buonar- 
roti.  Geb.  1475  zu  Castel  Caprese. 
Gest.  1564  in  Rom.  Schüler  des 
Ghirlandajo  und  Bertoldo  in  Flo- 
renz. Baumeister,  Bildhauer,  Maler, 
Dichter)  145,  146,  176,  177,  206, 
267,  263,  265,  362,  416 

Michelino,  Domenico  di  (Florenz, 
15.  Jh.  Schüler  des  Fra  Angelico) 
201,  218 

Michelozzo  di  Bariolommeo  (Florenz, 
1396 — 1472.  Bildhauer  und  Bau- 
meister. Nachfolger  des  Brunel- 
leschi,  Mitarbeiter  des  Donatello) 
204 

Miretto,  Giovanni  (Padua,  um  1420) 
184,   185 

Monogrammist  M.  H.  (Toskana,  15. 
Jh.)   196 

Morone,  Domenico  (Verona,  1442  bis 
nach  1508.  Unter  dem  Einfluß  von 
Mantegna  und  Gentile  Bellini)  310, 

3" 
Moroni,    Giovanni    Battista    (Schule 
von    Bergamo,     geb.     nach    1520, 
gest.   1578.  Schüler  Morettos)  349, 
399 

Niccolö  di  Forzore  Spinelli  (Niccolo 
Fiorentino.  Tätig  um  1485 — 1514) 
52,  53>   164 

Paüadio,  Andrea  (Vicenza,  15 18  bis 
1580.  Baumeister)   297 

Palma  Vecchio  (Jacopo  d'Antonio 
Negretti.  Venedig,  1480 — 1528. 
Schüler  Giovanni  Bellinis)  324 

Palmezzano,  Marco  di  Antonio  (geb. 
zu  Forli  1456,  gest.  1538  (?).  Unter 
dem  Einfluß  Melozzos  da  Forli  und 
der  Schule  von  Ferrara)  84 

Burckhardt 


689 

Parentino,  Bernardo  (Parenzano.  Pa- 
dua,  1437— 1531)    180 

Parmegfgjianino  (Francesco  Mazzola. 
Parma,  1503 — 1540.  Unter  dem 
Einfluß  Correggios  und  Raffaels) 
400 

Passerotti,  Bariolommeo  (Bologna, 
i  1530 — i592.SchülerTaddeoZuc- 
chcros;  unter  dem  Einfluß  Micliel- 
angelos  und  Correggios)    192 

Pasti,  Matteo  de'  (Verona,  gestorben 
1468.  Schüler  Pisanellos.  Architekt, 
Bildhauer,  Maler.  Genosse  des  Leon 
Battista  Alberti  in  Rimini)  279, 
409 

Pesellino  (Francesco  di  Stefano.  Flo- 
renz,  1422— 1457)   219,  374 

Francesca,  Piero  dclla  (Piero  dci 
Franceschi.  Umbrische  Schule. 
Haupttätigkeit  in  Borgo  San  Se- 
polcro,  Rom,  Urbino.  1416? — 1492) 

7,  56,  57>  58,  344 

Pinturicchio,  Bernardo  (Bemardino  di 
Betto  Biagio.  Perugia,  J^  i455  bis 
1513.  .Arbeitsgenosse  Peruginos  in 
Rom)    17,  128,   149,   150,  223,  402 

Piombo,  Sebastiano  del  (Sebastiano 
di  Francesco  Luciani.  Venedig, 
1485 — 1547.  Schüler  Giovanni  Bel- 
linis, unter  dem  Einfluß  von  Gior- 
gione  und  Michelangelo)  156,  157, 
189 

Pisanello  (Antonio  Pisano;  von  Va- 
sari  fälschlich  Vittore  P.  genannt. 
Verona,  i398(?)— 1455(?).  Me- 
dailleur und  Maler)  21,  22,  54,  55, 
314,  319,  409 

Pitati,  Bonifazio  (aus  Verona,  1487 
bis  1533.  Schule  des  Palma  Vecchio; 
Haupttätigkeit  in  Venedig  306 

Pollajuolo,    Antonio   del   (Antonio  di 

44 


690 

Jacopo  Benci.  Florenz,  1429 — 1498. 
Goldschmied,  Erzbildner,  Kupfer- 
stecher, Maler.  Tätig  auch  in  Rom) 

23>  152,  304,  359>  360 

Pontornio  (Jacopo  Carrucci.  Florenz, 
1494 — 1557.  Gehilfe  des  Andrea  del 
Sarto,  Mitarbeiter  Bronzinos;  un- 
ter dem  Einfluß  Dürers  und  Michel- 
angelos) 307 

Poppt,  Francesco  da  (Francesco  Mo- 
randini.  Florenz,  1544 — 1587.  Schü- 
ler Vasaris)  404 

Pulzone,  Scipione  (aus  Gaeta,  ca. 
1 550  bis  ca.  1 588.  Schule  von  Neapel. 
Besonders  Bildnismaler)  351 

Raffael  (Raffacllo  Santi.  Geb.  1483 
zu  Urbino,  gest.  1520  zu  Rom)  61, 
i54>  I55>  i59>  248,  250,  255,  256, 
258,  41 5>  421 

Rtccio  (Andrea  Briosco.  Padua,  1470 
bis  1532.  Enkelschüler  des  Dona- 
tello.  Berühmt  als  Bronze-Klein- 
bildner) 398 

Rizo,  Francesco  da  Santa  Croce  (geb. 
bei  Bergamo,  Geburtsjahr  unbe- 
kannt, gest.  1508  in  Venedig.  Schü- 
ler des  Giovanni  Bellini;  unter  dem 
Einfluß  Giorgiones)  322 

Robbia,  Giovanni  della  (Florenz, 
1469 — 1529.  Schüler  seines  Vaters 
Andrea  della  Robbia.  Beeinflußt 
von  Verrocchio  und  Pcrugino. 
Hauptwcikc:  farbig  glasierte  Terra- 
kotta) 375,  383 

Robbia,  Luca  della  (Florenz,  1400 
bis  1482.  Bildhauer,  unter  dem  Ein- 
fluß von  Ghibcrti)i29,  302 

Roberti,  Ercole  de  (Fcrrara,  1450  (?) 
bis  1496.  Unter  d<-m  Einfluß  des  Ja- 
copo Bellini  und  Cosimo  Tura)  308 


VERZEICHNIS  DER  KÜNSTLER 


Romano,  Gian  Cristoforo  (geb.  in 
Rom  um  1465,  gest.  15 12.  Haupt- 
tätigkeit in  Pavia,  Mailand,  Man- 
tua,  Ferrara,  Rom.  Medailleur  und 
Bildhauer.  Beeinflußt  von  Pisanello) 

39.  41  >  42 

Romano,  Giulio  (Giulio  di  Pietro 
Pippi  de'  Gianuzzi.  Rom,  1492  (?) 
bis  1546.  Schüler  und  Gehilfe  Raf- 
facls.  Hofmaler  in  Mantua)  285,  321 

Rosselli,  Cosimo  (Florenz,  1439  bis 
1507.  Schüler  des  Benozzo  Gozzoli) 
289 

Rosselino,  Antonio  (Antonio  di  Mat- 
teo  di  Domenico  Gambarelli. 
Schule  von  Florenz.  Geb.  in  Set- 
tignano  1427;  gest.  1478.  Beein- 
flußt von  Donatcllo)    199,  237 

Rusticci,  Giovanni  Francesco  (Flo- 
renz, 1474 — 1554.  Schüler  Verroc- 
chios  und  Leonardos  da  Vinci)  loi 

Sana  di  Pietro  (Siena,  1406 — 81. 
Schüler  des  Sassetta)   106,  173 

Sansovino,  Jacopo  (Jacopo  Tatti.  Flo- 
renz, Rom  und  Venedig,  i486  bis 
1570.  Bildhauer,  Schüler  des  An- 
drea Sansovino,  beeinflußt  von 
Michelangelo)  205 

Sebastiani  (Lazzaro  Bastiani.  Vene- 
dig, erwähnt  seit  1449,  gest.  1512. 
Aus  der  Schule  der  Vivarini,  beein- 
flußt von  GentileBeUini;  Lehrer  des 
Vittorc  Carpaccio)   167 

Sellajo,  Jacopo  del  (Florenz,  1442  bis 
1493.  Unter  dem  Einfluß  von  Bot- 
ticelli  und  Ghirlandajo)  261,278,334 

Serlio,  Sebastiano  (Bologna,  1475  bis 
1552.  Baumeister,  Verfasser  eines 
Werkes  über  die  Architektur)  294, 
295>  296 


VERZEICHNIS  DER  KÜNSTLER 


Settignano,  Desiderio  da  (Desiderio  di 
Bartolommeo  di  Francesco,  detto 
Ferro.  Florenz,  Schule  des  Dona- 
tello,  1428 — 1464.  Bildhauer)  341 

Signordli,  Luca  (Umbrisch-toskani- 
sche  Schule.  Schüler  des  Piero  della 
Francesca.  Cortona,  1441 — 1523. 
Haupttätigkeit  in  Loreto,  Rom, 
Siena,  Orvieto)   174,  411 

Solario,  Andrea  (Mailand,  ±  1465  bis 
nach  1515.  Beeinflußt  von  Anto- 
nello  da  Messina  und  Leonardo  da 
Vinci)  26 

Sperandio  (S.  di  Bartolommeo  di 
Sperandio.  Mantua,  ca.  1425  bis 
1495.  Haupttätigkeit  in  Mantua, 
Ferrara,  Bologna.  Medailleur  und 
Bildhauer)    10 

Stradano,  Giovanni  (Jan  van  Straet. 
Schüler  des  Vasari.  1523- — 1605) 
102,   103,   104,   183,  309 

Tiepolo,  Giovanni  Battista  (Venezia- 
nische Schule.  1696 — 1770.  Unter 
dem  Einfluß  der  Werke  des  Paolo 
Veronese.  Maler  und  Radierer)  364 

Tintoretto  (Jacopo  Robusti.  Venedig, 
1518 — 1594.  Schüler  Tizians;  unter 
dem  Einfluß  von  Michelangelo)  249 

Tizian  (Tiziano  Vecellio.  Venezia- 
nische Schule.  Geb.  1477  (?)  zu 
Pieve  di  Cadore,  gest.  zu  Venedig 
1576.  Schüler  des  Giovanni  Bcllini; 
beeinflußt  von  Giorgione.  Tätig 
auch  in  Rom  und  Augsburg)  14,  15, 
16,  18,  19,  131,  158,  240,  246,  247, 
305>  338,  339>  420 


691 

Uccelio,  Paolo  (Paolo  di  Dono. 
Florenz,  1397 — 1475.         Gold- 

schmied,    Bildhauer,     Maler)     66, 
87>  299 

Vasari,  Giorgio  (Florenz,  151 1 — 1574. 
Maler,  Baumeister,  Kunstschrift- 
steller. Unter  dem  Einfluß  von  An- 
drea del  Sarto,  Bandinelli,  Sal- 
viati,  Michelangelo)  88,  8g,  100, 
130 

Veronese  (Paolo  Caliari.  Venedig, 
1528 — 1588.  Geboren  in  Verona, 
Schüler  des  Antonio  Badile,  un- 
ter dem  Einfluß  von  Brusasorci 
und    Tizian)    113,    120,    328,    333, 

350 

Verrocchio  (Andrea  di  Michele  de' 
Cioni.  Florenz,  1435 — 1488.  Bild- 
hauer, anfangs  Goldschmied;  Maler. 
Tätig  in  Florenz,  Rom,  Venedig) 
70,  71 

Vico,  Enea  (Parma,  1523 — 1567.  Kup- 
ferstecher) 252 

VoUalina,  Laiirentius  de  (Buchmaler, 
15.  Jh.)  200 

Ziicchero,  Federigo  (Federico  Zuc- 
cari.  Umbrische  Schule.  Geboren  in 
Sant'  Angelo  Vado,  gest.  1609)  138, 

175 
Zucchero,  Taddeo  (Zuccari.  Um- 
brische Schule.  1529 — 1566.  Bruder 
des  Federigo  Zucchero.  Manierist, 
unter  dem  Einfluß  Michelangelos 
und  Raffaels.  Haupttätigkeit  in 
Caprarola  und  Rom)    138 


Italienische  Küche  zu  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts 

Holzschnitt  aus  Mc-ssisburgo,  Bauchclli,  composilioni  di  vivando,  Ferrara  1549 


INHALTSÜBERSICHT 

Erster  A  bschnitt 
DER  STAAT  ALS  KUNSTWERK 

Seite 

EINLEITUNG 1 

Politischer  Zustand  Italiens  im   13.  Jahrhundert i 

Der  Normannenstaat  unter  Friedrich  II 2 

Ezzelino  da  Romano 3 

TYRANNIS  DES  14.  JAHRHUNDERTS 4 

Finanzielle  Grundlage  und  Verhältnis  zur  Bildung 4 

Das  Ideal  des  absoluten  Herrschers 4 

Innere  und  äußere  Gefahren 5 

Urteil  der  Florentiner  über  die  Tyrannen 6 

Die  Visconti  bis  auf  den  vorletzten 7 

TYRANNIS  DES  15.  JAHRHUNDERTS 8 

Intei-ventionen  und  Reisen  der  Kaiser       9 

Ihre  Ansprüche  in  Vergessenheit 1 1 

Mangel  eines  festen  Erbrechtes;  illegitime  Erbfolgen ii 

Condottieren  als  Staatengründer I2 

Ihr  Verhältnis  zum  Brotherrn 12 

Die  Familie  Sforza 13 

Aussichten  und  Untergang  des  jungem  Piccinino 14 

Spätere  Versuche  der  Condottieren 15 

DIE  KLEINEN  TYRANNIEN        16 

Die  Baglionen  von  Perugia 16 

Ihre  innere  Zwietracht  und  die  Bluthochzeit  des  Jahres   1500 18 

Ihr  Ausgang 19 

Die  Häuser  Malatesta,  Pico  und  Petrucci 20 

DIE   CRÖSSERN  HERRSCHERHÄUSER 20 

Die  Aragonesen  von  Neapel 20 

Der  letzte  Visconti  von  Mailand 22 

Francesco  Sforza  und  sein  Glück 23 

Galeazzo  Maria  und  Lodovico  Moro 24 

Die  Gonzagen  von  Mantua « 26 

Federigo  da  Montefeltro,  Herzog  von  Urbino 27 

Letzter  Glanz  des  urbinatischcn  Hofes 27 

Die  Este  in  Ferrara;  Ilausgreuel  und  Fiskalität 28 

Ämterverkauf ,  Ordnung  und  Bauten 29 

Persönliche  Virtuosität 30 

Loyalität  der  Residenz 30 

Der  Polizeidirektor  Zampante 31 


694  INHALTSVERZEICHNIS 

Seite 

Teilnahme  der  Untertanen  an  fürstlicher  Trauer 31 

Pomp  des  Hofes 32 

Das  estensische  Mäzenat 33 

DIE  GEGNER  DER  TYRANNIS 33 

Die  spätem  Guclfen  und  Ghibellinen 33 

Die  Verschwörer 34. 

Die  Ermordungen  beim  Kirchgang 34 

Einwirkung  des  antiken  Tyrannenmordes 35 

Die  Catilinarier 35 

Florentinische  Ansicht  vom  Tyrannenmord 36 

Das  Volk  im  Verhältnis  zu  den  Verschwörern 36 

DIE  REPUBLIKEN 37 

VENEDIG  IM  15.  JAHRHUNDERT 38 

Die  Einvvohner 3g 

Der  Staat  und  die  Gefahr  durch  den  armen  Adel 39 

Ursachen  der  Unerschütterlichkeit 40 

Der  Rat  der  Zehn  und  die  politischen  Prozesse 40 

Verhältnis  zu  den  Condottieren 41 

Optimismus  der  auswärtigen  Politik 42 

Venedig  als  Heimat  der  Statistik 42 

Verzögerung  der  Renaissance 44 

Verspätete  Reliquienandacht 44 

FLORENZ  SlilT  DEM  14.  JAHRHUNDERT 45 

Objektivität  des  politischen  Bewußtseins 45 

Dante  als  Politiker 46 

Florenz  als  Heimat  der  Statistik;  die  Villani 47 

Die   Statistik  der  höhern   Interessen 48 

Die  Verfassungsformen  und  die  Geschichtschreiber 49 

Das  Grundübel  des  toskanischen  Staates 50 

Die  Staatskünstler 50 

Machiavelli  und  sein  Verfassungsprojekt 51 

Siena  und  Genua 52 

AUSWÄRTIGE  POLITIK  DER  ITALIENISCHEN  STAATEN         53 

Der  Neid  gegen  Venedig 53 

Das  Ausland;  die  Sympathien  für  Frankreich 54 

Versuch  eines  Gleichgewichts 54 

Intervention  und  Eroberung 55 

Verbindungen  mit  den  Türken 55 

Die  Gegenwirkung  Spaniens 56 

Objektive  Behandlung  der  Politik 57 

Kunst  der  Unterhandlung 57 

DER  KRIEG  ALS  KUNSTWERK 58 

Die  Feuerwaffen 58 

Kennerschaft  und  Dilettantismus 59 

Kriegsgreuel 59 

DAS  PAPSTTUM  UND  SEINE  GEIAHREN 60 

Stellung  zum  Ausland  und  zu  Italien 61 

Römische  Unruhen  seit  Nikolaus  V 61 

Sixtus  IV.  als  Herr  von  Rom 62 


INHALTSVERZEICHNIS  695 

Seite 

Pläne  des  Kardinals  Pietro  Riario 62 

Der  Nepotenstaat  in  der  Romagna 63 

Die  Kardinäle  aus  Fürstenhäusern 63 

Innocenz  VIII.  und  sein  Sohn 64 

Alexander  VI.  als  Spanier 65 

Verhältnis  zum  Ausland,  und  Simonie 66 

Cesare  Borgia  und  sein  Verhältnis  zum  Vater 67 

Seine  letzten  Absichten 67 

Drohende  Säkularisation  des  Kirchenstaates 68 

Das  Irrationelle  in  den  Alitteln 68 

Die  Ermordungen 69 

Die  letzten  Jahre 69 

Julius  II.  als  Retter  des  Papsttums 71 

Wahl  Leos  X 71 

Seine  gefährlichen  politischen  Pläne 71 

Wachsende  Gefahren  von  außen 72 

Hadrian  VI 72 

Clemens  VII.  und  die  Verwüstung  von  Rom 73 

Folgen  derselben  und  Reaktion 73 

Versöhnung  Karls  \'.  mit  dem  Papste 74 

Das  Papsttum  der  Gegenreformation 74 

DAS  ITALIEN  DER  PATRIOTEN 75 


Zweiter  A  bschnitt 
ENTWICKLUNG  DES  INDIVIDUUMS 

DER  ITALIENISCHE  STAAT  UND  DAS  INDIVIDUUM 76 

Der  Mensch  des  Mittelalters 76 

Das  Erwachen  der  Persönlichkeit 76 

Der  Gewaltherrscher  und  seine  Untertanen 77 

Der  Individualismus  in  den  Republiken 78 

Das  Exil  und  der  Kosmopolitismus 78 

DIE  VOLLENDUNG  DER  PERSÖNLICHKEIT 79 

Die  Vielseitigen 7g 

Die  Allseitigen ;  Leonbattista  Alberti 80 

DER  MODERNE  RUHM 82 

Dantes  Verhältnis  zum  Ruhm 82 

Die  Zelebrität  des  Humanisten;  Petrarca 83 

Kultus  der  Geburtshäuser 83 

Kultus  der  Gräber 84 

Kultus  der  berühmten  Mäimer  des  Altertums 84 

Literatur  des  örtlichen  Ruhmes;  Padua 85 

Literatur  des  allgemeinen  Ruhmes 86 

Der  Ruhm  von  den  Schriftstellern  abhängig 86 

Die  Ruhmsucht  als  Leidenschaft 87 

DER  MODERNE  SPOTT  UND  WITZ 88 

Sein  Zusammenhang  mit  dem  Individualismus 88 

Der  Hohn  der  Florentiner;  die  Novelle 89 


696  INHALTSVERZEICHNIS 

Seite 

Die  Witzmacher  und  Buffonen 89 

Die  Spaße  Leo  X 90 

Die  Parodie  in  der  Dichtung 91 

Theorie  des  Witzes 91 

Die  Lästerung 92 

Hadrian  VL  als  ihr  Opfer 93 

Pietro  Aretino 94 

Seine  Publizistik 95 

Sein  Verhältnis  zu  den  Fürsten  und  Zelebritäten 95 

Seine  Religion 96 


Dritter  Abschnitt 
DIE  WIEDERERWECKUNG  DES  ALTERTUMS 

VORBEMERKUNGEN       98 

Ausdehnung  des  Begriffs  Renaissance 98 

Das  Altertum  im  Mittelalter 99 

Sein  frühes  Wiedererwachen  in   Italien 99 

Lateinische  Poesie  des   12.  Jahrhunderts 100 

Der  Geist  des   14.  Jahrhunderts 100 

DIE  RUINENSTADT  ROM        lOl 

Dante,  Petrarca,  Uberti loi 

Die  vorhandenen  Ruinen  zur  Zeit  Poggios 102 

Blondus,  Nikolaus  V.,  Pius  II 103 

Das  Altertum  außerhalb  Roms 104 

Städte  und  Familien  von  Rom  hergeleitet 104 

Stimmung  und  Ansprüche  der  Römer 104 

Die  Leiche  der  Julia 105 

Ausgrabungen  und  Aufnahmen 105 

Rom  unter  Leo  X 106 

Ruinensentimentalität 106 

DIE  ALTEN  AUTOREN IO7 

Ihre  Verbreitung  im   14.  Jahrhundert 107 

Entdeckungen  des   15.  Jahrhunderts 107 

Die  Bibliotheken,  Kopisten  und  Skriptoren 108 

Der  Bücherdruck Iio 

Übersicht  des  griechischen  Studiums m 

Orientalische  Studien m 

Picos  Stellung  zum  Altertum 112 

DER  HUMANISMUS   IM   14.   JAHRHUNDERT 112 

Unvermeidlichkeit  seines  Sieges 113 

Teilnahme  des  Dante,  Petrarca  und  Boccaccio 114 

Letzterer  als  Vorkämpfer 114 

Die  Poetenkrönung 115 

UNIVERSITÄTEN  UND  SCHULEN Il6 

Der  Humanist  als  Professor  im   is-Jahrh 117 

Nebenanslalten 118 

Die  höhere  freie  Erziehung;  Vittorino 118 

Guarino  in  Ferrara 119 

Prinzenerzichung 119 


INHALTSVERZEICHNIS  ßgj 

Seile 
DIE  FÖRDERER  DES  HUMANISMUS 1 20 

Florentinische  Bürger;  Niccoli 120 

Mannetti ;  die  früheren  Medici 121 

Fürsten;  die  Päpste  seit  Nicolaus  V 123 

Alfons  von  Neapel 125 

Federigo  von  Urbino 126 

Die  Sforza  und  die  Este 126 

Sigismondo  Malatesta 127 

REPRODUKTION  DES  ALTERTUMS.  EPISTOLOGRAPHIE        128 

Die  päpstliche  Kanzlei 12S 

Wertschätzung  des  Briefstils 129 

DIE  LATEINISCHE  REDE 129 

Gleichgültigkeit  über  den  Stand  des  Redners 130 

Feierliche  Staats-  und  Empfangsreden 130 

Leichenreden 131 

Akademische  und  Soldatenreden 131 

Die  lateinische  Predigt 132 

Erneuerung  der  antiken  Rhetorik 132 

Form  und  Inhalt;  das  Zitieren 133 

Fingierte  Reden 134 

Verfall  der  Eloquenz 134 

DIE  LATEINISCHE  ABHANDLUNG 135 

DIE  GESCHICHTSCHREIBUNG 135 

Relative  Notwendigkeit  des  Lateinischen 136 

Forschungen  über  das  Mittelalter;  Blondus 137 

Anfänge  der  Kritik 138 

Verhälmis  zur  italienischen  Geschichtschreibung 138 

ALLGEMEINE  LATINISIERUNG  DER  BILDUNG 139 

Die  antiken  Namen 139 

Latinisierte  Lebensverhältnisse 140 

Ansprüche  auf  Alleinherrschaft 140 

Cicero  und  die  Ciceronianer 141 

Die  lateinische  Konversation 142 

DIE  NEULATEINISCHE  POESIE I43 

Das  Epos  aus  der  alten  Geschichte;  die  Africa 143 

Mythendichtung 144 

Christliches  Epos;  Sannazaro 145 

Zeitgeschichtliche  Poesie 146 

Einmischung  der  Mythologie 146 

Didaktische  Poesie;  Palingenius 147 

Die  Lyrik  und  ihre  Grenzen 148 

Oden  auf  Heilige 149 

Elegien  und  ähnliches 149 

Das  Epigramm 150 

Macaronische  Poesie 152 

STURZ  DER  HUMANISTEN  IM  16.  JAHRHUNDERT 152 

Die  Anklagen  und  das  Maß  ihrer  Schuld 152 

Ihr  Unglück 156 

Das  Gegenbild  der  Humanisten 157 

Pomponius  Laetus 157 

Die  Akademien 158 


698  INHALTSVERZEICHNIS 

Vierter  Abschnitt 
DIE  ENTDECKUNG  DER  WELT  UND  DES  MENSCHEN 

Seite 

REISEN  DER  ITALIENER 160 

Columbus 161 

Verhältnis  der  Kosmographie  zu  den  Reisen 161 

DIE  NATURWISSENSCHAFT  IN  ITALIEN 162 

Richtung  auf  die  Empirie 162 

Dante  und  die  Sternkunde 163 

Einmischung  der  Kirche 163 

Einwirkung  des  Humanismus 164 

Botanik;  die  Gärtner 164 

Zoologie;  die  Sammlungen  fremder  Tiere 165 

Das  Gefolge  des  Ippolito  Medici;  die  Sklaven 166 

ENTDECKUNG  DER  LANDSCHAFTLICHEN   SCHÖNHEIT 166 

Die  Landschaft  im  Mittelalter 167 

Petrarca  und  die  Bergbesteigung 168 

Der  Dittamondo  des  Uberti 169 

Die  flandrische  Malerschule 170 

Aeneas  Sylvias  und  seine  Schilderungen      170 

ENTDECKUNG  DES  MENSCHEN 173 

Psychologische  Notbehelfe;  Temperamente 173 

GEISTIGE  SCHILDERUNG  IN  DER  POESIE 174 

Wert  der  reimlosen  Verse 175 

Wert  des  Sonettes 175 

Dante  und  seine  Vita  nuova 176 

Seine  Divina  Commedia 177 

Petrarca  als  Seelcnschildcrcr 177 

Boccaccio  und  die  Fiammctta 178 

Geringe  Entwicklung  der  Tragödie 179 

Die  Pracht  der  Aufführung  als  Feindin  des  Dramas 180 

Intermezzi  und  Ballett 180 

Komödie  und  Maskenkomödie 182 

Ersatz  durch  die  Musik 183 

Das  romantische  Epos 183 

Notwendige  Unterordnung  der  Charaktere 183 

Pulci  und  Bojardo      184 

Das  innere  Gesetz  ihrer  Komposition 185 

Ariosto  und  sein  Stil 186 

Folengo  und  die  Parodie       187 

Tasso  als  Gegensatz 188 

DIE  BIOGRAPHIK 188 

Fortschritt  der  Italicner  gegenüber  dem  Mittelalter 189 

Toskanische  Biographien 189 

Andere  Gegenden  Italiens 190 

Die  Selbstbiographic;  Aeneas  Sylvius 191 

Benvenuto  Ccllini 192 

Girolamo  Cardano      192 

Luigi  Cornaro 193 


INHALTSVERZEICHNIS  ßoQ 

Seite 
CHARAKTERISTIK  DER  VÖLKER  UND  STÄDTE I95 

Der  Dittamondo 196 

Schilderungen  aus  dem  16.  Jahrhundert 196 

SCHILDERUNG  DES  AUSSEREN  MENSCHEN I97 

Die  Schönheit  bei  Boccaccio 197 

Das  Schönheitsideal  des  Firenzuola 198 

Seine  allgemeinen  Definitionen 199 

SCHILDERUNG  DES  BEWEGTEN  LEBENS 200 

Aeneas  Syh'ius  und  andere 201 

Konventionelle  Bukolik  seit  Petrarca 201 

Wirkliche  Stellung  der  Bauern 201 

Echte  poetische  Behandlung  des  Landlebens 201 

Battista  Mantovano,  Lorenzo  magnifico,  Pulci 202 

Angelo  Poliziano 203 

Die  Menschheit  und  der  Begriff  des  Menschen 203 


Fünfter  Abschnitt 
DIE  GESELLIGKEIT  UND  DIE  FESTE 

DIE  AUSGLEICHUNG  DER  STANDE 205 

Gegensatz  zum  Mittelalter 205 

Das  Zusammenwohnen  in  den  Städten 205 

Theoretische  Negation  des  Adels 206 

Verhalten  des  Adels  nach  Landschaften 207 

Seine  Stellung  zur  Bildung 207 

Die  spätere  Hispanisierung  des  Lebens 208 

Die  Rittersvürde  seit  dem  Mittelalter 208 

Die  Turniere  und  ihre  Karikaturen 209 

Der  Adel  als  Requisit  der  Hofleute 209 

ÄUSSERE  VERFEINERUNG  DES  LEBENS 2IO 

Kleidung  und  Moden 210 

Toilettenmittel  der  Frauen 211 

Die  Reinlichkeit 2I2 

Der  Galateo  und  die  gute  Lebensart 213 

Bequemlichkeit  und  Eleganz 213 

DIE  SPRACHE  ALS  BASIS  DER  GESELLIGKEIT 214 

Ausbildung  einer  Idealsprache 214 

Weite  Verbreitung  derselben 215 

Die  extremen  Puristen 215 

Ihr  geringer  Erfolg 216 

Die  Konversation 217 

DIE  HÖHERE  FORM  DER  GESELLIGKEIT 2l8 

Übereinkommen  und  Statuten 218 

Die  Novellisten  und  ihr  Auditorium 218 

Die  großen  Damen  und  die  Salons 219 

Florentinische  Geselligkeit 219 

Lorenzo  als  Schilderer  seines  Kreises 220 


yOO  INHALTSVERZEICHNIS 

Seite 

DER  VOLLKOMMENE  GESELLSCHAFTSMENSCH 230 

Seine  Liebschaft 221 

Seine  äußeren  und  geistigen  Fertigkeiten 221 

Die  Leibesübungen 221 

Die  Musik 222 

Die   Instrumente  und  das  Virtuosentum 222 

Der  Dilettantismus  in  der  Gesellschaft 223 

STELLUNG  DER  FRAU 224 

Ihre  männliche  Bildung  und  Poesie 224 

Vollendung  ihrer  Persönlichkeit 225 

Die  Virago 226 

Das  Weib  in  der  Gesellschaft 226 

Die  Bildung  der  Buhlerinnen      226 

DAS  HAUSWESEN 227 

Gegensatz  zum  Mittelalter 228 

Agnolo  Pandolfini 228 

Die  Villa  und  das  Landleben 229 

DIE  FESTE 229 

Ihre  Grundformen,  Mysterium  und  Prozession 230 

Vorzüge  gegenüber  dem  Ausland 231 

Die  Allegorie  in  der  italienischen  Kunst 231 

Historische  Repräsentanten  des  Allgemeinen 232 

Die  Mysterienaufführungen 233 

Fronleichnam  in  viterbo 235 

Weltliche  Aufführungen 235 

Pantomimen  und  Empfang  von  Fürsten 236 

Bewegte  Züge ;  geistliche  Trionfi 237 

Weltliche  Trionfi 239 

Festzüge  zu  Wasser 241 

Karneval  in  Rom  und  Florenz 242 


Sechster  Abschnitt 
SITTE  UND  RELIGION 

DIE  MORALITÄT 244 

Grenzen  des  Urteils 244 

Bewaißtsein  der  Demoralisation 245 

Das  moderne  Ehrgefühl 246 

Herrschaft  der  Phantasie 247 

Spielsucht  und  Rachsucht 247 

Verletzimg  der  Ehe 251 

Sittliche  Stellung  der  Frau 252 

Die  vergeistigte  Liebe 255 

Der  allgemeine  Frevelsinn 256 

Räuberwesen 257 

Der  bezahlte  Mord ;  die  Vergiftungen 258 

Die  absoluten   Bösewichter 260 

Verhältnis  der  Sittlichkeit  zum  Individualismus 261 


INHALTSVERZEICHNIS  ^OI 

Seite 

DIE  RELIGION  IM  TAGLICHEN  LEBEN 202 

Mangel  einer  Reformation 262 

Stellung  der  Italiener  zur  Kirche 263 

Haß  gegen  Hierarchie  und  Mönchtum 264 

Die  Bettelmönche 264 

Die  dominikanische  Inquisition 266 

Die  hohem  Orden 266 

Gewöhnung  der  Kirche  und  ihre  Segnungen 268 

Die  Bußprediger 269 

Girolamo  Savonarola 273 

Das  Heidnische  im  Volksglauben 278 

Der  Reliquienglaube 279 

Der  Mariendienst       280 

Schwankungen  im  Kultus 281 

Große  Bußepidemien 281 

Deren  polizeiliche  Regelung  in  Ferrara 282 

DIE  RELIGION  UND  DER  GEIST  DER  RENAISSANCE 284 

Notwendige  Subjektivität 285 

Weltlichkeit  des  Geistes 285 

Toleranz  gegen  den  Islam 286 

Berechtigung  aller   Religionen 286 

Einwirkung  des  Altertums 287 

Sogenannte   Epikureer 288 

Die   Lehre   vom  freien  Willen 289 

Die  frommen   Humanisten 290 

Mittlere   Richtung  der  Humanisten 290 

Anfänge  der   Kritik  des  Heiligen 292 

Fatalismus  der  Humanisten 292 

Ihre  heidnischen  Äußerlichkeiten 294 

VERFLECHTUNG  VON  ANTIKEM  UND  NEUEREM  ABERGLAUBEN 294 

Die  Astrologie 295 

Ihre  Verbreitung  und  ihr  Einfluß 295 

Ihre  Gegner  in  Italien 299 

Picos  Widerlegung  und  deren  Wirkung 300 

Verschiedene  Superstitionen 301 

Aberglaube  der  Humanisten 302 

Gespenster  der  Verstorbenen 303 

Dämonenglaube 304 

Die  italienische  Hexe 305 

Das  Hexenland  bei  Norcia 306 

Einmischung  und  Grenzen  des  nordischen  Hexenwesens 307 

Zauberei  der  Buhlerinnen 308 

Der  Zauberer  und  Beschwörer 309 

Die  Dämonen  auf  der  Straße  nach  Rom 309 

Einzelne  Zaubergattungen;  die  Telesmata 310 

Magie  bei  Grundsteinlegungen 312 

Der  Nekromant  bei  den  Dichtem 312 

Zaubergeschichte  der  Benvenuto  Cellini 313 

Abnahme  des  Zauberwesens 314 

Nebengattungen  desselben,  Alchymie 314 


702  INHALTSVERZEICHNIS 

Seite 

ERSCHÜTTERUNG  DES  GLAUBENS  ÜBERHAUPT 316 

Die  Beichte  der  Boscoli 316 

Religiöse  Konfusion  und  allgemeiner  Zweifel 317 

Streit  über  die  Unsterblichkeit 318 

Der  Heidenhimmel 319 

Das  homerische  Jenseits 320 

Verflüchtigung  der  christlichen  Lehren 320 

Der  italienische  Theismus 321 

ANMERKUNGEN 324 

GENAUE  TITELANGABE  EINIGER  HÄUFIGER  ZITIERTER  WERKE 378 

NACHWORT  VON  WILHELM  WAETZOLDT 381 

REGISTER 409 

DIE  KULTUR  DER  RENAISSANCE  IN  BILDERN 

Bilderfolge 417 

Verzeichnis  der  Abbildungen 657 

Anmerkung  zu  den  Bildern 677 

Verzeichnis  der  Standorte 681 

Verzeichnis  der  Künstler 685 


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